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[Auf der Straße & online] Wege zum Protest gegen BAYER – trotz Pandemie

CBG Redaktion

Die diesjährige BAYER-Hauptversammlung war bereits die zweite, die der Konzern unter dem Vorwand des Gesundheitsschutzes komplett ohne Präsenz und rein online durchführte. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, die sich seit Jahrzehnten bemüht, den Protest direkt zum Vorstand hinzutragen, mit Kundgebungen und Demos auf der Straße und Protestbeiträgen in der eigentlichen Veranstaltung, stellte dies vor enorme Herausforderungen.

Von Marius Stelzmann

Im vergangenen Jahr konnte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) bereits Erfahrungen sammeln, wie eine virtuelle Hauptversammlung abläuft und wie ihr ein bedeutungsvoller, schlagkräftiger Online-Protest entgegenzusetzen ist, der die andere Seite der Konzernpolitik zeigt. Anders als im vergangenen Jahr war 2021 zudem von vornherein klar, dass BAYER die HV wieder online stattfinden lassen würde. Daher hatte die CBG genug Zeit, über ihre Kontakte Stimmen aus aller Welt für den Protest zu mobilisieren. Auch wertete die Coordination die Erfahrung von mehr als einem Jahr Pandemie für linke Protest-Bewegungen aus. Die Schlussfolgerung: Keine Online-Veranstaltung kann Protest in der realen Welt ersetzen. Ein Protest muss verantwortungsvoll und corona-sicher sein, aber er muss stattfinden. Die CBG wird sich nicht mit einem reinen Online-Protest zufriedengeben, sondern den Widerstand direkt vor die Haustüre von BAYER tragen. Dieses Jahr war dies wieder einmal die Konzernzentrale in Leverkusen.

Das Bündnis
Die Coordination kann sich dank ihrer langjährigen Arbeit auf zuverlässige Partner stützen, mit denen sie regelmäßig zusammenarbeitet. Als da wären: Der DACHVERBAND DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE, die ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT (AbL), das PESTIZID AKTIONS-NETWERK (PAN), die GESELLSCHAFT FÜR KINDER, DIE DURCH HORMONELLE SCHWANGERSCHAFTSTESTS GESCHÄDIGT WURDEN (ACDHPT), FRIDAYS FOR FUTURE, das COLLECTIF VIET-NAME DIOXINE, das GEN-ETHISCHE NETZWERK, die Initiative RISIKO PILLE, der VEREIN DER EHEMALIGEN HEIMKINDER SCHLESWIG HOLSTEIN, WIR HABEN DIE AGRARINDUSTRIE SATT!, POWERSHIFT e.V., das UMWELTINSTITUT MÜNCHEN, INKOTA, die Partei DIE LINKE, B90/DIE GRÜNEN, rmediabase, die CAMPANHA PERMANENTE CONTRA OS AGROTOXICOS E PELA VIDA, das NETZWERK DUOGYNON, HEJ!SUPPORT, IFOAM und viele mehr. Sie haben es auch dieses Jahr wieder möglich gemacht, die BAYER-Konzernverbrechen von allen Seiten zu beleuchten und von fast allen Kontinenten kritische Stimmen einzuholen, wofür ihnen der Dank der CBG gebührt

Die virtuelle HV
Wie bereits erwähnt: Die virtuelle Hauptversammlung ist eine besondere Herausforderung für KonzernkritikerInnen. BAYER hat seit 1982 nicht mehr die Deutungshoheit über die eigenen Hauptversammlungen. Denn jedes Jahr stellt die Coordination viele RednerInnen, stellt Gegenanträge und ruft zur Nicht-Entlastung des Konzernvorstandes auf. Das Modell der CBG hat überdies Schule gemacht: Heute finden sich auf vielen Hauptversammlungen Proteste und Gegenstimmen. Sowohl NGOs als auch aktivistische Jugendbewegungen wie FRIDAYS FOR FUTURE nutzen das Modell. Dennoch ist keine Hauptversammlung so wie die von BAYER: Denn die Konstanz, mit der die Coordination dranbleibt, das Ausmaß, in dem sie weltweiten Widerstand gegen diesen einen Konzern mobilisiert, sucht nach wie vor weltweit ihresgleichen. Dies ist dem Management wohlbekannt. Nach Wegen, die unerwünschte Konfrontation mit den Folgen der eigenen Konzernpolitik von der HV zu verbannen, sucht der Vorstand deshalb schon lange. Im Vorjahr, mitten in der Corona-Krise 2020, bot sich dem Konzern die Chance, das umzusetzen, was schon lange geplant, aber aufgrund der AktionärInnen-Rechte nie umzusetzen war: Eine virtuelle Hauptversammlung, völlig ohne Präsenz.
Mit dieser Maßnahme hatten die BAYER-Bosse jedoch abermals die Kraft des Widerstandes unterschätzt. Auf den öffentlichen Druck hin, den der Protest der CBG erzeugte, sah sich der Leverkusener Riese 2020 gezwungen, PR-gerechte Schein-Zugeständnisse zu machen, um eine demokratische Partizipationsmöglichkeit vorzuspielen. Hierzu gehörten durchsichtige Tricks wie das Versprechen, am Tag der HV selbst Protest-Tweets vom Konzern-Twitteraccount aus zu retweeten. Das war es aber auch schon. Ansonsten mussten Fragen, die AktionärInnen bzw. deren Bevollmächtigte vorher auf der Hauptversammlung selber stellen konnten, aufwändig vorher eingereicht werden. Zudem traf der Konzern eine Auswahl und nannte größtenteils nicht die Namen der FragestellerInnen. Aus den Augen selbst der üblichen, bereits kritikwürdigen AktionärInnendemokratie betrachtet, war die Hauptversammlung also ein Desaster und bekam dementsprechend eine schlechte Presse.
Da BAYER sich mit aller Kraft als progressiver, aufgeschlossener, zukunftsorientierter Konzern präsentieren möchte, musste also eine andere Lösung her, um den bequemen Umstand der virtuellen Hauptversammlung aufrechterhalten zu können. Darum trat der Konzern 2021 die Flucht nach vorn an und versuchte sich als aktionärInnendemokratischer Musterschüler zu inszenieren. Für partizipationswillige AktienhalterInnen gab es nun neben dem schriftlichen Einreichen von Fragen auch die Möglichkeit, Statements in schriftlicher und in Videoform einzureichen. Ein Modell, welches andere Konzerne teilweise noch nicht anbieten und BAYER helfen sollte, sich als Transparenz-Marktführer zu inszenieren.
Die Coordination denkt jedoch nicht daran, „Danke!“ zu sagen, wenn die üblichen Rechte für AktionärInnen immer noch nicht eingeräumt werden. Immer noch sind nämlich die Partizipationsmöglichkeiten im Vergleich zu denen der Präsenz-Hauptversammlung massiv eingeschränkt. Denn die schriftlich eingereichten Fragen kann der Vorstand bei der Präsentation aus dem Zusammenhang reißen und zusammenstreichen, wie er möchte. Auch die Namen von vielen Fragenden wurden wieder nicht genannt. Zu den kritischen Video-Statements nahm der Vorstand überhaupt keine Stellung. Anträge und Wahlvorschläge aus den Videos wurden nicht berücksichtigt. Zwar wurden die Videos in diesem Jahr im BAYER-Stream gezeigt, allerdings besteht keinerlei Rechtsanspruch, dass die eingesandten Videos auch veröffentlicht werden. Der Vorstand könnte diese also auch einfach unter den Tisch fallen lassen. Der Vorstand hat also endlose Möglichkeiten der Vorauswahl, was Kritik erschwert. Auf einer Präsenz-Hauptversammlung bestehen diese nicht. Die Rechte – insbesondere von Klein-AktionärInnen – bleiben also weiterhin substantiell eingeschränkt. Die Coordination hat dieses Vorgehen von BAYER in einer gemeinsamen Erklärung mit dem DACHVERBAND DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE, PAN, WIR HABEN DIE AGRARINDUSTRIE SATT!, und dem GEN-ETHISCHEN NETZWERK kritisiert.
Parallel zu solchen Aktionen nutzt die Coordination natürlich alle Möglichkeiten, die sie hat, um den Protest auf die Hauptversammlung zu tragen. So reichte die CBG auch dieses Jahr wieder mehr als 200 schriftliche Fragen und Statements ein. Unsere BündnispartnerInnen von PAN, INKOTA, RISIKO PILLE, COLLECTIF VIETNAM DIOXINE und dem NETZWERK DUOGYNON sandten uns zudem Video-Statements, die dann auch in die virtuelle HV hineinflimmerten und den Vorstand mit seiner verbrecherischen Konzernpolitik konfrontierten.

Die Kundgebung
Die Kundgebung vergrößerte sich im Vergleich zum letzten Jahr erfreulicherweise. Trotz Corona-Krise konnte die CBG ca. 30 TeilnehmerInnen begrüßen. Überdies fuhren aktivistische LandwirtInnen der AbL mit Traktoren vor. In ihren Reden machten unsere BündnispartnerInnen von FRIDAYS FOR FUTURE, der AbL und der Linkspartei klar, dass das Bündnis nicht akzeptiert, dass BAYER mit der virtuellen HV Protest und Widerstand aussperrt.
Genau wie letztes Jahr war die Herausforderung des Live-Streams der Coordination, den international aufgestellten Protest auf ein streamtaugliches Programm zu bringen. Dieses Jahr waren Beiträge aus der ganzen Welt vertreten, die viele Aspekte der BAYER-Konzernpolitik beleuchtet haben. Wie im letzten Jahr auch kommentierte die CBG das Geschehen auf der Hauptversammlung des Leverkusener Multis direkt und ließ diesen Analysen Gespräche mit AktivistInnen folgen. Erster Interview-Partner war Sven Giegold, Europa-Abgeordneter der Grünen, der zu BAYERs Steuervermeidungsstrategien sprach. Er stellte die Studie der grünen Fraktion im Europa-Parlament vor, die sich dem Versuch des Unternehmens widmete, Steueroasen weltweit und in Deutschland selber auszunutzen. Die zweite Gesprächspartnerin, Charlotte Sammet, war eine Vertreterin von FRIDAYS FOR FUTURE. Sie erläuterte die klimapolitischen Ziele der Initiative und ließ keinen Zweifel daran, dass diese mit dem gegenwärtigen Produktionsmodell von BAYER nicht zu erreichen seien. Der letzte Gast im morgendlichen Live-Block war Tilman Massa vom DACHVERBAND DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE, mit dem CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann über die virtuelle HV und die Möglichkeiten von kritischen AktionärInnen diskutierte, einen Konzern unter diesen Bedingungen mit seinen Missetaten zu konfrontieren.

Agent Orange
Weiter im Programm ging es dann mit den weltweiten Statements. Den Anfang machte die österreichische Fernsehköchin und EU-Parlamentarierin Sarah Wiener, die in einer flammenden Rede feststellte, dass die Zeit von BAYER abgelaufen sei. Daraufhin folgten Stimmen aus Vietnam. Das Land war während des Vietnam-Krieges mit dem von der jetzigen BAYER-Tochter MONSANTO produzierten Herbizid Agent Orange heimgesucht worden. Von den Folgen berichtete Dr. Thi Ngoc Phuong Nguyen: Sie hatte nach den Sprüheinsätzen mit dem Pestizid eine Totgeburt erlitten. Dieses Schicksal traf die ehemalige Vietcong-Guerillera Hong Nhut Dang gleich mehrmals. Auch Thi Phuong Nguyen war Agent Orange ausgesetzt, ihr Sohn kam mit Leukämie zur Welt.
Tú Qùynh-nhu Nguyen vom Collectif Vietnam Dioxine fand für das Verbrechen „Agent Orange“ deutliche Worte: „Der Einsatz von Agent Orange in Vietnam ist der größte Ökozid und die größte chemische Kriegsführung in der Geschichte gewesen.“ Neben dem Collectif Vietnam Dioxine nahmen auch Susan Tabbach von RISIKO PILLE, Wiebke Beushausen von INKOTA, Peter Clausing von PAN, Bettina Müller von POWERSHIFT e.V. und Andre Sommer vom NETZWERK DUOGYNON die Möglichkeit wahr, dem Konzern die Meinung zu sagen. Anschließend ging ein ganzer Block auf Sendung, der einen Einblick in eine Region ermöglichte, die einer der profitabelsten Absatzmärkte für BAYERs Glyphosat ist: Lateinamerika. Auch von hier berichteten Betroffene aus ihrem Alltag mit dem Gift. Elsa, eine Lehrerin aus einer ländlichen Gemeinde in Argentinien, in der Glyphosat als Unkrautvernichter überall präsent ist, erzählte von mehreren Fehlgeburten, die sie durch die permanenten Glyphosat-Ausbringungen erlitt. Auch in der lokalen Schule leiden viele Kinder an Erkrankungen, welche auf das Herbizid zurückzuführen sind. Petra, eine Lehrerin aus einer anderen Gemeinde, bestätigte die Befunde. Auch in ihrer Region habe sich das ganze Spektrum von Krankheiten, welche Glyphosat auslösen kann, gezeigt.
Im zweiten Live-Block redete Marius Stelzmann mit dem Grünen-Abgeordneten Harald Ebner weiter über das unglückselige Pestizid. Und die Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch von DIE LINKE hielt in dem darauffolgenden Interview ganz klar fest: „BAYER ist nicht der Löser globaler Krisen, sondern trägt zu globalen Krisen bei!“ Als nächstes berichtete Jurek Vengels vom Münchner UMWELTINSTITUT von einem Prozess, mit welchem sich die Einrichtung nach ihrer Kritik am Pestizid-Einsatz in Südtirol, einem der größten europäischen Obstanbau-Gebiete, konfrontiert sah. Ein weiteres Interview gab Bettina Müller von POWERSHIFT, über deren Verbindungen uns die Statements der Glyphosat-Betroffenen aus Lateinamerika erreicht hatten.
Mit Kim Vo Dienh, einem Vertreter des COLLECTIF VIETNAM DIOXINE, das der CBG die Botschaften von Agent-Orange-Geschädigten zur Verfügung gestellt hatte, sprach Stelzmann über Tran To Nga, die in Paris einen Prozess gegen BAYER/MONSANTO führt. Danach berichtete Regisseurin Katja Becker über die Situation in Kenia. Sie hatte vor Ort die Dokumentation „The Food Challenge“ gedreht, welche die Folgen des Einsatzes von in der EU bereits verbotenen Pestiziden für die Landbevölkerung des Staates thematisiert. Becker äußerte aufgrund ihrer gesammelten Materialien die Vermutung, dass die fortgesetzte Produktion dieser Ackergifte bewusst im Hinblick auf Gebiete mit schwächeren Schutzverordnungen wie Kenia geschehe.

Der letzte Live-Block
Der letzte Live-Block ging um 16.00 Uhr auf Sendung. Der erste Gast hatte bereits einige Hauptversammlungserfahrung. Alan Tygel von der brasilianischen CAMPANHA PERMANENTE CONTRA OS AGROTOXICOS E PELA VIDA stellte klar, dass er vom Konzern nichts erwartete, da es diesem nur um Profit ginge. Sein Appell richte sich vielmehr an die deutsche und europäische Zivilgesellschaft, die BAYER und die deutsche Regierung unter Druck setzen sollten. Der nächste Interview-Partner war Günter Wulf, ein ehemaliges Heimkind, an dem als Kind gegen seinen Willen Medikamententests vorgenommen worden waren. Günter verbrachte mehrere Jahre in Dauersedierung durch Psychopharmaka; mit den Folgen hat er bis heute zu kämpfen. Er ist Teil des VEREINS DER EHEMALIGEN HEIMKINDER SCHLESWIG-HOLSTEINS und war auch bereits 2019 auf der Hauptversammlung von BAYER, um den Vorstand zur Rede zu stellen.
Als Reaktion auf deren Auftritt hatte der Global Player die ehemaligen Heimkinder eingeladen, in seinen Archiven in Leverkusen nach Belegen für die Verabreichung von BAYER-Medikamenten zu suchen. Und sie wurden fündig, wie uns Dr. Klaus Schepker, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Ulm, berichtete. Schepker legte dar, dass BAYER vom Leid der Heimkinder profitierte und in der Verantwortung sei, diese zu entschädigen und sich öffentlich zu seiner Verantwortung zu bekennen. Aus England zugeschaltet wurde der Coordination im Anschluss daran Marie Lyon. Marie ist selbst Geschädigte des hormonellen Schwangerschaftstests PRIMODOS (in Deutschland unter dem Namen DUOGYNON vermarktet). Ihr Kind kam ohne linken Unterarm zur Welt. Marie hatte daraufhin zusammen mit anderen Betroffenen die ACDHPT gegründet, die GESELLSCHAFT FÜR KINDER, DIE DURCH HORMONELLE SCHWANGERSCHAFTSTESTS GESCHÄDIGT WURDEN. Sie forderte BAYER auf, die überwältigenden wissenschaftlichen Beweise für die verheerende Wirkung des Präperats zu akzeptieren und Entschädigungszahlungen zu leisten. Der Konzern habe mit hormonellen Schwangerschaftstests überall auf der Welt Milliardenprofite erwirtschaftet, nun müsse er die Verantwortung für die Folgen übernehmen, so Lyon. Nina Holland von der NGO CORPORATE EUROPE OBSERVATORY (CEO) stellte im folgenden Interview die Lobby-Praktiken BAYERs dar. Dann warnte Alexandra Caterbow vor den Gefahren von endokrinen Disruptoren – hormon-ähnlichen Stoffen, die unter anderem in Pestiziden von BAYER & Co. stecken.
Mit einem flammenden Abschluss-Statement von CBG-Vorstand Axel Köhler-Schnura, der die vielen verschiedenen BAYER-Verbrechen in die Unternehmensgeschichte einordnete, kam der Live-Online-Protest dann zum Abschluss. Die Coordination blickt zurück auf ein weiteres Jahr mit stark eingeschränktem leibhaftigen Protest auf der Straße – und mit einem virtuellen Protest, der größer und internationaler ausfiel als 2020. Und es ist klar: Wir bleiben dran …

[Protest Programm] BAYER HV 2021

CBG Redaktion

Protest-Programm der CBG auf der HV 2021

Die Hauptversammlung 2021 von BAYER/MONSANTO findet rein online statt. Auch in diesem Jahr hat die Coordination ein internationales Programm mit Geschädigten und KritikerInnen der Konzernverbrechen BAYERs zusammen gestellt. Zu Wort kommen Glyphosat-Geschädigte aus Lateinamerika, Agent Orange-Geschädigte aus Vietnam und den USA, sowie Duogynon-Geschädigte aus Großbritannien und Deutschland.

+++Noch Fragen? Alle Infos auf+++

cbgnetwork.org/HV
info@cbgnetwork.org
0211/33 39 11

PROGRAMM CBG Live-Stream 27.April 9.30- 17.00 Uhr===

Live-Analysen zur HV um 9.30 Uhr, 12.30 Uhr, 16.00 Uhr

Wir gehen während des CBG Live-Streams dreimal live auf Sendung mit Meldungen und Analysen von der BAYER HV. In diesem Rahmen sind Presse-Anfragen möglich, die wir direkt live beantworten.

Presse-Anfragen per Telefon und Email im Vorfeld der HV:=== 0211 - 33 39 11 info@CBGnetwork.org

Presse-Anfragen per Telefon und Email am Tag selbst:

0211 - 22 95 09 11
info2@CBGnetwork.org

Live-Interviews im 9.30 Uhr Live-Block

09:37 | Interview mit Sven Giegold, MdEuP
09:45 | Live-Schaltung zur Kundgebung vor BAYER-Konzernzentrale in Leverkusen
10:10 | Interview mit Charlotte Sammet, Fridays for Future Leverkusen
10:17 | Interview Tilman Massa, Dachverband der kritischen AktionärInnen und Aktionäre
Internationale Protest-Statements
10:25 | EU-Parlamentarierin und Fernsehköchin Sarah Wiener zu den Protesten zur BAYER HV 2021
10:30 | Agent Orange Geschädigte erzählen von ihrem Schicksal

Statements an Vorstand und AktionärInnen von BAYER

10:35 | Tú Qùynh-nhu Nguyễn (Collectif Vietname Dioxine), Wiebke Beushausen (Inkota), Susan Tabbach (Risiko Pille)
10:41 | Glyphosat-Geschädigte aus Lateinamerika schildern ihre Situation
11:20 | Bettina Müller, PowerShift e.V., Alan Tygel, Campanha Permanente Contra os Agrotóxicos e Pela Vida!, Peter Clausing, PAN, Andre Sommer, Netzwerk Duogynon, Grußwort March against BAYER and Syngenta Basel
11:50 | Dokumentation „Gift im Acker“

Live-Interviews im 12.30 Uhr Live-Block

12:30 | Presse-Informationen und Besprechung der Ereignisse auf der HV
12:37 | Interview mit Harald Ebner, MdB die Grünen
12:44 | Interview mit Gesine Lötzsch, MdB Die Linke
12:51 | Interview Jurek Vengels, Umweltinstitut München
12:58 | Interview Bettina Müller, PowerShift e.V.
13:05 | Interview Katja Becker, Regisseurin „The Food Challenge“
13:10 | Interview Kim Vo Dienh, Collectif Vietnam Dioxine
Internationale Protest-Statements
13:18 | Statement von Sarah Wiener zu den Protesten zur BAYER HV 2021
13:23 | Agent Orange Geschädigte erzählen von ihrem Schicksal

Statements an Vorstand und AktionärInnen von BAYER

13:28 | Tú Qùynh-nhu Nguyễn (Collectif Vietname Dioxine), Wiebke Beushausen (Inkota)
13:36 | Susan Tabbach (Risiko Pille)
14:14 | Glyphosat-Geschädigte aus Lateinamerika schildern ihre Situation
14:24 | Bettina Müller, Alan Tygel, Peter Clausing, Andre Sommer, Grußwort March against BAYER and Syngenta Basel

Dokumentation

15:35 | „The Food Challenge 1&2“

Kulturbeitrag

15:56 | Konstantin Wecker performt Lieder, zusammengestellt für den Protest gegen BAYER
15:56 | Statement Bernward Geier, IFOAM-Botschafter, aktivistischer Bio-Landwirt

Live-Interviews im 16.00 Uhr Live-Block

16:00 | Presse-Informationen und Besprechung der Ereignisse auf der HV
16:07 | Interview Alan Tygel, brasilianischer Anti-Pestizidaktivist
16:12 | Interview Günter Wulf
16:19 | Interview Klaus Schepker
16:26 | Interview Marie Lyon
16:33 | Interview Nina Holland
16:41 | Interview Alexandra Caterbow
16:50 | Abschluss-Statement zur BAYER HV - CBG Geschäftsführung und Vorstand

Protest-Präsenz in der Hauptversammlung selbst

Die Coordination reicht wie jedes Jahr Gegenanträge zu allen Tagesordnungspunkten der Hauptversammlung ein. Die im Programm beschriebenen Video-Statements an Vorstand und AktionärInnen wurden auch in der BAYER HV selber eingereicht.

Protest-Kundgebung vor der BAYER-Konzernzentrale in Leverkusen

27. April 9.30 -11.00 Uhr

Protest-Kundgebung vor der BAYER-Konzernzentrale in Leverkusen mit verschiedenen Aktionen, RednerInnen und Kulturbeiträgen.

[Gegenredner*innen] BAYER in der Defensive

CBG Redaktion

35 Gegenredner*innen

Der Gegenredner*innen-Rekord von 2018 hatte nicht lange Bestand: Die diesjährige Hauptversammlung überbot ihn mit ihren 35 Konzern-Kritiker*innen spielend. Bis 23 Uhr mussten sich Vorstand und Aufsichtsrat anhören, mit welchen Risiken und Nebenwirkungen ihre gnadenlose Profit-Jagd einhergeht.

Von Jan Pehrke

Ganz so als reichte die geballte Konzernkritik in der Hauptversammlung selber nicht, gab es noch ein Vorspiel. Einige Aktivist*innen nutzten am frühen Morgen schon die Kundgebung auf dem Platz der Vereinten Nationen, um dem Leverkusener Multi die Leviten zu lesen. So schrieb Thomas Cierpka von der internationalen Bio-Landwirt*innen-Vereinigung IFOAM das agro-industrielle Modell, das der Global Player mit seiner Übernahme von MONSANTO noch forciert, in seiner Rede als nicht zukunftsfähig ab. „Wir werden die Nachhaltigkeitsziele nicht mit BAYSANTO erreichen“, konstatierte er.
Annemarie Volling von der ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT (AbL) widmete sich noch einmal dem viel zitierten Satz des Vorstandsvorsitzenden Werner Baumann: „Mit vollen Hosen gewinnen Sie eben keinen 100-Meter-Lauf“ und listete mit dem MONSANTO-Desaster im Allgemeinen und den Gen-GAUs und den vielen Schadensersatz-Prozessen im Besonderen die Folgen seines Wagemutes auf. Für Volling zeigte dieser Haufen Probleme, den die AbL mitsamt einem ziemlich derangierten Baumann vor dem Bonner „World Conference Center“ auch visuell dargestellt hatte, dass das Gegenteil des von dem Ober-BAYER Behaupteten richtig ist: Wer auf seiner Jagd nach Profit kein Risiko scheut und über Sicherheitsbedenken leichtfertig hinweggeht, der hat am Ende die Hosen voll und gewinnt den Marathon-Lauf für eine gesunde Lebensmittel-Erzeugung auf keinen Fall.

Pestizid-Folgen
Mit Themen wie „MONSANTO“, „unerwünschte Arznei-Effekte“ und „Pestizid-Nebenwirkungen“ hatten Cierpka, Volling und die anderen Redner*innen frühmorgens schon einmal die Agenda für den Tag gesetzt. Welche fatalen Folgen die Ackergifte von BAYER & Co. vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern haben, erfuhren neben den Kundgebungsteilnehmer*innen auch die Aktionär*innen im Saal aus erster Hand. Der Brasilianer Alan Tygel von der PERMANENTEN KAMPAGNE GEGEN AGRARGIFTE UND FÜR DAS LEBEN berichtete darüber. In dem lateinamerikanischen Staat erhöhte sich ihm zufolge die Zahl der von Glyphosat & Co. verursachten Vergiftungen von 2.726 im Jahr 2007 auf 7.200 im Jahr 2017. Über 2.000 Sterbefälle regi-strierten die Behörden in diesem Zeitraum. Mit ein Grund für die immensen Todes-Raten: BAYER vertreibt in Brasilien zwölf Agro-Chemikalien, die in der EU wegen ihres Gefahrenpotenzials keine Zulassung (mehr) haben. Neben Tygel kritisierte auch Christian Russau vom DACHVERBAND DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE diese Politik der doppelten Standards. Ob das alles auch schon zu Klagen in Brasilien oder anderen Ländern des Kontinents und geführt hat, wollte dann die BUND-Aktivistin Daniela Wannemacher vom Vorstand wissen.
Christophe Mailliet von der AKTIONSGEMEINSCHAFT SOLIDARISCHE WELT (ASW) legte den Fokus auf Indien und führte der Hauptversammlung dabei neben den schädlichen Wirkungen von Glyphosat auf die menschliche Gesundheit auch die anderen negativen Begleiterscheinungen des Mittels vor Augen. Den Verlust der Artenvielfalt, die Auslaugung der Böden und die Resistenz-Bildungen zählte er dazu. Darüber hinaus halten die in Kombination mit diesem Ackergift vermarkteten Gen-Pflanzen Mailliet zufolge nicht das, was die BAYER-Manager*innen an Ertragszuwachs versprechen. „In Indien nehmen sich jedes Jahr über 10.000 Bauern das Leben, weil sie auch dadurch dramatisch überschuldet sind“, so der ASW-Aktivist. Darum setzt er sich zusammen mit indischen Partner-Organisation unter anderem für einen Verkaufsstopp von Glyphosat ein und überreichte dem Vorstand eine entsprechende Petition, die 4.500 Menschen unterzeichnet hatten.
Aber nicht nur Glyphosat hat es in sich. Die fatalen Effekte von LASSO (Wirkstoff: Monochlorbenzol) bekam der französische Landwirt Paul François am eigenen Leib zu spüren (siehe S. 22 f.) Peter Clausing vom PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) lenkte die Aufmerksamkeit auf zwei weitere gefährliche Pestizide: Thiacloprid (enthalten unter anderem in den BAYER-Produkten ALANTO, BARIARD, CALYPSO) und Methiocarb (MESUROL). Thiacloprid zum Beispiel hat die Europäische Union als „wahrscheinlich fortpflanzungsschädigend“ eingestuft und unter Krebs-Verdacht gestellt. Darum fragte Clausing: „Wäre die Unternehmensleitung bereit, Thiacloprid in der Europäischen Union freiwillig vom Markt zu nehmen?“
Für Methiocarb – und andere Agro-Chemikalien der beiden höchsten Giftigkeitsklassen 1a und 1b – hatte BAYER gemeinsam der BASF und SYNGENTA im Jahr 2013 einen solchen Verkaufsstopp angekündigt. Nur als Saatgut-Beize und als Mittel gegen den Fransenflügler wollte der Leverkusener Multi das Mittel noch anbieten. Diese Zusage hat der Konzern jedoch nach Clausings Recherchen nicht eingehalten: Auf seiner Jordanien-Website preist der Global Player das Methiocarb-Produkt MESUROL 50 WP zur Bekämpfung von Zwerg-Zikaden, Blattläusen und anderen Insekten an.
Aber auch als Saatgut-Beize ist der Stoff alles andere als harmlos. So trägt er unter anderem zum Bienensterben bei. Den Beweis erbrachte der Imker Christoph Koch: „Im Pollen-Monitoring der ‚Landesanstalt für Bienenkunde’ der Universität Hohenheim wird immer noch das Mais-Beizmittel MESUROL festgestellt.“ Seine Kollegin Annette Seehaus-Arnold, die Vize-Präsidentin des „Deutschen Berufs- und Erwerbsimker-Bundes“, prangerte vor allem das Festhalten des Konzerns an den besonders bienengefährlichen Ackergiften aus der Gruppe der Neonikotinoide an und forderte den Vorstand zu einschneidenden Maßnahmen auf. „Die Firma BAYER wird nur eine Zukunft haben, wenn Sie, sehr geehrter Herr Baumann, endlich die Weichen für eine bienenfreundliche Landwirtschaft stellen“, prophezeite Seehaus-Arnold dem Unternehmenschef.
Noch zahlreiche weitere Imker*innen und Umweltschützer*innen ergriffen auf dem Aktionär*innen-Treffen zu diesem Thema das Wort, aber den Großen Vorsitzenden ließ das ungerührt. „Experten aus aller Welt gehen davon aus, dass die Gesundheit von Bienen von einer Reihe von Faktoren beeinflusst wird (...) Die Hypothese, dass Pflanzenschutzmittel bei ordnungsgemäßer Verwendung dazugehören, wird durch eine Reihe wissenschaftlicher Untersuchungen und Monitorings weitgehend widerlegt“, beschied Baumann den Bienenzüchter*innen. Die Neonicotinoide sind für ihn genau so sicher wie MESUROL, LASSO, Glyphosat und all die anderen chemischen Keulen – „bei sachgemäßer Anwendung“, wie er immer wieder betonte. Und den Vorwurf, bei der Vermarktung des Sortiments „doppelte Standards“ anzulegen, versuchte er mit der Bemerkung zu entkräften, „dass wir nur Produkte anbieten, deren Wirkstoffe mindestens in einem OECD-Land registriert sind“. Lediglich in einer Sache gab der BAYER-Chef klein bei: Er konzedierte Peter Clausing, dass die pro-aktive Bewerbung von MESUROL 50 WP in Jordanien gegen Richtlinien verstoße. Und inzwischen landet die entsprechende Such-Anfrage auch im Nichts: „The requested document was not found.“

Arznei-Folgen
Nach den Folgen von Glyphosat & Co. für Mensch, Tier und Umwelt nahmen die Risiken und Nebenwirkungen der BAYER-Arzneien den größten Teil der Schadensbilanz ein, welche die Gegen-Redner*innen der Manager*innen-Riege an diesem Freitag präsentierten. Krank machten dabei vor allem die Pharmazeutika aus dem Bereich „Frauengesundheit“. Eines davon ist der hormonelle Schwangerschaftstest DUOGYNON. Das von der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING in England auch unter dem Namen PRIMODOS vermarktete Präparat hat ab den 1950er Jahren zu tausenden Totgeburten geführt. Darüber hinaus kamen bis zum Vermarktungsstopp Anfang der 1980er Jahre unzählige Kinder mit schweren Missbildungen zur Welt. Auch Marie Lyons Tochter Sarah zählte dazu. Darüber verlor ihre Mutter auf der Hauptversammlung jedoch kein Wort. Die Britin nahm die weite Reise nach Bonn auf sich, um Baumann & Co. mit einer Reihe von firmen-internen Dokumenten zu konfrontieren. Diese belegen eindeutig, dass SCHERING schon früh Kenntnis von der Gefährlichkeit des Produkts hatte. Aus diesem Grund kann BAYER nicht länger Unbedenklichkeitsbescheinigungen für das Mittel ausstellen und muss stattdessen Verantwortung für die Geschädigten übernehmen, lautete das Credo Lyons. Die Bundestagsabgeordnete Sylvia Gabelmann von der Partei „Die Linke“ teilte diese Einschätzung. „Werden Sie bereit sein, mit den Opfern und deren Angehörigen zu reden und ihnen die Aufklärung zu erleichtern? Und werden Sie sich mit der Bundesregierung zusammensetzen und ihre Bereitschaft erklären, sich finanziell an einer Entschädigungslösung zu beteiligen?“, fragte sie deshalb die Vorstände.
Der Kinderarzt Gottfried Arnold und die Apothekerin Beate Kirk widmeten sich ebenfalls dem Schwangerschaftstest. Der Mediziner thematisierte jedoch daneben auch noch die unerwünschten Arznei-Effekte des Hormon-Präparats CYREN A mit dem Wirkstoff Diethylstilbestrol und die Pharmazeutin die Nebenwirkungen der Hormon-Spiralen MIRENA, JAYDESS und KYLEENA. CYREN A kam lange bei Frauen mit einem erhöhten Fehlgeburten-Risiko zum Einsatz, bis Wissenschaftler*innen auf die fatalen Folgen aufmerksam machten. Bei den weiblichen Nachkommen trat häufig Scheiden-, Gebärmutterhals-, Eierstock- oder Brustkrebs auf und bei den männlichen Nachkommen verursachte das Mittel Fehlbildungen im Genitalbereich. Den Leverkusener Multi aber störte das damals nicht groß, berichtete Arnold, das Unternehmen beschränkte bloß das Anwendungsgebiet ein wenig und machte ansonsten weiter Kasse mit dem Medikament.
Auch MIRENA & Co. vermarktet der Konzern ohne Rücksicht auf Verluste, wie Beate Kirk in ihrem Beitrag kritisierte. So setzen sich Frauen, die mit einer Spirale verhüten, im Vergleich zu denjenigen, die orale Kontrazeptiva einnehmen, einem höheren Depressions- und Suizid-Risiko aus. Einen entsprechenden Warnhinweis musste der Pharma-Riese Kirk zufolge auf Veranlassung der Europäischen Arzneimittel-Behörde EMA erst jüngst auf dem Beipackzettel anbringen. Darum richtete die Pharmazeutin die Frage an den Unternehmensvorstand: „Welchen Nutzen haben die von BAYER vertriebenen Hormonspiralen, der die (...) demnach wohl zu erwartende höhere Anzahl von Todesfällen bei Frauen rechtfertigen könnte?“
Für eine „höhere Anzahl von Todesfällen“ sind auch die Verhütungsmittel des Leverkusener Multis aus der YASMIN-Familie verantwortlich. Und beinahe hätte Felicitas Rohrer dazugehört. Sie hatte das Verhütungsmittel YASMINELLE mit dem Wirkstoff Drospirenon – eine Pille der 4. Generation – eingenommen und im Juli 2009 eine beidseitige Lungen-Embolie mit akutem Atem- und Herzstillstand erlitten. Nur durch eine Notoperation gelang es den Ärzt*innen damals, ihr Leben zu retten. Deshalb prozessiert die 34-Jährige gegen den Konzern und konfrontiert seine Manager*innen auf den Hauptversammlungen regelmäßig mit der Schreckensbilanz dieser Kontrazeptiva, welche das „Bundesinstitut für Arzneien und Medizinprodukte“ (BfArM) führt. „Alleine in Deutschland wurden dem BfArM durch Pillen der 3. und 4. Generation 53 Todesfälle und 1.463 thrombo-embolische Vorfälle gemeldet. Wir schätzen die Dunkelziffer weitaus höher, da oft kein kausaler Zusammenhang vermutet wird“, führte Rohrer aus. Beim Vorstand erkundigte sie sich dann nach den weltweiten Zahlen und fragte an, wie viele Prozesse das Unternehmen in dieser Angelegenheit mittlerweile führen muss.
Christopher Stark, Autor des Buches „DIANE, SELINA, LARISSA – Hormonverhütung und die Risiken“ (siehe auch SWB 2/19), sprach ebenfalls zum Gefährdungspotenzial von YASMIN & Co. „Für die Opfer dieser gefährlichen Präparate dürften BAYER-PR-Aussagen wie ‚Patienten-Sicherheit steht für BAYER an erster Stelle’ wie blanker Hohn erscheinen“, hielt er fest. Besonders an der aggressiven und irreführenden Werbung, die von „niedriger dosierten“ Mitteln mit einer nur „lokalen Wirkung“ spricht und von „schöner Gesichtshaut“ durch die Produkte kündet, nahm der Student Anstoß. Und Langzeit-Verhütungsimplantate wie JADELLE exklusiv in Ländern der „Dritten Welt“ in Umlauf zu bringen, rechnete er schlicht „neo-kolonialistischen Aktivitäten“ zu, die auf eine Beschränkung des Bevölkerungszuwachses aus ist.
Den zweiten Schwerpunkt im Pharma-Komplex bildeten die Medikamenten-Versuche mit Heimkindern, die der Leverkusener Multi in den 1950er Jahren begann und bis in die 1970er Jahre hinein fortsetzte. Nicht nur die Betroffenen selber ergriffen dazu das Wort (siehe S. 22 f.). Dr. Klaus Schepker von der Universität Ulm hat sich wissenschaftlich mit den Tests beschäftigt und gab einige Einblicke in die Hintergründe. So hat der Global Player laut Schepker das Landeskrankenhaus Schleswig, in dessen jugendpsychiatrischer Abteilung Eckhard Kowalke und andere Heimkinder „einsaßen“, im Zuge der Markt-Einführung von Psychopharmaka als „Prüfstelle“ genutzt. Anschließend bot der Konzern dann Pharmazeutika wie MEGAPHEN und AOLEPT gezielt für „pädagogische“ Indikationen an und hielt auch gleich „Anstaltspackungen“ bereit. Der Forscher zitierte dazu BAYER-Werbung, welche den Mitteln Eigenschaften wie „emotional und affektiv ausgleichend“, „unterdrückt destruktive und asoziale Tendenzen“ und „fördert die Anpassungsfähigkeit an Familie und Gemeinschaft“ zuschrieb. Als „ethisch fragwürdig“ verurteilte der Universitätslehrer diese Praxis.
Ob es noch ein bisschen mehr war, ließ Sylvia Gabelmann am 14. Dezember 2018 erörtern. Die Politikerin hatte zu diesem Termin im Bundestag ein Fachgespräch zu den Medikamenten-Erprobungen initiiert. Einigkeit über die Strafwürdigkeit des Tuns von BAYER und anderen Pillen-Firmen konnten die Expert*innen damals nicht erzielen, so Gabelmann, gleichwohl habe der Leverkusener Multi in jedem Fall „eine moralische Verantwortung“. Deshalb stellte sie den Vorständler*innen die Frage: „Sind Sie bereit, sich bei den Opfern zu entschuldigen, die unter den Arzneimittel-Studien zu leiden hatten? Und sind Sie bereit, Entschädigungen zu zahlen?“

Das Risiko/Nutzen-Profil
Dazu war Werner Baumann nicht bereit. Auch dem Wunsch von Felicitas Rohrer: „Und bitte unterlassen Sie den ewig gleichen Hinweis auf das positive Risiko/Nutzen-Profil Ihrer Pillen“ entsprach er nicht, obwohl Sanjay Kumar in seiner Rede ebenfalls eine solche Forderung formuliert hatte. Nach Ansicht des Medienwissenschaftlers verbietet es sich, positive und negative Arznei-Effekte gegeneinander aufzurechnen, wenn im schlimmsten Fall Gefahr für Leib und Leben droht. Für Kumar ist der Tod mit nichts aufzuwiegen. „Sind Sie eigentlich im Bilde, dass für eine Risikobewertung Nutzen komplett irrelevant sind?“, fragte er deshalb.
Aber der BAYER-Chef zeigte sich davon unbeeindruckt und brachte wieder die alten Textbausteine in Anschlag: „Sowohl die Hormon-Spiralen als auch die kombinierten oralen Kontrazeptiva von BAYER besitzen bei bestimmungsgemäßen Gebrauch (...) ein positives Nutzen/Risiko-Profil.“ Und überhaupt würden die Pharmazeutika des Konzerns „vor der Zulassung eingehend geprüft“, konstatierte Baumann.
In der Causa „Dhünnaue“ gab er ebenfalls Entwarnung. Obwohl der nordrhein-westfälische Landesbetrieb Straßenbau BAYERs Giftgrab im Zuge eines Autobahn-Baus wieder öffnet und das Abpumpen des verunreinigten Sickerwassers bei Niedrigständen des Rheins wie im letzten Sommers nicht mehr reibungslos funktioniert, beschied der Vorstandsvorsitzende Lars-Ulla Krajewski: „Gefahren bestehen nicht.“ Und selbstverständlich bestehen diese auch bei den neuen Gentechnik-Verfahren nicht, bekam Daniela Wannemacher zu hören. Und dann waren da noch die Nebenwirkungen der juristischen Nebenwirkungen der Glyphosat-Nebenwirkungen auf die Belegschaftsangehörigen, die Klaus Hebert-Okon vom BELEGSCHAFTSTEAM, einer alternativen Betriebsratsgruppe, zur Sprache brachte. „Mit jedem Urteil wächst die Angst“, sagte der Gewerkschaftler und verlieh damit Befürchtungen Ausdruck, der Agro-Riese könnte noch mehr als die bereits angekündigten 12.000 Arbeitsplätze vernichten. Dies verneinte Baumann und war sich im Übrigen bei der Beurteilung der rechtlichen Glyphosat-Risiken keiner Schuld bewusst: BAYER hätte ein Anwaltsbüro aus den Top Ten der US-amerikanischen Großkanzleien im Frühjahr 2016 mit einer Prüfung der Sache betraut und Entwarnung signalisiert bekommen.
35 Konzern-Kritiker*innen und zu allem Übel auch noch zahlreiche andere Redner*innen von Investment-Gesellschaften oder Aktionär*innen-Vereinigungen, die es zumeist auch nicht gerade gut mit dem Konzern meinten – das überforderte die Nehmer-Qualitäten Werner Baumanns an diesem Tag sichtlich. Nur einem Aktionär konnte er an diesem Tag aus vollem Herzen zustimmen. Dieser sah die Hauptversammlung „instrumentalisiert von Leuten, die gar keine echten Aktionäre sind“ und meinte damit offenkundig die Aktivist*innen von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und anderen Organisationen. Diese Empörung konnte der Vorstandsvorsitzende „in gewisser Hinsicht sehr gut nachvollziehen“.

[Duogynon] Duogynon: Erfolg in Großbritannien!

CBG Redaktion

Zu Beginn dieser Woche ist den AktivistInnen der Gesellschaft für Kinder, die von hormonellen Schwangerschaftstests geschädigt wurden (ACDHPT), ein großer Sieg gelungen. Im Februar 2018 hatte der damalige Gesundheitsminister Jeremy Hunt die Einsetzung eines Gremiums zur unabhängigen Überprüfung der Sicherheit von Arzneimitteln und Medizinprodukten verfügt. Nach mehr als zweijähriger Arbeit kam das Gremium nun zu dem Urteil: BAYER muss zahlen!

Die CBG hat anlässlich dieses Erfolges mit der Vorsitzenden der ACDHPT, Marie Lyon, gesprochen. Marie zählt zu unseren BündnispartnerInnen, sie war bereits zu Gast auf der BAYER-Hauptversammlung 2019 und hat dort ihr Anliegen vorgetragen. Ihr Statement könnt unten finden.

Die CBG hat auch eine Pressemitteilung zu dem Thema verfasst.

Statement Marie Lyon

„Ich bin überwältigt, dass 53 Jahre nach der ersten Warnung vor den Gefahren von HPT‚s (hormonelle Schwangerschaftstests) der Kampf um die Aufdeckung der Wahrheit über orale Hormon-Schwangerschaftstests endlich zu Ende ist. Baroness Cumberlege, Vorsitzende der IMMDS Independent Review, und ihr Team sind zu dem Schluss gekommen, dass der erste substantielle wissenschaftliche Bericht über Primodos von Dr. Isobel Gall aus dem Jahr 1967 ausreichend war, um die Rücknahme von Primodos und anderen HPT‘s vom Markt zu rechtfertigen. Dies ist der erste unabhängige Bericht, der schlüssig feststellt, dass es einen möglichen Zusammenhang zwischen HPTs und schädlichen Auswirkungen gibt.“Weiterlesen

Pressemitteilung der CBG zu Duogynon

Hier findet Ihr unsere Pressemitteilung zum Erfolg im Duogynon-Rechtsstreit

Bisherige Arbeit der CBG zu Duogynon

Hier,hier und hier findet Ihr eine Auswahl unserer bisherigen Arbeit zum Thema Duogynon.

Bitte spendet!

Marie Lyon sagte uns: „Ich bin mir bewusst, dass BAYER nicht so leicht aufgeben wird und ich den Druck aufrecht erhalten muss. Dies könnte bedeuten, dass ich auch zur nächsten Hauptversammlung wieder kommen muss.“ Damit wir dies möglich machen können, brauchen wir Eure Spende!

Helft uns, AktivistInnen wie Marie, die überall auf der Welt gegen den Konzern ihre Rechte durchsetzen, ein Forum auf der BAYER-Hauptversammlung zu bieten. Dies könnt Ihr auch tun, indem Ihr uns Eure Stimmrechte zur HV übertragt.

Unterstützt die Duogynon-Betroffenen mit Eurer Unterschrift!

Hiermit unterstütze ich den Kampf der Duogynon Betroffenen gegen BAYER!

Ich fordere:

Eine gerechte Entschädigung der Geschädigten. Falls sie verstorben sind, ihrer Familien und Hinterbliebenen!

Eine öffentliche Anerkennung der Schuld durch BAYER und eine öffentliche Entschuldigung!

Eine strafrechtliche Untersuchung der Verantwortlichen im Konzern!

[contact-form-7 id="13930" title="generisch kontakt"]

[Duogynon] Presse-Information CBG vom 17.12.20

CBG Redaktion

Medikamenten-Geschädigte reichen Klage ein

BAYER vor Gericht

Am morgigen Freitag reicht die „Assoziation für durch Schwangerschaftstests geschädigte Kinder“ (ACDHPT) in England eine Klage auf Schadensersatz gegen BAYER, SANOFI und den britischen Staat ein. Nach Ansicht der Organisation tragen die beiden Konzerne und die Aufsichtsbehörden die Verantwortung für die katastrophalen Folgen, welche die Einnahme von Medizin-Produkten wie PRIMODOS und AMENORONE FORTE hatte.

Der hormonelle Schwangerschaftstest der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING hat ab den 1950er Jahren zu tausenden Totgeburten geführt. Darüber hinaus kamen durch das unter den Namen DUOGYNON und PRIMODOS vertriebene Präparat bis zum Vermarktungsstopp Anfang der 1980er Jahre unzählige Kinder mit schweren Fehlbildungen zur Welt.

Dabei wusste das Unternehmen schon früh um die Risiken. „Ein Zusammenhang zwischen den gefundenen Anomalien und der Substanz-Applikation kann nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden“, hielt ein Forscher beispielsweise nach desaströsen Tierversuchen fest. Und ein Kollege appellierte an die Verantwortlichen, sich vor Augen zu halten, „dass wir es hier mit einem Produkt zu tun hätten, das in der Lage sei, das chemische Milieu des Föten zu ändern. Wir müssten in dieser Angelegenheit extrem vorsichtig sein.“

Die britische Arzneimittel-Überwachung machte bei den Frauen, die den Hormon-Test verwendet hatten, ein relatives Risiko von 5:1 aus, ein missgebildetes Kind zu bekommen. Zudem lagen den Behörden zahlreiche Meldungen über Fehlbildungen im Zusammenhang mit PRIMODOS und AMENORONE FORTE vor. Das veranlasste sie jedoch nicht, Maßnahmen zu ergreifen. Auch das deutsche Bundesgesundheitsamt sah keinen Handlungsbedarf. Der zuständige Referatsleiter Klaus-Wolf von Eickstedt stand früher selbst in Diensten SCHERINGs und forderte sogar proaktiv Entlastungsstudien von seinem ehemaligen Arbeitgeber an. Als „Advokat der Firma SCHERING“ bezeichnete er sich folgerichtig.

Ein am 8. Juli veröffentlichter Untersuchungsbericht, den der Gesundheitsausschuss des britischen Unterhauses bei einer Kommission unter Leitung der Baroness Julia Cumberlege in Auftrag gegeben hatte, wirft den Unternehmen und den staatlichen Stellen ebenfalls schwere Versäumnisse vor. Cumberlege richtete deshalb eine unmissverständliche Forderung an BAYER & Co.: „Sie sollten sich nicht nur entschuldigen; sie sollten anerkennen, was geschehen ist, und freiwillige Entschädigungszahlen an die Menschen leisten, die so gelitten haben.“

Ebendies hatten britische und deutsche Geschädigte oder deren Angehörige auf den BAYER-Hauptversammlungen jahrelang erfolglos von der Management-Riege verlangt. So sagte Marie Lyon, eine der jetzigen KlägerInnen, im Jahr 2019 auf dem AktionärInnen-Treffen: „Ich hoffe auch, dass der BAYER-Vorstand schließlich seiner moralischen Verpflichtung angesichts der überwältigenden Beweise nachkommt.“

Andre Sommer vom Netzwerk DUOGYNON hatte in seinen Reden ebenfalls entsprechende Appelle an die Verantwortlichen gerichtet. Er begrüßt, dass die Entwicklungen in England nun auch die Bundesregierung dazu bewogen haben, eine Studie zu den Schwangerschaftstests auf den Weg zu bringen, mahnt aber zur Eile: „Es ist wichtig, dass es bald eine unabhängige und transparente Untersuchung in Deutschland gibt. Dabei muss das Verhalten der Behörden und der Fa. SCHERING kritisch beleuchtet werden. Es scheint offensichtlich, dass die Patienten damals nicht ausreichend geschützt wurden und es schwere Versäumnisse gab. Es muss 2021 in Deutschland zu einer Entschuldigung und Anerkennung der Schäden kommen. Die deutsche Bundesregierung und auch BAYER müssen endlich Verantwortung übernehmen und einen finanziellen Ausgleich gewähren.“

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