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Beiträge verschlagwortet als “BlackRock”

Ticker 2/18

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CBG auf „Wir haben es satt“-Demo!
Mit über 30.000 Menschen hatte die diesjährige „Wir haben es satt“-Demonstration weit mehr Zulauf als die von 2017. Die TeilnehmerInnen, die am 20. Januar 2018 nach Berlin kamen, unterstrichen damit noch einmal die Dringlichkeit einer Landwende. Sie traten für eine Landwirtschaft ein, die ohne Glyphosat & Co., Massentierhaltung, Antibiotika wie BAYERs BAYTRIL, Insektensterben, Land-Konzentration, Export-Orientierung und – last but not least – BAYSANTO auskommt. „Wir wollen, dass Demokratie sich gegen Konzern-Macht durchsetzt, weltweit“, hieß es in der Erklärung der Veranstalter. „Dämmen Sie die Markt-Konzentration von Großunternehmen ein, weil diese die Verwirklichung des Rechts auf Nahrung und eine positive ländliche Entwicklung bedroht“, forderten sie deshalb von den PolitikerInnen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) setzte dieses Thema in Berlin ebenfalls auf die Tagesordnung. „Stopp BAYER/MONSANTO“ war der Aufruf überschrieben, den CBG-AktivistInnen auf der ganzen Demo-Strecke verteilten.

CBG beim Kölner Rosenmontagszug
Die alternative Kölner Karnevalstruppe „Pappnasen Rot-Schwarz“ hatte für ihren diesjährigen Rosenmontagsbeitrag das offizielle Motto „Mer Kölsche danze us der Reih“ in „Mer klääve nit am Wachstumswaahn, mer danze us der Reih“ umgestrickt. Sich traditionell als „Zoch vor dem Zoch“ an die Spitze des närrischen Treibens setzend, dichteten sie auch das jecke Liedgut ein wenig um. „D’r Kappetalismus/Dä hätt ene Voll-Schuss/Einer fängk zu wachse aan/bis jeder mitmuss“, inthronierten die rund 80 Alternativ-KarnevalistInnen unter anderem. Und da der BAYER-Konzern ebenfalls ganz dolle von dem Wachstumsvirus befallen ist, wie sein MONSANTO-Übernahmeplan zeigt, durften er und seine Auserwählte bei dem Umzug so wenig fehlen wie AktivistInnen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN. Als „Hochzeit des Todes“ hatte das Horror-Brautpaar seinen Auftritt, ihren kleinen „Glypho-Satan“ im Kinderwagen vor sich her schiebend. Hinter ihnen folgten das BAYSANTO-Monster, „Mad Scientists“ und die Bienen-Leichen, die ihren Weg pflasterten. So vor den ZuschauerInnen an der Strecke vorbeiparadierend, wurden die Pappnasen von einer Tribüne aus sogar schon als „Protest-Zug aus Leverkusen“ begrüßt, obwohl in ihren Reihen auch noch andere Konzerne wie z. B. der Klima-Killer RWE ihr Unwesen trieben.

Proteste vor BAYER-Zentrale
Am 31. Januar 2017 wollte das US-Unternehmen MONSANTO auf seiner Hauptversammlung weitere Vorbereitungen zur Elefanten-Hochzeit mit BAYER treffen. Das von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN initiierte „Stopp BAYER/MONSANTO!“-Bündnis nahm dies zum Anlass, dem Multi vor seiner Leverkusener Zentrale schon einmal die Braut zu präsentieren. Aus Sicherheitsgründen war dazu ein Feuerwehr-Einsatz nötig, denn die Auserkorene hatte gleich ihre Mit-Gift dabei: das laut WHO „wahrscheinlich krebserregende“ Glyphosat, das berühmt-berüchtigte Agent Orange und das Baumwoll-Saatgut, das in Indien so viele LandwirtInnen in den Tod treibt. Für BAYER trübt das die Anziehungskraft jedoch nicht. Im Gegenteil: Der Global Player erkennt darin eine Wahlverwandtschaft, steht es mit seinem Lebenswandel doch ebenfalls nicht zum Besten. Die rund 40 AktivistInnen – unter anderem von ATTAC, FIAN, der ÖkolandwirtInnen-Vereinigung IFOAM und von den PAPPNASEN ROTSCHWARZ – verwiesen darauf symbolisch, indem sie vor der Konzern-Zentrale die letzte Biene zu Grabe trugen, niedergestreckt durch Pestizide des deutschen Agro-Konzerns. Auch der Trauzeuge stellte sich bereits vor. Für diesen Posten hatte sich Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) in Brüssel durch seine Zustimmung zur Glyphosat-Zulassungsverlängerung qualifiziert, die dem Paar in spe die Aussicht auf eine noch praller gefüllte Familien-Kasse eröffnete. Dezent im Hintergrund hielt sich hingegen der vom ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Friedrich Merz vertretene Heiratsvermittler BLACKROCK, der die Partnerschaft mit eingefädelt hatte. Der Hausbesuch, mit dem das Bündnis die diesjährigen Aktionen gegen die von BAYER geplante MONSANTO-Übernahme einleitete, fand breite Resonanz bei Medien und Beschäftigten und vermittelte Zuversicht für den weiteren Verlauf der Kampagne.

Die-In gegen Baysanto
Am 3.3.18 hat die Initiative ALTERNATIBA Rhône am französischen BAYER-Standort Lyon mit einer spektakulären Aktion gegen die von BAYER geplante MONSANTO-Übernahme protestiert. Die Organisation veranstaltete Anfang März 2018 ein Die-in, um die Gesundheitsgefahren plastisch darzustellen, die von dem agro-industriellen Komplex ausgehen, den der Konzern durch die Einverleibung seines US-Konkurrenten noch einmal ein wenig komplexer gestalten will. Und die Ackergifte der beiden Unternehmen leisteten an dem Tag ganze Arbeit: Vor einer zentralen Metro-Station der Stadt lagen nicht nur Menschen darnieder, sondern auch Tiere und Pflanzen – einige AktivistInnen hatten sich nämlich Flora und Fauna anverwandelt.

Warnung vor Bio-Kunststoffen
Die Konzerne stellen Kunststoffe zunehmend aus pflanzlichen Rohstoffen her. So entwickelt die BAYER-Tochter COVESTRO, an welcher der Konzern direkt 14,2 Prozent der Aktien hält und sein Pensionsfonds 8,9 Prozent, etwa Lackhärter mit Biomasse-Anteilen. Zudem forscht die Gesellschaft an vielen anderen Plaste-Produkten auf der Basis von Celluse, Milchsäure oder Zucker. „Die Umweltverträglichkeit wird zur Markt-Erfordernis“, so begründet das Unternehmen den Versuch, Alternativen zur Petrochemie zu finden. Mit der Umweltverträglichkeit der sogenannten Bioplastics ist es allerdings so eine Sache. Aufgrund ihrer komplexen Struktur bauen sie sich in der Natur nur äußerst langsam ab und setzen dabei zu allem Überfluss auch noch das klima-schädliche Gas Methan frei. Das Recycling bereitet wegen ihrer chemischen Zusammensetzung ebenfalls Schwierigkeiten. Da die Bio-Kunststoffe trotzdem unter dem Öko-Label firmieren und so einen Konsum ohne Reue befeuern, sehen FRIENDS OF THE EARTH EUROPE und andere Initiativen die neuen Kunststoffe eher als Teil des Problems denn als Teil der Lösung an. Priorität hat für die Gruppen nach wie vor eine Gebrauchsreduktion von Plastik. Eine solche Strategie forderten sie auch von der Europäischen Union ein. Überdies verlangten sie von Brüssel, den Umgang mit den Bioplastics zu regulieren. Konkret treten die Umweltschützer-Innen für Maßnahmen ein, welche für eine bessere Recycling-Fähigkeit der Materialen sorgen, Nachhaltigkeitskriterien für sie entwickeln und COVESTRO & Co. irreführende Öko-Werbung mit den Stoffen untersagen.

KAPITAL & ARBEIT

Neues Gesetz zur Lohn-Transparenz
Im letzten Jahr hat der deutsche Bundestag das „Gesetz zur Förderung der Entgelt-Transparenz zwischen Frauen und Männern“ verabschiedet. Es soll helfen, die bestehende Ungleichheit in der Bezahlung der beiden Geschlechter zu mildern. So verpflichtet das Paragrafen-Werk die Unternehmen, Berichte über Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von Männern und Frauen im Allgemeinen und über Maßnahmen zur Herstellung der Entgelt-Gleichheit im Besonderen zu erstellen. Beim Leverkusener Multi hatte der Betriebsrat in der Vergangenheit bei einigen Tochter-Gesellschaften des Konzerns eine Befragung durchgeführt und Gehaltsdifferenzen von 0,7 bis 1,8 Prozent festgestellt. Nach Angaben der stellvertretenden BAYER-Betriebsratsvorsitzenden Roswitha Süsselbeck hat der Konzern auf die Erhebung reagiert und die Löhne angeglichen. Wäre die überdurchschnittlich oft von Frauen ausgeübte und in der Regel schlechter bezahlte Teilzeit-Arbeit mit in die Untersuchung eingeflossen, hätten sich höchstwahrscheinlich weitaus größere Unterschiede ergeben.

ERSTE & DRITTE WELT

Entwicklungshilfe zur Selbsthilfe
Seit einiger Zeit haben die Global Player auf der Suche nach neuen Absatz-Gebieten die „Low-income Markets“ entdeckt (siehe auch SWB 4/13). So entwickelte der Leverkusener Multi bereits 2013 eine „Afrika-Strategie“. Bei der Umsetzung geriert sich der Agro-Riese gerne als Entwicklungshelfer. „BAYER kooperiert mit der gemeinnützigen Organisation ‚Fair Planet’ und wird Teil des Projekts ‚Bridging the Seed Gap’ in Äthiopien. Ziel des Projekts ist es, neue Anbau-Möglichkeiten für Kleinbauern zu schaffen“, vermeldete der Konzern etwa Anfang 2016. Nur handelt es sich leider bei „Fair Planet“ um einen Verband, der sein Geld von BAYER, SYNGENTA, LIMAGRAIN & Co. erhält. Und so sehen die Programme auch aus. Die „Anbau-Möglichkeiten für Kleinbauern“ beschränken sich auf Tomaten, Paprika und Zwiebeln made by BAYER. Zudem handelt es sich um hybride, also nicht zur Wiederaussaat geeignete Sorten. Diese nur für den einmaligen Gebrauch bestimmten Arten, deren Preis trotzdem den von konventionellem Saatgut übersteigt, können die FarmerInnen zunächst kostenlos testen. Anschließend müssen sie für die Produkte allerdings die Werbetrommel rühren. „Sie sollen dann weiteren Landwirten in den Dörfern und Regionen die Vorteile dieses Saatguts demonstrieren“, so lautet der Business-Plan des Konzerns. Und der ging bis jetzt offenbar auf. Im Juli 2017 setzten der Global Player und „Fair Planet“ ihre Zusammenarbeit fort.

POLITIK & EINFLUSS

Mehr Innovation, weniger Vorsorge
Die Europäische Union legt bei der Beurteilung möglicher Gesundheitsgefährdungen durch chemische und andere Stoffe das Vorsorge-Prinzip zugrunde. Sie kann theoretisch also schon reagieren, wenn negative Effekte von Substanzen für Mensch, Tier und Umwelt nicht auszuschließen sind, und nicht erst bei zweifelsfreien wissenschaftlichen Belegen für eine solche Wirkung. Die Industrie opponiert schon seit Jahren gegen diese Herangehensweise. So schrieb der damalige BAYER-Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers in der Angelegenheit gemeinsam mit anderen Konzern-Lenkern bereits 2013 einen Offenen Brief an die EU-Kommission. Darin traten die Bosse dafür ein, dem Vorsorge-Prinzip ein Innovationsprinzip zur Seite zu stellen. Ein Gleichgewicht zwischen Gesundheitsschutz und Innovationsförderung sollte Brüssel nach Meinung der Vorstandschefs anstreben, denn: „Innovationen sind per definitionem mit Risiken verbunden.“ Und nun wiederholte der Dekkers-Nachfolger Werner Baumann diese Forderung und verlangte, dass „alle neuen Gesetze auf ihre Folgen für die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft sinnvoll überprüft werden müssen“. Scheinheilig stellte er seinen Vorschlag als Ergänzung und nicht etwa als Unterminierung des Vorsorge-Prinzips dar.

Zahmer Aktionsplan
Der Leverkusener Multi hat in seiner Geschichte vielfach gegen Menschenrechte verstoßen. So nutzte er etwa Menschen aus der „Dritten Welt“ ohne deren Wissen als Versuchskaninchen für neue Pharma-Produkte, übte massiven Druck auf GewerkschaftlerInnen aus und griff auf Kinderarbeit zurück. Um solche Rechtsverstöße – entweder von den Global Playern selbst begangen oder aber von den Vertragsfirmen ihrer Lieferketten – besser ahnden zu können, hat der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen vor einiger Zeit „Guiding Principles on Business and Human Rights“ verabschiedet. Die EU hat ihre Mitgliedsstaaten daraufhin angehalten, eigene Aktionspläne zu erstellen. Die vorletzte Große Koalition tat das mit einiger Verspätung: Ihr Nationaler Aktionsplan (NAP) trat erst 2017 in Kraft. Viel zu befürchten haben die Konzerne von ihm auch nicht – ihr Extrem-Lobbyismus zeigte Wirkung. SPD und CDU blieben ihren Ankündigungen treu und setzen lediglich auf „Dialogformate“ und die Unterstützung von Trainingsprogrammen. Haftungsregeln sieht der Plan hingegen nicht vor, da „es sich bei Subunternehmen begrifflich um rechtlich selbstständige Unternehmen handelt, auf die ein anderes Unternehmen keinen gesellschaftsrechtlichen Einfluss ausüben kann“. Die Parteien lehnen es zudem ab, die Klage-Möglichkeiten wegen Verstößen gegen die Leitlinien des Industrieländer-Zusammenschlusses OECD zu verbessern und möchten lieber, „dass die Unternehmen freiwillig und aus eigener Verantwortung gesellschaftliche Verantwortung übernehmen“, wie es 2014 in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage von BÜNDNIS 90/Die Grünen hieß. Bis zum Jahr 2020 haben BAYER & Co. nun Zeit, um ihre Wertschöpfungsketten hinsichtlich etwaiger Menschenrechtsverletzungen zu kontrollieren und Bericht zu erstatten. Erst danach folgen – eventuell – „weitergehende Schritte“. „Falls die wirksame und umfassende Überprüfung des NAP 2020 zu dem Ergebnis kommt, dass die freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen nicht ausreicht, werden wir national gesetzlich tätig und uns für eine EU-weite Regelung einsetzen“, hält der Koalitionsvertrag fest.

BAYER droht May wg. Brexit
Großbritannien stellt für den Leverkusener Multi einen wichtigen Export-Markt dar. Darum war er über den Brexit not amused. Der Chef von BAYERs England-Geschäft, Alexander Moscho, sorgt sich hauptsächlich darum, künftig mehr Schwierigkeiten bei der Besetzung von Top-Positionen zu haben. Zudem befürchtet er, mit Arzneien und Pestiziden nicht mehr so schnell auf den britischen Markt kommen zu können, wenn London künftig EU-Genehmigungen nicht mehr anerkennt und stattdessen eigene Zulassungsbehörden aufbaut. Deshalb baut Moscho, den die mit dem Brexit verbundenen Probleme nach eigenem Bekunden 30 Prozent seiner Arbeitszeit kosten, in Gesprächen mit den politisch Verantwortlichen Druck auf. „Wir teilten der Regierung auch mit, dass unsere Diskussion mit der Konzern-Zentrale sich in letzter Zeit verändert haben. Wenn wir früher über Investitionen redeten, geht es heute eher darum, den Status Quo zu sichern“, sagte er in einem Interview mit the pharmaletter. „Eine subtile psychologische Veränderung“ nannte der Manager das und drohte eine Fortsetzung dieser Entwicklung an, „wenn es der Regierung nicht gelingt, auf einige Schlüsselfragen rund um den Brexit klärende Antworten zu geben“.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYERs „Big Data“-Marketing
Der Leverkusener Multi greift beim Marketing zunehmend auf Big Data zurück. So nutzt seine Veterinär-Sparte die Dienste der Firma CONSUMER ORBIT, um ihre Angebote passgenau auf bestimmte VerbraucherInnen-Gruppen zuzuschneiden. Zusammen mit den eigenen Informationen kommt der Konzern so auf 63 Billionen Daten. Und das versetzt ihn in die Lage, „ein Modell zu entwickeln, das uns zeigt, wie unsere Kunden aussehen, wer unsere Produkte nutzt und was für Gewohnheiten diese Personen haben“, preist Marketing-Leiter Doug Yoder die neuen Werbe-Möglichkeiten.

BAYER unterstützt ASA-Initiative
Wenn medizinische Fachgesellschaften sich Krankheiten widmen, für die BAYER vermeintlich die passenden Arzneien im Angebot hat, können sie immer mit Schecks aus Leverkusen rechnen. Schließlich gilt es für den Konzern, die pharmazeutische Landschaft zu pflegen. So unterstützt der Pillen-Riese auch die „Together to end stroke“-Initiative der „American Stroke Association“ (ASA) und der „American Heart Association“ (AHA), die über die Prävention und Behandlung von Schlag- und Herzanfällen informieren will. Allerdings setzt das Unternehmen bei solchen Kampagnen naturgemäß eigene Schwerpunkte. Nach ein paar Hinweisen über die prophylaktische Wirkung von Sport und gesundem Essen kommt schon der Rat: „Fragen Sie Ihren Doktor nach einer Behandlung mit ASPIRIN.“ Schließlich vermarktet der Global Player seinen Tausendsassa schon seit Längerem auch zur Vorbeugung von Schlag- und Herzanfällen.

DRUGS & PILLS

Liefer-Engpass bei ASPIRIN i. V.
Big Pharma unterwirft seine Produktion immer strengeren Profit-Kriterien. So stellt BAYER viele Wirkstoffe gar nicht mehr selber her, sondern gliedert die Fertigung aus, gerne auch in „Entwicklungsländer“, wo billige Arbeitskräfte und fehlende Umweltauflagen locken (SWB 4/17). Weil so oft genug nur noch ein einziges Unternehmen die Herstellung einer weltweit nachgefragten Substanz verantwortet, gefährdet dieses Produktionsregime die Versorgungssicherheit. Das zeigte sich jetzt im Fall von ASPIRIN i. V. Bereits zum zweiten Mal innerhalb von zwölf Monaten kann der Pillen-Riese dieses Pharmazeutikum, das NotärztInnen bei Herzinfarkten verwenden und ansonsten bei hohem Fieber und starken Schmerzen zum Einsatz kommt, entweder gar nicht oder nur „in einer angepassten Menge“ liefern. „Ursache des Problems sind qualitätsbedingte Ausfälle bei einem Lohn-Unternehmer in Frankreich, der ASPIRIN i. V. für BAYER herstellt“, teilte der Global Player mit. Er bekundet nun, fieberhaft an einer Lösung zu arbeiten. Schnelle Abhilfe verspricht er indessen nicht: „Das wird noch einige Monate dauern.“

Liefer-Engpass bei PHYTODOLOR
Immer wieder kommt es bei BAYER-Medikamenten zu Liefer-Engpässen (s. o.). Besonders häufig treten diese bei Heilmitteln auf pflanzlicher Basis, den sogenannten Phytopharmaka, auf. So mussten die Apotheken im letzten Jahr lange auf das Rheuma-Präparat PHYTODOLOR verzichten. Nach Angaben des Konzerns haperte es bei der Arznei, die wegen ihres Alkohol-Gehaltes in der Kritik steht, mit der Qualität des Goldruten-, Eschenrinde- und Zitterpappelrinde-Krautes. Zuvor hatten die PatientInnen bereits lange vergeblich auf das zur Behandlung von leichten bis mittelschweren Depressionen zur Anwendung kommende Johanneskraut-Mittel LAIF warten müssen (Ticker 3/16).

Neue LAIF-Rezeptur
Das Johanneskraut-Präparat LAIF bereitete BAYER in letzter Zeit viel Kummer. So traten Liefer-Engpässe wegen mangelhafter Qualität des Rohstoffes auf (s. o.). Ob diese in Zusammenhang mit zu hohen Rückständen von gesundheitsschädlichen Pyrrolizidin-Alkaloiden standen, mochte der Leverkusener Multi damals lieber nicht sagen. Darüber hinaus quollen die feuchtigkeitsempfindlichen Tabletten oft auf. Dagegen hat der Konzern jetzt mit einer neuen Formulierung Abhilfe geschaffen, die einen Eindruck davon vermittelt, wie viel Chemie doch in einem Heilmittel auf pflanzlicher Basis so stecken kann. Der Pharma-Riese fügte der Rezeptur Hyprolose, Hypromellose, mikrokristalline Cellulose, mittelkettige Triglyceride, Sterarinsäure und vorverkleisterte Stärke zu und strich dafür Carboxyethylstärke-Natrium, Eudragit E100 und Natriumhydrogen-Carbonat.

BAYER will Phyto-Sparte ausbauen
Ungeachtet der vielen Schwierigkeiten mit Arzneimitteln auf pflanzlicher Basis (s. o.) will BAYER diese Sparte ausbauen. Zu diesem Behufe hat der Konzern in Darmstadt ein Kompetenz-Zentrum eingerichtet. Er hält die große Nachfrage nach LAIF, IBEROGAST & Co. nämlich für einen nachhaltigen Trend und hofft auf wachsende Renditen in diesem Bereich.

ALKA-SELTZER-Rückruf Nr. 2
Im August 2017 musste BAYER in den USA wegen fehlerhafter Verpackungen einen Rückruf bestimmter ALKA-SELTZER-Produkte starten. Es traten undichte Stellen auf, und die Tabletten drohten feucht zu werden. Im März 2018 erfolgte der „Volontary Recall“ von bestimmten „ALKA-SELTZER PLUS“-Chargen dann, weil die vorne auf den Packungen des Schmerz- und Erkältungsmittels aufgeführten Inhaltsstoffe nicht den auf der Rückseite angegebenen entsprachen. Dies könnte KonsumentInnen, die allergisch auf bestimmte Wirkstoffe reagieren, zur Einnahme der Präparate verleiten und deshalb „ernsthafte gesundheitliche Konsequenzen“ haben, warnte die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA.

85.367 XARELTO-Nebenwirkungen
Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA erreichen immer mehr Meldungen über schwerwiegende Nebenwirkungen, die im Zusammenhang mit der Einnahme von BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO stehen. Bisher hat die Institution bis zum 1.3.18 insgesamt 85.367 Kranken-Akten erhalten. Allein im Februar 2018 gingen bei der Agentur über 1.500 Berichte über unerwünschte Pharma-Effekte ein.

XARELTO: schwankende Gerinnungswerte
In den Klinischen Prüfungen zeigte sich BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO dem altgedienten Marcumar nicht überlegen. Deshalb wirbt der Leverkusener Multi mit den praktischen Vorteilen der Arznei aus der Gruppe der Antikoagulantien wie dem Wegfall der regelmäßigen Blutgerinnungsmessung. Aber selbst damit ist es bei dem Medikament nicht weit her. „Wir sehen häufig bei Patienten, die neue Antikoagulantien einnehmen, dass sie trotzdem derangierte Blutwerte haben“, sagt etwa die Berliner Unfall-Chirugin Hanna Neumann. Ein Wissenschaftler des Pharma-Riesen selber räumte gegenüber dem Handelsblatt ein, dass die Gerinnungswerte unter XARELTO eine erhebliche Schwankungsbreite aufweisen – dementierte diese Aussage jedoch gleich wieder (siehe SWB 2/16). Durch diese Eigenschaft des Mittels steigt die Gefahr plötzlich auftretender, lebensgefährlicher Blutungen enorm – zumal für das Präparat bisher kein blutstillendes Gegenmittel existiert, obwohl der Konzern ein solches Antidot immer wieder ankündigt. Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde will nun im Mai 2018 über die Zulassung eines entsprechenden Produkts entscheiden, die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA erst im nächsten Jahr.

Haarausfall unter XARELTO
Die Liste der unerwünschten Arznei-Effekte von BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO wird immer länger. Zu den gefährlichsten zählen Blutungen, die allzu oft einen tödlichen Ausgang nehmen. Aber auch Leber-Schädigungen, Haut- und Blutkrankheiten kann der Milliarden-Seller auslösen. Und unlängst kam noch eine neue Nebenwirkung hinzu, die nicht auf dem Beipackzettel vermerkt ist: Haarausfall. Entsprechende Verdachtsmeldungen dazu gingen bei der Weltgesundheitsorganisation WHO ein.

Neue XARELTO-Studie
Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hat das Sicherheitsprofil von BAYERs gefährlichem Gerinnungshemmer XARELTO (Wirkstoff: Rivaroxaban) mit dem von Marcumar (Warfarin) bei PatientInnen mit Vorhof-Flimmern miteinander verglichen. Nach dieser Studie, die auf Daten von 115.000 PatientInnen basierte, besteht unter XARELTO ein höheres Risiko, Blutungen im Magen/Darm-Trakt zu erleiden, während das Risiko, Blutungen im Gehirn oder sogar einen Hirnschlag zu erleiden, unter Warfarin größer ist.

Patent-Verlängerung für XARELTO
Erhalten die Konzerne für neue Entwicklungen ein Patent, so gewährt ihnen das eine Monopol-Stellung in dem betreffenden Markt. Das garantiert den Unternehmen Extra-Profite über viele Jahre hinweg. Und wenn es sich bei den Innovationen um Arzneien oder Pestizide handelt, sieht es sogar noch ein bisschen besser aus. Mit Pharmazeutika und Ackergiften können die Multis nämlich noch mal in die Verlängerung gehen. Sie brauchen für sie lediglich „ergänzende Schutz-Zertifikate“ zu beantragen. Und genau das hat BAYER im Fall von XARELTO getan. So gelang es dem Leverkusener Multi dann, die Schutzfrist für den gefährlichen Gerinnungshemmer (s. o.), die eigentlich im Dezember 2020 ausgelaufen wäre, bis auf den 28. August 2024 auszuweiten.

Wieder Test mit ADEMPAS
Wenn eine von BAYER entwickelte Arznei für eine bestimmte Indikation eine Genehmigung erhalten hat, versucht sich der Konzern umgehend an einer Erweiterung der Anwendungszone. So ging er auch beim zur Behandlung der beiden Lungenhochdruck-Krankheiten CTEPH und PAH zugelassenen Pharmazeutikum ADEMPAS (Wirkstoff: Riociguat) vor, obwohl das Fach-Magazin Arzneimittelbrief die therapeutischen Effekte des Mittels schon bei diesen Gesundheitsstörungen als nur „marginal“ bewertet. Momentan führt der Pharma-Riese gemeinsam mit dem Unternehmen MERCK eine klinische Erprobung bei solchen PAH-PatientInnen durch, die nicht auf die Arznei-Stoffe Sildenafil und Tadalafil ansprechen. Kindern mit Lungenhochdruck will er das Produkt ebenfalls angedeihen lassen. Zudem testet der Global Player ADEMPAS gerade als Medikament gegen die Autoimmun-Krankheit „Systemische Sklerose“. Und damit nicht genug, beabsichtigt er, das Präparat bei Herz-Insuffizienz und Schädigungen der Niere in Anschlag zu bringen.

May zieht DUOGYNON-Bericht zurück
Ein hormoneller Schwangerschaftstest der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING hat ab den 1950er Jahren zu tausenden Totgeburten geführt. Darüber hinaus kamen durch das unter den Namen DUOGYNON und PRIMODOS vertriebene Medizinprodukt bis zum Vermarktungsstopp Anfang der 1980er Jahre unzählige Kinder mit schweren Missbildungen zur Welt. Geschädigte oder deren Eltern fordern den Leverkusener Multi auf seinen AktionärInnen-Versammlungen seit Jahren dazu auf, die Verantwortung dafür zu übernehmen, bislang allerdings vergeblich. In England konnten sie jedoch die Politik mobilisieren. Das britische Parlament gab im Oktober 2015 eine Untersuchung zum Fall „Primodos“ in Auftrag. Der Abschluss-Bericht bestritt aber einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Test und den Gesundheitsschädigungen. Allerdings weist die Expertise zahlreiche Unstimmigkeiten auf. So berücksichtigt sie beispielsweise nicht alle bisher zugänglichen Dokumente zu dem Medizin-Skandal. Aus diesen Gründen zog die britische Premierministerin Theresa May den Report vorerst zurück und ordnete eine Überprüfung seines Befundes an.

EU will Kosten/Nutzen-Prüfung ändern
Das Arzneimittel-Neuverordnungsgesetz (AMNOG) von 2011 schreibt für neue Medikamente eine Kosten/Nutzen-Prüfung vor. Diese führt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) von MedizinerInnen, Krankenhäusern und Krankenkassen durch. Bescheinigt dieses Gremium dem zu begutachtenden Pharmazeutikum dann eine Überlegenheit gegenüber den bisherigen Mitteln, so können die Hersteller anschließend mit DAK & Co. einen Preis aushandeln. Fällt das G-BA-Votum dagegen negativ aus, müssen die Pillen-Produzenten Preisabschläge in Kauf nehmen. Zu solch einem Urteil kamen die ExpertInnen z. B. bei BAYERs Krebs-Präparat STIVARGA, woraufhin der Leverkusener Multi auf die Vermarktung des Produktes in der Bundesrepublik verzichtete. Dementsprechend kritisch steht nicht nur der Leverkusener Multi, sondern die gesamte Branche diesem Instrument zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen gegenüber. Und entsprechend positiv beurteilen die Pharma-Riesen die Pläne der EU, Brüssel die Zuständigkeit für den Arznei-Check zu übertragen. Johann-Magnus von Stackelberg vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) reagiert dagegen alarmiert: „Wir befürchten die Absenkung der hohen Standards, die wir in Deutschland für die Bewertung von neuen Medikamenten haben.“ Die PolitikerInnen teilen diese Sorgen und weisen das Ansinnen der Europäischen Union, sich zum Wohl von BAYER & Co. in die Gesundheitspolitik der einzelnen Mitgliedsländer einzumischen, zurück: Am 22.3.18 erteilte der Bundestag der EU-Kommission einstimmig eine sogenannte Subsidiaritätsrüge.

Kooperation mit DELSITECH
Medikamente für Augen-Krankheiten zählen zum Kerngeschäft von BAYERs Pharma-Sparte. Darum bemüht sich der Konzern stets, das Segment auszuweiten. Zu diesem Behufe hat er jetzt einen Kooperationsvertrag mit dem Unternehmen DELSITECH geschlossen. Die finnische Firma forscht an medizinisch unproblematischen Träger-Stoffen für die eigentlichen Wirk-Substanzen. Nach der nun getroffenen Vereinbarung übernimmt der Leverkusener Multi die Entwicklungskosten für ein entsprechendes Projekt. Zudem verpflichtet er sich, abhängig von DELSITECHs Fortschritten bei dem Vorhaben, zu weiteren Zahlungen.

Kooperation mit T2
BAYER hat einen Kooperationsvertrag mit der Firma T2 BIOSYSTEMS geschlossen. Die Vereinbarung gewährt dem Leverkusener Multi Zugang zu einer Magnetresonanz-Technologie zur Bestimmung der Blut-Gerinnung.

Kooperation mit LEICA
Die personalisierte Medizin, also die Entwicklung einer passgenauen, auf die jeweiligen Bedürfnisse der PatientInnen ausgerichteten Therapie-Form, erfüllt die in sie gesteckten Erwartungen bisher nicht. „Die Sache ist komplizierter als gedacht“, räumte BAYERs Pharma-Forscher Jörg Müller einmal ein. Insbesondere fehlen Kenntnisse darüber, was sich in den Körpern der einzelnen Kranken auf molekularer Ebene konkret abspielt. Aufschluss darüber versprechen bestimmte Tests zu geben. Darum hat BAYER das Unternehmen LEICA beauftragt, einen solchen auf Basis von Gewebe-Proben zu entwickeln. „Die personalisierte Medizin hat dann Aussicht auf Erfolg, wenn wir mit hochwertigen diagnostischen Tests genau die Patienten-Populationen bestimmen können, die mit größter Wahrscheinlichkeit von der Therapie profitieren werden“, so Jonathan Roy von LEICA. Auch das Hildener Unternehmen Qiagen entwickelt solche Analyse-Verfahren für den Leverkusener Multi.

AGRO & CHEMIE

Aus für Glufosinat
Jahrzehntelang hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN für ein Verbot des erbgut-schädigenden BAYER-Pestizides Glufosinat gestritten. Jetzt kann sie endlich den Erfolg verbuchen: Die EU lässt den Wirkstoff, den der Leverkusener Multi unter anderem unter den Produkt-Namen LIBERTY und BASTA vermarktet, auf ihrem Territorium nicht länger zu. Der Agro-Riese zog seinen Antrag auf Verlängerung der Genehmigung Ende 2017 zurück und begründete dies mit „anhaltenden regulatorischen Unwägbarkeiten innerhalb der EU“. Noch bis zum 1. August 2019 dürfen die LandwirtInnen das Mittel verwenden, dann ist Schluss. Frankreich hatte das Ackergift zuvor schon mit einem Bann belegt und ihm eine Gnadenfrist bis zum 24.10.18 eingeräumt.

Kommt das GAUCHO-Verbot?
Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin) haben einen wesentlichen Anteil am weltweiten Bienensterben, weshalb die EU einige dieser Agrochemikalien schon mit einem vorläufigen Verkaufsbann für wichtige Kulturen belegt hat. Jetzt rückt die Entscheidung über ein endgültiges Verbot näher. Ende Februar 2018 nämlich legte die Europäische Behörde für Lebensmittel-Sicherheit (EFSA) ihre Risiko-Bewertung der Mittel vor und hielt fest: „Die meisten Anwendungen neonicotinoider Pestizide stellen ein Risiko für Wild- und Honigbienen dar.“ Die Stellungnahme des Leverkusener Multis dazu kam postwendend und fiel erwartungsgemäß aus: „BAYER ist mit den Ergebnissen der Risikobewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittel-Sicherheit (EFSA) für die Wirkstoffe Imidacloprid und Clothianidin grundsätzlich nicht einverstanden.“ Aber die EU-Kommission ließ sich davon nicht beirren und präsentierte dem Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel am 22.3.18 einen Vorschlag zum Stopp von GAUCHO & Co. Zu einer Abstimmung kam es jedoch nicht. Einige Länder sahen noch Diskussionsbedarf, darunter wohl auch Deutschland. Die Bundesregierung hat nämlich in dieser Sache keine eindeutige Position – trotz ihres Bekenntnisses aus dem Koalitionsvertrag: „Dabei liegt uns der Schutz der Bienen besonders am Herzen“. Wie schon im Fall von Glyphosat gehen zwischen Umwelt- und Landwirtschaftsressort die Meinungen auseinander. Dabei hat nach Informationen des Web-Portals EURACTIV im Klöckner-Ministerium nicht zuletzt das Extrem-Lobbying der Zuckerrüben-Industrie meinungsbildend gewirkt, die auf Ausnahme-Regelungen für ihre Ackerfrucht pocht.

GAUCHO & Co.: Teilverbot greift nicht
Seit 2014 gilt innerhalb der Europäischen Union ein Teilverbot für bestimmte Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide. Brüssel hat den LandwirtInnen die Ausbringung der BAYER-Wirkstoffe Imidacloprid und Clothianidin sowie der SYNGENTA-Substanz Thiamethoxam auf bestimmten Kulturen untersagt. Das hatte jedoch kaum Auswirkungen auf die Neonicotinoid-Verkäufe insgesamt. Beliefen sich diese im Jahr vor der EU-Entscheidung auf 200 Tonnen, so stiegen die Zahlen zwölf Monate später auf 207 Tonnen an und erreichten 2015 noch 203 Tonnen. Die großzügigen Ausnahme-Regeln und ein ausreichendes Angebot an legalen Neonicotinoiden machen das möglich. Darum fordert die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN ein Komplett-Verbot dieser Substanzen für alle Anwendungen.

Kein Mittel gegen Citrus Greening
Gegen immer mehr Pflanzen-Krankheiten können die Pestizide von BAYER & Co. nichts mehr ausrichten. Und bei dem Versuch, Abhilfe zu schaffen, können und wollen die Konzerne sich auch nicht mehr allein auf die eigenen Forschungsabteilungen verlassen. Nicht zuletzt aus Kosten-Gründen kooperieren sie lieber mit öffentlichen Einrichtungen. So sucht BAYER etwa zusammen mit dem „Internationalen Forschungs- und Entwicklungsfonds“ (INREF) nach Mitteln gegen den aggressiven Pilz „Tropical Race 4“ (TH4), der Bananen befällt (Ticker 2/17). In Sachen „Citrus Greening“, eine vom Bakterium Candidatus liberibacter bei Zitronen und Orangen ausgelöste Grün-Färbung, arbeitet der Leverkusener Multi ebenfalls mit anderen Institutionen zusammen. Gemeinsam mit der „Citrus Research and Development Foundation“, die unter anderem von PEPSICO und COCA COLA Geld erhält, forscht er hier nach Lösungen.

Tröpfchenweise weniger Pestizide?
Mittlerweile räumt der Leverkusener Multi selber ein, dass die industriell betriebene Landwirtschaft der Umwelt schadet und obendrein enorme Mengen Wasser verbraucht. Der Konzern versucht sogar, Lösungen zu finden, „mit denen wir die Umwelt-Auswirkungen der Landwirtschaft weiter reduzieren und natürliche Ressourcen einsparen“. Und er glaubt auch schon, eine solche gefunden zu haben. Darum kooperiert der Global Player mit dem israelischen Unternehmen NETAFILM, das die „DripByDrip“-Technologie entwickelt hat. Mittels dieser gelangen die Pestizide Tropfen für Tropfen direkt zu den Pflanzen-Wurzeln, was BAYER zufolge die Ausbring-Mengen und den Wasser-Einsatz reduziert. Über das Versuchsstadium ist dieser Ansatz bisher allerdings nicht hinausgekommen.

Fungizid-Kooperation mit SUMITOMO
Der Leverkusener Multi will seine eigenen Mittel gegen Pilz-Krankheiten von Pflanzen mit einem neuen Produkt des japanischen Chemie-Unternehmens SUMITOMO CHEMICAL mischen und daraus ein Ackergift für Soja-Kulturen entwickeln. Eine entsprechende Vereinbarung unterzeichneten die beiden Konzerne im Sommer 2017.

Neues Insektizid für Grünflächen
Seit einiger Zeit nimmt BAYERs Sparte für Agro-Chemie in den USA den „ornamentals market“ stärker in den Blick und bietet gezielt Pestizide für den Einsatz in Gewächshäusern, Gartencentern und auf großen Grünflächen wie etwa Golf-Plätzen an. Nun hat der Leverkusener Multi mit ALTUS auch ein neues Insektizid für diese Anwendungen herausgebracht. Der Konzern selber bezeichnet den Wirkstoff Flupyradifuron als nicht bienen-gefährdend. Daran bestehen jedoch erhebliche Zweifel. Die Chemikalie gehört zwar nicht wie die wegen ihrer Bienenschädlichkeit von der EU mit einem vorläufigen Bann belegten BAYER-Substanzen Imidacloprid und Clothianidin zur Gruppe der Neonicotinoide, sie ähnelt diesen jedoch in ihrer Funktionsweise.

PFLANZEN & SAATEN

Zuckerrüben-Lizenz vergeben
BAYER hat im Jahr 2015 zusammen mit KWS eine Zuckerrüben-Art entwickelt, deren Erbgut eine natürliche und durch Züchtung verstärkte Enzym-Veränderung aufweist. Auf diese Weise übersteht die Labor-Frucht eine Behandlung mit solchen Anti-Unkrautmitteln, welche die Acetolactat-Synthese stören, unbeschadet. Allerdings überstehen auch immer mehr Wildpflanzen die Behandlung mit diesen so genannten ALS-Hemmern unbeschadet. Deshalb könnte die neue Rübe, wenn sie 2019 gemeinsam mit dem auf die Pflanze abgestimmten Herbizid CONVISO (Wirkstoffe: Foramsulfuron und Thiencarbazone-methyl) auf den Markt kommt, schon bald ziemlich alt aussehen. Nichtsdestotrotz gelang es BAYER und KWS, mit der belgischen Firma SESVANDERHAVE ins Geschäft zu kommen. Die beiden Unternehmen verkauften dem auf Zuckerrüben-Saatgut spezialisierten Betrieb eine Lizenz für das „CONVISO SMART“-Anbausystem. „Wir möchten so viele Züchter wie möglich für diese Technologie gewinnen. Wenn große Saatgut-Anbieter zusammenarbeiten, um diese Technologie voranzubringen, werden viele Landwirte von ihren Vorteilen profitieren können“, meint der Leverkusener Multi.

GENE & KLONE

Fragwürdige Soja-Zulassung
Ende 2017 hat die EU BAYERs Gen-Soja der Marke BALANCE eine Import-Genehmigung erteilt. Bei der Prüfung des Antrags hat Brüssel es allerdings nicht allzu genau genommen, wie Recherchen der Initiative TESTBIOTEST ergaben. Die Europäische Union erteilte der Labor-Frucht nämlich eine Einfuhr-Erlaubnis, obwohl der Leverkusener Multi die dafür erforderlichen Tests nicht ordnungsgemäß durchgeführt hat. So setzte der Konzern bei den Versuchen mit der Soja, die gegen die Ackergifte Glyphosat, Glufosinat und Isoxaflutol resistent ist, nur ein Kilogramm Glyphosat pro Hektar statt der sonst in der Praxis üblichen vier bis acht Kilogramm ein. Zudem fand bloß eine einmalige Spritzung statt. In den KundInnen-Empfehlungen von BAYER und MONSANTO werden dagegen zwei bis drei Durchgänge vorgeschlagen. Überdies hat der Leverkusener Multi – angeachtet der vielen Hinweise auf Erkrankungen von Tieren nach dem Verzehr von Soja mit Glyphosat-Rückständen – keine Fütterungsstudien unternommen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) kritisierte die Entscheidung der Europäischen Union deshalb scharf. „In der Öffentlichkeit betont BAYER immer wieder die Ungefährlichkeit von Glyphosat, das die Krebsagentur der WHO als ‚wahrscheinlich krebserregend’ eingestuft hat. Bei seinen Testreihen traute das Unternehmen aber offenbar seinen eigenen Worten nicht und ging auf Nummer Sicher“, hieß es in ihrer Presseerklärung.

Moratorium für BAYERs Gen-Senf
2002 hatte BAYER erstmals versucht, in Indien die Genehmigung zum Anbau des gen-manipulierten Senfs DMH 11 zu erhalten. Aber die zuständige Behörde lehnte den Antrag ab. Die Feldversuche hätten, anders als vom Leverkusener Multi behauptet, keinen Nachweis über Ertragssteigerungen durch die Erbgut-Veränderung erbracht, lautete die Begründung. Mehr als zehn Jahre später starteten der Professor Deepak Pental und sein Team von der „University of Delhi“ einen erneuten Anlauf zur Zulassung der Pflanze, die gegen das vom Leverkusener Multi hergestellte, erbgut-schädigende Pestizid Glufosinat resistent ist. Als „BAYERs Trojanisches Pferd“ bezeichneten Zeitungen Pental daraufhin. Und die Gentechnik-Kritikerin Vandana Shiva verlangte vom indischen Ministerpräsidenten Narendra Modi in einem Offenen Brief, auf eine Offenlegung aller Vereinbarungen des Genforschers mit BAYER und anderen Konzernen zu dringen. Auch andere AktivistInnen und Gruppen opponierten gegen DMH 11. Nicht zuletzt dieser öffentliche Druck hat das „Genetic Engineering Appraisal Committee“ (GEAC) schließlich dazu bewogen, vorerst kein grünes Licht für den Senf zu geben und stattdessen weitere Forschungsarbeiten anzumahnen.

WASSER, BODEN & LUFT

Spatenstich zur Dhünnaue-Öffnung
Am 11. Oktober 2017 hatte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zwei Klagen gegen die Erweiterung der Autobahn A1 und den Bau einer neuen Rhein-Brücke abgewiesen (Ticker 1/18). Damit machte es dem „Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen“ den Weg frei, im Rahmen der Bau-Maßnahmen BAYERs ehemalige Dhünnaue-Giftmülldeponie wieder zu öffnen. Der Spatenstich zu dem risiko-reichen Manöver erfolgte am 14.12.17 im Beisein des nordrhein-westfälischen Verkehrsministers Hendrik Wüst (CDU). An Ort und Stelle konnte der symbolische Akt allerdings nicht stattfinden, denn da standen schon DemonstrantInnen. Gezwungenermaßen erfolgte er deshalb in einem Zelt. Dieses war allerdings nicht schall-isoliert, weshalb ein Trillerpfeifen-Konzert und ein lauthals skandiertes „Kein Eingriff in die Deponie“ in die Ohren der geladenen Gäste drang und die feierlichen Reden draußen bleiben mussten.

BAYER entsorgt sich selbst
Dem Leverkusener Multi ist das Kunststück gelungen, mit seinem eigenen Müll ein Geschäft zu machen. Seine Tochter-Gesellschaft CURRENTA, an welcher der Konzern 60 Prozent der Anteile hält, sicherte sich nämlich den Auftrag, all das kontaminierte Erdreich zu entsorgen, das seit dem 14.12.17 bei der Öffnung seiner alten Dhünnaue-Deponie anfällt. An diesem Tag nämlich hat der „Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen“ trotz massiver Proteste der LeverkusenerInnen damit begonnen, im Zuge des Baus der neuen Rhein-Brücke und der Erweiterung der Autobahn A1 BAYERs Gift-Grab teilweise wieder auszuheben.

Dhünnaue-Experte warnt
Der Ingenieur, der jahrelang als Projekt-Leiter für die Abdichtung von BAYERs alter Dhünnaue-Deponie verantwortlich war, hat im Leverkusener Anzeiger eindringlich vor den Gefahren der Öffnung des Gift-Grabes im Zuge der Brücken- und Autobahnausbau-Arbeiten (s. o.) gewarnt. „Wenn Sie mich fragen: Sie sollen die Finger davon lassen“, rät der lieber anonym bleiben wollende Mann dem „Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen“. Er fürchtet, der Eingriff könne die hochkomplexe unterirdische Sicherheitsarchitektur aus Trenn- und Drainage-Schichten, Erde und Folien zerstören und die bösen Geister der toxischen Abfälle von Quecksilber über Arsen und Chrom bis hin zu Blei wieder zum Leben erwecken. Schon die Probe-Bohrungen zur Erkundung des Bodens hält der ehemalige Projekt-Leiter der Sanierung für ein riskantes Unternehmen. „Haben sie den Bohrer etwa einfach mit Gewalt durch die Folie hindurchgestoßen?“, fragt er alarmiert. Auch den Plan, die Bohrlöcher lediglich mit Ton-Granulat wieder zu verschließen, lehnt der Experte ab: „Aber einfach nur Ton genügte uns damals nicht als Dicht-Material.“ Aus all diesen Gründen schließt er sich der „Tunnel statt Stelze“-Fraktion an und meint: „Ein langer Tunnel unter dem Rhein wäre ein schönes Leuchtturm-Projekt für die Bau-Branche geworden.“

Kein Notfall-Plan
Die Öffnung von BAYERs alter Dhünnaue-Deponie im Zuge der Arbeiten an der neuen Rheinbrücke und an der Autobahn A1 ist mit vielen Risiken verbunden. Deshalb hat die im Leverkusener Rat vertretene Bürgerliste die Erstellung eines Notfall-Plans eingefordert. Das Stadt-Parlament lehnte dies aber ebenso ab wie die Bezirksregierung Köln. Das Gift-Grab falle nicht unter die Störfall-Verordnung, dekretierte letztere. „Somit ist aus Sicht der nicht-polizeilichen Gefahrenabwehr kein externer Notfallplan erforderlich“, antwortete die Behörde der Bürgerliste. Jetzt bleibt nur noch die Hoffnung, dass ein solches „Worst Case Scenario“ über den Gerichtsweg kommt, denn die Wählergemeinschaft hat in der Sache Klage bei der Staatsanwaltschaft Köln eingereicht.

RAG untersucht Bergleute auf PCB
Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören zu den giftigsten Hervorbringungen der Chlorchemie (SWB 1/14). Die vor allem von BAYER und MONSANTO in Umlauf gebrachten gefährlichen „Alleskönner“ kamen bis zu ihrem vollständigen Verbot 1989 in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben, Ölen, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz – und stellen immer noch ein beträchtliches Gesundheitsrisiko dar. Von den 1985 in der Bundesrepublik verkauften 72.000 Tonnen landete mehr als ein Sechstel im Bergbau, wo die schweren Gerätschaften viel Hydraulik-Öl brauchten. „Wir sind mit dem Zeug umgegangen, als wäre es Milch“, zitiert der Spiegel einen Bergmann. Dementsprechend leiden viele seiner KollegInnen heute an den Spätfolgen und zeigen Vergiftungssymptome wie Haut-, Nieren- und Leberschäden. Der Bergbau-Konzern RAG hat jetzt angekündigt, 200 Kumpel der Jahrgänge 1947 bis 1968 auf PCB-induzierte Krankheiten hin untersuchen zu lassen, wiegelte aber im gleichen Atemzug schon ab. Anlass zur Besorgnis wegen aufgetretener Erkrankungen gebe es bisher nicht, erklärte das Unternehmen wider besseren Wissens.

Neue Trinkwasser-Richtlinie der EU
Der Leverkusener Chemie-Multi trägt durch seine Herstellungsprozesse und viele seiner Produkte massiv zur Verschmutzung der Gewässer bei (siehe auch SWB 1/18). Einigen Substanzen droht jetzt die neue Trinkwasser-Richtlinie der Europäischen Union das Leben schwerer zu machen. So sieht der im Winter 2018 vorgelegte Entwurf schärfere Grenzwerte für Blei und Chrom vor. Zudem will Brüssel erstmals Kontrollen für Plastik-Teilchen und hormonell wirksame Stoffe wie BAYERs Industrie-Chemikalie Bisphenol A und den Arznei-Wirkstoff Beta-Estradiol (enthalten in ANGELIQ, einem Mittel gegen Wechseljahres-Beschwerden) vorschreiben. Da kommt also viel Lobby-Arbeit auf den Global Player zu.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

Kein Bisphenol-Verbot in der EU
Viele Chemikalien enthalten Wirkstoffe, die in ihrem chemischen Aufbau Hormonen ähneln. Zu diesen endokrinen Disruptoren zählt im BAYER-Sortiment unter anderem Bisphenol A (BPA). Rund eine Millionen Tonnen dieses Stoffes, der z. B. in Lebensmittel-Verpackungen Verwendung findet, stellt der Leverkusener Multi jährlich her. Vom menschlichen Körper aufgenommen, kann das Bisphenol Fehlsteuerungen im Organismus auslösen und zu Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen führen. Die EU hat deshalb bereits die Verwendung in Babyflaschen untersagt. Zudem verkündete Brüssel für 2019 das BPA-Aus in Thermo-Papieren wie etwa Kassenzetteln und erließ schärfere Grenzwerte. Aber nach einer Expertise der Europäischen Chemikalien-Agentur gab es zusätzlichen Handlungsbedarf. Die ECHA stufte das Bisphenol A nämlich als „besonders besorgniserregende Substanz“ ein, die „ernsthafte Gesundheitsauswirkungen“ habe, wobei die Effekt „dauerhaft und irreversibel“ seien. Einige EU-ParlamentarierInnen wie der Grünen-Politiker Martin Häusling forderten deshalb ein Total-Verbot für Anwendungen im Nahrungsmittel-Bereich. Dazu kam es allerdings nicht. Die Mehrheit der Abgeordneten stimmte im Januar 2018 einem Vorschlag der EU-Kommission zu, die eine nochmalige Absenkung der Grenzwerte für Rückstände in Lebensmitteln um den Faktor 12 (von 0,6 Milligramm pro Kilogramm auf 0,05 Milligramm) vorsieht und den BPA-Bann auf Schnabel-Tassen für Kinder erweitert. Dem Extrem-Lobbying von BAYER & Co. in Brüssel ist es offenbar gelungen, das Schlimmste zu verhindern.

Bisphenol-Kombinationswirkungen
Die Gefährlichkeit der Chemikalie Bisphenol A (s. o.) kann sich potenzieren, wenn die Substanz in Kontakt mit anderen Stoffen kommt. Das ergab eine Studie von Pierre Gaudriault und anderen WissenschaftlerInnen, die in der Fach-Zeitschrift Environ Health Perspect erschienen ist. Demnach stört das Bisphenol den Testosteron-Stoffwechsel 10 Mal so stark, wenn es nicht allein, sondern in Kombination mit weiteren Substanzen wie etwa Pharma-Wirkstoffen oder Acker-Giften auftritt.

Neue EU-Richtlinie zum Arbeitsschutz
Die Europäische Union hat ihre „Richtlinie 2004/37/EG“ verändert, die den Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch krebserregende und erbgut-schädigende Stoffe regelt. Elf Substanzen bezog Brüssel zusätzlich in die Direktive ein und legte Belastungslimits für sie fest. Unter anderem handelt es sich dabei um Acrylamid, Hydrazin, Bromethylen und 1,3-Butadien. Für Vinylchlorid-Monomer und Hartholz-Stäube verschärfte die EU überdies die Grenzwerte. Neun Jahre hat es bis zur Verabschiedung der Regelung durch das Europäische Parlament gedauert – nicht zuletzt „dank“ der Interventionen von BAYER und anderen Unternehmen. Aber den LobbyistInnen der Konzerne gelang es nicht nur, den legislativen Prozess immer wieder zu verzögern, sie erreichten auch bedeutende Änderungen. So gelang es ihnen beispielsweise, die Neuaufnahmen zu begrenzen. Ursprünglich standen neben Acrylamid bis zu 49 weitere Stoffe auf der Liste. Die Strategie der Multis: Das Anzweifeln von Studien und der Verweis auf die EU-Maxime der „Better regulation“, die vorsieht, bei allen neuen Initiativen die Auswirkungen auf die Wirtschaft mit zu berücksichtigen. Allerdings könnte sich die Regelungszone der Richtlinie doch noch ausweiten. Es steht nämlich ein EU-Vorschlag zur Aufnahme von sieben weiteren Substanzen zur Diskussion.

PRODUKTION & SICHERHEIT

Mängel in der Pillen-Produktion
Bei einer Betriebsinspektion von BAYERs Leverkusener Pharma-Anlagen hat die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA gravierende Mängel festgestellt (siehe auch SWB 2/18), die ein Gesundheitsrisiko für die PatientInnen darstellen. Sowohl die Produktion von ADALAT als auch die von ASPIRIN CARDIO, AVELOX und LEVITRA beanstandeten die PrüferInnen. Von „signifikanten Verstößen gegen die gute Herstellungspraxis (CGMP)“ spricht die „Food and Drug Administration“. Unter anderem hat der Pillen-Riese verschiedene Medikamente in einem Raum gefertigt, ohne die benutzte Ausrüstung und die Arbeitsflächen nach den jeweiligen Durchläufen gründlich zu säubern, was zu Verunreinigungen von Medikamenten führte. Überdies kontrollierte der Multi der FDA zufolge die Stabilität der Zusammensetzung seiner Pharmazeutika nicht ausreichend. Die Mess-Geräte ließen ihrer Ansicht nach viel zu große Schwankungsbreiten zu. Die Apparaturen zur automatisierten Qualitätskontrolle stellte der Global Player ebenfalls so ein, dass sich der Ausschuss in Grenzen hielt. Zudem hat er nicht angemessen auf Probleme mit undichten Medikamenten-Packungen reagiert. „Ihre Firma hat es nicht geschafft, eine ordentlich arbeitende Qualitätskontrolle-Abteilung aufzubauen“, resümiert die FDA in ihrem „Warning Letter“. Nun muss der Pharma-Gigant die Fertigung umfassend neu organisieren, will er den Zugang zum US-Markt nicht verlieren. Ein normaler Betrieb ist in dieser Zeit nicht möglich, weshalb BAYER große finanzielle Einbußen erleidet. Die „Liefer-Ausfälle durch Korrektur-Maßnahmen in der Produktion“, wie der der Vorstandsvorsitzende Werner Baumann das auf der Bilanz-Pressekonferenz im Februar 2018 ausdrückte, kosten das Unternehmen rund 300 Millionen Euro.

STANDORT & PRODUKTION

BAYER baut Standort Basel aus
Der Leverkusener Multi baut den Baseler Hauptsitz seiner Sparte „Consumer Health“ aus, in der er die Geschäfte mit den in den Apotheken ohne Rezept erhältlichen Pharmazeutika wie ASPIRIN, BEPANTHEN und ALKA-SELTZER bündelt, aus. 20 Millionen Franken investiert der Konzern am Standort. Zudem kündigte er die Schaffung von 100 Arbeitsplätzen an.

IMPERIUM & WELTMARKT

EU genehmigt MONSANTO-Deal
Am 21. März 2018 hat die Europäische Union BAYERs Antrag auf Übernahme von MONSANTO genehmigt. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) verurteilte diese Entscheidung auf Schärfste. „Mit ihrem Genehmigungsbescheid hat die EU ohne Not einem Oligopol im Landwirtschaftssektor mit BAYER an der Spitze ihren amtlichen Segen erteilt. Fortan trägt sie Mitverantwortung für die von dem Quartett verantworteten Geschäftspraktiken“, hieß es in ihrer Presseerklärung. Die von Brüssel gemachten Auflagen ändern an der neuen Markt-Macht des Leverkusener Multis kaum etwas. Auch mit den von der Generaldirektion Wettbewerb verlangten Verkäufen von Unternehmensteilen erreicht der Konzern im Pestizid-Bereich noch einen Markt-Anteil von mehr als 20 Prozent und beim konventionellen Saatgut einen Markt-Anteil von ca. 30 Prozent. Beim gen-manipulierten Saatgut beträgt dieser sogar 90 Prozent. Diese dominierende Stellung bedroht die Landwirtschaft, da die LandwirtInnen mit höheren Preisen rechnen müssen und überdies weniger Auswahl haben. Auch die VerbraucherInnen können beim Einkauf nicht mehr zwischen so vielen Sorten wählen, wenn der Leverkusener Multi mit seinem Vorhaben wirklich zum Ziel kommen sollte. Und der Mega-Deal hätte noch weitere Folgen. So sehen sich die Beschäftigten mit Arbeitsplatz-Vernichtungen durch die bei solchen Gelegenheiten immer viel beschworenen Synergie-Effekte konfrontiert. Und schließlich stehen den Standort-Städten im Fall des Falles finanzielle Einbußen ins Haus, denn BAYER pflegt seine Shopping-Touren immer von der Unternehmenssteuer abzusetzen. Bisher haben allerdings noch längst nicht alle Kartell-Behörden ihr Prüf-Ergebnis bekannt gegeben. Nicht zuletzt darum wird die CBG ihre Kampagne gegen das Milliarden-Geschäft mit unverminderter Kraft fortsetzen.

Pharma-Standort Russland
Im Jahr 2011 hat die russische Regierung eine „Pharma 2020“-Strategie entwickelt. Ziel des Programmes ist es, die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung zu verbessern und die Entwicklung einer heimischen Pharma-Industrie voranzubringen. Von diesem Zeitpunkt an konnten die Global Player der Branche ihre Medikamente nur noch in dem Staat vertreiben, wenn sie dort auch selber produzierten und/oder sich vor Ort Partner suchten. Und das machte der Leverkusener Multi dann auch. „Lokale Fertigung ist ein strategischer Schritt vorwärts in der Entwicklung des Unternehmens, der BAYERs Unterstützung der ‚Pharma 2020’-Strategie bekräftigt“, verkündete der Russland-Chef des Konzerns, Niels Hessmann. So ging der Pillen-Riese etwa eine Partnerschaft mit MEDSINTEZ zur Fertigung des Antibiotikums AVELOX ein. Den umstrittenen Gerinnungshemmer XARELTO und seine Röntgenkontrast-Mittel GADOVIST, MAGNEVIST und ULTRAVIST stellt er mittlerweile in Kooperation mit POLYSAN her. Und Krebs-Mittel will die Aktien-Gesellschaft bald ebenfalls in dem Land selber zusammenbrauen.

ÖKONOMIE & PROFIT

BAYER verkauft COVESTRO-Aktien
Im Jahr 2015 gab BAYER die Trennung von seinem Kunststoff-Geschäft bekannt. Unter dem Namen COVESTRO brachte er es an die Börse. Seither reduzierte der Konzern seine Anteile an der ehemaligen Unternehmenssparte peu à peu. Der letzte Verkauf fand im Januar 2018 statt. Der Konzern veräußerte in jenem Monat weitere 10,4 Prozent der Papiere und strich dafür 1,8 Milliarden Euro ein. Momentan hält der Agro-Riese selbst noch 14,2 Prozent des COVESTRO-Kapitals und sein Pensionsfonds weitere 8,9 Prozent. Der Global Player will seine Aktien möglichst schnell losschlagen, weil er für die MONSANTO-Übernahme Geld braucht. Täte der Konzern dies nicht, könnte er nur schwer die Kreditwürdigkeit erhalten, weil die Rating-Agenturen seine Bonität herabstufen würden.

BAYSANTO & MONBAYER

Ernte-Ausfälle durch Dicamba
Das Ackergift Dicamba findet in den USA hauptsächlich in Kombination mit Genpflanzen von MONSANTO, BASF und DUPONT Verwendung, die gegen das Mittel resistent sind. Aber auch der Leverkusener Multi setzt auf die Agro-Chemikalie, die in den Vereinigten Staaten jetzt massive Ernte-Schäden verursacht hat. Sie bleibt nämlich nach dem Ausbringen nicht einfach an Ort und Stelle, sondern verflüchtigt sich. Und vom Winde verweht machte die Substanz sich auf die Reise von den gegen das Mittel resistenten Genpflanzen hin zu den konventionellen Ackerfrüchten, die nicht gegen den Stoff gewappnet waren und deshalb eingingen. Auf einer Fläche von 1,25 Millionen Hektar starben Pflanzen durch das Pestizid ab, das die Konzerne in Ermangelung neuer Herbizid-Wirkstoffe in ihren Labors wieder aus der Mottenkiste geholt hatten. Die Bundesstaaten Arkansas und Missouri verhängten deshalb Sprüh-Verbote. MONSANTO zog dagegen sofort – allerdings vergeblich – vor Gericht und landete in der Sache selber auf der Anklagebank: Geschädigte FarmerInnen reichten nämlich eine Sammelklage gegen das Unternehmen ein. Auch gegen BASF und DUPONT leiteten die Bauern und Bäuerinnen juristische Schritte ein.

RECHT & UNBILLIG

IBEROGAST: BAYER verklagt BfArM
Auch Medikamente auf pflanzlicher Basis wie BAYERs Magenmittel IBEROGAST, das 2013 mit dem Kauf von STEIGERWALD in die Produkt-Palette des Pharma-Riesen gelangte, können es in sich haben. So schädigt der IBEROGAST-Inhaltsstoff Schöllkraut die Leber. Arzneien mit einer hohen Schöllkraut-Konzentration hat das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) deshalb schon aus dem Verkehr gezogen. Vom Leverkusener Multi verlangte es, diese Nebenwirkung auf dem Beipackzettel zu vermerken. Der Konzern lehnte es aber ab, dieser Aufforderung nachzukommen. Für ihn ist die „hohe Sicherheit“ des Präparates „durch eigene Daten vollständig belegt“. Darum zeigt er sich auch nicht bereit, den Widerspruch zurückzunehmen, den STEIGERWALD vor zehn Jahren gegen die Anordnung eingelegt hatte. Und selbst nach dem Scheitern dieses Widerspruchs zeigt das Unternehmen keine Einsicht. „Das Nutzen/Risiko-Profil zu IBEROGAST bleibt unverändert positiv“, behauptet der Global Player in schon aus unzähligen Hauptversammlungen bekannten Worten – und ließ Taten folgen. Er klagte gegen den Stufenplan-Bescheid des BfArMs zur Änderung der Packungsbeilage. Dabei käme das Präparat auch ohne Schöllkraut aus, worauf unlängst der Pharmakologe Gerd Glaeske mit Verweis zwei Studien (Rösch et al. 2002; Madisch et al. 2004) hinwies. Die Weigerung des Pillen-Riesen, vor den möglichen Leberschäden zu warnen, stieß auf massive Kritik. „Dass der Hersteller BAYER das nicht in seine Packungsbeilage aufnimmt und auf seinem Internet-Auftritt im Zusammenhang mit der Einnahme von IBEROGAST während der Schwangerschaft die angeblich ‚gute Verträglichkeit’ des ‚rein pflanzlichen’ Arzneimittels betont, ist ein Skandal!“, meinte etwa die Gesundheitspolitikerin Kordula Schulz-Asche von Bündnis 90/Die Grünen.

XARELTO-Urteil aufgehoben
BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO mit dem Wirkstoff Rivaroxaban hat gefährliche Nebenwirkungen – im Jahr 2016 gingen allein beim „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) 117 Meldungen über Todesfälle ein. In den USA ziehen deshalb immer mehr Geschädigte bzw. deren Hinterbliebene vor Gericht. Mittlerweile liegen dort 20.500 Klagen vor (Stand: Oktober 2017), und auch in Kanada bahnen sich juristische Auseinandersetzungen an. Nachdem der Leverkusener Multi die ersten vier Prozesse für sich entscheiden konnte, verlor er im Dezember 2017 den fünften. Der „Philadelphia State Court“ gab einer Frau recht, die reklamierte, durch XARELTO schwerwiegende Blutungen erlitten zu haben, und verurteilte den Pharma-Riesen zu einer Strafzahlung in Höhe von 28 Millionen Dollar. Der Konzern ging allerdings in Berufung und konnte sich durchsetzen: Im Januar 2018 hob ein Richter das Urteil wieder auf.

Patent-Streit mit DOW
Bereits seit Langem tobt zwischen dem Leverkusener Multi und DOW CHEMICAL ein Rechtsstreit um bestimmte Gentechnik-Patente. Im Jahr 1992 hatte eine inzwischen vom US-Unternehmen geschluckte Firma vom bundesdeutschen Konzern das Recht erworben, Pflanzen mit Resistenz-Genen gegen das BAYER-Pestizid Glufosinat bestücken zu dürfen. 2007 dann stellte DOW der Firma MS Technologies Sublizenzen zur Nutzung der fünf Patente aus. 2012 ging BAYER dagegen gerichtlich vor und kündigte die Vereinbarung mit der US-amerikanischen Aktien-Gesellschaft. Der bundesdeutsche Agro-Riese brachte den Fall vor das Schiedsgericht der Internationalen Handelskammer (ICC) und bekam 455 Millionen Dollar zugesprochen. DOW CHEMICAL focht das Urteil vor heimischen Gerichten an, scheiterte aber bisher schon dreimal. Zuletzt lehnte der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten, der U.S. Supreme Court, die Klage des Agro-Riesen ab.

Patent-Streit mit TEVA
Der Leverkusener Multi gehen routinemäßig gegen Pharma-Hersteller vor, die nach Ablauf der Patent-Frist von BAYER-Pillen erschwinglichere Nachahmer-Produkte auf den Markt bringen wollen. So hofft der Konzern sich die lästige Billig-Konkurrenz möglichst lange vom Leibe halten zu können. Deshalb leitete er auch gegen das Unternehmen TEVA, das eine Generika-Version von STAXYN – der Schmelztabletten-Form der Potenz-Pille LEVITRA – vorbereitet, juristische Schritte wegen Verletzung des geistigen Eigentums ein. Der TEVA-Anwalt William Jay bezeichnete dieses Vorgehen als den „Standard-Versuch eines Pharmazeutika-Herstellers, um die Patentlaufzeit eines profitablen Marken-Produkts zu verlängern“. Die RichterInnen sahen das offenbar ähnlich: Sie wiesen die Klage des bundesdeutschen Global Players ab.

Kritik an STIVARGA-Patent
Erhalten die Konzerne für neue Pharmazeutika ein Patent, so garantiert ihnen das eine Monopol-Stellung und entsprechende Extra-Profite. Andere Firmen dürfen so lange nicht mit dem entsprechenden Wirkstoff experimentieren, bis die Schutzrechte abgelaufen sind. Das behindert den wissenschaftlichen Fortschritt immens. Genau das kritisierte jetzt Dr. David Tran von dem Biotech-Startup FUSTIBAL. Die Firma arbeitet an der Weiterentwicklung gängiger Krebs-Mittel etwa durch die Nano-Technologie und hätte das gerne auch mit BAYERs STIVARGA getan. Aber zu diesem Präparat bleibt der Firma der Zugang versperrt. BAYER kann auf dessen Wirk-Substanz Regorafenib nämlich noch geistiges Eigentum reklamieren, obwohl diese nur ein einziges kleines Fluor-Atom von dem Inhaltsstoff NEXAVARs – dem anderen Tumor-Therapeutikum des Leverkusener Multis – unterscheidet. „Wir glauben, dass das in Rede stehende Patent ungültig ist und den Forschungsgeist behindert“, sagt Tran. Deshalb beantragte er beim „Patent Trial and Appeal Board“ (PTAB) eine Überprüfung des Anspruchs. Dieses Begehr hat das Gremium jedoch abgelehnt.

[BaySanto] Ein schwieriges Geschäft

CBG Redaktion

BAYERs MONSANTO-Deal verzögert sich weiter

Die EU-Kommission hat Mitte November 2017 ihre Entscheidung über die Genehmigung von BAYERs MONSANTO-Übernahme auf den 5. März 2018 verschoben. Dass der Leverkusener Multi sich im Zuge der Transaktion von Teilen seines Agro-Geschäfts trennen will und mit der BASF sogar schon einen Käufer gefunden hat, konnte das Verfahren offensichtlich nicht beschleunigen. Zu groß bleiben die Bedenken. Auch LandwirtInnen-Verbände, Umwelt-Gruppen und VerbraucherInnenschutz-Gruppen machen weiterhin gegen den Deal mobil.

Von Jan Pehrke

Ende August 2017 hatte die EU eine vertiefte Prüfung von BAYERs Antrag zur Genehmigung der MONSANTO-Übernahme angekündigt. Rund vier Monate, bis zum 7. Januar 2018, sollte sie dauern. Mit einem Kurz-Check mochte sich die zuständige Generaldirektion Wettbewerb unter Leitung von Margrethe Vestager nicht zufriedengeben. Es bestanden nämlich „vorläufige Bedenken“ gegen den Deal.
Konkret bezogen sich diese auf eine zu große Dominanz bei den Anti-Unkrautmitteln, falls das berühmt-berüchtigte Glyphosat und das nur wenig ungefährlichere Glufosinat unter einem Konzern-Dach angeboten werden sollten. Gleiches gilt der Kommission zufolge für die Gen-Pflanzen der Marken ROUND UP und LIBERTY, welche die beiden Unternehmen in Kombination mit diesen Ackergiften vermarkten. Bei den Substanzen, zu denen ImkerInnen greifen können, wenn Varroa-Milben ihre Bienenstöcke befallen haben, sahen Vestager & Co. ebenfalls Handlungsbedarf. Überdies befürchtete die Wettbewerbsdirektion nach der Zusammenlegung der Sparten im Geschäftsfeld „Konventionelles Saatgut“ eine zu umfassende Markt-Beherrschung bei Raps, Baumwolle, Weizen und einigen Gemüse-Sorten. Und auch im Segment der digitalen Landwirtschaft droht nach Ansicht der EU eine zu starke Vormachtstellung.
BAYER hatte also einige Hausaufgaben zu erledigen. Der Konzern, der den Deal ursprünglich bis Ende 2017 unter Dach und Fach zu haben plante, musste deshalb Mitte September sogar selbst eine Fristverlängerung bis zum 22. Januar 2018 beantragen. Einen Monat später präsentierte der Global Player dann die Früchte seiner Arbeit: Er gab bekannt, Teile seines Agro-Sortiments für 5,9 Milliarden Euro an die BASF abgeben zu wollen. In der entsprechenden Presse-Mitteilung kündigte das Unternehmen an, sich von seinen gen-manipulierten Raps-, Soja- und Baumwoll-Pflanzen der „LIBERTY LINK“-Baureihe zu trennen. Auch das auf diese Labor-Kreationen abgestimmte Herbizid Glufosinat, das die EU wegen seiner Gesundheitsschädlichkeit 2018 aus dem Verkehr ziehen will, beabsichtigt der Leverkusener Multi zu veräußern. Darüber hinaus stehen unter anderem noch hybride, also nicht zur Wiederaussaat geeignete und konventionell gezüchtete Ackerfrüchte zur Disposition.
„Wir schrumpfen uns gesund“ – dieses Signal beabsichtigte der Leverkusener Multi damit gen Brüssel zu senden. In Wahrheit handelte es sich jedoch bloß um ein Bauernopfer. Die Transaktion umfasst nämlich nur einen Umsatz von rund 1,5 Milliarden Dollar. Von vornherein hatte die Aktien-Gesellschaft damit gerechnet, im Zuge der Übernahme Geschäfte dieser Dimension abgeben zu müssen. Groß ins Gewicht fallen sie nicht. Die summierten Bilanz-Daten von 2016 zugrunde gelegt, lägen die Agro-Sektionen von BAYER und MONSANTO auch ohne diese 1,5 Milliarden Dollar noch mit weitem Abstand vor SYNGENTA/CHEMCHINA, DUPONT/DOW und BASF. „Der Deal mit BASF ändert an der dominanten Stellung, die BAYER nach dem Schlucken von MONSANTO im Bereich „Landwirtschaft“ einnehmen würde, gar nichts“, stellte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) aus diesem Grund in ihrer Presseerklärung fest.
Grundlegend ändert der Verkauf allerdings die Lage für die Arbeiter und Angestellten. Den rund 1.800 Belegschaftsangehörigen des Konzerns, die wechseln müssen, steht nämlich eine ungewisse Zukunft bevor. BASF-Chef Kurt Bock betont zwar: „Bei dieser Akquisition geht es nicht darum, in erster Linie Kosten rauszunehmen und die Anzahl der Mitarbeiter zu reduzieren“, aber was die ManagerInnen in zweiter Linie so vorhaben, reicht auch. Der Ludwigshafener Chemie-Riese will lediglich denjenigen BAYER-Beschäftigten, die einen unbefristeten Vertrag haben, ihren Arbeitsplatz garantieren. Und im Kleingedruckten schränkt er das sogar noch ein. Nur für mindestens drei Jahre und „zu vergleichbaren Konditionen“, heißt es dort. „Wir haben von Anfang an vor Arbeitsplatz-Vernichtungen und Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen durch die MONSANTO-Übernahme gewarnt und fühlen uns jetzt bestätigt“, konstatierte die CBG deshalb in ihrer-Presseerklärung.
Überdies gelang es dem Global Player mit diesem Schritt nicht wie erhofft, die Kommission zu überzeugen. Diese blieb bei ihren „vorläufigen Bedenken“ und verschob ihre Entscheidung im November auf den 5. März 2018. „Unzureichende Antworten“ von BAYER auf Informationsersuche zu den möglichen Auswirkungen des Deals gab die Generaldirektion Wettbewerb der CBG gegenüber als Grund an. Darüber hinaus teilte Direktion BAYER kurz vor Weihnachten 2017 unmissverständlich mit, der Verkauf von Teilen des Agro-Sortiments an BASF reiche nicht, um die Sorgen vor einer markt-beherrschenden Stellung des Konzerns nach dem Schlucken von MONSANTO zu zerstreuen. Die Prüfung ginge in eine „unvorstellbare Tiefe“, zeigte sich der Vorstandsvorsitzende Werner Baumann sichtlich genervt. Von vier Millionen Dokumenten, die das Unternehmen den Behörden schon übersandt habe, sprach er. Dabei interessierten diese sich besonders für Unterlagen, die in die Zukunft weisen. Margrethe Vestager und ihr Team wollen nämlich auch der mehr als berechtigten Frage nachgehen, ob durch die Inkorporation MONSANTOs die Innovationskraft der gesamten Branche leidet. „Dieser Ansatz ist neu“, klagt Baumann. Der Manager rechnet deshalb nicht nur mit insgesamt hohen Auflagen, sondern überdies damit, sich von Forschungskapazitäten trennen zu müssen. Aber lohnen tut sich das alles für ihn trotzdem, denn es locken exorbitante Profit-Aussichten. „Wir haben am Ende eine Transaktion, die von der Wertschaffung deutlich attraktiver ist als alles, was ich in Pharma und OTC (rezeptfreie Arzneien, Anm. SWB) gesehen habe“, so der BAYER-Chef.
Aber nicht nur die EU, auch Brasilien ging in die Verlängerung. Als zweitgrößter Agrar-Exporteur der Welt hat das Land nämlich ein besonderes Interesse, die heimische Landwirtschaft vor den negativen Folgen der Konzentrationsprozesse in dem Marktsegment zu schützen. Von der US-amerikanischen Wettbewerbsbehörde gab es hingegen noch keine Signale. In den Vereinigten Staaten gelang es dem Leverkusener Multi bisher lediglich, vor dem dortigen Ausschuss zur Überprüfung ausländischer Investitionen zu bestehen: Der CFIUS sah die Interessen nationaler Sicherheit durch die Transaktion nicht gefährdet.
Die Europäische Union macht es dem Leverkusener Multi zweifellos schwerer als gedacht, aber lange nicht schwer genug. Die Direktion Wettbewerb nimmt nämlich längst nicht alle Risiken und Nebenwirkungen der Übernahme in den Blick. Eine Studie des „University College London“, die im Auftrag von FRIENDS OF THE EARTH EUROPE, dem CORPORATE EUROPE OBSERVATORY, SumOfUS und anderen Organisationen entstand, wirft ihr dann auch eine zu enge Perspektive vor. Die Autoren Ioannis Lianos und Dmitry Katalevsky verlangen, nicht bloß auf die potenziellen Folgen der Operation für die Preis-Entwicklung, den Produktionsausstoß und die Innovationskraft zu schauen, sondern auf „die ganzen sozialen Kosten solcher Transaktionen“. Zu diesen Kosten zählen sie beispielsweise den Umweltschutz, den zu achten Brüssel eigentlich der Artikel 11 des „Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union“ verpflichtet. Auch die Artenvielfalt, zu deren Erhalt sich die EU in mehreren internationalen Abkommen bekannte, gehört für Lianos und Katalevsky dazu.
Die CBG hatte Mitte Februar 2017 in ihrem gemeinsam mit BROT FÜR ALLE verfassten und von MULTIWATCH, dem SEEDS ACTION NETWORK, dem PESTIZID-AKTIONS-NETZWERK und anderen Bündnispartnern unterzeichneten Offenen Brief an Margrethe Vestager noch andere mögliche Effekte des Mega-Deals genannt, die eigentlich in dessen Prüfung einfließen müssten. So warnten die Organisationen in dem Schreiben vor den Auswirkungen auf die Arbeitsplätze und die Unternehmenssteuer-Einnahmen der Standort-Städte. Darüber hinaus bezeichneten sie die zunehmende Konzentration auf dem Agro-Sektor als eine Gefahr für die demokratische Gestaltung der zukünftigen weltweiten Landwirtschaft. Zudem forderten die Gruppen die Generaldirektion Wettbewerb auf, die Rolle großer Finanzinvestoren wie BLACKROCK bei solchen Transaktionen zu untersuchen. Aber Vestager lehnte dies alles ab: „Auch wenn diese Bedenken sehr wichtig sind, bilden sie nicht die Grundlage für das Fusionskontroll-Verfahren“, antwortete die Dänin den AbsenderInnen. Und der bei der Wettbewerbskommission direkt für die Übernahmen und Fusionen zuständige Thomas Deisenhofer präzisierte später gegenüber der CBG noch einmal: „Die Rolle der Kommission bei der Prüfung von Fusionen beschränkt sich auf die Untersuchung der Auswirkungen der Fusionen auf die betroffenen Märkte.“
Darum wäre es fatal, in Sachen „MONSANTO“ auf die EU zu zählen. Nur politischer Druck kann den Mega-Deal verhindern. Und solche Aktivitäten gibt es zum Glück reichlich. Bereits über eine Million Unterschriften haben ACTION AID, AVAAZ, das CENTER FOR FOOD SAFETY und zehn andere Initiativen gegen die von BAYER geplante Übernahme gesammelt. In den USA machen derweil die NATIONAL FAMILY FARM COALITION, die VerbraucherInnenschutz-Organisation CONSUMER FEDERATION OF AMERICA und Tierzucht-Verbände gegen das Milliarden-Geschäft mobil. Hierzulande tut sich selbstverständlich auch einiges, dafür sorgen die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, ihre Bündnis-Partner und zahlreiche andere Gruppen. Als nächste größere Aktion findet am 20. Januar 2018 in Berlin die von MEINE LANDWIRTSCHAFT organisierte „Wir haben es satt“-Demonstration statt. Sie steht diesmal – aus gegebenem Anlass – unter dem Motto „Der Agrar-Industrie die Stirn bieten“.

HERVORHEBUNGEN:

„Wir schrumpfen uns gesund“ – dieses Signal beabsichtigte der Leverkusener Multi mit dem BASF-Deal gen Brüssel zu senden. In Wahrheit handelte es sich jedoch bloß um ein Bauernopfer.

Die EU blieb bei ihren „vorläufigen Bedenken“ und verschob ihre Entscheidung über die Genehmigung der MONSANTO-Übernahme auf den 5. März 2018.

Die Europäische Union macht es dem Leverkusener Multi zweifellos schwerer als gedacht, aber lange nicht schwer genug.

[Land & Wirtschaft] CBG-Jahrestagung 2017

CBG Redaktion

Die diesjährige Jahrestagung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN widmete sich dem agro-industriellen Komplex und den Alternativen, die es zum Geschäftsmodell von BAYER & Co gibt.

Von Jan Pehrke

2016 hatte sich die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) auf ihrer Jahrestagung aus gegebenem Anlass mit BAYERs Vorhaben, MONSANTO schlucken zu wollen, befasst. In diesem Jahr nahm sie sich nun vor, den gesamten agro-industriellen Komplex, der durch die momentan geplanten Übernahmen und Fusionen in diesem Sektor noch komplexer zu werden droht, einmal genauer zu durchleuchten. Aber auch die Beschäftigung mit den Alternativen zu den Praktiken der Global Player sollte nicht zu kurz kommen.
Zu Beginn sprach Benjamin Luig vom Südafrika-Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung über „Konzern-Macht im globalen Agrar- und Ernährungssystem“. Dabei blieb er nicht bei den Geschäften von BAYER & Co. stehen, sondern nahm zusätzlich noch andere Markt-Segmente in den Blick: die Düngemittel, den Landmaschinen-Sektor, die Lebensmittel-Ketten und den Nahrungsmittel-Zwischenhandel. In diesen Bereichen hat es Luig zufolge während der letzten Jahre ebenfalls eine massive Konzentrationswelle gegeben, wie im Falle des Agrarchemie-Monopolys maßgeblich getrieben von Großanlegern wie Warren Buffett. Und hinter den Konzernen, die dort die Top-Positionen einnehmen, steht teilweise noch mehr Kapital-Kraft als hinter BAYER & Co., hielt der Wirtschaftshistoriker fest. So machte etwa das Familien-Unternehmen CARGILL, das unter anderem im Zwischenhandel mit Ackerfrüchten und Vieh tätig ist, im Jahr 2016 mehr als doppelt so viel Umsatz wie der Leverkusener Multi.
Am Beispiel Südafrika verdeutlichte der Referent die fatalen Auswirkungen dieser Entwicklung. Das von MONSANTO, BAYER, SYNGENTA, DOWDUPONT und BASF gebildete Oligopol für Pestizide und Saatgut lässt die Preise für diese Inputs stetig steigen. Weitergeben können die Bauern und Bäuerinnen diese Kosten nur begrenzt, denn auf dem Gebiet des Zwischenhandels gibt es ebenfalls nicht viele Akteure. CARGILL besitzt hier ein Quasi-Monopol und hat entsprechend viel Nachfrage-Macht. In dieser Zwickmühle gefangen, treibt es Benjamin Luig zufolge viele landwirtschaftliche Betriebe immer tiefer in die Verschuldung.
Auch Roman Herre von der Menschenrechtsorganisation FIAN zog eine negative Bilanz der Agro-Industrialisierung mit ihrem „Think Big“-Imperativ. Hatte BAYER-Chef Werner Baumann den jüngsten Größenwahn der Branche mit der Dringlichkeit begründet, eine stetig wachsende Weltbevölkerung mit Nahrungsmitteln versorgen zu müssen, so führte der FIAN-Aktivist dieses Argument überzeugend ad absurdum. Nach Herres Ansicht besteht nämlich kein Grund für eine Demographie-Panik: Zwar lebten im Jahr 2013 2,3 Mal mehr Menschen auf der Erde als 1960, aber die Lebensmittel-Produktion habe damit mehr als Schritt gehalten. Sie stieg im selben Zeitraum um den Faktor 3,2. Sogar ein Land wie Indien produziert Überschüsse, weist jedoch trotzdem eine immense Zahl an Hungernden auf – für Herre ein klarer Fall von Markt-Versagen. Aber nicht nur bei den indischen Bedürftigen kommt ein Großteil der landwirtschaftlichen Güter gar nicht an. Weniger als die Hälfte der globalen Ernten lande auf den Tellern, der Rest finde sich in den Trögen der Tiermast-Anlagen oder in den Tanks der Kraftfahrzeuge wieder, rechnete der studierte Geograf vor.
Bereits die in den 1960er Jahren ins Werk gesetzte „grüne Revolution“ hatte eine Lösung des Hunger-Problems mit Hilfe neuer Agro-Technologien versprochen. Aber ihre Verheißungen erfüllten sich nicht. Auf den Philippinen beispielsweise brachte sie vielmehr viele Bauern und Bäuerinnen in Not, so Herre. Geködert von anfangs hoch subventionierten Pestiziden und anderen Gütern, stiegen sie um. Als aber die im Rahmen der Produkteinführungskampagne gewährten Vergünstigungen ausliefen, reichte der Ertrag ihrer Felder nicht, um die Markt-Preise für die Inputs zu zahlen. Die FarmerInnen gerieten so in die Schulden-Falle. Darum drehten dort ForscherInnen zusammen mit den LandwirtInnen in einem Projekt die Uhren zurück: Sie entwickelten ein kleinteiligeres Reisanbau-Modell ohne Hochertragssorten und Pestizid-Einsatz – das zero-chem-farming – und erzielten damit einen beeindruckenden Erfolg. Die Input-Kosten sanken, und trotzdem hatten die Bauern und Bäuerinnen noch eine reichere Ernte als ihre KollegInnen, welche die teureren hybriden, also nicht zur Wiederaussaat geeigneten Arten verwendeten.
Mit Bernd Schmitz trat anschließend jemand ans Mikrofon, der als Praktiker an den von Roman Herre vorgestellten „Alternativen zum industriellen Ernährungssystem“ arbeitet. Aus einer alten Bauernfamilie stammend, die seit mehreren Generationen einen Hof im Hanftal bei Königswinter bewirtschaftet, entschloss er sich im Jahr 2006 zu der Umstellung auf eine ökologische Produktion. Veranlasst dazu haben ihn zwei Dinge: Das Förderprogramm unter der damaligen Landwirtschaftsministerin Renate Künast von Bündnis 90/Die Grünen und die Invasion der gentechnisch veränderten Futterpflanzen, der er entkommen wollte. Jetzt sehen seine Kühe wieder Land und fressen wie von alters her Gras statt der Eiweiß-Bomben aus Soja. Und sogar Hörner dürfen sie wieder haben, auch wenn Schmitz dafür die Stall-Fläche vergrößern musste, um der Verletzungsgefahr bei Rangkämpfen vorzubeugen. „Helden der Arbeit“ sind seine Tiere jetzt zwar nicht mehr, denn sie geben nur noch 6.500 Liter Milch im Jahr statt wie früher 9.000, aber betriebswirtschaftlich geht die Rechnung trotzdem auf. Schmitz kann sich jetzt nämlich das teure Turbo-Futter und die TierärztInnen-Flatrate – sonst obligatorisch in der Milchproduktion – sparen.
Überdies baut der derzeitige NRW-Vorsitzende der „Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft“ noch Kleegras, Winterweizen und andere Ackerfrüchte unter Beachtung der Fruchtfolge an, d. h. er sät jedes Jahr etwas anderes aus, um die Böden zu schonen. Auch pflanzt der Bauer nicht dicht an dicht wie in der konventionellen Landwirtschaft üblich. So kann auch mal der Wind über das Feld wehen und Pilz-Sporen vertreiben, was dem Einsatz von Pestiziden vorbeugt.
Mit solchen chemischen Keulen sucht BAYER die Welt schon mehr als hundert Jahre heim. Damit nicht genug, finden sich noch viele andere, nicht weniger gefährliche Produkte für LandwirtInnen im Angebot des Unternehmens. Jens Wegener von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gab in seinem Referat einen historischen Überblick über die weit verzweigten Aktivitäten des Leverkusener Multis im Agrar-Bereich. Bereits 1892 bringt dieser mit Antinonnin das erste Insektizid auf chemischer Basis heraus. Ein folgenschwerer Schritt, denn solche Gifte entwickelten sich nicht nur zur Landplage, sie erwiesen sich auch als kriegsverwendungsfähig, wie der CBGler erläuterte. Nur eine kleine Abweichung in der Formel, und schon entstanden während des Zweiten Weltkriegs in den BAYER-Laboren aus einer Agro-Chemikalie Nervengase wie Tabun oder Sarin. Das allein führt schon das ganze Ausmaß der Zerstörungskraft dieser Substanzen vor Augen. Von hunderttausenden Todesfällen jährlich durch Vergiftungen berichtete der Geschäftsführer der Coordination. Dem Global Player aber reichte diese eine Risiko-Technologie noch nicht. Auch mit gen-manipuliertem Saatgut experimentierte er früh. Und nun setzt das Unternehmen an, der mit Abstand größte Agro-Konzern der Welt zu werden.
Ob aber die Übernahme MONSANTOs gelingt, steht dahin. Die Aktien-Gesellschaft gebietet nämlich seit fast vierzig Jahren nicht mehr allein über ihr Schicksal, konstatierte der CBGler – und das nicht nur wegen neuer Anteilseigner wie BLACKROCK. Seit 1978 redet auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN ein Wörtchen mit. So wie die Coordination zurzeit massiv gegen den MONSANTO-Deal mobil macht, hat sie in der Vergangenheit bereits zahlreiche – und oft genug auch erfolgreiche – Kampagnen gegen die Risiken und Nebenwirkungen einer profit-orientierten Geschäftspolitik durchgeführt. Der CBG gelang es nach Wegeners Worten beispielsweise, in Indien die Kinderarbeit bei den Zulieferern der BAYER-Tochter PROAGRO zu stoppen. Zuvor hatten sich bis zu 2.000 Kinder im Alter von sechs bis vierzehn Jahren zwölf Stunden am Tag für 50 Cent im Baumwoll-Anbau verdingen müssen. Auch schaffte es die Coordination in Kooperation mit Partnern vor Ort, 1987 den Bau eines gefährlichen Pestizid-Werkes in Australien zu verhindern.
Selbst der Leverkusener Multi kann die Folgen der CBG-Arbeit für ihn nicht ganz in Abrede stellen, auch wenn er es mit aller Kraft versucht. Jens Wegener zitierte dazu den heutigen Aufsichtsratsvorsitzenden Werner Wenning, der 2013 in einer Fernseh-Dokumentation zu „150 Jahre BAYER“ sagte: „Die Fragen des Umweltschutzes, die Fragen des Klimaschutzes haben in den letzten Jahren eine erhebliche Bedeutung bekommen, und es war unsere Pflicht, dass wir uns mit diesen Dingen noch intensiver auseinandersetzen. Sicherlich hat einiges, was von unseren externen Kritikern gekommen ist, bestimmte Abläufe auch noch mal beschleunigt.“
Und so zeigte die Jahrestagung denn, dass eine andere Landwirtschaft und noch so einiges mehr möglich ist. Damit gab sie der „Stop BAYER/MONSANTO“-Kampagne zusätzlichen Auftrieb, die 2018 – dem 40. Jahr des Bestehens der CBG – in eine neue Runde gehen wird.

HERVORHEBUNGEN:

Zu Beginn sprach Benjamin Luig vom Südafrika-Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung über „Konzern-Macht im globalen Agrar- und Ernährungssystem“. Dabei blieb er nicht bei den Geschäften von BAYER & Co. stehen, sondern nahm zusätzlich noch andere Markt-Segmente in den Blick: die Düngemittel, den Landmaschinen-Sektor, die Lebensmittel-Ketten und den Nahrungsmittel-Zwischenhandel.

Hatte BAYER-Chef Werner Baumann den jüngsten Größenwahn der Branche mit der Dringlichkeit begründet, eine stetig wachsende Weltbevölkerung mit Nahrungsmitteln versorgen zu müssen, so führte der FIAN-Aktivist Roman Herre dieses Argument überzeugend ad absurdum.

Selbst der Leverkusener Multi kann die Folgen der CBG-Arbeit für ihn nicht ganz in Abrede stellen, auch wenn er es mit aller Kraft versucht.

[MONSANTO] EU prüft weiter

CBG Redaktion

BAYERs MONSANTO-Deal

Die EU unterzieht BAYERs Ansinnen, den US-Konzern MONSANTO übernehmen zu wollen, einer vertieften Prüfung. Das gab die Wettbewerbskommission Ende August 2017 bekannt.

Von Jan Pehrke

Wie allgemein erwartet, hat die Europäische Union BAYERs Antrag, den US-Konkurrenten MONSANTO schlucken zu wollen, nicht schon nach einem 7-wöchigen Kurz-Check durchgewunken. „Die Kommission hat eine eingehende Prüfung eingeleitet, um die geplante Übernahme von MONSANTO durch BAYER nach der EU-Fusionskontrollverordnung zu würdigen“, hieß es am 22. August 2017 in Brüssel. Die Generaldirektion Wettbewerb sei besorgt darüber, dass der Zusammenschluss den Wettbewerb in den Bereichen „Pestizide“, „Saatgut“ und „agronomische Merkmale“ – das böse Wort „Gentechnik“ nimmt die EU nicht in den Mund –beeinträchtigen könnte, lautete die Begründung. Die Zugeständnisse, zu denen sich beide Konzerne am 31. Juli 2017 schriftlich bereit erklärten, reichten der Kommission nicht aus, um ihre „vorläufigen Bedenken“ gegen das Unterfangen zu zerstreuen, das dem Leverkusener Multi bei den gen-manipulierten Pflanzen einen Marktanteil von weit über 90 Prozent, beim konventionellen Saatgut einen von rund 30 Prozent und bei den Pestiziden einen von ca. 25 Prozent einbrächte.
Konkret beziehen sich diese Bedenken auf eine zu große Dominanz bei den Anti-Unkrautmitteln, wenn das berühmt-berüchtigte Glyphosat und das nur wenig ungefährlichere Glufosinat unter einem Konzern-Dach angeboten werden sollten. Gleiches gilt für die Genpflanzen der Marken ROUND UP und LIBERTY, welche die beiden Unternehmen in Kombination mit diesen Ackergiften vermarkten. Bei den Substanzen, zu denen ImkerInnen greifen können, wenn Varroa-Milben ihre Bienenstöcke befallen haben, sieht die EU-Kommission ebenfalls Handlungsbedarf. Im Geschäftsfeld „konventionelles Saatgut“ schließlich befürchtet sie nach der Zusammenlegung der Sparten eine zu umfassende Markt-Beherrschung bei Raps, Baumwolle, Weizen und einigen Gemüse-Sorten. Und Gleiches gilt der Europäischen Union zufolge für das Segment der digitalen Landwirtschaft.

Für BAYER kommt all dies nicht überraschend. Von vornherein hatte der Leverkusener Multi damit gerechnet, sich im Zuge der MONSANTO-Akquisition von Teilen seines Sortiments trennen zu müssen, um von den Kartell-Behörden die Genehmigung für den Deal zu erhalten. Sogar ein bestimmtes Umsatz-Volumen hatte er schon vor Augen: 1,6 Milliarden Dollar. Und Vorbereitungen für die Veräußerungen traf der Global Player bereits im März 2017. Da stellte er die Gentech-Pflanzen der LIBERTY-Produktreihe mitsamt dem auf sie abgestimmten Herbizid Glufosinat sowie Raps- und Baumwoll-Saatgut zum Verkauf, was sogleich auf reges Interesse stieß.

Entsprechend gelassen reagierte der Konzern auf die Nachricht aus Brüssel. „Aufgrund der Größe und des Umfangs der geplanten Übernahme hat BAYER eine nähere Untersuchung erwartet“, erklärte er. Viel Unbill erwartet das Unternehmen in den kommenden Monaten aber offenbar nicht mehr, und kleinere Dosen – etwa in Form von weiteren Auflagen zur Abgabe von Produkten – kann der Agro-Riese gut verkraften. „BAYER sieht einer Fortsetzung der konstruktiven Zusammenarbeit mit der EU-Kommission entgegen“, hieß es deshalb in der Presseerklärung. Und „konstruktiv“ bezeichnete der Konzern die Zusammenarbeit auch noch einen Monat später, obwohl er sich da gezwungen sah, eine Verlängerung der Prüffrist über den 8. Januar 2018 hinaus zu beantragen, weil ihm die Anforderungen aus Brüssel doch mehr zu schaffen machten, als gedacht.
Aber trotzdem müssen die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und zahlreiche andere Initiativen, welche sich in Offenen Briefen an die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager gegen den Milliarden-Deal gewandt hatten, immer noch das Schlimmste befürchten. Die in diesen Eingaben aufgelisteten Risiken und Nebenwirkungen des Geschäfts berücksichtigt die Europäische Union bei ihrer Bewertung der Akquisition nämlich nicht. Sie finden in ihrer Verlautbarung vom 22. August 2017 keinerlei Erwähnung.
Die CBG etwa hatte in ihrem gemeinsam mit BROT FÜR ALLE verfassten und von MULTIWATCH, dem SEEDS ACTION NETWORK, dem PESTIZID-AKTIONS-NETZWERK und anderen Bündnispartnern unterzeichneten Schreiben vor den Auswirkungen auf die Arbeitsplätze und die Unternehmenssteuer-Einnahmen der Standort-Städte gewarnt. Auch forderten die Organisationen Vestager & Co. auf, die Rolle großer Finanzinvestoren wie BLACKROCK bei solchen Transaktionen zu untersuchen. Zudem bezeichneten sie die zunehmende Konzentration auf dem Agro-Sektor als eine Gefahr für die demokratische Gestaltung der zukünftigen weltweiten Landwirtschaft. Andere Offene Briefe thematisierten die Gefährdung des Klimas durch eine immer stärker forcierte Industrialisierung der Boden-Bewirtschaftung oder mahnten die EU eindringlich, sich die Folgen von BAYERs Coup für die Länder des globalen Südens vor Augen zu führen.
In 50.000 E-Mails, 5.000 Briefen oder Postkarten und unzähligen Tweets brachten die GegnerInnen des Projektes ihre Kritik zum Ausdruck. Das alles schert Brüssel jedoch nicht. „Auch wenn diese Bedenken sehr wichtig sind, bilden sie nicht die Grundlage für das Fusionskontroll-Verfahren“, antwortete Margrethe Vestager den AbsenderInnen. „Die Kommission hat die Aufgabe, die Übernahme aus wettbewerbsrechtlicher Sicht zu bewerten“, hielt die sozialliberale Politikerin fest. Ihre Fachabteilung beschränke sich in der Sache deshalb auf Fragen des Wettbewerbs, folge dem Grundsatz der Unparteilichkeit und unterliege der Kontrolle durch die europäischen Gerichte, stellte die Dänin klar.

Auf diese Weise droht die vertiefte Prüfung zu einer ziemlichen Flachbohrerei zu verkommen. Mit technokratischem Tunnel-Blick durchkämmen die BeamtInnen die immensen Warenlager von BAYER und MONSANTO, gucken sich dabei jedes einzelne Produkt genau an und checken Verkaufszahlen und Markt-Anteile. Und ungefähr genauso gehen ihre KollegInnen in den USA vor. Patty Lovera von der Initiative FOOD AND WATER WATCH moniert das. Den RegulatorInnen „entgeht das Entscheidende“, wenn sie sich in diesem Klein-Klein verlieren, anstatt auf das große Ganze zu schauen und die Auswirkungen des kompletten, sich zur Zeit im Agro-Business abzeichnenden Konzentrationsprozesses in Augenschein zu nehmen. „Wir glauben nicht, dass diese Analyse dem Ausmaß der Konsoldierung und Kontrolle, die wir in diesen Märkten sehen, gerecht wird“, so Lovera. Darum schrieb FOOD AND WATER WATCH gemeinsam mit dem „American Antitrust Institute“ und der „National Farmers Union“ in dieser Sache einen Offenen Brief an die US-amerikanische Kartellbehörde. Und auch von 17 Senatoren der Demokratischen Partei bekam diese Post.

Hierzulande stößt die Arbeit der Kartell-WächterInnen in gleichem Maße auf Kritik. Einem Gutachten zufolge, das der Jurist Boris P. Paal im Auftrag von Bündnis 90/Die Grünen erstellte, hat die EU durchaus die Möglichkeit, bei der Begutachtung der Transaktion auch solche Aspekte zu würdigen, die laut Margrethe Vestager nicht Gegenstand des Verfahrens sein dürfen. Paal verweist dazu besonders auf den Artikel 2 der Fusionskontroll-Verordnung. Mit BAYERs Plan, MONSANTO zu übernehmen, droht ihm zufolge nämlich das, was dort unter „wirksamer Wettbewerb“ gefasst ist, in Bezug auf die Ernährungssicherheit, die Biodiversität und den Gesundheitsschutzes zu gefährden. „Die EU-Kommission ist somit (auch) im Fall BAYER/MONSANTO gehalten, außer-ökonomische Ziele in das Fusionskontroll-Verfahren mit einzubeziehen“, hält der Gutachter fest.
Und die Publikation „Fusion von BAYER & MONSANTO“, zu deren Mitherausgebern die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN neben der ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT, dem FORUM UMWELT UND ENTWICKLUNG und anderen Gruppen zählt, formuliert ebenfalls massive Einwände gegen das Treiben der
Wettbewerbskommission. Die Zahlen, welche die Veröffentlichung präsentiert, sprechen eine eindeutige Sprache. Vestager & Co. winken die Fusions- und Übernahme-Anträge in den allermeisten Fällen ohne jegliche Auflagen durch. Im Jahr 2015 beispielsweise untersagten sie keinen einzigen der von ihnen überprüften Deals. „Eine Verschärfung der Fusions- und Missbrauchskontrolle ist unerlässlich, um die Markt-Macht der Multis zu begrenzen“, lautet deshalb das Resümée. Die AutorInnen fordern unter anderem ein Trennungsgebot, das es den Unternehmen nicht länger erlaubt, gleichzeitig dominierende Stellungen sowohl im Saatgut- als auch im Gentechnik- und Pestizid-Bereich aufzubauen. Überdies verlangen sie, die gehaltenen Patente in die Entscheidungen mit einzubeziehen. Und schließlich tritt die Streitschrift für die Einrichtung einer Welt-Kartellbehörde ein.

Aber auch sonst nimmt der Protest gegen das BAYER-Vorhaben nicht ab. „Ich glaube, das wird ein schlechter Deal für die amerikanischen Farmer“, sagt John Boyd Jr. von der „National Black Farmers Association“ (NBFA). So erwartet er beispielsweise höhere Kosten für Soja im Falle der Übernahme von MONSANTO durch BAYER und verweist dazu auf die eh schon massiv gestiegenen Preise für diese Ackerfrüchte. Habe er für einen 50-Pounds-Sack (ca. 23 Kilogramm) mit Saatgut in den 1990er Jahre lediglich neun Dollar zahlen müssen, seien es jetzt schon 61 Dollar gewesen, berichtet er und empört sich über die Ignoranz des Leverkusener Multis. Die NBFA hatte zu ihrem Jahrestreffen nämlich VertreterInnen des Globals Players eingeladen, um ihnen Fragen zu dem Deal zu stellen. Es kam jedoch niemand. Als „totale Respektlosigkeit“ bezeichnete Boyd dieses Verhalten und richtete einen Appell an die Öffentlichkeit: „Heute rufe ich jeden, der Lebensmittel kauft oder konsumiert, dazu auf, sich unserer Kampagne zum Stopp der Fusion von BAYER und MONSANTO anzuschließen.“

Und auch der Leverkusener Multi selbst musste sich immer wieder mit den GegnerInnen seiner Übernahme-Pläne auseinandersetzen. Das „Wir haben es satt“-Bündnis, FIAN, die CBG und andere Organisationen statteten der Konzern-Zentrale am 6. September 2017 einen Besuch ab (siehe gegenüberliegende Seite). Aber das bildete erst den Auftakt zu einer neuen Runde von Aktionen gegen das Milliarden-Geschäft, an deren vorläufigem Ende die Jahreshauptversammlung des Unternehmens Ende Mai 2018 in Bonn stehen wird.

HERVORHEBUNGEN:

„Die EU-Kommission ist somit (auch) im Fall BAYER/MONSANTO gehalten, außer-ökonomische Ziele in das Fusionskontroll-Verfahren mit einzubeziehen“, hält der Gutachter fest

Als „totale Respektlosigkeit“ bezeichnete Boyd dieses Verhalten und richtete einen Appell an die Öffentlichkeit: „Heute rufe ich jeden, der Lebensmittel kauft oder konsumiert, dazu auf, sich unserer Kampagne zum Stopp der Fusion von BAYER und MONSANTO anzuschließen.“

[Ticker] Ticker 04/17

CBG Redaktion

ERSTE & DRITTE WELT

Mehr Freihandel mit Mexiko
1997 schloss die Europäische Union mit Mexiko ein Freihandelsabkommen ab, das ab dem Jahr 2000 sukzessive in Kraft trat. Seit Juni 2016 nun verhandeln beide Seiten über eine Aktualisierung der Vereinbarung. Die EU verfolgt dabei das Ziel, BAYER & Co. noch bessere Kapitalverwertungsmöglichkeiten in dem Land zu verschaffen. So drängen die Brüsseler UnterhändlerInnen den lateinamerikanischen Staat, das „Übereinkommen zum Schutz von Pflanzen-Züchtungen“ (UVOP) in der 1991er-Fassung anzuerkennen. Das hätte drastische Folgen für die dortigen LandwirtInnen. „Lässt sich Mexiko auf die EU-Forderung zur Umsetzung der UVOP-Version von 1991 ein, schränkt dies den freien Saatgut-Tausch noch mehr ein und bedroht die Vielfalt der mexikanischen Land-Sorten. Zugleich würden die Gewinn-Möglichkeiten für BAYER und MONSANTO steigen, wenn die Konkurrenz durch bäuerliche Züchtungen sinkt“, warnt Thomas Fritz in seiner vom FORSCHUNGS- UND DOKUMENTATIONSZENTRUM CHILE-LATEINAMERIKA gemeinsam mit MISEREOR und anderen Organisationen herausgegebenen Studie „Menschenrechte auf dem Abstellgleis“. Kritik an den UVOP-Bestimmungen hatten ihm zufolge auch die „Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit“ (GIZ) und der ehemalige UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Olivier de Schutter, geübt. Zudem will Brüssel den Konzernen die Gelegenheit bieten, Mexiko vor einem internationalen Schiedsgericht zu verklagen, sollte es die Geschäftskreise der Unternehmen zu sehr stören. Während sich EU-Mitglieder wie Ungarn gegen die Aufnahme eines entsprechenden Passus in den Handelsvertrag aussprachen, hielt Deutschland ihn für absolut notwendig. „DEU hingegen betonte, dass es wichtig sei, den Investitionsschutz auf der Linie, wie er für TTIP und CETA erarbeitet wurde, auch für MEX zu verankern“, zitiert Fritz aus Unterlagen des Auswärtigen Amtes. Und damit nicht genug, arbeitet die Europäische Union auch daran, den Firmen den Zugriff auf die Bodenschätze des lateinamerikanischen Landes zu erleichtern.

POLITIK & EINFLUSS

EDC-Kriterien unzulänglich
Chemische Stoffe haben viele gesundheitsgefährdende Eigenschaften. Eine der unheimlichsten: Manche Substanzen wirken ähnlich wie Hormone und können damit den menschlichen Organismus gehörig durcheinanderwirbeln (siehe auch SWB 4/16). Pestizide des Leverkusener Multis wie FOLICUR (Wirkstoff: Tebuconazole), BETANAL (Lenacil), FENOMENAL (Fenamidon) oder Industrie-Chemikalien made by BAYER wie Bisphenol A sind deshalb imstande, Krebs, Diabetes, Fettleibigkeit, Unfruchtbarkeit und andere Gesundheitsstörungen auszulösen. Hormonell wirksame Ackergifte wollte die EU eigentlich schon 2009 im Rahmen einer Neuordnung der Zulassungsgesetze verbieten. Dazu kam es allerdings nicht. Nach Ansicht Brüssels galt es zunächst, genaue Kriterien zur Charakterisierung der Pseudo-Hormone – sogenannter endokriner Disruptoren (EDCs) – zu entwickeln. Mit drei Jahren Verspätung, die nicht zuletzt dem Extrem-Lobbyismus von BAYER & Co. geschuldet waren, legte die Europäische Kommission den entsprechenden Entwurf im Sommer 2016 vor. Nach weiteren Beratungen über die Vorlage stimmte der Pestizid-Ausschuss den Bestimmungen zur Identifizierung der EDCs zu. Das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN), die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und andere Gruppen kritisierten diese Entscheidung in einer gemeinsamen Stellungnahme scharf. Nach Meinung der Organisationen ist die Definition der Stoffe zu eng gefasst, was zu viele gefährliche Chemikalien aus dem Raster fallen lässt. Und schließlich verstößt der Pestizid-Ausschuss mit seinem Beschluss in den Augen des Bündnisses gegen das 7. Umweltprogramm der Europäischen Union, das eine Reduktion der Belastung von Mensch und Umwelt mit hormonellen Schadstoffen vorsieht. Aus all diesen Gründen richtete es einen Appell an die Brüsseler PolitikerInnen: „Jetzt liegt es am EU-Parlament, diese Krititerien abzulehnen.“

Billiger Strom für BAYER & Co.
Seit Jahren klagen die Konzerne über die Strom-Preise in der Bundesrepublik. „Die im internationalen Vergleich überdurchschnittlich hohen Energie-Kosten gefährden Deutschlands Zukunft als Industrie-Standort“, warnt etwa der BAYER-Manager Wolfgang Große Entrup. Dabei zahlen die Unternehmen viel weniger als die Privat-Haushalte. Während diese im Jahr 2016 für die Kilowatt-Stunde durchschnittlich 6,71 Cent aufbringen mussten, schlug sie für BAYER & Co. nur mit 2,06 Cent zu Buche. Die Industrie profitiert nämlich von vielen Sonderregelungen. So gewährt ihnen der Staat einen Erlass bei der EEG-Umlage zur Förderung erneuerbarer Energien. Auch werden sie bei den Netzentgelten sowie den Steuern für Energie und Strom bevorzugt. Zusätzlich profitieren besonders energie-intensive Betriebe wie BAYER von einem Spitzenausgleich. Belief sich der Geldwert der Vergünstigungen im Jahr 2005 noch auf „bloß“ 10,7 Milliarden Euro, so stieg er bis 2016 auf rund 17 Milliarden Euro, wie das FORUM ÖKOLOGISCH-SOZIALE MARKTWIRTSCHAFT errechnete. 11,5 Milliarden davon finanzierten die NormalverbraucherInnen.

Betriebsrenten ohne Haftung
Das „Betriebsrenten-Stärkungsgesetz“ der Großen Koalition stärkt vor allem BAYER & Co. Fortan müssen die Unternehmen ihren Beschäftigten nämlich keine Garantie über die Mindesthöhe dieses Ruhegeldes mehr geben. Das Paragraphen-Werk spricht nur noch von einer „Ziel-Rente“ und nimmt den Firmen so das Haftungsrisiko. Zudem erhalten die Konzerne Zuschüsse aus Steuermitteln, wenn sie GeringverdienerInnen Betriebsrenten anbieten.

Wanka für Gen-Scheren
Bundesbildungsministerin Johanna Wanka stimmt in den Chor all jener mit ein, die meinen, nur mit Hilfe von noch mehr Gentechnik seien alle Menschen auf dem Globus satt zu bekommen. So singt sie das Hohelied auf das wegen seiner Risiken und Nebenwirkungen umstrittene Verfahren, mittels Gen-Scheren DNA-Stränge in das Erbgut von Pflanzen einzubauen. „Ein großer Fortschritt, um den Wettlauf mit dem Hunger, der noch immer die Menschheit in vielen Teilen der Welt bedroht, zu gewinnen“, urteilt die CDU-Politikerin über die Gentechnik 2.0. Dementsprechend spricht sie sich gegen allzu strenge Auflagen für die Methode aus, auf die auch BAYER stark setzt. Regeln für die neuen Züchtungstechniken müsse es zwar geben, so die Ministerin, „aber wir haben auch eine Verantwortung, Wissen weiterzuentwickeln. Dafür braucht es auf jeden Fall Experimentier-Räume, die wir uns nicht vorschnell verbauen sollten“.

Schulz bei BAYER
Selbst im Wahlkampf kommen die PolitikerInnen nicht am Leverkusener Multi vorbei. So machte der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz dem Dormagener Chemie-„Park“, den die 60-prozentige BAYER-Tochter CURRENTA betreibt, seine Aufwartung. Dabei pries er – mit 30 JournalistInnen im Schlepptau – die „hervorragende Kooperation der Stadt mit der Industrie“. Auch bei der CURRENTA eckte der Sozialdemokrat nicht an. Es gab einen „guten Austausch über „Energie-Politik, Nachhaltigkeit und Industrie-Akzeptanz“, bekundete deren Chef Günter Hilken. Künftige Unbill versprach Schulz, so gut es geht von dem Standort fernzuhalten. Als Beispiel nannte er die Seveso-Richtlinie, die als Lehre aus der Chemie-Katastrophe von 1976 einen ausreichenden Abstand zwischen Industrie-Anlagen und anderen Gebäuden vorschreibt. Sie dürfe bei der Umsetzung in bundesdeutsches Recht nicht noch mit zusätzlichen Auflagen beschwert werden, forderte der Politiker mit Blick auf die Probleme, welche die EU-Richtlinie Dormagen bei der Stadtentwicklungspolitik im Allgemeinen und bei der Planung eines Fachmarkt-Zentrums im Besonderen bereitet.

BAYERs EU-Lobbying
1,95 Millionen Euro lässt sich der Leverkusener Multi seine Lobby-Aktivitäten bei der Europäischen Union jährlich kosten. Das geht aus dem entsprechenden Eintrag im EU-Lobbyregister hervor. 15 Personen arbeiten im Brüsseler Verbindungsbüro des Konzerns. Neun von ihnen haben Zugangsberechtigungen zu den Räumlichkeiten des Europäischen Parlaments. Schwerpunkte der Einfluss-Arbeit bildeten im Berichtszeitraum die Regulierung von Pestiziden und Pharma-Produkten sowie Themen, welche die Gesundheit von Menschen und Tieren betrafen. Darüber hinaus sitzen BAYER-VertreterInnen gemeinsam mit EU-ParlamentarierInnen in der „Land Use and Food Policy Intergroup“ und im „Knowledge for Innovation Forum“. Aber darauf beschränkt sich das Antichambrieren des Global Players bei der EU nicht. Er gehört nämlich den europäischen Industrie-Verbänden „Business Europe“, „European Chemical Industry Council“ (CEFIC), „European Federation of Pharmaceutical Industries Association“ (EFPIA) und „European Association for Biotechnologies“ (EuropaBio) an, die wiederum zahlreiche LobbyistInnen beschäftigen. Allein die CEFIC verfügt laut Register über einen Etat von 10,2 Millionen Euro. Die Initiative CORPORATE EUROPE OBSERVATORY schätzt den Betrag angesichts von 150 Beschäftigten sogar noch als weit höher ein und fordert generell eine Überprüfung der von den Unternehmen und Verbänden gemachten Angaben.

Neues Arzneimittel-Gesetz
Das Arzneimittel-Neuverordnungsgesetz (AMNOG) von 2011 schreibt für neue Medikamente eine Kosten/Nutzen-Prüfung vor. Wenn die Arzneien den Prozess erfolgreich durchlaufen, können die Hersteller mit den Krankenkassen einen Preis aushandeln. Dieser gilt allerdings nicht ab sofort, sondern erst nach zwölf Monaten. In der Zwischenzeit dürfen BAYER & Co. beliebig viel für die Pharmazeutika verlangen. Dies wollte jetzt das „Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz“ unterbinden. Nach dem Willen von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sollten für Präparate, die im ersten Jahr nach der Zulassung einen Umsatz von mehr als 250 Millionen Euro erzielen, die mit den Kassen vereinbarten Preise rückwirkend in Anschlag gebracht werden. „Mit der Einführung einer Umsatz-Schwelle sorgen wir dafür, dass die Patienten möglichst schnell mit neuen Arzneimitteln versorgt werden, die Preise für besonders hochpreisige neue Arzneimittel aber begrenzt sind“, sagte Gröhe bei der Präsentation des Gesetzes-Entwurfs. Im fertigen Paragrafen-Werk fehlte der entsprechende Passus dann allerdings. „Einen Kniefall vor der Pharma-Lobby“ nannte das der „Sozialverband Deutschland“ (SoVD). In einem anderen Punkt gelang es der Industrie allerdings nicht, sich durchzusetzen. Die Unternehmen hätten über die mit den VertreterInnen von DAK & Co. ausgemachte Erstattungshöhe für die Medikamente gerne den Mantel des Schweigens gelegt, damit Informationen über im Inland eventuell gewährten Rabatte geheim bleiben und im Ausland nicht die Preise verderben. Dies scheiterte jedoch am Widerstand der SPD.

PROPAGANDA & MEDIEN

Millionen für das Gesundheitswesen
Die 54 Unternehmen, die im von BAYER gegründeten „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller“ organisiert sind, pflegten die bundesdeutsche medizinische Landschaft im Jahr 2016 mit 562 Millionen Euro (2015: 575 Millionen). Keinen kleinen Teil davon brachte der Leverkusener Multi auf. Er investierte rund 41 Millionen Euro in MedizinerInnen, ärztliche Standesorganisationen, Selbsthilfegruppen, Institute, medizinische Fachgesellschaften und von Krankenhäusern betriebene Pharma-Forschung.

Neun Millionen für ÄrztInnen
Von den 41 Millionen Euro, die der BAYER-Konzern 2016 ins Gesundheitswesen pumpte (s. o.), erhielten ÄrztInnen rund 7,5 Millionen. Dabei zahlte er 1.424 von ihnen 3,23 Millionen an Honoraren z. B. für Vorträge und spendierte 4.699 Doctores Reise- und Übernachtungskosten in Höhe von 2,8 Millionen Euro. Des Weiteren übernahm der Global Player für 2.135 von ihnen Kongress-Gebühren, was sich auf 800.000 Euro summierte, und erstattete 936 der Weißkittel sonstige Auslagen von ca. 600.000 Euro.

BAYER bedenkt Fachgesellschaften
Zu den Akteuren des Gesundheitswesens, die BAYER mit hohen Summen bedenkt (s. o.), gehören auch die medizinischen Fachgesellschaften. Und wenn sich die Tätigkeiten der Organisationen auf ein Gebiet erstrecken, für das der Konzern die passende Arznei im Angebot hat, überweist er ihnen besonders viel Geld. So konnte sich die „Deutsche Gesellschaft für Mann und Gesundheit“ im Jahr 2016 über 147.000 Euro freuen – und der Pharma-Riese sicherlich bald über mehr Rezepte für seine umstrittenen Testosteron-Präparate. Die „Deutsche Gesellschaft für Frauengesundheit“ sponserte er mit 34.000 Euro, um das Marktumfeld für seine Verhütungsmittel zu verbessern. Zur Umsatz-Steigerung seines risiko-reichen Gerinnungshemmers XARELTO indessen investierte der Pharma-Riese unter anderem 65.000 Euro in die „Deutsche Gesellschaft für Angiologie“, die sich Gefäß-Krankheiten widmet. Hinzu kamen 30.000 Euro für die „Gesellschaft für Thrombose und Hämostase-Forschung“. Und den Absatz seiner Lungen-Arznei ADEMPAS förderte der Leverkusener Multi mit einem Scheck in Höhe von 52.900 Euro an die „Deutsche Gesellschaft für Pneumologie“.

BAYER sponsert Kongresse
Die von den medizinischen Fachgesellschaften veranstalteten Kongresse und Tagungen bieten dem BAYER-Konzern ein wichtiges Forum, um für seine Pharmazeutika zu werben. Darum sponsert er die Meetings mit hohen Summen. So steuerte der Pillen-Riese zur jährlichen Zusammenkunft der „Deutschen Gesellschaft für Neurologie“ 219.000 Euro bei, braucht er doch dem Unternehmen gewogene NervenärztInnen, um mit BETAFERON, seinem Präparat zur Behandlung der Multiplen Sklerose, auch weiterhin gute Geschäfte machen zu können. Die „Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung“, die sich der Leverkusener Multi wegen seines Blutverdünners XARELTO warmhalten muss, erhielt für ihren Kongress 84.000 Euro. Und die „Deutsche Gesellschaft für Urologie“ strich für ihr Jahrestreffen 107.000 Euro ein, was dem Beliebtheitsgrad von XOFIGO, BAYERs Medikament zur Behandlung der Prostatakrebs-Art CRPC, nicht abträglich sein dürfte.

Schulfach „MIRENA“
Die „Ärztliche Gesellschaft zur Gesundheitsförderung“ (ÄGGF) betreibt laut Selbstauskunft „Gesundheitsförderung durch aufsuchende Prävention“. Auf der Website heißt es weiter: „Die ÄrztInnen der ÄGGF gehen in die Schulen, beantworten die Fragen der jungen Menschen und geben wichtige Informationen zu den Themen „Gesundheit“, „Sexualität“ und „Fruchtbarkeit“. An der Neutralität dieser Informationen bestehen jedoch gehörige Zweifel. Die Gesellschaft erhielt von BAYER nämlich für eine „pädagogische“ Maßnahme, die sich MIRENA und anderen Hormon-Spiralen des Konzerns mit dem Wirkstoff Levonorgestrel widmet, Geld. Der Transparenz-Bericht des Unternehmens führt eine entsprechende Zahlung zur Promotion der auch Intrauterin-Systeme genannten Medizin-Produkte auf. Demnach überwies der Leverkusener Multi der Einrichtung zum Verwendungszweck „Verhütung und LNG-IUS (Levonorgestrel Intrauterine System, Anm. Ticker) im Unterrichtsprogramm“ 93.000 Euro.

BAYER kooperiert mit Uni-Liga
Auch in den USA versucht der Leverkusener Multi, die naturwissenschaftlichen Fächer stärker im Bildungssystem zu verankern. Er braucht nämlich qualifizierten Nachwuchs für seine Labore. So vereinbarte BAYER eine Werbe-Kooperation mit der „Big Ten Conference“, der Universitätssport-Liga von zehn Hochschulen, um SportlerInnen und Fans mehr für die Wissensgebiete „Landwirtschaft“, „Medizin“ und „Pharmazie“ zu erwärmen.

Eisstockschießen mit JournalistInnen
Zur Pflege der Presse-Landschaft lädt das Wuppertaler BAYER-Werk JournalistInnen traditionell zu einem Neujahrsempfang ein. Diesmal arrangierte der Konzern ein Eisstockschießen mit anschließendem Hüttenabend, das der Zielgruppe offenbar gefallen hat. „Alles in allem ein spannender, kurzweiliger Abend in der Hako-Eishalle“, resümierte Die Stadtzeitung Wuppertal.

TIERE & VERSUCHE

125.585 Tierversuche
Im Geschäftsjahr 2016 fanden bei BAYER 125.585 Tierversuche statt, 92 Prozent davon mit Ratten und Mäusen. Die Zahlen gehen damit etwas zurück. Im Jahr 2015 hatte der Leverkusener Multi noch 133.666 Experimente am „Tier-Modell“ unternommen.

TIERE & ARZNEIEN

Eier-Rückruf wg. Fipronil
Im Sommer 2017 machte ein neuer Lebensmittel-Skandal Schlagzeilen. Eier aus belgischen und niederländischen Lege-Batterien wiesen Spuren eines Wirkstoffs gegen Parasiten-Befall auf. Ein Desinfektionsmittel, das in Hühnerställen zum Einsatz kommt, war verbotenerweise mit der Substanz versetzt und löste so die Kontamination aus. In 45 Ländern kamen die verseuchten Eier in den Handel, allein in der Bundesrepublik belief sich die Zahl auf 10,7 Millionen Stück. Das machte gigantische Rückruf-Aktionen nötig. Das in Rede stehende Produkt – Fipronil – geriet 2002 durch den Erwerb von AVENTIS in den Besitz von BAYER. Die Wettbewerbsbehörden machten dem Leverkusener Multi jedoch zur Auflage, sich von der Chemikalie aus der Gruppe der Phenylpyrazole und anderen Stoffen zu trennen. So verkaufte der Konzern sie im Jahr 2003 an die BASF. Heutzutage vermarktet der Global Player das in der Europäischen Union nur noch für einige Anwendungen zugelassene Fipronil unter dem Namen REGENT hauptsächlich in Indien und China. Zudem bietet er den Stoff in der Veterinärmedizin als Mittel gegen Hunde und Katzen malträtierende Parasiten an. „Mit dem bewährten und gut verträglichen Wirkstoff Fipronil ist BOLFO® SPOT-ON sowohl für Kunden geeignet, deren Haustier unter einem Befall mit Flöhen oder Zecken leidet, als auch für Tierhalter, die ihren Vierbeiner künftig vorbeugend und effektiv vor den kleinen Blutsaugern schützen möchten“, textet BAYERs Werbeabteilung. Und noch ein zweites Pestizid fand sich in der DEGA-Desinfektionslösung: Amitraz. Auch diese befand sich einmal in der Produkt-Palette des Pillen-Riesen. 2005 veräußerte er die Agro-Chemikalie aber an die japanische ARYSTA LIFESCIENCE CORPORATION.

DRUGS & PILLS

Gefährliches Triclosan
Triclosan ist ein antibakteriell wirkender Stoff aus der Gruppe der polychlorierten Phenoxyphenole, der unter anderem in BAYERs FUNSOL-Spray gegen Fußpilz und -geruch enthalten ist. Er steht seit Längerem wegen seiner Risiken und Nebenwirkungen in der Kritik. So kann die Substanz etwa die Muskeln schädigen. Nach den Forschungen von Isaac Pessah schränkt sie die Funktion zweier Proteine ein, die für die Kalzium-Versorgung der Muskelzellen sorgen (Ticker 4/12). Auch steht die Chemikalie in Verdacht, hormon-ähnliche Effekte hervorzurufen und so imstande zu sein, den menschlichen Organismus gehörig durcheinanderzuwirbeln. Zudem besteht dem „Bundesinstitut für Risiko-Bewertung“ (BfR) zufolge die Möglichkeit, dass niedrig dosierte Triclosan-Produkte die Abwehrkraft von Krankheitserregern stärken und so die Wirksamkeit von Antibiotika mindern. Dieses Gefahren-Potenzial hat bereits zu einigen Reaktionen geführt. Nach einer Anordnung der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA musste das Phenoxyphenol aus Seifen-Rezepturen verschwinden. Die EU indes verbot es bisher nur in Kosmetik-Artikeln wie Cremes und Lotionen, die länger mit der Haut in Kontakt kommen.

Endometriose-Fortschritte bei EVOTEC
Im Jahr 2010 brachte der Leverkusener Multi zur Behandlung der Endometriose, einer gutartigen Wucherung der Gebärmutter-Schleimhaut, VISANNE heraus – und stellte deshalb die Produktion der ebenfalls zur Therapie dieser Gesundheitsstörung geeigneten, aber viel preiswerteren Verhütungsmittel VALETTE und CHLORMADINON kurzerhand ein (Ticker 4/14). Daneben unterhält der Konzern noch mehrere Endometriose-Forschungskooperationen. So arbeitet er auf diesem Gebiet mit der Universität Oxford und mit dem Hamburger Biotech-Unternehmen EVOTEC zusammen. Dieses entwickelte einen Wirkstoff-Kandidaten nun so weit, dass eine Klinische Prüfung der Phase 1 beginnen kann. Dafür zahlte BAYER der Firma fünf Millionen Euro.

Nierenschäden-Therapien mit EVOTEC
Nicht nur bei der Suche nach Endometriose-Therapien arbeitet BAYER mit dem Biotech-Unternehmen EVOTEC zusammen (s. o.). Der Pharma-Riese hat auch in Sachen „Nierenerkrankungen“ eine Kooperation mit der Hamburger Firma vereinbart. EVOTEC will für den Leverkusener Multi Pharmazeutika zur Behandlung chronischer Nierenschäden entwickeln und hofft, dafür auf Forschungserträge aus einem gemeinsamen Projekt mit der Harvard-Universität zurückgreifen zu können. Das Unternehmen, das zu mehreren Hochschulen solche Partnerschaften unterhält, bekommt vom Global Player 14 Millionen Euro für den Auftrag und hat darüber hinaus Aussicht auf erfolgsabhängige Zahlungen bis zu einer Höhe von 300 Millionen Euro.

AGRO & CHEMIE

Immer mehr Pestizide
Die bundesdeutschen LandwirtInnen bringen immer mehr Pestizide aus. Im Jahr 2015 landeten 123.203 Tonnen auf ihren Äckern – 5.460 Tonnen mehr als 2014. Zu den beliebtesten Mitteln gehörten dabei das von der WHO als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestufte Glyphosat, das in BAYER-Produkten wie GLYFOS, PERMACLEAN, USTINEX G, KEEPER und SUPER STRENGTH GLYPHOSATE enthalten ist, sowie das erbgut-schädigende Mancozeb. Bis Ende 2016 hat auch der Leverkusener Multi diesen Wirkstoff vermarktet. Er verkaufte ihn in Kombination mit Propamocarb unter dem Namen TATTOO.

Kein Chlorpyrifos-Bann in den USA
Organophosphate entwickelten BAYER-Forscher im Zweiten Weltkrieg als chemische Kampfstoffe. Nach 1945 kamen die Nervengifte dann als Inhaltsstoffe von Pestiziden zum Einsatz – mit den entsprechenden Risiken und Nebenwirkungen. Chlorpyrifos zum Beispiel kann Schädigungen des Nervensystems, Atemwegsbeschwerden, Übelkeit, Schwindel, Krämpfe und Kopfschmerzen auslösen sowie zu Fehlbildungen bei Neugeborenen und Entwicklungsstörungen bei Kindern führen. Darum haben die Vereinigten Staaten im Jahr 2000 die Anwendung der Chemikalie im Haus- und Gartenbereich untersagt. AktivistInnen fordern jedoch bereits seit Langem ein Komplett-Verbot. Dieses hat Skott Pruitt, der seit dem Wahlsieg von Donald Trump die US-Umweltbehörde EPA leitet, jedoch vorerst abgelehnt. Einen endgültigen Beschluss über das Schicksal der Substanz, die der Leverkusener Multi unter den Produktnamen BLATTANEX, PROFICID und RIDDER vermarktet, kündigte er für 2022 an. Entscheidungshilfe dürfte dabei Andrew Liveris von DOW geleistet haben. Pruitt hatte sich nämlich vor der Verkündung des Votums mit dem Boss der Firma, die Chlorpyrifos entwickelt hat, getroffen.

Pestizide fördern Autismus
Agro-Chemikalien können das Entstehen von Autismus fördern. Das hat eine Studie des „UC Davis MIND Institute“ unter Leitung von Janie Shelton ergeben. Der Untersuchung zufolge steigt das Risiko von Frauen, die in der Nähe von Landwirtschaftsbetrieben leben, ein autistisches oder mit Entwicklungsstörungen belastetes Kind zu gebären, um zwei Drittel. Ein besonderes Gefährdungspotenzial geht nach Ansicht der WissenschaftlerInnen dabei von dem Organophosphat Chlorpyrifos (s. o.) aus, das auch BAYER im Angebot hat.

Viele Auslaufmodelle
Anfang 2015 hat die Europäische Union eine Liste mit 77 Pestiziden veröffentlicht, die wegen ihrer fatalen Effekte auf Mensch, Tier und Umwelt möglichst schnell durch weniger gefährliche ersetzt werden sollten. Unter den Substanzen, für welche die Hersteller wegen ihres besonderen Gefährdungspotenzials alle sieben und nicht wie sonst üblich alle zehn Jahre eine Neuzulassung beantragen müssen, befinden sich 13 Wirkstoffe, die auch in BAYER-Mitteln zum Einsatz kommen. Dabei handelt es sich um Bifenthrin (Produktname: ALLECTUS), Carbendazim (DEROSAL), Cyproconazol (ALLO), Fenamiphos (NEMACUR), Fluopicolid (VOLARE), Glufosinat (LIBERTY), Mecoprop (LOREDO), Metsulfuronmethyl (STREAMLINE, ESCORT), Oxadiargyl (RAFT), Propoxycarbazone (ATTRIBUT), Tebuconazole (FOLICUR, NATIVO, PROVOST OPTI) und Thiacloprid (ALANTO, BARIARD, CALYPSO).

Unzulängliche Test-Verfahren
Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin) haben einen wesentlichen Anteil am weltweiten Bienensterben. Darum hat die EU diese beiden Produkte auch gemeinsam mit SYNGENTAs CRUISER vorläufig aus dem Verkehr gezogen. Eigentlich hätten die fatalen Effekte von GAUCHO & Co. schon während des Zulassungsverfahrens auffallen müssen, denn die Bienenverträglichkeit gehört zum Anforderungskatalog. Allerdings dauern die betreffenden Tests höchstens zehn Tage. Darum können sie keine Auskunft über die Langzeit-Wirkungen dieser Pestizide auf die Insekten geben. Bündnis 90/Die Grünen wollten in einer Kleinen Anfrage deshalb von der Bundesregierung wissen, ob sie hier auf Änderungen dränge. Aber Merkel & Co. antworteten ausweichend: „Die Entwicklung und Weiterentwicklung von Methoden und Verfahren zur Prüfung und Bewertung von Pflanzenschutzmitteln und ihrer Wirkstoffe erfolgt im internationalen Rahmen konsensual auf der Basis anerkannter Forschungsergebnisse. Hieran sind Wissenschaftler und Vertreter der zuständigen Behörden aus Deutschland intensiv beteiligt.“

GAUCHO & Co. wirken repro-toxisch
Näheren Aufschluss darüber, in welcher Weise BAYERs Pestizid PONCHO mit dem Wirkstoff Clothianidin für eine Dezimierung der Bienenvölker sorgt (s. o.), erbrachte eine neue Studie, welche die Fachzeitschrift Proceedings of the Royal Society B veröffentlichte. Der Untersuchung von Lars Straub und anderen WissenschaftlerInnen zufolge verkürzen Clothianidin und das SYNGENTA-Neonicotinoid Thiamethoxam die Lebensdauer männlicher Bienen und beeinträchtigen Quantität und Qualität ihres Spermas.

Vertriebsdeal mit WEST CENTRAL
Der Leverkusener Multi hat in den USA einen Deal mit WEST CENTRAL DISTRIBUTION vereinbart. Das in Minnesota ansässige Unternehmen vertreibt künftig exklusiv eine Kombination aus BAYERs Saatgutbehandlungsmittel REDIGO 480 mit dem Wirkstoff Prothioconazol und TRILEX (Trifloxystrobin). Die Mittel sind für den Soja-Anbau bestimmt und sollen die Pflanzen mit vereinten Kräften vor Pilzen bewahren. Diese haben sich offenbar mittlerweile zu gut an die Einzel-Applikationen von REDIGO oder TRILEX gewöhnt.

GENE & KLONE

EU berät über Genmais-Anbau
Die EU berät zurzeit darüber, erstmals seit 1998 wieder Anbau-Genehmigungen für Gen-Pflanzen zu erteilen. Es stehen Entscheidungen über die Mais-Sorten „Bt11“ von SYNGENTA sowie „1507“ von PIONEER und DOW AGROSCIENCES an. Zudem befindet Brüssel über die Wiederzulassung von MONSANTOs MON810. „Bt11“ und „1507“ sind mit dem „Bacillus thuringiensis“ (Bt) bestückt, der Schadinsekten töten soll. Darüber hinaus hat sie ein gentechnischer Eingriff immun gegen Sprüh-Einsätze mit dem BAYER-Herbizid Glufosinat gemacht. Dieses Ackergift wirkt repro-toxisch, kann also die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen und die Leibesfrucht schädigen. Überdies erweist es sich als chemisch sehr stabil, weshalb es lange im Boden verbleibt. Aus diesen Gründen will die Europäische Union das Mittel auch bis 2018 aus dem Verkehr ziehen, wogegen der Leverkusener Multi sich allerdings sträubt. „BAYER CROPSCIENCE ist davon überzeugt, dass es stichhaltige Argumente für die Erneuerung der Zulassung von Glufosinat-Ammonium gibt“, bekundet der Konzern und teilt mit, an einem Nachweis dafür zu arbeiten. Aber nicht nur wegen des Glufosinats, sondern auch wegen des Bts erweisen sich die Labor-Kreationen als problematisch. Der Bazillus steht nämlich in dringendem Verdacht, Allergien auszulösen und das Immunsystem zu schädigen. Darüber hinaus trotzen immer mehr Baumwollkapselbohrer, Baumwollkapseleulen, Kohlschaben, Aschgraue Höckereulen und „Busseola fusca“-Raupen der Substanz. All dies spricht eindeutig dagegen, europäischen LandwirtInnen die Erlaubnis zu erteilen, diese Pflanzen zu kultivieren.

Erfolgloser Anetumab-Test
BAYER setzt große Hoffnungen auf den Wirkstoff Anetumab Ravtansine. Investoren gegenüber, denen der Konzern nach XARELTO den nächsten Topseller aus der Entwicklungspipeline liefern muss, nennt er neben Finerenone stets Anetumab. Auf zwei Milliarden Euro Jahres-Umsatz beziffert das Unternehmen die möglichen Erträge. Die Arbeit an der Entwicklung der Substanz zur Serienreife begann vor fast zehn Jahren. 2008 erwarb der Konzern von IMMOGEN das Recht, eine spezielle Technologie zur Herstellung von Antikörpern nutzen zu können. MORPHOSYS bestimmte dann für den Leverkusener Multi den speziellen Antikörper zur Behandlung des Tumors Mesotheliom, der zumeist durch den Kontakt mit Asbest entsteht – und schon bei so einigen BAYER-Beschäftigten diagnostiziert wurde (Ticker 2/14). Das in Planegg ansässige Biotech-Unternehmen führte auch die klinischen Prüfungen mit dem Präparat durch. Ende Juli 2017 musste es allerdings das Versagen des Wirkstoffes in der Phase 2 der Tests bekanntgeben: Anetumab schaffte es nicht, das Krebs-Wachstum einzudämmen. Damit scheint sich die Skepsis einiger BeobachterInnen zu bestätigen, die den vollmundigen Versprechungen des Pharma-Riesen über die Wunder-Wirkungen des Pharmazeutikums nie so recht Glauben schenken mochten. „BAYER verbreitet eine gewisse Euphorie bezüglich (...) Anetumab, die ich im Moment nicht verstehen kann“, hatte etwa Markus Manns von UNION INVESTMENT GmbH mit Verweis auf die spärlichen Studien-Daten schon früh bemerkt. Der Global Player aber hält an dem Medikament fest. „Auf Basis der verfügbaren Daten planen wir weiterhin, die Wirksamkeit und Sicherheit von Anetumab Ravtansine in einer Reihe von Tumor-Arten mit hohem medizinischen Bedarf zu untersuchen“, erklärte er.

WASSER, BODEN & LUFT

NRW-Flüsse in schlechtem Zustand
Der BAYER-Konzern trägt wesentlich zum schlechten ökologischen Zustand der Gewässer in Nordrhein-Westfalen bei. So stammt dem „Bewirtschaftungsplan Nordrhein-Westfalen 2016-2021“ zufolge ein Großteil der Einträge von organischem Kohlenstoff aus Betrieben der chemischen Industrie. Mit 1.140 Tonnen war der Leverkusener Multi hier im letzten Jahr dabei. Auch den Temperatur-Haushalt der Flüsse bestimmt er wesentlich mit. Auf den haben Kühlwasser-Einleitungen – 300 Millionen Kubikmeter steuerte der Global Player dazu anno 2016 bei – nämlich den größten Einfluss. Diese heizen die Ströme auf und machen damit den Fischen das Leben schwer. Forellen beispielsweise gibt es im Rhein kaum noch. Schon bei einer Temperatur von über 11 Grad nämlich entschlüpft aus den Eiern der Weibchen kein Nachwuchs mehr. Mit seinen Agro-Chemikalien gefährdet der Leverkusener Multi die aquatischen Lebensräume ebenfalls. Der 2015 erstellte Bewirtschaftungsplan zählt die Pestizide von den Feldern der LandwirtInnen gemeinsam mit den Düngemitteln zu den bedeutendsten chemischen Belastungsquellen des Grundwassers im Gebiet des Rheins. Auch die extrem gesundheitsschädlichen Polychlorierte Biphenyle (PCB), zu deren Hauptanbietern BAYER bis zu ihrem vollständigen Verbot im Jahr 1989 gehörte, finden sich noch im Wasser. In der Sieg, der Niers, der Emscher und der Wupper überschritten die Konzentrationen im Zeitraum von 2009 bis 2011 – aktuellere Zahlen liegen nicht vor – an einigen Mess-Stellen sogar die Grenzwerte. Die Sieg hatte zudem (wie auch die Dhünn und die Emscher) mancherorts mit über den Limits liegenden Werten von Bisphenol A zu kämpfen, einer vom Konzern in rauhen Mengen produzierten Industrie-Chemikalie. Zusammengefasst weisen nur sechs Prozent der Fließ-Gewässer einen guten ökologischen Zustand auf. Einen guten chemischen Zustand haben laut Bewirtschaftungsplan 79 Prozent der Flüsse, aber nur 54 Prozent der Grundwasser-Körper Nordrhein-Westfalens.

Verletzung der Luft-Richtlinie
Die EU-Richtlinie 2001/81/EG verpflichtet die Mitgliedsländer, Maßnahmen zur Verbesserung der Luft-Qualität zu ergreifen. Nach einer Untersuchung der Europäischen Umwelt-Agentur EEA verfehlte die Bundesrepublik dabei als einziger Staat die Vorgaben gleich bei drei Stoffen: den flüchtigen organischen Verbindungen (VOCs), den Stickstoffdioxiden und dem Ammoniak. So ersparte die Große Koalition der Industrie, ihre Emissionen senken zu müssen. Obwohl dies bitter nötig wäre: Allein die BAYER-Werke stießen im Jahr 2016 weltweit 1.120 Tonnen VOCs und 2.360 Tonnen Stickstoffdioxide (NOX) aus. In Tateinheit mit Frankreich, Spanien und anderen Nationen, die höhere Stickstoffdioxid-Werte als erlaubt nach Brüssel gemeldet hatten, bat die Bundesregierung die EU-Kommission deshalb in einem Schreiben um eine nachträgliche Genehmigung der Überschreitungen. Die Absender begründeten dies mit dem unerwartet hohen NOX-Ausstoß von Diesel-Autos, ohne näher auf die kriminellen Machenschaften von VW & Co. einzugehen. Das EUROPÄISCHE UMWELTBÜRO, CLIENTEARTH und andere Initiativen kritisierten die Regierungen dann auch scharf für ihren Versuch, sich die Luftverschmutzungen rückwirkend absegnen zu lassen.

PRODUKTION & SICHERHEIT

ADALAT-Rückruf
Die Pharma-Riesen verdienen das meiste Geld mit ihren neuen Präparaten, da sie für diese dank des Patentschutzes hohe Preise verlangen können. Das Geschäft mit den alten Pillen haben BAYER & Co. dagegen streng durchrationalisiert. Oftmals stellten die Multis die Wirkstoffe für die Allerweltsmedikamente gar nicht mehr selber her, sondern beauftragen dafür andere Firmen. Diese haben ihren Sitz oftmals in Indien oder China und fertigen die Substanzen, ohne Schutzmaßnahmen zu treffen, was massiven Folgen für Mensch, Tier und Umwelt hat (siehe SWB 4/17). Manche der Unternehmen versorgen die halbe Welt mit Arznei-Stoffen. Kommt es in ihren Werken einmal zu Zwischenfällen, hat das deshalb gleich für die Arzneien mehrerer Pillen-Anbieter Folgen. So musste im Februar 2017 der BAYER-Konzern einen Rückruf seiner ADALAT-Tabletten und HEXAL einen seiner NIFEHEXAL-Produkte starten, weil der Hersteller des Wirkstoffes Nifedipin beiden Kunden verunreinigte Chargen geliefert hatte.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Faulgase in Bergkamen
Im Bergkamener BAYER-Werk kam es am 15. Juli 2017 zur Bildung von Faulgasen. Die Kläranlage der Niederlassung war den vielen Niederschlägen nicht gewachsen, die sich im Rückhalte-Becken mit Hefe-Bakterien und anderen Produktionsrückständen aus der mikrobiologischen Abteilung vermischt hatten. Deshalb mussten die Beschäftigten und AnwohnerInnen über Tage hinweg verpestete, in der Nase stechende Luft einatmen. Immer wieder ereignen sich an dem Standort solche Störfälle. Die 2008 eingeleitete Sanierung hat bislang keine Abhilfe schaffen können. Ende Juli 2011 sorgte eine defekte Pumpe für mächtigen Gestank. 2012 dann traten an einigen Leitungen Risse auf, durch die Abwässer sickerten und Duftmarken setzten. Deshalb entschloss sich der Global Player erneut zu Reparatur-Arbeiten. Aber auch das brachte nichts. Im Juni 2013 klagten die BergkamerInnen wieder über Geruchsbelästigungen, die überdies zu Gesundheitsstörungen wie Übelkeit und Kopfschmerzen führten. Knapp anderthalb Jahre später fiel schließlich die letzte Stufe der Abwasser-Reinigung aus. Und so dürften die Attacken auf die Riech-Nerven auch nach dem jüngsten Geschehnis ihre Fortsetzung finden.

Ammoniak-Austritt in Berkeley
Am 22.12.2016 ereignete sich am US-amerikanischen BAYER-Standort Berkeley ein Störfall, bei dem Ammoniak austrat. Es kam jedoch kein Belegschaftsmitglied mit dem giftigen Gas in Berührung, das der Leverkusener Multi in dem Werk als Kühlmittel einsetzt. Auch gelangte das Stickstoff/Wasserstoff-Gemisch angeblich nicht in die Umwelt.

IMPERIUM & WELTMARKT

BAYER verkauft SERDEX
Der Leverkusener Multi hat seine Tochter-Firma SERDEX an die französische Aktien-Gesellschaft AIR LIQUIDE verkauft und vernichtete damit 40 Arbeitsplätze innerhalb des Konzerns. SERDEX hatte sich zum Ziel gesetzt, „weltweit als Spezialist für natürliche Inhaltsstoffe aus tropischen Pflanzen zu gelten, die in Arzneien, Kosmetika und Beauty-Produkten Anwendung finden“. Um das zu erreichen, schreckte das Unternehmen auch nicht davor zurück, sich in Afrika und anderswo als Biopirat zu betätigen (siehe SWB 2/11).

ÖKONOMIE & PROFIT

EZB kauft BAYER-Anleihen
Seit Juni 2016 erwirbt die von dem Italiener Mario Draghi geleitete Europäische Zentralbank (EZB) nicht nur Staats-, sondern auch Unternehmensanleihen. Bis Juni 2017 hat sie 92 Milliarden Euro in diese Anlage-Form investiert und sich dafür mit rund 950 Papieren von BAYER und anderen Konzernen eingedeckt. Damit trägt die EZB nicht nur gehörig zur Finanzierung der Multis bei, sie verändert zugleich auch noch die Konditionen auf den Finanzmärkten zugunsten der großen Firmen. Die immense Nachfrage aus Frankfurt senkt nämlich die Zinsen, welche die Global Player den KäuferInnen der Anleihen zahlen müssen. Manche Industrie-Betriebe können sogar schon Negativ-Zinsen berechnen. Zudem übt die Zentralbank mit ihren Ankäufen Druck auf die Banken aus, BAYER & Co. Kredite zu günstigeren Bedingungen zu gewähren. Als „Draghis Milliardenspritze für die Mächtigen“ beschrieb Der Spiegel das EZB-Programm deshalb. Mittelständische Unternehmen, die sich durch das Ankauf-Programm benachteiligt fühlen, zogen bereits vor das Bundesverfassungsgericht.

Wem gehört BAYER?
Aktuell besitzt der Finanz-Investor BLACKROCK mit rund 6,8 Prozent die meisten BAYER-Anteile. Es folgen die COMMERZBANK mit 3,4 Prozent, die Investment-Gesellschaft CAPITAL GROUP mit rund 2,9 Prozent und die Schweizer UBS-Bank mit 2,65 Prozent.

RECHT & UNBILLIG

BAYER gewinnt Patent-Prozess
In Australien hatte BAYER das Unternehmen GENERIC HEALTH verklagt. Der Pharma-Riese warf der Firma vor, mit ihrem Verhütungsmittel ISABELLE das Patent des konzern-eigenen Präparats YASMIN verletzt zu haben, das seit einiger Zeit wegen seiner gefährlichen Nebenwirkungen in der Kritik steht. Ende März 2017 bekam der Leverkusener Multi Recht zugesprochen. Die RichterInnen verurteilten GENERIC HEALTH zu einer Straf-Zahlung in Höhe von 30 Millionen Dollar.

Strafe wg. irreführender Werbung
„BAYER duldet keine Gesetzes-Verstöße bei der Vermarktung seiner Produkte. Verantwortungsvolles Marketing steht auch für ethisch-moralische Grundsätze“, heißt es in einem Nachhaltigkeitsbericht des Leverkusener Multis. Dennoch überschreitet er immer wieder die Grenzen des Erlaubten. So verurteilte der Bundesstaat Massachusetts den Konzern wegen unzulässiger Aussagen in der Werbung für seine Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie PONCHO und GAUCHO (siehe auch AGRO & CHEMIE) zu einer Zahlung von 75.000 Dollar. „BAYER machte den Konsumenten gegenüber zahlreiche irreführende Angaben über die Sicherheit seiner Pestizide, inklusive der Behauptung, dass sie in den Pflanzen wie Vitamine wirken würden, während sie realiter hochgradig giftig für Honigbienen, weitere Befruchter und andere Tiere sind sowie die Umwelt schädigen“, sagte die Staatsanwaltin Maura Healey zur Begründung. Der Global Player hingegen war sich keiner Schuld bewusst und bezeichnete seine Reklame als „angemessen und transparent“.

FORSCHUNG & LEHRE

Kooperation mit „Cancer Research UK“
Der Leverkusener Multi unterhält über 800 Kooperationen mit Hochschulen und außer-universitären Einrichtungen zur Entwicklung neuer Produkte. Ca. 20 Prozent seines Forschungsetats investiert er in solche Projekte. So arbeitet der Pharma-Riese in Großbritannien mit dem „Cancer Research UK“ zusammen. Gemeinsam mit der staatlichen Einrichtung will der Konzern unter anderem neue Pharmazeutika auf den Gebieten der Stammzellen- und der Immun-Therapie entwickeln. Rund 200.000 Pfund investiert er dafür.

Zugriff auf PatientInnen-Daten
Gemeinsam mit der „American Heart Association“ (AHA) schreibt der Leverkusener Multi jeweils mit 150.000 Dollar dotierte Forschungsprojekte zu Durchblutungsstörungen im Gehirn, chronischem Nierenleiden und Herz-Erkrankungen aus. Von den ausgewählten WissenschaftlerInnen erwartet der Konzern, individualisierte Therapie-Formen zu entwickeln. Dafür erhalten sie Zugriff auf den riesigen Fundus an PatientInnen-Daten, über den die „American Heart Association“ verfügt. Fragen nach dem Datenschutz stellten sich BAYER und dem AHA dabei offensichtlich nicht.

[Gegenanträge] Gegenanträge HV

CBG Redaktion
Presse-Information vom 13.4.17 Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) Mein Essen zahl ich selbst! (MEZIS)

4 Gegenanträge zur BAYER-Hauptversammlung am 28. April 2017

BAYER muss die MONSANTO-Übernahme stoppen!

Original-Gegenanträge am Ende der Presseerklärung zu: TOP1: Gewinnausschüttung begrenzen TOP2: Nichtentlastung des Vorstands TOP3: Nichtentlastung des Aufsichtsrats TOP4: GegenkandidatInnen zur Wahl zum Aufsichtsrat Zur diesjährigen Hauptversammlung des BAYER-Konzerns hat die Coordination gegen BAYER-Gefahren mehrere Gegenanträge eingereicht. Diese erheben Einspruch gegen die geplante Gewinn-Verwendung, machen alternative Vorschläge zur Besetzung des Aufsichtsrats und plädieren für die Nicht-Entlastung des Vorstands. Nach Ansicht der CBG hat dieser die Verantwortung für die Vermarktung gesundheitsgefährdender Chemikalien und Medikamente und ist deshalb nicht länger tragbar. Auch zur geplanten Übernahme Monsantos hat die Coordination den Antrag gestellt, die Unternehmensführung nicht zu entlasten, weil die Akquisition zahlreiche Gefahren heraufbeschwört. Mit dem avisierten Kauf der US-Gesellschaft schickt BAYER sich nämlich an, der mit Abstand größte Agro-Konzern der Welt zu werden. Käme der Deal vollumfänglich zustande, erreichte BAYER bei den gen-manipulierten Pflanzen einen Marktanteil von weit über 90 Prozent, beim konventionellen Saatgut wären es rund 30 Prozent, bei den Pestiziden ca. 25 Prozent. „Monsanto und BAYER haben es auf der ganzen Welt darauf abgesehen, jedes Glied bei den Wertschöpfungsketten Nahrung und Gesundheit zu kontrollieren. Von herkömmlichem Saatgut über Pestizide bis zu Gentech besteht ihre Strategie in der Schaffung eines neuen multinationalen Mega-Konzerns“, warnt die Aktivistin und Trägerin des alternativen Nobelpreises, Vandana Shiva. Ginge der BAYER-Plan auf, so müssten sich die LandwirtInnen auf höhere Kosten für Saatgut und Pestizide einstellen. Und wie Bauern und Bäuerinnen weniger Auswahl bei ihren Betriebsmitteln hätten, so hätten die VerbraucherInnen weniger Auswahl im Supermarkt. Den Beschäftigten schließlich droht durch den Abbau von Parallel-Strukturen, die Auflagen der Kartellbehörden und Rationalisierungsmaßnahmen zum Abtragen der in Folge des Monsanto-Erwerbs massiv gestiegenen Schuldenlast die Vernichtung ihrer Arbeitsplätze. Überdies hätten die Standort-Städte unter der Transaktion zu leiden, denn in der Vergangenheit hat BAYER seine Einkäufe stets von der Steuer abgesetzt. Damit nicht genug, lässt BAYER keinen Zweifel daran, an der Unternehmenspolitik festhalten zu wollen, die Monsanto zurecht den Beinamen „Evil Empire“ eingebracht hat. So hält der Leverkusener Multi es für legitim, LandwirtInnen Lizenz-Verträge für Saatgut aufzuzwingen und die Gerichte zu bemühen, falls die Bauern und Bäuerinnen es dann wieder aussäen, ohne zu zahlen. „Monsanto hat ein völlig neues Geschäftsmodell etabliert und marktfähig gemacht“, lobt BAYER-Chef Werner Baumann. Sogar die Klagen gegen FarmerInnen rechtfertigt er: „Wenn man ein solches Verhalten als Unternehmen toleriert, entzieht man dem Geschäftsmodell die Basis“. Gegen Glyphosat hat der Vorstandsvorsitzende selbstverständlich ebenfalls nichts. Und dass sich in Indien schon hunderttausende FarmerInnen umgebracht haben, weil sie das teure, aber nur wenig Erträge einbringende Gentech-Saatgut von Monsanto in den Ruin getrieben hat, streitet der Manager schlichtweg ab. „So etwas wird nicht dadurch wahr, dass NGOs sich gegenseitig bestätigen und in ihrer Kritik noch bestärken“, meint Baumann. „Dieser Zynismus spricht Bände“, hält Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der CBG fest. „Bei dem Deal geht es einzig und allein um Profit. Weil der Agrar-Markt kriselt, kann die Branche ihre Renditen nicht durch eine Erschließung neuer Absatz-Gebiete und einer damit verbundenen Ausweitung der Produktion erhöhen. Auch Programme zur Effizienz-Steigerung bringen ihr zu wenig. Also drängen Blackrock und andere große Vermögensverwalter BAYER & Co. zu Fusionen und Übernahmen, um die bei solchen Operationen immer viel beschworenen ‚Synergie-Effekte’ zu generieren“, so der Diplom-Kaufmann. Während Monsanto wenigstens die Zustimmung seiner AktionärInnen zu der Transaktion einholte, spart sich BAYER das. Vandana Shiva, deren Initiative Navdanya die Proteste und Aktionen rund um die BAYER-Hauptversammlung mit vorbereitet, kritisiert dieses Verhalten und redet den Aktien-HalterInnen ins Gewissen. „Und BAYER befragt seine Aktionäre nicht einmal zur Monsanto-Übernahme. Ich appelliere daher an die AktionärInnen, den Vorstand mit ihrer Stimme nicht zu entlasten, sondern stattdessen den Antrag der Coordination gegen BAYER-Gefahren zu unterstützen!“ Ob diese Übergehung der AnteilseignerInnen überhaupt dem Aktien-Recht entspricht, bezweifeln ExpertInnen wie Christian Strenger. Als „juristisch umstritten“ bezeichnete er in einem Beitrag für die Faz ein solches Vorgehen und verwies dabei auf die Fachliteratur, die der Hauptversammlung bei Entscheidungen von großer finanzieller Tragweite „eine ungeschriebene Zuständigkeit“ zuschreibe. „Wer den mündigen Aktionär will, sollte ihn also in seiner Rolle als Eigentümer und Risiko-Träger gerade bei Mega-Fusionen ernst nehmen“, rät Strenger deshalb. Und dies gilt umso mehr, als der BAYER-Konzern seine AktionärInnen in Sachen „Monsanto“ explizit vorwarnt zahlreiche mit dem Deal verbundende Unwägbarkeiten aufführt wie etwa „das Risiko, dass die Parteien die von der beabsichtigten Transaktion erwarteten Synergien und Effizienz-Steigerungen nicht innerhalb des erwarteten Zeitraums (oder überhaupt nicht) erzielen“ oder „dass die Integration von Monsanto schwieriger, zeitaufwendiger oder teurer verläuft als erwartet“. „Aber von Risiken für Mensch, Tier und Umwelt spricht der Vorstand selbstverständlich nicht. Diese sind ihm schlicht egal – uns aber nicht! Darum haben wir zur Hauptversammlung ein breites Protest-Bündnis gegen die Monsanto-Übernahme geschlossen, dass auch über den 28. April hinaus Bestand haben wird“, so Axel Köhler-Schnura abschließend. Presse-Kontakt: Jan Pehrke (CBG) 0211/333911 Jan Salzmann (MEZIS) 0241/508074 Zu den Demonstrationen und Aktionen zur BAYER-Hauptversammlung 2017 hier mehr

Hier die vier Original-Gegenanträge

13. April 2017 Hauptversammlung am 28. April 2017 Hiermit zeigen wir an, dass wir zum Punkt 1 der Tagesordnung den Vorschlägen des Vorstands und des Aufsichtsrats widersprechen und die anderen AktionärInnen veranlassen werden, für den folgenden Gegenantrag zu stimmen.

Gegenantrag zu TOP 1:

Verwendung des Bilanz-Gewinns

Wir beantragen die Kürzung der Dividende auf 10 Cent je Aktie. Die frei werdenden Gelder sollen verwendet werden: - für Erhalt und Schaffung sicherer Arbeitsplätze und für die Zahlung sozial gerechter Löhne; - für einen Fonds zum angemessenen Ausgleich von Schäden, die infolge der Geschäftstätigkeit an Mensch und Umwelt eingetreten sind; - für den umfassenden ökologischen und sozialen Umbau des Konzerns ohne doppelte Standards. - und schließlich für die Zahlung von Wiedergutmachungen für die Verbrechen von BAYER und des von BAYER mitbetriebenen IG FARBEN-Zusammenschlusses an die Opfer bzw. an deren Angehörige und Nachkommen. Es sei angemerkt, dass wir durchaus auch den völligen Verzicht auf jede Dividendenausschüttung im Sinne der erläuterten Sozial-, Menschenrechts- und Ökologie-Leistungen beantragen würden, doch nach der Lage der Gesetze ist das nicht möglich. Für den Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren e. V. Jan Pehrke / Axel Köhler-Schnura

Gegenantrag zu TOP 2:

Der Vorstand wird nicht entlastet

Wir beantragen die Nichtentlastung des Vorstands.

Begründung:

BAYER will MONSANTO übernehmen und damit zum mit Abstand größten Agro-Konzern der Welt werden, der wichtige Glieder der Nahrungsmittel-Kette kontrolliert. Das hätte schlimme Konsequenzen für die Welternährung. Die LandwirtInnen müssten mehr für Pestizide und andere Betriebsmittel zahlen und hätten überdies weniger Auswahl. Der schrumpfenden Sorten-Vielfalt geschuldet, ständen sich auch die VerbraucherInnen in den Lebensmittel-Läden einem schrumpfenden Angebot gegenüber. Zudem würde die Transaktion der Industrialisierung der Landwirtschaft mit all ihren negativen Folgen für Mensch, Tier und Umwelt weiter Vorschub leisten. Arbeitsplatzvernichtungen und niedrigere Steuer-Zahlungen seitens BAYERs sind ebenfalls zu befürchten. Da der Aufsichtsrat der Akquisition trotz allem zugestimmt hat, ist ihm die Zustimmung zu verweigern. Die Geschäftszahlen von 2015 zugrunde gelegt, erzielen die Landwirtschaftssparten von BAYER und MONSANTO zusammen einen Umsatz von 23,1 Milliarden Dollar. Damit kann niemand aus der Branche mithalten. Bei den Pestiziden erreichen BAYER und MONSANTO zusammen einen Marktanteil von rund 25 Prozent, beim Saatgut für gentechnisch veränderte und konventionelle Ackerfrüchte einen von rund 30 Prozent. Allein die Gen-Pflanzen betrachtet, erlangen die beiden Konzerne vereint mit weit über 90 Prozent sogar eine Monopol-Stellung. Der Deal hat jedoch noch weitere Risiken und Nebenwirkungen. „Der Merger wird den Landwirten wehtun“, sagt Jim Benham von der Indiana Farmers Union: „Je mehr Konsolidierung wir bei den Anbietern unserer Betriebsmittel haben, desto schlimmer wird’s.“ Der Chef von BAYER Cropscience, Liam Condon, schloss gegenüber der New York Times weitere Preis-Steigerungen dann auch gar nicht erst aus. Allerdings versicherte er scheinheilig, der Konzern würde den FarmerInnen dafür in jedem Fall einen Mehrwert bieten. Überdies reduziert die Übernahme die Produkt-Vielfalt bei Saatgut und Pestiziden. Die oligopol-artigen Strukturen haben jetzt schon einen riesigen Innovationsstau mit sich gebracht, und die neue Übersichtlichkeit dürfte die Malaise noch verstärken. BAYERs Glufosinat oder MONSANTOs Glyphosat haben schon über 40 Jahre auf dem Buckel. Deshalb trotzen immer mehr Unkräuter diesen Substanzen. Den LandwirtInnen bleibt so nichts anderes übrig, als die Gift-Dosis zu erhöhen. Und BAYER leugnet diesen Tatbestand keineswegs. „Seit über 25 Jahren hat die weltweite Pflanzenschutz-Industrie kein wirtschaftlich bedeutendes Herbizid mit neuem Wirkmechanismus mehr für Flächen-Kulturen entwickelt und auf den Markt gebracht – unter anderem eine Folge der Konsolidierung der Industrie, die mit einer deutlichen Reduktion der Forschungsaufwendungen für neue Herbizide einherging“, so der BAYER-Forscher Dr. Hermann Stübler. Unter der zunehmenden Konzentration auf dem Agro-Markt hätten auch die Verbraucherinnen zu leiden, denn sie geht mit weniger Auswahl bei den Lebensmitteln einher. Und die Beschäftigten von MONSANTO und BAYER müssen sich ebenfalls auf härtere Zeiten einstellen. Der Vorstand hat die Synergie-Effekte des Deals auf 1,5 Milliarden Dollar taxiert, und das geht mit Arbeitsplatz-Vernichtungen einher. So kündigte der Cropscience-Chef Liam Condon schon einmal die Schließung von Labors im US-amerikanischen Cropscience-Headquarter an, das in North Carolinas „Triangle Research Park“ liegt. Zusätzliche Stellen-Streichungen im Konzern sind durch die Auflagen der Kartell-Behörden zu erwarten: Der Vorstand selbst rechnet damit, sich von Geschäften in einem Umfang von bis zu 2,5 Milliarden Dollar trennen zu müssen. Diese konservative Schätzung könnte jedoch übertroffen werden. Damit nicht genug, entsteht zusätzlicher Druck auf die Belegschaft durch die hohen Schulden, die BAYER sich in Sachen „MONSANTO“ aufgebürdet hat. Das Abstoßen von Unternehmensteilen zur Erweiterung der finanziellen Spielräume hat BAYER nur für die Bundesrepublik ausgeschlossen. Darüber hinaus drohen den Belegschaftsangehörigen mit Rationalisierungsmaßnahmen verbundene Spar-Programme zur Kosten-Senkung. Die Standort-Städte müssen sich ebenfalls auf so einiges gefasst machen. Ihnen ist die letzte Einkaufstour BAYERs noch in denkbar schlechter Erinnerung. Unmittelbar nach dem Kauf der Merck-Sparte mit den nicht rezeptpflichtigen Arzneien hatte der Konzern nämlich verkündet: „BAYER rechnet ab dem ersten Jahr nach dem Vollzug mit signifikanten Steuer-Einsparungen.“ Trotz all dieser negativen Folgen der MONSANTO-Übernahme betreibt der Vorstand die Transaktion. Damit ist er seiner Verantwortung nicht gerecht geworden. Deshalb ist ihm die Entlastung zu verweigern. Um Mitteilung dieses Gegenantrags sowie der Begründung bitten wir gemäß §§ 125, 126 AktG. Die Aktionärinnen und Aktionäre werden gebeten, ihre Stimmrechte der Coordination gegen BAYER-Gefahren zu übertragen. Für den Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren e. V. Jan Pehrke / Axel Köhler-Schnura

Gegenantrag zu TOP 3:

Der Aufsichtsrat wird nicht entlastet

Wir beantragen die Nichtentlastung des Aufsichtsrats.

Begründung:

BAYER vertreibt zahlreiche Produkte, die hormon-ähnlich wirken und deshalb die Gesundheit schädigen. Das Vorhaben der EU, diese Stoffe aus dem Verkehr zu ziehen, versuchte der Konzern durch massive Lobby-Arbeit zu hintertreiben. Diese Geschäftspolitik ist verantwortungslos. Darum ist dem Vorstand die Entlastung zu verweigern. Hormone sind die Botenstoffe des Körpers. Sie erfüllen damit eine wichtige Aufgabe in seinem Regulationssystem. Die biochemischen Substanzen steuern beispielsweise das Knochenwachstum, den Zucker- und Fettstoffwechsel, die Verdauung und die Sexualentwicklung. Stört nun etwas die Signal-Übertragung, so kommen falsche Botschaften an, was die Abläufe gehörig durcheinanderwirbelt. Und als solche „Störer“ – sogenannte endokrine Disruptoren (EDs) – hat die Wissenschaft seit einiger Zeit bestimmte Chemikalien ausgemacht. Viele dieser Substanzen gleichen in ihrem Aufbau nämlich Hormonen und haben deshalb ein beträchtliches Irritationspotenzial. Die mögliche Folge: Krankheiten wie Krebs, Diabetes, Fettleibigkeit, Dysfunktionen des Nerven- und Immunsystems sowie Herz-, Leber- und Gebärmutter-Leiden. BAYER hat eine ganze Menge dieser Stoffe im Angebot. Und manche davon, wie etwa das Antiraupen-Mittel RUNNER, sollen sogar hormonelle Effekte entfalten. Es zählt nämlich zu den Insekten-Wachstumsregulatoren, die der europäische Lobbyverband der Agro-Riesen, die „European Crop Protection Association“ (ECPA), wie folgt beschreibt: „Pheromone und Insekten-Wachstumsregulatoren werden im Pflanzenschutz speziell wegen ihrer Wirkungsweise als endokrine Disruptoren eingesetzt, um den Fortpflanzungsprozess zu stören oder den Lebenszyklus der Insekten zu verkürzen.“ Bei anderen Agro-Giften des Konzerns fällt die Beeinträchtigung des Hormonsystems hingegen eher in die Rubrik „Risiken und Nebenwirkungen“. Dies ist auch bei den anderen Substanzen mit hormon-ähnlichen Eigenschaften aus der Produktpalette BAYERs der Fall, wie z. B. bei Weichmachern oder der Industrie-Chemikalie Bisphenol A, von welcher der Konzern allein im Jahr 2011 rund 1,2 Millionen Tonnen herstellte. Bereits seit den 1990er Jahren warnen WissenschaftlerInnen vor den Gefahren, die durch endokrine Disruptoren drohen. Die Politik erkannte allerdings erst in der Dekade nach dem Jahrtausendwechsel Handlungsbedarf. Bis Ende 2013 wollte die Europäische Kommission genaue Kriterien zur Bestimmung der EDs entwickeln. Dies rief jedoch BAYER auf den Plan. Mit allen möglichen Mitteln versuchte der Konzern, in Brüssel Einfluss auf die Entscheidung zu nehmen und eine möglichst industrie-freundliche Lösung zu erwirken. So schrieb das Unternehmen im Juni 2013 einen Brief an die stellvertretende Generalsekretärin der EU-Kommission, Marianne Klingbeil, auf. „Die DG ENV (= Generaldirektion Umwelt) favorisiert gegenwärtig ein Konzept, welches durchgängig auf der Basis des Vorsorge-Prinzips konstruiert worden ist (Hazard assessment). Dies bedeutet eine fundamentale Abkehr von den Prinzipien der Risiko-Bewertung und wird in Konsequenz weitreichende, gravierende Auswirkungen auf die Chemie-Branche und Agrar-Industrie (vor allem wegen der bei Pflanzenschutzmitteln angewandten Cut-off-Kriterien, die einen Verlust der Zulassung bedingen), nach sich ziehen“, zeigte sich BAYER alarmiert. Mehr als 37 Pestizide sieht er von einem Verbot bedroht. Allein der Bann der Antipilz-Mittel aus der Gruppe der Triazolewürde zu einem Produktivitätsrückgang von 20 Prozent und zu Ernte-Verlusten bis zu 40 Prozent führen, rechnete das Unternehmen unter Bezugnahme auf zwei Studien vor. Und dieser ganze Lobbyismus von Seiten BAYERs und anderer Chemie-Multis zeigte Wirkung. Die von der EU nach langer Verzögerung im Juni 2016 schließlich vorgestellten Kriterien zur Bestimmung der EDs entsprechen weitgehend den Vorstellungen der Industrie. Dementsprechend hart fiel das Urteil seitens der Umweltverbände und der Fachwelt aus. „Das Vorsorge-Prinzip wird durch die Vorschläge mit Füßen getreten“, konstatiert etwa das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN). Hätte ursprünglich der Beleg einer hormon-schädlichen Eigenschaft für eine Regulierung ausgereicht, so müsse nun die Relevanz eines schädlichen Effekts beim Menschen tatsächlich nachgewiesen sein, moniert die Initiative. Als „ganz im Sinne der Pestizid- und Chemie-Industrie“ ausgefallen kritisiert PAN deshalb die Vorschläge der EU-Kommission zur Definition der EDs. Die Verantwortung für das In-Verkehr-Bringen und -Halten der gesundheitschädlichen endokrinen Disruptoren trägt neben dem Vorstand der Aufsichtsrat. Darum ist ihm die Entlastung zu verweigern. Um Mitteilung dieses Gegenantrags sowie der Begründung bitten wir gemäß §§ 125, 126 AktG. Die Aktionärinnen und Aktionäre werden gebeten, ihre Stimmrechte der Coordination gegen BAYER-Gefahren zu übertragen. Für den Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren e. V. Jan Pehrke / Axel Köhler-Schnura

Gegenantrag zu TOP 4:

Wahlen zum Aufssichtsrat

Wir lehnen die vom Aufsichtsrat zur Wahl vorgeschlagenen KanidatInnen ab und schlagen vor, stattdessen mit Wirkung ab Beendigung der ordentlichen Hauptversammlung 2017 als Mitglieder des Aufsichtsrats zu wählen: a) Brigitte Hincha, Erzieherin ehrenamtlich im Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren b) Axel Köhler-Schnura, Dipl. Kfm. ehrenamtlich im Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren c) Jan Pehrke, Journalist ehrenamtlich im Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren d) Uwe Friedrich, Stadtplaner ehrenamtlich im Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren d) Christiane Schnura, Dipl. Soz. Päd. Deutschland-Koordinatorin der Internationalen Kampagne für Saubere Kleidung Und zwar jeweils für die Zeit bis zur Beendigung der Hauptversammlung, die über ihre Entlastung für das Geschäftsjahr 2021 beschließt. Um Mitteilung dieses Gegenantrags bitten wir gemäß §§ 125, 126 AktG. Die Aktionärinnen und Aktionäre werden gebeten, ihre Stimmrechte der Coordination gegen BAYER-Gefahren zu übertragen. Für den Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren e. V. Jan Pehrke / Axel Köhler-Schnura

[Proteste 28.4.] Wir wollen Demokratie statt Konzernmacht!

CBG Redaktion

Presse-Information vom 22.02.2017

Coordination gegen BAYER-Gefahren e. V.
Navdanya International
IFOAM – Organics International: Weltweiter Dachverband für biologischen Landbau

Bündnis kündigt für den 28. April Proteste gegen BAYERs MONSANTO-Deal an

Wir wollen Demokratie statt Konzernmacht!

Ein breites Bündnis nimmt die BAYER-Hauptversammlung am 28. April zum Anlass für Protest-Aktionen gegen die geplante MONSANTO-Übernahme. Während der Leverkusener Multi am heutigen Mittwoch seine Bilanz für das Geschäftsjahr 2016 präsentiert und seinen Investoren den MONSANTO-Deal als gute Geld-Anlage präsentiert, macht ein Netzwerk verschiedener Initiativen gegen das Projekt mobil. Unter dem Motto „BAYER und MONSANTO – Hände weg von unserem Essen!“ kündigt es rund um das AktionärInnen-Treffen Widerstand gegen die Transaktion an.

Wie immer gibt es zur Hauptversammlung Proteste vor der Kölner Messehalle und Reden zur Nicht-Entlastung des Vorstandes auf der AktionärInnen-Versammlung selber. Parallel dazu findet in der Domstadt auch eine Demonstration mit dem einen oder anderen Trecker statt. Zudem plant das Bündnis eine Podiumsveranstaltung in der Kölner Universität. Sogar für Berlin kündigt es eine Kundgebung an. Ob der BAYER-Stammsitz Leverkusen ebenfalls mit Besuch rechnen muss, steht dagegen noch nicht fest.

„Wir wollen gesundes Essen! Aber Pestizide von BAYER und MONSANTO wie z. B. Glyphosat belasten unsere Lebensmittel, es droht Gentechnik durch die Hintertür und LandwirtInnen werden in den Ruin getrieben. Monokultur und Agrar-Industrie – Nein danke!“, erklärt Simon Ernst, Sprecher des „Koordinierungskreises der BAYER/MONSANTO-Demo“.

Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) erwartet infolge des MONSANTO-Erwerbs zudem Arbeitsplatz-Vernichtungen. Überdies sind nach Ansicht Köhler-Schnuras Einnahme-Verluste der Standorte-Städte zu befürchten: „Bisher hat BAYER noch jeden Großeinkauf von der Steuer abgesetzt“. Einzig das ökonomische Gebot, alljährlich die Renditen zu steigern, steht dem Diplom-Kaufmann zufolge hinter den jüngsten Entwicklungen. „Dieser Druck von Seiten der großen Finanzinvestoren wie etwa BLACKROCK treibt das zynische Monopoly-Spiel um das wichtigste Gut der Menschheit – die Ernährung – an.“

Die Organisatoren suchen noch nach Unterstützung für die Aktionen. Und die BesitzerInnen von BAYER-Aktien bittet die CBG um Stimmrechtsübertragungen, damit sie die Vorstandsriege in der Hauptversammlung mit möglichst vielen Beiträgen von Konzern-KritikerInnen konfrontieren kann.

Mehr Infos zu BAYER Monsanto

[Offener Brief] Offener Brief an die EU-Kommission

CBG Redaktion

Düsseldorf und Bern, den 16.2.2017

Margrethe Vestager
European Commission
Rue de la Loi / Wetstraat 200
1049 1049 Brussels
Belgium

Sehr geehrte Frau Vestager,

Wir wenden uns an Sie, weil die Wettbewerbsbehörde der EU in den nächsten Wochen zur geplanten Übernahme von Syngenta durch die chinesische ChemChina Stellung nehmen muss. Zudem stehen mit der Fusion der US-amerikanischen Dow und DuPont und der Übernahme von Monsanto durch Bayer zwei weitere geplante Merger im Agrarsektor vor dem Abschluss. Damit steht eine beispielslose Marktkonsolidierung bevor, die zu einem noch mächtigeren Oligopol führen würde. Die unterzeichnenden Organisationen fordern Sie deshalb auf, diese geplanten Übernahmen und Fusionen in ihrer Gesamtheit zu betrachten und sie aus den unten aufgeführten Gründen abzulehnen. Eine Einzelfallprüfung reicht nicht. Es darf keinesfalls bei ein paar Auflagen an jeweils einzelne der drei entstehenden Firmen bleiben. Bayer und Monsanto beispielsweise haben diese von Anfang an einkalkuliert und sogar schon genau auf einen Umsatz von höchstens 1,6 Milliarden Dollar beziffert. Sie rechnen offenbar damit, sich von Teilen des Baumwoll- und Rapsgeschäfts sowie von weiteren kleinen Bereichen trennen zu müssen1. Damit könnte der umfassenden Dominanz dieser Firmen aber kein Einhalt geboten werden.

Bereits heute beherrschen sechs transnationale Konzerne die Weltmärkte für Pestizide und Saatgut. Nach Abschluss der geplanten drei Fusionen wären es noch vier. Deren Marktbeherrschung und Kontrolle über das Ernährungssystem wäre immens. Sollten alle Übernahmen zustandekommen, würden die betreffenden drei Firmen über 65 % des globalen Pestizidmarktes und fast 61 % des kommerziellen Saatgutmarktes beherrschen2. Bei einzelnen Nutzpflanzen und Pestiziden wäre die Konzentration noch weitaus größer3. Diese Marktkonzentration hätte negative Auswirkungen auf den Wettbewerb und die Innovation sowohl in der EU als auch global. Die Forschung und Entwicklung würde sich noch stärker nur auf ein paar wenige Pflanzensorten und kommerziell nutzbare Eigenschaften fokussieren, die Forschungsagenda durch die geballte Marktmacht diktiert und noch stärker und auf die Bedürfnisse der Firmen zugeschnitten. Die Auswirkungen auf die BäuerInnen und VerbraucherInnen wären massiv. BäuerInnen hätten immer weniger Auswahl beim Saatgut und müssten mehr für Betriebsmittel zahlen, wie es bereits jetzt in den USA der Fall ist4. Dies würde wiederum zu höheren Preisen und einem kleineren Angebot für die VerbraucherInnen führen. Doch eine Vielfalt der Pflanzensorten ist essentiell für die Stabilität des Systems und damit sich die Landwirtschaft an die sich verändernden Umweltbedingungen und neuen Herausforderungen wie bspw. dem Klimawandel anpassen kann. Dieser Konzentrationsprozess stellt eine Bedrohung für die Welternährung und für die Zukunft der Landwirtschaft sowohl in Europa als auch weltweit dar.

Darüber hinaus bitten wir Sie zu berücksichtigen, dass diese Übernahmen das Lobbying für Agrargifte und Agrogentechnik stärken würden. Bayer und Syngenta sind die beiden größten Hersteller von Neonicotinoiden, deren Beitrag zum Bienensterben immer deutlicher wird. Monsanto ist der weltweit größte Hersteller des umstrittenen Herbizids Glyphosat, Syngenta jener des in der EU verbotenen Herbizids Paraquat. Diese Kombination führt oft dazu, dass auch umstrittene oder gar verbotene Produkte wider besseres Wissen weiter im Handel bleiben. Zusammen halten die drei Konzerne Monsanto, Bayer und Syngenta heute schon einen großen Teil der Patente auf gentechnisch veränderte Pflanzen. Wir sehen in den geplanten Zusammenschlüssen eine Gefahr für die demokratische Gestaltung der Zukunft der weltweiten Landwirtschaft und speziell für die künftigen Aushandlungsprozesse Agrogentechnik und Pestizide betreffend.

Sie und damit die EU müssen sich auch mit der Rolle beschäftigen, die Blackrock, Vanguard und andere Finanzinvestoren bei der Transaktion spielen. Mit ihren großen Anteilen an Bayer, Monsanto und Syngenta gelten diese Finanzakteure als Treiber solcher Fusionen. Der Leiter der bundesdeutschen Monopolkommission, Achim Wambach, fordert deshalb bezüglich Monsanto und Bayer: „Der US-Investor Blackrock ist an beiden Unternehmen zu sechs bis sieben Prozent beteiligt. Hier schließen sich also zwei Unternehmen zusammen, die zu Teilen dem gleichen Eigentümer gehören (...) Das sollten die Behörden beachten5.“ Blackrock und andere große amerikanische Vermögensverwalter stehen auch hinter dem Verkauf von Syngenta. Im Zentrum steht dabei die Aktionärsrendite.

In diesem Sinne halten wir es für notwendig, dass die Wettbewerbskommission bei der Begutachtung des Prüfantrags auch die Folgen mitberücksichtigt, welche die jeweilige Übernahme für die Beschäftigten hätte. Denn während die AktionärInnen profitieren, gehört zu den „Synergieeffekten“ solcher Fusionen immer auch die Einsparung von Arbeitsplätzen. So hat Bayer auch schon die Schließung von Labors im US-amerikanischen Cropscience-Hauptquartier in Betracht gezogen6. Darüber hinaus dürfte das Erfordernis, die durch den Kauf von Monsanto angehäuften Schulden abzutragen, in der näheren Zukunft zu Verkäufen von Unternehmensteilen und Rationalisierungsmaßnahmen durch Bayer führen. Und trotz entgegengesetzter Versprechen ist davon auszugehen, dass die geplante Übernahme durch ChemChina längerfristig auch Stellen von Angestellten Syngentas gefährdet.

Die Renditeorientierung der großen Finanzakteure führt außerdem zur Fokussierung auf Ausgaben- und Steuerverminderung. So kommunizierte Bayer 2014 bei seiner letzten großen Akquisition, dem Erstehen einer Merck-Sparte7: „Bayer rechnet ab dem ersten Jahr nach dem Vollzug mit signifikanten Steuereinsparungen.“ Die Aktiengesellschaft hat in der Folge die Ausgaben für den Erwerb tatsächlich von der Steuer absetzen können. Ähnliches ist jetzt bei der Monsanto-Übernahme zu befürchten. Die Standorte hätten so unter den Transaktionen ebenfalls zu leiden. Denn obwohl Bayer an seinem Stammsitz Leverkusen oder Syngenta in Basel bereits heute kaum noch Gewerbesteuern zahlen, würde dieser Trend durch diese Fusionen noch verstärkt.

Der Monsanto-Manager Dr. Robert T. Fraley hatte die Vorgänge in der Agrarindustrie bereits 1996 so kommentiert8: „Dies ist nicht nur eine Konsolidierung von Saatgutfirmen, sondern eine Konsolidierung der gesamten Nahrungskette.“ Mehr als 20 Jahre später ist diese Konsolidierung noch weiter fortgeschritten. Eine Handvoll Konzerne hat sich den Zugriff auf die Welternährung gesichert. Die EU hat mit ihrem Votum jetzt die Chance, ein Zeichen für eine Umkehr zu setzen. Wir appellieren an Sie als verantwortliche Wettbewerbskommissarin, diese Gelegenheit zu nutzen!

Wir danken Ihnen im Voraus für Ihre Antwort auf unseren Offenen Brief.

Mit freundlichen Grüßen,

Bernard DuPasquier,
Geschäftsführer Brot für Alle

Jan Pehrke
Vorstandsmitglied der Coordination gegen BAYER-Gefahren

Weitere Unterzeichner:
Multiwatch
Public Eye
Swissaid
Fastenopfer
Seeds Action Network Germany
Schweizer Allianz Gentechfrei (SAG)
Blauen Institut
IG Saatgut
Forum Umwelt und Entwicklung
Pestizid-Aktions-Netzwerk e. V.
Bündnis für Gentechnikfreie Landwirtschaft
pro natura
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e. V.
Agrar Koordination
Gen-ethisches Netzwerk

- Bayer (2016). Transcript Bayer AG Meet Management 2016. Sept 20, 2016. www.investor.bayer.com/securedl/14257;
Triangle Business Journal (2016). Monsanto CEO on Bayer buyout: “There is very little overlap”. Oct 5, 2016. http:www.bizjournals.com/triangle/news/2016/10/05/monsanto-ceo-on-bayer-buyout-theres-very-little.html

- ETC Group (2016). Merge-Santo: New Threat to Food Sovereignty. March 23, 2016. http:www.etcgroup.org/content/merge-santo-new-threat-food-sovereignty

- Erklärung von Bern (2014). Saatgut – Bedrohte Vielfalt im Spannungsfeld der Interessen. https:www.publiceye.ch/fileadmin/files/documents/Saatgut/Doku_Saatgut_D_Web.pdf

- Business Insider (2017). Trump could approve a giant merger that's scaring American farmers http:uk.businessinsider.com/bayer-monsanto-merger-trump-farmers-worried-2017-2?r=US&IR=T

- Rheinische Post (2016). ZEW-Chef Achim Wambach im Interview. „Bayer-Kartellprüfung dürfte viele Monate dauern“. http:www.rp-online.de/wirtschaft/bayer-kartellpruefung-duerfte-viele-monate-dauern-aid-1.6297209

- Triangle Business Journal (2016). Monsanto CEO on Bayer buyout: “There is very little overlap”. Oct 5, 2016. http:www.bizjournals.com/triangle/news/2016/10/05/monsanto-ceo-on-bayer-buyout-theres-very-little.html

- Bayer (2014). Bayer will Consumer-Care-Geschäft des US-Konzerns Merck & Co., Inc. übernehmen und vereinbart strategische Pharma-Kooperation im Bereich sGC-Modulatoren. https:www.bayer.at/de/medien/pressenews/bayer-will-consumer-care-geschaeft-des-us-konzerns-merck-co-inc-uebernehmen.php

- Mammana, Yvan (2014). Concentration of market power in the EU seed market. A study commissioned by the Greens/EFA Group in the European Parliament. http:greens-efa-service.eu/concentration_of_market_power_in_EU_see_market/

[BaySanto] STICHWORT BAYER 01/2017

CBG Redaktion

Griff nach der Marktmacht

Mit dem Kauf von MONSANTO steigt der BAYER-Konzern zum mit Abstand größten Agrar-Unternehmen der Welt auf. Der Konzentrationsprozess der Branche erreicht damit einen vorläufigen Höhepunkt.

„Ich kann Ihnen nur sagen, dass wir von der Qualität des Managements, der Qualität der Produkte, der Stärke der Innovationskraft und auch von der Kultur MONSANTOs sehr überzeugt sind“, erklärte BAYER-Chef Werner Baumann zum Abschluss der Übernahme-Verhandlungen mit dem US-amerikanischen Agro-Unternehmen. 128 Dollar zahlt der Leverkusener Multi pro Aktie – das bedeutet einen kräftigen Aufschlag gegenüber dem derzeitigen Kurs. Der Kaufpreis summiert sich so auf 66 Milliarden Dollar. 19 Milliarden davon will BAYER durch eine Eigenkapital-Erhöhung aufbringen; den Rest über Kredite von CREDIT SUISSE, der BANK OF AMERICA/MERRILL LYNCH und anderen Geldhäusern.
Der Deal ist der vorerst letzte Akt im neuerlichen Monopoly-Spiel der Agro-Industrie, die Aufzüge davor hatten DUPONT & DOW und CHEMCHINA & SYNGENTA bestritten. Im Düngemittel-Bereich schlossen sich POTASH und AGRIUM zusammen, und auch bei den Herstellern von Landmaschinen kam es zu Aufkäufen und Joint Ventures. In diesem Sektor beherrschen aktuell die Top 3 der Branche 50 Prozent des Weltmarkts.

„Endkampf um Marktanteile“
War die Konzentrationswelle vor 20 Jahren hauptsächlich von der Gentechnik getrieben, die den Zugriff auf Saatgut-Firmen verlangte, um in den Besitz des „Rohstoffes“ für die Laborfrüchte zu gelangen, so löste die schlechte Ertragssituation der LandwirtInnen das jetzige Revirement aus. In den USA rechnet das Landwirtschaftsministerium für dieses Jahr mit Einkommensrückgängen im zweistelligen Bereich auf das Niveau von 2009, was zur Kauf-Zurückhaltung bei Pestiziden und anderen Betriebsmitteln führt. Argentinien und Brasilien, die beiden größten Anbau-Länder in Lateinamerika, gehen derweil durch mehr oder weniger große Wirtschaftskrisen, und auch China kämpft aktuell mit sinkenden Wachstumsraten.
In einer solchen Situation erscheint es BAYER & Co. nicht sinnvoll, in den Ausbau der eigenen Kapazitäten zu investieren und etwa neue Pestizid-Fabriken zu bauen. Und da auch Arbeitsplatz-Vernichtungen und andere Rationalisierungsmaßnahmen die Renditen nicht mehr in dem von den Finanzmärkten gewünschten Maße erhöhen, gehen die Unternehmen auf Einkaufstour. „Wenn Du keine andere Option hast, mache einen Mega-Deal“, so resümiert der Wirtschaftsmedien-Konzern BLOOMBERG die Gedankengänge in den Chef-Etagen. Auf diese Weise können die Firmen nämlich selbst in Zeiten der Flaute noch Boden gutmachen. Von „einer Art Endkampf um Marktanteile“ spricht die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung in diesem Zusammenhang.
Kämen alle Transaktionen vollumfänglich zustande, was noch nicht ausgemacht ist, da die Zustimmung der Kartellbehörden und in manchen Fällen auch diejenige der AktionärInnen – bei MONSANTO findet die entsprechende Versammlung am 13. Dezember statt – noch aussteht, ginge der Leverkusener Multi als klarer Sieger aus diesem Endkampf hervor. Die Geschäftszahlen von 2015 zugrunde gelegt, erzielen die Landwirtschaftssparten von BAYER und MONSANTO zusammen einen Umsatz von 23,1 Milliarden Dollar. Damit kann niemand aus der Branche mithalten. Die frisch vermählten Paare bzw. arrangierten Zwangsehen SYNGENTA/CHEMCHINA und DUPONT/DOW folgen mit weitem Abstand (14,8 bzw. 14,6 Milliarden), und auf Rang vier landet abgeschlagen BASF mit 5,8 Milliarden. Bei den Pestiziden erreichen BAYER und MONSANTO zusammen einen Marktanteil von rund 25 Prozent, beim Saatgut für gentechnisch veränderte und konventionelle Ackerfrüchte einen von rund 30 Prozent. Allein die Gen-Pflanzen betrachtet, erlangen die beiden Konzerne vereint mit weit über 90 Prozent sogar eine Monopol-Stellung. Entsprechend besorgt reagierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG). „Wir schlagen Alarm: ‚Wer das Saatgut kontrolliert, beherrscht die Welt’, hat Henry Kissinger einmal gesagt. Durch die Übernahme droht ein weltweites Lebensmittel-Monopol. Die Welternährung gerät in ernste Gefahr“, so Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der CBG.

Risiken und Nebenwirkungen
Der Deal hat jedoch noch weitere negative Folgen. „Der Merger wird den Landwirten wehtun“, sagt Jim Benham von der INDIANA FARMERS UNION: „Je mehr Konsolidierung wir bei den Anbietern unserer Betriebsmittel haben, desto schlimmer wird’s.“ Nach Angaben des US-Landwirtschaftsministeriums haben sich allein die Preise für Mais- und Baumwoll-Saatgut in den vergangenen 20 Jahren vervierfacht. Und BAYER schickt sich an, diese Tradition fortzusetzen. Der Chef von BAYER CROPSCIENCE, Liam Condon, schloss gegenüber der New York Times weitere Preis-Steigerungen auch gar nicht erst aus. Allerdings versicherte er scheinheilig, der Konzern würde den FarmerInnen dafür in jedem Fall einen Mehrwert bieten.
Überdies reduziert die Übernahme die Produkt-Vielfalt. Die oligopol-artigen Strukturen haben jetzt schon einen riesigen Innovationsstau mit sich gebracht, und die neue Übersichtlichkeit dürfte die Malaise noch verstärken. An eine Landwirtschaft ohne Chemie verschwenden die Unternehmen sowieso keinen Gedanken, sie schaffen es noch nicht einmal, Ersatz für ihre Alt-Mittel zu finden. BAYERs Glufosinat oder MONSANTOs Glyphosat haben schon über 40 Jahre auf dem Buckel. Deshalb trotzen immer mehr Unkräuter diesen Substanzen. Den LandwirtInnen bleibt so nichts anderes übrig, als die Gift-Dosis zu erhöhen. Und der Leverkusener Multi leugnet diesen Tatbestand keineswegs. „Seit über 25 Jahren hat die weltweite Pflanzenschutz-Industrie kein wirtschaftlich bedeutendes Herbizid mit neuem Wirkmechanismus mehr für Flächen-Kulturen entwickelt und auf den Markt gebracht – unter anderem eine Folge der Konsolidierung der Industrie, die mit einer deutlichen Reduktion der Forschungsaufwendungen für neue Herbizide einherging“, so der BAYER-Forscher Dr. Hermann Stübler. Warum denn auch nach Neuem suchen, wenn es kaum Konkurrenz gibt und der Zugang zu dem, was Stüblers Boss Werner Baumann „den Profit-Pool der Branche“ nennt, so bequem ist? Der vom Leverkusener Multi mitgegründete Chemie-Monopolist IG FARBEN ging seinerzeit den Weg, zur Sicherung der Innovationskraft miteinander im Wettstreit um Entdeckungen liegende Abteilungen aufzubauen, dies scheint für Baumann & Co. bisher jedoch keine Option zu sein.

Synergie-Effekte
Die Beschäftigten von MONSANTO und BAYER müssen sich ebenfalls auf härtere Zeiten einstellen, obwohl Baumann am Tag der Vertragsunterzeichnung verkündete: „Dieser Zusammenschluss bietet eine großartige Gelegenheit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“ Zunächst einmal sehen sich die rund 140.000 Belegschaftsangehörigen der beiden Konzerne mit den bei solchen Deals immer wieder gerne beschworenen Synergie-Effekten konfrontiert. Diese taxiert der Leverkusener Multi auf 1,5 Milliarden Dollar schon drei Jahre nach dem Vollzug der Übernahme. Dabei entfallen 1,2 Milliarden auf Kosten-Synergien und 300 Millionen auf Ertragssynergien. Wie viele Jobs das genau kostet, konnte der Vorstandsvorsitzende noch nicht sagen: „Das haben wir (...) nicht in Arbeitsplätze umgerechnet.“ Einspar-Potenziale sieht der Global Player aber unter anderem bei der Infrastruktur, bei den IT-Aufwendungen, beim Vertrieb, beim Einkauf und in der Forschung. So kündigte Liam Condon schon einmal die Schließung von Labors im US-amerikanischen Cropscience-Headquarter an, das in North Carolinas „Triangle Research Park“ liegt.
Da sich das Sortiment der beiden Unternehmen jedoch kaum überschneidet, dürften sich die unmittelbar mit dem Vollzug der Übernahme verbundenen Job-Streichungen zunächst einmal in Grenzen halten. Größere Unbill droht erst später, wenn die Kartell-Behörden den Deal prüfen und vor der Aufgabe stehen, trotz des neuen Big Players wenigstens Reste von Wettbewerb in dem Sektor zu retten. BAYER und MONSANTO selber kalkulieren schon ein, sich von Geschäften in einem Umfang von bis zu 1,6 Milliarden Umsatz trennen zu müssen. Sollten sich aber die Wettbewerbskommission der EU und ihre Pendants in den anderen Ländern nicht daran orientieren und stattdessen eigene Rechnungen anstellen, könnte es noch mehr werden. Wenn dieses Paket dann irgendwann zu BASF oder einem anderen Agro-Riesen wandert, beginnt der zweite Akt im Spiel um die Synergie-Effekte, und für einen Teil der Beschäftigten dürfte dieser ohne Happy End ausgehen.
Damit nicht genug, entsteht Druck auf die Belegschaft auch durch die hohen Schulden, die der Leverkusener Multi sich in Sachen „MONSANTO“ aufgebürdet hat. Vernichtung von Arbeitsplätzen in diesem Zusammenhang hat der Konzern nur für die Bundesrepublik ausgeschlossen. „Rationalisierungsmaßnahmen zur Finanzierung der Akquisition werden in Deutschland nicht stattfinden“, heißt es in einer mit dem Gesamtbetriebsrat geschlossenen Vereinbarung. Das Abstoßen einzelner Sparten treibt der Global Player jedoch bereits kräftig voran. Noch während der Verhandlungen mit dem MONSANTO-Management hat er bekanntgegeben, sich vom Dermatologie- und vom Kontrastmittel-Geschäft trennen zu wollen. Auch die Tiermedizin-Abteilung steht auf der Kippe. Pläne für solche „De-Investitionen“ mit den entsprechenden Entlassungen existieren zwar teilweise schon länger, aber die MONSANTO-Übernahme macht ihre Realisierung zweifelsohne dringlicher und sicher auch umfangreicher. Zudem sind Effizienz-Programme, also weitere Job-Streichungen, zur Verringerung der Schuldenlast zu befürchten. Vor welche Probleme BAYER die Finanzierung des Deals stellt, machten die Schwierigkeiten deutlich, die der Konzern mit der Platzierung seiner vier Milliarden Euro schweren Wandelanleihe am Markt hatte. Er musste den institutionellen Investoren dafür eine Verzinsung von 5,625 Prozent bieten, was prompt den Aktien-Kurs auf Talfahrt brachte. Seine Rendite-Ziele jedenfalls hat die Aktien-Gesellschaft zur Beruhigung der Finanzmärkte schon eine Woche nach der Vertragsunterzeichnung hochgesetzt.
Nicht nur deshalb teilt die Belegschaft die Begeisterung des Managements keineswegs. „Wir legen uns mit dem Teufel ins Bett“, „Das passt nicht zusammen“ – mit solchen Reaktionen konfrontierte die Wirtschaftswoche den Aufsichtsratsvorsitzenden Werner Wenning. Der jedoch wiegelte ab: „Das spiegelt nicht die Stimmung bei BAYER wider. Nachdem der Vorstand die Transaktion eingehend erläutern konnte, hat die Übernahme bei den Mitarbeitern sehr viel Zustimmung erfahren.“ Wenn das wirklich so wäre, hätte der Konzern den Beschäftigten jedoch kaum untersagen müssen, mit JournalistInnen über den MONSANTO-Deal zu sprechen. Und als die Zeitschrift mit Verweis auf die Trennung von der Chemie- und der Kunststoff-Sparte den Dauerumbau beim Chemie-Multi ansprach und fragte: „Müssen Manager heute kreative Zerstörer sein?“, war Wenning not amused. „Das Wort ‚Zerstörer’ stört mich“, antwortete er und hob zu Erfolgsstorys über die Abspaltungen LANXESS und COVESTRO an.
Die Standort-Städte müssen sich ebenfalls auf so einiges gefasst machen. Ihnen ist die letzte Einkaufstour des Multis noch in denkbar schlechter Erinnerung. Unmittelbar nach dem Kauf der MERCK-Sparte mit den nicht rezeptpflichtigen Arzneien hatte der Multi nämlich verkündet: „BAYER rechnet ab dem ersten Jahr nach dem Vollzug mit signifikanten Steuer-Einsparungen.“ Und prompt hat er die Akquisition dann auch von der Steuer abgesetzt, dabei die erweiterten Möglichkeiten der „Unternehmenssteuerreform“ von 2001 nutzend, für die der ehemalige BAYER-Finanzchef Heribert Zitzelsberger als Staatssekretär im Finanzministerium eine wesentliche Verantwortung trug. Vor allem den Stammsitz Leverkusen trieb der MERCK-Erwerb deshalb noch einmal tiefer in die Verschuldung.
All diese Risiken und Nebenwirkungen lassen nicht einmal die wirtschaftsfreundlichen Zeitungen unberührt. Die Faz, an dessen Vorläufer, der Frankfurter Zeitung, die IG Farben bis zu 49 Prozent der Geschäftsanteile hielt, sieht „die Ego-Strategie einfallsloser Manager auf der Suche nach Boni auf dem Fusionspfad“ am Werk und zweifelt daran, ob die Probleme der Welternährung auf diesem Weg zu lösen sind: „Für Innovationen braucht man Größe nicht.“ Das Handelsblatt listet derweil die Vielzahl der nicht eben erfolgreichen Merger auf, und die New York Times verweist dazu auf eine Studie der Rating-Agentur STANDARD & POOR’S, wonach das neue Unternehmensganze oftmals weniger ist als die Summe seiner alten Teile. „In general ‚M & A’-Deals underperform“, mit diesen Worten zitiert das Blatt den STANDARD & POOR’S-Analysten Richard Tortoriello. Zu dessen Befund von der Zeitung befragt, gab sich ein BAYER-Sprecher zugeknöpft – er lehnte jeden Kommentar ab.
Sogar Finanzinvestoren wie JUPITER und HENDERSON sprachen sich gegen den MONSANTO-Kauf aus, weil sie sich vom Pharma-Geschäft einträglichere Renditen versprechen und um die Arznei-Investitionen bangen. Nicht einmal bei BAYER selbst herrschte Einigkeit über den Coup. Der frühere BAYER-Chef Marijn Dekkers lehnte die Übernahme im Gegensatz zu Baumann und dem Aufsichtsratschef Werner Wenning ab und zog deshalb seinen ohnehin schon geplanten Abgang noch einmal vor. Der von ihm verpflichtete PR-Chef Herbert Heitmann ging ebenfalls, nicht ohne dem „‚Pre-MONSANTO’-BAYER“ auf Twitter eine Träne nachzuweinen.

Die Rolle von BLACKROCK
Aber wer trieb den Deal dann voran? Das waren vor allem die großen Finanzmarkt-Akteure mit dem Branchen-Primus BLACKROCK an der Spitze. Der Vermögensverwalter gebietet über rund fünf Billionen Dollar. Diese Summe, hinter der das Kapital von Groß- und KleinaktionärInnen, von Rentenfonds, vor allem aber auch vieler Ultra-Reicher steckt, übersteigt das Bruttosozialprodukt der Bundesrepublik um mehr als das Dreifache.
Die Mutter aller Investment-Gesellschaften hält sich nicht mit Detail-Analysen auf wie JUPITER und andere Unternehmen. Sie durchleuchtet nicht die Produkt-Pipelines der Global Player auf der Suche nach besonders zukunftsträchtigen Anlage-Möglichkeiten und hält auch nicht nach besonders attraktiven Firmen Ausschau. So reichen ihr fünf Angestellte zur Betreuung der ca. 600 Unternehmensbeteiligungen in Europa, während bei HERMES EQUITY ein Beschäftigter für bloß zehn bis zwanzig Firmen zuständig ist. Der Finanz-Mogul agiert anders. Er hat Aktien fast aller großen Konzerne im Depot und investiert hauptsächlich in Fonds, die Aktien-Indizes wie den Dax oder den Dow Jones nachbilden.
BLACKROCK gehören nicht nur BAYER-Papiere im Kurswert von ca. 5,2 Milliarden. Euro, sondern auch MONSANTO-Aktien für rund 2,6 Milliarden. Euro. Beim Leverkusener Multi nimmt er damit die Position des größten Investors ein, beim US-Multi die des zweitgrößten. Andere Finanz-Investoren halten ähnliche Crossover-Beteilungen mit entsprechenden Interessen. VANGUARD zum Beispiel ist die Nr. 1 bei MONSANTO und die Nr. 4 bei BAYER, CAPITAL bei beiden Unternehmen die Nr. 3. Sie sitzen somit an beiden Seiten des Verhandlungstisches und können ihre Profite somit bestens optimieren.
BLACKROCK agiert als eine Art ideeler Gesamtkapitalist, dem am Maximal-Profit des großen Ganzen liegt. Übernahmen und Fusionen sind dabei das probate Mittel. Diese treibt der Konzern bei jeder Gelegenheit voran. Jüngst forderte er solche Transaktionen etwa im Finanz-Sektor. „Der europäische Banken-Markt ist überbesetzt, deshalb müssen auch grenzüberschreitende Fusionen möglich sein“, verlangte der BLACKROCK-Manager Philipp Hildebrand Anfang des Monats in der Faz. Im Zuge der Verhandlungen zwischen BAYER und MONSANTO erhöhte er rasch seinen Aktien-Anteil von fünf auf sieben Prozent. Bei dem Kauf-Angebot von 128 Dollar pro Papier streicht der Vermögensverwalter allein dadurch rund eine Milliarde Euro ein. Vor allem aber setzt er bei seiner Strategie auf das, wovor die LandwirtInnen so viel Angst haben: steigende Preise. Mit den höheren Margen steigen nämlich die Profite.
Und genau das strebt BLACKROCK nicht nur mit dem Forcieren von Mergern, sondern auch mit den flächendeckenden Branchen-Engagements an – äußerst erfolgreich, wie der Finanz-Ökonom Martin Schmalz in einer Studie herausfand. Der Dozent der University of Michigan untersuchte die Folgen eines verstärkten BLACKROCK-Investments in Flug-Gesellschaften und wies überdurchschnittliche Preissteigerungsraten nach. Und die machen zur Freude des Anlegers die ganze Branche profitabler, während der Konkurrenzkampf um Markt-Anteile für einen so breit aufgestellten Finanzinvestor wie BLACKROCK nur ein Nullsummenspiel darstellt.
BLACKROCK realisiert also ein höchst attraktives Geschäftsmodell. Allerdings ist es in letzter Zeit etwas in Verruf geraten. „Die Monopol-Kommission sieht ein wesentliches wettbewerbsverzerrendes Potenzial“, heißt es im diesjährigen Hauptgutachten der Kartellwächter über BLACKROCK & Co. Achim Wambach, der Leiter der Kommission, fordert deshalb von der Wettbewerbsbehörde der EU, deren Treiben auch zum Gegenstand des Prüfverfahrens zur Genehmigung des MONSANTO-Deals zu machen. „Der US-Investor BLACKROCK ist an beiden Unternehmen zu sechs bis sieben Prozent beteiligt. Hier schließen sich also zwei Unternehmen zusammen, die zu Teilen dem gleichen Eigentümer gehören. Außerdem halten BLACKROCK und andere institutionelle Anleger gleichzeitig an allen großen Konkurrenten dieser beiden Unternehmen Anteile. Das sollten die Behörden beachten“, sagte er der Rheinischen Post. Und zumindest die US-amerikanische „Federal Trade Commission“ hat schon einmal angekündigt, das Agieren des Vermögensverwalters in den Blick nehmen zu wollen. Der Finanz-Konzern selbst weist dabei alle Anschuldigungen zurück. „Die Idee, dass wir unsere Anteile auf ganze Industrie-Zweige verteilen, (...) anstatt zu versuchen, aus jedem einzelnen Investment das Beste herauszuholen, ist falsch“, so BLACKROCK-Sprecher Ed Sweeney. Als der The Street-Journalist dann aber nachhakte und fragte, wann der Finanzmogul denn bei einem einzelnen Unternehmen zuletzt einmal eine aktive Rolle gespielt habe, konnte Sweeney nur ein Beispiel nennen.
Dabei tut sein Arbeitgeber das sehr wohl, wenn sich die Dinge nicht in dem gewünschten Sinne entwickeln oder wichtige Entscheidungen anstehen. Den Druck von Seiten der Finanzinvestoren wird BAYER auch nach der MONSANTO-Übernahme noch spüren. Irgendwann haben diese sich nämlich genügend an den abfallenden Synergie-Effekten gelabt und sinnen nach neuen Gaumenfreuden. Da aber, was „Mergers & Acquisitions“ betrifft, in der Branche kaum noch Luft nach oben ist, stellt sich die Frage, wie die Entwicklung weitergeht. Zur Wahl stände außer einem Duopol oder einem wirklichen Monopol nur noch, BAYER oder auch BASF zu zwingen, ihre Agro-Sparten an die Börse zu bringen, ähnlich wie es DOW und DUPONT planen. Das würde nämlich Extra-Geld in die Kasse spülen.

Ein paar Auflagen
Erst einmal müssen die Agro-Deals allerdings das Prüf-Prozedere der Wettbewerbsbehörden durchlaufen. MONSANTO hat sich vorsorglich im Vertrag schon einmal eine Ausfallgarantie in Höhe von zwei Milliarden Dollar zusichern lassen, falls die Sache schief geht. Das steht zwar nicht zu erwarten, aber unbeschadet dürfte der Leverkusener Multi den Prozess kaum überstehen. „Wir werden eine Markt-Analyse berücksichtigen, die sich mit den Folgen eines solchen Zusammenschlusses für die Landwirte beschäftigt“, gab die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager die Richtung vor. Auch die Auswirkungen auf die Forschungsleistungen und die VerbraucherInnen will die Dänin zum Gegenstand des Verfahrens machen. Die Folgen für die Arbeitsplätze und das Steuer-Aufkommen der Standort-Städte fehlen jedoch auf ihrer Agenda. Nicht nur deshalb sieht BAYER-Chef Werner Baumann dem Ganzen eher entspannt entgegen. „Ich war in der vergangenen Woche in Brüssel. Dort kam klar zum Ausdruck, dass die Europäische Kommission sachorientiert entscheidet“, sagte er der Süddeutschen Zeitung. Und in der Tat wäre es sehr verwunderlich, wenn die Auflagen zum Verkauf einzelner Geschäftsbereiche zu wesentlich größeren Umsatz-Einbußen als den 1,6 Milliarden Dollar führten, die der Leverkusener Multi selbst veranschlagt hat.
Von dieser Seite her ist also kaum mit ernsthaften Schritten gegen das Projekt zu rechnen, das laut Baumann dazu dient, die Welternährung zu sichern. Eine solche Mission kaufen ihm jedoch noch nicht einmal die konservativen Zeitungen ab. Als eine „stets etwas salbungsvoll klingende Kapitalmarkt-Story für den Mega-Deal“ bezeichnete etwa die Faz die diesbezüglichen Aussagen des Vorstandsvorsitzenden. Und in der Tat hat BAYER & Co. das Schicksal der Menschen im Tschad, in Sambia oder anderen armen Länder nie groß interessiert, und das wird es auch in Zukunft nicht tun. Der agro-industrielle Komplex hat nur ein Interesse: seinen Profit zu steigern. Und dafür produziert er vornehmlich Soja- und Mais-Monokulturen für die Futtertröge der Massentierhaltung, lässt er hochriskante Verfahren wie die Gentechnik zum Einsatz kommen und bringt er immer mehr Gifte auf die Felder, statt nach Alternativen Ausschau zu halten. Sowohl BAYER als auch MONSANTO haben in ihrer Geschichte eindrucksvolle Belege für eine menschenverachtende Haltung geliefert, der Renditen über alles gehen. Dafür stehen auf der Seite des Leverkusener Multis hauptsächlich die Entwicklung von chemischen Kampfstoffen und die Beteiligung am Holocaust, auf Seiten des US-Unternehmens AGENT ORANGE und der skrupellose Umgang mit den LandwirtInnen.
DIE COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN versucht deshalb, gemeinsam mit anderen Initiativen ein breites gesellschaftliches Bündnis zu organisieren, um dem Treiben von BAYER & Co. Einhalt zu gebieten. Erste Schritte dazu unternahm die Coordination auf dem MONSANTO-Tribunal in Den Haag. Dabei darf es nach Ansicht der CBG nicht bei Forderungen nach einem sofortigen Glyphosat-Stopp, einem wirksameren Schutz vor der Gentechnik und einer Beschränkung der ökonomischen Macht der Agro-Riesen bleiben. Vielmehr müssen auch die Eigentumsfragen auf die Agenda der konzern-kritischen Bewegung, denn ein Sektor, dem die Versorgung der Menschheit mit Nahrungsmitteln obliegt, bedarf der demokratischen Kontrolle. Eine Handhabe dazu böte etwa der Vergesellschaftungsparagraf der nordrhein-westfälischen Landesverfassung.

[Ticker] STICHWORT BAYER 01/2017

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CBG-Jahrestagung 2016
Aus gegebenem Anlass widmete die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) ihre diesjährige Jahrestagung dem Thema: „BAYER/MONSANTO – Tod auf den Äckern, Gifte im Essen“. Zu Beginn referierte Uli Müller von LobbyControl über die vielfältigen Möglichkeiten der Agro-Riesen., Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen. Bei den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen TTIP, das die EU und die USA zurzeit verhandeln, hatten die Konzerne Müller zufolge „auf beiden Seiten die Finger im Spiel“. Über ihre Lobby-Organisationen wie die „European Crop Protection Association“ oder „Croplife America“ versuchten die Multis beiderseits des Atlantiks, niedrigere Auflagen für Pestizide und Gen-Pflanzen durchzudrücken. Und Brüssel diente sich ihnen dabei zu allem Übel auch noch als williger Helfer an. Dies belegte der Politikwissenschaftler mit Zitaten aus Briefwechseln. So erbat die Europäische Kommission von BAYER & Co. etwa Informationen darüber, „wie wir die Rahmenbedingungen für die Industrie verbessern können“. Der grüne Europa-Abgeordnete Sven Giegold widmete sich anschließend dem Agrar-Markt der EU. Am Beispiel einer Studie über Saatgut zeichnete er die Entwicklung zu einer immer größeren Konzentration der Anbieter nach, die mit den angekündigten Zusammenschlüssen von BAYER/MONSANTO, DOW/DUPONT und SYNGENTA/CHEMCHINA einem vorläufigen Höhepunkt zustrebt. Die bei der Europäischen Kommission für die Prüfung der Deals verantwortliche Wettbewerbskommissarin Margrethe Verstager versicherte dem einstigen ATTAC-Aktivisten, die Untersuchung werde bei dem Verfahren eine Rolle spielen. Giegold setzt auf solche Einflussmöglichkeiten und plädierte im Übrigen für eine Arbeitsteilung zwischen parlamentarischen und außerparlamentarischen Initiativen: „Den Lärm müsst ihr machen.“ Dazu erklärte sich der neue CBG-Geschäftsführer Toni Michelmann zu Beginn seines Vortrags auch gerne bereit. Mit dem Bekenntnis: „Ich bin zum Krawall machen hier“ begann er seinen Vortrag. Dann skizzierte er die ungeheure Macht des Leverkusener Unternehmens und gab ein Bild davon, was der Menschheit blüht, wenn es dem Global Player gelingen sollte, sich MONSANTO einzuverleiben: Eine durch Glyphosat & Co. vergiftete Welt mit grünen Wüsten, auf denen nichts mehr kreucht und fleucht. Der Chemiker zeigte sich jedoch guter Hoffnung, dass es nicht so weit kommt. Er berichtete vom Den Haager MONSANTO-Tribunal und der angegliederten People’s Assembly, wo die CBG viele Kontakte knüpfte und zur nächsten BAYER-Hauptversammlung bereits konkrete Aktionen gegen die „Hochzeit des Todes“ verabredete. Und so traten die rund 60 BesucherInnen der CBG-Jahrestagung ihre Heimreise am Abend dann in dem Bewusstsein an, dem Monopoly-Spiel der Agro-Riesen nicht hilflos ausgeliefert zu sein.

ForscherInnen für GAUCHO-Stopp
Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin) haben einen wesentlichen Anteil am weltweiten Bienensterben. Die EU hat einige dieser Agrochemikalien deshalb schon mit einem vorläufigen Verkaufsbann belegt. Vielen WissenschaftlerInnen reicht dies jedoch nicht aus. In einer „Resolution zum Schutz der mitteleuropäischen Insektenfauna, insbesondere der Wildbienen“ fordern 77 BiologInnen Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) deshalb auf, „ein vollständiges Verbot von Neonicotinoiden, mindestens aber ein vollständiges, ausnahmsloses Moratorium für ihren Einsatz bis zum wissenschaftlich sauberen Nachweis ihrer Umweltverträglichkeit“ zu erlassen. Zudem verlangen die ForscherInnen in dem Schriftstück Maßnahmen zur Erhöhung der Strukturvielfalt von Kulturlandschaften und ein Insekten-Langzeitmonitoring.

Aktion bei BAYER in Belgien
Am 4. November 2016 schlug am BAYER-Sitz im belgischen Diegem die Natur zurück. Verkleidet in Tier-Kostüme, statteten AktivistInnen der Initiative EZLN der Niederlassung des Leverkusener Multis einen Besuch ab und gestalteten die Eingangshalle mit etwas Laub, Erde und Geäst um. Zudem brachten die EZLNlerInnen ein Transparent mit der Aufschrift „BAYER-MONSANTO – TTIP kills life“ an. Damit protestierten sie gegen das zwischen der EU und den USA geplante Freihandelsabkommen, das niedrigere Standards bei der Regulierung von Pestiziden, hormon-wirksamen Substanzen und anderen Stoffen vorsieht und aus eben diesen Gründen von den Konzernen mit aller Lobby-Macht vorangetrieben wird. „Es ist dringend nötig, die Einflussnahme des Privatsektors auf die Politik zu stoppen“, erklärte die Organisation, dabei nicht nur auf TTIP, sondern auch auf die Obstruktion des Klimaschutzes verweisend.

Petition gegen Hormon-Gifte
Chemische Stoffe haben viele gesundheitsgefährdende Eigenschaften. Eine der unheimlichsten: Manche Substanzen wirken ähnlich wie Hormone und können damit den menschlichen Organismus gehörig durcheinander wirbeln (siehe auch SWB 4/16). Pestizide des Leverkusener Multis wie RUNNER, PROVOST OPTI, FOLICUR und NATIVO oder Industrie-Chemikalien made by BAYER wie Bisphenol A sind deshalb imstande, Krebs, Diabetes, Fettleibigkeit, Unfruchtbarkeit und andere Gesundheitsstörungen auszulösen. Hormonell wirksame Ackergifte wollte die EU eigentlich schon 2009 im Rahmen einer Neuordnung der Zulassung verbieten. Dazu kam es allerdings nicht. Nach Ansicht Brüssels galt es zunächst, genaue Kriterien zur Definition der Pseudo-Hormone – sogenannter „endokriner Disruptoren“ (EDCs) – zu entwickeln. Mit drei Jahren Verspätung legte die Europäische Kommission den entsprechenden Entwurf im Sommer 2016 vor. Die Bestimmungen kehren jedoch die Beweislast um und fordern eindeutige Belege für die gesundheitsschädliche Wirkung der EDCs; ein plausibler Verdacht reicht Juncker & Co. nicht aus. Da dies nicht dem Vorsorge-Prinzip entspricht, hat das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK die Online-Petition „Gesundheit geht vor – Hormon-Gifte stoppen“ initiiert, welche der BUND, die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und zahlreiche andere Initiativen mittragen. So konnte das Bündnis der Bundesumweltministerin Barbara Hendricks am 30.11.2016 rund 100.000 Unterschriften übergeben.

Petition gegen CIPROBAY & Co.
BAYERs CIPROBAY hat ebenso wie andere Antibiotika aus der Gruppe der Fluorchinolone zahlreiche Nebenwirkungen (siehe auch RECHT & UNBILLIG). Am häufigsten treten Gesundheitsstörungen im Bereich der Sehnen, Knorpel, Muskeln und Knochen oder des Nervensystems auf. Aber auch Herzinfarkte, Unterzuckerungen, Hepatitis, Autoimmun-Krankheiten und Leber- oder Nierenversagen zählen zu den Risiken. Bundesdeutsche Geschädigte haben nun auf der „We act“-Plattform des Aktionsnetzwerks CAMPACT eine Petition veröffentlicht. Darin fordern sie das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) und die europäische Arzneimittel-Behörde EMA auf, mehr Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Sie verlangen von den Institutionen, den Einsatz der zu den Reserve-Antibiotika zählenden Mittel auf lebensbedrohliche Situationen zu beschränken. BAYER & Co. müssten zudem zum Anbringen eines Warn-Symbols auf den Packungen und zu Unverträglichkeitstests vor dem Verschreiben der Arzneien gezwungen werden, so die AktivistInnen. Anfang Oktober 2016 hatten schon über 2.000 Personen die Petition unterschrieben.

KAPITAL & ARBEIT

Entlassungen in Mission Bay
BAYER stellt am Standort Mission Bay nahe San Francisco die Forschungen zu Blut- und Augenkrankheiten ein und streicht die Stellen der WissenschaftlerInnen, die auf diesen Gebieten gearbeitet haben.

Werksfeuerwehr-Leute bessergestellt
Seit Jahren kämpft die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE um eine Besserstellung der Beschäftigten bei den Werksfeuerwehren. Schon im Jahr 2014 kam es in der Sache zu einer Protest-Veranstaltung vor dem BAYER-Casino. Aber die Chemie-Industrie schaltete immer auf stur. Darum musste sich eine höhere Instanz damit befassen: Zum ersten Mal seit 20 Jahren traten die „Tarifpartner“ der Branche in ein Schlichtungsverfahren ein. Und erst im Zuge dieses Prozederes zeigten sich BAYER & Co. zu Zugeständnissen bereit. Sie garantieren nun den Feuerwehr-Leuten – allein bei der 60-prozentigen BAYER-Tochter CURRENTA arbeiten rund 360 – Ersatz-Arbeitsplätze, wenn diese aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sein sollten, die anspruchsvolle Tätigkeit auszuüben. Auch Zuschläge für Nacht-Einsätze und sonntägliche Dienste zahlen die Unternehmen jetzt.

KONZERN & VERGANGENHEIT

Arzneitests in Kinderheimen
Ausgehend von den Recherchen der Pharmazeutin Sylvia Wagner machen seit einiger Zeit Meldungen über Arznei-Tests in Kinderheimen und Jugend-Psychiatrien Schlagzeilen, die zwischen den 1950er und 1970er Jahren stattfanden. Ende November 2016 stießen ReporterInnen des NDR auf Unterlagen des Landeskrankenhauses Schleswig, die Versuche auch mit BAYER-Medikamenten dokumentieren (siehe auch SWB 1/17). So erprobten MedizinerInnen der jugendpsychiatrischen Abteilung zwei Pharmazeutika des Pillen-Riesen, ohne dafür eine Einwilligung der ProbandInnen oder ihrer Erziehungsberechtigten eingeholt zu haben. Das Neuroleptikum MEGAPHEN mit dem Wirkstoff Chlorpromazin testeten die ÄrztInnen als Therapeutikum gegen zu „zappelige“ SchülerInnen. 23 „anstaltsgebundenen Sonderschul-Kindern“ verabreichten sie es. Das Neuroleptikum AOLEPT mussten sogar 141 Kinder und Jugendliche schlucken. Dabei zeigten sich gravierende Nebenwirkungen wie etwa „Muskelverkrampfungen an den Augen, des Rückens und der mimischen Muskulatur“. Die Kieler Medizin-Ethikerin Alena Buyx hält die Praxis sogar nach damaligen Maßstäben für höchst problematisch. „Das ist ethisch unzulässige Forschung“, urteilte sie in dem NDR-Bericht.

IG FARBEN & HEUTE

IG-Manager bleibt KIT-Ehrensenator
Über ihren Nachruhm können sich viele Manager des von BAYER mitgegründeten Mörder-Konzerns IG FARBEN nicht beklagen. So lebt etwa Carl Wurster nicht nur im Straßenbild von Ludwigshafen weiter, wo ein Platz nach dem ehemaligen Wehrwirtschaftsführer benannt ist. Beim Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat es der Chemiker, der für die IG im Aufsichtsrat des Zyklon B-Produzenten DEGESCH saß, sogar zum Ehrensenator gebracht. Davon ließ sich das KIT nicht einmal durch massive Proteste abbringen. Es bedauert zwar, „dass es Ehrungen von Personen gab, die in Aktivitäten des nationalsozialistischen Unrechtsstaats verstrickt waren“, ist aber dennoch „der vorherrschenden Rechtsauffassung gefolgt, dass die Ehrung als höchstpersönliches Recht mit den Tod des/der Geehrten erlischt und damit eine nachträgliche Aberkennung faktisch nicht mehr möglich ist“.

POLITIK & EINFLUSS

Hannelore Kraft bei BAYER
Am 7. Dezember 2016 feierte der BAYER-Konzern das 125-jähriges Bestehen am Standort Leverkusen. Zu den GratulantInnen in seinem Erholungshaus konnte das Unternehmen auch die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft begrüßen. Wie bereits 2013 zum 150-jährigen Firmen-Jubiläum hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) die Ministerpräsidentin aufgefordert, in ihrem Geburtstagsständchen das lange Sündenregister des Global Players nicht auszuklammern. „Obwohl die Stadt Leverkusen Stammsitz eines der größten Konzerne der Welt ist, erlebt sie eine Rekord-Finanznot. Bei Schulen, Kinderbetreuung, Gesundheit und Freizeit – überall ist der Mangel spürbar. Die Kommune ist sogar auf die Unterstützung des Landes aus dem Stärkungspakt Stadtfinanzen angewiesen. Und das alles, weil BAYER sich durch „tausend legale Steuertricks“ um Abgaben in Millionen-Höhe drückt. Statt Lobreden erwarten wir deshalb Kritik von Hannelore Kraft“, hieß es in der Presseerklärung der CBG. Auch zu anderen dunklen Kapiteln aus der Firmen-Geschichte wie etwa der Rolle im Nationalsozialismus dürfe Kraft nicht schweigen, mahnte die Coordination. Aber die Sozialdemokratin entpuppte sich als Wiederholungstäterin und sprach die heiklen Themen wie schon 2013 nicht an. Stattdessen stand sie in Treue fest zu BAYER. „Wir sind ein Industrieland. Und wir wollen es bleiben“, konstatierte Hannelore Kraft. Die Ministerpräsidentin versprach, den Leverkusener Multi auch in Zukunft vor allem Unbill zu schützen. Vor allem dasjenige, das aus Richtung der EU droht, wie etwa der Plan, den Ausstoß des klima-schädlichen Kohlendioxids durch eine Verteuerung der Verschmutzungsrechte stärker zu sanktionieren, hatte sie dabei im Blick. „Wir kämpfen weiter für den Industrie-Standort, auch in Brüssel“, erklärte Kraft.

EU fördert Geheimniskrämerei
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hat schon so einige leidige Erfahrungen mit BAYERs Geschäftsgeheimnissen machen müssen. So weigerte sich der Leverkusener Multi unter Berufung auf ebendiese erfolgreich, Einblick in den mit der Universität Köln geschlossenen Forschungskooperationsvertrag zu gewähren. Auch auf den Hauptversammlungen nutzt er gern diese Ausrede, um Fragen zu den Verkaufszahlen umstrittener Produkte unbeantwortet zu lassen. Nichtsdestotrotz will die EU diese Geheimniskrämerei der Konzerne künftig noch weiter fördern. In einer neuen Richtlinie „über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb und rechtswidriger Nutzung und Offenlegung“ erklärt sie jede Information für sakrosankt, deren Veröffentlichung den Unternehmen zu ökonomischem Schaden gereichen könnte. Vergeblich hatte der Whistleblower Antoine Deltour, der den LuxLeaks-Steuerskandal aufgedeckt hatte, an die Europäische Union appelliert, das Vorhaben fallenzulassen. Auch die Kritik von JournalistInnen-Verbänden und Gewerkschaften, die durch das Paragrafen-Werk „in erheblichen Umfang die Meinungs- und Pressefreiheit“ beschränkt sahen, fand kein Gehör.

Wenning im FDP-Wirtschaftsforum
„Fast 70 Spitzenvertreter der deutschen Wirtschaft unterstützen das Comeback der Freien Demokraten. Sie haben sich dazu im FDP-Wirtschaftsforum organisiert, um die Parteiführung zu beraten“, vermeldet die FDP. Zu diesen ManagerInnen, deren Zahl mittlerweile auf 77 angestiegen ist, gehört auch BAYERs Aufsichtsratschef Werner Wenning. Er und seine KollegInnen haben der Partei bisher unter anderem „einfache Unternehmensgründungen“, „eine leistungsfähige Infrastruktur für Verkehr und Datenübertragung“ und nicht zuletzt „ein Steuerrecht, das Wachstumsbremsen löst, anstatt sie weiter anzuziehen“ auf die Agenda gesetzt.

PROPAGANDA & MEDIEN

Neues Media Center schafft Akzeptanz
„Mangel an gesellschaftlicher Akzeptanz wurde in einer Studie des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) als eines der Top-Hemmnisse für Innovationen benannt“, konstatiert Denise Rennmann, die bei BAYER den Bereich „Public & Governmental Affairs“ leitet. Die zunehmende Kritik an der Gentechnik und anderen neuen Hervorbringungen der Industrie bereitet dem Leverkusener Multi schon länger Sorge. Darum hat er sich Gedanken über eine „intensivere Wissenschaftskommunikation“ gemacht und die Idee ausgebrütet, ein „Science Media Center“ zu gründen. Dieses soll nach britischem Vorbild JournalistInnen mit „objektiven“ Informationen zu strittigen Themen aus dem Forschungsbereich versorgen. Im Jahr 2012 lud der Global Player zu diesem Behufe interessierte Kreise nach Berlin ein. Anschließend betraute er eine Arbeitsgruppe mit der Entwicklung eines Konzepts für eine solche Unternehmung und warb parallel dazu bei anderen Firmen, Zeitungen und Forschungseinrichtungen um Unterstützung. 2015 schließlich war es soweit. Die „Science Media Center Germany gGmbH“, getragen von der Stiftung des SAP-Mitgründers Klaus Tschira, nahm ihre Arbeit auf. „Wenn Journalisten den öffentlichen Diskurs mit verlässlichem Wissen und kompetenten Stellungnahmen bereichern wollen, dann steht ihnen das SMC Germany dabei zur Seite“, heißt es auf der Website. Einige Stichproben konnten das allerdings nicht bestätigen. Zu den Themen „Bienensterben“ oder „hormon-ähnliche Chemikalien“ findet sich beim SMC nichts. Und während der Eintrag zu Glyphosat einigermaßen ausgewogen daherkommt, lässt das Center bei den Informationen zur neuen Gentechnik CRISPR/Cas kritische Positionen unter den Tisch fallen.

14 Millionen für US-MedizinerInnen
Im Jahr 2015 standen 2.400 bundesdeutsche ÄrztInnen auf der Gehaltsliste von BAYER. Der Leverkusener Multi engagierte sie unter anderem als RednerInnen auf Kongressen, BeraterInnen oder lud sie zu Fortbildungsveranstaltungen ein. 7,5 Millionen Euro gab der Konzern dafür aus. In den USA ließ er sich das noch mehr kosten. Wie die US-Plattform ProPublica recherchierte, investierte der Pharma-Riese dort von August 2013 bis Dezember 2014 14 Millionen Dollar in die Pflege der medizinischen Landschaft.

1,3 Millionen für Fachgesellschaften
BAYER lässt sich die Pflege der medizinischen Landschaft so einiges kosten. Der Leverkusener Multi bedenkt nicht nur ÄrztInnen und Krankenhäuser mit Millionen-Beträgen (siehe oben und Ticker 4/16), sondern auch die medizinischen Fachgesellschaften. Rund 1,3 Millionen Euro erhielten diese im Jahr 2015. Und wenn sich die Tätigkeit der Organisationen auf ein Gebiet erstreckt, für das der Konzern die passende Arznei im Angebot hat, überweist er ihnen besonders viel Geld. So konnte sich die „Deutsche Gesellschaft für Mann und Gesundheit“ über 253.000 Euro freuen – und der Pharma-Riese bestimmt bald über mehr Rezepte für seine umstrittenen Testosteron-Präparate (siehe DRUGS & PILLS). Zur Umsatz-Steigerung seines risiko-reichen Gerinnungshemmers XARELTO investierte er indessen 189.000 Euro in die „Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung“ und 122.000 Euro in die „Gesellschaft für Thrombose und Hämostase-Forschung“.

PR für NEBIDO & Co.
Eigentlich sollten die Pharma-Firmen Medikamente für bestimmte Krankheiten entwickeln. Manchmal gehen sie jedoch den umgekehrten Weg und entwickeln Krankheiten für bestimmte Medikamente. So hat BAYER die männlichen Wechseljahre erfunden, um einen größeren Markt für NEBIDO und andere Hormon-Präparate zu schaffen. Praktischerweise hat der Konzern dafür auch gleich noch einen Fachbegriff in Beschlag genommen, der eigentlich nur einen wirklich krankhaften Testosteron-Mangel beschreibt: Hypogonadismus. Allerdings stehen NEBIDO & Co. seit einiger Zeit wegen ihrer zahlreichen Risiken und Nebenwirkungen in der Kritik. Deshalb geht der Leverkusener Multi nun in die Offensive. Beim europäischen Kongress für Männergesundheit, den die von ihm großzügig alimentierte „European Academy of Andrology“ in Rotterdam ausrichtete, sponserte er ein Symposion, das sich mit der Frage befasste: „Long-term treatment of hypogonadism – just a risky lifestyle intervention?“ Die vom Leverkusener Multi engagierten „Mietmäuler“ Abraham Morgentaler, Farid Saad, Kevin S. Channer und Linda Vignozzi antworteten natürlich unisono: „Nein.“

Mehr PR für DR SCHOLL’S & Co.
In den USA hat BAYER dieses Jahr größere Anstrengungen unternommen, um die Werbetrommel für seine rezeptfreien Medizin-Produkte, die so genannte „Over the Counter“-Ware (OTCs), zu rühren. Vor allem mit dem Bekanntheitsgrad der Sonnenschutzmittel aus der COPPERTONE-Reihe und der Fußpflege-Artikel der DR SCHOLL’S-Familie, die mit dem Kauf der OTC-Sparte von MERCK ins Portefeuille des Leverkusener Multis gelangten, zeigten sich die Konzern-StrategInnen unzufrieden (siehe auch ÖKONOMIE & PROFIT). „Ich hoffe, die Leute werden in den nächsten Jahren lernen, dass BAYER mehr ist als ASPIRIN“, so Phil Blake, der US-Chef des Pharma-Riesen, zum Sinn der Übung. Der Konzern lässt dabei keinen Kanal ungenutzt. Von TV und Zeitungen über FACEBOOK und INSTAGRAM bis hin zu TWITTER erstreckt sich die Kampagne.

BAYERs Shitstormer
Rund 500 Beschäftigte arbeiten in BAYERs PR-Abteilung. Das reicht allerdings nicht, um gegen den notorisch schlechten Ruf des Unternehmens anzukämpfen. Deshalb bedient sich der Konzern zusätzlich externer Kräfte. Gilt es etwa, im Zuge eines Skandals vertrauensbildende Maßnahmen einzuleiten, so greift der Leverkusener Multi gerne auf die Dienste von Christian Schwerg zurück. Dieser hat nämlich die Krisen-Kommunikation zu seinem Spezialgebiet auserkoren – den „Shitstormer“ nennt Die Zeit ihn deshalb. „Wir können nichts ungeschehen machen. Ab einer bestimmten medialen Verbreitung kann man nur offensiv vorgehen und das Thema in die Rehabilitationsstrategie integrieren“, sagt er über seine Arbeitsweise. Schwerg bietet für BAYER & Co. sogar vorbeugende Maßnahmen an, um deren ÖffentlichkeitsarbeiterInnen zu lehren, gut mit „bad news“ umzugehen. „Wir simulieren auch gerne mal Nachrichten auf News-Portalen oder geben uns als Journalisten aus, rufen an und senden E-Mails mit Vorwürfen“, plaudert der PR-Profi aus dem Nähkästchen.

TIERE & VERSUCHE

Tierversuchs-Richtlinie verwässert
Bei der Ausarbeitung der Tierversuchs-Richtlinie der EU hatten PolitikerInnen aus Deutschland BAYER & Co. vor allzu strengen Auflagen bewahrt. Und bei der Umsetzung in bundesdeutsches Recht musste das Paragrafen-Werk noch einmal gehörig Federn lassen. So unterliegen zu Bildungszwecken vorgenommene Tier-Experimente keiner Genehmigungspflicht mehr, sondern nur noch einer Meldepflicht. Auch ein Verbot besonders leidvoller Erprobungen fehlt in der deutschen Version. Der Jurist Dr. Christoph Maisack stellte in einem Gutachten insgesamt 18 Abweichungen vom ursprünglichen Text fest, die es dem Leverkusener Multi leichter machen, seine Tierversuche – im Geschäftsjahr 2015 waren es 133.666 – nicht zu reduzieren. Der Verein ÄRZTE GEGEN TIERVERSUCHE hat bei der EU-Kommission wegen der Aufweichung der Richtlinie eine Beschwerde eingereicht.

DRUGS & PILLS

30.000 ESSURE-Geschädigte
Bei ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, handelt es sich um eine kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich die Eileiter verschließen. Allzu oft jedoch bleibt das Medizin-Produkt nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Nebenwirkungen. 30.000 Meldungen über solche unerwünschten Arznei-Effekte hat BAYER bereits erhalten.

NICE nicht nice zu NEXAVAR
Das britische „National Institute for Health and Care Excellence“ (NICE) hat eine Kosten/Nutzen-Analyse von BAYERs NEXAVAR zu Behandlung von Leberkrebs durchgeführt und der Arznei kein gutes Zeugnis ausgestellt. „Es bleiben signifikante Unsicherheiten“, konstatierte die Behörde. Selbst eine vom Pillen-Riesen vorgenommene Preissenkung konnte die PrüferInnen nicht erweichen, dem „National Health Service“ die Übernahme der Therapie-Kosten zu empfehlen. Aber der Leverkusener Multi gibt sich noch nicht geschlagen und hofft weiter auf ein positives NICE-Votum in Sachen „NEXAVAR“.

Alzheimer durch ANTRA
Protonenpumpen-Hemmer mit dem Wirkstoff Omeprazol wie BAYERs ANTRA steigern das Alzheimer-Risiko. Das ergab eine Studie der Universität Bonn. Der Untersuchung zufolge setzen sich ANTRA-PatientInnen einer um 44 Prozent höheren Gefährdung aus, diese Krankheit zu bekommen, als Menschen, welche die Mittel nicht einnehmen. Die Präparate, die hauptsächlich bei Sodbrennen, aber auch zum Schutz vor Blutungen der Magenschleimhaut zum Einsatz kommen, haben jedoch noch mehr Nebenwirkungen. Da die Arzneien die Magensäure-Produktion fast komplett unterbinden, verschaffen sie Bakterien ein gedeihlicheres Klima, was den Ausbruch von Infektionen fördert. Zudem stören die Medikamente die Kalzium-Gewinnung aus der Nahrung und schwächen so die Knochen. Wegen solcher Gegenanzeigen warnen bundesdeutsche MedizinerInnen bereits seit Langem vor einem zu sorglosen Umgang mit ANTRA & Co. Allerdings fruchteten ihre Warnungen nicht – seit einiger Zeit sind diese Medikamente nicht einmal mehr verschreibungspflichtig. Und nicht zuletzt deshalb verfünffachte sich ihre Einnahme in den letzten Jahren.

Blockbuster EYLEA
EYLEA, das BAYER-Präparat zur Behandlung der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – erschließt nicht gerade medizinisches Neuland. Laut Konzern zeigte das Pharmazeutikum in Tests lediglich „eine vergleichbare Wirkung (‚Nicht-Unterlegenheit’) gegenüber der Behandlung mit LUCENTIS“. Einen Zusatznutzen mochte das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWIG) dem Gentech-Medikament deshalb nicht zu bescheinigen. Trotzdem entwickelt sich die Arznei dank BAYERs massivem Werbeaufwand zu einem Blockbuster. Dem „Innovationsreport 2016“ der Techniker Krankenkasse zufolge verzeichnete es die größten Umsatz-Zuwächse aller hierzulande im Jahr 2012 neu zugelassenen Medikamente. 2014 kam das Präparat auf fast 18 Millionen Euro – ein Plus von 458 Prozent gegenüber 2013.

USA: mehr Auflagen für NEBIDO & Co.
Mit großer Anstrengung arbeitet der Leverkusener Multi daran, die „Männergesundheit“ als neues Geschäftsfeld zu etablieren und Hormon-Präparaten wie NEBIDO oder TESTOGEL neue, nur selten zweckdienliche Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. Zu diesem Behufe hat der Pharma-Riese die Krankheit „Testosteron-Mangel“ erfunden und sie zu „männlichen Wechseljahresstörungen“ erhoben. Studien warnen allerdings vor den Gefahren der Mittel. So können die Arzneien neuesten Untersuchungen zufolge das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle erhöhen, was die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA zu einer Reaktion veranlasste. Sie zwang BAYER & Co., auf den Packungen vor diesen möglichen Nebenwirkungen zu warnen. Überdies müssen die Pharma-Firmen nun darauf hinweisen, dass die Pharmazeutika nur bei krankhaftem Testosteron-Mangel und nicht bei einem rein altersbedingten Rückgang der Hormon-Produktion Anwendung finden dürfen.

Neues Nahrungsergänzungsmittel
Menschen, die sich ausgewogen ernähren, brauchen keine zusätzliche Vitamine, Mineralien oder andere Stoffe. Deren Einnahme kann in manchen Fällen sogar schaden. Trotzdem hat BAYER eine Unmenge an Vitamin-Präparaten und Nahrungsergänzungsmitteln im Angebot. SANATOGEN, SUPRADYN, BEROCCA, CAL-D-VITA, ELEVIT, REDOXON und vieles mehr findet sich in der Produkt-Palette des Konzerns. Allein unter dem Markennamen ONE-A-DAY verkauft er Dutzende unterschiedlicher Pillen. Da die Geschäfte vor allem in den USA gut laufen, schmeißt der Pharma-Riese dort jetzt noch ein neues Mittelchen auf den Markt: TRUBIOTICS. Das mit den Mikroorganismen Lactobacillus acidophilus und Bifidobacterium animalis bestückte Probiotikum soll angeblich gute Werke im Verdauungstrakt verrichten.

ASPIRIN nur noch für vier Tage?
Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfArM) tritt bereits seit Langem dafür ein, ASPIRIN und andere Schmerzmittel in den Apotheken nur noch dann ohne Rezept abzugeben, wenn die Anwendungsdauer auf vier Tage beschränkt ist. Die Präparate haben nämlich beträchtliche Nebenwirkungen; ASPIRIN kann vor allem Magenbluten verursachen. „Selbst bei den niedrigen Dosierungen, die zur Prävention von Schlaganfall und Herzinfarkt dienen sollen“, besteht dem ehemaligen BfArM-Präsidenten Walter Schwerdtfeger zufolge dieses Risiko. Der „Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht“ lehnte die Forderung nach einer Verkleinerung der Packungen zwar bereits 2012 ab, aber endgültig vom Tisch ist die Sache noch nicht. „Die Studien-Ergebnisse werden zur Zeit ausgewertet“, ließ sich das Bundesgesundheitsministerium in der TV-Dokumentation „Angst vor Schmerzen“ vernehmen.

ASPIRIN im Freizeitsport
SportlerInnen verlangen ihrem Körper viel ab und überschreiten dabei oft die Schmerzgrenze. Deshalb greifen nicht wenige von ihnen zu Schmerzmitteln wie ASPIRIN (Wirkstoff: Acetylsalicylsäure) – und das nicht nur Profis. Nach einer Untersuchung der WissenschaftlerInnen Pavel Dietz und Antje Dresen nimmt auch eine große Zahl von Freizeit-SportlerInnen die Präparate ein. Den ForscherInnen zufolge schluckt die Hälfte aller TeilnehmerInnen von Langstrecken-Rennen ASPIRIN oder andere Analgetika. „Wir waren überrascht, dass es in so einer Häufigkeit ein Thema ist“, so Antje Dresen. Die LäuferInnen setzen sich damit erheblichen Gesundheitsrisiken aus, denn durch die körperliche Belastung können die Nebenwirkungen der Mittel – im Fall von BAYERs „Tausendsassa“ ist das hauptsächlich das Magenbluten – noch mehr durchschlagen. Die Stöße, die während des Langstrecken-Laufs auf den Magen einwirken, erhöhen nämlich die Durchlässigkeit der Organ-Wände für die Acetylsalicylsäure.

YASMIN hilft nicht mehr gegen Akne
Frauen, die drospirenon-haltige Pillen wie BAYERs YASMIN zur Empfängnis-Verhütung einnehmen, tragen im Vergleich zu solchen, die levonorgestrel-haltige Kontrazeptiva bevorzugen, ein bis zu dreimal so hohes Risiko, eine Thromboembolie zu erleiden. Trotzdem bewirbt der Leverkusener Multi die Mittel als Lifestyle-Präparate, die etwa gegen Akne helfen. In der Schweiz darf er das jetzt jedoch nicht mehr tun. Mit Verweis auf das Gefährdungspotenzial der Pharmazeutika untersagte die eidgenössische Aufsichtsbehörde Swissmedic BAYER und anderen Herstellern, weiter Reklame für die angeblichen dermatologischen Qualitäten von YASMIN & Co. zu machen.

FDA zweifelt nicht an XARELTO-Tests
Bei der Klinischen Erprobung von BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO erhielt die Kontrollgruppe den marktgängigen Wirkstoff Warfarin (MARCUMAR). Das Gerät, das bei diesen ProbandInnen die Blutgerinnung bestimmte, arbeitete jedoch nicht korrekt. Es zeigte geringere Werte als die wirklichen an. Deshalb bekamen die TeilnehmerInnen mehr Warfarin als nötig – und in der Folge auch mehr gesundheitliche Probleme als die PatientInnen, die das orale Antikoagulans des bundesdeutschen Pharma-Riesen schluckten. Das schmälert die Aussagekraft des zur Zulassung von XARELTO eingereichten Rocket-AF-Tests erheblich, was in der Fachwelt für einige Empörung sorgte. „Es lässt an den Ergebnissen zweifeln, die benutzt wurden, um den Gebrauch des weltweit meistverkauften neuen oralen Antikoagulans zu befördern“, sagt etwa Dr. Deborah Cohen. Gemeinsam mit den anderen Mitherausgebern des British Medical Journal kritisierte sie die Studie in einem Artikel massiv. Der Leverkusener Multi hielt jedoch an dieser fest. Schon unmittelbar nach dem Bekanntwerden der Unstimmigkeiten hatte er eine Nachuntersuchung in Auftrag gegeben, die erwartungsgemäß die Rocket-Resultate bestätigte. Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA gab Anfang Februar 2016 ebenfalls Entwarnung. Und die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA prüfte zwar bedeutend länger als ihr EU-Pendant, schloss sich dann aber im Oktober 2016 dem EMA-Votum an.

BAYER setzt auf Krebs-Arzneien
Krebs-Medikamente versprechen den Pharma-Riesen den größten Profit. Das „IMS Institute for Healthcare Informatics“ rechnet für das Jahr 2018 mit einem 100-Milliarden-Dollar-Markt. Schon jetzt fressen die Präparate – ohne die Lebenszeit der PatientInnen entscheidend verlängern zu können – in der Bundesrepublik rund ein Viertel des Medikamenten-Budgets der Krankenkassen. Folgerichtig setzt BAYER ganz auf dieses Segment. Mit NEXAVAR, STIVARGA und XOFIGO bietet das Unternehmen bereits drei Onkologie-Präparate an; zudem befinden sich 17 Wirkstoffe in der klinischen Erprobung. Die Konkurrenz hat jedoch noch mehr im Köcher. So testet ROCHE zurzeit 34 Arzneien. Der Schweizer Konzern lässt sich das alles auch mehr kosten als der Leverkusener Multi. Im Jahr 2014 gab er mit 8,4 Milliarden Dollar 6,4 Milliarden mehr für die Pillen-Forschung aus als der Leverkusener Multi.

Schnellere Arznei-Zulassungen?
Wie unzureichend die Genehmigungsverfahren für Arzneimittel sind, belegen die zahlreichen Todesfälle, die unter anderem BAYER-Pharmazeutika wie YASMIN und XARELTO verursacht haben. Das ficht die europäische Arzneimittel-Behörde EMA allerdings nicht an. Sie beabsichtigt, das Prozedere noch einmal zu beschleunigen und will künftig Zulassungen schon nach dem erfolgreichen Absolvieren von zwei Phasen der Klinischen Prüfungen ermöglichen. Was bisher die dritte Stufe war, sollen jetzt Praxis-Tests richten. „Real World Data“ lautet das Zauberwort. Und das alles, obwohl die Erprobungen der Kategorie 2 sich auf einen kleineren ProbandInnen-Kreis beschränken und ohne Vergleichsgruppe auskommen. Nicht umsonst bleibt gegenwärtig an der dritten Hürde noch einmal rund die Hälfte der Medikamenten-Kandidaten hängen. Die Arznei-Behörde hat jedoch nur das Wohlergehen der Pillen-Produzenten im Sinn. „Die potenziellen Vorteile für die Hersteller wären ein früherer Einkommensfluss als bei konventionellen Zulassungswegen und weniger teure und kürzere klinische Studien“, erklärt der EMA-Mann Georg Eichler frank und frei. Bei den Vorbereitungen zu den Schnelltests und den Pilotprojekten arbeiteten die willigen Helfer der Arznei-Branche dann auch an führenden Stellen mit. Trotzdem behauptet der von BAYER gegründete „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VFA) steif und fest, die geplante „Reform“ sei „klar an medizinischen Zielen ausgerichtet und kein ökonomisches Entgegenkommen gegenüber den Unternehmen“. Das nimmt ihm jedoch kaum jemand ab. So kritisierte die ÄrztInnen-Organisation MEIN ESSEN ZAHL ICH SELBST (MEZIS) das Vorhaben scharf: „Klar erkennbar ist bei diesem Vorstoß der zu erwartende ökonomische Nutzen der Pharma-Industrie – auf Kosten der Sicherheit der PatientInnen.“ Die BUKO-PHARMA-KAMPAGNE und die gesetzlichen Krankenkassen lehnen das Projekt ebenfalls ab.

Lieferengpässe bei Arzneien
In der Bundesrepublik kommt es in letzter Zeit verstärkt zu Liefer-Engpässen bei Arzneimitteln. Auf der aktuellen Fehl-Liste des „Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ findet sich mit dem Mittel NIMOTOP, das die Gehirn-Durchblutung fördert, auch ein BAYER-Medikament. „Probleme bei der Herstellung“ gibt der Leverkusener Multi als Grund an. Und die gab es in der Vergangenheit auch schon beim Krebsmittel XOFIGO. Schätzungen zufolge sind bis zu 60 Pharmazeutika kurz- oder längerfristig nicht erhältlich. Die „Probleme bei der Herstellung“ treten oftmals deshalb auf, weil die Pharma-Riesen die Fertigung gnadenlos rationalisiert haben. So versuchen sie etwa verstärkt, „just in time“ zu produzieren und auf diese Weise Lager-Kapazitäten abzubauen. Überdies gliedern sie gerne die Wirkstoff-Herstellung aus oder verlegen diese in Drittwelt-Länder. „In den letzten Jahren ist (...) meiner Ansicht nach etwas in der Unternehmensphilosophie einiger Pharmazeutischer Hersteller verloren gegangen: Verantwortungsbewusstsein, was zugunsten der Profit-Maximierung abgebaut wurde“, kritisiert deshalb Rudolf Bernhard, der Leiter der Krankenhausapotheke im Münchner „Klinikum rechts der Isar“. Um gegen die Missstände anzugehen, fordert der Pharmazeut unter anderem eine Meldepflicht bei Liefer-Problemen – bisher informieren BAYER & Co. nur auf freiwilliger Basis – und einen Zwang, bestimmte Arznei-Mengen immer auf Lager zu haben. Die Große Koalition sieht da jedoch keinen Handlungsbedarf, wie aus ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ hervorgeht. „Es liegen der Bundesregierung keine Anzeichen vor, dass die Register nicht die wesentlichen Lieferengpässe der relevanten Arzneimittel abdecken“, heißt es in dem Schriftstück. Dass etwa BAYERs Johanniskraut-Präparat LAIF zur Behandlung von milden Depressionen dort nicht verzeichnet ist, ficht Merkel & Co. offenbar nicht an. Den Pharma-Riesen zur Auflage zu machen, einen Vorrat an Medikamenten anzulegen, lehnen CDU und SPD ebenfalls ab. Ihrer Ansicht nach reicht es, wenn die Apotheken und Pillen-Großhändler die Arzneien immer parat haben: „Eine darüber hinausgehende Bevorratung durch den Pharmazeutischen Unternehmer ist daher nicht notwendig.“

„Consumer Health“ schwächelt
Der Leverkusener Multi hat das Geschäft mit den rezeptfreien Arzneien in der letzten Zeit stark ausgebaut und ist in diesem Bereich zur Nr. 2 auf der Welt aufgestiegen. Aber nicht nur die 2014 zugekaufte MERCK-Sparte erfüllte ihre Erwartungen bisher nicht (siehe ÖKONOMIE & PROFIT), auch der Absatz der restlichen Produkte schwächelt. Im 3. Quartal 2016 machte der Leverkusener Multi gegenüber dem Vorjahreszeitraum einen Verlust von 20 Millionen Euro. Dazu trug vor allem die schlechtere ökonomische Lage in Russland, China und Brasilien bei – diese Schwellenländer hatten zwischen 2012 bis 2014 noch 70 Prozent zum Umsatzwachstum von BAYER in diesem Markt-Segment beigetragen.

AGRO & CHEMIE

GAUCHO & Co. gefährden Wildbienen
Immer neue Studien belegen die Bienengefährlichkeit von Pestiziden aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin). So hat der britische Insektenforscher Ben Woodcock vom „Zentrum für Ökologie und Hydrologie“ (NERC) die Auswirkungen dieser Wirkstoff-Gruppe, welche die EU bereits mit einem vorläufigen Verkaufsbann belegt hat, auf Wildbienen untersucht. Er kam zu einem alarmierenden Befund: Waren die Tiere GAUCHO & Co. ausgesetzt, so beschleunigte sich das Schrumpfen der Populationen im Vergleich zu denjenigen, die nicht in Kontakt mit den Giften kamen, um den Faktor drei. Der Leverkusener Multi hatte bisher immer die Validität von wissenschaftlichen Arbeiten zu Neonicotinoiden angezweifelt, die unter Laborbedingungen entstanden. Von „unrealistischen Expositionsbedingungen“ sprach er stets und von Expositionsdosen, „die unter realistischen Feld-Bedingungen in dieser Form niemals auftreten würden“. Das traf zwar auf kaum eine Studie zu, verfehlte aber seine Wirkung nicht. Da Woodcock jedoch auf freier Wildbahn zu seinen Ergebnissen kam, stößt diese Verteidigungsstrategie des Konzerns nun auch an ihre Grenzen. Diese will er jedoch nicht wahrhaben. Von Mitgliedern der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN mit den Resultaten des Wissenschaftlers konfrontiert, meinte der Global Player auf einmal darauf hinweisen zu müssen, dass „auch Feld-Untersuchungen ihre Tücken haben, da sie sehr komplex und mitunter nicht leicht zu interpretieren sind“. Und – fast unnötig zu betonen – hatte die Woodcock-Arbeit nach Ansicht des Unternehmens solche Tücken.

Top bei Grenzwert-Überschreitungen
Bei Grenzwert-Überschreitungen von Pestizid-Rückständen in Lebensmitteln toppen Ackergifte made by BAYER alles. Nach den neuesten verfügbaren Zahlen, die aus den Jahren 2012 und 2013 stammen, finden sich nach Angaben der Bundesregierung unter den sieben „am häufigsten beanstandeten Wirkstoffen“ mit Imidacloprid (s. o.), Ethephon und Carbendazim drei, die auch in Produkten des Leverkusener Multis enthalten sind.

Pestizide in Orangen
Das Delmenhorster „Labor für Chemische und Mikrobiologische Analytik“ untersuchte für die WDR-Sendung Markt Orangen auf Rückstände von Pestiziden. In allen Proben stießen die WissenschaftlerInnen auf Spuren der Ackergifte. Diese blieben zwar unter den Grenzwerten, stellen aber trotzdem eine Gefahr dar. In den Früchten fanden sich nämlich bis zu fünf Agrochemikalien gleichzeitig, was Kombinationseffekte hervorrufen kann. Auch BAYER-Pestizide wiesen die ForscherInnen nach. So enthielten die Orangen Chlorpyrifos, das der Leverkusener Multi unter den Produktnamen BLATTANEX, PROFICID und RIDDER vermarktet, Fenhexamid (TELDOR), Imazalil (BAYTAN und MANTA PLUS) sowie Pyrimethanil (CLARINET, FLINT STAR, MYSTIC, MYTHOS, SCALA, SIGANEX, VISION und WALABI).

Parkinson keine Berufskrankheit
Pestizide können viele Gesundheitsschädigungen auslösen. Frankreich hat deshalb Krebs und Parkinson bei LandwirtInnen als Berufskrankheiten anerkannt. In der Bundesrepublik steht das vorerst nicht an, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ hervorgeht. Merkel & Co. stützen sich dabei auf einen Sachverständigenbeirat, der die Sachlage bei Parkinson 2011 und 2012 geprüft hat und befand: „Im Ergebnis war die Studien-Lage heterogen.“ „Erhebliche Unsicherheiten im Hinblick auf eine eindeutige Diagnose-Stellung“ machten die ExpertInnen fest. Im Moment werten diese allerdings neue Untersuchungen aus. In Sachen „Krebs“ haben es immerhin Erkrankungen in die Liste der Berufskrankheiten geschafft, welche die in vielen Agro-Chemikalien enthaltenen Halogen-Kohlenwasserstoffe auslösen können. Die „Anerkennung im Einzelfall“ hängt jedoch der Großen Koalition zufolge von vielen Parametern wie der Tumor-Art, dem gebrauchten Pestizid und der Dauer der Anwendung ab.

WASSER, BODEN & LUFT

Gerupfter Klimaschutzplan
Im Übereinkommen von Paris hatten sich die Mitgliedsländer der Vereinten Nationen 2015 darauf verständigt, die Erd-Erwärmung deutlich unter zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu halten. Im Vorfeld hatten sich die EU-Länder bereits geeinigt, die Treibhausgas-Emissionen bis 2050 um 80 bis 95 Prozent gegenüber dem Wert von 1990 zu verringern. Den bundesdeutschen Beitrag zur Umsetzung dieser Ziele wollte die Große Koalition mit dem „Klimaschutzplan 2050“ festlegen. Um diesen Plan entbrannte jedoch heftiger politischer Streit. Der „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI), der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI), die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) und die industrie-freundliche nordrhein-westfälische Landesregierung taten alles dafür, BAYER & Co. vor allzu drastischen Anforderungen zu bewahren. Ein „fester Beitrag zur Erreichung eines nationalen Klimaschutz-Ziels“ sei nicht im Voraus bestimmbar, dekretierte etwa der VCI. Maßnahmen zur Verteuerung der derzeit zum Schnäppchen-Preis erhältlichen Kohlendioxid-Verschmutzungsrechte lehnte der Verband ebenfalls ab. Und so kam es, dass Umweltministerin Barbara Hendricks den schon fertiggestellten Klimaschutzplan nach einer Intervention von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) wieder in die Tonne kloppen musste. In der überarbeiteten Fassung bekennt sich die Bundesregierung nun dazu, „ein zentrales Augenmerk auf den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft“ zu legen. Darum senkte sie die Spar-Vorgaben für die Industrie gegenüber den ursprünglichen Plänen um zehn Millionen Tonnen CO2 auf 140 bis 143 Millionen Tonnen bis 2030 ab und bürdete das Quantum kurzerhand der Wohnungswirtschaft auf. Auch setzte die Große Koalition hinter die Regelungen zur Reform des Emissionshandels – ganz wie vom VCI gefordert – den Vermerk „kann wegfallen“. Jetzt braucht der Leverkusener Multi, der 2015 fast zehn Millionen Tonnen Kohlendioxid ausstieß, seine Wirtschaftsweise nicht groß zu ändern. Für die Zukunft des Planeten bedeutet das allerdings nichts Gutes. „Die geplanten Maßnahmen sind nicht ehrgeizig genug, um die Klima-Ziele bis zur Mitte des Jahrhunderts zu erreichen“, konstatierte der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel von Bündnis 90/Die Grünen besorgt.

Die Deponie unter der Deponie
Anfang November 2016 hat die Bezirksregierung Köln dem Landesbetrieb Straßenbau NRW die Genehmigung erteilt, BAYERs Dhünnaue-Deponie wieder zu öffnen, um darauf das Fundament für die Erweiterung der A1-Autobahn und des Neubaus der Rheinbrücke zu gründen (siehe auch RECHT & UNBILLIG). Damit beschwor sie Gefahren für Mensch, Tier und Umwelt herauf. Und diese dürften nach Recherchen des WDR-Magazins Westpol sogar noch größer sein, als selbst die KritikerInnen des Projektes angenommen haben. Über einem 13 Hektar großen Teil des erst zur Landesgartenschau 2005 halbwegs abgedichteten Giftgrabs liegt nämlich die noch in Betrieb befindliche Sondermüll-Deponie Bürrig der BAYER-Tochter CURRENTA. Eine Absicherung nach unten hin existiert nicht, weshalb die Aufschüttungen auf die Altlast drücken und zu chemischen Reaktionen führen könnten. Trotzdem spielte Bürrig bei der Sicherheitsanalyse von Straßen.NRW keine Rolle und fand auch in den Antragsunterlagen zur Genehmigung keine Erwähnung. „Die aktive Deponie ist von den Planungen nicht betroffen“, antwortet die Bezirksregierung Köln auf eine Anfrage des WDR. Harald Friedrich, der ehemalige Abteilungsleiter im NRW-Umweltministerium, teilt diese Einschätzung nicht: „Man hätte eine Gefährdungsabschätzung machen müssen.“

BAYTRIL fördert Methan-Ausstoß
Rinder, die Antibiotika wie BAYERs BAYTRIL verabreicht bekommen, geben mehr klimaschädigende Methan-Gase an die Umwelt ab als solche, welche die Präparate nicht schlucken müssen. Das ergab eine Studie, welche die Fachzeitschrift Proceedings of the Royal Society B veröffentlichte. Den ForscherInnen um Tobin J. Hammer zufolge stieg die Methan-Freisetzung um den Faktor 1,8. Die WissenschaftlerInnen vermuten, dass BAYTRIL & Co. die Gas-Produktion fördern, indem sie Einfluss auf im Verdauungstrakt der Tiere wirkenden Mikrobakterien nehmen.

Plastik in Speisefischen
Immer mehr Plastikabfälle gelangen in die Weltmeere und bedrohen so das aquatische Ökosystem. Nach Angaben des Bundesumweltministeriums finden sich die Rückstände mittlerweile in 330 Tierarten wieder. Als einer der weltgrößten Kunststoff-Produzenten trägt BAYER maßgeblich zu diesem Umweltverbrechen bei. ForscherInnen des „Alfred-Wegener-Institutes“ wiesen jetzt sogar Plaste-Reste in Speisefischen aus der Nord- und Ostsee nach. Zumeist stießen die BiologInnen in den Verdauungsorganen der Tiere auf die Partikel. Obwohl die Heringe, Dorsche, Makrelen und Flundern vor der Lieferung an den Lebensmittel-Zwischenhandel ausgenommen werden, mochten die WissenschaftlerInnen Chemie-Rückstände in ihren Körpern nicht ausschließen: „Wir sind mit der Erforschung der Effekte noch ganz am Anfang.“

IMPERIUM & WELTMACHT

Abschreibungen in Venezuela
Die sinkenden Öl-Preise haben Venezuela in eine tiefe Krise gestürzt. Unter anderem leidet das Land an einer hohen Inflation, weshalb die heimische Währung gegenüber dem Dollar immer mehr an Boden verliert. Auch bei den Pharma-Firmen hat die Nation immense Schulden. Um diese wenigstens teilweise zu tilgen, hat die Regierung BAYER, SANOFI und NOVARTIS nun Anleihen der staatlichen Öl-Gesellschaft PDVSA übertragen.
Diese notieren zwar in Dollar und nicht in Bolívar, haben gegenüber ihrem Nennwert jedoch viel verloren. Die Konzerne nehmen die Verluste jedoch in Kauf und verkaufen trotzdem. NOVARTIS etwa erhielt für seine 200-Millionen-Dollar-Bonds nur 73 Millionen, und der Leverkusener Multi dürfte seine Papiere mit ähnlich hohen Abschlägen veräußert haben.

ÖKONOMIE & PROFIT

Synergie-Defekte beim MERCK-Deal
Schicken sich Unternehmen an, ihre Konkurrenten zu übernehmen oder Geschäftsteile von ihnen zu erwerben, preisen sie stets die mit den Deals angeblich verbundenen Synergie-Effekte. Im Fall des geplanten Kaufs von MONSANTO wusste BAYER diese sogar schon genau zu taxieren: 1,5 Milliarden Dollar per anno schon drei Jahre nach dem Vollzug der Transaktion. Allerdings können sich die Konzerne dabei auch verkalkulieren. Beispielsweise zahlte sich der 2014 vorgenommene Kauf einer MERCK-Sparte für den Leverkusener Multi bis jetzt nicht in dem erhofften Maß aus. So lag der Umsatz des Sortiments um 100 Millionen Dollar niedriger, als von MERCK angegeben. Auch erwies sich die Entwicklungspipeline als „nicht annähernd so gut wie präsentiert“, wie der Global Player beklagt. Zudem musste er mehr Geld als erwartet in Werbung für die Fußpflege-Artikel aus der DR SCHOLL’S-Reihe oder die COPPERTONE-Sonnenschutzmittel investieren, was sich obendrein nicht immer auszahlte: Im dritten Quartal des Jahres 2016 ging der COPPERTONE-Umsatz gegenüber dem Vergleichszeitraum um fünf Prozent zurück. Die 2001 erfolgte AVENTIS-Akquisition blieb ebenfalls lange hinter den Erwartungen zurück. Wegen falscher Angaben des AVENTIS-Managements über den Wert der Agro-Abteilung zog BAYER damals sogar vor Gericht.

Steuern sparen mit Lizenzen
Das Steuerrecht ermöglicht es den Konzernen, Geschäfte mit sich selber zu machen, um ihre Abgabenlast zu senken. So können einzelne Unternehmensteile von anderen Abteilungen Lizenzen erwerben, und die Kosten dafür senken den zu versteuernden Ertrag. Der Leverkusener Multi hat für solche Operationen die Tochter-Gesellschaft BAYER INTELLECTUAL PROPERTY (BIP) ins Leben gerufen, die Standorte in Monheim, Eschborn und Schönefeld hat. Wie hoch diese steuer-mindernden Lizenz-Gebühren z. B. für Marken-Rechte ausfallen, lassen die Zahlungen erahnen, welche der Global Player für die darauf entfallenden Einnahmen allein im bundesdeutschen Steuerparadies Monheim an das Finanzamt leistet: rund 20 Millionen Euro.

Monheim – einfach paradiesisch
Die Stadt Monheim wirbt mit einem Gewerbesteuer-Hebesatz von 300 Punkten – dem niedrigsten in ganz Nordrhein-Westfalen – um Industrie-Ansiedlungen. BAYER ließ sich das nicht zweimal sagen. Der Agro-Riese verlegte nicht nur einen Teil seiner Patent-Abteilung dorthin (s. o.), sondern auch die CROPSCIENCE BETEILIGUNGSGESELLSCHAFT, deren Haupttätigkeit „im Bereich Verwaltung und Führung von Unternehmen und Betrieben“ liegt.

COVESTRO spart Steuern
Letztes Jahr brachte der Leverkusener Multi seine Kunststoff-Sparte COVESTRO an die Börse. Und im Zuge des Loslösungsprozesses sucht sich das Unternehmen nach dem Vorbild der Muttergesellschaft schon einmal besonders günstige Steuerstandorte. Wie BAYER ist es dabei unter anderem in Monheim (s. o.) und in Belgien fündig geworden. Zusätzlich hat die Plaste-Gesellschaft sich jedoch noch die Schweiz auserkoren, wirbt doch das Nachbarland damit, dass es „international weiterhin auf Rang 8 der steuergünstigsten Standorte steht“. Die COVESTRO INTERNATIONAL SA mit Sitz im Kanton Fribourg hält Beteiligungen an überall auf der Welt verstreuten Niederlassungen. Ein Großteil von deren Erträgen wandert so an den eidgenössischen Steuerstandort zurück, wo die Finanzämter unschlagbare Konditionen bieten: „Holding-Gesellschaften sind von kantonalen Gewinn-Steuern ganz befreit, der Kapitalsteuersatz ist reduziert“.

BAYSANTO & MONSAYER

MONSANTO-HV stimmt Übernahme zu
Am 13. Dezember 2016 haben die MONSANTO-AktionärInnen der Übernahme des Konzerns durch BAYER zugestimmt. Die großen Anteilshalter wie BLACKROCK und andere Finanzinvestoren sorgten für das klare Ergebnis von 99 Prozent Zustimmung für das Angebot des Leverkusener Multis, pro MONSANTO-Papier 128 Dollar zu zahlen. Grünes Licht für den Deal hat der bundesdeutsche Konzern aber auch damit noch nicht. Rund 30 Kartellbehörden müssen die Transaktion noch genehmigen.

Klage gegen Übernahme scheitert
Im November 2016 hatten einige MONSANTO-AktionärInnen eine Klage gegen die Übernahme des Konzerns durch BAYER eingereicht. Sie warfen den ManagerInnen des US-Unternehmens eine Verletzung ihrer Treue-Pflichten vor, weil diese den Global Player ihrer Meinung nach zu billig hergegeben hatten. Kurz vor der entscheidenden MONSANTO-Hauptversammlung (s. o.) wies ein Richter das Begehren jedoch ab. Allerdings besteht für die Aktien-HalterInnen noch die Möglichkeit, in Delaware, dem Stammsitz des Agro-Riesen, ein Gericht anzurufen.

Grüne schreiben Offenen Brief
Die Grünen haben die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager in einem Offenen Brief dazu aufgefordert, der Übernahme MONSANTOs durch BAYER die Zustimmung zu verweigern. Der Fraktionschef Anton Hofreiter und weitere Bundestagstagsabgeordnete appellierten stattdessen an die Dänin, „die Spirale der Hochfusionierung im Agrochemie-Markt zu stoppen“. Unter anderem befürchtet die Partei durch den Deal höhere Preise für LandwirtInnen und VerbraucherInnen.

RECHT & UNBILLIG

13.800 XARELTO-Klagen
BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO mit dem Wirkstoff Rivaroxaban hat gefährliche Nebenwirkungen – im Jahr 2015 gingen allein beim „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) 137 Meldungen über Todesfälle ein. In den USA ziehen deshalb immer mehr Geschädigte bzw. deren Hinterbliebene vor Gericht. Das Aufkommen der Klagen erhöhte sich von Ende Januar 2016 bis Mitte Oktober von 4.300 auf 13.800.

Über 1.000 ESSURE-Klagen
ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, beschäftigt in den USA zunehmend die Gerichte. Die kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich die Eileiter verschließen, hat nämlich zahlreiche Nebenwirkungen. Allzu oft bleibt das Medizin-Produkt nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Gesundheitsschädigungen, über die Frauen berichten. Über 1.000 von ihnen haben in den Vereinigten Staaten deshalb schon eine Klage gegen BAYER eingereicht.

CIPROBAY vor Gericht
Das Antibiotikum CIPROBAY, das zur Gruppe der Fluorchinolone gehört, hat zahlreiche Nebenwirkungen. So registrierte die US-Gesundheitsbehörde FDA zwischen 1998 und 2013 3.000 Todesfälle, die im Zusammenhang mit fluorchinolon-haltigen Medikamenten stehen. Insgesamt erhielt die Institution rund 50.000 Meldungen über unerwünschte Arznei-Effekte. Am häufigsten treten Gesundheitsschäden im Bereich der Sehnen, Knorpel, Muskeln und Knochen auf. Die Pharmazeutika stören nämlich das Zusammenspiel zwischen Nerven und Muskeln, weil sie die Weiterleitung des Neurotransmitters Acetylcholine behindern. Auch Störungen des zentralen Nervensystems, die sich in Psychosen, Angst-Attacken, Verwirrtheitszuständen, Schlaflosigkeit und anderen psychiatrischen Krankheitsbildern manifestieren, beobachten die MedizinerInnen. Darüber hinaus sind CIPROBAY & Co. für Herzinfarkte, Unterzuckerungen, Hepatitis, Autoimmun-Krankheiten, Leber- oder Nierenversagen und Erbgut-Schädigungen verantwortlich. Bei Cheryl Tigley löste CIPROBAY, das BAYER in den USA unter dem Namen AVELOX vertreibt, eine Schädigung des peripheren Nervensystems aus. Deshalb zog die US-Amerikanerin vor Gericht und verklagte den Leverkusener Multi auf Schadensersatz.

CIPROBAY nicht vor Gericht
Kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001 kam es in den USA durch per Post verschickte Milzbrand-Erreger zu fünf Todesfällen. Die Regierungsstellen trafen daraufhin Vorsorge-Maßnahmen und kauften große Mengen von BAYERs Antibiotikum CIPROBAY als Gegenmittel. Zudem hoben sie das Verbot auf, die Arznei Kindern zu verabreichen – der Leverkusener Multi hatte für die Gewährung des exklusiven Vermarktungsrechtes lediglich Unbedenklichkeitsstudien nachzureichen. Bei diesen Untersuchungen hat der Pharma-Riese allerdings massive Manipulationen vorgenommen. Der an den Klinischen Prüfungen beteiligte Mediziner Dr. Juan Walterspiel wirft dem Unternehmen vor, Daten gefälscht zu haben, um Nebenwirkungen wie Muskelschwäche und Knorpelschäden zu verbergen. BAYER habe lange Datenkolonnen einfach in die Berichtsbögen eingefügt, so Walterspiel: „Diese Zahlen wiederholten sich endlos.“ Zudem haben die Erprobungen in den USA Walterspiel zufolge auffallend mehr Risiken und Nebenwirkungen zu Tage gefördert als solche, die der Konzern in Mexiko und anderen ärmeren Ländern durchgeführt hat. Die Versuche des Arztes, wegen der unsauberen Tests gerichtlich gegen den Leverkusener Multi vorzugehen, gestalten sich jedoch schwierig. So hat es der Oberste Gerichtshof der USA, der Supreme Court, im Juli 2016 abgelehnt, Walterspiel als Whistleblower gerichtlichen Beistand zu gewähren.

Pestizid-Klage in Indien
Das indische Agrar-Ministerium hatte 2015 ein ExpertInnen-Gremium damit beauftragt, die Risiken und Nebenwirkungen von 66 Pestiziden zu bewerten, die andere Länder längst verboten haben. Da in dem Ausschuss auch Industrie-VertreterInnen saßen, fiel die Empfehlung moderat aus. Die Kommission legte dem Staat nahe, 13 Agro-Chemikalien sofort aus dem Verkehr zu ziehen, darunter mit Fenthion und Methyl Parathion auch solche Wirkstoffe, die in BAYER-Produkten enthalten sind. Darüber hinaus schlug sie vor, die Zulassung für sechs Ackergifte 2020 auslaufen zu lassen und 27 im Jahr 2018 noch einmal in Augenschein zu nehmen. Aber der Regierung ging selbst das zu weit. Sie machte keine Anstalten, die Ratschläge zu befolgen. Deshalb sehen sich Modi & Co. nun mit einer Klage konfrontiert.

USA verbieten primäres Mikroplastik
Immer mehr Plastik-Abfälle gelangen in die Weltmeere und bedrohen so das aquatische Ökosystem. Durch Wellenbewegungen und Sonnen-Einwirkung kleingemahlen oder gleich in winziger Form als primäres Mikro-Plastik in das Wasser geraten, nehmen Fische und andere Tier-Arten die Partikel auf und setzen sich so großen Gesundheitsgefahren aus. Als einer der weltgrößten Kunststoff-Produzenten trägt BAYER maßgeblich zu diesem Desaster bei. Die USA hat jetzt jedoch erste Schritte zum Schutz der Wasser-Lebewesen eingeleitet. Sie verbot die Herstellung von primärem Mikro-Plastik, den sogenannten Microbeads, wie sie sich unter anderem in einigen Sorten des Durethan-Kunststoffs der BAYER-Tochter COVESTRO finden.

PCB: Kein Verfahren gegen RAG
Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören zu den giftigsten Hervorbringungen der Chlorchemie (SWB 1/14). Die vor allem von BAYER und MONSANTO in Umlauf gebrachten gefährlichen „Alleskönner“ kamen bis zu ihrem vollständigen Verbot 1989 in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben, Ölen, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz – und stellen immer noch ein beträchtliches Gesundheitsrisiko dar. Von den 1985 in der Bundesrepublik verkauften 72.000 Tonnen landete mehr als ein Sechstel im Bergbau, wo die schweren Gerätschaften viel Hydraulik-Öl brauchten. „Wir sind mit dem Zeug umgegangen, als wäre es Milch“, zitiert der Spiegel einen Bergmann. Dementsprechend leiden viele seiner KollegInnen heute an den Spätfolgen und zeigen Vergiftungssymptome wie Haut-, Nieren- und Leberschäden. Die Altlasten lagern in Fässern und anderen Behältern, die nicht selten Leckagen aufweisen. Nicht zuletzt deshalb gelangt jetzt PCB mit dem abgepumpten Grubenwasser aus den kontaminierten Stollen in die Flüsse. Das nordrhein-westfälische Landesamt für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz entnahm unter anderem an den Bergwerken in Prosper-Haniel, Bergkamen und Essen Proben und wies PCB-Belastungen nach, die an manchen Stellen um das Dreifache über den Grenzwerten lagen. Der BUND reichte deshalb eine Strafanzeige gegen den Bergbau-Konzern RAG ein. Anfang September stellte die Bochumer Staatsanwaltschaft die Ermittlungen allerdings ein. Das Unternehmen hätte wasserrechtliche Genehmigungen für die Einleitungen, und die Gewässer hätten kein Schaden genommen, erklärte Oberstaatsanwalt Paul Jansen zur Begründung. Er behauptete sogar, das Unternehmen hätte immer die Grenzwerte eingehalten.

Klage wg. Diskriminierung
Anfang Dezember 2016 hat eine US-amerikanische BAYER-Angestellte den Konzern wegen Diskriminierung verklagt. Dr. Irene Laurora, welcher der Leverkusener Multi 2012 noch den Titel der „Working Mother of the Year“ verliehen hatte, wirft dem Unternehmen vor, sie wegen ihres Einsatzes für Frauenrechte entlassen zu haben. Die Pharmakologin hatte 2015 eine schwangere Frau in ihr Projekt geholt, wogegen Lauroras Vorgesetzter wegen des bevorstehenden Mutterschaftsurlaubs allerdings Einspruch erhob. Die Wissenschaftlerin protestierte gegen die Intervention ihres Chefs, was zu Zurückstufungen und schließlich zur Kündigung führte. „Anstatt Dr. Lauroras Anstrengungen zu unterstützen, gegen die Diskriminierung Schwangerer vorzugehen, versuchte BAYER sie rechtswidrig durch eine Freisetzung mundtot zu machen“, kritisiert der Rechtsanwalt der Klägerin. Beim Pharma-Riesen ist das nicht der erste Fall dieser Art: Bereits im Jahr 2011 hatten acht weibliche Angestellte rechtliche Schritte gegen den Konzern wegen frauenfeindlichen Verhaltens eingeleitet (siehe SWB 3/11).

Auch Uni Mainz darf weiter mauern
Am 18. August 2015 hatte das Oberverwaltungsgericht Münster der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) die Einsichtnahme in den Vertrag verwehrt, den BAYER mit der Universität Köln geschlossen hatte. Antworten auf Fragen zur finanziellen Ausgestaltung der Kooperation, zu den Verwertungsrechten, zu den Forschungsvorgaben des Leverkusener Multis und zum Umgang mit negativen Forschungsergebnissen bleiben der Öffentlichkeit damit verwehrt. Der Richter Sebastian Beimesche hatte sich bei seinem Urteil auf die Paragrafen des nordrhein-westfälischen Informationsfreiheitsgesetzes und des Hochschulzukunftsgesetzes gestützt. Die entsprechenden Abschnitte entbinden Forschung & Lehre von der Transparenz-Pflicht. Und der Jurist legte diese so „weitreichend“ aus, dass sie auch die Forschungsplanung einbeziehen. Mit dem Verweis auf eine ähnliche Ausnahme-Regelung in den rheinland-pfälzischen Gesetzen bewahrte das Verwaltungsgericht Mainz Mitte September 2016 nun auch die Universität Mainz und BOEHRINGER davor, Details ihrer Zusammenarbeit offenlegen zu müssen.

Grünes Licht für Autobahn-Ausbau
Die Bezirksregierung Köln hat dem Landesbetrieb Straßen.NRW Anfang November 2016 die Genehmigung erteilt, die Autobahn A1 zwischen Köln-Niehl und dem Autobahn-Kreuz Leverkusen-West auszubauen und dafür auch eine neue Rheinbrücke zu errichten (siehe auch SWB 1/17). Dass der „Vorhaben-Träger“ dafür BAYERs erst zur Landesgartenschau 2005 in langjähriger Arbeit halbwegs gesicherte Dhünnaue-Deponie wieder öffnen muss, focht die Behörde bei ihrer Entscheidung nicht an. Sie setzte sich mit ihrem Beschluss über 300 Einwendungen verschiedener Initiativen und Einzelpersonen – auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hatte im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens eine Beschwerde eingereicht – und über massiven BürgerInnen-Protest hinweg.. Die GegnerInnen des Projektes verstummen dennoch nicht. So luden sich Umweltverbände, die CBG und andere Gruppen am 7. Dezember 2016 einfach selbst zur Feier von „125 Jahre BAYER in Leverkusen“ ein und vermiesten dem Global Player, seiner Gratulantin Hannelore Kraft und den anderen Gästen gehörig die Stimmung. Zudem wollen einige Organisationen gegen den Planfeststellungsbeschluss klagen.

FORSCHUNG & LEHRE

Kooperation mit der Uni Hamburg
BAYER hat mit der Universität Hamburg eine Forschungskooperation auf dem Gebiet der „Digitalen Landwirtschaft“ vereinbart. GeologInnen und InformatikerInnen der Hochschule wollen für den Leverkusener Multi im Rahmen dieser Zusammenarbeit ein Modell zur Erhebung von Wetter- und Bodendaten entwickeln, um „die Nutzung bestehender landwirtschaftlicher Ressourcen weiter zu optimieren“.

Kooperation mit der Uni Göttingen
Der Leverkusener Multi lagert immer größere Bereiche seiner Forschungsarbeiten aus. Rund 20 Prozent seines über 4,3 Milliarden Euro schweren Forschungsetats steckt er mittlerweile in Kooperationen mit Hochschulen und wissenschaftlichen Instituten. Der Göttinger Georg-August-Universität hat er gleich zwei Aufträge erteilt. Das dortige „Department für Nutzpflanzen-Wissenschaften“ ergründet für den Global Player zum Preis von 141.250 Euro, warum das Pestizid Flufenacet Wildgräsern nichts mehr anhaben kann. Das andere, nicht näher bezeichnete Agrochemie-Projekt läuft Ende 2016 aus und kommt BAYER mit 180.000 Euro noch teurer zu stehen.

BAYER stiftet Lehrstuhl
BAYER pflegt die akademische Landschaft nicht nur hierzulande mit Stiftungsprofessuren, sondern auch im Ausland. So hat der Leverkusener Multi der Universität Manitoba in Tateinheit mit den Nachkommen eines Arztes einen Lehrstuhl zur Erforschung von Blut-Krankheiten spendiert.

[MONSANTO] Gegen die Fusion: Wir brauchen Ihre Hilfe!

CBG Redaktion

Bitte helfen Sie mit einer Spende.

Sollte die drohende BAYER / MONSANTO-Fusion zustande kommen, werden wir uns dieses Konzerns genauso gründlich annehmen, wie wir dies in den letzen 35 Jahren mit dem BAYER-Konzern getan haben. Aufklärung und Dokumentation sowie Koordinierung, Unterstützung und Zusammenführung von Betroffenen, Widerstand und Fachleuten - so lautet die Aufgabe die wir uns gesteckt haben. Bereits jetzt, da die Fusion zunächst „nur“ droht sind unsere Kräfte besonders gefragt. Leider kostet auch eherenamtliche Arbeit Geld. Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit durch Ihre Spende.

Fusion verhindern! Forderung hier unterstützen

Presse Information vom 20. Mai 2016
Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG)

Der BAYER/MONSANTO-Deal

Vereinigung zu Lasten Dritter

Der BAYER-Konzern hat Gespräche mit MONSANTO über eine mögliche Fusion bestätigt. Bei einem Abschluss der Transaktion würde der mit Abstand größte Agro-Multi der Welt entstehen mit schlimmen Folgen für die LandwirtInnen, die Natur, die VerbraucherInnen und die Beschäftigten.

Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der CBG: „Wir schlagen Alarm: ‚Wer das Saatgut kontrolliert, beherrscht die Welt’, hat Henry Kissinger einmal gesagt. Durch die Übernahme droht ein weltweites Lebensmittel-Monopol. Die Welternährung gerät in ernste Gefahr.“

Schon jetzt befindet sich der globale Agrar-Markt in den Händen einiger weniger Unternehmen. Hatten 1985 die zehn größten Anbieter von Saatgut zusammen noch einen Marktanteil von ca. 12,5 Prozent, so kamen BAYER, BASF, DUPONT, MONSANTO, SYNGENTA & Co. 2011 schon auf 75,3 Prozent. Und in den letzten beiden Jahren hat sich die Situation noch einmal zugespitzt. DUPONT hat DOW aufgekauft und CHEM-CHINA erwarb SYNGENTA. Vor allem vom Finanzmarkt geht dabei der Druck aus. Den großen Akteuren wie BLACKROCK reicht das interne Wachstum der Agro-Riesen nicht mehr, deshalb treiben sie die Gesellschaften zu Fusionen.

Die oligopol-artigen Strukturen bringen einen riesigen Innovationsstau mit sich. Weitverbreitete gesundheitsschädliche Pestizide wie BAYERs Glufosinat oder MONSANTOs Glyphosat stammen bereits aus den 1970er Jahren. Neue Herbizide haben die Konzerne wegen der übersichtlichen Markt-Verhältnisse seit Urzeiten nicht mehr entwickelt, wie der Leverkusener Multi selbst einräumt. „Seit über 25 Jahren hat die weltweite Pflanzenschutz-Industrie kein wirtschaftlich bedeutendes Herbizid mit neuem Wirkmechanismus mehr für Flächenkulturen entwickelt und auf den Markt gebracht – unter anderem eine Folge der Konsolidierung der Industrie, die mit einer deutlichen Reduktion der Forschungsaufwendungen für neue Herbizide einherging“, so der BAYER-Forscher Dr. Hermann Stübler. Als Folge davon stellen sich immer mehr Wildpflanzen auf die Mittel ein, und die LandwirtInnen müssen immer mehr Agro-Chemikalien ausbringen, was verheerende Auswirkungen auf die Artenvielfalt hat.

Die Konzerne reagieren auf die Forschungsmisere, indem sie sich bei der Entwicklung von Genpflanzen gegenseitig Zugriff auf ihre Ackergifte gewähren. Auf diese Weise können sie ihre Labor-Früchte gleich gegen mehrere Agrochemikalien zugleich immunisieren, was den FarmerInnen mehr Flexiblität bei der Anwendung der Substanzen erlaubt, aber zugleich die Abhängigkeit der Agrarwirtschaft von den Konzernen erhöht.

Was die Skrupellosigkeit angeht, so verweist die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) darauf, dass BAYER 1954 bis 1967 mit MONSANTO das US-amerikanische Joint Venture MOBAY führte und dort in die Herstellung von Komponenten von AGENT ORANGE für den Vietnamkrieg verwickelt war.

[BMS] STICHWORT BAYER 01/2016

CBG Redaktion

BAYER bringt Kunststoff-Sparte an die Börse

Ich bin dann mal weg

Im Eiltempo treibt der Leverkusener Multi die vom Kapital-Markt geforderte Abspaltung seiner Kunststoff-Sparte voran. Am 1. September entließ er die „Plaste & Elaste“-Abteilung in die wirtschaftliche und rechtliche Unabhängigkeit und verpasste ihr mit COVESTRO einen neuen Namen. Anfang Oktober erfolgte dann der Börsengang. Dieser verlief allerdings nicht reibungslos und gab dem Parkett-Frischling damit schon mal einen Vorgeschmack auf den beschwerlichen Weg, der ihm bevorsteht. Für BAYER indessen hat die Holding-Struktur mit der Trennung von dem ungeliebten Geschäftsbereich ihre Schuldigkeit getan. Der Konzern verordnet sich eine neue Struktur und verzahnt die beiden verbliebenen Bereiche „Agrar“ und „Pharma“ enger. Trotzdem bleibt ungewiss, wie lange der Global Player noch auf zwei Beinen stehen wird.

Von Jan Pehrke

Zum Amtsantritt von Marijn Dekkers im Jahr 2010 hatte Stichwort BAYER geschrieben: „Am 1. Oktober löst der Niederländer Marijn Dekkers Werner Wenning als Vorstandsvorsitzenden von BAYER ab. Der Kapitalmarkt erwartet von ihm einschneidende Veränderungen wie den Verkauf der Kunststoff-Sparte.“ Und diese Mission erfüllte der Holländer, bevor er wieder zu anderen Ufern aufbricht – auf eigenen Wunsch verlängerte Dekkers seinen 2016 auslaufenden Vertrag nicht. Mitte September 2014 gab der Leverkusener Multi die Trennung von seiner „Plaste & Elaste“-Abteilung bekannt. „Eine Frage der Investitionspolitik“ war das für Dekkers. „Wir müssen entscheiden, wofür wir bei BAYER künftig Geld ausgeben wollen“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Süddeutschen Zeitung: „Unsere drei Bereiche – Kunststoffe, Gesundheit, Agrarwirtschaft – erfordern jeweils hohe Investitionen und stehen hierbei in einem Wettbewerb miteinander. Da die Bereiche ‚Gesundheit’ und ‚Agrarwirtschaft’ höhere Renditen erwirtschaften, würden wir unsere Ressourcen vor allem dort konzentrieren.“
Jahrelang hatten Pensionsfonds und andere große Finanzinvestoren wie etwa BLACKROCK einen entsprechenden Schritt gefordert. Nun musste sich der Global Player deren Macht endgültig beugen und brachte damit die GewerkschaftsvertreterInnen gegen sich auf. Die Beschäftigten des Kunststoff-Bereichs hatten in der Vergangenheit immer wieder Opfer erbracht, um die angeblich schlechten Geschäftszahlen zu verbessern und auf diese Weise eine Loslösung zu verhindern. So hatten sie in den letzten Jahren die Vernichtung von über 2.000 Arbeitsplätzen, Werksschließungen, untertarifliche Bezahlung, Effizienz-Programme und die Streichung von Boni erduldet – und jetzt stellt sich heraus: Das alles war umsonst. Im Aufsichtsrat stemmten sich die GewerkschaftsvertreterInnen lange gegen den Plan der BAYER-Oberen. Sie mussten schlussendlich aber klein beigeben: „Die durch uns kritisierte Abkehr von der Drei-Säulen-Strategie ist durch die Arbeitnehmer-Vertreter im Aufsichtsrat, trotz intensivster Beratungen, nicht zu verhindern gewesen.“ Sonst hätte das Management keine finanziellen Mittel mehr bereitgestellt, womit der Plaste-Bereich eine äußerst kritische Entwicklung genommen hätte, hieß es. „Gemeinhin nennt man so etwas Erpressung“, kommentierten die KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN FÜR DURCHSCHAUBARE BETRIEBSRATSARBEIT, eine alternative IG-BCE-Gewerkschaftsgruppe im Leverkusener BAYER-Werk.
In Windeseile machte sich der Konzern dann an die Umsetzung des Beschlusses, den vermeintlichen „Minderleister“ an die Börse zu bringen. Eine Kommission nahm die Entflechtung vor und fand Regelungen für die Pensionsverpflichtungen, Patente und Grundstücksnutzungen. Auch die Beschäftigten sortierte sie auseinander und legte fest, wie viele Arbeitskräfte von BAYER BUSINESS SERVICES und den anderen Service-Gesellschaften das neue Unternehmen benötigen würde. Die Wechselstimmung hielt sich unter den BAYER-WerkerInnen begreiflicherweise in Grenzen. Kaum einer wollte freiwillig zu dem eben noch als zu rendite-schwach geschmähten Kunststoff-Hersteller gehen. Darum startete der Konzern in der Belegschaftszeitung direkt eine Kampagne und präsentierte wechselwilliges Personal. „Ich sehe dem Wechsel mittlerweile sehr entspannt entgegen und weiß, dass ich auch bei MaterialScience die besten Entwicklungschancen habe“, erklärte da eine Ingenieurin. Eine Kollegin von ihr gab sich ebenfalls gelassen: „Für mich sind der Wechsel und die Loslösung eines Teilkonzerns nicht gleich ein kompletter Neuanfang – das ist sehr angenehm“, und ein Techniker bekräftigte: „Ich bin sicher, dass ich auch weiterhin für einen erstklassigen Arbeitgeber tätig sein werde.“
Um die Kontinuität zu betonen, hat das neue Unternehmen in seinem Firmen-Logo den BAYER-Kreis und die BAYER-Farben grün und blau übernommen. Als Namen wählten die ManagerInnen COVESTRO aus. Bei dem „CO“ handelt es sich dabei keineswegs um das chemische Zeichen für Kohlenmonoxid; es steht deshalb auch nicht etwa für die umstrittene Giftgas-Pipeline zwischen Dormagen und Krefeld als Erblast der neuen Gesellschaft, sondern für „Collaboration“. Das „VEST“ verweist auf „Investment“ und das „STRO“ auf „strong“. Der Brands-Entwickler Manfred Gotta fühlte sich bei dem Wort allerdings eher an eine Bezeichnung für einen italienischen Handkäse erinnert.
Im Sommer 2015 brach der COVESTRO-Chef Patrick Thomas dann mit zweien seiner Manager zu einer „Road show“ auf, um die BAYER-Abspaltung Pensionsfonds und anderen Finanzmarkt-Akteuren schmackhaft zu machen sowie deren Bereitschaft zu eruieren, in den Konzern zu investieren. Auf diese Weise wollte der Leverkusener Multi Aufschluss darüber gewinnen, ob er mit seiner Plastik-Sparte einen regulären Börsengang wagen könnte. Das käme nämlich einer Kapital-Erhöhung gleich und würde Geld in die Kassen spülen. Andernfalls müsste er – wie 2004 bei der Abspaltung des Chemie-Geschäfts geschehen – einen Spin-Off vornehmen und den BAYER-AktionärInnen die Papiere des ausgemusterten Firmenteils einfach schenken.
Also legten sich Thomas und seine Mannen mächtig ins Zeug, um COVESTRO als zukunftsträchtigen Konzern zu präsentieren, der auf Innovationen setzt, in wichtigen Bereichen wie etwa bei den Polyurethanen die Märkte dominiert und obendrein noch ein strenges Kosten-Management betreibt. „Wir wollen uns bei den Kosten mit den Besten messen“, erklärte der Finanz-Chef Frank Lutz und kündigte Einsparungen in einem Volumen von 420 Millionen Euro bis 2019 an. Den Anfang machte das Management bereits im Juni 2015. Es stoppte die Kunststoff-Produktion im brasilianischen Belford Roxo und vernichtete dadurch 320 Arbeitsplätze. Bestandschutz erhielten von Lutz nämlich nur die heimischen Niederlassungen: „Wir können Standort-Schließungen in Deutschland ausschließen.“ Auch auf eine Job-Garantie bis 2020, wie sie BAYER mit der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE für die bundesdeutschen Kunststoff-Beschäftigten vereinbart hatte, warteten die ArbeiterInnen und Angestellten ausländischer Konzern-Gesellschaften vergeblich. Die belgischen KollegInnen mussten sich eine solche Zusicherung erst in zähen Auseinandersetzungen erstreiten, und die Belegschaften anderer ausländischer Niederlassungen gingen ganz leer aus. Pittsburgh beispielsweise speiste Marijn Dekkers mit dem Lippenbekenntnis ab, die Stadt sei „ein wichtiger Standort für BAYER MATERIAL SCIENCE“ und es gäbe keinen Grund anzunehmen, dass die Produktionsstätte ihre Geschäftstätigkeit nicht in dem bisherigen Umfang fortsetzen wird. Da dürfte auf die Belegschaftsangehörigen in den USA und anderswo also noch so einiges zukommen, auch wenn Lutz vorgibt, die Absicht zu haben, das ehrgeizige Spar-Ziel vornehmlich durch eine bessere Auslastung der Anlagen zu erreichen.
Und noch ein anderes Lockmittel hielt COVESTRO für die Anleger bereit. Die Gesellschaft stellte hohe Dividenden-Zahlungen in Aussicht. 30 bis 50 Prozent des Gewinnes will sie den AktionärInnen in die Tasche stecken und zur Premiere sogar einmalig 100 bis 150 Millionen Euro ausschütten. Zudem beeindruckte der Kunststoff-Konzern die Investoren mit guten Zahlen. „BAYER-Chef Marijn Dekker kann sein Glück kaum fassen: Mit einem Rekord-Quartal geht er auf die Zielgeraden zur Abspaltung der Kunststoff-Tochter BAYER MATERIALSCIENCE. Im ersten Quartal stieg der Gewinn des Konzerns um sieben Prozent auf 2,2 Milliarden Euro“, vermeldete die Rheinische Post. Das beste Vierteljahres-Ergebnis seit 2006 erwirtschaftete die Sparte. Um Glück handelte es sich dabei jedoch keineswegs. Mit der Standort-Schließung in Brasilien und anderen Manövern hat der Leverkusener Multi akribisch darauf hingearbeitet, zum feierlichen Anlass eine ordentliche Bilanz vorzulegen. Auch seine Foto-Sparte AGFA hatte er einst mit solchen Maßnahmen für die Börse fitgespritzt, was allerdings nicht lange vorhielt und am schlechten Allgemeinzustand der Gesellschaft kaum etwas zu ändern vermochte.
Eigentlich hätten die ausgewiesenen Profite das ganze Projekt in Frage stellen müssen, denn es waren ja gerade die in BAYERs Augen zu schwachen Erträge, die für die Trennung sprachen, aber um solche Widersprüchlichkeiten scherte sich keiner mehr groß. Stattdessen startete das ungeliebte Kind am 1. September 2015 mit großem Tamtam offiziell in die Selbstständigkeit. Zu den 4.000 Gästen gehörte auch der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Garrelt Duin. Laut COVESTRO überbrachte er Grüße der Landesregierung. Mit den Worten „COVESTRO ist bestens aufgestellt, um langfristig erfolgreich zu sein – aufgrund seiner Herkunft, seiner neuen Eigenständigkeit und Flexibilität und vor allem aufgrund seiner erfahrenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Durch die wettbewerbsfähige Position von COVESTRO auf dem Weltmarkt wird Nordrhein-Westfalen als führender Chemie-Standort gestärkt“ zitierte das Unternehmen den Sozialdemokraten.
Auch die AktionärInnen des Konzerns feierten mit – und verdarben dem Leverkusener Multi dabei die Party. Sie nutzen den Festtag nämlich, um sich von ihren BAYER-Papieren zu trennen. Die SpekulantInnen werteten die vollzogene Abspaltung als einen vorläufigen Höhepunkt in der Entwicklung des Unternehmens und erwarteten in absehbarer Zeit kein weiteres Kurs-Feuerwerk. „Da machen einige Händler offenbar Kasse“, lautete der lapidare Kommentar eines Händlers. Zum Handelsschluss hatte die Aktie deshalb vier Prozent an Wert verloren – so viel wie kein anderer Wert an diesem 1. September.
Für BAYER markierte dieses Datum jedoch nur eine Etappe auf dem Weg zur Abspaltung der Kunststoff-Sparte. Der Konzern konnte es gar nicht abwarten, weitere Schritte einzuleiten und COVESTRO an die Börse zu bringen. Hatte der Pharma-Riese dafür ursprünglich erst Mitte 2016 als geeigneten Zeitpunkt ins Auge gefasst, so kündigte er nun schon Anfang Oktober als Termin an und nannte als Grund die „robuste Nachfrage“ nach den Papieren. Anteile im Wert von 2,5 Milliarden Euro hoffte der Global Player zu platzieren – und in Frankfurt damit für die gewichtigste Neu-Emission seit dem Jahr 2000 zu sorgen, als die DEUTSCHE POST gleich in den DAX vorstieß.

Mit diesem Geld sollte der Börsen-Novize einen Teil der Schulden ablösen, die das Mutter-Unternehmen auf ihn übertragen hatte. Insgesamt sechseinhalb Milliarden Euro Verbindlichkeiten bekam COVESTRO mit auf den Weg, wobei BAYER da nicht übermäßig „großherzig“ war, ein allzu dickes Minus hätten die Investoren nämlich nicht geschluckt.
Eine Preisspanne von 26,50 bis 35,50 setzte der Multi für das Papier fest. Allerdings mochte zu diesen Konditionen kaum jemand zugreifen; die Vorbestellungen hielten sich in engen Grenzen. Dann flogen auch noch die Abgas-Manipulationen von VW auf und trafen beunruhigende Meldungen über die Konjunktur-Aussichten in China ein, was in Frankfurt alle Werte auf Talfahrt schickte. Dem Leverkusener Multi blieb nichts anderes übrig, als eine Krisen-Sitzung einzuberufen. „Die Nacht über berieten die Investment-Banker die Lage, gestern Morgen zogen die Vorstände die Notbremse: BAYER und COVESTRO verschoben den Börsengang und senkten die Preisspanne“, berichtete die Rheinische Post am 2.10.15. Das „eingetrübte und volatile Kapitalmarkt-Umfeld“ führte der Konzern selber als Begründung an. Für das Fachblatt Der Platow Brief ließ das erahnen, „wie gnadenlos die Investoren mit den Konsortial-Banken und den Alt-Aktionären hinter den Kulissen pokern“.
Für 21,50 bis 24,50 Euro war die COVESTRO-Aktie nun schon zu haben. Von diesem niedrigen Niveau aus sollte denn am ersten Ausgabe-Tag noch Luft nach oben sein, so die Einschätzung, zumal die großen Fondsgesellschaften mit ihren festen Budgets zu diesem Preis noch zukaufen müssen. Einen Kursverlust gleich zum Start – das wollte BAYER unter allen Umständen vermeiden. Allerdings sah sich das Unternehmen dafür gezwungen, die Kalkulation umzuschmeißen. Die 2,5 Milliarden Euro Einnahmen konnte es jetzt vergessen und den größten Börsengang seit 2000 ebenfalls. Deshalb versicherte der Global Player umgehend, COVESTRO den Fehl-Betrag von einer Milliarde Euro zusätzlich zur Verfügung zu stellen, um den Schuldenstand der Gesellschaft bei vier Milliarden Euro – und damit die Investoren bei der Stange – zu halten.
Für einen zusätzlichen Kaufanreiz wollte der Leverkusener Multi mit einer 1-seitigen Anzeige sorgen, die in den großen überregionalen Tageszeitungen erschien. Darin pries sich COVESTRO selbst als eine Art GREENPEACE in Kapitalgesellschaftsform, konnte sich damit aber nicht recht verständlich machen. Der Satz „Deshalb haben wir die Vision einer bunteren Welt – und einen Optimismus, der auf mutigen Innovationen und einem standhaften Glauben in die Kraft der Nachhaltigkeit“ warf wegen seines offenen Endes so einige Fragen zum Öko-Trip des Kunststoff-Herstellers auf. Offenbar sperrte sich die Sprache gegen die orwellschen Verdrehungen, mit denen der Konzern seine Dreckschleudern auf grün wenden wollte. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN protestierte scharf gegen diese Propaganda-Aktion. „Die Produktion bei COVESTRO basiert auf klassischer Chlor-Chemie: Mit hochgefährlichen Chemikalien und unter hohem Energie-Einsatz werden biologisch nicht abbaubare Produkte hergestellt. Doch anstatt den Umbau auf nachhaltige Produktionsmethoden zu forcieren, betreiben BAYER und COVESTRO Greenwashing der übelsten Sorte“, hieß es in der Presse-Erklärung.
Roadshow, Kostensenkungsprogramm, großflächige Werbung und ein Schnäppchen-Preis – mit dieser Kraftanstrengung gelang es COVESTRO, genügend Kauf-Interesse zu wecken und eine Pleite bei der Parkett-Premiere zu verhindern. Die Aktie lag zum Handelsschluss bei 26,90 Euro, und die Presse vermeldete „COVESTRO gelingt der Börsenstart“. Auch an den kommenden Tagen brach das Papier nicht ein. Der Plan B konnte deshalb in der Schublade bleiben. Um auf Nummer sicher zu gehen, hatte der Leverkusener Multi mit der den Börsengang begleitenden DEUTSCHEN BANK nämlich „Stabilisierungsmaßnahmen“ verabredet. Im Fall des Falles sollte BAYER GLOBAL INVESTMENTS in größerem Stil COVESTRO-Anteile bei der Bank ordern und so Kurspflege betreiben. Aber die Finanzgesellschaft des Konzerns mit Sitz im Steuer-Paradies Holland (siehe SWB 4/15) brauchte sich schlussendlich nicht zu bemühen. „Im Zusammenhang mit dem öffentlichen Angebot von Aktien der COVESTRO AG gibt die DEUTSCHE BANK in ihrer Eigenschaft als Stabilisierungsmanager bekannt, dass der Stabilisierungszeitraum vorzeitig am 16. Oktober 2015 endete und von ihr keine Stabilisierungsmaßnahmen durchgeführt wurden“, teilte das Geldhaus in einer Kapitalmarkt-Information mit.
Einstweilen besitzt der Leverkusener Multi noch 69 Prozent der COVESTRO-Papiere und darf sich auch vor dem 7. April 2016 nicht von ihnen trennen. So lange gilt nämlich die im Börsen-Prospekt zugesicherte Haltefrist, mit welcher BAYER den AnlegerInnen garantiert, den Finanzmarkt nicht mit einem die Preise verderbenden Aktien-Überangebot zu konfrontieren. Nach dem Stichtag steht ein Ausverkauf ebenfalls nicht an. Der Pharma-Riese will die Loslösung von seiner Kunststoff-Sparte peu à peu vollziehen und hat als Deadline das Jahr 2020 im Auge. Die neue AG bleibt bis auf Weiteres sogar eine 100-prozentige Konzern-Tochter. Einstweilen betont COVESTRO-Boss Patrick Thomas deshalb noch die Verbundenheit mit der Mutter-Gesellschaft: „Wir werden für eine sehr lange Zeit sehr eng zusammenarbeiten.“
Wie schnell der Global Player seine Anteile abstößt, wird nicht zuletzt von der Kurs-Entwicklung abhängen. Und da sind die Aussichten nicht so rosig. In der Produkt-Palette von COVESTRO finden sich nämlich entgegen den Behauptungen der Werbe-Abteilung kaum innovative Werkstoffe. Das Angebot besteht zu 80 Prozent aus industrieller Massenware, welche die Unternehmen zur Zeit aufgrund der weltweiten Überproduktion nur noch rabattiert losschlagen können. So verzeichnete die frisch gebackene Aktien-Gesellschaft im 3. Quartal 2015 wegen der Preis-Einbrüche einen Umsatz-Rückgang um 1,4 Prozent auf drei Milliarden Euro. Zudem beunruhigen die chinesischen Wirtschaftsdaten die Hersteller von Plaste & Elaste. Aus diesem Grund zeigte sich BAYER-Chef Marijn Dekkers Ende Oktober 2015 heilfroh über den Split. Während die Lage in dem asiatischen Land bei BAYER MATERIAL SCIENCE immer ein Thema gewesen sei, so der Große Vorsitzende, spiele sie für die verbliebenen Geschäfte nicht mehr so eine bedeutende Rolle, der Konzern sei jetzt „weniger abhängig von konjunkturellen Schwankungen“. Überdies fehlt vielen Investoren bei COVESTRO die Zukunftsperspektive. Der Plastik-Produzent hat sich der Börse zwar als „Wachstumswert“ präsentiert, vermag aber kaum Investitionen vorzuweisen. Darum musste Finanz-Vorstand Frank Lutz diesen Begriff der Börsen-Zeitung gegenüber etwas unkonventionell interpretieren: „Wir haben noch viele Kapazitäten, die ungenutzt sind. Da werden wir hineinwachsen.“
BAYER selber geht nach der Trennung von BAYER MATERIAL SCIENCE nicht einfach wieder zur Tagesordnung über. Der Konzern organisiert sich um. Die Holding-Struktur hat mit der Abspaltung der Kunststoff-Sparte ihre Schuldigkeit getan. Mit ihr hatte der Leverkusener Multi den Abschied von dem Vier-Säulen-Modell vorbereitet und auf diese Weise im Vorfeld des – inzwischen wieder rückabgewickelten – US-Börsengangs dem Druck der Finanzmärkte nachgegeben, die den Konzern mit den Geschäftsfeldern „Chemie“, „Kunststoffe“, „Pharma“ und „Landwirtschaft“ als „Gemischtwarenladen“ betrachteten und stattdessen eine „Konzentration auf das Kerngeschäft“ forderten. Und so machte der Leverkusener Multi die vier Bereiche erst einmal zu selbstständig operierenden Einheiten. Nur ein verkleinerter Vorstand wachte als Holding noch über sie und kümmerte sich bloß noch um die Finanzen und die längerfristige Unternehmensstrategie. Jetzt werde der Konzern „Werttreiber und Wertvernichter noch leichter identifizieren können“, frohlockte der damalige Finanz-Vorstand, spätere Vorstandsvorsitzende und heutige Aufsichtsratsvorsitzende Werner Wenning damals und ergänzte: „BAYER wird in der Lage sein, schneller die Konsequenzen daraus zu ziehen.“ Und das tat das Unternehmen. Ende 2003 stellte es die Chemie-Sparte zur Disposition und läutete damit das Ende des Misch-Konzerns ein, welches das Abscheiden der Kunststoff-Abteilung schließlich besiegelte.
Nun führt der Global Player die Verantwortung für die beiden noch verbliebenen Unternehmensteile „Pharma“ und „Landwirtschaft“ wieder im Vorstand zusammen und erweitert ihn aus diesem Grund. Liam Condon repräsentiert in dem Gremium ab Januar 2016 die Agrar-Geschäfte, Dieter Weinand die Sparte mit den verschreibungspflichtigen Arzneien und Erica Mann diejenige mit den freiverkäuflichen Pharma-Produkten. „Wir sind überzeugt davon, dass die stärkere Verzahnung von strategischen und operativen Aufgaben BAYER voranbringen wird“, bekundet Werner Wenning und Marijn Dekkers pflichtet ihm bei. Die neue Struktur wird unsere Strategie als führendes Life-Science-Unternehmen unterstützen und uns gegenüber dem Wettbewerb noch schlagkräftiger machen“, so der Vorstandsvorsitzende.
„Life-Science“ – unter diesem Label planen Dekkers & Co., die beiden noch verbliebenen Einheiten enger miteinander zu verknüpfen. „In allen Lebewesen, so unterschiedlich sie uns erscheinen mögen, folgen die molekularen Mechanismen gemeinsamen Regeln. Diese Gemeinsamkeiten wollen wir unter einem Dach zu unserem Vorteil nutzen“, erläutert der BAYER-Chef. Als praktisches Beispiel nennt der Konzern dabei die Bergkamener Niederlassung. Sie stellte bisher nur pharmazeutische Produkte her, züchtet jetzt aber auch den Bakterienstamm „Bacillus firmus“ heran, den Grundstoff für BAYERs Bio-Pestizid VOTIVO.
Die für den Anlagebau zuständige Abteilung BAYER TECHNOLOGY SERVICES (BTS) rückt ebenfalls wieder näher an den Konzern heran. Sie verliert mit ihrem Namen auch ihre rechtliche Eigenständigkeit und firmiert fortan einfach unter „Engineering & Technology“. 400 Beschäftigte gab die Sparte an COVESTRO ab, der Umfang der Aufgaben reduziert sich jedoch kaum. Trotzdem kommt es in keinem nennenswerten Ausmaß zu Neu-Einstellungen. Stattdessen will der Global Player mehr mit Partnern zusammenarbeiten: „Künftig wird es bei BAYER für externe Dienstleister deutlich mehr Chancen geben.“
Die IT-Sparte BAYER BUSINESS SERVICES (BBS) bleibt indes weiter außen vor, obwohl sie ebenso wenig wie BTS die mit der Eigenständigkeit verbundene Hoffnung hat erfüllen können, in größerem Volumen Aufträge von außen einzuholen. Immerhin zahlt der Leverkusener Multi der BBS-Belegschaft, die durch das 2010 von Marijn Dekkers verantwortete Sparprogramm arg geschrumpft ist, jetzt wieder den Chemie-Tarif. Auch der Status des Chemie„park“-Betreibers CURRENTA, an dem BAYER seit der Trennung vom Chemie-Geschäft noch 60 Prozent der Anteile hält, ändert sich nicht. Das deutet nicht gerade auf eine gesicherte Zukunft der beiden Gesellschaften im Konzern-Verbund hin.
Jobs will die AG im Zuge des Umbaus nicht vernichten. Sie beabsichtigt, die Zahl der Stellen in den nächsten Jahren auf dem jetzigen Niveau zu halten. „Das ist eine Neuorganisation – und keine Restrukturierung. Deshalb besteht kein Bedarf für Abfindungsprogramme“, betont der Vorstandsvorsitzende. Einen Abbau schließt das trotzdem nicht aus, worauf die BELEGSCHAFTSLISTE, eine alternative IG-BCE-Gewerkschaftsgruppe im Wuppertaler BAYER-Werk, aufmerksam macht: „Wenn die Summe aller Arbeitsplätze in Deutschland wie versprochen stabil bleiben soll, können z. B. für alle Neueinstellungen in gleicher Zahl an anderer Stelle Plätze wegfallen.“
Die Faz begrüßt die Suspensierung der Holding-Form. „Die BAYER-Spitze rückt jetzt enger an den Markt. Der Börse gefällt das, wie die weitere Erholung der BAYER-Aktie am Montag gezeigt hat“, hält die Zeitung am 22.9.15 fest. Das Handelsblatt ist hingegen weniger überzeugt von der Strategie des Unternehmens, „auf das fast schon vergessene ‚Life-Science-Konzept’“ zu setzen. Die Wirtschaftszeitung warnt: „Das ‚Life-Science-Konzept’ hat seine Tücken. Die Leverkusener folgen damit einem Sonderweg, den alle großen Konkurrenten mittlerweile wieder verlassen haben. Pflanzenschutz und Pharma sind hinsichtlich der Marktbedingungen und Kunden zu weit voneinander entfernt, als dass sie gemeinsamen Gesetzen folgten. Alle großen Pharma-Hersteller setzen heute auf das ‚Pure Play’. Dekkers muss die gemeinsame Klammer mit Leben füllen, sonst wird BAYERs Sonderweg vom Finanzmarkt schnell in Frage gestellt.“
So sieht also nicht nur BAYERs ehemalige Kunststoff-Tochter unruhigen Zeiten entgegen, sondern auch die Konzern-Mutter selber.

[HV Bericht] STICHWORT BAYER 03/2015

CBG Redaktion

KritikerInnen dominieren BAYER-HV

Das Tribunal

Die „verkehrte Welt“, die sich auf der letzten BAYER-Hauptversammlung mit der großen Dominanz von Konzern-KritikerInnen auftat, kam auch am 27. Mai nicht wieder ins Lot. Erneut lasen 26 RednerInnen dem Konzern von morgens früh bis abends spät die Leviten. Sie setzten sich mit gefährlichen Medikamenten, Plastik-Abfällen, der Vergangenheitspolitik des Konzerns, der Abspaltung der Kunststoff-Sparte sowie all den vielen anderen ohne Rücksicht auf Verluste betriebenen geschäftlichen Aktivitäten zur Rendite-Steigerung auseinander.

Alle Redebeiträge finden Sie hier

Eigentlich schien das unwiederholbar: 2014 auf der BAYER-Hauptversammlung hatten 26 Konzern-KritikerInnen Einspruch gegen die gnadenlose Profit-Jagd erhoben und damit die RednerInnen-Liste ganz klar dominiert. Und jetzt das: Erneut traten 26 RednerInnen ans Pult, und konfrontierten Konzern und AktionärInnen ebenso umfangreich wie qualifiziert mit Kritik an den profitablen Geschäften. Auch vor der Kölner Messehalle braute sich wieder viel zusammen. Das Unternehmen versuchte jedoch mit allen Mitteln zu verhindern, dass Bilder davon künden und ein Firmenlogo neben den Protestaktionen auftaucht: Keine BAYER-Fahne, kein Plakat und kein sonstiger Hinweis zeigte an, dass hier einer der großen Dax-Konzerne sein jährliches AktionärInnen-Treffen abhielt.

Trotzdem war klar, dass hier gegen die Geschäftspolitik von BAYER demonstriert wurde. Dafür sorgten schon die eindeutigen Transparente und Flugblätter. Und wie in den vergangenen Jahre herrschte vor dem Eingang zur Hauptversammlung ein buntes Treiben. ImkerInnen zeigten sich in voller Montur mit ihren Arbeitsgeräten und protestierten gegen BAYERs bienenschädigende Pestizide. Unterstützung erhielten sie dabei von BUND- und SumOfUs-VertreterInnen, die in Bienen-Kostüme gehüllt Flugblätter verteilten. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN war derweil in See gestochen und hatte auf dem Messe-Gelände ein Meer angelegt, in dem Spülmittel-Flaschen und andere Behältnisse schwammen, um den AktionärInnen das Plastikmüll-Problem plastisch vor Augen zu führen. Darüber hinaus machten junge Frauen mit T-Shirts, die mit Aufdrucken wie „Erfolgsbilanz ‚die Pille’: Valerie, 23, Schlaganfall“ Einblick in ihre Krankenakten gaben, auf ihr Schicksal als Verhütungsmittel-Geschädigte aufmerksam. Andere riefen mit Plakaten die Risiken und Nebenwirkungen der Medikamente des Pharma-Riesen ins Gedächtnis. Zu einem drastischeren Mittel griff das Ehepaar Zwartje: Es konfrontierte die AktionärInnen mit einem großen Foto, das ihre durch eine BAYER-Pille gestorbene Tochter Lena zeigt.

Drinnen offenbarte sich den HV-BesucherInnen dann ein Kontrastprogramm. „BAYER-Aktionäre treffen auf heile und kranke Welten“, so drückte es die Rheinische Post aus. Heil war die Welt des Profits, und zwar gerade weil sie ihre Ziele ohne Rücksicht auf Verluste für Mensch, Tier und Umwelt verfolgt: Um zwei Seiten einer Medaille handelt es sich bei den beiden auf den ersten Blick so disparaten Sphären. Und um den Aktien-HalterInnen den Übergang ein wenig zu erleichtern, zeigte BAYER-Chef Marijn Dekkers zu Anfang seiner Hauptversammlungsrede sogar Gefühle. Er erzählte davon, wie sehr ihn als gelernter Chemiker bei seinem Vorstellungsgespräch die Konzern-Maxime „Science For A Better Life“ beeindruckt habe. „Wissenschaft. Für ein besseres Leben. Das hat mich umgehauen“, schwärmte er und entschuldigte sich sogleich für seinen lockeren Umgangston, der vermutlich eher der von BAYERs Kommunikationschef Herbert Heitmann war.

Nach dieser Overtüre ging Dekkers allerdings rasch wieder zum „Business as usual“ über und widmete sich dem schnöden Zahlenwerk. Er sprach über den Rekord-Umsatz, die Kurs-Entwicklung, die Wachstumstreiber, die Profit-Aussichten im laufenden Geschäftsjahr und verkündete eine Dividenden-Erhöhung. Dafür bedankten sich die anschließend zu Wort kommenden zwei AktionärInnen-Vertreter dann auch artig und beendeten damit gleichzeitig das Kontrastprogramm. Von nun an folgten bis zum Abend nur noch Beiträge über „kranke Welten“. Dem Global Player blieb dabei nur übrig, „die schlechtesten aller Welten“, die emotional erschütternden Zeugnisse der Medikamenten-Geschädigten oder ihrer Angehörigen, ganz an den Schluss der Veranstaltung zu setzen, in der Hoffnung, die meisten AktionärInnen hätten sich da schon längst auf die Heimreise gemacht.

Als aber beispielsweise Karl Murphy zum RednerInnen-Pult schritt, war der Saal bei Weitem nicht leer. So konnten noch viele mitverfolgen, welche verheerenden Folgen der von seiner Mutter genutzte Schwangerschaftstest DUOGYNON bei ihm hatte. Der Engländer zeigte den HV-BesucherInnen die Auswirkungen des Pharmazeutikums, das der 2006 von BAYER geschluckte Konzern SCHERING bis in die 1970er Jahre hinein vermarktete, indem er seine beiden Hände mit den teilweise verstümmelten Fingern hochhielt. In seiner Rede, deren Übersetzung Anabel Schnura vortrug, trug er überzeugende Belege für das Gefährdungspotenzials des Präparates vor. „Ich bin im Besitz von 102 Studien, darunter auch Studien aus Deutschland, die über 3.500 Fälle von Missbildungen bei Babys aufzeigen, deren schwangere Mütter entweder hormonelle Schwangerschaftstests oder die Antibaby-Pille verordnet bekamen“, so Murphy. Und er warf dem Unternehmen vor, schon frühzeitig von den Risiken gewusst zu haben, ohne die ÄrztInnen darüber zu informieren.

Margret-Rose Pyka hatte wie Karl Murphys Mutter DUOGYNON nichtsahnend angewendet und wie sie ein Kind mit einer Behinderung zur Welt gebracht. „Sie müssen sich vorstellen, das sind zwei kleine Tabletten, die haben die Wirkung von zwei bis drei Packungen Antibaby-Pillen, und diese geballte Hormon-Bombe kommt auf ein paar Millimeter werdendes Leben. Und damit rechnet man als Frau nicht“, mit diesen Worten beschrieb sie die fatalen Effekte des Produktes. Pyka hatte sich später auch in einer Initiative engagiert, um andere Menschen das Schicksal ihrer Familie zu ersparen, stieß dabei allerdings rasch auf Grenzen: „Ich habe damals mit den Behörden gesprochen, und die Behörden haben mir gesagt: ‚Wir können das Produkt nicht vom Markt nehmen, weil die Markt-Macht von SCHERING zu groß ist“. Zum Schluss brachte sie das Thema „Entschädigungen“ zur Sprache. „Wir sind alle eine BAYER-Familie. Da gibt es auf der einen Seite die Mitarbeiter, die den Gewinn erwirtschaften, und dann gibt es in der Familie diejenigen, die von BAYER-Produkten negativ betroffen sind, und jetzt ist die Frage, wie geht so eine BAYER-Familie mit ihren Mitgliedern um, und zwar mit den Schwachen“, führte sie aus und schlug dem Vorstand vor, einen Runden Tisch zur Schadensregulierung einzuberufen.

Margret-Rose Pyka war offenbar der Meinung, unter vernünftigen Menschen müsste sich für solch ein Problem doch eine Lösung finden lassen. Aber die BAYER-ManagerInnen betrachten sich nicht als Personen, die frei über solche Angebote entscheiden können. Sie sehen sich an den Auftrag der Eigentümer des Konzerns, vor allem der GroßaktionärInnen und der InvestorInnen, gebunden, so viel Profit wie möglich zu erwirtschaften. Und ein Entgegenkommen in der Schadensersatz-Frage birgt in den Augen des Vorstandes das Risiko, weitere Ansprüche von Geschädigten nach sich zu ziehen und so den Gewinn zu schmälern. „Selbstverständlich stehen wir zu unseren Produkten, wir müssen aber bei der Regulierung von Ansprüchen auch juristische Aspekte mit berücksichtigen“, so drückte Marijn Dekkers diesen Sachverhalt aus und beschied Pyka: „Im von Ihnen angesprochenen Kontext sehen wir daher keine Grundlage für Entschädigungszahlungen.“

Was die verheerenden Wirkungen der Antibaby-Pillen aus der YASMIN-Produktfamilie betrifft, sahen allerdings US-amerikanische Gerichte „eine Grundlage für Entschädigungszahlungen“. 1,9 Milliarden Dollar musste der Konzern bisher dafür aufwenden. Das sei „den Besonderheiten des Rechtssystems in den USA“ geschuldet und beruhe auf den spezifischen Fakten des jeweiligen Einzelfalles, so Dekkers auf eine entsprechende Frage der YASMIN-geschädigten Kathrin Weigele. Er hob jedoch auch hier wieder den „juristischen Aspekt“ hervor, dies sei im Rahmen eines Vergleiches und ohne Anerkenntnis einer Haftung geschehen.

Für Weigele, ihre Leidensgenossin Felicitas Rohrer sowie für das Ehepaar Zwartje, das die beiden Frauen zum Rednerpult begleitet hatte, denen keine so verbraucherschutz-freundliche Gerichte wie in den Vereinigten Staaten zur Seite stehen, hatte BAYER nur formelhafte Beileidsbekundigungen übrig. Felicitas Rohrer hatte sich vorher solche Floskeln ausdrücklich verbeten, Marijn Dekkers ließ sich davon allerdings nicht abhalten. „Deshalb wiederhole ich mich zwar, wenn ich Ihnen sage, dass mich ihre persönliche Geschichte bewegte und weiter bewegt“, eröffnete der Vorstandsvorsitzende der jungen Frau, bevor er wieder zur Tagesordnung überging: „Das Sicherheitsprofil unserer oralen Kontrazeptiva entspricht dem vergleichbarer hormoneller Verhütungsmittel auf dem Markt.“

Unerbittlich zeigte sich der Leverkusener Multi auch wieder in der Sprach-Frage. Der Aufsichtsratsvorsitzende Werner Wenning als Versammlungsleiter untersagte es Valerie Williams, die wie Karl Murphy extra aus Großbritannien angereist war, um über ihre Erfahrungen mit dem Schwangerschaftstest DUOGYNON zu berichten, ihre Rede in der Muttersprache zu halten. Während Wenning als Aufsichtsratsmitglied der DEUTSCHEN BANK kein Problem damit hatte, dass sich der damalige Co-Vorsitzende Anshu Jain auf deren Hauptversammlung größtenteils des Englischen bediente, blieb der ehemalige BAYER-Chef Williams gegenüber hart: „Redebeiträge und Fragen sind auch in diesem Jahr nur in deutscher Sprache möglich“. CBG-Vorstandsmitglied Axel Köhler-Schnura kritisierte das scharf. „Wann wird dieser entwürdigende, skandalöse und arrogante großdeutsche Sprach-Zopf bei BAYER endlich abgeschnitten“, fragte er. Aber Wenning zeigte sich uneinsichtig. „Wieso Sie den Gebrauch der deutschen Sprache für arrogant halten und als skandalös empfinden, erschließt sich mir übrigens, Herr Köhler-Schnura, nicht“, so der Ober-Aufseher des Konzerns.

Das CBG-Urgestein setzte aber auch noch andere Themen auf die Agenda der Hauptversammlung. Er sprach über das, was Marijn Dekkers in seiner Eröffnungsrede als den „Wandel zu einem reinen Life-Science-Unternehmen“ und eine Konzentration „auf unsere innovationsstärksten Bereiche“ beschrieben hatte: die Trennung von der Kunststoff-Sektion BAYER MATERIAL SCIENCE. „Dieser schwerwiegende Eingriff in den Betriebsfrieden dient einzig und allein dazu, die bereits unverschämte Profit-Rate weiter zu steigern“, konstatierte Köhler-Schnura und prophezeite den dort Beschäftigten ein ähnliches Schicksal wie den KollegInnen der 2004 ausgegliederten, heute unter dem Namen LANXESS firmierenden Plaste- und Chemie-Sparte: „Lohndumping und Vernichtung von Arbeitsplätzen im großen Stil“. Darüber hinaus griff der Diplom-Kaufmann noch BAYERs windige Umtriebe im Netz auf. Der Konzern hatte eine Agentur beauftragt, um „Online-Reputationsmanagement“ zu betreiben und mittels gefaketer Postings auf Facebook und in Foren Produkte des Unternehmens anzupreisen, komplett mit kruden Rechtschreibfehlern als besonderem Authentizitätsausweis. „Ich wüsste schon gerne von Ihnen, Herr Dekkers, wie sich solche (...) Methoden ihres Konzerns mit den von Ihnen immer wieder beschworenen Verhaltensregeln vertragen, in denen so Sätze zu lesen sind wie: ‚BAYER bekennt sich ohne Einschränkung zum Wettbewerb mit fairen Mitteln?’“ Da blieb dem Niederländer kaum etwas anderes übrig, als den Vorgang zu bedauern. Als eine Unternehmensstraftat wertete er die Manipulationen allerdings nicht, für ihn handelte es dabei lediglich sich um Einzelfälle bzw. „Aktivitäten einzelner Mitarbeiter“, die dann auch als Bauernopfer herhalten und den Pharma-Riesen verlassen mussten.

CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes sprach ebenfalls ein ganzes Bündel von problematischen BAYER-Aktivitäten an. So kritisierte er die massenhafte Herstellung von biologisch nicht abbaubaren Kunststoffen, deren drastische Folgen für die Ozeane die Coordination vor den Messehallen mit dem vor Plastikmüll berstenden Miniatur-Meer illustriert hatte. Als den „Gipfel nicht-nachhaltiger Kunststoff-Produktion“ bezeichnete Mimkes dabei die Fertigung von Mikroplastik für die Kosmetik-Industrie, das Kläranlagen mühelos überwindet und ungefiltert in die Gewässer gelangt. Aber nicht nur die Chemie-Wende, auch die Energie-Wende hat der Leverkusener Multi dem CBGler zufolge verschlafen, und zwar so sehr, dass der Konzern sich im Gegensatz zu den vergangenen Jahren gar nicht mehr traut, den verschwindend geringen Prozentsatz, den der Anteil erneuerbarer Energien in seinem Strom-Mix einnimmt, im Geschäftsbericht aufzuführen. Weit entfernt davon, hier eine Umkehr einzuleiten, setzt der Global Player auch noch auf die mit vielen Umweltrisiken behaftete Fracking-Technologie. „Offenbar werden hier bei BAYER entscheidende Weichen falsch gestellt“, resümierte Mimkes. Nicht nur mit der Zukunft tut sich das Unternehmen jedoch schwer, sondern auch mit der Vergangenheit. Noch vor zwei Jahren hatte Dekkers auf der Hauptversammlung die „historischen Verdienste“ des ehemaligen BAYER-Generaldirektors Carl Duisberg gerühmt, der im Ersten Weltkrieg mitverantwortlich für die Entwicklung von Chemie-Waffen und die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen war und später einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörderkonzerns IG FARBEN hatte. Anlässlich des 100. Jahrestages des ersten Giftgas-Einsatzes im belgischen Ypern wies Mimkes noch einmal auf die fatale Rolle Duisbergs bei der Entwicklung dieser Massenvernichtungswaffe hin und nannte dies als einen der Gründe dafür, warum sich immer mehr Städte und Gemeinden entscheiden, ihre Carl-Duisberg-Straßen umzubenennen.

Der große Vorsitzende wollte es allerdings nicht zulassen, am Denkmal zu rütteln. „Die historische Forschung würdigt die Leistung Carl Duisbergs als herausragende Unternehmer-Persönlichkeit“, konstatierte er und hielt fest: „Die angesprochenen historischen Themen bedürfen einer differenzierten Beurteilung durch Fach-Historiker, sie sollten daher meines Erachtens nicht Gegenstand gesellschaftspolitischer Agitation sein.“ In diesem Sinne sprach er dann auch von der Umbenennungsinitiative als „einer gesteuerten Kampagne“. Und sein Blick in die Zukunft entsprach ebenfalls nicht dem von Philipp Mimkes. Für Marijn Dekkers war bei BAYER alles im grünen Bereich. Von einer Mikroplastik-Produktion in den heimischen Werken wusste er nichts, und die Erneuerbaren Energien seien leider „im größeren Stil nicht wirtschaftlich“, aber ungeachtet dessen sah er den Multi dank angeblich hocheffizienter Kraftwerke und hochinnovativer Verfahrenstechnologien in der Kunststoff-Fertigung voll auf Nachhaltigkeitskurs.

Auf unzählige weitere Fragen musste der Vorstandsvorsitzende an diesem Tag Antworten bzw. Schein-Antworten finden. Die Konzern-KritikerInnen setzten noch das Bienensterben sowie andere Risiken und Nebenwirkungen von Ackergiften, die Gentechnik, Tierversuche, die Kohlenmonoxid-Pipeline, BAYERs Steuervermeidungsstrategien, die Rolle des Großinvestors BLACKROCK, die Datensicherheit und die JADELLE-Kontrazeptiva auf die Tagesordnung. Damit bestimmten sie den ganzen Ablauf der Hauptversammlung. In den Abstimmungsergebnissen spiegelte sich das allerdings nicht wider, aber so geht es eben zu in der markt-konformen Demokratie. Am Ende votierten 98,5 Prozent für die Entlastung des Vorstands und 96,9 Prozent, was angesichts der Kapital-Verhältnisse schon ein Erfolg ist, für die Entlastung des Aufsichtsrates. Und bei der Abstimmung über die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erreichte der Widerspruch sogar mehr als 10 Prozent. Ob das eine Folge der in der Hauptversammlung vorgetragenen massiven Kritik an dem Steuervermeidungskonzern PWC war, bleibt allerdings offen. Von Jan Pehrke

BAYER trotzt Kritik

„Wir stehen zu unseren Produkten“

Was sonst noch geschah: KritikerInnen brachten auf der Hauptversammlung zahlreiche weitere Themen zur Sprache. So setzten sie zusätzlich das Bienensterben, das Pestizid Glyphosat, die Gentechnik, die Medikamente XARELTO und JADELLE, die Tierversuche, die Datensicherheit, die Kohlenmonoxid-Pipeline, die Rolle des Großinvestors BLACKROCK und BAYERs Steuervermeidungsstrategien auf die Tagesordnung.

Auch auf der diesjährigen Hauptversammlung des Leverkusener Multis nahm das Thema „Bienensterben“ wieder breiten Raum ein. Gleich sechs KritikerInnen beschäftigten sich mit dieser Nebenwirkung der BAYER-Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie GAUCHO und PONCHO. Die Imkerin Annette Seehaus-Arnold, Kreisvorsitzende der ImkerInnen der Region Rhön-Grabfeld, legte dem Global Player eine Schadensbilanz vor. „Meine Imker-Kollegen mussten in diesem Winter wieder sehr hohe Verluste an Bienenvölkern hinnehmen. Viele haben sogar alle Völker verloren“, klagte sie. Dabei hätten die BienenzüchterInnen alle Anweisungen zum Schutz der Bienen vor der Varroa-Milbe befolgt, in der BAYER die eigentliche Ursache für den Tod der Bienen sieht. Seehaus-Arnold hatte den Agro-Riesen hingegen in Verdacht, die Bedrohung durch die Varroa-Milbe künstlich aufzubauschen, um von den gefährlichen Effekten seiner Pestizide abzulenken. Und selbst wenn diese einen negativen Einfluss auf die Bienengesundheit haben sollten: „Es kommt nicht auf den Erreger an, sondern auf den Boden, auf den er fällt“, zitierte Seehaus-Arnold Louis Pasteur. Und diesen Boden haben der Imkerin zufolge GAUCHO & Co. besonders fruchtbar für den Erreger gemacht.

Flurschäden
Die Europäische Union schätzt die Mittel ebenfalls als sehr gefährlich ein. Nach Ansicht der EU-Kommission bergen sie „etliche Risiken für die Bienen“. Darum hat Brüssel einen zunächst zweijährigen Verkaufsstopp angeordnet. Der Leverkusener Multi aber geht in Tateinheit mit SYNGENTA gerichtlich gegen das Votum vor. „Warum akzeptieren Sie die Entscheidung nicht? Warum gefährden Sie wissentlich das Überleben der Honigbienen“, fragte Lea Horak von RETTET DEN REGENWALD den Vorstand deshalb. Wiebke Schröder von SumOfUs bezeichnete das als „aggressives Verhalten“ und überreichte den Konzern-ManagerInnen über eine Million Unterschriften, die ihre Organisation gegen die Klage gesammelt hatte. „Nehmen Sie die Neonicotinoid-Bedrohung ernst“, mahnte sie eindringlich angesichts der großen Bedeutung, die Bienen durch die Bestäubung von Nutz-Pflanzen für die Nahrungsmittelversorgung der Menschen haben.
Wie richtig die Entscheidung der EU war, drei Neonicotinoide von BAYER und SYNGENTA mit einem Moratorium zu belegen, bestätigte derweil der Imker Markus Bärmann mit seinen Erfahrungen aus der Praxis. „Dieses Frühjahr war bei den Bienen vieles anders. So viel anders, wie ich es seit zwanzig Jahren nicht mehr erlebt habe! Endlich wieder Insekten in der Luft und am Boden!“, schwärmte er. Auch über orientierungslos umherfliegende Bienen musste Bärmann nicht mehr klagen.
Corinna Hölzel vom BUND widmete sich derweil einem immer noch erhältlichen Neonicotinoid-Wirkstoff, der unter anderem in BAYERs CALYPSO und LIZETAN sein Unwesen treibt: Thiacloprid. „Thiacloprid ist ähnlich besorgniserregend wie die drei verbotenen Wirkstoffe, denn es gehört zur gleichen Gruppe“, stellte sie fest und führte zum Beleg eine Studie des Berliner Bienenforschers Randolf Menzel an, wonach Bienen nach dem Kontakt mit dieser Agrochemikalie nicht mehr in ihren Stock zurückfanden. Auch der Imker Christoph Koch vom DEUTSCHEN BERUFS- UND ERWERBSIMKERBUND berichtete vom Gefährdungspotenzial dieses Produkts. Er verwies dabei auf Zahlen, die das „Deutsche Bienen-Monitoring“ ermittelt hat. Rückstände von sage und schreibe 23 verschiedenen Pestiziden wiesen die WissenschaftlerInnen in den von den Bienen gesammelten Pollen nach. Darunter befanden sich „beängstigend viele Proben mit extrem hohen Thiacloprid-Werten“, so Koch. Der Agro-Riese bestreitet den Sachverhalt jedoch und bewirbt CALYPSO und LIZETAN als „nicht bienengefährlich“. Weil der BUND das als eine Irreführung der VerbraucherInnen bezeichnete, verklagte BAYER den Umweltverband, was Christoph Koch ebenso wie Corinna Hölzel scharf kritisierte – und das Düsseldorfer Landgericht ebenfalls als nicht berechtigt ansah: Es entschied im März 2015 zu Gunsten der Initiative.
„BAYER respektiert das Urteil, da in diesem Verfahren die juristische Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Schutz des Eigentums im Mittelpunkt stand“, erklärte Marijn Dekkers. Und weder von dieser Niederlage noch von den vielen Unterschriften, die SumOfUs sammelte, lässt der Konzern sich davon abbringen, die Auseinandersetzung über die Gefährlichkeit seiner Pestizide vornehmlich auf juristischem Wege zu führen. Er verfolgt die Klage gegen die EU weiter. Dekkers zufolge ging die Kommission gegen die Ackergifte vor, ohne neue Erkenntnisse über unerwünschte Effekte der Mittel zu haben, was seiner Ansicht nach die Rechtssicherheit gefährdet. „Deshalb legen wir weiterhin Wert auf eine gerichtliche Klärung“, so der Ober-BAYER. Immer noch hat er nicht die Spur eines Zweifels an GAUCHO und PONCHO. „Wir stehen zu unseren Produkten. Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass Neonicotinoide sicher sind, wenn sie verantwortungsvoll und vorschriftsmäßig eingesetzt werden“, hielt er fest und machte für das Bienensterben neben der Varrao-Milbe nur noch extreme Umwelt- und Klima-Einflüsse sowie eine Veränderung der landwirtschaftlichen Strukturen verantwortlich.
Julia Sievers-Langer von der AGRAR KOORDINATION widmete sich zwei anderen Pestizid-Wirkstoffen, die zwar nicht zur Gruppe der Neonicotinoide gehören, es aber trotzdem in sich haben: Glyphosat und Glufosinat. Glyphosat, das BAYER etwa unter den Namen GLYPHOS, USTINEX G oder KEEPER vermarktet, hat das Krebsforschungsinstitut der Weltgesundheitsorganisation jüngst als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft, berichtete Sievers-Langer. Und von Glufosinat, das der Leverkusener Multi vor allem in Kombination mit seinen Gen-Saaten vertreibt, gehe sogar nach Meinung der Europäischen Union ein hohes Gesundheitsrisiko aus. Die globale Glufosinat-Produktion verdoppeln zu wollen, obwohl die EU-Zulassung 2017 ausläuft, bezeichnete die Aktivistin deshalb als „Skandal“. Sie forderte eine Erklärung dafür ein. „Welche Argumente können schwerer wiegen als die Verpflichtung, die Entstehung von Missbildungen bei Embryos als Folge des Glufosinat-Einsatzes zu verhindern?“, fragte sie den Vorstand. Darauf antwortete Dekkers allerdings nicht. Stattdessen stellte er Glufosinat angesichts der immer mehr Pestiziden trotzenden Wildpflanzen als wichtige Alternative für die LandwirtInnen dar und betonte die herausragenden Produkt-Eigenschaften. Und was die Risiken und Nebenwirkungen angeht, da ist es für den Konzern damit getan, sich „für den sicheren, vorschriftsmäßigen Einsatz“ einzusetzen.
Dr. Christopher Faßbender von der Tierschutz-Organisation PETA thematisiert das Leid, das Versuchstiere ertragen müssen, die mit Pestizid-Wirkstoffen imprägnierte Halsbänder gegen Zecken-Befall testen. Bis zu 400 Tage dauern die Erprobungen, bei denen Hunde und Katzen wiederholt über mehrere Stunden Parasiten in engen Transportboxen ausgesetzt sind. Dekkers äußerte sich aber nicht zu dem konkreten Fall. Er erging sich stattdessen in Ausführungen über die Verantwortung für das Tier als Mitgeschöpf, die BAYER angeblich übernehme.
Christoph Then vom Verein TESTBIOTECH und Sibylle Arians konfrontierten die Hauptversammlung mit einem Schadensbericht zur „grünen“ Gentechnik. „Offensichtlich hat die Firma BAYER die Kontrolle über ihre gentechnisch veränderten Pflanzen längst verloren“, konstatieren die beiden und präsentierten eine lange Liste mit „Unfällen“. Sie begann mit dem Genreis-Skandal, bei dem sich Spuren von BAYERs LL601-Laborfrucht in normalem Haushaltsreis fanden, und reichte über kontamierten Mais bis zu Auskreuzungen von Gen-Raps und Gen-Baumwolle. Zu diesen Kontrollverlusten wollte sich der BAYER-Chef allerdings nicht äußern. Er beließ es bei Allgemeinplätzen über einen verantwortungsvollen Umgang mit der Risikotechnologie und stellte deren Beitrag zur Sicherung der Nahrungsmittel-Versorgung heraus, ungeachtete der Tatsache, dass die meisten Genpflanzen als Futter in den Ställen der MassentierhalterInnen landen.

Pillenschäden
Roland Holtz wandte sich der Pillen-Sparte zu und nahm sich mit dem Blutgerinnungshemmer XARELTO BAYERs Bestseller vor. Holtz, der lange Jahre in der pharmazeutischen Industrie gearbeitet hat und die Branche aus ethischen Gründen verließ, unterzog die Zulassungstests einer genaueren Betrachtung. Er enthüllte, mit welchen Tricks der Leverkusener Multi eine Nicht-Unterlegenheit des Mittels gegenüber den herkömmlichen Präparaten demonstrieren konnte. So hat der Konzern beispielsweise den ProbantInnen der Vergleichsgruppe ihr Medikament nicht in der richtigen Dosierung verabreicht. Darauf ging Marijn Dekkers jedoch nicht näher ein. Lieber verlas er Textbausteine aus den Werbe-Broschüren zu dem Pharmazeutikum, das es allein 2014 auf fast 2.000 Meldungen über unerwünschte Arznei-Effekte brachte und in Verdacht steht, für 161 Todesfälle verantwortlich zu sein.
Susanne Schultz vom GEN-ETHISCHEN NETZWERK problematisierte in ihrem Beitrag, wie BAYER mit seinem Langzeitverhütungsmittel JADELLE eine Entwicklungshilfe-Strategie stützt, die weniger gegen die Armut als vielmehr gegen die Armen gerichtet ist und deren Vermehrung eindämmen will. „JADELLE wurde vom bevölkerungspolitischen Think Tank ‚Population Council’ dafür entwickelt, Frauen in den Ländern des Globalen Südens möglichst langfristig unfruchtbar zu machen“, so Schultz – und zwar ohne Rücksicht auf Verluste. Nebenwirkungen wie starke oder ausbleibende Monatsblutungen, Depressionen, Migräne und abrupte Gewichtszunahmen oder –abnahmen zählte die Wissenschaftlerin von der Frankfurter Goethe-Universität auf.
Während BAYER die Ärmsten der Armen mit einem fünf Jahre wirkenden Silikonstäbchen bestückt, das in den Oberarm eingenäht wird, versucht der Pharma-Riese die reicheren Afrikanerinnen für seine teuren Kontrazeptiva zu gewinnen, kritisierte Daniel Bendix von GLOKAL e. V. Und wenn BAYER offiziell verkündet, „Kundinnen, die für ihre reproduktiven Gesundheitsdienstleistungen mehr zahlen können, dazu zu bringen, auf diese Produkte umzusteigen“, dann firmiert das Ganze auch noch unter Entwicklungshilfe und speist sich zum Teil aus staatlichen Geldern, so Bendix. Konkret nannte der Sozialwissenschaftler von der Universität Kassel Zahlungen von der US-amerikanischen Entwicklungshilfe-Einrichtung USAID. Dekkers focht das nicht an: Er gab unverdrossen den Albert Schweitzer. Der Pharma-Riese kalkuliere nur mit einer geringen Marge, und die staatliche Unterstützung würde gerade einmal ermöglichen, kostendeckend zu arbeiten, behauptete er. Und auch mit JADELLE betätigt sich der Konzern nach Ansicht des Vorstandsvorsitzenden nur als Samariter, reduziere das selbstverständlich sichere und gut verträgliche Mittel doch die Säuglings- und Müttersterblichkeit bei Geburten in beträchtlichem Maße. „Ohne Schwangerschaften keine Schwangerschaftskomplikationen“ – so lautete seine bestechende Logik.
Dieter Donner befasste sich hingegen mit den Risiken und Nebenwirkungen, die von BAYERs Kunststoff-Abteilung ausgehen und beschäftigte sich mit einer Sache, die für den Multi schon zu einer Altlast mutierte, ehe sie überhaupt in Betrieb ist: mit der von Dormagen nach Krefeld verlaufenden Kohlenmonoxid-Pipeline. Auch 2014 war wieder ein schwarzes Jahr für das Projekt, wie der Presse-Koordinator der STOPP-BAYER-CO-PIPELINE-INITIATIVE resümierte. Erst legte die nordrhein-westfälische Landesregierung ein Gutachten vor, wonach es sicherere und sogar preisgünstigere Alternativen zu der Rohrleitung gibt, und dann beurteilte das Oberverwaltungsgericht Münster das Pipeline-Gesetz auch noch als verfassungswidrig. Zudem muss das Unternehmen sich weiter mit der Klage von Heinz-Josef Muhr auseinandersetzen, obwohl dieser jüngst verstarb. Donner, der zum Gedenken an Muhr einen Trauerflor trug, kündigte nämlich an, dass der Prozess trotzdem weitergeführt wird. Angesichts all dieser Unbill fragte Rainer Kalbe den Vorstand, ob er denn einen Plan B hätte. „Diese Frage stellt sich für uns nicht“, antwortete ihm Marijn Dekkers, denn die Giftgas-Leitung gewähre „ein Höchstmaß an Sicherheit“.
Sicherheitsproblemen virtueller Art nahm sich der IT-Berater Fabian Keil an. Er erbat vom Vorstand Informationen zum Datenschutz bei BAYER und erkundigte sich danach, welche Vorkehrungen der Konzern, der auch mit externen IT-Dienstleistern in den USA zusammenarbeitet, gegen Ausspäh-Versuche von NSA & Co. trifft. Eine konkrete Antwort darauf blieb der Vorstandsvorsitzende Keil schuldig, einmal mehr flüchtete Dekkers sich ins Allgemeine und versicherte dem kritischen Aktionär, beim Pharma-Riesen würden hohe Sicherheitsstandards im Computer-Bereich gelten.

Steuerschäden
Der Verfasser dieser Zeilen setzte die Steuermoral des Gen-Giganten auf die Agenda. „Aktuell ist das Unternehmen der wertvollste Konzern im Dax. Die Stadt Leverkusen aber, in der BAYER seinen Stammsitz hat, darbt“, hob er an und führte die ganz legalen Steuertricks auf, die so etwas ermöglichen. Zu den Mitteln der Wahl gehören für den Multi vor allem Niederlassungen in Holland und Belgien, die Anteile an BAYER-Gesellschaften halten und steuermindernde Zins- und Kredit-Transaktionen abwickeln. Zu den ständig sinkenden Gewerbesteuer-Zahlungen räumte der Vorstandsvorsitzende in bemerkenswerter Offenheit ein: „Die Strukturen des heutigen globalen Konzerns sind mit denen von BAYER aus den 80er und 90er Jahren nicht mehr vergleichbar.“ Er gab auch detaillierte Auskünfte zu den Struktur„reformen“. So haben holländische oder belgische Briefkasten-Firmen wie BAYER WOLRD INVESTMENTS Besitztitel an rund einem Fünftel aller 350 Gesellschaften des Konzerns. Und das Volumen ihrer Steuerspar-Geschäfte ist immens. So hat allein BAYER-Antwerpen anderen Töchtern des Global Players 2014 Kredite in einem Volumen von 13,4 Milliarden Euro gewährt.
Der Publizist Dr. Werner Rügemer stellte schließlich die für eine AktionärInnen-Versammlung zentrale Frage: Wem gehört BAYER eigentlich? Er legte die intransparenten Besitz-Verhältnisse dar, schilderte, wie die großen Finanzinvestoren beinahe täglich ihren Aktien-Anteil an dem Unternehmen verändern und forderte Aufklärung. Stellvertretend befasste Rügemer sich näher mit den Praktiken der Gesellschaft BLACKROCK, die 6,2 Prozent der BAYER-Papiere hält und wegen Verstößen gegen das Wertpapierhandelsgesetz im März 2015 eine Strafe in Höhe von 3,25 Millionen Euro zahlen musste. Unter anderem wollte Werner Rügemer von der Management-Riege wissen, wie sich die Beziehungen des Finanzinvestors zum Agro-Mogul konkret gestalten und ob BLACKROCK Einfluss auf die Einscheidung hatte, sich von der Kunststoff-Sparte zu trennen. Es gebe „einen regelmäßigen Gedankenaustausch“, antwortete Dekkers, im Geschäftsjahr 2014 hätten zwei Einzelgespräche auf Vorstandsebene in New York und Boston stattgefunden. Druck hat der Global Player dort laut Marijn Dekkers nicht bekommen: „Wir haben die Portfolio-Manager von BLACKROCK als konstruktive, interessierte und die Unternehmensstrategie unterstützende Aktionäre kennengelernt.“
Solche hat die Aktien-Gesellschaft am 27. Mai auf der Hauptversammlung hingegen kaum kennengelernt. Mit 26 kritischen AktionärInnen musste sie sich in den Kölner Messehallen auseinandersetzen. Und als reiche all dies noch nicht, wirkte das auch noch ansteckend, so dass sich auch andere zu Interventionen ermuntert fühlten. Uta Behrens vom „Deutschen Juristinnen-Bund“ mahnte mehr Frauen-Förderung an, die französische Journalistin Elise Lucet thematisierte weitere Pestizid-Probleme und Margret Seitz brachte aus gegebenem Anlass Fehler bei vergangenen Unternehmensabspaltungen auf Tapet. So musste der Leverkusener Multi seine Rekorde-Ergebnisse alleine feiern, die Hauptversammlung ist dafür seit Langem schon kein Ort mehr.

Schamlose Profite

Eine Aktie des Leverkusener Multis hat einen Wert von 2,56 Euro. Auf diesen Wert zahlte der Konzern eine Dividende von 2,25 Euro. Das entspricht einer Rendite von sage und schreibe 88 Prozent. Um der Öffentlichkeit diese Schamlosigkeit zu verschleiern, wählt der Global Player als Berechnungsgrundlage jedoch den aktuellen Kurswert des BAYER-Papiers, der gegenwärtig etwa 134 Euro beträgt. Und damit – Hokuspokus – macht der Dividenden-Ertrag nur noch 1,7 Prozent aus.

Abstimmungsergebnisse

Die Abstimmungen auf den AktionärInnen-Hauptversammlungen der Konzerne dominieren wenige GroßaktionärInnen (Ultrareiche, Investmentfonds, Banken etc.) Sie sorgen für sichere Mehrheiten von 90 Prozent + x. Die vielen hunderttausend KleinaktionärInnen besitzen zusammen lediglich fünf bis zehn Prozent der Aktien. Entsprechend sind die Zahlen der Nein-Stimmen auf den Hauptversammlungen des Leverkusener Multis durchaus als Erfolg der Kritischen AktionärInnen bei BAYER zu werten. (Da das Unternehmen die Anzahl der Enthaltungen nicht nennt, ergeben sich im Verhältnis der absoluten Zahlen zu den Prozent-Angaben Schwankungen.)

Gewinn-Verwendung

Nein-Stimmen: 899.013 (0,3 Prozent)

Entlastung Vorstand

Nein-Stimmen: 505.329 (1,5 Prozent)

Entlastung Aufsichtsrat

Nein-Stimmen: 9.984.692 (3,1 Prozent)

Abschlussprüfung durch PWC (PricewaterhouseCoopers)

Nein-Stimmen: 44.346.258 (13,2 Prozent)

[BlackRock] Hauptversammlung 2015

CBG Redaktion

Presse Information vom 26. Mai 2015

morgige Hauptversammlung der Bayer AG

Kritik an Steuerflucht und intransparenter Aktionärs-Struktur

Dr. Werner Rügemer, Experte für Steuerflucht und globale Kapitalstrukturen, kritisiert die mangelnde Transparenz der Aktionärsstruktur von BAYER. In dem 340-seitigen Geschäftsbericht des Konzerns wird kein einziger Anteilseigner genannt. „Warum werden die Eigentümer und damit die wichtigsten Gewinner des Unternehmens versteckt?“, so Rügemer.

Besondere Fragen wirft das Engagement des Großaktionärs BlackRock auf. BlackRock hat seine BAYER-Aktien auf sechs Gesellschaften verteilt. Diese haben ihren Sitz in Steueroasen wie Jersey oder den Cayman Islands und halten zum Teil dieselben Aktien. Das Bundesamt für Finanzdienstleistungs-Aufsicht – Bafin – verhängte im März eine Rekordbuße von 3,25 Millionen Euro gegen BlackRock. Grund hierfür waren unrichtige und verspätete Mitteilungen über gehaltene Stimmrechtsanteile. Rügemer weiter: „BlackRock mindert seine Steuern in Staaten wie Deutschland und den USA, von deren Infrastruktur BlackRock als Miteigentümer von Produktionsstätten profitiert. Wie beurteilt dies der Vorstand von BAYER dieses Vorgehen?“.

Werner Rügemer kritisiert auch die wiederholte Beauftragung der Ratingagenturen Standard & Poor’s und Moody’s durch BAYER. BlackRock ist Miteigentümer der Agenturen; eine unabhängige Bewertung sei daher nicht gegeben.

hier finden Sie die vollständige Rede

[Geschichte CBG] STICHWORT BAYER 02/2015

CBG Redaktion

Die CBG im Interview

„BAYER unter demokratische Kontrolle stellen“

Interview mit Axel Köhler-Schnura (65), Gründungsmitglied der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, über die Anfänge des Netzwerkes, seine Arbeitsweise, Ziele und Erfolge. Die Fragen stellte Christian Horn von der Zeitung Direkte Aktion.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren ist ja schon geradezu berühmt als konzernkritische Organisation, was die Größe, aber auch das über 30-jährige Engagement angeht. Wieso ausgerechnet der BAYER-Konzern?

Dass wir uns mit BAYER beschäftigen, hat seine Ursache in zwei großen Unfällen in Wuppertal im Jahr 1978. Damals waren Zehntausende von AnwohnerInnen betroffen. Einige AnwohnerInnen von diesen, darunter ich, gründeten eine Bürgerinitiative.
Ein Jahr später kam es zu einer weiteren Explosion in Dormagen, und wir vernetzten uns mit den dortigen Protesten. Als BAYER in Brunsbüttel ganze Dörfer für ein neues Werk vom Erdboden tilgte, kam es ebenfalls zu Widerstandsaktionen. 1980 lasen wir in der Zeitung, dass GREENPEACE einen Tanker von BAYER in der Nordsee blockiert, und so nahm die erste international abgestimmte Aktion ihren Lauf. So ist dann 1983 aus der Wuppertaler Bürgerinitiative das weltumspannende Selbsthilfe-Netzwerk der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) entstanden. In der Folge bekamen wir in aller Welt immer mehr Kontakte zu Gruppen und Personen, die sich kritisch mit dem in allen Ländern der Erde aktiven Konzern auseinandersetzen und Widerstand leisten. Im Ergebnis ist BAYER heute der erste Konzern, der rund um den Globus und rund um die Uhr unter kritischer Beobachtung steht. Und dem weltweit koordinierter Widerstand erwachsen ist.
Natürlich haben wir im Laufe der Zeit gemerkt, dass die Probleme bei BAYER in der einen oder anderen Form auch bei anderen Konzernen gegeben sind. Deswegen verstehen wie unsere Arbeit als beispielhaft und auf alle Konzerne übertragbar. Wir haben oft versucht – und versuchen das auch heute noch –, Menschen zu mobilisieren, dass sie sich um andere Konzerne in der gleichen Weise kümmern, wie wir das bei BAYER tun. Wir helfen ihnen dabei und geben ihnen im Rahmen unserer Möglichkeiten Unterstützung. Aber bisher ging es leider nicht über ein paar Anläufe hinaus.

Konzernkritik birgt ja immer so eine gewisse Gefahr, den Kapitalismus mit seinem Wachstumszwang zu verkürzen. Problematisch ist es ja etwa bei Banken, die gerne mal als Feindbild dienen. Besteht nicht schon eine gewisse Tendenz dazu bei Kritik an nur einer Branche bzw. einem Unternehmen?

Das ist tatsächlich ein Problem. Es gibt die Gefahr, dass alle Probleme auf „die Konzerne“ oder „das Finanzsystem“ verkürzt werden. Deshalb ist es wichtig, dass Konzernkritik eingebettet ist in Gesellschafts- und Systemkritik und dass die gesellschaftlichen Zusammenhänge immer mitthematisiert werden. Das tun wir bei der CBG. Wir verstehen uns als kapitalismuskritisches Netzwerk und thematisieren die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen mit ihrem Profitzwang mit. Wir haben sogar in den 80er Jahren mal ein Umbauprogramm für den BAYER-Konzern debattiert. Wir haben dann zum 125-jährigen Jubiläum des Konzerns einen Umbau-Kongress in Leverkusen organisiert, und da hat das eine große Rolle gespielt. Man kann einen Konzern nicht umbauen, ohne die Gesellschaft umzubauen. Wir bringen das auf die Formel, dass der BAYER-Konzern unter demokratische Kontrolle gestellt werden muss – wie alle Konzerne überhaupt. Und da wird sofort deutlich: Unsere konzernkritische Arbeit zu BAYER ist beispielhaft für die konzern- und gesellschaftskritische Arbeit insgesamt, mit „Verkürzung“ und „Branchen-Blindheit“ hat das nichts zu tun.
Auch thematisieren wir, dass hinter dem Konzern die Besitzer, die AktionärInnen, stehen. Man kann ganz allgemein sagen, dass die mittlerweile legendäre Handvoll von Ultra-Reichen, die die Hälfte des Weltvermögens besitzt, natürlich auch die Hälfte der Konzern-Aktien besitzt. Das ganze Gerede von der „Aktionärsdemokratie“ ist dabei nichts als Augenwischerei. Es gibt bei den Konzernen, so auch bei BAYER, tatsächlich Hunderttausende von AktionärInnen, aber 99,9 Prozent haben mit ihren paar Aktien nichts zu sagen. Sie sind nichts als Trittbrettfahrer, was ja auch schon schlimm genug ist. Derzeit besitzen etwa BLACKROCK und CAPITAL GROUP, zwei Finanz-Investoren, hinter denen sich die oben genannten Ultra-Reichen anonym verbergen, 46 Prozent aller BAYER-Aktien. Sinnigerweise sind es dieselben Finanz-Unternehmen, die die Europäische Zentralbank beraten, die die berüchtigten großen Rating-Agenturen besitzen – und die inzwischen ganz offen an allen DAX-Konzernen vergleichbare Pakete halten. Sie bestimmen – einzig im Gewinninteresse ihrer das Licht der Öffentlichkeit scheuenden „stockholder“ – über Wohl und Wehe der Welt.

Lass uns mal in eine entfernte Zukunft schauen. Wie kann BAYER in der Utopie in eurem Sinne aussehen?

Da haben wir keine endgültigen Vorschläge. Klar ist, wie bereits gesagt, dass der BAYER-Konzern unter demokratische Kontrolle gestellt werden muss und dass das Profit-Prinzip zugunsten eines Solidar-Prinzips gebrochen werden muss. Es muss also ein gesellschaftlicher Wandel her. Erst der wird eine Demokratie schaffen, die es ermöglicht, BAYER und die anderen Konzerne im Sinne der Mehrheit der Menschen zu kontrollieren. Die ganzen konkreten Fragen wie Produkte, Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit, Produktion usw. werden dann nicht ohne die Beschäftigten, ohne die Bevölkerung sowie ohne große gesellschaftliche Debatten zu lösen sein. Da werden ja Fragen angesprochen wie Ressourcen-Verbrauch, Konsum-Verhalten, Notwendigkeit von Großproduktion usw.
Wenn man über diese Zukunft sprechen will, kann man sagen, dass sie erstens noch in weiter Ferne liegt, und zweitens, dass wir uns aber dringend auf den Weg dorthin machen müssen, soll die BAYER-Produktion tatsächlich einmal umweltfreundlich, friedlich und sozial verträglich werden; rechtzeitig, bevor die Öko-Systeme zusammenbrechen und/oder Kriege allem ein Ende bereiten. Wir können heute schon jeden Tag dafür kämpfen, dass Konzernmacht gebrochen wird, dass gesellschaftliche Veränderungen herbeigeführt werden. Und wir können über diese Fragen Diskussionen in Gang bringen. Wie können Konzerne kontrolliert und vergesellschaftet werden? Wie soll und kann die Produktion umgebaut werden? Wie sollen und können die Produkte bei BAYER und anderen Konzernen die gesellschaftlichen, ökologischen, friedenspolitischen und sonstigen Notwendigkeiten erfüllen?

Spannend wäre mal zu erfahren, wie das Verhältnis von euch als Nichtregierungsorganisation (NGO) zur zuständigen Gewerkschaft ist – da ihr ja äußerst kritisch mit dem Konzern umgeht. Die INDUSTRIEGEWERKSCHAFT BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) gilt ja selbst im DGB als äußert gemäßigt und konfliktscheu.

Alles, was ich bisher sagte, gilt natürlich auch für die Arbeit mit und vor allem auch in den Gewerkschaften. Bevor ich aber darauf näher eingehe, möchte ich einige Vorbemerkungen loswerden.
Die CBG ist ein nicht-hierarchisches, nicht mit festen Strukturen versehenes Selbsthilfe-Netzwerk. In diesem Netzwerk arbeiten ca. 70.000 Menschen und Organisationen auf der ganzen Welt zusammen. Gemeinsam ist ihnen die Betroffenheit durch den BAYER-Konzern. In vielfältiger Weise und in unterschiedlichem Ausmaß. Jeder Teil des Netzwerkes, jede Organisation, jede Person, ist selbst für ihr Handeln verantwortlich, bringt es aber in das Netzwerk ein. Eine Ebene im Netzwerk gibt es in Deutschland, die die Kritik, die Aktionen und die Probleme, die irgendwo auf dem Planeten stattfinden, hier bündelt, weil hier in Deutschland, in Leverkusen, die Konzern-Zentrale, das Headquarter, für die ganze Welt ist. Dazu werden hier in Deutschland eigene Kampagnen und Aktionen durchgeführt. So geht die CBG etwa seit 30 Jahren auf die Hauptversammlung der BAYER AG und konfrontiert die Vorstände und die AktionärInnen, aber auch die dort im Aufsichtsrat sitzenden GewerkschafterInnen, mit dieser Kritik, mit den Kehrseiten der BAYER-Profite.
Die zweite Vorbemerkung ist, dass die CBG ein politisches Netzwerk ist und dass sie auf der Basis eines politischen Konsenses arbeitet. Der Konsens ist die bereits genannte Konzern- und Gesellschaftskritik. In dem Netzwerk kann jeder mitarbeiten, über alle weltanschaulichen Grenzen hinweg, der auf dieser Basis mitarbeiten möchte. Keine Zusammenarbeit gibt es prinzipiell allerdings mit Rassisten und Faschisten.
Auf dieser Basis gehen wir auch mit den Gewerkschaften um; und zwar nicht nur in Deutschland und nicht nur mit der IG BCE, sondern auch auf der ganzen Welt mit allen Gewerkschaften. Dabei machen wir sehr unterschiedliche Erfahrungen.
Ja, es stimmt, dass die IG BCE in Deutschland eine ganz besondere Rolle spielt. Die IG BCE ist ein Klon der Industrie, wie kaum eine andere Gewerkschaft. Es gibt wichtige Informationen, die in der offiziellen Geschichtsschreibung der IG BCE nicht vorkommen. 1918, nach der Novemberrevolution, hat Carl Duisberg, der damalige berühmt-berüchtigte Generaldirektor von BAYER, nach dem Schulen, Straßen und Plätze in Deutschland benannt sind, eine programmatische Schrift veröffentlicht, die mit dem Satz beginnt: „Es soll nie wieder geschehen, dass Arbeiter mit roten Fahnen durch die BAYER-Werke ziehen.“ Er hat ein umfassendes Programm entworfen, das auf Zuckerbrot und Peitsche basiert und zum Ziel hatte, die Organisationen der Arbeiterbewegung, insbesondere die in den Betrieben aktiven Gewerkschaften, auf kaltem Weg, ohne konfrontative Auseinandersetzung mit dem Risiko neuer Aufstände, ihrer Wirkungskraft zu berauben. Das Prinzip war einfach: Gewerkschaften kriegen Unmengen Zucker, wenn sie nach der Pfeife des Konzerns tanzen, sie kriegen gnadenlos die Peitsche, wenn sie Widerspruch organisieren. Zucker etwa waren die Direktionsgehälter, Dienstwagen und Chauffeure für gewählte Betriebsräte, Peitsche war z. B. die maximale Verunmöglichung gewerkschaftlicher Betätigung im Betrieb, selbst die Vertrauensleute-Wahlen mussten außerhalb des Betriebs durchgeführt werden. Zugleich wurde ein System betrieblicher Vertrauensleute installiert, das der Geschäftsleitung untersteht, bei dem dafür gesorgt wurde, dass die betrieblichen und gewerkschaftlichen Vertrauensleute ein und dieselben Personen waren. Auch wurden die Weichen mit allen Mitteln so gestellt, dass die Betriebsräte mit für die Direktion genehmen Leuten besetzt wurden. Insgesamt wurden die Kolleginnen und Kollegen von der Wiege bis zur Bahre in ein Versorgungssystem des Konzerns mit tausend Annehmlichkeiten eingebunden, darunter komfortable Werkswohnungen, Freizeit- und Kulturvereine für alles nur Erdenkliche bis hin zu dem heute noch existierenden Bundesligaverein und eigenen BAYER-Kaufhäusern, in denen bargeldlos bereits im Sommer mit dem Weihnachtsgeld eingekauft werden konnte. Bei der geringsten Unbotmäßigkeit wurde allerdings sofort und radikal alles entzogen.
Im Rahmen des Zusammenschlusses der gesamten deutschen chemischen Industrie zur IG Farben unter Federführung von Carl Duisberg in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde diese Herangehensweise an die Gewerkschaften deutschlandweite Praxis in der Chemie-Industrie insgesamt.
Und weil das dann tatsächlich so schön bei BAYER und in dem von BAYER betriebenen Zusammenschluss der gesamten deutschen chemischen Industrie zur IG Farben für betrieblichen und gewerkschaftlichen Frieden gesorgt hatte – mal von der von BAYER und den IG Farben natürlich nur wohlwollend begleiteten Zerschlagung der Gewerkschaften insgesamt durch die Hitler-Faschisten abgesehen –, wurde dieses System zur Domestizierung der Gewerkschaften direkt nach der Zerschlagung des Dritten Reiches und der als Kriegsverbrecher verurteilten IG Farben in den Konzernen der chemischen Industrie wieder reaktiviert. So war es beispielsweise in der chemischen Industrie bis in die frühen 80er Jahre hinein weiterhin nicht möglich, die gewerkschaftlichen Vertrauensleute innerhalb der Betriebe zu wählen. Es galt weiter knallhart das von Carl Duisberg ausgerufene Prinzip: Wer kooperiert, wird belohnt, wer stört, fliegt raus. Arbeitsrecht hin oder her. Willfährige „Mitarbeiter“ kamen in den Genuss vergleichsweise tatsächlich sehr hoher Löhne, konnten vom Segelsport bis zum Ballonfahren alles auf BAYER-Kosten betreiben, waren sich sicher, dass die Kinder und die Enkel „beim BAYER“ unterkamen, usw. usf. Wer aufmuckte, wurde vom in Gestapo-Manier schwarz gekleideten und bewaffneten (!) Werkschutz am Arbeitsplatz abgeholt und musste den Betrieb verlassen. Selbst einer Betriebsrätin wurde wegen ihres von BAYER als kritisch empfundenen Landtagsmandats für die Grünen fristlos gekündigt, obwohl es keinerlei Rechtsgrundlage gab, auf der das möglich gewesen wäre.
Generation um Generation wurden so in der Chemiebranche willfährige GewerkschafterInnen herangezüchtet, vorneweg beim BAYER-Konzern, der in der Tradition der IG Farben noch bis in die 90er Jahre hinein die führende Rolle in der gesamten Chemiebranche innehatte. So ist nur bezeichnend, dass die Rechtsaußen unter den Vorsitzenden der IG BCE, Hermann Rappe und Michael Vassiliadis, der aktuell noch den Vorsitz innehat, beide aus dem BAYER-Stall kommen.
Diese von Carl Duisberg und BAYER betriebene Politik zur Brechung gewerkschaftlichen Bewusstseins zog Kreise. Das wird u. a. deutlich daran, dass bei BAYER nicht nur die Vorsitzenden der IG BCE, sondern auch die des DGB im Aufsichtsrat sitzen. Und dass die rechtssozialdemokratisch vom WELTGEWERKSCHAFTSBUND abgespaltenen Gewerkschaftszusammenschlüsse, die EUROPÄISCHE GEWERKSCHAFTSFÖDERATION bzw. die WELTGEWERKSCHAFTSFÖDERATION, über die IG BCE infiltriert und mit Funktionären besetzt wurden. So war BAYER-Klon Herman Rappe bis Mitte der 90er Präsident sowohl der WELT-CHEMIE-FÖDERATION als auch der EUROPÄISCHEN CHEMIE-FÖDERATION. Der aktuelle IG BCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis ist Lebensgefährte der SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi und Präsident der neuen IndustriALL Europe, in der sich 2012 die verschiedenen Europäischen Gewerkschaftsföderationen zusammengeschlossen haben. Mit dieser Funktion vertritt er Europa in der vom IG Metall-Vorsitzenden Berthold Huber geführten INDUSTRIALL GLOBAL, dem parallel vollzogenen Zusammenschluss der internationalen Gewerkschaftsföderationen – nach wie vor in Abgrenzung zum WELTGEWERKSCHAFTSBUND.
Das alles bekommen wir bei der CBG dann in unseren gewerkschaftlichen Kontakten natürlich zu spüren. Rechte GewerkschafterInnen der IG BCE werden vom Konzern-Vorstand gegen uns, aber auch gegen andere konzern- und gesellschaftskritische Bewegungen, ja selbst gegen fortschrittliche gewerkschaftliche Strömungen, in Position gebracht; die IG BCE und die Internationale Föderation der Chemiegewerkschaften grätschen dazwischen, wann immer Gewerkschaften aus anderen Ländern mit uns kooperieren.

Also ist das Verhältnis meistens konfrontativ?

Nein, ganz im Gegenteil. Die Gewerkschaften sind trotz aller Probleme nicht mit dem Konzernvorstand oder gar den Besitzern, den Großaktionären, zu verwechseln. Natürlich lassen wir den rechten, konzerntreuen GewerkschafterInnen nicht alles durchgehen. So entlasten wir die Gewerkschaftsfunktionäre im Aufsichtsrat auf den Hauptversammlungen schon lange nicht mehr, weil sie die von uns dort vorgebrachten BAYER-Schweinereien über ihr Aufsichtsratsmandat in aller Regel mitgetragen haben und sich auch nachträglich nicht distanzieren. Andererseits aber arbeiten wir trotz allem immer wieder sehr konstruktiv auf der persönlichen Ebene mit GewerkschafterInnen der IG BCE zusammen. International – und das beginnt bereits außerhalb von Deutschland in anderen europäischen Ländern – kämpfen wir sowieso konsequent gemeinsam mit Gewerkschaftsgliederungen und GewerkschafterInnen gegen Lohndumping und andere betriebliche Probleme. Prinzipiell verteidigen wir die gewerkschaftlichen Prinzipien und stehen fest an der Seite der Gewerkschaften, wenn es darum geht, dass BAYER die Gewerkschaften aggressiv aus den Betrieben drängt, so wie es beispielsweise in den USA, Asien und Lateinamerika massiv der Fall ist.

Welche Erfolge hattet ihr bisher?

Da wir uns nunmehr bereits seit 36 Jahren mit dem Konzern auseinandersetzen, und das sehr konsequent, ist die Liste unserer Erfolge unendlich lang. Beispielsweise haben wir Verbesserungen beim Umweltschutz und den Arbeitsbedingungen durchgesetzt. Wir haben Skandale aufgedeckt und staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren in Gang gesetzt. Wir haben Streiks und Arbeitskämpfe in aller Welt unterstützt. Wir haben die Wiedereinstellung entlassener KollegInnen und Mindestlöhne mit durchgesetzt. Das alles natürlich nie alleine als CBG, immer im Bündnis mit anderen Organisationen vor Ort, immer innerhalb aller vielen zehntausend Organisationen und MitstreiterInnen unseres Netzwerkes.
Ich möchte mal an einem Beispiel erläutern, wie so etwas läuft: In Australien haben wir vor langen Jahren verhindert, dass ein neues Pestizidwerk von BAYER errichtet wird, obwohl der Bau bereits begonnen hatte. Natürlich auch in diesem Fall nicht alleine, sondern in einem breiten Bündnis. In dem Fall auch unter massiver Einbeziehung der Gewerkschaften. Dieses Werk sollte in einem Naturschutzgebiet gebaut werden. In der Nähe lag ein kleines Dorf. Die EinwohnerInnen haben das mitbekommen und Kontakt mit uns in Deutschland aufgenommen. Wir haben sie über den Konzern, die Produkte und die Art des Werkes informiert. Das Dorf hat Widerstand organisiert. Dieser Widerstand ging dann über die Grenzen des Dorfes hinaus in den Landesbezirk. Die Umweltverbände wurden aufmerksam. Aber da nun alles bereits bestens geregelt war, das Werk parlamentarisch bereits genehmigt war, führte der Protest in eine Sackgasse. Immer mehr Öffentlichkeit schaltete sich ein, es kam zum landesweiten Skandal. Die Regierung geriet unter Druck, wagte es aber nicht, einen Konzern wie BAYER zu brüskieren und die Genehmigung zurückzuziehen. Der Protest wuchs mehr und mehr. Es wurden Unterschriftenlisten gesammelt. Die Regierung meinte dann in ihrer Not, den Joker zu ziehen, indem sie eine landesweite Volksabstimmung anordnete. Sie baute darauf, dass die anderen, nicht direkt betroffenen und Tausende Kilometer weit entfernten Landesteile sich auf ihre Seite schlagen würden und sie dann gegenüber BAYER aus dem Schneider wären. Es kam aber anders, die Volksabstimmung wurde von der Protestbewegung haushoch gewonnen, das BAYER-Werk konnte nicht errichtet werden. Übrigens haben sich die australischen Gewerkschaften nach diesem gemeinsamen Erfolg dann ausdrücklich in schriftlicher Form bei der CBG bedankt.
Ein anderes Beispiel: Der Konzern hat hier in Deutschland Ende der 80er Jahre im großen Stil gegen uns prozessiert. Wir haben in skandalösen Verfahren, in denen beispielsweise die Richter nicht einen einzigen Beweis von uns zuließen, sämtliche Prozesse durch alle Instanzen verloren und mussten Hunderttausende von DM an Prozesskosten und Strafen zahlen – unter diesen Schulden von damals leiden wir übrigens noch heute. Wir sahen nur noch die Möglichkeit, die BAYER-freundlichen Prozesse selbst als Verletzung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit und Verstoß gegen die Verfassung vor das Bundesverfassungsgericht zu bringen, und haben eine entsprechende Verfassungsklage eingereicht. 1992 gewannen wir den Prozess und haben damit Geschichte für die Meinungsfreiheit geschrieben. Das Urteil hat bis heute Bestand und wird z. B. unter Nennung unseres Namens an den journalistischen Hochschulen gelehrt. Der Prozess wurde von allen großen Medienhäusern durch ihre Rechtsabteilungen beobachtet. Sie wussten, worum es geht: Wäre er negativ ausgegangen, hätte das verheerende Auswirkungen auf die gesamte demokratische Landschaft der Bundesrepublik gehabt.

Und was steht bei euch aktuell an?

Weltweit laufen zahlreiche Kampagnen. Eine der wichtigen Kampagnen, die wir seit 15 Jahren führen, ist die Kampagne zum Bienensterben. Das hört sich tierschützerisch an, was im Übrigen ja auch schon reichen würde, aber tatsächlich geht es um die Ernährungsgrundlagen der Menschheit. Ohne Bienen keine Lebensmittel, so einfach ist das. Das Bienensterben nimmt exponentiell zu. Wesentliche Ursache sind BAYER-Pestizide.
Eine andere Kampagne führen wir anlässlich des hundertsten Jahrestags des Beginns des Ersten Weltkriegs. Wir machen die Verantwortung des BAYER-Konzerns für diesen Krieg deutlich. Und darüber hinaus erinnern wir an das Verbrechen der chemischen Kampfstoffe, die BAYER in diesen Krieg eingebracht hat und bei denen BAYER dafür gesorgt hat, dass sie auch zum Einsatz kamen.
Ein drittes Beispiel, das aber auch die Vielfalt unserer Kampagnen illustriert, sind die Aktionen gegen die Aushebelung der Freiheit der Wissenschaft. Wir prozessieren beispielhaft gegen den massiven Einfluss BAYERs auf die medizinische Forschung der Universität Köln und haben dabei die Unterstützung nicht nur großer Teile der demokratischen Öffentlichkeit, sondern auch vieler Fachleute aus Politik und Gesellschaft.

Nun hören wir immer wieder, dass Ihr in Eurer Existenz bedroht seid. Was ist da los? Was kann da getan werden?

Das stimmt. Seit drei Jahren sind wir zu einem Kampf um Rettung und Erhalt unserer Arbeit und unseres Netzwerkes gezwungen. Dabei muss man wissen, dass wir uns ausschließlich aus Spenden und Förderbeiträgen finanzieren. Wir arbeiten bis auf eine einzige festangestellte Person alle ehrenamtlich. Auch das ist übrigens für eine international aktive Organisation unserer Wirkungsmacht ziemlich einzigartig in der NGO-Landschaft.
Unsere SpenderInnen und Mitglieder stammen natürlich nicht aus den Reihen der Ultra-Reichen, sondern durchweg aus kleinen Verhältnissen. Im Zuge der brutalen Deregulierung des Kapitalismus mit seinen verheerenden Folgen für die Einkommen der kleinen Leute sind unsere Spenden und Beiträge dramatisch eingebrochen. Verschärft hat sich diese Entwicklung im Zuge der Finanzkrise. Wir standen Ende 2010 vor dem finanziellen Kollaps.
Entsprechend führen wir bis heute eine Rettungskampagne. Wir brauchen mindestens 500 neue Fördermitglieder. Etwa 400 haben wir bereits, es fehlen also noch einige. Noch haben wir keinen sicheren Boden unter den Füßen. Gegen die Macht des Konzerns setzen wir die Solidarität der Menschen. Jede Spende zählt. Jede Fördermitgliedschaft stärkt uns.

[Verkauf BMS] STICHWORT BAYER 01/2015

CBG Redaktion

BAYER stößt Plaste-Geschäft ab

Die Chemie stimmt nicht mehr

2013 hatte BAYER noch mit pompösen Feierlichkeiten seinen 150. Geburtstag begangen. Fast auf den Tag genau ein Jahr später legt der Konzern seine Chemie-Geschichte ad acta: Er gibt bekannt, sich von seiner Kunststoff-Sparte trennen zu wollen. Damit beugt der Leverkusener Multi sich dem Drängen der Finanzinvestoren, die einen solchen Schritt seit Langem gefordert haben, und setzt 16.800 Beschäftigte einer ungewissen Zukunft aus.

BAYERs Wurzeln liegen in der Chemie. Seinen Anfang nahm das Unternehmen 1863 mit der Fertigung von synthetischen Farben. Nach und nach kamen dann Arzneimittel, Kunststoffe, Kunstfasern, Pestizide sowie andere Produkte dazu und stellten den Konzern auf vier Säulen: Chemie, Kunststoffe, Pharma und Landwirtschaft. Diese trugen mehr als hundert Jahre. Aber ab den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts geriet die Struktur unter Druck. Der Neoliberalismus und die in seinem Zuge erstarkten Finanzmärkte gaben die Parole „Konzentration auf das Kerngeschäft“ aus. Nach dieser Ideologie sollten die Konzerne den Schwerpunkt auf solche Bereiche legen, in denen sie zu den Top-Anbietern auf dem Weltmarkt gehörten, und den Rest abstoßen. Um den Forderungen Nachdruck zu verschaffen, straften die großen Investoren Zuwiderhandlungen von BAYER & Co. mit einem „Konglomeratsabschlag“. Diesen nahm die Aktien-Gesellschaft lange Zeit in Kauf. Das 4-Säulen-Modell mit seiner komplexen Konstruktion schützte sie nämlich vor feindlichen Übernahmen. Zudem erlaubte es dem Global Player, Schwächephasen einer Sparte mit guten Erträgen bei anderen auszugleichen. Das, was die BörsianerInnen verächtlich „Quersubventionierung“ nannten, half ihm beispielsweise, die Krise um den Cholesterinsenker LIPOBAY zu überstehen, dessen todbringende Nebenwirkungen den Multi zu Schadensersatz-Zahlungen in Milliarden-Höhe zwangen.

BAYER wird zur Holding
Dennoch schwächte der Pharma-GAU das Unternehmen, das sich gerade auf einen Börsengang an der Wall Street vorbereitete, so sehr, dass es den Märkten Entgegenkommen signalisierte – zunächst nur formal. Der Konzern verlieh sich im Jahr 2002 eine Holding-Struktur und spaltete sich in vier voneinander völlig unabhängige Aktien-Gesellschaften auf, was die Loslösung der einzelnen Sparten bedeutend erleichterte. Einen „Umbruch, tief greifender als jeder andere in der BAYER-Geschichte“ nannte der heutige Aufsichtsratsvorsitzende Werner Wenning damals diesen Schritt. Er frohlockte, das Unternehmen werde dadurch „Werttreiber und Wertvernichter noch leichter identifizieren können“ und verkündete unheilvoll: „BAYER wird in der Lage sein, schneller die Konsequenzen daraus zu ziehen.“
Entsprechend positiv reagierte der Aktienmarkt – und entsprechend besorgt zeigten sich Belegschaft und Gewerkschaft. Für sie unterminierte die neue Gesellschaftsform die Tragfähigkeit der Säulen „Chemie“, „Kunststoffe“, „Pharma“ und „Landwirtschaft“. Darüber hinaus sahen sie durch die Vierteilung ihren Einfluss schwinden. Nur zähneknirschend gaben die VertreterInnen der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE im Aufsichtsrat deshalb ihr Placet. Die Zustimmung habe man sich nur durch teure Zugeständnisse abringen lassen, verteidigte sich der damalige Gesamtbetriebsratsvorsitzende Erhard Gipperich und zählte die Übernahme des beschäftigungssichernden Standort-Vertrags durch die AGs, die Schaffung von Standort-Betriebsräten und die Beibehaltung des Gesamtbetriebsrats zu den Verhandlungserfolgen. Der zu dem Zeitpunkt das Amt des IG-BCE-Vorsitzenden innehabende Hubertus Schmoldt kündigte darüber hinaus eine spezielle Tarif-Regelung für die neue Holding an. „Auch das gibt Sicherheit, dass BAYER nicht den Weg der früheren HOECHST beschreitet und sich nach völliger Aufspaltung nur auf den Pharma-Bereich konzentriert“, meinte er.

Die erste Säule fällt
Schon ein Jahr später trieb der Leverkusener Multi dann vermeintliche Wertvernichter auf: Er gab wegen angeblich zu geringer Renditen die Trennung von der Chemie-Abteilung und von Teilen der Kunststoff-Sparte bekannt. Ein Fünftel des Unternehmens stellte der Konzern damit zur Disposition. Nachdem er vorher schon die Geschäftsfelder „Anorganische Chemie“, „Titandioxid“, „Silikon“, „Ingenieur-Keramik“ und „Textil-Farben“ abgestoßen hatte, verabschiedete der Global Player sich nun von diversen Kunststoffen sowie von den Faser-, Leder-, Textil- und Papier-Chemikalien.
Die AktionärInnen jublilierten. Nach den entsprechenden Presse-Meldungen stieg die Aktie um acht Prozent. An den Standorten löste die Nachricht indes einen Schock aus. In Leverkusen gingen BAYER-Beschäftigte sogar auf die Straße und forderten den Erhalt der Chemie-Sparte. Die IG BCE segnete das Vorhaben jedoch – mit dem inzwischen schon habituell gewordenen Zähneknirschen – ab. „Das Herz sagt nein, der Kopf sagt ja”, so Erhard Gipperich. „Hätten wir uns verweigert, wäre es nach 2004 zu Entlassungen gekommen – im großen Stil”, meinte er, abermals auf Konzessionen von Seiten BAYERs verweisend wie etwa die Zusage, die „Standortsicherungsvereinbarung” bis Ende 2007 zu verlängern. Während der inzwischen zum Vorstandsvorsitzenden aufgestiegene Werner Wenning bekundete, der Konzern werde sich künftig „ohne Wenn und Aber” auf Pharma, Landwirtschaft und hochwertige Kunststoff-Materialien stützen, zog die Abspaltung unter dem Namen „LANXESS“ an die Börse. Dort spaltete der als BAYERs „Reste-Rampe“ titulierte Neuling kräftig weiter ab, um die Rendite-Vorgaben des Aktienmarktes erfüllen zu können – und kämpft aktuell mit enormen Schwierigkeiten.

BMS fällt
Der Aderlass ging unterdessen weiter. Dem Manager Magazin zufolge hatte der Leverkusener Multi schon 2007 nach einem Käufer für BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) Ausschau gehalten, aber die Finanzkrise stoppte die Versuche. Zwei Jahre später machten dann Meldungen über Verhandlungen mit der INTERNATIONAL PETROLIUM INVESTMENT COMPANY (IPIC) die Runde. Aber erst der neue BAYER-Chef Marijn Dekkers sollte die Sache schließlich unter Dach und Fach bringen. Schon als die Konzern-Oberen sich auf die Suche nach einem neuen Vorstandsvorsitzenden machten, gehörte ein „Track Record im Portfolio-Management“, also Erfahrung im Kaufen von Firmen und Verkaufen von Betriebsteilen, zum Anforderungsprofil. Und über diese verfügte Dekkers nicht zu knapp. Bei seinem früheren Arbeitgeber hatte er 45 Firmensparten veräußert, die Hälfte der 130 Fabriken dicht gemacht und 5.000 von 13.000 Arbeitsplätzen vernichtet, ehe er FISHER SCIENTIFIC erwarb und damit die Beschäftigtenzahl auf 35.000 erhöhte. Auf solche „Talente“ setzte der Kapitalmarkt. „Von Wennings designiertem Nachfolger Marijn Dekkers erhoffen sich viele Analysten, dass sich der erste nicht im Konzern aufgewachsene Vorstandschef möglichst schnell vom ungeliebten Kunststoff-Geschäft trennt“, hielt der Der Platow-Brief zur Amtseinführung fest. Und das Handelsblatt formulierte ähnliche Erwartungen. Vorerst jedoch hielt der Holländer sich bedeckt. „Für Aussagen ist es viel zu früh“, konstatierte er und nannte als sein Credo: „Evolution statt Revolution“.
Aber im September 2014 gab es dann doch die Revolution, nachdem es vorher schon zu einigen Aufstandsversuchen in Sachen „BMS“ gekommen war. Auch die Übernahme des Geschäfts mit nicht rezeptpflichtigen Arzneien von MERCK & Co. stellt sich im Nachhinein als anti-evolutionäre Tat dar. Durch diese verschoben sich nämlich die Risikoausgleichsmechanismen weg von den drei Säulen zu einer einzigen Sparte hin. Fußpflege-Mittel, Sonnencremes, Allergie- und Magen/Darm-Arzneien sowie Pharmazeutika gegen Erkältungen und Hautkrankheiten werfen zwar keine exorbitanten Profite ab, bescheren dem Konzern aber kontinuierliche Einkünfte und sorgen so für ein gutes Polster, falls einmal eine aussichtsreiche Pharma-Entwicklung floppt.
Eine nicht unwesentliche Rolle bei dem Entschluss, sich BAYER MATERIAL SCIENCE zu entledigen, dürfte der immer größer werdende Einfluss der Finanzinvestoren gespielt haben – aktuell besitzt allein BLACKROCK rund 30 Prozent der BAYER-Aktien (siehe SWB 4/14). Aufspaltung ist nämlich das liebste Spiel der Branche, auch die Mitbewerber DOW CHEMICAL und DUPONT drängen Hedge Funds und andere Akteure momentan, Unternehmensteile zu veräußern. Und so hieß es schließlich: „BAYER will sich in Zukunft ausschließlich auf die Life-Science-Geschäfte HealthCare und CropScience konzentrieren und MaterialScience als eigenständiges Unternehmen an die Börse bringen.“ Bei einem guten Angebot mochten die ManagerInnen einen Verkauf jedoch auch nicht ausschließen.
Was die Rheinische Post „Das Ende einer BAYER-Ära“ nannte, war für Marijn Dekkers lediglich „eine Frage der Investitionspolitik“. Der Süddeutschen Zeitung sagte er: „Wir müssen entscheiden, wofür wir bei BAYER künftig Geld ausgeben wollen (...) Da die Bereiche Gesundheit und Agrarwirtschaft höhere Renditen erwirtschaften, würden wir unsere Ressourcen vor allem dort konzentrieren.“ Er gab dabei sogar noch vor, nicht bloß schnöde Profit-Interessen zu verfolgen, vielmehr auch für BMS nur das Beste zu wollen. Weil die Sparte bei BAYER zu kurz komme, sei es besser, ihr „einen eigenen Zugang zum Kapitalmarkt zu verschaffen“, meinte der Große Vorsitzende. Und im offiziellen Konzern-Statement lässt er sich mit den Worten vernehmen: „Wir sind davon überzeugt, dass MaterialScience die Selbstständigkeit nutzen wird, um die erreichte Stärke noch besser, schneller und flexibler einsetzen zu können.“
Die wirtschaftsfreundliche Presse sprach indes Tacheles. Vom „Abwurf der bisherigen Gift-Pille Chemie“ kündete die Faz, dabei mit ihrer Metaphorik keinesfalls auf die Risiken und Nebenwirkungen von Plaste & Elaste anspielen wollend, sondern lediglich auf die angebliche Ertragsschwäche des Bereichs. Der Aktionär konstatierte derweil trocken: „Last abgestreift“. Und seine Klientel teilte die Einschätzung. Am Tag der Bekanntgabe der Abwicklung erklomm die BAYER-Aktie ein Allzeit-Hoch. „Nun wird das Kind verstoßen – und die Aktionäre applaudieren“, kommentierte die Westdeutsche Zeitung: „Deren Votum ist für den Konzernlenker wichtiger als die Klage der Gewerkschaft, dass die Arbeitnehmer der Kunststoff-Sparte doch zum Weltruhm von BAYER beigetragen hätten.“ In der Börsen-Arithmetik gewann das BAYER-Ganze nach der Devise „Weniger ist mehr“ durch die Subtraktion seiner Teile: Der Konzern stieg im September 2014 zum wertvollsten DAX-Unternehmen auf.
Entsprechend niedergedrückt reagierten Beschäftigte und GewerkschaftlerInnen. „Bei Pharma wird eine Rendite von 30 Prozent erreicht. Wir schaffen zehn Prozent. Aber das reicht dem Vorstand nicht mehr“, so die Uerdinger Betriebsratsvorsitzende Petra Kohnen. „Viele von uns arbeiten in der dritten Generation im Konzern. Nicht als BAYER-Beschäftiger in Rente zu gehen, fällt schwer“, fasste sie die Stimmung unter der Belegschaft zusammen. Immer wieder hatten die ArbeiterInnen und Angestellten an den Kunststoff-Standorten Opfer erbracht, um die angeblich schlechten Geschäftszahlen zu verbessern und die Sparte im Unternehmen zu halten. Sie hatten in den letzten Jahren die Vernichtung von über 2.000 Arbeitsplätzen, Werksschließungen, untertarifliche Bezahlung, Effizienz-Programme und die Streichung von Boni erduldet – und jetzt stellt sich heraus: Das alles war umsonst. Im Aufsichtsrat hatten sich die GewerkschaftsvertreterInnen lange gegen den Plan der BAYER-Oberen gestemmt, mussten letztendlich aber klein beigeben: „Die durch uns kritisierte Abkehr von der Drei-Säulen-Strategie ist durch die Arbeitnehmer-Vertreter im Aufsichtsrat, trotz intensivster Beratungen, nicht zu verhindern gewesen.“ Sonst hätte das Management keine finanziellen Mittel mehr bereitgestellt, womit der Bereich eine äußerst kritische Entwicklung genommen hätte, erläuterten die Delegierten.

Absehbare Reaktionen
Abermals jedoch machte die IG BCE gute Miene zum bösen Spiel. Wie üblich verwies die Gewerkschaft dabei auf dem Global Player abgetrotzte Konzessionen wie die Regelungen der neuen Gesamtbetriebsvereinbarung (GBV), die eine Arbeitsplatz-Garantie für die BMS-Beschäftigten bis 2020 – also auch noch für die ersten Jahre der Post-BAYER-Zeit – vorsehen. „Die Trennung von MaterialScience ist ein tiefgreifender Einschnitt für die Kolleginnen und Kollegen. Mit dieser Vereinbarung ist es uns jedoch gelungen, eine gute Basis für die Zukunftssicherung der Arbeitsplätze in beiden Gesellschaften zu schaffen“, stellte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Thomas de Win fest. Allerdings gilt diese Übereinkunft nur für die rund 6.500 KollegInnen in den deutschen Werken. Das Schicksal der 10.000 anderen Belegschaftsmitglieder in den über die ganze Welt verstreuten Niederlassungen war nicht Gegenstand der Gespräche. Darum erheben nun auch diese entsprechende Ansprüche. So erklärte Levi Sollie, Vertrauensmann der belgischen Gewerkschaft ALGEMEEN BELGISCH VAKVERBOND (ABVV) bei BAYER MATERIALSCIENCE in Antwerpen: „Die Gewerkschaften fordern eine Jobgarantie, so wie sie die deutsche Belegschaft erhalten hat. BAYER hat die Verantwortung, unsere Löhne und Arbeitsbedingungen für die kommenden Jahre zu garantieren. Im März 2015 wird das Antwerpener BAYER-Werk seinen 50. Geburtstag begehen - den meisten Arbeitern ist aber nicht nach Feiern zu Mute. Worauf wir jetzt zählen, ist ein Abkommen zur Sicherung der Arbeitsplätze“. Darüber gab es zwar erste Verhandlungen, aber dieselben Konditionen wie ihren deutschen KollegInnen wollte der Multi den AntwerpenerInnen nicht zugestehen. So sollte etwa die Arbeitsplatz-Garantie bloß bis 2017 gelten.
Boomende Börsen, betretene Beschäftige, zähneknirschende Zustimmung von Seiten der Gewerkschaft – um das übliche chemische Reaktionsschema bei den Abspaltungsprozessen zu komplettieren, fehlte jetzt eigentlich nur noch die Bestandsgarantie für die verbliebenen Säulen, und auch die folgte umgehend. Mittelfristig stehe eine Trennung vom Pestizid-Geschäft nicht zur Debatte. Es werde auch in fünf Jahren auf jeden Fall noch zu BAYER gehören, gab Dekkers dem Handelsblatt zu Protokoll. In einem anderen Interview kündigte er sogar eine engere Zusammenarbeit der ForscherInnen aus beiden Sparten an. Ob aber die eher vage Klammer „Life Science“ zwei so unterschiedliche Sphären wirklich auf Dauer zusammenhalten kann, bleibt abzuwarten. Die Börsen-Zeitung sieht die Landwirtschaftsabteilung jedenfalls schon auf dem besten Wege, den Staffelstab des „Wertvernichters“ von BMS zu übernehmen: „In diese Position wird in einem Life-Science-Konzern auch das Pflanzenschutz-Geschäft geraten, das zudem zyklisch ist.“ Auf alle Fälle steht der Leverkusener Multi nun vor einem Umstrukturierungsprozess, denn für das, was von dem Konglomerat übrig geblieben ist, braucht es kein Holding-Konstrukt mehr. „Wir werden uns die Organisation ansehen“, sagt der Vorstandsvorsitzende deshalb auch.
Zunächst einmal ist der Konzern jedoch vollauf mit der Abwicklung von BMS beschäftigt. Trotz formaler Eigenständigkeit gestaltet sich die Loslösung nämlich gar nicht so einfach, weil es doch noch viele Verbindungen zu den anderen Unternehmenstöchtern und der Muttergesellschaft gibt. So unterhält MaterialScience zum Chem„park“-Betreiber CURRENTA, einem Gemeinschaftsunternehmen von BAYER und LANXESS, Geschäftsbeziehungen. Auch arbeiten die Dienstleister BAYER BUSINESS SERVICES und BAYER TECHNOLOGY SERVICES für die Kunststoff-Abteilung. Ebenso gilt es, die Vermögenswerte auseinanderzudividieren – und die Schulden. LANXESS hatte der Global Player nämlich damals zum Abschied noch Belastungen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro mit auf den Weg gegeben, was dort für ernstliche Verstimmung sorgte.
Die alte BMS-Mannschaft wollte der Vorstand aus verständlichen Gründen nicht mit den Trennungsaufgaben betrauen. So nimmt jetzt Klaus Schäfer die Position des bisherigen Produktionschefs Tony Van Osselaer ein, der in Rente ging, und auch den Posten des Finanz-Vorstandes besetzte BAYER um. Mit Frank Lutz füllt ihn jetzt ein Mann aus, der auf Erfahrungen bei der DEUTSCHEN BANK und bei GOLDMAN SACHS verweisen kann. Diese beiden Finanzhäuser sind es dann auch, welche den Weg der Plaste & Elaste-Sparte in die Selbstständigkeit vorbereiten. BAYER favorisiert dabei einen regulären Börsengang. Der Konzern-Mutter würde ihr verstoßenes Kind auf diese Weise nämlich einen großen Batzen Geld einbringen. Sollte das Klima an den Aktienmärkten jedoch nicht genügend Erlöse versprechen, so hätte der Konzern noch die Alternative, genauso wie bei der Abspaltung von LANXESS zu verfahren und den bisherigen AktionärInnen des Unternehmens in einem sogenannten Spin-Off Papiere des ausgemusterten Firmenteils zu schenken. „BAYER hätte dann keine Erlöse, dafür müsste die Kunststoff-Sparte erhebliche Teile der Konzern-Schulden tragen“, hält das manager-magazin fest.
Begehrlichkeiten haben aber auch schon Beteiligungsgesellschaften angemeldet. Die Private-Equity-Multis ADVENT, CARLYLE, CINVEN, CVC und KKR haben Ende Oktober 2014 die Gründung eines Konsortiums angekündigt, um MaterialScience zu erwerben. „Kein Kommentar“ – hieß es dazu aus Leverkusen. Die für die Linkspartei im Bundestag sitzende Sahra Wagenknecht warnt den Leverkusener Multi eindringlich davor, auf eine solche Offerte einzugehen. „Beim Börsengang müssen alle Möglichkeiten genutzt werden, damit eine Übernahme des Tochter-Unternehmens durch Zockerbuden so unwahrscheinlich wie möglich wird. Schon 2006 hatte die BAYER AG mit HC STARCK ein Tochter-Unternehmen direkt den Heuschrecken überlassen. Das Ergebnis für die Beschäftigten waren rücksichtloser Stellenabbau und schlechtere Arbeitsbedingungen.“
Aber von moralischen Erwägungen lässt BAYER sich nicht leiten. Sonst hätte der Konzern BMS gar nicht erst zur Disposition gestellt und damit rund 17.000 Beschäftigte einer ungewissen Zukunft ausgesetzt. Das Unternehmen orientiert sich nur am Profit-Prinzip und an den Rendite-Erwartungen von Aktionären wie BLACKROCK, hinter denen Pensionsfonds und Superreiche stehen. Und ein solches Wohlverhalten belohnt die Börse. Sie machte den Global Player nach Bekanntgabe der Trennung von der Plaste-Abteilung nicht nur zum wertvollsten bundesdeutschen Konzern, sie sieht sogar noch Luft nach oben. So gab jüngst die BAADER BANK eine Kauf-Empfehlung ab, weil die Entflechtungsarbeiten so zügig vorankämen. Damit nicht genug, krönte das Manager Magazin den BAYER-Filetierer Marijn Dekkers für seine Schandtat zu schlechter Letzt auch noch zum „Manager des Jahres“. Von Jan Pehrke

[BlackRock] Die Macht im Hause BAYER

CBG Redaktion

Die Ultra-Reichen übernehmen die Führung

Wer meint, Marijn Dekkers hätte bei BAYER das Sagen, der irrt. Dekkers ist der „Angestellte“ und tanzt - wie alle seine Kollegen im Vorstand und die Mehrheit der Aufsichtsräte - nach der Pfeife der Besitzer, der AktionärInnen. Und da haben sich die Gewichte heimlich still und leise in den letzten Jahren mächtig verschoben. Eine Handvoll Ultra-Reicher gibt heute vor, was im Konzern zu geschehen hat.

von Axel Köhler-Schnura, Vorstandsmitglied Coordination gegen BAYER-Gefahren

Schon jedes Schulkind weiß: Geld ist Macht. Im Volksmund heißt es: „Wer zahlt, bestimmt die Musik“. Entsprechend bedeutsam ist, was sich in der Welt des Geldes tut: eine extrem kleine Gruppe Ultra-Reicher hat die Macht übernommen. Ihre Vermögen wachsen immer unvorstellbarer. Auf Kosten der arbeitenden Menschen und der Armen. Armut, Hunger und Elend nehmen nämlich ebenso unvorstellbar zu, was aber hier nicht das Thema ist.

Eine OXFAM-Studie, vorgelegt zum Weltwirtschaftsgipfel 2014 in Davos im Januar dieses Jahres, stellt fest:

=> 85 Ultra-Ultra-Reiche besitzen ein Vermögen von ca. 1,7 Billionen US-Dollar. Eine Billion sind 1.000 Milliarden - 1 Milliarde sind 1.000 Millionen. Das ist ebenso viel wie das Vermögen der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung, die immerhin ca. 3,6 Milliarden Menschen ausmacht.
=> 1.426 Ultra-Reiche besitzen zusammen 5,4 Billionen US-Dollar. Zum Vergleich: der Haushalt der US-Regierung für 2015 umfasst 3,9 Billionen US-Dollar, der Haushalt der Bundesregierung 2014 knapp 0,4 Billionen US-Dollar.
=> Ein Prozent der Weltbevölkerung, ca. 72 Mio Super-Reiche, besitzen mit unvorstellbaren 110 Billionen US-Dollar die Hälfte des gesamten Weltvermögens.

Vermögen besteht unter anderem aus Aktien. Wenn also die Ultra- und Super-Reichen „die Hälfte des Weltvermögens“ besitzen, dann besitzen sie - grob gesprochen natürlich - auch die Hälfte aller Aktien. Und das ist der Hintergrund, wenn die renommierte Frankfurter Allgemeine Zeitung am 25. August 2014 erschrocken feststellt: „Wohin der Anleger blickt, da ist BLACKROCK.“

Wer ist BLACKROCK? Ein Konstrukt, hinter dem sich die Ultra- und Superreichen mit ihrem Aktienvermögen verstecken, damit sie nicht namentlich in die Schlagzeilen geraten. Es kommt nämlich ausgesprochen blöde, wenn sie, die sich gerne als „Großspender“ und „Wohltäter“ geben, plötzlich im gleichen Atemzug mit Arbeitsplatzvernichtung, Kriegstreiberei, Ausbeutung von Natur und Mensch, Hunger, Menschenrechtsverletzungen usw. genannt werden, dem Stoff, aus dem ihre Profite sprudeln.

Und BAYER? Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (1) schreibt in der jüngsten Ausgabe des Magazins Stichwort BAYER (2): „270.000 AktionärInnen halten etwa 827 Millionen Aktien. (...) Die meisten Aktien hält BLACKROCK“.

Nun kann man sagen: Was geht mich das an?! Das aber wäre ausgesprochen dumm. Nicht nur für die KollegInnen bei BAYER, sondern - so banal es klingt - für alle. Denn BLACKROCK bestimmt unser Schicksal. Um die Profite der Ultra-Reichen zu sichern, hat BLACKROCK nicht nur dominierende Aktienpakete an allen Großkonzernen der Welt, sondern bestimmt z.B. als „Berater“ die Politik der Europäischen Zentralbank. Und hält natürlich auch bestimmende Anteile an den großen Rating-Agenturen, die wir ja nun alle auch schon kennen: Sie bestimmen mit ihren „Ratings“ über Wohl und Wehe ganzer Staaten und leisteten z.B. der Spekulation gegen Griechenland Vorschub.

Und dann kommt die CAPITAL GROUP. Ein weiteres Konstrukt der Ultra-Reichen. Es hält 16 Prozent an BAYER. Und wer rechnen kann, stellt fest: das sind zusammen 46 Prozent, also bereits knapp die Hälfte aller Aktien. So hat sich heimlich still und leise die Macht bei BAYER von ehemals mehreren hunderttausend AktionärInnen auf eine Handvoll ultra-reicher „Investoren“ verlagert.

Und hier schließt sich der Kreis: Wer zahlt, bestimmt die Musik. Entsprechend klärt sich auch das Rätsel, weshalb MATERIAL SCIENCE nun den Geiern vorgeworfen wird, obwohl Marijn Dekkers bis zuletzt beteuerte, dass der Bereich im Konzern bleibt: Die BLACKROCK-/CAPITAL-Profite gieren nach mehr, da muss Dekkers MATERIAL SCIENCE zum Abschuss freigeben, ob er will oder nicht. Die BAYER-Aktie explodierte jedenfalls direkt von ca. 106 auf ca. 114 Euro. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

(1) Coordination gegen BAYER-Gefahren, siehe www.CBGnetwork.org
(2) Stichwort BAYER erscheint seit 1983 vierteljährlich, siehe www.stichwort-bayer.de

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[BlackRock] STICHWORT BAYER 04/2014

CBG Redaktion

Erratum: Die Finanzaufsicht Bafin hat am 20. März 2015 gegen BlackRock ein Bußgeld von 3,25 Millionen Euro verhängt – die bislang höchste Summe überhaupt. Hintergrund sind Verstöße gegen das Wertpapierhandelsgesetz. Blackrock-Konzerngesellschaften hätten Mitteilungen über gehaltene Stimmrechtsanteile und Finanzinstrumente inhaltlich nicht richtig abgegeben.
Dies führte auch zu Problemen in der Berichterstattung der Coordination gegen BAYER-Gefahren. Die CBG hatte in dem Artikel „BLACKROCK beherrscht BAYER“ den Aktien-Anteil des Finanzinvestors am Leverkusener Multi auf 30 Prozent beziffert (Stand Sommer 2014). Dazu hatte die CBG die einzelnen Anteile, welche BLACKROCK-Tochterunternehmen wie BLACKROCK GROUP LIMITED, BR JERSEY INTERNATIONAL HOLDINGS oder BLACKROCK INTERNATIONAL HOLDINGS am Konzern halten, addiert. Diese Rechnung ist aber unzulässig, da es sich bei den Gesellschaften NICHT um eigenständige Einheiten handelt. Obwohl die Tochterfirmen in verschiedenen Ländern angesiedelt sind, führen sie nach Angaben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) oftmals dieselben Aktienpakete in ihren Beständen.
Diese doppelte Buchführung erschließt sich aus den Angaben zu den Besitzverhältnissen, zu welchen der Gesetzgeber die Finanzdienstleister zwingt, nicht. Dies führte offenbar auch zu der o.g. Strafzahlung. Diese Intransparenz macht es sogar den Unternehmen selbst schwer zu eruieren, wem sie zu welchem Teil eigentlich gehören. Sie erheben diese Zahlen nur an bestimmten Stichtagen.
Die Coordination wurde durch die Blackrock-Mitteilungen zu falschen Schlüssen verleitet, so dass sie die Zahlen nun korrigiert: Der Blackrock-Anteil an BAYER beträgt aktuell (Stand: März 2015) 6,2 Prozent. Die CBG fordert eine gesetzliche Regelung, wonach börsennotierte Unternehmen online alle Anteilseigner mit einem Besitz oberhalb von einem Prozent nennen müssen.

BLACKROCK beherrscht BAYER

BAYERs Aktionärsstruktur hat sich in den Zeiten des forcierten Finanzkapitalismus stark verändert. Rund 80 Prozent der Anteile befinden sich in ausländischem Besitz. Die meisten Papiere hält der Finanzinvestor BLACKROCK.

Von Jan Pehrke

Fast 827 Millionen Aktien hat der Leverkusener Multi auf sein Grundkapital von 2,1 Milliarden Euro ausgegeben. Es verteilt sich aktuell auf 270.000 AktionärInnen – 1972 zählte der Geschäftsbericht noch 480.000 auf. Zudem gibt es unter ihnen eine klare Hierarchie. PrivatanlegerInnen halten nur rund elf Prozent der Papiere, den Rest kauften Großanleger, die ihren Sitz zumeist im Ausland haben. 78,1 Prozent der Anteilsscheine liegen nicht in bundesdeutschen Depots, stattdessen befinden sich allein 29 Prozent in US-amerikanischem oder kanadischem und rund 17 Prozent in englischem oder irischem Besitz.

Die meisten Aktien erwarb der Finanzinvestor BLACKROCK. Auf rund 30 Prozent beläuft sich der Anteil des 1988 gegründeten US-amerikanischen Vermögensverwalters am BAYER-Grundkapital. Damit es nicht so auffällt, hat er den Kuchen in zumeist ca. 5-Prozent großen Stücken auf Unter-Gesellschaften wie BLACKROCK GROUP LIMITED, BR JERSEY INTERNATIONAL HOLDINGS oder BLACKROCK INTERNATIONAL HOLDINGS verteilt. Auf eine vergleichbar hohe Prozentzahl kommt BLACKROCK bei DAIMLER, ALLIANZ und BASF. Auch an anderen DAX-Unternehmen ist die Gesellschaft noch beteiligt. Ihre US-amerikanischen Investitionen erstrecken sich unter anderem auf APPLE, MICROSOFT, GENERAL ELECTRIC und GOOGLE sowie die beiden Rating-Agenturen STANDARD & POOR’S und MOODY’S.

Damit entwickelte BLACKROCK sich zum größten Vermögensverwaltungskonzern der Erde. Über rund 4,3 Billionen Dollar an Einlagen – das Zehnfache des Staatshaushalts der Bundesrepublik – gebietet er und sieht sich dabei verpflichtet, „für unsere Kunden Lösungen zu entwickeln, die kontinuierlich höhere Erträge erzielen“. Zu den Klienten zählen Superreiche, arabische Staatsfonds, Pensionsfonds wie DANICA PENSION, Wohltätigkeitsstiftungen wie der Tuition Trust oder der Monument Trust. Darüber hinaus betreut der Finanzinvestor die Pensionskassen von privaten Unternehmen wie dem Wasserversorger SEVERN TRENT oder von staatlichen Institutionen wie dem „Sacramento County Employees’ Retirement System“. In der Bundesrepublik ist BLACKROCK unter anderem für Spar- und Genossenschaftsbanken tätig. Zudem haben Kunden wie die US-amerikanische Notenbank oder die irische Zentralbank dem Global Player für Kapital in Höhe von rund zehn Billionen Dollar das Risiko-Management anvertraut.

10 Milliarden Dollar betrug der Umsatz 2013. Damit davon ein erklecklicher Reingewinn übrig bleibt, hat das Unternehmen seinen Hauptsitz im US-amerikanischen Steuer-Paradies Delaware. Es spart jedoch auch anderswo Abgaben, beispielsweise auf Jersey oder den Kaiman-Inseln. Allein dort haben 70 Investment-Gesellschaften von BLACKROCK Briefkästen.

Wäre die Studie der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich von 2011 über das weltbeherrschende Netzwerk der 147 einflussreichsten Unternehmen „The Network of Global Corporate Control“ in diesem Jahr erschienen, so belegte der Finanzinvestor darin einen der vordersten Plätze. Nicht nur seine Größe brächte ihn in eine solche Position, auch in das von den Autoren beschriebene geschlossene System gegenseitiger Kontrolle würde er perfekt passen. Zu drei Vierteln gehört der Vermögensverwalter den drei Geldhäusern MERRILL LYNCH, BARCLAYS und PNC FINANCIAL SERVICES, an denen er jedoch ebenfalls erhebliche Anteile besitzt. Solche Überkreuz-Beteiligungen gibt es zudem noch mit SWISS RE, GENERAL ELECTRIC, KKR und weiteren Unternehmen, so dass der ideelle Gesamtkapitalist mit diesem exklusiven Club der 147 eine erschreckend reale Gestalt annimmt.

Und in diesen Tagen ist er ein Gesamtfinanzkapitalist. 48 der 50 größten Konzerne der ETH-Liste gehören der Finanzwelt an; nur WAL-MART und die CHINA PETROCHEMICAL GROUP gehen anderen Geschäften nach. Auf Platz zwei firmiert die CAPITAL GROUP, mit 16 Prozent zweitgrößter Investor beim Leverkusener Multi; BAYERs Nr. 3, die rund zehn Prozent des Kapitals haltende Bank MORGAN STANLEY, nimmt in der Aufstellung den 21. Rang ein. Finanzprodukte stellen also gegenwärtig die Ware der Wahl dar, die Umsätze an den Börsen übertreffen diejenigen der „Realwirtschaft“ bei weitem, ebenso wie die Profite.

Eine globalisierte Rentier-Ökonomie hat sich herausgebildet. Und der Leverkusener Multi hat das Seine dazu getan. 1999 wechselte nämlich mit Heribert Zitzelsberger der Finanzchef des Konzerns in die Politik und übernahm im Finanzministerium den Posten des Staatssekretärs. „Wir haben unseren besten Steuer-Mann nach Bonn abgegeben“, erklärte der damalige Vorstandsvorsitzende Manfred Schneider und fuhr fort: „Ich hoffe, dass er so von BAYER infiltriert worden ist, dass er (...) die richtigen Wege einleiten wird.“ Und die Hoffnung trog nicht. Zitzelsberger brachte nicht nur eine Unternehmenssteuer„reform“ auf den Weg, sondern trieb auch die Entflechtung der Deutschland AG voran1. Er bereitete ein Gesetz mit vor, das den Konzernen die Veräußerung von Unternehmensteilen ermöglichte, ohne dafür Steuern zahlen zu müssen. Flugs darauf setzte ein großer Verkaufsboom ein. Die DEUTSCHE BANK trennte sich etwa in großem Unfang von ihren Beteiligungen an HOLZMANN, MANNESMANN und anderen Firmen, um mit den Erlösen im Ausland auf Einkaufstour zu gehen. Der Leverkusener Multi debütierte im Lauf dieser Entwicklung 2002 an die US-Börse – von der er sich inzwischen allerdings wieder zurückgezogen hat. Und im Gegenzug kamen dann BLACKROCK & Co. ins Land. Durch den Globalisierungsschub stieg dann auch der Anteil von BAYER-Aktien in ausländischem Besitz kontinuierlich an. Betrug er 2005 39 Prozent, so erhöhte er sich bis dato auf 78,1 Prozent.

Der Pharma-Riese stellte sich beizeiten auf den Strukturwandel ein. Früh schon hat er eine Abteilung für „Investor Relations“ eingerichtet. Die Arbeitsplatz-Beschreibung lautet wie folgt: „Im Umgang mit Analysten, Investoren und Rating-Agenturen wollen wir zur Börsenwert-Steigerung des Unternehmens und zu einem angemessenen Kredit-Standing beitragen. Ein umfassender Informationsaustausch zwischen dem Unternehmen und der Financial Community steht dabei im Mittelpunkt.“ Zu diesem Behufe lädt das Ressort die Investoren regelmäßig zu Treffen mit dem BAYER-Chef Marijn Dekkers ein, stattet ihnen im Zuge so genannter Roadshows rund um den Globus Hausbesuche ab und bittet quartalsmäßig zu Telefon-Konferenzen.

Auf diesen Konferenzen müssen der Vorstandsvorsitzende und die Leiter der Pharma-, Agro- und Kunststoffsparten dann den ExpertInnen von MORGAN STANLEY, JP MORGAN und anderen Finanzhäusern Rede und Antwort stehen und Auskunft über Produktionsverzögerungen, schlechte Verkaufszahlen von Medikamenten, die Auswirkungen von niedrigen Lebensmittelpreisen auf das Pestizid-Geschäft oder anvisierte Veräußerungen von Unternehmensteilen geben. Und selbstverständlich mag BLACKROCK ebenfalls nicht auf solche Kontaktaufnahmen verzichten. „Wir nehmen die Verantwortung für unsere Kunden wahr, indem wir direkt mit dem Management sprechen“, hält Deutschland-Chef Dirk Klee fest. Und es braucht auch nicht bei Worten zu bleiben. Mit seinen hohen Kapital-Anteilen verfügt der Finanzinvestor nämlich über eine Sperrminorität und kann bestimmte Hauptversammlungsentscheidungen blockieren.

Sich bei solchen „Investor Relations“ zu BLACKROCK & Co. als beziehungsfähig zu erweisen, gehört mittlerweile zum Anforderungsprofil für Führungskräfte. Der Leverkusener Multi passte sich dieser Notwendigkeit erstmals 2002 an. In diesem Jahr gelangte mit Werner Wenning, der heute dem Aufsichtsrat vorsteht, erstmals ein Zahlenprofi auf den Chef-Sessel – zuvor hatten dort nur Chemiker Platz genommen. „Als ausgewiesener Finanz-Fachmann besitzt er hohe Akzeptanz auf den internationalen Kapitalmärkten“, strichen die „Investor Relators“ dann auch gleich bei seiner Amtseinführung heraus. Wennings Vorgänger Manfred Schneider hatte mit den Finanzinvestoren und Pensionsfonds-VertreterInnen, die sich zunehmend in die Geschäftspolitik einmischten, noch so seine liebe Not. Aber Wenning hat den Konzern bereits vor seinem Karrieresprung konsequent auf deren Bedürfnisse ausgerichtet. So führte er beispielsweise schon früh das Wertmanagement ein, die strikte Ausrichtung jeder Unternehmenshandlung und jedes/r Beschäftigten auf die Steigerung des Aktienkurses. Als Vorstandsvorsitzender bestand eine seiner ersten Amtshandlungen darin, aus BAYER eine Holding zu machen, um „Werttreiber und Wertvernichter noch leichter identifizieren zu können“. Und mit der Chemie-Sparte hatte er bald auch schon einen „Minderleister“ identifiziert. Im Jahr 2003 trennte sich das Unternehmen von diesem Geschäft und gab damit dem Druck des Kapitalmarkts, sich auf seine Kern-Kompetenzen zu konzentrieren, nach, dem Manfred Schneider noch lange widerstanden hatte.

BLACKROCK steht in dem Ruf, sich nicht in solche Entscheidungsprozesse einzumischen. Es dürfte den Finanzinvestor auch schlicht überfordern, das Tagesgeschäft aller Global Player steuern zu wollen, von denen er Aktien besitzt. Stattdessen trennt sich der Vermögensverwalter schlicht von Beteiligungen, wenn ihm der Kurs eines Unternehmens missfällt. Aber der Konzern kann auch anders. So sitzt mit Sue Wagner eine der MitgründerInnen BLACKROCKs im Verwaltungsrat von APPLE. Wagner & Co. führen sogar Prozesse gegen „ihre“ Firmen. Beispielsweise verklagten sie die DEUTSCHE BANK wegen ihrer Verluste mit Hypotheken-Anleihen. Die CAPITAL GROUP als BAYERs zweitgrößter Anteilseigner geht noch rabiater vor. So hintertrieb sie 2005 in Tateinheit mit einem Hedge Fonds die Pläne der DEUTSCHEN BÖRSE AG zur Übernahme der Londoner Börse und sorgte für die Ablösung des Vorstandsvorsitzenden Werner Seifert.

BLACKROCK gibt sich nicht mit einem solchen Kleinklein ab. In seiner Anlage-Strategie lässt das Unternehmen sich von seinem Super-Computer „Aladdin“ leiten. Eine „ultimative Risikobewertungsmaschine“, nennt Jens Berger von den Nachdenkseiten das Netzwerk aus 5.000 Rechnern, dem „eine in Algorithmen geschmiedete betriebswirtschaftliche Logik“ implementiert ist, darauf geeicht, den größtmöglichen finanziellen Nutzen beim kleinstmöglichen Gefährdungspotenzial zu bestimmen.

Auf diese Rechenkünste greift auch die Politik gerne zurück. BLACKROCK-Boss Laurence Fink gilt als „der mächtigste Mann der Wall Street“. Laut Handelsblatt hat der Konzern „beste Verbindungen zur US-Regierung“, nicht zuletzt dank vieler Ehemaliger in den eigenen Reihen. Auffällig stark stieg der Einfluss des Moguls nach Ausbruch der Finanzkrise. Der Vermögensverwalter war an der Sanierung bzw. Abwicklung der Unternehmen BEAR STEARNS, AIG, CITIGROUP, FANNIE MAE sowie FREDDIE MAC beteiligt und strich dafür hohe Summen ein. Allein für die Dienste bei BEAR STEARNS und AIG zahlte die Obama-Administration 180 Millionen Dollar. Darüber hinaus hielt Fink von 2011 bis Mitte 2012 ständig mit dem damaligen Finanzminister Timothy Geithner Kontakt. 49 Telefonate mit dem BLACKROCK-Chef verzeichnete Geithners Notizbuch. Das „zeigt, wie Regierungen sich nach der Finanzkrise an den Asset Manager als einen vertrauenswürdigen Berater wendeten“, konstatiert die Financial Times.

Besonders heiß liefen die Drähte im Juli 2011, als wegen der immensen Rettungspakete für die Banken die Zahlungsunfähigkeit des US-Staates drohte und nur eine Anhebung der Schuldengrenze einen Ausweg bot, dem sich die RepublikanerInnen aber zunächst verweigerten. Während der schwierigen Verhandlungen musste Geithner mögliche Reaktionen der Schuldenmärkte abschätzen und zog dafür Fink zurate. Dafür erfuhr dieser auch umgehend von dem erzielten Kompromiss. Nur den Notenbank-Chef Ben Bernanke informierte der Finanzminister eher. Den Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, zählt Laurence Fink sogar zu seinen Freunden. Darum erwies er dem ehemaligen Manager von GOLDMAN SACHS auch einen „Freundschaftsdienst“ und sah im Auftrag der spanischen, irischen und griechischen Regierungen bei den verschuldeten Banken der Länder nach dem Rechten.

Auch den Handel mit Asset Backed Securities (ABS) darf der US-amerikanische Finanzmogul für seinen alten Kumpel wieder in Schwung bringen. Die EZB will den angeschlagenen Banken im Südosten Europas nämlich solche in Wertpapiere verpackte Schuld-Forderungen abkaufen, die wegen ihres erheblichen Ausfallrisikos nicht unwesentlich zur Finanzkrise beigetragen haben. Das soll den Geldhäusern dann auf Kostern der SteuerzahlerInnen zu besseren Bilanzen verhelfen und auf diesem Wege e Kreditvergabe an die Privatwirtschaft ankurbeln.

BLACKROCK verdient also glänzend am Crash und muss sich auch vor den legislativen Lehren aus dem Desaster nicht fürchten. Durch intensiven Lobby-Einsatz gelang es Fink und Konsorten, den Dodd-Frank-Act, der mehr Transparenz und Regulierung auf den Finanzmärkten schaffen wollte, in entscheidenden Punkten abzuschwächen.

So steht der Finanzkapitalismus heutzutage stärker denn je dar. Dessen Anfänge hatte der sozialdemokratische Theoretiker Rudolf Hilferding bereits 1910 beschrieben. Die Herausbildung von Monopolen und die Entstehung von Aktiengesellschaften mit angestellten ManagerInnen statt mit EigentümerInnen, auf deren Geschäftspolitik die Banken maßgeblichen Einfluss hatten, galt ihm als Zäsur. „Ein immer größerer Teil des in der Industrie verwendeten Kapitals ist Finanzkapital, Kapital in der Verfügung von Banken und in der Verwendung der Industriellen“, schrieb er. In seinen Augen lag die Kontrolle über die gesellschaftliche Produktion in den Händen einer Oligarchie. Und Hilferding verknüpfte eine Hoffnung damit: „Die vergesellschaftende Funktion des Finanzkapitals erleichtert die Überwindung des Kapitalismus außerordentlich.“ Die ProletarierInnen bräuchten nur noch den Staat zu erobern und sich des Finanzkapitals zu bemächtigen, um sofort die Verfügung über die wichtigsten Produktionszweige zu erhalten, so Hilferding. Später allerdings wurde er milder und hat „diesen geräuschvollen Machtwechsel von Klassen in einen harmonischen Regierungswechsel von Parteien uminterpretiert“, wie Guenther Sandleben in „Das Finanzkapital“ schreibt. So blieb die Eroberung aus, und alles geht weiter seinen finanzkapitalistischen Gang, der nur einen Modus kennt: schneller. Darum hat sich auch Konzern-Chef Marijn Dekkers für die letzten beiden Jahre seiner Amtszeit bloß eines vorgenommen: „den Firmenwert von BAYER weiter zu steigern“. Und als geeignetes Mittel hierzu erscheint ihm der Verkauf der Kunststoff-Sparte. BLACKROCK & Co. dürften maßgeblich zur Entscheidungsfindung beigetragen haben.

(1) Werner Rügemer; Deutschland-AG aufgekauft; junge welt 19.3.13

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[Ticker] STICHWORT BAYER 04/2014 – TICKER

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Erfolgreiche Jahrestagung
2014 fand die Jahrestagung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zum Thema „No Taxes – Die Steuerflucht großer Konzerne“ in einem etwas anderen Rahmen als gewohnt statt. Der Coordination war es nämlich gelungen, Sahra Wagenknecht von der Partei „Die Linke“ als Gastrednerin zu gewinnen, weshalb die CBG die Veranstaltung in den Bürgersaal der Düsseldorfer Arcaden verlegte. Und die Bundestagsabgeordnete enttäuschte die Erwartungen der 160 BesucherInnen nicht. Imposant schilderte sie die ganz legalen Steuertricks der Global Player, denen es gelingt, sich vornehmlich durch interne Geschäfte mit Waren, Krediten und Lizenzen so arm zu rechnen, dass – wie im Fall von IKEA – für den Fiskus gerade mal fünf Prozent vom Gewinn übrig bleiben. Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der CBG skizzierte im Anschluss den größeren politischen Rahmen, der dieses Treiben überhaupt erst ermöglicht, und illustrierte schließlich am konkreten Beispiel „BAYER“ die gängigen Steuervermeidungsstrategien wie etwa diejenige, die BAYERs Finanz-Vorstand Werner Baumann „eine veränderte regionale Ergebnis-Verteilung“ nennt. Nach den Vorträgen entwickelte sich dann noch eine lebhafte Diskussion, so dass die BesucherInnen am Ende angeregt, ein bisschen klüger und hoffentlich motiviert zu einem Engagement gegen die Machenschaften von BAYER & Co. ihre Heimreise antraten.

CBG-Vortrag in Tutzing
Im August 2014 hatte die „Politische Akademie Tutzing“ die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zu einem Vortrag eingeladen. CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes referierte im Rahmen des Seminars „Werte-Bildung im Chemie-Unterricht“ vor größtenteils promovierten ChemikerInnen zum Thema „Bewertung der Risiken der chemischen Industrie“. Über drei Stunden berichtete Mimkes über die Gefährdungspotenziale bei BAYER & Co. Aber auch danach erlahmte das Interesse nicht, so dass sich im Anschluss an den Beitrag noch eine intensive Diskussion entspann. Die Seminar-Leitung freute sich über den ganzen Input und bot der Coordination an, sie bei passender Gelegenheit wieder nach Tutzing zu holen.

Nobelpreis für Kailash Satyarthi
In diesem Jahr erhielt Kailash Satyarthi, der langjährige Vorsitzende des GLOBAL MARCH AGAINST CHILD LABOUR, für sein Engagement gegen die Kinderarbeit den Friedensnobelpreis. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) lernte den Inder 2003 durch eine Kooperation kennen. Sie gab in diesem Jahr gemeinsam mit dem GLOBAL MARCH und dem INDIA COMMITTEE OF THE NETHERLANDS eine Studie heraus, welche unter anderem das große Ausmaß von Kinderarbeit auf den Feldern eines Zulieferers von BAYER CROPSCIENCE dokumentierte. Auch den Offenen Brief an den damaligen BAYER-Chef Werner Wenning mit der Forderung, diese Praxis nicht länger zu dulden, unterschrieb die indische Initiative mit. So trug sie mit dazu bei, durch politischen Druck eine deutliche Verbesserung der Situation zu erreichen. Deshalb freute sich die CBG sehr über die Stockholmer Entscheidung und sandte Kailash Satyarthi herzliche Glückwünsche.

BUKO-Veranstaltung zu Uganda
Die BUKO Pharma Kampagne hat eine neue Studie zur Geschäftspraxis der drei Pharma-Riesen BAYER, BOEHRINGER und BAXTER in Uganda herausgegeben. Im Spätsommer 2014 kam mit Denis Kibira ein Mitwirkender an der Untersuchung aus Afrika nach Deutschland, um persönlich ein Bild von der Situation vor Ort zu geben. Am 6. September machte der Apotheker und Geschäftsführer der Initiative COALITION FOR HEALTH PROMOTION AND SOCIAL DEVELOPMENT in der Kölner Alten Feuerwache Station, und die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) trat aus gegebenem Anlass als Mitveranstalter auf. Von BAYER wusste Kibira nur wenig Gutes zu berichten. Der Leverkusener Multi bietet für die in Uganda am weitesten verbreiteten Gesundheitsstörungen kaum Arzneien an, weil er sich in Forschung & Entwicklung lieber auf die mehr Rendite versprechenden Mittel gegen westliche Zivilisationskrankheiten konzentriert. Zudem vermarktet der Konzern in dem Land viele umstrittene und deshalb als irrational eingestufte Pharmazeutika: 21 von 49 Medikamenten fallen unter diese Kategorie. Zu den als unentbehrlich erachteten Mitteln des Global Players hingegen hat die Bevölkerung wegen der hohen Preise kaum Zugang; sie finden sich zumeist nur in Privatkliniken und Privat-Apotheken.

ESSURE-Kampagne zeigt Wirkung
Bei ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, handelt es sich um eine kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich die Eileiter verschließen. Allzu oft jedoch bleibt die Spirale nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Nebenwirkungen Darum zieht ESSURE viel Kritik auf sich. So hat in den USA die Aktivistin Erin Brockovich, die durch einen Hollywood-Film über ihr Umwelt-Engagement zu großer Popularität gelangte, eine Kampagne gegen das Medizin-Produkt initiiert. Ihre Landsmännin Michelle Garcia setzte das Thema sogar auf die Tagesordnung der letzten Hauptversammlung des Leverkusener Multis. Auch im Internet verbreitet sich der Protest. Die FACEBOOK-Gruppe „Essure Problems“ hat aktuell über 11.000 Mitglieder. Das alles zeigt Wirkung – die Umsätze entwickeln sich nicht so wie erhofft. Die genauen Zahlen wollte der Konzern dem Internet-Portal Fierce Medical Devices wohlweislich nicht nennen. Selbst bei der Investoren-Konferenz im Juli 2014 musste das Unternehmen eingestehen: „Es gibt ein paar Klagen in den sozialen Medien, aber die Dinge bessern sich.“

Protest gegen „Food Partnership“
Die bundesdeutsche Entwicklungshilfe-Politik setzt auf Kooperationen mit der Privatwirtschaft. So hat das „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) mit dem Leverkusener Multi, BASF, SYNGENTA und ca. 30 weiteren Konzernen die „German Food Partnership“ (GFP) gegründet (SWB 4/13). Staatliche Mittel fließen unter anderem in zwei Projekte mit BAYER-Beteiligung, die „Better Rice Initiative in Asia“ (BRIA) und die „Competitive African Rice Initiative“ (CARE). Diese dienen dem Agro-Riesen als Vehikel, um seinen nach einer agro-industriellen Produktionsweise verlangenden, nicht zur Wiederaussaat geeigneten Hybrid-Reis zu vermarkten. Am 15. Oktober 2014, dem Welternährungstag, protestierten die Initiativen OXFAM und FIAN gegen die GFP. Um die fatalen Auswirkungen des Joint Ventures zu illustrieren, ließen die Organisationen Doubles von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Entwicklungshilfe-Minister Gerd Müller mit einer Riesen-Kugel, auf der die Namen von BAYER, BASF und MONSANTO prangten, Kleinbauern und Kleinbäuerinnen wegkegeln. „Mehr als die Hälfte aller weltweit Hungernden sind Kleinbäuerinnen und -bauern. Mit ihnen sollte die Bundesregierung gezielt zusammenarbeiten. Konzerne mit Steuergeldern zu fördern, ob direkt oder indirekt, macht niemanden satt außer die Konzerne selbst“, so David Hachfeld von OXFAM.

Mehr unabhängige Arznei-Forschung!
Der an der Universität Mainz tätige Mediziner Peter Galle hat in der Faz die zu große Abhängigkeit seiner Zunft von BAYER & Co. beklagt. So sei das Mitwirken von ÄrztInnen bei Arznei-Tests „von Abhängigkeiten und Vorbedingungen belastet, die einer objektiven Wissensvermehrung im Wege stehen können“, schreibt Galle und nennt als Beispiel die „Anpassung des Studien-Designs auf eine Effekt-Maximierung“. Zudem verhindert die Ausrichtung der Konzerne auf profitable Medikamente seiner Meinung nach die Entwicklung von Präparaten für kleinere PatientInnen-Gruppen. Angesichts der zu geringen Ausstattung der Universitätskliniken und zu kleiner Fördersummen der „Deutschen Forschungsgemeinschaft“ fordert er die Politik zu mehr Investitionen in unabhängige Pharma-Forschung auf. Und auch den Pillen-Riesen verlangt er einen Obolus zu dieser ab.

DUOGYNON: Kritik an BAYER
Der hormonelle Schwangerschaftstest DUOGYNON der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING hat ab den 1950er Jahren zu tausenden Todgeburten geführt. Darüber hinaus kamen unzählige Kinder mit schweren Missbildungen zur Welt. Der Lehrer Andre Sommer forderte den Leverkusener Multi deshalb stellvertretend für andere Betroffene auf, ihm Einblick in die DUOGYNON-Akten zu gewähren. So wollte er feststellen, welche Kenntnis der Konzern von der verheerenden Wirkung des Mittels hatte, um dann Schadensersatz-Ansprüche prüfen zu können. Der Pharma-Riese weigerte sich allerdings, und auch per Klage erreichte Sommer keine Öffnung der Archive. Der Leiter des „Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte“, Walter Schwerdtfeger, kritisiert die Haltung des Unternehmens. Auf die Frage der WirtschaftsWoche: „Ist es nachvollziehbar, dass BAYER die Akten zu einem Hormon-Präparat nicht herausrückt, das etliche Patienten geschädigt haben soll?“, gibt der Biologe eine klare Antwort. „Es dürfte für BAYER schwer werden, die Akten dauerhaft zurückzuhalten. Grundsätzlich müssen die Unternehmen anerkennen, dass die Öffentlichkeit einen Anspruch auf solche Daten hat“, so Schwerdtfeger.

KAPITAL & ARBEIT

BAYER stößt Kunststoff-Sparte ab
Jahrelang hatten die Finanzmärkte den Leverkusener Multi mit der Forderung konfrontiert, sich von seiner Kunststoff-Sparte BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) zu trennen und auch konkrete Maßnahmen ergriffen, um den Konzern zum Verkauf zu bewegen. So belegten sie Aktien von Mischkonzernen wie BAYER mit einem Konglomeratsabschlag. Aber erst jetzt, da der Einfluss von Finanzinvestoren wie BLACKROCK auf den Global Player so groß ist wie nie, gab er dem Druck nach und kündigte an, BMS an die Börse bringen zu wollen (siehe SWB 4/14). Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE versuchte, dagegen vorzugehen, musste sich aber geschlagen geben. „Die durch uns kritisierte Abkehr von der Drei-Säulen-Strategie ist durch die Arbeitnehmer-Vertreter im Aufsichtsrat, trotz intensivster Beratungen, nicht zu verhindern gewesen“, erklärten die GewerkschaftsvertreterInnen. Das Management hatte angekündigt, den Bereich sonst finanziell auszuhungern. Ein klarer Fall von Erpressung also. Dabei hatte die Belegschaft in der Vergangenheit viele Opfer gebracht, um das Geschäftsfeld im Unternehmensverbund halten zu können. Über 2.000 Beschäftigte verloren ihren Arbeitsplatz, der Rest musste eine untertarifliche Bezahlung, das Streichen von Bonus-Zahlungen und immer neue Rationalisierungsprogramme über sich ergehen lassen. Alles umsonst, wie sich jetzt herausstellt.

BLACKROCK schreibt BAYER & Co.
BLACKROCK ist der weltweit größte Finanzinvestor und besitzt von fast allen Global Playern Aktien (siehe SWB 4/14). An BAYER hält er rund 30 Prozent der Geschäftsanteile. Seine Einfluss macht BLACKROCK-Chef Laurence Fink unter anderem durch an die Vorstandschefs „seiner“ Unternehmen adressierte Briefe geltend. Im März 2014 erhielten der Leverkusener Multi und die anderen Konzerne ein Schreiben, in dem Fink gnädigerweise konzedierte, auf schnelles Geld durch kurzfristrige Anlage-Strategien verzichten zu wollen. Aktien-Rückkäufe und Verschuldungen zwecks Dividenden-Erhöhungen anstelle von Investitionen in die Zukunft seien deshalb nicht in seinem Sinne, bedeutete der US-Amerikaner den ManagerInnen. Im Gegenzug verlangte er von den Bossen aber, ihm für eine mehr auf längerfristiges Wachstum angelegte Firmen-Politik gut ausgearbeitete Business-Pläne mit überprüfbaren Zielvorgaben vorzulegen, „um das geduldige Kapital anzuziehen, das sie haben wollen“.

4,83 Millionen für Dekkers
Im Geschäftsjahr 2013 strich BAYER-Chef Marijn Dekkers ein Salär von 4,83 Millionen Euro ein. Dazu kommen noch Pensionszusagen in Höhe von 677.000 Euro. Seine drei Vorstandskollegen verdienten zusammen 8,7 Millionen Euro und ein „Ruhegeld“ von 594.000 Euro.

BAYER kann nicht forschen
„BAYER ist ein Innovationsunternehmen von Weltrang“ tönte der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers 2013 auf der Hauptversammlung des Konzerns. Tatsächlich aber hat das Unternehmen mit der Forschung so seine liebe Mühe. „Wir sind gut in der Entwicklung, aber nicht so gut in der Forschung“, gesteht Forschungsvorstand Kemal Malik ein. Darum arbeitet der Global Player seit einigen Jahren verstärkt mit Hochschulen und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen zusammen. 2012 existierten allein im Pharma-Bereich 326 solcher Kooperationen.

Ein Kind der Großchemie
Seit Januar 2014 hat Frank Löllgen den Vorsitz des Nordrhein-Bezirkes der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) inne und ist damit auch für BAYER zuständig. Löllgen kennt den Leverkusener Multi sehr gut. Er hat dort eine Ausbildung zum Chemie-Laboranten gemacht und seinen Förderer, den heutigen IG-BCE-Vorsitzenden Michael Vassiliadis, kennengelernt. Eine besonders kritische Haltung hat der 52-Jährige zum Global Player nicht. Zu seiner 2011 erfolgten Berufung zum Leverkusener Bezirksleiter der Chemie-Gewerkschaft sagt er rückblickend: „Ich bin ein Kind der Großchemie. Dieses Gebiet mit BAYER zu übernehmen, war eine Auszeichnung.“

Betriebsrat muss putzen
Zwischen der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) und alternativen Gewerkschaftsgruppen wie dem BELEGSCHAFTSTEAM gab es in der Vergangenheit öfters Konflikte. „Wir brauchen in der Opposition keine Opposition“, meinte etwa der heutige Betriebsratsvorsitzende des Leverkusener BAYER-Werkes, Oliver Zühlke, als das BELEGSCHAFTSTEAM und die KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN FÜR EINE DURCHSCHAUBARE BETRIEBSRATSARBEIT bei den Betriebsratswahlen 2010 einer Personen- statt Gruppenliste nicht zustimmen mochten, weil die Organisationen befürchteten, dabei ihre Kenntlichkeit zu verlieren. Diese Animositäten könnten jetzt zu einer Auseinandersetzung beigetragen haben, die bis vor das Arbeitsgericht ging. Ein BELEGSCHAFTSTEAM-Betriebsratsmitglied hatte dort gegen BAYER und den Betriebsrat geklagt, weil er nach der Wahl seinen Status als freigestellter Beschäftigten-Vertreter verloren hatte und trotz 40-jähriger Betriebszugehörigkeit plötzlich „als bestbezahlte Putzfrau bei BAYER“ arbeiten musste. Zühlke gab zwar formale Fehler bei der Personalausschuss-Entscheidung auf Aberkennung der Freistellung zu, erklärte sie aber trotzdem für rechtmäßig. Die Richterin forderte die drei Parteien auf, eine außergerichtliche Einigung bei einem Streitschlichtungsgremium zu suchen.

IG BCE vs. VAA
In der Chemie-Industrie wächst der Anteil der Beschäftigten mit hohen Bildungsabschlüssen, während der Anteil der weniger gut qualifizierten Betriebsangehörigen sinkt. Deshalb machen sich die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) und der „Verband angestellter Akademiker und leitender Angestellter in der chemischen Industrie“ (VAA) zunehmend Konkurrenz. Die IG BCE versucht, in die Domäne des eher rechts von ihr stehenden VAA einzudringen. So machte sich ihr Vorsitzender Michael Vassiliadis jüngst die sonst vornehmlich in bürgerlichen Kreisen kursierende Forderung nach Abschaffung der kalten Progression, also des möglichen Auffressens einer Lohn-Erhöhung durch eine steuerliche Mehrbelastung, zu Eigen, was ihm allerdings Kritik von vielen GewerkschaftskollegInnen eintrug. DGB-Chef und BAYER-Aufsichtsrat Reiner Hoffmann trägt diese Strategie jedoch mit und betont: „Wir wollen nicht mehr nur mit Mindestlohn und Prekariat identifiziert werden.“ Der VAA indes hat es auch nicht mehr nur auf Belegschaftsmitglieder aus den Top-Etagen abgesehen und sammelt eifrig Betriebsratssitze. So haben VAAlerInnen an den BAYER-Standorten Berlin, Frankfurt und Bergkamen Mandate errungen. Vasiliadis kritisierte das Vorgehen des Verbandes in einem Brief an VAA-Hauptgeschäftsführer Gerhard Kronisch scharf. „Für uns ist irritierend, in welchem Umfang der VAA mit eigenen Listen bei den zurückliegenden Betriebsratswahlen außerhalb seiner Stamm-Klientel angetreten ist“, ereiferte er sich.

ERSTE & DRITTE WELT

Bienenkiller in kleinen Dosen
BAYERs Insektizid THUNDER enthält den für das weltweite Bienensterben mitverantwortlichen Wirkstoff Imidacloprid. In Afrika will der Konzern dieses Mittel jetzt für weniger als einen Dollar auch in Mini-Packungen anbieten, um sich den Markt für Kleinbauern und -bäuerinnen besser zu erschließen. Für die bedrohte Insekten-Art bedeutet das nichts Gutes.

IG FARBEN & HEUTE

Gedenkort für Euthanasie-Opfer
Die vom Leverkusener Multi mitgegründeten IG FARBEN haben nicht nur das Zyklon B für die Vergasung der Juden im „Dritten Reich“ geliefert. Der Mörder-Konzern hatte auch für die Euthanasie, der mehr als 100.000 behinderte oder psychisch kranke Menschen zum Opfer fielen, den passenden Rohstoff im Angebot. Er stellte für die „Aktion T4“ – benannt nach der Berliner Adresse des Planungszentrums für den Massenmord, das sich in der Tiergartenstr. 4 befand – das Kohlenmonoxid zur Verfügung. Im November 2011 entschied der Bundestag, in würdigerer Form als bisher an die „Aktion T4“-Toten zu erinnern und einen Gedenk- und Informationsort an der Tiergartenstraße zu errichten. Am 2. September 2014 fand die feierliche Eröffnung im Beisein des Berliner Bürgermeisters Klaus Wowereit und der Kulturstaatsministerin Monika Grütters statt.

Platz nach Norbert Wollheim benannt
Im Jahr 2001 ging das Frankfurter IG-FARBEN-Haus in den Besitz der „Johann Wolfgang von Goethe-Universität“ über. Seit dieser Zeit traten Studierende und Lehrende dafür ein, die mahnende Erinnerung an den von BAYER mitgegründeten Mörderkonzern wachzuhalten, indem die Hochschule den ehemaligen IG-Zwangsarbeiter Norbert Wollheim ehrt. Die Leitung wehrte sich aber erfolgreich dagegen, den zentralen Platz auf dem Gelände nach dem Mann zu benennen, der durch seinen 1951 begonnenen Musterprozess Entschädigungszahlungen für die SklavenarbeiterInnen den Weg ebnete. Stattdessen errichtete sie mit dem „Norbert Wollheim Memorial“ eine Gedenkstätte für ihn (siehe SWB 1/09). Die Studenten und Studentilannen erhielten ihre Forderung jedoch aufrecht und gaben der Alma Mater etwa 2009 im Zuge des damaligen Bildungsstreits symbolisch den Namen „Norbert Wollheim Universität“. Und ihre Beharrlichkeit zahlte sich aus. Überlebenden-Gruppen, das „Fritz-Bauer-Institut“ und die „Jewish Claim Conference schlossen sich den Studierenden an, und 2014 gab die Universitätsleitung schließlich nach: Sie entschied sich, als Adresse fortan nicht mehr „Grüneburg-Platz 1“, sondern „Norbert-Wollheim-Platz 1“ zu führen.

POLITIK & EINFLUSS

TTIP: BAYER antichambriert
Bei den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen der EU mit den USA diktieren die Multis den PolitikerInnen die Agenda. Allein von Anfang 2012 bis April 2013 fanden 130 Treffen der VerhandlerInnen mit Konzern-VertreterInnen oder Unternehmensverbänden in Sachen „TTIP“ statt. Diejenigen Lobby-Organisationen, denen BAYER angehört, sprachen nach Recherchen des CORPORATE EUROPE OBSERVATORY besonders oft vor. „Business Europe“, der europäische Chemie-Verband CEFIC, der „US Chamber of Commerce“ und der „Bundesverband der deutschen Industrie“ – diese Lobby-Vereinigungen hatten die meisten Gesprächstermine mit der „Generaldirektion Handel“ der EU. Dabei dürften auch solche „Handelshemmnisse“ auf der Tagesordnung gestanden haben, die dem Leverkusener Multi besonders im Wege stehen wie etwa strenge Sicherheitsauflagen für Genpflanzen, Pestizide und andere Chemikalien.

BAYER sponsert RepublikanerInnen
Im Jahr der Wahlen zum US-Kongress spendete BAYER bis zum Oktober 2014 über 325.000 Dollar an PolitikerInnen. RepublikanerInnen, die für das Repräsentantenhaus kandidierten, erhielten 158.000 Dollar vom Konzern, ihre demokratischen KonkurrentInnen 55.000 Dollar. Republikanische SenatsaspirantInnen bedachte der Pharma-Riese mit 53.000 Dollar, ihre demokratischen Pendants mit 33.000 Dollar.

Auf der Bilderberg-Gästeliste
Bei der jährlich stattfindenden Bilderberg-Konferenz handelt es sich um eine Zusammenkunft hochrangiger PolitikerInnen und WirtschaftsmanagerInnen aus den Industrie-Nationen. 1980 stand der damalige BAYER-Chef Herbert Grunewald auf der Gästeliste und 2004 das ehemalige BAYER-Aufsichtsratsmitglied Jürgen Weber.

Gentech-Kampagne in Argentinien
Argentinien ist das Land mit der weltweit drittgrößten Anbaufläche für Genpflanzen. Um das Reservoir noch ein wenig besser ausschöpfen zu können, ist ein neues Gesetz in Planung, „das von der Industrie entwickelt und vom Landwirtschaftsminister akzeptiert wurde“, wie das „U.S. Department of Agriculture“ mit bemerkenswerter Offenheit festhält. BAYER und den anderen in der „Argentine Seed Association“ organisierten Unternehmen geht es dabei vordringlich darum, die Zulassungsverfahren zu beschleunigen. Umweltgruppen haben jedoch eine Kampagne gegen das Vorhaben organisiert. Darum sah sich der US-amerikanische „Foreign Agriculture Service“ (FAS), der vor Ort in Buenos Aires ein Büro unterhält, gezwungen, ebenfalls Aktivitäten zu entfalten. Unter anderem plant der FAS PR-Maßnahmen für die Risiko-Technologie wie Workshops, Konferenzen mit argentinischen MinisterInnen, WissenschaftlerInnen und Medien-VertreterInnen sowie Kooperationen mit Universitäten und VerbraucherInnen-Organisationen.

BAYER-freundliche EEG-„Reform“
Immer wieder hatten BAYER & Co. in der Vergangenheit über die hohen Strom-Kosten geklagt, die ihnen das „Erneuerbare-Energien-Gesetzes“ (EEG) durch die Förderung von Windkraft & Co. angeblich beschert. Dabei gewährte das Paragraphen-Werk energie-intensiven Betrieben großzügige Rabatte, für welche die Privathaushalte aufzukommen hatten. Für diese stieg die Strom-Rechnung seit 2008 um 38 Prozent, während diejenige der Konzerne in dem Zeitraum sogar um ein Prozent niedriger ausfiel. Die ungleiche Lasten-Verteilung brachte das ganze EEG in Verruf, weshalb schon Schwarz-Gelb eine „Reform“ begann, welche die Große Koalition unter der Ägide von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) dann abschloss. Der Vize-Kanzler drosselte den Ausbau der Erneuerbaren Energien und schaffte es gleichzeitig, die von Brüssel als unerlaubte Subventionen angesehenen Industrie-Privilegien größtenteils beizubehalten. Nur ein kleines Entgegenkommen forderte er dafür von den Unternehmen. Der Sozialdemokrat plante, ihnen auch für die Energie, die sie in ihren eigenen Kraftwerken produzieren, einen Beitrag zur Ökostrom-Förderung abzuverlangen. Aber sofort brach ein Sturm der Entrüstung los. Der Leverkusener Multi, der fast 60 Prozent seines Energie-Bedarfs selber deckt, warnte: „Unsere KWK (Kraft/Wärme-Koppelung, Anm. SWB)-Anlagen würden sich, sollten diese Pläne umgesetzt werden, nicht mehr wirtschaftlich betreiben lassen, sowohl die bestehenden als auch die neuen.“ Pflichtschuldig machte sich Gabriel sogleich ans „Nachbessern“. Das Gesetz, das am 1. August 2014 in Kraft trat, lässt – vorerst bis 2017 – Altanlagen verschont und macht nur neu errichtete abgabepflichtig, wobei es BAYER & Co. dafür aber noch Ausgleichszahlungen gewährt. Sogar die Faz musste sich über diese Zugeständnisse wundern: „Noch vor Wochen hätte niemand damit gerechnet, dass Betriebe bei der Ökosteuer-Reform fast ungeschoren davonkommen.“

Ordnungsruf von Dekkers
BAYER-Chef Marijn Dekkers hat mal wieder das angeblich innovationsfeindliche Klima in der Bundesrepublik kritisiert. „Unsere industrielle Basis beginnt zu bröckeln“, warnte er in der Faz. Zu geringe Forschungsausgaben, zu hohe Energie-Kosten, zu wenig naturwissenschaftlicher Unterricht in den Schulen und eine angeblich nicht immer sachgerechte Bewertung neuer Produkte durch die Politik – all das gefährdet seiner Meinung nach die Zukunft des Standortes Deutschland.

Ordnungsruf von Wenning
Kaum ein Monat vergeht ohne ein Lamento des Leverkusener Multis über die hohen Energie-Kosten (s. o.), obwohl die Politik dem Unternehmen viel niedrigere Tarife als den Privathaushalten beschert hat. Der BAYER-Aufsichtsratschef Werner Wenning ging jetzt sogar so weit, eine neue Hartz-Runde zu fordern, um die angeblich so horrenden Strom-Rechnungen der Konzerne volkswirtschaftlich zu kompensieren. „Ich mache mir große Sorgen, dass wir bald an einem Punkt angelangt sind, wo wir eine Agenda 2025 brauchen, also harte Einschnitte, damit wir im internationalen Wettbewerb nicht zurückfallen“, so Wenning.

Blesner weiht BAYER-Center ein
Im September 2014 reiste Peter Bleser, Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, nach China, um „neue Export-Möglichkeiten für deutsche Agrar-Produkte auszuloten“. Während seines Aufenthalts weihte er gemeinsam mit dem stellvertretenden chinesischen Landwirtschaftsminister Niu Dun auch ein BAYER-Schulungscenter in der Nähe von Nanking ein, in dem der Leverkusener Multi bei den FarmerInnen künftig für sein Saatgut und seine Pestizide werben will. „Ich sehe in dem neuen Informationszentrum eine große Chance, das vorhandene Fachwissen über eine erfolgreiche und nachhaltige Erzeugung an die chinesische Landwirte weiterzugeben“, sagte Bleser zur Eröffnung.

Duin spricht Grußwort
Zu der Veranstaltung „Standpunkt am Standort: Motor und Partner für Innovation – Pharma-Industrie in NRW“, welche die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE am 31.10.2014 in Monheim mit dem von BAYER gegründeten „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller“ und der Biotech-Firma UCB co-managte, sprach der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) ein Grußwort.

Gabriel für BAYER & Co. in China
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) betätigte sich im April 2014 auf seiner China-Reise als Chef-Lobbyist von BAYER & Co. So forderte er seine Gesprächspartner in Peking auf, den Unternehmen einen besseren Rechtsrahmen im Allgemeinen und einen besseren Patentschutz im Besonderen zu gewähren. Auch bei den Ausschreibungen mahnte er Veränderungen im Sinne bundesdeutscher Firmen an. Zudem stufte er den Technologie-Transfer als Zugangsvoraussetzung für den chinesischen Markt ebenso sehr als Handelshemmnis ein wie die in manchen Branchen bestehende Auflage für ausländische Konzerne, mit einheimischen Partnern Joint Ventures eingehen zu müssen.

Neues Gesetz für IT-Sicherheit
Der Leverkusener Multi registriert des öfteren Attacken auf sein Computer-Netz. 2012 etwa gab es einen Hacker-Angriff aus China mit dem Ziel, Industrie-Spionage zu betreiben. Zuvor schon musste er sich des Computer-Virus’ Stuxnet erwehren. Auch die politische HackerInnen-Gruppe „Anonymus“ störte schon die digitalen Betriebsabläufe. Anderen Konzernen ergeht es ähnlich. Deshalb plant die Bundesregierung ein IT-Sicherheitsgesetz. Sie will eine Meldepflicht für die Opfer von Cybercrimes einführen und dem Bundeskriminalamt mehr Kompetenzen verleihen. Zudem plant die Große Koalition, die entsprechenden Abteilungen von BKA, Verfassungsschutz und „Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik“ mit mehr Personal auszustatten.

Dekkers neuer VCI-Präsident
BAYER-Chef Marijn Dekkers ist neuer Vorsitzender des „Verbandes der Chemischen Industrie“ (VCI). Im September 2014 hat er das Amt für die nächsten zwei Jahre übernommen.

Dekkers reist nach Russland
BAYER & Co. machten vor der Ukraine-Krise gute Geschäfte in Russland. Auf 750 Millionen Euro belief sich 2013 der Umsatz des Leverkusener Multis, wozu vor allem die Pharma-Sparte beitrug. Weil der Konzern auf dem Pillen-Markt mit jährlichen Steigerungsraten von acht bis neun Prozent und bis 2017 mit Gesamterträgen auf dem russischen Markt in Höhe von 1,3 Milliarden Euro rechnete, baute er seine Präsenz in dem Land stark aus. Die Diskussion um Wirtschaftssanktionen im Frühjahr 2014 alarmierte das Unternehmen deshalb. „Ich hoffe, dass die Situation diplomatisch gelöst werden kann“, ließ sich der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers damals vernehmen. Seine Hoffnung erfüllte sich nicht, die Strafmaßnahmen kamen. Ob er jetzt auch zu den Firmen-Bossen gehört, die Angela Merkel laut Spiegel mittels ständiger Anrufe drängen, für eine Lockerung der Handelsbeschränkungen einzutreten, ist nicht bekannt. Auf jeden Fall gehörte Dekkers aber der Wirtschaftsdelegation an, die im Oktober 2014 auf Einladung des russischen Premierministers Dmitri Medwedew zu einer Zusammenkunft ausländischer Investoren geflogen war. Das Kanzleramt war über diese Reise-Diplomatie not amused. „Was wir am wenigsten brauchen, ist eine Nebenaußenpolitik der Konzerne“, so ein Berliner Spitzen-Beamter.

Eine neue „Lex BAYER“
Über die marode Leverkusener Autobahn-Brücke dürfen keine schweren LKWs mehr fahren. Zum BAYER-Gelände müssen sie deshalb einen Umweg von ca. 20 Kilometern in Kauf nehmen. Ernst Grigat, bei der 60-prozentigen BAYER-Tochter CURRENTA für die Chem-„Parks“ in Leverkusen und Dormagen verantwortlich, verfällt aus diesem Grund schon in Weltuntergangsstimmung. „Wenn nicht schnellstmöglich Abhilfe geschaffen wird, fürchten wir, dass die Industrie verlagert wird. Damit ist das langsame Sterben der chemischen Industrie in Deutschland vorprogrammiert.“ Und die apokalyptischen Töne zeigen Wirkung. Der nordrhein-westfälische Bauminister Michael Groschek (SPD) kündigte einen Neubau an. Und damit alles ganz schnell geht, will der Sozialdemokrat sogar das Fernstraßen-Gesetz ändern und durch eine sogenannte „Lex Leverkusen“ den BürgerInnen-Willen außen vor halten. Nach den Plänen des Politikers sollen etwaige Einsprüche in die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts fallen und damit nur noch über eine Instanz gehen. Einen Zeitgewinn von bis zu anderthalb Jahren verspricht sich der Minister davon. „Wir können es uns nicht leisten, durch Klagewellen das Risiko einer Vollsperrung einzugehen“, so Groschek.

Kritik an EU-Aktienrechtreform
Die EU plant in einer neuen Richtlinie umfangreiche Aktienrechtsveränderungen. Sie will künftig die AktionärInnen alle drei Jahre über die ManagerInnen-Gehälter abstimmen lassen und dabei die Verhältnismäßigkeit in Bezug auf die sonst in den Unternehmen gezahlten Entgelte gewahrt wissen. Zudem beabsichtigt Brüssel, den AnteilseignerInnen ein Mitsprache-Recht zu verschaffen, wenn ein Konzern mit seinen eigenen Teil-Gesellschaften oder seinen GroßaktionärInnen Geschäfte abzuschließen gedenkt. Darüber hinaus sieht der Entwurf vor, Pensionsfonds und anderen institutionellen Anleger ebenso zu mehr Transparenz zu verpflichten wie die manchmal von ihnen angeheuerten StimmrechtsberaterInnen. Erwartungsgemäß laufen BAYER & Co. Sturm gegen das Vorhaben.

Juncker rudert zurück
Der Leverkusener Multi betrachtet Medikamente als ganz normale Wirtschaftsgüter. Dem wollte der neue EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker folgen. Beim Zuschnitt der neuen Kommissionen plante er, dem Gesundheitskommissar die Zuständigkeit für die Zulassung von Arzneien und Medizinprodukten zu entziehen und den Bereich unter die Verantwortung der neuen Industrie-Kommissarin Elzbieta Bienkowska zu stellen. Erst nach massiven Protesten ließ der Luxemburger von seinem Vorhaben ab. Dagegen gelang es ihm, das bisher eigenständige Klima-Ressort aufzulösen und es mit dem Energie-Ressort zu verbinden – schlechte Aussichten also für eine engagierte Politik zur Reduzierung des Kohlendioxid-Ausstoßes.

PROPAGANDA & MEDIEN

COLOSS betet Bienen gesund
Der Leverkusener Multi weigert sich weiterhin beharrlich, die Mitverantwortung seiner Pestizide GAUCHO und PONCHO am weltweiten Bienensterben einzuräumen. Ja, der Konzern weigert sich sogar, den Fakt als solchen anzuerkennen. „Europäische Honigbienen sind gesünder, als in vielen Medienberichten behauptet“, vermeldete das Unternehmen jüngst und berief sich dabei auf „das unabhängige Honigbienen-Forschungsnetzwerk COLOSS“. Mit der Unabhängigkeit des Forschungskolosses ist es allerdings nicht so weit her. Er zählt BAYER nämlich zu seinen „Event Partnern“ und scheint unter Wissenschaft auch primär Krisen-Kommunikation zu verstehen. So befasste sich eine „training school“, an welcher auch Manuel Trischler vom „Bee Care Center“ des Pharma-Riesen teilnahm, hauptsächlich mit der Frage, wie angeblich unangemessenen Beiträgen von ForscherInnen zum Bienensterben zu begegnen sei. Das der Universität Bern angegliederte Institut machte bei den Unternehmen Defizite im PR-Bereich aus und empfahl ihnen Nachhilfe-Stunden in Öffentlichkeitsarbeit.

Bienen-Kümmerer BAYER
Der Leverkusener Multi steht wegen seiner bienenschädigenden Pestizide GAUCHO und PONCHO, welche die EU bis vorerst 2015 aus dem Verkehr gezogen hat, in der Kritik. Darum verstärkt der Konzern seine PR-Aktivitäten (s. o.) Wo das Unternehmen nicht schlicht versucht, die Fakten abzustreiten, da inszeniert es sich als Bienenkümmerer. Der Global Player fördert nicht nur das Anlegen von Ackerrand-Streifen mit pollen-reichen Blütenpflanzen sowie von Bienenweiden und gründet „Bee Care Center“, sondern unterstützt auch Forschungsvorhaben zum Erhalt der Bienengesundheit. So spendet er der kanadischen „University of Guelph“ 750.000 Dollar für den Aufbau eines Insekten-Gesundheitszentrums.

Neue Gentech-Kampagne
Im Februar 2014 haben BAYER & Co. eine neue PR-Kampagne für die grüne Gentechnik gestartet. „Growing Voices“ lautet der Markenname der Unternehmung, denn sie will den „lauter werdenden Stimmen, die ein Umdenken der EU in puncto ‚Gen-Pflanzen’ anmahnen“, Ausdruck verleihen. Die Auftakt-Veranstaltung fand im Brüsseler Hotel „Renaissance“ statt und brachte „Gesundes Essen – die unerzählte Geschichte der Gen-Pflanzen“ zu Gehör. Den „Science Fiction“-Stoff führten sich unter anderem damalige Angehörige der Europäischen Kommission und des EU-Parlaments, EU-BeamtInnen, UmweltpolitikerInnen, EmissärInnen von Forschungseinrichtungen – und natürlich Abgesandte der Agro-Multis zu Gemüte. Allein von BAYER waren neun VertreterInnen anwesend.

Wissenschaftliche Gentech-PR
Mit vereinten Kräften wollen die „Bill & Melinda Gates Foundation“ und BAYER, MONSANTO & Co. die Gentechnik-Debatte „entpolarisieren“. Zu diesem Behufe hat die Stiftung der Cornell Universität nicht weniger als 5,6 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt. Als Partner der PR-Kampagne mit wissenschaftlichem Antlitz namens „Alliance for Science“ fungiert der vom Leverkusener Multi und anderen Agro-Riesen unterstützte Lobby-Verein „International Service for the Acquisition of Agri-biotech Applications“ (ISAAA).

Gentech-Studie: CRIIGEN steigt aus
Im Juli 2013 hat das französische Gesundheitsministerium eine Studie über Gentech-Risiken in Auftrag gegeben. Ihr ist allerdings ein „Dialog-Forum“ angeschlossen, in dem VertreterInnen von BAYER, MONSANTO und LIMAGRAIN sitzen. Darum hat die unabhängige Wissenschaftsorganisation CRIIGEN ihren Ausstieg aus dem Projekt verkündet. „Wir können nicht mit Leuten zusammenarbeiten, die Lobbying-Taktiken benutzen, um ihre Produkte zu vermarkten und deren Akzeptanz zu erhöhen, ohne jene genauer zu untersuchen und ohne Transparenz walten zu lassen“, heißt es in der Begründung.

BAYER sponsert den „Weltthrombose-Tag“
Die „International Society on Thrombosis and Haemostasis“ hat den 13. Oktober zum „Weltthrombose-Tag“ erklärt, um stärker auf die mit den Blutgefäß-Verschlüssen einhergehenden Lebensgefahren aufmerksam zu machen. Der Leverkusener Multi gehört zu den Sponsoren der Veranstaltung, womit der Bock zum Gärtner wird. Thrombo-Embolien gehören nämlich zu den häufigsten Nebenwirkungen seiner Verhütungspillen aus der YASMIN-Familie. Allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA registrierte bisher 190 Sterbefälle.

BAYER erklärt Nebenwirkungen
XARELTO, YASMIN, BETAFERON, MIRENA, ESSURE – die Liste der BAYER-Medikamente, die wegen ihrer Risiken und Nebenwirkungen in der Kritik stehen, wird immer länger. Das bleibt auch in der Belegschaft nicht unbemerkt, weshalb sich der Leverkusener Multi in seiner Beschäftigten-Zeitung direkt gezwungen sah, auf die Problematik einzugehen. Da der Konzern es auch als Aufgabe seiner Angestellten erachtet, „zu Themen Stellung zu nehmen, die in der Gesellschaft kontrovers diskutiert werden“, will direkt ihnen künftig in einer Serie Argumente für solche Gelegenheiten an die Hand geben. Nach dem Motto „Jedes Ding hat zwei Seiten“ erklärt der Leverkusener Multi Nebenwirkungen erst einmal zu einer Naturgegebenheit. Aber natürlich hat er nach eigenen Aussage im Sinne seiner Mission „Science For A Better Life“ ein Interesse daran, diese in – natürlich ganz unabhängigen – Studien aufzuspüren und setzt angeblich auch seinen halben Forschungsetat dafür ein. Fortbildungsveranstaltungen für MedizinerInnen und Hotlines dienen ebenfalls bloß diesem Zweck – die Märchenstunde will gar kein Ende nehmen.

BAYER kauft Museum
Am Standort Lubbock hat der Leverkusener Multi das „American Museum of Agriculture“ in Beschlag genommen. Es benannte sich zu Ehren des neuen Sponsors nicht nur in „BAYER Museum of Agriculture“ um, sondern veränderte auch den Charakter seiner Dauerausstellung. Die Schau widmet sich jetzt nicht mehr so stark der Geschichte der Landwirtschaft und verlagert den Schwerpunkt stattdessen auf die Zukunft. Zur Freude des Konzern-Sprechers Lee Rivenbark illustrieren viele Exponate den BAYER-Slogan „Science for A Better Life“. Und das ganze Haus gilt ihm nun als „Leuchtturm für Wissenschaft und Innovation auf dem Gebiet ‚Landwirtschaft’“, denn: „Innovation ist das, worum es BAYER geht“.

TIERE & ARZNEIEN

Mehr BAYTRIL in den Tierställen
Der massenhafte Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung führt zur Entwicklung resistenter Krankheitserreger. Gelangen diese in den menschlichen Organismus, so können MedizinerInnen oftmals nichts mehr gegen die Keime ausrichten. Im Fall von BAYERs BAYTRIL ist diese Gefahr besonders groß. Der Leverkusener Multi bietet nämlich für den Humanmedizin-Bereich mit CIPROBAY ebenfalls ein Medikament aus der Gruppe der Fluorchinolone an, das sogar den Status eines Reserve-Antibiotikas für besonders schwierig zu behandelnde Infektionen besitzt. Und die Gefährdung nimmt zu: 2013 stieg – bei insgesamt fallenden Zahlen (1.452 gegenüber 1.619 Tonnen) – die Menge der verschriebenen Fluorchinolone von zehn auf 13 Tonnen (siehe auch SWB 4/14). Und was wie eine kleine Umschichtung bei insgesamt rückläufiger Tendenz anmutet, bedeutet wegen unterschiedlicher Dosierungsvorschriften in Wirklichkeit jedoch eine Ausweitung der Antibiotika-Zone. Während eine Tonne des Alt-Antibiotikums Tetracyclin gerade einmal für 39.000 Mastschweine langt, vermögen die LandwirtInnen mit einer Tonne BAYTRIL nämlich 2,2 Millionen Tiere zu versorgen! Das Verbraucherschutzministerium verschleiert diesen Tatbestand allerdings bewusst und verkauft „Gesamtmenge im Jahr 2013 weiter gesunken“ als Erfolgsmeldung.

TIERE & VERSUCHE

Zweifel an Tierversuchen
172.287 Tierversuche hat der Leverkusener Multi 2013 durchgeführt bzw. durchführen lassen – 1.690 mehr als 2012. Eine neue Studie der WissenschaftlerInnen Pandora Pound und Michael B. Bracken bewertet die Sinnhaftigkeit solcher Tests kritisch. Angesichts hunderter am „Tier-Modell“ erprobter Medikamente, die am „Mensch-Modell“ versagten, zweifelt ihre im British Medical Journal veröffentlichte Untersuchung die Übertragbarkeit der Ergebnisse an. Zudem bescheinigt die Expertise den mit Ratten, Mäusen und anderen Lebewesen unternommenen Experimenten eine mangelhafte Qualität, was die ProbandInnen der nachfolgenden klinischen Prüfungen unnötigen Risiken aussetze. „Die aktuelle Studie zeigt erneut, dass der von manchen Kreisen gebetsmühlenartig behauptete Nutzen von Tierversuchen keinerlei Fundament hat“, konstatiert Silke Bitz von ÄRZTE GEGEN TIERVERSUCHE.

DRUGS & PILLS

USA: Alarmierende XARELTO-Zahlen
Auch in den Vereinigten Staaten wächst die Besorgnis über die Risiken und Nebenwirkungen, die von BAYERs neuem Gerinnungshemmer XARELTO ausgehen. 680 Meldungen über unerwünschte Effekte des Präparats mit dem Wirkstoff Rivaroxaban erhielt die Gesundheitsbehörde FDA allein im ersten Quartal 2013 – 152 mehr als zu dem Konkurrenz-Medikament PRADAXA.

Nierenerkrankungen durch BETAFERON
BAYERs „Multiple Sklerose“-Präparat BETAFERON kann Nierenschädigungen hervorrufen. Eine entsprechende Warnung veröffentlichte das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) im August 2014 (siehe auch SWB 4/14). Damit erschöpfen sich die Gegen-Anzeigen des Gentech-Präparats allerdings bei Weitem nicht. 186 Meldungen über „unerwünschte Arznei-Effekte“ hat das BfArM allein im Jahr 2013 erhalten. Dazu zählen unter anderem temporäre Spastiken, Schmerz-Attacken, Verstopfung und Müdigkeit. Und im Gegensatz zu den Nebenwirkungen bleiben die Wirkungen des Mittels spärlich. Dem MS-Ratgeber der „Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf“ zufolge sind BETAFERON und andere Substanzen auf Interferon-Basis nur bei 16 Prozent der frisch Erkrankten imstande, einen zweiten Schub zu verhindern, bei fünf von sechs PatientInnen hingegen zeigen sie keinen Nutzen.

ASPIRIN gegen Krebs?

Immer wieder erscheinen Studien, die BAYERs ASPIRIN eine vorbeugende Wirkung gegen Krebs bescheinigen. Diese weisen jedoch meist Mängel auf. Entweder können die WissenschaftlerInnen sich nur auf äußerst beschränktes Daten-Material stützen oder sie haben Kontakte zum BAYER-Konzern. Dies ist auch bei der Arbeit von Jack Cuzick und seinem Team der Fall, die zahlreiche Untersuchungen zum Thema ausgewertet haben und dem „Tausendsassa“ einen prophylaktischen Effekt bescheinigen. Cuzick gehört nämlich zum Beraterstab des Pharma-Riesen, und auch viele seiner MitarbeiterInnen standen oder stehen noch auf der Gehaltsliste des Unternehmens.

BAYERs Endometriose-Coup
Bei der Endometriose handelt es sich um eine gutartige Wucherung der Gebärmutter-Schleimhaut. Besonders während des Monatszyklusses verursacht das sich außerhalb der Gebärmutter-Höhle befindliche Gewebe Schmerzen. Zu deren Behandlung haben Frauen-ÄrztInnen früher die Verhütungspillen VALETTE oder CHLORMADINON der BAYER-Tochter JENAPHARM verschrieben. 2010 aber brachte der Leverkusener Multi mit VISANNE ein speziell für diese Krankheit zugelassenes Präparat auf den Markt. Die Produktion der beiden anderen Mittel stellte er ein, damit sie der Neuheit keine Konkurrenz machen – das Unternehmen verlangt für VISANNE nämlich rund das Fünffache des Preises von CHLORMADINON. Den höheren Kosten entspricht noch nicht einmal keine höhere Wirksamkeit. Die Arznei konzentriert sich lediglich auf die Symptom-Linderung. Zudem basiert die Zulassung auf einer dünnen Daten-Lage, die Kohorte bei der Sicherheitsanalyse umfasste nur 300 Frauen. Darum betrachten das industrie-unabhängige arznei-telegramm und das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ VISANNE auch bloß als Mittel der 2. Wahl. Ähnlich wie bei VISANNE war der Pharma-Riese in Tateinheit mit SANOFI jüngst auch im Fall von Alemtuzumab vorgegangen. Als die Konzerne die Zulassung für die Indikation „Multiple Sklerose“ erhielten, zogen sie die Arznei umgehend als Mittel zur Behandlung der chronisch-lymphatischen Leukämie“ vom Markt zurück, weil das neue Anwendungsgebiet mehr Profite verspricht (SWB 1/14).

Frankreich: MELIANE-Umsatz sinkt
2006 hatte die Französin Marion Larat nach der Einnahme des BAYER-Verhütungsmittels MELIANE einen Schlaganfall erlitten. Sechs Jahre später entschloss sie sich, den Pharma-Riesen auf Schadensersatz zu verklagen. Das damit verbundene Medien-Echo machte die Öffentlichkeit erstmals auf die mit den Kontrazeptiva der dritten und vierten Generation verbundenen Risiken aufmerksam. Die damalige Gesundheitsministerin Marisol Touraine reagierte umgehend. Sie wies die Krankenkassen an, die Kosten für MELIANE & Co. nicht mehr zu übernehmen. Und das zunehmend kritische Klima hatte Folgen: Bis Ende 2013 büßten die Mittel 60 Prozent ihres Umsatzes ein.

Kein NEXAVAR bei Brustkrebs
BAYERs NEXAVAR mit dem Wirkstoff Sorafenib hat bislang eine Zulassung bei den Indikationen „fortgeschrittener Nierenkrebs“ und „fortgeschrittener Leberkrebs“. Der Leverkusener Multi setzt jedoch alles daran, das Anwendungsspektrum zu erweitern. Ein Versuch, das Mittel zusammen mit Capecitabin bei solchen Patientinnen mit fortgeschrittenen Brustkrebs-Arten zur Anwendung zu bringen, bei denen andere Medikamente versagt hatten, scheiterte jetzt allerdings. „Wir sind enttäuscht, dass die Studie keine Verbesserung des progressionsfreien Überlebens bei Patienten mit fortgeschrittenem Brustkrebs zeigen konnte“, sagte der BAYER-Manager Jörg Möller. Zuvor war schon ein anderer Ansatz zur Therapie von Brustkrebs ohne Erfolg geblieben. Auch bei einer bestimmten Art von Leber-, bei Haut- und Bauchspeicheldrüsenkrebs hatte NEXAVAR bereits versagt.

NICE nicht nice zu XOFIGO
Das britische „National Institute for Health and Care Excellence“ (NICE) hat eine Kosten/Nutzen-Analyse von BAYERs Strahlentherapie-Medikament XOFIGO (siehe auch PRODUKTION & SICHERHEIT) durchgeführt und der Arznei kein gutes Zeugnis ausgestellt. Deshalb finanziert der „National Health Service“ die Behandlung mit dem Pharmazeutikum nicht, das bei der Prostatakrebs-Art CRPC zum Einsatz kommt, wenn eine Hormon-Behandlung erfolglos geblieben ist und sich zudem noch Metastasen im Knochen gebildet haben. Der Leverkusener Multi habe zu dem Mittel keine Dokumente vorgelegt, die seine Überlegenheit gegenüber vergleichbaren Arznei-Therapien demonstrieren könnten, so die Behörde. „Wir müssen zuversichtlich sein, dass die Vorteile die beträchtlichen Kosten rechtfertigen“, sagte NICE-Chef Andrew Dillon angesichts des Preises von 30.000 Euro für eine einzige Anwendung des Präparats, das den PatientInnen bei den Klinischen Tests nur zu einem ca. drei Monate längeren Leben verhalf.

Weitere Zulassungen für ADEMPAS
Bei der Arznei ADEMPAS handelt es sich um ein Mittel zur Behandlung der beiden Lungenhochdruck-Krankheiten CTEPH und PAH. Der Wirkstoff Riociguat soll in der Lunge die Bildung eines Enzyms stimulieren, das für eine Erweiterung der Blutgefäße sorgt und so die Sauerstoff-Aufnahme verbessert. Nachdem BAYER in den USA bereits die Zulassung für das Medikament erhalten hat, erteilte dem Präparat nun auch die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA grünes Licht. Japan hat bisher nur eine Genehmigung für das Anwendungsgebiet „CTEPH“ erteilt, ein Antrag für die Indikation „PAH“ ist noch in Bearbeitung. Wie üblich, hat der Leverkusener Multi jedoch noch viele weitere Therapie-Felder wie z. B. „die Nieren-Protektion und die Herz-Insuffizienz“ im Auge und will Millionen mit ADEMPAS machen. Das industrie-unabhängige Fach-Magazin Arzneimittelbrief hingegen kann die Euphorie des Pharma-Riesen nicht ganz teilen. Obwohl es sich bei Riociguat um eine „innovative Substanz“ handle, deren therapeutischer Mechanismus „neu und interessant“ erscheine, seien die in der Literatur beschriebenen Effekte nur „marginal“, dämpft die Publikation die Erwartungen, die BAYER nicht zuletzt durch das Öffnen der „Marketing-Schleuse“ geschürt habe.

Test the East
Die Pillen-Riesen lagern immer mehr Arznei-Tests in ärmere Länder aus. Dort winken günstigere Preise, ein großes Reservoir an ProbandInnen und eine mangelhafte Aufsicht. Die Folge: Immer wieder kommt es zu Todesfällen. So starben 2011 in Indien 20 Menschen bei Erprobungen von BAYER-Medikamenten. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN machte diesen Skandal öffentlich, und der Leverkusener Multi reagierte – er schaute sich nach anderen Nationen um. Neben China hat es ihm momentan besonders Russland angetan. 90 – teils noch laufende, teils schon abgeschlossene – Medikamenten-Erprobungen des Global Players in dem Staat weist die Datenbank „ClinicalTrials“ aus. Das CLINICIAL TRIALS CENTER oder andere Auftragsfirmen prüften für den Konzern dort unter anderem die Spirale MIRENA, das Krebsmittel NEXAVAR, den Gerinnungshemmer XARELTO und das „Multiple Sklerose“-Präparat BETAFERON. Nach einem Bericht der Zeit bietet das Land unschlagbare Standort-Vorteile. ProbandInnen bemühen sich selbstständig um eine Teilnahme an den Tests, weil ihnen die Medikamente sonst nicht zur Verfügung stehen, und bleiben auch bei der Stange. Dass ihnen das Recht zusteht, einen Medikamenten-Versuch abzubrechen, erfahren sie oft nicht, und eine Ethik-Kommission, welche über alles wacht, existiert ebenfalls nur selten. „Die besteht in Russland häufig nur auf dem Papier“, sagt Alexander Globenko vom CLINICIAL TRIALS CENTER und berichtet zudem von MedizinerInnen, die Nebenwirkungen nicht protokollieren. Sogar die Existenz von Phantom-Studien mit erfundenen TeilnehmerInnen räumt er ein. Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) weiß um diese Zustände. „Auffällig glatt“ erscheinen einer BfArM-Mitarbeiterin laut Zeit die Ergebnisse bisweilen. Selbst der von BAYER gegründete „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ hält die russischen Verhältnisse der Zeitung zufolge für besorgniserregend. Das dürfte den Leverkusener Multi jedoch vorerst nicht von seinem Tun abhalten.

Zweifelhafte Testosteron-Studie
Mit großer Anstrengung arbeitet der Leverkusener Multi daran, die „Männergesundheit“ als neues Geschäftsfeld zu etablieren und seinen Potenzpillen und Hormon-Präparaten neue und nur selten zweckdienliche Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. Zu diesem Behufe hat der Pharma-Riese die Krankheit „Testosteron-Mangel“ erfunden und sie zu „männlichen Wechseljahresstörungen“ erhoben, um NEBIDO und andere Hormone an den Mann bringen zu können. Die passenden Studien liefert BAYER dazu auch. So präsentierte der Pharma-Riese in Sofia auf einem medizinischen Kongress zum Thema „Fettleibigkeit“ eine Untersuchung, wonach eine Testosteronersatz-Therapie zu Gewichtsverlusten inklusive besserer Blutzucker- und Blutdruck-Werte führt. Allerdings hält die Expertise wissenschaftlichen Kriterien kaum stand: Sie stützt sich auf gerade einmal 46 Probanden. Richtige Studien kommen zu ganz anderen Ergebnissen. So fand eine ForscherInnen-Gruppe um Jared L. Moss von der Universität Knoxville heraus, dass die Testosteron-Spritzen die Zeugungsfähigkeit beeinträchtigen. Zudem beobachteten die WissenschaftlerInnen Schrumpfungen des Hodengewebes und Samenzellen-Missbildungen. Damit fügten sie der langen Liste von Risiken und Nebenwirkungen der Mittel wie Herzinfarkt, Prostata-Krebs, Harntrakt-Schädigungen, Brust-Wachstum, Bluthochdruck, Ödeme, Blutverdickung und Leberschäden noch einige weitere Einträge hinzu.

Arznei-Ausgaben steigen um 3,2 Prozent
Im Jahr 2013 erhöhten sich die Ausgaben der Krankenkassen für Medikamente im Vergleich zu 2012 um 3,2 Prozent auf 32,1 Milliarden Euro. Das geht aus den Zahlen des „Arzneiverordnungsreports 2014“ hervor. Der Herausgeber, der Pharmakologe Ulrich Schwabe, macht dafür die hohen Preise für Pharmazeutika im Allgemeinen und für patentgeschützte Medikamente im Besonderen verantwortlich. Der Leverkusener Multi hat daran einen gehörigen Anteil. So verlangt er für sein nicht eben wirkungsvolles Krebsmittel NEXAVAR über 58.000 Euro im Jahr. Eigentlich sollte das Arzneimittel-Neuverordnungsgesetz (AMNOG) von 2011 hier Abhilfe schaffen, denn nach diesem Paragrafen-Werk müssen die Pharma-Firmen mit ihren Arzneien ein Verfahren durchlaufen, das Kosten und Nutzen der Präparate bewertet, und sich anschließend mit den Krankenkassen auf einen Erstattungsbetrag einigen. Jährliche Einsparungen in Höhe von zwei Milliarden Euro erwarteten die PolitikerInnen von der Regelung. Die Hoffnung trog jedoch; 2013 wurden es lediglich 150 Millionen Euro. Die schwarz-gelbe Koalition war nämlich von ihren Plänen abgerückt, alle Medikamente einer Revision zu unterziehen und beschränkte sich auf neue Präparate. Zudem fallen die Abschläge äußerst mager aus. Für BAYERs Gentech-Präparat EYLEA zur Behandlung der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – betrugen sie trotz des Prüfurteils „Kein Zusatznutzen“ gerade mal 7,6 Prozent. Von 1.136 auf 1.050 Euro hatte der Pharma-Riese den Apotheken-Verkaufspreis zu senken.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

CDU und SPD verharmlosen GAUCHO
BAYERs Pestizide GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Wirkstoff: Clothianidin) sind mitverantwortlich für das weltweite Bienensterben. Deshalb hat die EU ihnen 2013 für vorerst zwei Jahre die Zulassung entzogen. Die Bundesregierung jedoch verharmlost die Gefahr dieser zur Gruppe der Neonicotinoide zählenden Ackergifte. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen bezweifelt sie die Aussagekraft der meisten Untersuchungen zur Gefährlichkeit dieser Mittel und beruft sich dabei auf das bundeseigene Julius-Kühn-Institut. So bezeichnen Merkel & Co. etwa das Studien-Design als mangelhaft. Zudem zweifeln sie die Übertragbarkeit der Labor-Ergebnisse auf Freiland-Bedingungen an. Darum hält die Große Koalition es im Einklang mit BAYER & Co. auch für richtig, sich bei der Suche nach den Ursachen für die Dezimierung der Bienenvölker weiter hauptsächlich auf die Varroa-Milbe zu konzentrieren.

GAUCHO-Alternative SIVANTO?
Ab 2015 will BAYER das Pestizid Flupyradifuron (Produktname: SIVANTO) als Alternative zu Imidacloprid (GAUCHO) vermarkten, dem die EU wegen seiner bienenschädigenden Wirkung 2013 für vorerst zwei Jahre die Zulassung entzogen hat. Flupyradifuron gehört zwar nicht wie Imidacloprid zur Gruppe der Neonicotinoide, sondern zu den Butenoliden, es ähnelt den Neonicotinoiden aber in seiner Funktionsweise. Wie diese wirkt das Flupyradifuron systemisch, also gegen eine Vielzahl von Schadinsekten, und wie diese blockiert es bei den Tieren die Reiz-Weiterleitung an den Nervenbahnen. Deshalb bestehen Zweifel daran, ob der Stoff wirklich so „bienenfreundlich“ ist, wie der Leverkusener Multi behauptet.

Brasilien: Verbot von GLYPHOS?
Wie El Salvador (siehe Ticker 3/14) plant nun auch Brasilien das Verbot von besonders gesundheitsschädlichen Pestiziden. Auf der Schwarzen Liste befinden sich mit Parathion-Methyl und Glyphosat auch zwei Wirkstoffe, die BAYER im Angebot hat. Parathion-Methyl kommt in ME 605 Spritzpulver zum Einsatz, und Glyphosat in GLYPHOS und USTINEX G. Zudem verkauft der Leverkusener Multi Glyphosat noch in Kombination mit CREDENZ und anderen gegen das Ackergift immun gemachten Genpflanzen.

Protest gegen Öko-Verordnung der EU
Die EU plant, strengere Pestizid-Grenzwerte für den ökologischen Landbau zu erlassen. Die betreffenden LandwirtInnen wenden sich allerdings gegen die Regelung. Da durch angrenzende Felder von Bauern und Bäuerinnen, die mit konventionellen Methoden arbeiten, auch Chemikalien auf ihre Äcker gelangen, fürchten sie, die neuen Limits nicht einhalten zu können.

BAYER erwirbt Herbizide
Der Leverkusener Multi hat von DUPONT Herbizide erworben, die im „Land-Management“, also nicht auf Äckern, sondern in Wäldern, auf Weide-Flächen, Industrie-Arealen oder Bahn-Gleisen zum Einsatz kommen (siehe auch PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE). Rund 30 Anti-Unkrautmittel umfasst das DUPONT-Sortiment. Dazu gehören Produkte wie PERSPECTIVE (Wirkstoffe: Aminocyclopyrachlor und Chlorsulfuron), ESPLANADE (Wirkstoff: Indaziflam), STREAMLINE (Wirkstoffe: Aminocyclopyrachlor und Metsulfuronmethyl), ESCORT (Wirkstoff: Metsulfuronmethyl) und Oust (Wirkstoff: Sulfometuronmethyl).

PFLANZEN & SAATEN

BAYER kauft GRANAR
BAYER hat das Sojasaatgut-Geschäft des paraguayischen Unternehmens GRANAR erworben (siehe auch IMPERIUM & WELTMACHT).

Feldversuche mit Zuckerrübe
Der Leverkusener Multi und KWS kündigen Feldversuche mit einer gemeinsam entwickelten Zuckerrüben-Art an, deren Erbgut eine natürliche und durch Züchtung verstärkte Enzym-Veränderung aufweist. Auf diese Weise übersteht die Labor-Frucht eine Behandlung mit solchen Anti-Unkrautmitteln, welche die Acetolactat-Synthese stören, unbeschadet. Allerdings überstehen auch immer mehr Wildpflanzen die Behandlung mit diesen so genannten ALS-Hemmern wie BAYERs ATTRIBUT (Wirkstoff: Propoxycarbazone) unbeschadet, weshalb die neue Rübe schon bald ziemlich alt aussehen könnte.

GENE & KLONE

Immer mehr Bt-Resistenzen
BAYER & Co. bauen in ihre Laborfrüchte gern das Gift-Gen des Bacillus thuringiensis (Bt) ein, um Schadinsekten zu töten. Der Leverkusener Multi setzt besonders bei SURPASS und anderen Baumwoll-Pflanzen auf den Bazillus. Die Schadinsekten können sich jedoch immer besser auf ihn einstellen. In einer von Juliano Ricardo Farias und seinem Team durchgeführten Untersuchung gelang es dem Heerwurm schon binnen dreier Jahre, eine Resistenz gegen den Bt herauszubilden. Zudem trotzen vielerorts bereits der Baumwollkapselbohrer, die Baumwollkapseleule, die Kohlschabe, die Aschgraue Höckereule, der Eulenfalter und die „Busseola fusca“-Raupe der Substanz.

Import-Zulassung für Gentech-Mais?
Die EU-Gremien befinden zur Zeit über eine Import-Zulassung für BAYERs Gentech-Mais T25. Die Lebensmittelbehörde EFSA hat der Laborfrucht bereits eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt, obwohl sie gentechnisch auf eine Behandlung mit dem gesundheitsgefährdenden Pestizid Glufosinat geeicht ist. Darum konnte sich das „Standing Committee on the Food Chain and Animal Health“ auch nicht auf ein positives Votums einigen. Zweimal kam es zum Patt, wobei die Bundesrepublik sich jeweils der Stimme enthielt. Jetzt obliegt der Europäischen Kommission die Entscheidung. Die Pflanze reiste derweil schon mal illegal ein. 2011 entdeckte das niedersächsische Umweltministerium bei einer Untersuchung Spuren von T25 in konventionellem Mais-Saatgut aus Ungarn.

Kennzeichnungspflicht in Vermont
Seit einiger Zeit gibt es in US-amerikanischen Bundesstaaten Initiativen zur Einführung einer Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Lebensmittel. BAYER & Co. investieren viel Geld, um diese Vorhaben zu Fall zu bringen und können leider schon Erfolge verbuchen. In Washington und Kalifornien scheiterte ein BürgerInnen-Begehren bereits. In Vermont allerdings muss die Gentech-Industrie Farbe bekennen. Der Bundesstaat erließ ein Kennzeichnungsgesetz, das jedoch einige Lücken aufweist, wie KritikerInnen monieren. Maine und Connecticut taten es Vermont gleich, wollen das Paragrafen-Werk jedoch erst in Kraft setzen, wenn mindestens vier weitere Staaten folgen.

Stammzellen: Der Hype ist vorbei
„Die Möglichkeiten sind grenzenlos“, schwärmte im Jahr 2001 BAYERs damaliger Chef-Pharmazeut Wolfgang Hartwig über die Stammzellen. Aus ihnen wollten die GenforscherInnen des Konzerns zahlreiche Zelltypen oder Gewebe-Arten entwickeln. 2008 haben sie in Japan ein Patent (siehe Ticker 3/08) für eine Technik zur Produktion von „Induzierten Pluripotenten Stammzellen“ (IPS) angemeldet, eine Stammzellen-Art, welche die ForscherInnen durch eine „Rückprogrammierung“ normaler Körperzellen erzeugen, was die Abtötung von Embryos erspart. Aber die Möglichkeiten dieser Gentechnik sind rasch an Grenzen gestoßen. Deshalb hat sich Ernüchterung eingestellt. „BAYER ist auf dem Gebiet der Stammzell-Forschung derzeit nicht aktiv“, heißt es jetzt lapidar. Thomas Eschenhagen, der Direktor des Instituts für Experimentelle Pharmakologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, bezeichnet den Wirbel um die Stammzellen im Nachhinein als Beispiel für „kurzfristige Sensationsforschung“. „Die waren vor 15 Jahren der große Hype. Alle sind auf diese Welle aufgesprungen, aber viele dieser Versprechen haben sich als falsch oder übertrieben herausgestellt. Also ist die Forscher-Karawane weitergezogen“, sagte er in einem taz-Interview. Eschenhagen hingegen forscht weiter an der Herstellung von künstlichem Herz-Gewebe aus Stammzellen.

Neue EYLEA-Zulassung
Wann immer die Aufsichtsbehörden einer Arznei des Leverkusener Multis für ein bestimmtes Anwendungsgebiet die Genehmigung erteilen, versucht dieser, grünes Licht für weitere Indikationen zu erhalten. So verfährt er auch im Falle des Gentech-Augenpräparats EYLEA. Zunächst nur zur Behandlung der altersbedingten feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – zugelassen, können es MedizinerInnen seit einiger Zeit auch zur Behandlung der Folgen eines Zentralvenen-Verschlusses der Netzhaut verschreiben. Und jetzt dürfen sie es zusätzlich zur Therapie der von der Zuckerkrankheit hervorgerufenen Makula-Degeneration einsetzen. Zudem stimmten die japanischen Aufsichtsbehörden bereits einer Verwendung bei der „choroidalen Neovaskularisation“, einer Gewebe-Wucherung am Seh-Organ, zu. Als Augen-Allheilmittel kommt der gemeinsam mit der Firma REGENERON entwickelte EYLEA-Wirkstoff Aflibercept aber nicht in Betracht. In den Tests, die zur ersten Zulassung führten, demonstrierte er nämlich lediglich seine Nicht-Unterlegenheit gegenüber Ranibizumab. Überdies traten während der Erprobungen zahlreiche Nebenwirkungen wie Bindehaut-Blutungen, grauer Star, Augenschmerzen, Glaskörper-Trübungen und Erhöhung des Augeninnendrucks auf.

EYLEA: Es geht auch billiger
Nach einer Untersuchung der Cochrane Collaboration, einem Netzwerk von ÄrztInnen, WissenschaftlerInnen und PatientInnen-VertreterInnen, wirkt das ROCHE-Krebsmedikament AVASTIN genauso gut zur Behandlung der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – wie ROCHEs LUCENTIS und BAYERs Gentech-Präparat EYLEA. Es hat nur einen Nachteil: Es ist zu billig, weshalb der Schweizer Konzern sich nicht selbst Konkurrenz machen will. Während eine Injektion mit LUCENTIS 900 Euro kostet und eine mit BAYERs Gentech-Präparat 1.050 Euro, schlägt AVASTIN nur mit 30 Euro zu Buche.

Hämophilie-Gentherapie
Das Unternehmen DIMENSION THERAPEUTICS entwickelt für BAYER eine neue Methode zur Behandlung der Bluter-Krankheit Hämophilie A. Dabei wollen die WissenschaftlerInnen ein Gen, das den Gerinnungsfaktor VIII produziert, direkt in die Leber einführen. Bis zu 240 Millionen Dollar an Zahlungen hat die US-amerikanische Biotech-Firma zu erwarten, sollte es ihr gelingen, das Verfahren bis zur Marktreife zu entwickeln.

WASSER, BODEN & LUFT

GAUCHO & Co. belasten Gewässer
Die Bundesländer überprüfen die Belastung der Gewässer mit BAYERs bienenschädlichen (siehe PESTIZIDE und HAUSHALTSGIFTE) Pestizid-Wirkstoffen Imidacloprid (GAUCHO) und Clothianidin (PONCHO) nicht systematisch. Es liegen nur Stichproben vor. Diese geben jedoch Anlass zur Sorge, denn sowohl Clothianidin als auch Imidacloprid überschritten teilweise die Grenzwerte. Besonders Imidacloprid tat sich dabei hervor. „Das deutet darauf hin, dass Imidacloprid ein für die Erfüllung der Anforderungen der EU-Wasserrahmen-Richtlinie relevanter Schadstoff in Oberflächen-Gewässern ist“, hält die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen zu GAUCHO & Co. fest.

Lubbock: BAYER & Co. in der Kritik
Im texanischen Bezirk Lubbock befinden sich neben dem Leverkusener Multi noch viele andere Chemie-Unternehmen. 390 Tonnen teils hochgefährlicher Stoffe lagern auf den Firmen-Arealen, oft in bedenklicher Nähe zu Siedlungen. Als es im Mai vergangenen Jahres auf dem BAYER-Gelände zu einem Austritt von Chlorwasserstoff kam, mussten deshalb die EinwohnerInnen eines ganzen Stadtteils von Guadalupe ihre Häuser verlassen. Besonders der geringe Abstand der Fabriken zu Schulen beunruhigt die LubbockerInnen. So liegen nach einer Studie des „Center for Effective Government“ 27 Bildungseinrichtungen mit insgesamt 9.500 SchülerInnen im „Einzugsgebiet“ von BAYER & Co. Die BürgerInnen verlangten aus diesem Grund genauere Information über die Substanzen, aber die Verantwortlichen des Regierungsbezirkes verweigerten die Auskunft.

Das Aus für Mikroplastik?
BAYER & Co. drängen mit ihrer Plaste & Elaste auf den Kosmetika-Markt. So finden sich in Zahnpasten, Dusch-Peelings und Kontaktlinsen-Reinigern viele Kunststoff-Produkte. Der Leverkusener Multi produziert beispielsweise Polyurethane zur Verstärkung der Haftkraft von Wimperntusche und Make-Ups. Diese Mikroplastik-Teilchen können nicht nur Gesundheitsstörungen verursachen, sondern auch die Umwelt schädigen, denn sie passieren die Kläranlagen unbehelligt. In den Gewässern bilden die Substanzen dann den besten Nährboden für andere Giftstoffe und potenzieren so ihre Gefährlichkeit noch einm