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[Nexavar] STICHWORT BAYER 04/2010

CBG Redaktion

BAYERs Krebsmittel in der Kritik

NEXAVAR nutzt nichts

Im Pharma-Geschäft versprechen Krebs-Arzneien die höchsten Gewinne. Eine Behandlung mit BAYERs NEXAVAR (Wirkstoff: Sorafenib) kostet die Krankenkassen 58.400 Euro im Jahr. Der Heilerfolg des Mittels rechtfertigt diese hohen Ausgaben nicht. „Bei Sorafenib zeigte sich kein Vorteil bezogen auf das Gesamtüberleben“, fasst der „Gemeinsame Bundesausschuss“ des bundesdeutschen Gesundheitswesens die Studien-Ergebnisse zusammen.

Von Jan Pehrke

„Diese Zulassung von NEXAVAR ist ein wichtiger Schritt für japanische Patienten mit Nierenkrebs“, sagte der Konzern-Manager Gunnar Riemann im Jahr 2008 anlässlich der Markteinführung in dem asiatischen Land. Der „Meilenstein im Kampf gegen Krebs“ (O-Ton BAYER), dessen Wirkstoff Sorafenib die Tumorzellen von der Blutzufuhr abschneiden und ihr Wachstum verlangsamen soll, darf allerdings erst in einem fortgeschrittenen Stadium der Krankheit und nach dem Scheitern anderer Mittel zum Einsatz kommen. Auch bei Leberkrebs müssen die ÄrztInnen zunächst andere Therapien versuchen.

Als einen gar so wichtigen Schritt nach vorn in der Krebsmedizin schätzen die Zulassungsbehörden dieses Medikament also offensichtlich nicht ein. Seine exakte Länge haben die Testreihen bestimmt: Um 3,4 Monate verlängert NEXAVAR das Leben von Nierenkrebs-PatientInnen im Vergleich zu ProbandInnen aus der Placebo-Gruppe; 2,8 Monate waren es für Leberzellkrebs-PatientInnen. Nach offizieller Statistik-Lesart gilt das als „nicht signifikant“. Aus diesem Grund resümiert der „Gemeinsame Bundesausschuss“: „Bei Sorafenib zeigte sich kein Vorteil bezogen auf das Gesamtüberleben“. In weiser Voraussicht hat BAYER deshalb noch ein anderes Behandlungsziel formuliert. Das Stoppen des Tumor-Wachstums wollte der Konzern als „sekundären Endpunkt“ des Tests erreichen. Dies schaffte NEXAVAR bei Nierenkrebs mit ca. sechs Monaten drei Monate länger als der Placebo, was zwar „signifikant“ ist, aber leider noch keine Aussage über die Erhöhung der Überlebenschancen erlaubt.

Zahlen-Kosmetik
Zudem sind die Zahlen mit Vorsicht zu genießen, denn von der Industrie bezahlte Arznei-Prüfungen warten stets mit positiveren Ergebnissen auf als unabhängig finanzierte. BAYER & Co. stehen dazu viele Möglichkeiten offen. Mit der Konzeption der Untersuchungen, der Entscheidung für einen bestimmten Studien-Standort (siehe SWB 2-3/10) und der Auswahl der ProbandInnen können die Unternehmen die Resultate beeinflussen. Während der Erprobung greift dann laut Süddeutscher Zeitung das Nebenwirkungsmanagement: „Treten in Tests bei höherer Dosierung mehr Nebenwirkungen auf, wird für die Studie eine niedrigere Dosis gewählt, auch wenn in der Praxis die höhere empfohlen wird. Zeigt sich, dass ein Präparat bei längerem Gebrauch zu mehr Nebenwirkungen führt, wird das Ende der Studie vorverlegt“. Und ist dieses schließlich - vorzeitig oder planmäßig - gekommen, so gibt es immer noch Gelegenheiten zur Kosmetik. Jetzt kommen nämlich die hauseigenen StatistikerInnen zum Zug und bearbeiten das erhobene Daten-Material.

Die „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“ kritisiert deshalb ebenfalls die Manipulationen bei Arznei-Tests im Allgemeinen und bei Krebsmittel-Tests im Besonderen. „Erhebliche Defizite“ im Prüfplan von onkologischen Mitteln stellt das Gremium fest und hebt Mängel bei der Bestimmung der Studien-Ziele und bei der Auswahl der Vergleichssubstanzen hervor. Darüber hinaus moniert die Kommission den zu frühen Abbruch vieler Untersuchungen.

Nach der Recherche einer Gruppe von Wissenschaftlern um den italienischen Mediziner F. Trotta endeten 23 Krebsmittel-Erprobungen jüngeren Datums vorzeitig, darunter auch diejenige von NEXAVAR. Die Konzerne führten dafür stets ethische Motive an: Da die Mittel so gut wirkten, konnten sie es schlicht nicht übers Herz bringen, sie der Placebo-Gruppe länger vorzuenthalten. Trotta zufolge bekamen die Unternehmen allerdings aus profaneren Gründen den Moralischen - sie wollten schlicht Kosten sparen. Die Arzneimittel-Kommission macht noch andere Ursachen für die Kurzstrecken-Tests aus. Sie sieht in ihnen einen Weg, sich einer profunden Sicherheitsanalyse der Medikamente und einer Bewertung ihres Kosten/Nutzen-Verhältnisses zu entziehen.

Aber der Leverkusener Multi gehörte nicht nur zu den Studien-Abbrechern, der Pharma-Riese fiel auch mit einer gezielten Auswahl seiner ProbandInnen negativ auf. So sortierte er PatientInnen mit fortgeschrittenen Krankheitssymptomen aus und nahm nur solche mit günstigeren Prognosen auf.

Schlimme Monate
Es bestehen also erhebliche Zweifel an den von BAYER angegebenen Zahlen von 2,8 bzw. 3,4 Monaten „geschenkter Zeit“ durch NEXAVAR. Zudem ist dieser Gewinn an Wochen, wie groß oder klein er auch ausfallen mag, für die PatientInnen immer mit einem erheblichen Verlust an Lebensqualität verbunden. NEXAVAR hat nämlich starke Nebenwirkungen. „Rauher Hals und belegte Stimme, aber schlimmer noch, ein kaum zu kontrollierender Durchfall“, beschreibt ein Nutzer des Krebs-Forums die Leiden seiner Mutter. „Da ich es schon zwei Jahre nehme, reagiert mein Körper mit Infektionen und ständiger Blasenentzündung“, schildert eine andere Teilnehmerin ihre Erfahrungen und hält fest: „Ich musste auch auf die halbe Dosis umsteigen, um noch ein halbwegs erträgliches Leben zu führen“. Der „Gemeinsame Bundesausschuss“ weiß noch von schlimmeren unerwünschten Arzneimittel-Effekten zu berichten. So kam es bei der Klinischen Erprobung in der 452 Personen starken NEXAVAR-Gruppe zu 48 Todesfällen, während in der Placebo-Gruppe nur 28 starben. Auch mussten TesterInnen des BAYER-Mittels häufiger wegen schwerer Nebenwirkungen ins Krankenhaus (154 gegenüber 110). Zudem erlitten die ProbandInnen öfter Herzinfarkte, Hirnblutungen und Durchblutungsstörungen. 21 Prozent der TeilnehmerInnen zwangen solche Umstände, das Mittel kurzzeitig abzusetzen, zehn Prozent mussten den Test ganz abbrechen.

Obszöne Preise
Diese großen Neben- und eher kleinen Hauptwirkungen sind teuer erkauft. Zu teuer, meinte der Onkologe Wolf-Dieter Ludwig im Spiegel. „Die meisten dieser Medikamente haben nur eine geringe Wirkung. Deshalb halte ich die Preise schlicht für obszön“, so Ludwig, der auch Vorsitzender der Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft ist. Und als der ehemalige Leiter der „Kassenärztlichen Vereinigung Hessen, Jürgen Bausch, kritisierte: „Die Herstellerfirmen handeln mit ihrer Preisbildung gegenüber dem System einer solidarisch finanzierten Krankenversicherung verantwortungslos“, hatte er vor allem BAYER und NOVARTIS im Sinn. Die jährlichen Kosten für eine NEXAVAR-Behandlung in Höhe von 58.400 Euro bei minimalem Herstellungsaufwand zeugen in der Tat nicht von einem besonderen Verantwortungsgefühl. Die Krebsmittel fressen mittlerweile ein Viertel des Arznei-Budgets der Krankenkassen, obwohl sie nur zwei Prozent der Verordnungen ausmachen. Zukünftig dürfte es noch mehr sein: Nach einer Prognose des Berliner Institutes IGES werden die Ausgaben für Onkologie-Präparate bis 2013 jährlich um fast fünf Prozent auf 3,8 Milliarden Euro steigen.

In Großbritannien verhält es sich ähnlich. Dort aber hat das „National Institute for Health and Clinical Evidence“ (NICE) reagiert und eine Kosten/Nutzen-Bewertung der Mittel vorgenommen. Für den NEXAVAR-Wirkstoff Sorafenib fiel das Ergebnis negativ aus. „Die PatientInnen profitieren von Sorafenib nicht in einem Maße, das die hohen Kosten rechtfertigen würde“, urteilte die Behörde. Zuvor hatte das NICE mit BAYER und den anderen Herstellern um einen Kompromiss gerungen. Aber während ASTRAZENECA bereit war, den Preis für IRESSA zu senken und keine Rechnung zu stellen, wenn eine Therapie nicht die Länge von mindestens drei Monaten erreicht, blieb der Leverkusener Multi stur.

Keine Frage der Moral
Die Entscheidung des NICE-Instituts, mahnende Stimmen aus dem medizinischen Umfeld sowie Presse-Artikel über die lukrativen Onkologie-Arzneien haben eine Diskussion über Rationierungen im Gesundheitswesen entfacht. „Wir müssen einen Preis für das Leben festsetzen“, forderte etwa die kanadische Zeitung The Globe and Mail. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat sich hingegen nach Aussage seines Chefs Rainer Hess gegenüber dem Spiegel lange „vor der tiefen ethischen Debatte gescheut“ und das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ als bundesdeutsches NICE-Pendant nicht mit einer Prüfung von NEXAVAR & Co. betraut. Das soll sich laut Hess jetzt ändern: „Wir müssen die Krebs-Medikamente sauber bewerten, um Transparenz für die Patienten zu schaffen“.

Tiefgründige moralische Erwägungen sind dazu aber nicht nötig. Es geht nicht darum, in einer Güterabwägung zu ermitteln, welchen Preis das Überleben haben darf. Es geht vielmehr darum zu ermitteln, ob ein Mittel ohne statistisch signifikanten Wirksamkeitsnachweis 58.400 Euro im Jahr pro PatientIn kosten darf und ob den Krankenkassen eine solche Summe zuzumuten ist. Nicht um Rationierung also, sondern um Rationalität. Da mag der Leverkusener Multi im Falle eines solchen Verfahrens noch so philosophisch werden und menschliche Werte ökonomischen geopfert wähnen.

Momentan interessiert den Konzern jedoch etwas anderes. Er arbeitet fieberhaft daran, die Grenzen der Krankenkassen-Belastbarkeit in Sachen „NEXAVAR“ weiter zu strapazieren. Um die Umsätze von zuletzt 604 Millionen Euro noch zu toppen, testet er das Mittel auf neuen Anwendungsgebieten. Weder die mageren Resultate bei Leberzell- und fortgeschrittenem Nierenkrebs noch die völlig gescheiterten Erprobungen bei den Indikationen „Hautkrebs“ und „Bauchspeicheldrüsenkrebs“ vermochten ihn davon abzuhalten.

update Februar 2012 Patentstreit um Krebsmedikamente in Indien: BAYER verlangt Mondpreise

[Pharmapreise] STICHWORT BAYER 04/2010

CBG Redaktion

Kampagne gegen Pillen-Gesetz

BAYER sieht rot

Die exorbitanten Pillen-Preise drohen das Gesundheitssystem zu sprengen. Da sah selbst ein FDP-Minister Handlungsbedarf. Aber obwohl der Leverkusener Multi mit dem „Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittel-Marktes“ recht gut bedient ist, sieht er rot. „Anstatt sich um mehr Wettbewerb und um den Abbau der überbordenden Regulierung zu kümmern, setzt die Koalition auf kurzfristige Maßnahmen und geht weitere Schritte in Richtung Planwirtschaft im Gesundheitswesen“, erbost sich BAYER-Chef Werner Wenning.

Auf fast 16 Milliarden Euro Umsatz kam die Pharma-Sparte des Leverkusener Multis im Geschäftsjahr 2009. Besonders gut laufen die Geschäfte in der Bundesrepublik. Hier liegen die Arznei-Preise im Vergleich mit anderen Industrieländern nämlich um ca. 18 Prozent über dem Durchschnitt. Der Grund dafür ist einfach: Sie sind selbstgemacht. Die Pillen-Riesen können ganz allein bestimmen, wieviel sie für ihre neuen Medikamente verlangen wollen. Und da schlagen die Behandlungskosten für BAYERs Krebsmittel NEXAVAR dann eben mit 58.400 Euro im Jahr pro Patient/in zu Buche.

Patentgeschützte Arzneien wie NEXAVAR haben an allen ärztlichen Verschreibungen nur einen Anteil von 2,5 Prozent, am Krankenkassen-Umsatz jedoch einen von 26 Prozent. Damit tragen sie die Hauptverantwortung für die ständig steigenden Pillen-Kosten. Im letzten Jahr beliefen sich die Ausgaben der Krankenkassen für Medikamente auf fast 30 Milliarden Euro - eine Steigerung von 5,3 Prozent oder 1,5 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr. Mehr Geld geben AOK & Co. nur noch für die Krankenhäuser aus.

Und das wird zunehmend knapp. Um das für 2011 erwartete Defizit von elf Milliarden Euro aufzufangen, sah sich Gesundheitsminister Philipp Rösler deshalb zum Eingreifen erzwungen. Auch die Pharmazeutika im Allgemeinen und das „Premium-Segment“ im Besonderen nahm der Liberale sich dabei vor. „In Deutschland sind viele Medikamente zu teuer“, befand Rösler und brachte das „Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittel-Marktes“ auf den Weg, das zum 1.1. 2011 in Kraft treten soll. Es sieht unter anderem ein Einfrieren der Arznei-Preise auf dem Stand von August 2009 bis zum Jahr 2013, eine Erhöhung des Hersteller-Rabattes für neue Medikamente von sechs auf 16 Prozent und ein Ende des Preisfindung nach Gutsherren-Art vor. Zudem will die schwarz-gelbe Koalition eine Kosten/Nutzen-Bewertung für Medikamente einführen, denn allzu oft haben die neuen Pillen nicht allzu viel Neues in petto.

Das ist den Pharma-Riesen zu viel. Sie hatten zwar mit Einschnitten gerechnet - „Wir wussten, dass wir kein Heimspiel mehr haben“, so ein Branchen-Vertreter -, aber nicht in dem Ausmaß. Der Leverkusener Multi stellt sich auf eine „Rösler-Delle“ von 15 Millionen Euro im laufenden und 25 Millionen im kommenden Jahr ein. Deshalb wähnt der Konzern bereits den Sozialismus anbrechen und sieht rot. „Anstatt sich um mehr Wettbewerb und um den Abbau der überbordenden Regulierung zu kümmern, setzt die Koalition auf kurzfristige Maßnahmen und geht weitere Schritte in Richtung Planwirtschaft im Gesundheitswesen“, erboste sich BAYER-Chef Werner Wenning im April 2010 auf der Hauptversammlung des Konzerns. Und Forschungsvorstand Wolfgang Plischke sah sich unvermittelt einer gelben Gefahr ausgesetzt: „Das hätten wir von einem liberalen Gesundheitsminister nie erwartet“. Erwartet hatten BAYER & Co. vielmehr, mit allen Krankenkassen einzeln in Preis-Verhandlungen gehen zu dürfen. Nach Röslers Gesetz stehen die Unternehmen jedoch dem Gesamtverband gegenüber und damit schmerzlicherweise einem „Nachfrage-Monopol“, wie die Angebotsmonopolisten meinen.

Nun heißt es bei den Multis erwartungsgemäß „Land unter“. Sie sprechen von einer Gefahr für den „Standort Deutschland“, warnen vor Arbeitsplatz-Vernichtung und fürchten um den medizinischen Fortschritt. Darüber hinaus malen die Global Player das Schreckgespenst einer Rationierung im Gesundheitswesen an die Wand, um die Zustimmung der PatientInnen für ihre Geschäftspolitik zu gewinnen. Dass sie selber das Gesundheitssystem bis an die Grenzen der Belastbarkeit getrieben haben, geht ihnen nicht ein. Die hohen Pillen-Preise - BAYERs Gewinn-Spanne im Pharma-Bereich liegt aktuell bei 30,5 Prozent - halten die Konzerne für gerechtfertigt. Sie müssten ja auch viele Fehlschläge verkraften und hätten immense Forschungsausgaben, argumentieren die Hersteller scheinheilig. Und für die ausufernden Arznei-Budgets der Krankenkassen haben sie auch eine schlichte Erklärung: die Überalterung der Gesellschaft.

Dabei hätten die Konzerne allen Grund, etwas demütiger aufzutreten, denn sie sind noch gut weggekommen. So dürfen ihre Pharma-Produkte nach dem Markteintritt noch mindestens 12 Monate zu den selbstgemachten Preisen kursieren. Dann erst beginnen die Verhandlungen mit den Gesetzlichen Krankenkassen auf Basis von Nützlichkeitsdossiers. Noch dazu sollen diese von BAYER & Co. selber stammen. Dem „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWIG), dessen Leiter Peter Sawicki wegen seiner allzu pharma-kritischen Haltung gehen musste, kommt dabei höchstens eine beratende Funktion zu. Nur wenn die Gespräche zwischen den Pharma-Riesen und den Kassen scheitern, kann es eine umfassende Bewertung der Arznei vornehmen. Aber auch in diesem Fall nicht zu den eigenen, streng wissenschaftlichen Bedingungen. BAYER & Co. haben es nämlich geschafft, die Bewährung der Pillen im Alltag zu einem Kriterium zu machen, weshalb schon eine anwendungsfreundlichere Darreichungsform, eine größere Flexibilität bei der Einnahme oder eine geringere Belastung pflegender Angehöriger das Klassenziel „Zusatznutzen“ erreicht. Und selbst bei einem Verfehlen dieser Anforderungen bleibt das Mittel der Welt erhalten; es fällt dann unter die Festpreis-Regelung. Die Rabatt-Vereinbarung hat ebenfalls so ihre Vorteile für die Branche. Sie tastet die Mondpreise nämlich nicht wirklich an. „Das ist eine wirkliche Mogelpackung, denn viele Länder nutzen Deutschland als Referenzland, um den Preis zu bestimmen“, kritisiert die BUKO-PHARMAKAMPAGNE.

1,5 Milliarden Euro sparen die Krankenkassen durch diese Neuordungen, also gerade mal so viel, wie sie im letzten Jahr mehr ausgeben mussten. Dazu kommen noch einmal 400 Millionen durch Einschnitte beim Pharma-Großhandel. Eine magere Bilanz. Eine wirkliche „Neuordnung des Arzneimittel-Marktes“ hätte es hingegen bedeutet, eine Positivliste einzuführen. Sie hätte es vermocht, den Pharma-Dschungel zu lichten und nur noch die wirklich nützlichen Medikamente übrig zu lassen. Aber das hat der Lobby-Druck von BAYER & Co. noch immer zu verhindern gewusst und stand heuer nicht einmal mehr zur Debatte.

Darum muss Philipp Rösler das Milliarden-Loch anders stopfen. Mit sechs Milliarden Euro kommt in seiner „Gesundheitsreform“ der größte Flicken durch die Erhöhung der Versicherungsbeiträge auf 8,2 Prozent für die Beschäftigten und 7,3 Prozent für die Unternehmen zustande. Zwei Milliarden erbringt ein Steuerzuschuss und 1,4 Milliarden tragen Krankenhäuser, AOK & Co., MedizinerInnen und ApothekerInnen zum Schulden-Abbau bei. Damit gleichen die abhängig Beschäftigten einen Großteil der roten Zahlen aus. Und das kommende Defizit, das sich nach Schätzungen des Bundesgesundheitsministeriums im Jahr 2014 auf ca. zehn Milliarden Euro belaufen wird, bürdet die Regierung ihnen allein auf. Sie hat nämlich die Versicherungsbeiträge von BAYER & Co. bis auf Weiteres eingefroren und im Gegenzug die Begrenzung für die Krankenkassen-Zusatzbeiträge, die bislang bei acht Euro im Monat lag, aufgehoben.

Schöne Aussichten also für BAYER & Co. Trotzdem hätten es die Konzerne gerne noch ein wenig schöner. Der vom Leverkusener Multi gegründete „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VFA) startete eine Kampagne, um im Laufe des parlamentarischen Verfahrens noch Änderungen an den betreffenden Gesetzen zu erwirken. Dazu nimmt der Verband mit der ehemaligen BAYER-Managerin Cornelia Yzer an der Spitze perfiderweise die Beschäftigten in Haftung. In ihrem Namen hat der Lobbyverein Musterbriefe entworfen, in denen Belegschaftsangehörige den PolitikerInnen ihre Sorgen über Arbeitsplatzvernichtungen durch die Kostendämpfungsmaßnahmen mitteilen. Nach den Vorstellungen der ÖffentlichkeitsarbeiterInnen sollte jede Mitgliedsfirma ein entsprechendes Schriftstück aufsetzen, um den Protest vielstimmiger zu machen. „Bitte beachten Sie, dass es sich hierbei um Musterbriefe handelt, die in variierter Form verwendet werden sollten, um wortgleiche Schreiben zu vermeiden“, instruierte VFA seine Mitglieder. Nicht immer mit Erfolg - oft brachten nur Briefkopf und Unterschrift ein wenig Farbe ins Spiel. Der Einsatz der Pharma-Riesen wird aber wohl dennoch seine Wirkung nicht verfehlen und die „Neuordnung des Arzneimittelmarktes“ noch ein wenig älter aussehen lassen. Von Jan Pehrke

[Ticker] STICHWORT BAYER 04/2010 Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Protest-Lauf von PRIMODOS-Opfern
Der hormonelle Schwangerschaftstest PRIMODOS der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING hat zu tausenden Todgeburten geführt. Darüber hinaus kamen unzählige Kinder mit schweren Missbildungen zur Welt. Die Opfer des auch unter dem Namen DUOGYNON vermarkteten Produkts fordern den Konzern auf seinen Hauptversammlungen regelmäßig auf, Entschädigungen zu zahlen, aber der Leverkusener Multi weigert sich konsequent. In England nutzen die Geschädigten deshalb einen vom Pharma-Riesen gesponsorten 10-km-Langstreckenlauf, um auf ihr Schicksal aufmerksam zu machen. Sie liefen mit, verteilten Flugblätter und hielten entlang der Strecke Pappen mit Aufschriften wie „Warum wurden wir als Versuchskaninchen benutzt?“ hoch. Zudem setzten sie den Schlusspunkt des Sport-Events. Der Aktivist Karl Murphy kam nämlich nach knapp zwei Stunden als Letzter ins Ziel. Zu dieser Zeit wollten die VeranstalterInnen eigentlich längst die Siegerehrung durchgeführt haben, aber nach Protesten der ZuschauerInnen mussten sie noch ein geschlagenes Stündchen auf Murphy warten.

Anfrage wg. DUOGYNON/PRIMODOS
Grüne Bundestagsabgeordnete haben in Kooperation mit der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und Geschädigten des Schwangerschaftstest PRIMODOS (s. o.) eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt. Diese hielt sich jedoch bedeckt. Die Regierungskoalition wusste nichts über die Verschreibungshäufigkeit und die Zahl der Geschädigten. Das aus dem Jahr 1980 stammende Urteil, die PRIMODOS-Opfer nicht zu entschädigen, mochte sie nicht kommentieren. Auch sahen sich CDU und FDP nicht in der Lage, Auskünfte über die Fakten-Grundlage der im Jahr 1975 getroffenen Entscheidung zu geben, PRIMODOS trotz bedenklichen Sicherheitsprofils nicht die Zulassung als Schwangerschaftstest zu entziehen.

Datenschützer für Offenlegung
Vor zwei Jahren vereinbarte BAYER mit der Kölner Hochschule eine Kooperation auf dem Gebiet der Pharma-Forschung. „Sie ist die weitreichendste, die eine nordrhein-westfälische Universitätsklinik bislang eingegangen ist“, jubilierte Innovationsminister Andreas Pinkwart damals. Der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und anderen Initiativen machte das eher Angst. Die Gruppen befürchteten eine Ausrichtung der Pharma-Forschung nach Profit-Vorgaben, eine Entwicklung von Präparaten ohne therapeutischen Mehrwert, eine Verheimlichung negativer Studienergebnisse und einen Zugriff des Konzerns auf geistiges Eigentum der Hochschul-WissenschaftlerInnen. Deshalb forderten sie eine Offenlegung des Vertrages. Das verweigerte die Universität aber mit Verweis auf das Forschungs- und Geschäftsgeheimnis. Die CBG schaltete daraufhin den nordrhein-westfälische Landesbeauftragten für Datenschutz ein, der das Begehr der Gruppen prüfte und für rechtmäßig erklärte. „Auf der Grundlage der mir vorliegenden Erkenntnisse gehe ich (...) von einem Informationszugangsanspruch aus“, heißt es in dem Schreiben. Die Kölner Hochschule nahm das jedoch nicht zum Anlass, ihre Position zu revidieren und blieb bei ihrer Verweigerungshaltung: „Der Rechtsansicht des Landesbeauftragten wird nicht gefolgt“. Unterdessen hat die CBG sich an die nordrhein-westfälische Forschungsministerin Svenja Schulze (SPD) gewandt und sie aufgefordert, „der Rechtsansicht der Landesbeauftragten“ Geltung zu verschaffen.

22.233 KraftwerksgegnerInnen
Im Frühjahr hatte TRIANEL offiziell den Genehmigungsantrag für das auf dem Gelände von BAYERs Chemie„park“ in Krefeld geplante Kohlekraftwerk gestellt. Weil die Anlage auf einen Kohlendioxid-Ausstoß von jährlich ca. 4,4 Millionen Tonnen kommt und die Umwelt darüber hinaus mit Feinstaub, Schwermetallen und Radioaktivität belastet, erhoben über 22.000 Privatpersonen, Nachbarstädte und Initiativen, darunter auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, bei der Bezirksregierung Einspruch gegen das Projekt.

Einspruch gegen Antwerpener Kraftwerk
Gegen das vom Energie-Riesen E.ON auf dem Antwerpener Werksgelände von BAYER geplante Kohlekraftwerk haben GREENPEACE, der WWF und der niederländische Umweltverband BBLV wegen des zu erwartenden Ausstoßes von Kohlendioxid und anderen Stoffen offiziell Einspruch eingelegt.

Offener Brief wg. CO-Pipeline
Aus Protest gegen die von BAYER zwischen Dormagen und Krefeld geplante Kohlenmonoxid-Pipeline haben Kinder- und JugendmedizinerInnen aus der Region jetzt schon ihren zweiten Offenen Brief geschrieben, adressiert an BAYER, den Ministerpräsidenten, den Landtag und die Bezirksregierung. Bis auf eine Ausnahme unterzeichnete die komplette Innung, denn die ÄrztInnen sehen im Fall einer Leckage keine Rettungsmöglichkeiten. Gerade einmal zwei Sauerstoff-Überdruckkammern für die Behandlung von Vergifteten gebe es in ganz Nordrhein-Westfalen, kritisierten sie. Auch an dem Gefahrenabwehrplan ließen die Unterzeichner kein gutes Haar. „Es gibt nur eine einzige Prävention, und die ist, dass die Pipeline nicht in Betrieb gehen darf, so Dr. Martin Terhardt. BAYER hingegen blieb unbeeindruckt. Das Schreiben enthalte „mehrere längst widerlegte Behauptungen“, meinte der Konzern und schwelgte weiter in Pipeline-Poesie: „Für die CO-Pipeline zwischen Dormagen und Krefeld-Uerdingen wurde ein Sicherheitskonzept entwickelt, das die bisherigen Standards und gesetzlichen Regelungen übertrifft. Im normalen Leitungsbetrieb ist ein Austreten von CO auszuschließen“.

Feuerwehr kritisiert CO-Pipeline
Die Feuerwehren in der Region sind nach Ansicht des Kreisbrandmeisters Friedrich-Ernst Martin nicht auf einen Pipeline-Unfall vorbereitet. So schaffen es ihre Spezialgeräte nur, die Feuerwehrleute 45 Minuten mit Sauerstoff versorgen. „Das ist viel zu wenig Zeit, um Menschenleben in einem großen Wohnhaus retten zu können“, so Martin. Auch an Spezialfahrzeugen, die es erlauben, direkt zum Ort des Gasaustritts vorzudringen, fehlt es seiner Meinung nach - und an Personal sowieso.

Steinbrück kritisiert CO-Pipeline
Der den Wahlkreis Mettmann im Bundestag vertretende Peer Steinbrück (SPD) hat BAYER scharf für die Unregelmäßigkeiten beim Bau der Kohlenmonoxid-Pipeline kritisiert. „Wer eine gültige Planfeststellung so oft ändert oder jedenfalls nicht so erfüllt, wie er müsste, ist entweder verrückt oder allzu couragiert“, konstatierte der Ex-Finanzminister.

Quecksilber-Anfrage
BAYER gehört zu den letzten Konzernen, die ihre Chlor-Produktion so umstellen, dass dabei kein giftiges Quecksilber mehr anfällt (SWB 3/09). Was aber geschieht mit den Rückständen, immerhin mehrere 100 Tonnen? Das wollte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN von der Bezirksregierung wissen. Diese „dankt für Ihre kritischen und nachvollziehbaren Fragen“ und „versichert, dass diese im Rahmen der behördlichen Anlagen-Überwachung angemessene Berücksichtigung finden werden“. Antworten konnte die Bezirksregierung jedoch nicht geben. Wo das Quecksilber einmal landet, vermochte sie nicht zu sagen, da der Umbau noch bevorstehe. Immerhin ist Versorge für die Gesundheit der Beschäftigten getroffen: Sie müssen sich regelmäßigen Quecksilber-Tests unterziehen.

UN übt Konzern-Kritik
Die Vereinten Nationen werfen den großen Konzernen der Welt schwere Versäumnisse beim Umweltschutz vor. Allein die 3.000 wichtigsten Unternehmen sollen Umweltschäden von jährlich knapp zwei Billionen Euro verursachen; das Artensterben sei 100-mal schneller als es die Evolution vorgibt, so die UN. „Der Raubbau an der Natur durch die Wirtschaft setzt sich seit Jahren ungebremst fort. Das natürliche Kapital der Welt wird im großen Stil vernichtet“, konstatierte Achim Steiner, Leiter des UN-Umweltprogramms UNEP, in der Süddeutschen Zeitung und kritisierte: „In vielen Konzernen gilt noch immer die Devise: Natürliche Ressourcen sind unerschöpflich. Dabei müssen wir längst schmerzhaft spüren, dass das nicht mehr stimmt“. Steiner verlangte ein Einpreisen dieser negativen Ökobilanz in die Geschäftsbilanzen und forderte die Politik zum Umdenken auf. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN forderte allerdings auch ihn zum Umdenken auf, da seine Organisation mit einem der größten Übeltäter zusammenarbeitet. „Wir begrüßen die unmissverständlichen Aussagen von Achim Steiner zur mangelnden Verantwortung multinationaler Unternehmen. Die UNEP muss hieraus Konsequenzen ziehen und endlich die unselige Kooperation mit dem BAYER-Konzern beenden. BAYER als einer der größten Hersteller von Pestiziden und gentechnisch verändertem Saatgut gehört zu den Verursachern des Artensterbens“, heißt es in der Presseerklärung der CBG.

Persilschein für PONCHO & Co.
Pestizide gefährden das Leben von Bienen massiv. So hat BAYERs Saatgut-Beize PONCHO mit dem Wirkstoff Clothianidin vor zwei Jahren ein Massensterben verursacht, weshalb in vielen Ländern Verbote erfolgten und hierzulande die Zulassung für Mais-Kulturen einstweilen ruht. Die Bundestagsfraktion der GRÜNEN hat diese „Risiken und Nebenwirkungen“ zum Anlass für eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung genommen. Die Partei wollte wissen, welche Maßnahmen CDU und FDP zum Schutz der Tiere vor BAYERs PONCHO und ELADO sowie anderen Ackergiften schon ergriffen haben und welche sie in Zukunft noch planen. Für eine spezielle Überwachung dieser Produkte sah die schwarz-gelbe Koalition jedoch keinen Anlass. Nach der Risiko-Bewertung der Mittel durch die Aufsichtsbehörde würden keine „Anhaltspunkte für eine Schädigung von Bienenvölkern vorliegen“, antworteten Merkel & Co.

Protest gegen Pestizid-Ausbringungen
Nicht nur die massive Ausweitung des Soja-Anbaus in Südamerika führt zu einer entsprechenden Ausweitung des Pestizid-Gebrauchs. Auch die Umstellung auf das Direktsaat-Verfahren, für das die LandwirtInnen den Boden nicht mehr umpflügen müssen, sorgt für mehr Agrochemie auf den Feldern - und damit auch für mehr Gesundheitsschädigungen. Viele Wirkstoffe, die auch Bestandteile von BAYER-Mitteln sind, haben daran einen Anteil, so etwa das in GLYPHOS und USTINEX G enthaltene Glyphosat. Im argentinischen San Jorge etwa häufen sich die Asthma- und Krebsfälle. Zudem leiden immer mehr Männer unter Unfruchtbarkeit. Viviana Peralta wollte das nicht länger hinnehmen. Sie startete eine Unterschriften-Kampagne, zog vor Gericht und erreichte einen Teilerfolg. Die RichterInnen untersagten eine großräumige Ausbringung der Ackergifte und ordneten die Einrichtung einer Schutzzone an.

Boykott des Runden Tisches
Beim „Runden Tisch zur Pflanzen-Genetik“, den Forschungsministerin Annette Schavan deckt, haben KritikerInnen nicht viel zu sagen. Da die Initiativen nicht länger als Feigenblatt dienen wollten, haben sie nach dem letzten Treffen im September 2009 einen neun Punkte umfassenden Anforderungskatalog zur Sicherheit der Risikotechnologie formuliert, an dem die Bundesregierung sich orientieren sollte. Diese war jedoch nicht dazu bereit, ernsthaft über eine systematische Erfassung der gesundheitlichen Risiken von Genpflanzen, die Untersuchung von Wechselwirkungen der Laborfrüchte mit Pestiziden und eine Standardisierung der Zulassungstests zu diskutieren. Deshalb sagten die im DEUTSCHEN NATURSCHUTZRING organisierten Verbände ihre Teilnahme am „Runden Tisch“ vom Juli 2010 ab.

Mediziner kritisiert Industrie-Einfluss
Der Hannoveraner Medizin-Professor Dr. med. Arnold Ganser hat bitter das Fehlen einer von Big Pharma unabhängigen Arzneimittel-Forschung beklagt. „Durch die Hürden der Gesetzgebung, die durch Druck von seiten der Industrie durchgedrückt worden ist, sind heutzutage Arzneimittel-Studien ohne Unterstützung der Pharma-Industrie kaum mehr möglich. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass die zur Zulassung führenden und von der Pharma-Industrie üppig mit Geld unterstützten klinischen Studien nicht unbedingt das Optimum der therapeutischen Wirkung, sondern eher das Optimum des finanziellen Gewinns zum Ziel haben“, schreibt er in einem Leserbrief an die Faz. Im Interesse der „Gesundheit der Bürger“ fordert er deshalb die Politik auf, aktiv zu werden und den Einfluss von BAYER & Co. zu begrenzen.

KAPITAL & ARBEIT

Tarifverträge für 56 %
Nur bei 56 Prozent aller BAYER-Belegschaftsangehörigen ist ihr Entgelt durch Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen gesichert. Für Beschäftigte in Europa beträgt die Quote 88 Prozent, in Lateinamerika/Afrika/Nahost 42 Prozent, in der Asien/Pazifik-Region 18 Prozent und in Nordamerika 14 Prozent.

PRONOVA schluckt DER PARTNER
Mitte 2007 schloss sich BAYERs Betriebskrankenkasse mit der FORTISNOVA BKK zur PRONOVA BKK zusammen. Seither schluckt sie kleinere Kassen. So verleibte die PRONOVA sich bereits FORD & RHEINLAND und GOETZE & PARTNER ein. Und im April 2010 folgte schließlich DER PARTNER. Mit nunmehr 660.000 Versicherten gehört BAYERs ehemalige Versorgungseinrichtung mittlerweile zu den 25 größten Krankenkassen der Bundesrepublik.

Wenning verdient 3,57 Millionen
Im Krisenjahr 2009 hat BAYER-Chef Werner Wenning mit 3,57 Millionen Euro 90.000 Euro weniger verdient als 2008.

Vorstandsvergütung nicht populär
Den BAYER-AktionärInnen sind die hohen Bezüge des Vorstands nicht ganz geheuer. Während die Hauptversammlungen der anderen 29 Dax-Unternehmen die Gehälter der Chef-Etagen mit Zustimmungsraten von bis zu 99,93 Prozent absegneten, votierten beim Leverkusener Multi lediglich 95,25 Prozent für die Millionen-Gagen. Nur sieben Konzerne erzielten noch schlechtere Ergebnisse.

Pharma-Umstrukturierungen
Wirtschaftskreise üben seit längerem Kritik an der angeblich immer noch nicht abgeschlossenen Integration des 2006 gekauften Pharma-Riesen SCHERING in den BAYER-Konzern und machen „Doppelstrukturen und überflüssige Hierarchie-Ebenen“ aus. Das veranlasste den Leverkusener Multi jetzt zu Umstrukturierungen. So hat er bei BAYER SCHERING PHARMA die Geschäftsfelder Spezialmedizin und Diagnostik sowie Frauengesundheit und Allgemeinmedizin zusammengelegt. Die neue Abteilung „BAYER Medical Care“ soll vor allem den Absatz von Blutzucker-Messgeräten befördern, bei denen BAYERs Marktanteile massiv eingebrochen waren. Mit „Innovationen“ wie dem DIDGET (siehe PROPAGANDA & MEDIEN), computer-kompatiblen Apparaturen und Technologie-Partnerschaften bei Diagnostika-Neuentwicklungen will das Unternehmen verlorenes Terrain zurückerobern. Zudem hat der Global Player als neue Pharma-Führungsebene ein „Executive Committee“ eingeführt, das vor allem im angelsächsischen Raum verbreitet ist. „Es trifft die wichtigsten Entscheidungen, braucht aber anders als der Vorstand nicht dem Aufsichtsrat Rede und Antwort stehen“, benennt die Financial Times Deutschland die „Vorteile“. Die Zeitung gibt sich damit allerdings nicht zufrieden und erwartet vom neuen BAYER-Chef Marijn Dekkers eine umfassende Neu-Organisation der Sparte.

ERSTE & DRITTE WELT

BAYER & Co. bei Niebel
Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel betrachtet das Ministerium nicht länger als „Weltsozialamt“, sondern als Wirtschaftsförderungsamt. Deshalb hat er im März den „Bundesverband der Deutschen Industrie“ zu einem Roundtable-Gespräch eingeladen. „Dies ist der Beginn eines fortlaufenden Dialogs mit der Wirtschaft“, erklärte die Parlamentarische Staatssekretärin Gudrun Kopp und ließ keinen Zweifel daran, dass sie BAYER & Co. für die wahren EntwicklungshelferInnen hält. „Das Know-How deutscher Unternehmen wird in vielen Entwicklungsländern dringend gebraucht“, so Kopp. Auch der „Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft“ durfte bei Niebel schon vorsprechen. Der „Verband entwicklungspolitischer deutscher Nichtregierungsorganisationen“ kritisierte diesen Politikwechsel. Er verlangte, sich auf die Grundbedürfnisse der Menschen in den armen Ländern nach einer ausreichenden Gesundheits- und Nahrungsmittelversorgung zu konzentrieren statt auf die Grundbedürfnisse der bundesdeutschen Wirtschaft.

Neues Lateinamerika-Konzept
Die schwarz-gelbe Koalition hat ein neues Lateinamerika-Konzept erstellt, das ganz auf die Bedürfnisse von BAYER & Co. zugeschnitten ist. „Die Bundesregierung unterstützt die deutsche Wirtschaft bei der Erschließung des Potenzials Lateinamerikas. Sie misst der Beteiligung der Wirtschaft bei der Auswahl und Definition der Maßnahmen eine zentrale Rolle zu“, heißt es in dem Text.

Proteste gegen „Maiz Solidario“
Das Entwicklungshilfe-Programm „Maiz Solidario“ will Millionen Kleinbauern und -bäuerinnen der Chiapas-Region in den Genuss der industriellen Landwirtschaft bringen. Aber diese können auf Ackergifte und auf hybrides, also nicht für die Wiederaussaat geeignetes Saatgut sowie auf Genpflanzen gut verzichten. Deshalb protestieren sie gegen den Anschluss an den Agro-Weltmarkt mit all seinen negativen Folgen für die Nahrungssouveränität, die Gesundheit und die Umwelt.

Millionengeschäft mit der UNFPA
In seinem Nachhaltigkeitsbericht verbucht der Leverkusener Multi seine Kooperation mit dem „UN Population Fund“ (UNFPA) als zivilgesellschaftliches Engagement. Die Zusammenarbeit dient aber ausschließlich dem Zweck, neue Absatzmöglichkeiten für seine Kontrazeptiva zu finden. Die UN handelt nämlich immer noch nach der vom ehemaligen US-Präsidenten Lyndon B. Johnson formulierten Devise „Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar“ und verteilt unter den Armen der Welt Verhütungsmittel en masse. Deshalb hatte der seit 2006 zu BAYER gehörende SCHERING-Konzern schon früh entsprechende Kontakte geknüpft (SWB 4/06). Diese zahlen sich auch heute noch aus. Bei empfängnisverhütenden Mitteln steht der Pharma-Riese an der Spitze der UNFPA-Lieferliste; für 25 Millionen Dollar kauften die Vereinten Nationen 2009 in Leverkusen ein.

8.000 asiatische Versuchskaninchen
Der Leverkusener Multi verlegt immer mehr Medikamentenversuche in arme Länder. Dort locken ein großes Reservoir an ProbandInnen, unschlagbare Preise, schnelle Verfahren und eine mangelhafte Aufsicht (SWB 2-3/10). Allein in Asien setzen sich zur Zeit 8.000 Personen den Risiken und Nebenwirkungen von neuen BAYER-Arzneien aus.

POLITIK & EINFLUSS

Pott Kölner Hochschulrats-Vorsitzender
Der Leverkusener Multi hat mit der Kölner Universität im Jahr 2008 eine umfangreiche Forschungskooperation im Medizin-Sektor vereinbart, über deren genaue Modalitäten sowohl Hochschule als auch BAYER jede Auskunft verweigern (siehe AKTION & KRITIK). Die fürsorgliche Belagerung der Bildungseinrichtung durch den Multi spiegelt sich auch auf der Verwaltungsebene wider. So hat der Konzern-Manager Richard Pott den Vorsitz des Hochschulrats übernommen.

Konzerne starten Energie-Kampagne
Auf großflächigen Anzeigen haben BAYER-Chef Werner Wenning, EON-Vorstand Johannes Teyssen, Josef Ackermann von der DEUTSCHEN BANK und über 30 andere Manager die Energiepolitik der Bundesregierung angegriffen. Sie kritisierten geplante Maßnahmen wie die Brennelemente-Steuer und die Streichung der Ökosteuer-Ausnahmeregelungen für energie-intensive Branchen wie die Chemie und verlangten ein Bekenntnis zu Atom- und Kohlekraftwerken. „Damit die Preise für alle bezahlbar bleiben, können wir bis auf Weiteres nicht auf kostengünstige Kohle und Kernenergie verzichten“, schreiben die Bosse. Hauptsache billig, meinen sie also und nennen das „Mut zum Realismus“. Bei Zuwiderhandlungen drohen die Millionäre wieder einmal mit Unbill für den Standort Deutschland. Ursprünglich drohte auch Michael Vassiliadis von der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE mit. Aber dann fehlte sein Konterfei doch, wofür es unterschiedliche Erklärungen gibt. Laut Süddeutscher Zeitung hat der RWE-Vorstandsvorsitzende Jürgen Großmann den Gewerkschaftler ohne dessen Wissen zum Bundesgenossen gemacht und vom verdutzten ArbeiterInnen-Vertreter kurz vor Toresschluss eine Absage erhalten. Nach Informationen der Rheinischen Post hingegen zog Vassiliadis seine Unterschrift erst zurück, nachdem VERDI-Chef Frank Bsirske seine Teilnahme verweigert hatte, da der IG BCEler inner-gewerkschaftlichen Twist vermeiden wollte. Auch unter den Konzernen selber herrscht nicht immer solch eine traute Eintracht. So haben große Stromkunden wie BAYER wegen der hohen Abgabe-Preise immer wieder mit den Strom-Anbietern gehadert und sogar Anspruch auf Teile des Extra-Profites von 66 bis 84 Milliarden Euro erhoben, den die AKW-Laufzeitverlängerung RWE & Co. in die Kassen spült (Ticker 2-3/10).

BAYER & Co. gegen Finanzmarkt-Reformen
Auch BAYER nutzt die umstrittenen Instrumente, die der Finanzmarkt bietet. So hat der Konzern Geld in Derivaten angelegt, die eine Art Wette auf Preissteigerungen oder -senkungen von Rohstoffen, Aktien, Währungen, Zinsen oder aber von Derivaten selber sind. Der Leverkusener Multi weist dabei das Motiv „Spekulation“ weit von sich. „Derivate Finanzinstrumente werden dabei fast ausschließlich zur Absicherung von gebuchten und geplanten Transaktion abgeschlossen“, heißt es im Geschäftsbericht. Aber die Interessen der SpekulantInnen sind auch die Interessen BAYERs. Darum hat der Leverkusener Multi in Tateinheit mit BMW, DAIMLER, ROLLS ROYCE und anderen Unternehmen an die EU appelliert, den Derivate-Markt nicht zu regulieren. Die Konzerne rechnen damit, im Falle einer solchen Reform nicht mehr so schnell an Finanzierungsmöglichkeiten zu kommen wie ihre US-amerikanische Konkurrenz und befürchten Wettbewerbsnachteile. In ihrer Eingabe sprechen sie allerdings nicht nur pro domo, sondern haben das große Ganze im Blick und entwerfen ein Horrorszenario. „Statt die nächste Krise zu verhindern, könnten sie die nächste Krise auslösen“, mit diesen Worten warnen BAYER & Co. die EU-Kommission vor strengeren Finanzcasino-Spielregeln.

Aus für Ökosteuer-Ausnahmen?
Die strom-intensivsten Branchen wie z. B. die Chemie-Industrie müssen relativ gesehen am wenigsten Ökosteuer zahlen. Nach erfolgreichen Interventionen von BAYER & Co. hatte die rot-grüne Koalition ihnen 1999 bei der Verabschiedung des Gesetzes großzügige Ausnahmeregelungen eingeräumt, die den Konzerne bis zu neun Milliarden Euro ersparen. Diese Subventionen will Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble jetzt um 2,5 Milliarden abbauen, was einen Sturm der Entrüstung auslöste. „Was da im Bundesfinanzministerium geplant wird, ist ein Anschlag auf Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze dieser Branchen“, sagte nicht etwa BAYER-Chef Werner Wenning, sondern Michael Vassiliades von der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE. Aber selbstverständlich kritisierten auch Chemie-Bosse das „Gesetz zur Reduzierung der Subventionen der ökologischen Steuerreform“. Von „Gift für den Aufschwung“ sprachen sie - und werden sicherlich auch erhört werden.

CDU-Wirtschaftsrat für Sozialkürzungen
Der Wirtschaftsrat der CDU, bei dem Wolfgang Große Entrup genauso wie bei BAYER für die Umweltpolitik zuständig ist, hat massive Kürzungen im Sozial- und Gesundheitsbereich gefordert. Im Etat von Ursula von der Leyen sieht er ein Einsparpotenzial von 40 Milliarden Euro. Das Budget ihres Kollegen Philipp Rösler will das Gremium durch eine forciertere Abwicklung des paritätisch von Beschäftigten und Unternehmern finanzierten Krankenversicherungssystems und die Ausklammerung der Zahnbehandlungskosten aus dem Erstattungskatalog der Krankenkassen entlasten.

Obamas Klimaschutz-Politik scheitert
Barack Obama trat mit einer ehrgeizigen Klima-Politik an. So wollte er die US-amerikanischen Kohlendioxid-Emissionen gegenüber 2005 um 17 Prozent reduzieren und einen den Ausstoß senkenden Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten einführen. Aber BAYER & Co. liefen Sturm gegen die angeblich gerade in Krisenzeiten kontraproduktive „Klima-Steuer“ und setzten sich durch. Erst änderten die DemokratInnen ihren Gesetzes-Entwurf, strichen die Passagen über Kohlendioxid-Obergrenzen und den Emissionshandel, dann gaben sie das Projekt im Juli 2010 schließlich ganz auf. „Wir wissen, dass wir nicht genug Stimmen haben“, so Harry Reid, der Fraktionsvorsitzende der DemokratInnen im Senat, zur Begründung.

BDI gegen EU-Klimaschutzpläne
8,1 Millionen Tonnen Kohlendioxid hat BAYER im Geschäftsjahr 2009 produziert. Um den Klimawandel nicht werter zu befördern, müsste der Konzern seinen Ausstoß drastisch reduzieren. Das jedoch lehnt er ab. In Tateinheit mit den anderen im „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI) organisierten Unternehmen sprach sich der Leverkusener Multi gegen Pläne europäischer UmweltministerInnen aus, die Treibhausgas-Emissionen innerhalb der EU bis zum Jahr 2020 nicht mehr nur um 20 Prozent, sondern um 30 Prozent zu senken. „In Zeiten, in denen ganze Branchen schwerer zu kämpfen haben denn je zuvor, gefährdet jede zusätzliche Belastung den Aufschwung“, ließ der BDI verlauten.

BDI für Steuerentlastungspläne
Der „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI) hat sich mit dem Steuerrecht befasst und nicht weniger als 170 Vereinfachungsvorschläge eruiert. Selbstverständlich geht es dabei überhaupt nicht um eine Senkung der Abgabe-Lasten, sondern nur um eine „Reduzierung unnötiger Bürokratie“. Als zu bürokratisch empfinden BAYER & Co. etwa die Steuern auf Verlagerungen von Betriebsteilen ins Ausland und das mit Steuer-Paradiesen wie Singapur vereinbarte Anrechnungsverfahren, das die dortigen Sätze auf das bundesdeutsche Niveau hebt (siehe auch RECHT & UNBILLIG).

BAYER spendet an UN
Mit BAYER, DAIMLER/CHRYSLER, SHELL und 47 anderen Global Playern unterzeichnete UN-Generalsekretär Kofi Annan Ende Juli 2000 in New York den „Global Compact“, eine unverbindliche Vereinbarung zur Umsetzung internationaler Menschenrechts-, Sozial- und Umweltstandards (Ticker 4/00). Im Gegenzug berechtigt die Unterschrift BAYER & Co., mit dem UN-Emblem für Konzern-Produkte zu werben. Das lassen die Unternehmen sich auch etwas kosten. 1,7 Millionen Dollar spendeten sie im Jahr 2009 dem „Global Compact“ für seine diversen Projekt. BAYER fand sich in der Gruppe der Konzerne, die 1.000 bis 5.000 Dollar gaben. Solch einen Wohltäter möchte die UN nicht verlieren. Während sie bereits 1.300 Firmen wegen Verstoßes gegen den Werte-Kanon ausschloss, weigert sie sich bisher standhaft, einer Forderung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN nachzugeben und dem Leverkusener Multi wegen des Störfalls in Institute und dem nachfolgenden desaströsen Katastrophen-Management die Rote Karte zu zeigen (Ticker 1/10).

Lobbyismus als Dienstleistung
In wichtigen Hauptstädten wie Berlin, Brüssel, Washington und Peking unterhält der Leverkusener Multi mittlerweile so genannte Verbindungsbüros. „Wir bei BAYER verstehen uns als Bestandteil der Gesellschaft und sehen es daher als unsere Pflicht, uns in die gesetzgeberischen Entscheidungsprozesse einzubringen“, sagt der Vorstandsvorsitzende Werner Wenning zur Begründung. Und seine oberste Einbringerin in Berlin, Patricia Solaro, betrachtet sich nicht als schnöde Lobbyistin; ihrem Verständnis nach hat sie eine Service-Funktion. „Wir sind Dienstleister für die Politiker, das bedeutet, wir müssen komplexe Sachverhalte aus den Bereichen ‚Pharma‘, ‚Gesundheit‘ und ‚Chemie‘ verständlich darstellen“. Im Moment gibt die Dame den Abgeordneten Nachhilfe in „steuerlicher Forschungsförderung“ (s. u.), „Bildungsförderung“ und „Ordnungspolitik“.

BAYERs Beitrag
„Mit dem BAYER-Politikbrief ‚Beitrag‘ bringen wir unsere Expertise in die politische Debatte in Deutschland ein“, so charakterisiert der Leverkusener Multi Sinn und Zweck seiner neuen Publikation, die sich an „politische Entscheider auf Bundes- und Landesebene sowie Wissenschaft, Wirtschaft und Medien“ wendet. Die neueste Ausgabe ist dem derzeitigen politischen Lieblingsthema des Konzerns, der steuerlichen Absetzbarkeit von Forschungsaufwendungen, gewidmet. BAYER-Vorstand Wolfgang Plischke zeigt den PolitikerInnen dort auch gleich, wie es gehen kann, und „entwirft eine steuerliche Förderung für Deutschland“. Um seinen Worten Gehör zu verschaffen, hat der Konzern sich prominenten Beistandes versichert. Jürgen Mlynek von der Helmholtz-Gesellschaft, der österreichische Finanzminister Josef Pröll und Christof Ernst und Friedrich Heinemann vom „Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung“ unterstützten BAYERs dreistes Subventionsbegehr.

BAYERs Lobby-Akademie
2009 hat BAYER in Kooperation mit dem „European Training Institute“ die „Brussels Academy“ gegründet. Die Einrichtung hat es sich zur Aufgabe gemacht, in Schulungskursen Lobby-Techniken zu vermitteln. Zudem will sie „die Lücke zwischen Unternehmen und der Zivilgesellschaft“ schließen und baut zu diesem Zweck Beziehungen mit Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und VerbraucherInnen-Organisationen auf. Der WORLD WILDLIFE FUND (WWF) ist dem Leverkusener Multi schon ins Netz gegangen und bereitet für den „Civil Society Council“ eine Diskussionsrunde zum Thema „Wissenschaft und Regulierungen“ vor.

Bund gründet Rohstoffagentur
Die Versorgung mit Öl und anderen zur Neige gehenden Rohstoffen bereitet BAYER & Co. zunehmend Sorge, weshalb ihr Druck auf die Politik zunimmt, die Ressourcen-Versorgung sicherzustellen (SWB 1/10). Um dies besser gewährleisten zu können, hat die Bundesregierung im Juni 2010 die „Deutsche Rohstoffagentur“ gegründet.

Tajani besucht BAYER
Der EU-Kommissar für Unternehmen und Industrie, Antonio Tajani von Berlusconis rechtspopulistischem „Haus der Freiheiten“, besuchte im März 2010 den BAYER-Stammsitz Leverkusen. „BAYER macht in der Unternehmensphilosophie und in den Produkten ein starkes Engagement für Innovation und Nachhaltigkeit deutlich“, zeigte sich der Politiker beeindruckt. In Begleitung des alten BAYER-Bekannten Herbert Reul (CDU), der dem EU-Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie vorsitzt, erörterte Tajani mit Vorständler Wolfgang Plischke und anderen Managern Brüssels neue Industriepolitik-Strategie „Europa 2020“ sowie BAYERs Lieblingsthemen „Patentschutz“ und „Steuererleichterungen für Forschungsleistungen“.

Shouwen Wang besucht Chemie„park“
Im letzten Jahr haben die BAYER-Chemie„parks“ in Leverkusen, Dormagen und Krefeld ein Kooperationsabkommen mit einem chinesischen Pendant, dem „Nanjing Chemical Industry Park“ geschlossen und einen Informationsaustausch, gemeinsame Weiterbildungsaktivitäten sowie eine Überlassung von Beschäftigten vereinbart. Im Rahmen dieses „Joint Ventures“ besuchte der Nanjinger Bürgermeister Shouwen Wang im April 2010 mit zehn chinesischen Managern den Leverkusener Chemie„park“. Gastgeschenke wie Ansiedlungsversprechen chinesischer Betriebe hatte er allerdings nicht im Gepäck.

Schmitt im Dormagener Stadtrat
Bernhard Schmitt ist nicht nur der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende von CURRENTA, dem Gemeinschaftsunternehmen von BAYER und seiner Chemie-Abspaltung LANXESS, er gehört auch dem Dormagener Stadtrat an und sitzt dort der SPD-Fraktion vor.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER sponsert Kindertheater-Projekt
Im Rahmen des „social sponsoring“ arbeitet der Leverkusener Multi seit längerem mit dem Kinderhilfswerk „Die Arche“ zusammen, das der evangelikalen „Deutschen Evangelischen Allianz“ angehört. Als neuestes Projekt fördert BAYER ein Theater-Angebot für 100 Kinder.

Biodiesel-PR in rumänischer Zeitung
Nicht nur die Sindelfinger Zeitung hat einen PR-Text von DAIMLER, der ein gemeinsam mit BAYER durchgeführtes Biodiesel-Projekt in den höchsten Tönen lobt, ohne Verweis auf die Quelle abgedruckt und ihm dadurch journalistische Weihen verliehen, was der Publikation dank der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN eine Rüge des Presserates einbrachte (SWB 2-3/10). Auch das rumänische Blatt Curierul National hat sich für diese Schleichwerbung hergegeben.

500 Millionen Pfund für Pillenwerbung
Für Pillenwerbung in Europa, Asien und Lateinamerika gibt BAYER jährlich 500 Millionen Pfund aus. Die USA einbezogen, dürfte noch einmal ein erkleckliches Sümmchen dazukommen. Dort ist nämlich Reklame für verschreibungspflichtige Medikamente erlaubt.

BAYER VITAL stockt Werbeetat auf
BAYER VITAL, die für rezeptfreie Arzneien zuständige Abteilung des Leverkusener Multis, hat im letzten Jahr nach Angaben des Fachmagazins Horizont 51,9 Millionen Euro für Reklame ausgegeben, fast 8,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Nur KLOSTERFRAU und BOEHRINGER INGELHEIM investierten mehr. TV-Werbung und Anzeigen in Publikumszeitschriften schlucken dabei den Löwen-Anteil des Etats. Immer größere Summen fließen jedoch ins Internet. Der Leverkusener Multi platziert fleißig Banner im Umfeld von Gesundheitswebseiten und sorgt dafür, dass GOOGLE vornehmlich BAYER findet. „Suchmaschinen-Marketing“ heißt das im Fachjargon.

Spielend den Blutzucker messen
BAYER will junge DiabetikerInnen mit dem Blutzucker-Messgerät DIDGET zur regelmäßigen Blutkontrolle anregen. Zu diesem Zweck enthält es ein extra für diese Altersgruppe unter den Blutzucker-Kranken entwickeltes Spiel, das NINTENDO-kompatibel ist und für gute Werte und regelmäßige Blutzucker-Checks Bonus-Punkte vergibt.

Ferien bei BAYER
Wenn das keine Alternative zu Sommer, Sonne & Strand ist: „Pünktlich zum Ferien-Start öffnet BAYER CROPSCIENCE für jugendliche Naturwissenschaftsfans sein Schülerlabor „Baylab Plants“, vermeldet die Rheinische Post. Und es haben sich wirklich ein paar Sonnen-AllergikerInnen gefunden, die es auch sonst nicht so mit der Natur haben und meinen, ihr auf die Sprünge helfen zu müssen, indem sie am Erbgut von Pflanzen herumdoktorn und etwa versuchen, Raps zu „verbessern“, damit er als Biokraftstoff besser in die Tanks passt. Über die Risiken und Nebenwirkungen des Agro-Sprits wie die Gefährdung der Ernährungssicherheit durch das Verdrängen von Anbaufläche für Nahrungsmittel-Grundstoffe erfuhren die SchülerInnen während ihrer „Betriebsferien“ natürlich nichts.

TIERE & ARZNEIEN

USA schränken Antibiotika-Gaben ein
BAYERs Geschäft mit dem Tier-Antibiotikum BAYTRIL (Wirkstoff: Fluorchinolon) läuft prächtig. Die ZüchterInnen verabreichen es ihrem Vieh nämlich nicht nur im Krankheitsfall, sondern routinemäßig zur Mast. Die massenhafte Gabe von Antibiotika in der Massentierhaltung birgt allerdings große Gefahren, denn Krankheitskeime können Resistenzen gegen die Mittel ausbilden und - wenn sie in den Nahrungskreislauf gelangen - z. B. schwere Magen/Darm-Infektionen auslösen, gegen die Human-Antibiotika auf Fluorchinolon-Basis wie BAYERs CIPROBAY dann machtlos sind. Aus diesem Grund hat die US-amerikanische Gesundheitsbehörde jetzt die Empfehlung ausgesprochen, BAYTRIL & Co. nur noch bei Gesundheitsschädigungen zu verabreichen.

DRUGS & PILLS

140 YASMIN-Tote
Nach Recherchen des schweizer TV-Magazins 10vor10 hat BAYERs Antibaby-Pille YASMIN in den USA den Tod von 140 Frauen verursacht; YAZ ist für weitere 50 Sterbefälle verantwortlich. 10.000 Spontanmeldungen über unerwünschte Nebenwirkungen von Kontrazeptiva gingen bei der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA binnen der letzten zehn Jahre ein. In der Bundesrepublik starben alleine im letzten Jahr fünf Personen an den Nebenwirkungen von BAYERs Verhütungsmitteln. Für die Pharma-Riesen ist das kein Grund zur Beunruhigung. Spontanmeldungen hätten keine Aussagekraft, wenn es um das Risiko eines Medikamentes ginge, wiegelten die Pillen-Produzenten gegenüber 10vor10 ab und hielten weiter am positiven Nutzen/Risiko-Profil ihrer Produkte fest.

YAZ gegen Regelschmerzen
Ungeachtet der schweren Nebenwirkungen von YASMIN und YAZ (s. o.) sucht BAYER neue Anwendungsmöglichkeiten für die Pillen, da ihr Patent ausgelaufen ist und Nachahmer-Präparate auf den Markt drängen. So hat der Leverkusener Multi in Japan eine Zulassung für YAZ als Mittel zur Behandlung von Regelschmerzen erhalten.

Krebs durch KINZAL?
BAYERs KINZAL (Wirkstoff: Telmisartan) und andere Bluthochdruck-Medikamente aus der Gruppe der Angiotensin-Antagonisten können das Krebsrisiko erhöhen. Das ergab eine Studien-Auswertung der „Case Western Reserve University“ unter Leitung von Ilke Sipahi. Bei ProbandInnen, die Angiotensin-Antagonisten einnahmen, bildeten sich deutlich mehr Tumore heraus als bei Testpersonen, die Betablocker, ACE-Hemmer oder Placebos schluckten. „Als beunruhigend und provokativ“, bezeichnete der Kardiologe Steven Nissen von der „Cleveland Clinic“ die Ergebnisse. Er vermutet, dass diese „Nebenwirkung“ schon in den Klinischen Prüfungen auftrat und fordert BAYER & Co. auf, die entsprechenden Unterlagen öffentlich zu machen.

Gelenk-Probleme durch ADALAT
Blutdruck-Senker aus der Gruppe der Kalzium-Antagonisten wie die BAYER-Mittel ADALAT und BAYMYCARD führen zu Wasserablagerungen und können so - trotz parallel eingenommener Entwässerungsmittel - Arthrosen in den Gelenken verschlimmern und die Herausbildung von offenen Stellen im Knöchelbereich befördern.

XARELTO bei Thrombosen?
Während die US-Behörden immer noch zögern, dem BAYER-Medikament XARELTO die Genehmigung zu erteilen, weil von ihm ein erhöhtes Risiko für Gefäß-Verschlüsse, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden ausgeht und seine Langzeitwirkung nicht geklärt ist, gab die EU bereits 2009 grünes Licht. Sie ließ die Arznei mit dem Wirkstoff Rivaroxaban zur Thrombose-Vorbeugung bei schweren orthopädischen Operationen zu. Das reicht dem Leverkusener Multi jedoch nicht. Er möchte das Mittel nur allzu gerne als allgemeines Thrombose-Therapeutikum einsetzen und führt auch entsprechende Versuche durch. Im August vermeldete der Konzern einen durchschlagenden Erfolg, woraufhin der Unternehmenswert an den Börse gleich um zwei Milliarden Euro auf 40 Milliarden Euro stieg. Bei Licht besehen bleibt von dem blendenden Resultat allerdings nicht viel übrig, denn die Latte hing nicht sehr hoch. Die Studie war laut BAYER nämlich nur darauf ausgelegt, „bei mehr als 3.400 teilnehmenden Patienten nachzuweisen, dass Rivaroxaban der Vergleichsmedikation nicht unterlegen ist“. Dieses Klassenziel hat XARELTO erreicht, weshalb auf die Krankenkassen in Kürze wieder ein klassisches „Me too“-Produkt zukommen dürfte.

Kein ASPIRIN bei Hautkrebs
Nach einer Studie des australischen „Queensland Institute of Medical Research“ von 2006 senkt BAYERs ASPIRIN die Gefahr, an Hautkrebs zu erkranken. Eine neue Untersuchung, welche die Fachzeitschrift Archives of Dermatology veröffentlichte, bestätigte diesen Befund allerdings nicht. Sie konnte keinen Zusammenhang zwischen der Einnahme von ASPIRIN und einem verminderten Hautkrebs-Risiko erkennen.

Starke VIADUR-Nebenwirkungen
Mehrere Studien haben gefährliche Nebenwirkungen von BAYERs VIADUR und anderen Medikamenten zur Prostatakrebs-Behandlung festgestellt, die mittels Hormonen für eine Schrumpfung der Prostata-Drüse sorgen. Den WissenschaftlerInnen zufolge führten diese Arzneien zu Todesfällen, Herzinfarkten, Schlaganfällen oder Diabetes. Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA kündigte daraufhin genauere Untersuchungen an.

Warnung vor Testosteron-Pillen
Mit großer Anstrengung arbeitet der Leverkusener Multi daran, die „Männergesundheit“ als neues Geschäftsfeld zu etablieren und seinen Potenzpillen und Hormon-Präparaten neue und nur selten zweckdienliche Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. So hat er die Krankheit „Testosteron-Mangel“ erfunden, um seine Hormon-Pillen an den Mann zu bringen, obwohl die Testosteron-Werte von Männern ab 40 nur um ein bis zwei Prozent pro Jahr sinken. Das englische Fachmagazin Drug and Therapeutics Bulletin hat MedizinerInnen jetzt eindringlich davor gewarnt, sich in die Werbe-Maßnahmen einbinden zu lassen. Wegen Nebenwirkungen wie Prostata-Krebs, Harntrakt-Schädigungen oder Brust-Wachstum riet die Publikation zu äußerster Vorsicht beim Verschreiben der Mittel.

BAYER & Co. bezahlen ÄrztInnen
Nach einer Umfrage der Universität Mainz unter ÄrztInnen erhielt im Jahr 2007 jeder zweite der Befragten Zahlungen von der Pharma-Industrie. BAYER & Co. honorierten vor allem die als Wissenschaft getarnten Anwendungsbeobachtungen von Medikamenten, die nur dem Zweck dienen, die PatientInnen auf das getestete Präparat umzustellen. Aber auch für BeraterInnen-Tätigkeiten, Vorträge oder Aufsätze in Fachzeitschriften investierten die Konzerne Geld.

Russland reguliert Pharma-Markt
BAYER ist die Nummer fünf auf dem russischen Pharma-Markt. In Zukunft dürfte der Rubel aber nicht mehr so rollen. Die Regierung will nämlich die Preise regulieren und dabei den einheimischen Pillen-Unternehmen Wettbewerbsvorteile verschaffen. Den Global Playern bleibt also nur, künftig vor Ort zu produzieren oder aber Allianzen mit russischen Firmen einzugehen.

Chinas Pharma-Markt wächst
China eifert den USA nach und integriert mehr Menschen in das Krankenversicherungssystem. Dem Leverkusener Multi wachsen so 200 Millionen neue KundInnen zu, die der Konzern binnen der nächsten fünf Jahre mit 20 neuen Arzneien begrüßen will. Der Chef von BAYERs chinesischer Pharma-Sparte, Chris Lee, rechnet mit einem Pillen-Markt, dessen Volumen sich von heute bis zum Jahr 2020 fast um das Zehnfache auf 220 Milliarden Dollar vergrößern wird.

Indiens Pharma-Markt wächst
Der Leverkusener Multi rechnet mit stark wachsenden Pillen-Umsätzen in Indien. Bei Steigerungsraten von jährlich 14 Prozent prognostiziert der Konzern für 2012 ein Markt-Volumen von 82 Milliarden Dollar (2007: 42 Milliarden). Darum hält er nach günstigen Zukäufen Ausschau und verdreifacht die Zahl seiner Pharma-ReferentInnen.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Endgültiges Aus für Tolylfluanid
Vor drei Jahren hatte das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ (BVL) die Zulassung für BAYERs Pestizid-Wirkstoff Tolylfluanid ausgesetzt, den der Agro-Riese unter den Produkt-Namen EUPAREN M WG, FOLICUR EM und MELODY MULTI vermarktet (Ticker 2/07), da die Substanz bei der Trinkwasser-Aufbereitung ultragiftige Stoffe bilden kann. Benutzen die Wasserwerke bei der Reinigung nämlich Ozon, so kann es mit einem Abbauprodukt von Tolylfluanid reagieren und auf diesem Weg das gesundheitsgefährdende Nitrosamin produzieren. Diese Sachlage bewog die EU jetzt, die Agro-Chemikalie ganz zu verbieten.

Aldicarb raus aus USA
Das BAYER-Pestizid Aldicarb, vermarktet unter dem Namen TEMIK, gehört als Organophosphat zur Gefahrenklasse 1a - und damit zur höchsten. Die EU hat das Ackergift deshalb schon im Jahr 2007 aus dem Verkehr gezogen, wogegen der Leverkusener Multi sich mit Händen und Füßen gewehrt hatte. Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA sieht jetzt ebenfalls Handlungsbedarf, weil die Agro-Chemikalie die Lebensmittel-Sicherheit gefährdet. Sie gewährte dem Agro-Riesen jedoch noch eine Gnadenfrist bis Ende 2014.

Alt-Pestizide in Nepal
In den vergangenen Jahrzehnten haben die Agro-Multis - gefördert von „Entwicklungshilfe“-Programmen - „Drittweltländer“ großzügig mit Ackergiften versorgt. Die Folge: Nach Schätzungen der Welternährungsorganisation der UN lagern dort über eine halbe Million Tonnen Alt-Pestizide, schlecht gesichert in lecken Behältern, zerrissenen Tüten und geplatzten Säcken. Altlasten made by BAYER sind nach GREENPEACE-Angaben in rund 20 Ländern vertreten. Unter anderem auch in Nepal. Vor neun Jahren begann die Umweltorganisation dort, Bestände zu sichern (SWB 4/01). Methyl Parathion, Solbar und Quecksilberchlorid aus den Werken des Leverkusener Multis verpackten die Umweltschützer zusammen mit Ackergiften anderer Firmen transportfertig in Spezialfässer. Aber immer noch ticken in dem Land chemische Zeitbomben. Im Moment setzt gerade die Asien-Sektion des PESTIZID-AKTIONS-NETZWERKs (PAN) die Arbeit von GREENPEACE fort und füllt Agro-Chemikalien von BAYER & Co. in dickwandige Behältnisse um.

Weniger Pestizide verkauft
Im Jahr 2009 schlug die Wirtschaftskrise auch auf den Pestizid-Markt durch, der um ca. zehn Prozent auf 37,7 Milliarden Dollar schrumpfte. Die Erlöse von BAYER CROPSCIENCE vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen gingen deshalb um 5,9 Prozent auf 1,5 Milliarden Euro zurück.

GAUCHO & Co. noch gefährlicher
Eine Untersuchung des niederländischen Toxikologen Dr. Henk Tennekes stellt den beiden Pestizid-Wirkstoffen Imidacloprid (enthalten in BAYERs GAUCHO) und Thiacloprid (Produktname: PROTEUS) ein noch schlechteres Gesundheitszeugnis aus als frühere Studien. „Das Risiko von Pestiziden wie Imidacloprid und Thiacloprid wird wahrscheinlich enorm unterschätzt, besonders für Wasserlebewesen und Bodenorganismen. Die bislang gültigen Grenzwerte wurden weitgehend aus Kurzzeit-Tests abgeleitet. Würde man Langzeit-Versuche durchführen, könnten schon bei wesentlich geringeren Konzentrationen verheerende Schäden auftreten. Damit kann erklärt werden, wieso schon geringe Mengen Imidacloprid längerfristig Bienensterben verursachen können“, so der Wissenschaftler. Der Wissenschaftler zeigte sich äußerst besorgt über die hohen Ackergift-Konzentrationen in Oberflächen-Gewässern. So ergaben Messungen der niederländischen Umweltbehörde Imidacloprid-Belastungen weit oberhalb des EU-Grenzwertes für Trinkwasser von 0,1 µg/l pro Liter (µg/l): Bis zu 320 Mikrogramm pro Liter wiesen die BeamtInnen nach.

BAYER kritisiert Pestizid-Gesetz
Im Jahr 2009 hat die EU eine strengere Pestizid-Verordnung verabschiedet. Nach der neuen Regelung erhalten mit Glufosinat, Carbendazim, Mancozeb, Tebuconazole, Bifenthrin und Thiacloprid sechs Wirkstoffe, die auch in BAYER-Mitteln enthalten sind, keine Zulassung mehr. Der Leverkusener Multi ist darüber not amused. Er wirft der Europäischen Union eine „Überinterpretation des Vorsorge-Prinzips“ vor und sieht die Produktivität der Landwirtschaft wegen angeblichen Giftmangels schwinden.

Krebs durch BAYGON
In der Chiapas-Region hat die indigene Bevölkerung 2004 BAYERs Agrochemikalie BAYGON (Wirkstoff: Lindan) dazu benutzt, um die Kopfläuse ihrer Kinder zu behandeln, was zu einer deutlich gestiegenen Krebsrate geführt hat.

Bauernsterben durch Endosulfan
Jahrelang hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN den Leverkusener Multi aufgefordert, den in der Bundesrepublik schon längst verbotenen besonders gefährlichen Pestizid-Wirkstoff Endosulfan auch in anderen Ländern nicht mehr zu vertreiben. Im letzten Jahr erklärte sich der Konzern endlich dazu bereit (SWB 3/09). Aber vorher gab es noch einmal eine Überdosis Chemie. Das Unternehmen warf alle Restbestände auf den Markt, was zu hohen Belastungen führte. Besonders hart traf es brasilianische Bio-LandwirtInnen. Ihre Soja-Ernte weist so große Endosulfan-Rückstände auf, dass sie unverkäuflich ist. 300 Bauern und Bäuerinnen droht deshalb die Pleite.

Moskito-Netze mit Deltamethrin
BAYER hat Moskito-Netze entwickelt, in deren Fasern der Pestizid-Wirkstoff Deltamethrin eingearbeitet ist. Das soll die Mücken, die Malaria übertragen, unschädlich machen. Allerdings bergen die „Life-Nets“ mit ihrem nicht abgeschirmten textilen Gift-Reservoir auch selber Gesundheitsgefahren, besonders für Kinder.

Pyrethroide im Blut
Eine neue US-amerikanische Untersuchung stellte eine hohe Belastung der Bevölkerung durch Insektizide auf Pyrethroid-Basis fest. So fanden sich in 70 Prozent der Urin-Proben Spuren von Mitteln wie BAYERs BAYTHROID oder BULLDOCK; bei Kindern waren die Konzentrationen besonders hoch. Welche Gesundheitsgefahr von den Stoffen ausgeht, legte 2008 eine Studie der US-amerikanischen Umweltbehörde EPA dar (Ticker 3/08). Die Expertise machte die Pyrethroide für 20 Todesfälle und 22.500 zum Teil schwerwiegende Vergiftungen zwischen 1997 und 2007 verantwortlich.

ADHS durch Pestizide?
Eine neue Untersuchung von Maryse F. Bouchard und anderen ForscherInnen hat einen Zusammenhang zwischen erhöhter Pestizid-Belastung und der Anfälligkeit für die Aufmerksamkeitsdefizit-Störung ADHS festgestellt. So erhöht sich für Kinder mit auffälligen Agrochemie-Konzentrationen im Urin die Gefahr, an ADHS zu erkranken, um mehr als 50 Prozent.

Chlorpyrifos-Belastungen in Ägypten
Pestizide sind Nervengifte und können deshalb neurologische Gesundheitsschäden verursachen. Solche weisen nach einer neuen Untersuchung Beschäftigte im ägyptischen Baumwollanbau auf. Die ForscherInnen führten das auf den Pestizid-Wirkstoff Chlorpyrifos zurück, der auch in den BAYER-Produkten BLATTANEX, PROFICID und RIDDER enthalten ist. Die Chlorpyrifos-Werte der LandarbeiterInnen überschritten die Hintergrund-Belastung der US-Bevölkerung um das 1.300fache.

GENE & KLONE

LIBERTY ist überall
BAYERs genmanipulierter Raps LIBERTY LINK, der gegen das Unkrautmittel Glufusinat immun ist, hat sich in den USA weitflächig ausgekreuzt. An Straßenrändern weitab von den Gentech-Feldern untersuchten ForscherInnen 406 wild wachsende Rapspflanzen, und in nicht weniger als 347 von ihnen stießen sie auf Resistenzen gegen Glufosinat und/oder MONSANTOs Glyphosat. Vor solch einer unkontrollierten Ausbreitung hatten Gentechnik-GegnerInnen immer wieder gewarnt, aber Wirtschaft und Politik blieben tatenlos.

Kein Genreis in Brasilien
Im Jahr 2006 war gentechnisch veränderter Langkorn-Reis von BAYER weltweit in Supermärkten aufgetaucht, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch nirgendwo eine Zulassung vorlag. Damit verursachte der Leverkusener Multi den größten Gen-Gau der Nuller-Jahre. Trotzdem hält er unverdrossen an seinem Labor-Reis fest. In Brasilien musste der Konzern sich jetzt aber dem Widerstand von LandwirtInnen, VerbraucherInnen und UmweltschützerInnen beugen: Er zog wegen der „Notwendigkeit, den Dialog mit den Hauptbeteiligten der Reis-Produktionslinie in Brasilien zu erweitern“ den Genehmigungsantrag für die gegen das hochgefährliche Herbizid Glufosinat (Produktname: LIBERTY) resistente Sorte „LL62“ vorerst zurück.

Abkommen mit SYNGENTA
Der Leverkusener Multi kann seine Baumwoll-Pflanzen bald mit neuen Genen bestücken. Er hat von SYNGENTA eine Lizenz zur Nutzung zweier Proteine erworben, die gegen den Baumwollkapselbohrer und die Tabakknospen-Eule wirken sollen.

Mehr Schadinsekten durch Bt-Pflanzen
BAYER & Co. bauen in ihre Laborfrüchte gern das Gift-Gen des Bacillus thuringiensis ein, um Schadinsekten zur Strecke zu bringen. Nach einer Langzeit-Studie chinesischer WissenschaftlerInnen sieht die Bilanz allerdings nicht so gut aus. Die ForscherInnen untersuchten Felder mit Bt-Baumwolle und stellten zwar eine abnehmende Zahl von Maiszünslern fest, dafür aber eine Zunahme von Weichwanzen und anderen Organismen.

Gen-Versuche im Müritzkreis
Im Müritzkreis, wo jetzt Freisetzungsversuche mit der BASF-Kartoffel AMFLORA stattfinden, haben nach Informationen der BI MÜRITZREGION - GENTECHNIKFREI WissenschaftlerInnen in der Vergangenheit auch gentechnisch manipulierte Raps- und Kartoffelsorten von BAYER getestet.

Kein NEXAVAR bei Lungenkrebs
BAYERs extrem teure und das Leben von Nieren- und Leberkrebs-PatientInnen nur minimal verlängernde Gentech-Arznei NEXAVAR (siehe auch SWB 4/10) scheitert bei immer mehr Versuchen, das Anwendungsspektrum zu erweitern. Nach negativ verlaufenden Tests bei Haut- und Bauchspeicheldrüsenkrebs kam jetzt auch das Aus bei Lungenkrebs.

WASSER, BODEN & LUFT

Pestizide belasten Gewässer
Dem Bewirtschaftungsplan des Landes Nordrhein-Westfalen für seine Gewässer zufolge belasten Pestizide die Flüsse immer noch massiv. Zahlreiche Pestizid-Wirkstoffe, die auch in BAYER-Ackergiften enthalten und teilweise gar nicht mehr zugelassen sind, verletzten die Umweltqualitätsnorm. So überschritten die Werte für Endosulfan, Diuron, Dichlorprop, Fenthion, MCPA, Mecoprop, Diazinon und Glyphosat mehrmals im Jahr das Limit. Diese Belastungssituation entspricht nicht den Vorgaben der EU-Wasserrahmenrichtlinie. Deshalb will die Politik auch auf Zeit spielen und die Umsetzung verzögern. „Viele Maßnahmenträger haben bei genereller Zustimmung zu den Bewirtschaftungszielen Finanzierungs - und Planungsvorbehalte vorgetragen“, heißt es in dem noch von Umweltminister Eckhard Uhlenberg verantworteten Bericht, weshalb „Fristverlängerungen vorgesehen sind“.

Bisphenol A belastet den Rhein
BAYER ist einer der größter Hersteller der Industrie-Chemikalie Bisphenol A, die unter anderem in Baby-Flaschen und Konservendosen Verwendung findet und zu Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen führen kann (siehe SWB 4/10). Zu allem Unglück verunreinigt die Substanz laut Bewirtschaftungsbericht des NRW-Umweltministeriums auch den Rhein, wobei die Konzentration an mehreren Messstellen sogar die Orientierungswerte - Grenzwerte gibt es für den Stoff nicht - überschritten hat.

Jede Menge Kohle
Bei der Strom-Gewinnung setzt BAYER immer noch sehr stark auf die klima-schädliche Kohlekraft. An der Gesamtsumme der erzeugten Energie von 48.124 Terajoule hatte die Steinzeit-Technologie 2009 mit 17.000 Terajoule hinter Erdgas mit 29.400 Terajoule den größten Anteil.

8,1 Millionen Tonnen Kohlendioxid
Trotz markanter Produktionsdrosselungen infolge der Wirtschaftskrise hat BAYER 2009 den Kohlendioxid-Ausstoß kaum minimieren können. Er betrug 8,1 Millionen Tonnen und sank damit gegenüber dem Vorjahr nur um 0,56 Millionen Tonnen. Mit 4,83 Millionen Tonnen hatte BAYER MATERIAL SCIENCE den größten Anteil daran.

Antwerpen: Anhörung wg. Kraftwerk
Der Energie-Riese E.ON will auf dem Antwerpener Werksgelände von BAYER das größte Kohlekraftwerk der Benelux-Staaten errichten. Der Rat der Stadt hatte sich wegen der Emission klimaschädlicher Gase und gesundheitsgefährdender Stoffe allerdings gegen das Mammutprojekt ausgesprochen. Darum kam es jetzt zu einer Anhörung. Dabei hat E.ON zwar angeboten, den avisierten CO2-Ausstoß in Höhe von sechs Millionen Tonnen etwas zu drosseln, das Projekt aber für unabdingbar erklärt, weil sonst das BAYER-Werk in seinem Bestand gefährdet wäre. Eine solche Horrorvision entwarf Konzern-Chef Werner Wenning auf der letzten Hauptversammlung im April 2010 nicht. Seiner Ansicht nach fällt das Bau-Vorhaben von E.ON nicht in seinen Zuständigkeitsbereich. Zudem deutete das Unternehmen an, zur Not auch mit einem umweltfreundlichen Gas/Dampf-Kraftwerk leben zu können.

Kraftwerk: Dachau beteiligt sich nicht
Hinter TRIANEL, dem Bauherrn des auf dem Gelände von BAYERs Chemie„park“ in Krefeld geplanten Kohlekraftwerkes, stehen 47 Stadtwerke aus der Bundesrepublik, der Schweiz und Österreich. Im Falle des am Standort des Global Players anvisierten Projektes allerdings nicht so ganz. In Dachau hat ein Bürgerentscheid sich nämlich gegen die Beteiligung der örtlichen Stadtwerke an dem Bau ausgesprochen, woraufhin diese den Vertrag mit TRIANEL kündigten.

Modernes Kraftwerk in Leverkusen
Auch am BAYER-Standort Leverkusen stand kurz die Errichtung eines Kohlekraftwerks zur Diskussion. Der Multi hat sich jedoch eines Besseren belehren lassen und baut jetzt ein umweltschonendes Gas/Dampf-Kraftwerk. Warum nicht gleich so, und warum nicht auch woanders?

BAYER produziert mehr FCKW
2009 stieg bei BAYER die Produktion von FCKW und anderen ozon-abbauenden Stoffen um zwei Prozent auf 17,5 Tonnen. Abermals trägt die Hauptverantwortung dafür das Werk im indischen Vapi. Dessen bereits 2008 angekündigte Modernisierung will der Leverkusener Multi nun stufenweise durchführen und bis 2015 beendet haben.

Weniger Stickstoffoxid-Emissionen
Im Jahr 2009 hat BAYER mit 3,5 Tonnen 400 Kilogramm weniger Stickstoffoxid in die Luft geblasen als im Vorjahr. Die Werte für Kohlenmonoxid gingen um 300 Kilogramm auf 1,4 Tonnen zurück und die für Schwefeloxide um 400 Kilogramm auf 2,8 Tonnen. Die Feinstaub-Emissionen verharrten dagegen unverändert bei 200 Kilogramm.

Wasser-Belastung konstant hoch
Nur „konjunkturell bedingt“ sank dem Leverkusener Multi zufolge die Wasser-Belastung durch seine Werke im Jahr 2009 etwas. Diese leiteten 726 Tonnen anorganischer Salze in die Flüsse ein (2008: 812 Tonnen), 1,35 Tonnen Kohlenstoff (2008: 1,59 Tonnen), 740 Kilogramm Phosphor (2008: 780 Kilogramm), 640 Kilogramm Stickstoff (2008: 670 Kilogramm) und neun Kilogramm Schwermetall (2008: 10,4 Kilogramm).

Weniger, aber gefährlicherer Abfall
Im Jahr 2009 hat der Leverkusener Multi 914.000 Tonnen Abfall produziert, 163.000 Tonnen weniger als 2008. Dafür stieg aber der Anteil gefährlicher Hinterlassenschaften von 365.000 auf 375.000 Tonnen. Das Ziel, die Menge der gesundheitsschädlichen Rückstände auf 2,5 Prozent pro Tonne Verkaufsprodukt zu senken, hat der Leverkusener Multi damit verfehlt. Er macht dafür den 2006 erfolgten Erwerb von SCHERING, die ausgeweitete Pestizid-Produktion sowie - paradoxerweise - den Mengenrückgang bei der Kunststoff-Herstellung verantwortlich, der laut BAYER „das Verhältnis von gefährlichem Abfall zur Produktionsmenge weiter verschlechtert hat“.

CO & CO.

Kontroverse um Alarmplan
Das „Worst Case Scenario“ des Leverkusener Multis für einen Pipeline-Unfall stößt auf große Kritik (Ticker 2/3-10). René Schubert von der Ratinger Feuerwehr etwa prangerte die mangelhafte Ausstattung der Schieberstationen an, so habe das Unternehmen aus Kostengründen auf die Installation von Windmessern verzichtet, weshalb die Feuerwehr bei einem GAU auf den Wetterdienst angewiesen sei. Zudem kalkulierten die Hochrechnungen zum möglichen Umfang eines Gas-Austrittes extreme Wetterlagen nicht ein, so Schubert. Dieses monierte auch der Kreis Mettmann. Zudem sahen die Verantwortlichen nicht ein, warum von einem Zwischenfall zunächst BAYER und dann erst die betroffenen Regionen erfahren sollen. Den Regierungspräsident Jürgen Büssow störten die Bedenken nicht weiter. Er erklärte die Arbeit an dem Gefahrenabwehrplan kurzerhand für beendet. Nur eine Abstimmung der Landkreise mit der Bezirksregierung sei zu seiner Absegnung erforderlich, nicht aber ihre Zustimmung, stellte Büssow klar. Erst nach massiven Protesten an seiner gutsherrlichen Art bequemte er sich dazu, den Mettmanner Landrat Thomas Hendele noch einmal zu einem Meinungsaustausch zu treffen.

Vassiliadis für CO-Pipeline
Michael Vassiliadis, Chef der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE, hat sich die Argumente BAYERs in Sachen „Kohlenmonoxid-Pipeline“ zu Eigen gemacht und warnt vor einem Scheitern des Projektes. „Das würde die Attraktivität des Standortes deutlich verringern. Zug um Zug würden Produktionsanlagen unter Druck geraten und irgendwann verlagert“, drohte er in einem Interview mit der Rheinischen Post.

Treffen mit BAYER ohne Ergebnis
Anfang Juni 2010 haben sich VertreterInnen von Anti-Pipeline-Initiativen mit Emissären von BAYER getroffen. Zu einem konkreten Ergebnis führten die Gespräche allerdings nicht. „In den grundsätzlichen Fragen und in der Bewertung von Alternativen konnte keine Annäherung erreicht werden“, erklärte der Leverkusener Multi nach dem Meeting.

NANO & CO.

Bezirksregierung antwortet
BAYER betreibt in Leverkusen und in Laufenburg Versuchsanlagen zur Fertigung von Nano-Kohlenstoffröhrchen. Die Winzlinge können ungeahnte Folgen für Mensch, Tier und Umwelt haben. So gibt es beispielsweise Hinweise auf eine asbest-ähnliche Wirkung. Trotzdem haben die Verantwortlichen die Fertigungsstätten mit der Begründung, es handele sich nur um Test-Betriebe, in vereinfachten Verfahren ohne Umweltverträglichkeitsprüfungen genehmigt. Ein bereits abgeschlossener Liefervertrag mit der HIRTENBERGER PROSAFE SAFETY TECHNOLOGY GmbH und Aussagen von BAYER wie „Durch die Inbetriebnahme der weltgrößten Pilotanlage für BAYTUBES mit einer Kapazität von 200 Jahrestonnen kommt BAYER MATERIAL SCIENCE der großen Nachfrage einen erheblichen Schritt entgegen“, wecken allerdings Zweifel am Status der Fabriken. Und die Antwort der Kölner Bezirksregierung auf eine entsprechende Anfrage der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) vermochte diese auch nicht auszuräumen. Die Behörde schrieb zum Laufenburger Werk nämlich: „Nach Mitteilungen des Regierungspräsidiums Freiburg und der Fa. HC STARCK werden die in der CNT-Versuchsanlage seit 2007 bis heute hergestellten Carbon-Nanotubes (...) für Anwendungstests an Dritte veräußert“.

USA genehmigen BAYTUBES
Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA hat BAYER eine Genehmigung zur Vermarktung seiner Nano-Röhrchen mit dem Produktnamen BAYTUBES (s.o.) erteilt, obwohl von den Winzlingen erhebliche Gefahren für Mensch, Tier und Umwelt ausgehen können.

BAYTUBES in Flugzeugen
Obwohl BAYER seine BAYTUBES noch gar nicht vermarkten darf (s.o.), häufen sich die Meldungen über Geschäftsabschlüsse. So wurde der Leverkusener Multi mit SOLAR IMPULSE handelseinig und rüstet den Akku eines per Sonnenenergie betriebenen Flugzeugs mit Nano-Röhrchen aus.

PLASTE & ELASTE

Kunststoff in Sonnencremes
Auf der Suche nach neuen Vermarktungsmöglichkeiten für seine Kunststoffe hat der Leverkusener Multi Sonnencremes entdeckt. Ein bisschen Plaste in die Tube, und schon erhöht sich der Sonnenschutzfaktor - das wollen BAYER-ForscherInnen im Labor herausgefunden haben. Darüber hinaus plant der Konzern mit seinen Polyurethanen auch die Haftkraft von Wimperntusche und Make-Ups zu verstärken und Haaren mehr Halt zu verleihen (Ticker 1/09). Die Kunststoff-Nebenwirkungen wie Krebs, Allergien oder Schädigungen der Atmungsorgane stören bei diesem Business-Plan nicht.

IMPERIUM & WELTMARKT

Peterson folgt auf Berschauer
Die seit 2005 beim Leverkusener Multi beschäftigte US-Amerikanerin Sandra E. Peterson übernimmt den BAYER-CROPSCIENCE-Vorsitz von Friedrich Berschauer, der in Ruhestand geht. Mit den bundesdeutschen Verhältnissen ist Peterson trotz ihrer Herkunft bestens vertraut. Die ehemalige Unternehmensberaterin von MCKINSEY machte ihren College-Abschluss mit einer Untersuchung über die bundesdeutsche Chemie-Industrie und arbeitete im Rahmen eines Stipendiums der Robert-Bosch-Stiftung 1984/85 beim „Bundesverband der Deutschen Industrie“ und im Bundesfinanzministerium.

Reinhardt folgt auf Higgins
Der NOVARTIS-Manager Jörg Reinhardt übernimmt den BAYER-HEALTHCARE-Vorsitz von Arthur Higgins, der sich Hoffnungen auf den Posten des Vorstandsvorsitzenden gemacht hatte und nach der Nominierung von Marijn Dekkers kündigte.

Weintritt folgt auf Stegmüller
Volker Weintritt wird neuer Leiter des Brunsbütteler BAYER-Werkes. Sein Vorgänger Roland Stegmüller wechselt nach China und übernimmt den Chefposten der Shanghaier Niederlassung.

BTS-Regionalbüro in Singapur
BAYER TECHNOLOGY SERVICES (BTS), die hauptsächlich für den Anlagenbau zuständige BAYER-Sparte, richtet seit einiger Zeit rund um den Globus Regionalbüros ein. So entstanden neue Repräsentanzen in Mumbai und Singapur, weitere will BTS schon bald in Brasilien und Russland eröffnen.

Kooperation mit EQUITY
Beim Leverkusener Multi haben die Störfälle im letzten Jahr markant zugenommen (s. u.). Mit der haus-eigenen BAYKBIS-Software zur Inspektion von Industrie-Anlagen kann es also nicht allzu weit her sein. Sie ist offensichtlich nicht in ausreichendem Maße fähig, Schwachpunkte zu identifizieren. Trotzdem vermarktet der Konzern die Technologie großflächig und versucht Kunden aus der Öl-, Pharma-, Chemie oder Gasbranche zu gewinnen. Im März hat er nun ein Kooperationsabkommen mit einem anderen Hersteller von solchen Programmen unterzeichnet, der EQUITY ENGINEERING GROUP. Deren „API RBI-Software ist der industrielle Standard im Bereich Anlagen-Risikomanagement“, heißt es in der entsprechenden Pressemeldung. Jetzt wollen BAYER und EQUITY die beiden Systeme kombinieren und damit auch die Anforderungen an risiko-basierte Inspektionen (RBI) erfüllen, die das „American Petroleum Institute“ 1993 für Sicherheitschecks von Anlagen der Öl- und Chemie-Industrie formuliert hat. Das Institut dürfte seine Ansprüche allerdings noch einmal überprüfen, denn offensichtlich haben sie nicht ausgereicht, um die Öl-Katastrophe im Golf von Mexiko zu verhindern.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Mehr Störfälle
Die Zahl der Störfälle bei BAYER hat 2009 markant zugenommen. Der Nachhaltigkeitsbericht listet für das Jahr mehr Unfälle auf, als bisher bekannt wurden und verzeichnet 13 „Umweltereignisse“, bei denen es zu einem Austritt gefährlicher Substanzen kam. Im Vorjahr waren es „nur“ neun.

Phosgen-Austritt in Dormagen
Im Dormagener Werk trat nicht bloß am 27.11.09, sondern bereits am 14.1.09 Phosgen aus. Um zu verhindern, dass die hochgiftige Chemikalie an die Luft gerät, musste der Leverkusener Multi eine Dampfwand aus - ebenfalls gesundheitsschädlichem - Ammoniak aufziehen.

LKW-Unfall in Kanada
Am 12.3.09 verunglückt in Kanada ein mit BAYER-Pestiziden b

[Medikamententests] STICHWORT BAYER 02/03 2010

CBG Redaktion

Versuchskaninchenstall „Dritte Welt“

Bayer globalisiert Arzneitests

Der Leverkusener Multi Bayer verlegt immer mehr Medikamentenversuche in arme Länder. Dort locken ein großes Reservoir an Probanden, unschlagbare Preise, schnelle Verfahren und eine mangelhafte Aufsicht.

„Auch als Ressource wird Indien für die Pharma-Sparte interessant“, schreibt das Handelsblatt 2007 über die Aktivitäten von Bayers Pillen-Abteilung auf dem Subkontinent, „Sie lässt dort bereits sechs neue Medikamente testen. Das bringt deutliche Ersparnisse und ein schnelleres Entwicklungstempo“. Und die Firmen, die für den Leverkusener Multi oft die Durchführung übernehmen, sprechen eine ähnliche Sprache. IGATE verweist auf ein „Rohmaterial-Lager“ von 40 Millionen Asthmatikern, 34 Millionen Diabetikern und 8 bis 10 Millionen HIV-Infizierten, PAREXEL wirbt gleichfalls mit „‚Rich World‘-illnesses“ sowie mit Indiens genetischer Vielfalt als Standortfaktor, und CSC PHARMACEUTICALS hat auch „große Quantitäten“ im Angebot, „die für Klinische Tests offeriert werden können“.
Auf diese greift der Global Player nur allzu gern zurück. Drei Jahre nach dem Handelsblatt-Artikel führt allein CSC sechs Klinische Studien für den Global Player durch. Das Unternehmen prüft das Multiple-Sklerose-Medikament BETAFERON und die Hautgeschwür-Arznei IMPAVIDO sowie vier Krebs-Präparate: NEXAVAR für einen neuen Anwendungsbereich, FLUDURA in zwei unterschiedlichen Dosierungen und HONVAN. Darüber hinaus laufen in dem Staat unter anderem Versuche mit dem Röntgenkontrastmittel ULTRAVIST und dem Diabetikum GLUCOBAY in neuen Darreichungsformen, mit der Hormonspirale MIRENA für die Indikation „Blutungen“ und mit dem Antibiotikum MOXIFLOXACIN, das ProbandInnen in einem Alter von drei Monaten bis zu 18 Jahren schlucken müssen.
Für all diese Tests, die zumeist neue Anwendungsbereiche für alte Medikamente suchen, reicht das „Rohmaterial-Lager Indien“ allerdings nicht aus. Darum erschließt sich Bayer als zusätzliche „Ressourcen“ Kolumbien, Pakistan, Moldawien, die Philippinen, China, Russland und andere Nationen mit großen Armutspopulationen. Die Mitbewerber gehen ähnlich vor, was die Arzneitests in solchen Ländern rasant zunehmen lässt. Auf 18.000 bis 24.000 jährlich schätzt eine Untersuchung der niederländischen Initiative SOMO1 ihre Zahl.
Weltweit führt Big Pharma nach SOMO-Schätzungen per annum ca. 60.000 Erprobungen durch. Vor der eigenen Haustür finden sich für diese Masse an Studien kaum noch genug geeignete KandidatInnen. Entsprechend lange dauern oft die Vorbereitungen, und so manches Mal enden sie ergebnislos. Dann geht es ab in die unterentwickelten Regionen zu schnell anberaumten „Rettungsversuchen“ (rescue trials). Dort stehen nämlich sowohl für solche Notlösungen als auch für normale Arznei-Prüfungen ausreichend ProbandInnen zur Verfügung - noch dazu äußerst pflegeleichte. Sie sagen nicht nur öfter zu, sie verabschieden sich auch längst nicht so häufig wieder aus den Kliniken wie ihre KollegInnen aus dem Westen. „Die Chinesen sind nicht so emanzipiert wie die US-Bürger. Sie zeigen sich eher bereit, Versuchskaninchen zu spielen“, heißt es etwa in einer Marktuntersuchung der Beratungsfirma CENTERWATCH. Von der Not und der Aussicht auf medizinische Versorgung getrieben, häufig ohne jede Schulbildung und den ÄrztInnen blind vertrauend, schlucken sie klaglos die ihnen verabreichten Cocktails.
Die chronisch unterfinanzierten Kliniken gehen ebenfalls gern auf die Angebote von Bayer & Co. ein. Und die auch nicht eben nach westlichen Standards bezahlten MedizinerInnen können oftmals ebenso wenig widerstehen, wenn Big Pharma mit einem „Kopfgeld“ von 1.500 bis 3.000 Dollar pro akquiriertem Proband winkt. Dafür müssen sie allerdings alles machen, was die Konzerne verlangen, und das heißt in der Regel gar nichts. „Sie diktieren jedes Detail des Versuchsprotokolls“, sagt Dr. Shashank Joshi vom ESIS-Krankenhaus in Mumbai und fährt fort: „Sie kontrollieren die Analyse der Daten und die Veröffentlichung (...) Wir liefern nur die Patienten. Der Arznei-Prüfer ist Teil eines Knecht/Herr-Verhältnisses“.
Die Regierungen der ökonomisch schwachen Länder betrachten die Test-Reihen gleichfalls nur als Einnahmequelle. Indien, Costa Rica und Peru haben jüngst die gesetzlichen Auflagen für Pillen-Erprobungen gelockert, um die Pharma-Riesen anzulocken. Und mit dem regulatorischen Restbestand nehmen die Staaten es auch nicht so genau. So hat das indische Unternehmen BIOGEN Versuche mit gentechnisch produziertem Insulin zwar bei der Arzneimittelbehörde DGCI zur Genehmigung vorgelegt, bei der für Gentechnik zuständigen Institution GEAC jedoch erst im Nachhinein. „Ein kleiner Verfahrensfehler“, befand die Firma, und Bayer sah das offenbar genauso: Der Leverkusener Multi erwarb von BIOGEN die China-Rechte an dem Mittel. Im Übrigen können die Multis solche „kleinen Verfahrensfehler“ auf dem Subkontinent auch kaufen. Das Zehnfache des normalen Test-Preises kostet es die Konzerne ungefähr, die Regularien ihrem Bedarf anzupassen, hat der indische Industrieverband CII vorgerechnet.
Nur ums Geld geht es auch den zahlreichen Firmen, die für Bayer & Co. die Probeläufe organisieren. Ca. 60 Prozent aller Versuche haben die Pillen-Riesen ausgegliedert - sie kaufen Arznei-Tests mittlerweile als Dienstleistung ein. So genannte CROs (Contract Research Organisations) haben sich darauf spezialisiert und bieten Komplettlösungen mit Ethik-Kommissionen und allem Drum und Dran an. Ihr Auftrag lautet, ein neues Pharma-Produkt möglichst schnell und kostengünstig zu erproben und nicht etwa, es im Sinne des vorsorglichen Gesundheitsschutzes genau zu prüfen. Da bleibt nach Beobachtungen der Wissenschaftlerin Adriana Petryna eine „taktische Flexibilität“ in ethischen Grundsatzfragen nicht aus. Und einige CROs rühmen sich sogar damit. „Bei der Rekrutierung von Probanden kann ich die Kriterien so setzen, dass es unmöglich sein wird, Nebenwirkungen zu identifizieren“, prahlt etwa der Geschäftsführer einer US-amerikanischen CRO. PAREXEL, das für Bayer unter anderem die Antibiotika-Wirkstoffe Ciprofloxacin und Moxifloxacin examinierte, bietet sogar Fortbildungen zum Thema „alltägliche Konfliktsituationen mit Prüfärzten“ an. Und als besonders werte-verbunden empfiehlt sich Dr. Kiran Marthak von dem Unternehmen VEEDA CLINICAL RESEARCH, das für den Leverkusener Multi Prostata- und Brustkrebs-Präparate testete, ebenfalls nicht. Nachdem Indien 2005 dem Drängen von Big Pharma nach einer Verschärfung des Patentrechts nachgegeben hatte und damit so ganz nebenbei auch die Voraussetzungen für mehr Test-Outsourcing schuf, frohlockte er: „Es wird ein großer Kuchen, und jeder kann einen Teil davon abhaben“.
Erst kommt das Fressen und dann die Moral - die taktische Flexibilität in ethischen Grundsatzfragen zeigt sich bei den Pharma-Riesen oder den von ihnen angeheuerten CROs unter anderem im Umgang mit der eigentlich vorgeschriebenen „informierten Einwilligung“. Bei Nachprüfungen wussten die ProbandInnen von dieser häufig gar nichts. „Sie dachten, sie würden eine reguläre Behandlung bekommen“, berichtet die Aktivistin Annelies den Boer von der niederländischen Initiative WEMOS in einem GID-Interview2. Auch in Thailand waren sich 30 von 32 befragten Versuchspersonen nicht im Klaren darüber, gerade einen Aids-Impfstoff erprobt zu haben. Ähnlich erging es Test-TeilnehmerInnen in Brasilien und Haiti3. „Die Idee der bewussten und informierten Einwilligung ist ein schlechter Scherz“, resümiert deshalb ein Wissenschaftler. Auch die eigentlich für die Kontrolle zuständigen Ethik-Kommissionen bestehen in den armen Staaten oft nur auf dem Papier. Einer Studie zufolge haben diese in Lateinamerika und Indien nur ein Viertel aller Versuche genehmigt und die Durchführung niemals überwacht. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMEA kann das nicht ausgleichen: Sie reist zu gerade mal 40 Inspektionen pro Jahr in fernere Länder.
Diese Praxis entspricht nicht der „Deklaration von Helsinki“, mit welcher der Weltärztebund 1964 weltweit verbindliche ethische Standards für die pharmazeutische Wissenschaft formulierte. „In der medizinischen Forschung am Menschen muss das Wohlergehen der einzelnen Versuchsperson Vorrang vor allen anderen Interessen haben“ - einen solchen Maßstab haben Bayer & Co. nicht angelegt. Deshalb erfüllen sie auch nicht die Vorgabe der Deklaration, wonach Experimente mit Benachteiligten immer auch den Benachteiligten selber zu nützen haben und die ProbandInnen nach Ablauf der Versuche einen Anspruch darauf haben, die Arzneien weiter zu erhalten - wie das ganze Land. Als bloßes Labor dürfen die Konzerne es der Deklaration zufolge nicht missbrauchen. In ihrer ursprünglichen Fassung lehnte diese sogar die Verwendung von Placebos strikt ab, weil das bedeutet, kranken Menschen ohne ihr Wissen dringend benötigte Medizin vorzuenthalten. Besonders bei psychisch Kranken wie Schizophrenen hatte das Absetzen ihrer Medikamente nämlich immer wieder zu schwerwiegenden Zwischenfällen geführt. Aber die Pharma-Riesen intervenierten und erreichten eine Revision. Es blieb nicht die einzige: Die heute gültige Fassung weicht beträchtlich von der ursprünglichen ab.
Trotzdem mochte sich der Bayer-Chef Werner Wenning auf der diesjährigen Hauptversammlung nicht eindeutig zu der Deklaration von Helsinki bekennen. Er bekundete nur ganz allgemein Gesetzestreue und versicherte, der Multi würde immer die Auflagen der Behörden, wozu in manchen Ländern nicht zuletzt Placebo-Tests gehörten, respektieren. „Eigenständige Qualitätskontrollen“ regelten ihm zufolge das Übrige. Darum wusste er auch von keinem Zwischenfall zu berichten. Nicht ein einziges Medikament hat ihm zufolge im letzten Jahr ProbandInnen Schaden zugefügt und wegen zu vieler Risiken und Nebenwirkungen die Tests nicht überstanden. Der Wahrheitsgehalt solcher Aussagen enthüllte sich, als es konkret wurde. Auf das Parkinson-Medikament SPHERAMINE angesprochen, das bei VersuchsteilnehmerInnen im Jahr 2005 Depressionen, Lähmungserscheinungen, motorische Störungen, Sprachausfälle, epileptische Anfälle, Hirnblutungen, Asthma und Verwirrtheitszustände ausgelöst hatte und daraufhin nicht auf den Markt kam, stritt er den Tatbestand schlicht ab. Ein Zusammenhang zwischen den Schädigungen und dem Medikament sei „nicht erwiesen“, sagte Wenning, wie er es immer sagt, wenn Produkte des Konzerns die Gesundheit von Menschen beeinträchtigen. Die Dunkelziffer der Arzneitest-Opfer dürfte also recht hoch sein.

von Jan Pehrke, Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V. (www.CBGnetwork.org)

1 Ethics for Drug Testing in Low and Mittle Income Countries, S. 14
2 GID - Gen-Ethischer Informationsdienst Nr. 195
3 Ethics for Drug Testing in Low and Mittle Income Countries, S. 71

[Ticker] STICHWORT BAYER 02/03 2010

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Protest gegen Anlagen-Inbetriebnahme
Die Behörden hatten BAYERs Anlage zur Produktion von Nano-Kohlenstoffröhrchen nach einfachem Baurecht genehmigt (Ticker 1/10). Obwohl Nano-Teilchen ungeahnte Folgen für Mensch, Tier und Umwelt haben können, interessierten Fragen zur Umweltverträglichkeit sowie zum Katastrophen-, Arbeits- und Immissionsschutz nicht. Dagegen haben die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, der BUND und der BUNDESVERBAND BÜRGERINITIATIVEN UMWELTSCHUTZ in einer gemeinsamen Stellungnahme protestiert. „Bei allem Respekt: ein Bauamt ist nicht in der Lage, die Risiken von neuartigen Stoffen zu prüfen. Wir fordern ein Genehmigungsverfahren unter Beteiligung der Öffentlichkeit sowie eine toxikologische Bewertung der in Leverkusen produzierten Nanotubes!“, heißt es in der Erklärung der Verbände.

Einwendung gegen Kohlekraftwerk
TRIANEL plant auf dem Gelände von BAYERs Chemie„park“ in Krefeld ein Kohlekraftwerk. Von CURRENTA, der Tochterfirma des Pharma-Riesen betrieben, soll es BAYER und andere Unternehmen mit Energie versorgen. Im Frühjahr stellte TRIANEL nun offiziell den Genehmigungsantrag. So einfach dürfte der jedoch nicht durchgehen. Nicht nur die Nachbarstadt Düsseldorf und der NIEDERRHEINISCHE UMWELTVEREIN (gemeinsam mit dem BUND) haben nämlich eine gegen das Projekt gerichtete Einwendung - wie es im Behörden-Deutsch heißt - formuliert, sondern auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG). Zur Begründung der Ablehnung führte die Coordination unter anderem die immensen Kohlendioxid-Emissionen, den Ausstoß von Feinstaub, Quecksilber und anderen Schwermetallen sowie radioaktiver Substanzen und den hohen Wasserverbrauch an.

CBG will Bisphenol-Verbot
Angesichts der Bestrebungen in mehreren europäischen Ländern, den Anwendungsbereich der gefährlichen Chemikalie Bisphenol A einzuschränken, hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) gefordert, in der Bundesrepublik entsprechend vorzugehen. „Bisphenol A muss nun endlich aus Trinkflaschen, Spielzeug und Lebensmittel-Verpackungen verschwinden“, verlangte CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes mit Verweis auf das Gefährdungspotenzial der Substanz. Da Bisphenol A hormon-ähnlich wirkt, kann der Stoff zu Schädigungen des Nervensystems, Entwicklungsstörungen, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen führen. Diese Risiken und Nebenwirkungen haben jüngst auch das Umweltbundesamt dazu bewogen, für gesetzliche Maßnahmen einzutreten. „Die vorliegenden Kenntnisse sollten ausreichen, die Verwendung bestimmter Bisphenol-haltiger Produkte aus Vorsorgegründen zu beschränken“, heißt es in einer neuen Veröffentlichung der Behörde.

Initiativen gegen Hybrid-Reis
Die Agro-Multis investieren Millionen in Hybrid-Reis, den die LandwirtInnen nicht wiederaussäen können, was die Abhängigkeit von den Konzernen steigert (siehe auch SWB 1/10). Auch sonst machen die FarmerInnen eher schlechte Erfahrungen mit diesen Sorten. So klagen Bauern und Bäuerinnen in der indonesischen Region Gorontalo über BAYERs ARIZE, weil er hohe Produktionskosten verursacht, schlecht schmeckt und gegenüber Schadinsekten anfälliger ist. Da der Leverkusener Multi in Ländern wie Indonesien, Brasilien, Burma, China, Thailand, den Philippinen und Vietnam Kooperationen mit den Regierungen vereinbart hat, setzen sich die hybriden Arten trotzdem immer mehr durch. Und damit auch die industrielle Landwirtschaft, denn für Kleinbauern und -bäuerinnen lohnen sich die Investitionen nicht. Darum warnen jetzt mehrere asiatische Initiativen wie die indonesische ALLIANCE OF AGRARIAN REFORM MOVEMENT und die SOUTH EAST ASIA REGIONAL INITIATIVES FOR COMMUNITY EMPOWERMENT vor einem Bauernsterben durch ARIZE & Co.

Demonstration in Lyon
Im französischen Lyon haben Beschäftigte des dortigen BAYER-Werks gemeinsam mit Belegschaftsmitgliedern anderer Firmen gegen eine Erhöhung des Renten-Eintrittsalters und für eine Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums demonstriert. Ca. 16.000 Menschen nahmen an den Protesten teil.

Kritik an Hochhaus-Leuchtreklame
BAYERs mittels 5,6 Millionen Leuchdioden zum größten Werbeträger der Welt umgerüstetes altes Verwaltungszentrum stößt zunehmend auf Kritik. „Wie passt diese Geld- und vor allem Energieverschwendung zu den derzeitigen Diskussionen und Bemühungen, den drohenden Klimawandel zu verlangsamen“, fragt eine Leserin des Leverkusener Anzeigers angesichts eines Stromverbrauches von 1.800 Kilowattstunden am Tag. Eine andere empört sich: „Die wunderbare Aussicht bis nach Köln und zur Bergisch-Neukirchner Kirche fand ich allerdings verschandelt durch das verstörende, nervende, „völlig bescheuerte“ dauernde Aufblitzen der bunten Farben der BAYER-Hochhausfassade“. Mit der Frage „Gibt es irgendetwas, das die Firma BAYER dazu bewegen könnte, diesen Unfug zu lassen?“ endet ihr Leserbrief.

Akzeptanz steht auf dem Spiel
„Vielleicht hätte Werner Wenning nicht auf die Analysten und andere Gurus des Marktes hören sollen, als er beschloss, den BAYER-Konzern kunstvoll zu filetieren (...) Denn während es an anderen BAYER-Standorten ‚nur‘ um Großprojekte wie ein Kraftwerk oder eine Kohlenmonoxid-Pipeline geht, gegen die sich erbitterter Widerstand formiert hat, steht in Leverkusen mehr auf dem Spiel: die Akzeptanz des Unternehmens, das die Keimzelle für diese Stadt gelegt hat“, schreibt der Leverkusener Anzeiger in einem Kommentar und begrüßt die jüngste „Charme-Offensive“ des Multis.

YASMIN-Artikel ohne Preis
Der Leverkusener Multi sponsert den Preis des „Verbandes deutscher Medizin-Journalisten“ für Artikel über Pharma-Themen und sitzt auch in der Jury. Das hielt die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) nicht davon ab, einen Text über die mitunter tödlichen Risiken und Nebenwirkungen von BAYERs Verhütungsmitteln einzureichen. Überraschenderweise erhielt dieser jedoch keine Auszeichnung. Das Gremium teilte der CBG jedoch mit, sie solle sich „davon nicht entmutigen lassen und für 2010 einen neuen Versuch starten“.

Presserat gibt CBG Recht
Die Sindelfinger Zeitung hatte einen PR-Text von DAIMLER, der ein gemeinsames Projekt des Automobil-Herstellers mit BAYER zum Anbau einer Pflanze für die Biodiesel-Produktion in den höchsten Tönen lobt, 1:1 abgedruckt, ohne auf die Quelle zu verweisen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN rief daraufhin den Presserat an, der dem Medium auch umgehend eine Rüge erteilte. „Die in Richtlinie 7.2 geforderte besondere Sorgfalt im Umgang mit PR-Material wurde bei dieser Veröffentlichung grob missachtet“, urteilte das Organ (SWB 2-3/10).

KAPITAL & ARBEIT

Magerer Tarifabschluss
Der diesjähriger Tarifabschluss für die Chemie-Industrie fiel äußerst mager aus. Erstmals gab es überhaupt keine prozentuale Entgelt-Erhöhung, sondern lediglich eine Einmalzahlung. Diese beträgt 550 Euro für Normalbeschäftigte - SchichtarbeiterInnen erhalten 611 bis 715 Euro. Nur wenn die Geschäfte von BAYER & Co. in diesem Jahr allzu gut gehen sollten, steht noch einmal ein „Konjunkturbonus“ bis zu 260 Euro in Aussicht. Für die Unternehmen hat eine solche Einmalzahlung ein großen Vorteil, denn „diese geht nicht dauerhaft in die Tarifbasis ein“, wie der „Bundesarbeitgeberverband Chemie“ in seiner Erklärung zum Tarifabschluss erfreut feststellt.

Betriebsratswahl 2010
Bei der diesjährigen Betriebsratswahl im Leverkusener BAYER-Werk konnten die linken Listen hinzugewinnen und der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE Stimmen abnehmen. Die IG BCE erhielt 26 Sitze, Die KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN FÜR EINE DURCHSCHAUBARE BETRIEBSRATSARBEIT kamen auf fünf Sitze, die BASIS-BETRIEBSRÄTE auf vier Sitze und das BELEGSCHAFTSTEAM errang einen Sitz. Bei der CURRENTA, ein Joint-Venture des Leverkusener Multis und seiner Chemie-Ausgründung LANXESS, sieht es sogar noch besser aus. Dort gewann die IG BCE nur 50 Prozent der Stimmen, weshalb es bloß zu einer hauchdünnen Mehrheit im Betriebsrat reichte (12 von 23 Sitzen). Die BASIS-BETRIEBSRÄTE erlangten 31 Prozent und das BELEGSCHAFTSTEAM 19 Prozent. Jetzt muss die IG BCE mit den BASIS-VertreterInnen kooperieren. Nach Ansicht des Leverkusener Anzeigers hat die Chemie-Gewerkschaft das den von ihr mitgetragenen Ausgliederungen zu verdanken. In deren Folge brachen für die Beschäftigten nämlich harte Zeiten an. „Sie entfernten sich Jahr für Jahr mehr vom komfortablen Chemie-Tarif. Dass eine solche Entwicklung auch der maßgeblichen Gewerkschaft angekreidet wird, kann niemanden wundern“, schreibt das Blatt.

BAYER trennt sich von Job@ctive
Das Buch „Arm durch Arbeit“ von Marcus Breitscheidel hat BAYERs hauseigene Zeitarbeitsfirma Job@ctive berühmt-berüchtigt gemacht (SWB 4/08). Der Journalist hatte sich nämlich undercover über den Personaldienstleister bei der Pillen-Produktion des Leverkusener Multis verdingt und dafür nur einen Hungerlohn erhalten. 6,24 Euro brutto zahlte ihm JOB@CTIVE dafür und damit 1,14 Euro weniger als der Zeitarbeitstarifvertrag eigentlich vorsieht. „Wir sind hier im ehemaligen Ostteil der Stadt, und somit gilt der Osttarif“, bekam Breitscheidel zu hören. Jetzt will der Global Player für die Lohndrückerei offensichtlich nicht mehr persönlich haften: Er verkaufte das Unternehmen an die HANFRIED GmbH, die auch die 230 bei Job@ctive unter Vertrag stehenden BilligjobberInnen übernimmt.

BMS trennt sich von Testcenter
BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) hat seinen Testcenter an UNDERWRITERS LABORATORIES verkauft und ist nun einer der größten Kunden des US-Unternehmens, das alle 65 Beschäftigten übernommen hat.

Weniger Bonus für BMS-Beschäftigte
Seitdem der Leverkusener Multi sich eine Holding-Struktur gegeben hat, agieren die einzelnen Teil-Gesellschaften formal selbstständig. Darum entwickeln sich auch die Belegschaften auseinander. So fallen die Bonus-Zahlungen für die Beschäftigten von BAYER MATERIAL SCIENCE, der von der Wirtschaftskrise am härtesten betroffenen Sparte, um ein Drittel geringer aus als die ihrer Pharma- oder Cropscience-KollegInnen.

Baumann verkauft BAYER-Aktien
Die BAYER-ManagerInnen müssen nicht allein von ihrem üppigen Fixgehalt leben. Sie werden auch in Aktien bezahlt und können diese bei Gelegenheit zu Geld machen. Diese Möglichkeit nutzte Werner Baumann gleich in den ersten Wochen seiner Zeit als BAYER-Vorstand. Er verkaufte 8.000 Papiere des Konzerns und erhielt dafür 450.400 Euro. Das geht aus Informationen des Leverkusener Chemie-Multis hervor, der verpflichtet ist, der Börsenaufsicht größere Deals seiner Besserverdienenden zu melden, da bei solchen Transaktionen immer der Verdacht des Insiderhandels besteht.

Schlechte Frauenquote
Auf der diesjährigen Hauptversammlung nach dem Anteil der Frauen in Führungspositionen befragt, gab Konzern-Chef Werner Wenning die Zahlen bekannt. Auf der obersten Management-Ebene beträgt die Quote zwei Prozent, auf der darunterliegenden 12,7 Prozent, der nächstfolgenden 17,8 Prozent und auf der vierthöchsten 25 Prozent.

Schneider verdient 1,1 Millionen
Der ehemalige BAYER-Boss Manfred Schneider ist mit Aufsichtsratschefsesseln beim Leverkusener Multi, bei RWE und LINDE sowie mit einfachen Mandaten bei DAIMLER und TUI der mächtigste und auch einkommensstärkste bundesdeutsche Konzern-Kontrolleur. Im Geschäftsjahr 2009 strich er 1,143 Millionen Euro ein - 145.000 Euro mehr als 2008.

Beistandskassen-Versammlung unrechtmäßig
Die BAYER-Beistandskasse hatte 2007 Einschnitte beim Sterbegeld, das durchschnittlich ca. 6.000 Euro beträgt, vorgenommen (Ticker 3/08). Die Abschläge können bis zu 2.000 Euro - also ein Drittel der Summe - betragen. Die Mitgliederversammlung fällte diese Entscheidung faktisch ohne die Mitglieder, denn der Vorstand setzte diese nicht über den brisanten Tagesordnungspunkt in Kenntnis. So nahmen nur 26 Personen an der einstündigen Sitzung teil, die für die rund 90.000 Versicherten den Gewinnzuschlag in Höhe von 25 Prozent strich. Deshalb fochten einige Kassen-Angehörige den Beschluss an. Im Februar 2010 bekamen sie endgültig Recht zugesprochen. Jetzt muss die Beistandskasse ihre Mitglieder erneut über die Kürzungen abstimmen lassen.

ERSTE & DRITTE WELT

Bio-Pirat BAYER vertreibt Indigene
In Chiapas wachsen die letzten Urwälder Mexikos. Dort lockt BAYER & Co. ein breites Reservoir an unbekannten Stoffen, die zur Arzneimittel-Produktion dienen könnten. Zudem haben Agro-Multis das Gebiet zur Kultivierung von Palm-Öl zur Biodiesel-Produktion auserkoren. Es gibt nur ein Problem: In der Region leben auch Menschen. Aber dieses behebt die mexikanische Regierung gerade. Sie bietet hunderte von Soldaten und Polizisten auf, um für die Konzerne den Weg freizumachen. Über 40 Dörfer hat sie auf diese Weise schon zerstört.

Kommt das Biopiraterie-Abkommen?
BAYER betrachtet die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen lediglich als Rohstoff-Reservoir und plündert sie ohne Rücksicht auf Verluste aus (s. o.) So produziert der Pharmariese das Diabetes-Mittel GLUCOBAY mittels eines Bakteriums, das aus dem kenianischen Ruiru-See stammt, ohne dem ostafrikanischen Land auch nur einen Cent dafür zu bezahlen (siehe SWB 1/06). Zudem durchsucht der Leverkusener Multi die Weltmeere gemeinsam mit dem Unternehmen MAGELLAN BIOSCIENCE GRUPPE INC. nach Mikroorganismen, deren Abwehrstoffe sich zur Herstellung neuer Pestizide eignen. Vielleicht kann er das demnächst nicht mehr ganz so ungehindert tun. Im Oktober 2010 steht nämlich die Unterzeichnung des Anti-Biopiraterie-Protokolls an. Aber die Lobbygruppen der Industrie wehren sich vehement gegen allzu verbindliche Regelungen. So weigern BAYER & Co. sich, künftig bei Patent-Anmeldungen Zertifikate über den legalen Erwerb der Ausgangsstoffe vorzulegen. Zudem wehren die Konzerne sich dagegen, Krankheitserreger, die sie zur Produktion von Impfstoffen brauchen, in das UN-Abkommen aufzunehmen.

WHO unter Einfluss
Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat in einem Report Vorschläge für eine die Gesundheitsversorgung in den Staaten der „Dritten Welt“ verbessernde Arznei-Forschung gemacht. Eine Reform des Patentrechts, eine Förderung des Technologie-Transfers oder eine Forschungsabgabe der Konzerne gehörte allerdings ebenso wenig dazu wie mehr Geld für die Erforschung seltener Krankheiten. Der Extrem-Lobbyismus von BAYER & Co. hatte sich also wieder einmal als erfolgreich erwiesen. „Das Gesamtergebnis befindet sich in Übereinstimmung mit den meisten Industrie-Positionen in dieser Sache“, urteilte der „Internationale Verband der Forschenden Arzneimittel-Industrie“ (IFPMA). Weil die Lobby-Organisation sich illegal Zugang zu dem Entwurf verschafft hatte, leitete die WHO-Generaldirektorin Margaret Chan allerdings Ermittlungen ein und drohte sogar mit der Aufhebung der Immunität von WHO-Beschäftigten. Die Delegierten der „Entwicklungsländer“ bekamen die Dokumente indes erst unmittelbar vor dem anberaumten Arbeitstreffen zu Gesicht und weigerten sich aus diesem Grund, den Abschlussbericht zu unterzeichnen. Ob sie bis zur offiziellen Vorstellung der WHO-Pläne noch Veränderungen durchsetzen können, bleibt abzuwarten.

EU betreibt Patent-Politik
Seit die Verhandlungsrunden der Welthandelsorganisation WTO zur weiteren Erleichterung des Warenverkehrs gescheitert sind, betreibt Brüssel eine eigene Wirtschaftspolitik im Dienste von BAYER & Co.. Bei den Verhandlungen zu bilateralen Abkommen mit Kolumbien, Indien und den Andenstaaten widmet sie dem „Schutz des geistigen Eigentums“ große Aufmerksamkeit und verlangt eine Verlängerung des Patentschutzes (Ticker 1/10). In Peru hätte BIG PHARMA gerne vier Jahre mehr. Wie die beiden Nichtregierungsorganisationen OXFAM und HEALTH ACTION INTERNATIONAL ausgerechnet haben, würde das die Arzneimittel-Kosten um 459 Millionen Dollar erhöhen.

POLITIK & EINFLUSS

BAYER Top-Lobbyist in den USA
Kein anderer bundesdeutscher Konzern gibt in den USA so hohe Summen für Lobby-Arbeit aus wie BAYER. 23 Millionen pumpte der Pharma-Riese dort seit 2006 in die Pflege der politischen Landschaft. Allein im letzten Jahr investierte der Leverkusene Multi 8,5 Millionen Dollar. Dabei ging vor allem Obamas Gesundheitsreform ins Geld, bei der es galt, das Schlimmste zu verhindern (siehe SWB 2/10). Nicht zuletzt zu diesem Behufe erweiterte der Pharma-Riese den MitarbeiterInnenstab seines Washingtoner Büros für „Legislative Affairs“ um vier Beschäftigte auf nunmehr 10.

BAYER & Co. schreiben Brandbrief
CDU und FDP hatten die Wunschliste der Konzerne in ihrem Koalitionsvertrag gewissenhaft abgearbeitet - bis auf einen Punkt. Sie wollten nur mittelständischen Betrieben Steuernachlass für ihre Forschungsausgaben gewähren, nicht aber den Global Playern, wie BAYER-Chef Werner Wenning immer wieder gefordert hatte, weil diese angeblich 85 Prozent aller Investitionen in dem Bereich aufbringen. Ende April 2010 schrieb Wenning in dieser Sache gemeinsam mit 17 weiteren Industrie-Bossen einen Brandbrief an die Bundesregierung. Darin verlangen die Manager nicht weniger als einen zehn-prozentigen Steuer-Abschlag auf Forschungskosten. Mit Verweis auf die in anderen Ländern angeblich übliche Subventionspraxis heißt es in dem Schreiben: „Deutschland muss gleichziehen, damit Unternehmen ihre Forschungszentren in Deutschland ausbauen oder ansiedeln und hier ihr innovatives Potenzial entfalten“. Von einem Steuergeschenk reden die Vorstandsvorsitzenden dabei natürlich nicht.

Etwas weniger Derivat-Regulierung
Auch BAYER nutzt die umstrittenen Instrumente, die der Finanzmarkt so bietet. So hat der Konzern Geld in Derivaten angelegt, die eine Art Wette auf Preissteigerungen oder -senkungen von Rohstoffen, Aktien, Währungen, Zinsen oder aber von Derivaten selber sind. Der Leverkusener Multi weist dabei das Motiv „Spekulation“ weit von sich. „Derivate Finanzinstrumente werden dabei fast ausschließlich zur Absicherung von gebuchten und geplanten Transaktionen abgeschlossen“, heißt es im Geschäftsbericht. Aber wo die Absicherung endet und die Spekulation beginnt, ist nicht immer leicht zu bestimmen. Das Unternehmen flankiert nämlich nicht ein bestimmten Deal mit dem Kauf von Derivaten, sondern schätzt das Volumen seiner Auslandsgeschäfte ab und erwirbt dann die Papiere. Auch sonst teilt BAYER die Interessen der SpekulantInnen, da sie Liquidität in die Märkte bringen, wie es heißt. Deshalb hat sich der Vorstandsvorsitzende Werner Wenning gegen eine strengere Regulation ausgesprochen. Und Finanz-Vorstand Klaus Kühn erklärte in der Börsen-Zeitung: „Ich hoffe sehr, dass man für die Industrie in diesem Zusammenhang Ausnahmen schafft“. Das tat die Bundesregierung dann auch. Nach einer „ExpertInnen-Anhörung“ änderte sie den Kabinettsbeschluss. Der Entwurf des „Gesetzes zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte“ sieht jetzt kein direktes Verbot von spekulativen Währungsderivaten mehr vor, er behält sich ein solches lediglich vor.

Kühn hakt beim Ministerium nach
Die Konzerne treibt ständig die Furcht vor feindlichen Übernahmen um. Um das „Anschleichen“ möglicher Käufer per Aktien-Erwerb zu verhindern, forderte BAYER-Chef Werner Wenning bereits 2008 gemeinsam mit seinen KollegInnen in einem Offenen Brief an den damaligen Finanzminister Peer Steinbrück strengere Kapitalmarkt-Regelungen mit Offenlegungspflichten über Besitzverhältnisse. Bislang hat sich allerdings nach Meinung des Leverkusener Multis noch nicht viel getan. Auf die Frage der Börsen-Zeitung: „Haben Sie im Finanzministerium noch einmal nachgehakt?“, antwortete der Finanzvorstand Klaus Kühn: „Das schon, aber es ist noch nichts Konkretes passiert“. Aber das wird schon noch.

Die Parteien-Spenden des VCI
Der Leverkusener Multi spendet in der Bundesrepublik nicht mehr selbst für Parteien, er tut dies nur in Tateinheit mit anderen Chemie-Unternehmen. Dann aber nicht zu knapp. Im Jahr 2008 ließ der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI) der CDU laut Rechenschaftsbericht des Bundespräsidenten 120.000 Euro zukommen und der SPD 35.000 Euro.

BAYER mietet Rüttgers
Von dem Spenden-Skandal um Jürgen Rüttgers, den die CDU den Unternehmen in Partner-Paketen mit Einzelgesprächs-Zuschlägen von 6.000 Euro zwecks Wahlkampf-Finanzierung angeboten hat, ließ BAYER sich nicht von einem Auftritt beim CDU-Zukunftskongress abhalten. Der Leverkusener Multi mietete für 8.000 Euro einen Stand und konnte Rüttgers bei seinem obligatorischen Rundgang auch von den tollen Investitionen am Standort Dormagen berichten - ganz ohne Zuzahlung, wie BAYERs Energie- und NRW-Beauftragter Wilfried Köplin versicherte. Extras „seien nicht angeboten worden. Die hätten wir auch nicht angenommen“, so Köplin laut Kölner Stadtanzeiger.

Schavan besucht BAYER
Die bundesdeutschen Multis suchen auf ihren großen Absatzmärkten auch immer die Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Institutionen. Die Bundesregierung erleichtert ihnen das, indem sie regelmäßig Gipfeltreffen mit VertreterInnen von Wirtschaft und Wissenschaft ausrichtet. Das „Deutsch-Brasilianische Jahr für Wissenschaft, Technologie und Innovation“ eröffnete Bundesforschungsministerin Annette Schavan am 14. April 2010 in São Paulo. Daneben fand sie noch Zeit, die Niederlassung des Leverkusener Multis in der Stadt zu besuchen, der gerade eine Kooperation mit dem brasilianischen „Zentrum für Zuckerrohr-Technologie“ vereinbart hat (siehe GENE & KLONE).

Buirer CDU besucht BAYER
Der Ortsverband Buir der CDU hat im März dem Monheimer BAYER-Werk einen Besuch abgestattet. Er besichtigte das Forschungszentrum und die Institute für Pestizid-Entwicklung.

Emissionsrechte für Gentech-Pflanzen?
Auch die Landwirtschaft produziert klima-schädliche Gase. Deshalb gibt es Überlegungen, die Agrar-Industrie in den Emissionshandel einzubeziehen und den Ausstoß von Methan, Distickstoffmonoxid oder anderen Stoffen kostenpflichtig zu machen, wenn er bestimmte Grenzen übersteigt. In diese Diskussion haben sich jetzt auch BAYER & Co. eingeschaltet. Die Konzerne wollen ihre Genpflanzen in der Klima-Bilanz der LandwirtInnen als Aktiva verbuchen lassen. Weil die Bauern und Bäuerinnen die Laborfrüchte ohne Pflügen und Umgraben aussäen können, tragen diese zu einer nachhaltigen Bodenbewirtschaftung bei, argumentieren die Global Player. In den USA haben BAYER, MONSANTO und andere Agro-Riesen die Lobby-Firma NOVECTA engagiert, um die PolitikerInnen in diesem Sinne zu beeinflussen. Darüber hinaus warben die Multis auf der Klima-Konferenz in Kopenhagen und bei der UN-Welternährungsorganisation FAO für ihr Projekt, das den gen-manipulierten Pflanzen zusätzliche Absatzmärkte erschließen würde.

Obamas Gentech-Fans
Barack Obama hat einige Schlüsselpositionen an Personen mit guten Kontakten zu den Gentech-Multis vergeben. Landwirtschaftsminister Thomas Vilsack ernannte der Industrie-Verband „Biotechnology Industry Organisation“ wegen seiner Verdienste für die Gentechnik bereits 2001 zum „Governor of the Year“. Das neu gegründete „Nationale Institut für Nahrung und Landwirtschaft“ leitet mit Roger Beachy ein ehemaliger MONSANTO-Forscher, und in der Handelsbehörde kümmert sich bald Islam Siddiqui von der Agromulti-Organisation „CropLife America“ um die Landwirtschaftspolitik, wenn sich der Senat nicht doch noch den Protesten von GREENPEACE, PESTICIDE ACTION NETWORK und anderen Initiativen beugt.

EU Weltspitze im Patentschutz
Dank der Lobby-Aktivitäten des „Europäischen Verbandes der Forschenden Pharma-Unternehmen“ (EFPIA) erhalten BAYER & Co. nirgendwo so lange Patentschutz für ihre Präparate wie in der EU. Während die USA Monopolrechte für neue Medikamente nur ca. 8 Jahre gewähren, billigt die Europäische Union BAYER & Co. seit 2004 durchschnittlich elf Jahre zu.

Jugend forscht für BAYER
Der Nachwuchs-Wettbewerb der Stiftung „Jugend forscht“ hat seit neuestem einen wissenschaftlichen Beirat. In diesem sitzt auch BAYERs Forschungsvorstand Wolfgang Plischke, weshalb er die Jugend jetzt direkter für den Leverkusener Multi forschen lassen kann. „Aufgabe des wissenschaftlichen Beirats ist es, relevante Themen und Trends zu identifizieren sowie konkrete Empfehlungen zur künftigen Ausrichtung von ‚Jugend forscht‘ im Rahmen der Nachwuchsförderung in Deutschland auszusprechen“, erklärt die Stiftung nämlich.

PROPAGANDA & MEDIEN

UNICEPTA bereitet Interviews vor
Der Leverkusener Multi hat zwar eine gut besetzte Presseabteilung, aber trotzdem holt sich der Konzern zusätzlich noch Fremd-Expertise ins Haus. So hat das Medienbeobachtungsunternehmen UNICEPTA bei BAYER ein eigenes Büro mit drei Beschäftigten und übernimmt Sonderaufträge. Wenn es beispielsweise eine Interview-Anfrage gibt, checkt UNICEPTA den Journalisten vorher genau aus, „um zu antizipieren, wie er denkt“, vermeldet das prmagazin.

BAYER wirbt um Akzeptanz
Was seine Akzeptanz bei der Bevölkerung angeht, fühlt der Leverkusener Multi sich angesichts der Proteste gegen seine Kohlekraftwerk- und Pipeline-Pläne wieder in die alten Hochzeiten der Umweltbewegung versetzt. „Vielleicht erleben wir nach den siebziger Jahren jetzt wieder eine Phase, in der sich die Chemische Industrie erklären muss“, sagt der Leverkusener Chemie„park“-Leiter Ernst Grigat. „Kritische Gruppen werden zum Risiko für den Industrie-Standort NRW“, warnt er. Deshalb startet der Konzern jetzt eine „Charme-Offensive“ (Leverkusener Anzeiger) und macht auf BürgerInnen-Nähe (siehe auch AKTION & KRITIK). So stellt er die alljährlichen BesucherInnen-Tage unter das Motto „Sicherheit, Energie und Umwelt“ und heißt dort angeblich auch KritikerInnen willkommen.

Große Spende an Bluter-Verband
Weltweit infizierten sich in den 80er Jahren Tausende Bluter durch Blutprodukte von BAYER & Co. mit AIDS oder Hepatitis C. Sie wurden Opfer der Profitgier der Konzerne, denn diese hatten sich aus Kostengründen lange Zeit geweigert, eine Hitze-Behandlung der Mittel zur Abtötung der Krankheitskeime vorzunehmen. Seit dieser Zeit sieht der Leverkusener Multi sich zu vertrauensbildenden Maßnahmen gezwungen, um die Patienten wieder für sich zu gewinnen. So spendet er den Bluter-Organisationen regelmäßig hohe Beträge. So erhielt der US-amerikanische Verband im April 2010 einen Scheck über 250.000 Dollar.

Große Spende an ImkerInnen-Verband
Pestizide von BAYER und anderen Herstellern stellen eine Landplage für Bienen dar und sorgen regelmäßig für Sterbewellen. Da gilt es, sich des Wohlverhaltens der BienenzüchterInnen-Verbände zu versichern. In England tut BAYER das durch regelmäßige Spenden. So erhält die „British Bee Keepers Association“ jährlich 17.000 Pfund und zeichnet die Ackergifte des Konzerns dafür im Gegenzug mit ihrem Gütesiegel aus. Nach Protesten aus den eigenen Reihen und einigen kritischen Tageszeitungsartikeln hat die Organisation diese Kooperation jedoch aufgekündigt.

Rheinische Post wirbt für BAYER
Der Pharma-Riese spielt seinem Stammsitz Leverkusen seit längerer Zeit übel mit. Das Werk schrumpft und schrumpft und damit auch die Zahl der Arbeitsplätze, die Gewerbesteuer fließt nur noch spärlich und die vielbeschworene BAYER-Familie wird dysfunktionaler und dysfunktionaler. Deshalb hat der Multi im letzten Jahr unter dem Motto „Leverkusen und BAYER. Ein starkes Team“ eine Image-Kampagne mit Anzeigen, lokaler Internet-Seite und Foto-Wettbewerben begonnen. 2010 setzt der Konzern sie fort. So veranstaltete er gemeinsam mit der Rheinischen Post auf einer ganzen Zeitungsseite den Quiz „Sind Sie ein Leverkusen-Experte?“, der eigentlich „Sind Sie ein BAYER-Experte?“ heißen müsste. Fragen nach BAYERs „Hilfsprogramm“ für benachteiligte Jugendliche, dem BAYER-Kulturprogramm, dem BAYER-Erholungshaus und dem Spitznamen der Frau von BAYERs ehemaligem Generaldirektor Carl Duisberg lassen jedenfalls arge Zweifel an der journalistischen Unabhängigkeit des Blattes aufkommen.

BAYER bildet JournalistInnen fort
Die Konzerne setzen seit einiger Zeit an den Quelle an, um ihr Bild in der Öffentlichkeit zu bestimmen: Sie bilden JournalistInnen aus bzw. weiter. Während BASF, SIEMENS und RWE die „Initiative Wissenschaftsjournalismus“ ins Leben gerufen haben, bietet BAYER Fortbildungen an. Der Leverkusener Multi lud MedienarbeiterInnen zu dem kostenlosen Seminar „Von den Fakten zur Story - Themen finden und platzieren“ ein.

Gentechnik-PR bei Preisverleihung
Der Leverkusener Multi nutzte die Verleihung des Otto-Bayer-Preises an den Entwicklungsbiologen Dr. Detlef Weigel (Ticker 1/10), um Propaganda für die grüne Gentechnik zu machen. Wohlweislich wählte der Konzern Berlin als Ort für den feierlichen Festakt und redete den PolitikerInnen ins Gewissen. „Es gilt, das gesamte Spektrum der Möglichkeiten zu nutzen, um Ernten vor Krankheiten, Schädlingen, Unkraut und Umwelteinflüssen zu schützen, die Erträge zu erhöhen und die Eigenschaften der Pflanzen zu verbessern“, mahnte BAYER-Chef Werner Wenning. Und der BAYER-Aufsichtsrat und Gentechnik-Multifunktionär Ernst-Ludwig Winnacker versicherte treuherzig: „Ich selbst wäre der Erste, der sich bei einer Gefahr für Leib und Leben für einen Verzicht auf die entsprechende Technologie aussprechen würde“.

TIERE & VERSUCHE

171.251 Tierversuche
Auf der diesjährigen Hauptversammlung nach Tierversuchen bei BAYER befragt, gab Konzern-Chef Werner Wenning die Zahlen bekannt. Demnach hat das Unternehmen im Jahr 2009 171.251 Experimente mit Lebewesen durchgeführt, 93 Prozent davon mit Ratten und Mäusen.

DRUGS & PILLS

GADOVIST jetzt auch für Kinder
BAYERs Kontrastmittel GADOVIST ist seit Anfang des Jahres auch für Kinder über sieben Jahren zugelassen. Der Leverkusener Multi hatte das hauptsächlich bei Magnetresonanz-Tomographien verwendete Mittel in einer Studie mit nur 140 jungen TeilnehmerInnen getestet und keine größeren Unverträglichkeiten festgestellt. Die Risiken und Nebenwirkungen blieben offenbar im Rahmen dessen, was der Beipackzettel aufzählt: Übelkeit und Erbrechen, Schock-Reaktionen, Herz/Kreislauf-Probleme, Atemwegsbeschwerden und Hautausschläge.

GADOVIST für Mammographien?
Der Leverkusener Multi will sein Kontrastmittel GADOVIST (s. o.) auch bei Mammographien zum Einsatz kommen lassen und hat mit Klinischen Tests der dritten und letzten Phase begonnen.

Hör-Schädigungen durch ASPIRIN
ASPIRIN und andere Schmerzmittel steigern die Wahrscheinlichkeit, eine Hörschädigung zu erleiden, um 30 Prozent. Das ergab eine im American Journal of Medicine (Nr. 123) veröffentlichte Studie. Die Präparate stören die Synthese des Gewebe-Hormons Prostaglandin, was zu einer Unterversorgung der Hörzellen mit Blut führt. Eingeschränktes Hörvermögen und Hörstürze können die Folge sein.

BAYER lanciert ASPIRIN COFFEIN
Der Leverkusener Multi hat mit ASPIRIN COFFEIN eine neue Version des Wirkstoff-Mixes Acetylsalicylsäure/Koffein herausgebracht. BAYER zufolge sorgt das Koffein für eine schnellere Aufnahme der Acetylsalicylsäure und verstärkt seinen pharmazeutischen Effekt. Fachleute warnen allerdings vor den Kombinationspräparaten, weil sie die Nieren schädigen, zu Abhängigkeit führen und Dauerkopfschmerz verursachen können. Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) hat deshalb bereits 1997 die Forderung nach einer Verschreibungspflicht für solche Medikamente aufgestellt - und diese im letzten Jahr erweitert. Mittlerweile verlangt das BfArM, gar keine Schmerzmittel-Großpackungen mehr ohne Rezept auszugeben (Ticker 1/10).

Immer noch keine XARELTO-Zulassung
Während die Europäische Union BAYERs XARELTO bei schweren orthopädischen OPs zur Thrombose-Prophylaxe bereits zugelassen hat, verzögert sich die US-Genehmigung weiter. Wegen des erhöhten Risikos von Gefäß-Verschlüssen, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden sowie ungeklärter Langzeitwirkung hatte die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA Anfang 2009 weitere Unterlagen über die Verträglichkeit des Medikamentes angefordert (Ticker 1/09). Und der Leverkusener Multi hat erhebliche Mühe, diese bereitzustellen. Zunächst wollte er sie im Herbst 2009 übergeben, aber daraus wurde nichts. Auch bei der Bilanz-Pressekonferenz im Februar gab es nichts Neues zum Stand der Dinge. „Im Laufe dieses Jahres erwarten wir neue, wichtige Studiendaten“, erklärte BAYER-Chef Werner Wenning dort nur lapidar.

XARELTO: Krankenhäuser zögern
BAYER hat Schwierigkeiten bei der Vermarktung seines bei schweren orthopädischen OPs zur Thrombose-Prophylaxe eingesetzten Präparates XARELTO. Krankenhäuser zögern nämlich mit der Bestellung, weil sie das Preis/Leistungsverhältnis nicht überzeugt. Überlegen zeigt sich das Mittel nämlich nur in der Darreichungsform: Die MedizinerInnen können XARELTO in Tablettenform verteilen und brauchen es nicht zu spritzen.

Neue LEFAX-Version
BAYER bietet LEFAX, das gegen Blähungen, Völlegefühle und Druckbeschwerden helfen soll, jetzt auch in Granulatform und mit Zitronengeschmack an. Das dürfte jedoch nichts an dem vernichtenden Urteil ändern, das der „Arzneiverordnungsreport ‘97“ über das Präparat fällte. Das Buch bescheinigte dem Produkt mit dem Wirkstoff Simethicon völlige Wirkungslosigkeit und riet: „Aus diesem Grund empfiehlt es sich, den Einsatz dieses Mittels als Placebo-Medikation auf besondere Einzelfälle zu beschränken“.

Sonderstatus für CIPROBAY-Version
Pharma-Konzerne entwickeln lediglich Medikamente zur Therapie der verbreitetsten Gesundheitsstörungen, weil nur das genügend Profit verspricht. Sie betrachten es nicht als ihre Aufgabe, Arzneien zur Behandlung von möglichst vielen Beschwerden zu erfinden. Deshalb müssen die GesundheitspolitikerInnen Mittel zur Therapie seltener Krankheiten subventionieren. Diese Aufgabe erfüllt die Verleihung des Orphan-Drug-Status (orphan = engl. Waise). Einen solchen Status verlieh nach der europäischen Arzneimittelbehörde EMA nun auch ihr US-amerikanisches Pendant FDA einer gepimpten Version des altbekannten BAYER-Antibiotikums CIPROBAY. Als Trockenpulver, das zum Inhalieren geeignet ist, will der Multi es künftig gegen chronische Lungeninfektionen einsetzen. Zur Orphan Drug geadelt, kommt das neue alte Medikament jetzt in den Genuss einer schnelleren Genehmigung und verminderter Zulassungsgebühren. Zudem kann der Pharma-Riese sich über eine längere Patentlaufzeit freuen.

AVELOX schädigt Leber
Nach zahlreichen Meldungen über Leberschäden durch sein Antibiotikum AVELOX musste der Leverkusener Multi bereits 2008 der Aufforderung des „Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte“ nachkommen und die europäischen MedizinerInnen und PatientInnen ausdrücklich auf diese Nebenwirkung hinweisen. Anderswo verschwieg der Konzern den unerwünschten Arznei-Effekt jedoch weiter. In Kanada allerdings hat es damit jetzt ein Ende. MedizinerInnen informierten die Gesundheitsbehörde „Health Canada“ über die Gegenanzeige, weshalb BAYER sich gezwungen sah, vor Gesundheitsrisiken für die Leber durch AVELOX zu warnen.

NEXAVAR bei Darmkrebs?
Der Leverkusener Multi versucht unentwegt, das Anwendungsspektrum seiner zur Behandlung von fortgeschrittenem Nieren- und Leberkrebs zugelassenen Gentech-Arznei NEXAVAR zu erweitern. Für die Indikation „Darmkrebs“ hat gerade die dritte und letzte Testphase begonnen. Entsprechende Versuche laufen auch zur Therapie von Schilddrüsen-, Brust- und fortgeschrittenem Lungenkrebs; bei Haut- und Bauchspeicheldrüsenkrebs versagte das Medikament dagegen bereits.

YASMIN-Beipackzetteländerungen
Zeitungsmeldungen über bisweilen sogar tödlich verlaufende Nebenwirkungen von BAYERs Antibaby-Pille YASMIN haben die Öffentlichkeit im letzten Jahr schockiert. Doch alles, was vom Skandal übrig bleibt, ist ein anderer Beipackzettel. Der Leverkusener Multi muss künftig in Europa und in den USA auf das Risiko von Thromboembolien hinweisen. Er zeigt sich jedoch weiterhin uneinsichtig, zweifelt die Ergebnisse neuer Studien zu dieser Gesundheitsgefährdung an und sieht noch Diskussionsbedarf, „bevor eine endgültige Aussage über das Thrombose-Risiko unter YASMIN getroffen werden kann“.

Neues Verhütungsmittel
Der Leverkusener Multi hat für sein Verhütungsmittel NATAZIA, das er in Europa unter dem Namen QLAIRA vermarktet, auch in den USA eine Zulassung erhalten. Die neue Pille mit den Wirkstoffen Estradiol und Dienogest bewirbt der Multi ebenfalls wieder als Lifestyle-Präparat, das angeblich Gewichtszunahmen verhindert. Über Risiken und Nebenwirkungen wie Thrombosen, die bei dem Kontrazeptivum YASMIN bereits zu Todesfällen geführt haben (SWB 3/09), weiß der Pharma-Riese hingegen angeblich nichts. Das könnte „nur in großen epidemiologischen Studien geklärt werden“, lässt er verlauten.

Neue Herz-Medikamente
Der Leverkusener Multi entwickelt zur Zeit drei neue Wirkstoffe zur Behandlung von Herz-Krankheiten. Eine Substanz soll die Produktion von Guanosinmonophosphat anregen, das die Blutgefäße erweitert und schützt. Von einem anderen Stoff erhoffen sich die Arznei-ForscherInnen eine Hemmung des den Herzmuskel angreifenden Aldosterons und von einem weiteren die Blockade des gefäß-verengenden Hormons Vasopressin.

BAYER kontrolliert sich selbst
Die Risiken und Nebenwirkungen von Medikamenten sorgen für fünf Prozent aller Krankenhaus-Einweisungen. Das bewog Brüssel zum Handeln. Die EU plant Reformen zur Arzneimittel-Sicherheit. Allerdings will sie BAYER & Co. die Aufgabe anvertrauen, die Schadensmeldungen zu sammeln, auszuwerten und dann an staatliche Stellen weiterzureichen, was die BUKO-PHARMA-KAMPAGNE kritisiert. „Man kann von ihnen wohl kaum erwarten, dass sie sich allein am VerbraucherInnenschutz orientieren und die Interessen ihrer Anteilseigner an einem möglichst hohen Umsatz ignorieren“, schreibt die Initiative in ihrem Pharma-Brief. Auch das Bestreben der Europäischen Union, die Zulassungsverfahren zu beschleunigen, dürfte kaum zu einem besseren Schutz der PatientInnen führen (s. u.).

Beschleunigte Pillen-Zulassungen
Die EU will die Zulassungsverfahren für Arzneimittel beschleunigen. Künftig brauchen BAYER & Co. weder die Wirksamkeit noch die Unbedenklichkeit ihrer Medikamente vor der Genehmigung zu belegen - die entsprechenden Daten können nachgereicht werden. Und falls die Hersteller der Aufforderung nicht nachkommen, droht ihnen - anders als in den USA - nicht einmal ein Entzug der Vermarktungsrechte.

Tests mit Tabakpflanzen-Impfstoff
Der Leverkusener Multi hat Klinische Tests mit einem Arzneistoff begonnen, den Tabakpflanzen produzieren. Bei dem Verfahren zur Herstellung eines Antikörper-Impfstoffes zur Behandlung eines Lymphsystem-Krebses tauchen die PharmakologInnen die Tabakpflanzen in ein Bakterien-Bad, wodurch sich das Antikörper-Erbgut überträgt und seine Arbeit in der Botanik aufnimmt (Ticker 3/08). Diese von BAYER als „extrem preisgünstig“ gepriesene Herstellungsart hat die Firma ICON GENETICS entwickelt, was sie die Selbstständigkeit kostete: 2006 verleibte sich der Multi das Biotech-Unternehmen ein.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Brasilien:Aktivist ermordet
Als Sprecher der Gemeinde von Sãl João do Tomé und Präsident einer Vereinigung von kleinen LandwirtInnen hatte sich José Maria Filho (Zé Maria) unermüdlich gegen den Einsatz von Ackergiften auf den großen Plantagen engagiert und sogar ein Verbot von Sprühungen aus dem Flugzeug durchgesetzt. Das bezahlte er jetzt mit seinem Leben. Am 21. April 2010 erlag José Maria Filho den 19 Schuss-Verletzungen, die ihm Unbekannte beigebracht hatten.

Sonderzulassung für SANTANA
BAYERs Saatgut-Beize PONCHO mit dem Wirkstoff Clothianidin hat vor zwei Jahren ein massives Bienensterben verursacht, weshalb in vielen Ländern Verbote erfolgten und hierzulande die Zulassung für Mais-Kulturen einstweilen ruht. Der Leverkusener Multi leugnet jedoch den Zusammenhang. Er führt stattdessen technische Fehler beim Beiz-Prozess, veraltete Sämaschinen und das Wirken der Varroa-Milbe als Gründe für die Dezimierung der Bienenvölker an und drängt auf Wiederzulassung des Giftes. Im Frühjahr errang der Konzern einen Teil-Erfolg. Die Behörden erteilten BAYERs Clothianidin-Granulat SANTANA eine - zeitlich und regional begrenzte - Sondergenehmigung. Das alarmierte den DEUTSCHEN IMKERBUND. Er forderte, den Einsatz von Pestiziden aus der Gruppe der Neonicotinoide wie SANTANA oder PONCHO zu unterbinden, „solange ein Schutz der Bienen nicht gewährleistet ist“.

ImkerInnen warnen vor PROTEUS
Die BAYER-Insektizide PONCHO und GAUCHO haben Millionen Bienen den Tod gebracht. Von dem neuen, ebenfalls zur Gruppe der Neonicotinoide gehörenden Mittel PROTEUS mit den Wirkstoffen Thiacloprid und Deltamethrin befürchten die BienenzüchterInnen vom französischen Verband UNAF deshalb wieder das Schlimmste. „Es besteht aus zwei für Bienen gefährlichen Substanzen“, stellt die Imkerin Sophie Dugué fest und kritisiert die Zulassungsbehörden des Landes für ihre Entscheidung, das Pestizid zu genehmigen.

Deutschland: große Bienenverluste
Der Imker Manfred Gerber hat auf der letzten BAYER-Hauptversammlung dargelegt, wie dramatisch das Bienensterben im letzten Winter verlief. In der Bundesrepublik sind zwischen 30 und 60 Prozent der Bienenvölker verendet - 20 bis 50 Prozent mehr als üblich. Wie der DEUTSCHE IMKERBUND forderte Gerber deshalb das Verbot aller Ackergifte auf Neonicotinoid-Basis wie BAYERs PONCHO, GAUCHO und SANTANA, deren Gebrauch bislang nur eingeschränkt ist.

USA: große Bienenverluste
ImkerInnen verlieren immer viele Bienenstämme über den Winter. Dieses Mal lagen die Verluste unter denen der letzten beiden Jahre, jedoch immer noch mehr als 10 Prozent über dem Normalwert. Viele Bienenzüchter machen die Pestizide dafür verantwortlich; die BAYER-Mittel PONCHO und GAUCHO sind inzwischen berühmt-berüchtigt. Der größte Bienenzüchter des Bundesstaates Pennsylvania zog daraus die Konsequenz, mit seinen Bienen erstmals nicht mehr zur Orangen-Blüte nach Florida aufzubrechen. „Die Chemikalien, die sie dort benutzen, machen etwas, das das Immunsystem der Bienen zerstört“, so Dave Hackenberg.

Schweiz: große Bienenverluste
Im vorletzten Jahr hat BAYERs Saatgut-Beizmittel PONCHO in Süddeutschland ein verheerendes Bienensterben ausgelöst. Deshalb dürfen die LandwirtInnen das Produkt in der Bundesrepublik vorerst auf Maisfeldern nicht mehr ausbringen. Andere Länder reagierten hingegen nicht. Nach einem Massentod von Bienen in Österreich, Kroatien und Japan (Ticker 3/09) beklagten deshalb nun auch ImkerInnen in der Schweiz große Verluste.

Fischsterben in Australien
Vor anderthalb Jahren gingen Bilder von verendeten Fischen und solchen mit zwei Köpfen oder anderen Deformationen durch die australische Presse. Sie stammten vom Noosa-Fluss, der an große Nuss-Plantagen grenzt. Die dort ausgebrachten Pestizid-Mengen - unter anderem die auch in BAYER-Produkten verwendeten Wirkstoffe Endosulfan, Carbendazim und Beta-Cyfluthrin - galten sofort als Grund für das Fischsterben. Die Behörden untersagten den Gebrauch zwar nicht umgehend, gaben aber eine Untersuchung in Auftrag. Die Ergebnisse bestätigen nach Aussagen des beteiligten Wissenschaftlers Dr. Matt Landos jetzt den Anfangsverdacht. Allerdings herrscht unter den ForscherInnen keine Einigkeit. Die industrie-freundlichen unter ihnen führen andere Erklärungen an wie Hitzestress oder Sauerstoffmangel, weshalb der Abschlussbericht kaum zu einem eindeutigen Urteil kommen dürfte.

Wirkungslose Anti-Unkrautmittel
Der Dauer-Einsatz von Herbiziden auf den Feldern macht Unkräuter im Laufe der Zeit resistent gegen die Mittel. So können sich Ackerfuchsschwanz und Windhalm immer ungestörter ausbreiten. BAYERs ECONAL versagte bereits 2004 seinen Dienst, und nun tut sich auch ATLANTIS deutlich schwerer mit den Wildgräsern. Die über den Boden wirkenden Mittel CADOU und MALIBU zeigen ebenfalls deutliche Verschleiß-Erscheinungen. Die Aussicht auf ungehinderten Wildwuchs bezeichnete der Landwirtschaftskammer-Berater Dr. Manfred Bartels in dem Wochenblatt Land & Forst als „Horrorvision“. Eine „Verführung durch die modernen Möglichkeiten der Landtechnik und des Pflanzenschutzes“ machte er für die Misere verantwortlich.

Vereinfachte Biozid-Zulassung?
Die EU plant, die Zulassung von Haushaltsinsektiziden und anderen Bioziden zu vereinfachen und den VerbraucherInnenschutz im Namen des „Bürokratie-Abbaus“ den Industrie-Interessen zu opfern.

GENE & KLONE

Individuelle Krebstherapien
BAYER hat einen Kooperationsvertrag mit dem US-amerikanischen Biotech-Unternehmen PROMETHEUS unterzeichnet, weil die Firma ein Verfahren zur Bestimmung des Aktivitätszustandes von Tumor-Zellen entwickelt hat. Mit Hilfe dieser Technologie will der Leverkusener Multi seine Krebsmedikamente so veredeln, dass sie genau auf den Gesundheitszustand der PatientInnen abgestimmte Therapien ermöglichen.

Fast 6 Millionen Euro für BETAFERON
BAYERs gentechnisch hergestelltes BETAFERON gehört zu den Arzneien, die den Krankenkassen die größten Kosten verursachen. Die Ausgaben für das Multiple-Sklerose-Präparat lagen 2008 bei 5.852.470 Millionen Euro - nur für drei Medikamente mussten DAK & Co. mehr zahlen.

Mehr Gentechnik, mehr Pestizide
Entgegen den Behauptungen von BAYER & Co. senkt die grüne Gentechnik den Pestizid-Verbrauch nicht. Das ergab eine neue Studie von Charles Benbrook, einem ehemaligen Mitarbeiter des US-amerikanischen Landwirtschaftsministeriums. Benbrook zufolge hat sich die verwendete Gift-Menge seit der Markteinführung gentechnisch manipulierter Pflanzen um 145.000 Tonnen erhöht. Die Wirksamkeit der Substanzen, welche die Hersteller gemeinsam mit den gegen sie resistenten Ackerfrüchten vermarkten, hat über die Jahre erheblich nachgelassen, weshalb die LandwirtInnen nach den Beobachtungen des Experten zusätzlich zu anderen Mitteln greifen müssen. Im Jahr 2008 brachten sie 28 Prozent mehr Agro-Chemikalien aus als ihre nicht auf die grüne Gentechnik setzenden KollegInnen.

BAYER & Co. gegen EU-Richtlinie
Bislang dürfen Ackerfrüchte-Importe in die EU-Länder keinerlei Spuren von Gentech-Pflanzen ohne Brüsseler Zulassung aufweisen. Diese Regelung wollen Landwirtschaftsverbände und Agro-Multis allerdings kippen. Sie verweisen auf massive Engpässe in der Futtermittel-Versorgung, vor allem weil die US-FarmerInnen nicht mehr für ihr Soja bürgen können, und warnen vor Preis-Steigerungen für Nahrungsmittel. Beweise bleiben sie allerdings schuldig. Sogar das Fachblatt Agra-Europe muss festzustellen, dass die „von Brüssel gefahrene ‚Nulltoleranz-Politik‘ bisher keinen Niederschlag in den US-Statistiken findet; die amerikanischen Sojaschrot-Exporte sollen gegenüber 2008/09 sogar leicht steigen“. So hat die Kampagne zuvorderst den Zweck, die Marktchancen für die Risiko-Technologie zu erhöhen und image-schädigende Gen-GAUs künftig zu vermeiden. Der Skandal um den Supermarkt-Reis, in dem sich 2006 BAYERs noch nirgendwo zugelassene LL601-Sorten fanden, wäre dann nämlich von einem Tag auf den anderen keiner mehr.

Gentech-Zuckerrohr zu Agrosprit
Der Agrosprit-Boom nimmt immer mehr Ackerflächen in Anspruch und verdrängt so die Kulturpflanzen von den Feldern, weshalb die Preise für Nahrungsmittel steigen. BAYER profitiert seit längerem von der Situation. So bietet der Agro-Riese den Biosprit-Baronen mit dem Gentech-Raps INVIGOR maßgeschneiderte, besonders viel Öl produzierende Pflanzen an. Und jetzt bedient der Agro-Multi sich beim Agrosprit-Geschäft auch noch der Gentechnik. Gemeinsam mit dem brasilianischen „Zentrum für Zuckerrohr-Technologie“ will er gentechnisch manipulierte Zuckerrohr-Sorten entwickeln, die eine besonders gute Ernte versprechen und so in der Weiterbearbeitung besonders viel Biokraftstoff abwerfen.

WASSER, BODEN & LUFT

USA: BAYER Top-Luftverschmutzer
BAYER ist in den USA zum größten Luftverschmutzer aufgestiegen. Hatte der Leverkusener Multi in der letzten Liste des „Political Economy Research Institutes“ aus Massachusetts noch den vierten Rang eingenommen, so arbeitete er sich nun bis zur Top-Position vor. 326,6 Tonnen Schadstoffe blies der Multi 2009 in die Luft und 4.028 Tonnen ließ er verbrennen. Aber nicht die absoluten Zahlen gaben den Ausschlag, da lagen nämlich einige Konzerne noch vor BAYER. Die WissenschaftlerInnen bewerteten stattdessen das von den Hinterlassenschaften ausgehende Gesundheitsrisiko - und hier konnte keiner den Pharma-Riesen übertrumpfen. Ausschlaggebend dafür waren wieder einmal die Produktionsanlagen in Baytown, die den Müll-Öfen Jahr für Jahr mehr als 1.000 Tonnen des krebserregenden Stoffes Toluylen-Diamin (TDA) zuführen.

BAYER Top-Wasserverbraucher
209 Millionen Kubikmeter Wasser verbrauchen BAYERs Produktionsstätten in Nordrhein-Westfalen jährlich. Das hatte im letzten Herbst eine Anfrage der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) ergeben. Wie groß der Durst des Brunsbütteler Werkes ist, brachte die CBG im Frühjahr 2010 in Erfahrung: fast 30 Millionen Kubikmeter.

Neue TDI-Produktionsanlage
Die Produktion des Kunststoffes Toluoldiisocyanat (TDI) stellt ein großes Sicherheitsrisiko dar, da zu seiner Herstellung das Ultragift Phosgen benötigt wird. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat angesichts zahlreicher Störfälle mit Phosgen-Austritt immer wieder auf die Gefährdungen aufmerksam gemacht. Bei den Plänen zu einer neuen TDI-Anlage in Dormagen berücksichtigt BAYER diese Bedenken teilweise. Der Leverkusener Multi will die Fertigungsstätte einhausen und die Wände mit Sensoren versehen, die bei minimalsten Phosgen-Emissionen anschlagen. Aber gebannt hat er die Gefahr damit noch nicht. So kam es Ende 2009 in der Pilotanlage zu einer Freisetzung von Phosgen (Ticker 4/09). Zudem finden sich in den Unterlagen zu dem Vorhaben, die der Konzern der Bezirksregierung vorlegte, keine detailliertere Angaben zum Schadstoff-Ausstoß und zur Beschaffenheit der Produktionsrückstände, wie die Coordination in einer Stellungnahme kritisierte. Auch forderte sie mit Verweis auf eine Explosion im Baytowner TDI-Werk Informationen darüber, wie das Unternehmen künftig die Entstehung von Überdruck im Reaktor zu verhindern gedenkt.

EU-Bodenschutz-Richtlinie blockiert
Die Industrie-Produktion und das, was davon übrig bleibt, setzt den Böden immens zu. Die Konzerne haben gemeinsam mit der Landwirtschaft allein in Europa ca. 3,5 Millionen Grundstücke verunreinigt. Beim aktuellen BAYER-Sanierungsfall „Wolfenbüttel“ wird es nach Schätzungen von ExpertInnen noch ca. 50 Jahre dauern, die Hinterlassenschaften des stillgelegten Werkes zu beseitigen (SWB 1/10). Wegen dieser bedrohlichen Lage sah die EU bereits vor einiger Zeit Handelsbedarf und bereitete eine Bodenschutz-Richtlinie vor. Aber die Multis liefen Sturm gegen die Regelung und hatten Erfolg. Die Bundesrepublik legte im März 2010 zusammen mit vier anderen Ländern ein Veto ein und blockierte damit das Paragrafen-Werk wieder einmal.

Hauxton bereitet Kopfschmerzen
Im englischen Hauxton nahe Cambridge hinterließ der Global Player nach der Schließung eines Pestizid-Werkes verbrannte Erde: jede Menge Altlasten im Boden und im Grundwasser. Jetzt will der Investor HARROW ESTATES trotz der Proteste vieler AnwohnerInnen auf dem verseuchten Gelände eine Wohnsiedlung errichten. Erst nach massivem Druck erklärte das Unternehmen sich zu grundlegenden Sanierungsmaßnahmen bereit. Diese bereiten den HauxtonerInnen nun im wahrsten Sinne des Wortes Kopfschmerzen. Was die Aushub-Arbeiten zu Tage fördern, stinkt nämlich erbärmlich und löst bei vielen Menschen Kopfschmerzen, Rachen-Entzündungen und Atemprobleme aus.

Klimawandel im Geschäftsbericht
In den USA findet der Klimawandel Eingang in die Geschäftsberichte der Konzerne. Die Börsenaufsicht SEC hat BAYER & Co. aufgefordert, mögliche Auswirkungen der Erderwärmung auf die Unternehmenspolitik in ihre Bilanzen aufzunehmen. Wenn nämlich ein Multi etwa besonders viel klima-schädigendes Kohlendioxid ausstößt wie BAYER mit derzeit 7,57 Millionen Tonnen pro Jahr, dann muss er mit umweltpolitischen Maßnahmen rechnen, welche die Gewinne schmälern könnten.

Vassiliadis für Kohlekraftwerke
Michael Vassiliadis, der Vorsitzende der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE, hat sich für den Bau von Kohlekraftwerken ausgesprochen und sich damit hinter entsprechende Planungen BAYERs für den Krefelder Chemie„park“ gestellt. Der Kohlendioxid-Ausstoss ist für den Gewerkschaftler kein Problem, da setzt er auf die unterirdische Speicherung, obwohl die Technologie sich noch nicht einmal in der Erprobungsphase befindet.

Antwerpen gegen Kohlekraftwerk
Der Energie-Riese EON plant auf dem Antwerpener Werksgelände von BAYER das größte Kohlekraftwerk der Benelux-Staaten zu errichten. Es kann 1.100 Megawatt Strom im Jahr produzieren - und sechs Millionen Tonnen Kohlendioxid, nicht weniger als zehn Prozent des Gesamtaufkommens in Belgien. Dazu will es der Rat der Stadt aber nicht kommen lassen. Er hat sich wegen der Emission klimaschädlicher Gase und gesundheitsgefährdender Stoffe gegen das Mammutprojekt ausgesprochen.

BAYER gegen Kohlekraftwerk
Ursprünglich wollte der Pharma-Riese in Krefeld den Energiebedarf nicht mit einem Kohlekraftwerk, sondern umweltpolitisch korrekt mit einer Dampf/Kraft/Wärme-Koppelungsanlage decken. „BAYER plant mittelfristig die Errichtung einer Dampf/Kraft/Wärme-Koppelung am Standort Uerdingen“, kündigte die Firma WINGAS in einem Antrag zum Bau von Leitungen an, welche das dafür erforderliche Gas liefern sollten. Aber ein Großteil der Pipelines wurden nie verlegt. Der Leverkusener Multi gab das Projekt nämlich aus Kostengründen auf und setzte auf die etwas billigere und mehr als nur etwas umweltschädlichere Kohlekraft. Heute will der Konzern von den Plänen nichts mehr wissen und leugnet den Zusammenhang von Gas-Verbund und Kraft/Wärme-Koppelung. Das Vorhaben sei nur eines von acht Argumenten für die Leitung gewesen, behauptet Mark Mätschke von der BAYER-Tochter CURRENTA, und für die künftige Energie-Versorgung hätte es damals sogar 19 Optionen gegeben.

Eine Millionen Tonnen CO2 mehr
BAYER hat in den USA eine Salpetersäure-Anlage gekauft, die der Klima-Bilanz teuer zu stehen kommt: Sie stößt im Jahr eine Millionen Tonnen Kohlendioxid aus.

Quecksilber-Ausstoß: 77 Kilogramm
BAYER gehört zu den letzten Chlor-Herstellern, die noch das veraltete Amalgam-Verfahren einsetzen. Nicht zuletzt deshalb fallen hohe Quecksilber-Emissionen an. Im Jahr 2008 betrug der Ausstoß des gefährlichen Schwermetalls 77 Kilogramm, ca. 74 Kilogramm in die Luft und drei Kilogramm in die Gewässer. Nach einer Kleinen Anfrage der Grünen, zu der eine Presse-Information der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN den Anstoß gegeben hatte, musste der Leverkusener Multi die von ihm bislang als vertraulich eingestuften Werte preisgeben. Ob sich die Quecksilber-Bilanz stark verbessert, wenn der Konzern wie angekündigt seine Technologie zur Chlor-Produktion umstellt, bleibt abzuwarten.

Wasserverschmutzer BAYER
Die nordrhein-westfälische Landesregierung beantwortete eine Kleine Anfrage der Grünen (s. o.) und listete auf, was BAYER MaterialScience allein in Krefeld so alles in die Gewässer eingeleitet hat: 100 Kilogramm Stickstoff, 8 Kilogramm Arsen, 105 Kilogramm Chrom, 239 Kilogramm Kupfer, 58 Kilogramm Nickel, 51,5 Kilogramm Blei, 639 Kilogramm Zink (jeweils inklusive Stoff-Verbindungen), sowie 493 Kilogramm Dichlormethan, 3.000 Kilogramm halogenierte organische Verbindungen wie Chlor, Brom und Jod und 133.777 Kilogramm organischen Kohlenstoffs allein im Jahr 2008.

BAYER & Co. wollen AKW-Profite
BAYER & Co. haben ausgerechnet, was den Stromriesen die Laufzeit-Verlängerung für ihre 17 Atomkraftwerke an Extra-Profiten bringt: 66 bis 84 Milliarden Euro. Und von diesem Kuchen wollen die Konzerne etwas abhaben. Mit Verweis auf die im Vergleich zur europäischen Konkurrenz angeblich höheren Energie-Kosten erhebt der bei BAYER für Energie-Politik zuständige Wilfried Köplin Ansprüche auf einen Preis-Nachlass: „Wir erwarten keinen vollständigen Ausgleich unserer Mehrbelastung, sondern eine signifikante Milderung unseres Standort-Nachteils“.

Bt-Gift in Gewässern
BAYER & Co. bauen in ihre Gentech-Pflanzen gern den giftigen Bacillus thuringiensis (Bt) ein, um Schadinsekten zu töten. Allerdings bleibt das Toxin nicht an seinem Bestimmungsort. Wie US-ForscherInnen herausfanden, wird es oft vom Winde verweht und gelangt so in Gewässer, wo es Fische und andere Lebewesen gefährdet. Auch das „Bundesamt für Naturschutz“ und das Land Brandenburg haben die Gefahr erkannt und wollen die Wasserverschmutzung durch Genmais-Streu nun untersuchen.

Radioaktiver Müll von BAYER
Im Pharma-Bereich arbeitet der Leverkusener Multi auch mit radioaktivem Material. Er setzt es beispielsweise bei bildgebenden Diagnose-Verfahren als Marker ein oder verwendet es bei der Therapie von Erkrankungen des Lymphsystems zur Zerstörung befallener Zellen. Am Standort Berlin fielen auch bei Umbau-Maßnahmen strahlende Abfälle an. Die Produktionsrückstände des Konzerns landen regelmäßig im „Helmholtz-Zentrum für Material und Energie“, das dem Land Berlin als Zwischenlager dient, bis es in Salzstöcken verschwindet

Müllkraftwerk in Bitterfeld
Müll heißt jetzt „erneuerbare Energie“ - jedenfalls bei BAYER & Co.. Sie führen ihre Produktionsrückstände nämlich neuerdings gerne Müllkraftwerken zu und nennen das „thermische Verwertung“, weil dabei ein wenig nutzbare Wärme-Energie entsteht. In viel größeren Mengen entstehen jedoch chlorierte Kohlenwasserstoffe, Schwefeldioxid, Kohlendioxid, Feinstaub und andere Substanzen. Aber den Leverkusener Multi stört das nicht. Er betreibt in Brunsbüttel ein Müllkraftwerk, befeuert eines in Bitterfeld und plant in Dormagen ein neues.

CO & CO.

Neue CO-Anlage
Der Leverkusener Multi will in Dormagen eine Kohlenmonoxid-Anlage bauen, um den durch die Erweiterung der TDI-Produktion erhöhten Bedarf zu decken (s. o.). Warum er eine solche nicht auch in Krefeld errichtet und stattdessen eine 67 Kilometer lange Pipeline quer durch Nordrhein-Westfalen legt, weiß nur der Konzern allein. Zudem wird mit dem neuesten Vorhaben BAYERs Argumentation in Sachen „CO-Leitung“ hinfällig. „Bislang wurde das ganze Projekt damit gerechtfertigt, dass die Überschüsse, die in Dormagen entstehen, in der Uerdinger Kunststoff-Produktion dringend benötigt würden und deshalb dorthin geleitet werden müssten. Jetzt braucht man in Dormagen plötzlich mehr CO, als dort zur Zeit überhaupt anfällt. Warum dann noch eine CO-Transportleitung nach Uerdingen mit den unkalkulierbaren Risiken“, fragt Dieter Donner, Koordinator der Anti-Pipeline-Initiativen.

Landtag für CO-Pipeline
Auf Antrag der Grünen stimmte der nordrhein-westfälische Landtag Ende März 2010 nochmals über BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline ab. Eine mega-große Koalition aus CDU, SPD und FDP befürworteten den Bau der 67 Kilometer langen Leitung von Dormagen nach Krefeld. Allerdings gab es ein paar Abtrünnige: Vier CDU-Abgeordnete aus dem Kreis Mettmann und vier SPD-Abgeordnete aus Duisburg gesellten sich zu den Grünen und der Linkspartei und lehnten das Projekt ab.

Bombenreste gefunden
Die Bezirksregierung Düsseldorf hatte der Firma WINGAS als Bauherr von BAYERs umstrittener Kohlenmonoxid-Pipeline vorgeschrieben, den Boden vor Beginn der Verlegungsarbeiten mit Detektoren nach Fliegerbomben und anderen Kampfmitteln zu durchsuchen. Das Unternehmen kam dieser Aufforderung jedoch nur unvollständig nach, obwohl es schon bei der oberflächigen Untersuchung auf zwei Brandbomben gestoßen war. So begann die Überprüfung erst Ende 2009 - und fördert immer wieder Bedenkliches zu Tage. So gesellten sich im April 2010 den bisherigen Funden - zwei Granaten und zwei 10-Zentner-Blindgänger - zwei Bombenreste und ein Maschinengewehr hinzu.

Feuerwehr kritisiert Sicherheitskonzept
Das „Worst Case Scenario“ des Leverkusener Multis für einen Pipeline-Unfall stößt auf massive Kritik. Die Hochrechnungen zum möglichen Umfang eines Gas-Austrittes kalkulieren extreme Wetterlagen nicht ein, monierte René Schubert von der Ratinger Feuerwehr. Nebelbänke etwa könnten der CO-Wolke zu einer größeren Ausdehnung als 800 Meter verhelfen, gab er zu bedenken. Um dieser zu Leibe zu rücken, haben die Einsatzkräfte dem Experten zufolge nur eine Viertelstunde Zeit - länger schützen die Gas-Masken nicht. Der Konzern hatte eine Stunde zugrunde gelegt, moderne Geräte sollten das nach Ansicht von BAYERs Pipeline-Beauftragtem Werner Breuer ermöglichen. Nur leider seien diese noch gar nicht zugelassen, erklärte Schubert. Auch die mangelhafte Ausstattung der Schieberstationen prangerte er an, so habe das Unternehmen aus Kostengründen auf die Installation von Windmessern verzichtet, weshalb die Feuerwehr bei einem GAU auf den Wetterdienst angewiesen sei. Wolfgang Cüppers von den Pipeline-GegnerInnen der IG ERKRATH reichen die Vorsorge-Maßnahmen ebenfalls nicht. Wenn ein Leck entsteht, machen die Schieberstationen zwar die Schotten dicht und schneiden das betroffene Segment von weiterer CO-Zufuhr ab, allerdings tun sie das nicht automatisch, so Cüppers. Ein BAYER-Beschäftigter müsste erst den Mechanismus auslösen, wodurch im Ernstfall wertvolle Zeit verloren ginge, beanstandete er.

STANDORTE & PRODUKTION

BAYER-Hochhaus keine Leuchte
Der Leverkusener Multi hatte vor, sein altes Verwaltungshochhaus mittels 5,6 Millionen Leuchtdioden zur weltgrößten Medienskulptur umzurüsten, aber „es ward Licht“ will es partout nicht heißen. „Spannungsspitzen“ ließen die Dioden durchbrennen - und zwar gleich reihenweise. Auf Ersatz aus dem fernen Japan wartete BAYER drei Monate lang, und dann begannen erst einmal die Trockentests. Diese verliefen negativ, weshalb der Konzern jetzt alle Lichter austauschen muss. Mit dem großen Kino, das „faszinierende Bildwelten aus der Wissenschaft“ erschließt, dürfte es also noch eine Weile dauern. Einstweilen bleibt das Gebäude ein Geisterhaus. Zur Freude des Klimas, denn die Lichtkunst frisst 1.800 Kilowattstunden Strom pro Tag.

Krefeld: Neue Chlor-Produktion
Während viele mittelständische Betriebe ihre Chlor-Herstellung bereits seit einiger Zeit auf das Membran-Verfahren umgestellt haben, bei dem kein giftiges Quecksilber als Produktionsrückstand mehr anfällt, sperrte BAYER sich lange gegen die Neuerung. Aber mit Subventionen vom Forschungsministerium konnte der Leverkusener Multi jetzt auch die Veränderung stemmen und kündigte die Errichtung einer Fertigungsstätte an. Dafür hat der Konzern gemeinsam mit dem Anlagenbauer UHDE und der RWTH Aachen das Membran-System mittels Sauerstoff-Verzehrkathoden so weiterentwickelt, dass zur Einspeisung des zur Elektrolyse benötigten Sauerstoffs weniger Energie erforderlich ist als bisher üblich.

Öl-Kosten: 1,3 Milliarden Euro
Die zur Neige gehenden fossilen Rohstoffe machen den Unternehmen zunehmend Sorge, weshalb ihr Druck auf die Politik zunimmt, die Ressourcen-Versorgung sicherzustellen, notfalls auch militärisch (SWB 1/10). Der Leverkusener Multi kann seinen Bedarf noch ca. 20 Jahre decken, prognostizieren die Konzern-StrategInnen. Er muss aber schon jetzt beträchtliche finanzielle Mittel dafür aufwenden. Nach Angaben von BAYER-Chef Werner Wenning auf der diesjährigen Hauptversammlung gab der Konzern im Geschäftsjahr 2009 1,3 Milliarden Euro für Öl aus.

IMPERIUM & WELTMARKT

Der Osten leuchtet
Für BAYER & Co. leuchtet der Osten. Auf der „Asien-Pazifik-Konferenz der deutschen Wirtschaft“, an der auch BAYER-VertreterInnen teilnahmen, sprachen die Manager angesichts der steigenden Exporte in diese Weltregion von einem „pazifischen Jahrhundert“. Um dafür gerüstet zu sein, müssten die Konzerne jedoch noch an ihrer Wettbewerbsfähigkeit feilen, so Monika Stärk vom „Ostasiatischen Verein“. Das „Jahrhundert der Beschäftigten“ dürfte das 21. angesichts der damit verbundenen Rationalisierungsmaßnahmen also kaum werden.

Condon neuer Chef von BAYER VITAL
Der Leverkusener Multi hat den Iren Liam Condon zum neuen Chef von BAYER VITAL ernannt. Er löst damit Hans-Joachim Rothe ab, der die Sparte für frei verkäufliche Arzneimittel seit 1999 geleitet hatte und zum Jahreswechsel in den Ruhestand trat.

Kooperation mit PROMETHEUS
BAYER hat mit dem US-amerikanischen Biotech-Unternehmen PROMETHEUS einen Kooperationsvertrag unterzeichnet (siehe GENE & KLONE).

BAYER kauft ARTIFICIAL MUSCLE
Der Leverkusener Multi hat die US-Firma ARTIFICIAL MUSCLE übernommen

[Ticker] STICHWORT BAYER 01 2010 Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Proteste wg. DYSTAR-Insolvenz
Den aus der BAYER-Familie verstoßenen Firmen blüht zumeist ein schweres Schicksal. AGFA, DYNEVO und TANATEX warten immer wieder mit harten Einschnitten für die Beschäftigten auf, und der Farbstoffproduzent DYSTAR musste im letzten Jahr sogar Insolvenz anmelden. Es gibt mit dem chinesischen Unternehmen HUBAI CHUYAN und dem indischen Konzern KIRI DYES zwar zwei Kauf-Interessenten, aber die Verhandlungen gestalten sich unter anderem wegen der hohen Pacht, die DYSTAR für ihre Gebäude an die BAYER-Abspaltung LANXESS zu zahlen hat, schwierig. Auf dem Internetforum des Leverkusener Anzeigers werfen LeserInnen BAYER unterlassene Hilfeleistung vor. „Ja, es ist soweit, die nächste Firma ist durch Inkompetenz und blauäugiges Denken in den Ruin getrieben worden. Und wer rührt sich nicht und bietet Hilfe an? Jawohl, unsere ehemalige Mutter, die BAYER AG“, schreibt ein „John Jay“ und bezeichnet die letzten beiden Vorstandsvorsitzenden, Manfred Schneider und Werner Wenning, als „Totengräber der BAYER-Familie“.

Proteste wg. MIRENA
Zu den unerwünschten Arznei-Effekten von BAYERs Hormonspirale MIRENA zählen unter anderem Brustkrebs, Herz/Kreislauf-Krankheiten, Bauchhöhlen-Schwangerschaften, Zysten, Zyklusstörungen und Zwischenblutungen. In den USA haben MIRENA-Opfer deshalb eine Unterschriften-Kampagne durchgeführt und eine Liste mit 1.500 Unterzeichnerinnen an die US-Gesundheitsbehörde FDA gesandt, um Maßnahmen einzufordern. Auch in der Bundesrepublik steht das Verhütungsmittel zunehmend in der Kritik. So finden sich auf der Webseite www.hormonspirale-forum.de zahlreiche Berichte über Risiken und Nebenwirkungen.

Neonicotinoid-Verbot gefordert
BAYERs zur Gruppe der Neonicotinoide gehörende Saatgutbehandlungsmittel PONCHO und GAUCHO haben bereits Millionen Bienen den Tod gebracht. Deshalb erließen viele Länder Anwendungsbeschränkungen. Dem französischen Imker-Verband „Fédération Française des Apiculteurs Professionels“ gehen diese jedoch nicht weit genug. Er fordert ein Komplett-Verbot aller Neonicotinoide.

PAN fordert Chlorpyrifos-Stopp
Pestizide sind für Neugeborene in besonderem Maße schädlich, weil ihr Abwehrsystem erst noch heranreift. Normalerweise ist dieser Prozess mit zwei Jahren abgeschlossen. Nach einer Studie der Berkeley-Universität gibt es jedoch auch Kinder, die noch im Alter von sieben Jahren nicht über eine ausreichende Menge des Entgiftungsenzyms Paraoxonase 1 verfügen. Kommen diese mit der Agrochemikalie Chlorpyrifos in Kontakt, die unter anderem in den BAYER-Produkten BLATTANEX, PROFICID und RIDDER enthalten ist, so steigt ihr Vergiftungsrisiko gegenüber den Altersgenossen mit voll entwickelter Immunabwehr um das 50-164fache. Das PESTIZID-AKTIONS-NETZWERK (PAN) fordert deshalb ein Verbot von Chlorpyrifos.

CBG: Stopp für Klasse-1-Pestizide!
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat eine neue Kampagne gestartet, um den Leverkusener Multi dazu zu veranlassen, endlich seine Zusage zu erfüllen und alle Pestizide der Gefahrenklasse 1 vom Markt zu nehmen. Bereits im Geschäftsbericht des Jahres 1995 hatte der Agro-Riese nämlich angekündigt: „Mit einem Drei-Punkte-Programm haben wir uns hinsichtlich Forschung, Entwicklung und Vertrieb der Pflanzenschutz-Produkte klare Ziele für die kommenden fünf Jahre gesetzt. So werden wir die eingesetzte Produktmenge je Anwendung noch weiter reduzieren und Produkte der WHO-Toxizitätsklasse 1 schrittweise durch Präparate mit geringerer Giftigkeit ersetzen“. Dieses Versprechen hat der Konzern nicht gehalten. Er stellte zwar die Produktion von Parathion, Monocrotophos, Oxydemeton-methyl und Endosulfan ein, vertreibt aber bis heute Thiodicarb, Disulfoton, Triazophos, Fenamiphos und Methamidophos. „Durch die Einstellung des Verkaufs aller Wirkstoffe der obersten Gefahrenklasse ließe sich die Zahl der Vergiftungen signifikant verringern“, so begründete Philipp Mimkes vom CBG-Vorstand die Forderungen.

Mahnwache gegen Kohlekraftwerk
Gegen den geplanten, aber noch nicht endgültig genehmigten Bau eines Kohlekraftwerkes auf dem Gelände des Krefelder Chemie‚parks‘ von BAYER erhebt sich entschiedener Widerstand. Die GegnerInnen des Projektes weisen nicht nur auf den Kohlendioxid-Ausstoß von jährlich ca. 4,4 Millionen Tonnen hin, sondern auch auf die Belastungen durch Feinstaub, Schwermetalle und Radioaktivität. Um dem Protest zu begegnen, hat TRIANEL als Bauherr des Kraftwerks in der Stadt ein Informationsbüro eingerichtet. Bei der Eröffnung erhielt es gleich unliebsamen Besuch. Die Initiative KEIN STEINKOHLEKRAFTWERK IN KREFELD UERDINGEN! hielt vor den Türen eine Mahnwache ab und bekam dabei prominente Unterstützung durch die Grünen-Politikerin Bärbel Höhn.

AOK kritisiert Gesundheitspolitik
Die neue Bundesregierung macht Gesundheitspolitik ganz im Sinne von BAYER & Co.. So gestattet sie Big Pharma trotz gegenteiliger Ankündigungen weiterhin, die Preise für neue Pillen selber festzulegen und kündigt eine Deregulierung des Arzneimittelmarktes an (siehe SWB 4/09). Dieses Vorgehen stellt die Krankenkassen vor massive Probleme. Die AOK erwägt bereits Zusatzbeiträge und übt Kritik an CDU und FDP. „Ausgerechnet die Koalition, die mehr Wettbewerb fordert, schont Pharma-Hersteller und betreibt Klientelpolitik“, protestierte Winfried Jacobs, Chef der AOK Rheinland/Hamburg.

Wollheim-Uni macht weiter
Im Jahr 2001 ging das Frankfurter IG-FARBEN-Haus in den Besitz der „Johann Wolfgang von Goethe-Universität“ über. Seit dieser Zeit traten Studierende und Lehrende dafür ein, die mahnende Erinnerung an den von BAYER mitgegründeten Mörderkonzern wachzuhalten, indem die Hochschule den ehemaligen IG-Zwangsarbeiter Norbert Wollheim ehrt. Die Leitung wehrte sich aber erfolgreich dagegen, einen Platz auf dem Gelände nach dem Mann zu benennen, der durch seinen 1951 begonnenen Musterprozess Entschädigungszahlungen für die SklavenarbeiterInnen ermöglichte. Stattdessen errichtete sie mit dem „Norbert Wollheim Memorial“ eine Gedenkstätte für ihn (siehe SWB 1/09). Im Zuge des Bildungsstreiks jedoch knüpften Studierende an die alte Idee an. Sie besetzten das Casino-Gebäude und benannten die Alma Mater symbolisch in „Norbert Wollheim Universität“ um. Die Hochschulleitung ließ das Casino räumen, aber die StudentInnen machen weiter und halten unter dem Namen „Norbert Wollheim Universität“ regelmäßig Workshops ab.

Beschwerde in Endlosschleife
1999 hatten sich BAYER und andere Multis am Rande des Davoser Weltwirtschaftsforums im „Global Compact“ dazu bekannt, soziale, ökologische und menschenrechtliche Standards einzuhalten. Nach Meinung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) verstieß der Leverkusener Multi mit der Beinah-Katastrophe in Institute und dem nachfolgenden Katastrophen-Management aber gegen die Regularien des an die UN angebundenen Industrie-Zusammenschlusses. Deshalb forderte die Coordination den Ausschluss. Der „Global Compact“ legte dar, dass er über keinerlei Mandat verfügt, die Einhaltung seiner Prinzipien zu kontrollieren und gegebenenfalls Sanktionen auszusprechen. Nur einen Dialog moderieren könne er. Diesen Job sollte die bundesdeutsche Dependance übernehmen. Trotz Einspruches von Seiten der CBG machte die New Yorker Direktion jetzt bereits zum zweiten Mal diesen Vorschlag - vergeblich. Die Coordination besteht weiterhin darauf, den Fall statuten-gemäß im Leitungsgremium zu verhandeln.

KAPITAL & ARBEIT

BAYER ändert Vorstandsvergütung
Im Jahr 2009 verabschiedete der Bundestag ein Gesetz zur ManagerInnen-Vergütung, um die schlimmsten Exzesse einer an kurzfristigen Gewinnen orientierten Wirtschaft zu unterbinden. In der Folge musste auch der Leverkusener Multi ein neues System zur Honorierung seiner Vorstände einführen. Viel ändert sich jedoch nicht.
Immer noch machen die fixen Bezüge nur 30 Prozent des Gehaltes aus, der Rest ist erfolgsabhängig. Die Basis für die Berechnung dieses Erfolges bleibt der Aktien-Kurs, nur der Berechnungszeitraum ändert sich. Er umfasst eine längere Periode der Unternehmensentwicklung, weshalb BAYER sich dafür selbst das Prädikat „Nachhaltigkeit“ verleiht.

108.400 BAYER-Beschäftigte
Im Geschäftsjahr 2009 hatte der Leverkusener Multi 108.400 Belegschaftsangehörige und damit 200 weniger als 2008.

Kaum Frauen in Führungspositionen
Der Anteil von Frauen in Führungspositionen ist bei BAYER gering. Er beläuft sich auf 5,5 Prozent.

BAYER gemeindet JENAPHARM ein
Bisher haben sowohl BAYER VITAL als auch JENAPHARM das Segment „Frauengesundheit“ bei BAYER abgedeckt. Nun plant der Leverkusener Multi eine Umstrukturierung. JENAPHARM soll stärker unter das Dach von BAYER VITAL rücken und nur noch Verhütungsmittel und Präparate für Schwangere selbst vermarkten. Mit dem Umbau gehen Arbeitsplätze in den Bereichen „Marketing“, „klinische Forschung“, „Außendienst“ und „Geschäftsentwicklung“ verloren.

Arbeitsplatzvernichtung in Krefeld
BAYERs 200 Millionen schweres Konzept zur Zukunftssicherung des Standortes Krefeld sichert nicht die Zukunft aller Beschäftigten, denn es ist mit der Vernichtung von 80 Arbeitsplätzen verbunden. Zudem stehen die Investitionen unter dem Vorbehalt von Betriebsgenehmigungen für die Kohlenmonoxid-Pipeline und für das im Chemie-„Park“ geplante Kohlekraftwerk (siehe auch Ticker 4/09).

BMS: Dekkers hält sich bedeckt
Der designierte BAYER-Chef Marijn Dekkers hält sich in Sachen „Zukunft der Kunststoff-Sparte“ bedeckt. „Für Aussagen ist es viel zu früh“, sagte der Holländer der Rheinischen Post. BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) sei „sehr wettbewerbsfähig“, habe aber stärker als der Pharma-Bereich unter konjunkturellen Schwankungen zu leiden, so der Zwischenstand von Dekkers‘ Analyse.

IG BCE will Personenwahlen
Im Vorfeld der im März 2010 stattfindenden Betriebsratswahlen bei BAYER gibt es einen Konflikt zwischen der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) und den oppositionellen Gewerkschaftsgruppen BASIS BETRIEBSRÄTE, BELEGSCHAFTSTEAM und KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN FÜR EINE DURCHSCHAUBARE BETRIEBSRATSARBEIT. Die IG BCE plädiert für eine Personenwahl, bei der die alternativen Gruppen ihre Kenntlichkeit verlieren würden, was auch Sinn der Übung ist. „Wir brauchen in der Opposition keine Opposition“, meint Gesamtbetriebsratsvize Oliver Zühlke. BELEGSCHAFTSTEAM & Co. teilen diese Ansicht jedoch nicht und lehnten den IG-BCE-Vorschlag ab.

Dialogreihe mit der IG BCE
Co-Management, wie es leibt und lebt: BAYER hat gemeinsam mit dem Betriebsrat und der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE eine Dialogreihe zum Thema „Chemie ist Zukunft“ veranstaltet, um etwas für die Zukunft umstrittener Projekte wie der Kohlenmonoxid-Pipeline und dem Kohlekraftwerk in Krefeld zu tun. Und es blieb nicht bei dem einen Schulterschluss. Am Ende herrschte Dreieinigkeit, denn auch eingeladene Vertreter der Landesregierung erteilten die Absolution. „Die erstaunlichen Leistungen der chemischen Industrie in Nordrhein-Westfalen sind ein Beispiel dafür, welche Kompetenz sie bei der Lösung von Problemen besitzt“, lobte Dirk Meyer vom „Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Energie“ in einem Monolog-Beitrag.

LANXESS rationalisiert
Zu den aus der BAYER-Familie verstoßenen Firmen mit einem schweren Schicksal zählt auch LANXESS, ehemals Teil der Chemie-Sparte des Leverkusener Multis. Im Zuge der Wirtschaftskrise verordnet sich das Unternehmen eine Schrumpfkur. Der Konzern hat das 360 Millionen Euro schwere Einspar-Programm „Challenge 09-12“ eingeführt, das viele Arbeitsplätze kosten dürfte.

Neuer Betriebskindergarten
Der Leverkusener Multi baut in Monheim eine neue Betreuungseinrichtung für Kinder, um seine Attraktion für Spitzenkräfte zu erhöhen. „Betriebskindergärten sind ein echter Standortfaktor geworden“, meint BAYER-CROPSCIENCE-Sprecher Utz Klages. Als sie das noch nicht waren, hat der Konzern alles dafür getan, sich die Krippen möglichst wenig kosten zu lassen. So hat er 1999 die vier Leverkusener Betriebskindergärten der Trägerschaft des Roten Kreuzes übergeben (Ticker 2/99) und dadurch jährlich ca. eine halbe Million Euro gespart. Die nicht mehr nach Chemie-Tarif bezahlten PädagogInnen mussten hingegen Einkommensverluste von bis zu 1.250 Euro monatlich hinnehmen.

Schneider mächtigster Aufsichtsrat
Der ehemalige BAYER-Boss Manfred Schneider ist mit Aufsichtsratschefsesseln beim Leverkusener Multi, bei RWE und LINDE sowie mit einfachen Mandaten bei DAIMLER und TUI der mächtigste bundesdeutsche Konzern-Kontrolleur. Sein Salär von 998.910 Euro kommt dem eines vollbeschäftigten Top-Managers dann auch ziemlich nahe, wie die „Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz“ konstatierte.

Wenning muss draußen bleiben
Bisher wechselten nicht nur bei BAYER scheidende Vorstandsvorsitzende routinemäßig in den Chefsessel des Aufsichtsrats. Diesen Altersruhesitz kann Werner Wenning jedoch nicht mehr beziehen - das im letzten Jahr verabschiedete Gesetz zur ManagerInnen-Vergütung macht‘s unmöglich. Wenning ist darüber sehr ungehalten, dass die Große Koalition Insider nicht mehr mit Kontrollaufgaben betrauen mochte und grollte in einem Interview: „Wieso sollte es schaden, wenn man etwas vom Geschäft versteht?“.

Beistandskassen-Versammlung unrechtmäßig
Die BAYER-Beistandskasse hatte 2007 Einschnitte beim Sterbegeld, das durchschnittlich ca. 6.000 Euro beträgt, vorgenommen (Ticker 3/08). Die Abschläge können bis zu 2.000 Euro - also ein Drittel der Summe - betragen. Die Mitgliederversammlung fällte diese Entscheidung faktisch ohne die Mitglieder, denn der Vorstand setzte diese nicht über den brisanten Tagesordnungspunkt in Kenntnis. So nahmen nur 26 Personen an der einstündigen Sitzung teil, die für die rund 90.000 Versicherten den Gewinnzuschlag in Höhe von 25 Prozent strich. Deshalb fochten einige Kassen-Angehörige den Beschluss an. Im Februar 2010 bekamen sie nun endgültig Recht zugesprochen. Weil die Beistandskasse nicht ordnungsgemäß zu der Versammlung eingeladen hatte, erklärte das Landgericht Köln die Beschlüsse von damals für ungültig. Jetzt prüft die Sterbekasse, ob sie die Mitglieder wieder über die Kürzungen abstimmen lassen muss.

Sieg für DYSTAR-Beschäftigten
21 DYSTAR-Beschäftigte hatten im letzten Jahr per Aufhebungsvertrag eingewilligt, gegen Zahlung einer Abfindung in eine Transfergesellschaft zu wechseln. Dann meldete die ehemalige BAYER-Tochter (siehe auch AKTION & KRITIK) Insolvenz an. Während ihre Ex-KollegInnen wenigstens noch Konkurs-Ausfallgeld erhielten, gingen die 21 komplett leer aus. Einer von ihnen klagte dagegen und bekam vom Opladener Arbeitsgericht auch Recht zugesprochen.

ERSTE & DRITTE WELT

Indien als Arzneitest-Ressource
„Auch als Ressource wird Indien für die Pharma-Sparte interessant: Sie lässt dort bereits sechs neue Medikamente testen“, vermeldete die Financial Times Deutschland einmal über BAYERs Engagement in dem Staat. Ein Entwicklungsland als Ressource, das charakterisiert die gängige Praxis bei den Arznei-Prüfungen ganz gut. BAYER & Co. haben in den westlichen Staaten nämlich zunehmend Schwierigkeiten, noch genügend risiko-bereite ProbandInnen für ihre Neuschöpfungen zu finden und profitieren in vielfacher Hinsicht vom Outsourcing. Sie gelangen leichter und für viel weniger Geld an Versuchspersonen, die dann auch noch weniger Fragen stellen, weil sie oftmals die Verträge gar nicht lesen können und einfach ihren ÄrztInnen vertrauen. Zudem gibt es nicht so strenge Vorschriften für die Durchführung der Erprobungen wie beispielsweise in der Bundesrepublik. „Als Indiens Vorteil“ stellt das die in Mumbai ansässige IGATE CLINICAL RESEARCH INTERNATIONAL heraus, die Tests aller Art anbietet. Also insgesamt glänzende Aussichten für BAYER.

EU betreibt Patent-Politik
Seit die Verhandlungsrunden der Welthandelsorganisation WTO zur weiteren Liberalisierung des Welthandels gescheitert sind, betreibt die EU eine eigene Marktöffnungspolitik im Dienste von BAYER & Co. Beim Thema „Patente“ geht sie dabei sogar noch über das berühmt-berüchtigte TRIPS-Abkommen der WTO hinaus. Wie zuvor schon in den Verhandlungen mit Kolumbien (Ticker 2/09) drängt die Europäische Union auch bei den Gesprächen mit Indien auf eine Verlängerung der Patentlaufzeiten für Medikamente von 20 auf 25 Jahre. Zudem will sie die Daten von Arzneitests unter Verschluss halten. Mit all dem unterstützt die EU das Ansinnen von Big Pharma, Indiens Pillen-Industrie zu schwächen, deren preiswerte Nachahmer-Medikamente dem Land den Ruf einer „Apotheke der Dritten Welt“ eingebracht haben. Der Leverkusener Multi hatte im letzten Jahr sogar einen Prozess gegen den Hersteller CIPLA und die Genehmigungsbehörde geführt, um die Zulassung einer Generika-Version seines Krebsmittels NEXAVAR zu verhindern, was allerdings scheiterte (SWB 3/09).

BAYER spendet LAMPIT
BAYER stellt der Weltgesundheitsorganisation WHO 400.000 LAMPIT-Tabletten zur Verfügung, die in Kombination mit Eflornithin-Präparaten zur Behandlung der Schlafkrankheit zum Einsatz kommen. „Im Rahmen seines sozialen Engagements will BAYER einen weiteren wichtigen Beitrag im Kampf gegen Tropenkrankheiten leisten“, mit diesen Worten begründet der Konzern die Reaktivierung seines Medikamentes, dessen Produktion er 1997 schon eingestellt hatte, weil die besonders in Südamerika verbreitete Infektionskrankheit Chagas als Anwendungsgebiet nicht mehr genug Profit versprach. Das Handelsblatt spricht bei solchen milden Gaben mit Blick auf den Image-Gewinn allerdings von „wohl kalkulierter Großzügigkeit“, und für Hilfsorganisationen wie ÄRZTE OHNE GRENZEN können sie dringend notwendige strukturelle Reformen wie eine Verbilligung der Arzneien für Länder der „Dritten Welt“ nicht ersetzen.

KONZERN & VERGANGENHEIT

BAYER 04 als Wende-Profiteur
BAYERs Werksfußball-Club hatte die DDR bereits in den 80er Jahren als Spieler-Reservoir entdeckt. Wie aus Stasi-Unterlagen hervorgeht, beobachtete er mit Hilfe des in die Bundesrepublik geflohenen Trainers Jörg Berger DDR-Kicker bei Auswärtsspielen und verleitete geeignete Kandidaten wie Falko Götz oder Dirk Schlegel zur Republikflucht (Ticker 3/00). Und im Herbst 1989 angelte sich der Verein postwendend Heiko Scholz, Andreas Thom und Ulf Kirsten. BAYER Leverkusen hätte auch gerne Matthias Sammer verpflichtet, aber da war der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl vor. Er fürchtete, die rücksichtslos betriebene Schnäppchenjagd könnte dem Image des Multis - und der Wende - schaden. Deshalb meldete er Bedenken an, und Manager Reiner Calmund verzichtete auf weitere Zukäufe aus Ost-Beständen.

POLITIK & EINFLUSS

Standort-Verlegung leicht gemacht
Das bundesdeutsche Unternehmenssteuerrecht begünstigte lange die Verlegung von Standorten ins Ausland. So konnten BAYER & Co. die Kosten für so genannte Funktionsverlagerungen hierzulande von der Steuer absetzen und zudem noch von den günstigeren Produktionsbedingungen in den fernen Ländern profitieren. Die Große Koalition hat diese paradiesischen Zustände allerdings etwas unparadiesischer gestaltet und auf die Extra-Profite fiskalisch zugegriffen. „Damit fließen auch ausländische Standortvorteile, etwa geringere Lohnkosten jenseits der Grenzen, in die Bewertung des Gewinnpotenzials ein, die dann letztendlich zu einer Besteuerung dieser ausländischen Standortvorteile hierzulande führen“, echauffierte sich der Steuerexperte Axel Eigelshoven von der Unternehmensberatung DELOITTE, derweil BAYER, DAIMLER, BOSCH und andere Unternehmen einen Protestbrief an den damaligen Finanzminister Peer Steinbrück schrieben. Die neue CDU/FDP-Regierung hat die Signale erhört und bereitet nun ein Gesetz vor, das alles wieder auf Anfang gestellt, wie bereits im Koalitionsvertrag angekündigt.

Strippenzieher BAYER
„Keiner zieht mehr Strippen in der Republik als die alte BAYER-Crew“, stellt die Zeit fest. „Ob Gerhard Schröder zur Rotweinrunde ins Kanzleramt lud oder Nachfolgerin Angela Merkel dort mit Managern diskutiert - der amtierende BAYER-Chef Werner Wenning war und ist immer dabei. Und sein Vorgänger Manfred Schneider wurde in den vergangenen Jahren mehrfach zum mächtigsten deutschen Aufsichtsrat gekürt“ schreibt das Wochenblatt in einem Artikel über den neuen Vorstandsvorsitzenden Marijn Dekkers.

Chinas Vize Xi Jinping bei BAYER
Im letzten Jahr war China das Gastland der Frankfurter Buchmesse. Bevor Chinas stellvertretender Staatspräsident Xi Jinping zu dieser Veranstaltung anreiste, machte er einen Zwischenstopp in Berlin, um das Pharma-Werk des Leverkusener Multis zu besuchen. BAYER-SCHERING-Chef Andreas Fibig gratulierte artig zum 60. Jahrestag der Volksrepublik und schwadronierte über die großen Herausforderungen, vor denen das Land stehe: Klima- und Umweltschutz, nachhaltige Entwicklung und Gesundheitsversorgung. Für all dies bietet sich der Konzern nämlich als Problemlöser an. Mit dem Slogan „BAYER Solutions for China‘s Needs“ macht das Unternehmen im Reich der Mitte Reklame, und im Bereich „Gesundheit“ hat dies schon gefruchtet. Dort nimmt der Pillen-Riese mit einem Jahres-Umsatz von 1,89 Milliarden Euro die Spitzenposition ein.

Wenning VCI-Vize
Im Herbst 2009 wählte die Mitgliederversammlung des „Verbandes der Chemischen Industrie“ BAYER-Chef Werner Wenning gemeinsam mit Jürgen Hambrecht (BASF) erneut zum Vize-Präsidenten.

Wenning erhält NRW-Innovationspreis
Das Land Nordrhein-Westfalen unterhält beste Beziehungen zum Leverkusener Multi. Es schmiedete mit ihm und anderen Unternehmen einen Pakt, um der angeblich wachstumshemmenden Distanz zwischen Wirtschaft und Politik entgegenzuarbeiten (Ticker 4/09), und Ministerpräsident Jürgen Rüttgers schaut auch gerne mal persönlich beim Konzern vorbei. Damit nicht genug, ergießt sich über das Unternehmen nun auch noch eine Flut von Ehrungen. So verlieh das Bundesland dem BAYER-Wissenschaftler Friedrich-Karl Bruder für die Entwicklung eines per Holographie beschreibbaren Kunststoff-Films den „Innovationspreis 2009“ und überreichte dem BAYER-Chef Werner Wenning einen ebensolchen für sein Lebenswerk. „Kein anderes Unternehmen in Nordrhein-Westfalen investiert so viel in seine Innovationsfähigkeit“, schwärmte „Innovationsminister“ Andreas Pinkwart (FDP) in seiner Laudatio und wurde dann persönlich: „Werner Wenning ist stets mehr Sein als Schein. Äußerlich bescheiden, im Unternehmen hohe Ansprüche setzend, hat er BAYER nach schwierigen Zeiten in seinem Kernbestand nicht nur gerettet, sondern dem Unternehmen auch neue Perspektiven in einer globalen Ökonomie erschlossen“. Da versteht es sich von selbst, dass Pinkwart dem großen Vorsitzenden seine Mithilfe bei dem Unterfangen zusicherte, einen Teil von BAYERs Forschungsausgaben von der Steuer absetzen zu können.

Wenning gegen Regulierungen
Auch BAYER nutzt die umstrittenen Instrumente, die der Finanzmarkt so bietet. So hat der Konzern Geld in Derivaten angelegt, die eine Art Wette auf Preissteigerungen oder -senkungen von Rohstoffen, Aktien, Währungen, Zinsen oder aber von Derivaten selber sind. Der Leverkusener Multi weist dabei das Motiv „Spekulation“ weit von sich. „Derivate Finanzinstrumente werden dabei fast ausschließlich zur Absicherung von gebuchten und geplanten Transaktion abgeschlossen“, heißt es im Geschäftsbericht. Aber die Interessen der SpekulantInnen sind auch die Interessen BAYERs. So hat sich der Vorstandsvorsitzende Werner Wenning dagegen ausgesprochen, diesen Markt strenger zu regulieren. „Ich hoffe sehr, dass die EU die Lösung nicht allein in standardisierten Produkten sieht“, sagte er in einem Interview mit der Börsen-Zeitung. Auch gegen die Anforderung, bestimmte Derivate künftig mit Eigenkapital zu unterlegen, wendete er sich, weil sich dieses ungünstig auf das Investitionsvolumen der Unternehmen auswirken könnte.

USA: Klima-Politik nach BAYER-Gusto
Barack Obama trat mit einer ehrgeizigen Klima-Politik an. So wollte er die US-amerikanischen Kohlendioxid-Emissionen gegenüber 2005 um 17 Prozent reduzieren und einen den Ausstoß senkenden Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten einführen. Aber BAYER & Co. liefen Sturm gegen die angeblich gerade in Krisenzeiten kontraproduktive „Klima-Steuer“ und setzten sich durch. In einem neuen Senatsentwurf gibt es für Industriebetriebe keine Kohlendioxid-Obergrenzen mehr und auch der Emissionshandel taucht in dem Dokument nicht mehr auf.

Zoll als Patentschützer
BAYER & Co. spannen den Zoll ein, um missliebigen Produzenten von Nachahmer-Präparaten das Leben schwer zu machen. So haben GrenzbeamtInnen wegen angeblicher Patentverletzungen unlängst sogar eine Lieferung indischer Generika beschlagnahmt, die gar nicht für den europäischen, sondern für den südamerikanischen Markt bestimmt war. Die Entwicklungshilfe-Organisation OXFAM kritisierte das Vorgehen, weil es die Versorgung armer Menschen mit lebensnotwendigen Arzneien gefährdet und obendrein gegen WTO-Recht verstößt. Aber die Europäische Union will seine ZöllnerInnen künftig noch stärker in die Konzern-Pflicht nehmen. Ihr Richtlinien-Vorschlag zur Bekämpfung von Medikamentenfälschungen ist so breit angelegt, dass auch ganz legalen Einfuhren von preisgünstigen Pillen Schwierigkeiten drohen.

Uhlenberg lobt BAYERs Gewässerschutz
Im Februar 2010 hat BAYER im Wuppertaler Werk eine Pilotanlage zur Klärung von Abwässern in Betrieb genommen, die nach dem Ozonolyse-Verfahren arbeitet und durch die Einwirkung von Ozon doppelte Kohlenstoff-Verbindungen knacken kann. Diese Investition war bitter nötig, denn der Leverkusener Multi leitete 2008 68,4 Millionen Kubikmeter Abwässer in die Flüsse. Der nordrhein-westfälische Umweltminister Eckhart Uhlenberg verkaufte die Maßnahme allerdings als umweltpolitische Großtat und Bestätigung der Politik der Landesregierung, den Schulterschluss mit den Konzernen im „Dialog Wirtschaft und Umwelt“ zu suchen.

Kirche kooperiert mit Konzernen
Die „Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung“ (GKKE) hat mit dem von BAYER gegründeten „Verband der Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) ein Papier zur „Gesundheit in Entwicklungsländern“ veröffentlicht. Das Dokument segnet dabei devot das ab, was sich die Pharma-Multis so unter Entwicklungspolitik vorstellen. Förderprogramme sollen die armen Staaten in die Lage versetzen, Big Pharma Lizenzen zur Produktion von Nachahmer-Arzneien abzukaufen, wo es eigentlich gälte, die Patentgesetze aufzuheben. Und die von BAYER & Co. sträflich vernachlässigte Tropenmedizin braucht dem Dokument zufolge ebenfalls öffentliche Gelder für ihr Comeback: Die Konzerne hätten gerne im Vorhinein Abnahme-Garantien für ihre Pillen. Bei Marktversagen den Staat fragen - mit dieser „Lehre“ aus der Finanzkrise möchte die K. u. K.-Koalition auch gerne die „Dritte Welt“ kurieren.

Bürokratie-Kosten im Promille-Bereich
BAYER & Co. klagen immer wieder über die hohen Kosten, die ihnen durch Informationspflichten gegenüber Brüssel und Berlin entstehen. Dabei sind diese verschwindend gering. Bei der europäischen Chemie-Industrie liegen die Ausgaben, gemessen an der Brutto-Wertschöpfung von 46,4 Milliarden Euro im Jahr, mit 40 Millionen im Promille-Bereich. In Wirklichkeit geht es den Multis bei der Chemikalien-Verordnung und anderen Richtlinien denn auch gar nicht ums Geld, obwohl sich die Konzerne über die Ankündigung der Bundesrepublik freuen dürften, die Aufwändungen der Unternehmen für Auskünfte um 25 Prozent zu senken. Sie wollen sich bei der Produktion ihrer gefährlichen Güter nur möglichst wenig über die Schulter gucken lassen.

BAYER Gläubiger von Griechenland
Das überschuldete Griechenland kann die Arznei-Rechnungen seiner Krankenhäuser nicht begleichen. Der Europäische Pharma-Verband EFPIA, dessen Vorsitz derzeit BAYERs Pillen-Chef Arthur Higgins inne hat, schaltete deshalb die Europäische Kommission ein und führte Gespräche mit der griechischen Regierung. Diese zeigte sich offenbar reumütig. „BAYER begrüßt die jüngsten Äußerungen der neuen Regierung in Griechenland, eine konstruktive Lösung für die inakzeptablen Außenstände der Krankenhäuser zu finden“, meldete jedenfalls das Handelsblatt.

BAYERs Sozialarbeit
Bei der Auftaktveranstaltung der nordrhein-westfälischen Landesregierung zum „Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung“ konnte der Leverkusener Multi sich wieder einmal als Sozialarbeiter in Szene setzen. An der abschließenden Podiumsdiskussion zum Thema „Kinderarmut“ nahm nämlich Oliver Aue von BAYERs „BEPANTHEN-Kinderförderung“ teil. Die anderen DiskutantInnen konnten allerdings auch nicht mehr Kompetenzen nachweisen. Neben Aue saßen unter anderem noch Bernd Siggelkow von dem - zufällig von der „BEPANTHEN-Kinderförderung“ gesponsorten - evangelikalen Kinderhilfswerk „Arche“ und Christoph Biermann von der Sendung mit der Maus. Mit Politik hat Armut offenbar nichts mehr zu tun.

PROPAGANDA & MEDIEN

Die etwas andere Klima-Bilanz
Nach den Worten von BAYERs oberstem Öffentlichkeitsarbeiter Michael Schade „wird Nachhaltigkeit zunehmend zu einem Wettbewerbsfaktor“. Wegen der gestiegenen Nachfrage besonders von Seiten der Investmentfonds haben die Konzerne eine neue Methode ausgeheckt, um ihre negative Klimabilanz etwas aufzuhübschen. Sie stellen dem Negativposten „Kohlendioxid-Emissionen“ einfach gegenüber, was die so klimaschädlich hergestellten Produkte angeblich so alles tun, um die Erderwärmung aufzuhalten. Bei der Studie, welche die „Klima-ExpertInnen“ von der Unternehmensberatung MCKINSEY für den internationalen Chemie-Verband ICCA durchgeführt haben, kommt da so einiges zusammen. Den Energie-Verbrauch senkende Dämmstoffe, Niedrigtemperatur-Waschmittel und Leuchtmittel sowie den Flächenverbrauch einschränkende Hochleistungspestizide präsentieren sie in ihrer Gegenrechnung. Und siehe da: Unterm Strich steht die Chemie-Industrie mit 5,2 Milliarden Tonnen CO2 im Plus. Die Ratingagentur OEKOM, welche die Aussagen der Konzerne zu ihren Umweltschutz-Maßnahmen genauer prüft, hält dieses Verfahren nicht für legitim. Besonders die Bilanztricks von BAYER und BASF fielen OEKOM auf. So kritisierte der Analyst Oliver Rüdel, dass die beiden Unternehmen „die Lösungen, die die chemischen Produkte potenziell zum Schutz des Klimas leisten, stärker kommunizieren als den eigenen negativen Beitrag“. Etwas anderes kommunizieren die Global Player ebenfalls recht stark: ihre Rolle als CO2-Verbraucher. BAYER etwa verweist auf Kohlendioxid als ASPIRIN-Rohstoff und schmückt sich mit weiteren CO2-Forschungen etwa im Dämmstoff-Bereich. Seinen Kohlendioxid-Ausstoß, der 2008 7,57 Millionen Tonnen betrug, dürfte der Leverkusener Multi auf diese Weise jedoch nicht so leicht reduzieren. „Die stoffliche Nutzung kann keine riesigen Mengen binden, weil wir einfach viel, viel mehr Kohlendioxid freisetzen“, sagt der Chemie-Ingenieur Arno Behr von der „Technischen Universität Dortmund“.

Auszeichnung für Klima-Bericht
Das von 475 Finanzinvestoren getragene „Carbon Disclosure Project“ (CDP) lässt die nicht gerade als Klima-ExpertInnen geltenden WirtschaftsprüferInnen von PRICEWATERHOUSE COOPERS eine Bewertung der Konzernberichte über Kohlendioxid-Emissionen vornehmen und verlieh BAYER im letzten Jahr eine Auszeichnung als auskunftsfreudigstes Unternehmen. Was der Leverkusener Multi da an Daten übermittelte, war allerdings alles andere als glanzvoll. So stößt er jährlich 7,57 Millionen Tonnen CO2 aus. Deshalb plant die CDP für die Zukunft auch eine Bewertung der Klima-Realpolitik, was die zukünftigen Chancen des Pharma-Riesen schmälern dürfte. Einstweilen geraten diese beiden Dinge bei den Medien aber noch gerne durcheinander. Das Umweltmag@zin beispielsweise schrieb BAYER die Ehre zu, „die Auszeichnung als weltweit bestes Unternehmen im Klimaschutz“ erhalten zu haben.

Plischke verleiht Umweltpreis
Aller Umwelt-Sündenfälle des Leverkusener Multis zum Trotz gehört Forschungsvorstand Wolfgang Plischke der Jury des „Deutschen Umweltpreises“ an.

Manuel Andrack wandert für BAYER
Mit großer Anstrengung arbeitet der Leverkusener Multi daran, die „Männergesundheit“ als Geschäftsfeld zu etablieren und seinen Präparaten neue und nur selten zweckdienliche Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. So hat er die Krankheit „Testosteron-Mangel“ erfunden, um seine Hormon-Pillen an den Mann zu bringen, obwohl Bluthochdruck, Ödeme, Herzkrankheiten, Blutverdickung, Leberschäden und Wachstum der Prostata zu den Nebenwirkungen zählen. Dabei hilft dem Pharma-Riesen jetzt auch der durch die Harald-Schmidt-Show bekannt gewordene nunmehrige Wandervogel Manuel Andrack. Er hält seinen Kopf für BAYERs Werbe-Broschüre „Wandern für die Männergesundheit“ hin und gibt der Zielgruppe zudem Strecken-Tipps.

Zukunftspreis für XARELTO
Bundespräsident Horst Köhler hat BAYER für die Entwicklung des Medikamentes XARELTO den „Deutschen Zukunftspreis“ verliehen. „Sie haben ein neuartiges Medikament entwickelt, das sich durch einen effizienten Wirkmechanismus auszeichnet und das von den Patienten in Tablettenform eingenommen werden kann“, lobte Köhler. Der Rest der Welt ist hingegen von dem bisher nur zur Verhinderung von Blutgerinnseln bei schweren Knie- und Hüft-OPs zugelassenen Gerinnungshemmer nicht überzeugt, für den der Leverkusener Multis auch das - weit größere - Anwendungsgebiet „Thrombosen“ anvisiert. So hat sich die Zulassung in den USA verzögert. Die Gesundheitsbehörde FDA forderte vom Leverkusener Multi wegen des erhöhten Risikos von Gefäß-Verschlüssen, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden sowie ungeklärter Langzeitwirkung erst noch einmal weitere Unterlagen an (Ticker 3/09).

QLAIRA- die grüne Pille?
Nicht genug damit, dass der Leverkusener Multi auch sein neuestes Verhütungsmittel QLAIRA (Wirkstoffe Estradiol und Dienogest) wieder als Lifestyle-Präparat bewirbt, das angeblich Gewichtszunahmen verhindert. Er setzt zudem auf die ökologische Karte und preist die Pille als Teil eines „grünen Lebenswegs“ an, weil es sich bei einem der Inhaltsstoffe angeblich um ein „natürliches Östrogen“ handelt. Als reinen „Marketing-Gag“ tat das das pharma-kritische arznei-telegramm ab. Über die Risiken und Nebenwirkungen von QLAIRA wie Thrombosen, die bei dem Kontrazeptivum YASMIN bereits zu Todesfällen geführt haben (SWB 3/09), weiß der Pharma-Riese hingegen nichts. Das könnte „nur in großen epidemiologischen Studien geklärt werden“, heißt es in einer Fach-Information.

850 Millionen für Pillen-Werbung
BAYER gibt jährlich 850 Millionen Dollar für Pillen-Werbung aus.

Immer mehr SchülerInnen-Labore
Im Februar 2010 hat der Leverkusener Multi in Anwesenheit des Ministerialdirektors Reinhard Aldejohann vom nordrhein-westfälischen Bildungsministerium sein viertes SchülerInnen-Labor in Betrieb genommen. „Wir wollen jungen Menschen die Faszination Naturwissenschaften frühzeitig näher bringen“, erklärt BAYER-Vorstand Wolfgang Plischke den Sinn der Übung. Weniger Faszinierendes wie etwa die Risiken und Nebenwirkungen der Gentechnologie wird daher kaum auf dem Lehrplan stehen.

500.000 Euro für Schulen
Um die Lust an Naturwissenschaften im Allgemeinen und die von BAYER betriebenen im Besonderen zu wecken, fördert der Leverkusener Multi den Unterricht in diesen Fächern steuersparend über seine Stiftung „BAYER SCIENCE & EDUCATION“. Diese schüttet jährlich ca. 500.000 Euro an Bildungseinrichtungen im Umkreis der Standorte aus. 84 Schulen in 43 Städten bekamen seit 2007 Geld vom Konzern. Im Jahr 2009 gingen Schecks unter anderem an das Otto-Hahn-Gymnasium in Bergisch-Gladbach, die Hauptschule St. Nikolaus in Kalkar, die Tannenberg-Grundschule in Seeheim, die Albert-Schweitzer-Realschule in Krefeld und das Lise-Meitner-Gynasium in Leverkusen.

BAYER im Web 2.0
Seit geraumer Zeit hat der Leverkusener Multi das Web 2.0 entdeckt. Er twittert, ist bei Facebook aktiv und betreibt einen Kanal auf YouTube. Auf allzuviel Resonanz stieß das bisher allerdings nicht. Während ADIDAS, DEUTSCHE TELEKOM und BMW im Web 2.0 ein Millionen-Publikum erreichen, dümpeln die „sozialen Kontakte“ BAYERs einer Untersuchung der Agentur VIEWPARTNER zufolge bei knapp über 8.000 herum.

TIERE & ARZNEIEN

BAYER Nr. 1 bei Tier-Arzneien
Der Leverkusener Multi ist in der Bundesrepublik mit einem Umsatz von 963 Millionen Euro Branchenführer bei Veterinär-Produkten. Und das Geschäft boomt: Da immer mehr Menschen auf den Fleisch-Geschmack kommen, nimmt die Massentierhaltung zu - und damit steigt auch der Arznei-Bedarf. Der Tiergesundheitsmarkt verzeichnete 2008 weltweit ein Wachstum von sieben Prozent, während der Humanmedizin-Markt nur um 1,9 Prozent zulegte.

Nebenwirkungen bei PROFENDER
Seit dem Jahr 2008 bietet BAYER das Entwurmungsmittel PROFENDER nicht mehr nur für Katzen, sondern auch für Hunde an. Die Anwendung erfordert jedoch viel Sorgfalt. So dürfen die HundehalterInnen ihren Tieren das Präparat nicht gemeinsam mit den Mahlzeiten verabreichen, weil sonst die doppelte Menge des Wirkstoffes Emodepsid ins Blut übergeht. Der Leverkusener Multi weist nur im Kleingedruckten des Beipackzettels auf diese Gefahr hin, weshalb es häufig zu Überdosierungen kommt. Die Vierbeiner beginnen zu zittern, leiden unter Krampfanfällen und können ihre Bewegungen nicht mehr kontrollieren.

DRUGS & PILLS

Pharma-Sparte wird wichtiger
BAYERs Pharma-Sparte, die ihr Geschäftsvolumen in den ersten neun Monaten des Jahres 2009 um 4,9 Prozent ausweiten konnte, trägt zum Gesamtumsatz des Konzerns mehr als 50 Prozent bei und zum Gewinn vor Steuern sogar 80 Prozent. Diese Entwicklung lässt für die Zukunft der Kunststoff-Abteilung nichts Gutes erahnen.

MIRENA gegen Blutungen
Der Leverkusener Multi preist seine Kontrazeptiva gerne auch als Mittel zur Behandlung von Gesundheitsstörungen an. Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hat ihm dazu jetzt noch mehr Möglichkeiten eingeräumt. Sie ließ die Hormonspirale MIRENA (Wirkstoff: Levonorgestrel) 2009 als Präparat zur Eindämmung starker Monatsblutungen zu, obwohl der Katalog der Risiken und Nebenwirkungen es in sich hat. Zu den unerwünschten Arznei-Effekten des Pessars zählen nämlich unter anderem Brustkrebs, Herz/Kreislauf-Krankheiten, Bauchhöhlen-Schwangerschaften, Zysten, Zyklusstörungen und Zwischenblutungen.

ASPIRIN beugt Herzinfarkten nicht vor
Eine neue schottische Studie untersuchte die Herzinfarkt-vorbeugende Wirkung von ASPIRIN. Die Hälfte der 3.350 ProbantInnen mit einem erhöhten Risiko erhielt BAYERs „Tausendsassa“, die andere Hälfte ein Placebo. Nach acht Jahren werteten die WissenschaftlerInnen die Daten aus. Das im Journal of the American Heart Association publizierte Ergebnis war negativ: Aus der ASPIRIN-Gruppe erlitten 181 TeilnehmerInnen einen Herzinfarkt und aus der Placebo-Gruppe 176.

ASPIRIN schwächt die Immun-Abwehr
Nach einer neuen, im Fachblatt Journal of Immunology veröffentlichten Studie blockieren ASPIRIN und andere Schmerzmittel ein für die Immun-Abwehr wichtiges Enzym. Das senkt auch die Erfolgsaussichten von Grippeschutz-Impfungen, weshalb die ForscherInnen dazu raten, die Mittel unmittelbar davor und danach abzusetzen.

ASPIRIN verschlimmert Schweinegrippe
Nach Forschungen der Medizinerin Dr. Karen M. Starko hat ASPIRIN 1918 die katastrophalen Effekte der Spanischen Grippe, der über 50 Millionen Menschen zum Opfer fielen, eher verstärkt als vermindert und bei nicht wenigen PatientInnen zu totalem Organ-Versagen geführt. Auch bei der Schweinegrippe haben fiebersenkende Mittel wie die BAYER-Präparate ALEVE und ASPIRIN eine unheilvolle Rolle gespielt, weil sie die Immunabwehr schwächen (s. o.). Die Wissenschaftlerin R. Hama empfahl deshalb im British Medical Journal: „Nach heutiger Forschungslage sollten Grippe-PatientInnen keine Fiebersenker erhalten“. Die japanische Regierung reagierte bereits im Jahr 2000 und untersagte die Verwendung von ASPIRIN, IBUPROFEN & Co. bei grippe-kranken Kindern. Folge-Leiden wie - nicht selten tödliche - Enzephalopathien (Hirn-Erkrankungen) traten danach deutlich weniger häufig auf.

Rezeptpflicht für ASPIRIN
ASPIRIN und andere Schmerzmittel haben zahlreiche Nebenwirkungen wie vermehrter Kopfschmerz, Schleimhaut-Reizungen, Magengeschwüre und Magenbluten, die nicht selten tödlich verlaufen. Nach einer 1999 veröffentlichten Studie der „Boston University School of Medicine“ sterben nach der Einnahme von ASPIRIN & Co. jährlich 16.500 US-BürgerInnen an Blutungen im Magenbereich. Wegen dieses Risiko-Profils hat das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ jetzt empfohlen, es anderen EU-Ländern gleichzutun und eine Verschreibungspflicht für Großpackungen von Präparaten mit dem Wirkstoft Acetylsalicylsäure einzuführen. Eine entsprechende Regelung für die Substanz Paracetamol ist bereits in Kraft. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN begrüßt diese Entscheidung, fordert in einem Brief an Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler jedoch eine Ausweitung der Vorschrift auf alle Darreichungsformen und zudem ein Werbeverbot. Der Leverkusener Multi versucht hingegen, das Schlimmste zu verhindern. „Wir sind nicht grundsätzlich gegen eine Begrenzung, aber wir haben etwas gegen die Stigmatisierung einer ganzen Arzneistoffklasse“, lässt der Konzern wissen und mobilisiert ApothekerInnen und Kundinnen, um künftig auch noch 60er-Packungen ohne Rezept verkaufen zu können.

Zu wenig Antibiotika
Allein in der Europäischen Union sterben jährlich 25.000 Menschen an Krankheiten, weil deren Erreger gegen die herkömmlichen Antibiotika immun geworden sind. Deshalb zählt die Weltgesundheitsorganisation WHO die Antibiotika-Resistenzen zu den größten Gefahren für die öffentliche Gesundheit. Trotzdem entwickeln BAYER & Co. kaum Alternativ-Wirkstoffe. Da MedizinerInnen neue Mittel für besonders schwierige Fälle zurückzuhalten haben und die Präparate ohnehin bloß für ein paar Tage verschreiben, lässt sich nach Meinung der Konzerne zu wenig Geld mit dieser Medikamentengruppe verdienen (siehe auch Ticker 4/09). Um die Misere zu beheben, wollen die USA und die EU Big Pharma nun mit finanziellen Anreizen in die Forschungslabore locken.

Kein neues KOGENATE
Das gentechnisch hergestellte Bluterpräparat KOGENATE ist eines der umsatzstärksten Pharma-Produkte BAYERs. Deshalb wollte der Leverkusener Multi auch schon einmal für die Zeit vorsorgen, da er es nicht mehr so hochpreisig vermarkten kann, weil der Patentschutz abläuft. Also begann der Konzern 2006, eine länger wirksame Version zu testen, die eine Woche vorhält. Diese erwies sich jedoch als nicht so effektiv wie das Original, weshalb das Unternehmen die klinische Erprobung abbrechen musste. Bereits kurz nach Bekanntgabe der Nachricht sank der Aktienkurs um zwei Prozent.

BAYER stockt Werbeetat auf
BAYER VITAL, die für rezeptfreie Arzneien zuständige Abteilung des Leverkusener Multis, hat im letzten Jahr seinen Werbeetat um fast 25 Prozent aufgestockt. 41,8 Millionen Euro gibt die Sparte nun für Reklame in bundesdeutschen Medien aus, mehr investiert nur noch der KLOSTERFRAU-Konzern.

Kein Geld mehr für Blutprodukte-Opfer
Weltweit infizierten sich in den 80er Jahren Tausende Bluter durch HIV-verseuchte Blutprodukte von BAYER & Co. mit dem AIDS-Erreger. Sie wurden Opfer der Profitgier der Konzerne, denn diese hatten sich aus Kostengründen lange Zeit geweigert, eine Hitze-Behandlung der Mittel zur Abtötung der Krankheitskeime vorzunehmen. Während sich die Unternehmen deshalb in vielen Ländern mit Klagen konfrontiert sahen (siehe RECHT & UNBILLIG), hatten sie in der Bundesrepublik keine juristische Konsequenzen zu befürchten. Sie mussten sich lediglich gemeinsam mit Bund, Ländern und dem Roten Kreuz an einer Stiftung zur finanziellen Unterstützung von AIDS-kranken Blutern beteiligen. Das Vermögen der Einrichtung ist jetzt aufgebraucht, und sie benötigt 70 Millionen Euro zur Fortsetzung ihrer Arbeit. Aber während die anderen Träger erneut beträchtliche Summen zugesichert haben, wollen BAYER & Co. lediglich zwei Millionen Euro jährlich bereitstellen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) protestierte gegen dieses Verhalten. „Als Hauptverantwortlicher des Skandals um HIV-verseuchte Blutprodukte darf sich die Firma BAYER nicht aus der Verantwortung stehlen! Den Opfern muss ein würdiges Leben ermöglicht werden. Die Kosten hierfür muss der Verursacher tragen, nicht die Allgemeinheit“, heißt es in der Presseerklärung der CBG.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Clothianidin-Versuch abgebrochen
Im Jahr 2008 hat BAYERs Saatgut-Beizmittel PONCHO mit dem Wirkstoff Clothianidin in Süddeutschland ein verheerendes Bienensterben ausgelöst. Deshalb dürfen die LandwirtInnen das Produkt in der Bundesrepublik vorerst auf Maisfeldern nicht mehr ausbringen. Allerdings drängt der Leverkusener Multi auf eine Wiederzulassung und meinte auch, dafür im baden-württembergischen Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) einen Verbündeten gefunden zu haben. Dessen Ministerium kündigte nämlich einen Großversuch mit einem technisch leicht veränderten Clothianidin-Beizmittel an, um dessen nunmehrige Ungefährlichkeit zu demonstrieren. ImkerInnen protestierten allerdings gegen das Vorhaben, über das die Landesregierung sie nicht informiert hatte. „Es macht keinen Sinn, wenn sich nicht alle ergebnis-offen an einen Tisch setzen“, so die BienenzüchterInnen. Hauk bließ das Projekt daraufhin vorerst ab.

Aus für MOVENTO und ULTOR
In den USA ist seit Mitte Januar 2010 der Verkauf des Pestizid-Wirkstoffes Spirotetramat, der in den BAYER-Mitteln MOVENTO und ULTOR enthalten ist, gerichtlich verboten. Die RichterInnen gaben damit dem Umweltverband NATURAL RESOURCES DEFENSE COUNCIL (NRDC) Recht, der eine Klage eingereicht hatte, weil die Risiken für Bienen bei der Genehmigung des in der Bundesrepubik bislang nicht zugelassenen Wirkstoffs nicht berücksichtigt worden waren (siehe auch SWB 1/10).

Pestizide in Lebensmitteln
Im Jahr 2009 oblag es zum ersten Mal der EU-Lebensmittelbehörde EFSA, für 2007 aus allen Mitgliedsländern die Daten über die Belastung von Lebensmitteln mit Agrochemikalien zusammenzutragen. Die EFSA ist dabei ihrem Ruf als industrie-freundliche Institution mal wieder gerecht geworden. Listeten die früheren Berichte neben den Grenzwert-Überschreitungen auch die sich noch im Bereich des Erlaubten befindlichen Konzentrationen auf, so versteckt die Neuausgabe die Zahlen im Anhang. Aber auch so bleiben die Werte beunruhigend genug. So überschritten vier Prozent der Proben die vorgeschriebenen Rückstandshöchstmengen. Und es dürften noch mehr sein: Einige Staaten wie z. B. Bulgarien suchten nämlich nur nach 14 Pestiziden. Unter denjenigen Ackergiften, die zwar nicht in den roten Bereich kamen, dafür aber in den orangenen eindrangen, ab dem für die VerbraucherInnen ein Gesundheitsrisiko besteht, befanden sich mit Methomyl, Thiodicarb und Methamidophos drei auch von BAYER benutzte Wirksubstanzen.

GENE & KLONE

Kooperation mit COMPUGEN
Das israelische Biotech-Unternehmen COMPUGEN entschlüsselt das Erbgut von Tumor-Zellen und verkauft dieses Wissen an Pharma-Firmen, welche die Informationen nutzen, um speziell auf diese Angriffspunkte zugeschnittene Medikamente zu entwickeln. Im Herbst 2009 hat COMPUGEN mit BAYER ein entsprechendes Geschäft vereinbart.

BAYER kauft Antikörper-Lizenz
Anfang 2009 hatte BAYER von dem US-amerikanischen Unternehmen MICROMET für 4,5 Millionen Euro eine Option auf einen Antikörper erworben. Nach Abschluss der präklinischen Entwicklungsphase löste der Leverkusener Multi diese ein und kaufte das Gentech-Protein, das zur Behandlung von Krebs, Entzündungen und Autoimmun-Erkrankungen dienen soll.

BETAFERON-Zulassung in China
Der Leverkusener Multi hat für das gentechnisch hergestellte Multiple-Sklerose-Präparat BETAFERON in China eine Zulassung erhalten.

MONSANTOS Leid, BAYERs Freud?
Nicht nur in den USA haben Gen-Pflanzen aus MONSANTOs ROUND-UP-Produktlinie eine marktbeherrschende Stellung inne. Mittlerweile haben sich die Unkräuter jedoch auf das gemeinsam mit den Ackerfrüchten verkaufte Herbizid Glyphosate eingestellt und vermehren sich auf den Feldern wieder kräftig. Die Folge: Die FarmerInnen müssen zusätzlich noch weitere Pestizide ausbringen. Der Leverkusener Multi hofft jetzt davon zu profitieren, dass im Falle „ROUND UP“ „die Natur zurückschlägt“, wie BAYER-Forscher Hermann Stübler sich ausdrückt. Der Agro-Riese spekuliert auf eine erhöhte Nachfrage nach Produkten aus seiner LIBERTY-LINK-Serie - aber über kurz oder lang dürfte die Natur auch diesen Gentech-Saaten trotzen.

Dürreresistenz-Deal mit FUTURAGENE
BAYER hat von dem britischen Unternehmen FUTURAGENE die Rechte an einem gentechnischen Verfahren erworben, das Baumwoll-Pflanzen angeblich hilft, widrigen Aufzuchtsbedingungen wie Trockenheit zu trotzen. Eine ähnliche Lizenz hatte der Agro-Riese vor Monaten bereits von PERFORMANCE PLANTS erworben.

PFLANZEN & SAATEN

Ausbau des Saatgut-Geschäfts
BAYERs Landwirtschaftssparte will ihr Saatgut-Angebot ausweiten, weil die Geschäftsaussichten in diesem Segment besser sind als im Ackergift-Bereich. Der Leverkusener Multi kündigte an, seine bisher auf Raps, Baumwolle, Reis und Gemüse beschränkte Produktpalette zu erweitern und in Zukunft knapp die Hälfte des Saaten-Marktes abzudecken.

WASSER, BODEN & LUFT

Auen schwermetall-belastet
10,4 Tonnen Schwermetalle leitete BAYER im Jahr 2008 in die Gewässer. Bei Hochwasser lagern sich diese auch in den Auen der Flüsse ab, weshalb die Schadstoffgehalte der Böden rund um Wupper und Rhein nach Auskunft des „Ingenieurbüros Feldwisch“ stark erhöht sind. Besonders die Werte für Chrom und Quecksilber, die der Leverkusener Multi in seinen Nachhaltigkeitsberichten seit einiger Zeit nicht mehr einzeln ausweist, geben Anlass zur Besorgnis. Darum hat die Stadt Leverkusen das Ingenieurbüro jetzt mit einer genaueren Untersuchung beauftragt.

EU fördert CO2-Abscheidung
BAYER & Co. setzen große Hoffnungen auf die neuen Technologien zur Abscheidung und Lagerung des klima-schädlichen Kohlendioxids, kurz CCS genannt. Diese würden es den Konzernen nämlich erlauben, ihren Strom weiterhin von Kohle- und Müllkraftwerken zu beziehen. UmweltschützerInnen befürchten dagegen ebensolche Zwischenfälle mit austretendem Material wie im Atommüll-Endlager Asse. Mit eigenen Investitionen in die Forschung halten sich die meisten Unternehmen jedoch zurück. Das finanzielle Engagement überlassen sie gerne anderen wie zum Beispiel der Europäischen Union, die im Dezember 2009 sechs Projekte mit insgesamt einer Milliarde Euro förderte.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

REACH: 817 Stoffe vorregistriert
BAYER & Co. haben sich lange gegen das REACH genannte Chemikaliengesetz der EU gewehrt, das den Konzernen vorschreibt, Angaben zur Gefährlichkeit ihrer Substanzen zu machen. Verhindern konnten die Unternehmen es schlussendlich nicht, sie erreichten jedoch eine Lockerung der Vorschriften. Seit Juli 2007 ist REACH nun in Kraft, und die Multis beginnen, ihre Bestände durchzugehen. BAYER hat bis zum Jahresende 2009 817 Stoffe bei der Chemikalien-Agentur ECHA vorregistrieren lassen. Mit dieser freiwilligen Leistung kommt der Agro-Riese in den Genuss von Übergangsfristen bis zu acht Jahren, ehe er vollständige Sicherheitsprofile für seinen Chemie-Baukasten abliefern muss.

CO & CO.

Bereits vier Bomben gefunden
Die Bezirksregierung Düsseldorf hatte der Firma WINGAS als Bauherr von BAYERs umstrittener Kohlenmonoxid-Pipeline vorgeschrieben, den Boden vor Beginn der Verlegungsarbeiten mit Detektoren nach Fliegerbomben und anderen Kampfmitteln zu durchsuchen. Das Unternehmen kam dieser Aufforderung jedoch nur unvollständig nach, obwohl es schon bei der oberflächigen Untersuchung auf zwei Brandbomben gestoßen war. So begann die Überprüfung erst Ende 2009 - und förderte Bedenkliches zu Tage. Nicht weniger als 268 Mal schlugen die Suchgeräte bisher aus. Zumeist handelte es sich dabei um Metallschrott. Aber einige Verdachtsfälle bestätigten sich auch. So stießen die ArbeiterInnen bereits auf zwei Granaten und zwei 10-Zentner-Blindgänger.

Gericht bestellt neue Gutachter
In der Niederrheinische Bucht gibt es nach Aussage des Diplom-Physikers Klaus Lehmann vom „Geologischen Dienst NRW“ eine „moderate Erdbeben-Gefährlichkeit“. Die letzte größere Erderschütterung hatte eine Stärke von 5,9. Sie ging vom niederländischen Roermond aus und war bis Krefeld spürbar. Im Damenbecken des Schwimmbades entstanden Risse, weshalb die Stadt die Badeanstalt schloss. Deshalb muss BAYERs von Dormagen nach Krefeld verlaufende Kohlenmonoxid-Pipeline auch absolut erdbebensicher sein. Das hätte der vom Düsseldorfer Verwaltungsgericht bestellte Gutachter wohl auch bestätigt, denn sein Lehrstuhl war in Sachen „Erdbeben“ bereits für BAYER tätig. Diese „Nebentätigkeit“ brachte den Wissenschaftler allerdings in den Ruch der Befangenheit, weshalb er den Job bei der Justiz verlor.

IG-BCE-Chef für Pipeline
Der neue Vorsitzende der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE), Michael Vassiliadis, hat sich für die umstrittene Kohlenmonoxid-Leitung ausgesprochen und sich dabei BAYERs Horrorszenario „Arbeitsplatzverluste“ zu Eigen gemacht. „Wenn die Pipeline nicht kommt, hat der Standort Krefeld ein großes Problem“, so Vassiliadis. Den Widerstand der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und zahlreicher anderer Initiativen gegen das Röhren-Werk nannte er „fundamentalistisch und nicht an Lösungen orientiert“ und sah Handlungsbedarf: „Auch die Politik ist gefordert, die Beteiligungsrechte der Polit-Profi-Verbände zu begrenzen“. Gesamtbetriebsratsvorsitzender Thomas de Win hat ebenfalls kein Verständnis dafür, „wenn durch eine Mischung durch Angstmache und Populismus wichtige industrielle Infrastruktur-Projekte verzögert, gefährdet oder gänzlich in Frage gestellt werden“ und warnt davor, die CO-Pipeline zum Landtagswahl-Thema zu machen.

CO: Es geht auch anders
In China baut der Leverkusener Multi keine Pipelines für seinen Kohlenmonoxid-Bedarf. Er hat vielmehr mit AIR LIQUIDE einen Vertrag abgeschlossen, dem gemäß das Unternehmen das Gas vor Ort auf dem Gelände des Shanghaier Chemie-‚parks‘ produziert.

NANO & CO.

Einfaches Baurecht für Nano-Anlagen
Im Januar 2010 hat BAYER in Leverkusen die weltgrößte Fertigungsstätte zur Produktion von Nano-Kohlenstoffröhrchen, den so genannten BAYTUBES, in Betrieb genommen. Da die Winzlinge ungeahnte Folgen für Mensch, Tier und Umwelt haben können - es gibt beispielsweise Hinweise auf eine asbest-ähnliche Wirkung der Nano-Röhrchen - hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) bei der Bezirksregierung eine Anfrage zu den Umständen der Genehmigung gestellt. Die CBG wollte wissen, wieviel die Pilotanlage emitieren darf, wo die Obergrenze für die maximale Schadstoff-Konzentration am Arbeitsplatz liegt und wie es bei einen Störfall mit dem Katastrophenschutz aussieht. Die Antwort überraschte: All diese Fragen haben bei der Entscheidung der Behörden keinerlei Rolle gespielt, weil eine Nano-Produktion weder der Immissionsschutz- noch der Störfall-Verordnung unterliegt und daher das einfache Baurecht gilt. Eine von der Coordination erbetene Stellungnahme des Bundesumweltministerium zu dieser Sachlage steht bisher noch aus. BAYER versichert derweil, alles zur Risiko-Vorsorge getan zu haben. „Das Thema wurde bei uns sehr früh angegangen. Und sehr viel weiter als verlangt“, sagen die Konzern-Manager Péter Krüger und Raul Pires und verweisen beispielhaft auf die komplett abgekapselte Verpackung der lieferfertigen Nano-Teile.

CHEMIE & WAFFEN

Ali Hassan al Madschid hingerichtet
Bei der Entwicklung chemischer Kampfstoffe haben BAYER-Forscher eine bedeutende Rolle gespielt. Fritz Haber entwickelte während des Ersten Weltkrieges das Senfgas, 1936 synthetisierte Gerhard Schrader Sarin und das von US-WissenschaftlerInnen zusammengebraute Giftgas VX basierte auf einem Patent des Leverkusener Multis. Diese tödlichen Stoffe befinden sich immer noch in den Waffenarsenalen vieler Armeen. Zuletzt verwendete sie Saddam Hussein 1987 und 1988 bei seinen Attacken auf kurdische Dörfer. Seinen auch „Chemie-Ali“ genannten willigen Vollstrecker Ali Hassan al Madschid hatte ein irakisches Gericht bereits im Jahr 2007 zum Tode verurteilt, die Hinrichtung fand aber erst im Januar 2010 statt.

PRODUKTION & SICHERHEIT

Institute-Werksleiter muss gehen
Am 28. August 2008 hatte eine Explosion am BAYER-Standort Institute zwei Menschenleben gefordert. Hätte ein durch die Luft gewirbelter, tonnen-schwerer Rückstandsbehälter die Tanks mit der Bhopal-Chemikalie Methyl Isocyanat (MIC) getroffen, hätte sich die größte Chemie-Katastrophe der Geschichte ereignen können. Im Anschluss erklärte sich der Leverkusener Multi nach langem Hin- und Her dann bereit, die auf dem Werksgelände bereitgehaltenen MIC-Kapazitäten um 80 Prozent zu verringern - was der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN nicht weit genug geht - und zog jetzt auch personelle Konsequenzen. Der Konzern entließ den Werksleiter und richtete eine Doppelspitze ein. Dabei ist einer der beiden Manager fortan nur noch für Sicherheit und Planung zuständig, „um das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen“, wie das Unternehmen erklärte.

STANDORTE & PRODUKTION

Gewerbesteuer: BAYER & Co. sparen
Die im so genannten Wachstumsbeschleunigungsgesetz zusammengefassten Maßnahmen ersparen BAYER & Co. Abgaben in Höhe von ca. 2,4 Milliarden Euro. Zu zahlen haben für dieses Steuergeschenk hauptsächlich die Städte und Kommunen. Allein die Ausfälle bei der Gewerbesteuer beziffert der „Deutsche Städtetag“ auf 900 Millionen Euro jährlich.

ÖKONOMIE & PROFIT

Neuer Großaktionär BLACKROCK
Der US-Vermögensverwalter BLACKROCK ist neuer Großaktionär bei BAYER geworden. Er hält 5 Prozent der Anteile. Den größten Batzen am Kapital des Leverkusener Multis besitzt mit 20 Prozent die US-amerikanische CAPITAL GROUP.

Wenning: „US-Konsum muss anspringen“
Der Leverkusener Multi will aus der Wirtschaftskrise nichts lernen und genau da wieder anfangen, wo das Fiasko seinen Ausgang nahm. „So lange das Konsum-Verhalten in den USA nicht wirklich wieder anzieht, ist kein sich selbst tragender Aufschwung in Sicht“, konstatierte BAYER-Chef Werner Wenning in der Börsen-Zeitung. Genau dieses von China mit dem Kauf von US-Staatsanleihen getragene Konsum-Verhalten, das „einen pazifischen Defizit-Kreislauf“ (Robert Kurz) in Gang setzte, hat nämlich die Schulden-Kultur geschaffen, die Immobilienblasen warf und damit den Finanz-Crash heraufbeschwor.

BAYER senkt die Schulden
Der Leverkusener Multi betreibt Schulden-Abbau und hat sein Defizit, das durch die SCHERING-Übernahme auf 17,5 Milliarden Euro angewachsen war, zum neuen Jahr auf zehn Milliarden Euro reduziert. Und prompt ist der Konzern wieder in Kauflaune. „Wenn sich am Markt sinnvolle Ergänzungen ergeben, werden wir uns das anschauen“, kündigte BAYER-Chef Werner Wenning an.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Salzsäure tritt aus
Im Bergkamener BAYER-Werk kam es am 26.2.10 zu einem Zwischenfall. Aus einem Transport-Behälter mit Produktionsrückständen trat Salzsäure aus, und es bildete sich eine Giftwolke. Ein Beschäftigter, der die Dämpfe eingeatmet hatte, musste zur Untersuchung ins Krankenhaus, konnte es jedoch noch am selben Tag wieder verlassen.

Brand bei BAYER
Am 7.1.10 kam es auf dem Gelände des Leverkusener Multis zu einem Brand. In der Nähe der Müllverbrennungsanlage gelagerte Klebstoffreste, Spraydosen und Lösungsmittel hatten Feuer gefangen. Es entstand eine große Rauchwolke. Die Polizei forderte die AnwohnerInnen auf, die Fenster zu schließen und sperrte die A 59. Anschließend legte sich Ruß über Rheindorf, weshalb die Stadt davor warnen musste, mit den schwarzen Partikeln in Kontakt zu kommen.

RECHT & UNBILLIG

Patentstreit: BAYER verliert
Das indische Pharma-Unternehmen CIPLA hat eine Nachahmer-Version von BAYERs Krebsmedikament NEXAVAR produziert. Um es unmittelbar nach dem Ablauf des Leverkusener Patents auf den Markt bringen zu können, stellte es schon einmal einen Antrag auf Zulassung. Diese wollte der bundesdeutsche Pillen-Riese allerdings verhindern, da er auch nach dem Ablauf der Schutzrechte noch Monopol-Gewinne einzustreichen gedachte. Also klagte der Konzern gegen CIPLA und die Genehmigungsbehörde, was ein Novum in der Justiz-Geschichte darstellte (SWB 3/09). Niemals vorher hatte ein Unternehmen mit Verweis auf angeblich verletzte Patentrechte in ein Zulassungsverfahren eingegriffen und so versucht, die Versorgung armer Menschen mit preisgünstigen Arzneien zu verhindern. Darum erkannten die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG), das indische PEOPLES HEALTH MOVEMENT, die BUKO-PHARMA-KAMPAGNE und andere Initiativen sofort die gesundheitspolitische Dimension des Vorstoßes und protestierten vehement. Mit Erfolg: Im August 2009 verlor BAYER den Prozess in erster Instanz, und im Februar 2010 auch in zweiter.

Immer mehr MAGNEVIST-Klagen
BAYERs Kontrastmittel MAGNEVIST hat bei vielen Nierenkranken eine Fibrose, ein unkontrolliertes Wachstum des Bindegewebes, ausgelöst, das zu komplettem Organversagen führen kann. Immer mehr Opfer oder deren Angehörige gehen deshalb gegen den Konzern vor. Während die Zahl der Klagen im Februar 2009 bei 241 lag, sieht sich das Unternehmen ein Jahr später bereits mit 310 konfrontiert.

Immer mehr TRASYLOL-Klagen
Im November 2007 musste BAYER das Medikament TRASYLOL, das MedizinerInnen bei OPs zur Blutstillung einsetzten, wegen der Nebenwirkung „Tod“ vom Markt nehmen; nur für einige wenige Anwendungsbereiche gilt das Verbot nicht. Derweil nehmen die Schadensersatz-Ansprüche immer weiter zu. Gab es bis zum Februar 2009 470 Klagen, so stieg ihre Zahl bis zum Februar 2010 auf 1.600. Und dazu kommen noch drei Sammelklagen aus Kanada.

1.100 YASMIN-Klagen
BAYERs Verhütungsmittel aus der YASMIN-Produktfamilie können neben anderen Gesundheitsstörungen auch Lungenembolien verursachen, die manchmal sogar tödlich verlaufen (siehe SWB 4/09). Immer mehr Geschädigte oder deren Angehörige ziehen deshalb vor Gericht. Allein in den USA beläuft sich die Zahl der Schadensersatz-Klagen auf ca. 1.100; in Kanada sieht sich der Leverkusener Multi mit zwei Sammelklagen konfrontiert. Und das dürfte noch nicht alles sein. „Mit zusätzlichen Verfahren ist zu rechnen“, heißt es im neuesten Geschäftsbericht.

Einigung mit Blutprodukte-Opfern?
Weltweit infizierten sich in den 80er Jahren Tausende Bluter durch Blutprodukte von BAYER & Co. mit AIDS oder Hepatitis C. Sie wurden Opfer der Profitgier der Konzerne, denn diese hatten sich aus Kostengründen lange Zeit geweigert, eine Hitze-Behandlung der Mittel zur Abtötung der Krankheitskeime vorzunehmen. Aus diesem Grund sehen sich die Unternehmen in den USA immer noch mit zahllosen Prozessen konfrontiert. Mit einer Gruppe von KlägerInnen steht jetzt laut BAYER-Geschäftsbericht eine Einigung unmittelbar bevor.

BAYER klagt wg. YASMIN
Der Leverkusener Multi verklagt routinemäßig Pharma-Hersteller, die nach Ablauf der Patentfrist Nachahmer-Produkte von BAYER-Pillen auf den Markt bringen wollen, wegen Patentverletzung, um sich die lästige Billig-Konkurrenz möglichst lange vom Leibe zu halten. Jetzt traf es die Unternehmen SANDOZ und WATSON LABORATORIES, die eine Nachahmer-Version des gefährlichen Verhütungsmittels YASMIN (s. o.) vermarkten wollen.

BAYER klagt wg. CIPRO
Besonders indischen Unternehmen, die für Nachahmer-Produkte von BAYER-Medikamenten Zulassungen beantragen, macht der Leverkusener Multi das Leben schwer, um auch nach Ablauf der Patente für die Arzneien noch möglichst lange Monopol-Profite einstreichen zu können. Im letzten Jahr verklagte das Unternehmen den Hersteller CIPLA wegen einer angeblichen Patent-Verletzung (s.o.), und im Februar 2010 leitete der Pharma-Riese in den USA rechtliche Schritte gegen die Firma LUPIN ein, die bei den Behörden einen Genehmigungsantrag für eine Generika-Version des Antibiotikums CIPRO eingereicht hatte.

BAYER verklagt wg. CIPRO
1997 hatte BAYER einen Patentstreit mit dem Pharma-Unternehmen BARR beigelegt. Gegen die Zahlung von 400 Millionen Dollar willigte BARR ein, dem Leverkusener Multi vorerst nicht mit einer CIPROBAY-Nachahmervers

[Ticker 4 2009] STICHWORT BAYER 04/2009 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Jahrestagung 2009
Am 7. November 2009 fand die Jahrestagung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zum Thema „Haste mal ‘ne Billion? - Konzerne, Kapitalismus und die Krise“ statt. Zum Auftakt sprach Professor Rainer Roth vom RHEIN-MAIN-BÜNDNIS GEGEN SOZIALABBAU UND BILLIGLÖHNE über die Ursache der Krise. Das Problem einer lukrativen Kapitalverwertung hat seiner Ansicht nach zu Überproduktion und „Nachfrage-Doping“ mittels Verschuldung geführt und den Wirtschaftsorganismus schließlich kollabieren lassen. „Entwarnung“ konnte Roth deshalb noch lange nicht geben. Pedram Shahyar vom ATTAC-Koordinierungskreis arbeitete die Frage auf, warum die Linke nicht stärker von der Krise profitiert hat. Die „Globalisierung“ der Neoliberalismus-Kritik, das Vertrauen auf das Krisenmanagement der Eliten, die Rückkehr des Korporatismus von Gewerkschaften und Unternehmen, eine zu flache Krisen-Interpretation und eine Fixierung der Betroffenen auf ihr eigenes Schicksal im Zuge drohenden Job-Verlustes nannte er als Gründe. Im Anschluss daran machte Shahyar Vorschläge für eine neue linke Krisen-Politik. „Verstärkte Suche nach Alternativen“, „Deglobalisierung“, „Eigentumsfrage“ und „Gesundschrumpfung der Wirtschaft“ lauteten hier die Stichwörter. Jan Pehrke (CBG) schließlich zeichnete den Verlauf der Krise am Beispiel BAYER nach und konnte so den im Laufe des Tages erörterten, manchmal recht komplexen wirtschaftlichen Zusammenhängen Anschaulichkeit verleihen. Fast 50 TeilnehmerInnen lockte die Veranstaltung an - so viele BesucherInnen hatte eine Jahrestagung der CBG bisher noch nie. Offensichtlich bestand ein großes Interesse daran, ein Jahr nach Ausbruch der Krise eine erste Bestandsaufnahme vorzunehmen und über die Perspektiven antikapitalistischer Interventionen zu diskutieren.

Antwerpener Beschäftigte protestieren
Der Leverkusener Multi erpresst die Belegschaft des Antwerpener Werks und droht mit einer Schließung, falls die Beschäftigten nicht einer Lohnkürzung zustimmen (siehe KAPITAL & ARBEIT). Diese wollen sich darauf jedoch nicht einlassen. Deshalb nahmen die AntwerpenerInnen nicht nur an einer Großdemonstration in Brüssel teil, die unter Druck stehende Belegschaften vieler belgischer Werke zusammenführte, sondern ergriffen dort auch das Wort. Levi Sollie, der Vertrauensmann der Gewerkschaft Algemeen Belgisch Vakverbond (ABVV), sprach auf der Kundgebung über die Situation am belgischen BAYER-Standort.

Klima-Protest vor BAYER-Zentrale
Zum Auftakt der Weltklimakonferenz in Kopenhagen hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) am 7. Dezember 2009 gemeinsam mit Vertretern vom NIEDERRHEINISCHEN UMWELTSCHUTZVEREIN und von der Linkspartei eine Mahnwache vor der Leverkusener BAYER-Zentrale abgehalten, um auf die Klima-Sünden des Konzerns hinzuweisen. So leitet der Pharma-Riese jährlich bis zu acht Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre und trägt auf diese Weise zum Treibhauseffekt bei. Und von einem Umdenken ist bei dem Unternehmen nichts zu spüren. Es setzt weiter auf klimaschädigende Müll- und Steinkohlekraftwerke. Darum wollte die CBG BAYER auch einen Offenen Brief übergeben, der zu einer Energie-Wende aufruft, aber dazu kam es nicht. Der Multi verweigerte die Annahme.

CEFIC für Klima-Negativpreis nominiert
LOBBYCONTROL hat den „Verband der Europäischen Chemischen Industrie“ (CEFIC) für den Negativpreis „Angry Mermaid Award“ nominiert. Die Initiative hält den Verband für würdig, die in Anspielung auf die Kopenhagener Klimakonferenz „Die aufgebrachte Meerjungfrau“ getaufte Auszeichnung zu erhalten, weil er sich durch besonders destruktive Lobbyarbeit gegen Klimaschutz-Maßnahmen hervortat. So gelang es der CEFIC LOBBYCONTROL zufolge etwa, der chemischen Industrie kostenträchtige Folgen des Handels mit Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten zu ersparen, weshalb Investitionen in ökologischere Verfahren unterblieben. Aber schlussendlich musste sich die CEFIC dem noch schlimmeren Finger MONSANTO geschlagen geben.

Pipeline-Protest vor Ständehaus
Am 23. November 2009 war BAYER-Chef Werner Wenning Stargast des Düsseldorfer Ständehaus-Treffs in den Räumen der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen. Aber der von Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo moderierte Plausch mit dem Konzern-Lenker vor Promis wie Gabriele Henkel, Heiner Kamps, Rudi Altig und Heide Rosendahl konnte nicht ungestört ablaufen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und andere Gegner der vom Leverkusener Multi geplanten Kohlenmonoxid-Pipeline hielten nämlich eine Mahnwache vor dem Gebäude ab. Die Veranstalter taten dabei alles, den Protest zu erschweren. Als Tagesmieter des Ständehauses reklamierten sie das Hausrecht für sich und drängten die AktivistInnen mit Hilfe von Polizei und privatem Sicherheitsdienst an den äußersten Rand der Auffahrt, um Wenning & Co. den Abend nicht allzu sehr zu verderben. Di Lorenzo kam beim Talk jedoch nicht darum herum, die Sache aufzugreifen. „Wenning ging offensiv mit dem Thema um“, vermeldete die Rheinische Post anschließend, „Er ist fest von der absoluten Sicherheit der Leitung überzeugt, aber er weiß auch, dass keiner ausschließen kann, dass irgendein Unfall passiert“.

PRIMODOS-Anfrage
In den 50er Jahren hatte die jetzige BAYER-Tochter SCHERING den Schwangerschaftstest PRIMODOS (auch DUOGYNON) auf den Markt gebracht, der bei Neugeborenen zu Herzfehlern, Fehlbildungen an Händen und Füßen sowie zu Gaumenspalten führte. Auf der diesjährigen Hauptversammlung des Leverkusener Multis haben die Opfer des Hormon-Präparates eine Entschädigung gefordert; zudem sind Klagen in Vorbereitung (siehe RECHT & UNBILLIG). Im Juli hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) dem Gesundheitsministerium zum Fall „PRIMODOS“ einen Brief geschrieben. Die CBG wollte wissen, warum die Betroffenen bis heute keine Unterstützung erhalten und welche Unterlagen im Archiv noch zu dem Pharma-GAU existieren. Zudem fragte die Coordination, ob es bezüglich der Entschädigungsfrage Kontakte zum Pharma-Riesen und zu den Behörden in Großbritannien gibt, wo das Thema ebenfalls auf der Tagesordnung steht. Darüber hinaus erbat sie eine Stellungnahme zur Weigerung des Global Players, die Geschädigten abzufinden. Diese mochte das Gesundheitsministerium in seiner Antwort nicht abgeben. Es habe in der Sache weder Verbindung zu BAYER noch zur britischen Regierung aufgenommen und hätte auch keine Akten zu dem Fall mehr, hieß es in dem Schreiben weiter. „Zu Ihrer Frage, warum die Betroffenen keine Unterstützung erhalten haben, lassen sich daher nur Vermutungen aufgrund von nicht validen Informationen anstellen. Es scheint damals aber wohl eine gewisse Unsicherheit in der Kausalitätsbewertung zwischen den aufgetretenen Missbildungen und der Verabreichung des entsprechenden Medikamentes gegeben zu haben“, so das Ministerium.

Die „Global Compact“-Beschwerde
1999 haben sich BAYER und andere Multis am Rande des Davoser Weltwirtschaftsforums im „Global Compact“ dazu bekannt, soziale, ökologische und menschenrechtliche Standards einzuhalten. Nach Meinung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat der Leverkusener Multi mit der Beinah-Katastrophe in Institute und seiner Reaktion darauf gegen die Regularien des an die UN angebundenen Industrie-Zusammenschlusses verstoßen. Der Konzern hatte im Vorfeld lange bekannte Sicherheitsmängel nicht behoben, defekte Detektoren nicht repariert und Warnsysteme deaktiviert. Nach der Explosion informierte er zudem die Öffentlichkeit unter Berufung auf die Antiterror-Gesetze nur spärlich (siehe SWB 2/09). Die CBG hat die UN deshalb in einem Offenen Brief aufgefordert, den Agro-Riesen aus dem „Global Compact“ auszuschließen. Die Antwort traf umgehend ein. Der „Global Compact“ legte dar, dass er über keinerlei Mandat verfügt, die Einhaltung seiner Prinzipien zu kontrollieren und gegebenenfalls Sanktionen auszusprechen. Nur einen Dialog moderieren könne er. Das tat er dann auch, indem er BAYER zu einer Stellungnahme aufforderte. Nach einigem Briefverkehr mit dem Leverkusener Multi und der CBG teilte die Organisation mit, sie habe die Beschwerde nun an die bundesdeutsche Dependance weiterverwiesen. Die Coordination erklärte sich damit nicht einverstanden. Sie dringt darauf, den Fall statutengemäß im Leitungsgremium zu verhandeln, und legte Protest ein.

180.000 Unterschriften gegen LL62
Im Jahr 2006 hat BAYERs Genreis LL601 für den größten Gen-GAU der Nuller-Jahre gesorgt: Trotz fehlender Zulassung tauchte er in den handelsüblichen Supermarkt-Sorten auf. Das hält den Leverkusener Multi jedoch nicht davon ab, weiter auf die Risiko-Technologie zu setzen. So liegt der EU bereits seit längerem ein Antrag zur Importgenehmigung von LL62-Reis vor. GREENPEACE hat dagegen mobil gemacht und der EU-Gesundheitskommissarin Anroulla Vassiliou, die demnächst das Bildungsressort übernimmt, im Oktober 2009 180.000 Unterschriften gegen eine Einfuhr-Lizenz übergeben.

Kritik an Beobachtungsstudien
Die „Kassenärztliche Bundesvereinigung“ (KBV) hat die Beobachtungsstudien angeprangert, mittels derer BAYER & Co. ihre Medikamente in Arztpraxen testen lassen. Aus wissenschaftlicher Sicht sind diese Anwendungsuntersuchungen, bei denen die ÄrztInnen nur einen kleinen Fragebogen ausfüllen müssen, kaum ergiebig, moniert die KBV, aus finanzieller Sicht allerdings schon - sowohl für die Konzerne als auch für die DoktorInnen. In Wahrheit verfolgen die Expertisen nämlich den Zweck, die PatientInnen auf das getestete Präparat - zumeist ein neues und deshalb besonders teures - umzustellen, und genau dafür zahlen die Unternehmen dann auch bis zu 1.000 Euro. Als „Fangprämien“ bezeichnete Leonard Hansen von der „Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein“ deshalb die Honorare, und der KBV-Vorstand Carl-Heinz Müller lässt keinen Zweifel an den Motiven von Big Pharma: „Das Ziel einer schnelleren Umsatzsteigerung ist sicher nicht von der Hand zu weisen“. Der Leverkusener Multi verfolgte dieses Ziel unter anderem mit Beobachtungsstudien zu BETAFERON. Kritik an dieser Praxis wies der Konzern immer wieder zurück. So verteidigte BAYER-Vorstand Wolfgang Plischke das Vorgehen der Pillen-Produzenten im Jahr 2008 mit den Worten: „Ich halte Anwendungsbeobachtungen allerdings für sinnvoll, da sie uns Langzeitdaten über die Wirkung von Medikamenten in die Hand geben, die wir aus den Zulassungsstudien nicht bekommen“.

Mediziner kritisiert Krebsmedikamente
Im Pharma-Geschäft versprechen Krebs-Arzneien die höchsten Gewinne. ExpertInnen erwarten für die nächsten Jahre einen 66 Milliarden Dollar schweren Absatzmarkt. Mit den Heilsversprechen der Pillenriesen - BAYER etwa preist NEXAVAR als einen „Meilenstein im Kampf gegen Krebs“ an - ist es nach Ansicht des Krebs-Spezialisten W.-D. Ludwig allerdings nicht so weit her. Nach Meinung des Mediziners, der an der HELIOS-Klinik in Berlin-Buch arbeitet und den Vorsitz der „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“ innehat, sorgt vor allem eine kreative Gestaltung der klinischen Tests für den guten Leumund der Mittel. So bestimmen die Untersuchungen als Ziel der Therapie nicht etwa das Überleben der PatientInnen und dauern auch gar nicht so lange, um den Gesundheitszustand der ProbandInnen über einen angemessenen Zeitraum hinweg verfolgen zu können. Ihnen reicht es als positiver Befund aus, wenn sich das Leiden erst einmal nicht verschlimmert oder der Körper überhaupt in irgendeiner Weise auf den Pharma-Stoff anspricht, was noch überhaupt nichts über eine Beeinflussung des Krankheitsverlaufs aussagt. Da es noch kaum wirksame Krebs-Arzneien gibt, müssen die Konzerne zudem keine großen Vergleichsstudien finanzieren. Das alles erleichtert „erfolgreiche Erprobungen“ natürlich ungemein. Ludwig forderte als Konsequenz aus dieser Art von Studien mehr unabhängige Arzneimittel-Untersuchungen.

Einspruch gegen BVL-Bescheid
Im letzten Jahr hat BAYERs Saatgut-Beizmittel PONCHO ein verheerendes Bienensterben ausgelöst. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hegte den Verdacht, dass der Agro-Riese diese „Nebenwirkung“ bei den Genehmigungsbehörden heruntergespielt hat und verlangte in einem Offenen Brief an das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ (BVL) die Herausgabe der Zulassungsunterlagen. Die Behörde gab dem Begehr zwar trotz BAYER-Widerstand statt, erlaubte jedoch nur eine kurze Einsichtnahme bei einem Lokaltermin. Dagegen legte die CBG Widerspruch ein, weil so zu wenig Zeit für die Überprüfung der Dokumente bleibt.

Frankfurter Uni umbenannt
Im Jahr 2001 ging das Frankfurter IG-FARBEN-Haus in den Besitz der „Johann Wolfgang von Goethe-Universität“ über. Seit dieser Zeit traten Studierende und Lehrende dafür ein, die mahnende Erinnerung an den von BAYER mitgegründeten Mörderkonzern wachzuhalten, indem die Hochschule den ehemaligen IG-Zwangsarbeiter Norbert Wollheim ehrt. Die Leitung wehrte sich aber erfolgreich dagegen, einen Platz auf dem Gelände nach dem Mann zu benennen, der durch seinen 1951 begonnenen Musterprozess Entschädigungszahlungen für die SklavenarbeiterInnen ermöglichte. Stattdessen errichtete sie mit dem „Norbert Wollheim Memorial“ eine Gedenkstätte für ihn (siehe SWB 1/09). Im Zuge des Bildungsstreiks jedoch knüpften Studierende an die alte Idee an. Sie besetzten das Casino-Gebäude und benannten die Alma Mater symbolisch in „Norbert Wollheim Universität“ um.

Kritik an EU-Pharmapolitik
Die EU betrachtet Medikamente nicht als Bestandteil des Gesundheitswesens, sondern als Wirtschaftsgut. Deshalb untersteht das Arzneimittelrecht ebenso wie die für Pillen-Zulassungen zuständige „Europäische Arzneimittelbehörde“ dem Industrie- und nicht dem Gesundheitskommissar. An dieser Politik hat jetzt der gesundheitspolitische Sprecher der Europäischen Volkspartei, der Christdemokrat Peter Liese, scharfe Kritik geübt.

KAPITAL & ARBEIT

Neue Standortsicherungsvereinbarung
BAYER hat mit dem Gesamtbetriebsrat eine neue Standortsicherungsvereinbarung abgeschlossen (siehe auch STANDORTE & PRODUKTION). Wie schon bei dem Vorgänger-Vertrag ließ sich der Leverkusener Multi das Zugeständnis, fünf Jahre auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten, teuer abkaufen. So müssen die Beschäftigten jetzt ihre Arbeitszeit noch stärker den Konjunktur-Schwankungen anpassen und sogar Ortswechsel in Kauf nehmen. Bei der Sparte BAYER TECHNOLOGY SERVICES haben sie zudem eine Stunde länger zu arbeiten, ohne dafür mehr Lohn zu bekommen. „Zu bemerken ist, dass in vielen Punkten wieder einer zeitlich begrenzten Zusage des Arbeitgebers dauerhaft abgegebene Besitzstände der ArbeitnehmerInnen gegenüberstehen“, kommentieren die KOLLEGEN UND KOLLEGINNEN FÜR EINE DURCHSCHAUBARE BETRIEBSRATSARBEIT, eine alternative Gewerkschaftsgruppe im Leverkusener BAYER-Werk, das Ergebnis der Verhandlungen.

Kürzerarbeit wieder aufgehoben
Im Zuge der Wirtschaftskrise hatte BAYER in der Kunststoff-Sparte die Arbeitszeit ohne Lohnausgleich um 6,7 Prozent gekürzt und weitere Maßnahmen durchgeführt, was dem Leverkusener Multi Kosten in zweistelliger Millionenhöhe ersparte. Anfang November 2009 hat der Konzern die Kürzerarbeit-Regelung wieder aufgehoben - „eine derzeit verbesserte Auftragslage“ bewog das Unternehmen zu diesem Schritt.

Antwerpen: BAYER droht mit Schließung
Am Standort Antwerpen erpresst BAYER die Belegschaft. Der Leverkusener Multi droht mit einem Aus für die Kunststoff-Produktion, wenn die Beschäftigten nicht auf zehn Prozent ihres Lohn verzichten. Die beiden Gewerkschaften Algemeen Belgisch Vakverbond (ABVV) und ACV Energie-Chemie wollen das nicht mitmachen. „Die Vertrauensleute im Antwerpener Werk werden keiner sozialen Demontage zustimmen, wir werden weder zu Lohnsenkungen noch zu Arbeitszeitverlängerungen ‚Ja‘ sagen“, kündigt ABVV-Vertrauensmann Levi Sollie an und verweist auf den 190-Millionen-Euro-Gewinn der Niederlassung. Einer Standort-Konkurrenz mit Krefeld verweigert sich die Gewerkschaft ebenfalls: „Auch werden wir nicht zulassen, dass wir gegen die Kollegen im BAYER-Werk Uerdingen ausgespielt werden“. Der Pharma-Riese musste die staatliche Schiedskommission anrufen, weil es mit den Belegschaftsvertretern zu keiner Einigung kam. Eine Entscheidung des Gremiums steht noch aus.

Gerüchte über BMS-Verkauf
Im November 2009 tauchten Gerüchte über einen von BAYER beabsichtigten Verkauf der Kunststoff-Sparte BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) auf. Die INTERNATIONAL PETROLIUM INVESTMENT COMPANY (IPIC) mit Sitz in Abu Dhabi hatte Verhandlungen mit dem Pharma-Riesen bestätigt. Der Leverkusener Multi hielt sich dagegen bedeckt: „Marktgerüchte kommentieren wir grundsätzlich nicht“. Wenig später dementierte IPIC-Direktor Khadem Al Qubaisi die von dem Informationsdienst Chemical Industry News & Intelligence in Umlauf gebrachte Meldung. Es sei bei den Gesprächen mit BAYER nicht um einen Verkauf, sondern um ein geplantes Joint Venture in Abu Dhabi gegangen. Wie dem auch sei - Wirtschafts- und Finanzkreise machen jedenfalls weiter Verkaufsdruck. So schrieb beispielsweise das Handelsblatt unlängst angesichts wieder etwas besserer BMS-Geschäftszahlen: „Der Pharma- und Chemiekonzern kann sich wieder über seine Kunststoffe freuen. Zeit, an einen Verkauf zu denken“.

USA: BAYER gegen Gewerkschaftsgesetz
In den Vereinigten Staaten versucht der Leverkusener Multi mit aller Macht, die Gewerkschaften aus dem Konzern herauszuhalten. Immer wenn sich irgendwo die Gründung einer Beschäftigten-Vertretung anzubahnen droht, trommelt das Unternehmen die Belegschaft zusammen und warnt vor Arbeitsplatzvernichtungen, sollten sich im Werk Betriebsgruppen bilden. Folglich gibt es nur an drei von 50 BAYER-Standorten in den USA Gewerkschaften. Die Regierung Obama hat sich jetzt vorgenommen, den Organisationen den Rücken zu stärken und sie besser vor Repressionen zu schützen. Aber BAYER & Co. investieren Millionen, um das Gesetzesvorhaben zu verhindern.

IG BCE für Unternehmenssteuerreform
Der neue IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis will den industriefreundlichen Kurs seines Vorgängers Hubertus Schmoldt fortsetzen (siehe auch SWB 4/09) und demonstrierte dies auch gleich eindrucksvoll, indem er sich von dem DGB-Vorschlag distanzierte, in Zeiten der Krise den Übergang zwischen Arbeitslosengeld und Hartz IV finanziell weicher zu gestalten. Er überraschte auf dem Chemiegewerkschaftskongress in Hannover allerdings mit einer Forderung zur Reform der Unternehmensbesteuerung. So verlangte Vassiliadis, die Höhe der Körperschaftssteuer nach der Eigenkapitalrendite zu bemessen und so besonders rücksichtslose Profit-Jäger abzustrafen. „Wenn eine extreme Rendite nur mit einer sehr aggressiven Strategie erreicht werden kann, erst dann beginnt ein höherer Steuersatz“, so sein Vorschlag. Zudem möchte der Gewerkschaftler die Krisenverursacher stärker zur Verantwortung ziehen und machte sich für eine KurzarbeiterInnen-Abgabe des Bankensektors stark.

Merkel lobt die IG BCE
Bundeskanzlerin Angela Merkel trat auf dem Bundeskongress der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) auf und konnte gar nicht mehr aufhören, die Verdienste der Gewerkschaft um das Co-Management zu rühmen. Laut Frankfurter Rundschau gelang es der Politikerin, die IG BCE „innerhalb einer halben Stunde gefühlte 30 Mal zu loben und sich abwechselnd ‚herzlich‘, ‚freundlich‘ oder ‚besonders‘ zu bedanken“. In puncto Gentechnik standen ihr Vassiliadis & Co. sogar näher als die CDU-GenossInnen. Die „Zukunftsgewandtheit“ der GewerkschaftlerInnen stände auch den eigenen Parteikreisen gut zu Gesicht, vermerkte Merkel.

Betriebskrankenkassen-Fusionitis
Mitte 2007 schloss sich BAYERs Betriebskrankenkasse mit der FORTISNOVA BKK zur PRONOVA BKK zusammen. Zum Jahreswechsel fusioniert diese wiederum mit den Kassen FORD & RHEINLAND und GOETZE & PARTNER, „um unsere Position im Gesundheitsmarkt langfristig zu stärken“, wie aus der Zentrale verlautete. Name, Filialnetz und MitarbeiterInnen-Zahl bleiben erhalten, und mit über 500.000 Versicherten zählt die PRONOVA BBK nunmehr zu den 30 größten Krankenkassen der Bundesrepublik. Besonders aggressive Verhandlungen mit BAYER um Arznei-Preise dürften von ihr jedoch nicht zu erwarten sein.

ERSTE & DRITTE WELT

Afrika kommt zu BAYER
Afrika nimmt für BAYER & Co. vor allem wegen seiner Rohstoff-Vorkommen, um die ein Wettlauf mit China entbrannt ist, eine immer größere Bedeutung ein. Aus diesem Grund versuchen die Konzerne eine African Connection aufzubauen, indem sie Kontakte zu späteren Eliten aufbauen. Diesem Behufe dient das Programm „Afrika kommt“, in dessen Rahmen BAYER und weitere Unternehmen junge Spitzenkräfte des Kontinents mit freundlicher Unterstützung des Auswärtigen Amtes in der Bundesrepublik „weiterqualifizieren“. Die Koordination übernimmt dabei die seit langem mit dem Leverkusener Multi verbundene Agentur „Inwent“. 1921 vom damaligen BAYER-Generaldirektor Carl Duisberg gegründet, hörte sie lange auch auf seinen Namen. Erst im Jahr 2002 legte die Einrichtung die Bezeichnung „Carl-Duisberg-Gesellschaft“ ab.

Venezuela hebt BAYER-Patent auf
Patente auf Medikamente verschaffen den Herstellern Monopol-Gewinne und verhindern eine preisgünstige Arzneiversorgung, was vor allem in den Ländern der Dritten Welt verheerende Folgen hat. In Venezuela wollten Pillen-Produzenten deshalb eine Nachahmer-Version von BAYERs Antibiotikum-Wirkstoff Moxifloxacin auf den Markt bringen. Der Leverkusener Multi klagte, die venezolanische Behörde SAPI prüfte - und stieß auf Unregelmäßigkeiten in der Patentschrift. Deshalb hob sie den Schutz des geistigen Eigentums für Moxifloxacin auf. Das Handelsministerium unterstützte den Schritt und erklärte, dass „Aktionen wie die von BAYER sich gegen das Recht auf Gesundheit richten und auf die Errichtung eines Industrie-Monopols zielen, ohne auf die Bedürfnisse des Volkes Rücksicht zu nehmen“. Auch Ecuador hat Maßnahmen angekündigt, um die Verfügbarkeit von Medikamenten zu verbessern. Die Regierung will die Patente von 2.000 Präparaten für ungültig erklären.

IG FARBEN & HEUTE

100 Jahre Synthese-Kautschuk
Mit großen Artikeln feierte die Presse den hundertsten Geburtstag von Synthese-Kautschuk, das der BAYER-Forscher Fritz Hofmann entwickelt hatte. In den netten Ständchen fehlten allerdings Passagen darüber, welche wichtige Rolle dieser Stoff bei den Kriegsvorbereitungen der Nazis spielte. Er machte das Verbrecherregime nämlich unabhängig von Rohstoff-Importen aus dem Ausland und verschaffte den von BAYER mitgegründeten IG FARBEN so eine profitable Führungsposition bei den wirtschaftlichen Planungen zu den Waffengängen.

IG FARBEN an „Aktion T4“ beteiligt
Die vom Leverkusener Multi mitgegründeten IG FARBEN haben nicht nur das Zyklon B für die Vergasung der Juden im „Dritten Reich“ geliefert. Der Mörderkonzern hat auch für die „Aktion T4“ genannte Euthanasie, der mehr als 100.000 behinderte oder psychisch kranke Menschen zum Opfer fielen, den passenden Rohstoff bereitgestellt: das heute wieder durch BAYERs umstrittenes Pipeline-Projekt ins Gerede gekommene Kohlenmonoxid.

IG FARBEN besaß Zeitungsanteile
Der von BAYER mitgegründete Mörderkonzern IG FARBEN war nicht auf wohlmeinende Presseberichte angewiesen - er hielt sich selbst eine Zeitung. 1929 erwarb das Unternehmen 35 Prozent der liberalen Frankfurter Zeitung und 1930 weitere 14 Prozent. Mit diesem Besitzerwechsel ging auch eine Veränderung des politischen Kurses einher. So musste unter anderem der bekannte Publizist Siegfried Kracauer gehen. Ob sich der Leverkusener Multi nach dem Krieg auch an der Neugründung des Blattes unter dem Namen Frankfurter Allgemeine Zeitung beteiligte, steht nicht fest.

  • KONZERN & VERGANGENHEIT

ASPIRIN und die Grippewelle von 1918
Im Jahr 1918 raffte die Spanische Grippe über 50 Millionen Menschen auf der Welt dahin. Nach Ansicht der Medizinerin Dr. Karen M. Starko könnten viele Sterbefälle jedoch nicht durch die Krankheit, sondern durch das Heilmittel ASPIRIN ausgelöst worden sein. BAYERs „Tausendsassa“ kam bei der Behandlung der Infizierten nämlich in einer doppelt so hohen Dosis wie heute zum Einsatz, und den Autopsien zufolge kommt der Virus als Todesursache oftmals nicht in Frage. So wiesen zahlreiche Tote kaum Lungenschädigungen auf. Deshalb konnten MedizinerInnen sich die große Mengen blutiger Flüssigkeit in den Atemorganen bisher nicht erklären - Starko aber schon: Blutungen sind eine bekannte Nebenwirkung von ASPIRIN.

POLITIK & EINFLUSS

Lobby-Register ohne CEFIC
Die CEFIC, der europäische Lobbyverband der Chemie-Unternehmen, hat 170 Beschäftigte und einen Etat von ca. 47 Millionen Euro. Die Organisation kann jedoch auch ganz bescheiden auftreten. Im neu geschaffenen Lobby-Register der EU bezifferte sie die jährlichen Kosten für ihr Antichambrieren auf schlappe 50.000 Euro. Die Umweltgruppe FRIENDS OF THE EARTH wollte daran nicht glauben und witterte eine Irreführung der Behörden. Die EU-Kommission rechnete nach und gab der Initiative Recht. Daraufhin flog die CEFIC aus dem Register. Aber seit dem Herbst 2009 ist der Verband wieder drin, weil er sich zu kapitalistischem Realismus entschlossen hatte: Der Lobbyclub korrigierte seine Zahlen um das 80-fache nach oben und fand sich mit vier Millionen Euro plötzlich auf Platz sechs der finanzkräftigsten Einflussnehmer wieder.

BAYER in Kopenhagen
Über zahlreiche Lobbyorganisationen hat BAYER in Kopenhagen substanzielle Beschlüsse zur Rettung des Klimas zu verhindern versucht. „Croplife“ bemühte sich, verbindliche Auflagen zur Kohlendioxid-Reduzierung in der Landwirtschaft abzuwenden. Der „Bundesverband der Deutschen Industrie“ (BDI) erklärte: „Wir sind nicht mehr länger das Problem, wir sind Teil der Lösung“ und lud unter dem Titel „Business for Climate Protection“ zu einer Podiumsdiskussion, an der auch Bundesumweltminister Norbert Röttgen teilnahm. „3C - Combat Climate Change“ betrieb derweil Werbung für die Kohlendioxid-Abspaltung - und damit für Kohlekraftwerke; das „International Chamber of Commerce“ und das „World Business Council for Sustainable Development“ unterstützten „3C“ dabei nach Kräften. Das tat auch „Business Europe“. Zudem hatte der Verband bereits im Oktober eine Konferenz zum Thema „Zwischen der Wirtschafts- und der Klimakrise - ist Kopenhagen der Ausweg?“ abgehalten, die unliebsamen Besuch von UmweltaktivistInnen erhielt. Darüber hinaus präsentierte „BusinessEurope“ EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso mit der „Copenhagen Scorecard“ eine Wunschliste in Sachen „Klimapolitik“. So sollte die Europäische Union Entwicklungsländer wie China in Dänemark zu verbindlichen Reduktionszielen drängen - und in heimischen Gefilden mehr auf „freiwillige Selbstverpflichtungen“ setzen.

„Croplife“ gegen US-Klimagesetze
„Croplife“, der US-amerikanische Verband von BAYER und anderen Agro-Multis, versucht, Obamas Klimaschutz-Agenda zu Fall zu bringen. Zu diesem Behufe hat die Organisation die Lobby-Agentur ALPINE GROUP engagiert, die in Washington über beste Kontakte verfügt.

Wenning beim Wirtschaftsgipfel
Die Kreditklemme gehört für den Leverkusener Multi zu den unangenehmsten Folgen der Wirtschaftskrise. „In der Größenordnung von zehn Milliarden Euro dürfte eine Akquisition für die meisten derzeit nicht mehr finanzierbar sein“, mit diesen Worten beklagte sich BAYER-Chef Werner Wenning in der Faz über die Beschränkung der Einkaufsmöglichkeiten. Deshalb drängte er bereits auf dem ersten Krisengipfel, zu dem Bundeskanzlerin Angela Merkel gerufen hatte, auf eine Lösung des Problems. Auch bei der trauten Runde, die sich am 2. Dezember 2009 im Kanzleramt diesem Thema widmete, saß Wenning wieder mit dabei, flankiert unter anderem von Josef Ackermann, Dieter Hundt vom Arbeitgeberverband und Michael Vassiliadis von der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE.

BAYER unterzeichnet NRW-Pakt
Die nordrhein-westfälische Landesregierung tut alles dafür, BAYER & Co. in politische Entscheidungen einzubinden. So rief sie beispielsweise den „Dialog Wirtschaft und Umwelt“ ins Leben. Im November 2009 haben Rüttgers & Co. jetzt mit BAYER und anderen Unternehmen einen Pakt geschlossen, denn „die Distanz zwischen Wirtschaft und Politik verhindert Wachstum“. Diese Entfremdung - „Die Wirtschaft hat vielfach geglaubt, ohne die Politik auszukommen. Die Politik hat sich an einer Manager- und Unternehmerschelte beteiligt“ - wollen Bosse und CDU/FDP-Koalition mittels Spitzentreffen schnellstmöglich aufheben. Nicht zuletzt BAYERs umstrittenes Pipeline-Projekt dürfte die konzertierte Aktion nötig gemacht haben.

BAYER & Co. sponsern den Staat
Die Konzerne unterstützten die Regierungstätigkeit im großen Umfang finanziell. Das geht auch aus dem 3. Zweijahresbericht über Sponsoring-Leistungen hervor, den das „Bundesministerium des Inneren“ im Mai 2009 veröffentlichte. Geld- und Sachleistungen in einer Größenordnung von fast 80 Millionen Euro brachten die Unternehmen in den Jahren 2007 und 2008 auf. BAYER befand sich natürlich ebenfalls unter den „edlen Spendern“. Der Leverkusener Multi stiftete für das Sommerfest von Bundespräsident Horst Köhler Sachleistungen im Wert von 30.000 Euro. Für den Empfang zum „Tag der Deutschen Einheit“ machte der Konzern 33.170 Euro locker und für das Kunstprojekt „inform“ 50.000 Euro.

„World Environment Day“ in Pittsburgh
Als „Bluewashing“ kritisieren die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und andere Initiativen die Strategie der Konzerne, sich durch Kooperationen mit den Vereinten Nationen ein gutes Image zu verschaffen. BAYER tut dies hauptsächlich durch ein Sponsoring der UNEP, des Umweltprogramms der UN. So richtete das Unternehmen 2007 in Leverkusen eine Konferenz mit 150 jungen UmweltschützerInnen aus aller Welt aus. Im Oktober 2009 gelang dem Multi erneut ein Coup. Er setzte für 2010 mit Pittsburgh den Standort seines US-amerikanischen Hauptquartiers als Gastgeber-Stadt des „World Environment Day“ durch. Dort hofft sich der Chemie-Riese dann wieder einmal als Öko-Engel präsentieren zu können.

BDI treibt Gesundheitspolitik
Im November 2009 präsentierte der „Bundesverband der Deutschen Industrie“ (BDI) sein „gesundheitswirtschaftliches Innovationskonzept“. Die Organisation sprach sich darin für eine Abkehr vom paritätisch finanzierten Gesundheitswesen aus und trat stattdessen für „transparente, lohnunabhängige Prämien“ ein. Zudem wiederholte sie die alte BAYER-Forderung nach einer steuerlichen Absetzbarkeit von Forschungskosten. Auch „zentralistische Eingriffe in die Preisbildung“ von Medikamenten verbat sich der BDI. Darüber hinaus sollten die Krankenkassen unbesehen die Kosten für jede neu auf den Markt kommende Arznei übernehmen. Natürlich durfte in dem Papier auch eine Kritik am „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ nicht fehlen, das Kosten/Nutzen-Analysen von Arzneimitteln durchführt und dabei nach Meinung von BAYER & Co. allzu oft zu negativen Ergebnisse kommt. Aber mit einer weiteren Loslösung vom Solidarprinzip hat das „gesundheitswirtschaftliche Innovationskonzept“ den Konzernen zufolge nichts zu tun, „ohne Wenn und Aber“ sprachen sie sich gegen eine Zwei-Klassen-Medizin aus.

Verheugen kämpft gegen Werbeverbot
Das Pillengeschäft könnte noch mehr Profite abwerfen, wenn die Hersteller für verschreibungspflichtige Medikamente werben dürften. Deshalb versuchen BAYER & Co. seit geraumer Zeit, das EU-Reklameverbot zu Fall zu bringen. Den Industrie-Kommissar der EU, Günter Verheugen, haben sie dafür als Bündnispartner gewonnen. Trotzdem liegt sein Gesetzesvorschlag vorerst auf Eis, weil viele ParlamentarierInnen eine Kosten-Explosion durch eine aggressive Reklame für teure Arzneien befürchten. Der SPD-Politiker versuchte daher kurz vor Ende seiner Amtszeit noch, Medikamenten-Fälschungen als Argument dafür anzuführen, den Pharma-Riesen mehr Raum für das zuzubilligen, was sie „Informationen“ nennen.

PROPAGANDA & MEDIEN

Klima-Manager Wenning?
Aus unerfindlichen Gründen ließ der Berliner Tagesspiegel in seiner Reihe „Die Klima-Manager“ auch BAYER-Chef Werner Wenning zu Wort kommen. Der gibt sich zunächst reumütig: „Die Industrie ist Teil des Problems“, nimmt dann aber flugs für sich in Anspruch, zur Lösung beitragen zu können. Gemeint ist allerdings lediglich ein Klimakrisen-Management aus dem Ackergiftschrank des Multis. So können Wenning zufolge bestimmte Pestizide den Pflanzen helfen, mit den Folgen des Klimawandels wie etwa Trockenheit umzugehen. Eine „zweite grüne Revolution“ nennt der Vorstandsvorsitzende das unbescheiden. Alleine machen will er sie jedoch nicht. „Die öffentlichen Ausgaben für Agrarforschung und landwirtschaftliche Infrastruktur reichen dafür noch nicht aus“, meint er und fordert frech Subventionen.

BAYER sponsert Klima-SkeptikerInnen
Der Leverkusener Multi bläst jährlich 7,6 Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Luft und setzt weiter auf klimaschädigende Kohle- und Müllkraftwerke. Darum hat er auch ein großes Interesse daran, das Problem „Klimawandel“ zu verharmlosen und unterstützt Denkfabriken, die diesen Job für das Kapital erledigen. So gehört der Konzern zu den Sponsoren des „Science Media Centers“ und des „Institute of Ideas“, das sich daneben auch gut auf Pro-Gentech-PR versteht.

Greenwashing zum G20-Gipfel
Der diesjährige G20-Gipfel der weltgrößten Industrieländer fand in Pittsburgh statt, dem Sitz von BAYERs US-amerikanischem Hauptquartier. Der Leverkusener Multi legte sich daher mächtig ins Zeug, um sich trotz seines jährlichen Kohlendioxid-Ausstoßes von 7,6 Millionen Tonnen als Umweltengel zu präsentieren und begrüßte die Staatenlenker mit großen „Welcome“-Bannern.

BAYER lädt zum Gynäkologie-Kongress
Der Leverkusener Multi hat mit QLAIRA ein neues Verhütungsmittel kreiert. Um dieses auch auf die Rezeptblöcke zu bringen, lud er 700 FrauenärztInnen ins Berliner Hotel Andel‘s zu dem Kongress „GynSights“ ein. Prof. Dr. Alfred O. Mueck und Dr. Anneliese Schwenkhagen gestalteten den Werbeblock für die Antibabypille, der nur von einigen Workshops zu gynäkologischen Themen unterbrochen wurde. Zu allem Übel firmiert das Ganze auch noch unter „Weiterbildungsmaßnahme“. „Diese Fortbildung haben wir bei der zuständigen Ärztekammer zur Zertifizierung eingereicht“ lässt BAYER die ÄrztInnen-Schar auf der Einladung wissen.

Werbekosten: vier Milliarden Dollar
Nach eigenen Angaben belaufen sich die jährlichen Marketing-Kosten von BAYER auf vier Milliarden Dollar. Allein in den USA investiert der Konzern 840 Millionen Dollar.

VI gibt TransGen-Trägerschaft auf
Die „Verbraucher Initiative“ (VI) ist mehr eine Konzern-Initiative. So hat sie sich ihr Gentechnik-Informationsportal TransGen von BAYER und anderen Gen-Giganten bezahlen lassen, was nicht ohne Einfluss auf die Berichterstattung blieb. Im November 2009 gab die VI nun endlich die Trägerschaft auf. Das Propaganda-Portal existiert jedoch weiterhin.

Standort-Kampagne in Leverkusen
BAYER spielt seinem Stammsitz Leverkusen seit längerer Zeit übel mit. Das Werk schrumpft und schrumpft und damit auch die Zahl der Arbeitsplätze, die Gewerbesteuer fließt nur noch spärlich und die vielbeschworene BAYER-Familie wird dysfunktionaler und dysfunktionaler. Was tun Konzerne in einem solchen Fall? Sie starten eine Image-Kampagne, die Eintracht beschwört. Und so heißt es nun: „Leverkusen und BAYER. Ein starkes Team“. Anzeigen beschwören den „Heimvorteil Leverkusen“, auf einer extra eingerichteten Internet-Seite betreibt der Multi Lokalpolitik und ein Fotowettbewerb zum Thema ist ebenfalls in Planung.

DRUGS & PILLS

Wieder eine YAZ-Tote
Im September 2009 erlitt eine 21-jährige Schweizerin nach der Einnahme von BAYERs Verhütungsmittel YAZ eine Lungenembolie und starb. Obwohl das Embolie-Risiko bei den Drospirenon-haltigen Kontrazeptiva wie YAZ um das 1,75fache höher liegt als bei den älteren Präparaten der 2. Generation, sah die zuständige Aufsichtsbehörde „Swissmedic“ auch nach dem neuerlichen tragischen Fall keine Veranlassung, die Pillen der YASMIN-Produktfamilie vom Markt zu nehmen. Das Heilmittel-Institut rät den MedizinerInnen lediglich zur Vorsicht. So sollen diese beim Verschreiben YASMIN & Co. auf die Gefahren aufmerksam machen; nur bei Frauen mit Hautleiden legte die Einrichtung den Einsatz der Mittel nahe. Zudem verlangt „Swissmedic“ eine Änderung des Beipackzettels - und mehr Folgen als eine andere Packungsbeilage dürfte der Pharma-GAU auch in der Bundesrepublik nicht haben.

Antibiotika nicht lukrativ
Antibiotika wie BAYERs CIPROBAY wirken gegen immer mehr Krankheitserreger nicht mehr. Das stört den Leverkusener Chemie-Multi aber kaum. Er gehört nicht zu den wenigen Pharma-Riesen, die nach Alternativen forschen. Antibiotika zählen nämlich nicht gerade zu den Kassenschlagern auf dem Pillen-Markt. Die MedizinerInnen verschreiben sie nur für wenige Tage, und neue Mittel haben die ÄrztInnen für besonders schwierige Fälle zurückzuhalten. „Medikamente, die Patienten über viele Jahre einnehmen müssen, sind viel lukrativer“, so Petra Gastmeier vom „Institut für Hygiene“ der Berliner Charité.

Senkt ASPIRIN das Darmkrebs-Risiko?
Nach einer neuen britischen Studie senkt ASPIRIN das Darmkrebs-Risiko. Die WissenschaftlerInnen warnen trotzdem vor einer vorbeugenden Einnahme des „Tausendsassas“, da er schwere Nebenwirkungen wie Magenbluten hat. Frühere Untersuchungen belegten einen Effekt von ASPIRIN nur auf eine bestimmte Art von Darm-Tumoren, weshalb die ForscherInnen ebenfalls von einer Gabe des Medikamentes zur Prophylaxe abrieten. Die einzige bisher durchgeführte Langzeitstudie sprach dem Mittel sogar jeden Nutzen bei der Darmkrebs-Prävention ab.

Keine Infarkt-Prävention mit ASPIRIN
BAYER vermarktet ASPIRIN mit großem Aufwand auch als Mittel zur Herzinfarkt-Prävention. Eine neue, im Drugs and Therapeutics Bulletin veröffentlichte Studie hat jetzt den Nutzen untersucht und kam zu einem negativen Ergebnis. Bei gesunden Menschen beugt der Tausendsassa einem Herzinfarkt nicht vor, während er das Risiko verdoppelt, innere Blutungen zu erleiden.

Brasilien: Kinder-ASPIRIN vom Markt
In Ländern der Dritten Welt vermarktet der Leverkusener Multi ASPIRIN als Allheilmittel und bietet es auch in einer Version für Kinder an, obwohl es gerade für Jüngere gravierende Risiken und Nebenwirkungen hat. So kann es bei Kindern mit Fiebererkrankungen das Reye-Syndrom auslösen, eine lebensbedrohliche Erkrankung der Leber und des Gehirns. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN fordert BAYER deshalb seit Jahren auf, das Präparat vom Markt zu nehmen. Endlich hat der Konzern nun einen ersten Schritt gemacht und für Brasilien einen Verkaufsstopp verkündet.

FDA prüft MAGNEVIST
BAYERs Röntgen-Kontrastmittel MAGNEVIST hat bei vielen Nierenkranken eine nephrogene systemische Fibrose, ein lebensgefährliches unkontrolliertes Wachstum des Bindegewebes, ausgelöst, weshalb den Gerichten bereits über 200 Klagen von Opfern oder deren Angehörigen vorliegen (Ticker 2/09). Jetzt schreitet auch die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA ein. Ein Ausschuss beschäftigt sich mit den Risiken von MAGNEVIST und anderen Kontrastmitteln. Allzu viel Unbill hat der Leverkusener Multi jedoch nicht zu erwarten. Es dürfte mit einer Veränderung der Anwendungsempfehlungen getan sein.

Hormon-Therapie weiter geduldet
Für BAYER machen typische Wechseljahresbeschwerden wie Hitzewallungen und Schweißausbrüche eine Hormon-Therapie unausweichlich. Auch kosmetische Gründe lassen dem Konzern zufolge einen Pharma-Einsatz angeraten erscheinen: Sie machen angeblich die Haut straffer. Zudem nutzt das Unternehmen die Angst als Verkaufsargument. Angeblich beugen Hormone der Osteoporose vor und wirken präventiv gegen Demenz. Nach Untersuchungen ist das Gegenteil der Fall: Hormone steigern sogar das Risiko, an Demenz zu erkranken. „Ein riesiges, unkontrolliertes Experiment mit den Frauen“ nennt das arznei-telegramm deshalb das „Menopausen-Management“. Darüber hinaus schädigen Hormon-Therapien nach einer in der Fachzeitschrift Proceedings veröffentlichten Studie das Gehör. Und trotz all dieser Befunde rät die „Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe“ auch in ihren jüngst veröffentlichten Leitlinien noch immer nicht von den Produkten ab.

LEVITRA & Co. sprengen Rentenkassen
In Brasilien heiraten immer mehr Männer um bis zu 30 Jahre jüngere Frauen, was die Sozialkassen sprengt, weil es den Staat überfordert, mehr als 15 Jahre lang Witwen-Renten auszuzahlen. BeobachterInnen führen diese Änderung im Paarungsverhalten auf den massenhaften Konsum von VIAGRA, BAYERs LEVITRA und anderen Potenzmitteln zurück und sprechen vom „VIAGRA-Effekt“.

LEVITRA als Schmelztablette
BAYER machte mit der Potenzpille LEVITRA im Geschäftsjahr 2008 einen Umsatz von 341 Millionen Euro. Das reicht dem Leverkusener Multi offenbar nicht. Er plant nämlich, das Präparat auch als Schmerztablette auf den Markt zu bringen, weil zur Einnahme dann kein Wasser mehr nötig ist, und hat einen entsprechenden Antrag gestellt. Sollten die Zulassungsbehörden ihn genehmigen, dann kommen bald wohl noch mehr Männer in den Genuss der zahlreichen Nebenwirkungen des Mittels. Temporärer Gedächtnisverlust, zeitweilige oder dauerhafte Hörschäden, Sehstörungen bis zum Sehverlust, Schwindel, Höhenangst, Kopfschmerzen, Nasenschleimhaut-Entzündungen, Grippe-Symptome sowie Gesichtsrötungen zählen dazu.

BAYER kauft Krebsmittel
Der Leverkusener Multi hat sich von dem norwegischen Pharma-Unternehmen ALGETA die Vermarktungsrechte an einem Krebs-Therapeutikum gesichert. Das sich momentan in der letzten Phase der klinischen Erprobung befindende Mittel soll angeblich Krebszellen mittels Alpha-Strahlung zerstören und dabei das gesunde Gewebe schonender behandeln als vergleichbare Produkte.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Bienensterben global
Im vorletzten Jahr hat BAYERs Saatgut-Beizmittel PONCHO in Süddeutschland ein verheerendes Bienensterben ausgelöst. Deshalb dürfen die LandwirtInnen das Produkt in der Bundesrepublik vorerst auf Maisfeldern nicht mehr ausbringen. Frankreich hat die Ausbringung von bestimmten Pestiziden wie dem vom Leverkusener Multi hergestellten GAUCHO bereits seit längerem streng reglementiert, während Italien das Mittel ganz verboten hat. In Staaten, die keine Maßnahmen getroffen haben, setzt sich indessen das Bienensterben fort. Aktuell haben ImkerInnen in Polen und Argentinien große Verluste zu beklagen.

Gepanschte Pestizide
In Brasilien hat der Leverkusener Multi seine Pestizide nach ganz eigenen Rezepten zusammengebraut und ohne Genehmigung gefährliche Mixturen angerührt (siehe auch SWB 4/09). Das stellte die brasilianische Gesundheitsbehörde „Agência Nacional de Vigilância Sanitária“ (Anvisa) bei einer Inspektion des BAYER-Werks in Belford Roxo fest. Sie ordnete daraufhin einen vorläufigen Verkaufs- und Produktions-Stopp für zwölf Ackergifte an. Auch mit einer Strafe in Höhe von 1,5 Millionen Real (rund 580.000 Euro) muss der Konzern rechnen.

Pestizide in Kräutern und Gewürzen
GREENPEACE hat Kräuter und Gewürze nach Pestizid-Rückständen untersucht und wies in einem Viertel der 37 Proben Spuren nach. Auch Wirkstoffe, die in BAYER-Produkten enthalten sind, waren mit von der Partie. Unter anderem stießen die WissenschaftlerInnen auf Chlorpyrifos, Imidacloprid, Methomyl, Thiabendazol und das hierzulande längst verbotene Methamidophos.

OBERON schädigt Orchideen
In Neuseeland hat das BAYER-Pestizid OBERON die Ernten von Orchideen-ZüchterInnen zerstört (siehe auch SWB 4/09). Der Leverkusener Multi musste das Ackergift nach dem Flurschaden aus dem Verkehr ziehen; inzwischen hat er jedoch eine Wiederzulassung für Tomaten- und Paprika-Kulturen erreicht. Rund 20 Prozent der Erträge hat das Insektizid auf dem Gewissen; der Einnahme-Verlust für die ZüchterInnen beträgt vier Millionen neuseeländische Dollar. Der Konzern hat den Betroffenen eine Entschädigung angeboten, aber mehr als die Hälfte lehnte ab. Viele der Orchideen-PflanzerInnen mussten nach dem GAU nämlich ihr Geschäft aufgeben, weil es zu lange dauern würde, die Blumen wieder in derselben Art zu kultivieren. Der Züchter Paul Hulshof hat aus Protest gegen das Zerstörungswerk des Agro-Multis eine LKW-Ladung kaputter Orchideen vor der neuseeländischen BAYER-Zentrale in Glenfield ausgekippt.

Tomaten-Rückruf wg. VOLARE
In Italien hat sich BAYERs Antipilzmittel VOLARE (Inhaltsstoffe: Propamocarb-Hydrochlorid und Fluopicolid) auf Tomatenfeldern vorzeitig zersetzt und einen üblen Chlorgeruch verströmt. Die Behörden mussten deshalb eine große Tomaten-Rückrufaktion starten.

Soja-Boom treibt Pestizid-Verbrauch
Im brasilianischen Bundesstaat Matto Grosso hat sich die Soja-Anbaufläche von 1998 bis 2008 verdreifacht. Dementsprechend wächst der Pestizid-Verbrauch. Neben Paraquat und Duquat kommt dabei auch das in Europa seit langem verbotene Endosulfan zum Einsatz, das zur Produktpalette von BAYER gehörte. Nach Aussage des Universitätsprofessors Wanderlei Antonio Pignati haben die Ackergifte die Kranken-Raten massiv steigen lassen. Allein in Sorriso, „der Hauptstadt des Soja“, haben die Krebserkrankungen und Missbildungen seit dem Boom um das Fünffache zugenommen. Auch Lungenkrankheiten und Allergien treten vermehrt auf. Zu allem Unglück nutzen die Soja-Barone die Agro-Chemikalien sogar dazu, um Kleinbauern und -bäuerinnen zu vertreiben, indem sie die Dörfer regelrecht mit Endosulfan & Co. einnebeln.

Pestizide fördern Dengue-Fieber
In Südamerika breitet sich das Dengue-Fieber immer stärker aus. Die eigentlich seit den 50er Jahren als eingedämmt geltende Krankheit hat sich inzwischen zu einer regelrechten Epidemie entwickelt. In Bolivien starben 2009 bereits 20 Menschen, in Brasilien 38. In diesen beiden Ländern und Argentinien erkrankten bisher insgesamt 68.000 Menschen. Der Agronom Alberto Lapolla führt den Anstieg der Zahlen neben dem Klimawandel, welcher den Moskitos als Überträgern bessere Lebensbedingungen bietet, auf den mit der Ausweitung des Soja-Anbaus einhergehenden exzessiven Pestizid-Einsatz zurück. Agrochemikalien wie Glyphosat, das nicht nur in MONSANTOs ROUNDUP, sondern auch in den BAYER-Produkten GLYPHOS, KEEPER und USTINEX enthalten ist, vergiften Lapolla zufolge nämlich Fische, Frösche, Kröten und andere natürliche Feinde der Moskitos. „Wir können ohne Übertreibung feststellen, dass die Amphibien in den Sojaanbau-Gebieten der Vergangenheit angehören. Sie wurden von den Pestiziden vernichtet, die bei der Aussaat verwendet werden“, so Lapolla.

Pestizide erhöhen Parkinson-Risiko
Pestizide haben Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem, darum befördern sie viele Krankheiten. Besonders Menschen, die täglich mit Agrochemikalien umgehen, gefährden ihre Gesundheit. So erhöhen Ackergifte das Risiko, an Parkinson zu erkranken, beträchtlich. Permethrin, das unter anderem in BAYERs Insektenmittel COOPEX und der gegen Flöhe wirkenden Tier-Arznei ADVANTIX enthalten ist, lässt diese Gefahren um das Dreifache ansteigen. Das wies eine neue, in den Archives of Neurology veröffentlichte Studie nach.

Immer mehr Pestizide
BAYER & Co. produzieren immer mehr Pestizide. Die in der Bundesrepublik hergestellte Wirkstoff-Menge wuchs 2008 im Vergleich zum Vorjahr von 86.733 Tonnen auf 115.756 Tonnen - eine Erhöhung um 33,5 Prozent! Auch der Export nahm zu. Er stieg von 101.565 auf 108.931 Tonnen an.

GENE & KLONE

NEXAVAR bei Schilddrüsenkrebs?
Der Leverkusener Multi versucht unentwegt, das Anwendungsspektrum seiner zur Behandlung von fortgeschrittenem Nieren- und Leberkrebs zugelassenen Gentech-Arznei NEXAVAR zu erweitern. Für die Indikation „Schilddrüsenkrebs“ hat gerade die dritte und letzte Testphase begonnen. Entsprechende Versuche laufen auch zur Therapie von Brust- und fortgeschrittenem Lungenkrebs; bei Haut- und Bauchspeicheldrüsenkrebs versagte das Medikament dagegen.

NEXAVAR wieder zu teuer
Nicht nur der Berliner Krebs-Spezialist W.-D. Ludwig beurteilt den Wert von neuen Krebsmedikamenten kritisch (siehe AKTION & KRITIK). Das britische Pendant zum bundesdeutschen „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“, die Sondergesundheitsbehörde NICE, kommt zum selben Ergebnis. Sie unterzog BAYERs zur Behandlung von Leberkrebs zugelassene Gentech-Arznei NEXAVAR einer Kosten/Nutzen-Analyse und stellte ein schlechtes Zeugnis aus. Deshalb ersetzen die Krankenkassen die Kosten nicht. Zuvor war die NICE schon zum Nierenkrebs-NEXAVAR nicht „nice“ gewesen.

Krebs-Antikörper erreicht Testphase
Das Biotech-Unternehmen MORPHOSYS entwickelt für BAYER einen Antikörper, der ein Molekül ausschalten soll, das eine Rolle bei Krebserkrankungen spielt. Inzwischen sind die Forschungen so weit gediehen, dass die erste Phase der klinischen Tests beginnen kann. Die Konkurrenz hat gegenüber dem Konzern allerdings einen Vorsprung. Der Antikörper des Unternehmens WILEX, der dasselbe Ziel anvisiert wie der des Leverkusener Multis, befindet sich bereits in der Endrunde der Erprobung.

Raps-Genom entschlüsselt
BAYER hat gemeinsam mit der „University of Queensland“, dem Pekinger Genomics-Institut und dem niederländischen Unternehmen KEYGENE das komplette Erbgut der Rapssorte Canola entschlüsselt. Der Leverkusener Multi will die Erkenntnisse zur Beschleunigung seiner Forschungs- und Zuchtprogramme nutzen. So hat der Konzern vor, den Ölgehalt der Pflanzen zu erhöhen. Solchermaßen angereicherter Raps eignet sich besonders gut als Rohstoff für die Agrosprit-Produktion, die immer mehr Ackerflächen in Anspruch nimmt und so die ausreichende Versorgung der Menschen mit Nahrungsmitteln gefährdet.

BAYER kauft neue Gentechnik ein

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Der Leverkusener Multi hat vom US-Unternehmen CHROMATIN die Nutzungsrechte an einer Technologie erworben, die es erlaubt, mehrere Gene auf ein Chromosom zu übertragen. Der Konzern will dieses Verfahren unter anderem bei der Produktion seiner Baumwoll-Pflanzen nutzen.

BAYER kauft neue Gentechnik ein

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Der Leverkusener Multi hat das US-amerikanische Biotech-Unternehmen ATHENIX gekauft. Nach BAYER-Angaben verfügt ATHENIX über eine „umfangreiche Entwicklungsplattform von Pflanzen-Eigenschaften“ zur konventionellen Einzüchtung sowie „über die branchenweit größte Kollektion von so genannten Bt-Genen“, die das Ackerfrüchte-Erbgut mit dem für Insekten tödlichen Bacillus thuringiensis bestücken. Auch gegen Fadenwürmer hat die Firma etwas im Angebot. Zudem hat sie Lizenz-Abkommen mit Konzernen geschlossen, die jährlich 500 Millionen Euro einbringen.

Neues Baumwoll-Forschungszentrum
Baumwolle - gentechnisch manipuliert, konventionell oder mit eingezüchteten Sondereigenschaften - gehört zu den Kerngeschäften BAYERs. Deshalb hat der Agro-Multi jetzt auch im texanischen Lubbock ein neues Zentrum für Baumwollforschung und -züchtung in Betrieb genommen.

WASSER, BODEN & LUFT

PCB-Verbrennung: 15.000 Tonnen
Besonders wegen ihrer langen Halbwertzeit zählen Polychlorierte Biphenyle (PCB) zu den gefährlichsten Chemikalien überhaupt. Obwohl bereits seit 1985 verboten, ist die Substanz, zu deren Hauptanbietern BAYER gehörte, noch nicht aus dem Alltag verschwunden und überdauert beispielsweise als Isoliermaterial in Gebäuden. Und wenn etwa Sanierungsmaßnahmen anstehen, findet das PCB auch seinen Weg zurück zu BAYER und landet in den Sondermüll-Verbrennungsanlagen des Konzerns. Allein der Leverkusener Ofen schluckt jährlich 15.000 Tonnen - und spuckt angeblich kaum PCB-Rückstände aus.

Warnung vor Tabun
Etwa 6.000 Giftgas-Granaten aus dem Zweiten Weltkrieg liegen zweieinhalb Seemeilen vor Helgoland in der Nordsee (Ticker 2/09). Bestückt sind sie mit dem Kampfstoff Tabun, den Gerhard Schrader 1936 im Leverkusener BAYER-Werk entwickelt hatte. Nach Einschätzung der schleswig-holsteinischen Katastrophenschutz-Behörde ist die Substanz durch Seewasser, Druck und Korrosion schon lange aus den Geschützen ins Meer entwichen. Das „Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrologie“ hat deshalb davor gewarnt, in dem Gebiet „grundnahe Fischerei“ zu betreiben. Eine Bergung oder andere Maßnahmen planen die zuständigen Institutionen derzeit nicht.

Wolfenbüttel: Bodensanierung beendet
Im letzten Jahr hat BAYER die Pestizid-Produktion am Standort Wolfenbüttel aufgegeben und ein verseuchtes Werksgelände hinterlassen. Nicht nur 325 Kilogramm Pestizide schlummern im Erdreich, sondern auch 3.000 Kilogramm Benzol sowie Lösungsmittel, Mineralöle und Schlacken. Für den größten Schadstoff-Eintrag hatte 1978 - damals betrieb SCHERING auf dem Gelände eine Chemie-Produktion - eine Explosion gesorgt, denn mit dem Löschwasser versickerte ein ganzer Chemie-Cocktail (Ticker 3/09). Die Sanierung des Grunds gestaltete sich schwierig. Im Laufe der Arbeiten entdeckten die Fachleute noch mehr Schadstoffe und erweiterten ihren Aktionsradius um 200 Quadratmeter. Im November 2009 hatten sie dann auf 1.200 Quadratmetern bis zu einer Tiefe von acht Metern Erde ausgehoben und beendeten ihre Tätigkeit. Die Reinigung des Grundwassers allerdings dürfte noch lange dauern. Der Geologe Jürgen Röhrs veranschlagt dafür 50 Jahre; BAYER will es hingegen in einer Dekade schaffen.

Antwerpen: Stadt gegen Kraftwerk
Der Energie-Riese E.ON will für BAYER am Standort Antwerpen ein Kohlekraftwerk mit einer Leistung von 1.100 Megawatt bauen. Die Stadt hat sich jetzt angesichts der zu erwartenden Kohlendioxid-Emissionen von ca. sechs Millionen Tonnen und des Schadstoff-Ausstoßes gegen das Projekt ausgesprochen. Ein Aus für die Dreckschleuder bedeutet dieses Votum jedoch nicht.

CO2: Darf‘s ein bisschen weniger sein?
7,6 Millionen Tonnen Kohlendioxid hat BAYER im Jahr 2008 produziert. Nun hat der Konzern angekündigt, diese Menge bis zum Jahr 2013 um zehn Prozent reduzieren und die Emissionen mittels eines neuen Verfahrens zu Chlor-Herstellung weiter senken zu wollen. Klimawende sieht anders aus.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

Bisphenol in Schnullern
Die von BAYER massenhaft hergestellte und vor allem in Mineralwasser- und Babyflaschen sowie Konservendosen Verwendung findende Chemikalie Bisphenol A (BPA) wirkt hormon-ähnlich und kann deshalb die Entwicklung des Gehirns, Stoffwechselprozesse und die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen sowie Diabetes und Herz/Kreislauf-Erkrankungen befördern. Eine neue Studie, die der BUND gemeinsam mit GLOBAL 2000 in Auftrag gab, hat nun eine hohe Bisphenol-Konzentration in Schnullern festgestellt. 400 Mikrogramm pro Kilogramm wiesen die WissenschaftlerInnen nach.

Sexualstörungen durch Bisphenol
Das von BAYER massenhaft produzierte Bisphenol A kann nach einer von US-amerikanischen und chinesischen WissenschaftlerInnen gemeinsam durchgeführten Studie das Geschlechtsleben beeinträchtigen. Menschen, die an ihrem Arbeitsplatz mit der Chemikalie in Kontakt kamen, klagten den ForscherInnen zufolge deutlich häufiger über Ejakulationsstörungen, Erektionsprobleme und Unlustgefühle.

Phthalate stören Geschlechtsentwicklung
Phthalate und andere Weichmacher beeinträchtigen die Geschlechtsentwicklung. Da die von BAYER in großen Mengen hergestellten Stoffe hormon-ähnlich wirken, stören sie die Produktion von Testosteron. So beobachteten ForscherInnen bei Kindern zwischen drei und sechs Jahren, die im Mutterleib hohen Weichmacher-Konzentrationen ausgesetzt waren, ein markant unmännlicheres Spielverhalten als bei ihren unbelasteten Altersgenossen.

Modernisierung der Chlorproduktion?
BAYER gehört zu den letzten Chlor-Herstellern, die noch das veraltete Amalgam-Verfahren einsetzen, bei dem das hochgefährliche Schwermetall Quecksilber emittiert wird - mittelständische Betriebe haben ihre Anlagen längst umgerüstet. Nun hat der Chemie-Multi am Standort Krefeld endlich auch Modernisierungsmaßnahmen angekündigt. Allerdings stellte er diese erpresserisch unter Vorbehalt: Nur wenn es ein „Ja“ zur Kohlenmonoxid-Pipeline und zum Kohlekraftwerk gibt, will er die nötigen Investitionen vornehmen.

CO & CO.

Pipeline nicht erdbebensicher
In der Niederrheinische Bucht gibt es nach Aussage des Diplom-Physikers Klaus Lehmann vom „Geologischen Dienst NRW“ eine „moderate Erdbeben-Gefährlichkeit“. Die letzte größere Erderschütterung hatte eine Stärke von 5,9. Sie ging vom niederländischen Roermond aus und war bis Krefeld spürbar. Im Damenbecken des Schwimmbades entstanden Risse, weshalb die Stadt die Badeanstalt schloss. Deshalb muss BAYERs von Dormagen nach Krefeld verlaufende Kohlenmonoxid-Pipeline auch absolut erdbebensicher sein. Dies ist aber nach Einschätzung des „Geologischen Dienstes“ „bislang nicht ausreichend nachgewiesen“. Die Behörde hält in ihrem Gutachten zusätzliche Untersuchungen und Berechnungen für erforderlich, um beispielsweise Bodenrutschungen ausschließen zu können. BAYER weist die Kritik zurück: „Unsere Experten und der TÜV kommen zu anderen Schlussfolgerungen. Daran halten wir uns“.

CDUler fordern Pipeline-Stopp
Vier CDU-Landespolitiker haben in einem Offenen Brief an BAYER-Chef Werner Wenning einen Stopp der umstrittenen Kohlenmonoxid-Pipeline gefordert. „Beenden Sie sofort das Projekt CO-Pipeline. Tödlich giftiges Gas wie CO muss am Entstehungsort verarbeitet werden - in keinem Fall gehört es in eine Leitung, die durch Wohngebiete, Schulgelände und Kindertagesstätten geführt wird“, heißt es in dem Schreiben. Wenning zeigte sich wenig beeindruckt. „Unsere Pipeline erfüllt den höchsten Sicherheitsstandard“, versicherte er wieder einmal. Der BAYER-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Thomas de Win sprang seinem Boss bei, sprach von „platten Vorwürfen“ und warf den PolitikerInnen vor, auf Kosten des Leverkusener Multis Wahlkampf betreiben zu wollen.

Uhlenberg übt Kritik
Die Bezirksregierung Düsseldorf hatte der Firma WINGAS als Bauherr von BAYERs umstrittener Kohlenmonoxid-Pipeline vorgeschrieben, den Boden vor Beginn der Verlegungsarbeiten sorgfältig mit Detektoren nach Fliegerbomben und anderen Kampfmitteln zu durchsuchen. Das Unternehmen kam dieser Aufforderung jedoch nur unvollständig nach (Ticker 3/09). Deshalb geht nun auch der nordrhein-westfälische Umweltminister Eckard Uhlenberg auf Distanz zum Bau. Er habe das Vertrauen in WINGAS verloren, erklärte der CDU-Politiker vor dem Umweltausschuss des Landtages. Ein hoher Beamter des Innenministeriums warf der Firma sogar vor, die Landesregierung belogen zu haben.

Pipeline-Baustelle als Holzlager
In Solingen haben Waldarbeiter die Pipeline-Baustelle als Holzlager benutzt und direkt über der Leitung Pfähle in den Boden gerammt. Da die Pflöcke nicht weit genug in die Erde reichten, hätte keine Gefahr bestanden, die Rohre zu beschädigen, gab die Stadt umgehend Entwarnung. Die Bezirksregierung forderte BAYER zu einer Stellungsnahme auf. Diese gab der Leverkusener Multi auch ab, und Regierungspräsident Jürgen Büssow ließ es dabei bewenden.

Sicherheitsstandards gesenkt
Die Bezirksregierung hat erneut die Sicherheitsstandards von BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline gesenkt. Sie hat die überirdischen Stationen, die bei einem Störfall für eine Absperrung der verschiedenen Leitungsabschnitte sorgen sollen, aus der Explosionsschutzzone gestrichen und damit den bisher 66 Änderungsbescheiden einen weiteren hinzugefügt. Ähnlichkeiten der jetzt gebauten Pipeline mit dem von der Bezirksregierung genehmigten Projekt sind nur noch rein zufällig. „Wieder wurde - ohne öffentliche Beteiligung - ein Standard verändert, der vorher zweieinhalb Jahre Gültigkeit besaß. Das ist keine Petitesse“, kritisierte Dieter Donner als Sprecher der Pipeline-GegnerInnen.

NANO & CO.

Nano-Warnungen vom Umweltbundesamt
Nano leitet sich vom griechischen Wort für Zwerg ab. Die Nanotechnik beschäftigt sich folglich mit der Entwicklung von mikroskopisch kleinen Werkstoffen. Da sich diese durch eine besondere Festigkeit auszeichnen und weitere vorteilhafte Material-Eigenschaften besitzen, erwartet der Leverkusener Multi von der „Zukunftstechnologie“ Millionen-Umsätze. Deshalb errichtet er derzeit die weltgrößte Anlage nur Produktion von Nano-Kohlenstoffröhrchen, den so genannten BAYTUBES. Um mögliche Gesundheitsgefahren schert der Konzern sich nicht weiter - im Gegensatz zum Umweltbundesamt (UBA). Die Behörde hat eine Broschüre zur Nano-Technologie veröffentlicht, die wegen der dort aus der wissenschaftlichen Literatur zusammengestellten Risiken und Nebenwirkungen einigen Wirbel auslöste. So gibt es laut UBA Hinweise auf eine asbest-ähnliche Wirkung von Kohlenstoffröhrchen. Besonders für die Atemwege stellen die Winzlinge eine Bedrohung dar. Die Partikel können aber auch in Organe eindringen, die Blut/Hirn-Schranke überwinden oder zu den Zellkernen vorstoßen - mit bisher noch überhaupt nicht erforschten Folgen. Diese Material-Eigenschaften gefährden desgleichen Tiere und Ökosysteme. Wasserflöhe hat der Kontakt mit Nano-Stoffen nach Beobachtung von WissenschaftlerInnen schon dahingerafft, und für Wasser, Boden und Luft versprechen die Teilchen ebenfalls nichts Gutes. Nach dem unerwartet breiten Medien-Echo musste das Umweltbundesamt zurückrudern und Entwarnung geben. „Man darf nicht nur über die Risiken diskutieren, sondern auch über die Chancen“, meinte Autor Wolfgang Dubbert und stellte segensreiches Nano-Wirken auf den Gebieten des Umwelt- und Gesundheitsschutzes in Aussicht.

STANDORTE & PRODUKTION

Krefeld: Zusagen unter Vorbehalt
Im neuen Standortsicherungsvertrag (siehe auch KAPITAL & ARBEIT) hat BAYER dem Krefelder Werk Bestandschutz gewährt - allerdings unter Vorbehalt. Nur bei einem „Ja“ zur umstrittenen Kohlenmonoxid-Pipeline und zum Kohlekraftwerk erklärt der Leverkusener Multi sich bereit, 200 Millionen Euro zu investieren und Auslastungsgarantien abzugeben.

Monheimer Substanz-Bibliothek erweitert
BAYER hat für ca. fünf Millionen Euro die Substanz-Bibliothek am Standort Monheim erweitert. In dem Hochregal-Lager „archiviert“ der Konzern 2,2 Millionen Chemie-Stoffe, die den Grundstock zur Entwicklung neuer Ackergifte bilden.

IMPERIUM & WELTMARKT

BAYER kauft ATHENIX
Der Leverkusener Multi hat für knapp 250 Millionen Euro das US-amerikanische Biotech-Unternehmen ATHENIX gekauft (siehe auch GENE & KLONE).

Chemie„park“-Kooperation mit China
Die BAYER-Chemie„parks“ in Leverkusen, Dormagen und Krefeld haben ein Kooperationsabkommen mit einem chinesischen Pendant, dem „Nanjing Chemical Industry ‚Park‘“ geschlossen und einen Informationsaustausch, gemeinsame Weiterbildungsaktivitäten sowie eine Überlassung von Beschäftigten vereinbart. Einfädelt hatte den Deal Nordrhein-Westfalens landeseigene Wirtschaftsförderungsgesellschaft NRW.INVEST, weshalb die Verträge auch während der China-Reise von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers unterzeichnet wurden.

ÖKONOMIE & PROFIT

697 Patente angemeldet
Unaufhörlich treibt BAYER die Privatisierung von Wissen mittels Patentierungen voran. Im Jahr 2008 hat der Leverkusener Multi 697 entsprechende Anträge gestellt, die ihm profitträchtige Monopolstellungen sichern sollen.

BAYER & Co. dominieren Wirtschaft
Über drei Millionen umsatzpflichtige Firmen existieren in der Bundesrepublik. 99,7 Prozent davon sind kleine und mittlere Unternehmen, 0,3 Prozent Multis wie BAYER. Allerdings landen 62 Prozent des Umsatzes bei den Global Playern.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Phosgen-Austritt in Dormagen
Am 28.11.2009 trat im Dormagener BAYER-Werk aus einer Pilotanlage Phosgen aus, das extrem giftig ist und im Ersten Weltkrieg als Kampfgas zum Einsatz kam. Zum Schutz zog der Multi eine Dampfwand aus - ebenfalls gesundheitsschädlichem - Ammoniak auf.

Blausäure-Austritt in Institute
Die Pannenserie in Institute hält an. War es an dem US-amerikanischen BAYER-Standort im August letzten Jahres zu einer Explosion gekommen, in deren Folge zwei Beschäftigte starben, so ereignete sich am 24.10.09 ein erneuter Zwischenfall. Aus einer Destillieranlage traten rund sechs Kilogramm Blausäure aus, von der schon geringste Menge ausreichen, um tödlich zu wirken.

RECHT & UNBILLIG

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Genreis-GAU: BAYER muss zahlen
Im Jahr 2006 war gentechnisch veränderter Langkorn-Reis von BAYER weltweit in Supermärkten aufgetaucht, obwohl zu diesem Zeitpunkt n

[Indien] STICHWORT BAYER 03/2009

CBG Redaktion

BAYERs Patentklage scheitert

„Ein spekulativer Vorstoß“

Ende letzten Jahres wollte der Leverkusener Multi in Indien die Zulassung einer Nachahmer-Version seines Krebsmedikamentes NEXAVAR verhindern und ging deshalb juristisch gegen den Hersteller CIPLA und die Genehmigungsbehörde vor. Das Gericht wies die Klage im August 2009 jedoch ab und stellte so die Versorgung armer Menschen mit billigen Arzneien sicher.

Von Jan Pehrke

„Das Gericht muss beobachten, dass das vorliegende Verfahren eines ist, dass als spekulativer Vorstoß charakterisiert werden könnte, als ein Versuch, der Politik durch gerichtliche Entscheidungen das Leben schwer zu machen“, so ereiferte sich der Richter Ravindra Bhat vom High Court in New Delhi über einen von BAYER angestrengten Prozess. Bhat sorgte dafür, dass es bei einem Versuch blieb und wies die Patent-Klage ab, mit welcher der Leverkusener Multi die Zulassung einer billigen Generika-Version seines Krebsmedikamentes NEXAVAR unterbinden wollte. „Wir sind sehr glücklich, dass das Gericht die Bedeutung des Zugangs zu Medikamenten erkannt und BAYERs Versuch, einen Politik-Wechsel herbeizuführen, verhindert hat“, sagte YK Sapru von der Krebs-Selbsthilfegruppe CPAA, die in der juristischen Auseinandersetzung an der Seite der Zulassungsbehörde und des Generika-Unternehmens CIPLA stritt. Der Leverkusener Multi war hingegen von der Aussicht, dass sich bald auch Arme NEXAVAR leisten können und die patent-geschützten Extra-Profite bald etwas spärlicher fließen, alles andere als begeistert. „BAYER HEALTHCARE ist enttäuscht, lehnt das Gerichtsurteil ab und prüft die Einlegung von Rechtsmitteln“, so ein Sprecher.

Die vom Pharma-Riesen Ende letzten Jahres eingereichte Klage stellte ein Novum in der Geschichte der Justiz dar. Niemals vorher hatte ein Unternehmen versucht, mit Verweis auf angeblich verletzte Patentrechte in ein Zulassungsverfahren einzugreifen. Darum erkannten die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und andere Initiativen inner- und außerhalb des Subkontinents sofort die gesundheitspolitische Dimension des Vorstoßes und protestierten vehement. „BAYER versucht nicht nur, seine eigenen Monopolrechte zu wahren, das Unternehmen will auch einen Präzedenzfall schaffen und so andere Firmen davon profitieren lassen“, kritisierte etwa Amit Sen Gupta vom indischen PEOPLE‘S HEALTH MOVEMENT.

Dabei erlaubt das TRIPS-Abkommen, das streng über den Schutz geistigen Eigentums im internationalen Güterverkehr wacht, ausdrücklich die Zulassung von Nachahmer-Medikamenten, auch wenn das Patent für das Ursprungspräparat noch gilt. Eine Lizenz zum Vertrieb der Pharmazeutika haben die Generika-Hersteller damit freilich noch nicht, die Regelung will nur eine rasche Verfügbarkeit der Medikamenten-Kopien nach Ablauf der Schonzeit sicherstellen. Der Leverkusener Multi kannte diesen Paragraphen natürlich und versuchte, ihn mit juristischen Winkelzügen zu umgehen. So behauptete er, das von CIPLA hergestellte NEXAVAR-Double hätte einen anderen Wirk-Mechanismus als das Original. Ein durchsichtiges und leicht zu vereitelndes Manöver, das seinen Zweck dennoch nicht ganz verfehlte, wie Ravindra Bhat feststellte. „Selbst wenn solche Klagen nicht zum Erfolg führen, haben sie jedoch häufig den kurzfristigen Effekt, dass Konkurrenten durch einstweilige Verfügungen blockiert werden. Dies geschah auch im vorliegenden Fall. Der Antragsteller hat eine unabhängige Bewertung von CIPLAs Antrag erfolgreich verzögert“, erläuterte der Richter.

Diese Verzögerungstaktik wendet BAYER fast schon routinemäßig an. Aktuell prozessiert der Pillen-Riese gerade gegen das Generika-Unternehmen TEVA - bereits zum dritten Mal. Aber auch sonst lässt sich Big Pharma nicht lumpen. 700 entsprechende Gerichtsverfahren zählte ein EU-Bericht zwischen 2000 und 2007. Die Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes sah darin ein Indiz dafür, „dass die Pharma-Märkte nicht so gut funktionieren, wie sie sollten“ und kündigte Maßnahmen gegen die unlauter auf dem Rechtsweg erstrittenen Patent-Verlängerungen an. Nicht zuletzt die immensen Kosten von ca. drei Milliarden Euro, die BAYER & Co. den Gesundheitssystemen damit aufbürden, haben sie zu diesem Schritt bewogen.

Im Prinzip hat die Europäische Union jedoch gar nichts gegen die Privatisierung von Wissen, wie sie im Patentrecht zum Ausdruck kommt. In ihrer Außenhandelspolitik setzt sie sich sogar für länger währende Copyrights ein - nur eben ohne juristische Tricks. So dringt die EU derzeit in Verhandlungen mit Kolumbien auf eine Verlängerung der Patentlaufzeiten für Medikamente von 20 auf 25 Jahre. Die den Zulassungen vorausgegangenen Arznei-Tests will Brüssel nicht mehr wie bisher nach fünf, sondern erst nach elf Jahren zugänglich machen. „Gerade in Zeiten der Krise muss die EU neue Instrumente suchen, um ökonomisch zu wachsen“, sagt Marianne Gumaelius von der „Generaldirektion Handel“ der EU-Kommission zur Begründung der Standort-Politik.

Diese betreibt Brüssel auch gegenüber Indien. Darum nahm Dr. Dieter Lehmkuhl vom Vorstand der deutschen Sektion der ÄRZTE ZUR VERHÜTUNG DES ATOMKRIEGES (IPPNW) die Niederlage BAYERs vor dem High Court zum Anlass, an die EU zu appellieren, ihrerseits die PatientInnen-Interessen stärker zu berücksichtigen. „Die EU-Kommission ist nun aufgefordert, in ihren Verhandlungen über bilaterale Handlungsbeziehungen und geistige Eigentumsrechte mit Indien dem Menschenrecht auf Gesundheit Vorrang vor Handels- und Gewinninteressen einzuräumen“, so Lehmkuhl.

[Kurzmeldungen] STICHWORT BAYER 03/2009 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Wahlerfolge für Pipeline-GegnerInnen
GegnerInnen der Kohlenmonoxid-Pipeline, die BAYER zwischen den Standorten Dormagen und Krefeld plant, haben sich mit beträchtlichem Erfolg an den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen beteiligt. In Erkrath erreichte ein entsprechendes WählerInnen-Bündnis 18 Prozent, die BÜRGER-UNION in Ratingen kam sogar auf 30 Prozent. Auch bei der Landtagswahl im nächsten Jahr dürfte die umstrittene Gasleitung eine große Rolle spielen.

Erfolgreiche Endosulfan-Kampagne
Die britische Gruppe PANTS TO POVERTY, die sich für ökologischen Baumwoll-Anbau einsetzt und Unterwäsche aus fairer Produktion vertreibt, begann im Juli eine schlüpfrige Kampagne gegen BAYERs Ultragift Endosulfan. Sie forderte die Menschen auf, gebrauchte - aber gewaschene - Unterhosen an den Leverkusener Multi zu senden. Hunderte indische BaumwollfarmerInnen und TextilarbeiterInnen unterstützten die Aktion ebenso wie die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG), das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) und die ENVIRONMENTAL JUSTICE FOUNDATION. Am Ende gab der Agro-Riese sich geschlagen: Er verkündete einen Endosulfan-Verkaufsstopp (siehe auch SWB 3/09).

Pillen-Preise kritisiert
Die Ausgaben der Krankenkassen für Medikamente sind im letzten Jahr um 5,3 Prozent auf 29,2 Milliarden Euro gestiegen. Einen großen Anteil daran haben die von BAYER & Co. neu auf den Markt gebrachten Arzneien. Für solche Pillen dürfen die Hersteller die Preise netterweise nämlich selbst festlegen. Als „systemsprengend“ hat der Pharmakologe Gerd Glaeske diese Kosten bezeichnet und eine Deckelung gefordert. Die ehemalige BAYER-Angestellte Cornelia Yzer wies diese Kritik in ihrer Funktion als Geschäftsführerin des vom Leverkusener Multi mitgegründeten „Verbandes der Forschenden Arzneimittelhersteller“ umgehend zurück. Die neuen Produkte seien „kein Kostentreiber“, so Yzer.

KAPITAL & ARBEIT

Datensammler BAYER
Nicht nur bei der DEUTSCHEN BAHN dient die Korruptionsbekämpfung als Vorwand, um die Beschäftigten zu bespitzeln. Auch der Leverkusener Multi benutzt dieses Argument, um die Computer der Belegschaftsangehörigen zu scannen. Die Computer-Software SAP und das Programm „Staan“ ermöglichen es dem Konzern nach den Worten von Günter Müller, dem Bereichsleiter der Unternehmensrevision, hunderttausende von Daten zu eruieren und den Großen Bruder BAYER „under perfect information“ zu stellen.

Weiter Kritik an Beistandskasse
Die BAYER-Beistandskasse hatte im Jahr 2007 auf ihrer Mitglieder-Versammlung Kürzungen beim Sterbegeld, das ca. 6.000 Euro beträgt, vorgenommen (Ticker 3/08). Die Abschläge durch die Streichung des Gewinn-Zuschlages können sich auf zu 2.000 Euro - also ein Drittel der Summe - summieren. Zwei Jahre später haben sich die Wogen immer noch nicht wieder geglättet. Einer Anfechtungsklage gegen den Beschluss gab das Amtsgericht Opladen in erster Instanz statt, woraufhin der Leverkusener Multi in die Berufung ging. Und auch auf der diesjährigen Versammlung stellten Mitglieder Anträge auf Wiedereinführung des Gewinnzuschlages, die der Vorstand allerdings nicht zur Abstimmung stellte. Spekulationen mit Lehman-Zertifikaten sowie ein Schrumpfen der Sterbegelder bei steigenden Sterbezahlen sorgten für zusätzlichen Unmut, der sich in den Abstimmungsergebnissen niederschlug. So verweigerten 150 der 652 Anwesenden dem Vorstand und 147 dem Aufsichtsrat die Entlastung.

ERSTE & DRITTE WELT

Milde NEXAVAR-Gaben
Der Leverkusener Multi verklagt routine-mäßig Pharma-Hersteller, die nach Ablauf der Patentfrist Nachahmer-Produkte von BAYER-Pillen auf den Markt bringen wollen, um sich die lästige Billig-Konkurrenz möglichst lange vom Leibe zu halten (siehe auch RECHT & UNBILLIG). Sogar gegen Generika-Unternehmen in der „Dritten Welt“ geht BAYER gerichtlich vor, obwohl diese die Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Medikamenten zu erschwinglichen Preisen sicherstellen. So verlor der Konzern in Indien gerade einen Prozess, der den Nachbau seiner Krebs-Arznei NEXAVAR hinauszuzögern sollte (SWB 1/09). Der wachsenden Kritik an dieser Patent-Praxis begegnet der Pharma-Riese mit milden Gaben: Er erleichtert über spezielle Förderprogramme den Zugang zu NEXAVAR.

IG FARBEN & HEUTE

Gedenkplatte enthüllt
Im November 2008 hatte die KULTURVEREINIGUNG LEVERKUSEN e. V. mit einer Kundgebung vor dem Tor des BAYER-Chemie„parks“ an die Opfer des vom Pharma-Riesen mitgegründeten IG-FARBEN-Konzerns erinnert. Die AktivistInnen hatten zu diesem Anlass auch geplant, eine Gedenkplatte in den Boden einzulassen, aber die Stadt untersagte dies. Die Kulturvereinigung gab sich jedoch nicht geschlagen und bot dem Memorial auf ihrem eigenen Grundstück eine Heimat. Am 27. Juni 2009 enthüllte der Verein das Erinnerungsmal und eröffnete parallel dazu eine kleine Ausstellung über die Geschichte des Mörderkonzerns.

Karl-Winnacker-Preis verliehen
Karl Winnacker war von 1933 bis 1945 einer der einflussreichsten Manager des von BAYER mitgegründeten Mörderkonzerns IG FARBEN. Das hindert weder den „Marburger Universitätsbund“ noch das „Deutsche Atomforum“ daran, einen „Karl-Winnacker-Preis“ zu verleihen. Die diesjährige Auszeichnung erhielt die Bertelsmann-Miteignerin Liz Mohn. Karl Winnackers Sohn, der Gentechniker und Wissenschaftslobbyist Ernst-Ludwig Winnacker, setzt heute die Familien-Tradition fort und sitzt im BAYER-Aufsichtsrat. Auch aus anderen Nachkommen von IG-Managern ist etwas geworden. So ging Kurt Biedenkopf, Sohn des Technischen Direktors Wilhelm Biedenkopf, in die Politik und bekleidete einflussreiche Ämter für die CDU. Dieser Partei blieb auch die Fritz-ter-Meer-Tochter Charlotte treu, zumindest privat: Sie heiratete den langjährigen CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep.

POLITIK & EINFLUSS

BDI fordert Rohstoff-Strategie
Immer wieder drängen BAYER & Co. die Politik, sich beherzter am Wettlauf um Kupfer, Zink und andere knappe Güter zu beteiligen. Im August 2009 hat der „Bundesverband der Deutschen Industrie“ (BDI) von der Bundesregierung und der EU eine „Rohstoff-Strategie“ eingefordert, um die Versorgung der Wirtschaft mit Ressourcen sicherzustellen. Nach den Vorstellungen des BDI müsste diese unter anderem für den Abbau von Handelshemmnisse sorgen, die europäischen Länder konkurrenzfähiger gegenüber China machen und die Ausweisung von immer mehr ökologischen Schutzgebieten stoppen, damit die Konzerne sich die heimischen Reservoirs besser erschließen können.

Merkel bestaunt BAYER-Modell
Ausgerechnet bei BAYER wollte Bundeskanzlerin Angela Merkel das Energiesparen lernen. Auf der Hannover-Messe ließ die CDU-Politikerin sich mit Bundesforschungsministerin Annette Schavan und dem südkoreanischen Premierminister Han Seung-Soo im Schlepptau ein Modell zur Ressourcen-Schonung bei technischen Prozessen erläutern, das BAYER gemeinsam mit der Hannover-Messe entwickelt hatte.

Wenning bei Ackermann-Geburtstag
Wenn Angela Merkel für Josef Ackermann von der DEUTSCHEN BANK den Party-Service übernimmt und dessen Geburtstagsessen ausrichtet, darf einer natürlich nicht fehlen: BAYER-Chef Werner Wenning. Er gehörte zu den ca. 30 Gästen, die auf Kosten der SteuerzahlerInnen im Bundeskanzleramt speisten.

BAYER & Co. beim Runden Tisch
„Fortschritte beim zweiten Runden Tisch zur Pflanzen-Genetik“ vermeldete Forschungsministerin Annette Schavan im Juli. Kein Wunder, dass es so rund lief, denn 24 der 30 TeilnehmerInnen erwiesen sich als Anhänger der Risikotechnologie. Er habe sich „wie auf einer Werbeveranstaltung von BASF gefühlt“, klagte Hartmut Vogtmann vom DEUTSCHEN NATURSCHUTZRING dann auch. Jetzt wollen die Initiativen aber nicht mehr länger als Feigenblatt dienen. Sie haben einen neun Punkte umfassenden Katalog zur ökologischen Sicherheitsforschung formuliert, mit dem sich der nächste Runde Tisch befassen soll. Darin fordern NABU, BUND & Co. unter anderem eine systematische Erfassung der gesundheitlichen Risiken von Genpflanzen, die Untersuchung von Wechselwirkungen mit Pestiziden und eine Standardisierung der Zulassungstests.

Reul sitzt EU-Industrie-Ausschuss vor
Der CDU-Politiker Herbert Reul hat den Vorsitz des Industrie-Ausschusses der Europäischen Union übernommen. „Klimapolitik gegen die Industrie ist Unsinn“ gehört zu den Glaubensätzen des Christdemokraten, der generell Zweifel daran hat, „dass der Mensch so viel zur Erderwärmung beiträgt, wie allgemein behauptet wird“ und damit natürlich BAYERs Mann ist. Nicht umsonst hat der EU-Parlamentarier schon 2005 Vorträge beim Leverkusener Multi gehalten.

Thoben in Leverkusen
Die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin Christa Thoben nahm an der Vorstandssitzung der „Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft“ teil, die im Leverkusener Chemie-„park“ stattfand. Die CDU-Politikerin nutzte sogleich die Gelegenheit, ein Bekenntnis zu den „industriellen Kernen“ des Bundeslandes abzulegen. Wenig später verteidigte die Christdemokratin dann auch BAYERs umstrittene Kohlenmonoxid-Leitung: „Es ist ein wichtiger Schritt zur Sicherung und zum Ausbau des Chemie-Standortes Nordrhein-Westfalen. Durch die Pipeline erhalten die beiden Werke in Krefeld und Dormagen eine gesicherte Perspektive“.

Rüttgers & Oettinger im Baykomm
Die beiden CDU-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers und Günther Oettinger besuchten das BAYKOMM in Leverkusen und ließen sich von BAYER-Chef Werner Wenning und Forschungsvorstand Wolfgang Plischke durch die Themenräume führen. Dabei fanden die Manager Gelegenheit, den Politikern die Gentechnik des Hauses als Beitrag zur Lösung des Welternährungsproblems zu verkaufen, BAYER als Klimaschützer in Szene zu setzen und bessere Rahmenbedingungen für die Forschung zu fordern.

Schäfer sitzt NRW-VCI vor
Klaus Schäfer, der Geschäftsführer von BAYERs Chemie„park“-Betreiber CURRENTA, hat den Vorsitz der nordrhein-westfälischen Sektion des „Verbandes der Chemischen Industrie“ (VCI) übernommen. „Ich freue mich sehr, dass ich mich nun auch an der Spitze des Chemieverbandes für den Erhalt und die Stärkung dieses wichtigsten deutschen Chemie-Standortes einsetzen kann“, sagte er nach seiner Wahl.

Schneider Chef-Aufseher bei RWE
Manfred Schneider hat seinen Aufsichtsratschef-Sesseln bei BAYER und LINDE jetzt auch noch den von RWE hinzugefügt. Daneben nimmt Schneider profane Aufsichtsratsmandate bei DAIMLER und TUI wahr. Zudem gehört er dem „Gemeinsamen Beirat“ der ALLIANZ an und leitet das Kuratorium der „Fritz Thyssen Stftung“.

Winnacker kritisiert Seehofer
Der Gentechnik-Multifunktionär Ernst-Ludwig Winnacker, dem seine vielfältigen Kontakte einen Sitz im BAYER-Aufsichtsrat einbrachten, hatte eine ganz ausgezeichnete Beziehung zum ehemaligen CSU-Boss Edmund Stoiber. So leitete er sieben Jahre lang den Wissenschaftlich-Technischen Beirat der Bayerischen Staatsregierung. Da bereitet ihm die zunehmende Gentechnik-Skepsis der Christsozialen unter Horst Seehofer natürlich Sorge. Deshalb setzte er einen Brief an den Ober-Bayern auf. „Ich habe ihm geschrieben, dass ich seine Äußerungen als forschungsfeindlich empfinde und enttäuscht bin, dass er als Ministerpräsident eine solch extreme Haltung einnimmt“, erklärte Winnacker in der Süddeutschen Zeitung. Dessen Gentech-Lobbyismus machte auch die Journalistin misstrauisch: „Die Gegner werfen Ihnen vor, von der Industrie gekauft zu sein“. Aber Mr. Gentechnik focht das nicht an. „Das Argument ist billig“, entgegnete er. Bereits wenige Tage nach dem Interview setzte er seine Mission fort und warb auf dem Münchner Symposion „Grüne Gentechnologie“ für Gen-Mais auf dem Acker.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER schult Pentagon-Personal
Das Pentagon kauft jährlich Arzneimittel für sieben Milliarden Dollar und zählt zu den Großabnehmern von BAYER-Medikamenten. Darum betreibt der Leverkusener Multi eine intensive Kundenpflege. Besonders gern lädt der Konzern Beschäftigte von Armee-Krankenhäusern zu Kongressen und „Fortbildungs“veranstaltungen ein. Die Kosten - allein die Reisen schlagen mit 46.000 Dollar zu Buche - scheinen eine lohnende Investition zu sein.

PLEON vermarktet Sozialpreis
Der Leverkusener Multi hat einen „ASPIRIN-Sozialpreis“ ausgelobt, den der Konzern an Sozial-Projekte aus dem Gesundheitsbereich verleihen will. Das Konzept für diese PR-Aktion stammt von der Agentur PLEON, die für den Pharma-Riesen in der Vergangenheit bereits BAYERs Kinderarmut-„Sozialarbeit“ betreut hatte. Im Bereich „Health Care“ kann die Werbefirma mit besonderer Kompetenz aufwarten, diese Sparte betreut nämlich die ehemalige grüne Gesundheitsministerin Andrea Fischer. An diese adressierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) auch ihren Protestbrief. Die CBG sieht durch die Aktion die Aufklärung über gefährliche Nebenwirkungen des „Tausendsassas“ in den Hintergrund gedrängt und misstraut dem Bemühen des Global Players um die Mühseligen und Beladenen. „Es geht uns nicht darum, das Engagement der beim „ASPIRIN-Sozialpreis“ teilnehmenden Organisationen in Frage zu stellen. Aber es ist wohl unstrittig, dass es der BAYER AG bei solchen aus der Portokasse finanzierten Kampagnen nicht um soziales Engagement, sondern ausschließlich um Werbung geht“, heißt es in dem Schreiben an Fischer.

Greenwashing zum Umwelttag

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Pünktlich zum weltweiten Umwelttag am 5.6.09 hatte der Leverkusener Multi im US-amerikanischen Omaha sein Grünwaschprogramm angeworfen. Der Konzern initiierte gemeinsam mit der UNEP, dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen, eine Ausstellung mit Bildern von Kindern zum Thema „Klimawandel“ im Kindermuseum. Zudem spendierte der Konzern im Rahmen der „Sieben Milliarden Bäume“-Kampagne der UNEP 10.000 Dollar für das Anpflanzen von 500 Bäumen regionaler Provenienz im Stadtgebiet.

Greenwashing zum Umwelttag

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Auch im ostfriesischen Aurich wusch sich der Klimasünder BAYER (Kohlendioxid-Ausstoß 2008: 7,57 Millionen Tonnen) am weltweiten Umwelttag die Hände grün und zeigte im städtischen Rathaus von Kindern gemalte Bilder zum Thema „Klimawandel“. Entstanden waren die Exponate im Rahmen eines gemeinsam mit dem UN-Umweltprogramm UNEP veranstalteten Malwettbewerbs.

BAYER eröffnet klima-neutrale Kita
Der Leverkusener Multi betreibt ein Klein-Klein in der Klimapolitik. Während die Kohlendioxid-Emissionen (2008: 7,57 Millionen Tonnen) nur konjunktur-abhängig sinken, versucht der Konzern mit Mini-Projekten zu punkten. So eröffnete er in Monheim eine klima-neutrale Kindertagesstätte und heimste dafür auch noch einen Preis für energie-optimiertes Bauen ein.

Kulturachse Leverkusen-Berlin
BAYER entfaltet zunehmend PR-Aktivitäten in der Hauptstadt. Zu diesem Behufe rief der Konzern die „Kulturachse Leverkusen-Berlin“ ins Leben. Im Rahmen dieses Projekts zeigt er gesponsorte Theaterproduktionen nach der Premiere am Stammsitz auch in Berlin. Darüber hinaus plant der Multi die Förderung zeitgenössischer Dramatik. Zudem will der Agro-Riese seine Kunstsammlung am Regierungssitz zeigen und junge Berliner KünstlerInnen ausstellen. Zur Präsentation des Kulturprogrammes, das BAYER mit Partnern wie der „Hochschule Ernst Busch“, dem Renaissance-Theater und dem Martin-Gropius-Bau durchführt, kam auch der Kulturstaatssekretär André Schmitz ins Rote Rathaus.

VDMJ verleiht BAYER-Preis
Der „Verband Deutscher Medizinjournalisten“ (VDMJ) ist sich für nichts zu schade und hat den von BAYER gestifteten JournalistInnen-Preis für Berichte über Fortschritte in der Nierenkrebs-Therapie mit Malini Guha einer Journalistin verliehen, die in einem Artikel über die von BAYERs Arznei NEXAVAR bewirkten Fortschritte in der Nierenkrebs-Therapie berichtet hatte.

BAYER lehrt Gentechnik
Bereits über 200 Schülerlabore haben die Konzerne in der Bundesrepublik eingerichtet, um Nachwuchs für die Naturwissenschaften zu gewinnen. Mit einer kritischen Aufbereitung der Themen gelingt dies nicht. So durften SchülerInnen des Gymnasium Herkenrath in BAYERs „Baylab plants“ zwar die DNA von Raps isolieren, aber nichts über die „Risiken und Nebenwirkungen“ der Gentechnik lernen.

BAYER lehrt Wasserkunde
Der Leverkusener Multi lädt SchülerInnen nicht nur zu sich in seine Labore ein (s. o.). Er unterhält auch einen Außendienst, um Jugendliche mit Naturwissenschaften nach BAYER-Art vertraut zu machen. So halten ehemalige Beschäftigte wie Gerhard Heywang oder Peter Michael Lange Schulstunden ab. Gerhard Heywang etwa widmete sich im Chemie-Unterricht des Bonner Ernst-Kalkuhl-Gymnasiums dem Thema „Wasser“. „Er demonstrierte die Sprengkraft von Wasser im gefrorenen Zustand und zeigte mit Hilfe von kleinen Glasplättchen, dass Wasser sogar als Klebstoff dienen kann“, zeigte sich der General-Anzeiger begeistert. Der enorme Wasserverbrauch von BAYER (siehe WASSER, BODEN & LUFT) stand natürlich ebenso wenig auf dem Stundenplan wie die massiven Verunreinigungen durch Schadstoff-Einleitungen.

BAYERs Testosteron-Check
Mit großer Anstrengung arbeitet der Leverkusener Multi daran, die „Männergesundheit“ als neues Geschäftsfeld zu etablieren und seinen Potenzpillen und Hormon-Präparaten neue und nur selten zweckdienliche Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. So hat er die Krankheit „Testosteron-Mangel“ erfunden, um seine Hormon-Pillen an den Mann zu bringen, obwohl die Liste der Nebenwirkungen lang ist. Bluthochdruck, Ödeme, Herzkrankheiten, Blutverdickung, Leberschäden und Wachstum der Prostata zählen dazu. Zwecks Erschließung neuer Käuferschichten sucht der Konzern seit Neuestem sogar männer-affine Veranstaltungen wie Oldtimer-Shows und Golfmessen heim und bittet dort zum „Testosteron-Check“.

DRUGS & PILLS

FDA: Qualitätsmängel bei YAZ & Co.
Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hat zweimal das Bergkamener BAYER-Werk inspiziert und gravierende Mängel bei der Qualitätskontrolle von Wirkstoffen für Verhütungsmittel wie YASMIN und YAZ festgestellt, die seit geraumer Zeit wegen erhöhter Thrombose- und Lungenembolie-Risiken in der Kritik stehen (siehe SWB 3/09). So entdeckten die KontrolleurInnen unreine Pharmastoffe und solche, die in ihrer Stabilität erhebliche Schwankungen aufwiesen, was BAYER durch Tricks bei den Analyse-Verfahren verbergen wollte. Zudem kritisierte die FDA Defizite bei der Reinigung und Wartung der Produktionseinrichtungen. Die Institution setzte dem Konzern eine Frist von 30 Tagen, um die Mängel zu beheben und drohte bei einer mit der Verhängung eines Einfuhrverbotes für Pillen made by BAYER.

Pharma-Forschung unter Einfluss
Seit langem kritisiert die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) den großen Einfluss der Pillen-Hersteller auf Arzneimittelstudien im Allgemeinen und die von BAYER mit der Kölner Universitätsklinik vereinbarte Kooperation auf diesem Gebiet im Besonderen. Auch die ÄrztInnenschaft beobachtet die Entwicklung misstrauisch. So gab der „Deutsche Ärztetag“ eine Expertise zum Thema „Der Einfluss der pharmazeutischen Industrie auf die wissenschaftlichen Ergebnisse und die Publikation von Arzneimittelstudien“ in Auftrag. Das Fazit fiel verheerend aus. So kommen von BAYER & Co. gesponsorte Untersuchungen deutlich öfter zu positiven Ergebnissen als staatlich geförderte. Das geschieht dem Autor Dr. Klaus Lieb zufolge unter anderem durch Veränderungen des Studien-Protokolls, das Zurückhalten von Informationen über Nebenwirkungen und durch die Beschäftigung von GhostwriterInnen. Als Konsequenz aus dem Resultat der Analyse forderte der „Deutsche Ärztetag“ die Bundesregierung auf, eine von den Pharma-Firmen unabhängige Forschung stärker als bisher zu unterstützen.

Studien: Kein ASPIRIN zur Vorbeugung
ForscherInnen der Universität Oxford raten davon ab, ASPIRIN zur Herzinfarkt-Vorbeugung zu nehmen. Die WissenschaftlerInnen werteten Daten aus sechs Studien aus und stellten dem „Tausendsassa“ in einer Risiko/Nutzen-Analyse ein schlechtes Zeugnis aus. So hat das Präparat zwar das Auftreten von Störungen des Herz/Kreislaufsystems um 12 Prozent gesenkt, dafür im Gegenzug aber zu einem 43-prozentigen Anstieg von Gehirnblutungen geführt. Eine Untersuchung des an der Edinburgher „Wolfson Unit“ tätigen Dr. Gerry Fowkes beurteilte die prophylaktische Wirkung von ASPIRIN ebenfalls negativ. Und das, obwohl BAYER zu den Sponsoren der Expertise gehörte.

RENNIE schadet Lunge und Knochen
BAYERs Arznei RENNIE bindet die Magensäure und wirkt so gegen Sodbrennen. Zu den Risiken und Nebenwirkungen der vom Leverkusener Multi und anderen Herstellern angebotenen Präparate gehören die Schädigung des Knochenbaus und die Förderung von Lungenentzündungen, wie neue Studien der Universität Hamburg-Eppendorf und des „Beth Israel Deaconess Medical Centers“ ergaben. Die von den Mitteln neutralisierte Magensäure spielt nämlich bei der Verwertung des für den Knochenaufbaus wichtigen Kalziums eine Rolle, und findet der Körper nicht genug in der Nahrung, so muss er die im Skelett verborgenen Kalzium-Reserven angreifen. Für die Erhöhung des Lungenentzündungsrisikos durch RENNIE & Co. gibt es hingegen keine eindeutige Erklärung. Die WissenschaftlerInnen vermuten, dass die Medikamente mit dem Blocken der Magensäure auch Immunzellen ausschalten, die für die Abwehrkraft des Organismus eine wichtige Funktion erfüllen. Angesichts des alarmierenden Befundes kritisieren die ForscherInnen die viel zu häufige Verwendung der Produkte.

Omeprazol-Lizenz erworben
BAYER hat von ASTRAZENECA die Lizenz für Omeprazol erworben. Der Leverkusener Multi will das Mittel gegen Sodbrennen in einer rezeptfreien 20-Milligramm-Version mit einer Wirkstoff-Konzentration von 20 Milligramm unter dem Namen ANTRA auf den Markt bringen. Dafür hat der Konzern auch grünes Licht vom Bundesrat bekommen, der seinem Antrag auf die Aufhebung der Verschreibungspflicht für das Omeprazol light stattgab.

XARELTO: US-Zulassung verzögert sich
Während die Europäische Union BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO bei schweren orthopädischen OPs zugelassen hat, verzögert sich die US-Genehmigung weiter. Wegen des erhöhten Risikos von Gefäß-Verschlüssen, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden sowie ungeklärter Langzeitwirkung forderte die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA weitere Unterlagen an (Ticker 1/09). Der Leverkusener Multi hat offenbar Mühe, diese bereitzustellen. Erst im vierten Quartal des Jahres will der Konzern der FDA die Daten übergeben.

FDA warnt vor ALKA SELTZER & Co.
Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA macht Schmerzmittel mit der Wirksubstanz Acetaminophen für jährlich 1.600 schwerwiegende Leberschäden - manchmal sogar mit Todesfolge - verantwortlich. Deshalb zieht die Institution verschreibungspflichtige Arzneien mit diesem Inhaltsstoff aus dem Verkehr. Für die geringere Dosen dieser Substanz enthaltenen freiverkäuflichen Pharmazeutika schreibt die Behörde eine Senkung des Acetaminophen-Gehaltes vor. Davon sind BAYER-Produkte wie ALKA SELTZER, MIDOL und BAYER SELECT betroffen.

Diabetikum-Vermarktung in China
Der Leverkusener Multi hat vom polnischen Pharma-Hersteller BIOTON die Exklusiv-Rechte zum Vertrieb des Diabetikums SCILIN in China erworben.

BAYER testet Verhütungspflaster
Der Leverkusener Multi testet Antibaby-Pflaster mit den Wirkstoffen Ethinylestradiol und Gestoden. Mit einer Zulassung rechnet er für 2012.

Neuer Ballon-Katheder
MedizinerInnen weiten PatientInnen mit verengten Gefäßen in einer OP mittels eines Ballon-Katheders die Arterien. BAYER hat jetzt die Zulassung für einen Ballon-Katheder beantragt, der mit einem Medikament beschichtet ist und so das erneute Zuwachsen der Gefäße effektiver verhindern soll.

Alzheimer-Marker in 3. Testphase
Die Universität von Nagasaki hatte ein Verfahren entwickelt, das Eiweißablagerungen im Gehirn mittels eines radioaktiven Markers visuell darstellen und so angeblich zur Früherkennung von Alzheimer dienen kann. BAYER sicherte sich durch einen Vertrag mit der japanischen Hochschule die Exklusivrechte an dieser Technologie und startete klinische Prüfungen, die sich mittlerweile in der dritten und letzen Phasse befinden.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Studie: GAUCHO tötet Bienen
Im letzten Winter haben britische ImkerInnen ein Fünftel ihrer Bienenvölker verloren. Eine daraufhin von den Initiativen BUGLIFE und SOIL ASSOCIATION durchgeführte Untersuchung machte Pestizide wie Imidacloprid, Wirkstoff von BAYERs Saatgut-Behandlungsmittel GAUCHO, mitverantwortlich für das Bienensterben. Als Konsequenz daraus forderten die Gruppen ein Verbot von GAUCHO und anderen Mitteln, wie es die Bundesrepublik und andere Staaten in Europa für bestimmte Anwendungsbereiche schon ausgesprochen haben.

Bienensterben global
Im letzten Jahr hat BAYERs Saatgut-Beizmittel PONCHO in Süddeutschland ein verheerendes Bienensterben ausgelöst. Deshalb dürfen die LandwirtInnen das Produkt in der Bundesrepublik vorerst auf Maisfeldern nicht mehr ausbringen. Andere Länder reagierten hingegen nicht. Nach einem Massentod von Bienen in Österreich (Ticker 2/09) beklagten nun auch ImkerInnen in Kroatien und Japan große Verluste.

Berufskrankheit „Parkinson“
Pestizide haben Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem. Besonders Menschen, die täglich mit Agrochemikalien umgehen, setzen sich einem Gesundheitsrisiko aus. So erkranken LandwirtInnen häufiger an Parkinson als der Durchschnitt der Bevölkerung. Die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft hat deshalb - allerdings erst nach einer Klage - pestizid-bedingten Parkinson als Berufskrankheit anerkannt. Einen ähnlichen Fall hatte vor einiger Zeit das Landessozialgericht Mainz positiv entschieden.

Diuron am Bau
Die verbesserte Wärmedämmung führt zu kälteren und feuchteren Außenfassaden. Weil das die Häuserwände anfälliger für Pilzbefall macht, greifen die BesitzerInnen häufig zu Anstrichen mit Agrochemie-Zusätzen. Regen spült die Gifte dann ins Grundwasser. Bei einer Untersuchung des schweizer Wasserversorgers EAWAG enthielt ein Liter Abfluss allein bis zu 7.000 Mikrogramm von BAYERs Pestizid-Wirkstoff Diuron.

Weiterhin Klasse-I-Pestizide
Auf der BAYER-Hauptversammlung von 1995 hatte der Vorstand zugesagt, bis zum Jahr 2000 alle Pestizide der Gefahrenklasse I vom Markt zu nehmen. Dieses Versprechen hat der Leverkusener Multi immer noch nicht eingelöst. Dem Nachhaltigkeitsbericht von 2008 zufolge „gibt es weiterhin Produkte, deren Einsatz notwendig ist und für die noch immer keine Alternativen verfügbar sind“. Zudem machten regionale Unterschiede beim Schadinsekten-Aufkommen angeblich eine „Standardlösung unmöglich“.

GENE & KLONE

Saatgut mit T25 verunreinigt
GREENPEACE hat konventionell angebautes Mais-Saatgut untersucht und Verunreinigungen mit gentechnisch manipulierten Saaten festgestellt. In 22 der 386 Proben fanden sich Gentechnik-Spuren. In den meisten Fällen führten diese zu MONSANTO, aber auch der Leverkusener Multi wurde ertappt. So wiesen die WissenschaftlerInnen in Maispflanzen aus Hessen, dessen Saatgut aus Kanada stammte, den BAYER-Mais T25 nach, den gentechnische Verfahren resistent gegen die Herbizide BASTA und LIBERTY gemacht haben.

Glyphosat schädigt Zellen
Das BAYER-Pestizid Glyphosat, das in den Mitteln GLYPHOS, KEEPER und USTINEX enthalten ist, hat es in sich. Der Wirkstoff, den der Konzern ab 2010 auch in Kombination mit seiner gentechnisch gegen die Substanz resistent gemachten „GlyTol“-Baumwolle anbieten will, kann menschliche Zellen schädigen. Nach einer Untersuchung französischer ForscherInnen von der Universität Caen löste die Agrochemikalie noch in 100.000facher Verdünnung binnen 24 Stunden ein komplettes Zellsterben aus.

USA genehmigen Gen-Baumwolle
Die USA haben BAYERs GlyTol-Baumwolle eine Genehmigung erteilt. Der Agro-Riese will die per Gentechnik immun gegen den Herbizid-Wirkstoff Glyphosat gemachte Pflanze ab 2010 vermarkten. Ob die BAYER-Baumwolle Hitze und Trockenheit besser trotzt als die Laborfrüchte des Konkurrenten MONSANTO? Bei denen ließen die klimatischen Verhältnisse nämlich die Glyphosat-Resistenz schwinden, weshalb die Gewächse dem Glyphosat-Großeinsatz nicht gewachsen waren und en masse eingingen.

Tallowamin tötet Frösche
Nicht nur Glyphosat als Wirkstoff von MONSANTOs Produktlinie ROUND-UP, auf die auch BAYER im Rahmen einer Kooperation mit dem Agro-Riesen zurückgreift (s. u.), steht in der Kritik (s. o.) Der ROUND-UP-Hilfsstoff Tallowamin hat jetzt ebenfalls die Aufmerksamkeit von ForscherInnen auf sich gezogen. US-amerikanischen WissenschaftlerInnen zufolge hat die Substanz für ein Massensterben von Fröschen und Kröten gesorgt. Das „Bundesamt für Verbraucherschutz“ hat von dem US-Unternehmen und anderen Anbietern bereits neue Daten angefordert und droht mit einer Aberkennung der Zulassung.

Mehr Kooperation mit MONSANTO
Schadinsekten gewöhnen sich zunehmend an die Pestizide, welche die Hersteller im Kombipack mit ihren gegen diese Wirkstoffe resistenten Genpflanzen verkaufen. Deshalb gehen BAYER & Co. nach der Devise „Doppelt hält besser“ immer mehr dazu über, ihre Sorten gleich gegen mehrere Agrochemikalien immun zu machen. So haben BAYER und MONSANTO bereits vor zwei Jahren einen umfangreichen Technologie-Transfer vereinbart. Der US-amerikanische Agro-Riese darf laut Vertrag BAYERs LIBERTY-Resistenzen zusätzlich zum Bt- oder Glyphosat-Gen in seine Raps- oder Soja-Kreationen einbauen und der Leverkusener Multi im Gegenzug auf MONSANTO-Entwicklungen zurückgreifen. Jetzt weiteten die beiden Unternehmen ihre Zusammenarbeit nochmals aus. Der US-Gigant erhält für seinen Gen-Raps Zugang zur LIBERTY-Technologie, während der bundesdeutsche Konzern für seine Rapssorten die MONSANTO-Entwicklung ROUNDUP-READY verwenden kann.

DUPONT kauft BAYER-Lizenzen
Auch der Agro-Riese DUPONT versucht, die nachlassende Widerstandskraft seiner Genpflanzen gegen Schadinsekten durch die Zusammenstellung neuer Giftcocktails aufzuhalten. Das Unternehmen erwarb vom Leverkusener Multi die Rechte zum Einbau von Resistenzen gegen das Pestizid Glufosinat in seine Sorten. Zudem hat das US-amerikanische Unternehmen Zugriff auf BAYERs Dual-Bt-Patent, welches das Bestücken seiner Produktlinien mit dem für Insekten tödlichen Bacillus thuringiensis erlaubt. Das den Agrarmarkt beherrschende Oligopol versucht also momentan, die sich aus der Genpflanzen-Monokultur ergebenden Probleme dadurch zu lösen, dass es den Oligopol-Giftschrank zwecks Pseudo-Diversifizierung gemeinsam nutzt.

Einzelstaatliche Gentechnik-Verbote?
Bislang galt in Sachen „Gentechnik“ einheitliches EU-Recht. Nach einer Genehmigung aus Brüssel konnte der Anbau im Prinzip starten. Da aber immer mehr Mitgliedsländer doch Wege fanden, der grünen Gentechnik auf ihren Feldern kein grünes Licht zu geben, stehen jetzt einzelstaatliche Lösungen zur Debatte. Wenn die letzte Entscheidung wieder bei den einzelnen Staaten liegt, bräuchten diese sich nicht mehr gleich für europa-weite Zulassungsverbote auszusprechen, kalkulieren die Befürworter der Risikotechnologie, während die Gentech-GegnerInnen sich von der Reform mehr „Nein“-Voten auf Länder-Ebene erhoffen.

Lizenz auf Krebsmoleküle erworben
BAYER hat vom US-amerikanischen Gentech-Unternehmen CELERA die Rechte an fünf Eiweiß-Substanzen erworben, die bei Krebskrankheiten eine Rolle spielen und deshalb angeblich als Ansatzpunkte für die Entwicklung von Gegenmitteln dienen können.

NEXAVAR immer noch zu teuer
Das britische Pendant zum bundesdeutschen „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“, die Sondergesundheitsbehörde NICE, hatte im letzten Jahr eine Kosten/Nutzen-Analyse von BAYERs Gentech-Arznei NEXAVAR bei der Indikation „Nierenkrebs“ vorgenommen. Das Ergebnis fiel negativ aus, weshalb die Krankenkassen für eine Behandlung nicht zahlten. Der Leverkusener Multi focht die Entscheidung an, aber die NICE blieb bei ihrem Urteil. Ob die Institution NEXAVAR als Leberkrebs-Medikament positiver gegenübersteht, bleibt abzuwarten. Die Prüfungen laufen noch.

Mehr Indikationen für NEXAVAR?
Der Leverkusener Multi versucht unentwegt, das Anwendungssspektrum seiner zur Behandlung von fortgeschrittenem Nieren- und Leberkrebs zugelassenen Gentech-Arznei NEXAVAR zu erweitern. Nachdem das Medikament als Haut- und Bauchspeicheldrüsen-Therapeutikum versagte, setzt der Konzern nun auf die Indikationen „Brustkrebs“ und „fortgeschrittener Lungenkrebs“, für die er in Tests auch erste Behandlungserfolge wie „keine weitere Verschlimmerung der Krankheit“ vermeldet.

PFLANZEN & SAATEN

Saatgut-Forschung in Cartagena
BAYERs Saatgut-Tochter NUNHEMS expandiert beständig. Im US-amerikanischen Parma baut sie für 15 Millionen Dollar ihr Werk aus, und im spanischen Cartagena hat di Firma ein Forschungszentrum eröffnet, das neue Melonen-, Salat-, Artischocken- und Paprika-Sorten entwickeln will.

Kooperation mit Reis-Institut
BAYER hat mit dem chinesischen Reis-Institut CNRRI eine Kooperation vereinbart. Die beiden Vertragspartner wollen gemeinsam an der Erforschung und Entwicklung von neuen hybriden, also sterilen und nicht zur Wiederaussaat bestimmten Sorten arbeiten. Diese Arten ermöglichen dem Agro-Riesen ein besonders gutes Geschäft, da die LandwirtInnen jedes Jahr neue Saaten kaufen müssen.

WASSER, BODEN & LUFT

Wolfenbüttel: schwierige Sanierung

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Bis BAYER den aufgegebenen Standort Wolfenbüttel (siehe Ticker 4/08) besenfrei übergeben kann, dürften Jahrzehnte vergehen. Die Sanierung des verseuchten Boden gestaltet sich nämlich schwieriger als erwartet. Nicht nur 325 Kilgramm Pestizide schlummern im Erdreich, sondern auch 3.000 Kilogramm Benzol sowie Lösungsmittel, Mineralöle und Schlacken. Für den größten Schadstoff-Eintrag hatte 1978 - damals betrieb SCHERING auf dem Gelände eine Chemie-Produktion - eine Explosion gesorgt, denn mit dem Löschwasser versickerte ein ganzer Chemie-Cocktail. Jetzt muss das vergiftete Grundwasser über 16 Brunnen an die Oberfläche gepumpt und einer großen Filteranlage zugeführt werden. Nach Auskunft des Geologen Jürgen Röhrs wird die Reinigung 50 Jahre in Anspruch nehmen - BAYER will es hingegen in einer Dekade schaffen. Und zu allem Überfluss verursachen die Maßnahmen zusätzliche Schäden: NachbarInnen klagen schon über Risse in den Wänden ihrer Häuser. Trotzdem erhielten die Arbeiten höchstministeriellen Segen. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel lobte die Sanierung bei einem Lokaltermin. „BAYER CROPSCIENCE ist ein hochgradig professionelles Unternehmen“, so der SPD-Politiker.

Sanierung der Wolfenbütteler Deponie
Zu dem aufgegebenen Standort Wolfenbüttel gehörte auch die Sondermüll-Deponie in Klein Biewende. SCHERING als Vorbesitzer des Werkes und BAYER entsorgten dort von 1967 bis 2004 ihre Produktionsabfälle. Da die letzte Ruhestätte für die Chemie-Gifte nur unzureichend gesichert war, sorgten die Schadstoffe für eine erhebliche Umweltbelastung. Deshalb muss der Leverkusener Multi nun umfangreiche Sanierungsmaßnahmen durchführen. Er geht dabei ähnlich vor wie in Sachen „Dhünnauc“ (siehe SWB 3/04). Statt die Deponie auszuräumen, mumifiziert der Konzern sie aus Kostengründen nur. Er zieht Sperrwände ein und dichtet alles nach oben hin mit Ton, Erde und Kunststoff ab. Nach unten hin bleibt hingegen alles offen, weshalb das Unternehmen später permanent das verunreinigte Wasser abpumpen muss. Zudem sah BAYER sich nicht genötigt, die AnwohnerInnen über die Arbeiten zu informieren, was auf einigen Unmut stieß. „Die Politik des Unternehmens ist eine Katastrophe“, zürnte etwa der Bürgermeister des angrenzenden Remlingen, Klaus-Günter Warnecke (SPD).

Siedlung über BAYER-Altlast
Bis zum Jahr 2003 betrieb BAYER im englischen Hauxton nahe Cambridge ein Werk. Bei der Schließung hinterließ der Konzern in Boden und Grundwasser jede Menge Altlasten. Trotzdem will die Gemeinde auf dem Areal Wohnhäuser errichten lassen. Einen Investor hat sie schon gefunden. Dessen ersten Sanierungsplan, der nicht viel mehr als Schönheitsreparaturen vorsah, lehnten die LokalpolitikerInnen allerdings ab. Erst der zweite fand ihre Gnade, obwohl ehemalige BAYER-Beschäftigte im Stadtrat vor der Genehmigung warnten. „Auf diesem Gelände sollte niemals gebaut werden und ich würde dort nie ein Haus kaufen“, sagte etwa Deborah Roberts.

Produktionsrückstand Quecksilber
Der Leverkusener Multi hat seine Chlor-Produktion anders als viele mittelständische Betriebe immer noch nicht komplett auf das Membran-Verfahren umgestellt, bei dem kein giftiges Quecksilber als Produktionsrückstand mehr anfällt. Zudem ist dem Konzern als einzigem der 196 Quecksilber-Emittenten in der Bundesrepublik das Kunststück gelungen, die Größenordnung der Umweltbelastung durch dieses Schwermetall als „vertraulich“ deklarieren zu können (siehe auch SWB 3/09).

CO2-Bilanz: 7,57 Mio. Tonnen
Der Leverkusener Multi hat im Geschäftsjahr 2008 7,57 Millionen Tonnen klima-schädigende Treibhausgase ausgestoßen. 4 Millionen Tonnen davon stammen „aus eigener Herstellung“; 3,57 Millionen Tonnen entstanden bei der Produktion zugekaufter Energie. Die Summe setzt sich aus 92,1 Prozent Kohlendioxid, 7,5 Prozent Lachgas und 0,4 Prozent Kohlenwasserstoffe zusammen. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet das einen Rückgang von 7,1 Prozent. Auf umweltfreundliche Investitionen ist diese Reduzierung jedoch nur zum Teil zurückzuführen. Sie „resultiert aus konjunkturellen Veränderungen und Maßnahmen zur Verringerung des besonders klima-wirksamen Lachgases (N2O) in unserer Salpeter-Anlage in Köln-Worringen“, heißt es im Nachhaltigkeitsbericht.

VOC-Bilanz: 3.160 Tonnen
Der Leverkusener Multi hat mit 3.160 Tonnen im Jahr 2008 mehr flüchtige organische Verbindungen (VOC) an die Umwelt abgegeben als 2007 (2.870 Tonnen). Verantwortlich für den höheren Ausstoß der gesundheitsschädlichen Stoffe war eine Steigerung der Produktion im überalteten Pestizid-Werk Vapi (Indien), womit eine verstärkte Emission von Lösemittel-Dämpfen einherging. Laut Nachhaltigkeitsbericht will BAYER prüfen, ob die Anlage ihre VOC-Bilanz verbessern kann.

Ozon-Schädigung: plus 16 Prozent
Der Leverkusener Multi hat 2008 mit 17,1 Tonnen rund 16 Prozent mehr ozonschicht-schädigende Substanzen emittiert als 2007. Und schon in jenem Jahr war der Ausstoß stark gestiegen. Verantwortlich für diese Erhöhung in beiden Fällen: das nicht dem neuesten Standard der Technik entsprechende Pestizid-Werk im indischen Vapi. Im letzten Herbst hat der Konzern endlich die Konsequenz gezogen und eine Modernisierung der Dreckschleuder angekündigt.

Etwas weniger Co & Co.
Der Leverkusenener Multi hat im Geschäftsjahr 2008 den Ausstoß von Kohlenmonoxid (CO) leicht von 2.000 Tonnen auf 1.700 gesenkt. Die Schwefeloxid-Emissionen sanken von 3.600 Tonnen auf 3.200 Tonnen, hauptsächlich weil der Konzern seine Dreckschleuder im indischen Vapi mittlerweile mit einem schwefelärmeren Brennstoff befeuert. Die Stickstoffoxid-Bilanz blieb weitgehend unverändert. Um 100 Tonnen auf 3.900 Tonnen reduzierte sich der Wert. Dabei gilt es dem Pharma-Riesen als Erfolgsmeldung, seine Anlage in Bergkamen schon jetzt so umgerüstet zu haben, dass sie mit 75mg/Nm3 passgenau auf den ab 2012 vorgeschriebenen Stickstoffoxid-Grenzwert geeicht ist.

Etwas weniger Schadstoffe im Abwasser
Die Abwasser-Bilanz des Leverkusener Multi sieht 2008 etwas besser aus als im Vorjahr. Das liegt jedoch nur zum Teil an Umweltschutz-Maßnahmen: Die Produktionsrückgänge infolge der Wirtschaftskrise wirkten sich ebenso stark aus. So produzierte BAYER 2008 mit 68,4 Millionen Kubikmeter Abwasser 12 Millionen weniger als im Vorjahr. Entsprechend reduzierte sich der Anteil der darin herumschwimmenden Schadstoffe etwas. Die Phosphorfracht sank von 990 Tonnen auf 780 Tonnen. Die Einleitungen organischer Verbindungen reduzierten sich von 1.770 Tonnen auf 1.590 Tonnen und die von anorganischen Salzen von 825.000 Tonnen auf 812.000 Tonnen. Der Wert für Stickstoff blieb mit 670 Tonnen fast gleich. Dafür fanden sich mehr Schwermetalle made by BAYER in den Gewässern wieder: 10,4 Tonnen (2007: 8,9 Tonnen). Der Pharma-Riese begründet das mit allerdings nicht mit einer schmutzigeren Produktion, sondern gibt „einem umfassenderen Abwasser-Reporting“ die Schuld für den Anstieg.

Mehr Abfall
BAYER produziert immer mehr Abfall. Die Gesamtmenge, die 2006 noch 649.000 Tonnen betrug, stieg 2007 auf 928.000 Tonnen und 2008 noch einmal auf 1.077.000 Tonnen. Auch die Zahlen für gefährlichen Müll erhöhten sich: von 570.000 Tonnen im Jahr 2006 auf 617.000 Tonnen 2007 und 670.000 Tonnen 2008. Mit 45 Prozent landete ein Großteil der Produktionsrückstände auf der Deponie, 24 Prozent gingen in den Verbrennungsofen und lediglich 28 Prozent wurden wiederverwertet (davon wahrscheinlich noch ein großer Teil in ökologisch bedenklichen Müllkraftwerken).

Kohlekraftwerk: Steigt GETEC aus?
Bei dem Projekt, auf dem Gelände des Brunsbütteler BAYER-Werkes ein Steinkohle-Kraftwerk zu errichten, treten offensichtlich Schwierigkeiten auf. Nach Informationen der Wilsterschen Zeitung will der Hannoveraner Energieversorger GETEC das Vorhaben aufgeben und VATTENFALL oder RWE überlassen. Das Unternehmen dementiert einstweilen die Gerüchte, räumt aber Probleme ein. „Vor dem Hintergrund der augenblicklichen Wirtschaftskrise ist die Einwerbung von Industriepartnern schwieriger geworden“, so GETEC-Sprecherin Neele Gehrt.

Immenser Wasserverbrauch
BAYER verbraucht dem Nachhaltigkeitsbericht 2008 zufolge jährlich 438 Millionen Kubikmeter Wasser. Das sind mehr als eine Millionen Kubikmeter pro Tag. 58 Prozent davon entnimmt der Chemie-Multi Oberflächengewässern, und 32 Prozent dem Grundwasser. Allein das Leverkusener Werk entzog dem Rhein im letzten Jahr 45 Millionen Kubikmeter und verbrauchte 85 Millionen Kubikmeter Grundwasser.

NRW schafft „Wasser-Cent“ ab
Der Wasserdurst des Leverkusener Multis ist enorm (s. o.). Um ihn etwas zu zügeln, hatte die rot-grüne Landesregierung den Wasser-Cent eingeführt; 4,6 Millionen Euro zahlte BAYER im vergangenen Jahr. Allerdings tat das Unternehmen alles, um sich von dieser Last zu befreien. Erst im August hatte Konzern-Chef Werner Wenning den „Wasser-Cent“ in einem Bild-Interview als einen „Investitionshemmer“ bezeichnet. „Das ‚Wasserentnahmegesetz‘ beispielsweise schwächt die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Industrie und schreckt potenzielle Investoren ab“, wetterte Wenning. Sein Ruf fand Gehör. Die gelbe-schwarze Koalition in Düsseldorf schaffte die Steuer ab, was umgehend auf Kritik stieß. „Der Wasserverbrauch des Leverkusener BAYER-Werks liegt rund doppelt so hoch wie der Trinkwasserbedarf der benachbarten Millionenstadt Köln! Dies ist ein schwerwiegender Eingriff in die Natur, der nicht dauerhaft zu rechtfertigen ist. Der enorme Verbrauch von BAYER zeigt, dass der „Wasser-Cent“ dringend notwendig ist, um den Wasserverbrauch zu verringern“, protestierte Philipp Mimkes von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) in der Presse-Erklärung, welche die Coordination gemeinsam mit dem BUND und dem BUNDESVERBAND BÜRGERINITIATIVEN UMWELTSCHUTZ (BBU) herausgab.

NANO & CO.

Nano-Partikel schädigen Nervenzellen
Nano leitet sich vom griechischen Wort für Zwerg ab. Die Nanotechnik beschäftigt sich folglich mit der Entwicklung von mikroskopisch kleinen Werkstoffen. Mit seinen Nano-Röhrchen ist der Leverkusener Multi mittlerweile in die Großproduktion eingestiegen. Für die Risiken und Nebenwirkungen dieser „Zukunftstechnologie“ fühlt er sich allerdings nicht verantwortlich. Dabei gibt es immer mehr alarmierende Hinweise. So können Nano-Stoffe nach einer Untersuchung der Universität Edinburgh das Gewebe angreifen und ähnlich wie in der Vergangenheit Asbest Entzündungen auslösen (siehe Ticker 2/08). Irische ForscherInnen haben Wirkungen von Nano-Partikeln auf das Immunsystem nachgewiesen. Und ForscherInnen der US-amerikanischen Umweltbehörde EPA haben in einem Reagenzglas-Versuch mit Nano-Teilchen aus Titandioxid schädigende Effekte auf Nervenzellen festgestellt.

PRODUKTION & SICHERHEIT

BAYER baut MIC-Tanks ab
Seit langem kritisiert die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) die Sicherheitslage am BAYER-Standort Institute. So forderte die Coordination auf Hauptversammlungen immer wieder, die Tanks mit der Bhopal-Chemikalie Methyl Isocyanat (MIC) abzubauen. Noch vier Monate vor der Explosion vom 28. August 2008, die zwei Menschenleben forderte und die schlimmsten Befürchtungen der CBG bestätigte, wies der Konzern die Warnungen als „unbegründet“ zurück. Nun endlich scheint der Chemie-Multi ein Einsehen zu haben. Er kündigte an, die MIC-Lager um 80 Prozent zu reduzieren und die Produktion des Pestizides Carbofuran einzustellen. Aber auch so bleibt die BAYER-Niederlassung das Chemie-Werk in den USA mit dem größten MIC-Reservoir. Zudem kommt in der Produktion immer noch das gefährliche Giftgas Phosgen zum Einsatz. Darum setzt die CBG trotz des Erfolges ihr Engagement fort. „Wir fordern von BAYER, in der Kunststoff- und Pestizidproduktion neue Verfahren zu entwickeln und künftig auf Giftgase wie MIC und Phosgen ganz zu verzichten“, erklärte Geschäftsführer Philipp Mimkes.

STANDORTE & PRODUKTION

AKW-Panne legt Brunsbüttel lahm
Alle Räder stehen still, wenn es VATTENFALL will: Die Abschaltung des Atomkraftwerks Krümmel führte zu einem Spannungsabfall, der die Kunststoff-Herstellung im Brunsbütteler BAYER-Werk stoppte. Erst über eine Woche danach konnte der Multi die Produktion wieder aufnehmen. Ob er nach dem Zwischenfall immer noch ein glühender Anhänger der Atomkraft bleibt?

BAYER investiert in Bitterfeld
Der Leverkusener Multi investiert am Standort Bitterfeld sieben Millionen Euro in die Modernisierung der Pillen-Produktion.

BAYER deinvestiert in Krefeld
BAYER schließt die Kunststoff-Forschungsabteilung in Krefeld/Uerdingen (siehe auch SWB 3/09). Der Chemie-Multi will die wissenschaftliche Arbeit in Leverkusen konzentrieren, um eine stärkere Anbindung an das Marketing-Ressort zu gewährleisten, wie es offiziell heißt. Tatsächlich handelt es sich dabei um eine Rationalisierungsmaßnahme. Von den 132 Beschäftigten können nämlich nur 74 nach Leverkusen umziehen. 45 Jobs in den Laboren entfallen für immer, vor allem im Polyurethan-Bereich. Zudem hat die Abwicklung Folge-Wirkungen, denn 40 Stellen hängen direkt von der Entwicklungssparte ab. Einen „Aufschrei der Entrüstung“ hat die Ankündigung des Konzerns laut Westdeutscher Zeitung ausgelöst. „Die Auswirkungen auf die Menschen und den Standort Uerdingen wären bei einer tatsächlichen Realisierung der Unternehmensvorstellung fatal“, warnt die Betriebsratsvorsitzende Petra Kohnen. Die Wellen schlagen so hoch, weil die Belegschaftsangehörigen bereits seit längerem ein Ende der Niederlassung in Krefeld befürchten.

BAYER erpresst den Standort Berkeley
Der Leverkusener Multi droht dem Standort Berkeley, Teile der Herstellung des Blutproduktes KOGENATE abzuziehen, wenn er nicht in den Genuss von Steuernachlässen, Strom-Rabatten und anderen Vergünstigungen kommt. Auf 19 Millionen Dollar belaufen sich die Forderungen von BAYER. Und die Erpressung scheint Erfolg zu haben. Die Stadt Oakland signalisierte schon, die Niederlassung in ihre Sondertarife gewährende Sonderwirtschaftszone aufzunehmen.

BAYER schwächt Wuppertal
BAYERs Pharma-Standort Berlin wächst auf Kosten anderer Niederlassungen. So zieht der Pharma-Riese das Produkt-Team für das neue Mittel XARELTO, das Thrombosen nach Knie- und Hüftgelenksoperationen verhindern soll, von Wuppertal ab und verlegt es nach Berlin.

IMPERIUM & WELTMARKT

Dekkers folgt Wenning
BAYER hat den Niederländer Marjin Dekkers zum Nachfolger des Vorstandsvorsitzenden Werner Wenning bestimmt. Damit besetzt zum ersten Mal ein BAYER-Externer und Ausländer den Chef-Posten. Dekkers spricht allerdings Deutsch, was der Konzern sich auch ausbedungen hat. „Der Chef eines deutschen Großunternehmens muss sich ohne Dolmetscher mit der Kanzlerin und den Arbeitnehmer-Vertretern unterhalten können“, hieß es zur Begründung. Die anderen Qualitäten des Holländers wie „Durchsetzungsvermögen“, „Beste Drähte zu den Kapitalmärkten“ und lassen ebenso wenig etwas Gutes für die Zukunft erwarten wie die Tatsache, dass er bei seinem früheren Arbeitgeber THERMO FISHER SCIENTIFIC ein umfassendes Restrukturierungsprogramm inklusive des Verkaufs mehrerer Firmenteile initiierte. Die BAYER-Manager Klaus Kühn und Arthur Higgins, die sich ebenfalls Hoffnungen auf den BAYER-Vorsitz gemacht hatten, verließen das Unternehmen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu Gunsten Dekkers umgehend.

BTS baute Schwefelsäure-Anlage
BAYER TECHNOLOGY SERVICES (BTS) hat für den Bleihersteller BERZELIUS in Stolberg bei Aachen eine Schwefelsäure-Anlage errichtet, die trotz höherer Produktivität angeblich weniger schädliches Schwefeldioxid freisetzt als vergleichbare Fertigungsstätten.

ÖKONOMIE & PROFIT

BAYER spart Steuern
Bei der Verkündung der Geschäftszahlen für das erste Halbjahr 2009 konnte BAYER-Chef Werner Wenning eine Steigerung des Geldmittel-Zuflusses um „erfreuliche“ 57,4 Prozent auf fast 1.4 Milliarden vermelden, was er unter anderem auf „niedrigere Ertragssteuerzahlungen“ zurückführte. Auf die Kassen des Bundes, des Landes und der Kommunen mit BAYER-Werken dürften also unerfreulichere Zeiten zukommen.

Pensionsversicherungsbeitrag steigt
Wenn Unternehmen Insolvenz anmelden, dann stehen auch die Betriebsrenten zur Disposition. In solchen Fällen springt der Pensionssicherungsverein (PSV) ein. Da die Zahl der Firmenpleiten in Zeiten der Krise allerdings drastisch steigt, reichen die Ressourcen der Versicherung nicht mehr aus. Deshalb erhöhte sich für BAYER der Beitragssatz um das Siebenfache auf 70 Millionen Euro.

Kreditversicherungsbeiträge steigen
Der Leverkusener Multi hat Kreditversicherungen in einem Volumen von ca. 300 Millionen Euro abgeschlossen, um vor Zahlungsausfällen seiner Kunden gewappnet zu sein. Im Zuge der Wirtschaftskrise agieren ALLIANZ & Co. allerdings vorsichtiger und limitieren die Deckungssumme. „BAYER hat ebenso wie andere Chemie-Unternehmen eine Welle von Limitkürzungen bekommen. Darüber sind wir überhaupt nicht erfreut“, sagt BAYERs Versicherungsmann Gregor Köhler. Auch das Anheben der Preise, mit dem die Versicherungskonzerne ihre Verluste an den Kapitalmärkten kompensieren wollen, hebt seine Stimmung nicht. Deshalb droht Köhler der Branche damit, eine eigene Kreditversicherung aufzumachen, wie in den 90er Jahren. Damals hatten BAYER, BASF und HOECHST das in Luxemburg ansässige - und immer noch existierende - Unternehmen INDURISK gegründet, weil ihnen die verlangten Umwelthaftungsprämien zu hoch erschienen.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Explosion in Bergkamen
In dem Bergkamener Werk von BAYER SCHERING kam es am 5.9.09 bei der Entladung eines Containers mit flüssigen Metallalkyl-Resten, die für die Rückstandsverbrennungsanlage bestimmt waren, zu einer großen Explosion und zwei kleineren Folge-Detonationen. Vier Beschäftigte erlitten einen Schock und mussten sich ärztlicher Behandlung unterziehen. 170 Feuerwehrleute brauchten zwei Stunden, um den Großbrand unter Kontrolle zu bringen. Für den Chemie-Multi war das alles kein Grund zur Beunruhigung. „Eine Gefahr für die Bevölkerung hat zu keiner Zeit bestanden“, erklärte er. Dies sahen Sachverständige, welche die Vorgänge später untersuchten, anders. Sie sprachen von einem „unheimlichen Glück“, dass die vier Belegschaftsangehörigen gehabt hätten, außer einem Schock keine ernsthaften Verletzungen erlitten zu haben. Den ExpertInnen zufolge hat eine defekte Pumpe zu dem großen Knall geführt.

Gas-Austritt in Kansas
Am BAYER-Standort Kansas City kam es am 11.8.09 zu einem Gas-Austritt. Aus einem Zylinder, den eine Fremdfirma geliefert hatte, entwich durch eine Leckage die giftige und ätzende Substanz Chlorwasserstoff.

Phosgen-Austritt in Baytown
Wie der Leverkusener Multi in seinem Nachhaltigkeitsbericht dokumentiert, trat 2008 am Standort Baytown durch eine Leckage Phosgen aus, das zu den gefährlichsten Chemiestoffen überhaupt zählt.

Salzsäure tritt aus
Durch einen defekten Tank trat 2008 laut Nachhaltigkeitsbericht am BAYER-Standort New Martinsville Salzsäure aus.

Ethylenoxid tritt aus
Laut Nachhaltigkeitsbericht wurden 2008 auf dem Gelände des BAYER-Werkes im US-amerikanischen Channelview aus einem Eisenbahn-Waggon 150 Kilogramm Ethylenoxid freigesetzt.

Institute: 2 Arbeiter vergiftet
Am BAYER-Standort Institute war es am 28. August 2008 zu einer Explosion gekommen, in deren Folge zwei Männer starben. Aber auch die Aufräumarbeiten gefährden die Belegschaft. So kamen zwei Arbeiter bei der Instandsetzung einer Rohrleitung in Kontakt mit dem Pestizid-Wirkstoff Carbuforan und mussten sich in ärztliche Behandlung begeben. Der Zwischenfall erreignete sich, weil der Leverkusener Multi sich nicht veranlasst sah, die Belegschaftsangehörigen zum Tragen von Schutzkleidung anzuhalten. Die US-amerikanische Arbeitsschutzbehörde OSHA hatte das bereits nach dem ersten Vorkommnis dieser Art gerügt.

RECHT & UNBILLIG

Preisabsprachen im Pharma-Bereich
Der Leverkusener Multi kann es nicht lassen und ist wieder mal in einen Kartell-Fall verwickelt. Die rumänische Wettbewerbsbehörde hat wegen des Verdachts auf Preis-Absprachen zwischen Pillen-Produzenten und Zwischenhändlern Büros der Pharma-Hersteller BAYER, BAXTER, BELUPO PHARMACEUTICAL und SINTOFARM durchsucht. „Der pharmazeutische Sektor besitzt Priorität für die Wettbewerbsbehörde. Wenn immer es nötig ist, werden wir intervenieren, damit die Bevölkerung Zugang zu Medikamenten erhält, deren Preise auf freiem Wettbewerb beruhen“, sagte Bogdan Chiritoiu, der Präsident der rumänischen Kartellbehörde, zur Begründung der Hausdurchsuchungen.

Patentklage scheitert
Ende letzten Jahres wollte der Leverkusener Multi in Indien die Zulassung einer Nachahmer-Version seines Krebsmedikamentes NEXAVAR verhindern und ging deshalb juristisch gegen den Hersteller CIPLA und die Genehmigungsbehörde vor. Das Gericht wies die Klage im August 2009 jedoch ab und stellte so die Versorgung armer Menschen mit billigen Arzneien sicher (siehe auch SWB 3/09).

BAYER entschädigt Blutplasma-Opfer
Weltweit starben in den 80er Jahren Tausende Bluter durch HIV-verseuchte Blutprodukte an AIDS. Zudem übertrugen die Präparate Hepatitis-C. Obwohl BAYER & Co. das Risiko bekannt war, weigerten die Konzerne sich aus Kostengründen lange Zeit, eine Hitze-Behandlung der Mittel zur Abtötung der Krankheitskeime vorzunehmen. Deshalb sah sich das Unternehmen mit vielen Prozessen konfrontiert. Ein Jahrzehnte lang währender Rechtsstreit ging erst 2009 zuende. Der Konzern willigte schließlich ein, SammelklägerInnen eine Entschädigung zu zahlen.

BAYER mahnt Duckhome ab
Der Leverkusener Multi hat das Internet-Portal Duckhome wegen eines Kommentars zu einem BAYER-kritischen Beitrag abgemahnt. Der Text „BAYER - so ein richtig schmutziger Turbokapitalismus“ hatte einen recht umfassenden Einblick in das Sündenregister des Konzerns von Arbeitsplatzvernichtung und Bienensterben über die Gentechnik und die Kohlenmonoxid-Pipeline bis hin zu giftigen Pestiziden gewährt. Einen Leser hat das zu der Frage veranlasst, ob gegen den Vorstandsvorsitzenden Werner Wenning ein Notwehrrecht besteht. Das sah der Agro-Riese als „ehrverletzend“ an und leitete rechtliche Schritte gegen Duckhome ein. Der Betreiber der Website beruft sich hingegen auf die Meinungsfreiheit und kündigte an, den Rechtsstreit nötigenfalls bis zur letzten Instanz durchzufechten.

BAYER verklagt TEVA
Der Leverkusener Multi verklagt routine-mäßig Pharma-Hersteller, die nach Ablauf der Patentfrist Nachahmer-Produkte von BAYER-Pillen auf den Markt bringen wollen, um sich die lästige Billig-Konkurrenz möglichst lange vom Leibe zu halten. Jetzt traf es wieder einmal das Unternehmen TEVA. Der bundesdeutsche Pharma-Riese wirft dem Pillen-Produzenten, der eine Generika-Version des Potenzmittels LEVITRA plant, Patent-Verletzung vor. Damit heißt es bereits zum dritten Mal „BAYER vs. TEVA“. Jüngst geriet diese Klage-Praxis ins Visier der Brüsseler Wettbewerbskommission. Diese betrachtet die gerichtlichen Auseinandersetzungen als Indiz dafür, „dass die Pharma-Märkte nicht so gut funktionieren, wie sie sollten“, so Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes. Die Gesundheitssysteme kostet die juristische Verzögerungstaktik zur Verhinderung preiswerterer Arznei-Alternativen Milliarden von Euro.

YASMIN-Patent ungültig
Seit langem schwelt zwischen BAYER und dem jetzt zu TEVA gehörenden Pharma-Unternehmen BARR ein Patentstreit um die Verhütungspille YASMIN (Zu den Nebenwirkungen siehe SWB 3/09). In einem ersten Verfahren erkannte der Richter dem Leverkusener Multi kein geistiges Eigentum auf das Kontrazeptivum zu. Der Konzern ging in Revision, einigte sich aber zwischenzeitlich mit seinem Konkurrenten darauf, ihn gegen eine Umsatzbeteiligung mit dem YASMIN-Wirkstoff zu beliefern. Im August 2009 scheiterte dann auch der Einspruch des Pharma-Riesen. Dem Gericht zufolge reicht eine pharmazeutische Ausbildung, um das Mittel anzurühren; einen Patentschutz könne BAYER dafür nicht beanspruchen.

Klage wg. Vitamin-Werbung
Die VerbraucherInnenschutz-Organisation THE CENTER FOR SCIENCE IN THE PUBLIC INTEREST will den Leverkusener Multi verklagen, falls dieser falsche Angaben in der Werbung für das Vitamin-Präparat ONE-A-DAY nicht korrigiert. BAYER spricht dem Mittel eine Prostatakrebs vorbeugende Wirkung zu, obwohl Studien diese Aussage nicht bestätigen. So hat das „National Institute of Health“ eine ursprünglich auf 12 Jahre angelegte Untersuchung zu diesem Thema wegen sich abzeichnender negativer Ergebnisse vier Jahre früher als geplant beendet. Statt positiver Effekte auf Prostatakrebs machte das Institut ein erhöhtes Diabetes-Risiko durch den Vitamintabletten-Konsum aus.

Baytown-Unfall: BAYER zahlt
Am 26. September 2006 war es im Baytowner BAYER-Werk zu einer Explosion gekommen, bei der 22 Belegschaftsangehörige Gesundheitsstörungen erlitten und zur Behandlung ins Krankenhaus mussten. Die verletzten Beschäftigten strengten eine Schadensersatzklage gegen den Konzern an. Im Sommer 2009 erhielten sie schließlich im Rahmen eines Vergleiches Schmerzensgeld: Ein Gutachten der US-amerikanischen Arbeitsschutzbehörde OSHA hatte dem Leverkusener Multi „grobe Fahrlässigkeit“ in Sicherheitsfragen nachgewiesen.

EU: Sammelklagen auf Eis gelegt
Die EU hat den Plan, Sammelklagen nach US-Vorbild zu ermöglichen, vorerst auf Eis gelegt. Die Europäische Volkspartei (EVP), welche den Kommissionsvorschlag in den Ausschüssen schon empfindlich verwässert hatte, griff sogar zum Mittel der politischen Erpressung, um dieses Instrument des VerbraucherInnenschutzes zu Fall zu bringen. Der EVP-Fraktionsvorsitzende Joseph Daul warnte den Kommssionspräsidenten José Manuel Barroso nicht nur in einem Brief vor dem „möglichst radikal formulierten Kommissionsvorschlag“, er machte auch die EVP-Stimmen zu Barrosos Wiederwahl davon abhängig, dass der Politiker das Vorhaben stoppt. Zur Wiedervorlage kommt es erst im Herbst - und dann wohl nur in einer nochmals abgeschwächten Form. Den Leverkusener Multi, der vehement Lobby-Aktivitäten gegen das Projekt entfaltet hatte, wird das freuen. Millionen-Klagen, wie sie Opfer seines Cholesterin-Senkers LIPOBAY in den USA eingereicht hatten, muss der Konzern in Europa höchstwahrscheinlich nie entgegensehen.

Prozess gegen Broschüre
Die von der Projektwerkstatt Sassen herausgegebene Broschüre „Organisierte Unverantwortlichkeit“ widmet sich den Gentechnik-Seilschaften zwischen BAYER & Co., der Politik und Wissenschaftseinrichtungen. Jetzt hat der ehemalige sachsen-anhaltinische Wirtschaftsminister Horst Rehberger gegen die Publikation, in die auch Recherchen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN eingeflossen sind, vor dem Landgericht Saarbrücken eine Verbotsklage eingereicht.

FORSCHUNG & LEHRE

EU stärkt Standortforschung
Das europäische Forschungsnetzwerk „F3 Factory“ plant, neue Produktionsverfahren für die Chemie zu entwickeln. „Flexibler, schneller, ressourcen-effizienter und energiesparender“ soll es in den „Fabriken der Zukunft“ zugehen - und sicher auch weniger personal-intensiver. Mit 18 Millionen Euro unterstützt die EU den Verbund, dem neben BAYER, BASF, PROCTER & GAMBLE auch Hochschulen und staatliche Wissenschaftsinstitutionen angehören, um europäische Standortpolitik im Sinne der Lissabon-Strategie zu betreiben, die aus Europa „die wettbewerbsfähigste wissensgestützte Wirtschaft der Welt“ zu machen gedenkt. „Mittels schnellerer und flexiblerer Herstellungsverfahren wollen die Experten die weltweite Technologie-Führerschaft der europäischen Chemie-Industrie nachhaltig stärken und die Wettbewerbsfähigkeit verbessern“, heißt es dazu in BAYERs Propaganda-Postille direkt.

Kooperation mit dem Liverpooler IVCC
BAYER CROPSCIENCE hat eine Forschungskooperation mit dem „Innovative Vector Control Consortium“ (IVCC) aus Liverpool vereinbart. Ziel der Zusammenarbeit ist es, neue Insektizid-Wirkstoffe zu finden, um der Mücken Herr zu werden, die Malaria übertragen. Gegen viele alte Mittel haben die Tiere nämlich bereits Resistenzen ausgebildet.

BAYER sponsort SIFE
Die StudentInnen-Organisation SIFE „eröffnet den Studenten bereits während des Studiums ein Forum auf nationaler wie auf internationaler Ebene, um persönliche Kontakte zu Entscheidungsträgern namhafter Unternehmen aufzubauen“, so die Selbstauskunft des Verbandes. Deren „Country Coordinator“ ist deshalb praktischerweise gleich über das Wirtschaftsprüfungsunternehmen KPMG zu erreichen. Der Draht zu BAYER könnte auch nicht kürzer sein. Der Leverkusener Multi gehört nämlich nicht nur zu den Sponsoren, er stellt mit Jörg Krell auch den Präsidenten von SIFE Deutschland. Dem BAYER-Manager gefällt dabei vor allem das „soziale Engagement“ der SIFElerInnen in der „Dritten Welt“, wo die Konzern-Kontakt Suchenden laut SIFE-Homepage „als Unternehmer im besten Sinne wirtschaftliche Perspektiven für Dritte“ eröffnen, denn „ethisch verantwortliches Handeln hat für die Unternehmen an Bedeutung gewonnen“, meint Krell. Er denkt dabei natürlich bloß an die Bedeutung für die Öffentlichkeitsarbeit.

BAYERs Forschungspolitik
Hinter BAYERs Vorgehen, verstärkt Kooperationen mit Hochschulen wie der Universität Köln einzugehen und hoffnungsvolle Arznei-Kandidaten von anderen Unternehmen einzukaufen, steckt System. „Große Unternehmen sind gut, um Produkte zu entwickeln, zur Zulassung zu bringen, zu vermarkten, sagte der BAYER-SCHERING-Pharmachef Andreas Fibig in einem Tagesspiegel-Interview. Für Grundlagenforschung ist der Leverkusener Multi seiner Meinung nach nicht so gut gerüstet. Darum lautet Fibigs Devise: „Wir müssen neue Wege finden und Partnerschaften bilden. Da kommen vor allem kleinere Biotech-Unternehmen sowie akademische Einrichtungen in Frage“. Hatte der Konzern sich in der Vergangenheit stets voller Stolz als „Forschender Arzneimittelhersteller“ bezeichnet, so scheint sich der Pharma-Riese nun von dieser Unternehmensphilosophie zu verabschieden.

SPORT & MEDAILLEN

LEVITRA bald auf Doping-Liste?
Der LEVITRA-Wirkstoff Sildenafil weitet die Blutgefäße und verbessert so die Sauerstoff-Aufnahme. Das hat auch doping-willige SportlerInnen auf die Potenzpillen von BAYER & Co. aufmerksam gemacht und die Antidoping-Agentur WADA auf den Plan gerufen. Die Institution debattiert derzeit darüber, die Mittel auf die Doping-Liste zu setzen.

Generika

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 11. Mai 2009
Ärzte ohne Grenzen

Ärzte ohne Grenzen fordert Bayer AG auf, lebenswichtige Generika-Produktion für ärmere Länder nicht zu behindern

Berlin/Düsseldorf. Anlässlich der Jahreshauptversammlung der Bayer AG fordert Ärzte ohne Grenzen das Unternehmen auf, ihre Klage gegen die indische Arzneimittelzulassungsbehörde zurückzuziehen. Seit Ende 2008 läuft ein Verfahren, das die Zulassung von Generika in Indien behindern könnte. Sollte sich die Bayer AG durchsetzen, sieht Ärzte ohne Grenzen Probleme, ärmere Länder mit lebensnotwendigen und kostengünstigen Generika zu versorgen, wie z. B. Medikamenten gegen HIV/Aids.

In der indischen Hauptstadt Neu-Delhi steht die Bayer AG in dem Gerichtsverfahren der indischen Arzneimittelzulassungsbehörde, der indischen Vereinigung der Krebspatienten und der indischen Pharmafirma Cipla gegenüber. Die Bayer AG klagt gegen die Zulassung eines Generikums des Krebsmedikaments Sorafenib (Handelsname Nexavar) in Indien. Als Patentinhaber des Krebsmedikaments verlangt die Bayer AG, dass ein Generikum nicht zugelassen werden darf, wenn es ein Patent auf den Wirkstoff gibt. Dies soll unabhängig davon gelten, ob gegen das Patent Einspruch erhoben wurde.
Bisher werden die Generika in Indien zugelassen, wenn sie die Ansprüche an Wirksamkeit und Verträglichkeit erfüllen, unabhängig davon, ob sie auf patentierten Wirkstoffen basieren. Erst wenn der Originalhersteller eine vermeintliche Patentverletzung seines Produkts vermutet, folgen juristische Schritte. Die Bayer AG will mit Ihrem Verfahren die Arzneimittelbehörde der patentrechtlichen Kontrollinstanz vorschalten und damit die Beweispflicht umkehren.
Sollte sich die Bayer AG bei diesem Gerichtsverfahren durchsetzen, würde ein Präzedenzfall geschaffen werden, der die Position der Generika-Industrie in den derzeit laufenden Patentauseinandersetzungen um HIV/Aids-Medikamente massiv schwächen würde. „Wenn die Bayer AG gewinnt, wird die Produktion von Generika bei rechtlich unwirksamen Patenten um Jahre verzögert, da unter anderem das langwierige Zulassungsverfahren erst beginnen kann, nachdem das Patentverfahren abgeschlossen ist“, betonte Leena Menghaney, Juristin der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen in Neu-Delhi.
Ärzte ohne Grenzen behandelt weltweit mehr als 140.000 Menschen mit antiretroviralen Medikamenten gegen HIV/Aids. Die große Mehrheit davon stammt aus indischer Generika-Produktion. „Millionen HIV-Infizierte können nur durch kostengünstige indische Generika überleben. Es ist ethisch nicht vertretbar, diese Quelle einzuschränken. Die Bayer AG muss ihre Klage zurückziehen“, sagte Oliver Moldenhauer, Koordinator der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen in Berlin.
Ärzte ohne Grenzen und andere Hilfsorganisationen sind auf günstige Generika angewiesen. Ohne diese würden Projekte von Ärzte ohne Grenzen um ein Vielfaches teurer und deutlich weniger Menschen könnten behandelt werden.
Aids
acquired immune deficiency syndrome: erworbenes Immunmangelsyndrom
Generika
Sogenannte Nachahmermedikamente, die dieselben Wirkstoffe enthalten wie patentgeschützte, aber meist teurere Originalpräparate.

Oliver Moldenhauer, Koordinator der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen in Berlin, und Leena Menghaney, Ärzte ohne Grenzen in Indien, stehen für Interviews zur Verfügung.

alle Infos zur Hauptversammlung

[Reden] STICHWORT BAYER 02/2009

CBG Redaktion

Wenning kanzelt KritikerInnen ab:

„Ein Sammelsurium subtiler Unterstellungen“

Die BAYER-Hauptversammlung in Großaufnahme: Was die KonzernkritikerInnen genau sagten und fragten und worauf sich die Antworten des Vorstandsvorsitzenden Werner Wenning im Einzelnen beschränkten. Alle Reden im vollen Wortlaut finden sich hier.

Die Ouvertüre zu der Art, wie BAYER-Chef Werner Wenning später mit den 15 KonzernkritikerInnen auf der Hauptversammlung umgehen sollte, erklang schon in seinen Statements zu den zahlreichen Gegenanträgen im Anschluss an seine Eingangsrede zur Lage des Konzerns. Den Vergleich der im August 2008 nur knapp an einer Katastrophe vorbeigeschlitterten Anlage in Institute mit der von Bhopal nannte er „völlig abwegig“ und den Vorwurf mangelhafter Sicherheitsvorkehrungen „nicht stichhaltig“. Falschaussagen von Konzern-Beschäftigten in den zahlreichen Patentraub-Verfahren, die der Erfinder Heinz Süllhöfer gegen den Leverkusener Multi schon angestrengte, hat es ebenfalls nicht gegeben. „Meineide weisen wir auf das Schärfste zurück“, so der Ober-BAYER. Und die umstrittene Kohlenmonoxid-Pipeline ist für ihn natürlich auch nicht unnötig und gefährlich, sondern „das beste Transportmittel für flüssige und gasförmige Stoffe“.

„Ein üblicher Vorgang“
Dem widersprach nicht nur Harald Jochums vom NIEDERRHEINISCHEN UMWELTVERBAND (NUV) heftig. „Die CO-Pipeline gefährdet potentiell das Leben von vielen Menschen, die von der eigenen Landesregierung und der BAYER AG gezwungen werden, an dieser Pipeline zu leben, darunter insbesondere unsere Kinder, führt die Trasse doch bisweilen direkt an den Gartenzäunen von Kindergärten und Schulen vorbei“, führte Jochums aus. Trotzdem hat BAYER beim Bau nochmal an der Sicherheit gespart. Der Konzern verwendete nämlich nicht wie ursprünglich vorgesehen 80cm breite Schutzgitter, sondern nur 60cm breite, verlegte teilweise dünnere Rohre als vorgesehen und änderte nach Gutdünken den Verlauf der Leitung. „So schaffen Sie kein Vertrauen, Herr Wenning“, hielt Rainer Kalbe von der Bürgerinitiative STOPP CO-PIPELINE dem BAYER-Chef vor. Und alles andere als eine vertrauensbildende Maßnahme ist für Marlis Elsen von der FAMILIENHEIMSIEDLUNG LEHMKUHLER WEG e. V. auch der Eilantrag des Chemie-Multis zu vorzeitigen Inbetriebnahme der Pipeline, mit welcher das Unternehmen die für die Genehmigung zuständigen RichterInnen vor vollendete Tatsachen stellen will. Sollte der durchkommen, so wäre das für sie ein Zeichen dafür, dass „die Wirtschaft endgültig die Diktatur in dem Land übernehmen“ würde.

Werner Wenning sah hingegen in dem - knapp zwei Wochen nach der Hauptversammlung abgelehnten - Eilantrag „ein gängiges rechtliches Mittel“, und auch die von Rainer Kalbe monierten Abweichungen von den Planvorgaben waren für ihn ein „bei komplexen Maßnahmen üblicher Vorgang“. Also kein Grund zur Beunruhigung. Und wenn wider Erwarten doch mal etwas passiert, dann gilt es nach Ansicht Wennings ruhig Blut zu bewahren: „Radio einschalten, Lautsprecheransagen hören und entsprechend reagieren“.

Sicherheit „top“
In Institute ist im letzten Sommer ein solcher Ernstfall eingetreten, und BAYER war denkbar schlecht gerüstet, wie Philipp Mimkes von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN berichtete. „Schockwellen wie ein Erdbeben“ hat die Explosion in einer Pestizidproduktion Mimkes zufolge ausgelöst und zwei Beschäftigte das Leben gekostet. Ein Katastrophenplan existierte offenbar nicht. „Wir bekamen aus dem Werk nur dürftige Informationen. Das ist vollkommen wertlos“, zitierte der CBGler den Bezirkspräsident Kent Carper. Mimkes, der schon auf der letzten Hauptversammlung die mangelhafte Sicherheitslage in Institute kritisiert hatte, sah sich durch die Untersuchungsberichte zum Ereignis bestätigt. Diese hatten nämlich vorsätzlich deaktivierte Sicherheitssysteme und defekte Detektoren entdeckt. Wäre der hochgegangene Rückstandsbehälter auf seinem Weg der Zerstörung durch das BAYER-Gelände auf die nur 20 Meter vom Unglücksort entfernten Tanks mit der Bhopal-Chemikalie Methyl-Isocyanat (MIC) getroffen, so „hätte das Resultat eine Katastrophe schlimmer als das Bhopal-Unfall von 1984 sein können“, stellte das Waxman-Komitee bei einer Anhörung im US-Kongress zum Fall laut Mimkes fest. Dort gestand ein BAYER-Manager unter Eid auch, dass das Management Anti-Terrorgesetze nur vorgeschoben habe, um bestimmte Dokumente nicht herausgeben zu müssen, die für negative Schlagzeilen oder gar zur Forderung nach einem MIC-Produktionsstopp hätten führen können. Und diese zurückgehaltenen Dokumente hatten es wirklich in sich. Philipp Mimkes zitierte aus einer „Teile und Herrsche“-Strategie, welche die KritikerInnen spalten und gezielt Desinformationen verbreiten wollte, während der Konzern den Standort zur Besänftigung mit einer „Brot und Spiele“-Offensive zu beglücken trachtete.
Obwohl der CBG-Vorständler der Hauptversammlung das alles schwarz auf weiß präsentierte, sah Wenning die Vorwürfe als unberechtigt an: „Die Darstellung, BAYER habe versucht, den Behörden Informationen vorzuenthalten, ist falsch“. Ansonsten war für ihn alles halb so schlimm. Die Bevölkerung war seiner Meinung nach zu keinem Zeitpunkt gefährdet und zu Umweltbeeinträchtigungen ist es angeblich auch nicht gekommen. Trotz der zwei Toten besaß der BAYER-Boss sogar die Dreistigkeit, von einem „Top-Standard“ bei den Sicherheitsbedingungen zu sprechen. Für die Untersuchungen, die den Fall „Institute“ sogar vor den Kongress gebracht haben, hatte er auch eine nette Umschreibung übrig: Man sei „in Kontakt mit den zuständigen Behörden“.

„Verkettung unglücklicher Umstände“
Mit einem anderen Desaster beschäftigte sich Christoph Koch vom „Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbund“. „Als einer der betroffenen Berufsimker hier in Deutschland muss ich Sie hier heute mit der Frage konfrontieren, wie es möglich sein konnte, dass das legal zugelassene Beizmittel PONCHO bzw. PONCHO PRO dieses Konzerns allein in der BRD weit über 12.000 Bienenvölker nachweislich vergiften konnte“, so Koch. Ausreden wie „fehlerhafte Beize“, „fehlerhafte Sämaschinen“ und „Bienenkrankheiten“ wollte er dabei nicht gelten lassen. Genau mit diesen versuchte es Werner Wenning dann aber. Eine „Verkettung unglücklicher Umstände“ habe zu dem Bienensterben geführt, das er natürlich außerordentlich bedauerte, auch wenn es nur „ein lokales Ereignis“ war, sagte er und beruhigte: „Wir schließen eine Wiederholung aus“. Blanker Hohn angesichts des neuerlichen Bienensterbens in Österreich.

Genreis „sicher“
Ein anderes „höchst riskantes Geschäftsfeld“ setzte Philipp Strohm von GREENPEACE ÖSTERREICH auf die Agenda der Hauptversammlung: die Gentechnik. Im Jahr 2006 gelangte nicht zugelassener Gen-Reis von BAYER in handelsüblichen Supermarkt-Reis. Die Ursachen für den Gen-GAU sind noch immer unbekannt. Trotzdem strebt der Leverkusener Chemie-Multi gerade die weltweite Zulassung der Sorte LL62 an, der die Gen-WerkerInnen eine Immunität gegen den Pestizidwirkstoff Glufosinat eingebaut haben, eine laut Europäischer Lebensmittelbehörde das Fortpflanzungsvermögen beeinträchtigende und besonders für Kleinkinder gefährliche Substanz. „Und deshalb frage ich Sie heute, bevor es zu spät ist: Sehr geehrter Herr Wenning, wie können Sie es verantworten, ein gentechnisch verändertes Lebensmittel vermarkten zu wollen, von dem sie bereits jetzt wissen, dass es ein Gesundheitsrisiko birgt?“, pochte Strohm auf eine Erklärung. Seine Mängelliste war damit aber noch längst nicht abgearbeitet. Als Wundermittel gegen die Lebensmittelknappheit hat der jüngste Weltagrarbericht die Gentechnik Strohm zufolge gerade entzaubert, und die Erträge der manipulierten Pflanzen kämen auch nicht an die der konventionell gezüchteten Ackerfrüchte heran. Deshalb gab es für den Gentechnik-Gegner nur eine Lösung: Ausstieg aus der Risikotechnologie!

Dazu war Werner Wenning erwartungsgemäß nicht bereit. Der BAYER-Chef stand in Treue fest zu seiner „Zukunftstechnologie“, Auf diese „dürfen wir nicht aus ideologischen Gründen verzichten“, mahnte er. Nicht einmal der Genreis-GAU sprach für ihn gegen die „schöne, neue Gen-Welt“, denn: „Ein Fehlverhalten konnte nicht festgestellt werden“. Neuerliches Ungemach mit LL62, der „weltweit als sicher eingestuft“ ist, schloss er aus. Der Weltagrarbericht focht den Großen Vorsitzenden ebenfalls nicht an; er „verkennt die Möglichkeiten“ der Gentechnik bei der Lösung der Nahrungsmittel-Probleme in der „Dritten Welt“, so sein Urteil.

Patente „essenziell“
Wie wenig BAYER sich indessen um das Schicksal der Menschen in den armen Staaten schert, legte Oliver Moldenhauer von ÄRZTE OHNE GRENZEN dar. Der Pharma-Riese hat nämlich rechtliche Schritte gegen die indische Medikamenten-Zulassungsstelle eingeleitet, da diese dem einheimischen Unternehmen CIPLA die Genehmigung für ein Nachahmer-Präparat des BAYER-Krebsmittels NEXAVAR erteilt und damit angeblich Patentrechte des Leverkusener Multis verletzt hätte. Mit dieser Klage verhindert der Konzern nach Moldenhauers Meinung die Versorgung der Menschen in den „Entwicklungsländern“ mit erschwinglichen Arzneien. Er kritisierte die teure Pillen-Monopole schaffende Patent-Politik BAYERs im Allgemeinen und die „negative Vorreiterrolle“, die der Gen-Gigant dabei spielt, den indischen Herstellern von Generika-Produkten rechtliche Schwierigkeiten zu bereiten, im Besonderen. „Wir brauchen Generika aus Indien. Halb Afrika hängt davon ab“, mahnte er und appellierte an den Vorstand: „Hindern Sie unsere Ärzte nicht daran, Menschenleben zu retten“.

Aber der Vorstandsvorsitzende war nicht zu erweichen. Zu dem schwebenden Verfahren wollte er sich nicht äußern, deshalb blieb er beim Grundsätzlichen. Für BAYER ist „der Schutz des geistigen Eigentums essenziell“, erklärte er und sagte auch gleich, warum: Der Konzern mache „40 Prozent seines Umsatzes mit geschützten Verfahren“.

Kein Kommentar
Dieses „geistige Eigentum“ ist aber selber nur Frucht eines Aneignungsprozesses. So hat der Pharma-Riese mit der Universität Köln und über 800 anderen Hochschulen und Forschungseinrichtungen Kooperationsabkommen geschlossen, um sich „Zugang zu Wissen“ zu sichern. Der Verfasser dieser Zeilen verlangte in seiner Rede eine Offenlegung des Pharmaforschungsvertrages mit der Kölner Universitätsklinik und genaue Informationen zu den einzelnen Vereinbarungen. Aber Wenning mauerte. Er gab weder Auskünfte zur Regelung der Besitzansprüche an den Erfindungen oder zum Recht der Universität, auch über fehlgeschlagene Experimente zu berichten, noch überhaupt zum angestrebten Primat der Wirtschaft über die Wissenschaft. „Hier halten wir uns sowohl an die rechtlichen wie auch an die vertraglichen Vorgaben“, lautete die Begründung für das große Schweigen.

Keine „Kultur des Schweigens“
Von einer ganzen „Kultur des Schweigens“ bei BAYER sprach Guido Strack vom WHISTLEBLOWER NETZWERK e. V.. Der Leverkusener Multi hat sich zwar verpflichtet, Beschäftigte zu schützen, die als Whistleblower über Missstände im Unternehmen Bericht erstatten, aber was dieses Bekenntnis in der Realität wert ist, zeigt für Strack nicht nur der Fall des Pharma-Vertreters Alfredo Pequito, der wegen seiner Weigerung, MedizinerInnen zu bestechen, seinen Job verlor. Strack führte als weitere Beispiele gescheiterter Whistleblower Susan Blankett, die so frühzeitig wie vergeblich vor den Gefahren des Cholesterinsenkers LIPOBAY gewarnt hatte, und George Couto an, der den BAYER-Betrug an dem staatlichen Medikamenten-Hilfsprogramm für Bedürftige nicht mittragen wollte. Entsprechend niedrig ist die Zahl derjenigen, die es wagen, die konzern-internen Anlaufstellen aufzusuchen. Nur 50 bis 100 Whistleblower-Meldungen gingen dort laut Wenning im Geschäftsjahr 2008 ein - in anderen Großunternehmen sind es bedeutend mehr, wie Strack den AktionärInnen mitteilte. Trotzdem wies der BAYER-Chef dessen Vorwürfe zurück: „Sie sprachen von einer Kultur des Schweigens bei BAYER - dies ist falsch, das Gegenteil ist richtig“.

Keine Gehaltsgrenzen
Nach dem Umgang mit Whistleblowern fragte - mit ebenso geringem Erfolg - auch Antje Kleine-Wiskott vom DACHVERBAND DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE, denn dieser ist Bestandteil einer verantwortungsvollen Unternehmensführung, welche die Initiative in diesem Jahr zu ihrem Schwerpunkt-Thema gemacht hatte. Zu einer solchen verantwortungsvollen Unternehmensführung gehören für Kleine-Wiskott auch eine angemessene Berücksichtigung der Interessen der Belegschaft und der Kunden, eine sich im Rahmen haltende Gehaltsschere zwischen den einzelnen Ebenen im Konzern, eine persönliche Haftung der Vorstände und ein Verbot für diese, einen fliegenden Wechsel in den Aufsichtsrat vorzunehmen.
BAYERs Aufsichtsratsvorsitzender Manfred Schneider hatte da andere Ansichten. Zunächst sprach er sich gegen gesetzliche Vorschriften zu einer moralisch korrekten Geschäftspolitik aus: Er wäre prinzipiell eher für weniger rechtliche Regelungen als für mehr. Auch wollten sich seine Gehaltsvorstellungen nicht, wie von der Kritischen Aktionärin vorgeschlagen, auf das 20fache eines BAYER-Durchschnittslohns beschränken. Solche „statistischen Grenzen“ lehnte er genauso ab wie das Verbauen des Karriereweges vom Vorstandschef zum Aufsichtsratschef. Was sollte er als jemand, der gerade auf diese Weise zu seinem Posten gekommen ist, da auch anderes sagen als: „Je besser der Aufsichtsrat ein Unternehmen kennt, desto besser kann er seine Interessen wahrnehmen“.

„Ideologische Rundumschläge“
Eine Zusammenfassung von BAYERs unverantwortlicher Unternehmensführung lieferte Axel Köhler-Schnura, Vorständler der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN. Von A wie Arbeitsplatzvernichtung, der ab 1983 über 70.000 Stellen zum Opfer fielen, während sich gleichzeitig der Umsatz von 14 Milliarden Euro auf 33 Milliarden Euro mehr als verdoppelte, und C wie CO-Pipeline über G wie Gier und I wie Institute bis zu K wie Krefelder Kohlekraftwerk, das bei Inbetriebnahme jährlich 4,4 Millionen Tonnen Kohlendioxid ausstoßen würde, reichte seine die Unvereinbarkeit von Profit und Moral dokumentierende Panorama-Schau. Wenning tat diese als „Sammelsurium von subtilen Unterstellungen und ideologischen Rundumschlägen, um zu kritisieren, aber auch um kommunistisches Gedankengut zu verbreiten“ ab. Aber Köhler-Schnura hatte in seiner Rede mit einer solchen Replik schon gerechnet und Wennings Immun-Reaktion schon vorbeugend widersprochen. „Es mangelt nicht an der Stichhaltigkeit unserer Argumente, sondern es ist so, dass Herr Wenning hier eine sehr einseitige Wahrnehmung wiedergibt. Es sind nicht wir, die wir hier ohne Substanz argumentieren, es ist die Konzernleitung, die die Wahrheiten verdreht, Fakten unterschlägt und wahrheitswidrig berichtet“, stellte er richtig und sprach damit ohne Zweifel auch im Namen der anderen 14 Gegenredner, die BAYER an diesem Tag Paroli geboten hatten.
Von Jan Pehrke

[Ticker] STICHWORT BAYER 01/2009 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Demo gegen Kohlekraftwerk
Am 6. Juni 2009 haben in Krefeld ca. 1.500 Menschen gegen das auf dem Chemie-„Park“ von BAYER geplante Kohlekraftwerk demonstriert, und die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN durfte dabei natürlich nicht fehlen. „Im Gegensatz zu einem Gaskraftwerk würde uns das Kohlekraftwerk über vier bis fünf Jahrzehnte hinweg mit Feinstaub, Schwermetallen, Radioaktivität und mit jährlich rund 4,4 Millionen Tonnen CO2 belasten. Gas- und Dampfturbinenkraftwerke nutzen bis zu 90 Prozent der im Gas enthaltenen Energie, Kohlekraftwerke nur maximal 60 Prozent”, so Ulrich Grubert vom NIEDERRHEINISCHEN UMWELTSCHUTZVEREIN in seiner Kundgebungsrede. Sogar GewerkschaftlerInnen gehörten zu den ProtestlerInnen. Norbert Bömer, gleichzeitig Mitglied der IG METALL und der Initiative SAUBERE LUFT, äußerte zwar Verständnis für seine um die Arbeitsplätze besorgten KollegInnen, hält aber ein Gaskraftwerk für die bessere - und auch arbeitsplatz-verträgliche - Alternative. „Wir gehören zusammen. Wir sollten nicht gegeneinander antreten“, mahnte er. Die prominenteste Rednerin war die ehemalige NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn. „Kohlekraftwerke sind klimaschädlich, Kohlekraftwerke sind Klimakiller”, wetterte sie und gab zu bedenken: „Die Bundesregierung will den CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent reduzieren. Jedes der 20 in Deutschland geplanten neuen Kohlekraftwerke wird aber dazu führen, dass diese Ziele verfehlt werden.”

Demo in Lyon
Mit einer Lohnerhöhung von einem Prozent wollte BAYER CROPSCIENCE seine Beschäftigten in Frankreich abspeisen. Zudem kündigte der Konzern Arbeitsplatzvernichtungen durch Umstrukturierungsmaßnahmen an. Am Standort Lyon reagierte die Belegschaft darauf mit einer Protest-Kundgebung.

Pipeline-Mahnwache
Ende Mai 2009 hatte das Düsseldorfer Verwaltungsgericht einen Antrag BAYERs auf vorzeitige Inbetriebnahme der vom Standort Krefeld zum Standort Dormagen führenden Kohlenmonoxid-Leitung wegen Sicherheitsbedenken abgelehnt (siehe RECHT & UNBILLIG). Die Grünen sahen sofort politischen Handlungsbedarf und setzten das Thema auf die Tagesordnung des NRW-Umweltausschusses. Um den außerparlamentarischen Druck auf die PolitikerInnen zu erhöhen, das umstrittene Projekt endlich zu stoppen, hielt die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) vor dem Landtag eine Mahnwache ab. Und mit dem Ergebnis können die CBG und ihre MitstreiterInnen einstweilen zufrieden sein. Die Landesregierung will ein neues Sicherheitsgutachten in Auftrag geben, das die Inbetriebnahme bis mindestens 2012 verzögert. Das könnte die Pipeline zu einem Rohrkrepierer machen.

PONCHO-Zulassungsunterlagen öffentlich
Im letzten Jahr hat BAYERs Saatgut-Beizmittel PONCHO ein verheerendes Bienensterben ausgelöst. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hegte den Verdacht, dass der Agro-Riese diese Gefahr bei den Genehmigungsbehörden heruntergespielt hat und verlangte in einem Offenen Brief an das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ (BVL) die Herausgabe der Zulassungsunterlagen. Der Leverkusener Multi legte umgehend Widerspruch ein. Die Behörde gab diesem jedoch nicht statt und erklärte das Begehr der CBG für zulässig. Nach Meinung des BVL besteht ein berechtigtes öffentliches Interesse an den Dokumenten. „Die Entscheidung über die (Wieder-)Zulassung von PONCHO steht noch aus. Bei dieser Entscheidung ist die Frage, ob die Bewertung seinerzeit objektiv abgelaufen ist, durchaus von Relevanz“, lautete die Begründung des Bundesamtes.

Kölner Universität antwortet
DIE COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hatte die Uniklinik Köln gemeinsam mit den KRITISCHEN MEDIZINSTUDIERENDEN AN DER UNI KÖLN, MEDICO INTERNATIONAL und anderen Gruppen in einem Offenen Brief aufgefordert, den mit BAYER geschlossenen Kooperationsvertrag publik zu machen. Zudem verlangten die Initiativen Informationen zu den Details der Vereinbarung. „Verzichtet die Uniklinik auf die negative Publikationsfreiheit - also darauf, auch fehlgeschlagene Experimente publik zu machen? Müssen Studien vor ihrer Veröffentlichung der BAYER AG vorgelegt werden? Wie wird sichergestellt, dass Konzeption und Auswertung pharmakologischer Studien nicht allein durch ökonomische Interessen beeinflusst werden? Wie ist die Frage der Rechte an Arznei-Entwicklungen geregelt?“ - diese Fragen stellten die Gruppen dem Universitätsklinikum unter anderem. Ende März 2009 lehnte es die Universität in ihrem Antwortschreiben ab, den Vertrag zu veröffentlichen. Nur zu einigen Fragen gab sie Auskunft. Einen Verzicht auf die negative Publikationsfreiheit hat die Hochschule demnach nicht geleistet. Die Unabhängigkeit der Forschung sieht sie durch den unabhängigen Lenkungsausschuss gewahrt. Zur Frage der Rechte an den Entwicklungen verwies die Uni auf das Arzneimittel- und ArbeitnehmerInnen-Erfindungsgesetz. Diese Angaben reichten den Initiativen nicht. Sie pochten in einem Schreiben an die Bildungseinrichtung nochmals auf die Veröffentlichung des Vertrages und zitierten dabei die Auffassung der Landesbeauftragten für Datenschutz, wonach das Paragraphen-Werk nicht in den vom Informationsfreiheitsgesetz ausgenommenen Bereich fällt. Darüber hinaus erbaten die Gruppen Präzisierungen zur Frage der Rechte an den Erfindungen, der Geheimhaltungspflichten und der Überwachung der Klinischen Erprobungen.

Kein Datenschutz für Kölner Uni
Die Kölner Universität hatte es abgelehnt, den mit BAYER geschlossenen Kooperationsvertrag offen zu legen (s. o.) und sich dabei auf das Datenschutzgesetz berufen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN bat daraufhin die NRW-Datenschutzbeauftragte, den Fall zu prüfen. Die Antwort fiel eindeutig aus. „Wir teilen Ihnen mit, dass nach Prüfung des Vertragstextes der Auffassung der Universität, der Kooperationsvertrag falle in den vom IFG NRW (Informationsfreiheitsgesetz, Anm. Ticker) ausgenommenen Bereich von Forschung und Lehre, nicht gefolgt wird“.

CBG beim „Rundumschlag 09“
Am 21 März fand in Köln der „Rundumschlag 09“ zum Thema „Kapitalismus - ich KRIEG die KRISE“ statt. Neben Initiativen wie BUSINESS CRIME CONTROL, ATTAC und BUND gehörte auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zu den Teilnehmern. Gemeinsam mit LOBBYCONTROL bot die CBG einen workshop zu „Konzernkritische Gruppen in Köln“ an, der auf reges Interesse stieß.

CBG schreibt der UN
1999 haben sich BAYER und andere Multis am Rande des Davoser Weltwirtschaftsforums im „Global Compact“ dazu bekannt, soziale, ökologische und menschenrechtliche Standards einzuhalten. Nach Meinung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat der Leverkusener Multi mit der Beinah-Katastrophe in Institute und seiner Reaktion darauf gegen diese Regularien verstoßen. Der Konzern hatte im Vorfeld lange bekannte Sicherheitsmängel nicht behoben, defekte Detektoren nicht repariert und Warnsysteme deaktiviert. Nach der Explosion informierte er zudem die Öffentlichkeit unter Berufung auf die Antiterror-Gesetze nur spärlich (siehe SWB 2/09). Die CBG hat die UN deshalb in einem Offenen Brief aufgefordert, den Agro-Riesen aus dem „Global Compact“ auszuschließen. Die Antwort traf umgehend ein. Der „Global Compact“ legte dar, dass er über keinerlei Mandat verfügt, die Einhaltung seiner Prinzipien zu kontrollieren und gegebenenfalls Sanktionen auszusprechen. Nur einen Dialog moderieren könne er. Trotz dieses politischen Offenbarungseides schlug das Büro vor, ein Verfahren wegen Regelverstoßes gegen BAYER einzuleiten, was die CBG auch tat.

Prinz Charles kritisiert Gen-Multis
Prinz Charles hat in einem Interview mit dem daily telegraph massive Kritik an den Gen-Multis geübt. Für ihn unternehmen BAYER & Co. „ein gigantisches Experiment (...) mit der Natur und der Menschheit, das vollkommen schief gegangen ist“. Bei der Lebensmittel-Versorgung auf die großen Konzerne zu setzen, wird in einem „absoluten Desaster“ enden, prophezeite der Prinz.

Leserbriefe zur Pipeline
Die Regionalzeitungen erhalten eine Flut von Leserbriefen zu der von BAYER zwischen Dormagen und Krefeld geplanten Kohlenmonoxid-Pipeline. „Es verbietet sich geradezu, den Betrieb der giftigen CO-Gas-Pipeline mit Allgemeinwohl zu begründen, die Wertschöpfung liegt alleine nur bei der BAYER AG, die Moral und Ethik mit Füßen tritt“, empört sich beispielsweise ein Leser der Westdeutschen Allgemeinen.

BAYER: PONCHO bienensicher
Im letzten Frühjahr hat BAYERs Saatgutbehandlungsmittel PONCHO in Süddeutschland ein großes Bienensterben verursacht. Ein Mitglied des NIEDERRHEINISCHEN UMWELTVEREINS forderte den Leverkusener Multi deshalb zu einer Stellungnahme auf. In seiner Antwort wies der Konzern alle Schuld von sich. Einige fehlerhaft behandelte Saatgutpartien hätten im Verbund mit einigen fehlerhaft konstruierten Sämaschinen und starkem Wind zu dem Bienensterben geführt, so der Agro-Riese. Mit PONCHO hatte all das dem Unternehmen zufolge nichts tun: „Nach allen uns vorliegenden Untersuchungen ist unser Produkt bei Einhaltung der empfohlenen Beizqualität bienensicher“.

Anfrage zu Glufosinat
Die Linkspartei hat eine Kleine Anfrage zum BAYER-Pestizid Glufosinat gestellt, von dem die LandwirtInnen allein in der Bundesrepublik jährlich 48 Tonnen verspritzen. Sie wollte von der Bundesregierung unter anderem wissen, warum Glufosinat trotz seiner erbgut-schädigenden Wirkung immer noch auf dem Markt ist. Zudem erbat die Linke eine Stellungsnahme der Bundesregierung zum laufenden Zulassungsverfahren des glufosinat-resistenten BAYER-Genmais‘ 1507, den der Multi im Kombipack mit dem Mittel anbieten will. Die neue EU-Verordnung sei noch nicht in Kraft, antwortete die Bundesregierung. Zudem erfülle Glufosinat die Zulassungskriterien: „Bei bestimmungs- und sachgemäßer Anwendung sind keine Risiken für Anwender, Verbraucher und Umstehende zu sehen“. Auch beim BAYER-Mais gibt die große Koalition Entwarnung, „da das Produkt (...) mit glufosinat-haltigen Herbiziden nur in der Art und Weise verwendet werden darf, die der herkömmlichen Praxis bei nicht Glufosinat-tolerantem Mais entspricht“.

Anfrage zu TDA
Im November 2008 hat der grüne Landespolitiker Johannes Remmel eine Kleine Anfrage zu der von BAYER produzierten, Krebs erregenden Chemikalie Toluylendiamin (TDA) gestellt. Nach Auskunft der Landesregierung fielen bei der Herstellung Reststoffe wie verbrauchte Katalysatoren und ein TDA-Gemisch an. Im Jahr 2007 entsorgte BAYER ein Großteil dieser Substanzen - 36 Tonnen bzw. 260 Tonnen - in der Dormagener Rückstandsverbrennungsanlage. Dabei entstehen Kohlendioxid- und Stickstoffmonoxid-Emissionen. Die im Umfeld des Müllofens gemessene Stickstoffmonoxid-Konzentration lag im Jahresmittel bei 109 mg/Nm3 (Grenzwert: 200mg/Nm3).

KAPITAL & ARBEIT

Vassiliadis neuer IG-BCE-Chef
Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) bestimmte Ende Mai Michael Vassiliadis zum neuen Vorsitzenden und Nachfolger von Hubertus Schmoldt. Am unternehmensfreundlichen Kurs der Interessensvertretung wird Vassiliadis festhalten. „Konzernlenker loben ihn als kooperatives Gegenüber“, weiß die Financial Times Deutschland. Und der Gewerkschaftler bekennt sich auch dazu. „Sozialpartnerschaft ist nicht immer sexy und kann langweilig wirken, aber es ist belegbar, dass sie in der Vergangenheit kontinuierlich erfolgreich war“, sagt der 45-Jährige. Über den nötigen BAYER-Stallgeruch verfügt er auch: Wie bereits sein Vater arbeitete er lange beim Leverkusener Multi.

Christliche Gewerkschaft unterliegt
Vor der Wirtschaftskrise hat BAYER nach eigenen Angaben bis zu 650 LeiharbeiterInnen beschäftigt; momentan sind es noch 536. Teilweise arbeiteten sie nach dem von der Christlichen Gewerkschaft abgeschlossenen Tarifvertrag zu einem Gotteslohn von 5,20 Euro brutto (SWB 4/08). Der Deutsche Gewerkschaftsbund hält die „Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen“ mangels Masse organisierter LeiharbeiterInnen allerdings für nicht tariffähig und zog vor Gericht. In erster Instanz gaben die RichterInnen dem DGB Recht. Allerdings wollen die unchristlichen LohndumperInnen in die Berufung gehen. Das Urteil hat jedoch jetzt schon Konsequenzen: LeiharbeiterInnen klagen Lohnnachzahlungen ein.

Fahrerlose Transportsysteme
Im Bitterfelder BAYER-Werk braucht es zum Hin-und-Herkutschieren der Arznei-Paletten keine Menschen mehr. „Fahrerlose Transportfahrzeuge“, kurz FTF genannt, übernehmen den Job. 20 Stück davon tun davon in der Pillen-Produktion ihren Dienst. „Weniger Unfälle mit schwerem Gerät, eine Fehlerquote nahe null, keine personellen Unwägbarkeiten“, benennt eine BAYER-Sprecherin die Vorteile. Und damit den Robotern nicht alles Menschliche fremd bleibt, hat der Konzern ihnen Namen wie Rudolf oder Birgit gegeben.

ManagerInnen-Gehälter unverdient
Krise hin, Krise her: BAYER-Chef Werner Wenning konnte 2008 sein Salär gegenüber dem Vorjahr noch einmal um zwei Prozent auf 3,66 Millionen Euro steigern. Verdient hat er das nach einer vom Bundesarbeitsministerium in Auftrag gegebenen Studie ebenso wenig wie seine Kollegen. „Vorstände von großen Aktiengesellschaften werden nicht nach Effizienz-Kriterien vergütet“, lautet das Resümee. Nicht an den Geschäftszahlen orientiere sich die Bezahlung, vielmehr bestimme die Größe des Unternehmens das Gehalt, so die ProfessorInnen.

Krebs durch Schichtarbeit
Schichtarbeit, wie sie in der BAYER-Produktion üblich ist, fördert die Entstehung von Krebs. Das ergab eine von der Universität Köln vorgenommene Auswertung von 30 Studien. Teilweise liegt das Risiko einer Erkrankung bei im Schichtdienst Beschäftigen um 70 Prozent höher als bei Menschen mit einer geregelten Arbeitszeit. Als ein Hauptgrund für die Gesundheitsgefährdung sehen die MedizinerInnen die verminderte Produktion des Hormones Melatonin an, für dessen Herstellung der Organismus Dunkelheit benötigt. Sinkt der Melatonin-Spiegel, so kann der Körper nicht in ausreichendem Maße regenerieren und die zellen-schädigenden freien Sauerstoffradikalen nicht binden.

ERSTE & DRITTE WELT

EU betreibt „Rohstoff-Diplomatie“
Die EU hat eine Initiative angekündigt, um die Rohstoff-Versorgung von BAYER & Co. sicherzustellen. Wenn Länder „den ungehinderten Zugang zu ihren Rohstoffen verwehren“, haben sie künftig Nachteile bei der Entwicklungshilfe zu erwarten. Diese von der EU-Kommission „Rohstoff-Diplomatie“ getaufte Strategie zielt vor allem auf Energie-Ressourcen, Metalle, Chemikalien, Holz und Mineralien ab.

EU betreibt Patent-Politik
Seit die Verhandlungsrunden der WTO zur weiteren Liberalisierung des Welthandels gescheitert sind, betreibt die EU Marktöffnungspolitik auf eigene Rechnung. Beim Thema „Patente“ geht sie dabei sogar noch über das berühmt-berüchtigte TRIPS-Abkommen der WHO hinaus. In Verhandlungen mit Kolumbien dringt die Europäische Union auf eine Verlängerung der Patentlaufzeiten für Medikamente von 20 auf 25 Jahre. Die den Zulassungen vorausgegangenen Arznei-Tests will Brüssel nicht mehr wie bisher nach fünf, sondern erst nach elf Jahren zugänglich machen. Zuwiderhandlungen sollen sogar zu strafrechtlichen Konsequenzen führen. „Wenn die EU ihre Vorschläge durchsetzt, wird Gesundheit unbezahlbar, denn Generika (billige Nachahmer-Präparate, Anm. Ticker) werden vom Markt verschwinden“, prophezeit Germán Holguín von der Initiative MISIÓN SALUD. Marianne Gumaelius von der „Generaldirektion Handel“ der EU-Kommission kümmert das herzlich wenig. „Gerade in Zeiten der Krise muss die EU neue Instrumente suchen, um ökonomisch zu wachsen“, so Gumaelius. Ökonomisch wachsen auf Kosten der Ärmsten der Armen - das versucht auch BAYER derzeit in Indien. Der Leverkusener Multi hat einen Generika-Hersteller wegen Patentverletzung verklagt.

POLITIK & EINFLUSS

„Pro Industrie“-Kampagne in NRW
Der zunehmende Widerstand gegen Industrie-Projekte wie BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline und das Kohlekraftwerk im Krefelder Chemie-Park bewog die Landesregierung jetzt zum Handeln. „Solch ablehnende Haltungen behindern die Entwicklung des Industrie-Standortes Nordrhein-Westfalen“, heißt es in der „Düsseldorfer Erklärung zur Industriepolitik“ von CDU/FDP-Koalition, Unternehmen und Gewerkschaften. Künftig will die von ihnen gegründete „Allianz Pro Industrie und Nachhaltigkeit“ solchen Entwicklungen in einer konzertierten Aktion Einhalt gebieten. Aber ob der Mix aus Drohungen mit Arbeitsplatzvernichtung, Bekenntnissen zu mehr Transparenz und milden Gaben für Soziales, Kultur und Sport die Akzeptanz für umstrittene Vorhaben erhöhen kann, darf bezweifelt werden.

Garthoff sitzt BIO.NRW vor
Das Land Nordrhein-Westfalen setzt unter Innovationsminister Andreas Pinkwart stark auf die Biotechnologie. Zu diesem Behufe hat es unter anderem das Netzwerk BIO.NRW geschaffen, das Wissenschaft und Wirtschaft stärker verzahnen soll. Für Projekte dieser Art stellt die Landesregierung Mittel in Höhe von 260 Millionen Euro
bereit. So einiges davon könnte der Leverkusener Multi abgreifen, denn Pinkwart nominierte den ehemaligen BAYER-Manager und Ex-Vorsitzenden der „Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie“, Bernward Garthoff, zum Leiter. „Mit Bernward Garthoff übernimmt eine in der nationalen wie internationalen Biotechnologie-Szene bekannte Persönlichkeit eine Schlüsselrolle für die Entwicklung dieses Zukunftsfeldes in Nordrhein-Westfalen“, sagte der Innovationsminister zur Amtseinführung.

Chinas Botschafter bei BAYER
Chinas Botschafter in der Bundesrepublik, Ma Conrong, stattete dem Leverkusener Multi nun schon zum zweiten Mal während seiner Amtszeit einen Besuch ab. Unter anderem traf er Konzern-Boss Werner Wenning und Forschungsvorstand Werner Plischke zu Gesprächen über die BAYER-Pläne in seinem Land.

Große Entrups „Wahlbausteine“
Wolfgang Große Entrup, der Vorsteher des BAYER-Stabes „Politik und Umwelt“, gehört als Leiter der Umweltkommission dem CDU-Wirtschaftsrat an. Dieses Gremium hat Ende April „Wahlbausteine“ veröffentlicht, deren Ähnlichkeiten mit den von der „Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände“ (BDA) in ihrer Publikation „Die Krise bewältigen“ geforderten Maßnahmen alles andere als zufällig ist. „Steuererleichterungen in Milliardenhöhe“, „Abkoppelung der Sozialversicherungsbeiträge von den Löhnen“, „flexiblere Arbeitsverträge“, „mehr betriebliche Bündnisse für Arbeit“ und „weniger Kündigungsschutz“ - das war sogar für die Parteileitung zu starker Tobak.

Große Entrup begrüßt Amflora-Urteil
BAYER-Manager Wolfgang Große Entrup kann wieder etwas optimistischer in die Zukunft der grünen Gentechnik schauen. In seiner Funktion als Leiter der Umweltkommission des CDU-Wirtschaftsrats begrüßte er
das „Ja“ von Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner zum Versuchsanbau von BASFs Gen-Kartoffel Amflora. „Mit der Genehmigung des Versuchsanbaus haben sich Sachargumente bei der Bewertung der Pflanzenbiotechnologie wieder durchgesetzt. Nach dem Verbot der Aussaat von Genmais war zweifelhaft, ob in Deutschland wichtige technologische Innovationen noch entwickelt und vermarktet werden können. Jetzt dürfen wir optimistischer sein“, erklärte er. Dabei dachte Große Entrup sicherlich auch an die Kartoffel, deren Stärkegehalt BAYER gerade mittels Gentechnik erhöhen will. Die EU hält sich derweil eine Entscheidung über die Amflora-Zulassung trotz Unbedenklichkeitsbescheinigung der „Europäischen Agentur für Lebensmittelsicherheit“ (EFSA) noch offen, weil in den Mitgliedsländern der Widerstand gegen die „Zukunftstechnologie“ wächst. Umweltkommissar Stavros Dimas drängt derweil auf ein Moratorium, bis die EU die Genehmigungsverfahren reformiert hat.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYERs Pipeline-Deal
Investitionen von 200 Millionen Euro gegen eine Allgemeinwohl-Bescheinigung für die Kohlenmonoxid-Pipeline - so lautet der Deal, den der Leverkusener Multi im April 2009 mit der nordrhein-westfälischen Landesregierung ausgehandelt hat. Der entsprechende Vertrag, der nach dem Urteil des Düsseldorfer Verwaltungsgerichts (siehe RECHT & UNBILLIG) inzwischen Makulatur sein dürfte, hat bei Bekanntwerden eine Welle der Empörung ausgelöst. Die Landesregierung würde die 100.000 BürgerInnen, die ihre Unterschrift gegen das Projekt gegeben haben, an BAYER verkaufen, kritisierte Wolfgang Cüppers von der INTERESSENSGEMEINSCHAFT ERKRATH. Und „erstaunt über diese Vorgehensweise“ zeigte sich der Sprecher der grünen Landtagsfraktion, Johannes Remmel.

Bußfertige YAZ-Werbung
BAYER hatte seiner mitunter lebensgefährlichen Antibabypille YAZ (siehe DRUGS & PILLS) in US-Werbespots wider besseren Wissens positive Effekte auf Akne sowie auf das - nicht offiziell als Krankheit anerkannte - prämenstruelle Syndrom angedichtet (Ticker 1/09) und muss nun dafür büßen. Bisher einmalig in der Werbe-Geschichte, verpflichtete die US-amerikanische Aufsichtsbehörde FDA den Leverkusener Multi zu einer Gegendarstellung in Form einer neuen Reklame. Und so verkündet eine Werbeträgerin in dem frisch produzierten YAZ-Film nun: „Vielleicht haben Sie Werbespots für YAZ gesehen, die nicht ganz klar waren. Die FDA will, dass wir ein paar Punkte in diesen Spots korrigieren“.

YAZ-Werbung jetzt mit Promis
Nachdem die US-amerikanischen Aufsichtsbehörden die Kampagne für die Antibaby-Pille YAZ (zu den Nebenwirkungen siehe DRUGS & PILLS) wegen irreführender Aussagen aus dem Verkehr gezogen haben (s. o.), setzt BAYER nun auf den Promi-Effekt. Der Konzern verpflichtete für die neuen, in den USA ausgestrahlten Werbe-Clips die aus der MTV-Serie „The Hills“ bekannte Lo Bosworth.

BAYER stoppt LEVITRA-Werbung
BAYER musste in Spanien eine Kampagne für das Potenzmittel LEVITRA zurückziehen. „Ich bin es Leid, meiner Frau immer nur Konfekt und Blumen zu schenken. Ich möchte der bestmögliche Liebhaber werden“, mit diesem Begehr wandte sich ein Mann in einer 40.000fach an MedizinerInnen und ApothekerInnen verschickten Werbesendung an seinen Arzt, um ein LEVITRA-Rezept zu erhalten. Zahlreiche AdressatInnen beschwerten sich umgehend über den Machismus dieser Reklame und zwangen den Konzern damit zum Stopp der Aktion. „Der Tonfall der Werbung war wohl nicht ideal“, räumte eine BAYER-Sprecherin kleinlaut ein.

Millionenschwere Pharma-Werbung
BAYER & Co. erhöhen ihre Etats für Pillen-Werbung kontinuierlich. Allein in bundesdeutschen Zeitungen und Zeitschriften schalteten die Pillen-Riesen 2008 Anzeigen im Wert von 342 Millionen Euro. Als größter bundesdeutscher Arznei-Hersteller dürfte BAYER daran einen maßgeblichen Anteil haben.

Bisphenol-Kampagne
Die von BAYER massenhaft hergestellte und vor allem in Mineralwasser- und Babyflaschen sowie Konservendosen Verwendung findende Chemikalie Bisphenol A (BPA) wirkt hormon-ähnlich und kann deshalb die Entwicklung des Gehirns, Stoffwechselprozesse und die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen sowie Diabetes und Herz/Kreislauf-Erkrankungen befördern. Kanada hat die Verwendung in Babyflaschen deshalb bereits verboten. Da die Hersteller weiteres „Unheil“ befürchten, haben sie eine Strategie-Treffen anberaumt. Mit „Angst-Taktiken“ beabsichtigen BAYER & Co. ihr Gift-Produkt auf dem Markt halten. „Wollen Sie etwa keinen Zugang zu Baby-Nahrung mehr haben?“ - Fragen wie diese sollen die VerbraucherInnen verunsichern.

BETAFERON-Beobachtungsstudie
Fast 2.000 Anwendungsstudien führten bundesdeutsche MedizinerInnen im Jahr 2008 mit Pillen der Pharma-Riesen durch, darunter auch mit BAYERs Multiple-Sklerose-Präparat BETAFERON. ExpertInnen halten 80 Prozent dieser Beobachtungsstudien für wertlos, denn sie dienen weniger wissenschaftlichen als vielmehr Vermarktungszwecken. Die Pharma-Multis zahlen den ÄrztInnen Geld, wenn diese ihre PatientInnen auf ein firmen-eigenes Medikament umstellen und dazu pro forma einige Angaben zur Verträglichkeit machen. Für die ÄrztInnen lohnt sich das Ausfüllen der Fragebögen allerdings sehr. So war BAYER einst das Akquirieren von fünf neuen KundInnen für den als Mittel zweiter Wahl geltenden Blutdrucksenker BAYOTENSIN schon mal 375 Euro wert, weil sich diese Investition auf lange Sicht auszahlt.

„Boulevard der Marken“ abgesagt
BAYER & Co. wollten bei den Jubiläumsfeierlichkeiten zu „60 Jahre Grundgesetz“ gehörig mitmischen. Vor dem Brandenburger Tor sollte ein „Boulevard der Marken“ entstehen, auf dem Bildstelen ASPIRIN, Nivea und andere Produkte preisen. Doch nach massiver öffentlicher Kritik blies das Bundesinnenministerium die Sache ab und entzog der Eventagentur mit den guten Kontakten zum „Bundesverband der Deutschen Industrie“ den Auftrag.

BAYER springt auf Wissenschaftszug auf
Aus Anlass des 60-jährigen Bestehens der Bundesrepublik setzt das Bundesforschungsministerium in Kooperation mit der „Max-Planck-Gesellschaft“ und der Wirtschaft den Sonderzug „Expedition Zukunft“ aufs Gleis. Ab April rollt er durch die deutschen Lande, um dafür zu sorgen, dass „die Arbeit von Forscherinnen und Forschern wieder mehr Wertschätzung erfährt“. Das liegt auch BAYER am Herzen, denn die mangelnde Akzeptanz von Gentechnik & Co. verhagelt dem Konzern die Bilanzen. Deshalb unterstützt der Leverkusener Multi das Projekt finanziell und stellt Exponate zur Verfügung. Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ es sich nicht nehmen, höchstpersönlich das Signal zur Abfahrt des Propaganda-Zuges zu geben, der mit Slogans wie „Konventionelle Züchtung schöpft nicht alle Möglichkeiten aus“ aufwartet, und auf die Frage: „Wie werden wir neun Milliarden Menschen ernähren?“ natürlich die Antwort: „Mit der Gentechnik“ bereithält.

Dubiose Kinderarmutsstudie
BAYER finanzierte der Universität Bielefeld eine Studie zur Kinderarmut und lieferte auch gleich die Studien-Objekte. Diese setzten sich nämlich aus TeilnehmerInnen einer Ferien-Freizeit des ebenfalls vom Leverkusener Multi geförderten Kinderhilfswerks „Arche“ zusammen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN kritisierte die Kooperation in Leserbriefen zu Zeitungsveröffentlichungen und schrieb der verantwortlichen Professorin Sabine Andresen. Die Wissenschaftlerin antwortete: „In der Tat haben wir uns im Vorfeld auch lange überlegt, ob wir diese Studie übernehmen, während des halbjährigen Forschungsprozesses haben wir als Forscherteam uns immer wieder kritisch hinterfragen müssen, was wir da eigentlich tun“.

BAYER gratuliert Helmut Schmidt
Die Wochenzeitung Die Zeit hat ihren Mitherausgeber, Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt, zu seinem 90. Geburtstag mit einem Sonderheft geehrt. Zu den GratulantInnen gehörte auch BAYER. „Hochachtungsvoll“ hieß es auf der 1-seitigen Anzeige schlicht, und im Kleingedruckten folgte die Selbsterklärung des Glückwunsch-Senders. „Wir sind als Unternehmen ein Teil der Gesellschaft unseres Landes, um das sich Helmut Schmidt verdient gemacht hat“.

Forever young mit Testosteron?
„Müde und lustlos? Unkonzentriert und gereizt? Und dann noch Stress mit der Partnerin?“, fragt BAYER und weiß auch gleich Abhilfe: die Testosteron-Präparate des Konzerns. Auf der Werbeseite www.testosteron.de kann der Mann ab 40 dann praktischerweise gleich einen Test machen und zum Konzern-Kunden werden. „Damit Sie wieder vital, aktiv und ausgeglichen sind“, verspricht der Pharma-Riese. Risiken und Nebenwirkungen wie Bluthochdruck, Ödeme, Herzkrankheiten, Blutverdickung, Leberschäden und Wachstum der Prostata verschweigt der Multi dagegen.

BAYER fördert Schulen
Um die Lust an Naturwissenschaften im Allgemeinen und die von BAYER betriebenen im Besonderen zu wecken, fördert der Leverkusener Multi den Unterricht in diesen Fächern steuernsparend über seine Stiftung „BAYER SCIENCE & EDUCATION“. Diese schüttet jährlich ca. 500.000 Euro an Bildungseinrichtungen im Umkreis der Standorte aus. 20.000 Euro davon erhielt die Jenaer Lobdebergschule für ein Forschungslabor. Und in Weimar stellte der Konzern gleich drei Schulen Schecks aus.

Lernpartnerschaft mit Gesamtschule
Das BAYER-Werk in Bergkamen hat eine „Lernpartnerschaft“ mit der Willy-Brandt-Gesamtschule der Stadt geschlossen. Gemäß dieser Vereinbarung überlässt der Multi den SchülerInnen seine Ausbildungslabors, Metall- und Elektrowerkstätten, schickt seine Lehrlinge in die Klassen und bildet die LehrerInnen in den Ferien durch Betriebspraktika fort.

BAYER bei Klima-Diskussion
7,6 Millionen Tonnen Kohlendioxid blies der Leverkusener Multi 2007 in die Luft. Eigene Kraftwerke, Anlagen oder Müllverbrennungsöfen trugen dazu 3,9 Millionen Tonnen bei; 3,7 Millionen wurden bei der Produktion zugekaufter Energie fällig. Das hindert den Konzern jedoch nicht, sich in der Öffentlichkeit als der große Klima-Kümmerer zu inszenieren. So gehört das Unternehmen der Initiative „Wirtschaft für Klimaschutz“ an, die vom „Bundesverband der Deutschen Industrie“ ins Leben gerufen wurde und nimmt auch an ExpertInnen-Workshops dieser Organisation teil. Der BAYER-Manager Dr. Manfred Marsmann saß Ende April 2009 bei einer Diskussion zum Thema „Technologie-Transfer und Finanzkooperation: Eckpfeiler eines Post-Kyoto-Regimes“ mit auf dem Podium.

BAYER verleiht Klima-Preis
Neues aus der Rubrik „Bock zum Gärtner“: Der Leverkusener Multi, der auf Kohlendioxid-Emissionen von 7,6 Millionen Tonnen im Jahr kommt, fühlt sich berufen, einen Klima-Preis zu verleihen. Der Konzern verlieh Eberhard Jochems vom „Fraunhofer Institut“ den mit 50.000 Euro dotierten „BAYER Climate Award“. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) klärte den Ausgezeichneten über die Hintergründe des Klima-Programms von BAYER auf und schlug ihm vor, das Preisgeld zur Untersuchung der Klima-Bilanz von Chemie-Multis zu verwenden. Eine Antwort auf den Brief blieb bisher allerdings noch aus.

Buchwürdiges Greenwashing
Die Greenwashing-Aktivitäten des Leverkusener Multis, die ihn mittels teurer PR-Maßnahmen trotz massiver Kohlendioxid-Emissionen als Klima-Kümmerer und trotz immenser Wasser-Verschmutzungen als Wasser-Retter erscheinen lassen, haben es mittlerweile zu Buch-Ehren gebracht. Stefan Kreutzbergers Werk „Die Ökolüge - Wie Sie den grünen Etikettenschwindel durchschauen“ räumt dem Konzern sogar ein eigenes Kapitel ein.

TIERE & VERSUCHE

Zweifel an Tierversuchen
Die Zahl der Tierversuche steigt ständig. Starben 1997 in den Laboren der Unternehmen 1,5 Millionen Lebewesen, so waren es 2007 bereits 2,6 Millionen. Der Leverkusener Multi beziffert die Zahl der im Dienste seiner Forschung gestorbenen Tiere auf 1.241. Trotz dieses Booms wachsen in der pharmazeutischen Industrie die Zweifel am „Tiermodell“. So versagte ein erfolgreich an Mäusen erprobtes Alzheimer-Mittel bei den ersten klinischen Tests auf der ganzen Linie. Bei Krebs-Impfungen wiederholte sich das Desaster, weil das tierische Immunsystem nicht an die Komplexität des menschlichen heranreicht. „Von Dutzenden, wenn nicht Hunderten von Protokollen, die in Mäusen hervorragend funktionieren, haben sich nur wenige beim Menschen als erfolgreich erwiesen“, sagt der Immunologe Mark Davis. Zudem leiden die in den Laboren gezüchteten Versuchskaninchen zunehmend an Degenerationserscheinungen, was die Aussagekraft der Experimente schmälert.

Neue EU-Tierversuchsrichtlinie
Das EU-Parlament hat im Mai 2009 eine Änderung der Richtlinie zum Schutz von Versuchstieren beschlossen. Dabei setzten sich die Abgeordneten allerdings über die Vorschläge der Kommission hinweg, die zu strengeren Auflagen geführt hätten. So bleiben besonders schmerzhafte Experimente und Versuche mit Affen erlaubt. „Es ist skandalös, dass sich die Abgeordneten nun sogar für noch laschere Regelungen bei der Genehmigung von Tierversuchen ausgesprochen haben, als sie derzeit in der Tierversuchshochburg Deutschland existieren“, empörte sich daraufhin Brigitte Rusche vom „Deutschen Tierschutzbund“.

DRUGS & PILLS

Immer mehr Todesfälle durch Verhütungsmittel
Die Meldungen über Todesfälle und schwere Gesundheitsstörungen durch BAYERs Antibaby-Pillen YAZ und YASMIN häufen sich. Im letzten Jahr schockierten Berichte über die an einer Lungenembolie gestorbene Tanja Hayes die australische Öffentlichkeit (Ticker 3/08), und in der Schweiz sorgte ein Fernsehbeitrag über ein 16-jähriges Mädchen, das seit der Einnahme von YAZ schwerbehindert ist, für Aufsehen. Der Tagesanzeiger begann daraufhin mit seinen Recherchen und wandte sich an das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM). Zu „sieben Todesfällen im Zusammenhang mit der Anwendung des Arzneimittels YASMIN oder Wirkstoff-Kombinationen von YASMIN“ sei es in der Bundesrepublik bisher gekommen, teilte die Behörde auf Nachfrage mit. BAYER verheimlicht solche Zahlen. Man wolle die Kundinnen nicht verunsichern, so Konzern-Sprecherin Astrid Kranz zum Tagesanzeiger. Ansonsten seien YAZ & Co. nicht gefährlicher als vergleichbare Produkte. Das Gefährdungspotenzial bei den Verhütungsmitteln auf Hormon-Basis rührt von ihrer „Nebenwirkung“ her, Blutgefäße verstopfen und so lebensgefährliche Thrombosen oder Lungenembolien auslösen zu können. Darüber hinaus zählen „Kopf- und Brustschmerz“, „Übelkeit“, „Migräne“ und „Depressionen“ zu den Gegen-Anzeigen von YAZ und YASMIN. Trotzdem hält BAYER wegen der Milliarden-Gewinne weiter an diesem Wirkmechanismus fest. Forschungen zu einer Pille, die ohne Hormone auskommt, stellte der Konzern ein.

Hirnblutungen durch ASPIRIN
Nach einer Studie der Universität Rotterdam erhöht ASPIRIN die Gefahr, eine Hirnblutung zu erleiden. Da das Medikament den Blutfluss anregt, entstehen im Gehirn vermehrt kleinere Blutungen, die sich zu größeren ausweiten können, so die WissenschaftlerInnen. Eine Untersuchung der Universität Oxford kam vor zwei Jahren zu einem ähnlichen Ergebnis und warnte, ASPIRIN drohe bald den Bluthochdruck als Hauptrisiko-Faktor für von Blutungen verursachte Schlaganfälle abzulösen.

ASPIRIN interagiert mit IBUPROFEN
Nimmt ein/e PatientIn mehrere Medikamente gleichzeitig ein, so hat er/sie nicht nur Kombinations-, sondern auch Subtraktionswirkungen zu befürchten. ASPIRIN z. B. verträgt sich nicht mit IBUPROFEN. Das Schmerzmittel schmälert die blutverflüssigende Wirkung des „Tausendsassas“, weshalb Bundesapothekenkammer-Präsident Ulrich Krötsch vor einem Beikonsum warnte.

FDA will ASPIRIN-Warnhinweise
Die US-Gesundheitsbehörde FDA hat den Leverkusener Multi aufgefordert, sein Schmerzmittel ASPIRIN mit dem Warnhinweis „Gefahr von Magenblutungen“ zu versehen.

USA: XARELTO doch zugelassen
Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA zögert bei der Zulassung von BAYERs Präparat XARELTO, das bei orthopädischen Operationen die Entstehung von Blutgerinnseln verhindern soll (Ticker 1/09), immer noch. Fachleute hatten auf das erhöhte Risiko von Gefäß-Verschlüssen, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden aufmerksam gemacht und Langzeit-Untersuchungen über die Verträglichkeit eingefordert. Eine ExpertInnenrunde stimmte allerdings mit 15:2 für die Genehmigung. Die Vorteile wären höher zu bewerten als die möglichen Gefahren, lautete die Begründung. Ende Mai 2009 verlangte die FDA trotzdem noch weitere Informationen zu „Risiken und Nebenwirkungen“ vom Leverkusener Multi.

Japan: BAYER vertreibt FOSRENOL
BAYER übernimmt in Japan den Vertrieb für das vom britischen Unternehmen SHIRE entwickelte Medikament FOSRENOL. Es soll angeblich bei Menschen mit Niereninsuffizienz im Endstadium der Erhöhung des Phosphatspiegels entgegenwirken, der zu Muskelkrämpfen, Herzrhythmusstörungen und sogar zum Tod führen kann.

BETAFERON überteuert
Die Krankenkasse KKH-ALLIANZ hat die Arzneipreise in den europäischen Ländern untersucht. Fast immer waren die Pillen in der Bundesrepublik am teuersten. So kostete BAYERs gentechnisch produziertes Multiple-Sklerose-Medikament BETAFERON hierzulande mit monatlich 1.429 Euro 74 Prozent mehr als in Italien. Dieser Wucher reißt ein Milliarden-Loch in die Kassen von DAK & Co.. KKH-Vorstandschef Ingo Kailuweit forderte deshalb Konsequenzen: „Die Politik muss eine Preisobergrenze für patentgeschützte Originalpräparate einführen“. Der von BAYER mitgegründete „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VFA) möchte davon allerdings nichts wissen. Die Pharmazeutika seien doch in den letzten Jahren viel billiger geworden, ließ der VFA verlauten.

Zulassung für VISANNE beantragt
BAYER hat die europa-weite Zulassung für das Medikament VISANNE beantragt. Das Mittel mit dem Hormon Dienogest als Wirkstoff soll zur Behandlung der Endometriose, einer gutartigen Wucherung der Gebärmutterschleimhaut, zum Einsatz kommen. „Wir streben auf gynäkologischen Märkten mit signifikantem Wachstumspotenzial die weltweite Marktführerschaft an. Mit der Einreichung von VISANNE haben wir einen weiteren wichtigen strategischen Meilenstein bei der Entwicklung von innovativen gynäkologischen Präparaten erreicht“, erklärte der BAYER-Manager Phil Smits in einer Presse-Mitteilung zum Beginn des Genehmigungsverfahrens.

Pharma-Ausverkauf
BAYER gibt das Geschäft mit den Blutkrebs-Präparaten LEUKINE, CAMPATH und FLUDARA auf. Der Leverkusener Multi veräußert die Medikamente gegen eine Umsatzbeteiligung an den US-amerikanischen Biotech-Konzern GENZYME. Wieviele Arbeitsplätze damit innerhalb des Konzerns verloren gehen, gab der Pharma-Riese nicht bekannt.

Zwangsrabatte für Infusionen
Die Arzneimittel-Ausgaben von DAK & Co. wachsen von Jahr zu Jahr. Im Jahr 2008 stiegen die Kosten um 5,4 Prozent auf 25,8 Milliarden Euro. Um diese Erhöhung wenigstens ein bisschen abzudämpfen, hat die Bundesregierung BAYER & Co. jetzt gezwungen, den Krankenkassen die Zwangsrabatte von sechs Prozent auch auf so genannte Fertigarzneimittel wie z. B. Infusionen zu gewähren.

Pharma-Pflanzen: Bald erste Tests?
BAYER will im Sommer bei der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA die Erlaubnis für klinische Tests mit einem Impfstoff gegen Lymph-Krebs beantragen, den Konzern-ForscherInnen mit gen-manipulierten Tabakpflanzen produzieren. Dazu schleusen die WissenschaftlerInnen mittels Bakterien das Erbgut eines Proteins in die Pflanzen-Zellen, die sich auf diese Weise in botanische Pharma-Fabriken verwandeln. Das Bakterium könnte allerdings im Impfstoff so einige Nebenwirkungen entfalten. Zudem warnen ExpertInnen vor der unkontrollierten Vermehrung der „Heilpflanzen“ in der Natur. „Es besteht immer die Gefahr, dass Pharming-Pflanzen irgendwie in die Natur und in unsere Nahrungskette gelangen“, so Margret Engelhard von der „Europäischen Akademie zur Erforschung und Beurteilung von Folgen wissenschaftlich-technischer Entwicklungen“.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Kein PONCHO auf Mais-Kulturen
Im letzten Frühjahr haben BAYERs Saatgutbehandlungsmittel PONCHO und andere Pestizide in Süddeutschland ein großes Bienensterben verursacht. Daraufhin ordnete das Bundesministerium für Verbraucherschutz (BVL) das Ruhen der Zulassung für die BAYER-Beizen PONCHO, CHINOOK, FAIBEL, ELADO, MESUROL FLÜSSIG und ANTARC sowie zwei SYNGENTA-Saatgutbehandlungsmittel an. Für die Anwendung auf Raps-Kulturen gab das BVL PONCHO allerdings schon im Sommer wieder frei. Bei Mais-Kulturen bleibt das Ministerium allerdings hart. Im Februar bestätigte es das Moratorium für fast alle inkriminierten Substanzen. Nur das BAYER-Mittel MESUROL dürfen die LandwirtInnen unter strengen Auflagen wieder verwenden.

Bienensterben in Österreich
Im letzten Jahr hat BAYERs Saatgut-Beizmittel PONCHO in Süddeutschland ein verheerendes Bienensterben ausgelöst. Deshalb dürfen die LandwirtInnen das Produkt in der Bundesrepublik vorerst auf Maisfeldern nicht mehr ausbringen. Österreich reagierte hingegen nicht. Die Konsequenz: In diesem Frühjahr vergiftete die BAYER-Beize 9.000 Bienenvölker von rund 1.000 ImkerInnen. „Für den Hobbyimker ist es nicht unbedingt existenzgefährdend, für den erwerbsorientierten Imker aber auf jeden Fall“, so Josef Ulz vom österreichischen BienenzüchterInnen-Verband.

EU will Bienen schützen
BAYERs Saatgut-Beizmittel GAUCHO und PONCHO sowie andere Pestizide haben immer wieder große Bienensterben verursacht. Unter anderem deshalb hat sich binnen der letzten 15 Jahre die Zahl der Bienenvölker allein in der Bundesrepublik fast halbiert. Das hat das EU-Parlament jetzt zum Handeln bewogen. Es forderte die EU-Kommission auf, in einer großen Studie systematisch dem Zusammenhang zwischen Pestizid-Einsatz und Bienensterben nachzugehen. Die ParlamentarierInnen verlangten darüber hinaus, bei der Zulassung für Gen-Pflanzen die mögliche Kontamination von Nektar stärker zu berücksichtigen. Zudem sprachen sie sich dafür aus, geschädigten ImkerInnen Finanzhilfen zu gewähren.

Pestizidgesetz schützt Bienen nicht
Ursprünglich wollte die neue Pestizid-Verordnung der EU alle bienengefährliche Pestizide verbieten. Dagegen konnte sich die Lobby von BAYER & Co. allerdings erfolgreich wehren. Jetzt dürfen Agrochemikalien auf dem Markt bleiben, wenn sie lediglich „zu einer vernachlässigbaren Exposition von Honigbienen“ führen und „keine unannehmbaren akuten oder chronischen Auswirkungen auf das Überleben und die Entwicklung des Bienenvolks“ haben.

Mangelhafte Haushaltsgifte
Bei der von der Zeitschrift Ökotest im Mai-Heft 2009 vorgenommenen Untersuchung von Haushaltsgiften hagelte es schlechte Noten für BAYER-Produkte. Ein „mangelhaft“ wegen zu giftiger Inhaltsstoffe erhielten das BAYER GARTEN FLIEGEN SPRAY mit den Wirksubstanzen d-Tetramethrin und d-Phenothrin, der BAYER GARTEN UNGEZIEFER STAUB (Deltamethrin), das BAYER GARTEN MOTTEN PAPIER (Transfluthrin), das BAYER GARTEN AMEISEN SPRAY (Deltamethrin), das BAYER GARTEN AMEISENMITTEL in Granulatform (Imidacloprid), das BAYER GARTEN „3 in 1“ SCHÄDLINGSFREI (Imidacloprid) und das BAYER GARTEN GARTENSPRAY (Imidacloprid, Methiocarb)

EU: Schwarze Liste schrumpft
Die neue Pestizid-Verordnung der EU sieht das Verbot zahlreicher besonders gefährlicher Agro-Chemikalien vor (SWB 1/09). Ganz so viele Substanzen wie ursprünglich geplant will die Europäische Union jedoch nicht aus dem Verkehr ziehen. Von den 23 Wirkstoffen bleiben dem Bundesverbraucherschutz-Ministerium zufolge nur noch 17 übrig. Und mit Thiacloprid verschwand auch eines der sechs inkriminierten BAYER-Ackergifte von der Schwarzen Liste.

Mehr Pestizide aus Dormagen
BAYER reagiert auf die gestiegene Nachfrage nach Antipilzmitteln und weitet am Standort Dormagen die Produktionskapazitäten für den Wirkstoff Prothioconazole aus. 300 Millionen Euro investiert der Agro-Multi in den Ausbau.

Weiterhin Klasse-I-Pestizide
Auf der BAYER-Hauptversammlung von 1995 hatte der Vorstand zugesagt, bis zum Jahr 2000 alle Pestizide der Gefahrenklasse I vom Markt zu nehmen. Dieses Versprechen hat der Leverkusener Multi gebrochen. Dem aktuellen Nachhaltigkeitsbericht zufolge „gibt es weiterhin Produkte, deren Einsatz notwendig ist und für die noch immer keine Alternativen verfügbar sind“. Zudem machten regionale Unterschiede beim Schadinsekten-Aufkommen angeblich eine „Standardlösung unmöglich“.

Immer mehr Pestizide
Rund um den Globus bringen die LandwirtInnen immer mehr Agro-Chemikalien aus. Der weltweite Pestizid-Umsatz betrug 2008 52 Milliarden Dollar und stieg damit gegenüber dem Vorjahr um 29 Prozent. Auch die Wirtschaftskrise stoppt diesen Trend kaum. ExpertInnen rechnen lediglich mit einem Minus von 7 Prozent auf 49 Milliarden Dollar für das laufende Jahr und prophezeien eine baldige Erholung des Geschäfts. In Europa legten die Verkäufe im Jahr 2007 gegenüber 2006 um sieben Prozent zu; in der Bundesrepublik sogar um zehn Prozent.

BAYER kauft Bio-Pestizide
Der Leverkusener Multi hat vom israelischen Konzern AGROGREEN Technologien zur Herstellung von Pestiziden auf biologischer Basis erworben.

Gifthändler fliegt auf
WissenschaftlerInnen finden in Lebensmitteln regelmäßig Rückstände von Pestiziden, die bereits seit langem verboten sind. Ein Grund dafür: Der illegale Handel mit diesen Agro-Chemikalien blüht. Ein Großdealer ging der Polizei jetzt ins Netz. Er verfügte über ein Warenlager von 30 Tonnen und hatte mit Lindan und Endosulfan auch solche Substanzen im Angebot, zu deren Herstellern BAYER einst zählte. Die Kundschaft war ebenfalls illuster. Selbst der Raiffeisen-Agrarhandelsverband, der LandwirtInnen beliefert, fand sich in der Kartei des Kriminellen. Offenbar meinen viele Bauern und Bäuerinnen fälschlicherweise, gegen manche Schadinsekten würden nur Ultragifte wirken.

GENE & KLONE

Option auf Antikörper erworben
BAYER hat von dem US-amerikanischen Unternehmen MICROMET für 4,5 Millionen Euro eine Lizenz-Option auf einen Antikörper erworben. Der erst in der präklinischen Entwicklungsphase steckende Gentech-Wirkstoff soll bei Krebs, Entzündungen und Autoimmun-Erkrankungen wirken.

BAYER kauft Krebsmittel
BAYER hat von dem US-amerikanischen Unternehmen ARDEA BIOSCIENCES die Rechte zur Entwicklung eines Krebsmittels auf der Basis der biotechnologisch hergestellten Substanz RDEA 119 erworben. Sollte RDEA den Sprung aus dem Labor auf den Pharma-Markt schaffen, so muss der Leverkusener Multi 407 Millionen Dollar an ARDEA zahlen.

Kein NEXAVAR bei Hautkrebs
Obwohl schon im Jahr 2006 Versuche mit NEXAVAR als Mittel zur Hautkrebs-Behandlung scheiterten, versuchte es BAYER weiter. Jetzt kam aber das endgültige Aus. Der Wirkstoff scheiterte in der Phase III der Klinischen Prüfung. Auch bei Bauchspeicheldrüsen-Krebs versagte das Medikament in Tests bereits.

Investition in Tumor-Diagnostik
BAYER hat dem japanischen Unternehmen HAMAMATSU PHOTONICS die Rechte an einer Diagnostika-Technologie abgekauft. Das bildgebende Verfahren verwendet spezielle, mit einem radioaktiven Marker versehene Moleküle, die für den Stoffwechsel von Tumoren wichtig sind, um Krebszellen zu orten und zu analysieren.

Keine Forschung mehr in Potsdam
Der Leverkusener Multi gibt die Forschung an gentechnisch manipulierten Nahrungsmittel-Zusatzstoffen auf und schließt seine Labore in Potsdam.

Mexiko erlaubt Freisetzungsversuche
Mexiko gibt der „grünen Gentechnik“ grünes Licht und genehmigt Freisetzungsversuche. 25 Anträge liegen den Behörden bereits vor. Darunter dürften auch solche von BAYER sein.

USA genehmigen Gen-Baumwolle
Die USA haben BAYERs GlyTol-Baumwolle eine Genehmigung erteilt. Der Agro-Riese will die per Gentechnik immun gegen den Herbizid-Wirkstoff Glyphosate gemachte Pflanze ab 2010 vermarkten. Ob die BAYER-Baumwolle Hitze und Trockenheit besser trotzt als die Laborfrüchte des Konkurrenten MONSANTO? Bei denen ließen die klimatischen Verhältnisse nämlich die Glyphosate-Resistenz schwinden, weshalb die Gewächse dem Glyphosate-Großeinsatz nicht gewachsen waren und en masse eingingen.

Mehr Genmais-Verbote
Die EU hatte den Import von BAYERs gentechnischen verändertem Mais „T25“ und der MONSANTO-Sorte „Mon 810“ genehmigt. Österreich hat die Zulassung jedoch nicht akzeptiert und sich dabei auf das Recht der EU-Staaten berufen, bei Gefahren für die menschliche Gesundheit und die Umwelt Alleingänge vorzunehmen. Gegen dieses nationale Verbot reichten die USA, Kanada und Argentinien umgehend Klage bei der WTO ein. Daraufhin übernahm wieder die EU-Kommission. Aber gegen ihren Versuch, Zwangsmaßnahmen gegen Österreich einzuleiten, votierten zu viele Mitgliedsländer. Eine qualifizierte Mehrheit erreichten diese jedoch nicht, deshalb musste die Runde der europäischen UmweltministerInnen entscheiden. Diese erklärte dann Anfang März 2009 den Bann für rechtens. Und wenig später verbot auch die bundesdeutsche Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner „Mon 810“. Der BAYER-Mais war da schon aus dem Rennen. Er ist über das ganze Hickhack nicht jünger geworden und gilt beim Gen-Giganten inzwischen als nicht mehr als wettbewerbsfähig. „Es ist kein Anbau vorgesehen“, erklärte ein Konzern-Sprecher.

Genmais schädigt das Immunsystem
Genmais kann das Immunsystem schädigen. Zu diesem Ergebnis kam eine italienische ForscherInnen-Gruppe bei einem Fütterungsversuch mit MONSANTOs Genmais „Mon 810“. Die WissenschaftlerInnen beobachteten im Organismus der Versuchstiere Veränderungen, die auf Entzündungen und/oder auf allergische Reaktionen hinweisen. Vor solchen Gefahren warnen ExpertInnen allerdings seit Jahren, eine Überprüfung am „Tiermodell“ wäre also nicht unbedingt nötig gewesen.

Mehr Reis mit EVOGENE
BAYER weitet die Zusammenarbeit mit dem israelischen Biotechnologie-Unternehmen EVOGENE auf dem Gebiet der Reisforschung aus. Der Leverkusener Multi will seinen Hybridreis, dessen sterile Samen die LandwirtInnen nicht nur Wiederaussaat verwenden können, künftig mit ertragssteigernden Genen aus dem Hause EVOGENE bestücken.

Noch keine Genreis-Entscheidung
Die EU hat ihre Entscheidung über die Importzulassung für BAYERs Genreis LL62 einstweilen vertagt. Nach dem Mitte April in der Bundesrepublik erlassenen Verbot von MONSANTOs Bt-Mais wollte die Kommission keinen weiteren Streit zum Thema „Gentechnik“ aufkommen lassen, zumal einige Länder im Vorfeld schon ihre Vorbehalte gegenüber Genreis made by BAYER zum Ausdruck gebracht hatten. Sie haben offenbar den Skandal um den nicht zugelassenen LL601-Reis, der sich vor drei Jahren in diversen Supermarkt-Sorten wiederfand, noch in allzu guter Erinnerung. Die Entscheidung dürfte jetzt im Sommer fallen. Sollte das Votum dennoch positiv ausfallen, so würde es höchstwahrscheinlich als Türöffner wirken und Genehmigungen in anderen Ländern nach sich ziehen.

Brasilien gegen LL62-Reis
Brasilien hat dem BAYER-Genreis LL62 (s. o.) keine Zulassung erteilt.

Fragwürdige Sicherheitsforschung
BAYER & Co. interessieren sich nicht groß für die Risiken und Nebenwirkungen der Gentechnik und scheuen die entsprechenden Investitionen. Forschungsprojekte dieser Art lassen sie sich vielmehr vom Staat finanzieren. So spendierte das Bundesforschungsministerium (BMBF) unlängst acht Millionen Euro für solche Projekte. Und wo Sicherheitsforschung draufsteht, ist oftmals etwas ganz anderes drin, wie eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Kirsten Tackmann (Die Linke) enthüllte. „Die Kleine Anfrage hat ergeben, dass die Biosicherheitsforschung nicht hält, was sie verspricht. Einige der in der aktuell bis 2011 laufenden Förderperiode finanzierten Projekte dienen nicht dem Interesse der Allgemeinheit. Nicht Umweltschutz, sondern ein ‚Beitrag zur Methodenentwicklung‘ steht im Fokus“, stellt Tackmann fest. So widmet sich beispielsweise kein Forschungsvorhaben den von schon zugelassenen Gen-Pflanzen ausgehenden Gefahren. Mit Dr. Inge Broer zählt auch eine alte Bekannte BAYERs zu den NutznießerInnen der Subventionen (Ticker 2/07). Die Biologin von der Universität Rostock, die in der Vergangenheit gemeinsam mit dem Leverkusener Multi sechs Proteine und gentechnische Verfahren zum Patent anmeldete, erhielt 316.000 Euro vom BMBF. Damit will Broer die Auswirkungen von kunststoff-produzierenden Genkartoffeln auf die Umwelt erforschen.

AGROSPRIT & PROFIT

Mehr Öl in BAYER-Raps
Der Agrosprit-Boom nimmt immer mehr Ackerflächen in Anspruch und verdrängt so die Kulturpflanzen von den Feldern, weshalb die Preise für Nahrungsmittel steigen. BAYER profitiert von der Situation. So bietet der Agro-Riese den Biosprit-Baronen mit dem Gentech-Raps INVIGOR maßgeschneiderte, besonders viel Öl produzierende Pflanzen an. Mit den Worten: „So lassen sich mit Hilfe von INVIGOR rund 190 Liter mehr Biodiesel pro Hektar herstellen als aus normalem Hybridsaatgut“, wirbt BAYER-CROPSCIENCE-Chef Friedrich Berschauer für seinen Raps. Und jetzt startete das Unternehmen eine weitere Offensive zur Optimierung des Produktes. Gemeinsam mit dem Leibniz-Institut für Pflanzengenetik beginnt er ein Forschungsvorhaben zur nochmaligen Steigerung des Ölgehaltes von INVIGOR.

WASSER, BODEN & LUFT

Dormagen: neues Müllkraftwerk
Jetzt ist es offiziell: BAYER hat den Bau eines „Müllkraftwerks“ in Dormagen beantragt. Es soll die gleiche Größe wie die Anlage in Brunsbüttel (siehe SWB 1/08) haben - und also auch die gleichen umweltbelastenden Substanzen emittieren: Dioxin, chlor-, brom- und fluorhaltige Kohlenwasserstoffe, Chloride, Furane, Kohlendioxid, Schwermetalle wie Quecksilber und Feinstaub sowie Rost-, Filter- und Kesselasche. Der BUND spricht von einer „Billigst-Rauchgasreinigung“. Gegen die Dreckschleuder hat sich vor Ort schon Protest formiert. Auch der Dormagener Bürgermeister-Kandidat Peter-Olaf Hoffmann (CDU) ist nicht glücklich über den neuen Müllofen - allerdings aus persönlichen Gründen. Hoffmann arbeitet derzeit noch als Geschäftsführer einer Kölner Müllverbrennungsanlage und fürchtet Konkurrenz.

BAYER produziert 7,6 Mio. Tonnen CO2
Nach BAYERs aktuellem Nachhaltigkeitsbericht kommt der Konzern 2007 insgesamt auf einen Ausstoß von 7,6 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Eigene Kraftwerke, Anlagen oder Müllverbrennungsöfen trugen dazu 3,9 Millionen Tonnen bei; 3,7 Millionen wurden bei der Produktion zugekaufter Energie fällig. Trotz dieser gigantischen Umweltverschmutzung verlief der Emissionshandel, der eigentlich Anreize zu einer Reduktion klima-schädlicher Gase geben sollte, zu Gunsten des Leverkusener Multis. Er behielt Verschmutzungsrechte für 100.000 Tonnen CO2 übrig.

BAYER schädigt Ozonschicht stärker
Nach BAYERs aktuellem Nachhaltigkeitsbericht hat der Konzern den Ausstoß von ozon-abbauenden Substanzen erhöht. Von 13,1 auf 14,7 Tonnen nahmen die Emissionen zu. Der Multi macht dafür hauptsächlich die gestiegene Pestizid-Produktion am indischen Standort Vapi verantwortlich, dessen Anlagen offensichtlich nicht dem neuesten Stand der Technik entsprechen.

Mehr Schadstoffe im Abwasser
Fast 80 Millionen Kubikmeter Abwasser produzierte BAYER laut neuestem Nachhaltigkeitsbericht 2007. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet dies eine Steigerung von acht Prozent. Entsprechend erhöhte sich der Anteil der darin herumschwimmenden Schadstoffe. Die Phosphorfracht nahm von 810 auf 990 Tonnen zu. Die Einleitungen organischer Verbindungen erreichten 1.770 Tonnen (2006: 1.490 Tonnen), was der Multi „auf einen zeitweise nicht-optimalen Betrieb einer Kläranlage“ an einem US-amerikanischen Standort zurückführt. 8.9 Tonnen Schwermetalle made by BAYER fanden sich im Wasser (2006: 8 Tonnen), 680 Tonnen Stickstoff (2006: 730 Tonnen) und 825.000 Tonnen anorganischer Salze (2006: 843.000 Tonnen).

BAYERs Wasserdurst
Der Durst des Leverkusener Multis ist immens. 1,2 Millionen Kubikmeter Wasser braucht er täglich. Allein für den Bedarf des Krefelder Werk kann er mit Erlaubnis der BAYER stets zu Diensten stehenden Bezirksregierung Düsseldorf jährlich 200 Millionen Kubikmeter Wasser aus dem Rhein abpumpen.

Mehr gefährlicher Abfall
BAYER hat dem neuesten Nachhaltigkeitsbericht zufolge im Jahr 2007 mehr gefährlichen Abfall produziert als 2006. Die Menge stieg von 336.000 Tonnen auf 342.000 Tonnen.

Wasserpreise steigen
Die Schadstoff-Einträge von BAYER & Co. in die Gewässer fordern ihren Preis. Die Wasserversorger müssen immer größere Summen in die Aufbereitung investieren. Deshalb kündigten die Unternehmen eine Erhöhung der Wasser-Gebühren um zehn Prozent binnen der nächsten drei Jahre an.

UN verbietet Quecksilber
Die Un-Mitgliedstaaten haben sich Ende Februar 2009 auf ein Verbot von Quecksilber geeinigt. Allerdings gilt dieses nur für den Handel. Als Abfallprodukt, wie es unter anderem in BAYERs Chloralkali-Produktion, seinen Kohlekraft- und Müllkraftwerken entsteht, bleibt es weiter unbehelligt. 2004 - neuere Zahlen legt der Konzern nicht vor - leitete der Chemie-Multi allein 33 Kilogramm Quecksilber in die Gewässer.

BAYERs Quecksilber-Deal
BAYER hat wieder mal eine Privatvereinbarung mit der nordrhein-westfälischen Landesregierung geschlossen: Der Leverkusener Multi sicherte eine Verringerung der Quecksilber-Fracht zu und erhielt dafür eine Verlängerung der Einleitungsgenehmigung. Besonders bei der Chlor-Herstellung fallen immer noch große Mengen des gefährlichen Schwermetalls an. Der Konzern nahm vor einigen Jahren zwar öffentlichkeitswirksam ein neues Membran-Verfahren in Betrieb, das den Ausstoß reduziert, aber er stellte nur die Hälfte der Produktion auf die Technik um.

Giftgasgranaten in der Nordsee
Etwa 6.000 Giftgas-Granaten aus dem Zweiten Weltkrieg liegen zweieinhalb Seemeilen vor Helgoland in der Nordsee. Bestückt sind sie mit dem Kampfstoff Tabun, den Gerhard Schrader 1936 im Leverkusener BAYER-Werk entwickelt hatte. „Die chemische Waffe ist auch vom Standpunkt ihrer Anwendung eine typisch deutsche Waffe, da sie der besonderen naturwissenschaftlichen Begabung der Deutschen entspricht“, schrieb der damalige Aufsichtsratschef der von BAYER mitgegründeten IG FARBEN, Carl Krauch, 1938 in einem „Vorschlag zur Nutzbarmachung der deutschen Chemie für die Landesverteidigung“. Die wehrwissenschaftlichen „Wunderwaffen“ stellen heute noch eine Gefahr dar. Die Granaten könnten ohne Fremdeinwirkung detonieren oder dann, wenn die Kriegshinterlassenschaften FischerInnen in die Netze gehen. In 60 bis 70 Jahren dürften die Chemiewaffen durchgerostet sein, was das Explosionsrisiko noch einmal drastisch erhöht. „Dann entsteht über dem Wasser eine Giftgas-Wolke“, beschreibt der Kampfstoff-Experte Stefan Nehring das „Worst Case Scenario“. Der Helgoländer Bürgermeister Frank Botter fordert deshalb eine Bergung der Giftgas-Granaten.

BAYER im Altlasten-Verband
Der Leverkusener Multi hat immer so einige Probleme mit seinen Altlasten. Da trifft es sich gut, dass der Konzern gemeinsam mit VertreterInnen des Landes und der Kommunen Mitglied im Altlastensanierungsverband NRW (AAV) ist und mit Dr. Walter Leidinger von seiner Tochtergesellschaft CURRENTA auch einen der Vorstände stellt. Der AAV fungiert nämlich nicht nur als Träger von Altlasten-Sanierungen, er übernimmt auch stets 80 Prozent der Kosten. So muss der Pharma-Riese nur 170.000 Euro zu dem Etat beisteuern, aus dem Maßnahmen zur Abdichtung seiner in Wuppertal das Grundwasser verunreinigenden Deponie finanziert werden. Darüber hinaus gehören Altlasten-Sanierungen inzwischen selbst zum Geschäftsfeld des Unternehmens, und eine Mitgliedschaft beim AAV schadet bei der Auftragsakquise sicherlich nicht.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

Hormone im Mineralwasser
Die von BAYER massenhaft hergestellte und vor allem in Mineralwasser- und Babyflaschen sowie Konservendosen Verwendung findende Chemikalie Bisphenol A (BPA) wirkt hormon-ähnlich und kann deshalb die Entwicklung des Gehirns, Stoffwechselprozesse und die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen sowie Diabetes und Herz/Kreislauf-Erkrankungen befördern. Der Frankfurter Ökotoxikologe Martin Wagner hat jetzt den Grad der Verunreinigung von Mineralwässern untersucht. In 65 Prozent der Proben wies er eine hormonelle Aktivität nach. Die Messungen ergaben Werte von bis zu 75 Nanogramm pro Liter. Nach Meinung von ExpertInnen weist eine solch hohe Konzentration bereits auf eine hormonelle Grundbelastung des Rohstoffes „Wasser“ hin.

NANO & CO.

Nano-Risiken unterschätzt
Nano leitet sich vom griechischen Wort für Zwerg ab. Die Nanotechnik beschäftigt sich folglich mit der Entwicklung von mikroskopisch kleinen Werkstoffen. BAYERs Nano-Röhrchen finden mittlerweile unter anderem in Duftkapseln, Folien, Flüsterschotter, Eishockeyschlägern, Windrad-Flügeln und Farbstoffen zur medizinischen Diagnostik Verwendung. Für die Risiken und Nebenwirkungen dieser „Zukunftstechnologie“ fühlt sich allerdings niemand verantwortlich. Wegen „extremer Informationsdefizite, einem Mangel an Ressourcen und wegen teils fehlender Zuständigkeiten“ sieht sich etwa die US-amerikanische Gesundheitsbehörde zu einer Gefahren-Analyse außer Stande. Dabei gibt es alarmierende Hinweise. So können Nano-Stoffe nach einer Untersuchung der Universität Edinburgh das Gewebe schädigen und ähnlich wie in der Vergangenheit Asbest Entzündungen auslösen (siehe Ticker 2/08). Und irische ForscherInnen haben Wirkungen von Nano-Partikeln auf das Immunsystem nachgewiesen.

PLASTE & ELASTE

BAYER investiert 650 Millionen
Der Leverkusener Multi kündigte an, bis zum Jahr 2012 650 Millionen Euro in das Geschäft mit Lacken und Klebstoffen zu investieren.

STANDORTE & PRODUKTION

Wellness-Hotel in Wermelskirchen
BAYER REAL ESTATE, die Immobilien-Abteilung des Leverkusener Multis, plant in Wermelskirchen ein Wellness-Hotel. Einen Bebauungsplan für das Gelände „Große Ledder“ gibt es zwar noch nicht, und der Konzern hat seine Vorstellungen auch noch nicht konkretisiert, aber die Stadt will BAYER für eine schnelle Umsetzung den Weg frei machen. So kürzte sie kurzerhand den Dienstweg ab und schloss eine Öffentlichkeitsbeteiligung sowie eine Einbindung der zuständigen Behörden aus. „Hier haben wir das Land und einen Investor. Letztere stehen heute nicht mehr Schlange“, drängte der sozialdemokratische Lokalpolitiker Jochen Bilstein zur Eile.

Mehr TDI aus Dormagen
BAYER baut in Dormagen eine neue Anlage zur Herstellung des Kunststoffes TDI, die auf eine Jahresproduktion von 300.000 Tonnen ausgelegt ist. Neue Arbeitsplätze schafft der Leverkusener Multi mit dieser Investition jedoch nicht.

Mehr Konstrastmittel aus Bergkamen
Der Leverkusener Multi verdoppelt in seinem Bergkamener Werk die Kontrastmittel-Produktion. Welche Auswirkungen das auf die Umwelt haben könnte, interessiert die Arnsberger Bezirksregierung nicht. Sie hat BAYER eine Befreiung von der Umweltverträglichkeitsprüfung ausgestellt. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat die Bezirksregierung aufgefordert, diesen Schritt zu begründen und Einblick in den Genehmigungsbescheid für die Kapazitätsausweitung zu gewähren.

Neue Chemie-Anlage in Indien
Der Leverkusener Multi baut im indischen Ankleshwar, das im Bundesland Gujarat liegt, für 20 Millionen Euro eine neue Anlage zur Produktion von Polyisocyanaten. Diese dienen als Basismaterial, um Lacke, Kleb- und Dichtstoffe herstellen zu können.

Chlor-Recycling in Shanghai
BAYER hatte in der Vergangenheit vom japanischen Unternehmen SUMITOMO die Lizenz für ein Chlorrecycling-Verfahren erworben und will am Standort Shanghai bereits die zweite nach einem solchen Prinzip funktionierende Wiederaufbereitungsanlage bauen. Diese soll die TDI-Fertigungsstätte auf dem Werksgelände mit dem nötigen Chlor versorgen, das zu den gefährlichsten Chemikalien überhaupt zählt.

ÖKONOMIE & PROFIT

BAYER im Steuer-Paradies
Bis 2005 tummelte sich auch der Leverkusener Multi im Steuerparadies Luxemburg. Die BAYER FINANCE SA residierte an der Avenue Monterey.

BAYER schreibt TRASYLOL ab
Im November 2007 musste der Leverkusener Multi das Medikament TRASYLOL, das MedizinerInnen bei OPs zur Blutstillung einsetzten, wegen der Nebenwirkung „Tod“ vom Markt nehmen. Aber BAYER wäre nicht BAYER, wenn der Konzern nicht auch daraus noch Vorteile zu schöpfen wüsste. So machte er die Wertminderung der TRASYLOL-Anlagen steuerlich geltend: Bei den Abschreibungen, die sich im Geschäftsjahr 2008 insgesamt auf 160 Millionen Euro bezifferten, bilden diese Fertigungsstätten den größten Posten.

Pensionsversicherungsbeiträge steigen
Wenn Unternehmen Insolvenz anmelden, dann stehen auch die Betriebsrenten zur Disposition. In solchen Fällen springt der Pensionssicherungsverein (PSV) ein. Da die Zahl der Firmenpleiten in Zeiten der Krise allerdings drastisch steigt, reichen die Ressourcen der Versicherung nicht mehr aus. Deshalb müssen BAYER & Co. mit einer Verzehnfachung des Beitragssatzes rechnen.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Unfallliste 2007 verlängert sich
BAYERs aktueller Nachhaltigkeitsbericht zählt für das Jahr 2007 zwei Unfälle auf, die bisher nicht bekannt waren. So brannte in Dubai eine Halle ab, in der eine von BAYER MATERIAL SCIENCE beauftragte Drittfirma 100 Tonnen Kunststoff-Vorprodukte gelagert hatte. Und bei einem Chemikalien-Transport von Los Angeles zum BAYER-Standort Kansas traten 17 Tonnen 2-Chlorobenzyl-Chlorid aus. Da Explosionsgefahr bestand, evakuierte die Polizei mehrere in der Nähe des Unglücks wohnende Personen.

Hepatitis-Opfer ohne Entschädigung
Die Blutpräparate von BAYER & Co. waren in den 80er Jahren nicht nur mit HI-Viren infiziert, sondern auch mit dem Erreger von Hepatitis C. Obwohl den Pharma-Multis das Risiko bekannt war, weigerten sie sich aus Kostengründen lange Zeit, eine Hitze-Behandlung der Mittel zur Abtötung der Viren vorzunehmen

[Generika] Pharma Monopole

CBG Redaktion

Presseinformation vom 11. Februar 2009

Health Action International Asien
Peoples Health Movement India
medico international
Coordination gegen BAYER-Gefahren
BUKO Pharma-Kampagne
Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte
IPPNW

Indien: Preiswerte Medikamentenversorgung in Gefahr

BAYER verklagt indische Regierung wegen Pharma-Patenten / Gesundheitsgruppen verlangen Schutz generischer Medikamente

Gesundheitsinitiativen aus Indien und Deutschland fordern den BAYER-Konzern auf, eine kürzlich eingereichte Klage gegen die indische Regierung zurückzuziehen. Die asiatische Sektion von Health Action International, das indische Peoples Health Movement, die Coordination gegen BAYER-Gefahren, die BUKO Pharma-Kampagne, der Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte und medico international befürchten, dass der Prozess die Zulassungspraxis von Generika in Indien gefährdet. Im Fall einer eingeschränkten Versorgung mit bezahlbaren Medikamenten drohe der Tod Tausender Patienten.

Ende letzten Jahres hatte BAYER die indische Zulassungsstelle für Pharmazeutika Drugs Controller General of India (DCGI) verklagt, da diese dem indischen Unternehmen Cipla eine Zulassung für das patentgeschützte Krebsmedikament Nexavar erteilt hatte. Gegenwärtig kann die DCGI Zulassungen für generische Pharmazeutika erteilen, auch wenn für die Substanzen noch Patentschutz besteht. Hierdurch soll erreicht werden, dass unmittelbar nach Auslaufen eines Patents preiswerte Nachahmer-Produkte auf den Markt kommen. Nach Ansicht von Gesundheitsexperten stellt diese Praxis keine Rechtsverletzung dar, da ein zu früher Verkauf von Generika gerichtlich unterbunden werden kann. BAYER hingegen fordert, im Falle eines existierenden Patents grundsätzlich keine Zulassung für Nachahmer-Produkte zu erteilen.

Amit Sen Gupta vom indischen Peoples Health Movement: „Die Forderungen von BAYER gehen sogar über die im TRIPS-Abkommen festgelegten Patent-Regeln hinaus. Ein Erfolg der Klage hätte schwerwiegende Konsequenzen für den Zugang zu preiswerten Medikamenten – nicht nur für indische Patienten, sondern für arme Menschen in weiten Teilen der Welt. BAYER will offenbar nicht nur die eigenen Patent-Rechte ausweiten, sondern einen Präzedenzfall schaffen. Dies würde den Einsatz lebensrettender Generika generell verzögern.“

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren ergänzt: „Das weltweit beachtete System der preiswerten Medikamentenversorgung in Indien ist in Gefahr, wenn die Zulassung von Pharmazeutika generell an Patente gekoppelt wird. Wir fordern BAYER daher auf, die Klage zurückzuziehen. Die öffentliche Gesundheitsvorsorge muss Vorrang haben gegenüber Patenten und monopolistischen Profiten der Pharmaindustrie.“ Nach Meinung der CBG müssen Länder wie Indien das Recht haben, den Medikamenten-Markt zu regulieren, um die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen.

In den meisten Ländern der Welt werden Patentfragen bei der Erteilung von Pharma-Zulassungen nicht betrachtet. Hierfür sind in der Regel Patentämter zuständig. Sowohl das indische Gesetz wie auch das internationale TRIPS-Abkommen zum Schutz des geistigen Eigentums sehen Zulassungen von Generika noch vor Ablauf eines Patents vor. Hiermit soll erreicht werden, dass nach Ablauf oder im Fall der Aberkennung eines Patents sofort Generika auf den Markt kommen können und diese nicht erst einen zeitaufwendigen Zulassungsprozess durchlaufen müssen. Auch klinische Studien von Generika-Herstellern sollen hierdurch ermöglicht werden.

Bernd Eichner von medico international: „Im Fall lebensrettender Medikamente kann bereits eine Verzögerung der Zulassung von preiswerten Generika um einige Monate Hunderte oder Tausende Menschenleben kosten, weil patentierte Medikamente für weite Teile der Bevölkerung nicht erschwinglich sind.“

Als Mitglied der Welthandelsorganisation WTO war Indien gezwungen, bis zum Jahr 2005 das internationale Abkommen TRIPS zum Schutz von Urheberrechten umzusetzen. Das indische Parlament hatte dabei aber mehrere Mechanismen zum Schutz der Gesundheitsvorsorge beschlossen. Dem vorangegangen waren Forderungen insbesondere aus Entwicklungsländern, die Produktion indischer Generika nicht zu gefährden. Indien ist in weiten Teilen der Welt wichtigster Lieferant billiger Nachahmer-Medikamente. So kosten indische Tabletten für eine anti-retrivirale HIV-Therapie statt 10.000 US-Dollar für Markenmedikamente nur 200 Dollar pro Jahr.

Kampagne BAYER verklagt indische Regierung: Generika schützen!

Siehe auch:
=> India Times: Fate of generics hinges on Bayer case
=> die tageszeitung: Profit kontra Patientenwohl

[Gegenanträge] BAYER Hauptversammlung

CBG Redaktion

Presse Information vom 12. März 2009
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Gegenanträge zur BAYER-Hauptversammlung eingereicht

Kritiker bemängeln Störfälle in BAYER-Werken, risikoreiche Pipeline, umweltgefährdende Pestizide und Kraftwerksprojekte / Protestaktionen am 12. Mai angekündigt

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hat Gegenanträge zur BAYER-Hauptversammlung am 12. Mai in Düsseldorf eingereicht. Wegen einer Vielzahl von Missständen und einer insgesamt verantwortungslosen Unternehmensführung fordern die Konzernkritiker die Nicht-Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat. Die Gegenanträge wurden heute auf der BAYER-homepage unter http://www.hv2009.bayer.de/de/gegenantraege.aspx veröffentlicht.

Schwerpunkte der Protestaktionen vor den Düsseldorfer Messehallen werden Störfälle, Bienensterben durch BAYER-Pestizide, die geplante CO-Pipeline zwischen Dormagen und Krefeld und der Bau umweltverschmutzender Kraftwerke sein. Mit Kritik reagiert die Coordination gegen BAYER-Gefahren auch auf die Ankündigung des Konzerns, die Dividende auf Rekordniveau zu erhöhen. Es sei nicht einzusehen, dass die Arbeitnehmer zu Arbeitszeitverkürzungen, Zwangsurlaub und Lohnsenkungen gezwungen wären, während die Anteilseigner keinen Beitrag zur Bewältigung der Wirtschaftskrise leisteten.

Die Gegenanträge im vollen Wortlaut:

Gegenantrag zu TOP 2: Der Vorstand wird nicht entlastet

Begründung: Der BAYER-Konzern verstößt weiterhin gegen die Regeln einer verantwortungsvollen Unternehmensführung. Der Vorstand trägt hierfür die Verantwortung:

Mehrfach kam es in den letzten Jahren bei BAYER zu schweren Unfällen in der Kunststoff-Produktion. Nun will BAYER in den Werken Dormagen und Brunsbüttel die Herstellung von TDI und MDI stark ausweiten. In beiden Fällen soll weiterhin Phosgen als Zwischenprodukt eingesetzt werden. Phosgen ist ein tödliches Atemgift, das im 1. Weltkrieg als Giftgas eingesetzt wurde.
TDI und auch Polycarbonate könnten phosgenfrei hergestellt werden - nur so ließe sich die Gefährdung der Anwohner und der Belegschaft verringern. BAYER hat entsprechende Verfahren jedoch nicht zur Produktionsreife entwickelt. Bei einer Lebensdauer von bis zu 35 Jahren würde diese risikoreiche Produktionsweise durch den Bau neuer Anlagen jahrzehntelang festgeschrieben (mehr Informationen unter: http://www.cbgnetwork.org/2649.html).

Seit über zehn Jahren weisen Imker darauf hin, dass Pestizide eine große Gefahr für Bienen darstellen. BAYER-Sprecher hingegen beteuerten stets, die Giftstoffe kämen gar nicht mit Bienen in Kontakt. Im Mai 2008 kam es nun in Süddeutschland zu einem katastrophalen Bienensterben. In allen untersuchten Bienen wurde der BAYER-Wirkstoff Clothianidin nachgewiesen. Die Zulassung liegt seitdem in mehreren Ländern auf Eis, in Frankreich gelangte Clothianidin wegen Bienengefährlichkeit gar nicht erst auf den Markt. Trotzdem weigert sich der BAYER-Vorstand, den Verkauf des Pestizids auch in Deutschland zu stoppen. Nur so ließe sich der Bienenbestand langfristig schützen (siehe: http://www.cbgnetwork.org/2556.html).

Trotz der Wirtschaftskrise will BAYER die Dividende erhöhen. Es ist nicht einzusehen, dass die Arbeitnehmer zu Arbeitszeitverkürzungen, Zwangsurlaub und Lohnsenkungen gezwungen werden, während die Anteilseigner keinen Beitrag zur Bewältigung der Probleme leisten. Über eine Milliarde Euro an die Aktionäre auszuschütten und gleichzeitig 5.500 Beschäftigte für die Krise büßen zu lassen, ist zynisch. Der Vorstand muss dazu gezwungen werden, die rein auf Profit ausgerichtete Geschäftspolitik zugunsten einer ökologischen und sozial verantwortlichen Betriebsführung über Bord zu werfen.

BAYER hat die indische Zulassungsstelle für Pharmazeutika DCGI verklagt, da diese dem Unternehmen Cipla eine Zulassung für das Medikament Nexavar erteilt hat. In Indien können Zulassungen für generische Pharmazeutika erteilt werden, auch wenn für die Original-Substanz noch Patentschutz besteht. Hiermit soll erreicht werden, dass nach Auslaufen eines Patents unmittelbar preiswerte Nachahmer-Produkte auf den Markt kommen können. Sowohl indische Gesetze als auch das internationale TRIPS-Abkommen zum Schutz geistigen Eigentums sehen solche Zulassungen von Generika noch vor Ablauf eines Patents vor.
Ein Erfolg der Klage von BAYER hätte schwerwiegende Konsequenzen für den Zugang zu preiswerten Medikamenten. Betroffen wären nicht nur indische Patienten, sondern arme Menschen in aller Welt, da Indien der weltweit wichtigste Produzent von Generika ist. BAYER will offenbar nicht nur die eigenen Patent-Rechte ausweiten, sondern einen Präzedenzfall schaffen. Dies würde den Einsatz lebensrettender Generika generell verzögern und das Leben Tausender Patienten gefährden (siehe: http://www.cbgnetwork.org/2800.html).

Der Konzern beteiligt sich weiterhin systematisch an illegalen Preisabsprachen. Aktuell zahlte BAYER wegen unerlaubter Prämienzahlungen beim Vertrieb von Blutzuckermessgeräten eine Strafe von 97,5 Millionen Dollar an das US-Justizministerium. BAYER hatte elf amerikanische Vertreiber von Messgeräten für Diabetes-Patienten bestochen, damit sie nur noch BAYER-Produkte anbieten. Die Zahlungen wurden als Werbeausgaben verschleiert.
Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hat unter http://www.cbgnetwork.de/2355.html eine Aufstellung von Kartellfällen mit BAYER-Beteiligung veröffentlicht. Die notwendigerweise unvollständige Liste enthält die Strafzahlung und die Laufzeit der jeweiligen Absprachen.

Im vergangenen Jahr vereinbarte BAYER mit der Kölner Hochschule eine Kooperation auf dem Gebiet der Pharma-Forschung. Richard Pott vom BAYER-Vorstand wurde gar gegen erbitterten Widerstand der Studierenden in den Kölner Hochschulrat gewählt. Da sich BAYER weigert, den Kooperationsvertrag mit der Uni Köln offen zu legen, bleiben die Bedingungen dieser und vieler ähnlicher Kooperationen im Dunkeln. Unklar bleibt somit, ob pharmakologische Studien der Uni Köln künftig vor ihrer Veröffentlichung der BAYER AG vorgelegt werden müssen und ob unliebsame Ergebnisse in der Schublade verschwinden werden. Es droht die völlige Unterordnung der Wissenschaft unter ökonomische Interessen (siehe: http://www.cbgnetwork.org/2730.html).

Gegenantrag zu TOP 3: Der Aufsichtsrat wird nicht entlastet

Begründung: Der Aufsichtsrat kommt seiner Kontrollfunktion nur ungenügend nach und soll daher nicht entlastet werden. Es folgen Beispiele einer verantwortungslosen Konzernpolitik, die vom Aufsichtsrat mitgetragen wird:

Das BAYER-Herbizid Glufosinat ist reproduktionstoxisch und kann bei Föten Missbildungen verursachen. Der Wirkstoff gehört zur Gruppe von 22 Pestiziden, die nach der neuen EU-Pestizidgesetzgebung vom Markt verschwinden müssen. Trotz der erwiesenen Gefahr für Anwender und Verbraucher weigert sich BAYER jedoch, den Verkauf des Giftstoffes zu beenden; aktuell wird die Produktion sogar noch ausgeweitet.
Die von Glufosinat ausgehenden Risiken müssen außerdem Konsequenzen für das Gentechnik-Programm von BAYER haben, das fast vollständig auf glufosinat-resistentem Saatgut besteht. Wegen der Gefährlichkeit von Glufosinat, aber auch wegen der Auskreuzung gentechnisch veränderter Pflanzen sowie der ungeklärten Risiken für die Verbraucher, muss BAYER glufosinat-resistentes Saatgut vom Markt nehmen. Insbesondere den Antrag auf eine EU-Importzulassung für gentechnisch veränderten Reis muss BAYER zurückziehen (siehe: http://www.cbgnetwork.org/2781.html).

Der Journalist Markus Breitscheidel hat inkognito als Leiharbeiter bei BAYER SCHERING gearbeitet. Als Stundenlohn erhielt er 6,24 Euro brutto. Dieser Hungerlohn war selbst seinem Vorgesetzten peinlich - ihm seien jedoch die Hände gebunden, da in dem Betrieb seit der Übernahme durch BAYER die Kosten in der Produktion massiv gedrückt werden. Wurden Leiharbeiter zunächst nur bei Engpässen angeheuert, so bilden sie mittlerweile die Mehrheit im Betrieb. Zahlreiche Festangestellte verloren ihren Job und wurden zu deutlich geringeren Bezügen als Leiharbeiter neu eingestellt. Durch die negative Publicity aufgeschreckt versuchte sich BAYER durch eine Lohn-Nachzahlung an Markus Breitscheidel aus der Affäre zu ziehen (mehr Infos: http://www.cbgnetwork.org/2763.html).

Weiterhin beteiligt sich BAYER an energiepolitischen Weichenstellungen, die den Klimaschutz auf Jahrzehnte hinweg torpedieren. So soll im Werk Uerdingen ein Steinkohlekraftwerk gebaut werden, das jährlich 4,4 Millionen Tonnen CO2 emittieren würde. Betreiber soll die BAYER-Tochter Currenta werden. Auch in den Werken Brunsbüttel und Antwerpen sind neue Kohlekraftwerke geplant. Alle genannten Kraftwerke sollen mit Importkohle aus Übersee befeuert werden.
Eine zentralisierte Stromproduktion in solch gigantischen Kraftwerken verhindert einen sinnvollen Einsatz der entstehenden Wärme. Über die Hälfte der in Brunsbüttel und Antwerpen erzeugten Energie würde wirkungslos verpuffen. Mit einer Lebensdauer von bis zu 50 Jahren würden die neuen Kraftwerke den Einstieg in eine umweltfreundliche Energieproduktion für zwei Generationen verhindern. BAYER konterkariert damit sein vollmundiges Versprechen, „im Klimaschutz neue Maßstäbe“ zu setzen (http://www.cbgnetwork.org/1885.html).

Laut einer aktuellen Studie vertreibt BAYER die größte Zahl gefährlicher Pestizide. In der Untersuchung von Greenpeace werden erstmals die Produkte der fünf größten Agrochemie-Konzerne, die 75 Prozent des Weltmarktes abdecken, auf Basis von Umwelt- und Gesundheitskriterien durchleuchtet. 46 Prozent der 512 weltweit von den untersuchten Konzernen verkauften Pestizide gefährden Mensch und Natur besonders stark.

BAYER gefährdet Patienten durch unlautere Werbe-Aussagen für Pharmaprodukte. So wurde BAYER im Herbst von US-Gesundheitsbehörde FDA wegen der Werbung für zwei Aspirin-Kombinationspräparaten verwarnt. Das Produkt „Bayer Heart Advantage“ war als Mittel vermarktet worden, mit dem sich der Blutfettspiegel senken und die Risiken für Herzkrankheiten verringern ließen. Das Präparat „Bayer Woman's“ wurde für den Einsatz zur Bekämpfung von Osteoporose beworben. Für beide Anwendungen existiert keine Zulassung.
Ziel der Aspirin-Werbung von BAYER ist es, das Präparat als Allheilmittel zu positionieren, das man lieber einmal zu viel als einmal zu wenig nimmt. In einer aktuellen Kampagne bezeichnet BAYER Aspirin gar als „Wundermittel“. Unter den Tisch gekehrt werden dabei die mitunter schweren, oftmals gar tödlichen Nebenwirkungen des Präparats, wegen der Aspirin nur auf ärztlichen Rat hin regelmäßig eingenommen werden sollte.

alle Informationen zur BAYER-Hauptversammlung

[Patente] STICHWORT BAYER 01/2009

CBG Redaktion

BAYER verklagt Generika-Hersteller

Patente kontra Patientenwohl

Der BAYER-Konzern will vor indischen Gerichten die Zulassung eines preiswerten Krebsmedikaments verhindern. Gesundheitsinitiativen befürchten einen Präzedenzfall, durch den die Zulassung von Generika generell behindert wird, und fordern die Einstellung des Verfahrens. Indien ist in weiten Teilen der Welt wichtigster Lieferant billiger Pharmazeutika. Im Fall einer eingeschränkten Versorgung mit bezahlbaren Medikamenten droht der Tod Tausender Patienten.

von Philipp Mimkes

Es war im Jahr 2001 als 42 Pharma-Multis ihre Klage gegen die südafrikanische Regierung fallen ließen. Die Konzerne, darunter die Leverkusener BAYER AG, hatten verhindern wollen, dass Südafrika preiswerte AIDS-Medikamente aus Indien importiert. Südafrika berief sich dabei auf Ausnahmebedingungen des internationalen Patentrechts: im Fall eines nationalen Notstands, der angesichts von Millionen von Infizierten zweifellos gegeben war, können Patentrechte außer Kraft gesetzt und billige Generika produziert werden.
Die Firmen hatten erst nach internationalen Protestaktionen, unter anderem vor den Toren der BAYER-Werke, eingelenkt. Der Erfolg gibt Südafrika Recht: die anti-retrovirale HIV-Therapie mit generischen Präparaten kostet mittlerweile nur noch 90 US-Dollar pro Jahr und Patient - statt ursprünglich $12.000 für eine Behandlung mit Markenmedikamenten – und ist für weite Teile der Bevölkerung erschwinglich geworden. Brasilien, Thailand und andere Schwellenländer legten ähnliche Programme auf.
Die Auseinandersetzung lenkte den Blick darauf, dass die Behandlung von Millionen Patienten in aller Welt nicht an der Verfügbarkeit von Medikamenten scheitert, sondern an hohen Preisen. Aufgrund langjähriger Patente können die Hersteller von Markenpräparaten wahre Phantasiepreise verlangen. Die Rechtfertigung der Konzerne, nur mit hohen Preisen ließe sich Pharma-Forschung finanzieren, geht dabei an der Realität vorbei: mehr als doppelt so viel wie für die Entwicklung neuer Präparate geben die Firmen für das Marketing aus. Und noch immer stammt ein Großteil unentbehrlicher Medikamente aus öffentlich finanzierter Forschung.
Die Argumentation von PFIZER, BAYER und Co. unterschlägt zudem, dass Pharma-Patente auch in den Industriestaaten bis in die 70er Jahre nur bedingt anerkannt wurden. Generell war bis dahin Konsens, dass die Gesundheitsvorsorge Vorrang haben muss gegenüber den Interessen der Hersteller. Nach Meinung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN müssen ärmere Länder daher das Recht haben, den Medikamenten-Markt zu regulieren, um die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen.

internationale Kampagne
Eine Nummer kleiner als das Verfahren in Südafrika - aber dennoch mit internationalen Implikationen - ist die Klage, die gegenwärtig vor dem High Court in Neu Delhi verhandelt wird. BAYER hatte kurz vor Weihnachten die indische Zulassungsstelle für Pharmazeutika Drugs Controller General of India (DCGI) verklagt, da diese dem indischen Unternehmen CIPLA eine Zulassung für das patentgeschützte Krebsmedikament Nexavar erteilt hatte. Die DCGI kann Zulassungen für generische Pharmazeutika erteilen, auch wenn für die Original-Präparate noch Patentschutz besteht. Hierdurch soll erreicht werden, dass nach Auslaufen eines Patents oder im Fall eines Notstands ohne Verzögerung preiswerte Nachahmer-Produkte auf den Markt kommen.
Die Zulassung der DCGI beinhaltet keine automatische Verkaufs-Genehmigung. Nach Ansicht von Gesundheitsexperten stellt die Vorab-Zulassung von Generika daher keine Verletzung von Patentrechten dar; ein zu früher Verkauf von Generika kann gerichtlich unterbunden werden. Dennoch fordert BAYER, im Falle eines existierenden Patents grundsätzlich keine Zulassung für Nachahmer-Produkte zu erteilen. Gesundheitsgruppen aus aller Welt, darunter das Netzwerk HEALTH ACTION INTERNATIONAL, die Ärzte-Organisation IPPNW, die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, die BUKO PHARMA-KAMPAGNE und MEDICO INTERNATIONAL befürchten, dass der Prozess die Zulassungspraxis von Generika in Indien gefährdet. Indien produziert etwa 70 Prozent aller weltweit eingesetzten Generika.
In einem gemeinsamen Aufruf fordern die Initiativen den Konzern auf, die Klage zurückzuziehen. Amit Sen Gupta vom indischen PEOPLES HEALTH MOVEMENT: „BAYER will offenbar nicht nur die eigenen Patentrechte ausweiten, sondern einen Präzedenzfall schaffen. Die Forderungen des Unternehmens gehen sogar über die im internationalen TRIPS-Abkommen festgelegten Patentregeln hinaus. Ein Erfolg der Klage würde den Einsatz lebensrettender Generika generell verzögern. Dies hätte schwerwiegende Konsequenzen für den Zugang zu preiswerten Medikamenten – nicht nur für indische Patienten, sondern für arme Menschen in weiten Teilen der Welt.“ Bernd Eichner von MEDICO INTERNATIONAL ergänzt: „Im Fall lebensrettender Medikamente kann bereits eine Verzögerung der Zulassung von preiswerten Generika um einige Monate Hunderte oder Tausende Menschenleben kosten, weil patentierte Medikamente für weite Teile der Bevölkerung nicht erschwinglich sind.“

BAYER wird nervös
In den meisten Ländern der Welt, so auch in Deutschland, werden Patentfragen bei der Erteilung von Pharma-Zulassungen nicht betrachtet. Hierfür sind in der Regel Patentämter zuständig. Sowohl das indische Gesetz wie auch das TRIPS-Abkommen zum Schutz des geistigen Eigentums sehen Zulassungen von Generika noch vor Ablauf eines Patents vor. Hiermit soll erreicht werden, dass nach Ablauf oder im Fall der Aberkennung eines Patents sofort Generika auf den Markt kommen können und diese nicht erst einen zeitaufwendigen Zulassungsprozess durchlaufen müssen. Auch klinische Studien von Generika-Herstellern sollen hierdurch ermöglicht werden.
Als Mitglied der Welthandelsorganisation WTO war Indien gezwungen, bis zum Jahr 2005 das TRIPS-Abkommen umzusetzen. Das indische Parlament hatte dabei aber mehrere Mechanismen zum Schutz der Gesundheitsvorsorge beschlossen. Dem vorangegangen waren Forderungen insbesondere aus Entwicklungsländern, die Produktion indischer Generika nicht zu gefährden. Hierzu Vandana Shiva, Trägerin des Alternativen Nobelpreises: „Konzerne privatisieren die Lebens- und Existenzgrundlagen der Menschen und machen sie zum Eigentum der Unternehmen. Meine Tätigkeit ist darauf ausgerichtet, dass Lebensgrundlagen nicht privatisiert werden, dass Bauern das Recht auf Reproduktion von Saatgut haben, dass wir pharmazeutische Produkte selbst herstellen können. Denn unsere eigenen Medikamente kosten hundertmal weniger als die der großen internationalen Unternehmen.“
In einer ersten Anhörung in Neu Delhi konnte BAYER durchsetzen, dass der Zulassungsantrag von CIPLA vorerst auf Eis liegt. Gleichwohl zeigen sich die Verantwortlichen im Konzern durch die internationale Kampagne, die von Nachrichtenagenturen und Tageszeitungen aufgegriffen wurde, verunsichert: Briefe von Mitgliedern der COORDINATION wurden zunächst entgegenkommend beantwortet („Den Zugang zu innovativen Arzneimitteln, den Sie ansprachen, auch in ärmeren Regionen der Welt mit zu ermöglichen, ist sicherlich eine der größten politischen und sozialen Herausforderungen unserer Zeit“). Nur wenige Tage später wird die Diskussion jedoch für beendet erklärt: „Ich werde Ihre Anmerkungen an unsere Rechtsabteilung weiterleiten. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich darüber hinaus zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr dazu sagen kann“, heißt es in einer Stellungnahme von BAYER-Sprecherin Anna Koch.

[Ticker] STICHWORT BAYER 01/2009 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Demo gegen Kraftwerke
In Brunsbüttel sollen drei Kohlekraft- und ein Müllkraftwerk das Atomkraftwerk ersetzen - und das bis auf eine Kohle-Dreckschleuder alles auf dem BAYER-Gelände. „Wie viel Dreck müssen wir noch ertragen“, fragten sich da die AnwohnerInnen und demonstrierten am 14. März gegen die Pläne. 300 Menschen beteiligten sich an der Protestaktion, zu der unter anderem Bürgerinitiativen, der BUND und die Grünen aufgerufen hatten.

Protest gegen Patentklage
BAYER hat die indische Medikamenten-Zulassungsstelle „Drugs Controller General of India“ (DCGI) verklagt, da diese dem einheimischen Unternehmen CIPLA eine Zulassung für das patentgeschützte BAYER-Krebsmedikament NEXAVAR erteilt hatte (siehe auch SWB 1/09). In einer ersten Anhörung in Neu Delhi gelang es dem Leverkusener Multi bereits, die Genehmigung vorerst ruhen zu lassen. Sollte der Konzern abschließend Recht bekommen, so wäre ein Präzedenzfall geschaffen, der die Versorgung der ärmeren Länder mit preiswerten Arzneien generell gefährdet, da Indien weltweit einer der größten Hersteller billiger Nachahmer-Präparate ist. Aus diesem Grund hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gemeinsam mit anderen Initiativen und BündnispartnerInnen vor Ort eine Kampagne gegen das Vorgehen des Pharma-Riesen gestartet.

Initiative kritisiert EPA-Strafe
Schon bevor BAYER 2001 das Werk im US-amerikanischen Institute erwarb, wo sich am 28. August 2008 ein schwerer Störfall ereignete (siehe auch UNFÄLLE & KATASTROPHEN), wurde die Produktionsstätte wegen ihrer Sicherheitsrisiken aktenkundig. Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA stellte so schwerwiegende Mängel wie überhöhte Emissionen, fehlerhafte Emissionsberichte sowie Verstöße gegen Vorschriften im Umgang mit gefährlichen Stoffen fest und forderte den Leverkusener Multi als Rechtsnachfolger zu einer Strafzahlung in Höhe von einer Million Dollar auf. Mit diesem Geld soll der Konzern unter anderem in eine Technologie investieren, welche die massiven Einleitung von Chloroform in den Fluss Kanawha stoppt, und den Katastrophenschutz verbessern. Die ortsansässigen Initiative PEOPLE CONCERNED ABOUT MIC (PCAM) kritisiert den Deal. „Wenn es der primäre Zweck dieser Strafe ist, abschreckend zu wirken, dann war sie wohl nicht hart genug, denn BAYER hat im Zuge der Explosionen im August 2008 einige der Gesetze wieder missachtet“, schrieb die Gruppe an die EPA. Aber die UmweltaktivistInnen halten nicht nur die Strafe von einer Million Dollar für zu gering, sie stoßen sich auch an den Auflagen zu ihrer Verwendung. Nach Ansicht von PCAM-Sprecherin Maya Nye hätte der Multi das Geld zur Finanzierung eines unabhängigen Monitoring-Systems, zur Ausarbeitung eines Katastrophenplans und zur Versorgung der AnwohnerInnen mit Gasmasken ausgeben müssen. Zudem tritt sie für Sanktionen ein, die mit Geld nicht zu bezahlen sind: „Wir hätten es gerne, wenn Verstöße gegen Vorschriften auch zu Fabrikschließungen führen würden, bis es Pläne gibt, wie die Sicherheit und die Gesundheit der Bewohner zu gewährleisten sind“.

Kritik an PONCHO-Wiederzulassung
Im letzten Frühjahr hatte BAYERs Saatgutbehandlungsmittel PONCHO (Wirkstoff: Clothianidin) in Süddeutschland ein großes Bienensterben verursacht. Die Aufsichtsbehörden untersagten daraufhin Anwendungen auf Raps und Mais. Für Raps gab das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ (BVL) allerdings schon im Sommer wieder grünes Licht - was intern auf große Kritik stieß. Wie die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) nach einer Anfrage erfuhr, nahm das Umweltbundesamt (UBA) die Entscheidung des BVL nur „mit äußerstem Befremden“ zur Kenntnis, weil „keine belastbaren Daten“ vorgelegen hätten. „Wir widersprechen ihrer Auffassung nachdrücklich“, hielt das UBA deshalb fest.

ImkerInnen gegen Wirtschaftseinfluss
Der „Deutsche Imkerbund“ und der „Deutsche Berufs- und Erwerbsimkerbund“ haben in einem Offenen Brief den großen Einfluss von BAYER & Co. bei der Erforschung des Bienensterbens und die daraus resultierende ungenügende Untersuchung von Pestiziden als Auslöser kritisiert. Eine „Verflechtung von Wirtschaftsinteressen, Forschung und Behörden“ machten die Verbände fest. Da das Geld für die Studien der Bienen-Institute „gerade im Bereich der Agroindustrie ausnahmslos von Firmen wie BAYER, BASF, SYNGENTA etc. zur Verfügung gestellt“ werde, seien die Ergebnisse nicht objektiv. Im „Deutschen Imkerbund“ hat der Vorstoß zu einer Kontroverse geführt. WissenschaftlerInnen gaben ihren Sitz im Beirat auf, und einige Landesverbände forderten die Abwahl von Präsident Peter Maske. Sogar der große Bruder der Imker-Vereinigung, der „Deutsche Bauernverband“, schaltete sich ein. „Diktion und Inhalt“ des Schreibens kamen diesem „unmöglich“ vor. Offensichtlich eingeschüchtert, zog der Vorstand den Brief zurück und entschuldigte sich bei den Instituten. Die BienenzüchterInnen bestätigten Maske allerdings im Amt. So bleibt Hoffnung auf einen industrie-kritischeren Kurs des ImkerInnenbundes.

Leserbrief zu Kohlekraftwerk
Ein in der Westdeutschen Zeitung veröffentlichter Leserbrief kritisiert die Position der Gewerkschaften zu dem in Krefeld auf dem BAYER-Gelände geplanten Kohlekraftwerk scharf. „Es ist geradezu peinlich, wie sich die Betriebsräte im Chempark von den Führungsspitzen bei BAYER instrumentalisieren lassen, indem 7.000 Arbeitsplätze in Gefahr geredet werden. Kein einziger Arbeitsplatz ist in Gefahr“, schreibt die Leserin. Sie erinnert aus gegebenem Anlass noch einmal an die Umweltsünden der Vergangenheit, die „Hunderte von Toten“ kosteten und verlangt vom Konzern, seine Zusicherungen hinsichtlich der Reduzierung des Schadstoff-Ausstoßes in eine verbindliche vertragliche Form zu gießen.

BUKO kritisiert Pillen-Werbung
Anfang 2008 kritisierte der von der BUKO PHARMA-KAMPAGNE herausgegebene Pharma-Brief die irreführende Werbung des Leverkusener Multis für seine Verhütungspillen. „Durch die Verhütung mit einer solche Pille werden Haut- und Haarprobleme deutlich verbessert bzw. verschwinden vollständig. Selbst junge Mädchen, die (noch) gar kein Verhütungsmittel benötigen, wenden allein aus diesem Grund gerne eine geeignete Pille an“, hieß es etwa auf der Webpage der BAYER-Tochter JENAPHARM für VALETTE, obwohl auf dem entsprechenden Beipackzettel just Akne als Nebenwirkung aufgeführt ist. Und PETIBELLE empfahl das Unternehmen als Mittel der Wahl gegen das „Prämenstruelle Syndrom“, das die Industrie nur zu gerne von einer Befindlichkeitsstörung zu einer Krankheit promovieren würde. Die Pharma-Kampagne wandte sich wg. dieser Werbeaussagen an das „Thüringer Landesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz“ als zuständige Aufsichtsbehörde. Dieses strengte zwar ein Ordnungswidrigkeitsverfahren an, stellte es aber wieder ein. „Im Vergleich sind die Internetseiten der Konkurrenz-Produkte ähnlich aufgebaut“, befanden die VerbraucherschützerInnen. Zudem seien die Seiten inzwischen umgestaltet, behaupteten sie fälschlicherweise. Erst als sich die SWR-Sendung Odysso der Sache annahm, verschwand die VALETTE-Reklame schließlich aus dem Netz. Das Kontrazeptivum YASMIN preist der Leverkusener Multi sogar als Mittel gegen Gebärmutter- und Eierstockkrebs an, während er das erhöhte Risiko von YASMIN-NutzerInnen, an Brust oder Gebärmutterhals-Krebs zu erkranken, verschweigt. Die Bezirksregierung Köln interessierte sich nicht weiter dafür, sie ließ den Buko-Brief unbeantwortet. Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA reagiert auf solche Marketing-Strategien BAYERs dagegen harscher (siehe RECHT & UNBILLIG).

TierversuchsgegnerInnen protestieren
Im Januar 2009 protestierten TierschützerInnen der Initiative SHAC vor den Toren einer britischen BAYER-Niederlassung, weil auch der Pharma-Riese zu den Kunden des Tierversuchsmultis HUNTINGDON LIFE SCIENCES zählt. In Instituten, die im Auftrag des Leverkusener Konzerns forschten, starben im Jahr 2008 1.241 Tiere. In den eigenen Labors des Unternehmens verendeten im gleichen Zeitraum 157.710 Kreaturen (2007: 157.987).

Bisphenol-Verbot in der EU gefordert
Die von BAYER massenhaft hergestellte und vor allem in Mineralwasser- und Babyflaschen sowie Konservendosen Verwendung findende Chemikalie Bisphenol A (BPA) kann Diabetes oder Herz/Kreislauf-Erkrankungen befördern, die Entwicklung des Gehirns, Stoffwechselprozesse und die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen und Chemotherapien erschweren. In Kanada haben die Behörden BPA in Trinkflaschen bereits verboten. Gleiches fordert jetzt eine ins Straßburger EU-Parlament eingebrachte Deklaration.

Paraguay: LandwirtInnen gegen Gensoja
Paraguayische LandwirtInnen besetzten Anfang Oktober 2008 eine mit Gen-Soja kultivierte Anbaufläche, die im Besitz zweier Großgrundbesitzer aus Brasilien ist, und pflanzten auf dem Acker stattdessen Sesam und Manioks an. „Uns blieb keine andere Wahl als die brasilianischen Haciendas zu besetzen, weil das Soja die Waldflächen frisst und für Pestizid-Vergiftungen sorgt“, sagte der FarmerInnen-Sprecher Elvio Benítez. Zudem forderte er den Staatspräsidenten Fernando Lugo auf, in dem Staat, dessen Farmland mehr noch als im übrigen Lateinamerika in den Händen einiger weniger Agrarfürsten ist, endlich mit der versprochenen Landreform zu beginnen.

Proteste gegen Patent-Regelungen
Die Initiative KEIN PATENT AUF LEBEN hat eine Kampagne gegen den Zugriff der großen Konzerne auf das Erbgut von Tieren und Pflanzen gestartet. Sie verfasste einen Protestbrief, der die Justizministerin Brigitte Zypries und die Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner zum Handeln auffordert, und rief Gentechnik-GegnerInnen dazu auf, ihn persönlich zu zeichnen und an die Politikerinnen zu senden. „Vom Saatgut bis zum Schnitzel, vom Mehl bis zur Milch - die Industrie holt zum Generalangriff auf die allen Menschen gemeinsamen Lebensgrundlagen aus. Sie missbraucht das Patentrecht zur Übernahme von Lebensmittelproduktion und Landwirtschaft“, heißt es in dem Schreiben, das gleichwohl Möglichkeiten zu einer politischen Intervention sieht. „Noch können die Weichen gestellt werden“, stellt KEIN PATENT AUF LEBEN fest und mahnt eine Veränderung des bundesdeutschen und europäischen Patentrechts an, um BAYER & Co. in die Schranken zu weisen.

Offener Brief an Hochschule
BAYER hat der Universität von North Carolina einen „Sustainable Development“-Lehrstuhl spendiert. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) protestierte in einem Offenen Brief gegen das Ansinnen, Umweltschutz, so wie ihn BAYER sieht, mit universitären Weihen zu versehen. Die Resonanz in der US-amerikanischen Öffentlichkeit war groß. Die Bildungseinrichtung blieb allerdings bei ihrer Entscheidung. „BAYER CROPSCIENCE (...) war lange Jahre ein wertvoller Partner. Solche Partnerschaften bereichern unser College-Programm und erlauben uns, unseren Studierenden sowie den Bürgern von North Carolina und anderen besser zu dienen“, antwortete der Dekan Johnny C. Wynne der CBG. Wie sie das Programm bereichern, verraten schon die Wörter. So führt die Fakultät die Industrie-Bezeichnung „Life Science“ im Namen und lehrt „Integrierten Pflanzenschutz“, die Agromulti-Version von ökologisch korrektem Pestizid-Gebrauch.

LOBBYCONTROL will Register
Ca. 5.000 LobbyistInnen gehen in der Hauptstadt ihrer Arbeit nach. Der Leverkusener Multi hat in der Hauptstadt nicht nur ein eigenes „Verbindungsbüro“, er kann auch auf die Dienste des von ihm mitgegründeten „Verbandes der Forschenden Arzneimittelhersteller“ und des „Verbandes der Chemischen Industrie“ zählen. Damit zumindest für ein Mindestmaß an Transparenz gesorgt ist, fordert die Initiative LOBBYCONTROL, die auch den etwas anderen Reiseführer „LobbyPlanet Berlin“ herausgegeben hat, ein Register der AntichambriererInnen. Die Grünen, die Linkspartei und die SPD haben bereits ihre Zustimmung signalisiert.

Filmemacherin kritisiert EU-Behörde
Die französische Journalistin und Filmemacherin Marie-Monique Robin, deren Film „MONSANTO - mit Gift und Genen“ viel Aufsehen erregte, hat die für Genehmigungen von Genpflanzen zuständige „Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit“ (EFSA) wegen ihrer Industrie-Abhängigkeit scharf kritisiert. „80 Prozent der Wissenschaftler dort arbeiten für MONSANTO und andere Saatguthersteller wie SYNGENTA oder BAYER CROPSCIENCE. Ich habe mit zwei französischen Abgeordneten gesprochen, die ihren Unmut auch in der Zeitung Le Monde veröffentlicht haben. Sie sagen, der politische Druck, die Zulassung der GVO (gentechnisch veränderte Organismen, Anm. SWB) umzusetzen, sei unerträglich. Da geht es nicht nur um normale Lobbyarbeit, sondern auch um Bestechung und all diese Dinge“.

KAPITAL & ARBEIT

Betriebsbedingte Kündigungen?
Der Kauf des Berliner Pharma-Unternehmens SCHERING bringt BAYER jährlich einen „Synergie-Effekt“ von 800 Millionen Euro. Kleiner Nebeneffekt: Die Vernichtung von 6.000 Stellen. Bis auf 50 Jobs hat der Leverkusener Multi diese Arbeit bereits verrichtet. Und für die noch übrig gebliebenen Posten auf der Streichliste schließt BAYER-Chef Werner Wenning betriebsbedingte Kündigungen nicht aus. „Betriebsbedingte Kündigungen wären lediglich die ultima ratio“, sagte er in einem Interview mit der Zeitung Potsdamer Neueste Nachrichten.

Kritik & Selbstkritik bei BAYER
Bei BAYER dürfen sich die Beschäftigten selbst Zeugnisse ausstellen, allerdings behält der/die Vorgesetzte das letzte Wort. Rund ein Drittel der Belegschaft unterwirft sich dem so genannten Performance-Management. Dabei müssen die Betriebsangehörigen jedes Jahr selbst beurteilen, ob sie es schafften, den Zielvorgaben gerecht zu werden. Dann treten die ChefInnen auf den Plan und gleichen die subjektiven Leistungseinschätzungen mit ihren Eindrücken ab. „Offenes Feedback ist uns wichtig“, heißt es zu dieser Praxis aus dem Konzern.

ManagerInnen-Gehälter kaum begrenzt
Damit die Milliarden-Hilfen für die Wirtschaft nicht allzu viel böses Blut bei den SteuerzahlerInnen hervorrufen, hat die Bundesregierung ein bisschen an den Millionen-Gehältern der ManagerInnen herumgedoktort. Ab sofort müssen sie in einem angemessenen Verhältnis zur Leistung des Vorstands stehen, und über die Festsetzung der Bezüge entscheidet nunmehr der ganze Aufsichtsrat. Aktien-Optionen dürfen Wenning & Co. fortan erst nach vier Jahren einlösen, was zu einem langfristigeren Denken anhalten soll. Auch sind sie dazu angehalten, ihre komplexen Entlohnungsstrukturen der Öffentlichkeit gegenüber transparenter darzustellen. „Wenn man sieht, wie ungeniert sich mancher Vorstand selbst in der Krise noch bedient, dürfen sich die Manager über die harmlosen Beschlüsse des Kabinetts sogar freuen“, kommentierte die Faz.

ERSTE & DRITTE WELT

Forschungsanreize für Tropenkrankheiten
BAYER entwickelt nur Arzneien, die Profit versprechen. Eine Krankheit mag noch so verbreitet sein, wenn die PatientInnen sich keine Behandlung leisten können, interessieren die Pharma-Riesen sich für die Erforschung der Gesundheitsstörung nicht weiter. Darum hat BAYER schon vor Jahrzehnten seine Abteilung für Tropenmedizin aufgelöst. Es müssen schon private und/oder öffentliche Gelder fließen, um den Leverkusener Multi zu neuen Anstrengungen auf diesem Gebiet zu verlocken, wie im Falle der Tuberkulose- und Malaria-Projekte (Ticker berichtete mehrfach) geschehen. Aus diesem Grunde war die ehemalige BAYER-Angestellte Cornelia Yzer, die heute dem vom Leverkusener Multi gegründeten „Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller“ vorsitzt, äußerst angetan von der US-amerikanischen Praxis, die Pillen-Hersteller mit der Aussicht auf schnellere Medikamenten-Zulassungen zum Einstieg in unlukrative Geschäftsfelder zu bewegen. Als „ökonomisch von großem Wert“ bezeichnete Yzer bei einem Fachgespräch im Bundestag die neue US-Regelung und forderte sogleich eine europa-weite Einführung. Ihre Werthaltigkeit steht allerdings im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Qualität. Entgegen ursprünglicher Planungen müssen BAYER & Co. nicht einmal auf den Patentschutz für ihre tropenmedizinischen Neu-Entwicklungen verzichten, damit sie die beschleunigten Verfahren für ihre potenziellen Blockbuster in Anspruch nehmen können. Und besser als die bisherigen Arzneien brauchen die Novitäten auch nicht mehr zu sein.

IG Farbeen

Wollheim-Denkmal errichtet
1951 verklagte der ehemalige IG-FARBEN-Zwangsarbeiter Norbert Wollheim die Nachfolge-Gesellschaft auf Schmerzensgeld. Nach langwierigen Verhandlungen erhielt Wollheim nicht nur in eigener Sache Recht: Die IG FARBEN IN ABWICKLUNG mussten in einem Vergleich 15 Millionen Euro an die Opfer zahlen. Ohne diesen Musterprozess hätte es wahrscheinlich nie Entschädigungen für die SklavenarbeiterInnen der deutschen Industrie gegeben. Deshalb ehrte die Stadt Frankfurt Wollheim im vergangenen Jahr mit einem Memorial (siehe SWB 1/09).

Bundessstiftung verspekuliert sich
Über acht Millionen ZwangsarbeiterInnen gab es während des Dritten Reiches Sklavendienste. Zehntausende von ihnen leisteten Fronarbeit bei den von BAYER mitgegründeten IG FARBEN. Allein in Auschwitz, wo die IG sogar ein firmen-eigenes KZ unterhielt, starben zwischen 23.000 und 25.000 von ihnen. In den 90er Jahren forderten die Überlebenden Entschädigungszahlungen von BAYER & Co. und drohten mit Sammelklagen. Die rot-grüne Bundesregierung sprang den Unternehmen zur Seite, um Imageschäden abzuwenden und langwierige Prozesse zu verhindern. Sie regte die Gründung der Bundesstiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ an, dessen Kapital die Unternehmen noch nicht einmal allein aufzubringen brauchten: die Hälfte kam aus Steuermitteln. Erst nach einem endlosen Gefeilsche mit den Opfer-VertreterInnen um die Entschädigungssummen konnte die Bundesstiftung mit den ersten Zahlungen - symbolische Summen von höchstens 7.500 Euro pro Person - beginnen. Im Juni 2007 schloss sie ihre Arbeit ab. Die Stiftung bleibt jedoch weiter tätig und fördert Geschichtsprojekte, Begegnungsprogramme und Forschungsprojekte. Dies kann die Organisation dieses Jahr allerdings nur in geringerem Umfang tun. Sie legte ihr Vermögen nämlich zu risikoreich an und musste im Zuge der Finanzkrise hohe Summen abschreiben. Deshalb schrumpfte der Jahresetat der Stiftung von neun Millionen Euro auf 7,3 Millionen.

POLITIK & EINFLUSS

BAYERs Außenminister tritt ab
Im Februar 2009 ging der BAYER-Manager Dr. Franz-Josef Berners in den unverdienten Ruhestand. Seinen Ruf als „Außenminister BAYERs“ erwarb sich der langjährige Leiter des Unternehmensbereichs „Regionale Koordinierung“ durch seine Kontrolltätigkeiten bei den vielen ausländischen Tochtergesellschaften des Chemie-Multis. Aber auch Innenpolitik konnte der Betriebswirt. So saß er von 1975 bis 1990 für die CDU im Leverkusener Stadtrat, nahm dort zehn Jahre den Fraktionsvorsitz wahr und „übertrug einiges vom BAYER-Arbeitsstil auf die ehrenamtliche Ratsarbeit“, wie die Rheinische Post befand. Zudem gehörte Franz-Josef Berners dem Bezirksplanungsrat und zwei Jahre lang sogar dem Bundestag an, in den er vermutlich nicht nur den Arbeitsstil, sondern auch die politische Sichtweise des Konzerns einbrachte. Zur Belohnung darf er jetzt noch ein paar einträgliche BAYER-Aufsichtsratspöstchen fern der Heimat behalten. Damit nicht genug, drohte Berners zudem Aktivitäten als Berater an.

Kurth comes home
Dr. Reinhard Kurth war immer ein Mann der Pharma-Industrie. Deshalb bugsierten BAYER & Co. den Leiter des „Robert-Koch-Institutes“ im Jahr 2005 auch auf den Chef-Sessel des „Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfArM). Zum Dank dafür setzte Kurth sich dann für Industrie-VertreterInnen im BfArM-Vorstand und beschleunigte Pillen-Zulassungsverfahren ein. Zudem wollte er die Institution rechtlich unabhängig machen und so in eine „international konkurrenzfähige Zulassungsagentur“ verwandeln. Das ging selbst der CDU zu weit, weshalb der Mediziner 2007 wieder gehen musste. Aber der Leverkusener Multi wusste, was er Reinhard Kurth schuldig war. Der Konzern erkor ihn zum Vorsitzenden der SCHERING-Stiftung, die sich der Förderung des wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchses verschrieben hat.

CO2: BAYER fährt nach Brüssel
Vor einigen Jahren hat die EU den Emissionshandel mit Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten eingeführt. Er sieht vor, BAYER & Co. CO2-Emissionen nur in einem bestimmten Volumen zu gestatten. Alles, was über ein bestimmtes Limit hinausgeht, sollte den Konzernen teuer zu stehen kommen, weil sie dafür Verschmutzungsrechte kaufen müssten. Dazu ist es jedoch dank umfangreicher Lobby-Aktivitäten immer noch nicht gekommen. Für die neueste Variante ihrer Obstruktionspolitik instrumentalisierten die Multis die Wirtschaftskrise und malten einmal mehr das Schreckgespenst von Arbeitsplatz-Vernichtungen an die Wand. Angela Merkel verfiel sogleich in Schockstarre und handelte beim Brüsseler EU-Gipfel kostenlose Verschmutzungsrechte für die bundesdeutschen Chemie- und Stahlunternehmen, die besonders viel CO2 emittieren (BAYER insgesamt ca. 7,5 Millionen Tonnen), aus. Der Leverkusener Multi hat dazu mit einer konzertierten Aktion wichtige Vorarbeit geleistet. Der Werksleiter des Brunsbütteler Werkes, Roland Stegmüller, reiste gemeinsam mit dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff und dem IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE-Vorsitzenden und BAYER-Aufsichtsrat Hubertus Schmoldt nach Brüssel, um auf höchster Ebene Lobby-Arbeit zu betreiben. Wulff betätigte sich dabei am ehrgeizigsten als Bauchredner BAYERs. „Wir wollen mehr Klimaschutz, das ist eine Sache des Überlebens. Aber die energie-intensive Branche muss eine freie Zuteilung der Emissionsrechte bekommen, sonst wandern die Betriebe ab in Länder, in denen es überhaupt keinen Handel mit Emissionsrechten gibt“, warnte der CDU-Politiker.

Merkel bei BAYER
Der Leverkusener Multi war auf dem letzten Bundesparteitag der CDU in Stuttgart mit einem Stand vertreten. An diesem erhielt der Konzern Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Bei den Gesprächen mit der Kanzlerin rückten vor allem die Themen Bildung und Ausbildung in den Mittelpunkt“, vermeldet BAYERs Propaganda-Postille direkt. Der Konzern nutzte die Gelegenheit aber auch, um die Politikerin wegen der aus Brüssel drohenden Verschärfungen der Klimaschutz-Auflagen ins Benimm zu nehmen (s. o.). Darüber hinaus schauten noch zahlreiche andere CDUlerInnen bei BAYER vorbei. Besonderes Interesse zeigte mit Hermann Gröhe, Willi Zylajew und Ruprecht Polenz die Landesgruppe Nordrhein-Westfalen.

EU initiiert Gentech-Geheimkommission
Nach Recherchen des Journalisten Geoffrey Lean von der britischen Tageszeitung Independant hat die EU eine unter Ausschluss der Öffentlichkeit operierende Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, um die Einführung genmanipulierter Nahrungsmittel zu beschleunigen. Zu diesem Zweck plant der Stab, zu deren Treffen die Regierungen der Mitgliedsländer hochrangige MitarbeiterInnen entsandten, unter anderem eine Beschleunigung der Zulassungsverfahren und eine Werbekampagne zur Verbesserung des Images der Risikotechnologie. Dabei soll das immer wieder gerne auch von BAYER gebrauchte Argument zur Anwendung kommen, die Gentechnik wäre nötig, um „das Problem des Welthungers“ zu lösen.

Wowereit bei BAYER
Der Aufkauf SCHERINGS durch den Leverkusener Multi hat bisher fast 6.000 Arbeitsplätze gekostet, nicht einmal betriebsbedingte Kündigungen will BAYER-Chef Werner Wenning bei der Realisierung der „Synergieeffekte“ mehr ausschließen (siehe KAPITAL & ARBEIT). Den Segen von Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit hat der Konzern dazu. „Ich freue mich, dass die Integration so weit fortgeschritten ist. Diese Investition hat sich für alle Beteiligten gelohnt“, sagte der SPD-Politiker bei einem Werksbesuch in Berlin.

SPD nominiert Chemie-Gewerkschaftler
„Ich kann es nur begrüßen, wenn ein Kandidat antritt, der aus der chemischen Industrie kommt. Es wird Zeit, dass endlich jemand die Industriefeindlichkeit, die leider vielfach zu spüren ist, aufbricht“, mit diesen Worten kommentierte der Betriebsratschef des Dormagener BAYER-Werkes, Karl Josef Ellrich, die Bundestagskandidatur seines Gewerkschaftskollegen Hubert Esser für die SPD. Dabei hatte Ellrich besonders den Widerstand gegen BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline im Blick. Ob Esser aber mit seiner zustimmenden Haltung zur CO-Leitung im Wahlkreis Neuss, zu dem auch Dormagen und Grevenbroich gehören, genug Stimmen einsammeln kann, bleibt abzuwarten.

Wenning will mehr Patentschutz
Im Dezember 2008 lud der Leverkusener Multi zu einer „BAYER-Innovationsperspektive“. Der Konzern inszenierte sich vor 130 JournalistInnen als rastlos dem Neuen verpflichteter Multi mit großem Forschungsetat und leitete daraus sogleich Ansprüche ab. „Geistiges Eigentum ist als Grundlage für Innovationen unentbehrlich. Für ein Erfinder-Unternehmen wie BAYER ist ein weltweiter zuverlässiger Schutz des geistigen Eigentums essenziell“, so der Vorstandsvorsitzende Werner Wenning. Zu welchen Verwerfungen diese Haltung führt, zeigt ein von dem Pharma-Riesen angestrengter Patentverletzungsprozess in Indien, der die Versorgung der armen Länder mit billigen Medikamenten gefährden könnte (siehe AKTION & KRITIK).

EU lockert Werbeverbot
Das Pillengeschäft könnte noch mehr Profite abwerfen, wenn die Hersteller für verschreibungspflichtige Medikamente werben dürften. Deshalb versuchen BAYER & Co. seit geraumer Zeit, das EU-Reklameverbot zu Fall zu bringen. „Wir wollen doch nur informieren“, behaupten die Konzerne dreist und haben den Industrie-Kommissar der EU, Günter Verheugen, dafür als Bündnispartner gewonnen. Sein Gesetzesvorschlag, dem das Parlament in Straßburg noch zustimmen muss, erlaubt BAYER & Co. künftig die Ausweitung der Marketingzone. Die BUKO-PHARMA-KAMPAGNE und der Bremer Professor Dr. Gerd Glaeske verurteilen diese Pharmaindustrie-Politik scharf. „Dabei ist seit langem bekannt, dass Institutionen mit einem starken ökonomischen Interesse kaum in der Lage sind, objektiv und ohne ‚Verzerrungen‘ über ihre Produkte zu informieren“, empört sich Glaeske.

BAYER sponsort NRW-Regierung
Die nordrhein-westfälische Landesregierung lässt sich von zahlreichen Unternehmen finanziell unterstützen, unter anderem auch vom Leverkusener Chemie-Multi. So stiftete BAYER dem Familienministerium 6.000 Euro, die der Landeszentrale für politische Bildung als Preisgeld zugute kamen. Zudem sponsorte der Konzern das von der Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen beim Bund ausgerichtete „Fest des Westens“ mit einem Betrag in Höhe von 10.000 Euro.

REACH-Artikel gestrichen
Das REACH genannte Chemikaliengesetz der EU regelt den Umgang mit gefährlichen Stoffen und schreibt BAYER & Co. vor, ihre Stoffe auf gesundheitsgefährdende Wirkungen hin zu untersuchen. Im Rahmen der Umsetzung hat die Bundesregierung jetzt die Bestimmungen für Sicherheitsdatenblätter geändert. Mussten diese früher auch diejenigen Risiken auflisten, die sich bei einer nicht sachgemäßen Anwendungspraxis ergeben, so fällt diese Auflage nun weg. Die Partei DIE LINKE betrachtet das als eine Aufweichung des gesundheitlichen VerbraucherInnenschutzes und verlangte in einer Kleinen Anfrage von der Bundesregierung eine Erklärung. Das Umweltministerium antwortete, das Sicherheitsdatenblatt diene primär der Information beruflicher Verwender und sei nicht unmittelbar für die Risiko-Kommunikation gegenüber dem privaten Endverbraucher vorgesehen. Auf die Frage, ob die nicht bestimmungsgemäße Anwendung giftiger Substanzen nun Folgen haben könnten, welche die Sicherheitsdatenblätter nicht nennen, hieß es: „Die nicht bestimmungsgemäße Verwendung (...) kann - wie auch schon in der Vergangenheit - negative Folgen haben. Eine nicht bestimmungsgemäße Verwendung lässt sich aber auch nicht durch ein noch so aufwändig gestaltetes Sicherheitsdatenblatt ausschließen“.

Umweltgesetz endgültig gescheitert
Im Koalitionsvertrag hatten CDU und SPD vereinbart, die verschiedenen Umweltgesetze in einem Paragraphen-Werk zu bündeln. Die Arbeit kam aber nur mühsam voran, weil BAYER & Co. immer wieder Nachbesserungen anmahnten. „Da sind einige Gemeinheiten drin, die wir als Verschärfung betrachten“ kritisierte etwa der „Deutsche Industrie- und Handelstag“. Anderen WirtschaftsvertreterInnen hingegen ging der Bürokratieabbau bei den Genehmigungsverfahren nicht weit genug, und im Wasserrecht machten die Lobby-Verbände sogar einen Bürokratieaufbau aus, der ihre Anlagen-Planungen durchkreuzen könnte. Als die Kabinettsvorlage im Dezember endlich stand, trat die CSU auf den Plan. Die Partei sah durch neue Interventionsmöglichkeiten des Bundes in Sachen „Umweltschutz“ die Eigentumsrechte der LandwirtInnen verletzt und brachte das Projekt kurzerhand zu Fall. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel will nun zumindest einzelne Seiten des Umweltgesetzbuches in Paragraphenform überführen, da neue EU-Richtlinien etwa zum Gewässerschutz die Bundesregierung zum Handeln zwingen.

BAYER kritisiert Umweltbundesamt
Regelmäßig finden sich in Trauben und anderen Früchten Spuren der Ackergifte von BAYER & Co (siehe PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE). Darüber konnte auch das Umweltbundesamt (UBA) nicht hinwegsehen. In einer Veröffentlichung zur EU-Chemikalienverordnung REACH, welche den Konzernen die Untersuchung ihrer Substanzen auf eine gesundheitsschädliche Wirkung hin vorschreibt, konstatierte das UBA, dass Obst und Gemüse „mit Rückständen von Pestiziden verseucht“ seien. Da bekam BAYER die Seuche. Der Leverkusener Multi protestierte umgehend in einer Stellungnahme: „Diese Behauptung ist in dieser Einseitigkeit falsch und gibt ein völlig falsches Bild der Wirklichkeit“. Es mag dem Unternehmen zufolge zwar gelegentlich eine Verletzung der Grenzwerte vorkommen, aber das „heißt nicht, dass deren Überschreiten ein Risiko für den Verbraucher darstellt“. Diese Richtgröße ist für den unter Realitätsverlust leidenden Agro-Multi nämlich nur ein ungefährer Maßstab für die gute landwirtschaftliche Praxis und noch lange kein Alarmsignal.

PROPAGANDA & MEDIEN

10 Jahre BAYER-Schullabore
Zum unfeierlichen Anlass des 10-jährigen Bestehens der BAYER-Schullabore lud der Leverkusener Multi zu einer Geburtstagsparty ein. Der Unterricht fiel allerdings nicht aus. Der Multi kannte kein Pardon bei dem Bemühen, den SchülerInnen Chemie nach dem Konzern-Lehrplan beizubringen und ließ sie DNA aus einer Zwiebel isolieren, über den Farbwechsel von Rotkohl staunen und per genetischem Fingerabdruck nach bösen Buben fahnden. Mehr als 20.000 Kindern hat der Pharma-Riese so schon auf mehr oder weniger spielerische Weise in seine Welt eingeführt.

„Baylab“ eingeweiht
BAYER CROPSCIENCE hat im November 2008 ein eigenes Schülerlabor in Betrieb genommen. „Wir müssen die Jugendlichen heute schon früh für Naturwissenschaften begeistern, wenn wir nicht schon morgen mit leeren Händen dastehen wollen“, so CROPSCIENCE-Chef Friedrich Berschauer bei der Eröffnung des „Baylabs“. Exkurse über Risiken und Nebenwirkungen von Chemie & Co. würden bei dieser Maßnahme zur Sicherung zukünftiger Profite freilich nur stören. So lernen die PennälerInnen zwar, Biodiesel aus Raps zu gewinnen, welche Folgen der Agrosprit-Boom aber für die Preise der wichtigsten Grundnahrungsmittel hat, steht nicht auf dem Stundenplan.

„Schule und Wirtschaft“ bei BAYER
In Bergkamen hält die Industrie- und Handelskammer regelmäßig Wirtschaftsgespräche ab. Am 26. November 2008 lautete das Thema „Schule und Wirtschaft“. „Dazu hat die Industrie- und Handelskammer sich mit dem BAYER-SCHERING-Werk auch den richtigen Tagungsort ausgesucht“, befand die Westfälische Rundschau und zählte die Bemühungen des Konzerns auf, den SchülerInnen Pädagogik made by BAYER angedeihen zu lassen.

BAYERs Schulspenden
Die Hanauer Otto-Hahn-Schule hat ihren Schwerpunkt auf die Naturwissenschaften gelegt. Und „stets steht dabei der Praxis-Bezug im Fokus“, weiß der Hanauer Anzeiger. Das ist natürlich ganz nach dem Geschmack des Leverkusener Chemie-Multis, weshalb seine Bildungsstiftung der Einrichtung eine Spende in Höhe von 7.500 Euro zukommen ließ. Daneben förderte diese unter anderem noch Schulen in Berlin, Leverkusen, Dormagen, Roselin, Wuppertal, Wülfrath und Essen.

Jugend forscht mit „HannoverGen“
Die Organisation „HannoverGen“, unter anderem alimentiert vom „Fonds der Chemischen Industrie“, hat an den Schulen der niedersächsischen Landeshauptstadt Genlabore eingerichtet, um den SchülerInnen die umstrittene Risikotechnologie näher bringen zu können.

Preis für Klima-Kommunikation
Der Leverkusener Multi arbeitet seit einiger Zeit an seinem Image als Klimaschoner. Für diese PR-Anstrengungen erhielt er jetzt eine Auszeichnung: den vom Handelsblatt und ECON-Verlag verliehenen „ECON Award Unternehmenskommunikation“. Nach Meinung der JurorInnen war BAYERs „strategische Ausrichtung auf das Thema Klimawandel“ Gold wert. In der Realwirtschaft ist diese Ausrichtung allerdings noch nicht angekommen - und wird sie wohl auch nie. Da bläst der Konzern nämlich weiterhin munter 7,5 Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Luft und opponiert gegen strengere Klimaschutz-Auflagen der EU (siehe POLITIK & EINFLUSS).

BAYER-PR im Darmstädter Echo
„Männer, geht zum Arzt!“ - unter dieser Überschrift erlaubte das Darmstädter Echo Dr. Herbert Schäfer von BAYER VITAL, großflächig für das Konzern-Geschäftsfeld „Männergesundheit“ Reklame zu machen. Er wählte dazu den Umweg „Frau“ und präsentierte Umfragen, wonach 27 Prozent der Befragten ihren Partner für wenig gesundheitsbewusst halten, 39 Prozent Übergewicht und 22 Prozent Erschöpfungszustände diagnostizieren und 48 Prozent auf Männermedizin spezialisierte Ärzte für eine gute Sache halten. Auf dem Rezeptblock landen bei diesen vornehmlich die BAYER-Potenzpille LEVITRA und die Testosteron-Präparate des Konzerns, für die der Leverkusener Multi extra die Krankheit „männlicher Testosteronmangel“ erfunden hat. Und damit das alles auch wirklich verfängt, hat Schäfer in dem Propaganda-Artikel „sexuelle Probleme als Schlüssel zur Männergesundheit“ ausgemacht und zum Indikator für Diabetes oder Herz/Kreislauferkrankungen erklärt. Da sollte dann wirklich niemand mehr den Gang zum Männermediziner scheuen, so das Kalkül.

ÄrztInnen-Fortbildung in China
Der Leverkusener Multi kooperiert mit dem chinesischen Gesundheitsministerium, um MedizinerInnen in der Provinz Yunnan fortzubilden. Der Konzern und die Regierung wollen die technischen Fähigkeiten von bis zu 10.000 ÄrztInnen erweitern und die medizinische Versorgung in West- und Mittelchina verbessern. Wobei der Pharma-Riese dabei natürlich hauptsächlich die Verbesserung der Versorgung mit BAYER-Medikamenten im Sinn hat.

TIERE & ARZNEIEN

BAYER schult Zoo-FachhändlerInnen
BAYER bietet für Zoo-FachhändlerInnen kostenlose Fern-Lehrgänge an. Doch die Investition lohnt sich. Auf dem Stundenplan steht nämlich nicht nur Tierheilkunde, die TeilnehmerInnen lernen auch gleich noch dazu, wie sie unter besonderer Berücksichtigung der Veterinärmedizin aus dem Hause BAYER die entsprechenden Verkaufsgespräche zu führen haben und wie sie die Ware durch gute Platzierung im Geschäft und Sonderaktionen besser losschlagen können.

DRUGS & PILLS

BAYER muss vor AVALOX warnen
Die Aufsichtsbehörden haben den Leverkusener Multi aufgefordert, die Liste der Risiken und Nebenwirkungen seines Antibiotikumswirkstoffs Moxifloxacin (enthalten in AVALOX, ACTIMAX und ACTIRA) um Herzrhythmusstörungen bei Frauen und älteren PatientInnen, Muskelerkrankungen und Bewusstseinstrübungen zu erweitern. Deshalb dürfen MedizinerInnen das Mittel bei Sinusitis, bakteriell verursachter Bronchitis und Lungenentzündung künftig nur noch verschreiben, wenn andere Antibiotika keinen Heilungserfolg erzielen.

EU: Zulassung für XARELTO
Die EU-Kommission hat dem BAYER-Medikament XARELTO (Wirkstoff: Rivaroxaban) die Zulassung erteilt. MedizinerInnen dürfen das gerinnungshemmende Präparat künftig bei schweren orthopädischen Operationen einsetzen, um Thrombosen vorzubeugen. Der einzige therapeutische Vorteil von XARELTO gegenüber herkömmlichen Arzneien: Die ÄrztInnen können das Mittel oral verabreichen und müssen es nicht spritzen. Nichtsdestotrotz will der Leverkusener Multi das Anwendungsspektrum verbreitern und das Pharmazeutikum auch zur Behandlung venöser Thrombosen und zur Schlaganfall-Prophylaxe bei PatientInnen mit Vorhofflimmern zum Einsatz bringen.

USA: Keine Zulassung für XARELTO
Während die EU BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO zur Verwendung bei schweren orthopädischen OPs zugelassen hat (s. o.), erteilt die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA vorerst keine Genehmigung. Sie mochte die Orthopädie-PatientInnen keinem erhöhten Risiko von Gefäß-Verschlüssen, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden aussetzen und forderte den Leverkusener Multi auf, zusätzliche Daten über die Langzeit-Wirkungen seines „Highlights“ einzureichen.

EU-Zulassung für YAZ
Im Herbst hat BAYER die europa-weite Zulassung für das woanders schon länger erhältliche Verhütungsmittel YAZ bekommen. Neu ist an der Pille jedoch kaum etwas: Mit Estradiol und Dienogest enthält sie genau dieselben Wirkstoffe wie YASMIN. Lediglich die Dosierung ist eine andere, weshalb die Unterbrechungsphase nicht mehr wie üblich sieben, sondern nur noch vier Tage dauert. Wie üblich vermarktet der Leverkusener Multi auch dieses Kontrazeptivum als Lifestyle-Präparat gegen Kopfschmerzen, Stimmungsschwankungen und Akne. Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA ließ das dem Pharma-Riesen nicht durchgehen und verbot einen entsprechenden Werbespot wegen der Erweckung falscher Heilserwartungen und der Verharmlosung der Nebenwirkungen. „Das ist besonders besorgniserregend, weil einige dieser Risiken erheblich, sogar lebensbedrohlich sind“, urteilte die FDA (siehe auch RECHT & UNBILLIG).

US-Zulassung für PRIMOVIST
Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hat dem BAYER-Kontrastmittel PRIMOVIST (US-Name EOVIST), das bei Computer-Tomographien von der Leber zum Einsatz kommt, die Zulassung erteilt.

LEVITRA nach Prostata-OPs?
Neues aus der Reihe „Medikamente suchen eine Krankheit“: Der Leverkusener Multi hofft auf einen Einsatz seiner Potenzpille LEVITRA (Wirkstoff: Vardenafil) nach Prostatakrebs-Operationen, die oft die Sexualfunktionen beeinträchtigen. Zu diesem Zweck hat der Konzern eine Untersuchung in Auftrag gegeben und auch das gewünschte Resultat erhalten. „Die Ergebnisse zeigen, dass Vardenafil - bei Bedarf eingenommen - die Erektile Dysfunktion kurz nach einer Prostatektomie (Entfernung der Prostata, Anm. Ticker) sofort behandelt“, so der Studienleiter Francesco Montorsi.

Die Pille gegen Myome?
Noch mehr Neues aus der Reihe „Medikamente suchen eine Krankheit“: BAYER will das Hormon Dienogest, einer der beiden Wirkstoffe der Verhütungsmittel YAZ und YASMIN, zur Behandlung der Endometriose einsetzen. Klinische Tests zur Therapie dieser Schleimhautwucherung im Blasen-, Darm- oder Eierstockbereich haben nach Angaben des Konzerns bereits positive Ergebnisse erbracht. Auch für das Hormon Anti-Gestagen erkundet der Leverkusener Multi zusätzliche Anwendungsgebiete. Er testet zurzeit seinen Einsatz bei gutartigen Gebärmutter-Tumoren, so genannten Myomen.

Zusammenarbeit mit MUNDIPHARMA
BAYER kooperiert mit dem Limburger Arznei-Unternehmen MUNDIPHARMA bei der Vermarktung von dessen Blutkrebs-Präparat BENDAMUSTIN.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Neues EU-Pestizidgesetz
Die EU mistet den Giftschrank von BAYER & Co. aus. Nach der neuen Pestizid-Verordnung aus Brüssel müssen - höchstwahrscheinlich - Glufosinat und andere Agrochemie-Wirkstoffe des Leverkusener Multis vom Markt verschwinden, weil sie die menschliche Gesundheit schädigen. Allerdings haben die Lobby-Verbände der Industrie ihre „Mithilfe“ bei der Umsetzung der Richtlinie angeboten, was noch zu Aufweichungen führen könnte (siehe auch SWB 1/09).

Lungenkrebs durch Chlorpyrifos
Das Pestizid Chlorpyrifos, enthalten unter anderem in den BAYER-Produkten BLATTANEX, PROFICID und RIDDER, erhöht das Lungenkrebs-Risiko um das 2,18fache. Dieses Ergebnisse erbrachte eine von Michael C. R. Alavanja geleitete Untersuchung des US-amerikanischen „National Cancer Institutes“. Das Versprühen des Mittels setzt die Atmungsorgane anscheinend einem besonderen Risiko aus. Ein Zusammenhang zwischen der Chlorpyrifos-Anwendung und anderen Krebsarten ergab sich nach der Studie, die auf das Datenmaterial von ca. 55.000 Agrochemie-AnwenderInnen zurückgreifen konnte, nämlich nicht.

Fischsterben durch Endosulfan
An der „Sonnenschein-Küste“ des australischen Bundesstaates Queenlands sterben die Fische in Massen (siehe SWB 1/09). Besonders im Noosa-Fluss gehen die Bestände zurück. Zudem bieten die verbleibenden Tiere oft einen gruseligen Anblick: Sie haben zwei Köpfe oder andere Deformationen. In dringendem Tatverdacht stehen Pestizid-Wirkstoffe wie Endosulfan, das unter anderem in den BAYER-Mitteln MALIX, PHASER und THIODAN enthalten ist, da sie auf den Nussfeldern Queenlands‘ in großen Mengen zum Einsatz kommen.

Peru: Unwissen über Pestizide
Die Vermarktung von Pestiziden in armen Ländern mit einer hohen Quote von AnalphabetInnen führt alljährlich zu Hunderttausenden von Vergiftungen. Trotzdem halten die Hersteller an dieser Praxis fest und verweisen auf ihre Schulungsprogramme zum Umgang mit den Agrochemikalien. Ein solches hatten BAYER & Co. auch 2006 in Peru gestartet. Zwei Jahre später überprüfte „CropLife“, der Weltverband der Pestizid-Produzenten, die Ergebnisse. Sie fielen ernüchternd aus. Von den befragten 160 LandwirtInnen konnten nur 16 Prozent die Angaben auf den Etiketten lesen, lediglich 14 Prozent hatten Kenntnisse über die sachgerechte Reinigung der Agrochemie-Behälter, und bloß 35 Prozent wussten, wie die Produkte zu lagern sind.

180 Lebensmittel-Kontaminationen
Die Aufsichtsbehörden der EU-Länder sind verpflichtet, Brüssel über gefährliche Verunreinigungen von Lebens- und Futtermitteln in Kenntnis zu setzen. Einen nicht geringen Anteil an diesen Kontaminationen haben Pestizide. 180 Meldungen über Agrochemie in der Nahrung erhielt die EU-Kommission im Jahr 2007 - mehr als doppelt so viele wie 2006, was nicht allein auf schärfere Grenzwerte für 20 Ackergifte zurückzuführen ist.

Verbotene Gifte in Obst und Gemüse
Nicht genug damit, dass Pestizide Obst und Gemüse belasten. Neun Prozent der in den Lebensmitteln nachgewiesenen Agrochemikalien sind hierzulande wegen ihrer besonderen Gefährlichkeit sogar verboten. Das ergab eine Auswertung von Daten des „Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“, die GREENPEACE vorgenommen hat. Die Behörde behinderte die Umweltschutzorganisation dabei nach Kräften und gab nur 70 Prozent ihrer Untersuchungsergebnisse frei. Insgesamt 59 Ackergifte, deren Gebrauch in der Bundesrepublik untersagt ist, spürte GREENPEACE auf. Auch von BAYER verwandte Wirkstoffe waren mit von der Partie wie etwa Parathion-Methyl (ME 605 Spritzpulver), Procymidon (SUMISCLEX WG), Propoxur (BAYGON) und Endosulfan (MALIX, PHASER, THIODAN).

Procymidon in Weintrauben
Im November 2008 feierte GREENPEACE ein trauriges Jubiläum: Bereits zum zehnten Mal stieß die Umweltschutz-Organisation bei einem Unternehmen der METRO auf Weintrauben mit erhöhten Pestizid-Rückständen. Die Tafeltrauben hatten mehr als das Doppelte der „Akuten Referenzdosis“ (ARfD) des Agrogiftes Procymidon (unter anderem Wirkstoff des BAYER-Fungizides SUMISCLEX WG) intus. Erschwerend kam dabei noch hinzu, dass das die ARfD und damit die Schwelle zur Gesundheitsgefährdung überschreitende Procymidon gar nicht für den Traubenanbau zugelassen ist. Diesen Tatbestand weist der REAL-Supermarkt allerdings zurück. „In der EU-Verordnung über Höchstwerte für Pestizid-Rückstände wurde für Tafeltrauben ein zulässiger Höchstgehalt (MRL) von 5 mg/kg festgelegt. Die Verwendung von Procymidon auf Tafeltrauben ist somit zulässig“, erklärte der Konzern. Er tat das wider besseren Wissens, denn das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ stellt unmissverständlich fest, Procymidon „ist auf Anwendungen als Fungizid in Gurken in Gewächshäusern (...) und Pflaumen (...) beschränkt“. Zudem erkennt REAL die ARfD nicht als Maßstab für gesundheitlich unbedenkliches Obst und Gemüse an, das Unternehmen richtet sich nur nach den von der EU festgelegten Grenzwerten, die in manchen Fällen von der ARfD abweichen können.

PFLANZEN & SAATEN

BAYER beendet Kooperation mit PLANT
„Das Abkommen gibt BAYER CROPSCIENCE die Möglichkeit, neue Lösungen im Bereich der Saatgutbehandlung zu entwickeln und zu vermarkten“ verkündete BAYER im Januar 2007 anlässlich der vereinbarten Forschungskooperation mit PLANT HEALTH CARE. Knapp zwei Jahre später beendete der Agro-Riese die Zusammenarbeit wieder, weil die in den Labors des US-amerikanischen Unternehmens entstandene Myconate-Technologie unter ihren Möglichkeiten blieb und nicht zu neuen Lösungen im Bereich „Saatgutbehandlungsmittel für Mais-, Soja-, Baumwolle- und Sonnenblumenkulturen“ führte.

GENE & KLONE

USA: LL-Soja kommt
BAYER bringt in den USA 2009 sein gegen das Herbizid LIBERTY resistentes Soja-Saatgut auf den Markt - und hat für die daraus sprießenden Früchte auch schon eine Importgenehmigung von der EU erhalten (Ticker 3/08). Der Leverkusener Multi rechnet mit hohen Umsätzen, da MONSANTOs ROUND-UP-READY-Soja mittlerweile vielen Unkräutern nichts mehr anhaben kann. Mensch und Umwelt dürfen hingegen mit großen Verlusten rechnen, denn der LIBERTY-Wirkstoff Glufosinat sorgte vor drei Jahren für den Genreis-Skandal. Mit LIBERTY bestückte Mais- und Rapssorten kreuzten sich zudem in andere Nutzpflanzen ein. Darüber hinaus liegen die Ernte-Erträge von genmanipuliertem Soja unter denen der konventionell angebauten Arten (Ticker 3/08).

EU: T45-Raps kommt
Die EU-Kommission hat ein Machtwort gesprochen und den Import von BAYERs Genraps T45 genehmigt, nachdem die zuständigen MinisterInnen sich nicht auf eine Zulassung hatten einigen können. Vorbehalte gab es reichlich. Englische WissenschaftlerInnen beobachteten auf Genraps-Feldern ein großes Artensterben, und ihre schwedischen KollegInnen warnten vor der Überlebensfähigkeit der Samen, die auf den Feldern trotz massivem Pestizid-Einsatz bis zu 10 Jahren keimfähig blieben. Zudem gilt der Europäischen Umweltbehörde EEA Genraps wegen der vielen Einkreuzungen in konventionelle Sorten als Hochrisiko-Pflanze. Dieses Verhalten stellt auch den eigentlichen Grund für BAYERs Genehmigungsantrag dar. Der Leverkusener Multi hat zwar den Anbau von T45 gestoppt, aber in seiner aktiven Zeit griff die Pflanze auf so viele andere Raps-Arten über, dass es deren Import gefährdet, wenn sich in ihnen Spuren von nicht-zugelassenem Genraps finden.

Brasilien genehmigt Gen-Baumwolle
Die brasilianischen Behörden haben den Anbau von BAYERs LIBERTY-LINK-Baumwolle - trotz der oben aufgeführenden Risiken und Nebenwirkungen der Produktlinie - genehmigt.

BAYER & Co. wollen laxere Grenzwerte
Solange die Gentechnik in Europa ein massives Akzeptanz-Problem hat, verlegen BAYER & Co. ihren Geschäftsschwerpunkt darauf, ihre Gensaaten in anderen Ländern aufgehen zu lassen und bei der EU Importgenehmigungen für deren Früchte zu beantragen (s. o.). Aber diesem Spiel über Bande mit gentechnisch verändertem Soja oder Mais steht die europäische Rückstandsverordnung im Weg. Diese lässt nämlich keinerlei Spuren nicht zugelassener Labor-Pflanzen in der Nahrung zu. Deshalb betreiben die Gen-Giganten eifrig Lobby-Arbeit für eine Aufhebung der Null-Lösung. Mit ihren Schreckensszenarien, die im Falle von Zuwiderhandlungen deutlich höhere Fleischpreise prophezeien, haben die Konzerne bereits die Brüsseler „Generaldirektion Landwirtschaft“ für ihre Ziele einnehmen können.

Stammzellen-Patentstreit in Japan
Stammzellen sind für BAYER & Co. so etwas wie Ursuppe: Aus ihnen können sich alle möglichen Zelltypen oder Gewebe-Arten entwickeln, behaupten die GenforscherInnen. Im letzten Jahr erhielt der Leverkusener Multi in Japan ein Patent (siehe Ticker 3/08) für eine Technik zur Produktion von „Induzierten Pluripotenten Stammzellen“ (IPS). Bei den IPS handelt es sich um Stammzellen, welche die ForscherInnen durch eine „Rückprogrammierung“ normaler Körperzellen erzeugen. Deshalb müssen die WissenschaftlerInnen bei der Gewinnung keine Embryos töten. Allerdings birgt diese Methode große Risiken, denn die Viren, welche die Zellen als „Gen-Fähren“ zu ihrem Bestimmungsort im Körper bringen, vermögen Krebs auszulösen. In Japan bahnt sich jetzt zudem eine Kontroverse um geistiges Eigentum an. Knapp drei Monate nachdem BAYER die Patenturkunde erhalten hatte, vermeldete die Universität von Kyoto nämlich eine erfolgreiche Herstellung von IPS-Zellen. Sollten diese aber nach Techniken entstanden sein, auf die der Leverkusener Multi die Patente hält, dann könnte es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen kommen. Und dieser birgt nach Meinung von BeobachterInnen die Gefahr, die gesamte Forschungspolitik der japanischen Regierung in diesem Bereich zu gefährden.

BAYER kauft DIREVO-Proteinsparte
Der Leverkusener Multi hat für 210 Millionen Euro die Protein-Forschungsabteilung des Kölner Biotech-Unternehmens DIREVO übernommen. Die DIREVO BIOTECH AG firmiert innerhalb BAYERs künftig als „Kompetenzzentrum für Biologika“ und setzt vom alten Standort aus die Suche nach Proteinen mit medizinischer Wirkung fort.

750 Millionen für Biotechnologie
Biotech-Produkte sorgen bei BAYER CROPSCIENCE bisher für zehn Prozent des Umsatzes. Die Landwirtschaftssparte des Leverkusener Multis will den Anteil jedoch erhöhen und investiert 750 Millionen Euro in entsprechende Forschungsvorhaben. Vor allem durch die Nahrungsmittelkrise - an der BAYER direkt durch sein Agrosprit-Projekt mit der Jatropha-Pflanze und indirekt durch sein maßgeschneidertes, besonders viel Tankfüllung produzierendes Saatgut Mitverantwortung trägt - sieht CROPSCIENCE-Chef Friedrich Berschauer die Chance für die Risikotechnologie steigen. „Ich sehe einen Trend. Aber ich traue mich nicht zu sagen, wann die Akzeptanz da sein wird“, sagte er auf der Jahres-Pressekonferenz der Agro-Abteilung.

BAYER sucht neue BETAFERON-Märkte
Das Gentech-Präparat BETAFERON zur Behandlung der Multiplen Sklerose gehört zu den umsatzträchtigsten in BAYERs Pharma-Sparte. Allerdings läuft das Patent bald aus, weshalb der Leverkusener Multi neue Versionen erprobt. Versuche mit der doppelten Wirkstoffmenge von Interferon-beta-1b musste der Konzern jedoch abbrechen, weil sich keine Therapie-Vorteile ergaben. Momentan erprobt das Unternehmen eine BETAFERON-Variante, die schon in einem frühen Stadium der Krankheit einsetzbar ist. Bisher verzichteten MedizinerInnen in dieser Phase auf das Mittel, weil sie die Bildung von Antikörpern verhindern wollten. Der Pillen-Riese behauptet nun jedoch, die Antikörper beeinflussten den Krankheitsverlauf nicht negativ und vermeldet bei klinischen Tests Behandlungserfolge. Daran dürften so einige Zweifel bestehen.

Sagopilon gegen Krebs?
BAYER testet zurzeit den mittels Gentechnik gewonnenen Wirkstoff Sagopilon als Mittel gegen Krebs. Angeblich überwindet die Substanz den Abwehrmechanismus von Tumor-Zellen und initiiert deren Selbstzerstörung.

WASSER, BODEN & LUFT

Noch mehr Dioxine durch Verbrennungsanlagen?
BAYER betreibt die „Entsorgung“ von Sonderabfällen inzwischen geschäftsmäßig und unterhält dazu in Leverkusen, Brunsbüttel, Krefeld und Dormagen Müllverbrennungsanlagen (MVAs). Diese produzieren allerdings ihrerseits nicht wenig gefährliche Rückstände: chlor-, brom- und fluorhaltige Kohlenwasserstoffe, Chloride, Dioxine, Furane, Kohlendioxid, Quecksilber und Feinstaub. Nach Meinung des Medizin-Professors Dr. Harry Rosin bewegen sich dabei die Schadstoffmengen von Dioxinen und Furanen noch über den Angaben der Betreiber. Diese beiden Stoffe binden sich nämlich an Ruß- und Staubpartikel und sind so von den Analyse-Instrumenten nur schwer aufzuspüren. Zudem berücksichtigt das Bundesimmissionsschutzgesetz in seinen Auflagen bestimmte Dioxin- und Furan-Kombinationen gar nicht. „Dadurch wird ein beachtlicher Teil toxischer MVA-Emissionen unterschlagen“, so Rosin.

Offene Fragen beim Klimacheck
DIE KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE haben BAYER und andere Konzerne zu ihrer Klimapolitik befragt. Dabei blieb der Leverkusener Multi einige Antworten schuldig. Ob der Konzern im Jahr 2008 Kohlendioxid eingespart hat, konnte er nicht sagen: „Wirkungen und Maßnahmen zum Klimaschutz sind langfristig angelegt und müssen deshalb über einen längeren Zeitraum betrachtet werden“. Zudem musste das Unternehmen eingestehen, dass sich nur ein Drittel seiner Standorte Prüfungen nach der internationalen Umweltmanagementnorm ISO 14001 unterwerfen. Und der Ausblick wirkt auch nicht sehr ermutigend, denn eine Reduzierung seiner CO2-Emissionen von derzeit jährlich 7,5 Millionen Tonnen plant der Global Player nicht. „Insgesamt erwartet der BAYER-Konzern bis 2020, seine derzeitigen Treibhausgasemissionen trotz eines mengenmäßigen (Produktions-, Anm. Ticker) Wachstums auf dem derzeitigen Niveau halten zu können“, so BAYER.

Kohlekraftwerk: CDU fällt um
Die Krefelder CDU freundet sich mehr und mehr mit dem in BAYERs Chemie-„Park“ geplanten Kohlekraftwerk an. Während Oberbürgermeister Gregor Kathstede den Bau schon immer befürwortete, sprach sich seine Partei lange dagegen aus. Sie ließ sich dabei aber stets ein Hintertürchen offen. Jetzt hat die CDU dieses weit aufgestoßen: Auf ihrem Parteitag im Dezember stellten die ChristdemokratInnen Bedingungen, unter denen sie ihre Zustimmung zu der Dreckschleuder geben würden. Wenn BAYER den Wirkungsgrad etwas erhöht, zwei alte Kohlekessel abschaltet und die nötige Infrastruktur für die Lagerung und den Transport der Kohle schafft, stimmt die CDU mit „Ja“, so der Beschluss. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN protestierte gemeinsam mit Krefelder Bürgerinitiativen, BUND, NABU und anderen Gruppen gegen diese Entscheidung. „Der Bau eines Kohlekraftwerkes würde einen Rückfall in überkommene Formen der Energie-Umwandlung bedeuten und würde den Kampf gegen den Klimawandel über Jahrzehnte hinweg erheblich schwächen“, heißt es in der Presseerklärung der Verbände.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

BAYER-Chemie in Kosmetika
Der Leverkusener Multi drängt mit seiner Plaste & Elaste auf den Kosmetika-Markt. So will der Konzern mit Polyurethanen (PUR) die Haftkraft von Wimperntusche und Make-Ups verstärken und Haaren mehr Halt verleihen. „Wir wollen uns bis 2015 den Hauptanteil der PUR-Technologie sichern. Als Newcomer muss man in dieser hart umkämpften Branche forsch auftreten“, erläutert Sophie Viala die Strategie von BAYER MATERIAL SCIENCE. Die Kunststoff-Nebenwirkungen wie Krebs, Allergien oder Schädigungen der Atmungsorgane stören bei diesem Business-Plan nicht.

ADHS durch Schadstoffe?
Viele Chemikalien und Schwermetalle wirken auf das Nervensystem ein. Deshalb scheinen diese Stoffe, die BAYER in Massen hergestellt hat oder immer noch herstellt bzw. in die Umwelt emittiert, auch bei der Entstehung der Verhaltensauffälligkeit ADHS eine Rolle zu spielen. Der Pädagoge Ulf Sauerbrey hat in der Zeitschrift umwelt-medizin-gesellschaft entsprechende Forschungsergebnisse zitiert. So weisen in Studien viele Kinder mit dem ADH-Syndrom eine erhöhte Quecksilber-Konzentration im Blut auf, auch gibt es einen Zusammenhang zwischen ihren Mangan-Werten und der Verhaltensauffälligkeit. Die Wirkungen von Pestiziden und Polychlorierten Biphenylen (PCBs) könnten teilweise ebenfalls dem Krankheitsbild entsprechen, so Sauerbrey.

NANO & CO.

BAYER baut Nano-Anlage
Nano leitet sich vom griechischen Wort für Zwerg ab. Die Nanotechnik beschäftigt sich folglich mit der Entwicklung von mikroskopisch kleinen Werkstoffen. Da sich diese durch eine besondere Festigkeit auszeichnen und weitere vorteilhafte Material-Eigenschaften besitzen, erwartet BAYER von der „Zukunftstechnologie“ Millionen-Umsätze. Deshalb errichtet der Konzern neben seiner Laufenburger Pilotanlage zur Produktion der BAYTUBE-Kohlenstoffröhrchen in Leverkusen für 20 Millionen Euro eine weitere Fertigungsstätte. Die bisher weltweit größte Fabrik soll mit 20 Beschäftigten zunächst 200 Tonnen der Röhrchen produzieren, die in Autos, Flugzeugen, Akkus, Brennstoffzellen und Windkraftanlagen Verwendung finden. Ungefährlich ist diese „Zukunftstechnologie“ allerdings nicht. Nach einer Untersuchung der Universität Edinburgh können die Kohlenstoff-Winzlinge das Gewebe schädigen und ähnlich wie in der Vergangenheit Asbest Entzündungen auslösen (siehe Ticker 2/08).

BAYERs Nano-Forschungen
BAYER produzierte bisher unter anderem Duftkapseln, Folien und Eishockeyschläger aus Nano-Materialien. Nun entwickelt der Leverkusener Multi Flüsterschotter für das Gleisbett von Eisenbahnen auf Basis dieser nicht ungefährlichen Technologie (s. o.).

STANDORTE & PRODUKTION

Mehr bittere Pillen aus Bitterfeld
BAYER erweitert in Bitterfeld für neun Millionen Euro die Pillen-Produktion. Da der Leverkusener Multi die ASPIRIN-Produktpalette ständig erweitert und künftig am Standort auch das Schmerzmittel ALEVE herstellen will, waren unter anderem Investitionen in neue Fertigungseinrichtungen und Verpackungsanlagen nötig.

IMPERIUM UND WELTMARKT

Schleicher neuer Bitterfeld-Chef
Christian Schleicher, bisher der brasilianischen Sektion von BAYER HEALTH CARE vorstehend, übernimmt zum 1. Januar 2009 die Geschäftsführung der BAYER BITTERFELD GmbH und löst damit Hans-Joachim Raubach ab, der Standortleiter der Berliner Niederlassung von BAYER SCHERING PHARMA wird.

BAYER kauft DIREVO BIOTECH AG
Pharma-Riesen kaufen derzeit im großen Stil Biotech-Firmen auf. So hat BAYER für 210 Millionen Euro die Protein-Forschungsabteilung des Kölner Biotech-Unternehmens DIREVO übernommen (siehe auch GENE & KLONE).

Neues Forschungszentrum in China
Der Leverkusener Multi plant den Bau eines 100 Millionen Euro teuren Forschungszentrums in Peking, um den Geheimnissen chinesischer Krankheiten besser auf die Spur zu kommen. Dazu will BAYER HEALTH CARE, das im Reich der Mitte der größte Pharma-Anbieter ist, auch mit der Quinghua-Universität kooperieren.

ÖKONOMIE & PROFIT

Wem gehört BAYER?
Die BAYER-Aktien gehören zu 80 Prozent ausländischen und zu 20 Prozent inländischen Investoren. Den größten Batzen am Konzern-Kapital besitzt mit 20 Prozent die US-amerikanische CAPITAL GROUP. Dieser Fonds ist an 18 der 30 DAX-Konzerne beteiligt und bei den ManagerInnen beliebt, da er sich nicht in die laufenden Geschäfte einmischt. Daneben hat der Leverkusener Multi nur noch einen weiteren Großaktionär, das auf einen Anteil von drei Prozent kommende französische Versicherungsunternehmen AXA.

BAYER-Steuerquote: 0,2 Prozent
Wieviel Steuern BAYER wirklich zahlt, steht nicht in den Geschäftsberichten. Diese Zahlen hat aber die Wirtschaftsdatenbank ORBIS - gegen einen Obulus von jährlich 100.000 Euro - parat. Der Schweizer Journalist Hans Weiss nahm im Rahmen der Recherche für sein Buch „Korrupte Medizin“ Einblick in die Dokumente von BAYER SCHERING. Und er traute seinen Augen kaum, denn steuerparadiesischer geht es nicht: Im Geschäftsjahr 2007 betrug die Steuerquote gerade mal 0,2 Prozent des Umsatzes von 4,5 Milliarden Euro.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Chemie-Tank fängt Feuer
Am 24. Dezember 2008 fing in der Pestizid-Produktion am BAYER-Standort Kansas City ein fünfstöckiger Tank Feuer, der 15.000 Liter fasst, aber zum Unglückszeitpunkt nur teilweise mit einem Petroleum-Gemisch befüllt war. 50 Feuerwehrleute waren eine knappe Stunde im Einsatz, um den Brand unter Kontrolle zu bringen und ein Übergreifen auf die benachbarten Fertigungsanlagen zu verhindern.

Jod-Austritt in Wiesdorf
Auf dem Leverkusener BAYER-Gelände kam es am 22. Februar 2009 zu einem Zwischenfall. Aus dem Kamin der Sondermüll-Verbrennungsanlage trat Jod aus und verfärbte den Himmel über Leverkusen-Wiesdorf rot. Wie immer in solchen Fällen wiegelte der Konzern ab: Für die AnwohnerInnen hätte zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr bestanden.

Institute: Aufklärung verweigert
Am BAYER-Standort Institute war es am 28. August 2008 zu einer Explosion gekommen, in deren Folge zwei Beschäftigte starben. Jetzt verweigert der Leverkusener Multi Informationen über das Unglück. Das Unternehmen ließ eine Anhörung des „Chemical Safety Boards“ platzen, das sich vor allem mit den von den Tanks auf dem Gelände ausgehenden Gefahren befassen wollte. Das aber unterlag für den Agro-Multi der Geheimhaltung, wobei er sich auf eine nach dem 11. September erlassene Verordnung zum Schutz von Häfen und Wasserwegen vor Terroranschlägen berief. Dass das BAYER-Areal 500 Kilometer vom Meer entfernt liegt, focht die findigen Konzern-JuristInnen dabei nicht an. „Es ist nicht nachvollziehbar, warum diese Informationen Top Secret sein sollen. Das Verhalten von BAYER passt aber zur bisherigen Linie des Unternehmens, die Anwohner über die Gefahren im Unklaren zu lassen“, kritisierte die Vorsitzende der Bürgerinitiative PEOPLE CONCERNED ABOUT MIC, Maya Nye, die Verweigerungshaltung des Global Players.

RECHT & UNBILLIG

Bienensterben: Verfahren eingestellt
Im letzten Jahr hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) gemeinsam mit geschädigten Imkern bei der Staatsanwaltschaft Freiburg Strafanzeige gegen den Leverkusener Multis wegen des vom Pestizid PONCHO verursachten Bienensterbens gestellt. Im Dezember 2008 wurde das Verfahren eingestellt. Es habe „keine vorsätzliche Sachbeschädigung“ vorgelegen, eine „unglückliche Verkettung mehrerer Umstände“ hätten vielmehr zu dem Massensterben geführt, urteilten die JuristInnen. Die CBG akzeptierte den RichterInnen-Spruch allerdings nicht und ging in die Revision. „Die Freiburger Staatsanwaltschaft hat schlampig und einseitig ermittelt. Der Verdacht, dass die Zulassung von Clothianidin durch die BAYER AG erschlichen wurde, ist nicht entkräftet worden. In der Einstellungsverfügung findet sich kein einziger Hinweis darauf, dass der ermittelnde Staatsanwalt die vorgelegten Studien zur Bienengefährlichkeit des Wirkstoffs überhaupt zur Kenntnis genommen hat“, sagte Anwalt Harro Schultze zur Begründung.

Millionen-Strafe für Vergiftungen
Die Firma PHILIPS SERVICES reinigte für ein BAYER-Werk in Alamaba regelmäßig Pestizid-Tanks. Im Jahr 2006 ereignete sich dabei ein schwerer Zwischenfall. Über das zum Ausspülen der Behälter verwendete Wasser gelangten Reste der Ackergifte Propylmercaptan und Ethoprop ins Freie. In einem Umkreis von 50 Quadratmeilen klagten unmittelbar nach dem Austritt der Chemikalien über 800 Menschen über Kopfschmerzen, Brechreiz, allergische Symptome und Atemprobleme, und einige von ihnen leiden bis heute unter den Gesundheitsstörungen. Die Geschädigten reichten eine Sammelklage ein, und Anfang 2009 gaben die RichterInnen die Entscheidung bekannt. Sie sprachen den Opfern einen Schadensersatz in Höhe von vier Millionen Dollar zu. Der Leverkusener Multi hat dazu allerdings nichts beizutragen, da er nicht zu den Beklagten gehörte.

Institute: BAYER muss zahlen
Die US-amerikanische Arbeitsschutzbehörde OSHA hat die näheren Umstände untersucht, die am 28. August 2008 zu der Explosion im BAYER-Werk Institute führten (siehe auch UNFÄLLE & KATASTROPHEN). Sie stellte dabei unter anderem „mangelhafte Sicherheitssysteme, signifikante Mängel der Notfall-Abläufe und eine fehlerhafte Schulung der Mitarbeiter“ fest. Insgesamt 13 schwere Verstöße gegen Sicherheitsbestimmungen listete die OSHA auf und verhängte dafür eine Strafe in Höhe von 143.000 Dollar.

BAYER verklagt ABBOTT
Der Leverkusener Multi hat das US-Unternehmen ABBOTT verklagt. Der Leverkusener Multi wirft seinem Konkurrenten vor, mit dem Arthritis-Medikament HUMIRA (geschätzter Umsatz für 2008: 4,4 Milliarden Dollar) ein BAYER-Patent von 1997 verletzt zu haben. ABBOTT streitet die Vorwürfe ab.

BAYER verklagt Indien
BAYER hat die indische Medikamenten-Zulassungsstelle „Drugs Controller General of India“ (DCGI) verkla

[Ticker] STICHWORT BAYER 03/2008 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CBG schreibt Offenen Brief
In Nordrhein-Westfalen ereigneten sich in diesem Jahr zahlreiche Chemie-Unfälle. In Wülfrath traten aus einem Werk 300 Liter Dicyclopentadien aus und bildeten eine Giftgas-Wolke, in Mönchengladbach entwich aus dem Leck einer Feuerlöschanlage Kohlendioxid, und auch bei BAYER kam es zu einigen Störfällen. In Wuppertal wurde Ammoniak freigesetzt, in Bergkamen gelangte Thionylchlorid ins Freie und in Leverkusen drang aus einer undichten Leitung Chlor. Diese Störfälle haben das Bewusstein für die Gefährlichkeit der vom Chemie-Multi geplanten Kohlenmonoxid-Pipeline noch einmal geschärft und veranlassten den Landtag, das Thema „Chemie-Unfälle häufen sich - welche Konsequenzen zieht die Landesregierung“ auf ihre Agenda zu setzen. Zu diesem Anlass verfasste die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) einen Offenen Brief, den sie auch an die TeilnehmerInnen der Ausschuss-Sitzung verteilte. In diesem forderte die CBG unter anderem, den Betrieb der CO-Pipeline nicht zu genehmigen, BAYER zum Verzicht auf die Verwendung von Phosgen bei der Kunststoff-Produktion zu veranlassen, Chemie-Werke nicht länger in der Nähe von dicht besiedelten Gebieten zu dulden und das Personal zur Kontrolle der Anlagensicherheit aufzustocken.

Steinbrück gegen CO-Pipeline
Finanzminister Peer Steinbrück, der bei der nächsten Bundestagswahl im Kreis Mettmann kandidiert, mausert sich zum prominentesten Kritiker der von BAYER geplanten Kohlenmonoxid-Pipeline. „Dabei geht es nicht um Anti-Industriepolitik, sondern um die Sorge vor dem Umgang mit einem hochgiftigen Stoff. Das darf man nicht einfach arrogant vom Tisch wischen“, sagte der SPD-Politiker. Dafür zog er sich den Groll seiner NRW-GenossInnen und des DGB zu, während der BAYER-Betriebsrat in einem Offenen Brief „größtes Unbehagen“ über seine Position zum Ausdruck brachte. Ende August 2008 kam es in der Sache dann zu einem Gipfeltreffen zwischen BAYER-Chef Werner Wenning und Steinbrück. „Das Gespräch war offen und freundlich, aber ergebnislos“, stellte die SPD-Bundestagsabgeordnete Kerstin Griese fest, „die entscheidenden Fragen nach der Sicherheit, der Gefahrenabwehr und dem Trassenverlauf konnten von BAYER nicht befriedigend beantwortet werden.“

BAYER vs. Menschenrechte

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Die rücksichtslose Vermarktung von gentechnisch manipuliertem Saatgut durch BAYER & Co. in Indien ist ein Fall für den Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen geworden. Nach Erhalt eines Berichtes über die Lage der FarmerInnen in dem Land, den die bekannte Gentechik-Gegnerin Vandana Shiva gemeinsam mit Christiane Lüst von GEN-KLAGE verfasst hatte, kam das Gremium zu einem harschen Urteil. „Das Komitee ist (...) besorgt, dass die extreme Armut unter den Kleinbauern, verursacht durch Mangel an Land, Zugang zu Krediten und adäquaten ländlichen Infrastrukturen, durch die Einführung von gentechnisch verändertem Saatgut durch multinationale Konzerne und die dadurch verursachte Preis-Eskalation bei Saatgut, Dünger und Pestiziden (...) verschlimmert wurde“, heißt es in der Stellungnahme des Ausschusses.

BAYER vs. Menschenrechte

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Zum EU-Lateinamerika-Gipfel im peruanischen Lima fanden viele Gegenveranstaltungen statt. In deren Rahmen tagte unter anderem ein von MenschenrechtsaktivistInnen gebildetes Volkstribunal, das die Geschäftspraktiken von BAYER und 23 anderen europäischen Unternehmen verurteilte. Dem Leverkusener Multi machte das Komitee den Prozess, weil der Konzern in Lateinamerika Pestizide vermarktet, ohne auf die vielen AnalphabetInnen Rücksicht zu nehmen, welche die Warnhinweise nicht lesen können. Im Jahre 1999 hatte das in einer Schule zur Verwechslung von Agrochemikalien mit Milchpulver geführt, die 24 Kinder das Leben kostete.

ImkerInnen demonstrieren
Im Frühjahr hat BAYERs Saatgutbehandlungsmittel PONCHO ein massives Bienensterben in Südbaden verursacht. Trotzdem ließ es das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ (BVL) auf Anraten des Julius-Kühn-Institutes im Juli für Raps und andere Kulturen wieder zu. Aus Protest gegen diese Entscheidung demonstrierten 100 ImkerInnen am 18. Juli 2008 vor den Toren des zum BVL gehörenden Institutes in Braunschweig. Am 14. September 2008 zogen die BienenzüchterInnen dann vor das Minsterium selber.

ImkerInnen: „Entschädigung zu gering!“
BAYER hat den 700 ImkerInnen, deren 11.500 Bienenvölker durch das Saatgutbehandlungsmittel PONCHO erhebliche Verluste erlitten hatten, eine Entschädigung von zwei Millionen Euro angeboten. Der Konzern knüpfte dies aber nach alter Gewohnheit an die Bedingung, auf alle weiteren Ansprüche zu verzichten. Als „Versuch der Erpressung“ wertete das der BIOLAND-Agrarexperte Gerald Wehde. Der „Berufs- und Erwerbsimkerbund bezeichnete die Offerte überdies als zu gering, um den wirtschaftlichen Schaden der BienenzüchterInnen zu kompensieren. Für gerade einmal ein Drittel der Verluste würden die Zahlungen aufkommen, rechnete ein Imker der Frankfurter Rundschau vor. Sollte der Leverkusener Multi es dabei belassen, sieht er für sich keine Zukunft mehr: „Dann bin ich insolvent“.

EU-Debatte zum Bienensterben
Das vom BAYER-Pestizid PONCHO und anderen Ackergiften verursachte Bienensterben hat längst EU-weite Dimensionen angenommen. Darum hat die Luxemburgerische Europa-Abgeordnete Astrid Lulling, die ständige Berichterstatterin über die Lage der Bienenzucht in der Gemeinschaft ist, beantragt, das Thema auf die Tagesordnung des Europäischen Parlamentes zu setzen.

Leserbrief zu Lohnkürzungen
In einem Brief an die Westdeutsche Zeitung machte ein BAYER-Beschäftigter seinem Ärger über die sich permanent verschlechternden Arbeitsbedingungen bei permanent besseren Geschäftszahlen Luft. Er schrieb: „2001 wurde ich (sowie ca. 1.200 Mitarbeiter) in die CHEMION LOGISTIK GmbH ausgegliedert. Bei meist gleicher Tätigkeit (jetzt allerdings als Dienstleister für die BAYER AG) wurde unser Gehalt immer mehr gekürzt. Ich habe 2007 so viel brutto verdient wie zuletzt 1997, und für die nächsten Jahre wurde unser Urlaubs- und Weihnachtsgeld gestrichen. Da ja bekanntlich alles billiger geworden ist, bin ich stolz darauf, zum erfolgreichsten Jahr der BAYER AG meinen Beitrag geleistet zu haben“.

BUND für Nanotechnik-Kontrolle
Nano leitet sich vom griechischen Wort für Zwerg ab. Die Nanotechnik beschäftigt sich folglich mit der Veränderung von Werkstoffen auf der Mikro-Ebene. BAYER erwartet von der „Zukunftstechnologie“ Millionen-Umsätze und entwickelte bisher spezielle Duftkapseln, Folien, Eishockeyschläger und die BAYTUBE-Kohlenstoffröhrchen. Allerdings steckt auch der Teufel im Detail. „Bei vielen unlöslichen Nanomaterialien ist derzeit nicht auszuschließen, dass die inhalative Aufnahme dieser besonders kleinen Partikel am Arbeitsplatz zu Gefährdungen führen kann“, heißt es in dem vom „Verband der Chemischen Industrie“ gemeinsam mit der „Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin“ herausgegebenen „Leitfaden für Tätigkeiten mit Nanomaterialien am Arbeitsplatz“. Wegen der Gefahren, die von der Nanotechnik nicht nur für die damit am Arbeitsplatz in Kontakt Kommenden ausgehen, fordert der BUND FÜR UMWELT- UND NATURSCHUTZ DEUTSCHLAND (BUND) gemeinsam mit anderen Verbänden eine wirksamere Kontrolle. „Es ist gut, dass viele Firmen freiwillig etwas tun wollen. Allerdings zeigen Erfahrungen der Vergangenheit, dass freiwillige Vereinbarungen allein nicht reichen (...) Wir brauchen deshalb verpflichtende Sicherheitstests für Nano-Produkte“, heißt es in einer Erklärung der Initiativen.

Unabhängige Risiko-Forschung gefordert
Das GEN-ETHISCHE NETZWERK sieht die EU-Zulassungsverfahren für Genpflanzen als unzureichend an und tritt für grundsätzliche Veränderungen ein. Die Organisation fordert eine Besetzung der Entscheidungsgremien auch mit ExpertInnen von Umweltverbänden und einen von BAYER & Co. finanzierten Topf für eine unabhängige Forschung zum Gefährdungspotenzial der Risikotechnologie. Zudem plädiert die Initiative für eine Beweislast-Umkehr: In Zukunft sollen die Genmultis Belege für die Unbedenklichkeit ihrer Laborfrüchte beibringen statt sich daran abzuarbeiten, Risiko-Studien zu widerlegen.

Gentech-Protest in Indien
In Indien haben 150 LandwirtInnen auf den Spuren von Mahatma Gandhi einen 4.000 Kilometer langen Protestmarsch gegen die Gentechnik durchgeführt, zu deren OrganisatorInnen auch die bekannte Aktivistin Vandana Shiva gehörte.

BUKO gegen mehr Werbefreiheit
„Werbung heißt jetzt Information“, mit dieser Umwidmung wollen BAYER & Co. auf EU-Ebene das Reklameverbot für verschreibungspflichtige Medikamente aufweichen, das den Geschäften nicht eben zuträglich ist. „Dass Patienten in der heutigen Informationsgesellschaft mehr Informationen haben wollen“, macht für Wolfgang Plischke, BAYER-Vorstand und Vorsitzender des „Verbandes der Forschenden Arzneimittelhersteller“, die Aufhebung des Werbeverbotes unumgänglich. Die BUKO-PHARMAKAMPAGNE befürchtet dagegen ein Ansteigen unnötigen Pillen-Konsums und hat eine Initiative für den Erhalt des Werbeverbotes gestartet. „VerbraucherInnen benötigen gerade aufgrund der unübersichtlichen Zahl von Gesundheitsinformationen in den Medien (und besonders im Internet) eine klare Unterscheidung von Werbung und Information. Um eine rationale Entscheidung für die eigene Gesundheit treffen zu können, brauchen sowohl PatientInnen als auch die Öffentlichkeit unabhängige, vergleichende Informationen zum Für und Wider aller Behandlungsmethoden (...) Pharma-Firmen und von ihnen finanzierte Partner können das nicht leisten“, heißt es in einer Stellungnahme von BUKO und anderen Gruppen.

Skater-Tour 2.0
Auch in diesem Jahr unternahmen Adrian Löffler und Dennis Schmid auf ihren Skatebordbrettern wieder eine große Tour gegen Arbeitsplatzvernichtung und Jugendarbeitslosigkeit bei BAYER und anderswo. Los ging es am 25. Juli am Stammsitz des Multis in Leverkusen. In 12 Etappen führte der Trip bis nach Berlin, wo sie dem Bundestagsdirektor Dr. Hans-Joachim Stelzl die unterwegs gesammelten Protest-Unterschriften übergaben.

Bisphenol-Entscheidung kritisiert
Unlängst hat die kanadische Regierung die Chemikalie Bisphenol A als „gefährliche Substanz“ klassifiziert und risikoreiche Anwendungen wie z. B. in Babyflaschen verboten (SWB 2/08). Die Entscheidung erfolgte auf der Grundlage der Auswertung von 150 Studien. Diese wiesen eine hormon-ähnliche Wirkung des Stoffes nach, was zu Unfruchtbarkeit, Sexualstörungen, Nervenschäden und Krebs führen kann. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) focht das allerdings nicht an. Sie veröffentlichte ein neues Gutachten, wonach Bisphenol A keine Gesundheitsschäden verursacht, weil der Organismus es schnell abbaut. Diese Expertise stieß jedoch in der wissenschaftlichen Gemeinschaft sogleich auf Kritik. „Die Grundannahme der Behörde ist schlicht falsch. Die Substanz wird von der Schwangeren ans Kind weitergegeben“, sagt der Toxikologe Gilbert Schönfelder. Gemeinsam mit Andreas Gies vom Umweltbundesamt und Ibrahim Chahoud von der Berliner Charité schrieb er deshalb einen Brief an die EFSA mit der Aufforderung, ihre Bisphenol-Einschätzung zu überprüfen.

KAPITAL & ARBEIT

Technische Dienste ausgegliedert
Im April 2008 machte der Leverkusener Multi seine Ankündigung wahr und gliederte im Zuge der Umstrukturierungen bei BAYER INDUSTRY SERVICES die Technischen Dienste aus. Diese firmieren nunmehr unter dem Namen TECTRION als formal eigenständiges Unternehmen. Ein Verkauf steht - vorerst - nicht an, dafür mussten die Beschäftigten aber Lohneinbußen und schlechtere Arbeitsbedingungen hinnehmen.

Verschlechterungen bei BTS
BAYER tritt seinen ausgegliederten Tochter-Gesellschaften gegenüber wie eine Fremdfirma auf, die Forderungen stellt. Dieser Druck wirkt sich auch auf die Arbeitsbedingungen aus. So hat BAYER TECHNOLOGY SERVICES (BTS) 2005 die 40-Stunden-Woche wieder eingeführt und zahlt seither auch unter Tarif - Öffnungsklauseln machen ‘s möglich. Und weil das Finanzergebnis immer „noch nicht die Verpflichtungen der Gesellschaft gegenüber dem Konzern“ abdeckt, wie der Betriebsrat es formulierte, überstanden die Sonderregelungen auch die letzte Tarifrunde.

Nur noch 800 Ausbildungsplätze
Die Zahl der Ausbildungsplätze beim Leverkusener Multi ist in den letzten 18 Jahren um die Hälfte zurückgegangen. Gab es 1990 in den Werken der BAYER AG noch 1.600 neue Lehrlinge, so will der Konzern ihre Anzahl in diesem Jahr auf 800 reduzieren. Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE spricht sogar von lediglich 630 Stellen. Als kleines Trostpflaster finanziert das Unternehmen bei der auf Sparkurs gesetzten Tochter CURRENTA, an der es 60 Prozent der Anteile hält, 60 Lehrstellen. Damit gehen bei der einstigen BAYER INDUSTRY SERVICES (BIS) „nur noch“ 40 Stellen verloren.

Billige MitarbeiterInnen-Ideen
Der Leverkusener Multi bedient sich recht unverschämt am Wissenspool seiner MitarbeiterInnen. Die 9.249 Verbesserungsvorschläge aus deren Reihen sparten dem Konzern allein im ersten Jahr ihrer Realisierung Kosten in Höhe von 8,1 Millionen Euro ein - an Prämien für die Ideen schüttete BAYER jedoch nur 2,4 Millionen Euro aus.

BAYER löst „interne Transporte“ auf
BAYER SCHERING strukturiert im Bergkamener Werk heftig um. 879 der ursprünglich 2.229 Arbeitsplätze hat der Konzern seit 2004 bereits vernichtet, aber die Rationalisierungsmaßnahmen gehen immer noch weiter. Nach Meinung des BAYER-Managers Franz-Josef Renneke muss nämlich weiter an einer verbesserten Stellung des Unternehmens auf dem Weltmarkt gearbeitet werden. Zu diesem Behufe hat der Pharma-Riese nun die Abteilung „interne Transporte“ aufgelöst und die Aufgaben einer Fremdfirma übertragen. Den bislang dort Beschäftigten hat BAYER andere Stellen im Unternehmen angeboten.

BAYER liest mit
Der Leverkusener Multi hat 2005 die Nutzung des Internets für private Zwecke untersagt. Zur Kontrolle protokolliert der Konzern alle E-Mails seiner Beschäftigten und wertet diese stichprobenartig aus. Einem Belegschaftsangehörigen präsentierte das Unternehmen nach Aussage des Betriebsrats unlängst belastenden Schriftverkehr, der bis ins Jahr 2001 zurückreichte.

Weniger Sterbegeld
Die BAYER-Beistandskasse hat Kürzungen beim Sterbegeld, das durchschnittlich ca. 6.000 Euro beträgt, vorgenommen. Die Abschläge können bis zu 2.000 Euro - also ein Drittel der Summe - betragen. Noch dazu fällte die Mitgliederversammlung diesen Beschluss faktisch ohne die Mitglieder, diese setzte der Vorstand nämlich nicht über den brisanten Tagesordnungspunkt in Kenntnis. So nahmen nur 26 Personen an der einstündigen Sitzung teil, die für die rund 90.000 Versicherten den Gewinnzuschlag in Höhe von 25 Prozent strich. „Bei diesem Vorgehen liegt der Verdacht schon nahe, dass es sich um Kalkül und nicht nur um eine Unbedachtsamkeit handelte“, kommentierte der Kölner Stadtanzeiger. Dem Vorstandsvorsitzenden Lutz Cardinal von Widdern zufolge hat die Kasse wegen der geringeren Erlöse auf dem Kapitalmarkt, der Notwendigkeit zu einer verstärkten Risikovorsorge und der zurückgehenden Beiträge aufgrund der überalterten Mitgliederstruktur keine andere Wahl. Die Betroffenen reagierten empört. Sie sammelten Protestunterschriften und stellten zur Mitgliederversammlung zahllose Gegenanträge. Nahmen daran sonst immer nur 30 bis 40 Personen teil, so wollten diesmal 1.000 Menschen dabei sein - zu viel für den Leverkusener Bürgersaal. Die Beistandskasse musste die Zusammenkunft abbrechen und nach einem Versammlungsort mit größerem Fassungsvermögen Ausschau halten. Sie wich schließlich auf die Rheinparkhallen der Kölner Messe aus. Dorthin strömten am 20. 8. 08 über 2.000 Menschen. „Der - verglichen mit der sonst beschaulichen Abnick-Veranstaltung - geradezu dramatische Ablauf der Veranstaltung“, wie der Leverkusener Anzeiger schrieb, wurde von den wütenden Mitgliedern bestimmt. So reichten diese 237 Änderungsanträge ein. Aber die Vorständler blieben bei ihrer Entscheidung. Zur Begründung führte Finanzchef Stefan Nellshen aus, dass die Leistungen der Beistandskasse „ein Versicherungsprodukt sind und kein Sparbuch“. Allerdings erreichten die ProtestlerInnen Satzungsänderungen. Künftig hat der Vorstand die Mitglieder detaillierter über seine Politik zu informieren und bei Versammlungen auch VertreterInnen der Mitglieder zu akzeptieren.

ERSTE & DRITTE WELT

BAYERs Familienplanung
Mächtige Institutionen wie das „Population Council“ von John Rockefeller III haben nach dem Zweiten Weltkrieg viel Geld in die Entwicklung von Verhütungsmitteln investiert. Sie verfolgten damit weniger das Ziel, die sexuelle Selbstbestimmung der Frauen zu stärken, als vielmehr Bevölkerungspolitik zu betreiben. „Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar“, sagte einst der ehemalige US-Präsident Lyndon B. Johnson. BAYER SCHERING PHARMA profitiert von dieser Politik. Der Konzern engagiert sich seit jeher stark im „gigantischen Fruchtbarkeitsmarkt“ Dritte Welt und kann das lukrative Geschäft zudem als Entwicklungshilfe deklarieren. „Bewusste Familienplanung ist ein wichtiger Faktor bei der Förderung sozialen und ökonomischen Fortschrittes“, bekundete der Pharma-Multi anlässig des letzten Deals. Er lieferte der US-amerikanischen Entwicklungsbehörde USAID im August 2008 Pillen für acht Millionen Frauen und gab dabei netterweise etwas Mengenrabatt.

POLITIK & EINFLUSS

BAYERs Kriegsplanungen
BAYER & Co. bereitet die Energieversorgung bei knapper werdenden Ressourcen große Sorgen. Zur Sicherung des Zugriffs auf Gas und Öl sind sie nach Informationen von german-foreign-policy.com sogar bereit, bis zum Äußersten zu gehen. So haben VertreterInnen des Leverkusener Multis gemeinsam mit Emissären von EADS, und DEUTSCHER BAHN AG sowie Bundeswehr-Angehörigen und MitarbeiterInnen des Bundeskriminalamts unter der Ägide der „Bundeakademie für Sicherheitspolitik“ (BAKS) einen „Handlungskatalog“ für die Bundesregierung erstellt, der eine „drohende bewaffnete Auseinandersetzung“ mit Russland und China um deren Reserven herbeischreibt. Bei der Arbeit ließen sich die „fachlich kompetente(n) Führungskräfte“ von ExpertInnen inspirieren, die sich bei der BAKS über „zu viel Frieden in Deutschland“ beklagten und „den letzten Schritt zur Normalisierung“ einforderten - und zwar „bei einsatzbereitem vollem Instrumentarium einer souveränen Nation“.

Büssow bei BAYER
Trotz einer umfassenden Reduzierung der Sportförderung unterstützt der Agro-Riese den exquisiten „Luftsportclub BAYER Leverkusen“ weiterhin. Dieser konnte kürzlich ein prominenten Gast begrüßen: den Regierungspräsidenten Jürgen Büssow. Zum Dank für sein beherztes Engagement in Sachen „Kohlenmonoxid-Pipeline“ durfte BAYER-Büttel Büssow einen kleinen Rundflug im Segelflugzeug unternehmen.

Pinkwart bei BAYER
Zu den politischen Hauptzielen von NRWs „Innovationsminister“ Andreas Pinkwart (FDP) gehört es, Wirtschaft und Wissenschaft noch enger miteinander zu verzahnen, weshalb er auch die neue Kooperation zwischen BAYER und der Kölner Universitätsklinik (SWB 3/08) als „großen Gewinn für die Arzneimittelforschung in Nordrhein-Westfalen“ pries. Ende Juni 2008 unternahm der FDP-Politiker mit bundesdeutschen HochschulvertreterInnen im Schlepptau eine Bildungsreise ins Nordrhein-Westfalen durch ein Partnerschaftsabkommen verbundene Pennsylvania, um dort Feldstudien in Sachen „Profitforschung“ zu betreiben. Dabei war natürlich die BAYER-Niederlassung in Pittsburgh ein dankbares Untersuchungsobjekt.

Böhmer bei BAYER
Zur feierlichen Inbetriebnahme der BAYER-Pilotanlage zur Produktion von Pharma-Stoffen mit Hilfe von Tabakpflanzen (siehe DRUGS & PILLS) kam auch der sachsen-anhaltinische Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) nach Halle und geriet ins Schwärmen. „Ich finde das wirklich beeindruckend. So etwas hätte ich mir nicht ausmalen können. Das könnte eine Technologie sein, die weltweit wichtig wird“, sagte er, obwohl sich erst in ca. zehn Jahren herausstellen dürfte, ob aus dem Tabak eine therapeutisch sinnvolle Arznei ohne Risiken und Nebenwirkungen erwachsen ist.

FDP bei BAYER
Der Vorstand des FDP-Kreisverbandes Unna stattete dem Bergkamer Werk des Pharma-Riesen einen Besuch ab und zeigte sich laut Westfälischer Rundschau erfreut über die hohe Auslastung und die wichtige Rolle, welche die ehemalige SCHERING-Niederlassung auch für den Neubesitzer BAYER spiele. Etwas mehr Wissen hätte die heitere Miene der Liberalen allerdings verdunkeln können, denn der Leverkusener Multi vernichtete in Bergkamen bereits 700 Arbeitsplätze und führt zudem noch weitere Rationalisierungsmaßnahmen durch (siehe KAPITAL & ARBEIT).

Diehl neuer FNL-Vorsitzender
Der BAYER-CROPSCIENCE-Manager Hans-Josef Diehl hat den Vorsitz der „Fördergemeinschaft Nachhaltige Landwirtschaft“ (FNL) übernommen. Der Lobbyclub desinformiert „über die vielfältigen Leistungen der Landwirtschaft von heute“ im Allgemeinen und über „die nachhaltige Entwicklung der Landwirtschaft“ im Besonderen.

Neuer Aufsichtsratsposten für Wenning
BAYER-Chef Werner Wenning eifert seinem Vorgänger Manfred Schneider bei der Jagd nach Aufsichtsratsposten nach. Bislang ist Schneider mit sechs Mandaten (BAYER, ALLIANZ, LINDE, DAIMLER, RWE und TUI) noch ungekrönter König der Deutschland AG, aber Wenning holt auf. Neben seinen Aufsichtsratsmitgliedschaften bei HENKEL, EON und EVONIK hat er jüngst noch eine bei der DEUTSCHEN BANK ergattert, deren Beraterkreis er seit langem vorsitzt.

Neue Pipeline-Strategie
Die Kritik an der von BAYER geplanten Kohlenmonoxid-Pipeline wächst nicht zuletzt durch die vielen Chemie-Unfälle in Nordrhein-Westfalen beständig. Der Leverkusener Multi will sich das Projekt deshalb noch einmal offiziell durch den Landtag absegnen lassen. „Wir gehen davon aus, dass sich die Parteien und die Fraktionen des Landtages anschließend noch einmal mit dem Vorhaben befassen. Das parlamentarische Votum wird dann für uns den weiteren Weg weisen“, so ein Konzern-Sprecher.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYERs brennpunkt-gesundheitswesen.de
brennpunkt-gesundheitswesen.de heißt die Website ganz unverfänglich, auf der ein Hauptverantwortlicher der Ärzte-Zeitung seine Meinung zu Gemeinschaftspraxen kundtut. Nur im Kleingedruckten steht: „Brennpunkt-Gesundheitswesen ist ein Service der BAYER VITAL GmbH“. Und der dient offensichtlich dazu, sich die Zielgruppe „MedizinerInnen“ noch besser zu erschließen und die Beziehung zu derem einflussreichen Fachorgan Ärzte-Zeitung zu optimieren. Viel lässt diese nicht mehr zu wünschen übrig. So pries das Blatt die Test-Ergebnisse von BAYERs Parkinson-Mittel SPHERAMINE in den höchsten Tönen und lehnte es ab, einen Leserbrief der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN zu den Zwischenfällen bei der klinischen Erprobung der Präparats zu veröffentlichen, dessen Entwicklung der Pharma-Multi kürzlich stoppte (siehe DRUGS & PILLS).

Heiner Springer in Rente
BAYERs Propagandaminister Heiner Springer ist in den unverdienten Ruhestand gegangen und hat seinen Posten an Michael Schade abgetreten. 22 Jahre lang übte er beflissen sein Amt als oberster Schönfärber aus. „Man muss erkennen, dass die Funktion eine dienende ist“, so seine Berufsauffassung. Zu seinem Job gehörte es auch, sich die Konzern-Kritik der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN vorzuknöpfen. So schrieb er in der Konzern-Postille direkt unter der Überschrift „Nur meckern ist einfach zu wenig“: „Wenn wir sehen, wie eine Gruppe namens ‚COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN‘ gegen das Unternehmen agitiert - und das seit fast 30 Jahren - , dann muss man sich die Frage stellen: Was ist das wirkliche Ziel dieser Menschen, die ja mit Aktien unseres Unternehmens ausgestattet sind. Dividende wird also kassiert ... Klar ist für mich: Sie sind gegen unser Gesellschaftssystem, gegen das so genannte ‚Groß-Kapital‘“.

BAYER gibt Berlin „Denkanstöße“
„Denkanstöße für Berlin“ meint BAYER SCHERING PHARMA geben zu können und veranstaltete unter diesem Label eine Podiumsdiskussion zum Thema „Kinder in Berlin - Frust, Last oder Lust?“. Aber der Konzern schwang sich nicht nur zum Politikberater auf, er tat auch was, denn der Multi hat das „social sponsoring“ für sich entdeckt: Zum Abschluss der Veranstaltung gab es eine milde Gabe für das Kinderhilfsprojekt „Arche“.

Spendable Bildungsstiftung
Den Leverkusener Multi kommt seine Spendentätigkeit jetzt noch billiger, denn das im letzten Jahr verabschiedete Gesetz zur Stärkung bürgerschaftlichen Engagements lockt mit erheblichen Steuernachlässen. Also hat der Konzern für sein Engagement im Bildungsbereich flugs die 10 Millionen Euro schwere Stiftung „BAYER Science & Education Foundation“ gegründet, die in letzter Zeit 21 Schulen von Berlin über Krefeld, Köln, Neuzelle, Leichlingen und Solingen bis Kromsdorf förderte. Dabei beschränkte der Konzern sich jeweils auf den naturwissenschaftlichen Bereich, „denn ein Land, das das wie Deutschland über keine reichen Bodenschätze verfügt, ist in seiner wirtschaftlichen Entwicklung vordringlich auf die geistige Kreativität angewiesen“, so BAYERs Oberkommunikator Michael Schade zur nicht gerade uneigennützigen Motivation der Bildungsoffensive des Unternehmens.

BAYER fördert Ehrenämter
Im Zuge der Steuererleichterungen für bürgerschaftliches Engagement (s. o.) hat BAYER mit der „BAYER Cares Foundation“ eine weitere Stiftung gegründet, die Ehrenamtsprojekte fördert. So schließt sich dann der Kreis der neoliberalen Sozialpolitik: Private Unternehmen sponsoren private Initiativen.

BAYER zeigt Pillen-Ausstellung
Der Leverkusener Multi klinkte sich in die Berliner „Science Tunnel“-Ausstellung der Max-Planck-Gesellschaft ein und absolvierte dort mit der Sonderschau „Vom Molekül zum Medikament“ einen Werbeauftritt.

BAYER erhält BDI-Umweltpreis
Chlor ist eine der gefährlichsten Chemikalien überhaupt. Das stört BAYER jedoch nicht. Der Konzern unternimmt keine Anstrengungen, chlorfreie Produktionsverfahren zu entwickeln und investiert auch nicht ausreichend in die Sicherheit seiner Anlagen - erst im April trat am Standort Leverkusen Chlor aus (siehe UNFÄLLE & KATASTROPHEN). Den Leverkusener Multi behagt am Chlor nur eines nicht: die energie-intensive Herstellung, die für 40 Prozent der Stromkosten des Unternehmens verantwortlich ist. Deshalb forschte der Agro-Riese nach Alternativen und ersann eine stromsparendere Fertigung. Dafür erhielt BAYER jetzt den Umweltpreis des „Bundesverbandes der Deutschen Industrie“ (BDI).

Wenning kriegt den Moralischen
BAYER-Chef Werner Wenning hat im Juni 2008 den „John J. McCloy Award“ für „seine Leistungen zur Förderung transatlantischer Synergien im Allgemeinen und seine innovativen Ansätze zur Lösung weltweiter Gesundheitsfragen im Besonderen“, wie es in der Begründung der Jury heißt, verliehen bekommen. Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher vergab die Auszeichnung; Henry Kissinger und „mehr als 500 führende Persönlichkeiten der deutschen und amerikanischen Politik und Wirtschaft“ (direkt) zählten zu den Gästen. Denen bot Wenning in seiner Dankesrede Besinnliches. Er widmete sich darin der „Good Corporate Citizenship“ und erläuterte: „Damit ist ein ganzheitliches Verantwortungsbewusstsein gemeint, das über die Erwirtschaftung angemessener Renditen hinausgeht“, bevor er dann mit Ethik, Moral, Nachhaltigkeit etc. pp noch tiefer in die praktische Unternehmensphilosophie einstieg.

Neuer Kinderdiabetes-Preis
BAYER hat sich etwas Neues ausgedacht, um sich die PatientInnen-Gruppe der JungdiabetikerInnen besser zu erschließen. Das Unternehmen stiftet den Preis „Fine Star“. Diesen können alle erringen, die in irgendeiner Form mit der Betreuung von kleinen Blutzuckerkranken befasst sind und eine ausreichend große Zielgruppe aufbieten: Kliniken, Schulen, OrganisatorInnen von Ferienfreizeiten oder FamilienbetreuerInnen. „Machen auch Sie mit - den Kindern zuliebe!“, fordert der Pharma-Riese in der Ausschreibung auf.

DRUGS & PILLS

337 AVELOX-Tote
Die Gefährlichkeit von Antibiotika, die zur Gruppe der Fluoroquinolone gehören, hat Geschädigte in den USA zur Gründung der Selbsthilfegruppe FLUOROQUINOLONE TOXICITY RESEARCH FOUNDATION bewogen. Die Gruppe wälzte die medizinischen Unterlagen und dokumentierte unter anderem die Risiken und Nebenwirkungen des BAYER-Präparats AVELOX von November 1997 bis Juni 2007. Das Resultat ist erschreckend: In dem untersuchten Zeitraum kam es zu 337 Todesfällen durch AVELOX und zu über 30.000 Gegenanzeigen.

Anwendungsbeschränkung für AVELOX
Die Nebenwirkung „Leberschädigung“ des BAYER-Antibiotikums AVELOX (Wirkstoff: Moxifloxacin) hat die Europäische Arzneimittelbehörde EMEA bewogen, eine Anwendungsbeschränkung zu empfehlen. Nach Meinung der ExpertInnen sollten die MedizinerInnen das Mittel bei den Indikationen „Bronchitis“, „Lungenentzündung“ und „Nebenhöhlenentzündung“ nur noch verschreiben, wenn andere Antibiotika versagen.

Sehnenschäden durch CIPROBAY
BAYERs CIPROBAY, das nur geringfügig veränderte Nachfolge-Präparat AVELOX und andere Antibiotika auf Fluorchinolone-Basis können Sehnenschäden verursachen. In dem Zeitraum von 1997 bis 2005 meldeten MedizinerInnen der US-Gesundheitsbehörde FDA 262 Fälle von Sehnenrissen. Trotzdem musste die Gesundheitsinitiative PUBLIC CITIZEN der FDA erst mit einer Klage drohen, bis diese sich zum Handeln entschloss. Sie verpflichtete BAYER & Co., auf den Packungen wegen der „Archillesferse“ der Präparate so genannte „black-box“-Hinweise - Warnungen der höchsten Dringlichkeitsstufe - anzubringen.

Tod durch YASMIN
BAYER vermarktet seine Antibaby-Pillen auch als Lifestyle-Präparat zur Behandlung von Pickeln und Hautunreinheiten. Dies wurde der 24-jährigen Australierin Tanja Hayes zum Verhängnis. Sie litt stark unter Akne und behandelte diese mit dem Medikament ROACCUTANE. Da bei Schwangerschaften von ROACCUTANE-Patientinnen das Risiko steigt, Kinder mit Missbildungen zu gebären, erhielt Tanja Hayes den Rat, Verhütungsmittel einzunehmen, die sich zudem auch positiv auf ihre Hautkrankheit auswirken würden. Dreieinhalb Monate lang verwendete die Studentin dann BAYERs YASMIN, bevor sie unter Atemnot zu leiden begann und einen trockenen Husten bekam. Zwei Wochen später brach sie auf einem Parkplatz tot zusammen. Die Diagnose lautete Lungenembolie durch verdicktes Blut, „verursacht durch Faktoren, die mit der Einnahme von Verhütungsmitteln zusammenhängen“, wie der Notfall-Mediziner Graeme Thomson konstatierte. „Atemlosigkeit“ zählt zu den auf den YASMIN-Packungsbeilagen aufgezählten Gegenanzeigen, weshalb eine BAYER-Sprecherin dann auch zusagte, die Umstände des Todes von Tanja Hayes umgehend genauer zu untersuchen. Bislang gingen den australischen Gesundheitsbehörden seit 2003 56 Meldungen über schwere Nebenwirkungen durch YASMIN ein, das gemeinsam mit den ebenfalls zur Produktfamilie gehörenden Verhütungsmitteln YAZ und YASMINELLE BAYERs Bestseller auf dem Pharma-Markt ist. Über eine Milliarde Euro Umsatz brachten YASMIN & Co. im Geschäftsjahr 2007 ein.

AUS für SPHERAMINE
Im Jahr 2005 kam es bei der Erprobung des Parkinson-Präparats SPHERAMINE zu schweren Zwischenfällen (SWB 1/08). Die per gehirnchirugischem Eingriff implantierten Zellen zur Dopamin-Produktion verursachten bei den ProbandInnen Verwirrtheitszustände, Depressionen bis zu Selbsttötungsversuchen, Lähmungserscheinungen, Sprachausfälle, epileptische Anfälle, Hirnblutungen, Asthma und andere körperliche oder geistige Beeinträchtigungen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) setzte das Thema deshalb auf die Tagesordnung der letzten Hauptversammlung und forderte einen Stopp der Versuche. Aber BAYER wollte von den Gefahren nichts wissen. „Es ist nicht erwiesen, ob die bei den Patienten beobachteten Symptome in Zusammenhang mit SPHERAMINE stehen“, sagte der Vorstandsvorsitzende Werner Wenning und pries „Verbesserungen um 50 Prozent“ bei den Krankheitsverläufen. Fünf Wochen später sah das alles jedoch etwas anders aus. Nach einer erneuten Testreihe, welche die TeilnehmerInnen wieder einigen „Risiken und Nebenwirkungen“ ausgesetzt haben dürfte, brach der Pharma-Riese alle Studien mit dem Präparat ab.

Zulassungserweiterung für ZEVALIN
Die Europäische Arzneimittelbehörde EMEA hat das Anwendungsspektrum für das BAYER-Medikament ZEVALIN erweitert. Durften MedizinerInnen das Mittel bislang nur zur Behandlung des Lymphdrüsen-Krebses einsetzen, wenn die Chemotherapie versagt hatte, so können diese es nun auch nach einer erfolgreichen Bestrahlung verschreiben.

RIVAROXABAN im Hintertreffen
Bei der Entwicklung neuer Medikamente zur Thrombose-Behandlung lieferte sich BAYER ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit BOEHRINGER - und zog den Kürzeren. Bevor der Leverkusener Multi sein Produkt RIVAROXABAN, von dem er einen Umsatz von zwei Milliarden Euro im Jahr erwartet, auf den Markt werfen konnte, erhielt BOEHRINGER die Zulassung für PRADAXA.

Noch ‘ne LEVITRA-Studie
Unermüdlich wirft BAYER Studien auf den Markt, welche die „Erektile Dysfunktion“ als Krankheit etablieren sollen, die sich immer stärker ausbreitet, um den Absatz des hauseigenen Potenzmittel LEVITRA zu steigern. Nach der neuesten Expertise leiden angeblich bereits 50 Prozent aller Männer zwischen 40 und 70 an den Symptomen. Als neuen Auslöser haben die AuftragsforscherInnen nun Stress bei der Arbeit ausgemacht, der angeblich bei 20 Prozent des „starken Geschlechts“ zu Störungen der Sexualfunktionen führt.

ZETIA erhöht Krebsgefahr
Seit Juni 2007 vermarktet BAYER den Cholesterinsenker ZETIA (Wirkstoff: Ezetimib) gemeinsam mit SCHERING-PLOUGH in Japan. Das Mittel hat es allerdings in sich. Es schädigt nicht nur die Leber (Ticker 1/08), das Präparat erhöht auch das Krebsrisiko. Das hat jetzt eine neue Studie ergeben, die das Fachorgan New England Journal of Medicine veröffentlichte. 11,1 Prozent der ProbantInnen in der Ezetimib-Gruppe erkrankten an Krebs, während die Zahl in der Kontrollgruppe bei nur 7,5 Prozent lag. Zudem hat die Arznei die Verkalkung des Herzventils nicht verhindern können. Die Faz resümiert deshalb: „Nicht nur die Sicherheit, auch der Nutzen von Ezetimib steht weiterhin in den Sternen. Zumindest gibt es bislang keine überzeugenden Belege, dass die Anwendung des neuen Cholesterinsenkers dem Patienten einen nennenswerten gesundheitlichen Vorteil bringt“.

NEXAVAR zu teuer
Das britische Pendant zum bundesdeutschen „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“, die Sondergesundheitsbehörde NICE, hat eine Kosten/Nutzen-Analyse von BAYERs zur Behandlung von fortgeschrittenem Nierenkrebs zugelassener Arznei NEXAVAR vorgenommen und kam zu einem negativen Ergebnis. Die Kosten ständen nicht in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen, urteilte das NICE und riet von einer Verwendung ab.

Plischke für Beobachtungsstudien
ExpertInnen halten 80 Prozent der in ÄrztInnen-Praxen durchgeführten Beobachtungsstudien mit Arzneien für wertlos. Sie dienen dann auch weniger wissenschaftlichen als vielmehr Vermarktungszwecken. Die Pharma-Multis zahlen den MedizinerInnen Geld, wenn diese ihre PatientInnen auf ein firmen-eigenes Medikament umstellen und dazu pro forma einige Angaben zur Verträglichkeit machen. Für die ÄrztInnen lohnt sich das Ausfüllen der Fragebögen allerdings sehr. So war BAYER einst das Akquirieren von fünf neuen KundInnen für den als Mittel zweiter Wahl geltenden Blutdrucksenker BAYOTENSIN schon mal 375 Euro wert, denn diese Investition zahlt sich auf lange Sicht aus. Kein Wunder, dass BAYER-Vorstand Wolfgang Plischke, der im Nebenberuf auch Vorsitzender des vom Leverkusener Multi gegründeten Lobby-Clubs „Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller“ ist, das Vorgehen der Pillen-Produzenten verteidigt. „Ich halte Anwendungsbeobachtungen allerdings für sinnvoll, da sie uns Langzeitdaten über die Wirkung von Medikamenten in die Hand geben, die wir aus den Zulassungsstudien nicht bekommen“, teilte er der Wirtschaftswoche mit.

Selbsthilfegruppen: Wer bekommt was?
Der Leverkusener Multi hat sich entschlossen, seine Geldzuwendungen an Selbsthilfegruppen transparent zu machen. So erhält die „Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft“ 2008 für Forschungsaktivitäten 115.000 Euro und zur Unterstützung bei der Erstellung eines MS-Registers 70.000 Euro. Die „Deutsche Leukämie- und Lymphom-Hilfe bekommt 10 - 12.000 Euro. Das „Lebenshaus Nierenkrebs“ kann sich über 50.000 Euro für seinen PatientInnen-Ratgeber und seine Infobriefe freuen. Die „Deutsche Hämophilie-Gesellschaft“ ist durch BAYER um 35.000 Euro reicher. Die „Interessengemeinschaft Hämophiler“ streicht 27.000 Euro ein und der Verein „Pulmonale Hypertonie“ 180.000 Euro. Dabei schlägt allein die Mitfinanzierung von Ambulanz-Schwestern an Zentren zur Behandlung dieser speziellen Lungenkrankheit mit 120.000 Euro zu Buche.

Kaum Verhütungsmittelforschung
Die auf der Basis von Hormonen hergestellten Verhütungsmittel haben zahlreiche Nebenwirkungen. Diese reichen von Thrombosen und Embolien über Schlaganfälle und Herzinfarkte bis zu Depressionen und Krebs. Trotzdem läuft die Suche nach Alternativen bei BAYER auf Sparflamme. „Wir werden die laufenden Forschungsprojekte voranbringen, aber wir wollen nicht mehr nach komplett neuen Mechanismen suchen“, so der BAYER-SCHERING-Forschungschef Andreas Busch.

„Prädiabetes“ macht Fortschritte
Es gibt doch noch BAYER-Schöpfungen, die ihren Weg machen wie etwa „Prädiabetes“. Von dieser Krankheit, die der Leverkusener Multi erst im letzten Jahr erfunden hat, sind allein in Sachsen bereits 500.000 Personen befallen. Dies ist jedenfalls die - bestimmt nicht ganz kostenfreie - Meinung des an der Dresdener Universitätsklinik tätigen Dr. Peter Schwarz. Zum Glück hält der Pharma-Riese für die neue Menschheitsplage auch schon das passende Medikament bereit: das gute, alte GLUCOBAY mit dem Wirkstoff Acarbose. Laut BAYER report ist das Mittel, das nicht einmal bei richtigen DiabetikerInnen seinen Dienst tut, weshalb der Pharmakologe Gerd Glaeske es „gerade mal so wirksam wie Müsli“ nennt, bereits in 25 Ländern zur Behandlung der ominösen Vorstufe der Blutzucker-Krankheit zugelassen.

„BioPharm-America“ trifft sich
In Atlanta fand vom 9. bis zum 10. September 2008 die „BioPharm-America“-Konferenz statt, an der auch VertreterInnen von BAYER teilnahmen. Neben der Anbahnung von Geschäftsbeziehungen zwischen den Pharma-Multis und kleineren Biotech-Firmen standen unter anderem Themen wie „Arznei-Forschung mit Hilfe von Private Equity-Kapital“ und „Das ABC des Lizenzerwerbs“ auf dem Programm.

BAYER investiert in Krebs-Arzneien
Der Leverkusener Multi baut seine ONKOLOGIE-Sparte aus. Für 52 Millionen Euro hat er die Krebsforschungssparte des Pharma-Konzerns NYCOMED gekauft.

Arzneien aus Tabakpflanzen
Vor zwei Jahren hat der Leverkusener Multi das Münchner Biotech-Unternehmen ICON GENETICS erworben, das eine Technik zur Umwandlung von Tabakpflanzen in kleine Arzneistoff-Fabriken entwickelt hatte. Jetzt nahm der Konzern die Pilotanlage in Betrieb. Bei dem Verfahren zur Herstellung eines Antikörper-Impfstoffes zur Behandlung eines Lymphsystem-Krebses tauchen die PharmakologInnen die Tabakpflanzen in ein Bakterien-Bad, wodurch sich das Antikörper-Erbgut überträgt und seine Arbeit in der Botanik aufnimmt. „Die Pflanzen produzieren innerhalb kürzester Zeit die gewünschten Wirkstoffe“, frohlockt BAYER-Manager Yuri Gleba. Ob diese vielleicht auch noch Unerwünschteres produzieren, ob der Pharmastoff wirklich rein ist und bei den PatientInnen anschlägt, all das stellt sich allerdings erst in ca. zehn Jahren heraus. Überdies erhebt der Ingenieur Günter M. Pruss Anspruch auf die Erfindung (siehe RECHT & UNBILLIG).

BAYER entwickelt Alzheimer-Marker
Die Universität von Nagasaki hat ein Verfahren entwickelt, das Eiweißablagerungen im Gehirn mittels eines radioaktiven Markers visuell darstellen und so angeblich zur Früherkennung von Alzheimer dienen kann. BAYER hat sich durch einen Vertrag mit der japanischen Hochschule die Exklusivrechte an dieser Technologie gesichert.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

PONCHO wieder im Handel
BAYERs Saatgutbehandlungsmittel PONCHO mit dem Wirkstoff Clothianidin hat im Frühjahr zu einem großen Bienensterben geführt. 11.500 Bienenvölker von 700 ImkerInnen rund um die südbadischen Maisfelder waren betroffen. Nach einigem Hin und Her entschloss sich das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ deshalb, das Mittel vom Markt zu nehmen. Aber Ende Juli 2008 war es wieder da: Die Seehofer-Behörde gab grünes Licht für PONCHO-Raps und übernahm zur Begründung die BAYER-Argumentation, nicht das Gift an sich hätte zum Tod der Bienen geführt, sondern Saatgut-Produktionsfehler sowie Sämaschinen mit zu hohen Streuverlusten. „Eine Bundesbehörde darf vor dem massiven Lobbydruck der Hersteller nicht einknicken“, kritisierte der NATURSCHUTZSCHUTZBUND-Geschäftsführer Leif Müller die Entscheidung, „Wenn nun das Gift wieder ausgebracht werden darf, dürfte das nächste Massensterben nur eine Frage der Zeit sein“. BAYER ficht das nicht an. Der Konzern will seinen Mega-Seller komplett rehabilitieren. „Wir arbeiten daran, die Zulassung zur nächsten Maisaussaat wieder zu erhalten“, sagte BAYER-CROPSCIENCE-Chef Friedrich Berschauer auf der Bilanz-Pressekonferenz am 4. 9. 08.

Immer mehr Pestizide
BAYER & Co. bringen immer mehr Pestizide in Umlauf. In der Bundesrepublik stieg die abgesetzte Menge von 28.510 Tonnen im Jahr 2005 auf 32.213 Tonnen im Jahr 2007. Die Summe der Ausfuhren erhöhte sich im gleichen Zeitraum von 84.635 auf 101.565 Tonnen.

Frankreich verbietet 30 Wirkstoffe
Die französische Regierung hat zum 1. 2. 08 dreißig Pestizidwirkstoffe verboten, die in 1.500 Mitteln Anwendung fanden. Davon betroffen waren auch Substanzen aus dem BAYER-Sortiment wie z. B. Procymidon, das in SUMISCLEX WG enthalten ist.

Pestizide im Wein
Mit einem Pestizid-Einsatz von 21,4 Kilogramm pro Hektar zählt der Anbau von Wein zu den gift-intensivsten landwirtschaftlichen Unternehmungen. In einer vom PESTICIDES ACTION NETWORK EUROPE durchgeführten Studie fanden sich folglich in allen 34 untersuchten Flaschen Spuren der Agrochemikalien. Bei 25 Wein-Proben stießen die WissenschaftlerInnen auf Pyrimethanil, das auch in den BAYER-Produkten CLARINET, FLINT STAR, MYSTIC, MYTHOS, SCALA, SIGANEX, VISION und WALABI enthalten ist. Zudem verseuchte der Stoff sogar einen Biowein. PROCYMIDON, unter anderem Wirksubstanz von BAYERs SUMISCLEX WG und in Frankreich gerade aus dem Verkehr gezogen (s. o.), war in elf der edlen Tropfen enthalten (siehe auch KURZ VOR SCHLUSS).

Benin verbietet Endosulfan
Der vor allem auf Baumwollfeldern zum Einsatz kommende Pestizid-Wirkstoff Endosulfan, enthalten unter anderem in den BAYER-Produkten MALIX, PHASER und THIODAN, ist für zahlreiche Todesfälle verantwortlich. Allein im afrikanischen Benin starben in der Vergangenheit jährlich bis zu 30 Menschen an Endosulfan-Vergiftungen (Ticker 3/06), im letzten Jahr waren es 20. Darum hat sich die Regierung des Landes jetzt entschlossen, die zur Gruppe der Organochlor-Verbindungen zählende Agrochemikalie zu verbieten. Staaten wie Mali, Burkina Faso und die Elfenbeinküste planen, es Benin gleichzutun. Das PESTIZID-AKTIONS-NETZWERK (PAN), das mit seinen Aufklärungskampagnen viel zu dieser neuen Pestizidspolitik beigetragen hat, will jetzt sogar für einen weltweiten Bann sorgen. So ganz zufrieden mit dem bisher Erreichten ist die Initiative jedoch nicht. Zum einen dürfen die LandwirtInnen die nicht unbeträchtlichen Endosulfan-Restbestände noch aufbrauchen, und zum anderen ist das von BAYER als Endosulfan-Nachfolger auserkorene TIHAN mit den Wirkstoffen Imidacloprid, Thiacloprid, Deltamethrin und Flubendiamid auch nicht ohne. Deltamethrin gehört nämlich der höchsten Pestizid-Gefahrenklasse an, Imidacloprid und Thiacloprid der zweithöchsten, wobei Thiacloprid zusätzlich noch als krebserregend gilt. „Es stellt sich somit die Frage, ob hier nicht der Teufel mit dem Belzebub ausgetrieben werden soll“, so die PAN-Aktivistin Alexandra Perschau.

Chlorpyrifos im Hausstaub
Das Bundesumweltamt hat Hausstaub nach Pestizid-Rückständen untersucht und dabei zahlreiche Giftstoffe nachgewiesen. Neben schon längst verbotenen Stoffen wie DDT und Lindan stießen die WissenschaftlerInnen auch auf Wirkstoffe, die in BAYER-Produkten enthalten sind wie Propoxur (BAYGON) und Chlorpyrifos (BLATTANEX, PROFICID und RIDDER). Propoxur fand sich in sechs Prozent der Proben und Chlorpyrifos in 32 Prozent.

90.000 Vergiftungsfälle
Die Aufstellung der US-amerikanischen Umweltbehörde EPA über Risiken und Nebenwirkungen von Pestiziden stand lange unter Verschluss. Das weckte Begehrlichkeiten: Nach Aussage des „Center for Democracy and Technology“ gehörten die Akten zu den zehn begehrtesten Regierungsdokumenten. Unter Berufung auf den „Freedom of Information Act“ gelang es dem „Center for Public Integrity“ schließlich, das EPA zu einer Veröffentlichung zu veranlassen. Und die Unterlagen haben es wirklich in sich. Sie halten für die letzten zehn Jahre 90.000 Vergiftungsfälle durch Pestizide fest. Mehr als ein Viertel verursachten Produkte aus der Gruppe der Pyrethroide wie BAYERs Insektizide BAYTHROID und BULLDOCK oder das Hunde-Antiflohmittel ADVANTIX. Im Zeitraum von 2003 bis 2007 starben 20 Menschen an BAYTHROID & Co., 6.000 Personen erlitten Gesundheitsstörungen. Die EPA wollte die Gefährlichkeit dieser Substanzklasse ursprünglich erst im Jahr 2010 untersuchen, kündigte nach der Publikation der alarmierenden Befunde jedoch an, sich schneller ans Werk zu machen.

GENE & KLONE

EU-Zulassung für BAYERs Gensoja
Nachdem die EU-LandwirtschaftsministerInnen sich nicht darauf einigen konnten, BAYERs Gensoja eine Importgenehmigung zu erteilen, landete die Entscheidung bei der traditionell gentechnik-freundlichen Brüsseler Kommission. Sie gab dann auch prompt grünes Licht für die gegen das Herbizid LIBERTY mit dem Wirkstoff Glufosinat resistente Sorte. Dass BAYER-Reis der gleichen Bauart vor zwei Jahren für den größten Gen-GAU der jüngeren Geschichte gesorgt hatte und sich - obwohl noch gar nicht zugelassen - in Proben von Supermarkt-Reis wiederfand, hat die PolitikerInnen dabei ebenso wenig gestört wie die niedrigeren Erträge von gentechnisch manipuliertem Soja (s. u.). Die bei LIBERTY-Mais und -Raps beobachteten Einkreuzungen in konventionell angebaute Pflanzen stellten für die EU-Kommission ebenfalls keinen Hinderungsgrund dar.

Gen-Soja unfruchtbarer
Nach einer Studie der Universität Kansas liegen die Ernte-Ergebnisse von Gen-Soja um zehn Prozent unter denen von konventionellen Pflanzen. Nach Ansicht des Wissenschaftlers Barney Gordon behindert der gentechnische Umbau der Ackerfrucht die Aufnahme von Nährstoffen aus dem Boden. Erst nachdem sein Team die genmanipulierten Versuchspflanzen mit einer Extradosis Mangan versorgt hatte, glichen sich die Resultate an. Bereits vorher hatten ForscherInnen der Universität Nebraska den Laborfrüchten von BAYER & Co. Ertragsschwäche bescheinigt.

Versuchsfeld Südafrika
BAYER hat Südafrika zum Versuchsfeld für seine Gentech-Pflanzen auserkoren. Der Agro-Multi will dort sechs neue Laborfrüchte testen (siehe SWB 3/08), die den für Insekten tödlichen Bacillus thuringiensis (Bt) enthalten und/oder gegen die Pestizide Glufosinat, Glyphosate oder Phosphinotricin resistent sind. Der Leverkusener Multi beabsichtigt damit erstmals Sorten zu testen, die auch auf MONSANTO-Technologie beruhen - Frucht eines Kooperationsabkommens beider Konzerne zur Stärkung der erlahmenden Widerstandskräfte ihrer genmanipulierten Ackerfrüchte. Das AFRICAN CENTRE FOR BIOSAFETY stellte sich gegen den Antrag. „Wir lehnen diese Anwendungen ab, welche die Integration unseres Agrarsystems in die kapitalistische Ökonomie vorantreiben und Kleinbauern im Regen stehen lassen. Zudem stellen diese Pflanzen ein Risiko für Mensch und Umwelt dar“, heißt es in ihrer Erklärung.

BAYER erreicht „Biopharma“-Endrunde
Der Staat fördert offensiv die Entwicklung medizinisch-industrieller Komplexe. So knüpft er die Vergabe von Subventionen an die Bildung von Konsortien aus Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Auch an dem vom Bundesforschungsministerium ausgeschriebenen Strategie-Wettbewerb „BioPharma“ dürfen nur solche Verbünde teilnehmen. Deshalb hat BAYER mit MAGFORCE NANOTECHNOLOGIES, KINAXO BIOTECHNOLOGIES, der Berliner Charité und der Universität Köln ein solches Konsortium gebildet, das sich zum Ziel gesetzt hat, neue Therapie-Verfahren zur Behandlung von Tumoren zu erforschen. Und die Chancen, sich dafür mit vier weiteren Kandidaten die Fördersumme von 100 Millionen Euro zu teilen, stehen gut, denn BAYER & Co. haben die Runde der letzten Zehn erreicht.

Bundestag ändert Stammzellen-Gesetz
„Die Möglichkeiten sind grenzenlos“, schwärmte schon im Jahr 2001 BAYERs damaliger Chef-Pharmazeut Wolfgang Hartwig über die Möglichkeiten der Stammzellforschung. Seit 2008 sind diese noch ein wenig grenzenloser, denn der Bundestag änderte das Stammzell-Gesetz. Als er es 2002 verabschiedete, legte das Gremium als Stichtag für die zur Forschung freigegebenen Zelllinien den 1. 1. 02 fest, weil es keine neuen Tötungen von Embryonen verantworten wollte. Im April 2008 hat das Parlament diese Hemmungen abgelegt und den Stichtag auf den 1. 5. 07 verschoben. Es kapitulierte damit vor der Lobbyarbeit der Industrie, bei der sich besonders der BAYER-Aufsichtsrat und Gentech-Multifunktionär Ernst-Ludwig Winnacker hervorgetan hatte.

NEXAVAR bei anderen Krebsarten?
Als „Meilenstein im Kampf gegen Krebs“ feiert BAYER sein Gentech-Medikament NEXAVAR. Der Leverkusener Multi erweckt damit den falschen Eindruck, ein neues Wundermittel gegen die Krankheit gefunden zu haben, wo das Präparat hingegen lediglich die Lebenserwartungen der PatientInnen um bis zu drei Monaten verlängert. Es kommt bisher bei der Behandlung von Nieren- und Leberkrebs zum Einsatz. Obwohl Indikationserweiterungen auf Lungen-, Haut- und Bauchspeicheldrüsenkrebs scheiterten, versucht der Konzern weiter unentwegt, der Arznei neue Märkte zu erschließen. Auf einem Onkologie-Kongress in Chicago präsentierte das Unternehmen Ende Mai 2008 Studien mit angeblich hoffnungsvollen Resultaten bei der Theapie von Krebsarten, die den Verdauungstrakt, die Schilddrüse oder die Eierstöcke befallen. Sogar bei Lungenkrebs wartete der Pharma-Riese diesmal wundersamerweise mit positiven Daten auf - bei den letzten Tests hatte der NEXAVAR-Wirkstoff Sorafenib nicht nur nicht geholfen, sondern den Sterbeprozess sogar noch beschleunigt.

PFLANZEN & SAATEN

Kooperation mit EURALIS
BAYER hat eine Zusammenarbeit mit der französischen Landwirtschaftskooperative EURALIS vereinbart. Die Kooperation konzentriert sich auf hybride - also nicht für die Wiederaussaat bestimmte - Winterraps-Sorten. Der Agro-Riese erhält mit dem Deal die Rechte auf bestimmte Zuchtmaterialien und Produkte von EURALIS und kann die Versuchsfelder nutzen.

PARAGON gekauft
Das Saatgut-Geschäft des Leverkusener Multis wächst beständig. Nun hat BAYERs Saatgut-Tochter NUNHEMS auch noch das auf Salate spezialisierte US-Unternehmen PARAGON aufgekauft.

WASSER, BODEN & LUFT

Brunsbüttel: Kohlekraftwerk kommt
Auf den Himmel über Brunsbüttel kommt in nächster Zeit einiges zu, und BAYER hat daran gehörigen Anteil. Der Konzern plant am Standort nämlich nicht nur ein Müll-, sondern auch ein 800-Megawatt-Kohlekraftwerk. Für dieses unterzeichnete der Multi Ende Juli 2008 die Verträge. Die Dreckschleuder kommt bloß auf einen Wirkungsgrad von 46 Prozent, 54 Prozent der eingesetzten Energie werden also nicht in Strom umgewandelt. Zum Vergleich: Eine Kraft/Wärme-Koppelungsanlage hat einen Wirkungsgrad von 80 bis 90 Prozent! Aber der Brunsbütteler Klimakiller bleibt sogar noch unter den Werten des im Krefelder Chemiepark geplanten Kraftwerks, das dank der Nutzung des Dampfes einen Wirkungsgrad von 51 Prozent erreicht und 4,4 Millionen Tonnen Kohlendioxid emittiert. In Brunsbüttel dürften es deshalb ein paar hunderttausend Tonnen C02 mehr werden. Entsprechend erbost reagieren die UmweltschützerInnen vor Ort. „Wir wollen keine Dinosaurier-Technologie“, sagte etwa Jürgen Ruge von den Grünen in einer aktuellen Stunde des Kreistags, während vor dem Sitzungssaal Bürgerinitiativen ihren Unmut kundtaten.

Krefeld: Kohlekraftwerk kommt nicht?
Die Haltung der Krefelder Parteien zu dem im BAYER-Chemiepark geplanten Kohlekraftwerk ist unübersichtlich. Die SPD befürwortet wie der CDU-Oberbürgermeister Gregor Kathstede den Bau, dessen Partei lehnt das Vorhaben jedoch bislang ebenso ab wie die Grünen. Auf der Ratssitzung am 5. 9. 08 setzten Christdemokraten und Grüne eine so genannte Veränderungssperre durch, mit der die beiden Fraktionen alle bisher noch nicht genehmigten Projekte mitsamt des Klimakillers vorerst für zwei Jahre auf Eis legte. Länger allerdings nicht. Zudem ließ sich der CDU-Fraktionsvorsitzende Wilfrid Fabel ein Hintertürchen offen. Laut Rheinischer Post erklärte er, dass die CDUlerInnen durchaus noch grünes Licht für die Dreckschleuder geben könnten.

BAYER stinkt zum Himmel
AnwohnerInnen des Bergkamener Werkes von BAYER SCHERING klagen seit Jahren über Gestank, der von der Einrichtung zur Abwasserbehandlung ausgeht. Im April 2008 haben nun endlich Umbau-Maßnahmen begonnen. „Im Interesse der Anwohner muss es jetzt vor allem darum gehen, die Geruchsbelästigungen der Anlage zu verringern“, so der zuständige BAYER-Manager Helmut Bennemann.

EU fördert Müllgeschäfte
Der Leverkusener Multi macht schon seit geraumer Zeit aus Dreck Geld. Seine Sondermüllverbrennungsanlagen laufen auf Hochtouren. Und neuerdings will er mit dem Abfall auch noch Kraftwerke befeuern, da Energie dann nichts mehr kostet, sondern sogar noch Geld einbringt: derzeit etwa 80 Euro pro Reststoff-Tonne. Aber nach BAYER-Ansicht könnte es um die Erträge noch besser gestellt sein, wenn Brüssel ein paar Weichenstellungen zu Gunsten der Konzerne vornähme. So mahnte Wolfgang Große Entrup, Vorsteher des BAYER-Stabes „Politik und Umwelt“ und beim CDU-Wirtschaftsrat Leiter der Umweltkommission, schon vor einiger Zeit eine „Entbürokratisierung“ der EU-Abfallrahmenrichtlinie an. Der mit VertreterInnen von BAYER und anderer Unternehmen bestückte „Dialog Wirtschaft und Umwelt NRW“ machte dazu gleich einige konkrete Vorschläge. Das Gremium, mit dem das Land Nordrhein-Westfalen seine Umweltpolitik quasi ausgegliedert hat, forderte die Europäische Union auf, die Gleichwertigkeit der stofflichen und energetischen Verwertung von Abfall sicherzustellen und - besonders entlarvend - auf Programme zur Müllvermeidung zu verzichten. Dem kam die EU in ihrer Revision der Richtlinie jetzt nach. „Müllverbrennung wird so noch mehr zum lukrativen Geschäft“, kommentierte die grüne EU-Parlamentarierin Hiltrud Breyer und warnte: „Es droht die Gefahr, dass Recycling zum Mauerblümchen der Abfallwirtschaft wird und der Müllexport zunimmt“.

Müllskandal zu BAYERs Gunsten
Der Leverkusener Multi profitiert vom italienischen Müllskandal. Ein gehöriger Anteil der 54.000 Tonnen aus dem Nachbarland landet nämlich in den „Rückstandsverbrennungsanlagen“ des Konzerns, wo ihn das Unternehmen für 200 Euro pro Tonne unter Produktion von Dioxin, Furanen und Schwermetallen entsorgt. Lediglich die radioaktiv verseuchten Chargen mussten wieder zurück zum Absender. Der BUND kritisiert das von BAYER & Co. nicht nur in diesem Fall betriebene Geschäft mit dem Abfall scharf. „Damit wird ein Müllsog unausweichlich. Alle Anstrengungen zur ökologisch erwünschten Abfallvermeidung bleiben auf der Strecke“, so NRW-Geschäftsführer Dirk Jansen.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

Neuer Gefahrgut-Terminal in Dormagen
BAYERs Dormagener Chemiepark gehört zu den 10 größten Umschlagplätzen für Gefahrgut-Container in der Bundesrepublik. Um diese Stellung zu halten, hat der Konzern einen neuen Terminal errichtet, der die Lagerung von 360 Containern erlaubt. Für die Sicherheit glaubt das Unternehmen mit einer Folien-Wannenkonstruktion nebst Brand-Früherkennungssystem und halbstationärer Schaumlöschanlage genug getan zu haben.

ATOM & WAFFEN

Libyen erhält Plutonium-Pläne
Libyen hat bis zum Jahr 2003 ein illegales Atomwaffen-Programm betrieben. Dazu besaß das Land auch Pläne zum Bau von Wiederaufbereitungsanlagen für Uran-Kernbrennstoffe. Nach Mitteilungen der „Internationalen Atomenergie-Agentur“ (IAEA) entspricht die darin beschriebene Technologie derjenigen der Karlsruher Wiederaufbereitungsanlage, deren Betreiber BAYER, HOECHST und andere Chemiekonzerne in Tateinheit mit der Energiewirtschaft waren, bis sich BAYER & Co. 1975 wegen zweifelhafter Erfolgsaussichten aus dem Atomgeschäft zurückzogen. Die Konstruktionszeichnungen haben bundesdeutsche IngenieurInnen unter Geheimhaltungsgebot 1986 erstellt. Ihr Auftrag lautete, eine Anlage zu entwerfen, die auch unter klimatischen Bedingungen wie extremer Hitze oder Trockenheit funktioniert. Angaben zum genauen Bestimmungsort erhielten sie nicht. Den Deal wickelte schließlich ein Mittelsmann ab, der Gaddafi bereits in Sachen „Chemie-Waffen“ gute Dienste erwiesen hatte.

PRODUKTION & SICHERHEIT

Berufskrankheiten: Fehlanzeige
Lösemittel wie Benzol oder Styrol sind äußerst gefährliche Substanzen. Offenbar aber können sie den bei BAYER & Co. Beschäftigten nichts anhaben. Anerkannte Berufskrankheiten gibt es in diesem Bereich nämlich kaum. Gerade einmal 18 Fälle wurden im Jahr 2000 aktenkundig, 2001 15 Fälle und 2002 10 Fälle. Allerdings steht diesen Zahlen eine Unmenge von Anträgen entgegen, welche die Verantwortlichen jeweils abschlägig beschieden haben. Darum fordern ExpertInnen wie der Umweltmediziner Wolfgang Huber einschneidende Veränderungen bei den Verfahren wie die Berücksichtigung von Kombinationswirkungen und Erleichterungen der Beweisführung bis zur Beweislastumkehr.

STANDORTE & PRODUKTION

Berufskolleg macht weiter
Ursprünglich wollte der Pharma-Riese sein Berufskolleg abwickeln und es ganz oder teilweise der Regie der Stadt Leverkusen unterstellen. Jetzt entschied der Konzern jedoch, die Weiterbildungseinrichtung selber weiterzubetreiben.

BAYER schrumpft in Dormagen
In den BAYER-Chemieparks gibt es immer mehr Lichtungen (SWB 4/07). Der Konzern trennte sich von Geschäftsbereichen wie der „Chemie“, und neuere Fertigungsstätten, sofern überhaupt an den alten Standorten errichtet, brauchten weniger Raum. Auch die Anwerbung von Fremdfirmen konnte die Lücken nicht schließen. In Dormagen hat der Konzern sich deshalb dazu entschlossen, eine 33.000 Quadratmeter große Fläche an die Stadt zu verkaufen.

Leverkusen-Project 2020
Die Umstrukturierungen bei BAYER stellen die Stadt Leverkusen vor große Probleme. Das Arbeitsplatz-Angebot sank binnen 10 Jahren um 15 Prozent: die Gewerbesteuer-Einnahmen reduzierten sich sogar um 40 Prozent. Jetzt soll das „Leverkusen-Project 2020“ Abhilfe schaffen. Unter diesem Titel erarbeitet die städtische Wirtschaftsförderung ein Konzept für eine BAYER-losere Zukunft. Das bisher Angedachte klingt jedoch nach alten Rezepten. Da ist von der Erarbeitung eines wirtschaftlichen Leitbildes die Rede, von einer besseren Verschränkung schon vorhandener Strukturen und von der Ansiedlung innovativer Branchen.

Rheinblick: BAYER blockt
Uerdingen streitet um das Projekt „Rheinblick“. InvestorInnen wollen direkt am Rhein in der Nähe des BAYER-Chemieparks ein neues Wohn- und Gewerbegebiet errichten. In der Bevölkerung stößt das Vorhaben auf große Zustimmung, dem Chemie-Multi behagt das Ganze jedoch nicht. Er duldet keine neuen Nachbarn in der Nähe seiner Anlagen und hoffte auf ein abschlägiges TÜV-Gutachten. Nachdem die Expertise aber Sicherheitsbedenken zerstreut hatte, machte das Unternehmen einfach Nägel mit Köpfen. Es kaufte im großen Umfang Flächen am Rhein auf. „Die Flächen dienen der Ausweitung der angrenzenden Chemiepark-Flächen, so dass eine weitere infrastruktuelle Entwicklung des Standortes möglich wird“, hieß es zur Begründung. Dies könnte beispielsweise durch einen Container-Umschlagsplatz geschehen. Der CDU-Fraktionschef Wilfrid Fabel sieht dadurch die Hafen-Planungen gefährdet: „Abgesehen davon, dass dazu eine Änderung des Bebauungsplanes 677 erforderlich wäre, würde dies auf jeden Fall schädlich für die Hafenentwicklung sein, die damit durch BAYER torpediert würde“. Die Grünen vermuten noch andere Motive hinter dem Grundstückskauf. Nach Meinung der Partei soll das Gelände entweder dem Kohle-Transport vom Hafen zum geplanten Kraftwerk dienen, oder aber es ist ein Faustpfand im Streit um die umstrittene Dreckschleuder, das der Stadt bedeutet: „Machst Du mein Kraftwerk kaputt, mach‘ ich Dir den Rheinblick platt“.

IMPERIUM & WELTMARKT

BAYER kauft PARAGON
Die BAYER-Tochter NUNHEMS hat den US-amerikanischen Gemüsesaatgut-Hersteller PARAGON gekauft (siehe auch PFLANZEN & SAATEN).

BAYER kauft NYCOMED-Sparte
Der Leverkusener Multi hat für 52 Millionen Euro die Krebsforschungssparte des Pharma-Konzerns NYCOMED erworben.

ÖKONOMIE & PROFIT

Wenning hat nichts gemerkt
BAYER-Chef Werner Wenning ist Aufsichtsratsmitglied und Vorsitzender des Beraterkreises der DEUTSCHEN BANK, die im Zuge der Finanzmarktkrise wegen riskanter Transaktionen bisher rund 2,5 Milliarden Euro abschreiben musste. Deshalb fragte ihn die Zeitschrift Capital: „War Ihnen angesichts der gigantischen Deals nie unbehaglich zumute?“. Aber Wenning wollte sich keine Verletzung der Aufsichtspflicht nachsagen lassen und antwortete ausweichend. „Sofern Investoren einen nachhaltigen Ansatz verfolgen, ist nichts dagegen einzuwenden. Das ist unser unternehmerisches Verständnis. BAYER ist seit fast 150 Jahren auf Langfristigkeit und Nachhaltigkeit ausgelegt“, so Wenning.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Explosion tötet Arbeiter
Am 28. 8. 08 ereignete sich am US-amerikanischen BAYER-Standort Institute eine Explosion, die das Leben eines Arbeiters forderte. Ein Kollege erlitt schwere Verbrennungen. Der Störfall ereignete sich in einer Produktionsanlage des hochgiftigen Pestizids Methomyl. Nach Angaben von BAYER waren daran die Vorprodukte Dimethyldisulfid, Hexan und Methylisobutylketon (MIC) beteiligt. Bei MIC handelt es sich um die Chemikalie, welche die Katastrophe von Bhopal auslöste, weshalb die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) den Leverkusener Multi seit langem auffordert, kein MIC mehr auf dem Gelände zu lagern, zumal Unfälle in Institute beinahe schon zur Tagesordnung gehören. Binnen der letzten zwölf Monate kam es bereits zu drei Zwischenfällen. Die Störungsanfälligkeit der Anlagen bemängelte nach dem großen Knall vom 28. August dann auch die US-Arbeitsschutzbehörde „Occupational Safety and Health Administration“ (OSHA). „Signifikante Mängel der Sicherheitsabläufe“ stellte die OSHA bei einer ersten Untersuchung fest.

Chlor tritt aus
Am 19.4.08 ereignete sich im Leverkusener Chemiepark ein Unfall. In der Chlor-Produktionsstätte von BAYER MATERIAL SCIENCE entstand in einer Leitung aus bislang ungeklärter Ursache ein Leck, aus dem die Chemikalie austrat. Chlor gehört zu den gefährlichsten Substanzen überhaupt. „In einer Chlorwolke ist man auch mit Maske in zwei Minuten tot“, hatte der BAYER-Verfahrenstechniker Andreas Bulan einem Zeit-Journalisten drei Wochen vor dem Störfall bei einer Werksführung anvertraut und ihn gleich damit beruhigt, dass seit Jahrzehnten nichts mehr passiert sei.

Gerüstbauer stürzt ab
Am 23.1.08 ereignete sich im Uerdinger Chemiepark ein Unfall: Beim Aufbau eines Gerüstes stürzte ein Arbeiter ab und zog sich lebensgefährliche Verletzungen zu.

Rauch aus dem Fahrstuhl-Maschinenraum
Am 18. 8. 08 drang Rauch aus dem Fahrstuhl-Maschinenraum des Wuppertaler BAYER-Werks, so dass die Feuerwehr anrücken musste. Eine Gefahr für die unmittelbare Umgebung bestand nach ihren Angaben nicht.

Die Pest an Bord
Am 21. 6. 08 geriet das philippinische Schiff „Princess of the Stars“ in den Wirbelsturm „Frank“ und sank.

[Ticker] STICHWORT BAYER 02/2008 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

StudentInnen-Protest gegen BAYER & Co.
Am 21. Mai 2008 haben 50 Kölner StudentInnen unter dem Motto „Reclaim the Uni“ das Rektorat ihrer Hochschule besetzt, um gegen Studiengebühren und „den Verkauf der Universität an die Wirtschaft“ zu protestieren, wie er sich vor allem durch die Installierung des Hochschulrates manifestiert, in dem unter anderem VertreterInnen von BAYER und der DEUTSCHEN BANK über die Geschicke der Bildungseinrichtung befinden (siehe auch FORSCHUNG & LEHRE). „Damit wird die studentische Mitbestimmung weiter abgebaut und die, im Bildungsbereich unter anderem durch den Bologna-Prozess verschärfte kapitalistische Verwertungslogik weiter bedient. StudentInnen werden zu Marktobjekten degradiert, und eine Elite-Bildung wird gezielt gefördert. Das können wir uns nicht gefallen lassen und werden weiter im Sinne von ‚Reclaim the Uni‘ aktiv sein“, erklärten die ProtestlerInnen. Und sie hielten Wort: Nach der Räumung durch die Polizei riefen die Studierenden ein Aktions- und Infocamp auf dem Uni-Gelände ins Leben.

Trasylol: Arzt kritisiert FDA
Im November 2007 musste BAYER die vor allem zur Blutstillung bei Operationen verwendete Arznei TRASYLOL vorläufig vom Markt nehmen. Bei einer Studie zur Verträglichkeit des blutstillenden Präparates hatten die Todesfälle ein solches Ausmaß angenommen, dass die WissenschaftlerInnen die Tests abbrachen und sofort die Arznei-Aufsicht informierten. Nach einer weiteren Untersuchung folgte dann im Mai 2008 das endgültige Aus. Auch zuvor schon hatten eine Reihe von Expertisen auf das Risiko-Potential des BAYER-Mittels hingewiesen, unter anderem die des Mediziners Dennis Mangano. Dieser hat der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA deshalb vorgeworfen, zu spät gehandelt zu haben. Wäre das Verbot gleich nach der Veröffentlichung seiner Forschungen im Januar 2006 erfolgt, so hätten ihm zufolge viele Menschen nicht zu sterben brauchen. „Nach meinen Berechnungen hätten 22.000 Leben gerettet werden können“, empörte sich Mangano.

ManagerInnen-Haftung gefordert
Der Präsident des nordrhein-westfälischen Handwerkstags, Wolfgang Schulhoff, tritt für die Einführung einer ManagerInnen-Haftung ein, um die Konzern-LenkerInnen zu einem verantwortlicheren Handeln zu animieren. Seiner Ansicht nach begünstigt der rechtsfreie Raum „Vorstandsetage“ die Orientierung auf eine „kurzfristige Gewinn-Maximierung und vernebelt hierdurch den notwendigen Blick für eine nachhaltige Gewinn-Optimierung“. Auch auf die BAYER-Vorstände dürfte die Vorstellung disziplinierend wirken, künftig für illegale Preisabsprachen, Pharma-GAUs oder Chemie-Unfälle persönlich einstehen zu müssen.

Geringere ManagerInnen-Gehälter?
Die SPD will die ManagerInnen-Gehälter begrenzen. Konnten BAYER & Co. die üppigen Bezüge ihrer Top-Angestellten bislang sogar noch von der Steuer absetzen, so soll dies nach den Vorstellungen einer sozialdemokratischen Arbeitsgruppe künftig nur noch bis zu einer Höhe von einer Million Euro möglich sein. Davon erhoffen sich die SPDlerInnen eine disziplinierende Wirkung. Zudem plädiert die Partei dafür, die Entlohnung der ManagerInnen an ihre Leistungen und die Nachhaltigkeit der Unternehmensentwicklung zu koppeln. Die Entscheidung über die Vorstandsentlohnung möchten die SozialdemokratInnen zudem in Zukunft nicht mehr kleinen Ausschüssen überlassen, sondern dem Aufsichtsrat überantworten.

ÄrztInnen-Vertreter kritisiert BAYER & Co.
Das „Kölner Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWiG) führt Kosten/Nutzen-Analysen von Arzneimitteln durch, was eine Streichung von Medikamenten aus dem Erstattungskatalog der Krankenkassen zur Folge haben kann. Deshalb erfreut es sich bei BAYER & Co. keiner allzu großen Beliebtheit. Mit allen erdenklichen Methoden versuchen die Pharma-Unternehmen, dem Institut die Arbeit zu erschweren. So haben die Konzerne Druck auf GutachterInnen ausgeübt, keine Expertisen mehr für das IQWiG anzufertigen und im Falle von Zuwiderhandlungen mit dem Streichen von Forschungsgeldern gedroht. „Als Forscher muss ich mir genau überlegen, ob ich 70.000 Euro für eine IQWiG-Studie annehme und dafür auf höhere Mittel der Industrie verzichte“, schilderte Andreas Köhler, der Vorsitzende der „Kassenärztlichen Bundesvereinigung“, die Zwangslage der MedizinerInnen. Es gebe WissenschaftlerInnen, die sich schon gar nicht mehr trauen, etwas zu veröffentlichen, was das Misstrauen der Pillen-Produzenten erregen könnte, wusste Köhler zu berichten.

Industrie-Abhängigkeit kritisiert
Der Mediziner Erland Erdmann von der Universität Köln hat im November 2007 die Abhängigkeit der Pharmaforschung von der Industrie kritisiert. Dem Arzt zufolge steuert die Pillen-Industrie die Entwicklung neuer Medikamente in erheblichem Maß. Da sich der Staat aus der Finanzierung von Pharma-Studien weitgehend zurückgezogen hat, stehen als Geldgeber nur noch BAYER & Co. zur Verfügung. Aber nicht für umsonst, denn die WissenschaftlerInnen müssen ihrem Sponsoren den Abschlussbericht vorlegen und gegebenenfalls auch Änderungen akzeptieren, so Erdmann. Über die umfangreiche Pharmaforschungskooperation, die BAYER im Frühjahr 2008 mit seiner Universität eingegangen ist (siehe FORSCHUNG & LEHRE), dürfte er deshalb alles andere als erfreut sein.

CBG schreibt BAYER-Claqueur
Vor 50 Jahren nahm der Leverkusener Multi sein Werk im brasilianischen Belford Roxo in Betrieb. Zu diesem Anlass bestellte BAYER bei dem bekannten Journalisten Carl Goerdeler ein Geburtstagsständchen. Natürlich war dann später im Propaganda-Medium BAYER Report nichts Schlechtes über den Jubilar zu lesen. Das lieferte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN Goerdeler in einem Brief nach: Niederschlagung von Streiks mit Hilfe der Militärpolizei, Entlassungen von GewerkschafterInnen, Störfälle, Schadstoff-Emissionen, Produktion gefährlicher Pestizide. „Ist zu erwarten, dass Sie über all dies im BAYER Report hätten berichten können? Nein. Darum wäre es von einem ernst zu nehmenden Journalisten, der in der Zeit und der FR veröffentlicht, zu erwarten gewesen, dass er einen solchen Auftrag nicht annimmt“, schloss das Schreiben.

Brief an Kress
Der CDU-Landtagsabgeordnete Karl Kress war lange Zeit Labor-Leiter bei der BAYER FASER GmbH und in Altersteilzeit, als er im Jahr 2000 in den Landtag einzog. Auch dort bleibt der Politiker aber seinem Arbeitgeber stets in Treue verbunden. So hat die zwischen Dormagen und Krefeld geplante Kohlendioxid-Pipeline in ihm einen der eifrigsten Fürsprecher. Der Pipeline-Gegner Harald Jochums kritisierte diese Unternehmenspolitik jetzt in einem Brief an Kress. Die Antwort von dessen Abgeordnetenbüro spricht für sich: „Eine ‚doppelte‘, sprich gleichzeitige Tätigkeit als Abgeordneter und Beschäftigter in einem Unternehmen ist auch in seinen Augen nicht erstrebenswert. Andererseits wird er immer wieder angegriffen, weil er früher bei BAYER gearbeitet hat. Sollen die Parlamente denn nur noch aus Rechtsanwälten und Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes bestehen? Karl Kress ist direkt gewählter Abgeordneter aus Dormagen, und Dormagen lebt von und mit BAYER, so sehen es die meisten Dormagener Bürger, und deren Interessen hat er ja wohl zu vertreten“.

Brasilien: Aktion gegen Agromultis
In Brasilien haben Kleinbauern und -bäuerinnen Mitte März Aktionen gegen BAYER & Co. durchgeführt. Sie statteten den Zentralen der Agromultis STORA ENSO und MONSANTO einen Besuch ab und kritisierten in einer Presseerklärung die Willfährigkeit des Präsidenten Luiz Ináccio Lula da Silva gegenüber den Global Playern. „Die Regierung von Lula hat dem Druck der Agromultis nachgegeben und den Anbau und Vertrieb der Genpflanzen GUARDIAN (von MONSANTO) und LIBERTY LINK (von der deutschen Firma BAYER) genehmigt“, heißt es in der Veröffentlichung.

1984 ist überall
Nach Ansicht des PR-Beraters Klaus Kocks ist der TELEKOM-Skandal um die Bespitzelung von JournalistInnen und Aufsichtsräte kein Einzelfall. „Der Fisch stinkt vom Kopf. In manchen Chefetagen gibt es die Überzeugung, dass schon das allgemeine Wahlrecht ein Fehler ist. Die da draußen sollen sich gefälligst raushalten, und die Agenten der da draußen sind die Journalisten. In Russland kann ich sie einfach in Treppenhäusern erschießen. Das kann ich hier nicht. Aber ich versuche, sie zu kontrollieren“, so Kocks. Ein Unrechtsbewusstsein entwickeln die ManagerInnen dabei nach Ansicht des Kommunikationsexperten nicht. Sie wähnten sich im Kriegszustand mit der Presse und hielten die Bekämpfung mit Hilfe der „Feindaufklärung“ somit für ein probates Mittel.

KAPITAL & ARBEIT

Ausgliederung der Qualitätskontrolle
Der Leverkusener Multi überlässt die Qualitätskontrolle seiner Pillen zunehmend externen Dienstleistern wie dem Unternehmen L+S und vernichtet so Arbeitsplätze innerhalb des Konzerns.

LANXESS streicht 270 Jobs
Der Arbeitsplatzvernichtungsmotor bei BAYERs Chemie-Abspaltung LANXESS läuft ohne Unterlass. Nachdem das Unternehmen im letzten Jahr bei seiner Tochter RHEINCHEMIE 70 Arbeitsplätze vernichtet hatte, kündigte es nun an, am kanadischen Standort Sarnia 270 Stellen zu streichen. Der Multi legt dort eine Anlage zur Herstellung von NBR-Kautschuk still und verlagert die Produktion ins französische La Wantzenau.

Schmoldt gegen Mindestlohn
Der BAYER-Aufsichtsrat und Vorsitzende der IG BERGBAU, CHEMIE & ENERGIE, Hubertus Schmoldt, hat sich gegen einen gesetzlichen Mindestlohn ausgesprochen. „Wer einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn fordert, beschädigt langfristig die Tarifautonomie“, meinte Schmoldt und beschädigte so die Bemühungen seines SPD-Genossen Olaf Scholz um verbindliche Lohn-Untergrenzen.

Schmoldt will Leiharbeit eindämmen
Der BAYER-Aufsichtsrat und Vorsitzende der IG BERGBAU, CHEMIE & ENERGIE, Hubertus Schmoldt, hat eine Gesetzes-Initiative zur Eindämmung der Leiharbeit gefordert. „Was wir derzeit erleben, ist, dass die Möglichkeit von Leiharbeit benutzt wird, um feste Beschäftigungsverhältnisse zu umgehen. Und das ist nicht der Sinn der Leiharbeit“, so Schmoldt in einem Interview mit der Faz.

ERSTE & DRITTE WELT

Bald AVELOX gegen Tuberkulose?
Die Pharmamultis haben die ärmeren Staaten nicht in ihrer Kundendatei. Deshalb müssen öffentliche oder private Institutionen einspringen, um Medikamenten-Entwicklungen für Krankheiten zu fördern, die besonders häufig in Entwicklungsländern auftreten. Eine solche Organisation ist die „Global Alliance for TB-Drug-Development“ (siehe auch Ticker 2/06). Bill Gates, die Rockefeller Foundation, die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA und diverse andere Vereinigungen finanzieren im Rahmen des Verbundes die Suche nach neuen Tuberkulose-Behandlungsmethoden. So fließt auch Geld für die Erprobung einer Kombinationstherapie von Tbc-Arzneien mit BAYERs Antibiotikum AVELOX. Jetzt geht diese „Neu“-Entwicklung, welche die Behandlungsdauer gerade mal um zwei Monate verkürzen soll, in die dritte und letzte Phase der Klinischen Tests.

„Verbessertes“ Obst in Brasilien
In Brasilien gibt es Melonen, Ananas und Trauben made by BAYER. Der Konzern stattete die Früchte nach eigenen Angaben mit einem intensiveren und süßeren Geschmack aus. Der Haken bei der Sache für den Agro-Multi: „Vielen Kleinbauern fehlt es aber an Know-how und finanziellen Mitteln, um in den Anbau neuer Sorten und Anbaumethoden investieren zu können“. Also spannte der Konzern die Nichtregierungsorganisation „HortiBrasil“ ein und startete die Initiative „Flavour Guarantee“. Diese Organisation fixte bisher ca. 500 Kleinbauern und -bäuerinnen an, mittels BAYER-Unterstützung die geschmacksverstärkten Früchte anzubauen und hofft die LandwirtInnen auf diese Weise in die Abhängigkeit vom Großdealer aus Leverkusen zu treiben.

Globalisierung in Bangladesh
Der Bangladesher Botaniker Pavel Partha hat in der Zeitung The Daily Star beschrieben, mit welcher Gewalt sein Land fit für den globalen Agrarmarkt gemacht wird. Besonders die indigene Gruppe der Mandis, die in den Salzwäldern des Staates von der Landwirtschaft lebt, bekommt diese Brutalität zu spüren. Die Verwaltung des Waldes schreckt nicht einmal vor Morden zurück, um sie zu vertreiben und Agroindustrien zu errichten. „Die langwährende Verbindung zum Land und seinen natürlichen Ressourcen, ja, die Existenz der Mandis selbst, wird nun von den Großplantagen bedroht. Zuerst importierte man Ananasfrüchte. Dann ersetzte man sie durch tödliche Bananengärten. Und Profitjäger wie SYNGENTA, BAYER CROPSCIENCE und ACI (...) machten Madhupur dann endgültig zum Standort von Bananen-Monokulturen“, schreibt der Wissenschaftler.

IG FARBEN & HEUTE

80 Jahre Perlon
Vor 80 Jahren brachten die von BAYER mitgegründeten IG-FARBEN die Kunstfaser Perlon heraus. Kurz zuvor hatte das US-amerikanische Unternehmen DUPONT Nylon lanciert. Die politischen Differenzen zwischen den Vereinigten Staaten und Nazi-Deutschland hinderten die beiden Chemie-Multis nicht daran, sich über Absatzmärkte zu verständigen und ein Kunstfaser-Kartell zu bilden. Bald machte die synthetische Faser dann auch eine Militärkarriere. Die Nazis stuften Perlon als „kriegswichtig“ ein und verwandten es unter anderem für Flugzeugreifen, Seile und Fallschirme. Zum Dank für seine Erfindung verlieh der NS-Staat dem IG-FARBEN-Forscher Paul Schlack sogar das Kriegsverdienstkreuz.

POLITIK & EINFLUSS

Merkel lobt BAYER
Auf ihrer im Mai 2008 unternommenen Südamerikareise machte Angela Merkel auch Station in Mexiko und hielt dort eine Rede vor dem „Deutsch-Mexikanischen Wirtschaftsforum“. Darin lobte sie den Leverkusener Multi ausdrücklich. „Wir sind als deutsche Unternehmen und genauso als deutsche Politiker natürlich immer dafür eingetreten, dass bestimmte Umweltstandards und bestimmte soziale Standards eingehalten werden. Ich glaube, die Mindeststandards der Internationalen Arbeitsorganisation sind ein wichtiger Maßstab. Ich kann hier BAYER beispielhaft für viele deutsche Unternehmen nennen, die zum Beispiel neben der Einhaltung sozialer Standards vor allen Dingen auch Bildungsangebote machen“, sprach die Kanzlerin. Über die Kinderarbeit bei Zulieferer-Betrieben von BAYER, über die Entlassung missliebiger GewerkschafterInnen und über die von den Pestiziden des Multis ausgehenden Gefahren für Mensch, Tier und Umwelt breitete sie den Mantel des Schweigens aus.

Keine harten Zeiten für LobbyistInnen
Ca. 300 Angestellte von Unternehmen und Verbänden arbeiten als „LeiharbeiterInnen“ für Ministerien, auch BAYER-Beschäftigte waren schon mal mit von der Partie (Ticker 3/07). Trotz einer Welle von Protesten will die Bundesregierung an der Regelung festhalten. Das Fachwissen der „Externen“ sei einfach unverzichtbar, heißt es aus Berlin. Nur in Gesetzestexte darf dieses „Fachwissen“ künftig nicht mehr direkt fließen. Zudem beschloss der Haushaltsausschuss, jedes halbe Jahr einen Bericht über das Wirken der Konzern-EmissärInnen zu erstellen, damit wenigstens ein wenig Transparenz herrscht. Der Organisation LOBBYCONTROL reichen diese Beschränkungen nicht. „Unser Ziel ist klar, und wir werden unser Möglichstes tun, es zu erreichen: Lobbyisten raus aus den Ministerien!“, erklärte die Initiative.

Härtere Zeiten für PolitikerInnen
BAYER & Co. wollen ihre Lobby-Aktivitäten im Pharma-Bereich ausweiten. Das ergab eine Umfrage der Unternehmensberatung RUSSELL REYNOLDS ASSOCIATES, an der ManagerInnen von BAYER, NOVARTIS, ROCHE und anderer Arznei-Riesen teilnahmen. Die Konzern-LenkerInnen begründen ihre gesteigerten Antichambrier-Anstrengungen mit dem immer größeren Einfluss von politischen Entscheidungen auf den Shareholder Value. Hatte die Politik vor fünf Jahren bloß einen Anteil von 17 Prozent am Pillen-Profit, so taxiert ihn Big Pharma heutzutage auf 40 Prozent. Von PatientInnen-Entscheidungen hängt das Arznei-Geschäft dagegen nur zu 18 Prozent ab und von MedizinerInnen-Entscheidungen bloß zu 12 Prozent. „Eine Mehrheit der Unternehmen, so heißt es in der Studie, sieht es daher als notwendig an, in der Lobby-Tätigkeit in den Hauptstädten noch aktiver zu werden und mehr Spezialisten zu engagieren, die den Politikern Pharmaka als ‚wertvoll‘ für das Gesundheitssystem und nicht als Kostenfaktor andienen können“, konstatiert die Faz.

EU: Härtere Zeiten für LobbyistInnen?

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Wie das TV-Magazin Monitor im Jahr 2006 enthüllte, arbeiten ca. 100 EmissärInnen von Unternehmen und Verbänden in Ministerien mit, darunter befanden sich zwei von BAYER (Ticker 3/07). Auch in Brüssel bei der EU sind solche „LeihbeamtInnen“ tätig. Ihnen will jetzt aber der EU-Vizepräsident Siim Kallas das Leben schwerer machen. Zum Ende des Jahres kündigte er einen entsprechenden Richtlinien-Vorschlag an.

EU: Härtere Zeiten für LobbyistInnen?

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Die Europäische Union hat die Einführung eines Lobbyregisters beschlossen. Dort sollen sich alle InteressensvertreterInnen von BAYER & Co. eintragen, wenn sie weiter Hand an die in Brüssel zur Debatte stehenden Richtlinien legen wollen. Obligatorisch ist das allerdings nicht. Die EmissärInnen der Unternehmen können freundlicherweise auf freiwilliger Basis ohne Namensangabe für mehr Transparenz sorgen und sich auch über ihre genauen Honorare bedeckt halten. Darum gingen Organisationen wie LOBBYCONTROL und CORPORATE EUROPE OBSERVATORY (CEO) mit der neuen Regelung hart ins Gericht. „Ohne Namen und genaue finanzielle Auskünfte stellt das Register nur eine symbolische Geste dar statt eines ernst zu nehmenden Schrittes nach vorne“, erklärte Olivier Hoedeman von CEO in einer gemeinsamen Presseerklärung lobbykritischer Initiativen.

Wahlkampfhilfe: 141.500 Dollar
BAYER hat sich den US-amerikanischen Vorwahlkampf bisher 141.500 Dollar kosten lassen (Stand: 30. April); die Endrunde dürfte dann wirklich ins Geld gehen. Dabei hat sich der Konzern politisch abgesichert und die Spenden fast paritätisch auf republikanische und demokratische KandidatInnen verteilt. 43 Prozent des Dollarsegens fiel auf die DemokratInnen und 57 Prozent auf die RepublikanerInnen. Das war vor kurzem noch anders, denn an Bush hatte BAYER einen Narren gefressen. 79 Prozent des Leverkusener Wahlkampfbudgets ging an George W. - so eine Quote erreichte kein anderes bundesdeutsches Unternehmen mit Sitz in den USA.

Millionen-schwere Lobby-Aktivitäten
BAYER hat im 1. Quartal 2008 nach Angaben des „Center for Responsive Politics“ fast 1,5 Millionen Dollar in die Pflege der US-amerikanischen politischen Landschaft investiert.

BAYERs Gen-Lobbying
Die beiden Autoren Christoph Then und Antje Lorch haben für die grüne Landwirtschaftsexpertin Ulrike Höfgen eine Studie über den Einfluss der Genmultis auf Behörden-Entscheidungen geschrieben. Detailreich führt die Untersuchung „Kontrolle oder Kollaboration? Die Agro-Gentechnik und die Rolle der Behörden“ auf, mit welchen Methoden BAYER & Co. es schaffen, ihre Politik durchzusetzen. So berieten BAYER, MONSANTO und andere Agromultis 1997 in Amsterdam gemeinsam über die Strategie, die genmanipulierte Sojabohne in Europa zu lancieren. Während MONSANTO dabei auf die Dienste des berüchtigten PR-Unternehmens BURSTON-MARSTELLER zurückgriff, engagiert BAYER in solch kniffligen Fällen gerne die Agentur GENIUS oder TRANSGEN WISSENSCHAFTSKOMMUNIKATION. Bei den Behörden stoßen die Konzerne in der Regel auf wenig Widerstand. So übernahmen diese unbesehen das von den Multis entwickelte Konzept zur wissenschaftlichen Überwachung ihrer Freilandversuche mit den Laborfrüchten. Ein dazugehöriger Fragebogen für LandwirtInnen wurde von zwei Forschern entwickelt, die wissen, was sie den Konzernen schuldig sind: „Die Autoren danken den Firmen BAYER CROPSCIENCE, KWS, MONSANTO, PIONEER und SYNGENTA für die Zusammenarbeit und Unterstützung“. Auch auf europäischer Ebene gelang es den Global Playern, ihre Vorstellung von einem Monitoring zu verwirklichen. Dazu organisierte Detlef Bartsch - ein Wissenschaftler, der schon in MONSANTO-Werbefilmen auftrat und zur Tatzeit für das „Bundesamt für Verbraucherschutz“ sowie für die „Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit“ (EFSA) arbeitete - zwei Workshops mit den Agroriesen - und fertig war das EFSA-Konzept zur Genpflanzen-Kontrolle!

BAYER & Co. schreiben Steinbrück
Das bundesdeutsche Unternehmenssteuerrecht begünstigt die Verlegung von Standorten ins Ausland. So können BAYER & Co. die Kosten für so genannte Funktionsverlagerungen hierzulande von der Steuer absetzen und eine fiskalische Arbeitsteilung betreiben: Die Kosten für Forschung und Entwicklung in der Bundesrepublik steuerlich gelten machen und den mit den fertigen Produkten erzielten Gewinn dann im Ausland veranschlagen, wo die Tarife günstiger sind. Diese Möglichkeit will die Große Koalition jetzt einschränken. Sie plant ein neues Gesetz, das es erlaubt, auch auf im Ausland erzielte Gewinne zuzugreifen und die Funktionsverlagerung zu besteuern. „Damit fließen auch ausländische Standortvorteile, etwa geringere Lohnkosten jenseits der Grenzen, in die Bewertung des Gewinnpotenzials ein, die dann letztendlich zu einer Besteuerung dieser ausländischen Standortvorteile hierzulande führen“, warnt deshalb der Steuerexperte Axel Eigelshoven. BAYER, DAIMLER, BOSCH und andere Unternehmen schritten umgehend zur Tat und schrieben Peer Steinbrück einen Brief. „Die Umsetzung der gesetzlichen Regelung in Gestalt der Rechtsverordnung wird der Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland Schaden zufügen“, heißt es in dem Text. Und die Absender dürfen sich durchaus Hoffnungen machen, erhört zu werden, berücksichtigt doch bereits der aktuelle Verordnungsentwurf „in einigen Details die Anregungen der Wirtschaft“, wie das Schreiben festhält.

Emissionshandel mit Ausnahmen
Vor einigen Jahren hat die EU den Emissionshandel mit Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten eingeführt. Er sieht vor, BAYER & Co. CO2-Emissionen nur in einer bestimmten Menge zu gestatten. Alles, was über ein bestimmtes Limit hinausgeht, sollte den Konzernen teuer zu stehen kommen, weil sie dafür Verschmutzungsrechte kaufen müssten. Damit wollte Brüssel Anreize zu Klimaschutz-Maßnahmen schaffen. Diese blieben dank der guten Lobby-Arbeit der Konzerne allerdings weitgehend aus: Die Lizenzen zum CO2-Ausstoß waren so großzügig bemessen, dass die Schornsteine der Industrie weiterhin nach Lust und Laune qualmen konnten. Ab 2013 wird es diese Schnäppchen nicht mehr geben. Dann stehen nämlich wirkliche Auktionen mit Verschmutzungszertifikaten an. Aber dem Leverkusener Multi dürfte seine schlechte Klima-Bilanz trotzdem nicht die Geschäftsbilanz verhageln, denn Angela Merkel und Umweltminister Sigmar Gabriel setzten Mitte März gegen den Widerstand von EU-Kommissionsprädident Manuel Barroso eine Ausnahmegenehmigung für Industrie-Unternehmen, die außer-europäische Konkurrenz haben, durch.

BDI wettert gegen Klimapolitik
BAYER & Co. gehen die Klimaziele der Bundesregierung zu weit, weshalb die Konzerne wieder mal die Drohkulisse „Arbeitsplatzvernichtung“ aufbauen. „Wenn die Bundesregierung ihren Plan umsetzt, die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent zu senken, sehe ich eine Million Jobs ins Gefahr“, drohte der Präsident des „Bundesverbandes der deutschen Industrie“ (BDI), Jürgen Thumann in einem Interview. Dem BDI-Geschäftsführer Werner Schnappauf bereitet dagegen der Widerstand gegen die auch auf BAYER-Arealen geplanten Kohlekraftwerke Sorge. „Nach der Anti-Kernkraft-Bewegung erleben wir eine Anti-Kohle-Bewegung“, stöhnte er und forderte im gleichen Atemzug eine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke.

Berschauer wird „CropLife“-Vorsitzender
Der BAYER-CROPSCIENCE-Chef Friedrich Berschauer hat den Vorsitz des Agrochemie-Weltverbandes „CropLife International“ übernommen. Berschauer kündigte an, die Position hauptsächlich dazu zu nutzen, die Wonnen der Gentechnik anzupreisen. Dabei vermied er das böse Wort allerdings lieber. „Ich möchte, dass sich ‚CropLife International‘ noch wirksamer für die Pflanzenwissenschaften und innovative Agrartechnologien einsetzt. Insbesondere werde ich national und international für politische Rahmenbedingungen arbeiten, die die Einführung vorteilhafter neuer Technologien fördern“, drohte der BAYER-Manager an.

Seehofer streitet für Subventionen
In all ihrer Absurdität hat die Agrarpolitik der EU auch wieder etwas Konsequentes. Die größten Betriebe erhalten die meiste Unterstützung - und auch für den Leverkusener Multi fällt dabei etwas ab. Da Bauer BAYER auf dem Versuchsgut Laacher Hof Experimente mit Zuckerrüben und Getreide durchführt, überwies die Europäische Union im letzten Jahr 100.000 Euro nach Leverkusen. Nach zunehmender öffentlicher Kritik an der Vergabepraxis plant die EU-Kommission jetzt allerdings Kürzungen. Das rief umgehend Landwirtschaftsminister Horst Seehofer auf den Plan, denn das bundesdeutsche Agro-Business profitiert mit seinen Riesenflächen am meisten von der Förderung. Und seine Intervention hatte Erfolg. 45-prozentige Einschnitte für Spitzenverdiener von Brüssels Gnaden konnte er verhindern.

Norwegen als BAYER-Investor
BAYER-Chef Werner Wenning bemüht sich um den norwegischen Staatsfonds als BAYER-Investor und hat sich deshalb Anfang Februar 2008 mit der Finanzministerin des Landes, Kristin Halvorsen, zu einem Gespräch getroffen.

Militarisierung der Wirtschaftspolitik
„Wirtschaft und Politik an der Seite der Bundeswehr“ - unter diesem Motto diskutierten Anfang Juni ca. 100 ManagerInnen von BAYER & Co., PolitikerInnen wie Verteidigungsminister Franz-Josef Jung und Bundeswehrangehörige im Rahmen des von der COMMERZBANK veranstalteten „Celler Trialog ‘08“ über verstärkte Allianzen. Wie nötig diese Waffenbrüderschaft angeblich ist, erläuterte der nunmehrige Aufsichtsratsvorsitzende der COMMERZBANK, Klaus-Dieter Müller, im Januar vor der Führungsakademie der Bundeswehr. „Wer am Hindukusch Ausbildungslager für Terroristen aushebt“, senkt Müller zufolge nämlich „die allgemeine Prämie für Unsicherheit in der Wirtschaft und an den Finanzmärkten“. Auch die Prämie für Rohstoffe kann die Bundeswehr für die Industrie nach Meinung von Müller verringern, denn es „stammen über die Hälfte der weltweit produzierten metallischen Rohstoffe aus politisch instabilen Ländern“.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER-U-Boot bei ARD-Buffet
Seit einiger Zeit hat BAYER das Geschäftsfeld „Männergesundheit“ entdeckt. Passend zu seinen Hormon-Präparaten hat der Konzern „männliche Wechseljahresstörungen“ ausgemacht, mit Hitzewallungen und allem drum und dran, bedingt durch Testosteronmangel. Da diese Krankheit noch weitgehend unbekannt ist, rührt der Pharma-Riese kräftig die Werbetrommel. Dafür kann der Konzern sich auf seinen Dr. Sommer stützen. Immer schon flugs zur Stelle, wenn es galt, BAYERs Potenzmittel LEVITRA anzupreisen, hat es Dr. Frank Sommer mittlerweile zu einem Lehrstuhl in Sachen „Männergesundheit“ an der Hamburger Universitätsklinik gebracht. Nicht nur in der Bunten warb der Professor in der Folge eifrig um Patienten. Mitte März hatte er einen Auftritt in der Sendung ARD-Buffet und durfte da mächtig krankbeten, ohne seine Beziehungen zu BAYER offenzulegen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN schrieb deshalb einen Protest-Brief an die Redaktion.

Noch mehr „Männergesundheit“
BAYERs Krankbeterei in Sachen „Männergesundheit“ geht in eine neue Runde. Auf dem Kongress der „European Association of Urology“ stellte der Leverkusener Multi seine Kampagne „Restore the Man“ vor. „Die Männergesundheit muss ganzheitlich betrachtet werden, nicht nur jede einzelne Krankheit für sich“, erklärte dazu der willige Mediziner Ian Banks. Das Ganzheitliche besteht für den Konzern darin, einen lukrativen Bogen von seinem Potenzmittel LEVITRA zu seinen Hormonpräparaten zu schlagen. Da sowohl „erektile Dysfunktionen“ wie auch Hormonmängel angeblich mit Begleiterkrankungen verbunden sind, hält BAYER eine Rundumversorgung mit seinen Produkten für angezeigt: „Ärzte sollten daher sowohl die erektile Dysfunktion behandeln als auch gleichzeitig den Testosteronwert bestimmen, um sicherzustellen, dass dieser im Normalbereich liegt, welches gegebenenfalls mit einer Testosteron-Therapie erreicht werden kann. Urologen stehen zur Behandlung der erektilen Dysfunktion LEVITRA sowie zur Behandlung eines Testosterondefizits (Hypogonadismus) NEBIDO und TESTOGEL zur Verfügung“. MedizinexpertInnen hingegen betrachten weder „eretile Dysfunktionen“ noch Testosteronmangel als Krankheiten, weshalb diese auch nicht mit physiologischen Begleiterscheinungen verbunden sein können.

Nano-Werbung
Nano leitet sich vom griechischen Wort für Zwerg ab. Die Nanotechnik beschäftigt sich folglich mit der Veränderung von Werkstoffen auf der Mikro-Ebene. BAYER erwartet von der „Zukunftstechnologie“ Millionen-Umsätze und entwickelte bisher spezielle Duftkapseln, Folien, Eishockeyschläger und die BAYTUBE-Kohlenstoffröhrchen. Darum kommt die PR-Kampagne für dieses aussichtsreiche Marktsegment auch nicht gerade in Nano-Dimensionen daher. Mit einer 1-seitigen Zeitungsanzeige bewerben BAYER & Co. unter dem Namen „Chemie macht Zukunft“ die Petitessen. Von einem schweigt die Announce allerdings lieber: Nano macht krank. Dabei wissen die Chemie-Multis das selber ganz genau. „Bei vielen unlöslichen Nanomaterialien ist derzeit nicht auszuschließen, dass die inhalative Aufnahme dieser besonders kleinen Partikel am Arbeitsplatz zu Gefährdungen führen kann“, heißt es in dem vom „Verband der Chemischen Industrie“ gemeinsam mit der „Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin“ herausgegebenen „Leitfaden für Tätigkeiten mit Nanomaterialien am Arbeitsplatz“.

Nano-Euphorie verflogen
Wie das halt immer so geht mit den „Zukunftstechnologien“: Sie starten mit großen Versprechungen, um staatliche Förderung zu akquirieren, und können dann die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllen. Nach der Gentechnologie ereilt jetzt auch die Nano-Technologie dieses Schicksal, wie eine Tagung des „Nanotechnologie-Forum Hessen“ im Herbst 2007 deutlich machte. Die Investitionen überstiegen noch klar die Einnahmen, konstatierten die TeilnehmerInnen. Für einige ForscherInnen ist die neue Wissenschaft dem Laborstadium noch immer nicht entwachsen. Auch für Nano-Kohlenstoffröhrchen, wie sie BAYER unter dem Namen BAYTUBE anbietet, sieht es nicht allzu rosig aus (siehe auch NANO & Co.). Thomas Heimer von der „Frankfurt School of Finance and Management“ zufolge verhindert hier der hohe Preis eine erfolgreichere Vermarktung.

Konvent bringt Buch heraus
BAYERs Aufsichtsratschef Manfred Schneider betätigt sich zusätzlich zu seinem Leverkusener Job nicht bloß noch als Aufseher bei ALLIANZ, LINDE, DAIMLER, RWE und TUI, er gehört auch dem „Konvent für Deutschland“ an. Dort befindet er sich in der zweifelhaften Gesellschaft von Otto Graf Lambsdorff, Jutta Limbach, Roman Herzog, Wolfgang Clement und Klaus von Dohnanyi. Jetzt haben die vielbeschäftigten SeniorInnen wundersamerweise sogar Zeit gefunden, ein Buch zu veröffentlichen. „Mut zum Handeln - wie Deutschland wieder reformfähig wird“ heißt das Machwerk, in dem es mal wieder heftig ruckt und Manfred Schneider sich über das Thema „Politik und Wirtschaft spielen Schicksal für den Bürger“ auslässt.

Wikipedia-Mitarbeiter BAYER
Eifrig hübscht der Leverkusener Multi seine Wikipedia-Einträge auf. Aus einer schnöden Servicegesellschaft wird so ein „internationales Kompetenzzentrum“, und das Kunststoff-Produkt Makrolon bekommt den Zusatz „das Hightech-Polycarbonat von BAYER MATERIAL SCIENCE“ verpasst. Da gibt es aber einen umsichtigen Wikipedisten, der die BAYER-Korrekturen immer wieder rückgängig macht. Das kann der Unternehmenslyriker gar nicht verstehen: „Ich würde gerne wissen, warum Du den von mir geänderten Beitrag zur BAYER BUSINESS SERVICES GmbH immer wieder in die alte Version änderst. Der von mir eingegebene Text ist die offizielle Boilerplate (Unternehmensportrait) der BAYER BUSINESS SERVICES und in meinen Augen deutlich aussagekräftiger. Was gibt es also daran auszusetzen?“. Eben das, müsste die Antwort lauten.

BAYERs Klimakampagne
Zum Klimawandel steuert BAYER jährlich ein Scherflein von 8,3 Millionen Tonnen Kohlendioxid bei (4,4 Mio. aus eigener Produktion zuzüglich 3,9 Mio. aus derjenigen seiner Energie-Lieferanten) Trotzdem inszeniert sich der Leverkusener Multi in einer großen neuen Medienkampagne als Klimaretter. Aber weder die Entwicklung von dem Klimawandel besser trotzenden Pflanzenarten oder der den Produktionsstätten auferlegte „Climate check“ noch die angestrebte Verringerung der Dienstflüge oder CO2-Reduzierungen bei der Dienstwagenflotte können die schlechte Klimabilanz des Unternehmens nachhaltig verbessern.

DRUGS & PILLS

BAYER zieht TRASYLOL zurück
Endlich hatte BAYER ein Einsehen: Nachdem auch eine kanadische Studie TRASYLOL Lebensgefährlichkeit bescheinigt hatte - im Vergleich zu anderen Medikamenten stiegt die Todesrate nach Gabe des Medikamentes um 50 Prozent - zog der Konzern die vor allem zur Blutstillung nach Herz-Operationen eingesetzte Arznei vom Markt zurück. Aber noch immer sieht der Pharma-Riese keinen Grund zur Reue. „Viele Herzchirurgen beklagen, dass TRASYLOL nicht mehr zur Verfügung steht. Sie rufen uns an und sagen: ‚Wir können nicht mehr operieren ohne TRASYLOL‘“, so der von Verlustschmerz geplagte BAYER-SCHERING-Pharmaforschungsvorstand Andreas Busch in einem Tagesspiegel-Interview. Auf die Frage, ob der TRASYLOL-Stopp nicht eher hätte erfolgen müssen, antwortete er: „Das sehen wir nicht so. Wir haben immer sehr sorgfältig die Wirksamkeit und die Nebenwirkungen in unseren eigenen Datenbanken verfolgt und analysiert, waren in ständigem Austausch mit den Behörden und haben die wissenschaftliche Literatur berücksichtigt“ (Siehe auch AKTION & KRITIK und RECHT & UNBILLIG).

Gedächtnisverlust durch LEVITRA
Der Beipackzettel von BAYERs Potenzpille LEVITRA wird immer länger. Jetzt muss der Leverkusener Multi darauf auch noch vor temporärem Gedächtnisverlust warnen. Zu den bisher bekannten Risiken und Nebenwirkungen zählen: temporärer oder dauerhafter Hörverlust, Tinnitus, Sehstörungen oder Sehverlust, Schwindel, Höhenangst, Kopfschmerzen, Nasenschleimhaut-Entzündungen, Grippe-Symptome sowie Gesichtsrötungen.

LEVITRA nicht mehr auf Rezept
Die GesundheitspolitikerInnen haben Potenzmittel wie BAYERs LEVITRA als Lifestyle-Präparate eingestuft, die bei keiner Indikation medizinisch absolut notwendig sind, und die Pillen komplett aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen gestrichen. Das dürfte den Absatz empfindlich schmälern.

Neuer Anlauf für Hormon-Therapien
Nach alarmierenden Studien über die Nebenwirkungen von Hormontherapien für Frauen in den Wechseljahren - ein erhöhtes Risiko für Krebs, Herzinfarkt, Schlaganfall und Thrombose konstatierten die ForscherInnen - sanken die Umsätze für das „Menopausen-Management“ aus dem Hause BAYER massiv. Aber der Leverkusener Multi lässt nicht locker und zieht im Hintergrund die Fäden für ein Comeback der umstrittenen Therapie. So hat die von BAYER gesponsorte „International Menopause Society“ (IMS) auf einem Kongress in Madrid eine neue Untersuchung präsentiert, welche die Ergebnisse der bislang durchgeführten Expertisen in Frage stellt. Wenn die behandelten Frauen gesund und jünger als 60 Jahre wären, schadeten ihnen die Hormonpillen nicht - so das Fazit das Wechseljahre-Gesellschaft. Die Fachwelt konnte das Engagement der IMS allerdings nicht überzeugen. Für die von BAYER & Co. beschworene heilsame Wirkung der Hormontherapie „gibt es bis heute keine angemessenen Belege, wohl aber die bekannte ungünstige Nutzen/Schaden-Bilanz“, so Norbert Schmacke, Leiter der Bremer Koordinierungsstelle für Gesundheitsversorgungsforschung in einem Interview mit Spiegel online.

Neue Krankheit „Prädiabetes“
Einst entdeckten die Pharmafirmen Heilmittel, heute entdecken sie Krankheiten. So hat das „Nationale Aktionsforum Diabetes Mellitus“ in Allianz mit Big Pharma und der auch von BAYER alimentierten „Deutschen Diabetes Gesellschaft“ einen Aktionsplan zur Behandlung der Zuckerkrankheit vorgelegt, der die Grenzen zwischen Gesunden und Kranken zum Segen der Industrie verschwimmen lässt. So machen die AutorInen etwa einen „Prädiabetes“ aus, der ärztlicher und pharmakologischer Behandlung oder zumindest der medizintechnischen Kontrolle durch die Blutzuckermessgeräte von BAYER & Co. bedarf. Von einer „Pathologisierung großer Bevölkerungsteile“ spricht deshalb die „Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin“, und der zum Vorstand der Organisation gehörende Günther Egidi ereifert sich: „Es ist immer das gleiche Muster. Man verschärft die Grenzwerte und erhöht so die Zahl derer, die behandlungsbedürftig sind“.

Mediziner warnt vor ASPIRIN
Der Mediziner Kay Brune hat eindringlich vor BAYERs Schmerzmittel ASPIRIN mit dem Wirkstoff Acetylsalicylsäure (ASS) gewarnt, weil es das Blut verflüssigt. „Ich kenne Fälle von Unfallopfern, die nicht operiert werden konnten, weil sie ASS genommen hatten: Die Chirurgen fürchteten, die Blutung nicht in den Griff zu bekommen“, sagte der Arzt von der Universität Erlangen der Frankfurter Rundschau. Auch über die nierenschädigende Wirkung des Präparates zeigt er sich besorgt und resümiert: „ASS gehört nicht in die Schmerztherapie“. Nur zur Behandlung von Herzkrankheiten empfiehlt Brune das Medikament. Sein Kollege Björn Lemmer geht sogar noch weiter: „Wenn ASS heute auf den Markt käme, bezweifle ich, dass es frei verkäuflich wäre“.

Mehr rezeptfreie Arzneien
Der Leverkusener Multi hat von dem US-amerikanischen Pharma-Unternehmen SAGMEL das Osteuropa-Geschäft mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneien übernommen. Die Produkt-Palette, mit der SAGMEL sich in dem Gebiet zum führenden Anbieter entwickelt hatte, umfasst unter anderem das Schmerzmittel THERAFLEX, den Schleimlöser NAZOL, das Hämorrhoiden-Präparat RELIEF und die Nahrungsergänzungsmittel CALCEMIN, THERAVIT und JUNGLE (siehe auch IMPERIUM & WELTMARKT).

Mehr Medizintechnik
BAYER will das US-amerikanische Medizintechnik-Unternehmen POSSIS erwerben, das Apparaturen zur Behandlung verschlossener oder verengter Blutbahnen herstellt, und hat deren AktionärInnen ein Übernahme-Angebot unterbreitet.

Arznei-Kosten: plus 8,1 Prozent
Und immer wieder steigen die Arznei-Ausgaben der Krankenkassen, egal, was für Instrumente zur Kostendämpfung die Politik auch ersinnen mag. Im vergangenen Jahr erhöhten sich die Pillen-Aufwändungen von DAK & Co. um 8,1 Prozent auf 25,6 Milliarden Euro.

Lukrative Krebs-Arzneien
Im Pharma-Geschäft versprechen Krebs-Arzneien die höchsten Gewinne. ExpertInnen erwarten bis zum Jahr 2010 einen 66 Millarden Dollar schweren Absatzmarkt, was im Vergleich zu heute einer Verdoppelung gleichkäme. Zudem stimmen die Rahmenbedingungen. „Politik und Krankenkassen haben ein großes Interesse, Krebs zu bekämpfen. Deswegen ist die Erstattungsfähigkeit der Medikamente relativ hoch“, meint etwa Michael Klingler von der Unternehmensberatung RSVP. Auch hält sich der Aufwand in Grenzen, denn die Zulassungsbedingungen sind nicht so streng wie auf anderen Therapie-Gebieten. Da es noch kaum wirksame Krebs-Arzneien gibt, musste BAYER beispielsweise für NEXAVAR keine großen Vergleichsstudien finanzieren. Und was der Konzern vollmundig als „Meilenstein im Kampf gegen Krebs“ bezeichnet, beschränkt sich in der therapeutischen Praxis zumeist auf eine höchstens dreimonatige Lebensverlängerung.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Pestizid-Richtlinie in Gefahr
Ende Oktober 2007 hatte sich das Europa-Parlament in erster Lesung auf neue Regelungen zur Genehmigung von Pestiziden geeinigt. Der Beschluss sah auch Zulassungsverbote für Ackergifte mit krebserregenden, erbgutschädigenden und/oder hormonaktiven Wirkstoffen vor, weshalb er als Meilenstein für den VerbraucherInnen- und Umweltschutz galt. Aber jetzt wird er behauen: Im Berichtsentwurf für die EU-AgrarministerInnen, die ihren Segen zur neuen Richtlinie geben müssen, finden sich viele Abmilderungen. „Es ist ein offenes Geheimnis, dass dieser Versuch der Verwässerung der Ausschlusskriterien dem Handeln der Bundesregierung und Verbraucherschutzminister Seehofer geschuldet ist. Beschämenderweise macht sich die Bundesregierung so zum Steigbügelhalter der Industrie-Interessen“, kritisiert die grüne EU-Parlamentarierin Hiltrud Breyer. Der Politikerin zufolge entsprechen die neuen Formulierungen nämlich exakt denjenigen, die BAYER & Co. über die bundesdeutschen CDU/CSU-VertreterInnen ohne Erfolg ins Straßburger Parlament eingebracht hatten. Es bleibt also abzuwarten, was von dem ehrgeizigen Projekt auf seinem langen bürokratischen Gang durch die EU-Institutionen übrig bleibt.

Neue Kooperation mit MONSANTO
Der Leverkusener Multi und MONSANTO erweitern ihre Zusammenarbeit (siehe Ticker 3/07). Die beiden Agromultis beschlossen, BAYERs Saatgut-Behandlungsmittel VORTEX gegen Pilzbefall und MONSANTOs Gentech-Mais SMARTSTAX mit den eingebauten Resistenzen gegen Insektizide und Herbizide im Kombipack zu vermarkten. Die Produkteinführung ist für das Jahr 2010 vorgesehen.

GENE & KLONE

Langlebiger Genraps
Im Jahre 1995 hatte die seit 2002 zu BAYER gehörende Firma PLANT GENETIC SYSTEMS in einem Freilandversuch Gentech-Rapspflanzen getestet, die gegen das Herbizid LIBERTY mit dem Wirkstoff Glufosinat oder andere Substanzen resistent sind. Nach Beendigung des Testlaufs besprühten die ForscherInnen das Feld mit Gift, pflügten es jedes Jahr um, pflanzten Weizen oder Gerste an und kappten rigoros jeden Halm, der sich wieder zeigen wollte. Aber es nützte alles nichts. WissenschaftlerInnen der schwedischen Lund-Universität und der TU Dänemark fanden 2005 noch 38 Rapspflanzen, davon 15 Glufosinat-resistente, die aller Unbill getrotzt hatten. Nach Meinung von Tina D‘Hertefeldt, einer der Autorinnen der 2008 in der Zeitschrift biology letters veröffentlichten Studie, sind die Laborfrüchte unkaputtbar : Sie machen sich bis zum Ende aller Tage nicht mehr vom Acker.

Kontaminationen durch Genraps
Bei BAYERs Freilandversuchen in Belgien hat sich ein „Betriebsunfall“ ereignet. Auf 15 Feldern mit konventionellem Raps hat der Agroriese eine in Europa nicht zugelassenen gentechnisch veränderte Sorte mit ausgesät. Fünf Prozent des Rapses ist verunreinigt. Als Ursache führt der Multi „menschliches Versagen“ an. „Das ist ein erneuter Beweis für die Unkontrollierbarkeit gentechnisch veränderter Pflanzen“, kommentierte der wallonische Landwirtschaftsminister Benoît Lutgen den Vorfall. Der Leverkusener Multi hat alle Rapskulturen zerstört und kündigte an, die verseuchten Felder mehrere Jahre lang zu beobachten. Die Laborfrüchte dürften nach neuesten Studien über deren Halbwertzeit trotzdem einen längeren Atem haben (s. o.).

Noch keine Genreis-Zulassung
Die EU-Kommission hat die Entscheidung über die Genehmigung von BAYERs Genreis-Sorte LL62 an die „Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit“ (EFSA) zurückverwiesen, da einige Mitgliedsländer den Empfehlungen der EFSA-MitarbeiterInnen misstrauen. Die WissenschaftlerInnen sollen nun noch einmal prüfen, ob die voliegenden Daten wirklich für eine Zulassung ausreichen.

Indien: Moratorium für Gentech-Versuche
Indische FarmerInnen haben schlechte Erfahrungen mit Gentech-Pflanzen gemacht. Die Bt-Baumwolle von MONSANTO hat die LandwirtInnen viel Geld gekostet, aber längst nicht die erwarteten Erträge gebracht. Deshalb hat sich im Land ein breiter Widerstand gegen die „grüne Gentechnik“ formiert. Im Jahr 2005 klagten die Gentech-GegnerInnen vor dem Obersten Gerichtshof gegen die lasche Genehmigungspraxis und bekamen Recht zugesprochen: Die RichterInnen haben vorerst alle Zulassungsverfahren eingefroren und die Auflagen für bereits begonnene Freisetzungsversuche verschärft. Zudem haben viele Bundesstaaten erklärt, auf ihren Ackerflächen keine Laborfrüchte von BAYER & Co. zu dulden.

PFLANZEN & SAATEN

Indonesischer Hybridreis-Deal
BAYER hat mit dem indonesischen Landwirtschaftsministerium einen Vertrag über die Entwicklung und den Anbau von Hybridreis abgeschlossen. Der Leverkusener Multi ist der weltgrößte Anbieter auf diesem Gebiet und lancierte sein Produkt ARIZE bereits in Indien, Burma, Indonesien, Vietnam, Bangladesch, Brasilien und auf den Philippinen; ein Engagement in China, Thailand und in den USA steht unmittelbar bevor. Der Konzern preist den Ertragreichtum seines sterilen Saatguts an, das sich nicht zur Wiederaussaat eignet und den LandwirtInnen deshalb teuer zu stehen kommt. Zudem machen die hochgezüchteten Sorten einen verstärkten Pestizid-Einsatz erforderlich, was die Artenvielfalt bedroht und die Budgets der FarmerInnen zusätzlich belastet. Im Falle von Missernten gelangen diese dann oft in eine Schuldenfalle: In Indien haben schon Tausende Bauern und Bäuerinnen, die hybride Sorten anpflanzten, Suizid begangen. Deshalb erhebt sich auch in immer mehr südostasiatischen Ländern Kritik an dem Saatgut. Indonesischen Studien zufolge hat der Einmal-Reis das Versprechen höherer Erträge bisher nicht erfüllt. Jimmy Tadeo vom philippischen ReisfarmerInnen-Verband und Omi Royandoyan von der Nichtregierungsorganisation „Centro Saka“ beanstanden hingegen nicht nur die schwachen Ernten. „Mit dem Hybridreis unterstützen wir die großen Saatgut-Unternehmen wie SL-AGRITECH, BAYER und MONSANTO, während wir das Geld eigentlich zur Unterstützung unserer eigenen Reisbauern ausgeben sollten“, meinen die beiden. Die Weltbank kommt zu einem ähnlich vernichtenden Urteil. Da 50 - 99 Prozent der FarmerInnen aus dem philippinischen Hybridreis-Programm wieder ausscheiden, habe es keinen sozialen Effekt, konstatiert die Institution und rät zu den „sozial profitableren“ konventionellen Sorten. Und ganz schlecht sieht es in Burma aus. „Nach mehreren schlechten Ernten ohne die Mittel, ihre Schulden zu zahlen, waren viele Farmer gezwungen, ihr Land zu verkaufen“, schreibt der Journalist Clifford McCoy. Als Aufkäufer treten dann Agroindustrielle auf, die Lieferverträge mit China haben. Das Land steht nicht nur mit seinem großen Appetit, sondern auch mit eigenen Unternehmen hinter dem großen Hybridreis-Boom, weshalb BAYER dort auch Kooperationen anbahnt.

AGROSPRIT & PROFIT

Agrosprit-Abkommen mit Brasilien
BAYER & Co. wollen vom Agrosprit-Boom in Brasilien profitieren. Schon im Jahr 2004 beteiligte sich der „Bundesverband der Industrie“ gemeinsam mit der „Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit“ (GTZ) an der Gründung von BRASIL ECODIESEL. Was unter dem Titel „Beteiligung der deutschen Wirtschaft an der Armutsbekämpfung in Brasilien“ firmierte, ist vor allem für die DEUTSCHE BANK, die fast die Hälfte der Anteile an BRASIL ECODIESEL besitzt, ein lukratives Geschäft, denn die Spritfabrik kommt mittlerweile auf einen Marktanteil von rund 50 Prozent. Aber auch für BAYER lohnt es sich, hält der Leverkusener Multi doch für Zuckerrohr und andere zur Agrosprit-Produktion geeignete Pflanzen die passenden Produkte vor und rechnet deshalb in den kommenden Jahren mit einer Absatzsteigerung von neun Prozent für Agrochemikalien und 12 Prozent für Saatgut. Und das im Rahmen der Südamerika-Reise von Angela Merkel abgeschlossene Biodiesel-Abkommen verbessert die Geschäftsaussichten des Konzerns noch einmal. Die brasilianische Landlosen-Organisation MST hingegen kritisiert den ausufernden Zuckerrohranbau zur Spritgewinnung, da er „zerstörerische Monokulturen“ hervorbringe, „irreparable Schäden an der Umwelt“ verursache und die Möglichkeit für eine umfassende Agrarreform einschränke. Die brasilianische Umweltschutzministerin Marina Silva teilte offensichtlich diese Meinung. Sie trat unmittelbar vor der Unterzeichnung der Vereinbarung mit der bundesdeutschen Regierung zurück. Sie hatte zunehmend Schwierigkeiten, ihre umweltpolitischen Vorstellungen gegenüber der mächtigen Agrarlobby durchzusetzen und wollte nun nicht länger „das grüne Feigenblatt spielen“, wie es in Zeitungsberichten hieß.

Klimawandel-taugliche Pflanzen?
Seit längerem forschen die Agromultis an widerstandsfähigeren Ackerfrüchten. Vier solcher Pflanzen, die angeblich „Stress“ trotzen sollen, hat BAYER bereits zum Patent angemeldet. Jetzt aber wittern die Konzerne durch die drohende Klimakatastrophe, an der sie selbst alles andere als unschuldig sind, eine bessere Vermarktungschance: Die Unternehmen preisen ihre Produkte nunmehr als „klimawandel-tauglich“ an. Da MONSANTO, BASF & Co. im Gegensatz zu BAYER auch zahlreiche „klima-resistente“ Gene zum Patent angemeldet haben, befürchtet die Initiative ETC eine neue Image-Kampagne für die unter Akzeptanz-Problemen leidende grüne Gentechnik, welche diese als Wundermittel gegen die Unbill des Klimawandels verkauft. Mit der heilsamen Wirkung ist es nach Meinung der Umweltgruppe aber nicht weit her, schon allein weil die Global Player den Schutz des geistigen Eigentums für die Pflanzen reklamieren, was diese für die meisten FarmerInnen auf der Welt unerschwinglich macht. Zudem fallen die wetterfesten Laborfrüchte oft kleiner aus als ihre konventionellen Ableger und schmälern so den Ernteerträge, wie Untersuchungen der „Grain Research & Development Corporation“ und anderer Institutionen ergeben haben.

WASSER, BODEN & LUFT

Neue EU-Emissionsrichtlinie
Die EU plant eine neue Richtlinie zur Senkung der Schadstoff-Ausstöße von BAYER & Co. Sie verschärft die Umweltauflagen für Kraftwerke und andere Großfeuerungsanlagen und erhöht die Anforderungen bei Werksinspektionen.

Weichmacher im Rhein
Nach Informationen der Initiative VSR-GEWÄSSERSCHUTZ haben Messungen im Rhein eine hohe Phthalate-Konzentration ergeben. Die Weichmacher von BAYER & Co., die unter anderem in Bodenbelägen, Kabeln und Lebensmittelverpackungen zum Einsatz kommen, gelten als krebserregend und fruchtschädigend. Sie stellen eine große Gefahr dar, weil sie leicht in den menschlichen Organismus gelangen. Die Substanzen gehen nämlich mit den Kunststoffen keine chemische, sondern bloß eine physikalische Verbindung ein und können sich deshalb relativ schnell von dem Material lösen.

NANO & CO.

Nano: das neue Asbest?
Nano-Röhrchen aus Kohlenstoff, wie BAYER sie unter dem Namen BAYTUBE vermarktet, können das Gewebe schädigen und ähnlich wie in der Vergangenheit Asbest Entzündungen auslösen. Besonders bei längeren Röhrchen besteht diese Gefahr. Das hat eine Untersuchung der Univesität Edinburgh ergeben, welche die Zeitschrift Nature Nanotechnology veröffentlichte.

CHEMIE & WAFFEN

Chemiewaffen-Tests: England entschädigt
1936 entwickelte der IG-FARBEN-Chemiker Gerhard Schrader das Giftgas SARIN, was dann auch im Namen zum Ausdruck kommt: S für Schrader und A für den Giftgas-Abteilungsleiter der von BAYER mitgegründeten IG FARBEN, Otto Ambros. Mit eben diesem Gas führte die britische Armee in den fünfziger und sechziger Jahren Experimente durch (siehe auch Ticker 2/06). Sie verabreichte Hunderten von Soldaten eine Sarin-Dosis und ließ sie dabei in dem Glauben, es handle sich um ein Erkältungsmittel. Es gab Tote und Verletzte, zahlreiche Probanden leiden noch heute an den Folgen der Menschenversuche. Lange Zeit rangen sie um Entschädigungen. Anfang 2008 hatten die ehemaligen Militärangehörigen endlich Erfolg: Die britische Regierung sicherte den noch lebenden 360 Veteranen Zahlungen von je 11.000 Euro zu und entschuldigte sich bei ihnen.

PLASTE & ELASTE

Flaute bei Kunststoffen
Die Lohnkosten in China belaufen sich auf ein Viertel der bundesrepublikanischen. Dieses Faktum und die dortigen Wachstumsraten veranlassen BAYER zu großen Investitionen in dem Land. Anfang September 2006 nahm der Konzern ein Makrolon-Werk in Caojing in Betrieb. Und so soll es weiter gehen. „Wir wollen bis 2009 jährlich eine Großanlage eröffnen“, sagte der Vorstandsvorsitzende Werner Wenning bei der Einweihung. Da auch die Konkurrenz in ähnlichem Tempo baut, besteht die Gefahr von Überkapazitäten. Im Geschäftsjahr 2007 hat sich das schon bemerkbar gemacht. „Wir sind mit der Lage bei den Polycarbonaten wie Makrolon nicht zufrieden“, sagte BAYER-Chef Werner Wenning bei der Bilanz-Pressekonferenz im Frühjahr. Ein weiteres Rationalisierungsprogramm mit der Streichung von Arbeitsplätzen dürfte folgen.

IMPERIUM & WELTMARKT

BAYER übernimmt SAGMEL
Der Leverkusener Multi hat von dem US-amerikanischen Pharma-Unternehmen SAGMEL das Osteuropa-Geschäft mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneien übernommen.

BAYER will das US-amerikanische Medizintechnik-Unternehmen POSSIS erwerben und hat den AktionärInnen ein Übernahme-Angebot unterbreitet (siehe auch DRUGS & PILLS), das sich auf insgesamt 250 Millionen Euro beläuft.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

TDI-Container undicht
Am 3. 3. 08 trat in Brunsbüttel aus einem Tankcontainer Toluylendiisocyanat (TDI) aus. Ein Sattelschlepper hatte im BAYER-Werk 22 Tonnen TDI geladen und zum Ostuferhafen gefahren, von wo aus die Chemikalie per Schiff ihre Reise ins Baltikum antreten sollte. HafenarbeiterInnen bemerkten jedoch die Leckage und lösten Großalarm aus. Wäre etwas mehr als ein Liter Flüssigkeit pro Stunde ausgelaufen und die Lufttemperatur höher gewesen, hätte es leicht zu einer Explosion kommen können. So aber musste nur der LKW-Fahrer zur Beobachtung ins Krankenhaus. Das musste aus denselben Gründen auch sein Kollege am 10. September 2007: 22 Tonnen TDI, Leck im Container. Und diese Geschichte dürfte sich noch so manches Mal wiederholen.

RECHT & UNBILLIG

Millionenstrafe für ASPIRIN-Deal
In 91 Prozent aller bundesdeutschen Apotheken kostete ASPIRIN exakt 4,97 Euro. Bei dieser wundersamen Art der Preisstabilität hatte BAYER nach Recherchen des Stern allerdings ein wenig nachgeholfen. Der Pharmariese gewährte den Pharmazien nämlich nur dann einen Rabatt von drei Prozent, wenn diese die „unverbindliche Preisempfehlung“ des Leverkusener Multis als verbindlich ansahen. Das rief allerdings das Bundeskartellamt auf den Plan. „Eine solche Einflussnahme auf den Verkaufspreis des Händlers durch den Hersteller ist nach nationalem und europäischem Wettbewerbsrecht verboten“ urteilte die Behörde und nahm die Ermittlungen auf (siehe auch SWB 4/07). Diese führten schließlich zu einem Bußgeldbescheid in Höhe von 10,34 Millionen Euro - fünf Prozent des Umsatzes von BAYER VITAL. Eigentlich hätten sich die KartelljägerInnen bei der Strafbemessung sogar an 30 Prozent des Umsatzes orientieren müssen, aber weil der Leverkusener Multi sich kooperativ zeigte, ließen sie Gnade vor Recht ergehen. Damit wächst die lange Liste der BAYER-Vergehen weiter. Kein Wunder, dass nach einer Umfrage des Magazins stern nur noch neun Prozent der Befragten ungebrochenes Vertrauen in die Konzern-Lenker haben!

Reifenhersteller verklagt BAYER
Das Kautschuk-Kartell, das BAYER von 1996 bis 2001 unter anderem mit SHELL und UNIPETROL bildete, hat den Leverkusener Multi neben einer Haftstrafe für zwei Verkaufsleiter 130 Millionen Dollar Buße gekostet. Nach den von der EU und den USA angestrengten Verfahren muss der Leverkusener Multi nun noch einmal auf der Anklagebank Platz nehmen. 26 Reifenhersteller, die den Kunststoff zu überhöhten Preisen abnehmen mussten, haben einen Prozess gegen BAYER & Co. angestrengt.

Sammelklagen gegen Kartell-Sünder?
Der Leverkusener Multi begeht immer wieder Kartell-Delikte (s. o.). Die Zeche für solche Absprachen zahlt der/die VerbraucherIn. Aus diesem Grund will die EU ihnen künftig die Möglichkeit geben, per Sammelklage gegen die Konzerne vorzugehen. Gleich nach Bekanntgabe der Pläne nahmen allerdings die LobbyistInnen von BAYER & Co. ihre Arbeit auf und sorgten für Schadensbegrenzung: Der Anfang April von Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes präsentierte Richtlinien-Vorschlag weicht in entscheidenen Punkten von dem ersten Entwurf ab. Und weitere Änderungen dürften folgen, um die „US-amerikanische Klage-Kultur“ nicht im alten Europa Platz greifen zu lassen.

BAYER „entbürokratisiert“ Vorschriften
Die USA haben den Unternehmen nach dem ENRON-Skandal strenge Regeln auferlegt, um sie zur Einhaltung von Recht und Gesetz zu zwingen. Diese so genannten Compliance-Regeln waren für den Leverkusener Multi, dessen kriminelle Energie in Sachen „Kartelle“ ungebrochen ist, ein wesentlicher Grund, sich im letzten Jahr wieder von der Wall Street zurückzuziehen. Und prompt kündigt BAYERs Chef-Jurist Roland Hartwig an, die konzern-internen Kontrollmechanismen aufzuweichen. „Deshalb überprüfen wir jetzt die teilweise sehr bürokratischen Compliance-Vorschriften und werden uns von Überflüssigem sicherlich verabschieden“, so Hartwig.

Schneider zum Fall „Zumwinkel“
Woran liegt es, wenn Manager wie der Postler Klaus Zumwinkel Steuerhinterziehung betreiben? An den hohen Steuersätzen und den komplizierten Vorschriften. Das zumindest meint BAYERs Aufsichtsratsvorsitzender Manfred Schneider. „Steuerhinterziehung wird allgemein als Volkssport in allen Bevölkerungsschichten betrachtet. Die zu hohe Summe an Steuern und Abgaben sollte durch ein einfaches und gerechtes Steuersystem reduziert werden“, sagte er der Welt am Sonntag. Ähnlich argumentierten andere Spitzenmanager, die niemals auf die Idee kämen, die hohe Zahl der Ladendiebstähle auf das komplizierte bundesdeutsche Strafgesetz zurückzuführen. Ansonsten bemüht Schneider wieder mal die altgediente Schwarze-Schafe-Rhetorik. „Ungerechtfertigterweise wird durch solche Einzelfälle die hervorragende Arbeit der deutschen Unternehmerschaft übersehen“, bedauert der Multifunktionär. Aber nicht immer liegt er daneben: „Ich habe grundsätzlich eine gewisse Distanz zur Frage der Vorbildfunktion, egal, um welche Personen oder Gebiete es sich handelt“. Lässt man seine Jahre als BAYER-Chef Revue passieren, so ist diese Distanz mehr als berechtigt.

Mehr Klage-Möglichkeiten für AktionärInnen
Ein Gerichtsurteil hat die Rechte von AktionärInnen gestärkt. Die AnteilseignerInnen können künftig Vorstand und AufsichtsrätInnen auf Schadensersatz verklagen, wenn diese ihre Kontrollpflichten vernachlässigt haben. Dazu genügt auf den Hauptversammlungen eine einfache Mehrheit. Die Aktien-BesitzerInnen haben ebenfalls die Möglichkeit, einen „besonderen Vertreter“ mit den fälligen Ermittlungen zu beauftragen. Machtlos den Machenschaften der ManagerInnen ausgeliefert waren die AktionärInnen bisher auch nicht - zumindest theoretisch. Für in Aktiengesellschaften oder GmbHs organisierte Kriminalität sieht der Gesetzgeber nämlich die Organhaftung vor. Bei groben Verstößen sind die Aktien-HalterInnen zudem befugt, eine/n SonderprüferIn zu nominieren. Allerdings kam es in der Vergangenheit noch kaum dazu, und wegen Kartell-Vergehen und ähnlicher, von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auf den Hauptversammlungen immer wieder thematisierter Delikte schon gar nicht. Deshalb werden BAYER-ManagerInnen wohl auch in Zukunft nicht für krumme Geschäfte geradestehen müssen.

Umweltschadengesetz tritt in Kraft
Im November 2007 ist endlich das Umweltschadensgesetz in Kraft getreten, dessen Entwurf schon vor zwei Jahren vorlag. Bisher konnten BAYER & Co. folgenlos Umweltverschmutzung betreiben, sofern sie dabei keine klagefähigen juristischen Personen schädigten. Nunmehr ist das gesamte Ökosystem justitiabel, und Umweltverbände haben die Möglichkeit, als Anwälte von Flora und Fauna aufzutreten. Nicht zu Unrecht sieht der „Umweltexperte“ vom „Deutschen Industrie- und Handelskammertag“, Hermann Hüwels, hierin ein erhebliches „Droh- und Unruhepotential“.

BAYER verklagt JIANGSU TIAN RONG
Der Leverkusener Multi hat das chinesische Unternehmen JIANGSU TIAN RONG verklagt. BAYER wirft der Firma vor, das konzern-eigene Patent für MEFENPYR verletzt zu haben, das Agro-Giften beigemischt wird, um ihren chemischen Abbau zu beschleunigen.

78 TRASYLOL-Klagen
Nach den Berechnungen des Mediziners Denis Mangano war BAYERs Arznei TRASYLOL allein in den letzten zwei Jahren bis zum erzwungenen Vermarktungsstopp im Mai 2008 für den Tod von 22.000 PatientInnen verantwortlich (siehe auch AKTION & KRITIK). Das hat jetzt ein gerichtliches Nachspiel. 78 Klagen sind in der Sache „TRASYLOL“ bisher gegen den Leverkusener Multi anhängig.

FORSCHUNG & LEHRE

Uni Rostock als Gentech-Schmiede
Die Universität Rostock ist ein Zentrum der bundesdeutschen Forschung zur grünen Gentechnik. Eine Schlüsselposition nimmt dabei Dr. Inge Broer ein. Die Biologin, die in der Vergangenheit gemeinsam mit BAYER vier Pflanzen-Gene zum Patent anmeldete, arbeitet unermüdlich an der Durchsetzung der Risikotechnologie. Neben ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit gründete sie den Lobbyclub „Finab“ und deren kommerziellen Ableger „Biovativ“ zur Durchführung von Freilandversuchen. Darüber hinaus gehört die Professorin zum Verbund „BioOK“, der sich dem Risiko-Management von Genweizen & Co. verschrieben hat. Zudem sitzt Broer in einem Gremium des „Bundesinstituts für Risikobewertung“ und tritt gern vor der „Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit“ (EFSA) als Expertin auf.

Kooperation mit der Uni Köln
BAYER hat eine Zusammenarbeit mit der Universität Köln vereinbart. Die „bevorzugte Partnerschaft“ umfasst unter anderem ein Teamwork bei der Entwicklung von Medikamenten und Arznei-Tests sowie die Einrichtung eines Graduierten-Programms zur Förderung junger WissenschaftlerInnen. „Die Uni-Klinik hat die Grundlagen-Forschung und die Nähe zum Patienten. Wir haben Methoden, um aus einer Idee oder einem Erfolg versprechenen Ansatz die Herstellung eines Arzneimittels zu beschleunigen“, erläutert BAYERs Froschungsvorstand Wolfgang Plischke die Synergie-Effekte, die dem Leverkusener Multi jährlich einen „soliden sechsstelligen Betrag“ wert sind. Bereits jetzt forschen der Konzern und die Universität gemeinsam an 30 Pharma-Stoffen. Sollten sich ein paar von ihnen als aussichtsreich erweisen, so können die Pillen-Partner sie gleich im uni-eigenen „Zentrum für Klinische Studien“ testen. Die NRW-Landesregierung hatte mit ihrem Hochschulmedizin-Gesetz die Bedingungen für solche „Public-Private-Partnerships“ massiv verbessert, weshalb Forschungsminister Andresas Pinkwart (FDP) es sich auch nicht nehmen ließ, der Kooperation auf der Pressekonferenz persönlich seinen Segen zu geben. „Sie ist die weitreichenste, die eine nordrhein-westfälische Universitätsklinik bisher eingegangen ist“, freute sich Pinkwart. Er bezeichnete das Joint Venture als einen „großen Gewinn für die Arzneimittelforschung in Nordrhein-Westfalen“, obwohl es nur für BAYER einen Gewinn darstellt. Das Unternehmen kann nämlich die kostspielige und langwierige Grundlagenforschung ausgliedern und von den SteuerzahlerInnen finanzieren lassen, die Ernte später aber alleine einfahren.

BAYER an der Heine-Uni
Im Mai 2008 konnte BAYER an der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität um Nachwuchs werben. Die „biotechnologische Studenteninitiative“ bot einem Konzern-Vertreter die Gelegenheit, in „das spannende Berufsfeld der Unternehmensberatung anhand des Inhouse Consulting bei BAYER“ einzuführen.

ChemCologne an der Heine-Uni
Der 6. Kooperationstag von ChemCologne, ein Zusammenschluss nordrhein-westfälischer Chemie-Unternehmen, fand am 29. November 2007 in Düsseldorf statt. Die dortige Heinrich-Heine-Universität hatte sich BAYER & Co. als Partner angedient und unter dem Motto „Chemie und Wirtschaft“ zu Vorträgen und Podiumsdiskussionen einladen.

BAYER im Hochschulrat
Die jüngsten Hochschulreformen haben mit dem Hochschulrat auch ein neues Selbstverwaltungsgremium geschaffen. Die Räte, welche unter anderem den Rektor wählen, sind mehrheitlich mit externen WissenschaftlerInnen und WirtschaftsvertreterInnen besetzt. StudentInnen-VertreterInnen hingegen müssen draußen bleiben. Sie würden bei dem Ansinnen, den Bildungssektor stärker auf die Steigerung des Bruttosozialprodukts zu verpflichten, auch nur stören. BAYER hingegen ist natürlich mit von der Partie. BAYER-Vorständler Richard Pott sitzt im Hochschulrat der Kölner Universität, des „Bevorzugten Partners“ des Leverkusener Multis (s. o.), und Dr. Ilka von Braun von BAYER BUSINESS SERVICES g

[Ticker] STICHWORT BAYER 01/2008 – Ticker

CBG Redaktion

Kurzmeldungen Ticker

AKTION & KRITIK

Pipeline-Demo in Erkrath
Der Protest gegen BAYERs umstrittene Kohlenmonoxid-Leitung reißt nicht ab. An zahlreichen Bauabschnitten halten die CO-GegnerInnen Mahnwachen ab, und am 13. März 2008 demonstrierten in Erkrath 500 Menschen gegen das Projekt. Der Protestmarsch, an dem LokalpolitikerInnen aller Parteien, Angehörige verschiedener Initiativen und natürlich auch VertreterInnen der COORDINATION gegen BAYER-Gefahren teilnahmen, führte von der Erkrather Innenstadt bis zur Pipeline-Baustelle, wo die TeilnehmerInnen 420 Holzkreuze mit Grablichtern aufstellten, um so auf die tödliche Gefahr durch den Röhren-Verbund aufmerksam zu machen.

CBG bei Pipeline-Veranstaltung
Ende Februar nahm CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes auf Einladung der DÜSSELDORFER BÜRGERINITIATIVE GEGEN DIE BAYER-GIFTGAS-LEITUNG gemeinsam mit VertreterInnen von anderen Gruppen und Parteien in Düsseldorf-Unterbach an einer Diskussionsveranstaltung zur umstrittenen BAYER-Pipeline teil.

Romy Quijano freigesprochen
Dr. Romy Quijano untersuchte in Kamukhaan auf den Philippinen die Risiken und Nebenwirkungen der auf einer Bananen-Plantage ausgebrachten Pestizide von BAYER und anderen Herstellern. Der Bananenbaron vom Unternehmen LADECO wollte den Wissenschaftler daraufhin mundtot machen und verklagte Quijano. Dabei schreckte der Plantagen-Besitzer nicht einmal davor zurück, DorfbewohnerInnen mit Bestechungsgeldern zu Aussagen gegen Romy Quijano zu veranlassen; es kam sogar zu Todesdrohungen. Im Jahr 2008 endete die juristische Auseinandersetzung nach sieben Jahren endlich mit einem Freispruch. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, die sich seit Jahren an einer Solidaritätskampagne für den Umweltschützer beteiligt, gratulierte Romy Quijano umgehend zu seinem Erfolg.

Ter Meer ohne Grabschmuck
Alle Jahre wieder zu Allerheiligen schmückt BAYER das Grab des ehemaligen IG-FARBEN-Vorstandsmitglieds und Kriegsverbrechers Fritz ter Meer mit einem großen Kranz. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN protestiert seit Jahren gegen die Ehrung eines Mannes, den die Richter im Nürnberger IG-FARBEN-Prozess wegen seiner Verantwortung für Zwangsarbeit und Plünderungen zu sieben Jahren Haft verurteilt hatten. Das hat jetzt offensichtlich Wirkung gezeigt: Im letzten Jahr verzichtete der Leverkusener Multi zum ersten Mal auf diese Art der Traditonspflege.

CBG schreibt Gabriel
Das Bundesumweltamt unterhält zwar ein Störfall-Register, aber nähere Angaben zu den Betreibern der explosiven Anlagen finden sich darin nicht. Dieses kritisierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) in einem Brief an Bundesumweltminister Sigmar Gabriel. „Mit dieser Art der Anonymisierung sind wir in keinster Weise einverstanden! Sie begünstigt in unangemessener Weise die Verursacher von Schäden gegenüber der Öffentlichkeit und den Betroffenen. Da die Unternehmen von sich aus kaum oder gar nicht über Unfälle berichten, haben Medien und Umweltverbände keine Möglichkeit, eine Störfall-Bilanz einzelner Firmen zu erstellen. Hierdurch könnte Druck auf die Unternehmen ausgeübt werden, ihre Sicherheitslage zu verbessern“, schrieb die CBG.

Genreis: CBG schreibt Bundesregierung
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, das GEN-ETHISCHE NETZWERK, der BUND und andere Initiativen haben die Bundesregierung in einem Offenen Brief aufgefordert, sich auf EU-Ebene gegen eine Importzulassung von BAYERs Genreis auszusprechen, der - obwohl noch gar nicht zugelassen - im Jahr 2006 aus ungeklärter Ursache massenhaft in Haushaltsreis von ALDI und anderen Anbietern gelangt war. „Für über 2,5 Milliarden Menschen ist Reis das wichtigste Grundnahrungsmittel. Die Europäische Union darf sich nicht über die ökologischen und sozialen Risiken von LL RICE 62 in den potentiellen Anbau-Ländern hinwegsetzen. Wir fordern Sie auf, sich bei der EU gegen eine Import-Zulassung von LIBERTY LINK-Reis auszusprechen!“, heißt es in dem Schreiben wörtlich.

Kartelle: CBG schreibt Zypries
In Sachen „Kartelle“ entwickelt BAYER sich immer mehr zum Serientäter. Allein in den letzten Jahren haben die Behörden elf Fälle von illegalen Preisabsprachen entdeckt. Die hohen Bußgelder - der Konzern zahlte bislang ca. 500 Millionen Dollar - schrecken den Leverkusener Multi offenbar nicht ab. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) forderte Bundesjustiziministerin Brigitte Zypries deshalb in einem Offenen Brief auf, die ManagerInnen-Haftung einzuführen. „Es stellt unserer Meinung nach eine gesetzgeberische Fehlleistung ersten Ranges dar, dass Verstöße gegen Kartellvorschriften nur mit Bußgeldern und evtl. zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen belegt sind, nicht hingegen mit Strafen. Angesichts der Gemeinschädlichkeit derartiger Absprachen und des dadurch verursachten enormen Schadens stimmt es merkwürdig, dass nicht einmal in schweren Fällen Straftaten vorliegen. Wir fordern daher den Gesetzgeber auf, entsprechende Straftatbestände zu schaffen. Erst wenn die verantwortlichen Manager Gefängnisstrafen fürchten müssen, kann von einem abschreckenden Effekt ausgegangen werden“, stellt die CBG fest.

BAYER für „Public Eye Award“ nominiert
Alljährlich halten die Global Player im schweizerischen Davos ihr Klassentreffen ab. Die Schweizer Initiativen ERKLÄRUNG VON BERN und PRO NATURE nutzen die Gelegenheit, um als Spielverderber dem Unternehmen mit den fragwürdigsten Geschäftspraktiken den „Public Eye Award“ zu verleihen. Zu den Vorgeschlagenen zählte auch dieses Mal wieder: BAYER. Das FORUM FÜR UMWELT UND ENTWICKLUNG, das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK und die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN nominierten den Leverkusener Multi für seine Versuche, die Jatropha-Pflanze als Biotreibstoff-Reservoir zu nutzen und dazu auch gleich noch das passende Saatgut und die passenden Pestizide zu liefern. „Das Saatgut und die Pflanzenschutzmittel für Jatropha sollen die Pflanze für den Chemiekonzern und die Automobilindustrie profitabel machen. Verlierer sind einmal mehr die Bauern der südlichen Länder. Sie verlieren wertvolles, zur Nahrungsproduktion genutztes Land und tragen die Umweltbelastungen durch den intensiven Agrotreibstoff-Anbau. Zudem werden die Kleinbauern im Vertragsanbau abhängig gemacht von den teuren Agrochemie-Produkten“, heißt es in der Begründung der Gruppen.

CBG-Mitglied wg. Feldbesetzung verurteilt
Ein in Frankreich lebendes Mitglied der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat an der Besetzung eines Genfeldes teilgenommen und kam dafür vor Gericht. Die Richterin verurteilte es zu einer Strafe von 1.000 Euro.

Prozess wg. Feldbesetzung
Im letzten Frühjahr führten Gentech-GegnerInnen die Besetzung eines Feldes durch, auf dem die Universität Gießen zu Versuchszwecken Gerste mit einer eingebauten Resistenz gegen Glufosinat ausgesät hatte, mit welcher BAYER auch die Pflanzen aus der LIBERTY-LINK-Serie versehen hat. Seit März 2008 haben sich die AktivistInnen dafür vor Gericht zu verantworten.

CBG bei „Dritte-Welt“-Diskussion
Philipp Mimkes nahm für die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) in Köln an einer Diskussionsveranstaltung zum Thema „Umweltschutz - Menschenrechte - soziale Standards: Wie sieht es aus mit der Unternehmensverantwortung?“ teil, die das DRITTE WELT JOURNALISTINNEN NETZ gemeinsam mit der Kölner MELANCHTON AKADEMIE initiiert hatte. Der CBG-Geschäftsführer sah, so weit es BAYER betrifft, schwarz für die Unternehmensverantwortung und zählte dem Publikum detailliert die doppelten Standards auf, deren sich der Leverkusener Chemie-Multi in Sachen Umweltschutz, Kinderarbeit, Produktionsbedingungen und Produktsicherheit befleißigt.

OECD kritisiert bundesdeutsche Justiz
Nach menschlichem Ermessen müsste der Exportweltmeister eigentlich auch Weltmeister im Bezahlen von Schmiergeldern sein. Und tatsächlich stützt nicht nur der Fall „SIEMENS“ diese Vermutungen. Auch BAYER hat nach Angaben eines ehemaligen Mitarbeiters im Iran und in Italien kräftig Bestechungsgelder gezahlt, um Bau-Vorhaben realisieren oder andere Konzern-Ziele durchsetzen zu können (siehe auch Ticker 2/03). Die bundesdeutschen Gerichte bleiben jedoch weitgehend untätig. Während US-RichterInnen seit 1998 70 Unternehmen wg. Korruption verurteilten, verhängten ihre deutschen KollegInnen nur vier Strafen. Diese Praxis hat jetzt die OECD, die gemeinsame Organisation der 30 größten Industrieländer, kritisiert. „Es gibt eine ganze Reihe von Fällen, die von den Staatsanwaltschaften nicht besonders aktiv verfolgt werden“, so der OECD-Korruptionsbeauftragte Mark Pieth. Der deutsche Richterbund wies die Vorwürfe umgehend zurück, räumte aber Mängel ein. „In den Wirtschaftsabteilungen der Staatsanwaltschaften haben wir generell ein großes Problem. Eigentlich bräuchten wir viel mehr Spezialisten“, gestand Richterbund-Präsident Christoph Frank.

Spärliche Auskünfte
Die OECD ist ein Zusammenschluss der weltweit größten Industriestaaten. Ihre Leitsätze verpflichten die Multis zu gesellschaftlich verantwortlichem Handeln. GERMAN WATCH wollte von den Global Playern jetzt einmal wissen, wie sie diese Anforderungen konkret umsetzen. BAYER zeigte sich dabei nicht sehr auskunftsfreudig. „Während einige der Unternehmen ausführliche Informationen zu ihrer Nachhaltigkeitsstrategie machten, gaben andere keine oder nur sehr unvollständige Antworten ab, z. B. BAYER und VOLKSWAGEN“, erklärte die Initiative.

IQWIG-Chef Sawicki droht
Das „Kölner Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWiG) führt Kosten/Nutzen-Analysen von Arzneimitteln durch, was eine Streichung von Medikamenten aus dem Erstattungskatalog der Krankenkassen zur Folge haben kann. Entsprechend nervös reagiert die Pharma-Industrie. Auf allen erdenklichen Wegen versucht sie, bei den Prüfungen ein Wörtchen mitzureden. Diese Bestrebungen haben den IQWIG-Leiter Peter Sawicki jetzt dazu gebracht, im Falle eines gesteigerten Einflusses von BAYER & Co. auf die Entscheidungen des Instituts seinen Rücktritt anzukündigen. „Wenn das geschehen sollte, bin ich nicht mehr da, wo ich jetzt bin“, sagte der Pharmakologe, woraufhin ihm Gesundheitsministerin Ulla Schmidt versprach, die „fürsorgliche Belagerung“ nicht zuzulassen.

Kritik an Gates-Stiftung
Nach dem Vorbild von MICROSOFT hat Bill Gates der von ihm gegründeten „Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung“, die auch Projekte von BAYER unterstützt (siehe ERSTE & DRITTE WELT) eine Monopolstellung bei der Malaria-Forschung verschafft. Daran nahm jetzt der Leiter des Malaria-Programms der Weltgesundheitsorganisation WHO, Arata Kochi, Anstoß. Er kritisierte die Dominanz der keiner öffentlichen Kontrolle unterworfenen Stiftung, die inzwischen alle maßgeblichen WissenschaftlerInnen an sich binde, und bezeichnete ihre bei der Malaria-Therapie eingeschlagenen Wege sogar als teilweise gefährlich.

KAPITAL & ARBEIT

Nur 1,3 Prozent über 60 Jahre
Von den 37.590 Beschäftigten der BAYER AG sind gerade einmal 1,3 Prozent über 60 Jahre alt.

Nur 905 Ausbildungsplätze
Die Zahl der Ausbildungsplätze bei BAYER ist in den letzten 17 Jahren um 700 zurückgegangen. Gab es 1990 in den Werken der BAYER AG noch 1.600 Lehrstellen, so strich sie der Konzern bis zum Herbst 2007 auf 905 zusammen. Nicht einmal der Kauf der SCHERING AG hat das Angebot nennenswert erweitert. Wieder einmal liegt der Multi damit unter der durchschnittlichen Lehrstellen-Quote der bundesdeutschen Wirtschaft von sieben Prozent der Belegschaft.

Wennings Tarifrunde: + 28,1 %
Für BAYER-Chef Werner Wenning hat sich die letzte Lohnrunde gelohnt. Er konnte sein Salär um 28,1 Prozent auf 4,444 Millionen Euro steigern. Das Sümmchen setzt sich aus einem „Grundgehalt“ von 3,294 Millionen und einer variablen, am Aktienkurs orientierten Komponente von 1,1 Millionen zusammen. „Die Manager sollten ihren Mitarbeitern einmal erklären, warum sie soviel Geld brauchen“, kommentierte der SPD-Politiker Joachim Poß die von der Welt am Sonntag vorgelegten Lohnstreifen von Wenning & Co.. Der Große Vorsitzende hat das in einem Interview mit der Wirtschaftswoche getan. Seiner Ansicht nach geht beim Leverkusener Chemie-Multi alles gerecht zu, nur Tätigkeit, Qualifikation, Erfahrung und Verantwortung entscheiden über die Bezahlung. „Dabei messen wir beim Top-Management wie bei den Tarif-Mitarbeitern mit der gleichen Elle“, so Wenning.

Betriebsräte verdienen 60.000 Euro
Die VW-Affäre hat die Frage aufkommen lassen, ob den Betriebsräten im Lande nicht eine allzu üppige Bezahlung das „Co-Management“ erleichtert. BAYER veröffentlichte deshalb Zahlen und bezifferte das Durchschnittsgehalt eines Konzern-Betriebsrats auf 60.000 Euro.

Brunsbüttel streicht 100 Stellen
BAYER heizt den konzern-internen Wettbewerb um Investitionen immer mehr an. Mit dem Projekt „Mustang“ verglich der Multi jetzt das Verhältnis von Anlagen-Kapazität und Personalstamm an jedem Standort und vergab schlechte Noten für Brunsbüttel. „Wir sind 15 - 20 Prozent schlechter in der Personaleffizienz“, mit diesen Worten akzeptierte der dortige Betriebsratsvorsitzende Hans-Joachim Möller die negative Beurteilung ohne Widerworte, die ein Rationalisierungsprogramm mit einer Vernichtung von 100 Arbeitsplätzen zur Folge hat. Möller wusste sich darin mit der Werksleitung einig. „Nur so können wir im Wettbewerb um eine neue Anlage mithalten“, verlautete aus der Zentrale der Niederlassung.

ERSTE & DRITTE WELT

Bill Gates sponsort BAYER
Im Jahr 1998 startete die Weltgesundheitsorganisation WHO in Kooperation mit der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung die Malaria-Initiative „Roll back Malaria“. Sie wollte 60 Prozent der Erkrankten sofort eine medizinische Versorgung ermöglichen und die Zahl der Malaria-Toten bis zum Jahr 2010 auf die Hälfte senken. Zu diesem Zweck unterstützte die Initiative auch das BAYER-Projekt, auf Basis des von der „Hongkong University of Science and Technology“ entdeckten Wirkstoffes Artemisone ein neues Medikament zu entwickeln. Um dieses Präparat ist es allerdings still geworden, und auch von anderen Erfolgen kann „Roll back Malaria“ kaum künden, so dass die medizinische Fachzeitschrift Lancet im Jahr 2005 eine ernüchterne Zwischenbilanz zog. Bill Gates glaubt aber immer noch an BAYER. Er stellte dem Leverkusener Multi 50,7 Millionen Dollar zur Verfügung, um mit dem Kooperationspartner „Innovative Vector Control Consortium“ nach einem neuen Pestizid gegen den Malaria-Erreger zu forschen und schon vorhandene Wirkstoffe zu verändern, da die Stechmücke als Überträger der Krankheit gegen die alten Substanzen Resistenzen herausgebildet hat.

Pesticides are coming home
In den vergangenen Jahrzehnten haben die Agro-Multis - gefördert von „Entwicklungshilfe“-Programmen - „Drittweltländer“ großzügig mit Ackergiften versorgt. Die Folge: Nach Schätzungen der Welternährungsorganisation der UN lagern dort über eine halbe Millionen Tonnen Alt-Pestizide, schlecht gesichert in lecken Behältern, zerrissenen Tüten und geplatzten Säcken. Altlasten made by BAYER sind nach GREENPEACE-Angaben in rund 20 Ländern vertreten. Ob die 75 Tonnen DDT aus Tansania, die der Konzern jetzt auf Kosten des Entwicklungshilfeministeriums in Dormagen verbrennen will, ganz, teilweise oder gar nicht aus eigenen Beständen stammen, ist hingegen nicht bekannt.

KONZERN & VERGANGENHEIT

VCI: Geschichtsaufarbeitung nicht erwünscht
Die bundesdeutsche Chemiebranche hat sich ihrer unheilvollen Vergangenheit immer noch nicht gestellt. Fragen nach den IG FARBEN, dem für Zwangsarbeit, eigene KZs und Kriegsvorbereitungen verantwortlichen Mörderkonzern, wiesen BAYER als IG-Initiator, BASF und HOECHST & Co. stets mit dem Verweis ab, sie hätten die Rechtsnachfolge des Chemie-Trusts nicht angetreten. Nur die BASF hat sich bisher diesem dunklen Kapitel in einer Unternehmensgeschichte gewidmet. Ob allerdings eine lückenlose Aufklärung erfolgte, steht in Frage, denn es halten sich Gerüchte über zurückgehaltene Dokumente und Knebelverträge die Veröffentlichungsrechte betreffend. Der „Verband der Chemischen Industrie“ erwog zwar einmal, den Historiker Michael Stürmer mit einer Aufarbeitung seiner Vergangenheit zu betrauen, aber die Verantwortlichen stoppten das Projekt. Und BAYER? Der Leverkusener Multi hat noch nicht einmal im Traum daran gedacht, einen Wissenschaftler zur Inventur seines Giftschrankes im Firmenarchiv zu verpflichten.

POLITIK & EINFLUSS

Der Leverkusener BAYER-Rat
Die partei-übergreifende BAYER-Fraktion im Leverkusener Stadtrat hat viele Mitglieder. Zahlreiche KommunalpolitikerInnen standen oder stehen noch in Diensten des Pharma-Riesen. Bei den Christdemokraten sind es Bernhard Apel (bis zu einer Pensionierung Diplom-Ingenieur bei BAYER und Betriebsleiter bei AGFA), der von 1957 bis 1999 bei AGFA als Chemie-Facharbeiter und Technischer Angestellter tätig gewesene Raimund Gietzen, der ehemalige BAYER-Industriekaufmann Dietrich (Dieter) Volberg und Ulrich Wokulat (Kaufmännischer Angestellter bis 1999). Die Sozialdemokraten zählen auf den als Industriemeister beim ehemals zu BAYER gehörenden Unternehmen DYSTAR arbeitenden Ferdinand Feller, den bei BAYERs Logistik-Ableger CHEMION unter Vertrag stehenden Wolfgang Oertel, den seine berufliche Karriere bei BAYER als Hochdruckrohr-Schlosser begonnen und bei der 2002 verkauften Wohnungsgesellschaft des Konzerns fortgesetzt habenden Dieter März sowie den seit 2006 im Ruhestand lebenden BAYER-Dreher Gerhard (Paul) Masurowski. Die Bürgerliste bietet den als Physiklaborant und Technischer Angestellter in BAYER-Diensten gestanden habenden Klaus-Peter Gehrtz und den CHEMION-Werker Stefan Manglitz auf. Die Grünen sind durch Georg Müller, der als Technischer Angestellter bei dem früher zu BAYER gehörenden Unternehmen LANXESS arbeitet, und Gerd (Gerhard) Wölwer, der von 1969 bis 1972 seine Lehre zum Chemielaboranten bei BAYER absolvierte, vertreten. Für die FDP sitzen der bis zu seinem Renteneintritt 2006 auf 40 Jahre BAYER-Erfahrung als Planungsingenieur, Organisationsberater, Betriebsleiter „Logistik“ und Vertragsmanager zurückblicken könnende Wolfgang Blümel und der einst in BAYERs Monheimer Pestizid-Produktion wirkende Chemiker Dr. Klaus Naumann im Stadtrat. Die Unabhängige Wählergruppe (UWG) schließlich schickte den CHEMION-Mann Reimund Vozelj in das Kommunalparlament. Bei dieser geballten Ladung BAYER hat der Chemie-Multi an seinem Stammsitz kaum noch politische Unbill zu befürchten.

Wenning wettert
BAYER-Chef Werner Wenning nutzte seine Abschiedsrede als Vorsitzender des „Verbandes der Chemischen Industrie“, um der Großen Koalition Hausaufgaben aufzugeben. So mahnte er weitere „Reformen“ an. „Was heute politisch opportun erscheint, darf nicht ausschlaggebend sein, wenn es um unsere Zukunft geht“, mahnte er. Auch ein bisschen weniger Klimaschutz hätte Wenning gern: „Bei allem Engagement für den Klimaschutz, den wir mit der Bundesregierung teilen, muss die Politik auch darauf achten, die Leistungsfähigkeit der Industrie nicht zu überfordern“. Im Bereich „Gentechnik“ hingegen sieht er die Seinen deutlich unterfordert. „Es wird höchste Zeit, dass die Bedingungen für die Forschung und den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen auch hier in Deutschland endlich verbessert werden“, forderte der Konzern-Lenker.

Wenning in Davos
Die alljährliche Hauptversammlung der Global Player im schweizerischen Davos gibt sich gerne einen idealistischen Anstrich. BAYER-Chef Werner Wenning strich da kräftig mit. Die Konferenzen, „die sich mit übergeordneten, uns alle betreffenden Fragestellungen befassen, wie zum Beispiel Klimaschutz“, machten für ihn den eigentlichen Wert des Forums aus. Wie materialistisch es aber in Wirklichkeit hinter diesen für die Weltöffentlichkeit aufgebauten Kulissen zuging, beschrieb der Filmregisseur Florian von Henckel Donnersmarck in einem Spiegel-online-Interview. Wer kaum mehr als fünf Milliarden Dollar Umsatz macht, gilt bei dem Klassentreffen nämlich schon als Unterschicht, welche die „feinen Unterschiede“ zu spüren bekommt. „Unternehmer zum Beispiel, die ‚nur‘ fünf Milliarden Dollar Umsatz machen und sich damit gerade mal für das Forum qualifizieren, werden weniger respektvoll behandelt, als solche, die sieben oder neun Milliarden machen“, so der Oscar-Preisträger.

Bund beschließt Gentechnik-Gesetz
Ende Januar 2008 hat der Bundestag das neue Gentechnik-Gesetz verabschiedet, das laut CDU/CSU die „Blockade“ bei der grünen Gentechnik beendet. Das Paragraphen-Werk legt mit 150 Meter Mindestabstände zwischen Genmais-Feldern und konventionell bzw. ökologisch bewirtschafteten Äckern fest, die teilweise weit unter denen in vielen anderen europäischen Ländern festgelegten bleiben. Zudem macht der Gesetzgeber diese zur Verhandlungssache, indem er Privatabsprachen zwischen Nachbarn zulässt. Auch die Haftungsbestimmungen sind völlig unzureichend, da das Verursacherprinzip nicht gilt und bestimmte Berufsgruppen wie ImkerInnen gar nicht erfasst sind. Zudem legt die neue Regelung eine äußerst knapp bemessene Einspruchsfrist fest. So kritisiert der BUND ÖKOLOGISCHER LEBENSMITTELWIRTSCHAFT (BÖWL) denn auch, dass „ein Großteil der zu erwartenden Schadensfälle durch die im Gesetz vorgesehene Haftung nicht abgedeckt“ ist. Nur bei der Etikettierung hat sich die Große Koalition zu einer Verschärfung durchgerungen. Wo „ohne Gentechnik“ drauf steht, darf jetzt kein 0,9-prozentiger Anteil von Futtermitteln aus Gentech-Produktion mehr drin sein. Dafür dürfen sich jetzt Medikamente und Vitamine, die GenköchInnen angerührt haben, unter dem Label wohlfühlen, wogegen prompt der „Hauptverband des deutschen Einzelhandels“ protestierte.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER sponsort Pestizid-Symposion
Im Oktober 2007 hat der Leverkusener Multi ein internationales Symposion zum Thema „Grauschimmelfäule“ gesponsort, das im südafrikanischen Kapstadt stattfand. Veranstaltet vom zur Universität Stellenbosch gehörenden Institut für Wein-Biotechnologie, diente das Ganze laut Konzern als „‚Schaufenster‘ für die neuesten Forschungsergebnisse“. Allerdings ließ die ausgestellte Produktvielfalt zu wünschen übrig: In der Auslage fanden sich nur BAYERs Antipilz-Wirkstoffe Fenhexamid und Pyrimethanil.

BAYER hetzt gegen die CBG
Ende August 2007 wollte BAYER als Ausrichter einer Konferenz der UN-Umweltbehörde UNEP, an der 150 junge UmweltschützerInnen aus aller Welt teilnahmen, weiter an seinem grünen Image feilen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) protestierte gegen die Alibi-Veranstaltung und präsentierte der Öffentlichkeit das Umweltsündenregister des Konzerns, was auf breite Resonanz stieß. So interviewte ein ungarischer Journalist CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes und konfrontierte den Leverkusener Multi anschließend mit den von der Coordination erhobenen Vorwürfen. In dem Antwortschreiben weist das Unternehmen die Kritik wie erwartet zurück. Man habe niemals Lobby-Aktivitäten gegen politische Vorhaben entfaltet und bemühe sich stets nach Kräften, „faire und effektive politische Rahmenbedingungen, welche den Wettbewerb nicht behindern“ zu erreichen, behauptet der Leverkusener Multi. Die CBG bezichtigt der Konzern hingegen einmal mehr, mit Halbwahrheiten und Falschinformationen zu operieren. Darüber hinaus bezeichnet das Unternehmen diese als Gruppe „einer extremen ideologischen Richtung“ - und auch diesmal fehlt der Verweis auf einen „teilweise kommunistischen Hintergrund“ nicht.

BAYERs Freund der Baum
Durch die Kooperation mit der UN-Umweltbehörde UNEP versucht sich BAYER ein grünes Image zu verleihen. So richtete der Pharma-Riese Ende August 2007 eine Konferenz in Leverkusen mit 150 jungen UmweltschützerInnen aus aller Welt aus. Neuester Greenwashing-Coup: Der Konzern pflanzt im Rahmen eines UNEP-Aufforstungsprogramms 300.000 Bäume, was angeblich den Kohlendioxid-Gehalt in der Luft um 7.500 Tonnen reduziert. Um allerdings das CO2 um einen solchen Wert zu senken, wie ihn die vom Unternehmen geplanten Kohlekraftwerke erhöhen, müsste er schon Milliarden von Bäumen aufbieten.

Lobby-Verband aufgeflogen
Seit Jahren versuchen BAYER & Co., das Reklame-Verbot für Arzneien aufzuheben, indem sie Werbung zu „Information“ umwidmen. Dabei bedienten sie sich auch der Mithilfe des Verbandes „Pro Patienteninformation“. Das Ziel der „Abschaffung des Informationsverbotes für verschreibungspflichtige Arzneimittel“ verfolgend, gab die Organisation vor, 55.000 PatientInnen sowie die Selbsthilfegruppen der Parkinson-, Osteoporose- und Morbus-Bechterew-Erkrankten zu vertreten. Diese wussten allerdings gar nichts von ihrem Glück. Das „IPAS Institut politische Analysen und Strategie“ hatte sie kurzerhand zu StatistInnen in seiner von der Pharma-Industrie finanzierten Lobby-Kampagne gemacht. Doch der Schwindel flog auf. Der „Deutsche Rat für Public Relations“ (DRPR) erteilte Jan Burdinski als Initiator der „allem Anschein nach virtuelle Koalition Pro-Patienteninformation“ eine Rüge. „Die Nichttransparenz sei als vorsätzlich und der Verstoß als schwerwiegend zu bewerten“, urteilte der DRPR.

Selbsthilfe zur BAYER-Hilfe
Die Unterstützung von Selbsthilfegruppen stellt für die Pillenriesen eine lohnende Investition dar. „Wenn Firmen zehn Prozent mehr in Selbsthilfegruppen investieren, wächst ihr Umsatz um ein Prozent im Jahr. Wenn sie zehn Prozent mehr in das Marketing bei Ärzten investieren, wächst ihr Umsatz nur zwischen 0,2 und 0,3 Prozent“, hat der als Gesundheitsökonom an der Universität Bremen lehrende Gerd Glaeske errechnet. Darum unterstützt der Leverkusener Multi Verbände wie die „Deutsche Multiple-Sklerose-Gesellschaft, die „International Diabetes Federation“, die „National Coalition for Cancer Survivorship“, die „Juvenile Diabetes Research Foundation“, die „National Hemophilia Foundation“ und die „American Heart Association“ finanziell. Darüber hinaus betrieb BAYER bis 2005 die Homepage „www.selbsthilfegruppen.de“. Um die Gruppen vor dem Ruch der Käuflichkeit zu bewahren, gab der Konzern die Pflege der Seite inzwischen an eine Leverkusener Agentur ab. Das Geld dürfte aber immer noch aus der Portokasse des Pharma-Riesen kommen.

100.000 Dollar für Bluterverband
Dem US-amerikanischen Bluterverband „National Hemophilia Foundation“ (s. o.) ist BAYER besonders gewogen, gilt es doch, vergessen zu machen, dass in den 90er Jahren Tausende Bluter an „HIV“-verseuchten Blutprodukten des Konzerns starben, weil das Unternehmen sein Präparat KOGENATE aus Kostengründen keiner Hitze-Behandlung unterzog. So überreichte der Multi der Organisation im Februar 2008 einen Scheck über 100.000 Dollar für ein Programm zur Förderung des Verbandsnachwuchses.

BAYERs DiabetikerInnen

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„Hilfe zur Selbsthilfe“ (s. o.) betreibt BAYER auf dem Feld „Diabetes“ besonders intensiv. So hat er mit der „International Diabetes Federation“ (IDF) die Kampagne „Unite for Diabetes“ ins Leben gerufen. Der IDF zeigte sich dankbar und nahm die Blutzucker-Selbstkontrolle in ihren Richtlinien-Katalog zur Diabetes-Therapie auf, was den Abverkauf von Diabetes-Diagnostika made by BAYER nicht unwesentlich ankurbeln dürfte. Als hilfreich erwies es sich auch, dass das IDF-Vorstandsmitglied Anne Marie Felton gleichzeitig der „Federation of European Nurses in Diabetes“ angehört. So konnte die Organisation sich gleich einmal in Leverkusen zu einem Diabetes-Symposion treffen. Der Pharma-Riese nutzte das, um weiter Netzwerk-Arbeit zu betreiben. Es gelang ihm, Professor Oliver Schnell vom „Institut für Diabetes-Forschung“ der Universität München und Dr. Xavier Cos vom Katalonischen Gesundheitszentrum als Redner zu gewinnen, die selbstredend beide die Bedeutung der Blutzucker-Selbstkontrolle betonten.

BAYERs DiabetikerInnen

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Mit dem gestiegenen Lebensstandard werden in den Schwellenländern auch die Zivilisationskrankheiten zunehmen, spekuliert BAYER und pflegt deshalb in Indien schon einmal die gesundheitspolitische Landschaft. So gehört er gemeinsam mit ELI LILLY und BD zu den Sponsoren eines millionen-schweren Diabetes-Weiterbildungsprogramms für Angestellte des Gesundheitswesens. Damit wollen die Pharma-Riesen die westlichen Behandlungsmethoden in Indien implementieren. Ein wesentlicher Bestandteil dieser „Entwicklungshilfe“ ist es, die PatientInnen zu einem „Selbstmanagement“ ihrer Krankheit anzuleiten, wozu natürlich die entsprechenden Blutzuckermessgeräte von BAYER & Co. unabdingbar sind.

BAYERs DiabetikerInnen

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BAYER gehört zu den Sponsoren des EU-Projektes „Image“, das einheitliche Richtlinien zur Früherkennung und Behandlung von Diabetes entwickeln will.

BAYERs ASPIRIN-Kampagne
Der Leverkusener Multi hat seine Anstrengungen, ASPIRIN als Mittel zur Vorbeugung von Herz/Kreislaufkrankheiten am Markt zu platzieren, noch einmal verstärkt. In den USA gelang es dem Konzern, das „American College of Preventive Medicine“ und die „Partnership für Prevention“ für eine Kampagne einzuspannen. Diese setzt sich zum Ziel, ÄrztInnen und andere AkteurInnen des Gesundheitswesens für die Wirkungen des „Tausendsassas“ zu sensibilisieren, welche längst nicht alle ExpertInnen als segensreich empfinden. So erhöht das Mittel nach einer Studie der Universität Oxford z. B. das Risiko für durch Blutungen im Gehirn ausgelöste Schlaganfälle, da es den Blutfluss anregt (Ticker 3/07).

BAYER startet „Tierarzt-TV“
Der Leverkusener Multi nutzt künftig VeterinärInnen-Praxen als Werbe-Plattform. Der Leverkusener Multi strahlt in Wartezimmern sein „Tierarzt-TV“ aus. Das Magazin bietet alles rund ums Tier - und das entsprechende BAYER-Angebot. „Tierärzte sind von jeher unsere wichtigsten Multiplikatoren. Das von uns kreierte Tierarzt-TV bietet die Möglichkeit, Tierhalter in den Praxen direkt anzusprechen“, erläuterte BAYER-Mann Christian Behm die PR-Strategie.

BAYER schult ApothekerInnen
Die traditionelle bundesdeutsche Pharmazie steht derzeit durch Internet-Apotheken und Forderungen nach Aufhebung des Fusionsverbotes unter Druck. In dieser Situation bietet BAYER „Hilfe“ an. Die vom Leverkusener Multi gegründete „Innovations-Akademie Deutscher Apotheker“ will den Pillen-VerkäuferInnen Marketing-Nachhilfe geben - und als Nebenwirkung natürlich noch besser mit ihnen ins Geschäft kommen.

BAYER wäscht weiter
BAYER setzt die Kooperation mit der Zeitschrift National Geographic Deutschland (NGD) und damit auch die diesbezüglichen Greenwashing-Aktivitäten fort (siehe auch SWB 3/05). Der Konzern unterstützt weiterhin den von dem Magazin initiierten „Global Exploration Fund“, der sich der Ressource „Wasser“ widmet. Das letzte Mal stellte die Publikation dem Unternehmen dafür in einer Wasser-Broschüre vier Seiten zur Eigenwerbung zur Verfügung. Hinzu kamen „lobende Erwähnungen“ in zahlreichen Medien-Veröffentlichungen zum Thema. Damit kann sich der Leverkusener Multi einmal mehr medienwirksam als Schutzpatron des kostbaren Stoffes in Szene setzen, dem er im wirklichen Leben als Einleiter von Chemikalien und Großverbraucher arg zusetzt.

Fonds & Co. macht BAYER-Werbung
Die Zeitschrift Fonds & Co. widmet sich Finanz-Anlagen. Dies ist ein recht trockenes Thema. Deshalb hat sich die Publikation dafür entschieden, eine Artikelreihe zu Private Equity-Investments mit Einblicken in BAYERs Forschungslabors aufzumachen und mit den entsprechenden Fotos auszuschmücken, obwohl der Zusammenhang mehr als vage ist. Das hört sich dann zum Beispiel so an: „Bioscience-Wissenschaftler können nicht genau genug prüfen, bevor sie ein neues Produkt in den Freiversuch entlassen (...) Nicht viel anders als den Forschern von BAYER im Genter Labor ergeht es Zeichnern und Emissionshäusern“. Ein anderes Mal spannt der Autor den Bogen von BAYERs gentechnisch veränderten Baumwollpflanzen, von denen die wenigsten den Sprung vom Labor auf den Acker schaffen, zu den Gepflogenheiten der Finanzbranche. „Die Größe der Population hängt also von der Zahl der Pflänzchen am Start ab. Das Gleiche gilt, wenn man sich einen Eindruck von den Private-Equity-Investments verschaffen will, die am besten performt haben“, heißt es in dem Text. Es wäre schon ein großer Zufall, wenn die Assoziationen der Fonds-JournalistInnen nur aus freien Stücken immer wieder gen Leverkusen strebten ...

Funk Uhr wirbt für LEVITRA
Die Fernsehzeitschrift Funk Uhr macht unverhüllt Werbung für BAYERs LEVITRA und andere Potenzmittel. Dabei schließt sie sich natürlich auch der von den Pharmariesen in Umlauf gebrachten Diagnose an, wonach die Ursache der „erektilen Dysfunktion“ in 80 Prozent der Fälle organischer Natur sei. Die Frage „Was hilft?“ ist dann schnell beantwortet. „VIAGRA, LEVITRA und CALIS helfen medikamentös auf die Sprünge“, heißt es in dem Blatt.

Verkappte Werbung im Internet
In der Bundesrepublik ist es untersagt, für rezeptpflichtige Arzneien zu werben. BAYER & Co. versuchen zurzeit alles, um dieses Verbot aufzuheben. Parallel dazu finden die Multis aber auch jetzt schon Mittel und Wege, ihre Produkte anzupreisen. Wer sich beispielsweise im Internet über Verhütungsmittel informieren will und bei GOOGLE den Begriff „Pille“ eintippt, landet als erstes auf www.pille-mit-herz.de. Nur im Kleingedruckten findet sich der Betreiber der Seite angegeben: die BAYER-Tochter JENAPHARM. Die Webpage gibt vor, allgemein in das Thema einzuführen, stellt die unterschiedlichen Verhütungsmethoden sowie einzelne Pillen-Arten vor. Nur ganz behutsam führt JENAPHARM die SurferInnen auf den „richtigen“ Weg. Mit dem Slogan „Mehr als verhüten - sanft verhüten“ preist die Firma mit Drospirenon den Wirkstoff der haus-eigenen niedrig dosierten Verhütungspillen an. Natürlich fehlt der Hinweis darauf, dass diese Substanz doppelt so oft die Nebenwirkung „Blutgerinnsel“ hat wie Levonorgestrel oder Norethisteron. Darüber hinaus will das Unternehmen seine Präparate als Lifestyle-Medikamente an die Frau bringen. „Die neueste Entwicklung ist, dass deine Pille jetzt sogar einen Beauty-Effekt hat“, verkündet JENAPHARM und verheißt positive Effekte auf Haut und Haar an.

DRUGS & PILLS

Arznei-Test mit Nebenwirkungen
Im Jahr 2005 kam es bei Arznei-Tests mit Parkinson-Kranken, die der nun zu BAYER gehörende Pharma-Multi SCHERING in Kooperation mit dem Unternehmen TITAN in den USA durchführte, zu ernsthaften Zwischenfällen. Die per gehirnchirugischem Eingriff implantierten Zellen zur Dopamin-Produktion verursachten bei den ProbandInnen Verwirrtheitszustände, Depressionen bis zu Selbsttötungsversuchen, Lähmungserscheinungen, Sprachausfälle, epileptische Anfälle, Hirnblutungen, Asthma und andere körperliche oder geistige Beeinträchtigungen. Die dauerhaft geschädigte Suzanne Davenport hat deshalb Klage gegen den Leverkusener Agro-Riesen eingereicht (siehe auch SWB 1/08).

Leberschäden durch ZETIA?
Seit Juni 2007 vermarktet BAYER den Cholesterinsenker ZETIA (Wirkstoff: Ezetimib) gemeinsam mit SCHERING-PLOUGH in Japan. Um die Geschäfte mit dem Milliarden-Seller nicht zu gefährden, hat SCHERING-PLOUGH als Hersteller jahrelang interne Untersuchungsergebnisse über die leberschädigende Wirkung des Präparates geheim gehalten. Nicht einmal die Aussortierung einiger PatientInnen mit besonders hohen Leberwerten konnte das Resultat verbessern. Auf die Frage, warum der Konzern die Öffentlichkeit nicht umgehend informiert habe, antwortete ein Verantwortlicher, man habe die ganze Sache nicht für relevant gehalten. Ebenso irrelevant scheint für das Unternehmen eine ZETIA-Studie zu sein, die im Jahr 2002 begann und noch immer keinen Abschluss gefunden hat. Erst nach erheblichem Druck von Seiten des US-Kongresses erklärte sich der Pharma-Riese bereit, die Daten im März 2008 zu publizieren.

Schlaganfälle durch ASPIRIN
Der Leverkusener Multi bewirbt sein Schmerzmittel ASPIRIN mit dem Wirkstoff Acetylsalicylsäure seit einiger Zeit aggressiv als Mittel zur Prophylaxe von Herzinfarkten und Schlaganfällen. Dabei erhöht das Mittel das Risiko für Schlaganfälle, die nicht durch einen Gefäßverschluss, sondern durch eine Blutung im Gehirn entstehen, weil der „Tausendsassa“ den Blutfluss im Kopf anregt (Ticker 3/07). Eine neue, in der Fachzeitschrift Lancet (Band 370, S. 493) veröffentlichte Studie hat jetzt auch seine Unterlegenheit gegenüber dem Gerinnungshemmer Warfarin beim Schutz älterer Menschen mit Vorhofflimmern vor einem Gehirnschlag dokumentiert. Während in der Warfarin-Gruppe 21 ProbantInnen einen Schlaganfall erlitten, so waren es in der Acetylsalicylsäure-Gruppe 44.

ASPIRIN-Resistenzen nehmen zu
Durch jahrelange Arbeit hat BAYER es geschafft, ASPIRIN eine Herz/Kreislauf-Erkrankungen vorbeugende Wirkung anzudichten. So nehmen z. B. schon fünf Prozent aller SchweizerInnen das Schmerzmittel aus prophylaktischen Gründen ein. Seit einiger Zeit beobachten MedizinerInnen aber gerade bei den KonsumentInnen des „Tausendsassas“ einen Zuwachs von Herzinfarkten und Schlaganfällen. Die ÄrztInnen erklären sich dieses Phänomen mit der zunehmenden Herausbildung von ASPIRIN-Resistenzen. Allein in Thailand zählen die Gesundheitsbehörden schon 65.000 Fälle.

YASMIN-Patent verloren
Die Verhütungspille YASMIN ist BAYERs lukrativstes Medizin-Produkt. Allein in den USA macht der Konzern damit jährlich einen Umsatz von 321 Millionen Euro. Und die weiteren Aussichten schienen glänzend, denn das Patent sollte eigentlich erst 2020 auslaufen. Doch es kam anders. Das US-amerikanische Pharma-Unternehmen BARR focht in den Vereinigten Staaten eines der drei Patente an, die der Leverkusener Multi auf die Antibabypille hält, und bekam Recht zugesprochen. Der zuständige Richter Peter Sheridan wies BAYERs Anspruch auf geistiges Eigentum für die Praxis, das Hormon Drospirenone in so kleine Portiönchen aufzuteilen, dass der Organismus es schnell aufnehmen kann, zurück. Das wäre ein in der Pharmazie übliches Vorgehen und keine BAYER-Erfindung, begründete Sheridan das Urteil, das der Konzern in einem Revisionsverfahren wieder kippen will. Während BARR nun mit einer Nachahmer-Version von YASMIN auf den Markt drängt, sieht der Pillenriese nach der Gerichtsentscheidung auch das Patent für das Verhütungsmittel YAZ bedroht. Die Börse reagierte prompt mit Kursabschlägen für die BAYER-Aktie, und der Vorstandsvorsitzende Werner Wenning musste die Gewinnerwartungen für den gesamten Pharma-Bereich nach unten korrigieren.

Neue Verhütungspille
Nicht zuletzt der langwierige und jetzt vorerst entschiedene Patentstreit um das Verhütungsmittel YASMIN (s. o.) hat den Leverkusener Multi dazu getrieben, rasch für Nachschub in dem Segment zu sorgen. So hat er nun in Europa die Zulassung für ein neues Präparat beantragt. Ob das Mittel mit den beiden Hormonen Estradiol und Dienogest als Wirksubstanzen die Leber aber tatsächlich weniger schädigt als vergleichbare Produkte, wie BAYER behauptet, dürfte erst der Praxis-Test zeigen.

Doppelte DIANE-Standards
BAYER darf DIANE-35 in Europa und Kanada wegen seiner Risiken und Nebenwirkungen nicht als Verhütungsmittel vermarkten; zugelassen ist es nur noch als Arznei zur Behandlung schwerer Hormonerkrankungen. Das hinderte den Pharma-Riesen jedoch nicht, das Produkt in Schwellenländern als Antibabypille auf den Markt zu bringen. So erhielt DIANE-35 2001 in Südkorea eine Zulassung. Erst als unabhängige Nichtregierungsgruppen diese doppelten Standards kritisierten, machte der Leverkusener Multi einen Rückzieher.

Teststreifen-Rückruf
In den USA musste der Leverkusener Multi eine Rückruf-Aktion für Diabetes-Teststreifen starten. Durch einen Produktionsfehler zeigten sie um bis zu 17 Prozent höhere Blutzucker-Werte an.

LEUKINE-Rückruf
BAYER musste das gentechnisch produzierte LEUKINE in der flüssigen Darreichungsform nach Meldungen über schwere Nebenwirkungen vom Markt nehmen. Der vor allem zur Stärkung des Immunsystems von Leukämie-Kranken und nach Knochenmarktransplantationen zum Einsatz kommende Wachstumsfaktor hatte bei den PatientInnen wiederholt zu Bewusstlosigkeit geführt. Der Leverkusener Multi machte den der Flüssigkeit als Stabilisator beigegebenen Stoff Ethylendiamintetraacetat dafür verantwortlich.

AVELOX schädigt Leber
Nach Meldungen über von BAYERs Antibiotikum AVELOX ausgelöste Leber- und Hautschädigungen forderte das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ den Pharma-Riesen auf, ÄrztInnen in einem Brief ausdrücklich auf diese Nebenwirkungen hinzuweisen.

Lungenkrebs: NEXAVAR hilft nicht
Als „Meilenstein im Kampf gegen Krebs“ feiert BAYER sein Mittel NEXAVAR. Es kommt bisher bei der Behandlung von Nieren- und Leberkrebs zum Einsatz und sollte auch bei Lungenkrebs Anwendung finden. Jetzt musste der Leverkusener Multi entsprechende Tests allerdings abbrechen. Das Präparat mit dem Wirkstoff Sorafenib half nicht nur nicht, es verkürzte sogar die Lebenserwartung der PatientInnen.

Bluthochdruck durch NEXAVAR
Nach einer in der medizinischen Fachzeitschrift LancetOncology veröffentlichten Studie erhöht BAYERs Krebsmedikament NEXAVAR das Bluthochdruck-Risiko, wodurch für die PatientInnen die Gefahr steigt, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden.

Zulassung für Thrombose-Mittel beantragt
BAYER hat die Zulassung für die Thrombose-Arznei Rivaroxaban beantragt. Der Leverkusener Multi hofft auf eine Genehmigung für den prophylaktischen Einsatz zur Verhinderung von Blutgerinnseln nach größeren orthopädischen Operationen und will das Präparat unter dem Namen XARELTO vermarkten.

Riesige Gewinnspannen
Der Pharma-Markt hält für BAYER & Co. riesige Gewinnspannen bereit. Von dem Geld, das Kranke für ein Medikament zahlen, fließen über 60 Prozent an die Pillen-Produzenten zurück, während für die Apotheke nur 15,2, den Staat 12,8, die Krankenkassen 7,5 und den Großhandel 3,7 Prozent bleiben.

Fast alles zulässig
„Die Alte Welt ist auf dem besten Weg, zum neuen Lieblingsmarkt der Pharma-Industrie zu werden. Die Konzerne haben hier weniger Probleme mit der Zulassung als in den USA“, zitiert die BUKO-PHARMA-KAMPAGNE die Financial Times Deutschland. Wenn diese Wirtschaftspostille die bundesdeutschen Genehmigungsbehörden lobpreist, dann muss es um den vorbeugenden Gesundheitsschutz im Lande wahrlich schlecht stehen.

JENAPHARM erfindet Krankheiten
Für die vielen auf dem Markt befindlichen Pillen gibt es viel zu wenig Gesundheitsstörungen. Deshalb zeigen sich die Pharma-Riesen erfindungsreich. BAYERs Tochtergesellschaft JENAPHARM beispielsweise will kleine Zipperlein vor der Monatsblutung dem eh‘ nur mit Biegen und Brechen als Krankheit durchgehenden „Prä-Menstruellen Syndrom“ zuschlagen und dafür mit der Pille PETIBELLE auch gleich die passende pharmakologische Lösung liefern.

Forschung an Brustkrebs-Arznei
„Sexualhormone selbst verursachen keinen Brustkrebs, sie können aber das Wachstum bestehender Karzinome fördern“ - diese Erkenntnis führt den Leverkusener Multi keinesfalls dazu, in einem Akt der Selbstkritik seine umstrittenen Hormontherapien für Frauen in den Wechseljahren vom Markt zu nehmen. Sie dient vielmehr dazu, neue Forschungen zur Verlangsamung des Brustkrebs-Wachstums vorzustellen. Setzten die MedizinerInnen hier bislang vor allem Antihormone ein, welche die Östrogen-Aufnahme hemmten, so konzentrieren sich die Leverkusener PharmakologInnen jetzt auf das Progesteron und testen einen Progesteron-Blocker in einer Phase-II-Studie mit 70 PatientInnen. Wenn es sich wie im Fall NEXAVAR verhält, dürfte das Mittel die Lebenserwartung der Patientinnen um 2-3 Monate erhöhen und BAYER wieder dazu veranlassen, mit Schlagzeilen wie „Leberkrebs im Visier“ oder „Weiterer Meilenstein im Kampf gegen den Krebs“ den Eindruck zu erwecken, wirklich eine Arznei gegen die Krankheit gefunden zu haben, was nicht den Tatsachen entspricht.

GENE & KLONE

BAYERs Genmedizin-Partner
Der Leverkusener Pharma-Riese führt mit zahlreichen Biotech-Unternehmen genmedizinische Forschungsprojekte durch. Die Kooperation mit AFFIMETRIX widmet sich ebenso wie die mit INPHARMATICA, NEUROSCIENCES VICTORIA und der Universität von Monash der Suche nach Arznei-Wirkorten. Mit ARTEMIS prüft er diese nach Herz und Nieren. Mit CELERA entwickelt BAYER ein Therapeutikum für Autoimmunkrankheiten. Mit den Firmen CHEMDIV und COMGENEX betreibt der Pillen-Hersteller Wirkstoff-Synthese, mit GENEDATA Bioinformatik. In Zusammenarbeit mit MORPHOSYS und NOVARTIS forscht der Multi nach Antikörpern zur Behandlung von Krebs und mit WARNER CHILLCOTT nach solchen zur Behandlung von Hautkrankheiten.

BAYER setzt auf molekulare Diagnostika
Der Leverkusener Multi entwickelt derzeit gentechnische Diagnose-Verfahren, die erste Anzeichen einer Krankheit bereits auf zellulärer Ebene aufspüren sollen. Der Konzern hofft, so ein Instrument zur Früherkennung degenerativer Gesundheitsstörungen wie etwa Alzheimer, Krebs oder Herz/Kreislauf-Erkrankungen entwickeln zu können. Diese „molekularen Diagnostika“ befinden sich allerdings noch in der ersten Phase der Klinischen Tests. Ob die Mittel die in sie gesetzten Erwartungen auch erfüllen werden, steht lange noch nicht fest.

MABCAMPATH: erweiterte Zulassung
Bisher durften MedizinerInnen das von BAYER und GENZYME gemeinsam entwickelte Gentech-Medikament MABCAMPATH (Wirkstoff: Alemtuzumab) bei der chronisch-lymphatischen Leukämie nur einsetzen, wenn die PatientInnen bereits mit anderen Arzneien vorbehandelt waren oder eine Therapie mit Fludarabin nicht den gewünschten Erfolg erbracht hatte. Nach der US-amerikanischen Zulassungsbehörde erteilte dem Pharmariesen nun aber auch ihr europäisches Pendant die Genehmigung für den Ersteinsatz des monoklonalen Antikörpers, der sich gezielt an von Leukämie befallene Zellen binden und das Immunsystem so anregen soll, diese zu zerstören.

KOGENATE zur Vorbeugung?
BAYER will das Anwendungsspektrum seines gentechnisch hergestellten Blutgerinnungshemmers KOGENATE erweitern und hat eine Studie durchführen lassen, die den prophylaktischen Einsatz ab einem Alter von sechs Monaten empfiehlt. Das würde Gelenkeinblutungen vorbeugen und so die Gelenkfunktion länger erhalten, meinen die AuftragsforscherInnen.

LIBERTY-LINK-Zulassung vertagt
Über die von BAYER bei der EU beantragte Import-Zulassung für genmanipulierte Soja- und Baumwoll-Pflanzen aus der LIBERTY-LINK-Baureihe müssen jetzt die Agrar-MinisterInnen entscheiden. Ein Ausschuss hatte sich zuvor weder auf eine Ablehnung noch auf eine Genehmigung einigen können.

Brasilien genehmigt Gen-Mais
Um die Genehmigung für genmanipulierten BAYER-Mais tobte in Brasilien lange eine heftige Auseinandersetzung. Nachdem Präsident Lula da Silva kurzerhand die Zulassungsbedingungen gelockert hatte, gaben die Behörden zunächst grünes Licht für die Genpflanze mit der eingebauten Resistenz gegenüber dem Herbizid LIBERTY LINK. Ein Bundesrichter hob das Votum jedoch wieder auf. Die einheimischen Sorten bedürften des Schutzes, gab er zur Begründung an. Das Moratorium währte allerdings nicht allzu lange. Anfang 2008 erlaubten die zuständigen Stellen die Aussaat des Labor-Mais‘ wieder.

Raps made by BAYER
Seit einiger Zeit macht sich der Leverkusener Multi daran, Lebensmittel zu „verbessern“. So hat er mittels biotechnologischer Verfahren die Raps-Sorte INVIGOR HEALTH entwickelt. Diese muss bei der Weiterverarbeitung kein Härtungsverfahren mehr durchlaufen und bildet deshalb angeblich keine Trans-Fettsäuren mehr, die nach BAYER-Angaben das Herz/Kreislaufsystem schädigen können.

Pflanzen made by BAYER
Bislang leuchteten kaum einem die Segnungen der „grünen Gentechnik“ ein. BAYER hat aus dem Akzeptanz-Problem gelernt und will nun in die Pflanzen besser vermarktbare Eigenschaften einbauen. Seine Gen-KöchInnen suchen jetzt angeblich nicht mehr nach „dem maximalen Ertrag“. „Der richtige Mix vieler günstiger Eigenschaften“ ist ihnen wichtiger. In der Genter Versuchsküche des Konzerns arbeiten die WissenschaftlerInnen daran, den Stoffwechsel der Ackerfrüchte anzuregen, ihre Abwehrkräfte zu stärken und die Ausschüttung von Stresshormonen zu reduzieren. Wenn sich diese Eigenschaften, die der Agro-Riese schon in zehn Jahren wie „Legosteine“ zu kombinieren hofft, auf der freien Wildbahn einmal an Wildpflanzen vererben, dann dürfte ein Flurschaden ungeheurer Ausmaße einstehen.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

BAYER-Pestizide sind überall
Das nordrhein-westfälische Umweltministerium hat die Pestizid-Belastungen von Obst und Gemüse im Internet öffentlich zugänglich gemacht. Unter www.ilm.nrw.de/pestrep/pestshow1.html listet es detailliert die Ergebnisse der Lebensmitteluntersuchungen auf. Wie nicht anders zu erwarten, ist BAYER prominent vertreten. Bei Äpfeln beispielsweise stammen fünf der zehn am häufigsten in den Früchten nachgewiesenen Ackergifte vom Leverkusener Multi. Die PrüferInnen stießen auf den unter dem Namen SEVIN oder SEVIN XLR PLUS vermarkteten Wirkstoff Carbaryl, auf Trifloxystrobin (FLINT), auf Chlorpyrifos (BLATTANEX, PROFICID und RIDDER), auf Pyrimethanil (CLARINET, FLINT STAR, MYSTIC, MYTHOS, SCALA, SIGANEX, VISION und WALABI) sowie auf die in der Bundesrepublik jüngst mit einem Verbot belegte Substanz Tolylfluanid. Bei Birnen, Tomaten & Co. dürfte der Marktanteil des Leverkusener Multis an den Giftdosen kaum geringer ausfallen.

Keine Zulassung für PONCHO
Die französischen Behörden haben BAYERs Saatgutbehandlungsmittel PONCHO mit dem Wirkstoff Clothianidine wegen seiner Bienengefährlichkeit eine Zulassung verweigert. Sie werteten die vom Agro-Riesen vorgelegten Unterlagen als „unpräzise“, „voller Ungereimtheiten“ und „nicht für eine Zulassungsprüfung geeignet“. Ihre Pendants in der Bundesrepublik und in anderen europäischen Ländern hatten da weniger Probleme: Sie genehmigten PONCHO ohne viel Federlesens.

Neue Vermarktungsstrategie für Pestizide
In Brasilien hat der Leverkusener Chemie-Multi eine neue Vermarktungsstrategie entwickelt, um den Absatz seiner Ultragifte BAYSISTON und FOLICUR unter den Kaffee-AnbauerInnen zu fördern: Er lässt sich in Naturalien auszahlen. „Diese Initiative vereinfacht das Leben des Kaffeebauern, denn er bezahlt mit seiner Produktion, ohne dafür Geld ausgeben zu müssen“, so BAYERs Marketing-Direktor Gerhard Bohne (sic!).

BIOSPRIT & PROFIT

Agrosprit aus Institute
Der Leverkusener Multi versucht verstärkt, Biodiesel-Betrieben mit dem Zauberwort „Synergie-Effekte“ eine Ansiedlung in seinen von Leerständen heimgesuchten Chemie-Parks schmackhaft zu machen. In den USA erlag die KANAWHA BIODIESEL LLC den Lockrufen des Konzerns und bezog auf dem BAYER-Areal in Institute Quartier.

WASSER, BODEN & LUFT

Zwei neue Müllkraftwerke
Der Leverkusener Chemiemulti setzt bei seiner Energie-Versorgung zunehmend auf billige und dementsprechend umweltschädliche Lösungen. Neben Kohlekraftwerken zählen Müllkraftwerke, beschönigend Ersatzbrennstoffkraftwerke genannt, zu seinen Favoriten. So plant er in Brunsbüttel und Dormagen den Bau solcher Dreckschleudern, die unter anderem Dioxin, chlor-, brom- und fluorhaltige Kohlenwasserstoffe, Chloride, Furane, Kohlendioxid, Schwermetalle wie Quecksilber und Feinstaub, Rost-, Filter- und Kesselasche produzieren (siehe auch SWB 1/08).

Aus für Krefelder Kohlekraftwerk?
In Krefeld hält einstweilen die Opposition gegen das im Chemiepark von BAYER geplante Steinkohle-Kraftwerk mit einem Jahresausstoß von 4,4 Millionen Tonnen CO2, obwohl die CDU-Landtagsfraktion viel Druck auf ihre ParteifreundInnen vor Ort ausübt. Nachdem der Regionalrat den Bau einer solchen Dreckschleuder in einem Industriegebiet für grundsätzlich zulässig erklärte, indem er den Gebietsentwicklungsplan „nachbesserte“, änderten CDU und Grüne kurzerhand den Bebauungsplan, so dass dieser nun kein Kraftwerk in dieser Dimension mehr erlaubt. Beim Leverkusener Multi herrschte daraufhin „große Verbitterung“. Er hat jetzt ein Prüfverfahren bei der traditionell sehr BAYER-freundlichen Bezirksregierung beantragt und hofft auf einen positiven Bescheid bis zum Ende des Jahres.

Schadinsekten mögen CO2
ExpertInnen rechnen bis zur Mitte des Jahrhunderts mit einem Anstieg der Kohlendioxid-Konzentration in der Luft von bisher 380 ppm (Teile pro Million) auf 550 ppm, wozu BAYER mit einem jährlichen Treibhausgas-Ausstoß von 3,8 Millionen Tonnen nicht wenig beiträgt. ForscherInnen der Universität Illinois haben jetzt untersucht, welche Auswirkungen das auf das Verhalten von Schadinsekten hat. Auf einem Sojabohnenfeld simulierten sie die CO2-Erhöhung und stellten beim Japankäfer einen beträchtlich gewachsenen Appetit fest. Der durch die erhöhten Kohlendioxid-Werte in der Luft gestiegene Zuckergehalt bei reduziertem Eiweiß-Anteil brachten ihn auf den Geschmack. Und da die Pflanzen durch die veränderten Bedingungen weniger Abwehrstoffe produzierten, wurde er bei der Mahlzeit kaum noch gestört.

NANO & CO.

Nano im Beton?
Der Leverkusener Multi erweitert seine Produktpalette im Bereich der Nanotechnologie beständig. Er entwickelte bisher spezielle Duftkapseln, Folien, Eishockeyschläger und die BAYTUBE-Kohlenstoffröhrchen. Diese will er jetzt nicht nur Kunststoffen zusetzen, sondern auch Beton, um den Baustoff zugleich leichter und härter zu machen. Ein entsprechendes Forschungsprogramm führt der Leverkusener Multi gemeinsam mit dem „Institut für Bau- und Werkstoffchemie“ der Universität Siegen durch. Der Konzern erwartet von der „Zukunftstechnologie“ Millionen-Umsätze, nur leider teilt diese die schlechten Eigenschaften vieler alter Technologien: Sie stellt ein Risiko für Mensch, Tier und Umwelt dar. Das räumen BAYER & Co. sogar selber ein. „Bei vielen unlöslichen Nanomaterialien ist derzeit nicht auszuschließen, dass die inhalative Aufnahme dieser besonders kleinen Partikel am Arbeitsplatz zu Gefährdungen führen kann“, heißt es in dem vom „Verband der Chemischen Industrie“ gemeinsam mit der „Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin“ herausgegebenen „Leitfaden für Tätigkeiten mit Nanomaterialien am Arbeitsplatz“.

Mehr Nano aus Laufenburg
So ganz hat BAYER die Bande zu HC STARCK noch nicht gekappt. Der Leverkusener Multi nahm auf dem Laufenberger Werksgelände seiner ehemaligen Tochtergesellschaft eine Anlage zur Herstellung von BAYTUBE-Kohlenstoffröhrchen, die aus Nano-Materialien bestehen, in Betrieb. Zusammen mit der ebenfalls auf dem Areal befindlichen BAYTUBE-Pilotanlage will der Konzern damit die Jahresproduktion auf über 60 Tonnen ausweiten.

Kooperation mit FUTURECARBON
BAYER hat eine Zusammenarbeit mit der Bayreuther Firma FUTURECARBON vereinbart. Das Unternehmen produziert für den Leverkusener Multi eine Version der BAYTUBE-Nanoröhrchen in flüssiger Form. So will der Konzern in Zukunft auch mit Herstellern von Batterien und Wasserstoffspeichern ins Geschäft zu kommen.

Nano-Wirkstoffhüllen
Auch auf medizinischem Gebiet finden BAYER & Co. Anwendungsbereiche für die Nano-Technik. Bereits 40 nanomedizinische Produkte gibt es mittlerweile. Der Leverkusener Multi forscht zur Zeit an Arznei-Umhüllungen aus Nano-Materialien. Die winzig kleinen Kunststoff-Mäntel sollen ihre Fracht zielgenauer zum Wirkort transportieren und noch feinstes Gewebe durchdringen können. Eine Gesundheitsgefährdung ist mit dem bisschen Plaste & Elaste im Körper nach Ansicht des Leverkusener Multis nicht verbunden. „Nanomedizinische Produkte werden wie alle Arzneimittel umfassend geprüft und erst dann für den Markt zugelassen, wenn eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung für die Patienten positiv ausgefallen ist“, lässt er den Nanomediziner Dr. Oliver Bujok vom „Verein Deutscher Ingenieure“ (sic) versichern, ganz so, als ob es die Skandale um LIPOBAY und TRASYLOL nie gegeben hätte.

POLITIK & ÖKONOMIE

BAYERs AktionärInnen-Struktur
Bei den bundesdeutschen DAX-Unternehmen hat sich die AktionärInnen-Struktur in den letzten Jahren stark verändert. Besaßen ausländische KapitalanlegerInnen im Jahr 2005 rund ein Drittel der Aktien von MERCEDES, SIEMENS & Co., so konnten sie diesen Anteil bis 2007 auf 53 Prozent steigern. In ihrer Beliebtheitsskala liegt BAYER auf dem dritten Platz, 78 Prozent der AktionärInnen des Leverkusener Multis leben nicht in der Bundesrepublik. Die größte Beteiligung hält mit 20 Prozent die US-amerikanische Investmentgesellschaft CAPITAL RESEARCH AND MANAGEMENT COMPANY.

STANDORTE & PRODUKTION

Platzverweis für Rechtsextreme
Der Rechtsextreme Hans-Ulrich Pieper organisiert seit 1991 „Dienstagsgespräche“. Bisher nutzte er dafür in Dormagen auch das von BAYER verpachtete Parkrestaurant „Kasino“. Am 2.10.07 aber mussten Pieper, Holger Apfel, der Vize-Vorsitzende der NPD, Markus Beisicht, der Chef von „Pro Köln“ und „Pro NRW“ und ihre Anhängerschar draußen bleiben: Der Chemie-Multi machte erstmals von seinem Hausrecht Gebrauch. „Die „Dienstagsgespräche“ finden ab sofort nicht mehr in unserem Hause statt“ - diesen Hinweis im Eingangsbereich hatten die Rechten zur Kenntnis zu nehmen.

BAYER-Kaufhaus dicht
Die viel beschworene BAYER-Familie wird immer mehr zur Chimäre, weil die „Sozialpolitik“ für den Leverkusener Multi nicht mehr zum Kerngeschäft gehört. Nach der Schließung von Bibliotheken, Schwimmbädern, Werkskindergärten und der Abwicklung von Sportvereinen beraubte der Konzern seiner BAYER-Familie jetzt auch noch der Einkaufsmöglichkeit im werkseigenen Kaufhaus. Die 1897 gegründete „Konsumanstalt der Farbenfabriken“ schloss kurz vor Weihnachten 2007 endgültig ihre Pforten und muss nun einem Einkaufscenter weichen.

BAYWOGE wieder verkauft
Anfang 2002 hat BAYER seine Wohnungsgesellschaft BAYWOGE, die in Leverkusen über 6.000 Wohneinheiten verfügte, an die ESSENER TREUHANDSTELLE (THS) verkauft. Für die MieterInnen werde sich nichts ändern, betonte der Konzern damals. Ob sich dies bewahrheitet, steht nun allerdings in Frage, denn der Bund trennte sich von seinen THS-Anteilen und veräußerte sie für 450 Millionen Euro an die beiden anderen Gesellschafter, die RUHRKOHLE AG und die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE. Da das für die beiden neuen Besitzer schwierig zu refinanzieren ist, befürchten der SPD-Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach und der SPD-Kommunalpolitiker Jürgen Scharf Nachteile für die MieterInnen. Zu verkaufsbedingten Mieterhöhungen darf es nach dem Vertrag von 2002 zwar nicht kommen, aber Scharf rechnet mit Einsparungen bei der Instandsetzung und bei der Modernisierung.

Neues Werk in Köln-Knapsack
BAYER baut in Köln-Knapsack für 60 Millionen Euro eine neue Anlage zur Pestizid-Herstellung. Unter anderem will der Konzern dort Glufosinat produzieren. Dass die EU diesen Stoff, den der Konzern bevorzugt in Kombination mit seinen Glufosinat-resistenten Gentech-Pflanzen der LIBERTY-LINK-Serie vermarktet, wegen seiner Gefahren für Mensch, Tier und Umwelt gerade einer Sicherheitsprüfung unterzieht, scheint den Agro-Riesen nicht abzuschrecken.

BAYER wirbt auf der „Expo Real“
Der Leerstand in seinen Chemieparks bewog den Leverkusener Multi dazu, auf der Münchener Immobilien-Messe „Expo Real“ offensiv um neue Mieter zu werben. Die Standkosten teilte sich der Konzern mit der „Wirtschaftsförderung Leverkusen“, die ihrerseits den Manforter Innovationspark und die „Neue Bahnstadt Opladen“ anpries.

BAYER-Kreuz bleibt
Nach vielen Protesten hat sich der Pharma-Riese entschieden, sein weit über Leverkusen hinaus sichtbares BAYER-Kreuz nicht abzureißen. Zu den Gründen der „Denkmalschutz-Initiative“ schreibt die Süddeutsche Zeitung: „Weil seit langem auch über Ausgliederungen von Geschäftsbereichen und Stellenabbau diskutiert wird, ist auch dem letzten Romantiker in der Stadt klar, dass BAYER kein Wohltäter ist, sondern eine Firma, die gut wirtschaften wird. Dennoch erschien manchem in Leverkusen der Abriss des Kreuzes als symbolischer Akt, als endgültiger Bruch mit der Tradition. Eine solche Stimmungslage kann der BAYER-Führung nicht recht sein. Mit der Entscheidung, das Kreuz stehen zu lassen, signalisiert der Konzern, dass er die Wünsche seiner Nachbarn ernst nimmt“.

Neue Nano-Anlage
BAYER hat in Laufenburg eine neue Anlage zur Herstellung von Nano-Röhrchen in Betrieb genommen (siehe NANO & CO.).

Kommt die Verbund-Feuerwehr?
Wie an allen anderen BAYER-Standorten ist auch die 40-köpfige Werksfeuerwehr in Brunsbüttel von Rationalisierungsmaßnahmen bedroht. „Wir müssen was machen, die Kosten treiben uns. Am Ende geben wir Stück für Stück an Sicherheit auf“, warnt der Betriebsratsvorsitzende Hans-Joachim Möller und machte den Vorschlag, eine von allen Unternehmen im Chemiepark getragene Verbund-Feuerwehr zu gründen.

IMPERIUM & WELTMARKT

Nano-Röhrchen mit FUTURECARBON
Der Leverkusener Multi hat auf dem Gebiet der Nanotechnik eine Zusammenarbeit mit dem Bayreuther Unternehmen FUTURECARBON begonnen (siehe NANO & CO.).

PRODUKTION & SICHERHEIT

Berufskrankheit „Asbestose“
Der lange Zeit vor allem in der Bau- und Chemieindustrie verbreitete Werkstoff Asbest ist zwar seit 1993 verboten, aber seine Wirkungen entfaltet er noch heute, da es bis zu 40 Jahren dauern kann, bis z. B. eine Asbestose ausbricht. So zählen durch Asbest ausgelöste Leiden mit einem Anteil von über 15 Prozent immer noch zu den häufigsten - und tödlichsten - Berufskrankheiten. Wieviele ehemalige BAYER-Beschäftigte davon betroffen sind, darüber schweigt sich der Pharma-Riese aus. Die letzten Angaben datieren aus dem Jahr 2000, wo der Konzern die Zahl der anerkannten Berufskrankheiten auf 130 bezifferte und kurz und knapp mitteilte: „Als Krankheitsauslöser waren bei uns vor allem Expositionen gegen Asbest und Lärm relevant“.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Ammoniak-Austritt: 23 Verletzte
Im Wuppertaler BAYER-Werk kam es am 12.3.08 durch eine bei Reparaturarbeiten versehentlich geöffnete Leitung zu einem Austritt von Ammoniak. 23 Personen zogen sich eine Vergiftung zu und mussten sich in ärztliche Behandlung begeben. Die Feuerwehr forderte die BewohnerInnen auf, die Fenster geschlossen zu halten und ihre Wohnungen nicht zu verlassen. Die Schwebebahn stellte umgehend den Betrieb ein. Die WuppertalerInnen hatten dabei noch Glück im Unglück, denn das Sturmtief „Kirsten“ sorgte dafür, dass die gen Innenstadt ziehende Giftwolke rasch vom Winde verweht wurde. „Die Wetterlage hat uns in die Hände gespielt“, so ein Feuerwehr-Sprecher erleichtert.

Thiodicarb-Fässer geborsten
Am 28. Dezember 2007 barsten am US-amerikanischen BAYER-Standort Institute mehrere Fässer mit dem von der Weltgesundheitsorganisation WHO als „extrem gefährlich“ eingestuften Pestizid Thiodicarb. Mehrere AnwohnerInnen mussten sich daraufhin zur stationären Behandlung in ein Krankenhaus begeben. Aufgrund der starken Geruchsbelästigung liefen bei den Behörden die Telefone heiß. Die zögerliche Informationspolitik des Konzerns rügte der zuständige Verwaltungschef als „bodenloses Verhalten“ (siehe auch SWB 1/08).

Sturz in den Tod
Am 15. November 2007 stürzte auf dem Gelände des Uerdinger Chemieparks ein Arbeiter einer Fremdfirma bei Abbrucharbeiten 25 Meter tief in einen Lichtschacht und kam dabei ums Leben.

Arbeiter verlor Bein
Am 29 Februar 2007 geriet ein Arbeiter des Baytowner BAYER-Werks unter einen Schienenwagen und verlor dabei ein Bein.

RECHT & UNBILLIG

Gericht contra Pipeline
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen mit Sitz in Münster hat BAYER verboten, die momentan im Bau befindliche Kohlenmonoxid-Pipeline in Betrieb zu nehmen und entzog damit dem von allen Landtagsparteien im Schnellverfahren verabschiedeten Enteignungsgesetz die Rechtsgrundlage. „Es fehlt eine überzeugende Darstellung der Bedeutung, die die von der Firma BMS (BAYER MATERIAL SCIENCE, Anm. SWB), einem privaten Unternehmen, betriebene Rohrleitungsanlage für die Allgemeinheit hat, um den staatlichen Zugriff auf das Eigentum Dritter zu rechtfertigen. Es müssten konkrete Informationen gegeben werden, beispielsweise Angaben zur Zahl der entstehenden Arbeitsplätze“, urteilten die RichterInnen und schlossen sich damit der Argumentation der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und anderer Initiativen an. In zwei weiteren Verfahren verbot das OVG dem Chemie-Multi das Verlegen der Rohre auf den Grundstücken von Gemeinden, die gegen das Enteignungsgesetz geklagt hatten. „Eine Ohrfeige für den Landtag“, kommentierte die Rhein

[HV Protest] STICHWORT BAYER 02/2007

CBG Redaktion

Turbulente BAYER-Hauptversammlung

Aktionen & AktionärInnen

Am 27. April lud der Leverkusener Multi zu seiner diesjährigen Hauptversammlung ein. Unter den nicht ganz so willkommenden Gästen befanden sich die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, das EINE-WELT-NETZWERK NRW, der NIEDERRHEINISCHE UMWELTSCHUTZVEREIN, die KREFELDER ÄRZTE-INITIATIVE und andere Konzern-KritikerInnen. So kamen den Aktionären nicht nur Zahlen zu Gehör.

Für Bayer war es mal wieder ein Rekordjahr. Mit 29 Milliarden Euro konnte der Vorstandsvorsitzende Werner Wenning auf der Hauptversammlung ein Umsatzplus von 17 Prozent verkünden. Das sorgte aber auch für einen Rekord ganz anderer Art: Keine andere Stadt in Nordrhein-Westfalen verlor 2006 so viele Industrie-Arbeitsplätze wie der Konzern-Stammsitz Leverkusen. Diese und andere Begleiterscheinungen der Gewinnjagd brachten zehn Kritische AktionärInnen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und anderer Initiativen zur Sprache. Der Protest begann schon vor den Kölner Messehallen. Ein fast vier Meter großer, vom Aktionskünstler Klaus Klinger gestalteter Gevatter Tod mit einer Tonne Hexachlorbenzol unter dem Arm spielte auf das von Bayer anvisierte Millionengeschäft mit der Verbrennung australischen Giftmülls an, und eine riesige Weltkugel des EINE-WELT-NETZWERKES-NRWs rief den BesucherInnen die globalen Auswirkungen lokalen Profitstrebens in Erinnerung. Zudem mussten die AktionärInnen sich den Weg zu den heiligen Hallen durch eine Phalanx von FlugblattverteilerInnen bahnen.

Durch den so in ähnlicher Weise schon seit Jahren aufgebauten öffentlichen Druck sieht sich der Multi zu aufwändigen Image-Investitionen veranlasst. Nunmehr sind auf den Hauptversammlungen neben den Zahlen nicht nur ein paar Worte zu hören, sondern sogar Filme zu sehen. Zeigte der Konzern seinen AnteilseignerInnen im letzten Jahr, wie sich mit einem kleinen Griff in die Portokasse durch ein vom Konzern spendiertes Süppchen ein Lächeln auf das Gesicht armer Dritte-Welt-Kinder zaubern lässt, so brachte er diesmal ein Werk über ein angebliches Wundermittel gegen Krebs zur Aufführung. Dass es sich hierbei um pure Science-Fiction handelte, stellte Philipp Mimkes von der CBG klar. Nur bei PatientInnen mit fortgeschrittenem Nierenkrebs, bei denen die Chemotherapie nicht mehr anschlägt, kann BAYER nämlich eine lebensverlängernde Wirkung um bis zu drei Monaten nachweisen, weshalb NEXAVAR gegenüber dem Konkurrenz-Präparat SUTENT auch als Mittel zweiter Wahl gilt. Bei den Indikationen „Haut- und Bauchspeicheldrüsenkrebs“ musste der Leverkusener Multi die Klinische Erprobung von NEXAVAR sogar vorzeitig abbrechen. Mit seiner Vielzahl von gesundheitsgefährenden Produkten ist BAYER für Mimkes daher viel eher Teil des Problems als der Lösung.

„Es gibt Familien, in denen alle Mitglieder Tumorerkrankungen haben. Die Menschen haben eine Zeitbombe in ihrem Körper, ihre Lebenserwartung liegt 30 Jahre unter dem Durchschnitt“, zitierte etwa der Schreiber dieser Zeilen in seiner Rede die Argentinierin Sofia Gatica, die sich mit der Initiative DIE MÜTTER VON ITUZAINGÓ gegen die unter anderem von BAYER-Pestiziden ausgehende Gefahr wehrt. Die allgemeine Schadensbilanz der Ackergifte präsentierte Jens Elmer vom EINE-WELT-NETZ-NRW der Hauptversammlung: Nach neuesten Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO vergiften sich jährlich bis zu 25 Millionen Menschen durch Agrochemikalien. Aber der Leverkusener Multi habe noch nicht einmal sein 1995 gegebenes Versprechen eingelöst, bis zum Jahr 2000 wenigstens die schlimmsten, der Gefahrenklasse I angehörenden Ackergifte vom Markt zu nehmen, kritisierte Elmer und forderte: „Stoppen Sie endlich den Verkauf hochgefährlicher Pestizide!“ An eine solche Zusage mochte Werner Wenning sich nicht mehr erinnern. Die Ablösung von Klasse-I-Pestiziden sei „ein langwieriger Prozess“, da gebe es „keine Schwarz/Weiß-Lösungen“, druckste der Profit-Profi herum und nahm wieder einmal bei der Standard-Antwort Zuflucht, bei sachgemäßer Anwendung gehe von den Chemischen Keulen keinerlei Gefahr aus.

Hubert Ostendorf (CBG) informierte die Hauptversammlung über die von Nierenversagen über Schlaganfälle bis zu Herzinfarkten reichenden Gegenanzeigen der Arznei TRASYLOL und der Allgemeinmediziner Dr. Bernd Kaufmann von der ÄRZTE-INITIATIVE GEGEN DAS KOHLEKRAFTWERK UERDINGEN widmete sich den Risiken und Nebenwirkungen des im Krefelder Chemiepark geplanten Steinkohle-Kraftwerkes. Würde die Dreckschleuder die Feinstaub-Belastung in der Stadt nur um 10 Nanogramm pro Kubikmeter erhöhen, würde die Sterberate bei Lungenkrebs um 14 Prozent steigen, rechnete er vor. „Wir sind der Meinung, dass gesundheitliche Belange auch bei den Fragen der Energie-Gewinnung und -Produktion vorrangige Beachtung finden müssen“, so Kaufmann. Der Krefelder Stadtrat war der selben Meinung und lehnte den Bau ab, aber BAYER lässt nichts unversucht, um doch noch an die Dreckschleuder zu kommen.

Welche Folgen der Betrieb eines solchen Kraftwerkes für das Klima hätte, machte Ulrich Grubert vom NIEDERRHEINISCHEN UMWELTSCHUTZVEREIN deutlich. 4,4 Millionen Tonnen Kohlendioxid betrüge die zusätzliche Luftbelastung, führte er aus und veranschaulichte die Dimension dieser Zahl durch einen Vergleich. „Würden alle Bewohner Australiens ihre Glühlampen durch Energiesparlampen ersetzen, würden jährlich drei Millionen Tonnen an Kohlendioxid eingespart“, so Grubert. „Sie können sicher sein, dass Fragen zu Gesundheit und Umwelt für uns wichtig sind“, antwortete Wenning. Aber anderes offenbar wichtiger - und bestimmt nicht das, was er zur Legitimation des Projektes anführte: Standortsicherung und Arbeitsplätze.

Auch Axel Köhler-Schnura von der CBG nahm sich der drohenden Klima-Katastrophe an und wandte sich zu Beginn seiner Ausführungen direkt an die AktionärInnen. „Wie fühlen Sie sich, wenn nun Realität wird, wovor wir KritikerInnen seit Jahrzehnten warnen? Immerhin sprechen wir bereits seit den 80er Jahren hier über die CO2- und andere Emissionen des BAYER-Konzerns, über die Verantwortung des BAYER-Konzerns für die Qualität des Klimas und der Luft. Es muss doch jetzt langsam dem Letzten hier im Saal klar werden, dass hier auf den Hauptversammlungen nicht nur über Gewinn und Dividende gesprochen werden kann!“, beschwor er das Publikum. Und dann sprach er über anderes: Arbeitshetze, Arbeitsplatzvernichtungen und Ausgliederungen.

Was das konkret für die betroffenen Familien bedeutet, veranschaulichte Ulla Krajewski (CBG). Sie verlas den Beitrag eines jungen Schülers, den die Rationalisierungspläne bei BAYER INDUSTRY SERVICES zu einer ungewöhnlichen Protestaktion veranlasst haben. „Wir sind Jugendliche, die sich Sorgen machen um die Arbeitsplätze. Wenn schon die Stellen für unsere Väter in Gefahr sind, wie sieht es dann erst bei unserer Generation aus? Aus diesem Grund machen wir in den Sommerferien eine Protestfahrt. Wir fahren mit dem Skateboard von Augsburg bis Leverkusen und sammeln in ganz Deutschland Unterschriften für den Erhalt von Arbeitsplätzen“, so die Worte von Dennis Schmidt. Andrea Will (DKP) befasste sich ebenfalls mit dem Bilanzschaden „Stellenstreichungen“, der BAYER mit einem Minus von 6.000 Jobs in die Top 3 der bundesdeutschen Arbeitsplatzvernichter katapultierte. „Ist das für Sie ein erfolgreiches Unternehmertum?, Ist das für Sie die Sozialpflichtigkeit des Eigentums?“, fragte Will die Verantwortlichen. Aber die Manager rührte das nicht groß. „Dieses kommunistische Manifest hören wir hier nun schon zum x-ten Mal“, beschied ihr der Aufsichtsratsvorsitzende Manfred Schneider knapp. Wenning selber bezeichnete die „Anpassungen in der Personalstruktur“, wie es im Konzernchef-Deutsch heißt, als „schmerzlich, aber leider unverzichtbar“. Die Arbeitsplatzvernichtungen im Zuge der Schering-Übernahme verbuchte er kurzerhand unter „Synergieeffekt“.
Ein Alibi für diese Konzern-Politik verschaffte sich der Agro-Riese durch einen aus den Reihen der Betriebsräte rekrutierten Kapital-Claqueur - ein perfides Manöver, das auf den Hauptversammlungen schon Tradition hat. Und so schwang sich die „Arbeitnehmervertreterin“ dann auf, BAYER gegen die „desaströsen Einlassungen“, „Anschuldigungen“ und „Unterstellungen“ der CBG und anderer RednerInnen zu verteidigen und demonstrierte damit, dass nicht nur SIEMENS willige BetriebsratsvertreterInnen hat. Die Wahlverwandtschaft zwischen den beiden Konzernen spiegelt sich auch im Aufsichtsrat wieder. Dort sitzt nämlich mit André Krejcik ein Emissär des Gewerkschaftsgewächses von SIEMENS, der AUB - und auf der Arbeitgeberseite Dr. Klaus Kleinfeld himself. Der verlorene SIEMENS-Sohn fand trotz Korruptionsaffären und anderer Kleinigkeiten eine warme Aufnahme in der BAYER-Familie. 95,8 Prozent stimmten seiner Wahl in den Aufsichtsrat zu, lediglich ein paar mehr Enthaltungen als üblich gab es. Mit Verweis auf diesen schlechten Umgang konnten selbst konservative Zeitungen wie die Rheinische Post den Beteuerungen des Konzern-Chefs: „Geschäfte, die nur mit unlauteren Methoden gemacht werden können, kommen für uns nicht in Betracht“, nicht recht glauben. Weiteren Zweifel sähte dann Ralf-Jochen Ehresmann mit seinen Ausführungen zu BAYERs Beteiligung an einem Potenzmittel-Kartell in der Schweiz. Nur für den Versammlungsleiter Manfred Schneider war am Ende eines langen Tages alles klar. „Da die Fragen unserer Meinung nach alle beantwortet worden sind“, beendete er die Aussprache. Hubert Ostendorf zog hingegen ein ganz anderes Resümee: „BAYER hat sich wieder mal als beratungsresistent erwiesen“. von Jan Pehrke

KritikerInnen fragen, BAYER antwortet nicht

Die Schadensbilanz 2006

BAYER-Vorstand Werner Wenning beantwortet die Fragen der Konzern-KritikerInnen nicht persönlich, dafür hat er seine Leute. Hinter der Bühne der Kölner Messehalle verbirgt sich ein 50-köpfiges „Back Office“, das dem Chef die richtigen Repliken einflüstert und ihm die zur Umgehung der Wahrheit nötigen rhetorischen Textbausteine liefert. Da wird aus einem 203 Millionen schwerem Steuergeschenk schon mal gerne ein „normaler betriebswirtschaftlicher Vorgang“ der „steuerlichen Berichtigung“. Vom Gen-GAU mit dem LL601-Reis drang auch nichts auf die Rückseite des „Science for a better life“-Bühnenbildes, obwohl es sinnfällig gewesen wäre. „Die Zusammensetzung des Proteins ist gründlich geprüft“ und „Das Unternehmen hat verantwortlich gehandelt“ gaben die Stimmen aus dem Hintergrund Wenning stattdessen ein.

Und immer wenn es Erklärungsbedarf wegen Ermittlungen gegen BAYER gab, wie im Falle des Nebenwirkungen wie Nierenversagen, Herzinfarkt und Schlaganfall verursachenden Medikamentes TRASYLOL, hieß es verbrämend: „Wir arbeiten eng mit den Arzneimittelbehörden zusammen“. Hubert Ostendorf von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hatte das Thema auf die Tagesordnung gesetzt. Er informierte die AktionärInnen über eine Untersuchung, nach der das bei Bypass-OPs zur Blutstillung eingesetzte Medikament das Schlaganfallrisiko um 181 Prozent erhöht und die Wahrscheinlichkeit einen Herzinfarkt oder eine Gehirnkrankheit zu bekommen verdoppelt. „Eine ernste Situation“, nannte das der Mediziner Dennis Mangano Ostendorf zufolge. Wenning hingegen vermochte den Ernst der Lage nicht zu erkennen. Als „nicht verlässlich“ apostrophierte die Studie - die PatientInnen waren also offenbar nur auf dem Papier gestorben.

„Wir kooperieren mit den Wettbewerbsbehörden“, das versicherte der Große Vorsitzende auch Ralf-Jochen Ehresmann, der bei den Hauptversammlungen regelmäßig die Kartellverstöße des Multis thematisiert und dieses Mal von Preisabsprachen beim Potenzmittel LEVITRA berichtete. Auch die unlautere Werbung für das Lifestyle-Präparat zwang BAYER nach Angaben Ehresmanns rund um den Globus zu diversen „Kooperationen“. So schritten in Australien, den USA und Brasilien staatliche Stellen gegen die Pillen-Propaganda ein. Im Fall „Brasilien“, wo der Konzern während der Fußball-WM kostenlos LEVITRA verteilt hatte, gab sich Werner Wenning reumütig. Die Aktion wurde gestoppt, weil es sich um eine „nicht abgestimmte Verteilung“ gehandelt habe, gestand er. Auch eine Überarbeitung der homepage des Mittels gegen „erektile Dysfunktion“ räumte der Vorstandsvorsitzende ein. Ansonsten ließ er aber auf die „Seriösität der LEVITRA-Werbung“ nichts kommen, deren Aggressivität der Zielgruppe ja nur die Scheu vor dem Arzt-Besuch nehmen solle. Seinen AktionärInnen gegenüber redete der BAYER-Mann dann später Klartext. „Eine mehr auf den Konsumenten zugeschnittene Ansprache“ hätte die Verkaufszahlen für das Präparat nach oben getrieben.

So deutliche Worte hätte Jens Elmer vom EINE-WELT-NETZ-NRW sich auch zur Kinderarbeit gewünscht. „Seit vier Jahren verstößt BAYER gegen die eigenen Zusagen“, empörte sich Elmer, immer noch arbeiteten Minderjährige 12 Stunden in senkender Hitze und oft noch in Schuldknechtschaft bei den Zulieferern von BAYERs indischer Saatgut-Tochter PROAGRO. „Die jahrelangen Vorwürfe des EINE-WELT-NETZ-NRW zeigen, wie wenig Sie sich vor Ort mit den Aktivitäten von BAYER beschäftigt haben. Sonst wüssten Sie von den Erfolgen“, antwortete das „Back Office“ durch das Medium Wenning und pries wider besseren Wissens wieder einmal das Sanktionssystem des Multis und sein bildungspolitisches Engagement in der Region.

Aber nicht nur in Sachen „Kinderarbeit“ und „genereller Marktrückzug von Ackergiften der Gefahrenklasse I“ musste sich der Konzern von Elmer Wortbrüche vorhalten lassen. Auch die Zusage, den Vertrieb der Pestizid-Wirkstoffe Parathion Methyl (Produktname: FOLIDOL) und Monocrotophos einzustellen, hielt der Agro-Riese nicht ein. „Stoppen Sie endlich den Verkauf hochgefährlicher Pestizide!“, appellierte der Aktivist deshalb an den Vorstand und bekräftigte seine Forderung mit Protest-Unterschriften von 2.600 Einzelpersonen und 154 Organisationen aus 35 Ländern.

CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes übernahm es schließlich, der Hauptversammlung den genauen Wortlaut des von BAYER gegebenen Versprechens über den Stopp von Klasse-I-Agrochemikalien zu präsentieren und Werner Wenning so Lügen zu strafen. Auch sein Gedächtnis zum Pestizid Endosulfan, das der Profit-Profi gar nicht mehr in BAYER-Produktion wähnte, frischte Mimkes wieder auf. Als der CBGler auf die zahlreichen Störfälle von Baytown über Belford Roxo bis Uerdingen und Dormagen zu sprechen kam, schaltete der Vorstandsvorsitzende auf Autopilot. BAYER befände sich mal wieder „in enger Absprache mit den Behörden.“ Sogar einige neue Sicherheitsparameter gönnte sich das Unternehmen, aber allzu viel Hoffnung machte Wenning Philipp Mimkes nicht. „Leider kann, wie bei vielen Dingen im Leben, ein Restrisiko nie ganz ausgeschlossen werden“. Darum hüllte er sich wohl auch zur von BAYER geplanten, 67 km langen Kohlenmonoxid-Pipeline von Dormagen nach Uerdingen in Schweigen, welche ob ihres Gefahrenpotenzials Monheim und andere neben der Strecke liegende Städte in Aufruhr versetzt, wie Mimkes darlegte. Die 16.000 Kilometer lange, von Australien bis zu BAYERs Rückstandsverbrennungsanlagen in Dormagen und Leverkusen reichende Giftmüll-Pipeline bezeichnete der Konzernchef dagegen als längsten Umweltschutzbeitrag der Welt, da die Öfen des Unternehmens „den modernsten Standards entsprechen“. Die Verbal-Akrobatik von Wennings Hintermännern und -frauen ereichte allerdings im Fall „Fritz ter Meer“ ihren Höhepunkt. Philipp Mimkes hatte in seiner Rede die alljährlichen Kranzniederlegungen auf dem Grab des ehemaligen IG-FARBEN-Vorstandes kritisiert, den die Alliierten nach 1945 wegen der Ausbeutung von SklavenarbeiterInnen und Plünderungen als Kriegsverbrecher zu sieben Jahren Haft verurteilt hatten. Wenning beschied ihm nun, die Ehrung galt gar nicht ihm, sondern seinem Vater Edmund Ter Meer, dem Gründer einer Vorläuferfirma von BAYER. Das kann ja schon mal vorkommen, dass einem auf der letzten Ruhestätte einer großen Familie mal ein Kranz verrutscht und in gefährliche Nähe zur Grabplatte eines Faschisten gerät, meinte der Vorstandschef offensichtlich. Und so wenig wie der Pharma-Riese an diesem Freitag im April willens war, seine Vergangenheit zu bewältigen, so wenig war er auch bereit, sich den sozialen, politischen und ökologischen Folgen seines heutigen Handelns zu stellen.
Von Jan Pehrke