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Beiträge verschlagwortet als “Corona”

[Bilanz PK] Presse-Information CBG vom 28.02.22

CBG Redaktion

BAYER Bilanzpressekonferenz 01. März

Profit-Jagd mit Nebenwirkungen

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) wartet die Veröffentlichung des neuen BAYER-Geschäftsberichts für das Jahr 2021 am morgigen Dienstag nicht ab. CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann präsentiert bereits heute die Negativ-Bilanz für das abgeschlossene BAYER-Geschäftsjahr: „Wie die Zahlen im Einzelnen auch aussehen mögen, an einem gibt es schon jetzt keinen Zweifel: Wieder einmal hat der BAYER-Konzern im vergangenen Jahr seine Profite auf Kosten von Mensch, Tier und Umwelt erwirtschaftet.“

Der BAYER-Konzern hat auch 2021 wieder Leben und Gesundheit von Millionen Menschen in aller Welt, bis hin zum Tod, geschädigt. Besonders sichtbar wird dieses skrupellose Verhalten daran, dass BAYER sich in den USA mit juristischen Winkelzügen 2021 bereits im fünften Jahr der angemessenen Entschädigung zehntausender Glyphosat-Geschädigter entzog. Viele sind inzwischen bereits an ihren Krebserkrankungen gestorben, ohne jemals Geld vom Leverkusener Multi erhalten zu haben. Durch die Anrufung des US-amerikanischen Supreme Courts zieht das Unternehmen die Verfahren weiter in die Länge, so dass vor 2023 kein Abschluss zu erwarten ist. „Der Global Player verweigert aber nicht nur die Entschädigung Betroffener und die Sanierung von Umweltschäden, er pumpt das toxische und klimaschädliche Sprühmittel Glyphosat weiter in den Weltmarkt, weil es Milliardenprofite bringt! Die zynische Kalkulation ist, dass das schlicht mehr Gewinne einbringt, als die Prozesse der Geschädigten und Erkrankten kosten“, kritisiert Stelzmann.

Der „Fall Glyphosat“ hat längst den Aktienkurs dauerhaft abstürzen lassen und bedroht die Existenz des Konzerns in seiner jetzigen Form. Mehrere Medien berichteten bereits über Aufspaltungsgerüchte. Mit den Worten „Viele hoffen, dass sie sich in die Frühverrentung retten können, bevor der Konzern zerschlagen und sie samt Arbeitsplatz verkauft werden“, zitiert das Manager Magazin eine BAYER-Führungskraft.

Im Arznei-Bereich nutzt der Pillen-Riese derweil die Ungunst der Stunde und bedient sich der mRNA-Impfstoffe in der Corona-Pandemie als Türöffner für andere Behandlungsmethoden, die wegen ihres Gefährdungspotenzials bisher unter Akzeptanz-Problemen litten. „Hätten wir vor zwei Jahren eine öffentliche Umfrage gemacht und gefragt, wer bereit dazu ist, eine Gen- oder Zelltherapie in Anspruch zu nehmen und sich in den Körper injizieren zu lassen, hätten das wahrscheinlich 95 Prozent der Menschen abgelehnt“, frohlockt Bayers Pharma-Chef Stefan Oelrich im Oktober 2021 auf dem World Health Summit. So durchläuft nun z. B. eine BAYER-Gentherapie zur Behandlung von Parkinson die Test-Phase. Im Verlauf ähnlicher Versuche ereignen sich immer wieder gravierende Zwischenfälle. Erst im Sommer 2020 starben im Zuge einer Studie der Firma AUDENTES drei Kinder, die an einer seltenen Muskel-Erkrankung litten, weil das Verfahren bei ihnen eine Leberfehlfunktion auslöste.

„BAYER wird auch unangenehme Fragen zur Explosion der Sondermüll-Verbrennungsanlage in Leverkusen beantworten müssen.“ kündigt Stelzmann an: „Als Auftraggeber, Erbauer und Hauptnutzer der Anlage muss BAYER Entschädigungen zahlen für die Vergiftung des Rheinwassers und Aufkommen für das katastrophale Missmanagement der Ausgliederung der BAYER INDUSTRIAL SERVICES als CURRENTA.“

Am 29. April 2022 findet die Hauptversammlung der BAYER-AktionärInnen statt. Obwohl öffentlich heftig kritisiert, flieht der Konzern erneut vor seinen AktionärInnen ins Internet und verschanzt sich dort wie bereits in den letzten beiden Jahren virtuell. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) wird dennoch präsent sein und kritische Fragen und Beiträge in die Online-HV des Konzerns einreichen. Parallel dazu ist ein Protestprogramm aus Demo, online-Protest im BAYER-Stream und im CBG-live-Stream, mit Vorabendveranstaltungen und prominenten BAYER-KritikerInnen aus dem globalen Süden geplant. Aktuelle Infos dazu ab 7. März unter www.cbgnetwork.org/HV

In Frankreich muss sich BAYER der Konzern-Kritik schon vorher stellen: Ein breites Bündnis hat ab dem 5. März zu Dauer-Protesten und -Blockaden rund um den Glasturm der Frankreich-Zentrale des Konzerns in Lyon aufgerufen. Die CBG unterstützt die Proteste. Es wird nicht weniger gefordert, als dass BAYER „die Umzugskartons packt und aus dem Glasturm verschwindet“.

Pressekontakt:
Marius Stelzmann 0211/33 39 11

[SWB 01/2022] Ampelkoalition

CBG Redaktion

Eine gute Wahl für BAYER

Mit der Losung „Mehr Fortschritt wagen“ treten SPD, Grüne und FDP an. Für mehr Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit steht die Ampel jedoch auf Rot. Eine grüne Welle gibt es nur für die Wunsch-Vorhaben der Industrie. Dementsprechend zufrieden zeigen sich BAYER & Co.

Von Jan Pehrke

„Das richtige Signal für die Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft“ geht für BAYER-Chef Werner Baumann von dem Ampel-Slogan „Mehr Fortschritt wagen“ aus. Jetzt komme es auf die konkrete Ausgestaltung an, erklärte er gegenüber dem Handelsblatt. Aber auch da kann der Große Vorsitzende nicht meckern. So erweist das Klimaschutz-Kapitel des Koalitionsvertrags zunächst einmal den Konzernen seine Reverenz. „Unsere Wirtschaft legt mit ihren Unternehmen, den Beschäftigten sowie Verbraucher-innen und Verbrauchern die Grundlage für unseren Wohlstand“, lautet der erste Satz. Blöd nur, dass „unsere Wirtschaft“ mit ihrem Treibhausgas-Ausstoß auch die Grundlage für eine Gefährdung des Ökosystems „Erde“ legt. Also muss nach dem Willen der AmpelkoalitionärInnen eine Art von Abhilfe her, welche BAYER & Co. schont. Deshalb federn sie die geplanten Maßnahmen entsprechend ab. „Um unsere heimische Industrie, insbesondere die Grundstoff-Industrie, zu unterstützen, werden wir in dem für die Erreichung der Klimaziele ausreichendem Maße geeignete Instrumente schaffen“, heißt es im Koalitionsvertrag.

Klimaschutz
Im Einzelnen planen die drei Parteien, den Ausstieg aus der Kohle vorzuziehen. „Idealerweise gelingt das schon bis 2030“, formulieren sie vorsichtig und bauen sicherheitshalber mit der „Errichtung moderner Gaskraftwerke“ vor. Zudem beabsichtigen Scholz & Co., bis zum Jahr 2030 80 Prozent des Strombedarfs mit Erneuerbarer Energie zu decken – trotz eines prognostizierten Mehrbedarfs von 20 bis 30 Prozent. Dazu möchten sie den Ausbau von Windkraft & Co. beschleunigen und die entsprechenden Planungs- und Genehmigungsverfahren einfacher gestalten. Das bleibt jedoch nicht auf Rotoren und Sonnenkollektoren beschränkt und trägt damit einer langjährigen Forderung der Industrie nach einer „Entbürokratisierung“ der verwaltungstechnischen Prozesse Rechnung. Entsprechend angetan zeigten sich BAYER & Co. von dem, was die FAZ einen „Turbo für Großprojekte“ nennt.

Dabei kommt allerdings so einiges unter die Räder. So scheut die neue Regierung nicht vor „Legalplanungen“ zurück, also davor, Vorhaben einfach per Gesetz zu genehmigen, statt sie den langen Marsch durch die Institutionen gehen zu lassen. Überdies hat sie vor, sich ins Reich der juristischen Spekulation zu begeben. Sie will „für solche Projekte unter gewissen Voraussetzungen eine Regelvermutung für das Vorliegen der Ausnahme-Voraussetzungen des Bundesnaturschutz-Gesetzes schaffen“. „Klimaschutz vs. Artenschutz“ – so lautet die neue Frontstellung. Auch die BürgerInnen-Beteiligung muss zurückstehen. Das Recht auf Einwendungen schleift die Regierung Scholz gehörig. Projekte wie die Kohlenmonoxid-Pipeline und der Autobahn-Ausbau in Leverkusen inklusive neuer Rheinbrücke und Öffnung der ehemaligen BAYER-Deponie „Dhünnaue“ dürfte jetzt erheblich leichter grünes Licht bekommen.

Über eine im Jahr 2000 mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) eingeführte Abgabe hat sich neben den Privathaushalten auch die Industrie an den Kosten für Windparks, Sonnenenergie- und Photovoltaik-Infrastruktur beteiligt, in geringerem und in BAYERs Fall noch einmal reduzierten Maße zwar (siehe S. 10 ff.), aber immerhin. Selbst das erspart ihr Rot-Grün-Gelb nun. „Um (...) für sozial gerechte und für die Wirtschaft wettbewerbsfähige Energie-Preise zu sorgen, werden wir die Finanzierung der EEG-Umlage über den Strom-Preis beenden. Wir werden sie daher zum 1. Januar 2023 in den Haushalt übernehmen. Die Finanzierung übernimmt der EKF (Energie- und Klimafonds, Anm. SWB), der aus den Einnahmen der Emissionshandelssysteme (BEHG und ETS) und einem Zuschuss aus dem Bundeshaushalt gespeist wird“, kündigt der Koalitionsvertrag an.
Dem Emissionshandel mit Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten waren ursprünglich noch ganz andere Aufgaben zugedacht. Er sollte den Ausstoß von CO2 so teuer machen, dass es den Multis Anreize für das Errichten saubererer Anlagen bietet. Doch dafür kosten die Zertifikate zu wenig. So kommt es die Konzerne billiger, die CO2-Lizenzen zu erwerben, als in klima-freundlichere Fabriken zu investieren. „Die Industrien schieben Neuinvestitionen bereits seit mehr als einem Jahrzehnt auf“, konstatiert die im Auftrag der NRW-Grünen erstellte Studie „Wie kann Nordrhein-Westfalen auf den 1,5-Grad-Pfad kommen“. Die Untersuchung, die Agora Energiewende und die Unternehmensberatung ROLAND BERGER in Tateinheit mit BAYER, BASF, BP, SIEMENS und anderen Firmen erstellt haben, drückt es ein wenig vornehmer aus und spricht von „Investitionsattentismus“. Darum hilft die Ampel den Unternehmen nun freundlicherweise mit Klima-Verträgen („Carbon Contracts for Difference“) aus, „um so insbesondere auch die Wirtschaftlichkeitslücke zu schließen“. Das Geld dazu stellt wieder der Energie und Klimafonds bereit. 60 Milliarden Euro fließen per Nachtragshaushalt in diesen Topf. „Das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 erhöht die verfügbaren Mittel für die aus dem Sondervermögen ‚Energie- und Klimafonds’ finanzierten Maßnahmen, von denen viele den Wirtschaftsunternehmen zugutekommen“, heißt es in dem Paragrafen-Werk. Zudem garantiert die Bundesregierung „sichere Absatzmärkte für klima-freundliche Produkte durch Mindestquoten in der öffentlichen Beschaffung“.

Die Vorgänger-Regierung hatte 2019 mit ihrem Klimaschutz-Gesetz nicht nur für die Industrie, sondern auch für die Felder „Verkehr“, „Gebäude“, „Energie“, „Landwirtschaft“ und „Abfall“ verbindliche Reduktionsvorgaben gemacht – inklusive einer jährlichen Überprüfung. Den Grünen reichte das ursprünglich jedoch nicht. In ihrem Wahlprogramm formulierten sie die Erfordernis, die Regularien „nachzuschärfen“. Davon lassen sie jetzt jedoch ab. Und Die Zeit weiß auch den Grund: „Da die Klimaschutz-Maßnahmen der neuen Koalition nicht unmittelbar zu einer Senkung der Emissionen führen, werden in den kommenden Jahren wohl viele Sektoren ihre Ziele verfehlen. Nun allerdings wären es grüne Minister, die die Misserfolge erklären müssten, was die Partei-Führung offenbar vermeiden wollte. Annalena Baerbock soll diese Überlegung in mehreren internen Gesprächen zum Ausdruck gebracht haben.“ Von einem Klimaministerium mit Vetorecht ist auch nichts geblieben. Olaf Scholz sprach in seiner Regierungserklärung zwar noch von einer „zentralen Querschnittsaufgabe“, an der sich die Ampelkoalition messen lassen will, aber die Evaluation erfolgt dezentral ohne grüne Oberaufsicht. Den Klima-Check für alle Gesetze führen jetzt die jeweis verantwortlichen Ministerien durch.

Dementsprechend enttäuscht zeigte sich die grüne Basis von den Vereinbarungen. „Die versprochenen Ziele des Pariser Klimaschutz-Abkommens sind unmöglich zu erreichen“, resümiert der Aufruf „Mehr grün wagen“. Und die Grüne Jugend konstatiert bei aller Notwendigkeit, auf die Koalitionspartner zuzugehen: „Aber klar muss sein, mit dem Klima kann man nicht einfach so Kompromisse machen“. Auch in Zahlen fiel die Reaktion der Partei auf das Verhandlungsergebnis verhalten aus. Nur 57 Prozent der Mitglieder beteiligten sich überhaupt an der Urabstimmung über den Koalitionsvertrag, und 86 Prozent von ihnen votierten dann für „Ja“. Fridays For Future war ebenfalls nicht gerade begeistert. „Während die Welt auf knapp drei Grad Erhitzung hinsteuert, verfehlt der Vertrag von SPD, Grünen und FDP noch vor Amtsantritt die eigenen Versprechen zur Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze. Trotzdem feiern wir nach 154 Wochen Klimastreiks auch Erfolge der Klima-Bewegung wie den Kohle-Ausstieg 2030“, heißt es in einer Erklärung der Organisation.

Viel mehr zu feiern hatten allerdings BAYER & Co. So begrüßte der „Bundesverband der Deutschen Industrie“ (BDI) in seiner Stellungnahme zum Koalitionsvertrag den Entschluss der Bundesregierung, den Unternehmen bei der CO2-Reduktion nicht mehr so genau auf die Finger zu schauen. In der „Abkehr vom ineffizienten Mikro-Management einer Nachjustierung jährlicher Sektor-Ziele“ sah der Verband „das richtige Signal“. Auch freute ihn, „dass das Vorziehen des Kohleausstiegs auf 2030 „weich“ ausgestaltet ist (‚idealerweise’)“ und der Ampelkoalition „Erdgas als Brücken-Technologie“ gilt. Dem Verband kommt es in Sachen „Energie“ nämlich zuvörderst auf die Versorgungssicherheit an – und auf die Strom-Kosten. In diesem Zusammenhang lobt er SPD, Grüne und FDP sehr dafür, die „Wettbewerbsfähigkeit“ ernst genommen zu haben und nennt als Beispiele die Streichung der EEG-Umlage und die Reform der Netz-Entgelte. Die Klimaschutz-Verträge gefallen dem BDI natürlich ebenfalls, allerdings haben die Kontrakte für ihn zu viel mit dem Klimaschutz zu tun. Die „Knüpfung von Industrie-Entlastungen an die Umsetzung wirtschaftlicher Energieeffizienz-Maßnahmen“ schätzt er deshalb entsprechend kritisch ein.

Beim „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI) fällt die Bewertung der entsprechenden Passagen des Koalitionsvertrags ähnlich aus. „Wir sehen noch keinen Booster, aber viele gute Ansätze, die Transformation der Industrie aktiv zu flankieren“, so der VCI-Hauptgeschäftsführer und ehemalige BAYER-Manager Wolfgang Große Entrup. Namentlich erwähnt der Verband dabei den Energie- und Klimafonds, die Klima-Verträge, den Wegfall der EEG-Umlage und das „Vorhaben, die Dauer von Planungs- und Genehmigungsverfahren zu halbieren“.

Nur Risiken, keine Gefahr
So wenig, wie der Koalitionsvertrag für eine Klima-Wende steht, so wenig steht er für eine Agrar-Wende. Die Vereinbarung bekennt sich zwar zu einer nachhaltigen Landwirtschaft, bleibt aber, was die Umsetzung angeht, vage. So wollen die drei Parteien „den Einsatz von Pestiziden deutlich verringern und die Entwicklung von natur- und umweltverträglichen Alternativen fördern“, kündigen aber keine konkrete Maßnahmen dazu an. Eine Pestizid-Steuer etwa, wie sie viele Umweltverbände als Instrument für einen Kurswechsel fordern, findet sich in dem Dokument nicht. In Sachen „doppelte Standards“ erwägen die AmpelkoalitionärInnen zumindest eine Regelung. „Wir werden von den rechtlichen Möglichkeiten Gebrauch machen, den Export von bestimmten Pestiziden zu untersagen, die in der EU aus Gründen des Schutzes der menschlichen Gesundheit nicht zugelassen sind“, kündigen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP an. Aber nicht nur, weil es diese Möglichkeit mit dem Paragraf 25 des Pflanzenschutzgesetzes eigentlich schon gibt (siehe S. 24 ff.), bleibt dieser Vorstoß mit Fragezeichen behaftet. Klartext spricht der Koalitionsvertrag im Pestizid-Kapitel nur einmal. „Wir nehmen Glyphosat bis Ende 2023 vom Markt“, heißt es auf Seite 46.
Die Agro-Gentechnik erwähnt die neue Bundesregierung in dem Schriftstück mit keinem Wort. Stattdessen spricht sie nur nebulös von der Züchtung klima-robuster Pflanzensorten, die sie zu unterstützen gedenkt, von der zu gewährenden Transparenz über Züchtungsmethoden und der zu stärkenden Risiko- und Nachweis-Forschung.

In anderen Bereichen fühlen sich Scholz & Co. durch die aktuellen Entwicklungen beflügelt, offener zu reden. „Deutschland hat die Chance, zum international führenden Biotechnologie-Standort zu werden. Durch den ersten mRNA-Impfstoff aus Mainz hat unser Land weltweite Sichtbarkeit erlangt. Damit ist eine Leitfunktion für die wissenschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung der Biotechnologie verbunden“, verkünden sie. Die Ampel stand hier offensichtlich auf Gelb und gibt schon einmal einen Vorgeschmack auf die künftig unter FDP-Ägide stehende Forschungspolitik.

Ganz ähnlich hatte sich zu dem Thema jüngst BAYERs Pharma-Chef Stefan Oelrich vernommen. „Hätten wir vor zwei Jahren eine öffentliche Umfrage gemacht und gefragt, wer bereit dazu ist, eine Gen- oder Zelltherapie in Anspruch zu nehmen und sich in den Körper injizieren zu lassen, hätten das wahrscheinlich 95 Prozent der Menschen abgelehnt. Diese Pandemie hat vielen Menschen die Augen für Innovationen in einer Weise geöffnet, die vorher nicht möglich war“, sagte er bei einer Veranstaltung in Berlin.

Selbstredend freuen sich „Bundesverband der Deutschen Industrie“ und der „Verband der Chemischen Industrie“ in ihren Stellungnahmen zum Ampelvertrag wie Bolle über den Auftrieb, den die Gentechnik in Zeiten von Corona bekommen hat. Und dass die Koalition sich generell so zukunftszugewandt wie wagemutig gibt und „künftig neben dem Vorsorge-Prinzip auch Innovationspotenziale konsequent miterfassen will“, trifft beim BDI natürlich auch auf breite Zustimmung. Ebenso angetan zeigt er sich von der Absicht der Dreier-Koalition, das Gefährdungspotenzial von Substanzen auf Basis des Risikos zu beurteilen. „Eine Bewertung allein auf Basis von Gefahren-Eigenschaften wäre nicht zielführend und innovationsfeindlich“, hält der Verband fest.

Eine Prüfung der Stoffe auf Grundlage der „Gefahr“ unterscheidet sich nämlich maßgeblich von einer solchen auf der Grundlage des „Risikos“. Eine Bewertung anhand der Gefahr nimmt allein die Eigenschaften des Produkts in den Blick, eine anhand des Risikos berücksichtigt indes das Ausmaß, in dem Mensch, Tier und Umwelt der Chemikalie ausgesetzt sind. Während die Gefahr einer Substanz also immer absolut gilt und keine Grenzen kennt, ist das Risiko immer relativ. Es ist unter anderem von der Wirkstärke abhängig. Und als Maß der Dinge kommt so der Grenzwert ins Spiel, der das Höchstmaß der Belastbarkeit anzeigt. Solche Limits treffen auf die – zähneknirschende – Zustimmung von BAYER & Co., erlauben diese ihnen doch, ihre Waren auf den Markt zu bringen und zu halten. Und genau darum ist es dem BDI zu tun: „Um innovative Lösungen und gesellschaftlich relevante Technologien entwickeln und einsetzen zu können, muss es auch künftig möglich sein, gefährliche Chemikalien herzustellen und zu verwenden.“
Der VCI begrüßt derweil das „klare Bekenntnis für eine innovative Gesundheitswirtschaft als Garant für medizinischen Fortschritt, Beschäftigung und Wohlstand“. Für den Verband hat gerade die Corona-Pandemie gezeigt, wie wichtig ein starker Pharma-Standort Deutschland ist. Deshalb behagt ihm die versprochene Stärkung im Prinzip auch. „Diese sollte aber nicht durch Subventionen, sondern durch wettbewerbsfähige Produktions- und Erstattungsbedingungen erreicht werden. Vor diesem Hintergrund sind die Fortschreibung des Preis-Moratoriums und die Verkürzung der freien Preissetzung für innovative Arzneimittel ein falscher Weg“, kritisiert der „Verband der Chemischen Industrie“. Dabei kann er sich über den Erfolg seiner Lobby-Arbeit eigentlich gar nicht beklagen. Im ursprünglichen Entwurf des Koalitionsvertrages hätten BAYER & Co. den Krankenkassen noch einen Rabatt von 16 Prozent auf patent-geschützte Arzneimittel einräumen müssen. „Doch diese Passagen aus dem ersten Entwurfspapier haben die Parteien auf den letzten Metern noch gestrichen“, wie die Pharmazeutische Zeitung berichtete. Jetzt heißt es nur noch: „Wir stärken die Möglichkeiten der Krankenkassen zur Begrenzung der Arzneimittel-Preise.

Der Mann, der die Gesundheitspolitik in Zukunft verantwortet, ist ein alter Bekannter von BAYER. Karl Lauterbachs Wahlkreis liegt nämlich in Leverkusen. Der Sozialdemokrat stand sogar schon einmal in Diensten des Konzerns. In einer Studie stellte er dem Cholesterinsenker LIPOBAY, den das Unternehmen später wegen seiner Risiken und Nebenwirkungen vom Markt nehmen musste, ein gutes Zeugnis aus. „Die frühen Hinweise darauf, dass LIPOBAY möglicherweise gefährlich war, nahm Lauterbach damals ebenso wenig wahr, wie es seine Auftraggeber taten“, befand der Spiegel. Andere Medikamente des Global Players kamen bei ihm allerdings nicht so gut weg. So monierte er in einer für die Barmer Ersatzkasse durchgeführten Untersuchung die Praxis der MedizinerInnen, bei Bluthochdruck Kalzium-Antagonisten wie ADALAT zu verschreiben statt der preiswerteren und mindestens ebenbürtigen Entwässerungstabletten. Den Krebs-Arzneien von BAYER & Co., die irre viel Geld verschlingen und das Leben der PatientInnen doch oft nur wenige Monate verlängern, widmete der Mediziner ein ganzes Buch. Aber auch zur allgemeinen Geschäftspolitik des Leverkusener Multis äußerte er sich. Im Jahr 2006 kritisierte er das Rationalisierungsprogramm beim CURRENTA-Vorgänger BAYER INDUSTRY SERVICES. „Politisch doppelzüngig, entlarvend und moralisch ein Armutszeugnis“ nannte der SPDler es und wusste auch um die Motive des Unternehmens: „Der kurzfristige Gewinn ist das Ziel, das ist die ganze Geschichte.“ Lauterbach wähnte sich wegen solcher und ähnlicher Einlassungen sogar auf der berühmt-berüchtigten Schwarzen Liste der jetzigen BAYER-Tochter MONSANTO. „Ich habe vor einigen Tagen Hinweise erhalten, dass MONSANTO auch über mich Dossiers in Auftrag gegeben hat.“ sagte er 2019.

Als fortschrittlichen Gesundheitspolitiker weist ihn seine Vergangenheit allerdings nicht aus. So befürwortete er die Schließung unrentabler Krankenhäuser, saß im Aufsichtsrat der privaten Rhön-Kliniken und trat für Fallpauschalen ein. Eine dringend erforderliche Neuerung wird es in seiner Amtszeit schon einmal nicht geben: Die Bürgerversicherung. Dementsprechend erleichtert zeigt sich die FAZ. „Die Private Krankenversicherung kann dankbar sein, dass es die Linkspartei nicht in die Koalition geschafft hat. Denn sowohl die Linke als auch SPD und Grüne hatten die Einführung einer Bürgerversicherung angekündigt – mit der es der PVK an den Kragen gegangen wäre. Jetzt aber sichert die FDP den Fortbestand des dualen Systems.“

Die FDP sichert den Konzernen neben einer „Superabschreibung“ auch den Fortbestand der erweiterten Verlust-Verrechnung und zusätzliche Steuer-Einsparungen wie den Ausbau des Verlust-Vortrags. Aber nach Ansicht der Firmen hätte es noch ein bisschen mehr sein dürfen. „Im Koalitionsvertrag fehlt es an einem klaren Bekenntnis der Koalition zu einer wettbewerbsfähigen Besteuerung (fett im Original, Anm. SWB) der Unternehmen von maximal 25 Prozent“, moniert der BDI. Und dem „Verband der Chemischen Industrie“ schwant deshalb Schlimmes: Steuerpolitisch wird der Standort Deutschland aus Sicht des VCI mit dem Konzept des Koalitionsvertrages in den kommenden Jahren noch weiter im Standort-Wettbewerb zurückfallen.“

Bei den handelspolitischen Beschlüssen der Ampel liegt für die Verbände auch so einiges im Argen. Sie bekennen sich zwar grundsätzlich zur Verankerung von Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsstandards in Handelsverträgen, aber die in der Vereinbarung diesbezüglich formulierten Kriterien für den Kontrakt der EU mit den Mercosur-Staaten sind nach dem Dafürhalten des BDI „so kategorisch formuliert, dass damit faktisch das Abkommen auf Eis gelegt wird“. Nach Meinung des Verbandes gelte es, wie auch in Sachen „Lieferketten“, vielmehr „die richtige Balance zwischen Prinzipien und Pragmatismus zu finden.
Durch andere Vorhaben sehen die Konzerne sich in ihrem Wachstum gestört. So stehen sie einer Erweiterung der Fusionskontrolle ebenso skeptisch gegenüber wie einer Entflechtung, der statt eines Machtmissbrauchs als ultima ratio schon die bloße Macht zum Eingreifen reicht. Dazu dürfte es freilich mit der FDP im Boot schwerlich kommen. Und all die anderen Pläne der Ampel sind auch nicht dazu angetan, den Kapital-Verkehr großartig zu behindern. Dafür nehmen SPD, Grüne und FDP der Konzern-Kritik eine wichtige Plattform. Die Parteien ermöglichen es den Unternehmen, ihre Hauptversammlungen auch ganz ohne Pandemie dauerhaft online abzuhalten und so vor UmweltschützerInnen, Klima-AktivistInnen, Gentech-GegnerInnen und anderen ins Virtuelle zu flüchten.

[SWB 01/2022] Kampagne gegen Klima- und Sozialgesetze

CBG Redaktion

BAYER vs. Biden

Mit einem billionen-schweren Gesetzes-Paket will die Biden-Administration Sozialreformen auf den Weg bringen und die Wirtschaft klima-freundlicher gestalten. Aber höhere Unternehmenssteuern und andere Maßnahmen zur Gegenfinanzierung passten BAYER & Co. nicht. Also organisierten die Konzerne eine große Kampagne gegen den „Build Back Better“-Act.

Von Jan Pehrke

BAYER & Co. gehen bei der Verteilung ihrer Spenden-Gelder an PolitikerInnen äußerst umsichtig vor. Die Unternehmen setzen nicht einfach alles auf die Karte, denn im Falle eines Falles müssen sie sich ja auch mit dem von ihnen nicht favorisierten Lager arrangieren. Darum streut der Leverkusener Multi die finanziellen Zuwendungen. Bei der letzten Wahl in den USA flossen aus seinem 327.500 Dollar schweren Etat zur Pflege der politischen Landschaft 56,49 Prozent an Republikaner-Innen und 43,51 Prozent an DemokratInnen. Und sogar bei der einzelnen Parteien selbst gehen die Konzerne nicht einfach nach dem Gießkannen-Prinzip vor, sondern wählen sich ihre Leute ganz genau aus.
Zuletzt kam das bei der Kampagne gegen den „Build Back Better“-Act der Biden-Administration zum Tragen. Mit diesem Gesetzes-Paket will die US-Regierung die sozialen und ökonomischen Folgen der Corona-Pandemie mindern und gleichzeitig die Weichen für eine klima-schonendere Wirtschaft stellen. Nicht weniger als 3,5 Billionen Dollar sah das Paragrafen-Werk für bessere Krankenversicherungsleistungen, Steuerentlastungen für Familien, mehr Kinderbetreuungsangebote, bezahlte Elternzeit, erleichterte Hochschul-Zugänge und eine Stärkung der Altenpflege vor. Die 2. Säule umfasst Investitionsanreize für die Industrie zur Umsetzung von Klimaschutz-Maßnahmen in Höhe von 555 Milliarden Dollar.

Zur Gegenfinanzierung planten Biden & Co. unter anderem, die von Donald Trump veranlasste drastische Unternehmenssteuer-Senkung wieder etwas zurückzufahren und die Arzneimittel-Preise zu senken. Zu diesem Behufe beabsichtigten sie, der staatlichen Gesundheitsagentur Medicare das Mandat zu erteilen, mit den Herstellern Preis-Rabatte auszuhandeln. Das „Congressional Budget Office – die Finanzabteilung des Kongresses – ermittelte hier über die nächsten zehn Jahre ein Einspar-Potenzial von 456 Milliarden Dollar.

Das passte BAYER natürlich gar nicht. Auch die anderen Multis zeigten sich „not amused“. Also starteten die Firmen eine Kampagne. Dabei konzentrierten sie sich darauf, die hauchdünne Mehrheit der Demokraten zu unterminieren und Abgeordnete mittels üppiger „Wahlkampf-Hilfe“ aus der Fraktion herauszulösen. So erhielten Carolyn Bourdeaux, Ed Case, Jim Costa Henry Cuellar, Jared Golden, Vincente Gonzales, Josh Gottheimer, Joe Manchin, Stephanie Murphy Kurt Schrader, Kyrsten Sinema und Filemon Vela in jüngster Zeit hunderttausende Dollar. Allein der Leverkusener Multi bedachte im laufenden Jahr Gottheimer, Murphy und Schrader mit je 2.500 Dollar und Jim Costa mit 1.000 Dollar. Die konservativen Demokraten-Zirkel „Moderate Democrats“ und „Blue Dog Coalition“ erhielten noch mal je 5.000 Dollar vom Global Player. Auch andere DAX-Konzerne wie Airbus, BASF, Siemens, Deutsche Telekom und das Familien-Unternehmen Boehringer zeigten sich erkenntlich.

Die HauptprotagonistInnen der partei-internen Opposition sind die beiden SenatorInnen Kyrsten Sinema und Joe Manchin. Sinema, die im Vorfeld der letzten US-Wahl allein 121.000 Dollar von der Pillen-Industrie – darunter 1.000 Dollar vom Leverkusener Multi – erhalten hatte, wandelte sich so von einer engagierten Kämpferin für erschwingliche Medikamenten-Preise zu einer entschiedenen Streiterin für Big Pharma. Auch gegen Bidens Absicht, die Unternehmenssteuern wieder etwas anzuheben, wendet sie sich. Manchin, dessen frühere Wahlkämpfe der Leverkusener Multi mit rund 50.000 Dollar gefördert hatte, strich aktuell vor allem Geld von der Öl-, Papier- und Versicherungsindustrie ein. Als Abgeordneter aus der Kohle-Region West Virginia stört er sich vor allem an den Klimaschutz-Vorhaben des „Build better back acts“.

Das meiste Geld zur Pflege der politischen Landschaft stammt allerdings nicht von den einzelnen Unternehmen selbst, sondern von ihren Interessensverbänden wie dem „Business Roundtable“, dem „US Chamber of Commerce“ und den „Pharmaceutical Research & Manufacturers of America“ (PhRMA). Der „Business Roundtable“ machte gegen Bidens Plan, den Unternehmenssteuersatz von 21 auf 28 Prozent zu erhöhen, mobil. Das „US Chamber of Commerce“ ließ verlautbaren, „alles in unserer Macht stehende“ zu tun, um das Wiederaufbau-Programm in seiner ursprünglichen Form zu verhindern und bewarb dafür unter anderem die abtrünnigen Demokraten auf Facebook massiv. Die PhRMA warnte derweil, eine Kappung der Arznei-Preise würde „das gleiche innovative Ökosystem zerstören, aus dem lebensrettende Impfstoffe und Therapien zur Bekämpfung von COVID-19 erwuchsen“ und schaltete entsprechende Anzeigen. Das „American Action Network“ bezeichnete das Vorhaben gleich als eine „sozialistische Übernahme des Medikamenten-Marktes“, und sogar eine eigene „Coalition Against Socialized Medicine“ brachten BAYER & Co. an den Start.
Das alles zeitigte Erfolge. Dem innerparteilichen Druck geschuldet, musste Joe Biden den „Build Back Better“-Etat von 3,5 Billionen Dollar auf 1,75 Billionen reduzieren. Ein 150 Milliarden Dollar umfassendes Anreiz-Programm zum Umstieg auf erneuerbare Energien fiel ebenso Streichungen zum Opfer wie eine Methan-Abgabe, bezahlte Elternzeit und ein besserer Krankenversicherungsschutz für Angestellte. Die Pläne zur Reduzierung der Arznei-Preise und zur Stärkung der staatlichen Krankenkassen dürften – wenn überhaupt – allenfalls in Schrumpf-Form überleben.

Damit begnügten sich die Partei-Rechten jedoch nicht. Sie gaben ihre Blockade-Haltung nicht auf. So blieb Joe Biden nichts anderes übrig, als ohne ein fertiges Maßnahme-Paket zur Treibhausgas-Reduktion zum Klima-Gipfel nach Glasgow reisen. Auch zur verlorenen GouverneurInnen-Wahl in Virginia trug der interne Streit bei. Das bewog die Partei-Linke, die als Reaktion auf den Widerstand von Sinema & Co. die Zustimmung zu Bidens Infrastruktur-Gesetz verweigerte hatte, einzulenken.

Aber ihre Hoffnung, auf diese Weise am 5. November mit der endgültigen Verabschiedung der „infrastructure bill“ den „Build Back Better Act“ seine erste parlamentarische Hürden nehmen zu lassen, trog. Die Rechtsabweichler meldeten noch Klärungsbedarf an und wollten alles noch einmal vom Congressional Budget Office durchrechnen lassen, das schon bei der „infrastructure bill“ eine Deckungslücke von rund 250 Milliarden ausgemacht hatte. Erst am 19. November votierte das „House of Representatives“ für das Gesetz, nur Jared Golden blieb standhaft.

Bei der entscheidenen Abstimmung im Senat können die Demokraten sich Abtrünnige wegen der knappen Mehrheitsverhältnisse dort nicht mehr erlauben. Trotzdem haben weder Kyrsten Sinema noch Joe Manchin bisher nachgegeben. Die Partei-Spitze hat deshalb noch viel Arbeit vor sich, um die beiden zu einer Meinungsänderung zu bewegen und das „Build Back Better“-Paket durchzubringen. Ohne weitere Zugeständnisse an Sinema und Manchin dürfte das zur Freude der Industrie kaum gelingen. Dementsprechend viel Kritik forderte die Einflussnahme der Multis heraus. „Es darf nicht sein, dass Unternehmensgeld diesen Prozess kontaminiert“, mahnte Kyle Herrig von der Antikorruptionsinitiative ACCOUNTABLE.US. Der linke Demokrat Bernie Sanders sprach derweil von Gier, welche die Firmen durchdringe und haderte mit den Abgeordneten aus den eigenen Reihen. „Mir ist klar, dass die Pharma-Industrie die Republikaner-Partei besitzt und dass kein Republikaner für ein solches Gesetz stimmt, aber es gibt keine Entschuldigung für einen Demokraten, es nicht zu unterstützen“, so Sanders. Und auch die Coordination gegen BAYER-Gefahren protestierte. „BAYER und die anderen Konzerne kaufen sich ihre Politik nach Belieben. Diese Praxis muss ein Ende haben. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert ein Verbot aller Spenden an PolitikerInnen in den USA und anderswo“, hieß es in ihrer Presseerklärung zum Thema.

[SWB 01/2022] Ticker Beilage zu Stichwort Bayer 1/22

CBG Redaktion

Kurzmeldungen zu einem multinationalen Chemiekonzern

AKTION & KRITIK

CBG-Jahrestagung 2021
„Profit für wenige oder Gesundheit für alle? – Corona & Big Pharma“ – so lautete 2021 das Thema der Jahrestagung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG). Max Klein von der BUKO PHARMA-KAMPAGNE widmete sich in seinem Eingangsvortrag der Schlüsselfunktion, die bei dieser Frage den Patenten zukommt. Sie sichern den Pillen-Riesen exorbitante Gewinne, während sie gleichzeitig den Bedürftigen den Zugang zu erschwinglichen Arzneimitteln verwehren. Der BUKO-Aktivist machte dies am Beispiel der Kontroverse um BAYERs Krebs-Präparat NEXAVAR in Indien deutlich. Da die meisten PatientInnen dort nicht genug Geld für das Medikament haben, erhielt NATCO PHARMA per Zwangslizenz die Erlaubnis, eine preisgünstige Version des Präparats herzustellen, wogegen der Leverkusener Multi sofort – und vergeblich – klagte. Klein zitierte zur Veranschaulichung des Zynismus, mit dem die Pillen-Produzenten agieren, den damaligen BAYER-Chef Marijn Dekkers. „Wir haben diese Arznei nicht für Inder entwickelt (...) Wir haben sie für westliche Patienten entwickelt, die sie sich auch leisten können“, hatte er freimütig erklärt. An dieser Politik hielten BAYER & Co. auch in Zeiten von COVID-19 fest und fanden in der Bundesregierung einen mächtigen Verbündeten zum Schutz des geistigen Eigentums. Vehement stemmt sich diese zurzeit bei der Welthandelsorganisation dagegen, die Patente für Impfstoffe und andere Medizin-Produkte zur Bekämpfung der Pandemie aufzuheben. Standort-Politik für die mRNA-Impfstoffe made in Germany heißt stattdessen das Gebot der Stunde. „Wir wollen gerne mRNA-Hub werden auch für die Welt und für Europa“, zitierte Max Klein den ehemaligen Gesundheitsminister Jens Spahn. Diese mRNA-Impfstoffe schaute sich dann Isabelle Bartram vom GEN-ETHISCHEN NETZWERK ein wenig genauer an. Sie schilderte die Geschichte ihrer Entwicklung, ihre Wirkungsweise, bewertete ihre Risiken und Nebenwirkungen und plädierte schließlich für Impfungen – „bei allen großen Fragezeichen“. Anschließend gab es einen Einblick in die praktischen Bemühungen, die Gesundheitsversorgung zu verbessern. Matthias Grzegorczyk berichtete von der Arbeit der VOLKSINITIATIVE KRANKENHAUS NRW, die in Kooperation mit ver.di dafür streitet, die Arbeitsbedingungen für die KrankenpflegerInnen zu verbessern und sich gegen die immer stärkere Durchökonomisierung dieses Bereichs zu wehren. Dafür unterstützt sie beispielsweise die Arbeitskämpfe in den Kliniken. Zudem sammeln Grzegorczyk und seine MitstreiterInnen Unterschriften, um die katastrophale Situation in den Hospitälern auf die Tagesordnung des nordrhein-westfälischen Landtags zu setzen. Und tatsächlich führten die gemeinsamen Anstrengungen zu einigen Erfolgen. So gelang es bereits, 17 „Tarifverträge Entlastung“ durchzusetzen und damit die Krankenhaus-Träger in ihre Schranken zu verweisen, welche die Arbeitsorganisation stets als ihr alleiniges Recht betrachteten. CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann beleuchtete schließlich die Rolle, die BAYER in der Corona-Pandemie spielt bzw. nicht spielt. Wie viele andere Pharma-Riesen zeigte der Konzern sich nämlich laut Stelzmann gar nicht mehr in der Lage, schnell auf den Virus zu reagieren, denn er hatte die für die Entwicklung von Pharmazeutika gegen COVID-19 relevanten Gebiete „Infektionskrankheiten und „Atemwegserkrankungen“ längst aufgegeben. Stattdessen konzentrierte sich das Unternehmen im Zuge eines Strategiewechsels auf nur noch wenige besonders lukrative Felder wie Krebs-Therapeutika. So blieb in Sachen „SARS-CoV-2“ nur die Kooperation mit anderen Herstellern. Der Leverkusener Multi stellte sich CURE-VAC als verlängerte Werkbank zur Produktion des Impfstoffes CVnCoV zur Verfügung. Aber selbst das zerschlug sich nach den enttäuschenden Test-Ergebnissen des Vakzins. Zu sämtlichen Vorträgen entwickelten sich lebendige und teils auch kontroversen Diskussionen über die Pandemie, den politischen und medizinischen Umgang damit und über die sozialen und kulturellen Nebenwirkungen. Aber laut wurde es nicht, denn es gab einen Grund-Konsens: Bei BAYER & Co. ist die gegenwärtige gesundheitliche Krise nicht in guten Händen.

CBG-Statement zur Gentech-Regulierung
Die Europäische Union will die neuen Verfahren zur Manipulation des Erbguts nicht mehr nach Maßgabe der Richtlinie für gentechnisch veränderte Organismen regulieren. Stattdessen kündigte sie an, bis 2023 für Genscheren wie CRISPR/Cas und vergleichbare Methoden einen Rechtsrahmen mit lascheren Schutzbestimmungen zu schaffen. Im Zuge dieses Prozesses rief die EU BürgerInnen und Organisationen dazu auf, Stellungnahmen zu dem Vorhaben abzugeben. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) nahm das wahr und kritisierte die Pläne in einer Eingabe. Insgesamt gingen in Brüssel 70.894 Statements zu den „Rechtsvorschriften für Pflanzen, die mithilfe bestimmter neuer genomischer Verfahren gewonnen werden“, ein.

Patente: CBG unterschreibt Petition
BAYER & Co. melden immer mehr Patente auch auf solche Pflanzen an, die nicht mit Hilfe der Gentechnik, sondern mittels konventioneller Verfahren entstanden sind, obwohl die Gesetze das eigentlich verbieten. So macht der Leverkusener Multi unter anderem geistiges Eigentum auf eine herbizid-resistente Mais-Art, auf Pflanzen mit einer erhöhten Stress-Resistenz und auf eine Methode zur Erhöhung des Zucker-Gehaltes von Zuckerrohr geltend. Zudem reichte er beim Europäischen Patentamt (EPA) Anträge auf Gewährung von Schutzrechten für Tomaten, Gurken, Melonen, Salat und Kohlgewächse ein. Dadurch droht die Kon-trolle über die gesamte Lebensmittel-Produktion in die Hände der Agro-Riesen zu fallen. Das Netzwerk KEINE PATENTE AUF SAATGUT fordert die Politik deshalb zum Handeln auf. „Die Minister-Innen der Vertragsstaaten des EPA sollen sich binnen eines Jahres treffen und wirksame Maßnahmen gegen Patente aus konventioneller Zucht von Pflanzen und Tieren ergreifen“, heißt es in dem Aufruf, den die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN mitunterzeichnete.

Petition an FAO-Direktor übergeben
Die Vereinten Nationen und ihre Unter-Organisationen geraten immer mehr unter den Einfluss der Konzerne. So vereinbarte die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO eine Partnerschaft mit „Croplife International“, dem weltweit agierenden Lobby-Verband von BAYER & Co. Aus Protest dagegen hatte das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) im Februar 2021 einen Offenen Brief initiiert, den mehr als 350 Organisationen, darunter auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN CBG), unterschrieben haben. Aus diesem sowie aus einem weiteren Schreiben ging dann eine Petition hervor, die mehrere Initiativen am 3. Dezember dem FAO-Generaldirektor Qu Dongyu übergaben. Dabei wählten sie das Datum bewusst. Es handelte sich nämlich um den International Day of No Pesticide Use“ – den alljährlichen Gedenktag an die Bhopal-Katastrophe vom 3.12.1984.

Explosion: Kritik eines BAYER-Werkers
Im September 2021 war der Rundfunk-Sender WDR 5 vor Ort in Leverkusen und widmete sein „Stadtgespräch“ der Explosion vom 27. Juli. Und da bekamen CURRENTAs Chem„park“-Leiter Lars Friedrich und die NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) ganz schön was zu hören. Eine katastrophale Informationspolitik, eine unzureichende Anlagen-Kontrolle, Mängel bei den Schadstoff-Messungen nach der Explosion – so nur einige der Vorwürfe. Auch ein Vertreter der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) meldete sich zu Wort und fragte Friedrich, ob die CURRENTA trotz der verheerenden Auswirkungen der Detonation weiterhin aus Profit-Gründen Müll aus aller Herren Länder zur Entsorgung annehmen wolle. Antwort: Der Anteil des Abfalls, der nicht vom Gelände selbst stammt, betrage doch „nur“ 30 Prozent. Besonders schwer wog an dem Abend die Kritik eines ehemaligen BAYER-Werkers. Peter Odenthal hatte in der Abteilung für Umweltanalytik gearbeitet und pflichtete dem CBGler bei. Für solche grenzüberschreitenden Abfall-Geschäfte wären die Vorrichtungen des Entsorgungszentrums gar nicht ausgelegt gewesen, so Odenthal. Vor allem aber warf er dem obersten Chemparker Verharmlosung vor. „Die Straße war mit Tropfen übersät, und meine Haut hat gebrannt“ berichtete er. „Bei uns in der Nachbarschaft sind die Dächer kaputt, die Regenrinnen sind kaputt, die Autos sind beschädigt (...), die Pflanzen sind beschädigt, und dann reden Sie mir nicht davon, dass keine Gefahr besteht. In diesem Bereich war unmittelbar eine enorme Belastung“, führte der Ex-BAYER weiter aus. Er hatte sogar seine Hilfe angeboten und selbst Proben gesammelt. Vergeblich aber wartete der Pensionär auf einen Rückruf aus der Analytik-Abteilung von CURRENTA. „Zynisch bis zum letzten Tag“ nannte Odenthal den Umgang des Managers mit der Explosion und schloss: „Wir glauben Ihnen in Summe kein Wort mehr.“

KAPITAL & ARBEIT

BAYER schließt Arznei-Anlage
Der Pharma-Multi fertigt in Leverkusen keine Flüssig-Arzneien mehr; er stellt die sogenannten Parenteralia bloß noch am Standort Berlin her. Anfang August 2021 gab der Konzern die Schließung der Anlage an seinem Stammsitz bekannt. Viele ZeitarbeiterInnen, die dort langjährig tätig waren, ohne vom Pillen-Riesen übernommen zu werden, verloren dadurch ihre Jobs.

WUXI kauft BAYER-Anlagen
Die Risiken und Nebenwirkungen des MONSANTO-Deals wie z. B. die Schadensersatz-Ansprüche von Glyphosat-Geschädigten zwangen BAYER Ende 2018 zu einem Spar-Programm, das 12.000 Arbeitsplätze vernichtete. Im Zuge dessen stellte er in Wuppertal auch die in einer neu errichteten Anlage gerade erst angelaufene Fertigung des Bluter-Präparats KOVALTRY ein. Der Pharma-Riese verkaufte die Produktionsstätte Ende 2020 an das chinesische Unternehmen WUXI BIOLOGICS. Dieses hatte zuvor schon den für KOVALTRY in Leverkusen vorgesehenen Weiterverarbeitungsbetrieb übernommen.

NORD & SÜD

Mehr MIRENA für den globalen Süden
„Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar“, sagte einst der ehemalige US-Präsident Lyndon B. Johnson über seine Vorstellung von „Entwicklungshilfe“. Zur großen Befriedigung BAYERs erfreut sich diese Art von Bevölkerungspolitik auch heute noch großer Beliebtheit. Die „gigantischen Fruchtbarkeitsmärkte“ in den armen Ländern versprechen nämlich gute Absatz-Chancen für die Verhütungsmittel des Konzerns. Bevorzugt arbeitet er bei der Vermarktung mit staatlichen oder privaten Entwicklungshilfe-Organisationen zusammen, die – gegen Preis-Nachlass – langfristige Lieferverträge garantieren. Im Juli 2021 konnte der Pharma-Riese zwei Geschäfte dieser Art abschließen. Die US-amerikanische Entwicklungsagentur „United States Agency for International Development“ (USAID) und der „United Nations Population Fund“ nahmen das Langzeit-Verhütungsmittel MIRENA in ihren Produkt-Katalog auf. Der von dem Millionär John Rockefeller III 1952 ins Leben gerufene „Population Council“ (PC) hatte diese Hormon-Spirale kreiert und ihre Entwicklung gemeinsam mit der jetzigen BAYER-Tochter SCHERING vorangetrieben. Das sogenannte hormonelle Intrauterin-System hat erhebliche Nebenwirkungen wie Brustkrebs, nächtliche Schweißausbrüche, Herzrasen und Unruhe. Auch Schlaflosigkeit, Bauchkrämpfe, Oberbauchschmerzen und Gebärmutter-Verletzungen zählen dazu. Fast 3.000 Klagen von Geschädigten erhielt der Leverkusener Multi deshalb bereits. Das allerdings ficht BAYERs obersten Öffentlichkeitsarbeiter Matthias Berninger nicht an. „‚Der United Nations Population Fund’ und die ‚United States Agency for International Development’ haben vor kurzem ein hormonelles Intrauterin-System von BAYER in ihre jeweiligen Produkt-Kataloge aufgenommen. Dies ist ein großer Fortschritt bei der Bereitstellung von zusätzlichen Verhütungsoptionen für Frauen und Familien in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommensniveau“. Nicht die bettelarmen Staaten will der Leverkusener Multi also beglücken, sondern „Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommensniveau“. Die ManagerInnen reden da auch gerne von den „Low-Income Markets“. Und die versprechen durchaus einträgliche Geschäfte. Die vom Pillen-Riesen SANOFI gesponserte und vom „Bundeswirtschaftsministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“herausgegebene Expertise „Bringing Medicines to Low-income Markets“, an der Annette Wiedenbach von BAYER als eine der ExpertInnen mitwirkte, frohlockte bereits im Jahr 2012: „Diesen Markt haben sich die Pharma-Firmen noch kaum erschlossen.“ Daran macht sich der Global Player nun. Um die gesteigerte Nachfrage zu bewältigen, investiert er rund 400 Millionen Euro in die Errichtung einer neuen Fabrik in Costa Rica und den Ausbau der Produktionskapazitäten am finnischen Standort Turku.

POLITIK & EINFLUSS

Glyphosat-Studie im EPA-Giftschrank
Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA hat vor einigen Jahren eine Expertise, die den Zusammenhang zwischen Glyphosat und bestimmten Arten von Lymphdrüsen-Krebs untersuchte, im Giftschrank verschwinden lassen. Das deckte die Journalistin Sharon Lerner auf, die das Ergebnis ihrer Recherchen in dem Internet-Magazin The Intercept veröffentlichte. „Die verfügbaren epidemiologischen Studien liefern überzeugende Belege für einen Zusammenhang zwischen einer Glyphosat-Exposition und einem erhöhten Risiko für Non-Hodgkin-Lymphome“, heißt es in dem Behörden-Dokument. In die abschließende Beurteilung des Herbizids floss diese Auswertung von 14 Studien jedoch nicht ein. Die „Environment Protection Agency“ behandelte die Arbeit damals als geheime Verschlusssache. Lerner zufolge vermochte es die Umweltschutz-Agentur nicht, „sich gegen den Druck der mächtigen agro-chemischen Unternehmen, die jährlich Dutzende von Millionen von Dollar für Lobbyarbeit ausgeben und viele ehemalige EPA-Wissenschaftler beschäftigen“ zu stellen. Die jetzige US-Regierung hat nun mit Michael S. Regan jedoch einen neuen Direktor eingesetzt, der Besserung gelobt. Tatsächlich begannen auch interne Revisionen. So räumte die Agency bereits gravierende Mängel bei der Zulassung des Pestizids Dicamba ein, das unter anderem von BAYER und der BASF vertrieben wird. Auch kündigte sie an, mögliche schädliche Auswirkungen von Glyphosat auf bestimmte Schmetterlingspopulationen neu zu prüfen und die Gefahr detaillierter zu analysieren, die bei der Ausbringung des Herbizids durch Verwehungen auf teilweise weit entfernte Ackerflächen droht. Zugleich hält die EPA jedoch an ihrer Einstufung des Mittels als gesundheitlich unbedenklich fest.

EU will Gentech 2.0 deregulieren
Im Juli 2018 hatte der Europäische Gerichtshof die neue Gentechnik den alten gentechnisch veränderten Organismen (GVO) gleichgestellt. Die RichterInnen kamen in einem Grundsatz-Urteil zu dem Schluss, „dass sich die mit dem Einsatz dieser neuen Mutagenese-Verfahren verbundenen Risiken als vergleichbar mit den bei der Erzeugung und Verbreitung von GVO im Wege der Transgenese auftretenden Risiken erweisen könnten“. Deshalb lehnten sie es ab, Genscheren wie CRISPR/Cas und anderen Verfahren Sonderregelungen einzuräumen. „Durch Mutagenese gewonnene Organismen sind gentechnisch veränderte Organismen (GVO) und unterliegen grundsätzlich den in der GVO-Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen“, lautete ihr Votum. Dagegen liefen BAYER und die anderen Agro-Riesen Sturm, was bei der Europäischen Union nicht ohne Folgen blieb. Sie gab eine Studie zu dem Thema in Auftrag, um wieder Handlungsspielraum zu bekommen. Und wie erwartet machte die im April 2021 vorgelegte Untersuchung dann Wettbewerbsnachteile für europäische Unternehmen durch eine allzu strenge Regulierung aus und plädierte für einen lockereren Umgang mit den neuen Technologien. „Jede weitere politische Maßnahme sollte darauf abzielen, die Vorteile der Innovation zu nutzen und gleichzeitig auf Bedenken einzugehen. Eine rein sicherheitsbasierte Risiko-Bewertung reicht möglicherweise nicht aus (...)“, heißt es in der Zusammenfassung. Das lieferte der Europäischen Union die erwünschte Vorlage dafür, bis zum Jahr 2023 einen neuen Rechtsrahmen für die Gentechnik 2.0 zu schaffen. Im Zuge dieses Prozesses rief sie BürgerInnen und Organisationen dazu auf, ihre Meinung zu dem Vorhaben kundzutun, was die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auch nutzte (siehe AKTION & KRITIK).

Kein Geld mehr für die RAGA
Der BAYER-Konzern hatte den Sturm auf das Washingtoner Kapitol vom 6. Januar 2021 nach Recherchen der taz durch Spenden an den „Verband der republikanischen Generalstaatsanwälte“ (RAGA) mitfinanziert (Ticker 2/21). 50.000 Dollar zahlte seine Tochter-Gesellschaft MONSANTO 2020 der RAGA, dessen Unterorganisation „Rule of Law Defense Fund“ massiv zu Aktionen an dem Tag mobilisierte. Nach dieser Enthüllung stoppte der Leverkusener Multi die Überweisungen nicht etwa sofort, er erklärte stattdessen, eine weitere Förderung von einer internen Untersuchung der RAGA zu den Vorgängen abhängig zu machen. Im Mai gab der Agro-Riese dann per Twitter seine Entscheidung bekannt: „Bei der RAGA fehlt eine kritische Aufarbeitung der Rolle des mit ihr verbundenen „Rule of Law Defense Fund“ beim Sturm auf das Kapitol. Daraus ziehen wir die Konsequenz.“

Online-HV: BAYER noch unentschieden
Schon lange vor Corona hatten BAYER & Co. mit der Abkehr von Präsenz-Hauptversammlungen geliebäugelt, um sich kritische AktionärInnen besser vom Leib halten zu können. Die Pandemie gab ihnen dann die passende Gelegenheit dazu, was BAYER als erster DAX-Konzern nutzte. Im September 2021 erteilte der Gesetzgeber den Unternehmen nun das Recht, auch im nächsten Jahr wieder ins Virtuelle zu flüchten. Es blieb bei einer Mahnung, dabei besonnen vorzugehen: „Auch wenn die Erleichterungen somit noch bis einschließlich 31. August zur Verfügung stehen, sollte von diesem Instrument im Einzelfall nur dann Gebrauch gemacht werden, wenn dies unter Berücksichtigung des konkreten Pandemie-Geschehens und im Hinblick auf die Teilnehmer-Zahl der jeweiligen Versammlung erforderlich erscheint.“ Unmittelbar nach dem Beschluss erklärte der Global Player auf Anfrage des Leverkusener Anzeigers, es stehe noch nicht fest, ob er sich für eine Online-HV entscheiden werde.

CORONA & CO.

Aus für CUREVAC-Impfstoff
Der Corona-Impfstoff des BAYER-Partners CUREVAC erreichte bei den Tests nur eine Wirksamkeit von 48 Prozent. Offensichtlich reichte bei CVnCoV die Dosierung nicht aus. Eine stärkere Konzentration konnte das Tübinger Unternehmen jedoch nicht vornehmen, ohne heftige Nebenwirkungen zu provozieren. Anders als MODERNA und BIONTECH hatte CUREVAC den Wirkstoff nämlich nicht chemisch verändert, um ihn ungefährlicher zu machen. Besonders bei Älteren schlug das Vakzin nicht in gewünschter Form an. Zunächst wollte die Tübinger Firma nach der Devise „Was nicht passt, wird passend gemacht“ vorgehen und Studien – etwa durch die Einbeziehung besonders junger Proband-Innen – neu konzipieren, Mitte Oktober entschied das Management sich jedoch um. Es verkündete das Aus für das Pharmazeutikum und gab bekannt, zukünftig allein auf seinen Impfstoff der zweiten Generation zu setzen, für den die Firma sich GLAXOSMITHKLINE als Partner auserkoren hat. Die Lieferverträge mit der Europäischen Union fallen jetzt flach. Die Vorabzahlungen der EU in Höhe von 450 Millionen Euro muss CUREVAC aber ebenso wenig zurückzahlen wie die 196 Millionen Euro aus dem Fördertopf des Bundeswirtschaftsministeriums. Die Kooperation mit BAYER liegt jetzt ebenfalls auf Eis. Ursprünglich hatte die Aktien-Gesellschaft vor, 160 Millionen Dosen CVnCoV herzustellen. 30 Beschäftigte stellte sie dafür ein. Aber nun heißt es aus der Unternehmenszentrale: „Es gibt keinen Gegenstand mehr, auf den sich die Partnerschaft beziehen könnte.“ Die Anlage für die Corona-Arznei hatte der Konzern noch gar nicht gebaut, weshalb sich die Unkosten in Grenzen halten und eine Fertigung für andere Vakzin-Anbieter nicht in Frage kommt. Entsprechende Hoffnungen der nordrhein-westfälischen Landesregierung enttäuschte der Pharma-Riese. Ursprünglich hatte Ex-Ministerpräsident Armin Laschet noch ganz andere Pläne und bei der Bekanntgabe der Zusammenarbeit frohlockt: „Der Einstieg der BAYER AG in die Impfstoff-Produktion ist ein weiterer wichtiger Schritt im Kampf gegen das Virus. NRW will zu einem Zentrum der mRNA-Technologie werden.“ Beim Leverkusener Multi heißt es jetzt lediglich unverbindlich: „Wir schauen uns die mRNA-Technologie grundsätzlich weiter an, setzen aber vor allem auf die Gen- und Zelltherapie.“ Und für die 30 Neueingestellten hat er bereits andere Aufgaben gefunden.

CUREVAC forcierte Staatsbeteiligung
Im Juni 2020 erwarb der Bund 23 Prozent der Anteile an BAYERs zeitweiligem Impfstoff-Partner CUREVAC (s. o.). Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) begründete diesen Schritt mit der Notwendigkeit, „elementare Schlüsselindustrien am Standort zu erhalten und zu stärken“ und die industrielle Souveränität Deutschlands zu wahren. „Deutschland steht nicht zum Verkauf“, so Altmaier. Vorher hatte es Gerüchte um einen Börsengang von CUREVAC in den USA sowie um das Bemühen Donald Trumps gegeben, die Firma ganz in die USA zu locken. Diese Gerüchte hat CUREVAC bewusst geschürt, um staatliche Gelder zu erhalten. Das hat die Initiative FRAG DEN STAAT enthüllt, die eine Anfrage auf Basis des Informationsfreiheitsgesetzes stellte und so Einsicht in den Briefverkehr des Unternehmens mit der Bundesregierung erhielt. „Ich möchte gerne den Technologie-Transfer unserer proprietären Produktion in die USA und den Abzug der Impfdosen aus Tübingen verhindern, deswegen wende ich mich nochmals an Sie“, so unterlegte das Management die Bitten um Geld. Auch Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Bündnis 90/Die Grünen) lobbyierte für die finanzielle Unterstützung CUREVACs. Er wandte sich in einer E-Mail persönlich an den damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und warnte ebenfalls vor einer Abwanderung der Firma in die USA, falls die Euros ausblieben.

BAYER prüft Impfpflicht in US-Werken
Der BAYER-Konzern prüft, in seinen US-amerikanischen Niederlassungen eine Impfpflicht zu erlassen. „Es wird auch bei uns in den USA darüber diskutiert, es gibt aber derzeit keine Entscheidung in dieser Richtung“, bekundete ein Sprecher des Unternehmens.

Geimpfte und Nicht-Geimpfte getrennt
Der BAYER-Konzern trennt in seinen Kantinen Geimpfte und Nicht-Geimpfte voneinander und betritt damit eine rechtliche Grauzone. Unternehmen ist es nämlich nicht gestattet, sich nach dem Impf-Status der Beschäftigten zu erkundigen, denn Gesundheitsdaten unterliegen einem besonderen Schutz. Nur für Krankenhäuser, Pflege-Einrichtungen, Schulen und Kita gelten laut Infektionsschutz-Gesetz Ausnahme-Bestimmungen. Der Leverkusener Multi betont allerdings, die Regelung „in enger Absprache mit den Betriebsräten“ getroffen zu haben. Und der Agro-Riese hat noch einen Dreh gefunden, die Vorschriften zu unterlaufen: Er überlässt die Angelegenheit einfach den Belegschaftsangehörigen. „Selbstorganisierte Gruppen, zum Beispiel in Mehrpersonen- oder Großraumbüros, in Laboren oder Teilbereichen der Produktion, können unter freiwilliger Anwendung der 2G-Regel ohne Abstand und Maske zusammenarbeiten oder Arbeitsmeetings in Präsenz durchführen“, erklärt der Global Player.

BAFIN prüft InsiderInnen -Geschäfte
Mitte Juni gab die Biotech-Schmiede CUREVAC, mit der BAYER in Sachen „Corona-Impfstoff“ einen Kooperationsvertrag abgeschlossen hatte, enttäuschende Test-Ergebnisse für seinen Vakzin-Kandidaten bekannt. Unmittelbar danach stürzten die Aktien des Unternehmens ab. Das rief die Finanzaufsicht BAFIN auf den Plan. Die Behörde leitete ein Prüfverfahren ein, um zu eruieren, ob ManagerInnen der beiden Konzerne ihr InsiderInnen-Wissen nutzten und kurz vor Schluss noch einmal Kasse machten. Die Tübinger Firma stritt das jedoch vehement ab und verwies auf einen schon weit vorher festgelegten Verkaufstermin: „Es besteht daher keine logische Kausalität zwischen den beschriebenen Transaktionen und aktuellen Firmen-Entwicklungen bei CUREVAC.“

BAYERs Patent-Lobbyismus
Nur 0,5 Prozent der verfügbaren Impfstoffe gegen COVID-19 landeten in den ärmeren Ländern, wie Max Klein von der BUKO PHARMA-KAMPAGNE auf der letzten CBG-Jahrestagung Anfang Oktober darlegte. Um eine gerechtere Verteilung der Vakzine zu gewährleisten, fordern diese Staaten deshalb eine Aufhebung der Patente. Dagegen sträuben sich die Pharma-Unternehmen – unterstützt von der Bundesregierung – jedoch vehement. So bekundete BAYERs Pharma-Chef Stefan Oelrich auf der letzten Hauptversammlung des Leverkusener Multis: „Bei der Bekämpfung einer solchen Pandemie geht es in erster Linie darum, den Menschen so schnell wie möglich und auch unbürokratisch zu helfen. Dabei stehen Fragen des Patentschutzes zunächst nicht im Vordergrund. Davon unabhängig gilt, dass der Schutz des geistigen Eigentums als Anreiz für die Entwicklung neuer Arzneimittel unverzichtbar ist. Dies ist die Basis dafür, dass es heute mit Hilfe neuer Technologien in Rekordzeit entwickelte Impfstoffe überhaupt gibt. Ohne Rechte an geistigem Eigentum würden die Impfstoffe gegen Covid-19 nämlich nicht existieren.“ Und solchen Worten folgen auch Taten, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ hervorgeht. So nahm Oelrich in Sachen „Patente“ an einer Videokonferenz des Bundeskanzleramts teil, und auch in einer zweiten zum Thema war ein Emissär des Konzerns vertreten. Bei einem „Zukunftsdialog“ zu der Frage, den das Bundeswirtschaftsministerium initiierte, durfte der Pharma-Riese selbstverständlich ebenfalls nicht fehlen. Überdies gab es telefonische Kontakte mit dem Staatssekretär Andreas Feicht. Und am 23. Juni kam es sogar zu einem persönlichen Treffen von BAYER-ManagerInnen mit Kanzleramtschef Helge Braun.

BAYER & Co. wollen „Studienreform“
Für die klinische Erprobung der verschiedenen Impfstoffe und Medikamente gegen Corona gab es beschleunigte Verfahren. Beispielsweise wurden die verschiedenen Phasen der Prüfungen zusammengelegt. Infolgedessen kamen in der praktischen Anwendung viele Nebenwirkungen zum Vorschein, die in den Tests unbemerkt blieben. So ging die Europäische Arzneimittel-Agentur unter anderen Hinweisen auf vermehrt auftretene Fälle von Herzmuskel-Entzündungen, Herzbeutel-Entzündungen, Embolien, Thrombosen, Blutungsstörungen, Nierenstörungen und Augenleiden nach. BAYER & Co. aber wollen trotzdem die Ungunst der Stunde nutzen, um generell weniger Auflagen für Pharma-Tests durchzusetzen. „Für klinische Studien ist es wichtig, dass die Politik Rahmenbedingungen schafft, dass es von der Planung bis zur Studie schneller losgehen kann“, sagt etwa BAYER-Managerin Heike Prinz. Und der vom Leverkusener Multi gegründete „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ sekundiert: „Die Vielzahl der nötigen Genehmigungen und Zustimmungen, insbesondere bei Datenschutz und Ethik, macht alles sehr bürokratisch, aufwendig und manchmal auch langsam.“

Kein Antikörper-Impfstoff mit BAYER
Der BAYER-Konzern hatte sich an einer Kooperation zur Entwicklung eines Antikörper-Vakzins gegen Corona beteiligt. Gemeinsam mit CORAT THERAPEUTICS und dem „Fraunhofer-Institut für Toxikologie und experimentelle Medizin“ wollte er ein Vakzin auf Antikörper-Basis entwickeln, das als sogenannter Passiv-Impfstoff die Ausbreitung der Krankheit bei schon Infizierten eindämmt. Der Beitrag des Leverkusener Multis zum Verbund bestand darin, CORAT Zugriff auf seine Prozessentwicklungsplattform zu gewähren. Im März 2021 aber kündigte das Unternehmen seine Zusammenarbeit mit den beiden Partnern auf. Offenbar hatte es sich damals entschieden, ganz auf die Impfstoff-Liason mit CUREVAC zu setzen.

Zweite Karriere für BAYER-Mittel?
Zu schweren Verläufen von Corona kommt es zumeist durch eine Überreaktion des Immunsystems, die auch zu einer Schädigung gesunder Zellen führt. Bei Versuchen, dies zu verhindern, stießen WissenschaftlerInnen des „Berlin Institute of Health“ auf eine alte BAYER-Substanz. Als Mittel gegen chronische Entzündungskrankheiten scheiterte das Präparat, das Chemokine – Botenstoffe des Immunsystems – blockiert, einst. Nun hoffen die ForscherInnen auf bessere Resultate bei COVID-19. Die vom Bundesforschungsministerium mit 3,5 Millionen Euro geförderte klinische Studie beginnt direkt mit der zweiten Phase; die Herstellung der Prüfsubstanz hat der Leverkusener Multi übernommen.

DRUGS & PILLS

BAYER setzt auf Krebsmittel
Therapeutika gegen Krebs werfen im Arznei-Bereich mit am meisten Geld ab, obwohl diese Pharmazeutika die Überlebenszeit der PatientInnen zumeist nur um wenige Monate verlängern. So kostet etwa eine Behandlung mit BAYERs Tumor-Präparat VITRAKVI schlappe 32.800 Dollar pro Monat. Solche Profit-Aussichten veranlassen den Konzern nun, die Sparte auszubauen. „Es ist unser Ziel und unser Anspruch, dass wir in diesem Feld bis 2030 zu den „Top-Ton“-Pharmaunternehmen gehören“, verkündete BAYERs Forschungsleiter Christian Rommel. Momentan nimmt der Global Player Rang 14 ein. Aus eigener Kraft will er den Aufstieg allerdings nicht bewerkstelligen. Der Leverkusener Multi setzt dabei auf externe Kooperationen.

AGRO & CHEMIE

Glyphosat-Absatz wächst
In Deutschland legt der Glyphosat-Absatz wieder zu. Während die Zahlen zwischen 2015 und 2019 von 4.315 Tonnen auf 3.059 Tonnen sanken, stiegen sie im Jahr 2020 auf 3.773 Tonnen an – eine Steigerung um fast 25 Prozent.

Glyphosat verseucht Nudeln
In vielen Teigwaren finden sich Glyphosat-Spuren. Das Magazin Ökotest untersuchte 19 Spaghetti-Marken und spürte in elf von ihnen Reste des Pestizids auf. Während keines der fünf untersuchten Bio-Fabrikate mit dem umstrittenen Herbizid verunreinigt war, galt das nur für drei der konventionell hergestellten Produkte.

Glyphosat verseucht Wälder
Der Einsatz von BAYERs Glyphosat in der Forstwirtschaft Kanadas verursacht weitreichende Schäden. Hatte ein ForscherInnen-Team um Nicole Botten von der „University of Northern British Columbia“ noch ein Jahr nach der Ausbringung Rückstände des Herbizids in Himbeeren und Heidelbeeren nachgewiesen (Ticker 4/21), so machten ihre KollegInnen Alexandra R. Golt und Lisa J. Wood nun negative Effekte auf Unterholz-Sträucher wie Stachel-Rosen aus. Laut der Studie hemmte das Pestizid die Verbreitung der Pflanze, sorgte für eine verminderte Größe der Pollen und schränkte deren Überlebensfähigkeit ein. Das gefährdet nach Ansicht der beiden WissenschaftlerInnen die gesamte Artenvielfalt des Waldes. Der BAYER-Konzern hingegen will von all dem nichts wissen. „Unsere glyphosat-basierten Produkte wurden von den Zulassungsbehörden in Kanada und weltweit gründlich geprüft, um sicherzustellen, dass alle zugelassenen Anwendungen der Produkte die Umwelt schützen, einschließlich der Nicht-Zielpflanzen“, bekundete Konzern-Sprecher Utz Klages. Dabei verwies er auch auf eine Untersuchung der Forstbehörde, die ihm zufolge zu dem Schluss kam, „dass Glyphosat, wie es in der kanadischen Forstwirtschaft verwendet wird, kein inakzeptables Risiko für natürliche Lebensräume, Wildtiere oder die Umwelt darstellt“.

Glyphosat-Regelungen in Kraft
Im September 2021 trat ein Gesetzes-Paket zum Insektenschutz in Kraft, das auch Maßnahmen zur Einschränkung des Pestizid-Gebrauchs umfasst. Für Glyphosat sehen die Bestimmungen ein Verbot nur für die Anwendung im Privatbereich und auf öffentlichen Grünflächen vor, die mengenmäßig kaum ins Gewicht fällt. Für das Ausbringen auf Äckern lassen Merkel & Co. hingegen zahlreiche Ausnahmen zu. So darf das Mittel gegen nicht wenige Wildkräuter nach wie vor zum Einsatz kommen. Auch wenn das Pflügen, die Wahl einer geeigneten Fruchtfolge oder eines geeigneten Aussaat-Zeitpunkts nicht möglich ist, bleibt das von der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestufte Herbizid bis 2023 erlaubt. Erst dann erfolgt das Aus – und das auch nur unter Vorbehalt. Wenn die EU Glyphosat bis dahin nämlich nicht aus dem Verkehr zieht, wackelt auch der Beschluss der Bundesregierung. „Sollten sich in diesem Zusammenhang Änderungen der Dauer der Wirkstoff-Genehmigung ergeben, ist das Datum des vollständigen Anwendungsverbots gegebenenfalls anzupassen“, hält die „Pflanzenschutzanwendungsverordnung“ fest. Die anderen Vorgaben zur Handhabung der Ackergifte erweisen sich ebenfalls als unzureichend. Sie beschränken sich auf Maßnahmen zur Eindämmung des Insektensterbens in bestimmten Schutzgebieten. Überdies gibt es viele Ausnahme-Tatbestände.

Merkel & Co. antworten Bundesrat
Der Bundesrat hatte dem Gesetzes-Paket zum Insektenschutz (s. o.) zwar zugestimmt, aber noch Änderungen erwirkt. Einerseits beschloss er einen Bestandsschutz für Länder-Regelungen zur Einschränkung des Pestizid-Gebrauchs, die über das Bundesrecht hinausgehen, andererseits schuf das Länder-Gremium einen weiteren Ausnahme-Passus. So wollte es den Einsatz von Glyphosat & Co. zur „Gewährleistung der Verkehrssicherheit von Schienen-Wegen“ weiterhin erlaubt sehen. Insgesamt erachtete der Bundesrat das Paragrafen-Werk jedoch als nicht ausreichend. Deshalb bat er die Bundesregierung in einer Entschließung, „weitere Vorschläge zum Schutz und zur Stärkung der Artenvielfalt zu erarbeiten“. Drei Monate später kam die Antwort. Handlungsbedarf konnte die Große Koalition allerdings nicht erkennen. Sie verwies auf die zusätzlich zu den neuen Paragrafen-Werken noch durch das „Aktionsprogramm Insektenschutz“ sowie die EU-Landwirtschaftspolitik initiierten Maßnahmen und führte einige vom Bund unterstützte Forschungsprojekte zu weniger schädlichen Pestiziden oder nicht chemischen Verfahren auf.

PFLANZEN & SAATEN

Saatgut: Biden will regulieren
Auf den meisten Agrar-Märkten haben sich oligopolhafte Strukturen gebildet. Die Biden-Administration sieht deshalb den Wettbewerb gefährdet und die LandwirtInnen einem immer höheren Preisdruck ausgesetzt. Darum will sie die einzelnen Sektoren prüfen. Als erste Sparte hat sich Landwirtschaftsminister Tom Vilsack den Saatgut-Bereich vorgenommen, in dem BAYER, CORTEVA, LIMAGRAIN und CHEMCHINA/SYNGENTA 52 Prozent aller Geschäfte abwickeln. Und einen Ansatzpunkt hat der Politiker schon identifiziert: „Man fragt sich, ob diese langen Patente Sinn machen.“

BITS & BYTES

Immer mehr digitale Landwirtschaft
Die Digitale Landwirtschaft sammelt mit Hilfe von Drohnen, Sensoren und Satelliten-Bildern Informationen über das Wetter, die Bodenbeschaffenheit, Pflanzenkrankheiten und Schadinsekten. BAYER hat dazu die Plattform „FieldView“ im Angebot und preist es den FarmerInnen mit einigem Erfolg als probates Mittel an, um „Risiken aktiv zu managen, die Produktivität zu steigern und Betriebsabläufe zu vereinfachen“. Kam das Erzeugnis der Digital-Tochter CLIMATE CORPORATION im Jahr 2018 auf einer Fläche von 24 Millionen Hektar zum Einsatz, so sind es nunmehr bereits 73 Millionen Hektar. Und allen Beteuerungen des Leverkusener Multis zum Trotz, das Tool offen für andere Anbieter von Pestiziden, Saatgut und anderen Input-Gütern zu halten, steigert es ganz im Sinne des Erfinders doch den Absatz der eigenen Hervorbringungen. „Zudem ist der Umsatz mit Produkten des Unternehmens bei den Nutzern von ‚FieldView’ gestiegen“, hält der Global Player zufrieden fest.

WASSER, BODEN & LUFT

BAYERs Treibhaus-Gase
Als klima-schädlicher Stoff steht zumeist das Kohlendioxid im Mittelpunkt der Diskussion, weil BAYER & Co. es in Massen emittieren. Die anderen Treibhaus-Gase sind jedoch auch nicht ohne. In der Summe richten fluorierte Kohlenwasserstoffe, Lachgas, Methan, Kohlenmonoxid und Ruß fast einen genauso großen Schaden an wie CO2, denn die Stoffe haben es in sich. So ist Methan 25-mal so wirksam wie CO2 und Lachgas sogar 125-mal. Und der Leverkusener Multi mischt auch auf diesem Feld kräftig mit. Er stieß im Geschäftsjahr 2020 22.000 Tonnen fluorierte Kohlenwasserstoffe, 8.000 Tonnen Lachgas, 3.000 Tonnen Methan und 1.160 Tonnen Kohlenmonoxid aus.

Methan im Fokus
Die Klima-Politik nimmt neben Kohlendioxid endlich auch andere Treibhaus-Gase (s. o.) in den Fokus. So hat die EU eine Methan-Strategie verabschiedet und gemeinsam mit den USA eine Reduktionsinitiative an den Start gebracht. Die 30 Länder, die sich ihr angeschlossen haben, verpflichten sich, den Ausstoß dieses Gases bis 2030 um 30 Prozent gegenüber dem Jahr 2020 zu senken.

Schmutzige Glyphosat-Produktion
Im US-Bundesstaat Louisiana stößt kaum eine Produktionsstätte mehr chemische Stoffe aus als BAYERs Glyphosat-Fabrik in Luling. 2020 setzte sie nach Angaben der US-amerikanischen Umweltbehörde EPA rund 7.700 Tonnen an Cobalt, Kupfer, Nickel, Ammonium, Methanol, Formaldehyd, Phosphor und anderen Substanzen frei. Aber auch die Anlage in Soda Springs, wo der Leverkusener Multi das Glyphosat-Vorprodukt Phosphor herstellt, ist eine veritable Dreckschleuder. Auf ca. 2.270 Tonnen Cobalt & Co. kommt der Standort.

Keine Grundwasser-Schäden in der Ville?
Die NRW-Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen erkundigten sich nach etwaigen Grundwasser-Verunreinigungen durch Sonderabfall-Deponien (SAD). „Bei Gruben-Deponien kann es zu einem marginalen Eintrag von Grundwasser durch das Dichtungssystem in den Ablagerungsbereich kommen“, räumte die Landesregierung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage ein. Im Falle von Hilgenberg und Ochtrup sei das auch wirklich geschehen, räumt die schwarze-gelbe Koalition ein. Die Sonderabfall-Deponie des Chemie„parks“ Hürth-Knapsack, in dem BAYER ein Pestizid-Werk betreibt, hält ihr zufolge aber dicht: „Grundwasser-Schäden durch die SAD Knapsack sind hier nicht bekannt.“

Altlasten-Standort Leverkusen
Unter dem Pflaster Leverkusens liegt alles andere als der Strand. Der Boden des Stadtgebiets ist großflächig mit industriellen Altlasten kontaminiert. Ein nicht geringer Teil davon dürfte made by BAYER sein. Insgesamt 39 Abfall-Konglomerationen befinden sich unter der Grasnarbe. Bei dreizehn davon haben die Aufsichtsbehörden die Gefährdungsabschätzung abgeschlossen; dreizehn weitere überwachen sie dauerhaft. Bei neun der Hinterlassenschaften haben die ExpertInnen noch keine Maßnahmen festgelegt. Einer Sanierung unterzogen oder bereits saniert sind vier Altlasten. Das ergab eine Kleine Anfrage der NRW-Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen.

Mehr Giftmüll in die Ville
Die Sonderabfall-Deponie des Chemie„parks“ Hürth-Knapsack, in dem BAYER ein Pestizid-Werk unterhält, liegt im ehemaligen Braunkohle-Tagebaugebiet „Vereinigte Ville“. Die giftigen Hinterlassenschaften der Konzerne landen in den verwaisten Braunkohle-Gruben. „Deponien sind schon seit Langem ein fester Bestandteil einer funktionierenden Kreislauf-Wirtschaft. Trotz aller Bemühungen zur Vermeidung, zur Wiederverwendung oder anderweitigen Nutzung von Abfällen bleiben auch zukünftig nennenswerte Anteile an Abfällen übrig, die aufgrund ihres Gehaltes an Schadstoffen gesichert deponiert werden müssen“, so die Betreiber ABFALLENTSORGUNGS- UND VERWERTUNGSGESELLSCHAFT KÖLN, RWE und REMONDIS. Und zwar so nennenswerte Anteile, dass die Deponie an ihre Grenzen stößt. Darum möchten die Eigentümer die Kapazität um 35 Millionen Kubikmeter erweitern und haben ein entsprechendes Planfeststellungsverfahren eingeleitet. Dabei liegt die „Vereinigte Ville“ in unmittelbarer Nähe eines tektonischen Risses, des „Kierberger Sprungs“. Die NRW-Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen wollte deshalb von der Landesregierung wissen, ob die Erdbeben-Gefahr beim Genehmigungsprozess Berücksichtigung findet. Die schwarz-gelbe Regierungskoalition bejahte das mit dem Verweis auf ein in Auftrag gegebenes hydro-geologisches Standort-Gutachten. „Es ist Grundlage für den Abwägungsprozess im Planfeststellungsverfahren und für Vorgaben im Bescheid“, heißt es in der Antwort auf die Kleine Anfrage.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Ida legt Glyphosat-Produktion lahm
Der BAYER-Konzern ist nicht nur Klimawandel-Täter mit einem CO2-Ausstoß von 3,58 Millionen Tonnen im letzten Jahr, sondern auch Klimawandel-Opfer. Er leidet selbst unter den zunehmenden Extremwetter-Ereignissen, die der Treibhausgas-Ausstoß verursacht. So legte der Hurrikan Ida Ende August 2021 seine Glyphosat-Produktion am US-amerikanischen Standort Luling lahm. Mehr als sechs Wochen dauerte es, bis der Agro-Riese die Strom-Versorgung wieder sicherstellen und neues Glyphosat herstellen konnte. Da es bereits im Frühjahr Lieferengpässe gab und auch China wegen Energie-Mangels weniger von dem Herbizid fertigte als üblich, zogen die Preise für das umstrittene Mittel kräftig an.

Die Zukunft des Entsorgungszentrums
Am 27. Juli 2021 ereignete sich auf dem Gelände des Leverkusener Chem„parks“ eine Explosion. Der Störfall im Tanklager des Entsorgungszentrums forderte sieben Todesopfer. 31 Menschen trugen zum Teil schwere Verletzungen davon. Anfang November wollten die nordrhein-westfälischen Grünen von der Landesregierung wissen, wie diese sich die Zukunft der Sondermüll-Verbrennungsanlage und der anderen Vorrichtungen auf dem Areal vorstellt, die sich laut CURRENTA momentan im „Winterschlaf“ befinden. „Eine Wiederinbetriebnahme bzw. ein Wiederaufbau der Anlage ist erst nach eindeutiger Klärung des Ereignis-Hergangs und vorbehaltlich eventuell erforderlicher organisatorischer und/oder technischer Änderungen möglich“, erklärten CDU und FDP in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage. Auch „Änderungsbedarfe an dem bestehenden Regelwerk“ schlossen die Parteien nicht aus. Bei einer Anhörung im Leverkusener Stadtrat nannte Dr. Horst Büther von der Bezirksregierung einige konkrete Punkte. Je nach Ergebnis des Sachverständigen-Gutachtens könnten beispielsweise bestimmte Abfall-Gruppen aus der Genehmigung genommen sowie die Überwachung verschärft werden, so Büther. Gleichzeitig drängt die Landesregierung jedoch auf Eile, denn seit der Detonation im Tanklager besteht in Nordrhein-Westfalen ein Entsorgungsnotstand. Einzelne Firmen wie etwa die ehemalige BAYER-Tochter LANXESS waren schon gezwungen, ihre Produktion zu drosseln. „Die aufgrund des Explosions- und Brandereignisses im Chem‚park’ Leverkusen am 22(sic!).07.2021 beschädigte Rückstands- und Abfallverbrennungsanlage der CURRENTA GmbH & Co. OHL muss zeitnah wieder in Stand gesetzt werden“, erklärt Schwarz-Gelb deshalb. Welche Hürden zur Wiederaufnahme des Betriebs zu nehmen sind, hängt von den Plänen des Unternehmens ab, wie Horst Büther im NRW-Umweltausschuss erläuterte. „Soll dieses Tankfeld wieder genauso aufgebaut werden, wie es war, oder sollen Änderungen vorgenommen werden? Und je nachdem, welche Änderungen vorgenommen werden sollen, muss eine entsprechende Änderungsgenehmigung beantragt werden bei uns, bei der Bezirksregierung. Und im Rahmen dieser Änderungsgenehmigung werden wir gucken: Was müssen wir für Anforderungen stellen an die Wiederinbetriebnahme des Betriebes? Wenn tatsächlich 1:1 aufgebaut werden sollte, wären die Anforderungen gering, andererseits sind sie höher“, so Büther. Nach Ansicht der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) muss es ein komplett neues Tanklager geben, weil das alte den Sicherheitsanforderungen nicht entsprach, und ergo auch ein komplett neues Genehmigungsverfahren mit BürgerInnen-Beteiligung.

Kläranlagen bald wetterfester?
Der Starkregen, der Mitte Juli 2021 Deutschland, Holland, Belgien und die Schweiz heimsuchte, hatte katastrophale Folgen. Auch der Chemie„park“ Knapsack, in dem BAYER ein Pestizid-Werk betreibt, spürte die Auswirkungen. Die Abwasser-Behandlungsanlage lief über, was zum „Abfluss erheblicher Mengen Niederschlagswassers sowie Abwassers“ führte. Die Stadt Hürth setzte daraufhin eine Warnmeldung ab, die das „Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe“ aufgriff und weiterverbreitete. „Innerhalb des Stadtgebietes Hürth ist es im Bereich Alt-Hürth und Teilen von Hermülheim zu einem größeren Schadensereignis gekommen. Dabei werden Schadstoffe freigesetzt, die zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Hautreizungen führen können“, so der Wortlaut. Die „Entfesselungspolitik“ der nordrhein-westfälischen Landesregierung, im Zuge derer sie auch das Landeswasserrecht reformierte, hatte sich als fatal erwiesen. Schwarz-Gelb veränderte bei der Neufassung des Landeswasser-Gesetzes nämlich den Paragrafen, der vorschrieb, neue Abwasser-Anlagen hochwassersicher zu bauen und ältere bis Ende 2021 umzurüsten. Bis 2027 gaben die Parteien den Betreibern nun Zeit – zu lange, wie sich im Juli zeigte. Jetzt aber erkennt die Landesregierung Handelsbedarf. Sie plant, „weitergehende Regelungen – zum Hochwasserschutz bei Abwasser-Anlagen auf der Basis von einzuführenden, allgemein anerkannten Regeln der Technik – zu erlassen“, wie es in ihrer Antwort auf eine entsprechende Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen hieß. Zudem gelte es, „einzelfall-bezogen zu prüfen, inwieweit weitergehende Rückhalte-Maßnahmen für künftige Starkregen-Ereignisse erforderlich und umzusetzen sind“, so CDU und FDP.

STANDORTE & PRODUKTION

Der Berkeley-Deal
Anfang der 1990er Jahre plante BAYER eine große Erweiterung seines Pharma-Werks in Berkeley. Dagegen erhob sich allerdings ein breiter Protest. Die CITIZENS OPPOSING POLLUTED ENVIRONMENT fürchteten sich vor allem vor den Risiken und Nebenwirkungen der Gentechnik. Aber auch die Produktion von Impfstoffen gegen die Pest und andere Erreger für das Pentagon stieß auf Kritik, weil es dabei zu einer Infektion von mehreren Beschäftigten kam. Der Leverkusener Multi startete eine große Öffentlichkeitskampagne, die vor allem auf die vielen in Aussicht stehenden neuen Arbeitsplätze verwies, und hatte damit schließlich Erfolg. Allerdings musste er sich auf ein Development Agreement mit der Stadt einlassen und Geld für gemeinnützige Zwecke zur Verfügung stellen. Nun will der Konzern, der sich mittlerweile zum größten Unternehmen Berkeleys entwickelt hat, weiter wachsen und Produktionsstätten bis zu einer Höhe von 24 Metern errichten. Und abermals macht sich unter den Anwohner-Innen Skepsis breit. Deshalb steht auch ein neues Development Agreement an. In den nächsten 30 Jahren beabsichtigt der Global Player dafür 30 Millionen Dollar bereitzustellen. 60 Prozent des Etats sieht er dabei für Bildungsprogramme vor, bei denen – als ein nicht ganz unbeabsichtigter Nebeneffekt – auch wissenschaftlicher Nachwuchs für seine Labore abfällt. 20 Prozent des Geldes sollen der lokalen Wirtschaft zugutekommen, und weitere 20 Prozent fließen in ein kommunales Wohnungsprogramm. Auch für Sozialarbeit bleibt ein bisschen was übrig. Das alles reicht dem Bürgermeister Jesse Arreguin allerdings nicht. „Ich glaube, sie können mehr tun“, sagt er. Konzern-Sprecherin Cathy Keck schaltete jedoch auf stur und brachte flugs andere Standorte ins Spiel, die ihr als Interessenten für „BAYERs globale Infrastruktur-Dollars“ einfielen. Aber nach zähen Verhandlungen einigten sich beide Parteien schließlich doch. Der Agro-Riese stimmte zu, bis zum Jahr 2052 33 Millionen Dollar zu zahlen.

IMPERIUM & WELTMARKT

Deal mit MICROSOFT
Die digitale Landwirtschaft sammelt mit Hilfe von Drohnen, Sensoren und Satelliten-Bildern Informationen über das Wetter, die Bodenbeschaffenheit, Pflanzenkrankheiten und Schadinsekten. BAYER hat dazu die Plattform „FieldView“ im Angebot und preist sie den FarmerInnen mit einigem Erfolg als probates Mittel an. Auf 73 Millionen Hektar kommt dieses Erzeugnis der Digital-Tochter CLIMATE CORPORATION bereits zum Einsatz. Dem Konzern reicht das jedoch noch nicht. Ihm zufolge „besteht weiterhin großer Bedarf an Lösungen, um die gesamte Wertschöpfungskette für Nahrungs- und Futtermittel sowie Kraftstoffe und Textilfasern zu optimieren“. Deshalb hat das Unternehmen im November 2021 eine umfassende Kooperation mit MICROSOFT vereinbart. „BAYER und MICROSOFT schließen strategische Partnerschaft, um die Digitalisierung der Wertschöpfungskette für Lebensmittel voranzubringen“ ist die entsprechende Pressemitteilung überschrieben. „Die Partnerschaft basiert auf einer langjährigen Geschäftsbeziehung zwischen BAYER und MICROSOFT und dem gemeinsamen Engagement für Datenschutz, Cybersicherheit und Kundenvertrauen“, heißt es weiter. Der Global Player will jetzt sein „FieldView“-Tool in die neue Infrastruktur überführen und gemeinsam mit der US-Firma „die erforderlichen Data-Science-Kapazitäten“ entwickeln. Die fertige Plattform soll dann auch anderen – „von Start-ups bis zu globalen Konzernen“ – zur Verfügung stehen. Wie die bisherigen Erfahrungen mit AMAZON, APPLE, FACEBOOK & Co. zeigen, präferieren diese digitalen Instrumente aber stets die Gründer und monopolisieren die Märkte. Auch der BAYER-Konzern nutzt diese in seinem Sinne (s. Bits & Bytes). Zudem ist eine neue Daten-Krake das letzte, was die Welternährung braucht. Darum fordert die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) die EU auf, im Rahmen des geplanten Gesetzes für digitale Märkte auch dem Landwirtschaftsbereich strenge Auflagen zu machen und ein umfassendes Kontrollsystem zu etablieren.

In Treue fest zu MONSANTO
Mehrere Finanz-AnalystInnen und InvestorInnen forderten BAYER zur Rückabwicklung des MONSANTO-Kaufs auf. Aber Konzern-Chef Werner Baumann antwortete auf die Frage des Wirtschaftsmagazins Capital, ob das für ihn eine Option sei: „Natürlich nicht“. Der Große Vorsitzende steht nach wie vor in Treue fest zu dem von ihm eingefädelten Deal. „Kein Unternehmen kann einen so großen Beitrag zur Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft leisten“, fabulierte Baumann.

Verkauf von SCHERING DO BRASIL
Während der BAYER-Konzern seine Anstrengungen verstärkt, die Armutsregionen mit seinem Langzeit-Verhütungsmittel MIRENA zu beglücken (siehe NORD & SÜD), stößt er seine Tochter-Gesellschaft SCHERING DO BRASIL ab, die Kontrazeptiva und Hormon-Präparate wie MICROVLAR, MIRANOVA, NEOVLAR, FEMIANE, CLIMENE, PRIMOLUT NOR vor allem für den lateinamerikanischen Markt hergestellt. Der Leverkusener Multi verkaufte die Niederlassung für 112 Millionen Dollar an die GRUPO UNIÃO QUÍMICA. Einzelne Produkte verbleiben jedoch noch bis zu fünf Jahren im Sortiment des Global Players.

ÖKONOMIE & PROFIT

Der „CURRENTA-Moment“
Im Jahr 2019 haben BAYER und LANXESS ihre Beteiligungen an dem Chemie„park“-Betreiber CURRENTA an die australische Investmentbank MACQUARIE veräußert, genauer: an MIRA, den Infrastruktur-Fonds des Geldhauses. Der Leverkusener Multi drängte zum Verkauf. Er brauchte wegen der Millionen-Klagen in Sachen „Glyphosat“ Geld. LANXESS hingegen zögerte. Das Unternehmen hatte mehr Werke auf dem CURRENTA-Areal als der Agro-Riese und traute MACQUARIE das Management inklusive der sachkundigen Weiterentwicklung der Infrastruktur der „Parks“ nicht so recht zu. Aber schließlich stimmten beide Partner dem Deal zu, denn das Geld lockte. 3,5 Milliarden Euro zahlten die Australier – das Zwölffache des CURRENTA-Jahresgewinns. Dies ließ die Branche aufhorchen. Von einem „CURRENTA-Moment“ sprechen BeobachterInnen. Und den erhofft sich nun auch das Unternehmen INTRASERV HÖCHST, das einen – unter anderem mit einem Pestizid-Werk von BAYER bestückten – Chemie-Komplex in Frankfurt unterhält. Nachdem Gespräche über einen Verkauf vor rund 20 Jahren an Zweifeln ob der Kompetenz möglicher Investoren scheiterten, unternimmt INTRASERV nun einen neuen Anlauf. Zu den Interessenten soll der FAZ zufolge auch MACQUARIE gehört haben. „Ein Kenner der Materie wies allerdings darauf hin, dass die Gesellschaft noch mit dem schweren Unfall in Leverkusen zu kämpfen hat“, so die Zeitung (siehe auch UNFÄLLE & KATASTROPHEN). Solche Unwägbarkeiten waren es auch, welche die Verhandlungen von DOW mit MACQUARIE und zwei anderen Bietern platzen ließen. „Unklarheit über Haftungsfragen bei Umweltschäden“ nennt das Blatt als Grund.

RECHT & UNBILLIG

Explosion: drei Tatverdächtige
Am 27. Juli 2021 ereignete sich auf dem Gelände des Leverkusener Chem„parks“ eine Explosion (siehe SWB 4/21). Der Störfall im Tanklager des Entsorgungszentrums forderte sieben Todesopfer. 31 Menschen trugen zum Teil schwere Verletzungen davon. Abermals zeigte die Katastrophe die lebensgefährlichen Risiken einer dem Profit-Prinzip folgenden Wirtschaftsweise auf. Die bürgerliche Justiz aber muss Schuld individualisieren. Bereits am ersten Tag nach der Detonation leitete die Staatsanwaltschaft Köln Ermittlungen gegen unbekannt wegen des Verdachts auf fahrlässige Tötung und auf fahrlässige Herbeiführung einer Sprengstoff-Explosion ein. Im Oktober 2021 gab sie dann bekannt, sich dabei konkret auf drei Personen zu fokussieren. Verletzung der Sorgfaltspflichten lautet der Vorwurf. Die Staatsanwaltschaft legt den Beschäftigten zur Last, eine Chemikalie über der zulässigen Temperatur gelagert zu haben, was zu einem Druckanstieg und schließlich zur Explosion führte. Zur Beweissicherung nahmen die Behörden bei den Beschuldigten sowie bei der CURRENTA Hausdurchsuchungen vor und stellten Datenträger, Handys und Dokumente sicher. Mit diesem Vorgehen bricht die Staatsanwaltschaft Organisationsversagen auf menschliches Versagen herunter. Es war aber eine komplexe Gemengelage, die den großen Knall und ein solches Ausmaß an Folgen überhaupt erst möglich gemacht hat. Zum einen handelt sich um ein uraltes, noch von BAYER errichtetes Entsorgungszentrum mit Tanks, die so dicht nebeneinander standen, dass am 27. Juli ein Domino-Effekt eintrat. Zudem verlief über das Gelände eine Starkstrom-Leitung, die zerbarst und erst umständlich vom Netz genommen und geerdet werden musste, was die Lösch-Arbeiten verzögerte. Überdies hat die CURRENTA die Müll-Entsorgung als rendite-orientierten Geschäftszweig betrieben und Abfall aus aller Herren Länder akquiriert – aus Dänemark stammte derjenige, der bei der Detonation hochgegangen ist. Darüber hinaus müssten die Betriebsabläufe mit einer systematischen Risiko- und Gefahrenanalyse eigentlich so durchformalisiert sein, dass ein persönliches Fehlverhalten ohne gravierende Folgen bleibt. Auch haben die Behörden die Anlagen-Überwachung nicht ernst genommen. So schauten KontrolleurInnen der Bezirksregierung zuletzt im Jahr 2018 mal im Chem„park“ vorbei. Und die Politik beugte sich immer wieder dem Druck der Konzerne und unterließ es, strengere Sicherheitsregelungen einzuführen. Über all dies müsste zu Gericht gesessen werden, dafür fehlen aber die Instrumente. Darum fordert die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN bereits seit Jahren die Einführung eines Unternehmensstrafrechts.

BAYER gewinnt Glyphosat-Prozess

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Der Leverkusener Multi hat vor einem US-amerikanischen Gericht einen Schadensersatz-Prozess in Sachen „Glyphosat“ gewonnen. Der „Superior Court of the State of California“ in Los Angeles wies am 5. Oktober 2021 die Klage von Destiny Clark ab, die das Herbizid der jetzigen BAYER-Tochter MONSANTO für die Lungenkrebs-Erkrankung ihres 10-jährigen Sohnes Ezra verantwortlich gemacht hatte. Obwohl die Clarks die Agro-Chemikalie über Jahre hinweg in ihrem Garten versprüht hatten, konnten die Geschworenen keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Ausbringung und Ezras „Non-Hodgkin-Lymphom“-Diagnose im Alter von vier Jahren erkennen. Zuvor musste der Konzern in drei Verfahren Niederlagen einstecken. Ein viertes verlor er freiwillig, um die Möglichkeit zu haben, in einer höheren Instanz ein Grundsatz-Urteil zu erwirken. Mit ausschlaggebend für das Votum des Superior Courts dürfte gewesen sein, dass interne Firmen-Unterlagen über manipulierte Studien, die Beeinflussung von Zulassungsbehörden und MONSANTO-eigene Erkenntnisse zu den Gesundheitsgefahren des Mittels nicht zur Beweisfindung zugelassen waren. Ob die Familie den Richter-Spruch anfechten will, steht zurzeit noch nicht fest. Sofort nach Bekanntgabe der Entscheidung stieg der Aktien-Kurs des Global Players kurzzeitig um bis zu 2,7 Prozent. Der Finanzmarkt erachtete den Freispruch offensichtlich als gutes Omen für die künftigen juristischen Auseinandersetzungen und sah die Position des Unternehmens in den noch ausstehenden Vergleichsverhandlungen gestärkt. BAYER zeigte sich ebenfalls hocherfreut. „Das Urteil der Geschworenen zur Frage der Kausalität zu unseren Gunsten beendet das Gerichtsverfahren und entspricht sowohl der Einschätzung der zuständigen Regulierungsbehörden weltweit als auch den umfangreichen wissenschaftlichen Erkenntnissen aus vier Jahrzehnten“, ließ die Aktien-Gesellschaft wider besseren Wissens verlauten. Einige Staaten haben Glyphosat nämlich bereits verboten, und selbst die vom Agro-Riesen immer wieder als Kronzeugin für die gesundheitliche Unbedenklichkeit des Mittels angeführte US-Umweltbehörde EPA beurteilte das Pestizid in internen Expertisen als krebserregend (siehe POLITIK & EINFLUSS).

BAYER gewinnt Glyphosat-Prozess

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Der BAYER-Konzern hat im Dezember 2021 einen weiteren Schadensersatz-Prozess in Sachen „Glyphosat“ gewonnen. Ein Gericht im US-amerikanischen San Bernadino wies die Klage der 71-jährigen Donnetta Stephens ab, die das Mittel über 30 Jahre lang verwendete und für ihr Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) – eine spezielle Art des Lymphdrüsen-Krebses – verantwortlich machte. Damit verlor der Rechtsanwalt Fletch Trammel, der rund 4.000 Glyphosat-Geschädigte vertritt, nach dem Fall „Clark“ (s. o.) schon seinen zweiten Prozess gegen den Leverkusener Multi. Er kündigte jedoch an, in Berufung zu gehen.

BAYER verliert Glyphosat-Prozess
Die Glyphosat-Geschädigten Alberta und Alva Pilliod haben den Prozess gegen die BAYER-Tochter MONSANTO endgültig gewonnen. Am 17. November 2021 wies der „California Supreme Court“ den Einspruch des Leverkusener Multis gegen das Urteil des Berufungsgerichts ab. Der „Court of Appeal“ hatte den Anspruch der beiden RentnerInnen auf Schadensersatz am 9. August für berechtigt erklärt und dem Unternehmen „eine rücksichtslose Missachtung der Gesundheit und Sicherheit der vielen ahnungslosen Verbraucher“ attestiert (Ticker 4/21). Auch der neuen Strategie des Konzerns, die Justiz der Einzelstaaten in Sachen „Glyphosat“ für unzuständig zu erklären, weil es sich um eine vor den Obersten Gerichtshof gehörende Bundesangelegenheit handele, erteilte der Court damals eine Abfuhr. Der Global Player muss den Pilliods nun 86,7 Millionen Dollar an Strafe und Schmerzensgeld zahlen. Sie hatten auf ihren Grundstücken über 30 Jahre lang das unter dem Produktnamen ROUNDUP vermarktete Glyphosat genutzt. 2011 erkrankte Alva am Non-Hodgkin-Lymphom (NHL), einer speziellen Art des Lymphdrüsen-Krebses, 2015 seine Frau. Zwei Jahre später reichte das Ehepaar Klage ein. Erstinstanzlich bekam es 2019 zwei Milliarden Dollar zugesprochen. Später reduzierte der „Alameda County Superior Court“ die Summe auf die jetzt letztinstanzlich bestätigten 86,7 Millionen Dollar. Aber trotz der juristischen Schlappe lässt der Agro-Riese immer noch nichts auf das Pestizid kommen. „Wir stehen weiterhin fest hinter der Sicherheit von ROUNDUP, eine Position, die sowohl von den Regulierungsexperten weltweit als auch von dem überwältigenden Gewicht von vier Dekaden umfangreicher Forschung gestützt wird“, erklärte die Aktien-Gesellschaft nach der Entscheidung.

Glyphosat: Vergleich und Verzicht
125.000 KlägerInnen haben die Risiken und Nebenwirkungen des Pestizids Glyphosat, das die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO unter dem Namen ROUNDUP vermarktet, in den USA auf den Plan gerufen. Diese machen das Ackergift für ihr Non-Hodgkin-Lymphom, eine spezielle Art des Lymphdrüsen-Krebses, verantwortlich. Mit Kanzleien, die 98.000 der Betroffenen vertreten und zu den größten der Branche zählen, hat der Leverkusener Multi sich mittlerweile auf Entschädigungen verständigt (Stand 22. Oktober 2021). Im Rahmen dieser Vereinbarungen verpflichteten die Rechtsanwaltsbüros sich auch, keine neuen Fälle mehr anzunehmen. Die Rechtsfirma, welche die Interessen von Alberta und Alva Pilliod wahrnahm (s. o.), zählt ebenfalls dazu. In der Presseveröffentlichung, die den Sieg des Ehepaars in Sachen „Glyphosat“ verkündete, hieß es deshalb: „BAUM HEDLUND ARISTEI & GOLDMAN nimmt keine ROUNDUP-Fälle mehr an. Nichts in dieser Mitteilung zielt darauf ab, weitere Rechtsstreitigkeiten gegen MONSANTO zu fördern oder zu unterstützen im Zusammenhang mit ROUNDUP und dem Non-Hodgkin-Lymphom.“ Neuerkrankte haben es deshalb inzwischen schwer, juristischen Beistand zu finden.

Mexiko: Glyphosat-Bann bleibt
Im Jahr 2020 hatte die mexikanische Regierung Glyphosat verboten, was auf massiven Druck von Landwirtschaftsorganisationen, Umwelt- und VerbraucherschützerInnen zurückging. Der BAYER-Konzern leitete gemeinsam mit anderen Unternehmen gerichtliche Schritte ein, konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Im Oktober 2021 lehnte der Supreme Court des Landes die Klagen der Konzerne endgültig ab.

BAYER verliert zweiten PCB-Prozess
Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören zu den giftigsten Hervorbringungen der Chlorchemie. Die vor allem von BAYER und MONSANTO in Umlauf gebrachten gefährlichen „Alleskönner“ kamen bis zu ihrem vollständigen Verbot 1989 in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben, Ölen, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz – und stellen immer noch ein beträchtliches Gesundheits- und Umweltrisiko dar. Darum ist der Konzern mit einer Vielzahl von Schadensersatz-Ansprüchen konfrontiert. Im Juli 2021 gab ein Gericht in Seattle drei LehrerInnen des Sky Valley Education Centers in Monroe recht, die ihre Leiden auf das PCB-kontaminierte Schulgebäude zurückführten. „So viele Schüler und Lehrer mussten Sky Valley verlassen, weil sie einfach zu krank wurden“, sagte etwa Michelle Leahy, eine der PädagogInnen. Strafe und Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 185 Millionen Dollar kostete das den Leverkusener Multi. Im November 2021 verlor er auch den zweiten Prozess in dieser Sache. Dieses Mal sprachen die RichterInnen den Betroffenen 62 Millionen Dollar zu. Der Agro-Riese legte – wie schon nach dem ersten Urteil – Berufung ein. Er hält das von seiner jetzigen Tochter-Firma MONSANTO stammende PCB nicht für den Auslöser von Krebs, Hormonstörungen oder neurologischen Erkrankungen. Nach der Entscheidung vom Juli hatte BAYER erklärt: „Die Beweislage in diesem Fall stützt nicht die Schlussfolgerung, dass die Kläger im Sky Valley Education Center gefährlichen PCB-Werten ausgesetzt waren oder dass eine Exposition ihre Gesundheitsstörungen hervorgerufen haben könnte“. Nur „extrem niedrige PCB-Werte“ seien in der Schule gemessen worden, so der Global Player. Ob er damit die Gerichte in den weiteren Verfahren – allein von Betroffenen aus dem Sky Valley Education Center liegen noch rund 200 Klagen vor – überzeugen kann, ist zu bezweifeln.

BAYER verklagt DR. REDDY’S
Routinemäßig geht der Leverkusener Multi rechtlich gegen Unternehmen vor, die sich anschicken, nach Ablauf der Patentlaufzeit seiner Medikamente Nachahmer-Versionen von diesen herauszubringen. Damit verfolgt der der Pharma-Riese die Absicht, das Inverkehrbringen der Generika zu verzögern, damit er noch möglichst lange Monopol-Profite einstreichen kann. In Sachen „NEXAVAR“ – ein zusammen mit ONYX PHARMACEUTICALS entwickeltes Krebsmittel, das pro Tablette rund 180 Dollar kostet – führte BAYER schon unzählige Prozesse. Die jüngste Klage reichte der Global Player gegen die indische Gesellschaft DR. REDDY’S ein, die in den USA eine Zulassung für das Präparat beantragte. Zuvor hatte es MYLAN und NATCO PHARMA getroffen.

BAYER verklagt APOTEX
Das Unternehmen MEDA erhielt 2009 von der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA die Zulassung für das Allergie-Spray ASTEPRO ALLERGY. Der BAYER-Konzern erwarb später die Lizenz zum Vertrieb des Präparats, dessen Patent im Jahr 2028 ausläuft. Ab Juni 2021 konnte er dann die Ausweitung der Vermarktungszone betreiben: Die FDA hob die Rezeptpflicht auf. Nun aber droht Konkurrenz. APOTEX stellte den Antrag auf Genehmigung einer Nachahmer-Version des ohne Steroide auskommenden Mittels und begründete das mit zu Unrecht erteilten Schutzrechten. Dagegen schreiten BAYER und MEDA jedoch ein. Sie verklagten APOTEX umgehend.

[Explosion] Stichwort BAYER 04/21

CBG Redaktion

Explosion im Chem„park“

Die Verantwortung BAYERs

Am 27. Juli 2021 ereignete sich auf dem Gelände des Leverkusener Chem„parks“ eine Explosion. Der Störfall im Tanklager des Entsorgungszentrums forderte sieben Todesopfer. 31 Menschen trugen zum Teil schwere Verletzungen davon. Abermals zeigte die Katastrophe die lebensgefährlichen Risiken einer dem Profit-Prinzip folgenden Wirtschaftsweise auf.

Von Jan Pehrke

Es war die größte Chemie-Katastrophe in der Geschichte Nordrhein-Westfalens. Sieben Menschen starben bei der Explosion im Leverkusener Chem„park“. 31 verletzten sich zum Teil schwer. 55 Rettungskräfte hatten nach ihrem Einsatz gesundheitsgefährdende Mengen an Schadstoffen im Blut. Und zahllose AnwohnerInnen klagten über Gesundheitsstörungen.
Dazu kamen besorgniserregende Sachschäden wie etwa ein Defekt an den Brunnen der Dhünnaue-Deponien, die das verseuchte Sickerwasser auffangen und zusammen mit der Grundwasser-Barriere verhindern, dass es in den Rhein fließt. „Es wird davon ausgegangen, dass der Rohrbruch, der am 28.07.2021 festgestellt wurde, im Zusammenhang mit dem Ereignis vom 27.07.2021 steht“, konstatiert das Landesumweltministerium in einem Bericht. Auch die Kläranlage des Entsorgungszentrums lädierte die Explosion. Dort fiel die Prozessleitsteuerung aus.
Noch in 40 Kilometer Entfernung von der Unglücksstelle schlugen die Messgeräte des nordrhein-westfälischen Geologischen Dienstes aus, eine solche Kraft hatten die Druckwellen. Die Rauchwolke zog über das ganze Bergische Land bis nach Dortmund hin. Eine Warnmeldung der Kategorie „extreme Gefahr“ setzten die Behörden ab. Die Feuerwehr forderte die Bevölkerung auf, die Fenster zu schließen und die Klima-Anlagen auszuschalten. Sie mahnte eindringlich, die niedergehenden Ruß-Partikel nicht zu berühren, kein Obst und Gemüse aus den eigenen Gärten zu essen und verschmutzte Gegenstände nicht selbst zu reinigen. Eine Größe von bis zu zwei Zentimetern erreichten die Flocken und waren nicht ohne: Mitunter fraßen sie sich sogar durch die Schutzschicht von Autolacken. Die Stadt Leverkusen sperrte alle Spielplätze, und die LandwirtInnen der Umgebung ließen ihre Kühe nicht mehr auf die Weide.
„Ich dachte, ein Flugzeug wäre auf unserem Hausdach gelandet“, so beschreibt eine Frau aus Leverkusen-Bürrig die Detonationsgeräusche. Am nächsten Tag legte sich ihr zufolge dann ein schwerer, gummiartiger Gestank über den Stadtteil, und sie hatte einen „bitteren Geschmack“ auf der Zunge. Den hatte auch ein anderer Anwohner. Das war aber nicht alles. Er habe „starke Lungenschmerzen bekommen“, berichtete er dem Kölner Stadtanzeiger. An eine Atom-Explosion, einen Fall-Out, erinnerte ihn das Ganze. Ein Mann klagte derweil über brennende Haut, und eine ältere Frau spürte noch am Wochenende darauf die Nachwirkungen. „Am Sonntag hatte ich den ganzen Tag Kopfschmerzen“, sagte sie in einem Monitor-Interview.

Verharmlosungen
Bereits am ersten Tag nach der Detonation begann die Staatsanwaltschaft Köln Ermittlungen wegen des Verdachts auf fahrlässige Tötung und auf fahrlässige Herbeiführung einer Sprengstoff-Explosion. Diese hatte sich in dem Tanklager der Sondermüll-Verbrennungsanlage des Chemie„park“-Betreibers CURRENTA, genauer im Tank 3 ereignet. Und es war ein Unglück mit Ansage. Schon ab etwa fünf Uhr morgens kam es an dem 27. Juli zu einem Temperatur- und Druckanstieg in dem Behältnis, da sich eine Chemikalie erhitzt hatte. Eine Alarmierung der Feuerwehr erfolgte zu diesem Zeitpunkt aber nicht. Die CURRENTA pumpte zur Abkühlung Heizöl in den Tank, aber das konnte die chemische Reaktion nicht stoppen. „Der ganze Vorgang ging so schnell, dass die Sicherheitseinrichtungen den Druck nicht mehr abführen konnten. Als der Druck dann über dem Auslegungsdruck des Behälters lag, explodierte dieser“, heißt es in dem Zwischenbericht des Gutachters. Der größte Druck- und Temperaturanstieg fand eine Viertelstunde vor der Detonation statt, die sich um 9.40 Uhr ereignete. Die Abfall-Flüssigkeit, die dem zweiten Zwischenbericht zufolge in Bürrig „oberhalb der Selbsterwärmungstemperatur gelagert wurde und so die Reaktion in Gang“ setzte, vermengte sich dann mit der Luft und dem Heizöl, was einen Brand auslöste. Das Feuer griff bald auch auf acht der Nachbar-Tanks über und zerstörte diese oder beschädigte sie stark.
Die Feuerwehr durfte sich zu diesem Zeitpunkt dem Brandherd immer noch nicht von allen Seiten nähern, sondern nur von Westen aus. Über dem Entsorgungszentrum verlief nämlich eine Starkstrom-Leitung, die zerbarst und erst umständlich vom Netz genommen und geerdet werden musste. Nach den heutigen technischen Bau-Bestimmungen für Betriebe, die der Störfall-Verordnung unterliegen, wäre eine solche überirdische Führung von 110 Kilovolt gar nicht mehr erlaubt. Aber der Gesetzgeber gewährt freundlicherweise Bestandsschutz. Und so verstrichen rund anderthalb Stunden, ehe die 360-köpfige Lösch-Crew die Möglichkeit hatte, vollen Einsatz zu zeigen. Gegen 13 Uhr gelang es ihr schließlich, das Feuer – mit potenziell umweltschädlichen – Sonderlöschmitteln unter Kontrolle zu bringen.
Dreieinhalb Stunden später folgte schon die erste Entwarnung. „Im gesamten Stadtgebiet wurden von der Feuerwehr Leverkusen und dem LANUV (Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen, Anm. SWB) Luftmessungen vorgenommen, die unauffällig blieben“, vermeldete die Stadt Leverkusen. Dabei war im Einzelnen gar nicht klar, was da ins Freie gelangt war – und ist es bis heute nicht. Laut CURRENTA befanden sich in den Tanks „organische Wasser- und Lösungsmittel-Gemische und chlorierte Wasserstoffe“. Daraus zog das LANUV erste Schlüsse: „Daher gehen wir derzeit davon aus, dass über die Rauchwolke Dioxin-, PCB- und Furan-Verbindungen in die umliegenden Wohn-Gebiete getragen wurden.“ Über die Konzentration der Stoffe vermochte die Behörde aber noch keine Angaben zu machen. Drei Tage später legte sie dann ihre Ergebnisse vor. „Eine nur geringe Schadstoff-Belastung“ stellte das LANUV fest. „Bei den Stoffgruppen der Dioxine (einschließlich dioxin-ähnliche PCB) wurde die Bestimmungsgrenze nicht erreicht. Bei den Polychlorierten Biphenylen (PCB) und den Polyzyklischen Aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) wurden sehr geringe Werte gemessen, die die Bewertungsgrenzen unterschritten“, so das Landesamt. Nach anderen Stoffen hatte die Einrichtung allerdings zu der Zeit noch nicht gefahndet. Daher empfahl sie, zunächst noch alle Schutzmaßnahmen aufrechtzuerhalten.
An den Dioxin-Befunden erhoben sich sogleich Zweifel. So machte der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) auf die geringe Anzahl der genommenen Proben aufmerksam und kritisierte die Aussage des LANUV-Mitarbeiters Ulrich Quaß, „dass die Ruß-Flocken auch für Kinder völlig unkritisch seien, selbst wenn diese so einen Brand-Rückstand verschlucken sollten“, als „völlig unangebracht“. Wenig später sah sich diese Skepsis durch eine GREENPEACE-Untersuchung bestätigt, die sich auf 20 statt bloß auf drei Proben stützte. „Teilweise wurden höhere Konzentrationen nachgewiesen als in den veröffentlichten Mess-Ergebnissen des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV)“, erklärte die Organisation. Während die Greenpeace-ChemikerInnen in den Wischproben von Staub auf Spielplätzen und in Hausgärten genauso wenig wie ihre LANUV-KollegInnen gefährliche Rückstände aufspüren konnten, stießen sie in dem Ruß sehr wohl auf bedenkliche Werte. „In vier von sieben quantitativ untersuchten Proben von Ruß-Niederschlägen werden Polychlorierte Dibenzo-Dioxine und -Furane in Konzentrationen oberhalb der Bestimmungsgrenze nachgewiesen“, heißt es in dem Bericht der Initiative. „Die Entwarnung kommt zu früh“, konstatierte GREENPEACE deshalb: „Kinder sollten auf keinen Fall mit diesen Fundstücken in Berührung kommen.“ Die Stadt forderten die Umweltschützer*innen auf, die Rückstände flächendeckend und systematisch zu analysieren und die CURRENTA, die Rußpartikel einzusammeln und fachgerecht zu entsorgen.
Mit genaueren Informationen zum Tank-Inhalt rückte der Chem„park“-Betreiber immer nur häppchenweise heraus, was die Untersuchungen zum Schutz der AnwohnerInnen massiv erschwerte. NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser musste sogar persönlich in Leverkusen vorstellig werden, um bei dem Unternehmen Druck zu machen. Eine Verzögerungstaktik sah sie dabei aber nicht am Werk. Die CDU-Politikerin schrieb das Verhalten laut dpa lediglich einer vorübergehenden Überforderung zu. Am 31. Juli tat die Bezirksregierung Köln dann kund, in dem explodierten Tank hätten sich „flüssige Reststoffe aus der Produktion von Chemikalien für die Landwirtschaft“ befunden, in der Hauptsache phosphor- und schwefelhaltige Substanzen. Knapp eine Woche später publizierte das LANUV dann die Resultate ihrer Untersuchung auf der Basis der erhaltenen Stofflisten. 450 Agrochemie-Bestandteile spürte es in Boden- und Pflanzenproben nach und fand „keine relevante Konzentration und keinerlei Grenzwert-Überschreitungen“. „Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die einzelnen Bestandteile der Agrar-Chemikalien aus den Tanks durch den unmittelbar nach der Explosion einsetzenden Brand fast vollständig zerstört wurden“, so die Behörde.
Am 11. August durfte dann auch die Öffentlichkeit Genaueres erfahren. Die CURRENTA informierte über die Stoffe in den Tanks und im Fall des hochgegangenen Behälters auch über deren Herkunft. Sie stammten von einem „außerhalb des Chem„park“ ansässigen Kunden aus dem EU-Ausland“. Bei seinem Besuch der Leverkusener Stadtratsfraktionen nannte Unternehmenschef Lars Friedrich dann noch weitere Details. So brachte ein einziger Stoff, mit dem es das Entsorgungszentrum zuvor noch nie zu tun hatte, den Tank 3 zum Platzen. Die Bezirksregierung warnte sogleich alle Betreiber von Verbrennungsanlagen im In- und Ausland vor dieser Substanz. Genauere Angaben zu der Chemikalie verweigerte Friedrich jedoch mit Verweis auf die noch laufenden Ermittlungen. Er versicherte Erhard Schoofs von der Bürgerliste lediglich, dass die CURRENTA auch diese Lieferung sorgfältig beprobt hätte, bevor sie abgefüllt wurde.

Made by BAYER
Ein Leverkusener wusste laut Rheinischer Post sogleich, was er zu tun hatte, als er am Morgen des 27. Juli die ungeheure Erschütterung vernahm: „Ich geh’ rein, mach die Fenster zu. Wenn das vom BAYER kommt ...“ „Und ja, es kommt ‚vom BAYER’, wie man in Leverkusen sagt, wenn man über den Chem„park“, das ehemalige BAYER-Werk, spricht“, schreibt die Zeitung. BAYER und der Chem„park“, das ist für die Stadt immer noch eins, obwohl die Besitzverhältnisse inzwischen andere sind. Im Jahr 2019 verkaufte der Konzern seine 60-prozentige Beteiligung an der CURRENTA und hat somit rein formal nichts mehr mit dem Störfall zu tun. Andererseits trägt er aber sehr wohl Verantwortung. Der Multi war es nämlich, der nicht nur das Entsorgungszentrum mit dem Tanklager und den Verbrennungsöfen errichtete, sondern auch die ganze Chem„park“-Struktur mitsamt seiner Sicherheitsarchitektur schuf, die sich dann am 27. Juli nicht zum ersten Mal als sehr anfällig erwies. 2011 ging von der Sondermüll-Verbrennungsanlage aus ein Sandregen über Teile Leverkusens nieder. 2010 entzündete sich ein Feuer, und 2009 traten nach einem Defekt in der Dosier-Einrichtung der Abluft-Behandlung Schadstoffe aus. Im Jahr 1986 kam es in einem Müll-Ofen zu einer Detonation, bei der Nitrose freigesetzt wurde. 1980 schließlich explodierten Stoffe im Anlieferungsbunker. Sie töteten einen Bagger-Fahrer und zerstörten das „Entsorgungszentrum“ zum größten Teil.
Alles, was heute der Chem„park“ ist mit seinen rund 70 Firmen, nahm ursprünglich der BAYER-Konzern mit seinen Produktionsanlagen allein in Beschlag. Den dabei anfallenden Giftmüll verbuddelte er lange Zeit einfach. 1957 dann nahm das Unternehmen die erste Vorrichtung zur Sonderabfall-Verbrennung in Betrieb. Neue Öfen folgten in den Jahren 1967 und 1976. Eine Generalüberholung der Verbrennungsanlage 1 führte der Chemie-Riese 1989 durch, die der Verbrennungsanlage 2 1991/92. Da die beiden Vorrichtungen aber immer noch mehr Schadstoffe in die Luft bliesen, als die 17. Bundesimmissionsschutz-Verordnung (BImSchV) erlaubte, musste BAYER 1995 „eine weitere Nachrüstung der Rauchgas-Reinigung“ vornehmen. Im Jahr 2016 erfolgte die bisher letzte Sanierung für rund vier Millionen Euro. Dabei wurde unter anderem ein sechs Meter langer Abschnitt eines Ofen-Drehrohres ersetzt.

Müll als Geschäft
Im Lauf der Zeit veränderte sich auch der Status der Produktionsrückstände – aus dem Müll wurde ein Geschäft. Noch aus den entlegensten Erdteilen versuchten die ManagerInnen gefährliche Produktionsrückstände zu akquirieren. Dazu erweiterten sie ständig die Kapazitäten der Öfen. Zuletzt war dies 2012 der Fall. Da stieg das Fassungsvermögen von 80.000 Tonnen auf 120.000 Tonnen. Die Lieferungen bestanden nämlich immer weniger aus heizwert-reichen Abfällen, bei deren Verbrennung eine als Energie nutzbare Wärme entsteht. Deshalb brauchte der Entsorger mehr Masse. „Der Energie-Ausgleich muss bei uns mit mehr Menge erfolgen, um unsere Verbrennungsanlage weiter wirtschaftlich betreiben zu können“, so der damalige CURRENTA-Sprecher Mark Mätschke. Diese Vergrößerungen machten riesige Tank-Anlagen als Zwischenlager-Stätten nötig. Wenn sich die Service-Gesellschaft darauf beschränkt hätte, nur den im Chem„park“ selbst regelmäßig anfallenden Sondermüll zu verbrennen, hätte es solch großer Vorrichtungen gar nicht bedurft, aber da war die Profit-Gier BAYERs vor. Wegen dieses Eifers, aus der Beseitigung von Fabrikationsresten einen blühenden Geschäftszweig gemacht zu haben, bezeichnete die ehemalige NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn den Leverkusener Multi deshalb einmal als „Müllstaubsauger“.
Und noch etwas anderes veränderte sich über die Jahre. Durch Produktionsverlagerungen bzw. -schließungen oder kleiner dimensionierte Neu-Anlagen entstanden auf dem Werksgelände immer mehr Freiflächen. Da machte BAYER aus der Not eine Tugend bzw. einen Chem„park“. Es wandelte sein Werk-Areal zu einem offenen Gewerbe-Gebiet um und warb andere Chemie-Firmen als Mieter an. Auch der Konzern selbst wandelte sich. Das Unternehmen gab sich im Jahr 2002 eine Holding-Struktur mit selbstständig arbeitenden Einheiten, um sich leichter von Unternehmensteilen trennen zu können. Das „Park“-Management inklusive „Müllabfuhr“ fiel dabei der Dienstleistungstochter BAYER INDUSTRY SERVICES (BIS) zu. Im Jahr 2005 stieß der Multi dann seine Chemie-Sparte und Teile des „Plaste & Elaste“-Segments ab. Im Zuge dessen gab er der fortan unter LANXESS firmierenden Abspaltung 40 Prozent der BIS-Aktien mit auf den Weg. Drei Jahre später verschwand „BAYER“ aus dem Namen, CURRENTA nannte sich die Service-Gesellschaft nun. Und 2019 schließlich veräußerten BAYER und LANXESS ihre Beteiligungen an die australische Investmentbank MACQUARIE, genauer: an MIRA, den Infrastruktur-Fonds des Geldhauses. Ein langfristiges Engagement stellte dieser jedoch nicht in Aussicht. „Wir gehen von einer Haltedauer von zehn bis zwölf Jahren aus“, so Deutschland-Chef Hilko Schomerus damals.
Aber immer noch unterhält der Leverkusener Multi vielfältige Geschäftsbeziehungen zu seiner Ex-Tochter und lässt beispielsweise seine Produktionsrückstände weiter von ihr entsorgen. Er wähnt diese bei einem Finanzmarkt-Akteur nach wie vor in guten Händen. „BAYER erklärt auf Anfrage, man gehe davon aus, dass sich an den Sicherheitsstandards nach dem Verkauf nichts geändert habe“, meldete die Rheinische Post. Es gäbe Sicherheitsvereinbarungen, erklärte der Agro-Riese der Zeitung gegenüber, überdies behielten die verantwortlichen ManagerInnen sich Kontrollen vor. Und die CURRENTA versicherte ebenfalls, die Schutzmaßnahmen seien „nie heruntergefahren worden“. Aber offensichtlich reichten schon die bestehenden nicht aus.

Dienstbare Politik
Und dafür hat BAYER so einiges getan. „Chemie-Anlagen sind keine Schokoladen-Fabriken“, bekundete der damalige Vorstandsvorsitzende Manfred Schneider 1994 auf der Hauptversammlung und insinuierte auf diese Weise, AnwohnerInnen und Beschäftigte hätten die Risiken und Nebenwirkungen dieser Art der Produktion als Schicksal hinzunehmen. Gegen schärfere Sicherheitsvorschriften setzte sich BAYER stets mit allen Mitteln zur Wehr. So gelang es dem Konzern etwa, den nordrhein-westfälischen Abstandserlass, der nach mehreren Beinahe-Katastrophen keine gefährlichen Fertigungsstätten in der Nähe von Wohngebieten mehr zulassen wollte, zu verwässern. Bestehende Werke nahm die Landesregierung auf Druck des Unternehmens ausdrücklich von den Regelungen aus.
Angemessene Abstände und eine scharfe Kontrolle aller Störfall-Betriebe sahen schließlich auch die verschiedenen Seveso-Richtlinien vor, welche die Europäische Union nach dem verheerenden Chemie-Unglück, das sich 1976 in der Nähe der italienischen Stadt Seveso ereignet hatte, auf den Weg brachte. Dagegen opponierte der Multi ebenfalls. Er sprach sich gegen die festgeschriebene Prüfung aller zu einer Firma gehörigen Anlagen aus und kritisierte den bürokratischen Aufwand. Die Aufsichtsbehörden sollten nicht auf Zwangsmaßnahmen setzen, sondern auf ein „partnerschaftliches Miteinander“, meinte die Aktien-Gesellschaft.
Und die Politik spielte mit, von der obersten bis zur untersten Ebene. Der Bund etwa nahm sich bei der Umsetzung der Seveso-II-Richtlinie in deutsches Recht lange Zeit und ließ dabei nicht selten Lücken, weshalb die EU die Bundesrepublik im Jahr 2000 verklagte. Zudem wollte die Bundesregierung die Seveso-Vorgabe der angemessenen Abstände in einer Technischen Anweisung (TA) konkretisieren. Aber dazu kam es nicht, da BAYER & Co. Sturm liefen. Der „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI) formulierte damals seine Bedenken in einem Positionspapier. Demnach sollte der Sicherheitsabstand nur eine von vielen Möglichkeiten sein, die von Störfallen ausgehenden Gefahren zu reduzieren und eine Unterschreitung auf keinen Fall zur Nichtgenehmigung einer Anlage führen. Andernfalls wäre „im Widerspruch zu § 3 Abs. 1 der 12. BImSchV die Tolerierbarkeit des Restrisikos aufgehoben“, so der BDI. Es galt für ihn lediglich, „die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Störfall auf ein tolerierbares und sozialadäquates Maß“ zu reduzieren: „Das heißt, dass ein Restrisiko verbleibt.“ Zudem trat die Lobby-Organisation dafür ein, bei der „Definition der Schutzobjekte“ das Augenmaß zu wahren. Überdies muss für den Bundesverband bei Genehmigungsverfahren „darauf geachtet werden, dass es nicht zu Verfahrensverzögerungen und Kostensteigerungen“ durch die Regelung kommt. Das Bundesumweltministerium führte dann ein Planspiel zur Realisierung der TA Abstand durch, das einen schlechten Ausgang nahm. So blieb alles beim Alten, und Einzel-Gutachten beurteilten wie eh und je jeweils konkret das Gefährdungspotenzial eines Vorhabens für die Umgebung.
Am BAYER-Standort Dormagen erzielte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) dennoch einmal einen Erfolg. Im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens für ein Kunststoff-Werk monierte sie den zu geringen Sicherheitsabstand der Anlage zu Wohnsiedlungen und Verkehrseinrichtungen. Daraufhin holte die Bezirksregierung ein Gutachten ein, das Handlungsbedarf erkannte, und der Leverkusener Multi musste bei der S-Bahn-Station „Dormagen BAYER-Werk“ einen Schutzraum errichten.

Dienstbare Kommunen
Die Kommune selber hält dagegen ebenso ungern Distanz zu BAYER wie Leverkusen. Die Städte fühlen sich durch die Seveso-Richtlinien nämlich in ihrem Aktionsradius bei der Ausweisung von neuen Wohn- oder Gewerbegebieten eingeschränkt. Deshalb versuchen sie sich durch Gutachten Handlungsraum zurückzuerobern. Zu diesem Behufe beauftragte Leverkusen vor einigen Jahren den TÜV, die Chancen für die Entwicklung Wiesdorfs zu eruieren. Das TÜV-Gutachten erklärte dann zwar die unmittelbar an den Chem„park“ angrenzenden Flächen, die Planungszone 1, zur No-Go-Area, in der keine Bebauung mehr gestattet ist, gab ansonsten aber Entwarnung. „Im Ergebnis des ersten Arbeitsschrittes konnten durch die Detail-Betrachtung im technischen Gutachten die Abstände zum Teil deutlich reduziert werden“, vermeldete der „Technische Überwachungsverein“ erfreut. Nach der bisherigen Richtgröße, dem von der Kommission für Anlagensicherheit (KAS) pauschal festgelegten „Achtungsabstand“, wäre die Bannmeile nämlich deutlich breiter ausgefallen. Nunmehr aber unterlag die vom TÜV umrissene Planungszone 2 jetzt nur noch wenigen Auflagen. Und auf der Basis dieser Festlegungen erstellte Leverkusen schließlich einen Entwicklungsplan für das Stadtgebiet. Die Bezirksregierung Köln beobachtete dieses Treiben mit einiger Sorge. So kritisierte ihr Immissionsschutz-Experte Wolfgang Raffel laut Leverkusener Anzeiger „den Leverkusener Trend, in Gefahrenbereichen zu bauen“.
Ansonsten aber zeigt auch die Behörde keinen übermäßigen Ehrgeiz, die AnwohnerInnen vor den Risiken und Nebenwirkungen der Chemie-Produktion zu schützen. Die Kapazitätserweiterung der Öfen von 80.000 auf 120.000 Tonnen winkte sie 2012 durch, ohne dabei die vom gesamten „Entsorgungszentrum“ ausgehenden Gefährdungen mit zu berücksichtigen. „Spezielle über den Antragsgegenstand hinausgehende Anforderungen an die Sicherheitstechnik wurden im Genehmigungsbescheid nicht festgelegt“, erklärte die Bezirksregierung laut report-K. Dadurch versäumte sie es, insbesondere das Tanklager mit den dicht nebeneinander stehenden Tanks auf die Gefahr möglicher Kettenreaktionen hin zu untersuchen, obwohl schon die zu der Zeit geltende Seveso-II-Richtlinie eine Prüfung etwaiger Domino-Effekte vorschrieb. Das Tanklager selbst sahen sich die KontrolleurInnen zuletzt im Januar 2016 an und waren damit bereits nach einer Stunde fertig.
Seither nahm die CURRENTA insgesamt neun bauliche Eingriffe vor. Genehmigungsverfahren brauchte es dafür aber nach Ansicht der Bezirksregierung nicht. Sie schaute nur mal kurz drüber. „Die technischen Änderungen wurden zeitnah nach der Installation in Augenschein genommen“, erklärte sie. Die letzte Störfall-Inspektion des gesamten Areals fand 2018 statt. Und auch bei dieser Gelegenheit musterte die Bezirksregierung die Tanks nicht genauer. Es handelte sich da nach Angaben der Landesregierung nämlich nur um eine „System-Prüfung, d. h. es wird kein einzelner Tank überprüft, sondern es wird überprüft, ob die grundsätzlichen technischen und organisatorischen und management-spezifischen Vorkehrungen des Betreibers geeignet sind, Störfälle zu verhindern“. Die nächste, turnusmäßig für 2020 vorgesehene Kontrolle ließ die Bezirksregierung ausfallen und holte sie auch im April 2021 nicht komplett nach. Wegen der Corona-Pandemie fand lediglich eine Video-Konferenz statt. Einen Lokaltermin hatten die BeamtInnen erst für August angesetzt. Aufgeschreckt durch die Ereignisse vom 27. Juli kontrollierte die Bezirksregierung Köln jetzt wenigstens einmal CURRENTAs Entsorgungszentrum in Dormagen und beauftragte damit gleich zwei Überwachungsteams. „Bei der Inspektion wurden keine Mängel festgestellt“, gab sie anschließend Entwarnung.

Die Reaktionen
„Der Unfall in unserem Entsorgungszentrum in Leverkusen hat uns alle zutiefst erschüttert. Es ist furchtbar, was hier passiert ist“ erklärte die CURRENTA nach der Explosion und hielt fest: „Es ist unsere Aufgabe, den Unfall umfassend aufzuklären. Dabei unterstützen wir die Behörden mit aller Kraft.“ Für den LANXESS-Konzern – bis 2019 gemeinsam mit BAYER Eigentümer der CURRENTA– äußerte sich der Vorstandsvorsitzende Matthias Zachert. Er nannte die verstorbenen und verletzten Beschäftigten „de facto ehemalige Schwestern und Brüder“ und sprach von einem emotionalen Schock. Solche Worte waren von BAYER-Chef Werner Baumann nicht zu vernehmen. Er beließ es bei einer routinierten Beileidsbekundung: „Unser tiefempfundenes Mitgefühl gilt allen, die bei diesem schrecklichen Unfall zu Schaden gekommen sind. Unsere Gedanken sind auch bei den Familien der Betroffenen“. Ansonsten galt Business as usual. Sogar BAYER 04 Leverkusen lief schon am Tag nach der verheerenden Explosion auf, denn der Rasen war bespielbar, wie eine Überprüfung ergeben hatte: kein Partikel-Niederschlag.
Der Vorsitzende der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE), Michael Vassiliadis, nannte die Explosion im Tanklager „ein tragisches, furchtbares Unglück“ und versicherte den Betroffenen und ihren Familien seine Anteilnahme. Detlef Rennings forderte als Betriebsratsvorsitzender der CURRENTA Transparenz ein. „Als Betriebsräte erwarten wir, dass die Ursachen detailliert aufgeklärt werden. Wir müssen verstehen, wie es zu dem Unfall kommen konnte. Denn eines ist klar: So etwas darf nie wieder passieren“, sagte er. Dafür will Rennings zufolge auch der Betriebsrat sorgen: „Natürlich werden wir uns dafür einsetzen, dass aus den Erkenntnissen konkrete Maßnahmen abgeleitet werden und dass wir als Unternehmen und Belegschaft daraus lernen.“
Die SPD-Fraktionsvorsitzende im Leverkusener Stadtrat, Milanie Kreutz, zeigte sich völlig überrascht von dem Ereignis: „Wir haben immer darauf vertraut, dass die Sicherheitsmaßnahmen ausreichend sind.“ Jetzt stimmt die Chemie für sie nicht mehr so ganz, ein einfaches Weiter-so schloss Kreutz dem Spiegel gegenüber aus. „Wir müssen trotz freundlichem Miteinander unsere Kontrollfunktion bei der Aufklärung ausüben“, so Kreutz. Ihr Partei-Kollege Karl Lauterbach, Bundestagsabgeordneter mit Wahlkreis Leverkusen-Köln IV, betrachtete die Stadt dagegen immer schon als gefährdet. „Hier kommt einfach einiges zusammen, was Leverkusen zu einer Hochrisiko-Stadt gemacht hat“, konstatierte er und mahnte: „Für künftige Bauvorhaben sollte nach diesem Vorfall genauer geprüft werden, ob Müllverarbeitungsanlagen so nah an einer Stadt errichtet werden dürfen.“ Der sozialdemokratische Landtagsabgeordnete Josef Neumann verlangte derweil von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), die Explosion zur Chef-Sache zu machen. „Wir müssen wissen, wie es um die Sicherheit solcher Anlagen steht (...) Konkret muss jetzt geklärt werden, ob die Anlage in Leverkusen allen aktuellen Standards und den Auflagen der Sicherheit entsprochen hat“, so Neumann. Und für Norwich Rüße, den umweltpolitischen Sprecher der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, steht schon fest, dass es Handlungsbedarf gibt: „Klar ist bereits jetzt: Dieser erneute Störfall in einem Chemie-Betrieb muss Anlass sein, störfall-anfällige Chemie-Anlagen weiter in puncto ‚Sicherheit’ zu optimieren.“
Zu dieser Einschätzung war das Umweltbundesamt auf der Basis einer umfassenden systematischen Auswertung von 13 Störfällen schon vorher gekommen. Die Mängelliste umfasst zahlreiche Faktoren, und nicht wenige davon treffen auch auf die Chemie-Katastrophe vom 27. Juli zu. Auf betrieblicher Ebene machte die vom UBA in Auftrag gegebene Untersuchung ein Regelungsdefizit bei Kontrollen und der Umsetzung von Auflagen aus. Darüber hinaus hapert es der Studie zufolge bei der „systematischen Risiko- und Gefahrenanalyse“. Als ein Beispiel dafür nennt sie bei einem Vorfall eine unzureichende sicherheitstechnische Bewertung eines Druckanstiegs in einem Kälte-Aggregat. Zudem stießen die AutorInnen oft auf eine Betriebspraxis, die von der genehmigten Auslegung der Produktionsstätte abwich. Auch die Arbeitsbedingungen identifizierten sie als Risiko für Unfälle. Den Einsatz von Fremdfirmen, ohne die Beschäftigten ausreichend einzuweisen, machte die Expertise ebenfalls als Schwachstelle aus. Überdies fehlt es ihr zufolge häufig an einem „Alterungsmanagement“ der Anlagen, weshalb Instandhaltungsmaßnahmen ausbleiben. Und schließlich kristallisierte sich „bei einem Teil der Ereignisse eine erhöhte Kontrolle durch Aufsichtsbehörden (...) als Verbesserungspotenzial“ heraus.

Die CBG-Aktivitäten
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hatte ab dem 27. Juli turbulente Wochen. Sie veröffentlichte noch am Tag der Explosion eine Presseerklärung und ließ weitere, etwa zur Sondersitzung des NRW-Umweltausschusses im Landtag, folgen. Unzählige Medien-Anfragen beantwortete das konzern-kritische Netzwerk und gab viele Interviews. Zudem versorgte sie JournalistInnen mit Informationen und wies sie zum Beispiel auf die Mängel bei den Anlagen-Kontrollen der Bezirksregierung Köln hin.
Gemeinsam mit der aktion ./. arbeitsunrecht verlangte sie in einem Offenen Brief an die CURRENTA genauere Auskünfte über die Beschäftigungsverhältnisse zum Zeitpunkt des Unglücks und wollte beispielsweise wissen, wie hoch der Anteil der LeiharbeiterInnen war. Einen zweiten Offenen Brief adressierten die beiden Initiativen an den WDR, um die oberflächige, unkritische Berichterstattung zu geißeln. Den längsten Offenen Brief, diesmal von der CBG allein verfasst, erhielt der Leverkusener Multi. Dieser steht nach Ansicht der Coordination trotz der 2019 erfolgten Trennung von der CURRENTA nämlich immer noch in der Verantwortung, nicht nur weil das Tanklager und die Müll-Ofen von ihm stammten. Es war „der BAYER-Konzern, der für den Chem„park“ in Leverkusen und die anderen Chem„park“-Standorte das Nutzungskonzept, die Organisationsstruktur und die Sicherheitsarchitektur entwickelt hat“, hieß es in dem Schreiben unter anderem.
Und natürlich war die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN vor Ort in Leverkusen. Am 2. August stieß sie zu einer von der Partei MLPD initiierten Kundgebung, und am 21. September veranstaltete sie die Podiumsdiskussion „Wie weiter nach der Explosion?“ Daran nahmen neben dem Verfasser dieser Zeilen der GREENPEACE-Schadstoffexperte Manfred Santen, Hanno Raussendorf als umweltpolitischer Sprecher der Partei „Die Linke/NRW“ und Beate Hane-Knoll, die Bundestagskandidatin von „Die Linke“ für den Wahlkreis Leverkusen-Köln IV, teil. Rund 50 BesucherInnen kamen ins Forum Leverkusen. Die AnwohnerInnen waren von dem Ereignis immer noch merklich aufgewühlt und hatten auch allen Grund dazu. Beispielsweise klagten manche – zwei Monate danach – immer noch über Geruchsbelästigungen. Es liegt also immer noch Chemie in der Luft – allen Beteuerungen der CURRENTA und des LANUVs zum Trotz. Der Umgang des Chemie„park“-Betreibers und der Verantwortlichen aus Politik und Verwaltung mit der Katastrophe gehörte dann auch zu den zentralen Kritikpunkten von Podium und Publikum. Auch deckte der große Knall für den Saal das eklatante Versagen der Behörden bei der Kontrolle von störfall-anfälligen Anlagen auf. Zudem machte er deutlich, welche Gefahren es birgt, aus der Müllentsorgung ein lukratives Geschäftsfeld zu machen. Und schließlich führte er das Fehlen scharfer politischer Regelungen vor Augen – ein dem unermüdlichen Lobby-Einsatz von BAYER & Co. geschuldeter Mangel. So lautete das Fazit an dem Abend dann auch: Der Risiko-Faktor Nr. 1 ist eine dem Profit-System folgende Wirtschaftsweise. ⎜

[Ticker] Stichwort BAYER 04/21

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Bienenschutz-Blockade
Die Kriterien der Europäischen Union zu Risiko-Prüfungen von Pestiziden berücksichtigen die Bienengefährlichkeit der Mittel nicht ausreichend. Darum hat die EU-Kommission der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA den Auftrag erteilt, die Bienenleitlinie nachzubessern. Dies ist inzwischen erfolgt, aber nun stockt der Prozess. Deutschland und einige andere Länder blocken, da ihnen die Vorschriften zu streng erscheinen. Die Initiative AURELIA hat deshalb bereits 2019 eine Bundestagspetition zur „Reformierung der Risiko-Prüfung von Pestiziden zum Schutz von Bienen und anderen Insekten“ eingereicht. Thomas Radetzki vom AURELIA-Vorstand erläuterte das Anliegen später sogar bei einer Anhörung des Petitionsausschusses. Das war es dann aber auch schon. „Zwei Jahre später müssen die BienenschützerInnen feststellen: Passiert ist nach der im Oktober 2019 erfolgten Anhörung von Thomas Radetzki im Bundestag (...) im Grunde nichts. Die Reformierung der EFSA-Leitlinien zu Bienen und Pestiziden wird auf Bundes- und EU-Ebene weiter systematisch verschleppt“, konstatiert die Organisation.

KAPITAL & ARBEIT

BAYER-Vorstände verdienen 38 Mal mehr
Bei BAYER geht die Gehaltsschere weit auseinander. So streichen die Vorstände 38 Mal mehr ein, als die Beschäftigten beim Leverkusener Multi im Durchschnitt verdienen. Das geht aus einer Erhebung hervor, welche die „Deutsche Schutzgemeinschaft für Wertpapier-Besitz“ gemeinsam mit der TU München durchführte. Auf der Hauptversammlung von 2009 hatte eine Vertreterin des DACHVERBANDES DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE die Vorstandsriege gefragt, ob sie bereit wäre, die eklatante Lohn-Spreizung erst einmal auf den Faktor 20 zurückzufahren. Sie erhielt jedoch eine schnöde Abfuhr. BAYERs damaliger Aufsichtsratsvorsitzender Manfred Schneider sprach sich vehement gegen solche „statistischen Grenzen“ aus.

ERSTE & DRITTE WELT

202 BAYER-HHPs in Mexiko
Als „Highly Hazardous Pesticides“ (HHPs) gelten solche Agrochemikalien, die Mensch, Tier und Umwelt in besonderer Weise gefährden. In Mexiko haben 183 dieser HHP-Wirkstoffe eine Zulassung, von denen 140 in anderen Ländern verboten sind. Die 183 HHPs verteilen sich auf 3.140 Produkte. Die mit Abstand meisten dieser Supergifte bietet BAYER an: 202. Dahinter folgt SYNGENTA mit 133 Erzeugnissen.

Doppelte Standards in Mexiko
BAYER verkauft in Mexiko drei Pestizide, die in der EU wegen ihrer ruinösen Wirkung auf die menschliche Gesundheit oder auf die Umwelt keine Zulassung (mehr) haben, wie Recherchen des PESTIZID AKTIONS-NETZWERKS (PAN) und der Initiative INKOTA ergaben. Konkret handelt es dabei sich um den krebserregenden Wirkstoff Spirodiclofen, das Haut, Augen und Schleimhäute angreifende (Beta-)Cyfluthrin und das erbgutschädigende Glufosinat, das im Rest der Welt die BASF vertreibt. Alle drei Substanzen gehören der Gefahrenklasse 1b der Weltgesundheitsorganisation an, in welche die hochgiftigen Agro-Chemikalien fallen. Darüber gibt es nur noch die Gefahrenklasse 1a, die den extrem giftigen Produkten vorbehalten ist.

BAYER in Mexiko
Die Initiative MÉXICO VÍA BERLIN hat im Juni 2021 die Studie „BAYER in Mexiko“ veröffentlicht. Sie widmet sich den Menschenrechtsverletzungen und Umweltschädigungen, die der Leverkusener Multi in dem Land begangen hat oder noch begeht. So beliefert der Konzern die hauptsächlich in der Gemeinde Villa Guerrero angesiedelte Blumen-Industrie mit seinen Ackergiften, ohne für eine ordnungsgemäße, die ArbeiterInnen schützende Handhabung zu sorgen. Auch verkauft das Unternehmen in dem lateinamerikanischen Staat Pestizide, die innerhalb der EU wegen ihrer Gefährlichkeit verboten sind (s. o.). Zudem leitet es die giftigen Hinterlassenschaften seiner Agrochemie-Fabrik am Standort Ixtacuixtla einfach in die öffentlichen Abwasser-Systeme. Die meisten Probleme aber hat der Global Player in Mexiko mit seiner Anlage für das besonders giftige sechswertige Chrom in der Gemeinde Lechería bereitet. 1975 starben mehrere Kinder, die eine Schule in der Nähe des Firmen-Geländes besucht hatten. Das führte zu massiven Protesten, in deren Folge BAYER das Werk 1978 schließen musste. Zum Nachlass zählten zwischen 75.000 und 120.000 Tonnen Produktionsrückstände. Noch 25 Jahre später fanden sich rund um die Fertigungsstätte hohe Chrom-Konzentrationen in Wasser, Boden und Luft.

Die „Ghana Heart Initiative“
Immer wieder gern betreibt der BAYER-Konzern Entwicklungshilfe zur Selbsthilfe. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei den sogenannten „Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen“, die nicht mehr so ganz arm sind und deshalb als Absatzgebiete der Zukunft in Frage kommen. So will der Leverkusener Multi in Ghana etwa „das Gesundheitssystem im Bereich der Herz/Kreislauf-Erkrankungen“ ertüchtigen und Prävention, Diagnose und Behandlung verbessern, um geeignete Ausgangsbedingungen für Geschäfte mit seinem Gerinnungshemmer XARELTO (siehe auch DRUGS & PILLS) zu schaffen. Dazu kooperiert er mit der „Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit“ (GIZ), der staatlichen „Durchführungsorganisation der deutschen Entwicklungszusammenarbeit“. Diese dient als Türöffner, spielt ansonsten aber eine untergeordnete Rolle. So bezeichnete der GIZler Carsten Schmitz-Hoffmann das Unterfangen in einem Interview als „unser Projekt ‚Ghana Heart Initiative’ im Auftrag der BAYER AG.“ Und er sprach auch ganz offen darüber, dass das Vorhaben dem Leverkusener Multi helfe, „diesen wachsenden Markt zu stärken“.

POLITIK & EINFLUSS

Handlungspakt mit BAYER & Co.
Das Bundeswirtschaftsministerium hat einen Handlungspakt mit der Chemie-Industrie geschlossen. Zu den Bündnispartnern gehören der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI), der „Bundesarbeitgeber-Verband Chemie“ (BAVC) und die IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE). „Eine langfristig starke, international wettbewerbsfähige Chemie- und Pharmaindustrie ist für unser Land von elementarer Bedeutung. Ziel ist es deshalb, die Weichen für eine nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit des Chemie- und Pharma-standorts Deutschland zu stellen“, bekunden die Paktierer. Zu diesem Behufe wollen sie die „Steuer- und Abgabenbelastung der Unternehmen auf ein international wettbewerbsfähiges Niveau bringen“. Einigkeit besteht auch in der Bewertung der EU-Chemikalienstrategie, die beabsichtigt, „den Schutz von Mensch und Umwelt vor gefährlichen Chemikalien zu erhöhen“. Das Vorsorge-Prinzip bzw. der gefahren-basierte allgemeine Ansatz dürfe dabei keinesfalls die Grundlage bilden, heißt es im Handlungspakt. Zudem müsse alles „primär im Rahmen der bestehenden Gesetzgebung erreicht werden“, wie es in dem Dokument heißt. „Exportbeschränkungen für in Europa hergestellte Produkte“ schließen die Partner ohne „international abgestimmte und harmonisierte Vorgaben“ aus. Klimaschutz ist für sie schön und gut, rechnet sich aber leider nicht immer. Daher braucht es flankierende Maßnahmen. „Entlastungen zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit wie die besondere Ausgleichsregelung, die Eigenstrom-Entlastung, die freie Zuteilung von Emissionsrechten, die Strompreis-Kompensation, die Energie- und Stromsteuer-Entlastungen und eine Förderung der Kraft/Wärmekoppelung haben auch weiterhin eine zentrale Bedeutung für die Chemie-Branche“, hält das Papier fest. Sich gegen die Risiken und Nebenwirkungen der globalen Wertschöpfungsketten im Arznei-Bereich zu versichern, ist ebenfalls nicht umsonst zu haben: „Wir wollen marktwirtschaftliche Anreize setzen, um die Liefersicherheit im patentfreien Bereich (...) zu verbessern.“ Im Klartext: Die Rückverlagerung von Pharma-Produktionen erfordert Subventionen. Politischen Rückhalt bekommen die Konzerne schließlich auch für das im Zuge der Corona-Pandemie massiv in die Kritik geratene Patentsystem. Das Bündnis spricht sich dafür aus, den Schutz des geistigen Eigentums zu stärken.

Strom zum Schnäppchen-Preis
Seit Jahr und Tag klagen BAYER & Co. über zu hohe Strom-Kosten (s. o.). Dabei zahlen die Unternehmen viel weniger als die Privat-Haushalte. Während die Kilowattstunde für diese mit 32 Cent zu Buche schlägt, muss die energie-intensive Industrie nur rund zehn Cent aufbringen. Diverse Rabatt-Regelungen, etwa beim Strom-Bezug, bei der Strom- und Energiesteuer und der Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), machen’s möglich.

BAYER im develoPPP-Programm
„Mit develoPPP fördert das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) privatwirtschaftliche Vorhaben dort, wo unternehmerische Chancen und entwicklungspolitisches Potenzial zusammentreffen“, heißt es auf der Website von develoPPP in bemerkenswerter Offenheit. Ein Projekt des BAYER-Konzerns in Indien, bei dem zusätzlich die „Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit“ (GIZ) und als Partner vor Ort MAVIM mit an Bord sind, erfüllte für die Organisation diese Kriterien. Deshalb machte sie Geld für die „Public Private Partnership“ locker. Der Leverkusener Multi will in dem Land solche Frauen auf dem Land beim Ackerbau unterstützen, die alleine zurückbleiben, wenn ihre Männer in den großen Städten arbeiten. Als Mittel der Wahl dazu hält der Leverkusener Multi neben einer Gesundheitsberatung das Übliche bereit, Pestizide und Saatgut aus der laufenden Produktion. Sonst wäre es ja auch nichts mit dem develoPPP-Wahlspruch: „Where business meets development“.

Sitz im GIZ-Kuratorium
Die „Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit“ (GIZ) setzt die bundesdeutsche Entwicklungshilfe-Politik praktisch um. Dabei kooperiert die GIZ nicht nur mit BAYER und anderen Unternehmen (siehe ERSTE & DRITTE WELT), sie räumt ihnen auch Sitze in ihrem Kuratorium ein. Für den Leverkusener Multi hat Dr. Monika Lessl in dem Gremium Platz genommen, die Leiterin der Stiftungen „BAYER Science Foundation“ und „BAYER Cares Foundation“.

BAYER reorganisiert „Corporate Affairs“
Der BAYER-Konzern strukturiert in den USA seine Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit um. Er trennt PR-Aktivitäten und politische Einflussarbeit; sie laufen künftig nicht mehr unter dem gemeinsamen Dach „U.S. Corporate Affairs“. Der Agro-Riese will mit diesen Veränderungen beide Bereiche stärken und besser an seiner globalen Struktur ausrichten. Nicht ganz zufällig vollzieht er diesen Schritt parallel zum Machtwechsel in den Vereinigten Staaten. Nicht zuletzt ist nämlich „die Verbesserung unserer Reputation und der Aufbau von Beziehungen zu der neuen Administration“ Sinn der Übung. Just zu diesem Behufe sucht wohl auch Raymond F. Kerins, der bisher den „U.S. Corporate Affairs“ vorstand, „neue Herausforderungen“, wie es bei solchen Gelegenheiten immer unschön heißt. Er war offensichtlich ein Trump-Mann.

Extrem-Lobbying für Gentechnik 2.0
BAYER & Co. versuchen mit allen Lobby-Mitteln, die neuen Methoden zur Veränderung des Erbguts wie etwa CRISPR/Cas nicht unter das Rubrum „Gentechnik“ fallen zu lassen, um den Verfahren die entsprechenden Regulierungen durch die EU zu ersparen. Das dokumentiert das CORPORATE EUROPE OBSERVATORY (CEO) in einem neuen Report. So organisierte die industrie-nahe „European Plant Science Organisation (EPSO) Zusammenkünfte mit wichtigen FunktionsträgerInnen der Mitgliedsländer wie etwa MitarbeiterInnen des Julius-Kühn-Instituts. Auch die „Bill and Melinda Gates Foundation“ (BMGF) mischt kräftig mit. Sie zählt zu den Mitgründern von „Re-Imagine Europe“. Diese Einrichtung gründet selbst auch fleißig mit, etwa die „Task Force for Sustainable Agriculture and Innovation“, in deren ExpertInnen-Gremium Bernd Halling und Annick Pleysier von BAYER sitzen. Das „Flämische Institut für Biotechnologie“ (VIP), mit dem der Leverkusener Multi kooperiert, antichambriert ebenfalls heftig gegen strenge Auflagen für die neuen Gentechniken. „Die hier beschriebene Lobby-Kampagne, die weitgehend unter dem Radar blieb, ist nichts weniger als ein Angriff auf die Umwelt- und Verbraucherschutzgesetzgebung der EU“, hält CEO zur Einflussarbeit der Konzerne in Brüssel fest.

Bloggen für BAYER
„Warum Glyphosat für mich auch gute Seiten hat“, legte der Landwirt Willy Kremer-Schillings einmal in einem Gastbeitrag für die Rheinische Post dar. Einen Hauptgrund verschwieg er dabei aber: Er bekommt von BAYER & Co. Geld dafür, solche Meinungen zu vertreten. Bauer ist Kremer-Schillings nämlich nur im Neben-Nebenerwerb. Hauptberuflich verkauft er Pestizide und Kunstdünger und betreibt unter dem Künstlernamen „Bauer Willy“ einen Blog. Darin wirbt er für Ackergift und Gentechnik, verharmlost die Gefahr von Kunstdünger-Rückständen und versucht die Landwirtschaftspolitik im Sinne der Agrar-Lobby zu beeinflussen. In seinem Buch „Sauerei“ verteidigt er laut taz „seitenweise Agrarchemie-Konzerne wie die BAYER-Tochter MONSANTO“. Dementsprechend zeigen sich die ÖffentlichkeitsarbeiterInnen des Leverkusener Multi stets begeistert darüber, „was ein gewisser Bauer Willy“ alles so lostritt. Auch NGO-Watch gehört zu dessen Arbeitsfeldern. „Ständige Analyse der Kampagnen“ verspricht er seinen Geldgebern. Und Kremer-Schillings ist nicht allein. Sein „Bauer Willy“ hat derweil viele Ableger im Netz wie z. B. den Blog „Ich liebe Landwirtschaft“, den Jutta Zeisset mit freundlicher Unterstützung von BAYER & Co. betreibt.

Auch 2022 Online-HVs
Schon lange vor Corona hatten BAYER & Co. mit der Abkehr von Präsenz-Hauptversammlungen geliebäugelt, um sich kritische AktionärInnen besser vom Leib halten zu können. Die Pandemie gab ihnen dann die passende Gelegenheit dazu, was BAYER als erster DAX-Konzern nutzte. Im September 2021 erteilte der Gesetzgeber den Unternehmen nun das Recht, auch im nächsten Jahr wieder ins Virtuelle zu flüchten. Es blieb bei einer Mahnung, dabei besonnen vorzugehen. „Auch wenn die Erleichterungen somit noch bis einschließlich 31. August zur Verfügung stehen, sollte von diesem Instrument im Einzelfall nur dann Gebrauch gemacht werden, wenn dies unter Berücksichtigung des konkreten Pandemie-Geschehens und im Hinblick auf die Teilnehmer-Zahl der jeweiligen Versammlung erforderlich erscheint“, heißt es in der Beschluss-Empfehlung. Und Heribert Hirte, der zuständige Berichterstatter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, hebt den Ausnahme-Charakter der Bestimmung hervor, die nicht so einfach auf Dauer zu stellen ist. „Dabei handelt es sich ausdrücklich um eine Übergangsregelung, die für die Zukunft der Online-Hauptversammlung nur begrenzte Vorbild-Funktion haben kann“, so Hirte.

EPA gelobt Besserung
Unabhängig war die US-amerikanische Umweltbehörde EPA nie, aber unter Donald Trump nahm der politische und wirtschaftliche Einfluss noch einmal stark zu. So diente sich die „Environment Protection Agency“ dem Leverkusener Multi in einem Glyphosat-Entschädigungsprozess sogar einmal als Entlastungszeuge an, der dem umstrittenen Herbizid einen Persilschein ausstellte. Auch erhielten die WissenschaftlerInnen die Anweisung, sich bei ihren Pestizid-Analysen ausschließlich auf Daten der Hersteller zu stützen. Damit nicht genug, bearbeiteten die Abteilungsleiter die Analysen anschließend noch. Auf diese Weise verschwanden aus einer Expertise zum BAYER-Pestizid Dicamba plötzlich Passagen über das Gefährdungspotenzial des Mittels. Der neue US-Präsident Joe Biden will diese Entwicklung aber rückgängig machen. „Heute unterschreibe ich ein präsidiales Memorandum, das klarstellt, dass wir unsere Weltklasse-Wissenschaftler vor politischer Einmischung schützen und sicherstellen werden, dass sie frei denken, forschen und sprechen können“, sagte er Ende Januar 2021. Und die Behörde selber kündigte unter ihrem neuen Direktor Michael S. Regan konkrete Maßnahmen an: „Diese Administration ist verpflichtet, mutmaßliche Verstöße gegen die wissenschaftliche Integrität zu untersuchen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass alle Entscheidungen der EPA auf der Grundlage strenger wissenschaftlicher Informationen und Standards getroffen werden.“ Der Bericht zu den ominösen Umständen der Dicamba-Zulassung im Jahr 2018 liegt bereits vor (siehe auch Ticker 3/21).

EPA überprüft Glyphosat-Entscheidung
Im Zuge eines Klage-Verfahrens gegen die vorläufige Glyphosat-Zulassungsverlängerung räumte die US-Umweltbehörde EPA gravierende Fehler bei der Genehmigung des Pestizides ein. Darum beantragte sie vor Gericht, den von Umweltverbänden und anderen Gruppen angestrengten Prozess vorerst auszusetzen, um die Entscheidung vom Januar 2020 überprüfen zu können. Konkret hält es die „Environment Protection Agency“ für notwendig, schädigende Effekte von Glyphosat auf Monarchfalter-Populationen genauer zu untersuchen und die Gefahren detaillierter zu analysieren, die bei der Ausbringung des Herbizids durch Verwehungen auf teilweise weit entfernte Ackerflächen drohen. Den KlägerInnen – unter anderem die Organisationen „Center for Food Safety“ (CFS), „Farmworker Association of Florida“ und „Beyond Pesticides“ – geht die Umweltbehörde in ihrem Antrag nicht weit genug. Sie verlangen von der Agency, auch die von der Agro-Chemikalie ausgehenden Gefährdungen für die menschliche Gesundheit nochmals in Augenschein zu nehmen. Dazu zitierten sie aus einer im Giftschrank verschwundenen EPA-internen Untersuchung, die „überzeugende Belege“ für einen Zusammenhang zwischen einer Glyphosat-Exposition und der Entstehung des Non-Hodgkin-Lymphoms, einer speziellen Art des Lymphdrüsen-Krebses, fand. Zudem fordern CFS & Co. die „Environment Protection Agency“ auf, die Glyphosat-Zulassung für die Zeit der Neubewertung auszusetzen.

VCI kritisiert GDL
Der „Verband der Chemischen Industrie“ mischte sich in den Tarifstreit zwischen der DEUTSCHEN BAHN und der Gewerkschaft GDL ein. „Die Streiks der GDL kommen zur Unzeit. Denn sie verstärken die derzeitigen Engpässe in den Lieferketten“, erklärte die Interessensvertretung von BAYER & Co. Dem VCI zufolge verzögern die Arbeitsniederlegungen auch die Auslieferung der Produkte an die Kundschaft. Im Zuge des Streiks fand der Verband sogar einmal Gelegenheit, an den Klimaschutz zu denken und dabei dichterische Höhen zu erklimmen: „Mit dem neuen Ausstand wird der klima-politisch sinnvollen Verlagerung von der Straße auf die Schiene ein Prellbock aufs Gleis gestellt.“

DRUGS & PILLS

BAYER kauft VIVIDION
Im Pharma-Bereich setzt BAYER kaum noch auf Entwicklungen aus den eigenen Forschungsabteilungen. Der Konzern geht lieber auf Nummer sicher und kauft vielversprechende Unternehmen auf. So erwarb er im August 2021 die US-Firma VIVIDION für 1,5 Milliarden Dollar. Zusätzlich stellte der Global Player noch Erfolgsprämien bis zu einer Höhe von 500 Millionen Dollar in Aussicht. VIVIDION hat eine Technologie entwickelt, um krankheitserregende Proteine aufzuspüren, an die bisher nicht heranzukommen war. „Trotz der Fortschritte in der Genomik, der Struktur-Biologie und dem Hochdurchsatz-Screening können etwa 90 % der krankheitserregenden Proteine nicht mit den derzeitigen Therapien angesprochen werden, da es keine bekannte adressierbare Bindungsstelle gibt. Unsere firmen-eigene Chemoproteomik-Plattform überwindet die wesentlichsten Einschränkungen konventioneller Screening-Verfahren und ermöglicht uns, bisher unbekannte oder verborgene funktionelle Taschen auf der Oberfläche von Proteinen zu entdecken und niedermolekulare Wirkstoffe zu identifizieren, die sich selektiv an diese Targets binden“, so VIVIDION-Chef Jeff Hatfield. Der Leverkusener Multi erhofft sich von dieser Plattform Durchbrüche bei der Entwicklung von Pharmazeutika gegen Krebs, immunologische Erkrankungen und Reizdarm. In ihre Pillen-Sparte integrieren will die Aktien-Gesellschaft VIVIDION vorerst nicht. Sie lässt den Zukauf – wie schon ihre letzte große Akquisition ASKBIO – weiter selbstständig operieren, „um den Unternehmer-Geist als wesentliche Grundlage für erfolgreiche Innovation beizubehalten“.

China lässt VITRAKVI-Test zu
Im Jahr 2018 erwarb BAYER von LOXO die Vertriebsrechte für das Pharmazeutikum VITRAKVI (Wirkstoff: Larotrectinib). Das Mittel kommt bei einer Art von Krebs zur Anwendung, die durch ein Zusammenwachsen bestimmter Gene entsteht und äußerst selten auftritt. Allerdings ist es schwierig, diese Mutation zu erkennen. Deshalb arbeitet der Pharma-Riese mit mehreren Firmen zusammen, um Tests zu kreieren, welche die Gen-Fusionen nachweisen. ORIGIMED entwickelte ein solches Diagnose-Werkzeug, das im August 2021 seine Zulassung für den chinesischen Markt erhielt. Damit eröffnen sich dem Leverkusener Multi glänzende Profit-Aussichten. Bereits existierende Tests schlagen nämlich mit bis zu 5.000 Dollar zu Buche. Darum investierte das Unternehmen bereits vor zwei Jahren 70 Millionen Dollar in die Kampagne „Test your Cancer“ (siehe auch Ticker 4/19).

Zahlreiche XARELTO-Nebenwirkungen
BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO löst immer wieder schwere Gesundheitsstörungen aus. 120.694 Meldungen über gravierende Nebenwirkungen gingen bis zum 20. September 2021 bei der Europäischen Datenbank für unerwünschte Arzneimittel-Effekte ein.

Neue XARELTO-Indikation
Nach der EU erteilten nun auch die USA BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO (Wirkstoff: Rivaroxaban) trotz vieler Risiken und Nebenwirkungen (s. o.) die Zulassung zur Herzinfarkt- und Thrombose-Prophylaxe bei PatientInnen, die unter der arteriellen Verschluss-Krankheit leiden.

Neue MIRENA-Zulassung
BAYERs Langzeit-Verhütungsmittel MIRENA hat Nebenwirkungen wie nächtliche Schweißausbrüche, Herzrasen, Unruhe, Schlaflosigkeit, Bauchkrämpfe und Oberbauchschmerzen. Deshalb sah sich der Leverkusener Multi in den Vereinigten Staaten bereits mit fast 3.000 Klagen konfrontiert, die zu Entschädigungszahlungen in Millionen-Höhe führten. Trotzdem erteilte die US-amerikanische Gesundheitsbehörde dem Pharma-Riesen jetzt die Genehmigung, die Hormon-Spirale in einer Variation zu vermarkten, die nicht mehr nur sechs, sondern sieben Jahre vor einer ungewollten Schwangerschaft schützt.

BAYER testet mit VERACYTE
Der BAYER-Konzern hat seltene Krebs-Arten als Geschäftsfeld entdeckt. Um die „Präzisionsonkologie“ aber erfolgreich betreiben zu können, bedarf es Diagnose-Apparaturen, die diese speziellen Tumore identifizieren (s. o.). Eine solche entwickelte das US-Unternehmen VERACYTE, mit dem der Leverkusener Multi deshalb im Dezember 2020 eine Zusammenarbeit vereinbart hat. Die Zielgruppe der Tests sind dem Leverkusener Multi zufolge PatientInnen mit einer veränderten Form von Schilddrüsen-Krebs, die nicht auf eine Bestrahlung mit radioaktivem Jod ansprechen. Und natürlich hat der Pharma-Riese für diese Personen-Gruppe dann das passende Medikament im Angebot.

Infarkt-Prophylaxe mit ASPIRIN
Unermüdlich preist der BAYER-Konzern ASPIRIN als Mittel zur Vorbeugung vor Herz/Kreislauferkrankungen an. Bei Menschen, die schon einmal einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall erlitten hatten, sehen die MedizinerInnen das durchaus auch als sinnvoll an. Aber die Konzern-Propaganda verfängt nicht nur bei solchen Personen. Rund ein Drittel der Bevölkerung über 40 schluckt die Tabletten mit dem Inhaltsstoff Acetylsalicylsäure (ASS) regelmäßig und setzt sich damit gefährlichen Nebenwirkungen aus. „Was viele nicht bedenken: Auch geringe Mengen ASS wirken blutverdünnend oder können Blutungen hervorrufen“, warnt der Kardiologe Thomas Meinertz deshalb.

Viele Gadolinium-Risiken
BAYERs Röntgen-Kontrastmittel haben es in sich. Bei ihren Inhaltsstoffen handelt es sich nämlich um Abkömmlinge des Schwermetalls Gadolinium. GADOVIST enthält Gadobutrol, PRIMOVIST Gadoxet-Säure und MAGNEVIST Gadopentent-Säure. Diese Substanzen vermögen bei Nierenkranken eine Fibrose auszulösen, ein unkontrolliertes Wachstum des Bindegewebes. Zu den anderen in der Fachliteratur beschriebenen Risiken und Nebenwirkungen gehören Herzrhythmus-Störungen, Muskel-Zuckungen, Blutdruck-Schwankungen und Leberschäden. Die Darreichungsform der Mittel, bei welcher der Wirkstoff in einer leichter auflösbaren Form vorliegt, mussten die Hersteller deshalb bereits im Jahr 2018 aus dem Verkehr ziehen. Parallel dazu veranlassten die Gesundheitsbehörden BAYER & Co. damals, die MedizinerInnen in einem Rote-Hand-Brief vor einem allzu leichtfertigen Umgang mit den Pharmazeutika zu warnen. „Ärzte sollten gadolinium-haltige Kontrastmittel nur dann anwenden, wenn essenzielle diagnostische Informationen mit einer Magnetresonanz-Tomographie ohne Kontrast-Verstärkung nicht gewonnen werden können“, hieß es darin unter anderem. Aber das „Bundesinstitut für Arzneimittel-Produkte“ (BfArM) sieht noch weiteren Handlungsbedarf. So verpflichtete es BAYER & Co., künftig alle zwölf Monate einen Sicherheitsbericht zu den Präparaten vorzulegen – bisher hatten sie dazu fünf Jahre Zeit. „Das BfArM nimmt die Sorgen und Nöte der betroffenen Patienten sehr ernst“, erklärte die Einrichtung und kündigte überdies an, „auch weiterhin risiko-minimierende Maßnahmen im Sinne der Anwendungs- und Patienten-Sicherheit auf europäischer Ebene einbringen, fachlich diskutieren und ggf. auch durchsetzen“ zu wollen.

Kontrazeptiva: Appell an ÄrztInnen
Kombinierte hormonale Kontrazeptiva (KHK) der dritten und vierten Generation wie die Präparate aus BAYERs YASMIN-Produktreihe stehen seit Jahren wegen des von ihnen ausgehenden erhöhten Thrombose-Risikos in der Kritik. Während sich unter YASMIN, YAZ, YASMINELLE & Co. bei 9 bis 12 von 10.000 Frauen ein Blutgerinnsel bildet, kommt es bei älteren Arzneien mit den Wirkstoffen Levonorgestrel, Norethisteron oder Norgestimat nur bei 5 bis 7 von 10.000 Frauen dazu. Darum richteten das „Bundesinstitut für Arzneimittel-Produkte“ und das „Paul-Ehrlich-Institut“ in ihrem Bulletin zur Arzneimittel-Sicherheit jetzt noch einmal einen eindringlichen Appell an die MedizinerInnen, die Verhütungsmittel mit den am wenigsten gefährlichen Inhaltsstoffen zu verschreiben. „Wir bitten Sie, diese Informationen und Empfehlungen, insbesondere die Verordnung der KHK mit dem geringsten Risiko für venöse Thromboembolien (...), bei der Beratung und Anwendung zu berücksichtigen und uns Nebenwirkungen bei der Anwendung zu melden“, hieß es in der Publikation.

Kein TTP durch CIPROBAY
Antibiotika mit Wirkstoffen aus der Gruppe der Fluorchinolone wie BAYERs CIPROBAY können zahlreiche Gesundheitsschädigungen verursachen (siehe auch SWB 3/18). Besonders häufig kommen Lädierungen von Muskeln und Sehnen vor. Darüber hin-aus zählen Herzinfarkte, Unterzuckerungen, Hepatitis, Autoimmun-Krankheiten, Leber- oder Nierenversagen und Erbgut-Schädigungen zu den Risiken und Nebenwirkungen. Auch Störungen des Zentralen Nervensystems, die sich in Psychosen, Angst-Attacken, Verwirrtheitszuständen, Schlaflosigkeit oder anderen psychiatrischen Krankheitsbildern manifestieren, beobachteten die MedizinerInnen schon. Da sich in letzter Zeit zudem Meldungen über das Entstehen von kleinen, sich im gesamten Körper ausbreitenden Blutgerinnseln nach der Einnahme der Präparate häuften, leitete die „Europäische Arzneimittel-Agentur“ (EMA) ein Prüfverfahren ein. Dieses bestätigte den Verdacht jedoch nicht. Darum müssen BAYER & Co. die Warnhinweise auf den Beipackzetteln nicht ändern.

Parkinson-Therapie im Test
In den USA haben haben mehrere klinische Prüfungen mit Parkinson-Behandlungsverfahren der BAYER-Tochter ASKBIO begonnen (siehe auch GENE & KLONE). Die Beschwerden der PatientInnen, deren Organismus der Neurotransmitter Dopamin fehlt, was zu Symptomen wie Zittern, Krämpfen und Steifheit führt, will der Leverkusener Multi unter anderem mit einer Zelltherapie lindern. So implantierten MedizinerInnen den Kranken etwa Neuronen, die aus pluripotenten Stammzellen gewonnenes Dopamin enthalten, um eine Verbesserung ihres Gesundheitszustands zu erreichen.

BITS & BYTES

Immer mehr digitale Landwirtschaft
Die Digitale Landwirtschaft sammelt mit Hilfe von Drohnen, Sensoren und Satelliten-Bildern Informationen über das Wetter, die Bodenbeschaffenheit, Pflanzenkrankheiten und Schadinsekten. BAYER hat dazu das Tool „FieldView“ im Angebot und preist es den FarmerInnen mit einigem Erfolg als probates Mittel an, um „Risiken aktiv zu managen, die Produktivität zu steigern und Betriebsabläufe zu vereinfachen“. Kam die Plattform im Jahr 2018 auf einer Fläche von 24 Millionen Hektar zum Einsatz, so waren es 2020 bereits 60 Millionen Hektar. Vor allem Großbauern und -bäuerinnen in rund 20 Ländern der Erde mit entsprechend viel Kapital nutzen die Technologie. Jüngst brachte BAYERs Digital-Tochter CLIMATE CORPORATION „FieldView“ auch in Südafrika auf den Markt. Dabei versichert der Konzern seinen KundInnen stets „die volle Kontrolle über ihre Daten“. Wie wenig solche Beteuerungen wert sind, zeigte im Frühjahr 2020 ein Vorfall in den USA. Dort ging die CLIMATE CORPORATION eine Partnerschaft mit der Firma TILLABLE ein, die eine Handelsplattform für Ackergrund betreibt. Bereits unmittelbar nach der Vereinbarung der Kooperation erhielten LandwirtInnen dann unmoralische Angebote für ihr Farmland. Das warf Fragen nach der Daten-Sicherheit von FIELDVIEW auf und trug BAYER einen massiven Shitstorm ein. Schließlich war der Agro-Riese gezwungen, den Vertrag mit TILLABLE zu kündigen.

AGRO & CHEMIE

Glyphosat-Studien mangelhaft
Der Wiener Toxikologe Siegfried Knasmüller hat große Mängel in den Glyphosat-Studien festgestellt, die im Jahr 2017 zur Zulassungsverlängerung des Herbizids innerhalb der EU führten. Als „ein Desaster“ bezeichnete er die von der jetzigen BAYER-Tochter MONSANTO und anderen Herstellern eingereichten Untersuchungen gegenüber dem Spiegel. Von den 53 Arbeiten, die der Forscher analysierte, sieht er nur zwei als zuverlässig an und 17 als „teilweise zuverlässig“, 34 hingegen als „nicht zuverlässig“. So finden sich unter den Werken, welche die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA nach einer Klage der Initiative SumOfUs herausrücken musste, laut Knasmüller kaum wirkliche Krebs-Studien. Die meisten widmen sich der potenziellen Gen-Toxizität von Glyphosat, was lediglich Hinweise auf eine karzinogene Wirkung gibt. Noch dazu hat die Industrie diese Tests vornehmlich am falschen Objekt vorgenommen. Sie wählte Knochenmark-Zellen, die viel weniger Aufschluss über eine mögliche Krebs-Gefahr geben als Leberzellen. Zudem kam bei keiner einzigen der Arbeiten die „Comet Assay“-Technik zur Anwendung, die einen genaueren Aufschluss über DNA-Schädigungen gibt. Damit nicht genug, entdeckte der Wissenschaftler in den Versuchsreihen auch noch methodische Mängel wie die Verwendung einer zu geringen Zahl von Zellen oder Bakterien-Stämmen. Das „Bundesinstitut für Risiko-Bewertung (BfR), das während des Genehmigungsverfahrens die Federführung bei der Begutachtung innehatte, stützte sich bei seinem positiven Glyphosat-Urteil auf 45 der von Knasmüller inkriminierten Studien. „Wie derart fehlerhafte Berichte von Zulassungsbehörden wie dem BfR akzeptiert werden konnten, ist mir ein völliges Rätsel“, wundert sich der Toxikologe deshalb. Für die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zeigte dessen Befund einmal mehr, dass Handlungsbedarf in Sachen „Glyphosat“ besteht. „Glyphosat muss endlich vom Markt! BAYER muss haften! Die Opfer müssen entschädigt werden! Die Verantwortlichen gehören hinter Gitter!“, hieß es in ihrer Presseerklärung.

Flächendeckender Glyphosat-Einsatz
In den USA beläuft sich der jährliche Glyphosat-Einsatz nach Angaben der Agrar-Wissenschaftlerin Maria R. Finckh auf ein Kilogramm pro Hektar.

Glyphosat macht resistent
Die Patentschrift bescheinigt Glyphosat auch eine Wirkung als Antibiotikum. Das bringt jede Menge Nebenwirkungen mit sich. So wirbelt dieser Effekt den Bakterien-Haushalt im Darm von Kühen und Bienen durcheinander, was die Tiere anfälliger für Krankheiten werden lässt. Zudem sorgt er für die Ausbreitung von Resistenzen. Die Forscherin Ariena von Bruggen fand schon Zitrusfrüchte, die nicht mehr auf Antibiotika reagieren, weil sie eine Überdosis Glyphosat intus hatten. Über die Nahrungskette kann sich diese Unempfindlichkeit auch auf den Menschen übertragen, was große Gesundheitsrisiken birgt. Die Agrar-Wissenschaftlerin Maria R. Finckh (s. o.) warnt deshalb: „Meiner Meinung nach darf man nicht allein Tierhalter und Kliniken für hohe Antibiotika-Einträge in die Umwelt und die Entstehung multiresistenter Keime verantwortlich machen. Schuld an der Resistenz-Entwicklung ist auch die Tatsache, dass mit behördlicher Genehmigung flächendeckend und in großen Mengen Glyphosat eingesetzt wird.“

Glyphosat verseucht Wälder
Die Inwertsetzung von Wäldern macht aus diesen simple Holz-Plantagen. Oftmals bestehen die Areale aus Fichten- und Tannen-Monokulturen, da diese Bäume schnell wachsen und dementsprechend schnell zu Geld zu machen sind. Damit neben diesen Pflanzungen nichts anderes aus dem Boden sprießt, kommt in der kanadischen Provinz British Columbia per Flugzeug ausgebrachtes Glyphosat zum Einsatz. Auf einer Fläche von bis zu 1,3 Millionen Hektar geht das Herbizid nieder. Mit entsprechenden Folgen, wie jetzt WissenschaftlerInnen der „University of Northern British Columbia“ zeigten. Das Team um Nicole Botten wies in Himbeeren und Heidelbeeren Glyphosat-Rückstände nach, die sich – entgegen den Behauptungen BAYERs – bis zu ein Jahr hielten. In anderen Gewächsen überdauerte das Mittel sogar bis zu zwölf Jahre. Besonders Indigene, die in den Forsten Früchte oder Heilkräuter sammeln, leiden dem Journalisten Peter Ewart zufolge unter den Kontaminationen.

Glyphosat-Teilrückzug ab 2023
Ende Mai 2021 hatte der BAYER-Konzern die Vergleichsverhandlungen in Sachen „Glyphosat“ platzen lassen (siehe SWB 3/21). Nach der Ablehnung seines Vorschlages zur Beendigung der juristischen Auseinandersetzungen durch den zuständigen Richter Vince Chhabria mochte der Agro-Riese keinen neuen – mit Nachbesserungen vor allem im Umgang mit Klagen von neuen Geschädigten – mehr vorlegen. Stattdessen präsentierte er einen „Fünf-Punkte-Plan“. Dieser sieht auch einen Vermarktungsstopp des Herbizids für den Haus- und Gartensektor in den Vereinigten Staaten vor, denn die meisten Entschädigungsansprüche stammen von Privat-KundInnen. Ein Schuldeingeständnis sieht der Leverkusener Multi damit allerdings nicht verbunden. „Dieser Schritt ist ausschließlich der Minimierung von Rechtsrisiken geschuldet und reflektiert in keinerlei Hinsicht etwaige Sicherheitsbedenken“, erklärte er. Ende Juli nannte das Unternehmen schließlich ein konkretes Datum für den Ausstieg. Ab 2023 beabsichtigt er, die Produkte durch Erzeugnisse mit anderen Wirkstoffen zu ersetzen.

Viele Ultra-Gifte im BAYER-Portfolio
In BAYERs Produkt-Palette finden sich viele besonders gefährliche Pestizide, so genannte highly hazardous pesticides (HHPs). Unter diese Kategorie fallen Ackergifte, die Krebs verursachen, die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen, das Erbgut verändern, hormon-ähnlich wirken, bienengefährlich sind und/oder die Ozonschicht schädigen. Der Anteil solcher Agro-Chemikalien im Angebot des Leverkusener Multis beträgt 36,7 Prozent (Stand: 2019).

50 Notfall-Zulassungen
„Wenn eine Gefahr anders nicht abzuwehren ist, kann das ‚Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel-Sicherheit’ kurzfristig das Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels für eine begrenzte und kontrollierte Verwendung und für maximal 120 Tage zulassen“, heißt es auf der Webpage der Behörde. Im Jahr 2019 erteilte das BMEL 50 Mal die Lizenz zur Ausbringung eines eigentlich schon verbotenen Pestizids. So durften die bundesdeutschen LandwirtInnen etwa BAYERs MOVENTO SC 100 (Wirkstoff: Spirotetramat) und CERONE (Ethephon) wieder einsetzen.

Neue HUSKIE-Formulierung
Der BAYER-Konzern bringt ein neues Herbizid aus seiner HUSKIE-Produktfamilie heraus. HUSKIE FX enthält die drei Wirkstoffe Pyrasulfotole, Bromoxynil und Fluoxypyr, ist für Getreide-Kulturen bestimmt und macht unter anderem dem Besenkraut den Garaus.

Mehr Gift trotz Gentechnik
Die Gentechnik führt zu einer Reduzierung des Pestizid-Gebrauchs – mit diesem Versprechen bewerben BAYER & Co. ihre Labor-Kreationen. Unzählige Studien haben das mittlerweile widerlegt. Eine neue Untersuchung der Universität Koblenz für Herbizide bestätigt den Befund nun noch einmal. Die WissenschaftlerInnen ermittelten für die „ausgebrachte Toxizität“ auf US-amerikanischen Gensoja- und Genmais-Feldern in den letzten Jahren stark erhöhte Werte.

Veränderungen im Insektizid-Gebrauch
Nach einer Untersuchung der Universität Koblenz (s. o.) nahm die Gesamtmenge der ausgebrachten Insektizide in den USA von 1992 bis 2016 um 40 Prozent ab. Sonderlich erfreulich ist das trotzdem nicht, denn gleichzeitig erhöhte sich die Wirkstärke der Mittel. Darunter litten vor allem wirbellose Tiere wie Insekten, während sich die Vogel- und Fisch-Populationen durch die Entwicklung etwas erholen konnten.

PFLANZEN & SAATEN

Vier neue Mais-Sorten
Das Bundessortenamt hat vier neuen Mais-Arten der BAYER-Tochter DEKALB zugelassen. Bei den Produkten DKC 3410, DKC 3414, DKC 3418 und DKC 3419 handelt sich um hybride, also nicht zur Wiederaussaat geeignete Ackerfrüchte. Der Leverkusener Multi hebt besonders das hohe Ertragspotenzial der Pflanzen hervor und empfiehlt als Verwendungszweck vornehmlich „Tierfutter“ und „Biogas-Produktion“.

GENE & KLONE

Übergriffige Bt-Baumwolle
Die Baumwolle von BAYER und anderen Herstellern, die mittels eines gentechnischen Verfahrens mit dem Bacillus thuringiensis zum Schutz vor Schadinsekten bestückt ist, kreuzt immer mehr aus. In Mexiko finden sich schon in 60 Prozent aller konventionellen Baumwoll-Pflanzen Spuren der Laborfrucht. Und das verändert den Organismus der Gewächse. So wirken sich die Fremdgene etwa auf die Menge des Nektars aus, den die wilden Arten zur Abwehr von Ameisen produzieren.

Immer mehr Bt-Resistenzen
Immer mehr Schadinsekten bilden Resistenzen gegen die mit dem Bacillus thuringiensis (Bt) bestückten Gen-Pflanzen von BAYER & Co. aus. In China kann das Bt dem Baumwollkapsel-Wurm nicht mehr trotzen und in Brasilien der Weißen Fliege, auf die das Gift des Bakteriums inzwischen sogar fruchtbarkeitsfördernd wirkt.

BAYERs RNAi-Mais
Der BAYER-Konzern setzt massiv auf die Gentechnik 2.0. Rund 100 Patent-Anträge hat er in diesem Bereich schon beim Europäischen Patentamt eingereicht und bis jetzt sieben positive Bescheide erhalten. 2022 startet der Leverkusener Multi in den USA nun mit der Vermarktung der ersten Pflanze, in der eine der neuen Prozeduren zur Anwendung kommt. Dabei handelt es sich um einen Mais der SMARTSTAX-PRO-Produktreihe (siehe auch Ticker 3/21), der die Ribonukleinsäure-Interferenz (RNAi) gegen den Maiswurzelbohrer in Anschlag bringt. Das Verfahren basiert auf der RNA des für das Schadinsekt überlebenswichtigen Gens SNF7. Das Tier nimmt es beim Knabbern an der Pflanze auf und hält es wegen seiner doppelsträngigen Struktur für einen Virus, womit der Prozess der Selbstzerstörung beginnt. Allerdings hat die RNA ein Manko, sie ist – was die Umwelt freut und den Leverkusener Multi ärgert – biologisch leicht abbaubar. Deshalb hält sich seine Wirkung in Grenzen. Die Nebenwirkungen können sich jedoch schon sehen lassen. Die Ribonukleinsäure kann mit der Darmflora von Mensch und Tier interagieren, in den Blutkreislauf gelangen und sogar in die Steuerung von Genen eingreifen. Das ficht den Agro-Riesen jedoch nicht an. Seine ForscherInnen arbeiten zurzeit daran, die RNAi-Effekte mittels Hilfsstoffen zur verstärken, aber bis es so weit ist, bestücken sie die SMARTSTAX-Ackerfrüchte noch mit den üblichen Accessoirs aus der Gentech-Küche: Dem Bacillus thuringiensis (Bt) und/oder Resistenzen gegen Glyphosat und Glufosinat.

Mehr Maiskörner dank Gentech 2.0
WissenschaftlerInnen der Universität Harvard haben vor einiger Zeit eine neue Gentechnologie entwickelt. Bei dem sogenannten Base Editing handelt es sich um eine Art Genome Editing ohne Editing. Die Ziel-DNA wird nicht mehr aufgeschnitten, sie fusioniert vielmehr mit dem Protein, das die gewünschte Gen-Veränderung bewirkt – eine angeblich präzisere Methode als das Gen-Schnippeln mit CRISPR/Cas & Co. Die US-Firma PAIRWISE hat von der Hochschule eine Lizenz zum Gebrauch des Verfahrens erworben, und auch der BAYER-Konzern hat darauf Zugriff. Er schloss mit PAIRWISE nämlich im Jahr 2018 einen millionen-schweren Kooperationsvertrag ab. Die erste Frucht dieser Zusammenarbeit hat gerade die Phase 1 des Feldversuchs erfolgreich absolviert: Ein Mais mit mehr Körnern, um die „Effizienz der Ernte zu steigern“. In diesem Ziel weiß sich der Agro-Riese immer mit der industriellen Landwirtschaft einig, denn Profit-Interesse verbindet.

Weizenzucht 2.0
Die Gentechnik führt zu einer Reduzierung des Pestizid-Gebrauchs – dieses Versprechen, das die alten Verfahren nicht halten konnten (siehe auch AGRO & CHEMIE), geben BAYER & Co. jetzt auch für die Gentechnik 2.0 ab. So will der Leverkusener Multi gemeinsam mit mehr als 50 weiteren Unternehmen im Rahmen des Forschungsprojekts PILTON einen Weizen kreieren, der dem Pilz-Befall besser trotzt und deshalb nicht so viele Fungizid-Duschen benötigt.

Gefahr durch CRISPR/Cas
BAYER setzt sowohl im Pharma- als auch im Agro-Bereich stark auf die „Gentechnik 2.0“. Einen Schwerpunkt bildet dabei die CRISPR/Cas-Technologie (s. o.). Das Verfahren bedient sich eines Abwehr-Mechanismus’ von Bakterien zum Aufspüren von Fremd-DNA, um bestimmte Gen-Abschnitte anzusteuern, und nutzt dann das Cas-Enzym zur Auftrennung der Genom-Sequenz. Anschließend setzt CRISPR/Cas entweder mitgeführte neue Erbgut-Stränge ein oder bringt die Zellen dazu, per Mutagenese selbst Veränderungsprozesse einzuleiten. So weit die Theorie: In der Praxis geht das alles längst nicht immer so glatt. So führte der Versuch, mittels CRISPR/Cas defekte Embryo-Zellen zu reparieren, zu einem Verschwinden ebendieser, wie eine im Dezember 2020 in der Zeitschrift Cell veröffentlichte Studie dokumentierte. Zudem schnippelte die Genschere nicht nur an dem eigentlich vorgesehenen Ort, sondern tat sich auch in der Umgebung um. Die ForscherInnen rieten deshalb dringend davon ab, diese Technologie weiter an Embryonen zum Einsatz kommen zu lassen. Unbeabsichtigte Gen-Veränderungen nach einer CRISPR-Behandlung fanden WissenschaftlerInnen auch in Mäusen (BMC Genomics 21, S. 856). Bei der Verwendung dieser Gen-Schere zur Krebs-Behandlung gab es ebenfalls schon Komplikationen. Während eines Klinischen Versuchs mit 86 ProbandInnen in China traten bei einigen TeilnehmerInnen plötzlich Autoimmun-Krankheiten auf.

Parkinson-Gentherapie
In den USA haben haben meherer klinische Prüfungen mit Parkinson-Behandlungsverfahren der BAYER-Tochter ASKBIO begonnen (siehe auch DRUGS & PILLS). Der Leverkusener Multi will die Beschwerden der PatientInnen, deren Organismus der Neurotransmitter Dopamin fehlt, was zu Symptomen wie Zittern, Krämpfen und Steifheit führt, nicht nur mit einer Zell-, sondern auch mit einer Gentherapie lindern. Bei dieser Behandlungsart transportieren als Fähren genutzte Viren ein Gen in das Gehirn, das eine „Regeneration von Mittelhirn-Neuronen“ anstoßen soll.

IMPERIUM & WELTMACHT

Agrar-Inkasso in Brasilien
In Brasilien haben die Agro-Riesen massive Schwierigkeiten, von den LandwirtInnen Lizenz-Gebühren für ihre gentechnisch manipulierten Pflanzen einzutreiben. Darum taten sich BAYER, BASF, SYNGENTA und CORTEVA nun zusammen. Für den Gensoja-Bereich schufen sie die gemeinsame Plattform CULTIVE BIOTEC, um die Extra-Profite besser abkassieren zu können, die ihnen das Patent-Recht gewährt. Die staatliche Monopol-Kommission CADE segnete die Gründung ab, was auf massive Kritik des SojafarmerInnen-Verbandes Aprosoja stieß. Die Organisation, die rund 240.000 Mitglieder hat, sieht durch CULTIVE den Wettbewerb gefährdet. Sie fürchtet, dass die Plattform das von der jetzigen BAYER-Tochter MONSANTO in dem Land etablierte – und von den Bauern und Bäuerinnen sogar vor Gericht angefochtene – harsche Zahlungsmodell nun auch anderen Anbietern zugänglich macht. Als „aggressiv und eindeutig missbräuchlich“ bezeichnet die Interessensvertretung dieses System, das dem Leverkusener Multi viel mehr Geld einbringe als vergleichbare Regelungen in den Nachbarländern.

BAYER verkauft Soja-Fabrik
Der BAYER-Konzern hat sich von seiner Soja-Verarbeitungsanlage im US-amerikanischen Beaman getrennt. Er verkaufte die Produktionsstätte mit einer Jahres-Kapazität von einer Million Einheiten Soja-Saatgut, wobei eine Einheit zehntausende Körner umfasst, an die Firma BECK’S HYBRIDS. Lediglich zehn Belegschaftsangehörige konnten zum neuen Besitzer wechseln.

45 Millionen für SOUND AGRICULTURE
BAYER, SYNGENTA und andere Unternehmen investieren 45 Millionen Dollar in das US-amerikanische Start-up SOUND AGRICULTURE. Die Firma will eine Technologie entwickelt haben, die Kunstdünger ersetzt. Eine Nährstoff-Zufuhr über die Aktivierung von Mikroorganismen im Boden soll es stattdessen richten. Auch hat das Unternehmen nach eigenen Angaben ein Mittel gefunden, um die Züchtung von Pflanzen zu beschleunigen.

STANDORTE & PRODUKTION

Neues Abkommen mit Berkeley
Anfang der 1990er Jahre plante BAYER eine große Erweiterung seines Pharma-Werkes in Berkeley. Dagegen erhob sich allerdings ein breiter Protest. Die CITIZENS OPPOSING POLLUTED ENVIRONMENT fürchteten sich vor allem vor den Risiken und Nebenwirkungen der Gentechnik. Aber auch die Produktion von Impfstoffen gegen die Pest und andere Erreger für das Pentagon, im Zuge dessen es einmal soger schon zu einer Infektion von mehreren Beschäftigten kam, stieß auf Kritik. Der Leverkusener Multi startete eine große Öffentlichkeitskampagne, die vor allem auf die vielen in Aussicht stehenden neuen Arbeitsplätze verwies, und hatte damit schließlich Erfolg. Allerdings musste er sich auf ein Development Agreement mit der Stadt einlassen und Geld für gemeinnützige Zwecke zur Verfügung stellen. Nun will der Konzern, der sich mittlerweile zum größten Unternehmen Berkeleys entwickelt hat, weiter wachsen und Produktionsstätten bis zu einer Höhe von 24 Metern errichten. Und abermals macht sich unter den AnwohnerInnen Skepsis breit. Deshalb steht auch ein neues Development Agreement an. In den nächsten 30 Jahren beabsichtigt der Global Player dafür 30 Millionen Dollar bereitzustellen. 60 Prozent des Etats sieht er dabei für Bildungsprogramme wie „hands-on science education“ vor, bei denen als ein nicht ganz unbeabsichtigter Nebeneffekt auch wissenschaftlicher Nachwuchs für seine Labore abfällt. 20 Prozent des Geldes sollen der lokalen Wirtschaft zugutekommen, und weitere 20 Prozent fließen in ein kommunales Wohnungsprogramm. Das reicht dem Bürgermeister Jesse Arreguin allerdings nicht. „Ich glaube, sie können mehr tun“, sagt er. Konzern-Sprecherin Cathy Keck aber schaltete auf stur und brachte flugs andere Standorte für „BAYERs globale Infrastruktur-Dollars“ ins Spiel. Der Manager Drew Johnson zeigte sich ebenfalls unversöhnlich: Die von uns erwünschten Dimensionen erlauben uns, hier unser Geschäft zu betreiben, und wenn das nicht möglich ist, speziell was die Fabrikationsstätten angeht, dann erhalten eben andere BAYER-Standorte das Projekt – so einfach ist das.“

ÖKONOMIE & PROFIT

Winkeljohann: Keine Aufspaltung
Die anhaltend niedrige Notierung der BAYER-Aktie bringt die Finanz-Investoren dazu, die Aufspaltung des Konzerns zu fordern. Das Unternehmen will sich diesem Druck allerdings nicht beugen, wie Aufsichtsratschef Norbert Winkeljohann gegenüber dem Manager Magazin deutlich machte. „Es ist nicht überraschend, dass einige nach vermeintlich einfachen Lösungen rufen, um dem Aktien-Kurs einen schnellen, aber nicht unbedingt nachhaltigen Impuls zu geben. So einfach ist das aber nicht. Im Gegenteil: Die aktuellen Herausforderungen lassen sich vor allem durch eine konsequente Umsetzung der Strategie lösen und nicht durch strukturelle Maßnahmen“, erklärte er.

RECHT & UNBILLIG

Neuer Glyphosat-Prozess
Im Juli 2021 begann in den Vereinigten Staaten der vierte Glyphosat-Prozess. Donnetta Stephens macht das von BAYER unter dem Namen ROUNDUP vertriebene Herbizid für ihr Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) – eine spezielle Art des Lymphdrüsen-Krebses – verantwortlich. Deshalb reichte sie im August 2020 eine Klage auf Schadensersatz ein; 30.000 weitere liegen gegenwärtig noch vor. Wegen des schlechten Gesundheitszustandes der 70-Jährigen beantragten ihre RechtsvertreterInnen, den Fall schnell zu Gericht gehen zu lassen, was der kalifornische „San Bernardino County Superior Court“ auch ermöglichte. „Sie hat das ROUNDUP über 30 Jahre lang verwendet und war ihm stark ausgesetzt“, so Anwalt Fletcher V. Trammell zur Begründung der Entschädigungsansprüche. Andere mögliche Ursachen für die Erkrankung schloss er aus: „In ihrer Familie trat Non-Hodgkin sonst nicht auf.“ Bei den Verhandlungen will der Jurist sich nicht nur auf die in den früheren Verfahren vorgelegten Beweise stützen. Mit dem Onkologen Barry Boyd und der Toxikologin Luoping Zhang, deren im Jahr 2019 veröffentlichte Metastudie zu Glyphosat und NHL einen „zwingenden Zusammenhang“ zwischen der Substanz und der Entstehung des Krebes konstatiert hatte, berief er zwei neue KronzeugInnen gegen das Mittel.

BAYER ruft Supreme Court an
Ende Mai 2021 ließ der BAYER-Konzern die Glyphosat-Vergleichsverhandlungen platzen (siehe SWB 3/21). Nach der Ablehnung seines Vorschlages zur Beendigung der juristischen Auseinandersetzungen durch den zuständigen Richter Vince Chhabria mochte der Agro-Riese keinen weiteren mit Nachbesserungen – vor allem im Umgang mit Klagen von neuen Geschädigten – mehr vorlegen. Stattdessen setzt der Global Player jetzt vor allem darauf, ein Grundsatz-Urteil des Obersten Gerichtshof der USA zu seinen Gunsten in der Sache zu erzwingen, „wodurch die Rechtsstreitigkeiten zu Glyphosat in den USA weitgehend beendet würden“. Dafür sieht er gute Chancen, denn in dem Gremium sitzen keine Geschworenen, die sich seiner Meinung nach nur von ihren Gefühlen leiten ließen, sondern BerufsrichterInnen, noch dazu oft von Trumps Gnaden. Das Unternehmen hält die juristische Auseinandersetzung für eine Bundesangelegenheit, die in die Zuständigkeit des Supreme Courts fällt, weil die „Environment Protection Agency“ (EPA) als Bundesbehörde das Mittel bundesweit zugelassen und ihm Unbedenklichkeit bescheinigt habe. Mitte August 2021 rief der Konzern nun dieses Gericht an und ersuchte es, ein von der Aktien-Gesellschaft als mangelhaft empfundenes Urteil zu überprüfen, das eine untere Instanz in dem Verfahren „Hardeman vs. MONSANTO“ gegen die BAYER-Tochter gefällt hatte. „Die Fehler des Ninth Circuit bedeuten, dass ein Unternehmen für die Vermarktung eines Produkts ohne Krebs-Warnung hart bestraft werden kann, obwohl es nahezu universellen wissenschaftlichen und regulatorischen Konsens darüber gibt, dass das Produkt nicht krebserregend ist und die verantwortliche Bundesbehörde eine solche Warnung sogar verboten hat“, heißt es in dem Antrag. Darüber hinaus hat der Ninth Circuit nach Ansicht des Agro-Riesen ExpertInnen zugelassen, die dieses Etikett nicht verdienten, was „zu unfundierten Aussagen geführt hat“. Ob der Supreme Court den Antrag annimmt und sich mit der Angelegenheit befassen wird, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest.

Mehr Glyphosat-Rückstellungen
Der BAYER-Konzern will den Fall „Glyphosat“ mit aller Macht vor den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten – den Supreme Court – bringen und dort ein Grundsatz-Urteil zu seinen Gunsten erzwingen (s. o.). Der Leverkusener Multi hat jedoch auch Vorkehrungen für ein Scheitern dieser Strategie und ein „Weiter so“ mit Klagen, Prozessen und Vergleichen getroffen. Allerdings rechnet der Agro-Riese dafür noch einmal mit einem erheblichen finanziellen Mehraufwand. Darum stockte er die Rückstellungen von bisher zwei Milliarden Dollar noch einmal um 4,5 Milliarden Dollar auf. „Wir wollen damit gegenüber unseren Investoren deutlich machen, dass die Risiken des Glyphosat-Rechtsstreits angemessen in der Bilanz abgebildet sind“, erklärte BAYER-Chef Werner Baumann Ende Juli 2021 wenige Tage vor der Veröffentlichung der Geschäftszahlen für das erste Halbjahr.

BAYER verliert Glyphosat-Prozess
Im Mai 2019 hatte ein Geschworenen-Gericht im US-amerikanischen Oakland den Glyphosat-Geschädigten Alberta und Alva Pilliod recht gegeben und die BAYER-Tochter MONSANTO zur Zahlung von insgesamt zwei Milliarden Dollar Strafe und Schmerzengeld verurteilt. Später reduzierte ein Richter die Summe auf 87 Millionen Dollar. Das reichte dem Leverkusener Multi allerdings nicht. Er ging in Berufung – und strich wieder eine Niederlage ein. Im August 2021 bestätigte der „Court of Appeal for California“ die Entscheidung. „MONSANTOS Verhalten zeigte eine rücksichtslose Missachtung der Gesundheit und Sicherheit der vielen ahnungslosen Verbraucher“, befand der Court. Er bescheinigte dem seit 2018 zum Leverkusener Multi gehörenden Unternehmen einen „unnachgiebigen Unwillen, die Öffentlichkeit über die Krebs-Gefahren eines Produkts zu informieren“ und bezeichnete diese Praxis des Unternehmen als notorisch. „Über einen Zeitraum von vielen Jahren hinweg bestand MONSANTOs Verhalten immer wieder aus solchen Aktionen, motiviert durch das Streben nach Verkäufen und Profit“, konstatierten die JuristInnen. Zudem warfen sie dem Konzern vor, „die wissenschaftliche Untersuchung von Glyphosat und ROUNDUP behindert oder verzerrt“ und es versäumt zu haben, „angemessene Studien zu Glyphosat und ROUNDUP durchzuführen“. Auch der neuesten Prozess-Strategie BAYERs erteilte der Richter Winifred Smith eine Abfuhr. Der Agro-Riese will die Justiz der Einzelstaaten ausmanövrieren und den Fall „Glyphosat“ vor den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten bringen (s. o.). Aber der „Court of Appeal“ ließ sich das Verfahren nicht so einfach aus der Hand nehmen und verwies auf die entsprechenden Paragrafen. Dementsprechend enttäuscht zeigte sich der Global Player. „Wir sind mit der Entscheidung des Gerichts nicht einverstanden, da das Urteil weder durch die Beweise in der Verhandlung noch durch das Gesetz gestützt wird“, erklärte er und kündigte an: „MONSANTO wird seine rechtlichen Möglichkeiten in diesem Fall prüfen.“

Neue ESSURE-Sammelklagen
ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Sterilisationsmittel, beschäftigt zunehmend die Justiz. Die kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich die Eileiter verschließen, hat nämlich zahlreiche Nebenwirkungen. Allzu oft bleibt das Medizin-Produkt nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Schmerzen im Unterleib oder anderen Körper-Regionen, Depressionen oder Angstzustände, Kopfschmerzen, Übelkeit, Allergien, Hautausschläge und Haarausfall zählen zu den Gesundheitsschädigungen, über die Frauen berichten. Allein bei der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA gingen von 2002 bis 2020 fast 64.000 Meldungen über unerwünschte Arznei-Effekte ein. 94 Todesfälle dokumentierten die ÄrztInnen. 39.000 Betroffene zogen in den Vereinigten Staaten vor Gericht. Mit einem Großteil von ihnen schloss der Leverkusener Multi im August 2020 einen Vergleich, der ihn zu einer Zahlung von 1,6 Milliarden Dollar verpflichtete. Damit ist die Akte „ESSURE“ allerdings noch nicht geschlossen. Im November 2020 reichten 200 englische Frauen eine Sammelklage ein und im Juli 2021 300 brasilianische. „Kein Geld der Welt wird kompensieren können, was wir durchgemacht haben und noch durchmachen. Aber wir haben das Recht auf ein bisschen Ruhe, damit wir uns um uns selbst kümmern können“, so eine der Geschädigten. Die Rechtsvertretung der Brasilianerinnen, Engländerinnen sowie der holländischen Betroffenen hat die internationale Kanzlei PGMBM übernommen. Ihr deutscher Partner MANNER SPANGENBERG hat sich direkt an die Leverkusener BAYER-Zentrale gewandt und erwägt eine Klage auf deutschem Boden, sollte es nicht zu einem Vergleich kommen. Der Pharma-Riese begann 2017, den Vertrieb der Spirale einzustellen. Inzwischen bietet er sie in keinem Land der Welt mehr an. Medizinische Bedenken spielten dabei jedoch keine Rolle. „Das Unternehmen steht weiterhin hinter der Wissenschaft, die die Sicherheit und Effizienz von ESSURETM stützt“, erklärte der Konzern. Die Entscheidung zum Vermarktungsstopp beruhte laut BAYER lediglich „auf einem Rückgang der Verkäufe in den vergangenen Jahren und der Schlussfolgerung, dass das ESSURE-Geschäft nicht mehr nachhaltig war“.

BAYER verliert PCB-Prozess
Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören zu den giftigsten Hervorbringungen der Chlorchemie. Die vor allem von BAYER und MONSANTO in Umlauf gebrachten gefährlichen „Alleskönner“ kamen bis zu ihrem vollständigen Verbot 1989 in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben, Ölen, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz – und stellen immer noch ein beträchtliches Gesundheits- und Umweltrisiko dar. Darum ist der BAYER-Konzern mit einer Vielzahl von Schadensersatz-Ansprüchen konfrontiert. Im Juli 2021 gab ein Gericht in Seattle drei LehrerInnen recht, die ihre Gesundheitsprobleme auf ein PCB-kontaminiertes Schulgebäude zurückführten. Zur Zahlung einer Strafe und eines Schmerzensgeldes von insgesamt 185 Millionen Dollar verurteilte es den Leverkusener Multi, der gegen die Entscheidung Berufung einlegte. Mit 200 weiteren KlägerInnen allein von dieser Schule rechnet der Agro-Riese. „Wir sind davon überzeugt, auch in diesen Angelegenheiten gute Argumente zur Verteidigung gegen die erhobenen Ansprüche zu haben und beabsichtigen, uns in diesen Verfahren entschieden zur Wehr zu setzen“, kündigte er an.

Gericht lehnt PCB-Vergleich ab
Die gefährlichen Polychlorierte Biphenyle (PCB) haben auch zahlreiche Gewässer verunreinigt. Weil das die Städte zu umfangreichen und kosten-intensiven Reinigungsarbeiten nötigt, haben rund 2.500 US-amerikanische Kommunen Schadensersatz-Ansprüche gegen die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO geltend gemacht. Diese gründen sich unter anderem auf firmen-eigene Dokumente von MONSANTO, die selbst von Risiken wie „systemischen toxischen Effekten“ sprechen. Einen Produktionsstopp haben die ManagerInnen damals jedoch trotzdem abgelehnt, da es um „zu viel MONSANTO-Gewinn“ ginge. Die BAYER-AnwältInnen arbeiteten in der Sache einen Vergleich aus, der Zahlungen in Höhe von 650 Millionen Dollar vorsieht, aber im November 2020 lehnte ein Gericht den Vorschlag ab und forderte Nachbesserungen. Daneben liegen RichterInnen noch PCB-Klagen der Bundesstaaten Ohio, Pennsylvania, New Hampshire und Oregon vor. Einigungen konnte der Leverkusener Multi hingegen mit New Mexico, Washington und dem Columbia-Destrict erzielen.

Strafe wg. MONSANTO-Listen
Ende Juli 2021 hat die französische Datenschutz-Behörde CNIL die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO zu einer Zahlung von 400.000 Euro verurteilt. Die CNIL sah in der flächendeckenden Bespitzelung von über tausend AktivistInnen, PolitikerInnen, JournalistInnen und WissenschaftlerInnen, welche die PR-Agentur FLEISHMANHILLARD von 2014 bis 2017 im Auftrag des Glyphosat-Produzenten durchführte (siehe SWB 3/19), einen Verstoß gegen die Datenschutz-Bestimmungen. Das Unternehmen hätte die Personen, über die es umfangreiche Akten anlegte, um die Lobby-Arbeit effizienter zu gestalten, informieren müssen, befand die Behörde. Sie gab damit der Beschwerde der Nachrichten-Agentur Agence France-Presse sowie diverser Zeitungen, TV-Kanäle und Radio-Stationen statt. „Die Entscheidung der französischen Datenschutz-Behörde in Sachen ‚MONSANTO-Liste’ ist eine schallende Ohrfeige für die deutschen DatenschützerInnen. Sie dürfen jetzt nicht weiter untätig bleiben und müssen den Vorgang auf Wiedervorlage legen“, forderte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) daraufhin in einer Presseerklärung. Die Coordination hatte sich nach Bekanntwerden des Bespitzelungsskandals an die nordrhein-westfälische Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit gewandt, war da aber auf taube Ohren gestoßen. Die NRW-DatenschützerInnen zeigten sich mit den Antworten zufrieden, die der Leverkusener Multi ihnen nach einem Auskunftsersuchen erteilte und betrachteten den Fall damit als erledigt. Nach Ansicht der Behörde handelte es sich bei den Aktivitäten von MONSANTO um ein reines „Media-Monitoring“, bei dem eine „Auswertung der Beiträge mit dem Ziel, eine Person zu bewerten und ihr künftiges Verhalten abzuschätzen“, nicht stattfinde.

Einigung mit NUZIVEEDU
Das indische Gesetz erlaubt es nicht, Saaten, Pflanzen oder Tiere zum geistigen Eigentum von Personen oder Unternehmen zu erklären. Darum erhob die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO in weiser Voraussicht nicht für seine kompletten mit Genen des Bacillus thuringiensis (Bt) bestückten Laborfrüchte Schutzrechte, sondern nur für den Bacillus selber. Lizenz-Gebühren verlangte der Konzern aber trotzdem. Das indische Unternehmen NUZIVEEDU SEEDS LTD. (NSL) weigerte sich ab 2015 aber, dieses Geld zu zahlen. Es verwies dabei nicht nur auf die Rechtslage, sondern auch auf die nachlassende Wirksamkeit des Bt-Giftes. Daraufhin entspann sich ein langer Rechtsstreit. Im Frühjahr 2021 legten die Kontrahenten ihn bei, ohne dabei Details der Einigung zu offenbaren.

SPORT & MEDAILLEN

Lex Leverkusen in Gefahr
Mit der „50 + 1“-Regel räumte der „Deutsche Fußball-Bund“ (DFB) den Muttervereinen einen dominierenden Einfluss auf die Geschicke der Klubs ein. Unternehmen und InvestorInnen mussten sich hingegen auf einen Geschäftsanteil von höchstens 49 Prozent beschränken. 1999 ließ der DFB jedoch Ausnahmen zu, wenn „ein Rechtsträger seit mehr als 20 Jahren den Fußball-Sport des Muttervereins ununterbrochen und erheblich gefördert hat“. „Lex Leverkusen“ hieß diese Sonderklausel bald, denn BAYERs Werkself nahm sie zuerst in Anspruch, damit der Chemie-Multi auch im Fußball-Geschäft das Sagen haben kann. Das ist nun allerdings in Gefahr. Das Bundeskartellamt, von der Deutschen Fußball-Liga (DFL) um eine Einschätzung der „50 + 1“-Regel gebeten, meldete nämlich Bedenken an. Die Bestimmung sei nur unter der Bedingung zu halten, keine Extrawürstchen mehr für Leverkusen, Wolfsburg und Hoffenheim bereitzuhalten, so die JuristInnen. „Wenn einigen Clubs größere Möglichkeiten zur Einwerbung von Eigenkapital zur Verfügung stehen als anderen, dürfte dies nicht zur Ausgeglichenheit des sportlichen Wettbewerbs beitragen, sondern ihn eher verzerren“, befanden sie. BAYER 04 & Co. reagierten mit dem Aufsetzen eines Brandbriefs an die DFL. Darin forderten sie „den Bestand der Regel“. Die Vereine zeigten sich zwar bereit, „diese schwierige Situation zielgerichet und mit diplomatischem Geschick zu bewältigen“, aber ihre Kompromiss-Bereitschaft bei der Umgestaltung von „50 + 1“ zeigte Grenzen. Einer Reform der Ausnahme-Regelung wollten sie nur bei einer „Beibehaltung der mit ihr verbundenen Grundideen unter Wahrung des Bestandschutzes für unsere Klubs“ zustimmen. Und ihr Geld darf das auch nicht kosten. „Dass wir finanziell verzichten sollen, kann sicher nicht die Lösung sein, das würden wir notfalls mit juristischen Mitteln sicherstellen müssen“, drohte BAYER-04-Geschäftsführer Fernando Carro. Am liebsten würde er die Regel ganz abschaffen, um mehr Kapital in die Liga zu locken. „Meine persönliche Meinung entspricht meiner liberalen Grundeinstellung: so wenig Regulation wie möglich beziehungsweise nötig“, so Carro. Das DLF-Präsidium kündigte derweil nach einer außerordentlichen Mitgliederversammlung an, bis zum Herbst „kartellrechtskonforme Lösungsansätze“ zu erarbeiten.

[Auf der Straße & online] Wege zum Protest gegen BAYER – trotz Pandemie

CBG Redaktion

Die diesjährige BAYER-Hauptversammlung war bereits die zweite, die der Konzern unter dem Vorwand des Gesundheitsschutzes komplett ohne Präsenz und rein online durchführte. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, die sich seit Jahrzehnten bemüht, den Protest direkt zum Vorstand hinzutragen, mit Kundgebungen und Demos auf der Straße und Protestbeiträgen in der eigentlichen Veranstaltung, stellte dies vor enorme Herausforderungen.

Von Marius Stelzmann

Im vergangenen Jahr konnte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) bereits Erfahrungen sammeln, wie eine virtuelle Hauptversammlung abläuft und wie ihr ein bedeutungsvoller, schlagkräftiger Online-Protest entgegenzusetzen ist, der die andere Seite der Konzernpolitik zeigt. Anders als im vergangenen Jahr war 2021 zudem von vornherein klar, dass BAYER die HV wieder online stattfinden lassen würde. Daher hatte die CBG genug Zeit, über ihre Kontakte Stimmen aus aller Welt für den Protest zu mobilisieren. Auch wertete die Coordination die Erfahrung von mehr als einem Jahr Pandemie für linke Protest-Bewegungen aus. Die Schlussfolgerung: Keine Online-Veranstaltung kann Protest in der realen Welt ersetzen. Ein Protest muss verantwortungsvoll und corona-sicher sein, aber er muss stattfinden. Die CBG wird sich nicht mit einem reinen Online-Protest zufriedengeben, sondern den Widerstand direkt vor die Haustüre von BAYER tragen. Dieses Jahr war dies wieder einmal die Konzernzentrale in Leverkusen.

Das Bündnis
Die Coordination kann sich dank ihrer langjährigen Arbeit auf zuverlässige Partner stützen, mit denen sie regelmäßig zusammenarbeitet. Als da wären: Der DACHVERBAND DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE, die ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT (AbL), das PESTIZID AKTIONS-NETWERK (PAN), die GESELLSCHAFT FÜR KINDER, DIE DURCH HORMONELLE SCHWANGERSCHAFTSTESTS GESCHÄDIGT WURDEN (ACDHPT), FRIDAYS FOR FUTURE, das COLLECTIF VIET-NAME DIOXINE, das GEN-ETHISCHE NETZWERK, die Initiative RISIKO PILLE, der VEREIN DER EHEMALIGEN HEIMKINDER SCHLESWIG HOLSTEIN, WIR HABEN DIE AGRARINDUSTRIE SATT!, POWERSHIFT e.V., das UMWELTINSTITUT MÜNCHEN, INKOTA, die Partei DIE LINKE, B90/DIE GRÜNEN, rmediabase, die CAMPANHA PERMANENTE CONTRA OS AGROTOXICOS E PELA VIDA, das NETZWERK DUOGYNON, HEJ!SUPPORT, IFOAM und viele mehr. Sie haben es auch dieses Jahr wieder möglich gemacht, die BAYER-Konzernverbrechen von allen Seiten zu beleuchten und von fast allen Kontinenten kritische Stimmen einzuholen, wofür ihnen der Dank der CBG gebührt

Die virtuelle HV
Wie bereits erwähnt: Die virtuelle Hauptversammlung ist eine besondere Herausforderung für KonzernkritikerInnen. BAYER hat seit 1982 nicht mehr die Deutungshoheit über die eigenen Hauptversammlungen. Denn jedes Jahr stellt die Coordination viele RednerInnen, stellt Gegenanträge und ruft zur Nicht-Entlastung des Konzernvorstandes auf. Das Modell der CBG hat überdies Schule gemacht: Heute finden sich auf vielen Hauptversammlungen Proteste und Gegenstimmen. Sowohl NGOs als auch aktivistische Jugendbewegungen wie FRIDAYS FOR FUTURE nutzen das Modell. Dennoch ist keine Hauptversammlung so wie die von BAYER: Denn die Konstanz, mit der die Coordination dranbleibt, das Ausmaß, in dem sie weltweiten Widerstand gegen diesen einen Konzern mobilisiert, sucht nach wie vor weltweit ihresgleichen. Dies ist dem Management wohlbekannt. Nach Wegen, die unerwünschte Konfrontation mit den Folgen der eigenen Konzernpolitik von der HV zu verbannen, sucht der Vorstand deshalb schon lange. Im Vorjahr, mitten in der Corona-Krise 2020, bot sich dem Konzern die Chance, das umzusetzen, was schon lange geplant, aber aufgrund der AktionärInnen-Rechte nie umzusetzen war: Eine virtuelle Hauptversammlung, völlig ohne Präsenz.
Mit dieser Maßnahme hatten die BAYER-Bosse jedoch abermals die Kraft des Widerstandes unterschätzt. Auf den öffentlichen Druck hin, den der Protest der CBG erzeugte, sah sich der Leverkusener Riese 2020 gezwungen, PR-gerechte Schein-Zugeständnisse zu machen, um eine demokratische Partizipationsmöglichkeit vorzuspielen. Hierzu gehörten durchsichtige Tricks wie das Versprechen, am Tag der HV selbst Protest-Tweets vom Konzern-Twitteraccount aus zu retweeten. Das war es aber auch schon. Ansonsten mussten Fragen, die AktionärInnen bzw. deren Bevollmächtigte vorher auf der Hauptversammlung selber stellen konnten, aufwändig vorher eingereicht werden. Zudem traf der Konzern eine Auswahl und nannte größtenteils nicht die Namen der FragestellerInnen. Aus den Augen selbst der üblichen, bereits kritikwürdigen AktionärInnendemokratie betrachtet, war die Hauptversammlung also ein Desaster und bekam dementsprechend eine schlechte Presse.
Da BAYER sich mit aller Kraft als progressiver, aufgeschlossener, zukunftsorientierter Konzern präsentieren möchte, musste also eine andere Lösung her, um den bequemen Umstand der virtuellen Hauptversammlung aufrechterhalten zu können. Darum trat der Konzern 2021 die Flucht nach vorn an und versuchte sich als aktionärInnendemokratischer Musterschüler zu inszenieren. Für partizipationswillige AktienhalterInnen gab es nun neben dem schriftlichen Einreichen von Fragen auch die Möglichkeit, Statements in schriftlicher und in Videoform einzureichen. Ein Modell, welches andere Konzerne teilweise noch nicht anbieten und BAYER helfen sollte, sich als Transparenz-Marktführer zu inszenieren.
Die Coordination denkt jedoch nicht daran, „Danke!“ zu sagen, wenn die üblichen Rechte für AktionärInnen immer noch nicht eingeräumt werden. Immer noch sind nämlich die Partizipationsmöglichkeiten im Vergleich zu denen der Präsenz-Hauptversammlung massiv eingeschränkt. Denn die schriftlich eingereichten Fragen kann der Vorstand bei der Präsentation aus dem Zusammenhang reißen und zusammenstreichen, wie er möchte. Auch die Namen von vielen Fragenden wurden wieder nicht genannt. Zu den kritischen Video-Statements nahm der Vorstand überhaupt keine Stellung. Anträge und Wahlvorschläge aus den Videos wurden nicht berücksichtigt. Zwar wurden die Videos in diesem Jahr im BAYER-Stream gezeigt, allerdings besteht keinerlei Rechtsanspruch, dass die eingesandten Videos auch veröffentlicht werden. Der Vorstand könnte diese also auch einfach unter den Tisch fallen lassen. Der Vorstand hat also endlose Möglichkeiten der Vorauswahl, was Kritik erschwert. Auf einer Präsenz-Hauptversammlung bestehen diese nicht. Die Rechte – insbesondere von Klein-AktionärInnen – bleiben also weiterhin substantiell eingeschränkt. Die Coordination hat dieses Vorgehen von BAYER in einer gemeinsamen Erklärung mit dem DACHVERBAND DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE, PAN, WIR HABEN DIE AGRARINDUSTRIE SATT!, und dem GEN-ETHISCHEN NETZWERK kritisiert.
Parallel zu solchen Aktionen nutzt die Coordination natürlich alle Möglichkeiten, die sie hat, um den Protest auf die Hauptversammlung zu tragen. So reichte die CBG auch dieses Jahr wieder mehr als 200 schriftliche Fragen und Statements ein. Unsere BündnispartnerInnen von PAN, INKOTA, RISIKO PILLE, COLLECTIF VIETNAM DIOXINE und dem NETZWERK DUOGYNON sandten uns zudem Video-Statements, die dann auch in die virtuelle HV hineinflimmerten und den Vorstand mit seiner verbrecherischen Konzernpolitik konfrontierten.

Die Kundgebung
Die Kundgebung vergrößerte sich im Vergleich zum letzten Jahr erfreulicherweise. Trotz Corona-Krise konnte die CBG ca. 30 TeilnehmerInnen begrüßen. Überdies fuhren aktivistische LandwirtInnen der AbL mit Traktoren vor. In ihren Reden machten unsere BündnispartnerInnen von FRIDAYS FOR FUTURE, der AbL und der Linkspartei klar, dass das Bündnis nicht akzeptiert, dass BAYER mit der virtuellen HV Protest und Widerstand aussperrt.
Genau wie letztes Jahr war die Herausforderung des Live-Streams der Coordination, den international aufgestellten Protest auf ein streamtaugliches Programm zu bringen. Dieses Jahr waren Beiträge aus der ganzen Welt vertreten, die viele Aspekte der BAYER-Konzernpolitik beleuchtet haben. Wie im letzten Jahr auch kommentierte die CBG das Geschehen auf der Hauptversammlung des Leverkusener Multis direkt und ließ diesen Analysen Gespräche mit AktivistInnen folgen. Erster Interview-Partner war Sven Giegold, Europa-Abgeordneter der Grünen, der zu BAYERs Steuervermeidungsstrategien sprach. Er stellte die Studie der grünen Fraktion im Europa-Parlament vor, die sich dem Versuch des Unternehmens widmete, Steueroasen weltweit und in Deutschland selber auszunutzen. Die zweite Gesprächspartnerin, Charlotte Sammet, war eine Vertreterin von FRIDAYS FOR FUTURE. Sie erläuterte die klimapolitischen Ziele der Initiative und ließ keinen Zweifel daran, dass diese mit dem gegenwärtigen Produktionsmodell von BAYER nicht zu erreichen seien. Der letzte Gast im morgendlichen Live-Block war Tilman Massa vom DACHVERBAND DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE, mit dem CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann über die virtuelle HV und die Möglichkeiten von kritischen AktionärInnen diskutierte, einen Konzern unter diesen Bedingungen mit seinen Missetaten zu konfrontieren.

Agent Orange
Weiter im Programm ging es dann mit den weltweiten Statements. Den Anfang machte die österreichische Fernsehköchin und EU-Parlamentarierin Sarah Wiener, die in einer flammenden Rede feststellte, dass die Zeit von BAYER abgelaufen sei. Daraufhin folgten Stimmen aus Vietnam. Das Land war während des Vietnam-Krieges mit dem von der jetzigen BAYER-Tochter MONSANTO produzierten Herbizid Agent Orange heimgesucht worden. Von den Folgen berichtete Dr. Thi Ngoc Phuong Nguyen: Sie hatte nach den Sprüheinsätzen mit dem Pestizid eine Totgeburt erlitten. Dieses Schicksal traf die ehemalige Vietcong-Guerillera Hong Nhut Dang gleich mehrmals. Auch Thi Phuong Nguyen war Agent Orange ausgesetzt, ihr Sohn kam mit Leukämie zur Welt.
Tú Qùynh-nhu Nguyen vom Collectif Vietnam Dioxine fand für das Verbrechen „Agent Orange“ deutliche Worte: „Der Einsatz von Agent Orange in Vietnam ist der größte Ökozid und die größte chemische Kriegsführung in der Geschichte gewesen.“ Neben dem Collectif Vietnam Dioxine nahmen auch Susan Tabbach von RISIKO PILLE, Wiebke Beushausen von INKOTA, Peter Clausing von PAN, Bettina Müller von POWERSHIFT e.V. und Andre Sommer vom NETZWERK DUOGYNON die Möglichkeit wahr, dem Konzern die Meinung zu sagen. Anschließend ging ein ganzer Block auf Sendung, der einen Einblick in eine Region ermöglichte, die einer der profitabelsten Absatzmärkte für BAYERs Glyphosat ist: Lateinamerika. Auch von hier berichteten Betroffene aus ihrem Alltag mit dem Gift. Elsa, eine Lehrerin aus einer ländlichen Gemeinde in Argentinien, in der Glyphosat als Unkrautvernichter überall präsent ist, erzählte von mehreren Fehlgeburten, die sie durch die permanenten Glyphosat-Ausbringungen erlitt. Auch in der lokalen Schule leiden viele Kinder an Erkrankungen, welche auf das Herbizid zurückzuführen sind. Petra, eine Lehrerin aus einer anderen Gemeinde, bestätigte die Befunde. Auch in ihrer Region habe sich das ganze Spektrum von Krankheiten, welche Glyphosat auslösen kann, gezeigt.
Im zweiten Live-Block redete Marius Stelzmann mit dem Grünen-Abgeordneten Harald Ebner weiter über das unglückselige Pestizid. Und die Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch von DIE LINKE hielt in dem darauffolgenden Interview ganz klar fest: „BAYER ist nicht der Löser globaler Krisen, sondern trägt zu globalen Krisen bei!“ Als nächstes berichtete Jurek Vengels vom Münchner UMWELTINSTITUT von einem Prozess, mit welchem sich die Einrichtung nach ihrer Kritik am Pestizid-Einsatz in Südtirol, einem der größten europäischen Obstanbau-Gebiete, konfrontiert sah. Ein weiteres Interview gab Bettina Müller von POWERSHIFT, über deren Verbindungen uns die Statements der Glyphosat-Betroffenen aus Lateinamerika erreicht hatten.
Mit Kim Vo Dienh, einem Vertreter des COLLECTIF VIETNAM DIOXINE, das der CBG die Botschaften von Agent-Orange-Geschädigten zur Verfügung gestellt hatte, sprach Stelzmann über Tran To Nga, die in Paris einen Prozess gegen BAYER/MONSANTO führt. Danach berichtete Regisseurin Katja Becker über die Situation in Kenia. Sie hatte vor Ort die Dokumentation „The Food Challenge“ gedreht, welche die Folgen des Einsatzes von in der EU bereits verbotenen Pestiziden für die Landbevölkerung des Staates thematisiert. Becker äußerte aufgrund ihrer gesammelten Materialien die Vermutung, dass die fortgesetzte Produktion dieser Ackergifte bewusst im Hinblick auf Gebiete mit schwächeren Schutzverordnungen wie Kenia geschehe.

Der letzte Live-Block
Der letzte Live-Block ging um 16.00 Uhr auf Sendung. Der erste Gast hatte bereits einige Hauptversammlungserfahrung. Alan Tygel von der brasilianischen CAMPANHA PERMANENTE CONTRA OS AGROTOXICOS E PELA VIDA stellte klar, dass er vom Konzern nichts erwartete, da es diesem nur um Profit ginge. Sein Appell richte sich vielmehr an die deutsche und europäische Zivilgesellschaft, die BAYER und die deutsche Regierung unter Druck setzen sollten. Der nächste Interview-Partner war Günter Wulf, ein ehemaliges Heimkind, an dem als Kind gegen seinen Willen Medikamententests vorgenommen worden waren. Günter verbrachte mehrere Jahre in Dauersedierung durch Psychopharmaka; mit den Folgen hat er bis heute zu kämpfen. Er ist Teil des VEREINS DER EHEMALIGEN HEIMKINDER SCHLESWIG-HOLSTEINS und war auch bereits 2019 auf der Hauptversammlung von BAYER, um den Vorstand zur Rede zu stellen.
Als Reaktion auf deren Auftritt hatte der Global Player die ehemaligen Heimkinder eingeladen, in seinen Archiven in Leverkusen nach Belegen für die Verabreichung von BAYER-Medikamenten zu suchen. Und sie wurden fündig, wie uns Dr. Klaus Schepker, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Ulm, berichtete. Schepker legte dar, dass BAYER vom Leid der Heimkinder profitierte und in der Verantwortung sei, diese zu entschädigen und sich öffentlich zu seiner Verantwortung zu bekennen. Aus England zugeschaltet wurde der Coordination im Anschluss daran Marie Lyon. Marie ist selbst Geschädigte des hormonellen Schwangerschaftstests PRIMODOS (in Deutschland unter dem Namen DUOGYNON vermarktet). Ihr Kind kam ohne linken Unterarm zur Welt. Marie hatte daraufhin zusammen mit anderen Betroffenen die ACDHPT gegründet, die GESELLSCHAFT FÜR KINDER, DIE DURCH HORMONELLE SCHWANGERSCHAFTSTESTS GESCHÄDIGT WURDEN. Sie forderte BAYER auf, die überwältigenden wissenschaftlichen Beweise für die verheerende Wirkung des Präperats zu akzeptieren und Entschädigungszahlungen zu leisten. Der Konzern habe mit hormonellen Schwangerschaftstests überall auf der Welt Milliardenprofite erwirtschaftet, nun müsse er die Verantwortung für die Folgen übernehmen, so Lyon. Nina Holland von der NGO CORPORATE EUROPE OBSERVATORY (CEO) stellte im folgenden Interview die Lobby-Praktiken BAYERs dar. Dann warnte Alexandra Caterbow vor den Gefahren von endokrinen Disruptoren – hormon-ähnlichen Stoffen, die unter anderem in Pestiziden von BAYER & Co. stecken.
Mit einem flammenden Abschluss-Statement von CBG-Vorstand Axel Köhler-Schnura, der die vielen verschiedenen BAYER-Verbrechen in die Unternehmensgeschichte einordnete, kam der Live-Online-Protest dann zum Abschluss. Die Coordination blickt zurück auf ein weiteres Jahr mit stark eingeschränktem leibhaftigen Protest auf der Straße – und mit einem virtuellen Protest, der größer und internationaler ausfiel als 2020. Und es ist klar: Wir bleiben dran …

[BAYER im Monolog] Viele Fragen und keine Antworten

CBG Redaktion

Im letzten Jahr hatte der Agro-Riese BAYER als erstes DAX-Unternehmen die Ungunst der Stunde genutzt, um seine Hauptversammlung rein online abzuhalten. Als „digitaler Pionier“ feierte er sich selbst dafür. Die Pioniertat bestand jedoch einzig darin, mit dieser Flucht ins Internet die Konzern-KritikerInnen auszusperren. Dementsprechend groß war die Empörung. Darum gelobte das Unternehmen nun Besserung. Aber Nennenswertes kam dabei nicht heraus, dazu hatte das Unternehmen auch 2021 wieder viel zu viel zu verbergen.

Von Jan Pehrke

Selbstbeweihräucherung musste sich BAYER-Chef Werner Baumann in seiner diesjährigen Eröffnungsrede zur Hauptversammlung erst einmal verkneifen. Der Konzern legte nämlich eine desaströse Bilanz vor. Die gnadenlose Profit-Jagd ohne Rücksicht auf Verluste wirkte sich erstmals auch auf die Geschäftszahlen aus. Die vielen Rechtsfälle, die aus Klagen von Geschädigten seiner Produkte erwachsen, zwangen das Unternehmen zu „Sonderaufwendungen“ in Höhe von rund 13 Milliarden Euro. Das führte beim Konzern-Ergebnis zu einem saftigen Minus von 10,5 Milliarden Euro. Ein Großteil der Rückstellungen wegen „rechtlicher Risiken“ entfallen dabei auf Glyphosat. Aber die „Rechtskomplexe“ betreffen längst nicht nur dieses von der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestufte Herbizid. Das Ackergift Dicamba, die Industrie-Chemikalie PCB und die Sterilisationsspirale ESSURE beschäftigen die Gerichte ebenfalls.
„Ich möchte direkt zu Beginn die Dinge beim Namen nennen“, hob der Vorstandsvorsitzende deshalb an und gestand „die enttäuschende Entwicklung unseres Aktien-Kurses“ ein. „Damit können wir nicht zufrieden sein“, hielt Baumann fest und ließ auch keine Ausreden wie Sonderbelastungen oder Währungseffekte gelten. „Wir tragen die Verantwortung – und zwar ohne Wenn und Aber“, konstatierte er und versicherte den AktionärInnen: „Wir wollen ihr Vertrauen wieder zurückgewinnen. Dafür arbeiten wir sehr hart.“

Aggressives Wachstum
Damit war die Übung in Demut allerdings schon wieder vorbei. Da in den ersten Monaten des Jahres viel Geld in die Kasse geflossen war, hatte Baumann nunmehr Oberwasser. „Das Marktumfeld hat sich inzwischen deutlich gebessert. Der erhebliche Nachfrage-Anstieg bei Agrar-Produkten hat zu steigenden Preisen geführt“, konstatierte er und sah den Konzern auf dem richtigen Kurs – trotz oder gerade wegen Corona: „Denn eins hat uns die Pandemie gelehrt: Es gibt nichts Wichtigeres als die Gesundheit und die Ernährung der Menschen.“ Der Beitrag des Leverkusener Multis dazu fiel bei Licht besehen allerdings bescheiden aus und beruhte auf Panik-Käufen. Viele VerbraucherInnen vermeinten sich nämlich mit den Nahrungsergänzungsmitteln von BAYER gegen Corona wappnen zu können und verhalfen diesem Produkt-Segment deshalb zu einem Umsatz-Plus von 23 Prozent. Ansonsten war nicht viel. Die zweite Karriere der Malaria-Arznei Chloroquin als Mittel gegen Covid-19 endete im letzten Jahr kläglich, schon bevor sie recht begann. So blieb dem Unternehmen nur die Rolle einer verlängerten Werkbank für den Impfstoff-Entwickler CUREVAC. Und satt werden die Menschen auch nicht durch den Leverkusener Multi. Seine Ackerfrüchte landen nämlich ganz woanders: in den Tierfutter-Trögen und Tanks. Aus diesem Grund litt die Agrar-Sparte unter der wegen Corona eingeschränkten Mobilität. Einen „geringeren Bedarf an Bio-Kraftstoffen“ beklagte Werner Baumann vielsagend.
Nicht fehlen darf in seinen Reden stets der Science-Fiction-Part, wird doch an den Börsen vornehmlich die Zukunft gehandelt. Bei der Forschung wähnte der Große Vorsitzende BAYER dementsprechend ganz weit vorne und just an der Stelle operierend, wo der inzwischen verstorbende APPLE-Gründer Steve Jobs künftig Durchbrüche erwartet, nämlich „an der Schnittstelle von Biologie und Technologie“. Als Beispiele für solche Leverkusener „Bio-Revolutionen“ nannte er die Gentechnik 2.0 mit CRISPR & Co. sowie die Arbeiten zum menschlichen Mikrobiom.
In der anschließenden Rede vom Aufsichtsratsvorsitzenden Norbert Winkeljohann war dann von Bußfertigkeit trotz der beeindruckenden Schadensbilanz des Konzerns überhaupt nichts mehr zu spüren. „Ihre Gesellschaft, die BAYER AG, hat sehr gute Voraussetzungen, ein wertstarkes Unternehmen zu werden“, versicherte er den AktionärInnen: „Wie dargestellt stehen aggressives Wachstum, Ertrags- und Wertsteigerung im Zentrum unserer Aktivitäten.“

Alle Fragen offen
Dann begann das, was in vorpandemischem Zeiten „Aussprache“ hieß. War es schon damals so recht keine, dann galt dies nun erst recht für die Online-Hauptversammlung. „Werner Baumann kann froh sein, dass die BAYER-Hauptversammlung am Dienstag nur virtuell stattfindet. Sonst müsste sich der Vorstandschef stundenlang einem Sperrfeuer stellen“, bemerkte die Rheinische Post treffend. „BAYER im Monolog“ – damit wäre treffend charakterisiert, was sich stattdessen an dem 27. April in dem Riesenstudio mit den fünf BAYER-Vorständen allein auf weiter Flur, flankiert nur von einem Notar, abspielte.
Same procedure as last year also. Allerdings gab es ein paar Neuerungen, denn die Flucht des Global Players ins Internet hatte einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Die Hauptversammlungsregelungen des „Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie“, an denen die Konzerne kräftig mitgeschraubt hatten, erlaubten den Aktien-Gesellschaften, viele AktionärInnen-Rechte einzuschränken. So ließ der Leverkusener Multi im letzten Jahr keine Reden zu, sondern nur noch noch Fragen. Noch nicht einmal die Namen der FragestellerInnen nannte er. Und damit fehlte das Wesentliche. Es macht eben einen fundamentalen Unterschied, ob etwa eine Medikamenten-Geschädigte vor das Mikrofon tritt, ihre Leidensgeschichte erzählt und am Schluss fragt, wann BAYER die betreffende Arznei endlich vom Markt zu nehmen gedenkt, oder ob es einfach heißt: „Eine Aktionärin fragte nach dem Produkt DUOGYNON.“
Nach der massiven Kritik von Seiten der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG), des DACHVERBANDES DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE, aber auch der „Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapier-Besitz“, gelobte Werner Baumann diesmal Besserung. Er bekundete, der Konzern habe das „Feedback aufgenommen“ und „mehr interaktive Elemente eingebaut“. Das Rede-Recht wollte er seinen AktionärInnen zwar immer noch nicht zugestehen, jedoch konnten diese Video-Statements abgeben. Auch durften die AktienhalterInnen nun wenigstens Nachfragen stellen, wenn der Global Player ihrer Meinung nach Antworten schuldig geblieben war.
Allerdings wollte der Gentech-Gigant die einzelnen Fragen immer noch nicht konkreten Personen oder Gruppen zuordnen. Er stellte die Fragen vielmehr zu bestimmten Blocks zusammen, beantwortete sie in einem Aufwasch und führte zu Beginn alle FragestellerInnen gemeinsam auf. „Wir kommen jetzt zum nächsten Themen-Komplex ‚Strategie’, und hier haben uns Fragen von folgenden Aktionärinnen und Aktionären erreicht: Marc Tüngler von der ‚Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapier-Besitz’ (DSW), Hendrik Schmidt von DWS INVESTMENT, Janne Werning von UNION INVESTMENT, Ingo Speich von DEKA INVESTMENT, COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und ihnen nahestehenden Personen und Organisationen ...“, so hörte sich das dann an. Und bisweilen war es unmöglich, in der langen Antwort auch nur den Part zu identifizieren, welcher die CBG betraf, weil die Vorstände die Fragen oft in ihren eigenen Worten wiedergaben. Nur wenn es hieß: „Eine Frage unterstellt, dass ...“, bestand kein Zweifel daran, dass die Coordination oder „ihr nahestehende Personen und Organisationen“ sie gestellt hatten. Dementsprechend hielt sich der Informationswert der ManagerInnen-Verlautbarungen für Außenstehende in Grenzen.
Zudem ließ der Konzern nicht wenige Fragen unter den Tisch fallen und verweigerte viele Auskünfte, z. B. darüber, wie viel Geld er jeweils in konventionelle und gentechnologische Pflanzenzüchtungsprojekte steckt. Aus „Wettbewerbsgründen“ wollte er dazu ebenso wenig etwas sagen wie zu den Entwicklungskosten für die Gen-Scheren im Vergleich zur Gentechnik 1.0 sowie zu den Geschäften mit seiner Gentech-Baumwolle: „Bezüglich der Bt-Baumwolle bitten wir um Verständnis, dass wir Verkaufszahlen auf Produkt-Ebene nicht ausweisen.“ Wie viel Kohlendioxid bei der extrem energie-intensiven Herstellung des Glyphosat-Vorprodukts Phosphor im US-amerikanischen Soda Springs anfällt, behielt das Unternehmen ebenfalls für sich. „Wir erheben die Emissionen von einzelnen Standorten nicht“, erklärte der Vorstandsvorsitzende. Und auch zum Stand der Dinge bei den Ermittlungen in Sachen „IBEROGAST“ – die Kölner Staatsanwaltschaft geht dem Verdacht der gefährlichen Körperverletzung nach, weil eine Patientin nach der Einnahme des Magenmittels verstarb – äußerte sich der BAYER-Chef nicht. „Wir bitten (...) um Verständnis, dass wir zu laufenden rechtlichen Verfahren keine Angaben machen“, so Baumann, um dann doch ein Plädoyer für die Arznei zu halten: „IBEROGAST ist ein bewährtes, wirksames und auch sicheres Medikament. Dies ist durch eine Anzahl von klinischen Studien und Anwendungsbeobachtungen belegt.“
Auch zu seinen anderen umstrittenen Produkten stand der Gentech-Gigant in Treue fest. „Die von nationalen und internationalen Zulassungsbehörden durchgeführten Bewertungen haben ergeben, dass Glyphosat bei sachgerechtem Einsatz sicher und nicht krebserregend ist“, beschied der Große Vorsitzende. Die Ribonukleinsäure-Interferenz (RNAi) – eine Gen-Technologie, die in dem neuen Labor-Mais der SMARTSTAX-Produktlinie zur Anwendung kommt, um die Pflanze vor dem Maiswurzelbohrer zu schützen – hält der Konzern ebenfalls für sicher. Der Initiative TESTBIOTECH zufolge kann die Ribonukleinsäure zwar mit der Darmflora von Mensch und Tier interagieren, in den Blutkreislauf gelangen und sogar in die Steuerung von Genen eingreifen, aber BAYER ficht das an. „Uns liegen keine verlässlichen wissenschaftlichen Nachweise dafür vor, dass die sachgerechte Anwendung von Produkten mit einer Wirkungsweise auf RNAi-Basis zu negativen Effekten führt“, konstatierte der Agrar-Vorstand Liam Condon. Das Hormon-Mittel DUOGYNON, das die jetzige BAYER-Tochter SCHERING bis 1978 auch unter dem Namen PRIMODOS als Schwangerschaftstest vermarktete, obwohl es katastrophale Folgen für Neugeborene hatte, erhielt ebenfalls die Absolution des Unternehmens. „BAYER schließt PRIMODOS bzw. DUOGYNON nach wie vor als Ursache für embryonale Missbildungen aus“, bekundete Pharma-Vorstand Stefan Oelrich.

Krokodilstränen
Darum beließ der Konzern es den Betroffenen gegenüber stets dabei, Betroffenheit zu heucheln: „Das Schicksal von Menschen, die infolge von körperlicher Behinderung täglich zu kämpfen haben, tut uns sehr leid.“ Einem ehemaligen Heimkind, das in den 1960er Jahren als Versuchskaninchen für BAYER-Psychopharmaka herhalten musste, antwortete Oelrich: „Dass Ihre eigenen Erfahrungen in diesem Zusammenhang so schlecht sind und Sie und andere Menschen darunter bis heute leiden, das bedauere ich sehr.“ Er wusste zwar auch nicht mehr zu sagen, warum diese Tests damals gemacht wurden, aber eines konnte er auf jeden Fall ausschließen: „eine missbräuchliche Durchführung von Prüfungen oder Studien mit diesen Produkten durch unser Unternehmen“.
Und auch für die 78-jährige Tran To Nga, die im Vietnam-Krieg durch das Versprühen von Agent Orange massive gesundheitliche Schäden erlitten hatte und deshalb zurzeit vor einem französischen Gericht von der jetzigen BAYER-Tochter MONSANTO Schadensersatz fordert, blieb nur eine Beileidsbekundung. „Obwohl wir Frau Tran To Nga großes Mitgefühl entgegenbringen, glauben wir, dass es zahlreiche Gründe gibt, die die Abweisung dieses Falles rechtfertigen.“ Auf die Frage der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG), ob der Konzern den Einsatz von Agent Orange als Kriegsverbrechen einschätzt, antwortete Agrar-Chef Liam Condon derweil: „MONSANTO und andere Hersteller haben Agent Orange im Auftrag der US-Regierung hergestellt. Die US-Regierung legte strenge Bedingungen für die Produktion von Agent Orange fest und entschied, ob, wann, wo und wie das Mittel eingesetzt wurde. Uns steht es nicht zu, Jahrzehnte nach Ende des Vietnam-Konflikts die politischen und militärischen Handlungen der damaligen Konflikt-Parteien völkerrechtlich zu bewerten.“ Was er dann aber doch tat: „Kein Gericht hat festgestellt, dass die Hersteller durch die Produktion des Entlaubungsmittels für den Kriegsgebrauch der US-Regierung gegen das Völkerrecht verstießen. Die US-Gerichte wiesen diese Anschuldigungen ausdrücklich zurück und kamen zu dem Schluss, dass die Hersteller nicht für Schadensersatz-Ansprüche haften müssen.“ Die keineswegs nur passive Rolle, die MONSANTO beim „Herbicidal warfare“ spielte, verschwieg er dabei wohlweislich: Das Unternehmen hatte sich bereits seit 1950 im regen Austausch mit der Chemiewaffen-Abteilung des Militärs über die Kriegsverwendungsfähigkeit des Mittels befunden.
Angesichts der desaströsen Schadensbilanz der BAYER-Produkte wollte die CBG wissen, warum der Konzern seine Geschäftspolitik nicht radikal ändert und die Sicherheit seiner Erzeugnisse sorgfältiger prüft. Aber Werner Baumann sah keine Defizite in diesem Bereich und folglich auch keinen Anlass zu einem Strategie-Wechsel: „Die Sicherheit der Anwendung unserer Produkte ist uns ein zentrales Anliegen und ein sehr hohes Gut. Im Rahmen der Produkt-Entwicklung prüfen wir gemäß geltender regulatorischer Anforderungen und teilweise weit darüber hinaus gehend die Sicherheit unserer Produkte auf das Genaueste.“

Keine Reue
Auch ansonsten zeigte sich der Global Player nur wenig reumütig. Trotz der ganzen Glyphosat-Klagen und der schwachen Erträge der zusammengelegten Agrar-Sparten von BAYER und MONSANTO verteidigte Baumann die Akquisition: „An der langfristigen strategischen Logik des Zusammenschlusses hat sich (...) nichts geändert. Der Ansatz, unser Cropprotection-Geschäft vollständig vertikal zu integrieren mit dem führenden Anbieter von Saatgut und so zum führenden Anbieter in diesem Bereich zu werden, ist weiterhin überaus valide.“ Das Vorgehen, in den Staaten des globalen Südens Pestizide zu vertreiben, die in der Europäischen Union wegen ihrer Gefährlichkeit keine Zulassung (mehr) haben, rechtfertigte das Unternehmen ebenfalls. „Richtig ist, dass wir in einigen Ländern Pflanzenschutzmittel vertreiben, die in der EU nicht zugelassen sind. Dies ist aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen der landwirtschaftlichen Praxis auch nicht überraschend und sagt nichts über die Sicherheit der jeweiligen Pflanzenschutzmittel aus“, so Condon. Im Übrigen seien umgekehrt auch viele Ackergifte, die etwa in Brasilien keine Genehmigung hätten, in der EU zugelassen, betonte er allen Ernstes. Die Aktien-Gesellschaft machte auch keine Anstalten, von dieser Politik der doppelten Standards abzurücken. Allein in Brasilien verkauft das Unternehmen zwölf hierzulande nicht genehmigte Ackergifte und in Südafrika sieben. Zumindest eines von ihnen – Carbendazim – will es in Zukunft nicht mehr vermarkten. Die Coordination fragte deshalb, ob der Konzern noch weitere Ausmusterungen plant. Das verneinte der Cropscience-Leiter jedoch. „Wir treffen kontinuierlich Entscheidungen über unsere Produkte auf der Basis von Sicherheitsaspekten aber auch von anderen sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Erwägungen für Landwirte. In diesem Kontext bestehen derzeit keine Absichten, die genannten Wirkstoffe aus den Märkten zu nehmen“, führte der Ire aus.
Kritik an seinem Steuergebaren wies der Leverkusener Multi ebenfalls zurück, obwohl er nach einer Studie der Grünen im Europa-Parlament in den letzten zehn Jahren durch kreative Buchführung rund drei Milliarden Euro an Abgaben sparte. Damit nicht genug, trat der Global Player durch die Verlagerung seiner Patent-Abteilung ins nordrhein-westfälische Steuer-Paradies Monheim auch noch einen gnadenlosen Unterbietungswettbewerb der Kommunen los. In dessen Folge senkte BAYERs Stammsitz Leverkusen 2019 die Sätze drastisch. Der Konzern jedoch war sich an diesem 27. April keiner Schuld bewusst. „Wir begrüßen alle Bemühungen der Stadt Leverkusen für einen wettbewerbsfähigen Standort“ erklärte Finanzvorstand Wolfgang Nickl frank und frei. Der Manager räumte auch ein, dass der Global Player dabei ein Wörtchen mitredete: „Bei allen wichtigen Kommunen stehen wir im regelmäßigen Austausch mit den jeweiligen Kämmerern.“ So wusste das Unternehmen schon früh über die Pläne der Stadt Bescheid. Das wurde „dann auch im Rahmen aktueller Restrukturierungsprojekte berücksichtigt“, so Nickl, und führte zur Rückverlagerung einiger Unternehmensteile nach Leverkusen.

Klartext
Mit den von der CBG eingereichten Fragen konnte der BAYER-Konzern so einiges anstellen: Sie ganz wegfallen lassen, sie in seinen eigenen Worten so wiedergeben, dass ihr kritischer Gehalt verschwand, sie kaltstellen, indem sie gemeinsam mit denen der Investment-Gesellschaften beantwortet wurden oder „aus Wettbewerbsgründen“ nicht auf sie eingehen. Überdies behielt der Agrar-Riese in jedem Fall das letzte Wort.
Mit den Video-Statements war ein solcher Umgang nicht möglich. Sie erlaubten es den AktivistInnen, Sachverhalte – wenn auch nur zwei Minuten lang – im Zusammenhang darzustellen und Tacheles zu reden. Und davon machten alle ausgiebig Gebrauch. Wiebke Beushausen von INKOTA und Peter Clausing vom PESTIZID AKTIONS-NETZWERK prangerten den Export von Pestiziden, die in der EU nicht zugelassen sind, in die Länder des Südens an. Bettina Müller von POWERSHIFT schilderte die drastischen Folgen der Sprüh-Einsätze mit Glyphosat in Lateinamerika. „In Argentinien beispielsweise liegt die Zahl der an Krebs erkrankten Menschen in Dörfern, die aus der Luft mit Glyphosat & Co. besprüht wurden, viermal über dem Landesdurchschnitt“, so Müller. Sa-scha Gabizon von WOMEN ENGAGE FOR A COMMON FUTURE (WECF) machte auf die Gefahr durch hormon-ähnlich wirkende Chemikalien aufmerksam, zu denen für nicht wenige WissenschaftlerInnen auch Glyphosat zählt. Brigitte Hincha vom Vorstand der Coordination thematisierte derweil das von Glyphosat beförderte Artensterben, und das tat ihr CBG-Kollege Simon Ernst ebenfalls. „Profit kann nicht das Prinzip sein, nach dem die Ernährung und die Landwirtschaft sich zu organisieren hat“, lautete seine Schlussfolgerung. CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann nahm zu dem Prozess Stellung, den die „Agent Orange“-Geschädigte Tran To Nga in Frankreich gegen die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO führt, und Tú Qùyh-nhu Nguyen von der Initiative COLLECTIF VIETNAM DIOXINE konfrontierte Baumann & Co. in diesem Zusammenhang mit der Frage: „Will der BAYER-Vorstand endlich Verantwortung übernehmen und einer gerechten Entschädigung aller Geschädigten von Agent Orange nachkommen?“ Ebendies forderte Andre Sommer in Sachen „DUOGYNON“ und Susan Tabbach in Sachen „YASMINELLE“, einem Verhütungsmittel BAYERs mit erhöhtem Thrombose-Risiko. Der Autor dieser Zeilen resümierte schließlich in seinem Statement: „Die Bilanz des BAYER-Konzerns für das Geschäftsjahr 2020 ist desaströs – in sozialer Hinsicht, in juristischer Hinsicht, in gesellschaftlicher Hinsicht, in ökologischer Hinsicht und sogar in ökonomischer Hinsicht.“ Folgerichtig appellierte er am Schluss seiner Ausführungen an die AktienhalterInnen, gegen die Entlastung des Vorstands zu stimmen.

Bilanz
20.000 Gegenstimmen von kritischen AktionärInnen hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN schon vor der Hauptversammlung einsammeln können. Das „Schwarzbuch BAYER“, das die CBG dann in der Veranstaltung selbst präsentierte, dürfte die Zahl noch einmal um einiges erhöht haben. Sieben Gegenanträge, elf Video-Statements, vier schriftliche Stellungnahmen und über 200 Fragen – nicht nur von der CBG, sondern auch von TESTBIOTECH, RISIKO-PILLE, DUOGYNON-Geschädigten, OXFAM, dem GEN-ETHISCHEN NETZWERK, DER ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT E.V., DER AURELIA STIFTUNG und dem BUND FÜR UMWELT UND NATURSCHUTZ – boten nämlich mächtig Stoff zur Meinungsbildung. Zudem wechselte mit DEKA INVESTMENT auch ein großer Vermögensverwalter ins Lager der Nein-SagerInnen. Am Ende des Tages fanden sich deshalb dort mehr als 50 Millionen Aktien wieder: 9,92 Prozent lehnten die Entlastung des Vorstandes ab. BesitzerInnen von noch einmal über 20 Millionen Aktien enthielten sich, und gegen die Entlastung des Aufsichtsrates stimmten 7,42 Prozent. Ein deutlicher Ausdruck dessen, dass auch ein Teil der AktionärInnen auf der Seite der Gesundheit, der Umwelt, der Menschenrechte und der sozialen Rechte steht und gegen die Geschäftspolitik BAYERs Stellung bezieht.
CBG-Urgestein Axel Köhler-Schnura zog am Ende dieses Resümee der zweiten Online-Hauptversammlung des Leverkusener Multis: „Es ist sehr, sehr beschämend, mit welcher Heuchelei da heute die Verantwortlichen im Konzern ihr Beileid, ihr Mitleid mit den Opfern ausgedrückt haben, aber gleichzeitig in aller Härte an den Standpunkten festgehalten haben. Nämlich: ‚Glyphosat muss auf dem Markt bleiben’ (...) Agent Orange, Steuerflucht: alles bestens, alles super, alles toll! Unschuld, Unschuld, Unschuld (...) Dieser Widerspruch fiel am heutigen Tag jedem, der das verfolgt hat, direkt ins Auge.“⎜

Abstimmungsergebnisse
Gewinnverwendung
Nein-Stimmen 1,6 Mio. 0,3 %

Entlastung Vorstand
Nein-Stimmen 50 Mio. 9,92 %

Entlastung Aufsichtsrat
Nein-Stimmen 37 Mio. 7,42 %

Die Abstimmungen auf Hauptversammlungen von Konzernen wer-den bestimmt von wenigen Groß-aktionärInnen (Ultrareiche, Investmentfonds, Banken etc.). Sie besitzen bis zu 90 und mehr Prozent aller Aktien und haben so viele Stimmen, wie sie Aktien besitzen.
Die mehreren hunderttausend Klein-aktionärInnen bei BAYER halten zusammen lediglich fünf bis zehn Prozent aller Aktien. Entsprechend beachtlich sind die Abstimmungsergebnisse.
Die Kritischen AktionärInnen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hatten zur Gewinnverteilung, zur Nicht-Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat und zur Wahl alternative Anträge gestellt. Der Erfolg dieser Anträge wird deutlich an den Gegenstimmen zu den Anträgen des Vorstands.

[MaM Paris] Auf den Straßen von Paris

CBG Redaktion

CBG beim „March contre MONSANTO/BAYER et l‘agrochimie“

Dieses Jahr hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN am „March contre MONSANTO/BAYER et l‘agrochimie“ in Paris teilgenommen. Auf der Demonstration am 15. Mai waren trotz strömenden Regens und der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie zeitweise mehr als 1.000 BAYER/MONSANTO-GegnerInnen unterwegs. Ein beeindruckendes Zeichen gegen Konzern-Macht.

Von Marius Stelzmann

Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) arbeitet ständig daran, den weltweiten Widerstand gegen BAYER/MONSANTO zusammenzubringen. Als sie anlässlich des Beginns des historischen „Agent Orange“-Prozesses in Frankreich zu möglichen internationalen BündnispartnerInnen Kontakt aufzunehmen versuchte, bekam die Coordination eine Rückmeldung vom COLLECTIF VIETNAM DIOXINE, das hauptsächlich in Frankreich aktiv ist, jedoch auch in Deutschland Mitglieder hat. Schon zu diesem Zeitpunkt war klar, dass die CBG die AktivistInnen des Collectif nicht nur zu den Aktionen rund um die BAYER-Hauptversammlung einladen würde, sondern möglichst auch ihren Kampf vor Ort unterstützen würde. Und beim „March contre MONSANTO/BAYER et l‘agrochimie“ bot sich die passende Gelegenheit dazu, denn das Thema „Agent Orange“ spielte an dem Tag eine nicht unwesentliche Rolle.
Bereits im Vorfeld des Marches war in dem Verfahren gegen gegen BAYER/MONSANTO, DOW CHEMICAL, HERCULES, UNIROYAL und neun weitere Konzerne, die während des Vietnamkrieges Agent Orange produziert hatten, ein Urteil gefallen. Am 10. Mai, dem Montag vor der Demonstration, verkündete das Gericht in Evry nahe Paris, dass es die Klage einer Geschädigten – der mittlerweile 79-jährigen, vietnamesisch-stämmigen Französin Tran To Nga – für unzulässig halte. Es schloss sich damit der Sichtweise der Konzern-AnwältInnen an, die argumentiert hatten, dass die Verantwortung für den Einsatz von „Agent Orange“ alleine bei der US-Regierung in Washington läge und nicht bei den „Lieferanten zu Kriegszeiten“. Dementsprechend erklärte nun das Gericht, dass die Unternehmen „auf Anweisung und im Namen des amerikanischen Staates bei der Vollendung eines souveränen Aktes“ gehandelt hätten.
Auch gegen diese skandalöse Ignoranz gegenüber der Mittäterschaft der BAYER-Tochter MONSANTO sollte an diesem Samstag demonstriert werden: CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann hatte eine Rede vorbereitet, welche diese genau benannte. Schon lange vor dem offiziellen Beginn des Marches begann sich der Plac Stalingrad zu füllen. Es wurden zahlreiche Stände aufgebaut, welche die auf dem Platz flanierenden PariserInnen über das Anliegen informierten. Obwohl an dem Wochenende in der Stadt noch mehrere andere Demonstrationen stattfanden, das Wetter nicht gerade zu politischen Aktionen einlud und die Corona-Pandemie zur Vorsicht zwang, fand sich schnell eine beeindruckende Menge von über 1.000 Personen zusammen. Frankreichweit gab es darüber hinaus noch in 17 anderen Städten kleinere Aktionen und Demonstrationen gegen BAYER & Co.
Tran To Nga eröffnete die Auftakt-Kundgebung auf dem Place Stalingrad. Sie war während des Krieges als Lehrerin und Journalistin tätig und Ende 1966 bei einem Angriff nördlich von Saigon in eine von einem Flugzeug aus versprühte Wolke von Agent Orange geraten. Über die schweren gesundheitlichen Folgen war sie sich damals nicht im Klaren. Ein Kind, welches sie drei Jahre später zur Welt brachte, starb jedoch mit nur 17 Monaten. Vorher hatte sich die Haut in Fetzen von dessen Körper abgelöst. Tran To Nga selber leidet noch heute an den schweren gesundheitlichen Spätfolgen der Besprühung. Brustkrebs, Herzprobleme, Alpha-Thalassämie, Diabetes Typ zwei, hoher Blutdruck und Chlorakne stehen in ihrer Krankenakte.
Von der Gerichtsentscheidung zeigte sie sich unbeeindruckt. In einer kämpferischen Ansprache betonte sie, weiter durch alle Instanzen gehen zu wollen. Noch stärker als bisher sollte in den Prozess die ökologische Dimension des Kriegsverbrechens „Agent Orange“ einfließen. So wolle sie den Begriff „Ökozid“ starkmachen, um das Ausmaß des Schadens für die Umwelt von Vietnam hervorzuheben. 80 Millionen Liter der hochgiftigen Chemikalie waren während des Krieges über Vietnam ausgebracht worden.
Tran To Nga ist ebenfalls Mitglied im Collectif Vietnam Dioxine, welches alte VeteranInnen, die den Vietnamkrieg noch selbst erlebt haben, mit einer jungen Generation neuer AktivistInnen verbindet, die den Kampf um Gerechtigkeit für das Land, aus dem ihre Familien einst nach Frankreich emigrierten, auch als Akt des antikolonialen und antirassistischen Widerstandes begreifen.
Die nachfolgenden RednerInnen vergewisserten Tran To Nga ihre Solidarität und betonten die Wichtigkeit des Prozesses. Offensichtlich war die Demonstration der politische Ausdruck des Kampfes, der in Evry vor Gericht mit rechtlichen Mitteln geführt wurde. Die neokoloniale Dimension des globalen Pestizidhandels thematisierte ein Vertreter des Netzwerkes ZÉRO CHLORDÉCONE ZÉRO POISON, eine Organisation von MigrantInnen aus den französischen Überseegebieten Gouadeloupe und Martinique. Er schilderte die verheerenden Zustände in diesen Regionen, denn Großkonzerne des globalen Nordens wie BAYER nutzen Länder wie Goudaloupe und Martinique als Absatzmärkte für Pestizide, die in der EU schon längst verboten sind. Die Folge: Die EinwohnerInnen leiden massiv unter den gesundheitlichen Folgen dieser Ultragifte. Das Netzwerk und seine AktivistInnen sorgten dann auch noch für ein besonderes Highlight, als die Demo sich nach dem Ende des ersten Redeblocks lautstark in Richtung der Pariser Innenstadt in Bewegung gesetzt hatte. Da schlug nämlich die Stunde für eine Performance. Diese war zu gleichen Teilen Demo-Chor und Gesangsdarbietung und wurde unterstützt von einer eigenen Demoband, deren treibende Rythmen der ganzen Demonstration Energie verliehen.
Die Coordination steuerte zum Erscheinungsbild ihr eigenes Transparent mit dem passenden Slogan „Tod auf den Feldern“ bei. Denn das ist es, was BAYER/MONSANTO Mensch und Umwelt weltweit bringt. Das Transparent trug Stelzmann gemeinsam mit GenossInnen der ASSOCIATION D‘AMITIÉ FRANCO-VIETNAMIENNE, bei denen er auch über das Wochenende untergebracht war.
Im Verlaufe der Demonstration kam es traurigerweise noch zu einem Akt brutaler Polizeigewalt: Die Polizei beschoss die friedlichen AktivistInnen mit Tränengas. Dieses Niveau von Polizeibrutalität schien jedoch niemanden zu überraschen: Spätestens seit den Protesten der „Gilets jaunes“ waren die Menschen in Frankreich wesentlich Schlimmeres gewohnt. Und so ging die Demonstration nach einem kurzen Ausspülen der Augen genauso kraftvoll weiter wie vorher.
Auf der Abschlusskundgebung hielt die CBG eines der Schlussworte. Viele AktivistInnen hatten noch ausgeharrt, da sie gespannt waren, was der internationale Gast zu sagen hatte. In seiner Rede verurteilte Marius Stelzmann zunächst die Polizeigewalt und erklärte dann seine Solidarität mit den kämpfenden Völkern von Martinique und Guadeloupe. Die Vergiftung dieser Länder gehe von der Konzernzentrale in Leverkusen aus. Also, so Stelzmann, sei es notwendig, alle Kräfte zu bündeln, und den Leverkusener Multi direkt vor seiner Haustür mit seinen Verbrechen zu konfrontieren. Dazu lud er unter lautem Jubel der Anwesenden alle Gruppen und Personen vor Ort ein. Auch zeigte er auf, dass BAYER/MONSANTO unter dem Druck der vielen Geschädigten des Konzerns, die ihr Recht geltend machen, wankt. So musste das Unternehmen, vor allem aufgrund „rechtlicher Risiken“ als Folge einer Masse von Schadensersatz-Klagen, Rückstellungen in Milliarden-Höhe bilden und für das Geschäftsjahr 2020 ein negatives Konzern-Ergebnis verkünden. Auch zur aktiven Rolle MONSANTOs bei der Verwendung von Agent Orange als Kriegswaffe nahm Stelzmann Stellung: Bereits seit den 50er Jahren hatte MONSANTO auf das Pentagon eingewirkt, den Einsatz der Substanz zu kriegerischen Zwecken in Erwägung zu ziehen.
Zum Schluss übergab Stelzmann den OrganisatorInnen vom Collectif noch ein symbolisches Geschenk: Ein Transparent der CBG, welches das Glyphosat-Verbrechen anklagt. Mit einem prallen Adressbuch voller französischer Kontakte, um neue Perspektiven des Kampfes bereichert und angespornt durch die Vielfalt der Stimmen gegen den Riesen BAYER/MONSANTO geht die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN durch das hoffentlich weiter kooperationsreiche Jahr.

[Ticker 03/21] AKTION & KRITIK

CBG Redaktion
BLOCK BAYER in Aktion Der BAYER-Konzern vertreibt in den Ländern der sogenannten Dritten Welt zahlreiche Pestizide, die in der Europäischen Union wegen ihrer Gefährlichkeit keine Zulassung (mehr) haben. Aus Protest dagegen haben AktivistInnen von BLOCK BAYER am 16. April 2021 zwei Verladestationen des Dormagener Chemie-„Parks“ besetzt, wo der Agro-Riese einige dieser Mittel wie z. B. Probineb produziert. „Es ist ein Skandal, dass ein deutscher Konzern im globalen Süden hochgefährliche Pestizide verkauft, die hier verboten sind. Das wollen wir hier deutlich machen und fordern, dass BAYER die Produktion hochtoxischer Pestizide stoppt“, erklärte eine Sprecherin von BLOCK BAYER. Toxic BAYER 256 Seiten stark ist das Schwarzbuch zu BAYER, das der französische Journalist Martin Boudot verfasst hat. Die ganze Geschichte des Leverkusener Multis floss in „Toxic BAYER“ ein; von den Anfängen über die Mittäterschaft im NS-Staat bis hin zum MONSANTO-Deal reicht der Bogen, den Boudot spannt. Dabei stützte er sich nicht zuletzt auf Informationen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG), deren konzern-kritische Arbeit in dem Werk dann auch nicht zu kurz kommt. Patent-Krake BAYER BAYER & Co. melden immer mehr Patente auch auf solche Pflanzen an, die nicht mit Hilfe gentechnischer Methoden, sondern mittels konventioneller Verfahren entstanden sind, obwohl die Gesetze das eigentlich verbieten. Dadurch droht die Kontrolle über die gesamte Lebensmittel-Produktion in die Hände der Agro-Riesen zu fallen. Das Netzwerk KEINE PATENTE AUF SAATGUT fordert das Europäische Patentamt deshalb in einer Petition dazu auf, keine solchen Schutzrechte mehr zu erteilen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) unterstützt dieses Anliegen und unterzeichnete den Appell. Insgesamt kamen 196.000 Unterschriften zusammen. Mercosur-Abkommen stoppen! Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) lehnt den Handelsvertrag ab, den die EU mit den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay abschließen will. Dieser droht nämlich das agro-industrielle Modell in diesen Ländern noch einmal voranzutreiben. Und damit steigen auch die Risiken und Nebenwirkungen dieser Wirtschaftsweise wie mehr Monokulturen, mehr Pestizide und Gentechnik, mehr Vertreibungen von Indigenen und weniger Regenwald, denn die Übereinkunft verspricht den lateinamerikanischen Nationen einen erleichterten Zugang zum EU-Markt für ihre Agrar-Güter. Das wiederum erhöht die Absatz-Chancen und damit auch die Produktion – und die Nachfrage nach Glyphosat & Co. Aber BAYER würde nicht nur davon profitieren, sondern auch von den Gegenleistungen, welche die Mercosur-Mitglieder erbringen müssen, haben diese sich doch zur Senkung der Einfuhr-Zölle für Güter aus Europa verpflichtet. Brüssel erwartet durch die Reduktion der Sätze, die bisher für Autos 35 Prozent des Warenwerts, für Chemikalien bis zu 18 Prozent und für Pharmazeutika bis zu 14 Prozent betrugen, Einsparungen von rund vier Milliarden Euro für die EU-Unternehmen. Grund genug also für den Leverkusener Multi, trotz der desaströsen Folgen des Abkommens für Mensch, Tier und Umwelt für eine Unterzeichnung zu streiten. Und Grund genug für die CBG, Mercosur abzulehnen und den entsprechenden Aufruf des SEATTLE TO BRUSSELS NETWORK zu unterzeichnen. Hormongifte stoppen! Viele Pestizide von BAYER wie z. B. ARENA C, BALET oder CONSENTO wirken hormon-ähnlich und zählen deshalb zu den sogenannten endokrinen Disruptoren (EDCs). Diese können den menschlichen Organismus gehörig durcheinanderwirbeln und Krankheiten wie Krebs oder Diabetes auslösen. Darum appellierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) gemeinsam mit den Gruppen HEJSUPPORT, WOMEN ENGAGE FOR A COMMON FUTURE (WECF) und dem PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN), welche die Initiative gestartet hatten, an die Bundesregierung, endlich zu handeln. „Das Fehlen dringend nötiger politischer Maßnahmen und der offensichtliche Schutz der Interessen einer starken Chemie-Industrie gefährden die Gesundheit jetziger und künftiger Generationen. Hier kann die Politik nicht tatenlos zusehen. Sie hat eine Verantwortung für die BürgerInnen, die sie erfüllen muss“, so Johanna Hausmann von WECF. Glyphosat stoppen! Die kanadische Grünen-Politikerin Jenica Atwin hat eine Initiative zum Stopp von Glyphosat ins Leben gerufen und einen Gesetzesvorschlag ins Parlament eingebracht. „Dieser Erlass ändert den Pest Control Products Act, um die Herstellung, den Besitz, die Handhabung, die Lagerung, den Transport, den Import, den Vertrieb und die Verwendung von Glyphosat zu verbieten“, heißt es in der „Bill C-285“. Dabei ist Atwin bewusst, dass sie einen langen Weg vor sich hat. „Es geht gegen die großen Industrien“, sagt sie: „Es wird eine Menge Hürden geben, aber es ist der Beginn einer Diskussion.“

KAPITAL & ARBEIT

Aufsichtsrat bekommt 19 Prozent mehr Der BAYER-Aufsichtsrat hat sich eine gewaltige Lohn-Erhöhung gegönnt. Die Bezüge steigen im Vergleich zu 2017 um rund 19 Prozent. Der oder die Vorsitzende des Gremiums erhält künftig ein Fix-Gehalt von 480.000 Euro, der oder die Vize-Vorsitzende schlappe 320.000 Euro. Das gemeine Aufsichtsratsmitglied kann auf einen Betrag von bis zu 360.000 Euro kommen, die Sitzungsgelder von 1.500 Euro pro Zusammenkunft noch nicht einmal mitgerechnet. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) kritisierte die Maßlosigkeit in einem Gegenantrag, den sie zur diesjährigen Hauptversammlung einreichte. „Diese Summen sind der arbeitenden Bevölkerung im Allgemeinen und den BAYER-Beschäftigten im Besonderen nicht zu vermitteln“, hieß es darin. Ohnehin liegen beim Leverkusener Multi Welten zwischen den ManagerInnen-Gehältern und denen der ArbeiterInnen und Angestellten. Nach einer Erhebung der „Hans-Böckler-Stiftung“ lag der Verdienst des BAYER-Vorstandsvorsitzenden im Jahr 2017 um den Faktor 58 über dem Durchschnittslohn der Belegschaft. Angehörige der Leitungsebenen strichen 41 Mal so viel ein und die Vorstandsmitglieder 24 Mal so viel. Auf der Hauptversammlung von 2009 hatte eine Vertreterin des DACHVERBANDES DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE die Vorstandsriege auf der Hauptversammlung einmal gefragt, ob sie bereit wäre, die eklatante Lohn-Spreizung erst einmal auf den Faktor 20 zurückzuführen. Sie erhielt jedoch eine schnöde Abfuhr. BAYERs damaliger Aufsichtsratsvorsitzender Manfred Schneider sprach sich vehement gegen solche „statistischen Grenzen“ aus.

POLITIK & EINFLUSS

NRW will Steuer-Wettbewerb Im Jahr 2012 zog der BAYER-Konzern seine Patent-Abteilung aus Leverkusen ab und verlegte sie nach Monheim, das sich ihm mit der niedrigsten Gewerbesteuer ganz Nordrhein-Westfalens als gute Adresse für eine Briefkasten-Firma empfohlen hatte. Damit trat er einen gnadenlosen Unterbietungswettbewerb los. 2019 gab sich dann auch Leverkusen geschlagen. Die Stadt ließ sie sich in Kamin-Gesprächen auf einen Deal mit BAYER ein. Der Pillen-Produzent sagte die Rückverlagerung von Teil-Gesellschaften zu und erhielt im Gegenzug Hebe-Sätze auf Monheim-Niveau. Mit diesen Tarifen ging die Kommune sogar auf Werbetour und versuchte, Unternehmen aus dem Umland zu akquirieren. Das wiederum nahm die Landes-SPD zum Anlass für eine Kleine Anfrage im Landtag. „Wie will die Landesregierung den Gewerbesteuer-Kannibalismus verhindern?“, wollte sie wissen. Die Antwort lautete zusammengefasst: Gar nicht. Das Land NRW sieht anders als Brandenburg, wo Gemeinden mit hohen Gewerbesteuer-Einnahmen eine Umlage zahlen müssen, keinerlei Anlass, den ruinösen Konkurrenz-Kampf der Städte und Gemeinden um Industrie-Ansiedlungen zu beenden. Es benennt den Grund für die Misere von BAYERs Stammsitz zwar eindeutig: „Der Rückgang in Leverkusen stand in Zusammenhang mit dem vollständigen Verlust der Steuer-Einnahmen von dem bis dahin größten Gewerbesteuer-Zahler infolge der gezielten Verlagerung ausgewählter Geschäftsbereiche dieses Betriebs“, will aber nicht an der Ursache ansetzen. Stattdessen unterstützen CDU und FDP Leverkusen bei der Kapitulation vor dem Kapital bzw. dabei, „den Standort auch im internationalen Vergleich wieder wettbewerbsfähig zu machen und dadurch einerseits Steuer-Erträge ihres größten Gewerbe-Betriebs zurückzuerlangen und andererseits die bereits kommunizierte Abwanderung anderer Großsteuerzahler abzuwenden.“ Für immer virtuelle HVs Schon lange vor Corona hatten BAYER & Co. mit der Abkehr von Präsenz-Hauptversammlungen geliebäugelt, um sich kritische AktionärInnen vom Leib halten zu können. Die Pandemie gab ihnen dann die passende Gelegenheit, ihre AktionärInnen-Treffen online abhalten zu können, was BAYER als erster DAX-Konzern nutzte. Nun will die Politik den Unternehmen die Flucht ins Internet dauerhaft ermöglichen. Im Juni 2021 fasste die Konferenz der JustizministerInnen der Länder einen entsprechenden Beschluss. An das Justizministerium erging der Auftrag, dafür ein Gesetz zu erarbeiten. „Unser Aktienrecht braucht mehr digitalen Schwung“, meinte der nordrhein-westfälische Justizminister Peter Biesenbach (CDU) und konstatierte: „Die Pandemie hat deutlich gemacht, dass Hauptversammlungen auch virtuell gut abgehalten werden können.“ Ein bisschen weniger Glyphosat Gegen einen Glyphosat-Stopp vor dem Auslaufen der EU-Zulassung Ende 2023 hatte die Große Koalition sich schon im September 2019 ausgesprochen. Sie gab sich mit einer Minderungsstrategie zufrieden. Für diese ließen sich die PolitikerInnen dann zu allem Übel auch noch Zeit bis kurz vor Toresschluss der Legislatur-Periode. Überdies fielen die Regelungen äußerst bescheiden aus. SPD und CDU verabschiedeten diese im Rahmen des Insektenschutz-Gesetzes. Für Glyphosat sehen die Bestimmungen ein Verbot nur für die Anwendung im Privatbereich und auf öffentlichen Grünflächen vor, die mengenmäßig kaum ins Gewicht fällt. Für das Ausbringen auf Äckern lassen Merkel & Co. hingegen zahlreiche Ausnahmen zu. So darf das Mittel gegen nicht wenige Wildkräuter nach wie vor zum Einsatz kommen. Auch wenn das Pflügen, die Wahl einer geeigneten Fruchtfolge oder eines geeigneten Aussaat-Zeitpunkts nicht möglich ist, bleibt das von der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestufte Herbizid bis 2024 erlaubt. Erst dann erfolgt das Aus – und das auch noch unter Vorbehalt. Wenn die EU Glyphosat bis dahin nämlich nicht aus dem Verkehr zieht, wackelt auch der Beschluss der Bundesregierung. „Sollten sich in diesem Zusammenhang Änderungen der Dauer der Wirkstoff-Genehmigung ergeben, ist das Datum des vollständigen Anwendungsverbots gegebenenfalls anzupassen“, hält die „Pflanzenschutzanwendungsverordnung“ fest. Die anderen Vorgaben zur Handhabung der Ackergifte weisen ebenfalls starke Mängel auf. Sie beschränken sich auf Maßnahmen zur Eindämmung des Insektensterbens in bestimmten Schutzgebieten. Überdies gibt es viele Ausnahme-Tatbestände, die im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens noch zunahmen. So sicherten sich die Länder Öffnungsklauseln. Zudem drückte die CDU einen „Erschwernisausgleich Pflanzenschutz“ durch, der den LandwirtInnen den Spritz-Entzug durch Zahlungen in Höhe von 65 Millionen Euro erleichtert.

Lieferketten-Gesetz verabschiedet

Die Lieferketten BAYERS erstrecken sich über den gesamten Globus. So bezieht der Leverkusener Multi seine Arznei-Grundstoffe zu einem guten Teil aus Indien und China, wo hunderte Firmen zu Schnäppchen-Preisen für den Weltmarkt fertigen, was verheerende Folgen für Mensch, Tier und Umwelt hat. In anderen Branchen kommt es im Zuge der Globalisierung zu ähnlichen Phänomenen. Darum erkannten die Vereinten Nationen bereits im Jahr 2011 Handlungsbedarf und hielten ihre Mitgliedsländer dazu an, Maßnahmen zu ergreifen. Die Bundesregierung sah dabei zunächst davon ab, übermäßigen Druck auf die Konzerne ausüben und setzte auf Freiwilligkeit. Sie hob den Nationalen Aktionsplan (NAP) aus der Taufe und machte sich daran, erst einmal ein Lagebild zu erstellen. Dazu startete die Große Koalition eine Umfrage unter den Betrieben und bat um Informationen darüber, ob – und wenn ja – in welcher Form sie entlang ihrer weltumspannenden Lieferketten die Einhaltung der Menschenrechte gewährleisten. Von den Antworten wollte sie dann ihr weiteres Vorgehen abhängig machen. Der Befund fiel ernüchternd aus. Nur ein Bruchteil der angeschriebenen Firmen antwortete überhaupt, und von diesen genügte bei der Beschaffung kaum eines den sozialen und ökologischen Anforderungen. „Das Ergebnis zeigt eindeutig: Freiwilligkeit führt nicht zum Ziel“, resümierte Entwicklungshilfe-Minister Gerd Müller (CSU) und konstatierte: „Wir brauchen einen gesetzlichen Rahmen“. Und den bereitete die Politik dann auch vor, was die Industrie-VertreterInnen in Panik versetzte. „Hier wird eine faktische Unmöglichkeit von den Unternehmen verlangt: Sie sollen persönlich für etwas haften, was sie persönlich in unserer globalisierten Welt gar nicht beeinflussen können“, echauffierte sich etwa der damalige Präsident der „Bundesvereinigung der Arbeitgeber-Verbände“ (BDA), Ingo Kramer. In der Folge taten die LobbyistInnen der Industrie alles, um das Schlimmste zu verhindern. Sie mahnten eine Beschränkung des Paragrafen-Werks auf direkte Zulieferer an und lehnten eine Haftungsregelung vehement ab. Schlussendlich konnten sie sich damit durchsetzen. Im jetzigen Paragrafen-Werk fehlt beides. Dem Leverkusener Multi dürfte es daher erspart bleiben, mit einer Klage von solchen InderInnen oder ChinesInnen konfrontiert zu werden, die in den Hot Spots der globalen Pharma-Produktion leben und unter den gesundheitlichen Folgen leiden. Dazu liegen nämlich zu viele Zwischenhändler zwischen BAYER und den Arznei-Produzenten vor Ort. Zudem müssten die Betroffenen in Deutschland noch eine Nichtregierungsorganisation finden, die in ihrem Namen vor Gericht zieht und so eine „Prozess-Standschaft“ wahrnimmt. Eine Möglichkeit, direkt Ansprüche anzumelden, lässt das Lieferketten-Sorgfaltspflichtgesetz den Geschädigten nämlich nicht „Eine Verletzung der Pflichten aus diesem Gesetz begründet keine zivilrechtliche Haftung“, heißt es auf Drängen der Konzerne nun im Paragraf 3, Absatz 3. Milliarden-Amnestie für BAYER & Co. Die in der Strom-Rechnung enthaltene EEG-Umlage gilt der Förderung alternativer Energien. Allerdings tragen nicht alle gleichermaßen zu der Subventionierung von Wind & Co. bei. Der Gesetzgeber hat BAYER und andere Chemie-Firmen wegen ihres hohen Energie-Bedarfs und entsprechend hoher Kosten weitgehend von der Abgabe befreit. Zudem zahlen die Konzerne für die Elektrizität, die sie in ihren eigenen Kraftwerken selbst erzeugen, nichts in den EEG-Topf ein. Das sogenannte Eigenstrom-Privileg entbindet sie davon. Aber den Multis reichte das noch nicht. Sie wollten sich auch bei dem zugekauften Strom vor den EEG-Zahlungen drücken, die sich pro Gigawatt-Stunde auf rund 64.000 Euro belaufen. Dafür bedienten sich die Gesellschaften des „Scheibenpacht-Modells“, das sich schlaue BeraterInnen ausgedacht hatten. Diese entwickelten Verträge, die BAYER, RWE, DAIMLER und andere Global Player von schnöden Strom-Kunden zu Pächtern von Kraftwerk-Anteilen machten – und damit zu Nutznießern des Eigenstrom-Privilegs. „Einzelne Unternehmen sparten auf diese Weise Hunderte Millionen Euro“, so der Spiegel, der den Skandal aufdeckte. Darum haben Netzbetreiber wie AMPRION die Unternehmen vor einiger Zeit verklagt. Der Leverkusener Multi, der Betrugsvorwürfe „entschieden“ zurückweist, sah sich mit immensen Nachforderungen konfrontiert und schickte ein Hilfe-Ersuchen nach Berlin. Fast 20 solcher Schreiben von Unternehmen gingen bei Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ein. Und die Briefe zeigten Wirkung. Das Bundeswirtschaftsministerium fügte ins „Erneuerbare-Energien-Gesetz“ von 2021 den Paragrafen 104 ein, der BAYER & Co. die Möglichkeit einräumt, mit den Übertragungsnetzbetreibern einen Vergleich zu schließen. „Eine Milliarden-Amnestie für Konzerne“ nannte der Spiegel das. Kein Unternehmensstrafrecht „Wir wollen sicherstellen, dass Wirtschaftskriminalität wirksam verfolgt und angemessen geahndet wird. Deshalb regeln wir das Sanktionsrecht für Unternehmen neu“, heißt es im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD. Sogar höhere Strafen für Multis planten die Parteien: „Die geltende Bußgeld-Obergrenze von bis zu zehn Millionen Euro ist für kleinere Unternehmen zu hoch und für große Konzerne zu niedrig.“ Und wirklich nahm auch alles seinen parlamentarischen Gang. Mitte 2019 veröffentlichte das Justizministerium erste Vorschläge und im Weiteren zwei ReferentInnen-Entwürfe. Im Juni 2020 kam dann der Gesetzesentwurf der Bundesregierung – und dann nichts mehr. Der Lobby-Druck von BAYER & Co. brachte die CDU zum Umfallen. Sie trug das Vorhaben nicht mehr mit, was Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) erboste: „Das ist ein Bruch des Koalitionsvertrags, für den mir jedes Verständnis fehlt. Das zeigt, wie wenig die CDU aus Skandalen gelernt hat.“ So braucht der Leverkusener Multi auch künftig bei Abrechnungsbetrügereien mit falschen Arznei-Rechnungen (siehe RECHT & UNBILLIG), Preisabsprachen, unlauterer Werbung oder der Vermarktung gefährlicher Produkte die Macht des Gesetzes nicht allzu sehr zu fürchten. Hickhack um Hartwig BAYERs langjähriger Chef-Jurist Roland Hartwig sitzt heute für die AfD im Bundestag. Er gehört zu den vier stellvertretenden Vorsitzenden der Fraktion und hat keine Berühungsängste mit extrem rechten Positionen. So hielt er im Juni 2019 eine Rede beim „Staatspolitischen Kongress“, einer Veranstaltung des von Götz Kubitscheck und Karlheiz Weißmann gegründeten braunen Thinktanks „Institut für Staatspolitik“. Ende 2020 musste Hartwig den Vorsitz der „Arbeitsgruppe VS“ abgeben, welche die Aufgabe hat, die Partei aus dem Visier des Verfassungsschutzes zu bugsieren. Der Bundesvorsitzende Jörg Meuthen veranlasste seine Ablösung, nachdem der EX-BAYER ihn für die Aussage kritisiert hatte, nicht alle AfDlerInnen stünden auf dem Boden der Verfassung. Auf Initiative Björn Höckes fasste der AfD-Bundesparteitag im Frühjahr 2021 allerdings den Beschluss, den Juristen wieder in Amt und Würden zu bringen. Der Bundesvorstand lehnte das – gegen die Stimmen von Alice Weidel, Tino Chrupalla, Stephan Brandner und Stephan Protschka – jedoch ab.

DRUGS & PILLS

DUOGYNON-Studie erst 2022 Ein hormoneller Schwangerschaftstest der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING hat ab den 1950er Jahren zu tausenden Totgeburten geführt. Darüber hinaus kamen durch das unter den Namen DUOGYNON und PRIMODOS vertriebene Medizin-Produkt bis zum Vermarktungsstopp Anfang der 1980er Jahre unzählige Kinder mit schweren Fehlbildungen zur Welt. Geschädigte oder deren Eltern fordern den Leverkusener Multi seit Jahren auf, die Verantwortung dafür zu übernehmen, bislang allerdings vergeblich. „BAYER schließt DUOGYNON als Ursache für Missbildungen aus“, erklärte der Global Player auf der jüngsten Hauptversammlung. Die Bundesregierungen jedweder Couleur sahen ebenfalls keinen Handlungsbedarf. In England hatten die Betroffenen mehr Erfolg. Die Politik gab einen Untersuchungsbericht in Auftrag, der den Behörden zahlreiche Versäumnisse im Umgang mit den Risiken des Medizinprodukts bescheinigte, woraufhin sich der damalige Gesundheitsminister bei den Geschädigten entschuldigte. Auch die zuständigen Stellen in der Bundesrepublik versagten. So stand der damals im Bundesgesundheitamt zuständige Referatsleiter Klaus-Wolf von Eickstedt früher selbst in Diensten SCHERINGs und tat in alter Verbundenheit alles dafür, das Mittel auf dem Markt zu halten. Genau diese Machenschaften soll jetzt eine Untersuchung aufklären. Gesundheitsminister Jens Spahn kündigte eine solche bereits im September 2020 an. Geschehen ist bisher jedoch noch nichts. Darum hakten Bündnis 90/Die Grünen in einer Kleinen Anfrage nach. Zurzeit laufe die Auftragsvergabe, antwortete die Bundesregierung. Die Veröffentlichung der Arbeit kündigte sie für das Frühjahr 2022 an. Die Betroffenen bezog das Gesundheitsministerium bei der Konzeption des Studien-Designs jedoch nicht ein. Das stieß ebenso auf die Kritik der Initiative NETZWERK DUOGYNON wie die Wahl eines geheimen Ausschreibungsverfahrens. ASTEPRO ohne Rezept Nach Meinung vieler ExpertInnen müsste die Rezeptpflicht für viel mehr Medikamente gelten. Nicht wenige der Pharmazeutika, die frei in der Apotheke erhältlich sind, haben nämlich starke Nebenwirkungen und verlangen einen sorgsamen Umgang. Dazu zählen etwa das Schmerzpräparat ASPIRIN oder die Magenarzneien ANTRA und IBEROGAST aus dem Hause BAYER. Die Pharma-Multis versuchen hingegen mit allen Mitteln, den Menschen immer mehr ihrer Produkte auch ohne eine Verschreibung zugänglich zu machen, um den Absatz zu erhöhen. So setzte der Leverkusener Multi das Thema bereits einmal auf die Agenda seiner regelmäßigen Lobby-Runden in Berlin, den „Politik-Lunches“. Mit einem natürlich eindeutigen Ergebnis: „Die Referenten sprachen sich dafür aus, dass die Rahmenbedingungen für einen OTC-Switch (Wechsel von der Verschreibungspflicht zum rezeptfreien Arzneimittel) in Deutschland optimiert werden können.“ Auch in Australien ist da dem Unternehmen zufolge noch Luft nach oben, denn die Aufsichtsbehörden des Landes lehnten einen OTC-Switch seines Potenzmittels LEVITRA ab. Aber dafür konnte der Konzern in den USA jüngst einen Erfolg verbuchen. Für sein Antihistaminikum ASTEPRO, ein Nasenspray für AllergikerInnen, ist künftig keine ärztliche Verordnung mehr nötig. CIPROBAY schädigt Herzklappen Antibiotika mit Wirkstoffen aus der Gruppe der Fluorchinolone wie BAYERs CIPROBAY können zahlreiche Gesundheitsschädigungen auslösen (siehe auch SWB 3/18). Besonders häufig kommen Lädierungen von Muskeln und Sehnen vor. Darüber hinaus zählen Herzinfarkte, Unterzuckerungen, Hepatitis, Autoimmun-Krankheiten, Leber- oder Nierenversagen und Erbgut-Schädigungen zu den Risiken und Nebenwirkungen. Aorten-Aneurysmen und -Dissektionen – krankhafte Ausweitungen der Hauptschlagader verbunden mit der lebensbedrohlichen Gefahr eines Risses – traten ebenfalls bereits auf. Auch Störungen des Zentralen Nervensystems, die sich in Psychosen, Angst-Attacken, Verwirrtheitszuständen, Schlaflosigkeit oder anderen psychiatrischen Krankheitsbildern manifestieren, beobachten die MedizinerInnen schon. Und jetzt muss der Leverkusener Multi auf seinen Packungsbeilagen noch einen weiteren Warnhinweis ergänzen. Fluorchinolone können nämlich die Herzklappen angreifen. Schlechte Zeiten für YASMIN & Co. Von BAYERs Verhütungsmitteln mit dem Wirkstoff Drospirenon wie YAZ, YASMIN und YASMINELLE geht ein erhöhtes Embolie-Risiko aus (siehe auch RECHT & UNBILLIG). Während es bei neun bis zwölf von 10.000 Frauen, welche diese Pharmazeutika oder andere der dritten oder vierten Generation gebrauchen, zu Blutgerinnseln kommt, ist das nur bei fünf bis sieben von 10.000 derjenigen Frauen der Fall, die Pillen mit den älteren Wirkstoffen Levonorgestrel, Norethisteron oder Norgestimat nutzen. Glücklicherweise hat sich das in der Bundesrepublik inzwischen herumgesprochen. Der Versorgungsanteil der Drospirenon-Präparate sank von 2009 bis 2019 von 22 auf zwei Prozent. Auf den übrigen Märkten macht der Leverkusener Multi aber immer noch gute Geschäfte mit den Mitteln. Im Jahr 2020 betrug der weltweite Umsatz mit YAZ & Co. 670 Millionen Euro. Mehr Glaukome durch Kontrazeptiva Durch die Einnahme von Verhütungsmitteln auf Hormon-Basis steigt die Gefahr, an Grünem Star zu erkranken. Forschende der „University of British Columbia“ machten bei Frauen, welche diese Kontrazeptiva nutzten, ein mehr als doppelt so hohes Risiko aus, das Augenleiden zu bekommen, als bei solchen, die nicht zu YASMIN & Co. greifen. Lieferengpässe bei BAYER-Arzneien Der Pharma-Markt hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. BAYER und andere große Unternehmen setzen mehr und mehr auf neue, patent-geschützte Pillen, da diese besonders hohe Renditen versprechen. Bei ihrem nicht so viel Geld abwerfenden Alt-Sortiment rationalisieren die Konzerne hingegen nach Kräften. So beziehen sie Vor- und Zwischenprodukte zur Wirkstoff-Herstellung und manchmal auch die komplette Substanz zunehmend aus Schwellen- oder Entwicklungsländern wie Indien und China. Dort produzieren hunderte Firmen zu Schnäppchen-Preisen für den Weltmarkt, was verheerende Folgen für Mensch, Tier und Umwelt hat. Damit nicht genug, konzentriert sich die Fabrikation auf immer weniger Anbieter. Und wenn da einmal Störungen im Betriebsablauf auftreten, leiden PatientInnen auf der ganzen Welt unter Lieferengpässen. Seit einiger Zeit passiert das immer häufiger. Im letzten Jahr konnten die Apotheken den PatientInnen 16,7 Millionen Packungen nicht aushändigen. Auch Präparate des Leverkusener Multis glänzen zunehmend durch Abwesenheit, 2021 waren es bisher ASPIRIN i. v. 500 mg, das Herzmittel NIMOTOP, der Gerinnungshemmer XARELTO und das umstrittene Verhütungsmittel YASMINELLE (siehe auch RECHT & UNBILLIG). Die Produktion des Mittels BAYOTENSIN zur Akutbehandlung eines hohen Blutdrucks stellte der Konzern ganz ein. Für die Spezial-Behältnisse, in die der Wirkstoff abgefüllt war, gab es dem Unternehmen zufolge nämlich keine Lieferanten mehr. Globale Pharma-Lieferketten Die Lieferketten BAYERS im Pharma-Bereich erstrecken sich über den gesamten Globus. So bezieht der Leverkusener Multi Arznei-Grundstoffe aus Indien und China (s. o.). Dort locken nämlich Standort-Vorteile wie niedrige Herstellungskosten und laxe Umweltauflagen – mit den entsprechenden Risiken und Nebenwirkungen. Bei der BAYER-Hauptversammlung im April 2021 erfragte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, welche Substanzen genau der Konzern aus diesen Ländern bezieht. Antibiotika und Vorstufen für Röntgen-Kontrastmittel, lautete die Antwort.

AGRO & CHEMIE

Glyphosat und kein Ende? Im Jahr 2023 läuft in der Europäischen Union die Glyphosat-Genehmigung aus. BAYER und die anderen Hersteller haben jedoch einen Antrag auf eine Zulassungsverlängerung gestellt. Und im Juni 2021 keimte bei ihnen auch Hoffnung auf. Da gab nämlich die sogenannte Bewertungsgruppe für Glyphosat (AGG) ein positives Votum ab. Durch die Behandlung von Pflanzen mit Glyphosat sei kein „chronisches oder akutes Risiko“ für die VerbraucherInnen zu erwarten, hielt die AGG fest. Das Gremium, in dem sich Prüfbehörden-VertreterInnen aus Frankreich, Ungarn, den Niederlanden und Schweden zusammenfanden, kam zu dem Schluss, dass „Glyphosat die Zulassungskriterien für die menschliche Gesundheit erfüllt“. Dementsprechend hieß es dann in der Pressemitteilung der europäischen Lebensmittelbehörde EFSA: „Eine Einstufung für Keimzell-Mutagenität, Karzinogenität oder Reproduktionstoxizität war nicht gerechtfertigt. Der Vorschlag der vier Mitgliedstaaten beabsichtigt keine Änderung der bestehenden Einstufung.“ BAYER zeigte sich erfreut. Der Bericht bestätige „die Schlussfolgerungen führender Gesundheitsbehörden“, so der Konzern. Trotzdem stehen die Zukunftschancen für das Herbizid nicht eben gut. „Ich glaube nicht, dass es eine ernsthafte Chance für eine Verlängerung der Glyphosat-Lizenz gibt. Dafür ist die politische Stimmung gegen das Mittel zu aufgeheizt“, zitierte das Handelsblatt einen EU-Insider. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN wird alles in ihren Kräften stehende tun, um es nicht zu einem Temperatur-Abfall kommen zu lassen. Mehr Kindestode durch Glyphosat In Brasilien erhöht sich durch Glyphosat-Rückstände im Wasser die Kindersterblichkeit. Das ergab die Studie „Down the River: Glyphosate Use in Agriculture and Birth Outcomes of surrounding Populations“ von Mateus Dias, Rudi Rocha und Rodrigo R. Soares. Eine Steigerung um fünf Prozent durch das Mittel machten die drei aus, was ein Plus von 503 Sterbefällen pro Jahr ergibt. Auch die Zahl der Frühgeburten und der Babys mit einem niedrigen Geburtsgewicht steigt den ForscherInnen zufolge. Alan Tygel von der brasilianischen PERMANENTEN KAMPAGNE GEGEN AGROGIFTE UND FÜR DAS LEBEN forderte daraufhin einen sofortigen Vermarktungsstopp. Der BAYER-Konzern sah dafür keinen Grund. Er nannte die wissenschaftliche Arbeit, die im Auftrag der „Latin American and the Caribbean Economic Association“ entstand, „unsolide und schlecht durchgeführt“ und betonte, der Sicherheit bei all seinen Produkten immer die höchste Priorität einzuräumen. Glyphosat schädigt die Darmflora Glyphosat hat das Potenzial, eine Schädigung der Darmflora, eine sogenannte Dysbiose, hervorzurufen. Das ergab eine Analyse von Studien, die Jacqueline A. Barnett und Deanna L. Gibson von der kanadischen „University of British Columbia“ vornahmen. Sogar als Auslöser für Gesundheitsstörungen, die viele MedizinerInnen mit einer Zöliakie (Glutenunverträglichkeit) in Verbindung bringen, kommt das BAYER-Herbizid nach Ansicht der Wissenschaftlerinnen in Betracht. „Glyphosat kann eine Rolle bei vielen Krankheiten spielen, die mit der Dysbiose in Zusammenhang stehen, darunter Zöliakie, entzündliche Darm-Erkrankungen und das Reizdarm-Syndrom“, so die Forscherinnen. Damit nicht genug, vermag das Pestizid durch seine Einwirkung auf das Darm-Mikrobiom Barnett und Gibson zufolge auch die psychische Gesundheit zu beeinträchtigen und beispielsweise Depressionen auszulösen. Insektensterben durch Glyphosat BAYERs Pestizid Glyphosat trägt zum Insektensterben bei. Einen neuen Beleg dafür liefert eine Studie, die WissenschafterInnen der Mainzer Johannes-Gutenberg-Universität gemeinsam mit ihren KollegInnen vom „Max-Planck-Institut für chemische Ökologie“ und des japanischen „National Institute of Advanced Industrial Science and Technology“ durchführten. So greift das Herbizid ihren Angaben zufolge ein Bakterium an, das in enger Symbiose mit dem Getreideplatt-Käfer lebt und Schutzfunktionen erfüllt, ohne die das Insekt nicht existieren kann. Dabei halten die ForscherInnen ihren Befund auch übertragbar: „Da wir beobachten konnten, wie Glyphosat die symbiotische Gemeinschaft schädigt, fragten wir uns, ob Glyphosat auch für andere Insekten, die auf ihre mikrobiellen Partner angewiesen sind, eine Gefahr darstellt.“ Glyphosat gegen Koka-Pflanzen Der kolumbianische Präsident Iván Duque plant, die im Jahr 2015 von seinem Amtsvorgänger Juan Manuel Santos gestoppten Flugzeug-Sprüheinsätze mit Glyphosat zur Zerstörung von Koka-Pflanzen wieder anlaufen zu lassen (siehe auch SWB 3/21). Dabei fällt die Bilanz des Chemie-Krieges gegen die Droge verheerend aus, sowohl in gesellschaftlicher und sozialer als auch in gesundheitlicher und ökologischer Hinsicht. Entsprechend groß ist die Empörung im Land. Auch bei den aktuell stattfindenden Protesten, die sich massiver Gewalt von Polizei und Militär ausgesetzt sehen, spielt das Thema eine Rolle. So beteiligten sich indigene LandwirtInnen an einem landesweiten Streik und forderten die Regierung auf, „das Versprühen von Glyphosat aus der Luft und die Gesundheitsreform zu stoppen und die aus dem Friedensabkommen von 2016 erwachsenen Verpflichtungen zu erfüllen“. Der Leverkusener Multi wollte sich der Financial Times gegenüber nicht zum neuen Glyphosat-Programm Kolumbiens äußern, da er nicht direkt in die Praxis involviert sei. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) forderte das Unternehmen dagegen unmissverständlich auf, das Pestizid für solche Einsätze nicht zur Verfügung zu stellen. Dicamba: EPA übt Selbstkritik Bei einer internen Revision stellte die US-amerikanische Umweltbehörde EPA schwere Mängel bei der Dicamba-Zulassung im Jahr 2018 fest. Donald Trump hatte der Behörde gleich zu Beginn seiner Amtszeit eine neue Führungsspitze verpasst, die sich offenbar massiv in den Prüfungsprozess einschaltete. „In unseren Interviews nannten die Wissenschaftler der Pestizid-Abteilung Beispiele dafür, dass wissenschaftliche Analysen geändert wurden, um die politischen Entscheidungen leitender Beamter zu unterstützen“, heißt es in dem Bericht. So fehlten dann in den Abschluss-Dokumenten plötzlich Passagen über das Gefährdungspotenzial von Dicamba. Auch erhielten die ExpertInnen die Anweisung, sich bei der Sichtung der Unterlagen ausschließlich auf Daten der Hersteller zu stützen. „Die Wissenschaft selber können wir nicht ändern, aber unsere Politik basiert nicht immer auf deren Ergebnissen“, zitiert der Report einen frustrierten EPA-Beschäftigten. Der niederschmetternde Befund veranlasste die AutorInnen der Untersuchung, eine Reihe von Reformen zur Wahrung der Unabhängigkeit der Einrichtung anzumahnen. Aus deutschen Landen Der BAYER-Konzern vertreibt in den Ländern des Globalen Südens zahlreiche Pestizide, die in der Europäischen Union wegen ihrer Gefährlichkeit keine Zulassung (mehr) haben. Einige dieser Ackergifte stellt er sogar in Deutschland her und exportiert sie dann. So produziert der Global Player in Dormagen den Wirkstoff Probineb und in Frankfurt Indaziflam sowie Ethoxysulfuron.

GENE & KLONE

Schlappe für CUREVAC Der Corona-Impfstoff von BAYERs Kooperationspartner CUREVAC hat bei den klinischen Tests ein enttäuschendes Endergebnis erzielt. Das Gentech-Mittel kam nur auf eine Wirksamkeit von 48 Prozent gegen SARS-CoV-2. ExpertInnen führen das auf die im Vergleich zu anderen Präparaten niedrige Dosierung der Wirksubstanz zurück. Die ForscherInnen hatten bewusst keine höhere gewählt, um das Vakzin nicht so stark wie etwa dasjenige von BIONTECH herunterkühlen zu müssen. Der Leverkusener Multi arbeitete seit Anfang Januar 2021 mit CUREVAC zusammen. Er erklärte damals, „sein Fachwissen und seine etablierte Infrastruktur“ einbringen zu wollen, um der Firma bei der Durchführung der Klinischen Studien, dem Zulassungsprozedere, der späteren Überwachung der Sicherheit des Vakzins sowie bei der Organisation der Lieferkette für die benötigten Zusatzstoffe zur Seite zu stehen. Rund einen Monat später erweiterten die beiden Firmen ihre Verbindung noch einmal. Sie erstreckt sich nun auch auf den Produktionsprozess; BAYER baut dafür zurzeit in Wuppertal Kapazitäten auf. Nun steht allerdings in den Sternen, ob diese überhaupt einmal zum Einsatz kommen werden. Warnung vor EYLEA Das BAYER-Präparat EYLEA zur Therapie der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zu Blindheit führen kann – ist nicht ohne. In einer Fertigspritze verabreicht, erhöht das Gentech-Mittel das Risiko eines Anstiegs des Augeninnendrucks. Die Aufsichtsbehörden haben den Leverkusener Multi deshalb angewiesen, vor dieser Nebenwirkung zu warnen und den ÄrztInnen einen sogenannten „Rote-Hand-Brief“ zuzustellen. Viel Geld für METAGENOMI Die Gen-Scheren, die bei der Gentechnik 2.0 zum Einsatz kommen, schnippeln längst nicht so präzise, wie ihre ErfinderInnen behaupten. Allzu oft kommt es zu so genannten Off-Target-Effekten, also zu Veränderungen der DNA an Stellen, die gar nicht im Visier der ForscherInnen standen. Dem abzuhelfen, hat sich das Start-Up METAGENOMI verschrieben. Es will zielgerichtetere Methoden des Genome Editing auf Basis der CRISPR-Cas-Technik entwickeln und konnte dafür viele Unterstützer gewinnen. BAYER, der Humboldt Fund, HOF CAPITAL und andere Investoren stellten METAGENOMI rund 65 Millionen Dollar zur Verfügung. Neues Gensoja für Brasilien Der BAYER-Konzern bringt in Brasilien ein neues Gensoja auf den Markt. Das Erbgut der Pflanze der Produktlinie ROUNDUP READY 2 XTEND ist so manipuliert, dass das Gewächs sowohl Duschen mit Glyphosat als auch solche mit Dicamba übersteht, wenn diese Herbizide auf den Feldern gegen Wildwuchs zum Einsatz kommen. Und gegen Raupen hat der Konzern die Ackerfrüchte ebenfalls gentechnisch gewappnet. SMARTSTAX-Start mit Gentech 2.0 Der BAYER-Konzern setzt massiv auf die Gentechnik 2.0. Rund 100 Patent-Anträge hat er in diesem Bereich schon beim Europäischen Patentamt eingereicht und bis jetzt sieben positive Bescheide erhalten. 2022 startet der Leverkusener Multi in den USA nun mit der Vermarktung der ersten Pflanze, in der eines der neuen Verfahren zur Anwendung kommt. Der Mais der SMARTSTAX-PRO-Produktreihe wartet nämlich nicht nur mit den üblichen Resistenzen gegen die Herbizide Glyphosat und Glufosinat auf, sondern auch mit der RNAi-Technologie. Mit Hilfe dieser sogenannten Ribonukleinsäure-Interferenz blockiert das Gewächs ein Gen im Erbgut des Maiswurzelbohrers und schützt sich so vor dem Schadinsekt. Ohne Nebenwirkungen geht das allerdings nicht ab: Die Ribonukleinsäure kann mit der Darmflora von Mensch und Tier interagieren, in den Blutkreislauf gelangen und sogar in die Steuerung von Genen eingreifen. Aber BAYER ficht das an. „Uns liegen keine verlässlichen wissenschaftlichen Nachweise dafür vor, dass die sachgerechte Anwendung von Produkten mit einer Wirkungsweise auf RNAi-Basis zu negativen Effekten führt“, erklärte Agrar-Vorstand Liam Condon auf der letzten Hauptversammlung. EU-Parlament gegen Import-Zulassungen Im März 2021 sprach sich das Europäische Parlament gegen Import-Zulassungen für zwei Gen-Pflanzen von BAYER und SYNGENTA aus. Bei der Baumwolle des Leverkusener Multi aus der Produktreihe GHB 614 x T 304-40 x GHB 119 füllte die Mängel-Liste fünf Seiten. Unter anderem machten die PolitikerInnen Fehler bei der Gefahren-Analyse der Laborfrucht aus, die zur Insekten-Abwehr mit gleich zwei Sorten des Bacillus thuringiensis (Bt) bestückt und zudem gegen die beiden Herbizide Glufosinat und Glyphosat resistent ist. So ignorierte die „Europäische Lebensmittelbehörde“ (EFSA) bei ihren Risiko-Prüfungen den Abgeordneten zufolge die Tatsache, dass die Bt-Proteine in der Baumwolle eine viel stärkere Giftigkeit entfalten als in der freien Wildbahn. Sie interagieren nämlich mit den Enzymen der Gewächse. Trotzdem untersuchte die EFSA nur der Bacillus selber. Die Initiative TESTBIOTEST begrüßte die Entscheidung der EU-ParlamentarierInnen: „Damit wächst der Druck auf die EU-Kommission, wesentlich kritischer mit den Prüfberichten der EFSA umzugehen.“ Der Gentech-Schmetterling In Brasilien startet ein Freiluft-Versuch mit gentechnisch veränderten Eulenfaltern. Da sich Raupen dieser Schmetterlingsart zum Verdruss von BAYER & Co. an Mais schadlos halten, haben ForscherInnen der Firma OXITEC in das Erbgut des Spodoptera frugiperda eingegriffen. Um die Bestände der Spezies zu dezimieren, ist es nun so verändert, dass die weiblichen Nachkommen das Larvenstadium nicht überstehen. Der BAYER-Konzern unterstützt das Projekt finanziell, denn sein Gentech-Mais kann sich dieses Wurms nicht mehr erwehren, weil „einige der wirksameren Kontroll-Strategien resistenz-anfällig geworden sind“. Konkret versagt das in den Pflanzen eigentlich für die Schadinsekten-Abwehr zuständige Bt-Toxin zunehmend seinen Dienst. Die Risiken, die mit der Freisetzung der Labor-Schmetterlinge einhergehen, ignoriert der Global Player geflissentlich. Ihm geht es einzig und allein darum, die Profite im Geschäft mit seinen Gen-Pflanzen zu sichern.

WASSER, BODEN & LUFT

Neues Klimaschutz-Gesetz Im März 2021 hat das Bundesverfassungsgericht einer Verfassungsbeschwerde gegen das Klimaschutz-Gesetz stattgegeben. Die Karlsruher RichterInnen teilten den Standpunkt der BeschwerdeführerInnen, wonach dieses Paragrafen-Werk die grundgesetzlich verbrieften Freiheitsrechte künftiger Generationen ungebührlich einschränke, weil die Bundesregierung diesen die Hauptlast bei der Kohlendioxid-Einsparung aufbürde. „So sind die notwendigen Freiheitsbeschränkungen der Zukunft bereits in den Großzügigkeiten des gegenwärtigen Klimaschutz-Rechts angelegt“, heißt es in der Begründung des Urteils. Darum musste die Große Koalition nachbessern und die Klimaziele verschärfen. Jetzt legte sie sich auf eine CO2-Reduktion von 65 statt wie bisher 55 Prozent bis 2030 fest, ausgehend vom Basis-Jahr 1990. Dementsprechend senkten CDU und SPD die zulässigen Jahres-Emissionsmengen für Gebäude-Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft, Energie-Branche und Industrie ab. Für BAYER & Co. reduzierten sich die Grenzen des Erlaubten gegenüber dem Klimaschutz-Gesetz von 2019 um 22 Millionen Tonnen. 2022 dürfen sie noch 177 Millionen Tonnen ausstoßen und dann sukzessive immer weniger bis 118 Millionen im Jahr 2030. Die im Vergleich zu den anderen Bereichen strengeren Vorgaben für Industrie und Energie hatten Gründe. „Dies folgt einerseits dem ökonomischen Gedanken, dort zu mindern, wo die Vermeidungskosten am geringsten sind, andererseits sind Industrie- und Energie-Sektor weiterhin die Sektoren mit den höchsten Emissionen“, heißt es im Gesetz. Der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI) kritisiert das Paragrafen-Werk. Er vermisste unter anderem Subventionsregelungen, „um Wettbewerbsnachteile auszugleichen“ und politische Weichenstellungen für „günstigen Strom“. Grüne wollen Kampfstoff-Bergung 1,6 Millionen Tonnen Munition, Minen und chemische Kampfstoffe aus zwei Weltkriegen lagern in den Gewässern von Nord- und Ostsee, darunter auch die einst von BAYER entwickelten Substanzen Lost, Tabun und Sarin. Da die Metall-Umhüllung der Chemie-Waffen mittlerweile durchrostet, treten die Gifte aus. Als besonders gefährlich betrachtet das Umweltbundesamt dabei neben bestimmten Arsen-Verbindungen Zäh-Lost, eine Mixtur aus Schwefel-Lost und Verdickungsmitteln. Während sich andere Kampfstoffe im Wasser allmählich zersetzen, behält diese Chemikalie nämlich eine feste Konsistenz und verliert kaum etwas von seiner Wirksamkeit. „Die meisten der bisher bekannten Unfälle mit Kampfstoffen wurden durch Zäh-Lost rund um das Versenkungsgebiet östlich der dänischen Ostsee-Insel Bornholm verursacht, wobei Klumpen von Zäh-Lost in Fischernetze gerieten“, konstatiert die Behörde. Die FDP und Bündnis 90/Die Grünen haben die Bundesregierung jetzt aufgefordert, endlich etwas gegen die tickenden Zeitbomben in den Meeren zu unternehmen die schon viele Todesopfer gefordert haben. „Munitionsaltlasten in den Meeren bergen und umweltverträglich vernichten“, ist ihr gemeinsamer Antrag überschrieben, mit dem sich der Bundestag Mitte April 2021 befasste. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) begrüßte diesen Vorstoß, trat aber dafür ein, das Verursacher-Prinzip greifen zu lassen und die damaligen Hersteller der Kriegswerkzeuge wie etwa BAYER an der Finanzierung des Unterfangens zu beteiligen. „Die Räumungsarbeiten sind laut FDP und Grünen mit immensen Kosten verbunden. Darum ist es nur recht und billig, BAYER als Pionier auf dem Gebiet der chemischen Kampfstoffe mit zur Kasse zu bitten“, hieß es in der Presseerklärung der CBG. Glyphosat gefährdet Grundwasser Bis zu 50 Prozent des ausgebrachten Glyphosats kann ins Grundwasser gelangen. Das stellte ein ForscherInnen-Team um Andreas Hartmann von der Universität Freiburg und Thorsten Wagener von der Universität Potsdam fest. Bisher ging die Wissenschaft davon aus, dass 99 Prozent des Pestizides im Boden versickert. Wie Hartmann und Wagener aber in einem Aufsatz, den die Zeitschrift Proceedings veröffentlichte, darlegen, leiten Risse und Hohlräume in der Erde große Mengen des Mittels bis ins Grundwasser weiter. Wasser-Strategie ohne Plan Der Klimawandel macht Wasser zu einer immer kostbareren Ressource. Das hat auch die Politik erkannt. Im Juni 2021 stellte Bundesumweltministerin Svenja Schulze den Entwurf zu einer nationalen Wasser-Strategie vor, um das Lebenselixier besser zu schützen. BAYER & Co. als die größten Wasserverbraucher und Wasserverschmutzer nahm das 76-seitige Papier dabei allerdings nicht in den Blick. Es führte keinerlei konkrete Vorhaben auf, um das gefährdete Gut vor dem Zugriff der Profit-Interessen zu bewahren, obwohl allein der Leverkusener Multi im Geschäftsjahr 2020 auf einen Wassereinsatz von 57 Millionen Kubikmetern kam. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) kritisierte das scharf. „Zunehmende Trockenheitsperioden, eine schwindende Grundwasser-Neubildungsrate, der immense Durst der Konzerne und eine wachsende Schadstoff-Belastung der Gewässer verlangen ein sofortiges gesetzgeberisches Handeln. Dazu kann oder will sich die Umweltministerin aber offensichtlich nicht entschließen. So bleibt es bei bloßer Symbol-Politik“, hieß es in ihrer Presseerklärung. BAYERs großer Durst Der BAYER-Konzern hat einen enormen Wasser-Durst (s. o.) Bei der jüngsten Hauptversammlung erfragte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, wie viel Kubikmeter der kostbaren Ressource die Standorte in Nordrhein-Westfalen verbrauchen. Auf insgesamt 4,4 Millionen Kubikmeter kommen die Niederlassungen in Leverkusen, Wuppertal, Bergkamen und Monheim, bekam die Coordination zur Antwort.

ÖKONOMIE & PROFIT

Rating-Agentur stuft BAYER herab Ende Mai 2021 ließ BAYER die Vergleichsverhandlungen mit den AnwältInnen der Glyphosat-Geschädigten platzen und legte stattdessen einen eigenen Plan zur Beilegung der Rechtsstreitigkeiten vor (siehe RECHT & UNBILLIG). Unmittelbar danach stufte die Rating-Agentur MOODY’S INVESTORS SERVICE die Kreditwürdigkeit des Konzerns von Baa1 auf Baa2 herab. „Die anhaltende Unsicherheit in Bezug auf die abschließende Beilegung von Rechtsfällen gegen BAYER im Zusammenhang mit Glyphosat“, führte sie als einen der Gründe für die Entscheidung an. Auch die hohen Kosten für den Rechtskomplex „Glyphosat“ stellte die Agentur in Rechnung. Zudem zeigte sie sich von den „mittelfristigen Finanzzielen“ des Leverkusener Multis enttäuscht und bewertete die Profit-Aussichten im Agrar-Geschäft wegen des verstärkten Wettbewerbs negativ. Trotz des Verkaufs von Unternehmensteilen, eines kostensparenden Arbeitsplatz-Vernichtungsprogramms und steigenden Renditen im Bereich „Consumer Health“ kam MOODY’S bei der „Betriebsprüfung“ letztlich „zu Finanzkennzahlen, die nur mit einem Baa2 bewertet werden können“. Hohe Abschreibungen In die BAYER-Bilanz fließt auch der Wert der Zukäufe ein. Dieser sogenannte Goodwill macht beim Leverkusener Multi 118 Prozent des Eigenkapitals aus. Für MONSANTO hatte er den Goodwill allerdings viel zu hoch angesetzt. Die immensen Schadensersatz-Ansprüche in Sachen „Glyphosat“ und schlechte Geschäfte im Agro-Bereich erforderten eine massive Korrektur: 9,3 Milliarden Euro musste der Global Player abschreiben.

RECHT & UNBILLIG

Immer mehr Dicamba-Klagen Neben Glyphosat entwickelt sich für den BAYER-Konzern auch das Herbizid Dicamba, das er hauptsächlich in Kombination mit gentechnisch gegen die Substanz immunisierten Gewächsen anbietet, zu einem Sorgenkind. Der Wind treibt das vom Leverkusener Multi z. B. unter dem Namen XTENDIMAX vertriebene Mittel nämlich zu Ackerfrüchten hin, die dem Stoff nichts entgegenzusetzen haben und deshalb eingehen. 57 Wein-AnbauerInnen und vier WeiterverarbeiterInnen machen wegen dieser Abdrift auf einer Fläche von 1.200 Hektar Schädigungen an Weinreben geltend und fordern eine Kompensation in Höhe von 114 Millionen Dollar plus 228 Millionen Dollar Strafe. Zudem zog ein Imker vor Gericht, weil die chemische Keule seine Bienenvölker dezimierte und der Pflanzen-Kahlschlag den Tieren Pollen und Nektar nahm, sodass die Honig-Produktion einbrach. Zwei weitere Prozesse in Sachen „Dicamba“ laufen bereits seit Längerem. Darüber hinaus schloss der Global Player im Juni 2020 mit rund 170 KlägerInnen einen Vergleich, der ihn zu einer Zahlung von 400 Millionen Dollar verpflichtete. Trotzdem lässt das Unternehmen auf das Ackergift nichts kommen. „BAYER ist von der Sicherheit und dem Nutzen des Herbizids XTENDIMAX überzeugt. Wir werden diese Technologie auch weiterhin verteidigen“, ließ der Gen-Gigant verlauten. Klage gegen Phosphorit-Abbau „Von der Wiege bis zur Bahre ist Glyphosat ein hochproblematischer Stoff“, sagt die Umwelt-Aktivistin Hannah Connor von der US-amerikanischen Organisation Center for Biological Diversity. Und tatsächlich sorgt das Herbizid sogar schon vor seiner eigentlichen Geburt für so einige Verwerfungen. Der Abbau des Sediment-Gesteins Phosphorit, das BAYER zur Herstellung des Glyphosat-Vorprodukts Phosphor benötigt, belastet Mensch, Tier und Umwelt nämlich massiv. So gelangen etwa Schwermetalle und radioaktive Stoffe wie Uran, Radom, Radium und Selen in die Umwelt. Darum fechten mehrere US-amerikanische Umweltverbände die Genehmigung zum Abbau des Phosphorits ein, die BAYERs Minen-Gesellschaft P4 PRODUCTIONS im Jahr 2019 erhielt. Das Center for Biological Diversity, das Western Watersheds Project und die WildEarth Guardians werfen dem „Bureau of Land Management“ vor, bei der Prüfung des Antrages Umweltrichtlinien missachtet zu haben, und reichten Klage ein. Besonders das Selen stellt den Organisationen zufolge eine Bedrohung dar. „Zwischen 1996 und 2012 starben in der Nähe der Phosphorit-Minen im Südosten von Idaho über 600 Stück Vieh an Selen-Vergiftung“, hält die Klageschrift fest. Die Gewässer verseucht das Halbmetall ebenfalls. „Die Selen-Konzentration im Blackfoot-Fluss entspricht schon jetzt nicht mehr den Wasserqualitätsstandards von Idaho. Mehr Selen in fragilen Ökosystemen ist das Letzte, was die Region braucht“, so Chris Krupp von den WILDEARTH GUARDIANS. Erst Anfang März 2021 musste der Leverkusener Multi für Schäden, welche die Phosphorit-Förderung während der 1950er und 1960er Jahre in der inzwischen stillgelegten Ballard-Mine verursachte, eine hohe Summe zahlen (siehe Ticker 2/21). Der Prozess, den die US-amerikanische Umweltbehörde EPA, der Bundesstaat Idaho und eine Gruppe von Indigenen angestrengt hatten, endete mit einem Vergleich, der den Konzern fast 2,5 Millionen Dollar kostete. Ähnliche Verfahren gegen P4 PRODUCTIONS gab es in den Jahren 2011 und 2015. Bienengift-Bann bleibt Im Jahr 1999 begann die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) ihre Kampagne gegen BAYERs bienengefährliche Pestizide. Es sollte jedoch noch fast 20 Jahre dauern, bis sich der Erfolg einstellte: Im April 2018 verbot die Europäische Union die Wirkstoffe von BAYERs GAUCHO und PONCHO (heute BASF) sowie die SYNGENTA-Substanz Thiamethoxam. Aber die Konzerne gaben sich nicht geschlagen. Vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGh) war nämlich noch die Klage von BAYER und SYNGENTA gegen das im Jahr 2013 von Brüssel erlassene vorläufige Verbot anhängig. 2018 verloren die Unternehmen in erster Instanz, und Anfang Mai 2021 scheiterte auch das Berufungsverfahren. Entsprechend zerknirscht reagierte der Leverkusener Multi: „BAYER ist enttäuscht darüber, dass die wesentlichen Aspekte dieses Falles vom Gericht nicht anerkannt wurden.“ Allerdings dürfen die Mittel in einigen Teilen der EU per Notfall-Zulassungen weiter ihr Unwesen treiben (s. u.) – und im Rest der Welt sowieso. Klage wg. Vogelschwund Der französische Vogelschutzbund „Ligue de protection des oiseaux“ LPO) hat BAYER und NUFARM verklagt. Der Verband macht den von beiden Unternehmen verkauften Pestizid-Wirkstoff Imidacloprid aus der Gruppe der Neonicotinoide für den Rückgang der Vogel-Populationen verantwortlich und verlangt Reparationszahlungen. Zudem fordert die LPO das Gericht auf, ein Total-Verbot der Agro-Chemikalie zu verhängen und damit die Ausnahmeregelungen des „loi du décembre 2020“ aufzuheben. „Die Neonicotinoide stehen für ein industriell geprägtes Agrarmodell, das unsere Landwirte in eine wirtschaftliche Sackgasse führt und die Vögel auf dem Land hat verschwinden lassen (...) Die Verantwortlichen für diese Katastrophe müssen zur Rechenschaft gezogen werden“, erklärte LPO-Präsident Allain Bougrain Dubourg. Mexiko: Glyphosat-Bann bleibt Im Jahr 2020 hatte die mexikanische Regierung Glyphosat verboten. Der BAYER-Konzern ging gegen die Entscheidung gerichtlich vor, konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Auch eine Klage des „National Farm Councils“, einer Vereinigung von GroßagrarierInnen, scheiterte. Kein Glyphosat-Vergleich Ende Mai 2021 ließ BAYER die Vergleichsverhandlungen mit den AnwältInnen der Glyphosat-Geschädigten platzen (siehe auch SWB 3/21). Der Konzern sah keine Chance mehr, den richterlichen Segen für sein Ansinnen zu bekommen, das Herbizid unbegrenzt weiter zu vermarkten, aber für weitere Gesundheitsschäden nur noch begrenzt zu haften. Stattdessen präsentierte der Leverkusener Multi einen eigenen 5-Punkte-Plan zur Beilegung der Rechtsstreitigkeiten. Dieser sieht vor, auf den Packungen des Pestizids statt eines Warn-Labels einen Hinweis auf wissenschaftliche Studien zu Glyphosat anzubringen. Überdies erwägt der Agro-Riese, das Mittel nicht mehr auf dem PrivatkundInnen-Markt anzubieten, da aus diesem Kreis über 90 Prozent der KlägerInnen stammten. Zum Umgang mit künftigen Schadensersatz-Ansprüchen enthält der Plan nichts Konkretes. „Das Unternehmen wird andere Lösungen für potenzielle künftige Klagen zu ROUND UP prüfen“, heißt es lediglich. Niederlage im Fall „Hardeman“ Der Leverkusener Multi hat bisher in allen drei großen Glyphosat-Prozessen Niederlagen erlitten. Den ersten, den Dewayne Johnson gegen die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO angestrengt hatte, musste das Unternehmen sogar schon endgültig verloren geben. Und im Fall „Hardeman“ unterlag der Agro-Riese Mitte Mai 2021 in zweiter Instanz. Dabei hatte sich der Global Player gerade hier Chancen ausgerechnet, denn er konnte die US-amerikanische Umweltbehörde EPA als Entlastungszeugen aufbieten. Gemeinsam mit dem Justizministerium nutzte die Einrichtung das in den USA bestehende „Amicus Curiae“-Recht, das es Unbeteiligten gestattet, Stellungnahmen zu laufenden Rechtsstreitigkeiten abzugeben und plädierte auf Freispruch. „Der Kläger ist im Unrecht“, hieß es in dem „Brief of the United States as Amicus Curiae in Support of MONSANTO“, was das Wall Street Journal damals so kommentierte: „Die Trump-Administration stützt BAYER in Herbizid-Verfahren.“ FRAG DEN STAAT vs. BfR Anfang 2019 hatte das „Bundesinstitut für Risiko-Bewertung“ (BfR) die Initiative „FRAG DEN STAAT“ verklagt (Ticker 3/19). Die Behörde warf der Organisation vor, mit der Veröffentlichung eines BfR-Gutachtens zu Glyphosat, das diese unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz angefordert und auf ihrer Website veröffentlicht hatte, gegen das Urheberrecht verstoßen zu haben. Das 6-seitige Dokument spielt eine Schlüsselrolle im wissenschaftlichen Streit um das Pestizid. Im Jahr 2015 bewertete die „Internationale Agentur für Krebsforschung“ (IARC) der Weltgesundheitsorganisation das Breitband-Herbizid als „wahrscheinlich krebserregend“ und setzte sich damit von dem Glyphosat-Prüfbericht des „Bundesinstituts für Risiko-Bewertung“ ab. Die Politik sah Klärungsbedarf und erbat vom BfR eine Stellungnahme. Daraufhin erstellte die Behörde eine ergänzende Expertise. Die Kurzfassung dieses „Addendum I“ ging dann als Handreichung an das Bundeslandwirtschaftsministerium und enthält offenbar so brisantes Material, dass das „Bundesinstitut für Risiko-Bewertung“ dieses lieber unter Verschluss halten möchte. Aber das gestaltet sich schwierig. Nach Ansicht des Landgerichts Köln kann das Dokument keine Schutzrechte mehr beanspruchen. FRAG DEN STAAT hatte nämlich einfach an UnterstützerInnen appelliert, ebenfalls Anträge zur Einsicht in das Schriftstück nach dem Informationsfreiheitsgesetz zu stellen. Das geschah 45.000 Mal, auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN beteiligte sich damals. Und damit war das Gutachten dann in der Welt. Darüber hinaus deckt die im Urheberrechtsgesetz garantierte Zitat- und Berichterstattungsfreiheit das Vorgehen der AktivistInnen, befanden die RichterInnen im November 2020. Das BfR ging gegen die Entscheidung vor, verlor im Mai 2021 jedoch auch in zweiter Instanz. Pestizid-Kritikerin verurteilt Im Herbst 2020 hatte die französische Initiative ALERTE AU TOXIQUES ein Dossier über Pestizid-Rückstände in französischen Weinen aus der Region um Bordeaux veröffentlicht. Der Befund war alarmierend: In allen der 20 untersuchten Fabrikate fanden sich Ackergift-Spuren. In manchen Flaschen stießen die WissenschaftlerInnen auf bis zu 15 unterschiedliche Wirkstoffe. Sogar das EU-weit verbotene Iprodion – enthalten unter anderem in BAYERs ROVRAL und CHIPCO GREEN – wiesen die ForscherInnen nach. Der Branchenverband CIVB sah seine Umsätze in Gefahr. Deshalb verpflichtete er einen Anwalt, der schon in Diensten von MONSANTO gestanden hatte, und ging gerichtlich gegen die Alerte-Gründerin Valérie Murat vor. In erster Instanz verurteilte das Gericht die Pestizid-Kritikerin zu einer Strafzahlung in Höhe von 125.000 Euro. Murat will den RichterInnen-Spruch jedoch anfechten. Zahlreiche Gruppen stärkten ihr bei dem Prozess mit einer Solidaritätserklärung den Rücken, darunter auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG). In Sachen „Agent Orange“ Das im Vietnam-Krieg von den USA als Entlaubungsmittel eingesetzte Agent Orange hat unermessliches Leid über das Land gebracht. Dennoch hat bisher noch noch kein Vietnamese und keine Vietnamesin eine Entschädigung erhalten. Das will die in Vietnam geborene und seit Langem in Frankreich lebende Tran To Nga ändern. Sie berief sich auf ein Gesetz in ihrer Wahlheimat, das die rechtliche Verfolgung von Kriegsverbrechen gestattet, auch wenn diese außerhalb der Grenzen des Staates geschahen, und verklagte die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO sowie dreizehn weitere Unternehmen. „Ich kämpfe nicht für mich selbst, sondern für meine Kinder und die Millionen von Opfern“, sagt die 79-Jährige. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und zahlreiche andere Organisationen unterstützen sie dabei. BAYER hingegen erklärt die Schadensersatz-Ansprüche für unbegründet. Der Konzern behauptet, MONSANTO hätte lediglich als Erfüllungsgehilfe der US-Army agiert, obwohl das Unternehmen mit dem Pentagon bereits seit 1950 in einem regen Austausch über die Kriegverwendungsfähigkeit der „Agent Orange“-Chemikalie 2,4,5-T stand. BAYER-Anwalt Jean-Daniel Bretzner zog schon die Zuständigkeit des Gerichts in Zweifel. Er bestritt ihm das Recht, über die Verteidigungspolitik eines souveränen ausländischen Staates in Kriegszeiten zu richten. Die RichterInnen folgten den Argumentationen von Bretzner & Co. Sie befanden, dass die Firmen „auf Anweisung und im Namen des amerikanischen Staates“ gehandelt hätten und sprachen die Unternehmen frei. Tran To Nga akzeptiert dieses Votum jedoch nicht und kündigte an, in Berufung zu gehen.
  • YASMINELLE-Klage abgewiesen
Ende Juni 2021 hat das Oberlandesgericht Karlsruhe die Klage der Arznei-Geschädigten Felicitas Rohrer gegen den BAYER-Konzern abgewiesen. Die 37 Jahre alte Frau forderte 200.000 Euro von dem Unternehmen, weil sie nach der Einnahme des Verhütungsmittels YASMINELLE eine beidseitige Lungen-Embolie mit akutem Atem- und Herzstillstand erlitten hatte. Diese „Nebenwirkung“ des Medikaments ist seit Langem bekannt. Zudem reicht dem Arzneimittelgesetz eine bloße Kausalitätsvermutung, um Schadensersatzansprüche geltend machen zu können. Einen exakten wissenschaftlichen Nachweis über eine Kausalbeziehung zwischen einer Arzneimittel-Einnahme und dem Auftreten von Nebenwirkungen zu erbringen, erweist sich nämlich allzu oft als eine unlösbare Aufgabe. Trotz alledem sprach die Richterin den Leverkusener Multi frei. Dessen AnwältInnen war es nämlich gelungen, die Juristin zu überzeugen, dass auch eine lange Flugreise Rohrers den Venenverschluss ausgelöst haben könnte. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) kritisierte die Entscheidung scharf. „Das ist ein Skandal-Urteil. In den USA haben bisher schon 12.000 Leidensgenossinnen von Felicitas Rohrer Recht bekommen und insgesamt zwei Milliarden Dollar Schmerzensgeld von BAYER erhalten. Hierzulande aber kuscht die Justiz vor der Macht der Konzerne“, hieß es in ihrer Presseerklärung. Ähnlich reagierte die Klägerin. „Ich bin sehr enttäuscht über dieses Urteil und hätte es so nicht erwartet. Wir werden es nun genau prüfen und schauen, welche weiteren juristischen Schritte möglich sind“, erklärte sie. Da das Gericht eine Revision skandalöserweise nicht zuließ, bleibt Felicitas Rohrer nur noch der Weg, eine Nichtzulassungsbeschwerde einzureichen, um ein endgültiges Schließen der Akte „YASMINELLE“ zu verhindern. LIPOBAY-Klage stattgegeben BAYERs Cholesterinsenker LIPOBAY hat mindestens 100 PatientInnen den Tod gebracht, bis der Konzern ihn im Sommer 2001 vom Markt nehmen musste. In der Folge sah sich das Unternehmen mit einer Unmenge von Entschädigungsprozessen konfrontiert. Derjenige, den der italienische Arzt Roberto Trevisanato führte, zog sich über 20 Jahre hin, bis er im Mai 2021 nun mit einer Verurteilung des Leverkusener Multis endete. Das Gericht bezeichnete die Arznei als gefährlich und warf dem Pharma-Riesen vor, auf den Packungsbeilagen nicht ausreichend vor den Nebenwirkungen gewarnt zu haben. Im Rückblick sagte Trevisanato in einem Interview: „Mein Leben wurde zerstört: Als ich dieses Mittel für zwei Monate einnahm, landete ich für zwei Jahrzehnte in der Hölle.“ BAYER vor Gericht In Italien müssen sich BAYER, NOVARTIS und der Krankenhaus-Konzern SAN DONATO wegen Abrechnungsbetrugs zulasten der öffentlichen Gesundheitssysteme vor Gericht verantworten. Das Hospital hatte beim regionalen Gesundheitsdienst der Lombardei Arznei-Rechnungen der beiden Unternehmen eingereicht, die nicht den wahren Preisen entsprachen, da die Pharma-Riesen SAN DONATO unter der Hand Rabatte gewährten. Auf ähnliche Weise hatte der Leverkusener Multi in Tateinheit mit anderen Pillen-Produzenten, Krankenhäusern, ÄrztInnen und Apotheken Anfang der 2000er Jahre die US-amerikanischen staatlichen Gesundheitsprogramme Medicaid und Medicare geschröpft. Den Einrichtungen, die Bedürftigen Arzneien zur Verfügung stellen, entstand so Jahr für Jahr ein Schaden von rund einer Milliarde Dollar. Im Jahr 2000 zahlte der Global Player dafür 14 Millionen Dollar Strafe und 2003 sogar 250 Millionen Dollar. Ermittlungen wg. Bestechung Der BAYER-Konzern sieht sich in Griechenland mit dem Vorwurf der ÄrztInnen-Bestechung konfrontiert. Er soll von 2005 bis 2008 rund 800 MedizinerInnen mit Sachzuwendungen und Geld-Geschenken von bis zu 20.000 Euro veranlasst haben, Medikamente des Konzerns zu verschreiben. Im Jahr 2015 hat die Staatsanwaltschaft deshalb eine Anzeige erstattet. Über den aktuellen Stand der Ermittlungen liegen keine Informationen vor.

[Pressemitteilung vom 23.04.2021] Pressemitteilung des Dachverbandes der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre und der CBG vom 23.04.2021

CBG Redaktion

Informationen zu Aktionen & Protesten am Ende der eMail

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Zivilgesellschaftliches Bündnis kritisiert Einschränkung der Meinungsfreiheit durch Bayer auf Aktionärsversammlung

•Zivilgesellschaftliche Organisationen fordern Rederecht und direkten Austausch, um Kritik am Konzern zu äußern

•Hauptversammlung droht zur reinen Werbeveranstaltung zu verkommen

•Vielfältige Protestaktionen als Gegenprogramm angekündigt

Leverkusen/Köln. Kurz vor der Bayer-Hauptversammlung am 27. April 2021 kritisiert ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen die Einschränkung der freien Meinungsäußerung durch den Konzern. In diesem Jahr will die Bayer AG erstmalig den direkten Austausch mit seinen AktionärInnen unterbinden. Das Unternehmen nutzt das pandemiebedingt virtuelle Format der Aktionärsversammlung, um sich unliebsamer Kritik zu entledigen. In einer heute veröffentlichten Erklärung fordert das Protest-Bündnis, dass die VertreterInnen der Opfer der Bayer-Geschäftspraktiken wie in den Vorjahren ein Rederecht erhalten. Bayer muss am Dienstag insbesondere Stellung zu den Skandalen rund um Monsanto und den Doppelstandards bei Pestizidexporten beziehen.
„Bayer nutzt die Pandemie, um sich unliebsamer Kritik zu entledigen“, so Marius Stelzmann, Geschäftsführer der Coordination gegen BAYER-Gefahren. „Dies ist undemokratisch und verhöhnt die Anliegen von Klein-AktionärInnen und Geschädigten der Konzernpolitik“, so Stelzmann.

„Eine Hauptversammlung lebt davon, dass der Vorstand sich mit den Argumenten von KritikerInnen auseinandersetzen muss. Ohne direkte Beteiligungsmöglichkeiten droht die Hauptversammlung zu einer bloßen Werbeveranstaltung des Vorstands zu verkommen. Als reine ‚Roadshow‘ wird die Versammlung massiv an Bedeutung verlieren,“ warnt Tilman Massa vom Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.

Das Bündnis kündigt vielfältige Protestaktionen während der Bayer-Hauptversammlung am 27. April 2021 an – sowohl online als auch bei einer Corona-gerechten Kundgebung vor der virtuellen Hauptversammlung in Leverkusen.
Der Protest-Live-Stream der CBG kann am 27.April von 9.00 bis ca. 17.00 Uhr hier angesehen werden: cbgnetwork.org/HV. Live-Schaltungen zur HV finden um 9.30 Uhr, 12.30 Uhr und 16.00 Uhr statt.

Die Protest-Kundgebung vor der Bayer-Konzernzentrale in Leverkusen findet am 27. April zwischen 9.30 -11.00 Uhr statt.

Pressekontakte:
Marius Stelzmann, Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG), Tel. 0211 33 39 11, info@cbgnetwork.org

Tilman Massa, Dachverband Kritische Aktionärinnen und Aktionäre, Telefon: 0221 599 56 47, dachverband@kritischeaktionaere.de

Bündniserklärung:

Keine Entrechtung von Konzernkritik und KleinaktionärInnen!

Bayer schränkt Rechte von Klein-AktionärInnen und KritikerInnen bei digitaler Hauptversammlung massiv ein

Produkte von BAYER/MONSANTO richten weltweit Schaden an. Bis heute gibt es keine Einigung mit den zahlreichen Glyphosat-KlägerInnen in den USA, die eine Anerkennung und eine gerechte Entschädigung für ihr Leid beinhaltet. BAYER verkauft zudem zahlreiche in der EU wegen ihrer gefährlichen Wirkungen verbotene Produkte in Länder des globalen Südens. Außerdem verweigert sich der Konzern der Aufarbeitung seiner giftigen Geschichte: Die Konzerntochter MONSANTO produzierte während des Vietnamkrieges das giftige Entlaubungsmittel Agent Orange.

Ein Bündnis aus NGOs, AktivistInnen, sowie Betroffenen und deren Interessengruppen sorgt seit 1982 dafür, dass die Kehrseite der Konzernpolitik auf der BAYER-Hauptversammlung präsent ist. Sie zeigen die direkten Konsequenzen der Konzernpolitik auf: Für Mensch, Umwelt und, wie der Fall Glyphosat gezeigt hat, auch für die Aktienkurse des Konzerns.
Eine unabhängige Konzernkritik, welche die Stimmen und Interessen von Betroffenen und der Zivilgesellschaft in den Vordergrund stellt, ist aktuell wichtiger denn je.

Dies sieht der BAYER-Vorstand natürlich anders: Mit der Begründung, die sofortige Dividendenausschüttung stünde an erster Stelle, wurde im April 2020 erstmals eine reine Online-Hauptversammlung ohne Präsenzveranstaltung durchgeführt. Der Wechsel auf ein virtuelles Format für die HV sorgte dafür, dass die üblichen Beteiligungsrechte der Bayer-KleinaktionärInnen erheblich beschnitten wurden. BAYER rechtfertigte diesen Schritt mit Verweis auf das Pandemie-Notstandsgesetz. Auf der Hauptversammlung räumte der Konzern auf Anfragen zudem ein, über den Bundesverband der deutschen Industrie, den Verband der chemischen Industrie und das Deutsche Aktieninstitut Einfluss auf das Pandemie-Notstandsgesetz ausgeübt zu haben.

Wir, ein Bündnis aus verschiedenen NGOs, aktivistischen Netzwerken und AktionärInnen-Vertretungen, stellen fest: BAYER verletzt in unzulässiger Weise die Rechte von Klein-AktionärInnen und KritikerInnen der Konzernpolitik. Ein Konzern wie BAYER kann und muss sich auch in einer virtuellen Hauptversammlung der Kritik stellen.

BAYER versucht mit der virtuellen Hauptversammlung offensichtlich einen Präzedenzfall für das weitere Vorgehen von anderen DAX-Konzernen zu schaffen. Auch in der Pandemie verkaufen deutsche Konzerne Kriegsgerät an kriegführende Staaten (Rheinmetall), verfehlen die Klimaschutz-Vorgaben der EU (Volkswagen) oder exportieren in der EU verbotene giftige Pestizide (BASF). Die unterzeichnenden Organisationen befürchten, dass andere Hauptversammlungen dem schlechten Beispiel des Bayer-Konzerns folgen und auf diese Weise Protest- und Kritikmöglichkeiten von Geschädigten dieser anderen Konzerne ebenfalls verdrängt werden könnten.

Hauptversammlungen müssen es den AktionärInnen ermöglichen, dem Vorstand und allen interessierten AktionärInnen Kritikpunkte ausführlich und im Kontext darstellen und begründete Fragen stellen zu können. Für die BAYER-Hauptversammlung bedeutet dies: Ohne die Möglichkeit einer Meinungsbildung und Auseinandersetzung mit den Argumenten und der Präsenz von KritikerInnen, droht die Hauptversammlung auf eine weitere „Roadshow“, einer Werbeveranstaltung des Vorstands, reduziert zu werden und letztendlich an Bedeutung zu verlieren.
BAYER hat, als Reaktion auf den öffentlichen Druck, der im vergangenen Jahr aufgebaut wurde, AktionärInnen nun die Möglichkeit eingeräumt, Stellungnahmen zur Hauptversammlung in Textform oder als Video einzureichen. Ein Anspruch auf Veröffentlichung besteht nicht: Der Vorstand kann also selbst entscheiden, welche Beiträge zugelassen werden und welche nicht. Diese Möglichkeit der Vorauswahl gab es beim Frage- und Rederecht auf Präsenz-Hauptversammlungen nicht. Selbst zuvor schriftlich eingereichte Gegenanträge können nicht mündlich gestellt und begründet die Begründung mündlich vorgetragen werden, denn Anträge oder Wahlvorschläge in den Stellungnahmen werden nicht berücksichtigt. Auch mit dieser Regelung werden also die Rechte von Klein-AktionärInnen substantiell eingeschränkt.

BAYER versucht sich als verantwortungsvoll und transparent zu positionieren. Doch die geringfügig verbesserten Beteiligungsmöglichkeiten können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die AktionärInnenrechte eingeschränkt bleiben. Die Souveränität der AktionärInnen als EigentümerInnen des Konzerns muss auf der Hauptversammlung im Mittelpunkt stehen. Die Pandemie darf nicht zur Rechtfertigung des Vorstandes dienen, Partizipationsmöglichkeiten von AktionärInnen zu beschränken. Schutzkonzepte gegen Corona müssen sich an diesen Maßgaben orientieren.

Wir fordern daher von BAYER:

1.Achtung der Souveränität der AktionärInnen auch unter Pandemie-Bedingungen, bis die Pandemie-Situation eine Präsenz-Hauptversammlung zulässt.

2.Keine Einschränkung der Beteiligungsmöglichkeiten von Klein-AktionärInnen und KonzernkritikerInnen unter Achtung angemessener Maßnahmen des Infektionsschutzes.

3.Volles, übertragbares Rederecht für AktionärInnen.

Unterzeichnende Organisationen:

Wir haben Agrarindustrie satt!/Kampagne Meine Landwirtschaft
Gen-ethisches Netzwerk e.V.
Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V.
Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN Germany)
Dachverband Kritische Aktionärinnen und Aktionäre e.V.

--
Aktionen & Proteste
Dienstag, 27. April 2021, ganztägig 9 bis ca. 17 Uhr

Vor der Konzern-Zentrale
(Studio der virtuellen HV)
Di, 27.April um 9.30 Uhr
Kaiser Wilhelm Allee 1b
Leverkusen

Protest-Live-Stream
Di., 27.April, 09.00 bis ca. 17.00 Uhr
mit Live-Slots für die Presse zur HV
um 09.30 Uhr, 12.30 Uhr, 16.00 Uhr

[Erklärung HV] Pressemitteilung vom 23.04.2021

CBG Redaktion

Pressemitteilung des Dachverbandes der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre und der CBG vom 23.04.2021

Informationen zu Aktionen & Protesten am Ende der eMail

alle Infos unter
CBGnetwork.org/HV

Zivilgesellschaftliches Bündnis kritisiert Einschränkung der Meinungsfreiheit durch Bayer auf Aktionärsversammlung

•Zivilgesellschaftliche Organisationen fordern Rederecht und direkten Austausch, um Kritik am Konzern zu äußern

•Hauptversammlung droht zur reinen Werbeveranstaltung zu verkommen

•Vielfältige Protestaktionen als Gegenprogramm angekündigt

Leverkusen/Köln. Kurz vor der Bayer-Hauptversammlung am 27. April 2021 kritisiert ein breites Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen die Einschränkung der freien Meinungsäußerung durch den Konzern. In diesem Jahr will die Bayer AG den direkten Austausch mit seinen AktionärInnen unterbinden. Das Unternehmen nutzt das pandemiebedingt virtuelle Format der Aktionärsversammlung, um sich unliebsamer Kritik zu entledigen. In einer heute veröffentlichten Erklärung fordert das Protest-Bündnis, dass die VertreterInnen der Opfer der Bayer-Geschäftspraktiken wie in den Vorjahren ein Rederecht erhalten. Bayer muss am Dienstag insbesondere Stellung zu den Skandalen rund um Monsanto und den Doppelstandards bei Pestizidexporten beziehen.
„Bayer nutzt die Pandemie, um sich unliebsamer Kritik zu entledigen“, so Marius Stelzmann, Geschäftsführer der Coordination gegen BAYER-Gefahren. „Dies ist undemokratisch und verhöhnt die Anliegen von Klein-AktionärInnen und Geschädigten der Konzernpolitik“, so Stelzmann.

„Eine Hauptversammlung lebt davon, dass der Vorstand sich mit den Argumenten von KritikerInnen auseinandersetzen muss. Ohne direkte Beteiligungsmöglichkeiten droht die Hauptversammlung zu einer bloßen Werbeveranstaltung des Vorstands zu verkommen. Als reine ‚Roadshow‘ wird die Versammlung massiv an Bedeutung verlieren,“ warnt Tilman Massa vom Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.

Das Bündnis kündigt vielfältige Protestaktionen während der Bayer-Hauptversammlung am 27. April 2021 an – sowohl online als auch bei einer Corona-gerechten Kundgebung vor der virtuellen Hauptversammlung in Leverkusen.
Der Protest-Live-Stream der CBG kann am 27.April von 9.00 bis ca. 17.00 Uhr hier angesehen werden: cbgnetwork.org/HV. Live-Schaltungen zur HV finden um 9.30 Uhr, 12.30 Uhr und 16.00 Uhr statt.

Die Protest-Kundgebung vor der Bayer-Konzernzentrale in Leverkusen findet am 27. April zwischen 9.30 -11.00 Uhr statt.

Pressekontakte:
Marius Stelzmann, Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG), Tel. 0211 33 39 11, info@cbgnetwork.org

Tilman Massa, Dachverband Kritische Aktionärinnen und Aktionäre, Telefon: 0221 599 56 47, dachverband@kritischeaktionaere.de

Bündniserklärung:

Keine Entrechtung von Konzernkritik und KleinaktionärInnen!

Bayer schränkt Rechte von Klein-AktionärInnen und KritikerInnen bei digitaler Hauptversammlung massiv ein

Produkte von BAYER/MONSANTO richten weltweit Schaden an. Bis heute gibt es keine Einigung mit den zahlreichen Glyphosat-KlägerInnen in den USA, die eine Anerkennung und eine gerechte Entschädigung für ihr Leid beinhaltet. BAYER verkauft zudem zahlreiche in der EU wegen ihrer gefährlichen Wirkungen verbotene Produkte in Länder des globalen Südens. Außerdem verweigert sich der Konzern der Aufarbeitung seiner giftigen Geschichte: Die Konzerntochter MONSANTO produzierte während des Vietnamkrieges das giftige Entlaubungsmittel Agent Orange.

Ein Bündnis aus NGOs, AktivistInnen, sowie Betroffenen und deren Interessengruppen sorgt seit 1982 dafür, dass die Kehrseite der Konzernpolitik auf der BAYER-Hauptversammlung präsent ist. Sie zeigen die direkten Konsequenzen der Konzernpolitik auf: Für Mensch, Umwelt und, wie der Fall Glyphosat gezeigt hat, auch für die Aktienkurse des Konzerns.
Eine unabhängige Konzernkritik, welche die Stimmen und Interessen von Betroffenen und der Zivilgesellschaft in den Vordergrund stellt, ist aktuell wichtiger denn je.

Dies sieht der BAYER-Vorstand natürlich anders: Mit der Begründung, die sofortige Dividendenausschüttung stünde an erster Stelle, wurde im April 2020 erstmals eine reine Online-Hauptversammlung ohne Präsenzveranstaltung durchgeführt. Der Wechsel auf ein virtuelles Format für die HV sorgte dafür, dass die üblichen Beteiligungsrechte der Bayer-KleinaktionärInnen erheblich beschnitten wurden. BAYER rechtfertigte diesen Schritt mit Verweis auf das Pandemie-Notstandsgesetz. Auf der Hauptversammlung räumte der Konzern auf Anfragen zudem ein, über den Bundesverband der deutschen Industrie, den Verband der chemischen Industrie und das Deutsche Aktieninstitut Einfluss auf das Pandemie-Notstandsgesetz ausgeübt zu haben.

Wir, ein Bündnis aus verschiedenen NGOs, aktivistischen Netzwerken und AktionärInnen-Vertretungen, stellen fest: BAYER verletzt in unzulässiger Weise die Rechte von Klein-AktionärInnen und KritikerInnen der Konzernpolitik. Ein Konzern wie BAYER kann und muss sich auch in einer virtuellen Hauptversammlung der Kritik stellen.

BAYER versucht mit der virtuellen Hauptversammlung offensichtlich einen Präzedenzfall für das weitere Vorgehen von anderen DAX-Konzernen zu schaffen. Auch in der Pandemie verkaufen deutsche Konzerne Kriegsgerät an kriegführende Staaten (Rheinmetall), verfehlen die Klimaschutz-Vorgaben der EU (Volkswagen) oder exportieren in der EU verbotene giftige Pestizide (BASF). Die unterzeichnenden Organisationen befürchten, dass andere Hauptversammlungen dem schlechten Beispiel des Bayer-Konzerns folgen und auf diese Weise Protest- und Kritikmöglichkeiten von Geschädigten dieser anderen Konzerne ebenfalls verdrängt werden könnten.

Hauptversammlungen müssen es den AktionärInnen ermöglichen, dem Vorstand und allen interessierten AktionärInnen Kritikpunkte ausführlich und im Kontext darstellen und begründete Fragen stellen zu können. Für die BAYER-Hauptversammlung bedeutet dies: Ohne die Möglichkeit einer Meinungsbildung und Auseinandersetzung mit den Argumenten und der Präsenz von KritikerInnen, droht die Hauptversammlung auf eine weitere „Roadshow“, einer Werbeveranstaltung des Vorstands, reduziert zu werden und letztendlich an Bedeutung zu verlieren.
BAYER hat, als Reaktion auf den öffentlichen Druck, der im vergangenen Jahr aufgebaut wurde, AktionärInnen nun die Möglichkeit eingeräumt, Stellungnahmen zur Hauptversammlung in Textform oder als Video einzureichen. Ein Anspruch auf Veröffentlichung besteht nicht: Der Vorstand kann also selbst entscheiden, welche Beiträge zugelassen werden und welche nicht. Diese Möglichkeit der Vorauswahl gab es beim Frage- und Rederecht auf Präsenz-Hauptversammlungen nicht. Selbst zuvor schriftlich eingereichte Gegenanträge können nicht mündlich gestellt und begründet die Begründung mündlich vorgetragen werden, denn Anträge oder Wahlvorschläge in den Stellungnahmen werden nicht berücksichtigt. Auch mit dieser Regelung werden also die Rechte von Klein-AktionärInnen substantiell eingeschränkt.

BAYER versucht sich als verantwortungsvoll und transparent zu positionieren. Doch die geringfügig verbesserten Beteiligungsmöglichkeiten können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die AktionärInnenrechte eingeschränkt bleiben. Die Souveränität der AktionärInnen als EigentümerInnen des Konzerns muss auf der Hauptversammlung im Mittelpunkt stehen. Die Pandemie darf nicht zur Rechtfertigung des Vorstandes dienen, Partizipationsmöglichkeiten von AktionärInnen zu beschränken. Schutzkonzepte gegen Corona müssen sich an diesen Maßgaben orientieren.

Wir fordern daher von BAYER:

1.Achtung der Souveränität der AktionärInnen auch unter Pandemie-Bedingungen, bis die Pandemie-Situation eine Präsenz-Hauptversammlung zulässt.

2.Keine Einschränkung der Beteiligungsmöglichkeiten von Klein-AktionärInnen und KonzernkritikerInnen unter Achtung angemessener Maßnahmen des Infektionsschutzes.

3.Volles, übertragbares Rederecht für AktionärInnen.

Unterzeichnende Organisationen:

Wir haben Agrarindustrie satt!/Kampagne Meine Landwirtschaft
Gen-ethisches Netzwerk e.V.
Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V.
Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN Germany)
Dachverband Kritische Aktionärinnen und Aktionäre e.V.

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Aktionen & Proteste
Dienstag, 27. April 2021, ganztägig 9 bis ca. 17 Uhr

Vor der Konzern-Zentrale
(Studio der virtuellen HV)
Di, 27.April um 9.30 Uhr
Kaiser Wilhelm Allee 1b
Leverkusen

Protest-Live-Stream
Di., 27.April, 09.00 bis ca. 17.00 Uhr
mit Live-Slots für die Presse zur HV
um 09.30 Uhr, 12.30 Uhr, 16.00 Uhr

[CUREVAC] Der CUREVAC-Deal

CBG Redaktion

BAYER steigt ins Impfstoff-Geschäft ein

Anfang Januar 2021 vereinbarte der BAYER-Konzern eine Kooperation mit dem deutschen Impfstoff-Entwickler CUREVAC. Damit ist er nun auch ein bedeutender Player auf dem Corona-Markt.

Von Jan Pehrke

„Ich bin sehr froh, dass ein Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen, dass die BAYER AG mit diesen Lichtblick erzeugt hat, der mit diesem Impfstoff verbunden ist“, sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet Mitte Februar 2021 bei einem Besuch des Wuppertaler BAYER-Werks. Gerade auch, weil der Ruf der Branche nicht der beste ist, zeigte sich der christdemokratische Politiker erfreut über die Kooperation des Leverkusener Multis mit CUREVAC in Sachen „Covid-19-Impfstoff“: „Es hat sich in den letzten Jahren so eingebürgert, dass man immer auf die Pharma-Industrie schimpft.“ Laschet hingegen will sie hegen und pflegen. „Ich glaube, unser Ziel muss sein, dass Deutschland wieder der Spitzen-Standort für Pharma-Technologie wird“, meint der CDU-Vorsitzende. Schon aus Gründen der Versorgungssicherheit ist das für ihn von größter Wichtigkeit: „Wir sind froh für jedes Unternehmen, dass hier ist und dass nicht irgendwo in anderen Teilen der Welt so seine Produktion verlagert, dass wir im Ernstfall keinen Zugriff darauf haben.“

Am 7. Januar des Jahres hatte der Agro-Riese seine Zusammenarbeit mit CUREVAC bekanntgegeben. Bei der Durchführung der Klinischen Studien, dem Zulassungsprozedere, der späteren Überwachung der Sicherheit des Vakzins sowie bei der Organisation der Lieferkette für die benötigten Zusatzstoffe will er „sein Fachwissen und seine etablierte Infrastruktur“ einbringen, verlautete aus der Konzern-Zentrale. Zudem hat die Aktien-Gesellschaft sich die Option gesichert, das Vakzin in Ländern außerhalb Europas selbst zu vermarkten.
Rund einen Monat später erweiterten die beiden Firmen ihre Verbindung noch einmal. Sie erstreckt sich nun auch auf den Produktionsprozess. Es brauchte für diesen Schritt allerdings einen Anstoß von außen. „In Gesprächen mit der Bundesregierung ist deutlich geworden, dass die Verfügbarkeit von Impfstoffen weiter erhöht werden muss“, erläuterte Pharma-Vorstand Stefan Oelrich. Dementsprechend positiv reagierte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf die Meldung: „Wir freuen uns, dass mit CUREVAC und BAYER zwei deutsche Unternehmen diese Partnerschaft eingegangen sind und weiter vertiefen.“

Natürlich trieb BAYER nur die reine Menschlichkeit zu der Kollaboration. „Aus finanziellen Gründen tun wir das nicht. Wir sehen die große Notwendigkeit“, sagte der Vorstandsvorsitzende Werner Baumann in einem Interview mit dem Nachrichtensender ntv. Der Moderator mochte an eine solche Selbstlosigkeit allerdings nicht so recht glauben. „Jetzt standen Sie ja lange mit dem Pflanzenschutzmittel Glyphosat in der öffentlichen Kritik. Sind Sie eigentlich froh, dass Sie jetzt einmal mit einem Thema in Verbindung gebracht werden, was positiver belegt ist?“, fragte er. Da musste der Ober-BAYER dann ganz schön weit ausholen, um nicht zu antworten. „Unsere Vision ist die Gesundheit der Menschen, aber auch die gesunde Ernährung der Menschen sicherzustellen. Das sind beides ganz, ganz tolle Aufträge, die im Zentrum dessen stehen, was für die Menschen wichtig ist. Und insofern möchte ich da auch nicht differenzieren. Beide Themen sind wichtig, in beiden Bereichen sind wir als verantwortungsvolles Unternehmen ich glaube sehr, sehr gut unterwegs, um die Dinge zu tun, die wir auch im Dienste der Gesellschaft tun können, inklusive der Nachhaltigkeit. Und dazu gehört auch der Pflanzenschutz, und dazu gehört auch Glyphosat“, lavierte Baumann herum.

Verlängerte Werkbank
Die FAZ zeigte sich gleich gewillt, zum Image-Wandel des Global Players beizutragen. „Die Welt hofft jetzt auf Wuppertal“, meinte das Frankfurter Blatt ausgemacht zu haben. Das Handelsblatt hingegen reagierte weniger euphorisch auf den Deal, den PFIZER in ähnlicher Form mit BIONTECH abgeschlossen hatte. „Die Pharma-Branche erlebt eine bedenkliche Verschiebung der Macht. In der Corona-Krise werden etliche Pharma-Konzerne zur verlängerten Werkbank der Impfstoff-Pioniere – eine Entwicklung, die ‚Big Pharma’ und ihren Investoren zu denken geben sollte“, mahnte die Wirtschaftszeitung.

Auch CUREVAC-Gründer Ingmar Hoerr sieht BAYER & Co. in der Defensive. „Ich bin davon überzeugt, dass Covid einen völligen Paradigmen-Wechsel mit sich bringt, weg von der Big-Pharma-Industrie, wie sie bisher war“, sagte er in einem FAZ-Interview. „Die großen Pharma-Konzerne müssen immer ihre Märkte und Krankheiten im Auge behalten und die Technologien, die sie anbieten können“, so der Biologe.
Er hatte vor 20 Jahren mit der Forschung an einem neuen Impfstoff begonnen, der nicht mehr die ganze DNA eines Virus enthält, um den menschlichen Organismus zur Bildung von Antikörpern anzuregen, sondern nur noch die mRNA. Daher bildet sie den Erreger auch nicht mehr komplett nach, was die Gesundheitsgefahren reduzieren soll. „Kein Konzern hat einen so langen Atem, um eine Vision zu verfolgen, hält Hoerr fest. Der Wissenschaftler hat ursprünglich selber eine Position bei den Großen der Branche angestrebt, entschied sich dann aber um, weil er dort zu wenig Entfaltungsmöglichkeiten für sich ausmachte. „Wenn ich meinem Abteilungsleiter aber gesagt hätte, ich habe hier etwas Spannendes auf RNA-Ebene entdeckt, hätte er wohl geantwortet: Ja, das ist schon spannend, aber wir kümmern uns erst mal um die Programme, die wir besprochen haben“, denkt der Forscher.

Werner Baumann antwortete auf die Frage, warum BAYER nicht selbst in die Impfstoff-Entwicklung eingestiegen ist: „Wir sind traditionell kein Impfstoff-Hersteller, und es gibt für die traditionelle Impfstoff-Herstellung einige sehr große, auch mit großer Expertise ausgestattete Wettbewerber. Und dann für uns in dieser Situation aus der Position eines in diesem Bereich bisher nicht tätigen Unternehmens diese Expertise aufzubauen, hätte überhaupt keinen Sinn gemacht.“ Tatsächlich verfügte der Leverkusener Multi einmal über diese Expertise. Im Jahr 2004 aber wickelte er das Geschäftsfeld „Infektionskrankheiten“ gemeinsam mit den Sektionen „Asthma“ und „Urologie“ ab. Der Konzern vollzog zu dieser Zeit einen Strategie-Wechsel. Er wollte sich fortan auf viel Gewinn versprechende „High priority“-Projekte wie etwa Krebs-Therapeutika konzentrieren und nicht länger ein umfassendes Arznei-Angebot bereitstellen.

Andere große Arznei-Unternehmen stellten die Arbeit an Impfstoffen ebenfalls ein. Mittel gegen Infektionskrankheiten zu entwickeln, die vielleicht alle zehn, fünfzehn Jahre mal ausbrechen, vielleicht aber auch nicht, bietet Big Pharma kaum Aussicht auf verlässliche Renditen. Darum gibt es heute nur noch vier große Anbieter auf dem Markt. Und von den bisher zugelassenen Vakzinen gegen Corona entstammt keines ihren Laboren. Hochschul-WissenschaftlerInnen oder kleine Start-Ups haben sie entwickelt, Die Pillen-Riesen kamen stets erst später dazu, wenn sich die Risiken als überschaubar erwiesen und sie kaum eigenes Geld zu investieren brauchten.

Das kam hauptsächlich von der öffentlichen Hand oder aus privaten Quellen. Bei CUREVAC ist der SAP-Gründer Dietmar Hopp der Hauptförderer. Er hält auch die Mehrheit der Aktien. Von der Bundesregierung erhielt die Tübinger Firma 251 Millionen Euro an Subventionen und BIONTECH sogar 375 Millionen. So ganz uneigennützig geschah das natürlich nicht. „Von den Firmen wurde im Gegenzug erwartet, dass sie einen angemessenen Anteil der Produktion eines zugelassenen COVID-19-Impfstoffes für die bedarfsgerechte Versorgung in Deutschland zugänglich machen“, konstatieren CDU und SPD in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen. Und CUREVAC konnte noch mehr Gelder akquirieren. Die von Deutschland mitgetragene internationale Impfstoff-Allianz CEPI, zu der außerdem noch Einrichtungen wie die Weltgesundheitsorganisation und die „Bill & Melinda Gates Foundation“ (BMGF) gehören, gab 34 Millionen Dollar und die BMGF allein noch einmal 46 Millionen Euro. Überdies unterstützt die Europäische Investitionsbank den Aufbau der Vakzin-Produktion mit einem Darlehen von 75 Millionen Euro.

Aber Merkel & Co. gingen noch weiter. Als Gerüchte um einen Börsengang der Firma in den USA sowie um das Bemühen Donald Trumps, CUREVAC in die USA zu locken, die Runde machten, stieg der Bund direkt bei der Tübinger Firma ein. Für 300 Millionen Euro erwarb er Mitte Juni 2020 23 Prozent der Anteile an dem Unternehmen; nach einer Kapital-Erhöhung schrumpfte die Beteiligung dann auf rund 17 Prozent. Es gelte, „elementare Schlüsselindustrien am Standort zu erhalten und zu stärken“ sowie die industrielle Souveränität Deutschlands zu wahren, erklärte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) damals zum Sinn der Übung.

Das Objekt der Begierde
Was da konkret die Begehrlichkeiten weckt, steckt noch in der Phase der klinischen Erprobung. Trotzdem hat die Europäische Union schon einen Liefer-Kontrakt mit CUREVAC abgeschlossen und dabei alle Risiken auf sich genommen. „Die Vertragsparteien erkennen an, dass die beschleunigten Entwicklungszeiten für die Durchführung der mit der EMA (Europäische Arzneimittel-Behörde, Anm. SWB) vereinbarten klinischen Prüfung und des Folge-Programms bedeuten, dass der Auftragnehmer zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses APA (Advance Purchase Agreement = Kauf-Vereinbarung, Anm. SWB) unter keinen Umständen garantieren kann oder die Haftung dafür übernimmt, dass das Produkt letztendlich verfügbar sein oder die gewünschten Ergebnisse erzielen wird, d. h. eine ausreichende Wirksamkeit zur Verhinderung einer COVID-19-Infektion aufweist oder ohne akzeptable Nebenwirkungen ist“, heißt es in dem Dokument.

Die EU stellt CUREVAC also einen Blanko-Scheck aus. 225 Millionen Dosen des Impfstoffes CVnCoV zu einem Einzelpreis von zehn Euro hat sie vorab erworben. Darüber hinaus sicherte sich Brüssel eine Option auf 180 Millionen weitere Impf-Dosen von CUREVAC.

Deutschland erhält aus diesem Kontingent 54,1 Millionen Dosen. Zudem hat die Bundesregierung mit CUREVAC einen Vertrag über eine Option auf 20 Millionen weitere CVnCoV-Dosen abgeschlossen. „Das Mandat für die Impfstoff-Beschaffung auf EU-Ebene sieht vor, dass die teilnehmenden EU-Mitgliedsstaaten keine eigenen Abschlüsse einer Abnahme-Garantie für den Impfstoff mit demselben Hersteller einleiten. Art. 7 ESI-Agreement verbietet indes nicht den Abschluss von Absichtserklärungen“, erklärt die Große Koalition zu ihren kleinen Sonderwegen bei der Vorratsbeschaffung.

Die Nebenwirkungen
Die Resultate aus der Zulassungsstudie kündigt CUREVAC für die Mitte des 2. Quartals 2021 an. Im Moment befindet sich der Impfstoff noch in der letzten Phase der Erprobung. Wie die anderen Vakzine auch, durchläuft CVnCoV ein beschleunigtes Verfahren, bei dem zweiter und dritter Teil der Arznei-Prüfung zusammengelegt sind. Das birgt viele Gefahren, besonders weil es sich bei CVnCoV & Co. um Gentech-Produkte handelt, also um solche, die tief und unrückholbar in organische Prozesse eingreifen und überdies in diesem Bereich noch nie zur Anwendung kamen. Dementsprechend liegen noch keinerlei Erfahrungen zu ihren – möglicherweise auch langfristigeren – Risiken und Nebenwirkungen vor. Und die bisherigen klinischen Prüfungen können da nicht eben als vertrauensbildende Maßnahmen gelten. So musste etwa JOHNSON & JOHNSON im Oktober 2020 seine Studie mit Ad26.COV2.S nach einer „unerklärten Erkrankung“ eines Probanden für vier Wochen unterbrechen.

Besonders die Tests von ASTRAZENECA werfen viele Fragen auf. Eine größere Studie mit nur einer Dosis erbrachte keinen ausreichenden Wirksamkeitsnachweis. Daraufhin führte der Konzern mehrere kleine Untersuchungen mit zwei Dosen durch, variierte aber den Abstand zwischen den Verabreichungen von sechs bis hin zu 23 Wochen. Zudem hat die Firma aus mehreren Untersuchungen ein „Best of“ kompiliert. Ein „heilloses Durcheinander“ nannte das der Pharmazeut Thomas Dingermann. Zwei dieser Erprobungsreihen akzeptierte die EMA dann auch nicht, und im März diesen Jahres meldete die zuständige US-amerikanische Behörde NIAID ebenfalls ernsthafte Zweifel ob der Belastbarkeit der Daten an. In der Praxis hatte das ernsthafte Konsequenzen: Es traten mit Thrombosen lebensgefährliche Nebenwirkungen auf, die in den Studien-Protokollen nicht vermerkt waren und zu einer zeitweiligen Aussetzung der Impfungen führte.

Zum CUREVAC-Präparat liegen bisher nur zur ersten Phase der Klinischen Erprobung Resultate vor. Da testete das Unternehmen die Verträglichkeit der Arznei an 250 ProbantInnen. An Nebenwirkungen registrierten die WissenschaftlerInnen 19 Fälle von Schwindel, 15 Fälle von Herzrasen, Nacken- oder Unterleibsschmerzen, 13 Fälle von Herzklopfen, Halsentzündung, Geschmacksstörungen oder Müdigkeit, sechs Fälle von Parästhesien, also Symptome wie Haut-Kribbeln, Jucken oder Schwellungsgefühle, sowie drei Fälle von Brustschmerzen und Durchblutungsstörungen. Reaktionen, die der Definition nach als schwere Nebenwirkungen einzustufen sind, verzeichneten die ForscherInnen nicht.
Aussagekräftigere Angaben zu den Risiken der mRNA-Impfstoffe erlauben die Daten, die das „Paul Ehrlich Institut“ (PEI) über die beiden bisher zugelassenen Substanzen Comirnaty von BIONTECH/PFIZER und COVID-19-Vaccine Moderna von MODERNA zusammengetragen hat. Im Zusammenhang mit den 5.378.703 Millionen Comirnaty-Impfungen gingen in dem Zeitraum vom 27. Dezember 2020 bis zum 26. Februar diesen Jahres 8.368 Meldungen über Nebenwirkungen ein. Bei den 168.189 MODERNA-Impfungen traten 484 Mal Komplikationen auf. Mit 1,6 bzw. 2,9 Fällen pro 1.000 Impfungen lagen die beiden mRNA-Vakzine damit unter dem Wert des Stoffes von ASTRAZENECA, der auf eine Zahl von 7,6 kommt.

Nebenwirkungen mit Todesfolge zählte das Institut bei Comirnaty 269, wobei es relativiert: „Der zeitliche Zusammenhang zwischen Impfung und dem tödlichen Ereignis variierte zwischen einer Stunde und 34 Tagen nach der Impfung.“ In Verbindung mit dem MODERNA-Vakzin registrierte die Behörde lediglich einen Todesfall. Allergische Schock-Reaktionen, sogenannte Anaphylaxien, wie sie generell bei Impfstoffen gefürchtet sind, verzeichnete das PEI bei den mRNA-Präparaten bisher nicht. Es verwies aber auf Zahlen aus den USA, die bei Comirnaty 4,7 Anaphylaxien pro eine Million Impfdosen ausweisen und bei MODERNA 2,5. Insgesamt führt die Einrichtung bei Comirnaty 1.705 schwerwiegende Nebenwirkungen auf und bei der MODERNA-Substanz 107. Zu den häufigsten unerwünschten Reaktionen zählen bei den beiden Arzneien Kopfschmerzen, Fieber, Gliederschmerzen, grippe-ähnliche Symptome und Schmerzen an der Einstich-Stelle.
Überdies berichtet der Gen-ethische Informationsdienst von Erfahrungen mit mRNA-Vakzinen, die gegen HI- und Zika-Viren zum Einsatz kamen und Ödeme sowie multiple Entzündungsprozesse auslösten. Auch schlugen einige der durch den Impfstoff erzeugten Antikörper aus der Reihe und riefen schwere Lungenentzündungen hervor, indem sie Gedächtniszellen aktivierten, die ihren Ursprung früheren Infektionen verdanken. Zur Entstehung solcher Gedächtniszellen können die mRNA-Substanzen auch selber beitragen.

Ein großes Problem stellt ferner die Anforderung dar, die Stabilität der Stoffe zu gewährleisten. Schon die bei manchen Produkten nötige extreme Kühlung ist ein Indiz für den Aufwand, der dazu getrieben werden muss. Unterlagen der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA, die nach einem Hackerangriff an die Öffentlichkeit gelangten, wirken da nicht eben vertrauenserweckend. So war bei den zum Verkauf bestimmten Chargen des Impfstoffes von BIONTECH nur 55 Prozent der mRNA intakt; die bei den Zulassungsstudien verwendeten Substanzen kamen immerhin auf einen Anteil von etwa 78 Prozent. Das berichtete die Medizin-Journalistin Serena Tinari im British Medical Journal nach Sichtung des Materials. „Große Sorgen“ machte dieser Befund den EMA-BegutachterInnen den Dokumenten zufolge. Die Bedenken verschwanden dann aber relativ schnell wieder, als PFIZER zusicherte, das Qualitätsmanagement zu verbessern. Die neuen Vakzine bestanden dann wieder zu 70 bis 75 Prozent aus unversehrter mRNA, was der Amsterdamer Behörde schließlich für die Zulassung reichte. CUREVAC kennt diese Schwierigkeiten angeblich nicht. Stabilitätstests bezüglich der Temperatur, aber auch der Rüttelfestigkeit hätten sehr gute Ergebnisse gezeigt, bekundete das Unternehmen der FAZ zufolge.

Europe first
Wie die Komplikationen bei der Fertigung von Comirnaty zeigten, funktionierte PFIZER nicht einmal als verlängerte Werkbank reibungslos. Bei anderen Herstellern traten ähnliche Mängel auf. Und damit begann das Gerangel um das kostbare Gut. Die Sonntagsreden mit ihren Beteuerungen, die ärmeren Länder bei der Versorgung mit den Arzneien nicht zu vergessen, gerieten darüber schnell in Vergessenheit. Hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Mai 2020 noch beteuert, Brüssel arbeite daran, dass Vakzine „in jede Ecke der Welt zu einem fairen und erschwinglichen Preis verteilt werden“, so erklärte sie im März 2021: „Jetzt gibt es erstmal einen ziemlichen Druck in den Mitgliedsstaaten, selbst Impfstoff zu bekommen.“ „Impfstoff-Nationalismus“ hieß das Gebot der Stunde, und Export-Verbote standen zur Debatte.

Während sich einige Staaten wie z. B. Kanada bereits das Fünffache des Bedarfs gesichert haben, gingen zahlreiche Nationen leer aus. „Gerade einmal zehn Länder haben 75 Prozent aller COVID-19-Impfstoffe verabreicht. Gleichzeitig haben mehr als 130 Länder noch keine einzige Dosis erhalten“, kritisierte der UN-Generalsekretär António Guterres am 17. Februar in seiner Rede vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen dann auch. Ende März waren es noch 36 Staaten.

Es ist an China, die Armutsregionen mit Vakzinen zu versorgen. Das Reich der Mitte will seine Vakzine rund 150 Staaten zum Selbstkostenpreis liefern. Im Westen indes gibt es zur Zeit kaum frei verfügbare Substanzen. Für den größten Teil dessen, was in diesem Jahr noch die Fabriken von PFIZER & Co. verlässt, existieren bereits Kauf-Verträge. Dementsprechend hat die Impfstoff-Initiative COVAX, von der Weltgesundheitsorganisation, CEPI und der EU ins Leben gerufen, um für eine global gerechte Distribution des Impfstoffes zu sorgen, das Nachsehen. Gerade einmal 200 Millionen Dosen hat sie bislang für die mehr als 90 ärmeren Länder mit einer Gesamtbevölkerungszahl von rund vier Milliarden Menschen erwerben können. Und Schwellenländer fallen ganz durchs COVAX-Raster, obwohl sie wie Kolumbien an ihre Grenzen stoßen, wenn MODERNA etwa 30 Dollar pro Dosis verlangt. Nur ASTRAZENECA vermarktet sein Produkt in Pandemie-Zeiten zum Selbstkosten-Preis und tut über seine Kooperation mit dem Konzern SERUM INSTITUTE OF INDIA auch einiges für die gerechte Verteilung.

CUREVAC hingegen zeigt sich in dieser Beziehung deutlich zurückhaltender. Der Kontrakt, den die Firma mit der Europäischen Union geschlossen hat, erlaubt dieser zwar die Weitergabe von CVnCoV an bedürftige Staaten, aber Brüssel braucht dafür das Ja-Wort aus Tübingen. Auch wenn die EU-Kommission darum vorerst nicht anhalten wird – Ursula von der Leyen hat Spenden erst einmal ausgeschlossen – ist eine solche Zustimmungsklausel nach Einschätzung des FDP-Politikers Andrew Ullmann nicht ohne. Dadurch könne es zu gefährlichen Verzögerungen kommen, warnt er laut Tagesspiegel. Und bei dieser Kritik blieb es nicht. Im Dezember 2020 landete CUREVAC beim Impffairness-Test der Initiative ONE mit einem von fünfzehn möglichen Punkten auf dem letzten Platz. Die Nicht-Beteiligung an COVAX sowie die Weigerung, CVnCoV zu erschwinglichen Preisen anzubieten und sich auf politischer Ebene für Verteilungsgerechtigkeit einzusetzen, führten zu der schlechten Bewertung. Inzwischen hat die Aktien-Gesellschaft jedoch noch einmal punkten können. Zudem gibt es erste Gespräche mit COVAX.

Patente töten
Die Liefer-Probleme treten auf, weil die Herstellungskapazitäten nicht ausreichen. Auch CUREVAC hatte darunter zu leiden. „Es gab einen Riesenansturm auf die Ausrüstung“, klagte der Unternehmensleiter Hans-Werner Haas bei einer Anhörung im Europa-Parlament. Da es unter dem gegenwärtigen Produktions- und Preisregime offensichtlich nicht möglich ist, allen Menschen auf der Welt Zugang zu den Impfstoffen zu verschaffen, fordern die ärmeren Länder ein zeitweises Aussetzen der Patente, um so die Fertigung anzukurbeln. Einen entsprechenden Antrag haben Indien und Südafrika bei der Welthandelsorganisation eingereicht. Der südafrikanische WTO-Bevollmächtigte Mustaqueem De Gama sieht in der temporären Aufhebung der Schutzrechte ein probates Mittel gegen den „Impf-Nationalismus“ der reicheren Staaten. „50 Prozent der bis zum 22. Februar injizierten 200 Millionen Impfdosen verabreichten die USA, Großbritannien und die EU“, so De Gama.

Die Initiative fand breite Unterstützung. Mehr als 100 Staaten stellten sich hinter Südafrika und Indien. Auch der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation, Tedros Adhanom Ghebreyesus, und Winnie Byanyima vom AIDS-Programm der UN begrüßten den Vorstoß. „Wir sollten nicht wiederholen, was bei der AIDS-Krise in der Welt geschehen ist. Wir haben zehn Jahre verloren und Millionen HIV-Positive sind gestorben, weil wir auf Zugeständnisse der Pharma-Industrie gewartet haben“, erklärte sie. Susan Bergner, bei der „Stiftung Wissenschaft und Politik“ für globale Gesundheitsfragen zuständig, spricht sich ebenfalls dafür aus: „Die Länder des globalen Südens müssen dringend Produktionskapazitäten für Impfstoffe aufbauen können. Da würde eine zeitweise Aussetzung der Patentrechte der Pharma-Konzerne helfen.“

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) teilt diese Auffassungen und ging am 23. Januar 2021 für die Freigabe der Patente auf die Straße. Überdies zählt sie mit zu den UnterzeichnerInnen des Aufrufs „Patente töten“, den die BUKO PHARMA-KAMPAGNE gemeinsam mit anderen Organisationen gestartet hat. „Das Patent-System hat die Wissensproduktion im medizinischen Bereich auf Gewinn-Maximierung und Kapitalerträge ausgerichtet und nicht auf die Erforschung und Entwicklung lebensrettender Medikamente und deren gerechte Verteilung“, heißt es darin. Dementsprechend entwickelt die Pharma-Industrie dem Appell zufolge hauptsächlich Arzneien, die viel Profit auf den rentablen Märkten der Wohlstandsländer abwerfen. „Den globalen Gesundheitsbedürfnissen wird sie dabei nicht gerecht. Und das Patent-System sorgt dafür, dass auch jene Medikamente hochpreisig gehalten werden, deren Entwicklung auf öffentlich finanzierter Forschung basiert“, kritisieren die Gruppen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel erhielt in der Sache einen Offenen Brief, der die CDU-Politikerin dazu anhielt, sich für die Aufhebung des Schutzes des geistigen Eigentums an den Corona-Impfstoffen ein-zusetzen: „Angesichts einer globalen Gesundheitslage, in der Forschung und Entwicklung durch große Mengen öffentlicher Gelder finanziert wurden, ist es einfach unverschämt, dass diese wenigen Pharma-Unternehmen von ihren Patent-Monopolen profitieren, während die Welt leidet.“

CUREVAC bekam ebenfalls Post. Die BUKO PHARMA-KAMPAGNE, ONE, OXFAM und andere wandten sich an den Firmen-Leiter Franz-Werner Haas. „Wir sind der Überzeugung, dass diese massive öffentliche Unterstützung auch mit der Verpflichtung einhergeht, Menschen weltweit Zugang zu Covid-19-Impfstoff zu gewähren. Wir bitten Sie daher darzulegen, welche konkreten Maßnahmen Sie hinsichtlich der wichtigen Aspekte Transparenz, Bezahlbarkeit, Lizenzierung, Technologie-Transfer und garantiertem gerechten Zugang ergreifen werden, um dieser Verpflichtung gerecht zu werden“, forderten die Absender ihn in dem Brief auf.

Tatsächlich sprach Haas sich in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung für eine befristete Aufhebung der Patente aus. Praktische Konsequenzen hatte das allerdings bisher nicht. Und den Leverkusener Multi dürfte der Pharma-Manager dafür kaum gewinnen können. Der Konzern lehnt eine solche Sonder-Regelung rigoros ab. „Eine Art Not-Impfstoffwirtschaft bringt überhaupt nichts“, so BAYER-Chef Werner Baumann. Dabei stößt er auf eine breite Unterstützung der Branche. „Es muss dabei bleiben, dass die Unternehmen Eigentümer ihrer Entwicklungen bleiben“, dekretiert Han Steutel, Präsident des von BAYER gegründeten „Verbandes der Forschenden Arzneimittel-Hersteller“ VFA. Auch dessen europäische und internationale Pendants, der EPFIA und der IFPMA, verwehren sich gegen eine solche Maßnahme. Und als die Universität Oxford im April letzten Jahres erklärte, den von ihr entwickelten Corona-Impfstoff jedem Unternehmen zur Verfügung stellen wollen, das ihn produzieren kann, intervenierte die „Bill & Melinda Gates Foundation“ erfolgreich. Schlussendlich schloss die Hochschule mit ASTRAZENECA einen Exklusiv-Vertrag ab.

Die Politik steht dabei hinter den Pillen-Riesen. „Bislang gibt es keine Anzeichen dafür, dass Fragen des geistigen Eigentums ein echtes Hindernis auf den Zugang zu Covid-bezogenen Technologien darstellen“, erklärte die EU-Kommission. Und die Große Koalition hielt in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ fest: „Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, dass der Zugang zu einem zukünftigen Impfstoff gegen COVID-19 ein öffentliches Gut ist, die Zugangsproblematik allerdings nicht auf die Frage der Schutzrechte vereinfacht werden darf, sondern nur ein ganzheitlicher Ansatz erfolgversprechend ist.“ Darum trägt sie den WTO-Antrag Südafrikas und Indiens auch nicht mit und weiß sich darin mit den Staatsoberhäuptern der meisten Industrie-Staaten einig, weshalb die Chancen für eine Aussetzung der Schutzrechte nicht groß sind.

Also mal wieder blendende Zeiten für die Pillen-Konzerne. Sie können ihre Patente behalten und trotzdem Subventionen ohne Ende einstreichen, erhalten obendrein noch Abnahme-Garantien für Medikamente, die ihren Nutzen noch gar nicht erwiesen haben – so viel Planwirtschaft darf sein – und müssen für ihre Arzneien noch nicht einmal haften, wenn mit ihnen etwas schief geht. Und was bieten sie für ihre risiko-lose Profit-Vermehrung? Nichts. „Im Gegenzug sollte die Welt einfach darauf vertrauen, dass sie sich anständig verhalten“, wie die Organisation CORPORATE EUROPE WATCH bemerkt.

[Ticker 02/21] AKTION & KRITIK

CBG Redaktion

CBG beim Klima-Streik
Der BAYER-Konzern stößt Jahr für Jahr Millionen Tonnen Kohlendioxid aus und trägt so zum Klima-Wandel bei. Darum nahm die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) wieder am Klima-Streik teil. Sie beteiligte sich am 19. März 2021 aus gegebenem Anlass dort an den Protesten, wo der Agro-Riese seinen Stammsitz hat: in Leverkusen. Zu einer Mahnwache vor dem Rathaus der Stadt hatte die Ortsgruppe von FRIDAYS FOR FUTURE aufgerufen. Insgesamt gab es an diesem Tag rund 1.000 Aktionen in insgesamt 68 Ländern.

CBG hat Agro-Industrie satt
Jedes Jahr im Januar ist Berlin der Schauplatz der „Wir haben Agro-Industrie satt“-Proteste. Dieses Mal fanden sie in hybrider Form statt. Es gab sowohl eine kleinere Kundgebung vor dem Bundeskanzleramt als auch die „Aktion Fußabdruck“, die eine „Anwesenheit in Abwesenheit“ ermöglichte. Rund 10.000 Menschen stimmten mit ihren Füßen ab gegen Pestizide, Gentechnik, Monokulturen und Tier-Fabriken, um „die Agrar-Wende loszutreten“. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) beteiligte sich mit einem „Glyphosat-Stopp jetzt!“-Fußabdruck daran. Überdies schickte die Coordination eine vor dem Dormagener BAYER-Werk aufgezeichnete Rede zum Thema „Glyphosat“ in die Hauptstadt. Und trotz alledem ließ sie es sich nicht nehmen, am 16. Januar vor Ort präsent zu sein, wenn auch in reduzierter Mannschaftsstärke. Geschäftsführer Marius Stelzmann vertrat sie dort.

Machtlose Vereinsmitglieder
Der jüngste Beschluss der Deutschen Fußball-Liga (DFL) zur Verteilung der Gelder aus der TV-Vermarktung benachteiligt die kleinen Vereine aus der 2. Liga gegenüber den Top-Teams aus der 1. Liga. Der Fußball-Funktionär Andreas Rettig sieht darin ein erneutes Zeichen dafür, wie sehr sich der Fußball kommerzialisiert und von seinen Fans entfremdet hat. Eine wichtige Rolle dabei spielte seiner Meinung nach die ehemalige „Werkself“ BAYER Leverkusen. Der Club war nämlich der erste, der die Rechte seiner Mitglieder beschnitt. „Besonders die 1999 erteilte Ausnahmegenehmigung für BAYER 04 Leverkusen von der sogenannten 50-plus-1-Regel (der Verein behält die Stimmrechtsmehrheit in der Gesellschafter-Versammlung einer neu gegründeten Tochter-Gesellschaft) war eine erste Abkehr vom Vereinsleben“, schreibt er in der Rheinischen Post. „Der Verein gehörte nun nicht mehr den Mitgliedern“, so Rettig.

Petition in Sachen „Patente“
BAYER & Co. melden immer mehr Patente auch auf solche Pflanzen an, die nicht mit Hilfe gentechnischer Methoden, sondern mittels konventioneller Verfahren entstanden sind, obwohl die Gesetze das eigentlich verbieten (siehe PFLANZEN & SAATEN). Dadurch droht die Kontrolle über die gesamte Lebensmittel-Produktion in die Hand der großen Konzerne zu fallen. Das Netzwerk KEINE PATENTE AUF SAATGUT fordert das Europäische Patentamt deshalb in einer Petition dazu auf, keine solchen Schutzrechte mehr zu erteilen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zählt zu den Unterstützern dieser Kampagne.

KAPITAL & ARBEIT

BAYER CROPSCIENCE schrumpft
Ende September 2020 hatte der Leverkusener Multi ein 1,5 Milliarden Euro schweres Spar-Paket angekündigt – noch nicht einmal zwei Jahre nach dem letzten – und dabei auch Verkäufe von Unternehmensteilen nicht ausgeschlossen. „Zudem prüfen wir die Möglichkeit, uns von nicht strategischen Geschäften oder Marken unterhalb der Divisionsebene zu trennen“, verlautete aus der Konzern-Zentrale. Im Februar 2021 wurde aus der Möglichkeit dann Realität: Der Agro-Riese gab bekannt, die Sparte „Environmental Science“ mit den Pestiziden für nicht-landwirtschaftliche Bereiche wie Forstwirtschaft, öffentliche Grünanlagen, Golfplätze und Gleis-Anlagen veräußern zu wollen. Im Rahmen einer Auktion gedenkt er die Einheit zu verscherbeln. Das Mindestgebot steht auch schon fest: Zwei Milliarden Euro. Wie viele Arbeitsplätze innerhalb des Unternehmens durch die Entscheidung verloren gehen, teilte das Management nicht mit.

ERSTE & DRITTE WELT

385 Millionen Pestizid-Vergiftungen
Die letzte Studie über akute Pestizid-Vergiftungen stammt aus dem Jahr 1990. Damals ermittelte die Weltgesundheitsorganisation WHO eine Million Fälle pro Jahr. Im Herbst letzten Jahres erschien nun eine neue Forschungsarbeit, die mit einem noch einmal drastischeren Befund aufwartet. Die Untersuchung „The global distribution of acute unintentional pesticide poisoning“ verzeichnet 385 Millionen Pestizid-Vergiftungen per anno. Am stärksten betroffen sind Entwicklungs- und Schwellenländer. Prozentual die meisten Fälle unter LandwirtInnen und LandarbeiterInnen gibt es in Süd- und Südost-Asien sowie in Ostafrika. Auch südamerikanische Staaten wie Kolumbien, Venezuela und Argentinien kommen auf beunruhigend hohe Raten. Die ForscherInnen führen mehrere Gründe für den steilen Anstieg der Zahlen an. Die WHO hat damals nur die schwereren Krankheitsverläufe registriert und konnte sich zudem nicht auf eine so breite Daten-Basis stützen wie die neue Studie. Vor allem aber nahm die Ackergift-Produktion zu. Um rund 80 Prozent erhöhte sich die Menge der von BAYER & Co. in Umlauf gebrachten Substanzen von 1990 bis 2017. Darunter litten ebenfalls wieder vor allem die Länder des globalen Südens. In Südamerika legte die Pestizid-Nutzung um 484 Prozent zu und in Asien um 97 Prozent, während sie in Europa um drei Prozent schrumpfte. Von einem „Problem, das nach einem sofortigen Handeln verlangt“, sprechen die AutorInnen angesichts der vielen Vergiftungen. Die tödlich verlaufenden Intoxikationen haben dagegen abgenommen. Sie reduzierten sich von jährlich 20.000 im Jahr 1990 auf nunmehr 10.000. Als Grund vermuten die WissenschaftlerInnen das Verschwinden einiger besonders gefährlicher Mittel vom Markt. Dies bedürfe allerdings noch einer genaueren Überprüfung, hielten sie fest.

POLITIK & EINFLUSS

Plausch mit der EU-Kommission
Im Dezember 2019 trafen sich VertreterInnen verschiedener EU-Generaldirektionen mit VertreterInnen des europäischen Pharma-Verbandes EFPIA sowie mit LobbyistInnen von BAYER, PFIZER, BOEHRINGER & Co. Die Mitglieder der Generaldirektionen „Steuern und Zoll“, „Industrie und Handel“ und „Gesundheit“ hielten die Konzern-EmissärInnen dabei nicht nur über laufende politische Projekte wie etwa die Verhandlungen zu der pan-afrikanischen Freihandelszone AfCFTA auf dem Laufenden, sondern warben auch proaktiv um Mitarbeit. So ermunterten die GeneraldirektorInnen die EFPIA, der Kommission doch bitte ihre Prioritäten in Sachen „AfCFTA“ zu übermitteln.

Die EU-Chemikalienstrategie
Mit immer mehr Chemikalien suchen BAYER & Co. die Welt heim. Zwischen 2000 und 2017 steigerten die Konzerne ihre Produktionskapazitäten von 1,2 auf 2,3 Milliarden Tonnen. Und für den Zeitraum bis 2030 sagt die UN noch einmal fast eine Verdoppelung des Verkaufs chemischer Substanzen voraus. Dabei hat der Output der Branche schon jetzt massive Folgen für Mensch, Tier und Umwelt. Die Weltgesundheitsorganisation beziffert die Zahl der von Kunststoffen, Pestiziden und anderen Stoffen verursachten Todesfälle auf 1,6 Millionen jährlich. Aus diesen Gründen entschloss sich die Europäische Union zu handeln. „Wenn wir nichts unternehmen, wird sich die Gesamtzahl der Krebsfälle in der EU bis 2035 voraussichtlich verdoppeln“,mahnte die EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides. Darum brachte Brüssel im Oktober 2020 eine Chemikalien-Strategie auf den Weg. Diese versteht sich als Teil des „Green Deals“ und beabsichtigt, „den Schutz von Mensch und Umwelt vor gefährlichen Chemikalien zu erhöhen“. Im Rahmen dieser Strategie will die Europäische Union beispielsweise Maßnahmen zur Eindämmung von Gefahren ergreifen, die hormon-ähnlich wirkende Erzeugnisse – sogenannte endokrine Disruptoren – hervorrufen, zu denen unter anderem Pestizide wie BAYERs Glyphosat gehören. Bei schwer abbaubaren Stoffen sieht sie ebenfalls Handlungsbedarf. Zudem plant die EU, die Gefährdungen, die von den Kombinationswirkungen der Produkte ausgehen, zu minimieren und alle Waren zu verbieten, die krebserregende, erbgut- oder fortpflanzungsschädigende Substanzen enthalten. BAYER & Co. liefen Sturm gegen das Vorhaben und versuchen nun, Obstruktionspolitik gegen die Umsetzung zu betreiben (s. u.).

VCI will andere Chemie-Strategie
Die Ankündigungen der EU, eine Chemikalien-Strategie auf den Weg zu bringen, ließ bei BAYER & Co. die Alarm-Glocken läuten. Ihre LobbyistInnen in Brüssel arbeiteten rund um die Uhr, um das Schlimmste zu verhindern und konnten auch einige Erfolge verbuchen. So intervenierten die EU-Generaldirektionen „Industrie“ und „Gesundheit“ zugunsten der Konzerne und machten sich für schwächere Bestimmungen stark. Nach der Verabschiedung der Strategie im Oktober 2020 konzentrieren sich die Multis darauf, ihre Vorstellungen bei der konkreten Realisierung der Maßnahmen durchzusetzen. Mitte März 2021 etwa forderte der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI) „mehr Augenmaß für die kommenden Reformen“. „Für die Chemie- und Pharmabranche und ihre Kunden in nachgeschalteten industriellen Wertschöpfungsketten wird die EU-Chemikalienstrategie massive Auswirkungen haben, wenn sie unverändert umgesetzt werden sollte“, warnte die Lobby-Organisation. Wieder einmal stieß sie sich an dem Gefahren-Ansatz der EU, der sich dem Vorsorge-Prinzip verpflichtet fühlt. Nach diesem Ansatz sind einige Stoffe an sich schädlich und nicht bloß ab einer bestimmten Schwelle, weshalb schon kleinste Mengen Krankheiten auslösen können. Im Gegensatz dazu kennt der Risiko-Ansatz keine absoluten Gefahren, sondern nur relative, von der Wirkstärke abhängige und deshalb durch Grenzwerte einhegbare. Darum bevorzugt die Industrie eine solche Regulierungsvariante. Dementsprechend behauptet der VCI in seiner Veröffentlichung, „dass auch Stoffe mit gefährlichen Eigenschaften sicher gehandhabt werden können“ und wendet sich vehement gegen Verbote. Seine Hoffnungen setzt der Verband auf die Gespräche am Runden Tisch, die im Rahmen der Implementierung der neuen Chemie-Politik vorgesehen sind. „Die Einrichtung eines Runden Tisches aller Interessensgruppen begrüßen wir außerordentlich – vorausgesetzt, es kommt zu unvoreingenommenen Diskussionen, so VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup, der im Jahr 2019 von BAYER zum „Verband der Chemischen Industrie“ gewechselt war.

Ein bisschen weniger Glyphosat
Gegen einen Glyphosat-Stopp vor dem Auslaufen der EU-Zulassung Ende 2023 hatte die Große Koalition sich schon im September 2019 ausgesprochen. Sie gab sich mit einer Minderungsstrategie zufrieden. Für diese ließen sich die PolitikerInnen dann zu allem Übel auch noch Zeit bis kurz vor Toresschluss der Legislatur-Periode. Überdies fielen die Regelungen äußerst bescheiden aus. SPD und CDU verabschiedeten diese im Rahmen des Insektenschutz-Gesetzes, welches das Bundeskabinett im Februar 2021 auf den Weg brachte. Für Glyphosat sehen die Bestimmungen ein Verbot nur für Anwendungen im Privatbereich und auf öffentlichen Grünflächen vor, die mengenmäßig kaum ins Gewicht fallen. Für das Ausbringen auf Äckern lassen Merkel & Co. hingegen zahlreiche Ausnahmen zu. So darf das Mittel gegen nicht wenige Wildkräuter nach wie vor zum Einsatz kommen. Auch wenn das Pflügen, die Wahl einer geeigneten Fruchtfolge oder eines geeigneten Aussaat-Zeitpunkts nicht möglich ist, bleibt das von der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestufte Herbizid erlaubt. Und die Länder dürften im Bundesrat noch zusätzliche Aufweichungen durchsetzen. Die anderen Vorgaben zur Handhabung der Ackergifte weisen ebenfalls starke Mängel auf. Sie beschränken sich auf Maßnahmen zur Eindämmung des Insektensterbens in bestimmten Schutzgebieten. Überdies gibt es viele Ausnahme-Tatbestände. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) kritisierte das Paragrafen-Werk deshalb scharf. „Dieser Beschluss reicht nicht aus. Wir fordern einen sofortigen Glyphosat-Stopp, denn das Pestizid stellt eine immense Gesundheitsgefahr dar“, hieß es in ihrer Presseerklärung.

Druck auf Mexiko wg. Glyphosat
Wenn Länder ein Glyphosat-Verbot ankündigen, nutzt der BAYER-Konzern sofort seine politischen Kanäle, um solche Pläne zu verhindern. Das bekam nicht nur Thailand (Ticker 4/20), sondern auch Mexiko zu spüren, wie Recherchen des US-amerikanischen CENTER FOR BIOLOGICAL DIVERSITY (CBD) ergaben. So setzte die BAYER-Lobbyistin Stephanie Murphy in Washington alle Hebel in Bewegung, um die Verantwortlichen von der Notwendigkeit eines „politischen Engagements auf hoher Ebene“ zu überzeugen. Murphy, einst selbst in der US-Administration beschäftigt – sie arbeitete unter dem US-Handelsbeauftragten als „Director for Agricultural Affairs“ – kontaktierte dabei unter anderem Leslie Yang, die Direktorin für internationale Handels- und Umweltpolitik. Dieser schlug sie unter anderem vor, im Rahmen der Verhandlungen über das USMCA – den Nachfolger des Handelsabkommens NAFTA – Druck auf Mexiko auszuüben. Und die PolitikerInnen taten wie geheißen. Trumps Handelsbeauftragter Robert Lighthizer etwa warnte die damalige Wirtschaftsministerin des lateinamerikanischen Landes, Graciela Márquez Colín, vor der Gefährdung der „Stärke unserer bilateralen Beziehungen“ durch den Glyphosat-Bann und andere neue Agrar-Gesetze. Glücklicherweise blieb Mexiko im Gegensatz zu Thailand schlussendlich bei seiner Position. „Wenn man sich den Email-Austausch zwischen der US-Regierung und BAYER anschaut, sieht man, dass die US-Regierung mehr oder weniger alles tut, worum sie von BAYER gebeten wird. Das ist extrem beunruhigend“, resümiert Nathan Donley vom CBD. Der Leverkusener Multi ist sich hingegen keiner Schuld bewusst. „Wie viele Unternehmen und Organisationen, die in stark regulierten Bereichen tätig sind, stellen auch wir Informationen zur Verfügung und tragen zu wissenschaftlich fundierten Entscheidungsfindungen und regulatorischen Prozessen bei“, verlautete aus der Unternehmenszentrale.

BAYER-Gelder für Kapitol-Sturm
Der Leverkusener Multi und die TELEKOM-Gesellschaft T-MOBILE USA haben den Sturm auf das Washingtoner Kapitol, der am 6. Januar 2021 stattfand, durch Spenden an den „Verband der republikanischen Generalstaatsanwälte“ (RAGA) mitfinanziert, wie Recherchen der taz ergaben. 50.000 Dollar zahlte die BAYER-Tochter MONSANTO dem RAGA, dessen Unterorganisation „Rule of Law Defense Fund“ massiv zu Aktionen an dem Tag mobilisierte, im letzten Jahr. „Um 13 Uhr werden wir zum Kapitol ziehen (...) Wir hoffen, dass Patrioten wie Sie gemeinsam mit uns weiter kämpfen werden, um die Integrität unserer Wahlen zu schützen“, so lautete der Text ihrer Telefon-Kampagne. Schon im Wahlkampf hatte das „Political Action Comitee“ (PAC) des Leverkusener Multis mehrheitlich republikanische KandidatInnen gesponsert. Rund 186.000 Dollar ließ ihnen das „BAYERPAC“ zukommen. 24 der vom Konzern unterstützten PolitikerInnen der republikanischen Partei gehörten dann zu denjenigen 147 Abgeordneten, die am Tag der Belagerung des Parlamentsgebäudes durch den von Donald Trump aufgehetzten rechten Mob gegen die Anerkennung des Wahl-Sieges von Joe Biden votierten. „Nicht genug damit, dass BAYER seit Dekaden Unsummen in die Pflege der politischen Landschaft der USA investiert. Jetzt tragen die Schecks des Agro-Riesen auch noch mit dazu bei, Trumps Angriff auf demokratische Institutionen zu alimentieren, der bereits fünf Menschenleben gekostet hat. Partei-Spenden von Unternehmen müssen endlich verboten werden“, hieß es in der Presseerklärung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN dazu. Gegenüber der taz erklärte der Agro-Riese, nicht nur den „Verband der republikanischen Generalstaatsanwälte“, sondern auch sein demokratisches Pendant mit Geldern zu bedenken. Er wolle jetzt zunächst einmal die RAGA-interne Untersuchung zu den Vorgängen abwarten, um dann über eine weitere Förderung zu entscheiden. Und Spenden an diejenigen RepublikanerInnen, „die gegen die Zertifizierung der US-Präsidentschaftswahl gestimmt haben“, setze BAYER vorerst aus, verlautete aus der Unternehmenszentrale. Katja Kipping von der Partei „Die Linke“ kritisierte die Sponsoring-Praktiken: „Die Spenden von BAYER und TELEKOM an Trump-Unterstützer zeigen vor allem eins: Spenden aus der Wirtschaft haben keinen moralischen, sondern einen profit-orientierten Kompass. Sie dienen der Beeinflussung politischer Entscheidungen im Unternehmensinteresse. Dieses Erkaufen von Wohlwollen widerspricht grundsätzlich dem demokratischen Gedanken und ist abzulehnen.“ Auch der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, verurteilte das Vorgehen der beiden Konzerne. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU), der Bundesvorstand der SPD und die Co-Vorsitzende der Grünen, Annalena Baerbock, wollten sich gegenüber der taz hingegen nicht zu dem Fall äußern.

Agrar-Subventionen für Bauer BAYER
Die EU bedenkt den Leverkusener Multi für seinen Grundbesitz und seine Pestizidsversuchsfelder seit geraumer Zeit mit Agrar-Subventionen. Im Jahr 2019 strich der Konzern stolze 144.585,27 Euro aus Brüssel ein.

Neue Spenden-Kriterien
Der BAYER-Konzern sponsert PolitikerInnen nur in den USA direkt, weil dort angeblich „Spenden an Kandidaten und Politiker Teil der politischen Kultur sind“. Wie die taz herausfand, erhalten sogar veritable Klima-LeugnerInnen wie die Republikaner Blaine Luetkemeyer, Kevin McCarthy und Joni Ernst Schecks vom Leverkusener Multi. Nach dieser image-schädigenden Enthüllung sah der Global Player Handlungsbedarf und formulierte neue Richtlinien, die nun „auch gesellschaftliche Herausforderungen reflektieren“. Bei den jetzigen Vergabe-Kriterien „spielen zum Beispiel die Haltung zum Klimawandel und der Schutz der Biodiversität eine wichtige Rolle“, wie es im Nachhaltigkeitsbericht heißt.

16 Millionen für Verbindungsbüros
In den Hauptstädten der Welt pflegt der BAYER-Konzern die jeweiligen politischen Landschaften von sogenannten Verbindungsbüros aus. 16 Millionen Euro investierte er 2020 in diese. Am meisten Geld verschlang mit 8,5 Millionen Euro die Operationsbasis in Washington, es folgten Brüssel mit 2,4 Millionen, Berlin mit zwei Millionen, Peking mit 1,6 Millionen, Brasilia mit einer Million und Moskau mit 300.000 Euro.

Lückenhaftes Lobbyregister
Im März 2020 hat die Bundesregierung die Einführung eines Lobbyregisters beschlossen. Die Transparenz-Regelungen lassen allerdings zu wünschen übrig. So fehlt etwa ein „legislativer Fußabdruck“. Die BAYER-LobbyistInnen vom Berliner Verbindungsbüro des Konzerns müssen deshalb nicht offenlegen, ob sie den PolitikerInnen beim Schreiben von Gesetzen unter die Arme gegriffen haben. Was die Einfluss-ArbeiterInnen in den Fachreferaten so treiben, wo die meisten Paragrafen-Werke entstehen, erfährt die Öffentlichkeit nämlich auch weiterhin nicht. Zudem können die Konzern-EmissärInnen Angaben zu ihrem finanziellen Aufwand verweigern. Informationen zu den konkreten Zielen ihres Antichambrierens brauchen sie ebenfalls nicht zu geben. Überdies verlangt die Große Koalition von ihnen nicht, alle ihre Treffen in das Register einzutragen. „Die Lobby-Netzwerke, die zentralen Elemente der Einflussnahme, bleiben so verborgen“, kritisierten die Wissenschaftler Ulrich Battis und Andreas Polk deshalb in der FAZ.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYERS Glyphosat-TV
Der BAYER-Konzern wollte nicht auf sich sitzen lassen, was das TV-Magazin W wie Wissen in einer Sendung so alles an Kritik zu Glyphosat zusammengetragen hatte, und betrieb Gegen-Aufklärung. Er produzierte ein „Faktencheck“-Video und lud es auf seinen You Tube-Kanal hoch. Sogar einen echten Landwirt bot der Leverkusener Multi auf, um die Glaubwürdigkeit zu erhöhen. Aus dessen Munde waren dann aber auch wieder nur die alten Gassenhauer wie „Die Dosis macht das Gift“ zu hören, die der Global Player schon oft zur Aufführung gebracht hatte. Zum Thema „Artensterben“ beließ BAYER es bei einem Achselzucken. So ein Acker ist halt kein Pony-Hof, befand das Unternehmen bzw.: „Eine Fläche, die zur Erzeugung von Lebensmitteln genutzt wird, kann nicht zugleich als Biotop dienen.“ Glyphosat-Verwehungen? Die kommen nicht vor und überhaupt: „Die Wissenschaft ist sich einig, dass Glyphosat bei sachgerechter Anwendung eines der sichersten Pflanzenschutzmittel ist, die es weltweit gibt.“ Noch Fragen?

Konzern-Vehikel swiss-food
BAYER und SYNGENTA betreiben in der Schweiz gemeinsam die Website swiss-food, die sich der Propaganda in Sachen „Glyphosat & Co.“ verschrieben hat bzw. „einen Beitrag zur Versachlichung der Diskussion rund um die Produktion unserer Nahrungsmittel und um Pestizide leisten“ will. Zu diesem Behufe arbeitet sich die Gegenaufklärung gleich an zwölf Mythen parallel ab. „Natürlich ist gesund – Chemie ist Gift“, „Pestizide sind schuld am Insektensterben“, „Dem Schweizer Wasser geht es schlecht“ – gegen das alles und noch viel mehr zieht swiss-food zu Felde.

TIERE & VERSUCHE

95.010 Tierversuche
Der BAYER-Konzern selbst oder von ihm beauftragte Unternehmen führten im Jahr 2020 95.010 Tierversuche durch und damit 22.985 weniger als 2019. 83,8 Prozent der „Test-Objekte“ waren Ratten und Mäuse, 3,3 Prozent Vögel, 1,6 Prozent Fische und 1,5 Prozent Frösche.

DRUGS & PILLS

Kein Zusatznutzen für VITRAKVI
BAYERs Arznei VITRAKVI kommt bei Krebs-Arten zum Einsatz, die durch ein Zusammenwachsen bestimmter Gene entstehen. Solche Tumor-Bildungen treten sehr selten auf. Darum reklamierte der Leverkusener Multi für das Mittel mit dem Wirkstoff Larotrectinib erfolgreich einen „Orphan Drug“-Status und erreichte eine Zulassung, obwohl nur 102 Personen an der Klinischen Prüfung teilgenommen hatten. Das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWiG) zeigte sich von dem Medikament indes nicht überzeugt. Es vermochte keinen Zusatznutzen auszumachen. Die – noch laufenden – Studien könnten einen solchen Nachweis theoretisch erbringen. Diese vergleichen das Mittel jedoch nicht mit anderen, wie das IQWiG kritisierte. Der Pharma-Riese versucht das zu kompensieren, indem er Effekte von VITRAKVI auf das Gesamtüberleben der PatientInnen und die Tumor-Progression beschrieb, die er als „dramatisch“ bezeichnet. Dies ließ das Institut jedoch nicht gelten. Es stellte selbst Vergleichsstudien an und resümierte: „Im Endpunkt Gesamtüberleben sind die bisher beobachteten Unterschiede zwischen Larotrectinib und anderen Therapien bei keiner der Krebs-Erkrankungen so groß, dass sie nicht auch auf systematischer Verzerrung beruhen könnten.“ Zudem übte das IQWiG Kritik an BAYERs Auswertung der Untersuchungsdaten. „Ergebnisse wurden selektiv dargestellt“, befand das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“.

Beschleunigtes Finerenone-Verfahren
Die BAYER-Arznei Finerenone hemmt die übermäßige Ausschüttung von Mineralocorticoid-Hormonen, die zu Nieren- und Herz/Kreislauf-Problemen führen kann. In der Klinischen Prüfung sank dem Konzern zufolge das Risiko eines Nierenversagens bei PatientInnen, die Finerenone erhielten, um 18 Prozent im Vergleich zu denjenigen, die ein Placebo bekamen. Das Risiko für Herzinfarkte und andere kardiovaskuläre Ereignisse reduzierte sich um 14 Prozent. Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA sicherte dem Leverkusener Multi deshalb ein beschleunigtes Zulassungsverfahren für das Medikament zu.

Beobachtungsstudien: Keine Bedenken
Erkenntnisse werfen die sogenannten Anwendungsbeobachtungen (AWB), die MedizinerInnen mit ihren PatientInnen zur Wirkung bestimmter Arzneien durchführen, kaum ab. Das ist auch gar nicht Sinn der Übung. Die Prozeduren – wie sie der BAYER-Konzern etwa jüngst zu seinen Blutprodukten KOVALTRY und JIVI in Auftrag gegeben hat – verfolgen nur den Zweck, die Kranken auf die getesteten Präparate umzustellen. Und dafür zahlen die Pharma-Riesen den ÄrztInnen viel Geld. „Fangprämien“ nannte ein ehemaliger Vorsitzender der „Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein“ diese Zuwendungen einst. Die Bundesregierung aber sieht das ganz anders – mit den Augen der Pillen-Produzenten nämlich – und will die Praxis deshalb auch nicht unterbinden. „Die AWB sind dazu bestimmt, Erkenntnisse bei der routinemäßigen Anwendung zugelassener oder registrierter Arzneimittel durch Ärztinnen und Ärzte bei Patientinnen und Patienten zu sammeln. Mit ihrer Hilfe können Erkenntnisse über zugelassene oder registrierte Arzneimittel gewonnen werden“, hieß es in der Antwort von Merkel & Co. auf eine Kleine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen.

Schnellere Zulassungen in China
Im Rahmen des „Healthy China 2030“-Programms will die Pekinger Regierung die Entwicklung innovativer Medikamente fördern und schuf dafür auch Anreize. So verkürzt sich für neue Arzneien das Zulassungsprozedere. Auch Pharmazeutika zur Behandlung seltener Krankheiten erhalten Sonderkonditionen.

Preis-Druck in China
Die chinesische Regierung überprüft alljährlich die Arznei-Ausgaben und stellt im Zuge dessen auch die Liste mit denjenigen Medikamenten neu zusammen, für welche die staatliche Krankenkasse die Kosten übernimmt. Dabei führt sie harte Verhandlungen mit den Pillen-Riesen. Von einer „Rabatt-Schlacht“ spricht die Neue Zürcher Zeitung und der BAYER-Lobbyist Matthias Berninger etwas gefasster von „Preisdruck auf die Pharma-Industrie“.

AGRO & CHEMIE

Glyphosat schädigt das Herz
Nach einer Studie von WissenschaftlerInnen der „Icahn School of Medicine“ und des „Ramazzini Instituts“ kann Glyphosat das Herz schädigen. Den ForscherInnen zufolge löste das Herbizid im Organismus von Ratten eine gesteigerte Produktion der Aminosäure Homocystein aus, die als Risiko-Faktor für Herz/Kreislauf-Erkrankungen gilt. Die Veröffentlichungen zu den Gesundheitsstörungen, die das Herbizid hervorruft, füllen inzwischen Bibliotheken. Eigentlich müsste es – schon um Tierversuche zu vermeiden, welche die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN ablehnt – gar keine neuen Untersuchungen (s. u.) mehr geben.

Glyphosat schädigt den Darm
Das Pestizid Glyphosat schädigt die Mikroorganismen-Kulturen im Darm. Das fand ein internationales WissenschaftlerInnen-Team um Dr. Michael Antoniou vom Londoner „King’s College“ heraus und bestätigte damit frühere Studien (siehe Ticker 1/21). Nach Einschätzung Antonious ist das ein alarmierender Befund. „Wir wissen, dass unser Darm von tausenden verschiedenen Bakterien-Stämmen bewohnt wird und ein Gleichgewicht in ihrer Zusammensetzung (...) entscheidend für unsere Gesundheit ist. Also hat alles, was das Darm-Mikrobiom stört (...), das Potenzial, sich negativ auf unsere Gesundheit auszuwirken“, so der Forscher.

Glyphosat schädigt Bienen
Nach einer Untersuchung chinesischer WissenschaftlerInnen greift Glyphosat die Gesundheit von Bienen an. Wie das Team von der „Chinesischen Akademie für Agrar-Wissenschaften“ herausfand, beeinträchtigt das Herbizid die Gedächtnis-Leistung der Insekten. Auch leiden deren körperliche Fähigkeiten. Daher traten die ForscherInnen dafür ein, ein Frühwarnsystem einzurichten, das die ImkerInnen rechtzeitig vor dem Versprühen des Mittels informiert, damit diese ihre Bienenstöcke schützen können.

Glyphosat: Ungeprüft zugelassen
Ende 2017 verlängerte die EU die Glyphosat-Zulassung um fünf Jahre. Den Ausschlag dafür gab die Stimme des damaligen deutschen Landwirtschaftsministers Christian Schmidt (CSU). Nach dieser Entscheidung stellten BAYER und die anderen Hersteller 30 Anträge auf neue Genehmigungen, da die alten nur bis zum 15. Dezember 2020 Gültigkeit besaßen. Die Behörden der einzelnen EU-Länder schafften es jedoch nur, vierzehn von ihnen rechtzeitig vor dem Verfall der Vermarktungslizenz zu bearbeiten. Damit war das Schicksal der anderen Glyphosat-Erzeugnisse aber keinesfalls besiegelt. „In diesen Fällen müssen die bestehenden Zulassungen gemäß Artikel 43 Abs. 6 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 formal um ein weiteres Jahr bis zum 15. Dezember 2021 verlängert werden“, teilte das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel-Sicherheit“ mit.

Weniger Glyphosat auf den Schienen
Die DEUTSCHE BAHN zählt zu den Großverbrauchern von Glyphosat. Nach Angaben des Unternehmens gehen rund 0,4 Prozent der jährlich in Deutschland insgesamt ausgebrachten Mengen auf die Gleisanlagen nieder. 2019 verkündete die Bahn allerdings einen Ausstiegsplan. Der Konzern erklärte, bis 2023 ganz auf das Mittel verzichten zu wollen. Und wirklich macht er Fortschritte. 2020 sank der Verbrauch im Vergleich zu 2018, wo er bei 57 Tonnen lag, schon um rund die Hälfte. Unter anderem ersetzt das Mähen den Einsatz der Chemikalie.

Glyphosat in Spaghetti
Die Zeitschrift Ökotest wies bei einer Untersuchung Glyphosat-Rückstände in Spaghetti nach. In 12 von 20 Sorten fanden sich Spuren des Herbizids.

„Glyphosate-residue-free“
In den USA findet das Lebensmittel-Label „ohne Glyphosat-Rückstände“, das die Organisation „Detox Project“ schuf, eine immer stärkere Verbreitung. Die Zahl der Produkte, die dieses Siegel tragen, beläuft sich mittlerweile auf 70, und deren Absatz nahm 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 60 Prozent zu.

PFLANZEN & SAATEN

Patente auf konventionelle Pflanzen
„Pflanzensorten oder Tierrassen sowie im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren“ schließt das „Europäische Patent-Abkommen“ von der Patentierbarkeit aus. Trotzdem reklamieren die Konzerne immer wieder Schutzrechte für Gewächse, die mittels althergebrachter Methoden entstanden. Fünf solcher Anträge stellte der Leverkusener Multi allein im Jahr 2020. Das förderte eine Untersuchung des Netzwerkes KEINE PATENTE AUF SAATGUT zutage. „Es gibt bereits zahlreiche Beispiele, die zeigen, wie rechtliche Schlupflöcher dazu benutzt wurden, um Patente auf Gerste und Bier, auf Melonen oder auch auf Salat aus konventioneller Züchtung zu erteilen“, konstatiert die Organisation. Sie wirft den Unternehmen vor, zufällige genetische Veränderungen als patentierbare Erfindungen auszugeben und die Grenze zwischen konventionellen und gentechnischen Verfahren systematisch zu verwischen. Die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO tat das etwa bei einer Paprika-Sorte, die bestimmten Krankheiten trotzt – ein Ergebnis von Kreuzung und Selektion, basierend auf der Analyse von DNA-Sequenzen. Die Initiative warnt vor den Konsequenzen dieser Entwicklung: „Im Ergebnis erlangen eine Handvoll internationaler Konzerne immer mehr Kontrolle über die Produktion unserer Lebensmittel.“ Darum fordert KEIN PATENTE AUF SAATGUT die Politik auf, das Treiben von BAYER & Co. zu unterbinden. „Die Bundesregierung hat nur noch wenige Monate Zeit, um hier im Sinne des Koalitionsvertrages für mehr rechtliche Klarheit zu sorgen“, erklärte das Netzwerk-Mitglied Georg Janßen von der ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT bei der Übergabe der Patent-Studie an Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) am 11. März 2021 in Berlin.

EPA widerruft Melonen-Patent
Im Jahr 2011 erteilte das Europäische Patentamt (EPA) der jetzigen BAYER-Tochter MONSANTO ein Patent auf eine Melone, obwohl bei der Züchtung keine gentechnischen Methoden zum Einsatz kamen. Die „neue“ Eigenschaft, eine Resistenz gegen bestimmte Krankheitserreger, war eine alte: indische Sorten verfügten über sie. Das Unternehmen hatte sie nur mittels Selektion und Kreuzungen marktreif gemacht. Darum erhob damals ein breites Bündnis aus solchen Initiativen wie KEIN PATENT AUF LEBEN und GREENPEACE und Aktivistinnen wie Vandana Shiva Einspruch gegen die Entscheidung. Die EPA gab diesem statt, aber MONSANTO ging dagegen vor. Im März 2021 bestätigte nun aber die Beschwerdekammer des Patentamtes den Widerruf des Patents endgültig. Allerdings macht es für den Entzug der Schutzrechte nur formale Gründe geltend. Das US-Unternehmen hätte „das relevante biologische Material“ bei der Antragstellung der Öffentlichkeit zugänglich machen oder eine Probe bei einer anerkannten Institution hinterlegen müssen, so die JuristInnen. Darum fällte die EPA kein Grundsatz-Urteil. Entsprechend skeptisch bleiben die Patent-GegnerInnen. „Das Patent basiert auf konventioneller Züchtung und beansprucht Pflanzen-Sorten. Beides darf laut europäischer Patent-Gesetze nicht patentiert werden. Die Erteilung des Patents war ein klarer Rechtsbruch, doch das spielte bei der Entscheidung des EPA keine Rolle“, kritisiert Ruth Tippe vom Netzwerk KEINE PATENTE AUF SAATGUT.

Kooperation mit ABACUSBIO
Der BAYER-Konzern hat mit dem Unternehmen ABUCUSBIO eine Kooperation auf dem Gebiet der Pflanzenzucht vereinbart. Die neuseeländische Firma will mit den von ihr zusammengetragenden Daten nicht nur „zur genetischen Verbesserung“ der Produkte des Leverkusener Multis beitragen, sondern auch deren „wirtschaftliches Potenzial beeinflussen“.

GENE & KLONE

Neue Import-Zulassung
Die EU-Kommission hat im Januar 2021 acht Import-Genehmigungen für Genpflanzen erteilt. Sechs davon galten BAYER-Produkten. Drei Mais-Sorten und ein Soja-Konstrukt des Leverkusener Multis erhielten erstmals Zulassungen. Die Mais-Arten MON 88017 und MON 89034 durften in die Verlängerung gehen. Die Initiative TESTBIOTECH kritisierte die Entscheidungen scharf. Nach Ansicht des „Instituts für unabhängige Folgenabschätzung in der Biotechnologie“ nahm es die EU nämlich mit der Begutachtung nicht allzu genau. Als Beispiel nannte es das Verfahren zum Mais MON 87427 x MON 87460 x MON 89034 x MIR 162 x NK 603. Diese Laborfrucht kann laut Konzern dank der Gentechnik auch Trockenheitsperioden gut überstehen, was TESTBIOTEST zufolge aber erst noch zu beweisen wäre. „Wie eine detaillierte Prüfung der Antragsunterlagen zeigt, wurde der Mais nie unter den entsprechenden Bedingungen getestet. In den Freisetzungsversuchen wurden die Felder stattdessen bei Bedarf bewässert. Zudem wurden beim Anbau der Pflanzen nur rund 900 Gramm Glyphosat pro Hektar eingesetzt und nicht über drei Kilogramm, wie es in der Praxis die Regel ist“, konstatiert die Organisation.

EU-Parlament sagt „Nein“
Im Dezember 2020 weigerte sich das EU-Parlament mit großer Mehrheit, Einfuhr-Genehmigungen für fünf Genpflanzen zu erteilen. Vier Anträge hatte BAYER eingereicht, einer stammte von SYNGENTA. Bei den Laborfrüchten des Leverkusener Multis handelte es sich um eine Soja-Art und drei Mais-Sorten, die mit bis zu vier Giften des Boden-Bakteriums „Bacillus thuringiensis“ bestückt sind, um Schadinsekten abzuwehren. Und diese haben es in sich. Die Bt-Toxine interagieren nämlich mit den Enzymen der Gewächse, in welche die GenwerkerInnen sie eingebaut haben, und potenzieren so ihre Giftigkeit. Bis zu 20 Mal höher als im natürlichen Zustand kann diese sein. Das belegen alte Dokumente des jetzt zu BAYER gehörenden Unternehmens MONSANTO, welche die Initiative TESTBIOTECH aufgespürt hat (siehe Ticker 1/21).

WASSER, BODEN & LUFT

3,58 Millionen Tonnen CO2
Im Geschäftsjahr 2020 stieß der BAYER-Konzern 3,58 Millionen Tonnen Kohlendioxid aus. Gegenüber 2019 sank der Wert um 180.000 Tonnen, was jedoch mitnichten auf erste Erfolge einer etwaigen Minderungsstrategie verweist. „Dieser Rückgang ist überwiegend auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen“, hält das Unternehmen in seinem Nachhaltigkeitsbericht fest. Für den größten Teil der Emissionen sorgt nach wie vor die Agrar-Sparte. Dabei ist Glyphosat der größte Klima-Killer, denn die Gewinnung seines Vorproduktes Phosphor aus Phosphorit am US-Standort Soda Springs frisst enorm viel Energie. So deutlich drückt der Agro-Riese das allerdings nicht aus. Im neuen Nachhaltigkeitsbericht heißt es lediglich verklausuliert: „Besonders energieintensiv ist unsere Rohstoffgewinnung einschließlich Aufbereitung und Weiterverarbeitung für die Herstellung von Pflanzenschutzmittel-Vorprodukten von Crop Science – daher entfällt der größte Anteil unserer Treibhausgas-Emissionen auf diese Division.“

Schlechter Energie-Mix
17.836 Terrajoule Strom erzeugte der BAYER-Konzern im Geschäftsjahr 2020 selbst. Dabei setzt er zum überwiegenden Teil auf fossile Energieträger. Von den im Geschäftsjahr 2020 produzierten 17.836 Terrajoule entfielen 10.911 Terrajoule auf Erdgas und 566 Terrajoule auf Kohle, wobei der Kohle-Anteil gegenüber 2019 immerhin von 13,5 Prozent auf rund drei Prozent sank. Von den 18.022 Terrajoule zugekauften Stroms entstammten nur sechs Prozent aus erneuerbaren Energie-Quellen. Den Rest des Bedarfs deckten Gas, Kohle oder Kernkraft. Der Leverkusener Multi gelobt aber Besserung. „U. a. in den USA, in Mexiko und Spanien haben wir im Berichtsjahr Lieferverträge für Strom aus erneuerbaren Energien abgeschlossen“, heißt es im Nachhaltigkeitsbericht. Bis 2030 will der Global Player hier auf eine Quote von 100 Prozent kommen.

Ein bisschen Emissionshandel
„Ein wirtschaftliches Instrument, mit dem man Umweltziele erreichen will“ – so beschrieb die FAZ einmal den 2005 EU-weit eingeführten Handel mit Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten. Nach dessen Bestimmungen dürfen die Multis nur bis zu einer bestimmten Obergrenze Kohlendioxid ausstoßen, für darüber hinausgehende Kontingente müssen sie Verschmutzungsrechte hinzukaufen. Das sollte sie dazu animieren, sauberere Modelle der Energie-Versorgung zu etablieren. Die Lenkungswirkung hält sich dank des Extrem-Lobbyismus von BAYER & Co. aber arg in Grenzen. So bekamen die Konzerne jahrelang viel zu viele Zertifikate umsonst zugeteilt. Überdies fallen nur Kraft- und Heizwerke unter die Regelung, Fertigungsstätten bleiben indessen verschont. Darum braucht der Leverkusener Agro-Riese kaum Emssionshandel zu betreiben. Mit lediglich fünf Anlagen, die für noch nicht einmal zehn Prozent seines jährlichen CO2-Ausstoßes von 3, 58 Millionen Tonnen sorgen, war er im Geschäftsjahr 2020 dabei.

CO2-Kompensation statt -Reduktion
Eigentlich gibt es nur einen Weg, den Klimawandel einzudämmen: die Reduktion des Stromverbrauchs und den Umstieg auf erneuerbare Energie-Träger. BAYER & Co. ist aber noch etwas anderes eingefallen. Sie wollen ihre CO2-Emissionen nicht nur reduzieren, sondern auch kompensieren, also das, was ihre Produktionsanlagen so absondern, an anderer Stelle wieder ausgleichen, sprich: neutralisieren. Der Leverkusener Multi hat sich vorgenommen, diese Klimaneutralität bis zum Jahr 2030 zu erreichen, und zwar nur zu 42 Prozent durch eine Senkung des Ausstoßes klimaschädlicher Gase. Den Rest sollen andere Maßnahmen erbringen wie z. B. Investitionen in Projekte zur Wiederaufforstung. Um 200.000 Tonnen CO2 hat der Global Player seine Klima-Bilanz auf diese Weise im Geschäftsjahr 2020 schon aufhübschen können. Bis der Effekt sich allerdings auch anderswo als nur auf dem Papier einstellt und die Bäumchen, die BAYER pflanzt, sich wirklich positiv auf das Klima auswirken, dürften jedoch noch so einige Jahrzehnte ins Land ziehen. Und Menschen, die in der Nähe der Dreckschleudern leben müssen und dadurch ihre Gesundheit ruinieren, nützen Wälder in Uruguay, Brasilien oder China herzlich wenig. Zu allem Übel plant der Agro-Riese auch noch, sein berühmt-berüchtigtes Glyphosat mit in die Rechnung einzubeziehen. Er verkauft das von der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestufte Herbizid nämlich als klimaschonend, weil es den LandwirtInnen das – angeblich Kohlendioxid freisetzende – Pflügen erspart.

Weniger ODS und VOC
Im Geschäftsjahr 2020 haben die BAYER-Werke weniger ozon-abbauende Stoffe (ODS) und flüchtige organische Substanzen (VOC) ausgestoßen als 2019. Der Wert für die ODS sank von 12,3 auf 4,3 Tonnen und derjenige für die VOC von 1.410 auf 690 Tonnen. Bisher sorgten immer die Uralt-Dreckschleudern des Konzerns im indischen Vapi für den Großteil des Ausstoßes. Der Leverkusener Multi doktert zwar schon seit über 15 Jahren an den Anlagen herum, aber neuerliche Sanierungsmaßnahmen scheinen jetzt endlich zu greifen. „Maßgeblich für die Reduktion beider Kennzahlen ist der Anschluss der Lagertanks für Lösemittel an die Abluft-Reinigungsanlage am Standort Vapi, Indien“, heißt es im Nachhaltigkeitsbericht des Konzerns.

Weniger Emissionen in die Luft
Nach BAYER-Angaben führte die COVID-19-Pandemie an einigen Standorten zur Drosselung der Produktion. Infolgedessen reduzierten sich auch die Schadstoff-Mengen, die der Konzern in die Luft emittierte. Der Ausstoß von Kohlenmonoxid ging 2020 gegenüber dem Vorjahr von 2.070 Tonnen auf 1.160 Tonnen zurück und derjenige von Stickoxiden von 4.250 auf 4.160 Tonnen. Auch die Schwefeloxid-Mengen verringerten sich. Sie sanken von 2.430 auf 1.320 Tonnen. Nur mehr Feinstaub fiel im Geschäftsjahr 2020 trotz Corona an. Von 1.960 auf 2.290 Tonnen stieg der Wert.

Enormer Wasser-Verbrauch
Obwohl die Industrie-Produktion in Folge der Corona-Pandemie sank und auch die Fertigungsstätten des BAYER-Konzerns weniger ausgelastet waren, ging sein Wasser-Einsatz im Geschäftsjahr 2020 kaum zurück. Er belief sich auf 57 Millionen Kubikmeter (2019: 59 Millionen Kubikmeter). Zu allem Übel erstreckt sich der enorme Durst des Agro-Riesen auch auf Gebiete, die unter Wasser-Knappheit leiden. Drei Millionen Kubikmeter verbrauchte er in diesen Regionen.

25 Millionen Liter Abwässer
Analog zum etwas gesunkenen Wasser-Bedarf gingen auch BAYERs Abwasser-Einleitungen im Geschäftsjahr 2020 etwas zurück. Sie reduzierten sich von 26 auf 25 Millionen Kubikmeter.

Mehr Schadstoff-Einleitungen
Wegen der Corona-Pandemie liefen viele Produktionsstätten BAYERs nicht auf Hochtouren. Trotzdem gingen die Schadstoff-Einleitungen in die Gewässer 2020 nicht generell zurück, was dem Konzern zufolge spezielle Gründe hatte. Die von 420 auf 480 Tonnen gestiegenen Werte für Stickstoff erklärt er mit einem Störfall auf dem Gelände des Werkes in Kansas City und die größere Menge an organisch gebundenem Kohlenstoff, die in den Flüssen landete, führt er auf die Einführung einer verbesserten Abwasser-Analytik am brasilianischen Standort Camaçari zurück. Nur die Zahlen für Phosphor und Anorganische Salze sanken, von 510 auf 380 Tonnen bzw. 167.000 auf 151.000 Tonnen, während diejenigen für Schwermetalle mit 2,6 Tonnen gleich blieben.

Mehr Abfall
Im Geschäftsjahr 2020 produzierte BAYER mehr Abfall als 2019. Von 872.000 auf 943.000 Tonnen stieg die Menge. „Das ist im Wesentlichen auf den Saatgut-Produktionsstandort Maria Eugenia Rojas, Argentinien, zurückzuführen, an dem große Mengen an pflanzlichen Nebenprodukten als nicht gefährlicher Abfall zur landwirtschaftlichen Nutzung und Kompostierung entsorgt wurden“, heißt es im Nachhaltigkeitsbericht zur Erklärung. Das Aufkommen an gefährlichem Abfall reduzierte sich dagegen „durch den Abschluss von Bau- und Sanierungstätigkeiten am Standort Vapi, Indien“.

Schmutzige Glyphosat-Produktion
Im US-Bundesstaat Louisiana stößt keine Produktionsstätte mehr chemische Stoffe aus als BAYERs Glyphosat-Fabrik in Luling. Schon seit Jahren behauptet sie diesen Spitzenplatz. 2019 setzte sie nach Angaben der US-amerikanischen Umweltbehörde EPA rund 8.300 Tonnen an Kobalt, Kupfer, Nickel, Ammonium, Methanol, Formaldehyd, Phosphor und anderen Substanzen frei. Aber auch die Anlage in Soda Springs, wo der Leverkusener Multi das Glyphosat-Vorprodukt Phosphor herstellt, ist eine veritable Dreckschleuder. Auf 2.670 Tonnen Cobalt & Co. kommt der Standort.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

BAYER-Gefahren
Der BAYER-Konzern geht mit zahlreichen gefährlichen Stoffen um. Den Standort Leverkusen betreffend führt der Chemie„park“-Betreiber CURRENTA in einer Broschüre einige Beispiele für risiko-reiche Substanzen auf, die der Agro-Riese einsetzt. Ammoniak, Chlor und Methanol etwa können laut CURRENTA schon „in sehr geringer Menge beim Einatmen, Verschlucken oder Aufnahme über die Haut zum Tode führen“. Das Ammoniak ist überdies in der Lage, mit Luft explosive Gemische zu bilden und das Chlor, Brände zu verursachen oder zu verstärken. Das Methanol findet sich – gemeinsam mit Aceton – darüber hinaus noch in der Rubrik „leicht bzw. extrem entzündbar“ wieder.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

92 Anlagensicherheitsereignisse
Unter „Anlagensicherheitsereignissen“ versteht der BAYER-Konzern „den Austritt von chemischen Substanzen oder Energien oberhalb definierter Schwellenwerte aus ihrer ersten Umhüllung wie Rohr-Leitungen, Pumpen, Tanks oder Fässern“. 92 solcher noch nicht als Störfälle zu bezeichnenden Stoff-Freisetzungen registrierte der Leverkusener Multi im Geschäftsjahr 2020.

Phosphor-Austritt in Soda Springs
Am 28.11.2020 kam es bei der Herstellung des Glyphosat-Vorproduktes Phosphor zu einem Störfall. Ein Lagertank-Ventil öffnete sich wegen eines Defektes in der Automatik, wodurch phosphor-haltiger Schlamm austrat und sich an der Luft entzündete.

Natriumhydroxid-Austritt in Luling
Am 17. Oktober 2020 ereignete sich bei der Glyphosat-Produktion am US-Standort Luling ein Störfall. Durch ein defektes Ventil an einer Rohrleitung kam es zu einem Austritt von Natriumhydroxid.

ÖKONOMIE & PROFIT

Desaströse Geschäftszahlen
Auf der Bilanz-Pressekonferenz am 25. Februar 2021 legte der BAYER-Konzern desaströse Zahlen für das Geschäftsjahr 2020 vor. Er verbuchte einen Verlust von rund 10,5 Milliarden Euro. Der Umsatz bewegte sich mit 41 Milliarden Euro zwar ungefähr auf dem Niveau von 2019, aber das Unternehmen musste wegen der vielen Schadensersatz-Prozesse „Sonderaufwendungen“ verbuchen. „Diese standen insbesondere in Verbindung mit Rückstellungen für die getroffenen Vereinbarungen in Bezug auf die Rechtskomplexe Glyphosat, Dicamba, PCB und ESSURE“. „Lange Zeit haben die Nebenwirkungen der BAYER-Erzeugnisse keinen Einfluss auf die Geschäftsbilanz gehabt. Das ist jetzt anders“, konstatierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) in ihrer Presseerklärung.

ASKBIO: Die zweitgrößte Übernahme
Im Oktober 2020 hatte BAYER die US-amerikanische Gentherapie-Firma ASKLEPIOS BIOPHARMACEUTICAL (ASKBIO) erworben. Zwei Milliarden Euro zahlte der Konzern sofort, weitere zwei Milliarden stellte er bei erfolgreichen Arznei-Kreationen in Aussicht. In der Rangliste der größten Akquisitionen von deutschen Unternehmen belegte der Leverkusener Multi damit den zweiten Platz. Nur SIEMENS kaufte im vorigen Jahr für noch mehr Geld ein.

STANDORTE & PRODUKTION

Mehr Pillen aus Peking
Der BAYER-Konzern baut seine Anlagen zur Herstellung von Arzneien am chinesischen Standort Peking aus. Mit einer Investition in Höhe von 50 Millionen Euro will er die jährliche Produktionskapazität um 40 Prozent erhöhen.

RECHT & UNBILLIG

Erster Glyphosat-Kläger gewinnt
Der erste Entschädigungsprozess in Sachen „Glyphosat“ hat sein offizielles Ende gefunden. Der Leverkusener Multi erklärte, das Urteil des Berufungsgerichts in San Francisco nicht anzufechten, das der BAYER-Tochter MONSANTO eine erhebliche Schuld an der Krebserkrankung des Klägers Dewayne Johnson zugesprochen hatte. Aber einsichtig zeigt sich der Global Player trotzdem nicht. „BAYER hat großes Mitgefühl mit Herrn Johnson und allen Menschen, die an Krebs leiden, ist aber weiterhin der Meinung, dass das Urteil nicht durch wissenschaftliche Beweise oder das Gesetz gestützt ist.“ Der Rückzug hat lediglich strategische Gründe. Das Unternehmen rechnet sich nämlich in dem zweiten Glyphosat-Verfahren, das Edwin Hardeman angestrengt hatte, mehr Chancen aus. Hier hatte nämlich die von Donald Trump auf Linie gebrachte US-amerikanische Umweltbehörde EPA zu Gunsten BAYERs interveniert und das Herbizid vom Krebsverdacht freigesprochen. Gemeinsam mit dem Justizministerium machte es vom Rechtsinstitut des „Amicus Curiae“ Gebrauch, das es Unbeteiligten erlaubt, Stellungnahmen zu laufenden Rechtsstreitigkeiten abzugeben und plädierte auf Freispruch. „Der Kläger ist im Unrecht“, hieß es in dem Schreiben.

Glyphosat-Kläger versterben
Im Jahr 2015 hatten die ersten Glyphosat-Geschädigten Schadensersatz-Klagen eingereicht. Aber ein abschließendes Urteil liegt erst zu einer vor (s. o.). Unterdessen sterben immer mehr Betroffene an Krebs, ohne von BAYER Zahlungen erhalten zu haben. So erlag Carolina Garces am 8. März 2021 ihrer Krankheit.

Einigung im Fall „Calderon“
Bereits im Juni 2020 wollte BAYER eine Vergleichslösung für die rund 125.000 Glyphosat-Geschädigten präsentieren, die gegen den Konzern Klage eingereicht hatten. Aber der Agro-Riese konnte bisher nichts vorlegen, was den zuständigen Richter Vince Chhabria überzeugt hätte. Darum drohte dieser im November 2020 an, die von ihm für die Zeit der Mediationsgespräche gestoppten Prozesse wieder anlaufen zu lassen: „Ich bin nicht daran interessiert, den Zeitplan für die Entscheidung dieser Fälle so lang zu strecken“, bekundete er. Und Chhabria hielt Wort. Er lehnte das Begehr des Leverkusener Multis ab, die Streitsache „Jaime Alvarez Calderon“ zusammen mit all den anderen auf die lange Bank zu schieben und ließ die Justiz-Maschine wieder anlaufen. Calderon hatte 33 Jahre auf Weingütern arbeitet und dabei immer wieder Umgang mit Glyphosat. 2014 bekam er Lymphdrüsen-Krebs, dem er im Dezember 2019 erlag. Seine Hinterbliebenen führten die juristische Auseinandersetzung jedoch weiter. Ihnen machte BAYER jetzt ein Vergleichsangebot, um es nicht zu einem schlagzeilen-trächtigen Prozess kommen zu lassen.

Immer noch kein Vergleich
Die juristischen Auseinandersetzung um Schadensersatz in Sachen „Glyphosat“ gegen die BAYER-Tochter MONSANTO ziehen sich nun bereits seit sechs Jahren hin. Nach den ersten drei Verfahren schlug der zuständige Richter Vince Chhabria Vergleichsverhandlungen vor und verhängte gleichzeitig ein Prozess-Moratorium. Im Juni 2020 präsentierte der Leverkusener Multi dann seinen Vorschlag für den Umgang mit den rund 125.000 Klagen. Er bot Zahlungen von bis zu acht Milliarden Euro für die Erkrankten an. Für zukünftige Fälle – mit denen zu rechnen ist, da der Konzern aus Profit-Gründen partout nicht auf den Verkauf von Glyphosat-Vermarktung verzichten mag – reservierte er eine Milliarde Dollar. Über die Rechtmäßigkeit dieser Ansprüche sollte nach seinen Vorstellungen allerdings kein Gericht befinden, sondern ein „unabhängiges Wissenschaftsgremium (Class Science Panel)“. Diesem wollte das Unternehmen die Entscheidung darüber überlassen, ob das von der Aktien-Gesellschaft unter dem Namen ROUNDUP vermarktete Pestizid wirklich Lymphdrüsen-Krebs verursachen kann. „Dadurch wird diese Entscheidung anstelle von Jury-Verfahren wieder in die Hände sachkundiger Wissenschaftler gegeben“, so der Global Player. In den rund vier Jahren, die das mindestens dauert, hätten sich die Betroffenen in Geduld zu üben: „Mitglieder der Gruppe möglicher künftiger Kläger dürfen ihre Ansprüche bis zur Entscheidung des Wissenschaftsgremiums nicht weiter geltend machen und keinen Schadensersatz fordern.“ Chhabria lehnte eine solche Lösung jedoch ab. Vor allem akzeptierte er nicht, zukünftigen Glyphosat-Geschädigten den Rechtsweg zu verbauen. Der Jurist stellte infrage, „ob es verfassungsgemäß (oder generell gesetzmäßig) wäre, die Entscheidung der Kausalitätsfrage (d. h. ob – und wenn ja, ab welcher Dosis – ROUNDUP in der Lage ist, Krebs zu verursachen) über Richter und Jurys hinweg an ein Gremium von Wissenschaftlern zu delegieren“. Also musste BAYER wieder in Klausur. Den zweiten Anlauf unternahm der Agro-Riese dann Anfang Februar 2021. Darin stockte er den Fonds für die noch zu erwartenden Glyphosat-Klagen um eine Milliarde Dollar auf und schränkte gleichzeitig die Kompetenzen des Class Science Panel etwas ein. Aber auf Zustimmung traf der Konzern damit trotzdem nicht. Er hatte die Vereinbarung nämlich nur mit ein paar Großkanzleien getroffen, die nicht ganz aus freien Stücken handelten – 170 Millionen Dollar hatten sie vom Konzern als Entscheidungshilfe erhalten. Zahlreiche andere Anwaltsbüros und JuristInnen-Vereinigungen erhoben hingegen Einspruch gegen den neuen Vorschlag. Nach Meinung der „National Trial Lawyers“ erschwert er unzähligen Menschen den Zugang zur Justiz und schafft überdies einen unheilvollen Präzedenz-Fall für künftige Prozesse: „Diese Art von Vergleich würde anderen Unternehmen, die sich der Haftung und den Konsequenzen für ihr Verhalten entziehen wollen, eine unhaltbare Vorlage liefern.“ BAYER lässt den Geschädigten nun zwar die Wahl, ob sie die vorgeschlagenen Summen akzeptieren oder aber ihre Klage aufrechterhalten, aber in den zukünftigen Prozessen sind statt Strafzahlungen nur noch Entschädigungen vorgesehen, was viele RechtsanwältInnen kritisieren. Zudem stießen sich viele JuristInnen an dem Plan des Leverkusener Multis, durch die Etablierung des Class Science Panel neue Verfahren erst einmal für vier Jahre zu blocken. Wegen all dieser Kritik verzögert sich die Causa weiter. Die AnwältInnen des Global Players baten sich mehr Zeit aus, um alles nochmals zu überarbeiten. Vince Chhabria gab dem auch statt und setzte den 12. Mai als neuen Termin an.

NBFA-Klage geht zu Gericht
Nicht alle in den USA anhängigen Glyphosat-Verfahren haben eine Schadensersatz-Forderung zum Inhalt. So will die NATIONAL BLACK FARMERS ASSOCIATION (NBFA) ein Urteil erzwingen, dass den BAYER-Konzern daran hindert, „seine glyphosat-haltigen Produkte in einer Weise zu vermarkten, welche die Mitglieder der NBFA in unzumutbarer Weise gefährdet“. Aber die Klage hängt. Der für alle juristischen Vorgänge in Sachen „Glyphosat“ zuständige Richter Vince Chhabria hat nämlich im Sommer 2019 Vergleichsverhandlungen angeregt und bis zum Finden einer Lösung ein Prozess-Moratorium verhängt. Der NBFA dauerte das alles jedoch zu lange. Darum erbat sie von den BAYER-AnwältInnen die Zustimmung dafür, ihre Klage aus dem Paket zu lösen und vor Gericht zu bringen. Das lehnten diese jedoch ab. Darum wandte die Organisation sich an den „U.S. District Court for the Northern District of California“, der dann auch erste Termine festsetzte.

Glyphosat-Klage in Australien
Auch in Australien beschäftigen die Risiken und Nebenwirkungen von Glyphosat nun die Gerichte. Eine Gruppe um den Landwirt John Fenton, der das Herbizid für seine Lymphdrüsenkrebs-Erkrankung verantwortlich macht, reichte im Februar 2021 eine Sammelklage ein.

Umweltstrafe wg. Glyphosat
„Von der Wiege bis zur Bahre ist Glyphosat ein hochproblematischer Stoff“, sagt die Umwelt-Aktivistin Hannah Connor von der US-amerikanischen Organisation „Center for Biological Diversity“. Und tatsächlich sorgt das Herbizid sogar schon vor seinen eigentlichen Geburt für so einige Verwerfungen. Der Abbau des Sediment-Gesteins Phosphorit, das BAYER zur Herstellung des Glyphosat-Vorprodukts Phosphor benötigt, belastet Mensch, Tier und Umwelt nämlich massiv. Unter anderem setzt die Förderung der Mineral-Gemenge in den Tagebau-Minen vor den Toren der Phosphor-Fertigungsstätte am US-amerikanischen Standort Soda Springs giftige Stoffe wie Selen, Arsen, Uran, Radium und Radom frei. Besonders die Indigenen, die in der Nähe der Minen leben, leiden stark unter den gesundheitsschädlichen Wirkungen der Substanzen. Darum haben sie gemeinsam mit der US-amerikanischen Umweltbehörde EPA gegen BAYERs Minen-Gesellschaft P4 PRODUCTIONS geklagt und einen Erfolg erzielen können. Das Unternehmen verpflichtete sich, rund um die Ballard-Mine eine Fläche von über 200 Hektar zu sanieren. Unter anderem muss es Trinkwasser-Barrieren bauen und Feuchtgebiete zur Wasser-Reinigung anlegen. Zudem erklärte sich P4 PRODUCTIONS bereit, mehrere hunderttausend Dollar an Entschädigungen zu zahlen und mit einer Bürgschaft über 89 Millionen Dollar dafür zu garantieren, dass das Geld für die Maßnahmen auch ausreicht. Bereits in den Jahren 2011 und 2015 hatte die Minen-Gesellschaft Umweltverbrechen begangen, die hohe Strafen nach sich zogen.

Viele Klagen zum MONSANTO-Deal
Zahlreiche GroßaktionärInnen gehen gegen BAYER juristisch vor, weil der Konzern ihrer Meinung nach bei der Prüfung der MONSANTO-Übernahme möglichen Prozessen von GLYPHOSAT-Geschädigten nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt hatte, was in der Folge für einen Kurs-Absturz sorgte. In Deutschland zogen die beiden Kanzleien Tilp und Hausfeld für ihre MandantInnen vor Gericht. „MONSANTO hat immer so getan, als gäbe es kein Prozess-Risiko, weil die Behauptungen, Glyphosat sei krebserregend, haltlos seien“, so der Hausfeld-Jurist Wolf von Bernuth: „Tatsächlich gab es sehr wohl erhebliche Prozess-Risiken. Das durfte BAYER bei Bekanntgabe der Übernahme-Absicht nicht verschweigen“. In den USA haben die Investment-Gesellschaft HAUSSMANN TRUST sowie die beiden Pensionsfonds „City of Grand Rapids Police & Fire Retirement System“ und „City of Grand Rapids General Retirement System“ Klagen eingereicht. Und Anwaltsbüros suchen per Annonce nach AktienhalterInnen, die Ansprüche geltend machen wollen.

Laues Lieferketten-Gesetz
Die Lieferketten BAYERS erstrecken sich über den gesamten Globus. So bezieht der Leverkusener Multi seine Arznei-Grundstoffe zu einem guten Teil aus Indien und China, wo hunderte Firmen zu Schnäppchen-Preisen für den Weltmarkt fertigen, was verheerende Folgen für Mensch, Tier und Umwelt hat. In anderen Branchen kommt es im Zuge der Globalisierung zu ähnlichen Phänomenen. Darum erkannten die Vereinten Nationen bereits im Jahr 2011 Handlungsbedarf und hielten ihre Mitgliedsländer dazu an, Maßnahmen zu ergreifen. Die Bundesregierung sah dabei zunächst davon ab, übermäßigen Druck auf die Konzerne ausüben und setzte auf Freiwilligkeit. Sie hob den Nationalen Aktionsplan (NAP) aus der Taufe und machte sich daran, erst einmal ein Lagebild zu erstellen. Dazu startete die Große Koalition eine Umfrage unter den Betrieben und bat um Informationen darüber, ob – und wenn ja – in welcher Form sie entlang ihrer weltumspannenden Lieferketten die Einhaltung der Menschenrechte gewährleisten. Von den Antworten wollte sie dann ihr weiteres Vorgehen abhängig machen. Der Befund fiel ernüchternd aus. Nur ein Bruchteil der angeschriebenen Firmen antwortete überhaupt, und von diesen genügte bei den globalen Einkaufstouren kaum eines den sozialen und ökologischen Anforderungen. „Das Ergebnis zeigt eindeutig: Freiwilligkeit führt nicht zum Ziel“, resümierte Entwicklungshilfe-Minister Gerd Müller (CSU) und konstatierte: „Wir brauchen einen gesetzlichen Rahmen“. Und den bereitete die Politik dann auch vor, was die Industrie-VertreterInnen in Panik versetzte. „Hier wird eine faktische Unmöglichkeit von den Unternehmen verlangt: Sie sollen persönlich für etwas haften, was sie persönlich in unserer globalisierten Welt gar nicht beeinflussen können“, echauffierte sich etwa der damalige Präsident der „Bundesvereinigung der Arbeitgeber-Verbände“ (BDA), Ingo Kramer. In der Folge taten die LobbyistInnen alles, um das Schlimmste zu verhindern. Sie mahnten eine Beschränkung des Paragrafen-Werks auf direkte Zulieferer an und lehnten eine Haftungsregelung vehement ab. Schlussendlich konnten sie sich damit durchsetzen. Im jetzigen Gesetzes-Entwurf fehlt beides. Dem Leverkusener Multi dürfte es daher erspart bleiben, mit einer Klage von solchen InderInnen oder ChinesInnen konfrontiert zu werden, die in den Hot Spots der globalen Pharma-Produktion leben und unter den gesundheitlichen Folgen leiden. Dazu liegen nämlich zu viele Zwischenhändler zwischen BAYER und den Arznei-Produzenten vor Ort. Zudem müssten die Betroffenen in Deutschland noch eine Nichtregierungsorganisation finden, die in ihrem Namen vor Gericht zieht und so eine „Prozess-Standschaft“ wahrnimmt. Das ist BAYER & Co. aber noch zu viel. Die Konzerne sehen in dieser „Prozess-Standschaft“ ein Instrument dafür, eine zivilrechtliche Haftung „durch die Hintertür“ einzuführen. „Hier muss der Text geschärft werden. Juristische Winkelzüge dürfen nicht dazu genutzt werden, um die Unternehmen doch einer weltweiten Klage-Industrie auszusetzen“, verlangt der „Verband der Chemischen Industrie“.

EU-Lieferkettengesetz
Auch die EU plant ein Lieferketten-Gesetz (s. o.). Ihre Vorstellungen gehen dabei weit über das deutsche Paragrafen-Werk hinaus. So will die Europäische Union den Anwendungsbereich nicht nur auf die direkten Zulieferer beschränken, Haftungsregelungen einführen und auch kleinere Firmen in die Regelung einbeziehen. „Wir denken nicht nur über Geldbußen für Verstöße gegen die Auflagen nach, sondern auch über strafrechtliche Konsequenzen“, so EU-Justizkommissar Didier Reynders. BAYER & Co. scheint er mit diesen Vorschlägen allerdings nicht überzeugt zu haben. „Die Industrie bleibe zurückhaltend, räumt er ein“, konstatiert die FAZ. Für den Sommer kündigt die EU-Kommission einen Gesetzes-Entwurf an. Das dürfte die Konzerne zu einigen Lobby-Aktivitäten animieren.

Simpson lässt nicht locker
In ihrer Zeit als BAYER-Beschäftigte bekam Laurie Simpson einen umfassenden Einblick in die Praxis des Leverkusener Multis, die Risiken seiner Arzneien zu verschweigen und die Mittel ohne Rücksicht auf Verluste mit Hilfe zum Teil illegaler Marketing-Methoden zu vertreiben. Sie kritisierte dieses Vorgehen intern und musste dafür berufliche Nachteile in Kauf nehmen. Darum machte sie die Fälle öffentlich und begann im Jahr 2008 drei Prozesse gegen den Pharma-Riesen zu führen, die bis heute andauern. In dem Verfahren um das bei OPs zum Einsatz kommende Blutstill-Präparat TRASYLOL lastet Simpson dem Konzern an, der medizinischen Öffentlichkeit und den PatientInnen das gesundheitsgefährdende Potenzial des Medikaments verheimlicht zu haben, das er zwischenzeitlich vom Markt zurückziehen musste. Zudem beschuldigt sie das Unternehmen, den Verkauf des Pharmazeutikums mit illegalen Methoden wie dem Einräumen von Rabatten und der Gewährung anderer Vergünstigungen befeuert zu haben. Darüber hinaus bezichtigt die Frau den Global Player, den Gebrauch von TRASYLOL auch bei Operationen wie beispielsweise Leber-Transplantationen empfohlen zu haben, obwohl für die Indikationen gar keine Zulassungen vorlagen. Ähnliche Praktiken wirft Laurie Simpson dem Leverkusener Multi im Umgang mit dem Cholesterin-Senker LIPOBAY vor, das er nach über 100 Todesfällen im Zusammenhang mit der Arznei nicht mehr vertreiben durfte. Zudem brachte sie die Strategie der Aktiengesellschaft, den Absatz seines Antibiotikums AVELOX durch Geldzahlungen und andere Zuwendungen an MedizinerInnen zu fördern, vor Gericht.

FORSCHUNG & LEHRE

Viele Forschungssubventionen
Im Geschäftsjahr 2020 erhielt BAYER vom bundesdeutschen Staat dreizehn Millionen Euro an Forschungssubventionen und damit eine Million mehr als 2019.

[BAYER HV 2021] Highlights aus unserem Protest gegen die BAYER Hauptversammlung 2021

CBG Redaktion

Es ist wieder soweit: Am 27.4.2021 steht erneut die jährliche BAYER-Hauptversammlung vor der Tür. Auch dieses Jahr wird die Hauptversammlung virtuell stattfinden.

Betroffene sprechen über BAYERs Konzernverbrechen

Unsere Bündnispartner und ihr Kampf gegen BAYER

Reden des CBG Vorstands

Eindrücke von der Kundgebung zur BAYER HV 2021

Hier findet Ihr das komplette Programm für die BAYER HV 2021

Letztes Jahr wurde ein Präzedenzfall geschaffen, mit der BAYER-HV als einer der ersten vollständig virtuellen Hauptversammlungen. Wenn wir nicht wollen, dass es der Normalfall wird, dass Stimmen von KleinaktionärInnen, Geschädigten von Konzernpolitik und KonzernkritikerInnen von Hauptversammlungen vollständig verdrängt werden, müssen wir JETZT unsere Stimme erheben.

Eine weitere brandaktuelle Frage auf dieser HV: Die Verteilungsgerechtigkeit der Corona-Impfstoffe. BAYER hat sich mit CUREVAC zusammengeschlossen. Sollen die Impfstoffe nur den Profiten von wenigen Global Playern wie BAYER dienen, oder der Gesundheit von Menschen im globalen Süden, die durch die Patente der Konzerne von den lebensrettenden Medikamenten ausgeschlossen werden?

Auch die Glyphosat-Prozesse in den USA sind noch immer nicht abgeschlossen. BAYER ist fest entschlossen, das Umweltgift auf dem Markt zu halten. Die CBG hat als Reaktion auf dieses Vorgehen die Kampagne „Krebsgefahr. Klimarisiko. Umweltgift. Glyphosat-Stopp jetzt!“ ins Leben gerufen.

Den Aufruf zum Unterschreiben findet Ihr hier: https://glyphosat.cbgnetwork.org/

In Frankreich läuft währenddessen ein anderer Prozess: Die Klägerin Tran To Nga wirft BAYER/MONSANTO vor, das giftige Entlaubungsmittel Agent Orange geliefert zu haben. Wir werden auf der Hauptversammlung auch für gerechte Entschädigung aller Geschädigten, Öffnung der Akten und juristische Aufarbeitung von Agent Orange eintreten.

Wir wollen BAYER/MONSANTO gemeinsam mit Euch zur Verantwortung ziehen. Und zur Kasse bitten. Die Opfer brauchen Entschädigung. Die Öffentlichkeit Gesundheitsschutz.

Unsere Gegenanträge

Diese Hauptversammlung kommen bis auf eine Ausnahme sämtliche Gegenanträge von uns! Ihr findet sie hier

Was wird es an Protest geben?

CBG Protest-Live-Stream am 27.April von 09.00 bis ca. 17.00 Uhr mit Live-Slots zur HV um 09.30 Uhr, 12.30 Uhr, 16.00 Uhr

Wir gehen während des CBG Live-Streams für die Presse dreimal live auf Sendung mit Meldungen und Analysen von und zur BAYER HV, zu den Protesten, zur Lage der Gegenanträge, Wortmeldungen und Abstimmungen.

In diesem Rahmen sind Presse-Anfragen möglich, die wir direkt live beantworten.
Presse-Anfragen am besten per Telefon und Email im Vorfeld der HV ankündigen, um die Berücksichtigung in den Live-Slot zu gewährleisten:

Alle Infos unter CBGnetwork.org/HV info@CBGnetwork.org 0211/33 39 11

Auswahl aus den Programm-Punkten des CBG-Protest-Live-Streams:

Grußwort von Sarah Wiener
EU-Parlamentarierin und Fernsehköchin Sarah Wiener nimmt Stellung zu Glyphosat-Verbotsinitiative in Österreich.

Statements von internationalen Betroffenen
Internationale Betroffene von BAYER/MONSANTO-Konzernpolitik erheben ihre Stimme und konfrontieren den Vorstand mit den Schäden, die sie durch BAYER-Produkte erlitten haben.

Live-Auftritt und Grußwort von Konstantin Wecker
Deutschlands bekanntester Liedermacher sorgt mit aufregender, politischer Musik, die den Finger in die großen politischen Wunden der Zeit legt, für musikalische Begleitung des Online-Protests.

Live im Interview:
MdB Gesine Lötzsch
MdB Harald Ebner
MdEuP Sven Giegold

Dokumentation „Toxic Business 1&2“
Der Film zeigt, dass BAYER und andere internationale Chemiekonzerne u.a. in Kenia giftige Pestizide verkaufen, die in der EU längst verboten sind. Wir diskutieren dazu live mit Regisseurin Katja Becker.

Protest-Präsenz in der Hauptversammlung selbst
Die Coordination reicht wie jedes Jahr Gegenanträge zu allen Tagesordnungspunkten der Hauptversammlung ein. Auch werden Video-Statements eingereicht, die in der Übertragung der HV selber zu sehen sein werden.

Protest-Kundgebung vor der BAYER-Konzernzentrale in Leverkusen 27. April 8.30 -12.00 Uhr
Protest-Kundgebung vor der BAYER-Konzernzentrale in Leverkusen mit verschiedenen Aktionen, RednerInnen und Kulturbeiträgen.

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[Der Desaster-Deal] Immer mehr MONSANTO-Nebenwirkungen

CBG Redaktion

Der BAYER-Konzern hat sich bei der Übernahme des US-Unternehmens MONSANTO übernommen und muss deshalb zu drastischen Maßnahmen greifen. Zu spüren bekommen das hauptsächlich die Beschäftigten.

Von Jan Pehrke

BAYERs MONSANTO-Übernahme war erst wenige Wochen amtlich, da begann das Verhängnis auch schon. Es erging das erste Urteil in einem Prozess um Glyphosat-Entschädigungen. Am 10. August 2018 verurteilte ein US-amerikanisches Geschworenen-Gericht den Leverkusener Multi zur Zahlung von 289 Millionen Dollar. Die Aktie des Konzerns stürzte massiv ab und fing sich selbst dann nicht, als die Richterin Suzanne R. Bolanos die Strafsumme später auf 78 Millionen Dollar herabsetzte. Zum damaligen Zeitpunkt gab es nämlich noch fast 10.000 weitere Klagen. BLACKROCK und andere Investment-Häuser meldeten da Handlungsbedarf an – und der Agro-Riese lieferte. Er verkündete Ende November 2018 ein Einspar-Programm, das ein Volumen von 2,6 Milliarden Euro hatte und unter anderem die Vernichtung von 12.000 Arbeitsplätzen vorsah. Aber das reichte offenbar nicht. Ende September 2020 musste der Global Player eine Gewinn-Warnung verkünden und legte deshalb nach. Er gab Kürzungen in einer Größenordnung von 1,5 Milliarden Euro bekannt. Das erste Paket zum Maßstab genommen, liefe das auf den Verlust von 7.000 weiteren Stellen hinaus. Überdies will der Global Player sich von einzelnen Produkt-Segmenten seiner Agro-Sparte trennen.

Der Tag der Wahrheit

Über das ganze Ausmaß der Verluste berichtete BAYER am 2. November 2020 bei der Vorstellung der Zahlen für das dritte Quartal des Jahres. Der Konzern vermeldete einen Umsatz-Rückgang von 5,1 Prozent auf 8,5 Milliarden Euro. Besonders hohe Einbrüche verzeichnete er mit minus 11,5 Prozent im Landwirtschaftsbereich. Dafür nannte das Unternehmen eine ganze Reihe von Ursachen: den Verfall der brasilianischen Währung, gesunkene Lizenz-Einnahmen, Produkt-Retouren, die schrumpfende Nachfrage nach Biokraftstoffen, den Preisverfall bei Saatgut aufgrund des Konkurrenz-Drucks, den Handelskonflikt zwischen den USA und China, das Wetter – und natürlich Corona. Am Ende des Tages kam der Multi nicht darum herum, im Agro-Bereich eine Wertberichtigung in Höhe von 9,3 Milliarden Euro vorzunehmen. Zu zwei Dritteln waren dafür laut Konzern-Angaben Währungs- und Zins-Einflüsse verantwortlich und bloß zu einem Drittel das ausgebliebene Wachstum. Ob die Wertberichtigung eher auf das Konto des von dem Neuerwerb eingebrachten Sortiments geht oder den Altbestand betrifft, konnten – oder wollten – weder der Vorstandsvorsitzende Werner Baumann noch Finanz-Vorstand Wolfgang Nickl näher aufschlüsseln. „Das lässt sich so genau nicht mehr sagen, was MONSANTO und was BAYER ist. Wir haben ein Cropscience-Geschäft“, so Nickl.
Der 2. November war aber noch aus einem anderen Grund ein entscheidendes Datum für die Aktien-Gesellschaft. Da lief nämlich die Frist ab, die der US-Richter Vince Chhabria für das Einreichen einer Vergleichslösung in Sachen „Glyphosat“ gesetzt hatte. Eine solche hatte der Leverkusener Multi eigentlich schon im Juni präsentiert, Chhabria verlangte jedoch Nachbesserungen. Der Konzern hatte nämlich falsche Angaben über die Zahl der bisher erreichten Einigungen mit den rund 125.000 Glyphosat-Geschädigten gemacht. Nicht drei Viertel aller Fälle hatte BAYER zum Abschluss gebracht, wie im Juni behauptet, noch nicht einmal annähernd so viele: Bis Ende August lagen bloß 30.000 Vereinbarungen vor. Darüber hinaus hatte der Agro-Riese einen äußerst fragwürdigen Vorschlag über den Umgang mit den zukünftig zu erwartenden Klagen vorgelegt, mit denen zu rechnen ist, da er sein hauptsächlich unter dem Namen „ROUNDUP“ vermarktetes Mittel partout auf dem Markt halten will. Das Ansinnen, kommende Verfahren der Zuständigkeit der Justiz zu entziehen und einem Wissenschaftsgremium zu überantworten, betrachtete Vince Chhabria als eine Missachtung des Gerichts. Er äußerte massive Zweifel daran, „ob es verfassungsgemäß (oder generell gesetzmäßig) wäre, die Entscheidung der Kausalitätsfrage (d. h. ob – und wenn ja, ab welcher Dosis – ROUNDUP in der Lage ist, Krebs zu verursachen) über Richter und Jurys hinweg an ein Gremium von Wissenschaftlern zu delegieren“.
Und diese Zweifel blieben über den 2. November hinaus ebenso bestehen wie die große Zahl nicht ausverhandelter Deals. Dabei wäre eine außergerichtliche Bereinigung bitter notwendig gewesen. Das hatte sich ein paar Tage vorher gezeigt: Am 21. Oktober 2020 nämlich lehnte der kalifornische Supreme Court BAYERs Antrag auf Berufung in dem vom Glyphosat-Geschädigten Dewayne Johnson angestrengten Verfahren ab, was die Aussicht auf einen Gewinn der juristischen Auseinandersetzung noch einmal schmälert.

Aber der Leverkusener Multi konnte zum Stichtag nicht liefern. „Obwohl Fortschritte erzielt wurden, wird dieser Prozess mehr Zeit brauchen“, erklärte der Agro-Riese. Er vermochte noch nicht einmal die genaue Zahl der bisher geschlossenen Übereinkommen zu nennen. „Im Zusammenhang mit glyphosat-basierten ROUNDUPTM-Produkten hat das Unternehmen zu etwa 88.500 Klagen verbindliche Vergleichsvereinbarungen abgeschlossen, ist derzeit dabei, diese abzuschließen oder hat sich dem Grund nach geeinigt“, hieß es lediglich. Damit war die Geduld Vince Chhabrias zuende. Der Richter hatte für die Zeit der Mediationsgespräche BAYERs mit den Geschädigten-AnwältInnen alle laufenden Glyphosat-Verfahren ausgesetzt. Am 10. November erklärte Chhabria jedoch, sie wieder vor Gericht bringen zu wollen, weil er keinen Aufschub mehr duldet: „Ich bin nicht daran interessiert, den Zeitplan für die Entscheidung dieser Fälle so lang zu strecken.“

Der Global Player sollte es noch nicht einmal schaffen, andere Rechtsstreitigkeiten, die er in einem Aufwasch mit dem Glyphosat-Komplex zu den Akten legen wollte, zu beenden, wie sich Anfang Dezember herausstellte. So fanden die Vereinbarungen, die der Konzern geschlossen hat, „um den wesentlichen Teil des Verfahrenskomplexes zu den Auswirkungen von PCB (Polychlorierte Biphenyle) in Gewässern beizulegen“, nicht die Gnade des Bezirksrichters Fernando Olguin. Er bezeichnete die Abmachungen als „zu weit gefasst“, weil diese BAYER vor allen zukünftigen Ansprüchen schützten, und nannte die den klagenden Städten in Aussicht gestellte Kompensation von 650 Millionen Dollar „sehr bescheiden“. Die Summe reiche zur Deckung der Kosten nicht aus, die den Kommunen durch das Herausfiltern der gesundheitsschädlichen Industrie-Chemikalie aus ihren Wasserversorgungssystemen erwüchsen, befand Olguin.

In Treue fest zum Deal

Trotz alledem hält der Leverkusener Multi weiter in Treue fest zu dem MONSANTO-Deal. Die JournalistInnen-Frage, ob die Übernahme ein Fehler war, verneinte Werner Baumann. Er sehe „dieses Geschäft langfristig sehr, sehr gut aufgestellt mit den führenden Positionen, die wir haben, und darüber hinaus auch einem langfristig wachsenden Markt“, beschied der BAYER-Chef Antje Höning von der Rheinischen Post. Der Nachrichtenagentur AFP gegenüber räumte er allerdings ein, die Kaufsumme von 59 Milliarden Euro wäre vielleicht doch ein wenig hoch ausgefallen. „Der Preis, den wir seinerzeit in 2016 bezahlt haben, war einer, der sich auch im Wettbewerb mehrerer Bieter ergeben hat“, so Baumann, die Bewertung eines Unternehmens wäre „auch immer eine Frage der jeweiligen Zeit“.
Das Presse-Urteil nach dem 2. November fiel verheerend aus. „MONSANTO wird zu BAYERs Mühlstein“ lautete die Überschrift des FAZ-Artikels – „Verkalkuliert“ lautete schlicht das Resümee des Blattes. „Letzter Platz, überall – der nächste Sturz einer deutschen Legende“ befand Springers Welt, und von einem „Desaster“ sprach die Wirtschaftswoche. Die Rheinische Post überschrieb ihren Kommentar derweil: „Mitarbeiter zahlen für BAYERs Milliarden-Fehler“. Zu Anfang verwies der Text auf die ehrgeizigen Ziele des Unternehmens: „Der Anspruch von BAYER ist groß: Nichts weniger als die Welternährung will der Leverkusener Konzern retten“, dann blickte er zurück: „Die Vergangenheit ist nicht minder groß: Als Apotheke der Welt hatte sich der Erfinder von ASPIRIN und Antibiotika einst einen Namen gemacht“, um schließlich in der Gegenwart anzukommen: „Groß sind bei BAYER nur noch die Verluste und die Zahl der Glyphosat-Kläger.“ Der letzte Satz lautete dann unmissverständlich: „Der Vorstandschef ist gescheitert.“ Und die LeserInnen stimmten zu. „In der Unterzeile zur Überschrift schreibt Frau Höning, dass die MOSANTO-Übernahme zum Alptraum wird. Das trifft es, denn Tausende Familien leben jetzt in der Angst um ihren Arbeitsplatz“, hieß es etwa in einem Brief an die Redaktion.

Auch die institutionellen Investoren kamen zu keiner anderen Einschätzung. „Die MONSANTO-Strategie ist unterm Strich bisher gescheitert“, konstatierte Ingo Speich von der Fonds-Gesellschaft DEKA. Der Aktien-Kurs reagierte entsprechend und sank am 3. November um fast zwei Prozent ab. Die Rating-Agentur MOODY’S hatte schon die Gewinn-Warnung Ende September zum Anlass genommen, den Ausblick für den Agro-Riesen von „stabil“ auf „negativ“ nach unten zu korrigieren. Da fühlte der Vorstand sich zu einer symbolischen Aktion aufgerufen. Allein Werner Baumann kaufte BAYER-Papiere im Wert von über 2,4 Millionen Euro zum Zeichen dafür, dass er an den Konzern glaubt.

Der Glaube des Konzerns an ihn ist allerdings nicht ganz so unerschütterlich. Der Vorstandsvorsitzende erhielt zwar einen neuen Vertrag, aber keinen mit der üblichen Laufzeit. Er endet nicht nach vier, sondern nach drei Jahren – auf Baumanns Wunsch, wie es hieß. Selbst das erscheint einigen Großinvestoren allerdings zu lang. Sie drängen auf eine frühere Ablösung. Zudem fordern einige Fonds eine Aufspaltung des Unternehmens. Und Aufsichtsratschef Norbert Winkeljohann hat beides nicht rundheraus abgelehnt, wie das Medienhaus Bloomberg berichtete. Erst einmal müsste aber die Causa „Glyphosat“ vom Tisch, so gibt ein Insider den Journalisten Eyk Henning und Tim Loh gegenüber die Worte von BAYERs Oberaufseher wieder. Auch in den kommenden Jahren dürfte beim Leverkusener Multi also keine Ruhe einkehren. 

[Online-HVs gehen weiter] BAYER & Co. setzen sich durch

CBG Redaktion

Die Corona-Pandemie ermöglichte es den DAX-Unternehmen, sich einen lang ersehnten Wunsch zu erfüllen und Online-Hauptversammlungen statt der sonst üblichen Präsenz-Veranstaltungen abzuhalten. BAYER und die anderen Firmen nutzten das, um die Rechte von Konzern-KritikerInnen massiv zu beschneiden. So kehrte in die neuen Konzern-Videoshows eine bis dahin unbekannte Stille ein: Keine Proteste, keine kritischen Reden und keine Nachfragen. Das hätten die Aktien-Gesellschaften gerne wieder so. Darum forderten sie die Bundesregierung auf, die bis Ende 2020 geltende Ausnahme-Regelung zu entfristen. Und CDU und SPD lieferten: Trotz des vielen Unmuts über den Ablauf der virtuellen HVs ging die Verordnung am 29. Oktober unverändert in die Verlängerung.

Von Jan Pehrke

Das ließ BAYER sich nicht nehmen: Die erste rein virtuelle Hauptversammlung eines DAX-Unternehmens richtete der Leverkusener Multi aus. „Als digitaler Pionier“ feierte der Konzern sich am 28. April selber. Den AktionärInnen beschied der Vorstandsvorsitzende Werner Baumann derweil: „Sehr gerne hätte ich Sie heute persönlich vor Ort in Bonn begrüßt. Aber die Corona-Krise lässt das leider nicht zu.“

Das waren allerdings nur Krokodilstränen, denn eine Online-HV eröffnete dem Agro-Riesen ungeahnte Möglichkeiten. Die entsprechenden Regelungen im „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie“ erlaubten Aktien-Gesellschaften unter anderem, statt Reden nur noch Fragen zuzulassen. Sie konnten dabei sogar noch aussieben. BAYER & Co. hatten das eingefordert. Sie begründeten dies mit der Angst vor sogenannten BerufsklägerInnen, welche die Vorstände mit ihren Auskunftsbegehren willentlich vor unlösbare Aufgaben stellen, um die Hauptversammlungen anschließend vor Gericht anzufechten und davon erst nach Auszahlung einer hoch dotierten „Lästigkeitsprämie“ zu lassen. Der entsprechende Passus schützte die Firmen dann aber nicht nur vor den BerufsklägerInnen, sondern auch gleich noch vor Konzern-KritikerInnen, wohingegen er BLACKROCK & Co. eine Sonderstellung einräumte. Die Verwaltung „hat (...) keinesfalls alle Fragen zu beantworten, sie kann zusammenfassen und im Interesse der anderen Aktionäre sinnvolle Fragen auswählen. Sie kann dabei Aktionärsvereinigungen und institutionelle Investoren mit bedeutenden Stimmanteilen bevorzugen“, hieß es nämlich in dem Paragrafen-Werk.

Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hatte gemeinsam mit dem DACHVERBAND DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE in einem Offenen Brief an BAYER Änderungen angemahnt. „Die neue ‚virtuelle’ HV ist in ihrer jetzigen Form ein Bruch mit den bisher bereits geringen Mitgestaltungsmöglichkeiten von AktionärInnen“, konstatierten die beiden Organisationen. Aber der Leverkusener Multi reagierte nicht. Dementsprechend unerquicklich gestaltete sich am 28. April die Hauptversammlung für Umwelt-AktivistInnen, ImkerInnen, Pestizid-GegnerInnen und andere kritische AktionärInnen. Reden akzeptierte der Global Player nicht, und die Fragen, die zwei Tage vorher eingereicht werden mussten, referierte Baumann ton- und lustlos. Noch nicht einmal die Namen nannte er – angeblich aus Datenschutz-Gründen. Allein den jeweiligen Sacherverhalt zu verstehen, bereitete Außenstehenden deshalb oft schon Schwierigkeiten. Es macht eben einen fundamentalen Unterschied, ob etwa eine Medikamenten-Geschädigte vor das Mikrofon tritt, ihre Leidensgeschichte erzählt und am Schluss fragt, wann BAYER die betreffene Arznei endlich vom Markt zu nehmen gedenkt, oder ob es einfach heißt: „Eine Aktionärin fragte nach dem Produkt DUOGYNON.“

Darum bescheinigte die Frankfurter Allgemeine Zeitung dem BAYER-Chef Werner Baumann dann auch, „eine entspannte Hauptversammlung“ hinter sich gebracht zu haben. „Die Öffentlichkeit wohnte Statements und Fragen via Internet bei. Für unliebsame Störenfriede war kein Platz“, so die Zeitung. Seine KollegInnen von den anderen börsen-notierten Unternehmen verlebten ähnlich ruhige Stunden. In ihrer Rückschau auf die 2020er-HVs schrieb die FAZ, „dass die sterilen Frage-Antwort-Blöcke der vergangenen Wochen sämtliche Spontanität und Bissigkeit vermissen ließen“ und appellierte: „Rettet die Erbsensuppe!“ Das Urteil der Rheinischen Post fiel nicht eben besser aus: „Das waren sterile Veranstaltungen, Vorstände hatten leichtes Spiel, unliebsame Fragen abzubügeln.“

Der DACHVERBAND DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE fällte gleichfalls ein vernichtendes Urteil. „In der Hauptversammlungssaison 2020 haben wir gesehen, dass virtuelle Hauptversammlungen im Vergleich zu Präsenz-Versammlungen inakzeptable Schwachstellen aufweisen“, hielt die Initiative fest und konkretisierte: „In einigen Fällen wurden Fragen bei der Beantwortung so zusammengefasst, dass dahinterliegende Kritik-Punkte bewusst nicht übermittelt wurden. Oder ganze Frage-Komplexe wurden mit fadenscheinigen Begründungen überhaupt nicht beantwortet.“

BAYER & Co. wollten es natürlich genauso wiederhaben und begannen mit der Lobby-Arbeit. Bereits Anfang September setzte das „Deutsche Aktieninstitut“ (DAI), das die Interessen der Aktien-Gesellschaften vertritt, in der Sache einen Offenen Brief an Bundesjustizministerin Christine Lambrecht auf. „Virtuelle Hauptversammlungen auch 2021 ermöglichen“, war er überschrieben. „Eine frühzeitige Verlängerung der aktuellen Ausnahmeregelung ist unter epidemologischen Gesichtspunkten richtig und für die Planungssicherheit der Unternehmen wichtig“, so das DAI.

Die SPD-Politikerin tat wie geheißen und widmete sich der Aufgabe. Sie holte dafür allerdings auch eine Stellungnahme des DACHVERBANDES DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE ein. Dieser formulierte im Lichte der gemachten Erfahrungen eine Reihe von Forderungen und Änderungsvorschlägen. „Es reicht leider nicht aus, dass der Vorstand nur ‚nach eigenem Ermessen’ Auskünfte auf die Fragen der AktionärInnen gibt“, konstatierte der Dachverband und sprach sich für ein verbrieftes Auskunftsrecht aus. Dieses sollte nicht zuletzt auch zu Nachfragen befugen. Zudem trat der Verband für die Möglichkeit von Hybrid-Hauptversammlungen ein, die es den AktionärInnen gestattet, ihre Anliegen in einer Präsenz-Veranstaltung vorzutragen. Überdies verlangte er, die gestellten Gegenanträge zur Nichtentlastung von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern nicht länger außen vor zu lassen und in der HV zu behandeln. Überdies drängte die Organisation darauf, die kurzen Einladungsfristen, die es der CBG so ungemein erschwert hatten, rechtzeitig alle Stimmrechtsübertragungen zu erhalten, wieder abzuschaffen.

Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Prof. Dr. Heribert Hirte forderte eine Streichung der verkürzten Fristen. Darüber hinaus mahnte er eine „Überprüfung der Reduzierung des Ermessens bei den Antworten“ an. „Interaktion macht eine Hauptversammlung aus“, betonte er. Die beiden Rechtsanwälte Günter Seulen und Andreas Krebs pflichteten dem bei und plädierten für „eine Annäherung der Mitwirkungsrechte der Aktionäre an die physischen Versammlungen“. Zur Gewährleistung des Schutzes der Unternehmen vor BerufsklägerInnen bei einem umfassenden Frage-Recht wussten sie ebenfalls ein Mittel: die Reform der Regeln für die Beschluss-Anfechtung auf der Basis der Vorschläge, die der „Deutsche Juristentag“ 2018 erarbeitet hat.

Die Schutzgemeinschaft der Kapital-Anleger (SdK) lehnte eine einfache Verlängerungen der Bestimmungen „wegen der mittlerweile unverhältnismäßigen Einschränkung von Aktionärsrechten“ schlichtweg ab. Schon für die abgelaufene Saison fand die SdK den Verweis auf das Neuland „World Wide Web“ zur Begründung der Einschnitte „zweifelhaft“. Für das kommende Jahr mochte sie das überhaupt nicht mehr gelten lassen. Und mit Besorgnis beobachtete die Schutzgemeinschaft „das Bestreben einzelner Kräfte, die virtuelle Hauptversammlung in der Ausformung des COVID-19-Gesetzes zur Blaupause für ein Zukunftsmodell der Hauptversammlung als das ‚new normal’ (...) nutzen zu wollen.“

Aber Justizministerin Christine Lambrecht zeigte sich von alledem unbeeindruckt. Die Gesetzes-Passagen gingen unverändert in die Verlängerung. Ansonsten blieb es bei Appellen. Die Unternehmen sollten sich nur ins Virtuelle begeben, „wenn dies unter Berücksichtigung des konkreten Pandemie-Geschehens erforderlich erscheint“ und bezüglich der Frage-Möglichkeit „insbesondere bei der vorherigen Einreichung der Fragen, weiterhin möglichst aktionärsfreundlich verfahren“. Damit ist es natürlich nicht getan. Es braucht Druck. Und den wird die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN entfalten.

[Ticker 01/21] AKTION & KRITIK

CBG Redaktion

Jahrestagung 2020

Ende Juli 2020 startete die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) ihre Kampagne „Glyphosat-Stopp jetzt!“. Da lag es nahe, dass sie auch ihre Jahrestagung dem Total-Herbizid und den anderen Ackergiften BAYERs widmete. „Pestizide, Umwelt, Menschenleben“ lautete deshalb am 10. Oktober in Düsseldorf das Thema. Zum Auftakt sprach die Fernsehköchin und derzeit als Parteilose für die österreichischen Grünen im EU-Parlament sitzende Sarah Wiener – live per Internet zugeschaltet – ein Grußwort. „Pestizide allgemein haben in unserer Umwelt nichts verloren“, stellte sie gleich zu Beginn klar. Dann berichtete Wiener vom Stand der Dinge bei dem Versuch Österreichs, Glyphosat zu verbieten, und gab Einblick in ihre Parlamentsarbeit. Sie klagte über die Landwirtschaftspolitik, die Millionen an Subventionen in die alten agro-industriellen Strukturen pumpt, sah jedoch auch Hoffnungsschimmer wie die avisierte neue Chemikalien-Politik. Der allerdings droht Ungemach durch das Extrem-Lobbying von BAYER & Co. Umso mehr baut Sarah Wiener deshalb auf Druck von außen: „Ich finde es toll, dass ihr so engagiert seid und uns den Rücken stärkt.“ Ihr folgte der Imker Bernhard Heuvel, der über das von Pestiziden mitverursachte Insektensterben im Allgemeinen und das Bienensterben im Besonderen sprach. Dabei legte er den perfiden Wirk-Mechanismus der neueren Insektizide bloß. So bringt etwa BAYERs PREMISE mit dem zur Gruppe der Neonicotinoide zählenden Inhaltsstoff Imidacloprid Termiten nicht etwa via chemischer Keule sofort zur Strecke. Das Mittel setzt vielmehr auf Hilfskräfte. „PREMISE erlaubt es der Natur, zu übernehmen und die Termiten zu zerstören“, hält das Unternehmen fest. Das Produkt selbst führt bei den Tieren „nur“ zu Verhaltensstörungen. Auf einmal pflegen sich die Insekten nicht mehr und unterstützen sich auch nicht mehr gegenseitig, so dass sie für Mikroorganismen wie etwa Boden-Pilze ein leichtes Opfer werden. Praktischer Nebeneffekt: Der Tatbeweis ist nur schwer zu erbringen. Nach der Mittagspause nahm sich Susan Haffmans vom PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN), per Skype aus Hamburg ins Stadtteilzentrum Bilk flimmernd, Deutschlands Exporte von besonders gefährlichen Ackergiften in Länder des globalen Südens vor. Dabei konzentrierte sie sich aus gegebenem Anlass besonders auf Kreationen des Leverkusener Multis. An Jan Pehrke von der Coordination war es dann, einen allgemeineren Blick auf die Agro-Chemikalien des Konzerns zu werfen. Nach einem Schnelldurchlauf durch die Geschichte der Sparte setzte er die drei Schwerpunkte „Doppelte Standards bei der Pestizid-Vermarktung“, „Bienensterben durch GAUCHO & Co.“ und „Glyphosat“, weil es viele Aktivitäten der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN dazu gab und gibt. Einzelheiten zur aktuellen „Glyphosat-Stopp jetzt!“-Kampagne lieferte dann gleich im Anschluss CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann. Er ging dazu noch mal an deren Ausgangspunkt zurück – BAYERs Versuch, einen juristischen Schlussstrich in Sachen „Glyphosat-Klagen“ zu ziehen – und erläuterte den Ansatz der Coordination. Dieser besteht, wie auch bei den vorausgegangenen Kampagnen, immer darin, ins Herz der Bestie vorzustoßen: dem Profit-System. Mit diesem Beitrag endete dann eine Jahrestagung, die anders verlief als alle bisherigen. Die Corona-Pandemie zwang zu Vorsichtsmaßnahmen wie dem Masken-Tragen und dem Sitzen in weiten Abständen zueinander und sorgte für zwei nur virtuell anwesende RednerInnen. Aber die rund 30 TeilnehmerInnen nahmen all das wacker auf sich, weil es mit der Konzern-Kritik ein übergeordnetes politisches Interesse gab. Und sie sollten es am Ende des Tages auch nicht bereuen.

Schild statt Straßenumbenennung

Am 29. September 2011 jährte sich der Geburtstag des langjährigen BAYER-Generaldirektors Carl Duisberg zum 150. Mal. Um die medialen Ständchen für den Mann zu konterkarieren, der im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas und die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen war und später einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörderkonzerns IG FARBEN hatte, rief die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Kampagne ins Leben. Sie mahnte anlässlich des Jahrestags die Umbenennung von Straßen, Schulen und anderen Einrichtungen an, die Duisbergs Namen tragen. Viele AktivistInnen ließen sich davon anregen und trugen die Forderung in die zuständigen Kommunal-Vertretungen. In Dortmund und Lüdenscheid hatte das Erfolg (siehe auch SWB 1/15). In Dormagen lagen sogar zwei Anträge zur Causa „Duisberg“ vor. Einen hatten „Die Linke“ und die Piraten-Partei gemeinsam eingereicht, ein anderer kam von Bündnis 90/Die Grünen. Die Stadt ließ daraufhin vom ehemaligen Stadt-Archivar Heinz Pankalla und anderen ExpertInnen ein Gutachten erstellen. Darin hieß es unter anderem: „Duisberg engagierte sich (...) massiv für die Erfindung und Produktion von Giftgas im Ersten Weltkrieg (...) Die Quellen belegen zudem, dass Duisberg mit dem Gift-Einsatz kaum moralische Bedenken verband.“ Bei der anschließenden AnwohnerInnen-Befragung sollten diese geschichtlichen Fakten als Entscheidungshilfe dienen. Das taten sie jedoch nicht: Von 62 Haushalten lehnten 56 die Umbenennung ab. Auch gegen das Anbringen einer Tafel mit historischen Erläuterungen sprach sich eine deutliche Mehrheit aus. Für Pankalla war das absehbar, nicht aus politischen Gründen, sondern weil die Menschen den bürokratischen Aufwand fürchten würden: „Eine Befragung der betroffenen Anwohner zu einer Straßenumbenennung ist ein Witz“, mit diesen Worten zitierte ihn die Neuß-Grevenbroicher Zeitung. Zu Duisberg brachte der Ex-Archivar der Stadt eine ambivalente Haltung zum Ausdruck. „Er hat anerkanntermaßen eine große Leistung für das BAYER-Werk und Dormagen vollbracht, zudem ist unklar, ob die Giftgas-Empfehlung in damaliger Zeit als Völkerrechtsverletzung zu sehen ist. Andererseits war seine Empfehlung, Zwangsarbeiter aus Belgien zu rekrutieren, damals schon völkerrechtswidrig“, so Heinz Pankalla. Auch ließ er keinen Zweifel daran, „dass Duisbergs Handeln nach heutigem Recht ein Verbrechen“ sei. Die Entscheidung über die Umbenennung der Straße wollte er der Kommune überlassen. Diese entschloss sich dagegen und votierte – wie auch im Fall der Hindenburgstraße – dafür, es beim Anbringen eines Hinweis-Schildes zu belassen. Klartext wird darauf allerdings nicht gesprochen: Die schwarz-rote Ratsmehrheit lehnte die Titulierung Duisbergs als „Kriegsverbrecher“ ab, „umstritten“ ist stattdessen das Attribut der Wahl. So steht unter dem Straßenschild nun zu lesen: „1861 – 1935, deutscher Chemiker und Generaldirektor der Farbenfabriken vorm. Friedr. BAYER & Co., umstritten v. a. wegen seines Engagements für die Produktion von Giftgas und den Einsatz von belgischen Zwangsinternierten im Ersten Weltkrieg.“

Offener Brief zu doppelten Standards

Seit Jahrzehnten schon kämpft die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) gegen doppelte Standards bei der Vermarktung von Pestiziden. Immer wieder kritisierte sie auf den BAYER-Hauptversammlungen, dass der Leverkusener Multi in den Ländern des globalen Südens Ackergifte verkauft, die in Deutschland wegen ihrer Gefährlichkeit längst verboten sind. Im Jahr 1995 rang die Coordination dem Vorstand sogar das Versprechen ab, bis zum Jahr 2000 keine Pestizide mehr in Umlauf zu bringen, welche die Weltgesundheitsorganisation WHO der Gefahren-Klasse 1 zurechnet. Wort gehalten hat die ManagerInnen-Riege allerdings nicht. Erst 2012 erfolgte ein gößerer Schritt, aber auch heute noch vertreibt der Global Player Pestizide der Gefahren-Klassen 1a oder 1b wie z. B. Carbofuran, Probinep und Thiodicarb. Darum gehörte die CBG mit zu den Unterzeichnern eines von INKOTA und dem PESTIZID AKTIONS-NETZWERK initiierten Offenen Briefs, der Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner und Wirtschaftsminister Peter Altmaier zur Verhängung eines Export-Verbots für hierzulande nicht zugelassene Agro-Chemikalien auffordert.

Offener Brief an Eduardo Leite

Zwölf Ackergifte, die in der EU nicht zugelassen sind, vermarktet BAYER in Brasilien. Nur der Bundesstaat Rio Grande verwehrt sich gegen diese Praxis der doppelten Standards. Er gestattet den Verkauf von importierten Produkten nur, wenn diese auch über eine Genehmigung im Herkunftsland verfügen. Doch unter dem extrem rechten Präsidenten Jair Bolsonaro gerät die Bestimmung unter Druck. Der jetzige Gouverneur Eduardo Leite will sie kippen. Dagegen macht die PERMANENTE KAMPAGNE GEGEN AGRARGIFTE UND FÜR DAS LEBEN mobil und bat dafür deutsche Partner-Organisationen um Unterstützung. Darum gehörte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) mit zu den Unterzeichnern eines Offenen Briefes, der Leite aufforderte, an der bisherigen Regelung festzuhalten.

„Mercosur-Abkommen stoppen!“

Ende Juni 2019 hat die EU die Verhandlungen mit den MERCOSUR-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay über ein Handelsabkommen abgeschlossen. Es sieht vor, dass die südamerikanischen Länder Zoll-Senkungen für europäische Industrie-Produkte gewähren und im Gegenzug einen erleichterten Zugang zum EU-Markt für ihre Agrar-Güter erhalten. Brüssel erwartet bei den Sätzen, die bisher für Autos 35 Prozent des Warenwerts, für Chemikalien bis zu 18 Prozent und für Pharmazeutika bis zu 14 Prozent betrugen, eine Reduktion im Umfang von rund vier Milliarden Euro. Parallel dazu rechnet der EU-Forschungsdienst durch die dem MERCOSUR gewährten Einfuhr-Erleichterungen mit einer Steigerung von dessen Anteilen an den Lebensmittel-Importen der Europäischen Union von derzeit 17 auf 25 Prozent bis zum Jahr 2025. Träte die Vereinbarung in Kraft, säße BAYER sowohl diesseits als auch jenseits des Atlantiks auf der GewinnerInnen-Seite. Einerseits haben chemische Erzeugnisse einen großen Anteil an den Exporten in die MERCOSUR-Mitgliedsländer – sie kommen auf 26 Prozent, mit 42 Prozent erreichen nur Maschinen und Transportmittel mehr – und andererseits ist ein höherer Absatz von Glyphosat & Co. zu erwarten, wenn die brasilianische und argentinische Agrar-Industrie besseren Geschäften auf dem alten Kontinent entgegensehen kann. Und das wiederum bedeutet: mehr Gifte und Gentechnik auf den Feldern, mehr Monokulturen, mehr Vertreibungen von Indigenen – und weniger Regenwald. Diese Aussichten riefen das NETZWERK GERECHTER WELTHANDEL auf den Plan. Es initiierte den Aufruf „Zeit zum Umdenken – EU-Mercosur-Abkommen stoppen!“, zu deren Mitunterzeichnern die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) gehört.

KAPITAL & ARBEIT

Trennung von der Tiermedizin

Nachdem das erste Schadensersatz-Verfahren in Sachen „Glyphosat“ am 10. August 2018 erst-instanzlich mit einem millionen-schweren Schuldspruch endete, setzte die BAYER-Aktie zu einer Talfahrt an, die bis heute anhält. Die Großinvestoren meldeten sogleich Handlungsbedarf an – und der Leverkusener Multi lieferte. Im Dezember 2018 kündigte er ein Einspar-Programm an, das unter anderem den Abbau von 12.000 Stellen vorsah. Ein Mittel dazu war die Veräußerung von Geschäftsteilen. So stieß der Global Player seine Beteiligung am Chem„park“-Dienstleister CURRENTA ab und trennte sich von den Sonnenschutz-Mitteln der COPPERTONE-Reihe sowie von den Fußpflege-Präparaten der Marke DR. SCHOLL’S. Und im August 2020 schloss das Unternehmen den Verkauf seiner Tierarznei-Sparte für 5,17 Milliarden Dollar an ELANCO ab und vernichtete auf diesem Weg 4.400 Arbeitsplätze innerhalb des Konzerns. Sie „werden zu vergleichbaren Konditionen weiterbeschäftigt“, versicherte die Aktien-Gesellschaft eilfertig.

Die Frauen-Quote kommt

Jahrelang hat die Politik den großen Konzernen Zeit gelassen, den Frauen-Anteil in den Vorständen und den Leitungsetagen darunter freiwillig zu erhöhen. Geschehen ist jedoch kaum etwas. Darum will die Große Koalition nun ein Gesetz zur Einführung einer Frauen-Quote auf den Weg bringen. Das Paragrafen-Werk sieht vor, die Unternehmen zu verpflichten, ab einer Vorstandsgröße von vier Personen mindestens einen Sitz einer Frau einzuräumen, wenn eine Neubesetzung ansteht. BAYER & Co. zeigten sich darüber not amused. Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) spricht von einem „starken Eingriff in die unternehmerische Freiheit“ und die „Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeber“ bezeichnet das Vorhaben sogar als „verfassungsrechtlich fragwürdig“. Auch der Leverkusener Multi wird sich in Sachen „Gleichberechtigung“ nun sputen müssen. Er bekundet zwar auf seiner Website: „Das Ziel, das dem Vorstand zum Ende der für das Ziel gesetzten Frist am 30. Juni 2022 und möglichst auch früher eine Frau angehört, wird weiter intensiv verfolgt“, schaffte es jedoch bis jetzt nicht, Vollzug zu melden. Nicht besser schaut es in den beiden ersten Führungsebenen darunter aus. Hier verfehlte der Global Player die Vorgaben von 17 bzw. 21 Prozent, die aus dem Jahr 2017 stammen. Zur Entschuldigung führt er den MONSANTO-Deal und die nachfolgenden Umstrukturierungen an. „Aufgrund dieser Veränderungen konnten die ursprünglich gesetzen Ziele nicht erreicht werden.“

BAYER „militär-freundlich“

Die US-amerikanische Organisation „Military Friendly“ zeichnete den Leverkusener Multi im September 2020 als „militär-freundlichen Arbeitgeber“ aus. Damit ehrte die Vereinigung BAYERs „proaktive Anstrengungen, Veteranen und Militär-Angehörige durch betriebliche Maßnahmen zu ehren, zu integrieren und zu fördern“. Der Konzern, der mit BRAVE beispielsweise eine eigene Struktur zur Unterstützung von Veteranen unterhält, sah sich seinerseits zu Dank verpflichtet. „Diese mutigen Männer und Frauen unserer bewaffneten Truppen haben durch ihren Geist der Opferbereitschaft und den Dienst, den sie ihrem Land erweisen, den Respekt und die Bewunderung aller Amerikaner verdient“, sagte BAYER-Manager Raymond F. Kerins zur Feier des Tages und sprach von „Helden“. Philip Blake, der ehemalige US-Chef des Agro-Riesen, stand dem nicht nach: „Wir bewundern die hohen Werte und den Geist, den unsere Soldaten und Soldatinnen jeden Tag mit zur Arbeit bringen – Führungsqualitäten, Disziplin und Tatkraft.“ Kampferprobte Werte gelten in der Geschäftswelt ganz offensichtlich mehr als demokratische.

KONZERN & VERGANGENHEIT

40 Jahre Dünnsäure-Proteste

Im Jahr 1980 initiierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) gemeinsam mit GREENPEACE eine Blockade des Leverkusener Rhein-Anlegers. So wollten die AktivistInnen das Auslaufen eines Tankers verhindern, der eine giftige BAYER-Fracht an Bord hatte: Dünnsäure, also verdünnte Schwefelsäure. Mit dieser Ladung nahmen die Schiffe tagein, tagaus Kurs Richtung Nordsee, wo sie das chemische Abfall-Produkt dann einfach ins Meer kippten. 280.000 Tonnen pro Jahr allein aus der Produktion des Konzerns entsorgten die Boote vor der Küste. Eine Umweltgefährdung sah der Leverkusener Multi darin nicht. Die Dünnsäure sei „für die Nordsee keine Mehrbelastung“, wiegelte der damalige BAYER-Chef Herbert Grünewald ab. Als die Proteste größer wurden, drohte das Unternehmen sogar, die Chemikalie einfach in den Rhein zu leiten und brachte in alter Manier das Arbeitsplatz-Argument ins Spiel. Wenn die Gewässer als Müllkippe ausfielen, ständen 4.000 Jobs zur Disposition, warnte die Aktien-Gesellschaft. Und so machte sich die Dünnsäure von Leverkusen aus noch lange Jahre auf die Reise gen Nordsee. Erst 1990 führte der beharrliche Kampf der UmweltschützerInnen zu einem Verbot der Dünnsäure-Verklappung. Viele Menschen politisierten sich im Zuge der Proteste wie etwa die jetzige Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Als Studentin nahm sie an den Blockaden in Leverkusen teil, wie die Politikerin in einem Interview berichtete. „GREENPEACE segelte (...) mit einem alten Dreimaster von Köln nach Leverkusen und versuchte, das zu stoppen. Und das hat mich so mitgenommen, dass ich gesagt habe: ‚Wenn man durch Diskussionen gesellschaftliche Prozesse nicht ändern kann, dann muss man eine Aktion machen, die so viel Aufmerksamkeit erregt, dass auch so ein Unternehmen in Argumentationszwang kommt.’ Und das war im Grunde für mich so eine Initialzündung.“ Die war es dann auch für GREENPEACE selbst. Fünf Wochen nach den Blockaden, am 17. November 1980, gründete sich die deutsche Sektion offiziell.

POLITIK & EINFLUSS

Treffen mit EU-Kommission

Im Mai 2020 hatte die Europäische Union zwei wesentliche Elemente ihres „Green Deals“ vorgestellt: die Biodiversitätsstrategie und die Landwirtschaftsstrategie „Vom Hof auf den Tisch“. Letztere gibt nach Ansicht der EU „eine umfassende Antwort auf die Herausforderungen nachhaltiger Lebensmittel-Systeme und erkennt an, dass gesunde Menschen, gesunde Gesellschaften und ein gesunder Planet untrennbar miteinander verbunden sind“. Auf der Agenda steht deshalb unter anderem eine Dezimierung des Pestizid-Einsatzes bis 2030 um 50 Prozent. Da sah der BAYER-Konzern Gesprächsbedarf: Er bat um einen Termin bei der EU-Kommission – „at the highest level“. Mit Mitgliedern des Europäischen Parlaments und PolitikerInnen der Mitgliedsstaaten hatte der Global Player sich über das Thema zuvor schon ausgetauscht, wie er in seinem Gesuch mitteilte. Anfang August 2020 kam es dann zu einem Treffen mit VertreterInnen der Generaldirektion Agrar, wie Recherchen des CORPORATE EUROPE OBSERVER (CEO) zu den Lobby-Aktivitäten von BAYER & Co. im Umfeld der EU-Landwirtschaftsstrategie ergaben. Bei dem Meeting versuchte das Unternehmen für seine Vorstellungen zur Verminderung der Risiken und Nebenwirkungen zu werben, die von seinen Ackergiften ausgehen. Der Leverkusener Multi will nicht die Gesamtmenge der ausgebrachten Agro-Chemikalien verringern, sondern nur die negativen Effekte, und diese genau um 30 Prozent. „Wenn man die Umwelt-Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln reduzieren will, reicht es nicht aus, nur auf die Volumina zu schauen, meint der BAYER-CROPSCIENCE-Chef Liam Condon nämlich. Strengere Regelungen in dem Bereich hält die Aktien-Gesellschaft nicht für nötig, ließ sie die Generaldirektion Agrar wissen. Zudem plädierte der Agro-Riese noch für schnellere Zulassungen und warnte vor den ökonomischen Folgen einer nur ökologische Ziele verfolgenden Landwirtschaftspolitik.

Extrem-Lobbying der ECPA in Brüssel

Nicht nur der BAYER-Konzern selbst, sondern auch sein Brüsseler Interessenverband, die „European Crop Protection Association“ (ECPA), tat alles, um die Biodiversitäts- und Landwirtschaftsstrategie der EU zum Vorteil der Branche zu verwässern (s. o.). Das ergaben Recherchen des CORPORATE EUROPE OBSERVER (CEO). Vor allem trachtete die ECPA danach, die Kommission von dem Ziel abzubringen, den Pestizid-Einsatz bis 2030 um 50 Prozent zu senken. Als nicht realistisch bezeichnete sie diese Vorgabe in einem Gespräch mit VertreterInnen der Generaldirektion Agrar und schlug stattdessen 25 Prozent vor. Und auch nach der Verabschiedung der „Farm to Fork“-Strategie ließ die Lobby-Organisation nicht locker. So sponserte sie im Oktober 2020 eine Veranstaltung, welche sich mit den möglichen Folgen der neuen Agrar-Politik auf die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen LandwirtInnen beschäftigte. Schützenhilfe erhielt die ECPA überdies von seinem internationalen Pendant „Croplife International “, das in Tateinheit mit der BASF im Juni 2020 ein Roundtable-Gespräch mit dem Agrar-Kommissar Janusz Wojciechowski anberaumte. Über die TeilnehmerInnen und Themen wollte die Europäische Union CEO keine Auskünfte geben. Solche Informationen würden „den kommerziellen Interessen des Organisatoren schaden“, bekundete die EU.

BAYER sponsert ALDE

Im Europa-Parlament ist BAYERs Partei der Wahl die „Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa“ (ALDE). 2017 ließ der Konzern ihr 12.000 Euro zukommen und 2018 sogar 18.000 Euro. Auch MICROSOFT und HYUNDAI überwiesen der ALDE hohe Beträge. Nach Bekanntwerden dieser massiven Unterstützung aus Kreisen der Wirtschaft erklärte die Fraktionsspitze, auf Zuwendungen von Privat-Unternehmen künftig verzichten zu wollen.

Werbe-Plattform Botschaft

Die Deutschen Botschaften in Südamerika verstehen sich offensichtlich als Lobby-Agenturen zur Förderung des Außenhandels von BAYER & Co. So protestierte der Agrar-Attaché der Deutschen Botschaft in Mexico, Martin Nissen, nicht nur vehement gegen das von der Regierung Obrador verhängte Import-Verbot für Glyphosat und 16 weitere gefährliche Pestizide (s. o.), er verschaffte den Unternehmen auch Gelegenheiten, sich in seinem Hause zu präsentieren. So richtete die Botschaft im November 2019 eine Tagung zur nachhaltigen Nahrungsmittelsicherheit aus. Bei dieser Veranstaltung durfte sich der BASF-Manager José Eduardo Vieira Moraes über die Auswirkungen von Pestiziden auf Umwelt und Gesundheit auslassen und sein BAYER-Kollege Dr. Klaus Kunz über Versuche des Leverkusener Multis, eine Mais-Sorte zu entwickeln, die angeblich dem Klimawandel besser trotzen kann.

Amtshilfe in Sachen „Glyphosat“

Im Jahr 2017 hatten 43 Personen bei der mexikanischen Menschenrechtskommission CNDH wegen des unkontrollierten Einsatzes hochgefährlicher Pestizide in dem Land eine Beschwerde eingereicht (Ticker 3/20). Unter den inkriminierten Ackergift-Wirkstoffen finden sich zahlreiche, die auch in BAYER-Produkten enthalten sind wie z. B. Mancozeb, Glyphosat, Atrazin, Deltamethrin, Methamidophos, Imidacloprid, Carbofuran, Endosulfan, Bifenthrin und Carbendazim. Die CNDH gab den Beschwerde-TrägerInnen im Februar 2019 Recht und empfahl der Politik eine Reihe von Maßnahmen. Und diese reagierte, wie das Portal amerika21 berichtet: Die mexikanische Zentralregierung erließ für Glyphosat und 16 weitere Ackergifte einen Import-Bann. Anschließend lud sie MitarbeiterInnen ausländischer BotschafterInnen zu einem Treffen ein, um ihnen die geplanten Einschränkungen näher zu erläutern. Bei dieser Zusammenkunft zeigte sich der Agrar-Attaché der Deutschen Botschaft, Martin Nissen, „sehr verärgert“ über die drohenden Verbote. „Leider wurde der Vorschlag zum Glyphosat-Ausstieg durch einen Vertreter der Deutschen Botschaft aus der Abteilung ‚Ernährung, Landwirtschaft, Gesundheit und Verbraucherschutz’ heftig gerügt“, berichteten die mexikanischen Sektionen des PESTIZID AKTIONS-NETZWERKS (PAN) und von GREENPEACE ihren deutschen Partner-Organisationen. Nissen prophezeite der mexikanischen Landwirtschaft düstere Zeiten, weil den FarmerInnen Alternativen zu den Mitteln fehlen würden, und warnte vor dem Entstehen eines Schwarzmarktes für Glyphosat & Co. PAN und GREENPEACE erboste dieser Auftritt des Sozialdemokraten. Während die Europäische Union im Rahmen ihrer „Farm to Fork“-Strategie den Agrochemie-Verbrauch bis zum Jahr 2030 um die Hälfte reduzieren will, opponierten die EmissärInnen der EU-Länder in Südamerika gegen Beschränkungen, hielten die Initiativen fest und bezeichneten das als „völlig inkohärent“. Zudem klagten sie über den immensen Lobby-Druck, den Konzerne wie BAYER entfalteten, um den Pestizid-Plan der Regierung Obrador zu stoppen.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER rettet die Welt

Mit der MONSANTO-Übernahme hat der Leverkusener Multi auch das Thema „Welthunger“ entdeckt. „Gemeinsam können wir noch mehr dazu beitragen, dass im Jahr 2025 zehn Milliarden Menschen satt werden“, verkündete Konzern-Chef Werner Baumann damals. Eine solche Mission kauften ihm aber noch nicht einmal die konservativen Zeitungen ab. Als eine „stets etwas salbungsvoll klingende Kapitalmarkt-Story für den Mega-Deal“ bezeichnete etwa die FAZ solche Bekenntnisse. Das hindert den Konzern jedoch nicht daran, die Mär wieder und wieder zu erzählen. Unlängst tat dies BAYERs Agro-Chef Liam Condon, dem der Focus dafür Platz einräumte. Unter der Überschrift „Eine Welt ohne Hunger? Das schaffen wir!“ durfte er seine Ansichten verbreiten. Aller wissenschaftlichen Expertise zum Trotz führt Condon die Mangelversorgung nicht auf ein Verteilungsproblem zurück. Ihm zufolge gibt es einfach zu wenig Nahrungsmittel, um die Menschen satt zu machen. Und da Anbau-Fläche nicht unbegrenzt zur Verfügung steht, braucht es eine intensive Landwirtschaft mit innovativen Produkten, wie sie nur ein Welt-Konzern mit großen Forschungskapazitäten zu entwickeln vermag. Die Entwicklungsorganisation OXFAM nennt das den Welternährungsmythos. „Er suggeriert, dass eine höhere Produktion weniger Hunger bedeutet. Menschen hungern jedoch, weil sie extrem arm sind und sich keine Lebensmittel leisten können“, konstatiert sie. Ihr schlichtes Fazit lautet: „Jenen, die den Welternährungsmythos bemühen, geht es in erster Linie um die Profite von Agrar-Konzernen und weniger um bessere Bedingungen für Hungerleidende.“

BAYER & Co. kapern FAO

Die Vereinten Nationen und ihre Unter-Organisationen geraten immer mehr unter den Einfluss der Superreichen und der Konzerne. So ging die UN im Jahr 2000 eine Kooperation mit BAYER und 43 weiteren Multis ein. Inzwischen schlossen sich über 7.000 weitere Unternehmen diesem „Global Compact“ an. Unterdessen bestimmt Bill Gates mit seinem Spenden-Geld immer mehr die Agenda der Weltgesundheitsorganisation. Und nun öffnet sich auch noch die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO den Agro-Riesen. Sie vereinbarte eine Partnerschaft mit „Crop-life International“, dem weltweit agierenden Lobby-Verband von BAYER & Co. Mehr als 350 Organisationen, darunter auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, protestierten in einem Offenen Brief scharf gegen diese Allianz. „Wir brauchen eine starke und von der Pestizid-Industrie unabhängige FAO, die sich – frei von Markt-Interessen globaler Konzerne – für sichere gesunde Ernährung und nachhaltige Anbau-Systeme zum Wohl aller Menschen einsetzt“, hielt etwa Susan Haffmans vom PESTIZID AKTIONS-NETZWERK in dem Schreiben fest. In ihrer Antwort verteidigte die FAO ihre Entscheidung. Sie versicherte zwar, ihre Unabhängigkeit als wichtiges Gut zu betrachten, betonte aber gleichwohl die Bedeutsamkeit einer Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteuren. Von einem „Geist der Inklusivität“ sprach Generaldirektor Qu Dongyu in diesem Zusammenhang. „Wir sehen strategische Partnerschaften mit dem Privatsektor als wichtig an, um innovative Ansätze zur Unterstützung einer nachhaltigen Landwirtschaft zu identifizieren und umzusetzen und letztlich ein besseres und verantwortungsvolleres Engagement und Verhalten zu fördern“, erklärte der Chinese. BAYER kennt er noch aus seiner Zeit als stellvertretender Landwirtschaftsminister. So nahm er im Jahr 2019 an der feierlichen Zeremonie zur Unterzeichnung eines vage bleibenden Umwelt-Pakts zwischen der Regierung und dem Leverkusener Multi teil. Und bei diesem Anlass ließ er sich es nicht nehmen zu betonen, dass China den MONSANTO-Deal noch vor den USA und Europa abgesegnet und damit signalisiert habe, wie positiv es dem Deal gegenüber eingestellt sei. Darüber hinaus versprach Qu Dongyu eine weitere Öffnung des Landes inklusive noch besserer Bedingungen für multinationale Unternehmen.

Hardy Krüger jr. in BAYER-Mission

Der Leverkusener Multi hat einen Film drehen lassen, der ihn als großen Kümmerer in Sachen „Welternährung“ zeigt. Als Überbringer der Botschaft engagierte er den Schauspieler Hardy Krüger jr. In „Wie ernähre ich mich richtig?“ reist der gelernte Koch auf der Suche nach einer Antwort kreuz und quer durch die Lande. Er spricht unter anderem mit TierzüchterInnen, WissenschaftlerInnen und LandwirtInnen, wobei er durchaus auch mal Biobauern und -bäuerinnen sein Ohr leiht. BAYER-Labore besucht er natürlich ebenfalls. Und selbstverständlich darf BAYERs Agro-Chef Liam Condon mit seinem Mantra: „Wir werden mehr Nahrungsmittel erzeugen müssen, aber wir haben nur begrenzte natürliche Ressourcen“ (s. o.) nicht fehlen, das ihm immer zur Begründung der Unabdingbarkeit einer auf Hochtechnologie basierenden, industriell betriebenen Landwirtschaft dient. Die Lage ist ernst, lautet am Ende das Fazit von Hardy Krüger jr., es gebe jedoch noch eine Chance, eine Lösung zu finden – aber natürlich nur „zusammen mit der Wirtschaft und der Politik“.

Acht Millionen für ÄrztInnen

Von den rund 57 Millionen Euro, die der BAYER-Konzern 2019 zur Absatz-Steigerung seiner Produkte ins Gesundheitswesen pumpte, erhielten ÄrztInnen ca. acht Millionen. Eine detaillierte Aufschlüsselung des Verwendungszwecks der Gelder gibt das Unternehmen nur für diejenigen MedizinerInnen an, die lieber inkognito bleiben wollen. Mit 6,5 Millionen Euro floss ein Großteil der Summe in diesen Bereich. 3,15 Millionen davon gingen für Vortrags- oder Beratungshonorare drauf; 1.549 Doctores standen dem Leverkusener Multi hier zu Diensten. Reise- und Übernachtungskosten in Höhe von 2,1 Millionen Euro, die bei Kongressen und ähnlichen Veranstaltungen anzufallen pflegen, übernahm der Pharma-Riese derweil für 4.756 Weißkittel.

BAYER bedenkt Fachgesellschaften

Zu den Akteuren des Gesundheitswesens, die BAYER mit hohen Summen beglückt (s. o.), gehören auch die medizinischen Fachgesellschaften nebst den von ihnen veranstalteten Kongressen und Weiterbildungen. Und wenn sich die Tätigkeiten der Organisationen auf ein Gebiet erstrecken, für das der Konzern die passende Arznei im Angebot hat, überweist er ihnen besonders viel Geld. So konnte sich die „Deutsche Gesellschaft für Mann und Gesundheit“ im Jahr 2019 über 50.000 Euro freuen – und der Pharma-Riese sicherlich bald über mehr Rezepte für seine umstrittenen Testosteron-Präparate. Die „Deutsche Gesellschaft für Urologie“ bedachte er ebenfalls. 86.000 Euro landeten bei ihr auf dem Konto. Das Marktumfeld für seine nebenwirkungsreichen Röntgen-Kontrastmittel GADOVIST, PRIMOVIST und MAGNEVIST gestaltete der Pillen-Riese durch Zuwendungen an die „Deutsche Röntgen-Gesellschaft“ (16.000 Euro) und ihren Kongress (120.000 Euro) freundlicher. Der „Kongressverein für radiologische Diagnostik“ verbuchte sogar 127.000 Euro. Der Absatz-Förderung des gentechnisch hergestellten Augen-Präparats EYLEA dienten Überweisungen an den „Bundesverband der Augenärzte“ (23.000 Euro), der „Augenärztlichen Akademie“ (16.000 Euro) und der „Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft“ (95.000 Euro) nebst Kongress (86.000 Euro). Das meiste Geld aber gab der Global Player für die Promotion seines umstrittenen Gerinnungshemmers XARELTO aus. Schecks erhielten hier unter anderem das „Online Portal Kardiologie“ (250.000 Euro) und der „Bundesverband niedergelassener Kardiologen“ (54.000 Euro). Dessen Fortbildungsforum strich dann nicht weniger als 333.000 Euro ein. Die „Deutsche Gesellschaft für Angiologie“ bekam 65.000 Euro und die „Deutsche Gesellschaft für Kardiologie“ 226.000 Euro. Deren Kongress nebst BAYER-Symposien bezuschusste der Konzern mit 53.000 Euro. Die Jahrestagung der „Gesellschaft für Thrombose und Hämostase-Forschung“ war ihm 106.000 Euro wert. Die GEBE GmbH, die im Bereich „Verhütung“ eine „Gesundheitsförderung durch aufsuchende Beratung“ betreibt, erhielt 70.000 Euro und erbrachte dafür die Gegenleistung „Logo/Nennung im Programm/Standgebühr“.

BAYER bedenkt Krankenhäuser

Auch in die Pflege der Krankenhaus-Landschaft investierte der Leverkusener Multi im Jahr 2019 viel Geld. So erhielten beispielsweise das Universitätsklinikum Aachen 36.000 Euro, das Dresdener Universitätsklinikum Carl Gustav Carus 25.000 Euro, die Münsteraner Klinik und Poliklinik für allgemeine Orthopädie 18.000 Euro, das Berliner Gertrauden-Krankenhaus ebenfalls 18.000 Euro, die Berliner Charité 62.000 Euro, das Krankenhaus Martha-Maria in Halle 64.000 Euro, das Institut für Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene des Universitätsklinikums Köln 30.000 Euro, die Hautklinik der Hochschule Hannover 28.000 Euro und die Hamburger Martini-Klinik 50.000 Euro an Zuwendungen.

DRUGS & PILLS

XARELTO: Mehr Todesfälle

BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO zählt gemeinsam mit LIXIANA, PRADAXA und ELIQUIS zu den „Neuen Antikoagulanzien“ (NOAK), denen es – nicht zuletzt dank immenser Werbe-Etats – gelang, der bisherigen Standard-Therapie mit MARCUMAR (Wirkstoff: Phenprocoumon) Markt-Anteile wegzunehmen. Dabei spricht die Sicherheit eindeutig für MARCUMAR, wie auch eine Studie des „Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland“ wieder belegt. So kommt es unter Phenprocoumon seltener zu Schlaganfällen als unter NOAK. Um dreizehn Prozent sinkt die Wahrscheinlichkeit im Vergleich zu XARELTO, um 52 Prozent im Vergleich zu ELIQUIS und um 93 Prozent im Vergleich zu PRADAXA. Bei den Blutungen hingegen zeigen sich die NOAK überlegen. Das Risiko reduziert sich gegenüber MARCUMAR um elf Prozent; nur XARELTO tanzt hier mit einem Gefährdungspotenzial von plus drei Prozent aus der Reihe. Als Ursache für die höhere Schlaganfall-Rate vermutet das Fachblatt arznei-telegramm eine in der Regel zu niedrige Dosierung der NOAK, sieht da aber noch Klärungsbedarf.

Kein ASPIRIN in der Schwangerschaft

Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hat ihre Empfehlungen bezüglich der Nutzung von ASPIRIN und anderen Schmerzmitteln in der Schwangerschaft verschärft. Bisher riet die Einrichtung dazu, die Mittel ab der 30. Woche nicht mehr zu nutzen, weil diese das Herz des Kindes schädigen können. Jetzt hält sie es für ratsam, schon ab der 20. Woche auf die Präparate zu verzichten. Sie drohen nämlich die Nierenfunktionen des Fötus zu stören und damit auch die Fruchtwasser-Produktion, was wiederum das Risiko erhöht, dass sich die Atemorgane, die Muskeln und/oder das Verdauungssystem nicht richtig entwickeln.

Kooperation mit EXSCIENTIA

Das britische Unternehmen EXSCIENTIA hat ein Verfahren entwickelt, mittels Künstlicher Intelligenz eine Vorauswahl von solchen Molekülen zu treffen, die vielleicht als Arznei-Wirkstoffe infrage kommen. BAYER will sich diese Technologie zunutze machen und hat deshalb einen Vertrag mit der Firma geschlossen. Konkret bezieht sich der Suchauftrag auf Substanzen zur Therapie von Krebs und Herz/Kreislauf-Erkrankungen. Zahlungen von bis zu 240 Millionen Euro plus Umsatz-Beteiligungen stellt der Leverkusen Multi dem Unternehmen in Aussicht, sollte es liefern können.

Neue Zulassung für LAMPIT

Die BAYER-Arznei LAMPIT (Wirkstoff: Nifurtimox) kommt schon lange zur Behandlung der Chagas-Krankheit zum Einsatz, die der Parasit „Trypanosoma cruzi“ überträgt und vor allem in Lateinamerika stark verbreitet ist. Anfang des Jahres erhielt der Leverkusener Multi in den USA nun die Zulassung für eine kinder-verträgliche Nifurtimox-Formulierung. „Kampf gegen vernachlässigte Tropen-Krankheiten Bestandteil der Nachhaltigkeitsstrategie von BAYER“, verlautete flugs aus der Konzern-Zentrale. Dabei hat der Global Player das Forschungsfeld „Tropenkrankheiten“ schon vor langer Zeit abgewickelt und setzt nur noch auf die Alt-Medikamente, die aus dieser Abteilung einst hervorgingen.

VERICIGUAT überzeugt nicht

BAYER hat in der EU und in Japan Anträge auf Genehmigung der Arznei Vericiguat gestellt, die zur Behandlung chronischer Herz-Insuffizenz bestimmt ist. Der Leverkusener Multi hat das Mittel, das in Kombination mit den gängigen Therapien zum Einsatz kommen soll, gemeinsam mit dem Unternehmen MSD entwickelt. Bei den Klinischen Prüfungen konnte es dem Pharma-Riesen zufolge überzeugen. „In der VICTORIA-Studie sank das absolute Risiko für kardio-vaskulären Tod oder Hospital-Aufenthalte aufgrund von Herz-Insuffizienz um 4,2 Ereignisse pro 100 Patienten-Jahre“, vermeldete der Konzern. Wenn also 24 bis 28 herzkranke Personen über ein Jahr lang Vericiguat bekommen, kann das Medikament eine/n von ihnen vor einem Herzinfarkt oder dem Krankenhaus verschonen. Tieferen Einblick in die Untersuchung gab der Global Player auf einem Kongress des „American College of Cardiology“. Und dieser wirkte einigermaßen ernüchternd. Als Studien-Ziel für das Präparat die Verhinderung von Todesfällen oder Klinik-Einweisungen definiert zu haben, erwies sich nämlich im Nachhinein als geschickter Schachzug, mit dem die Aktien-Gesellschaft verbarg, dass VERICIGUAT auf den weit wichtigeren der beiden Parameter – die Sterbe-Rate – keinen statistisch signifikanten Einfluss hatte. FARXIGA von ASTRA ZENECA oder ENTRESTO von NOVARTIS zeigten da bessere Resultate. Das Pharma-Portal Evaluate räumt dem BAYER-Pharmazeutikum daher Marktchancen nur im Segment der Herz-PatientInnen mit hohem Gefährdungspotenzial ein.

Kein SATIVEX-Vertrieb mehr

Im Jahr 2010 hatte BAYER in Großbritannien die Vertriebsrechte für das Cannabis-Spray SATIVEX vom Hersteller GW PHARMAZEUTICALS erworben. Nun ließ der Leverkusener Multi den Vertrag auslaufen. Das Mittel, das zur Linderung bestimmter Begleiterscheinungen der Multiplen Sklerose wie etwa Spastiken zum Einsatz kommt, hat offenbar die Profit-Erwartungen des Konzerns nicht erfüllen können.

AGRO & CHEMIE

Glyphosat schädigt Hormon-Haushalt

Glyphosat ruft zahlreiche Krankheiten hervor. So stuft die Weltgesundheitsorganisation WHO das Pestizid als „wahrscheinlich krebserregend“ ein. Aber auch die Nieren vermag das Mittel anzugreifen. Zunächst als Substanz zur Wasser-Enthärtung zugelassen, bindet es nämlich Kalzium, Magnesium und andere Metalle, welche die Funktion dieses Organs stören. Zudem machen zahlreiche MedizinerInnen das Total-Herbizid für Schwangerschaftskomplikationen verantwortlich, die zu Fehlgeburten führen oder Kinder mit massiven gesundheitlichen Problemen wie etwa Speiseröhren-Anomalien auf die Welt kommen lassen. Der Grund: Glyphosat wirkt auf die Retinsäure ein, die bei der Embryonal-Entwicklung eine bedeutende Rolle spielt. Und jetzt fanden die WissenschaftlerInnen Juan Monoz, Tammy Bleak und Gloria Calaf von der chilenischen Tarapacá-Universität neue Belege für hormon-ähnliche und deshalb gefährliche Effekte des Produktes. Den ForscherInnen zufolge erfüllt es acht der zehn Kriterien, die für endokrine Disruptoren (EDC) gelten. Substanzen dieser Kategorie gleichen in ihrem chemischen Aufbau Hormonen und können deshalb den menschlichen Organismus gehörig durcheinanderwirbeln mit Folgen wie Krebs, Diabetes, Fettleibigkeit oder Unfruchtbarkeit.

Glyphosat-Restriktionen in Frankreich

Andere Staaten gehen viel rigoroser gegen Glyphosat vor als Deutschland. Luxemburg hat das Herbizid ganz verboten, und Frankreich schränkt den Gebrauch drastisch ein. So zog das Nachbarland bereits mehr als zwei Drittel der 190 glyphosat-haltigen Mittel aus dem Verkehr. Und LandwirtInnen, die partout nicht auf das Pestizid oder andere ähnlich schädliche Produkte verzichten wollen, müssen eine Umweltzulage zahlen. Zudem darf das von der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestufte Ackergift nur in bestimmten Mengen ausgebracht werden. Und im Oktober 2020 reduzierte die Zulassungsbehörde ANSES die erlaubten Höchstgrenzen noch einmal um 60 Prozent für Obstgärten und Ackerflächen sowie um 80 Prozent für Wein-Kulturen.

Glyphosat in höherer Konzentration

BAYER hat ein Glyphosat-Produkt mit einer neuen Formulierung auf den Markt gebracht. Das ROUNDUP POWERMAX 3 enthält eine höhere Konzentration des Wirkstoffes und kann dementsprechend noch mehr Schaden anrichten.

Glyphosat: Klöckner spielt auf Zeit

Bereits Mitte April 2018 hatte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner ihre Strategie zur Minimierung der Verwendung glyphosat-haltiger Pestizide vorgestellt. Dazu gehörten ein Verbot der Verwendung in Privatgärten, in der Nähe von Gewässern und auf allgemein zugänglichen Flächen rund um Kindergärten, Schulen, Sportanlagen und Altenheime. Auch beabsichtigte die CDU-Politikerin, letzte Ausnahmen hinsichtlich der Glyphosat-Nutzung in Naturschutzgebieten und dort, wo ein ausreichender Artenschutz nicht gewährleistet werden kann, zu streichen. Liefern wollte sie bis 2020, doch geschehen ist bisher noch nichts. Der Reduktionsplan werde noch „erarbeitet“ und dann sei noch eine Folgenabschätzung nötig, verlautete aus dem Ministerium. Auch bei Maßnahmen zur Eindämmung des Insektensterbens kann Klöckner noch nicht Vollzug melden. Das Umweltministerium wirft der Christdemokratin deshalb Blockade-Politik vor und beschwerte sich beim Bundeskanzleramt. Die Ministerin verhindere „jedweden Fortschritt beim Insektenschutz und bei der Beschränkung von schädlichen Pflanzenschutzmitteln“, hieß es in dem Schreiben. Zur rechtlichen Umsetzung der diesbezüglichen Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag habe das Bundeslandwirtschaftsministerium „bislang Folgendes geliefert: nichts“. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) kritisierte diese Obstruktionsstrategie ebenfalls scharf. „Im Koalitionsvertrag heißt es eindeutig: ‚Wir werden mit einer systematischen Minderungsstrategie den Einsatz von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln deutlich einschränken mit dem Ziel, die Anwendung so schnell wie möglich grundsätzlich zu beenden.’ Julia Klöckner muss das jetzt endlich umsetzen“, forderte die CBG in ihrer Presseerklärung.

Glyphosat schädigt die Darmflora

Nach einer Untersuchung von ForscherInnen der finnischen Universität Turku hat Glyphosat einen negativen Einfluss auf die Darmflora. Den WissenschaftlerInnen zufolge reduziert das Herbizid die Vielfalt der Mikroorganismen und ändert deren Zusammensetzung. Das Mittel blockiert nämlich das Enzym EPSPS, das für die den Darm besiedelnden Mikroorganismen eine wichtige Funktion erfüllt. „Wir können davon ausgehen, dass eine langfristige Exposition gegenüber Glyphosat-Rückständen zur Dominanz resistenter Stämme in der Bakteriengemeinschaft führt“, konstatieren die WissenschaftlerInnen. Auch vor einer Schwächung der Immun-Abwehr und dem Auftreten anderer Gesundheitsstörungen, die mit einer geschädigten Darmflora in Verbindung stehen, warnen sie.

Aus für Chlorothalonil

BAYER darf das Fungizid AMISTAR innerhalb der EU nicht mehr vermarkten. Nach einem Gutachten der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA können die Abbau-Produkte von dessen Wirkstoff Chlorothalonil Fische und Amphibien schädigen und die Trinkwasser-Gewinnung gefährden. Darum zog Brüssel das Ackergift aus dem Verkehr.

Viele Pestizide in Obst und Gemüse

Das „Chemisches und Veterinär-Untersuchungsamt Stuttgart (CVUA) entdeckte auch 2019 wieder viele Pestizid-Rückstände in Obst und Gemüse. 95 Prozent der insgesamt 753 Obst-Proben enthielten Ackergift-Spuren. Bei den 916 Gemüse-Proben waren es 93 Prozent. 166 davon lagen sogar über dem Grenzwert. Eigentlich hätten diese Produkte in den Supermärkten überhaupt nichts mehr zu suchen. „Ein Lebensmittel mit Rückständen über dem Rückstandshöchstgehalt ist nicht verkehrsfähig, darf also nicht verkauft werden“, hält das CVUA fest. Auch Wirkstoffe, die in BAYER-Erzeugnissen enthalten sind wie Bifenthrin, Carbendazim, Chlorthalonil, Flupyram und Tebuconazol lagen über dem Limit. In der Rangliste der Ackergifte, deren Rückstände sich am häufigsten in Tomaten, Bohnen & Co. fanden, waren Agro-Chemikalien des Leverkusener Multis ebenfalls gut vertreten. Den „besten“ Platz belegte dabei Fluopyram mit 216 positiven Befunden. Propamocarb kam auf 72, Imidacloprid auf 68, Thiacloprid auf 61, Tebuconazol auf 60, Deltametrin auf 43, Spiromesifen auf 42 und Trifloxystrobin auf 33.

Neues Herbizid auf dem Markt

BAYER hat in den USA ein neues Herbizid für Weizen-Kulturen auf den Markt gebracht. Das Mittel mit dem Produkt-Namen LUXXUR (Inhaltsstoffe: Thiencarbazone-methyl und Tribenuron-methyl) wirkt hauptsächlich gegen Wildhafer, kann dem Leverkusener Multi zufolge jedoch auch anderen Wildpflanzen das Leben schwer machen.

Herbizid in der Entwicklung

BAYER-WissenschaftlerInnen entdeckten ein Molekül, das im Labor gegenüber einigen Gräser-Arten Wirkung zeigte. Aber bis zum fertigen Produkt ist es noch ein weiter Weg; zehn Jahre kalkulieren die ForscherInnen dafür ein. In einer Parallelaktion machen sie sich jedoch schon einmal daran, Pflanzen mittels gentechnischer Verfahren eine Resistenz gegen das Antiunkraut-Mittel einzubauen. Das eröffnet nämlich die lukrative Möglichkeit, den LandwirtInnen später einmal ganze Kombi-Packs zu verkaufen. Hoffnung auf einen Ersatz für das umstrittene Glyphosat macht das Molekül dem Leverkusener Multi zufolge jedoch nicht. Es zählt nämlich im Gegensatz zu der von der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuften Substanz nicht zu den Breitband-Herbiziden, die gleich dutzende von unerwünschten Gewächsen von den Feldern fegen.

Vereinbarung mit CLAAS

BAYER hat mit dem Landmaschinen-Hersteller CLAAS eine Kooperation im Bereich der digitalen Landwirtschaft vereinbart. LandwirtInnen, die CLAAS TELEMATICS zur Erhebung von Daten nutzen, erhalten nun auch Zugriff auf die BAYER-Plattform FIELDVIEW. Das Tool des Leverkusener Multis stellt unter anderem Informationen über das Wetter, bereits bearbeitete Felder, die durchschnittliche Getreide-Feuchte sowie Ertragsberichte und Karten zur Verfügung.

PFLANZEN & SAATEN

Nährstoff-Verluste bei Tomaten

Den Markt für Gemüse-Saatgut beherrschen wenige große Konzerne. Neben BAYER gehören unter anderem LIMAGRAIN, SYNGENTA und BASF zu dem Oligopol. Bei ihren Züchtungen kommt es den Multis hauptsächlich auf hohe Erträge, längere Haltbarkeit und ein ansprechendes Äußeres an. Und genau das ist es, was ihren Erzeugnissen den Geschmack und den Nährgehalt nimmt, wie der Film „Das Saatgut-Kartell“ von Linda Bendali dokumentiert. So vermindern etwa die eingezüchteten Eigenschaften, die den Reife-Prozess von Tomaten verlangsamen, um sie auch mit langsameren und deshalb billigeren Transportmitteln zu ihrem jeweiligen Bestimmungsort bringen zu können, die Gaumenfreuden und die positiven Effekte auf die Gesundheit. Aromen sind nämlich auch Nährstoffe. So enthält etwa eine moderne Hochleistungstomate einer hybriden, also nicht für die Wiederaussaat geeigneten Art 29 Prozent weniger Magnesium als eine alte Sorte, sowie 56 Prozent weniger Polyphenole, 58 Prozent weniger Lycopin und 72 Prozent weniger Vitamin C.

GENE & KLONE

Bt-Pflanzen giftiger als erwartet

BAYER & Co. haben zahlreiche Pflanzen per Gentechnik mit Proteinen des Bacillus thuringiensis (Bt) bestückt, um diese gegen Schadinsekten zu wappnen. Auf diesem Wege ändert das Boden-Bakterium jedoch seine natürlichen Eigenschaften. So nimmt die Giftigkeit stark zu, bis zu 20 Mal höher kann sie sein. Das belegen alte Dokumente des jetzt zu BAYER gehörenden Unternehmens MONSANTO, welche die Initiative TESTBIOTECH aufgespürt hat. Die Bt-Proteine interagieren nämlich mit den Enzymen der Gewächse, in welche die GenwerkerInnen sie eingebaut haben. Bei den Genehmigungsverfahren spielte die stärkere Toxizität nie eine Rolle. Darum fordert die Organisation die EU auf, die derzeit anstehenden Anträge von BAYER und SYNGENTA für Importzulassungen von gentechnisch veränderten Soja- und Maispflanzen nicht weiter zu bearbeiten und die bisherige Prüf-Praxis einer kritischen Revision zu unterziehen.

Neue EYLEA-Tests

Die Augen-Arznei EYLEA ist nach dem Gerinnungshemmer XARELTO BAYERs erfolgreichstes Medikament. Auf einen Umsatz von rund 2,5 Milliarden Euro kam das Gentech-Präparat im Geschäftsjahr 2019. Ursprünglich nur zur Therapie der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – zugelassen, kamen bisher vier weitere Genehmigungen dazu. Trotzdem versucht der Konzern immer noch, das Anwendungsspektrum des Mittels mit dem Wirkstoff Aflibercept zu erweitern. So startete er im Juni 2019 eine Klinische Prüfung zum Einsatz bei Netzhaut-Schädigungen von Frühgeborenen. Und im Juni 2020 begann das Unternehmen gemeinsam mit REGENERON PHARMACEUTICS einen Test mit einer 8mg-Dosierung von Aflibercept zur Behandlung von Sehstörungen aufgrund eines diabetischen Makular-Ödems sowie einer altersbedingten feuchten Makula-Degeneration.

EYLEA-Fertigspritzen

Im April 2020 hatten die Bemühungen des BAYER-Konzerns um eine Ausweitung der Anwendungszone für seine Augen-Arznei EYLEA (s. o.) Erfolg. Die Europäische Arzneimittelagentur EMA erteilte einer neuen Darreichungsform die Genehmigung. Der Leverkusener Multi darf das Mittel nun auch als Injektionslösung in einer Fertigspritze anbieten.

Bt-Baumwolle: fatale Bilanz

Im Jahr 2002 begann die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO in Indien mit der Vermarktung der Bt-Baumwolle. Einen höheren Ertrag bei einem sinkenden Insektizid-Verbrauch versprach das Unternehmen den LandwirtInnen damals. Damit wurde es allerdings nichts. Der mittels Gentechnik in die Pflanzen eingebaute Bacillus thuringiensis hielt nämlich längst nicht alle Schadinsekten von dem Gewächs ab. So stellte sich beispielsweise der Kapselbohrer recht bald auf das Toxin ein und entwickelte eine Resistenz. Auch fielen die Ernten nicht besser aus. Darum zog der Wissenschaftler Glenn Davis Stone nach 18 Jahren Bt-Baumwolle eine negative Bilanz: „Unsere Schlussfolgerung ist, dass die Hauptauswirkung der Bt-Baumwolle auf den Bauern darin besteht, dass sie die Landwirtschaft kapital-intensiver macht – und nicht in einem dauerhaften agronomischen Nutzen.“

WASSER, BODEN & LUFT

Neues Landeswasser-Gesetz in NRW

BAYER hat einen enormen Wasser-Bedarf. 2019 stieg der Verbrauch gegenüber dem Vorjahr um 17 Milliarden auf 59 Milliarden Liter. Allein am Standort Leverkusen kommt der Global Player auf einen Wasser-Einsatz von 700 Millionen Litern. Obwohl die im Zuge des Klimawandels immer häufiger auftretenden Trockenheitsperioden die Ressource zu einem kostbaren Gut machen, unter anderem weil die Grundwasser-Neubildung zurückgeht, gedenkt die nordrhein-westfälische Landesregierung, Industrie und Landwirtschaft den Zugang zu erleichtern. Sie plant eine Reform des Landeswasser-Gesetzes, die vorsieht, Wasserentnahme-Rechte nicht mehr wie bisher nur befristet zu erteilen. Auch die Genehmigungspflicht für das Einleiten flüssiger Stoffe beabsichtigen Laschet & Co. aufzuheben. Eine bloße „Anzeige-Pflicht“ soll künftig reichen. Und bei der Indirekt-Einleitung von wasser-schädigenden Substanzen will Schwarz-Gelb sogar die Möglichkeit, in Einzelfällen doch noch eine Genehmigungspflicht anzuordnen, streichen.

Glyphosat in der Ostsee

WissenschaftlerInnen des Warnemünder „Leibniz-Instituts für Ostsee-Forschung“ haben Glyphosat und sein Abbau-Produkt AMPA in der Ostsee nachgewiesen. Die Glyphosat-Konzentration betrug 0,42 bis 0,49 Nanogramm pro Liter – unabhängig von der Entfernung zur Küste. Darin sehen die ForscherInnen ein Zeichen für die Stabilität des Herbizids. AMPA dagegen zersetzte sich vergleichsweise schnell. Während das Team um Marisa Wirth an Fluss-Mündungen noch Stärken von bis zu 1,47 Nanogramm maß, fand es auf dem offenen Meer oftmals keine Spuren mehr. „Diese Ergebnisse können nur als erster Fingerzeig darauf betrachtet werden, wie sich Glyphosat und AMPA im Oberflächen-Wasser des Meeres verhalten und verteilen“, so das Leibniz-Institut.

ÖKONOMIE & PROFIT

BAYER handelt mit sich selbst

Bei entsprechend optimierter Unternehmensstruktur können die Global Player sogar profitabel Handel mit sich selbst treiben. So verdiente BAYER dem neuesten Jahresabschluss zufolge 2018 durch den „konzerninternen Weiterverkauf von vier MONSANTO-Gesellschaften“ 13 Millionen Euro und 2019 durch den „innerkonzernlichen Verkauf von Anteilen an der BAYER (PROPRIETARY) LIMITED, Südafrika“ sogar 27 Millionen Euro.

Steuer-Paradies mit Außenwirkung

Auch in Deutschland gibt es Steuer-Paradiese wie z. B. Monheim. Einst warb die Stadt mit den NRW-weit niedrigsten Gewerbesteuer-Hebesätzen um Unternehmen. Sie hat damit allerdings einen Unterbietungswettbewerb losgetreten, der überall die Kassen schröpft. In diesen ist auch Leverkusen eingetreten, das einst die BAYER-Tochter BAYER INTELLECTUAL PROPERTY (BIP) an Monheim verlor. Inzwischen erhebt die Kommune ebenso wie ihr Nachbar ebenfalls nur noch einen Gewerbesteuer-Satz von 250 Punkten und hat im Gegenzug Absprachen mit BAYER über Rücktransfers aus Steuer-Oasen getroffen. Monheims Bürgermeister Daniel Zimmermann verteidigt die Politik, BAYER & Co. zu Ansiedelungen verlockt zu haben, aber mit Verweis auf die internationale Standort-Konkurrenz weiterhin standhaft. Auf die Frage von VER.DI PUBLIK: „Profitiert Monheim davon, dass große Konzerne Einnahmen aus Lizenzen dort versteuern, wo die Gewerbesteuern besonders niedrig sind?“ antwortete Zimmermann, es sei ihm lieber, „wenn deutsche Firmen ihre Steuern in NRW zahlen als in den Niederlanden“.

STANDORTE & PRODUKTION

Neues Pestizid-Werk in Lipezk

BAYER errichtet in Russland ein neues Pestizid-Werk. Es ist Teil des Agrar-Kompetenzzentrums, welches das Saatgut-Unternehmen KWS in Lipezk aufgebaut hat. Von dieser Stadt aus, die in der für ihre ertragreichen Böden bekannten zentralen Schwarze-Erde-Region liegt, will der Leverkusener Multi vor allem den russischen Markt beliefern.

RECHT & UNBILLIG

EuGH weist Glyphosat-Klage ab

Die Hauptstadtregion Brüssel hatte im Jahr 2016 ein Glyphosat-Verbot erlassen. Durch die Ende 2017 erfolgte Zulassungsverlängerung der EU sah sie die Verordnung ausgehebelt. Deshalb focht die Gebietskörperschaft die Entscheidung gerichtlich an. Der Europäische Gerichtshof wies die Klage Anfang Dezember 2020 jedoch als unzulässig ab. Die Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit sei nicht gegeben, argumentierten die RichterInnen. Die von der Hauptstadtregion geltend gemachten Zweifel am rechtlichen Bestand ihrer Glyphosat-Verordnung seien „nicht für den Nachweis geeignet, dass sie unmittelbar betroffen wäre“, so das EuGH.

Milliarden für „Essure“-Vergleich

ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommende Sterilisationsmittel, hat zahlreiche Nebenwirkungen. Allzu oft bleibt die Spirale nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Gesundheitsschädigungen, über die Frauen berichten. Darum sieht sich der Leverkusener Multi mit rund 39.000 Klagen konfrontiert. Mit einem Großteil der Geschädigten schloss der Konzern im August 2020 einen Vergleich, der ihn zu einer Zahlung von 1,6 Milliarden Dollar verpflichtet. „Gleichwohl stehen wir weiterhin hinter der Sicherheit und Wirksamkeit von ESSURE“, bekundete der Pharma-Riese.

ESSURE-Nebenwirkungen verschwiegen

BAYER hat die Aufsichtsbehörden jahrelang über das gesundheitsgefährdende Potenzial der Sterilisationsspirale ESSURE getäuscht. Das geht aus firmen-internen Unterlagen hervor, die den Gerichten bei den Entschädigungsprozessen vorlagen (s. o.). Bereits unmittelbar nachdem der Leverkusener Multi im Jahr 2013 die Rechte an der Vermarktung des gesundheitsschädlichen Medizinprodukts (s. o.) von CONCEPTUS erworben hatte, warnte der damals beim Konzern für die Arznei-Sicherheit zuständige Michael Reddick vor einer Unmenge von zu erwartenden Meldungen über Risiken und Nebenwirkungen. Dies „werde sicherlich die Aufmerksamkeit der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde erwecken“, schrieb er in einer E-Mail. Darum entschied der Leverkusener Multi, die Berichte nicht an die FDA weiterzuleiten. So blieb es 2016 bei einer Verschärfung der Anwendungsbestimmungen. „Weil BAYER den Berichtspflichten nicht nachkam, war es der FDA unmöglich zu wissen, dass es strengerer Warn-Hinweise bedurfte“, konstatierte die Geschädigten-Anwältin Fidelma Fitzpatrick. Der ehemalige FDA-Mediziner David Kessler bestätigte diese Einschätzung. Wären der Behörde alle Informationen zugänglich gewesen, hätte sie härtere Maßnahmen angeordnet, so Kessler.

BAYER verliert LASSO-Prozess

Der französische Landwirt Paul François hatte im Jahr 2004 durch das MONSANTO-Ackergift LASSO (Wirkstoff: Monochlorbenzol) massive gesundheitliche Beeinträchtigungen erlitten. „Mein Abwehrsystem ist so geschwächt, dass jede Infektion tödlich sein kann“, sagte er einmal in einem Interview. 2007 verklagte der Bauer den Konzern deshalb und geriet damit in einen langwierigen Rechtsstreit, den der Leverkusener Multi nach dem MONSANTO-Erwerb weiterführte. Darum reiste der Pestizid-Geschädigte 2019 auch zur BAYER-Hauptversammlung nach Bonn an und konfrontierte den Vorstand dort direkt mit seiner Situation. Die Management-Riege weigerte sich aber, die Verantwortung für die Risiken und Nebenwirkungen der Agro-Chemikalie zu übernehmen. Bei französischen BAYER-Beschäftigten unterhalb der Führungsebene fand Paul François mehr Verständnis, zumindest unter der Hand. Einem Journalisten der Stuttgarter Nachrichten wusste er von einem Angestellten zu berichten, den sein Fall empörte. Man könne nur den Kopf darüber schütteln, wie sich MONSANTO mit seinen Kunden auf der halben Welt anlege. Das habe BAYER bei der Übernahme zweifellos unterschätzt, so laut Paul François dessen unter dem Siegel der Verschwiegenheit geäußerten Worte. Im Oktober 2020 bekam der Agro-Riese dafür die Rechnung präsentiert. Das höchste französische Berufungsgericht gab dem Unternehmen als Rechtsnachfolger MONSANTOs die Schuld an den Krankheiten des Landwirtes, weil es auf den LASSO-Behältnissen bzw. Beipackzetteln keine genaueren Angaben zu den Gefahren gab.

FRAG DEN STAAT vs. BfR

Anfang 2019 hatte das „Bundesinstitut für Risiko-Bewertung“ (BfR) die Initiative „FRAG DEN STAAT“ verklagt (Ticker 3/19). Die Behörde warf der Organisation vor, mit der Veröffentlichung eines BfR-Gutachtens zu Glyphosat, das diese unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz angefordert und auf ihrer Website veröffentlicht hatte, gegen das Urheberrecht verstoßen zu haben. Das 6-seitige Dokument spielt eine Schlüsselrolle im wissenschaftlichen Streit um das Pestizid. Im Jahr 2015 bewertete die „Internationale Agentur für Krebsforschung“ (IARC) der Weltgesundheitsorganisation das Breitband-Herbizid als „wahrscheinlich krebserregend“ und setzte sich damit von dem Glyphosat-Prüfbericht des „Bundesinstituts für Risiko-Bewertung“ ab. Die Politik sah Klärungsbedarf und erbat vom BfR eine Stellungnahme. Daraufhin erstellte die Behörde eine ergänzende Expertise. Die Kurzfassung dieses „Addendum I“ ging dann als Handreichung an das Bundeslandwirtschaftsministerium und enthält offenbar so brisantes Material, dass das „Bundesinstitut für Risiko-Bewertung“ dieses lieber unter Verschluss halten möchte. Aber das gestaltet sich schwierig. Nach Ansicht des Landgerichts Köln kann das Dokument keine Schutzrechte mehr beanspruchen. FRAG DEN STAAT hatte nämlich einfach an UnterstützerInnen appelliert, ebenfalls Anträge zur Einsicht in das Schriftstück nach dem Informationsfreiheitsgesetz zu stellen. Das geschah 45.000 Mal, auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN beteiligte sich damals. Und damit war das Gutachten dann in der Welt. Darüber hinaus deckt die im Urheberrechtsgesetz garantierte Zitat-Freiheit das Vorgehen der AktivistInnen, befanden die RichterInnen im November 2020. „Wir haben gemeinsam ein kleines Stück Rechtsgeschichte geschrieben“, freuten sich die StaatsfragerInnen. Ein Ende der Auseinandersetzung bedeutet das jedoch noch nicht, denn das BfR will in Berufung gehen.

Neue Dicamba-Genehmigungen

Das Pestizid Dicamba, das BAYER & Co. hauptsächlich in Kombination mit ihren gen-manipulierten Pflanzen vermarkten, hat in den USA eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Zahlreiche LandwirtInnen machen das Herbizid für Ernte-Schäden verantwortlich. Es bleibt nämlich nach dem Ausbringen nicht einfach an Ort und Stelle, sondern verflüchtigt sich und treibt zu Ackerfrüchten hin, die gegen den Stoff gentechnisch nicht gewappnet sind und deshalb eingehen. Allein bei Soja war das auf einer Fläche von mehr als zwei Millionen Hektar der Fall. Darum zog ein US-amerikanischer FarmerInnen-Verband gemeinsam mit anderen Organisationen vor Gericht und bekam Anfang Juni 2020 auch Recht zugesprochen (SWB 3/20). Die RichterInnen ordneten ein sofortiges Verbot des Mittels an. Dieses unterlief jetzt jedoch die US-amerikanische Umweltbehörde EPA. Ende Oktober 2020 ließ sie BAYERs XTENDI-MAX, BASFs ENGENIA und SYNGENTAs TAVIUM PLUS unter Auflagen wieder zu. So dürfen die FarmerInnen die Produkte nun nur noch bis zu einem bestimmten Stichtag verwenden. Zudem müssen sie Dicamba vor dem Ausbringen Substanzen beimengen, welche die Pestizide auf dem Boden halten sollen, und auf größere Abstände zu anderen Feldern achten. Das CENTER FOR FOOD SAFETY hält diese Maßnahmen für ungenügend, weil es auch in den vergangenen Jahren immer wieder strengere Vorgaben zum Umgang mit Dicamba gab, die jedoch die Abdrift nicht haben verhindern können. BAYER hingegen zeigte sich nach der EPA-Entscheidung zufrieden. „Wir begrüßen die wissenschaftsbasierte Überprüfung und Zulassung von XTENDIMAX“, verlautete aus der Konzern-Zentrale.

Freispruch für ONE-A-DAY

BAYERs Vitamin-Präparate aus der „One-A-Day“-Produktreihe, denen viele Fachleute jeglichen Nutzen absprechen, beschäftigen in den USA immer wieder die Gerichte. Wegen unwahrer Behauptungen über die heilsamen Wirkungen der bunten Pillen musste der Leverkusener Multi schon Strafen in 2-stelliger Millionen-Höhe zahlen. Im letzten Jahr erfolgte erneut ein Prozess wegen Etikettenschwindels. Eine Sammelklage machte dem Pharma-Riesen das Recht streitig, auf den ONE-A-DAY-Packungen eine Stärkung des Herzens, des Immunsystems und der physischen Energie zu versprechen. Aber die RichterInnen nahmen keinen Anstoß an den Formulierungen und sprachen den Konzern frei.

Strafe für vietnamesischen Manager

China streitet mit seinen Nachbarn Taiwan, den Philippinen, Malaysia, Brunei und Vietnam um Hoheitsrechte im Südchinesischen Meer. Peking beansprucht rund 80 Prozent des fisch- und rohstoff-reichen Gebiets, durch das überdies eine wichtige internationale Handelsroute führt, für sich und grenzt es mit der sogenannten Neun-Strich-Linie ein. Ein vietnamesischer BAYER-Manager hat nun in einer firmen-internen Mail zur chinesischen Corona-Politik eine Karte des Landes mitgeschickt, welche das umstrittene Areal dem Reich der Mitte zuschlägt. Das hatte sofort juristische Konsequenzen. Ein Gericht verurteilte den Beschäftigten zur Zahlung einer Strafe von rund 1.300 Dollar. Und der Leverkusener Multi entschuldigte sich auf seiner Website für den Vorfall.

BAYER-Widerspruch gegen Befristungen

Gegen den Widerstand von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU), der auch das „Bundesamt für VerbraucherInnenschutz und Lebensmittelsicherheit“ (BVL) untersteht, setzte Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) bei den Genehmigungen von Pestiziden strengere Regeln durch. Seit Januar 2020 hat der Gesetzgeber die Zulassung bestimmter Agro-Chemikalien mit Auflagen zum Schutz der Biodiversität verknüpft. Wer weiterhin die Artenvielfalt gefährdende Substanzen wie etwa Glyphosat verwendet, der muss mindestens zehn Prozent seiner Felder als giftlose Ausgleichsflächen für Insekten und Vögel bereithalten. Darum hatten 2019 zahlreiche Mittel nur noch befristete Zulassungen bis zum Ende des Jahres erhalten. Dagegen legten BAYER und andere Hersteller jedoch Widerspruch beim BVL ein. Ein Unternehmen klagte sogar und erzielte einen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg sprach den Widersprüchen der Unternehmen eine aufschiebende Wirkung zu. Darum bleibt der Gebrauch von 44 Produkten, welche das Leben von Bienen, Schmetterlingen und anderen Tieren gefährden können, vorerst erlaubt. Neben Glyphosat finden sich auf dieser Liste auch noch weitere Wirkstoffe, die in Erzeugnissen des Leverkusener Multis enthalten sind wie etwa Spirotetramat (MOVENTO OD 150) sowie Iodosulfuron, Mesosulfuron und Thiencarbazone (ATLANTIS STAR).

FORSCHUNG & LEHRE

KI-Kooperation mit ATOMWISE
Nicht nur bei der Vorauswahl von Substanzen, die vielleicht als Arznei-Wirkstoff in Frage kommen, setzt BAYER auf Künstliche Intelligenz (siehe auch DRUGS & PILLS), sondern auch bei der ersten Sichtung von Stoffen, die ein Potenzial für einen Einsatz als Agro-Chemikalien haben könnten. Bei der Suche nach Nachfolgern von Gl

[WHES] Wir haben es satt!

CBG Redaktion

„Wir haben es satt!“-Aktion 2021

Kurzbericht

Rund zehntausend Menschen haben mit ihren Fußabdrücken am vergangenen Samstag in Berlin die Agrarwende gefordert. Mit einer beeindruckenden Installation wurden die vielfältigen und bunten Botschaften vor dem Bundeskanzleramt aufgebaut. Aufgrund der Corona-Pandemie war zwar keine Demonstration möglich. Dennoch gelang es, den riesigen Protest, der sich jedes Jahr auf der „Wir haben es satt“-Demonstration sammelt, um für eine Landwirtschaft ohne Umweltgifte zu kämpfen, auch unter den widrigen Bedingungen stark und unübersehbar darzustellen.

Natürlich war auch die Coordination vor Ort. Im Rahmen unserer Kampagne „Krebsgefahr. Klimarisiko. Umweltgift. Glyphosat-Stopp jetzt!“ wiesen wir in unserer Rede auf die Rolle der Bundesregierung bei der Verschleppung von Maßnahmen gegen das Ackergift Glyphosat hin. Auch auf der Aktion selbst waren wir unübersehbar mit unserer Forderung nach einer sofortigen Einstellung der Glyphosat-Produktion präsent.

Auch an der „Aktion Fußabdruck“ beteiligte sich die Coordination. Mit selbstgebauten Füßen reihte sie sich ein in ein buntes Meer von Forderungen.

CBG Rede

Hier findet ihr die Rede von CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann, welche zu den diesjährigen WHES Protesten ausgestrahlt wurde.

Presse

Hier findet Ihr unsere Presse-Erklärung zur Bewerbung der Aktion.Und hier findet Ihr die offizielle Presse-Erklärung des Bündnisses. Sowohl das ZDF als auch das ARD haben berichtet.

Spenden

Damit wir Aktionen wie „Wir haben es satt!“ organisatorisch und inhaltlich unterstützen können, und nicht zuletzt nach Berlin anreisen und dort übernachten können, brauchen wir Eure Spende! Helft mit, dass Groß-Aktionen für eine Landwirtschaft frei von Ackergiften weiter möglich sind.

Glyphosat-Stopp jetzt! unterschreiben!

Das „Wir haben es satt!“-Bündnis ist Teil der Kampagne „Krebsgefahr. Klimarisiko. Umweltgift. Glyphosat-Stopp jetzt!“ Habt Ihr unseren Aufruf schon unterschrieben?

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