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Beiträge verschlagwortet als “Glyphosat”

[Monsanto-Krise] Presse-Information CBG vom 27.02.20

CBG Redaktion

Immer mehr Klagen, immer weniger Jobs, immer schlechtere Umwelt-Werte

BAYERs MONSANTO-Krise verschärft sich

Die MONSANTO-Krise macht BAYER immer mehr zu schaffen. Das belegen die zur Bilanzpresse-Konferenz vorgelegten Zahlen. Die Klagen von Glyphosat-Geschädigten erhöhten sich noch einmal deutlich auf nunmehr 48.600. Zudem kommt es wegen der Risiken und Nebenwirkungen des Pestizids Dicamba zu immer mehr gerichtlichen Auseinandersetzungen; 170 nennt der Geschäftsbericht. Ein erstes Verfahren endete für BAYER und BASF mit der Verurteilung zu einer Summe in Höhe von 265 Millionen Dollar.

Eines ist jetzt schon klar: Der Aufsichtsratsvorsitzende Werner Wenning muss seinen Hut nehmen. Die Großaktionär*innen des Konzerns schassen ihn offenkundig, weil er derjenige ist, der für die MONSANTO-Übernahme hauptverantwortlich ist und es ihm nun seit Jahren nicht gelingt, die damit verbundenen Skandale und Katastrophen einzudämmen. Es war Wenning, der den Vorstandsvorsitzenden Werner Baumann ins Amt gehievt hat und seine Hand schützend über diesen und den desaströsen MONSANTO-Deal hielt. Baumann wurde auf der vergangenen BAYER-HV 2019 wegen der drohenden „Reputationsschäden durch die MONSANTO-Übernahme“ die Entlastung verweigert. Noch in der Nacht nach der HV stellte sich Wenning vor Baumann und hielt ihn im Amt. Der vorzeitige Rückzug des Aufsichtsratsvorsitzenden Werner Wenning erscheint da nur folgerichtig, als „Signal an die Investoren“ meint das „Handelsblatt“.

Das Management aber macht gute Miene zum bösen Spiel und verweist dabei auf den um 3,5 Prozent gestiegenen Umsatz. „Der BAYER-Konzern war im vergangenen Jahr strategisch und operativ erfolgreich“, heißt es in der Pressemitteilung des Unternehmens. „Geliefert haben wir auch mit Blick auf die Ende 2018 angekündigten Portfolio-, Effizienz- und Strukturmaßnahmen“, erklärt der Vorstandsvorsitzende Werner Baumann. Bestellt hatten das Paket die Investoren nach dem ersten Glyphosat-Prozess, der eine Strafzahlung von 78 Millionen Dollar zur Folge hatte, was BLACKROCK & Co. angesichts der vielen weiteren Klagen das Schlimmste befürchten ließ. Und bezahlt haben es die Beschäftigten. Hinter den „Portfolio-, Effizienz- und Strukturmaßnahmen“ verbirgt sich nämlich die Vernichtung von 12.000 Arbeitsplätzen.

Auf die Umweltbilanz wirkt sich die Aquisition ebenfalls verheerend aus: Die Kohlendioxid-Emissionen stiegen von 2,88 auf 3,71 Millionen Tonnen. Und auch dafür trägt wieder hauptsächlich Glyphosat die Verantwortung. Die Gewinnung des Glyphosat-Vorprodukts Phosphor aus Phosporit ist nämlich extrem energie-aufwendig. Auf eine Betriebstemperatur von 1500° muss der Ofen kommen, damit das Phosphorit das Phosphor preisgibt. Der Geschäftsbericht gibt dazu jedoch nur verklausuliert Auskunft. „Mit dem akquirierten Agrargeschäft haben wir neben Standorten für die Saatgutproduktion u. a. auch eine Rohstoffgewinnung für die Herstellung von Pflanzenschutzmittel-Vorprodukten übernommen, mit der energieintensive Auf- und Weiterverarbeitungen verbunden sind“, steht da zu lesen. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hatte da schon auf der letzten Hauptversammlung Handlungsbedarf angemahnt, der Konzern hat aber offensichtlich nichts unternommen. Überhaupt hat der Konzern seine Umweltberichterstattung auf Schrumpfstufe gestellt. So fehlen etwa Angaben zum Ausstoß von Phosphor, Schwermetallen, Schwefeldioxid und Stickstoff. Die ständigen Bekenntnisse zur Nachhaltigkeit erscheinen angesichts dessen wie blanker Hohn.

„Reine Profitgier hat den BAYER-Konzern dazu getrieben, MONSANTO zu übernehmen. Jetzt zeigen sich die Auswirkungen dieses rücksichtslosen Handelns auf allen Ebenen: Die Zahl der Glyphosat-Klagen nimmt immer mehr zu, 12.000 Beschäftigte kostete der Deal bisher schon den Job und die Glyphosat-Fabrik in Soda Springs entpuppt sich als veritabler Klima-Killer. Wann zieht das Management endlich die Konsequenzen aus dem Desaster?“, so Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren.

Nur folgerichtig, wenn der erste Gegenantrag (siehe Anhang) der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) zur BAYER-Hauptversammlung am 28. April 2020 mit Verweis auf das Glyphosat-Desaster die Nicht-Entlastung des Vorstands fordert.

Pressekontakt:
Marius Stelzmann 0211/33 39 11

[Pestizidexport] BAYERs giftige Ausfuhr

CBG Redaktion

Gefährliche Pestizide für die „Dritte Welt“

BAYERs giftige Ausfuhr

Das Pestizid Aktions-Netzwerk beschäftigte sich in einer Studie mit den Exporten deutscher Pestizid-Hersteller und kam zu einem beunruhigenden Ergebnis: Unter den 233 in Ausland gelieferten Agro-Chemikalien befinden sich 62 hochgefährliche, hierzulande teilweise gar nicht mehr zugelassene Substanzen. BAYER-Produkte dürfen auf der Liste natürlich nicht fehlen.

Von Uwe Friedrich

Wer dieser Tage nicht völlig auf Medien verzichtet, hat sich BAYERs neuer Imagekampage

  • voranbringen kaum entziehen können. Denn die Videoclips und Radiospots sind umfassend präsent. Der Konzern will mit diesem PR-Kraftakt sein durch die Monsanto-Übernahme und den Glyphosat-Skandal reichlich demoliertes Image aufpolieren. Laut BAYER soll die Kampagne „einen Einblick in das, was BAYER ausmacht, geben: ein Unternehmen, in dessen Zentrum seit über 150 Jahren langfristiges Denken und beharrliches Forschen steht“. Dazu wurden von der Münchener Serviceplan Group, nach eigener Aussage Marktführer für integrierte Kommunikation, Statements von BAYER-Beschäftigten produziert, die neben Engagement vor allem Glaubwürdigkeit vermitteln sollen. Neben den Videobotschaften kommen Twitter-Tweets, YouTube-Interviews und ein maßgeschneidertes, webbasiertes Magazin zum Einsatz. Die Öffentlichkeit soll erfahren, wie BAYER Fortschritt & Innovation #voranbringt – im Klimaschutz, bei der „Lebensmittelrettung“, der Herzgesundheit und beim „Pflanzenschutz“, d. h. beim Pestizideinsatz in der industriellen Landwirtschaft. Die Kommunikation zum letztgenannten Thema macht jedoch nur eines deutlich: Die glatten Botschaften von technischer Innovation sind meist durch allzu bekannte Glaubenssätze geprägt – wie dem, dass chemischer Pflanzenschutz die Welternährung sichert.


Umweltverbände wie der BUND und das Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN) haben dieses Konzept in der Vergangenheit vielfach kritisiert – wie auch Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG). Verweise auf Beispiele von hochgefährlichen BAYER-Pestiziden, die vor allem in den Ländern des Südens unsachgemäß und vielfach ohne dortige Zulassung zum Einsatz kamen, durften dabei nie fehlen. „Doppelte Standards im Pestizidhandel“ hieß und heißt nach wie vor das Stichwort, das die CBG und ihre KooperationspartnerInnen immer wieder auf die Tagesordnung der BAYER-Hauptversammlungen setzen.

Im September 2019 veröffentlichte PAN Germany nun eine Studie zu diesem Thema: „Giftige Exporte. Ausfuhr hochgefährlicher Pestizide aus Deutschland in die Welt“. Die Untersuchung listet wirkstoff-bezogene Fakten auf und brandmarkt, dass ein Viertel der exportierten Agrar-Chemikalien als hochgefährlich gilt – darunter viele BAYER-Pestizide. Nach jüngsten offiziellen Daten wurden in 2017 insgesamt 233 unterschiedliche Pestizid-Wirkstoffe, zusammen 59.616 Tonnen Wirkstoffe, aus Deutschland in zahlreiche Länder der Welt exportiert. Darunter sind sogar solche Pestizide, die in Europa längst verboten sind, weil sie von den Behörden als zu gesundheitsschädlich eingestuft wurden.

Zu den exportierten Pestiziden zählt unter anderem das BAYER-Insektengift Beta-Cyfluthrin (Produktnamen: MODESTO und ELADO), das akut so giftig ist, dass die WHO es in die zweithöchste Gefahrenklasse (WHO Ib) aufgenommen hat. Auch auf der Liste: Das Insektizid Thiacloprid. Es gehört zur Gruppe der Neonikotinoide, ist reproduktionstoxisch und nach Einschätzung der US-amerikanischen Umweltbehörde EPA „wahrscheinlich krebserregend“. Besonders problematisch sind Einsatz und Export von Thiacloprid auch, weil der Leverkusener Multi den Wirkstoff vielfach in Mischpräparaten anbietet. Das Mittel Proteus (in Deutschland nicht zugelassen) enthält zum Beispiel Deltamethrin und Thiacloprid – damit ist das Produkt nicht nur potenziell karzinogen und reproduktionstoxisch, sondern auch neurotoxisch. Aber auch wenn Thiacloprid als einziger Wirkstoff in einem Produkt enthalten ist, kann keine Entwarnung gegeben werden. Da es die Ausschlusskriterien der EU erfüllt, hätte es schon vor einigen Jahren verboten werden müssen. Aber das Aus für das Gebiet der Europäischen Union erfolgte erst im Herbst 2019. Den Rest der Welt darf es jedoch ebenso noch heimsuchen wie zahlreiche weitere hochgefährliche BAYER-Pestizide. Die PAN-Studie zählt zahlreiche weitere dieser Substanzen auf, die zum Teil in Deutschland oder der EU nicht bzw. nicht mehr zugelassen sind.

PAN und die Coordination gegen BAYER-Gefahren verlangen deshalb ein weltweites Verbot hochgefährlicher Pestizide. Es würde Zehntausende von Todesfällen pro Jahr verhindern. Daher sei es dringend an der Zeit, so PAN Germany, endlich die Forderungen nach einem schrittweisen Verbot hochgefährlicher Pestizide und deren Ersatz durch nicht-chemische und agrarökologische Maßnahmen durchzusetzen – zum Wohl aller Menschen in Süd und Nord, insbesondere der BäuerInnen und nachfolgender Generationen.

Die Studie „Giftige Exporte. Ausfuhr hochgefährlicher Pestizide aus Deutschland in die Welt“ steht kostenfrei als Download auf der Website von PAN Germany zur Verfügung oder kann über info@pan-germany.org als Druckversion bestellt werden.

[CO2 Ausstoß] BAYER heizt den Erdball auf

CBG Redaktion

CO2-Ausstoß: 5,45 Millionen Tonnen

BAYER heizt den Erdball auf

Es war ein heißer Herbst, im wörtlichen und deshalb auch im übertragenden Sinn: Die sich immer deutlicher abzeichnenden Folgen der Erderwärmung und die Weigerung von Politik & Wirtschaft, diese zur Kenntnis zu nehmen und entsprechend zu handeln, trieben überall auf der Welt die Menschen in Scharen auf die Straße. Und natürlich auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, denn der BAYER-Konzern ist ein Klima-Sünder vor dem Herrn.

Von Jan Pehrke

Die neuesten Zahlen schreckten wieder einmal auf: Abermals stiegen die globalen Treibhausgas-Emissionen. Von 53,5 auf 55,3 Gigatonnen legten sie zu. Dementsprechend wartete auch der Klimabericht der Bundesregierung mit alarmierenden Befunden auf. So erhöhte sich die Luft-Temperatur in Deutschland von 1881 bis 2018 um 1,5 Grad. Und in den besonders warmen Jahren sorgte dies sogar schon für unzählige Sterbefälle. 2003 fielen dem Report zufolge hierzulande 7.500 Menschen der Hitze zum Opfer. Überdies sinken durch den Klimawandel die Grundwasserspiegel, was in einigen Gemeinden bereits die Trinkwasser-Versorgung gefährdet. Parallel dazu dörren die Flüsse und Seen in den Sommern zunehmend aus und heizen sich auf – mit massiven Folgen für die aquatischen Lebewesen. Auch die Landwirtschaft leidet unter der Häufung der Trockenheitsperioden. Für 2018 beziffert der Klimamonitoring-Bericht die Schäden auf 700 Millionen Euro.

Zu all dem hat der BAYER-Konzern sein Scherflein beigetragen. Im Geschäftsjahr 2018 nahmen die Kohlendioxid-Emissionen des Unternehmens um 50 Prozent zu. Von 3,63 Millionen auf 5,45 Millionen Tonnen schwoll der CO2-Ausstoß an. Mit der Energie-Effizienz ging es ebenfalls bergab. Verbrauchte der Leverkusener Multi im Jahr 2016 208,62 Kilowatt-Stunden pro 1.000 Euro Umsatz und 2017 204,93, so waren es 2018 schon 278 Kilowatt-Stunden. Überdies schafft der Agro-Riese es nicht, von der Kohle runterzukommen. Beim eigen-erzeugten Strom – den zugekauften schlüsselt er traditionell nicht näher auf – betrug ihr Anteil am Energie-Mix 24,1 Prozent; mit 59,5 Prozent nimmt Erdgas hier die Spitzen-Position ein. Den größten Zuwachs verzeichneten die Flüssigbrennstoffe. Sie rückten mit 7,9 Prozent an die dritte Stelle vor. Statt 230 kamen nun 3.491 Terrajoule zum Einsatz.

Klima-Killer Glyphosat

Als Grund für die Steigerung der Kohlendioxid-Werte führt das Unternehmen den MONSANTO-Deal an. „Mit der Übernahme von MONSANTO hat BAYER neben Standorten für die Saatgut-Produktion auch eine Rohstoff-Gewinnung für die Herstellung von Pflanzenschutzmittel-Vorprodukten übernommen, mit der eine energie-intensive Aufbereitung und Weiterverarbeitung verbunden sind“, heißt es im Geschäftsbericht. Auf der Hauptversammlung wollte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) dann genauer wissen, um was für eine Rohstoff-Gewinnung es sich dabei handelt. „Eine Anlage zur Gewinnung von Phosphor in Soda Springs im Bundesstaat Idaho“, bekam sie zur Antwort. Phosphor – das ist ein Vorprodukt von Glyphosat. Das Herbizid löst also nicht nur Krankheiten wie Krebs aus und trägt Mitverantwortung für das Artensterben, es ist zu allem Übel auch noch ein veritabler Klima-Killer. Seine Herstellung verschlingt so enorm viel Energie, weil das Phosphor in einem Sediment-Gestein steckt. Und dieses Phosphorit, das der Global Player – mit schlimmen Folgen für die Umwelt – im Tagebau aus Minen in der Nähe von Soda Springs fördert, gibt das Phosphor nicht so einfach her. Auf eine Betriebstemperatur von 1500° muss der Ofen kommen, damit das Phosphorit das Phosphor preisgibt, und das verschlingt Energie.

Folgerichtig hat die CBG ihre Presseerklärung zum von FRIDAYS FOR FUTURE für den 20. September ausgerufenen Klima-Streik mit „Klima-Killer Glyphosat“ überschrieben. Die Coordination schloss sich an dem Freitag den Protesten in Düsseldorf an, und auf der Abschluss-Kundgebung vor dem nordrhein-westfälischen Landtag legte Geschäftsführer Marius Stelzmann noch einmal dar, was in der Diskussion um das Klima-Paket, das die Bundesregierung an diesem Tag verabschiedete, sträflich vernachlässigt blieb: Wie groß der Anteil von BAYER und anderen großen Firmen an der Klima-Krise ist.

Dementsprechend kamen die Multis auch ungeschoren davon. Nach Ansicht von CDU und SPD greift bei der Groß-Industrie nämlich schon der europäische Emissionshandel (EU-ETS). Den haben die Parteien sich sogar zum Vorbild für ihre Klima-Politik genommen, obwohl das Instrument bisher nicht dazu geeignet war, den Leverkusener Multi zu einer spürbaren Verringerung seines CO2-Fußabdrucks zu veranlassen. Für die Felder „Wohnen“ und „Verkehr“ will die Große Koalition ein solches Modell zunächst auf nationaler Ebene einführen, um beide Bereiche dann später einmal in das europäische System zu integrieren. Erwartungsgemäß zeigten sich die Davongekommenen zufrieden mit den Beschlüssen. „Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) begrüßt, dass Sektoren, die schon dem EU-Emissionshandel unterliegen, vom neuen nationalen Emissionshandel ausgenommen werden und keine zusätzliche Belastung erfahren sollen“, erklärte die Lobby-Organisation. Allerdings hat sie Vorbehalte gegen die später vorgesehene Einbeziehung von „Wohnen“ und „Verkehr“ in das EU-Handelssystem. Das droht nämlich zu einer Verteuerung der Zertifikate für BAYER & Co. zu führen. „Ein gemeinsames System hält der VCI für nicht zielführend, weil die Vermeidungskosten der Sektoren zu unterschiedlich ausfallen“, lies der Verband verlautbaren.

Den nächsten Klima-Streik, der am 29. November 2019 im Vorfeld der Madrider Weltklima-Konferenz stattfand, nutzte die Coordination zu einem Lokaltermin. Sie demonstrierte am BAYER-Stammsitz Leverkusen. Und welchen kapitalen Klima-Killer die BürgerInnen mit dem Multi vor der Haustür haben, machte CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann in seiner Kundgebungsrede deutlich. Darum entschloss die Coordination sich im Anschluss an den Protestzug auch, den Konzern direkt mit der Kritik zu konfrontieren. Sie zog zur Unternehmenszentrale und übergab einen Offenen Brief. „Wir sind heute im Rahmen des weltweiten Klima-Streiks zusammen mit der „FRIDAYS FOR FUTURE“-Bewegung auf die Straße gegangen, um auf den immensen Anteil BAYERs an der Klima-Katastrophe hinzuweisen“, hieß es darin unter anderem. Der Brief schloss mit konkreten Forderungen (siehe Kasten). Unter anderem verlangte die CBG einen sofortigen Stopp der Braunkohle-Verstromung sowie das Ende der Glyphosat-Produktion in Soda Springs. Der Agro-Riese zeigte sich auf den Besuch vorbereitet und überreichte ebenfalls ein Schreiben. „Klimaschutz hat für BAYER hohe Priorität“, bekundete die Aktien-Gesellschaft darin. Sie behauptete, „in den vergangenen Jahren schon vieles erreicht“ zu haben und verwies dazu auf die verbesserte Energie-Effizienz sowie auf eine Senkung des Ausstoßes von Treibhaus-Gasen (THG) bis 2015. Was danach geschah, verschwieg der Leverkusener Multi wohlweislich. Dafür kündigte er Großes für die Zukunft an: „Am 10. Dezember stellt BAYER seine neue Nachhaltigkeitsstrategie und damit auch neue, noch ambitioniertere Ziele zur THG-Reduzierung vor.“

Die neue Strategie

Das unter der Ägide des Leiters der Abteilung „Public Affairs & Sustainability“, dem ehemaligen Grünen-Politiker Matthias Berninger, entstandene Papier (siehe auch S. 14ff.) enthält dann in der Tat auch einiges zu dem Thema. „BAYER strebt an, bis 2030 ein klima-neutrales Unternehmen zu werden. Dafür wird BAYER Maßnahmen für Energie-Effizienz umsetzen, zu 100 Prozent auf Strom aus erneuerbaren Energien umsteigen und die verbliebenen Emissionen so kompensieren, dass CO2 im Boden gespeichert und Biodiversität gefördert wird“, ist da zu lesen. Einiges davon hört sich wirklich ganz gut an – allein, es fehlt der Glaube, zumal der Konzern nichts darüber verlauten lässt, wie er das alles zu erreichen gedenkt. Bei den Erneuerbaren etwa müsste er binnen zehn Jahren von Null auf 100 kommen, ist beim Leverkusener Multi momentan doch nur ein „niedriger einstelliger Prozent-Satz“ des Stroms made by Wind & Co. Auch die Rede vom „kompensieren“ macht skeptisch, denn da kommt das Glyphosat ins Spiel. Der Konzern versucht das Mittel ungeachtet seines übergroßen CO2-Fußabdrucks bei der Herstellung als Klima-Retter zu verkaufen, weil es den LandwirtInnen das Kohlendioxid freisetzende Pflügen erspare. Allerdings streiten die Agrar-ForscherInnen noch darüber, ob eine solche landwirtschaftliche Praxis wirklich das im Boden gebundene Kohlendioxid wieder entfesselt, und BAYERs Gewährsmann in dieser Frage, Professor P. Michael Schmitz, musste gerade seinen wissenschaftlichen Offenbarungseid leisten. Schmitz hat sich die Arbeit an solchen Sätzen wie „Mit einer angepassten Glyphosat-Strategie in der Fruchtfolge können ohne Ertragsreduzierung die Maschinen- und Arbeitskosten sowie der CO2-Ausstoß gesenkt werden“, nämlich von MONSANTO bezahlen lassen (siehe SWB-Dossier).

Also bleibt von BAYERs Nachhaltigkeitsstrategie in Sachen „Klima“ außer vagen Ankündigungen und dubiosen Kompensationsgeschäften nicht viel übrig. Der Leverkusener Multi kann sich deshalb von dem, was Greta Thunberg auf der Madrider Weltklima-Konferenz sagte, gut und gerne mitgemeint fühlen. „Ich glaube immer noch, dass die größte Gefahr nicht Tatenlosigkeit ist. Die wirkliche Gefahr ist, wenn Politiker und Unternehmenslenker so tun, als ob etwas passiert, wo in Wirklichkeit nichts passiert bis auf clevere Rechenkünste und PR“, hielt die 16-Jährige ihrer Rede fest.

Den Agro-Riesen holte die Realität dann auch schon bald wieder ein. Am selben Tag, an dem der Konzern sich als grüner Engel im Allgemeinen und Klima-Kümmerer im Besonderen inszenierte, gingen Meldungen über die Klage von Netzbetreibern gegen den Leverkusener Multi und andere Firmen wegen Betruges im Zusammenhang mit der „Erneuerbare Energien“-Umlage über den Ticker. Und das trübte das Bild sogleich wieder ein. So musste die Rheinische Post ihren LeserInnen nach der Berichterstattung über die Nachhaltigkeitspläne mitteilen: „Zugleich aber steht BAYER wegen eines möglichen grünen Etiketten-Schwindels am Pranger.“ Der Global Player hatte über ein kompliziertes Vertragskonstrukt versucht, sich von einem schnöden Strom-Kunden zu einem Pächter von Kraftwerk-Anteilen aufzuschwingen, um so seine EEG-Umlage senken zu können. „Einzelne Unternehmen sparten auf diese Weise Hunderte Millionen Euro“, konstatierte der Spiegel.

Und als die Bundesregierung Mitte Dezember 2019 Korrekturen am Klima-Paket vornahm und den CO2-Preis von zehn Euro auf 25 Euro hochsetzte, sprang in gewohnter Manier die Lobby-Maschinerie an. Dieses Mal saß sogar ein alter BAYER-Mann an den Hebeln. Der beim Leverkusener Multi lange für „Environment & Sustainability“ zuständige Wolfgang Große Entrup fungierte nämlich inzwischen als VCI-Geschäftsführer und schaltete angesichts des neuen Kohlendioxid-Preisschildes sofort auf Alarm. „Die Warnlampe blinkt rot“ verkündete er und forderte, schon am EU-Emissionshandel teilnehmende Konzerne von der Regelung auszunehmen. „Enttäuschend ist auch die Reaktion einiger Wirtschaftsverbände. Die Chemie, die doch sonst gerne Klimaschutz und Wettbewerb predigt, ruft gleich nach einer Art Pendler-Pauschale für ihre Branche“, befand die Rheinische Post. Also nichts Neues unter der Leverkusener Sonne.

[BAYERs Dauerkrise] Mehr Klagen und Skandale, weniger Jobs

CBG Redaktion

BAYERs Dauerkrise

BAYER kommt einfach nicht aus dem Krisen-Modus heraus. Die Anzahl der Glyphosat-Klagen steigt weiter von Quartal zu Quartal – umgekehrt proportional zu derjenigen der Arbeitsplätze. Und wie viele PR-Anstrengungen der Konzern auch unternimmt: Immer wieder verhagelt ihm ein neuer MONSANTO-Skandal das „Reputationsmanagement“.

Von Jan Pehrke

„BAYER blickt auf ein erfolgreiches drittes Quartal zurück“, vermeldete der Vorstandsvorsitzende Werner Baumann am 30. Oktober 2019 mit Verweis auf die Umsatz-Zahlen. Und damit nicht genug, auch die „strategische Entwicklung macht große Fortschritte“. „Schlanker, agiler und fokussierter“ geht es Baumann zufolge jetzt beim Leverkusener Multi zu, nicht nur dank der Veräußerung der CURRENTA-Anteile, dem Verkauf von „Animal Health“ und der Trennung von anderen Geschäftsteilen. Auch diverse „Effizienz- und Strukturmaßnahmen“ sowie die Vernichtung von 12.000 Arbeitsplätzen (O-Ton BAYER: „sozialverträgliche Stellen-Anpassungen“) ha--ben ihm zufolge dazu beigetragen.

Die Rest-Belegschaft gedenkt der Konzern-Lenker derweil mit der „Vereinbarung zur Zukunftssicherung 2025“ versöhnlich zu stimmen, die für die Beschäftigten an den deutschen Standorten betriebsbedingte Kündigungen bis zum Jahr 2025 ausschließt. Alle kommen jedoch nicht in den Genuss dieser mit dem Gesamtbetriebsrat getroffenen Übereinkunft, sondern bloß rund 20.000 der 32.000 hierzulande tätigen BAYER-WerkerInnen. Vornehmlich die KollegInnen der kleineren, zumeist als GmbHs operierenden Dependancen müssen in die Röhre schauen.

Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat diese Ungleichbehandlung schon mehrfach kritisiert und im Jahr 2016 sogar auf die Tagesordnung der Hauptversammlung des Konzerns gesetzt. „Praktische Gründe“ führte das Unternehmen damals als Entschuldigung für die doppelten Standards an: Einige Niederlassungen hätten schlicht nicht die kritische Größe, um genug Alternativen jenseits von Entlassungen bieten zu können, wenn das Unternehmen sich mal wieder zu Rationalisierungsprogrammen veranlasst sehe.

Auf die Causa „Glyphosat“ kam Baumann erst gegen Ende der Quartalspressekonferenz zu sprechen. Er musste nämlich eine traurige Mitteilung machen und einen erneuten Anstieg der Klagen von Geschädigten verkünden. 42.700 liegen den Gerichten mittlerweile vor. „Die Zahl der Klagen sagt allerdings nichts über deren Begründetheit aus“, versuchte der Ober-BAYER abzuwiegeln. Dabei ließ der Vorstandschef keinen Zweifel daran, dass er die Schadensersatz-Forderungen allesamt für unbegründet hält: „In Übereinstimmung mit allen führenden Regulierungsbehörden weltweit sind wir nach wie vor von der Sicherheit glyphosat-basierter Produkte überzeugt.“

Zu dem Mediationsverfahren unter Vorsitz des Richters Kenneth Feinberg äußerte Werner Baumann sich nur vage. Der Konzern beteilige sich konstruktiv und lösungsorientiert an den Gesprächen, werde den Vorschlägen des Juristen aber nur zustimmen, wenn diese finanziell tragbar wären und das Ganze wirklich zu einem Abschluss brächten, führte er aus. Um die Verhandlungen nicht zu stören, haben die Gerichte im Herbst 2019 extra zwei ursprünglich für den Januar angesetzte Prozess-Termine verschoben. Ein Ergebnis ist jedoch noch nicht in Sicht. „Die Mediation geht langsam, aber stetig weiter“, erklärte Feinberg Mitte November 2019 zum Stand der Dinge, während die Finanz-AnalystInnen weiter wild über die Kosten eines Vergleichs spekulieren und Zahlen von 2,5 bis 20 Milliarden Dollar in den Raum werfen.

Die Bekanntgabe der nunmehr 42.700 Klagen am 30. Oktober ließ die BAYER-Aktie wieder empfindlich fallen. Aber es kam noch dicker. Mexiko verbot die Einfuhr von Glyphosat-Grundstoffen, während Thailand und Vietnam den Gebrauch des umstrittenen Pestizids gleich ganz untersagten. In Frankreich verkündete derweil der Bürgermeister der Gemeinde Langouët, Daniel Cueff, einen Bann, der juristisch allerdings keinen Bestand hatte. Nach dem Urteil jedoch solidarisierten sich rund 40 KollegInnen mit Cueff und erklärten ihrerseits das Aus für das Herbizid. Und im Dezember 2019 reagierte dann Paris und untersagte ab 2021 den Gebrauch von bis zu 40 glyphosat-haltigen Produkten.

Aber BAYER hatte auch HelferInnen in der Not. So intervenierte die US-Administration bei der thailändischen Regierung und zwang das Land, in Sachen „Glyphosat“ zurückzurudern. Hierzulande blieb es bisher bei verbaler Unterstützung. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet leistete dem Multi Beistand. Dass über das Schicksal eines NRW-Konzerns in US-Gerichtssälen mitentschieden würde, erfülle ihn mit Sorge, sagte der CDUler laut Rheinischer Post.

Der Direktor der „Europäischen Agentur für Lebensmittel-Sicherheit“ (EFSA), Bernhard Url, sendete derweil positive Signale zu Glyphosat. Er bezeichnete die Debatte um das Produkt als emotional aufgeladen und machte für die Nebenwirkungen nur die unsachgemäße Nutzung, nicht aber die Chemikalie selbst verantwortlich.

Seine Einlassungen zu der von BAYER & Co. just beantragten Zulassungsverlängerung über das Jahr 2023 hinaus stimmen ebenfalls bedenklich. So plädierte Url dafür, im Rahmen des Verfahrens auch die möglichen Folgen eines Glyphosat-Stopps für das Einkommen der LandwirtInnen, die Lebensmittel-Preise und die Nahrungsmittel-Sicherheit mit zu berücksichtigen.

Das „Bundesamt für Verbraucherschutz“ (BVL) meinte es ebenfalls gut mit dem Konzern. Das BVL schaffte es ist, den wieder fällig gewordenen Glyphosat-Zulassungsantrag fristgerecht zu prüfen. Deshalb trat eine automatische Verlängerung von zwölf Monaten in Kraft, welche die im September 2019 von der Bundesregierung ab dem Jahr 2020 beschlossenen Anwendungsbeschränkungen aushebelte.

Und länger dürfte es auch noch mit einem Glyphosat-Ersatz dauern. Der Leverkusener Multi hatte angekündigt, verstärkt nach Alternativen zu dem Mittel Ausschau zu halten, das die Faz als „BAYERs Diesel“ bezeichnete. Der Forschungschef von BAYER CROPSCIENCE, Bob Reiter, machte da jedoch nur wenig Hoffnung. „Wir und unsere Konkurrenten haben seit den 1970er Jahren, als Glyphosat eingeführt wurde, investiert. Aber wir sind immer noch nicht auf ein Molekül gestoßen, das die gleichen Fähigkeiten hat wie Glyphosat.“ Zwölf bis fünfzehn Jahre dauere es, ein solches bis zur Marktreife zu bringen, vertröstete Reiter: „Es ist eine sehr lange Zeit.“

PR-Maßnahmen

Angesichts der vielen Prozesse und des dahindümpelnden Aktien-Kurses war Reputationsmanagement gefragt. Nachdem der Leverkusener Multi mit dem ehemaligen Grünen-Politiker Matthias Berninger einen Greenwashing-Beauftragten installiert hatte, gesellte sich ihm Anfang Oktober 2019 mit Ertharin Cousin eine Bluewashing-Beauftragte (Bluewashing = Image-Pflege mit Hilfe der Vereinten Nationen, Anm. SWB) hinzu. Offiziell übernahm die ehemalige Direktorin des Welternährungsprogrammes der Vereinten Nationen im Aufsichtsrat allerdings die Funktion der Agrar-Expertin. In Folge des MONSANTO-Debakels hatten diverse Investment-Gesellschaften dem Gremium nämlich mangelnde Fachkenntnis auf dem Gebiet „Landwirtschaft“ vorgeworfen. „Mit ihrer außergewöhnlichen Erfahrung im Ernährungsbereich sowie in der US-Regierung und bei den Vereinten Nationen rundet sie das Kompetenz-Profil des Aufsichtsrats in idealer Weise ab“, ließ sich der Aufsichtsratsvorsitzende Werner Wenning deshalb zu der Personalie „Ertharin Cousin“ vernehmen.

Außerdem brachte der Konzern die Kampagne „

  • voranbringen“ an den Start. Sie nimmt BAYER-Beschäftigte „als authentische Botschafter für die Dachmarke BAYER“ in die Pflicht und schiebt ihnen Äußerungen wie „Meine Arbeit für BAYER hat mir viel Kritik eingebracht. Aber noch mehr Leben gerettet“ in den Mund. Sogar als Klima-Kümmerer inszeniert sich der Leverkusener Multi auf den Annoncen. „Meine Nichte und ich engagieren uns beide für den Klimaschutz. Sie geht demonstrieren und ich zu BAYER“, verkündet eine Bärbel von den Werbe-Plakaten. „Nach dem Empfinden vieler unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommt die Vielfalt und Faszination von BAYER in der öffentlichen Wahrnehmung in Deutschland derzeit kaum zur Geltung. Das wollen wir ändern“, sagte Öffentlichkeitsarbeiter Michael Preuss zum Sinn und Zweck der Übung.

Die CBG sah die Beschäftigten hingegen in Geiselhaft genommen. „Dabei sind sie, die Angehörigen der Belegschaft, diejenigen, die den Preis für die MONSANTO-Übernahme zahlen müssen. Sie müssen zahlen mit der Vernichtung Tausender Arbeitsplätze und mit zunehmender Verdichtung und Hetze in der Produktion“, hielt die Coordination fest. Auch andere durchschauten das Manöver rasch. „So viel Zynismus muss man sich auch erst mal zutrauen“ und „Schämt ihr euch den gar nicht?“ lauteten die Kommentare in den sozialen Medien.

Und bereits einige wenige Wochen nach dem Beginn der „

  • voranbringen“-Kampagne musste das Unternehmen wieder zurück in den MONSANTO-Sumpf blicken. Die Initiative LOBBYCONTROL hatte aufgedeckt, dass die nunmehrige BAYER-Tochter verdeckt Glyphosat-Entlastungsstudien des Gießener „Instituts für Agri-Business“ finanzierte (siehe SWB-Dossier). „BAYER verspricht ständig Transparenz im Fall „Glyphosat“, aber verfolgt die Sünden der MONSANTO-Vergangenheit nicht mit eigenen Mitteln nach, sondern gibt immer nun das zu, was sich auf keinen Fall mehr leugnen lässt. Deshalb versinkt der Konzern immer wieder im MONSANTO-Sumpf, wenn es gerade so aussieht, als ginge es nun endlich wieder bergauf“, kommentierte die Zeitschrift Capital.

Der Agro-Riese ließ jedoch nicht locker und betrieb unverdrossen weiter „Reputationsmanagement“. Am 10. Dezember legte Matthias Berninger mit der „Nachhaltigkeitsstrategie“ sein GesellInnen-Stück vor. Aber der „Tatort-Reiniger“ (Wirt-schafts-woche) präsentierte nur einen Flickenteppich aus vagen Ankündigungen, als Entwicklungshilfe getarnten Absatz-Strategien, Business as usual und teilweise hochproblematischen Elementen. Das Klima-Paket besteht aus vollmundigen Versprechungen, ohne konkrete Maßnahmen zu nennen. Die Kleinbauern und -bäuerinnen, die das Unternehmen nachhaltig beglücken will, erweisen sich indes als ziemlich groß gewachsen. Sie haben Ackerflächen von bis zu zehn Hektar. Die wirklich armen Subsistenz-Landwirte erfasst das Programm indes nicht. Und Menschen in „unterversorgten Regionen“ mit ASPIRIN, IBEROGAST und anderen nicht rezeptpflichtigen Arzneien zu fluten, wie der Konzern es vorhat, folgt nur dem Business-Plan, sich „low-income markets“ zu erschließen. Gleiches gilt für die überdies alles andere als neue Praxis von BAYER, mit freundlicher Unterstützung der „Bill & Melinda Gates Foundation“ und anderen Institutionen Bevölkerungspolitik in den Ländern des Südens zu betreiben und dort – in den Industrie-Staaten zuweilen gar nicht angebotene und alles andere als ungefährliche – Kontrazeptiva unter die Frauen zu bringen.

Dementsprechend mau fiel die Reaktion der Öffentlichkeit aus. Wieder gelang der Befreiungsschlag nicht. MONSANTO im Allgemeinen und Glyphosat im Besonderen lasten nach wie vor schwer auf dem Konzern. Und das dürfte auch im Jahr 2020 so bleiben.

[Ticker] Ticker 01/2020

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Jahrestagung 2019

Aus gegebenem Anlass widmete die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) ihre diesjährige Jahrestagung, die am 5. Oktober in Düsseldorf stattfand, dem Klimawandel. „Konzerne, Klima, Katastrophen – am Beispiel des BAYER-Konzerns“ war die Veranstaltung überschrieben. Der Journalist Wolfgang Pomrehn führte mit einem Grundsatz-Referat in die Thematik ein. Mit einer Vielzahl von Fakten machte er den Ernst der Lage deutlich. Pomrehn entwarf ein apokalyptisches Bild der Zukunft, dessen Konturen sich heute schon allzu deutlich abzeichnen: lange Dürre-Perioden, Wetter-Extreme, das Ansteigen des Meeresspiegels und in der Folge Nahrungsmittel-Knappheit und Klima-Flüchtlinge. Trotzdem aber fehlt nach Einschätzung des Geo-Physikers der wirkliche Wille, eine Kehrtwende einzuläuten: Seit 2017 steigen die Kohlendioxid-Emissionen weltweit wieder. Wie hoch daran der Anteil der Industrie im Allgemeinen und der BAYERs im Besonderen ist, machte CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann deutlich. Von 3,63 Millionen auf 5,45 Millionen Tonnen erhöhte sich der Kohlendioxid-Ausstoß des Leverkusener Multis im Geschäftsjahr 2018, rechnete Stelzmann vor. Und nicht eben wenig hat die MONSANTO-Übernahme zu dieser verheerenden Klima-Bilanz beigetragen, denn neben allem anderen ist Glyphosat auch ein veritabler Klima-Killer. Vehement wehrt sich der Global Player deshalb gegen strengere Regelungen. Am Beispiel des Emissionshandels legte der Sozialwissenschaftler anschaulich dar, wie BAYER mit Androhungen von Standort-Verlegungen und anderen Mitteln eine wirksame Klima-Politik bekämpft. Zum Glück jedoch existieren Gegenkräfte. Anna Schönberg von der AKTION UNTERHOLZ berichtete von den Protesten gegen die Rodung des Hambacher Waldes, die von einem breiten Bündnis getragen wurden. Sogar Familien mit Kindern beteiligten sich an Akten des Zivilen Ungehorsams, so Schönberg. Die Klima-Streiks von FRIDAYS FOR FUTURE lösten nach den Erfahrungen von Luzie Stift, die der Kölner Dependance der SchülerInnen-Bewegung angehört, ähnliche Prozesse aus. Sie beschleunigten Stift zufolge die politische Bewusstseinsbildung immens: „Anhand dieser Klima-Frage erkennen ganz viele, dass sie antikapitalistisch werden müssen.“ Mit wem die AktivistInnen es dann genau zu tun bekommen, stellte Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der CBG dar. Er wandte sich in seinem Vortrag nämlich der gegenwärtigen Kapital-Fraktion mitsamt den hinter ihr stehenden Superreichen zu. Vor diesem Hintergrund unternahm der Diplom-Kaufmann dann eine Standort-Bestimmung der Konzern-Kritik weit über den Fall „BAYER“ hinaus. Das sorgte für Rede-Bedarf. Auch sonst kam es zu lebhaften Diskussionen. Zum Thema „Klima und Kapitalismus“ verliefen diese auch kontrovers, denn die Spannbreite des Publikums reichte vom ehemaligen BAYER-Beschäftigten bis hin zum gestandenen Linksradikalen. Trotz dieses Konflikt-Potenzials raufte sich mensch aber stets wieder zusammen. Einen Schwerpunkt der Aussprache bildete das Problem „Klima und Klasse“ und die Möglichkeiten, den Spalt, der sich zwischen Klima-AktivistInnen und Teilen der Gewerkschaften aufgetan hat, zu überwinden. Ansätze dazu gab es auch, waren doch alle bereit, die Frage der Arbeitsplätze und der gerechte Lasten-Verteilung mit in die Klima-Debatte einfließen zu lassen. Die Gruppen von Anna Schönberg und Luzie Stift etwa hatten beide schon das Gespräch mit VertreterInnen der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE und anderen Gewerkschaften gesucht und sich über Trennendes und Verbindendes ausgetauscht. Allerdings ist da noch viel zu tun, lautete das Resümee. So nahmen die BesucherInnen der Jahrestagung dieses Mal einen Arbeitsauftrag mit auf den Heimweg.

Bhopal mahnt

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Vor 35 Jahren ereignete sich im indischen Bhopal die bisher größte Chemie-Katastrophe der Menschheitsgeschichte. Am 3. Dezember 1984 explodierte in einem Pestizid-Werk von UNION CARBIDE ein Tank mit Methylisocyanat (MIC) und setzte eine riesige Giftwolke frei. Allein in den ersten drei Tagen starben 8.000 AnwohnerInnen. Und noch immer leiden Millionen von Menschen an den Spätfolgen der Detonation. Die INTERNATIONAL CAMPAIGN FOR JUSTICE IN BHOPAL (ICJB) hatte aus diesen Gründen zu Solidaritätsaktionen aufgerufen. Unter anderem fanden in Berlin und Düsseldorf Mahnwachen statt. Für die ICJB-Aktivistin Rachna Dhingra ist das, was am 3.12.84 passiere, nicht nur eine Geschichte von Bhopal, „sondern eine von Unternehmen, die von Gier und Profiten getrieben sind und diese über das Leben von Menschen und die Umwelt stellen“. Also auch eine von BAYER – umso mehr als die Geschichte des Leverkusener Multis auch eine direkte Verbindung zu der von Bhopal aufweist. Damals hatten die Behörden der Stadt den Konzern nämlich um Unterstützung gebeten, da er umfassende Kenntnisse über die Wirkung von MIC auf den menschlichen Organismus besaß. Aber der Global Player weigerte sich, dieser Bitte nachzukommen. Der renommierte Toxikologe Dr. Max Daunderer, der als einer von wenigen ExpertInnen in Bhopal half, berichtete gar nach seiner Rückkehr, dass Beschäftigte von BAYER vor Ort Feldstudien betrieben, ohne sich an den Rettungsarbeiten zu beteiligen. Und im Jahr 2001 übernahm die Aktien-Gesellschaft zudem das US-amerikanische Bhopal-Schwesterwerk vom „UNION CARBIDE“-Neubesitzer DOW CHEMICAL. Wie weit die Familien-Ähnlichkeit reichte, zeigte sich dann am 28. August 2008, als ein Vorratsbehälter in die Luft ging. Zwei Beschäftigte bezahlten das mit ihrem Leben. Von „Schockwellen wie bei einem Erdbeben“ sprachen AugenzeugInnen. Darum hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) das traurige Jubiläum zum Anlass genommen, einen Offenen Brief an BAYER zu schreiben und darin Fragen zu Störfällen, der Anlagensicherheit und zu den von den Zuleitungen ausgehenden Risiken zu stellen.

Bhopal mahnt

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Die UN hat den 35. Jahrestag der Katastrophe von Bhopal zum Anlass genommen, für die chemische Industrie verbindliche, sanktionsbewehrte Regeln zur Einhaltung der Menschenrechte zu fordern. „Bhopal: Die chemische Industrie muss die Menschenrechte respektieren“, ist die entsprechende Pressemitteilung aus dem Büro des „Hohen Kommissars für Menschenrechte“ (OHCHR) überschrieben. „Weiterhin ereignen sich vermeidbare Katastrophen, weil die chemische Industrie sich weigert, die Verantwortung für die Menschenrechte ernstzunehmen (...) Von tödlichen Explosionen von Fabriken und Lagerstätten bis zu der skandalösen Verletzung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit durch die Verseuchung von Wasser, Boden und Luft mit Giftstoffen – die Chemie-Industrie muss mehr zur Einhaltung der Menschenrechte tun“, so der UN-Sonderberichterstatter Baskut Tuncak.

Preis für Felicitas Rohrer

Im Juli 2009 erlitt die damals 25-jährige Felicitas Rohrer durch BAYERs Verhütungsmittel YASMINELLE eine beidseitige Lungen-Embolie mit akutem Atem- und Herzstillstand. Nur durch eine Notoperation gelang es den ÄrztInnen, ihr Leben zu retten. Bereits kurz danach nahm Rohrer den Kampf gegen den Leverkusener Multi auf. Auf der Hauptversammlung des Konzerns konfrontierte sie den Vorstand direkt mit den Auswirkungen ihrer einzig auf Profit-Maximierung ausgerichteten Geschäftspolitik. Scharf griff die Pharma-Geschädigte das Management an. Sie warf ihm vor, eine Pille, von der ein höheres Risiko für Embolien ausgeht als von den älteren Kontrazeptiva der 2. Generation, aggressiv als Lifestyle-Präparate vermarktet und damit den Tod junger Frauen in Kauf genommen zu haben. Zudem strengte Felicitas Rohrer eine Klage gegen den Pharma-Riesen an und rief die Organisaton „Risiko Pille – Initiative Thrombose-Geschädigter“ ins Leben. Am 23. November 2019 erhielt sie für ihr Engagement den Siegfried-Pater-Preis, der nach dem 2015 gestorbenen Publizisten und „Dritte Welt“-Aktivisten Siegfried Pater benannt ist. Die Laudatio hielt aus gegebenem Anlass Jan Pehrke von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG).

Keine Straßenumbennung in Dormagen

Am 29. 9. 2011 jährte sich der Geburtstag des langjährigen BAYER-Generaldirektors Carl Duisberg zum 150. Mal. Um die medialen Ständchen für den Mann zu konterkarieren, der im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas sowie die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen war und später einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörderkonzerns IG FARBEN hatte, rief die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Kampagne ins Leben. Sie mahnte anlässlich des Jahrestags die Umbenennung von Straßen, Schulen und anderen Einrichtungen an, die Duisbergs Namen tragen. Viele AktivistInnen ließen sich davon anregen und trugen die Forderung in die zuständigen Kommunal-Vertretungen. In Dortmund und Lüdenscheid hatte das Erfolg (siehe auch SWB 1/15). In Dormagen lagen sogar zwei Anträge zu der Causa „Duisberg“ vor. Einen hatten „Die Linke“ und Piraten-Partei gemeinsam eingereicht, ein anderer kam von Bündnis 90/Die Grünen. Die Stadt ließ daraufhin vom ehemaligen Stadt-Archivar Heinz Pankalla und anderen ExpertInnen ein Gutachten erstellen. Dessen Befund war ziemlich eindeutig: „Duisberg engagierte sich (...) massiv für die Erfindung und Produktion von Giftgas im Ersten Weltkrieg (...) Die Quellen belegen zudem, dass Duisberg mit dem Gift-Einsatz kaum moralische Bedenken verband.“ Bei der anschließenden AnwohnerInnen-Befragung sollten diese geschichtliche Fakten als Entscheidungshilfe dienen. Das taten sie jedoch nicht: Von 62 Haushalten lehnten 56 die Umbenennung ab. Auch gegen das Anbringen einer Tafel mit historischen Erläuterungen sprach sich eine deutliche Mehrheit aus. Trotzdem aber wollen die LokalpolitikerInnen zumindest mit einem kleinen Schild auf die Missetaten des ehemaligen Konzern-Lenkers hinweisen. Klartext wird darauf allerdings wohl nicht gesprochen: Die schwarz-rote Ratsmehrheit lehnte die Titulierung Duisbergs als „Kriegsverbrecher“ ab.

CBG auf der Ruhrtriennale

Seit dem Jahr 2002 findet im Ruhrgebiet jeden Sommer das Kunst-Festival „Ruhrtriennale“ statt. Dieses Mal war die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) mit von der Partie. Die Künstlerin Barbara Ehnes lud die Coordination ein, Teil ihres Kunst-Projektes werden. In ihrer mehrteiligen Video-Installation Αλληλεγγύη zum Thema „Solidarität“, bestehend aus zahlreichen Interviews, repräsentierte die CBG den Aspekt des Widerstands gegen die großen Unternehmen. Und so gab CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann Einblick in die Geschichte der Coordination. Zudem analysierte er BAYERs MONSANTO-Übernahme und skizzierte Perspektiven der Konzern-Kritik. Über fünf Wochen lang waren diese Statements dann zusammen mit anderen Beiträgen in der ganzen Bochumer Innenstadt auf Video-Monitoren zu sehen.

Aktion gegen Pflanzen-Patente

Der BAYER-Konzern hält nicht nur Patente auf gen-manipulierte Pflanzen, sondern auch auf solche aus konventioneller Zucht. So beansprucht er etwa geistiges Eigentum auf Tomaten, Gurken, Melonen, Salate sowie auf Gewächse mit bestimmten Eigenschaften wie etwa Stress-Resistenz. Nachdem das Europäische Patentamt (EPA) den Produzenten einer Tomate mit einem reduzierten Wasser-Gehalt sowie eines angeblich gegen Krebs wirkenden Brokkolis Schutzrechte zuerkannt hatte, befasste sich das Europäische Parlament mit der Sache. In einer Entschließung sprachen sich die Abgeordneten gegen Patente auf nicht gen-veränderte Pflanzen und Tiere aus. Darum muss sich jetzt die Große Beschwerdekammer der EPA mit der Sache befassen und ein Grundsatz-Urteil fällen. Zu diesem Verfahren hat ein breites Bündnis aus verschiedenen Organisationen – darunter auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) – und Einzelpersonen Stellungnahmen eingereicht, welche die Kammer bei ihrer Entscheidungsfindung berücksichtigen muss. 25.000 Statements konnte KEINE PATENTE AUF SAATGUT! übergeben. „Es darf keine Patent-Monopole auf die herkömmliche Züchtung von Pflanzen und Tieren geben. Sonst droht der Ausverkauf unserer Lebensgrundlagen an BAYER & MONSANTO, DOWDUPONT und SYNGENTA“, erklärten die Initiativen.

CBG schreibt Brief

Im Oktober 2019 hat die Zeitschrift Forum Nachhaltig Wirtschaften unkommentiert eine Pressemeldung BAYERs abgedruckt, in welcher der Konzern sich als Vorkämpfer eines nachhaltigen Ernährungssystems darstellt. Das ÖKO & FAIR UMWELTZENTRUM kritisierte das in einer Zuschrift an den Verlag vehement und informierte auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG). Diese reagierte ebenfalls mit einem Brief. „Wir von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN finden es empörend, dem Unternehmen BAYER als dem größten Agro-Konzern der Welt einfach so eine Plattform zu bieten, um sich als Vorreiter in Sachen „Nachhaltigkeit“ präsentieren zu können. Dabei hätte ein Blick in den letzten Geschäftsbericht des Multis genügt, um zu sehen, wie weit es bei BAYER mit der Nachhaltigkeit her ist“, hieß es in dem Schreiben mit Verweis auf den immensen CO2-Ausstoß des Global Players und andere Umweltsünden des Unternehmens.

ERSTE & DRITTE WELT

Absatzmarkt Indien

Ende Oktober 2019 fanden in New Delhi die deutsch-indischen Regierungskonsultationen statt. Die Bundesregierung verfolgte dabei vorrangig das Ziel, die wirtschaftliche Zusammenarbeit auszubauen. „Nicht nur die jüngsten Herausforderungen auf den amerikanischen und chinesischen Märkten sollten Anreiz dazu geben, sich noch eindeutiger als bisher strategisch im indischen Markt zu positionieren“, heißt es in einer Erklärung des Deutschen Bundestages. Vage mahnt die Petition, dabei auch die „Herausforderungen der globalen Nachhaltigkeits- und Klimapolitik“ stärker zu beachten. So fordert das Parlament die Bundesregierung dazu auf, „deutsche, in Indien tätige Unternehmen zu unterstützen, die Arbeits- und Menschenrechte gemäß des Nationalen Aktionsplans ‚Wirtschaft und Menschenrechte’ der Bundesregierung, der OECD-Richtlinien und vergleichbarer Regelwerke einzuhalten und zu Vorbildern verantwortlicher Unternehmensführung auszubauen.“ Nach Ansicht der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) braucht es für dieses Bestreben weniger „Unterstützung“ als vielmehr politischen Druck. Die bundesdeutschen Konzerne nehmen bei ihren Indien-Geschäften nämlich die Verletzung sozialer und ökologischer Standards bewusst in Kauf. So duldet der BAYER-Konzern etwa die verheerenden Zustände bei den ersten Gliedern seiner Lieferketten im Pharma-Bereich. Dank „Standort-Vorteilen“ wie niedrigen Löhne und laxen Umwelt-Auflagen können die betreffenden Firmen ohne Rücksicht auf Verluste produzieren, was verheerende Folgen für Mensch, Tier und Umwelt hat. In ihrer Presseerklärung zu den Regierungskonsultationen forderte die Coordination deshalb, dieses Thema auf die Tagesordnung zu setzen. Und der CBG-Kooperationspartner Anil Dayakar von der Initiative GAMANA, die vor Ort bereits einige Verbesserungen erreicht hat, appellierte an die großen Industrie-Länder, ihren Teil zur Lösung der Probleme beizutragen. „Wir haben die ersten Schritte gemacht. Jetzt wenden wir uns an den Westen. Wir erwarten, dass er sein System ändert. Er hat eine Verantwortung für das, was hier geschieht“, so Dayakar.

Stummer Gast in Genf

Auf internationaler Ebene gibt es einige Bemühungen, die großen Konzerne zur Einhaltung der Menschenrechte entlang ihrer gesamten globalen Liefer- und Wertschöpfungsketten zu drängen. Deutschland zieht da allerdings nicht so recht mit. So weigern sich Merkel & Co. seit Jahren, das Zusatz-Protokoll des UN-Sozialpakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte zu unterzeichnen. Dieses sieht bei Verstößen gegen das Abkommen nämlich konkrete Beschwerde- und Untersuchungsverfahren vor. Und so etwas möchte die Bundesregierung dem BAYER-Konzern, dessen indische Pharma-Zulieferer ohne Rücksicht auf Verluste für Mensch, Tier und Umwelt produzieren (s. o.), und den anderen bundesdeutschen Unternehmen lieber ersparen. Darum blieben die VertreterInnen der Großen Koalition auch bei der 5. Verhandlungsrunde zum sogenannten UN-Treaty, die vom 14. bis zum 18. Oktober 2019 in Genf stattfand, stumm. Die Europäische Union tat sich ebenfalls nicht weiter hervor. Da sie kein Verhandlungsmandat habe, müsse sie sich mit einer Positionierung zu den rechtsverbindlichen Instrumenten des Vertrages „zurückhalten“, gibt der Freitag eine Passage aus dem entsprechenden Kommuniqué wieder. Immerhin aber stimmte die EU anders als noch 2018 den Vorschlägen der Treaty-Leitung zum weiteren Procedere zu.

KAPITAL & ARBEIT

1,5 Prozent mehr Entgelt

Bei der diesjährigen Tarif-Runde leitete wiederum der BAYER-Manager Georg Müller für den „Bundesarbeitgeber-Verband Chemie“ (BAVC) die Verhandlungen mit der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE). Er einigte sich mit der Gewerkschaft auf eine Entgelt-Erhöhung von 1,5 Prozent. Diese tritt jedoch erst ab Sommer 2020 in Kraft; ein Jahr darauf gibt es dann noch einmal 1,3 Prozent mehr. Im ersten Halbjahr 2020 bleibt es dagegen bei Einmal-Zahlungen in Höhe von vier bis sechs Prozent eines Monatsentgelts. Das hat „aus Arbeitgeber-Sicht den Charme, dass sie die Löhne nicht dauerhaft verteuern“, schreibt die Rheinische Post. Die IG BCE hatte ursprünglich eine „spürbare“, deutlich über der Inflation liegende Steigerung der Bezüge gefordert. Sie hält sich jedoch zugute, dafür einige andere Verbesserungen erreicht zu haben. So richten BAYER & Co. nun Zukunftskonten für die Beschäftigten ein und überweisen 9,2 Prozent des Monatslohns darauf. Ob die Chemie-WerkerInnen sich diesen Betrag auszahlen lassen oder in Freizeit umwandeln, entscheiden diese selbst. Allerdings haben sich die Unternehmen ein Vetorecht vorbehalten. Darüber hinaus schließt die Chemie-Industrie für jeden Belegschaftsangehörigen eine Pflege-Zusatzversicherung ab und übernimmt den monatlichen Beitrag von 34 Euro.

IT-Abteilung streicht Jobs

Im Jahr 2011 hatte der BAYER-Konzern Teile seiner IT-Abteilung ausgegliedert und damit die Arbeitsplätze von 260 Belegschaftsangehörigen und 290 LeiharbeiterInnen vernichtet. 2012 holte er einige Bereiche wieder zurück. Aber auf Neu-Einstellungen verzichtete der Leverkusener Multi bei diesem „Insourcing“. Durch natürliche Fluktuation wollte er bis Ende 2015 sogar noch einmal mit rund 230 Stellen weniger auskommen. Und Ende 2019 gab es wieder einen Kurswechsel. IT-Chef Daniel Hartert kündigte ein Outsourcing an, dem 950 Jobs im Unternehmen zum Opfer fallen. Pflichtschuldig vergoß er dabei ein paar Krokodilstränen: „Es ist kein einfacher Schritt, sich von so vielen Mitarbeitern zu trennen.“

POLITIK & EINFLUSS

Lieferengpässe: Merkel & Co. tun was

Die vielen Lieferengpässe bei Arzneien (siehe DRUGS & PILLS) schrecken die Öffentlichkeit zunehmend auf. Der 1994 von BAYER gegründete „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VFA) will das Problem jedoch nicht wahrhaben. Die Versorgung klappe so gut, „dass es hohe Aufmerksamkeit erfährt, wenn doch einmal ein bestimmtes Präparat nicht verfügbar ist“, meint der Lobby-Club. Die Große Koalition konnte jedoch nicht länger ganz untätig bleiben. Allerdings schraubte sie die Erwartungen gleich herunter. „Lieferengpässe von Arzneimitteln haben sehr unterschiedliche Ursachen und sind daher nicht allein durch gesetzliche Maßnahmen auszuschließen“, erklärte die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP. So änderten CDU und SPD mit dem „Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittel-Versorgung“ nur einen Passus zu den Rabatt-Verträgen der Krankenkassen. Dieser macht DAK & Co. nun die Vorgabe, bei ihren Pharmazeutika-Ausschreibungen nicht länger nur nach dem billigsten Anbieter zu schauen. Sie müssen bei der Auswahl nun auch auf die „Gewährleistung einer unterbrechungsfreien und bedarfsgerechten Liefer-Fähigkeit“ achten. Und kurz vor Weihnachten 2019 brachte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zudem noch ein Paragraphen-Werk auf den Weg, welches das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ und das „Paul-Ehrlich-Institut“ in die Lage versetzt, strengere Meldepflichten und mehrwöchige Lager-Haltungen von Medikamenten anzuordnen. Überdies will Spahn sich auf EU-Ebene dafür einsetzen, Pillen-Produktionen nach Europa zurückzuholen. Das dürfte jedoch nicht allzu viel nutzen, da auch hierzulande – wie etwa bei BAYER in Leverkusen (siehe DRUGS & PILLS) – oder in Italien Probleme in den Fabriken auftreten, die Lieferengpässe nach sich ziehen. Die SPD drang auf weitergehende Maßnahmen und wollte beispielsweise die Konzerne für Lieferengpässe haftbar machen, aber die Partei vermochte es nicht, sich gegen ihren Koalitionspartner durchzusetzen.

Kommt das Lieferketten-Gesetz?

Die Lieferketten BAYERS im Pharma-Bereich erstrecken sich über den gesamten Globus. So bezieht der Leverkusener Multi Arznei-Grundstoffe aus Indien und China, wo hunderte Firmen zu Schnäppchen-Preisen für den Weltmarkt fertigen, was verheerende Folgen für Mensch, Tier und Umwelt hat. In anderen Branchen kommt es im Zuge der Globalisierung zu ähnlichen Phänomenen. Darum erkannten die Vereinten Nationen bereits im Jahr 2011 Handlungsbedarf und hielten ihre Mitgliedsländer dazu an, Maßnahmen zu ergreifen. Die Bundesregierung sah dabei erst einmal davon ab, übermäßigen Druck auf die Konzerne auszuüben. „Sozial- und Umweltstandards in nachhaltigen Wertschöpfungsketten können am besten durch eine intelligente Verknüpfung freiwilliger und verbindlicher Ansätze gestärkt werden (‚smart mix’)“, meint die Große Koalition. Zu diesem Behufe hob sie den Nationalen Aktionsplan (NAP) aus der Taufe. In dessen Rahmen erfragten CDU und SPD bei den Firmen, ob - und wenn ja – in welcher Form sie entlang ihrer weltumspannenden Lieferketten die Einhaltung der Menschenrechte gewährleisten. Von den Antworten wollten Merkel & Co. dann ihr weiteres Vorgehen abhängig machen. Der Befund fiel ernüchternd aus. Erst einmal schickten überhaupt nur 464 von 3.000 angeschriebenen Unternehmen den Fragebogen zurück, und von diesen erfüllte zudem nur jedes fünfte die sozialen und ökologischen Standards. „Das Ergebnis zeigt eindeutig: Freiwilligkeit führt nicht zum Ziel“, resümierte Entwicklungshilfe-Minister Gerd Müller (CSU) und konstatierte: „Wir brauchen einen gesetzlichen Rahmen“. Falls die nächste Umfrage kein besseres Ergebnis erbringe, beabsichtige er gemeinsam mit Arbeitsminister Hubertus Heil einen solchen zu schaffen, drohte der Politiker an. Entsprechend empört reagierten die WirtschaftsvertreterInnen. „Mit so einem Gesetz stehe ich ja schon mit beiden Beinen im Gefängnis. Dieser Unfug ist so groß, dass er nicht kommen wird“, erklärte etwa Arbeitgeber-Präsident Ingo Kramer.

Treffen mit Putin

Anfang Dezember 2019 traf sich der „Ost-Ausschuss – Osteuropaverein der Deutschen Wirtschaft“ (OAOEV) in Sotchi mit Wladimir Putin. Auch BAYER-Chef Werner Baumann nahm an der Zusammenkunft, welche die Boulevard-Zeitung Bild ein „Treffen der Schande“ nannte, teil. Baumann & Co. sprachen sich vor Ort für die Gas-Leitung „Nord Stream 2“ sowie für eine Aufhebung der Sanktionen gegen Russland aus, „denn die Milliarden, die dadurch verloren gehen, könnten in die Wiederherstellung der Wirtschaft und die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit unseres Kontinents investiert werden“.

PROPAGANDA & MEDIEN

Lobbying gegen Lieferketten-Gesetz

Der Nationale Aktionsplan (NAP) zur Einhaltung der Menschenrechte entlang der Lieferketten nebst im Raume stehender gesetzlicher Maßnahmen (siehe POLITIK & EINFLUSS) macht BAYER & Co. zunehmend nervös. Dementsprechend hoch ist ihr Lobby-Einsatz, wie Recherchen der Initiative INKOTA ergaben. Von Anfang März bis Ende Juli 2019 trafen sich EmissärInnen von Unternehmen oder Unternehmensverbänden insgesamt elf Mal mit VertreterInnen des Bundeswirtschaftsministeriums. Weitere Zusammenkünfte gab es im Auswärtigen Amt und im Kanzleramt. Der Hauptgeschäftsführer der „Bundesvereingung der deutschen Arbeitgeber-Verbände“ (BDA), der ehemalige Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter, schrieb in der Sache zudem einen Brief an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Kanzleramtschef Helge Braun (CDU). „Die Frage, ob die Bundesregierung ein für die Wirtschaft derart schädliches Gesetz (...) einführt, darf nicht von einem untauglichen und das wirkliche Engagement der Unternehmen verzerrenden Monitoring abhängen (...) Vielmehr sollte die Bundesregierung weiterhin dem Freiwilligkeitsgrundsatz folgen, hieß es in dem Schreiben. Und BDA-Präsident Ingo Kramer redete Entwicklungshilfe-Minister Gerd Müller (CSU) nach einer persönlichen Begegnung, bei der die beiden über einen Entwurf zum Lieferketten-Gesetz redeten, ins Gewissen. „Ich hatte in diesem Gespräch den festen Eindruck gewonnen, dass sie sich dieses Papier nicht zu Eigen machen wollten. Ich hatte Sie auch so verstanden, dass Sie bereit wären, sich öffentlich von diesem Text zu distanzieren (...) Ich halte es für erforderlich, dass Sie ihre Position klarstellen“, so Kramer.

BAYER wollte Presse-Verband kaufen

Nach Recherchen der britischen Tageszeitung The Guardian wollte der BAYER-Konzern sich durch massive finanzielle Zuwendungen Einfluss auf die US-amerikanische „Foreign Press Association (FPA)“ erkaufen. Der Leverkusener Multi beabsichtigte dem Guardian zufolge, die Non-Profit-Organisation, die hauptsächlich AuslandskorrespondentInnen, andere JournalistInnen und PR-Fachleute zu ihren Mitgliedern zählt, zu nutzen, um das nicht zuletzt durch den MONSANTO-Deal angeschlagene Image des Konzerns aufzupolieren. Zwei ManagerInnen der US-amerikanischen BAYER-Dependance hatten mit dem FPA-Geschäftsführer Thanos Dimadis eine Absprache getroffen, wonach der Agro-Riese nach Zahlung eines bestimmten Betrags einen Sitz im Beirat der FPA erhalten sollte. Im Preis enthalten war auch die Möglichkeit des Agenda-Settings für die Foren, welche die FPA für ihre Mitglieder anbietet. Das gemeinsame Ausrichten einer Konferenz zum Thema „Fake News“ stand ebenfalls zur Debatte. Darüber hinaus plante Dimadis „Hintergrund-Briefings“ mit nationalen und internationalen JournalistInnen zu „Themen, die in BAYERs Kommunikationsprioritäten und strategische Ziele passen“, wie er in einer Mail an den Leverkusener Multi schrieb. Damit nicht genug, ließ Dimadis der Aktien-Gesellschaft im September 2018 noch eine Liste mit über 300 AuslandskorrespondentInnen zur freien Auswahl zukommen: Der Konzern konnte sich aus der Aufstellung diejenigen Personen aussuchen, die er „an sich binden“ wollte. Allerdings hatte Thanos Dimadis wichtige EntscheidungsträgerInnen seiner eigenen Organisation nicht in den BAYER-Deal eingeweiht. Deshalb kam das Projekt mit Dimadis’ Wechsel von der „Foreign Press Association“ zur „Association of Foreign Correspondents in the United States“ zum Erliegen. Als andere FPA-Verantwortliche dann auf den nicht vollständig gelöschten Mail-Verkehr mit der bundesdeutschen Firma stießen, reagierten sie empört. BAYER habe versucht, die FPA zu kaufen, konstatierte Vize-Präsident Ian Williams. Präsident David Michaels sprach im Hinblick auf die zwischen Dimadis und dem Global Player getroffenen Vereinbarungen sogar von einer „Verschwörung“, welche die Integrität der Organisation und des Journalismus an sich bedrohe.

BAYER macht Schule

„Wie DAX-Unternehmen Schule machen“ lautet der Titel einer Studie der Otto Brenner Stiftung (OBS). Der Autor Tim Engartner zeigt in seiner Arbeit auf, wie massiv die Konzerne mittlerweile die Lehrpläne bestimmen. Nicht weniger als 800.000 – natürlich kostenlose – Lehrmaterialien haben sie bereits erstellt. Und diese müssen noch nicht einmal die bei normalen Schulbüchern üblichen pädagogischen Eignungstests durchlaufen, ehe sie in den Klassenzimmern landen. Natürlich ganz vorne mit dabei: BAYER. Der Untersuchung zufolge „nutzt das Unternehmen alle Formen von Schulmarketing-Aktivitäten“. Unterrichtsmaterialien, Wettbewerbe, Betriebsführungen sowie mobile und stationäre Schullabore zählt Engartner unter anderem auf. Auch die Wimmelbücher, mit denen der Leverkusener Multi schon die Kleinsten in Kindergärten heimsuchte, nennt der Wissenschaftler. „Die Vermutung, dass nicht nur die regional bedeutsame Chemie-Industrie illustriert werden soll, sondern die im bunten Treiben des Wimmelbuches platzierten Logos zugleich ein positives Unternehmensbild evozieren sollen, liegt nahe“, hält er fest und erwähnt in diesem Zusammenhang auch die Kampagne der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) gegen die frühpädagogischen Anwandlungen des Konzerns. Angesichts des alarmierenden Befundes von „Wie DAX-Unternehmen Schule machen“ schreibt OBS-Geschäftsführer Jupp Legrand im Vorwort: „Stiftung und Autor sind überzeugt, dass dringend gehandelt werden muss, um z. B. den Verlust demokratischer Legitimation schulischer Bildungsinhalte durch Privatisierungstendenzen zu stoppen.“

TIERE & VERSUCHE

Labor fälschte Studien

Der Tierversuchskonzern LABORATORY OF PHARMACOLOGY AND TOXICOLOGY (LPT), der auch BAYER zu seinen Kunden zählt, steht in der Kritik. So hat LPT nach Undercover-Recherchen von TierschützerInnen massiv gegen die ohnehin nicht eben strikten Grenzen des Erlaubten verstoßen. Katzen erhielten bis zu 13 Mal am Tag Stiche in die Beine, Hunde mussten in blutverschmierten Gehegen dahinvegetieren und Affen in viel zu kleinen Käfigen ihren Tod abwarten. Damit nicht genug, führte die Firma auch nicht genehmigte Versuche an Kaninchen durch und manipulierte Studien. Eine Ex-Beschäftigte räumte das in einem Fernseh-Interview freimütig ein. „Ich habe Dokumente gefälscht. Wenn da Ergebnisse nicht den Erwartungen entsprachen, bin ich angehalten worden, das zu verbessern“, bekannte sie. Eine andere Frau berichtet noch von anderen Methoden. Bei einer Kurzzeit-Studie mit einem Medikament starben Ratten bei der höchsten Dosierung elendig, was der Auftraggeber jedoch nicht erfahren sollte. „Um jetzt dem Kunden eine entsprechende Nachricht nicht mitteilen zu müssen, wurde die höchste Dosierung durch eine deutlich niedrigere ersetzt. Die Tiere wurden ausgetauscht und so ein positiveres Ergebnis erzielt“, so die ehemalige LPT-Angestellte. Das demonstriert einmal mehr, wie wenig aussagekräftig die Tests „am Tier-Modell“ sind. Nach dem Bekanntwerden der unhaltbaren Zustände bei LPT kam es immer wieder zu Demonstra-tionen und Protest-Veranstaltungen, was Konsequenzen hatte. Der Standort Mienenbüttel schloss nach den letzten von den Behörden genehmigten Versuchen an Hunden. Ob das Unternehmen noch weitere Niederlassungen dichtmachen muss, steht bis dato nicht fest.

DRUGS & PILLS

In Treue fest zu IBEROGAST

Auch Medikamente auf pflanzlicher Basis wie BAYERs Magenmittel IBEROGAST, das 2013 mit dem Kauf von STEIGERWALD in die Produkt-Palette des Pharma-Riesen gelangte, können es in sich haben. So schädigt der IBEROGAST-Inhaltsstoff Schöllkraut die Leber. Arzneien mit einer hohen Schöllkraut-Konzentration hat das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) deshalb schon aus dem Verkehr gezogen. Vom Leverkusener Multi verlangte es, diese Nebenwirkung auf dem Beipackzettel zu vermerken und insbesondere Schwangere vor der Einnahme des Präparats zu warnen. Der Konzern lehnte es aber ab, der Anordnung nachzukommen, und zog vor Gericht. Diese Hinhalte-Taktik kostete einen Menschen das Leben. Eine Frau starb an Leberversagen. Da duldete das BfArM dann keinen Aufschub mehr. Es drohte dem Pillen-Riesen mit einem „Sofort-Vollzug“ der Beipackzettel-Änderung. Und da erst fügte sich der Global Player zähneknirschend. Mittlerweile ermittelt die Kölner Staatsanwaltschaft in der Sache sogar wegen fahrlässiger Tötung (siehe SWB 4/19). BAYER aber steht weiter in Treue fest zu dem Mittel. So wartete der Konzern Anfang Dezember 2019 mit einer Pressemeldung auf, wonach „eine internationale Experten-Runde in einer aktuellen Publikation“ IBEROGAST „ein optimales Nutzen/Risiko-Profil bei Reizmagen und Reizdarm“ bescheinigt habe. Bei der „Publikation“ handelte es sich jedoch nicht um eine Studie, wie Unbedarfte annehmen müssen, sondern um die Zusammenfassung der Ergebnisse eines von BAYER gesponserten Workshops mit von BAYER gesponserten MedizinerInnen. Deren Befund, es gäbe „keine Anhaltspunkte für eine relevante Toxizität der Inhaltsstoffe“, wundert deshalb nicht weiter.

NIMOTOP-Lieferengpass

In der Bundesrepublik kommt es seit geraumer Zeit verstärkt zu Liefer-Engpässen bei Arzneimitteln. Auf der aktuellen Fehl-Liste des „Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfArM) findet sich nun schon zum wiederholten Mal das BAYER-Mittel NIMOTOP. Als Grund dafür, dass das die Gehirn-Durchblutung fördernde Produkt wieder einmal nicht erhältlich ist, nennt der Leverkusener Multi „Produktionsprobleme“. Auch auf das Krebs-Präparat XOFIGO, das Herz/Kreislauf-Pharmazeutikum ADALAT, das Malaria-Medikament RESOCHIN, den Blutdruck-Senker BAYOTENSIN, das Kontrastmittel ULTRAVIST, das unter anderem bei der Akut-Behandlung von Herzinfarkten zum Einsatz kommende ASPIRIN i. v. 500 mg sowie auf die Johanniskraut-Arznei LAIF zur Behandlung milder Depressionen warteten die Apotheken in der Vergangenheit schon vergeblich. Aktuell verzeichnet das BfArM rund 270 Lieferengpässe. Diese entstehen hauptsächlich, weil die Pharma-Riesen die Fabrikation gnadenlos rationalisiert haben. So versuchen sie etwa verstärkt, „just in time“ zu produzieren und auf diese Weise Lager-Kapazitäten abzubauen. Überdies gliedern die Unternehmen die Wirkstoff-Herstellung zunehmend in Länder der „Dritten Welt“ aus. Darum gibt es immer weniger Fertigungsstätten, und wenn es in einer einmal hakt, können andere Standorte nicht mehr einspringen. Aber auch bei BAYER selber treten „Produktionsprobleme“ auf. So musste der Konzern nach einer Intervention der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA seine Leverkusener Arznei-Anlagen wegen vieler Missstände im Jahr 2018 generalüberholen, was „Versorgungsunterbrechungen“ nach sich zog (siehe auch SWB 2/18).

Vom Lieferengpass zum Lieferstopp

Lieferengpässe für BAYERs Malaria-Arznei RESOCHIN mit dem Wirkstoff Chloroquin-Phosphat hatte es in der Vergangenheit schon gegeben (s. o.). Jetzt aber sind die Kanäle ganz dicht, wie Apotheke adhoc berichtet. „Grund dafür ist, dass die Herstellung des Arznei-Stoffs Chloroquin-Phosphat nicht mehr in der erforderlichen Qualität erfolgen kann. Die weltweite Suche nach einem alternativen Hersteller verlief laut Konzern erfolglos, sodass die Produktion zum Stoppen kam“, so das Web-Portal. Die Mängel dürften in Indien aufgetreten sein. Das Land hat sich nämlich gemeinsam mit China und Italien zum Hauptproduzenten von pharmazeutischen Substanzen entwickelt und das Joint Venture, das der Leverkusener Multi dort mit dem heimischen Produzenten ZYDUS gegründet hat, führt Chloroquin-Phosphat auf seiner Produkt-Liste. Entweder also traten in den Werken von BAYER ZYDUS PHARMA Probleme auf oder aber bei den Lieferanten der Basis-Stoffe für das Mittel.

AGRO & CHEMIE

Glyphosat-Verkäufe gehen zurück

In Deutschland geht der Glyphosat-Absatz zurück. Er sank 2018 im Vergleich zum Vorjahr um 26,5 Prozent auf 3.450 Tonnen. Die Höchstmarke hatte der Verkauf im Jahr 2008 mit 7.610 Tonnen erreicht.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Feuer in Bitterfeld

Am 15.11.2019 kam es am BAYER-Standort Bitterfeld zu einem Brand. Bei Dacharbeiten auf einem Hochregal-Lager hatten sich Dachplatten entzündet. Auf mehrere Kilometer Entfernung waren die Rauchschwaden zu sehen. Trotzdem wiegelte der Leverkusener Multi sofort ab und erklärte, es bestehe keine Gefahr für Anwohnerinnen und Anwohner.

Brand in Dormagen

Am 19.11.2019 brach in der Tankreinigungsstation des Dormagener Chemie-„Parks“ ein Brand aus. Bei der Säuberung eines Behältnisses fing ein Lösemittel Feuer. Fünf Beschäftigte mussten zur Untersuchung ins Krankenhaus, aber der Verdacht auf Rauchgas-Vergiftung bestätigte sich nicht. Nach Angaben der Betreiber-Gesellschaft CURRENTA kam es auch zu keiner erhöhten Schadstoff-Konzentration in der Luft. An der CURRENTA hält BAYER 60 Prozent der Geschäftsanteile. Im Sommer verkaufte der Konzern diese jedoch an einen Finanzinvestor. Allerdings müssen die Kartell-Behörden dem Deal noch zustimmen.

IMPERIUM & WELTMARKT

BAYER auf der CIIE in Shanghai

Der BAYER-Konzern nahm im November 2019 an der chinesischen Import-Messe CIIE teil. Er präsentierte in Shanghai unter anderem Pharmazeutika, nicht rezeptpflichtige Arzneien und Pestizide. In einem zu dem Event veröffentlichten Statement bezeichnete der Leverkusener Multi die CIIE als eine wegweisende Maßnahme der chinesischen Regierung, um ihre Politik der Öffnung zu stärken.

RECHT & UNBILLIG

Verbotener Pestizid-Einsatz

Die Inseln des US-Bundesstaates Hawaii haben sich zu einem riesigen Freiluft-Labor für die Agro-Riesen entwickelt. Auch die nunmehrige BAYER-Tochter MONSANTO unterhält dort eine Forschungsanlage. Im Jahr 2014 testete sie dort das wegen seiner extremen Giftigkeit verbotene Pestizid Penncap-M. Dabei setzte das Unternehmen auch die Gesundheit der Beschäftigten aufs Spiel. Sie mussten nämlich schon eine Woche nach dem Sprüh-Einsatz auf den Feldern nachsehen, wie die Agro-Chemikalie gewirkt hat, obwohl die Vorschriften dafür die Frist von einem Monat setzen. Darum verurteilte ein Gericht in Honolulu den Leverkusener Multi nun zu einer Strafe in Höhe von zehn Millionen Dollar. „Das rechtswidrige Verhalten in diesem Fall stellt eine Bedrohung für die Umwelt, die umliegenden Gemeinden und die MONSANTO-Arbeiter dar“, so der Richter Nick Hanna. Wie bei den anderen erst nach der Übernahme bekannt gewordenen MONSANTO-Sünden blieb dem Leverkusener Multi auch dieses Mal nichts anderes übrig, als sich reumütig zu zeigen. „Der Vorfall tut uns sehr leid“, bekannte der Konzern und stellte klar, sein Neuerwerb habe damals „weder entsprechend den eigenen Standards noch gemäß der geltenden Gesetze gehandelt“. Ein kleines Aber musste jedoch wie immer dabei sein. Es lägen keine gemeldeten Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt als Folge der illegalen Praxis vor, so der Global Player.

Klage wg. EEG-Tricks

Die in der Strom-Rechnung enthaltene EEG-Umlage gilt der Förderung alternativer Energien. Allerdings tragen nicht alle gleichermaßen zu der Subventionierung von Wind & Co. bei. Der Gesetzgeber hat BAYER und andere Chemie-Firmen wegen ihres hohen Energie-Bedarfs und entsprechend hoher Kosten weitgehend von der Abgabe befreit. Zudem zahlen die Konzerne für die Elektrizität, die sie in ihren eigenen Kraftwerken selbst erzeugen, nichts in den EEG-Topf ein. Das sogenannte Eigenstrom-Privileg entbindet sie davon. Aber den Multis reichte das noch nicht. Sie wollten sich auch bei dem zugekauften Strom vor den EEG-Zahlungen drücken, die sich pro Gigawatt-Stunde auf rund 64.000 Euro belaufen. Dafür bedienten sich die Gesellschaften des „Scheibenpacht-Modells“, das sich schlaue BeraterInnen ausgedacht hatten. Diese entwickelten Verträge, die BAYER, RWE, DAIMLER und andere Global Player von schnöden Strom-Kunden zu Pächtern von Kraftwerk-Anteilen machten – und damit zu Nutznießern des Eigenstrom-Privilegs. „Einzelne Unternehmen sparten auf diese Weise Hunderte Millionen Euro“, so der Spiegel, der den Skandal aufdeckte. Darum haben Netzbetreiber wie AMPRION die Unternehmen nun verklagt. Der Leverkusener Multi aber ist sich keiner Schuld bewusst und beteuert, sich immer an geltendes Recht gehalten zu haben

[Persilschein] MONSANTO-Listen: Kanzlei stellt Persilschein aus

CBG Redaktion

Die Aufklärungsfarce

Die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO hatte von der PR-Agentur FLEISHMAN HILLARD Listen mit über 1.500 Namen von einflussreichen Persönlichkeiten anlegen lassen, um die politische Landschaft besser pflegen zu können. Als der Skandal aufflog, beauftragte der Leverkusener Multi die Großkanzlei SIDLEY AUSTIN mit der Aufklärung. Das wenig überraschende Ergebnis: Alles im grünen Bereich.

Von Jan Pehrke

„Keine Hinweise auf illegales Verhalten“, unter dieser Überschrift präsentierte der Leverkusener Multi den Untersuchungsbericht der Anwaltskanzlei SIDLEY AUSTIN zu den MONSANTO-Listen. Die angelegten Dossiers zu Politiker*innen, Journalist*innen und Wissenschaftler*innen verletzten nach Ansicht der Jurist*innen die Gesetze nicht. „Keine ‚sensiblen’ Daten auf den Listen“, vermeldet der Konzern erfreut.Und was legal ist, ist für den Global Player auch legitim. Unmittelbar nach der Aufdeckung des Skandals durch den TV-Sender France 2 und die Zeitung Le Monde, die Material von einem Whistleblower zugespielt bekommen hatten, zeigte er sich noch ganz zerknirscht und entschuldigte sich sogar bei den Überwachten. Nach dem von SIDLEY AUSTIN auftragsgemäß ausgestellten Persilschein sieht das für ihn ganz anders aus. Nun hat seine jetzige Tochter-Gesellschaft nicht viel mehr gemacht als forsche Lobby-Arbeit. „Es steht außer Frage, dass (...) die erstellten Stakeholder-Listen detailliert, methodisch und darauf ausgerichtet waren, MONSANTOs Positionen gegenüber Interessensgruppen und der Öffentlichkeit deutlich zu vertreten“, heißt es in BAYERs Pressemeldung.

Blinde Flecken
Allerdings klaffen in dem Report beträchtliche Lücken. So hat die Kanzlei das dann doch einigermaßen „sensible“ Dokument aus dem Konvolut von Le Monde nicht finden können, in dem FLEISHMAN HILLARD „Freizeit oder andere Interessen (Golf, Tennis, Jagd, etc.)“ als einen „Schwerpunkt-Bereich“ der Sammelwut bezeichnete. Daten über deutsche Journalist*innen suchten die Jurist*innen ebenfalls vergebens. Eine entsprechende Liste mit 23 Personen tauchte erst später auf. Und hatte der Leverkusener Multi zunächst Entwarnung gegeben und bekundet, Grünen-Politiker*innen hätte FLEISHMAN HILLARD nicht ins Visier genommen, so musste er dann doch noch den Namen von Anton Hofreiter nachreichen. Der stand auf „zusätzlichen Stakeholder-Listen“, vermeldete SIDLEY AUSTIN. „Wie können Sie Transparenz bei der Aufklärung zusagen, wenn es Listen und Dokumente gibt, die offensichtlich auf den eigenen BAYER/MONSANTO-Systemen nicht zu finden sind?“, fragte das Internet-Portal Meedia deshalb BAYERs Kommunikationschef Christian Maertin.

Die Antwort darauf vermochte Maertin nicht zu geben, dafür aber SIDLEY AUSTIN. So ganz nebenbei erwähnt die Kanzlei nämlich in ihrem Bericht, dass sie keinen direkten Zugriff auf Dokumente von FLEISHMAN HILLARD hatte. Auch sprach sie nicht mit den damals involvierten Beschäftigten. Das Anwält*innen-Büro musste sich allein auf das Material stützen, das die PR-Agentur BAYER für die anberaumte Untersuchung zur Verfügung stellte. Darüber hinaus hatten die „Aufklärer*innen“ nur noch die Möglichkeit, die Kommunikation zwischen MONSANTO und FLEISHMAN HILLARD einzusehen.

Auch konzentriert sich der Abschlussbericht allein auf die Aktivitäten von FLEISHMAN HILLARD, die sich das Agrar-Unternehmen 16 Millionen Dollar kosten ließ. Die Arbeit anderer von ihm angeheuerter „Beratungsfirmen“ wie etwa FTI oder HAKLUYT untersuchte der Report nicht. Insbesondere ignoriert er die Arbeitsteilung, die es beim „Aktionplan Glyphosat“ zwischen FLEISHMAN HILLARD und dem Subkontrator PUBLICIS gab. Während FLEISHMAN die Aufgabe zufiel, die öffentliche Sphäre zu überwachen, oblag es PUBLICIS, „Auskünfte und Informationen zu sammeln, die NICHT (Hervorhebung im Original) öffentlich zugänglich sind“, wie es in einem internen Memo hieß. Überdies erfasste SIDLEY AUSTIN nicht den gesamten Zeitrahmen der Aktivitäten. Obwohl der Agro-Konzern FLEISHMAN HILLARD bereits im Jahr 2014 engagiert hatte, beschäftigte sich die Kanzlei bloß mit Maßnahmen, die ab 2016 eingeleitet wurden.

Darüber hinaus beschränkte sich SIDLEY AUSTIN darauf, die Frage der Gewinnung von Daten im Hinblick auf eine eventuelle Verletzung von Persönlichkeitsrechten juristisch zu bewerten. Keinerlei Anstoß nimmt sie an dem gesamten Vorgehen und dem Umgang mit den Politiker*innen. Wenn etwa die damalige französische Umweltministerin Ségolène Royal in den Listen als „null beeinflussbar“ geführt wird und dann die Arbeitsanweisung „isolieren“ erfolgt, so betrachtet die Kanzlei dies offenbar als „business as usual“ beim „stakeholder mapping“. Und Direktiven wie „Erreiche, dass sie in der sozialdemokratischen Partei für eine Erneuerung (der Glyphosat-Zulassung, Anm. SWB) wirbt“ bewegen sich für die Rechtsanwält*innen offenbar ebenso im Rahmen wie Versuche, die damalige deutsche Umweltministerin Barbara Hendricks über Parteimitglieder, die so „hochrangig wie möglich“ sein sollten, zu einer Meinungsänderung in Sachen „Glyphosat“ zu bewegen.

Politik entlastet auch
Die bundesdeutsche Politik kommt zu der gleichen Einschätzung wie SIDLEY AUSTIN. „Im Übrigen hat eine Prüfung durch das zuständige Referat der Bundestagsverwaltung ergeben, dass dort keine Hinweise auf strafrechtliche Vorfälle in dieser Sache vorliegen“, antwortete Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble dem Parlamentarischen Geschäftsführer der Partei „Die Linke“, Jan Korte. Die Aufgabe, möglichen datenschutz-rechtlichen Verstößen nachzugehen, wies der CDU-Politiker den Datenschutz-Behörden der Länder zu. Die nordrhein-westfälische Datenschutz-Beauftragte Helga Block will allerdings keine Aktivitäten in dieser Richtung entfalten. Sie hält sich für nicht zuständig, da „die Listen nicht von einem zur BAYER AG gehörenden Unternehmen mit Sitz in Nordrhein-Westfalen geführt worden seien“, wie sie der taz mitteilte.
Jan Korte und seine Kolleginnen Sylvia Gabelmann und Kirsten Tackmann stellten zudem Anfragen an die Große Koalition. Sie wollten von dieser unter anderem wissen, ob FLEISHMAN HILLARD auch Regierungsangehörige und/oder Beschäftigte der Bundesbehörden auf den Listen führte. Zu zwei amtierenden Minister*innen existieren Aufzeichungen, gab die Bundesregierung zur Antwort. Überdies gäbe es Dokumente über Mitarbeiter*innen des „Bundesinstitutes für Risiko-Bewertung“ und des „Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft“.

Bei einem der beiden Betroffenen aus der Minister*innen-Riege könnte es sich um Wirtschaftsminister Peter Altmaier handeln. Der bekam nämlich bereits 2017 in seiner alten Position als Kanzleramtschef des öfteren Post von MONSANTO, entschied die EU in diesem Jahr doch über die Zukunft von Glyphosat. In einem Brief setzt das Unternehmen den Politiker darüber in Kenntnis, dass es eine Zulassungsverlängerung bis 2032 für eine „Pflicht“ hält. Deutschland „als Leitland für das Verfahren“ könne sich ein Patt nicht leisten, heißt es in einem weiteren Schreiben.

Und schlussendlich hat Deutschland sich ein solches Patt auch nicht geleistet. Entgegen der Koalitionsabsprache stimmte der damalige Landwirtschaftsminister Christian Schmidt für das umstrittene Herbizid und löste dadurch eine veritable Koalitionskrise aus. Darum interessierte es die Abgeordneten der Links-Partei natürlich besonders, was sich über Schmidt so bei FLEISHMAN HILLARD findet. Das wussten CDU und SPD jedoch nicht zu sagen: „Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, ob sich der damalige Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Christian Schmidt, auf den sogenannten Stakeholder-Listen befindet.“ Der Tagesspiegel meldete unterdessen, der Name „Schmidt“ sei darauf nicht verzeichnet. Das erscheint jedoch kaum vorstellbar, weil der CSUler die entscheidende Person in der Causa „Glyphosat“ war, sein damaliger Konterpart Barbara Hendricks von der PR-Agentur eine recht umfangreiche Würdigung erfuhr und zahlreiche weitere Politiker*innen wie Dietmar Bartsch und Kirsten Tackmann von der Partei „Die Linke“ sowie Karl Lauterbach und Matthias Miersch von der SPD in die Fänge der Agentur geraten waren.

Die Prozess-Akten
In Frankreich haben Journalist*innen unter Berufung auf die Datenschutz-Gesetze des Landes direkt bei FLEISHMAN HILLARD Auskunft über gespeicherte Informationen erbeten und 80 Seiten Material erhalten. Einen weit umfassenderen Einblick in das Treiben der nunmehrigen Tochter-Gesellschaft von BAYER, als ihn der Abschlussbericht von SIDLEY AUSTIN gewährt, bieten darüber hinaus die Gerichtsakten aus den Glyphosat-Prozessen. Sie enthalten unter anderem firmen-interne Dokumente über den Musiker Neil Young, der die Aufmerksamkeit des Agro-Riesen durch die Veröffentlichung des Albums „The MONSANTO Years“ erregte. Um sich der darauf formulierten Kritik zu erwehren, leitete das Unternehmen umfangreiche Undercover-Operationen ein. Dabei steuerte die Firma ihre Aktivitäten von einer Abteilung aus, die sich „fu-sion center“ nannte, in Anlehnung an die gleichnamigen, mit Terrorismus befassten Sektionen des FBIs und des „Departements of Homeland Security“.

Der Konzern arbeitete systematisch die Songs durch, identifizierte Problem-Felder, denen sich der Kanadier besonders intensiv widmete, und wappnete sich mit „Gegendarstellungen“. „Wir entwickeln einen Plan, um proaktiv Inhalte zu produzieren und auf die folgenden sechs Topics (...) vorbereitet zu sein“ hält ein Memo fest, das dann Schwerpunkt-Themen wie „Glyphosat“, „Bürgerrechte“ und „Patente auf Leben“ aufzählte. Auch die Ausschläge der Twitter-Aktivitäten zu den Schlagwörtern „Neil Young“ und „MONSANTO“ vermaß der Konzern akribisch mittels eines Koordinaten-Systems. Auf einen von Young produzierten Film über den Farmer Michael White, der gegen MONSANTO vor Gericht gezogen war, reagierte der Multi ebenfalls. „Wir setzen unsere Arbeit an Suchmaschinen-Resultaten fort (...), um sicherzustellen, dass ein ausbalanciertes Erzählen der Michael-White-Story gewährleistet ist“, verlautete aus dem „fusion center“. Sogar rechtliche Schritte gegen Neil Young erwog das Unternehmen, ließ schließlich aber doch davon ab.

Die US-amerikanische Journalistin Carey Gillam sah sich einem noch umfangreicheren „action plan“ ausgesetzt. Das ihr gewidmete Dossier „Project Spruce“ umfasste 50 Seiten. Gillam arbeitete lange für die Nachrichten-Agentur Reuters und berichtete vor allem über den Bereich „Landwirtschaft“. Immer wieder verärgerten ihre Texte den Global Player. Und bei bloßer Empörung blieb es nicht. Nach einem Artikel über einen Farm-Arbeiter, der die Firma wegen seiner Glyphosat-Vergiftung verklagt hatte, versicherte ein MONSANTO-Öffentlichkeitsarbeiter seinen Kolleg*innen in einer E-Mail: „Wir machen ihrem Arbeitgeber weiter Druck bei jeder Gelegenheit, die sich uns bietet.“ Als die Reporterin ihre Recherchen dann in einem Buch über Glyphosat bündelte, packte der „fusion center“ seinen ganzen Instrumenten-Kasten aus. Er investierte in Suchmaschinen-Manipulationen, die das „Whitewash“ betitelte Werk in schlechtes Licht rückten und engagierte Trolle für Verrisse auf den AMAZON-Seiten. Besonders bemühte sich MONSANTO um potenzielle Gillam-Kritiker*innen mit Renommée aus Wissenschaftler*innen-, Verbraucher*innen- oder Landwirt*innen-Kreisen. Selbst Beschäftigte der US-amerikanischen Umweltagentur EPA wollte der Konzern für seine Zwecke gewinnen.

„Wenn Konzern-Macht mit so einer Intensität dazu genutzt wird, Menschen zum Schweigen zu bringen und die öffentliche Meinung zu manipulieren, dann wird die Wahrheit erstickt. Und davor sollten wir alle Angst haben“, mahnt Carey Gillam. Der Leverkusener Multi jedoch kann an dem Gebaren seiner jetzigen Tochter-Gesellschaft nichts Anrüchiges finden. Nach Ansicht des BAYER-Sprechers Christopher Loder hätten die MONSANTO-Aktivitäten lediglich beabsichtigt „zu gewährleisten, dass es als Reaktion auf zahlreiche Missinformationen einen fairen, angemessenen und wissenschaftsorientierten Dialog über das Unternehmen gibt, eingeschlossen Reaktionen auf ein Buch, das eine Person schrieb, die immer wieder als Kritikerin von Pestiziden und Gentechnik hervorgetreten ist“.
Auch gegen die Initiative MOMS ACROSS AMERICA, die MONSANTO in einem Offenen Brief aufgefordert hatte, Glyphosat vom Markt zu nehmen, planten die Verantwortlichen Maßnahmen. Er wolle „die Scheiße aus ihnen rausprügeln“, kündigte Forschungsleiter Dr. Daniel Goldstein in einer E-Mail an.

Goldstein hat den Konzern inzwischen verlassen. Kommunikationschef Chris Samuel reichte ebenfalls seine Kündigung ein – nicht ohne FLEISHMAN HILLARD und anderen Agenturen noch einmal für die gute Zusammenarbeit zu danken. Ein deutliches Signal, auch in Richtung Vorstand, hat es innerhalb des Konzerns doch Auseinandersetzungen über die Art des Umgangs mit dem Skandal zwischen den BAYER-Manager*innen und den ehemaligen MONSANTO-Leuten gegeben. Letzteren gingen sogar die paar Reförmchen, die der Leverkusener Multi auf den Weg gebracht hatte, zu weit.

„Dass MONSANTO die Daten von Kritiker*innen gesammelt hat, ist mehr als nur beunruhigend. Es ist ein weiteres Zeichen dafür, dass wir als kritische Zivilgesellschaft (...) immer stärker unter Druck geraten, weil die Mächtigen ihre zerstörerischen Geschäftsmodelle beibehalten wollen“, hatte Olaf Bandt vom BUND unmittelbar nach der Aufdeckung von Glyphosat-Gate gesagt. Inzwischen hat sich die Aufregung allerdings gelegt. Die Bundesregierung „begrüßt es, dass BAYER die Vorwürfe aufarbeitet“ und sieht keinen weiteren Handlungsbedarf. Die Datenschutz-Beauftragten lehnen ein Eingreifen ab. Und die Journalist*innen haben das Ergebnis der Untersuchung von SIDLEY AUSTIN einfach akzeptiert, ohne es zu hinterfragen oder überhaupt selber den Abschlussbericht zu lesen. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren wird jedoch nicht locker lassen und weiter auf Aufklärung drängen.

[Gen-GAU] BAYERs neuer Gen-GAU

CBG Redaktion

Winterraps mit dem Labor-Konstrukt GT73 verunreinigt

Immer wieder werden BAYERs Gen-Pflanzen übergriffig und verunreinigen konventionelle Sorten. Besonders der Labor-Raps des Konzerns zeigt sich aktiv. Im Jahr 2016 fanden sich Spuren des Gen-Konstrukts NAVIGATOR in konventionellen Pflanzen, und 2014 kontamierte INVIGOR kanadischen Weizen. Auch in den Jahren 2002, 2005 und 2007 kam es zu Auskreuzungen. Und jetzt gesellt sich ein neuer Fall dazu: Französische Behörden wiesen das Produkt GT73 in nicht genverändertem Winterraps nach.

Von Annemarie Volling (ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT)

Bis Ende März 2019 mussten in Deutschland ca. 2.150 Hektar konventioneller Winterraps unterpflügt und mit Pestiziden behandelt werden, weil er mit einem Gentechnik-Raps-Konstrukt GT73 der Firma BAYER verunreinigt war. Betroffen sind 84 landwirtschaftliche Betriebe in zehn Bundesländern, die unwissentlich gentechnisch verunreinigten Winterraps der Sorte „DK Exception“ von DEKALB aussäten. GT73 hat in Europa keine Anbau-, sondern nur eine Import-Zulassung, deshalb gilt Nulltoleranz. Die Firma DEKALB wurde 1998 von MONSANTO gekauft, heute gehören die Marke und das Zuchtmaterial BAYER CROPSCIENCE. Aufgefallen waren die Verunreinigungen mit GT73 bereits am 25. Oktober 2018 bei staatlichen Saatgut-Untersuchungen in Frankreich. Erst am 21. Dezember informierte das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ (BVL) die Öffentlichkeit. Auch die Ministerien auf Landesebene wurden dann erst informiert.

Der GT73-Gentechnik-Raps hat eine Resistenz gegen Glyphosat. Angebaut werden darf er in Kanada, USA, Australien und Japan. Soweit aktuell bekannt, kommt die verunreinigte Ausgangspartie aus Argentinien. Laut BAYER/Frankreich wurde sie in einem Gebiet ohne gentechnischen Anbau erzeugt. Das Anpflanzen von GT73 ist in Argentinien verboten. Wie es genau zu den Verunreinigungen kam, ist noch nicht geklärt. Das verunreinigte Saatgut wurde sowohl in Frankreich und Deutschland als auch in der Tschechischen Republik und in Rumänien verkauft.

Die zuständigen Behörden der betroffenen Bundesländer haben die betroffenen Landwirt*innen informiert. Hessen hat beispielsweise angeordnet, „den aus dem verunreinigten Saatgut entstandenen Rapsaufwuchs durch mechanische Bearbeitung (grubbern oder pflügen) rechtzeitig vor der Rapsblüte zu vernichten (…) Auflaufende Rapspflanzen sind in der Folgekultur durch Herbizid-Anwendung zu vernichten. Die Flächen sind regelmäßig zu kontrollieren und alle auf der Fläche befindlichen Rapspflanzen zu entfernen. Bis Juli 2020 darf auf den betroffenen Flächen kein Raps ausgesät werden“. Diese Maßnahmen nannte das „Hessische Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz“ der ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT (AbL) auf Anfrage.

„Raps kommt immer“, so die Aussage eines Bauern aus Mecklenburg-Vorpommern. Deshalb sei diese zweijährige Anbaupause völlig unzureichend. „Jeder Bauer und auch das BVL weiß, dass Rapssaatgut mindestens 20 Jahre keimfähig im Boden überdauern kann“, schreibt die AbL in einer Pressemeldung. „Raps hat ein enormes Auskreuzungspotenzial, deshalb darf auf diesen Flächen in den nächsten zehn bis 15 Jahren kein Raps angebaut werden und auflaufender Raps muss sehr sorgfältig vor der Blüte entfernt werden. Nur so gibt es eine Chance, weitere Gentechnik-Verunreinigungen zu verhindern.“ Deshalb fordert die AbL die Bundesländer auf, die Anbaupause entsprechend zu verlängern.

Verursacher muss zahlen
Diese Anbaupausen-Forderung klingt hart für die betroffenen Bäuerinnen und Bauern, auch deshalb, weil die Verunreinigung mit ca. 0,1 Prozent gering ist. Es gilt jedoch zu berücksichtigen, dass Raps aufgrund seiner hohen Vermehrungsrate, der hohen Pollenproduktion und weiten Streuung durch Wind und Insekten, der starken Samenbildung und leichten Streuung sowie seiner langen „Haltbarkeit“ ein sehr hohes Auskreuzungspotenzial hat und unter Wissenschaftler*innen als „nicht koexistenzfähig“ gilt.

Klar ist, dass die betroffenen Bäuerinnen und Bauern keine Schuld trifft. Sie haben das Saatgut unwissentlich verwendet. Deshalb fordert die AbL, dass der Verursacher BAYER CROPSCIENCE für alle anfallenden Kosten aufkommen muss, sowohl für die bereits entstandenen Ausgaben und den Ernteausfall als auch für die noch zu erwartenden Aufwendungen z. B. für das Entfernen der auflaufenden Rapspflanzen sowie für mögliche Vermarktungsschwierigkeiten. In Frankreich sind 18.000 Hektar betroffen und inzwischen unterpflügt. Laut Nachrichtenagentur Reuters hat BAYER/Frankreich den französischen Landwirt*innen eine Entschädigung von 2.000 Euro pro Hektar für den Verlust der Ernte in diesem Jahr angeboten unter der Verpflichtung, im nächsten Jahr keinen Raps anzubauen. In Deutschland sind den Bauern und Bäuerinnen laut Information der Unabhängigen Bauernstimme Vergleiche angeboten worden. Die AbL warnt die Landwirt*innen allerdings davor, allzu schnell darauf einzugehen und damit auf alle weiteren Ansprüche zu verzichten, da die Folge-Kosten noch gar nicht abschätzbar seien.

Auch Versuche betroffen
Ende März 2019 wurde bekannt, dass auch Sortenversuche betroffen sind – in sieben Bundesländern. So hat EURALIS mehrere Prüfsorten von Wettbewerbern, darunter auch eine DEKALB-Sorte, eingekauft, um diese mit einer eigenen Neu-Kreation zu vergleichen. Erst Ende Januar, so EURALIS-Geschäftsführer Peter Fleck, habe er von BAYER erfahren, dass die betreffende DEKALB-Sorte ebenfalls von den Verunreinigungen mit GT73 betroffen ist. Daraufhin ordnete das Unternehmen an, die Parzellen zu unterpflügen und auf den Flächen gemäß den unterschiedlichen Anordnungen der Behörden bis Juni 2019 bzw. Juni 2020 keinen Raps mehr anzubauen.
Auf die Frage, ob EURALIS darüber hinausgehende Sicherheitsmaßnahmen anweisen würde, antwortete Peter Fleck, die Firma werde sich an die Vorgaben der Bundesländer halten.
Auch in Schleswig-Holstein haben solche Sortenversuche stattgefunden – laut Pressemeldung des Umwelt- und Landwirtschaftsministeriums betrifft es „eine Fläche von rund 120 Quadratmetern an einem Standort im Kreis Schleswig-Flensburg“. Züchterin Barbara Maria Rudolf aus diesem Kreis, die mit Kreuzblütlern Sortenentwicklung macht, ist deshalb sehr beunruhigt. Bei der Züchtung versuche sie alles, um die Pflanzen vor der Einkreuzung bzw. Fremdbestäubung zu schützen. Das sei aber im Zuchtgarten oder später auf dem Feld nie zu 100 Prozent möglich. Umso wichtiger sei es für sie als Blumenkohl-, Brokkoli- und Rettich-Züchterin zu wissen, ob sie gegebenenfalls betroffen sein könnte. Bei ihrem Anruf im zuständigen schleswig-holsteinischen Ministerium habe sie bislang keine Auskunft darüber erhalten, wo die betroffenen Sortenversuche stattfanden. Für sie mache es aber „einen enormen Unterschied, zu wissen, ob die potenzielle Verunreinigungsquelle in acht oder 50 Kilometer Entfernung liegt“, so Rudolf.

Forderungen
Der letzte Raps-Verunreinigungsfall in Deutschland ist gerade drei Jahre her. Deshalb fordern die ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT (AbL), die INTERESSENGEMEINSCHAFT FÜR GENTECHNIKFREIE SAATGUTARBEIT (IG SAATGUT) und das GEN-ETHISCHE NETZWERK (GeN) Nachbesserungen beim Saatgutmonitoring, also der Untersuchung der Ackerböden auf eventuelle Gentech-Kontaminationen hin, insbesondere bei Kulturarten, die wie Raps einem hohen Verunreinigungsrisiko ausgesetzt sind. Zudem sei es nicht nur erforderlich, dass das Saatgutmonitoring rechtzeitig stattfinde, die Ergebnisse müssten auch sofort veröffentlicht werden. Nur so könne nämlich eine Aussaat verunreinigter Partien verhindert werden. AbL, IG SAATGUT und das GeN haben die betroffenen Bundesländer mit ihren Nachfragen und Forderungen konfrontiert. Sie werden weiter abfragen, was die Bundesländer tun, um die Gefahr von Kontamination durch gen-manipulierte Ackerfrüchte zu bannen.

Annemarie Volling, Gentechnik-Expertin der ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT (AbL)
eMail: volling@abl-ev.de; www.abl-ev.de.
Der Text erschien im Mai 2019 in der Unabhängigen Bauernstimme und wurde leicht aktualisiert.

[Brüsseler Abschiedsgeschenk] EU-Zulassungen für drei Genpflanzen made by BAYER

CBG Redaktion

Ende Juli 2019 genehmigte die EU-Kommission in einer ihrer letzten Amtshandlungen einen ganz Schwung von Genpflanzen, darunter drei der BAYER-Tochter MONSANTO, ohne Sicherheitsaspekte ausreichend zu berücksichtigen.

Von Jan Pehrke
„Die Europäische Kommission hat heute (Freitag) nach gründlicher Prüfung zehn gentechnisch veränderte Organismen genehmigt, davon neun für die Verwendung in Lebens- und Futtermitteln und eine Nelke als Zierschnitt-Blume“, verlautete am 26. Juli 2019 aus Brüssel. Von „gründlicher Prüfung“ kann dabei jedoch kaum die Rede sein. So erteilte die EU den Mais-, Soja- und Baumwoll-Pflanzen der BAYER-Tochter MONSANTO Import-Zulassungen für vorerst zehn Jahre, obwohl die Antragsunterlagen wichtige Sicherheitsfragen offen ließen. Die Europäische Union verfügte bei ihrer Entscheidung weder über genügend Daten zum allergenen Potenzial der Labor-Konstrukte noch zu anderen möglichen Gesundheitsgefährdungen. Auch zu den Kombinationswirkungen der den Ackerfrüchten via Gentechnik verpassten Giftstoffe sowie zu den Effekten von MON87751 & Co. auf die Umwelt lagen ihre keine aussagekräftigen Dokumente vor.

Der neue Gentech-Mais
Als besonders problematisch erweist sich die Einfuhr-Erlaubnis für den Mais mit der Serien-Nummer MON87411, den die Gen-Werker*innen mit einer Glyphosat-Resistenz sowie mit den gegen Schadinsekten wirkenden Stoffen Cry3Bb1 und DvSnf7 dsRNA versehen haben. Und das nicht nur, weil die EU damit den Gebrauch des von der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuften Glyphosats für zehn weitere Jahre absegnet.

Die Initiative TESTBIOTECH bewertet vor allem die Verwendung des DvSnf7 dsRNA kritisch. Diese Ribonukleinsäure (RNA) besitzt einen neuen Wirk-Mechanismus gegen den Maiswurzelbohrer. Die Molekül-Kette zieht Enzyme im Magen des Insekts auf sich, die sie in siRNA aufspalten, was dann ein für das Tier überlebenswichtiges Protein blockiert. Aber Wissenschaftler*innen zufolge vermag die RNA auch den Magen von Säugetieren heimzusuchen. „Es ist plausibel, dass die im Mais MON87411 produzierte ds-RNA direkt mit der Darmflora interagieren kann“, warnt deshalb TESTBIOTECH. Damit nicht genug, verfügt das doppelsträngige Molekül dazu noch über die Fähigkeit, in den Blutkreislauf zu gelangen und in die Steuerung von Genen einzugreifen. Der MON87411 ist mit ihm bestückt, weil Cry3Bb1, das Gift des Bacillus thuringiensis (Bt), inzwischen massive Abnutzungserscheinungen zeigt: Der Maiswurzelbohrer gewöhnt sich immer besser an diese Substanz. Während die Hauptwirkung des Bt-Toxins nachlässt, zeigen sich die Nebenwirkungen unverändert massiv. So ist das Cry3Bb1 wissenschaftlichen Arbeiten zufolge imstande, Allergien auszulösen. Trotzdem hat die Europäische Union der jetzigen BAYER-Tochter keine detaillierteren Studien zu diesem Komplex abverlangt. Für das Treiben des Stoffes in der Darmflora interessierte sie sich überdies ebenso wenig, wie sie das im Fall der Ribonukleinsäure getan hatte. Zudem ignorierte die EU bei der Prüfung des MONSANTO-Antrags die Wechselwirkungen des Toxins mit Pflanzen-Enzymen und Pestiziden. Ob die MON87411-Wirkstoffe auch für Bienen, Schmetterlinge und andere Tiere gefährlich sind, hat die Europäische Kommission ebenfalls nicht kontrolliert. Des Weiteren geht aus den MONSANTO-Unterlagen nicht hervor, wie die Pflanzen auf Stress-Bedingungen wie zum Beispiel extreme Wetterlagen reagieren, obwohl das Risiko besteht, dass sie unter diesen Umständen mehr Gift-Stoffe als sonst üblich absondern. Und zu schlechter Letzt schenkte die Europäische Kommission möglichen negativen Effekten des Gen-Mais’ auf die Umwelt keine größere Beachtung. Die Gefahren von Auskreuzungen oder von Eintragungen in die Böden und Gewässer spielten für sie kaum eine Rolle.

Das neue Gentech-Soja
Das Soja MON87751, das mit den beiden synthetisierten Bt-Giften Cry1A105 und Cry2Ab2 versehen ist, hat es gleichfalls in sich. So können Toxine dieser Art hämotoxisch wirken, also den Blutkreislauf stören, und bestimmte Hautzellen binden, was deren Schutzfunktion beeinträchtigt. Darüber hinaus verfügen sie über das Potenzial, mit Darm-Bakterien, Pflanzen-Enzymen und Pestiziden zu interagieren und ihre Toxizität auf diese Weise zu steigern. Überdies erweisen sich die Substanzen als äußerst stabil. Sie halten sich beispielsweise sehr lange im Verdauungstrakt. Und spezielle Bestandteile des Sojas wie Trypsin-Hemmer wissen den Abbau-Prozess noch einmal zu verlangsamen. All diesem ist die BAYER-Tochter nicht nachgegangen. Außerdem untersuchten die Forscher*innen die Toxine in den Fütterungsstudien separat, weshalb ihnen die Kombinationswirkungen der Gifte verborgen blieben – angesichts der 30 bisher für den Import zugelassenen Gen-Konstrukte mit Bt-Toxinen eine grobe Fahrlässigkeit.

Auch sonst wiesen die Experimente TESTBIOTECH zufolge Mängel auf. So bekamen die Tiere immer die gleiche Menge Soja verabreicht, und das auch nicht in der Form, in welcher Menschen die Bohne am häufigsten zu sich nehmen: als Soja-Milch. „Um die potenzielle Gesundheitsschädlichkeit zu ermessen, wären detailliertere (...) und längere Fütterungstudien nötig gewesen“, reümiert die Initiative. Auch die Allergie-Gefahr ermittelte die EU nicht. Das zuständige Panel beließ es dabei, auf Unbedenklichkeitsbescheinungen aus einem Genehmigungsverfahren von 2008 mit dem Mais MON89034 zu verweisen, der ebenfalls Cry1A105 und Cry2Ab2 enthielt. Dabei schreiben die EU-Regularien eigentlich Einzelfall-Prüfungen vor, was gerade beim MON87751 angebracht gewesen wäre, denn Soja weist mehr allergenes Potenzial als Mais auf. Des Weiteren erschienen in den elf Jahren, die inzwischen vergangen sind, viele neue Forschungsberichte zu den Substanzen. Diese hätten die Entscheider*innen eigentlich berücksichtigen müssen.

Die neue Gen-Baumwolle
BAYERs neue Baumwolle, die auch als Tierfutter und Lebensmittel-Zusatz Verwendung finden soll, kommt als veritable Trutzburg auf den Acker. Sie verlässt das Gen-Labor mit den beiden Bt-Toxinen Cry1Ac und Cry2Ab2 sowie mit Resistenzen gegen die Herbizide Glyphosat und Glufosinat. Ihr Name legt von all dem Zeugnis ab und ist dementsprechend lang: GHB614xLLCotton25xMON1598.
Neben den bereits bekannten Eigenschaften der Cry-Gifte bereitet Wissenschaft-ler*innen vor allem eine Nebenwirkung der Glyphosat-Resistenz Sorge. Das EPSPS-Enzym, das die Baumwolle immun gegen das Herbizid macht, bewirkt nämlich noch anderes: Es steigert den Gehalt des Giftes Gossypol in den Acker-Früchten. Vergeblich hatte TESTBIOTECH die EU-Prüfer*innen im Verlauf des Zulassungsprozederes beschworen, sich diesen Zusammenhang im Hinblick auf Gefahren für die Lebensmittel-Sicherheit und die Umwelt genau anzuschauen und gegebenenfalls zusätzliche Daten dazu von BAYER einzufordern.

Überdies haben die Forscher*innen bei der Übertragung der neuen Pflanzen-Eigenschaften mit antibiotika-resistenten Genen gearbeitet, die als Marker dienen. Wenn das Gewächs in eine Antibiotika-Lösung kommt, überleben nur diese Zellen und zeigen den Wissenschaftler*innen so an, ob die Transaktion geglückt ist. Da diese Methode die Ausbreitung von Antibiotika-Resistenzen fördert und deshalb die Behandlung von Infektionskrankheiten erschweren kann, hatte die EU eigentlich bereits im Jahr 2004 darauf gedrungen, in den Gen-Laboren nicht länger mit Immun-Reaktionen gegen Wirkstoffe zu arbeiten, welche für die Humanmedizin eine große Bedeutung haben.

Trotzdem genehmigte sie den GHB614xLLCotton25xMON1598. Zusätzlich zu den beiden anderen gentechnisch veränderten Organismen made by BAYER erteilte sie am 26. Juli noch vier anderen Pflanzen die Import-Lizenz und verlängerte für zwei weitere Ackerfrüchte die Einfuhr-Erlaubnis. Zudem gab die Europäische Kommission einer Gentech-Nelke ihr Plazet. Dabei ging sie laut TESTBIOTECH nicht sorgfältiger vor als bei der Prüfung der MONSANTO-Anträge. „Die EU hat ihre Pflichten gegenüber Mensch, Tier und Umwelt sträflich vernachlässigt und einzig im Interesse von BAYER & Co. gehandelt“, konstatierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN deshalb in ihrer Presseerklärung zum Thema.

[SWB 04/2019 ] SWB 04/2019 erschienen!

CBG Redaktion

Soeben ist die Herbst-Ausgabe des Stichwort BAYER (SWB) erschienen. Sie bietet von nun an noch mehr Lesestoff als gewohnt. Seit Neuestem nämlich hat sie noch eine weitere Zeitschrift im Gepäck: BIG Business Crime (BBC). „Wir begrüßen es, dass wir eine Beilage zur Zeitschrift machen können und freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit“, erklärt der BBCler Reiner Diederichs. Darauf freut sich auch die SWB-Redaktion. „Da BIG Business Crime „Wirtschaftskriminalität“ als ihren Schwerpunkt gewählt hat, ergänzen sich beide Publikationen optimal“, so Jan Pehrke vom Stichwort.

Wer die Probe aufs Exempel machen will, kann das anhand der beiden Schnupper-Artikel weiter unten tun. Aus der SWB-Ausgabe haben wir aus gegebenem Anlass einen längeren Text über die digitale Landwirtschaft ausgewählt, will der BAYER-Konzern sich doch zum APPLE der Äcker aufschwingen. Und aus BIG Business Crime gibt es vorab etwas zum Dauerbrenner „Unternehmensstrafrecht“ zu lesen.

Wir hoffen, dass beide journalistische Arbeiten neugierig machen und dazu anhalten können, das Stichwort BAYER zu abonnieren. Wer nach der Lektüre noch unschlüssig ist und zusätzliche Anreize braucht: Im Heft finden sich noch weitere interessante Beiträge zu den Risiken und Nebenwirkungen der Gentechnik und des BAYER-Magenmittels IBEROGAST sowie zu den Schnüffler*innen-Listen von MONSANTO. Und natürlich darf ein Update zu BAYERs MONSANTO-Krise im Allgemeinen und den Glyphosat-Prozessen im Besonderen nicht fehlen.

Parallel dazu haben wir die Artikel aus dem Stichwort BAYER 3/19 und die Ticker-Beilage online gestellt.

[Der Lagebericht] BAYER weiter in der Krise

CBG Redaktion

MONSANTO im Allgemeinen und Glyphosat im Besonderen bereiten BAYER nach wie vor viele Probleme. Durch den Hedge-Fonds ELLIOT droht sogar die Zerschlagung des Konzerns.

Von Jan Pehrke

Mit 18.400 Klagen von Geschädigten des Pestizids Glyphosat sieht sich der Leverkusener Multi mittlerweile konfrontiert (Stand: 30.07.2019). Von Quartalsbericht zu Quartalsbericht steigt die Zahl. Wegen dieser Prozess-Flut muss der Konzern jetzt sogar mit einer gerichtlich angeordneten Sonderprüfung rechnen. Der Aktionär Christian Strenger bereitet einen entsprechenden Antrag vor, nachdem er auf der Hauptversammlung für die Einleitung einer solchen Untersuchung nicht die nötige Mehrheit gefunden hatte. Strenger wirft dem Management vor, die mit der MONSANTO-Übernahme verbundenen rechtlichen Risiken nicht ausreichend beachtet zu haben und will das Agieren des Vorstands nun einer detaillierten Inspektion unterziehen.

Von der Entwicklung, dass die Richter*in-nen der bisherigen drei großen Verfahren gegen die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO die Geld-Bußen im Nachhinein verringert hatten, zeigte sich der Anteilseigner wenig beeindruckt. Im Fall „Dewayne Johnson“ schrumpfte die Summe von 289 auf 78 Millionen Dollar, im Fall „Pilliod“ von zwei Milliarden auf 86,7 Millionen und im Fall „Hardeman“ von 80 auf 25 Millionen. Den eigentlichen Schadensersatz ließen die Jurist*innen dabei unberührt. Bei den „punitive damages“ – der eigentliche Strafe – legten sie Hand an. Die Versicherungen hatten für diesen Posten nämlich vor einiger Zeit eine Grundsatz-Entscheidung erzwungen. Seither darf der Betrag das Schmerzensgeld höchstens noch um das Neunfache übersteigen. Deshalb musste es zu den Absenkungen kommen. In der Sache aber gab es kein Vertun. „MONSANTO verdient es, bestraft zu werden“, sagte etwa der Richter Vince Chhabria bei der Ankündigung der Reduzierung. Dementsprechend fiel die Freude des Global Players einigermaßen verhalten aus. „Ein Schritt in die richtige Richtung“, hieß es jeweils.

Elliot legt die Axt an
Vorher schon hatte der Konzern die Prozesse zur Chef-Sache erklärt und die Weichen für einen Strategie-Wechsel gestellt. Es blieb ihm auch kaum etwas anderes übrig, hatte die Hauptversammlung dem Vorstand im April 2019 wegen der Causa „Glyphosat“ doch die Entlastung verweigert. „Der Aufsichtsrat sieht die negativen Auswirkungen, die von der Unsicherheit im Zusammenhang mit den Gerichtsverfahren auf den Aktien-Kurs und die Wahrnehmung der Stakeholder ausgehen“, konstatierte Ober-Aufseher Werner Wenning Ende Juni 2019 und gelobte Besserung. So gab er die Verpflichtung des in Produkthaftungsklagen beschlagenen US-Anwalts John H. Beisner als Berater bekannt. Zudem verkündete der Aufsichtsratschef die Einrichtung eines Sonder-Ausschusses, dem die Aufgabe zukommt, für zusätzliche juristische Expertise zu sorgen.

Der berühmt-berüchtige Hedge-Fonds ELLIOT, der sein schon länger bestehendes Engagement bei BAYER im Herbst 2018 öffentlich gemacht hatte, reagierte umgehend. Er zeigte sich zunächst einmal zufrieden mit den Beschlüssen. Zur Personalie „Beisner“ ließ die von Paul Elliot Singer gegründete Gesellschaft verlauten: „Wie aus seiner Arbeit für MERCK (VIOXX) und JOHNSON & JOHNSON (DEPUY-Hüftimplantate) ersichtlich, hat Herr Beisner eine nachweisbare Erfolgsbilanz, vielbeachtete Produkthaftungsfälle zu einer erfolgreichen Lösung zu führen.“ Auch dem neuen Sonder-Ausschuss erteilte der Fonds sein Placet. Die annoncierten Veränderungen bilden eine geeignete Basis dafür, die Prozesse zu einem guten Ende für die Anleger*innen zu führen, so das Resümee.

Das ist aber noch nicht alles, Singer & Co. denken schon über den Moment hinaus. „Auch wenn die Lösung der Herausforderungen in den Rechtsstreitigkeiten unmittelbare Priorität hat, ist ELLIOT der Ansicht, dass BAYER mehr für die langfristige Wertschöpfung zum Vorteil aller Stakeholder machen könnte“, heißt es in der Presseerklärung. Für die ELLIOT MANAGEMENT CORPORATION spiegelt der derzeitig niedrige Aktien-Kurs nämlich den Wert der einzelnen Geschäftseinheiten – „bzw. die bestehende Wertbeschaffungsmöglichkeit von mehr als 30 Milliarden Euro“ – nicht wider. Im Klartext: Eine Zerschlagung des Konzerns ist in den Augen des Hedge-Fonds lukrativer als die Beibehaltung der jetzigen Struktur. Dementsprechend ruft er den Vorstand zum Handeln auf. Singer sieht einem „glaubwürdigen Bekenntnis der Gesellschaft entgegen, (...) auch langfristige Wertschöpfungsmaßnahmen im Sinne aller Stakeholder zu prüfen“.

„Mit ELLIOT wird BAYERs Alptraum wahr“, konstatierte die Rheinische Post, denn Singer gilt als der aggressivste unter den aggressiven Aktionär*innen. Mit Vorliebe betätigt sich sein Unternehmen als Krisen-Profiteur, weshalb es sich die Bezeichnung „Geier-Fonds“ mehr als verdient hat. So stürzten sich die Finanz-Strateg*innen just zu dem Zeitpunkt auf die Staatsanleihen Argentiniens, da das Land sich für zahlungsunfähig erklärt hatte. Und während ein Großteil der anderen Käufer*innen sich auf einen Schuldenschnitt einließ, verweigerte der Finanz-Konzern sich diesem. Stattdessen verklagte er das südamerikanische Land erfolgreich und verbuchte auf diese Weise eine Rendite von 1.000 Prozent. Im Falle Griechenlands gingen die Fonds-Manager*innen ähnlich vor. Bei angeschlagenen Kapitalgesellschaften hingegen drängen sie in der Regel auf einen Ausverkauf und verfolgen dieses Anliegen dann ohne Rücksicht auf Verluste. Bei THYSSENKRUPP etwa bewog das den Aufsichtsratschef Ulrich Lehner dazu, von seinem Posten zurückzutreten. Von „Psycho-Terror“ sprach er nachher.

Dabei bemisst sich die Macht ELLIOTs nicht nach der Größe des Wertpapier-Depots. Beim Leverkusener Multi hält der Finanz-Konzern eine Beteiligung von 1,1 Milliarden Euro; BLACKROCK kommt auf ein Vielfaches davon. Aber der Hedge-Fonds schafft es immer wieder, auch andere Anleger*innen hinter sich zu bringen, die auf die gute Nase Singers für üppige Schlachtessen bauen. Im Falle BAYERs gab es darauf bereits unmittelbar nach dem Statement der ELLIOT MANAGEMENT CORPORATION zu den Plänen des BAYER-Aufsichtsrates einen Vorgeschmack: Der sogenannte „ELLIOT-Effekt“ trat ein und verschaffte der Aktie des Agro-Riesen ein Kurs-Plus von fast neun Prozent.

Aber nicht nur ELLIOT liebäugelt mit einer Aufspaltung des Konzerns. Die Finanz-Analyst*innen von BERNSTEIN RESEARCH hatten diese Forderung bereits in der Vergangenheit erhoben und wiederholten sie in einem Brief, der dem Vorstandsvorsitzenden Werner Baumann im Juni 2019 zuging. „Wir haben Schwierigkeiten, große Synergien zwischen den beiden Bereichen zu sehen“, hieß es darin unter anderem. Dem Begehr BERNSTEINs, sich wenigstens von der Veterinär-Sparte zu trennen, kam der Ober-BAYER unterdessen schon nach. Sie ging für 7,6 Milliarden Euro an die US-Firma ELANCO. Die Transaktion ist Teil des Rationalisierungsprogramms, das der Leverkusener Multi im November 2018 beschloss, um seinen Investor*innen wieder Vertrauen in die Aktie einzuflößen, die nach den ersten Urteilen in den Glyphosat-Prozessen massiv an Wert verloren hatte. Die Vernichtung von 12.000 Arbeitsplätzen sowie das Abstoßen diverser Betriebsteile kündigte Baumann damals an. Und er lieferte. Die annoncierte Verkaufsliste hat der BAYER-Chef mit dem ELANCO-Deal jetzt bereits abgearbeitet. Zuvor wechselten die Sonnenschutz-Mittel der COPPERTONE-Reihe, die Fußpflege-Präparate der Marke DR. SCHOLL’S und die Anteile des Konzerns am Chemie„park“-Betreiber CURRENTA den Besitzer. Bei der CURRENTA schlug MIRA, der Infrastruktur-Fonds der australischen Investmentbank MACQUARIE, zu. Auch DR. SCHOLL’S landete bei einem Finanz-Investor; YELLOW WOODS zahlte dafür 585 Millionen Dollar. COPPERTONE schließlich wanderte für 550 Millionen Dollar zu BEIERSDORF.

Rund 6.500 Arbeitsplätze innerhalb des Unternehmens verschwinden durch diese Geschäfte. Und außerhalb dürften längst nicht alle davon erhalten bleiben. Besonders denjenigen, die unter die Kuratel von Finanz-Investoren geraten sind, droht im Stellenplan der kw-Vermerk für „künftig wegfallend“. MIRA etwa garantiert die geltenden betrieblichen und tariflichen Regelungen nur für drei Jahre. Wie es dann weitergeht, steht dahin, denn längerfristige Pläne hat die MACQUARIE-Tochter nicht. „Wir gehen von einer Haltedauer von zehn bis zwölf Jahren aus“, erklärte Deutschland-Chef Hilko Schomerus lapidar.

Aber nicht nur durch den Verkauf der verschiedenen Sparten gehen Stellen verloren. Der Global Player schließt zudem nach Kräften Standorte. In den USA macht er etwa die Niederlassungen in Durham, Robinson und Mishawaka dicht, was insgesamt über 800 Jobs kostet. In der Bundesrepublik scheut der Agro-Riese solche drastischen Schritte bisher, weil es stärkere Beschäftigten-Vertretungen gibt. Den Stand der Dinge hierzulande fasste der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Oliver Zühlke in einem Interview mit der Rheinischen Post zusammen. „Wir verhandeln weiter mit dem Konzern über die Verteilung auf die verschiedenen Bereiche und Standorte. BAYER prüft, Prozesse zu verändern, Aufgaben zu streichen oder auszulagern. Das ist komplex und braucht Zeit“, so der Gewerkschaftler.

Zu allem Übel hat das Rationalisierungsprogramm nicht nur Auswirkungen auf die Arbeitsplätze. Es tangiert auch Sicherheitsfragen. Die CURRENTA trägt nämlich einen Teil der Verantwortung für die – immer noch nicht in Betrieb genommene – Kohlenmonoxid-Pipeline, die zwischen Krefeld und Dormagen verläuft. Das Unternehmen überwacht die Giftgas-Röhre nämlich über ihre Kontrollstellen in den Chemie-„Parks“. Bei einem Finanz-Investor wie MIRA ist eine solche Aufgabe denkbar schlecht aufgehoben. Entsprechend besorgt reagierten die Bürgerinitiativen auf die Nachricht von dem Besitzer-Wechsel.

Trumps helfende Hand
Unterdessen erhielt der Leverkusener Multi in Sachen „Glyphosat“ einige Unterstützung von offizieller Seite. So hat die US-amerikanische Umweltbehörde EPA einen Erlass des Staates Kalifornien aufgehoben, der BAYER und alle anderen Vertreiber von Glyphosat anwies, die Käufer*innen auf den Etiketten über die von dem Mittel ausgehende Krebs-Gefahr zu informieren. „Es ist unverantwortlich, das Anbringen von Warnhinweisen auf Produkten vorzuschreiben, wenn die EPA das Produkt für nicht krebserregend hält“, erklärte die „Environmental Protection Agency“. „BAYER is getting a helping hand from Donald Trump“, kommentierte das Internet-Portal Markets Insider den Vorgang. Der US-Präsident hatte nämlich die Spitze der Einrichtung neu besetzt, damit diese die Industrie nicht mehr länger durch so viele lästige Vorschriften am Profitmachen hindert. Seither geht ein Riss durch die Behörde, wie der von der BAYER-Tochter MONSANTO engagierte Schnüffeldienst HAKLUYT (siehe auch SWB 3/19) seinem Auftraggeber meldete: „Die politische Leitung favorisiert Deregulierungen und setzt sich über die Risiko-Analysen der Experten hinweg (...) Besonders, was Glyphosat angeht, gibt es starke Differenzen zwischen dem politischen und dem professionellen Personal.“
Auch die Bundesregierung sprang BAYER bei. Sie entschied sich gegen ein sofortiges Glyphosat-Verbot und beschloss lediglich eine Minderungsstrategie. Das von der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestufte Herbizid bleibt jetzt so lange im Umlauf, wie seine EU-Zulassung währt. Erst zum Jahr 2024 will die Große Koalition es dann aus dem Verkehr ziehen. Bis dahin darf das Pestizid auf den Feldern weiter sein Unwesen treiben; zu mehr als ein paar Einschränkungen konnten sich CDU und SPD nicht durchringen. Lediglich den Gebrauch im Haus- und Garten-Bereich sowie auf öffentlichen Flächen untersagten die Parteien. „Kein Verbot, bis es ohnehin ein Verbot gibt – Hier bekommen wir von der Regierung eine echte Mogelpackung serviert. Dass der Gebrauch von Glyphosat nun ‚systematisch gemindert’ werden soll, ist keine Maßnahme zum Schutz von Mensch, Tier und Umwelt, sondern ein Geschenk an BAYER und die anderen großen Produzenten, die nun die Möglichkeit haben, ihr profit-trächtiges Agrar-Gift dreieinhalb weitere Jahre zu verkaufen“, konstatierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) in ihrer Presseerklärung. Der Leverkusener Multi gab sich trotzdem nicht zufrieden. „Wir sehen die Entscheidung der Bundesregierung kritisch, bis Ende 2023 aus Glyphosat auszusteigen“, erklärte der Agrar-Chef Liam Condon.

Kurz vorher hatte er im Hinblick auf die abermalige Zulassungsverlängerung für das Herbizid, über welche die EU 2022 befindet, Gesprächsbereitschaft signalisiert. Das Unternehmen respektiere, dass in einigen europäischen Ländern der Wunsch der Politik bestehe, den Einsatz von Glyphosat zu reduzieren, sagte Condon dem Tagesspiegel zufolge. „Daher werden wir mit den unterschiedlichsten Interessensgruppen zusammenarbeiten, um alternative Lösungen zu entwickeln“, kündigte er an. Was da unter der Anmutung einer Charme-Offensive auftritt, ist indessen knallhartes Kalkül. Der grüne Bundestagsabgeordnete Harald Ebner beschrieb die Strategie des Global Players mit diesen Worten: „BAYER fürchtet um die Glyphosat-Zulassung. Darum deutet der Konzern jetzt einen Kuhhandel wie bei der Gentechnik an.“ Nach Ansicht Ebners setzt der Leverkusener Multi darauf, eine Opt-out-Lösung zu erreichen: Eine EU-weite Genehmigung, die den einzelnen Mitgliedsländern aber Verbote erlaubt. Dann hätte das umstrittene Mittel zumindest in Teilbereichen des europäischen Marktes, der zum Gesamt-Umsatz mit dem Ackergift rund zehn Prozent beiträgt, noch eine Chance.

Die BAYER-Aktie hat sich unterdessen in den letzten Monaten ein wenig erholt, erreicht aber noch längst nicht wieder den Stand, den sie vor dem MONSANTO-Deal einnahm. Ihr Wohl und Wehe hängt immer noch von den Glyphosat-Prozessen ab, und fast jede Meldung dazu bildet sich im Kurs ab. Darum ergehen sich die Finanzmarkt-Akteur*innen auch immer noch in Spekulationen darüber, wie viele Milliarden der Konzern am Ende für die Risiken und Nebenwirkungen des Herbizids zahlen muss und erstellen entsprechend düstere oder weniger düstere Prognosen. Wie stark der Leverkusener Multi sich durch den Desaster-Deal hingegen schon heute verändert hat und was das für die Beschäftigten und die Standort-Städte bedeutet, interessiert die Börse hingegen nicht. ⎜

[El Salvador] Proteste in El Salvador

CBG Redaktion

Landwirt*innen wollen BAYERs Gen-Pflanzen nicht

BAYER hat mit der Regierung von El Salvador einen Vertrag über die Lieferung von transgenem Saatgut abgeschlossen. Kleinbauern und -bäuerinnen kritisieren das Abkommen massiv.

Von Jan Pehrke

Die in El Salvador von 2009 bis Mai 2019 amtierende Linksregierung unter Salvador Sánchez Cerén hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die kleinbäuerliche Landwirtschaft zu fördern. So legte sie ein „Programm zur Förderung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft“ auf und trieb etwa die landeseigene Entwicklung von Saatgut voran. Cerén wollte den Landwirt*innen Sorten zur Verfügung stellen können, die dem tropischen Klima Mittelamerikas angepasst sind. Zudem verfolgte der Präsident mit dieser Politik das Ziel, die Saatgut-Einfuhren zu verringern und damit den Einfluss der Agro-Riesen zurückzufahren – was auch gelang. Hatte die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO in El Salvador vor 2013 bei Saatgut einen Markt-Anteil von 70 Prozent, so sank dieser in den kommenden Jahren beträchtlich. Überdies musste der Staat weniger Mais importieren. Allein von 2011 bis 2014 sank das Volumen um 94 Prozent.

Nach der Wahlniederlage der FMLN, die Nayib Bukele von der Partei „Nuevas Ideas“ an die Macht brachte, droht nun eine Kehrtwende: Die völlige Abhängigkeit von BAYERs Gentech-Pflanzen. Bukele ist Unternehmer und im Parlament überdies auf die Stimmen der rechten Parteien angewiesen. Deshalb verfolgt er einen sehr wirtschaftsfreundlichen Kurs. Beispielsweise signalisierte der ehemalige Bürgermeister von San Salvador der Trump-Administration die Bereitschaft, sein Land stärker für Investitionen von US-Konzernen zu öffnen. Und mit BAYER darf sich nun auch ein deutsches Unternehmen über eine privilegierte Behandlung freuen. Die neue Regierung hat mit dem Leverkusener Multi nämlich einen Vertrag über die Lieferung von transgenem Saatgut abgeschlossen.

Der salvadorianische Landarbeiter*innen-Verband ANTA und die internationale Dachorganisation der Kleinbauern und -bäuer*innen, VIA CAMPESINA, kritisieren die Vereinbarung massiv. Carlos Rodriguez von VIA CAMPESINA warnt besonders vor den Risiken und Nebenwirkungen der Pestizide, die der BAYER-Konzern in Kombination mit seinem Saatgut vermarktet. Glyphosat & Co. seien für die Landwirt*innen und ihre Gemeinden lebensgefährlich, da die Mittel Krebs und Nierenversagen verursachten, so Rodriguez. Zudem verunreinigten die Ackergifte die Böden und die Gewässer. Seine Kollegin Ana Calles machte darüber hinaus auf die hohen finanziellen Belastungen aufmerksam, die durch das Abkommen auf die Kleinbauern und Kleinbäuerinnen zukommen. Diese würden Calles zufolge durch die Anbau-Kosten für genetisch manipulierte Pflanzen, die bis zu zweieinhalb mal so hoch wären wie diejenigen für konventionelle Ackerfrüchte, in die Verschuldung getrieben.

Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) solidarisierte sich mit den Landwirt*innen in El Salvador. „Nach der Übernahme von MONSANTO wieder ein Schritt zur Sicherung der Monopol-Stellung des BAYER-Konzerns im Bereich der Welternährung. Und eine Kriegserklärung an die bäuerliche Landwirtschaft in El Salvador und weltweit. BAYER muss gestoppt werden. Wir stehen an der Seite der protestierenden Bäuer*innen“, hieß es in der Presseerklärung der Coordination. ⎜

[MONSANTO-Listen] Presse-Information vom 14.08.19

CBG Redaktion

Neue Enthüllungen über die BAYER-Tochter MONSANTO

Neil Young im Visier

Die jetzige BAYER-Tochtergesellschaft MONSANTO hat von 2015 bis 2017 den Rockmusiker Neil Young und die Reuters-Journalistin Carey Gillam ins Visier genommen und umfangreiche Maßnahmen eingeleitet, um sich der Kritik der beiden zu erwehren. Dabei steuerte das Unternehmen seine Aktivitäten von einer Abteilung aus, die sich „fusion center“ nannte, in Anlehnung an die gleichnamigen, mit Terrorismus befassten Sektionen des FBIs und des „Departements of Homeland Security“. Das berichtet die britische Tageszeitung The Guardian mit Verweis auf Dokumente aus den Schadensersatz-Prozessen in Sachen „Glyphosat“.

Neil Young erregte die Aufmerksamkeit des Agro-Riesen durch die Veröffentlichung des Albums „The MONSANTO Years“. Der Konzern arbeitete systematisch die Songs durch, identifizierte Problem-Felder, denen sich der Kanadier besonders intensiv widmete, und wappnete sich mit „Gegendarstellungen“. „Wir entwickeln einen Plan, um proaktiv Inhalte zu produzieren und auf die folgenden sechs Topics (...) vorbereitet zu sein“ hieß es in einem Memo, das dann Schwerpunkt-Themen wie „Glyphosat“, „Bürgerrechte“ und „Patente auf Leben“ aufzählte. Auch auf einen von Young produzierten Film über den Farmer Michael White, der gegen MONSANTO vor Gericht zog, reagierte der Multi. „Wir setzen unsere Arbeit an Suchmaschinen-Resultaten fort (...), um sicherzustellen, dass ein ausbalanciertes Erzählen der Michael-White-Story gewährleistet ist“, verlautete aus dem „fusion center“. Sogar rechtliche Schritte gegen den kanadischen Künstler erwog das Unternehmen, ließ schließlich aber doch davon ab.

Die US-amerikanische Journalistin Carey Gillam sah sich einem noch umfangreicheren „action plan“ ausgesetzt. Das ihr gewidmete Dossier „Project Spruce“ umfasste 50 Seiten. Gillam arbeitete lange für die Nachrichten-Agentur Reuters und berichtete vor allem über den Bereich „Landwirtschaft“. Immer wieder erregten ihre Texte dabei das Missfallen des Global Players. Und bei bloßer Empörung blieb es nicht. Nach einem Artikel über einen Farm-Arbeiter, der die Firma wegen seiner Glyphosat-Vergiftung verklagte, versicherte ein MONSANTO-Öffentlichkeitsarbeiter seinen KollegInnen in einer E-Mail: „Wir machen ihrem Arbeitgeber weiter Druck bei jeder Gelegenheit, die sich uns bietet.“ Als die Reporterin ihre Recherchen dann in einem Buch über Glyphosat bündelte, packte der „fusion center“ seinen ganzen Instrumenten-Kasten aus. Er investierte in Suchmaschinen-Manipulationen, die das „Whitewash“ betitelte Werk in schlechtem Licht zeigten und engagierte Trolle für Verrisse auf den AMAZON-Seiten. Besonders bemühte sich MONSANTO um potenzielle Gillam-KritikerInnen mit Renommée aus WissenschaftlerInnen-, VerbraucherInnen- oder LandwirtInnen-Kreisen. Sogar Beschäftigte der US-amerikanischen Umweltagentur EPA wollte der Konzern für seine Zwecke gewinnen.

„Wenn Konzern-Macht mit so einer Intensität dazu genutzt wird, Menschen zum Schweigen zu bringen und die öffentliche Meinung zu manipulieren, dann wird die Wahrheit erstickt. Und davor sollten wir alle Angst haben“, mahnt Carey Gillam. Der Leverkusener Multi jedoch kann an dem Gebaren seiner jetzigen Tochter-Gesellschaft nichts Anrüchiges finden. Nach Ansicht des BAYER-Sprechers Christopher Loder hätten die MONSANTO-Aktivitäten lediglich beabsichtigt, „zu gewährleisten, dass es als Reaktion auf zahlreiche Missinformationen einen fairen, angemessenen und wissenschaftsorientierten Dialog über das Unternehmen gibt, eingeschlossen Reaktionen auf ein Buch, das eine Person schrieb, die immer wieder als Kritikerin von Pestiziden und Gentechnik hervorgetreten ist“.

„Es ist ein Skandal, dass BAYER die Praktiken MONSANTOs billigt. Noch im Juni verkündete der Konzern in Hochglanz-Anzeigen, höhere Maßstäbe für sein Handeln anlegen zu wollen. Damit ist es offensichtlich nicht weit her. Wären dem Unternehmen diese Versicherungen etwas wert, müsste er sich umgehend bei Neil Young und Carey Gillam entschuldigen“, konstatiert Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG).

Die Coordination vermutet, ebenfalls zur Zielscheibe von BAYER und MONSANTO geworden zu sein. Entsprechende Anfragen ließ der Konzern jedoch bis zum heutigen Tag unbeantwortet. Auch zu möglichen Versuchen MONSANTOs, im Jahr 2017 das Abstimmungsverhalten des damaligen Landwirtschaftsministers Christian Schmidt (CSU) bei der damals anstehenden EU-Entscheidung über die Glyphosat-Zulassungsverlängerung zu beeinflussen, erhielt die CBG keine Auskunft. Nach den unlängst veröffentlichten Informationen über die Art und Weise, wie die PR-Agentur FLEISHMAN HILLARD für ihren Auftraggeber der ehemaligen Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) nachstellte, liegt dieser Verdacht nahe.

[Neil Young] Presse-Information vom 14.08.19

CBG Redaktion

Neue Enthüllungen über die BAYER-Tochter MONSANTO

Neil Young im Visier

Die jetzige BAYER-Tochtergesellschaft MONSANTO hat von 2015 bis 2017 den Rockmusiker Neil Young und die Reuters-Journalistin Carey Gillam ins Visier genommen und umfangreiche Maßnahmen eingeleitet, um sich der Kritik der beiden zu erwehren. Dabei steuerte das Unternehmen seine Aktivitäten von einer Abteilung aus, die sich „fusion center“ nannte, in Anlehnung an die gleichnamigen, mit Terrorismus befassten Sektionen des FBIs und des „Departements of Homeland Security“. Das berichtet die britische Tageszeitung The Guardian mit Verweis auf Dokumente aus den Schadensersatz-Prozessen in Sachen „Glyphosat“.

Neil Young erregte die Aufmerksamkeit des Agro-Riesen durch die Veröffentlichung des Albums „The MONSANTO Years“. Der Konzern arbeitete systematisch die Songs durch, identifizierte Problem-Felder, denen sich der Kanadier besonders intensiv widmete, und wappnete sich mit „Gegendarstellungen“. „Wir entwickeln einen Plan, um proaktiv Inhalte zu produzieren und auf die folgenden sechs Topics (...) vorbereitet zu sein“ hieß es in einem Memo, das dann Schwerpunkt-Themen wie „Glyphosat“, „Bürgerrechte“ und „Patente auf Leben“ aufzählte. Auch auf einen von Young produzierten Film über den Farmer Michael White, der gegen MONSANTO vor Gericht zog, reagierte der Multi. „Wir setzen unsere Arbeit an Suchmaschinen-Resultaten fort (...), um sicherzustellen, dass ein ausbalanciertes Erzählen der Michael-White-Story gewährleistet ist“, verlautete aus dem „fusion center“. Sogar rechtliche Schritte gegen den kanadischen Künstler erwog das Unternehmen, ließ schließlich aber doch davon ab.

Die US-amerikanische Journalistin Carey Gillam sah sich einem noch umfangreicheren „action plan“ ausgesetzt. Das ihr gewidmete Dossier „Project Spruce“ umfasste 50 Seiten. Gillam arbeitete lange für die Nachrichten-Agentur Reuters und berichtete vor allem über den Bereich „Landwirtschaft“. Immer wieder erregten ihre Texte dabei das Missfallen des Global Players. Und bei bloßer Empörung blieb es nicht. Nach einem Artikel über einen Farm-Arbeiter, der die Firma wegen seiner Glyphosat-Vergiftung verklagte, versicherte ein MONSANTO-Öffentlichkeitsarbeiter seinen KollegInnen in einer E-Mail: „Wir machen ihrem Arbeitgeber weiter Druck bei jeder Gelegenheit, die sich uns bietet.“ Als die Reporterin ihre Recherchen dann in einem Buch über Glyphosat bündelte, packte der „fusion center“ seinen ganzen Instrumenten-Kasten aus. Er investierte in Suchmaschinen-Manipulationen, die das „Whitewash“ betitelte Werk in schlechtem Licht zeigten und engagierte Trolle für Verrisse auf den AMAZON-Seiten. Besonders bemühte sich MONSANTO um potenzielle Gillam-KritikerInnen mit Renommée aus WissenschaftlerInnen-, VerbraucherInnen- oder LandwirtInnen-Kreisen. Sogar Beschäftigte der US-amerikanischen Umweltagentur EPA wollte der Konzern für seine Zwecke gewinnen.

„Wenn Konzern-Macht mit so einer Intensität dazu genutzt wird, Menschen zum Schweigen zu bringen und die öffentliche Meinung zu manipulieren, dann wird die Wahrheit erstickt. Und davor sollten wir alle Angst haben“, mahnt Carey Gillam. Der Leverkusener Multi jedoch kann an dem Gebaren seiner jetzigen Tochter-Gesellschaft nichts Anrüchiges finden. Nach Ansicht des BAYER-Sprechers Christopher Loder hätten die MONSANTO-Aktivitäten lediglich beabsichtigt, „zu gewährleisten, dass es als Reaktion auf zahlreiche Missinformationen einen fairen, angemessenen und wissenschaftsorientierten Dialog über das Unternehmen gibt, eingeschlossen Reaktionen auf ein Buch, das eine Person schrieb, die immer wieder als Kritikerin von Pestiziden und Gentechnik hervorgetreten ist“.

„Es ist ein Skandal, dass BAYER die Praktiken MONSANTOs billigt. Noch im Juni verkündete der Konzern in Hochglanz-Anzeigen, höhere Maßstäbe für sein Handeln anlegen zu wollen. Damit ist es offensichtlich nicht weit her. Wären dem Unternehmen diese Versicherungen etwas wert, müsste er sich umgehend bei Neil Young und Carey Gillam entschuldigen“, konstatiert Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG).

Die Coordination vermutet, ebenfalls zur Zielscheibe von BAYER und MONSANTO geworden zu sein. Entsprechende Anfragen ließ der Konzern jedoch bis zum heutigen Tag unbeantwortet. Auch zu möglichen Versuchen MONSANTOs, im Jahr 2017 das Abstimmungsverhalten des damaligen Landwirtschaftsministers Christian Schmidt (CSU) bei der damals anstehenden EU-Entscheidung über die Glyphosat-Zulassungsverlängerung zu beeinflussen, erhielt die CBG keine Auskunft. Nach den unlängst veröffentlichten Informationen über die Art und Weise, wie die PR-Agentur FLEISHMAN HILLARD für ihren Auftraggeber der ehemaligen Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) nachstellte, liegt dieser Verdacht nahe.

[CURRENTA] Presse-Information vom 08.08.19

CBG Redaktion

BAYER verkauft CURRENTA-Anteile

Es droht Arbeitsplatz-Vernichtung

Gestern veräußerte BAYER gemeinsam mit LANXESS das Unternehmen CURRENTA. Der Chemie„park“-Betreiber, an dem BAYER 60 Prozent und LANXESS 40 Prozent der Anteile hielt, ging für 3,5 Milliarden Euro an MIRA, den Infrastruktur-Fonds der australischen Investmentbank MACQUARIE. Angesichts der millionen-schweren Schadensersatz-Prozess in Sachen „Glyphosat“ hatte der Leverkusener Multi im letzten Herbst auf Druck seiner Großinvestoren ein Rationalisierungsprogramm angekündigt, das neben der Vernichtung von 12.000 Arbeitsplätzen auch die Trennung von Unternehmensteilen umfasst. Die Sonnenschutz-Mittel der COPPERTONE-Reihe und die Fußpflege-Präparaten der Marke DR. SCHOLL’S stieß die Aktien-Gesellschaft bereits ab.

„Wir freuen uns, mit MIRA als dem weltweit führenden Infrastruktur-Betreiber den richtigen Partner gefunden zu haben, der die CURRENTA mit seiner internationalen Expertis erfolgreich weiterentwickeln kann“, sagte BAYER-Vorstandsmitglied Dr. Hartmut Klusik zu dem Geschäftsabschluss. Die rund 3.200 CURRENTA-Beschäftigten dürften sich da kaum mitfreuen, denn sie blicken einer unsicheren Zukunft entgegen. Bestandsgarantien mochte MACQUARIE INFRASTRUCTURE AND REAL ASSETS nämlich nur für die nächsten drei Jahre geben. „Wir haben uns verpflichtet, in den ersten drei Jahren keine Unternehmensteile zu verkaufen“, so MIRAs Deutschland-Chef Hilko Schomerus. Nur für diesen Zeitraum bleiben auch die geltenden betrieblichen und tariflichen Regelungen bestehen.

Und weit über den Horizont von drei Jahren hinaus plant die MACQUARIE-Tochter nicht. „Wir gehen von einer Haltedauer von zehn bis zwölf Jahren aus“, erläuterte Schomerus. Spätestens dann muss sich das Investment für den Fonds ausgezahlt haben, der auf seiner Website damit wirbt, „realen und nachhaltigen Wert für unsere Kunden und die Menschen, denen unsere Anlagen dienen“ zu schaffen.

„BAYER opfert Arbeitsplätze auf dem Altar von BLACKROCK & Co. und liefert die Beschäftigten einem Fonds aus, den nur das Wohl und Wehe seiner InvestorInnen antreibt. Den Leverkusener Multi interessiert nichts weiter, als schnell Kasse zu machen“, kritisiert Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG).

Um die Rendite-Ziele zu erreichen, bedient sich die MIRA-Mutter MACQUARIE überdies nicht immer nur legaler Methoden. So ermittelt die Kölner Staatsanwaltschaft zurzeit gegen die Bank. Das Geldhaus steht in Verdacht, in den Cum-Ex-Skandal verwickelt zu sein und rund um fällige Dividenden-Zahlungen Aktien zwischen einzelnen Niederlassungen hin- und hergeschoben zu haben. Damit firmierte sie gleich zwei Mal an einem Tag als Besitzer der entsprechenden Papiere – und konnte auf diese Weise doppelt von den Kapitalertragssteuer-Rückzahlungen der Finanzämter profitieren.

[EU-Zulassung für drei Gen-Pflanzen von BAYER] Gen-Pflanzen

CBG Redaktion

EU-Zulassung für drei Gen-Pflanzen von BAYER

Kaum geprüft und für gut befunden

Die EU-Kommission hat Ende Juli für drei neue Gen-Pflanzen von BAYER und vier weitere Laborfrüchte Import-Genehmigungen gewährt. Brüssel erteilte die positiven Bescheide, ohne ausreichende Sicherheitsprüfungen verlangt zu haben. „Die EU hat die Sorten zugelassen, obwohl keine ausreichenden Informationen über ihre Unbedenklichkeit vorlagen. Sie verfügte weder über Daten zum allergie-auslösenden Potenzial der Pflanzen noch über belastbare Zahlen aus Fütterungsversuchen oder aussagekräftige Informationen über mögliche Auswirkungen auf die Umwelt“, kritisiert Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG).

Als besonders problematisch erweist sich die Zulassung für den Mais mit der Serien-Nummer MON87411. Mittels Gentechnik resistent gegen das umstrittene Herbizid Glyphosat gemacht, ist er zudem mit den gegen Schadinsekten wirkenden Stoffen Cry3Bb1 und DvSnf7 dsRNA versehen. Ob diese Substanzen auch Bienen, Schmetterlinge und andere Tiere zu gefährden vermögen, hat die Europäische Union bei ihrer Entscheidung nicht interessiert. Zudem hat die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO nicht nachweisen müssen, dass die Pflanzen unter Stress-Bedingungen wie zum Beispiel extremen Wetter-Lagen nicht mehr Gift-Stoffe als sonst üblich absondern. Überdies ging die Kommission Forschungsergebnissen nicht weiter nach, wonach die RNA-Molekülstränge imstande sind, in den Blutkreislauf von Säuretieren überzugehen und in die Steuerung von Genen einzugreifen, obgleich dies Krankheitsrisiken heraufbeschwört. „Es ist plausibel, dass die im Mais MON87411 produzierte dsRNA direkt mit der Darmflora interagieren kann“, warnt etwa die Initiative TESTBIOTECH.

Diese Fähigkeit hat das vom Bacillus thuringiensis abgesonderte Cry3Bb1 ebenfalls. Darüber hinaus tritt es Forscher*innen zufolge mit Pflanzen-Enzymen und Pestiziden in Interaktion. Damit nicht genug, belegen wissenschaftliche Arbeiten die allergene Wirkung der Bt-Toxine. Trotzdem hat die Europäische Union MONSANTO hier keine detaillierteren Studien abverlangt. Auch möglichen negativen Effekten des Gen-Mais’ auf die Umwelt schenkte sie keine größere Beachtung: Die Gefahren von Auskreuzungen oder von Eintragungen in die Böden und Gewässer spielten für sie kaum eine Rolle.

Ähnlich oberflächig verliefen die Prüfungen des Sojas MON87751 und der Baumwolle GHB614xLLCotton25xMON1598, die dem MON87411 in Sachen „Risiko“ kaum nachstehen. „Die EU hat ihre Pflichten gegenüber Mensch, Tier und Umwelt sträflich vernachlässigt und einzig im Interesse von BAYER & Co. gehandelt“, so Axel Köhler-Schnura abschließend.

[Gen-Pflanzen] Presseerklärung 02. August 2019

CBG Redaktion

EU-Zulassung für drei Gen-Pflanzen von BAYER

Kaum geprüft und für gut befunden

Die EU-Kommission hat Ende Juli für drei neue Gen-Pflanzen von BAYER und vier weitere Laborfrüchte Import-Genehmigungen gewährt. Brüssel erteilte die positiven Bescheide, ohne ausreichende Sicherheitsprüfungen verlangt zu haben. „Die EU hat die Sorten zugelassen, obwohl keine ausreichenden Informationen über ihre Unbedenklichkeit vorlagen. Sie verfügte weder über Daten zum allergie-auslösenden Potenzial der Pflanzen noch über belastbare Zahlen aus Fütterungsversuchen oder aussagekräftige Informationen über mögliche Auswirkungen auf die Umwelt“, kritisiert Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG).

Als besonders problematisch erweist sich die Zulassung für den Mais mit der Serien-Nummer MON87411. Mittels Gentechnik resistent gegen das umstrittene Herbizid Glyphosat gemacht, ist er zudem mit den gegen Schadinsekten wirkenden Stoffen Cry3Bb1 und DvSnf7 dsRNA versehen. Ob diese Substanzen auch Bienen, Schmetterlinge und andere Tiere zu gefährden vermögen, hat die Europäische Union bei ihrer Entscheidung nicht interessiert. Zudem hat die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO nicht nachweisen müssen, dass die Pflanzen unter Stress-Bedingungen wie zum Beispiel extremen Wetter-Lagen nicht mehr Gift-Stoffe als sonst üblich absondern. Überdies ging die Kommission Forschungsergebnissen nicht weiter nach, wonach die RNA-Molekülstränge imstande sind, in den Blutkreislauf von Säuretieren überzugehen und in die Steuerung von Genen einzugreifen, obgleich dies Krankheitsrisiken heraufbeschwört. „Es ist plausibel, dass die im Mais MON87411 produzierte dsRNA direkt mit der Darmflora interagieren kann“, warnt etwa die Initiative TESTBIOTECH.

Diese Fähigkeit hat das vom Bacillus thuringiensis abgesonderte Cry3Bb1 ebenfalls. Darüber hinaus tritt es ForscherInnen zufolge mit Pflanzen-Enzymen und Pestiziden in Interaktion. Damit nicht genug, belegen wissenschaftliche Arbeiten die allergene Wirkung der Bt-Toxine. Trotzdem hat die Europäische Union MONSANTO hier keine detaillierteren Studien abverlangt. Auch möglichen negativen Effekten des Gen-Mais’ auf die Umwelt schenkte sie keine größere Beachtung: Die Gefahren von Auskreuzungen oder von Eintragungen in die Böden und Gewässer spielten für sie kaum eine Rolle.

Ähnlich oberflächig verliefen die Prüfungen des Sojas MON87751 und der Baumwolle GHB614xLLCotton25xMON1598, die dem MON87411 in Sachen „Risiko“ kaum nachstehen. „Die EU hat ihre Pflichten gegenüber Mensch, Tier und Umwelt sträflich vernachlässigt und einzig im Interesse von BAYER & Co. gehandelt“, so Axel Köhler-Schnura abschließend.

[Glyphosat-Gate] Die Geheimdossiers der BAYER-Tochter MONSANTO

CBG Redaktion

BAYERs Tochter-Gesellschaft MONSANTO hat die politische Landschaft über Jahre hinweg mit Geheimdienst-Methoden vermessen lassen, um sie so pflegen zu können, dass Glyphosat & Co. darin ein ideales Habitat finden.

Von Jan Pehrke

Sie nennen sich harmlos Kommunikations- oder PR-Agenturen, arbeiten aber de facto oft als private Nachrichtendienste für Konzerne: BURSON COHN & WOLFE, PUBLICIS, FLEISHMAN HILLARD, FTI & Co. Genaueren Aufschluss über ihre Tätigkeit geben jetzt Dokumente, die Unbekannte der französischen Zeitung Le Monde und dem TV-Sender France 2 zugespielt hatten.
So erstellte FLEISHMAN HILLARD für die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO ein ausführliches Lagebild über das politische Frankreich. Ein umfangreiches Dossier mit den Namen von 200 Journalist*innen, Politiker*innen, Verbands- und NGO-Vertreter*innen sowie Wissenschaftler*innen mitsamt Kontakt-Daten und Hobbys legte die Agentur für ihren Auftraggeber an. Minutiös verzeichnete sie die Haltung der Betreffenden zu Themen wie „Landwirtschaft“, „Ernährung“, „Umwelt“, „Gentechnik“, „Gesundheit“ und „Pestizide“. Die Glaubwürdigkeit der Personen, ihren Einfluss und ihre Haltung zu MONSANTO bewertete FLEISHMAN dabei mit Noten von „0“ bis „5“. Diese detaillierten Profile dienten dann als Ansatzpunkte, um passgenau „Vertrauen zu MONSANTO aufzubauen“.

Geheimdienst-Methoden
Schwerpunktmäßig widmeten sich FLEISHMAN HILLARD und PUBLICIS, die zweite an der Operation beteiligte Firma, Glyphosat. In den Jahren 2015 und 2016 konzentrierten sich die Aktivitäten hauptsächlich darauf, bei der Europäischen Union eine Zulassungsverlängerung für das umstrittene Herbizid zu erwirken.
Dabei gingen die beiden Unternehmen arbeitsteilig vor. Während FLEISHMAN HILLARD die Aufgabe zufiel, die öffentliche Sphäre zu überwachen und sorgsam sämtliche das Pestizid betreffenden politischen und juristischen Schritte zu registrieren, oblag es PUBLICIS, „Auskünfte und Informationen zu sammeln, die NICHT (Hervorhebung im Original, Anm. SWB) öffentlich zugänglich sind“, wie es in einem internen Memo hieß.
Als Ausgangsbasis hat PUBLICIS erst einmal eine „Kartografie“ der Glyphosat-Debatte in Frankreich erstellt. Anhand eines Koordinaten-Systems verorteten die Öffentlichkeitsbearbeiter*innen die Positionen der „Top 20 Stakeholder“ zu dieser Frage. Dazu trugen sie auf der x-Achse den Grad der Unterstützung bzw. Ablehnung ein, welche die betreffenden Personen MONSANTO entgegenbringen, und auf der y-Achse deren Einfluss. Die Farbe Orange haben die PR-Strateg*innen dabei für Regierungsvertreter*innen gewählt, hellblau für Abgeordnete, lila für Verwaltungsleute und grün für Vertreter*innen von Bauernverbänden und anderen Organisationen. Als verlässliche Bündnispartner*innen verzeichnete das Diagramm beispielsweise Maire Guittard, damals Beraterin des Landwirtschaftsministers, und den in der fraglichen Periode dem Landwirtschaftsverband FNSEA vorstehenden Xavier Beulin. Als eindeutigen Opponenten identifizierte das „Mapping“ hingegen Laurin Bouvier, der zu der Zeit Berater der Umweltministerin Ségolène Royale war.
FLEISHMAN HILLARDs Projekt zu dem von der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuften Pestizid war „FR Glyphosat-Ziele Aktionsplan“ überschrieben, wobei „FR“ für Frankreich stand. 74 Personen listete dieser Plan auf. Und zu den Eintragungen gab es jeweils Statusmeldungen. So firmierte etwa der Agrar-Ingenieur Gérard Kafadaroff – ein ehemaliger MONSANTO-Angestellter, der eine Organisation zur Förderung der Pflanzen-Biotechnologie gründete – als „Verbündeter“. Aber so ganz konnte FLEISHMAN doch nicht auf ihn zählen, obwohl Kafadaroff Botschaften des Unternehmens verbreitete. „Er könnte als Relais dienen, möchte aber nicht direkt mit MONSANTO in Verbindung gebracht werden, da er den Verlust seiner Glaubwürdigkeit fürchtet“, lautete der Vermerk in seiner Akte. Ebenfalls zu den „Verbündeten“ zählten die „Public Relations“-Expert*innen Jean Bizet, den Senatoren des Landkreises Manche. Als „prioritär“ stuften sie es ein, ihn zu rekrutieren. Dementsprechend verschnupft reagierte der Politiker gegenüber der Presse auf die Enthüllungen. Er zweifelte einfach die Echtheit der Dokumente an und verweigerte weitere Auskünfte. Auch auf den Präsidenten des Regionalrats von Hauts-de-France, Xavier Bertrand, wollte FLEISHMAN HILLARD bauen. Er habe zwar nicht allzu viele Einwirkungsmöglichkeiten auf den Prozess der Zulassungsverlängerung in Brüssel, so die Einschätzung der PR-Profis, dafür sei aber sein Einfluss auf konservative Abgeordnete „sehr groß“. Deshalb visierten sie einen Hausbesuch von MONSANTO-Emissär*innen bei ihm an und planten schon über den Termin hinaus. Sie fassten ins Auge, Bertrand danach mit detaillierten Informationen zu den ökonomischen, sicherheitstechnischen und klima-relevanten Aspekten von Glyphosat zu versorgen.
Die Umweltjournalistin Sandy Dauphin von der Radiostation „France Inter“ führte das Unternehmen als „mobil/beeinflussbar“, während es bei der damaligen Umweltministerin Ségolène Royal auf Granit biss: „null beeinflussbar“. Für solche Fälle hatte FLEISHMAN aber auch ein Mittel parat. „Isolieren“ stand als Arbeitsanweisung in den Dokumenten. „So funktioniert das Lobbying: „Wissen, welche Person zu kontaktieren ist und sie dann manipulieren, um eine Entscheidung zu verändern“, empört sich Royal über Glyphosat-Gate: „Was pervers ist, das ist dieses Lobbying im Verborgenen, das sich illegaler, der Spionage ähnelnder Methoden bedient.“

300 deutsche Namen
Die geleakten Papiere betreffen nur Frankreich. Aber FLEISHMAN HILLARD operierte aber auch in Deutschland, Italien, den Niederlanden, Polen, Spanien und Großbritannien, wie BAYER inzwischen einräumt. Hierzulande trugen die Einfluss-Agent*innen dem Konzern zufolge eine Liste mit 300 Namen zusammen. Nach Angaben des BAYER-Sprechers Christian Maertin befinden sich darunter mit Stand 14.06.2019 keine Journalist*innen, was Hendrik Zörner vom „Deutschen Journalisten-Verband“ allerdings für sehr unwahrscheinlich hält. Einen detaillierteren Einblick in die Arbeit vor Ort gewährte Le Monde. Das Blatt zitiert aus den berühmt-berüchtigten „MONSANTO-Papers“, welche durch die Schadensersatz-Prozesse in Sachen „Glyphosat“ publik wurden. Darin erwähnt der oberste MONSANTO-Öffentlichkeitsarbeiter Sam Murphey Arbeitsgruppen, die mit FLEISHMAN HILLARD eine Strategie für Deutschland entwickelten, „um es der Regierung zu erlauben, zu einer Position zurückzukehren, die der Glyphosat-Zulassungsverlängerung positiv gegenübersteht“. Und in der Tat ist der damals zuständige Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) bei der EU-Abstimmung am 27. November 2017 zu einer solchen Position zurückgekehrt, obwohl die damalige Koalitionsvereinbarung eigentlich eine Enthaltung vorsah. „Die jetzigen Enthüllungen werfen ein neues Licht auf das Votum von Christian Schmidt. Nun müssen BAYER und das Landwirtschaftsministerium Rede und Antwort stehen, ob Schmidt unter Einfluss stand“, forderte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) deshalb in ihrer Presseerklärung zum Skandal.
FLEISHMAN HILLARD jedenfalls ließ sich nach der Entscheidung der Europäischen Union gebührlich feiern. Das Webportal Politico pries die größte Brüsseler Agentur, die über einen Jahres-Etat von fast sieben Millionen Euro für ihr Antichambrieren verfügt, überschwänglich. „Es war Fleishmans multinationale Kampagne, die MONSANTO und wohlmeinende Regierungen mit den Argumenten versorgte, welche diese brauchten, um diejenigen in die Schranken zu weisen, die für einen Bann eintraten“, konstatierte die Website.
Millionen-Summen hat es die jetzige BAYER-Tochter gekostet, sich der Dienste der rund 60 FLEISHMAN-Beschäftigten bei der Bearbeitung von Mitgliedern des Europäischen Parlamentes und der EU-Kommission zu versichern. Allein für die Lobby-Arbeit am EU-Hauptsitz überwies sie FLEISHMAN nach Angaben des Portals Lobbyfacts 2014 und 2015 jeweils 200.000 bis 300.000 Euro. Im Jahr 2016 waren es 700.000 bis 800.000 Euro, 2017 500.000 bis 600.000 Euro und 2018 400.000 bis 500.000 Euro. In den Hochzeiten der Kampagne hatte kein Auftrag eines Einzelunternehmens bei der Agentur ein so großes Volumen wie der von MONSANTO. Insgesamt brachte er ihr einen zweistelligen Millionenbetrag ein.
Dabei ist sich FLEISHMAN HILLARD keiner Schuld bewusst: „Unsere Arbeit entspricht den fachlichen Standards und Gepflogenheiten unserer Branche.“ Dies steht allerdings sehr in Frage. Das französische Gesetz untersagt es nämlich, politische Meinungen von Menschen ohne Zustimmung der Betreffenden in Datenbanken einzuspeisen. Deshalb kündigten Le Monde, Radio France und die Organisationen FOODWATCH und GÉNÉRATIONS FUTURES bereits rechtliche Schritte an. Vor deutschen Gerichten hätten sie ebenfalls Chancen, denn wie Sebastian Huld vom „Deutschen Journalistenverband“ in einem taz-Interview erläuterte, verbietet das Bundesdatenschutz-Gesetz das Verarbeiten persönlicher, der Öffentlichkeit nicht zugänglicher Daten. Und nach der Datenschutz-Grundverordnung „sind personen-bezogene Daten, aus denen weltanschauliche Überzeugungen hervorgehen, besonders geschützt“, so Huld weiter. Die nordrhein-westfälische Datenschutz-Beauftragte Helga Block ist deshalb schon an BAYER herangetreten und hat um Einsicht in die Unterlagen ersucht. Von einem möglichen Verfahren sprechen Block und ihre Kolleg*innen jedoch noch nicht, vorerst geht es nur um eine „Sachstandsermittlung“. Auch der „Deutsche Rat für Public Relations“ kündigte an, sich „Glyphosat-Gate“ annehmen zu wollen.

CBG will Auskunft
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) forderte den Leverkusener Multi in einem Offenen Brief bereits auf, Auskunft darüber zu erteilen, ob und wenn ja, in welchen Zusammenhängen sich der Name der Coordination auf den Listen befindet. Die Grünen-Politiker*innen Anton Hofreiter, Oliver Krischer, Harald Ebner und Renate Künast haben vom Konzern ebenfalls schon Auskunft über eine eventuelle Speicherung ihrer Daten verlangt. „Mit der Übernahme von MONSANTO hat BAYER nicht nur landwirtschaftliche Gifte, sondern auch toxische Geschäftspraktiken übernommen“, konstatierte Künast. Die Aussage des Konzerns, keine Kenntnis von den Vorgängen gehabt zu haben, zweifelte die Bundestagsabgeordnete an: „Das Management von BAYER hat dabei wissentlich weggesehen.“ Konkreteres weiß offenbar schon der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Karl Lauterbach, der seinen Wahlkreis in Leverkusen hat. „Ich habe vor einigen Tagen Hinweise erhalten, dass MONSANTO auch über mich Dossiers in Auftrag gegeben hat“, erklärte der Politiker. Er forderte den Konzern daraufhin auf, „schnellstmöglich Klarheit zu schaffen“. Und Dr. Kirsten Tackmann von der Partei „Die Linke“ hat in der Causa eine Anfrage an die Bundesregierung gestellt. „Welche Maßnahmen ergreift die Bundesregierung, um konkrete Kenntnisse über deutsche Staatsangehörige auf den sogenannten ‚Schwarzen Listen’ von BAYER/MONSANTO für Glyphosat-Kritikerinnen und -kritiker zu erlangen, und welche Schlussfolgerungen zieht sie aus dem Vorgang?“, wollte die Bundestagsabgeordnete wissen. Das alles fiele in die Zuständigkeit der Landesdatenschutz-Behörden, antworteten Merkel & Co. knapp. „Statt sich schützend vor die betroffenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu stellen (...), hält die Bundesregierung damit zumindest indirekt schützend die Hand über einen Konzern, der unterdessen zum deutschen BAYER-Konzern gehört. Das lässt tief blicken“, kommentierte Tackmann.

Nicht nur FLEISHMAN
Im Zuge von „Glyphosat-Gate“ kamen auch noch andere Operationen ans Tageslicht. So hat MONSANTO die von britischen Geheimdienstler*innen gegründete „Beratungsfirma“ HAKLUYT, berühmt-berüchtigt für das Einschleusen von Spitzeln in Umweltgruppen wie GREENPEACE, engagiert, um die politische Lage in Washington zu sondieren. Der Leverkusener Multi hat den Auftrag nach der Übernahme des US-Unternehmens dann einfach weiterlaufen lassen und hörte nur Gutes von HAKLUYT. „Das aktuelle politische Umfeld steht hinter Ihnen“, hieß es etwa in einer E-Mail von Juli 2018 an den damals bei BAYER für die globale Konzern-Strategie zuständigen Todd Rands. Die Probe aufs Exempel, nämlich „die Temperatur bezüglich der aktuellen Haltung zur Regulierung von Glyphosat zu messen“, bestätigte dann den Befund. Der HAKLUYT-Mann im Weißen Haus zitierte einen Politik-Berater, der zwar den aktuellen Besitzer-Wechsel noch nicht registriert hatte, dafür aber versichern konnte: „MONSANTO braucht keine zusätzlichen Vorschriften zu befürchten.“ Und wenn diese von anderer Seite, etwa aus Brüssel, drohen würden, stände die Trump-Administration bereit, „in die direkte Konfrontation zu gehen“.
Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA hat den Reports zufolge ebenfalls nichts gegen Glyphosat. Die Autor*innen warnen jedoch vor einer möglichen Nebenwirkung des amtlichen Beistands: Er könnte NGOs auf den Plan rufen und sie zu einer verstärkten Aktivität animieren. Zudem stützt die Behörde die Industrie-Positionen laut HAKLUYT nicht einhellig. Die Berichte machen Konflikte innerhalb der Belegschaft fest. „Die politische Leitung favorisiert Deregulierungen und setzt sich über die Risiko-Analysen der Experten hinweg (...) Besonders, was Glyphosat angeht, gibt es starke Differenzen zwischen dem politischen und dem professionellen Personal“, gibt der „private Nachrichtendienst“ (Lobbypedia) die Worte einer Anwaltskanzlei mit gutem Einblick in die Behörden-Interna wieder.
Allerdings steht es auch bei der EPA mit dem Image von MONSANTO nicht zum Besten. So beklagt sich ein Angestellter über die Weigerung der BAYER-Tochter, auf wissenschaftlichem Gebiet „plausible Zusammenhänge anzuerkennen, wenn diese nicht ihrer Sichtweise entsprechen“. Nicht nur deshalb mahnt HAKLUYT an, etwas am Image zu tun. Zu diesem Behufe zitiert die Agentur einen Berater großer Agro-Konzerne: „Ich bin mir sicher, BAYER ist sich dessen bewusst und wird hier Korrekturen vornehmen. Es geht darum, das Image softer zu gestalten, nicht darum, die Argumente aufzugeben.“ Und mit der Berufung des Ex-Grünen-Politikers Matthias Berninger nach Washington sowie der Mitte Juni 2019 gestarteten PR-Kampagne hat der Leverkusener Multi solchen Empfehlungen dann ja auch entsprochen.
Die Mail-Wechsel zwischen BAYER und HAKLUYT diente im dritten Schadensersatz-Prozess um Glyphosat (siehe S. 18 ff.) als Beweismittel der Kläger*innen-Anwälte. Das Gericht vernahm dabei auch Todd Rands, der inzwischen nicht mehr in Diensten des Leverkusener Multis steht. Frank und frei erklärte der Ex-Angestellte den Richter*innen, warum MONSANTO und später BAYER die HAKLUYT-Leute die politische Landschaft in Washington vermessen ließen, ohne den Gesprächspartner*innen ihre Auftraggeber zu nennen: „Wir wollten sichergehen, dass wir Dinge zu hören bekommen, die die Leute uns nicht direkt sagen würden.“ Aber als „Nachrichtendienst-Arbeit für Konzerne“ („corporate intelligence work“) wollte er das, was HAKLUYT & Co. tun, nur zögerlich bezeichnet wissen. „Ich würde es ‚Recherche für Konzerne’ (‚corporate research’, Anm. SWB) nennen“, sagt Rands, gibt dann aber doch noch klein bei und akzeptiert den Begriff „Nachrichtendienst“.
Und nachrichtendienstlich wurde auch die Beratungsfirma FTI für BAYER tätig. Eine Beschäftigte gab sich in dem Schadensersatz-Prozess, den der Glyphosat-Geschädigte Edwin Hardeman in San Francisco gegen den Leverkusener Multi führte, als Berichterstatterin aus, um Gerichtsreporter*innen auszuspionieren. Die als „Glyphosate Girl“ bekannt gewordene Bloggerin Kelly Ryerson, zu der die FTIlerin ein engeres Verhältnis aufbauen konnte, deckte den Skandal auf.
Zu den neueren Enthüllungen äußerte der Agro-Riese sich noch nicht, in der Causa „FLEISHMAN HILLARD“ gibt er sich allerdings leutselig. „Nach einer ersten Analyse verstehen wir, dass ein solches Projekt Bedenken und Kritik ausgelöst hat“, bekundete er und kündigte die Prüfung interner und externer Konsequenzen an. Detaillierter, etwa zur Zukunft Sam Murpheys, der derzeit dem „Global Is-sues Management“ vorsteht, äußerte das Unternehmen sich jedoch bisher nicht. Ansonsten ließ es aber kein Zweifel daran, das in Rede stehende Vorgehen zu missbilligen. „Dies ist nicht die Art, wie BAYER den Dialog mit unterschiedlichen Interessengruppen und der Gesellschaft suchen würde“, hielt der Konzern fest. Sogar eine Entschuldigung kam ihm über die Lippen. Dabei sind dem Global Player die angewandten Methoden alles andere als fremd. Der Leverkusener Multi unterhält nicht nur selbst langjährige Geschäftsbeziehungen zu FLEISHMAN HILLARD, er geht auch mit Kritiker*innen ähnlich um. Von Bespitzelung über Verleumdung und Täuschungsmanövern bis hin zu gerichtlichen Schritten reicht das Arsenal.

BAYERs Aktivitäten
So hob er dereinst die Fake-Bürgerinitiative „Malocher gegen Schmarotzer“ aus der Taufe, um den alljährlichen Protest auf der BAYER-Hauptversammlung zu desavouieren. Zusammengestellt aus Werkschutz-Leuten und anderem Personal aus den eigenen Reihen, sollte die Truppe bei den Aktionär*innen-Treffen den „ehrlichen Arbeiter“ gegen dahergelaufene „Berufsdemonstranten“ und „rote Vögel“ in Stellung bringen.
Im Jahr 2008 sah sich der Konzern nach einer verheerenden Explosion am US-amerikanischen Standort Institute zu Maßnahmen gegen die ortsansässige Bürgerinitiative PEOPLE CONCERNED ABOUT MIC veranlasst, hatte diese doch die unzureichende Anlagen-Sicherheit im Vorfeld immer wieder kritisiert. „Wir sollten versuchen, die PEOPLE CONCERNED ABOUT MIC zu marginalisieren und als irrelevant erscheinen zu lassen. Dies sollte gerade in der aktuell schwierigen ökonomischen Situation möglich sein, in der Arbeitsplätze so viel zählen“, hieß es in einem firmen-internen Strategie-Papier.
Auch vor klandestinen Unternehmungen schreckt der Multi nicht zurück. Als die Coordination einmal zu einer schulinternen Veranstaltung geladen war, um über die Gefahren von Pestiziden zu berichten, bekam sie später aus BAYER-Kreisen ein minutiöses, dreiseitiges Werksschutz-Protokoll über den Vortrag und die anschließende Diskussion zugespielt. Und bei anderen Terminen tauchte regelmäßig ein Mann auf, der sich als freier Journalist ausgab, den CBGler*innen aber dann auf der Hauptversammlung des Unternehmens wiederbegegnete – in der Montur des Werksschutzes. Der Global Player streitet ein solches Vorgehen im Übrigen auch gar nicht ab. So räumte ein Anwalt des Unternehmens vor Gericht einmal ein: „Selbstverständlich überwacht meine Mandantin alle Veranstaltungen, auf denen Themen behandelt werden, die für BAYER relevant sind.“ Und sichtlich stolz fuhr er fort: „Wir wissen über alles Bescheid, auch in den höchsten Entscheidungsgremien der CBG.“
Da wundert es dann nicht, dass der Leverkusener Multi immer wieder auf ominöse Weise Kenntnis von geplanten Aktionen erhält, wie etwa 1993. Im März des betreffenden Jahres publizierte Tierra Amiga, die Zeitschrift eines Ökologie-Netzwerkes in Uruguay, einen kritischen Artikel über BAYERs Schmerzmittel ASPIRIN. Der Pharma-Riese reagierte postwendend. Er stritt dem Blatt das Recht ab, geschützte Markennamen auch nur zu erwähnen und forderte eine Unterlassungserklärung. Die Redaktion setzte sich umgehend mit der CBG in Verbindung. Mensch besprach das weitere Vorgehen und kam überein, eine Presseerklärung und einen Protestbrief zu veröffentlichen. Und bereits am nächsten Tag erhielt das Magazin einen Droh-Anruf von dem Konzern mit der unmissverständlichen Botschaft, solche Schritte besser nicht zu unternehmen. „Die Schlussfolgerung ist offensichtlich“, schrieb der Chefredakteur Jorge Barreiro in einem Kommentar: „Entweder hört BAYER auf irgendeine Art die Telefongespräche der Coordination mit oder hat jemanden dort eingeschleust. In jedem der beiden Fälle ist klar, dass BAYER einen Teil seiner Energien dazu verwendet, seine Kritiker auszuspionieren.“
Zuweilen schlägt das Unternehmen auch den Rechtsweg ein, um sich die CBG und andere vom Hals zu schaffen. Zuletzt ging es gegen die taz vor (siehe SWB 2/19), weil die Zeitung als „Krebs-Rundumpaket“ zusammenbrachte, was nach Leverkusener Meinung nicht zusammengehörte: BAYERs „wahrscheinlich krebserregendes“ Glyphosat und BAYERs Krebs-Therapeutikum ALIQOPA. Gegen die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN leitete der Leverkusener Multi bereits mehrmals juristische Schritte ein. So zwang er sie 1988, ihren ursprünglichen Namen „BAYER-Coordination“ aufzugeben. Es bestehe „die Gefahr von Verwechslungen bzw. von Zuordnungsirrtümern“, so argumentierten die Konzern-Anwält*innen, und so etwas könnte den „Weltruf“ der Marke durch „Ruf-Beeinträchtigungen, Image-Verfremdungen und sonstige Beeinträchtigungen“ schädigen. Angesichts des hohen Streitwertes von 50.000 Euro musste sich die CBG ebenso fügen wie anno 2001, als das Unternehmen gerichtlich gegen den Domain-Namen „BAYER-Watch“ vorging.
Die langwierigste rechtliche Auseinandersetzung, die für die CBG wegen der damit verbundenen Kosten existenz-bedrohend war, begann 1987. Der Agrar-Gigant nahm Anstoß an einer Passage aus einem Aufruf. Er betrachtete die Sätze: „In seiner grenzenlosen Sucht nach Gewinnen und Profiten verletzt BAYER demokratische Prinzipien, Menschenrechte und politische Fairness. Missliebige Kritiker werden unter Druck gesetzt, rechte und willfährige Politiker werden unterstützt und finanziert“, als Schmähkritik. Unter Strafandrohung „von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten bzw. einer Geldstrafe von bis zu DM 500.000“ forderte der Konzern eine Unterlassungserklärung. Die Sache ging bis vor das Bundesverfassungsgericht, das 1992 schließlich aber zu Gunsten der Meinungsfreiheit entschied und der Coordination recht gab.
Der Leverkusener Multi verfügt also über ein reichhaltiges Instrumentarium im Umgang mit Kritiker*innen und anders als von ihm verkündet, entspricht die Art, wie seine jetzige Tochter-Gesellschaft MONSANTO via FLEISHMAN HILLARD den „Dialog“ mit unterschiedlichen Interessengruppen und der Gesellschaft gesucht hat, genau der Art des Hauses.

[Glyphosat-Prozesse] Keine Gnade für Glyphosat

CBG Redaktion

BAYER muss zwei Milliarden Dollar Schmerzensgeld zahlen

Auch der dritte Schadensersatz-Prozess in Sachen „Glyphosat“ endete für BAYER in erster Instanz mit einer Verurteilung zu einer hohen Straf-Zahlung. Entwickelt sich die Übernahme von MONSANTO für den Leverkusener Multi also immer mehr zu einem Desaster-Deal oder könnte die Profit-Rechnung am Ende doch noch aufgehen?

Von Jan Pehrke

Nach der Verurteilung der BAYER-Tochter MONSANTO zur Zahlung von mehr als zwei Milliarden Dollar Schadensersatz an die beiden Glyphosat-Geschädigten Alberta und Alva Pilliod war einer der Anwält*innen des Leverkusener Multis mit seinem Latein am Ende. Er ging auf die Geschworenen zu und fragte geradeheraus, womit er sie denn von der Ungefährlichkeit des Herbizids hätte überzeugen können. „Ich hätte gewollt, dass Sie aufstehen und es trinken“, bekam der Jurist zur Antwort. Und der Laien-Richter Doug Olsen erläuterte ihm den Schuld-Spruch: „Wir wollten MONSANTO klar sagen: ‚Hört auf damit!, macht es besser!’, und wir wollten genug Aufmerksamkeit dafür.“ Diesem und keinem anderen Ziel diente dem Schöffen zufolge die empfindliche Strafe. Sie sollte wie ein „Schlag in die Magengrube“ wirken, eine geringere Summe hätte diesen Effekt nicht erzielt, so Olson.
Diese erzieherische Maßnahme war nach Ansicht der Juror*innen nicht bloß deshalb dringend nötig, weil sie von der Gefährlichkeit des unter dem Namen ROUND-UP verkauften Mittels überzeugt waren. Erschwerend kam hinzu, dass der jetzt zu BAYER gehörende Konzern mit allen möglichen Tricks und Finten versucht hat, die Öffentlichkeit über die Risiken und Nebenwirkungen des Pestizids zu täuschen, wie aus den dem Gericht vorliegenden Dokumenten eindeutig hervorging. Und einer Richtschnur folgte die Jury bei der Festsetzung des Strafmaßes durchaus. Sie orientierte sich an dem Gewinn, den MONSANTO im Jahr 2017 machte und gelangte so zu dem Betrag von 2,055 Milliarden Dollar – mehr Schadensersatz verlangte die US-Justiz in Produkthaftungsverfahren bisher nur von sieben Unternehmen.
Der Leverkusener Multi reagierte den Umständen entsprechend. „BAYER ist von der Entscheidung enttäuscht und wird Rechtsmittel dagegen einlegen“, verlautete aus der Konzern-Zentrale. Mitte Juni 2019 folgten diesen Worten Taten. Der Global Player legte Einspruch ein. Er warf dem Verfahren vor, nur eine „abstrakte Verunglimpfung von MONSANTO“ im Sinn gehabt zu haben und forderte den Richter Winifred Smith auf, das Urteil aufzuheben. Es gehe auf „aufwieglerische, erfundene und irrelevante Beweise“ zurück, befand die Aktien-Gesellschaft. Die Presse konnte BAYER mit diesem Schritt nicht beruhigen. „MONSANTO entpuppt sich als teure Fehlkalkulation“, konstatierte etwa die Faz nach der nunmehr dritten juristischen Niederlage in Sachen „Glyphosat“.

Die ökonomische Logik
Rein ökonomisch betrachtet trifft diese Wertung nicht zu, denn die Zahlen stimmen. „Das Wertschöpfungspotenzial aus der Kombination der beiden Geschäfte ist unverändert sehr, sehr positiv“, hielt der Vorstandsvorsitzende Werner Baumann im Frühjahr 2019 fest. Und tatsächlich erhöhte sich der Umsatz der Agro-Sparte im Jahr 2018 um 49 Prozent auf 14,3 Milliarden Euro, wobei 47,2 Prozent auf das Konto von MONSANTO gingen. Dabei wirkte sich auch ein wohlkalkulierter Nebeneffekt der Konzentrationswelle im Landwirtschaftsbereich positiv aus, die außer BAYER und MONSANTO noch DOW und DUPONT sowie CHEMCHINA und SYNGENTA zusammenbrachte: Da sich nun weniger Top-Unternehmen Konkurrenz machen, kann der Rest mehr Geld für seine Produkte nehmen. So heißt es im Geschäftsbericht des Leverkusener Multis lapidar: „Der Anstieg im Bereich Herbizide ist im Wesentlichen bedingt durch höhere Preise und Mengen-Ausweitungen von ROUNDUP in Lateinamerika.“
Auch Liam Condon, der Chef von BAYER CROPSCIENCE, äußert sich positiv über die Akquisition. „Im Landwirtschaftsbereich sind wir mit weitem Abstand der Marktführer, die Nr. 1 bei jeder großen Nutz-Pflanze, bei Frucht und Gemüse, und wir haben die führende digitale Plattform. Wir haben mehr Zugang zu den Farmern als jeder andere da draußen, und wir haben eine besser gefüllte Pipeline als jeder andere da draußen.“ Und Peter Müller, für das Deutschland-Geschäft des Agrar-Segments zuständig, teilt diese Meinung: „Die bereits veröffentlichten Zahlen spiegeln den wirtschaftlichen Erfolg und die Sinnhaftigkeit der Akquisition wider.“
Nur spiegelt der Aktien-Kurs all das zum großen Bedauern der Manager nicht wider. „Die Kapitalmarkt-Reaktion hat zumindest meines Erachtens momentan wenig mit dem inneren Wert des Unternehmens zu tun“, klagt Werner Baumann. Die Unkalkulierbarkeit der an Glyphosat hängenden Prozess-Risiken und der schlechte Ruf des Neueinkaufs zählen für die Börsianer*innen nämlich mehr als innere Werte. „Reputation ist eine reale Wirtschaftsgröße“, sagt etwa Janne Werning vom Vermögensverwalter UNION INVESTMENT. Das Manager Magazin kommt zu einer ähnlichen Einschätzung: „Betriebswirtschaftliche Optimierung findet heute unter den komplexen Nebenbedingungen einer polarisierten Öffentlichkeit statt.“ Und nach Ansicht von Ingo Speich, der bei DEKA INVESTMENTS den Bereich „Nachhaltigkeit und Corporate Governance“ leitet, haben Baumann & Co. für diese Entwicklung kein Auge gehabt: „BAYER hat unterschätzt, dass viele Investoren mittlerweile auch darauf achten, ihr Geld nachhaltig anzulegen. Der Markt für nachhaltige Anlagen wächst dreimal so stark wie der Gesamtmarkt.“ Und Nachfrage nach Aktien des Leverkusener Multis besteht da eher nicht. „BAYER nahm und nimmt in Kauf, dass viele Anleger aufgrund des MONSANTO-Geschäfts nicht mehr investiert sein wollen. Mit der Akquisition hat man auch viele zukünftige Investoren ausgeschlossen“, befindet Speich.

Der Tatort-Reiniger
Hier sinnt das Unternehmen mittlerweile auf Abhilfe. Es hat den ehemaligen Grünen-Politiker Matthias Berninger verpflichtet, um sich einen grünen Anstrich zu verleihen. Allerdings ist Berninger nicht mehr so ganz farbecht, weil er schon beim Schokoriegel-Fabrikanten MARS in Greenwashing-Diensten stand. Bei BAYER leitet er nun den Bereich „Public Affairs und Nachhaltigkeit“, den der Agro-Riese neu geschaffen hat, um ein besseres Reputationsmanagement zu betreiben bzw. verstärkt den „gesellschaftlichen Austausch“ zu suchen, wie der Global Player es ausdrückt. Ohne einen solchen sei unternehmerischer Erfolg heutzutage nicht mehr möglich, erklärte Peter Müller gegenüber Proplanta, einem Informationsportal für die Landwirtschaft. Und der ehemalige Staatssekretär im Verbraucher*innenschutz-Ministerium setzte gleich ganz groß an und bastelte in den USA an einer Nachhaltigkeitsstrategie für den Konzern. Dabei kam er allerdings nicht weit. Der Skandal um die von der BAYER-Tochter MONSANTO geführten Kritiker*innen-Listen bedeutete nämlich einen ersten Rückschlag bei dem Werkeln an der Wirtschaftsgröße „Reputation“, und Berninger musste der Arbeitsplatz-Beschreibung gerecht werden, welche die Wirtschaftswoche schon im Vorfeld für ihn gefunden hatte: „Tatort-Reiniger“.
Nach diesem Intermezzo kümmerte er sich weiter um die „Public Affairs“ und entwickelte eine PR-Kampagne. Sie startete Mitte Juni 2019 mit ganzseitigen Tageszeitungsannoncen und versuchte, den Blick der Investor*innen durch vage Nachhaltigkeitsankündigungen wieder auf die inneren Werte BAYERs zu lenken. Dabei steht denen jedoch noch ein anderes Hindernis im Weg: die mit den „Glyphosat-Klagen“ einhergehenden finanziellen Unwägbarkeiten. Und dieses will der Konzern vorerst nicht beiseiteschaffen. Vergleichsverhandlungen mit den Geschädigten, die am Ende für Klarheit über die Gesamt-Lasten sorgen und den Anleger*innen eine Kalkulationsgrundlage liefern könnten, lehnt der Leverkusener Multi zum jetzigen Zeitpunkt noch ab. Auch von dem erfahrenen Juristen Kenneth Feinberg, den der Richter Vince Chhabria zum Schlichter der Rechtsstreitigkeiten um das Pestizid ernannt hat, erwartet das Unternehmen nicht viel. Es setzt vielmehr darauf, in den Berufungsverhandlungen mehr Gnade für Glyphosat finden. Dort sitzen nämlich Jurist*innen auf der Richter*innen-Bank und keine Geschworenen, die in den Augen des Managements stets allzu leicht für das tragische Schicksal der krebskranken Kläger*innen einzunehmen sind. Erst wenn es hier zu keinen merklichen Reduzierungen der Strafen kommt, dürfte der Global Player den Geschädigten Vergleiche anbieten und damit anzeigen, welchen Preis er bereit ist, für das Glyphosat-Desaster zu zahlen. Damit hätte der Gentech-Riese das Ganze dann schlussendlich berechenbar gemacht und in die ökonomische Sphäre zurückgeholt.
Bis es so weit ist, stellt die Finanz-Branche selber Zahlen-Spiele an. „Kommt BAYER mit Zahlungen von fünf Milliarden Dollar davon, hat der BAYER-Vorstand alles richtig gemeint“, meint etwa Markus Manns von UNION INVESTMENT: „Muss BAYER am Ende mehr als zehn Milliarden Dollar zahlen, hat der Vorstand die Risiken von MONSANTO klar unterschätzt.“ An zehn Milliarden Dollar hängt es ihm zufolge also, ob die ökonomische Logik am Ende ihren Geltungsanspruch zu behaupten vermag. Aber wie die Sache auch immer ausgeht, die Verlierer*innen stehen jetzt schon fest: Es sind die 12.000 BAYER-Beschäftigten, die im Zuge des Monopoly-Spiels auf dem Agro-Markt ihren Job verloren haben.

[Nicht-Entlastung] BAYER-Vorstand nicht entlastet

CBG Redaktion

Ein historischer Tag

Solch eine Hauptversammlung gab es in der ganzen BAYER-Geschichte noch nicht: Vor Beginn eine Kundgebung mit mehreren hundert Teilnehmer*innen, ellenlange Warte-Schlangen vor dem Eingang, 35 Reden von Konzern-Kritiker*innen und 30 weitere, oftmals auch nicht gerade konzern-freundliche von Klein-Aktionär*innen und Fonds-Manager*innen und zu guter Letzt eine mit der Nicht-Entlastung des Vorstands endende Abstimmung.

Von Jan Pehrke

„Zukunft vor Profit“ stand neben einem durchgestrichenen BAYER-Kreuz auf dem Transparent, mit dem hunderte „Fridays For Future“-Demonstrant*innen in die Kundgebung zur BAYER-Hauptversammlung platzten, die auch zuvor schon mit Wort-Beiträgen, internationalen Musik-Darbietungen, Gruß-botschaften aus dem Hambacher Forst und Theater-Einlagen bunt und lebendig war.
Die Schüler*innen zogen bei ihrer Ankunft auf dem Platz der Vereinten Nationen an einem überdimensionalen BAYER-Chef Werner Baumann vorbei, der auf einem Haufen voller Probleme saß, weshalb sein kühner, mangelnde Risikobereitschaft in Deutschland beklagender Spruch „Mit voller Hose gewinnen Sie eben keinen 100-Meter-Lauf“ nun auf ihn selbst zurückfiel, und streiften an den gegen die bienengefährlichen Pestizide des Leverkusener Multis protestierende Imker*innen vorüber. Dann umkurvten sie den Polizei-Kordon, der zeitweilig die Aktionär*innen vor den Kundgebungsteilnehmer*innen abschirmte, und drückten sich schließlich um die symbolischen Grabes-Kreuze für Medikamenten-Opfer und banner-bestückten Trecker der ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄU-ER-LICHE LANDWIRTSCHAFT herum, ehe sie haltmachten.
„Es sind Ferien, und wir sind trotzdem hier“, konstatierte ihr Sprecher Felix Pohl in seiner Rede, um die Dringlichkeit des Anliegens zu betonen, das da lautete: „System change, not climate change.“ Aber danach stand dem Agro-Riesen nicht der Sinn. Er verweigerte einigen Schüler*innen trotz gültiger Eintrittskarte den Zutritt zum Aktionär*innen-Treffen. „Das zeigt, dass BAYER Angst hat, und es zeigt, dass Protest was bringt“, resümierten die beiden Schüler*innen Lisa und Noah auf der Kundgebungsbühne trocken.
Pohl hatte es jedoch in die heiligen Hallen geschafft. In seinem Beitrag griff er die klima-schädigende Geschäftspolitik scharf an und stellte detaillierte Fragen zu Kohle und anderen schmutzigen Energie-Trägern des Konzerns. „Zukunft statt Profit“ forderte er zum Schluss und setzte damit das Signal für die Fortsetzung des Demonstrationszuges in kleinerem Rahmen. Mit einem „Fridays for Future“-Transparent zogen eine Handvoll Schüler*innen durch den Saal und versetzten damit den Sicherheitsdienst in Alarmbereitschaft, der dann aber doch lieber auf den Zugriff verzichtete.
Jan Pehrke vom Vorstand der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) lieferte an dem Tag weitere Details zu BAYERs CO2-Ausstoß, der durch den Erwerb von MONSANTO noch bedenklichere Dimensionen angenommen hatte. „Die klimaschädlichen Kohlendioxid-Emissionen erhöhten sich um mehr als 50 Prozent von 3,63 Millionen Tonnen auf 5,45 Millionen Tonnen. Sehr zurecht ist die Hauptversammlung darum zum Ziel einer großen „Fridays for Future“-Demonstration geworden“, so Pehrke.

Der Desaster-Deal
Die zahlreichen anderen negativen Folgen des Desaster-Deals kamen ebenfalls reichlich zur Sprache. Sarah Schneider von MISEREOR und Lena Michelsen von INKOTA machten als Verlierer vor allem die Kleinbauern und Kleinbäuerinnen in Lateinamerika und Afrika aus. CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann fügte der Liste die BAYER-Beschäftigten hinzu. 12.000 von ihnen verlieren nämlich im Zuge des Rationalisierungsprogramms, welches die Aktien-Gesellschaft auf Druck ihrer Großanleger*innen starten musste, weil der Aktien-Kurs durch die Schadensersatz-Prozesse in Sachen „Glyphosat“ abstürzte, ihren Arbeitsplatz. Eben auf dieses finanzielle Risiko hatte René Lehnherr vom MONSANTO-Tribunal schon auf der letztjährigen HV hingewiesen. „Ich komme mir vor wie ein Hellseher, dem man einfach nicht glauben will“, hielt er deshalb fest. Einer der Pestizid-Geschädigten, der sich in einem Rechtsstreit mit der jetzigen Tochter-Gesellschaft des Leverkusener Multis befindet, ist Paul François. Der französische Landwirt hat vor 15 Jahren durch das Ackergift LASSO massive gesundheitliche Schäden erlitten. Er verklagte MONSANTO deshalb drei Jahre später und errang am 11. April einen ersten Erfolg: Ein Gericht in Lyon sprach BAYER als Rechtsnachfolger des US-Unternehmens die Verantwortung für die Krankheiten zu. Am 26. April nun konfrontierte der Franzose die Aktionär*innen und den Vorstand direkt mit seinem Schicksal – die Initiative SumOfUs hatte ihm die Reise nach Bonn ermöglicht. In seiner Rede, die SumOfUs-Aktivistin Anne Isakowitsch auf Deutsch vortrug, forderte Paul François das Management eindringlich auf, Verantwortung für die Leidtragenden von Agrochemie-Produkten zu übernehmen: „Sie haben heute die Chance, das Richtige zu tun!“
Neben François traten an dem Tag noch zahlreiche andere Geschädigte von BAYER-Produkten vor das Mikrofon. Besonders eindrucksvoll geriet der Auftritt der drei ehemaligen Heimkinder Franz Wagle, Eckhard Kowalke und Günter Wulf, die in den 1960er Jahren gezwungen waren, als Versuchskaninchen für MEGAPHEN, AGEDAL und andere Arzneien des Pharma-Produzenten herzuhalten. Wulf zählte einfach in lakonischem Stil die Verordnungen aus seiner „Kranken-Akte“ auf wie etwa MEGAPHEN, Zwangsjacke, AGEDAL, „geschlossene Anstalt“ und zitierte dann die in den Berichten beschriebenen Effekte, zu denen Krämpfe und Kontrollverlust gehörten.
Eine Einverständnis-Erklärung der Pro-band- *innen oder deren Erziehungsberechtigten für die Medikamenten-Tests, wie sie eigentlich auch damals schon obligatorisch war, lag den Mediziner*innen nicht vor. „Wir waren rechtlos“, resümierte Eckhard Kowalke deshalb und nannte das Kind beim Namen: „Menschenrechtsverletzungen“. Trotzdem appellierte er erneut an den Vorstand, das Angebot zu einem Gespräch und einem Versöhnungsprojekt anzunehmen. „Wenn die Zukunft gestaltet werden will, muss die Vergangenheit aufgearbeitet werden“, so Kowalke.
Insgesamt hielten 35 Konzern-Kritiker*in-nen nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus Brasilien, England, Frankreich und Holland, auf dem Aktionär*innen-Treffen Reden – so viele hatte die CBG vorher noch nie versammeln können. Zusätzlich zu den bereits erwähnten Themen setzten sie unter anderem das Bienensterben, BAYERs ehemalige Giftmüll-Deponie „Dhünnaue“, die gefährliche Kohlenmonoxid-Pipeline, doppelte Pestizid-Standards und die unerwünschten Arznei-Effekte von MIRENA, DUOGYNON, JADELLE & Co. auf die Tagesordnung.
Damit nicht genug, gerieten viele der übrigen 30 Rede-Beiträge nicht eben konzern-freundlicher. Bei Katzenjammer über den Wert-Verlust der BAYER-Aktie durch die umstrittene Übernahme blieb es nämlich zumeist nicht. „Kalt, kälter BAYER“ – dieses Führungszeugnis stellte Joachim Kregel von der „Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger“ der Manager*innen-Riege aus. Ingo Speich von DEKA-INVESTMENTS, der Fonds-Gesellschaft der Sparkassen, kritisierte den Vorstand derweil dafür, bei der Transaktion bloß der industriellen Logik gefolgt zu sein, wo doch immer mehr Aktionär*innen sich bei ihren Anlage-Entscheidungen mittlerweile auch von sozialen und ökologischen Maßstäben leiten ließen. Janne Werning von UNION INVESTMENT pflichtete Speich bei: „Reputation ist eine reale Wirtschaftsgröße.“ Die Veränderungen in der Gesellschaft, wie ihn zum Beispiel der Kampf gegen den Klimawandel dokumentiert, hätten spätestens seit dem Pariser Klima-Abkommen auch den Kapitalmarkt durchdrungen, so Werning gegenüber Zeit Online.Baumann aber focht das alles nicht an. Er weigert sich strikt, auf seinem Terrain eine andere als die industrielle Logik gelten zu lassen und verteidigte, bei der Kaufentscheidung für MONSANTO einzig solche Kriterien wie „Wachstums-potenzial“, „Markt-Profitabilität“ und „das Erreichen führender Wettbewerbspositionen“ zugrunde gelegt zu haben. Genau deshalb „war und ist der Erwerb der richtige Schritt für BAYER“, bekräftigte der Vorstandsvorsitzende in seiner Eröffnungsrede: „Und das gilt auch vor dem Hintergrund der Diskussion um Glyphosat.“ Das Total-Herbizid ist nämlich für Baumann nach wie vor „bei sachgerechter Anwendung ein sicheres Produkt“.
Das waren für ihn auch alle anderen Pestizide und Arzneien, deren Schadensbilanz die kritischen Aktionär*innen präsentiert hatten. So wurden nach seiner Aussage „alle Produkte umfangreich auf Bienensicherheit getestet“; und selbstredend besitzt die Hormonspirale MIRENA „ein positives Nutzen/Risiko-Profil“ und kommt der bis Anfang der 1980er Jahre von dem 2006 aufgekauften SCHERING-Konzern vermarktete Schwangerschaftstest DUOGYNON nicht als Ursache für Totgeburten und das Auftauchen von schweren Missbildungen bei Neugeborenen in Frage.
Die ehemaligen Heimkinder haben vom Leverkusener Multi ebenfalls nichts zu erwarten. Werner Baumann sprach ihnen zwar sein Mitgefühl aus, verweigerte aber sowohl eine Entschuldigung als auch eine Entschädigung oder irgendeine andere Art von Entgegenkommen. Und klima-technisch ist ihm zufolge beim Global Player auch alles in Butter: „Seit Jahrzehnten hat Klimaschutz bei BAYER Priorität.“
Bis spät in den Abend hinein gab der Ober-BAYER solche nichtssagenden Antworten. Verständlicherweise waren die Fragesteller*innen damit nicht zufrieden. So konnte Aufsichtsratschef Werner Wenning als Versammlungsleiter die Aussprache nicht wie vorgesehen beenden. Die Aktionär*innen rebellierten, und Baumann musste noch mal in die Bütt, obwohl die Hauptversammlung da in ihrem Zeitplan schon erheblich hinerherhinkte. Und das dicke Ende kam noch: Die Anleger*innen verweigerten dem Vorstand die Entlastung. Mit 55,52 Prozent stimmten sie dagegen – ein einmaliger Vorgang in der deutschen Wirtschaftsgeschichte! Aber der Aufsichtsrat hörte die Signale nicht. Noch in der Nacht hielt er eine Sondersitzung ab und stellte sich hinter Werner Baumann. Einige Großinvestoren, die gegenüber der Presse ihre Identität nicht preisgeben wollten, zeigten sich darüber not amused. Andere wie die DEKA wollen zumindest Veränderungen in Wennings Kontroll-Gremium sehen: Sie forderten aus gegebenem Anlass neue Aufsichtsräte mit Kern-Kompetenzen in den MONSANTO-relevanten Bereichen „Prozess-Wesen“ und „Agrar-Geschäft“.Dem leistete der Aufsichtsratschef zwar nicht Folge, dafür aber kündigte er an, einen beratenden Ausschuss mit Top-Anwält*innen ins Leben zu rufen. Das beruhigte die finanzschwersten Fonds einstweilen. Auch ELLIOT zeigte sich vorerst zufrieden, nicht ohne allerdings eine Aufspaltung des Konzerns ins Spiel zu bringen, sollte die neue Strategie scheitern. Damit nicht genug, machte das BAYER-Beispiel auch noch Schule. Wenige Tage nach der Hauptversammlung des Leverkusener Multis sprachen die Aktionär*innen der Schweizer Bank UBS Vorstand und Aufsichtsrat ihr Misstrauen aus, was die Faz als Zeichen für einen grundlegenden Wandel interpretierte: „Künftig könnten Abstimmungsergebnisse wie bei BAYER oder der UBS häufiger der Fall sein.
Während der Gesamtbetriebsrat Baumann die Absolution erteilte, reagierte die Politik angesichts der „Augen zu und durch“-Mentalität des Managements erbost. Karl Lauterbach von der SPD und Anton Hofreiter von Bündnis 90/Die Grünen forderten den Rücktritt des BAYER-Chefs.
Wie die Sache ausgeht, bleibt einstweilen ungewiss. Was aber feststeht: Die CBG konnte an diesem Tag einen großen Erfolg feiern: Noch nie kamen so viele Menschen zu der traditionellen HV-Kundgebung, noch nie gab es so viele Rede-Beiträge von kritischen Aktionär*innen, noch nie dauerte eine Hauptversammlung bis 23 Uhr und noch nie endete sie mit einem solchen Debakel für das Management. Ohne die zahlreichen Mitstreiter wie COLABORA, IFOAM, INKOTA, DIE LINKE, MISEREOR, ATTAC DACHVERBAND DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE, kollektiv tonali, BUND, MONSANTO-TRIBUNAL, RISIKO-PILLE, ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT, MEINE LANDWIRTSCHAFT, den FRIDAYS FOR FUTURE und anderen wäre das nicht möglich gewesen. Das Projekt „Konzern-Wende“ kann die CBG nach diesem historischen Tag jedenfalls gestärkt angehen. ⎜

Abstimmungsergebnisse
(je Aktie eine Stimme)
Von anwesenden ca. 600 Mio. Aktien stimmten bei den einzelnen Tagesordnungspunkten gegen den Vorstand mit „Nein“:

Gewinnverwendung
Nein-Stimmen 7,7 Mio. 1,3 %
Entlastung Vorstand
Nein-Stimmen 291,4 Mio. 55,5 %
Entlastung Aufsichtsrat
Nein-Stimmen 175,9 Mio. 33,6 %
Wahlen zum Aufsichtsrat
Nein-Stimmen 73,9 Mio. 12,2 %

Abstimmungen auf Hauptversammlungen der Konzerne werden von wenigen Großaktionär*innen (Ultrareiche, Investmentfonds, Banken etc.) bestimmt. Sie besitzen bis zu 90 und mehr Prozent aller Aktien.
Die mehreren hunderttausend Klein-aktionär*innen halten zu--sammen lediglich fünf bis zehn Prozent der Anteile bei BAYER. Entsprechend beachtlich sind die Abstimmungsergebnisse.
Die Kritischen Aktionär*innen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hatten zur Gewinnverteilung, zur Entlastung und zur Wahl alternative Anträge gestellt. Der Erfolg dieser Anträge wird deutlich an den Gegenstimmen zu den Anträgen des Vorstands.
Allerdings ist zu beachten, dass die verheerenden negativen Auswirkungen der MONSANTO-Übernahme sowie die massive internationale Kritik im Hinblick auf die vielen anderen Verbrechen an Mensch und Umwelt zu einer gefährlichen wirtschaftlichen Lage des Unternehmens geführt haben. Es bildete sich deshalb bei dieser HV eine bemerkenswerte Allianz aus den ökologisch, sozial und politisch motivierten Kon-zern-Kritiker*innen, vielen Großaktionär*innen (darunter Finanzkonzerne wie BLACKROCK) und den traditionellen Kleinaktionär*innen, die um den Wert ihrer Aktien fürchteten. Im Ergebnis führte das zur historisch einmaligen Nicht-Entlastung des Vorstands.

Schamlose Profite
Das Grundkapital des BAYER-Konzerns beträgt ca. 2,4 Milliarden Euro. Es ist aufgeteilt auf ca. 932 Millionen Aktien. Diese werden von ca. 383.000 Aktionär*innen gehalten.
Der BAYER-Konzern machte im Geschäftsjahr 2018 einen Umsatz von 39,6 Milliarden Euro und einen bereinigten Gewinn von 9,5 Milliarden Euro. Das entspricht 24 Prozent des Umsatzes und fast 400 Prozent des Grundkapitals. Nach Steuern und nach sogenannten Sondereffekten wohlgemerkt!
Rund 2,6 Milliarden Euro des Gewinns wurden an die Aktionär*innen des Konzerns ausgeschüttet. Eine BAYER-Aktie repräsentiert einen Anteil am Gesamtkapital in Höhe von 2,56 Euro. Auf jede Aktie wurde eine Dividende von 2,80 Euro ausgeschüttet. Das entspricht einer Kapitalrendite von sage und schreibe 109,4 Prozent.
Um diese Maßlosigkeit vor der Öffentlichkeit zu verschleiern, wendet der Leverkusener Multi einen Trick an. Er macht den Kurswert seiner Aktie zur Grundlage der Berechnung der Dividende. An der Börse notierte das Papier zum gegebenen Zeitpunkt bei rund 60 Euro. Damit fällt die Dividende – Hokuspokus – auf lediglich 4,7 Prozent.