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Beiträge verschlagwortet als “Fridays for Future”

CBG beim Klima-Streik

CBG Redaktion

Klimawandler BAYER

Überschwemmungen mit über 1.000 Toten, Hitze-Wellen, Waldbrände, Hurrikans, Taifune und dahinschmelzende Gletscher – das ist die Klimawandel-Bilanz der vergangenen Sommer-Monate. Der BAYER-Konzern trägt mit seinem immensen Ausstoß von Kohlendioxid und Methan das Seinige zu dieser katastrophale Lage bei. Darum beteiligt sich die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) am heutigen Freitag in Köln am Klima-Streik.

„Die Situation spitzt sich immer mehr zu, und doch gibt es kein Zeichen für eine Klima-Wende. Es geht sogar in die entgegengesetzte Richtung. Im Zuge des Ukraine-Krieges feiern die alten CO2-Dreckschleudern ein Comeback. Jetzt rächt sich, dass die Politik sich dem Extrem-Lobbyismus von BAYER & Co. beugte und die Energie-Wende verschleppte, anstatt zum Ausstieg aus Kohle und Gas und zum Einstieg in die Erneuerbaren zu drängen", konstatiert CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann.

Im Geschäftsjahr 2021 emittierte der BAYER nicht weniger als 3,17 Millionen Tonnen Kohlendioxid und 3.000 Tonnen Methan. Für einen Großteil dieser Treibhausgas-Lasten sorgt die Pestizid-Produktion im Allgemeinen und die Glyphosat-Herstellung im Besonderen. Neben allem anderen ist das Herbizid nämlich auch noch ein veritabler Klima-Killer. Um das Glyphosat-Vorprodukt Phosphor aus dem Sediment-Gestein Phosphorit zu gewinnen, muss der Ofen am US-amerikanischen Unternehmensstandort Soda Springs auf eine Betriebstemperatur von 1500° Grad kommen, wofür Energie en masse nötig ist.

Seit Langem fordert die Coordination eine Umrüstung der dortigen Fertigung. Dazu zeigt sich der Global Player aber nach wie vor nicht bereit. Und an einigen großen Niederlassungen hierzulande will er sich der Verantwortung für eine klimaschonende Strom-Versorgung sogar ganz entledigen. Er beabsichtigt, „Teile der Infrastruktur sowie der Dienstleistungsbereiche an den deutschen Standorten in Bergkamen, Wuppertal und Berlin an externe Partner zu übertragen".

„Das alles zeigt, wie wenig BAYER die Zeichen der Zeit erkannt hat. Ohne gesellschaftlichen Druck bewegt sich beim Agro-Riesen nichts. Darum gehen wir heute auf die Straße", so Stelzmann abschließend.

Pressekontakt:

Jan Pehrke 0211/30 58 49

HV-Bilanz

CBG Redaktion

Presse-Information vom 29.04.22

Vor der Konzernzentrale und im Saal:

Mensch und Umwelt vor Profit: BAYER-Vorstand abgestraft!

Bereits im Vorfeld hatte sich herausgestellt, dass es für BAYER eine anstrengende Hauptversammlung sein würde. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) hatte als Kritischer BAYER-Aktionär mit Unterstützung von mehr als 300 anderen BAYER-AktionärInnen mit Aktien im Börsenwert von mehr als 3 Mio. Euro aus aller Welt 257 schriftliche Fragen eingesammelt und eingereicht: Fragen aus Mexiko, Chile, Brasilien, Argentinien, Guadeloupe und Martinique und Frankreich.

Auch hatte die CBG acht Gegenanträge sowie insgesamt 16 Video-Statements von AktionärInnen eingeschickt und alternative Wahlvorschläge gemacht, die auf der Website des Weltkonzerns einsehbar sind:

bayer.com/sites/default/files/gegenantraege-hv-2022.pdf

bayer.com/.../veroeffentlichte-stellungnahmen-von-aktionaeren-hv2022

CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann: „Mit der virtuellen Hauptversammlung wollte man KleinaktionärInnen und KonzernkritikerInnen aussperren, um das Bild einer einwandfreien, widerspruchslosen Veranstaltung zu erzeugen. Losgeworden ist man mit den hohen virtuellen Zäunen aber nur die eigenen AnlegerInnen, während die Kritik an den Bilanzen und der Geschäftstätigkeit geblieben ist.“

Einschränkungen des Rede- und Fragerechts
Wie es der Konzern allerdings mit Aktionärsdemokratie hielt, stellte sich am Nachmittag heraus. Die Videos, welche die Coordination eingereicht hat, wurden erst fünf Stunden nach Beginn der Hauptversammlung als allerletzte Videos gezeigt. Ebenso wurden die Fragen der CBG erst ab 14.50 Uhr behandelt - fünf Minuten bevor Aufsichtsrat Norbert Winkeljohann die Möglichkeit zu Nachfragen offiziell schloss. „Das ist ein Skandal“, so CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann. „Insbesondere kritische AktionärInnen müssen zu den oft nichtssagenden Antworten des Vorstandes Nachfragen stellen können. Unsere Nachfragen zu unseren eigenen Fragen wurden zensiert.“

Vorstandschef Baumanns um 18:30 Uhr vorgebrachter Entschuldigung für dieses Vorgehen, die CBG zu zensieren, dies sei angeblich der „Kürze der Zeit“ zu schulden und man habe die Fragen erst „kurz vor Fristende“ eingereicht, entgegnet Marius Stelzmann:

„Das ganze Verfahren der Nachfragen sieht wesentlich kürzere Bearbeitungsfristen vor, als BAYER hier für sich selbst als Großkonzern bei der Bearbeitung der eigentlichen Fragen für akzeptabel hält. KleinaktionärInnen sind nach geltendem „virtuellem“ BAYER-HV-Modell gezwungen, Nachfragen in Minutenschnelle zuzuordnen und einzureichen. Aber BAYER soll in 36 Stunden keine Fragen sortieren können? Das sind vorgeschobene Gründe, um unsere Fragen ans Ende zu schieben und unsere Nachfragemöglichkeit zu zensieren! Das sieht übrigens der Bundesjustizminister ähnlich, und will ein doppeltes Fragerecht als Konzernpflicht einführen, mit schriftlichen Antworten vorab. So werden sinnvolle Nachfragen erst möglich.“

Breite Präsenz der CBG in BAYER-HV
Auf der Online-HV zeigte die CBG – trotz aller Zensurversuche – eine ebenso starke Präsenz wie früher bei den Vorort-Veranstaltungen. Von den insgesamt 665 Fragen stammten 257 von der Coordination und ihren Kooperationspartnern (s.u.). Auf die Antworten mussten sie allerdings lange warten. BAYER widmete sich ihnen erst ganz zuletzt und in einer Manier, die an einen Schnelllese-Wettbewerb erinnerte. Und nach zehn Minuten hieß es schon: Angesichts der fortgeschrittenen Zeit können wir jetzt leider keine Nachfragen mehr annehmen.

Aalglatte Presse-Statements statt Dialog
Zu allem Übel bediente sich der Leverkusener Multi bei der Beantwortung der Fragen der seit Jahren bekannten Textbausteine. Glyphosat ist bei sachgerechte Anwendung sicher, und Risiken und Nebenwirkungen von Medikamenten gibt es für den Konzern auch nicht. „BAYER schließt DUOGYNON als Ursache für embryonale Missbildungen aus“, hieß es zum Beispiel. Natürlich wendet das Unternehmen bei der Vermarktung seiner Pestizide auch keine doppelten Standards an. Wenn etwa in Brasilien Agro-Chemikalien zum Einsatz kommen, welche in der EU wegen ihrer Gefährlichkeit keine Zulassung (mehr) haben, dann liegt das lediglich am höheren Schadinsekten-Aufkommen. Aber mit einer solchen Ignoranz lebt die Coordination schon länger. BAYER allerdings immer schlechter. Die großen Finanzinvestoren lassen dem Global Player nicht mehr alles durchgehen.

Monsanto-Fusion ruiniert BAYER
Dass die Fusion mit MONSANTO auch wirtschaftlich ein Problem ist, machte der Vorstand von BAYER selbst eindrucksvoll klar: Vorstandsmitglied Wolfgang Nickl gab in seinen Beiträgen zu, dass BAYER „heute nur 2 Milliarden Dollar mehr wert ist, als der per Kredit bezahlte Kaufpreis für MONSANTO von 63 Milliarden Dollar im Jahr 2018“ – bei Berücksichtigung der Inflation ist also der Marktwert des ehemaligen BAYER-Konzerns mithin verschwunden.

Proteste vor der Tür
Während er das aussprach, protestierte vor dem Übertragungssaal ein breites Bündnis von Organisationen. Auf Einladung der CBG demonstrierten sie durch Leverkusen und sammelten sich vor der Konzern-Zentrale. Es sprachen Professorin Larissa Bombardi aus Brasilien und VertreterInnen des BUND, der Gesellschaft für bedrohte Völker, der Fridays For Future und andere (Liste siehe unten, CBG-Fotogalerie www.cbgnetwork.org/HV Nutzung für Presse freigegeben!).

40 Jahre HV-Protest
Axel Köhler-Schnura, Gründungsvorstand der CBG: „Seit 40 Jahren stehen die Hauptversammlungen des BAYER-Konzerns im Zeichen von Kritik. Die Geschäftstätigkeit dieses Konzerns ist eine Gefahr für Mensch und Umwelt. Angesichts des drohenden Klima-GAUs und des Niedergangs der gesamten Ökologie muss endlich ein System-Wandel her. BAYER muss enteignet und unter demokratische Kontrolle gestellt werden, wie es die Verfassung von NRW zulässt. Das Profit-Diktat muss gebrochen werden, Mensch und Umwelt vor Profit!“

76% gegen Vorstandsmillionen
Als deutliches Zeichen der Abstrafung durch die AktionärInnen bewertet die CBG die 76% Gegenstimmen, die der Vergütungsbericht des Vorstands erhielt. „Die Lohnerhöhung, die sich Baumanns BAYER-Monsanto-Truppe genehmigen wollte, ist geplatzt. Stundenlang haben sie ihre Luxusgehälter gerechtfertigt, das war ja ihr Hauptthema. Vergebens. Aber eine ausbleibende Taschengelderhöhung ist nicht genug. Glyphosat muss vom Markt, die Konzernverbrechen von BAYER müssen ein Ende haben!“ so Stelzmann.

„18% Gegenstimmen gegen den Vorstand bei der Entlastung – das ist obendrauf ein starkes Zeichen. 18% der TeilnehmerInnen haben mit den Anträgen der CBG gestimmt. Da hier eben AktionärInnen abstimmen, und nicht z.B. eine Bevölkerung bei der Bundestagswahl, ist das für Baumann ein echter Denkzettel – der zweite nach der Nichtentlastung vor drei Jahren. Unsere Prognose: Bald setzt BAYER den Monsanto-Architekten auf die Straße. Wir fordern jedenfalls auch die persönliche Haftung der Manager für BAYER-Gesundheitsschäden, um Nachahmungstäter in den Chefetagen abzuschrecken.“

Ausführliche Information und Fotos (Nutzung für Presse freigegeben!) unter www.CBGnetwork.org/HV

Pressekontakt:
Marius Stelzmann

00 49 211 33 39 11 (Telefon)
00 49 178 335 926 8 (Messenger)
info@cbgnetwork.org (Email)

SprecherInnen Online-Protest

Jan Pehrke (Redakteur Stichwort BAYER)
Brice Montagne (Kampagne Secrets Toxiques)
Andy Battentier (Kampagne Secrets Toxiques)
Rémy Mazurier (Physicians against Pesticides)
Denis Benoit (Ehemaliger Arbeiter in der Baumzucht, Berufsimker, Collective Support to Pesticides Victims of West)
Pauline Payen (Collectif Vietnam Dioxine)
Tom Nico (Collectif Vietnam Dioxine)
Günther Wulf (Verein ehemaliger Heimkinder in Schleswig Holstein)
Franz Wagle (Verein ehemaliger Heimkinder in Schleswig Holstein)
Prof. Larissa Bombardi (Geographin, Universität Sao Paulo)
Christian Russau (Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika)
Regina Sonk (Gesellschaft für bedrohte Völker)
Bernward Geier (IFOAM)
Angelo Deckert („Die Partei“ Leverkusen)
Professor Gilles Eric Seralini (Biologe, Universität von Caen)
Tilman Massa (Dachverband kritischer Aktionärinnen und Aktionäre)
Lena Luig (Inkota-Netzwerk e.V.)
Katrin Wenz (BUND)
Dr. Gottfried Arnold (Kinderarzt, Coordination gegen BAYER-Gefahren)
Axel Köhler Schnura (Gründungsvorstand Coordination gegen BAYER-Gefahren)
Margret-Rose Pyka (1. Vorsitzende des BdD - Bund der Duogynongeschädigten e.V.)
Susan Tabbach (Risiko Pille - Initiative Thrombose-Geschädigter)
Professor Marcos Pedlowski (Zentrum für Humanwissenschaften (CCH), Staatliche Universität des Nordens Fluminense)

Aufrufende Organisationen HV-Proteste gegen BAYER-Monsanto

Aktionsgemeinschaft Solidarische Welt, attac, Brasilien Initiative Berlin, Brasilien Initiative Freiburg, Brot für die Welt, Coordination gegen BAYER-Gefahren, Dachverband Kritische Aktionärinnen und Aktionäre, FreundInnen der brasilianischen Landlosenbewegung MST, Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika (FDCL), Gesellschaft für bedrohte Völker, Kooperation Brasilien, Misereor, Pestizid Aktions-Netzwerk und PowerShift.

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[BAYER HV 2022] Protest gegen die BAYER HV 2022

CBG Redaktion
  • StopBayerMonsanto
  • BayerHV22
  • StopGlyphosate
Konzernkritik kostet Geld. www.cbgnetwork.org/spenden Highlights von Demo & Kundgebung: https://www.youtube.com/watch?v=nfW2a_LU9jA Highlights aus dem Livestream: https://youtube.com/watch?v=ciNkfhj7z6w Aufzeichnung von Protest-Livestream Teil 2 (29.4. 18-19 Uhr) : https://youtube.com/watch?v=1o84qzBp5Qg Presseerklärung der CBG vom 29. April 2022, 19 Uhr Bilanz der heutigen BAYER-HV Aufzeichnung von Protest-Livestream Teil 1 (29.4. 10.00 – 12.30 Uhr) anschauen: https://youtube.com/watch?v=AtqyvMdfuzA

Protest Video - Stellungnahmen BAYER HV 2022

Marius Stelzmann (Geschäftsführer Coordination gegen BAYER-Gefahren) https://youtube.com/watch?v=9xwqByyjndI Brice Montagne (Kampagne Secrets Toxiques) https://youtube.com/watch?v=0YtghqesCnk Pauline Payen (Collectif Vietnam Dioxine) https://youtube.com/watch?v=BFBDXvSEZQc Günther Wulf (Verein ehemaliger Heimkinder in Schleswig Holstein) https://youtube.com/watch?v=P2b2Gq2FotQ Franz Wagle (Verein ehemaliger Heimkinder in Schleswig Holstein) https://youtube.com/watch?v=JVT3zu3O5jY Regina Sonk (Gesellschaft für bedrohte Völker) https://youtube.com/watch?v=fTG28ZGk_-8 Bernward Geier (IFOAM) https://youtube.com/watch?v=V1-R3m5xl50 Professor Gilles Eric Seralini (Biologe, Universität von Caen) https://youtube.com/watch?v=Oln8vTOk-SY Tilman Massa (Dachverband kritischer Aktionärinnen und Aktionäre) https://youtube.com/watch?v=VQWG45CzbU8 Lena Luig (Inkota-Netzwerk e.V.) https://youtube.com/watch?v=Mn18zw8LVb0 Katrin Wenz (BUND) https://youtube.com/watch?v=TquYqSx29e0 Dr. Gottfried Arnold (Kinderarzt, Coordination gegen BAYER-Gefahren) https://youtube.com/watch?v=pVZOwI_REqM Axel Köhler Schnura (Gründungsvorstand Coordination gegen BAYER-Gefahren) https://youtube.com/watch?v=ZiXQGxBcFT4 https://youtube.com/watch?v=dm_9y1u46FI Margret-Rose Pyka (1. Vorsitzende des BdD - Bund der Duogynongeschädigten e.V.) https://youtube.com/watch?v=B6SgOYM2Td8 Sophia Sabine (Collectif Chlordécone Zéro Poison, Guadeloupe et Martinique) https://youtube.com/watch?v=Gj6x9JuujRA Susan Tabbach (Risiko Pille - Initiative Thrombose-Geschädigter) https://youtube.com/watch?v=QPp4RsHWlpk Professor Marcos Pedlowski (Zentrum für Humanwissenschaften (CCH), Staatliche Universität des Nordens Fluminense) https://youtube.com/watch?v=lKCaz-0Ffv0

Fridays for Future-Demonstration zur BAYER-Konzernzentrale in Leverkusen

29.4.2022 ab 9.30 Uhr, Friedrich Ebert Platz, Leverkusen

Kundgebung an der BAYER-Konzernzentrale

29.4.2022, 10.15 Uhr, Kaiser Wilhelm Allee 3, Leverkusen (Fotos siehe rechts)

BAYER HV 2022: Keine Verlängerung für Glyphosat

Am 29. April findet die BAYER-Aktionärsversammlung statt. Es gibt jede Menge Gründe, breiten internationalen Protest auf die Hauptversammlung zu tragen: BAYER/MONSANTO arbeitet für Ende 2022 an einer Zulassungsverlängerung für den Klima- und Umweltkiller Glyphosat für weitere fünf Jahre für die ganze EU! Zudem spielt der Chemieriese in den Glyphosat-Prozessen in den USA skrupellos auf Zeit: Er will die Prozesse so lange ziehen, bis die KlägerInnen an den Folgen ihrer Krebserkrankungen sterben. Derweil trägt Glyphosat weiterhin einen Großteil zum BAYER-Profit bei, der Konzern weigert sich die Vermarktung zu stoppen. Auch den Krieg in der Ukraine nutzt BAYER dafür, seine Lüge von der Unverzichtbarkeit von Gen-Pflanzen und Glyphosat weiter zu streuen. Mit dem Wegfallen der fruchtbaren Böden der Ukraine aus der internationalen Nahrungsversorgung sei die Welt quasi auf BAYER angewiesen, Glyphosat sei das kleinere Übel, so BAYER-Chef Baumann Anfang März im Podcast von media pioneer. BAYER plant auch dieses Jahr wieder in eine rein virtuelle Hauptversammlung zu flüchten, um den Protest möglichst stark auszublenden und auszusperren. Unsere Antwort: NICHT MIT UNS! +++HABT IHR FRAGEN?+++ info@CBGnetwork.org +49 178 335 926 8 0211 – 33 39 11 [gallery]

[SWB 01/2022] Ampelkoalition

CBG Redaktion

Eine gute Wahl für BAYER

Mit der Losung „Mehr Fortschritt wagen“ treten SPD, Grüne und FDP an. Für mehr Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit steht die Ampel jedoch auf Rot. Eine grüne Welle gibt es nur für die Wunsch-Vorhaben der Industrie. Dementsprechend zufrieden zeigen sich BAYER & Co.

Von Jan Pehrke

„Das richtige Signal für die Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft“ geht für BAYER-Chef Werner Baumann von dem Ampel-Slogan „Mehr Fortschritt wagen“ aus. Jetzt komme es auf die konkrete Ausgestaltung an, erklärte er gegenüber dem Handelsblatt. Aber auch da kann der Große Vorsitzende nicht meckern. So erweist das Klimaschutz-Kapitel des Koalitionsvertrags zunächst einmal den Konzernen seine Reverenz. „Unsere Wirtschaft legt mit ihren Unternehmen, den Beschäftigten sowie Verbraucher-innen und Verbrauchern die Grundlage für unseren Wohlstand“, lautet der erste Satz. Blöd nur, dass „unsere Wirtschaft“ mit ihrem Treibhausgas-Ausstoß auch die Grundlage für eine Gefährdung des Ökosystems „Erde“ legt. Also muss nach dem Willen der AmpelkoalitionärInnen eine Art von Abhilfe her, welche BAYER & Co. schont. Deshalb federn sie die geplanten Maßnahmen entsprechend ab. „Um unsere heimische Industrie, insbesondere die Grundstoff-Industrie, zu unterstützen, werden wir in dem für die Erreichung der Klimaziele ausreichendem Maße geeignete Instrumente schaffen“, heißt es im Koalitionsvertrag.

Klimaschutz
Im Einzelnen planen die drei Parteien, den Ausstieg aus der Kohle vorzuziehen. „Idealerweise gelingt das schon bis 2030“, formulieren sie vorsichtig und bauen sicherheitshalber mit der „Errichtung moderner Gaskraftwerke“ vor. Zudem beabsichtigen Scholz & Co., bis zum Jahr 2030 80 Prozent des Strombedarfs mit Erneuerbarer Energie zu decken – trotz eines prognostizierten Mehrbedarfs von 20 bis 30 Prozent. Dazu möchten sie den Ausbau von Windkraft & Co. beschleunigen und die entsprechenden Planungs- und Genehmigungsverfahren einfacher gestalten. Das bleibt jedoch nicht auf Rotoren und Sonnenkollektoren beschränkt und trägt damit einer langjährigen Forderung der Industrie nach einer „Entbürokratisierung“ der verwaltungstechnischen Prozesse Rechnung. Entsprechend angetan zeigten sich BAYER & Co. von dem, was die FAZ einen „Turbo für Großprojekte“ nennt.

Dabei kommt allerdings so einiges unter die Räder. So scheut die neue Regierung nicht vor „Legalplanungen“ zurück, also davor, Vorhaben einfach per Gesetz zu genehmigen, statt sie den langen Marsch durch die Institutionen gehen zu lassen. Überdies hat sie vor, sich ins Reich der juristischen Spekulation zu begeben. Sie will „für solche Projekte unter gewissen Voraussetzungen eine Regelvermutung für das Vorliegen der Ausnahme-Voraussetzungen des Bundesnaturschutz-Gesetzes schaffen“. „Klimaschutz vs. Artenschutz“ – so lautet die neue Frontstellung. Auch die BürgerInnen-Beteiligung muss zurückstehen. Das Recht auf Einwendungen schleift die Regierung Scholz gehörig. Projekte wie die Kohlenmonoxid-Pipeline und der Autobahn-Ausbau in Leverkusen inklusive neuer Rheinbrücke und Öffnung der ehemaligen BAYER-Deponie „Dhünnaue“ dürfte jetzt erheblich leichter grünes Licht bekommen.

Über eine im Jahr 2000 mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) eingeführte Abgabe hat sich neben den Privathaushalten auch die Industrie an den Kosten für Windparks, Sonnenenergie- und Photovoltaik-Infrastruktur beteiligt, in geringerem und in BAYERs Fall noch einmal reduzierten Maße zwar (siehe S. 10 ff.), aber immerhin. Selbst das erspart ihr Rot-Grün-Gelb nun. „Um (...) für sozial gerechte und für die Wirtschaft wettbewerbsfähige Energie-Preise zu sorgen, werden wir die Finanzierung der EEG-Umlage über den Strom-Preis beenden. Wir werden sie daher zum 1. Januar 2023 in den Haushalt übernehmen. Die Finanzierung übernimmt der EKF (Energie- und Klimafonds, Anm. SWB), der aus den Einnahmen der Emissionshandelssysteme (BEHG und ETS) und einem Zuschuss aus dem Bundeshaushalt gespeist wird“, kündigt der Koalitionsvertrag an.
Dem Emissionshandel mit Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten waren ursprünglich noch ganz andere Aufgaben zugedacht. Er sollte den Ausstoß von CO2 so teuer machen, dass es den Multis Anreize für das Errichten saubererer Anlagen bietet. Doch dafür kosten die Zertifikate zu wenig. So kommt es die Konzerne billiger, die CO2-Lizenzen zu erwerben, als in klima-freundlichere Fabriken zu investieren. „Die Industrien schieben Neuinvestitionen bereits seit mehr als einem Jahrzehnt auf“, konstatiert die im Auftrag der NRW-Grünen erstellte Studie „Wie kann Nordrhein-Westfalen auf den 1,5-Grad-Pfad kommen“. Die Untersuchung, die Agora Energiewende und die Unternehmensberatung ROLAND BERGER in Tateinheit mit BAYER, BASF, BP, SIEMENS und anderen Firmen erstellt haben, drückt es ein wenig vornehmer aus und spricht von „Investitionsattentismus“. Darum hilft die Ampel den Unternehmen nun freundlicherweise mit Klima-Verträgen („Carbon Contracts for Difference“) aus, „um so insbesondere auch die Wirtschaftlichkeitslücke zu schließen“. Das Geld dazu stellt wieder der Energie und Klimafonds bereit. 60 Milliarden Euro fließen per Nachtragshaushalt in diesen Topf. „Das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 erhöht die verfügbaren Mittel für die aus dem Sondervermögen ‚Energie- und Klimafonds’ finanzierten Maßnahmen, von denen viele den Wirtschaftsunternehmen zugutekommen“, heißt es in dem Paragrafen-Werk. Zudem garantiert die Bundesregierung „sichere Absatzmärkte für klima-freundliche Produkte durch Mindestquoten in der öffentlichen Beschaffung“.

Die Vorgänger-Regierung hatte 2019 mit ihrem Klimaschutz-Gesetz nicht nur für die Industrie, sondern auch für die Felder „Verkehr“, „Gebäude“, „Energie“, „Landwirtschaft“ und „Abfall“ verbindliche Reduktionsvorgaben gemacht – inklusive einer jährlichen Überprüfung. Den Grünen reichte das ursprünglich jedoch nicht. In ihrem Wahlprogramm formulierten sie die Erfordernis, die Regularien „nachzuschärfen“. Davon lassen sie jetzt jedoch ab. Und Die Zeit weiß auch den Grund: „Da die Klimaschutz-Maßnahmen der neuen Koalition nicht unmittelbar zu einer Senkung der Emissionen führen, werden in den kommenden Jahren wohl viele Sektoren ihre Ziele verfehlen. Nun allerdings wären es grüne Minister, die die Misserfolge erklären müssten, was die Partei-Führung offenbar vermeiden wollte. Annalena Baerbock soll diese Überlegung in mehreren internen Gesprächen zum Ausdruck gebracht haben.“ Von einem Klimaministerium mit Vetorecht ist auch nichts geblieben. Olaf Scholz sprach in seiner Regierungserklärung zwar noch von einer „zentralen Querschnittsaufgabe“, an der sich die Ampelkoalition messen lassen will, aber die Evaluation erfolgt dezentral ohne grüne Oberaufsicht. Den Klima-Check für alle Gesetze führen jetzt die jeweis verantwortlichen Ministerien durch.

Dementsprechend enttäuscht zeigte sich die grüne Basis von den Vereinbarungen. „Die versprochenen Ziele des Pariser Klimaschutz-Abkommens sind unmöglich zu erreichen“, resümiert der Aufruf „Mehr grün wagen“. Und die Grüne Jugend konstatiert bei aller Notwendigkeit, auf die Koalitionspartner zuzugehen: „Aber klar muss sein, mit dem Klima kann man nicht einfach so Kompromisse machen“. Auch in Zahlen fiel die Reaktion der Partei auf das Verhandlungsergebnis verhalten aus. Nur 57 Prozent der Mitglieder beteiligten sich überhaupt an der Urabstimmung über den Koalitionsvertrag, und 86 Prozent von ihnen votierten dann für „Ja“. Fridays For Future war ebenfalls nicht gerade begeistert. „Während die Welt auf knapp drei Grad Erhitzung hinsteuert, verfehlt der Vertrag von SPD, Grünen und FDP noch vor Amtsantritt die eigenen Versprechen zur Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze. Trotzdem feiern wir nach 154 Wochen Klimastreiks auch Erfolge der Klima-Bewegung wie den Kohle-Ausstieg 2030“, heißt es in einer Erklärung der Organisation.

Viel mehr zu feiern hatten allerdings BAYER & Co. So begrüßte der „Bundesverband der Deutschen Industrie“ (BDI) in seiner Stellungnahme zum Koalitionsvertrag den Entschluss der Bundesregierung, den Unternehmen bei der CO2-Reduktion nicht mehr so genau auf die Finger zu schauen. In der „Abkehr vom ineffizienten Mikro-Management einer Nachjustierung jährlicher Sektor-Ziele“ sah der Verband „das richtige Signal“. Auch freute ihn, „dass das Vorziehen des Kohleausstiegs auf 2030 „weich“ ausgestaltet ist (‚idealerweise’)“ und der Ampelkoalition „Erdgas als Brücken-Technologie“ gilt. Dem Verband kommt es in Sachen „Energie“ nämlich zuvörderst auf die Versorgungssicherheit an – und auf die Strom-Kosten. In diesem Zusammenhang lobt er SPD, Grüne und FDP sehr dafür, die „Wettbewerbsfähigkeit“ ernst genommen zu haben und nennt als Beispiele die Streichung der EEG-Umlage und die Reform der Netz-Entgelte. Die Klimaschutz-Verträge gefallen dem BDI natürlich ebenfalls, allerdings haben die Kontrakte für ihn zu viel mit dem Klimaschutz zu tun. Die „Knüpfung von Industrie-Entlastungen an die Umsetzung wirtschaftlicher Energieeffizienz-Maßnahmen“ schätzt er deshalb entsprechend kritisch ein.

Beim „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI) fällt die Bewertung der entsprechenden Passagen des Koalitionsvertrags ähnlich aus. „Wir sehen noch keinen Booster, aber viele gute Ansätze, die Transformation der Industrie aktiv zu flankieren“, so der VCI-Hauptgeschäftsführer und ehemalige BAYER-Manager Wolfgang Große Entrup. Namentlich erwähnt der Verband dabei den Energie- und Klimafonds, die Klima-Verträge, den Wegfall der EEG-Umlage und das „Vorhaben, die Dauer von Planungs- und Genehmigungsverfahren zu halbieren“.

Nur Risiken, keine Gefahr
So wenig, wie der Koalitionsvertrag für eine Klima-Wende steht, so wenig steht er für eine Agrar-Wende. Die Vereinbarung bekennt sich zwar zu einer nachhaltigen Landwirtschaft, bleibt aber, was die Umsetzung angeht, vage. So wollen die drei Parteien „den Einsatz von Pestiziden deutlich verringern und die Entwicklung von natur- und umweltverträglichen Alternativen fördern“, kündigen aber keine konkrete Maßnahmen dazu an. Eine Pestizid-Steuer etwa, wie sie viele Umweltverbände als Instrument für einen Kurswechsel fordern, findet sich in dem Dokument nicht. In Sachen „doppelte Standards“ erwägen die AmpelkoalitionärInnen zumindest eine Regelung. „Wir werden von den rechtlichen Möglichkeiten Gebrauch machen, den Export von bestimmten Pestiziden zu untersagen, die in der EU aus Gründen des Schutzes der menschlichen Gesundheit nicht zugelassen sind“, kündigen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP an. Aber nicht nur, weil es diese Möglichkeit mit dem Paragraf 25 des Pflanzenschutzgesetzes eigentlich schon gibt (siehe S. 24 ff.), bleibt dieser Vorstoß mit Fragezeichen behaftet. Klartext spricht der Koalitionsvertrag im Pestizid-Kapitel nur einmal. „Wir nehmen Glyphosat bis Ende 2023 vom Markt“, heißt es auf Seite 46.
Die Agro-Gentechnik erwähnt die neue Bundesregierung in dem Schriftstück mit keinem Wort. Stattdessen spricht sie nur nebulös von der Züchtung klima-robuster Pflanzensorten, die sie zu unterstützen gedenkt, von der zu gewährenden Transparenz über Züchtungsmethoden und der zu stärkenden Risiko- und Nachweis-Forschung.

In anderen Bereichen fühlen sich Scholz & Co. durch die aktuellen Entwicklungen beflügelt, offener zu reden. „Deutschland hat die Chance, zum international führenden Biotechnologie-Standort zu werden. Durch den ersten mRNA-Impfstoff aus Mainz hat unser Land weltweite Sichtbarkeit erlangt. Damit ist eine Leitfunktion für die wissenschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung der Biotechnologie verbunden“, verkünden sie. Die Ampel stand hier offensichtlich auf Gelb und gibt schon einmal einen Vorgeschmack auf die künftig unter FDP-Ägide stehende Forschungspolitik.

Ganz ähnlich hatte sich zu dem Thema jüngst BAYERs Pharma-Chef Stefan Oelrich vernommen. „Hätten wir vor zwei Jahren eine öffentliche Umfrage gemacht und gefragt, wer bereit dazu ist, eine Gen- oder Zelltherapie in Anspruch zu nehmen und sich in den Körper injizieren zu lassen, hätten das wahrscheinlich 95 Prozent der Menschen abgelehnt. Diese Pandemie hat vielen Menschen die Augen für Innovationen in einer Weise geöffnet, die vorher nicht möglich war“, sagte er bei einer Veranstaltung in Berlin.

Selbstredend freuen sich „Bundesverband der Deutschen Industrie“ und der „Verband der Chemischen Industrie“ in ihren Stellungnahmen zum Ampelvertrag wie Bolle über den Auftrieb, den die Gentechnik in Zeiten von Corona bekommen hat. Und dass die Koalition sich generell so zukunftszugewandt wie wagemutig gibt und „künftig neben dem Vorsorge-Prinzip auch Innovationspotenziale konsequent miterfassen will“, trifft beim BDI natürlich auch auf breite Zustimmung. Ebenso angetan zeigt er sich von der Absicht der Dreier-Koalition, das Gefährdungspotenzial von Substanzen auf Basis des Risikos zu beurteilen. „Eine Bewertung allein auf Basis von Gefahren-Eigenschaften wäre nicht zielführend und innovationsfeindlich“, hält der Verband fest.

Eine Prüfung der Stoffe auf Grundlage der „Gefahr“ unterscheidet sich nämlich maßgeblich von einer solchen auf der Grundlage des „Risikos“. Eine Bewertung anhand der Gefahr nimmt allein die Eigenschaften des Produkts in den Blick, eine anhand des Risikos berücksichtigt indes das Ausmaß, in dem Mensch, Tier und Umwelt der Chemikalie ausgesetzt sind. Während die Gefahr einer Substanz also immer absolut gilt und keine Grenzen kennt, ist das Risiko immer relativ. Es ist unter anderem von der Wirkstärke abhängig. Und als Maß der Dinge kommt so der Grenzwert ins Spiel, der das Höchstmaß der Belastbarkeit anzeigt. Solche Limits treffen auf die – zähneknirschende – Zustimmung von BAYER & Co., erlauben diese ihnen doch, ihre Waren auf den Markt zu bringen und zu halten. Und genau darum ist es dem BDI zu tun: „Um innovative Lösungen und gesellschaftlich relevante Technologien entwickeln und einsetzen zu können, muss es auch künftig möglich sein, gefährliche Chemikalien herzustellen und zu verwenden.“
Der VCI begrüßt derweil das „klare Bekenntnis für eine innovative Gesundheitswirtschaft als Garant für medizinischen Fortschritt, Beschäftigung und Wohlstand“. Für den Verband hat gerade die Corona-Pandemie gezeigt, wie wichtig ein starker Pharma-Standort Deutschland ist. Deshalb behagt ihm die versprochene Stärkung im Prinzip auch. „Diese sollte aber nicht durch Subventionen, sondern durch wettbewerbsfähige Produktions- und Erstattungsbedingungen erreicht werden. Vor diesem Hintergrund sind die Fortschreibung des Preis-Moratoriums und die Verkürzung der freien Preissetzung für innovative Arzneimittel ein falscher Weg“, kritisiert der „Verband der Chemischen Industrie“. Dabei kann er sich über den Erfolg seiner Lobby-Arbeit eigentlich gar nicht beklagen. Im ursprünglichen Entwurf des Koalitionsvertrages hätten BAYER & Co. den Krankenkassen noch einen Rabatt von 16 Prozent auf patent-geschützte Arzneimittel einräumen müssen. „Doch diese Passagen aus dem ersten Entwurfspapier haben die Parteien auf den letzten Metern noch gestrichen“, wie die Pharmazeutische Zeitung berichtete. Jetzt heißt es nur noch: „Wir stärken die Möglichkeiten der Krankenkassen zur Begrenzung der Arzneimittel-Preise.

Der Mann, der die Gesundheitspolitik in Zukunft verantwortet, ist ein alter Bekannter von BAYER. Karl Lauterbachs Wahlkreis liegt nämlich in Leverkusen. Der Sozialdemokrat stand sogar schon einmal in Diensten des Konzerns. In einer Studie stellte er dem Cholesterinsenker LIPOBAY, den das Unternehmen später wegen seiner Risiken und Nebenwirkungen vom Markt nehmen musste, ein gutes Zeugnis aus. „Die frühen Hinweise darauf, dass LIPOBAY möglicherweise gefährlich war, nahm Lauterbach damals ebenso wenig wahr, wie es seine Auftraggeber taten“, befand der Spiegel. Andere Medikamente des Global Players kamen bei ihm allerdings nicht so gut weg. So monierte er in einer für die Barmer Ersatzkasse durchgeführten Untersuchung die Praxis der MedizinerInnen, bei Bluthochdruck Kalzium-Antagonisten wie ADALAT zu verschreiben statt der preiswerteren und mindestens ebenbürtigen Entwässerungstabletten. Den Krebs-Arzneien von BAYER & Co., die irre viel Geld verschlingen und das Leben der PatientInnen doch oft nur wenige Monate verlängern, widmete der Mediziner ein ganzes Buch. Aber auch zur allgemeinen Geschäftspolitik des Leverkusener Multis äußerte er sich. Im Jahr 2006 kritisierte er das Rationalisierungsprogramm beim CURRENTA-Vorgänger BAYER INDUSTRY SERVICES. „Politisch doppelzüngig, entlarvend und moralisch ein Armutszeugnis“ nannte der SPDler es und wusste auch um die Motive des Unternehmens: „Der kurzfristige Gewinn ist das Ziel, das ist die ganze Geschichte.“ Lauterbach wähnte sich wegen solcher und ähnlicher Einlassungen sogar auf der berühmt-berüchtigten Schwarzen Liste der jetzigen BAYER-Tochter MONSANTO. „Ich habe vor einigen Tagen Hinweise erhalten, dass MONSANTO auch über mich Dossiers in Auftrag gegeben hat.“ sagte er 2019.

Als fortschrittlichen Gesundheitspolitiker weist ihn seine Vergangenheit allerdings nicht aus. So befürwortete er die Schließung unrentabler Krankenhäuser, saß im Aufsichtsrat der privaten Rhön-Kliniken und trat für Fallpauschalen ein. Eine dringend erforderliche Neuerung wird es in seiner Amtszeit schon einmal nicht geben: Die Bürgerversicherung. Dementsprechend erleichtert zeigt sich die FAZ. „Die Private Krankenversicherung kann dankbar sein, dass es die Linkspartei nicht in die Koalition geschafft hat. Denn sowohl die Linke als auch SPD und Grüne hatten die Einführung einer Bürgerversicherung angekündigt – mit der es der PVK an den Kragen gegangen wäre. Jetzt aber sichert die FDP den Fortbestand des dualen Systems.“

Die FDP sichert den Konzernen neben einer „Superabschreibung“ auch den Fortbestand der erweiterten Verlust-Verrechnung und zusätzliche Steuer-Einsparungen wie den Ausbau des Verlust-Vortrags. Aber nach Ansicht der Firmen hätte es noch ein bisschen mehr sein dürfen. „Im Koalitionsvertrag fehlt es an einem klaren Bekenntnis der Koalition zu einer wettbewerbsfähigen Besteuerung (fett im Original, Anm. SWB) der Unternehmen von maximal 25 Prozent“, moniert der BDI. Und dem „Verband der Chemischen Industrie“ schwant deshalb Schlimmes: Steuerpolitisch wird der Standort Deutschland aus Sicht des VCI mit dem Konzept des Koalitionsvertrages in den kommenden Jahren noch weiter im Standort-Wettbewerb zurückfallen.“

Bei den handelspolitischen Beschlüssen der Ampel liegt für die Verbände auch so einiges im Argen. Sie bekennen sich zwar grundsätzlich zur Verankerung von Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsstandards in Handelsverträgen, aber die in der Vereinbarung diesbezüglich formulierten Kriterien für den Kontrakt der EU mit den Mercosur-Staaten sind nach dem Dafürhalten des BDI „so kategorisch formuliert, dass damit faktisch das Abkommen auf Eis gelegt wird“. Nach Meinung des Verbandes gelte es, wie auch in Sachen „Lieferketten“, vielmehr „die richtige Balance zwischen Prinzipien und Pragmatismus zu finden.
Durch andere Vorhaben sehen die Konzerne sich in ihrem Wachstum gestört. So stehen sie einer Erweiterung der Fusionskontrolle ebenso skeptisch gegenüber wie einer Entflechtung, der statt eines Machtmissbrauchs als ultima ratio schon die bloße Macht zum Eingreifen reicht. Dazu dürfte es freilich mit der FDP im Boot schwerlich kommen. Und all die anderen Pläne der Ampel sind auch nicht dazu angetan, den Kapital-Verkehr großartig zu behindern. Dafür nehmen SPD, Grüne und FDP der Konzern-Kritik eine wichtige Plattform. Die Parteien ermöglichen es den Unternehmen, ihre Hauptversammlungen auch ganz ohne Pandemie dauerhaft online abzuhalten und so vor UmweltschützerInnen, Klima-AktivistInnen, Gentech-GegnerInnen und anderen ins Virtuelle zu flüchten.

[Auf der Straße & online] Wege zum Protest gegen BAYER – trotz Pandemie

CBG Redaktion

Die diesjährige BAYER-Hauptversammlung war bereits die zweite, die der Konzern unter dem Vorwand des Gesundheitsschutzes komplett ohne Präsenz und rein online durchführte. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, die sich seit Jahrzehnten bemüht, den Protest direkt zum Vorstand hinzutragen, mit Kundgebungen und Demos auf der Straße und Protestbeiträgen in der eigentlichen Veranstaltung, stellte dies vor enorme Herausforderungen.

Von Marius Stelzmann

Im vergangenen Jahr konnte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) bereits Erfahrungen sammeln, wie eine virtuelle Hauptversammlung abläuft und wie ihr ein bedeutungsvoller, schlagkräftiger Online-Protest entgegenzusetzen ist, der die andere Seite der Konzernpolitik zeigt. Anders als im vergangenen Jahr war 2021 zudem von vornherein klar, dass BAYER die HV wieder online stattfinden lassen würde. Daher hatte die CBG genug Zeit, über ihre Kontakte Stimmen aus aller Welt für den Protest zu mobilisieren. Auch wertete die Coordination die Erfahrung von mehr als einem Jahr Pandemie für linke Protest-Bewegungen aus. Die Schlussfolgerung: Keine Online-Veranstaltung kann Protest in der realen Welt ersetzen. Ein Protest muss verantwortungsvoll und corona-sicher sein, aber er muss stattfinden. Die CBG wird sich nicht mit einem reinen Online-Protest zufriedengeben, sondern den Widerstand direkt vor die Haustüre von BAYER tragen. Dieses Jahr war dies wieder einmal die Konzernzentrale in Leverkusen.

Das Bündnis
Die Coordination kann sich dank ihrer langjährigen Arbeit auf zuverlässige Partner stützen, mit denen sie regelmäßig zusammenarbeitet. Als da wären: Der DACHVERBAND DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE, die ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT (AbL), das PESTIZID AKTIONS-NETWERK (PAN), die GESELLSCHAFT FÜR KINDER, DIE DURCH HORMONELLE SCHWANGERSCHAFTSTESTS GESCHÄDIGT WURDEN (ACDHPT), FRIDAYS FOR FUTURE, das COLLECTIF VIET-NAME DIOXINE, das GEN-ETHISCHE NETZWERK, die Initiative RISIKO PILLE, der VEREIN DER EHEMALIGEN HEIMKINDER SCHLESWIG HOLSTEIN, WIR HABEN DIE AGRARINDUSTRIE SATT!, POWERSHIFT e.V., das UMWELTINSTITUT MÜNCHEN, INKOTA, die Partei DIE LINKE, B90/DIE GRÜNEN, rmediabase, die CAMPANHA PERMANENTE CONTRA OS AGROTOXICOS E PELA VIDA, das NETZWERK DUOGYNON, HEJ!SUPPORT, IFOAM und viele mehr. Sie haben es auch dieses Jahr wieder möglich gemacht, die BAYER-Konzernverbrechen von allen Seiten zu beleuchten und von fast allen Kontinenten kritische Stimmen einzuholen, wofür ihnen der Dank der CBG gebührt

Die virtuelle HV
Wie bereits erwähnt: Die virtuelle Hauptversammlung ist eine besondere Herausforderung für KonzernkritikerInnen. BAYER hat seit 1982 nicht mehr die Deutungshoheit über die eigenen Hauptversammlungen. Denn jedes Jahr stellt die Coordination viele RednerInnen, stellt Gegenanträge und ruft zur Nicht-Entlastung des Konzernvorstandes auf. Das Modell der CBG hat überdies Schule gemacht: Heute finden sich auf vielen Hauptversammlungen Proteste und Gegenstimmen. Sowohl NGOs als auch aktivistische Jugendbewegungen wie FRIDAYS FOR FUTURE nutzen das Modell. Dennoch ist keine Hauptversammlung so wie die von BAYER: Denn die Konstanz, mit der die Coordination dranbleibt, das Ausmaß, in dem sie weltweiten Widerstand gegen diesen einen Konzern mobilisiert, sucht nach wie vor weltweit ihresgleichen. Dies ist dem Management wohlbekannt. Nach Wegen, die unerwünschte Konfrontation mit den Folgen der eigenen Konzernpolitik von der HV zu verbannen, sucht der Vorstand deshalb schon lange. Im Vorjahr, mitten in der Corona-Krise 2020, bot sich dem Konzern die Chance, das umzusetzen, was schon lange geplant, aber aufgrund der AktionärInnen-Rechte nie umzusetzen war: Eine virtuelle Hauptversammlung, völlig ohne Präsenz.
Mit dieser Maßnahme hatten die BAYER-Bosse jedoch abermals die Kraft des Widerstandes unterschätzt. Auf den öffentlichen Druck hin, den der Protest der CBG erzeugte, sah sich der Leverkusener Riese 2020 gezwungen, PR-gerechte Schein-Zugeständnisse zu machen, um eine demokratische Partizipationsmöglichkeit vorzuspielen. Hierzu gehörten durchsichtige Tricks wie das Versprechen, am Tag der HV selbst Protest-Tweets vom Konzern-Twitteraccount aus zu retweeten. Das war es aber auch schon. Ansonsten mussten Fragen, die AktionärInnen bzw. deren Bevollmächtigte vorher auf der Hauptversammlung selber stellen konnten, aufwändig vorher eingereicht werden. Zudem traf der Konzern eine Auswahl und nannte größtenteils nicht die Namen der FragestellerInnen. Aus den Augen selbst der üblichen, bereits kritikwürdigen AktionärInnendemokratie betrachtet, war die Hauptversammlung also ein Desaster und bekam dementsprechend eine schlechte Presse.
Da BAYER sich mit aller Kraft als progressiver, aufgeschlossener, zukunftsorientierter Konzern präsentieren möchte, musste also eine andere Lösung her, um den bequemen Umstand der virtuellen Hauptversammlung aufrechterhalten zu können. Darum trat der Konzern 2021 die Flucht nach vorn an und versuchte sich als aktionärInnendemokratischer Musterschüler zu inszenieren. Für partizipationswillige AktienhalterInnen gab es nun neben dem schriftlichen Einreichen von Fragen auch die Möglichkeit, Statements in schriftlicher und in Videoform einzureichen. Ein Modell, welches andere Konzerne teilweise noch nicht anbieten und BAYER helfen sollte, sich als Transparenz-Marktführer zu inszenieren.
Die Coordination denkt jedoch nicht daran, „Danke!“ zu sagen, wenn die üblichen Rechte für AktionärInnen immer noch nicht eingeräumt werden. Immer noch sind nämlich die Partizipationsmöglichkeiten im Vergleich zu denen der Präsenz-Hauptversammlung massiv eingeschränkt. Denn die schriftlich eingereichten Fragen kann der Vorstand bei der Präsentation aus dem Zusammenhang reißen und zusammenstreichen, wie er möchte. Auch die Namen von vielen Fragenden wurden wieder nicht genannt. Zu den kritischen Video-Statements nahm der Vorstand überhaupt keine Stellung. Anträge und Wahlvorschläge aus den Videos wurden nicht berücksichtigt. Zwar wurden die Videos in diesem Jahr im BAYER-Stream gezeigt, allerdings besteht keinerlei Rechtsanspruch, dass die eingesandten Videos auch veröffentlicht werden. Der Vorstand könnte diese also auch einfach unter den Tisch fallen lassen. Der Vorstand hat also endlose Möglichkeiten der Vorauswahl, was Kritik erschwert. Auf einer Präsenz-Hauptversammlung bestehen diese nicht. Die Rechte – insbesondere von Klein-AktionärInnen – bleiben also weiterhin substantiell eingeschränkt. Die Coordination hat dieses Vorgehen von BAYER in einer gemeinsamen Erklärung mit dem DACHVERBAND DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE, PAN, WIR HABEN DIE AGRARINDUSTRIE SATT!, und dem GEN-ETHISCHEN NETZWERK kritisiert.
Parallel zu solchen Aktionen nutzt die Coordination natürlich alle Möglichkeiten, die sie hat, um den Protest auf die Hauptversammlung zu tragen. So reichte die CBG auch dieses Jahr wieder mehr als 200 schriftliche Fragen und Statements ein. Unsere BündnispartnerInnen von PAN, INKOTA, RISIKO PILLE, COLLECTIF VIETNAM DIOXINE und dem NETZWERK DUOGYNON sandten uns zudem Video-Statements, die dann auch in die virtuelle HV hineinflimmerten und den Vorstand mit seiner verbrecherischen Konzernpolitik konfrontierten.

Die Kundgebung
Die Kundgebung vergrößerte sich im Vergleich zum letzten Jahr erfreulicherweise. Trotz Corona-Krise konnte die CBG ca. 30 TeilnehmerInnen begrüßen. Überdies fuhren aktivistische LandwirtInnen der AbL mit Traktoren vor. In ihren Reden machten unsere BündnispartnerInnen von FRIDAYS FOR FUTURE, der AbL und der Linkspartei klar, dass das Bündnis nicht akzeptiert, dass BAYER mit der virtuellen HV Protest und Widerstand aussperrt.
Genau wie letztes Jahr war die Herausforderung des Live-Streams der Coordination, den international aufgestellten Protest auf ein streamtaugliches Programm zu bringen. Dieses Jahr waren Beiträge aus der ganzen Welt vertreten, die viele Aspekte der BAYER-Konzernpolitik beleuchtet haben. Wie im letzten Jahr auch kommentierte die CBG das Geschehen auf der Hauptversammlung des Leverkusener Multis direkt und ließ diesen Analysen Gespräche mit AktivistInnen folgen. Erster Interview-Partner war Sven Giegold, Europa-Abgeordneter der Grünen, der zu BAYERs Steuervermeidungsstrategien sprach. Er stellte die Studie der grünen Fraktion im Europa-Parlament vor, die sich dem Versuch des Unternehmens widmete, Steueroasen weltweit und in Deutschland selber auszunutzen. Die zweite Gesprächspartnerin, Charlotte Sammet, war eine Vertreterin von FRIDAYS FOR FUTURE. Sie erläuterte die klimapolitischen Ziele der Initiative und ließ keinen Zweifel daran, dass diese mit dem gegenwärtigen Produktionsmodell von BAYER nicht zu erreichen seien. Der letzte Gast im morgendlichen Live-Block war Tilman Massa vom DACHVERBAND DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE, mit dem CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann über die virtuelle HV und die Möglichkeiten von kritischen AktionärInnen diskutierte, einen Konzern unter diesen Bedingungen mit seinen Missetaten zu konfrontieren.

Agent Orange
Weiter im Programm ging es dann mit den weltweiten Statements. Den Anfang machte die österreichische Fernsehköchin und EU-Parlamentarierin Sarah Wiener, die in einer flammenden Rede feststellte, dass die Zeit von BAYER abgelaufen sei. Daraufhin folgten Stimmen aus Vietnam. Das Land war während des Vietnam-Krieges mit dem von der jetzigen BAYER-Tochter MONSANTO produzierten Herbizid Agent Orange heimgesucht worden. Von den Folgen berichtete Dr. Thi Ngoc Phuong Nguyen: Sie hatte nach den Sprüheinsätzen mit dem Pestizid eine Totgeburt erlitten. Dieses Schicksal traf die ehemalige Vietcong-Guerillera Hong Nhut Dang gleich mehrmals. Auch Thi Phuong Nguyen war Agent Orange ausgesetzt, ihr Sohn kam mit Leukämie zur Welt.
Tú Qùynh-nhu Nguyen vom Collectif Vietnam Dioxine fand für das Verbrechen „Agent Orange“ deutliche Worte: „Der Einsatz von Agent Orange in Vietnam ist der größte Ökozid und die größte chemische Kriegsführung in der Geschichte gewesen.“ Neben dem Collectif Vietnam Dioxine nahmen auch Susan Tabbach von RISIKO PILLE, Wiebke Beushausen von INKOTA, Peter Clausing von PAN, Bettina Müller von POWERSHIFT e.V. und Andre Sommer vom NETZWERK DUOGYNON die Möglichkeit wahr, dem Konzern die Meinung zu sagen. Anschließend ging ein ganzer Block auf Sendung, der einen Einblick in eine Region ermöglichte, die einer der profitabelsten Absatzmärkte für BAYERs Glyphosat ist: Lateinamerika. Auch von hier berichteten Betroffene aus ihrem Alltag mit dem Gift. Elsa, eine Lehrerin aus einer ländlichen Gemeinde in Argentinien, in der Glyphosat als Unkrautvernichter überall präsent ist, erzählte von mehreren Fehlgeburten, die sie durch die permanenten Glyphosat-Ausbringungen erlitt. Auch in der lokalen Schule leiden viele Kinder an Erkrankungen, welche auf das Herbizid zurückzuführen sind. Petra, eine Lehrerin aus einer anderen Gemeinde, bestätigte die Befunde. Auch in ihrer Region habe sich das ganze Spektrum von Krankheiten, welche Glyphosat auslösen kann, gezeigt.
Im zweiten Live-Block redete Marius Stelzmann mit dem Grünen-Abgeordneten Harald Ebner weiter über das unglückselige Pestizid. Und die Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch von DIE LINKE hielt in dem darauffolgenden Interview ganz klar fest: „BAYER ist nicht der Löser globaler Krisen, sondern trägt zu globalen Krisen bei!“ Als nächstes berichtete Jurek Vengels vom Münchner UMWELTINSTITUT von einem Prozess, mit welchem sich die Einrichtung nach ihrer Kritik am Pestizid-Einsatz in Südtirol, einem der größten europäischen Obstanbau-Gebiete, konfrontiert sah. Ein weiteres Interview gab Bettina Müller von POWERSHIFT, über deren Verbindungen uns die Statements der Glyphosat-Betroffenen aus Lateinamerika erreicht hatten.
Mit Kim Vo Dienh, einem Vertreter des COLLECTIF VIETNAM DIOXINE, das der CBG die Botschaften von Agent-Orange-Geschädigten zur Verfügung gestellt hatte, sprach Stelzmann über Tran To Nga, die in Paris einen Prozess gegen BAYER/MONSANTO führt. Danach berichtete Regisseurin Katja Becker über die Situation in Kenia. Sie hatte vor Ort die Dokumentation „The Food Challenge“ gedreht, welche die Folgen des Einsatzes von in der EU bereits verbotenen Pestiziden für die Landbevölkerung des Staates thematisiert. Becker äußerte aufgrund ihrer gesammelten Materialien die Vermutung, dass die fortgesetzte Produktion dieser Ackergifte bewusst im Hinblick auf Gebiete mit schwächeren Schutzverordnungen wie Kenia geschehe.

Der letzte Live-Block
Der letzte Live-Block ging um 16.00 Uhr auf Sendung. Der erste Gast hatte bereits einige Hauptversammlungserfahrung. Alan Tygel von der brasilianischen CAMPANHA PERMANENTE CONTRA OS AGROTOXICOS E PELA VIDA stellte klar, dass er vom Konzern nichts erwartete, da es diesem nur um Profit ginge. Sein Appell richte sich vielmehr an die deutsche und europäische Zivilgesellschaft, die BAYER und die deutsche Regierung unter Druck setzen sollten. Der nächste Interview-Partner war Günter Wulf, ein ehemaliges Heimkind, an dem als Kind gegen seinen Willen Medikamententests vorgenommen worden waren. Günter verbrachte mehrere Jahre in Dauersedierung durch Psychopharmaka; mit den Folgen hat er bis heute zu kämpfen. Er ist Teil des VEREINS DER EHEMALIGEN HEIMKINDER SCHLESWIG-HOLSTEINS und war auch bereits 2019 auf der Hauptversammlung von BAYER, um den Vorstand zur Rede zu stellen.
Als Reaktion auf deren Auftritt hatte der Global Player die ehemaligen Heimkinder eingeladen, in seinen Archiven in Leverkusen nach Belegen für die Verabreichung von BAYER-Medikamenten zu suchen. Und sie wurden fündig, wie uns Dr. Klaus Schepker, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Ulm, berichtete. Schepker legte dar, dass BAYER vom Leid der Heimkinder profitierte und in der Verantwortung sei, diese zu entschädigen und sich öffentlich zu seiner Verantwortung zu bekennen. Aus England zugeschaltet wurde der Coordination im Anschluss daran Marie Lyon. Marie ist selbst Geschädigte des hormonellen Schwangerschaftstests PRIMODOS (in Deutschland unter dem Namen DUOGYNON vermarktet). Ihr Kind kam ohne linken Unterarm zur Welt. Marie hatte daraufhin zusammen mit anderen Betroffenen die ACDHPT gegründet, die GESELLSCHAFT FÜR KINDER, DIE DURCH HORMONELLE SCHWANGERSCHAFTSTESTS GESCHÄDIGT WURDEN. Sie forderte BAYER auf, die überwältigenden wissenschaftlichen Beweise für die verheerende Wirkung des Präperats zu akzeptieren und Entschädigungszahlungen zu leisten. Der Konzern habe mit hormonellen Schwangerschaftstests überall auf der Welt Milliardenprofite erwirtschaftet, nun müsse er die Verantwortung für die Folgen übernehmen, so Lyon. Nina Holland von der NGO CORPORATE EUROPE OBSERVATORY (CEO) stellte im folgenden Interview die Lobby-Praktiken BAYERs dar. Dann warnte Alexandra Caterbow vor den Gefahren von endokrinen Disruptoren – hormon-ähnlichen Stoffen, die unter anderem in Pestiziden von BAYER & Co. stecken.
Mit einem flammenden Abschluss-Statement von CBG-Vorstand Axel Köhler-Schnura, der die vielen verschiedenen BAYER-Verbrechen in die Unternehmensgeschichte einordnete, kam der Live-Online-Protest dann zum Abschluss. Die Coordination blickt zurück auf ein weiteres Jahr mit stark eingeschränktem leibhaftigen Protest auf der Straße – und mit einem virtuellen Protest, der größer und internationaler ausfiel als 2020. Und es ist klar: Wir bleiben dran …

[Blindes Vertrauen] HV-Prozess: Gutachten macht Verfahrensfehler aus

CBG Redaktion

Im Jahr 2017 hatte der BAYER-Konzern auf seiner Hauptversammlung das Versammlungsrecht der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN massiv beschnitten. Die Coordination klagte dagegen durch alle Instanzen – erfolglos. Darum griff sie im November 2020 zum letzten Mittel: Verfassungsbeschwerde. Und jetzt legte die CBG nach. Sie reichte ein Gutachten des Rechtsprofessors Dr. Remo Klinger ein, das ihre juristische Position stützt.

Von Marius Stelzmann

Die Auseinandersetzung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) mit BAYER und der Polizei um die Vorgänge bei der Hauptversammlung von 2017 ist mittlerweile vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gelandet. Im November letzten Jahres hatte die Coordination eine Verfassungsbeschwerde eingereicht. Und sie ließ es damit nicht gut sein: Anfang März 2021 stellte die CBG dem höchsten deutschen Gericht ein Gutachten von Professor Dr. Remo Klinger zu, das ihre Position untermauert.

Begonnen hatte der Rechtsstreit nach BAYERs AktionärInnen-Treffen vom 28. April 2017. Unmittelbar nach der HV hatte die CBG Klage wegen Verstoßes gegen das Versammlungsrecht eingereicht, da der Konzern vor dem World Conference Center Bonn (WCCB) ein von einem mannshohen Zaun umgebenes Zelt mit Kontroll-Schleusen errichtet hatte, um sich den erwarteten Protest besser vom Leib halten zu können. Offizielle Begründung: Terror-Gefahr! Diese erfordere umfangreiche, im Gebäude selber nicht durchführbare Sicherheitschecks, erklärte BAYER – und die Polizei schluckte es.

Die Grundlagen dieser Sicherheitseinschätzung hat der Leverkusener Multi bis heute weder der Versammlungsbehörde noch später vor Gericht transparent gemacht. Er teilte lediglich die „relevanten Eckpunkte“ mit. Die Versammlungsbehörde schloss sich der Gefahrenprognose dennoch postwendend an und erteilte eine lange Liste mit Auflagen, die das Demonstrationsrecht der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) erheblich beschnitten. Diese griff die unverschämten Anordnungen in Eil-Verfahren umgehend an und erstritt reihenweise juristische Siege: Schlicht unhaltbar waren beispielsweise Vorschriften, die vorsahen, dass Lautsprecherboxen nicht in Richtung der AktionärInnen zeigen durften. Eine einzige der Auflagen konnte die CBG allerdings nicht zu Fall bringen: Das Zelt blieb, und damit musste die Coordination ihren traditionellen Kundgebungsort direkt vor dem Eingang der Hauptversammlung aufgeben und mit einem Ort weit davon entfernt, ganz am Rand des weitläufigen „Platzes der Vereinten Nationen“, vorliebnehmen.

Auch die Feststellungsklagen der Coordination brachten keinen Erfolg. Die Gerichte zogen die damaligen Entscheidungen nicht in Zweifel. Darum will die CBG jetzt vor dem BVerfG klären lassen, ob die Behörden durch die unkritische Übernahme von Sicherheitskonzept und Gefahrenprognose BAYERs ihre Pflichten verletzt und damit einen Verfahrensfehler begangen haben. Zur Seite steht ihr dabei Professor Dr. Remo Klinger, der mit seinem juristischen Fachwissen schon vielen Initiativen half. Er unterstützte bereits die DEUTSCHE UMWELTHILFE in der Auseinandersetzung um die Einhaltung der Stickstoff-Grenzwerte in deutschen Städten und die damit verbundenen Dieselfahrverbote sowie die FRIDAYS FOR FUTURE mit einer Verfassungsbeschwerde wegen unzureichender Klimaschutz-Gesetze.
Remo Klinger stellt in dem Gutachten heraus, dass Entscheidungen über die Art der Ermittlungen, d. h. auch die Beantwortung der Frage, welche Informationsquellen herangezogen werden, im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde liegen. Zwar kann die Behörde zur Ermittlung von Sachverhalten auf die Prozess-Beteiligten und sonstige Private zurückgreifen. Dies entbindet diese jedoch nicht von der Letztverantwortlichkeit der Sachverhaltsermittlung. Die Behörde kommt ihren Pflichten nur dann ausreichend nach, wenn sie die durch andere Quellen gewonnenen Erkenntnisse überprüft, andernfalls stellt deren Nutzung einen Aufklärungsfehler dar.

So heißt es im Gutachten: „Die Pflicht der Behörde zur eigenen Ermittlung wandelt sich daher vor allem im Grundrechtsschutz zu einer Pflicht zur nachvollziehenden Amtsermittlung.“ Denn die Versammlungsfreiheit ist im Grundgesetz besonders geschützt. Auch die Wahl des Ortes fällt unter das Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters, welches alle versammlungsbezogenen Verhaltensweisen schützt. Eine verfassungskonforme Abwägung, ob eine angemeldete Versammlung mit Interessen Dritter kollidiert, obliegt der staatlichen Verantwortung. Diese muss aber den Gewährleistungsgehalt des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit wahren. Um eine Versammlung einschränken zu können, bedarf es einer eigenen Ermittlung. „Die Behörde bleibt danach selbst bei Nutzung der Informationen von Verfahrensbeteiligten verpflichtet, die Angaben inhaltlich auf ihre Plausibilität zu überprüfen und mit dem bisherigen Ermittlungsstand und Erfahrungen aus ähnlichen Verfahren abzugleichen“, hält Klinger mit Verweisen auf die juristische Fachliteratur fest.

Pflichtverletzung
Dieser Verpflichtung ist die Versammlungsbehörde in Bonn nicht nachgekommen. Diese hatte sich nur auf das bloße Wort BAYERs verlassen, um die CBG von ihrem Kundgebungsort zu verdrängen. Einsicht in das Sicherheitskonzept verlangte die Behörde nicht. Auch drang sie später im Prozess nicht darauf, das Dokument allen Verfahrensbeteiligten zugänglich zu machen.

Darüber hinaus hat die Behörde versammlungsrechtliche Informationen wie diejenigen, die sie von BAYER zur angeblichen Sicherheitslage erhielt, mit den Erfahrungen aus ähnlichen Vorgängen abzugleichen. Dies ist in diesem Fall schwerwiegend, da es sowohl vor als auch nach der BAYER-Hauptversammlung eine Reihe von Veranstaltungen ähnlicher Größe im WCCB gab, die ihre Sicherheitsschleusen nicht in ein externes, umzäuntes Zelt auf dem Vorplatz verlegten. Das Gutachten listet dazu einige Beispiele auf. Hierbei handelte es sich sowohl um politische Großveranstaltungen wie den Bundesparteitag der SPD im Januar 2018 oder den Europa-Parteitag der Linkspartei 2019 als auch um andere Zusammenkünfte. Selbst mehrere Hauptversammlungen zählten dazu. So verzichteten beispielsweise im Mai 2019 die DEUTSCHE POST AG und die LUFTHANSA AG auf ein externes Sicherheitszelt. Terrorgefahr? Hier offenbar kein Problem. Offensichtlich unproblematisch war es für die Lufthansa, ihre Sicherheitsschleusen bei der HV in dem extra dafür vorgesehenen Raum im WCCB aufzubauen. Auf Fotos, mit welchen der von der LUFTHANSA mit der Organisation des AktionärInnen-Treffs betraute Dienstleister sein Werk bewirbt, ist klar zu sehen, dass diese Räume allen Sicherheitsbedürfnissen gerecht wurden. Dies hatten von BAYER bestellte Sicherheitsleute bei dem gerichtlichen Begehungstermin des WCCB-Vorplatzes durch die CBG und BAYER explizit in Abrede gestellt. Durch die Errichtung der Sicherheitsschleusen in exakt jenem Raum, in dem die LUFTHANSA sie aufbaute, seien Fluchtwege im Brandfall versperrt. Grobe Fahrlässigkeit bei der LUFTHANSA also? Oder doch eher ein Sicherheitskonzept made by BAYER, das nur als Vorwand zur Abwehr von Konzern-Kritik diente ...
Die im Internet lediglich eine Google-Suche entfernten Informationen belegen: Die Recherchen der Behörde, falls überhaupt unternommen, wiesen gravierende Mängel auf. Von einer Prüfung, ob Möglichkeiten für effiziente Sicherheitskontrollen im Innern des Gebäudes in baulicher, technischer und räumlicher Hinsicht vorhanden waren, die es gestattet hätten, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit nicht zu beeinträchtigen, kann keine Rede sein. Auch bei den BAYER-Hauptversammlungen der kommenden Jahre überprüften die Behörden das Sicherheitskonzept nicht erneut, sondern übernahmen den alten Sachstand einfach unbesehen.

Das Gutachten legt dar, dass eine Beweiswürdigung eine abgeschlossene, vollständige Sachverhaltsermittlung voraussetzt. Die Beweiswürdigung darf die Behörde nicht an Dritte delegieren. Es ist erforderlich, dass sie sich ein eigenes Urteil darüber bildet, ob nach den ermittelten Umständen ein Sachverhalt als erwiesen gilt.

Klarer Befund
Wenn die Behörde gegen die klar definierten Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung verstößt, liegt ein Verfahrensfehler vor. Der von der Behörde ergangene Bescheid wird damit rechtswidrig. Im Gutachten wird daher das Fazit gezogen: Eine ungeprüfte Übernahme des lediglich mündlich mitgeteilten Sicherheitskonzeptes der BAYER AG reicht nicht aus, um das Versammlungsrecht zu beschneiden. Die Behörde hätte die Hinweise der BAYER AG zwar heranziehen und verwerten dürfen. Eine nachvollziehende Beurteilung des Sicherheitskonzeptes wäre jedoch unabdingbar notwendig gewesen. Die von der Versammlungsbehörde vor Gericht bekundete „Kenntnis der relevanten Eckpunkte“ reicht nicht aus. Eine Gefahrenprognose von Amts wegen wird dadurch nicht ausreichend gestützt.
Für die Coordination ist dieses Resultat von größter Wichtigkeit, da die Gerichte bisher der Auffassung der Versammlungsbehörde und der von BAYER folgten oder aber die Frage ganz ausklammerten. Die RichterInnen prüften lediglich, ob eine Demonstration unter solchen Bedingungen weiterhin möglich und erfolgversprechend durchführbar war. Dass die CBG in der Not erfinderisch und protest-versiert genug war, um sich von den hindernden Auflagen nicht ins politische Aus manövrieren zu lassen, legten sie absurderweise zu ihren Lasten aus. Diese Auffassung berücksichtigt darüber hinaus nicht, dass die CBG auch die sehr viel schärferen Auflagen erst in Eilverfahren wegklagen musste. Auch das hat einiges Geld gekostet, das die Coordination nicht so einfach zur Verfügung hat und viele andere Initiativen gar nicht aufbringen können. Nicht zuletzt darum lässt die CBG nicht locker und geht bis vor das Bundesverfassungsgericht. Ihr ist es um grundlegende Fragen zu tun, welche den rechtlichen Rahmen von Konzern-Kritik im Allgemeinen betreffen und deshalb auch für andere politische Gruppen von Bedeutung ist.

Wenn nämlich Versammlungsbehörden die Erstellung von Gefahrenszenarien komplett Konzernen überlassen, die sich ihrer KritikerInnen entledigen wollen und keine eigenen Kontrollen durchführt, wird diese hoheitliche Aufgabe faktisch privatisiert. Dies öffnet einem Missbrauch durch große Player Tür und Tor.
Das Gutachten klärt auf rechtswissenschaftliche Weise die Fragen, die diesen politischen Auseinandersetzungen zugrundeliegen. Es zieht zu diesen Fragen das nüchterne, verfassungsrechtliche Fazit: Im Rahmen der Beweiswürdigung hätte die Behörde das Sicherheitskonzept inhaltlich auf seine Plausibilität überprüfen müssen, sie hätte dem Leverkusener  Chemie-Multi nicht „blind vertrauen“ dürfen.

[Ticker 02/21] AKTION & KRITIK

CBG Redaktion

CBG beim Klima-Streik
Der BAYER-Konzern stößt Jahr für Jahr Millionen Tonnen Kohlendioxid aus und trägt so zum Klima-Wandel bei. Darum nahm die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) wieder am Klima-Streik teil. Sie beteiligte sich am 19. März 2021 aus gegebenem Anlass dort an den Protesten, wo der Agro-Riese seinen Stammsitz hat: in Leverkusen. Zu einer Mahnwache vor dem Rathaus der Stadt hatte die Ortsgruppe von FRIDAYS FOR FUTURE aufgerufen. Insgesamt gab es an diesem Tag rund 1.000 Aktionen in insgesamt 68 Ländern.

CBG hat Agro-Industrie satt
Jedes Jahr im Januar ist Berlin der Schauplatz der „Wir haben Agro-Industrie satt“-Proteste. Dieses Mal fanden sie in hybrider Form statt. Es gab sowohl eine kleinere Kundgebung vor dem Bundeskanzleramt als auch die „Aktion Fußabdruck“, die eine „Anwesenheit in Abwesenheit“ ermöglichte. Rund 10.000 Menschen stimmten mit ihren Füßen ab gegen Pestizide, Gentechnik, Monokulturen und Tier-Fabriken, um „die Agrar-Wende loszutreten“. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) beteiligte sich mit einem „Glyphosat-Stopp jetzt!“-Fußabdruck daran. Überdies schickte die Coordination eine vor dem Dormagener BAYER-Werk aufgezeichnete Rede zum Thema „Glyphosat“ in die Hauptstadt. Und trotz alledem ließ sie es sich nicht nehmen, am 16. Januar vor Ort präsent zu sein, wenn auch in reduzierter Mannschaftsstärke. Geschäftsführer Marius Stelzmann vertrat sie dort.

Machtlose Vereinsmitglieder
Der jüngste Beschluss der Deutschen Fußball-Liga (DFL) zur Verteilung der Gelder aus der TV-Vermarktung benachteiligt die kleinen Vereine aus der 2. Liga gegenüber den Top-Teams aus der 1. Liga. Der Fußball-Funktionär Andreas Rettig sieht darin ein erneutes Zeichen dafür, wie sehr sich der Fußball kommerzialisiert und von seinen Fans entfremdet hat. Eine wichtige Rolle dabei spielte seiner Meinung nach die ehemalige „Werkself“ BAYER Leverkusen. Der Club war nämlich der erste, der die Rechte seiner Mitglieder beschnitt. „Besonders die 1999 erteilte Ausnahmegenehmigung für BAYER 04 Leverkusen von der sogenannten 50-plus-1-Regel (der Verein behält die Stimmrechtsmehrheit in der Gesellschafter-Versammlung einer neu gegründeten Tochter-Gesellschaft) war eine erste Abkehr vom Vereinsleben“, schreibt er in der Rheinischen Post. „Der Verein gehörte nun nicht mehr den Mitgliedern“, so Rettig.

Petition in Sachen „Patente“
BAYER & Co. melden immer mehr Patente auch auf solche Pflanzen an, die nicht mit Hilfe gentechnischer Methoden, sondern mittels konventioneller Verfahren entstanden sind, obwohl die Gesetze das eigentlich verbieten (siehe PFLANZEN & SAATEN). Dadurch droht die Kontrolle über die gesamte Lebensmittel-Produktion in die Hand der großen Konzerne zu fallen. Das Netzwerk KEINE PATENTE AUF SAATGUT fordert das Europäische Patentamt deshalb in einer Petition dazu auf, keine solchen Schutzrechte mehr zu erteilen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zählt zu den Unterstützern dieser Kampagne.

KAPITAL & ARBEIT

BAYER CROPSCIENCE schrumpft
Ende September 2020 hatte der Leverkusener Multi ein 1,5 Milliarden Euro schweres Spar-Paket angekündigt – noch nicht einmal zwei Jahre nach dem letzten – und dabei auch Verkäufe von Unternehmensteilen nicht ausgeschlossen. „Zudem prüfen wir die Möglichkeit, uns von nicht strategischen Geschäften oder Marken unterhalb der Divisionsebene zu trennen“, verlautete aus der Konzern-Zentrale. Im Februar 2021 wurde aus der Möglichkeit dann Realität: Der Agro-Riese gab bekannt, die Sparte „Environmental Science“ mit den Pestiziden für nicht-landwirtschaftliche Bereiche wie Forstwirtschaft, öffentliche Grünanlagen, Golfplätze und Gleis-Anlagen veräußern zu wollen. Im Rahmen einer Auktion gedenkt er die Einheit zu verscherbeln. Das Mindestgebot steht auch schon fest: Zwei Milliarden Euro. Wie viele Arbeitsplätze innerhalb des Unternehmens durch die Entscheidung verloren gehen, teilte das Management nicht mit.

ERSTE & DRITTE WELT

385 Millionen Pestizid-Vergiftungen
Die letzte Studie über akute Pestizid-Vergiftungen stammt aus dem Jahr 1990. Damals ermittelte die Weltgesundheitsorganisation WHO eine Million Fälle pro Jahr. Im Herbst letzten Jahres erschien nun eine neue Forschungsarbeit, die mit einem noch einmal drastischeren Befund aufwartet. Die Untersuchung „The global distribution of acute unintentional pesticide poisoning“ verzeichnet 385 Millionen Pestizid-Vergiftungen per anno. Am stärksten betroffen sind Entwicklungs- und Schwellenländer. Prozentual die meisten Fälle unter LandwirtInnen und LandarbeiterInnen gibt es in Süd- und Südost-Asien sowie in Ostafrika. Auch südamerikanische Staaten wie Kolumbien, Venezuela und Argentinien kommen auf beunruhigend hohe Raten. Die ForscherInnen führen mehrere Gründe für den steilen Anstieg der Zahlen an. Die WHO hat damals nur die schwereren Krankheitsverläufe registriert und konnte sich zudem nicht auf eine so breite Daten-Basis stützen wie die neue Studie. Vor allem aber nahm die Ackergift-Produktion zu. Um rund 80 Prozent erhöhte sich die Menge der von BAYER & Co. in Umlauf gebrachten Substanzen von 1990 bis 2017. Darunter litten ebenfalls wieder vor allem die Länder des globalen Südens. In Südamerika legte die Pestizid-Nutzung um 484 Prozent zu und in Asien um 97 Prozent, während sie in Europa um drei Prozent schrumpfte. Von einem „Problem, das nach einem sofortigen Handeln verlangt“, sprechen die AutorInnen angesichts der vielen Vergiftungen. Die tödlich verlaufenden Intoxikationen haben dagegen abgenommen. Sie reduzierten sich von jährlich 20.000 im Jahr 1990 auf nunmehr 10.000. Als Grund vermuten die WissenschaftlerInnen das Verschwinden einiger besonders gefährlicher Mittel vom Markt. Dies bedürfe allerdings noch einer genaueren Überprüfung, hielten sie fest.

POLITIK & EINFLUSS

Plausch mit der EU-Kommission
Im Dezember 2019 trafen sich VertreterInnen verschiedener EU-Generaldirektionen mit VertreterInnen des europäischen Pharma-Verbandes EFPIA sowie mit LobbyistInnen von BAYER, PFIZER, BOEHRINGER & Co. Die Mitglieder der Generaldirektionen „Steuern und Zoll“, „Industrie und Handel“ und „Gesundheit“ hielten die Konzern-EmissärInnen dabei nicht nur über laufende politische Projekte wie etwa die Verhandlungen zu der pan-afrikanischen Freihandelszone AfCFTA auf dem Laufenden, sondern warben auch proaktiv um Mitarbeit. So ermunterten die GeneraldirektorInnen die EFPIA, der Kommission doch bitte ihre Prioritäten in Sachen „AfCFTA“ zu übermitteln.

Die EU-Chemikalienstrategie
Mit immer mehr Chemikalien suchen BAYER & Co. die Welt heim. Zwischen 2000 und 2017 steigerten die Konzerne ihre Produktionskapazitäten von 1,2 auf 2,3 Milliarden Tonnen. Und für den Zeitraum bis 2030 sagt die UN noch einmal fast eine Verdoppelung des Verkaufs chemischer Substanzen voraus. Dabei hat der Output der Branche schon jetzt massive Folgen für Mensch, Tier und Umwelt. Die Weltgesundheitsorganisation beziffert die Zahl der von Kunststoffen, Pestiziden und anderen Stoffen verursachten Todesfälle auf 1,6 Millionen jährlich. Aus diesen Gründen entschloss sich die Europäische Union zu handeln. „Wenn wir nichts unternehmen, wird sich die Gesamtzahl der Krebsfälle in der EU bis 2035 voraussichtlich verdoppeln“,mahnte die EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides. Darum brachte Brüssel im Oktober 2020 eine Chemikalien-Strategie auf den Weg. Diese versteht sich als Teil des „Green Deals“ und beabsichtigt, „den Schutz von Mensch und Umwelt vor gefährlichen Chemikalien zu erhöhen“. Im Rahmen dieser Strategie will die Europäische Union beispielsweise Maßnahmen zur Eindämmung von Gefahren ergreifen, die hormon-ähnlich wirkende Erzeugnisse – sogenannte endokrine Disruptoren – hervorrufen, zu denen unter anderem Pestizide wie BAYERs Glyphosat gehören. Bei schwer abbaubaren Stoffen sieht sie ebenfalls Handlungsbedarf. Zudem plant die EU, die Gefährdungen, die von den Kombinationswirkungen der Produkte ausgehen, zu minimieren und alle Waren zu verbieten, die krebserregende, erbgut- oder fortpflanzungsschädigende Substanzen enthalten. BAYER & Co. liefen Sturm gegen das Vorhaben und versuchen nun, Obstruktionspolitik gegen die Umsetzung zu betreiben (s. u.).

VCI will andere Chemie-Strategie
Die Ankündigungen der EU, eine Chemikalien-Strategie auf den Weg zu bringen, ließ bei BAYER & Co. die Alarm-Glocken läuten. Ihre LobbyistInnen in Brüssel arbeiteten rund um die Uhr, um das Schlimmste zu verhindern und konnten auch einige Erfolge verbuchen. So intervenierten die EU-Generaldirektionen „Industrie“ und „Gesundheit“ zugunsten der Konzerne und machten sich für schwächere Bestimmungen stark. Nach der Verabschiedung der Strategie im Oktober 2020 konzentrieren sich die Multis darauf, ihre Vorstellungen bei der konkreten Realisierung der Maßnahmen durchzusetzen. Mitte März 2021 etwa forderte der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI) „mehr Augenmaß für die kommenden Reformen“. „Für die Chemie- und Pharmabranche und ihre Kunden in nachgeschalteten industriellen Wertschöpfungsketten wird die EU-Chemikalienstrategie massive Auswirkungen haben, wenn sie unverändert umgesetzt werden sollte“, warnte die Lobby-Organisation. Wieder einmal stieß sie sich an dem Gefahren-Ansatz der EU, der sich dem Vorsorge-Prinzip verpflichtet fühlt. Nach diesem Ansatz sind einige Stoffe an sich schädlich und nicht bloß ab einer bestimmten Schwelle, weshalb schon kleinste Mengen Krankheiten auslösen können. Im Gegensatz dazu kennt der Risiko-Ansatz keine absoluten Gefahren, sondern nur relative, von der Wirkstärke abhängige und deshalb durch Grenzwerte einhegbare. Darum bevorzugt die Industrie eine solche Regulierungsvariante. Dementsprechend behauptet der VCI in seiner Veröffentlichung, „dass auch Stoffe mit gefährlichen Eigenschaften sicher gehandhabt werden können“ und wendet sich vehement gegen Verbote. Seine Hoffnungen setzt der Verband auf die Gespräche am Runden Tisch, die im Rahmen der Implementierung der neuen Chemie-Politik vorgesehen sind. „Die Einrichtung eines Runden Tisches aller Interessensgruppen begrüßen wir außerordentlich – vorausgesetzt, es kommt zu unvoreingenommenen Diskussionen, so VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup, der im Jahr 2019 von BAYER zum „Verband der Chemischen Industrie“ gewechselt war.

Ein bisschen weniger Glyphosat
Gegen einen Glyphosat-Stopp vor dem Auslaufen der EU-Zulassung Ende 2023 hatte die Große Koalition sich schon im September 2019 ausgesprochen. Sie gab sich mit einer Minderungsstrategie zufrieden. Für diese ließen sich die PolitikerInnen dann zu allem Übel auch noch Zeit bis kurz vor Toresschluss der Legislatur-Periode. Überdies fielen die Regelungen äußerst bescheiden aus. SPD und CDU verabschiedeten diese im Rahmen des Insektenschutz-Gesetzes, welches das Bundeskabinett im Februar 2021 auf den Weg brachte. Für Glyphosat sehen die Bestimmungen ein Verbot nur für Anwendungen im Privatbereich und auf öffentlichen Grünflächen vor, die mengenmäßig kaum ins Gewicht fallen. Für das Ausbringen auf Äckern lassen Merkel & Co. hingegen zahlreiche Ausnahmen zu. So darf das Mittel gegen nicht wenige Wildkräuter nach wie vor zum Einsatz kommen. Auch wenn das Pflügen, die Wahl einer geeigneten Fruchtfolge oder eines geeigneten Aussaat-Zeitpunkts nicht möglich ist, bleibt das von der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestufte Herbizid erlaubt. Und die Länder dürften im Bundesrat noch zusätzliche Aufweichungen durchsetzen. Die anderen Vorgaben zur Handhabung der Ackergifte weisen ebenfalls starke Mängel auf. Sie beschränken sich auf Maßnahmen zur Eindämmung des Insektensterbens in bestimmten Schutzgebieten. Überdies gibt es viele Ausnahme-Tatbestände. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) kritisierte das Paragrafen-Werk deshalb scharf. „Dieser Beschluss reicht nicht aus. Wir fordern einen sofortigen Glyphosat-Stopp, denn das Pestizid stellt eine immense Gesundheitsgefahr dar“, hieß es in ihrer Presseerklärung.

Druck auf Mexiko wg. Glyphosat
Wenn Länder ein Glyphosat-Verbot ankündigen, nutzt der BAYER-Konzern sofort seine politischen Kanäle, um solche Pläne zu verhindern. Das bekam nicht nur Thailand (Ticker 4/20), sondern auch Mexiko zu spüren, wie Recherchen des US-amerikanischen CENTER FOR BIOLOGICAL DIVERSITY (CBD) ergaben. So setzte die BAYER-Lobbyistin Stephanie Murphy in Washington alle Hebel in Bewegung, um die Verantwortlichen von der Notwendigkeit eines „politischen Engagements auf hoher Ebene“ zu überzeugen. Murphy, einst selbst in der US-Administration beschäftigt – sie arbeitete unter dem US-Handelsbeauftragten als „Director for Agricultural Affairs“ – kontaktierte dabei unter anderem Leslie Yang, die Direktorin für internationale Handels- und Umweltpolitik. Dieser schlug sie unter anderem vor, im Rahmen der Verhandlungen über das USMCA – den Nachfolger des Handelsabkommens NAFTA – Druck auf Mexiko auszuüben. Und die PolitikerInnen taten wie geheißen. Trumps Handelsbeauftragter Robert Lighthizer etwa warnte die damalige Wirtschaftsministerin des lateinamerikanischen Landes, Graciela Márquez Colín, vor der Gefährdung der „Stärke unserer bilateralen Beziehungen“ durch den Glyphosat-Bann und andere neue Agrar-Gesetze. Glücklicherweise blieb Mexiko im Gegensatz zu Thailand schlussendlich bei seiner Position. „Wenn man sich den Email-Austausch zwischen der US-Regierung und BAYER anschaut, sieht man, dass die US-Regierung mehr oder weniger alles tut, worum sie von BAYER gebeten wird. Das ist extrem beunruhigend“, resümiert Nathan Donley vom CBD. Der Leverkusener Multi ist sich hingegen keiner Schuld bewusst. „Wie viele Unternehmen und Organisationen, die in stark regulierten Bereichen tätig sind, stellen auch wir Informationen zur Verfügung und tragen zu wissenschaftlich fundierten Entscheidungsfindungen und regulatorischen Prozessen bei“, verlautete aus der Unternehmenszentrale.

BAYER-Gelder für Kapitol-Sturm
Der Leverkusener Multi und die TELEKOM-Gesellschaft T-MOBILE USA haben den Sturm auf das Washingtoner Kapitol, der am 6. Januar 2021 stattfand, durch Spenden an den „Verband der republikanischen Generalstaatsanwälte“ (RAGA) mitfinanziert, wie Recherchen der taz ergaben. 50.000 Dollar zahlte die BAYER-Tochter MONSANTO dem RAGA, dessen Unterorganisation „Rule of Law Defense Fund“ massiv zu Aktionen an dem Tag mobilisierte, im letzten Jahr. „Um 13 Uhr werden wir zum Kapitol ziehen (...) Wir hoffen, dass Patrioten wie Sie gemeinsam mit uns weiter kämpfen werden, um die Integrität unserer Wahlen zu schützen“, so lautete der Text ihrer Telefon-Kampagne. Schon im Wahlkampf hatte das „Political Action Comitee“ (PAC) des Leverkusener Multis mehrheitlich republikanische KandidatInnen gesponsert. Rund 186.000 Dollar ließ ihnen das „BAYERPAC“ zukommen. 24 der vom Konzern unterstützten PolitikerInnen der republikanischen Partei gehörten dann zu denjenigen 147 Abgeordneten, die am Tag der Belagerung des Parlamentsgebäudes durch den von Donald Trump aufgehetzten rechten Mob gegen die Anerkennung des Wahl-Sieges von Joe Biden votierten. „Nicht genug damit, dass BAYER seit Dekaden Unsummen in die Pflege der politischen Landschaft der USA investiert. Jetzt tragen die Schecks des Agro-Riesen auch noch mit dazu bei, Trumps Angriff auf demokratische Institutionen zu alimentieren, der bereits fünf Menschenleben gekostet hat. Partei-Spenden von Unternehmen müssen endlich verboten werden“, hieß es in der Presseerklärung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN dazu. Gegenüber der taz erklärte der Agro-Riese, nicht nur den „Verband der republikanischen Generalstaatsanwälte“, sondern auch sein demokratisches Pendant mit Geldern zu bedenken. Er wolle jetzt zunächst einmal die RAGA-interne Untersuchung zu den Vorgängen abwarten, um dann über eine weitere Förderung zu entscheiden. Und Spenden an diejenigen RepublikanerInnen, „die gegen die Zertifizierung der US-Präsidentschaftswahl gestimmt haben“, setze BAYER vorerst aus, verlautete aus der Unternehmenszentrale. Katja Kipping von der Partei „Die Linke“ kritisierte die Sponsoring-Praktiken: „Die Spenden von BAYER und TELEKOM an Trump-Unterstützer zeigen vor allem eins: Spenden aus der Wirtschaft haben keinen moralischen, sondern einen profit-orientierten Kompass. Sie dienen der Beeinflussung politischer Entscheidungen im Unternehmensinteresse. Dieses Erkaufen von Wohlwollen widerspricht grundsätzlich dem demokratischen Gedanken und ist abzulehnen.“ Auch der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, verurteilte das Vorgehen der beiden Konzerne. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU), der Bundesvorstand der SPD und die Co-Vorsitzende der Grünen, Annalena Baerbock, wollten sich gegenüber der taz hingegen nicht zu dem Fall äußern.

Agrar-Subventionen für Bauer BAYER
Die EU bedenkt den Leverkusener Multi für seinen Grundbesitz und seine Pestizidsversuchsfelder seit geraumer Zeit mit Agrar-Subventionen. Im Jahr 2019 strich der Konzern stolze 144.585,27 Euro aus Brüssel ein.

Neue Spenden-Kriterien
Der BAYER-Konzern sponsert PolitikerInnen nur in den USA direkt, weil dort angeblich „Spenden an Kandidaten und Politiker Teil der politischen Kultur sind“. Wie die taz herausfand, erhalten sogar veritable Klima-LeugnerInnen wie die Republikaner Blaine Luetkemeyer, Kevin McCarthy und Joni Ernst Schecks vom Leverkusener Multi. Nach dieser image-schädigenden Enthüllung sah der Global Player Handlungsbedarf und formulierte neue Richtlinien, die nun „auch gesellschaftliche Herausforderungen reflektieren“. Bei den jetzigen Vergabe-Kriterien „spielen zum Beispiel die Haltung zum Klimawandel und der Schutz der Biodiversität eine wichtige Rolle“, wie es im Nachhaltigkeitsbericht heißt.

16 Millionen für Verbindungsbüros
In den Hauptstädten der Welt pflegt der BAYER-Konzern die jeweiligen politischen Landschaften von sogenannten Verbindungsbüros aus. 16 Millionen Euro investierte er 2020 in diese. Am meisten Geld verschlang mit 8,5 Millionen Euro die Operationsbasis in Washington, es folgten Brüssel mit 2,4 Millionen, Berlin mit zwei Millionen, Peking mit 1,6 Millionen, Brasilia mit einer Million und Moskau mit 300.000 Euro.

Lückenhaftes Lobbyregister
Im März 2020 hat die Bundesregierung die Einführung eines Lobbyregisters beschlossen. Die Transparenz-Regelungen lassen allerdings zu wünschen übrig. So fehlt etwa ein „legislativer Fußabdruck“. Die BAYER-LobbyistInnen vom Berliner Verbindungsbüro des Konzerns müssen deshalb nicht offenlegen, ob sie den PolitikerInnen beim Schreiben von Gesetzen unter die Arme gegriffen haben. Was die Einfluss-ArbeiterInnen in den Fachreferaten so treiben, wo die meisten Paragrafen-Werke entstehen, erfährt die Öffentlichkeit nämlich auch weiterhin nicht. Zudem können die Konzern-EmissärInnen Angaben zu ihrem finanziellen Aufwand verweigern. Informationen zu den konkreten Zielen ihres Antichambrierens brauchen sie ebenfalls nicht zu geben. Überdies verlangt die Große Koalition von ihnen nicht, alle ihre Treffen in das Register einzutragen. „Die Lobby-Netzwerke, die zentralen Elemente der Einflussnahme, bleiben so verborgen“, kritisierten die Wissenschaftler Ulrich Battis und Andreas Polk deshalb in der FAZ.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYERS Glyphosat-TV
Der BAYER-Konzern wollte nicht auf sich sitzen lassen, was das TV-Magazin W wie Wissen in einer Sendung so alles an Kritik zu Glyphosat zusammengetragen hatte, und betrieb Gegen-Aufklärung. Er produzierte ein „Faktencheck“-Video und lud es auf seinen You Tube-Kanal hoch. Sogar einen echten Landwirt bot der Leverkusener Multi auf, um die Glaubwürdigkeit zu erhöhen. Aus dessen Munde waren dann aber auch wieder nur die alten Gassenhauer wie „Die Dosis macht das Gift“ zu hören, die der Global Player schon oft zur Aufführung gebracht hatte. Zum Thema „Artensterben“ beließ BAYER es bei einem Achselzucken. So ein Acker ist halt kein Pony-Hof, befand das Unternehmen bzw.: „Eine Fläche, die zur Erzeugung von Lebensmitteln genutzt wird, kann nicht zugleich als Biotop dienen.“ Glyphosat-Verwehungen? Die kommen nicht vor und überhaupt: „Die Wissenschaft ist sich einig, dass Glyphosat bei sachgerechter Anwendung eines der sichersten Pflanzenschutzmittel ist, die es weltweit gibt.“ Noch Fragen?

Konzern-Vehikel swiss-food
BAYER und SYNGENTA betreiben in der Schweiz gemeinsam die Website swiss-food, die sich der Propaganda in Sachen „Glyphosat & Co.“ verschrieben hat bzw. „einen Beitrag zur Versachlichung der Diskussion rund um die Produktion unserer Nahrungsmittel und um Pestizide leisten“ will. Zu diesem Behufe arbeitet sich die Gegenaufklärung gleich an zwölf Mythen parallel ab. „Natürlich ist gesund – Chemie ist Gift“, „Pestizide sind schuld am Insektensterben“, „Dem Schweizer Wasser geht es schlecht“ – gegen das alles und noch viel mehr zieht swiss-food zu Felde.

TIERE & VERSUCHE

95.010 Tierversuche
Der BAYER-Konzern selbst oder von ihm beauftragte Unternehmen führten im Jahr 2020 95.010 Tierversuche durch und damit 22.985 weniger als 2019. 83,8 Prozent der „Test-Objekte“ waren Ratten und Mäuse, 3,3 Prozent Vögel, 1,6 Prozent Fische und 1,5 Prozent Frösche.

DRUGS & PILLS

Kein Zusatznutzen für VITRAKVI
BAYERs Arznei VITRAKVI kommt bei Krebs-Arten zum Einsatz, die durch ein Zusammenwachsen bestimmter Gene entstehen. Solche Tumor-Bildungen treten sehr selten auf. Darum reklamierte der Leverkusener Multi für das Mittel mit dem Wirkstoff Larotrectinib erfolgreich einen „Orphan Drug“-Status und erreichte eine Zulassung, obwohl nur 102 Personen an der Klinischen Prüfung teilgenommen hatten. Das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWiG) zeigte sich von dem Medikament indes nicht überzeugt. Es vermochte keinen Zusatznutzen auszumachen. Die – noch laufenden – Studien könnten einen solchen Nachweis theoretisch erbringen. Diese vergleichen das Mittel jedoch nicht mit anderen, wie das IQWiG kritisierte. Der Pharma-Riese versucht das zu kompensieren, indem er Effekte von VITRAKVI auf das Gesamtüberleben der PatientInnen und die Tumor-Progression beschrieb, die er als „dramatisch“ bezeichnet. Dies ließ das Institut jedoch nicht gelten. Es stellte selbst Vergleichsstudien an und resümierte: „Im Endpunkt Gesamtüberleben sind die bisher beobachteten Unterschiede zwischen Larotrectinib und anderen Therapien bei keiner der Krebs-Erkrankungen so groß, dass sie nicht auch auf systematischer Verzerrung beruhen könnten.“ Zudem übte das IQWiG Kritik an BAYERs Auswertung der Untersuchungsdaten. „Ergebnisse wurden selektiv dargestellt“, befand das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“.

Beschleunigtes Finerenone-Verfahren
Die BAYER-Arznei Finerenone hemmt die übermäßige Ausschüttung von Mineralocorticoid-Hormonen, die zu Nieren- und Herz/Kreislauf-Problemen führen kann. In der Klinischen Prüfung sank dem Konzern zufolge das Risiko eines Nierenversagens bei PatientInnen, die Finerenone erhielten, um 18 Prozent im Vergleich zu denjenigen, die ein Placebo bekamen. Das Risiko für Herzinfarkte und andere kardiovaskuläre Ereignisse reduzierte sich um 14 Prozent. Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA sicherte dem Leverkusener Multi deshalb ein beschleunigtes Zulassungsverfahren für das Medikament zu.

Beobachtungsstudien: Keine Bedenken
Erkenntnisse werfen die sogenannten Anwendungsbeobachtungen (AWB), die MedizinerInnen mit ihren PatientInnen zur Wirkung bestimmter Arzneien durchführen, kaum ab. Das ist auch gar nicht Sinn der Übung. Die Prozeduren – wie sie der BAYER-Konzern etwa jüngst zu seinen Blutprodukten KOVALTRY und JIVI in Auftrag gegeben hat – verfolgen nur den Zweck, die Kranken auf die getesteten Präparate umzustellen. Und dafür zahlen die Pharma-Riesen den ÄrztInnen viel Geld. „Fangprämien“ nannte ein ehemaliger Vorsitzender der „Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein“ diese Zuwendungen einst. Die Bundesregierung aber sieht das ganz anders – mit den Augen der Pillen-Produzenten nämlich – und will die Praxis deshalb auch nicht unterbinden. „Die AWB sind dazu bestimmt, Erkenntnisse bei der routinemäßigen Anwendung zugelassener oder registrierter Arzneimittel durch Ärztinnen und Ärzte bei Patientinnen und Patienten zu sammeln. Mit ihrer Hilfe können Erkenntnisse über zugelassene oder registrierte Arzneimittel gewonnen werden“, hieß es in der Antwort von Merkel & Co. auf eine Kleine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen.

Schnellere Zulassungen in China
Im Rahmen des „Healthy China 2030“-Programms will die Pekinger Regierung die Entwicklung innovativer Medikamente fördern und schuf dafür auch Anreize. So verkürzt sich für neue Arzneien das Zulassungsprozedere. Auch Pharmazeutika zur Behandlung seltener Krankheiten erhalten Sonderkonditionen.

Preis-Druck in China
Die chinesische Regierung überprüft alljährlich die Arznei-Ausgaben und stellt im Zuge dessen auch die Liste mit denjenigen Medikamenten neu zusammen, für welche die staatliche Krankenkasse die Kosten übernimmt. Dabei führt sie harte Verhandlungen mit den Pillen-Riesen. Von einer „Rabatt-Schlacht“ spricht die Neue Zürcher Zeitung und der BAYER-Lobbyist Matthias Berninger etwas gefasster von „Preisdruck auf die Pharma-Industrie“.

AGRO & CHEMIE

Glyphosat schädigt das Herz
Nach einer Studie von WissenschaftlerInnen der „Icahn School of Medicine“ und des „Ramazzini Instituts“ kann Glyphosat das Herz schädigen. Den ForscherInnen zufolge löste das Herbizid im Organismus von Ratten eine gesteigerte Produktion der Aminosäure Homocystein aus, die als Risiko-Faktor für Herz/Kreislauf-Erkrankungen gilt. Die Veröffentlichungen zu den Gesundheitsstörungen, die das Herbizid hervorruft, füllen inzwischen Bibliotheken. Eigentlich müsste es – schon um Tierversuche zu vermeiden, welche die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN ablehnt – gar keine neuen Untersuchungen (s. u.) mehr geben.

Glyphosat schädigt den Darm
Das Pestizid Glyphosat schädigt die Mikroorganismen-Kulturen im Darm. Das fand ein internationales WissenschaftlerInnen-Team um Dr. Michael Antoniou vom Londoner „King’s College“ heraus und bestätigte damit frühere Studien (siehe Ticker 1/21). Nach Einschätzung Antonious ist das ein alarmierender Befund. „Wir wissen, dass unser Darm von tausenden verschiedenen Bakterien-Stämmen bewohnt wird und ein Gleichgewicht in ihrer Zusammensetzung (...) entscheidend für unsere Gesundheit ist. Also hat alles, was das Darm-Mikrobiom stört (...), das Potenzial, sich negativ auf unsere Gesundheit auszuwirken“, so der Forscher.

Glyphosat schädigt Bienen
Nach einer Untersuchung chinesischer WissenschaftlerInnen greift Glyphosat die Gesundheit von Bienen an. Wie das Team von der „Chinesischen Akademie für Agrar-Wissenschaften“ herausfand, beeinträchtigt das Herbizid die Gedächtnis-Leistung der Insekten. Auch leiden deren körperliche Fähigkeiten. Daher traten die ForscherInnen dafür ein, ein Frühwarnsystem einzurichten, das die ImkerInnen rechtzeitig vor dem Versprühen des Mittels informiert, damit diese ihre Bienenstöcke schützen können.

Glyphosat: Ungeprüft zugelassen
Ende 2017 verlängerte die EU die Glyphosat-Zulassung um fünf Jahre. Den Ausschlag dafür gab die Stimme des damaligen deutschen Landwirtschaftsministers Christian Schmidt (CSU). Nach dieser Entscheidung stellten BAYER und die anderen Hersteller 30 Anträge auf neue Genehmigungen, da die alten nur bis zum 15. Dezember 2020 Gültigkeit besaßen. Die Behörden der einzelnen EU-Länder schafften es jedoch nur, vierzehn von ihnen rechtzeitig vor dem Verfall der Vermarktungslizenz zu bearbeiten. Damit war das Schicksal der anderen Glyphosat-Erzeugnisse aber keinesfalls besiegelt. „In diesen Fällen müssen die bestehenden Zulassungen gemäß Artikel 43 Abs. 6 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 formal um ein weiteres Jahr bis zum 15. Dezember 2021 verlängert werden“, teilte das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel-Sicherheit“ mit.

Weniger Glyphosat auf den Schienen
Die DEUTSCHE BAHN zählt zu den Großverbrauchern von Glyphosat. Nach Angaben des Unternehmens gehen rund 0,4 Prozent der jährlich in Deutschland insgesamt ausgebrachten Mengen auf die Gleisanlagen nieder. 2019 verkündete die Bahn allerdings einen Ausstiegsplan. Der Konzern erklärte, bis 2023 ganz auf das Mittel verzichten zu wollen. Und wirklich macht er Fortschritte. 2020 sank der Verbrauch im Vergleich zu 2018, wo er bei 57 Tonnen lag, schon um rund die Hälfte. Unter anderem ersetzt das Mähen den Einsatz der Chemikalie.

Glyphosat in Spaghetti
Die Zeitschrift Ökotest wies bei einer Untersuchung Glyphosat-Rückstände in Spaghetti nach. In 12 von 20 Sorten fanden sich Spuren des Herbizids.

„Glyphosate-residue-free“
In den USA findet das Lebensmittel-Label „ohne Glyphosat-Rückstände“, das die Organisation „Detox Project“ schuf, eine immer stärkere Verbreitung. Die Zahl der Produkte, die dieses Siegel tragen, beläuft sich mittlerweile auf 70, und deren Absatz nahm 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 60 Prozent zu.

PFLANZEN & SAATEN

Patente auf konventionelle Pflanzen
„Pflanzensorten oder Tierrassen sowie im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren“ schließt das „Europäische Patent-Abkommen“ von der Patentierbarkeit aus. Trotzdem reklamieren die Konzerne immer wieder Schutzrechte für Gewächse, die mittels althergebrachter Methoden entstanden. Fünf solcher Anträge stellte der Leverkusener Multi allein im Jahr 2020. Das förderte eine Untersuchung des Netzwerkes KEINE PATENTE AUF SAATGUT zutage. „Es gibt bereits zahlreiche Beispiele, die zeigen, wie rechtliche Schlupflöcher dazu benutzt wurden, um Patente auf Gerste und Bier, auf Melonen oder auch auf Salat aus konventioneller Züchtung zu erteilen“, konstatiert die Organisation. Sie wirft den Unternehmen vor, zufällige genetische Veränderungen als patentierbare Erfindungen auszugeben und die Grenze zwischen konventionellen und gentechnischen Verfahren systematisch zu verwischen. Die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO tat das etwa bei einer Paprika-Sorte, die bestimmten Krankheiten trotzt – ein Ergebnis von Kreuzung und Selektion, basierend auf der Analyse von DNA-Sequenzen. Die Initiative warnt vor den Konsequenzen dieser Entwicklung: „Im Ergebnis erlangen eine Handvoll internationaler Konzerne immer mehr Kontrolle über die Produktion unserer Lebensmittel.“ Darum fordert KEIN PATENTE AUF SAATGUT die Politik auf, das Treiben von BAYER & Co. zu unterbinden. „Die Bundesregierung hat nur noch wenige Monate Zeit, um hier im Sinne des Koalitionsvertrages für mehr rechtliche Klarheit zu sorgen“, erklärte das Netzwerk-Mitglied Georg Janßen von der ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT bei der Übergabe der Patent-Studie an Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) am 11. März 2021 in Berlin.

EPA widerruft Melonen-Patent
Im Jahr 2011 erteilte das Europäische Patentamt (EPA) der jetzigen BAYER-Tochter MONSANTO ein Patent auf eine Melone, obwohl bei der Züchtung keine gentechnischen Methoden zum Einsatz kamen. Die „neue“ Eigenschaft, eine Resistenz gegen bestimmte Krankheitserreger, war eine alte: indische Sorten verfügten über sie. Das Unternehmen hatte sie nur mittels Selektion und Kreuzungen marktreif gemacht. Darum erhob damals ein breites Bündnis aus solchen Initiativen wie KEIN PATENT AUF LEBEN und GREENPEACE und Aktivistinnen wie Vandana Shiva Einspruch gegen die Entscheidung. Die EPA gab diesem statt, aber MONSANTO ging dagegen vor. Im März 2021 bestätigte nun aber die Beschwerdekammer des Patentamtes den Widerruf des Patents endgültig. Allerdings macht es für den Entzug der Schutzrechte nur formale Gründe geltend. Das US-Unternehmen hätte „das relevante biologische Material“ bei der Antragstellung der Öffentlichkeit zugänglich machen oder eine Probe bei einer anerkannten Institution hinterlegen müssen, so die JuristInnen. Darum fällte die EPA kein Grundsatz-Urteil. Entsprechend skeptisch bleiben die Patent-GegnerInnen. „Das Patent basiert auf konventioneller Züchtung und beansprucht Pflanzen-Sorten. Beides darf laut europäischer Patent-Gesetze nicht patentiert werden. Die Erteilung des Patents war ein klarer Rechtsbruch, doch das spielte bei der Entscheidung des EPA keine Rolle“, kritisiert Ruth Tippe vom Netzwerk KEINE PATENTE AUF SAATGUT.

Kooperation mit ABACUSBIO
Der BAYER-Konzern hat mit dem Unternehmen ABUCUSBIO eine Kooperation auf dem Gebiet der Pflanzenzucht vereinbart. Die neuseeländische Firma will mit den von ihr zusammengetragenden Daten nicht nur „zur genetischen Verbesserung“ der Produkte des Leverkusener Multis beitragen, sondern auch deren „wirtschaftliches Potenzial beeinflussen“.

GENE & KLONE

Neue Import-Zulassung
Die EU-Kommission hat im Januar 2021 acht Import-Genehmigungen für Genpflanzen erteilt. Sechs davon galten BAYER-Produkten. Drei Mais-Sorten und ein Soja-Konstrukt des Leverkusener Multis erhielten erstmals Zulassungen. Die Mais-Arten MON 88017 und MON 89034 durften in die Verlängerung gehen. Die Initiative TESTBIOTECH kritisierte die Entscheidungen scharf. Nach Ansicht des „Instituts für unabhängige Folgenabschätzung in der Biotechnologie“ nahm es die EU nämlich mit der Begutachtung nicht allzu genau. Als Beispiel nannte es das Verfahren zum Mais MON 87427 x MON 87460 x MON 89034 x MIR 162 x NK 603. Diese Laborfrucht kann laut Konzern dank der Gentechnik auch Trockenheitsperioden gut überstehen, was TESTBIOTEST zufolge aber erst noch zu beweisen wäre. „Wie eine detaillierte Prüfung der Antragsunterlagen zeigt, wurde der Mais nie unter den entsprechenden Bedingungen getestet. In den Freisetzungsversuchen wurden die Felder stattdessen bei Bedarf bewässert. Zudem wurden beim Anbau der Pflanzen nur rund 900 Gramm Glyphosat pro Hektar eingesetzt und nicht über drei Kilogramm, wie es in der Praxis die Regel ist“, konstatiert die Organisation.

EU-Parlament sagt „Nein“
Im Dezember 2020 weigerte sich das EU-Parlament mit großer Mehrheit, Einfuhr-Genehmigungen für fünf Genpflanzen zu erteilen. Vier Anträge hatte BAYER eingereicht, einer stammte von SYNGENTA. Bei den Laborfrüchten des Leverkusener Multis handelte es sich um eine Soja-Art und drei Mais-Sorten, die mit bis zu vier Giften des Boden-Bakteriums „Bacillus thuringiensis“ bestückt sind, um Schadinsekten abzuwehren. Und diese haben es in sich. Die Bt-Toxine interagieren nämlich mit den Enzymen der Gewächse, in welche die GenwerkerInnen sie eingebaut haben, und potenzieren so ihre Giftigkeit. Bis zu 20 Mal höher als im natürlichen Zustand kann diese sein. Das belegen alte Dokumente des jetzt zu BAYER gehörenden Unternehmens MONSANTO, welche die Initiative TESTBIOTECH aufgespürt hat (siehe Ticker 1/21).

WASSER, BODEN & LUFT

3,58 Millionen Tonnen CO2
Im Geschäftsjahr 2020 stieß der BAYER-Konzern 3,58 Millionen Tonnen Kohlendioxid aus. Gegenüber 2019 sank der Wert um 180.000 Tonnen, was jedoch mitnichten auf erste Erfolge einer etwaigen Minderungsstrategie verweist. „Dieser Rückgang ist überwiegend auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen“, hält das Unternehmen in seinem Nachhaltigkeitsbericht fest. Für den größten Teil der Emissionen sorgt nach wie vor die Agrar-Sparte. Dabei ist Glyphosat der größte Klima-Killer, denn die Gewinnung seines Vorproduktes Phosphor aus Phosphorit am US-Standort Soda Springs frisst enorm viel Energie. So deutlich drückt der Agro-Riese das allerdings nicht aus. Im neuen Nachhaltigkeitsbericht heißt es lediglich verklausuliert: „Besonders energieintensiv ist unsere Rohstoffgewinnung einschließlich Aufbereitung und Weiterverarbeitung für die Herstellung von Pflanzenschutzmittel-Vorprodukten von Crop Science – daher entfällt der größte Anteil unserer Treibhausgas-Emissionen auf diese Division.“

Schlechter Energie-Mix
17.836 Terrajoule Strom erzeugte der BAYER-Konzern im Geschäftsjahr 2020 selbst. Dabei setzt er zum überwiegenden Teil auf fossile Energieträger. Von den im Geschäftsjahr 2020 produzierten 17.836 Terrajoule entfielen 10.911 Terrajoule auf Erdgas und 566 Terrajoule auf Kohle, wobei der Kohle-Anteil gegenüber 2019 immerhin von 13,5 Prozent auf rund drei Prozent sank. Von den 18.022 Terrajoule zugekauften Stroms entstammten nur sechs Prozent aus erneuerbaren Energie-Quellen. Den Rest des Bedarfs deckten Gas, Kohle oder Kernkraft. Der Leverkusener Multi gelobt aber Besserung. „U. a. in den USA, in Mexiko und Spanien haben wir im Berichtsjahr Lieferverträge für Strom aus erneuerbaren Energien abgeschlossen“, heißt es im Nachhaltigkeitsbericht. Bis 2030 will der Global Player hier auf eine Quote von 100 Prozent kommen.

Ein bisschen Emissionshandel
„Ein wirtschaftliches Instrument, mit dem man Umweltziele erreichen will“ – so beschrieb die FAZ einmal den 2005 EU-weit eingeführten Handel mit Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten. Nach dessen Bestimmungen dürfen die Multis nur bis zu einer bestimmten Obergrenze Kohlendioxid ausstoßen, für darüber hinausgehende Kontingente müssen sie Verschmutzungsrechte hinzukaufen. Das sollte sie dazu animieren, sauberere Modelle der Energie-Versorgung zu etablieren. Die Lenkungswirkung hält sich dank des Extrem-Lobbyismus von BAYER & Co. aber arg in Grenzen. So bekamen die Konzerne jahrelang viel zu viele Zertifikate umsonst zugeteilt. Überdies fallen nur Kraft- und Heizwerke unter die Regelung, Fertigungsstätten bleiben indessen verschont. Darum braucht der Leverkusener Agro-Riese kaum Emssionshandel zu betreiben. Mit lediglich fünf Anlagen, die für noch nicht einmal zehn Prozent seines jährlichen CO2-Ausstoßes von 3, 58 Millionen Tonnen sorgen, war er im Geschäftsjahr 2020 dabei.

CO2-Kompensation statt -Reduktion
Eigentlich gibt es nur einen Weg, den Klimawandel einzudämmen: die Reduktion des Stromverbrauchs und den Umstieg auf erneuerbare Energie-Träger. BAYER & Co. ist aber noch etwas anderes eingefallen. Sie wollen ihre CO2-Emissionen nicht nur reduzieren, sondern auch kompensieren, also das, was ihre Produktionsanlagen so absondern, an anderer Stelle wieder ausgleichen, sprich: neutralisieren. Der Leverkusener Multi hat sich vorgenommen, diese Klimaneutralität bis zum Jahr 2030 zu erreichen, und zwar nur zu 42 Prozent durch eine Senkung des Ausstoßes klimaschädlicher Gase. Den Rest sollen andere Maßnahmen erbringen wie z. B. Investitionen in Projekte zur Wiederaufforstung. Um 200.000 Tonnen CO2 hat der Global Player seine Klima-Bilanz auf diese Weise im Geschäftsjahr 2020 schon aufhübschen können. Bis der Effekt sich allerdings auch anderswo als nur auf dem Papier einstellt und die Bäumchen, die BAYER pflanzt, sich wirklich positiv auf das Klima auswirken, dürften jedoch noch so einige Jahrzehnte ins Land ziehen. Und Menschen, die in der Nähe der Dreckschleudern leben müssen und dadurch ihre Gesundheit ruinieren, nützen Wälder in Uruguay, Brasilien oder China herzlich wenig. Zu allem Übel plant der Agro-Riese auch noch, sein berühmt-berüchtigtes Glyphosat mit in die Rechnung einzubeziehen. Er verkauft das von der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestufte Herbizid nämlich als klimaschonend, weil es den LandwirtInnen das – angeblich Kohlendioxid freisetzende – Pflügen erspart.

Weniger ODS und VOC
Im Geschäftsjahr 2020 haben die BAYER-Werke weniger ozon-abbauende Stoffe (ODS) und flüchtige organische Substanzen (VOC) ausgestoßen als 2019. Der Wert für die ODS sank von 12,3 auf 4,3 Tonnen und derjenige für die VOC von 1.410 auf 690 Tonnen. Bisher sorgten immer die Uralt-Dreckschleudern des Konzerns im indischen Vapi für den Großteil des Ausstoßes. Der Leverkusener Multi doktert zwar schon seit über 15 Jahren an den Anlagen herum, aber neuerliche Sanierungsmaßnahmen scheinen jetzt endlich zu greifen. „Maßgeblich für die Reduktion beider Kennzahlen ist der Anschluss der Lagertanks für Lösemittel an die Abluft-Reinigungsanlage am Standort Vapi, Indien“, heißt es im Nachhaltigkeitsbericht des Konzerns.

Weniger Emissionen in die Luft
Nach BAYER-Angaben führte die COVID-19-Pandemie an einigen Standorten zur Drosselung der Produktion. Infolgedessen reduzierten sich auch die Schadstoff-Mengen, die der Konzern in die Luft emittierte. Der Ausstoß von Kohlenmonoxid ging 2020 gegenüber dem Vorjahr von 2.070 Tonnen auf 1.160 Tonnen zurück und derjenige von Stickoxiden von 4.250 auf 4.160 Tonnen. Auch die Schwefeloxid-Mengen verringerten sich. Sie sanken von 2.430 auf 1.320 Tonnen. Nur mehr Feinstaub fiel im Geschäftsjahr 2020 trotz Corona an. Von 1.960 auf 2.290 Tonnen stieg der Wert.

Enormer Wasser-Verbrauch
Obwohl die Industrie-Produktion in Folge der Corona-Pandemie sank und auch die Fertigungsstätten des BAYER-Konzerns weniger ausgelastet waren, ging sein Wasser-Einsatz im Geschäftsjahr 2020 kaum zurück. Er belief sich auf 57 Millionen Kubikmeter (2019: 59 Millionen Kubikmeter). Zu allem Übel erstreckt sich der enorme Durst des Agro-Riesen auch auf Gebiete, die unter Wasser-Knappheit leiden. Drei Millionen Kubikmeter verbrauchte er in diesen Regionen.

25 Millionen Liter Abwässer
Analog zum etwas gesunkenen Wasser-Bedarf gingen auch BAYERs Abwasser-Einleitungen im Geschäftsjahr 2020 etwas zurück. Sie reduzierten sich von 26 auf 25 Millionen Kubikmeter.

Mehr Schadstoff-Einleitungen
Wegen der Corona-Pandemie liefen viele Produktionsstätten BAYERs nicht auf Hochtouren. Trotzdem gingen die Schadstoff-Einleitungen in die Gewässer 2020 nicht generell zurück, was dem Konzern zufolge spezielle Gründe hatte. Die von 420 auf 480 Tonnen gestiegenen Werte für Stickstoff erklärt er mit einem Störfall auf dem Gelände des Werkes in Kansas City und die größere Menge an organisch gebundenem Kohlenstoff, die in den Flüssen landete, führt er auf die Einführung einer verbesserten Abwasser-Analytik am brasilianischen Standort Camaçari zurück. Nur die Zahlen für Phosphor und Anorganische Salze sanken, von 510 auf 380 Tonnen bzw. 167.000 auf 151.000 Tonnen, während diejenigen für Schwermetalle mit 2,6 Tonnen gleich blieben.

Mehr Abfall
Im Geschäftsjahr 2020 produzierte BAYER mehr Abfall als 2019. Von 872.000 auf 943.000 Tonnen stieg die Menge. „Das ist im Wesentlichen auf den Saatgut-Produktionsstandort Maria Eugenia Rojas, Argentinien, zurückzuführen, an dem große Mengen an pflanzlichen Nebenprodukten als nicht gefährlicher Abfall zur landwirtschaftlichen Nutzung und Kompostierung entsorgt wurden“, heißt es im Nachhaltigkeitsbericht zur Erklärung. Das Aufkommen an gefährlichem Abfall reduzierte sich dagegen „durch den Abschluss von Bau- und Sanierungstätigkeiten am Standort Vapi, Indien“.

Schmutzige Glyphosat-Produktion
Im US-Bundesstaat Louisiana stößt keine Produktionsstätte mehr chemische Stoffe aus als BAYERs Glyphosat-Fabrik in Luling. Schon seit Jahren behauptet sie diesen Spitzenplatz. 2019 setzte sie nach Angaben der US-amerikanischen Umweltbehörde EPA rund 8.300 Tonnen an Kobalt, Kupfer, Nickel, Ammonium, Methanol, Formaldehyd, Phosphor und anderen Substanzen frei. Aber auch die Anlage in Soda Springs, wo der Leverkusener Multi das Glyphosat-Vorprodukt Phosphor herstellt, ist eine veritable Dreckschleuder. Auf 2.670 Tonnen Cobalt & Co. kommt der Standort.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

BAYER-Gefahren
Der BAYER-Konzern geht mit zahlreichen gefährlichen Stoffen um. Den Standort Leverkusen betreffend führt der Chemie„park“-Betreiber CURRENTA in einer Broschüre einige Beispiele für risiko-reiche Substanzen auf, die der Agro-Riese einsetzt. Ammoniak, Chlor und Methanol etwa können laut CURRENTA schon „in sehr geringer Menge beim Einatmen, Verschlucken oder Aufnahme über die Haut zum Tode führen“. Das Ammoniak ist überdies in der Lage, mit Luft explosive Gemische zu bilden und das Chlor, Brände zu verursachen oder zu verstärken. Das Methanol findet sich – gemeinsam mit Aceton – darüber hinaus noch in der Rubrik „leicht bzw. extrem entzündbar“ wieder.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

92 Anlagensicherheitsereignisse
Unter „Anlagensicherheitsereignissen“ versteht der BAYER-Konzern „den Austritt von chemischen Substanzen oder Energien oberhalb definierter Schwellenwerte aus ihrer ersten Umhüllung wie Rohr-Leitungen, Pumpen, Tanks oder Fässern“. 92 solcher noch nicht als Störfälle zu bezeichnenden Stoff-Freisetzungen registrierte der Leverkusener Multi im Geschäftsjahr 2020.

Phosphor-Austritt in Soda Springs
Am 28.11.2020 kam es bei der Herstellung des Glyphosat-Vorproduktes Phosphor zu einem Störfall. Ein Lagertank-Ventil öffnete sich wegen eines Defektes in der Automatik, wodurch phosphor-haltiger Schlamm austrat und sich an der Luft entzündete.

Natriumhydroxid-Austritt in Luling
Am 17. Oktober 2020 ereignete sich bei der Glyphosat-Produktion am US-Standort Luling ein Störfall. Durch ein defektes Ventil an einer Rohrleitung kam es zu einem Austritt von Natriumhydroxid.

ÖKONOMIE & PROFIT

Desaströse Geschäftszahlen
Auf der Bilanz-Pressekonferenz am 25. Februar 2021 legte der BAYER-Konzern desaströse Zahlen für das Geschäftsjahr 2020 vor. Er verbuchte einen Verlust von rund 10,5 Milliarden Euro. Der Umsatz bewegte sich mit 41 Milliarden Euro zwar ungefähr auf dem Niveau von 2019, aber das Unternehmen musste wegen der vielen Schadensersatz-Prozesse „Sonderaufwendungen“ verbuchen. „Diese standen insbesondere in Verbindung mit Rückstellungen für die getroffenen Vereinbarungen in Bezug auf die Rechtskomplexe Glyphosat, Dicamba, PCB und ESSURE“. „Lange Zeit haben die Nebenwirkungen der BAYER-Erzeugnisse keinen Einfluss auf die Geschäftsbilanz gehabt. Das ist jetzt anders“, konstatierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) in ihrer Presseerklärung.

ASKBIO: Die zweitgrößte Übernahme
Im Oktober 2020 hatte BAYER die US-amerikanische Gentherapie-Firma ASKLEPIOS BIOPHARMACEUTICAL (ASKBIO) erworben. Zwei Milliarden Euro zahlte der Konzern sofort, weitere zwei Milliarden stellte er bei erfolgreichen Arznei-Kreationen in Aussicht. In der Rangliste der größten Akquisitionen von deutschen Unternehmen belegte der Leverkusener Multi damit den zweiten Platz. Nur SIEMENS kaufte im vorigen Jahr für noch mehr Geld ein.

STANDORTE & PRODUKTION

Mehr Pillen aus Peking
Der BAYER-Konzern baut seine Anlagen zur Herstellung von Arzneien am chinesischen Standort Peking aus. Mit einer Investition in Höhe von 50 Millionen Euro will er die jährliche Produktionskapazität um 40 Prozent erhöhen.

RECHT & UNBILLIG

Erster Glyphosat-Kläger gewinnt
Der erste Entschädigungsprozess in Sachen „Glyphosat“ hat sein offizielles Ende gefunden. Der Leverkusener Multi erklärte, das Urteil des Berufungsgerichts in San Francisco nicht anzufechten, das der BAYER-Tochter MONSANTO eine erhebliche Schuld an der Krebserkrankung des Klägers Dewayne Johnson zugesprochen hatte. Aber einsichtig zeigt sich der Global Player trotzdem nicht. „BAYER hat großes Mitgefühl mit Herrn Johnson und allen Menschen, die an Krebs leiden, ist aber weiterhin der Meinung, dass das Urteil nicht durch wissenschaftliche Beweise oder das Gesetz gestützt ist.“ Der Rückzug hat lediglich strategische Gründe. Das Unternehmen rechnet sich nämlich in dem zweiten Glyphosat-Verfahren, das Edwin Hardeman angestrengt hatte, mehr Chancen aus. Hier hatte nämlich die von Donald Trump auf Linie gebrachte US-amerikanische Umweltbehörde EPA zu Gunsten BAYERs interveniert und das Herbizid vom Krebsverdacht freigesprochen. Gemeinsam mit dem Justizministerium machte es vom Rechtsinstitut des „Amicus Curiae“ Gebrauch, das es Unbeteiligten erlaubt, Stellungnahmen zu laufenden Rechtsstreitigkeiten abzugeben und plädierte auf Freispruch. „Der Kläger ist im Unrecht“, hieß es in dem Schreiben.

Glyphosat-Kläger versterben
Im Jahr 2015 hatten die ersten Glyphosat-Geschädigten Schadensersatz-Klagen eingereicht. Aber ein abschließendes Urteil liegt erst zu einer vor (s. o.). Unterdessen sterben immer mehr Betroffene an Krebs, ohne von BAYER Zahlungen erhalten zu haben. So erlag Carolina Garces am 8. März 2021 ihrer Krankheit.

Einigung im Fall „Calderon“
Bereits im Juni 2020 wollte BAYER eine Vergleichslösung für die rund 125.000 Glyphosat-Geschädigten präsentieren, die gegen den Konzern Klage eingereicht hatten. Aber der Agro-Riese konnte bisher nichts vorlegen, was den zuständigen Richter Vince Chhabria überzeugt hätte. Darum drohte dieser im November 2020 an, die von ihm für die Zeit der Mediationsgespräche gestoppten Prozesse wieder anlaufen zu lassen: „Ich bin nicht daran interessiert, den Zeitplan für die Entscheidung dieser Fälle so lang zu strecken“, bekundete er. Und Chhabria hielt Wort. Er lehnte das Begehr des Leverkusener Multis ab, die Streitsache „Jaime Alvarez Calderon“ zusammen mit all den anderen auf die lange Bank zu schieben und ließ die Justiz-Maschine wieder anlaufen. Calderon hatte 33 Jahre auf Weingütern arbeitet und dabei immer wieder Umgang mit Glyphosat. 2014 bekam er Lymphdrüsen-Krebs, dem er im Dezember 2019 erlag. Seine Hinterbliebenen führten die juristische Auseinandersetzung jedoch weiter. Ihnen machte BAYER jetzt ein Vergleichsangebot, um es nicht zu einem schlagzeilen-trächtigen Prozess kommen zu lassen.

Immer noch kein Vergleich
Die juristischen Auseinandersetzung um Schadensersatz in Sachen „Glyphosat“ gegen die BAYER-Tochter MONSANTO ziehen sich nun bereits seit sechs Jahren hin. Nach den ersten drei Verfahren schlug der zuständige Richter Vince Chhabria Vergleichsverhandlungen vor und verhängte gleichzeitig ein Prozess-Moratorium. Im Juni 2020 präsentierte der Leverkusener Multi dann seinen Vorschlag für den Umgang mit den rund 125.000 Klagen. Er bot Zahlungen von bis zu acht Milliarden Euro für die Erkrankten an. Für zukünftige Fälle – mit denen zu rechnen ist, da der Konzern aus Profit-Gründen partout nicht auf den Verkauf von Glyphosat-Vermarktung verzichten mag – reservierte er eine Milliarde Dollar. Über die Rechtmäßigkeit dieser Ansprüche sollte nach seinen Vorstellungen allerdings kein Gericht befinden, sondern ein „unabhängiges Wissenschaftsgremium (Class Science Panel)“. Diesem wollte das Unternehmen die Entscheidung darüber überlassen, ob das von der Aktien-Gesellschaft unter dem Namen ROUNDUP vermarktete Pestizid wirklich Lymphdrüsen-Krebs verursachen kann. „Dadurch wird diese Entscheidung anstelle von Jury-Verfahren wieder in die Hände sachkundiger Wissenschaftler gegeben“, so der Global Player. In den rund vier Jahren, die das mindestens dauert, hätten sich die Betroffenen in Geduld zu üben: „Mitglieder der Gruppe möglicher künftiger Kläger dürfen ihre Ansprüche bis zur Entscheidung des Wissenschaftsgremiums nicht weiter geltend machen und keinen Schadensersatz fordern.“ Chhabria lehnte eine solche Lösung jedoch ab. Vor allem akzeptierte er nicht, zukünftigen Glyphosat-Geschädigten den Rechtsweg zu verbauen. Der Jurist stellte infrage, „ob es verfassungsgemäß (oder generell gesetzmäßig) wäre, die Entscheidung der Kausalitätsfrage (d. h. ob – und wenn ja, ab welcher Dosis – ROUNDUP in der Lage ist, Krebs zu verursachen) über Richter und Jurys hinweg an ein Gremium von Wissenschaftlern zu delegieren“. Also musste BAYER wieder in Klausur. Den zweiten Anlauf unternahm der Agro-Riese dann Anfang Februar 2021. Darin stockte er den Fonds für die noch zu erwartenden Glyphosat-Klagen um eine Milliarde Dollar auf und schränkte gleichzeitig die Kompetenzen des Class Science Panel etwas ein. Aber auf Zustimmung traf der Konzern damit trotzdem nicht. Er hatte die Vereinbarung nämlich nur mit ein paar Großkanzleien getroffen, die nicht ganz aus freien Stücken handelten – 170 Millionen Dollar hatten sie vom Konzern als Entscheidungshilfe erhalten. Zahlreiche andere Anwaltsbüros und JuristInnen-Vereinigungen erhoben hingegen Einspruch gegen den neuen Vorschlag. Nach Meinung der „National Trial Lawyers“ erschwert er unzähligen Menschen den Zugang zur Justiz und schafft überdies einen unheilvollen Präzedenz-Fall für künftige Prozesse: „Diese Art von Vergleich würde anderen Unternehmen, die sich der Haftung und den Konsequenzen für ihr Verhalten entziehen wollen, eine unhaltbare Vorlage liefern.“ BAYER lässt den Geschädigten nun zwar die Wahl, ob sie die vorgeschlagenen Summen akzeptieren oder aber ihre Klage aufrechterhalten, aber in den zukünftigen Prozessen sind statt Strafzahlungen nur noch Entschädigungen vorgesehen, was viele RechtsanwältInnen kritisieren. Zudem stießen sich viele JuristInnen an dem Plan des Leverkusener Multis, durch die Etablierung des Class Science Panel neue Verfahren erst einmal für vier Jahre zu blocken. Wegen all dieser Kritik verzögert sich die Causa weiter. Die AnwältInnen des Global Players baten sich mehr Zeit aus, um alles nochmals zu überarbeiten. Vince Chhabria gab dem auch statt und setzte den 12. Mai als neuen Termin an.

NBFA-Klage geht zu Gericht
Nicht alle in den USA anhängigen Glyphosat-Verfahren haben eine Schadensersatz-Forderung zum Inhalt. So will die NATIONAL BLACK FARMERS ASSOCIATION (NBFA) ein Urteil erzwingen, dass den BAYER-Konzern daran hindert, „seine glyphosat-haltigen Produkte in einer Weise zu vermarkten, welche die Mitglieder der NBFA in unzumutbarer Weise gefährdet“. Aber die Klage hängt. Der für alle juristischen Vorgänge in Sachen „Glyphosat“ zuständige Richter Vince Chhabria hat nämlich im Sommer 2019 Vergleichsverhandlungen angeregt und bis zum Finden einer Lösung ein Prozess-Moratorium verhängt. Der NBFA dauerte das alles jedoch zu lange. Darum erbat sie von den BAYER-AnwältInnen die Zustimmung dafür, ihre Klage aus dem Paket zu lösen und vor Gericht zu bringen. Das lehnten diese jedoch ab. Darum wandte die Organisation sich an den „U.S. District Court for the Northern District of California“, der dann auch erste Termine festsetzte.

Glyphosat-Klage in Australien
Auch in Australien beschäftigen die Risiken und Nebenwirkungen von Glyphosat nun die Gerichte. Eine Gruppe um den Landwirt John Fenton, der das Herbizid für seine Lymphdrüsenkrebs-Erkrankung verantwortlich macht, reichte im Februar 2021 eine Sammelklage ein.

Umweltstrafe wg. Glyphosat
„Von der Wiege bis zur Bahre ist Glyphosat ein hochproblematischer Stoff“, sagt die Umwelt-Aktivistin Hannah Connor von der US-amerikanischen Organisation „Center for Biological Diversity“. Und tatsächlich sorgt das Herbizid sogar schon vor seinen eigentlichen Geburt für so einige Verwerfungen. Der Abbau des Sediment-Gesteins Phosphorit, das BAYER zur Herstellung des Glyphosat-Vorprodukts Phosphor benötigt, belastet Mensch, Tier und Umwelt nämlich massiv. Unter anderem setzt die Förderung der Mineral-Gemenge in den Tagebau-Minen vor den Toren der Phosphor-Fertigungsstätte am US-amerikanischen Standort Soda Springs giftige Stoffe wie Selen, Arsen, Uran, Radium und Radom frei. Besonders die Indigenen, die in der Nähe der Minen leben, leiden stark unter den gesundheitsschädlichen Wirkungen der Substanzen. Darum haben sie gemeinsam mit der US-amerikanischen Umweltbehörde EPA gegen BAYERs Minen-Gesellschaft P4 PRODUCTIONS geklagt und einen Erfolg erzielen können. Das Unternehmen verpflichtete sich, rund um die Ballard-Mine eine Fläche von über 200 Hektar zu sanieren. Unter anderem muss es Trinkwasser-Barrieren bauen und Feuchtgebiete zur Wasser-Reinigung anlegen. Zudem erklärte sich P4 PRODUCTIONS bereit, mehrere hunderttausend Dollar an Entschädigungen zu zahlen und mit einer Bürgschaft über 89 Millionen Dollar dafür zu garantieren, dass das Geld für die Maßnahmen auch ausreicht. Bereits in den Jahren 2011 und 2015 hatte die Minen-Gesellschaft Umweltverbrechen begangen, die hohe Strafen nach sich zogen.

Viele Klagen zum MONSANTO-Deal
Zahlreiche GroßaktionärInnen gehen gegen BAYER juristisch vor, weil der Konzern ihrer Meinung nach bei der Prüfung der MONSANTO-Übernahme möglichen Prozessen von GLYPHOSAT-Geschädigten nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt hatte, was in der Folge für einen Kurs-Absturz sorgte. In Deutschland zogen die beiden Kanzleien Tilp und Hausfeld für ihre MandantInnen vor Gericht. „MONSANTO hat immer so getan, als gäbe es kein Prozess-Risiko, weil die Behauptungen, Glyphosat sei krebserregend, haltlos seien“, so der Hausfeld-Jurist Wolf von Bernuth: „Tatsächlich gab es sehr wohl erhebliche Prozess-Risiken. Das durfte BAYER bei Bekanntgabe der Übernahme-Absicht nicht verschweigen“. In den USA haben die Investment-Gesellschaft HAUSSMANN TRUST sowie die beiden Pensionsfonds „City of Grand Rapids Police & Fire Retirement System“ und „City of Grand Rapids General Retirement System“ Klagen eingereicht. Und Anwaltsbüros suchen per Annonce nach AktienhalterInnen, die Ansprüche geltend machen wollen.

Laues Lieferketten-Gesetz
Die Lieferketten BAYERS erstrecken sich über den gesamten Globus. So bezieht der Leverkusener Multi seine Arznei-Grundstoffe zu einem guten Teil aus Indien und China, wo hunderte Firmen zu Schnäppchen-Preisen für den Weltmarkt fertigen, was verheerende Folgen für Mensch, Tier und Umwelt hat. In anderen Branchen kommt es im Zuge der Globalisierung zu ähnlichen Phänomenen. Darum erkannten die Vereinten Nationen bereits im Jahr 2011 Handlungsbedarf und hielten ihre Mitgliedsländer dazu an, Maßnahmen zu ergreifen. Die Bundesregierung sah dabei zunächst davon ab, übermäßigen Druck auf die Konzerne ausüben und setzte auf Freiwilligkeit. Sie hob den Nationalen Aktionsplan (NAP) aus der Taufe und machte sich daran, erst einmal ein Lagebild zu erstellen. Dazu startete die Große Koalition eine Umfrage unter den Betrieben und bat um Informationen darüber, ob – und wenn ja – in welcher Form sie entlang ihrer weltumspannenden Lieferketten die Einhaltung der Menschenrechte gewährleisten. Von den Antworten wollte sie dann ihr weiteres Vorgehen abhängig machen. Der Befund fiel ernüchternd aus. Nur ein Bruchteil der angeschriebenen Firmen antwortete überhaupt, und von diesen genügte bei den globalen Einkaufstouren kaum eines den sozialen und ökologischen Anforderungen. „Das Ergebnis zeigt eindeutig: Freiwilligkeit führt nicht zum Ziel“, resümierte Entwicklungshilfe-Minister Gerd Müller (CSU) und konstatierte: „Wir brauchen einen gesetzlichen Rahmen“. Und den bereitete die Politik dann auch vor, was die Industrie-VertreterInnen in Panik versetzte. „Hier wird eine faktische Unmöglichkeit von den Unternehmen verlangt: Sie sollen persönlich für etwas haften, was sie persönlich in unserer globalisierten Welt gar nicht beeinflussen können“, echauffierte sich etwa der damalige Präsident der „Bundesvereinigung der Arbeitgeber-Verbände“ (BDA), Ingo Kramer. In der Folge taten die LobbyistInnen alles, um das Schlimmste zu verhindern. Sie mahnten eine Beschränkung des Paragrafen-Werks auf direkte Zulieferer an und lehnten eine Haftungsregelung vehement ab. Schlussendlich konnten sie sich damit durchsetzen. Im jetzigen Gesetzes-Entwurf fehlt beides. Dem Leverkusener Multi dürfte es daher erspart bleiben, mit einer Klage von solchen InderInnen oder ChinesInnen konfrontiert zu werden, die in den Hot Spots der globalen Pharma-Produktion leben und unter den gesundheitlichen Folgen leiden. Dazu liegen nämlich zu viele Zwischenhändler zwischen BAYER und den Arznei-Produzenten vor Ort. Zudem müssten die Betroffenen in Deutschland noch eine Nichtregierungsorganisation finden, die in ihrem Namen vor Gericht zieht und so eine „Prozess-Standschaft“ wahrnimmt. Das ist BAYER & Co. aber noch zu viel. Die Konzerne sehen in dieser „Prozess-Standschaft“ ein Instrument dafür, eine zivilrechtliche Haftung „durch die Hintertür“ einzuführen. „Hier muss der Text geschärft werden. Juristische Winkelzüge dürfen nicht dazu genutzt werden, um die Unternehmen doch einer weltweiten Klage-Industrie auszusetzen“, verlangt der „Verband der Chemischen Industrie“.

EU-Lieferkettengesetz
Auch die EU plant ein Lieferketten-Gesetz (s. o.). Ihre Vorstellungen gehen dabei weit über das deutsche Paragrafen-Werk hinaus. So will die Europäische Union den Anwendungsbereich nicht nur auf die direkten Zulieferer beschränken, Haftungsregelungen einführen und auch kleinere Firmen in die Regelung einbeziehen. „Wir denken nicht nur über Geldbußen für Verstöße gegen die Auflagen nach, sondern auch über strafrechtliche Konsequenzen“, so EU-Justizkommissar Didier Reynders. BAYER & Co. scheint er mit diesen Vorschlägen allerdings nicht überzeugt zu haben. „Die Industrie bleibe zurückhaltend, räumt er ein“, konstatiert die FAZ. Für den Sommer kündigt die EU-Kommission einen Gesetzes-Entwurf an. Das dürfte die Konzerne zu einigen Lobby-Aktivitäten animieren.

Simpson lässt nicht locker
In ihrer Zeit als BAYER-Beschäftigte bekam Laurie Simpson einen umfassenden Einblick in die Praxis des Leverkusener Multis, die Risiken seiner Arzneien zu verschweigen und die Mittel ohne Rücksicht auf Verluste mit Hilfe zum Teil illegaler Marketing-Methoden zu vertreiben. Sie kritisierte dieses Vorgehen intern und musste dafür berufliche Nachteile in Kauf nehmen. Darum machte sie die Fälle öffentlich und begann im Jahr 2008 drei Prozesse gegen den Pharma-Riesen zu führen, die bis heute andauern. In dem Verfahren um das bei OPs zum Einsatz kommende Blutstill-Präparat TRASYLOL lastet Simpson dem Konzern an, der medizinischen Öffentlichkeit und den PatientInnen das gesundheitsgefährdende Potenzial des Medikaments verheimlicht zu haben, das er zwischenzeitlich vom Markt zurückziehen musste. Zudem beschuldigt sie das Unternehmen, den Verkauf des Pharmazeutikums mit illegalen Methoden wie dem Einräumen von Rabatten und der Gewährung anderer Vergünstigungen befeuert zu haben. Darüber hinaus bezichtigt die Frau den Global Player, den Gebrauch von TRASYLOL auch bei Operationen wie beispielsweise Leber-Transplantationen empfohlen zu haben, obwohl für die Indikationen gar keine Zulassungen vorlagen. Ähnliche Praktiken wirft Laurie Simpson dem Leverkusener Multi im Umgang mit dem Cholesterin-Senker LIPOBAY vor, das er nach über 100 Todesfällen im Zusammenhang mit der Arznei nicht mehr vertreiben durfte. Zudem brachte sie die Strategie der Aktiengesellschaft, den Absatz seines Antibiotikums AVELOX durch Geldzahlungen und andere Zuwendungen an MedizinerInnen zu fördern, vor Gericht.

FORSCHUNG & LEHRE

Viele Forschungssubventionen
Im Geschäftsjahr 2020 erhielt BAYER vom bundesdeutschen Staat dreizehn Millionen Euro an Forschungssubventionen und damit eine Million mehr als 2019.

[Klimastreik] Klimastreik 2021

CBG Redaktion

Die CBG in Leverkusen

Auch am 19.3.2021 war die Coordination wieder Teil des bundesweiten Klimastreiks der Fridays for Future-Bewegung.

In Leverkusen hieß das Motto „Leere Versprechungen der Politik“. Um diese zu repräsentieren, hatten die Fridays und ihre Mit-AktivistInnen zahlreiche leere Kartons vor dem Rathaus aufgebaut, um die bisher nicht realisierten Versprechen der Politik darzustellen.

Auch die Coordination war mit einem Karton vertreten: Dem „Glyphosat-Ausstieg“. Denn hierbei handelt es sich um eine besondere Mogelpackung: Bereits Mitte April 2018 hatte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner ihre Strategie zur Minimierung der Verwendung glyphosat-haltiger Pestizide vorgestellt. Liefern wollte sie bis 2020, doch geschehen ist bisher noch nichts. Sogar im Koalitionsvertrag ist die Reduzierung verankert.

Dennoch ist der Klima-Killer immer noch auf dem Markt. Seine Produktion frisst Unmengen von Strom. Um das Glyphosat-Vorprodukt Phosphor aus dem Sediment-Gestein Phosphorit zu gewinnen, muss der Ofen am US-amerikanischen BAYER-Standort Soda Springs auf eine Betriebstemperatur von 1500° Grad kommen.

Presse-Erklärung

Unsere Presseerklärung mit Details zu BAYERs Klimabilanz findet Ihr hier.

Bitte spendet

Damit wir Bewegungen wie die Fridays for Future in ihrer Arbeit unterstützen können, brauchen wir Eure Spende.

[Protest Programm] BAYER HV 2021

CBG Redaktion

Protest-Programm der CBG auf der HV 2021

Die Hauptversammlung 2021 von BAYER/MONSANTO findet rein online statt. Auch in diesem Jahr hat die Coordination ein internationales Programm mit Geschädigten und KritikerInnen der Konzernverbrechen BAYERs zusammen gestellt. Zu Wort kommen Glyphosat-Geschädigte aus Lateinamerika, Agent Orange-Geschädigte aus Vietnam und den USA, sowie Duogynon-Geschädigte aus Großbritannien und Deutschland.

+++Noch Fragen? Alle Infos auf+++

cbgnetwork.org/HV
info@cbgnetwork.org
0211/33 39 11

PROGRAMM CBG Live-Stream 27.April 9.30- 17.00 Uhr===

Live-Analysen zur HV um 9.30 Uhr, 12.30 Uhr, 16.00 Uhr

Wir gehen während des CBG Live-Streams dreimal live auf Sendung mit Meldungen und Analysen von der BAYER HV. In diesem Rahmen sind Presse-Anfragen möglich, die wir direkt live beantworten.

Presse-Anfragen per Telefon und Email im Vorfeld der HV:=== 0211 - 33 39 11 info@CBGnetwork.org

Presse-Anfragen per Telefon und Email am Tag selbst:

0211 - 22 95 09 11
info2@CBGnetwork.org

Live-Interviews im 9.30 Uhr Live-Block

09:37 | Interview mit Sven Giegold, MdEuP
09:45 | Live-Schaltung zur Kundgebung vor BAYER-Konzernzentrale in Leverkusen
10:10 | Interview mit Charlotte Sammet, Fridays for Future Leverkusen
10:17 | Interview Tilman Massa, Dachverband der kritischen AktionärInnen und Aktionäre
Internationale Protest-Statements
10:25 | EU-Parlamentarierin und Fernsehköchin Sarah Wiener zu den Protesten zur BAYER HV 2021
10:30 | Agent Orange Geschädigte erzählen von ihrem Schicksal

Statements an Vorstand und AktionärInnen von BAYER

10:35 | Tú Qùynh-nhu Nguyễn (Collectif Vietname Dioxine), Wiebke Beushausen (Inkota), Susan Tabbach (Risiko Pille)
10:41 | Glyphosat-Geschädigte aus Lateinamerika schildern ihre Situation
11:20 | Bettina Müller, PowerShift e.V., Alan Tygel, Campanha Permanente Contra os Agrotóxicos e Pela Vida!, Peter Clausing, PAN, Andre Sommer, Netzwerk Duogynon, Grußwort March against BAYER and Syngenta Basel
11:50 | Dokumentation „Gift im Acker“

Live-Interviews im 12.30 Uhr Live-Block

12:30 | Presse-Informationen und Besprechung der Ereignisse auf der HV
12:37 | Interview mit Harald Ebner, MdB die Grünen
12:44 | Interview mit Gesine Lötzsch, MdB Die Linke
12:51 | Interview Jurek Vengels, Umweltinstitut München
12:58 | Interview Bettina Müller, PowerShift e.V.
13:05 | Interview Katja Becker, Regisseurin „The Food Challenge“
13:10 | Interview Kim Vo Dienh, Collectif Vietnam Dioxine
Internationale Protest-Statements
13:18 | Statement von Sarah Wiener zu den Protesten zur BAYER HV 2021
13:23 | Agent Orange Geschädigte erzählen von ihrem Schicksal

Statements an Vorstand und AktionärInnen von BAYER

13:28 | Tú Qùynh-nhu Nguyễn (Collectif Vietname Dioxine), Wiebke Beushausen (Inkota)
13:36 | Susan Tabbach (Risiko Pille)
14:14 | Glyphosat-Geschädigte aus Lateinamerika schildern ihre Situation
14:24 | Bettina Müller, Alan Tygel, Peter Clausing, Andre Sommer, Grußwort March against BAYER and Syngenta Basel

Dokumentation

15:35 | „The Food Challenge 1&2“

Kulturbeitrag

15:56 | Konstantin Wecker performt Lieder, zusammengestellt für den Protest gegen BAYER
15:56 | Statement Bernward Geier, IFOAM-Botschafter, aktivistischer Bio-Landwirt

Live-Interviews im 16.00 Uhr Live-Block

16:00 | Presse-Informationen und Besprechung der Ereignisse auf der HV
16:07 | Interview Alan Tygel, brasilianischer Anti-Pestizidaktivist
16:12 | Interview Günter Wulf
16:19 | Interview Klaus Schepker
16:26 | Interview Marie Lyon
16:33 | Interview Nina Holland
16:41 | Interview Alexandra Caterbow
16:50 | Abschluss-Statement zur BAYER HV - CBG Geschäftsführung und Vorstand

Protest-Präsenz in der Hauptversammlung selbst

Die Coordination reicht wie jedes Jahr Gegenanträge zu allen Tagesordnungspunkten der Hauptversammlung ein. Die im Programm beschriebenen Video-Statements an Vorstand und AktionärInnen wurden auch in der BAYER HV selber eingereicht.

Protest-Kundgebung vor der BAYER-Konzernzentrale in Leverkusen

27. April 9.30 -11.00 Uhr

Protest-Kundgebung vor der BAYER-Konzernzentrale in Leverkusen mit verschiedenen Aktionen, RednerInnen und Kulturbeiträgen.

Krebsgefahr. Klimarisiko. Umweltgift.

CBG Redaktion

Glyphosat-Stopp jetzt!

Am 24. Juli machte der BAYER-Konzern seine Vorschläge zur Beilegung der Klagen von Glyphosat-Geschädigten in den USA publik. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) hält diese für völlig unzureichend.

Die Kampagne „Krebsgefahr. Klimarisiko. Umweltgift. Glyphosat-Stopp jetzt!“ ist unsere Antwort auf BAYERs Plan, das Kapitel „Glyphosat“ nur juristisch, nicht aber ökonomisch zu schließen und stattdessen an der Vermarktung des gefährlichen Pestizids festhalten zu wollen.

[Übergabe] Presse-Information CBG vom 28.07.20

CBG Redaktion

Im Rahmen der „Glyphosatstopp jetzt!“-Kampagne:

CBG schreibt BAYER Offenen Brief

Am 24. Juli machte der BAYER-Konzern seine Vorschläge zur Beilegung der Klagen von Glyphosat-Geschädigten in den USA publik. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) hält diese für völlig unzureichend. Sie legt ihre Kritik in einem Offenen Brief dar, den sie am kommenden Freitag um 11.00 Uhr an der Unternehmenszentrale in Leverkusen übergibt. Mit dem Schreiben, das viele andere Organisationen unterzeichnet haben, lässt es die Coordination aber nicht genug sein. Es läutet nur den Auftakt der Kampagne „Krebserregend. Klimaschädlich. Umweltgiftig. Glyphosatstopp jetzt!“ ein.

„BAYER möchte die Geschädigten mit Brotkrumen abspeisen und zukünftigen KlägerInnen den Rechtsweg verbauen. Alles, um den Profit mit dem Gift im großen Stil aufrechtzuerhalten. Dem gilt es Widerstand entgegenzusetzen“, erläutert CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann.

Die in Aussicht gestellte Vergleichssumme von 8,8 bis 9,6 Milliarden US-Dollar scheint zunächst zwar hoch zu sein. Auf die immense Zahl der KlägerInnen umgeschlagen, bleibt im Schnitt aber lediglich eine Summe von 60.000 bis 70.000 Dollar übrig. Das reicht längst nicht aus, um die von Glyphosat verursachten Krebserkrankungen, die hohe physische und psychische Belastungen und die umfangreiche materiellen Schäden, die diese nach sich ziehen, zu kompensieren.
Auch will BAYER zukünftigen Geschädigten den Rechtsweg verbauen. Einem mit WissenschaftlerInnen besetzten „Class Science Panel“ soll es stattdessen in Zukunft obliegen, über die krebserregenden Eigenschaften des Total-Herbizids zu befinden und gegebenenfalls Zahlungen freizugeben. Dieses Vorhaben wurde bereits vom zuständigen US-Richter Vince Chhabria kritisiert, der die Verfassungs- und Gesetzmäßigkeit des Panels anzweifelte.

Die Kampagne „Krebserregend. Klimaschädlich. Umweltgiftig. Glyphosatstopp jetzt!“ versteht sich als Antwort auf BAYERs Plan, das Kapitel „Glyphosat“ nur juristisch, nicht aber ökonomisch zu schließen und stattdessen an der Vermarktung des gefährlichen Pestizids festzhalten zu wollen.

CBG-Vorstand Axel Köhler Schnura nennt die Forderungen: „Weltweit müssen die Glyphosat-Geschädigten angemessen entschädigt werden. Weltweit müssen die Umweltschäden, die auf Glyphosat zurückgehen, auf Kosten des Konzerns beseitigt werden. Zudem hat die Öffentlichkeit ein Recht darauf, Einblick in alle geheimen Glyphosat-Unterlagen von BAYER und MONSANTO zu nehmen. Es hat auch eine juristische Aufarbeitung zu geschehen. Die ManagerInnen, die diese Konzernverbrechen zu verantworten haben, müssen bestraft werden. Und vor allem muss die Produktion von Glyphosat umgehend eingestellt werden. Glyphosatstopp jetzt!“

UnterzeichnerInnen des Offenen Briefes sind bisher: Wir haben es satt!, Slow Food Youth Deutschland, Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN Germany), Umweltinstitut München, Institute for Responsible Technology, James Hayes (Glyphosat-Geschädigter), Dachverband der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre, Fridays for Future Leverkusen, Aktion Agrar und die Kampagne Block BAYER.

Es wird eine Live-Berichterstattung zur Aktion geben.

Informationen dazu und zur Kampagne allgemein unter:

cbgnetwork.org/Übergabe
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twitter.com/cbgnetwork
info@cbgnetwork.org

Pressekontakt:
Marius Stelzmann 0211/33 39 11

[Missglückte Flucht] Die BAYER-Hauptversammlung 2020

CBG Redaktion

Weltweit steht kein Unternehmen so unter Beobachtung wie der BAYER-Konzern. Seit 1978 schon schaut ihm die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auf die Finger, rund um die Uhr, rund um den Globus. Auf den Hauptversammlungen der AktionärInnen ist sie seit 1982 präsent. Von Anfang an versuchte der Leverkusener Multi, diese Kritik loszuwerden. Dazu war ihm jedes Mittel recht. Er diffamierte und verleumdete, unterwanderte und schleuste Spitzel ein, doch nichts fruchtete. Ein Vorstandsvorsitzender nach dem anderen trat ab, doch die Coordination blieb. Damit sollte 2020 endgültig Schluss sein: Im Windschatten der Corona-Pandemie hebelte der Global Player die AktionärInnen- und Grundrechte aus und floh mit seiner Hauptversammlung ins Internet. So wollte er sich der Proteste entledigen. Doch die Rechnung ging nicht auf.

Von Marius Stelzmann und Axel Köhler-Schnura

Die AktionärInnen-Hauptversammlungen des BAYER-Konzerns sind weltweit einzigartig. Seit 1982 werden sie durchgehend von Protesten begleitet. Nicht nur auf der Straße, vor den Türen der Hauptversammlung, sondern auch im Saal an den Mikrofonen werden die Kehrseiten der Profite und die Verbrechen des Unternehmens thematisiert. Gegenmaßnahmen des Konzerns – und davon gab es viele – fruchteten nicht. Jahr für Jahr übertragen Hunderte von AktionärInnen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) immer wieder aufs Neue zehntausende Aktien-Stimmrechte. Einmal waren es sogar Millionen, was die CBG in die Lage versetzte, die Tagesordnung verändern zu können.

HV-Kritik seit 1982

Dutzende der von BAYERs Geschäftspolitik betroffenen Menschen aus aller Welt – Medikamentengeschädigte, AnwohnerInnen der Werke, Pestizid-Vergiftete und andere – sie alle erhalten durch die Stimmrechte der Kritischen AktionärInnen der CBG auf jeder Hauptversammlung eine Stimme. Darüber hinaus reicht die Coordination zu allen Tagesordnungspunkten regelmäßig Gegenanträge ein.
Zunehmend ging es auf den Hauptversammlungen des BAYER-Konzerns nicht mehr nur um Profit, Gewinn und Dividende, sondern um die Kehrseiten der Bilanzen. Dutzende RednerInnen thematisierten die Risiken und Nebenwirkungen der gnadenlosen Profit-Jagd: die Umweltverseuchung, die Klima-Erwärmung, die Gesundheitsschädigung durch BAYER-Produkte, die Arbeitsplatz-Vernichtung und andere Konzern-Verbrechen.

Im Jahr 2019 dann die geschichtlich einmalige Sensation: Was sonst immer nur die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gefordert hatte, wurde Wirklichkeit: Die Hauptversammlung entlastete BAYERs Vorstandsvorsitzenden Werner Baumann nicht! Dieses historische Ereignis wurde möglich, weil die Glyphosat-Prozesse dem Konzern gleichzeitig moralischen und wirtschaftlichem Schaden einbrachten. Die von der Öffentlichkeit in aller Welt aufmerksam verfolgten juristischen Verfahren mit ihren Schadensersatz-Urteilen hatten dramatische Folgen für BAYER. Glyphosat wurde der Inbegriff für alles, was im agro-industriellen Modell der Landwirtschaft schiefläuft. Zu guter Letzt veränderte dies auch die Haltung der AktionärInnen. Sie verkauften ihre Papiere in Panik, der Kurs der BAYER-Aktie stürzte daraufhin massiv ab. Das Unternehmen verlor zwischenzeitlich mehr als die Hälfte seines Börsenwertes. Als Folge davon traten „Großinvestoren“ wie BLACKROCK und andere auf den Plan und entzogen dem Vorstand am 26. April 2019 ebenfalls das Vertrauen. Zwar gab der Aufsichtsrat noch in der Nacht nach der HV ein Treuebekenntnis ab und hielt den Vorstand unverändert im Amt, doch änderte das nichts an der Tatsache, dass eine Mehrheit aller Aktien gegen den BAYER-Chef Werner Baumann gestimmt hatte. Und das waren immerhin fast 300 Millionen Aktien!

Wenning muss gehen

Noch vor der Hauptversammlung 2020 wirkte das HV-Desaster aus dem Jahr 2019 nach. Zur Bilanz-Pressekonferenz im Februar 2020 wurde ohne Nennung weiterer Gründe bekannt gegeben, dass der Aufsichtsratsvorsitzende Werner Wenning vorzeitig gehen muss. Klar war hier, dass Wenning abgestraft werden sollte, denn er war es, der die Übernahme von MONSANTO eingefädelt hatte und mit seinem Schützling Werner Baumann realisierte. Soweit die Vorgeschichte. Was dann kam, stellte allerdings alle Vorstellungen für die diesjährige Hauptversammlung auf den Kopf.

Für die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN starteten die Vorbereitungen bereits im Dezember 2019. Bis sich die Welle des Protestes aufschaukeln kann, muss nämlich lange vorgearbeitet werden. Es gilt, BündnispartnerInnen einzubinden und Kontakte in alle Welt aufzubauen. Planen, planen, planen, heißt die Devise. Die CBG wollte sich frühzeitig rüsten, denn sie weiß um die Bereitschaft des Konzerns, dem Protest und Widerstand immer wieder Steine in den Weg zu legen.
Als das neue Jahr begann, fühlte sich die CBG gut aufgestellt. Schließlich hatte sie Auftrieb durch die letzte Hauptversammlung bekommen, als die Coordination nicht nur den größten Protest in der Geschichte des Konzerns auf die Beine gestellt, sondern darüber hinaus daran mitgewirkt hatte, ein historisches Novum zu schaffen: Die Nicht-Entlastung eines BAYER-Vorstands.

Im Windschatten dieses Erfolges vermochte die CBG ihr Protest-Bündnis stark zu verbreitern. Die junge Protestbewegung der FRIDAYS FOR FUTURE (FFF), welche die letzte Hauptversammlung mit einer 500 Personen starken Demonstration heimgesucht hatte, setzte 2020 passenderweise einen Klimastreik kurz vor der Hauptversammlung an: Am 24. April. Auch hatte sich zu Beginn des Jahres das „BLOCK BAYER“-Bündnis konstituiert, welches zivilgesellschaftliche Blockaden der Pestizid-Produktionsstätten des Leverkusener Multis plante, um auf die verheerenden Folgen von Glyphosat & Co. für Mensch, Tier und Umwelt aufmerksam zu machen.

Weg vom Freitag

Die Konzernführung beobachtete den sich organisierenden und vernetzenden zivilgesellschaftlichen Widerstand sorgfältig und plante ihre Antwort. Der erste Schritt kam zu Jahresanfang. War die Hauptversammlung ursprünglich immer auf einen Freitag terminiert, so änderte BAYER das diesmal. Das Unternehmen legte das AktionärInnen-Treffen erstmals auf einen Dienstag. Offensichtlich hatte der Vorstand keine Lust, nochmals Besuch von FRIDAYS FOR FUTURE zu erhalten.
Ende Februar dann die Bilanz-Pressekonferenz des BAYER-Konzerns. Der Termin für die HV 2020 wurde da offiziell verkündet: Dienstag, 28. April. Ein nicht nur im Hinblick auf den Wochentag wohlweislich gewähltes Datum. An diesem Tag fand nämlich zufällig auch die RWE-Hauptversammlung statt, und der Konzern baute darauf, dass der Klima-Protest dorthin ziehen würde. Das nach dem Aktienrecht vorgesehene Prozedere zur HV sollte dann Anfang März mit der offiziellen Einladung des Konzerns starten.

Parallel zu diesen Entwicklungen hatte sich allerdings der Corona-Virus ausgebreitet, was weltweit für mehr und mehr Veränderungen im normalen gesellschaftlichen Geschehen sorgte. So auch in Deutschland. Kaum war die Einladung zur Hauptversammlung von BAYER veröffentlicht, erfolgten die ersten Verordnungen zu Verboten von Veranstaltungen. Die Hauptversammlungen der Konzerne waren ebenfalls davon betroffen. Es machte sich Unsicherheit breit, einige Konzerne gaben Verschiebungen ihrer AktionärInnen-Versammlungen bekannt. Bei BAYER allerdings herrschte Schweigen im Walde. Die Öffentlichkeit wunderte sich, Woche um Woche verstrich, der Termin der Hauptversammlung wurde nicht geändert. Nicht bekannt war allerdings, dass BAYER längst im Stillen mit seinen Lobby-Verbänden und einer Beraterfirma die Bundesregierung massiv bearbeitete, um rechtliche Voraussetzungen für eine Verlagerung von Hauptversammlungen ins Internet zu erreichen. Und der Multi hatte damit Erfolg: Im Schatten der weltweiten Corona-Pandemie erwirkte BAYER in Kooperation mit anderen Konzernen ein Aktionärs-Notstandsgesetz, das als Teil des „Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie“ ohne jede öffentliche und ohne jede demokratische Debatte am Bundestag vorbei durchgepeitscht wurde.

Der BAYER-Coup

Offenkundig war das von langer Hand geplant, denn die Konzerne träumten schon lange von virtuellen Hauptversammlungen im stillen Kämmerlein ohne lästige Proteste. Die Corona-Pandemie kam da nur zur rechten Zeit und lieferte einen Vorwand. Entsprechend verkündete der Konzern kurz nach der Verabschiedung die Corona-Notstandverordnung, die Hauptversammlung ins Internet verlegen zu wollen.
Womit das Unternehmen allerdings nicht gerechnet hatte, war die Gegenwehr, die die CBG in Kooperation mit dem DACHVERBAND DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE organisierte. So veröffentlichten die beiden Initiativen einen Offenen Brief, der „die beispiellose Aushebelung der Aktionärs- und Grundrechte“ massiv anprangerte. Diese Kritik fand sofort ihren Weg in die Öffentlichkeit. Selbst traditionelle Kleinaktionärsvereinigungen und die Wirtschaftspresse von Handelsblatt bis Wirtschaftswoche und Capital schlossen sich der im Offenen Brief zum Ausdruck kommenden Bewertung des undemokratischen BAYER-Vorgehens an. Das Schreiben, auf das der Konzern nie offiziell reagiert hat, ist auf der CBG-Internetseite zu finden: www.CBGnetwork.org.

Bereits vor der Corona-Krise war es der CBG überdies gelungen, Kontakt zu den US-amerikanischen KritikerInnen von BAYER/MONSANTO aufzunehmen. Zu diesen zählt die Journalistin Carey Gillam, die von MONSANTO wegen ihrer Recherchen mit einer massiven Schmutzkampagne überzogen wurde. Auch vernetzte die Coordination sich mit zahlreichen Menschen, die durch Glyphosat gesundheitlich geschädigt wurden.
Kontakte baute die CBG zudem in vielen anderen Länder auf: Kanada, Neuseeland, Australien, viele Staaten Lateinamerikas, aber auch in anderen europäischen Nationen wie der Schweiz, Österreich oder auch Frankreich fand sie KooperationspartnerInnen.

In Deutschland schuf die CBG ebenfalls ein breites Bündnis des Protestes. Dieses umfasste neben BLOCK BAYER und FRIDAYS FOR FUTURE u. a. die Partei DIE LINKE, INKOTA, MISEREOR, die ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT, OXFAM, den BUND, SUMOFUS, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und COLABORA TOGETHER. Viele der Gruppen stimmten schon im Vorfeld mit Presseerklärungen auf die HV ein, und fast alle lieferten auch am Tag selber Beiträge.

Proteste trotz Corona

Die Notstandsverordnung zum Aktienrecht erlaubte es BAYER nicht nur, das Rederecht der AktionärInnen zu suspendieren und nur noch – vorher einzureichende – Fragen zuzulassen, sondern auch noch eine ganze Reihe weiterer undemokratischer Einschränkungen vorzunehmen. Der Konzern erhoffte sich davon, die Proteste der CBG sowie der anderen KleinaktionärInnen auszuhebeln. Die Fristen für die Abwicklung der Formalitäten wurden von ursprünglich sechs Wochen auf wenige Tage verkürzt. Die Verfahren für AktionärInnen, um an der HV überhaupt teilnehmen, die Stimmrechte übertragen, Fragen stellen und abstimmen zu können, wurden zudem massiv verkompliziert, was die abschreckende Wirkung noch einmal erhöhen sollte.

Doch die CBG trug dieser veränderten Situation Rechnung. In Windeseile wurden die mehreren hundert mit der CBG kooperierenden AktionärInnen informiert. Gemeinsam mit ihnen setzte die Coordination dann alle technischen Anforderungen um. So wurde es möglich, mehrere zehntausend Stimmrechte zu realisieren, mehrere Dutzend Konzern-KritikerInnen in der virtuellen HV bei BAYER zu platzieren, weit über einhundert Fragen einzureichen und an der Abstimmung über alle Anträge teilzunehmen.

Protest real & virtuell

Parallel dazu gingen die anderen Vorbereitungen der Coordination gegen BAYER-Gefahren weiter. Dabei hielt die CBG an der Tradition fest, die Proteste zur BAYER-Hauptversammlung mit einer Auftakt-Veranstaltung einige Tage vor der eigentlichen HV einzuläuten. Seit jeher führt die Coordination nicht nur Aktionen durch, sondern liefert auch Argumente für die Konzern-Kritik. Dies wollte sie auch in diesem Jahr tun, allerdings notgedrungen komplett online, in Form eines international besetzten Podiums.

Und da die CBG damit rechnete, dass die Proteste in ihrer ursprünglichen Gestalt keinen Eingang in BAYERs Online-Stream finden würden, stellte sie eine ganztägige Parallelaktion im Netz auf die Beine. Hier sollten neun Stunden lang begleitend zur BAYER-Hauptversammlung KritikerInnen des Konzerns aus aller Welt zu Wort kommen. Zugleich war geplant, BAYERs Online-HV in Live-Blöcken zu bestimmten Uhrzeiten zu kommentieren. Überdies war die Möglichkeit gegeben, dass sich zu diesen Nachrichten-Blöcken auch JournalistInnen per Hotline direkt durchschalten lassen und Fragen stellen konnten. Unter dem Motto „BAYER geht online, der Protest auch“ wurden die Proteste auf allen für die CBG erreichbaren Internet-Kanälen im In- und Ausland bekannt gemacht: auf YouTube, verschiedenen Internetseiten, Facebook, Twitter etc.

Trotzdem fand die CBG es aber auch nach wie vor sehr wichtig, auf der Straße zu demonstrieren. Doch wo, wenn es keine reale HV gibt? Natürlich vor dem BAYER-Studio in der Leverkusener Konzern-Zentrale! Mit einer solchen Demonstration sollte nicht nur die Tradition des Straßenprotestes zur BAYER-HV fortgeführt werden, es sollte auch deutlich gemacht werden, dass sich Protest selbst in Zeiten von Corona nicht zum Schweigen bringen lässt und dass die Coordination Grundrechte auch in dieser Situation verteidigt wissen will. Ihr war aber klar, dass sie um eine solche Demonstration kämpfen musste. Zunächst erhielt die Coordination den Bescheid, dass alle Kundgebungen verboten seien – und einen Insider-Hinweis mit der Information, dass der „Krisenausschuss“ der Stadt Leverkusen auf Druck „einer bestimmten Firma“ hin ein komplettes Demonstrationsverbot für Leverkusen erlassen hätte.

Doch glücklicherweise kam das Bundesverfassungsgericht zu Hilfe. Es stellte kurz vor der Hauptversammlung in einem Grundsatz-Urteil fest, dass auch in Corona-Zeiten Demonstrationen unter besonderen Voraussetzungen zugelassen werden müssten. Entsprechend erneuerte die CBG ihren Antrag und machte corona-gerechte Vorschläge für die Aktion. Und tatsächlich bekam sie einen Tag vor der HV per Email eine Sondergenehmigung. Dabei war sie bereits darauf vorbereitet, Rechtsmittel gegen das Verbot einlegen zu müssen. Mit politischer Hartnäckigkeit und juristischer Argumentation hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN so das Recht auf die Demonstration am Tag der HV durchgesetzt.

Erste Aktionen
Aber schon davor war so einiges los. Am 23. April hielten INKOTA, MISEREOR und die Rosa-Luxemburg-Stiftung ein Webinar zu den doppelten Standards von BAYER und BASF bei ihren Pestizid-Geschäften in Brasilien und Südafrika ab und schalteten dabei auch AktivistInnen aus diesen Ländern zu. Am darauffolgenden Tag fand der Online-Klimastreik von FRIDAYS FOR FUTURE statt. Unter anderem präsentierten die AktivistInnen im Internet eine Deutschland-Karte, auf der mensch in seiner jeweiligen Stadt mit Protest-Fotos zumindest virtuell vor Ort sein konnte, was die CBG – zusammen mit 87.000 anderen digitalen MitstreiterInnen – auch nutzte. Und zu dem am 25. April im World Wide Web von MULTIWATCH aus Basel im World Wide Web organisierten „March against BAYER & SYNGENTA“ schickte die Coordination eine Video-Botschaft.

Am 26. April fand dannwie geplant die internationale Online-Auftaktveranstaltung der CBG zu den HV-Protesten 2020 statt. Moderiert wurde sie von Christiane Schnura und Marius Stelzmann von der CBG.

>Lena Luig von INKOTA stellte dabei die Studie „Gefährliche Pestizide“ über die Pestizid-Verkäufe von BAYER und BASF in Südafrika und Brasilien vor. BAYER vermarktet in den untersuchten Ländern 15 Ackergifte, die keine EU-Genehmigung haben. Bei fünf davon lehnte Brüssel eine Zulassung wegen der Gesundheitsschädlichkeit der Mittel explizit ab oder widerrief diese.

>Falko Schröder von FRIDAYS FOR FUTURE gab zwei Tage nach dem Online-Klimastreik aus gegebenem Anlass Informationen zum Klimakiller BAYER und zu dem Druck, den das Unternehmen auf die Regierungen ausübt, um weiter ungehindert Kohlendioxid ausstoßen zu können.

>Anna Schönberg von der AKTION UNTERHOLZ berichtete über den praktischen Widerstand gegen die von BAYER, RWE & Co. betriebene klima-zerstörende Geschäftspolitik.

>Der US-Amerikaner Jeffrey Smith vom „Institute for Responsible Technology“ schaute tief ins Herz der Finsternis des agro-industriellen Modells von BAYER/MONSANTO, für das Glyphosat ein Sinnbild geworden ist. Sein Fazit: „Ein System, das die Intelligenz der Natur nutzt, braucht so etwas alles nicht“.

>Die bekannte Fernsehköchin und grüne EU-Politikerin Sarah Wiener schloss sich diesem Statement an und zog eine verheerende Bilanz der grünen Pestizid-Revolution.

Der große Tag

Am Tag der Hauptversammlung, am 28. April, dann die beiden Großprojekte: Die Kundgebung vor der Konzern-Zentrale und die ganztägige Protest-Begleitung von BAYERs Online-HV im Internet. Zur realen Demonstration vor der Konzern-Zentrale in Leverkusen hatten sich morgens um 9 Uhr 16 TeilnehmerInnen eingefunden. Vertreten waren neben der CBG die Partei DIE LINKE, LandwirtInnen, BLOCK BAYER und EXTINCTION REBELLION.

Der bekannte Liedermacher Konstantin Wecker schickte ein Video-Grußwort, mit dem die Kundgebung per Lautsprecher eröffnete. Die Reden der AktivistInnen, die alle live in den Protest-Stream der CBG eingespeist wurden, hatten nicht zuletzt das Versagen von BAYER im Angesicht der Corona-Pandemie zum Thema, was auch zur Forderung führte, den Konzern unter demokratische Kontrolle zu stellen. Und die Transparente der Kundgebung thematisierten dieses Mal nicht nur die Risiken und Nebenwirkungen von BAYERs gnadenloser Profit-Jagd, sondern auch die Aushebelung von AktionärInnen- und Grundrechte durch das Unternehmen. Sogar für ein kleines Kulturprogramm war gesorgt. Das Kölner Demo-Urgestein Klaus, der Geiger bestritt es.

Der neunstündige Online-Protest-Stream zur BAYER-HV bildete am 28. April das Kernstück des Protestes. Da kamen dann alle Probleme und Verbrechen auf die Tagesordnung, die bei der BAYER-Veranstaltung durch Abwesenheit glänzten. In einem ebenso kurzweiligen wie umfangreichen und sachkundigen Programm informierte die CBG den ganzen Tag durchgängig. Natürlich wurde da auch immer wieder darüber gesprochen, wie Konzernmacht eingedämmt und gebrochen werden kann. Nicht umsonst stand morgens bei der Real-Kundgebung auf einem der Transparente bereits die Losung „Brecht die Macht der Konzerne!“.

Viele, teils prominente Gäste und hochkarätige VertreterInnen aus Politik, Gesellschaft und Kultur gingen für die CBG auf Sendung. Von der Partei DIE LINKE war die Bundestagsabgeordnete und ehemalige Fraktionschefin Sarah Wagenknecht zugeschaltet. Ebenso Gesine Lötzsch, auch Bundestagsabgeordnete sowie stellvertretende Fraktionschefin der Partei DIE LINKE und nicht zuletzt Eva Bulling-Schröter, ehemalige Bundestagsabgeordnete der Linken und CBG-Beiratsmitglied. Von den Grünen sprachen die ehemalige Ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Renate Künast, sowie der Bundestagsabgeordnete Harald Ebner.

Zudem gab es Statements von Betroffenen der Geschäftspolitik von BAYER. So kamen Glyphosat-, DUOGYNON- und Verhütungsmittel-Geschädigte zu Wort. Auch ehemalige Heimkinder, an denen der Pharma-Riese einst Medikamente getestet hatte, erhielten ein Forum. Die Videos dokumentierten in erschütternder Weise die Schicksale der von den BAYER-Produkten geschädigten Menschen. Viele hatten neben ihren gesundheitlichen auch finanzielle und soziale Schäden erlitten, die sie ihr ganzes Leben lang begleiten. Die Solidarität mit ihnen stellt eine der zentralen Säulen dar, auf denen die CBG ruht. Für BAYER wiederum ist der Kampf dieser Menschen um Schuldeingeständnisse des Vorstands und um angemessene Entschädigungen einer der Gründe dafür gewesen, in eine virtuelle Hauptversammlung zu flüchten, anstatt das AktionärInnen-Treffen zu verschieben.

Weltweite Beteiligung

Durch die Corona-Pandemie war es für unsere vielen ausländischen Gäste aus Lateinamerika, USA, Kanada und anderen Ländern nicht möglich, nach Deutschland zu reisen. Carey Gillam und andere internationale Gäste, darunter auch Glyphosat-Geschädigte, schafften es aber dennoch, am Tag der HV mit eigens aufgenommen Videoclips oder per Live-Zuschaltung ihre Stimmen hörbar und ihren Protest sichtbar zu machen.

Jeder Block des Online-HV-Protestes wurde von CBG-Vorstand Jan Pehrke eröffnet. Der für Stichwort BAYER verantwortliche Redakteur sprach am Morgen Einführungsworte, kommentierte und ordnete ein, was an dem Tag nebenan bei BAYER geschah und hielt nach, was BAYER-Chef Werner Baumann bei der Beantwortung der KritikerInnen-Fragen „vergaß“.

Aber das tat nicht nur Pehrke. Zahlreiche Netz-AktivistInnen waren dem Aufruf der CBG gefolgt und haben dem BAYER-Chef Werner Baumann bei seinen Ausführungen genau auf den Mund geschaut. Wenn er etwa auf den Klimawandel zu sprechen kam, posteten sie den genauen Kohlendioxid-Ausstoß des Konzerns: 3,71 Millionen Tonnen im Jahr 2019. Und wenn es um die Glyphosat-Klagen ging, lieferten sie die genaue Anzahl nach. Aber es gab natürlich nicht nur „Fakten, Fakten, Fakten“. Unter dem Hashtag „

  • meineStimmeGegenKonzernverbrechen“ fand sich natürlich auch beißende Kritik wie diese: „Das ist ein Zynismus sondergleichen: Ein Mittel wie Glyphosat verkaufen, bei dem ich davon ausgehe, der Gewinn ist immer noch höher als das, was ich den Opfern, die daran krebskrank werden, als Entschädigung zahlen muss: Das ist BAYERs menschenverachtende Kalkulation, die dahintersteht“. Und in Zeiten von Corona geriet vor allem die Pharma-Sparte in den Blick: „BAYERs Ausrichtung am Shareholder Value begünstigt Forschung in den Bereichen, in denen man Medikamente mit Mondpreisen verkaufen kann, und widerspricht der nötigen Forschung in Impfstoffe und andere elementaren Medikamente.“ Und da die Coordination im Vorfeld für solche Messages einen großen Resonanz-Raum organisiert hatte, braute sich in den sozialen Netzwerken ganz schon was über den Leverkusener Multi zusammen.

Beim Leverkusener Multi war dagegen schon um 16.00 Schluss. Bereits zu dieser Zeit beendete der Konzern – historisch einzigartig – die Frage-Runde und leitete die Abstimmungen ein.

BAYER-Vorstand Werner Baumann hatte vor der HV großmundig angekündigt, alle Fragen von AktionärInnen zu beantworten. Tatsächlich geschah dies nicht. Der CBGler Axel Köhler-Schnura nahm dazu im WDR Stellung: „BAYER verlangte, dass alle Fragen zwei Tage vor der HV schriftlich eingereicht werden. Damit hatte der Konzern genügend Zeit, sich vorzubereiten. Er fasste die Fragen unter allgemeinen Oberthemen zusammen, zog seine vorgefertigten Stellungnahmen aus der Schublade und verlas sie. Das war‘s!“ Und so musste auch BAYER gegenüber dem Sender zurückrudern: „Die Fragen konnten nicht alle in vollem Wortlaut vorgetragen werden, deshalb wurden die Fragen so zusammengefasst, dass das Thema für die Zuhörer verständlich war. Die Fragen wurden so beantwortet.“ Kein Dialog, keine Nachfragen. Überdies blieben die Namen der Fragenden unerwähnt –– wenn es sich nicht gerade um GroßaktionärInnen handelte.

Um ca. 17.45 Uhr meldete sich dann die Coordination zum letzten Mal zu Wort. CBG-Gründer Axel Köhler-Schnura und CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann präsentierten eine Tour de Force der Verbrechen des Konzerns: IG FARBEN-Gründung, Medizin-Verbrechen, Umweltsünden. Und bekräftigt wurde einmal mehr das Versprechen der CBG für 2021 und die nächsten Jahre: Sie wird dem Konzern auf den Fersen bleiben!

15 % gegen den Vorstand

Insgesamt konnte ein positives Fazit der Aktionen gezogen werden: Hunderte von AktionärInnen hatten der CBG ihre Stimmrechte übertragen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN war mit Tausenden von Aktien auf der Online-HV präsent. Mehr als 100 kritische Fragen wurden von dutzenden Konzern-KritikerInnen gestellt. Bei den Abstimmungen votierten viele Millionen Aktien mit der CBG für „Nein“ und stattdessen für die Nicht-Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat sowie gegen die maßlose Dividenden-Ausschüttung. Weitere zig Millionen Aktien enthielten sich der Stimme. Überhaupt musste BAYER erstmals seit langer Zeit wieder die Enthaltungen bekanntgeben, womit der Gesamtumfang der nicht mit dem Vorstand konform gehenden Aktien deutlich wurde. Bei der Entlastung des Vorstands stimmten mehr als 43 Mio. Aktien mit „Nein“, viel mehr als zu allen anderen Tagesordnungspunkten. Insgesamt ca. 15 Prozent aller Aktien optierten für „Nein“ oder eine Enthaltung.

Und: Viele Tausende Male wurden die Online-Proteste der CBG über den Tag im Internet aufgerufen, und die Medien berichteten über die Demonstration vor der Konzern-Zentrale in Leverkusen. Die Flucht des BAYER-Konzerns mit dem Ziel, die Proteste im Umfeld der HV und auf der HV selbst einzudämmen oder gar zu unterbinden, war damit gründlich missglückt! Die FreundInnen der CBG waren ebenfalls rundum zufrieden. „Toll, wie ihr das auf die Beine gestellt habt. Und post coronam gehen wir wieder auf die Straße“, schrieb etwa Konstantin Wecker.

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CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Appell zur EU-Ratspräsidentschaft

Am 1. Juli hat Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Das CORPORATE EUROPE OBSERVATORY (CEO), LOBBYCONTROL, die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und zahlreiche andere Organisationen haben die Befürchtung, dass dabei die großen Konzerne die Marsch-Richtung vorgeben werden. Die Gründe dafür legten die Initiativen in der Studie „Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft – Industrie in der Hauptrolle“ dar. Die Untersuchung zeigt, welch großen Einfluss die Unternehmen auf die Entscheidungen in Berlin haben. Im Einzelnen beschäftigen die AutorInnen sich etwa damit, wie die Auto-Industrie, die Banken, die Pharma-Riesen und die Erdgas-Multis die politische Landschaft pflegen. Die Umtriebe der Chemie-Industrie im Allgemeinen und BAYERs im Besonderen zeichnete die CBG nach. Angesichts dieser Gemenge-Lage appellieren die Gruppen an die Große Koalition: „Die Bundesregierung muss die Vergangenheit hinter sich lassen, sich von Konzern-Interessen frei machen (trotz der massiven Lobby-Aktivitäten, die derzeit unter dem Stichwort „Coronawashing“ laufen) und das Gemeinwohl an die oberste Stelle setzen.“ In diesen Zeiten Individual-Interessen, den Interessen Superreicher oder einseitig den Unternehmen entgegenzukommen, könnte für die Europäische Union weitreichende und zutiefst destruktive Folgen haben, warnen die Initiativen.

Lieferengpässe: AOK wehrt sich

Der Pharma-Markt hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. BAYER und andere große Unternehmen setzen mehr und mehr auf neue, patent-geschützte Pillen, da diese besonders hohe Renditen versprechen. Bei ihrem nicht so viel Geld abwerfenden Alt-Sortiment rationalisieren die Konzerne hingegen nach Kräften. So beziehen sie Vor- und Zwischenprodukte zur Wirkstoff-Herstellung und manchmal auch die komplette Substanz zunehmend aus Schwellen- oder Entwicklungsländern wie Indien und China. Dort konzentriert sich die Fabrikation auf immer weniger Anbieter. Und wenn da einmal Störungen im Betriebsablauf auftreten, leiden PatientInnen auf der ganzen Welt unter den Lieferengpässen. Seit einigen Jahren passiert das immer häufiger. Auch Präparate des Leverkusener Multis glänzen in den Apotheken zunehmend durch Abwesenheit. Die Schuld dafür geben die Firmen gerne den Krankenkassen. Diese zwängen die Hersteller durch den Preis-Druck ihrer Rabatt-Verträge, eigene Pharma-Produktionen aus Kosten-Gründen zu schließen und die benötigten Substanzen stattdessen auf dem Weltmarkt einzukaufen. Der AOK-Vorstandschef Johannes Bauernfeind weist die Kritik zurück: „Dieser Argumentationsgang ist ebenso eingängig wie unwahr. Bereits seit den späten siebziger Jahren wich die Wirkstoff-Produktion nach Fernost aus.“ Zudem träten Lieferengpässe auch in Ländern auf, in denen es gar keine Rabatt-Verträge gebe, so Bauernfeind.

Mexiko: Pestizid-Beschwerde

Im Jahr 2017 hatten 43 Personen bei der mexikanischen Menschenrechtskommission CNDH wegen des unkontrollierten Einsatzes hochgefährlicher Pestizide in dem Land eine Beschwerde eingereicht. Unter den inkriminierten Ackergift-Wirkstoffen finden sich zahlreiche, die auch in BAYER-Produkten enthalten sind, wie z. B. Mancozeb, Glyphosat, Atrazin, Deltamethrin, Methamidophos, Imidacloprid, Carbofuran, Endosulfan, Bifenthrin und Carbendazim. Die CNDH gab den Beschwerde-TrägerInnen im Februar 2019 Recht und empfahl der Politik eine Reihe von Maßnahmen. Diese umfassten beispielsweise Vorschläge zu einer strengeren Regulierung der Agro-Chemikalien, zu einem besserem Schutz der LandwirtInnen und LandarbeiterInnen sowie zu einer besseren Ermittlung des Risiko-Potenzials der Substanzen.

MONSANTO-Listen: Die CBG hakt nach

Die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO hat über Jahre hinweg in eigener Regie oder über externe Dienstleister hunderte von JournalistInnen, PolitikerInnen, AktivistInnen und andere Personen ausspioniert. Mit diesem Wissen wollte sie dann unter anderem die Entscheidung der EU über die Zulassungsverlängerung für das Herbizid Glyphosat, die im Herbst 2017 anstand, im Sinne des Konzerns beeinflussen. Im Frühjahr 2019 flog der Skandal dann auf. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) startete sofort eine Reihe von Initiativen, um das ganze Ausmaß der Umtriebe aufzuklären. Unter anderem forderte die Coordination die Datenschutz-Beauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen auf, aktiv zu werden. Das lehnte diese jedoch zunächst ab. Es lägen keine Anhaltspunkte für ein zielgerichtetes Auskundschaften einzelner Personen vor, MONSANTO hätte vielmehr themen-bezogen agiert, lautete die Antwort. Damit gab sich die CBG allerdings nicht zufrieden. In einem weiteren Schreiben zitierte sie aus den Unterlagen des von MONSANTO mit der Observation beauftragten Unternehmens FLEISHMANHILLARD. Diesen Dokumenten zufolge hatte die Agentur bei ihren Ziel-Objekten auch „Freizeit oder andere Interessen (Golf, Tennis, Jagd etc.)“ im Blick. Und mit der Drecksarbeit, „Auskünfte und Informationen zu sammeln, die NICHT (Hervorhebung im Original) öffentlich zugänglich sind“, beauftragte sie die Firma PUBLICIS. Diese Fakten-Lage bewog die Landesdatenschutz-Beauftragte dann, sich in der Sache doch noch mal an BAYER zu wenden. Eine Antwort steht jedoch noch aus.

CBG beim Online-Klimastreik dabei

Wegen der Corona-Pandemie konnte der Klimastreik am 24. April nicht wie gewohnt auf der Straße stattfinden. Trotzdem gab es viele Aktionen. Die Menschen stellten Plakate ins Fenster, bestückten Bäume, Briefkästen und Tor-Eingänge mit Demo-Schildern und legten Transparente vor den Ratshäusern aus. Und um zumindest digital vor Ort präsent zu sein, suchten sie auf der von FRIDAYS FOR FUTURE ins Netz gestellte Deutschland-Karte ihre Stadt und luden da Protest-Fotos hoch. Daran beteiligte sich auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) – zusammen mit 87.000 anderen virtuellen MitstreiterInnen.

Patent-Kampagne erfolgreich

Der BAYER-Konzern hält nicht nur Patente auf gen-manipulierte Pflanzen, sondern auch auf solche aus konventioneller Zucht. Das Europäische Patentamt (EPA) erteilt diese recht freigiebig, rund 200 Anträge genehmigte es. Sogar nach einem im Juni 2017 erfolgten Beschluss des Verwaltungsrates, in dem VertreterInnen aus 38 Ländern sitzen, solche Genehmigungen nicht mehr zu erteilen, wich das Amt nicht von seiner Linie ab. Seine technische Beschwerdekammer bewertete das Verwaltungsratsvotum nämlich als Verstoß gegen EU-Bestimmungen. Daraufhin gewährte das EPA Produzenten, die auf traditionellem Wege eine Tomate mit reduziertem Wassergehalt sowie einen Brokkoli mit angeblich krebs-präventiven Nebenwirkungen entwickelt hatten, Schutzrechte. Das wiederum rief das Europäische Parlament auf den Plan. Die Abgeordneten prüften die Praxis der Behörde und kamen zu einem eindeutigen Ergebnis. In einer Entschließung sprachen sie sich gegen die Verleihung solcher Patente aus. Schließlich musste sich dann die Große Beschwerdekammer des EPA mit der Sache befassen und ein Grundsatz-Urteil fällen. Im Vorfeld reichte ein breites Bündnis aus verschiedenen Organisationen – darunter auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) – und Einzelpersonen Stellungnahmen ein, welche die Kammer bei ihrer Entscheidungsfindung berücksichtigen muss. Und das blieb offenbar nicht ohne Wirkung. Die Große Beschwerdekammer befand am 14. Mai 2020, dass Pflanzen und Tiere aus „im Wesentlichen biologischen“ Züchtungsverfahren nicht patentierbar sind. Der Beschluss gilt rückwirkend und betrifft alle Anträge, die ab Juni 2017 eingingen. Die Initiative KEINE PATENTE AUF SAATGUT und andere Gruppen begrüßten dieses Votum, allerdings machten sie noch rechtliche Grauzonen aus. „Das aktuelle Urteil kann dazu beitragen, ein Jahrzehnt voller rechtlicher Absurditäten und chaotischer Entscheidungen am EPA zu beenden. Es gibt aber immer noch ein großes Risiko, dass große Konzerne wie BAYER, ehemals MONSANTO, das Patent-Recht dazu missbrauchen, um die Kontrolle über Landwirtschaft und Lebensmittel-Produktion zu erhalten“, so Katherine Dolan von ARCHE NOAH. Beispielsweise besteht für die Unternehmen immer noch die Möglichkeit, zufällige Pflanzen-Mutationen als eigene Erfindungen auszugeben. So hat das EPA bereits kurz nach dem Spruch der Großen Beschwerdekammer einige mit einem Moratorium belegte Patent-Verfahren wieder anlaufen lassen. Darum dringen die Patent-KritikerInnen unter anderem darauf, die Unterschiede zwischen technischen Erfindungen und den Methoden konventioneller Züchtung genauer zu bestimmen. Um der Forderung nach mehr Klarheit in diesem Bereich mehr Nachdruck zu verleihen, setzte die Initiative TESTBIOTECH einen Offenen Brief an Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) auf, den neben vielen anderene Organisationen auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN unterschrieben hat.

Kunst gegen Konzerne

Die US-amerikanische Künstlerin Kirsten Stolle setzt sich intensiv mit dem Treiben der Agro-Industrie auseinander. Ihre persönlichen Erfahrungen motivierten sie dazu: „Meine von Pestiziden verursachten Gesundheitsstörungen haben mich dazu gebracht, mich mit der unheilvollen Geschichte von BAYER/MONSANTO und DOW CHEMICAL zu befassen und deren Desinformationspolitik bloßzustellen.“ Im Zuge dessen nahm sich Kirsten Stolle etwa die ganzseitige Glyphosat-Anzeige vor, die BAYER am 4. Juni 2019 in der New York Times geschaltet hatte, um gut Wetter für das Mittel zu machen. Die Künstlerin „überarbeitete“ die Annonce und schwärzte den größten Teil des Textes ein, so dass nur noch Wort-Fetzen wie „likely to be carcinogenic“ übrig blieben. Umgekehrt ging sie bei „Annotated“ vor, da ließ sie den Glyphosat-Text stehen, versah ihn aber mit einer Fülle von Anmerkungen. Auch bei TV-Spots von MONSANTO legte Kirsten Stolle Hand an. Zudem entwickelte sie eine makabre BAYER/MONSANTO-Version des Spiels „Scramble“: Zu den Wörtern, die aus einem Quadrat mit 400 Buchstaben herauszuklauben waren, gehören unter anderem „Auschwitz“, „Vietnam“ und „DDT“.

Anfrage in Sachen „Glyphosat“

Im Streit um das Ackergift Glyphosat, das die Weltgesundheitsorganisation (WHO) als „wahrscheinlich krebserregend“ einstuft, hat sich die Bundesregierung gegen einen sofortigen Stopp entschieden. CDU und SPD beschlossen im September 2019 lediglich eine Minderungsstrategie. Andere Länder gehen da rigoroser vor. So erließ Österreich ein Verbot. Das nahm ein Mitglied der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zum Anlass, sich bei Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) nach den Gründen für diese zögerliche Haltung zu erkundigen. „Die Risiko-Bewertung von Glyphosat im Rahmen der Erneuerung der Genehmigung hat unter Zugrundelegung aller verfügbaren Studien ergeben, dass alle gesetzlich vorgeschriebenen Bedingungen für eine erneute Genehmigung gegeben sind“, anwortete das „Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft“ (BMEL). Weder eine krebserregende noch eine nervenschädigende Wirkung habe die „Europäische Chemikalien-Agentur ECHA bei ihrer Prüfung feststellen können, so das BMEL. Der Fragesteller hatte in seinem Brief auf Untersuchungen verwiesen, die zu einem ganz anderen Ergebnis gekommen waren. Darauf aber ging das Ministerium nicht ein.

KAPITAL & ARBEIT

AktionärInnen-Richtlinie light

Im Jahr 2017 hat die Europäische Union als späte Reaktion auf die Finanz-Krise von 2008 eine neue Richtlinie zum AktionärInnen-Recht erlassen (Ticker 2/20). Unter anderem ermächtigt die Verordnung die AnteilseignerInnen, über die Gehälter der ManagerInnen mitzuentscheiden. „Um sicherzustellen, dass die Aktionäre auch tatsächlich Einfluss auf die Vergütungspolitik nehmen können, sollten sie das Recht erhalten, eine Abstimmung mit verbindlichem oder empfehlenden Charakter über die Vergütungspolitik (...) durchzuführen“, hält die Direktive fest. Und zu den dabei auf den Hauptversammlungen anzulegenden Maßstäben heißt es: „Die Leistung von Mitgliedern der Unternehmensleitung sollte anhand sowohl finanzieller als auch nicht-finanzieller Kriterien, gegebenenfalls einschließlich ökologischer, sozialer und Governance-Faktoren, bewertet werden.“ Also ausdrücklich nicht nur nach Profit-Kriterien. Ende 2019 hat der Bundestag die Richtlinie 2017/828 in bundesdeutsches Recht überführt. Allerdings fehlen bedeutende Teile. Von sozialen und ökologischen Messgrößen zur Ermittlung des ManagerInnen-Salärs findet sich in dem „Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechte-Richtlinie“ kein Wort mehr, stattdessen heißt es nur noch: „Die Vergütungsstruktur ist bei börsen-notierten Gesellschaften auf eine nachhaltige und langfristige Entwicklung der Gesellschaft auszurichten.“

Wenning weg

BAYERs Aufsichtsratschef Werner Wenning gibt sein Amt vorzeitig auf. Die GroßaktionärInnen des Konzerns schassten ihn offenkundig wegen des desaströsen Krisen-Managements des Konzerns in Sachen „MONSANTO“, für das Wenning Mitverantwortung trägt. Vor seiner Zeit als Ober-Aufseher stand er dem Leverkusener Multi lange als Vorstandsvorsitzender vor. Sein Amtsantritt im Jahr 2002 markierte eine Zäsur. Mit ihm gelangte zum ersten Mal ein Finanz-Experte an die Spitze des Leverkusener Multis, und genau das strich der Global Player bei seiner Bestallung auch heraus: „Als ausgewiesener Finanzfachmann besitzt er hohe Akzeptanz auf den internationalen Kapitalmärkten.“ Die besaß Wennings Vorgänger Manfred Schneider nämlich eher nicht. Schneider war Betriebswirt und hat nicht selten sein Befremden über die Finanz-AnalystInnen geäußert. In seinen Augen waren das alles Laien, grüne Jungs, die noch nie ein Unternehmen geführt hatten. Er wusste auch gar nicht so recht, woher diese Leute sich plötzlich das Recht nahmen, ihm etwas sagen zu wollen. Wenning hingegen wusste das nur allzu gut. Schon in seiner Zeit als Finanzchef hatte er BAYER finanzmarkt-kompatibler gestaltet. So führte er beispielsweise das Wertmanagement ein, die konsequente Ausrichtung jeder Unternehmenshandlung, jedes Beschäftigen auf die Steigerung des Aktienkurses. Und Wenning richtete 1998/1999 auch eine eigene Abteilung für „Investor Relations“ ein. Als Vorstandsvorsitzender bestand dann eine seiner ersten Amtshandlungen darin, aus BAYER eine Holding zu machen, um „Werttreiber und Wertvernichter noch leichter identifizieren zu können“. Und mit der Chemie-Sparte hatte er bald auch schon einen „Minderleister“ identifiziert. Im Jahr 2003 trennte sich die Aktien-Gesellschaft von diesem Geschäft und gab damit dem Druck der Kapitalmärkte nach, dem Manfred Schneider noch widerstanden hatte. Von da an setzte sich der Umbau des Konzerns dann munter fort – bis hin zur verhängnisvollen MONSANTO-Akquisition.

Arbeitsplatz-Vernichtung in Berlin

Die Prozesse in Sachen „Glyphosat“ mit ihren millionen-schweren Schadensersatz-Urteilen haben zu einem Absturz der BAYER-Aktie geführt. Großaktionäre wie BLACKROCK mahnten Handlungsbedarf an, und der Leverkusener Multi lieferte. Im November 2018 verkündete er ein großes Rationalisierungsprogramm („Super Bowl“), das unter anderem die Streichung von 12.000 Stellen vorsieht. Dabei kommt es auch am Standort Berlin zu Einschnitten. Dort gibt der Global Player die Forschung auf dem Gebiet klein-molekularer Wirkstoffe auf. Die Firma NUVISAN übernimmt zwar den Bereich, aber längst nicht alle der rund 400 Beschäftigten.

Tarifvertragsquote: 55 Prozent

Weltweit hat BAYER im Geschäftsjahr 2019 nur mit 55 Prozent seiner Beschäftigten Tarifverträge abgeschlossen, 2014 waren es 52 Prozent. In der Region „Europa/Nahost/Afrika“ gibt es solche Vereinbarungen für 80 Prozent der Belegschaften (2014: 87 Prozent), in Lateinamerika beträgt die Quote 54 Prozent (2014: 45 Prozent) und in den USA lediglich zwei Prozent (2014: fünf Prozent).

599 Arbeitsunfälle

Für das Geschäftsjahr 2019 führt BAYER 599 „berichtspflichtige Arbeitsunfälle mit Ausfall-Tagen“ auf. In fünf Prozent der Fälle war dabei der Kontakt mit Chemikalien die Ursache.

34 Fälle von Berufskrankheiten

Im Geschäftsjahr 2019 kam es bei BAYER laut Nachhaltigkeitsbericht zu 34 „arbeitsplatz-bedingten Erkrankungen“. „Sie betrafen u. a. den Bewegungsapparat und Haut-Reaktionen, ohne dass sich klare Risiko-Bereiche abzeichnen lassen“, heißt es darin.

IG FARBEN & HEUTE

Keine Stunde Null

Am 8. Mai vor 75 Jahren befreiten die Alliierten Deutschland vom Faschismus. Das von BAYER mitgegründete Industrie-Konglomerat IG FARBEN war ein wesentlicher Bestandteil des NS-Systems. Der Mega-Konzern hatte sich schon 1932 mit Hitler verbündet und den „Benzinpakt“ geschlossen. Nach der Machtergreifung erstellte er die Blaupause für den Vierjahresplan, mit dem die Nazis die Wirtschaft wehrtüchtig machten. Als es dann 1939 so weit war, vermochte der Multi die Armee fast alleine auszustatten. An der Vernichtungspolitik wirkte die IG FARBEN ebenfalls mit. Sie errichtete in unmittelbarer Nähe von Auschwitz ein Chemie-Werk und unterhielt in der Nähe der Baustelle ein eigenes ZwangsarbeiterInnen-Lager als Arbeitskräfte-Reservoir, während ihre Tochter-Firma DEGESCH den FaschistInnen mit dem Zyklon B die Mordwaffe lieferte. Darum stand die Zerschlagung des Giganten zunächst ganz oben auf der Agenda der Kriegskoalition. „Wenn es die Politik der Alliierten ist, dass ‚Deutschland nie wieder seine Nachbarn oder den Frieden der Welt bedrohen wird’, dann müssen die IG FARBEN zusammen mit ihren kriegswichtigen Anlagen zerstört werden“, hieß es in einem Bericht des US-Finanzministeriums. Aber es sollte anders kommen. Zum einen änderten sich in den USA die politischen Kräfteverhältnisse, sodass die „Tabula Rasa“-Fraktion unter Finanzminister Henry Morgenthau in die Defensive geriet. Zum anderen unterhielt die US-Industrie umfangreiche Geschäftsbeziehungen zu deutschen Unternehmen und verlangte von der Regierung, ihre Absatzgebiete zu sichern. Und schließlich begann der Kalte Krieg, weshalb ein starkes Deutschland gefragt war, das als „Frontstaat“ agieren konnte. Die westlichen Besatzungsmächte beließen es deshalb bei einer mehr als halbherzigen Entflechtung, die BAYER, BASF und HOECHST unbeschadet überstanden. Und bereits 20 Jahre später waren die einstigen IG-Teile allein größer als das damalige Ganze.

IG FARBEN & HEUTE

Benjamin Ferencz wurde 100

Im März 2020 feierte Benjamin Ferencz seinen 100. Geburtstag. Bei den Nürnberger KriegsverbrecherInnen-Prozessen hatte er das Verfahren gegen die Einsatz-Truppen des NS-Regimesgeleitet. In den 1950er Jahren dann verhandelte der Ungar im Auftrag der „Jewish Claims Conference“ mit der Bundesregierung und denjenigen Unternehmen, die während der Nazi-Zeit ZwangsarbeiterInnen beschäftigt hatten, über Entschädigungszahlungen. Die von BAYER mitgegründete IG FARBEN musste nur 27 Millionen DM aufbringen. Da blieb für die ehemaligen SklavenarbeiterInnen nicht viel übrig. „Sogar die strengen Härtefälle unter denen, die die Arbeit für die IG FARBEN in Auschwitz überlebt haben, erhielten jeder nicht mehr als 1.700 Dollar“, klagte Ferencz.

KONZERN & VERGANGENHEIT

100 Jahre Betriebsräte-Gesetz

Die Weimarer Verfassung sah umfangreiche Gestaltungsmöglichkeiten für Betriebsräte vor. Sie billigte den Beschäftigten-VertreterInnen im Artikel 165 das Recht zu, „gleichberechtigt in Gemeinschaft mit den Unternehmern an der Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen sowie an der gesamten wirtschaftlichen Entwicklung der produktiven Kräfte mitzuwirken“. Näheres sollte das Betriebsräte-Gesetz regeln. BAYER-Generaldirektor Carl Duisberg ersann darum prophylaktisch schon einmal geeignete Gegenmaßnahmen. So plante er unter anderem, die Gesamtzahl an Betriebsratssitzen zu erhöhen, um die Beschäftigten überstimmen zu können. Am Ende erwiesen sich solche Tricks jedoch als unnötig, denn es gelang der Kapital-Seite, die Regelungen massiv zu verwässern. Dementsprechend kritisch standen die KPD sowie Teile von USPD und Freien Gewerkschaften dem Gesetzes-Vorhaben gegenüber. Für den Tag der 2. Lesung des Paragrafen-Werkes riefen sie deshalb zu Protesten auf, bei denen es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kam. Die Schätzungen reichen von 20 bis hin zu 42 Toten; zudem gab es über 100 Verletzte. Niemals zuvor und niemals wieder hat in der deutschen Geschichte eine Demonstration so viele Opfer gefordert. Von all dem findet sich in BAYERs Firmen-Chronik „Meilensteine“ nichts. In ihr feiert sich der Global Player unter der Überschrift „Schneller als die Gesetze: Mitbestimmung und Mitverantwortung“ hingegen als ein Unternehmen, das seinen Beschäftigten aus freien Stücken schon weit vor dem Betriebsräte-Gesetz und dem 1916 verabschiedeten „Vaterländischen Hilfsdienst-Gesetz“ eine Interessensvertretung zugestanden hatte.

Feine Füße von drüben

Der Fußball-Club BAYER Leverkusen hatte die DDR bereits in den 1980er Jahren als Spieler-Reservoir entdeckt. Wie aus Stasi-Unterlagen hervorgeht, beobachtete er mit Hilfe des in die Bundesrepublik geflohenen Trainers Jörg Berger DDR-Kicker bei Auswärtsspielen und verleitete geeignete Kandidaten wie Falko Götz oder Dirk Schlegel zur Republikflucht (Ticker 3/00). Und nach der Wende legte der Verein in Tateinheit mit anderen Bundesligisten erst so richtig los. „Am 5. Januar 1990 kam ich zum ersten Training nach der Winterpause und wusste nicht, wer überhaupt noch da war“, klagte etwa der Trainer des PSV Schwerin, Manfred Radtke, über das Ausmaß des „Schlussverkaufs“. Im Juni des Jahres bestritt er mit seiner Mannschaft das DDR-Pokalfinale gegen Dynamo Dresden. Der damalige BAYER-Manager Reiner Calmund saß damals auf der Tribüne und lockte Matthias Stammann für 350.000 DM vom PSV weg. Andreas Thom hatte Calmund da schon eingesackt. Am liebsten hätte er auch noch den zu der Zeit bei Dynamo Dresden spielenden Matthias Sammer verpflichtet, aber da war der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl vor. „Sie können die DDR nicht einfach leerkaufen“, redete dieser den Leverkusener ManagerInnen ins Gewissen. Aber BAYER ließ nicht locker und angelte sich dann noch Ulf Kirsten. Unter der Überschrift „‚Go West’– Zwischen Flucht und Mauerfall – Feine Füße von drüben“ handelt der Verein selber das Ost-Kapitel ab.

POLITIK & EINFLUSS

Online-HV nach BAYER-Gusto

Der Leverkusener Multi ergreift stets jede Gelegenheit, um sich die bei seinen Hauptversammlungen notorischen Proteste so gut es geht vom Leib zu halten. Im Jahr 2020 hieß die Gelegenheit „Corona-Pandemie“. Der Leverkusener Multi nutzte die Ungunst der Stunde und flüchtete vor den Konzern-KritikerInnen ins Virtuelle: Er berief eine Online-HV ein. Die rechtliche Handhabe dazu bot ihm das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie“. Dessen Passagen zu den AktionärInnen-Treffen erlaubten den Konzernen, statt Reden nur noch Fragen zu gestatten. Sie konnten dabei sogar noch aussieben und Groß-Investoren wie BLACKROCK den Vortritt lassen. Ein Aktivist der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) stellte dazu einige Bundestagsabgeordnete zur Rede und erhielt erhellende Antworten. So schrieb der CDUler Dr. Carsten Brodesser, in den letzten Jahren würden Hauptversammlungen „zunehmend als politisches Forum genutzt, was bei den Abläufen zu teilweise unübersichtlichen Situationen führte“. Das sei in der realen Welt noch zu managen, nicht aber in der virtuellen, und „dem will der Gesetzgeber mit seinem Vorstoß unter anderem Rechnung tragen“. Das Büro des CDU-Parlamentariers Sepp Müller hielt bei nur im Netz stattfindenden Hauptversammlungen hingegen „eine Flut von Fragen und auch – wie bei sozialen Medien nicht unüblich – inhaltlich inakzeptablen Einwürfen“ für denkbar, dem Vorschub geleistet werden müsse. Und dabei halfen BAYER & Co. kräftig mit. Stellungnahmen zum Gesetzes-Entwurf „werden vermutlich auch die Vorstände mancher AGs geschrieben haben“, hielt Brodesser-Mitarbeiter Carl Canzler fest. Sein Kollege aus dem Büro Müller verwies indessen etwas unkonkreter auf „externe Expertise aus allen Bereichen“, die es den Abgeordneten ermöglicht habe, „auch praktische Auswirkungen auf unterschiedliche Akteure abbilden zu können“. Auf der Hauptversammlung selber hat BAYER dann auch eine Einflussnahme über den „Bundesverband der deutschen Industrie“, den „Verband der Chemischen Industrie“ und das „Deutsche Aktieninstitut“ eingeräumt.

Forschungsförderung für BAYER & Co.

Seit Jahr und Tag fordert der BAYER-Konzern die staatliche Förderung von Forschungsaufwendungen. Nun hat die Bundesregierung die Signale erhört. Anfang 2020 trat das „Forschungszulagen-Gesetz“ in Kraft, das jährliche Subventionen in Höhe von 1,27 Milliarden Euro vorsieht. Bis zu 500.000 Euro kann ein einzelnes Unternehmen abgreifen – und im Zuge der Corona-Maßnahmen erhöhte die Große Koalition die Summe dann noch einmal auf vier Millionen. Ursprünglich sollten nur kleine und mittelgroße Firmen in den Genuss der Gelder kommen, aber Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) räumte den Weg für die Multis frei. Dem „Verband der chemischen Industrie“ (VCI) gelang es bei seiner Lobby-Arbeit für BAYER & Co. darüber hinaus sogar noch, finanzielle Unterstützung für Labor-Arbeiten herauszuschlagen, die gar nicht bei den Konzernen selber stattfinden: Auch für Auftragsforschung hält die Große Koalition Mittel bereit.

Verfassungsrichter nach BAYER-Gusto

Der neue Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth, ist ein Mann ganz nach dem Geschmack der Leverkusener. Als Anwalt und späterer Partner der Wirtschaftskanzlei SZA hat er nämlich schon zahlreiche Unternehmen wie etwa VW vor rechtlichem Unbill geschützt. Das hat bei SZA eine Tradition, die weit zurückreicht. So tüftelten die beiden Gründer Heinrich Kronstein und Wilhelm Zutt in der Weimarer Republik die rechtliche Konstruktion für die von BAYER mitgegründete IG FARBEN aus, den späteren Mörder-Konzern mit eigenem ZwangsarbeiterInnen-Lager in Auschwitz. Auch bei von BAYER gesponserten Events trat Harbarth schon auf. So hielt der Jurist im Jahr 2018 auf der „German American Conference“, zu deren Förderern außerdem noch SIEMENS und die BOSTON CONSULTION GROUP zählten, eine Rede über den Schutz der Meinungsfreiheit.

MONSANTO verstieß gegen Lobby-Regeln

Die nunmehrige BAYER-Tochter MONSANTO investierte Unsummen, um für ihr umstrittenes Pestizid Glyphosat 2017 eine erneute EU-Zulassung zu bekommen. Die von ihr zu diesem Behufe engagierte PR-Firma FLEISHMANHILLARD scheute dabei vor keinem Mittel zurück. Sie legte umfangreiche Listen von PolitikerInnen, JournalistInnen sowie Behörden-MitarbeiterInnen an und ordnete sie in Kategorien wie „Verbündeter“, „möglicher Verbündeter“, „zu erziehen“ oder „im Auge behalten“ ein (siehe SWB 3/19). Allein in Brüssel bei der EU betrieb FLEISHMANHILLARD mit rund 60 Beschäftigten Einfluss-Arbeit. Die Kosten für die von Oktober 2016 bis Dezember 2018 dauernde „Glyphosate Renewal Campaign“ hat BAYER auf 14,5 Millionen Euro beziffert. Diese Summe findet sich im Lobby-Register der EU allerdings nicht wieder (siehe Ticker 2/20). Dort gab FLEISHMANHILLARD für 2016 lediglich 0,8 Millionen Euro an und MONSANTO für den Zeitraum von September 2016 bis August 2017 bloß 1,45 Millionen Euro. „Diese Zahlen zeigen, dass die Lobby-Macht der Pestizid-Industrie viel größer ist, als offiziell verlautbart (...) Diese Diskrepanz zwischen den angegebenen Aufwendungen und den 14,5 Millionen Euro kann als ein klarer Fall von Desinformation angesehen werden“, konstatierte das CORPORATE EUROPE OBSERVATORY (CEO) und reichte eine Beschwerde ein. Daraufhin prüfte das Sekretariat des Lobby-Registers die MONSANTO-Zahlen. Dabei kam heraus, dass der Konzern nur seine Aufwendungen für das Antichambrieren in Brüssel selber aufgeführt und die Lobbying-Investitionen in den Mitgliedsländern ausgespart hatte. Damit verstieß das Unternehmen gegen die Vorschriften. Die Meldungen müssen nämlich alle Ausgaben „zum Zweck der unmittelbaren oder mittelbaren Einflussnahme auf EU-Organe, unabhängig vom Ort, an dem die Tätigkeiten ausgeführt werden“, enthalten. Eine Strafe will die Europäische Union trotzdem nicht verhängen, sie kündigte lediglich an, die Regeln klarer fassen zu wollen.

Konzerne schreiben neues EEG-Gesetz

Die in der Strom-Rechnung enthaltene EEG-Umlage ist für die Förderung alternativer Energien bestimmt. Allerdings tragen nicht alle gleichermaßen zu der Subventionierung von Wind & Co. bei. Der Gesetzgeber hat BAYER und andere Chemie-Firmen wegen ihres hohen Energie-Bedarfs und entsprechend hoher Kosten weitgehend von der Abgabe befreit. Zudem zahlen die Konzerne für die Elektrizität, die sie in ihren eigenen Kraftwerken selbst erzeugen, nichts in den EEG-Topf ein. Das sogenannte Eigenstrom-Privileg entbindet sie davon. Aber den Multis reichte das noch nicht. Sie wollten sich auch bei dem zugekauften Strom vor den EEG-Zahlungen drücken. Dafür bedienten sich die Gesellschaften des „Scheibenpacht-Modells“, das sich schlaue BeraterInnen ausgedacht hatten. Diese entwickelten Verträge, die BAYER, RWE, DAIMLER und andere Global Player von schnöden Strom-Kunden zu fiktiven Pächtern von Kraftwerk-Anteilen machten – und damit zu Nutznießern des Eigenstrom-Privilegs. „Einzelne Unternehmen sparten auf diese Weise Hunderte Millionen Euro“, so der Spiegel, der den Skandal aufdeckte. Darum haben Netzbetreiber wie AMPRION die Unternehmen nun verklagt. Der Leverkusener Multi hingegen ist sich keiner Schuld bewusst und beteuert, sich immer an geltendes Recht gehalten zu haben. Betrugsvorwürfe wies BAYER-Chef Werner Baumann auf der Hauptversammlung des Konzerns am 28. April 2020 „entschieden“ zurück. Damit nicht genug, gehen die Firmen in die Offensive. Wie wiederum der Spiegel berichtete, möchten sie eine Gesetzes-Änderung erreichen, die sie vor Strafzahlungen schützt. Dazu haben BAYER & Co. dem Wirtschaftsministerium schon einmal frei Haus die passende Vorlage geliefert und eine „Novellierung Paragraf 104 Absatz 4 Erneuerbare Energien Gesetz (EEG)“ verfasst. Zudem trafen sich AnwältInnen und andere VertreterInnen der Firmen sowie EmissärInnen des „Verbandes der chemischen Industrie“ und anderer Organisationen in der Causa bereits mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Und nach dem Gespräch zeigte sich ein Konzern-Jurist auch hoffnungsfroh, dass „Missverständnisse“ über das Eigenstrom-Privileg bald „zielführend ausgeräumt“ werden.

Baumann kritisiert „Green Deal“

Im Mai 2020 hat die Europäische Union zwei wesentliche Elemente ihres „Green Deals“ vorgestellt: die Biodiversitätsstrategie und die Landwirtschaftsstrategie „Vom Hof auf den Tisch“. Letztere gibt nach Ansicht der EU „eine umfassende Antwort auf die Herausforderungen nachhaltiger Lebensmittel-Systeme und erkennt an, dass gesunde Menschen, gesunde Gesellschaften und ein gesunder Planet untrennbar miteinander verbunden sind“. Auf der Agenda steht unter anderem eine Verringerung des Pestizid-Einsatzes bis 2030 um 50 Prozent. Das passt BAYER-Chef Werner Baumann gar nicht. „Es wäre illusorisch zu glauben, wir könnten ohne Pflanzenschutzmittel die bald acht Milliarden Menschen auf der Erde ernähren, die Biodiversität schützen und zugleich keine weiteren Flächen für die Landwirtschaft erschließen“, sagte er in einem Interview mit der FAZ. Ähnlich argumentiert der Konzern seit Jahren. Die Initiative OXFAM spricht in diesem Zusammenhang vom „Welternährungsmythos“. Sie hält die Zahlen, mit denen BAYER & Co. die Notwendigkeit einer Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion (und damit des Gebrauchs der Ackergifte) begründen, für nicht belastbar. In diese fließt nämlich nicht nur der mutmaßliche Bedarf an Lebensmitteln, sondern auch derjenige an Futtermitteln und Agrar-Rohstoffen zum industriellen Gebrauch ein. Auch zweifelt OXFAM den Zusammenhang zwischen der Menge an vorhandenen Nahrungsgütern und dem Hunger an. „Er suggeriert, dass eine höhere Produktion weniger Hunger bedeutet. Menschen hungern jedoch, weil sie extrem arm sind und sich keine Lebensmittel leisten können“, konstatiert die Organisation. Ihr schlichtes Fazit lautet: „Jenen, die den Welternährungsmythos bemühen, geht es in erster Linie um die Profite von Agrar-Konzernen und weniger um bessere Bedingungen für Hungerleidende.“

„Green Deal“: Klöckner reserviert

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) zeigt sich wenig begeistert von der Landwirtschaftsstrategie „Vom Hof auf den Tisch“, welche die Europäische Union am 20. Mai 2020 als „Kernstück“ ihres „Green Deals“ vorstellte. Diese sieht nämlich unter anderem eine Reduzierung des Pestizid-Einsatzes um 50 Prozent bis 2030 vor. „Die Vorschläge sind sehr ambitioniert“, konstatierte die CDU-Politikerin und führte weiter – ganz im Sinne von BAYER-Chef Werner Baumann (s. o.) – aus: „Die ausreichende Verfügbarkeit unserer Grundnahrungsmittel und die Ernährungssicherung der EU und global müssen stets im Vordergrund stehen. Und das wird immer Umwelt-Einflüsse haben.“ Klöckner bezeichnete die 24 Seiten lediglich als „Diskussionsgrundlage“ und stimmte schon einmal auf Kontroversen ein. Vielsagend wies sie in ihrer Presseerklärung darauf hin, dass der EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski bei der Präsentation der „Vom Hof auf den Tisch“-Strategie fehlte.

BfR unter Einfluss

Das „Bundesinstitut für Risiko-Bewertung“ (BfR) fällt immer wieder durch Entscheidungen im Sinne der Konzerne auf. So stellte es dem von der Weltgesundheitsorganisation WHO als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuften BAYER-Pestizid Glyphosat im Rahmen der EU-Entscheidung über die Zulassungsverlängerung eine aus Industrie-Unterlagen zusammengeklaubte Unbedenklichkeitsbescheinigung aus. Das wundert allerdings nicht weiter, denn das Bundesinstitut steht unter Einfluss. So sitzt in der „BfR-Kommission für Pflanzenschutzmittel und ihre Rückstände“ neben VertreterInnen von BASF auch der BAYER-Manager Dr. Frank Pierre Laporte.

PROPAGANDA & MEDIEN

VCI macht Schule

BAYER & Co. drängen mit aller Macht in die Schulen, um Einfluss auf die Lehrpläne zu nehmen und ForscherInnen-Nachwuchs zu rekrutieren. Nach einer Studie der „Otto Brenner Stiftung“ haben sie bereits rund 800.000 – natürlich kostenlose – Lehrmaterialien erstellt, die noch nicht einmal die bei normalen Schulbüchern üblichen pädagogischen Eignungstests durchlaufen müssen, ehe sie in den Klassenzimmern landen. Ganz vorne mit dabei: der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI). Mit einem Etat von ca. zwölf Millionen Euro gedenkt er im Jahr 2020 die Schullandschaft zu pflegen. Dabei reicht das Programm von „Finanzmitteln für Experimente über kostenfreie Unterrichtsmaterialien bis hin zu Angeboten für die Lehreraus- und -fortbildung“.

EU ermöglicht Gift-Importe

Die Europäische Union hatte sich vorgenommen, konsequent zu sein und Rückstände von Pestiziden, die sie wegen ihrer gesundheitsschädlichen Wirkungen verboten hat, auch nicht mehr in Lebensmittel-Importen zu dulden (siehe auch SWB 3/20). Das wussten BAYER & Co. allerdings zu verhindern. Immer wieder trafen EmissärInnen des Leverkusener Multis mit EU-KommissarInnen und/oder deren Kabinettsmitgliedern zusammen, um die Pläne zu vereiteln. So präsentierte der Konzern der Generaldirektion Handel etwa einen Report, der vor großen finanziellen Einschnitten durch die avisierten EU-Maßnahmen warnte. Und der beharrliche Lobby-Einsatz zahlte sich am Ende aus. Die Wünsche der Unternehmen fanden Eingang in die neue EU-Landwirtschaftsstrategie „Vom Hof auf den Tisch“. In dem entsprechenden Passus heißt es, Brüssel gewähre „Einfuhr-Toleranzen für Pestizid-Wirkstoffe, die in der EU nicht mehr genehmigt sind“. „Das ist ein Offenbarungseid. Die EU-Kommission räumt den Konzern-Interessen den Vorrang vor der menschlichen Gesundheit ein“, konstatierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) in ihrer Presseerklärung.

DRUGS & PILLS

EMA überprüfte CIPROBAY

Antibiotika mit Wirkstoffen aus der Gruppe der Fluorchinolone wie BAYERs CIPROBAY können zahlreiche Gesundheitsschädigungen auslösen (siehe auch SWB 3/18). Besonders häufig kommen Lädierungen von Muskeln und Sehnen vor. Darüber hinaus zählen Herzinfarkte, Unterzuckerungen, Hepatitis, Autoimmun-Krankheiten, Leber- oder Nierenversagen und Erbgut-Schädigungen zu den Risiken und Nebenwirkungen. Auch Störungen des Zentralen Nervensystems, die sich in Psychosen, Angst-Attacken, Verwirrtheitszuständen, Schlaflosigkeit oder anderen psychiatrischen Krankheitsbildern manifestieren, beobachten die MedizinerInnen schon. Da sich in letzter Zeit zudem Meldungen über Schädigungen der Herzklappen durch die Mittel häuften, leitete die „Europäische Arzneimittel-Agentur“ (EMA) ein Prüfverfahren ein. Dieses bestätigte den Verdacht jedoch nicht. Darum müssen BAYER & Co. die Warnhinweise auf den Beipackzetteln nicht ändern.

Gefährliche Hormonersatz-Therapie

BAYER & Co. ist es gelungen, die Wechseljahre zu einer Krankheit zu erklären, bei der nur eins hilft: die Hormonersatz-Therapie. Was die Konzerne „Menopausen-Management“ nennen, bezeichnen KritikerInnen als „die Medikalisierung körperlicher Umbruchphasen im Leben von Frauen“. Und diese setzt die Patientinnen erheblichen Gesundheitsgefahren aus. Da neue Studien das Brustkrebs-Risiko von Hormonersatz-Therapien zu bestätigen schienen, hatte die „Europäische Arzneimittel-Agentur“ (EMA) ein Prüfverfahren eingeleitet. Erhöhten Handlungsbedarf sah die EMA nach Vorlage des Berichts jedoch nicht. „Zurzeit keine weiteren Maßnahmen“, verkündete sie.

Mehr Umsatz mit YASMIN & Co.

Verhütungsmittel der dritten und vierten Generation wie die Präparate aus BAYERs YASMIN-Produktreihe stehen seit Jahren wegen des erhöhten Thrombose-Risikos, das von ihnen ausgeht, in der Kritik. Während sich unter YASMIN, YAZ, YASMINELLE & Co. bei 9 bis 12 von 10.000 Frauen ein Blutgerinnsel bildet, kommt es bei älteren Arzneien mit den Wirkstoffen Levonorgestrel, Norethisteron oder Norgestimat nur bei 5 bis 7 von 10.000 Frauen dazu. Die Geschäfte des Pharma-Riesen beeinträchtigt das jedoch nicht. Im Geschäftsjahr 2019 stieg sein Umsatz mit diesen Medikamenten gegenüber 2018 um 42 Millionen auf 681 Millionen Euro.

Neue Arznei gegen Prostata-Krebs

BAYER hat gemeinsam mit dem finnischen Unternehmen ORION ein Medikament zur Behandlung von Prostata-Krebs entwickelt. Das Präparat NUBEQA mit dem Wirkstoff Darolutamid ist dabei auf solche Patienten zugeschnitten, die zwar noch keine Metastasen haben, aber erhöhte, nicht auf eine Therapie mit Testosteron-Blockern reagierende PSA-Werte. Bei dieser Gruppe von Kranken stört das Darolutamid angeblich die Arbeit des Androgen-Rezeptors und hemmt so die Bildung von Testosteron, welches das Tumor-Wachstum befördert.

PCOS-Kooperation mit EVOTEC

BAYER hat mit dem Hamburger Biotech-Unternehmen EVOTEC eine Kooperation auf dem Gebiet der Frauen-Heilkunde vereinbart. Die Firma will für den Leverkusener Multi eine Arznei zur Therapie des polyzystischen Ovarial-Syndroms (PCOS) entwickeln. Bei dieser Gesundheitsstörung handelt es sich um eine Erkrankung des Eierstocks, bei der Zysten-Bildungen den Ei-Sprung und so auch mögliche Schwangerschaften verhindern. Daneben forscht EVOTEC für den Global Player noch an Präparaten gegen Gebärmutterschleimhaut-Wucherungen, Husten und Nierenschäden. Die engen Verbindungen zum Pillen-Riesen kommen dabei nicht von ungefähr. Das ehemalige BAYER-Vorstands- und jetzige Aufsichtsratsmitglied Wolfgang Plischke steht nämlich dem EVOTEC-Aufsichtsrat vor.

Galileo-Studie: Keine Aufklärung

BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO hat viele Risiken und Nebenwirkungen. So kann er beispielsweise schwere Blutungen verursachen, die allzu oft tödlich enden. Trotzdem versucht der Leverkusener Multi unermüdlich, neue Anwendungsfelder für sein Präparat zu finden. Nicht einmal dramatische Zwischenfälle bei den entsprechenden klinischen Prüfungen halten ihn davon ab. So musste der Pharma-Riese im Oktober 2018 die Galileo-Studie abbrechen, weil die Erprobung des Mittels an PatientInnen, die gerade eine künstliche Herzklappe bekommen hatten, gehäuft zu Todesfällen führte (Ticker 1/19). Anfang 2020 publizierten der Konzern und sein US-amerikanischer Vertriebspartner JANSSEN einen Aufsatz über den Arznei-Test in einer Fachzeitschrift. Aber Aufschluss über die hohe Sterberate konnten die beiden Unternehmen nicht geben. „Wir verstehen die Ergebnisse nicht ganz“, gab James List von JANSSEN anlässlich der Veröffentlichung zu Protokoll, vergaß dabei aber nicht, XARELTO eine Unbedenklichkeitsbescheinigung auszustellen. „Da die TeilnehmerInnen am GALILEO-Test sich grundlegend von denen der anderen XARELTO-Tests unterscheiden, bleibt das Sicherheits- und Wirksamkeitsprofil von XARELTO bei den acht von der FDA (US-amerikanische Gesundheitsbehörde, Anm. Ticker) genehmigten Indikationen positiv“, so der Pharma-Manager.

Zahlreiche XARELTO-Nebenwirkungen

BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO löst immer wieder schwere Gesundheitsstörungen aus. 113.707 Meldungen über gravierende Nebenwirkungen gingen bis zum 30. Mai 2020 bei der Europäischen Datenbank für unerwünschte Arzneimittel-Effekte ein.

XARELTO für junge Erwachsene

Bald läuft das Patent für BAYERs umsatzstärkstes Pharmazeutikum, dem mit vielen Risiken und Nebenwirkungen behafteten Gerinnungshemmer XARELTO, aus. Darum versucht der Konzern fieberhaft, seinem Top-Seller mit dem Wirkstoff Rivaroxaban neue Anwendungsgebiete zu erschließen. So beantragte der Pharma-Riese jetzt in Aussicht auf eine sechsmonatige Patent-Verlängerung eine EU-weite XARELTO-Zulassung zur Behandlung von jungen Thromboembolie-PatientInnen bis 17 Jahre. Dabei ist die Fakten-Lage dünn. Am entsprechenden klinischen Test nahmen nur 500 Kinder und Jugendliche teil. Zudem handelte es sich nicht um eine Doppelblind-Studie. Auch das Ergebnis spricht nicht gerade für das Präparat. Unter dem BAYER-Mittel bekamen 1,2 Prozent der TeilnehmerInnen eine Thromboembolie, unter der Standard-Medikation Heparin mit drei Prozent nicht viel mehr. Zudem traten in der XARELTO-Gruppe mehr Blutungen auf (drei Prozent gegenüber 1,9). Diese seien aber weniger schwer verlaufen, versucht der Leverkusener Multi zu relativieren.

Neue XARELTO-Zulassung

Der BAYER-Konzern hat seinem umstrittenen Gerinnungshemmer XARELTO in den Vereinigten Staaten ein neues – das bisher achte – Anwendungsgebiet erschlossen. Die US-Gesundheitsbehörde FDA erteilte dem Präparat eine Zulassung zur präventiven Behandlung von solchen PatientInnen mit Thromboembolie-Risiko, die wegen akuter internistischer Gesundheitsstörungen wie etwa Schlaganfällen, Infektionskrankheiten oder Herzinsuffienz in ein Krankenhaus eingeliefert werden müssen.

GLYPHOSAT & CO.

Größeres Krebs-Risiko durch Dicamba

Der von BAYER und anderen Agro-Konzernen vermarktete Pestizid-Wirkstoff Dicamba lässt für LandwirtInnen die Wahrscheinlichkeit steigen, an Leber- und Gallenwegkrebs zu erkranken. Bei FarmerInnen, welche die Substanz intensiv nutzen, stieg das Risiko gegenüber solchen, welche den Stoff nicht einsetzen, um den Faktor 1.8. Die Leukämie-Gefahr nahm ebenfalls zu. Das ergab eine Untersuchung der US-amerikanischen „National Institutes of Health“ (NIH) auf der Basis eines rund 50.000 Bauern und Bäuerinnen umfassenden Daten-Satzes der „Agricultural Health Study“. Auch 20 Jahre nach der Erst-Exposition blieb die erhöhte Gefährdung noch bestehen. Nach dem Fall „Glyphosat“ droht BAYER nun also auch ein Fall „Dicamba“. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) forderte die Bundesregierung in einer Presseerklärung auf, die neuen Erkenntnisse bei den Entscheidungen über Zulassungsverlängerung für dicamba-haltige Produkte zu berücksichtigen. „Es besteht dringender Handlungsbedarf“, hielt die CBG fest.

Notfall-Zulassungen in Deutschland

„Wenn eine Gefahr anders nicht abzuwehren ist, kann das ‚Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel-Sicherheit’ kurzfristig das Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels für eine begrenzte und kontrollierte Verwendung und für maximal 120 Tage zulassen“, heißt es auf der Webpage der Behörde. Und das tut diese immer häufiger. Schon 60 Notfall-Zulassungen gewährte das BVL im laufenden Jahr. Zumeist handelt es sich dabei um die Erlaubnis, die Pestizide in weiteren Kulturen gegen Schadinsekten oder Wildpflanzen nutzen zu können. So verhielt es sich auch bei dem BAYER-Insektizid MOVENTO SC 100. Gleich vier Mal genehmigte das Bundesamt eine Ausweitung der Anwendungszone. So dürfen die bundesdeutschen LandwirtInnen das Mittel mit dem Wirkstoff Spirotetramat zusätzlich gegen die Maulbeer-Schildlaus, die Rote Austern-Schildlaus, den Gemeinen Birnenblatt-Sauger, die Hopfen-Blattlaus, die Apfel-Blutlaus, die Reben-Schildlaus und zahlreiche weitere Tiere einsetzen.

Notfall-Zulassungen in der EU

Nicht nur Deutschland erteilt Notfall-Genehmigungen für Pestizide (s. o.), auch andere europäische Länder tun das. Dabei schrecken einige Staaten nicht einmal davor zurück, bereits auf den Index gesetzte Agro-Chemikalien wie etwa BAYERs Saatgut-Beizmittel PONCHO aus der Gruppe der Neonicotinoide kurzzeitig wieder zuzulassen. Finnische, belgische und spanische LandwirtInnen können das Mittel, das die Europäische Union wegen seiner Bienengefährlichkeit im Jahr 2018 aus dem Verkehr gezogen hatte, in diesem Jahr wieder nutzen. Nur in Einzelfällen interveniert die EU. So untersagte sie im Februar 2020 Rumänien und Litauen, die Neonicotinoide wieder aus dem Giftschrank zu holen. Daneben durften sich noch einige Produkte des Leverkusener Multis über eine Ausweitung der Anwendungszone auf bisher verbotene Früchte freuen, so SIVANTO mit dem Wirkstoff Flupyradifuron und RONSTAR (Oxadiazon) in Griechenland, MOVENTO 48 C (Spirotetramat) in Italien und CONVISO ONE (Foramsulfuron und Thiencarbazone-methyl) in der Slowakei. Die einzelnen EU-Mitgliedsländer nutzen das Instrument der Notfall-Zulassungen in unterschiedlichem Maß. Um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, strebt die Europäische Union nun eine Harmonisierung der Praxis an. Geschehen ist allerdings bisher noch nichts.

Artensterben durch PONCHO

Die EU hat Pestizid-Wirkstoffe aus der Gruppe der Neonicotinoide im Jahr 2018 wegen ihrer bienenschädlichen Effekte verboten. In den meisten anderen Ländern der Welt dürfen sich Produkte wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel PONCHO (Wirkstoff: Clothianidin) jedoch weiterhin auf den Feldern tummeln und dort ihr Gefährdungspotenzial entfalten. Und dieses beschränkt sich bei Weitem nicht nur auf Bienen. So haben PONCHO & Co. einen fatalen Effekt auf das Ökosystem „Reisfeld“, wie eine Studie des japanischen Wissenschaftlers Masumi Yamamuro ergab. Die von den Reisbauern und -bäuerinnen eingesetzten Neonicotinoide lösen nämlich eine ganze Ketten-Reaktion aus. Die Mittel töten Libellen ab, die vielen Fischen als Nahrung dienen. Darum ging der Stint-Bestand drastisch zurück, und viele FischerInnen mussten ihren Beruf aufgeben. Der Leverkusener Multi aber bestreitet den Befund und zieht Methodik und Daten-Interpretation Yamamuros in Zweifel. „Es gibt keinen Beweis für einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Rückgang von Insekten-Populationen und dem Gebrauch von Neonicotinoiden in der Landwirtschaft“, erklärte der Konzern.

PFLANZEN & SAATEN

Pilot-Projekt „Kurzhalm-Mais“

BAYER führt in Mexiko ein Pilot-Projekt mit Kurzhalm-Mais durch. Dem Konzern zufolge erweist sich die gestutzte Pflanze Wetter-Einflüssen gegenüber als stabiler. Zudem braucht die hybride, also nicht zur Wiederaussaat geeignete Sorte mit dem Produkt-Namen VITALA weniger Wasser. Auch kommt sie angeblich mit weniger Pestiziden aus, die überdies nicht mehr von der Luft aus versprüht werden müssen. Auf der letzten Hauptversammlung Ende April 2020 gab sich BAYER-Chef Werner Baumann hoffnungsvoll, „dass diese Innovation den Mais-Anbau, und damit den Anbau einer der wichtigsten Kultur-Pflanzen überhaupt, revolutionieren kann.“

GENE & KLONE

Schweine als Ersatzteillager

BAYER setzt sowohl im Pharma- als auch im Agro-Bereich stark auf die „Gentechnik 2.0“, also zum Beispiel auf Gen-Scheren wie CRISPR-Cas9, die das Erbgut angeblich genau an einer vorgegebenen Stelle auftrennen können, um es dann „umzuschreiben“ oder neue, im Labor hergestellte DNA-Stränge einzufügen. Diverse Kooperationsabkommen in Sachen „Genome Editing“ hat der Leverkusener Multi bereits geschlossen. Und Anfang November 2019 investierte er 50 Millionen Dollar in das Start-up eGENESIS. Dieses nimmt sich vor, Schweine als Ersatzteillager für Menschen zu nutzen und in den Tieren Organe für Transplantationen zu züchten. Bisher galten derartige Unterfangen – von moralischen Bedenken ganz abgesehen – als extrem risiko-reich. Im Organismus von Schweinen tummeln sich nämlich viele Viren, sogenannte PERVs (porcine endogenous retrovirus), die das Potenzial haben, gefährliche Krankheiten auszulösen. Die 2009 ausgebrochene Schweinegrippe etwa kostete hunderttausende Menschen das Leben. Aber die eGENESIS-FoscherInnen wollen die PERVs im Erbgut der Tiere einfach mit einer Genschere herausschneiden und damit die Gefahr bannen. „Unser Team wird den PERV-freien Schweinestamm weiterentwickeln, für eine sichere und wirksame Xeno-Transplantation“, so eGENESIS-Mitgründerin Luthan Yang über das Projekt „pig3.0“. Von einer „Sprung-Innovation“ spricht BAYERs Pharma-Chef Stefan Oelrich deshalb. Und sein Kollege Dr. Jürgen Eckhardt sekundiert: „Wir glauben, dass eGENESIS den gesamten Markt für Organ-Transplantationen revolutionieren kann.“ Frühere Versuche des Leverkusener Multis, Tiere in Wert zu setzen, erwiesen sich nicht als erfolgreich. Das Klon-Schaf „Dolly“ der schottischen Biotech-Firma PPL THERAPEUTICS, an welcher BAYER einst 8,5 Prozent der Anteile hielt, verstarb vorzeitig. Zudem verweigerten die Tiere auch dem „Gene Pharming“ den Gehorsam. Das vollmundig als „Doing drugs the milky way” angekündigte PPL-Vorhaben, in Euter ein menschliches Gen einzuschleusen und aus ihnen so Reaktoren zur Herstellung eines Wirkstoffes zur Behandlung von Lungenkrankheiten zu machen, scheiterte.

Neue Zulassung, alte Standards

Seit Ende 2013 gelten in der Europäischen Union strengere Standards bei den Import-Genehmigungen für Gen-Pflanzen. Wenn es bloß um die Verlängerungen der Einfuhr-Erlaubnisse geht, will Brüssel diese Maßstäbe jedoch nicht in Anschlag bringen. So erhielt der BAYER-Konzern im Dezember 2019 eine erneute Zulassung für zwei Soja-Arten, obwohl keine bzw. nur mangelhafte Fütterungsstudien vorlagen und die Feldversuche sich nicht an den tatsächlichen Anbau-Bedingungen orientierten. Konkret handelte es sich dabei um das glyphosat-resistente Produkt MON89788 und um die Laborfrucht A2704-12, die immun gegen das jetzt von der BASF vermarktete und in der EU wegen seiner Gesundheitsschädlichkeit nicht mehr zugelassene Pestizid Glufosinat ist. Die Initiative TESTBIOTECH kritisiert die Entscheidung. Nach Ansicht der Organisation bestehen nämlich Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beschlusses. Sie verweist dabei auf eine EU-Verordnung, in der heißt: „Damit sichergestellt ist, dass Anträge auf Zulassungsverlängerungen in Bezug auf die Prüfverfahren denselben Standards entsprechen, sollten diese Anforderungen auch für Anträge auf Verlängerung der Zulassung von GV-Lebens- und Futtermitteln gelten (GV = gentechnisch verändert, Anm. Ticker)“. Hätte die bisherige Praxis aber trotzdem weiter Bestand, „gäbe es in der EU doppelte Sicherheitsstandards für transgene Pflanzen“, warnt TESTBIOTECH.

WASSER, BODEN & LUFT

CO2-Ausstoß steigt

Der BAYER-Konzern hat erstmals seit vielen Jahren wieder einen separaten Nachhaltigkeitsbericht vorgelegt. Er hat seine Umweltberichterstattung also nicht reduziert, wie irrtümlicherweise im Ticker 2/20 berichtet. Nur leider gibt es in der Sache selbst kaum Positiveres zu melden, was das Unternehmen hauptsächlich dem „akquirierten Agrar-Geschäft“, also dem MONSANTO-Deal, zuschreibt. So stiegen die Kohlendioxid-Emissionen im Geschäftsjahr 2019 um 830.000 Tonnen auf 3,71 Millionen Tonnen. Ein Großteil dieses Zuwachses ist auf die extrem energie-intensive Glyphosat-Produktion am Standort Soda Springs zurückzuführen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN fordert hier bereits seit Langem Maßnahmen ein, bisher blieb der Global Player allerdings untätig.

BAYER verbraucht mehr Strom

Der im Geschäftsjahr 2019 erstmals vollständig in BAYERs Energie-Bilanz einfließende Strom-Verbrauch des zugekauften MONSANTO-Geschäfts sorgt für eine massive Erhöhung der Zahlen. Der Energie-Einsatz des Konzerns erhöhte sich von 29.903 Terrajoule auf 38.744 Terrajoule.

Mehr Kohle im Strom-Mix

Der BAYER-Konzern verbrauchte im Geschäftsjahr 2019 nicht nur mehr Energie (s. o.), diese kam, was den selbst erzeugten Strom angeht (für den zugekauften Strom macht das Unternehmen keine detaillierteren Angaben), im Vorgleich zum Vorjahr teilweise auch aus schmutzigeren Quellen. So erhöhte sich der Kohle-Anteil am Energie-Mix von 2,38 Prozent auf 13,5 Prozent. Für Flüssigbrennstoffe sanken die Werte hingegen. Sie reduzierten sich von 23,11 Prozent auf 13,44 Prozent. Hauptenergie-Lieferant für den Leverkusener Multi ist mit 66,86 Prozent Erdgas.

Mehr ozon-abbauende Substanzen

Im Geschäftsjahr 2019 haben die BAYER-Werke mehr ozon-abbauende Substanzen ausgestoßen. Der Wert für die „Ozone Depleting Substances“ (ODS) stieg von 9,3 auf 17,8 Tonnen. Und diesmal ist daran nicht MONSANTO schuld. Die Uralt-Dreckschleudern des Konzerns im indischen Vapi sorgten für den Großteil des Zuwachses. An diesem Standort hatte das Unternehmen zwar jahrelang Modernisierungsarbeiten durchgeführt, aber ausgezahlt hat sich das Ganze offenbar nicht.

Mehr flüchtige Substanzen

2019 hat BAYER mehr flüchtige Substanzen in die Luft emittiert als 2018. Von 1.360 Tonnen auf 1.610 Tonnen erhöhte sich der Wert.

Weniger Kohlenmonoxid-Emissionen

Der Kohlenmonoxid-Ausstoß von BAYER ging 2019 gegenüber dem Vorjahr von 3.990 Tonnen auf 3.300 Tonnen zurück.

Mehr Stickstoff-Emissionen

2019 hat der BAYER-Konzern mehr Stickstoff in die Luft emittiert als 2018. Der Wert erhöhte sich von 3.260 auf 4.700 Tonnen.

Mehr Schwefeloxid-Emissionen

2019 hat der BAYER-Konzern mehr Schwefeloxid in die Luft emittiert als 2018. Der Wert erhöhte sich von 730 Tonnen auf 2.310 Tonnen.

Weniger Staub-Emissionen

BAYERs Staub-Emissionen sanken im Geschäftsjahr 2019 gegenüber 2018 von 2.350 Tonnen auf 1.580 Tonnen.

Höhere Abwasser-Frachten

Im Geschäftsjahr 2019 stieg BAYERs Wasserverbrauch gegenüber 2018 von 42 Millionen Kubikmeter auf 59 Millionen Kubikmeter und dementsprechend auch das Abwasser-Aufkommen. Die Gesamtmenge wuchs um 42,1 Prozent auf 26 Millionen Kubikmeter.

Mehr Einleitungen in Gewässer

Im Geschäftsjahr 2019 leitete der BAYER-Konzern mehr schädliche Stoffe in die Gewässer ein als 2018. „2019 stiegen alle Emissionen in das Wasser. Dies ist insbesondere auf die ganzjährige Einbeziehung der Standorte des akquirierten Agrar-Geschäftes zurückzuführen“, heißt es dazu im Nachhaltigkeitsbericht. Die Phosphor-Werte stiegen von 180 auf 510 Tonnen, die Stickstoff-Werte von 390 auf 420 Tonnen, die Schwermetall-Werte von 2,4 auf 2,6 Tonnen, die für organisch gebundenen Kohlenstoff von 600 auf 980 Tonnen und diejenigen für anorganische Salze von 97.000 auf 167.000 Tonnen.

Viele Pestizide in NRW-Gewässern

Die Gewässer in Nordrhein-Westfalen sind stark mit Agro-Chemikalien belastet, wie eine Große Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen an die CDU/FDP-Landesregierung ergab. Demnach weisen von 351 untersuchten Fluss-Abschnitten des Rheins 207 Pestizid-Rückstände über dem Beurteilungswert auf, der für die WissenschaftlerInnen den Übergang von einem guten in einen mäßigen Zustand markiert. Für die Ems traf dies auf 58 von 59 Bereichen zu, für die Maas auf 47 von 68 und für die Weser auf 65 von 82.

Dormagen: Ein bisschen Umweltschutz

Der BAYER-Konzern baut seine Dormagener Fertigungsanlage zur Herstellung der beiden Fungizide ASCRA XPRO (Wirkstoffe: Bixafen, Prothioconazol, Fluopyram) und ANTRACOL (Wirkstoff: Propineb) nicht nur aus (siehe STANDORTE & PRODUKTION), sondern aus Umweltschutz-Gründen zudem ein wenig um. Das erscheint angesichts der verheerenden Öko-Bilanz des Unternehmens (s. o.) auch dringend geboten. So kündigte die Firma Investitionen in eine leistungstärkere Aufbereitung von Abgasen und Abwässern an. Unter anderem will sie das bei der Prothioconazol-Produktion anfallende Eisen(II)-Clorid zu Eisen(III)-Clorid aufbereiten und wieder in den Herstellungsprozess leiten. Nach Angaben der „Deutschen Energie-Agentur“ sorgt das für eine Reduzierung der Abfall-Ströme um 95 Prozent. Überdies kann der Leverkusener Multi auf diese Art nicht nur den Rohstoff-, sondern auch den Energie-Verbrauch drosseln, was die Kohlendioxid-Emissionen der Fertigungsstätte um rund 9.000 Tonnen pro Jahr reduziert.

PolitikerInnen wollen Geld von BAYER

Die Gewässer Deutschlands sind nicht nur stark mit Pestiziden belastet (s. o.), sondern auch mit Arznei-Rückständen. Den Wasserwerken verursacht das enorme Zusatzkosten bei der Trinkwasser-Aufbereitung. Darum fordern die verantwortlichen PolitikerInnen eine Beteiligung von BAYER & Co. an den Mehraufwendungen. „Nach Auffassung der Umweltministerinnen und -minister sowie der -senatorinnen und -senatoren der Länder gibt es klare Adressaten für eine verursacher-gerechte Kostentragung, da es nur eine geringe Anzahl von Herstellern und Inverkehrbringern von Pflanzenschutzmitteln bzw. von unter Gewässerschutz-Aspekten problematischen Medikamenten gibt“, so die nordrhein-westfälische Landesregierung in ihrer Antwort auf eine Große Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen. Dementsprechend haben die Bundesländer die Bundesregierung gebeten, „Regelungsperspektiven aufzuzeigen und mögliche nationale und europäische Instrumente zu prüfen“.

Runder Tisch zu Röntgen-Kontrastmitteln

BAYERs Röntgen-Kontrastmittel haben es in sich. Bei deren Inhaltsstoffen handelt es sich nämlich um Abkömmlinge des Schwermetalls Gadolinium. GADOVIST enthält Gadobutrol, PRIMOVIST Gadoxet-Säure und MAGNEVIST Gadopentent-Säure. Diese Substanzen können zahllose Gesundheitsschäden verursachen wie z. B. Herzrhythmus-Störungen, Muskel-Zuckungen, Blutdruck-Schwankungen, Leber-Erkrankungen und Fibrose, ein unkontrolliertes Wachstum des Bindegewebes. Noch dazu zählen die Präparate zu den Arzneimitteln, welche die Gewässer am stärksten belasten. Und auch das liegt an den Schwermetallen, denn diese bauen sich biologisch nur sehr langsam ab. Darum gibt es bereits ein Forschungsprojekt, das bei Röntgen-PatientInnen den Einsatz von Urin-Beuteln testet, um GADOVIST & Co. in den Sondermüll statt in die Kanalisation gelangen zu lassen. Daneben hat die Bundesregierung ein ExpertInnen-Gremium ins Leben gerufen, das die Aufgabe hat, Vorschläge zur Verminderung der Stoff-Einträge von Röntgen-Kontrastmitteln, anderen Medikamenten und Pestiziden zu erarbeiten.

Pilotanlage eliminiert kaum PCB

Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören zu den giftigsten Hervorbringungen der Chlorchemie (SWB 1/14). Die vor allem von BAYER und MONSANTO in Umlauf gebrachten gefährlichen „Alleskönner“ kamen bis zu ihrem vollständigen Verbot 1989 in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben, Ölen, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz – und stellen immer noch ein beträchtliches Gesundheitsrisiko dar. Von den 1985 in der Bundesrepublik verkauften 72.000 Tonnen landete mehr als ein Sechstel im Bergbau, wo die schweren Gerätschaften viel Hydraulik-Öl zum Schmieren brauchten. „Wir sind mit dem Zeug umgegangen, als wäre es Milch“, zitiert der Spiegel einen Bergmann. Dementsprechend leiden viele seiner KollegInnen heute an den Spätfolgen und zeigen Vergiftungssymptome wie Haut-, Nieren- und Leberschäden. Die Altlasten lagern in Fässern und anderen Behältern, die nicht selten Leckagen aufweisen. Um das PCB nicht in das Grundwasser und die Flüsse gelangen zu lassen, muss der Bergbau-Konzern RAG das Grubenwasser über ein bestimmtes Niveau pumpen. Die kontaminierte Fracht leitet er dann in die Gewässer ein. Das nordrhein-westfälische Landesamt für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz entnahm unter anderem an den Bergwerken in Bottrup, Bergkamen und Essen Proben und wies PCB-Belastungen nach, die an manchen Stellen um das Dreifache über den Grenzwerten lagen. Darum hat die RAG jüngst an den Einleitungsstellen „Bergwerke Ost“ und „Ibbenbüren“ Pilotanlagen zum Herausfiltern des PCB aus dem Grubenwasser erprobt. Die Ergebnisse ließen allerdings zu wünschen übrig. Es gelang nur, 30 bis 40 Prozent der Polychlorierte Biphenyle zu eliminieren. Jetzt empfiehlt eine ExpertInnen-Gruppe unter anderem, „zu gegebener Zeit alternative Aufbereitungsverfahren an anderen Einleitungsstellen mit vorhandener Fracht zu testen“.

RAG will fluten

In Nordrhein-Westfalen muss der RAG-Konzern aus seinen stillgelegten Bergwerken das Grubenwasser vollständig abpumpen, um die darin enthaltenen Giftstoffe wie z. B. Polychlorierte Biphenyle – oftmals made by BAYER (s. o.) – nicht ins Grundwasser gelangen zu lassen. Zudem kann so Erd-Erschütterungen vorgebeugt werden. Im Saarland besteht keine Pflicht zu diesen Arbeiten, weil die geographische Lage eine andere ist. Das wollte das Unternehmen ausnutzen und viele Pumpen abstellen. Dagegen klagte jedoch die Gemeinde Nalbach, zu welcher der ehemalige Schacht Primsmulde gehört. Sie erhielt Ende 2019 auch Recht zugesprochen, aber die RAG legte Beschwerde gegen das Urteil ein. Jetzt liegt die Angelegenheit dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zur Entscheidung vor.

Das Rheinbrücken-Fiasko

Durch nichts ließen sich die nordrhein-westfälischen PolitikerIn-nen von CDU, SPD und FDP davon abhalten, Leverkusens marode Rheinbrücke durch einen Neubau zu ersetzen und im Zuge dessen auch die Autobahn A1 auf zwölf Spuren auszubauen, obwohl sie dazu Hand an BAYERs Dhünnaue-Altlast legen mussten. Vergeblich warnten UmweltschützerInnen vor Stoff-Austritten aus der stillgelegten Giftmüll-Deponie und vor Baugrund-Absenkungen durch die fortwährende Zersetzung der organischen Substanzen. Der rot-grünen NRW-Landesregierung unter Hannelore Kraft konnte es gar nicht schnell genug gehen. Der damalige Bau-Minister Michael Groschek (SPD) brachte sogar eine „Lex Leverkusen“ auf den Weg, um Klage-Möglichkeiten gegen das Vorhaben einzuschränken und so die Umsetzung zu beschleunigen. Aus dem gleichen Grund verzichtete er bei der Ausschreibung auf ein Verhandlungsverfahren. Damit vergab sich das Land die Möglichkeit, dem ausgewählten Unternehmen genauere Bedingungen, z. B. zu den Qualitätsstandards, zu stellen. Nur billig sollte alles sein. Und genau das fällt der Politik jetzt auf die Füße. Auf den Stahl, den der General-Unternehmer PORR für die Brücken-Konstruktion von einem chinesischen Subkontraktor bezog, konnte nämlich niemand bauen. 250 bis 600 Mängel pro Bauteil entdeckte der Landesbetrieb „Straßen.NRW“. Nach langem Hin und Her zog die schwarz-gelbe Landesregierung dann die Reißleine. Sie kündigte den Vertrag mit PORR und schrieb die Arbeiten neu aus. Dadurch kommt es nicht nur zu großen Verzögerungen, sondern auch zu erheblichen Kosten-Steigerungen zu Lasten der SteuerzahlerInnen. Für eine Realisierung von Alternativen beim Neustart wie etwa der Tunnel-Lösung, welche die Dhünnaue unangetastet ließe, ist es nach Meinung vieler UmweltschützerInnen allerdings zu spät.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Der Untergang der „Grande America“

Nicht weniger als 25 Transport-Unfälle mit zum Teil als Gefahrgut deklarierter Ladung verzeichnet BAYERs Nachhaltigkeitsbericht für 2019. Der fatalste ereignete sich am 12. März des Jahres. Da geriet das Container-Schiff „Grande America“ rund 330 Kilometer vor der französischen Westküste in Brand und sank. Es bildete sich ein zehn Quadratkilometer großer Ölteppich, der mehr als 250 Vögel das Leben kostete. Neben 2.100 Autos, 62 Tonnen Kunstharz, 16 Tonnen Terpentin-Ersatz und 720 Tonnen Salzsäure befanden sich auch 25 Tonnen BAYER-Fungizide an Bord. Ob die Behälter ausliefen oder mehr oder weniger friedlich auf dem Mee

[Protestprogramm] Protestprogramm HV

CBG Redaktion

PresseErklärung 26. April 2020

Proteste am 28. April rund um die BAYER-HV 2020
Virtuell im Internet und real auf der Straße gestartet

  • StopBayerMonsanto

Gemeinsam gegen Konzernverbrechen!

Straßen-Proteste am 28. April, 9-11 Uhr Konzernzentrale Leverkusen (Kaiser-Wilhelm-Allee 1b)

Online-Proteste ganztägig ab 9 Uhr parallel zur BAYER-HV im Internet unter www.CBGnetwork.org/HV

• Möglichkeit für Exklusiv-Interviews am Di vor der Konzernzentrale und während des Livestreams / Anfragen an info2@CBGnetwork.org

• Vier exklusive Presseblöcke um 9.30 Uhr, 12.30 Uhr, 16.00 Uhr und am Ende der HV Möglichkeit für Medienvertreter per eMail und Telefon-Hotline Fragen zu stellen (0)211 - 22 95 09 11 / info2@CBGnetwork.org

• Exklusive Musik- und Kulturbeiträge von Konstantin Wecker, Gerd Schinkel, Jane Zahn u.a.

• Beiträge von Betroffenen von BAYER-Konzernverbrechen wie etwa Glyphosat-, Yasmin- und Duogynonschäden

• sowie Beiträge von:
Sarah Wiener, Österreich, Abgeordnete im Europaparlament (Grüne), Fernseh-Köchin “für mündige Esser”
Carey Gillam, USA, Research Dir. U.S. Right to Know
Gesine Lötzsch, ehem. Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Bundestages (stellvertretende Fraktionsvorsitzende DIE LINKE im Bundestag)
Renate Künast, ehem. Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (Sprecherin für Ernährungspolitik der Fraktion B90/GRÜNE im Bundestag)
Sarah Wagenknecht, Mitglied des Bundestags für Düsseldorf-Süd (ehem. Fraktionsvorsitzende DIE LINKE im Bundestag)
BLOCK BAYER Protestnetzwerk
Bettina Müller, Powershift
Jeffrey Smith, USA, Institute for Responsible Technology
u.v.a.m. (genaues Programm im Rahmen der Moderation am Dienstag, 28. April)
u.v.w. Beiträgen aus Argentinien, Deutschland, Italien und den USA

• Kritische AktionärInnen melden sich mit Fragen an den Vorstand zu Wort, hunderte AktionärInnen haben der Coordination gegen BAYER-Gefahren die Stimmrechte übertragen

• Dokumentarfilm „Tödliche Agrikultur“ mit aktuellem Begleitwort zur BAYER-HV von der Filmemacherin und investigativen Journalistin Gaby Weber

Der BAYER-Konzern steht nicht nur wegen seiner MONSANTO-Übernahme im Zentrum breiter öffentlicher Kritik und hat international mit mehr als 48.000 Klagen zu kämpfen. Mit einem eigens erlassenen Aktionärs-Notstandsgesetz versucht er den massiven Protesten sowie der Kritik vieler seiner mehreren hunderttausend (Klein)AktionärInnen zu entkommen. Die CBG hat zusammen mit dem Dachverband der Kritischen Aktionäre bereits Anfang April mit einem Offenen Brief zu diesem Skandal Stellung genommen (findet sich auf unserer Homepage http:www.cbgnetwork.org/7591.html). Wirtschaftsmedien wie „Capital“ und „Wirtschaftswoche“ und andere sprechen von einer „Entmachtung der KleinaktionärInnen“.

Am Samstag, 25. April starteten die nationalen und internationalen Proteste

  • StopBAYERMONSANTO zur diesjährigen Aktionärshauptversammlung 2020 des BAYER-Konzerns. Es sind viele Organisationen im In- und Ausland aktiv, darunter das internationale Netzwerk der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG).

In der Schweiz fand am 25. April der ersten Online March Against BAYER & SYNGENTA“ statt. Am 26. April organisierte die CBG einen Live International Panel. An diesem nahmen neben Brad Harris, einem Glyphosat-Betroffenen aus den USA, und Falko Schröder, einem Vertreter von Fridays For Future, u.a. auch die Fernsehköchin Sarah Wiener aus Österreich und Jeffrey Smith, Vorstand des Institute for Responsible Technology, aus den USA teil.

Am Dienstag, 28. April werden die Proteste real auf der Straße vor der Konzern-Zentrale in Leverkusen und parallel zum HV-Livestream des BAYER-Konzerns den ganzen Tag über im Internet stattfinden.

Axel Köhler-Schnura, Gründungsvorstand der CBG erklärte dazu: „Anstatt seine Hauptversammlung zu verschieben, hat sich der BAYER-Konzern ins Internet verzogen. Doch die Coordination gegen BAYER-Gefahren wird trotz aller von BAYER errichteten Hürden auch auf dieser Hauptversammlung das Wort ergreifen und den Konzern mit den Kehrseiten seiner Geschäftstätigkeit konfrontieren.“
Hier der

Original Livestream des BAYER-Konzerns
Di 28. April / 10 Uhr / Online
BAYER-Hauptversammlung 2020
Auf der Internetseite des BAYER-Konzerns
https:
www.bayer.de/de/hauptversammlung-2020.aspx

Kontakt

HV-Proteste Hotline
nur Di. 28. April 9 bis 18 Uhr
(0)211 - 22 95 09 11
info2@CBGnetwork.org

Marius Stelzmann (Geschäftsführer, alle Fragen zur Organisation)
info@CBGnetwork.org
0211 – 33 39 11

Simon Ernst (CBG-Aktionärshotline)
se@CBGnetwork.org
0211 – 26 11 210

via Twitter,
und via Facebook

[CO2 Ausstoß] BAYER heizt den Erdball auf

CBG Redaktion

CO2-Ausstoß: 5,45 Millionen Tonnen

BAYER heizt den Erdball auf

Es war ein heißer Herbst, im wörtlichen und deshalb auch im übertragenden Sinn: Die sich immer deutlicher abzeichnenden Folgen der Erderwärmung und die Weigerung von Politik & Wirtschaft, diese zur Kenntnis zu nehmen und entsprechend zu handeln, trieben überall auf der Welt die Menschen in Scharen auf die Straße. Und natürlich auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, denn der BAYER-Konzern ist ein Klima-Sünder vor dem Herrn.

Von Jan Pehrke

Die neuesten Zahlen schreckten wieder einmal auf: Abermals stiegen die globalen Treibhausgas-Emissionen. Von 53,5 auf 55,3 Gigatonnen legten sie zu. Dementsprechend wartete auch der Klimabericht der Bundesregierung mit alarmierenden Befunden auf. So erhöhte sich die Luft-Temperatur in Deutschland von 1881 bis 2018 um 1,5 Grad. Und in den besonders warmen Jahren sorgte dies sogar schon für unzählige Sterbefälle. 2003 fielen dem Report zufolge hierzulande 7.500 Menschen der Hitze zum Opfer. Überdies sinken durch den Klimawandel die Grundwasserspiegel, was in einigen Gemeinden bereits die Trinkwasser-Versorgung gefährdet. Parallel dazu dörren die Flüsse und Seen in den Sommern zunehmend aus und heizen sich auf – mit massiven Folgen für die aquatischen Lebewesen. Auch die Landwirtschaft leidet unter der Häufung der Trockenheitsperioden. Für 2018 beziffert der Klimamonitoring-Bericht die Schäden auf 700 Millionen Euro.

Zu all dem hat der BAYER-Konzern sein Scherflein beigetragen. Im Geschäftsjahr 2018 nahmen die Kohlendioxid-Emissionen des Unternehmens um 50 Prozent zu. Von 3,63 Millionen auf 5,45 Millionen Tonnen schwoll der CO2-Ausstoß an. Mit der Energie-Effizienz ging es ebenfalls bergab. Verbrauchte der Leverkusener Multi im Jahr 2016 208,62 Kilowatt-Stunden pro 1.000 Euro Umsatz und 2017 204,93, so waren es 2018 schon 278 Kilowatt-Stunden. Überdies schafft der Agro-Riese es nicht, von der Kohle runterzukommen. Beim eigen-erzeugten Strom – den zugekauften schlüsselt er traditionell nicht näher auf – betrug ihr Anteil am Energie-Mix 24,1 Prozent; mit 59,5 Prozent nimmt Erdgas hier die Spitzen-Position ein. Den größten Zuwachs verzeichneten die Flüssigbrennstoffe. Sie rückten mit 7,9 Prozent an die dritte Stelle vor. Statt 230 kamen nun 3.491 Terrajoule zum Einsatz.

Klima-Killer Glyphosat

Als Grund für die Steigerung der Kohlendioxid-Werte führt das Unternehmen den MONSANTO-Deal an. „Mit der Übernahme von MONSANTO hat BAYER neben Standorten für die Saatgut-Produktion auch eine Rohstoff-Gewinnung für die Herstellung von Pflanzenschutzmittel-Vorprodukten übernommen, mit der eine energie-intensive Aufbereitung und Weiterverarbeitung verbunden sind“, heißt es im Geschäftsbericht. Auf der Hauptversammlung wollte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) dann genauer wissen, um was für eine Rohstoff-Gewinnung es sich dabei handelt. „Eine Anlage zur Gewinnung von Phosphor in Soda Springs im Bundesstaat Idaho“, bekam sie zur Antwort. Phosphor – das ist ein Vorprodukt von Glyphosat. Das Herbizid löst also nicht nur Krankheiten wie Krebs aus und trägt Mitverantwortung für das Artensterben, es ist zu allem Übel auch noch ein veritabler Klima-Killer. Seine Herstellung verschlingt so enorm viel Energie, weil das Phosphor in einem Sediment-Gestein steckt. Und dieses Phosphorit, das der Global Player – mit schlimmen Folgen für die Umwelt – im Tagebau aus Minen in der Nähe von Soda Springs fördert, gibt das Phosphor nicht so einfach her. Auf eine Betriebstemperatur von 1500° muss der Ofen kommen, damit das Phosphorit das Phosphor preisgibt, und das verschlingt Energie.

Folgerichtig hat die CBG ihre Presseerklärung zum von FRIDAYS FOR FUTURE für den 20. September ausgerufenen Klima-Streik mit „Klima-Killer Glyphosat“ überschrieben. Die Coordination schloss sich an dem Freitag den Protesten in Düsseldorf an, und auf der Abschluss-Kundgebung vor dem nordrhein-westfälischen Landtag legte Geschäftsführer Marius Stelzmann noch einmal dar, was in der Diskussion um das Klima-Paket, das die Bundesregierung an diesem Tag verabschiedete, sträflich vernachlässigt blieb: Wie groß der Anteil von BAYER und anderen großen Firmen an der Klima-Krise ist.

Dementsprechend kamen die Multis auch ungeschoren davon. Nach Ansicht von CDU und SPD greift bei der Groß-Industrie nämlich schon der europäische Emissionshandel (EU-ETS). Den haben die Parteien sich sogar zum Vorbild für ihre Klima-Politik genommen, obwohl das Instrument bisher nicht dazu geeignet war, den Leverkusener Multi zu einer spürbaren Verringerung seines CO2-Fußabdrucks zu veranlassen. Für die Felder „Wohnen“ und „Verkehr“ will die Große Koalition ein solches Modell zunächst auf nationaler Ebene einführen, um beide Bereiche dann später einmal in das europäische System zu integrieren. Erwartungsgemäß zeigten sich die Davongekommenen zufrieden mit den Beschlüssen. „Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) begrüßt, dass Sektoren, die schon dem EU-Emissionshandel unterliegen, vom neuen nationalen Emissionshandel ausgenommen werden und keine zusätzliche Belastung erfahren sollen“, erklärte die Lobby-Organisation. Allerdings hat sie Vorbehalte gegen die später vorgesehene Einbeziehung von „Wohnen“ und „Verkehr“ in das EU-Handelssystem. Das droht nämlich zu einer Verteuerung der Zertifikate für BAYER & Co. zu führen. „Ein gemeinsames System hält der VCI für nicht zielführend, weil die Vermeidungskosten der Sektoren zu unterschiedlich ausfallen“, lies der Verband verlautbaren.

Den nächsten Klima-Streik, der am 29. November 2019 im Vorfeld der Madrider Weltklima-Konferenz stattfand, nutzte die Coordination zu einem Lokaltermin. Sie demonstrierte am BAYER-Stammsitz Leverkusen. Und welchen kapitalen Klima-Killer die BürgerInnen mit dem Multi vor der Haustür haben, machte CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann in seiner Kundgebungsrede deutlich. Darum entschloss die Coordination sich im Anschluss an den Protestzug auch, den Konzern direkt mit der Kritik zu konfrontieren. Sie zog zur Unternehmenszentrale und übergab einen Offenen Brief. „Wir sind heute im Rahmen des weltweiten Klima-Streiks zusammen mit der „FRIDAYS FOR FUTURE“-Bewegung auf die Straße gegangen, um auf den immensen Anteil BAYERs an der Klima-Katastrophe hinzuweisen“, hieß es darin unter anderem. Der Brief schloss mit konkreten Forderungen (siehe Kasten). Unter anderem verlangte die CBG einen sofortigen Stopp der Braunkohle-Verstromung sowie das Ende der Glyphosat-Produktion in Soda Springs. Der Agro-Riese zeigte sich auf den Besuch vorbereitet und überreichte ebenfalls ein Schreiben. „Klimaschutz hat für BAYER hohe Priorität“, bekundete die Aktien-Gesellschaft darin. Sie behauptete, „in den vergangenen Jahren schon vieles erreicht“ zu haben und verwies dazu auf die verbesserte Energie-Effizienz sowie auf eine Senkung des Ausstoßes von Treibhaus-Gasen (THG) bis 2015. Was danach geschah, verschwieg der Leverkusener Multi wohlweislich. Dafür kündigte er Großes für die Zukunft an: „Am 10. Dezember stellt BAYER seine neue Nachhaltigkeitsstrategie und damit auch neue, noch ambitioniertere Ziele zur THG-Reduzierung vor.“

Die neue Strategie

Das unter der Ägide des Leiters der Abteilung „Public Affairs & Sustainability“, dem ehemaligen Grünen-Politiker Matthias Berninger, entstandene Papier (siehe auch S. 14ff.) enthält dann in der Tat auch einiges zu dem Thema. „BAYER strebt an, bis 2030 ein klima-neutrales Unternehmen zu werden. Dafür wird BAYER Maßnahmen für Energie-Effizienz umsetzen, zu 100 Prozent auf Strom aus erneuerbaren Energien umsteigen und die verbliebenen Emissionen so kompensieren, dass CO2 im Boden gespeichert und Biodiversität gefördert wird“, ist da zu lesen. Einiges davon hört sich wirklich ganz gut an – allein, es fehlt der Glaube, zumal der Konzern nichts darüber verlauten lässt, wie er das alles zu erreichen gedenkt. Bei den Erneuerbaren etwa müsste er binnen zehn Jahren von Null auf 100 kommen, ist beim Leverkusener Multi momentan doch nur ein „niedriger einstelliger Prozent-Satz“ des Stroms made by Wind & Co. Auch die Rede vom „kompensieren“ macht skeptisch, denn da kommt das Glyphosat ins Spiel. Der Konzern versucht das Mittel ungeachtet seines übergroßen CO2-Fußabdrucks bei der Herstellung als Klima-Retter zu verkaufen, weil es den LandwirtInnen das Kohlendioxid freisetzende Pflügen erspare. Allerdings streiten die Agrar-ForscherInnen noch darüber, ob eine solche landwirtschaftliche Praxis wirklich das im Boden gebundene Kohlendioxid wieder entfesselt, und BAYERs Gewährsmann in dieser Frage, Professor P. Michael Schmitz, musste gerade seinen wissenschaftlichen Offenbarungseid leisten. Schmitz hat sich die Arbeit an solchen Sätzen wie „Mit einer angepassten Glyphosat-Strategie in der Fruchtfolge können ohne Ertragsreduzierung die Maschinen- und Arbeitskosten sowie der CO2-Ausstoß gesenkt werden“, nämlich von MONSANTO bezahlen lassen (siehe SWB-Dossier).

Also bleibt von BAYERs Nachhaltigkeitsstrategie in Sachen „Klima“ außer vagen Ankündigungen und dubiosen Kompensationsgeschäften nicht viel übrig. Der Leverkusener Multi kann sich deshalb von dem, was Greta Thunberg auf der Madrider Weltklima-Konferenz sagte, gut und gerne mitgemeint fühlen. „Ich glaube immer noch, dass die größte Gefahr nicht Tatenlosigkeit ist. Die wirkliche Gefahr ist, wenn Politiker und Unternehmenslenker so tun, als ob etwas passiert, wo in Wirklichkeit nichts passiert bis auf clevere Rechenkünste und PR“, hielt die 16-Jährige ihrer Rede fest.

Den Agro-Riesen holte die Realität dann auch schon bald wieder ein. Am selben Tag, an dem der Konzern sich als grüner Engel im Allgemeinen und Klima-Kümmerer im Besonderen inszenierte, gingen Meldungen über die Klage von Netzbetreibern gegen den Leverkusener Multi und andere Firmen wegen Betruges im Zusammenhang mit der „Erneuerbare Energien“-Umlage über den Ticker. Und das trübte das Bild sogleich wieder ein. So musste die Rheinische Post ihren LeserInnen nach der Berichterstattung über die Nachhaltigkeitspläne mitteilen: „Zugleich aber steht BAYER wegen eines möglichen grünen Etiketten-Schwindels am Pranger.“ Der Global Player hatte über ein kompliziertes Vertragskonstrukt versucht, sich von einem schnöden Strom-Kunden zu einem Pächter von Kraftwerk-Anteilen aufzuschwingen, um so seine EEG-Umlage senken zu können. „Einzelne Unternehmen sparten auf diese Weise Hunderte Millionen Euro“, konstatierte der Spiegel.

Und als die Bundesregierung Mitte Dezember 2019 Korrekturen am Klima-Paket vornahm und den CO2-Preis von zehn Euro auf 25 Euro hochsetzte, sprang in gewohnter Manier die Lobby-Maschinerie an. Dieses Mal saß sogar ein alter BAYER-Mann an den Hebeln. Der beim Leverkusener Multi lange für „Environment & Sustainability“ zuständige Wolfgang Große Entrup fungierte nämlich inzwischen als VCI-Geschäftsführer und schaltete angesichts des neuen Kohlendioxid-Preisschildes sofort auf Alarm. „Die Warnlampe blinkt rot“ verkündete er und forderte, schon am EU-Emissionshandel teilnehmende Konzerne von der Regelung auszunehmen. „Enttäuschend ist auch die Reaktion einiger Wirtschaftsverbände. Die Chemie, die doch sonst gerne Klimaschutz und Wettbewerb predigt, ruft gleich nach einer Art Pendler-Pauschale für ihre Branche“, befand die Rheinische Post. Also nichts Neues unter der Leverkusener Sonne.

[Ticker] Ticker 01/2020

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Jahrestagung 2019

Aus gegebenem Anlass widmete die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) ihre diesjährige Jahrestagung, die am 5. Oktober in Düsseldorf stattfand, dem Klimawandel. „Konzerne, Klima, Katastrophen – am Beispiel des BAYER-Konzerns“ war die Veranstaltung überschrieben. Der Journalist Wolfgang Pomrehn führte mit einem Grundsatz-Referat in die Thematik ein. Mit einer Vielzahl von Fakten machte er den Ernst der Lage deutlich. Pomrehn entwarf ein apokalyptisches Bild der Zukunft, dessen Konturen sich heute schon allzu deutlich abzeichnen: lange Dürre-Perioden, Wetter-Extreme, das Ansteigen des Meeresspiegels und in der Folge Nahrungsmittel-Knappheit und Klima-Flüchtlinge. Trotzdem aber fehlt nach Einschätzung des Geo-Physikers der wirkliche Wille, eine Kehrtwende einzuläuten: Seit 2017 steigen die Kohlendioxid-Emissionen weltweit wieder. Wie hoch daran der Anteil der Industrie im Allgemeinen und der BAYERs im Besonderen ist, machte CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann deutlich. Von 3,63 Millionen auf 5,45 Millionen Tonnen erhöhte sich der Kohlendioxid-Ausstoß des Leverkusener Multis im Geschäftsjahr 2018, rechnete Stelzmann vor. Und nicht eben wenig hat die MONSANTO-Übernahme zu dieser verheerenden Klima-Bilanz beigetragen, denn neben allem anderen ist Glyphosat auch ein veritabler Klima-Killer. Vehement wehrt sich der Global Player deshalb gegen strengere Regelungen. Am Beispiel des Emissionshandels legte der Sozialwissenschaftler anschaulich dar, wie BAYER mit Androhungen von Standort-Verlegungen und anderen Mitteln eine wirksame Klima-Politik bekämpft. Zum Glück jedoch existieren Gegenkräfte. Anna Schönberg von der AKTION UNTERHOLZ berichtete von den Protesten gegen die Rodung des Hambacher Waldes, die von einem breiten Bündnis getragen wurden. Sogar Familien mit Kindern beteiligten sich an Akten des Zivilen Ungehorsams, so Schönberg. Die Klima-Streiks von FRIDAYS FOR FUTURE lösten nach den Erfahrungen von Luzie Stift, die der Kölner Dependance der SchülerInnen-Bewegung angehört, ähnliche Prozesse aus. Sie beschleunigten Stift zufolge die politische Bewusstseinsbildung immens: „Anhand dieser Klima-Frage erkennen ganz viele, dass sie antikapitalistisch werden müssen.“ Mit wem die AktivistInnen es dann genau zu tun bekommen, stellte Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der CBG dar. Er wandte sich in seinem Vortrag nämlich der gegenwärtigen Kapital-Fraktion mitsamt den hinter ihr stehenden Superreichen zu. Vor diesem Hintergrund unternahm der Diplom-Kaufmann dann eine Standort-Bestimmung der Konzern-Kritik weit über den Fall „BAYER“ hinaus. Das sorgte für Rede-Bedarf. Auch sonst kam es zu lebhaften Diskussionen. Zum Thema „Klima und Kapitalismus“ verliefen diese auch kontrovers, denn die Spannbreite des Publikums reichte vom ehemaligen BAYER-Beschäftigten bis hin zum gestandenen Linksradikalen. Trotz dieses Konflikt-Potenzials raufte sich mensch aber stets wieder zusammen. Einen Schwerpunkt der Aussprache bildete das Problem „Klima und Klasse“ und die Möglichkeiten, den Spalt, der sich zwischen Klima-AktivistInnen und Teilen der Gewerkschaften aufgetan hat, zu überwinden. Ansätze dazu gab es auch, waren doch alle bereit, die Frage der Arbeitsplätze und der gerechte Lasten-Verteilung mit in die Klima-Debatte einfließen zu lassen. Die Gruppen von Anna Schönberg und Luzie Stift etwa hatten beide schon das Gespräch mit VertreterInnen der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE und anderen Gewerkschaften gesucht und sich über Trennendes und Verbindendes ausgetauscht. Allerdings ist da noch viel zu tun, lautete das Resümee. So nahmen die BesucherInnen der Jahrestagung dieses Mal einen Arbeitsauftrag mit auf den Heimweg.

Bhopal mahnt

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Vor 35 Jahren ereignete sich im indischen Bhopal die bisher größte Chemie-Katastrophe der Menschheitsgeschichte. Am 3. Dezember 1984 explodierte in einem Pestizid-Werk von UNION CARBIDE ein Tank mit Methylisocyanat (MIC) und setzte eine riesige Giftwolke frei. Allein in den ersten drei Tagen starben 8.000 AnwohnerInnen. Und noch immer leiden Millionen von Menschen an den Spätfolgen der Detonation. Die INTERNATIONAL CAMPAIGN FOR JUSTICE IN BHOPAL (ICJB) hatte aus diesen Gründen zu Solidaritätsaktionen aufgerufen. Unter anderem fanden in Berlin und Düsseldorf Mahnwachen statt. Für die ICJB-Aktivistin Rachna Dhingra ist das, was am 3.12.84 passiere, nicht nur eine Geschichte von Bhopal, „sondern eine von Unternehmen, die von Gier und Profiten getrieben sind und diese über das Leben von Menschen und die Umwelt stellen“. Also auch eine von BAYER – umso mehr als die Geschichte des Leverkusener Multis auch eine direkte Verbindung zu der von Bhopal aufweist. Damals hatten die Behörden der Stadt den Konzern nämlich um Unterstützung gebeten, da er umfassende Kenntnisse über die Wirkung von MIC auf den menschlichen Organismus besaß. Aber der Global Player weigerte sich, dieser Bitte nachzukommen. Der renommierte Toxikologe Dr. Max Daunderer, der als einer von wenigen ExpertInnen in Bhopal half, berichtete gar nach seiner Rückkehr, dass Beschäftigte von BAYER vor Ort Feldstudien betrieben, ohne sich an den Rettungsarbeiten zu beteiligen. Und im Jahr 2001 übernahm die Aktien-Gesellschaft zudem das US-amerikanische Bhopal-Schwesterwerk vom „UNION CARBIDE“-Neubesitzer DOW CHEMICAL. Wie weit die Familien-Ähnlichkeit reichte, zeigte sich dann am 28. August 2008, als ein Vorratsbehälter in die Luft ging. Zwei Beschäftigte bezahlten das mit ihrem Leben. Von „Schockwellen wie bei einem Erdbeben“ sprachen AugenzeugInnen. Darum hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) das traurige Jubiläum zum Anlass genommen, einen Offenen Brief an BAYER zu schreiben und darin Fragen zu Störfällen, der Anlagensicherheit und zu den von den Zuleitungen ausgehenden Risiken zu stellen.

Bhopal mahnt

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Die UN hat den 35. Jahrestag der Katastrophe von Bhopal zum Anlass genommen, für die chemische Industrie verbindliche, sanktionsbewehrte Regeln zur Einhaltung der Menschenrechte zu fordern. „Bhopal: Die chemische Industrie muss die Menschenrechte respektieren“, ist die entsprechende Pressemitteilung aus dem Büro des „Hohen Kommissars für Menschenrechte“ (OHCHR) überschrieben. „Weiterhin ereignen sich vermeidbare Katastrophen, weil die chemische Industrie sich weigert, die Verantwortung für die Menschenrechte ernstzunehmen (...) Von tödlichen Explosionen von Fabriken und Lagerstätten bis zu der skandalösen Verletzung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit durch die Verseuchung von Wasser, Boden und Luft mit Giftstoffen – die Chemie-Industrie muss mehr zur Einhaltung der Menschenrechte tun“, so der UN-Sonderberichterstatter Baskut Tuncak.

Preis für Felicitas Rohrer

Im Juli 2009 erlitt die damals 25-jährige Felicitas Rohrer durch BAYERs Verhütungsmittel YASMINELLE eine beidseitige Lungen-Embolie mit akutem Atem- und Herzstillstand. Nur durch eine Notoperation gelang es den ÄrztInnen, ihr Leben zu retten. Bereits kurz danach nahm Rohrer den Kampf gegen den Leverkusener Multi auf. Auf der Hauptversammlung des Konzerns konfrontierte sie den Vorstand direkt mit den Auswirkungen ihrer einzig auf Profit-Maximierung ausgerichteten Geschäftspolitik. Scharf griff die Pharma-Geschädigte das Management an. Sie warf ihm vor, eine Pille, von der ein höheres Risiko für Embolien ausgeht als von den älteren Kontrazeptiva der 2. Generation, aggressiv als Lifestyle-Präparate vermarktet und damit den Tod junger Frauen in Kauf genommen zu haben. Zudem strengte Felicitas Rohrer eine Klage gegen den Pharma-Riesen an und rief die Organisaton „Risiko Pille – Initiative Thrombose-Geschädigter“ ins Leben. Am 23. November 2019 erhielt sie für ihr Engagement den Siegfried-Pater-Preis, der nach dem 2015 gestorbenen Publizisten und „Dritte Welt“-Aktivisten Siegfried Pater benannt ist. Die Laudatio hielt aus gegebenem Anlass Jan Pehrke von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG).

Keine Straßenumbennung in Dormagen

Am 29. 9. 2011 jährte sich der Geburtstag des langjährigen BAYER-Generaldirektors Carl Duisberg zum 150. Mal. Um die medialen Ständchen für den Mann zu konterkarieren, der im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas sowie die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen war und später einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörderkonzerns IG FARBEN hatte, rief die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Kampagne ins Leben. Sie mahnte anlässlich des Jahrestags die Umbenennung von Straßen, Schulen und anderen Einrichtungen an, die Duisbergs Namen tragen. Viele AktivistInnen ließen sich davon anregen und trugen die Forderung in die zuständigen Kommunal-Vertretungen. In Dortmund und Lüdenscheid hatte das Erfolg (siehe auch SWB 1/15). In Dormagen lagen sogar zwei Anträge zu der Causa „Duisberg“ vor. Einen hatten „Die Linke“ und Piraten-Partei gemeinsam eingereicht, ein anderer kam von Bündnis 90/Die Grünen. Die Stadt ließ daraufhin vom ehemaligen Stadt-Archivar Heinz Pankalla und anderen ExpertInnen ein Gutachten erstellen. Dessen Befund war ziemlich eindeutig: „Duisberg engagierte sich (...) massiv für die Erfindung und Produktion von Giftgas im Ersten Weltkrieg (...) Die Quellen belegen zudem, dass Duisberg mit dem Gift-Einsatz kaum moralische Bedenken verband.“ Bei der anschließenden AnwohnerInnen-Befragung sollten diese geschichtliche Fakten als Entscheidungshilfe dienen. Das taten sie jedoch nicht: Von 62 Haushalten lehnten 56 die Umbenennung ab. Auch gegen das Anbringen einer Tafel mit historischen Erläuterungen sprach sich eine deutliche Mehrheit aus. Trotzdem aber wollen die LokalpolitikerInnen zumindest mit einem kleinen Schild auf die Missetaten des ehemaligen Konzern-Lenkers hinweisen. Klartext wird darauf allerdings wohl nicht gesprochen: Die schwarz-rote Ratsmehrheit lehnte die Titulierung Duisbergs als „Kriegsverbrecher“ ab.

CBG auf der Ruhrtriennale

Seit dem Jahr 2002 findet im Ruhrgebiet jeden Sommer das Kunst-Festival „Ruhrtriennale“ statt. Dieses Mal war die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) mit von der Partie. Die Künstlerin Barbara Ehnes lud die Coordination ein, Teil ihres Kunst-Projektes werden. In ihrer mehrteiligen Video-Installation Αλληλεγγύη zum Thema „Solidarität“, bestehend aus zahlreichen Interviews, repräsentierte die CBG den Aspekt des Widerstands gegen die großen Unternehmen. Und so gab CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann Einblick in die Geschichte der Coordination. Zudem analysierte er BAYERs MONSANTO-Übernahme und skizzierte Perspektiven der Konzern-Kritik. Über fünf Wochen lang waren diese Statements dann zusammen mit anderen Beiträgen in der ganzen Bochumer Innenstadt auf Video-Monitoren zu sehen.

Aktion gegen Pflanzen-Patente

Der BAYER-Konzern hält nicht nur Patente auf gen-manipulierte Pflanzen, sondern auch auf solche aus konventioneller Zucht. So beansprucht er etwa geistiges Eigentum auf Tomaten, Gurken, Melonen, Salate sowie auf Gewächse mit bestimmten Eigenschaften wie etwa Stress-Resistenz. Nachdem das Europäische Patentamt (EPA) den Produzenten einer Tomate mit einem reduzierten Wasser-Gehalt sowie eines angeblich gegen Krebs wirkenden Brokkolis Schutzrechte zuerkannt hatte, befasste sich das Europäische Parlament mit der Sache. In einer Entschließung sprachen sich die Abgeordneten gegen Patente auf nicht gen-veränderte Pflanzen und Tiere aus. Darum muss sich jetzt die Große Beschwerdekammer der EPA mit der Sache befassen und ein Grundsatz-Urteil fällen. Zu diesem Verfahren hat ein breites Bündnis aus verschiedenen Organisationen – darunter auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) – und Einzelpersonen Stellungnahmen eingereicht, welche die Kammer bei ihrer Entscheidungsfindung berücksichtigen muss. 25.000 Statements konnte KEINE PATENTE AUF SAATGUT! übergeben. „Es darf keine Patent-Monopole auf die herkömmliche Züchtung von Pflanzen und Tieren geben. Sonst droht der Ausverkauf unserer Lebensgrundlagen an BAYER & MONSANTO, DOWDUPONT und SYNGENTA“, erklärten die Initiativen.

CBG schreibt Brief

Im Oktober 2019 hat die Zeitschrift Forum Nachhaltig Wirtschaften unkommentiert eine Pressemeldung BAYERs abgedruckt, in welcher der Konzern sich als Vorkämpfer eines nachhaltigen Ernährungssystems darstellt. Das ÖKO & FAIR UMWELTZENTRUM kritisierte das in einer Zuschrift an den Verlag vehement und informierte auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG). Diese reagierte ebenfalls mit einem Brief. „Wir von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN finden es empörend, dem Unternehmen BAYER als dem größten Agro-Konzern der Welt einfach so eine Plattform zu bieten, um sich als Vorreiter in Sachen „Nachhaltigkeit“ präsentieren zu können. Dabei hätte ein Blick in den letzten Geschäftsbericht des Multis genügt, um zu sehen, wie weit es bei BAYER mit der Nachhaltigkeit her ist“, hieß es in dem Schreiben mit Verweis auf den immensen CO2-Ausstoß des Global Players und andere Umweltsünden des Unternehmens.

ERSTE & DRITTE WELT

Absatzmarkt Indien

Ende Oktober 2019 fanden in New Delhi die deutsch-indischen Regierungskonsultationen statt. Die Bundesregierung verfolgte dabei vorrangig das Ziel, die wirtschaftliche Zusammenarbeit auszubauen. „Nicht nur die jüngsten Herausforderungen auf den amerikanischen und chinesischen Märkten sollten Anreiz dazu geben, sich noch eindeutiger als bisher strategisch im indischen Markt zu positionieren“, heißt es in einer Erklärung des Deutschen Bundestages. Vage mahnt die Petition, dabei auch die „Herausforderungen der globalen Nachhaltigkeits- und Klimapolitik“ stärker zu beachten. So fordert das Parlament die Bundesregierung dazu auf, „deutsche, in Indien tätige Unternehmen zu unterstützen, die Arbeits- und Menschenrechte gemäß des Nationalen Aktionsplans ‚Wirtschaft und Menschenrechte’ der Bundesregierung, der OECD-Richtlinien und vergleichbarer Regelwerke einzuhalten und zu Vorbildern verantwortlicher Unternehmensführung auszubauen.“ Nach Ansicht der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) braucht es für dieses Bestreben weniger „Unterstützung“ als vielmehr politischen Druck. Die bundesdeutschen Konzerne nehmen bei ihren Indien-Geschäften nämlich die Verletzung sozialer und ökologischer Standards bewusst in Kauf. So duldet der BAYER-Konzern etwa die verheerenden Zustände bei den ersten Gliedern seiner Lieferketten im Pharma-Bereich. Dank „Standort-Vorteilen“ wie niedrigen Löhne und laxen Umwelt-Auflagen können die betreffenden Firmen ohne Rücksicht auf Verluste produzieren, was verheerende Folgen für Mensch, Tier und Umwelt hat. In ihrer Presseerklärung zu den Regierungskonsultationen forderte die Coordination deshalb, dieses Thema auf die Tagesordnung zu setzen. Und der CBG-Kooperationspartner Anil Dayakar von der Initiative GAMANA, die vor Ort bereits einige Verbesserungen erreicht hat, appellierte an die großen Industrie-Länder, ihren Teil zur Lösung der Probleme beizutragen. „Wir haben die ersten Schritte gemacht. Jetzt wenden wir uns an den Westen. Wir erwarten, dass er sein System ändert. Er hat eine Verantwortung für das, was hier geschieht“, so Dayakar.

Stummer Gast in Genf

Auf internationaler Ebene gibt es einige Bemühungen, die großen Konzerne zur Einhaltung der Menschenrechte entlang ihrer gesamten globalen Liefer- und Wertschöpfungsketten zu drängen. Deutschland zieht da allerdings nicht so recht mit. So weigern sich Merkel & Co. seit Jahren, das Zusatz-Protokoll des UN-Sozialpakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte zu unterzeichnen. Dieses sieht bei Verstößen gegen das Abkommen nämlich konkrete Beschwerde- und Untersuchungsverfahren vor. Und so etwas möchte die Bundesregierung dem BAYER-Konzern, dessen indische Pharma-Zulieferer ohne Rücksicht auf Verluste für Mensch, Tier und Umwelt produzieren (s. o.), und den anderen bundesdeutschen Unternehmen lieber ersparen. Darum blieben die VertreterInnen der Großen Koalition auch bei der 5. Verhandlungsrunde zum sogenannten UN-Treaty, die vom 14. bis zum 18. Oktober 2019 in Genf stattfand, stumm. Die Europäische Union tat sich ebenfalls nicht weiter hervor. Da sie kein Verhandlungsmandat habe, müsse sie sich mit einer Positionierung zu den rechtsverbindlichen Instrumenten des Vertrages „zurückhalten“, gibt der Freitag eine Passage aus dem entsprechenden Kommuniqué wieder. Immerhin aber stimmte die EU anders als noch 2018 den Vorschlägen der Treaty-Leitung zum weiteren Procedere zu.

KAPITAL & ARBEIT

1,5 Prozent mehr Entgelt

Bei der diesjährigen Tarif-Runde leitete wiederum der BAYER-Manager Georg Müller für den „Bundesarbeitgeber-Verband Chemie“ (BAVC) die Verhandlungen mit der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE). Er einigte sich mit der Gewerkschaft auf eine Entgelt-Erhöhung von 1,5 Prozent. Diese tritt jedoch erst ab Sommer 2020 in Kraft; ein Jahr darauf gibt es dann noch einmal 1,3 Prozent mehr. Im ersten Halbjahr 2020 bleibt es dagegen bei Einmal-Zahlungen in Höhe von vier bis sechs Prozent eines Monatsentgelts. Das hat „aus Arbeitgeber-Sicht den Charme, dass sie die Löhne nicht dauerhaft verteuern“, schreibt die Rheinische Post. Die IG BCE hatte ursprünglich eine „spürbare“, deutlich über der Inflation liegende Steigerung der Bezüge gefordert. Sie hält sich jedoch zugute, dafür einige andere Verbesserungen erreicht zu haben. So richten BAYER & Co. nun Zukunftskonten für die Beschäftigten ein und überweisen 9,2 Prozent des Monatslohns darauf. Ob die Chemie-WerkerInnen sich diesen Betrag auszahlen lassen oder in Freizeit umwandeln, entscheiden diese selbst. Allerdings haben sich die Unternehmen ein Vetorecht vorbehalten. Darüber hinaus schließt die Chemie-Industrie für jeden Belegschaftsangehörigen eine Pflege-Zusatzversicherung ab und übernimmt den monatlichen Beitrag von 34 Euro.

IT-Abteilung streicht Jobs

Im Jahr 2011 hatte der BAYER-Konzern Teile seiner IT-Abteilung ausgegliedert und damit die Arbeitsplätze von 260 Belegschaftsangehörigen und 290 LeiharbeiterInnen vernichtet. 2012 holte er einige Bereiche wieder zurück. Aber auf Neu-Einstellungen verzichtete der Leverkusener Multi bei diesem „Insourcing“. Durch natürliche Fluktuation wollte er bis Ende 2015 sogar noch einmal mit rund 230 Stellen weniger auskommen. Und Ende 2019 gab es wieder einen Kurswechsel. IT-Chef Daniel Hartert kündigte ein Outsourcing an, dem 950 Jobs im Unternehmen zum Opfer fallen. Pflichtschuldig vergoß er dabei ein paar Krokodilstränen: „Es ist kein einfacher Schritt, sich von so vielen Mitarbeitern zu trennen.“

POLITIK & EINFLUSS

Lieferengpässe: Merkel & Co. tun was

Die vielen Lieferengpässe bei Arzneien (siehe DRUGS & PILLS) schrecken die Öffentlichkeit zunehmend auf. Der 1994 von BAYER gegründete „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VFA) will das Problem jedoch nicht wahrhaben. Die Versorgung klappe so gut, „dass es hohe Aufmerksamkeit erfährt, wenn doch einmal ein bestimmtes Präparat nicht verfügbar ist“, meint der Lobby-Club. Die Große Koalition konnte jedoch nicht länger ganz untätig bleiben. Allerdings schraubte sie die Erwartungen gleich herunter. „Lieferengpässe von Arzneimitteln haben sehr unterschiedliche Ursachen und sind daher nicht allein durch gesetzliche Maßnahmen auszuschließen“, erklärte die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP. So änderten CDU und SPD mit dem „Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittel-Versorgung“ nur einen Passus zu den Rabatt-Verträgen der Krankenkassen. Dieser macht DAK & Co. nun die Vorgabe, bei ihren Pharmazeutika-Ausschreibungen nicht länger nur nach dem billigsten Anbieter zu schauen. Sie müssen bei der Auswahl nun auch auf die „Gewährleistung einer unterbrechungsfreien und bedarfsgerechten Liefer-Fähigkeit“ achten. Und kurz vor Weihnachten 2019 brachte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zudem noch ein Paragraphen-Werk auf den Weg, welches das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ und das „Paul-Ehrlich-Institut“ in die Lage versetzt, strengere Meldepflichten und mehrwöchige Lager-Haltungen von Medikamenten anzuordnen. Überdies will Spahn sich auf EU-Ebene dafür einsetzen, Pillen-Produktionen nach Europa zurückzuholen. Das dürfte jedoch nicht allzu viel nutzen, da auch hierzulande – wie etwa bei BAYER in Leverkusen (siehe DRUGS & PILLS) – oder in Italien Probleme in den Fabriken auftreten, die Lieferengpässe nach sich ziehen. Die SPD drang auf weitergehende Maßnahmen und wollte beispielsweise die Konzerne für Lieferengpässe haftbar machen, aber die Partei vermochte es nicht, sich gegen ihren Koalitionspartner durchzusetzen.

Kommt das Lieferketten-Gesetz?

Die Lieferketten BAYERS im Pharma-Bereich erstrecken sich über den gesamten Globus. So bezieht der Leverkusener Multi Arznei-Grundstoffe aus Indien und China, wo hunderte Firmen zu Schnäppchen-Preisen für den Weltmarkt fertigen, was verheerende Folgen für Mensch, Tier und Umwelt hat. In anderen Branchen kommt es im Zuge der Globalisierung zu ähnlichen Phänomenen. Darum erkannten die Vereinten Nationen bereits im Jahr 2011 Handlungsbedarf und hielten ihre Mitgliedsländer dazu an, Maßnahmen zu ergreifen. Die Bundesregierung sah dabei erst einmal davon ab, übermäßigen Druck auf die Konzerne auszuüben. „Sozial- und Umweltstandards in nachhaltigen Wertschöpfungsketten können am besten durch eine intelligente Verknüpfung freiwilliger und verbindlicher Ansätze gestärkt werden (‚smart mix’)“, meint die Große Koalition. Zu diesem Behufe hob sie den Nationalen Aktionsplan (NAP) aus der Taufe. In dessen Rahmen erfragten CDU und SPD bei den Firmen, ob - und wenn ja – in welcher Form sie entlang ihrer weltumspannenden Lieferketten die Einhaltung der Menschenrechte gewährleisten. Von den Antworten wollten Merkel & Co. dann ihr weiteres Vorgehen abhängig machen. Der Befund fiel ernüchternd aus. Erst einmal schickten überhaupt nur 464 von 3.000 angeschriebenen Unternehmen den Fragebogen zurück, und von diesen erfüllte zudem nur jedes fünfte die sozialen und ökologischen Standards. „Das Ergebnis zeigt eindeutig: Freiwilligkeit führt nicht zum Ziel“, resümierte Entwicklungshilfe-Minister Gerd Müller (CSU) und konstatierte: „Wir brauchen einen gesetzlichen Rahmen“. Falls die nächste Umfrage kein besseres Ergebnis erbringe, beabsichtige er gemeinsam mit Arbeitsminister Hubertus Heil einen solchen zu schaffen, drohte der Politiker an. Entsprechend empört reagierten die WirtschaftsvertreterInnen. „Mit so einem Gesetz stehe ich ja schon mit beiden Beinen im Gefängnis. Dieser Unfug ist so groß, dass er nicht kommen wird“, erklärte etwa Arbeitgeber-Präsident Ingo Kramer.

Treffen mit Putin

Anfang Dezember 2019 traf sich der „Ost-Ausschuss – Osteuropaverein der Deutschen Wirtschaft“ (OAOEV) in Sotchi mit Wladimir Putin. Auch BAYER-Chef Werner Baumann nahm an der Zusammenkunft, welche die Boulevard-Zeitung Bild ein „Treffen der Schande“ nannte, teil. Baumann & Co. sprachen sich vor Ort für die Gas-Leitung „Nord Stream 2“ sowie für eine Aufhebung der Sanktionen gegen Russland aus, „denn die Milliarden, die dadurch verloren gehen, könnten in die Wiederherstellung der Wirtschaft und die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit unseres Kontinents investiert werden“.

PROPAGANDA & MEDIEN

Lobbying gegen Lieferketten-Gesetz

Der Nationale Aktionsplan (NAP) zur Einhaltung der Menschenrechte entlang der Lieferketten nebst im Raume stehender gesetzlicher Maßnahmen (siehe POLITIK & EINFLUSS) macht BAYER & Co. zunehmend nervös. Dementsprechend hoch ist ihr Lobby-Einsatz, wie Recherchen der Initiative INKOTA ergaben. Von Anfang März bis Ende Juli 2019 trafen sich EmissärInnen von Unternehmen oder Unternehmensverbänden insgesamt elf Mal mit VertreterInnen des Bundeswirtschaftsministeriums. Weitere Zusammenkünfte gab es im Auswärtigen Amt und im Kanzleramt. Der Hauptgeschäftsführer der „Bundesvereingung der deutschen Arbeitgeber-Verbände“ (BDA), der ehemalige Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter, schrieb in der Sache zudem einen Brief an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Kanzleramtschef Helge Braun (CDU). „Die Frage, ob die Bundesregierung ein für die Wirtschaft derart schädliches Gesetz (...) einführt, darf nicht von einem untauglichen und das wirkliche Engagement der Unternehmen verzerrenden Monitoring abhängen (...) Vielmehr sollte die Bundesregierung weiterhin dem Freiwilligkeitsgrundsatz folgen, hieß es in dem Schreiben. Und BDA-Präsident Ingo Kramer redete Entwicklungshilfe-Minister Gerd Müller (CSU) nach einer persönlichen Begegnung, bei der die beiden über einen Entwurf zum Lieferketten-Gesetz redeten, ins Gewissen. „Ich hatte in diesem Gespräch den festen Eindruck gewonnen, dass sie sich dieses Papier nicht zu Eigen machen wollten. Ich hatte Sie auch so verstanden, dass Sie bereit wären, sich öffentlich von diesem Text zu distanzieren (...) Ich halte es für erforderlich, dass Sie ihre Position klarstellen“, so Kramer.

BAYER wollte Presse-Verband kaufen

Nach Recherchen der britischen Tageszeitung The Guardian wollte der BAYER-Konzern sich durch massive finanzielle Zuwendungen Einfluss auf die US-amerikanische „Foreign Press Association (FPA)“ erkaufen. Der Leverkusener Multi beabsichtigte dem Guardian zufolge, die Non-Profit-Organisation, die hauptsächlich AuslandskorrespondentInnen, andere JournalistInnen und PR-Fachleute zu ihren Mitgliedern zählt, zu nutzen, um das nicht zuletzt durch den MONSANTO-Deal angeschlagene Image des Konzerns aufzupolieren. Zwei ManagerInnen der US-amerikanischen BAYER-Dependance hatten mit dem FPA-Geschäftsführer Thanos Dimadis eine Absprache getroffen, wonach der Agro-Riese nach Zahlung eines bestimmten Betrags einen Sitz im Beirat der FPA erhalten sollte. Im Preis enthalten war auch die Möglichkeit des Agenda-Settings für die Foren, welche die FPA für ihre Mitglieder anbietet. Das gemeinsame Ausrichten einer Konferenz zum Thema „Fake News“ stand ebenfalls zur Debatte. Darüber hinaus plante Dimadis „Hintergrund-Briefings“ mit nationalen und internationalen JournalistInnen zu „Themen, die in BAYERs Kommunikationsprioritäten und strategische Ziele passen“, wie er in einer Mail an den Leverkusener Multi schrieb. Damit nicht genug, ließ Dimadis der Aktien-Gesellschaft im September 2018 noch eine Liste mit über 300 AuslandskorrespondentInnen zur freien Auswahl zukommen: Der Konzern konnte sich aus der Aufstellung diejenigen Personen aussuchen, die er „an sich binden“ wollte. Allerdings hatte Thanos Dimadis wichtige EntscheidungsträgerInnen seiner eigenen Organisation nicht in den BAYER-Deal eingeweiht. Deshalb kam das Projekt mit Dimadis’ Wechsel von der „Foreign Press Association“ zur „Association of Foreign Correspondents in the United States“ zum Erliegen. Als andere FPA-Verantwortliche dann auf den nicht vollständig gelöschten Mail-Verkehr mit der bundesdeutschen Firma stießen, reagierten sie empört. BAYER habe versucht, die FPA zu kaufen, konstatierte Vize-Präsident Ian Williams. Präsident David Michaels sprach im Hinblick auf die zwischen Dimadis und dem Global Player getroffenen Vereinbarungen sogar von einer „Verschwörung“, welche die Integrität der Organisation und des Journalismus an sich bedrohe.

BAYER macht Schule

„Wie DAX-Unternehmen Schule machen“ lautet der Titel einer Studie der Otto Brenner Stiftung (OBS). Der Autor Tim Engartner zeigt in seiner Arbeit auf, wie massiv die Konzerne mittlerweile die Lehrpläne bestimmen. Nicht weniger als 800.000 – natürlich kostenlose – Lehrmaterialien haben sie bereits erstellt. Und diese müssen noch nicht einmal die bei normalen Schulbüchern üblichen pädagogischen Eignungstests durchlaufen, ehe sie in den Klassenzimmern landen. Natürlich ganz vorne mit dabei: BAYER. Der Untersuchung zufolge „nutzt das Unternehmen alle Formen von Schulmarketing-Aktivitäten“. Unterrichtsmaterialien, Wettbewerbe, Betriebsführungen sowie mobile und stationäre Schullabore zählt Engartner unter anderem auf. Auch die Wimmelbücher, mit denen der Leverkusener Multi schon die Kleinsten in Kindergärten heimsuchte, nennt der Wissenschaftler. „Die Vermutung, dass nicht nur die regional bedeutsame Chemie-Industrie illustriert werden soll, sondern die im bunten Treiben des Wimmelbuches platzierten Logos zugleich ein positives Unternehmensbild evozieren sollen, liegt nahe“, hält er fest und erwähnt in diesem Zusammenhang auch die Kampagne der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) gegen die frühpädagogischen Anwandlungen des Konzerns. Angesichts des alarmierenden Befundes von „Wie DAX-Unternehmen Schule machen“ schreibt OBS-Geschäftsführer Jupp Legrand im Vorwort: „Stiftung und Autor sind überzeugt, dass dringend gehandelt werden muss, um z. B. den Verlust demokratischer Legitimation schulischer Bildungsinhalte durch Privatisierungstendenzen zu stoppen.“

TIERE & VERSUCHE

Labor fälschte Studien

Der Tierversuchskonzern LABORATORY OF PHARMACOLOGY AND TOXICOLOGY (LPT), der auch BAYER zu seinen Kunden zählt, steht in der Kritik. So hat LPT nach Undercover-Recherchen von TierschützerInnen massiv gegen die ohnehin nicht eben strikten Grenzen des Erlaubten verstoßen. Katzen erhielten bis zu 13 Mal am Tag Stiche in die Beine, Hunde mussten in blutverschmierten Gehegen dahinvegetieren und Affen in viel zu kleinen Käfigen ihren Tod abwarten. Damit nicht genug, führte die Firma auch nicht genehmigte Versuche an Kaninchen durch und manipulierte Studien. Eine Ex-Beschäftigte räumte das in einem Fernseh-Interview freimütig ein. „Ich habe Dokumente gefälscht. Wenn da Ergebnisse nicht den Erwartungen entsprachen, bin ich angehalten worden, das zu verbessern“, bekannte sie. Eine andere Frau berichtet noch von anderen Methoden. Bei einer Kurzzeit-Studie mit einem Medikament starben Ratten bei der höchsten Dosierung elendig, was der Auftraggeber jedoch nicht erfahren sollte. „Um jetzt dem Kunden eine entsprechende Nachricht nicht mitteilen zu müssen, wurde die höchste Dosierung durch eine deutlich niedrigere ersetzt. Die Tiere wurden ausgetauscht und so ein positiveres Ergebnis erzielt“, so die ehemalige LPT-Angestellte. Das demonstriert einmal mehr, wie wenig aussagekräftig die Tests „am Tier-Modell“ sind. Nach dem Bekanntwerden der unhaltbaren Zustände bei LPT kam es immer wieder zu Demonstra-tionen und Protest-Veranstaltungen, was Konsequenzen hatte. Der Standort Mienenbüttel schloss nach den letzten von den Behörden genehmigten Versuchen an Hunden. Ob das Unternehmen noch weitere Niederlassungen dichtmachen muss, steht bis dato nicht fest.

DRUGS & PILLS

In Treue fest zu IBEROGAST

Auch Medikamente auf pflanzlicher Basis wie BAYERs Magenmittel IBEROGAST, das 2013 mit dem Kauf von STEIGERWALD in die Produkt-Palette des Pharma-Riesen gelangte, können es in sich haben. So schädigt der IBEROGAST-Inhaltsstoff Schöllkraut die Leber. Arzneien mit einer hohen Schöllkraut-Konzentration hat das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) deshalb schon aus dem Verkehr gezogen. Vom Leverkusener Multi verlangte es, diese Nebenwirkung auf dem Beipackzettel zu vermerken und insbesondere Schwangere vor der Einnahme des Präparats zu warnen. Der Konzern lehnte es aber ab, der Anordnung nachzukommen, und zog vor Gericht. Diese Hinhalte-Taktik kostete einen Menschen das Leben. Eine Frau starb an Leberversagen. Da duldete das BfArM dann keinen Aufschub mehr. Es drohte dem Pillen-Riesen mit einem „Sofort-Vollzug“ der Beipackzettel-Änderung. Und da erst fügte sich der Global Player zähneknirschend. Mittlerweile ermittelt die Kölner Staatsanwaltschaft in der Sache sogar wegen fahrlässiger Tötung (siehe SWB 4/19). BAYER aber steht weiter in Treue fest zu dem Mittel. So wartete der Konzern Anfang Dezember 2019 mit einer Pressemeldung auf, wonach „eine internationale Experten-Runde in einer aktuellen Publikation“ IBEROGAST „ein optimales Nutzen/Risiko-Profil bei Reizmagen und Reizdarm“ bescheinigt habe. Bei der „Publikation“ handelte es sich jedoch nicht um eine Studie, wie Unbedarfte annehmen müssen, sondern um die Zusammenfassung der Ergebnisse eines von BAYER gesponserten Workshops mit von BAYER gesponserten MedizinerInnen. Deren Befund, es gäbe „keine Anhaltspunkte für eine relevante Toxizität der Inhaltsstoffe“, wundert deshalb nicht weiter.

NIMOTOP-Lieferengpass

In der Bundesrepublik kommt es seit geraumer Zeit verstärkt zu Liefer-Engpässen bei Arzneimitteln. Auf der aktuellen Fehl-Liste des „Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfArM) findet sich nun schon zum wiederholten Mal das BAYER-Mittel NIMOTOP. Als Grund dafür, dass das die Gehirn-Durchblutung fördernde Produkt wieder einmal nicht erhältlich ist, nennt der Leverkusener Multi „Produktionsprobleme“. Auch auf das Krebs-Präparat XOFIGO, das Herz/Kreislauf-Pharmazeutikum ADALAT, das Malaria-Medikament RESOCHIN, den Blutdruck-Senker BAYOTENSIN, das Kontrastmittel ULTRAVIST, das unter anderem bei der Akut-Behandlung von Herzinfarkten zum Einsatz kommende ASPIRIN i. v. 500 mg sowie auf die Johanniskraut-Arznei LAIF zur Behandlung milder Depressionen warteten die Apotheken in der Vergangenheit schon vergeblich. Aktuell verzeichnet das BfArM rund 270 Lieferengpässe. Diese entstehen hauptsächlich, weil die Pharma-Riesen die Fabrikation gnadenlos rationalisiert haben. So versuchen sie etwa verstärkt, „just in time“ zu produzieren und auf diese Weise Lager-Kapazitäten abzubauen. Überdies gliedern die Unternehmen die Wirkstoff-Herstellung zunehmend in Länder der „Dritten Welt“ aus. Darum gibt es immer weniger Fertigungsstätten, und wenn es in einer einmal hakt, können andere Standorte nicht mehr einspringen. Aber auch bei BAYER selber treten „Produktionsprobleme“ auf. So musste der Konzern nach einer Intervention der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA seine Leverkusener Arznei-Anlagen wegen vieler Missstände im Jahr 2018 generalüberholen, was „Versorgungsunterbrechungen“ nach sich zog (siehe auch SWB 2/18).

Vom Lieferengpass zum Lieferstopp

Lieferengpässe für BAYERs Malaria-Arznei RESOCHIN mit dem Wirkstoff Chloroquin-Phosphat hatte es in der Vergangenheit schon gegeben (s. o.). Jetzt aber sind die Kanäle ganz dicht, wie Apotheke adhoc berichtet. „Grund dafür ist, dass die Herstellung des Arznei-Stoffs Chloroquin-Phosphat nicht mehr in der erforderlichen Qualität erfolgen kann. Die weltweite Suche nach einem alternativen Hersteller verlief laut Konzern erfolglos, sodass die Produktion zum Stoppen kam“, so das Web-Portal. Die Mängel dürften in Indien aufgetreten sein. Das Land hat sich nämlich gemeinsam mit China und Italien zum Hauptproduzenten von pharmazeutischen Substanzen entwickelt und das Joint Venture, das der Leverkusener Multi dort mit dem heimischen Produzenten ZYDUS gegründet hat, führt Chloroquin-Phosphat auf seiner Produkt-Liste. Entweder also traten in den Werken von BAYER ZYDUS PHARMA Probleme auf oder aber bei den Lieferanten der Basis-Stoffe für das Mittel.

AGRO & CHEMIE

Glyphosat-Verkäufe gehen zurück

In Deutschland geht der Glyphosat-Absatz zurück. Er sank 2018 im Vergleich zum Vorjahr um 26,5 Prozent auf 3.450 Tonnen. Die Höchstmarke hatte der Verkauf im Jahr 2008 mit 7.610 Tonnen erreicht.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Feuer in Bitterfeld

Am 15.11.2019 kam es am BAYER-Standort Bitterfeld zu einem Brand. Bei Dacharbeiten auf einem Hochregal-Lager hatten sich Dachplatten entzündet. Auf mehrere Kilometer Entfernung waren die Rauchschwaden zu sehen. Trotzdem wiegelte der Leverkusener Multi sofort ab und erklärte, es bestehe keine Gefahr für Anwohnerinnen und Anwohner.

Brand in Dormagen

Am 19.11.2019 brach in der Tankreinigungsstation des Dormagener Chemie-„Parks“ ein Brand aus. Bei der Säuberung eines Behältnisses fing ein Lösemittel Feuer. Fünf Beschäftigte mussten zur Untersuchung ins Krankenhaus, aber der Verdacht auf Rauchgas-Vergiftung bestätigte sich nicht. Nach Angaben der Betreiber-Gesellschaft CURRENTA kam es auch zu keiner erhöhten Schadstoff-Konzentration in der Luft. An der CURRENTA hält BAYER 60 Prozent der Geschäftsanteile. Im Sommer verkaufte der Konzern diese jedoch an einen Finanzinvestor. Allerdings müssen die Kartell-Behörden dem Deal noch zustimmen.

IMPERIUM & WELTMARKT

BAYER auf der CIIE in Shanghai

Der BAYER-Konzern nahm im November 2019 an der chinesischen Import-Messe CIIE teil. Er präsentierte in Shanghai unter anderem Pharmazeutika, nicht rezeptpflichtige Arzneien und Pestizide. In einem zu dem Event veröffentlichten Statement bezeichnete der Leverkusener Multi die CIIE als eine wegweisende Maßnahme der chinesischen Regierung, um ihre Politik der Öffnung zu stärken.

RECHT & UNBILLIG

Verbotener Pestizid-Einsatz

Die Inseln des US-Bundesstaates Hawaii haben sich zu einem riesigen Freiluft-Labor für die Agro-Riesen entwickelt. Auch die nunmehrige BAYER-Tochter MONSANTO unterhält dort eine Forschungsanlage. Im Jahr 2014 testete sie dort das wegen seiner extremen Giftigkeit verbotene Pestizid Penncap-M. Dabei setzte das Unternehmen auch die Gesundheit der Beschäftigten aufs Spiel. Sie mussten nämlich schon eine Woche nach dem Sprüh-Einsatz auf den Feldern nachsehen, wie die Agro-Chemikalie gewirkt hat, obwohl die Vorschriften dafür die Frist von einem Monat setzen. Darum verurteilte ein Gericht in Honolulu den Leverkusener Multi nun zu einer Strafe in Höhe von zehn Millionen Dollar. „Das rechtswidrige Verhalten in diesem Fall stellt eine Bedrohung für die Umwelt, die umliegenden Gemeinden und die MONSANTO-Arbeiter dar“, so der Richter Nick Hanna. Wie bei den anderen erst nach der Übernahme bekannt gewordenen MONSANTO-Sünden blieb dem Leverkusener Multi auch dieses Mal nichts anderes übrig, als sich reumütig zu zeigen. „Der Vorfall tut uns sehr leid“, bekannte der Konzern und stellte klar, sein Neuerwerb habe damals „weder entsprechend den eigenen Standards noch gemäß der geltenden Gesetze gehandelt“. Ein kleines Aber musste jedoch wie immer dabei sein. Es lägen keine gemeldeten Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt als Folge der illegalen Praxis vor, so der Global Player.

Klage wg. EEG-Tricks

Die in der Strom-Rechnung enthaltene EEG-Umlage gilt der Förderung alternativer Energien. Allerdings tragen nicht alle gleichermaßen zu der Subventionierung von Wind & Co. bei. Der Gesetzgeber hat BAYER und andere Chemie-Firmen wegen ihres hohen Energie-Bedarfs und entsprechend hoher Kosten weitgehend von der Abgabe befreit. Zudem zahlen die Konzerne für die Elektrizität, die sie in ihren eigenen Kraftwerken selbst erzeugen, nichts in den EEG-Topf ein. Das sogenannte Eigenstrom-Privileg entbindet sie davon. Aber den Multis reichte das noch nicht. Sie wollten sich auch bei dem zugekauften Strom vor den EEG-Zahlungen drücken, die sich pro Gigawatt-Stunde auf rund 64.000 Euro belaufen. Dafür bedienten sich die Gesellschaften des „Scheibenpacht-Modells“, das sich schlaue BeraterInnen ausgedacht hatten. Diese entwickelten Verträge, die BAYER, RWE, DAIMLER und andere Global Player von schnöden Strom-Kunden zu Pächtern von Kraftwerk-Anteilen machten – und damit zu Nutznießern des Eigenstrom-Privilegs. „Einzelne Unternehmen sparten auf diese Weise Hunderte Millionen Euro“, so der Spiegel, der den Skandal aufdeckte. Darum haben Netzbetreiber wie AMPRION die Unternehmen nun verklagt. Der Leverkusener Multi aber ist sich keiner Schuld bewusst und beteuert, sich immer an geltendes Recht gehalten zu haben

[Nicht-Entlastung] BAYER-Vorstand nicht entlastet

CBG Redaktion

Ein historischer Tag

Solch eine Hauptversammlung gab es in der ganzen BAYER-Geschichte noch nicht: Vor Beginn eine Kundgebung mit mehreren hundert Teilnehmer*innen, ellenlange Warte-Schlangen vor dem Eingang, 35 Reden von Konzern-Kritiker*innen und 30 weitere, oftmals auch nicht gerade konzern-freundliche von Klein-Aktionär*innen und Fonds-Manager*innen und zu guter Letzt eine mit der Nicht-Entlastung des Vorstands endende Abstimmung.

Von Jan Pehrke

„Zukunft vor Profit“ stand neben einem durchgestrichenen BAYER-Kreuz auf dem Transparent, mit dem hunderte „Fridays For Future“-Demonstrant*innen in die Kundgebung zur BAYER-Hauptversammlung platzten, die auch zuvor schon mit Wort-Beiträgen, internationalen Musik-Darbietungen, Gruß-botschaften aus dem Hambacher Forst und Theater-Einlagen bunt und lebendig war.
Die Schüler*innen zogen bei ihrer Ankunft auf dem Platz der Vereinten Nationen an einem überdimensionalen BAYER-Chef Werner Baumann vorbei, der auf einem Haufen voller Probleme saß, weshalb sein kühner, mangelnde Risikobereitschaft in Deutschland beklagender Spruch „Mit voller Hose gewinnen Sie eben keinen 100-Meter-Lauf“ nun auf ihn selbst zurückfiel, und streiften an den gegen die bienengefährlichen Pestizide des Leverkusener Multis protestierende Imker*innen vorüber. Dann umkurvten sie den Polizei-Kordon, der zeitweilig die Aktionär*innen vor den Kundgebungsteilnehmer*innen abschirmte, und drückten sich schließlich um die symbolischen Grabes-Kreuze für Medikamenten-Opfer und banner-bestückten Trecker der ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄU-ER-LICHE LANDWIRTSCHAFT herum, ehe sie haltmachten.
„Es sind Ferien, und wir sind trotzdem hier“, konstatierte ihr Sprecher Felix Pohl in seiner Rede, um die Dringlichkeit des Anliegens zu betonen, das da lautete: „System change, not climate change.“ Aber danach stand dem Agro-Riesen nicht der Sinn. Er verweigerte einigen Schüler*innen trotz gültiger Eintrittskarte den Zutritt zum Aktionär*innen-Treffen. „Das zeigt, dass BAYER Angst hat, und es zeigt, dass Protest was bringt“, resümierten die beiden Schüler*innen Lisa und Noah auf der Kundgebungsbühne trocken.
Pohl hatte es jedoch in die heiligen Hallen geschafft. In seinem Beitrag griff er die klima-schädigende Geschäftspolitik scharf an und stellte detaillierte Fragen zu Kohle und anderen schmutzigen Energie-Trägern des Konzerns. „Zukunft statt Profit“ forderte er zum Schluss und setzte damit das Signal für die Fortsetzung des Demonstrationszuges in kleinerem Rahmen. Mit einem „Fridays for Future“-Transparent zogen eine Handvoll Schüler*innen durch den Saal und versetzten damit den Sicherheitsdienst in Alarmbereitschaft, der dann aber doch lieber auf den Zugriff verzichtete.
Jan Pehrke vom Vorstand der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) lieferte an dem Tag weitere Details zu BAYERs CO2-Ausstoß, der durch den Erwerb von MONSANTO noch bedenklichere Dimensionen angenommen hatte. „Die klimaschädlichen Kohlendioxid-Emissionen erhöhten sich um mehr als 50 Prozent von 3,63 Millionen Tonnen auf 5,45 Millionen Tonnen. Sehr zurecht ist die Hauptversammlung darum zum Ziel einer großen „Fridays for Future“-Demonstration geworden“, so Pehrke.

Der Desaster-Deal
Die zahlreichen anderen negativen Folgen des Desaster-Deals kamen ebenfalls reichlich zur Sprache. Sarah Schneider von MISEREOR und Lena Michelsen von INKOTA machten als Verlierer vor allem die Kleinbauern und Kleinbäuerinnen in Lateinamerika und Afrika aus. CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann fügte der Liste die BAYER-Beschäftigten hinzu. 12.000 von ihnen verlieren nämlich im Zuge des Rationalisierungsprogramms, welches die Aktien-Gesellschaft auf Druck ihrer Großanleger*innen starten musste, weil der Aktien-Kurs durch die Schadensersatz-Prozesse in Sachen „Glyphosat“ abstürzte, ihren Arbeitsplatz. Eben auf dieses finanzielle Risiko hatte René Lehnherr vom MONSANTO-Tribunal schon auf der letztjährigen HV hingewiesen. „Ich komme mir vor wie ein Hellseher, dem man einfach nicht glauben will“, hielt er deshalb fest. Einer der Pestizid-Geschädigten, der sich in einem Rechtsstreit mit der jetzigen Tochter-Gesellschaft des Leverkusener Multis befindet, ist Paul François. Der französische Landwirt hat vor 15 Jahren durch das Ackergift LASSO massive gesundheitliche Schäden erlitten. Er verklagte MONSANTO deshalb drei Jahre später und errang am 11. April einen ersten Erfolg: Ein Gericht in Lyon sprach BAYER als Rechtsnachfolger des US-Unternehmens die Verantwortung für die Krankheiten zu. Am 26. April nun konfrontierte der Franzose die Aktionär*innen und den Vorstand direkt mit seinem Schicksal – die Initiative SumOfUs hatte ihm die Reise nach Bonn ermöglicht. In seiner Rede, die SumOfUs-Aktivistin Anne Isakowitsch auf Deutsch vortrug, forderte Paul François das Management eindringlich auf, Verantwortung für die Leidtragenden von Agrochemie-Produkten zu übernehmen: „Sie haben heute die Chance, das Richtige zu tun!“
Neben François traten an dem Tag noch zahlreiche andere Geschädigte von BAYER-Produkten vor das Mikrofon. Besonders eindrucksvoll geriet der Auftritt der drei ehemaligen Heimkinder Franz Wagle, Eckhard Kowalke und Günter Wulf, die in den 1960er Jahren gezwungen waren, als Versuchskaninchen für MEGAPHEN, AGEDAL und andere Arzneien des Pharma-Produzenten herzuhalten. Wulf zählte einfach in lakonischem Stil die Verordnungen aus seiner „Kranken-Akte“ auf wie etwa MEGAPHEN, Zwangsjacke, AGEDAL, „geschlossene Anstalt“ und zitierte dann die in den Berichten beschriebenen Effekte, zu denen Krämpfe und Kontrollverlust gehörten.
Eine Einverständnis-Erklärung der Pro-band- *innen oder deren Erziehungsberechtigten für die Medikamenten-Tests, wie sie eigentlich auch damals schon obligatorisch war, lag den Mediziner*innen nicht vor. „Wir waren rechtlos“, resümierte Eckhard Kowalke deshalb und nannte das Kind beim Namen: „Menschenrechtsverletzungen“. Trotzdem appellierte er erneut an den Vorstand, das Angebot zu einem Gespräch und einem Versöhnungsprojekt anzunehmen. „Wenn die Zukunft gestaltet werden will, muss die Vergangenheit aufgearbeitet werden“, so Kowalke.
Insgesamt hielten 35 Konzern-Kritiker*in-nen nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus Brasilien, England, Frankreich und Holland, auf dem Aktionär*innen-Treffen Reden – so viele hatte die CBG vorher noch nie versammeln können. Zusätzlich zu den bereits erwähnten Themen setzten sie unter anderem das Bienensterben, BAYERs ehemalige Giftmüll-Deponie „Dhünnaue“, die gefährliche Kohlenmonoxid-Pipeline, doppelte Pestizid-Standards und die unerwünschten Arznei-Effekte von MIRENA, DUOGYNON, JADELLE & Co. auf die Tagesordnung.
Damit nicht genug, gerieten viele der übrigen 30 Rede-Beiträge nicht eben konzern-freundlicher. Bei Katzenjammer über den Wert-Verlust der BAYER-Aktie durch die umstrittene Übernahme blieb es nämlich zumeist nicht. „Kalt, kälter BAYER“ – dieses Führungszeugnis stellte Joachim Kregel von der „Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger“ der Manager*innen-Riege aus. Ingo Speich von DEKA-INVESTMENTS, der Fonds-Gesellschaft der Sparkassen, kritisierte den Vorstand derweil dafür, bei der Transaktion bloß der industriellen Logik gefolgt zu sein, wo doch immer mehr Aktionär*innen sich bei ihren Anlage-Entscheidungen mittlerweile auch von sozialen und ökologischen Maßstäben leiten ließen. Janne Werning von UNION INVESTMENT pflichtete Speich bei: „Reputation ist eine reale Wirtschaftsgröße.“ Die Veränderungen in der Gesellschaft, wie ihn zum Beispiel der Kampf gegen den Klimawandel dokumentiert, hätten spätestens seit dem Pariser Klima-Abkommen auch den Kapitalmarkt durchdrungen, so Werning gegenüber Zeit Online.Baumann aber focht das alles nicht an. Er weigert sich strikt, auf seinem Terrain eine andere als die industrielle Logik gelten zu lassen und verteidigte, bei der Kaufentscheidung für MONSANTO einzig solche Kriterien wie „Wachstums-potenzial“, „Markt-Profitabilität“ und „das Erreichen führender Wettbewerbspositionen“ zugrunde gelegt zu haben. Genau deshalb „war und ist der Erwerb der richtige Schritt für BAYER“, bekräftigte der Vorstandsvorsitzende in seiner Eröffnungsrede: „Und das gilt auch vor dem Hintergrund der Diskussion um Glyphosat.“ Das Total-Herbizid ist nämlich für Baumann nach wie vor „bei sachgerechter Anwendung ein sicheres Produkt“.
Das waren für ihn auch alle anderen Pestizide und Arzneien, deren Schadensbilanz die kritischen Aktionär*innen präsentiert hatten. So wurden nach seiner Aussage „alle Produkte umfangreich auf Bienensicherheit getestet“; und selbstredend besitzt die Hormonspirale MIRENA „ein positives Nutzen/Risiko-Profil“ und kommt der bis Anfang der 1980er Jahre von dem 2006 aufgekauften SCHERING-Konzern vermarktete Schwangerschaftstest DUOGYNON nicht als Ursache für Totgeburten und das Auftauchen von schweren Missbildungen bei Neugeborenen in Frage.
Die ehemaligen Heimkinder haben vom Leverkusener Multi ebenfalls nichts zu erwarten. Werner Baumann sprach ihnen zwar sein Mitgefühl aus, verweigerte aber sowohl eine Entschuldigung als auch eine Entschädigung oder irgendeine andere Art von Entgegenkommen. Und klima-technisch ist ihm zufolge beim Global Player auch alles in Butter: „Seit Jahrzehnten hat Klimaschutz bei BAYER Priorität.“
Bis spät in den Abend hinein gab der Ober-BAYER solche nichtssagenden Antworten. Verständlicherweise waren die Fragesteller*innen damit nicht zufrieden. So konnte Aufsichtsratschef Werner Wenning als Versammlungsleiter die Aussprache nicht wie vorgesehen beenden. Die Aktionär*innen rebellierten, und Baumann musste noch mal in die Bütt, obwohl die Hauptversammlung da in ihrem Zeitplan schon erheblich hinerherhinkte. Und das dicke Ende kam noch: Die Anleger*innen verweigerten dem Vorstand die Entlastung. Mit 55,52 Prozent stimmten sie dagegen – ein einmaliger Vorgang in der deutschen Wirtschaftsgeschichte! Aber der Aufsichtsrat hörte die Signale nicht. Noch in der Nacht hielt er eine Sondersitzung ab und stellte sich hinter Werner Baumann. Einige Großinvestoren, die gegenüber der Presse ihre Identität nicht preisgeben wollten, zeigten sich darüber not amused. Andere wie die DEKA wollen zumindest Veränderungen in Wennings Kontroll-Gremium sehen: Sie forderten aus gegebenem Anlass neue Aufsichtsräte mit Kern-Kompetenzen in den MONSANTO-relevanten Bereichen „Prozess-Wesen“ und „Agrar-Geschäft“.Dem leistete der Aufsichtsratschef zwar nicht Folge, dafür aber kündigte er an, einen beratenden Ausschuss mit Top-Anwält*innen ins Leben zu rufen. Das beruhigte die finanzschwersten Fonds einstweilen. Auch ELLIOT zeigte sich vorerst zufrieden, nicht ohne allerdings eine Aufspaltung des Konzerns ins Spiel zu bringen, sollte die neue Strategie scheitern. Damit nicht genug, machte das BAYER-Beispiel auch noch Schule. Wenige Tage nach der Hauptversammlung des Leverkusener Multis sprachen die Aktionär*innen der Schweizer Bank UBS Vorstand und Aufsichtsrat ihr Misstrauen aus, was die Faz als Zeichen für einen grundlegenden Wandel interpretierte: „Künftig könnten Abstimmungsergebnisse wie bei BAYER oder der UBS häufiger der Fall sein.
Während der Gesamtbetriebsrat Baumann die Absolution erteilte, reagierte die Politik angesichts der „Augen zu und durch“-Mentalität des Managements erbost. Karl Lauterbach von der SPD und Anton Hofreiter von Bündnis 90/Die Grünen forderten den Rücktritt des BAYER-Chefs.
Wie die Sache ausgeht, bleibt einstweilen ungewiss. Was aber feststeht: Die CBG konnte an diesem Tag einen großen Erfolg feiern: Noch nie kamen so viele Menschen zu der traditionellen HV-Kundgebung, noch nie gab es so viele Rede-Beiträge von kritischen Aktionär*innen, noch nie dauerte eine Hauptversammlung bis 23 Uhr und noch nie endete sie mit einem solchen Debakel für das Management. Ohne die zahlreichen Mitstreiter wie COLABORA, IFOAM, INKOTA, DIE LINKE, MISEREOR, ATTAC DACHVERBAND DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE, kollektiv tonali, BUND, MONSANTO-TRIBUNAL, RISIKO-PILLE, ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT, MEINE LANDWIRTSCHAFT, den FRIDAYS FOR FUTURE und anderen wäre das nicht möglich gewesen. Das Projekt „Konzern-Wende“ kann die CBG nach diesem historischen Tag jedenfalls gestärkt angehen. ⎜

Abstimmungsergebnisse
(je Aktie eine Stimme)
Von anwesenden ca. 600 Mio. Aktien stimmten bei den einzelnen Tagesordnungspunkten gegen den Vorstand mit „Nein“:

Gewinnverwendung
Nein-Stimmen 7,7 Mio. 1,3 %
Entlastung Vorstand
Nein-Stimmen 291,4 Mio. 55,5 %
Entlastung Aufsichtsrat
Nein-Stimmen 175,9 Mio. 33,6 %
Wahlen zum Aufsichtsrat
Nein-Stimmen 73,9 Mio. 12,2 %

Abstimmungen auf Hauptversammlungen der Konzerne werden von wenigen Großaktionär*innen (Ultrareiche, Investmentfonds, Banken etc.) bestimmt. Sie besitzen bis zu 90 und mehr Prozent aller Aktien.
Die mehreren hunderttausend Klein-aktionär*innen halten zu--sammen lediglich fünf bis zehn Prozent der Anteile bei BAYER. Entsprechend beachtlich sind die Abstimmungsergebnisse.
Die Kritischen Aktionär*innen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hatten zur Gewinnverteilung, zur Entlastung und zur Wahl alternative Anträge gestellt. Der Erfolg dieser Anträge wird deutlich an den Gegenstimmen zu den Anträgen des Vorstands.
Allerdings ist zu beachten, dass die verheerenden negativen Auswirkungen der MONSANTO-Übernahme sowie die massive internationale Kritik im Hinblick auf die vielen anderen Verbrechen an Mensch und Umwelt zu einer gefährlichen wirtschaftlichen Lage des Unternehmens geführt haben. Es bildete sich deshalb bei dieser HV eine bemerkenswerte Allianz aus den ökologisch, sozial und politisch motivierten Kon-zern-Kritiker*innen, vielen Großaktionär*innen (darunter Finanzkonzerne wie BLACKROCK) und den traditionellen Kleinaktionär*innen, die um den Wert ihrer Aktien fürchteten. Im Ergebnis führte das zur historisch einmaligen Nicht-Entlastung des Vorstands.

Schamlose Profite
Das Grundkapital des BAYER-Konzerns beträgt ca. 2,4 Milliarden Euro. Es ist aufgeteilt auf ca. 932 Millionen Aktien. Diese werden von ca. 383.000 Aktionär*innen gehalten.
Der BAYER-Konzern machte im Geschäftsjahr 2018 einen Umsatz von 39,6 Milliarden Euro und einen bereinigten Gewinn von 9,5 Milliarden Euro. Das entspricht 24 Prozent des Umsatzes und fast 400 Prozent des Grundkapitals. Nach Steuern und nach sogenannten Sondereffekten wohlgemerkt!
Rund 2,6 Milliarden Euro des Gewinns wurden an die Aktionär*innen des Konzerns ausgeschüttet. Eine BAYER-Aktie repräsentiert einen Anteil am Gesamtkapital in Höhe von 2,56 Euro. Auf jede Aktie wurde eine Dividende von 2,80 Euro ausgeschüttet. Das entspricht einer Kapitalrendite von sage und schreibe 109,4 Prozent.
Um diese Maßlosigkeit vor der Öffentlichkeit zu verschleiern, wendet der Leverkusener Multi einen Trick an. Er macht den Kurswert seiner Aktie zur Grundlage der Berechnung der Dividende. An der Börse notierte das Papier zum gegebenen Zeitpunkt bei rund 60 Euro. Damit fällt die Dividende – Hokuspokus – auf lediglich 4,7 Prozent.

[Klima-Killer BAYER] Immer mehr CO2-Emissionen

CBG Redaktion

Energie hat für den BAYER-Konzern vor allem billig zu sein, und so sieht seine Klima-Bilanz auch aus: 5,45 Millionen Tonnen Kohlendioxid stieß er im vergangenen Jahr aus. Und der Leverkusener Multi verteidigt seine Lizenz zum Klimakillen mit allen Mitteln gegen das Projekt „Energie-Wende“. Aber die Gegenkräfte wachsen.

Von Jan Pehrke

2018 war das Jahr, das mit seinem Dürre-Sommer noch einmal ein deutliches Zeugnis des Klimawandels geliefert hat. Es war gleichzeitig das Jahr, in dem RWE ohne Rücksicht auf Verluste dafür gekämpft hat, im Hambacher Forst mit der Braunkohle auch in Zukunft den schmutzigen aller Energieträger abbauen zu dürfen, um BAYER & Co. weiter mit möglichst billiger Energie versorgen zu können. Und es war das Jahr, in dem der weltweite Kohlendioxid-Ausstoß um 1,7 Pozent auf 33,1 Milliarden Tonnen und derjenige des Leverkusener Multis von 3,63 Millionen auf 5,45 Millionen Tonnen stieg.

Bei der selbst erzeugten Energie legten die Werte des Konzerns von 2,5 auf 3,9 Millionen Tonnen zu, bei der von RWE & Co. bezogenen Energie erhöhten sie sich von 1,13 auf 1,55 Millionen Tonnen. Der Kohle-Anteil betrug beim selbst erzeugten Strom rund 25 Prozent. Beim zugekauften dürfte er noch höher liegen. BAYER machte dazu zwar keine näheren Angaben, aber die allgemeinen Zahlen weisen das aus: Im letzten Jahr erfolgte die Energie-Erzeugung der bundesdeutschen Kraftwerksbetreiber zu 24 Prozent aus Braunkohle und zu 13,2 Prozent aus Steinkohle. Besonders stark nahm beim Agro-Riesen der Verbrauch von klima-schädigenden Flüssigbrennstoffen wie Heizöl zu. Er wuchs von 230 Terra-Joule auf 3.491 Terra-Joule an.

Als Grund für die miese Klima-Bilanz nennt der Global Player den MONSANTO-Deal. „Mit der Übernahme von MONSANTO hat BAYER neben Standorten für die Saatgut-Produktion auch eine Rohstoff-Gewinnung für die Herstellung von Pflanzenschutzmittel-Vorprodukten übernommen, mit der eine energie-intensive Aufbereitung und Weiterverarbeitung verbunden sind“, heißt es dazu im Geschäftsbericht für das Jahr 2018. Das alles spiegelt sich auch in der Energie-Effizienz wider, der Kennziffer für das Verhältnis des Strom-Verbrauchs zum Außen-Umsatz, also dem Umsatz mit den nicht für den internen Gebrauch – z. B. als Vorprodukt – bestimmten Gütern. Während der Konzern hier in den letzten Jahren den relativen Energie-Einsatz zu reduzieren vermochte, steigerte er sich jetzt beträchtlich. Die Maß-Zahl lag 2016 bei 208,62, 2017 bei 204,93, im letzten Jahr hingegen bei sage und schreibe 278.

Ansonsten aber zeigte sich BAYER auch in den Zeiten vor MONSANTO nicht viel klima-freundlicher. Die CO2-Emissionen stagnieren seit Jahren auf hohem Niveau. Nur wenn das Unternehmen Sparten wie das Kunststoff-Geschäfte verkaufte, ein Werk ausfiel oder die Anlagen auf halber Kraft liefen, weil der Absatz stockte, tat sich in Sachen „Kohlendioxid“ mal etwas.

Dementsprechend unternahm der Global Player in der Vergangenheit alles, um Maßnahmen wie den Emissionshandel, das Erneuerbare-Energie-Gesetz, den Klimaschutz-Plan oder den EU-Vorstoß für strengere CO2-Reduktionsvorgaben zu vereiteln oder so gut es ging aufzuweichen – stets mit Erfolg.
„Die Energiewende ist der größte Einschnitt in die Wertschöpfung der deutschen Industrie, den es je gegeben hat“, von dieser Perspektive aus betrachtet der Konzern die Dinge. Der einstige Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers drohte sogar schon mit Abwanderung, sollte sich in dem Bereich nichts tun: „Ansonsten kann sich ein globales Unternehmen wie BAYER überlegen, seine Produktion in Länder mit niedrigeren Energiekosten zu verlegen.“ Billig hat der Strom für den Konzern zu sein, etwas anderes interessiert ihn nicht.

Folglich musste sich die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) in ihrer Arbeit schon viel mit dem „Klima-Killer BAYER“ beschäftigen. Lange – und letztlich erfolgreich – kämpfte sie gemeinsam mit anderen Gruppen wie dem NIEDERRHEINISCHEN UMWELTSCHUTZ-VEREIN gegen die Pläne des Multis, in Krefeld ein Steinkohle-Kraftwerk zu errichten, das jährlich über vier Millionen Tonnen Kohlendioxid, 100 Tonnen Feinstaub, 1.700 Tonnen Stickstoffdioxid und 2.400 Tonnen Schwefeldioxid ausgestoßen hätte. Auch gelang es der CBG, der Klima-Bilanzkosmetik des Konzerns ein Ende zu setzen und ihn dazu zu veranlassen, nicht nur die CO2-Emissionen der selbst erzeugten Energie, sondern auch diejenigen der zugekauften Energie zu verbuchen. Überdies problematisierte das Netzwerk BAYERs Bezug von Import-Kohle, deren Abbau sich in Kolumbien und anderen Ländern unter verheerenden sozialen und ökologischen Bedingungen vollzieht. Gleich mehrfach setzte die Coordination zudem das Thema „Kohlendioxid-Emissionen“ auf die Agenda der Hauptversammlung. kritisierte sie immer wieder die engen Beziehungen des Leverkusener Multis zu den Strom-Riesen, saß doch BAYERs Aufsichtsratsvorsitzender Werner Wenning lange dem E.ON-Aufsichtsrat vor und sein Amtsvorgänger Manfred Schneider lange demjenigen von RWE. Und selbstverständlich war die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN im Hambacher Forst und im Klima-Camp, wo sie einen Workshop zum „Chemie-Standort Nordrhein-Westfalen“ abhielt, zur Stelle. Bei den großen Klima-Demonstrationen fehlte sie ebenfalls nicht. In ihrem Aufruf zum Protestmarsch am 1. Dezember 2018 hieß es: „BAYER und andere energie-intensive Unternehmen haben einen wesentlichen Anteil daran, dass die Bundesrepublik ihre selbst gesteckten Klima-Ziele verfehlt. Die Politik muss den Multis endlich einen stärkeren Beitrag zum Klimaschutz abverlangen, statt ihnen im Hambacher Forst und anderswo den Weg zu ebenso billiger wie schmutziger Energie freizumachen.“

Dieser Aufforderung kamen die Mandats-trägerInnen jedoch nicht nach. Besonders die nordrhein-westfälische Landesregierung betätigt sich als williger Helfer der Konzerne. In ihrem Koalitionsvertrag zögerten CDU und FDP nicht, sich zum Sachwalter der Interessen des Industrie- und Energiestandortes NRW zu machen und namentlich BAYERs Branche ein Wohlergehen zuzusichern: „Einen besonderen Fokus legen wir auf den Erhalt der Wertschöpfungsketten, der Wettbewerbsfähigkeit, der Arbeitsplätze und der Innovationsfähigkeit der in Nordrhein-Westfalen ansässigen chemischen Industrie.“ Dass das Bundesland zu den Kohlendioxid-Emissionen der Bundesrepublik rund ein Drittel beiträgt, störte die Parteien dabei nicht weiter: „Wir werden die Energie- und Klimapolitik danach ausrichten, Nordrhein-Westfalen als Energieland Nummer eins zu stärken, um führendes Industrieland, auch für energie-intensive Industrien, zu bleiben und Wertschöpfungsketten zu erhalten.“ Und das taten Laschet & Co. dann auch. Vehement stritten sie in Tateinheit mit dem „Verband der Chemischen Industrie“ und anderen Lobby-Organisationen beispielsweise dafür, BAYER & Co. den billigen NRW-Strom, der zu 15 Prozent aus dem Tagebau Hambach stammt, zu erhalten und übten entsprechenden Druck auf die Kohle-Kommission aus.

Und die 31 Mitglieder konnten diesem nicht standhalten. In der Runde setzte sich am Ende die Steinzeit-Fraktion, bestehend unter anderem aus Kohleabbau-Regionen entstammenden PolitikerInnen wie Stanislaw Tillich, Michael Vassiliadis von der IG BERGBAU, CHEMIE & ENERGIE – „der beste Kumpel der Industrie“ (taz) – sowie VertreterInnen des „Bundesverbandes der Deutschen Industrie“ (BDI) und der „Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeber-Verbände“, gegen kritische WissenschaftlerInnen und Abgesandte von GREENPEACE und BUND durch.

Das Datum des Kohle-Ausstiegs verschob die Kommission auf 2038, und selbst das steht nicht zweifelsfrei fest, denn es gibt eine Revisionsklausel. Die Kohle-Öfen der Industrie ließ die Runde völlig unangetastet. Überdies stellte sie den Unternehmen umfangreiche finanzielle Unterstützung für den Fall höherer Energie-Kosten in Aussicht. Da BAYER & Co. hier ohnehin schon in den Genuss umfangreicher Rabatt-Regeln kommen, welche die Europäische Union wegen des Verdachts einer verkappten Subvention kritisch beäugt, empfahl die Kohle-Kommission der Bundesregierung, auf „eine Weiterentwicklung des EU-Beihilferechts“ zu dringen, damit hier mehr Geld fließen kann. Den Erhalt des Hambacher Forst erklärte sie hingegen lediglich als „wünschenswert“. Darüber hinaus entlohnt sie den klimapolitischen Tiefschlaf von RWE auch noch fürstlich mit Stilllegungsprämien. Während Mitbewerber wie ENBW schon vor längerer Zeit den Hebel umgelegt und aus freien Stücken Kohlekraftwerke vom Netz genommen haben, profitiert RWE nun davon, der Dreckschleuder „Braunkohle“ so lange die Treue gehalten zu haben. Mit Milliarden-Summen läßt sich der Konzern den Abschied von diesem Energie-Erträger versüßen.

Das gefiel der Börse. Sie reagierte auf die Vorschläge der Kohle-Kommission mit einem Anstieg der RWE-Aktie. „Vorbörsliche Gewinn-Mitnahmen nach Kohle-Kompromiss“ meldete Börse online. Der BDI zeigte sich ebenfalls zufrieden mit der Lösung, besonders mit den für die Jahre 2023, 2026 und 2029 vereinbarten „Haltepunkten“, die für ihn Gelegenheit bieten, „sicherzustellen, dass Strompreis-Entlastungen für alle Verbraucher greifen, ehe es weitere kostensteigernde Maßnahmen geben kann“. Der „Verband der Chemischen Industrie“ indessen „lobt ausdrücklich, dass Maßnahmen zur Kompensation des Strompreis-Anstiegs Eingang in den Endbericht der Kohle-Kommission gefunden haben“. „Bezahlbare Energie ist für uns ein Lebenselixier“, hält VCI-Hauptgeschäftsführer Utz Tillmann fest. Allerdings fürchtet auch er, Brüssel könne den Zugang zum Stoff versperren. Darum ist die Bundesregierung nach Ansicht des Chemie-Verbandes gefordert, „sich mit der EU-Kommission auf einen geeigneten Beihilfe-Rahmen zu einigen“.

So freudig die Industrie die Kommissionsempfehlungen aufnahm, so ernüchtert taten das die KlimaschützerInnen. Die Kommissionsmitglieder von GREENPEACE fanden 2038 als Ausstiegsjahr inakzeptabel und gaben deshalb ein Sondervotum ab. Die SchülerInnen von FRIDAYS FOR FUTURE teilten diese Meinung. Sie plädierten für 2030 als Deadline. Dieses Jahr präferierten auch die GEWERKSCHAFTLERINNEN UND GEWERKSCHAFTLER FÜR KLIMASCHUTZ. „Kohleausstieg – zu spät, zu vage, zu konzernfreundlich“, lautete das Resümee der Gruppe. Und ENDE GELÄNDE nannte den beschlossenen Abschaltplan einen „Abschaltplan für unseren Planeten“.
Und das ist er wirklich. Nach einem Bericht des Weltklimarats bleiben nur noch 12 Jahre, um das 2015 auf der Klimakonferenz von Paris beschlossene Ziel zu erreichen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Zu diesem Zweck müsste der CO2-Ausstoß bis 2030 um 45 Prozent im Vergleich zu 2010 sinken.
Deutschland wird dazu keinen Beitrag leisten, nicht nur wegen des faulen Kohle-Kompromisses. Schon vor einer Weile hat die Bundesregierung es aufgegeben, die Emissionen bis 2020 um 40 Prozent, bezogen auf 1990, zu reduzieren, und noch dazu betätigt sie sich auf EU-Ebene als Bremser zugunsten von VW, RWE, BAYER & Co. Darum stehen auch in diesem Jahr im Rheinischen Braunkohle-Revier und anderswo wieder Klima-Proteste an. Aus gegebenem Anlass wird sich die CBG daran beteiligen.

[Aufruf] BAYER HV 2019

CBG Redaktion

Hier findet ihr den Bündnis-Aufruf zu den Protesten zur BAYER-Hauptversammlung 2019:

Heraus zu den Aktionen am 26. April 2019 und am 18. Mai 2019!

Dieses Jahr findet die Hauptversammlung am 26.4.2019 in Bonn statt. Sie wird – das steht bereits heute fest – turbulenter denn je, die Proteste werden alles bisher Dagewesene übersteigen!

Die Aktionen werden bislang unterstützt von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG), dem Dachverband der kritischen Aktionäre, Fridays for Future, Attac, Die Linke, Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und anderen.

Wenn auch ihr dabei sein wollt, dann meldet euch unter info@cbgnetwork.org.

Bitte gebt uns auch eure Postanschrift und Telefonnummer, damit wir euch zwecks Koordination der Aktionen kurzfristig erreichen können.

Auch werden in diesem Jahr die „March against Monsanto“-Proteste der vergangenen Jahre unter dem Motto „March against BAYER“ fortgesetzt. Der internationale Widerstand gegen den Chemie-Giganten wird am 18.5.2019 auf die Straße getragen! Alle zusammen gegen BAYER, Gründe gibt es unzählige. Im Jahr eins nach der Übernahme von MONSANTO treten die Risiken und Nebenwirkungen offen zutage. Herausragend dabei:

- Auch der zweite große Glyphosat-Prozess vor einem US-amerikanischen Gericht droht für BAYER-zum Desaster zu werden!

- Die Aktie und damit der Wert des Konzerns sind in den letzten Monaten dramatisch abgestürzt und haben sich in ihrem Wert gedrittelt.

- In seiner Not wird BAYER mindestens 12.000 Arbeitsplätze vernichten, um an Geld zu kommen.

- Die Umweltbilanz des BAYER-Konzerns hat sich mit der Fusion mit MONSANTO noch weiter drastisch verschlechtert. Die CO2 Emissionen sind um 50% gestiegen. Der Konzern gehört damit zu den weltweiten Top-Klimakillern.

- BAYER ist als weltführender Gift-Konzern verantwortlich für das Aussterben der für die Welt-Ökologie und das Überleben der Menschen unabdingbar notwendigen Insekten.

- Mit seinen Medikamenten sorgt BAYER für Tod und Krankheit. Mit menschenverachtenden Menschenversuchen ruiniert er die Leben Unzähliger.
Es gibt auch 2019 wieder genug Gründe, die Hauptversammlung mit Protest zu begleiten. Wir laden euch ein, Teil der Aktionen gegen die BAYER-Hauptversammlung zu sein!

Der Aufruf wird unterstützt von:

Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL)

Attac Bonn

Attac Köln

Bonner Jugendbewegung

Brasilien Initiative Berlin

BUND Bonn

Colabora together

Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V. (CBG)

Dachverband Kritische Aktionäre

Die Linke NRW

Die Linke SDS Kreisverband Bonn

DKP

FDCL - Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika

Fridays for Future

goliathwatch

Honig Connection

Kollektiv Tonalli

March against Bayer und Syngenta Basel

MultiWatch Basel

Rapunzel

treemedia e.V.

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