Drücke „Enter”, um zum Inhalt zu springen.

Beiträge verschlagwortet als “Glyphosat”

[Monsanto] MONSANTO-Lobbyisten

CBG Redaktion

MONSANTO-Lobbyisten müssen draußen bleiben

Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) begrüßt, dass das EU-Parlament den LobbyvertreterInnen des MONSANTO-Konzerns den Zugang zum Parlament und seinen digitalen Ressourcen verweigert.

Über Lobbyisten nehmen Konzerne wie MONSANTO oder BAYER immer wieder direkten Einfluss auf politische Entscheidungen. Insbesondere im Zusammenhang mit dem Pestizid Glyphosat kam es zu massiver Einflussnahme durch den Haupthersteller MONSANTO. Gutachten, die über die Gefährlichkeit von Glyphosat entscheiden sollten, schrieben direkt von Dokumenten des Konzerns ab.

Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN sieht eine große Gefahr für unsere Demokratie in dieser Lobbyarbeit. Aus diesem Grund begrüßen wir die Entscheidung des Europaparlaments auf Antrag der GRÜNEN-Fraktion. Jedoch reicht ein einmaliges Verbot nicht aus. Lobbyismus muss endlich gestoppt werden. „Die Bürgerinnen und Bürger können alle paar Jahre ein Kreuzchen machen, aber direkten Einfluss auf Parlamentarier, auf Gutachten oder auf Regierungsentscheidungen können die Menschen nicht nehmen. Das ist ein Ungleichgewicht in der Demokratie und höhlt diese aus.“, sagt Jens Wegener von de CBG-Geschäftsführung.

Wir fordern von der Politik, dass die Lobbyarbeit der letzten Jahrzehnte lückenlos transparent gemacht wird und dass die weitere Einflussnahme von Banken und Konzerne auf die Politik verboten wird.

„Die Entscheidung des EU-Parlaments zu MONSANTO ist ein erster Schritt, jetzt muss das Hausverbot für alle Lobbyisten folgen.“, so Jan Pehrke, Chefredakteur des STICHWORT BAYER.

[Gensoja] Brief-Aktion gegen Gensoja

CBG Redaktion

In dieser Woche entscheidet die EU über die Import-Zulassung von drei gentechnisch veränderten Soja-Pflanzen. BAYERs FG72 x A5547-127 ist gegen die Herbizide Glyphosat, Glufosinat und Isoxaflutol resistent, DOWs DAS-68416-4 gegen Glufosinat sowie 2,4-D und DOWs DAS-44406-6 gegen Glufosinat, Glyphosat und 2,4-D. Von diesen Labor-Früchten gegen viele Risiken aus. So können sie beispielsweise Rückstände der Pestizide enthalten, denen sie trotzen. Und diese Ackergifte haben es in sich: Glyphosat und 2,4-D gelten als „wahrscheinlich krebserregend“, Glufosinat als fruchtschädigend. Zudem besteht die Gefahr von Kombinationswirkungen. Aus diesen Gründen hat die Initiative testbiotech eine Brief-Aktion gestartet. Sie ruft dazu auf, Landwirtschaftsminister Christian Schmidt zu schreiben und ihn aufzufordern, gegen die Genehmigungen zu stimmen.

Protestbrief

Übernahme von Monsanto

CBG Redaktion

Süddeutsche Zeitung, 05.07.2017, Seite 18
-
Aktenzeichen M.8084
So prüfen die Wettbewerbshüter in Brüssel die Übernahme von Monsanto

Brüssel – Jeder Fall hat eine Nummer. Unter dem Zeichen M.8084 läuft der
Antrag des Chemie- und Pharmakonzerns Bayer. Er hat am 30. Juni die
geplante Übernahme von Monsanto bei der EU-Kommission angemeldet. Die
ist schon ob der schieren Größe der Transaktion zuständig. Grundlage des
Verfahrens ist die EG-Verordnung 139 aus dem Jahr 2004. Die
EU-Kommission ist eine viel beschäftigte Behörde. Allein am Freitag
gingen zwei Anmeldungen ein, im gesamten Juni waren es mehr als 40. Die
wenigsten Fälle erreichen die Größenordnung von Bayer und Monsanto.

Die EU-Kommission prüft, ob Übernahmen oder Fusionen zu einer
beherrschenden Stellung auf „relevanten Märkten“ führen. Schon die
Definition des relevanten Marktes ist nicht ganz einfach. Sowohl Bayer
als auch Monsanto sind Agrochemie-Konzerne. Aber was ist der relevante
Markt? Der Markt für Pestizide insgesamt oder der Markt für spezielle
Gifte, etwa solche, die den Wirkstoff Glyphosat enthalten? Und gehört
dann auch der Markt für gentechnisch verändertes Saatgut für Getreide
dazu, dem Glyphosat nichts anhaben kann?

Die Anmeldung einer Transaktion in Brüssel löst ein komplexes
Verfahren aus, das sich über viele Monate hinziehen kann. In Phase I hat
die EU-Kommission 25 Werktage Zeit, den Fall zu prüfen. Die erste Frist
für Bayer und Monsanto endet am 7. August. Wenn sich die Firmen nicht
auf dem gleichen oder verwandten Märkten bewegen, reicht ein
vereinfachtes Verfahren. Mehr als 90 Prozent der Fälle werden nach
Angaben der EU-Kommission innerhalb dieser Frist entschieden, in der
Regel ohne Auflagen. Die EU-Kommission kann schon in Phase I
Stellungnahmen von Konkurrenten und anderen Marktteilnehmern einholen.
Gegen Ende von Phase I lädt die EU-Kommission zu einem
„State-of-Play-Meeting“, in dem sie die Antragsteller über den Stand der
Dinge informiert. Falls die Kommission Bedenken hat, können die
Unternehmen Zugeständnisse anbieten, etwa den Verkauf von
Geschäftsbereichen. Dann verlängert sich die Frist um zehn Werktage.
Phase I endet mit der Genehmigung der Fusion – mit oder ohne Auflagen.

Wenn die EU-Kommission immer noch Bedenken hat, folgt Phase II, die
vertiefte Prüfung. Die Behörde sammelt und verlangt noch mehr
Informationen. Die EU-Kommission wägt ab, ob der Nutzen der Transaktion
für die Verbraucher größer ist als der Nachteil. Die Konzerne müssen
nachweisen, dass der Nutzen nur durch die Fusion zu erzielen ist. Und
die Verbraucher müssen wirklich die Nutznießer sein, nicht der Konzern.
Können die Konzerne die Bedenken der EU-Kommission nicht ausräumen,
schickt diese ein Statement of Objections mit ihrer vorläufigen
Einschätzung. Darauf können die Antragsteller antworten. Sie können auch
eine öffentliche Anhörung verlangen. Dafür ist der Hearing Officer der
EU-Kommission zuständig.

In Phase II hat die EU-Kommission 90 Werktage Zeit, eine Entscheidung
zu fällen, diese Frist kann um 15 Tage verlängert werden, wenn der
Antragssteller weitere Zugeständnisse anbietet. Eine Verlängerung um bis
zu weitere 20 Werktage ist möglich. Phase II endet mit der Genehmigung –
mit oder ohne Auflagen – oder einer Untersagung, falls die
Zugeständnisse der Konzerne der Behörde nicht ausreichen. Gegen die
Entscheidung der EU-Kommission können die Konzerne, aber auch
interessierte Beteiligte binnen zwei Monaten nach der Entscheidung beim
Europäischen Gericht in Luxemburg klagen. Letzte Instanz ist in der
Berufung dann der Europäische Gerichtshof (EuGH).

Es gibt prominente Vorhaben, die die EU-Kommission verhinderte. Im
März untersagte sie die Fusion von Deutscher Börse und Londoner Börse.
2001 verbot sie die Übernahme von Honeywell durch General Electric, weil
so ein Monopol bei Triebwerken entstanden wäre. Die US-Kartellbehörden
hatten sie genehmigt.

ETD

[Ticker] AKTION & KRITIK

CBG Redaktion

EDCs: CBG macht Druck
Viele Pestizide und andere Stoffe von BAYER wirken wie Hormone. Diese sogenannten endokrinen Disruptoren (EDCs) können deshalb den menschlichen Organismus gehörig durcheinanderwirbeln und Krankheiten wie Krebs oder Diabetes auslösen. Bereits seit 2009 schickt sich die Europäische Union an, die EDCs strenger zu regulieren bzw. sie ganz aus dem Verkehr zu ziehen, aber der Leverkusener Multi hat es in Tateinheit mit anderen Konzernen immer wieder geschafft, den Prozess hinauszuzögern. Gemeinsam mit dem PESTIZID AKTIONS-NETZWERK und anderen Organisationen hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) die Bundesregierung deshalb jetzt aufgefordert, in Brüssel auf eine zügige Vereinbarung zu den Hormongiften zu drängen und insbesondere keine Ausnahmen für hormonell wirksame Agro-Chemikalien zuzulassen.

Protest gegen Afrika-Konferenz
Bereits seit einiger Zeit betreibt die Bundesrepublik eine Privatisierung der Entwicklungshilfe und setzt dabei auf eine Kooperation mit BAYER und anderen Konzernen. So wirkt das Unternehmen etwa an dem Projekt „Better Rice Initiative in Asia“ mit und nutzt es als Vehikel, um seine Reis-Saaten besser zu vermarkten. Auf eine neue Stufe stellte die Bundesregierung diesen Schulterschluss allerdings im Juni 2017. Im Rahmen ihrer G20-Präsidentschaft lud sie in Berlin zu einer Afrika-Konferenz. Dort boten Merkel & Co. Ländern des Kontinents, die sich bereit zeigten, günstige Bedingungen für Investoren zu schaffen, privilegierte Partnerschaften an. Und passenderweise konnten BAYER, BASF, COCA COLA & Co. dabei schon ein Wörtchen mitreden, denn sie nahmen am Konferenz-Tisch Platz. Aber glücklicherweise ging das alles nicht ohne Kritik über die Bühne. Ein breites Bündnis aus Geflüchteten-Initiativen, Gewerkschaften und linken Gruppen unternahm eine Fahrrad-Rallye gegen die G20-Afrika-Konferenz und machte dabei auch vor einer Niederlassung des Leverkusener Multis Station. „Wir besuchen BAYER und andere Profiteure sowie verantwortliche Institutionen, die u. a. für die Zerstörung der bäuerlichen Landwirtschaft in Afrika verantwortlich sind“, erklärten die ProtestlerInnen. Und selbstverständlich strampelten bei der Tour auch AktivistInnen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN mit.

Widerspruch gegen BVL-Bescheid
Immer wieder kritisiert die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) die hohen Antibiotika-Gaben in der Tiermast im Allgemeinen und die Verwendung von BAYERs BAYTRIL im Besonderen. Dieses Pharmazeutikum gehört nämlich zur Gruppe der Fluorchinolone und damit zu den Reserve-Antibiotika, die in der Humanmedizin nur zum Einsatz kommen, wenn andere Mittel bereits versagt haben. Durch die Dauerdröhnung in den Ställen aber gewöhnen sich die Krankheitserreger zunehmend an die Präparate. Gelangen die Keime dann in den menschlichen Organismus, ist kein Kraut mehr gegen sie gewachsen. Auch im letzten August vermeldete das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel-Sicherheit“ (BVL) wieder einen massiven Anstieg des Fluorchinolone-Gebrauchs in der Massentierhaltung. Später korrigierte es die Zahlen dann allerdings nach unten. Ein Unternehmen habe falsche Daten übermittelt, hieß es. Gemeinsam mit den ÄRZTEN GEGEN MASSENTIERHALTUNG, GERMAN WATCH und anderen Gruppen wollte die CBG nun wissen, um welche Firma es sich handelte. Diese Auskunft hat das Bundesamt jedoch mit Verweis auf das Betriebsgeheimnis verweigert. Auch antwortete es nicht auf die Frage, in welchen Mengen TierärztInnen bestimmte Antibiotika erhalten. Darum haben die Initiativen Widerspruch gegen den Bescheid eingelegt.

KAPITAL & ARBEIT

Weniger BAYER-Beschäftigte
Bei BAYER ging 2016 die Zahl der Beschäftigten im Vergleich zum Vorjahr um 1,2 Prozent auf 115.200 zurück.

US-Werke ohne GewerkschaftlerInnen
In den USA haben die Gewerkschaften traditionell eine schweren Stand, bei BAYER allerdings einen noch schwereren: Während der Organisationsgrad in den Betrieben durchschnittlich bei 6,7 Prozent liegt, betrug er 2016 in den US-Niederlassungen des Leverkusener Multis nur fünf Prozent. Diesen „Erfolg“ können sich die dortigen ManagerInnen gutschreiben, denn sie versuchen mit allen Mitteln, die Gründung von Beschäftigten-Vertretungen zu hintertreiben. So schüren sie etwa die Angst, Betriebszellen würden den jeweiligen Standort und damit auch die Jobs gefährden. In Emeryville hat der Konzern GewerkschaftlerInnen vor den Beschäftigten sogar als Schmarotzer diffamiert, die es nur auf die Mitgliedsbeiträge der Betriebsangehörigen abgesehen hätten. Und schließlich müssen beim Pharma-Riesen organisierte Belegschaftsmitglieder im Falle von Entlassungen immer als erste dran glauben.

ERSTE & DRITTE WELT

JADELLE bereitet Probleme
Bei BAYERs JADELLE handelt es sich um ein speziell für die Bevölkerungspolitik geschaffenes, fünf Jahre lang unfruchtbar machendes Hormon-Implantat, das die Devise des früheren US-Präsidenten Lyndon B. Johnson in die Praxis umsetzt: „Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar.“ Konsequenterweise bietet der Pharma-Riese das Mittel deshalb in den Industrie-Nationen gar nicht erst an – ein typisches Beispiel für doppelte Standards. Dankbarer Abnehmer ist hingegen die „Bill & Melinda Gates Foundation“: Sie erwarb im Jahr 2013 27 Millionen Einheiten des Medizin-Produkts. Dabei hat das Kontrazeptivum mit dem Wirkstoff Levonorgestrel nicht nur zahlreiche Nebenwirkungen wie etwa Kopfschmerzen, Depressionen, Gewichtszunahme, Sehstörungen und Migräne, es kommt auch immer wieder zu Komplikationen beim Einsetzen und Rausholen der Präparate. Der Gates-Stiftung graust es deshalb schon vor dem nächsten Jahr, wenn in Afrika das Entnehmen von 5,8 Millionen Implantaten ansteht. „Eine beunruhigende Zahl, angesichts der schon jetzt vorhandenen Probleme beim Entfernen“, heißt es in einem Bericht der Einrichtung.

IG FARBEN & HEUTE

85 Jahre Benzin-Pakt
Das Projekt der von BAYER mitgegründeten IG FARBEN, aus deutscher Braunkohle Benzin gewinnen zu wollen, erwies sich Anfang der 1930er Jahre als gigantische Fehlinvestition. Immer mehr ManagerInnen plädierten deshalb dafür, das Vorhaben einzustellen. Im Sommer 1932 aber kam die Wende. Die IGler Heinrich Bütefisch und Heinrich Gattineau trafen sich mit Hitler und schlossen mit ihm den Benzin-Pakt: Der NSDAP-Vorsitzende stellte dem Unternehmen Absatz-Garantien für den Rohrkrepierer in Aussicht, sollte er an die Macht kommen. Daraufhin fasste das IG-Direktorium umgehend den Entschluss, mit der Kohle-Hydrierung fortzufahren. „Wir wissen heute, dass diese Eile historisch notwendig war, schrieb Bütefisch 1941. Sonst hätte der Diktator es mit seinen Kriegsplänen nämlich nicht so einfach gehabt. „Die beruhigende Gewissheit, in der Treibstoff-Versorgung für die Luftwaffe und die wichtigsten Teile der übrigen Wehrmacht in Deutschland von fremder Zufuhr unabhängig zu sein, wäre ohne diese Eile in Frage gestellt gewesen“, konstatierte das Vorstandsmitglied des Mörder-Konzerns. Der Publizist Otto Köhler hat dieses Zitat ausgegraben. Er widmete dem Benzin-Pakt anlässlich seines 85-jährigen Jubiläums in der jungen Welt einen langen Artikel. Und Köhler schilderte darin auch, wie der ehemalige BAYER-Pressesprecher Gottfried Plumpe versuchte, die IG FARBEN zu exkulpieren. Bevor er beim Leverkusener Multi anheuerte, hatte Plumpe die Entscheidung des Unternehmens, weiter auf die Produktion von synthetischem Benzin zu setzen, noch historisch korrekt auf den Juli 1932 datiert und damit nach dem Treffen mit Hitler stattfinden lassen. In BAYER-Diensten stehend, verlegte er sie dann einfach vor, um den Treibstoff-Deal auf dem Müllhaufen der Geschichte entsorgen zu können.

POLITIK & EINFLUSS

Bilderberger Baumann
Die globale Macht-Elite aus Wirtschaft und Politik trifft sich einmal im Jahr zur Bilderberg-Konferenz, um aus herrschaftlicher Perspektive über die Weltlage zu beraten. Dieses Mal fand das Meeting Anfang Juni im US-amerikanischen Chantilly statt. Auf der Tagesordnung standen unter anderem die Trump-Regierung, die transatlantischen Beziehungen, China, Russland, das Schicksal der EU, die Zukunft der Globalisierung und der Populismus. Und mit von der Partie: BAYER-Chef Werner Baumann und BAYER-Aufsichtsrat Paul Achleitner. Für den Leverkusener Multi stellt die Teilnahme an der illustren Runde jedoch kein Novum dar. Schon frühere ManagerInnen des Konzerns zählten zu den berühmt-berüchtigten BilderbergerInnen.

EPA unter Einfluss
Im Gegensatz zur Weltgesundheitsorganisation WHO stufte die US-amerikanische Umweltbehörde EPA das Pestizid Glyphosat, das hauptsächlich in Kombination mit MONSANTOs Gen-Pflanzen zum Einsatz kommt, aber auch in BAYER-Mitteln wie GLYFOS, PERMACLEAN, USTINEX G, KEEPER und SUPER STRENGTH GLYPHOSATE enthalten ist, nicht als „wahrscheinlich krebserregend“ ein. Interne Unterlagen MONSANTOs, die im Zuge eines Prozesses von Glyphosat-Geschädigten ans Licht der Öffentlichkeit gelangten, nähren allerdings erhebliche Zweifel an der Unabhängigkeit des Votums. Der bei der EPA für das Verfahren zuständige Jess Rowland stand nämlich in engem Kontakt mit dem US-Unternehmen und erwies ihm einen nicht gerade kleinen Freundschaftsdienst. Er tat alles in seiner Kraft stehende, um das US-amerikanische Gesundheitsministerium an einer Studie zu den Risiken und Nebenwirkungen von Glyphosat zu hindern. „Wenn ich es schaffe, das zu killen, sollte ich eine Medaille bekommen“, schrieb Rowland MONSANTO. Und er schaffte es: Die Untersuchung kam nie zustande. Auch hat der EPA-Mitarbeiter einer Toxikologin der Behörde zufolge Abschlussberichte zugunsten der Industrie verändert und Druck auf Beschäftigte ausgeübt, die BAYER & Co. keine Persilscheine ausstellen wollten.

Agrar-Subventionen für Bauer BAYER
Die EU bedenkt den Leverkusener Multi seit geraumer Zeit mit Agrar-Subventionen. Im Jahr 2016 strich die BAYER REAL ESTATE GmbH 108.893 Euro aus Brüssel ein, die BAYER CROPSCIENCE AG 32.391 Euro und die BAYER CROPSCIENCE GmbH 11.345 Euro.

BAYER klagt über Strom-Kosten
Und ewig klagt der Leverkusener Multi über die angeblich zu hohen Strom-Preise. In einer Sonderbeilage der Faz zum Wirtschaftstag 2017 stimmte der Konzern-Manager Wolfgang Große Entrup die alte Leier an. „Teuer erkauft“ nennt er die Energie-Wende da und meint damit: zu teuer erkauft. „Die im internationalen Vergleich überdurchschnittlich hohen Energie-Kosten gefährden Deutschlands Zukunft als Industrie-Standort“, warnt Große Entrup und konstruiert einen Zusammenhang zwischen diesen Aufwendungen und dem Rückgang von Investitionen im Land. Der BAYER-Mann, der dem CDU-Wirtschaftsrat angehört und dort der Bundesfachkommission „Umweltpolitik“ vorsteht, fordert deshalb: „Angesichts explodierender Kosten ist eine marktwirtschaftliche und europäische Neuausrichtung der Energie- und Klimapolitik zwingend notwendig.“

PROPAGANDA & MEDIEN

Die Grenzen des Dialogs
„BAYER ist dafür bekannt, den Dialog auch mit besonders kritischen NGOs zu suchen“, meint das prmagazin beobachtet zu haben. Allerdings verlässt den Konzern dabei nach Meinung des Branchenblattes von Zeit zu Zeit das Finderglück. „Michael Preuss stößt im Dialog mit manchen NGOs an Grenzen“, heißt es in einem langen Artikel über den obersten Öffentlichkeitsarbeiter des Leverkusener Multis. Nach den Gründen befragt, antwortet Preuss: „Es wird immer Gruppen geben, deren Geschäftszweck es ist, uns zu kritisieren. Dann ist es relativ schwierig, auf irgendeinen gemeinsamen Nenner zu kommen.“ Damit meint er offensichtlich die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN. In ähnlichen Worten hatte sich nämlich schon Preuss’ Vorgänger Herbert Heitmann über die Coordination geäußert. Mit dem BUND FÜR UMWELT UND NATURSCHUTZ (BUND) kam der Konzern ebenfalls nicht ins Gespräch. Er wollte mit der Umwelt-Organisation eigentlich über die geplante MONSANTO-Akquisition reden. Der BUND forderte aber erst einmal Informationen über die voraussichtlichen Markt-Anteile des Unternehmens bei Pestiziden und Saatgut nach Abschluss der Transaktion ein – und hörte dann nichts mehr von BAYER. Ein Tête-à-Tête mit VertreterInnen von NABU und WWF erfolgte hingegen. Ergebnisse allerdings waren nach Angaben der Umweltverbände am Ende des Tages nicht zu verzeichnen.

BAYERs Landwirtschafts-PR
Das zynische Monopoly-Spiel um Übernahmen und Fusionen, das zurzeit den Landwirtschaftssektor heimsucht, hat das Image des agro-industriellen Komplexes weiter ramponiert. Dem beabsichtigt der Leverkusener Multi jetzt entgegenzuarbeiten. „Um zur Versachlichung beizutragen“, wie das prmagazin fadenscheinig meint, will der Leverkusener Multi „verstärkt in eine gesellschaftliche Debatte über die Zukunft der Landwirtschaft einsteigen.“

BAYERs MIRENA-Netzwerk
BAYERs Hormonspirale MIRENA mit dem Wirkstoff Levonorgestrel steht seit Jahren wegen ihrer vielen Nebenwirkungen in der Kritik. Nicht zuletzt, um den Vorbehalten gegenüber den sogenannten Intrauterinsystemen entgegenzuarbeiten, hat der Leverkusener Multi im Gesundheitswesen ein umfangreiches Netzwerk aufgebaut. So hält er sich diverse medizinische Mietmäuler. Der Frauenheilkundler Dr. Thomas Römer etwa strich vom Leverkusener Multi 2015 56.000 Euro und 2016 rund 20.000 Euro ein. Dafür leitet er unter anderem ein ÄrztInnen-Gremium, das eindeutige Empfehlungen ausspricht. „Die Verhütung mit dem Levonorgestrel-Intrauterinsystem ist für viele Frauen eine gute Option und bietet gegenüber alternativen Methoden zahlreiche Vorteile“, heißt es in dem Konsensus-Statement „deutscher Experten aus Gynäkologie und Endokrinologie“. Kai J. Bühling hingegen zeigte sich für sein Berater-Geld erkenntlich, indem er sich für ein Werbe-Interview zur Verfügung stellte. „Hormonspirale & Co. passen perfekt ins Leben moderner Frauen“, tönt er etwa in dem Gespräch, das dann die auf „strategische Online- und Social Media PR“ spezialisierte GOERKE PUBLIC RELATIONS GmbH unter die Leute brachte. Zudem sponserte der Leverkusener Multi die zum „Berufsverband der Frauenärzte“ gehörende „Frauenärztliche Bundesakademie“. 194.210 Euro strich die Einrichtung, die unter anderem GynäkologInnen-Kongresse veranstaltet, vom Konzern 2015 nach Angaben des Recherche-Zentrums Correctiv ein. So viel zahlte ihr kein anderes Unternehmen. Und auch die „Deutsche Gesellschaft für Frauengesundheit“ erhielt 2015 einen Scheck vom Pillen-Riesen: 51.000 Euro überwies BAYER der Gesellschaft.

Marketing-Ausgaben steigen weiter
BAYER gibt immer mehr Geld für Marketing und Vertrieb aus. 2016 stiegen die Zahlen gegenüber dem Vorjahr von 12,27 auf 12,47 Milliarden Euro. Obwohl das mehr als 26 Prozent des Gesamtumsatzes entspricht, verweigert der Konzern der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auf den Hauptversammlungen seit Jahren eine genauere Aufschlüsselung dieser Ausgaben.

DRUGS & PILLS

HIV-Stiftung ohne BAYER
In den 1980er Jahren haben Blut-Produkte von BAYER & Co. zehntausende Bluter und andere PatientInnen mit AIDS und/oder Hepatitis C infiziert. Aus Profit-Gründen haben die Konzerne die Einführung von Virus-Inaktivierungsverfahren hinausgezögert und trotz aller Warnungen lange Zeit weiter das Blut von Risiko-Gruppen zur Herstellung ihrer Präparate verwendet. Darum blieb dem Leverkusener Multi in der Bundesrepublik kaum etwas anderes übrig, als sich 1995 gemeinsam mit anderen Pillen-Riesen und dem Deutschen Roten Kreuz finanziell an der Stiftung „Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen“ zu beteiligen. Die Unternehmen rechneten dabei mit einem zeitlich befristeten Engagement. Diese Einschätzung erwies sich jedoch als falsch – die AIDS-Kranken lebten länger als erwartet. Darum gingen die Konzerne in der Folge dazu über, immer wieder um ihren Anteil am Etat zu feilschen. Mit Erfolg: Er sank mit den Jahren von 39 auf 22 Prozent. Jetzt aber erschien ihnen offensichtlich sogar das zu viel. Obwohl BAYER-Chef Werner Baumann auf der letzten Hauptversammlung dem Bluter Thomas Gabel noch versicherte, „mit dem Gesundheitsministerium in konstruktiven Gesprächen über die weitere Beteiligung der Pharma-Industrie an der Sicherung der Zukunft der Stiftung“ zu sein, stellten die Firmen de facto ihr Mitwirken ein. Deshalb war die Bundesregierung gezwungen, das HIV-Hilfegesetz zu überarbeiten. Der entsprechende Änderungsantrag lautete: „Die Nummern 1 bis 4 werden gestrichen. Eingefügt wird der Satz ‚Die Mittel für die finanzielle Hilfe werden vom Bund aufgebracht.’“ Und zur Begründung hieß es: „Da es zunehmend schwieriger wird, weitere Finanzierungszusagen von den pharmazeutischen Unternehmen und dem DRK zu erhalten (...), soll der Bund die Finanzierung zukünftig sicherstellen.“

AGRO & CHEMIE

Glyphosat: Kalifornien handelt
Es gibt eindeutige Belege dafür, dass das Pestizid Glyphosat Krebs auslösen kann. Dennoch ist es MONSANTO & Co. – nicht zuletzt durch gekaufte WissenschaftlerInnen – gelungen, Zweifel daran zu säen. Der US-amerikanische Bundesstaat Kalifornien hat sich in dem Streit um den Wirkstoff, der auch in vielen BAYER-Produkten enthalten ist, jetzt eindeutig positioniert. Er stufte die Substanz als potenziell karzinogen ein, weshalb die Hersteller vermutlich bald entsprechende Warnhinweise auf den Packungen aufbringen müssen. MONSANTO nannte die Entscheidung wenig überraschend „ungerechtfertigt auf der Basis von Wissenschaft und Gesetz“ und kündigte rechtliche Schritte an.

GENE & KLONE

BAYER & MONSANTO vs. Indien
Die indische Regierung hat im Juni 2017 ein Gesetz zur Senkung der Lizenz-Gebühren für gen-manipuliertes Baumwoll-Saatgut erlassen. Erwartungsgemäß laufen MONSANTO, BAYER & Co. dagegen Sturm. MONSANTO kündigte an, in Zukunft keine neuen Produkte mehr in dem Land zu vermarkten. Und der Leverkusener Multi mahnte: „Ein förderliches politisches Umfeld, starke Unterstützung durch die Regierung und ein verlässlicher Schutz des geistigen Eigentums sind sehr wichtig für ein Forschungsunternehmen wie BAYER.“

Persilschein für BAYER-Baumwolle
Die EU prüft zurzeit eine Import-Zulassung für BAYERs Gentech-Baumwolle „GHB119“, die der Leverkusener als Lebens- und Futtermittel vermarkten will. Und die Europäische Lebensmittel-Behörde EFSA stellte der Labor-Frucht in ihrer Risiko-Bewertung einen Persilschein aus. Das Gentech-Erzeugnis, das gegen das gesundheitsschädliche Herbizid Glufosinat resistent ist und den für Insekten tödlichen Bacillus thuringiensis (Bt) enthält, wirft nach Meinung der WissenschaftlerInnen keinerlei Sicherheitsfragen auf. Den ExpertInnen zufolge unterscheidet das Gewächs sich gar nicht von herkömmlicher Baumwolle. Die ihm mittels Gentechnik eingepflanzten Proteine haben laut EFSA nicht das Potenzial, giftig zu wirken und/oder Allergien auszulösen. Auch die Gefahr von Auskreuzungen sieht die Behörde nicht. Die Initiative TESTBIOTEST kommt dagegen zu einer ganz anderen Einschätzung. So verweist sie auf die Ergebnisse von Feldversuchen mit der Pflanze, in denen ForscherInnen sie mit den Eigenschaften ihres konventionellen Pendants verglichen und bis zu 24 Abweichungen festgestellt haben. Überdies schenkten die EFSA-WissenschaftlerInnen den Effekten der Bt-Toxine – wie zum Beispiel Wechselwirkungen mit anderen Stoffen – nach Ansicht von TESTBIOTEST nicht genügend Aufmerksamkeit. Zudem verweist die Organisation auf Studien, die den Toxinen sehr wohl ein allergenes Potenzial attestierten. Die Risiken, die von möglichen Glufosinat-Rückständen in der Baumwolle ausgehen, haben in der Bewertung ebenfalls keine Rolle gespielt, moniert TESTBIOTEST. Und schließlich werfen die Gentech-KritikerInnen der EFSA vor, Forschungen zu Auskreuzungen von gen-manipulierter Baumwolle ignoriert zu haben.

Stammzellen-Forschung mit BLUEROCK
„Die Möglichkeiten sind grenzenlos“, so schwärmte im Jahr 2001 BAYERs damaliger Chef-Pharmazeut Wolfgang Hartwig über die Chancen, die Stammzellen bieten. Aus ihnen wollten die GenforscherInnen des Konzerns zahlreiche Zelltypen oder Gewebe-Arten für medizinische Anwendungen entwickeln. Aber es hat sich rasch Ernüchterung über das Potenzial dieses Forschungszweigs eingestellt, und der Leverkusener Multi stoppte bald alle Aktivitäten auf diesem Gebiet. Jetzt jedoch wagt er einen neuen Anlauf. Der Pharma-Riese gründete gemeinsam mit der Investment-Gesellschaft VERSANT VENTURES das Unternehmen BLUEROCK THERAPEUTICS und stattete es mit 225 Millionen Dollar aus. Dafür erhofft sich der Global Player die Entwicklung von „zell-basierten Therapien“ für Herz/Kreislauf-Erkrankungen, Alzheimer und Parkinson.

WASSER, BODEN & LUFT

BAYER schädigt Ozonschicht
Seit Jahren schon sorgt hauptsächlich ein einziges Werk des Leverkusener Multis für den ganzen Ausstoß an ozon-abbauenden und deshalb klima-schädigenden Substanzen: die Niederlassung der Agro-Sparte im indischen Vapi. Und seit Jahren schon schraubt der Konzern auch ein bisschen an der Fertigungsstätte rum, so dass die Werte immer ein bisschen sinken. Aber 2016 summierten sie sich trotzdem noch auf neun Tonnen (2015: 11,7).

1.120 Tonnen flüchtige Substanzen
Auch BAYERs flüchtige organische Substanzen entstammen hauptsächlich dem Werk im indischen Vapi. Im Zuge der „Work in Progress“-Sanierung ging der Ausstoß dieser gesundheitsschädlichen Gase ebenso wie derjenige der ozon-abbauenden Stoffe (s. o.) 2016 etwas zurück. Von 1.610 auf 1.120 Tonnen sank der Wert.

Kaum weniger Stickstoff & Co.
Der Ausstoß von Stickstoffoxiden, Schwefeldioxiden, Staub und Kohlenmonoxid hat sich bei BAYER 2015 gegenüber dem Vorjahr kaum verändert. Die Emissionen von Stickstoffoxiden fielen geringfügig von 2.420 Tonnen auf 2.360 Tonnen ebenso wie diejenigen von Schwefeldioxiden. Diese reduzierten sich von 1.170 Tonnen auf 990 Tonnen. Der Konzern wirbelte auch weniger Staub auf. Die Werte sanken von 230 auf 160 Tonnen. Dafür erhöhte sich jedoch der Kohlenmonoxid-Ausstoß um 70 auf 1.000 Tonnen.

BAYERs großer Durst
Der Leverkusener Multi hat einen enormen Wasser-Durst. Auf 330 Millionen Kubikmeter bezifferte er seinen Konsum im Jahr 2014, in den zwölf Monaten zuvor waren es sogar 346 Millionen gewesen. Zum Vergleich: Das ist mehr als das Dreifache dessen, was die ganze Stadt Köln verbraucht. Rund drei Viertel des Wassers gehen als Kühlwasser drauf, ein Viertel verwendet der Konzern in der Produktion. Und erschwerend kommt noch hinzu, dass die Wiederaufbereitungsquote verschwindend gering ist: Mit 11,8 Millionen Kubikmetern recycelte das Unternehmen gerade einmal vier Prozent des Kühlwassers.

BAYERs Abwasser-Frachten
2016 produzierte der Leverkusener Multi mit 60 Millionen Kubikmetern Abwasser eine Million weniger als 2015. Der Phosphor-Eintrag sank von 100 auf 90 Tonnen und der von organischem Kohlenstoff von 1.160 auf 1.140 Tonnen. Auch Schwermetalle fanden sich etwas weniger im Wasser. Der Wert reduzierte sich von 64 auf 54 Kilogramm. Dagegen legten die Einleitungen von Stickstoff und Anorganischen Salzen zu. Sie stiegen von 560 auf 570 Tonnen bzw. von 927.000 auf 931.000 Tonnen.

BAYER produziert mehr Müll
Im Jahr 2016 produzierte BAYER mehr Müll als 2015. Von 940.000 auf 958.000 Tonnen erhöhte sich die Gesamtmenge. Darunter befanden sich 547.000 Tonnen gefährlicher Abfall. Um 6.000 Tonnen stieg dessen Aufkommen.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

Brandgefährliche Wärmedämmung
79 Menschen starben im Juni 2017 bei dem verhängnisvollen Hochhaus-Brand im Londoner Stadtteil North Kensington. Eine fatale Rolle bei dem Feuer im Grenfell Tower spielte die Fassaden-Dämmung. Sie bestand aus Polystyrol, besser bekannt als Styropor, das als Brandbeschleuniger wirkte. Wärmedämmungsmaterialien aus Kunststoff bietet auch die BAYER-Tochter COVESTRO an. Sie setzt dabei jedoch nicht auf Polystyrol, sondern auf Polyurethan. Diese Substanz bildet unter großer Hitze-Einwirkung zwar nicht wie das Polystryrol brennenden Tropfen, die das Feuer weiterverbreiten können, aber sie hat es ebenfalls in sich. Die Polyurethane gehören mit „normal entflammbar“ oder „schwer entflammbar – je nach Verarbeitung oder Präparierung – nämlich denselben Brandschutz-Klassen an wie die Polystyrole. Und wie die Polystyrole wirkten sie bereits dabei mit, aus Hochhäusern flammende Infernos zu machen, so etwa im Jahr 2010 beim Brand eines Wolkenkratzers in Shanghai, bei dem 58 Menschen starben, und 2009, als sich in Peking der noch im Bau befindliche TV- und Kultur-Center entzündete. Auch in Kensington selber waren die Substanzen mit im Spiel. Sie steckten als Isolationsmaterial in dem Kühlschrank, der das Feuer auslöste, und sorgten für eine schnellere Verbreitung der Flammen. Weil in England jährlich rund 300 Haus-Brände auf das Konto von mit diesen Kunststoffen bestückten Eisschränken oder Gefriertruhen gehen, hat die „London Fire Brigade“ die Politik zum Handeln aufgefordert. Sie verlangte unter anderem das Verbot der Verwendung von Polyurethanen als Isoliermaterial in Haushaltsgeräten.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Vier tödliche Arbeitsunfälle
Insgesamt ereigneten sich im Jahr 2016 bei BAYER 489 meldepflichtige, also schwerwiegendere Arbeitsunfälle. Vier davon verliefen tödlich. Zwei Belegschaftsangehörige des Leverkusener Multis kamen durch Verkehrsunfälle ums Leben, und zwei Beschäftigte von Fremdfirmen starben durch Stürze.

14 anerkannte Berufskrankheiten
Lange Zeit machte BAYER überhaupt keine Angaben zu Berufskrankheiten mehr. Im Geschäftsbericht von 2016 hingegen nennt der Konzern wieder eine Zahl. 14 im Berichtszeitraum gemeldete Fälle zählt er auf und gibt vor allem Gesundheitsstörungen, die „den Bewegungsapparat betrafen (z. B. durch Computer-Arbeit oder Heben)“ an. Es dürften jedoch viel mehr sein, denn der Global Player erwähnt nur die von den Berufsgenossenschaften als arbeitsplatz-bedingt anerkannten Erkrankungen – und das sind nicht viele. 80 Prozent der Anträge lehnen die Einrichtungen, in deren Beschluss-Gremien die Unternehmen über die Hälfte der Stimmen verfügen, ab.

Entzündlicher Stoff tritt aus
Am 3.4.16 ereignete sich am BAYER-Standort Kiel ein Umfall. In dem Werk, das veterinär-medizinische Produkte hergestellt, trat entzündlicher flüssiger Abfall aus.

Leckage in Wuppertal
Am 18.4.16 kam es im Wuppertaler Pharma-Betrieb BAYERs zu einem Unfall. An einem Kanal-Schacht entstand eine Leckage, aus der eine größere Menge Abwasser in einen Fluss gelangte.

Diesel im Abfluss-Kanal
Am pakistanischen BAYER-Standort Karachi geschah am 23.6.16 beim Umfüllen von Diesel ein Unfall, in deren Folge 2.000 Liter des Treibstoffs in einen Abfluss-Kanal gerieten.

Lösemittel-Austritt in Antwerpen
Im Antwerpener Werk der BAYER-Tochter COVESTRO trat am 28.7.16 bei der Inbetriebnahme einer Pumpe ein Lösemittel aus. Nach Angaben des Leverkusener Multi wurde es „nach Absprache mit den Behörden fachgerecht entsorgt“.

Viele Transport-Unfälle
Beim Transport von gefährlichen BAYER-Gütern kam es 2016 zu 12 „Ereignissen“, wie der Leverkusener Multi die Beinah-Katastrophen zu bezeichnen beliebt. Und damit nicht genug der Sprach-Kosmetik, spricht der Konzern seit Neuestem auch nur noch von „Produkt-Austritten“, wo er in früheren Geschäftsberichten noch die Substanz nannte, die ins Freie gelangte.

BAYSANTO & MONSAYER

Kritik an Fusionskontrolle

  • 1


Die ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT, das FORUM UMWELT UND ENTWICKLUNG, die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und weitere Verbände haben massive Zweifel daran, ob die EU-Wettbewerbsbehörde willens und in der Lage ist, mit den geeigneten Mitteln auf BAYERs Plan, MONSANTO zu schlucken, zu reagieren. Darum haben die Initiativen gemeinsam eine Streitschrift gegen die Ohnmacht der Wettbewerbskontrolle herausgegeben, die den Titel „Fusion von BAYER & MONSANTO“ trägt. Untersagt hat die Europäische Union der Publikation zufolge im Jahr 2015 nämlich keinen einzigen der 300 von ihr überprüften Deals. Nur in 18 Fällen erfolgten Auflagen. Auch spielten die Auswirkungen der Transaktionen auf die Belegschaften und auf die Umwelt keinerlei Rolle. Überdies analysierten die WettbewerbshüterInnen nicht die möglichen Effekte der Übernahmen und Fusionen auf Länder des globalen Südens. „Eine Verschärfung der Fusions- und Missbrauchskontrolle ist unerlässlich, um die Markt-Macht der Multis zu begrenzen“, lautet deshalb das Resümée der AutorInnen. Sie fordern unter anderem ein Trennungsgebot, das es den Unternehmen nicht länger erlaubt, gleichzeitig dominierende Stellungen im Saatgut-, Gentechnik- und Pestizid-Bereich aufzubauen. Auch verlangen sie, die gehaltenen Patente in die Entscheidungen mit einzubeziehen. Und schließlich tritt die Streitschrift für die Einrichtung einer Welt-Kartellbehörde ein.

Kritik an Fusionskontrolle

  • 2


Bei den bisherigen Genehmigungsverfahren zu den Mega-Deals in der Agro-Branche hat die Wettbewerbsbehörde der EU außer-ökonomischen Kriterien zu wenig Beachtung geschenkt. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten, das Dr. Boris P. Paal von der Universität Freiburg im Auftrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erstellt hat. Nach Ansicht Paals bietet die Fusionskontroll-Verordnung (FKVO) eine ausreichende Handhabe dafür, um bei der Prüfung der Übernahmen und Fusionen beispielsweise ökologischen Aspekten mehr Geltung zu verschaffen. Der Jurist verweist dazu besonders auf den Artikel 2 der Verordnung. BAYERs Plan, MONSANTO zu übernehmen, droht Paal zufolge nämlich das, was dort unter „wirksamer Wettbewerb“ gefasst ist, in Bezug auf die Ernährungssicherheit, die Biodiversität und den Gesundheitsschutzes zu gefährden. „Die EU-Kommission ist somit (auch) im Fall BAYER/MONSANTO gehalten, außer-ökonomische Ziele in das Fusionskontroll-Verfahren mit einzubeziehen“, hält der Gutachter fest. Und nach Artikel 21 der FKVO besteht laut Paal sogar für die Bundesregierung eine Handlungsmöglichkeit, denn gemäß dieses Paragrafens können die Mitgliedsstaaten „geeignete Maßnahmen zum Schutz anderer berechtigter Interessen als derjenigen treffen, die in der FKVO selbst berücksichtigt werden“. Und nicht nur die Umwelt braucht Schutz vor Baysanto. Auch die Beschäftigten, die LandwirtInnen und die VerbraucherInnen benötigen ihn.

CCI hat Nachforderungen
Der indischen Wettbewerbsbehörde CCI reichten die Unterlagen nicht aus, die BAYER zur Genehmigung der MONSANTO-Akquisition eingereicht hatte. Sie forderte den Global Player deshalb auf, Informationen nachzuliefern. „Wir sind mit der Antitrust-Behörde im Dialog über die Vollständigkeit des Daten-Paketes“ – mit diesen Worten kommentierte der Leverkusener Multi das Schreiben der CCI und wollte sich zu näheren Details nicht äußern.

Kritik an Mega-Deals

  • 1


Zwei US-amerikanische Landwirtschaftsverbände haben massive Kritik an den Fusionen und Übernahmen geübt, die BAYER und andere Unternehmen zurzeit planen. „Zutiefst beunruhigende Auswirkungen“ werden die Deals nach Einschätzung des Verbandes der afro-amerikanischen LandwirtInnen „National Black Farmers Association“ (NBFA) und der Geflügel-FarmerInnen von der „Contract Poultry Growers Association of the Virginias“ (CPGAVA) haben. Von einem „Desaster für die US-amerikanischen Landwirte und Konsumenten, die sich auf höhere Lebensmittelpreise und weniger Innovationen einstellen müssen“ sprechen John Boyd Jr. von der NBFA und Mike Weaver von der CPGAVA. Besonders vor „Baysanto“ haben die beiden Angst. „Dieses Unternehmen hätte eine enorme Macht“, schreiben sie in der Online-Publikation The Hill. Mit Verweis auf die seit den 1980er Jahren eh schon immens gewachsenen Kosten für Soja-Saatgut, denen nur gering gestiegene Ernte-Einnahmen gegenüberstehen, warnen Boyd und Weaver vor einer Existenz-Gefährdung der FarmerInnen durch das Vorhaben des Leverkusener Multis, den US-Konzern zu schlucken. „Die geplante Fusion zwischen BAYER und MONSANTO könnte der Todesstoß sein“, so die Verbandschefs.

Kritik an Mega-Deals

  • 2


Nach einer Umfrage, die SumOfus und FRIENDS OF THE EARTH in Auftrag gegeben haben, lehnen über 80 Prozent der US-AmerikanerInnen – darunter auch ein Großteil der Trump-WählerInnen – BAYERs Plan, MONSANTO zu übernehmen, ab. Einhellig befürchten die Befragten negative Auswirkungen auf die Arbeitsplätze, die Situation der LandwirtInnen, die Nahrungsmittel-Qualität und die Umwelt.

Kritik an Mega-Deals

  • 3


Auch der diesjährige Evangelische Kirchentag, der vom 24. bis zum 28 Mai in Berlin und Wittenberg stattfand, beschäftigte sich mit der von BAYER geplanten Übernahme des US-Unternehmens MONSANTO und anderen Mega-Deals in der Agro-Branche. Die AGRAR KOORDINATION sammelte dort, unterstützt von AktivistInnen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, eifrig Unterschriften für eine Resolution gegen die ganzen Transaktionen. Und wirklich kamen auch genug UnterzeichnerInnen zusammen, so dass es vom Kirchentag aus heißen konnte: „Wir rufen die Europäische Kommission und das Kartellamt auf, die aufgeführten Zusammenschlüsse, auch unter hohen Auflagen, NICHT ZU GENEHMIGEN! Die Bundesregierung rufen wir auf, die Regeln für den Wettbewerb auch in Deutschland zu verbessern und solche Markt-Konzentrationen nicht zu erlauben.“

BAYER verkauft LIBERTY
Von vornherein hatte BAYER damit gerechnet, sich im Zuge der geplanten MONSANTO-Übernahme von Unternehmensteilen trennen zu müssen, um von den Kartell-Behörden die Genehmigung für den Deal zu erhalten. Kalkulierte der Leverkusener Multi als Opfergabe zunächst ein Sortiment in einem Umfang von bis zu 1,6 Milliarden Dollar Umsatz ein, so erhöhte er den Betrag später noch einmal auf 2,5 Milliarden. Im Frühjahr 2017 benannte er dann erstmals einzelne Produkte. So stellte die Aktien-Gesellschaft ihre Gentech-Pflanzen der LIBERTY-Produktreihe mitsamt dem auf sie abgestimmten Herbizid Glufosinat zur Disposition. Auch Raps-und Baumwoll-Saatgut steht zum Verkauf. Aber all das ändert nichts daran, dass der Global Player durch die Zusammenlegung der Geschäfte mit dem US-Konzern eine markt-beherrschende Position im Agrar-Sektor erlangen würde.

Schlechte Agro-Geschäfte
Auf dem Townhall-Meeting in der Kölner Universität, das am 27. April im Rahmen der Hauptversammlungsaktionen gegen den Plan des Leverkusener Multis, MONSANTO zu übernehmen, stattfand, wertete der australische Öko-Bauer und Präsident von IFOAM ORGANICS INTERNATIONAL, Andre Leu, die vielen Übernahmen und Fusionen im Agrar-Bereich als Zeichen der Schwäche von BAYER & Co. Und tatsächlich hat die Branche bereits seit Jahren mit schlechten Zahlen zu kämpfen. So musste BAYER-Chef Werner Baumann in seiner Hauptversammlungsrede festhalten: „Für unsere Division Crop Science blieb das Markt-Umfeld im vergangenen Jahr weiterhin schwach, vor allem in Lateinamerika.“ Sowohl die Umsätze als auch die Gewinne gingen nominell von 10,1 auf 9,9 Milliarden Euro bzw. 2,6 auf rund 2,3 Milliarden Euro zurück und konnten nur dank positiver Währungseinflüsse marginal zulegen. Unter anderem wegen solcher Bilanzen hoffen die Konzerne auf profit-steigernde Synergie-Effekte durch Akquisitionen.

Von MONSANTO lernen
BAYER-Chef Werner Baumann hat an der Unternehmenspolitik von MONSANTO nichts auszusetzen. Für die Praxis des US-Konzerns, LandwirtInnen Lizenz-Verträge für Saatgut aufzuzwingen, findet er nur Worte des Lobes. „MONSANTO hat ein völlig neues Geschäftsmodell etabliert und marktfähig gemacht“, konstatiert der Vorstandsvorsitzende. Er findet auch nichts dabei, die Gerichte zu bemühen, falls die Bauern und Bäuerinnen das Saatgut im nächsten Jahr wieder aussäen, ohne zu zahlen. „Wenn man ein solches Verhalten als Unternehmen toleriert, entzieht man dem Geschäftsmodell die Basis. MONSANTO hat nur seine Rechtsposition verteidigt“, meint der Große Vorsitzende. Und gegen Glyphosat hat Baumann ebenfalls nichts. Auch der Leiter von BAYERs Pharma-Sparte, Dieter Weinand, hält große Stücke auf die Firma aus St. Louis und drohte an, deren Expertise für Neuentwicklungen im Pharma-Bereich zu nutzen. „Unsere Wissenschaftler können da etwas von MONSANTO lernen“, sagte Weinand. Und das Knowhow des Agro-Riesen auf dem Sektor des „Digital Farming“ will er ebenfalls auf Drugs & Pills übertragen.

BAYERs MONSANTO-PR
BAYERs Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit, die rund 400 Beschäftigte zählt, hat sich schon Monate vor der Bekanntgabe des Konzern-Vorhabens, MONSANTO schlucken zu wollen, auf den Coup vorbereitet und eine Medien-Strategie ausgearbeitet. Die Text-Bausteine, die seither immer wieder aus dem Munde des Vorstandsvorsitzenden Werner Baumann quellen – die Übernahme trage zur Sicherheit der globalen Lebensmittel-Versorgung bei; BAYER wisse um das schlechte Image des US-Unternehmens; der Konzern wolle niemandem die Gentechnik aufzwingen; die Akquisition bedrohe den Wettbewerb nicht; es gehe bei dem Deal nicht um Kosten-Senkung, sondern um Wachstum – hatten die ÖffentlichkeitsarbeiterInnen bereits lange bevor die Kauf-Pläne im Mai 2016 publik wurden, fertiggestellt. „Die minutiöse Vorbereitung erwies sich als großer Vorteil, denn nachdem die Übernahme-Gespräche bestätigt waren, ließ sich die PR-Maschine schnell anwerfen“, lobt das Fachblatt prmagazin.

BAYER interveniert beim WDR
Immer wieder setzt der Leverkusener Multi Presse, Funk und Fernsehen unter Druck, weil er sich falsch dargestellt wähnt. Aktuell passte dem Konzern die journalistische Arbeit des WDR in Sachen „BAYER-Hauptversammlung“ nicht. „Viele Medien berichteten ausgewogen über die Proteste, der WDR allerdings veröffentlichte einen Film-Beitrag, der ohne jede Einordnung nur die Position der Demonstranten wiedergab“, klagt der Global Player in seiner Haus-Postille direkt. Darum intervenierte er umgehend bei der Pressestelle des Senders.

RECHT & UNBILLIG

Klage wg. SIVANTO
BAYER hat als Alternative zu den wegen ihrer Bienengefährlichkeit von der EU mit einem vorläufigen Verkaufsbann belegten Pestiziden GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin) das Produkt SIVANTO entwickelt. Dessen Inhaltsstoff Flupyradifuron gehört zwar nicht wie Imidacloprid und Clothianidin zur Gruppe der Neonicotinoide, er ähnelt diesen Substanzen jedoch in seiner Funktionsweise. Wie diese Chemikalien wirkt Flupyradifuron systemisch, also gegen eine Vielzahl von Schadinsekten. Und wie diese Neonicotinoide blockiert das zu den Butenoliden zählende Mittel bei den Tieren die Reiz-Weiterleitung an den Nervenbahnen. Deshalb bestehen massive Zweifel daran, ob SIVANTO wirklich so „bienenfreundlich“ ist, wie der Leverkusener Multi behauptet. Trotzdem erhielt er für das Produkt in den USA bereits eine Genehmigung. Nach Informationen des Münchner Umweltinstituts hat der Agro-Riese auch in der Bundesrepublik einen Antrag eingereicht. Genauere Informationen dazu rückt das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ aber nicht raus. Darum hat das Umweltinstitut die Behörde jetzt verklagt.

BAYER-JHV

CBG Redaktion

Aktion & Kritik

Hauptversammlung gestürmt

BAYER-Festung hält nicht stand

Das hatte sich der Leverkusener Multi fein ausgedacht: Er verlegte seine Hauptversammlung kurzerhand von Köln nach Bonn ins „World Conference Center“, um die schon für die Dom-Stadt anberaumten Proteste gegen die MONSANTO-Übernahme auszubremsen. Dort meinte der Konzern, die idealen Standort-Bedingungen für einen AktionärInnen-Treff unter Ausschluss der Öffentlichkeit vorzufinden. Und für den Rest sollte das Zauberwort „Terror-Gefahr“ sorgen. Aber der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gelang es, die BAYER-Pläne zu durchkreuzen und den Weg für die AktivistInnen freizumachen. Sie rückten unter anderem mit Treckern, einer LKW-Bühne, dem Ungetüm eines historischen Kartoffeldämpfers sowie einer Popcorn-Maschine an und wandelten den „Platz der Vereinten Nationen“ zu einer bunten Bühne für Konzern-Kritik um.

Von Jan Pehrke

„Ob als Bienen verkleidete Aktivisten, die gegen Insektizide protestieren, oder Umweltschützer, die BAYER für die Verschmutzung der Weltmeere durch Plastikmüll verantwortlich machen: Der Vorstand des Leverkusener Pharma- und Chemiekonzerns ist turbulente Hauptversammlungen gewohnt. Nun ist noch ein Aufreger-Thema dazu gekommen“, schrieb Börse Online. Dabei handelte es sich natürlich um den BAYER-Plan, MONSANTO zu übernehmen und damit zum größten Agro-Konzern der Welt zu werden.
Ein sichtbares Zeichen gegen dieses Vorhaben setzten in Bonn vor dem World Conference Center (WCCB) Bauern und Bäuerinnen von der Organisation MEINE LANDWIRTSCHAFT mit einem historischen Kartoffeldämpfer. Und dieser konnte sich sogar noch von seiner praktischen Seite zeigen: Er diente dazu, Übernahme-Verträge und Patent-Urkunden zu verbrennen. Zudem hatten die LandwirtInnen Traktoren aufgefahren, die aus gegebenem Anlass Transparente statt der sonst üblichen Heuballen aufspießten. Auch zahlreiche andere Initiativen brachten ihren Protest gegen den Mega-Deal zum Ausdruck. Damit nicht genug, stimmten Rede-Beiträge und mexikanische Musik von der LKW-Bühne die rund 300 KundgebungsteilnehmerInnen zusätzlich auf „Stop BAYER/MONSANTO“ ein. Und die Stammgäste der Aktionärs-Treffen durften natürlich ebenfalls nicht fehlen: ImkerInnen, Medikamenten-Geschädigte, GegnerInnen der Kohlenmonoxid-Pipeline und AktivistInnen, die sich gegen die Öffnung von BAYERs Giftgrab „Dhünnaue“ im Zuge eines anvisierten Autobahn-Ausbaus wenden, konfrontierten die Aktien-HalterInnen mit ihren Anliegen.

Rechtsbruch

Aber all das hätte eigentlich nicht sollen sein. Der Leverkusener Multi hatte nämlich vor, die Hauptversammlung (HV), auf der mit der MONSANTO-Übernahme eine der umstrittensten Entscheidungen der Unternehmensgeschichte auf der Tagesordnung stand, unter Ausschluss der kritischen Öffentlichkeit abzuhalten. Dafür hatte der Agro-Riese sein AktionärInnen-Treff extra in den Bonner World Conference Center (WCCB) verlegt. Der Standort-Vorteil des neuen Tagungsortes bestand in den Augen des Konzerns nämlich darin, den Protest gegen den Milliarden-Deal bei entsprechenden Vorkehrungen weit draußen vor der Tür halten zu können. Entsprechend teilte die Polizei der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Woche vor der HV mit, die Kundgebung an dem dafür vorgesehenen Ort nicht zu erlauben und stattdessen ins Niemandsland weit weg vom WCCB-Eingang zu verlegen.
Die Coordination wandte sich sofort an einen Rechtsanwalt und reichte Klagen ein. Der Konzern hielt mit Terror-Gefahr dagegen und spannte dabei den Bogen weit. Von Sprengsatz-Zündungen aus Habgier wie beim Anschlag auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund über Ankündigungen der CBG, es am 28. April nicht zu einem HV-Business as usual kommen zu lassen, bis hin zu den Rauch-Bläsern, mit denen ImkerInnen auf früheren Hauptversammlungen gegen bienenschädliche Pestizide protestiert hatten (O-Ton BAYER: „Gas-Angriff von Vermummten“), reichte die für die Hauptversammlung vom Unternehmen skizzierte Bedrohungslage.
In der juristischen Auseinandersetzung errang die Coordination dann einen Teilerfolg. Sieben der acht Auflagen der Polizei kippten die Gerichte. Der Bruch der Verfassung – konkret des Versammlungs- und Hoheitsrechts, das die Festsetzung einer Gefahrenlage der Polizei und nicht einem Unternehmen überantwortet – blieb allerdings unbeanstandet. Mit dem Argument, die Sicherheit der AktionärInnen gehe vor, begründete die Gerichtssprecherin Stefanie Seifert die Entscheidung der RichterInnen. „Bedenklich“ nannte hingegen die taz dieses Urteil. Die Zeitung prophezeite: „Jeder Konzern kann sich künftig auf eine drohende Terror-Gefahr berufen, um missliebige Demonstrationen zu verhindern“ und warnte davor, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit den Konzern-Interessen zu opfern.
BAYER aber besaß zu allem Übel auch noch die Dreistigkeit, auf seinem als Bannmeilen-Bollwerk dienenden Zelt, das auf dem Rechtsweg nicht rückbaubar war, ein Transparent mit der Aufschrift „Liebe Demonstranten, nutzt doch mal ‚Fakten statt Vorurteile’“ anzubringen. Der Schuss ging jedoch nach hinten los, denn „Fakten, Fakten, Fakten“ lieferten auf der Hauptversammlung nur die Konzern-KritikerInnen.

26 kritische Redebeiträge

Bevor die Vorstandsriege diese im Saal „New York“ allerdings abholen konnte, hatte sie sich erst einmal mit einer anderen Art der Protest-Kultur auseinanderzusetzen. So wurde die Eingangsrede des BAYER-Vorsitzenden Werner Baumann bereits nach fünf Minuten und auch danach noch mehrfach durch Sprechchöre wie „Ihr vergiftet unsere Böden!“ unterbrochen. Den 2.500 anwesenden AktionärInnen schallte außerhalb und innerhalb der Halle immer wieder die Aufforderung entgegen: „Stimmen Sie mit Nein.“ Zudem enterten zwei DemonstrantInnen das Vorstandspodium; andere AktivistInnen brachten auf der Empore das Transparent „Menschenrechte statt Profite“ an.
Und ab dem frühen Nachmittag folgten dann die Fakten der 26 kritischen BAYER-AktionärInnen. Jan Pehrke vom Vorstand der CBG kritisierte in seiner Rede den Versuch, die HV vor den Protesten abzuschirmen, vehement: „BAYER instrumentalisiert die Terror-Gefahr in infamer Weise.“ Anschließend führte der Journalist dem Publikum das mit dem Kauf von MONSANTO verbundene Schreckensszenario noch einmal drastisch vor Augen. „Käme der Deal vollumfänglich zustande, betrüge der Markt-Anteil beim gen-manipulierten Saatgut weit über 90 Prozent, bei den konventionellen Saaten läge er bei 30 Prozent und bei den Pestiziden ungefähr bei 25 Prozent“, so Pehrke. Anschließend beschrieb er die Risiken und Nebenwirkungen, welche die Transaktion für die LandwirtInnen, VerbraucherInnen, Beschäftigten und Standorte-Städte hätte. Aber zu Ende bringen durfte er seinen Beitrag nicht. Der Global Player hatte da nämlich schon die Redezeit begrenzt und drehte dem CBGler kurzerhand das Mikrofon ab. Aber der Leverkusener Multi hatte sich zu diesem Zeitpunkt schon viel zur avisierten MONSANTO-Akquisition anhören müssen, und es folgte noch eine Menge nach.
Wohlweislich hatte der Konzern dieses Mal nicht nur wie gewohnt draußen auf alle BAYER-Embleme verzichtet und die Fahnen eingezogen, um nicht zusammen mit ProtestlerInnen fotografiert zu werden, sondern sich auch bei der Dekoration des „New York“-Saals selber auf rein graphische Elemente beschränkt, statt die Bühnen-Wand wie üblich mit seinem Slogan „Science for a better life“ zu schmücken. Der Global Player wollte nämlich den Gegen-RednerInnen keinen Anreiz mehr bieten, auf diese Maxime Bezug zu nehmen und ihr die harte Konzern-Wirklichkeit gegenüberzustellen. Michael Slaby von der Initiative MELLIFERA hielt das jedoch nicht davon ab, sich den Leitspruch dennoch vorzunehmen. „‚Science for a better life’ – mit diesem Slogan wirbt die BAYER AG“, hob er an und fuhr fort: „Meine Frage dazu lautet: Wem verschaffen Sie denn ein besseres Leben mit Ihren Pestiziden, Ihren gentechnisch veränderten Pflanzen und der geplanten Übernahme von MONSANTO? Dem indischen Kleinbauern, der in den Ruin und vielleicht auch den Selbstmord getrieben wird, weil er den hundertfachen Preis für das von MONSANTO patentierte, gentechnisch veränderte Baumwoll-Saatgut sowie die nötigen Pflanzenschutz- und Düngemittel zahlen muss und in eine Schuldenspirale gerät, aus der er nicht mehr herauskommt? Die von der Honig-Produktion lebende indigene Gemeinde in Mexiko, deren Lebensgrundlage durch den Anbau von transgenen ROUND-UP-READY-Sojapflanzen bedroht wird, deren Pollen sich dann im Honig wiederfinden?“
Das, was BAYER als Grund für die geplante MONSANTO-Übernahme angibt, nämlich das Wohl der Welternährung befördern zu wollen, hielt Slaby für eine reine PR-Story. „Habe ich nicht recht, an den Beitrag Ihres Konzern zur Lösung des globalen Hunger-Problems glauben Sie doch selbst nicht. Es handelt sich hierbei doch nur um eine Verschleierungstaktik, um Ihrem Streben nach Kontrolle des globalen Agrarsektors einen noblen Anstrich zu geben. Herr Baumann, wie wollen Sie diesen Eindruck entkräften?“ fragte er.
Markus Arbenz von IFOAM, der weltweiten Bewegung für den biologischen Landbau, pflichtete Slaby bei. „BAYER/MONSANTO arbeiten in Richtung ‚Monopol-Stellung’. 20 Jahre Gentechnologie und Patentierung zeigen, dass wenige Sorten an Hilfsmittel wie ROUND UP (das Pestizid Glyphosat, Anm. SWB) gebunden werden. Biologische Vielfalt verschwindet, das Klima verändert sich und immer noch gehen 800 Millionen hungrig ins Bett“, resümierte der Schweizer.
Das berühmt-berüchtigte Glyphosat setzte nicht nur Arbenz auf die Agenda der HV. Peter Clausing vom PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) legte – gestützt auf Studien – noch einmal eindrücklich dar, warum das Ackergift als „wahrscheinlich krebserregend“ gilt. Heike Moldenhauer vom BUND FÜR UMWELT UND NATURSCHUTZ (BUND) machte derweil auf die zunehmende Unwirksamkeit des Mittels aufmerksam.
Anton Hofreiter von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schließlich schilderte in drastischen Worten den Kahlschlag bei Wild-Pflanzen und Insekten, für den dieses Total-Herbizid verantwortlich zeichnet, und führte dem BAYER-Management die Konsequenzen vor Augen. „Mit dem Einbruch der Artenvielfalt zerstören Sie das Netz des Lebens und zerstören damit unsere Lebensgrundlagen mit.“
Seine Partei-Kollegin Renate Künast sprach derweil über die Folgen der im großen Maßstab betriebenen Landwirtschaft, die mit ihren Monokulturen einen Raubbau an den Böden betreibt und mit ihren Pestiziden Mensch, Tier und Umwelt schädigt. Und auch sie ordnete das Argument von BAYER, der Mega-Deal sei nötig, um die Welternährung zu sichern, dem Reich der Mythen zu. Die Politikerin stützte sich dabei auf den Weltagrarbericht, der ganz im Gegensatz zum Leverkusener Multi gerade im Ausbau der kleinbäuerlichen Landwirtschaft eine wirksame Maßnahme zur Sicherung der Lebensmittel-Versorgung sieht.
Renate Künasts Anwesenheit in Bonn hatte einen bestimmten Grund: Sie ist nämlich die deutsche Botschafterin des MONSANTO-Tribunals, das im letzten Herbst in Den Haag stattgefunden und sich vorgenommen hatte, wenigstens ein paar der rechtsfreien Räume zu schließen, die dem US-Unternehmen das Leben so leicht machen.
Die Kritik Baumanns an dem Gremium – von „Schauprozessen“ hatte der BAYER-Chef gesprochen – verbat sich die Grüne ausdrücklich. Sie unterstrich die große Bedeutung dieser Institution für die Verteidigung der BürgerInnen-Rechte gegen die Macht der Konzerne und hob, auf das Russell-Tribunal als Vorläufer des MONSANTO-Tribunals verweisend, die lange zivilgesellschaftliche Tradition hervor, in der die Den Haager RichterInnen stehen.
Deren juristisches Gutachten, das MONSANTO auf der Basis der Vernehmung zahlreicher ZeugInnen wie LandwirtInnen, BiologInnen, MedizinerInnen und TierzüchterInnen den Bruch von UN-Abkommen zum Recht auf Nahrung, auf Gesundheit und auf eine saubere Umwelt nachweist, veröffentlichte die Jury knapp eine Woche vor der BAYER-Hauptversammlung. Und der Tribunal-Mitarbeiter René Lehnherr hatte es passenderweise an dem Freitag aus Den Haag mitgebracht und ließ es Werner Baumann aushändigen.

Nur Profit zählt

Den Vorstandsvorsitzenden focht das alles nicht an. Um dem Vorwurf von Michael Slaby zu begegnen, der Konzern strebe mit der MONSANTO-Übernahme die Kontrolle des gesamten Nahrungsmittelmarktes an, gab Werner Baumann wieder mal den Märchen-Onkel. Der Vorstandsvorsitzende erzählte die wundersame Story vom Weltenretter BAYER, der sich anschickt, das Ernährungsproblem durch ein beherztes „Weiter so“ zu lösen und den Mühseligen und Beladenen mit stabilen Wertschöpfungsketten, der „digitalen Landwirtschaft“ und Produktivitätssteigerungen beizuspringen gedenkt. „Letztlich geht es darum, auch in Zukunft eine große Auswahl an sicheren und qualitativ hochwertigen Lebensmitteln zu erschwinglichen Preisen sicherzustellen“, fasste der Ober-BAYER zusammen und wähnte sich damit aus dem Schneider. Sich direkt an Michael Slaby wendend, plädierte er für Freispruch in eigener Sache: „Das ist im Übrigen (...) das Gegenteil des von Ihnen erhobenen Vorwurfs, den globalen Agrar-Sektor beherrschen zu wollen. Insofern denke ich, dass Ihre Unterstellung jeder Grundlage entbehrt.“
Der konkreten Frage Pehrkes, ob BAYER im Zuge der MONSANTO-Übernahme Preis-Erhöhungen plane oder solche für die nächsten zwei Jahre ausschließen könne, wich Baumann aus. Er kündigte lediglich „eine angemessene Preis-Politik“ an. Um Mehreinnahmen durch solche Manöver gehe es im Übrigen bei dem Deal nicht, sondern um Wachstum und Innovation. Warum der Konzern, wenn ihm Innovationen doch so sehr am Herzen liegen, nicht seinen Forschungsetat auffüllt, anstatt mit dem Geld in den USA auf Shopping Tour zu gehen – darauf blieb Baumann eine Antwort schuldig. Zu möglichen Arbeitsplatzvernichtungen als Folge der Transaktion mochte er wegen schwebender Genehmigungsverfahren ebenfalls nichts sagen, und für die Weigerung, die AktionärInnen zum MONSANTO-Kauf zu befragen, lieferte der BAYER-Boss nur fadenscheinige Begründungen. Dafür war er ganz offenherzig, was das Sparen von Steuern durch den Großeinkauf angeht: „Finanzierungskosten im Zusammenhang mit der Akquisition sind Betriebsausgaben und werden nach den gesetzlichen Regeln in den Ländern, in denen dann diese Zins-Lasten anfallen, auch steuerlich im erlaubten Umfang zum Abzug gebracht.“
Die „Reputationsrisiken“, die einige VertreterInnen von AktionärInnen-Verbänden mit MONSANTO auf den Leverkusener Multi zukommen sahen, wies Baumann nicht von der Hand. Er stellte diese allerdings als „ein Ergebnis massiver Kampagnen“ dar und hielt fest: „Den Machern dieser Kampagnen ist es gelungen, MONSANTO zu einem Symbol zu machen. Für viele ist MONSANTO heute der Inbegriff einer bestimmten Form von Landwirtschaft, die sie ablehnen.“ Als ein Instrument solcher Kampagnen wertete der Ober-BAYER offensichtlich auch das MONSANTO-Tribunal. Dieses hatte es ihm so richtig angetan. Immer wieder kam er darauf zurück. Aus der Tatsache, dass das RichterInnen-Gremium in keine bestehende Rechtsordnung eingebunden ist, weil es diese ja gerade ergänzen und auch Konzern-Verbrechen justiziabel machen will, drechselte Werner Baumann den Vorwurf mangelnder Legitimität. Auch mangelnde Transparenz bei der Finanzierung und Bestallung der JuristInnen monierte er. Deshalb sah der Manager nicht nur keine Veranlassung, sein Unwort für die Einrichtung zurückzunehmen. Er hob es in seiner Antwort auf die Rede von Renate Künast sogar noch einmal ausdrücklich hervor: „Selbsternannte Tribunale und auch politisch vorgeprägte Schauprozesse, und ich erwähne ausdrücklich ‚Schauprozesse’ lehnen wir (...) ab.
Und Werner Baumann sprach auch aus, worum es bei der Übernahme wirklich geht. Der Konzern will ihm zufolge durch den Erwerb von MONSANTO „langfristig erheblichen zusätzlichen Wert schaffen“. Nähere Ausführungen zum Profit-Prinzip im Allgemeinen machte der Konzern-Chef in seiner Antwort auf eine entsprechende Frage von Felix Pohl, der für die BONNER JUGENDBEWEGUNG sprach und in seiner Rede zusätzlich zu den Risiken und Nebenwirkungen von Pestiziden auch die ökonomischen Antriebe des Unternehmens auf die Tagesordnung setzte. „Sie wollten (...) wissen, warum der Profit, also der Gewinn, eine wichtige Planziffer ist“, mit diesen Worten wandte Baumann sich an Pohl und begann dann BAYERs Version des „Kapitals“ zu erzählen. In seiner Darstellung mutierte dieses zu einer veritablen sozialen Veranstaltung. „Ohne Gewinne können wir weder Gehälter an Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bezahlen, neue Produkte entwickeln noch soziale oder auch karikative Projekte (...) fördern und finanzieren. Gewinne sind also das Ziel einer jeden unternehmerischen Tätigkeit, und das ist auch gut so“, soweit seine Mär zum gesamtgesellschaftlichen Nutzen von BAYERs wundersamer Geldvermehrung.
Problem-Felder jenseits der beabsichtigten MONSANTO-Übernahme benannte an diesem Tag jedoch nicht nur Pohl. Zahlreiche weitere kritische AktionärInnen schrieben die Schadensbilanz der glänzenden Geschäftsbilanz fort. So ganz nebenbei machten sie damit auch deutlich, dass BAYER und MONSANTO in dem Schmieren-Stück keinesfalls als „Die Schöne und das Biest“ auftreten und es bei der Transaktion deshalb nicht darum geht, dass eine kleine nette Firma von nebenan beabsichtigt, einen bösen, großen US-Konzern zu resozialisieren. Von risiko-reichen Projekten wie der Kohlenmonoxid-Pipeline über gesundheitsschädliche Chemikalien und bienengefährliche Ackergifte bin hin zu BAYERs Politik der doppelten Standards in der „Dritten Welt“ reichten die neuerlichen Einträge ins „Schwarzbuch BAYER“.
Besonders beeindruckten dabei wie jedes Jahr die Medikamenten-Geschädigten mit ihren Leidensgeschichten, weil diese Menschen eine personifizierte Anklage an den Konzern sind. Auf deren Beiträge reagierte der neue BAYER-Vorstandsvorsitzende Baumann wie die alten Konzern-Chefs: zynisch und kaltschnäuzig. Egal wie groß und schlimm die angeprangerten Gesundheitsschäden auch waren, immer stellte er dem in Rede stehenden Medikament eine positive „Risiko/Nutzen-Bilanz“ aus. Und ebenso wie seine Vorgänger verweigerte er den Geschädigten eine Entschuldigung. Deutlich wurde einmal mehr: Beim Global Player ist einzig der Profit entscheidend. Solange Produkte trotz Entschädigungszahlungen und Prozesskosten noch Gewinne bringen, gibt es für das Unternehmen keinen Anlass, sie vom Markt zu nehmen.
Nur konsequent also, wenn die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN das Diktat der Profite brandmarkt und einmal mehr fordert, dass BAYER unter gesellschaftliche Kontrolle gestellt werden muss und dabei auf die Landesverfassung von Nordrhein-Westfalen verweist, die eine solche Möglichkeit durchaus vorsieht.

Viele Gegenstimmen

Bei den Abstimmungen zur Gewinn-Verteilung und zur Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat zeigte sich, dass die menschenverachtende Haltung der BAYER-Verantwortlichen nicht nur von den Kritischen AktionärInnen verurteilt wird. Mehrere Hundert KleinaktionärInnen unterstützten die CBG bereits im Vorfeld der Hauptversammlung und übertrugen Zehntausende von Aktien. Und im Saal selbst votierten viele Zehnmillionen Aktien zu den verschiedenen Tagesordnungspunkten mit den Kritischen AktionärInnen für ein „Nein“. Auf besonders viel Ablehnung stießen dabei die Vorschläge des Konzerns zur Besetzung des Aufsichtsrats. Das Ansinnen des Unternehmens, dem ehemaligen ALLIANZ-Manager Paul Achleitner zu einer vierten Amtsperiode zu verhelfen und damit seinen eigenen, gerade erst eingeführten Regel-Kodex zu brechen, der eigentlich ein Aus nach drei Runden vorsieht, straften viele AktionärInnen ab. Auch an Colleen A. Goggins fanden sie keinen rechten Gefallen, hatte die Dame bei ihrem früheren Arbeitgeber JOHNSON & JOHNSON doch ihren Posten räumen müssen, weil sie einen Skandal um Arzneien, die mit Metallspänen und Bakterien verunreinigt waren, vertuschen wollte. Selbst beim Antrag der Coordination, die Gewinnausschüttung auf zehn Cent zu begrenzen und die Milliarden stattdessen für Umweltschutz, Menschenrechte, soziale Sicherheit sowie für eine gerechte Entschädigung der BAYER-Opfer einzusetzen, stimmten noch knapp eine Millionen Aktien mit der CBG.
Entsprechend zog die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN eine andere Bilanz als die Wirtschaftspresse: Angesichts der Tatsache, dass einige wenige GroßaktionärInnen mit ihrem gigantischen Besitz von Hunderten Millionen Aktien regelmäßig für satte Mehrheiten und für die Ausschüttung immer neuer Rekord-Dividenden sorgen, sind die NEIN-Ergebnisse von Tausenden KleinaktionärInnen, die mit der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) stimmten, ein beachtliches Signal gegen das Diktat des Profits und für Umweltschutz, Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit. So hatte die ganze Veranstaltung für die ManagerInnen des Unternehmens noch nicht einmal einen versöhnlichen Abschluss – eine Erfahrung, die zunehmend auch ihre KollegInnen von anderen Aktien-Gesellschaften machen, wie die Faz festhält. Konnten sich die Bosse früher nach den ganzen Gegen-Reden auf eines verlassen: „Wenn die abendliche Abstimmung naht, hat der Vorstand meist hohe Zustimmung sicher“, geht der Zeitung zufolge auch diese Gewissheit „zunehmend verloren“.
Trotz aller Anstrengungen, den Protest kleinzuhalten, musste der BAYER-Konzern also am 28. April auf allen Ebenen realisieren, wie groß und breit der Widerstand gegen seinen Übernahme-Coup ist. „So turbulent war eine Hauptversammlung von BAYER noch nie“, urteilte beispielsweise die Rheinische Post. Damit markierte der Tag den Höhepunkt einer ganzen Aktionswoche. Sie begann am 25. 4. mit einer Kick-Off-Veranstaltung in der Bonner Universität. Das unter anderem mit VertreterInnen der Gewerkschaftsjugend, der ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT, der von Vandana Shiva ins Leben gerufenen Initiative NAVDANYA und der CBG besetzte Podium beleuchtete noch einmal die ganzen Probleme des agro-industriellen Komplexes und zeigte Alternativen auf. Zwei Tage später nahm ein Townhall Meeting an der Universität Köln die Diskussion wieder auf und hob sie auf eine internationale Ebene. So berichtete etwa der ehemalige Präsident der paraguayischen Saatgut-Behörde, Miguel Lovera, aus erster Hand über das gegenwärtige Landwirtschaftsmodell. Dieses zwingt sein Land zum Anbau von „cash crops“ für den Export und verdrängt Nahrungsmittel-Pflanzen von den Äckern, so dass Lebensmittel importiert werden müssen. Der australische Öko-Bauer und Präsident von IFOAM ORGANICS INTERNATIONAL, Andre Leu, machte indes Mut. Er wertete die gegenwärtigen Turbulenzen in diesem Sektor mit seinen ganzen Übernahmen und Fusionen als ein Zeichen für die Schwierigkeiten des Agrar-Business’ und sah die Chancen für eine Landwende steigen. Auf diese Weise eingestimmt, schritten dann am nächsten Tag alle in Bonn zur Tat. Doch damit nicht genug: Am 29. April formierte sich Widerstand gegen den Mega-Deal auch in Berlin: Rund 400 Menschen nahmen in der Bundeshauptstadt an der „Stop BAYER/MONSANTO“-Demo teil.

So gelang der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und ihren zahlreichen Kooperationspartnern mit der „Stop BAYER/MONSANTO“-Kampagne ein großer Erfolg, der Mut macht für den weiteren Weg.

Kasten

  • 1

Schamlose Profite
Eine BAYER-Aktie hat am Kapital des Konzerns einen Anteil von 2,56 Euro. Auf jede Aktie wurde eine Dividende von 2,70 Euro ausgeschüttet. Das entspricht einer Kapitalrendite von sage und schreibe 105,5 Prozent. Um diese Schamlosigkeit in der Öffentlichkeit zu verschleiern, wählt der Global Player als Berechnungsgrundlage jedoch den jeweils aktuellen Kurswert seiner Aktie. Dieser beträgt zurzeit etwa 113 Euro. Damit fällt die Dividende – HokusPokus - auf lediglich 2,4 Prozent.

Kasten

  • 2

Abstimmungsergebnisse
BAYER hat ca. 360.000 AktionärInnen, doch die Abstimmungen auf den Hauptversammlungen des Konzerns dominieren wenige GroßaktionärInnen (Ultrareiche, Investmentfonds, Banken etc.). Sie sorgen für sichere Mehrheiten von 90 Prozent plus. Die vielen hunderttausend KleinaktionärInnen hingegen besitzen zusammen lediglich fünf bis 10 Prozent der Aktien. Entsprechend beachtlich sind die Abstimmungsergebnisse für die Kritischen AktionärInnen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) bei BAYER. Mehrere Hundert KleinaktionärInnen unterstützten die CBG und brachten 25 Tsd. Aktien zur HV 2017 mit. Damit wird deutlich, dass auf dem AktionärInnen-Treff mehrere Tausend KleinaktionärInnen mit der CBG gestimmt haben müssen, um die dokumentierten Stimmergebnisse zu erzielen.

Von anwesenden 489 Mio. Aktien (je Aktie eine Stimme) stimmten bei den einzelnen Tagesordnungspunkten
mit Nein:

Gewinn-Verwendung
Nein-Stimmen 888.293 (0,1 %)

Entlastung Vorstand
Nein-Stimmen 15.495.950 (3,3 %)

Entlastung Aufsichtsrat
Nein-Stimmen 21.760.129 (4,7 %)

Wahlen zum Aufsichtsrat
Nein-Stimmen: je Kandidat/in bis zu 80 Mio. Aktien bzw. 16,9 %

BaySanto

CBG Redaktion

Gene & Klone

Expandierendes Saatgutkartell

Baysanto auf dem Vormarsch

Die Initiative KEINE PATENTE AUF SAATGUT! führt regelmäßig Recherchen beim Europäischen Patentamt in München durch und sammelt dort Informationen über die neuesten Entwicklungen. Auf Bitte des Stichwort BAYER hin hat sich die Organisation einmal genauer mit den Patenten beschäftigt, die BAYER und MONSANTO im Jahr 2016 eingereicht oder bewilligt bekommen haben.

Von Christoph Then und Ruth Tippe

Baysantos Marktstrategie

Käme die Fusion von BAYER und MONSANTO zustande, hätte das neue Unternehmen eine weitgehende Markt-Dominanz in den Bereichen „Saatgut-Handel“, „Agro-Gentechnik“ und „Pestizide“. Besonders betroffen wäre die Saatgut-Branche. Schon jetzt ist MONSANTO mit einem Marktanteil von rund 25 Prozent weltweit die Nummer 1 im internationalen Saatgut-Geschäft. Zudem sind beide Unternehmen im Bereich der konventionellen Gemüsezucht aktiv, MONSANTO besitzt unter anderem die Firmen SEMINIS und DERUITER, BAYER ist hier mit seiner Tochterfirma NUNHEMS präsent.
Bislang sind die Konzerne vor allem für ihr Interesse an der Vermarktung von Gentechnik-Pflanzen bekannt. BAYER und MONSANTO setzen hier nach wie vor besonders stark auf herbizid-resistente Pflanzen. Unter den weltweit eingesetzten Mitteln gegen Wildkräuter zählen Glyphosat (MONSANTO-Marke ROUNDUP) und Glufosinat (BAYER-Marke LIBERTY) zu den die wichtigsten Wirkstoffen. Aus der Sicht der Multis macht das Sinn. Im Doppelpack können sie sowohl mit dem Verkauf des patentierten Saatguts als auch mit dem der Herbizide Geld machen.
Angesichts einer zunehmenden Anzahl von Unkraut-Arten, die sich in Anbauländern wie den USA, Brasilien und Argentinien auf Glyphosat eingestellt haben, bringen die Konzerne vermehrt Pflanzen auf den Markt, die gegen gleich gegen mehrere Spritzmittel resistent gemacht wurden. Jüngst hat die Europäische Lebensmittelbehörde (EFSA) eine Anmeldung auf Import-Zulassung von Gentechnik-Pflanzen geprüft, die ein typisches Beispiel für diese Unternehmensstrategie darstellen: Die Gentech-Soja FG72 x A5547-127 des BAYER-Konzerns ist gegen Isoxaflutol, Glyphosat und Glufosinat resistent, der Raps MON 88302 x MS8 x RF3 wurde von BAYER und MONSANTO gemeinsam angemeldet und kann mit Glyphosat und Glufosinat behandelt werden. Interessanterweise hält es weder die EFSA noch die EU-Kommission für notwendig, die Wechselwirkung der Rückstände und deren mögliche gesundheitliche Auswirkungen auf Mensch und Tier näher zu untersuchen – das Geschäftsfeld der Konzerne entwickelt sich so in der EU weitgehend ungestört.
Zwar wird berichtet, dass BAYER aus kartellrechtlichen Gründen seine LIBERTY-Produkte verkaufen würde, um die Genehmigung für die Übernahme von MONSANTO zu erhalten. Doch an der Konzernstrategie dürfte sich dadurch wenig ändern. So setzt der Leverkusener Multi in den letzten Jahren verstärkt auf Herbizide, die die Photosynthese von Pflanzen über eine Blockade des HPPD-Enzyms (s. u.) behindern. Entsprechendes Saatgut wird u. a. als BALANCE GT beworben. Auf LIBERTY folgt dann also BALANCE. Die erwähnte Gentechnik-Soja FG72 ist ein Beispiel für diese Produkt-Reihe.
In den 2016 erteilten und angemeldeten Patenten zeigt sich, dass sich die Marktstrategie von „Baysanto“ auch in Zukunft nicht grundlegend ändern wird – sie wird allerdings um den Bereich neue Gentechnikverfahren erweitert.

Die Patente von 2016

Die Stärke des künftigen Gentechnik- und Saatgutkartells spiegelt sich auch in beantragten oder schon erteilten Patenten wider. Wenn man die jeweiligen Firmen-Ableger mit einbezieht, sind BASF und MONSANTO bei den 2016 vom Europäischen Patentamt (EPA) in München erteilten Saatgut-Patenten mit etwa 28 Patenten (BASF) beziehungsweise etwa 24 Patenten (MONSANTO) führend, gefolgt von BAYER (19), DUPONT und DOW AGROSCIENCES (zusammen 15) sowie SYNGENTA (8). Falls MONSANTO wie geplant von der Firma BAYER übernommen wird, läge der neu formierte Konzern in diesem Bereich europaweit an der Spitze. Die Firmen mit den meisten erfassten Patent-Anmeldungen im Saatgut-Segment waren 2016 DUPONT (etwa 38 Anmeldungen), MONSANTO (20), DOW AGROSCIENCES (16), BAYER (14), SYNGENTA (7) und BASF (4).

Die Marktstrategie der Konzerne zeigt sich auch hier. Den größten Block der 2016 erteilten Patente bilden herbizid-resistente Pflanzen: BAYER und MONSANTO erhielten zusammen über ein Dutzend Patente. Es folgen dann die insektengiftigen Pflanzen – das zweite große Geschäftsfeld der Gen-Giganten – mit rund zehn erteilten Patenten.
Die 2016 erteilten Patente wurden bereits vor etlichen Jahren eingereicht. Deswegen ist es interessant zu sehen, ob und wie sich die Geschäftsfelder bei den aktuellen Patentanträgen verändert haben. Und tatsächlich nehmen die Patente in den Bereichen „Herbizid-Resistenz“ und „Insektengiftigkeit“ etwas ab, der größte Block der Patent-Anträge bezieht sich jetzt auf konventionelle Pflanzenzucht (insgesamt über ein Dutzend Anträge), die insbesondere bei der BAYER-Tochter Nunhems stark zugenommen haben. Der Anstieg der Patent-Anträge im Segment der konventionellen Züchtung ist schon seit mehreren Jahren und auch bei anderen Konzernen zu beobachten.
MONSANTO und BAYER haben 2016 unter anderem Patente auf Tomaten, Gurken, Melonen, Salat und Kohlgewächse aus konventioneller Zucht angemeldet. Die Mitgliedsländer des Europäischen Patentamtes planen derzeit, die Verbote in diesem Bereich zu verschärfen. Pflanzen und Tiere, die aus „im Wesentlichen biologischen Verfahren“ stammen, sollen die Unternehmen in Zukunft mehr als Erfindung ausgeben und patentieren können. Inwieweit die Patentanträge von MONSANTO und BAYER davon betroffen sind, bleibt abzuwarten.

Neue Gentech-Verfahren

Interessant ist auch die Entwicklung in der Sparte der neuen Gentechnik-Verfahren des Genome Editing, bei denen bestimmte Enzyme, die Nukleasen, als Gen-Scheren wirken, das Genom aufschneiden und neue DNA-Teile einfügen oder natürliche Erbanlagen blockieren können (siehe auch SWB 2/16). Sowohl BAYER als auch MONSANTO haben dafür Patente angemeldet. Und damit ist „Baysanto“, neben den Firmen DUPONT und DOW AGROSCIENCES, die derzeit fusionieren und ebenfalls über viele Patente für die Schnippel-Techniken verfügen, schon jetzt der „Platzhirsch“ in dieser Kategorie.
BAYER kooperiert hier aber auch mit anderen Firmen wie CELLECTIS, KEYGENE und CRISPR THERAPEUTICS, die vor allem Patente auf die Verwendung von Nukleasen wie CRISPR-Cas anmelden. Für BAYER dürfte dabei besonders interessant sein, dass eine der Erfinderinnen von CRISPR-Cas, Emmanuelle Charpentier, an CRISPR Therapeutics beteiligt ist. Laut Kooperationsvertrag überlässt CRISPR THERAPEUTICS alle Anwendungen im Bereich landwirtschaftlicher Pflanzen- und Tierzucht exklusiv der Firma BAYER.
Aber auch MONSANTO sichert sich den Zugriff auf die neuen Technologien und hat im September 2016 einen Lizenzvertrag mit dem Broad Institute (MIT) und der Harvard University abgeschlossen, die eine Weiterentwicklung der CRISPR-Technologie, die CRISPR-Cpf1 Nuklease, zum Gegenstand hat. Diese soll noch einfacher einzusetzen sein als CRISPR-Cas.

Neue Symbiosen

Mit Emmanuelle Charpentier hat BAYER zugleich eine sympathische Werbeträgerin gefunden, die sich beispielsweise im Interview mit der Süddeutschen Zeitung vom 15. Mai 2017 für den Einsatz von CRISPR-Cas in der Pflanzenzucht ausspricht. Kurz zuvor hatte das Europäische Patentamt ihr und ihren KollegInnen von der Universität von Kalifornien ein breites Basispatent auf die Nutzung von CRISPR gewährt, das sich auch auf Anwendungen bei Pflanzen erstreckt. Das dürfte auch eine gute Nachricht für die Saatgutabteilung bei BAYER gewesen sein. Im September 2017 wird Charpentier auf Einladung der EU-Kommission auf einer Konferenz zum Thema „Modern Biotechnologies in Agriculture – Paving the way for responsible innovation“ die zentrale Rede halten. Im Programm wird sie als Mitarbeiterin des Max-Planck-Instituts in Berlin angekündigt und nicht als Firmengründerin und Patent-Inhaberin. Auf den jüngsten Patent-Anträgen der Firma CRISPR THERAPEUTICS wiederum findet sich nicht nur Emanuelle Charpentier als Patentanmelder, sondern auch die Max-Planck-Gesellschaft und ein Helmholtz-Zentrum, an denen die Französin tätig ist, bzw. war. Es ist erkennbar, wie sehr Wissenschaft und Wirtschaft immer stärker in Richtung gemeinsamer ökonomischer Interessen marschieren. Und für publizistischen Geleitschutz ist auch gesorgt. So ist BAYER (gemeinsam mit Süddeutscher Zeitung und Acatech, der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften e. V.) im Vorstand des Fördervereins des Science Media Centers in Deutschland, das mehr Akzeptanz für Risikotechologien schaffen soll bzw. „registrierten Journalisten dabei (hilft), wissenschaftlich zuverlässiges Wissen von irrelevanten Informationen zu unterscheiden.“

Patent auf Gift-Soja

Ein Beispiel für BAYERs aktuelle Produktserie von herbizid-resistenten, gentechnisch veränderten Pflanzen ist das Patent EP2268815. Es bezieht sich auf ein Enzym, das als HPPD abgekürzt wird (Hydroxyphenylpyruvate Dioxygenase). Wird das Enzym zerstört, kann die Pflanze keine Carotinoide bilden, sich nicht vor UV-Strahlen schützen und auch keine Photosynthese betreiben. Diesen Effekt machen sich verschiedene Wirkstoffgruppen von Herbiziden zu eigen, unter anderem löst das Herbizid Isoxaflutol, das ebenfalls von BAYER hergestellt wird, diese Wirkung aus.
Das Patent beansprucht sowohl das Saatgut von Pflanzen, die gegen den Einsatz entsprechender Herbizide resistent gemacht werden, als auch die Pflanzen sowie die aus diesen gewonnenen Lebensmittel. Dabei ist der Leverkusener Multi vor allem an Gentechnik-Sojabohnen (FG72) interessiert, bei deren Anbau Glyphosat und Isoxaflutol gemeinsam zum Einsatz kommen sollen (Marke: „BALANCE GT“, siehe oben).
Um die Gentechnik-Pflanzen resistent zu machen, wird das Enzym HPPD in seiner Struktur so verändert, dass diese dem Einsatz der Herbizide besser widerstehen. In der Folge entstehen in den Gewächsen allerdings Abbaustoffe der Herbizide. Das ist problematisch, weil die Ausgangssubstanz Isoxaflutol laut internationaler Klassifikation als wahrscheinlich krebserregend eingestuft wird. BAYER hat 2016 gleich sechs europäische Patente auf Pflanzen mit veränderten HPPD-Enzymen erhalten.

Noch mehr Glyphosat

Obwohl die Entwicklung der ersten glyphosat-resistenten Pflanzen schon etwa 30 Jahre zurückliegt, meldet MONSANTO in diesem Bereich nach wie vor Patente an. 2016 wurde vom EPA ein Patent auf Gentechnik-Pflanzen wie Weizen, Mais, Roggen, Reis, Hafer, Gerste, Rasengras, Sorghum, Hirse, Zuckerrohr, Tomaten, Kartoffeln, Soja, Baumwolle, Raps, Sonnenblume und Luzerne erteilt, die laut Plan extreme Mengen von Glyphosat aushalten. So will das US-Unternehmen es den LandwirtInnen möglich machen, die bereits an das Mittel gewöhnten Unkräuter mit einem Vielfachen der bisher üblichen Dosis zu bekämpfen: Während in Deutschland die maximal zulässige Menge pro Hektar bei 3,6 kg/Jahr liegt, soll beim Anbau dieser Gentechnik-Pflanzen in Ländern wie Argentinien, Brasilien und den USA fast bis zu 18 kg Glyphosat pro Hektar gesprüht werden. Entsprechend steigt dann die Belastung für die Umwelt und die Konzentration der Rückstände in den Pflanzen.

Aktuelle Anmeldungen

Eine Beispiel für die Kombination von alten und neuen Gentechnik-Verfahren sind Patentanträge der Firma Monsanto inbesondere im Bereich insektengiftiger Pflanzen. Hier soll das Arsenal der biologischen Kriegsführung, d. h. der Schädlingsbekämpfung durch Botenstoffe, sogenannte miRNA (Mikro-Ribonukleinsäuren) erweitert werden, die in die Genregulation der Insekten eingreifen.
MONSANTO hat 2016 mehrere Anträge auf Patente für verschiedene Anwendungen dieser miRNAs gestellt. Dabei handelt es sich um biologisch aktive Botenstoffe mit einer großen Bandbreite von Funktionen, die in den letzten Jahren im Zentrum vieler Forschungsprojekte standen. Sie greifen auf vielfältige Weise in die Gen-Regulation ein. So können sie die Wirkung von Genen teilweise oder vollständig, vorübergehend oder auch über mehrere Generationen hinweg beeinflussen. Die miRNAs sind an Entwicklung, Wachstum und der Abwehr von Krankheitserregern ebenso beteiligt wie an der Entstehung von Krankheiten. Ihre Vielfalt ist unendlich: Zu jedem Abschnitt der Erbsubstanz DNA können spiegelbildliche Abbilder unterschiedlicher Länge und Funktion synthetisiert werden.
Ihre biologische Wirkung entfalten die Stoffe oft über komplexe Interaktionen und über mehrere Zwischenstufen, in anderen Fällen auch direkt. Eine der Besonderheiten: miRNAs können über die Nahrung aufgenommen werden und über Art-Grenzen hinweg in die Gen-Regulation eingreifen. Auch Übertragungen von miRNAs von Nahrungspflanzen auf Menschen und Tiere wurden beobachtet .
MONSANTO arbeitet mit Nachdruck an Gentechnik-Pflanzen, die miRNA-Abschnitte produzieren, die von Insekten beziehungsweise ihren Larven aufgenommen werden, wenn diese an den Pflanzen fressen. In den Insekten sollen diese dann lebenswichtige Gene blockieren und so zum Tod der Tiere führen. In der Patentanmeldung WO2016018887 werden rund 800 RNA-Sequenzen beansprucht, die imstande sind, bei hunderten von Insekten-Arten in die Genregulation einzugreifen. Dabei können nicht nur Schadinsekten, sondern auch geschützte Arten betroffen sein. Die miRNA kann als insektengiftiges Spray eingesetzt werden. Im Patent beansprucht werden auch Gentechnik-Pflanzen, die derartige miRNAs produzieren. Die Risikoabschätzung bei derartigen Pflanzen ist umstritten und mit vielen Unsicherheiten verbunden. Relevante Fragestellungen sind u. a.: Können die miRNAs über die Nahrungskette auch bei Wirbeltieren eine Wirkung entfalten? Was sind sie Auswirkungen für Bodenorganismen, wenn diese über Pflanzenteile und die Wurzeln dauerhaft in Kontakt mit der miRNA kommen? Noch sind derartige Pflanzen nicht zum Anbau zugelassen.
MONSANTO will miRNAs auch dazu verwenden, die Eigenschaften von Pflanzen zu verändern, ohne die Struktur ihres Erbgut zu verändern. Ein möglicher Weg dazu besteht darin, das miRNA per Spray auf Pflanzen (Nutzpflanzen wie Wildpflanzen) aufzubringen. Über die Oberfläche der Gewächse aufgenommen, verändert es in der Folge deren Gen-Regulation und die biologischen Eigenschaften der Pflanzen. Entsprechende epigenetische Effekte lassen sich zum Teil auch vererben.
In der Patent-Anmeldung WO2016196782 beschreibt MONSANTO ein Verfahren, wie die Oberfläche von Pflanzen mechanisch beschädigt wird, um die Aufnahme der RNA-Moleküle zu erleichtern. Über diese, wie mit einem Mikrosandpapier angeschliffene Oberfläche öffnet sich für die WissenschaftlerInnen ein Tor, um miRNA, aber auch DNA oder die DNA-Schere CRISPR-Cas in die Pflanzen einzuschleusen. So könnten beispielsweise Nutzpflanzen noch unempfindlicher gegenüber Herbiziden oder aber das Erbgut von Wildpflanzen empfindlicher gegenüber Mitteln wie Glyphosat gemacht werden. In der Patentschrift werden Dutzende Pflanzen-Arten als mögliche Kandidaten genannt.

Fazit

Mit „Baysanto“ würde ein neues Gentechnik- und Saatgutkartell entstehen, dessen Auswirkungen derzeit eher noch unterschätzt werden. Es droht eine weitgehende Markt-Dominanz eines Unternehmens in den Bereichen „Saatgut-Handel“, „Agro-Gentechnik“ und „Pestizide“.
Die von BAYER und MONSANTO in diesen Segmenten angemeldeten Patente beziehen sich zum Teil auf Technologien und Produkte, die ein erhebliches Gefährdungspotential für Mensch und Umwelt aufweisen. Zudem droht eine weitgehende Monopolisierung von wichtigen Lebensgrundlagen.
Es droht zudem eine umfassende Beeinflussung von Wissenschaft, Behörden und öffentlicher Meinung. Schon jetzt ist u. a. auf der Grundlage von Patentanträgen und Lizenzverträgen erkennbar, dass sich Wissenschaft und Wirtschaft immer stärker in Richtung gemeinsamer ökonomischer Interessen entwickeln.
Die Verwertungsabsicht, die durch die Patente zum Ausdruck kommt, findet auf der Seite der Zivilgesellschaft kein auch nur annähernd ausreichendes Gegengewicht. „Baysanto“ wird diese bestehenden einseitigen Machtstrukturen und Pfade der Einflussnahme weiter verstärken.
Es wird unter diesen Bedingungen immer schwieriger, den notwendigen gesellschaftlichen Diskurs zu führen, in dem es nicht nur um Risiken für Investoren, sondern auch um die Risiken für Mensch und Umwelt geht. Bisher scheint die Politik weitgehend unfähig, diese Bedrohung der Grundlagen unserer „Risiko-Gesellschaft“ ausreichend zu analysieren und steuernd einzugreifen.

[Monsanto-Tribunal] Urteil Monsanto-Tribunal

CBG Redaktion
Presse-Information vom 19.04.17 Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG)

MONSANTO-Tribunal setzt BAYER unter Druck

Schwere Vorwürfe gegen MONSANTO: BAYER kann sich warm anziehen

Knapp zehn Tage vor seiner Hauptversammlung am 28.04. gerät der BAYER-Konzern durch das Votum des MONSANTO-Tribunals in Erklärungsnot. Die fünf JuristInnen der RichterInnen-Jury, allesamt mit hoher internationaler Reputation, haben in ihrem gestern der Öffentlichkeit präsentierten Rechtsgutachten nachgewiesen, dass sich das Unternehmen MONSANTO, das der Leverkusener Multi schlucken will, über zentrale Übereinkommen der Vereinten Nationen hinweggesetzt hat. Im Mittelpunkt der Kritik des Gremiums steht das Pestizid Glyphosat. Das Tribunal macht dieses Ackergift nicht nur für das Auslösen von Krankheiten, sondern auch für Schädigungen des Wassers und des Bodens verantwortlich, was klar und schwer gegen UN-Leitprinzipien wie das Recht auf Gesundheit, das Recht auf Nahrung und das Recht auf eine saubere Umwelt verstößt. Darüber hinaus verurteilten die RichterInnen unter anderem die Einflussnahme des US-amerikanischen Agro-Multis auf die Politik, seinen Versuch, LandwirtInnen Lizenz-Verträge für Saatgut aufzuzwingen sowie seinen Umgang mit der Chemikalie PCB. „Als gäbe es nicht schon genug Kritik an der geplanten Übernahme des weltbekannten US-Verbrecher-Konzerns, zwingt das MONSANTO-Tribunal BAYER jetzt auch noch, sich mit den verheerenden Menschenrechtsverletzungen seines Objekts der Begierde und mit den juristischen Folgen der Rechtsnachfolge auseinanderzusetzen“, stellt Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) fest. Das RichterInnen-Quintett hatte Mitte Oktober 2016 in Den Haag 28 ZeugInnen aus aller Welt angehört und hält es nach der juristischen Auswertung von deren Aussagen für dringend erforderlich, die Menschenrechte besser vor der Geschäftspolitik der Global Player zu schützen sowie angemessene Möglichkeiten zu schaffen, um solche Akteure zur Rechenschaft ziehen zu können. „Diese sehr klaren Schlussfolgerungen werden sowohl für die Kritiker von MONSANTO und der industriellen Landwirtschaft als auch für die Aktionäre von Chemie-Multis, und hier ganz besonders die von BAYER, von Interesse sein“, konstatiert das MONSANTO-Tribunal. Auf der Hauptversammlung des BAYER-Konzerns am 28. April bringt René Lehnherr vom Organisationskomitee des MONSANTO-Tribunals den AktionärInnen und dem Management diese Schlussforderungen zu Gehör. Überdies werden an diesem Tag auch zwei Zeugen des Tribunals erwartet. Der Pestizid-Experte Peter Clausing wird Fragen zum Thema „Glyphosat“ und der Aktivist Miguel Lovera aus Paraguay Fragen zu Risiken und Nebenwirkungen des agro-industriellen Landwirtschaftsmodells in Lateinamerika auf die Tagesordnung setzen. Zudem wird die deutsche Botschafterin des MONSANTO-Tribunals, die grüne Bundestagsabgeordnete Renate Künast, in Bonn präsent sein. „Das Ergebnis des MONSANTO-Tribunals ist eine Botschaft an die UN und an die Unternehmen: Wir sehen, welche Auswirkungen das Handeln von MONSANTO auf die Gesundheit von Menschen hat und welchen Ökozid es verursacht. Wir bleiben dran am Kampf für Gesundheit und Umwelt. Zum Beispiel gleich am 28. April in Bonn aus Anlass der Hauptversammlung von BAYER. Zum Beispiel mit der Frage an die Aktionäre, ob der Kauf von MONSANTO nicht ihren Interessen widerspricht?“, so Künast. Der Leverkusener Multi hatte bereits unmittelbar nach dem MONSANTO-Tribunal erklärt, das Votum der Jury zu ignorieren. Die ZeugInnen-Anhörungen im letzten Herbst verhöhnte der Unternehmenschef Werner Baumann gar als „Schauprozess“ gegen MONSANTO. Axel Köhler-Schnura von der CBG wundert das nicht: „Angesichts des juristischen Gehalts des Votums kann BAYER gar nicht anders, als dem Tribunal die Legitimität abzusprechen. Der Konzern vertreibt nicht nur selber Glyphosat und andere vom Tribunal gegeißelte Produkte, das Management bekennt sich noch dazu – aus puren Profit-Gründen – offensiv zu den Geschäftspraktiken von MONSANTO. Inklusive der umstrittenen Knebelverträge für LandwirtInnen. Der Vorstand kann sich deshalb darauf gefasst machen: Wer das richterliche Gutachten nicht anerkennt, den wird es einholen. Die Hauptversammlung am 28.04. in Bonn wird mit der internationalen Demonstration unter dem Motto „Stop BAYER/Monsanto!“ spannend. Hunderte von KleinaktionärInnen haben der CBG bereits ihre Stimmrechte übertragen. Wir fordern aber weiterhin jeden Kleinaktionär und jede Kleinaktionärin auf, Widerstand zu zeigen und der CBG die Stimmrechte zu übertragen.“ Presse-Kontakt: Jan Pehrke 0211/333911

[Gegenanträge] Gegenanträge HV

CBG Redaktion
Presse-Information vom 13.4.17 Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) Mein Essen zahl ich selbst! (MEZIS)

4 Gegenanträge zur BAYER-Hauptversammlung am 28. April 2017

BAYER muss die MONSANTO-Übernahme stoppen!

Original-Gegenanträge am Ende der Presseerklärung zu: TOP1: Gewinnausschüttung begrenzen TOP2: Nichtentlastung des Vorstands TOP3: Nichtentlastung des Aufsichtsrats TOP4: GegenkandidatInnen zur Wahl zum Aufsichtsrat Zur diesjährigen Hauptversammlung des BAYER-Konzerns hat die Coordination gegen BAYER-Gefahren mehrere Gegenanträge eingereicht. Diese erheben Einspruch gegen die geplante Gewinn-Verwendung, machen alternative Vorschläge zur Besetzung des Aufsichtsrats und plädieren für die Nicht-Entlastung des Vorstands. Nach Ansicht der CBG hat dieser die Verantwortung für die Vermarktung gesundheitsgefährdender Chemikalien und Medikamente und ist deshalb nicht länger tragbar. Auch zur geplanten Übernahme Monsantos hat die Coordination den Antrag gestellt, die Unternehmensführung nicht zu entlasten, weil die Akquisition zahlreiche Gefahren heraufbeschwört. Mit dem avisierten Kauf der US-Gesellschaft schickt BAYER sich nämlich an, der mit Abstand größte Agro-Konzern der Welt zu werden. Käme der Deal vollumfänglich zustande, erreichte BAYER bei den gen-manipulierten Pflanzen einen Marktanteil von weit über 90 Prozent, beim konventionellen Saatgut wären es rund 30 Prozent, bei den Pestiziden ca. 25 Prozent. „Monsanto und BAYER haben es auf der ganzen Welt darauf abgesehen, jedes Glied bei den Wertschöpfungsketten Nahrung und Gesundheit zu kontrollieren. Von herkömmlichem Saatgut über Pestizide bis zu Gentech besteht ihre Strategie in der Schaffung eines neuen multinationalen Mega-Konzerns“, warnt die Aktivistin und Trägerin des alternativen Nobelpreises, Vandana Shiva. Ginge der BAYER-Plan auf, so müssten sich die LandwirtInnen auf höhere Kosten für Saatgut und Pestizide einstellen. Und wie Bauern und Bäuerinnen weniger Auswahl bei ihren Betriebsmitteln hätten, so hätten die VerbraucherInnen weniger Auswahl im Supermarkt. Den Beschäftigten schließlich droht durch den Abbau von Parallel-Strukturen, die Auflagen der Kartellbehörden und Rationalisierungsmaßnahmen zum Abtragen der in Folge des Monsanto-Erwerbs massiv gestiegenen Schuldenlast die Vernichtung ihrer Arbeitsplätze. Überdies hätten die Standort-Städte unter der Transaktion zu leiden, denn in der Vergangenheit hat BAYER seine Einkäufe stets von der Steuer abgesetzt. Damit nicht genug, lässt BAYER keinen Zweifel daran, an der Unternehmenspolitik festhalten zu wollen, die Monsanto zurecht den Beinamen „Evil Empire“ eingebracht hat. So hält der Leverkusener Multi es für legitim, LandwirtInnen Lizenz-Verträge für Saatgut aufzuzwingen und die Gerichte zu bemühen, falls die Bauern und Bäuerinnen es dann wieder aussäen, ohne zu zahlen. „Monsanto hat ein völlig neues Geschäftsmodell etabliert und marktfähig gemacht“, lobt BAYER-Chef Werner Baumann. Sogar die Klagen gegen FarmerInnen rechtfertigt er: „Wenn man ein solches Verhalten als Unternehmen toleriert, entzieht man dem Geschäftsmodell die Basis“. Gegen Glyphosat hat der Vorstandsvorsitzende selbstverständlich ebenfalls nichts. Und dass sich in Indien schon hunderttausende FarmerInnen umgebracht haben, weil sie das teure, aber nur wenig Erträge einbringende Gentech-Saatgut von Monsanto in den Ruin getrieben hat, streitet der Manager schlichtweg ab. „So etwas wird nicht dadurch wahr, dass NGOs sich gegenseitig bestätigen und in ihrer Kritik noch bestärken“, meint Baumann. „Dieser Zynismus spricht Bände“, hält Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der CBG fest. „Bei dem Deal geht es einzig und allein um Profit. Weil der Agrar-Markt kriselt, kann die Branche ihre Renditen nicht durch eine Erschließung neuer Absatz-Gebiete und einer damit verbundenen Ausweitung der Produktion erhöhen. Auch Programme zur Effizienz-Steigerung bringen ihr zu wenig. Also drängen Blackrock und andere große Vermögensverwalter BAYER & Co. zu Fusionen und Übernahmen, um die bei solchen Operationen immer viel beschworenen ‚Synergie-Effekte’ zu generieren“, so der Diplom-Kaufmann. Während Monsanto wenigstens die Zustimmung seiner AktionärInnen zu der Transaktion einholte, spart sich BAYER das. Vandana Shiva, deren Initiative Navdanya die Proteste und Aktionen rund um die BAYER-Hauptversammlung mit vorbereitet, kritisiert dieses Verhalten und redet den Aktien-HalterInnen ins Gewissen. „Und BAYER befragt seine Aktionäre nicht einmal zur Monsanto-Übernahme. Ich appelliere daher an die AktionärInnen, den Vorstand mit ihrer Stimme nicht zu entlasten, sondern stattdessen den Antrag der Coordination gegen BAYER-Gefahren zu unterstützen!“ Ob diese Übergehung der AnteilseignerInnen überhaupt dem Aktien-Recht entspricht, bezweifeln ExpertInnen wie Christian Strenger. Als „juristisch umstritten“ bezeichnete er in einem Beitrag für die Faz ein solches Vorgehen und verwies dabei auf die Fachliteratur, die der Hauptversammlung bei Entscheidungen von großer finanzieller Tragweite „eine ungeschriebene Zuständigkeit“ zuschreibe. „Wer den mündigen Aktionär will, sollte ihn also in seiner Rolle als Eigentümer und Risiko-Träger gerade bei Mega-Fusionen ernst nehmen“, rät Strenger deshalb. Und dies gilt umso mehr, als der BAYER-Konzern seine AktionärInnen in Sachen „Monsanto“ explizit vorwarnt zahlreiche mit dem Deal verbundende Unwägbarkeiten aufführt wie etwa „das Risiko, dass die Parteien die von der beabsichtigten Transaktion erwarteten Synergien und Effizienz-Steigerungen nicht innerhalb des erwarteten Zeitraums (oder überhaupt nicht) erzielen“ oder „dass die Integration von Monsanto schwieriger, zeitaufwendiger oder teurer verläuft als erwartet“. „Aber von Risiken für Mensch, Tier und Umwelt spricht der Vorstand selbstverständlich nicht. Diese sind ihm schlicht egal – uns aber nicht! Darum haben wir zur Hauptversammlung ein breites Protest-Bündnis gegen die Monsanto-Übernahme geschlossen, dass auch über den 28. April hinaus Bestand haben wird“, so Axel Köhler-Schnura abschließend. Presse-Kontakt: Jan Pehrke (CBG) 0211/333911 Jan Salzmann (MEZIS) 0241/508074 Zu den Demonstrationen und Aktionen zur BAYER-Hauptversammlung 2017 hier mehr

Hier die vier Original-Gegenanträge

13. April 2017 Hauptversammlung am 28. April 2017 Hiermit zeigen wir an, dass wir zum Punkt 1 der Tagesordnung den Vorschlägen des Vorstands und des Aufsichtsrats widersprechen und die anderen AktionärInnen veranlassen werden, für den folgenden Gegenantrag zu stimmen.

Gegenantrag zu TOP 1:

Verwendung des Bilanz-Gewinns

Wir beantragen die Kürzung der Dividende auf 10 Cent je Aktie. Die frei werdenden Gelder sollen verwendet werden: - für Erhalt und Schaffung sicherer Arbeitsplätze und für die Zahlung sozial gerechter Löhne; - für einen Fonds zum angemessenen Ausgleich von Schäden, die infolge der Geschäftstätigkeit an Mensch und Umwelt eingetreten sind; - für den umfassenden ökologischen und sozialen Umbau des Konzerns ohne doppelte Standards. - und schließlich für die Zahlung von Wiedergutmachungen für die Verbrechen von BAYER und des von BAYER mitbetriebenen IG FARBEN-Zusammenschlusses an die Opfer bzw. an deren Angehörige und Nachkommen. Es sei angemerkt, dass wir durchaus auch den völligen Verzicht auf jede Dividendenausschüttung im Sinne der erläuterten Sozial-, Menschenrechts- und Ökologie-Leistungen beantragen würden, doch nach der Lage der Gesetze ist das nicht möglich. Für den Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren e. V. Jan Pehrke / Axel Köhler-Schnura

Gegenantrag zu TOP 2:

Der Vorstand wird nicht entlastet

Wir beantragen die Nichtentlastung des Vorstands.

Begründung:

BAYER will MONSANTO übernehmen und damit zum mit Abstand größten Agro-Konzern der Welt werden, der wichtige Glieder der Nahrungsmittel-Kette kontrolliert. Das hätte schlimme Konsequenzen für die Welternährung. Die LandwirtInnen müssten mehr für Pestizide und andere Betriebsmittel zahlen und hätten überdies weniger Auswahl. Der schrumpfenden Sorten-Vielfalt geschuldet, ständen sich auch die VerbraucherInnen in den Lebensmittel-Läden einem schrumpfenden Angebot gegenüber. Zudem würde die Transaktion der Industrialisierung der Landwirtschaft mit all ihren negativen Folgen für Mensch, Tier und Umwelt weiter Vorschub leisten. Arbeitsplatzvernichtungen und niedrigere Steuer-Zahlungen seitens BAYERs sind ebenfalls zu befürchten. Da der Aufsichtsrat der Akquisition trotz allem zugestimmt hat, ist ihm die Zustimmung zu verweigern. Die Geschäftszahlen von 2015 zugrunde gelegt, erzielen die Landwirtschaftssparten von BAYER und MONSANTO zusammen einen Umsatz von 23,1 Milliarden Dollar. Damit kann niemand aus der Branche mithalten. Bei den Pestiziden erreichen BAYER und MONSANTO zusammen einen Marktanteil von rund 25 Prozent, beim Saatgut für gentechnisch veränderte und konventionelle Ackerfrüchte einen von rund 30 Prozent. Allein die Gen-Pflanzen betrachtet, erlangen die beiden Konzerne vereint mit weit über 90 Prozent sogar eine Monopol-Stellung. Der Deal hat jedoch noch weitere Risiken und Nebenwirkungen. „Der Merger wird den Landwirten wehtun“, sagt Jim Benham von der Indiana Farmers Union: „Je mehr Konsolidierung wir bei den Anbietern unserer Betriebsmittel haben, desto schlimmer wird’s.“ Der Chef von BAYER Cropscience, Liam Condon, schloss gegenüber der New York Times weitere Preis-Steigerungen dann auch gar nicht erst aus. Allerdings versicherte er scheinheilig, der Konzern würde den FarmerInnen dafür in jedem Fall einen Mehrwert bieten. Überdies reduziert die Übernahme die Produkt-Vielfalt bei Saatgut und Pestiziden. Die oligopol-artigen Strukturen haben jetzt schon einen riesigen Innovationsstau mit sich gebracht, und die neue Übersichtlichkeit dürfte die Malaise noch verstärken. BAYERs Glufosinat oder MONSANTOs Glyphosat haben schon über 40 Jahre auf dem Buckel. Deshalb trotzen immer mehr Unkräuter diesen Substanzen. Den LandwirtInnen bleibt so nichts anderes übrig, als die Gift-Dosis zu erhöhen. Und BAYER leugnet diesen Tatbestand keineswegs. „Seit über 25 Jahren hat die weltweite Pflanzenschutz-Industrie kein wirtschaftlich bedeutendes Herbizid mit neuem Wirkmechanismus mehr für Flächen-Kulturen entwickelt und auf den Markt gebracht – unter anderem eine Folge der Konsolidierung der Industrie, die mit einer deutlichen Reduktion der Forschungsaufwendungen für neue Herbizide einherging“, so der BAYER-Forscher Dr. Hermann Stübler. Unter der zunehmenden Konzentration auf dem Agro-Markt hätten auch die Verbraucherinnen zu leiden, denn sie geht mit weniger Auswahl bei den Lebensmitteln einher. Und die Beschäftigten von MONSANTO und BAYER müssen sich ebenfalls auf härtere Zeiten einstellen. Der Vorstand hat die Synergie-Effekte des Deals auf 1,5 Milliarden Dollar taxiert, und das geht mit Arbeitsplatz-Vernichtungen einher. So kündigte der Cropscience-Chef Liam Condon schon einmal die Schließung von Labors im US-amerikanischen Cropscience-Headquarter an, das in North Carolinas „Triangle Research Park“ liegt. Zusätzliche Stellen-Streichungen im Konzern sind durch die Auflagen der Kartell-Behörden zu erwarten: Der Vorstand selbst rechnet damit, sich von Geschäften in einem Umfang von bis zu 2,5 Milliarden Dollar trennen zu müssen. Diese konservative Schätzung könnte jedoch übertroffen werden. Damit nicht genug, entsteht zusätzlicher Druck auf die Belegschaft durch die hohen Schulden, die BAYER sich in Sachen „MONSANTO“ aufgebürdet hat. Das Abstoßen von Unternehmensteilen zur Erweiterung der finanziellen Spielräume hat BAYER nur für die Bundesrepublik ausgeschlossen. Darüber hinaus drohen den Belegschaftsangehörigen mit Rationalisierungsmaßnahmen verbundene Spar-Programme zur Kosten-Senkung. Die Standort-Städte müssen sich ebenfalls auf so einiges gefasst machen. Ihnen ist die letzte Einkaufstour BAYERs noch in denkbar schlechter Erinnerung. Unmittelbar nach dem Kauf der Merck-Sparte mit den nicht rezeptpflichtigen Arzneien hatte der Konzern nämlich verkündet: „BAYER rechnet ab dem ersten Jahr nach dem Vollzug mit signifikanten Steuer-Einsparungen.“ Trotz all dieser negativen Folgen der MONSANTO-Übernahme betreibt der Vorstand die Transaktion. Damit ist er seiner Verantwortung nicht gerecht geworden. Deshalb ist ihm die Entlastung zu verweigern. Um Mitteilung dieses Gegenantrags sowie der Begründung bitten wir gemäß §§ 125, 126 AktG. Die Aktionärinnen und Aktionäre werden gebeten, ihre Stimmrechte der Coordination gegen BAYER-Gefahren zu übertragen. Für den Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren e. V. Jan Pehrke / Axel Köhler-Schnura

Gegenantrag zu TOP 3:

Der Aufsichtsrat wird nicht entlastet

Wir beantragen die Nichtentlastung des Aufsichtsrats.

Begründung:

BAYER vertreibt zahlreiche Produkte, die hormon-ähnlich wirken und deshalb die Gesundheit schädigen. Das Vorhaben der EU, diese Stoffe aus dem Verkehr zu ziehen, versuchte der Konzern durch massive Lobby-Arbeit zu hintertreiben. Diese Geschäftspolitik ist verantwortungslos. Darum ist dem Vorstand die Entlastung zu verweigern. Hormone sind die Botenstoffe des Körpers. Sie erfüllen damit eine wichtige Aufgabe in seinem Regulationssystem. Die biochemischen Substanzen steuern beispielsweise das Knochenwachstum, den Zucker- und Fettstoffwechsel, die Verdauung und die Sexualentwicklung. Stört nun etwas die Signal-Übertragung, so kommen falsche Botschaften an, was die Abläufe gehörig durcheinanderwirbelt. Und als solche „Störer“ – sogenannte endokrine Disruptoren (EDs) – hat die Wissenschaft seit einiger Zeit bestimmte Chemikalien ausgemacht. Viele dieser Substanzen gleichen in ihrem Aufbau nämlich Hormonen und haben deshalb ein beträchtliches Irritationspotenzial. Die mögliche Folge: Krankheiten wie Krebs, Diabetes, Fettleibigkeit, Dysfunktionen des Nerven- und Immunsystems sowie Herz-, Leber- und Gebärmutter-Leiden. BAYER hat eine ganze Menge dieser Stoffe im Angebot. Und manche davon, wie etwa das Antiraupen-Mittel RUNNER, sollen sogar hormonelle Effekte entfalten. Es zählt nämlich zu den Insekten-Wachstumsregulatoren, die der europäische Lobbyverband der Agro-Riesen, die „European Crop Protection Association“ (ECPA), wie folgt beschreibt: „Pheromone und Insekten-Wachstumsregulatoren werden im Pflanzenschutz speziell wegen ihrer Wirkungsweise als endokrine Disruptoren eingesetzt, um den Fortpflanzungsprozess zu stören oder den Lebenszyklus der Insekten zu verkürzen.“ Bei anderen Agro-Giften des Konzerns fällt die Beeinträchtigung des Hormonsystems hingegen eher in die Rubrik „Risiken und Nebenwirkungen“. Dies ist auch bei den anderen Substanzen mit hormon-ähnlichen Eigenschaften aus der Produktpalette BAYERs der Fall, wie z. B. bei Weichmachern oder der Industrie-Chemikalie Bisphenol A, von welcher der Konzern allein im Jahr 2011 rund 1,2 Millionen Tonnen herstellte. Bereits seit den 1990er Jahren warnen WissenschaftlerInnen vor den Gefahren, die durch endokrine Disruptoren drohen. Die Politik erkannte allerdings erst in der Dekade nach dem Jahrtausendwechsel Handlungsbedarf. Bis Ende 2013 wollte die Europäische Kommission genaue Kriterien zur Bestimmung der EDs entwickeln. Dies rief jedoch BAYER auf den Plan. Mit allen möglichen Mitteln versuchte der Konzern, in Brüssel Einfluss auf die Entscheidung zu nehmen und eine möglichst industrie-freundliche Lösung zu erwirken. So schrieb das Unternehmen im Juni 2013 einen Brief an die stellvertretende Generalsekretärin der EU-Kommission, Marianne Klingbeil, auf. „Die DG ENV (= Generaldirektion Umwelt) favorisiert gegenwärtig ein Konzept, welches durchgängig auf der Basis des Vorsorge-Prinzips konstruiert worden ist (Hazard assessment). Dies bedeutet eine fundamentale Abkehr von den Prinzipien der Risiko-Bewertung und wird in Konsequenz weitreichende, gravierende Auswirkungen auf die Chemie-Branche und Agrar-Industrie (vor allem wegen der bei Pflanzenschutzmitteln angewandten Cut-off-Kriterien, die einen Verlust der Zulassung bedingen), nach sich ziehen“, zeigte sich BAYER alarmiert. Mehr als 37 Pestizide sieht er von einem Verbot bedroht. Allein der Bann der Antipilz-Mittel aus der Gruppe der Triazolewürde zu einem Produktivitätsrückgang von 20 Prozent und zu Ernte-Verlusten bis zu 40 Prozent führen, rechnete das Unternehmen unter Bezugnahme auf zwei Studien vor. Und dieser ganze Lobbyismus von Seiten BAYERs und anderer Chemie-Multis zeigte Wirkung. Die von der EU nach langer Verzögerung im Juni 2016 schließlich vorgestellten Kriterien zur Bestimmung der EDs entsprechen weitgehend den Vorstellungen der Industrie. Dementsprechend hart fiel das Urteil seitens der Umweltverbände und der Fachwelt aus. „Das Vorsorge-Prinzip wird durch die Vorschläge mit Füßen getreten“, konstatiert etwa das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN). Hätte ursprünglich der Beleg einer hormon-schädlichen Eigenschaft für eine Regulierung ausgereicht, so müsse nun die Relevanz eines schädlichen Effekts beim Menschen tatsächlich nachgewiesen sein, moniert die Initiative. Als „ganz im Sinne der Pestizid- und Chemie-Industrie“ ausgefallen kritisiert PAN deshalb die Vorschläge der EU-Kommission zur Definition der EDs. Die Verantwortung für das In-Verkehr-Bringen und -Halten der gesundheitschädlichen endokrinen Disruptoren trägt neben dem Vorstand der Aufsichtsrat. Darum ist ihm die Entlastung zu verweigern. Um Mitteilung dieses Gegenantrags sowie der Begründung bitten wir gemäß §§ 125, 126 AktG. Die Aktionärinnen und Aktionäre werden gebeten, ihre Stimmrechte der Coordination gegen BAYER-Gefahren zu übertragen. Für den Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren e. V. Jan Pehrke / Axel Köhler-Schnura

Gegenantrag zu TOP 4:

Wahlen zum Aufssichtsrat

Wir lehnen die vom Aufsichtsrat zur Wahl vorgeschlagenen KanidatInnen ab und schlagen vor, stattdessen mit Wirkung ab Beendigung der ordentlichen Hauptversammlung 2017 als Mitglieder des Aufsichtsrats zu wählen: a) Brigitte Hincha, Erzieherin ehrenamtlich im Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren b) Axel Köhler-Schnura, Dipl. Kfm. ehrenamtlich im Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren c) Jan Pehrke, Journalist ehrenamtlich im Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren d) Uwe Friedrich, Stadtplaner ehrenamtlich im Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren d) Christiane Schnura, Dipl. Soz. Päd. Deutschland-Koordinatorin der Internationalen Kampagne für Saubere Kleidung Und zwar jeweils für die Zeit bis zur Beendigung der Hauptversammlung, die über ihre Entlastung für das Geschäftsjahr 2021 beschließt. Um Mitteilung dieses Gegenantrags bitten wir gemäß §§ 125, 126 AktG. Die Aktionärinnen und Aktionäre werden gebeten, ihre Stimmrechte der Coordination gegen BAYER-Gefahren zu übertragen. Für den Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren e. V. Jan Pehrke / Axel Köhler-Schnura

[Monsanto] Der MONSANTO-Marathon

CBG Redaktion

Imperium & Weltmacht

Die Mühen der Ebenen

Der MONSANTO-Marathon

Der BAYER-Konzern kommt nach eigener Aussage mit seiner MONSANTO-Übernahme gut voran. Um das Verfahren noch einmal zu beschleunigen, machte er dem neuen US-Präsidenten Donald Trump seine Aufwartung und versprach dem Politiker Arbeitsplätze in die Hand. Trotzdem sieht sich die Akquisition noch mit so einigen Hindernissen von Seiten der Kartell-Behörden konfrontiert. Und auch der Widerstand von Gruppen und Initiativen aus der ganzen Welt gegen die Transaktion nimmt zu.

Von Jan Pehrke

Der BAYER-Konzern hat sich in seiner über 150-jährigen Geschichte noch immer mit den Zeitläufen arrangiert, um sein auf Profit ausgerichtetes Geschäftsmodell nicht zu gefährden. Ob Kaiserreich, parlamentarische Demokratie oder Faschismus, ob Friedens- oder Kriegszeit – immer fand das Unternehmen Mittel und Wege, ökonomischen Nutzen aus der jeweiligen historischen Konstellation zu ziehen. Im „Dritten Reich“ ging das sogar so weit, in der Nähe von Auschwitz ein eigenes KZ zu unterhalten und daraus ZwangsarbeiterInnen zu rekrutieren.
Da gibt es dann auch keine Berührungsängste mit Donald Trump – schließlich hatte sich der Global Player dem neuen US-Präsidenten schon durch eine Wahlkampf-Hilfe für die Republikaner in Höhe von 433.000 US-Dollar empfohlen (SWB 1/17). Und so machte BAYER-Chef Werner Baumann dem Politiker am 11. Januar 2017 persönlich seine Aufwartung, um ihm den Plan des Leverkusener Multis, MONSANTO zu übernehmen, näherzubringen. Dabei hatte er mit Hugh Grant auch den Boss des Agro-Riesen aus St. Louis im Schlepptau, dem bei diesem Plausch die undankbare Rolle zufiel, die Wonnen der Unselbstständigkeit zu bekunden. Womit die beiden Trump betören konnten, wussten sie ganz genau, hatte dieser doch zuvor schon einige Konzern-Herren mit Forderungen nach US-Jobs zur Ordnung gerufen. Darum lieferten Baumann und Grant. „Die Vereinigten Staaten sind im Landwirtschaftsbereich global führend, und die Kombination von BAYER und MONSANTO wird diese Rolle unterstreichen und sicherstellen, dass die USA ihre hervorgehobene Stellung als Anker dieser Industrie behalten“, hieß es in einem gemeinsamen Statement der Firmen. Forschungsausgaben von acht Milliarden Dollar binnen der nächsten sechs Jahre in dem Land kündigten die Manager an und beschrieben das als Investitionen in „Innovationen und Menschen“. Mehrere Tausend gut bezahlte Hightech-Arbeitsplätze versprachen Baumann und Grant.

„Trumps Anbiederer“
Auf diese Weise kam BAYER zu der zweifelhaften Ehre, als erstes deutsches Unternehmen den knapp bemessenen Platz der bevorzugten Kommunikationsform Trumps, der Twitter-Nachricht, erobert zu haben. „Die BAYER AG hat nach dem Treffen mit dem gewählten Präsidenten Donald Trump Investments und das Schaffen von mehr US-Jobs zugesichert, als letztes Unternehmen einer ganzen Reihe“, setzte der Politik-Novize ab. Ein „unwürdiges Spektakel“ nannte die FAZ diese Wirtschaftsdiplomatie von BAYER und anderen Gesellschaften daraufhin. „Seit der Wahl lassen sich reihenweise Unternehmen zu vermeintlich großen Ankündigungen hinreißen, um dem neuen Präsidenten zu gefallen“, kritisierte die Zeitung unter der Überschrift „Trumps Anbiederer“. Die Risiken und Nebenwirkungen beschrieb das Blatt ein paar Zeilen später: „Sie nehmen es in Kauf, dass er ihre Zusagen als Ergebnis seines Verhandlungsgeschicks darstellt, auch wenn es nicht stimmt. Sie helfen ihm, Twitter-Interventionalismus als erfolgreiche Wirtschaftspolitik erscheinen zu lassen. Sie lassen sich vor den Karren eines Präsidenten spannen, der in seiner Antrittsrede ein Zeitalter des neuen Protektionismus ausgerufen hat.“
Wohlweislich sprach die Frankfurter Allgemeine von „vermeintlich großen Ankündigungen“, denn Baumann hatte Trump nichts Neues erzählt. So räumte er bei der Bilanz-Pressekonferenz am 22. Februar 2017 dann auch ein: „Wir haben keine Versprechungen gemacht, die über das hinausgehen, was wir im September bei der Bekanntgabe der Transaktion gesagt haben.“ Trotzdem befürchtete der BAYER-Betriebsrat, das Job-Versprechen des Vorstandsvorsitzenden im Zuge seiner transatlantischen Charme-Offensive würde auf Kosten bundesdeutscher Arbeitsplätze gehen. „Wir erwarten (...) vom BAYER-Vorstand, dass er die Zusagen einhält, die er der Belegschaft im Mai bezüglich Kündigungsschutz und Standort-Sicherung gemacht hat“, erklärte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Oliver Zühlke. Aus ganz anderen Gründen beurteilten einige WirtschaftsexpertInnen die Arbeitsplatz-Zusagen des BAYER-Chefs skeptisch. „Ein Unternehmen, das nach einer Akquisition mehr Beschäftigte braucht, suggeriert, dass der Deal ineffizient ist (...) Der Aufbau von Stellen würde ein Grund sein, den Deal zu verhindern statt ihn zu befördern“, schrieb etwa der Kartellrechtsprofessor John M. Newman.
Die eigentliche Zielgruppe von Baumanns Aktion, die Finanzmarkt-AkteurInnen, urteilten erwartungsgemäß positiver über das Treffen. „Mission erfüllt“ hieß es in diesen Kreisen. „Die BAYER AG (...) scheint dem Deal festeren Boden verschafft zu haben, indem sie Präsident Trump Investitionen und den Erhalt von amerikanischen Jobs zusicherte, gab MarketWatch die Ansicht von InvestorInnen und AnalystInnen wieder. Einer allerdings glaubte schon viel früher an die Sache: Warren Buffet. Der nach Bill Gates zweitreichste Mann der Welt hatte über seine Firma BERKSHIRE HATHAWAY bereits im September 2016 mehr als 800 Millionen Dollar in MONSANTO-Aktien gesteckt.
Sicherheitshalber engagierte der Leverkusener Multi aber noch vier neue KommunikationsberaterInnen für die Pflege der politischen Landschaft in den USA und zwangsverpflichtete MONSANTO, bei den PR-Maßnahmen mitzumachen. Und so musste dann der Konzern, der sich Jahrzehnte lang konsequent vor der Öffentlichkeit abgeschottet hatte und sogar sorgfältig darauf achtete, im Internet keine Bilder von seiner Firmen-Zentrale in St. Louis kursieren zu lassen, auf einmal JournalistInnen die Türen öffnen und Image-Pflege betreiben. Mit warmen Worten wie „Ich finde es toll, dass ich jetzt von meiner Arbeit erzählen darf“, begrüßten die ForscherInnen jetzt die ReporterInnen. „Wir tun viele gute Dinge und den Leuten, die hier arbeiten, liegt die Menschheit wirklich sehr am Herzen. Trotzdem werden wir verteufelt“, klagten sie und bemühten sich redlich, eine andere Seite von MONSANTO zu zeigen. Wie sehr ihnen die Menschheit am Herzen liegt, demonstrierten die WissenschaftlerInnen unter anderem mit ihrer Arbeit an einer Zwiebel, die beim Schneiden nicht mehr auf die Tränendrüse drückt. Aber da die beiden Unternehmen den 66-Milliarden-Dollar-Deal mit Vorliebe als ein Projekt vermarkten, das sich als eine Art börsennotierter Welthungerhilfe versteht, setzte sich der US-Gigant bei den Lokalterminen vor allem als Entwicklungshelfer in Szene, den nichts so sehr umtreibt, als die Ernährungsprobleme der Menschheit zu lösen.
Jenseits solcher publizistischen Nebelkerzen lässt BAYER jedoch keinen Zweifel daran, an der Unternehmenspolitik festhalten zu wollen, die MONSANTO zurecht den Beinamen „Evil Empire“ eingebracht hat. So hat der Leverkusener Multi gar nichts dagegen, LandwirtInnen Lizenz-Verträge für Saatgut aufzuzwingen und die Gerichte zu bemühen, falls die Bauern und Bäuerinnen es dann wieder aussäen, ohne zu zahlen. „MONSANTO hat ein völlig neues Geschäftsmodell etabliert und marktfähig gemacht“, lobt Baumann. Selbst die Klagen gegen FarmerInnen rechtfertigt er: „Wenn man ein solches Verhalten als Unternehmen toleriert, entzieht man dem Geschäftsmodell die Basis. MONSANTO hat nur seine Rechtsposition verteidigt“. Gegen Glyphosat hat der Große Vorsitzende ebenfalls nichts. „Ein sehr gutes und auch gut erforschtes Herbizid von MONSANTO, das auch weiterhin seine Daseinsberechtigung haben wird“, befindet er. Gegenteilige Einschätzungen, etwa als krebserregendes Pestizid, seien nicht auf wissenschaftlicher Basis erfolgt, so der Ober-BAYER im Interview mit Die Zeit. Und dass sich in Indien schon hunderttausende FarmerInnen umgebracht haben, weil sie das teure, aber nur wenig Erträge einbringende Gentech-Saatgut von MONSANTO in den Ruin getrieben hat, streitet der Manager schlichtweg ab. „So etwas wird nicht dadurch wahr, dass NGOs sich gegenseitig bestätigen und in ihrer Kritik noch bestärken“, meint er.
Gelänge die Übernahme, so hätte das neue Konstrukt die Möglichkeit, solche Praktiken mit noch mehr Markt-Macht durchzusetzen. Die Geschäftszahlen von 2015 zugrunde gelegt, erzielen die Landwirtschaftssparten von BAYER und MONSANTO zusammen einen Umsatz von 23,1 Milliarden Dollar. Damit kann niemand aus der Branche mithalten. Bei den Pestiziden erreichen BAYER und MONSANTO zusammen einen Marktanteil von rund 25 Prozent, beim Saatgut für gentechnisch veränderte und konventionelle Ackerfrüchte einen von rund 30 Prozent. Allein die Gen-Pflanzen betrachtet, erlangen die beiden Konzerne vereint mit weit über 90 Prozent sogar eine Monopol-Stellung. Und diese hofft Werner Baumann vor allem in China nutzen zu können, wenn das Reich der Mitte im Zuge des SYNGENTA-CHEMCHINA-Deals wie erwartet seinen Widerstand gegen die Laborfrüchte aufgeben wird. Zudem hätte der Leverkusener Multi durch die Akquisition Zugriff auf das riesige Reservoir an Pflanzen-Saaten, das MONSANTO zusammengetragen hat, und wäre so imstande, Mutter Natur tüchtig in die Parade zu fahren. Der Leverkusener Multi aber möchte von diesen Befürchtungen nichts wissen. Er streitet schlichtweg ab, durch die Übernahme eine dominante Position zu erlangen. „Es wird weiterhin intensiven Wettbewerb in der Branche geben“, meint der BAYER-CROPSCIENCE-Leiter Liam Condon.

EU will genau prüfen
Die Kartell-Behörden, denen die Genehmigung der Transaktion obliegt, scheinen daran so ihre Zweifel zu haben. Nicht zuletzt deshalb zeigt sich Werner Baumann zwar zuversichtlich: „Bei der vereinbarten Übernahme von MONSANTO kommen wir gut voran“, appelliert aber doch schon mal vorsorglich an die Geduld seiner AktionärInnen: „Die Übernahme von MONSANTO ist kein Sprint, sondern ein Marathon.“ Und es liegen so einige Hindernisse auf der Strecke, die Umwege erfordern. In den USA, wo das Prüfverfahren schon läuft, sieht sich der Konzern beispielsweise schon gezwungen, mehr Geschäftsbereiche abzugeben, als zunächst geplant. Hatte er ursprünglich einkalkuliert, sich von einem Sortiment in einem Umfang von bis zu 1,6 Milliarden Dollar Umsatz trennen zu müssen, um die Kartell-WächterInnen gnädig zu stimmen, so ist der Multi in seiner Rechnung nun bereits bei 2,5 Milliarden angelangt.
In Brüssel kam der Konzern bei seinem Marathon-Lauf nicht einmal aus den Startblöcken. Die Wettbewerbsbehörde der Europäischen Union hat Anfang 2017 die Annahme des BAYER-Antrags verweigert, weil wichtige Unterlagen fehlten. Der weitere Ablauf dürfte ebenfalls nicht störungsfrei verlaufen, wie die ManagerInnen von SYNGENTA, CHEMCHINA, DOW und DUPONT schon zu erfahren hatten. Da kommt also so einige Arbeit auf Volker Koch-Achelpöhler zu, den der Leverkusener Mulit im Februar 2017 zu seinem neuen Chef-Lobbyisten in EU-Angelegenheiten bestallte. Der EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis kündigte jedenfalls schon einmal an, die Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager werde sich auch BAYSANTO „sehr, sehr genau ansehen“. Bereits unmittelbar nach Bekanntgabe des Deals hatte die sozial-liberale Politikerin aus Dänemark klargestellt, dafür Sorge tragen zu wollen, „dass die Landwirte und Verbraucher die Auswahl zwischen verschiedenen Saaten haben und sie nicht einem einzigen Produzenten und einer einzigen Art von Pestiziden gegenüberstehen“.
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) schaltete sich zugleich in den Prozess ein. Sie forderte Vestager in einem Offenen Brief auf, sich nicht in einer kleinteiligen Prüfung des MONSANTO-Kaufs und der anderen Deals zu ergehen und die Vorgänge jeweils bloß mit der Auflage, sich von einigen Geschäften zu trennen, abzuschließen, sondern die Transaktionen schlichtweg zu verhindern. In dem Schreiben, das die Coordination gemeinsam mit der schweizer Initiative „Brot für alle“ verfasste, welche die Übernahme von SYNGENTA durch CHEMCHINA zu stoppen sucht, heißt es unter anderem: „Bereits heute beherrschen sechs transnationale Konzerne die Weltmärkte für Pestizide und Saatgut. Nach Abschluss der geplanten drei Fusionen wären es noch vier. Deren Marktbeherrschung und Kontrolle über das Ernährungssystem wäre immens. Sollten alle Übernahmen zustande kommen, würden die betreffenden drei Firmen über 65 Prozent des globalen Pestizid-Markts und fast 61 Prozent des kommerziellen Saatgutmarkts beherrschen. Bei einzelnen Nutzpflanzen und Pestiziden wäre die Konzentration noch weitaus größer.“ Und die Wettbewerbskommissarin fand in ihrem Briefkasten überdies nicht nur diesen Offenen Brief, sondern auch ähnliche Appelle von BÜNDNIS 90/Die Grünen, FIAN und FRIENDS OF THE EARTH EUROPE. Und das MONSANTO-Tribunal, das im letzten Herbst 29 ZeugInnen zu den Machenschaften der US-Firma vernahm (SWB 1/17) und seine Schlussfolgerungen daraus der Öffentlichkeit am 18. April präsentieren will, sandte ebenfalls Post in die belgische Hauptstadt. Es forderte Margrethe Vestager – mit Durchschlag an den Leverkusener Multi – in einer Eingabe auf, „sicherzustellen, dass BAYER im Falle einer Übernahme die volle juristische Verantwortung übernimmt“ für das, was MONSANTO in den letzten Jahren so verbrochen hat.
Allein auf dem kleinen Dienstweg in Brüssel dürfte die neueste Konzentrationswelle im Landschaftsbereich aber kaum zu stoppen zu sein. Darum gab es in den letzten Monaten noch eine Vielzahl von Aktionen auf der Straße gegen das BAYER-Vorhaben. Am 11. Oktober demonstrierten LandwirtInnen mitsamt ihrer Schweine vor dem BAYER-Stammsitz in Leverkusen gegen den Deal. Drei Wochen später statteten AktivistInnen der Initiative EZLN der Niederlassung des Leverkusener Multis im belgischen Diegem einen Besuch ab und gestalteten die Eingangshalle mit etwas Laub, Erde und Geäst um. Und am 18. Januar 2017 fanden sich LandwirtInnen, ImkerInnen und andere AktivistInnen vor der Berliner BAYER-Zentrale ein und forderten: „BAYER und MONSANTO – bleibt uns vom Acker.“ Auch die „Wir haben es satt“-Demonstration drei Tage später schrieb sich diese Parole auf die Fahnen.
Kulminieren werden diese Proteste aber bei der BAYER-Hauptversammlung, die am 28. April im Bonner „World Conference Center“ (WCCB) stattfindet. Schon am Tag zuvor ist in der Kölner Universität eine Diskussionsrunde zum Weltagrarmarkt mit TeilnehmerInnen wie dem Träger des Alternativen Nobelpreises, Nnimmo Bassey und dem nordrhein-westfälischen Umweltminister Johannes Remmel angesetzt. Und beim AktionärInnen-Treffen selbst muss der Agro-Riese sich vor und in der Halle auf einiges mehr gefasst machen als in den letzten Jahren ...

[Proteste 28.4.] Wir wollen Demokratie statt Konzernmacht!

CBG Redaktion

Presse-Information vom 22.02.2017

Coordination gegen BAYER-Gefahren e. V.
Navdanya International
IFOAM – Organics International: Weltweiter Dachverband für biologischen Landbau

Bündnis kündigt für den 28. April Proteste gegen BAYERs MONSANTO-Deal an

Wir wollen Demokratie statt Konzernmacht!

Ein breites Bündnis nimmt die BAYER-Hauptversammlung am 28. April zum Anlass für Protest-Aktionen gegen die geplante MONSANTO-Übernahme. Während der Leverkusener Multi am heutigen Mittwoch seine Bilanz für das Geschäftsjahr 2016 präsentiert und seinen Investoren den MONSANTO-Deal als gute Geld-Anlage präsentiert, macht ein Netzwerk verschiedener Initiativen gegen das Projekt mobil. Unter dem Motto „BAYER und MONSANTO – Hände weg von unserem Essen!“ kündigt es rund um das AktionärInnen-Treffen Widerstand gegen die Transaktion an.

Wie immer gibt es zur Hauptversammlung Proteste vor der Kölner Messehalle und Reden zur Nicht-Entlastung des Vorstandes auf der AktionärInnen-Versammlung selber. Parallel dazu findet in der Domstadt auch eine Demonstration mit dem einen oder anderen Trecker statt. Zudem plant das Bündnis eine Podiumsveranstaltung in der Kölner Universität. Sogar für Berlin kündigt es eine Kundgebung an. Ob der BAYER-Stammsitz Leverkusen ebenfalls mit Besuch rechnen muss, steht dagegen noch nicht fest.

„Wir wollen gesundes Essen! Aber Pestizide von BAYER und MONSANTO wie z. B. Glyphosat belasten unsere Lebensmittel, es droht Gentechnik durch die Hintertür und LandwirtInnen werden in den Ruin getrieben. Monokultur und Agrar-Industrie – Nein danke!“, erklärt Simon Ernst, Sprecher des „Koordinierungskreises der BAYER/MONSANTO-Demo“.

Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) erwartet infolge des MONSANTO-Erwerbs zudem Arbeitsplatz-Vernichtungen. Überdies sind nach Ansicht Köhler-Schnuras Einnahme-Verluste der Standorte-Städte zu befürchten: „Bisher hat BAYER noch jeden Großeinkauf von der Steuer abgesetzt“. Einzig das ökonomische Gebot, alljährlich die Renditen zu steigern, steht dem Diplom-Kaufmann zufolge hinter den jüngsten Entwicklungen. „Dieser Druck von Seiten der großen Finanzinvestoren wie etwa BLACKROCK treibt das zynische Monopoly-Spiel um das wichtigste Gut der Menschheit – die Ernährung – an.“

Die Organisatoren suchen noch nach Unterstützung für die Aktionen. Und die BesitzerInnen von BAYER-Aktien bittet die CBG um Stimmrechtsübertragungen, damit sie die Vorstandsriege in der Hauptversammlung mit möglichst vielen Beiträgen von Konzern-KritikerInnen konfrontieren kann.

Mehr Infos zu BAYER Monsanto

[Offener Brief] Offener Brief an die EU-Kommission

CBG Redaktion

Düsseldorf und Bern, den 16.2.2017

Margrethe Vestager
European Commission
Rue de la Loi / Wetstraat 200
1049 1049 Brussels
Belgium

Sehr geehrte Frau Vestager,

Wir wenden uns an Sie, weil die Wettbewerbsbehörde der EU in den nächsten Wochen zur geplanten Übernahme von Syngenta durch die chinesische ChemChina Stellung nehmen muss. Zudem stehen mit der Fusion der US-amerikanischen Dow und DuPont und der Übernahme von Monsanto durch Bayer zwei weitere geplante Merger im Agrarsektor vor dem Abschluss. Damit steht eine beispielslose Marktkonsolidierung bevor, die zu einem noch mächtigeren Oligopol führen würde. Die unterzeichnenden Organisationen fordern Sie deshalb auf, diese geplanten Übernahmen und Fusionen in ihrer Gesamtheit zu betrachten und sie aus den unten aufgeführten Gründen abzulehnen. Eine Einzelfallprüfung reicht nicht. Es darf keinesfalls bei ein paar Auflagen an jeweils einzelne der drei entstehenden Firmen bleiben. Bayer und Monsanto beispielsweise haben diese von Anfang an einkalkuliert und sogar schon genau auf einen Umsatz von höchstens 1,6 Milliarden Dollar beziffert. Sie rechnen offenbar damit, sich von Teilen des Baumwoll- und Rapsgeschäfts sowie von weiteren kleinen Bereichen trennen zu müssen1. Damit könnte der umfassenden Dominanz dieser Firmen aber kein Einhalt geboten werden.

Bereits heute beherrschen sechs transnationale Konzerne die Weltmärkte für Pestizide und Saatgut. Nach Abschluss der geplanten drei Fusionen wären es noch vier. Deren Marktbeherrschung und Kontrolle über das Ernährungssystem wäre immens. Sollten alle Übernahmen zustandekommen, würden die betreffenden drei Firmen über 65 % des globalen Pestizidmarktes und fast 61 % des kommerziellen Saatgutmarktes beherrschen2. Bei einzelnen Nutzpflanzen und Pestiziden wäre die Konzentration noch weitaus größer3. Diese Marktkonzentration hätte negative Auswirkungen auf den Wettbewerb und die Innovation sowohl in der EU als auch global. Die Forschung und Entwicklung würde sich noch stärker nur auf ein paar wenige Pflanzensorten und kommerziell nutzbare Eigenschaften fokussieren, die Forschungsagenda durch die geballte Marktmacht diktiert und noch stärker und auf die Bedürfnisse der Firmen zugeschnitten. Die Auswirkungen auf die BäuerInnen und VerbraucherInnen wären massiv. BäuerInnen hätten immer weniger Auswahl beim Saatgut und müssten mehr für Betriebsmittel zahlen, wie es bereits jetzt in den USA der Fall ist4. Dies würde wiederum zu höheren Preisen und einem kleineren Angebot für die VerbraucherInnen führen. Doch eine Vielfalt der Pflanzensorten ist essentiell für die Stabilität des Systems und damit sich die Landwirtschaft an die sich verändernden Umweltbedingungen und neuen Herausforderungen wie bspw. dem Klimawandel anpassen kann. Dieser Konzentrationsprozess stellt eine Bedrohung für die Welternährung und für die Zukunft der Landwirtschaft sowohl in Europa als auch weltweit dar.

Darüber hinaus bitten wir Sie zu berücksichtigen, dass diese Übernahmen das Lobbying für Agrargifte und Agrogentechnik stärken würden. Bayer und Syngenta sind die beiden größten Hersteller von Neonicotinoiden, deren Beitrag zum Bienensterben immer deutlicher wird. Monsanto ist der weltweit größte Hersteller des umstrittenen Herbizids Glyphosat, Syngenta jener des in der EU verbotenen Herbizids Paraquat. Diese Kombination führt oft dazu, dass auch umstrittene oder gar verbotene Produkte wider besseres Wissen weiter im Handel bleiben. Zusammen halten die drei Konzerne Monsanto, Bayer und Syngenta heute schon einen großen Teil der Patente auf gentechnisch veränderte Pflanzen. Wir sehen in den geplanten Zusammenschlüssen eine Gefahr für die demokratische Gestaltung der Zukunft der weltweiten Landwirtschaft und speziell für die künftigen Aushandlungsprozesse Agrogentechnik und Pestizide betreffend.

Sie und damit die EU müssen sich auch mit der Rolle beschäftigen, die Blackrock, Vanguard und andere Finanzinvestoren bei der Transaktion spielen. Mit ihren großen Anteilen an Bayer, Monsanto und Syngenta gelten diese Finanzakteure als Treiber solcher Fusionen. Der Leiter der bundesdeutschen Monopolkommission, Achim Wambach, fordert deshalb bezüglich Monsanto und Bayer: „Der US-Investor Blackrock ist an beiden Unternehmen zu sechs bis sieben Prozent beteiligt. Hier schließen sich also zwei Unternehmen zusammen, die zu Teilen dem gleichen Eigentümer gehören (...) Das sollten die Behörden beachten5.“ Blackrock und andere große amerikanische Vermögensverwalter stehen auch hinter dem Verkauf von Syngenta. Im Zentrum steht dabei die Aktionärsrendite.

In diesem Sinne halten wir es für notwendig, dass die Wettbewerbskommission bei der Begutachtung des Prüfantrags auch die Folgen mitberücksichtigt, welche die jeweilige Übernahme für die Beschäftigten hätte. Denn während die AktionärInnen profitieren, gehört zu den „Synergieeffekten“ solcher Fusionen immer auch die Einsparung von Arbeitsplätzen. So hat Bayer auch schon die Schließung von Labors im US-amerikanischen Cropscience-Hauptquartier in Betracht gezogen6. Darüber hinaus dürfte das Erfordernis, die durch den Kauf von Monsanto angehäuften Schulden abzutragen, in der näheren Zukunft zu Verkäufen von Unternehmensteilen und Rationalisierungsmaßnahmen durch Bayer führen. Und trotz entgegengesetzter Versprechen ist davon auszugehen, dass die geplante Übernahme durch ChemChina längerfristig auch Stellen von Angestellten Syngentas gefährdet.

Die Renditeorientierung der großen Finanzakteure führt außerdem zur Fokussierung auf Ausgaben- und Steuerverminderung. So kommunizierte Bayer 2014 bei seiner letzten großen Akquisition, dem Erstehen einer Merck-Sparte7: „Bayer rechnet ab dem ersten Jahr nach dem Vollzug mit signifikanten Steuereinsparungen.“ Die Aktiengesellschaft hat in der Folge die Ausgaben für den Erwerb tatsächlich von der Steuer absetzen können. Ähnliches ist jetzt bei der Monsanto-Übernahme zu befürchten. Die Standorte hätten so unter den Transaktionen ebenfalls zu leiden. Denn obwohl Bayer an seinem Stammsitz Leverkusen oder Syngenta in Basel bereits heute kaum noch Gewerbesteuern zahlen, würde dieser Trend durch diese Fusionen noch verstärkt.

Der Monsanto-Manager Dr. Robert T. Fraley hatte die Vorgänge in der Agrarindustrie bereits 1996 so kommentiert8: „Dies ist nicht nur eine Konsolidierung von Saatgutfirmen, sondern eine Konsolidierung der gesamten Nahrungskette.“ Mehr als 20 Jahre später ist diese Konsolidierung noch weiter fortgeschritten. Eine Handvoll Konzerne hat sich den Zugriff auf die Welternährung gesichert. Die EU hat mit ihrem Votum jetzt die Chance, ein Zeichen für eine Umkehr zu setzen. Wir appellieren an Sie als verantwortliche Wettbewerbskommissarin, diese Gelegenheit zu nutzen!

Wir danken Ihnen im Voraus für Ihre Antwort auf unseren Offenen Brief.

Mit freundlichen Grüßen,

Bernard DuPasquier,
Geschäftsführer Brot für Alle

Jan Pehrke
Vorstandsmitglied der Coordination gegen BAYER-Gefahren

Weitere Unterzeichner:
Multiwatch
Public Eye
Swissaid
Fastenopfer
Seeds Action Network Germany
Schweizer Allianz Gentechfrei (SAG)
Blauen Institut
IG Saatgut
Forum Umwelt und Entwicklung
Pestizid-Aktions-Netzwerk e. V.
Bündnis für Gentechnikfreie Landwirtschaft
pro natura
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e. V.
Agrar Koordination
Gen-ethisches Netzwerk

- Bayer (2016). Transcript Bayer AG Meet Management 2016. Sept 20, 2016. www.investor.bayer.com/securedl/14257;
Triangle Business Journal (2016). Monsanto CEO on Bayer buyout: “There is very little overlap”. Oct 5, 2016. http:www.bizjournals.com/triangle/news/2016/10/05/monsanto-ceo-on-bayer-buyout-theres-very-little.html

- ETC Group (2016). Merge-Santo: New Threat to Food Sovereignty. March 23, 2016. http:www.etcgroup.org/content/merge-santo-new-threat-food-sovereignty

- Erklärung von Bern (2014). Saatgut – Bedrohte Vielfalt im Spannungsfeld der Interessen. https:www.publiceye.ch/fileadmin/files/documents/Saatgut/Doku_Saatgut_D_Web.pdf

- Business Insider (2017). Trump could approve a giant merger that's scaring American farmers http:uk.businessinsider.com/bayer-monsanto-merger-trump-farmers-worried-2017-2?r=US&IR=T

- Rheinische Post (2016). ZEW-Chef Achim Wambach im Interview. „Bayer-Kartellprüfung dürfte viele Monate dauern“. http:www.rp-online.de/wirtschaft/bayer-kartellpruefung-duerfte-viele-monate-dauern-aid-1.6297209

- Triangle Business Journal (2016). Monsanto CEO on Bayer buyout: “There is very little overlap”. Oct 5, 2016. http:www.bizjournals.com/triangle/news/2016/10/05/monsanto-ceo-on-bayer-buyout-theres-very-little.html

- Bayer (2014). Bayer will Consumer-Care-Geschäft des US-Konzerns Merck & Co., Inc. übernehmen und vereinbart strategische Pharma-Kooperation im Bereich sGC-Modulatoren. https:www.bayer.at/de/medien/pressenews/bayer-will-consumer-care-geschaeft-des-us-konzerns-merck-co-inc-uebernehmen.php

- Mammana, Yvan (2014). Concentration of market power in the EU seed market. A study commissioned by the Greens/EFA Group in the European Parliament. http:greens-efa-service.eu/concentration_of_market_power_in_EU_see_market/

[Entwicklungshilfe] STICHWORT BAYER 01/2017

CBG Redaktion

Erste & Dritte Welt

Entwicklungshelfer BAYER

Vom Bock zum Gärtner

2012 rief das „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) mit BAYER, BASF, SYNGENTA und ca. 30 weiteren Konzernen die „German Food Partnership“ (GFP) ins Leben. „Mit ihrem Kapital, vor allem aber ihrem Know-how und ihrer Wertschätzung für Umwelt- und Sozialstandards trägt die Privatwirtschaft ganz wesentlich zu entwicklungspolitischen Fortschritten bei“, so die Begründung des damaligen Entwicklungsministers Dirk Niebel (FDP) für den „Schulterschluss mit der Privatwirtschaft“. Ende 2015 erklärte das Ministerium die GFP zwar für beendet, aber die auf den Weg gebrachten Projekte laufen vorerst weiter. OXFAM hat sich drei von ihnen einmal genauer angeschaut.

Weltweit werden genügend Lebensmittel produziert, um die gesamte Menschheit zu ernähren. Dennoch leiden nach Angaben der Vereinten Nationen mindestens 800 Millionen Menschen chronisch unter Hunger. Dieser Fakt deutet darauf hin, dass Hunger kein Problem des Mangels ist, sondern von Armut und der Verletzung von Menschenrechten. Das hat auch damit zu tun, dass eine kleine Elite von Regierungen und Konzernen das globale Ernährungssystem dominiert. Die Hauptproduzenten der Lebensmittel - hunderte Millionen von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern - sowie die Milliarden VerbraucherInnen bleiben dagegen außen vor. Wenn der Hunger bis 2030 wirklich weltweit beseitigt und die globalen Nachhaltigkeitsziele erreicht werden sollen, wie es die Vereinten Nationen 2015 versprachen, muss dieses ungerechte Ernährungssystem grundlegend transformiert werden.
Doch die staatliche Entwicklungszusammenarbeit macht genau das Gegenteil, kooperiert verstärkt mit den großen Agrarkonzernen und macht damit den Bock zum Gärtner. Diese Kooperation begann Ende der 1990er Jahre und verstärkte sich nach dem Weltwirtschaftsforum 2011. Die dort verabschiedete „Neue Vision für die Landwirtschaft“ beförderte die Gründung der Investitionsplattform „GROW Africa“ und der „Neuen Allianz für Ernährungssicherheit“ der G8 und inspirierte zudem den damaligen deutschen Entwicklungsminister Dirk Niebel, eine „German Food Partnership“ GFP) ins Leben zu rufen.
Mehr als 30 Unternehmen und Verbände hatten die GFP Mitte 2012 unter der Schirmherrschaft des Entwicklungsministeriums als große, langfristig angelegte öffentlich-private Partnerschaft (PPP) gegründet. Selbsterklärtes Ziel war es, die Ernährungssituation in Entwicklungs- und Schwellenländern durch mehr und qualitativ höherwertige Lebensmittel zu verbessern. Mit den GFP-Projekten sollte die Produktivität und die Leistungsfähigkeit entlang der Wertschöpfungskette auf eine sozial und ökologisch nachhaltige Art und Weise gesteigert werden, indem Bauern und Bäuerinnen der Zugang zu Betriebsmitteln und Märkten erleichtert wird. Betriebseinkommen sollten erhöht, die Ernährung von lokalen Bauern, insbesondere Kleinbauern und -bäuerinnen, sowie von VerbraucherInnen verbessert werden.
Am 05.11.2013 wurden die ersten PPPs der GFP öffentlich lanciert. In Reaktion auf die Kritik von Seiten vieler Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sagte das BMZ vollständige Transparenz zu. NGOs bekämen alle Informationen, die sie wollen. Oxfam hatte bereits eine Woche später nachgehakt und Informationen zu den Projekten angefordert. Damit begann eine lange Zeit des Wartens. Nach zehn Monaten schließlich entschloss sich OXFAM eine offizielle Anfrage mit Verweis auf das Informationsfreiheitsgesetz zu stellen. Im Dezember 2014 erhielt OXFAM den schriftlichen Bescheid vom BMZ, brachte aber aufgrund von fehlenden Informationen Ende 2014 ein Widerspruchsverfahren auf den Weg. Und erst Anfang Oktober lagen auch die angeforderten Schulungsmaterialen vor. Auf der Grundlage dieser Dokumente und eines Lokaltermins in Kenia hat OXFAM dann drei Kooperationen näher analysiert.

Die CARI-Initiative
Die „Competitive African Rice Initiative“ (CARI) mit BAYER als Industrie-Partner hat einen Etat von 18,4 Millionen Euro, den die „Bill and Melinda Gates“-Stiftung zu 73 Prozent und das Entwicklungsministerium (BMZ) zu 27 Prozent tragen. Sie erstreckt sich auf die Länder Nigeria, Ghana, Burkina Faso und Tansania.
Die Analyse der in Nigeria zur Anwendung kommenden Trainingsmaterialien ergab, dass CARI stark ein input-basiertes Agrarmodell fördert. Die Anwendung von Pestiziden wird als die vorzuziehende und überlegene Methode zur Beseitigung von Unkräutern, Krankheiten und Schädlingen dargestellt: Formulierungen wie „Chemisches Jäten spart Zeit und Geld“ oder „Säubern des Landes mit Herbiziden“ zeigen dies exemplarisch. Während der Einsatz von zugelassenen und empfohlenen Pestiziden nur bei Schädlings- bzw. Krankheitsbefall angeraten wird, gibt es keinen einzigen Hinweis auf alternative biologische Schädlingsbekämpfungsansätze. Das vom BMZ geforderte Prinzip der Wahlfreiheit wurde missachtet, denn CARI beinhaltet Empfehlungen für den Einsatz von spezifischen Pestiziden. Entgegen den Aussagen des BMZ werden bei CARI den Kleinbäuerinnen und -bauern keine ökologischen Anbauverfahren als Option vorgestellt.
CARI empfiehlt den Einsatz von hochgefährlichen Pestiziden (Highly Hazardous Pesticides, HHPs) wie Lambda-Cyhalothrin, Cypermethrin, Deltamethrin und Mancozeb, die auf der Schwarzen Liste des PESTIZID AKTIONS-NETZWERKES (PAN) stehen. Lambda-Cyhalothrin ist ein akut toxisches Pestizid, das verhängnisvoll bis tödlich („fatal if inhaled“) bei Inhalation sein kann. Ursprünglich wurde auch Glyphosat empfohlen, dies ist aber inzwischen wieder geändert worden. In der aktuellen Online-Version vom 13.5.2016 ist es nicht mehr zu finden. Im Rahmen von CARI – nachgewiesen in einer gemeinsamen Studie von der „Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit“ (GIZ) und CARI zum integrierten Pflanzenschutz in Nigeria - werden sechs kommerzielle Produkte von BAYER CROPSCIENCE empfohlen, wobei zwei als „besonders nützlich“ hervorgehoben werden: INNOVA und ROUTINE. Auch Glyphosat steht auf der Liste der empfohlenen Pestizide. Es werden also entgegen den Aussagen des BMZ besonders umweltschädliche Produkte und spezifische Pestizide im Rahmen von CARI empfohlen. Das im Guide verankerte Prinzip der Wahlfreiheit in Bezug auf die Anwendung von Inputs wurde nicht beachtet. Die Bundesregierung hatte im Oktober 2015 angekündigt, dass die PAN-Liste und deren Fortschreibungen zeitnah in der GIZ-internen Beschaffungsrichtlinie berücksichtigt werden. Gleichwohl hat das nicht dazu geführt, dass die hochgefährlichen Pestizide bei der nachträglichen Änderung des CARI-Schulungsmaterials im Mai 2016 komplett ausgeschlossen wurden.
Der Einsatz von Pestiziden wird ab dem Erreichen bestimmter Schadschwellen empfohlen („Schadschwellenprinzip“, siehe auch GFP-Guide). Dieser Ansatz ist unnötig schädlich und veraltet angesichts der letzten Innovationen in der Reisproduktion, die eine Steigerung der Produktion ohne den Einsatz von Pestiziden erlauben. Auch ein im Unterrichtsmaterial enthaltener Vergleich von zwei verschiedenen Anbaumethoden – mit und ohne Inputs wie Pestiziden – stellt sich bei näherer Betrachtung als kaum verhohlene Empfehlung eines pestizid-basierten Ansatzes heraus. Auf agrar-ökologische Anbaumethoden wie das „System of Rice Intensification“ (SRI), das erhebliche Ertragssteigerungen gerade bei traditionellen Reissorten ermöglicht, wird gar nicht eingegangen.
Beim Saatgut werden ausschließlich verbesserte und zertifizierte Sorten empfohlen. Beim Erwerb von zertifizierten Sorten müssen die LandwirtInnen Lizenzgebühren zahlen, während traditionelle Sorten frei getauscht und nach der Ernte wiederverwendet werden können. Zwei von fünf Empfehlungen beinhalten den Einsatz der Reissorte Nerica, die in Afrika als „Wunder-Pflanze“ gepriesen wurde, in der Praxis aber nicht hielt, was sie versprach. Das Wort „Bodenfruchtbarkeit“ taucht nur einmal im 57-seitigen Schulungsdokument auf. CARI hakt das Thema mit dem Hinweis ab, dass es besser sei, für den Reisanbau ein Stück Land zu wählen, wo in der vorherigen Saison z. B. Reis, Kuhbohnen oder Sojabohnen angebaut wurden. Entgegen den Aussagen des BMZs ist der Erhalt und gar die Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit nicht im Fokus von CARI.
Zusammenfassend betrachtet ist das CARI-Schulungsmaterial im Hinblick auf die direkte und eindeutige Förderung von agro-chemischen Inputs (Düngemittel, Pestizide) sehr kritisch zu sehen, weil potenziell negative wirtschaftliche, Umwelt- und Gesundheitsfolgen komplett bzw. nicht hinreichend berücksichtigt werden. Auch werden keine Alternativen (z. B. biologische Schädlingsbekämpfung) aufgezeigt. Hochgefährliche Pestizide und Markenprodukte von BAYER werden explizit empfohlen. Es ist ein untragbarer Umstand für ein groß angelegtes Programm wie CARI, dass die ökologische Nachhaltigkeit vernachlässigt wird. Dieser Umstand wird von der GIZ in ihrem Angebot in einem Punkt auch explizit eingeräumt. Dort heißt es: „Durch die Intensivierung von Bewässerungsreis trägt das Vorhaben nicht zu vermehrtem Umweltschutz bei“.

Die „Better Rice Initiative“
An der „Better Rice Initiative Asia“ (BRIA) nehmen außer BAYER noch BASF, Royal DSM, die DEUTSCHE BANK und weitere Unternehmen teil. Diese tragen den zehn Millionen Euro schweren Etat auch zu 70 Prozent; 30 Prozent steuert das Entwicklungsministerium bei. Die Landwirtschaftsministerien von Indonesien, Thailand, Vietnam und von den Philippinen – die Länder, in denen die Projekte stattfinden – fungieren als offizielle Partner.
Das Schulungsmaterial ist für die Philippinen sehr umfassend und für Indonesien sehr beschränkt, während jenes in Thailand nur in thailändisch verfügbar ist und für dieses Dossier nicht analysiert werden konnte. Verglichen mit CARI sind die Module von BRIA-Philippinen umfassender und breiter gefächert. Sie enthalten auch mehr Optionen. Auch hier ist ein starker Fokus auf eine input-basierte Landwirtschaft vorzufinden. Gleichwohl erwähnen die Module einige Alternativen wie das „System of Rice Intensification“ (SRI) oder Saatgutbanken auf Gemeindeebene, ohne sie jedoch im Detail ausführlich zu erklären. Im Hinblick auf Saatgut wird zertifiziertes Saatgut gefördert, traditionelle Sorten werden wie bei CARI nicht erwähnt. Hinweise auf die Vorteile der Agrobiodiversität sucht man ebenso vergeblich.
Den Kern der Schulungsmaterialien bildet das so genannte PalayCheck System. Es stellt grundsätzlich einen integrierten Ansatz dar, fällt aber hinter andere Anbaumethoden wie SRI zurück, die weniger Düngemittel und Pestizide erfordern. PalayCheck gibt wenig Orientierung bezüglich der Bedeutung von organischer Substanz für das Bodenleben und des Alters der Setzlinge und ihrer Anordnung, was wichtig für die Ausbildung von gesunden Wurzeln ist. In puncto Bodenfruchtbarkeit wird zwar eine gute Vorbereitung des Feldes und die Integration von Pflanzenresten hervorgehoben, aber wenig über die Bedeutung von organischen Düngemitteln wie zum Beispiel Kompost oder anderer Biomasse gesagt. Stattdessen wird sehr einseitig auf die positiven Effekte und die Notwendigkeit von synthetischen Düngemitteln als einem hervorragenden Ansatz zur Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit verwiesen.
In einem Modul bietet BRIA BAYER CROPSCIENCE eine Plattform, um die Vorteile chemischer Schädlingsbekämpfung zu präsentieren. Auch wenn keine spezifischen Produkte genannt werden, ist die Botschaft trotzdem klar: „Pestizide sind hilfreich zum Pflanzenschutz“ und „negative Auswirkungen von Pestiziden sind bei korrekter Anwendung vermeidbar“. Diese Empfehlungen ignorieren bedauerlicherweise die Erfahrungen mit der Anwendung von SRI, bei dem der Einsatz von Pestiziden gar nicht oder nur sehr spärlich erfolgt. Ähnlich wie bei CARI werden auch bei BRIA hochgefährliche Pestizide empfohlen, die auf der Liste von PAN International stehen, zum Beispiel Mancozeb und Carbendazim.
Insgesamt geben die BRIA-Schulungsmaterialien input-basierten Technologien den Vorrang gegenüber nachhaltigen Ansätzen wie der biologischen Schädlingsbekämpfung. Gleichwohl verweisen einige Folien auf agrarökologische Anbauverfahren. Einige Module enthalten Empfehlungen von spezifischen Pestiziden und Düngemittelprodukten. Der Auflage des BMZs, keine Marken-Werbung zu betreiben, wurde somit nicht entsprochen. Manche Pestizide sind hochgefährlich und werden in der Liste von PAN International aufgeführt. Ebenso wurde entgegen den Aussagen des BMZs kein besonderer Wert auf die Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit gelegt.
An der „Potato Initiative Africa“ (PIA) nehmen außer BAYER noch SYNGENTA, die Landmaschinen-Hersteller Lemken und Grimme sowie weitere Unternehmen teil. Sie brachten auch 50 Prozent des 1,4 Millionen Euro umfassenden Etats auf, das BMZ die andere Hälfte. Bei dem Projekt kamen Pestizide von BAYER CROPSCIENCE und SYNGENTA zum Einsatz. Die Aussage des BMZs, dass der Einsatz „spezifischer Pflanzenschutzmittel“ nicht vorgesehen sei, dürfte sich nicht nur auf Trainings, sondern auf alle Vorhaben bezogen haben. Insofern ist davon auszugehen, dass die Richtlinien nicht eingehalten wurden. Inwieweit die eingesetzten Pestizide als hochgefährlich einzustufen sind, kann aufgrund fehlender Informationen nicht beurteilt werden. Explizit ökologische Anbauverfahren wurden entgegen den Aussagen des BMZs bei diesem Projekt quasi ausgeschlossen, da sie nicht angewendet wurden. Auch wurde in diesem Fall nicht sichergestellt, dass die Bodenfruchtbarkeit verbessert wird. Eine Anforderung, die gemäß dem BMZ und dem GFP-Guide für alle Vorhaben gilt.

Nicht nachhaltig
Eine vollständige Bewertung der PPPs ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich, zumal die Reisprojekte bis Ende 2017 laufen. Es müssten zudem die Baseline-Studien und die Evaluierungsberichte nach Abschluss der Projekte vorliegen. Diese Analyse stellt vielmehr ein Zwischenfazit im Hinblick auf die Erfüllung der BMZ-Anforderungen im Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit und der Wahlfreiheit für Bauern und Bäuerinnen dar und problematisiert die einseitige Festlegung auf ein input-basiertes Agrarmodell mit seinen negativen Auswirkungen. Angesichts der sich verschlechternden Umweltbedingungen und der Überschreitung planetarischer Grenzen ist es verantwortungslos, die Dimension der ökologischen Nachhaltigkeit derart zu vernachlässigen, wie das bei den PPPs der Fall ist. Zahlreiche Beispiele belegen, dass diversifizierte Anbausysteme weniger anfällig für Krankheiten und Schädlingsbefall sind. Mit der Fokussierung auf den Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln werden die Umweltprobleme in der Landwirtschaft und die schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen, die mit dem Einsatz insbesondere hochgefährlicher Pestizide einhergehen, nicht angegangen, sondern mittel- und langfristig eher noch verschärft. Wichtige Ansätze, die die Widerstandsfähigkeit der Landwirtschaft bei fortschreitender Bodenzerstörung, zunehmender Wasserknappheit und der Häufung extremer Wetter-Ereignissen erhöhen könnten, werden ignoriert.

Marktorientierung
„Die Zielgruppe sind marktorientierte Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, die nicht ausschließlich subsistenzorientiert arbeiten“, erklärt die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen zu den GFP-Projekten. Im GIZ-Angebot bei CARI werden als Zielgruppe Reisbauern und -bäuerinnen mit einem Einkommen von weniger als 2 US-Dollar am Tag benannt, bei PIA kleinbäuerliche ErzeugerInnen mit 1 bis 5 ha und durchschnittlichen Erträgen von 3 bis 7 Tonnen pro Hektar. Bei BRIA wird die Zielgruppe nicht genauer spezifiziert. Mit dem Wertschöpfungskettenansatz können in der Tat nur die marktorientierten Kleinbauern und Kleinbäuerinnen – oder wie das BMZ auch formuliert: „die Potenzialbauern und -bäuerinnen“ erreicht werden. Ihr Anteil wird allgemein auf 10 bis 25 Prozent der kleinbäuerlichen ErzeugerInnen geschätzt. Marginalisierte Gruppen, also die ärmsten Bauern und Bäuerinnen, fallen gänzlich durch das Raster. Deren Diskriminierung – oft Grund für Hunger und Armut – wird weiter verschärft. Dabei erfordert das Menschenrecht auf Nahrung, dass insbesondere marginalisierte und vulnerable Gruppen im Fokus stehen und dass ihre Partizipation sichergestellt wird. Bei großangelegten Entwicklungsprojekten ist es nicht nur wichtig, die Netto-Einkommenseffekte, die ökologische Nachhaltigkeit und die Resilienz zu analysieren, sondern auch die Auswirkungen auf die kleinbäuerlichen ErzeugerInnen und andere vulnerablen Gruppen, die nicht Teil des Projektes sind. Eine entsprechende Risikoanalyse findet sich in den Projektkonzepten nicht. Mit der „Modernisierung der Landwirtschaft“ nach europäischem Vorbild werden zudem der Strukturwandel befördert und Arbeitskräfte freigesetzt werden. Mangels anderer Wirtschaftssektoren, die den Verlust landwirtschaftlicher Arbeitsplätze auffangen könnten, werden so immer mehr Menschen ins Abseits gedrängt. Ohne eine Gesamtagrarstrategie, die niemanden zurücklässt („Leave no one behind“, Agenda 2030), wird es nur bessere Lebensbedingungen für bessergestellte, marktteilnehmende Bauern und Bäuerinnen geben, während auch weiterhin marginalisierte Kleinbauern und Kleinbäuerinnen vernachlässigt und diskriminiert werden.
In den 558 Seiten (ohne Trainingsmaterialien), die uns vom BMZ zugesandt wurden, hat OXFAM keinen Hinweis dafür gefunden, dass Kleinbauern und Kleinbäuerinnen bzw. LandwirtInnen- und Frauenorganisationen bei der Entwicklung eines der Projekte eng eingebunden wurden. Dabei ist dies ein wichtiges menschenrechtliches Prinzip, das grundsätzlich vom BMZ anerkannt und auch im GFP-Guide mit der Vorgabe zur notwendigen Einhaltung des Rechts auf Nahrung festgehalten ist. Es ist frappierend, dass Projekte immer noch ohne die Zielgruppen entwickelt werden. Dabei sollten insbesondere die Menschen, die von Armut und Hunger betroffen sind, in die Entwicklung von Projekten und Programmen eingebunden werden. Nur wenn ihr Wissen, ihre Bedürfnisse und ihre Prioritäten stärker berücksichtigt werden, kann das Ziel der Beendigung des Hungers bis 2030 erreicht werden.

Kontaktpflege für BAYER
Im BRIA-Kooperationsvertrag mit BAYER CROPSCIENCE ist klar beschrieben, dass der Konzern über die Kooperation mit der GIZ seine Kontakte zu LandwirtInnen ausweiten will. Bei CARI wird dargelegt, dass die Unternehmen permanent anstreben, eigene Wettbewerbsvorteile zu erhalten oder zu erreichen, wodurch auch im Interesse der staatlichen Träger die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Wertschöpfungskette gestärkt werde. Im PIA-Konzept wird das Unternehmensinteresse am ausführlichsten beschrieben: Alle beteiligten Unternehmen möchten durch die Zusammenarbeit mit der GIZ, Regierungsbehörden etc. ihren Marktzugang in Nigeria und Kenia stärken. Besonders interessiert seien die Unternehmen daran, Kleinbauern und –bäuerinnen zu erreichen und dadurch ihre Beschaffung von Agrarprodukten und den Verkauf ihrer Inputs (Pestizide etc.) zu erhöhen. Es werde davon ausgegangen, dass das bessere Verständnis von LandwirtInnen in puncto Profitabilität von besseren Prozessen, Saatgut, Schädlingsbekämpfung und Düngung deren Nachfrage nach den von den Unternehmen angebotenen Lösungen erhöhe und damit schlussendlich die Marktsichtbarkeit, die Marktanteile und Geschäftsmöglichkeiten der Unternehmen verbessert würden. Durch die Kooperation mit der GIZ werde ein besseres Erreichen der Zielgruppe erwartet.
Das Interesse der Unternehmen liegt wie oben beschrieben klar auf der Hand. Die GIZ ist für sie ein nützlicher Türöffner, um ihren Zugang zu den Märkten der Entwicklungsländer zu stärken bzw. zu verbessern. Politisch wird zumindest in Kauf genommen, dass die deutsche Entwicklungszusammenarbeit genutzt wird, um den Markt-Auftritt deutscher Unternehmen gegenüber einheimischen oder anderen internationalen Unternehmen zu verbessern. Implizit stellt die öffentlich-private Partnerschaft somit ein Instrument der Wirtschaftsförderung dar und wirft wettbewerbsrechtliche Fragen auf. Die GIZ selbst sieht sich indessen als „Broker“ zwischen den zu verfolgenden Entwicklungszielen und den Unternehmensinteressen und hat auch vor allem marktorientierte Kleinbauern und Kleinbäuerinnen im Blick.

OXFAM möchte mit der Analyse die notwendige Diskussion über diese zentralen Fragestellungen voranbringen. Bislang werden die Hinweise auf die Risiken nach wie vor vom BMZ und von der GIZ nicht angemessen diskutiert oder gar berücksichtigt. Eine umfassende Evaluierung der landwirtschaftlichen PPPs liegt bislang nicht vor. Es wäre sinnvoll, in einem ergebnisoffenen Prozess den Rahmen zu definieren und einzugrenzen, in dem eine Kooperation mit der Agrar- und Ernährungswirtschaft aus Entwicklungsperspektive förderlich sein könnte. Es ist unbestritten, dass eine Kooperation mit Unternehmen aus Entwicklungsperspektive einen Beitrag zur Armutsreduzierung leisten kann. Gleichwohl ist es wichtig, die Implikationen auf der Mikro- und Makroebene bei der Ausgestaltung zu berücksichtigen und die Einflusssphären der Unternehmen zu begrenzen. Im Hinblick auf die direkte Verbesserung der Ernährungssituation von Menschen, die unter Hunger leiden, darf die Sinnhaftigkeit dieser Art von PPPs bezweifelt werden. Marktbasierte Entwicklungsmodelle unterschätzen die Risiken für vulnerable Haushalte, und Wertschöpfungsketten-Ansätze adressieren nicht die Bedürfnisse der vulnerabelsten Menschen. Die Verwendung hochgefährlicher Pestizide bringt erhebliche Gesundheits- und Umweltprobleme mit sich. Die Bundesregierung sollte ihren Einsatz in der Entwicklungszusammenarbeit grundsätzlich ausschließen. Statt eine industrielle Landwirtschaft zu befördern, sollte der Schwerpunkt auf Anbauverfahren liegen, die Bodenfruchtbarkeit verbessern, die biologische Vielfalt erhalten und eine Anpassung an den Klimawandel ermöglichen.

Dieser Text basiert auf der OXFAM-Broschüre „Böcke zu Gärtnern“. Für die vorliegende Fassung hat die Redaktion jedoch Kürzungen vorgenommen.

[BaySanto] STICHWORT BAYER 01/2017

CBG Redaktion

Griff nach der Marktmacht

Mit dem Kauf von MONSANTO steigt der BAYER-Konzern zum mit Abstand größten Agrar-Unternehmen der Welt auf. Der Konzentrationsprozess der Branche erreicht damit einen vorläufigen Höhepunkt.

„Ich kann Ihnen nur sagen, dass wir von der Qualität des Managements, der Qualität der Produkte, der Stärke der Innovationskraft und auch von der Kultur MONSANTOs sehr überzeugt sind“, erklärte BAYER-Chef Werner Baumann zum Abschluss der Übernahme-Verhandlungen mit dem US-amerikanischen Agro-Unternehmen. 128 Dollar zahlt der Leverkusener Multi pro Aktie – das bedeutet einen kräftigen Aufschlag gegenüber dem derzeitigen Kurs. Der Kaufpreis summiert sich so auf 66 Milliarden Dollar. 19 Milliarden davon will BAYER durch eine Eigenkapital-Erhöhung aufbringen; den Rest über Kredite von CREDIT SUISSE, der BANK OF AMERICA/MERRILL LYNCH und anderen Geldhäusern.
Der Deal ist der vorerst letzte Akt im neuerlichen Monopoly-Spiel der Agro-Industrie, die Aufzüge davor hatten DUPONT & DOW und CHEMCHINA & SYNGENTA bestritten. Im Düngemittel-Bereich schlossen sich POTASH und AGRIUM zusammen, und auch bei den Herstellern von Landmaschinen kam es zu Aufkäufen und Joint Ventures. In diesem Sektor beherrschen aktuell die Top 3 der Branche 50 Prozent des Weltmarkts.

„Endkampf um Marktanteile“
War die Konzentrationswelle vor 20 Jahren hauptsächlich von der Gentechnik getrieben, die den Zugriff auf Saatgut-Firmen verlangte, um in den Besitz des „Rohstoffes“ für die Laborfrüchte zu gelangen, so löste die schlechte Ertragssituation der LandwirtInnen das jetzige Revirement aus. In den USA rechnet das Landwirtschaftsministerium für dieses Jahr mit Einkommensrückgängen im zweistelligen Bereich auf das Niveau von 2009, was zur Kauf-Zurückhaltung bei Pestiziden und anderen Betriebsmitteln führt. Argentinien und Brasilien, die beiden größten Anbau-Länder in Lateinamerika, gehen derweil durch mehr oder weniger große Wirtschaftskrisen, und auch China kämpft aktuell mit sinkenden Wachstumsraten.
In einer solchen Situation erscheint es BAYER & Co. nicht sinnvoll, in den Ausbau der eigenen Kapazitäten zu investieren und etwa neue Pestizid-Fabriken zu bauen. Und da auch Arbeitsplatz-Vernichtungen und andere Rationalisierungsmaßnahmen die Renditen nicht mehr in dem von den Finanzmärkten gewünschten Maße erhöhen, gehen die Unternehmen auf Einkaufstour. „Wenn Du keine andere Option hast, mache einen Mega-Deal“, so resümiert der Wirtschaftsmedien-Konzern BLOOMBERG die Gedankengänge in den Chef-Etagen. Auf diese Weise können die Firmen nämlich selbst in Zeiten der Flaute noch Boden gutmachen. Von „einer Art Endkampf um Marktanteile“ spricht die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung in diesem Zusammenhang.
Kämen alle Transaktionen vollumfänglich zustande, was noch nicht ausgemacht ist, da die Zustimmung der Kartellbehörden und in manchen Fällen auch diejenige der AktionärInnen – bei MONSANTO findet die entsprechende Versammlung am 13. Dezember statt – noch aussteht, ginge der Leverkusener Multi als klarer Sieger aus diesem Endkampf hervor. Die Geschäftszahlen von 2015 zugrunde gelegt, erzielen die Landwirtschaftssparten von BAYER und MONSANTO zusammen einen Umsatz von 23,1 Milliarden Dollar. Damit kann niemand aus der Branche mithalten. Die frisch vermählten Paare bzw. arrangierten Zwangsehen SYNGENTA/CHEMCHINA und DUPONT/DOW folgen mit weitem Abstand (14,8 bzw. 14,6 Milliarden), und auf Rang vier landet abgeschlagen BASF mit 5,8 Milliarden. Bei den Pestiziden erreichen BAYER und MONSANTO zusammen einen Marktanteil von rund 25 Prozent, beim Saatgut für gentechnisch veränderte und konventionelle Ackerfrüchte einen von rund 30 Prozent. Allein die Gen-Pflanzen betrachtet, erlangen die beiden Konzerne vereint mit weit über 90 Prozent sogar eine Monopol-Stellung. Entsprechend besorgt reagierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG). „Wir schlagen Alarm: ‚Wer das Saatgut kontrolliert, beherrscht die Welt’, hat Henry Kissinger einmal gesagt. Durch die Übernahme droht ein weltweites Lebensmittel-Monopol. Die Welternährung gerät in ernste Gefahr“, so Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der CBG.

Risiken und Nebenwirkungen
Der Deal hat jedoch noch weitere negative Folgen. „Der Merger wird den Landwirten wehtun“, sagt Jim Benham von der INDIANA FARMERS UNION: „Je mehr Konsolidierung wir bei den Anbietern unserer Betriebsmittel haben, desto schlimmer wird’s.“ Nach Angaben des US-Landwirtschaftsministeriums haben sich allein die Preise für Mais- und Baumwoll-Saatgut in den vergangenen 20 Jahren vervierfacht. Und BAYER schickt sich an, diese Tradition fortzusetzen. Der Chef von BAYER CROPSCIENCE, Liam Condon, schloss gegenüber der New York Times weitere Preis-Steigerungen auch gar nicht erst aus. Allerdings versicherte er scheinheilig, der Konzern würde den FarmerInnen dafür in jedem Fall einen Mehrwert bieten.
Überdies reduziert die Übernahme die Produkt-Vielfalt. Die oligopol-artigen Strukturen haben jetzt schon einen riesigen Innovationsstau mit sich gebracht, und die neue Übersichtlichkeit dürfte die Malaise noch verstärken. An eine Landwirtschaft ohne Chemie verschwenden die Unternehmen sowieso keinen Gedanken, sie schaffen es noch nicht einmal, Ersatz für ihre Alt-Mittel zu finden. BAYERs Glufosinat oder MONSANTOs Glyphosat haben schon über 40 Jahre auf dem Buckel. Deshalb trotzen immer mehr Unkräuter diesen Substanzen. Den LandwirtInnen bleibt so nichts anderes übrig, als die Gift-Dosis zu erhöhen. Und der Leverkusener Multi leugnet diesen Tatbestand keineswegs. „Seit über 25 Jahren hat die weltweite Pflanzenschutz-Industrie kein wirtschaftlich bedeutendes Herbizid mit neuem Wirkmechanismus mehr für Flächen-Kulturen entwickelt und auf den Markt gebracht – unter anderem eine Folge der Konsolidierung der Industrie, die mit einer deutlichen Reduktion der Forschungsaufwendungen für neue Herbizide einherging“, so der BAYER-Forscher Dr. Hermann Stübler. Warum denn auch nach Neuem suchen, wenn es kaum Konkurrenz gibt und der Zugang zu dem, was Stüblers Boss Werner Baumann „den Profit-Pool der Branche“ nennt, so bequem ist? Der vom Leverkusener Multi mitgegründete Chemie-Monopolist IG FARBEN ging seinerzeit den Weg, zur Sicherung der Innovationskraft miteinander im Wettstreit um Entdeckungen liegende Abteilungen aufzubauen, dies scheint für Baumann & Co. bisher jedoch keine Option zu sein.

Synergie-Effekte
Die Beschäftigten von MONSANTO und BAYER müssen sich ebenfalls auf härtere Zeiten einstellen, obwohl Baumann am Tag der Vertragsunterzeichnung verkündete: „Dieser Zusammenschluss bietet eine großartige Gelegenheit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“ Zunächst einmal sehen sich die rund 140.000 Belegschaftsangehörigen der beiden Konzerne mit den bei solchen Deals immer wieder gerne beschworenen Synergie-Effekten konfrontiert. Diese taxiert der Leverkusener Multi auf 1,5 Milliarden Dollar schon drei Jahre nach dem Vollzug der Übernahme. Dabei entfallen 1,2 Milliarden auf Kosten-Synergien und 300 Millionen auf Ertragssynergien. Wie viele Jobs das genau kostet, konnte der Vorstandsvorsitzende noch nicht sagen: „Das haben wir (...) nicht in Arbeitsplätze umgerechnet.“ Einspar-Potenziale sieht der Global Player aber unter anderem bei der Infrastruktur, bei den IT-Aufwendungen, beim Vertrieb, beim Einkauf und in der Forschung. So kündigte Liam Condon schon einmal die Schließung von Labors im US-amerikanischen Cropscience-Headquarter an, das in North Carolinas „Triangle Research Park“ liegt.
Da sich das Sortiment der beiden Unternehmen jedoch kaum überschneidet, dürften sich die unmittelbar mit dem Vollzug der Übernahme verbundenen Job-Streichungen zunächst einmal in Grenzen halten. Größere Unbill droht erst später, wenn die Kartell-Behörden den Deal prüfen und vor der Aufgabe stehen, trotz des neuen Big Players wenigstens Reste von Wettbewerb in dem Sektor zu retten. BAYER und MONSANTO selber kalkulieren schon ein, sich von Geschäften in einem Umfang von bis zu 1,6 Milliarden Umsatz trennen zu müssen. Sollten sich aber die Wettbewerbskommission der EU und ihre Pendants in den anderen Ländern nicht daran orientieren und stattdessen eigene Rechnungen anstellen, könnte es noch mehr werden. Wenn dieses Paket dann irgendwann zu BASF oder einem anderen Agro-Riesen wandert, beginnt der zweite Akt im Spiel um die Synergie-Effekte, und für einen Teil der Beschäftigten dürfte dieser ohne Happy End ausgehen.
Damit nicht genug, entsteht Druck auf die Belegschaft auch durch die hohen Schulden, die der Leverkusener Multi sich in Sachen „MONSANTO“ aufgebürdet hat. Vernichtung von Arbeitsplätzen in diesem Zusammenhang hat der Konzern nur für die Bundesrepublik ausgeschlossen. „Rationalisierungsmaßnahmen zur Finanzierung der Akquisition werden in Deutschland nicht stattfinden“, heißt es in einer mit dem Gesamtbetriebsrat geschlossenen Vereinbarung. Das Abstoßen einzelner Sparten treibt der Global Player jedoch bereits kräftig voran. Noch während der Verhandlungen mit dem MONSANTO-Management hat er bekanntgegeben, sich vom Dermatologie- und vom Kontrastmittel-Geschäft trennen zu wollen. Auch die Tiermedizin-Abteilung steht auf der Kippe. Pläne für solche „De-Investitionen“ mit den entsprechenden Entlassungen existieren zwar teilweise schon länger, aber die MONSANTO-Übernahme macht ihre Realisierung zweifelsohne dringlicher und sicher auch umfangreicher. Zudem sind Effizienz-Programme, also weitere Job-Streichungen, zur Verringerung der Schuldenlast zu befürchten. Vor welche Probleme BAYER die Finanzierung des Deals stellt, machten die Schwierigkeiten deutlich, die der Konzern mit der Platzierung seiner vier Milliarden Euro schweren Wandelanleihe am Markt hatte. Er musste den institutionellen Investoren dafür eine Verzinsung von 5,625 Prozent bieten, was prompt den Aktien-Kurs auf Talfahrt brachte. Seine Rendite-Ziele jedenfalls hat die Aktien-Gesellschaft zur Beruhigung der Finanzmärkte schon eine Woche nach der Vertragsunterzeichnung hochgesetzt.
Nicht nur deshalb teilt die Belegschaft die Begeisterung des Managements keineswegs. „Wir legen uns mit dem Teufel ins Bett“, „Das passt nicht zusammen“ – mit solchen Reaktionen konfrontierte die Wirtschaftswoche den Aufsichtsratsvorsitzenden Werner Wenning. Der jedoch wiegelte ab: „Das spiegelt nicht die Stimmung bei BAYER wider. Nachdem der Vorstand die Transaktion eingehend erläutern konnte, hat die Übernahme bei den Mitarbeitern sehr viel Zustimmung erfahren.“ Wenn das wirklich so wäre, hätte der Konzern den Beschäftigten jedoch kaum untersagen müssen, mit JournalistInnen über den MONSANTO-Deal zu sprechen. Und als die Zeitschrift mit Verweis auf die Trennung von der Chemie- und der Kunststoff-Sparte den Dauerumbau beim Chemie-Multi ansprach und fragte: „Müssen Manager heute kreative Zerstörer sein?“, war Wenning not amused. „Das Wort ‚Zerstörer’ stört mich“, antwortete er und hob zu Erfolgsstorys über die Abspaltungen LANXESS und COVESTRO an.
Die Standort-Städte müssen sich ebenfalls auf so einiges gefasst machen. Ihnen ist die letzte Einkaufstour des Multis noch in denkbar schlechter Erinnerung. Unmittelbar nach dem Kauf der MERCK-Sparte mit den nicht rezeptpflichtigen Arzneien hatte der Multi nämlich verkündet: „BAYER rechnet ab dem ersten Jahr nach dem Vollzug mit signifikanten Steuer-Einsparungen.“ Und prompt hat er die Akquisition dann auch von der Steuer abgesetzt, dabei die erweiterten Möglichkeiten der „Unternehmenssteuerreform“ von 2001 nutzend, für die der ehemalige BAYER-Finanzchef Heribert Zitzelsberger als Staatssekretär im Finanzministerium eine wesentliche Verantwortung trug. Vor allem den Stammsitz Leverkusen trieb der MERCK-Erwerb deshalb noch einmal tiefer in die Verschuldung.
All diese Risiken und Nebenwirkungen lassen nicht einmal die wirtschaftsfreundlichen Zeitungen unberührt. Die Faz, an dessen Vorläufer, der Frankfurter Zeitung, die IG Farben bis zu 49 Prozent der Geschäftsanteile hielt, sieht „die Ego-Strategie einfallsloser Manager auf der Suche nach Boni auf dem Fusionspfad“ am Werk und zweifelt daran, ob die Probleme der Welternährung auf diesem Weg zu lösen sind: „Für Innovationen braucht man Größe nicht.“ Das Handelsblatt listet derweil die Vielzahl der nicht eben erfolgreichen Merger auf, und die New York Times verweist dazu auf eine Studie der Rating-Agentur STANDARD & POOR’S, wonach das neue Unternehmensganze oftmals weniger ist als die Summe seiner alten Teile. „In general ‚M & A’-Deals underperform“, mit diesen Worten zitiert das Blatt den STANDARD & POOR’S-Analysten Richard Tortoriello. Zu dessen Befund von der Zeitung befragt, gab sich ein BAYER-Sprecher zugeknöpft – er lehnte jeden Kommentar ab.
Sogar Finanzinvestoren wie JUPITER und HENDERSON sprachen sich gegen den MONSANTO-Kauf aus, weil sie sich vom Pharma-Geschäft einträglichere Renditen versprechen und um die Arznei-Investitionen bangen. Nicht einmal bei BAYER selbst herrschte Einigkeit über den Coup. Der frühere BAYER-Chef Marijn Dekkers lehnte die Übernahme im Gegensatz zu Baumann und dem Aufsichtsratschef Werner Wenning ab und zog deshalb seinen ohnehin schon geplanten Abgang noch einmal vor. Der von ihm verpflichtete PR-Chef Herbert Heitmann ging ebenfalls, nicht ohne dem „‚Pre-MONSANTO’-BAYER“ auf Twitter eine Träne nachzuweinen.

Die Rolle von BLACKROCK
Aber wer trieb den Deal dann voran? Das waren vor allem die großen Finanzmarkt-Akteure mit dem Branchen-Primus BLACKROCK an der Spitze. Der Vermögensverwalter gebietet über rund fünf Billionen Dollar. Diese Summe, hinter der das Kapital von Groß- und KleinaktionärInnen, von Rentenfonds, vor allem aber auch vieler Ultra-Reicher steckt, übersteigt das Bruttosozialprodukt der Bundesrepublik um mehr als das Dreifache.
Die Mutter aller Investment-Gesellschaften hält sich nicht mit Detail-Analysen auf wie JUPITER und andere Unternehmen. Sie durchleuchtet nicht die Produkt-Pipelines der Global Player auf der Suche nach besonders zukunftsträchtigen Anlage-Möglichkeiten und hält auch nicht nach besonders attraktiven Firmen Ausschau. So reichen ihr fünf Angestellte zur Betreuung der ca. 600 Unternehmensbeteiligungen in Europa, während bei HERMES EQUITY ein Beschäftigter für bloß zehn bis zwanzig Firmen zuständig ist. Der Finanz-Mogul agiert anders. Er hat Aktien fast aller großen Konzerne im Depot und investiert hauptsächlich in Fonds, die Aktien-Indizes wie den Dax oder den Dow Jones nachbilden.
BLACKROCK gehören nicht nur BAYER-Papiere im Kurswert von ca. 5,2 Milliarden. Euro, sondern auch MONSANTO-Aktien für rund 2,6 Milliarden. Euro. Beim Leverkusener Multi nimmt er damit die Position des größten Investors ein, beim US-Multi die des zweitgrößten. Andere Finanz-Investoren halten ähnliche Crossover-Beteilungen mit entsprechenden Interessen. VANGUARD zum Beispiel ist die Nr. 1 bei MONSANTO und die Nr. 4 bei BAYER, CAPITAL bei beiden Unternehmen die Nr. 3. Sie sitzen somit an beiden Seiten des Verhandlungstisches und können ihre Profite somit bestens optimieren.
BLACKROCK agiert als eine Art ideeler Gesamtkapitalist, dem am Maximal-Profit des großen Ganzen liegt. Übernahmen und Fusionen sind dabei das probate Mittel. Diese treibt der Konzern bei jeder Gelegenheit voran. Jüngst forderte er solche Transaktionen etwa im Finanz-Sektor. „Der europäische Banken-Markt ist überbesetzt, deshalb müssen auch grenzüberschreitende Fusionen möglich sein“, verlangte der BLACKROCK-Manager Philipp Hildebrand Anfang des Monats in der Faz. Im Zuge der Verhandlungen zwischen BAYER und MONSANTO erhöhte er rasch seinen Aktien-Anteil von fünf auf sieben Prozent. Bei dem Kauf-Angebot von 128 Dollar pro Papier streicht der Vermögensverwalter allein dadurch rund eine Milliarde Euro ein. Vor allem aber setzt er bei seiner Strategie auf das, wovor die LandwirtInnen so viel Angst haben: steigende Preise. Mit den höheren Margen steigen nämlich die Profite.
Und genau das strebt BLACKROCK nicht nur mit dem Forcieren von Mergern, sondern auch mit den flächendeckenden Branchen-Engagements an – äußerst erfolgreich, wie der Finanz-Ökonom Martin Schmalz in einer Studie herausfand. Der Dozent der University of Michigan untersuchte die Folgen eines verstärkten BLACKROCK-Investments in Flug-Gesellschaften und wies überdurchschnittliche Preissteigerungsraten nach. Und die machen zur Freude des Anlegers die ganze Branche profitabler, während der Konkurrenzkampf um Markt-Anteile für einen so breit aufgestellten Finanzinvestor wie BLACKROCK nur ein Nullsummenspiel darstellt.
BLACKROCK realisiert also ein höchst attraktives Geschäftsmodell. Allerdings ist es in letzter Zeit etwas in Verruf geraten. „Die Monopol-Kommission sieht ein wesentliches wettbewerbsverzerrendes Potenzial“, heißt es im diesjährigen Hauptgutachten der Kartellwächter über BLACKROCK & Co. Achim Wambach, der Leiter der Kommission, fordert deshalb von der Wettbewerbsbehörde der EU, deren Treiben auch zum Gegenstand des Prüfverfahrens zur Genehmigung des MONSANTO-Deals zu machen. „Der US-Investor BLACKROCK ist an beiden Unternehmen zu sechs bis sieben Prozent beteiligt. Hier schließen sich also zwei Unternehmen zusammen, die zu Teilen dem gleichen Eigentümer gehören. Außerdem halten BLACKROCK und andere institutionelle Anleger gleichzeitig an allen großen Konkurrenten dieser beiden Unternehmen Anteile. Das sollten die Behörden beachten“, sagte er der Rheinischen Post. Und zumindest die US-amerikanische „Federal Trade Commission“ hat schon einmal angekündigt, das Agieren des Vermögensverwalters in den Blick nehmen zu wollen. Der Finanz-Konzern selbst weist dabei alle Anschuldigungen zurück. „Die Idee, dass wir unsere Anteile auf ganze Industrie-Zweige verteilen, (...) anstatt zu versuchen, aus jedem einzelnen Investment das Beste herauszuholen, ist falsch“, so BLACKROCK-Sprecher Ed Sweeney. Als der The Street-Journalist dann aber nachhakte und fragte, wann der Finanzmogul denn bei einem einzelnen Unternehmen zuletzt einmal eine aktive Rolle gespielt habe, konnte Sweeney nur ein Beispiel nennen.
Dabei tut sein Arbeitgeber das sehr wohl, wenn sich die Dinge nicht in dem gewünschten Sinne entwickeln oder wichtige Entscheidungen anstehen. Den Druck von Seiten der Finanzinvestoren wird BAYER auch nach der MONSANTO-Übernahme noch spüren. Irgendwann haben diese sich nämlich genügend an den abfallenden Synergie-Effekten gelabt und sinnen nach neuen Gaumenfreuden. Da aber, was „Mergers & Acquisitions“ betrifft, in der Branche kaum noch Luft nach oben ist, stellt sich die Frage, wie die Entwicklung weitergeht. Zur Wahl stände außer einem Duopol oder einem wirklichen Monopol nur noch, BAYER oder auch BASF zu zwingen, ihre Agro-Sparten an die Börse zu bringen, ähnlich wie es DOW und DUPONT planen. Das würde nämlich Extra-Geld in die Kasse spülen.

Ein paar Auflagen
Erst einmal müssen die Agro-Deals allerdings das Prüf-Prozedere der Wettbewerbsbehörden durchlaufen. MONSANTO hat sich vorsorglich im Vertrag schon einmal eine Ausfallgarantie in Höhe von zwei Milliarden Dollar zusichern lassen, falls die Sache schief geht. Das steht zwar nicht zu erwarten, aber unbeschadet dürfte der Leverkusener Multi den Prozess kaum überstehen. „Wir werden eine Markt-Analyse berücksichtigen, die sich mit den Folgen eines solchen Zusammenschlusses für die Landwirte beschäftigt“, gab die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager die Richtung vor. Auch die Auswirkungen auf die Forschungsleistungen und die VerbraucherInnen will die Dänin zum Gegenstand des Verfahrens machen. Die Folgen für die Arbeitsplätze und das Steuer-Aufkommen der Standort-Städte fehlen jedoch auf ihrer Agenda. Nicht nur deshalb sieht BAYER-Chef Werner Baumann dem Ganzen eher entspannt entgegen. „Ich war in der vergangenen Woche in Brüssel. Dort kam klar zum Ausdruck, dass die Europäische Kommission sachorientiert entscheidet“, sagte er der Süddeutschen Zeitung. Und in der Tat wäre es sehr verwunderlich, wenn die Auflagen zum Verkauf einzelner Geschäftsbereiche zu wesentlich größeren Umsatz-Einbußen als den 1,6 Milliarden Dollar führten, die der Leverkusener Multi selbst veranschlagt hat.
Von dieser Seite her ist also kaum mit ernsthaften Schritten gegen das Projekt zu rechnen, das laut Baumann dazu dient, die Welternährung zu sichern. Eine solche Mission kaufen ihm jedoch noch nicht einmal die konservativen Zeitungen ab. Als eine „stets etwas salbungsvoll klingende Kapitalmarkt-Story für den Mega-Deal“ bezeichnete etwa die Faz die diesbezüglichen Aussagen des Vorstandsvorsitzenden. Und in der Tat hat BAYER & Co. das Schicksal der Menschen im Tschad, in Sambia oder anderen armen Länder nie groß interessiert, und das wird es auch in Zukunft nicht tun. Der agro-industrielle Komplex hat nur ein Interesse: seinen Profit zu steigern. Und dafür produziert er vornehmlich Soja- und Mais-Monokulturen für die Futtertröge der Massentierhaltung, lässt er hochriskante Verfahren wie die Gentechnik zum Einsatz kommen und bringt er immer mehr Gifte auf die Felder, statt nach Alternativen Ausschau zu halten. Sowohl BAYER als auch MONSANTO haben in ihrer Geschichte eindrucksvolle Belege für eine menschenverachtende Haltung geliefert, der Renditen über alles gehen. Dafür stehen auf der Seite des Leverkusener Multis hauptsächlich die Entwicklung von chemischen Kampfstoffen und die Beteiligung am Holocaust, auf Seiten des US-Unternehmens AGENT ORANGE und der skrupellose Umgang mit den LandwirtInnen.
DIE COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN versucht deshalb, gemeinsam mit anderen Initiativen ein breites gesellschaftliches Bündnis zu organisieren, um dem Treiben von BAYER & Co. Einhalt zu gebieten. Erste Schritte dazu unternahm die Coordination auf dem MONSANTO-Tribunal in Den Haag. Dabei darf es nach Ansicht der CBG nicht bei Forderungen nach einem sofortigen Glyphosat-Stopp, einem wirksameren Schutz vor der Gentechnik und einer Beschränkung der ökonomischen Macht der Agro-Riesen bleiben. Vielmehr müssen auch die Eigentumsfragen auf die Agenda der konzern-kritischen Bewegung, denn ein Sektor, dem die Versorgung der Menschheit mit Nahrungsmitteln obliegt, bedarf der demokratischen Kontrolle. Eine Handhabe dazu böte etwa der Vergesellschaftungsparagraf der nordrhein-westfälischen Landesverfassung.

[Ticker] STICHWORT BAYER 01/2017

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CBG-Jahrestagung 2016
Aus gegebenem Anlass widmete die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) ihre diesjährige Jahrestagung dem Thema: „BAYER/MONSANTO – Tod auf den Äckern, Gifte im Essen“. Zu Beginn referierte Uli Müller von LobbyControl über die vielfältigen Möglichkeiten der Agro-Riesen., Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen. Bei den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen TTIP, das die EU und die USA zurzeit verhandeln, hatten die Konzerne Müller zufolge „auf beiden Seiten die Finger im Spiel“. Über ihre Lobby-Organisationen wie die „European Crop Protection Association“ oder „Croplife America“ versuchten die Multis beiderseits des Atlantiks, niedrigere Auflagen für Pestizide und Gen-Pflanzen durchzudrücken. Und Brüssel diente sich ihnen dabei zu allem Übel auch noch als williger Helfer an. Dies belegte der Politikwissenschaftler mit Zitaten aus Briefwechseln. So erbat die Europäische Kommission von BAYER & Co. etwa Informationen darüber, „wie wir die Rahmenbedingungen für die Industrie verbessern können“. Der grüne Europa-Abgeordnete Sven Giegold widmete sich anschließend dem Agrar-Markt der EU. Am Beispiel einer Studie über Saatgut zeichnete er die Entwicklung zu einer immer größeren Konzentration der Anbieter nach, die mit den angekündigten Zusammenschlüssen von BAYER/MONSANTO, DOW/DUPONT und SYNGENTA/CHEMCHINA einem vorläufigen Höhepunkt zustrebt. Die bei der Europäischen Kommission für die Prüfung der Deals verantwortliche Wettbewerbskommissarin Margrethe Verstager versicherte dem einstigen ATTAC-Aktivisten, die Untersuchung werde bei dem Verfahren eine Rolle spielen. Giegold setzt auf solche Einflussmöglichkeiten und plädierte im Übrigen für eine Arbeitsteilung zwischen parlamentarischen und außerparlamentarischen Initiativen: „Den Lärm müsst ihr machen.“ Dazu erklärte sich der neue CBG-Geschäftsführer Toni Michelmann zu Beginn seines Vortrags auch gerne bereit. Mit dem Bekenntnis: „Ich bin zum Krawall machen hier“ begann er seinen Vortrag. Dann skizzierte er die ungeheure Macht des Leverkusener Unternehmens und gab ein Bild davon, was der Menschheit blüht, wenn es dem Global Player gelingen sollte, sich MONSANTO einzuverleiben: Eine durch Glyphosat & Co. vergiftete Welt mit grünen Wüsten, auf denen nichts mehr kreucht und fleucht. Der Chemiker zeigte sich jedoch guter Hoffnung, dass es nicht so weit kommt. Er berichtete vom Den Haager MONSANTO-Tribunal und der angegliederten People’s Assembly, wo die CBG viele Kontakte knüpfte und zur nächsten BAYER-Hauptversammlung bereits konkrete Aktionen gegen die „Hochzeit des Todes“ verabredete. Und so traten die rund 60 BesucherInnen der CBG-Jahrestagung ihre Heimreise am Abend dann in dem Bewusstsein an, dem Monopoly-Spiel der Agro-Riesen nicht hilflos ausgeliefert zu sein.

ForscherInnen für GAUCHO-Stopp
Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin) haben einen wesentlichen Anteil am weltweiten Bienensterben. Die EU hat einige dieser Agrochemikalien deshalb schon mit einem vorläufigen Verkaufsbann belegt. Vielen WissenschaftlerInnen reicht dies jedoch nicht aus. In einer „Resolution zum Schutz der mitteleuropäischen Insektenfauna, insbesondere der Wildbienen“ fordern 77 BiologInnen Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) deshalb auf, „ein vollständiges Verbot von Neonicotinoiden, mindestens aber ein vollständiges, ausnahmsloses Moratorium für ihren Einsatz bis zum wissenschaftlich sauberen Nachweis ihrer Umweltverträglichkeit“ zu erlassen. Zudem verlangen die ForscherInnen in dem Schriftstück Maßnahmen zur Erhöhung der Strukturvielfalt von Kulturlandschaften und ein Insekten-Langzeitmonitoring.

Aktion bei BAYER in Belgien
Am 4. November 2016 schlug am BAYER-Sitz im belgischen Diegem die Natur zurück. Verkleidet in Tier-Kostüme, statteten AktivistInnen der Initiative EZLN der Niederlassung des Leverkusener Multis einen Besuch ab und gestalteten die Eingangshalle mit etwas Laub, Erde und Geäst um. Zudem brachten die EZLNlerInnen ein Transparent mit der Aufschrift „BAYER-MONSANTO – TTIP kills life“ an. Damit protestierten sie gegen das zwischen der EU und den USA geplante Freihandelsabkommen, das niedrigere Standards bei der Regulierung von Pestiziden, hormon-wirksamen Substanzen und anderen Stoffen vorsieht und aus eben diesen Gründen von den Konzernen mit aller Lobby-Macht vorangetrieben wird. „Es ist dringend nötig, die Einflussnahme des Privatsektors auf die Politik zu stoppen“, erklärte die Organisation, dabei nicht nur auf TTIP, sondern auch auf die Obstruktion des Klimaschutzes verweisend.

Petition gegen Hormon-Gifte
Chemische Stoffe haben viele gesundheitsgefährdende Eigenschaften. Eine der unheimlichsten: Manche Substanzen wirken ähnlich wie Hormone und können damit den menschlichen Organismus gehörig durcheinander wirbeln (siehe auch SWB 4/16). Pestizide des Leverkusener Multis wie RUNNER, PROVOST OPTI, FOLICUR und NATIVO oder Industrie-Chemikalien made by BAYER wie Bisphenol A sind deshalb imstande, Krebs, Diabetes, Fettleibigkeit, Unfruchtbarkeit und andere Gesundheitsstörungen auszulösen. Hormonell wirksame Ackergifte wollte die EU eigentlich schon 2009 im Rahmen einer Neuordnung der Zulassung verbieten. Dazu kam es allerdings nicht. Nach Ansicht Brüssels galt es zunächst, genaue Kriterien zur Definition der Pseudo-Hormone – sogenannter „endokriner Disruptoren“ (EDCs) – zu entwickeln. Mit drei Jahren Verspätung legte die Europäische Kommission den entsprechenden Entwurf im Sommer 2016 vor. Die Bestimmungen kehren jedoch die Beweislast um und fordern eindeutige Belege für die gesundheitsschädliche Wirkung der EDCs; ein plausibler Verdacht reicht Juncker & Co. nicht aus. Da dies nicht dem Vorsorge-Prinzip entspricht, hat das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK die Online-Petition „Gesundheit geht vor – Hormon-Gifte stoppen“ initiiert, welche der BUND, die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und zahlreiche andere Initiativen mittragen. So konnte das Bündnis der Bundesumweltministerin Barbara Hendricks am 30.11.2016 rund 100.000 Unterschriften übergeben.

Petition gegen CIPROBAY & Co.
BAYERs CIPROBAY hat ebenso wie andere Antibiotika aus der Gruppe der Fluorchinolone zahlreiche Nebenwirkungen (siehe auch RECHT & UNBILLIG). Am häufigsten treten Gesundheitsstörungen im Bereich der Sehnen, Knorpel, Muskeln und Knochen oder des Nervensystems auf. Aber auch Herzinfarkte, Unterzuckerungen, Hepatitis, Autoimmun-Krankheiten und Leber- oder Nierenversagen zählen zu den Risiken. Bundesdeutsche Geschädigte haben nun auf der „We act“-Plattform des Aktionsnetzwerks CAMPACT eine Petition veröffentlicht. Darin fordern sie das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) und die europäische Arzneimittel-Behörde EMA auf, mehr Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Sie verlangen von den Institutionen, den Einsatz der zu den Reserve-Antibiotika zählenden Mittel auf lebensbedrohliche Situationen zu beschränken. BAYER & Co. müssten zudem zum Anbringen eines Warn-Symbols auf den Packungen und zu Unverträglichkeitstests vor dem Verschreiben der Arzneien gezwungen werden, so die AktivistInnen. Anfang Oktober 2016 hatten schon über 2.000 Personen die Petition unterschrieben.

KAPITAL & ARBEIT

Entlassungen in Mission Bay
BAYER stellt am Standort Mission Bay nahe San Francisco die Forschungen zu Blut- und Augenkrankheiten ein und streicht die Stellen der WissenschaftlerInnen, die auf diesen Gebieten gearbeitet haben.

Werksfeuerwehr-Leute bessergestellt
Seit Jahren kämpft die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE um eine Besserstellung der Beschäftigten bei den Werksfeuerwehren. Schon im Jahr 2014 kam es in der Sache zu einer Protest-Veranstaltung vor dem BAYER-Casino. Aber die Chemie-Industrie schaltete immer auf stur. Darum musste sich eine höhere Instanz damit befassen: Zum ersten Mal seit 20 Jahren traten die „Tarifpartner“ der Branche in ein Schlichtungsverfahren ein. Und erst im Zuge dieses Prozederes zeigten sich BAYER & Co. zu Zugeständnissen bereit. Sie garantieren nun den Feuerwehr-Leuten – allein bei der 60-prozentigen BAYER-Tochter CURRENTA arbeiten rund 360 – Ersatz-Arbeitsplätze, wenn diese aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sein sollten, die anspruchsvolle Tätigkeit auszuüben. Auch Zuschläge für Nacht-Einsätze und sonntägliche Dienste zahlen die Unternehmen jetzt.

KONZERN & VERGANGENHEIT

Arzneitests in Kinderheimen
Ausgehend von den Recherchen der Pharmazeutin Sylvia Wagner machen seit einiger Zeit Meldungen über Arznei-Tests in Kinderheimen und Jugend-Psychiatrien Schlagzeilen, die zwischen den 1950er und 1970er Jahren stattfanden. Ende November 2016 stießen ReporterInnen des NDR auf Unterlagen des Landeskrankenhauses Schleswig, die Versuche auch mit BAYER-Medikamenten dokumentieren (siehe auch SWB 1/17). So erprobten MedizinerInnen der jugendpsychiatrischen Abteilung zwei Pharmazeutika des Pillen-Riesen, ohne dafür eine Einwilligung der ProbandInnen oder ihrer Erziehungsberechtigten eingeholt zu haben. Das Neuroleptikum MEGAPHEN mit dem Wirkstoff Chlorpromazin testeten die ÄrztInnen als Therapeutikum gegen zu „zappelige“ SchülerInnen. 23 „anstaltsgebundenen Sonderschul-Kindern“ verabreichten sie es. Das Neuroleptikum AOLEPT mussten sogar 141 Kinder und Jugendliche schlucken. Dabei zeigten sich gravierende Nebenwirkungen wie etwa „Muskelverkrampfungen an den Augen, des Rückens und der mimischen Muskulatur“. Die Kieler Medizin-Ethikerin Alena Buyx hält die Praxis sogar nach damaligen Maßstäben für höchst problematisch. „Das ist ethisch unzulässige Forschung“, urteilte sie in dem NDR-Bericht.

IG FARBEN & HEUTE

IG-Manager bleibt KIT-Ehrensenator
Über ihren Nachruhm können sich viele Manager des von BAYER mitgegründeten Mörder-Konzerns IG FARBEN nicht beklagen. So lebt etwa Carl Wurster nicht nur im Straßenbild von Ludwigshafen weiter, wo ein Platz nach dem ehemaligen Wehrwirtschaftsführer benannt ist. Beim Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat es der Chemiker, der für die IG im Aufsichtsrat des Zyklon B-Produzenten DEGESCH saß, sogar zum Ehrensenator gebracht. Davon ließ sich das KIT nicht einmal durch massive Proteste abbringen. Es bedauert zwar, „dass es Ehrungen von Personen gab, die in Aktivitäten des nationalsozialistischen Unrechtsstaats verstrickt waren“, ist aber dennoch „der vorherrschenden Rechtsauffassung gefolgt, dass die Ehrung als höchstpersönliches Recht mit den Tod des/der Geehrten erlischt und damit eine nachträgliche Aberkennung faktisch nicht mehr möglich ist“.

POLITIK & EINFLUSS

Hannelore Kraft bei BAYER
Am 7. Dezember 2016 feierte der BAYER-Konzern das 125-jähriges Bestehen am Standort Leverkusen. Zu den GratulantInnen in seinem Erholungshaus konnte das Unternehmen auch die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft begrüßen. Wie bereits 2013 zum 150-jährigen Firmen-Jubiläum hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) die Ministerpräsidentin aufgefordert, in ihrem Geburtstagsständchen das lange Sündenregister des Global Players nicht auszuklammern. „Obwohl die Stadt Leverkusen Stammsitz eines der größten Konzerne der Welt ist, erlebt sie eine Rekord-Finanznot. Bei Schulen, Kinderbetreuung, Gesundheit und Freizeit – überall ist der Mangel spürbar. Die Kommune ist sogar auf die Unterstützung des Landes aus dem Stärkungspakt Stadtfinanzen angewiesen. Und das alles, weil BAYER sich durch „tausend legale Steuertricks“ um Abgaben in Millionen-Höhe drückt. Statt Lobreden erwarten wir deshalb Kritik von Hannelore Kraft“, hieß es in der Presseerklärung der CBG. Auch zu anderen dunklen Kapiteln aus der Firmen-Geschichte wie etwa der Rolle im Nationalsozialismus dürfe Kraft nicht schweigen, mahnte die Coordination. Aber die Sozialdemokratin entpuppte sich als Wiederholungstäterin und sprach die heiklen Themen wie schon 2013 nicht an. Stattdessen stand sie in Treue fest zu BAYER. „Wir sind ein Industrieland. Und wir wollen es bleiben“, konstatierte Hannelore Kraft. Die Ministerpräsidentin versprach, den Leverkusener Multi auch in Zukunft vor allem Unbill zu schützen. Vor allem dasjenige, das aus Richtung der EU droht, wie etwa der Plan, den Ausstoß des klima-schädlichen Kohlendioxids durch eine Verteuerung der Verschmutzungsrechte stärker zu sanktionieren, hatte sie dabei im Blick. „Wir kämpfen weiter für den Industrie-Standort, auch in Brüssel“, erklärte Kraft.

EU fördert Geheimniskrämerei
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hat schon so einige leidige Erfahrungen mit BAYERs Geschäftsgeheimnissen machen müssen. So weigerte sich der Leverkusener Multi unter Berufung auf ebendiese erfolgreich, Einblick in den mit der Universität Köln geschlossenen Forschungskooperationsvertrag zu gewähren. Auch auf den Hauptversammlungen nutzt er gern diese Ausrede, um Fragen zu den Verkaufszahlen umstrittener Produkte unbeantwortet zu lassen. Nichtsdestotrotz will die EU diese Geheimniskrämerei der Konzerne künftig noch weiter fördern. In einer neuen Richtlinie „über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb und rechtswidriger Nutzung und Offenlegung“ erklärt sie jede Information für sakrosankt, deren Veröffentlichung den Unternehmen zu ökonomischem Schaden gereichen könnte. Vergeblich hatte der Whistleblower Antoine Deltour, der den LuxLeaks-Steuerskandal aufgedeckt hatte, an die Europäische Union appelliert, das Vorhaben fallenzulassen. Auch die Kritik von JournalistInnen-Verbänden und Gewerkschaften, die durch das Paragrafen-Werk „in erheblichen Umfang die Meinungs- und Pressefreiheit“ beschränkt sahen, fand kein Gehör.

Wenning im FDP-Wirtschaftsforum
„Fast 70 Spitzenvertreter der deutschen Wirtschaft unterstützen das Comeback der Freien Demokraten. Sie haben sich dazu im FDP-Wirtschaftsforum organisiert, um die Parteiführung zu beraten“, vermeldet die FDP. Zu diesen ManagerInnen, deren Zahl mittlerweile auf 77 angestiegen ist, gehört auch BAYERs Aufsichtsratschef Werner Wenning. Er und seine KollegInnen haben der Partei bisher unter anderem „einfache Unternehmensgründungen“, „eine leistungsfähige Infrastruktur für Verkehr und Datenübertragung“ und nicht zuletzt „ein Steuerrecht, das Wachstumsbremsen löst, anstatt sie weiter anzuziehen“ auf die Agenda gesetzt.

PROPAGANDA & MEDIEN

Neues Media Center schafft Akzeptanz
„Mangel an gesellschaftlicher Akzeptanz wurde in einer Studie des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) als eines der Top-Hemmnisse für Innovationen benannt“, konstatiert Denise Rennmann, die bei BAYER den Bereich „Public & Governmental Affairs“ leitet. Die zunehmende Kritik an der Gentechnik und anderen neuen Hervorbringungen der Industrie bereitet dem Leverkusener Multi schon länger Sorge. Darum hat er sich Gedanken über eine „intensivere Wissenschaftskommunikation“ gemacht und die Idee ausgebrütet, ein „Science Media Center“ zu gründen. Dieses soll nach britischem Vorbild JournalistInnen mit „objektiven“ Informationen zu strittigen Themen aus dem Forschungsbereich versorgen. Im Jahr 2012 lud der Global Player zu diesem Behufe interessierte Kreise nach Berlin ein. Anschließend betraute er eine Arbeitsgruppe mit der Entwicklung eines Konzepts für eine solche Unternehmung und warb parallel dazu bei anderen Firmen, Zeitungen und Forschungseinrichtungen um Unterstützung. 2015 schließlich war es soweit. Die „Science Media Center Germany gGmbH“, getragen von der Stiftung des SAP-Mitgründers Klaus Tschira, nahm ihre Arbeit auf. „Wenn Journalisten den öffentlichen Diskurs mit verlässlichem Wissen und kompetenten Stellungnahmen bereichern wollen, dann steht ihnen das SMC Germany dabei zur Seite“, heißt es auf der Website. Einige Stichproben konnten das allerdings nicht bestätigen. Zu den Themen „Bienensterben“ oder „hormon-ähnliche Chemikalien“ findet sich beim SMC nichts. Und während der Eintrag zu Glyphosat einigermaßen ausgewogen daherkommt, lässt das Center bei den Informationen zur neuen Gentechnik CRISPR/Cas kritische Positionen unter den Tisch fallen.

14 Millionen für US-MedizinerInnen
Im Jahr 2015 standen 2.400 bundesdeutsche ÄrztInnen auf der Gehaltsliste von BAYER. Der Leverkusener Multi engagierte sie unter anderem als RednerInnen auf Kongressen, BeraterInnen oder lud sie zu Fortbildungsveranstaltungen ein. 7,5 Millionen Euro gab der Konzern dafür aus. In den USA ließ er sich das noch mehr kosten. Wie die US-Plattform ProPublica recherchierte, investierte der Pharma-Riese dort von August 2013 bis Dezember 2014 14 Millionen Dollar in die Pflege der medizinischen Landschaft.

1,3 Millionen für Fachgesellschaften
BAYER lässt sich die Pflege der medizinischen Landschaft so einiges kosten. Der Leverkusener Multi bedenkt nicht nur ÄrztInnen und Krankenhäuser mit Millionen-Beträgen (siehe oben und Ticker 4/16), sondern auch die medizinischen Fachgesellschaften. Rund 1,3 Millionen Euro erhielten diese im Jahr 2015. Und wenn sich die Tätigkeit der Organisationen auf ein Gebiet erstreckt, für das der Konzern die passende Arznei im Angebot hat, überweist er ihnen besonders viel Geld. So konnte sich die „Deutsche Gesellschaft für Mann und Gesundheit“ über 253.000 Euro freuen – und der Pharma-Riese bestimmt bald über mehr Rezepte für seine umstrittenen Testosteron-Präparate (siehe DRUGS & PILLS). Zur Umsatz-Steigerung seines risiko-reichen Gerinnungshemmers XARELTO investierte er indessen 189.000 Euro in die „Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung“ und 122.000 Euro in die „Gesellschaft für Thrombose und Hämostase-Forschung“.

PR für NEBIDO & Co.
Eigentlich sollten die Pharma-Firmen Medikamente für bestimmte Krankheiten entwickeln. Manchmal gehen sie jedoch den umgekehrten Weg und entwickeln Krankheiten für bestimmte Medikamente. So hat BAYER die männlichen Wechseljahre erfunden, um einen größeren Markt für NEBIDO und andere Hormon-Präparate zu schaffen. Praktischerweise hat der Konzern dafür auch gleich noch einen Fachbegriff in Beschlag genommen, der eigentlich nur einen wirklich krankhaften Testosteron-Mangel beschreibt: Hypogonadismus. Allerdings stehen NEBIDO & Co. seit einiger Zeit wegen ihrer zahlreichen Risiken und Nebenwirkungen in der Kritik. Deshalb geht der Leverkusener Multi nun in die Offensive. Beim europäischen Kongress für Männergesundheit, den die von ihm großzügig alimentierte „European Academy of Andrology“ in Rotterdam ausrichtete, sponserte er ein Symposion, das sich mit der Frage befasste: „Long-term treatment of hypogonadism – just a risky lifestyle intervention?“ Die vom Leverkusener Multi engagierten „Mietmäuler“ Abraham Morgentaler, Farid Saad, Kevin S. Channer und Linda Vignozzi antworteten natürlich unisono: „Nein.“

Mehr PR für DR SCHOLL’S & Co.
In den USA hat BAYER dieses Jahr größere Anstrengungen unternommen, um die Werbetrommel für seine rezeptfreien Medizin-Produkte, die so genannte „Over the Counter“-Ware (OTCs), zu rühren. Vor allem mit dem Bekanntheitsgrad der Sonnenschutzmittel aus der COPPERTONE-Reihe und der Fußpflege-Artikel der DR SCHOLL’S-Familie, die mit dem Kauf der OTC-Sparte von MERCK ins Portefeuille des Leverkusener Multis gelangten, zeigten sich die Konzern-StrategInnen unzufrieden (siehe auch ÖKONOMIE & PROFIT). „Ich hoffe, die Leute werden in den nächsten Jahren lernen, dass BAYER mehr ist als ASPIRIN“, so Phil Blake, der US-Chef des Pharma-Riesen, zum Sinn der Übung. Der Konzern lässt dabei keinen Kanal ungenutzt. Von TV und Zeitungen über FACEBOOK und INSTAGRAM bis hin zu TWITTER erstreckt sich die Kampagne.

BAYERs Shitstormer
Rund 500 Beschäftigte arbeiten in BAYERs PR-Abteilung. Das reicht allerdings nicht, um gegen den notorisch schlechten Ruf des Unternehmens anzukämpfen. Deshalb bedient sich der Konzern zusätzlich externer Kräfte. Gilt es etwa, im Zuge eines Skandals vertrauensbildende Maßnahmen einzuleiten, so greift der Leverkusener Multi gerne auf die Dienste von Christian Schwerg zurück. Dieser hat nämlich die Krisen-Kommunikation zu seinem Spezialgebiet auserkoren – den „Shitstormer“ nennt Die Zeit ihn deshalb. „Wir können nichts ungeschehen machen. Ab einer bestimmten medialen Verbreitung kann man nur offensiv vorgehen und das Thema in die Rehabilitationsstrategie integrieren“, sagt er über seine Arbeitsweise. Schwerg bietet für BAYER & Co. sogar vorbeugende Maßnahmen an, um deren ÖffentlichkeitsarbeiterInnen zu lehren, gut mit „bad news“ umzugehen. „Wir simulieren auch gerne mal Nachrichten auf News-Portalen oder geben uns als Journalisten aus, rufen an und senden E-Mails mit Vorwürfen“, plaudert der PR-Profi aus dem Nähkästchen.

TIERE & VERSUCHE

Tierversuchs-Richtlinie verwässert
Bei der Ausarbeitung der Tierversuchs-Richtlinie der EU hatten PolitikerInnen aus Deutschland BAYER & Co. vor allzu strengen Auflagen bewahrt. Und bei der Umsetzung in bundesdeutsches Recht musste das Paragrafen-Werk noch einmal gehörig Federn lassen. So unterliegen zu Bildungszwecken vorgenommene Tier-Experimente keiner Genehmigungspflicht mehr, sondern nur noch einer Meldepflicht. Auch ein Verbot besonders leidvoller Erprobungen fehlt in der deutschen Version. Der Jurist Dr. Christoph Maisack stellte in einem Gutachten insgesamt 18 Abweichungen vom ursprünglichen Text fest, die es dem Leverkusener Multi leichter machen, seine Tierversuche – im Geschäftsjahr 2015 waren es 133.666 – nicht zu reduzieren. Der Verein ÄRZTE GEGEN TIERVERSUCHE hat bei der EU-Kommission wegen der Aufweichung der Richtlinie eine Beschwerde eingereicht.

DRUGS & PILLS

30.000 ESSURE-Geschädigte
Bei ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, handelt es sich um eine kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich die Eileiter verschließen. Allzu oft jedoch bleibt das Medizin-Produkt nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Nebenwirkungen. 30.000 Meldungen über solche unerwünschten Arznei-Effekte hat BAYER bereits erhalten.

NICE nicht nice zu NEXAVAR
Das britische „National Institute for Health and Care Excellence“ (NICE) hat eine Kosten/Nutzen-Analyse von BAYERs NEXAVAR zu Behandlung von Leberkrebs durchgeführt und der Arznei kein gutes Zeugnis ausgestellt. „Es bleiben signifikante Unsicherheiten“, konstatierte die Behörde. Selbst eine vom Pillen-Riesen vorgenommene Preissenkung konnte die PrüferInnen nicht erweichen, dem „National Health Service“ die Übernahme der Therapie-Kosten zu empfehlen. Aber der Leverkusener Multi gibt sich noch nicht geschlagen und hofft weiter auf ein positives NICE-Votum in Sachen „NEXAVAR“.

Alzheimer durch ANTRA
Protonenpumpen-Hemmer mit dem Wirkstoff Omeprazol wie BAYERs ANTRA steigern das Alzheimer-Risiko. Das ergab eine Studie der Universität Bonn. Der Untersuchung zufolge setzen sich ANTRA-PatientInnen einer um 44 Prozent höheren Gefährdung aus, diese Krankheit zu bekommen, als Menschen, welche die Mittel nicht einnehmen. Die Präparate, die hauptsächlich bei Sodbrennen, aber auch zum Schutz vor Blutungen der Magenschleimhaut zum Einsatz kommen, haben jedoch noch mehr Nebenwirkungen. Da die Arzneien die Magensäure-Produktion fast komplett unterbinden, verschaffen sie Bakterien ein gedeihlicheres Klima, was den Ausbruch von Infektionen fördert. Zudem stören die Medikamente die Kalzium-Gewinnung aus der Nahrung und schwächen so die Knochen. Wegen solcher Gegenanzeigen warnen bundesdeutsche MedizinerInnen bereits seit Langem vor einem zu sorglosen Umgang mit ANTRA & Co. Allerdings fruchteten ihre Warnungen nicht – seit einiger Zeit sind diese Medikamente nicht einmal mehr verschreibungspflichtig. Und nicht zuletzt deshalb verfünffachte sich ihre Einnahme in den letzten Jahren.

Blockbuster EYLEA
EYLEA, das BAYER-Präparat zur Behandlung der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – erschließt nicht gerade medizinisches Neuland. Laut Konzern zeigte das Pharmazeutikum in Tests lediglich „eine vergleichbare Wirkung (‚Nicht-Unterlegenheit’) gegenüber der Behandlung mit LUCENTIS“. Einen Zusatznutzen mochte das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWIG) dem Gentech-Medikament deshalb nicht zu bescheinigen. Trotzdem entwickelt sich die Arznei dank BAYERs massivem Werbeaufwand zu einem Blockbuster. Dem „Innovationsreport 2016“ der Techniker Krankenkasse zufolge verzeichnete es die größten Umsatz-Zuwächse aller hierzulande im Jahr 2012 neu zugelassenen Medikamente. 2014 kam das Präparat auf fast 18 Millionen Euro – ein Plus von 458 Prozent gegenüber 2013.

USA: mehr Auflagen für NEBIDO & Co.
Mit großer Anstrengung arbeitet der Leverkusener Multi daran, die „Männergesundheit“ als neues Geschäftsfeld zu etablieren und Hormon-Präparaten wie NEBIDO oder TESTOGEL neue, nur selten zweckdienliche Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. Zu diesem Behufe hat der Pharma-Riese die Krankheit „Testosteron-Mangel“ erfunden und sie zu „männlichen Wechseljahresstörungen“ erhoben. Studien warnen allerdings vor den Gefahren der Mittel. So können die Arzneien neuesten Untersuchungen zufolge das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle erhöhen, was die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA zu einer Reaktion veranlasste. Sie zwang BAYER & Co., auf den Packungen vor diesen möglichen Nebenwirkungen zu warnen. Überdies müssen die Pharma-Firmen nun darauf hinweisen, dass die Pharmazeutika nur bei krankhaftem Testosteron-Mangel und nicht bei einem rein altersbedingten Rückgang der Hormon-Produktion Anwendung finden dürfen.

Neues Nahrungsergänzungsmittel
Menschen, die sich ausgewogen ernähren, brauchen keine zusätzliche Vitamine, Mineralien oder andere Stoffe. Deren Einnahme kann in manchen Fällen sogar schaden. Trotzdem hat BAYER eine Unmenge an Vitamin-Präparaten und Nahrungsergänzungsmitteln im Angebot. SANATOGEN, SUPRADYN, BEROCCA, CAL-D-VITA, ELEVIT, REDOXON und vieles mehr findet sich in der Produkt-Palette des Konzerns. Allein unter dem Markennamen ONE-A-DAY verkauft er Dutzende unterschiedlicher Pillen. Da die Geschäfte vor allem in den USA gut laufen, schmeißt der Pharma-Riese dort jetzt noch ein neues Mittelchen auf den Markt: TRUBIOTICS. Das mit den Mikroorganismen Lactobacillus acidophilus und Bifidobacterium animalis bestückte Probiotikum soll angeblich gute Werke im Verdauungstrakt verrichten.

ASPIRIN nur noch für vier Tage?
Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfArM) tritt bereits seit Langem dafür ein, ASPIRIN und andere Schmerzmittel in den Apotheken nur noch dann ohne Rezept abzugeben, wenn die Anwendungsdauer auf vier Tage beschränkt ist. Die Präparate haben nämlich beträchtliche Nebenwirkungen; ASPIRIN kann vor allem Magenbluten verursachen. „Selbst bei den niedrigen Dosierungen, die zur Prävention von Schlaganfall und Herzinfarkt dienen sollen“, besteht dem ehemaligen BfArM-Präsidenten Walter Schwerdtfeger zufolge dieses Risiko. Der „Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht“ lehnte die Forderung nach einer Verkleinerung der Packungen zwar bereits 2012 ab, aber endgültig vom Tisch ist die Sache noch nicht. „Die Studien-Ergebnisse werden zur Zeit ausgewertet“, ließ sich das Bundesgesundheitsministerium in der TV-Dokumentation „Angst vor Schmerzen“ vernehmen.

ASPIRIN im Freizeitsport
SportlerInnen verlangen ihrem Körper viel ab und überschreiten dabei oft die Schmerzgrenze. Deshalb greifen nicht wenige von ihnen zu Schmerzmitteln wie ASPIRIN (Wirkstoff: Acetylsalicylsäure) – und das nicht nur Profis. Nach einer Untersuchung der WissenschaftlerInnen Pavel Dietz und Antje Dresen nimmt auch eine große Zahl von Freizeit-SportlerInnen die Präparate ein. Den ForscherInnen zufolge schluckt die Hälfte aller TeilnehmerInnen von Langstrecken-Rennen ASPIRIN oder andere Analgetika. „Wir waren überrascht, dass es in so einer Häufigkeit ein Thema ist“, so Antje Dresen. Die LäuferInnen setzen sich damit erheblichen Gesundheitsrisiken aus, denn durch die körperliche Belastung können die Nebenwirkungen der Mittel – im Fall von BAYERs „Tausendsassa“ ist das hauptsächlich das Magenbluten – noch mehr durchschlagen. Die Stöße, die während des Langstrecken-Laufs auf den Magen einwirken, erhöhen nämlich die Durchlässigkeit der Organ-Wände für die Acetylsalicylsäure.

YASMIN hilft nicht mehr gegen Akne
Frauen, die drospirenon-haltige Pillen wie BAYERs YASMIN zur Empfängnis-Verhütung einnehmen, tragen im Vergleich zu solchen, die levonorgestrel-haltige Kontrazeptiva bevorzugen, ein bis zu dreimal so hohes Risiko, eine Thromboembolie zu erleiden. Trotzdem bewirbt der Leverkusener Multi die Mittel als Lifestyle-Präparate, die etwa gegen Akne helfen. In der Schweiz darf er das jetzt jedoch nicht mehr tun. Mit Verweis auf das Gefährdungspotenzial der Pharmazeutika untersagte die eidgenössische Aufsichtsbehörde Swissmedic BAYER und anderen Herstellern, weiter Reklame für die angeblichen dermatologischen Qualitäten von YASMIN & Co. zu machen.

FDA zweifelt nicht an XARELTO-Tests
Bei der Klinischen Erprobung von BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO erhielt die Kontrollgruppe den marktgängigen Wirkstoff Warfarin (MARCUMAR). Das Gerät, das bei diesen ProbandInnen die Blutgerinnung bestimmte, arbeitete jedoch nicht korrekt. Es zeigte geringere Werte als die wirklichen an. Deshalb bekamen die TeilnehmerInnen mehr Warfarin als nötig – und in der Folge auch mehr gesundheitliche Probleme als die PatientInnen, die das orale Antikoagulans des bundesdeutschen Pharma-Riesen schluckten. Das schmälert die Aussagekraft des zur Zulassung von XARELTO eingereichten Rocket-AF-Tests erheblich, was in der Fachwelt für einige Empörung sorgte. „Es lässt an den Ergebnissen zweifeln, die benutzt wurden, um den Gebrauch des weltweit meistverkauften neuen oralen Antikoagulans zu befördern“, sagt etwa Dr. Deborah Cohen. Gemeinsam mit den anderen Mitherausgebern des British Medical Journal kritisierte sie die Studie in einem Artikel massiv. Der Leverkusener Multi hielt jedoch an dieser fest. Schon unmittelbar nach dem Bekanntwerden der Unstimmigkeiten hatte er eine Nachuntersuchung in Auftrag gegeben, die erwartungsgemäß die Rocket-Resultate bestätigte. Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA gab Anfang Februar 2016 ebenfalls Entwarnung. Und die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA prüfte zwar bedeutend länger als ihr EU-Pendant, schloss sich dann aber im Oktober 2016 dem EMA-Votum an.

BAYER setzt auf Krebs-Arzneien
Krebs-Medikamente versprechen den Pharma-Riesen den größten Profit. Das „IMS Institute for Healthcare Informatics“ rechnet für das Jahr 2018 mit einem 100-Milliarden-Dollar-Markt. Schon jetzt fressen die Präparate – ohne die Lebenszeit der PatientInnen entscheidend verlängern zu können – in der Bundesrepublik rund ein Viertel des Medikamenten-Budgets der Krankenkassen. Folgerichtig setzt BAYER ganz auf dieses Segment. Mit NEXAVAR, STIVARGA und XOFIGO bietet das Unternehmen bereits drei Onkologie-Präparate an; zudem befinden sich 17 Wirkstoffe in der klinischen Erprobung. Die Konkurrenz hat jedoch noch mehr im Köcher. So testet ROCHE zurzeit 34 Arzneien. Der Schweizer Konzern lässt sich das alles auch mehr kosten als der Leverkusener Multi. Im Jahr 2014 gab er mit 8,4 Milliarden Dollar 6,4 Milliarden mehr für die Pillen-Forschung aus als der Leverkusener Multi.

Schnellere Arznei-Zulassungen?
Wie unzureichend die Genehmigungsverfahren für Arzneimittel sind, belegen die zahlreichen Todesfälle, die unter anderem BAYER-Pharmazeutika wie YASMIN und XARELTO verursacht haben. Das ficht die europäische Arzneimittel-Behörde EMA allerdings nicht an. Sie beabsichtigt, das Prozedere noch einmal zu beschleunigen und will künftig Zulassungen schon nach dem erfolgreichen Absolvieren von zwei Phasen der Klinischen Prüfungen ermöglichen. Was bisher die dritte Stufe war, sollen jetzt Praxis-Tests richten. „Real World Data“ lautet das Zauberwort. Und das alles, obwohl die Erprobungen der Kategorie 2 sich auf einen kleineren ProbandInnen-Kreis beschränken und ohne Vergleichsgruppe auskommen. Nicht umsonst bleibt gegenwärtig an der dritten Hürde noch einmal rund die Hälfte der Medikamenten-Kandidaten hängen. Die Arznei-Behörde hat jedoch nur das Wohlergehen der Pillen-Produzenten im Sinn. „Die potenziellen Vorteile für die Hersteller wären ein früherer Einkommensfluss als bei konventionellen Zulassungswegen und weniger teure und kürzere klinische Studien“, erklärt der EMA-Mann Georg Eichler frank und frei. Bei den Vorbereitungen zu den Schnelltests und den Pilotprojekten arbeiteten die willigen Helfer der Arznei-Branche dann auch an führenden Stellen mit. Trotzdem behauptet der von BAYER gegründete „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VFA) steif und fest, die geplante „Reform“ sei „klar an medizinischen Zielen ausgerichtet und kein ökonomisches Entgegenkommen gegenüber den Unternehmen“. Das nimmt ihm jedoch kaum jemand ab. So kritisierte die ÄrztInnen-Organisation MEIN ESSEN ZAHL ICH SELBST (MEZIS) das Vorhaben scharf: „Klar erkennbar ist bei diesem Vorstoß der zu erwartende ökonomische Nutzen der Pharma-Industrie – auf Kosten der Sicherheit der PatientInnen.“ Die BUKO-PHARMA-KAMPAGNE und die gesetzlichen Krankenkassen lehnen das Projekt ebenfalls ab.

Lieferengpässe bei Arzneien
In der Bundesrepublik kommt es in letzter Zeit verstärkt zu Liefer-Engpässen bei Arzneimitteln. Auf der aktuellen Fehl-Liste des „Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ findet sich mit dem Mittel NIMOTOP, das die Gehirn-Durchblutung fördert, auch ein BAYER-Medikament. „Probleme bei der Herstellung“ gibt der Leverkusener Multi als Grund an. Und die gab es in der Vergangenheit auch schon beim Krebsmittel XOFIGO. Schätzungen zufolge sind bis zu 60 Pharmazeutika kurz- oder längerfristig nicht erhältlich. Die „Probleme bei der Herstellung“ treten oftmals deshalb auf, weil die Pharma-Riesen die Fertigung gnadenlos rationalisiert haben. So versuchen sie etwa verstärkt, „just in time“ zu produzieren und auf diese Weise Lager-Kapazitäten abzubauen. Überdies gliedern sie gerne die Wirkstoff-Herstellung aus oder verlegen diese in Drittwelt-Länder. „In den letzten Jahren ist (...) meiner Ansicht nach etwas in der Unternehmensphilosophie einiger Pharmazeutischer Hersteller verloren gegangen: Verantwortungsbewusstsein, was zugunsten der Profit-Maximierung abgebaut wurde“, kritisiert deshalb Rudolf Bernhard, der Leiter der Krankenhausapotheke im Münchner „Klinikum rechts der Isar“. Um gegen die Missstände anzugehen, fordert der Pharmazeut unter anderem eine Meldepflicht bei Liefer-Problemen – bisher informieren BAYER & Co. nur auf freiwilliger Basis – und einen Zwang, bestimmte Arznei-Mengen immer auf Lager zu haben. Die Große Koalition sieht da jedoch keinen Handlungsbedarf, wie aus ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ hervorgeht. „Es liegen der Bundesregierung keine Anzeichen vor, dass die Register nicht die wesentlichen Lieferengpässe der relevanten Arzneimittel abdecken“, heißt es in dem Schriftstück. Dass etwa BAYERs Johanniskraut-Präparat LAIF zur Behandlung von milden Depressionen dort nicht verzeichnet ist, ficht Merkel & Co. offenbar nicht an. Den Pharma-Riesen zur Auflage zu machen, einen Vorrat an Medikamenten anzulegen, lehnen CDU und SPD ebenfalls ab. Ihrer Ansicht nach reicht es, wenn die Apotheken und Pillen-Großhändler die Arzneien immer parat haben: „Eine darüber hinausgehende Bevorratung durch den Pharmazeutischen Unternehmer ist daher nicht notwendig.“

„Consumer Health“ schwächelt
Der Leverkusener Multi hat das Geschäft mit den rezeptfreien Arzneien in der letzten Zeit stark ausgebaut und ist in diesem Bereich zur Nr. 2 auf der Welt aufgestiegen. Aber nicht nur die 2014 zugekaufte MERCK-Sparte erfüllte ihre Erwartungen bisher nicht (siehe ÖKONOMIE & PROFIT), auch der Absatz der restlichen Produkte schwächelt. Im 3. Quartal 2016 machte der Leverkusener Multi gegenüber dem Vorjahreszeitraum einen Verlust von 20 Millionen Euro. Dazu trug vor allem die schlechtere ökonomische Lage in Russland, China und Brasilien bei – diese Schwellenländer hatten zwischen 2012 bis 2014 noch 70 Prozent zum Umsatzwachstum von BAYER in diesem Markt-Segment beigetragen.

AGRO & CHEMIE

GAUCHO & Co. gefährden Wildbienen
Immer neue Studien belegen die Bienengefährlichkeit von Pestiziden aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin). So hat der britische Insektenforscher Ben Woodcock vom „Zentrum für Ökologie und Hydrologie“ (NERC) die Auswirkungen dieser Wirkstoff-Gruppe, welche die EU bereits mit einem vorläufigen Verkaufsbann belegt hat, auf Wildbienen untersucht. Er kam zu einem alarmierenden Befund: Waren die Tiere GAUCHO & Co. ausgesetzt, so beschleunigte sich das Schrumpfen der Populationen im Vergleich zu denjenigen, die nicht in Kontakt mit den Giften kamen, um den Faktor drei. Der Leverkusener Multi hatte bisher immer die Validität von wissenschaftlichen Arbeiten zu Neonicotinoiden angezweifelt, die unter Laborbedingungen entstanden. Von „unrealistischen Expositionsbedingungen“ sprach er stets und von Expositionsdosen, „die unter realistischen Feld-Bedingungen in dieser Form niemals auftreten würden“. Das traf zwar auf kaum eine Studie zu, verfehlte aber seine Wirkung nicht. Da Woodcock jedoch auf freier Wildbahn zu seinen Ergebnissen kam, stößt diese Verteidigungsstrategie des Konzerns nun auch an ihre Grenzen. Diese will er jedoch nicht wahrhaben. Von Mitgliedern der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN mit den Resultaten des Wissenschaftlers konfrontiert, meinte der Global Player auf einmal darauf hinweisen zu müssen, dass „auch Feld-Untersuchungen ihre Tücken haben, da sie sehr komplex und mitunter nicht leicht zu interpretieren sind“. Und – fast unnötig zu betonen – hatte die Woodcock-Arbeit nach Ansicht des Unternehmens solche Tücken.

Top bei Grenzwert-Überschreitungen
Bei Grenzwert-Überschreitungen von Pestizid-Rückständen in Lebensmitteln toppen Ackergifte made by BAYER alles. Nach den neuesten verfügbaren Zahlen, die aus den Jahren 2012 und 2013 stammen, finden sich nach Angaben der Bundesregierung unter den sieben „am häufigsten beanstandeten Wirkstoffen“ mit Imidacloprid (s. o.), Ethephon und Carbendazim drei, die auch in Produkten des Leverkusener Multis enthalten sind.

Pestizide in Orangen
Das Delmenhorster „Labor für Chemische und Mikrobiologische Analytik“ untersuchte für die WDR-Sendung Markt Orangen auf Rückstände von Pestiziden. In allen Proben stießen die WissenschaftlerInnen auf Spuren der Ackergifte. Diese blieben zwar unter den Grenzwerten, stellen aber trotzdem eine Gefahr dar. In den Früchten fanden sich nämlich bis zu fünf Agrochemikalien gleichzeitig, was Kombinationseffekte hervorrufen kann. Auch BAYER-Pestizide wiesen die ForscherInnen nach. So enthielten die Orangen Chlorpyrifos, das der Leverkusener Multi unter den Produktnamen BLATTANEX, PROFICID und RIDDER vermarktet, Fenhexamid (TELDOR), Imazalil (BAYTAN und MANTA PLUS) sowie Pyrimethanil (CLARINET, FLINT STAR, MYSTIC, MYTHOS, SCALA, SIGANEX, VISION und WALABI).

Parkinson keine Berufskrankheit
Pestizide können viele Gesundheitsschädigungen auslösen. Frankreich hat deshalb Krebs und Parkinson bei LandwirtInnen als Berufskrankheiten anerkannt. In der Bundesrepublik steht das vorerst nicht an, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ hervorgeht. Merkel & Co. stützen sich dabei auf einen Sachverständigenbeirat, der die Sachlage bei Parkinson 2011 und 2012 geprüft hat und befand: „Im Ergebnis war die Studien-Lage heterogen.“ „Erhebliche Unsicherheiten im Hinblick auf eine eindeutige Diagnose-Stellung“ machten die ExpertInnen fest. Im Moment werten diese allerdings neue Untersuchungen aus. In Sachen „Krebs“ haben es immerhin Erkrankungen in die Liste der Berufskrankheiten geschafft, welche die in vielen Agro-Chemikalien enthaltenen Halogen-Kohlenwasserstoffe auslösen können. Die „Anerkennung im Einzelfall“ hängt jedoch der Großen Koalition zufolge von vielen Parametern wie der Tumor-Art, dem gebrauchten Pestizid und der Dauer der Anwendung ab.

WASSER, BODEN & LUFT

Gerupfter Klimaschutzplan
Im Übereinkommen von Paris hatten sich die Mitgliedsländer der Vereinten Nationen 2015 darauf verständigt, die Erd-Erwärmung deutlich unter zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu halten. Im Vorfeld hatten sich die EU-Länder bereits geeinigt, die Treibhausgas-Emissionen bis 2050 um 80 bis 95 Prozent gegenüber dem Wert von 1990 zu verringern. Den bundesdeutschen Beitrag zur Umsetzung dieser Ziele wollte die Große Koalition mit dem „Klimaschutzplan 2050“ festlegen. Um diesen Plan entbrannte jedoch heftiger politischer Streit. Der „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI), der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI), die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) und die industrie-freundliche nordrhein-westfälische Landesregierung taten alles dafür, BAYER & Co. vor allzu drastischen Anforderungen zu bewahren. Ein „fester Beitrag zur Erreichung eines nationalen Klimaschutz-Ziels“ sei nicht im Voraus bestimmbar, dekretierte etwa der VCI. Maßnahmen zur Verteuerung der derzeit zum Schnäppchen-Preis erhältlichen Kohlendioxid-Verschmutzungsrechte lehnte der Verband ebenfalls ab. Und so kam es, dass Umweltministerin Barbara Hendricks den schon fertiggestellten Klimaschutzplan nach einer Intervention von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) wieder in die Tonne kloppen musste. In der überarbeiteten Fassung bekennt sich die Bundesregierung nun dazu, „ein zentrales Augenmerk auf den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft“ zu legen. Darum senkte sie die Spar-Vorgaben für die Industrie gegenüber den ursprünglichen Plänen um zehn Millionen Tonnen CO2 auf 140 bis 143 Millionen Tonnen bis 2030 ab und bürdete das Quantum kurzerhand der Wohnungswirtschaft auf. Auch setzte die Große Koalition hinter die Regelungen zur Reform des Emissionshandels – ganz wie vom VCI gefordert – den Vermerk „kann wegfallen“. Jetzt braucht der Leverkusener Multi, der 2015 fast zehn Millionen Tonnen Kohlendioxid ausstieß, seine Wirtschaftsweise nicht groß zu ändern. Für die Zukunft des Planeten bedeutet das allerdings nichts Gutes. „Die geplanten Maßnahmen sind nicht ehrgeizig genug, um die Klima-Ziele bis zur Mitte des Jahrhunderts zu erreichen“, konstatierte der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel von Bündnis 90/Die Grünen besorgt.

Die Deponie unter der Deponie
Anfang November 2016 hat die Bezirksregierung Köln dem Landesbetrieb Straßenbau NRW die Genehmigung erteilt, BAYERs Dhünnaue-Deponie wieder zu öffnen, um darauf das Fundament für die Erweiterung der A1-Autobahn und des Neubaus der Rheinbrücke zu gründen (siehe auch RECHT & UNBILLIG). Damit beschwor sie Gefahren für Mensch, Tier und Umwelt herauf. Und diese dürften nach Recherchen des WDR-Magazins Westpol sogar noch größer sein, als selbst die KritikerInnen des Projektes angenommen haben. Über einem 13 Hektar großen Teil des erst zur Landesgartenschau 2005 halbwegs abgedichteten Giftgrabs liegt nämlich die noch in Betrieb befindliche Sondermüll-Deponie Bürrig der BAYER-Tochter CURRENTA. Eine Absicherung nach unten hin existiert nicht, weshalb die Aufschüttungen auf die Altlast drücken und zu chemischen Reaktionen führen könnten. Trotzdem spielte Bürrig bei der Sicherheitsanalyse von Straßen.NRW keine Rolle und fand auch in den Antragsunterlagen zur Genehmigung keine Erwähnung. „Die aktive Deponie ist von den Planungen nicht betroffen“, antwortet die Bezirksregierung Köln auf eine Anfrage des WDR. Harald Friedrich, der ehemalige Abteilungsleiter im NRW-Umweltministerium, teilt diese Einschätzung nicht: „Man hätte eine Gefährdungsabschätzung machen müssen.“

BAYTRIL fördert Methan-Ausstoß
Rinder, die Antibiotika wie BAYERs BAYTRIL verabreicht bekommen, geben mehr klimaschädigende Methan-Gase an die Umwelt ab als solche, welche die Präparate nicht schlucken müssen. Das ergab eine Studie, welche die Fachzeitschrift Proceedings of the Royal Society B veröffentlichte. Den ForscherInnen um Tobin J. Hammer zufolge stieg die Methan-Freisetzung um den Faktor 1,8. Die WissenschaftlerInnen vermuten, dass BAYTRIL & Co. die Gas-Produktion fördern, indem sie Einfluss auf im Verdauungstrakt der Tiere wirkenden Mikrobakterien nehmen.

Plastik in Speisefischen
Immer mehr Plastikabfälle gelangen in die Weltmeere und bedrohen so das aquatische Ökosystem. Nach Angaben des Bundesumweltministeriums finden sich die Rückstände mittlerweile in 330 Tierarten wieder. Als einer der weltgrößten Kunststoff-Produzenten trägt BAYER maßgeblich zu diesem Umweltverbrechen bei. ForscherInnen des „Alfred-Wegener-Institutes“ wiesen jetzt sogar Plaste-Reste in Speisefischen aus der Nord- und Ostsee nach. Zumeist stießen die BiologInnen in den Verdauungsorganen der Tiere auf die Partikel. Obwohl die Heringe, Dorsche, Makrelen und Flundern vor der Lieferung an den Lebensmittel-Zwischenhandel ausgenommen werden, mochten die WissenschaftlerInnen Chemie-Rückstände in ihren Körpern nicht ausschließen: „Wir sind mit der Erforschung der Effekte noch ganz am Anfang.“

IMPERIUM & WELTMACHT

Abschreibungen in Venezuela
Die sinkenden Öl-Preise haben Venezuela in eine tiefe Krise gestürzt. Unter anderem leidet das Land an einer hohen Inflation, weshalb die heimische Währung gegenüber dem Dollar immer mehr an Boden verliert. Auch bei den Pharma-Firmen hat die Nation immense Schulden. Um diese wenigstens teilweise zu tilgen, hat die Regierung BAYER, SANOFI und NOVARTIS nun Anleihen der staatlichen Öl-Gesellschaft PDVSA übertragen.
Diese notieren zwar in Dollar und nicht in Bolívar, haben gegenüber ihrem Nennwert jedoch viel verloren. Die Konzerne nehmen die Verluste jedoch in Kauf und verkaufen trotzdem. NOVARTIS etwa erhielt für seine 200-Millionen-Dollar-Bonds nur 73 Millionen, und der Leverkusener Multi dürfte seine Papiere mit ähnlich hohen Abschlägen veräußert haben.

ÖKONOMIE & PROFIT

Synergie-Defekte beim MERCK-Deal
Schicken sich Unternehmen an, ihre Konkurrenten zu übernehmen oder Geschäftsteile von ihnen zu erwerben, preisen sie stets die mit den Deals angeblich verbundenen Synergie-Effekte. Im Fall des geplanten Kaufs von MONSANTO wusste BAYER diese sogar schon genau zu taxieren: 1,5 Milliarden Dollar per anno schon drei Jahre nach dem Vollzug der Transaktion. Allerdings können sich die Konzerne dabei auch verkalkulieren. Beispielsweise zahlte sich der 2014 vorgenommene Kauf einer MERCK-Sparte für den Leverkusener Multi bis jetzt nicht in dem erhofften Maß aus. So lag der Umsatz des Sortiments um 100 Millionen Dollar niedriger, als von MERCK angegeben. Auch erwies sich die Entwicklungspipeline als „nicht annähernd so gut wie präsentiert“, wie der Global Player beklagt. Zudem musste er mehr Geld als erwartet in Werbung für die Fußpflege-Artikel aus der DR SCHOLL’S-Reihe oder die COPPERTONE-Sonnenschutzmittel investieren, was sich obendrein nicht immer auszahlte: Im dritten Quartal des Jahres 2016 ging der COPPERTONE-Umsatz gegenüber dem Vergleichszeitraum um fünf Prozent zurück. Die 2001 erfolgte AVENTIS-Akquisition blieb ebenfalls lange hinter den Erwartungen zurück. Wegen falscher Angaben des AVENTIS-Managements über den Wert der Agro-Abteilung zog BAYER damals sogar vor Gericht.

Steuern sparen mit Lizenzen
Das Steuerrecht ermöglicht es den Konzernen, Geschäfte mit sich selber zu machen, um ihre Abgabenlast zu senken. So können einzelne Unternehmensteile von anderen Abteilungen Lizenzen erwerben, und die Kosten dafür senken den zu versteuernden Ertrag. Der Leverkusener Multi hat für solche Operationen die Tochter-Gesellschaft BAYER INTELLECTUAL PROPERTY (BIP) ins Leben gerufen, die Standorte in Monheim, Eschborn und Schönefeld hat. Wie hoch diese steuer-mindernden Lizenz-Gebühren z. B. für Marken-Rechte ausfallen, lassen die Zahlungen erahnen, welche der Global Player für die darauf entfallenden Einnahmen allein im bundesdeutschen Steuerparadies Monheim an das Finanzamt leistet: rund 20 Millionen Euro.

Monheim – einfach paradiesisch
Die Stadt Monheim wirbt mit einem Gewerbesteuer-Hebesatz von 300 Punkten – dem niedrigsten in ganz Nordrhein-Westfalen – um Industrie-Ansiedlungen. BAYER ließ sich das nicht zweimal sagen. Der Agro-Riese verlegte nicht nur einen Teil seiner Patent-Abteilung dorthin (s. o.), sondern auch die CROPSCIENCE BETEILIGUNGSGESELLSCHAFT, deren Haupttätigkeit „im Bereich Verwaltung und Führung von Unternehmen und Betrieben“ liegt.

COVESTRO spart Steuern
Letztes Jahr brachte der Leverkusener Multi seine Kunststoff-Sparte COVESTRO an die Börse. Und im Zuge des Loslösungsprozesses sucht sich das Unternehmen nach dem Vorbild der Muttergesellschaft schon einmal besonders günstige Steuerstandorte. Wie BAYER ist es dabei unter anderem in Monheim (s. o.) und in Belgien fündig geworden. Zusätzlich hat die Plaste-Gesellschaft sich jedoch noch die Schweiz auserkoren, wirbt doch das Nachbarland damit, dass es „international weiterhin auf Rang 8 der steuergünstigsten Standorte steht“. Die COVESTRO INTERNATIONAL SA mit Sitz im Kanton Fribourg hält Beteiligungen an überall auf der Welt verstreuten Niederlassungen. Ein Großteil von deren Erträgen wandert so an den eidgenössischen Steuerstandort zurück, wo die Finanzämter unschlagbare Konditionen bieten: „Holding-Gesellschaften sind von kantonalen Gewinn-Steuern ganz befreit, der Kapitalsteuersatz ist reduziert“.

BAYSANTO & MONSAYER

MONSANTO-HV stimmt Übernahme zu
Am 13. Dezember 2016 haben die MONSANTO-AktionärInnen der Übernahme des Konzerns durch BAYER zugestimmt. Die großen Anteilshalter wie BLACKROCK und andere Finanzinvestoren sorgten für das klare Ergebnis von 99 Prozent Zustimmung für das Angebot des Leverkusener Multis, pro MONSANTO-Papier 128 Dollar zu zahlen. Grünes Licht für den Deal hat der bundesdeutsche Konzern aber auch damit noch nicht. Rund 30 Kartellbehörden müssen die Transaktion noch genehmigen.

Klage gegen Übernahme scheitert
Im November 2016 hatten einige MONSANTO-AktionärInnen eine Klage gegen die Übernahme des Konzerns durch BAYER eingereicht. Sie warfen den ManagerInnen des US-Unternehmens eine Verletzung ihrer Treue-Pflichten vor, weil diese den Global Player ihrer Meinung nach zu billig hergegeben hatten. Kurz vor der entscheidenden MONSANTO-Hauptversammlung (s. o.) wies ein Richter das Begehren jedoch ab. Allerdings besteht für die Aktien-HalterInnen noch die Möglichkeit, in Delaware, dem Stammsitz des Agro-Riesen, ein Gericht anzurufen.

Grüne schreiben Offenen Brief
Die Grünen haben die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager in einem Offenen Brief dazu aufgefordert, der Übernahme MONSANTOs durch BAYER die Zustimmung zu verweigern. Der Fraktionschef Anton Hofreiter und weitere Bundestagstagsabgeordnete appellierten stattdessen an die Dänin, „die Spirale der Hochfusionierung im Agrochemie-Markt zu stoppen“. Unter anderem befürchtet die Partei durch den Deal höhere Preise für LandwirtInnen und VerbraucherInnen.

RECHT & UNBILLIG

13.800 XARELTO-Klagen
BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO mit dem Wirkstoff Rivaroxaban hat gefährliche Nebenwirkungen – im Jahr 2015 gingen allein beim „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) 137 Meldungen über Todesfälle ein. In den USA ziehen deshalb immer mehr Geschädigte bzw. deren Hinterbliebene vor Gericht. Das Aufkommen der Klagen erhöhte sich von Ende Januar 2016 bis Mitte Oktober von 4.300 auf 13.800.

Über 1.000 ESSURE-Klagen
ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, beschäftigt in den USA zunehmend die Gerichte. Die kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich die Eileiter verschließen, hat nämlich zahlreiche Nebenwirkungen. Allzu oft bleibt das Medizin-Produkt nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Gesundheitsschädigungen, über die Frauen berichten. Über 1.000 von ihnen haben in den Vereinigten Staaten deshalb schon eine Klage gegen BAYER eingereicht.

CIPROBAY vor Gericht
Das Antibiotikum CIPROBAY, das zur Gruppe der Fluorchinolone gehört, hat zahlreiche Nebenwirkungen. So registrierte die US-Gesundheitsbehörde FDA zwischen 1998 und 2013 3.000 Todesfälle, die im Zusammenhang mit fluorchinolon-haltigen Medikamenten stehen. Insgesamt erhielt die Institution rund 50.000 Meldungen über unerwünschte Arznei-Effekte. Am häufigsten treten Gesundheitsschäden im Bereich der Sehnen, Knorpel, Muskeln und Knochen auf. Die Pharmazeutika stören nämlich das Zusammenspiel zwischen Nerven und Muskeln, weil sie die Weiterleitung des Neurotransmitters Acetylcholine behindern. Auch Störungen des zentralen Nervensystems, die sich in Psychosen, Angst-Attacken, Verwirrtheitszuständen, Schlaflosigkeit und anderen psychiatrischen Krankheitsbildern manifestieren, beobachten die MedizinerInnen. Darüber hinaus sind CIPROBAY & Co. für Herzinfarkte, Unterzuckerungen, Hepatitis, Autoimmun-Krankheiten, Leber- oder Nierenversagen und Erbgut-Schädigungen verantwortlich. Bei Cheryl Tigley löste CIPROBAY, das BAYER in den USA unter dem Namen AVELOX vertreibt, eine Schädigung des peripheren Nervensystems aus. Deshalb zog die US-Amerikanerin vor Gericht und verklagte den Leverkusener Multi auf Schadensersatz.

CIPROBAY nicht vor Gericht
Kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001 kam es in den USA durch per Post verschickte Milzbrand-Erreger zu fünf Todesfällen. Die Regierungsstellen trafen daraufhin Vorsorge-Maßnahmen und kauften große Mengen von BAYERs Antibiotikum CIPROBAY als Gegenmittel. Zudem hoben sie das Verbot auf, die Arznei Kindern zu verabreichen – der Leverkusener Multi hatte für die Gewährung des exklusiven Vermarktungsrechtes lediglich Unbedenklichkeitsstudien nachzureichen. Bei diesen Untersuchungen hat der Pharma-Riese allerdings massive Manipulationen vorgenommen. Der an den Klinischen Prüfungen beteiligte Mediziner Dr. Juan Walterspiel wirft dem Unternehmen vor, Daten gefälscht zu haben, um Nebenwirkungen wie Muskelschwäche und Knorpelschäden zu verbergen. BAYER habe lange Datenkolonnen einfach in die Berichtsbögen eingefügt, so Walterspiel: „Diese Zahlen wiederholten sich endlos.“ Zudem haben die Erprobungen in den USA Walterspiel zufolge auffallend mehr Risiken und Nebenwirkungen zu Tage gefördert als solche, die der Konzern in Mexiko und anderen ärmeren Ländern durchgeführt hat. Die Versuche des Arztes, wegen der unsauberen Tests gerichtlich gegen den Leverkusener Multi vorzugehen, gestalten sich jedoch schwierig. So hat es der Oberste Gerichtshof der USA, der Supreme Court, im Juli 2016 abgelehnt, Walterspiel als Whistleblower gerichtlichen Beistand zu gewähren.

Pestizid-Klage in Indien
Das indische Agrar-Ministerium hatte 2015 ein ExpertInnen-Gremium damit beauftragt, die Risiken und Nebenwirkungen von 66 Pestiziden zu bewerten, die andere Länder längst verboten haben. Da in dem Ausschuss auch Industrie-VertreterInnen saßen, fiel die Empfehlung moderat aus. Die Kommission legte dem Staat nahe, 13 Agro-Chemikalien sofort aus dem Verkehr zu ziehen, darunter mit Fenthion und Methyl Parathion auch solche Wirkstoffe, die in BAYER-Produkten enthalten sind. Darüber hinaus schlug sie vor, die Zulassung für sechs Ackergifte 2020 auslaufen zu lassen und 27 im Jahr 2018 noch einmal in Augenschein zu nehmen. Aber der Regierung ging selbst das zu weit. Sie machte keine Anstalten, die Ratschläge zu befolgen. Deshalb sehen sich Modi & Co. nun mit einer Klage konfrontiert.

USA verbieten primäres Mikroplastik
Immer mehr Plastik-Abfälle gelangen in die Weltmeere und bedrohen so das aquatische Ökosystem. Durch Wellenbewegungen und Sonnen-Einwirkung kleingemahlen oder gleich in winziger Form als primäres Mikro-Plastik in das Wasser geraten, nehmen Fische und andere Tier-Arten die Partikel auf und setzen sich so großen Gesundheitsgefahren aus. Als einer der weltgrößten Kunststoff-Produzenten trägt BAYER maßgeblich zu diesem Desaster bei. Die USA hat jetzt jedoch erste Schritte zum Schutz der Wasser-Lebewesen eingeleitet. Sie verbot die Herstellung von primärem Mikro-Plastik, den sogenannten Microbeads, wie sie sich unter anderem in einigen Sorten des Durethan-Kunststoffs der BAYER-Tochter COVESTRO finden.

PCB: Kein Verfahren gegen RAG
Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören zu den giftigsten Hervorbringungen der Chlorchemie (SWB 1/14). Die vor allem von BAYER und MONSANTO in Umlauf gebrachten gefährlichen „Alleskönner“ kamen bis zu ihrem vollständigen Verbot 1989 in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben, Ölen, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz – und stellen immer noch ein beträchtliches Gesundheitsrisiko dar. Von den 1985 in der Bundesrepublik verkauften 72.000 Tonnen landete mehr als ein Sechstel im Bergbau, wo die schweren Gerätschaften viel Hydraulik-Öl brauchten. „Wir sind mit dem Zeug umgegangen, als wäre es Milch“, zitiert der Spiegel einen Bergmann. Dementsprechend leiden viele seiner KollegInnen heute an den Spätfolgen und zeigen Vergiftungssymptome wie Haut-, Nieren- und Leberschäden. Die Altlasten lagern in Fässern und anderen Behältern, die nicht selten Leckagen aufweisen. Nicht zuletzt deshalb gelangt jetzt PCB mit dem abgepumpten Grubenwasser aus den kontaminierten Stollen in die Flüsse. Das nordrhein-westfälische Landesamt für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz entnahm unter anderem an den Bergwerken in Prosper-Haniel, Bergkamen und Essen Proben und wies PCB-Belastungen nach, die an manchen Stellen um das Dreifache über den Grenzwerten lagen. Der BUND reichte deshalb eine Strafanzeige gegen den Bergbau-Konzern RAG ein. Anfang September stellte die Bochumer Staatsanwaltschaft die Ermittlungen allerdings ein. Das Unternehmen hätte wasserrechtliche Genehmigungen für die Einleitungen, und die Gewässer hätten kein Schaden genommen, erklärte Oberstaatsanwalt Paul Jansen zur Begründung. Er behauptete sogar, das Unternehmen hätte immer die Grenzwerte eingehalten.

Klage wg. Diskriminierung
Anfang Dezember 2016 hat eine US-amerikanische BAYER-Angestellte den Konzern wegen Diskriminierung verklagt. Dr. Irene Laurora, welcher der Leverkusener Multi 2012 noch den Titel der „Working Mother of the Year“ verliehen hatte, wirft dem Unternehmen vor, sie wegen ihres Einsatzes für Frauenrechte entlassen zu haben. Die Pharmakologin hatte 2015 eine schwangere Frau in ihr Projekt geholt, wogegen Lauroras Vorgesetzter wegen des bevorstehenden Mutterschaftsurlaubs allerdings Einspruch erhob. Die Wissenschaftlerin protestierte gegen die Intervention ihres Chefs, was zu Zurückstufungen und schließlich zur Kündigung führte. „Anstatt Dr. Lauroras Anstrengungen zu unterstützen, gegen die Diskriminierung Schwangerer vorzugehen, versuchte BAYER sie rechtswidrig durch eine Freisetzung mundtot zu machen“, kritisiert der Rechtsanwalt der Klägerin. Beim Pharma-Riesen ist das nicht der erste Fall dieser Art: Bereits im Jahr 2011 hatten acht weibliche Angestellte rechtliche Schritte gegen den Konzern wegen frauenfeindlichen Verhaltens eingeleitet (siehe SWB 3/11).

Auch Uni Mainz darf weiter mauern
Am 18. August 2015 hatte das Oberverwaltungsgericht Münster der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) die Einsichtnahme in den Vertrag verwehrt, den BAYER mit der Universität Köln geschlossen hatte. Antworten auf Fragen zur finanziellen Ausgestaltung der Kooperation, zu den Verwertungsrechten, zu den Forschungsvorgaben des Leverkusener Multis und zum Umgang mit negativen Forschungsergebnissen bleiben der Öffentlichkeit damit verwehrt. Der Richter Sebastian Beimesche hatte sich bei seinem Urteil auf die Paragrafen des nordrhein-westfälischen Informationsfreiheitsgesetzes und des Hochschulzukunftsgesetzes gestützt. Die entsprechenden Abschnitte entbinden Forschung & Lehre von der Transparenz-Pflicht. Und der Jurist legte diese so „weitreichend“ aus, dass sie auch die Forschungsplanung einbeziehen. Mit dem Verweis auf eine ähnliche Ausnahme-Regelung in den rheinland-pfälzischen Gesetzen bewahrte das Verwaltungsgericht Mainz Mitte September 2016 nun auch die Universität Mainz und BOEHRINGER davor, Details ihrer Zusammenarbeit offenlegen zu müssen.

Grünes Licht für Autobahn-Ausbau
Die Bezirksregierung Köln hat dem Landesbetrieb Straßen.NRW Anfang November 2016 die Genehmigung erteilt, die Autobahn A1 zwischen Köln-Niehl und dem Autobahn-Kreuz Leverkusen-West auszubauen und dafür auch eine neue Rheinbrücke zu errichten (siehe auch SWB 1/17). Dass der „Vorhaben-Träger“ dafür BAYERs erst zur Landesgartenschau 2005 in langjähriger Arbeit halbwegs gesicherte Dhünnaue-Deponie wieder öffnen muss, focht die Behörde bei ihrer Entscheidung nicht an. Sie setzte sich mit ihrem Beschluss über 300 Einwendungen verschiedener Initiativen und Einzelpersonen – auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hatte im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens eine Beschwerde eingereicht – und über massiven BürgerInnen-Protest hinweg.. Die GegnerInnen des Projektes verstummen dennoch nicht. So luden sich Umweltverbände, die CBG und andere Gruppen am 7. Dezember 2016 einfach selbst zur Feier von „125 Jahre BAYER in Leverkusen“ ein und vermiesten dem Global Player, seiner Gratulantin Hannelore Kraft und den anderen Gästen gehörig die Stimmung. Zudem wollen einige Organisationen gegen den Planfeststellungsbeschluss klagen.

FORSCHUNG & LEHRE

Kooperation mit der Uni Hamburg
BAYER hat mit der Universität Hamburg eine Forschungskooperation auf dem Gebiet der „Digitalen Landwirtschaft“ vereinbart. GeologInnen und InformatikerInnen der Hochschule wollen für den Leverkusener Multi im Rahmen dieser Zusammenarbeit ein Modell zur Erhebung von Wetter- und Bodendaten entwickeln, um „die Nutzung bestehender landwirtschaftlicher Ressourcen weiter zu optimieren“.

Kooperation mit der Uni Göttingen
Der Leverkusener Multi lagert immer größere Bereiche seiner Forschungsarbeiten aus. Rund 20 Prozent seines über 4,3 Milliarden Euro schweren Forschungsetats steckt er mittlerweile in Kooperationen mit Hochschulen und wissenschaftlichen Instituten. Der Göttinger Georg-August-Universität hat er gleich zwei Aufträge erteilt. Das dortige „Department für Nutzpflanzen-Wissenschaften“ ergründet für den Global Player zum Preis von 141.250 Euro, warum das Pestizid Flufenacet Wildgräsern nichts mehr anhaben kann. Das andere, nicht näher bezeichnete Agrochemie-Projekt läuft Ende 2016 aus und kommt BAYER mit 180.000 Euro noch teurer zu stehen.

BAYER stiftet Lehrstuhl
BAYER pflegt die akademische Landschaft nicht nur hierzulande mit Stiftungsprofessuren, sondern auch im Ausland. So hat der Leverkusener Multi der Universität Manitoba in Tateinheit mit den Nachkommen eines Arztes einen Lehrstuhl zur Erforschung von Blut-Krankheiten spendiert.

[Endokrin] STICHWORT BAYER 04/2016

CBG Redaktion

Politik & Einfluss

Hormon-ähnliche Chemikalien von BAYER & Co.

Eine globale Bedrohung

Chemikalien haben viele gesundheitsgefährdende Eigenschaften. Eine der unheimlichsten: Manche Substanzen wirken ähnlich wie bestimmte körpereigene Stoffe und können damit den menschlichen Organismus gehörig durcheinanderwirbeln. So gleichen bestimmte Pestizide, Weichmacher oder andere Produkte wie etwa Bisphenol A in ihrem chemischen Aufbau Hormonen. Krebs, Diabetes, Fettleibigkeit, Unfruchtbarkeit und andere Gesundheitsstörungen beschreiben MedizinerInnen als mögliche Folge. Darum will die EU die VerbraucherInnen besser vor diesen Produkten von BAYER & Co. schützen. Aber die Konzerne torpedieren dies nach Kräften. Ein Lehrstück in Sachen „Lobby-Arbeit“.

Von Jan Pehrke

Hormone sind die Botenstoffe des Körpers. Sie erfüllen damit eine wichtige Aufgabe in seinem Regulationssystem. Die biochemischen Substanzen steuern beispielsweise das Knochenwachstum, den Zucker- und Fettstoffwechsel, die Verdauung und die Sexualentwicklung. Stört nun etwas die Signal-Übertragung, so kommen falsche Botschaften an, was die Abläufe gehörig durcheinanderwirbelt. Und als solche „Störer“ – sogenannte endokrine Disruptoren (EDCs) – hat die Wissenschaft seit einiger Zeit bestimmte Chemikalien ausgemacht. Viele dieser Substanzen gleichen in ihrem Aufbau nämlich Hormonen und haben deshalb ein beträchtliches Irritationspotenzial. Die mögliche Folge: Krankheiten wie Krebs, Diabetes, Fettleibigkeit, Dysfunktionen des Nerven- und Immunsystems sowie Herz-, Leber- und Gebärmutter-Leiden.

BAYER hat eine ganze Menge dieser Stoffe im Angebot. Und manche davon, wie etwa das Antiraupen-Mittel RUNNER, sollen sogar hormonelle Effekte entfalten. Es zählt nämlich zu den Insekten-Wachstumsregulatoren, die der europäische Lobbyverband der Agro-Riesen, die „European Crop Protection Association“ (ECPA), wie folgt beschreibt: „Pheromone und Insekten-Wachstumsregulatoren werden im Pflanzenschutz speziell wegen ihrer Wirkungsweise als endokrine Disruptoren eingesetzt, um den Fortpflanzungsprozess zu stören oder den Lebenszyklus der Insekten zu verkürzen.“

Bei anderen Agro-Giften des Konzerns fällt die Beeinträchtigung des Hormonsystems hingegen eher in die Rubrik „Risiken und Nebenwirkungen“. Dies ist auch bei den anderen Substanzen mit hormon-ähnlichen Eigenschaften aus der Produktpalette des Global Players der Fall, wie z. B. bei Weichmachern oder der Industrie-Chemikalie Bisphenol A, von welcher der der Pharma-Riese allein im Jahr 2011 rund 1,2 Millionen Tonnen herstellte.

Bereits seit den 1990er Jahren warnen WissenschaftlerInnen vor den Gefahren, die durch endokrine Disruptoren drohen. Die Politik blieb jedoch lange untätig. Die Europäische Union brachte 1999 zwar eine „Strategie für Umwelthormone“ auf den Weg, erkannte aber erst in der Dekade nach dem Jahrtausendwechsel Handlungsbedarf, wie die französische Publizistin Stéphane Horel in ihrem Buch „Intoxication“ ausführt. Im Rahmen der Neuordnung der Pestizid-Zulassungen nahm die EU 2009 auch die hormonelle Wirkung der Ackergifte ins Visier. Das Europäische Parlament sprach sich dabei für ein Verbot dieser Substanzen aus. Zu einer entsprechenden Regelung in der „Verordnung 1107/2009“ kam es damals jedoch nicht. Diese sollte erst per Nachtrag erfolgen, wenn die Europäische Kommission genaue Kriterien zur Bestimmung der EDCs entwickelt hatte. Bis Ende 2013 gab das EU-Parlament ihr dafür Zeit.

Mit der Detailarbeit betraute die Kommission dann – vorerst – die „General-Direktion Umwelt“. Diese beauftragte zunächst eine Gruppe von WissenschaftlerInnen mit einer Untersuchung zum Forschungsstand in Sachen „hormon-ähnliche Chemikalien“. Anfang 2012 lag der Report „State of the Art Assessment of Endocrine Disrupters“ schließlich vor. Er bescheinigte den Stoffen einmal mehr gesundheitsschädigende Eigenschaften. Diese „rechtfertigen es, die endokrinen Disruptoren als ebenso besorgniserregende Substanzen anzusehen wie krebserregende, erbgutschädigende und reproduktionstoxische Produkte“, hält die Studie fest. Die ForscherInnen schlugen deshalb vor, eine eigene Kategorie für RUNNER & Co. zu schaffen und diese auch nicht wie andere potenziell gefährliche Hervorbringungen der Industrie nach der Wirkstärke zu beurteilen. Dieses Kriterium erlaubt den WissenschaftlerInnen zufolge nämlich keine Rückschlüsse auf das von den EDCs ausgehende Gesundheitsrisiko. Die Dosis macht das Gift – eben das trifft auf die endokrinen Disruptoren nicht zu, weshalb nach Meinung der AutorInnen auch Grenzwerte nicht vor deren Gefahren schützen. Der an der Expertise beteiligte Toxikologe Dr. Andreas Kortenkamp hatte das schon 2002 in einem Experiment nachgewiesen. Er mischte Polychlorierte Biphenyle (PCB), wie sie BAYER bis zu ihrem Verbot im Jahr 1989 massenhaft produzierte, Bisphenol A und sechs weitere Chemikalien zusammen, die für sich genommen nicht östrogen wirken. Er erhielt ein überraschendes Ergebnis. „0 + 0 + 0 + 0 + 0 + 0 + 0 + 0 = 8“ lautete das Resultat. Also das glatte Gegenteil eines Nullsummenspiels. „Etwas, das aus dem Nichts entsteht“, fasste Kortenkamp den beunruhigenden Befund zusammen. „Schädliche chemische Stoffe in Produkten des täglichen Bedarfs müssen verboten werden. Die Gesundheit steht über dem wirtschaftlichen Interesse“, forderte der Toxikologe deshalb später in einem Zeitungsartikel.

Die unter seiner Federführung entstandene Untersuchung für die General-Direktion Umwelt alarmierte die Industrie und trieb sie zu einer beispiellosen Lobby-Offensive, in der BAYER eine Hauptrolle einnahm. Zudem machten noch zahlreiche große Organisationen Druck. So setzte die CEFIC, der europäische Verband der Chemie-Industrie, die endokrinen Disruptoren ganz oben auf ihre Liste mit den „Lobbying-Schlüsselthemen“. Und die CEFIC kann sich diesem Schlüsselthema mit einiger Macht widmen: Sie ist mit ihren 29.000 Mitgliedsfirmen die größte europäische Unternehmensvereinigung, hat in Brüssel 150 Beschäftigte und verfügt über einen Jahresetat von 40 Millionen Euro. Damit nicht genug, opponierten noch weitere Verbände der Konzerne gegen allzu weitreichende Regulierungspläne. Zu ihnen zählten etwa die ECPA, der Zusammenschluss der europäischen Pestizid-Hersteller, dessen US-amerikanisches Pendant „Croplife“, das „American Chemistry Council“ und „Plastic Europe“ mit Patrick Thomas an der Spitze, dem Chef der BAYER-Tochter COVESTRO.
Zunächst heuerten BAYER & Co. willige WissenschaftlerInnen an, um Zweifel am Kortenkamp-Report zu säen.

Der vom „American Chemistry Council“ bestellte und bezahlte Text erschien dann Ende Mai 2012 in der Fachzeitschrift Criticial Reviews in Toxicology. Schon ein Blick auf die deklarierten Interessenskonflikte genügt, um sich eine detaillierte Auseinandersetzung mit der Kritik, die sich hauptsächlich auf Fragen der Methodik konzentriert, zu ersparen. Alle sechs Autoren verfügten nämlich über beste Verbindungen zu den Multis. Sie arbeiteten beispielsweise als Berater für die BASF oder das „American Chemistry Council“ und veröffentlichten in Tateinheit mit ForscherInnen von BAYER, DUPONT oder MONSANTO Artikel.

Einen ersten Zwischenerfolg erzielten die Konzerne schon bald darauf. Hatten die Unternehmen schon länger daran gearbeitet, den Einfluss der General-Direktion Umwelt zu begrenzen und industrie-freundlicheren EU-Organisationen mehr Gewicht in dem Prozess zukommen zu lassen, so konnten sie im Oktober 2012 einen Etappen-Sieg erringen. Die Europäische Kommission übertrug der „Europäischen Behörde für Lebensmittel-Sicherheit“ (EFSA) die Aufgabe, ein wissenschaftliches Gutachten zur Identifizierung und zur Bewertung der endokrinen Disruptoren zu verfassen. Und die Agentur, deren MitarbeiterInnen mehr als einmal mit ihren Beziehungen zur Wirtschaft in die Schlagzeilen geraten waren, versuchte ihrem schlechten Ruf bereits von Anfang an gerecht zu werden: In der von ihr berufenen Arbeitsgruppe befanden sich nämlich überhaupt keine Hormon-SpezialistInnen. Das Ergebnis fiel entsprechend aus: „EDCs können wie alle anderen den Menschen und die Umwelt gefährdenden Substanzen behandelt werden.“ Eine Beurteilung nicht einzig nach dem Gefahren-Potenzial, sondern überdies nach dem üblichen Kriterium der Wahl, dem Risiko-Potenzial, schlug die EFSA deshalb vor.

Endokrine Disruptoren fallen für die Agentur also nicht aus dem Rahmen dessen, was sonst so an schädlichen Chemikalien aufläuft. Der Umgang mit diesen kann nach Ansicht der EFSA daher auch weitgehend in dem bisherigen Rahmen stattfinden. Das war natürlich ganz im Sinne der Industrie. Besonders die Zurückweisung des Gefahren-Ansatzes als einzigem Maßstab zur Beurteilung der EDCs fand ihren Gefallen. Eine Prüfung der Stoffe auf Grundlage der „Gefahr“ unterscheidet sich nämlich maßgeblich von einer solchen auf der Grundlage des „Risikos“. Eine Bewertung anhand der Gefahr nimmt allein die Eigenschaften des Produkts in den Blick, eine anhand des Risikos berücksichtigt indes das Ausmaß, in dem Mensch, Tier und Umwelt der Chemikalie ausgesetzt sind. Während die Gefahr einer Substanz also immer absolut gilt und keine Grenzen kennt, ist das Risiko immer relativ. Es ist unter anderem von der Wirkstärke abhängig. Und als Maß der Dinge kommt so der Grenzwert ins Spiel, der das Höchstmaß der Belastbarkeit anzeigt. Solche Limits träfen auf die – zähneknirschende – Zustimmung von BAYER & Co., erlaubten diese ihnen doch zumindest, ihre Waren, wenn auch mit mehr oder weniger großen Beschränkungen, auf dem Markt zu halten. Das gelänge bei einer Inventur unter der Maßgabe der Gefahr nicht. Danach müssten etwa alle als EDCs identifizierte Acker-Gifte mit einem Verbot rechnen.
Genau dies legte der Kortenkamp-Report 2012 ganz im Sinne der Pestizid-Richtlinie von 2009 nahe, indem er den endokrinen Disruptoren einen Sonderstatus zuschrieb und das Prinzip der Wirkstärke als Richtschnur für die Bewertung ablehnte. Kein Wunder also, dass die EFSA exakt das jetzt zur Disposition stellte. Und die Behörde tat dies wider besseren Wissens, war sie doch kurz vor dem Veröffentlichungsdatum noch drauf und dran, alles zu revidieren. Dass zwei UN-Organisationen den Stand der Wissenschaft so ganz anders wiedergegeben hatten als sie selber und von den endokrinen Disruptoren als einer „globalen Bedrohung“ sprachen, hatte sie nämlich ins Zweifeln gebracht. „Ich denke, dass wir unseren Bericht (...) leider umarbeiten müssen, damit er besser reflektiert, was der Rest der Welt denkt“, e-mailte ein Mitglied der Arbeitsgruppe aufgestört. Ein wissenschaftlicher Mitarbeiter der EFSA schlug indessen vor, wenigstens das Kapitel „Schlussfolgerungen“ zu ändern. Aber am Ende blieb doch alles, wie es war.

Die GD Umwelt hatte also allen Grund, an ihrem umfassenderen Schutz-Ansatz festzuhalten. Das allerdings rief BAYER auf den Plan. Der Leverkusener Multi gelangte vorzeitig in den Besitz des entsprechenden Papiers der GD Umwelt – ein Vertrauter bei der Kommission hatte es dem Chemie-Verband CEFIC durchgesteckt – und setzte im Juni 2013 einen Brief an die stellvertretende Generalsekretärin der EU-Kommission, Marianne Klingbeil, auf. „Die DG ENV (= GD Umwelt, Anm. SWB) favorisiert gegenwärtig ein Konzept, welches durchgängig auf der Basis des Vorsorge-Prinzips konstruiert worden ist (Hazard assessment). Dies bedeutet eine fundamentale Abkehr von den Prinzipien der Risiko-Bewertung und wird in Konsequenz weitreichende, gravierende Auswirkungen auf die Chemie-Branche und Agrar-Industrie (vor allem wegen der bei Pflanzenschutzmitteln angewandten Cut-off-Kriterien, die einen Verlust der Zulassung bedingen), nach sich ziehen“, zeigte sich der Pharma-Riese alarmiert. Mehr als 37 Pestizide sieht er von einem Verbot bedroht. Allein der Bann der Antipilz-Mittel aus der Gruppe der Triazole, zu denen etwa die BAYER-Produkte PROVOST OPTI, FOLICUR und NATIVO gehören, würde zu einem Produktivitätsrückgang von 20 Prozent und zu Ernte-Verlusten bis zu 40 Prozent führen, rechnet der Konzern unter Bezugnahme auf zwei Studien vor. Mit Verweis auf die EU-Maxime der „Better regulation“ fordert er die Kommission deshalb auf, bei ihrer Entscheidung über die endokrinen Disruptoren die Auswirkungen auf die Wirtschaft mit zu berücksichtigen und ein sogenanntes Impact Assessment durchzuführen.

Und Brüssel erhörte die Signale: Statt wie vorgesehen 2013 die Kriterien zur Beurteilung der EDCs vorzulegen, kündigte die EU-Kommission erst einmal eine ökonomische Folgeabschätzung an. Der Leverkusener Multi gab sich damit aber nicht zufrieden. Hatte er bereits vor dem Brief an Marianne Klingbeil gemeinsam mit BASF und SYNGENTA ein Scheiben an die EU verfasst und sich darin besorgt gezeigt, die Kriterien zur Bestimmung der endokrinen Disruptoren könnten ihren „komplett sicheren“ Pestiziden den Garaus machen, so setzte er zusammen mit mehreren anderen Konzernen Mitte Oktober 2013 erneut ein Schriftstück auf. Darin gingen die Absender das Vorsorge-Prinzip von einer anderen Seite her an. Sie wollten es nun durch ein „Innovationsprinzip“ ergänzt wissen. Ein Gleichgewicht zwischen Gesundheitsschutz und Innovationsförderung sollte Brüssel nach Meinung der Vorstandschefs anstreben, denn: „Innovationen sind per definitionem mit Risiken verbunden.“

Damit endeten die Lobby-Aktivitäten von BAYER & Co. aber noch bei Weitem nicht. So brachte der willige Wissenschaftler Daniel Dietrich, der immer wieder gern gemeinsam mit den ForscherInnen von BAYER, DOW oder ASTRAZENECA Studien publiziert, in der Fachzeitschrift Toxicology Letters einen höhnischen Artikel über die mit den endokrinen Disruptoren verbundenen Ängste unter. Darin deklarierte er forsch die den EDCs zugeschriebenen Fruchtbarkeitsschädigungen wie etwa die Minderung der Samen-Qualität zu Symptomen einer männlichen Hysterie. „Man kann sich fragen, ob das ganze Thema ‚EDCs’ nicht eher in die Kompetenz von Dr. Sigmund Freud fällt als in die der Toxikologie“, meinten Dietrich und seine Co-Autoren. Auf kaum höherem Niveau argumentierten die Konzerne und ihre Lobby-Organisationen.

Die CEFIC etwa griff in ihren zahlreichen Eingaben zum Standard-Argument der Industrie und bestritt den Kausal-Zusammenhang zwischen Substanz und Nebenwirkungen. Stattdessen führte die Organisation andere mögliche Ursachen ins Feld, wie Umwelteinflüsse und Lebensführung. Zudem erklärte sie die Symptome für reversibel. Allen Ernstes führte sie dafür in einem Schreiben an die EU Horror-Filme als Beispiel an. Diese riefen auch hormonelle Reaktionen des Körpers hervor, allerdings klängen diese bald wieder ab, so die CEFIC.
BAYER versuchte darüber hinaus noch, die LandwirtInnen gegen eine allzu weitreichende Regulation der endokrinen Disruptoren zu mobilisieren. Der Leverkusener Multi entwarf ein Horror-Szenario von Ernte-Verlusten durch bald nicht mehr erhältliche Pestizide und rief die FarmerInnen dazu auf, sich an den Konsultationen Brüssels zu den EDCs zu beteiligen. Darüber hinaus ließ der Global Player seine Beziehungen spielen, um direkt mit Karl Falkenberg, dem Leiter der GD Umwelt, ins Gespräch zu kommen. Der heute beim Berliner „Global Forum for Food and Agriculture“ tätige Eckart Guth bat seinen früheren EU-Kollegen Falkenberg, den BAYER-Manager Franz Eversheim zu empfangen. „Lieber Karl, ich schreibe dir, um dich zu bitten, Herrn (Name in dem EU-Dokument geschwärzt, Anm. SWB) zu treffen, den Leiter Public and Government Affairs Europa von BAYER CROPSCIENCE. Wir haben vor einiger Zeit beim Bier nach dem Tennis über das zur Diskussion stehende Thema gesprochen. Aber ich fürchte, es ist zu ernst, um es dabei belassen zu können. Darum würde ich dir vorschlagen, Herrn (geschwärzt, Anm. SWB) zu treffen, den ich in institutionellen Angelegenheiten berate“, hieß es in dem Schreiben. Das zur Diskussion stehende Thema waren die Kriterien zur Bestimmung der endokrinen Disruptoren. Ob es dann wirklich zu dem angeregten Tête-à-Tête gekommen ist, das vermochte Stéphane Horel nicht herauszubekommen. Dennoch zeigt das Dokument sehr gut, wie Lobbyarbeit in Brüssel funktioniert.

Im Jahr 2013 brachten es BAYER & Co. allein in der zweiten Juni-Hälfte auf sechs Treffen mit EU-Offiziellen; rund 30 Mails der Industrie liefen in diesem Zeitraum auf. Sogar den Profi-AntichambrierInnen von der ECPA begann das alles über den Kopf zu wachsen. Der Druck von Seiten der Mitgliedsfirmen sei „enorm“, schütteten sie Peter Korytar von der GD Umwelt ihr Herz aus. Dazu kam noch Unterstützung aus Übersee. „Croplife America“, der US-Verband der Pestizid-Produzenten, und das „American Chemistry Council“ übten Druck auf die EU-Repräsentanz in Washington aus, weil sie sich Sorgen um ihre Agrogift-Exporte machten. Darum setzten sie die Pläne der EU in Sachen „endokrine Disruptoren“ auch auf die Agenda der TTIP-Verhandlungen. Als mögliches Handelshemmnis und ein konkretes Beispiel für Reform-Bedarf bei der Regulierungszusammenarbeit galten diese den US-amerikanischen Verbänden.
All das ließ die EU-Kommission nicht ungerührt. Sie entzog schließlich der GD Umwelt endgültig die Verantwortung in diesem Prozess und verschleppte die Arbeit zur Bestimmung der EDC-Kriterien immer mehr. So sehr, dass dem Mitgliedsland Schweden schließlich der Kragen platzte. Der nordeuropäische Staat verklagte die Kommission wegen Untätigkeit und bekam im März 2016 auch Recht zugesprochen.

Nun mussten Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und seine Mannschaft endgültig liefern. Und Mitte Juni taten sie es schließlich: Die Europäische Kommission unterrichtete das Europäische Parlament und den Europäischen Rat „über endokrine Disruptoren und die Entwürfe der Kommissionsrechtsakte zur Festlegung der wissenschaftlichen Kritierien für ihre Bestimmung im Kontext der EU-Rechtsvorschriften über Pflanzenschutzmittel und Biozid-Produkte“.
Bei der Definition der EDCs verzichtet die Kommission auf die umstrittenen Kategorie der Wirkstärke. Sie greift zur Freude von BAYER & Co. „wohl aber bei der Bewertung des tatsächlichen Risikos, das von endokrinen Disruptoren ausgeht“, auf diese zurück. Und noch eines weiteren „Aber“ bedient sich Junckers Riege: Sie will die Verbotsanordnungen zwar grundsätzlich auf der Grundlage des Gefahren-Ansatzes verhängen und nicht dem Risiko-Relativismus frönen, der sich am dem Maß der EDC-Dröhnung orientiert. Allein: „Es gibt jedoch einige begrenzte Ausnahmen“. Zu diesen zählt die Kommission ein vernachlässigbares Risiko, eine vernachlässigbare Exposition, sozio-ökonomische Gründe und ernste Gefährdungen der Pflanzengesundheit. Eine ganz schön große Auswahl für die Konzerne – da hatte das die wirtschaftlichen Folgen der EDC-Regulierung abschätzende „Impact Assessment“ seine Wirkung offensichtlich nicht verfehlt.

Dementsprechend hart fiel das Urteil von Seiten der Umweltverbände und der Fachwelt aus. „Das Vorsorge-Prinzip wird durch die Vorschläge mit Füßen getreten“, konstatiert etwa das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN). Hätte ursprünglich der Beleg einer hormon-schädlichen Eigenschaft für eine Regulierung ausgereicht, so müsse nun die Relevanz eines schädlichen Effekts beim Menschen tatsächlich nachgewiesen sein“, moniert die Initiative. Zudem kritisiert PAN die Erweiterung der Ausnahmebestimmungen für hormon-aktive Pestizide, die jetzt im Umlauf bleiben dürfen, wenn sie eine bestimmte Schwelle nicht überschreiten. Als „ganz im Sinne der Pestizid- und Chemie-Industrie“ und „Vorboten von CETA und TTIP“ bezeichnet die PAN-Aktivistin Susanne Smolka die Vorschläge der EU. Die Wissenschaftsvereinigung „Endocrine Society“ lehnt den vorgelegten Entwurf ebenfalls ab. „In Bezug auf die endokrinen Disruptoren noch strengere wissenschaftliche Maßstäbe anzulegen als in Bezug auf die Karzinogene, für die sie schon sehr streng sind, wäre ein Schritt in die falsche Richtung“, so Rémy Slama. Auch das Umweltbundesamt zeigt sich enttäuscht: „Damit verlässt die EU den gefahren-basierten Ansatz, den wir fordern.“ Während bundesdeutsche PolitikerInnen sich mit Kommentaren zurückhielten, bezeichnete die französische Umweltministerin Ségolène Royal die Vorlage aus Brüssel als „extrem enttäuschend“. Gemeinsam mit ihren KollegInnen aus Schweden und Dänemark setzte sie deshalb einen Brief an Jean-Claude Juncker auf, der ein generelles Verbot von endokrinen Disruptoren in Pestiziden zur Forderung erhob.

Die Industrie ließ sich indessen ihre Freude nicht anmerken. Aus taktischen Gründen zog sie es vor, gleichfalls in den Chor der KritikerInnen einzufallen, um die Vorlage der EU als goldenen Mittelweg erscheinen zu lassen und ihre erfolgreiche Lobby-Arbeit nicht durch eine Geste des Triumphalismus zu gefährden.

Die ECPA richtete ihren Tunnelblick einzig auf die Ausnahme-Regelungen und empfand diese als ungenügend. Aus diesem Grund krittelte der Pestizid-Verband an den Kriterien herum, die sich seiner Ansicht nach etwas risiko-freudiger hätten zeigen sollen, statt nur der Gefahr ins Auge zu sehen. „Eine Regulierung durch Ausnahmen ist weder akzeptabel noch wissenschaftlich. Wenn man immer mehr Ausnahmen schaffen muss, ist das ein Anzeichen dafür, dass mit den Kriterien etwas nicht stimmt“, meinte ECPA-Sprecher Graeme Taylor. Der „Verband der Chemischen Industrie“ zeigte sich ebenfalls demonstrativ verstimmt. „Die Kriterien taugen in der Praxis nicht zu einer verlässlichen Unterscheidung in schädliche und harmlose Stoffe“, konstatierte er. Harmlose Substanzen gibt es unter den Chemikalien mit hormoneller Wirkungen nach Ansicht der Lobby-Organisation von BAYER & Co. nämlich wirklich. „Eine sichere Handhabung hormon-aktiver Stoffe ist möglich“, befand der Verband und plädierte einmal mehr für eine Regulierung mit Hilfe von Grenzwerten nach Maßgabe der Wirkstärke der EDCs. Und dienten seinem europäischen Pendant CEFIC noch Horror-Filme als Beispiele für hormonell Wirksames mit geringer Halbwertzeit, so rekurriert der bundesdeutsche Chemie-Verband nun auf Vitamin D und Koffein als Substanzen, die unterhalb bestimmter Konzentrationen keine Irritationen im Hormon-System hervorrufen.

Lob erntete Brüssel kaum. Nur das „Bundesinstitut für Risiko-Bewertung“ (BfR) tat sich wieder einmal unrühmlich hervor. Hatte sich das Institut, in dessen Kommissionen VertreterInnen von BAYER, BASF und anderen Konzernen sitzen, schon in Sachen „Glyphosat“ als Anwalt von Unternehmenspositionen hervorgetan, so ging es nun auch d’accord mit dem EU-Entwurf zu den EDCs. „BfR begrüßt wissenschaftliche Kriterien der EU-Kommission für die Identifizierung endokriner Disruptoren“, überschrieben die Risiko-BewerterInnen ihre Pressemeldung. Kunststück: Die Bundeseinrichtung hatte ihren Einfluss in dem ganzen Prozess immer wieder geltend gemacht. So saßen BfR-VertreterInnen etwa in der EFSA-Arbeitsgruppe, die keinen prinziellen Unterschied zwischen den endokrinen Disruptoren und anderen Chemikalien machen wollte. Darüber hinaus betonte das Bundesinstitut schon früh „die große ökonomische Tragweite“ der Entscheidung über die hormonellen Substanzen“ und trat deshalb bei der Kommission immer für Grenzwerte statt für Totalverbote ein.
In der belgischen Hauptstadt geht jetzt erst einmal alles seinen EU-bürokratischen Gang. Andere Gremien müssen sich mit dem Kommissionsentwurf befassen, was noch zu einigen Konflikten führen dürfte. BAYER & Co. haben sich dafür schon einmal in Stellung gebracht und im Falle eines missliebigen Ergebnisses sogar mit gerichtlichen Auseinandersetzungen gedroht. Aber auch die Umweltverbände und kritischen Initiativen haben bereits mit Aktionen begonnen. So hat das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK eine Unterschriften-Aktion an den Start gebracht. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN wird ebenfalls nicht untätig bleiben.

[BAYER Monsanto] STICHWORT BAYER 04/2016

CBG Redaktion

Imperium & Weltmacht

BAYER schluckt MONSANTO

Der schwarze Mittwoch

Kurz vor dem Redaktionsschluss von Stichwort BAYER gab BAYER die MONSANTO-Übernahme bekannt.

Von Jan Pehrke

Jetzt ist der Worst Case eingetreten! BAYER übernimmt für 66 Milliarden Dollar MONSANTO. „Ich kann Ihnen nur sagen, dass wir von der Qualität des Managements, der Qualität der Produkte, der Stärke der Innovationskraft und auch von der Kultur MONSANTOs sehr überzeugt sind“, mit diesen Worten begründete BAYER-Chef Werner Baumann den Deal. Und große Kultur-Unterschiede zwischen den beiden Multis bestehen wirklich nicht. Was dem US-Unternehmen sein Glyphosat, das ist dem Leverkusener Multi sein Glufosinat, was dem US-amerikanischen Konzern seine Gen-Pflanzen der Produktreihe „ROUND UP“, das sind seinem deutschen Pendant die LIBERTY-LINK-Ackerfrüchte, und auch ansonsten geben sie sich nicht viel.
Die Geschäftszahlen von 2015 zugrunde gelegt, kommen die Landwirtschaftssparten beider Gesellschaften zusammen auf einen Umsatz von 23,1 Milliarden Dollar. Damit kann niemand aus der Branche mithalten. Die frisch vermählten Paare SYNGENTA/ChemChina und DUPONT/DOW folgen mit weitem Abstand (14,8 bzw. 14,6 Milliarden), und auf Rang vier landet abgeschlagen BASF mit 5,8 Milliarden. Bei den Pestiziden erreichen BAYER und MONSANTO zusammen einen Marktanteil von rund 25 Prozent, beim Saatgut für gentechnisch veränderte und konventionelle Ackerfrüchte einen von rund 30 Prozent. Allein die Gen-Pflanzen betrachtet, erreichen die beiden Konzerne vereint mit weit über 90 Prozent sogar eine klar dominierende Position.

Entsprechend alarmiert reagierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG). „Mit der Übernahme von MONSANTO durch BAYER erreicht die Konzentration auf dem Agro-Markt einen neuen Höhepunkt. Schlüsselelemente der Nahrungsmittelkette liegen nun in der Hand eines einzigen Konzerns. Die LandwirtInnen müssen sich nun auf höhere Preise einstellen und haben überdies weniger Auswahl. Zudem dürfte sich der Innovationsstau der Branche, vor allem bei den Herbiziden, noch einmal zuspitzen“, hieß es in der Presse-Erklärung.

Mit Alternativen zu den chemischen Keulen auf den Äckern ist nun auch weniger denn zu rechnen. BAYER hat 66 Milliarden Dollar in ein beschleunigtes „Weiter so“ investiert. Und der Global Player hat dabei noch die Chuzpe, das Monopoly-Spiel als Antwort auf die Frage zu präsentieren: „Wie schaffen wir es, bis zum Jahr 2050 zusätzlich drei Milliarden Menschen auf ökologisch nachhaltige Art und Weise zu ernähren?“ Mit Glyphosat, Glufosinat, Gentechnik und Gewächsen wie Soja und Mais, die hauptsächlich für die Futtertröge der Massentierhalter gedacht sind, bestimmt nicht, das ist schon mal klar.
Auf die Standort-Städte und die Beschäftigten dürften jetzt ebenfalls harte Zeiten zukommen. Der Leverkusener Multi setzt seine Neuerwerbungen nämlich bevorzugt von der Gewerbesteuer ab und redet schon drohend von Synergie-Effekten, die es beispielsweise in der Verwaltung zu realisieren gelte. Auch die Trennung von einzelnen Unternehmensteilen steht zu befürchten. Entsprechend besorgt reagieren die Belegschaftsangehörigen. Äußern dürfen sie sich jedoch nicht. Laut Rheinischer Post hat BAYER ihnen einen Maulkorb verpasst.
Aus all diesen Gründen wird sich die CBG in den kommenden Monaten nach Kräften bemühen, sich mit den verschiedenen MONSANTO-Initiativen kurzzuschließen und den konzern-kritischen Widerstand nun mit Fokus auf BAYER neu auszurichten.

[Gen EU] STICHWORT BAYER 04/2016

CBG Redaktion

Gene & Klone

BAYERs Gen-Soja entert die EU

Der BALANCE-Akt

Ende Juli 2016 hat die EU BAYERs Gensoja BALANCE eine Import-Genehmigung erteilt.

Von Jan Pehrke

Der Umweltausschuss der Europäischen Union hatte sich dagegen ausgesprochen, das Parlament in Straßburg lehnte es ab, und unter den Mitgliedsländern fanden sich auch nicht genügend Fürsprecher – aber es nützte alles nichts, die Europäische Kommission erteilte Ende Juli 2016 drei gen-manipulierten Soja-Sorten die Importgenehmigung. Somit dürfen BAYERs FG 72 sowie MONSANTOs Labor-Früchte MON 87708 x MON 89788 und MON 87705 x MON 89788 ihre Reise zum alten Kontinent antreten und als Rohstoffe in den Lebensmittel-Fabriken, vor allem aber in den Futtertrögen der Massentierhalter landen.

Der USSEC, der US-amerikanische Export-Verband für Soja, begrüßte den Beschluss überschwenglich, stellt doch der europäische Markt einen bedeutenden Faktor für die Händler dar. Rund 4,6 Millionen Tonnen gehen jährlich dorthin, und ohne die Brüsseler Lizenz zum Import hätten FG 72 & Co. einen ziemlich schlechten Stand im „corn belt“ des Mittleren Westens.

Auch für die kanadische Soja-Industrie spielt die Europäische Union als Absatz-Gebiet eine bedeutende Rolle. Entsprechend viel Lobby-Druck entfaltete die Lobby-Organisation „Soy Canada“, die unter anderem BAYER und MONSANTO zu ihren Mitgliedern zählt, im Vorfeld der Entscheidung. Dabei mahnte sie die EU auch, zu den im Rahmen des Handelsabkommens CETA getroffenen Vereinbarungen zu stehen. „Wir fordern von der EU-Kommission eine Erklärung dafür, warum die Genehmigung der drei Produkte sich so sehr verzögert und warum sie ihre Versprechungen, die sie bei den CETA-Verhandlungen gemacht hat, nicht einhält“, verlautete aus Ottowa.

Während sich „Soy Canada“ nun zu dem verspäteten Erfolg beglückwünschen kann, sehen die europäischen VerbraucherInnen neuen Gefahren entgegen. Die Pflanze des Leverkusener Multis mit dem Namen BALANCE gibt es für die LandwirtInnen nämlich nur im Kombi-Pack mit den beiden als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuften Antiunkraut-Wirkstoffen Glyphosat und Isoxaflutol. Und weisen die Substanzen schon für sich genommen genügend Gesundheitsgefahren auf, so potenzieren sich ihre unerwünschten Effekte im Zusammenspiel noch, denn das Gift-Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Diese Risiken und Nebenwirkungen hat die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA im Laufe des Genehmigungsverfahrens lieber erst gar nicht untersucht. Andere vermochte sie nicht zu prüfen. Aufgrund der dürftigen Datenlage sah die Einrichtung sich nicht imstande, das Gefährdungspotenzial einzuschätzen, das von den Pestizid-Rückständen in den Gen-Konstrukten ausgeht.

Überdies zeigt sich Glyphosat nur bei seinen Nebenwirkungen stabil, seine Hauptwirkungen lassen hingegen immer mehr zu wünschen übrig. Die Wildpflanzen stellen sich zunehmend auf den Stoff ein und bilden Resistenzen aus. Deshalb müssen die LandwirtInnen immer mehr Pestizide kaufen und nicht weniger, wie ihnen die Gentech-Multis versprochen hatten. So sind die Ausgaben der Soja-Bauern und -Bäuerinnen für die Agro-Chemikalien einer Studie der „South Dakota State University“ zufolge in den letzten sechs Jahren um 88 Prozent gestiegen.

All das focht die Europäische Kommission bei ihrer Entscheidung am 22. Juli jedoch nicht an. „Wieder einmal hat Brüssel nicht im Sinne des vorbeugenden Gesundheitsschutzes gehandelt, sondern im Sinne der großen Konzerne und ihrer Profit-Interessen“, hieß es aus diesen Gründen in der Presse-Erklärung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN zum EU-Votum.

[Ticker] STICHWORT BAYER 04/2016

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CBG bei den TTIP-Protesten
Über 300.000 Menschen haben am 17. September 2016 an den Demonstrationen gegen die Handelsabkommen TTIP und CETA teilgenommen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) ging in Köln auf die Straße, um gegen die von der EU geplanten Vereinbarungen mit Kanada und den USA zu protestieren, denn diese halten diverse Schmankerl für BAYER & Co. bereit. Allein den TTIP-Effekt, der vor allem durch niedrigere Zölle und vereinheitlichte Regulierungsverfahren entsteht, beziffert der Leverkusener Multi auf einen dreistelligen Millionen-Betrag im Jahr. Auch von laxeren Standards für Pestizide, Gen-Pflanzen und hormonell wirksame Stoffe wie Bisphenol A sowie von privaten Schiedsgerichten zum Investitionsschutz hofft der Konzern zu profitieren. „Für Deutschland ist es ein Muss, hier dabei zu sein“, sagt BAYERs Aufsichtsratschef Werner Wenning deshalb. Für die CBG war es da natürlich ein Muss, bei den Protesten dabei zu sein.

Proteste gegen BAYERs MONSANTO-Coup
Mit vielen Aktionen hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) versucht, BAYERs MONSANTO-Übernahme zu verhindern. Noch am 8. September 2016, knapp eine Woche, bevor der bundesdeutsche Agro-Multi Vollzug meldete, zog die CBG gemeinsam mit der UMWELTGEWERKSCHAFT und anderen Gruppen vor das Tor 1 des Leverkusener Werks, um vor den Auswirkungen des Deals auf die Beschäftigten, die VerbraucherInnen, die LandwirtInnen und die Menschen in den Armutsregionen zu warnen.

Offener Brief wg. BAYTRIL & Co.
Anfang August 2016 vermeldete das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel-Sicherheit“ (BVL) einen Anstieg des Gebrauchs von Antibiotika aus den Klassen der Cephalosporine und der Fluorchinolone, zu denen BAYERs BAYTRIL zählt. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) nahm das zum Anlass, einen Offenen Brief an den Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) zu initiieren. Sie sah Gefahr im Verzuge, weil Fluorchinolone und Cephalosporine in der Humanmedizin zu den Reserve-Antibiotika zählen, die nur zum Einsatz kommen, wenn andere Mittel bereits versagt haben. Und durch den massenhaften Einsatz von BAYTRIL & Co. in den Ställen drohen auch diese Substanz-Gruppen mehr und mehr zu versagen. Durch die Dauerdröhnung gewöhnen sich die Krankheitserreger nämlich zunehmend an die Präparate. Gelangen die Keime dann in den menschlichen Organismus, ist kein Kraut mehr gegen sie gewachsen. Darum forderte die CBG gemeinsam mit den ÄRZTEN GEGEN MASSENTIERHALTUNG, GERMAN WATCH, HEJSUPPORT, dem PESTIZID AKTIONS-NETZWERK und den TIERÄRZTEN FÜR VERANTWORTBARE LANDWIRTSCHAFT, die Verwendung von Reserve-Antibiotika in der Massentierhaltung zu verbieten. Zudem zweifelten die Initiativen die Aussage des „Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittel-Sicherheit“ (BVL) an, dass die Antibiotika-Gaben abgesehen von den Cephalosporinen und den Fluorchinolonen zurückgingen. Dabei stützt sich die Behörde nämlich nur auf einen Rückgang der verwendeten Mengen. Und diese Zahlen sagen für sich genommen herzlich wenig aus, denn bei den neueren Präparaten ist weniger mehr. Während eine Tonne des Alt-Antibiotikums Tetracyclin gerade einmal für 39.000 Mastschweine langt, können die LandwirtInnen mit einer Tonne von BAYERs BAYTRIL 2,2 Millionen Tiere versorgen. (Kurz vor dem Ticker-Redaktionsschluss korrigierte das BVL seine Angaben. Demnach nahm der Gebrauch von Fluorchinolonen nicht zu, sondern leicht von 12,3 auf 10,6 Tonnen ab. Bei den Cephalosporinen der 3. Und 4. Generation gingen die Verordnungen um 100 Kilogramm auf 3,6 Tonnen zurück. Ein Grund zur Entwarnung ist das jedoch nicht, Anm. Ticker.)

Offener Brief zu Pseudo-Hormonen
Chemische Stoffe haben viele gesundheitsgefährdende Eigenschaften. Eine der unheimlichsten: Manche Substanzen wirken ähnlich wie Hormone und können damit den menschlichen Organismus gehörig durcheinanderwirbeln (siehe auch SWB 4/16). Pestizide des Leverkusener Multis wie RUNNER, PROVOST OPTI, FOLICUR und NATIVO oder Industrie-Chemikalien made by BAYER wie Bisphenol A sind deshalb imstande, Krebs, Diabetes, Fettleibigkeit, Unfruchtbarkeit und andere Gesundheitsstörungen auszulösen. Hormonell wirksame Ackergifte wollte die EU eigentlich schon 2009 im Rahmen einer Neuordnung der Zulassungsgesetze verbieten. Dazu kam es allerdings nicht. Nach Ansicht Brüssels galt es zunächst, genaue Kriterien zur Definition der Pseudo-Hormone – sogenannter „endokriner Disruptoren“ (EDCs) – zu entwickeln. Mit drei Jahren Verspätung legte die Europäische Kommission den entsprechenden Entwurf im Sommer 2016 vor. Die Bestimmungen kehren jedoch die Beweislast um und fordern eindeutige Belege für die gesundheitsschädliche Wirkung der EDCs; ein plausibler Verdacht reicht Juncker & Co. nicht aus. Da dies nicht dem Vorsorge-Prinzip entspricht, hat das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK einen Offenen Brief an die bundesdeutschen RepräsentantInnen der EU-Fachausschüsse initiiert, der auf Veränderungen dringt. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hat das Schreiben mitunterzeichnet.

Tote Bienen vor BAYER-Gebäude
Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin) gelten als besonders bienengefährlich. Die EU hat diese Stoffe deshalb ebenso wie andere Ackergifte dieser Substanz-Klasse bereits mit einem vorläufigen Verkaufsbann belegt. Aber auch anderswo werden entsprechende Forderungen laut. So zog im Juni 2016 ein Protestzug von BienenzüchterInnen, LandwirtInnen und UmweltaktivistInnen unter der Losung „Haltet die Bienenstöcke am Leben“ quer durch die USA. Vier Millionen Unterschriften zum Stopp von GAUCHO & Co. hatte er im Gepäck. Am 20. Juni machte der Treck Halt vor der Niederlassung des Leverkusener Multis in Durham und lud dort 2,6 Millionen tote Bienen ab. Die TeilnehmerInnen der Karawane verglichen die Folgen der Neonicotinoide mit denen von DDT. Weil Bienen wichtige Dienste als Bestäuber von Getreide-Pflanzen und anderen Ackerfrüchten leisten, warnten die ProtestlerInnen zudem vor den Auswirkungen des Bienensterbens auf die Lebensmittel-Versorgung. Diese Risiken und Nebenwirkungen ignorieren BAYER & Co. Und zwar komplett: Sie gehen nur ihren Profit-Interessen nach. „Wenn wir der Agrochemie-Industrie eine Fortsetzung dieser kurzsichtigen Praxis erlauben, werden die Kosten für Lebensmittel wegen der Verknappung des Angebots steigen“, prophezeite deshalb Scott Nash von der Bioladen-Kette MOM’S ORGANIC MARKET.

Das CIPROBAY-Desaster
BAYERs Antibiotikum CIPROBAY mit dem Wirkstoff Moxifloxacin, der zur Gruppe der Fluorchinolone gehört, hat zahlreiche Nebenwirkungen. So registrierte die US-Gesundheitsbehörde FDA zwischen 1998 und 2013 etwa 3.000 Todesfälle, die im Zusammenhang mit fluorchinolon-haltigen Medikamenten stehen. Insgesamt erhielt die FDA rund 50.000 Meldungen über unerwünschte Arznei-Effekte. Am häufigsten treten Gesundheitsschäden im Bereich der Sehnen, Knorpel, Muskeln und Knochen auf. Die Pharmazeutika stören nämlich das Zusammenspiel zwischen Nerven und Muskeln, indem sie die Weiterleitung des Neurotransmitters Acetylcholine behindern. Auch Störungen des Zentralen Nervensystems, die sich in Psychosen, Angst-Attacken, Verwirrtheitszuständen, Schlaflosigkeit oder anderen Krankheitsbildern manifestieren, beobachten die MedizinerInnen. Darüber hinaus sind CIPROBAY & Co. für Herzinfarkte, Unterzuckerungen, Hepatitis, Autoimmun-Krankheiten, Leber- oder Nierenversagen und Erbgut-Schädigungen verantwortlich. Der US-amerikanische Mediziner Dr. Jay Cohen hat dazu jetzt ein Buch geschrieben. „Wie wir die CIPRO- und LEVAQUIN-Katastrophe stoppen können – das größte medizinische Desaster der US-Geschichte“ lautet der Titel vielsagend.

BAYERs Lernpläne durchkreuzen!
Der Leverkusener Multi tut viel, um zukünftige Generationen für sich zu gewinnen. Er erstellt unter anderem Unterrichtsmaterialien, schickt rollende Chemie-Labore durch die Lande und sponsert Schulen. Mit Wimmelbüchern „beglückt“ er sogar schon Kindergärten (SWB 2/16). Und mit diesem Engagement steht der Konzern nicht allein da: 16 der 20 größten deutschen Unternehmen betätigen sich – unbehelligt von den Schulbehörden – auf dem Feld der Bildung. Dabei profitieren sie von der Finanzschwäche der Kommunen, die es nicht mehr schaffen, die Einrichtungen angemessen auszustatten. Der Frankfurter Wissenschaftler Tim Engartner hat jetzt Maßnahmen gegen den pädagogischen Eros von BAYER & Co. gefordert. Seiner Meinung nach „bedarf es angesichts der inhaltlichen Einflussnahme durch Privatakteure eines eindeutigen staatlichen Regelwerks, das die Trennung zwischen Schule und Privatwirtschaft garantiert“.

PCB: VBE schlägt Alarm
Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören zu den giftigsten Hervorbringungen der Chlorchemie (SWB 1/14). Die vor allem von BAYER und MONSANTO in Umlauf gebrachten, gefährlichen „Alleskönner“ kamen bis zu ihrem vollständigen Verbot 1989 in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben, Ölen, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz – und stellen immer noch ein beträchtliches Risiko dar. In Deutschland weisen besonders öffentliche Gebäude hohe Belastungen auf; rund 24.000 Tonnen PCB „beherbergen“ sie. Nach Schätzungen des Bundesumweltamts (UBA) ist jede dritte Schule kontaminiert. Eine Beteiligung an den Dekontaminationsarbeiten lehnt der Leverkusener Multi jedoch ab. „Die Sanierung PCB-belasteter Gebäude liegt (...) nicht in unserem Verantwortungsbereich“, verlautet aus der Firmen-Zentrale. Allzu häufig kommt es jedoch gar nicht erst zu solchen Sanierungen. Die Entscheidungsgrundlage für diese stellt nämlich die PCB-Richtlinie dar; und diese erklärt selbst eine Konzentration des Stoffes in der Atemluft für unbedenklich, wenn diese um den Faktor 50 über dem Richtwert der Weltgesundheitsorganisation (WHO) liegt. Udo Beckmann von der LehrerInnen-Vereinigung „Verband Bildung und Erziehung“ kritisiert das vehement: „Die Politik spielt mit der Gesundheit von Lehrkräften und Schülern. Obwohl PCB von der ‚Internationalen Agentur für Krebsforschung’ in die höchste Gefahren-Gruppe eingeordnet wurde, gelten in Deutschland völlig veraltete Richtlinien.“ Es passe nicht zusammen, dass LehrerInnen SchülerInnen zu umweltbewussten BürgerInnen erziehen sollen, während die Ausbildungsstätten PCB-verseucht sind, so Beckmann. „Die Beschäftigten an den Schulen und Hochschulen sowie die Schüler und Studenten haben einen Anspruch auf belastungsfreie Unterrichtsräume“, hält der Pädagoge fest.

Gen-Raps unter Beobachtung stellen!
2015 hatte ein in der EU nicht zugelassener Gen-Raps von BAYER das Saatgut einer konventionellen Züchtung verunreinigt. In der Pflanze, welche die französische Firma RAGT entwickelt hat, fanden sich Spuren des gegen die Herbizid-Wirkstoffe Bromoxynil und Ioxynil immunen Raps’ NAVIGATOR. RAGT strebte für sein Produkt eine Zulassung in EU-Ländern an. Deshalb fand ein Probe-Anbau in England, Frankreich, Dänemark und Deutschland statt. Nach Bekanntwerden des Skandals haben die hiesigen Behörden sofort die Anweisung erteilt, die auf 48 Versuchsfeldern in verschiedenen Bundesländern kultivierten Pflanzen zu zerstören. Das reicht als Maßnahme jedoch nicht aus, denn die Laborfrucht hat eine lange Halbwertzeit und bleibt lange keimfähig. „Daher müssen die Bundesländer die betroffenen Flächen über 20 Jahre hinweg überwachen und auflaufenden Durchwuchs-Raps vernichten“, forderte Annemarie Volling von der ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT (AbL). Unterstützung erfuhr der Verband dabei von der IG SAATGUT und dem GENETHISCHEN NETZWERK.

KAPITAL & ARBEIT

Tarifrunde 2016: 3 Prozent mehr
BAYER fährt von Jahr zu Jahr höhere Gewinne ein. Im Geschäftsjahr 2015 wuchs das Konzern-Ergebnis um 18,6 Prozent auf rund 1,380 Milliarden Euro. Die Beschäftigten profitieren davon jedoch kaum. Bei den diesjährigen Tarif-Verhandlungen vereinbarte die Chemie-Branche mit den Gewerkschaften Ende Juni 2016 lediglich eine Entgelt-Anhebung von 3 Prozent für die nächsten 13 Monate. Dann folgt für die 11-monatliche Restlaufzeit des Tarifvertrages noch einmal ein Aufschlag von 2,3 Prozent.

H.C. STARCK in Schwierigkeiten
Im Zuge der „Konzentration auf das Kerngeschäft“ hat BAYER viele Unternehmensteile abgestoßen. Eine aussichtsreiche Zukunft erwartete die Abteilungen in der Regel nicht. Besonders kleinere Sparten wie DYSTAR, DYNEVO, TANATEX, KRONOS TITAN und AGFA gerieten in Schwierigkeiten. Entweder gingen sie Pleite, schrumpften empfindlich oder wurden von anderen Konzernen geschluckt. Aktuell sieht sich H.C. STARCK mit ernsten Problemen konfrontiert. Das Unternehmen hat massive Finanz-Probleme. Der Leverkusener Multi hatte den Spezialchemie-Hersteller nämlich an zwei Finanzinvestoren veräußert, die H.C. STARCK die Kaufsumme als Schulden in die Bücher geschrieben haben. Nun muss die Firma Arbeitsplätze vernichten und andere Restrukturierungsmaßnahmen durchführen, um neue Kredite zu erhalten.

Verändertes Schichtsystem
Der BAYER-Konzern hat an seinem Pestizid-Standort Hürth-Knapsack in Kooperation mit dem Betriebsrat das Schichtsystem geändert. Das bisherige 4-Schichtsystem wurde „aus arbeitsmedizinischen und organisationstechnischen Erwägungen“ durch das beim Leverkusener Multi auch sonst übliche 5-Schichtmodell ersetzt. Dieses erlaubt jetzt längere Ruhe-Phasen vor den Schicht-Wechseln. Auch führt es zu kürzeren Wochenarbeitszeiten. Der Konzern wollte deshalb sogleich die Entgelte entsprechend senken, konnte sich damit aber nicht ganz durchsetzen. „Letztlich haben die Betriebsräte in Knapsack für die Kollegen am Standort einen guten Kompromiss mit einer attraktiven finanziellen Abfederung erreichen können“, so der Betriebsratsvorsitzende Franz-Josef Christ.

ERSTE & DRITTE WELT

Entwicklungshilfe zur Selbsthilfe
Seit einiger Zeit haben die Global Player auf der Suche nach neuen Absatz-Gebieten die „Low-income Markets“ entdeckt (siehe auch SWB 4/13). So entwickelte der Leverkusener Multi bereits 2013 eine „Afrika-Strategie“. Bei der Umsetzung geriert sich der Agro-Riese gerne als Entwicklungshelfer. „BAYER kooperiert mit der gemeinnützigen Organisation ‚Fair Planet’ und wird Teil des Projekts ‚Bridging the Seed Gap’ in Äthiopien. Ziel des Projekts ist es, neue Anbau-Möglichkeiten für Kleinbauern zu schaffen“, vermeldete der Konzern etwa Anfang 2016. Auch LandwirtInnen-Verbände und Hochschulen sitzen mit im Boot. Und bei der Unterzeichnung des Vertrags waren sogar RegierungsvertreterInnen zugegen. Nur handelt es sich leider bei „Fair Planet“ um einen Verband, den BAYER, SYNGENTA, LIMAGRAIN & Co. seit Längerem großzügig unterstützen. Zudem bestehen die neuen „Anbau-Möglichkeiten für Kleinbauern“ lediglich aus Tomaten-, Peperoni- und Zwiebel-Saatgut made by BAYER. Diese können die FarmerInnen zunächst kostenlos testen. Anschließend müssen sie für diese Sorten allerdings die Werbetrommel rühren. „Sie sollen dann weiteren Landwirten in den Dörfern und Regionen die Vorteile dieses Saatguts demonstrieren“, so lautet der Business-Plan des Konzerns. Bei näherem Hinsehen wird also aus der angeblichen Entwicklungshilfe pure Markterschließung.

Die „Neue Allianz“ in der Kritik

  • 1


Im Jahr 2012 gründeten die Teilnehmer-Staaten des G8-Treffens gemeinsam mit BAYER, MONSANTO und anderen Firmen die „Neue Allianz für Lebensmittelsicherheit und Ernährung“. Mit Entwicklungshilfe hat diese Public-Private-Partnership allerdings nicht viel im Sinn. Sie dient den Konzernen vielmehr als Vehikel, um in Afrika die Rahmenbedingungen für eine industrielle Landwirtschaft mittels Gentechnik und allem Drum und Dran durchzusetzen. So dringen die Global Player etwa darauf, die „Verteilung von frei verfügbarem und nicht verbessertem Saatgut systematisch zu beenden“. Zudem fordern sie einen stärkeren Patentschutz, Landrechtsreformen, „effizientere“ Pestizid-Zulassungsverfahren und Maßnahmen gegen die Produkt-Piraterie. Dafür fließen öffentliche Mittel en masse: Die G8-Staaten gaben bereits über drei Milliarden Euro frei, während BAYER & Co. noch nicht einmal eine Milliarde zubutterten. Dies zog jetzt die Kritik des Europa-Parlaments auf sich. Die Abgeordneten forderten, die Strategie der Allianz komplett zu ändern. Sie müsste sich mehr auf die Kleinbauern und -bäuerinnen konzentrieren, den lokalen Saatguthandel schützen und dürfe nicht mehr länger dem Landraub Vorschub leisten, so die ParlamentarierInnen. Dem entwicklungspolitischen Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Uwe Kekeritz, ging das jedoch nicht weit genug. Er verlangte von der Bundesregierung, auf eine Auflösung der „Neuen Allianz“ zu dringen: „Die Reform der 2012 von der G8 gegründeten Allianz ist angesichts ihrer grundlegend falschen Ausrichtung aussichtslos.“

Die „Neue Allianz“ in der Kritik

  • 2


Die „Neue Allianz für Lebensmittelsicherheit und Ernährung“, die von den G8-Staaten gemeinsam mit BAYER, MONSANTO und anderen Firmen 2012 initiierte Public-Private-Partnership (s. o.), heizt das Landgrabbing an. Zu diesem Resultat kommt die Studie „Land grabbing and human rights“, die das Europäische Parlament in Auftrag gegeben hat. So verloren in Tansania mehr als 1.300 Bauern und Bäuerinnen ihr Land, weil das „Neue Allianz“-Mitglied ECOENERGY vom Staat 20.374 Hektar Ackerfläche erworben hat, um dort eine Zucker-Plantage anzulegen. Auch ganz allgemein fördern die Aktivitäten der Allianz der Untersuchung zufolge die Bodenspekulation und die Landkonzentration, denn die Devise von BAYER & Co. lautet: „Think Big“. Afrikanische FarmerInnen-Verbände kritisieren das Vorgehen der Multis deshalb massiv. Auch die AutorInnen der Untersuchung sehen nur negative Effekte. Aus diesem Grund fordern sie die EU-Mitgliedsländer unter den G8-Nationen auf, der „Neuen Allianz für Lebensmittelsicherheit und Ernährung“ die Unterstützung zu entziehen.

Patente: Ausnahmen nur bis 2033
Mit Patenten auf Pharmazeutika sichern sich BAYER & Co. Monopol-Profite. Dieses Vorgehen macht die Arzneien besonders für Menschen in armen Ländern unerschwinglich. Wenn diese Staaten trotzdem versuchen, sich den Zugang zu den benötigten Medikamenten zu sichern, indem sie sich – wie Südafrika im Jahr 2001– auf einen Ausnahme-Paragrafen des internationalen TRIPS-Patentschutzabkommens berufen, bemühen BAYER und die anderen Pillen-Riesen gern einmal die Gerichte (siehe SWB 2/01). Nur für die ärmsten der armen Nationen, die „least-developed countries“ (LDCs), galten bis zum Januar 2016 eigene Regelungen. Bei den neuen Verhandlungen um diesen Sonderstatus haben die VertreterInnen der LDCs eine unbefristete Verlängerung gefordert. Die Welthandelsorganisation WTO beugte sich allerdings dem Druck von Big Pharma und gewährte nur einen Aufschub bis 2033.

BAYER senkt JADELLE-Preis
„Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar“, sagte einst der ehemalige US-Präsident Lyndon B. Johnson. Zu diesen „wirksamen Investitionen“, die Entwicklungshilfe sparen helfen, gehört auch BAYERs Verhütungsmittel-Implantat JADELLE. Das Medizin-Produkt mit dem Wirkstoff Levonorgestrel ist für die BevölkerungskontrolleurInnen nämlich ziemlich praktisch, verrichtet es seine Dienste doch fünf Jahre lang. Für die Frauen allerdings weniger: Unter anderem klagen sie über Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Depressionen, Gewichtszunahme und Haarausfall. Großeinkäufern wie etwa der „Bill & Melinda Gates Foundation“ hat der Leverkusener Multi bisher schon große Rabatte eingeräumt. Anfang des Jahres hat er eine generelle Preis-Senkung für Entwicklungsländer verkündet. Statt rund 18 Dollar pro Implantat berechnet er jetzt nur noch die Hälfte.

POLITIK & EINFLUSS

BAYERs EU-Frühstücke
„Um Unternehmensvertreter über aktuelle Entwicklungen zu informieren“, organisiert die Lobby-Firma AMISA2 „monatlich Frühstücksdebatten mit Schlüssel-Persönlichkeiten der EU-Institutionen“. BAYER, GOOGLE, AIRBUS und 15 weitere Konzerne durften auf diese Weise schon einen „Blick in die Zukunft der Klimapolitik“ werfen – eröffnet von der damals als EU-Kommissarin für den Klimaschutz fungierenden Connie Hedegaard – oder mit der stellvertretenden Generalsekretärin der EU-Kommission, Marianne Klingbeil, zusammentreffen.

VCI spendet 128.000 Euro
Im Jahr 2015 hat der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI) 128.000 Euro in Parteispenden investiert. Mit je 40.000 Euro erhielten CDU und FDP am meisten. Die SPD bedachte der Lobby-Club von BAYER & Co. mit 35.000 Euro, die Grünen konnten 13.000 Euro verbuchen. Nur die Partei „Die Linke“ ging leer aus. Dabei wird der VCI nicht nur proaktiv tätig. Es gibt auch direkte „Spenden-Anfragen der Schatzmeister oder Spitzenkandidaten der Parteien im Zusammenhang mit Bundestags-, Landtags- und Europawahlen“, wie der Verband mitteilt.

Kerins im USCC-Vorstand
Bei dem „U.S. Chamber of Commerce“ (USCC) handelt es sich um den größten Unternehmensverband der Welt. Und seit Dezember 2015 sitzt BAYERs oberster Öffentlichkeitsarbeiter in den USA, Raymond Kerins Jr., dort im Vorstand. Welche Auffassung er vom Verhältnis der Ökonomie zur Politik hat, machte der PR-Profi gleich bei seinem Amtsantritt deutlich. Da bezeichnete Kerins Jr. es als eine der Aufgaben des USCC, die MandatsträgerInnen darin zu unterweisen, wie sie das Wachstum der US-amerikanischen Wirtschaft am besten aufrechterhalten könnten.

BAYER sponsert Rohstoff-Behörde
Die „Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe“ (BGR) berät nach eigener Auskunft „die Bundesregierung und die deutsche Wirtschaft in allen geowissenschaftlichen und rohstoff-wirtschaftlichen Fragen“. Da der Zugriff auf Bodenschätze für den Leverkusener Multi eine enorme Bedeutung hat, gehört er mit zu den Unternehmen, welche die BGR seit 1982 indirekt sponsern. Seit 1987 tun BAYER & Co. dies über die „Hans-Joachim-Martini-Stiftung“, welche die milden Gaben als Preisgelder oder als Forschungsförderung tarnt. Die Investition lohnt sich, denn die Ergebnisse der BGR-Expertisen fallen fast immer im Sinne der Industrie aus. So erteilte die Bundesanstalt dem Fracking eine Unbedenklichkeitserscheinung und leugnete in Studien weitgehend den Zusammenhang zwischen dem Kohlendioxid-Ausstoß der Konzerne und dem Klimawandel. Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) hatte in einer internen Revision zwar Anstoß an der Praxis der Stiftung genommen, zog aber bislang keine Konsequenzen. Die Partei Bündnis 90/Die Grünen nahm die Vorgänge zum Anlass, eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung zu stellen. Diese sieht jedoch keinen Handlungsbedarf. „Die BGR ist eine eigenständige wissenschaftlich-technische Behörde, an deren Unabhängigkeit die Bundesregierung keinen Zweifel hat“, hielten Merkel & Co. fest.

Ökosteuer-Ausnahmen bleiben
Im Zuge der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes wollte die Große Koalition ursprünglich den Strom, den die Konzerne mit ihren eigenen Kraftwerken produzieren, ökosteuerpflichtig machen. Sofort brach ein Sturm der Entrüstung los. „Auch wenn die überfällige EEG-Reform nun endlich auf dem Weg ist, die Mehrbelastung der Eigenstrom-Erzeugung ist ein unüberwindlicher Stolperstein und für unsere Branchen nicht hinnehmbar. Jene Unternehmen, die ihren Strom in eigenen Kraftwerken vor allem in Kraft-Wärme-Kopplung und sehr effizient herstellen, hätten dadurch Mehrkosten von insgesamt über 300 Millionen Euro im Jahr“, erklärte der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI). Und der Leverkusener Multi, der fast 60 Prozent seines Energie-Bedarfs selber deckt, warnte: „Unsere KWK-Anlagen würden sich, sollten diese Pläne umgesetzt werden, nicht mehr wirtschaftlich betreiben lassen, sowohl die bestehenden als auch die neuen.“ Und die Politik erhörte die Signale. Alte Anlagen blieben von der Umlage befreit, modernisierte müssen nur 20 Prozent und neue 40 Prozent des Satzes zahlen. Die EU legte allerdings ein Veto ein, denn sie sah in den gewährten Rabatten eine unerlaubte Beihilfe. Aber Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel konnte die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestagen im August 2016 „nach intensiven Gesprächen“ umstimmen und Bestandsschutz für die Ausnahme-Regelungen erwirken.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER zahlt ÄrztInnen 7,5 Millionen
Die Pillen-Produzenten investierten im letzten Jahr 575 Millionen Euro dafür, die medizinische Landschaft zu pflegen und die ÄrztInnen zum Verschreiben ihrer Medikamente zu bewegen. Rund 71.000 MedizinerInnen standen auf ihren Gehaltslisten. BAYER gab 2015 dafür 7,5 Millionen Euro aus. Damit spendierte der Konzern den Doktores unter anderem Fortbildungsveranstaltungen in netter Umgebung samt Kost & Logis sowie Begleitung. Rund 2.400 Personen kamen in den Genuss dieses Angebotes. Ca. 3.000 ÄrztInnen strichen zudem für ihre Tätigkeit als RednerInnen auf Kongressen, BeraterInnen oder DienstleisterInnen Geld ein. Für den offenen Umgang mit diesen Zahlen lobt sich der Konzern ausgiebig selbst. Zu einem erfolgreichen Geschäftsmodell gehöre eben Transparenz, so BAYER-Manager Eberhard Schmuck. Allzu weit ist es mit dieser allerdings nicht her: Was der Global Player den MedizinerInnen nämlich für die sogenannten Anwendungsbeobachtungen zahlt, die nur den Zweck haben, die PatientInnen auf das getestete Präparat umzustellen, verschweigt er lieber. Die nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin Barbara Steffens sieht durch solche Zahlungen die Unabhängigkeit des Standes gefährdet. „Patienten müssen darauf vertrauen können, dass Ärzte ihnen ein Medikament verschreiben, weil sie von der Wirksamkeit überzeugt sind – und nicht, weil sie auf der Honorar-Liste der Hersteller stehen“, hielt die Grünen-Politikerin fest.

7,4 Millionen für Krankenhäuser
BAYER hält nicht nur die ÄrztInnen mit Zuwendungen bei Laune (s. o.), der Konzern bedenkt auch viele Institutionen des Gesundheitswesens, um die Absatz-Chancen für seine Pillen zu verbessern. Krankenhäusern, medizinischen Standesorganisationen, Instituten und medizinischen Gesellschaften wie z. B. der „Deutschen Parkinson Vereingung“ hat der Leverkusener Multi im Jahr 2015 rund 7,4 Millionen Euro zukommen lassen.

BAYER bildet ApothekerInnen weiter
Im Mittleren Osten unterhält BAYER bereits seit 2012 ein Programm zur Fortbildung von ApothekerInnen. Am diesjährigen Workshop nahmen rund 200 PharmazeutInnen aus Kuwait, Quatar, Oman, Barain und anderen Ländern teil. Obwohl der Leverkusener Multi diese Aktivitäten als Teil einer Initiative der Weltgesundheitsorganisation WHO darstellt, dient das Ganze der Absatz-Förderung eigener Präparate. So besteht ein Lernziel für die ApothekerInnen laut Konzern darin, die PatientInnen zur Selbstmedikation und zur Einnahme von Vitaminen und Medikamenten zur Vorbeugung von Krankheiten anzuhalten, um dadurch „dem Staat Lasten abzunehmen“.

BAYER sponsert Agrar-JournalistInnen
BAYER lässt sich die Pflege der Presselandschaft einiges kosten. So sponserte der Leverkusener Multi beispielsweise den Weltkongress der Agrar-JournalistInnen, der dieses Mal in Deutschland stattfand. Die Grüne Woche hatte ihn nach Berlin gelockt. Die Veranstaltung versuchte dann auch, seinem Geldgeber alle Ehre zu machen. Sie begab sich daran, ein idyllisches Bild der hiesigen Agrarwirtschaft zu malen. Die Konferenz wollte nichts weniger als zeigen, „wie Landwirte in Deutschland sich den Herausforderungen von heute stellen. Dazu zählen eine effiziente Wirtschaftsweise, der Schutz von Natur und Biodiversität sowie die Bereitstellung hochwertiger und bezahlbarer Lebensmittel“.

TIERE & ARZNEIEN

BAYTRIL-Gebrauch sinkt leicht
Ende Juli 2016 vermeldete das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel-Sicherheit“ (BVL) zunächst einen erhöhten Verbrauch von Antibiotika aus der Gruppe der Fluorchinolone wie BAYERs BAYTRIL in der Massentierhaltung. Dann korrigierte es seine Angaben. Demnach sanken die Gaben leicht von 12,3 auf 10,6 Tonnen. Aber auch die neuen Zahlen stimmen noch bedenklich, führt doch die häufige Verwendung dieser Mittel in den Ställen dazu, dass die Krankheitserreger sich zunehmend an die Substanzen gewöhnen. Gelangen diese dann über den Nahrungskreislauf oder andere Wege von den Ställen in den menschlichen Organismus, können sie Gesundheitsstörungen auslösen, gegen die kein Kraut mehr gewachsen ist. Und bei den Fluorchinolonen ist das besonders bedenklich, da diese Substanzen in der Humanmedizin zu den Reserve-Antibiotika zählen, die nur zum Einsatz kommen, wenn andere Mittel bereits versagt haben (siehe auch AKTION & KRITIK).

BAYTRIL in Bio-Ställen
Auch die LieferantInnen von Bio-Fleisch setzen in ihren Ställen Antibiotika ein. So tragen auch diese ZüchterInnen mit dazu bei, dass immer mehr Krankheitserreger Resistenzen gegen diese Mittel entwickeln. Gelangen die Keime dann über den Nahrungskreislauf oder andere Wege in den menschlichen Organismus, können sie Gesundheitsstörungen auslösen, gegen die dann nichts mehr hilft. Der Verband „Bioland“ hat seinen Mitgliedern deshalb zumindest verboten, Medikamente aus der Gruppe der Fluorchinolone wie BAYERs BAYTRIL zu verwenden. Diese Substanzen zählen in der Humanmedizin nämlich zu den Notfall-Antibiotika, die bevorzugt zum Einsatz kommen, wenn andere Stoffe bereits versagt haben. Aber selbst zu diesen Fluorchinolonen greifen die Biobauern und –bäuerinnen. Allein im Jahr 2014 hat Bioland 35 Ausnahmegenehmigungen für BAYTRIL & Co. erteilt. Zudem geben nicht wenige LandwirtInnen ihren Tieren diese Mittel, ohne das formell zu beantragen.

Kooperation mit BIONTECH
BAYER hat eine Kooperation mit dem Unternehmen BIONTECH auf dem Gebiet der Tiermedizin vereinbart, in dessen Rahmen die Mainzer Firma für den Leverkusener Multi Immun-Therapeutika, Impfstoffe und andere Veterinär-Arzneien entwickeln soll.

DRUGS & PILLS

ESSURE führt zu mehr Komplikationen
Bei ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Medizinprodukt für eine dauerhafte Empfängnis-Verhütung, handelt es sich um eine kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich nach etwa drei Monaten die Eileiter verschließen. Eine Studie verglich ESSURE jetzt mit anderen Sterilisationsmethoden, die Zugriff auf die Eileiter nehmen. Das Ergebnis der im British Medical Journal veröffentlichten Untersuchung fiel verheerend für die Spirale des Leverkusener Multis aus. Sie erhöht für die Frauen das Risiko, sich nachträglichen Operationen unterziehen zu müssen, im Vergleich zu anderen Praktiken um mehr als das Zehnfache. Wegen seiner vielen Nebenwirkungen steht das Pharma-Produkt schon länger in der Kritik. Zu diesen zählen unter anderem Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien. Die Spirale bleibt zudem oft nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann.

Gesundheitsbehörden warnen vor ESSURE
Die vielen unerwünschten Arznei-Effekte von BAYERs Medizin-Produkt ESSURE (s. o.) haben die Gesundheitsbehörden in Kanada und den Vereinigten Staaten zum Handeln bewogen. „Health Canada“ informierte die ÄrztInnen in einem Brief über die zahlreichen Risiken und Nebenwirkungen des Präparats und setzte auch die Öffentlichkeit darüber in Kenntnis. Die US-amerikanische FDA verpflichtete BAYER derweil, die Spirale nur noch mit einem Warnhinweis der dringlichsten Stufe zu vertreiben und die Sicherheit von ESSURE in einer neuen Studie zu überprüfen. Den vielen Geschädigten in den USA ging das allerdings nicht weit genug. Sie hatten auf ein Verbot gehofft und kritisierten die FDA-Maßnahmen deshalb als unzureichend.

IBEROGAST schädigt die Leber
Auch Medikamente auf pflanzlicher Basis wie BAYERs Magenmittel IBEROGAST, das 2013 mit dem Kauf von STEIGERWALD in die Produktpalette des Pharma-Riesen gelangte, können es in sich haben. So schädigt der IBEROGAST-Inhaltsstoff Schöllkraut die Leber. Arzneien mit einer hohen Schöllkraut-Konzentration hat das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) deshalb schon aus dem Verkehr gezogen. Vom Leverkusener Multi verlangte es, diese Nebenwirkung auf dem Beipackzettel von IBEROGAST zu vermerken. Der Konzern weigert sich aber, dieser Aufforderung nachzukommen. Für ihn ist die „hohe Sicherheit“ des Präparates „durch eigene Daten vollständig belegt“. Darum zeigt er sich auch nicht bereit, den Widerspruch zurückzunehmen, den STEIGERWALD vor acht Jahren gegen die BfArM-Anordnung eingelegt hatte. Und so gibt es dann immer noch keine Warnhinweise auf den Faltblättern der Packungen. „Das ist genau die Situation, die wir immer wieder beklagen. Im Grunde genommen hat der Hersteller viele Möglichkeiten, das immer wieder herauszuzögern (...) Derzeit hat man den Eindruck an vielen Stellen, dass der Hersteller-Schutz vor dem Patienten-Schutz rangiert“, kritisiert der Pharmakologe Prof. Gerd Glaeske.

Verantwortlicher Umgang mit ASPIRIN?
BAYER bewirbt ASPIRIN erfolgreich als „Tausendsassa“. Darum findet es weite Verbreitung, obwohl das Präparat viele Nebenwirkungen wie etwa Magenbluten hat. So bezifferte der Mediziner Dr. Friedrich Hagenmüller 2012 die Zahl der Todesopfer allein in der Bundesrepublik auf jährlich 1.000 bis 5.000. Den Leverkusener Multi ficht das jedoch nicht an. Wenn JournalistInnen ihn auf das Gefährdungspotenzial von ASPIRIN durch einen zu sorglosen Umgang mit dem Mittel ansprechen, verweist der Konzern einfach auf eine von ihm selbst durchgeführte Studie, die angeblich eine verantwortungsvolle Handhabung belegt.

ASPIRIN: Größere Präventionswirkung?
Der verantwortungslose Umgang mit ASPIRIN birgt hohe Risiken (s. o.) Haben Menschen jedoch schon einmal einen Herzinfarkt erlitten, raten MedizinerInnen zur Verhinderung eines zweiten zu dem Mittel. Studien zufolge senkt das Medikament mit dem Wirkstoff Acetylsalicylsäure das Risiko für eine nochmalige Attacke um 13 Prozent. Nur die ersten sechs Wochen nach dem ersten Infarkt betrachtet, liegt die Präventionswirkung einer neueren Untersuchung zufolge sogar noch höher. Wie Peter M. Rothwell und sein Team herausfanden, reduziert die Arznei die Wahrscheinlichkeit eines Wiederholungsfalles um 60 Prozent. Allerdings haben drei an der Studie beteiligte WissenschaftlerInnen schon einmal in Diensten BAYERs gestanden, was die Aussagekraft der Arbeit erheblich trübt.

CIPROBAY-Anwendungsbeschränkungen
BAYERs Antibiotikum CIPROBAY mit dem Wirkstoff Moxifloxacin, der zur Gruppe der Fluorchinolone gehört, hat zahlreiche Nebenwirkungen (siehe auch AKTION & KRITIK). Darum erließ die US-Gesundheitsbehörde FDA im Mai 2016 Anwendungsbeschränkungen für CIPROBAY und andere fluorchinolon-haltige Präparate. Bei Bronchitis, Sinusitis und einfachen Formen von Blasen-Entzündungen dürfen die MedizinerInnen diese Arzneien jetzt nur noch verordnen, wenn alle andere Mittel versagt haben.

Zahlreiche MIRENA-Nebenwirkungen
BAYERs Hormon-Spirale MIRENA ruft zahlreiche unerwünschte Arznei-Effekte hervor. „Insgesamt 3.607 Verdachtsfälle von Nebenwirkungen“ hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfArM) registriert, wie eine Anfrage des TV-Magazins Frontal21 ergab. Allein 44 Meldungen zu Brustkrebs, 153 zu Eileiter-Schwangerschaften und 328 zu Gebärmutter-Verletzungen erhielt das BfArM unter anderem.

Verhandlungen mit GOOGLE
Die GOOGLE-Tochter VERILY widmet sich medizinischen Forschungsprojekten auf Gebieten wie „Krebs“, „Diabetes“ und Herz/Kreislauf-Erkrankungen. Zudem entwickelt sie Operationsroboter und bioelektronische Systeme. Im Februar 2016 hat das Unternehmen Verhandlungen mit BAYER über mögliche Kooperationen aufgenommen.

16 Krebs-Wirkstoffe im Test
Krebs-Arzneien versprechen den Pharma-Riesen den größten Profit. Mittlerweile fressen sie – ohne die Lebenszeit der PatientInnen entscheidend verlängern zu können – schon rund ein Viertel des Medikamenten-Budgets der Krankenkassen. Folgerichtig setzt der Leverkusener Multi ganz auf dieses Segment. Mit NEXAVAR, STIVARGA und XOFIGO bietet er bereits drei Onkologie-Präparate an; zudem befinden sich 16 Wirkstoffe in der klinischen Erprobung.

Mehr Profit durch Direktvertrieb
Vom Hersteller über den Großhandel zu den Apotheken – so sieht eigentlich der Vertriebsweg für Medikamente aus. BAYER & Co. umgehen aber immer öfter den Großhandel und bestücken die Pharmazien selbst mit ihren Produkten. Auf diese Weise schalten sie einen Mitverdiener aus und erhöhen ihre Gewinnmarge. Zudem sieht die Branche dies als eine wirksame Methode an, die Zwischenhändler am Export der Arzneien in solche Länder zu hindern, in denen sie mit den Produkten zum Schaden der Pillen-Produzenten mehr Geld machen können. Also halten die Pharma-Firmen den Großhandel knapp und springen in die Bresche, wenn dieser nicht mehr liefern kann. Zu diesem Behufe hat BAYER gemeinsam mit BOEHRINGER, NOVARTIS und anderen Konzernen die PHARMA MALL GESELLSCHAFT FÜR ELECTRONIC COMMERCE gegründet. Den Unternehmen zufolge soll diese Gesellschaft der „Optimierung der Transaktionsprozesse zwischen Herstellern und Kunden“ dienen. In der Realität aber verkompliziert sich für die Apotheken durch die beiden nebeneinander herlaufenden Systeme die Beschaffung der Pharmazeutika, weshalb die PatientInnen oftmals länger auf ihre Mittel warten müssen. Überdies schrumpfen die Einnahmen der Pharmazien durch diesen Direktvertrieb, weil sie dadurch nicht mehr in den Genuss von Großhandelsrabatten kommen. Die Bundesregierung sieht bei alldem jedoch keinen Grund zum Eingreifen. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ verweist die Große Koalition auf die Zuständigkeit der Bundesländer.

Anfrage zu Beobachtungsstudien
Erkenntnisse werfen Anwendungsbeobachtungen (AWB) zu Medikamenten, die MedizinerInnen mit ihren PatientInnen durchführen, kaum ab. Dies ist aber auch gar nicht Sinn der Übung. Die Anwendungsuntersuchungen verfolgen einzig den Zweck, die Kranken auf das getestete Präparat umzustellen (siehe auch PROPAGANDA & MEDIEN). Im Jahr 2014 standen BAYER & Co. dafür 17.000 ÄrztInnen zu Diensten. Die Pharma-Riesen honorierten ihnen dies mit ca. 100 Millionen Euro. Nach Angaben des Recherche-Netzwerkes Correct!v fanden von 2009 bis 2014 in den Praxen 41 solcher „Studien“ mit BAYER-Medikamenten statt (Ticker 3/16). Die Bundesregierung nimmt an diesem Marketing-Instrument, das sich einen wissenschaftlichen Anstrich gibt, im Grundsatz keinen Anstoß. „Mit AWB können Erkenntnisse über die Anwendung zugelassener Arzneimittel in der Praxis gewonnen werden“, hält sie in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ fest. Im geplanten „Gesetz zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen“ will die Große Koalition lediglich die Vorschriften für die Schnelltests etwas verschärfen.

AGRO & CHEMIE

Glyphosat-Zulassung verlängert
Der Pestizid-Wirkstoff Glyphosat, der in BAYER-Mitteln wie GLYFOS, PERMACLEAN, USTINEX G, KEEPER und SUPER STRENGTH GLYPHOSATE enthalten ist und in Kombination mit Gen-Pflanzen wie der Soja-Art BALANCE zum Einsatz kommt, gilt als gesundheitsgefährdend. So hat eine Krebsforschungseinrichtung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Substanz als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Trotzdem hat sich die EU im Juni 2016 schlussendlich dem Druck der Industrie gebeugt und die Zulassung des Herbizids um 18 Monate verlängert.

Comeback für Glufosinat?
BAYERs Antiunkraut-Mittel Glufosinat, das unter anderem im Kombipack mit den Gen-Pflanzen der „LIBERTY LINK“-Baureihe zum Einsatz kommt, schädigt das Erbgut und kann Krebs auslösen. Deshalb hatte die EU die Zulassung des Pestizids nicht über den September 2017 hinaus verlängert. Jetzt droht Brüssel jedoch einen Rückzieher zu machen. Die „Europäische Behörde für Lebensmittel-Sicherheit“ (EFSA), deren MitarbeiterInnen mehr als einmal durch ihre Beziehungen zur Wirtschaft in die Schlagzeilen geraten waren, schlug nämlich Ausnahmeregeln für Glufosinat und andere Ackergifte vor, falls die LandwirtInnen keine Alternative hätten und eine „ernsthafte Gefahr für die Gesundheit der Pflanze“ bestehe. Das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) kritisierte diesen Vorstoß vehement.

Pestizid-Plage in Costa Rica
Costa Rica ist der weltgrößte Ananas-Produzent. Auf einer Fläche von 38.000 Hektar wächst dort die Frucht. Dabei kommen einer Studie von OXFAM zufolge immense Mengen an Agro-Chemikalien zum Einsatz. 30 bis 38 Kilogramm pro Hektar bringen die Plantagen-BesitzerInnen jährlich aus. Darunter befinden sich mit Glyphosat, Diuron, Mancozeb und Chlorpyrifos viele, die auch BAYER anbietet. Die Beschäftigten müssen schon bald nach den Sprühaktionen wieder auf die Felder und verfügen nicht immer über einen Arbeitsdress, der ihnen die Mittel in ausreichender Form vom Leibe hält. Dementsprechend erleiden viele der Belegschaftsangehörigen Gesundheitsschädigungen. „Ich war einen Monat lang im Krankenhaus wegen einer Vergiftung. Als ich wiederkam, musste ich wieder mit Pestiziden und ohne Schutzkleidung arbeiten“, erzählt einer von ihnen. Auch Krebs-Krankheiten, Magenleiden, Augen-Schädigungen und Hautausschläge zählen zu den Nebenwirkungen. Überdies verseuchen die Mittel das Trinkwasser in der Nähe der Ananas-Äcker.

Pestizid-Plage in Ecuador
Auf den Bananen-Plantagen in Ecuador herrschen OXFAM zufolge ähnlich verheerende Bedingungen wie auf den Ananas-Äckern in Costa Rica (s. o.) Hier sehen sich die LandarbeiterInnen ebenfalls ohne ausreichenden Schutz gefährlichen Pestiziden ausgesetzt. Oftmals dürfen sie die Felder nicht verlassen, wenn die Sprüh-Flugzeuge zum Einsatz kommen und Substanzen wie die auch von BAYER vermarkteten Stoffe Glyphosat und Mancozeb ausbringen. „Wir machen uns große Sorgen, weil wir unter dem Pestizid-Regen arbeiten müssen. Wir bekommen Hautausschläge. Aber wenn man sich beschwert, riskiert man, entlassen zu werden“, klagt etwa einer der Beschäftigten. Und es bleibt nicht bei Hautausschlägen. Zu den weiteren Leiden der Plantagen-ArbeiterInnen zählen Herz-Leiden, Magen-Erkrankungen, Augenbrennen, Schlafstörungen und Durchfall. Überdies erweisen sich die chemischen Keulen als erbgut-schädigend. „Angesichts besonders hoher Behinderungsraten der Kinder in den Bananen-Provinzen ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es hier einen Zusammenhang gibt“, sagt etwa Beatriz Garcia Pluas, die Direktorin einer Schule für Gehandicapte.

PilotInnen als Pestizid-Opfer
Nicht nur die LandarbeiterInnen oder die AnwohnerInnen der Plantagen leiden unter den Pestiziden, sondern auch die PilotInnen, welche die Agro-Chemikalien mit ihren Flugzeugen ausbringen. So berichtet der Ecuadorianer Jorge Acosta Orellana in dem Interview mit der taz über Leiden wie Herzrhythmus-Störungen, Schwindel und Augen-Trübungen. „Ich bin zum Arzt gegangen, aber der meinte, dass mein Herz in Ordnung sei und dass ich eine Vergiftung haben könnte. Ich habe dann mit anderen Piloten geredet und festgestellt: Die haben ähnliche Probleme. Bald waren wir überzeugt, dass das alles in Zusammenhang mit dem Fungizid Mancozeb (enthalten unter anderem in den BAYER-Produkten ZETANIL und ACROBAT, Anm. Ticker) stehen könnte. Das haben wir auf den Plantagen nämlich zum Sprühen verwendet.“ Orellana zufolge kam es sogar schon zu Flugzeug-Abstürzen, weil die PilotInnen – benebelt von den chemischen Keulen – die Kontrolle über ihre Maschinen verloren.

ALDI bannt Bienenkiller
Der Lebensmittel-Discounter ALDI bannt acht bienengefährliche Agro-Chemikalien. Dazu zählen mit Chlorpyrifos, Clothianidin, Deltamethrin, Fipronil und Imidacloprid auch fünf Wirkstoffe, die BAYER anbietet. „Mit dem Ziel, den Bienenschutz in Deutschland aktiv zu fördern und weiterhin im Sinne der Verbraucher an einer Reduzierung des Einsatzes von Pestiziden zu arbeiten, haben die beiden Unternehmensgruppen ALDI-NORD und ALDI-SÜD im vergangenen Jahr neue Anforderungen an ihre Lieferanten gestellt“, erklärte der Konzern. Diese müssen nun garantieren, dass die landwirtschaftlichen Produkte, die sie ALDI verkaufen, keine Behandlung mit Chlorpyrifos & Co. erfahren haben.

Neues Erdnuss-Pestizid
Der Leverkusener Multi hat mit PROVOST OPTI ein neues Antipilz-Mittel für Erdnuss-Kulturen auf den Markt gebracht. Allerdings handelt es sich dabei um neuen Wein in alten Schläuchen. Die Inhaltsstoffe stimmen mit denen von PROVOST überein. Der Konzern änderte lediglich das Mischungsverhältnis von Prothioconazol und Tebuconazol.

PFLANZEN & SAATEN

Neues Weizenzucht-Zentrum in Kanada
Im Saatgut-Geschäft des Agro-Riesen bildet Weizen einen Schwerpunkt, weil die Ackerfrucht die weitverbreitetste Kulturpflanze der Welt ist. Bis 2020 will der Konzern 1,5 Milliarden Euro in Züchtungsprogramme investieren, um eine führende Rolle in diesem Markt-Segment einzunehmen. Nachdem der Agro-Riese gerade eben erst seine Weizenzucht-Station in Gatersleben erweitert hat, eröffnet er jetzt ein neues Zentrum im kanadischen Saskatchewan. Vor allem hybride, also nicht zur Wiederaussaat geeignete Gewächse will der Konzern dort entwickeln. Auf Qualität kommt es ihm dabei weniger an als auf den Output. „Wer erfolgreich eine wesentlich ertragreichere Weizen-Sorte entwickelt, wird ein lukratives Geschäft auftun“, prophezeit Liam Condon, der Chef von BAYER CROPSCIENCE.

GENE & KLONE

Blockbuster EYLEA
EYLEA, das BAYER-Präparat zur Behandlung der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – erschließt nicht gerade medizinisches Neuland. Laut Konzern zeigte das Pharmazeutikum in Tests lediglich „eine vergleichbare Wirkung (‚Nicht-Unterlegenheit’) gegenüber der Behandlung mit LUCENTIS“. Einen Zusatznutzen mochten dem Gentech-Medikament deshalb weder das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWIG) noch die Techniker Krankenkasse bescheinigen. Trotzdem entwickelt sich die Arznei dank BAYERs massivem Werbeaufwand zu einem Blockbuster, der LUCENTIS gehörig Konkurrenz macht: Im zurückliegenden Geschäftsjahr betrug der EYLEA-Umsatz 1,2 Milliarden Euro.

EU lässt BAYERs Gen-Soja zu
Ende Juli 2016 hat die EU BAYERs Gen-Soja mit dem Produktnamen BALANCE eine Einfuhrgenehmigung erteilt (siehe auch SWB 4/16). Die Laborfrucht ist gentechnisch darauf geeicht, auf den Feldern Sprühattacken mit den Herbizid-Wirkstoffen Glyphosat und Isoxaflutol standzuhalten. Da die Menschen darauf nicht „geeicht“ sind, stellen die Rückstände der beiden als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuften Pestizide in den Pflanzen für sie eine ernstzunehmende Gesundheitsgefahr dar. Damit nicht genug, potenzieren sich die unerwünschten Effekte im Zusammenspiel noch einmal: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN kritisierte die Zulassung deshalb.

Lizenz-Abkommen mit ERS
BAYER setzt weiter auf die „Synthetische Biologie“, zum Beispiel auf Gen-Scheren, die das Erbgut angeblich präzise an einer vorgegebenen Stelle auftrennen und dort neue, im Labor hergestellte DNA-Stränge einfügen können. Nachdem der Konzern Ende 2015 ein Joint Venture mit dem US-Unternehmen CRISPR THERAPEUTICS eingegangen ist (siehe STANDORTE & PRODUKTION), schloss er im Mai 2016 eine Lizenzvereinbarung mit der irischen Firma ERS GENOMICS ab. Diese sichert dem Pharma-Riesen den Zugriff auf mehrere Patente, die ERS auf die Anwendung der Schnippel-Technik CRISPR-Cas9 hält.

Gentech lost in Europe
BAYERs Innovationsvorstand Kemal Malik sieht die Zukunft der „grünen Gentechnik“ in Europa düster. „Wir haben die Auseinandersetzung über Gen-Pflanzen in Europa verloren. Ich glaube nicht, dass es noch genug politischen Willen gibt, um den Bann aufzuheben oder wieder in die Debatte einzusteigen“, sagte er der Zeitung The Australian im Marz 2016. Zum Teil gibt er dafür auch der Industrie selber die Schuld: „Wir haben nicht genug Anstrengungen unternommen, um die Technologie zu erklären und die Öffentlichkeit und die Entscheidungsträger mitzunehmen.“

WASSER, BODEN & LUFT

Anhörung zum A1-Ausbau
Das Land Nordrhein-Westfalen plant, die Bundesautobahn A1 auszubauen und im Zuge dessen auch eine neue Brücke über den Rhein zu errichten. Das stößt jedoch auf viel Widerstand, vor allem weil Straßen.NRW dafür Teile der Dhünnaue-Deponie BAYERs wieder öffnen will. Der Landesbetrieb beabsichtigt, den Müll bis zu einer Tiefe von zwei Metern abzutragen und die Grube mit einer Polsterschicht für das Fundament der Straße aufzufüllen. 268 Einwendungen gegen das Projekt erhielt die Bezirksregierung, darunter auch eine der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG). Anfang Juli 2016 fand dazu in der Stadthalle Köln-Mülheim der Erörterungstermin statt (siehe auch SWB 4/16). Zweifel an dem Vorhaben konnten die Straßenbau-BeamtInnen dort allerdings nicht ausräumen, zumal sie selber das Risiko nur vorsichtig „vertretbar“ nannten. Einer ihrer Ingenieure bezeichnete die Auskofferung des ganzen Giftgrabes sogar ganz offen als die eigentlich „optimale Gründung“ für die A1. Auf Altlasten baut es sich nämlich schlecht. Der organische Anteil des Mülls zersetzt sich, weshalb das Volumen abnimmt und mit Bodenabsenkungen zu rechnen ist. Das tut auch Straßen.NRW. „Eine ggf. erforderliche vorzeitige Instandsetzung des Oberbaus ist berücksichtigt“, heißt es in der schriftlichen Stellungnahme des Landesbetriebs zur Einwendung der CBG. Und so gewann dann die von der Coordination und vielen anderen Initiativen vorgeschlagene Alternative, die Hände ganz von der Dhünnaue zu lassen und den Verkehr stattdessen unterirdisch durch einen langen Tunnel zu führen, durch den Erörterungstermin noch mehr an Überzeugungskraft.

Neues Fracking-Gesetz
US-Unternehmen profitieren von den neuen Öl- und Erdgas-Fördertechniken. Das ebenso brachiale wie umweltschädliche Fracking, das mit Hilfe von Chemikalien Risse in unterirdischen Gesteinsschichten erzeugt, um so Vorkommen zu erschließen, hat für einen Boom gesorgt und den Konzernen so zu billiger Energie verholfen. „Die damit günstigeren Produktionskosten in den USA verschärfen natürlich in einigen Bereichen den Konkurrenzdruck“, konstatierte etwa der ehemalige BAYER-Chef Marijn Dekkers. Darum setzte er sich vehement dafür ein, diese Methode auch in der Bundesrepublik zuzulassen: „Fracking wäre für Deutschland eine Alternative.“ Manchmal müsste man auch etwas wagen, um zu gewinnen, so der Niederländer. Darauf wollte sich die Bundesregierung so aber nicht einlassen. Sie verhängte zwar kein generelles Verbot des Frackings, schränkte dieses aber weitgehend ein. Bohrungen in Schiefer-, Ton-, Mergel- und Kohleflöz-Gestein verbietet das neue Fracking-Gesetz. Lediglich Probe-Bohrungen zur wissenschaftlichen Auswertung erlaubte die Große Koalition und erfüllte damit die Mindestanforderung Dekkers’. Mit Hilfe der auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse soll der Bundestag die Regelungen im Jahr 2021 dann noch einmal überprüfen. Sogenanntes konventionelles Fracking im poröseren und deshalb leichter aufzuspaltenden Sandstein können die Energie-Multis jedoch nach wie vor betreiben. Nur müssen nun Umweltverträglichkeitsprüfungen die Unbedenklichkeit erweisen.

Ausgelaugte Böden
Die industrielle Landwirtschaft setzt den Ackerflächen enorm zu. So sorgen schwere Landmaschinen für eine Verdichtung des Grundes, die dessen Fruchtbarkeit mindert. Nach Angaben der Bundesregierung beobachten WissenschaftlerInnen dieses Phänomen bereits auf 10 bis 20 Prozent der deutschen Äcker. Die inzwischen schon 1,4 Millionen Hektar in Anspruch nehmende Kultivierung von Mais als Energiepflanze fördert zudem die Bodenerosion, weil dieses Süßgras sehr langsam wächst und die Erde somit länger Wind und Wetter preisgibt. Die schwache Rückhalte-Wirkung der Feldfrucht sorgte im Frühjahr 2016 auch mit für die immensen Überschwemmungsschäden vor allem in Bayern. Rückstände der Pillen von BAYER und anderen Herstellern im Dünger oder die Düngemittel selber tragen ein Übriges zur Schadensbilanz bei. Wegen dieser beunruhigenden Entwicklung wollte die Europäische Union schon 2010 eine Bodenschutz-Richtlinie auf den Weg bringen. Aber die Landwirtschaftsverbände und BAYER & Co. wehrten sich vehement gegen eine solche Regelung, weil sie strengere Auflagen befürchteten. Sie hatten damit Erfolg: Die Bundesrepublik legte zusammen mit vier anderen Ländern ein Veto ein und blockierte damit das Paragrafen-Werk; 2014 legte es Brüssel endgültig zu den Akten.

Proteste gegen Pipeline-Ausbesserung
Die Gas-Fernleitung zwischen Duisburg und Köln, die unter anderem BAYER, HENKEL und diverse Stadtwerke mit Gas versorgt, stammt aus dem Jahr 1930. Darum ersetzen die Betreiber THYSSENGAS und OPEN GRID EUROPE derzeit die Rohre und führen Ausbesserungsmaßnahmen durch. Unter anderem verbreitern sie den Schutzstreifen auf das seit einiger Zeit gesetzlich vorgeschriebene Maß von 5,70 m. Da die beiden Unternehmen dafür rund 500 Bäume fällen müssen, kam es zu Protesten von NaturschützerInnen und LokalpolitikerInnen. Diese forderten einen anderen Trassen-Verlauf und kritisierten, dass es vor Beginn der Arbeiten kein Planfeststellungsverfahren gab, bei dem Alternativen hätten geprüft werden können.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

Merkel & Co. gegen Bisphenol-Verbot
BAYER ist mit einer Jahresproduktion von ca. einer Million Tonnen einer der größten Produzenten der Industrie-Chemikalie Bisphenol A (BPA). Drei Prozent davon kommen in Verpackungen von Nahrungsmitteln wie etwa Konservendosen zum Einsatz. Die Substanz ähnelt in ihrem chemischen Aufbau Hormonen, was zu Stoffwechsel-Irritationen und so zu Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen führen kann (siehe auch SWB 4/16). Die EU hat deshalb bereits deren Verwendung in Babyflaschen untersagt und für 2019 das BPA-Aus in Thermopapieren wie etwa Kassenzetteln verkündet. Auch hat sie schärfere Grenzwerte erlassen. Frankreich verbot den Stoff in Lebensmittel-Verpackungen sogar grundsätzlich. Die Bundesregierung will diesem Beispiel jedoch nicht folgen. Es gäbe wegen EU-Initiativen zu Bisphenol A „derzeit keinen Spielraum für nationale Regelungen“, erklärte sie in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“. Aber selbst wenn die Große Koalition könnte, würde sie nichts machen: „Für ein generelles Verbot von Bisphenol A in Lebensmittel-Kontaktmaterialien liegt nach Einschätzung der Bundesregierung zudem keine wissenschaftliche Grundlage vor.“

STANDORTE & PRODUKTION

Erste CRISPR-Standorte
Ende 2015 ist der BAYER-Konzern mit dem US-Unternehmen CRISPR THERAPEUTICS ein Joint Venture eingegangen und hat sich damit den verstärkten Zugriff auf eine neue Gentechnologie gesichert. CRISPR arbeitet auf dem Gebiet der „Synthetischen Biologie“ und hat so genannte Gen-Scheren entwickelt, die das Erbgut angeblich präzise an einer vorgegebenen Stelle auftrennen und dort neue, im Labor hergestellte DNA-Stränge einfügen können. Der Leverkusener Multi beabsichtigt, mit Hilfe dieses „gene editings“ Therapien für Blut-, Herz- und Augenkrankheiten zu entwickeln. Auch im Genpflanzen-Bereich beabsichtigt der Agro-Riese, Gen-Scherereien zu machen. Ende August 2016 konkretisierte er diese Pläne. Der Global Player gab mit CASEBIA den Namen der neuen Gesellschaft bekannt und kündigte für das Jahr 2017 die Aufnahme von Forschungstätigkeiten an drei Standorten an. Den größten Betrieb errichtet BAYER im US-amerikanischen Cambridge, kleinere Niederlassungen in San Francisco und in Köln. KritikerInnen trauen den Versprechungen der Gentechnik 2.0 indes nicht, denn so geschliffen wie prophezeit schnippeln die Gen-Scheren dann doch nicht am Erbgut herum. So kam es etwa bei einem Experiment chinesischer ForscherInnen mit Embryonen einerseits an unbeabsichtigten Orten zu den beabsichtigten Mutationen und andererseits an den beabsichtigten Orten zu unbeabsichtigten Mutationen. Sogar Gentech-Befürworter wie Christof von Kalle, der Präsident der „Deutschen Gesellschaft für Gentherapie“, warnen vor übertriebenen Erwartungen. „Für die Anwendung in der Gentherapie bei Menschen wäre es jedoch Voraussetzung, die Effizienz und Verlässlichkeit des Systems noch einmal deutlich nach oben zu treiben. Nur wenn reproduzierbar gezielt Reparatur-Sequenzen von außen an die entsprechende Stelle geschrieben werden können, kann von einem echten Editieren die Rede sein, und dies ist nach heutigem Stand eben noch nicht effizient erreicht“, schreibt der Mediziner in der Faz.

Fabrik-Eröffnung in China
Im Jahr 2014 hatte BAYER das chinesische Unternehmen DIHON erworben. Kurz darauf gab der Konzern den Bau einer neuen Anlage in Majinpu bekannt, um die Produktion der freiverkäuflichen DIHON-Pharmazeutika, wozu sowohl Mittel auf chemischer als auch solche auf Basis der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) gehören, zu steigern. Mit der Fertigungsstätte will der Konzern die Herstellung von TCM-Produkten verdreifachen. Auch freiverkäufliche BAYER-Arzneien beabsichtigt der Pillen-Riese an diesem Standort zu fabrizieren. Anfang 2016 nahm er einen ersten Teilabschnitt in Betrieb; der Abschluss der gesamten Arbeiten ist für 2020 vorgesehen.

RECHT & UNBILLIG

DUOGYNON: Anklage „Mord“
Der hormonelle Schwangerschaftstest DUOGYNON der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING hat ab den 1950er Jahren zu tausenden Totgeburten geführt. Darüber hinaus kamen bis zum Vermarktungsstopp Anfang der 1980er Jahre unzählige Kinder mit schweren Missbildungen zur Welt. Bisherige Gerichtsverfahren um Entschädigung oder die Herausgabe von Firmen-Unterlagen zu diesem Medikament scheiterten. Die Ansprüche seien verjährt, entschieden die RichterInnen. Das können die JuristInnen im Prozess, den Gisela Clerc jetzt in Berlin angestrengen will, jedoch nicht zur Entlastung der Beschuldigten anführen. Die Rentnerin hat nämlich eine Klage gegen Unbekannt wegen Mordes eingereicht. Und für diese Straftat gibt es keine Verjährungsfrist. Clerc bezichtigt die damaligen Beschäftigten von SCHERING, für den Tod ihrer Tochter verantwortlich zu sein, die im Januar 2016 mit nur 47 Jahren an den DUOGYNON-Spätfolgen verstarb. Bei der juristischen Auseinandersetzung stützt sich die 74-Jährige auf neue Dokumente aus dem Berliner Landesarchiv, die belegen, dass die ManagerInnen schon sehr früh Informationen über die fatalen Risiken und Nebenwirkungen des Präparates hatten (Ticker 2/16). Der Leverkusener Multi streitet „einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Einnahme von DUOGYNON und den seinerzeit gemeldeten Fällen“ trotzdem immer noch ab.

ESSURE-Sammelklage in Kanada
ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Medizin-Produkt für eine dauerhafte Empfängnis-Verhütung, hat zahlreiche Nebenwirkungen (siehe auch DRUGS & PILLS). „Starke, stechende Becken-Schmerzen, Unterleibsschmerzen“, nennt etwa Susan Hill. Zudem litt die 38-jährige Kanadierin an blutenden Ausschlägen, bis sie sich dazu entschloss, die Spirale entfernen zu lassen. Dafür beansprucht Hill jetzt Schmerzensgeld: Sie zählt zu den 184 Frauen in ihrem Heimatland, die eine Sammelklage gegen BAYER eingereicht haben. Auch in den USA zogen bereits dutzende ESSURE-Geschädigte vor Gericht.

Neue YASMIN-Klage
In den USA sieht sich der Leverkusener Multi wegen der Nebenwirkungen seiner Verhütungsmittel aus der YASMIN-Familie Tausenden von Prozessen gegenüber, was ihn bereits 1,9 Milliarden Dollar Schadensersatz kostete. In Europa hat BAYER von den Gerichten in Sachen „VerbraucherInnenschutz“ weniger zu befürchten. Aber auch hier häufen sich die juristischen Auseinandersetzungen. Allein 80 Klagen gibt es in Frankreich. In der Bundesrepublik tut sich ebenfalls etwas. Neben Felicitas Rohrer hat nun auch Christian Schock, der seine Frau durch YASMIN verlor, rechtliche Schritte gegen den Pharma-Riesen eingeleitet.

BELT bleibt verboten
Im Jahr 2009 hatte die US-amerikanische Umweltbehörde EPA BAYERs Pestizid-Wirkstoff Flubendiamid eine vorläufige Genehmigung erteilt. Sie machte es dem Leverkusener Multi dabei zur Auflage, noch Studien zu den Effekten der Substanz auf Wasser-Organismen nachzureichen. Das tat der Konzern jedoch bis heute nicht, während die EPA Belege für die Gefährdung aquatischen Lebens durch Flubendiamid fand. Deshalb entzog die Behörde dem Agro-Riesen die Zulassung für den Stoff, den er z. B. unter den Produktnamen BELT und FAME vertreibt. BAYER legte umgehend Widerspruch gegen die Entscheidung ein. Die Beschwerdekammer der EPA erkannte diesen allerdings nicht an, was für BELT & Co. das Aus auf dem US-Markt bedeutet.

FORSCHUNG & LEHRE

Subventionen für Pflanzen-Forschung
„Gemeinsam zu den Pflanzen der Zukunft“ lautet die Losung von Plant 2030. Das vom Bund großzügig geförderte Projekt setzt auf eine „enge Verknüpfung von Wissenschaft und Wirtschaft“ und verkündet: „Neue Forschungsergebnisse fließen auf kürzestem Weg in die Entwicklung neuer Sorten ein“. Bei einer solchen konzertierten Aktion macht BAYER natürlich gerne mit. Für ein Vorhaben zur „Verbesserung der Stress-Resistenz, Ressourcen-Nutzung und Produktivität von Nutzpflanzen“ holte sich der Agro-Riese einen Zuschuss von 1,34 Millionen Euro ab. Und für Forschungen zu Pflanzen-Hormonen, die Einfluss auf das Wachstum haben („Bioregulatoren“), strich er sogar knapp 1,9 Millionen Euro ein.

Neue Pflanzenforschungskooperation
BAYER hat mit dem Forschungszentrum Jülich eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Pflanzenforschung vereinbart. Nach Angaben des Leverkusener Multis wollen sich die Kooperationspartner dabei auf die Wurzeln von Ackerfrüchten konzentrieren. „Die Kultur-Pflanzen der Zukunft müssen Höchstleistungen erbringen. Und die Ertragsleistung hängt mit der Funktionsweise der Wurzeln zusammen. Wir können stärkere Wurzel-Systeme züchten, wenn wir die Wurzel-Phänotypen und die sie steuernden Gene verstehen“, so der BAYER-Manager Raphael Dumain.

[BayerTor1] Protest vor BAYER-Werk in Leverkusen

CBG Redaktion

Presse Information vom 08.08.2016
Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V.

Protest vor BAYER-Werk in Leverkusen

BAYERs MONSANTO Übernahme stoppen!

Erstmals seit vielen Jahren gab es direkt vor dem zentralen BAYER-Werk am Tor 1 in Leverkusen Proteste. GegnerInnen der geplanten BAYER-MONSANTO-Fusion hatten sich vergangenen Donnerstag versammelt. Mit einer Kundgebung wandten sie sich an die Arbeiter des Werks, Passanten und an die anwesende Presse.

Das Bündnis aus Umweltgewerkschaft, Coordination gegen BAYER-Gefahren sowie weiteren Organisationen und Einzelpersonen warnte Entlassungen und einer Steigerung des Arbeitsdrucks durch die drohende Übernahme. „Allein im Pharmabereich haben die 15 größten Fusionen der vergangenen 15 Jahre 500.000 Menschen auf die Straßen gesetzt.“ so die Coordination gegen BAYER-Gefahren. Angesichts solcher Zahlen scheinen die Arbeitsplatzgarantien, die von Betriebsrat und Management in Aussicht gestellt werden, äußerst unglaubwürdig. Michelmann erläuterte weiter, dass ein Großteil der viel beschworenen profitablen „Synergieeffekte“ auf diese Weise zustande kommen.

Zentrales Anliegen der Kundgebung war es auch, auf die gemeinsamen Anliegen der Menschen in und außerhalb des Werkes aufmerksam zu machen. Das Verschwinden der Artenvielfalt, das Bienensterben und eine mit Glyphosat kontaminierte Bevölkerung in Deutschland wären längst deutliche Warn-Signale, die ein „weiter wie bisher“ im Agro-Business zu einer gefährlichen Option machten, mahnte eine Teilnehmerin. Die Ernährung der Menschheit könne auf diese Weise nicht sichergestellt werden, sondern würde im Gegenteil gefährdet.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren vertritt deshalb die Position, dass dauerhafter Umweltschutz, eine sichere Ernährung und sichere Arbeitsplätze für jeden nur in einer Gesellschaft realisiert werden können, die nicht auf Profite ausgerichtet ist.

Weitere Informationen zum MONSANTO-Deal.

Artikel im Kölner Stadtanzeiger:Protest vor den Toren des Bayer-Konzerns.

Artikel in RP-online: Magerer Protest.

[gallery]

[EU GenSoja] Fatale Entscheidung

CBG Redaktion

Presse Information vom 26.07.2016

Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V.

CBG kritisiert Import-Genehmigung für BAYER-Gensoja

Fatale Entscheidung

Am vergangenen Freitag hat die EU neben Gen-Soja von MONSANTO auch der BAYER-Sorte FG 72 eine Import-Genehmigung erteilt. Die Zulassung der gegen die Herbizide Glyphosat und Isoxaflutol resistenten Sorte, gilt für vorerst zehn Jahre. Die EU-Kommission erteilte einen positiven Bescheid für die Verwendung als Futtermittel oder Lebensmittel-Rohstoff, obwohl die Mitgliedsländer diese bisher nicht befürworten und sowohl der Umweltausschuss als auch das EU-Parlament sich gegen eine Einfuhr-Erlaubnis ausgesprochen hatten.

Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) kritisiert die Entscheidung. „Die EU kann offenbar gar nicht genug von Glyphosat bekommen. Wenige Wochen nach der Zulassungsverlängerung für das Mittel gibt sie nun auch noch grünes Licht für die Einfuhr von Gen-Pflanzen, die mit diesem gesundheitsgefährdenden Herbizid behandelt wurden“, moniert Toni Michelmann von der Geschäftsstelle der CBG.

Michelmann verweist in diesem Zusammenhang auf eine Studie von Testbiotest, die in argentinischem Soja hohe Glyphosat-Rückstände festgestellt hatte. Bei sieben der elf Proben lagen diese über dem Grenzwert von 20 mg/kg; auf bis zu 100 mg/kg schraubten sich die Zahlen. Grund für die starke Belastung: Immer mehr Wildpflanzen bilden Resistenzen gegen das Herbizid aus, weshalb die LandwirtInnen mehr spritzen müssen.

Zudem erinnert Michelmann an die Anfang 2016 veröffentlichten Ergebnisse einer Feldstudie zur Glyphosat-Belastung der bundesdeutschen Bevölkerung: „Im Urin von 99.6 % aller Testpersonen ließ sich Glyphosat nachweisen. Bei 79 % der Probanden lag die Belastung um das Fünf- bis Zweiundvierzigfache über dem Rückstandshöchstwert für Pestizide im Trinkwasser. Das ist ein äußerst alarmierendes Ergebnis, gerade weil zahlreiche Studien die krebserzeugende Wirkung von Glyphosat belegen!“

Und bei dem BAYER-Soja mit dem Produktnamen „Balance“ gehen nicht nur von Glyphosat, sondern auch von dem zweiten Inhaltsstoff Isoxaflutol Gefahren aus. Als „wahrscheinlich krebserregend“ bezeichnet die US-amerikanische Umweltbehörde EPA die Substanz. Überdies ist das Gift-Ganze mehr als die Summe seiner Teile: Die Effekte potenzieren sich. Diese Kombinationswirkung von Glyphosat und Isoxaflutol aber hat die Europäische Union bei der Prüfung von FG 72 unberücksichtigt gelassen. Michelmann resümiert: „Wieder einmal hat Brüssel nicht im Sinne des vorbeugenden Gesundheitsschutzes gehandelt, sondern im Sinne der großen Konzerne und ihrer Profit-Interessen.“

Weitere Informationen:
=> Gen-Soja: www.cbgnetwork.org/6218.html
=> Glyphosat: www.cbgnetwork.org/6328.html