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Beiträge verschlagwortet als “Bhopal”

[Neon] Pharmatests in Indien

CBG Redaktion

Neon, März 2012

Arme Schlucker

Die großen Pharmafirmen haben das perfekte Land für ihre Medikamentenstudien gefunden: Indien. Das spart Geld - aber es kostet Leben.

Unter dem Vorwand einer Schutzimpfung landet ein zwei Tage altes Baby in einer Medikamentenstudie. Die beinahe tödlichen Nebenwirkungen schiebt der behandelnde Arzt auf die falsche Seife. Unser Autor Felix Hutt hat herausgefunden, warum Indien das Paradies für die Pharmaindustrie ist.

Die Zeitschrift Neon greift in seiner aktuellen Ausgabe eine Kampagne der CBG auf. Der Autor dokumentiert mehrere Todesfälle, die in der indischen Stadt Bhopal durch Medikamenten-Versuche westlicher Konzerne verursacht wurden - ausgerechnet am Bhopal Memorial Hospital & Research Centre, das zur Behandlung der Opfer der Giftgas-Katastrophe von 1984 errichtet wurde.

Die Teilnehmer an diesen Menschenversuchen werden nicht über die Risiken aufgeklärt. Sie erfahren noch nicht einmal, dass sie an klinischen Studien teilnehmen.

Der elfseitige Artikel dokumentiert Versuche der Firmen AstraZeneca, Pfizer und GlaxoSmithKline. Zur Rolle des BAYER-Konzerns heißt es: Bayer zahlte in fünf Fällen jeweils 250.000 Rupien, das sind etwas mehr als 3.500 Euro pro Verstorbenem. Ärzte werden nicht bestraft, weil es dafür kein Gesetz und keinen Strafenkatalog gibt, und ihre Opfer ziehen nicht vor Gericht.

Zur Zahl der Todesfälle heißt es: Dr. Chandra Gulhati hält dieZahl der 1722 Toten für viel zu niedrig. „Es sind viel mehr, weil die meisten Toten gar nicht gemeldet werden“, sagt er. „Die Ärzte schreiben sie als normale Tote ab. Die Angehörigen wissen gar nicht, dass ihre Verstorbenen Teil einer Studie waren. Es wird nicht ermittelt, es finden keine Obduktionen statt, um die Todesursache festzustellen. Und selbst wenn: Einen Anwalt können sich die Opfer natürlich auch nichtleisten“.

Der Markt ist riesig. Nach Recherchen von Neon finden in Indien derzeit 1.900 Studien mit 150.000 Probanden statt. Westliche Unternehmen zahlten hierfür im vergangenen Jahr rund eine halbe Milliarde Euro. Bis zu 60% der Kosten für ein neues Medikament lassen sich sparen, wenn die Studien in Schwellenländer ohne staatliche Kontrollen verlagert werden.

Der vollständige Artikel

alle Infos zur Kampagne

[Offener Brief] Bhopal mahnt!

CBG Redaktion

OFFENER BRIEF

Offener Brief
an den Vorstandsvorsitzenden Werner Baumann
und die zuständigen Stellen des BAYER-Konzerns

Am 3. Dezember erinnern wir uns an den bisher größten Chemie-Unfall aller Zeiten, der sich vor 35 Jahren im indischen Bhopal ereignete. Dort starben bei der Explosion einer Pestizid-Fabrik von UNION CARBIDE allein in den ersten drei Tagen 8.000 Inder*innen. Und an den Spätfolgen der Detonation, die Methylisocynat (MIC) und andere Chemikalien freisetzte, leiden bis heute Millionen Menschen.

Damals hatten die Behörden der Stadt BAYER um Unterstützung gebeten, da der Konzern umfassende Kenntnisse über die Wirkung von MIC auf den menschlichen Organismus besaß. Aber Ihr Unternehmen weigerte sich ebenso wie UNION CARBIDE, dieser Bitte nachzukommen. Der renommierte Toxikologe Dr. Max Daunderer, der als einer der wenigen Expert*innen in Bhopal half, berichtete gar nach seiner Rückkehr, dass Beschäftigte von BAYER vor Ort Feldstudien betrieben, ohne sich an den Rettungsarbeiten zu beteiligen.

Siebzehn Jahre später übernahm BAYER das Bhopal-Schwesterwerk in den USA vom „UNION CARBIDE“-Neubesitzer DOW CHEMICAL. Gleich nach der Chemie-Katastrophe von 1984 versicherte UNION CARBIDE zwar, die MIC-Produktion in Institute laufe ganz anders ab als in Indien, und teilweise stimmte das sogar, aber die Fertigungsstätte wies noch genug gefährliche Familien-Ähnlichkeiten auf. Allein zwischen 1979 und 1984 traten 190 Leckagen auf; 28 Mal gelangte dabei MIC ins Freie.

Zum größten Knall aber kam es am 28. August 2008, als ein Vorratsbehälter in die Luft ging. Zwei Beschäftigte bezahlten das mit ihrem Leben. Von „Schockwellen wie bei einem Erdbeben“ sprachen Augenzeug*innen. „Die Explosion in dem BAYER-Werk war besonders beunruhigend, weil ein mehrere Tonnen wiegender Rückstandsbehälter 15 Meter durch das Werk flog und praktisch alles auf seinem Weg zerstörte. Hätte dieses Geschoss den MIC-Tank getroffen, hätten die Konsequenzen das Desaster in Bhopal 1984 in den Schatten stellen können“, hieß es später in einem Untersuchungsbericht des US-Kongresses. Der Report stellte schwerwiegende Sicherheitsmängel fest, weshalb BAYER eine Strafe von einer Million Dollar zahlen und zusätzlich 4,6 Millionen Dollar in die Anlagensicherheit stecken musste. Die Verantwortung des BAYER-Konzerns ist an dem Entwurf einer Internationalen Charta „Menschenrechte und Industriegefahren“ (verabschiedet 1994 in London) zu messen.

Aber nicht nur in Institute vernachlässigte BAYER Schutz-Maßnahmen, weil solche Investitionen von den Gewinnen abgehen. Exemplarisch zeigt sich diese Abwehrhaltung bei der Konzipierung von neuen Projekten. Vehement weigerte BAYER sich, die 2014 in Dormagen eingeweihte Anlage zur Produktion von TDI-Kunststoff mit einer Beton-Ummantelung zu schützen und den Abstand zu Wohnsiedlungen und Verkehrseinrichtungen zu vergrößern, obwohl im Fertigungsprozess das gefährliche Giftgas Phosgen zur Anwendung kommt. Nur dank des Engagements der Coordination und anderer Initiativen machten die Behörden Ihrem Unternehmen dann wenigstens zur Auflage, Detektoren aufzustellen, die bei einem Gas-Austritt anschlagen, und an der S-Bahn-Station „Dormagen BAYER-Werk“ einen Schutzraum einzurichten.
Am Skandalösesten zeigt sich die Ignoranz BAYERs Sicherheitsbedenken gegenüber jedoch bei den Kohlenmonoxid-Pipelines. So nahm er 2001 eine solche Leitung zum Transport des tödlichen Giftgases von Dormagen nach Leverkusen in Betrieb und baute ein solches Röhren-Werk auch zwischen Dormagen und Krefeld, die sicherere Möglichkeit einer Vorort-Produktion ignorierend.

Die Folgen einer solchen Geschäftspolitik lassen sich an BAYERs Störfall-Liste ablesen. Obwohl der Konzern sich inzwischen von der Chemie- und Kunststoff-Sparte und damit auch von den risiko-reichsten Fertigungsstätten getrennt hat, nehmen die Einträge kaum ab. So finden sich dort für das laufende Jahr schon drei „Umwelt-Ereignisse“, wie Ihr Unternehmen Störfälle beschönigend nennt: Ein Feuer in Bitterfeld, ein Brand in Dormagen und ein Austritt von Chinoloncarbon-Säure in Wuppertal.

Die UN hat den 35. Jahrestag der Katastrophe von Bhopal zum Anlass genommen, von der chemischen Industrie die Einhaltung der Menschenrechte zu fordern. „Bhopal: Die chemische Industrie muss die Menschenrechte respektieren“, ist die Pressemitteilung aus dem Büro des Hohen Kommissars für Menschenrechte“ (OHCHR) überschrieben. „Weiterhin ereignen sich vermeidbare Katastrophen, weil die chemische Industrie sich weigert, ihre Verantwortung für die Menschenrechte ernstzunehmen“, so Baskut Tuncak von der OHCHR zur Begründung. Konkret verweist er dabei auf Fabrik-Explosionen, die zahlreichen Menschen den Tod bringen und die Verletzung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit durch die Verseuchung von Wasser, Boden und Luft mit Giftstoffen. Angesichts der Unverbindlichkeit freiwilliger Selbstverpflichtungen tritt Tuncak für juristisch belastbare Regelungen für Chemie-Multis ein, die bei der Missachtung von Menschenrechten auch Sanktionen vorsehen.

Darum möchten wir von Ihnen, Herr Baumann, am heutigen 35. Jahrestag der Katastrophe von Bhopal wissen, ob Sie bereit wären, ein solches Reglement zu akzeptieren. Darüber hinaus haben wir noch weitere Fragen an Sie:

• Sehen Sie es als eine Verpflichtung der gesamten chemischen Industrie an, bei derart großen Unfällen wie in Bhopal zunächst gegenseitige Ersthilfe bei Unfallsbegrenzung, Opfer-Versorgung, Opfer-Entschädigung, Unfallfolgenminderung und Dekontamination zu leisten (als eine Art „Feuerwehr-Fonds“) und erst später nach Erledigung dieser vorrangigen Maßnahmen innerhalb der chemischen Industrie einen Abrechnungsmodus zu suchen?

• Welche Konsequenzen hat BAYER aus der Großexplosion von Institute im Jahr 2008 gezogen? Hat der Konzern die Sicherheit seiner Anlagen seither genauer überprüft und Maßnahmen getroffen?

• Gibt sich das Unternehmen mit seiner Störfall-Bilanz zufrieden oder sieht es weiteren Handlungsbedarf?

• BAYER hat im letzten Geschäftsbericht Angaben zu Leckagen und Stoff-Austritten nur mit der Quote „LoPC-IR“ gemacht und 0,09 Vorfälle pro 200.000 Arbeitsstunden aufgeführt. Das ist nur wenig erhellend. Deshalb möchten wir Sie bitten, Klartext zu sprechen und uns alle Störfälle des letzten Jahres zu nennen inklusive Informationen zu Art und Umfang der ins Freie gelangten Substanzen.

• Weltweit schätzt die chemische Industrie Kohlenmonoxid als so gefährlich ein, dass dieses Gas nur dort synthesiert wird, wo es sofort für die Weiterverarbeitung (z. B. Polycarbonat-Kunststoffe) verbraucht wird. Sehen Sie sich als Unternehmen, das 7,5 Prozent der Geschäftsanteile des nunmehrigen CO-Betreibers COVESTRO hält, in der Pflicht, Ihren Einfluss auf die Firma dahingehend geltend zu machen, dass die COVESTRO sich zukünftig an dieses bewährte Sicherheitsprinzip hält und eine Vorort-Produktion aufbaut?

Düsseldorf, 03. Dezember 2019
Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG)
Vorstand
Uwe Friedrich/Brigitte Hincha/Axel Köhler-Schnura/Jan Pehrke

[Vorwort] Vorwort

CBG Redaktion

„Wir haben umfassende Beispiele industrieller Gefahren für Mensch und Umwelt gesammelt. Aus diesen Erfahrungen müssen wir lernen, damit das Leid und der Tod der Opfer nicht vollständig umsonst gewesen ist.“
Aus dem Richterspruch des Permanent Peoples´ Tribunal zu
Industriellen Risiken, Bhopal, Indien, Oktober 1992

Das Permanent People`s Tribunal (PPT) ist ein internationaler, unabhängiger Gerichtshof, der mit 7-11 Richtern aus aller Welt und 50 weiteren Experten aus verschiedenen Gebieten besetzt ist. Das PPT ,der unmittelbare Nachfolger des Russel Tribunals, ist ein unabhängiges Forum, das Verstöße gegen Menschenrechte untersucht und Abhilfe herbeiführen will. Die Beschlüsse werden dem Generalsekretär der Vereinten Nationen sowie nationalen und internationalen Institutionen vorgelegt. In den letzten Jahren hat sich das Tribunal mit Menschenrechtsverstößen in Guatemala und anderen Ländern, strukturellen Problemen von Internationalem Währungsfonds und Weltbank sowie der Legalität der Eroberung Amerikas befaßt.

Das PPT ist besorgt wegen der Häufigkeit und Gefährlichkeit kleiner und großer Industrieunfälle. Die Städte Seveso, Tschernobyl, Bhopal und Basel wurden Symbole für die Gefahren, die von industrieller Produktion ausgehen. Daher befaßt sich das PPT mit mangelnden nationalen und internationalen Vorsichtsmaßnahmen gegenüber industriellen Risiken, dem uneffektiven Katastrophenschutz, fehlendem medizinischem und juristischem Schutz sowie mit solchen nationalen Gesetzgebungen, die die Verantwortlichen für Industriegefahren schonen und die Umwelt nicht wirksam schützen.

Das Permanent People´s Tribunal on Industrial Hazards and Human Rights hat sich seit 1991 zu vier Sitzungen in New Haven, Bangkok, Bhopal und London getroffen mit dem Ziel, Rechte auf Leben, Gesundheit, Sicherheit, Umweltschutz und Schadensbegrenzung gegenüber gefährlichen Produktionsbedingungen zu definieren. Nach vierjährigen Beratungen wurde am 2. Dezember 1994, dem zehnten Jahrestag der Katastrophe von Bhopal, ein vorläufiger Entwurf einer Charta verabschiedet, die die Rechte gegenüber Gefahren von industrieller Produktion festlegt. Nachdem ein weiteres Jahr Kommentare und Ergänzungen gesammelt wurden, wurde 1996 die vorliegende Endversion veröffentlicht.

Die vorliegende Charta orientiert sich an der Erklärung der Menschenrechte, der Erklärung der Völkerrechte, dem Internationalen Abkommen über Bürgerrechte, dem Internationalen Abkommen über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, der Konvention über die Rechte des Kindes und der Wiener Erklärun/g zu Menschenrechtsfragen. Außerdem wurde die Charta angelehnt an die Rio Erklärung zu Umwelt und Entwicklung, die Agenda 21, den Entwurf der Erklärung der Rechte von indigenen Völkern und verschiedenene Konventionen und Empfehlungen der International Labour Organisation.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren, die seit1979 den multinationalen BAYER-Konzern beobachtet, beteiligte sich bei der Entstehung der Charta. Die vorliegende zweisprachige Broschüre soll helfen, die Ergebnisse der Konferenz national und international zu verbreiten. Darin enthalten sind auch zwei Beispiele, die die Kritik an BAYER als Beispiel eines multinationalen Konzerns dokumentieren.

Wir unterstützen die Forderung des PPT nach neuen internationalen Regelungen zur Prävention und Minderung von industriellen Risiken. Ein schnelles Handeln ist erforderlich, um Mensch und Umwelt wirkungsvoll zu schützen!

Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V.

[Links] Bhopal mahnt!

CBG Redaktion

Die Arbeit der CBG zum Thema Bhopal im Überblick

Die Kampagne Bhopal mahnt

Das Stichwort BAYER zu 30 jahre Bhopal

Aktionen bei BAYER in Leverkusen anlässlich des 25 jährigen Jahrestages der Katastrophe

Pressemitteilung der CBG anlässlich 15 Jahren Bhopal

In unserem offenen Brief nehmen wir auch auf diese Anlage Bezug.

Die Charta für Menschenrechte und Industrielle Gefahren

Aus Anlass des 10. Jahrestags der Bhopal-Katastrophe wurde vom 30. November bis 2. Dezember 1994 in London ein Tribunal aus fünf internationalen Richtern abgehalten. Das Permanent Peoples’ Tribunal (PPT) für Menschenrechte und Industrielle Gefahren hörte Aussagen und Empfehlungen von Spezialist*innen, Opferverbänden, Interessensgruppen und Einzelpersonen bezüglich der Auswirkun-gen von riskanten Produktionen auf Arbeiter*innen, Allgemeinheit und Umwelt sowie fehlender Wie-dergutmachung für die Opfer. Dies war das vierte und letzte Tribunal des PPT bezüglich industrieller Gefahren und Menschenrechte, das zur Entwicklung der Charta für Menschenrechte und Industrielle Gefahren beisteuerte.

Lest den gesamten Text der Charta hier.

Bhopal

CBG Redaktion

30. November 1999

15 Jahre Chemie-Katastrophe in Bhopal:

Verletzung von Menschenrechten durch die Chemische Industrie

Amerikanische und deutsche Initiativen veröffentlichen anläßlich des 15. Jahrestags der Katastrophe von Bhopal/Indien die Studie “Beyond the Chemical Century: Restoring Human Rights”. Mit Hilfe von sieben Fallstudien wird aufgezeigt, wie Chemie-Konzerne die Umwelt verseuchen, demokratische Strukturen attackieren und Risiken verschweigen. Schwerpunkt der Studie ist die Mißachtung von Menschenrechten in allen Teilen der Welt.
Die Untersuchung soll eine Diskussion über die Kontrolle der chemischen Industrie initiieren. Behandelt werden u.a. die Themen Internationaler Giftmüll-Handel, Zerstörung der Ozonschicht, Gentechnik und Hormonelle Wirkungen von Chemikalien. Ein eigenes Kapitel dokumentiert die grausamen Menschenversuche, die im Dritten Reich im Auftrag der IG Farben durchgeführt wurden. Herausgeber der Studie sind die Organisationen Pestizid Aktions Netzwerk USA, Bhopal Action and Resource Center und Environmental Health Fund. Auf deutscher Seite tritt die Coordination gegen BAYER-Gefahren an die Öffentlichkeit.
In der Nacht vom 2. auf den 3. Dezember 1984 strömte Methyl Isocyanat aus einer Fabrik des Unternehmens Union Carbide in Bhopal. Bis heute starben mindestens 16.000 Menschen an den Folgen, eine halbe Million Menschen erlitt Gesundheits-Schäden. Die Opfer wurden von Union Carbide nie entschädigt, die medizinische Versorgung vor Ort ist ungenügend.