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[Auf der Straße & online] Wege zum Protest gegen BAYER – trotz Pandemie

CBG Redaktion

Die diesjährige BAYER-Hauptversammlung war bereits die zweite, die der Konzern unter dem Vorwand des Gesundheitsschutzes komplett ohne Präsenz und rein online durchführte. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, die sich seit Jahrzehnten bemüht, den Protest direkt zum Vorstand hinzutragen, mit Kundgebungen und Demos auf der Straße und Protestbeiträgen in der eigentlichen Veranstaltung, stellte dies vor enorme Herausforderungen.

Von Marius Stelzmann

Im vergangenen Jahr konnte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) bereits Erfahrungen sammeln, wie eine virtuelle Hauptversammlung abläuft und wie ihr ein bedeutungsvoller, schlagkräftiger Online-Protest entgegenzusetzen ist, der die andere Seite der Konzernpolitik zeigt. Anders als im vergangenen Jahr war 2021 zudem von vornherein klar, dass BAYER die HV wieder online stattfinden lassen würde. Daher hatte die CBG genug Zeit, über ihre Kontakte Stimmen aus aller Welt für den Protest zu mobilisieren. Auch wertete die Coordination die Erfahrung von mehr als einem Jahr Pandemie für linke Protest-Bewegungen aus. Die Schlussfolgerung: Keine Online-Veranstaltung kann Protest in der realen Welt ersetzen. Ein Protest muss verantwortungsvoll und corona-sicher sein, aber er muss stattfinden. Die CBG wird sich nicht mit einem reinen Online-Protest zufriedengeben, sondern den Widerstand direkt vor die Haustüre von BAYER tragen. Dieses Jahr war dies wieder einmal die Konzernzentrale in Leverkusen.

Das Bündnis
Die Coordination kann sich dank ihrer langjährigen Arbeit auf zuverlässige Partner stützen, mit denen sie regelmäßig zusammenarbeitet. Als da wären: Der DACHVERBAND DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE, die ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT (AbL), das PESTIZID AKTIONS-NETWERK (PAN), die GESELLSCHAFT FÜR KINDER, DIE DURCH HORMONELLE SCHWANGERSCHAFTSTESTS GESCHÄDIGT WURDEN (ACDHPT), FRIDAYS FOR FUTURE, das COLLECTIF VIET-NAME DIOXINE, das GEN-ETHISCHE NETZWERK, die Initiative RISIKO PILLE, der VEREIN DER EHEMALIGEN HEIMKINDER SCHLESWIG HOLSTEIN, WIR HABEN DIE AGRARINDUSTRIE SATT!, POWERSHIFT e.V., das UMWELTINSTITUT MÜNCHEN, INKOTA, die Partei DIE LINKE, B90/DIE GRÜNEN, rmediabase, die CAMPANHA PERMANENTE CONTRA OS AGROTOXICOS E PELA VIDA, das NETZWERK DUOGYNON, HEJ!SUPPORT, IFOAM und viele mehr. Sie haben es auch dieses Jahr wieder möglich gemacht, die BAYER-Konzernverbrechen von allen Seiten zu beleuchten und von fast allen Kontinenten kritische Stimmen einzuholen, wofür ihnen der Dank der CBG gebührt

Die virtuelle HV
Wie bereits erwähnt: Die virtuelle Hauptversammlung ist eine besondere Herausforderung für KonzernkritikerInnen. BAYER hat seit 1982 nicht mehr die Deutungshoheit über die eigenen Hauptversammlungen. Denn jedes Jahr stellt die Coordination viele RednerInnen, stellt Gegenanträge und ruft zur Nicht-Entlastung des Konzernvorstandes auf. Das Modell der CBG hat überdies Schule gemacht: Heute finden sich auf vielen Hauptversammlungen Proteste und Gegenstimmen. Sowohl NGOs als auch aktivistische Jugendbewegungen wie FRIDAYS FOR FUTURE nutzen das Modell. Dennoch ist keine Hauptversammlung so wie die von BAYER: Denn die Konstanz, mit der die Coordination dranbleibt, das Ausmaß, in dem sie weltweiten Widerstand gegen diesen einen Konzern mobilisiert, sucht nach wie vor weltweit ihresgleichen. Dies ist dem Management wohlbekannt. Nach Wegen, die unerwünschte Konfrontation mit den Folgen der eigenen Konzernpolitik von der HV zu verbannen, sucht der Vorstand deshalb schon lange. Im Vorjahr, mitten in der Corona-Krise 2020, bot sich dem Konzern die Chance, das umzusetzen, was schon lange geplant, aber aufgrund der AktionärInnen-Rechte nie umzusetzen war: Eine virtuelle Hauptversammlung, völlig ohne Präsenz.
Mit dieser Maßnahme hatten die BAYER-Bosse jedoch abermals die Kraft des Widerstandes unterschätzt. Auf den öffentlichen Druck hin, den der Protest der CBG erzeugte, sah sich der Leverkusener Riese 2020 gezwungen, PR-gerechte Schein-Zugeständnisse zu machen, um eine demokratische Partizipationsmöglichkeit vorzuspielen. Hierzu gehörten durchsichtige Tricks wie das Versprechen, am Tag der HV selbst Protest-Tweets vom Konzern-Twitteraccount aus zu retweeten. Das war es aber auch schon. Ansonsten mussten Fragen, die AktionärInnen bzw. deren Bevollmächtigte vorher auf der Hauptversammlung selber stellen konnten, aufwändig vorher eingereicht werden. Zudem traf der Konzern eine Auswahl und nannte größtenteils nicht die Namen der FragestellerInnen. Aus den Augen selbst der üblichen, bereits kritikwürdigen AktionärInnendemokratie betrachtet, war die Hauptversammlung also ein Desaster und bekam dementsprechend eine schlechte Presse.
Da BAYER sich mit aller Kraft als progressiver, aufgeschlossener, zukunftsorientierter Konzern präsentieren möchte, musste also eine andere Lösung her, um den bequemen Umstand der virtuellen Hauptversammlung aufrechterhalten zu können. Darum trat der Konzern 2021 die Flucht nach vorn an und versuchte sich als aktionärInnendemokratischer Musterschüler zu inszenieren. Für partizipationswillige AktienhalterInnen gab es nun neben dem schriftlichen Einreichen von Fragen auch die Möglichkeit, Statements in schriftlicher und in Videoform einzureichen. Ein Modell, welches andere Konzerne teilweise noch nicht anbieten und BAYER helfen sollte, sich als Transparenz-Marktführer zu inszenieren.
Die Coordination denkt jedoch nicht daran, „Danke!“ zu sagen, wenn die üblichen Rechte für AktionärInnen immer noch nicht eingeräumt werden. Immer noch sind nämlich die Partizipationsmöglichkeiten im Vergleich zu denen der Präsenz-Hauptversammlung massiv eingeschränkt. Denn die schriftlich eingereichten Fragen kann der Vorstand bei der Präsentation aus dem Zusammenhang reißen und zusammenstreichen, wie er möchte. Auch die Namen von vielen Fragenden wurden wieder nicht genannt. Zu den kritischen Video-Statements nahm der Vorstand überhaupt keine Stellung. Anträge und Wahlvorschläge aus den Videos wurden nicht berücksichtigt. Zwar wurden die Videos in diesem Jahr im BAYER-Stream gezeigt, allerdings besteht keinerlei Rechtsanspruch, dass die eingesandten Videos auch veröffentlicht werden. Der Vorstand könnte diese also auch einfach unter den Tisch fallen lassen. Der Vorstand hat also endlose Möglichkeiten der Vorauswahl, was Kritik erschwert. Auf einer Präsenz-Hauptversammlung bestehen diese nicht. Die Rechte – insbesondere von Klein-AktionärInnen – bleiben also weiterhin substantiell eingeschränkt. Die Coordination hat dieses Vorgehen von BAYER in einer gemeinsamen Erklärung mit dem DACHVERBAND DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE, PAN, WIR HABEN DIE AGRARINDUSTRIE SATT!, und dem GEN-ETHISCHEN NETZWERK kritisiert.
Parallel zu solchen Aktionen nutzt die Coordination natürlich alle Möglichkeiten, die sie hat, um den Protest auf die Hauptversammlung zu tragen. So reichte die CBG auch dieses Jahr wieder mehr als 200 schriftliche Fragen und Statements ein. Unsere BündnispartnerInnen von PAN, INKOTA, RISIKO PILLE, COLLECTIF VIETNAM DIOXINE und dem NETZWERK DUOGYNON sandten uns zudem Video-Statements, die dann auch in die virtuelle HV hineinflimmerten und den Vorstand mit seiner verbrecherischen Konzernpolitik konfrontierten.

Die Kundgebung
Die Kundgebung vergrößerte sich im Vergleich zum letzten Jahr erfreulicherweise. Trotz Corona-Krise konnte die CBG ca. 30 TeilnehmerInnen begrüßen. Überdies fuhren aktivistische LandwirtInnen der AbL mit Traktoren vor. In ihren Reden machten unsere BündnispartnerInnen von FRIDAYS FOR FUTURE, der AbL und der Linkspartei klar, dass das Bündnis nicht akzeptiert, dass BAYER mit der virtuellen HV Protest und Widerstand aussperrt.
Genau wie letztes Jahr war die Herausforderung des Live-Streams der Coordination, den international aufgestellten Protest auf ein streamtaugliches Programm zu bringen. Dieses Jahr waren Beiträge aus der ganzen Welt vertreten, die viele Aspekte der BAYER-Konzernpolitik beleuchtet haben. Wie im letzten Jahr auch kommentierte die CBG das Geschehen auf der Hauptversammlung des Leverkusener Multis direkt und ließ diesen Analysen Gespräche mit AktivistInnen folgen. Erster Interview-Partner war Sven Giegold, Europa-Abgeordneter der Grünen, der zu BAYERs Steuervermeidungsstrategien sprach. Er stellte die Studie der grünen Fraktion im Europa-Parlament vor, die sich dem Versuch des Unternehmens widmete, Steueroasen weltweit und in Deutschland selber auszunutzen. Die zweite Gesprächspartnerin, Charlotte Sammet, war eine Vertreterin von FRIDAYS FOR FUTURE. Sie erläuterte die klimapolitischen Ziele der Initiative und ließ keinen Zweifel daran, dass diese mit dem gegenwärtigen Produktionsmodell von BAYER nicht zu erreichen seien. Der letzte Gast im morgendlichen Live-Block war Tilman Massa vom DACHVERBAND DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE, mit dem CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann über die virtuelle HV und die Möglichkeiten von kritischen AktionärInnen diskutierte, einen Konzern unter diesen Bedingungen mit seinen Missetaten zu konfrontieren.

Agent Orange
Weiter im Programm ging es dann mit den weltweiten Statements. Den Anfang machte die österreichische Fernsehköchin und EU-Parlamentarierin Sarah Wiener, die in einer flammenden Rede feststellte, dass die Zeit von BAYER abgelaufen sei. Daraufhin folgten Stimmen aus Vietnam. Das Land war während des Vietnam-Krieges mit dem von der jetzigen BAYER-Tochter MONSANTO produzierten Herbizid Agent Orange heimgesucht worden. Von den Folgen berichtete Dr. Thi Ngoc Phuong Nguyen: Sie hatte nach den Sprüheinsätzen mit dem Pestizid eine Totgeburt erlitten. Dieses Schicksal traf die ehemalige Vietcong-Guerillera Hong Nhut Dang gleich mehrmals. Auch Thi Phuong Nguyen war Agent Orange ausgesetzt, ihr Sohn kam mit Leukämie zur Welt.
Tú Qùynh-nhu Nguyen vom Collectif Vietnam Dioxine fand für das Verbrechen „Agent Orange“ deutliche Worte: „Der Einsatz von Agent Orange in Vietnam ist der größte Ökozid und die größte chemische Kriegsführung in der Geschichte gewesen.“ Neben dem Collectif Vietnam Dioxine nahmen auch Susan Tabbach von RISIKO PILLE, Wiebke Beushausen von INKOTA, Peter Clausing von PAN, Bettina Müller von POWERSHIFT e.V. und Andre Sommer vom NETZWERK DUOGYNON die Möglichkeit wahr, dem Konzern die Meinung zu sagen. Anschließend ging ein ganzer Block auf Sendung, der einen Einblick in eine Region ermöglichte, die einer der profitabelsten Absatzmärkte für BAYERs Glyphosat ist: Lateinamerika. Auch von hier berichteten Betroffene aus ihrem Alltag mit dem Gift. Elsa, eine Lehrerin aus einer ländlichen Gemeinde in Argentinien, in der Glyphosat als Unkrautvernichter überall präsent ist, erzählte von mehreren Fehlgeburten, die sie durch die permanenten Glyphosat-Ausbringungen erlitt. Auch in der lokalen Schule leiden viele Kinder an Erkrankungen, welche auf das Herbizid zurückzuführen sind. Petra, eine Lehrerin aus einer anderen Gemeinde, bestätigte die Befunde. Auch in ihrer Region habe sich das ganze Spektrum von Krankheiten, welche Glyphosat auslösen kann, gezeigt.
Im zweiten Live-Block redete Marius Stelzmann mit dem Grünen-Abgeordneten Harald Ebner weiter über das unglückselige Pestizid. Und die Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch von DIE LINKE hielt in dem darauffolgenden Interview ganz klar fest: „BAYER ist nicht der Löser globaler Krisen, sondern trägt zu globalen Krisen bei!“ Als nächstes berichtete Jurek Vengels vom Münchner UMWELTINSTITUT von einem Prozess, mit welchem sich die Einrichtung nach ihrer Kritik am Pestizid-Einsatz in Südtirol, einem der größten europäischen Obstanbau-Gebiete, konfrontiert sah. Ein weiteres Interview gab Bettina Müller von POWERSHIFT, über deren Verbindungen uns die Statements der Glyphosat-Betroffenen aus Lateinamerika erreicht hatten.
Mit Kim Vo Dienh, einem Vertreter des COLLECTIF VIETNAM DIOXINE, das der CBG die Botschaften von Agent-Orange-Geschädigten zur Verfügung gestellt hatte, sprach Stelzmann über Tran To Nga, die in Paris einen Prozess gegen BAYER/MONSANTO führt. Danach berichtete Regisseurin Katja Becker über die Situation in Kenia. Sie hatte vor Ort die Dokumentation „The Food Challenge“ gedreht, welche die Folgen des Einsatzes von in der EU bereits verbotenen Pestiziden für die Landbevölkerung des Staates thematisiert. Becker äußerte aufgrund ihrer gesammelten Materialien die Vermutung, dass die fortgesetzte Produktion dieser Ackergifte bewusst im Hinblick auf Gebiete mit schwächeren Schutzverordnungen wie Kenia geschehe.

Der letzte Live-Block
Der letzte Live-Block ging um 16.00 Uhr auf Sendung. Der erste Gast hatte bereits einige Hauptversammlungserfahrung. Alan Tygel von der brasilianischen CAMPANHA PERMANENTE CONTRA OS AGROTOXICOS E PELA VIDA stellte klar, dass er vom Konzern nichts erwartete, da es diesem nur um Profit ginge. Sein Appell richte sich vielmehr an die deutsche und europäische Zivilgesellschaft, die BAYER und die deutsche Regierung unter Druck setzen sollten. Der nächste Interview-Partner war Günter Wulf, ein ehemaliges Heimkind, an dem als Kind gegen seinen Willen Medikamententests vorgenommen worden waren. Günter verbrachte mehrere Jahre in Dauersedierung durch Psychopharmaka; mit den Folgen hat er bis heute zu kämpfen. Er ist Teil des VEREINS DER EHEMALIGEN HEIMKINDER SCHLESWIG-HOLSTEINS und war auch bereits 2019 auf der Hauptversammlung von BAYER, um den Vorstand zur Rede zu stellen.
Als Reaktion auf deren Auftritt hatte der Global Player die ehemaligen Heimkinder eingeladen, in seinen Archiven in Leverkusen nach Belegen für die Verabreichung von BAYER-Medikamenten zu suchen. Und sie wurden fündig, wie uns Dr. Klaus Schepker, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Ulm, berichtete. Schepker legte dar, dass BAYER vom Leid der Heimkinder profitierte und in der Verantwortung sei, diese zu entschädigen und sich öffentlich zu seiner Verantwortung zu bekennen. Aus England zugeschaltet wurde der Coordination im Anschluss daran Marie Lyon. Marie ist selbst Geschädigte des hormonellen Schwangerschaftstests PRIMODOS (in Deutschland unter dem Namen DUOGYNON vermarktet). Ihr Kind kam ohne linken Unterarm zur Welt. Marie hatte daraufhin zusammen mit anderen Betroffenen die ACDHPT gegründet, die GESELLSCHAFT FÜR KINDER, DIE DURCH HORMONELLE SCHWANGERSCHAFTSTESTS GESCHÄDIGT WURDEN. Sie forderte BAYER auf, die überwältigenden wissenschaftlichen Beweise für die verheerende Wirkung des Präperats zu akzeptieren und Entschädigungszahlungen zu leisten. Der Konzern habe mit hormonellen Schwangerschaftstests überall auf der Welt Milliardenprofite erwirtschaftet, nun müsse er die Verantwortung für die Folgen übernehmen, so Lyon. Nina Holland von der NGO CORPORATE EUROPE OBSERVATORY (CEO) stellte im folgenden Interview die Lobby-Praktiken BAYERs dar. Dann warnte Alexandra Caterbow vor den Gefahren von endokrinen Disruptoren – hormon-ähnlichen Stoffen, die unter anderem in Pestiziden von BAYER & Co. stecken.
Mit einem flammenden Abschluss-Statement von CBG-Vorstand Axel Köhler-Schnura, der die vielen verschiedenen BAYER-Verbrechen in die Unternehmensgeschichte einordnete, kam der Live-Online-Protest dann zum Abschluss. Die Coordination blickt zurück auf ein weiteres Jahr mit stark eingeschränktem leibhaftigen Protest auf der Straße – und mit einem virtuellen Protest, der größer und internationaler ausfiel als 2020. Und es ist klar: Wir bleiben dran …

[Gegenantrag] Presse-Information CBG vom 19.04.2021

CBG Redaktion

CBG reicht Gegenantrag zur Hauptversammlung ein
BAYERs skandalöse Steuerpraxis

Der BAYER-Konzern entzieht den Finanzämtern durch seine kreative Buchführung Milliarden-Beträge. Der Aufsichtsrat unterbindet diese Praxis nicht. Darum fordert die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG), dem Gremium die Entlastung zu verweigern und hat zur Hauptversammlung am 27. April einen entsprechenden Gegenantrag eingereicht.

Nach einer neuen Studie der Grünen-Fraktion im Europa-Parlament sparte der Leverkusener Multi durch seine Steuervermeidungsstrategie von 2010 bis 2019 Abgaben in Höhe von drei Milliarden Euro. Der Untersuchung zufolge liegen 66 seiner 488 Tochter-Gesellschaften in Steuer-Oasen wie Panama, Zypern, Luxemburg, Irland, den Niederlanden oder dem US-Bundesstaat Delaware. Mit Hilfe dieser Dependancen betreibt der Agro-Riese das, was der Vorstandsvorsitzende Werner Baumann einmal „eine veränderte regionale Ergebnis-Verteilung“ genannt hat.

Diese Umbuchungen nimmt der Global Player auch in Deutschland vor. So zog er im Jahr 2012 seine Patent-Abteilung aus Leverkusen ab und verlegte sie nach Monheim, das sich ihm mit der niedrigsten Gewerbesteuer ganz Nordrhein-Westfalens als gute Adresse für eine Briefkasten-Firma empfohlen hatte. Die Stadtspitze am Stammsitz reagierte empört – und gab sich nach der Devise „If you can’t beat them, join them“ ein paar Jahre später dann doch geschlagen. Anno 2019 ließ sie sich in Kamin-Gesprächen auf einen Deal mit BAYER ein: Der Pillen-Produzent sagte die Rückverlagerung von Teil-Gesellschaften zu und erhielt im Gegenzug Hebe-Sätze auf Monheim-Niveau.

Sven Giegold, der für die NRW-Grünen im Europa-Parlament sitzt und die Steuer-Studie in Auftrag gegeben hatte, kritisiert das Gebaren des Konzerns scharf: „Die BAYER AG ist ein Parade-Beispiel für ruinösen Unterbietungswettbewerb bei der kommunalen Gewerbesteuer. BAYER-Standorte wie Leverkusen oder Monheim sind zu innerdeutschen Steuer-Oasen geworden. Sie setzen damit Städte wie Krefeld und Dormagen, aber auch Düsseldorf und Köln unter Druck, ebenfalls ihre Gewerbesteuer-Sätze zu senken.“

Leverkusen versuchte sogar aktiv, Unternehmen aus dem Umland abzuwerben. In den entsprechenden Briefen hieß es unter anderem: „Wie Sie wissen, ist ein Umzug mit dem ganzen Betrieb nicht erforderlich, um in den Genuss der günstigen Gewerbesteuer zu kommen.“ „Absolut unsolidarisch“ nannte das die nordrhein-westfälische Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung, Ina Schnarrenbach (CDU). Eine äußerst scheinheilige Intervention, denn ihr eigenes Ministerium hatte der Stadt in Tateinheit mit der Bezirksregierung den Segen zur Reduzierung der Tarife erteilt. Das Land sieht anders als Brandenburg, wo Gemeinden mit hohen Gewerbesteuer-Einnahmen eine Umlage zahlen müssen, keinerlei Anlass, den ruinösen Konkurrenz-Kampf der Städte und Gemeinden um Industrie-Ansiedlungen zu beenden. „Die Politik der Landesregierung zielt seit ihrer Amtsübernahme im Jahr 2017 vielmehr darauf ab, die Gestaltungspielräume aller Kommunen in Nordrhein-Westfalen wieder deutlich zu vergrößern“, lautete die Antwort von CDU und FDP auf die Kleine Anfrage der SPD: „Wie will die Landesregierung den Gewerbesteuer-Kannibalismus verhindern?“

Die CBG verurteilt aber nicht nur die Strategie des Konzerns, die Städte nach der Devise „Wer bietet weniger?“ vor sich her zu treiben. Weitere Gegenanträge hat sie zu BAYERs desaströser Umweltbilanz, zum Umgang mit den Klagen in Sachen „Glyphosat“ und „Agent Orange“, zu den doppelten Standards bei der Pestizid-Vermarktung, zur Verwendung des Unternehmensgewinns und zum Ansinnen gestellt, dem Aufsichtsrat eine Gehaltserhöhung um schlappe 19 Prozent zu genehmigen. Zudem hat die Coordination selbst zwei KandidatInnen für den Aufsichtsrat nominiert. „BAYERs gnadenlose Jagd nach dem Profit hat auch im Geschäftsjahr 2020 wieder zahllose Opfer gefordert. Deshalb ist Vorstand und Aufsichtsrat die Entlastung zu verweigern“, erklärt CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann.

Pressekontakt:
Marius Stelzmann 0211/33 39 11

[BAYER HV 2021] Highlights aus unserem Protest gegen die BAYER Hauptversammlung 2021

CBG Redaktion

Es ist wieder soweit: Am 27.4.2021 steht erneut die jährliche BAYER-Hauptversammlung vor der Tür. Auch dieses Jahr wird die Hauptversammlung virtuell stattfinden.

Betroffene sprechen über BAYERs Konzernverbrechen

Unsere Bündnispartner und ihr Kampf gegen BAYER

Reden des CBG Vorstands

Eindrücke von der Kundgebung zur BAYER HV 2021

Hier findet Ihr das komplette Programm für die BAYER HV 2021

Letztes Jahr wurde ein Präzedenzfall geschaffen, mit der BAYER-HV als einer der ersten vollständig virtuellen Hauptversammlungen. Wenn wir nicht wollen, dass es der Normalfall wird, dass Stimmen von KleinaktionärInnen, Geschädigten von Konzernpolitik und KonzernkritikerInnen von Hauptversammlungen vollständig verdrängt werden, müssen wir JETZT unsere Stimme erheben.

Eine weitere brandaktuelle Frage auf dieser HV: Die Verteilungsgerechtigkeit der Corona-Impfstoffe. BAYER hat sich mit CUREVAC zusammengeschlossen. Sollen die Impfstoffe nur den Profiten von wenigen Global Playern wie BAYER dienen, oder der Gesundheit von Menschen im globalen Süden, die durch die Patente der Konzerne von den lebensrettenden Medikamenten ausgeschlossen werden?

Auch die Glyphosat-Prozesse in den USA sind noch immer nicht abgeschlossen. BAYER ist fest entschlossen, das Umweltgift auf dem Markt zu halten. Die CBG hat als Reaktion auf dieses Vorgehen die Kampagne „Krebsgefahr. Klimarisiko. Umweltgift. Glyphosat-Stopp jetzt!“ ins Leben gerufen.

Den Aufruf zum Unterschreiben findet Ihr hier: https://glyphosat.cbgnetwork.org/

In Frankreich läuft währenddessen ein anderer Prozess: Die Klägerin Tran To Nga wirft BAYER/MONSANTO vor, das giftige Entlaubungsmittel Agent Orange geliefert zu haben. Wir werden auf der Hauptversammlung auch für gerechte Entschädigung aller Geschädigten, Öffnung der Akten und juristische Aufarbeitung von Agent Orange eintreten.

Wir wollen BAYER/MONSANTO gemeinsam mit Euch zur Verantwortung ziehen. Und zur Kasse bitten. Die Opfer brauchen Entschädigung. Die Öffentlichkeit Gesundheitsschutz.

Unsere Gegenanträge

Diese Hauptversammlung kommen bis auf eine Ausnahme sämtliche Gegenanträge von uns! Ihr findet sie hier

Was wird es an Protest geben?

CBG Protest-Live-Stream am 27.April von 09.00 bis ca. 17.00 Uhr mit Live-Slots zur HV um 09.30 Uhr, 12.30 Uhr, 16.00 Uhr

Wir gehen während des CBG Live-Streams für die Presse dreimal live auf Sendung mit Meldungen und Analysen von und zur BAYER HV, zu den Protesten, zur Lage der Gegenanträge, Wortmeldungen und Abstimmungen.

In diesem Rahmen sind Presse-Anfragen möglich, die wir direkt live beantworten.
Presse-Anfragen am besten per Telefon und Email im Vorfeld der HV ankündigen, um die Berücksichtigung in den Live-Slot zu gewährleisten:

Alle Infos unter CBGnetwork.org/HV info@CBGnetwork.org 0211/33 39 11

Auswahl aus den Programm-Punkten des CBG-Protest-Live-Streams:

Grußwort von Sarah Wiener
EU-Parlamentarierin und Fernsehköchin Sarah Wiener nimmt Stellung zu Glyphosat-Verbotsinitiative in Österreich.

Statements von internationalen Betroffenen
Internationale Betroffene von BAYER/MONSANTO-Konzernpolitik erheben ihre Stimme und konfrontieren den Vorstand mit den Schäden, die sie durch BAYER-Produkte erlitten haben.

Live-Auftritt und Grußwort von Konstantin Wecker
Deutschlands bekanntester Liedermacher sorgt mit aufregender, politischer Musik, die den Finger in die großen politischen Wunden der Zeit legt, für musikalische Begleitung des Online-Protests.

Live im Interview:
MdB Gesine Lötzsch
MdB Harald Ebner
MdEuP Sven Giegold

Dokumentation „Toxic Business 1&2“
Der Film zeigt, dass BAYER und andere internationale Chemiekonzerne u.a. in Kenia giftige Pestizide verkaufen, die in der EU längst verboten sind. Wir diskutieren dazu live mit Regisseurin Katja Becker.

Protest-Präsenz in der Hauptversammlung selbst
Die Coordination reicht wie jedes Jahr Gegenanträge zu allen Tagesordnungspunkten der Hauptversammlung ein. Auch werden Video-Statements eingereicht, die in der Übertragung der HV selber zu sehen sein werden.

Protest-Kundgebung vor der BAYER-Konzernzentrale in Leverkusen 27. April 8.30 -12.00 Uhr
Protest-Kundgebung vor der BAYER-Konzernzentrale in Leverkusen mit verschiedenen Aktionen, RednerInnen und Kulturbeiträgen.

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[Protest Programm] BAYER HV 2021

CBG Redaktion

Protest-Programm der CBG auf der HV 2021

Die Hauptversammlung 2021 von BAYER/MONSANTO findet rein online statt. Auch in diesem Jahr hat die Coordination ein internationales Programm mit Geschädigten und KritikerInnen der Konzernverbrechen BAYERs zusammen gestellt. Zu Wort kommen Glyphosat-Geschädigte aus Lateinamerika, Agent Orange-Geschädigte aus Vietnam und den USA, sowie Duogynon-Geschädigte aus Großbritannien und Deutschland.

+++Noch Fragen? Alle Infos auf+++

cbgnetwork.org/HV
info@cbgnetwork.org
0211/33 39 11

PROGRAMM CBG Live-Stream 27.April 9.30- 17.00 Uhr===

Live-Analysen zur HV um 9.30 Uhr, 12.30 Uhr, 16.00 Uhr

Wir gehen während des CBG Live-Streams dreimal live auf Sendung mit Meldungen und Analysen von der BAYER HV. In diesem Rahmen sind Presse-Anfragen möglich, die wir direkt live beantworten.

Presse-Anfragen per Telefon und Email im Vorfeld der HV:=== 0211 - 33 39 11 info@CBGnetwork.org

Presse-Anfragen per Telefon und Email am Tag selbst:

0211 - 22 95 09 11
info2@CBGnetwork.org

Live-Interviews im 9.30 Uhr Live-Block

09:37 | Interview mit Sven Giegold, MdEuP
09:45 | Live-Schaltung zur Kundgebung vor BAYER-Konzernzentrale in Leverkusen
10:10 | Interview mit Charlotte Sammet, Fridays for Future Leverkusen
10:17 | Interview Tilman Massa, Dachverband der kritischen AktionärInnen und Aktionäre
Internationale Protest-Statements
10:25 | EU-Parlamentarierin und Fernsehköchin Sarah Wiener zu den Protesten zur BAYER HV 2021
10:30 | Agent Orange Geschädigte erzählen von ihrem Schicksal

Statements an Vorstand und AktionärInnen von BAYER

10:35 | Tú Qùynh-nhu Nguyễn (Collectif Vietname Dioxine), Wiebke Beushausen (Inkota), Susan Tabbach (Risiko Pille)
10:41 | Glyphosat-Geschädigte aus Lateinamerika schildern ihre Situation
11:20 | Bettina Müller, PowerShift e.V., Alan Tygel, Campanha Permanente Contra os Agrotóxicos e Pela Vida!, Peter Clausing, PAN, Andre Sommer, Netzwerk Duogynon, Grußwort March against BAYER and Syngenta Basel
11:50 | Dokumentation „Gift im Acker“

Live-Interviews im 12.30 Uhr Live-Block

12:30 | Presse-Informationen und Besprechung der Ereignisse auf der HV
12:37 | Interview mit Harald Ebner, MdB die Grünen
12:44 | Interview mit Gesine Lötzsch, MdB Die Linke
12:51 | Interview Jurek Vengels, Umweltinstitut München
12:58 | Interview Bettina Müller, PowerShift e.V.
13:05 | Interview Katja Becker, Regisseurin „The Food Challenge“
13:10 | Interview Kim Vo Dienh, Collectif Vietnam Dioxine
Internationale Protest-Statements
13:18 | Statement von Sarah Wiener zu den Protesten zur BAYER HV 2021
13:23 | Agent Orange Geschädigte erzählen von ihrem Schicksal

Statements an Vorstand und AktionärInnen von BAYER

13:28 | Tú Qùynh-nhu Nguyễn (Collectif Vietname Dioxine), Wiebke Beushausen (Inkota)
13:36 | Susan Tabbach (Risiko Pille)
14:14 | Glyphosat-Geschädigte aus Lateinamerika schildern ihre Situation
14:24 | Bettina Müller, Alan Tygel, Peter Clausing, Andre Sommer, Grußwort March against BAYER and Syngenta Basel

Dokumentation

15:35 | „The Food Challenge 1&2“

Kulturbeitrag

15:56 | Konstantin Wecker performt Lieder, zusammengestellt für den Protest gegen BAYER
15:56 | Statement Bernward Geier, IFOAM-Botschafter, aktivistischer Bio-Landwirt

Live-Interviews im 16.00 Uhr Live-Block

16:00 | Presse-Informationen und Besprechung der Ereignisse auf der HV
16:07 | Interview Alan Tygel, brasilianischer Anti-Pestizidaktivist
16:12 | Interview Günter Wulf
16:19 | Interview Klaus Schepker
16:26 | Interview Marie Lyon
16:33 | Interview Nina Holland
16:41 | Interview Alexandra Caterbow
16:50 | Abschluss-Statement zur BAYER HV - CBG Geschäftsführung und Vorstand

Protest-Präsenz in der Hauptversammlung selbst

Die Coordination reicht wie jedes Jahr Gegenanträge zu allen Tagesordnungspunkten der Hauptversammlung ein. Die im Programm beschriebenen Video-Statements an Vorstand und AktionärInnen wurden auch in der BAYER HV selber eingereicht.

Protest-Kundgebung vor der BAYER-Konzernzentrale in Leverkusen

27. April 9.30 -11.00 Uhr

Protest-Kundgebung vor der BAYER-Konzernzentrale in Leverkusen mit verschiedenen Aktionen, RednerInnen und Kulturbeiträgen.

Ticker 3/18

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CBG-Anfrage an die Bezirksregierung
Im letzten Jahr hatte die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA BAYERs Leverkusener Pharma-Anlagen inspiziert und dabei „signifikante Verstöße gegen die gute Herstellungspraxis“ festgestellt (siehe auch SWB 2/18). In ihrem „Warning Letter“ listete die „Food and Drugs Administration“ viele gravierende Mängel auf. So hat der Pharma-Riese etwa verschiedene Medikamente in einem Raum gefertigt, ohne die benutzte Ausrüstung und die Arbeitsflächen nach den jeweiligen Durchläufen gründlich zu säubern, was Verunreinigungen von Medikamenten zur Folge hatte. Überdies kontrollierte der Multi der FDA zufolge die Stabilität der Zusammensetzung seiner Pharmazeutika nicht ausreichend. Auch die Toleranz-Grenzen der Apparaturen zur automatisierten Qualitätskontrolle legte der Global Player zu großzügig fest, damit sich der Ausschuss in Grenzen hielt. Darüber hinaus hat er nicht angemessen auf Probleme mit undichten Medikamenten-Packungen reagiert. „Ihre Firma hat es nicht geschafft, eine ordentlich arbeitende Qualitätskontrolle-Abteilung aufzubauen“, resümierte die US-Einrichtung in ihrem Schreiben folglich. In der Bundesrepublik obliegt die Kontrolle der Pillen-Produktion des Konzerns der Bezirksregierung Köln. In einer Anfrage an ihre Adresse wollte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN deshalb unter anderem wissen, warum deren InspektorInnen die Missstände verborgen geblieben sind und wann überhaupt die letzte Kontrolle erfolgte.

Viele Marches
In 428 Städten rund um die Welt fanden im Mai 2018 „Marches Against MONSANTO“ statt. Und vielerorts hießen diese schon „Marches against MONSANTO and BAYER“. So auch in Düsseldorf, wo AktivistInnen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zu den TeilnehmerInnen zählten. Und in seiner Kundgebungsrede wünschte sich Jan Pehrke vom CBG-Vorstand für das nächste Jahr eine endgültige Umbenennung: „Heute ist es der „March Against MONSANTO, BAYER und BASF“, gestern war es der „March Against MONSANTO“ und 2019 muss es der „March Against BAYER“ sein, damit das alte MONSANTO-Spiel nicht unter neuem Namen ungestört weiterlaufen kann!“

Vandana Shiva kritisiert BAYSANTO
Die bekannte indische Aktivistin Vandana Shiva hatte im Zuge der letzten Hauptversammlung des Leverkusener Multis an den BAYSANTO-Protesten teilgenommen. Am Tag vor dem Aktionär-Innen-Treffen hielt sie bei der Veranstaltung, die dem Thema „Einstieg in den Ausstieg aus der Pestizid-Falle“ gewidmet war, eine Rede und diskutierte anschließend mit dem grünen Bundestagsabgeordneten Harald Ebner, dem brasilianischen Umweltschützer Alan Tygel und Jan Pehrke von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN. Entsprechend erbost reagierte die Wissenschaftlerin auf die knapp zwei Wochen danach erfolgende endgültige Genehmigung des Deals. „Durch die Fusion wird BAYER den Großteil des Saatgut- und Pestizidmarktes beherrschen“, kritisierte sie. Zu den Hauptleidtragenden der letzten Konzentrationswelle im Agro-Business zählt für Shiva die Umwelt, als hätte diese unter dem Status quo ante nicht bereits genug gelitten: „Die Industrialisierung der Landwirtschaft, auch angetrieben durch BAYER und MONSANTO, hat schon 75 Prozent des Planeten zerstört: Die Verarmung von Böden, die Verschmutzung von Gewässern, der Verlust von Biodiversität – das ist die wirkliche Ernte der Chemie.“ Ihrer Ansicht nach hat die Übernahme von MONSANTO durch BAYER nicht zuletzt auch politische Auswirkungen: „Zusammen sind sie größer als irgendeine Regierungseinrichtung. Deshalb ist der Zusammenschluss auch gefährlich für unsere Demokratie, und das nicht nur in Indien.“

Aufruf gegen Saatgut-Patente
„Stoppt die Monopolisierung von Saatgut durch BAYSANTO“, ist der internationale Aufruf der Initiative NO PATENTS NO SEEDS überschrieben. Er wendet sich dagegen, BAYSANTO und anderen Agrar-Konzernen das Recht zu gewähren, Patente auf Pflanzen und Tiere geltend zu machen. „BAYSANTO & Co. beeinflussen maßgeblich, welche Pflanzen gezüchtet, angebaut und geerntet werden, was Saatgut kostet und wie unsere Lebensmittel in Zukunft produziert werden. Diese Markt-Macht basiert zu großen Teilen auf einer stark steigenden Anzahl von Patenten“, so Katherine Dolan von der den Aufruf mittragenden Organisation ARCHE NOAH. Zu den über 40 Gruppen, die den Appell unterzeichnet haben, zählt auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN.

Glyphosat: Petition gegen Bahn
Die DEUTSCHE BAHN gehört zu den Großverbrauchern von Glyphosat. 65 Tonnen des von der Krebsforschungsagentur IARC der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuften Pestizids versprüht das Transport-Unternehmen Jahr für Jahr, um sein Schienennetz frei von Wild-Pflanzen zu halten. Die Initiative SumOfUs hat deshalb eine Online-Petition gegen die Bahn und ihre „33.500 Kilometer voller Glyphosat, die sich wie eine Giftspur durch die ganze Bundesrepublik ziehen“, gestartet. Über 50.000 Menschen haben den Appell bisher schon unterzeichnet (Stand: 22.06.18).

IBEROGAST: Grüne wollen BfArM stärken
Auch Medikamente auf pflanzlicher Basis wie BAYERs Magenmittel IBEROGAST, das 2013 mit dem Kauf von STEIGERWALD in die Produkt-Palette des Pharma-Riesen gelangte, können es in sich haben (siehe auch Ticker 2/18). So schädigt der IBEROGAST-Inhaltsstoff Schöllkraut die Leber. Präparate mit einer hohen Schöllkraut-Konzentration hat das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) deshalb schon aus dem Verkehr gezogen. Von den Herstellern weniger hoch dosierter Produkte verlangte es, einen entsprechenden Warnhinweis auf dem Beipackzettel anzubringen. Der Leverkusener Multi lehnte es aber ab, dieser Aufforderung nachzukommen. Stattdessen zog er vor Gericht – und bleibt damit so lange, wie Justitias Mühlen mahlen, von der Umsetzung der Auflage befreit. Die aufschiebende Wirkung solcher Klagen wollen die Grünen nun aber nicht länger hinnehmen. Sie forderten die Bundesregierung auf, die Rechte des BfArM BAYER & Co. gegenüber zu stärken.

KAPITAL & ARBEIT

Rationalisierungsprogramm „Super Bowl“
Als BAYER-Chef Werner Baumann bei den Investment-Gesellschaften um Zustimmung für den MONSANTO-Deal warb, sah er sich gezwungen, ihnen Kosteneinsparungen zu versprechen, um die mit der Transaktion verbundene Schuldenlast zu drücken. Sonst hätten die Verbindlichkeiten die Rating-Agenturen nämlich dazu bewogen, dem Unternehmen eine äußerst schlechte Note in Sachen „Kreditwürdigkeit“ zu geben. Besonders den neuen Finanzchef des Konzerns, Wolfgang Nickl, sahen die Finanzmarkt-AkteurInnen in der Pflicht. „Herr Nickl muss dafür einstehen, dass BAYER Cash aus jeder möglichen Quelle generiert“, gab etwa der Finanzanalyst Jeremy Redenius vor. Und so kam es im Pharma-Bereich dann zum Effizienz-Programm „Super Bowl“, dem Belegschaftsangehörigen zufolge allein in der Bundesrepublik 1.000 Arbeitsplätze zum Opfer fallen könnten. Besonders die Beschäftigten am Standort Berlin fürchten um ihre Jobs.

POLITIK & EINFLUSS

Neue Kriterien für Hormon-Gifte
Chemische Stoffe haben viele gesundheitsgefährdende Eigenschaften. Eine der unheimlichsten: Manche Substanzen wirken ähnlich wie Hormone und können damit den menschlichen Organismus gehörig durcheinanderwirbeln (siehe auch SWB 4/16). Pestizide des Leverkusener Multis wie FOLICUR (Wirkstoff: Tebuconazole), BETANAL (Lenacil), FENOMENAL (Fenamidon) oder Industrie-Chemikalien made by BAYER wie Bisphenol A sind deshalb imstande, Krebs, Diabetes, Fettleibigkeit, Unfruchtbarkeit und andere Gesundheitsstörungen auszulösen. Hormonell wirksame Ackergifte wollte die EU eigentlich schon 2009 im Rahmen einer Reform der Zulassungsvorschriften verbieten. Dazu kam es allerdings nicht. Nach Ansicht Brüssels galt es zunächst, genaue Kriterien zur Charakterisierung der Pseudo-Hormone – sogenannter endokriner Disruptoren (EDCs) – zu entwickeln. Mit drei Jahren Verspätung, nicht zuletzt dem Extrem-Lobbyismus von BAYER & Co. geschuldet, legte die Europäische Kommission den entsprechenden Entwurf im Sommer 2016 vor. Dieser ließ viele gefährliche Chemikalien aus dem Raster fallen und enthielt zudem zahlreiche Ausnahme-Regelungen wie z. B. für gezielt das Hormonsystem von Schadinsekten angreifende Ackergifte. Deshalb kritisierten das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN), die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und andere Gruppen die Vorlage scharf. Im Marsch durch die EU-Institutionen gab es dann auch einige Nachbesserungen. So fanden etwa die hormonell wirksamen Insektizide wieder Aufnahme in den EDC-Katalog. Aber wirklich zufriedenstellen können die Ende April endgültig angenommenen und im Oktober in Kraft tretenden Kriterien trotzdem nicht – sie erfassen immer noch nicht alle endokrinen Disruptoren. Zudem legen sie die Schwelle für ein Verbot zu hoch an.

Der Branchen-Dialog „Chemie“
In der letzten Legislatur-Periode hat die damalige Große Koalition Branchen-Dialoge in den Sektoren „Pharma“ und „Chemie“ gestartet. Die Gesprächsrunde zu letzterem bewerteten die Teilnehmer äußerst positiv. Es sei gelungen, „gemeinsam Lösungen für mehr internationale Wettbewerbsfähigkeit zu entwickeln“, hielten das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi), der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI), die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE und der „Bundesarbeitgeberverband Chemie“ fest. Und die Ergebnisse können sich für BAYER & Co. wirklich sehen lassen. „BMWi bringt verstärkt Belange der Chemie-Industrie kontinuierlich in die Enterprise Policy Group (Experten-Gruppe der EU-Kommission) ein“, konstatiert der Monitoring-Bericht trocken. Auch in der 7+7-Gruppe, die aus EmissärInnen der Chemie-Verbände und der Wirtschaftsministerien der sieben Länder Deutschland, Belgien, Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande und Spanien besteht, ist der Einfluss des VCIs der Publikation zufolge gesichert. Zudem erreichte die Organisation in zahlreichen Bereichen Zugeständnisse der Politik. So rang der Lobby-Club dem Wirtschaftsministerium ein Bekenntnis zum Pestizid-Standort Deutschland ab, inklusive fälliger Standortsicherungsmaßnahmen wie etwa beschleunigte Zulassungsverfahren. Bei der Registrierung gefährlicher Chemikalien, welche die EU seit 2007 betreibt, sicherte das Ministerium den Unternehmen ebenfalls regierungsamtliche Hilfe zu, droht hier aus Gründen des vorsorglichen Gesundheitsschutzes doch der „Wegfall von Verwendungen“ oder schlimmer noch „Stoff-Wegfall“. Der Sorge der Konzerne um eine Energie-Wende zu Lasten ihrer ebenso billigen wie schmutzigen Strom-Quellen nimmt sich indes ein informelles Gremium an, das sich mit der „energie-politischen Strategie nach 2020“ befasst und „die aktuellen Gesetzgebungen kontinuierlich weiter beobachtet“. Auch ganz generell hat sich der Branchen-Dialog vorgenommen, eine „Gesetzesfolgen-Abschätzung“ zu initiieren, weil es bisher „keine systematische Betrachtung der Auswirkungen der Regelungsvorhaben auf die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft“ gibt. Eine Innovationsbremse hat die Chemie-Industrie bereits identifiziert: das Arzneimittel-Neuverordnungsgesetz (AMNOG) von 2011, das neuen Medikamenten doch tatsächlich eine Kosten/Nutzen-Prüfung aufbürdet.

NRW: Schwarz-Gelb für BAYER & Co.
Die schwarz-gelbe Landesregierung in Nordrhein-Westfalen bekennt sich freimütig zur Wirtschaft im Allgemeinen und zur Chemie-Industrie im Besonderen – mit entsprechenden Nebenwirkungen für Klima und Umwelt (s. u.). „Christdemokraten und Freie Demokraten stellen sicher, dass die Interessen des Industrie- und Energiestandorts Nordrhein-Westfalen künftig wieder wahrnehmbar gegenüber dem Bund und der Europäischen Union vertreten werden“, heißt es im Koalitionsvertrag. Dabei wollen die PolitikerInnen bevorzugt für eine Branche Lobby-Arbeit betreiben: „Einen besonderen Fokus legen wir auf den Erhalt der Wertschöpfungsketten, der Wettbewerbsfähigkeit, der Arbeitsplätze und der Innovationsfähigkeit der in Nordrhein-Westfalen ansässigen chemischen Industrie.“

Prima Klima in NRW für BAYER & Co.
Das Land Nordrhein-Westfalen trägt fast ein Drittel zu den bundesdeutschen Kohlendioxid-Emissionen bei, woran BAYER alles andere als unschuldig ist. Für die schwarz-gelbe Landesregierung stellt das zur Freude des Leverkusener Multis jedoch keinen Grund zum Umsteuern dar. Sie hat andere Prioritäten: „Wir werden die Energie- und Klimapolitik danach ausrichten, Nordrhein-Westfalen als Energieland Nummer eins zu stärken, um führendes Industrieland, auch für energie-intensive Industrien, zu bleiben und Wertschöpfungsketten zu erhalten“, schreiben die Parteien in ihrem Koalitionsvertrag. Dementsprechend legen sie Hand an das Landes-Klimaschutzgesetz von Rot-Grün und kappen alle Regelungen, die über EU-Maßgaben hinausgehen. Zudem bekennen sich Laschet & Co. zum Klima-Killer Braunkohle („unser einziger heimischer Rohstoff, der wettbewerbsfähig ist und zudem einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit leistet“) und drohen an, die Strom-Steuer senken zu wollen.

Klima-Politik: BAYER will mitreden
Der BAYER-Manager Wolfgang Große Entrup gehört dem Wirtschaftsrat der CDU an. Er leitet dort die Bundesfach-Kommission „Umwelt“ und äußert sich dementsprechend oft zu Umwelt-Themen – natürlich auch pro domo. Jüngst ergriff er dazu in einer Beilage der Faz zum Wirtschaftstag – die Zeitung nennt diese vom Wirtschaftsrat ins Leben gerufene Veranstaltung „eines der hochkarätigsten Foren für den Austausch von Wirtschaft und Politik“ – die Gelegenheit. In seinem Beitrag klagte Große Entrup einmal mehr über die angeblich mit der Energiewende einhergehenen hohen Strom-Kosten und wusste auch schon ein probates Mittel dagegen: mehr Mitsprache-Rechte für BAYER & Co. „Dabei sollte die Wirtschaft stärker in die entscheidungsrelevanten Dialog-Prozesse eingebunden werden. Denn eine marktwirtschaftliche Umsetzung der klima- und energiepolitischen Ziele kann nur gemeinsam mit der Wirtschaft erreicht werden“, meinte Große Entrup. Ansonsten trat er in Sachen „Klima“ für „einen internationalen Schulterschluss“ ein, was Leute seines Schlages gern tun, weil sie genau wissen, dass dieser nie zustande kommen wird.

Lobbying für CRISPR/Cas & Co.
Gen-Scheren, die das Erbgut an einer vorgegebenen Stelle auftrennen und dort neue, im Labor hergestellte DNA-Stränge einfügen können, arbeiten nach Ansicht von BAYER & Co. so präzise, dass die von ihnen herbeigeführten Veränderungen sich gar nicht mehr von denjenigen unterscheiden, welche die konventionelle Züchtung zu Wege bringt. Deshalb fallen CRISPR/Cas und andere Verfahren für sie nicht unter „Gentechnik“ und ergo auch nicht unter die entsprechenden Regularien. Davon wollen die Unternehmen auch die EU überzeugen und setzen dabei auf alte Bekannte. So hat Bernd Müller-Röber vom „Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland“ (VBIO) Abgeordnete des Europa-Parlaments jüngst in einem Schreiben davon zu überzeugen versucht, die „Gentechnik 2.0“ nicht als Update der „Gentechnik 1.0“ zu betrachten und sie aus diesem Grund auch vor den für diese geltenden Auflagen zu verschonen. Eigene Patent-Anträge zu DNA-Manipulationen, die sich der neuen Methoden bedienen, verschwieg er dabei allerdings ebenso wie seine Mitarbeit an einigen alten „Gentechnik 1.0“-Patenten von BAYER.

Brexit: VfA will Übergangsfrist
Rund ein Fünftel aller Zulassungsverfahren für Medikamente bearbeitet die britische Arzneimittel-Behörde. Wegen des Brexits wird sie dies allerdings nur noch bis Ende März 2019 tun, was dem von BAYER gegründeten „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VfA) Anlass zur Besorgnis gibt. „Der Brexit könnte die Zulassung von Arzneimitteln in Europa gefährden“, warnt er und fordert Übergangsfristen. Diese müssten „ganz oben auf der Agenda der konkreten Austrittsverhandlungen stehen“, erklärt die Lobby-Organisation.

Kein Glyphosat-Verbot in Frankreich
Der französische Präsident Emmanuel Macron wollte in seinem Land das BAYER-Pestizid Glyphosat verbieten, das die Krebs-Agentur der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ einstuft. Der Politiker konnte sich mit diesem Ansinnen allerdings nicht durchsetzen. Die Nationalversammlung lehnte den Antrag ab. Selbst einige Mitglieder von Macrons „En Marche!“ stimmten gegen den Bann.

Ein bisschen weniger Glyphosat
Nach dem Dafürhalten von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner darf es ein bisschen weniger Glyphosat sein – aber nur klitzekleines bisschen. Die Christdemokratin legte im Frühjahr den Entwurf einer entsprechenden Verordnung vor. Diese will den Einsatz des „wahrscheinlich krebserregenden“ BAYER-Pestizids vor allem im HobbygärtnerInnen-Sektor einschränken, obwohl der Bereich nur für zwei Prozent des Glyphosat-Verbrauchs verantwortlich ist. Die Landwirtschaft hat hingegen kaum Einschränkungen zu fürchten. „Für unser gemeinsames Ziel, den Einsatz von Glyphosat grundsätzlich zu beenden, werden weitere Schritte folgen müssen“, sagte deshalb Umweltministerin Svenja Schulze (SPD), und Toni Hofreiter von BÜNDNIS 90/Die Grünen kritisierte, „kleine, kosmetische Maßnahmen“ seien nicht genug: „Stattdessen muss die Anwendung von Glyphosat in der Landwirtschaft in den nächsten vier Jahren auf Null heruntergefahren werden.“

BAYER & Co. wollen Forschungsförderung
Seit Jahr und Tag fordert der BAYER-Konzern die steuerliche Absetzbarkeit von Forschungsaufwendungen. Jetzt hat seine Interessensvertretung, der „Bundesverband der Industrie (BDI), einen neuen Vorstoß in dieser Richtung unternommen. „Steuerliche Forschungsförderung unverzüglich einführen!“ ist das entsprechende Positionspapier überschrieben. „Im weltweiten Wettbewerb um die Forschungsstandorte in multinationalen Unternehmen und Branchen ist die staatliche Förderung von Forschung und Entwicklung nicht alles, oft aber der entscheidende Grund, Forschungskapazitäten auszubauen oder neu anzusiedeln“, hält die Lobby-Organisation fest. Einen konkreten Plan für die Umsetzung hat der BDI auch schon ausgearbeitet. Ihm schwebt eine Steuer-Gutschrift pro Beschäftigtem in Höhe von bis zu 6.000 Euro vor. „Maximal 2,5 Milliarden Euro“ würde das den Staat kosten – nach Ansicht von BAYER & Co. ein Schnäppchen.

PROPAGANDA & MEDIEN

Neues Corporate Design
Um das Image BAYERs steht es nicht zum Besten. Darum sah das Management Handlungsbedarf. Da aber gute Taten mit einem der Profit-Logik folgenden Konzern nur schwerlich zu bewerkstelligen sind, entschloss sich der Vorstand stattdessen, am Erscheinungsbild zu feilen. „BAYER will sympathischer werden – und hat deshalb sein Corporate Design überarbeitet“ vermeldete das PR-Fachblatt W&V. Bei diesem Unterfangen hat der Leverkusener Multi dann weder Kosten noch Mühen gescheut. Er befragte 1.500 Menschen aus sechs Ländern zu seiner Reputation und wertete weitere Umfragen zu diesem Thema aus. Die Resultate wiesen BAYERs oberstem Öffentlichkeitsarbeiter Michael Preuss zufolge höhere Kompetenz- als Sympathie-Werte aus. Und da hat die Branding-Agentur LANDOR angesetzt und rechtzeitig zur MONSANTO-Übernahme alles „wärmer und emotional ansprechender“ gestaltet. Aber ob ’s hilft, ist noch die Frage ...

Vertriebskosten: Elf Milliarden Euro
Unter Vertriebskosten verbucht der Leverkusener Multi all das, was es braucht, um seine Produkte loszuschlagen: Werbung, Marketing, KundInnen-Beratung, den Außendienst inklusive Pharma-DrückerInnen und andere Posten. Im Jahr 2017 gab der Konzern dafür rund elf Milliarden Euro aus.

Lobby-Offensive wg. MONSANTO
Der BAYER-Konzern hat 2017 in den USA viel Geld investiert, um Stimmung für die Ziele des Unternehmens zu machen. 10,5 Millionen Dollar steckte er in die Pflege der dortigen politischen Landschaft – mehr Geld für solche Aktivitäten gab in dem Land kein anderes deutsches Unternehmen aus. Unter anderem galt es, die DemokratInnen und RepublikanerInnen vom Sinn der MONSANTO-Übernahme und vom Unsinn der Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel zu überzeugen. Auch die Verbreitung der Mär, dass die Neonicotinoide GAUCHO und PONCHO keiner Biene etwas zu Leide tun können, war dem Unternehmen teuer. Etwas Schlimmes konnte der Konzern an diesem Einsatz nicht finden: „BAYER ist stolz darauf, sich aktiv am politischen Prozess in den USA zu beteiligen, damit auch unsere Stimme gehört wird.“

PR-Offensive wg. MONSANTO
BAYER begleitet die Übernahme von MONSANTO mit einer PR-Offensive. Um die journalistische Landschaft zu pflegen, ließ der Konzern die 40-seitige Broschüre „Landwirtschaft und Ernährung von morgen“ in einer Auflage von 30.000 Exemplaren erstellen und sie Fachmagazinen wie Wirtschaftsjournalist und medium beilegen. Allerdings gab es prompt Ärger mit der Publikation. Der Leverkusener Multi hatte darin nämlich den Schweizer Professor Urs Niggli mit einer positiven Aussage über die neuen Gentechniken zitiert, wogegen dieser sich verwahrte (s. u.). Darüber hinaus richtete der Agro-Riese die Dialog-Plattform „Zukunftsfelder“ ein, die sich allerdings nicht gerade großen Zuspruchs von Umweltverbänden erfreute. Zudem sponserte er die vom Berliner Tagesspiegel ausgerichtete Diskussionsveranstaltung „World Food Conference“, die mit so prominenten Gästen wie der Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) aufwartete, und redete zu Themen wie „Zulassungsverfahren“ auch ein Wörtchen mit.

PR-GAU
„Für Landwirte – auch für Öko-Landwirte – eröffnet die neue Methode viele Chancen“, diese lobende Worte fand Professor Urs Niggli, Direktor des schweizer Forschungsinstituts für biologischen Landbau, zu CRISPr-Gas und anderen neuen Gentechniken. Ein gefundenes Fressen für BAYER. Der Leverkusener Multi zitierte die Äußerung in seiner Propaganda-Broschüre „Landwirtschaft und Ernährung von morgen“, hatte dabei aber die Rechnung ohne Niggli gemacht. Dieser verwahrte sich gegen die Übernahme. Vom „Missbrauch meines Namens“ sprach der Agrar-Wissenschaftler und betonte, er habe völlig andere Positionen als der Agro-Riese. Der Konzern musste daraufhin alle noch verbliebenen Exemplare der Schrift in die Tonne klopfen und den Niggli-Satz von seiner Internet-Seite nehmen. Auch auf Beiträge des Professors zur Dialog-Plattform „Zukunftsfelder“ konnte er nicht länger zählen. Er sähe keinen Sinn in Dialogen, die auf die Strategie der Firma BAYER keine Wirkung hätten, erklärte Urs Niggli laut Informationsdienst Gentechnik.

BAYER vs. Vandana Shiva
Auch die bekannte indische Aktivistin Vandana Shiva nahm an den diesjährigen Protesten rund um die BAYER-Hauptversammlung teil (siehe AKTION & KRITIK). Dadurch sah sich der Leverkusener Multi zu einer Reaktion gezwungen. „Herzlich Willkomen, Vandana Shiva!“ begrüßte der Konzern die Wissenschaftlerin auf seiner Internet-Seite, um dann sieben Thesen von ihr einem „Faktencheck“ zu unterziehen. Selbstredend kam da keine einzige heil heraus. Stattdessen gibt es nichts Gesünderes auf der Welt als gentechnisch veränderte Lebensmittel, selbst wenn sie in ihrem Vorleben auf den Äckern ein paar Glyphosat-Duschen abbekommen haben, hat doch „dieser Wirkstoff eine äußerst geringe Giftigkeit“. Und indische LandwirtInnen, die Baumwolle mit einer eingebauten Resistenz gegen den Bacillus thuringiensis (Bt) anpflanzten und sich anschließend wegen der Missernten umbrachten, kennt der Konzern nicht. „Es besteht nachweislich kein direkter Zusammenhang zwischen der Einführung gentechnisch veränderter Baumwolle und der Selbstmord-Rate bei indischen Bauern“, hält er fest und behauptet stattdessen: „Die Einführung von Bt-Baumwolle in Indien war ein Erfolg.“ Und so geht die Märchenstunde dann munter bis zur siebten These weiter, wo BAYERs FaktencheckerInnen sich darin versuchen, dem goldenen Gen-Reis all den Glanz zurückzugeben, den Vadana Shiva ihm geraubt hatte.

BAYER darf mehr Schule machen
Ganz so, als hätten die Konzerne nicht schon genug Einfluss auf die Bildungseinrichtungen, darf es für Schwarz-Gelb in BAYERs Stammland Nordrhein-Westfalen gerne noch ein bisschen mehr sein. „Wir wollen Unternehmen und andere gesellschaftliche Gruppen ermutigen, ihr Personal und ihre besondere Expertise vor allem in den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik, Anm. Ticker) stundenweise den Schülern zur Verfügung zu stellen“, drohte Bildungsministerin Yvonne Gebauer (FDP) an. Davon verspricht die Politikerin sich, „den Kindern Kenntnisse direkt aus der Praxis zu vermitteln“. Zudem kann der Leverkusener Multi sich in NRW über das neue Schulfach „Wirtschaft“ freuen.

DRUGS & PILLS

BfArM warnt vor XOFIGO
BAYERs XOFIGO hat bisher eine Zulassung für einen solchen Prostata-Krebs, der bereits die Knochen angegriffen hat und auf eine Hormon-Entzugsbehandlung – Testosteron und andere Androgene haben Einfluss auf das Wachstum der Krebs-Zellen – nicht reagiert. Nun wollte der Leverkusener Multi das strahlen-therapeutische Mittel mit dem Wirkstoff Radium-223-Dichlorid in Kombination mit Abirateronacetat und Prednison bei einer anderen Art des Prostata-Karzinoms zum Einsatz bringen. Er musste die klinischen Tests allerdings abbrechen (Ticker 1/18). Bei den XOFIGO-Probanden, die entweder noch gar keine oder nur schwache Symptome der Krankheit hatten, war nämlich laut BAYER „ein erhöhtes Auftreten von Todesfällen und Frakturen“ zu beobachten. Während die Todesrate in der Gruppe, die mit Abirateronacetat und Prednison ein Placebo einnahm, bei 20 Prozent lag, betrug diese bei den XOFIGO-Patienten 27 Prozent. Und Knochen-Brüche traten unter XOFIGO mehr als drei Mal so häufig auf (24 Prozent zu sieben Prozent). Darum hat die Klinische Prüfung ein Nachspiel. Nach Auskunft des „Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfArM) untersucht jetzt die „Europäische Arzneimittel-Agentur“ die Vorfälle, „um die Bedeutung für die zugelassene Anwendung von XOFIGO zu ermitteln“. Und den Pharma-Riesen zwangen die Aufsichtsbehörden, die MedizinerInnen in zwei Rote-Hand-Briefen davor zu waren, das Präparat weiter zusammen mit Abirateronacetat und Prednison zu verordnen.

ASPIRIN mit Warnhinweisen
Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfArM) tritt bereits seit Langem dafür ein, ASPIRIN und andere Schmerzmittel in den Apotheken nur noch dann ohne Rezept auszugeben, wenn die Anwendungsdauer auf vier Tage beschränkt ist. Die Präparate haben nämlich beträchtliche Nebenwirkungen. So kann BAYERs „Tausendsassa“ etwa Magenbluten verursachen. Mit seinem Anliegen konnte sich das BfArM zwar nicht durchsetzen, immerhin aber müssen der Leverkusener Multi und die anderen Hersteller von Schmerzmitteln auf den Schachteln künftig den Warnhinweis anbringen: „Bei Schmerzen und Fieber ohne ärztlichen Rat nicht länger anwenden, als in der Packungsbeilage vorgegeben!“ Leider nur ermangelt es dem Satz an Eindeutigkeit, zudem haben die Pharma-Riesen noch zwei Jahre Zeit, um die Anordnung umzusetzen.

FDA schränkt ESSURE-Vertrieb ein
Bei ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Sterilisationsmittel, handelt es sich um eine kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich die Eileiter verschließen. Allzu oft jedoch bleibt das Medizin-Produkt nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden von Organen, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Nebenwirkungen. Das hat die US-amerikanische Gesundheitsbehörde „Food and Drug Admininstration“ (FDA) jetzt zu Maßnahmen veranlasst. „Jede Frau, die dieses Produkt erhält, sollte die damit verbundenen Risiken kennen“, so Scott Gottlieb von der FDA. Deshalb beschränkte die Institution den ESSURE-Vertrieb auf solche ÄrztInnen und Medizin-Einrichtungen, welche die Frauen anhand einer langen Check-Liste eingehend beraten. Zudem drohte die Behörde dem Leverkusener Multi für den Fall, dass er die potentiellen ESSURE-Interessentinnen nicht ausreichend über die Nebenwirkungen der Spirale informiert, rechtliche Schritte an.

BAYER schränkt ESSURE-Vertrieb ein
BAYER stellt den Vertrieb der Sterilisationsspirale ESSURE außerhalb der USA ein. Mit Sicherheits- oder Qualitätsbedenken (s. o.) habe das aber nichts zu tun, betont der Konzern.

EMA prüft CIPROBAY
Antibiotika aus der Gruppe der Fluorchinolone wie BAYERs CIPROBAY (Wirkstoff: Ciprofloxacin) haben viele schwerwiegende Nebenwirkungen (siehe auch SWB 3/18). Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA listet von 2002 bis 2017 allein zu Ciprofloxacin 1.116 Todesfälle und 20.353 Meldungen über unerwünschte pharmakologische Effekte auf. Besonders häufig kommen Lädierungen von Muskeln und Sehnen vor. Überdies hemmen die Fluorchinolone Enzyme, welche die Verstoffwechselung von Arzneien im Körper steuern. Dadurch verbleiben unter Umständen hohe Konzentrationen von Arznei-Stoffen im Organismus, was die Gefahr von unkontrollierbaren Wechselwirkungen heraufbeschwört. Bereits mehrmals haben die Aufsichtsbehörden der verschiedenen Länder deshalb den Anwendungsbereich der Mittel beschränkt und die Hersteller gezwungen, ihre Packungsbeilagen um Warnungen vor bestimmten Gesundheitsschäden zu ergänzen. Und im Februar 2017 stieß das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) bei der EMA ein europäisches Risiko-Bewertungsverfahren für Fluorchinolone an. „Ziel ist eine umfassende Bewertung von schwerwiegenden und persistierenden (dauerhaften, Anm. Ticker) Nebenwirkungen, die überwiegend den Bereich des Bewegungsapparates und des Nervensystems betreffen“, teilt das Institut mit. Mitte Juni findet dazu eine öffentliche Anhörung statt. Einen Monat später will die Arzneimittel-Agentur dann das Ergebnis der Überprüfung verkünden.

BfArM überprüfte YASMIN & Co.
BAYERs Verhütungsmittel wie die Pille YASMIN oder die Hormon-Spirale MIRENA haben zahlreiche Nebenwirkungen. Zum Brustkrebs- und zum Selbstmord-Risiko wertete das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) jetzt neue Studien aus. Danach gab die Behörde Entwarnung. Die Befunde gaben ihrer Ansicht nach keinen Anlass dazu, Maßnahmen zu ergreifen.

Grenzwert-Bestimmung in der Kritik
Die Pharma-Konzerne arbeiten permanent an der Vergrößerung der Zielgruppe für ihre Medikamente. Ein probates Mittel dazu ist es, die Grenzen zwischen Gesundheit und Krankheit zu verschieben. So befindet sich etwa der Wert, ab dem der Blutdruck nicht mehr als normal, sondern als zu hoch und damit behandlungswürdig gilt, seit Jahren im Sinkflug (Ticker 1/18). Ähnlich erging es demjenigen zur Diabetes-Bestimmung. Lange Zeit zeigte ein Blutzucker-Spiegel von über 140 mg/dl die Notwendigkeit von medizinischen Maßnahmen an, bereits seit 1997 reichen jedoch 126 mg/dl. Und ganz im grünen Bereich ist mensch auch unterhalb dieses Limits nicht. Das Reich der „Prä-Diabetes“ beginnt nämlich schon ab 100 mg/dl, was den Absatz von BAYERs Zuckerkrankheitspräparat GLUCOBAY nicht unerheblich steigert. Das ExpertInnen-Gremium der „American Diabetes Association“ (ADA) hatte für die neuen Festlegungen plädiert – allerdings nicht aus hehren wissenschaftlichen Motiven. Ökonomische gaben vielmehr den Ausschlag. Kommissonschef James R. Gavin beispielsweise verfügte über lukrative BeraterInnen-Verträge mit BAYER und anderen Pharma-Riesen. Der Kölner Mediziner Prof. Dr. Stefan Wilm hält rein quantitative Angaben, etwa über die Höhe des Blutzucker-Spiegels, generell für keine hinreichenden Kriterien zur Definition einer Gesundheitsstörung und kritisiert die Ausweitung der Krankheitszonen durch die Zahlenspiele vehement. „Je niedriger wir die Grenzwerte ansetzen, (...) umso mehr Medikamente werden verordnet. Aber der Patient hat davon keinen Nutzen“, so der Arzt.

Deal mit LOXO ONCOLOGY
BAYER setzt immer weniger auf eigene Forschungsanstrengungen und kauft stattdessen Innovationen von außen zu. So hat der Konzern mit LOXO ONCOLOGY ein Geschäft abgeschlossen, das ihm die Vertriebsrechte an zwei neu entwickelten Krebs-Wirkstoffen sichert. Dabei handelt es sich um Loxo-195 und Larotrectinib, für den LOXO in den USA gerade einen Zulassungsantrag gestellt hat. Je nach Erfolg der beiden Stoffe hat der Pillen-Riese sich zu Zahlungen von bis zu 1,15 Milliarden Dollar verpflichtet. „Das ist ein strategisch sehr wichtiger Deal für zwei hochinnovative Substanzen“, konstatiert Arznei-Chef Dieter Weinand: „Damit sollte endlich auch die Frage beantwortet sein, ob BAYER angesichts der MONSANTO-Übernahme nicht die Pharma-Sparte vernachlässige.“

„Consumer Health“ schwächelt
Der Leverkusener Multi hat das Geschäft mit den rezeptfreien Arzneien in der letzten Zeit stark ausgebaut und ist in diesem Bereich zur Nr. 2 auf der Welt aufgestiegen. Aber nicht nur die 2014 zugekaufte MERCK-Sparte erfüllte ihre Erwartungen bisher nicht, auch der Absatz der restlichen Produkte schwächelt bereits seit Langem. Im Geschäftsjahr 2017 ging der Umsatz um 1,7 Prozent auf 5,9 Milliarden Euro zurück, und der Gewinn schrumpfte sogar um 13 Prozent auf 1,2 Milliarden Euro. Im November 2017 kostete das Sparten-Chefin Erica Mann ihren Job.

AGRO & CHEMIE

Aus für GAUCHO, PONCHO & Co.
Im Jahr 2014 hatte die Europäische Union die Pestizid-Wirkstoffe Imidacloprid und Clothianidin von BAYER sowie die SYNGENTA-Substanz Thiamethoxam wegen ihrer Bienengefährlichkeit vorläufig aus dem Verkehr gezogen. Ende April 2018 verkündete die EU-Kommission ein dauerhaftes Verbot der Mittel aus der Gruppe der Neonikotinoide. Zum Leidwesen des Leverkusener Multis, der die Entscheidung mit den Worten „ein trauriger Tag für die Landwirte und ein schlechter Deal für Europa“ kommentierte, dürfen PONCHO, GAUCHO & Co. jetzt nicht mehr auf Äckern, sondern nur noch in Gewächshäusern ihr Unwesen treiben. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) betreibt bereits seit 1999 eine Kampagne gegen diese Insektizide und kann nun endlich den Erfolg ihrer Bemühungen verzeichnen. Deshalb begrüßte sie die Entscheidung Brüssels, verlangte allerdings zugleich weitere Maßnahmen: „Dieser Schritt war überfällig. Jetzt gilt es aber auch, konsequent zu sein und die übrigen Stoffe dieser Substanz-Klasse aus dem Verkehr zu ziehen.“ Darüber hinaus forderte die CBG Brüssel auf, diejenigen Pestizide genauer unter Beobachtung nehmen, welche die Industrie als Ersatz für die Mittel vorgesehen hat. Der Leverkusener Multi zum Beispiel bemüht sich in der Bundesrepublik gerade um eine Zulassung von SIVANTO, dessen Inhaltsstoff Flupyradifuron einige WissenschaftlerInnen ebenfalls als schädlich für Bienen einstufen. So hält etwa Michele Colopy von der Organisation POLLINATOR STEWARDSHIP COUNCIL fest: „Die Forschungsergebnisse weisen vielleicht auf keine akute toxische Wirkung bei der ersten Anwendung hin, aber Zweit- und Drittanwendung zeigen eindeutige Effekte auf die Bienensterblichkeit, das Verhalten, die Brut-Entwicklung sowie Pollen und Nektar.“ Und zu ähnlichen Ergebnissen kam jüngst die Universität Würzburg.

EuGH bestätigt GAUCHO-Aus
Nach dem von der Europäischen Kommission verkündeten Aus für GAUCHO und PONCHO (s. o.) setzte BAYER noch Hoffnung auf die Justiz. Der Konzern hatte nämlich 2013 in Tateinheit mit SYNGENTA schon gegen das vorläufige Verbot der Europäischen Union geklagt und erwartete nun eine Entscheidung in seinem Sinne. Aber diese Rechtshilfe blieb aus; der Europäische Gerichtshof stellte sich auf die Seite der EU-Kommission. „Was die im Jahr 2013 beschränkten oder verbotenen Verwendungen betrifft, entscheidet das Gericht, dass die Kommission darlegen konnte, dass in Anbetracht der erheblichen Verschärfung der Anforderungen daran, dass keine unannehmbaren Auswirkungen der Wirkstoffe auf die Bienen vorhanden seien, die von der EFSA (Europäische Lebensmittelbehörde, Anm. Ticker) festgestellten Gefahren den Schluss zuließen, dass die drei fraglichen Wirkstoffe nicht mehr den Zulassungskriterien entsprächen“, lautete das Votum aus Luxemburg. Da musste der Global Player schmollen: „BAYER ist enttäuscht.“

Neue Ackergifte
2018 bringt BAYER zwei neue Agro-Chemikalien auf den Markt, wobei „neu“ relativ ist. In Ermangelung wirklicher Innovationen kombiniert der Leverkusener Multi nämlich nur altbekannte Wirkstoffe und hofft – wie bei den mit Mehrfach-Resistenzen ausgestatteten Gen-Pflanzen –, dass es die Menge macht. So besteht das Fungizid ASCRA Xpro aus den drei Substanzen Bixafen, Prothioconazol und Fluopyram. Das Herbizid LIBERATOR PRO, von dem die LandwirtInnen laut BAYER-Empfehlung ein Liter pro Hektar ausbringen sollen, wartet hingegen mit den Inhaltsstoffen Flufenacet, Diflufenicat und Metribuzin auf. Und ganz ohne sind die nicht: Metribuzin beispielsweise findet sich in der Liste der hochgefährlichen Pestizide, welche das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) im März 2018 veröffentlicht hat.

Verkauf von Bromacil-Pestiziden
Die mit der Übernahme von MONSANTO verbundenen Auflagen zwangen BAYER, einige Pestizide abzustoßen. Aber auch aus freien Stücken trennt sich der Konzern von Zeit zu Zeit von Agro-Chemikalien. So verkaufte der Global Player im Juni 2018 sein USA- und Kanada-Geschäft mit bromacil-haltigen Herbiziden. Neuer Besitzer der Ackergifte, die der Leverkusener Multi unter den Namen HYVAR und KROVAR vermarktet hatte, ist das US-amerikanische Unternehmen AMVAC.

Die „MONSANTO Papers“
Im Zuge der Klagen von US-amerikanischen Glyphosat-Geschädigten (siehe auch RECHT & BILLIG) kamen die Firmen-Unterlagen MONSANTOs zu dem Ackergift ans Licht der Öffentlichkeit. In diesen „MONSANTO Papers“ offenbaren die Konzern-WissenschaftlerInnen selber massive Zweifel an der medizinischen Unbedenklichkeit des unter dem Namen ROUNDUP vermarkteten Pestizides. „Man kann nicht sagen, dass ROUNDUP nicht krebserregend ist“, hält etwa die MONSANTO-Toxikologin Donna Farmer fest: „Wir haben nicht die nötigen Tests mit der Formulierung durchgeführt, um diese Aussage treffen zu können.“ Die Formulierung, also die mit Hilfe von Wirkungsverstärkern und anderen Substanzen erfolgte Weiterverarbeitung des Basis-Stoffes Glyphosat zum fertigen ROUNDUP, bereitete ihrem Kollegen William Heydens’ ebenfalls große Sorgen: „Glyphosat ist OK, aber das formulierte Produkt verursacht den Schaden.“ So hat es beispielsweise negative Effekte auf das Erbgut. Als eine Auftragstudie in dieser Hinsicht nicht genug Entlastungsmaterial liefern konnte, sondern den Befund sogar noch zu bestätigen drohte, schlug Heydens einfach vor, sich willigere WissenschaftlerInnen zu suchen. Wie die MONSANTO-Papers darüber hinaus belegen, griffen die Konzern-ForscherInnen zur Not auch selbst zur Feder, um ihrem Millionen-Seller einen Persilschein auszustellen, und kauften sich anschließend bekannte ExpertInnen ein, die für viel Geld ihren Namen unter den Text setzten. Zudem nutzte das Unternehmen all seinen Einfluss, um die Umweltbehörde EPA daran zu hindern, eine Untersuchung zu Glyphosat zu veranlassen.

BAYER vertreibt Bio-Stimulanzien
Der Leverkusener Multi vertreibt künftig die Bio-Stimulanzien BAYFOLAN, BAYFOLAN ACTIVATOR und COBRE des italienischen Unternehmens SICIT 2000. Eine entsprechende Vereinbarung zu den Produkten auf der Basis von Aminosäuren und Peptiden, die das Wachstum von Pflanzen anregen und ihre Widerstandskraft stärken, schlossen die beiden Unternehmen Ende 2017. Der Konzern baut damit sein Sortiment an Biologicals weiter aus. So hat er bereits die Bio-Pestizide REQUIEM, BIBACT und CONTANS sowie Saatgutbehandlungsmittel auf biologischer Basis im Angebot. Der Leverkusener Multi will wegen BAYFOLAN & Co. jedoch seinen Agrogift-Schrank nicht gleich entsorgen; „best of both worlds“ lautet die Devise. „Wir setzen auf integrierte Angebote für Nutzpflanzen. Also auf die Auswahl des passenden Saatguts und die beste Kombination aus chemischen und biologischen Produkten“, bekundet der Agro-Riese.

GENE & KLONE

Krebsgefahr durch „Gentechnik 2.0“?
BAYER setzt sowohl im Pharma- als auch im Agro-Bereich stark auf die „Gentechnik 2.0“, also zum Beispiel auf Gen-Scheren, die das Erbgut angeblich präzise an einer vorgegebenen Stelle auftrennen und dort neue, im Labor hergestellte DNA-Stränge einfügen können. So hat der Leverkusener Multi 2015 ein Kooperationsabkommen mit CELLECTIS PLANT SCIENCE in Sachen „Genome Editing“ geschlossen und gründete im selben Jahr ein Joint Venture mit dem US-Unternehmen CRISPR THERAPEUTICS. 2016 schließlich traf der Konzern eine Lizenz-Vereinbarung mit der irischen Firma ERS GENOMICS. Diese sichert dem Pharma-Riesen den Zugriff auf mehrere Patente, die ERS auf die Anwendung der Schnippel-Technik CRISPR/Cas9 hält. Und genau diese Methode steht jetzt in Verdacht, Krebs-Erkrankungen zu befördern. Gleich zwei Studien warnen vor dieser „Nebenwirkung“. Im Mittelpunkt der Untersuchungen steht das Protein p53. Dieses flickt gebrochene DNA-Stränge und hemmt gleichzeitig das unkontrollierte, und deshalb Krebs befördernde Zell-Wachstum. Gen-Scheren meiden nach Möglichkeit Zellen mit dem p53-Protein, weil dieses sich unverzüglich daran macht, die Schnitte wieder zuzunähen, und halten lieber nach solchen ohne diesen Eiweiß-Stoff Ausschau. „Indem wir Zellen nehmen, die das beschädigte Gen erfolgreich repariert haben, nehmen wir vielleicht unbeabsichtigt immer gerade solche ohne funktionierendes p53“, erläutert die Wissenschaftlerin Dr. Emma Haapaniemi vom schwedischen Karolinska-Institut. Deshalb warnt sie: „Wenn diese Zellen einem Patienten transplantiert werden, beispielsweise zur Behandlung einer Erb-Krankheit, könnten sie die Krebsgefahr erhöhen, was Fragen zur Sicherheit der CRISPR/Cas9-Therapien aufwirft.“

BAYER will Gentech-Bakterien
Im Frühjahr 2018 hat der BAYER-Konzern seinen zahlreichen Kooperationen auf dem Gebiet der Gentechnik 2.0, dem so genannten Genome Editing (s. o.), eine neue hinzugefügt. Er gründete mit GINKGO BIOWORKS ein Joint Venture. Mit zusätzlichem Geld vom Hedgefonds VIKING GLOBAL versehen, wollen die beiden Unternehmen mit Hilfe der neuen Methoden Bakterien entwickeln, die der Landwirtschaft als Dünger dienen können.

Saatgut per Gentechnik 2.0
Zur Mitgift von MONSANTO gehörte auch eine Kooperation mit dem Startup-Unternehmen PAIRWISE PLANTS. Die Firma will mit Hilfe neuer gentechnischer Methoden, die das Erbgut angeblich präzise an einer vorgegebenen Stelle auftrennen und dort neue, im Labor hergestellte DNA-Stränge einfügen können, Saatgut entwickeln. Auf der Wunschliste stehen unter anderem Soja, Mais, Weizen, Baumwolle, Raps, Kartoffeln und diverse Obst-Sorten.

USA: Kommt die Kennzeichnungspflicht?
Die USA wollen ab 2020 eine Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Lebensmittel einführen. Während VerbraucherschützerInnen die wenig eindeutigen Text-Vorschläge, die der Gesetzes-Entwurf enthält, kritisieren, betreiben BAYER & Co. schon einmal Extrem-Lobbying gegen die Pläne (siehe auch POLITIK & EINFLUSS).

KOGENATE unter Beobachtung
Im Jahr 2014 machten gleich zwei Studien auf eine bisher unbekannte Nebenwirkung von BAYERs Blutgerinnungspräparat KOGENATE und dem ebenfalls vom Leverkusener Multi entwickelten, jetzt aber von BEHRING vertriebenem Mittel HEXILATE NEXGEN aufmerksam. Neue, vorher nicht behandelte Bluter-Patienten reagieren auf diese beiden Gentech-Mittel der zweiten Generation öfter allergisch als auf Blutprodukte der dritten Generation, so der Befund. Für den Bluter-Weltverband „World Federation of Hemophilia“ legte dieses Ergebnis nahe, die Pharmazeutika Menschen mit frisch diagnostizierter Hämophilie lieber nicht zu verschreiben. Auch die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA reagierte. Sie wies BAYER und BEHRING an, in den Packungsbeilagen auf das erhöhte Risiko von Immun-Reaktionen hinzuweisen. Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) beschäftigte sich im Februar 2018 mit KOGENATE & Co. Es sah einstweilen zwar keinen Handlungsbedarf, will die Mittel aber unter Beobachtung halten.

WASSER, BODEN & LUFT

Verwirr-Spiel um CO2-Emissionen
Der Leverkusener Multi treibt ein Verwirr-Spiel um seine klima-schädigende Kohlendioxid-Emissionen. Er berechnet die Menge auf zwei unterschiedliche Weisen, mit der standort-orientierten und mit der markt-orientierten Methode. Zudem gibt er diese einmal unter Einbezug des Chemie„park“-Betreibers CURRENTA an, an dem er eine 60-prozentige Beteiligung hält, und einmal nur für den Konzern selbst . Damit nicht genug, nennt das Unternehmen in seinem neuesten Geschäftsbericht für 2016 mit 4,64 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß auch andere Zahlen als im letzten Jahr, wo es noch 9,87 Millionen Tonnen waren. So ist dem für BAYER-Verhältnisse relativ niedrigen Wert für 2017 von 3,63 Millionen Tonnen kaum zu trauen.

Keine Strommix-Angaben
Wie bei den Angaben zu den Kohlendioxid-Emissionen rechnet der Leverkusener Multi auch bei den Angaben zum Energie-Einsatz seine 60-prozentige Tochter CURRENTA heraus und verschweigt darüber hinaus, in welchem Verhältnis bei dieser die relativ sauberen Strom-Quellen wie Erdgas zu schmutzigen wie Kohle stehen.

BAYER schädigt Ozonschicht
Seit Jahren schon sorgt hauptsächlich ein einziges Werk des Leverkusener Multis für den ganzen Ausstoß an ozon-abbauenden und deshalb ebenso wie Kohlendioxid klima-schädigenden Substanzen, den „Ozone Depleting Substances“ (ODS): die Niederlassung der Agro-Sparte im indischen Vapi. Und seit Jahren schon schraubt der Konzern auch ein bisschen an der Fertigungsstätte rum, so dass die Werte immer ein bisschen sinken. Aber 2017 summierten sie sich trotzdem noch auf 8.6 Tonnen (2016: 8,8).

870 Tonnen flüchtige Substanzen
Auch BAYERs flüchtige organische Substanzen entstammen hauptsächlich dem Werk im indischen Vapi. Den dortigen Sanierungsmaßnahmen sowie dem Verkauf eines Werkes in Frankreich geschuldet, ging der Ausstoß dieser gesundheitsschädlichen Gase 2017 etwas zurück. Von 920 auf 870 Tonnen sank der Wert.

Kaum weniger Stickstoff & Co.
Der Ausstoß von Stickstoffoxiden, Schwefeldioxiden, Staub und Kohlenmonoxid hat sich bei BAYER 2017 gegenüber dem Vorjahr kaum verändert. Die Emissionen von Stickstoffoxiden stiegen von 1.500 Tonnen auf 1.520 Tonnen, während diejenigen von Schwefeldioxiden von 960 auf 920 Tonnen fielen. Bei Kohlenmonoxid reduzierten sich die Werte von 660 auf 610 Tonnen, und Staub wirbelte der Konzern genauso viel wie 2016 auf: 60 Tonnen.

BAYERs Abwasser-Frachten
Im Jahr 2017 sank BAYERs Phosphor-Eintrag in die Gewässer von 50 auf 40 Tonnen und der von organischem Kohlenstoff von 540 auf 390 Tonnen. Auch der Wert für Schwermetalle verminderte sich etwas. Er reduzierte sich von 2,1 auf 1,9 Tonnen. Dagegen legten die Einleitungen von Stickstoff und Anorganischen Salzen zu. Sie stiegen von 300 auf 400 Tonnen bzw. von 184.000 auf 188.000 Tonnen.

BAYER produziert mehr Müll
Im Jahr 2017 produzierte BAYER mehr Müll als 2016. Von 770.000 auf 846.000 Tonnen erhöhte sich die Gesamtmenge. Darunter befanden sich 485.000 Tonnen gefährlicher Abfall. Um 57.000 Tonnen stieg dessen Aufkommen.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Chemikalien-Austritt in Berlin
Auf dem Gelände von BAYERs Berliner Pharma-Standort im Stadtteil Wedding kam es am 30.05.2018 zu einem Unfall. Es trat eine gefährliche Substanz aus, dessen Dämpfe zwei Personen verletzten. Der Leverkusener Multi erklärte, der Stoff hätte sich auf der Ladefläche eines LKWs befunden, der den Konzern belieferte, wäre aber nicht für ihn, sondern für einen anderen Kunden bestimmt gewesen.

IMPERIUM & WELTMACHT

Fragwürdige EU-Genehmigung
Die Europäische Union genehmigte die vom Leverkusener Multi geplante MONSANTO-Übernahme zunächst nur unter Vorbehalt. Hatte sie dem Konzern schon während des Verfahrens zur Auflage gemacht, sich von bestimmten Unternehmensteilen zu trennen, so wollte sie sich vor der endgültigen Zustimmung auch erst noch mal die potentiellen Käufer genauer anschauen. Diesen Prozess schloss Brüssel am 30. April ab. Die Generaldirektion Wettbewerb akzeptierte die BASF als neue Besitzerin von Cropscience-Produkten. Sie sieht in dem Ludwigshafener Unternehmen den geeigneten Kandidaten, um „den von BAYER ausgeübten Wettbewerbsdruck auf diesen Märkten zu ersetzen“. Der Erwerb der Geschäfte mit Gemüse-Samen, konventionellem und gentechnisch manipuliertem Saatgut, dem Pestizid Glufosinat, Saatgutbehandlungsmitteln wie PONCHO sowie mit Entwicklungen der digitalen Landwirtschaft durch die BASF reicht nach Ansicht der Kommission aus, BAYSANTO einzuhegen und für eine ausreichende Konkurrenz auf dem Agrar-Sektor zu sorgen. Dabei war am Tag der Brüsseler Entscheidung das Haltbarkeitsdatum des Veräußerungspakets schon überschritten – wofür die EU selber gesorgt hatte. Sie zog Glufosinat wegen seiner erbgut-schädigenden Wirkung und PONCHO wegen seiner Bienengefährlichkeit nämlich unlängst aus dem Verkehr. Damit fallen sie auf dem Gebiet der Europäischen Union – im Rest der Welt dürfen die Substanzen vorerst weiter ihr Unwesen treiben – als Gegengewichte zur BAYER-Dominanz aus. Eine Erklärung dazu hat die EU-Kommission der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN nicht gegeben. Eine entsprechende Anfrage ließ sie unbeantwortet.

Der Grund für Dekkers’ Abgang
Im Jahr 2014 gab der BAYER-Konzern die Trennung von seiner Kunststoff-Sparte bekannt. Für die beiden verbliebenen Bereiche „Pharma“ und „Agrar“ hatte der damalige Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers eine Vision. Er plante, die beiden Abteilungen unter dem Label „Life-Science“ enger miteinander zu verknüpfen. „In allen Lebewesen, so unterschiedlich sie uns erscheinen mögen, folgen die molekularen Mechanismen gemeinsamen Regeln. Diese Gemeinsamkeiten wollen wir unter einem Dach zu unserem Vorteil nutzen“, erklärte der Holländer. Allerdings teilten viele verantwortliche ManagerInnen seine Vision nicht. Nicht einmal ein gemeinsamer Vorstandsworkshop konnte den Konflikt auflösen. Und diese Auseinandersetzung bewog Dekkers nach Informationen des manager magazins schlussendlich dazu, das Unternehmen vorzeitig zu verlassen.

Der Grund für Dietsch’ Abgang
Viele Investment-Gesellschaften beurteilten BAYERs Plan, MONSANTO übernehmen zu wollen, zunächst skeptisch. Den Fonds-ManagerInnen machte die damit verbundene hohe Schulden-Aufnahme Sorgen. Sie befürchteten eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit des Konzerns durch die Rating-Agenturen. Die Finanzmarkt-AkteurInnen von der Profitabilität des Coups zu überzeugen, war für den Leverkusener Multi deshalb kein leichtes Unterfangen (siehe auch KAPITAL & ARBEIT). Und den Finanz-Chef Johannes Dietsch kostete das nach Informationen des manager magazins sogar seinen Job. Weil Dietsch als Überzeugungstäter vor den GroßanlegerInnen nach Meinung des Vorstandsvorsitzenden Werner Baumann keine gute Figur machte, wurde er durch Wolfgang Nickl ersetzt.

ÖKONOMIE & PROFIT

EU will Derivat-Markt beleben
Derivate – eine Art Wette auf Preissteigerungen oder -senkungen von Rohstoffen, Aktien, Währungen, Schulden, Zinsen oder aber von Derivaten selber – hatten 2007 wesentlich mit zum Ausbruch der Finanzkrise beigetragen. Darum regulierte die EU diesen Markt im Jahr 2013 stärker. Sie schrieb für die Verbriefungs-deals eine Absicherung mit Eigenkapital und eine Registrierung vor. Der Leverkusener Multi, der Derivate laut Eigenauskunft „fast ausschließlich zur Absicherung von gebuchten und geplanten Transaktionen“ nutzt, protestierte in Tateinheit mit anderen Konzernen scharf gegen die Maßnahmen. Und 2017 ruderte die Europäische Union tatsächlich wieder zurück und machte sich ans Deregulieren. Sie verkündete eine neue Verbriefungsverordnung, welche den Zweck hatte, „den EU-Verbriefungsmarkt zu beleben, um die Finanzierung der EU-Wirtschaft zu verbessern“. Im Zuge dieser Wiederbelebungsmaßnahme hat Brüssel beispielsweise für bestimmte Derivate das Unbedenklichkeitslabel STS (simple, transparent, standardised) eingeführt und für den Handel mit diesen Papieren die Eigenkapital-Anforderungen gesenkt. Der Vorschlag der Grünen-Fraktion im Europa-Parlament ging genau in die gegenteilige Richtung. Die PolitikerInnen hatten für die Geschäfte mit den Derivaten eine Kapital-Unterlegung von 25 Prozent der Transaktionssumme gefordert. Zudem wollten sie Weiterverbriefungen unterbinden und es nicht mehr den Banken selber überlassen, die Risiken ihrer eigenen Finanzprodukte zu berechnen. Entsprechend vehement kritisierte Sven Giegold, der wirtschafts- und finanzpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Europa-Parlament, den Europäischen Rat sowie die konservativen, liberalen und euroskeptischen EU-ParlamentarierInnen für die Unterstützung der Regelung. „Sie sind dabei, die Lehren aus der letzten Finanzkrise zu vergessen“, so Giegold.

BAYER verkauft COVESTRO-Aktien
Im Jahr 2015 gab der Leverkusener Multi die Trennung von seinem Kunststoff-Geschäft bekannt. Unter dem Namen COVESTRO brachte er es an die Börse. Seither verringert der Konzern seinen Aktien-Anteil an der ehemaligen Unternehmenssparte peu à peu. Der letzte Verkauf fand im Mai 2018 statt. Das Unternehmen veräußerte in diesem Monat rund 29 Millionen Papiere für 2,2 Milliarden Euro. Damit reduzierte sich die BAYER-Beteiligung an COVESTRO auf rund sieben Prozent. Der Global Player kappt die Verbindung so schnell, weil er Geld braucht, um die für die MONSANTO-Übernahme gemachten Schulden abzubauen.

RECHT & UNBILLIG

Erster Glyphosat-Prozess in den USA
Kaum hatte der Leverkusener Multi die letzten amtlichen Bestätigungen für die Genehmigung der MONSANTO-Übernahme erhalten, da musste er sich auch schon den mit diesem Deal verbundenen juristischen Risiken stellen. Mitte Juni 2018 begann in den USA das erste Schadensersatz-Verfahren in Sachen „Glyphosat“. Der 46-jährige DeWayne Johnson hatte die Klage eingereicht. Der Familien-Vater leidet am Non-Hodgkin-Lymphom (NHL), einer bestimmten Form des Lymphdrüsen-Krebses, und macht das Herbizid dafür verantwortlich, das er in seinem früheren Beruf als Platzwart häufig einsetzen musste. Mit dieser rechtlichen Auseinandersetzung startet in den Vereinigten Staaten eine wahre Prozess-Lawine. Losgetreten hatte diese die Krebsforschungsagentur IARC der Weltgesundheitsorganisation mit ihrer Einstufung von Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“. Daraufhin zogen in den Vereinigten Staaten über 4.000 NHL-PatientInnen, die als LandwirtInnen, LandschaftspflegerInnen oder als Hobby-GärtnerInnen in Kontakt mit der Agro-Chemikalie gekommen waren, vor Gericht. Obwohl der „San Francisco County Superior Court“ die im Zuge anderer Verfahren ans Licht der Öffentlichkeit geratenen Firmen-Unterlagen zu dem Ackergift, die berühmt-berüchtigten MONSANTO-Papers, zur Beweisaufnahme zugelassen hat (siehe auch AGRO & CHEMIE), setzt BAYER auf Sieg. In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zeigte sich „BAYER CROPSCIENCE“-Chef Liam Condon zuversichtlich, „das die Gerichte zu dem Schluss kommen werden, dass Glyphosat keine Gefährdung für die Gesundheit darstellt, wenn es vorschriftsmäßig eingesetzt wird“.

Glyphosat-Prozess in Frankreich
Französische ImkerInnen haben den BAYER-Konzern verklagt, weil ihr Honig Rückstände von dessen Pestizid Glyphosat enthielt und sie ihre Ware darum teilweise nicht mehr verkaufen konnten.

Glyphosat-Prozess in den USA
Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA folgte der Einschätzung der Krebs-Agentur der Weltgesundheitsorganisation und nahm das jetzige BAYER- und frühere MONSANTO-Pestizid Glyphosat in seine Liste der wahrscheinlich krebserregenden Substanzen auf. In der Folge verfügte die „Food and Drug Administration“ das Anbringen von Warnhinweisen auf den Produkten und stellte das Einleiten von Glyphosat-Rückständen in Gewässer unter Strafe. MONSANTO klagte gegen die FDA-Entscheidung, konnte sich vor Gericht allerdings nicht durchsetzen.

Bt-Prozess in Indien
Das Oberste Gericht der indischen Hauptstadt New Dehli hat MONSANTO, dessen Rechtsnachfolger BAYER seit dem 7. Juni 2018 ist, das Recht abgesprochen, auf seine gentechnisch veränderte Bt-Baumwolle Patent-Ansprüche zu erheben. Die RichterInnen verwiesen dabei auf das indische Gesetz, das es nicht erlaubt, Saaten, Pflanzen oder Tiere zum geistigen Eigentum von Personen oder Unternehmens zu erklären. Der US-Konzern, der seine Labor-Frucht mit Genen des Bacillus thuringiensis (Bt) bestückt hatte, damit diese die Pflanze vor Schadinsekten schützen, reklamierte in dem Land deshalb in weiser Voraussicht nur für den Bacillus Schutzrechte. Das reichte nach Ansicht der JuristInnen aber nicht aus, um von Saatgut-Firmen Lizenz-Gebühren für die ganze Bt-Baumwolle verlangen können. Deshalb gaben sie der Klage des Unternehmens Nuziveedu statt. Die indische Aktivistin Vandana Shiva (siehe auch AKTION & KRITIK) begrüßte das Urteil als „Sieg für die Saatgut-Freiheit“. Rechtskräftig ist es allerdings noch nicht, da noch eine Berufungsverhandlung ansteht.

GroKo will Umwelt-Klagen einschränken
Mit der Aarhus-Konvention von 1998 fand der Umweltschutz Eingang in das internationale Recht. Seither können Umwelt-Organisationen vor Gericht ziehen, wenn etwa große Infrastruktur-Projekte der Natur zu schaden drohen. Der Gesetzgeber hat die Möglichkeiten dafür in den zurückliegenden Jahren sogar noch erweitert. So müssen die Verbände seit 2011 nicht mehr im Namen der Interessen Einzelner klagen, sondern sind berechtigt, dies auch im Namen der Interessen der Allgemeinheit zu tun und sich damit beispielsweise zu AnwältInnen des Artenschutzes zu machen. Nun aber kündigt die Bundesregierung an, das Rad zurückzudrehen. Prozesse, wie es sie etwa gegen die Öffnung von BAYERs Dhünnaue-Deponie im Zuge der Erweiterung der Autobahn A1 oder gegen die Kohlenmonoxid-Pipeline des Leverkusener Multis gab, verzögern die Bau-Vorhaben nach Ansicht der Großen Koalition zu sehr. Die Devise von CDU und SPD lautet stattdessen „Planungsbeschleunigung“, weshalb die Parteien „das Verbandsklage-Recht in seiner Reichweite überprüfen“ wollen, wie es im Koalitionsvertrag heißt.

2.900 MIRENA-Klagen
BAYERs Hormon-Spirale MIRENA hat Nebenwirkungen wie nächtliche Schweißausbrüche, Herzrasen, Unruhe, Schlaflosigkeit, permanente Bauchkrämpfe und Oberbauchschmerzen. Allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA erhielt bereits 45.000 Meldungen über unerwünschte MIRENA-Effekte. Darum reichten in den Vereinigten Staaten 2.900 Frauen Klagen gegen den Leverkusener Multi ein (Stand: 30.01. 2018).

22.000 XARELTO-Klagen
BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO mit dem Wirkstoff Rivaroxaban hat gefährliche Nebenwirkungen. Allein bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA gingen bis zum 1.03.2018 mehr als 85.000 Meldungen über unerwünschte Arznei-Effekte ein. In den USA ziehen deshalb immer mehr Geschädigte bzw. deren Hinterbliebene vor Gericht. Mit 22.000 Klagen müssen sich die RichterInnen mittlerweile beschäftigen (Stand: 30.01. 2018).

16.000 ESSURE-Klagen
ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommende Sterilisationsmittel, beschäftigt in den USA zunehmend die Gerichte. Die kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich die Eileiter verschließen, hat nämlich zahlreiche Nebenwirkungen. Allzu oft bleibt das Medizin-Produkt nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden von Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Gesundheitsschädigungen, über die Frauen berichten. Darum nimmt die Zahl der Klagen immer mehr zu und liegt mittlerweile bei 16.000 (Stand: 30.01. 2018).

Sammelklage gegen BAYER wg. GAUCHO?
BAYERs Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie GAUCHO und PONCHO haben mit für ein massives Bienensterben gesorgt. Kanadische ImkerInnen wollen den Leverkusener Multi deshalb juristisch zur Verantwortung ziehen. In Quebec und Ontario haben sie sich deshalb vor Gericht um die Zulassung von Sammelklagen bemüht.

Asbest-Klagen
Nur in der Bau-Branche kam mehr Asbest zum Einsatz als in der Chemie-Industrie. Der hierzulande seit 1993 verbotene Stoff fand sich in Zement, Abdichtungen und Wärme-Isolierungen wieder. Desweiteren umhüllte die Substanz säure- und laugen-führende Leitungen. Filter, Lacke, Beiz-Wannen, Lager-Behälter und Reaktionsbehältnisse enthielten diese ebenfalls. Der Leverkusener Multi wusste um die Risiken und Nebenwirkungen des Silikat-Minerals, setzte seine Beschäftigten aber trotzdem weiter der Gefahr von Asbest-Vergiftungen aus. „Expositionen gegen Asbest“ zählten deshalb lange Zeit zu den häufigsten Berufskrankheiten bei dem Konzern. Darüber hinaus hat in den USA eine Beteiligungsgesellschaft von BAYER die Rechtsnachfolge von Firmen angetreten, die bis 1976 Asbest-Produkte verkauften. Deshalb sieht das Unternehmen sich dort mit mehreren Klagen konfrontiert. Allerdings mahlen Justitias Mühlen langsam. Bereits seit Jahren führt der Global Player diese gerichtlichen Auseinandersetzungen in seinen Geschäftsberichten unter der Rubrik „rechtliche Risiken“ auf.

Hawaii verbietet Sonnencremes
Durch badende StrandurlauberInnen gelangen große Mengen von Sonnencreme in die Meere. Bestimmte Mittel können dabei Korallen und anderen aquatischen Lebewesen schaden. Darum hat der US-amerikanische Bundesstaat Hawaii Produkte mit den Beistoffen Oxybenzon und Octinoxat, wie etwa BAYER sie unter dem COPPERTONE-Label vertreibt, verboten. Der Leverkusener Multi protestierte umgehend: „Die Verwendungen von Sonnencreme-Ingredienzien zu verbieten, welche die ‚Food and Drug Administration’ (die US-amerikanische Gesundheitsbehörde, Anm. Ticker) als effizient und sicher ansieht, schränkt nicht nur die Wahlfreiheit der Konsumenten ein, sondern unterminiert auch die Hautkrebs-Vorsorge.“

[Ticker] STICHWORT BAYER 01/2017

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CBG-Jahrestagung 2016
Aus gegebenem Anlass widmete die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) ihre diesjährige Jahrestagung dem Thema: „BAYER/MONSANTO – Tod auf den Äckern, Gifte im Essen“. Zu Beginn referierte Uli Müller von LobbyControl über die vielfältigen Möglichkeiten der Agro-Riesen., Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen. Bei den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen TTIP, das die EU und die USA zurzeit verhandeln, hatten die Konzerne Müller zufolge „auf beiden Seiten die Finger im Spiel“. Über ihre Lobby-Organisationen wie die „European Crop Protection Association“ oder „Croplife America“ versuchten die Multis beiderseits des Atlantiks, niedrigere Auflagen für Pestizide und Gen-Pflanzen durchzudrücken. Und Brüssel diente sich ihnen dabei zu allem Übel auch noch als williger Helfer an. Dies belegte der Politikwissenschaftler mit Zitaten aus Briefwechseln. So erbat die Europäische Kommission von BAYER & Co. etwa Informationen darüber, „wie wir die Rahmenbedingungen für die Industrie verbessern können“. Der grüne Europa-Abgeordnete Sven Giegold widmete sich anschließend dem Agrar-Markt der EU. Am Beispiel einer Studie über Saatgut zeichnete er die Entwicklung zu einer immer größeren Konzentration der Anbieter nach, die mit den angekündigten Zusammenschlüssen von BAYER/MONSANTO, DOW/DUPONT und SYNGENTA/CHEMCHINA einem vorläufigen Höhepunkt zustrebt. Die bei der Europäischen Kommission für die Prüfung der Deals verantwortliche Wettbewerbskommissarin Margrethe Verstager versicherte dem einstigen ATTAC-Aktivisten, die Untersuchung werde bei dem Verfahren eine Rolle spielen. Giegold setzt auf solche Einflussmöglichkeiten und plädierte im Übrigen für eine Arbeitsteilung zwischen parlamentarischen und außerparlamentarischen Initiativen: „Den Lärm müsst ihr machen.“ Dazu erklärte sich der neue CBG-Geschäftsführer Toni Michelmann zu Beginn seines Vortrags auch gerne bereit. Mit dem Bekenntnis: „Ich bin zum Krawall machen hier“ begann er seinen Vortrag. Dann skizzierte er die ungeheure Macht des Leverkusener Unternehmens und gab ein Bild davon, was der Menschheit blüht, wenn es dem Global Player gelingen sollte, sich MONSANTO einzuverleiben: Eine durch Glyphosat & Co. vergiftete Welt mit grünen Wüsten, auf denen nichts mehr kreucht und fleucht. Der Chemiker zeigte sich jedoch guter Hoffnung, dass es nicht so weit kommt. Er berichtete vom Den Haager MONSANTO-Tribunal und der angegliederten People’s Assembly, wo die CBG viele Kontakte knüpfte und zur nächsten BAYER-Hauptversammlung bereits konkrete Aktionen gegen die „Hochzeit des Todes“ verabredete. Und so traten die rund 60 BesucherInnen der CBG-Jahrestagung ihre Heimreise am Abend dann in dem Bewusstsein an, dem Monopoly-Spiel der Agro-Riesen nicht hilflos ausgeliefert zu sein.

ForscherInnen für GAUCHO-Stopp
Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin) haben einen wesentlichen Anteil am weltweiten Bienensterben. Die EU hat einige dieser Agrochemikalien deshalb schon mit einem vorläufigen Verkaufsbann belegt. Vielen WissenschaftlerInnen reicht dies jedoch nicht aus. In einer „Resolution zum Schutz der mitteleuropäischen Insektenfauna, insbesondere der Wildbienen“ fordern 77 BiologInnen Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) deshalb auf, „ein vollständiges Verbot von Neonicotinoiden, mindestens aber ein vollständiges, ausnahmsloses Moratorium für ihren Einsatz bis zum wissenschaftlich sauberen Nachweis ihrer Umweltverträglichkeit“ zu erlassen. Zudem verlangen die ForscherInnen in dem Schriftstück Maßnahmen zur Erhöhung der Strukturvielfalt von Kulturlandschaften und ein Insekten-Langzeitmonitoring.

Aktion bei BAYER in Belgien
Am 4. November 2016 schlug am BAYER-Sitz im belgischen Diegem die Natur zurück. Verkleidet in Tier-Kostüme, statteten AktivistInnen der Initiative EZLN der Niederlassung des Leverkusener Multis einen Besuch ab und gestalteten die Eingangshalle mit etwas Laub, Erde und Geäst um. Zudem brachten die EZLNlerInnen ein Transparent mit der Aufschrift „BAYER-MONSANTO – TTIP kills life“ an. Damit protestierten sie gegen das zwischen der EU und den USA geplante Freihandelsabkommen, das niedrigere Standards bei der Regulierung von Pestiziden, hormon-wirksamen Substanzen und anderen Stoffen vorsieht und aus eben diesen Gründen von den Konzernen mit aller Lobby-Macht vorangetrieben wird. „Es ist dringend nötig, die Einflussnahme des Privatsektors auf die Politik zu stoppen“, erklärte die Organisation, dabei nicht nur auf TTIP, sondern auch auf die Obstruktion des Klimaschutzes verweisend.

Petition gegen Hormon-Gifte
Chemische Stoffe haben viele gesundheitsgefährdende Eigenschaften. Eine der unheimlichsten: Manche Substanzen wirken ähnlich wie Hormone und können damit den menschlichen Organismus gehörig durcheinander wirbeln (siehe auch SWB 4/16). Pestizide des Leverkusener Multis wie RUNNER, PROVOST OPTI, FOLICUR und NATIVO oder Industrie-Chemikalien made by BAYER wie Bisphenol A sind deshalb imstande, Krebs, Diabetes, Fettleibigkeit, Unfruchtbarkeit und andere Gesundheitsstörungen auszulösen. Hormonell wirksame Ackergifte wollte die EU eigentlich schon 2009 im Rahmen einer Neuordnung der Zulassung verbieten. Dazu kam es allerdings nicht. Nach Ansicht Brüssels galt es zunächst, genaue Kriterien zur Definition der Pseudo-Hormone – sogenannter „endokriner Disruptoren“ (EDCs) – zu entwickeln. Mit drei Jahren Verspätung legte die Europäische Kommission den entsprechenden Entwurf im Sommer 2016 vor. Die Bestimmungen kehren jedoch die Beweislast um und fordern eindeutige Belege für die gesundheitsschädliche Wirkung der EDCs; ein plausibler Verdacht reicht Juncker & Co. nicht aus. Da dies nicht dem Vorsorge-Prinzip entspricht, hat das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK die Online-Petition „Gesundheit geht vor – Hormon-Gifte stoppen“ initiiert, welche der BUND, die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und zahlreiche andere Initiativen mittragen. So konnte das Bündnis der Bundesumweltministerin Barbara Hendricks am 30.11.2016 rund 100.000 Unterschriften übergeben.

Petition gegen CIPROBAY & Co.
BAYERs CIPROBAY hat ebenso wie andere Antibiotika aus der Gruppe der Fluorchinolone zahlreiche Nebenwirkungen (siehe auch RECHT & UNBILLIG). Am häufigsten treten Gesundheitsstörungen im Bereich der Sehnen, Knorpel, Muskeln und Knochen oder des Nervensystems auf. Aber auch Herzinfarkte, Unterzuckerungen, Hepatitis, Autoimmun-Krankheiten und Leber- oder Nierenversagen zählen zu den Risiken. Bundesdeutsche Geschädigte haben nun auf der „We act“-Plattform des Aktionsnetzwerks CAMPACT eine Petition veröffentlicht. Darin fordern sie das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) und die europäische Arzneimittel-Behörde EMA auf, mehr Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Sie verlangen von den Institutionen, den Einsatz der zu den Reserve-Antibiotika zählenden Mittel auf lebensbedrohliche Situationen zu beschränken. BAYER & Co. müssten zudem zum Anbringen eines Warn-Symbols auf den Packungen und zu Unverträglichkeitstests vor dem Verschreiben der Arzneien gezwungen werden, so die AktivistInnen. Anfang Oktober 2016 hatten schon über 2.000 Personen die Petition unterschrieben.

KAPITAL & ARBEIT

Entlassungen in Mission Bay
BAYER stellt am Standort Mission Bay nahe San Francisco die Forschungen zu Blut- und Augenkrankheiten ein und streicht die Stellen der WissenschaftlerInnen, die auf diesen Gebieten gearbeitet haben.

Werksfeuerwehr-Leute bessergestellt
Seit Jahren kämpft die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE um eine Besserstellung der Beschäftigten bei den Werksfeuerwehren. Schon im Jahr 2014 kam es in der Sache zu einer Protest-Veranstaltung vor dem BAYER-Casino. Aber die Chemie-Industrie schaltete immer auf stur. Darum musste sich eine höhere Instanz damit befassen: Zum ersten Mal seit 20 Jahren traten die „Tarifpartner“ der Branche in ein Schlichtungsverfahren ein. Und erst im Zuge dieses Prozederes zeigten sich BAYER & Co. zu Zugeständnissen bereit. Sie garantieren nun den Feuerwehr-Leuten – allein bei der 60-prozentigen BAYER-Tochter CURRENTA arbeiten rund 360 – Ersatz-Arbeitsplätze, wenn diese aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage sein sollten, die anspruchsvolle Tätigkeit auszuüben. Auch Zuschläge für Nacht-Einsätze und sonntägliche Dienste zahlen die Unternehmen jetzt.

KONZERN & VERGANGENHEIT

Arzneitests in Kinderheimen
Ausgehend von den Recherchen der Pharmazeutin Sylvia Wagner machen seit einiger Zeit Meldungen über Arznei-Tests in Kinderheimen und Jugend-Psychiatrien Schlagzeilen, die zwischen den 1950er und 1970er Jahren stattfanden. Ende November 2016 stießen ReporterInnen des NDR auf Unterlagen des Landeskrankenhauses Schleswig, die Versuche auch mit BAYER-Medikamenten dokumentieren (siehe auch SWB 1/17). So erprobten MedizinerInnen der jugendpsychiatrischen Abteilung zwei Pharmazeutika des Pillen-Riesen, ohne dafür eine Einwilligung der ProbandInnen oder ihrer Erziehungsberechtigten eingeholt zu haben. Das Neuroleptikum MEGAPHEN mit dem Wirkstoff Chlorpromazin testeten die ÄrztInnen als Therapeutikum gegen zu „zappelige“ SchülerInnen. 23 „anstaltsgebundenen Sonderschul-Kindern“ verabreichten sie es. Das Neuroleptikum AOLEPT mussten sogar 141 Kinder und Jugendliche schlucken. Dabei zeigten sich gravierende Nebenwirkungen wie etwa „Muskelverkrampfungen an den Augen, des Rückens und der mimischen Muskulatur“. Die Kieler Medizin-Ethikerin Alena Buyx hält die Praxis sogar nach damaligen Maßstäben für höchst problematisch. „Das ist ethisch unzulässige Forschung“, urteilte sie in dem NDR-Bericht.

IG FARBEN & HEUTE

IG-Manager bleibt KIT-Ehrensenator
Über ihren Nachruhm können sich viele Manager des von BAYER mitgegründeten Mörder-Konzerns IG FARBEN nicht beklagen. So lebt etwa Carl Wurster nicht nur im Straßenbild von Ludwigshafen weiter, wo ein Platz nach dem ehemaligen Wehrwirtschaftsführer benannt ist. Beim Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat es der Chemiker, der für die IG im Aufsichtsrat des Zyklon B-Produzenten DEGESCH saß, sogar zum Ehrensenator gebracht. Davon ließ sich das KIT nicht einmal durch massive Proteste abbringen. Es bedauert zwar, „dass es Ehrungen von Personen gab, die in Aktivitäten des nationalsozialistischen Unrechtsstaats verstrickt waren“, ist aber dennoch „der vorherrschenden Rechtsauffassung gefolgt, dass die Ehrung als höchstpersönliches Recht mit den Tod des/der Geehrten erlischt und damit eine nachträgliche Aberkennung faktisch nicht mehr möglich ist“.

POLITIK & EINFLUSS

Hannelore Kraft bei BAYER
Am 7. Dezember 2016 feierte der BAYER-Konzern das 125-jähriges Bestehen am Standort Leverkusen. Zu den GratulantInnen in seinem Erholungshaus konnte das Unternehmen auch die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft begrüßen. Wie bereits 2013 zum 150-jährigen Firmen-Jubiläum hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) die Ministerpräsidentin aufgefordert, in ihrem Geburtstagsständchen das lange Sündenregister des Global Players nicht auszuklammern. „Obwohl die Stadt Leverkusen Stammsitz eines der größten Konzerne der Welt ist, erlebt sie eine Rekord-Finanznot. Bei Schulen, Kinderbetreuung, Gesundheit und Freizeit – überall ist der Mangel spürbar. Die Kommune ist sogar auf die Unterstützung des Landes aus dem Stärkungspakt Stadtfinanzen angewiesen. Und das alles, weil BAYER sich durch „tausend legale Steuertricks“ um Abgaben in Millionen-Höhe drückt. Statt Lobreden erwarten wir deshalb Kritik von Hannelore Kraft“, hieß es in der Presseerklärung der CBG. Auch zu anderen dunklen Kapiteln aus der Firmen-Geschichte wie etwa der Rolle im Nationalsozialismus dürfe Kraft nicht schweigen, mahnte die Coordination. Aber die Sozialdemokratin entpuppte sich als Wiederholungstäterin und sprach die heiklen Themen wie schon 2013 nicht an. Stattdessen stand sie in Treue fest zu BAYER. „Wir sind ein Industrieland. Und wir wollen es bleiben“, konstatierte Hannelore Kraft. Die Ministerpräsidentin versprach, den Leverkusener Multi auch in Zukunft vor allem Unbill zu schützen. Vor allem dasjenige, das aus Richtung der EU droht, wie etwa der Plan, den Ausstoß des klima-schädlichen Kohlendioxids durch eine Verteuerung der Verschmutzungsrechte stärker zu sanktionieren, hatte sie dabei im Blick. „Wir kämpfen weiter für den Industrie-Standort, auch in Brüssel“, erklärte Kraft.

EU fördert Geheimniskrämerei
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hat schon so einige leidige Erfahrungen mit BAYERs Geschäftsgeheimnissen machen müssen. So weigerte sich der Leverkusener Multi unter Berufung auf ebendiese erfolgreich, Einblick in den mit der Universität Köln geschlossenen Forschungskooperationsvertrag zu gewähren. Auch auf den Hauptversammlungen nutzt er gern diese Ausrede, um Fragen zu den Verkaufszahlen umstrittener Produkte unbeantwortet zu lassen. Nichtsdestotrotz will die EU diese Geheimniskrämerei der Konzerne künftig noch weiter fördern. In einer neuen Richtlinie „über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb und rechtswidriger Nutzung und Offenlegung“ erklärt sie jede Information für sakrosankt, deren Veröffentlichung den Unternehmen zu ökonomischem Schaden gereichen könnte. Vergeblich hatte der Whistleblower Antoine Deltour, der den LuxLeaks-Steuerskandal aufgedeckt hatte, an die Europäische Union appelliert, das Vorhaben fallenzulassen. Auch die Kritik von JournalistInnen-Verbänden und Gewerkschaften, die durch das Paragrafen-Werk „in erheblichen Umfang die Meinungs- und Pressefreiheit“ beschränkt sahen, fand kein Gehör.

Wenning im FDP-Wirtschaftsforum
„Fast 70 Spitzenvertreter der deutschen Wirtschaft unterstützen das Comeback der Freien Demokraten. Sie haben sich dazu im FDP-Wirtschaftsforum organisiert, um die Parteiführung zu beraten“, vermeldet die FDP. Zu diesen ManagerInnen, deren Zahl mittlerweile auf 77 angestiegen ist, gehört auch BAYERs Aufsichtsratschef Werner Wenning. Er und seine KollegInnen haben der Partei bisher unter anderem „einfache Unternehmensgründungen“, „eine leistungsfähige Infrastruktur für Verkehr und Datenübertragung“ und nicht zuletzt „ein Steuerrecht, das Wachstumsbremsen löst, anstatt sie weiter anzuziehen“ auf die Agenda gesetzt.

PROPAGANDA & MEDIEN

Neues Media Center schafft Akzeptanz
„Mangel an gesellschaftlicher Akzeptanz wurde in einer Studie des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) als eines der Top-Hemmnisse für Innovationen benannt“, konstatiert Denise Rennmann, die bei BAYER den Bereich „Public & Governmental Affairs“ leitet. Die zunehmende Kritik an der Gentechnik und anderen neuen Hervorbringungen der Industrie bereitet dem Leverkusener Multi schon länger Sorge. Darum hat er sich Gedanken über eine „intensivere Wissenschaftskommunikation“ gemacht und die Idee ausgebrütet, ein „Science Media Center“ zu gründen. Dieses soll nach britischem Vorbild JournalistInnen mit „objektiven“ Informationen zu strittigen Themen aus dem Forschungsbereich versorgen. Im Jahr 2012 lud der Global Player zu diesem Behufe interessierte Kreise nach Berlin ein. Anschließend betraute er eine Arbeitsgruppe mit der Entwicklung eines Konzepts für eine solche Unternehmung und warb parallel dazu bei anderen Firmen, Zeitungen und Forschungseinrichtungen um Unterstützung. 2015 schließlich war es soweit. Die „Science Media Center Germany gGmbH“, getragen von der Stiftung des SAP-Mitgründers Klaus Tschira, nahm ihre Arbeit auf. „Wenn Journalisten den öffentlichen Diskurs mit verlässlichem Wissen und kompetenten Stellungnahmen bereichern wollen, dann steht ihnen das SMC Germany dabei zur Seite“, heißt es auf der Website. Einige Stichproben konnten das allerdings nicht bestätigen. Zu den Themen „Bienensterben“ oder „hormon-ähnliche Chemikalien“ findet sich beim SMC nichts. Und während der Eintrag zu Glyphosat einigermaßen ausgewogen daherkommt, lässt das Center bei den Informationen zur neuen Gentechnik CRISPR/Cas kritische Positionen unter den Tisch fallen.

14 Millionen für US-MedizinerInnen
Im Jahr 2015 standen 2.400 bundesdeutsche ÄrztInnen auf der Gehaltsliste von BAYER. Der Leverkusener Multi engagierte sie unter anderem als RednerInnen auf Kongressen, BeraterInnen oder lud sie zu Fortbildungsveranstaltungen ein. 7,5 Millionen Euro gab der Konzern dafür aus. In den USA ließ er sich das noch mehr kosten. Wie die US-Plattform ProPublica recherchierte, investierte der Pharma-Riese dort von August 2013 bis Dezember 2014 14 Millionen Dollar in die Pflege der medizinischen Landschaft.

1,3 Millionen für Fachgesellschaften
BAYER lässt sich die Pflege der medizinischen Landschaft so einiges kosten. Der Leverkusener Multi bedenkt nicht nur ÄrztInnen und Krankenhäuser mit Millionen-Beträgen (siehe oben und Ticker 4/16), sondern auch die medizinischen Fachgesellschaften. Rund 1,3 Millionen Euro erhielten diese im Jahr 2015. Und wenn sich die Tätigkeit der Organisationen auf ein Gebiet erstreckt, für das der Konzern die passende Arznei im Angebot hat, überweist er ihnen besonders viel Geld. So konnte sich die „Deutsche Gesellschaft für Mann und Gesundheit“ über 253.000 Euro freuen – und der Pharma-Riese bestimmt bald über mehr Rezepte für seine umstrittenen Testosteron-Präparate (siehe DRUGS & PILLS). Zur Umsatz-Steigerung seines risiko-reichen Gerinnungshemmers XARELTO investierte er indessen 189.000 Euro in die „Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung“ und 122.000 Euro in die „Gesellschaft für Thrombose und Hämostase-Forschung“.

PR für NEBIDO & Co.
Eigentlich sollten die Pharma-Firmen Medikamente für bestimmte Krankheiten entwickeln. Manchmal gehen sie jedoch den umgekehrten Weg und entwickeln Krankheiten für bestimmte Medikamente. So hat BAYER die männlichen Wechseljahre erfunden, um einen größeren Markt für NEBIDO und andere Hormon-Präparate zu schaffen. Praktischerweise hat der Konzern dafür auch gleich noch einen Fachbegriff in Beschlag genommen, der eigentlich nur einen wirklich krankhaften Testosteron-Mangel beschreibt: Hypogonadismus. Allerdings stehen NEBIDO & Co. seit einiger Zeit wegen ihrer zahlreichen Risiken und Nebenwirkungen in der Kritik. Deshalb geht der Leverkusener Multi nun in die Offensive. Beim europäischen Kongress für Männergesundheit, den die von ihm großzügig alimentierte „European Academy of Andrology“ in Rotterdam ausrichtete, sponserte er ein Symposion, das sich mit der Frage befasste: „Long-term treatment of hypogonadism – just a risky lifestyle intervention?“ Die vom Leverkusener Multi engagierten „Mietmäuler“ Abraham Morgentaler, Farid Saad, Kevin S. Channer und Linda Vignozzi antworteten natürlich unisono: „Nein.“

Mehr PR für DR SCHOLL’S & Co.
In den USA hat BAYER dieses Jahr größere Anstrengungen unternommen, um die Werbetrommel für seine rezeptfreien Medizin-Produkte, die so genannte „Over the Counter“-Ware (OTCs), zu rühren. Vor allem mit dem Bekanntheitsgrad der Sonnenschutzmittel aus der COPPERTONE-Reihe und der Fußpflege-Artikel der DR SCHOLL’S-Familie, die mit dem Kauf der OTC-Sparte von MERCK ins Portefeuille des Leverkusener Multis gelangten, zeigten sich die Konzern-StrategInnen unzufrieden (siehe auch ÖKONOMIE & PROFIT). „Ich hoffe, die Leute werden in den nächsten Jahren lernen, dass BAYER mehr ist als ASPIRIN“, so Phil Blake, der US-Chef des Pharma-Riesen, zum Sinn der Übung. Der Konzern lässt dabei keinen Kanal ungenutzt. Von TV und Zeitungen über FACEBOOK und INSTAGRAM bis hin zu TWITTER erstreckt sich die Kampagne.

BAYERs Shitstormer
Rund 500 Beschäftigte arbeiten in BAYERs PR-Abteilung. Das reicht allerdings nicht, um gegen den notorisch schlechten Ruf des Unternehmens anzukämpfen. Deshalb bedient sich der Konzern zusätzlich externer Kräfte. Gilt es etwa, im Zuge eines Skandals vertrauensbildende Maßnahmen einzuleiten, so greift der Leverkusener Multi gerne auf die Dienste von Christian Schwerg zurück. Dieser hat nämlich die Krisen-Kommunikation zu seinem Spezialgebiet auserkoren – den „Shitstormer“ nennt Die Zeit ihn deshalb. „Wir können nichts ungeschehen machen. Ab einer bestimmten medialen Verbreitung kann man nur offensiv vorgehen und das Thema in die Rehabilitationsstrategie integrieren“, sagt er über seine Arbeitsweise. Schwerg bietet für BAYER & Co. sogar vorbeugende Maßnahmen an, um deren ÖffentlichkeitsarbeiterInnen zu lehren, gut mit „bad news“ umzugehen. „Wir simulieren auch gerne mal Nachrichten auf News-Portalen oder geben uns als Journalisten aus, rufen an und senden E-Mails mit Vorwürfen“, plaudert der PR-Profi aus dem Nähkästchen.

TIERE & VERSUCHE

Tierversuchs-Richtlinie verwässert
Bei der Ausarbeitung der Tierversuchs-Richtlinie der EU hatten PolitikerInnen aus Deutschland BAYER & Co. vor allzu strengen Auflagen bewahrt. Und bei der Umsetzung in bundesdeutsches Recht musste das Paragrafen-Werk noch einmal gehörig Federn lassen. So unterliegen zu Bildungszwecken vorgenommene Tier-Experimente keiner Genehmigungspflicht mehr, sondern nur noch einer Meldepflicht. Auch ein Verbot besonders leidvoller Erprobungen fehlt in der deutschen Version. Der Jurist Dr. Christoph Maisack stellte in einem Gutachten insgesamt 18 Abweichungen vom ursprünglichen Text fest, die es dem Leverkusener Multi leichter machen, seine Tierversuche – im Geschäftsjahr 2015 waren es 133.666 – nicht zu reduzieren. Der Verein ÄRZTE GEGEN TIERVERSUCHE hat bei der EU-Kommission wegen der Aufweichung der Richtlinie eine Beschwerde eingereicht.

DRUGS & PILLS

30.000 ESSURE-Geschädigte
Bei ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, handelt es sich um eine kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich die Eileiter verschließen. Allzu oft jedoch bleibt das Medizin-Produkt nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Nebenwirkungen. 30.000 Meldungen über solche unerwünschten Arznei-Effekte hat BAYER bereits erhalten.

NICE nicht nice zu NEXAVAR
Das britische „National Institute for Health and Care Excellence“ (NICE) hat eine Kosten/Nutzen-Analyse von BAYERs NEXAVAR zu Behandlung von Leberkrebs durchgeführt und der Arznei kein gutes Zeugnis ausgestellt. „Es bleiben signifikante Unsicherheiten“, konstatierte die Behörde. Selbst eine vom Pillen-Riesen vorgenommene Preissenkung konnte die PrüferInnen nicht erweichen, dem „National Health Service“ die Übernahme der Therapie-Kosten zu empfehlen. Aber der Leverkusener Multi gibt sich noch nicht geschlagen und hofft weiter auf ein positives NICE-Votum in Sachen „NEXAVAR“.

Alzheimer durch ANTRA
Protonenpumpen-Hemmer mit dem Wirkstoff Omeprazol wie BAYERs ANTRA steigern das Alzheimer-Risiko. Das ergab eine Studie der Universität Bonn. Der Untersuchung zufolge setzen sich ANTRA-PatientInnen einer um 44 Prozent höheren Gefährdung aus, diese Krankheit zu bekommen, als Menschen, welche die Mittel nicht einnehmen. Die Präparate, die hauptsächlich bei Sodbrennen, aber auch zum Schutz vor Blutungen der Magenschleimhaut zum Einsatz kommen, haben jedoch noch mehr Nebenwirkungen. Da die Arzneien die Magensäure-Produktion fast komplett unterbinden, verschaffen sie Bakterien ein gedeihlicheres Klima, was den Ausbruch von Infektionen fördert. Zudem stören die Medikamente die Kalzium-Gewinnung aus der Nahrung und schwächen so die Knochen. Wegen solcher Gegenanzeigen warnen bundesdeutsche MedizinerInnen bereits seit Langem vor einem zu sorglosen Umgang mit ANTRA & Co. Allerdings fruchteten ihre Warnungen nicht – seit einiger Zeit sind diese Medikamente nicht einmal mehr verschreibungspflichtig. Und nicht zuletzt deshalb verfünffachte sich ihre Einnahme in den letzten Jahren.

Blockbuster EYLEA
EYLEA, das BAYER-Präparat zur Behandlung der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – erschließt nicht gerade medizinisches Neuland. Laut Konzern zeigte das Pharmazeutikum in Tests lediglich „eine vergleichbare Wirkung (‚Nicht-Unterlegenheit’) gegenüber der Behandlung mit LUCENTIS“. Einen Zusatznutzen mochte das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWIG) dem Gentech-Medikament deshalb nicht zu bescheinigen. Trotzdem entwickelt sich die Arznei dank BAYERs massivem Werbeaufwand zu einem Blockbuster. Dem „Innovationsreport 2016“ der Techniker Krankenkasse zufolge verzeichnete es die größten Umsatz-Zuwächse aller hierzulande im Jahr 2012 neu zugelassenen Medikamente. 2014 kam das Präparat auf fast 18 Millionen Euro – ein Plus von 458 Prozent gegenüber 2013.

USA: mehr Auflagen für NEBIDO & Co.
Mit großer Anstrengung arbeitet der Leverkusener Multi daran, die „Männergesundheit“ als neues Geschäftsfeld zu etablieren und Hormon-Präparaten wie NEBIDO oder TESTOGEL neue, nur selten zweckdienliche Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. Zu diesem Behufe hat der Pharma-Riese die Krankheit „Testosteron-Mangel“ erfunden und sie zu „männlichen Wechseljahresstörungen“ erhoben. Studien warnen allerdings vor den Gefahren der Mittel. So können die Arzneien neuesten Untersuchungen zufolge das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle erhöhen, was die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA zu einer Reaktion veranlasste. Sie zwang BAYER & Co., auf den Packungen vor diesen möglichen Nebenwirkungen zu warnen. Überdies müssen die Pharma-Firmen nun darauf hinweisen, dass die Pharmazeutika nur bei krankhaftem Testosteron-Mangel und nicht bei einem rein altersbedingten Rückgang der Hormon-Produktion Anwendung finden dürfen.

Neues Nahrungsergänzungsmittel
Menschen, die sich ausgewogen ernähren, brauchen keine zusätzliche Vitamine, Mineralien oder andere Stoffe. Deren Einnahme kann in manchen Fällen sogar schaden. Trotzdem hat BAYER eine Unmenge an Vitamin-Präparaten und Nahrungsergänzungsmitteln im Angebot. SANATOGEN, SUPRADYN, BEROCCA, CAL-D-VITA, ELEVIT, REDOXON und vieles mehr findet sich in der Produkt-Palette des Konzerns. Allein unter dem Markennamen ONE-A-DAY verkauft er Dutzende unterschiedlicher Pillen. Da die Geschäfte vor allem in den USA gut laufen, schmeißt der Pharma-Riese dort jetzt noch ein neues Mittelchen auf den Markt: TRUBIOTICS. Das mit den Mikroorganismen Lactobacillus acidophilus und Bifidobacterium animalis bestückte Probiotikum soll angeblich gute Werke im Verdauungstrakt verrichten.

ASPIRIN nur noch für vier Tage?
Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfArM) tritt bereits seit Langem dafür ein, ASPIRIN und andere Schmerzmittel in den Apotheken nur noch dann ohne Rezept abzugeben, wenn die Anwendungsdauer auf vier Tage beschränkt ist. Die Präparate haben nämlich beträchtliche Nebenwirkungen; ASPIRIN kann vor allem Magenbluten verursachen. „Selbst bei den niedrigen Dosierungen, die zur Prävention von Schlaganfall und Herzinfarkt dienen sollen“, besteht dem ehemaligen BfArM-Präsidenten Walter Schwerdtfeger zufolge dieses Risiko. Der „Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht“ lehnte die Forderung nach einer Verkleinerung der Packungen zwar bereits 2012 ab, aber endgültig vom Tisch ist die Sache noch nicht. „Die Studien-Ergebnisse werden zur Zeit ausgewertet“, ließ sich das Bundesgesundheitsministerium in der TV-Dokumentation „Angst vor Schmerzen“ vernehmen.

ASPIRIN im Freizeitsport
SportlerInnen verlangen ihrem Körper viel ab und überschreiten dabei oft die Schmerzgrenze. Deshalb greifen nicht wenige von ihnen zu Schmerzmitteln wie ASPIRIN (Wirkstoff: Acetylsalicylsäure) – und das nicht nur Profis. Nach einer Untersuchung der WissenschaftlerInnen Pavel Dietz und Antje Dresen nimmt auch eine große Zahl von Freizeit-SportlerInnen die Präparate ein. Den ForscherInnen zufolge schluckt die Hälfte aller TeilnehmerInnen von Langstrecken-Rennen ASPIRIN oder andere Analgetika. „Wir waren überrascht, dass es in so einer Häufigkeit ein Thema ist“, so Antje Dresen. Die LäuferInnen setzen sich damit erheblichen Gesundheitsrisiken aus, denn durch die körperliche Belastung können die Nebenwirkungen der Mittel – im Fall von BAYERs „Tausendsassa“ ist das hauptsächlich das Magenbluten – noch mehr durchschlagen. Die Stöße, die während des Langstrecken-Laufs auf den Magen einwirken, erhöhen nämlich die Durchlässigkeit der Organ-Wände für die Acetylsalicylsäure.

YASMIN hilft nicht mehr gegen Akne
Frauen, die drospirenon-haltige Pillen wie BAYERs YASMIN zur Empfängnis-Verhütung einnehmen, tragen im Vergleich zu solchen, die levonorgestrel-haltige Kontrazeptiva bevorzugen, ein bis zu dreimal so hohes Risiko, eine Thromboembolie zu erleiden. Trotzdem bewirbt der Leverkusener Multi die Mittel als Lifestyle-Präparate, die etwa gegen Akne helfen. In der Schweiz darf er das jetzt jedoch nicht mehr tun. Mit Verweis auf das Gefährdungspotenzial der Pharmazeutika untersagte die eidgenössische Aufsichtsbehörde Swissmedic BAYER und anderen Herstellern, weiter Reklame für die angeblichen dermatologischen Qualitäten von YASMIN & Co. zu machen.

FDA zweifelt nicht an XARELTO-Tests
Bei der Klinischen Erprobung von BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO erhielt die Kontrollgruppe den marktgängigen Wirkstoff Warfarin (MARCUMAR). Das Gerät, das bei diesen ProbandInnen die Blutgerinnung bestimmte, arbeitete jedoch nicht korrekt. Es zeigte geringere Werte als die wirklichen an. Deshalb bekamen die TeilnehmerInnen mehr Warfarin als nötig – und in der Folge auch mehr gesundheitliche Probleme als die PatientInnen, die das orale Antikoagulans des bundesdeutschen Pharma-Riesen schluckten. Das schmälert die Aussagekraft des zur Zulassung von XARELTO eingereichten Rocket-AF-Tests erheblich, was in der Fachwelt für einige Empörung sorgte. „Es lässt an den Ergebnissen zweifeln, die benutzt wurden, um den Gebrauch des weltweit meistverkauften neuen oralen Antikoagulans zu befördern“, sagt etwa Dr. Deborah Cohen. Gemeinsam mit den anderen Mitherausgebern des British Medical Journal kritisierte sie die Studie in einem Artikel massiv. Der Leverkusener Multi hielt jedoch an dieser fest. Schon unmittelbar nach dem Bekanntwerden der Unstimmigkeiten hatte er eine Nachuntersuchung in Auftrag gegeben, die erwartungsgemäß die Rocket-Resultate bestätigte. Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA gab Anfang Februar 2016 ebenfalls Entwarnung. Und die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA prüfte zwar bedeutend länger als ihr EU-Pendant, schloss sich dann aber im Oktober 2016 dem EMA-Votum an.

BAYER setzt auf Krebs-Arzneien
Krebs-Medikamente versprechen den Pharma-Riesen den größten Profit. Das „IMS Institute for Healthcare Informatics“ rechnet für das Jahr 2018 mit einem 100-Milliarden-Dollar-Markt. Schon jetzt fressen die Präparate – ohne die Lebenszeit der PatientInnen entscheidend verlängern zu können – in der Bundesrepublik rund ein Viertel des Medikamenten-Budgets der Krankenkassen. Folgerichtig setzt BAYER ganz auf dieses Segment. Mit NEXAVAR, STIVARGA und XOFIGO bietet das Unternehmen bereits drei Onkologie-Präparate an; zudem befinden sich 17 Wirkstoffe in der klinischen Erprobung. Die Konkurrenz hat jedoch noch mehr im Köcher. So testet ROCHE zurzeit 34 Arzneien. Der Schweizer Konzern lässt sich das alles auch mehr kosten als der Leverkusener Multi. Im Jahr 2014 gab er mit 8,4 Milliarden Dollar 6,4 Milliarden mehr für die Pillen-Forschung aus als der Leverkusener Multi.

Schnellere Arznei-Zulassungen?
Wie unzureichend die Genehmigungsverfahren für Arzneimittel sind, belegen die zahlreichen Todesfälle, die unter anderem BAYER-Pharmazeutika wie YASMIN und XARELTO verursacht haben. Das ficht die europäische Arzneimittel-Behörde EMA allerdings nicht an. Sie beabsichtigt, das Prozedere noch einmal zu beschleunigen und will künftig Zulassungen schon nach dem erfolgreichen Absolvieren von zwei Phasen der Klinischen Prüfungen ermöglichen. Was bisher die dritte Stufe war, sollen jetzt Praxis-Tests richten. „Real World Data“ lautet das Zauberwort. Und das alles, obwohl die Erprobungen der Kategorie 2 sich auf einen kleineren ProbandInnen-Kreis beschränken und ohne Vergleichsgruppe auskommen. Nicht umsonst bleibt gegenwärtig an der dritten Hürde noch einmal rund die Hälfte der Medikamenten-Kandidaten hängen. Die Arznei-Behörde hat jedoch nur das Wohlergehen der Pillen-Produzenten im Sinn. „Die potenziellen Vorteile für die Hersteller wären ein früherer Einkommensfluss als bei konventionellen Zulassungswegen und weniger teure und kürzere klinische Studien“, erklärt der EMA-Mann Georg Eichler frank und frei. Bei den Vorbereitungen zu den Schnelltests und den Pilotprojekten arbeiteten die willigen Helfer der Arznei-Branche dann auch an führenden Stellen mit. Trotzdem behauptet der von BAYER gegründete „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VFA) steif und fest, die geplante „Reform“ sei „klar an medizinischen Zielen ausgerichtet und kein ökonomisches Entgegenkommen gegenüber den Unternehmen“. Das nimmt ihm jedoch kaum jemand ab. So kritisierte die ÄrztInnen-Organisation MEIN ESSEN ZAHL ICH SELBST (MEZIS) das Vorhaben scharf: „Klar erkennbar ist bei diesem Vorstoß der zu erwartende ökonomische Nutzen der Pharma-Industrie – auf Kosten der Sicherheit der PatientInnen.“ Die BUKO-PHARMA-KAMPAGNE und die gesetzlichen Krankenkassen lehnen das Projekt ebenfalls ab.

Lieferengpässe bei Arzneien
In der Bundesrepublik kommt es in letzter Zeit verstärkt zu Liefer-Engpässen bei Arzneimitteln. Auf der aktuellen Fehl-Liste des „Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ findet sich mit dem Mittel NIMOTOP, das die Gehirn-Durchblutung fördert, auch ein BAYER-Medikament. „Probleme bei der Herstellung“ gibt der Leverkusener Multi als Grund an. Und die gab es in der Vergangenheit auch schon beim Krebsmittel XOFIGO. Schätzungen zufolge sind bis zu 60 Pharmazeutika kurz- oder längerfristig nicht erhältlich. Die „Probleme bei der Herstellung“ treten oftmals deshalb auf, weil die Pharma-Riesen die Fertigung gnadenlos rationalisiert haben. So versuchen sie etwa verstärkt, „just in time“ zu produzieren und auf diese Weise Lager-Kapazitäten abzubauen. Überdies gliedern sie gerne die Wirkstoff-Herstellung aus oder verlegen diese in Drittwelt-Länder. „In den letzten Jahren ist (...) meiner Ansicht nach etwas in der Unternehmensphilosophie einiger Pharmazeutischer Hersteller verloren gegangen: Verantwortungsbewusstsein, was zugunsten der Profit-Maximierung abgebaut wurde“, kritisiert deshalb Rudolf Bernhard, der Leiter der Krankenhausapotheke im Münchner „Klinikum rechts der Isar“. Um gegen die Missstände anzugehen, fordert der Pharmazeut unter anderem eine Meldepflicht bei Liefer-Problemen – bisher informieren BAYER & Co. nur auf freiwilliger Basis – und einen Zwang, bestimmte Arznei-Mengen immer auf Lager zu haben. Die Große Koalition sieht da jedoch keinen Handlungsbedarf, wie aus ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ hervorgeht. „Es liegen der Bundesregierung keine Anzeichen vor, dass die Register nicht die wesentlichen Lieferengpässe der relevanten Arzneimittel abdecken“, heißt es in dem Schriftstück. Dass etwa BAYERs Johanniskraut-Präparat LAIF zur Behandlung von milden Depressionen dort nicht verzeichnet ist, ficht Merkel & Co. offenbar nicht an. Den Pharma-Riesen zur Auflage zu machen, einen Vorrat an Medikamenten anzulegen, lehnen CDU und SPD ebenfalls ab. Ihrer Ansicht nach reicht es, wenn die Apotheken und Pillen-Großhändler die Arzneien immer parat haben: „Eine darüber hinausgehende Bevorratung durch den Pharmazeutischen Unternehmer ist daher nicht notwendig.“

„Consumer Health“ schwächelt
Der Leverkusener Multi hat das Geschäft mit den rezeptfreien Arzneien in der letzten Zeit stark ausgebaut und ist in diesem Bereich zur Nr. 2 auf der Welt aufgestiegen. Aber nicht nur die 2014 zugekaufte MERCK-Sparte erfüllte ihre Erwartungen bisher nicht (siehe ÖKONOMIE & PROFIT), auch der Absatz der restlichen Produkte schwächelt. Im 3. Quartal 2016 machte der Leverkusener Multi gegenüber dem Vorjahreszeitraum einen Verlust von 20 Millionen Euro. Dazu trug vor allem die schlechtere ökonomische Lage in Russland, China und Brasilien bei – diese Schwellenländer hatten zwischen 2012 bis 2014 noch 70 Prozent zum Umsatzwachstum von BAYER in diesem Markt-Segment beigetragen.

AGRO & CHEMIE

GAUCHO & Co. gefährden Wildbienen
Immer neue Studien belegen die Bienengefährlichkeit von Pestiziden aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin). So hat der britische Insektenforscher Ben Woodcock vom „Zentrum für Ökologie und Hydrologie“ (NERC) die Auswirkungen dieser Wirkstoff-Gruppe, welche die EU bereits mit einem vorläufigen Verkaufsbann belegt hat, auf Wildbienen untersucht. Er kam zu einem alarmierenden Befund: Waren die Tiere GAUCHO & Co. ausgesetzt, so beschleunigte sich das Schrumpfen der Populationen im Vergleich zu denjenigen, die nicht in Kontakt mit den Giften kamen, um den Faktor drei. Der Leverkusener Multi hatte bisher immer die Validität von wissenschaftlichen Arbeiten zu Neonicotinoiden angezweifelt, die unter Laborbedingungen entstanden. Von „unrealistischen Expositionsbedingungen“ sprach er stets und von Expositionsdosen, „die unter realistischen Feld-Bedingungen in dieser Form niemals auftreten würden“. Das traf zwar auf kaum eine Studie zu, verfehlte aber seine Wirkung nicht. Da Woodcock jedoch auf freier Wildbahn zu seinen Ergebnissen kam, stößt diese Verteidigungsstrategie des Konzerns nun auch an ihre Grenzen. Diese will er jedoch nicht wahrhaben. Von Mitgliedern der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN mit den Resultaten des Wissenschaftlers konfrontiert, meinte der Global Player auf einmal darauf hinweisen zu müssen, dass „auch Feld-Untersuchungen ihre Tücken haben, da sie sehr komplex und mitunter nicht leicht zu interpretieren sind“. Und – fast unnötig zu betonen – hatte die Woodcock-Arbeit nach Ansicht des Unternehmens solche Tücken.

Top bei Grenzwert-Überschreitungen
Bei Grenzwert-Überschreitungen von Pestizid-Rückständen in Lebensmitteln toppen Ackergifte made by BAYER alles. Nach den neuesten verfügbaren Zahlen, die aus den Jahren 2012 und 2013 stammen, finden sich nach Angaben der Bundesregierung unter den sieben „am häufigsten beanstandeten Wirkstoffen“ mit Imidacloprid (s. o.), Ethephon und Carbendazim drei, die auch in Produkten des Leverkusener Multis enthalten sind.

Pestizide in Orangen
Das Delmenhorster „Labor für Chemische und Mikrobiologische Analytik“ untersuchte für die WDR-Sendung Markt Orangen auf Rückstände von Pestiziden. In allen Proben stießen die WissenschaftlerInnen auf Spuren der Ackergifte. Diese blieben zwar unter den Grenzwerten, stellen aber trotzdem eine Gefahr dar. In den Früchten fanden sich nämlich bis zu fünf Agrochemikalien gleichzeitig, was Kombinationseffekte hervorrufen kann. Auch BAYER-Pestizide wiesen die ForscherInnen nach. So enthielten die Orangen Chlorpyrifos, das der Leverkusener Multi unter den Produktnamen BLATTANEX, PROFICID und RIDDER vermarktet, Fenhexamid (TELDOR), Imazalil (BAYTAN und MANTA PLUS) sowie Pyrimethanil (CLARINET, FLINT STAR, MYSTIC, MYTHOS, SCALA, SIGANEX, VISION und WALABI).

Parkinson keine Berufskrankheit
Pestizide können viele Gesundheitsschädigungen auslösen. Frankreich hat deshalb Krebs und Parkinson bei LandwirtInnen als Berufskrankheiten anerkannt. In der Bundesrepublik steht das vorerst nicht an, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ hervorgeht. Merkel & Co. stützen sich dabei auf einen Sachverständigenbeirat, der die Sachlage bei Parkinson 2011 und 2012 geprüft hat und befand: „Im Ergebnis war die Studien-Lage heterogen.“ „Erhebliche Unsicherheiten im Hinblick auf eine eindeutige Diagnose-Stellung“ machten die ExpertInnen fest. Im Moment werten diese allerdings neue Untersuchungen aus. In Sachen „Krebs“ haben es immerhin Erkrankungen in die Liste der Berufskrankheiten geschafft, welche die in vielen Agro-Chemikalien enthaltenen Halogen-Kohlenwasserstoffe auslösen können. Die „Anerkennung im Einzelfall“ hängt jedoch der Großen Koalition zufolge von vielen Parametern wie der Tumor-Art, dem gebrauchten Pestizid und der Dauer der Anwendung ab.

WASSER, BODEN & LUFT

Gerupfter Klimaschutzplan
Im Übereinkommen von Paris hatten sich die Mitgliedsländer der Vereinten Nationen 2015 darauf verständigt, die Erd-Erwärmung deutlich unter zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu halten. Im Vorfeld hatten sich die EU-Länder bereits geeinigt, die Treibhausgas-Emissionen bis 2050 um 80 bis 95 Prozent gegenüber dem Wert von 1990 zu verringern. Den bundesdeutschen Beitrag zur Umsetzung dieser Ziele wollte die Große Koalition mit dem „Klimaschutzplan 2050“ festlegen. Um diesen Plan entbrannte jedoch heftiger politischer Streit. Der „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI), der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI), die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) und die industrie-freundliche nordrhein-westfälische Landesregierung taten alles dafür, BAYER & Co. vor allzu drastischen Anforderungen zu bewahren. Ein „fester Beitrag zur Erreichung eines nationalen Klimaschutz-Ziels“ sei nicht im Voraus bestimmbar, dekretierte etwa der VCI. Maßnahmen zur Verteuerung der derzeit zum Schnäppchen-Preis erhältlichen Kohlendioxid-Verschmutzungsrechte lehnte der Verband ebenfalls ab. Und so kam es, dass Umweltministerin Barbara Hendricks den schon fertiggestellten Klimaschutzplan nach einer Intervention von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) wieder in die Tonne kloppen musste. In der überarbeiteten Fassung bekennt sich die Bundesregierung nun dazu, „ein zentrales Augenmerk auf den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft“ zu legen. Darum senkte sie die Spar-Vorgaben für die Industrie gegenüber den ursprünglichen Plänen um zehn Millionen Tonnen CO2 auf 140 bis 143 Millionen Tonnen bis 2030 ab und bürdete das Quantum kurzerhand der Wohnungswirtschaft auf. Auch setzte die Große Koalition hinter die Regelungen zur Reform des Emissionshandels – ganz wie vom VCI gefordert – den Vermerk „kann wegfallen“. Jetzt braucht der Leverkusener Multi, der 2015 fast zehn Millionen Tonnen Kohlendioxid ausstieß, seine Wirtschaftsweise nicht groß zu ändern. Für die Zukunft des Planeten bedeutet das allerdings nichts Gutes. „Die geplanten Maßnahmen sind nicht ehrgeizig genug, um die Klima-Ziele bis zur Mitte des Jahrhunderts zu erreichen“, konstatierte der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel von Bündnis 90/Die Grünen besorgt.

Die Deponie unter der Deponie
Anfang November 2016 hat die Bezirksregierung Köln dem Landesbetrieb Straßenbau NRW die Genehmigung erteilt, BAYERs Dhünnaue-Deponie wieder zu öffnen, um darauf das Fundament für die Erweiterung der A1-Autobahn und des Neubaus der Rheinbrücke zu gründen (siehe auch RECHT & UNBILLIG). Damit beschwor sie Gefahren für Mensch, Tier und Umwelt herauf. Und diese dürften nach Recherchen des WDR-Magazins Westpol sogar noch größer sein, als selbst die KritikerInnen des Projektes angenommen haben. Über einem 13 Hektar großen Teil des erst zur Landesgartenschau 2005 halbwegs abgedichteten Giftgrabs liegt nämlich die noch in Betrieb befindliche Sondermüll-Deponie Bürrig der BAYER-Tochter CURRENTA. Eine Absicherung nach unten hin existiert nicht, weshalb die Aufschüttungen auf die Altlast drücken und zu chemischen Reaktionen führen könnten. Trotzdem spielte Bürrig bei der Sicherheitsanalyse von Straßen.NRW keine Rolle und fand auch in den Antragsunterlagen zur Genehmigung keine Erwähnung. „Die aktive Deponie ist von den Planungen nicht betroffen“, antwortet die Bezirksregierung Köln auf eine Anfrage des WDR. Harald Friedrich, der ehemalige Abteilungsleiter im NRW-Umweltministerium, teilt diese Einschätzung nicht: „Man hätte eine Gefährdungsabschätzung machen müssen.“

BAYTRIL fördert Methan-Ausstoß
Rinder, die Antibiotika wie BAYERs BAYTRIL verabreicht bekommen, geben mehr klimaschädigende Methan-Gase an die Umwelt ab als solche, welche die Präparate nicht schlucken müssen. Das ergab eine Studie, welche die Fachzeitschrift Proceedings of the Royal Society B veröffentlichte. Den ForscherInnen um Tobin J. Hammer zufolge stieg die Methan-Freisetzung um den Faktor 1,8. Die WissenschaftlerInnen vermuten, dass BAYTRIL & Co. die Gas-Produktion fördern, indem sie Einfluss auf im Verdauungstrakt der Tiere wirkenden Mikrobakterien nehmen.

Plastik in Speisefischen
Immer mehr Plastikabfälle gelangen in die Weltmeere und bedrohen so das aquatische Ökosystem. Nach Angaben des Bundesumweltministeriums finden sich die Rückstände mittlerweile in 330 Tierarten wieder. Als einer der weltgrößten Kunststoff-Produzenten trägt BAYER maßgeblich zu diesem Umweltverbrechen bei. ForscherInnen des „Alfred-Wegener-Institutes“ wiesen jetzt sogar Plaste-Reste in Speisefischen aus der Nord- und Ostsee nach. Zumeist stießen die BiologInnen in den Verdauungsorganen der Tiere auf die Partikel. Obwohl die Heringe, Dorsche, Makrelen und Flundern vor der Lieferung an den Lebensmittel-Zwischenhandel ausgenommen werden, mochten die WissenschaftlerInnen Chemie-Rückstände in ihren Körpern nicht ausschließen: „Wir sind mit der Erforschung der Effekte noch ganz am Anfang.“

IMPERIUM & WELTMACHT

Abschreibungen in Venezuela
Die sinkenden Öl-Preise haben Venezuela in eine tiefe Krise gestürzt. Unter anderem leidet das Land an einer hohen Inflation, weshalb die heimische Währung gegenüber dem Dollar immer mehr an Boden verliert. Auch bei den Pharma-Firmen hat die Nation immense Schulden. Um diese wenigstens teilweise zu tilgen, hat die Regierung BAYER, SANOFI und NOVARTIS nun Anleihen der staatlichen Öl-Gesellschaft PDVSA übertragen.
Diese notieren zwar in Dollar und nicht in Bolívar, haben gegenüber ihrem Nennwert jedoch viel verloren. Die Konzerne nehmen die Verluste jedoch in Kauf und verkaufen trotzdem. NOVARTIS etwa erhielt für seine 200-Millionen-Dollar-Bonds nur 73 Millionen, und der Leverkusener Multi dürfte seine Papiere mit ähnlich hohen Abschlägen veräußert haben.

ÖKONOMIE & PROFIT

Synergie-Defekte beim MERCK-Deal
Schicken sich Unternehmen an, ihre Konkurrenten zu übernehmen oder Geschäftsteile von ihnen zu erwerben, preisen sie stets die mit den Deals angeblich verbundenen Synergie-Effekte. Im Fall des geplanten Kaufs von MONSANTO wusste BAYER diese sogar schon genau zu taxieren: 1,5 Milliarden Dollar per anno schon drei Jahre nach dem Vollzug der Transaktion. Allerdings können sich die Konzerne dabei auch verkalkulieren. Beispielsweise zahlte sich der 2014 vorgenommene Kauf einer MERCK-Sparte für den Leverkusener Multi bis jetzt nicht in dem erhofften Maß aus. So lag der Umsatz des Sortiments um 100 Millionen Dollar niedriger, als von MERCK angegeben. Auch erwies sich die Entwicklungspipeline als „nicht annähernd so gut wie präsentiert“, wie der Global Player beklagt. Zudem musste er mehr Geld als erwartet in Werbung für die Fußpflege-Artikel aus der DR SCHOLL’S-Reihe oder die COPPERTONE-Sonnenschutzmittel investieren, was sich obendrein nicht immer auszahlte: Im dritten Quartal des Jahres 2016 ging der COPPERTONE-Umsatz gegenüber dem Vergleichszeitraum um fünf Prozent zurück. Die 2001 erfolgte AVENTIS-Akquisition blieb ebenfalls lange hinter den Erwartungen zurück. Wegen falscher Angaben des AVENTIS-Managements über den Wert der Agro-Abteilung zog BAYER damals sogar vor Gericht.

Steuern sparen mit Lizenzen
Das Steuerrecht ermöglicht es den Konzernen, Geschäfte mit sich selber zu machen, um ihre Abgabenlast zu senken. So können einzelne Unternehmensteile von anderen Abteilungen Lizenzen erwerben, und die Kosten dafür senken den zu versteuernden Ertrag. Der Leverkusener Multi hat für solche Operationen die Tochter-Gesellschaft BAYER INTELLECTUAL PROPERTY (BIP) ins Leben gerufen, die Standorte in Monheim, Eschborn und Schönefeld hat. Wie hoch diese steuer-mindernden Lizenz-Gebühren z. B. für Marken-Rechte ausfallen, lassen die Zahlungen erahnen, welche der Global Player für die darauf entfallenden Einnahmen allein im bundesdeutschen Steuerparadies Monheim an das Finanzamt leistet: rund 20 Millionen Euro.

Monheim – einfach paradiesisch
Die Stadt Monheim wirbt mit einem Gewerbesteuer-Hebesatz von 300 Punkten – dem niedrigsten in ganz Nordrhein-Westfalen – um Industrie-Ansiedlungen. BAYER ließ sich das nicht zweimal sagen. Der Agro-Riese verlegte nicht nur einen Teil seiner Patent-Abteilung dorthin (s. o.), sondern auch die CROPSCIENCE BETEILIGUNGSGESELLSCHAFT, deren Haupttätigkeit „im Bereich Verwaltung und Führung von Unternehmen und Betrieben“ liegt.

COVESTRO spart Steuern
Letztes Jahr brachte der Leverkusener Multi seine Kunststoff-Sparte COVESTRO an die Börse. Und im Zuge des Loslösungsprozesses sucht sich das Unternehmen nach dem Vorbild der Muttergesellschaft schon einmal besonders günstige Steuerstandorte. Wie BAYER ist es dabei unter anderem in Monheim (s. o.) und in Belgien fündig geworden. Zusätzlich hat die Plaste-Gesellschaft sich jedoch noch die Schweiz auserkoren, wirbt doch das Nachbarland damit, dass es „international weiterhin auf Rang 8 der steuergünstigsten Standorte steht“. Die COVESTRO INTERNATIONAL SA mit Sitz im Kanton Fribourg hält Beteiligungen an überall auf der Welt verstreuten Niederlassungen. Ein Großteil von deren Erträgen wandert so an den eidgenössischen Steuerstandort zurück, wo die Finanzämter unschlagbare Konditionen bieten: „Holding-Gesellschaften sind von kantonalen Gewinn-Steuern ganz befreit, der Kapitalsteuersatz ist reduziert“.

BAYSANTO & MONSAYER

MONSANTO-HV stimmt Übernahme zu
Am 13. Dezember 2016 haben die MONSANTO-AktionärInnen der Übernahme des Konzerns durch BAYER zugestimmt. Die großen Anteilshalter wie BLACKROCK und andere Finanzinvestoren sorgten für das klare Ergebnis von 99 Prozent Zustimmung für das Angebot des Leverkusener Multis, pro MONSANTO-Papier 128 Dollar zu zahlen. Grünes Licht für den Deal hat der bundesdeutsche Konzern aber auch damit noch nicht. Rund 30 Kartellbehörden müssen die Transaktion noch genehmigen.

Klage gegen Übernahme scheitert
Im November 2016 hatten einige MONSANTO-AktionärInnen eine Klage gegen die Übernahme des Konzerns durch BAYER eingereicht. Sie warfen den ManagerInnen des US-Unternehmens eine Verletzung ihrer Treue-Pflichten vor, weil diese den Global Player ihrer Meinung nach zu billig hergegeben hatten. Kurz vor der entscheidenden MONSANTO-Hauptversammlung (s. o.) wies ein Richter das Begehren jedoch ab. Allerdings besteht für die Aktien-HalterInnen noch die Möglichkeit, in Delaware, dem Stammsitz des Agro-Riesen, ein Gericht anzurufen.

Grüne schreiben Offenen Brief
Die Grünen haben die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager in einem Offenen Brief dazu aufgefordert, der Übernahme MONSANTOs durch BAYER die Zustimmung zu verweigern. Der Fraktionschef Anton Hofreiter und weitere Bundestagstagsabgeordnete appellierten stattdessen an die Dänin, „die Spirale der Hochfusionierung im Agrochemie-Markt zu stoppen“. Unter anderem befürchtet die Partei durch den Deal höhere Preise für LandwirtInnen und VerbraucherInnen.

RECHT & UNBILLIG

13.800 XARELTO-Klagen
BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO mit dem Wirkstoff Rivaroxaban hat gefährliche Nebenwirkungen – im Jahr 2015 gingen allein beim „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) 137 Meldungen über Todesfälle ein. In den USA ziehen deshalb immer mehr Geschädigte bzw. deren Hinterbliebene vor Gericht. Das Aufkommen der Klagen erhöhte sich von Ende Januar 2016 bis Mitte Oktober von 4.300 auf 13.800.

Über 1.000 ESSURE-Klagen
ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, beschäftigt in den USA zunehmend die Gerichte. Die kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich die Eileiter verschließen, hat nämlich zahlreiche Nebenwirkungen. Allzu oft bleibt das Medizin-Produkt nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Gesundheitsschädigungen, über die Frauen berichten. Über 1.000 von ihnen haben in den Vereinigten Staaten deshalb schon eine Klage gegen BAYER eingereicht.

CIPROBAY vor Gericht
Das Antibiotikum CIPROBAY, das zur Gruppe der Fluorchinolone gehört, hat zahlreiche Nebenwirkungen. So registrierte die US-Gesundheitsbehörde FDA zwischen 1998 und 2013 3.000 Todesfälle, die im Zusammenhang mit fluorchinolon-haltigen Medikamenten stehen. Insgesamt erhielt die Institution rund 50.000 Meldungen über unerwünschte Arznei-Effekte. Am häufigsten treten Gesundheitsschäden im Bereich der Sehnen, Knorpel, Muskeln und Knochen auf. Die Pharmazeutika stören nämlich das Zusammenspiel zwischen Nerven und Muskeln, weil sie die Weiterleitung des Neurotransmitters Acetylcholine behindern. Auch Störungen des zentralen Nervensystems, die sich in Psychosen, Angst-Attacken, Verwirrtheitszuständen, Schlaflosigkeit und anderen psychiatrischen Krankheitsbildern manifestieren, beobachten die MedizinerInnen. Darüber hinaus sind CIPROBAY & Co. für Herzinfarkte, Unterzuckerungen, Hepatitis, Autoimmun-Krankheiten, Leber- oder Nierenversagen und Erbgut-Schädigungen verantwortlich. Bei Cheryl Tigley löste CIPROBAY, das BAYER in den USA unter dem Namen AVELOX vertreibt, eine Schädigung des peripheren Nervensystems aus. Deshalb zog die US-Amerikanerin vor Gericht und verklagte den Leverkusener Multi auf Schadensersatz.

CIPROBAY nicht vor Gericht
Kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001 kam es in den USA durch per Post verschickte Milzbrand-Erreger zu fünf Todesfällen. Die Regierungsstellen trafen daraufhin Vorsorge-Maßnahmen und kauften große Mengen von BAYERs Antibiotikum CIPROBAY als Gegenmittel. Zudem hoben sie das Verbot auf, die Arznei Kindern zu verabreichen – der Leverkusener Multi hatte für die Gewährung des exklusiven Vermarktungsrechtes lediglich Unbedenklichkeitsstudien nachzureichen. Bei diesen Untersuchungen hat der Pharma-Riese allerdings massive Manipulationen vorgenommen. Der an den Klinischen Prüfungen beteiligte Mediziner Dr. Juan Walterspiel wirft dem Unternehmen vor, Daten gefälscht zu haben, um Nebenwirkungen wie Muskelschwäche und Knorpelschäden zu verbergen. BAYER habe lange Datenkolonnen einfach in die Berichtsbögen eingefügt, so Walterspiel: „Diese Zahlen wiederholten sich endlos.“ Zudem haben die Erprobungen in den USA Walterspiel zufolge auffallend mehr Risiken und Nebenwirkungen zu Tage gefördert als solche, die der Konzern in Mexiko und anderen ärmeren Ländern durchgeführt hat. Die Versuche des Arztes, wegen der unsauberen Tests gerichtlich gegen den Leverkusener Multi vorzugehen, gestalten sich jedoch schwierig. So hat es der Oberste Gerichtshof der USA, der Supreme Court, im Juli 2016 abgelehnt, Walterspiel als Whistleblower gerichtlichen Beistand zu gewähren.

Pestizid-Klage in Indien
Das indische Agrar-Ministerium hatte 2015 ein ExpertInnen-Gremium damit beauftragt, die Risiken und Nebenwirkungen von 66 Pestiziden zu bewerten, die andere Länder längst verboten haben. Da in dem Ausschuss auch Industrie-VertreterInnen saßen, fiel die Empfehlung moderat aus. Die Kommission legte dem Staat nahe, 13 Agro-Chemikalien sofort aus dem Verkehr zu ziehen, darunter mit Fenthion und Methyl Parathion auch solche Wirkstoffe, die in BAYER-Produkten enthalten sind. Darüber hinaus schlug sie vor, die Zulassung für sechs Ackergifte 2020 auslaufen zu lassen und 27 im Jahr 2018 noch einmal in Augenschein zu nehmen. Aber der Regierung ging selbst das zu weit. Sie machte keine Anstalten, die Ratschläge zu befolgen. Deshalb sehen sich Modi & Co. nun mit einer Klage konfrontiert.

USA verbieten primäres Mikroplastik
Immer mehr Plastik-Abfälle gelangen in die Weltmeere und bedrohen so das aquatische Ökosystem. Durch Wellenbewegungen und Sonnen-Einwirkung kleingemahlen oder gleich in winziger Form als primäres Mikro-Plastik in das Wasser geraten, nehmen Fische und andere Tier-Arten die Partikel auf und setzen sich so großen Gesundheitsgefahren aus. Als einer der weltgrößten Kunststoff-Produzenten trägt BAYER maßgeblich zu diesem Desaster bei. Die USA hat jetzt jedoch erste Schritte zum Schutz der Wasser-Lebewesen eingeleitet. Sie verbot die Herstellung von primärem Mikro-Plastik, den sogenannten Microbeads, wie sie sich unter anderem in einigen Sorten des Durethan-Kunststoffs der BAYER-Tochter COVESTRO finden.

PCB: Kein Verfahren gegen RAG
Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören zu den giftigsten Hervorbringungen der Chlorchemie (SWB 1/14). Die vor allem von BAYER und MONSANTO in Umlauf gebrachten gefährlichen „Alleskönner“ kamen bis zu ihrem vollständigen Verbot 1989 in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben, Ölen, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz – und stellen immer noch ein beträchtliches Gesundheitsrisiko dar. Von den 1985 in der Bundesrepublik verkauften 72.000 Tonnen landete mehr als ein Sechstel im Bergbau, wo die schweren Gerätschaften viel Hydraulik-Öl brauchten. „Wir sind mit dem Zeug umgegangen, als wäre es Milch“, zitiert der Spiegel einen Bergmann. Dementsprechend leiden viele seiner KollegInnen heute an den Spätfolgen und zeigen Vergiftungssymptome wie Haut-, Nieren- und Leberschäden. Die Altlasten lagern in Fässern und anderen Behältern, die nicht selten Leckagen aufweisen. Nicht zuletzt deshalb gelangt jetzt PCB mit dem abgepumpten Grubenwasser aus den kontaminierten Stollen in die Flüsse. Das nordrhein-westfälische Landesamt für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz entnahm unter anderem an den Bergwerken in Prosper-Haniel, Bergkamen und Essen Proben und wies PCB-Belastungen nach, die an manchen Stellen um das Dreifache über den Grenzwerten lagen. Der BUND reichte deshalb eine Strafanzeige gegen den Bergbau-Konzern RAG ein. Anfang September stellte die Bochumer Staatsanwaltschaft die Ermittlungen allerdings ein. Das Unternehmen hätte wasserrechtliche Genehmigungen für die Einleitungen, und die Gewässer hätten kein Schaden genommen, erklärte Oberstaatsanwalt Paul Jansen zur Begründung. Er behauptete sogar, das Unternehmen hätte immer die Grenzwerte eingehalten.

Klage wg. Diskriminierung
Anfang Dezember 2016 hat eine US-amerikanische BAYER-Angestellte den Konzern wegen Diskriminierung verklagt. Dr. Irene Laurora, welcher der Leverkusener Multi 2012 noch den Titel der „Working Mother of the Year“ verliehen hatte, wirft dem Unternehmen vor, sie wegen ihres Einsatzes für Frauenrechte entlassen zu haben. Die Pharmakologin hatte 2015 eine schwangere Frau in ihr Projekt geholt, wogegen Lauroras Vorgesetzter wegen des bevorstehenden Mutterschaftsurlaubs allerdings Einspruch erhob. Die Wissenschaftlerin protestierte gegen die Intervention ihres Chefs, was zu Zurückstufungen und schließlich zur Kündigung führte. „Anstatt Dr. Lauroras Anstrengungen zu unterstützen, gegen die Diskriminierung Schwangerer vorzugehen, versuchte BAYER sie rechtswidrig durch eine Freisetzung mundtot zu machen“, kritisiert der Rechtsanwalt der Klägerin. Beim Pharma-Riesen ist das nicht der erste Fall dieser Art: Bereits im Jahr 2011 hatten acht weibliche Angestellte rechtliche Schritte gegen den Konzern wegen frauenfeindlichen Verhaltens eingeleitet (siehe SWB 3/11).

Auch Uni Mainz darf weiter mauern
Am 18. August 2015 hatte das Oberverwaltungsgericht Münster der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) die Einsichtnahme in den Vertrag verwehrt, den BAYER mit der Universität Köln geschlossen hatte. Antworten auf Fragen zur finanziellen Ausgestaltung der Kooperation, zu den Verwertungsrechten, zu den Forschungsvorgaben des Leverkusener Multis und zum Umgang mit negativen Forschungsergebnissen bleiben der Öffentlichkeit damit verwehrt. Der Richter Sebastian Beimesche hatte sich bei seinem Urteil auf die Paragrafen des nordrhein-westfälischen Informationsfreiheitsgesetzes und des Hochschulzukunftsgesetzes gestützt. Die entsprechenden Abschnitte entbinden Forschung & Lehre von der Transparenz-Pflicht. Und der Jurist legte diese so „weitreichend“ aus, dass sie auch die Forschungsplanung einbeziehen. Mit dem Verweis auf eine ähnliche Ausnahme-Regelung in den rheinland-pfälzischen Gesetzen bewahrte das Verwaltungsgericht Mainz Mitte September 2016 nun auch die Universität Mainz und BOEHRINGER davor, Details ihrer Zusammenarbeit offenlegen zu müssen.

Grünes Licht für Autobahn-Ausbau
Die Bezirksregierung Köln hat dem Landesbetrieb Straßen.NRW Anfang November 2016 die Genehmigung erteilt, die Autobahn A1 zwischen Köln-Niehl und dem Autobahn-Kreuz Leverkusen-West auszubauen und dafür auch eine neue Rheinbrücke zu errichten (siehe auch SWB 1/17). Dass der „Vorhaben-Träger“ dafür BAYERs erst zur Landesgartenschau 2005 in langjähriger Arbeit halbwegs gesicherte Dhünnaue-Deponie wieder öffnen muss, focht die Behörde bei ihrer Entscheidung nicht an. Sie setzte sich mit ihrem Beschluss über 300 Einwendungen verschiedener Initiativen und Einzelpersonen – auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hatte im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens eine Beschwerde eingereicht – und über massiven BürgerInnen-Protest hinweg.. Die GegnerInnen des Projektes verstummen dennoch nicht. So luden sich Umweltverbände, die CBG und andere Gruppen am 7. Dezember 2016 einfach selbst zur Feier von „125 Jahre BAYER in Leverkusen“ ein und vermiesten dem Global Player, seiner Gratulantin Hannelore Kraft und den anderen Gästen gehörig die Stimmung. Zudem wollen einige Organisationen gegen den Planfeststellungsbeschluss klagen.

FORSCHUNG & LEHRE

Kooperation mit der Uni Hamburg
BAYER hat mit der Universität Hamburg eine Forschungskooperation auf dem Gebiet der „Digitalen Landwirtschaft“ vereinbart. GeologInnen und InformatikerInnen der Hochschule wollen für den Leverkusener Multi im Rahmen dieser Zusammenarbeit ein Modell zur Erhebung von Wetter- und Bodendaten entwickeln, um „die Nutzung bestehender landwirtschaftlicher Ressourcen weiter zu optimieren“.

Kooperation mit der Uni Göttingen
Der Leverkusener Multi lagert immer größere Bereiche seiner Forschungsarbeiten aus. Rund 20 Prozent seines über 4,3 Milliarden Euro schweren Forschungsetats steckt er mittlerweile in Kooperationen mit Hochschulen und wissenschaftlichen Instituten. Der Göttinger Georg-August-Universität hat er gleich zwei Aufträge erteilt. Das dortige „Department für Nutzpflanzen-Wissenschaften“ ergründet für den Global Player zum Preis von 141.250 Euro, warum das Pestizid Flufenacet Wildgräsern nichts mehr anhaben kann. Das andere, nicht näher bezeichnete Agrochemie-Projekt läuft Ende 2016 aus und kommt BAYER mit 180.000 Euro noch teurer zu stehen.

BAYER stiftet Lehrstuhl
BAYER pflegt die akademische Landschaft nicht nur hierzulande mit Stiftungsprofessuren, sondern auch im Ausland. So hat der Leverkusener Multi der Universität Manitoba in Tateinheit mit den Nachkommen eines Arztes einen Lehrstuhl zur Erforschung von Blut-Krankheiten spendiert.

[Jubiläum SWB] STICHWORT BAYER 01/2014

CBG Redaktion

30 Jahre SWB

BAYERs Schatten

Seit nunmehr 30 Jahren schon muss sich BAYER einer publizistischen Gegenmacht erwehren: Im Dezember 1983 brachte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN mit dem rundbrief den Vorläufer des heutigen Stichwort BAYER auf den Weg. Vom Äußeren her kaum wiederzuerkennen, zeigt sich auf der inhaltlichen Ebene eine bemerkenswerte Kontinuität. Themen der ersten Ausgabe wie Störfälle, gefährliche Chemikalien, Wasserverschmutzung und gesundheitsgefährdende Arzneitests beschäftigen die Redaktion nämlich noch immer. Es hat sich also allen Beteuerungen zum Trotz nicht viel getan beim Leverkusener Multi – einer der vielen Erkenntnisgewinne der Langzeitbeobachtung.

Der BAYER-Konzern investiert nicht nur sehr viel Geld in seine Geschäftstätigkeit, er gibt auch Unsummen dafür aus, diese Geschäftstätigkeit in einem möglichst guten Licht erscheinen zu lassen. 500 Angestellte beschäftigt das Unternehmen mittlerweile in seiner PR-Abteilung. Der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) war deshalb schon bald nach ihrer Gründung klar, dass es gilt, dieser Öffentlichkeitsarbeit eine Gegenöffentlichkeitsarbeit entgegenzusetzen. Also beschloss das Netzwerk, ein eigenes Organ zu entwickeln. Und im Dezember 1983 war es dann soweit. Die erste Ausgabe des rundbriefs erschien. „Klein und bescheiden ist er zwar, der erste rundbrief. Aber oho!“, schrieb CBG-Urgestein Axel Köhler-Schnura zur Premiere, „denn nichts fürchten die Verantwortlichen bei BAYER mehr als die Wahrheit. Und die wird im rundbrief zu lesen sein.“
Auf spärliche acht Seiten brachte es die Ausgabe damals, alles mit der Schreibmaschine geschrieben und einzig mit ein paar Karikaturen zur Auflockerung der Textblöcke versehen. Im Erscheinungsbild hat sich inzwischen so manches getan. Nach und nach fanden Fotos Eingang ins Heft, und ab 1987 wartete es mit einem richtigen Titelbild auf. Allgemein nahm das Layout immer professionellere Formen an. Im neuen Jahrtausend kam dann sogar noch Farbe ins Spiel. Peu à peu fanden sich auch die Elemente zusammen, die heute fester Bestandteil des Magazins sind: der „O-Ton BAYER“, die „Angespitzt“-Zeichnung, die Meinungsrubrik und der Name „Stichwort BAYER“. Vor 1985 hieß die Zeitschrift noch „BAYER-Kurier“. Doch diesen Namen machte der CBG die Zeitung Bayernkurier streitig. Die CSU-Postille aus München sah eine Verwechslungsgefahr mit ihrem Blatt gegeben und drohte bei Weiterverwendung des Titels mit einem teuren – Streitwert: 50.000 DM – Prozess, und da die Coordination das Risiko nicht eingehen wollte, musste sie sich geschlagen geben und das Kind anders nennen.
Inhaltlich zeigt sich hingegen eine bemerkenswerte Kontinuität. Die Themen des ersten Heftes wie Störfälle, Wasserverschmutzung, chemische Kampfstoffe, giftige Substanzen und gesundheitsgefährdende Arznei-Tests treiben die Redaktion noch immer um. So beschäftigt sich ein Artikel der vorliegenden Ausgabe mit den polychlorierten Biphenylen (PCB), einer chemischen Verbindung, deren Gefährlichkeit schon den ersten rundbrief alarmierte. Von Anfang an einen breiten Raum nimmt die Berichterstattung über die CBG-Aktionen zu den BAYER-Hauptversammlungen ein. Das Stichwort BAYER (SWB) druckt Reportagen über die Proteste vor den Kölner Messehallen sowie den Ablauf der AktionärInnen-Treffen und veröffentlicht die Reden der Konzern-KritikerInnen. Und selbstverständlich widmet sich das Magazin auch den anderen Baustellen der Coordination stets in aller Ausführlichkeit.
Aber das Stichwort BAYER spiegelt die Arbeit der CBG nicht nur wider, oft genug regt es Aktivitäten durch die Erträge seiner umfangreichen Recherchen auch erst an. Beispielsweise bot ein Text über die Zusammenarbeit des Leverkusener Multis mit zahlreichen Universitäten die Grundlage für die Transparenz-Initiative der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, die eine Offenlegung des mit der Kölner Universität geschlossenen Forschungskooperationsvertrages verlangt und eine breite Resonanz gefunden hat. Zu den Kampagnen gegen den Blutverdünner XARELTO und die Verhütungsmittel der YASMIN-Gruppe gaben SWB-Texte ebenfalls den ersten Anstoß.
Eine große Aufgabe sieht das Magazin auch darin, die Sprechblasen, die BAYERs PR-Abteilung regelmäßig absondert, zum Platzen zu bringen. Die von den ÖffentlichkeitsarbeiterInnen am Schreibtisch entworfene schöne neue Welt der „Chemie-Parks“ mit ihren „Pflanzenschutzmittel“-Anlagen, ihrem „thermischen Recycling“ und der „Entsorgung“ von Produktionsrückständen, deren nachhaltige Idylle nur ab und zu einmal ein „Umweltereignis“ trüben kann, dekonstruiert das Stichwort BAYER permanent als eine Risikogesellschaft mit Pestizid-Fabriken inklusive Giftstoff-Verbrennung oder -Verklappung und Explosionen am laufenden Meter.
Der BAYER-Strategie, ihren Produkten durch eingekaufte WissenschaftlerInnen höhere Weihen zu verschaffen, arbeitet das SWB ebenfalls entgegen. Es hat Kontakte zu kritischen ForscherInnen aufgebaut, die den „Mietmäulern“ des Leverkusener Multis bei Bedarf ihre geballte Kompetenz entgegensetzen können. Im Redaktionsalltag sind über Recherchen, Nachdruck-Anfragen und die AutorInnen-Suche zudem vielfältige Verbindungen zu Initiativen oder EinzelkämpferInnen entstanden, weshalb das Stichwort im Netzwerk auch eine wichtige bündnispolitische Funktion erfüllt.
Die Zeitschrift vermag bei all solchen Bemühungen auf einem soliden Fundament aufzubauen. Über einen Ausschnittdienst erhält sie alle Artikel zugesandt, die in den bundesdeutschen Medien zum Global Player erschienen sind. Veröffentlichungen der Auslandspresse sammelt die Redaktion selber. Darüber hinaus bekommen die Redakteure häufiger BAYER-Interna von Whistleblowern zugespielt. Deshalb steht ihnen ein fast lückenloses Netz an Informationen zur Verfügung. Durch deren systematische Auswertung hat sich ein beeindruckendes Archiv aufgebaut, das über einen langen Zeitraum hinweg detailliert die Geschäftstätigkeit eines der größten Konzerne der Welt und deren unschöne Begleiterscheinungen dokumentiert.
Weltweit sucht das seinesgleichen und erweist seinen Nutzen Tag für Tag neu. Ereignet sich in einem Werk des Unternehmens eine Explosion, so ist das SWB imstande, gleich eine ganze Störfall-Liste zu präsentieren, die bis ins Jahr 1917 zurückreicht. Melden die Agenturen eine Preisabsprache des Leverkusener Multis mit anderen Konzernen, so hat das Stichwort gleich eine Aufstellung mit ähnlichen Kartell-Fällen parat. Und wenn eine Pille des Unternehmens wegen ihrer Risiken und Nebenwirkungen Schlagzeilen macht, so vermag das Stichwort auf der Stelle das Pharma-GAUs gewidmete Kapitel des „Schwarzbuchs BAYER“ zu präsentieren. Auf diese Weise vermittelt sich – bald auch lückenlos online, denn zum 30. SWB-Geburtstag gehen alle Ausgaben ins Netz – das Bild eines Global Players, der sich nicht hier und da mal einen Fehltritt leistet, sondern systematisch Mensch, Tier und Umwelt gefährdet, weil für ihn nur das zählt, was der frühere BAYER-Chef Manfred Schneider einmal mit den Worten ausdrückte: „Wir sind auf Profit aus. Das ist unser Job.“
Dank dieser Güte der Informationen greifen JournalistInnen bei ihren Recherchen häufig auf SWB-Material zurück wie zuletzt der Spiegel in seinem Beitrag über BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO. Auch erreichen das Stichwort BAYER immer wieder Gesuche um Nachdruck-Genehmigungen. Eine solche Wertschätzung macht es dem Magazin leicht, namhafte AutorInnen zu gewinnen: Jutta Ditfurth, Dorothee Sölle, Sven Giegold und Vandana Shiva haben schon für das SWB geschrieben. Außerdem legten bekannte Karikaturisten wie Berndt A. Skott, Kostas Koufogiorgos oder Carlos Latuff für das CBG-Organ Hand an. Bei den LeserInnen findet es ebenfalls viel Anklang. Schon rundbrief Nr. 2 durfte verkünden: „Der erste rundbrief hat zu unserer Freude ein riesiges Interesse gefunden. Täglich trudeln Abonnement-Bestellungen und Anfragen bei uns ein.“
Diese positive Resonanz blieb dem Magazin über die Jahre erhalten. Trotzdem plagen die SchreiberInnen auch immer wieder Selbstzweifel. „Betrachten die CBG-Mitglieder das Heft lediglich als Beigabe oder messen sie ihm einen eigenständigen Wert zu?“, „Wie intensiv lesen sie das Stichwort BAYER?“, „Wo liegen mögliche Schwachpunkte?“ – so lauteten einige der Fragen, die sich die Redaktion Ende 1999 stellte. Um Antworten zur „Leser/Blatt-Bindung“ zu erhalten, führte es unter den SWB-BezieherInnen eine Umfrage durch. Das Ergebnis schaffte es dann, die meisten Zweifel auszuräumen. „Stichwort BAYER mit großer Akzeptanz“, lautete das Resumee des damals hauptverantwortlichen Redakteurs Hubert Ostendorf. „SWB ist klasse, weiter so!“, „gut lesbar“ und „verständlich und sehr informativ“ hieß es unter anderem in den Zuschriften. Die einzelnen Rubriken und die Gesamtgestaltung des Heftes bekamen ebenfalls gute Noten. Nur vereinzelnd gab es Kritik wie „zu wenig abwechslungsreich“, „manchmal Quellen etwas genauer angeben“ oder „es wird viel Insiderwissen vorausgesetzt“. Hubert, der als gelernter Zeitungsmann mit großer Verve versucht hatte, das SWB zu professionalisieren und journalistischer zu machen, ohne ihm die politische Stoßrichtung zu nehmen, konnte seine Arbeit durch dieses Feedback bestätigt finden. Entsprechend erhöhte sich die Auflage stetig. Aktuell beträgt sie 6.200 Hefte. Die Zahl der AbonnentInnen stieg ebenfalls, auf 5.400 schraubte sie sich im Laufe der Jahre.
Allerdings bedeutete es von Anfang an einen ziemlichen Kraftakt, um zu diesen Resultaten zu kommen, denn es hängt weit mehr daran, als nur Artikel zu schreiben. Es gilt darüber hinaus Fotos zu machen, Karikaturen zu zeichnen und Anzeigen zu akquirieren. Und anschließend will das alles zusammen mit den Texten in Form gebracht und druckfertig gemacht werden. Verwaltungsaufgaben fallen ebenfalls reichlich an. Die AbonnentInnen-Datenbank erfordert Pflege, der Vertrieb läuft nicht von alleine, und ohne Werbung geht es auch nicht. Obwohl bei alldem viele fleißige Hände größtenteils ehrenamtlich mittun, verschlingt die Produktion ziemlich viel Geld. Die Abos allein bringen das nicht wieder herein; zudem bleibt dem Stichwort BAYER der Zugang zu lukrativen Werbeanzeigen – normalerweise Haupteinnahme-Quelle von Zeitschriften – verschlossen.
So also muss die CBG die Zeitschrift mittragen. Nur manchmal schulterten die „Stiftung Menschenwürde und Arbeitswelt“, der Ökofonds oder die Grünen diese Last mit.
Darum ist die Geschichte des Blattes verbunden mit Aufrufen, Förderabos zu zeichnen, unter Bekannten AbonnentInnen zu werben oder auch einfach nur Reklame für die Zeitschrift zu machen. Und Menschen, denen das Heft so am Herzen liegt, dass sie sich in besonderer Weise für die Arbeit der Redaktion engagieren möchten, fordert das SchreiberInnen-Team auf, dem „Stichwort BAYER“-Förderkreis beizutreten. Durch neue Förderer den Rücken gestärkt zu bekommen, wäre deshalb das schönste Geburtstagsgeschenk. Damit das Heft weiterhin das sein kann, als das es mein Vorgänger Hubert Ostendorf 1993 zum 10-jährigen Jubiläum bezeichnet hat: „ein Instrument wirksamer Kritik, wie es der Konzern in seiner über 125-jährigen Geschichte noch nicht gesehen hat“.
Von Jan Pehrke

[Ticker] STICHWORT BAYER 01/2012 – Ticker

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AKTION & KRITIK

Preis für die CBG
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und ihr Gründungsmitglied Axel Köhler-Schnura erhielten am 24. September 2011 den „Henry-Mathews-Preis“ der KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE. In der Laudatio hieß es: „Eine beeindruckende Anzahl von Aktionen hat eure konzernkritische Arbeit begleitet. Zum Beispiel im Jahr 2000, als ihr auf dem jährlich stattfindenden Gedenktag ‚Day of no Pesticides‘ an die Bhopal-Opfer des Giftgasunfalls in Indien 1984 erinnert habt und mit Giftspritzen, Kreuzen und Transparenten vor BAYER aufgetreten seid (...) Neben den Hauptversammlungs-Auftritten und Aktionen begleitet Ihr BAYER mit kritischen Analysen. Daneben unterstützt ihr weltweit Bürgerinitiativen, wenn sie in euer Aufgabenfeld gehören.“ Axel Köhler-Schnura dankte mit den Worten: „Ich wurde geehrt mit dem Henry-Mathews-Preis. Wofür? Für etwas, das doch selbstverständlich ist: Aufzustehen gegen Unrecht und Verbrechen. Und zwar so, wie es einem möglich ist. Dieser Preis steht Unzähligen zu. Und so sehe ich mich stellvertretend für all diese namenlosen Unbekannten, die tagtäglich das Gleiche tun wie ich“.

TDI-Anlage in der Kritik
Auf den von der Bezirksregierung Köln in der ersten Oktober-Woche 2011 einberufenen Erörterungsterminen zur Toluylendiisocyanat-Anlage, die BAYER in Dormagen plant, mussten sich die Konzern-Emissäre viel Kritik anhören (siehe auch SWB 1/12). Die VertreterInnen von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, dem BUND und der DORMAGENER AGENDA 21 beanstandeten die fehlenden Angaben zur Umweltbelastung, eine mangelhafte Störfall-Vorsorge und eine ungenügende, da nur mit Blech statt mit Beton vorgenommene Ummantelung der Produktionsstätte. Zudem verlangten sie den Einbau einer Schutzwand, die bei einer Explosion mit nachfolgendem Phosgen-Austritt neutralisierendes Ammoniak freisetzen könnte. Die Bezirksregierung ließ das nicht unbeeindruckt. Sie dürfte das Projekt aber trotzdem genehmigen und im günstigsten Fall einige Nachbesserungen einfordern.

Duisbergs 150. Geburtstag
Am 29. September 2011 jährte sich der Geburtstag des langjährigen BAYER-Generaldirektors Carl Duisberg zum 150. Mal. Er war im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas und die Ausbeutung von Zwangsarbeitern. Zudem hatte er einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörderkonzerns IG FARBEN. Da dem Ex-Chef des Leverkusener Multis trotz alledem immer noch in Ehren gedacht wird, startete die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Kampagne. Sie forderte anlässlich des Jahrestags die Umbenennung von Straßen und Schulen, die Duisbergs Namen tragen, sowie den Entzug der Leverkusener Ehrenbürgerschaft (siehe auch SWB 1/12).

Kritik an Kölner Universität
Der Politologe Thomas Kliche hat den Kooperationsvertrag der Universität Köln mit BAYER scharf kritisiert und als „korporative Korruption“ bezeichnet. „Forscher mit Geld von Unternehmen finden häufiger die gewünschten Wirkungen und interpretieren ihre Ergebnisse netter zugunsten der Pillen“, sagte Kliche in einem Interview mit der taz. Er monierte auch die immer stärkere Abhängigkeit der Hochschulen von Drittmitteln, weil das die Einrichtungen den Wünschen der Konzerne gegenüber gefügiger mache. Um Transparenz zu gewährleisten, forderte der Wissenschaftler deshalb die Offenlegung der Vereinbarung und ergänzte: „Aber damit kann es nicht getan sein, weil solche Abkommen ja oft bewusst unverfänglich formuliert werden. Auch die Rahmenbedingungen müssen sich ändern. Da könnten interessanterweise Arbeitnehmervertretungen in der Forschung helfen, denn sie stärken die unteren Ebenen gegen den sanften Erwartungsdruck von oben.“

Anfrage zu Kooperationsverträgen
Einen Kooperationsvertrag, wie ihn die Kölner Hochschule mit BAYER vereinbart hat (siehe oben), schließen immer mehr Universitäten mit Wirtschaftsunternehmen ab. Die Partei „Die Linke“ nahm die Zusammenarbeit der Berliner Humboldt-Universität mit der DEUTSCHEN BANK zum Anlass, eine Anfrage an die Bundesregierung zu stellen. Diese sieht die Freiheit von Wissenschaft und Lehre durch solche Partnerschaften allerdings nicht gefährdet. Darum will sie auch keinen Handlungsbedarf erkennen, und zwar gerade im Namen dieser Freiheit. „Die grundgesetzliche garantierte Freiheit von Forschung und Lehre begrenzt die staatliche Einflussmöglichkeit“, so die CDU/FDP-Koalition. Auch an der Geheimhaltungspolitik, wie sie beispielsweise BAYER und die Kölner Uni mit Vehemenz verfechten, stört sie sich nicht. „Angesichts der vielfältigen Formen der Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft sowie der zahlreichen rechtlichen Implikationen, z. B. mit Blick auf den Schutz personenbezogener Daten, den Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen oder den Schutz geistigen Eigentums erachtet die Bundesregierung (...) eine generelle Pflicht zur Veröffentlichung von Kooperationsverträgen als rechtlich bedenklich“, heißt es in der Antwort.

Forscher warnt vor Glyphosat
Gentech-Pflanzen weisen Resistenzen gegenüber bestimmten Pestiziden auf und können auf den Feldern deshalb bis zum Abwinken mit ihnen besprüht werden. Das bekannteste Mittel ist Glyphosat, das hauptsächlich in Kombination mit MONSANTO-Genpflanzen der „ROUND UP“-Baureihe, aber auch mit BAYER-Produkten wie der Baumwolle „GHB 614“ zum Einsatz kommt. Der emeritierte US-Agrarwissenschaftler Don Huber hat den Präsidenten der Europäischen Kommission, Manuel Barroso, jetzt in einem Brief eindringlich vor Glyphosat gewarnt, da es seiner Meinung nach zahlreiche Risiken und Nebenwirkungen hat. So kann es zum Absterben von Soja-Gewächsen und zum Verwelken von Mais führen. Zudem senkt es Huber zufolge die pflanzen-eigenen Widerstandskräfte. Deshalb riet der Forscher der EU, keine Laborfrüchte zuzulassen, die den Gebrauch von Glyphosat nach sich ziehen.

Demo gegen Patente auf Pflanzen
BAYER & Co. betreiben die Privatisierung der Natur nicht nur vermittels der Gentechnik. Sie streben auch immer mehr Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen wie z. B. Brokkoli an. So hat das Europäische Patentamt BAYER unlängst geistiges Eigentum auf eine besser vor Mehltau geschützte Gurke sowie auf eine Ackerfrucht mit erhöhter Stress-Resistenz zugesprochen. Doch gegen das Vorgehen der Konzerne erhebt sich Widerstand. Am 26. Oktober 2011 kam es vor dem Europäischen Patentamt in München zu einer Demonstration gegen den botanischen Imperialismus der Agro-Multis.

Naturland ohne Nano
Die Nanotechnologie lässt Werkstoffe auf winzig kleine Größen schrumpfen. Dabei entwickeln BAYERs BAYTUBES und andere Nano-Produkte jedoch unbekannte und nicht selten gefährliche Eigenschaften. Wegen dieses Risiko-Profils hat sich der Ökoverband „Naturland“ entschieden, keine Lebensmittel, Kosmetika oder Verpackungsmaterialien auf Nano-Basis mit seinem Label zu versehen.

KAPITAL & ARBEIT

Erfolgreicher Arbeitskampf in Berkeley
Das BAYER-Werk in Berkeley gehört zu den wenigen US-Niederlassungen des Konzerns mit einer organisierten Arbeiterschaft. Darum gelang es in harten Tarifverhandlungen, die von Solidaritätsaktionen im ganzen Land begleitet waren, auch, deutliche Verbesserungen für die Beschäftigten zu erreichen. Die Gewerkschaft INTERNATIONAL LONGSHORE AND WAREHOUSE UNION (ILWU) vereinbarte mit der Betriebsleitung eine Entgelt-Steigerung von 3,1 Prozent über einen Zeitraum von vier Jahren, eine Begrenzung der Krankenversicherungskosten auf 18 Prozent des Gehalts sowie eine Sicherung der Arbeitsplätze. Donald Mahon von der ILWU sah den Erfolg als Bestätigung seiner Arbeit. „BAYER macht - so wie viele andere Unternehmen - Milliardenumsätze, aber damit sie den Arbeitern davon einen Teil abgeben, benötigt man gewerkschaftliche Organisation, Proteste sowie Druck von außerhalb und innerhalb der Werke“, so der Aktivist.

„Chemie Ost“ mit Entgelt-Angleichung
Im neuen Tarifvertrag für die ostdeutsche Chemie-Industrie ist es der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE gelungen, eine weitere Angleichung der Entgelte auf das West-Niveau zu erreichen. Gibt es bei den Eingangstarifen für verschiedene FacharbeiterInnen-Gruppen schon länger keine Unterschiede mehr, so soll nun auch die Differenz bei den vorgesehenen Erhöhungsstufen, die aktuell noch acht Prozent beträgt, schrumpfen. Zudem erweitert sich im Osten die Bemessungsgrundlage für die jährlichen Bonus-Zahlungen sukzessive, bis sie 2015 zum West-Wert von 95 Prozent des letzten Bruttogehaltes aufschließt.

IB BCE will Job-Garantie
Der Betriebsrat verhandelt mit der BAYER-Spitze über den Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen bis 2015. „Wegen massiver Umstrukturierungen, Ausgliederungen von Unternehmensteilen und angedrohtem Arbeitsplatz-Abbau benötigen die Beschäftigten klare Perspektiven und dauerhaft gesicherte Arbeit“, erklärte Gesamtbetriebsratschef Thomas de Win von der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE. Allerdings gestalten sich die Gespräche schwierig. Sie werden nicht wie eigentlich vorgesehen zum Jahresende 2011 enden, BAYER-Chef Marijn Dekkers kündigte eine Einigung erst für Mitte 2012 an. De Win indessen reicht die Job-Garantie nicht. Er forderte auch mehr Engagement für die Niederlassungen in der Bundesrepublik: „BAYER muss an allen deutschen Standorten investieren.“.

Lohnangleichung für LeiharbeiterInnen
Der Leverkusener Multi beschäftigt Hunderte von LeiharbeiterInnen. Ihre Lage dürfte sich bald bessern. Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) erzielte mit dem „Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister“ nämlich eine Einigung über eine Lohnangleichung. Nach einem Zeitraum von drei Monaten sollen die ZeitarbeiterInnen sukzessive Zuschläge erhalten, bis ihr Entgelt dem der Stammbelegschaft entspricht, so die Regelung. Auch anderen Leiharbeitgebern will die IG BCE dieses Modell vorschlagen. Es tritt allerdings erst in Kraft, wenn es den anderen DBG-Gewerkschaften ebenfalls gelingt, das „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“-Prinzip durchzusetzen. Einigen von denen geht die Vereinbarung jedoch nicht weit genug. So lehnt etwa VER.DI die Stufenanpassung ab. „Da sich die Höhe des Lohns nach der Entleih-Dauer richtet, würden lediglich die Einkommensunterschiede zwischen Stammbelegschaft und Leiharbeitern zementiert“, konstatiert Jörg Wiedemuth von VERDIs tarifpolitischer Grundsatzabteilung. Zudem nimmt er es der IG BCE übel, den Leiharbeitsvorstoß nicht mit den anderen Gewerkschaften abgesprochen zu haben.

Auflösung der Diagnostika-Sparte
Seit dem 2006 erfolgten Aufkauf von SCHERING hat BAYER viele Arzneien des ehemaligen Berliner Pharma-Riesen ausgemustert. Der Konzern gab sich nämlich nicht dessen mit Umsatz-Erwartungen zufrieden. Während SCHERING neuen Produkten die Vorgabe von 100 Millionen Euro machte, erwartet der Leverkusener Multi 200 bis 300 Millionen. Neuester Coup: Der Konzern will die Sparte mit den ererbten Diagnostika-Produkten auflösen, die er schon länger vernachlässigt, weshalb bereits viele SCHERING-Ehemalige das Unternehmen verlassen haben. Das Geschäft mit den Röntgenkontrastmitteln MAGNEVIST und ULTRAVIST schlägt der Global Player seiner Tochterfirma MEDRAD zu; für sein noch nicht marktreifes Präparat zur Alzheimer-Früherkennung sucht er einen Käufer. Nach Angaben des Pillen-Herstellers stehen mit den avisierten Veränderungen 100 Arbeitsplätze zur Disposition.

Die letzten SCHERING-Mohikaner
Als der Leverkusener Multi 2006 SCHERING übernahm, stellte er den Beschäftigten Vorteile aus dem Zusammenschluss in Aussicht. Die Realität sah jedoch anders aus. 1.000 Belegschaftsangehörige mussten sofort gehen, und viele SCHERING-Präparate stampfte BAYER ein (s. o.). Mit dem neuen BAYER-Chef Marijn Dekkers brachen dann noch härtere Zeiten an. Er tilgte den Namen SCHERING und unterstellte die Pillen-Schmiede direkt dem Kommando des Pharma-Chefs Jörg Reinhardt. Zudem verabschiedete er sich vom Ausbau des Berliner Standortes und ließ die dortigen Beschäftigten besonders hart unter seinem Arbeitsplatzvernichtungsprogramm leiden. Dies alles hatte Konsequenzen. Von den 96 Personen, die bei SCHERING einst in höheren Positionen tätig waren, arbeiten heute nach einer Berechnung des Betriebsrats gerade noch einmal vier für den Global Player, wie die Financial Times Deutschland berichtete.

Das Ende des Standortes Mishawaka
Im Zuge seines Rationalisierungsprogramms, das 4.500 Jobs kostet, strukturiert BAYER auch das Pharma-Geschäft in den USA um. So stehen bei MEDRAD, der Tochter-Firma für Medizin-Produkte, 60 bis 70 Jobs zur Disposition. Zudem plant der Gen-Gigant an der Ostküste ein neues Pharma-Zentrum, was die Existenz der anderen sechs Standorte in der Region bedroht. Eines wickelt der Pharma-Riese bereits ab. Er kündigte an, seine Niederlassung in Mishawaka schließen zu wollen. Die 130 Belegschaftsangehörigen, die dort für SIEMENS Diagnostika-Geräte herstellten, können zum Münchner Unternehmen wechseln. Die restlichen 270 stehen vor einer ungewissen Zukunft. Der Leverkusener Multi machte ihnen zwar ein Weiterbeschäftigungsangebot, das allerdings fiel ziemlich vage aus.

BAYER verkauft VIVERSO
Der Leverkusener Multi hat seine Tochter-Gesellschaft VIVERSO für 75 Millionen Euro an die Firma NUPLEX verkauft. „Damit trennt sich BAYER MATERIAL SCIENCE von dem Geschäft mit bestimmten konventionellen Lackharzen, das nicht mehr zur aktuellen Strategie des Unternehmens passt“, verkündete der Global Player. Er vernichtet damit 165 Arbeitsplätze innerhalb des Konzerns. Die Beschäftigten müssen vorerst jedoch nicht um ihre Jobs fürchten. NUPLEX kündigte an, die komplette Belegschaft übernehmen zu wollen.

JENAPHARM: Nur noch Vertrieb
Bereits 2006 hatte der Leverkusener Multi die Forschungsabteilung seiner Tochter-Gesellschaft JENAPHARM dicht gemacht. Nun wickelt er auch noch die Entwicklungssparte ab und vernichtet so 40 Arbeitsplätze. Künftig kümmern sich die verbleibenenen 200 Beschäftigten nur noch um den Vertrieb von Kontrazeptiva, Testosteron-Präparaten und Mitteln gegen Hautkrankheiten.

DYNEVO am Ende
Im Jahr 2001 hatte BAYER die Werksdruckerei DYNEVO ausgegliedert. In der Folge reduzierte der Multi die Arbeitsplätze von 230 auf 150. Zuletzt wollte er die Gesellschaft an BERTELSMANN verkaufen. Aber die Verhandlungen scheiterten. Deshalb kündigte der Konzern jetzt an, den Betrieb dicht zu machen.

Frauenanteil: 17 Prozent
Aktuell beträgt der Anteil von Frauen in Führungspositionen bei BAYER 17 Prozent. Der Leverkusener Multi hat sich zum Ziel gesetzt, diesen bis zum Jahr 2015 auf 30 Prozent zu steigern. Er will sich dabei allerdings nicht von der Politik auf die Sprünge helfen lassen. Der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers empfindet eine „gesetzliche Quote als nicht zielführend“.

Großverdiener Manfred Schneider
BAYERs Aufsichtsratschef Manfred Schneider bleibt König der Deutschland AG. Er sitzt nämlich nicht nur dem Kontrollgremium des Leverkusener Multis vor, sondern bekleidet diese Position auch bei LINDE und RWE. Einen einfachen Aufsichtsratssitz hat er zudem noch bei der ALLIANZ inne. Dafür streicht er insgesamt 1,1 Millionen Euro ein - so viel wie keiner seiner KollegInnen.

14,7 Millionen für Wenning
Der Leverkusener Multi sorgt für einen angenehmen Ruhestand seines Ex-Chefs Werner Wenning. 14,7 Millionen Euro hält er für dessen Lebensabend bereit - mehr haben nur MERCEDES und VW für ihre Ehemaligen übrig. Und Wennings Nachfolger Marijn Dekkers braucht sich ebenfalls keine Sorgen zu machen. Im letzten Jahr hat der Konzern schon über zwei Millionen Euro für seine Pension zurückgelegt, so viel wie kein anderes Dax-Unternehmen für seinen Vorstandsvorsitzenden.

ERSTE & DRITTE WELT

Indien: 138 Arzneitest-Tote
Von 2007 bis 2010 starben in Indien 138 Menschen bei der Klinischen Erprobung von BAYER-Medikamenten (siehe auch SWB 1/12). Insgesamt kamen bei den Pillen-Prüfungen von Big Pharma in dem Zeitraum 1.600 ProbandInnen ums Leben. Nach Ansicht der Multis haben jedoch zumeist nicht die Medikamente, sondern Vorerkrankungen wie Krebs zum Ableben der ProbandInnen geführt. Die amtlichen Stellen machen ebenfalls nicht die Pharmazeutika im Allgemeinen verantwortlich. Von den 668 Sterbefällen im Jahr 2010 schreiben sie 22 der direkten Einwirkung der getesteten Substanzen zu. Darunter befinden sich fünf BAYER-Opfer, allein vier Tote forderte das Präparat XARELTO. Die Tests mit diesem Blutverdünnungsmittel hatte bereits die US-Gesundheitsorganisation PUBLIC CITIZEN beanstandet, da ProbandInnen, welche die Konkurrenz-Substanz Warfarin bekamen, nicht die optimale Dosis erhielten und sich so einem erhöhten Schlaganfall-Risiko aussetzten. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hat in einem Offenen Brief an BAYER die Praxis des Konzerns scharf kritisiert, immer mehr Tests in ärmere Länder zu verlegen, weil dort unschlagbare Preise, schnellere Verfahren und eine mangelhafte Aufsicht locken, und eine umfassende Aufklärung über die Todesserie gefordert.

Kontrazeptiva-Kampagne in Afrika
Der Leverkusener Multi hat in Afrika eine Vermarktungsinitiative für seine Verhütungsmittel gestartet. Dazu ist er eine Partnerschaft mit der US-amerikanischen Entwicklungsbehörde USAID eingegangen, welche die Kosten für Erstellung und Verbreitung von Informationsmaterial zu den Pillen übernimmt. Die gemeinsame „Contraceptive Security Initiative“ will allen Frauen „mit mittlerem Einkommen in vorerst elf subsaharischen Entwicklungsländern Zugang zu bezahlbaren oralen Kontrazeptiva“ verschaffen. Um die Armen geht es also nicht; und um besonders arme Länder auch nicht. Äthiopien hat BAYER als Ausgangspunkt der Kampagne gewählt, weil die Märkte des Landes relativ gut entwickelt sind und eine hohe Nachfrage nach YASMIN & Co. besteht. „Einen neuen strategischen Ansatz und einen innovativen Weg zur Erschließung der Märkte in Entwicklungsländern“ nennt der Pharma-Riese das Ganze.

Freude über hohe Agrar-Preise
Die durch Finanzmarkt-Spekulationen zusätzlich hochgetriebenen Agrar-Preise bedrohen die Ernährungslage der Menschen in der „Dritten Welt“. Der Leverkusener Multi hingegen freut sich über die Entwicklung, denn die Mehreinnahmen der großen landwirtschaftlichen Betriebe führen zu einem gesteigerten Saatgut- und Pestizidabsatz. „All das deutet auf einen recht positiven Branchenausblick für den Rest des Jahres hin“, sagte BAYER-CROPSCIENCE-Chefin Sandra Peterson deshalb im September 2011.

Unnütze BAYER-Pillen in Indien
Die BUKO-PHARMA-KAMPAGNE hat die Geschäftspolitik BAYERs und anderer Pillen-Multis in Indien untersucht und kam zu einem wenig schmeichelhaften Ergebnis. So bewertete die Initiative von den 39 Präparaten, die der Leverkusener Multi dort in 77 Dosierungs- und Formulierungsarten vertreibt, nur neun als unentbehrlich. 40 sah sie als rational und 28 als irrational an. Aber selbst bei den unentbehrlichen Medikamenten wie RESOCHIN mit dem Wirkstoff Chloroquin hapert es, denn als Malaria-Theapeutikum taugt es wegen vermehrt auftretender Resistenzen nur noch bedingt. Und bei den als rational eingestuften Arzneien bemängelt der BUKO den oft viel zu hohen Preis. Die Liste der irrationalen Pharmazeutika führt mit dem Kontrazeptivum DIANE 35 ein Produkt an, das in der Bundesrepublik seit 1994 keine Zulassung mehr hat, weil es in Verdacht steht, Krebs auszulösen. Wegen der Nebenwirkung „Thrombose“ folgt das Verhütungsmittel YASMIN. Das Diabetikum GLUCOBAY und der Blutdrucksenker XIRTAM finden sich wegen Zweifeln an ihrer Wirksamkeit in dieser Kategorie wieder. Die Vitamin-Trunks wie BAYER‘S TONIC, EDINOL oder SUPRADYN hält der BUKO hingegen nicht nur für völlig nutzlos, sondern auch für gefährlich, denn sie enthalten teilweise Alkohol und belasten darüber hinaus das ohnehin zumeist schmale Budget der Familien unnötig. Zu allem Überfluss greift BAYER bei der Reklame für diese heikle Produkt-Palette dann auch noch zu dubiosen Praktiken. Besonders kritisiert die Pharma-Kampagne die aggressive YASMIN-Vermarktung in indischen Privatkrankenhäusern und die Kontrazeptiva-Schleichwerbung im Internet.

KONZERN & VERGANGENHEIT

Im Verbund mit Autokraten
In welchem Maße die von BAYER mitgegründeten IG FARBEN den Faschismus unterstützt haben, ist allgemein bekannt. Aber auch noch nach 1945 hielt es der Leverkusener Multi mit autoritären Regimes. So vollzog er in Südafrika bereitwillig die Apartheid mit und richtete in seinen Niederlassungen getrennte Kantinen und Toiletten für Weiße und Schwarze ein. Und 1978 klagte ein brasilianischer Gewerkschaftler über die Kollaboration von BAYER & Co. mit dem Militär-Regime: „Aus der Bundesrepublik Deutschland sind da insbesondere VW, DAIMLER-BENZ, MANNESMANN, KRUPP, BAYER, HOECHST, SIEMENS, BASF, VOIGT u. a. zu nennen. Man könnte die Liste beliebig fortsetzen, zu der etwa 50 große westdeutsche Konzerne gehören, die in Brasilien die Privilegien genießen, die ihnen die Militärdiktatur einräumt.“ In Peru verstand sich der Konzern ebenfalls prächtig mit den Generälen, weil diese den Beschäftigten keinerlei Rechte zubilligten. 1977 schrieb deshalb die Gewerkschaft von BAYER INDUSTRIAL S.A. an ihre KollegInnen in der Bundesrepublik einen langen Brief. „Die geheiligten Rechte der Arbeiter werden von den Unternehmern verletzt, d. h. der 8-Stunden-Tag, das Streikrecht, die Vorlage von Lohnforderungen, das Recht auf freie Meinungsäußerung, das Recht, Vollversammlungen durchzuführen und uns politisch zu organisieren. Wir bitten Sie, diese unsere Situation in Ihren Veröffentlichungen zu berücksichtigen und Ihren Protest zu erheben gegen diese Angriffe auf die Arbeiterschaft, gegen die Verfolgung von Sozialkämpfern und Gewerkschaftsführern, die verhaftet wurden und noch im Gefängnis sitzen, die deportiert wurden oder einfach verschwunden sind“, hieß es in dem Schreiben.

Die CUTTER-Impfkatastophe
1955 kam es in den USA zu einem folgenschweren Ereignis. Ein Impfstoff der BAYER-Tochter CUTTER gegen Kinderlähmung löste ebendiese aus, da er einen nicht sachgemäß deaktivierten Erreger enthielt. Neun Menschen starben, über 40.000 entwickelten Polio-Symptome. Als „CUTTER-incident“ ging der Fall in die Geschichtsbücher ein. Ein andere Version des Vakzins forderte in der Bundesrepublik zwei Todesopfer; 48 Menschen infizierten sich.

IG FARBEN & HEUTE

Börse ohne IG FARBEN
Auch nach 1945 bestand die IG FARBEN weiter. Der Zustand „in Auflösung“ hielt jahrzehntelang an. Immer wieder fand sich eine Gelegenheit, um alte Ansprüche wahren oder - etwa nach der Wiedervereinigung - neue formulieren zu können. In den 1990er Jahren hielten sich windige Investoren wie der CDU-Großspender Karl Ehlerding zudem gütlich am noch verbliebenen Grundkapital. Immer wieder vergeblich hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gefordert, die IG FARBEN zu liquidieren und ihr Vermögen an die ZwangsarbeiterInnen auszuzahlen. Das langsame Sterben des Unternehmens läutete jedoch erst die finanzielle Schieflage der Beteiligungsgesellschaft WCM ein, die den von BAYER mitgegründeten Mörderkonzern zwang, Insolvenz zu beantragen. Und nun steht das entsprechende Verfahren vor dem Abschluss, weshalb die Insolvenz-Verwalterin Angelika Wimmer-Amend ein Ende der Börsen-Zulassung der IG FARBEN beantragte.

POLITIK & EINFLUSS

BAYER bespitzelt die CBG
Der Leverkusener Multi lässt die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) bespitzeln. Er beauftragte das Kölner Unternehmen UNICEPTA - nach eigener Aussage die „Nr. 1 in Medienbeobachtung, Issue-Management und Pressearbeit“ - damit, Materialien über die CBG zu sammeln. Beschäftigte mussten sich in den Email-Verteiler der Coordination eintragen und Informationen anfordern. Darüber hinaus wertete die Online-Analyse-Abteilung die Web-Aktivitäten der CBG aus.

Staatssekretär bei „invite“-Einweihung
Helmut Dockter, Staatssekretär im nordrhein-westfälischen Forschungsministerium, wohnte der Eröffnung des Forschungszentrums „invite“ bei, das BAYER gemeinsam mit der Universität Dortmund betreibt. Die zu 70 Prozent aus Mitteln des Konjunkturpakets II finanzierte, 6,5 Millionen Euro teure Einrichtung soll Dockter zufolge helfen, den Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen zu profitablen Produkten zu beschleunigen und so den trotz Konjunktur-Einbruch stabilen bundesdeutschen Industrie-Sektor weiter stärken. „Die Landesregierung will, dass diese Krisenfestigkeit erhalten bleibt“, so der Staatssekretär. Zu den Projekten von „invite“ zählt etwa die Entwicklung einer Produktionsstätte in modularer Form, deren einzelne Komponenten unabhängig voneinander ausgetauscht werden können. Sieben Chemie-Firmen gehören dabei zu den Kooperationspartnern, zahlen tut allerdings die EU. 30 Millionen Euro Fördergelder steuert sie bei.

Voigtsberger bei BAYER
Wo einst nur das BAYER-Werk seinen Sitz hatte, da befinden sich heute Niederlassungen von 38 Unternehmen. Und immer noch ist Platz im Leverkusener Chemie-„Park“ - zuviel Platz. Die Anwerbe-Politik des Konzerns verläuft nämlich nicht allzu erfolgreich, da sich die gesamte Chemie-Branche ähnlich wie der Multi „gesundschrumpft“. Er musste sogar schon mit Floristik-Studios als Mietern vorlieb nehmen. Da diese Klientel andere Bedürfnisse hat, veranstaltete der Global Player vor ein paar Jahren sogar einen Architektur-Wettbewerb zur Umgestaltung des Geländes (SWB 4/07). Jetzt hat sich das nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerium der Problematik angenommen, die sich an den anderen Standorten des Konzerns ähnlich darstellt. Es veranstaltete eine Konferenz zur Zukunft der Chemie-„Parks“. Diese fand Mitte November 2011 passender weise auch gleich am BAYER-Stammsitz statt. Der zuständige Minister Harry Voigtsberger (SPD) sprach dem Global Player in seiner Eröffnungsrede gleich Mut zu. „Chemie-‚Parks‘ haben sich bewährt. Sie werden auch weiterhin ein Zukunftsmodell sein, wenn sie sich den aktuellen Herausforderungen wie Energie-Effizienz sowie nachhaltige Entwicklung stellen“, befand er.

BAYER sponsert Regierung
Auch im jüngsten Sponsoringbericht der CDU/FDP-Koalition ist BAYER wieder prominent vertreten. Mit insgesamt rund 65.000 Euro griff der Konzern den jeweiligen Bundesregierungen von Januar 2009 bis Dezember 2010 unter die Arme. Er sponserte unter anderem Weihnachtskonzerte, Empfänge zum Tag der deutschen Einheit und einen Saatgut-Kongress. Auch die Landesregierungen „unterstützt“ der Leverkusener Multi. So erhielt die „Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen beim Bund“ 8.000 Euro Zuschuss zum „Fest des Westens 2010“.

Dekkers VCI-Vize
Traditionell nehmen BAYER-Chefs Spitzenpositionen beim „Verband der Chemischen Industrie“ ein. Da macht auch der jetzige Vorstandsvorsitzende keine Ausnahme: Marijn Dekkers gehört neuerdings gemeinsam mit seinen Kollegen von MERCK und BASF zum Triumvirat der Vize-Präsidenten.

Dekkers im BDI-Präsidium
Der „Bundesverband der Deutschen Industrie“ (BDI) hat BAYER-Chef Marijn Dekkers in seinen erweiterten Präsidiumskreis gewählt.

Gutes China, schlechtes Deutschland
BAYER-Chef Marijn Dekkers nutzte die Einweihung eines neuen Kunststoffwerkes in Shanghai, um die chinesische Führung zu loben und Kritik am Investitionsklima in der Bundesrepublik zu üben. „Insgesamt hat es die chinesische Regierung bisher immer verstanden, das Wachstum zu managen“, sagte der Vorstandsvorsitzende. Die Bundesrepublik hingegen nutze ihr wirtschaftliches Potenzial nicht, da es Usus sei, „nur noch auf die Vermeidung kleinster Risiken zu pochen“, wie Dekkers im Hinblick auf die umstrittene Kohlenmonoxid-Pipeline formulierte (siehe auch IMPERIUM & WELTMARKT).

Obama stoppt CO2-Vorstoß der EPA
Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA wollte ab 2013 schärfere Kohlendioxid-Grenzwerte erlassen. Das aber verhinderte Barack Obama nach politischem Druck von Seiten der Konzerne. Vorher war es BAYER & Co. mit Verweis auf die schlechte Wirtschaftslage bereits gelungen, den Präsidenten von der Einführung eines Handels mit CO2-Verschmutzungsrechten und sowie von dem Ziel einer ehrgeizigen Emissionsreduktion abzubringen (siehe Ticker 1/10).

BAYER & Co. für Beitragssenkungen
BAYER & Co. fordern eine Senkung der Rentenversicherungsbeiträge. Die „Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände“ tritt für eine stufenweise Reduzierung von 19,9 auf 19,1 Prozent ein. Das brächte der Wirtschaft eine Ersparnis von rund vier Milliarden Euro.

Keine Netzgebühren für BAYER & Co.
Das neue Energiewende-Gesetz befreit BAYER und andere energie-intensive Unternehmen rückwirkend ab Januar 2011 von den Netzgebühren. Es gehe darum, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu fördern und gleichzeitig Industrieland zu bleiben, so begründet Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) laut stern die Subventionsmaßnahme. Zu zahlen haben das die Privathaushalte. Auf sie kommt nach einer Schätzung des „Bundes der Energieverbraucher“ eine Mehrbelastung von jährlich ca. einer Milliarde Euro zu. „Die Industrie massiv zu entlasten und allein die Kleinverbraucher die Zeche zahlen zu lassen, ist eine Dreistigkeit, die bisher ohne Beispiel ist“, protestiert deshalb Holger Krawinkel von der Verbraucherzentrale. Bleibt nur, auf ein Eingreifen der EU zu hoffen. Aber selbst dafür haben die Multis schon vorgesorgt. Sie fordern eine Ausgleichszahlung, falls Brüssel gegen die Ausnahmeregelung vorgehen sollte.

PROPAGANDA & MEDIEN

Die Dekkers-Inthronisierung
In der Fachzeitschrift prmagazin hat BAYERs Kommunikationschef Michael Schade aus dem Nähkästchen geplaudert. Er legte dar, wie umfassend die PR-Abteilung die Presse-Berichte über den neuen Konzern-Leiter Marijn Dekkers gelenkt hat. Als das Unternehmen die Nominierung bekannt gab und erste Artikel auftauchten, die das wenig schmeichelhafte Bild eines rücksichtslosen Sanierers zeichneten, ergriffen Schade & Co. sogleich Maßnahmen und diktierten 40 JournalistInnen eine nettere Story in den Schreibblock. Wenig später stellten sie den Schreiberlingen ihren Schützling bei einem Abendessen exklusiv vor. Das zweite Diner folgte dann kurz vor dem wirklichen Amtswechsel. Dekkers bekam dort die Gelegenheit, die ihm in den Mund gelegten Phrasen „Mehr Innovation, weniger Administration“ und „Evolution statt Revolution“ zu platzieren, die anschließend auch eine weite Verbreitung gefunden haben. Und momentan arbeitet Schade daran, seinem Chef trotz der verkündeten Vernichtung von 4.500 Arbeitsplätzen das Image eines Jobkillers zu nehmen und vermeldet schon erste Erfolge. „Die mediale Platzierung von Herrn Dekkers gelingt immer besser“, sagt er mit Verweis auf ein Interview in der Wirtschaftswoche und einen Beitrag im Handelsblatt. Die Financial Times Deutschland hingegen ließ sich nicht so leicht einspannen. Ihr Journalist Klaus Max Smolka wollte einmal Details über Stellenstreichungen veröffentlichen, die ihm ein BAYER-Beschäftigter zugespielt hatte, und verärgerte damit den Multi nachhaltig. Auch generell „nimmt er wahr, dass der Konzern die Zügel anziehe, um die Berichterstattung zu steuern“, gibt das prmagazin dessen Worte wieder.

Medialer Gen-Gau
Unermüdlich arbeitet EuropaBio daran, die Akzeptanz für die umstrittene Gentechnik zu erhöhen. Und für den Herbst 2011 hatte sich der Lobbyverband von BAYER & Co. einen besonderen Coup ausgedacht: Prominente „Pro-Gentechnik-Botschafter“ sollten für die Risiko-Technologie Reklame machen. Einem internen Papier zufolge hatten sich Bob Geldorf und Kofi Annan bereits „interessiert“ gezeigt. Die Genannten wussten von ihrem Gentech-Glück jedoch noch gar nichts. „Herr Annan ist kein Botschafter für EuropaBio und hat keine Absicht, den Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen zu fördern“, antwortete etwa ein Sprecher des ehemaligen UN-Generalsekretärs der englischen Zeitung The Guardian. Damit ging die PR-Offensive nach hinten los und entwickelte sich für EuropaBio zu einem medialen Gen-GAU.

Medialer Pipeline-GAU
Der Leverkusener Multi blickt neidvoll auf seinen Kölner Nachbarn SHELL. Der Öl-Konzern hatte es geschafft, ein mit der Gefährlichkeit von BAYERs zwischen Dormagen und Krefeld geplanter Kohlenmonoxid-Pipeline vergleichbares Projekt zu realisieren, ohne auf größeren Widerstand aus der Bevölkerung zu stoßen. Darum hat der Pharma-Riese die Leiterin der Abteilung „Corporate Policy and Advocacy“, Denise Rennmann, nebst anderen hochrangigen ManagerInnen zur Fortbildung in die Domstadt geschickt. „Wir haben mitgenommen, dass SHELL da sehr professionell kommuniziert hat“, resümierte BAYER-Sprecher Jochen Klüner. Der Global Player hatte nämlich frühzeitig das Gespräch mit AnwohnerInnen und Naturschutz-Initiativen gesucht, statt wie der Agro-Gigant allein auf Legislative und Judikative zu setzen. Bei ähnlich umstrittenen Vorhaben dürfte BAYER also zukünftig geschickter vorgehen. Darauf müssen sich alle Organisationen einstellen.

BAYERs EU-Lobbying
1,85 Millionen lässt sich der Leverkusener Multi seine Lobby-Aktivitäten bei der EU nach eigenen Angaben jährlich kosten. Was BAYER mit dem Geld so alles veranstaltet, darüber gibt der grüne EU-Abgeordnete Sven Giegold auf seiner Homepage einen kleinen Einblick. Der Parlamentarier dokumentiert dort nämlich sämtliche Annäherungsversuche. Und auf der langen Liste darf der Pharma-Riese natürlich nicht fehlen. So wollte er Giegold eine aus Unternehmenssicht verfasste „Studie“ zu den anstehenden Finanzmarkt-Reformen vorstellen. Der Global Player nutzt nämlich so umstrittene Instrumente wie Derivate - eine Art Wette auf Preissteigerungen oder -senkungen von Rohstoffen, Aktien, Währungen, Zinsen oder aber von Derivaten selber - und hat Angst vor Regulierungen. Zudem befürchtet der Pille-Riese, verschärfte Eigenkapital-Vorschriften für Banken könnten die Kreditvergabe erschweren. Auch die Meinung des Konzerns zum Grünbuch „Angemessene, nachhaltige und sichere europäische Pensions- und Rentensysteme“ sollte sich der Parlamentarier auf BAYERs Wunsch anhören. Und solche Avancen dürfte der Pharma-Riese auch den KollegInnen des Grünen-Politikers immer wieder machen.

EU will Werbeverbot lockern
Unter massivem Lobby-Einsatz versucht BAYER in Tateinheit mit der gesamten Branche seit geraumer Zeit, das EU-weite Werbe-Verbot für Medikamente zu kippen, um unter dem Siegel der „PatientInnen-Information“ mit seinem Milliarden-Etat noch ein wenig mehr Marketing betreiben zu können. Ganz ist ihm das nicht geglückt, denn explizite Reklame erlaubt der Gesetzesvorschlag weiterhin nicht. Dafür legt er den Begriff „Information“ recht weit aus. Darunter fallen beispielsweise auch Patientenschicksale und Krankengeschichten. „Dies wäre eine nachträgliche Legalisierung dessen, was Arzneimittel-Hersteller seit einigen Jahren praktizieren. So existieren z. B. zur Männergesundheit zahlreiche Seiten zum Thema Testosteronmangel oder der so genannten erektilen Dysfunktion, die dann in einem Atemzug auch auf entsprechende Arzneimittel zur Behebung des Mangels verweisen“, kritisiert die BUKO-PHARMAKAMPAGNE mit Verweis auf BAYERs Methoden zur Vermarktung von NEBIDO, TESTOGEL und LEVITRA. Studien, Gutachten und wissenschaftliche Veröffentlichungen gelten ebenfalls nicht als Werbung, weshalb der Pharmakologe Gerd Glaeske schon Böses ahnt. „Es gibt sehr viele Gefälligkeitsgutachten von Wissenschaftlern, die Wünsche der Pharma-Industrie erfüllen“, so der Forscher von der Universität Bremen. Und zu allem Überfluss dürfen MedizinerInnen und ApothekerInnen zudem bald Broschüren der Pillen-Riesen an die PatientInnen verteilen.

BAYER sponsort Weltverhütungstag
„Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar“, sagte einst der ehemalige US-Präsident Lyndon B. Johnson über seine Vorstellung von „Entwicklungshilfe“. Zum Behagen des Leverkusener Multis erfreut sich diese Ansicht sogar heute noch großer Beliebtheit, die „gigantischen Fruchtbarkeitsmärkte“ in den armen Ländern versprechen nämlich gute Absatzchancen für die Verhütungsmittel des Konzerns. Um die Geschäftsaussichten für YASMIN & Co. noch ein wenig zu verbessern, sponsert er darum auch 2011 wieder den Weltverhütungstag, der vor allem Jugendliche ansprechen soll.

BAYER sponsert Studierende
Der Leverkusener Multi umwirbt schon Studierende als zukünftige BAYER-KundInnen. So spendiert er beispielsweise StudentInnen der Tiermedizin Sezierbesteck, damit sie später auch schön seine Veterinär-Arzneien verschreiben.

BAYER will Forschungssubventionen
Unermüdlich fordert der Leverkusener Multi Steuererleichterungen für seine Forschungsanstrengungen. „In Europa fehlt dieses Instrument außer in Deutschland nur noch in Schweden, Solwenien, Rumänien und den baltischen Staaten“, klagte BAYERs Forschungsvorstand Wolfgang Plischke. In dem Interview mit dem Magazin GoingPublic drohte er in seiner damaligen Funktion als Vorstandsvorsitzender des vom Pharma-Riesen gegründeten „Verbandes der Forschenden Arzneimittelhersteller“ bei Nichtgewährung dieser Subvention sogleich mit Abwanderung. „Die Unternehmen können dieses Ungleichgewicht bei ihren Standort-Entscheidungen nicht ignorieren“, so Plischke.

200.000 Euro für Selbsthilfegruppen
BAYER sponsert Selbsthilfegruppen und PatientInnen-Organisationen in hohem Maße. Über 200.000 Euro verteilte der Leverkusener Multi 2010 allein an die bundesrepublikanischen Verbände. Aber natürlich nicht an alle. Zuwendungen erhalten hauptsächlich diejenigen, die der Konzern mit entsprechenden Medikamenten beglücken kann: Diabetes-, Krebs-, Bluter- und Multiple-Sklerose-Vereinigungen. Und das ist gut angelegtes Geld: „Wenn Firmen zehn Prozent mehr in Selbsthilfegruppen investieren, wächst ihr Umsatz um ein Prozent im Jahr“, hat der als Gesundheitsökonom an der Universität Bremen lehrende Dr. Gerd Glaeske einmal errechnet. International greift der Pharma-Riese noch tiefer in die Tasche. So bedachte er die Blutergesellschaften rund um den Globus 2010 mit über fünf Millionen Euro. Aber diese PR-Maßnahme ist auch bitter nötig. In den 1990er Jahren starben nämlich Tausende Bluter an HIV-verseuchten Blutprodukten des Pillen-Herstellers, weil er sein Präparat KOGENATE aus Kostengründen keiner sterilisierenden Hitze-Behandlung unterzogen hatte.

45.000 Euro an Krankenhaus
Im letzten Jahr hat der Leverkusener Multi 45.000 Euro an das Klinikum Bremen-Mitte gespendet, ein weiteres Krankenhaus der Stadt erhielt immerhin noch 5.000 Euro. Auch andere Multis zeigten sich großzügig. Die Gesundheitssenatorin Renate Jürgens-Pieper hätte diese Zahlen am liebsten unter Verschluss gehalten, die Veröffentlichung verdankt sich allein der Beharrlichkeit der HUMANISTISCHEN UNION. Für den Pillen-Multi dürfte sich die Investition lohnen. „Ein Pharma-Unternehmen wie BAYER zahlt das nicht aus gutem Willen zur Förderung eines guten Zwecks, die erwarten eine Gegenleistung“, kommentiert der Pharmakologe Peter Schönhöfer das Sponsoring.

45.000 Euro an „Arche“
BAYERs BEPANTHEN-Kinderförderung unterstützt seit längerem das Kinder- und Jugendwerk „Die Arche“, das dem evangelikalen Verband „Deutsche Evangelische Allianz“ angehört, und investiert damit in das SozialarbeiterInnen-Image des Konzerns. Wie im letzten Jahr honorierte er die Rückgabe einer leeren und den Erwerb einer neuen Packung der BEPANTHEN-Wundsalbe mit einem Euro für „Die Arche“. 45.000 Euro kamen so zusammen. Für die Verbreitung des PR-Coups sorgte als Medienpartner dann das Blatt Frau im Spiegel.

Umweltschutz-Studien bei BAYER
Als „Bluewashing“ kritisieren die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und andere Initiativen die Strategie der Konzerne, sich durch Kooperationen mit den Vereinten Nationen ein gutes Image zu verschaffen. Der Leverkusener Multi tut dies hauptsächlich durch ein Sponsoring der UNEP, des Umweltprogramms der UN. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit besuchten im Herbst 2011 50 Studierende aus Afrika, Asien und Lateinamerika Leverkusen, um ausgerechnet bei BAYER Studien zum Thema „Nachhaltigkeit und Umweltschutz“ zu betreiben.

Pestizid-Entlastungsstudie
BAYER & Co. behagt das schlechte Image ihrer Ackergifte nicht. Deshalb hat ihr „Industrieverband Agrar“ (IVA) bei Professor Harald von Witzke von der Berliner Humboldt-Universität eine Entlastungsstudie bestellt. Und Witzke, der schon häufiger vom Leverkusener Multi und anderen Unternehmen gesponserte Expertisen durchgeführt hatte und auch bereits als Autor des BAYER-Magazins re:source hervortat, lieferte das gewünschte Ergebnis. „Studie belegt Wohlstandsgewinn durch moderne Landwirtschaft“, konnte der IVA vermelden. Die Agrochemikalien schalten Unkraut, Pilze und Schadinsekten aus und bescheren den konventionell arbeitenden LandwirtInnen so eine viel reichere Ernte als den Biobauern und -bäuerinnen, so das Resultat der Forschungsarbeit. Witzke hatte sogar eine Zahl parat: Auf vier Milliarden Euro bezifferte er den Pestizid-Mehrwert. „Diese Studie darf nicht folgenlos bleiben“, forderte IVA-Geschäftsführer Volker Koch-Achelpöhler daraufhin, „... Es wird Zeit, auch jene Risiken klar zu benennen, die durch den Verzicht auf den modernen Pflanzenschutz erwachsen“.

Tag der offenen Tür
Mit dem Image des Leverkusener Multis ist es wegen umstrittener Vorhaben wie der Kohlenmonoxid-Pipeline und anderer Großprojekte nicht zum Besten bestellt. Darum unternimmt er viele Anstrengungen zur Rettung seines Rufes. Eine Gelegenheit dazu bot der „Tag der offenen Tür“, den BAYER und andere Chemie-Konzerne im „Jahr der Chemie“ mit besonders großem Aufwand gestalteten. In Leverkusen schaute sogar der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers persönlich vorbei, um „Chemie zum Anfassen“ zu präsentieren und Lust auf das „BAYER-Wissenschaftsabenteuerland“ zu wecken. Das größte Abenteuer boten dort Sängerinnen, welche die Forschungsphilosophie des Pharma-Riesen in Lied-Form vortrugen. Ansonsten gab es noch Chemie„park“-Führungen, Austellungen, Labor-Experimente, Hüpfburgen, Kakerlaken-Wettrennen, Flohzirkusse und TiermedizinerInnen-Sprechstunden.

TIERE & VERSUCHE

Mehr Tierversuche
Bei BAYER ist die Zahl der Tierversuche im Geschäftsjahr 2010 gegenüber 2009 von 171.251 auf 171.627 gestiegen. 92 Prozent davon unternahm der Leverkusener Multi mit Ratten und Mäusen, fünf Prozent mit Fischen und Vögeln und 0,6 Prozent mit Hunden, Katzen und Affen. Dazu kommen noch die Experimente, die der Konzern von externen Forschungszentren machen lässt. Sie wuchsen besonders stark an und erhöhten sich von 5.793 auf 19.785. „Der Anstieg ist durch die Tatsache zu erklären, dass wir mit einem Nutztier-Projekt in die finale Entwicklungsphase gekommen sind und gesetzlich geforderte Studien durchgeführt haben“, so das Unternehmen zur Begründung.

DRUGS & PILLS

YASMIN bleibt auf dem Markt
Auch in den USA sehen sich BAYERs Verhütungsmittel aus der YASMIN-Familie wegen ihrer Nebenwirkungen zunehmender Kritik ausgesetzt. Neuere Studien weisen ein bis um den Faktor 3,3 erhöhtes Risiko für Thromboembolien aus. 190 Todesfälle binnen der letzten zehn Jahren listet die US-Gesundheitsbehörde FDA auf. Darum hat sie sich Anfang Dezember mit dem Fall „YASMIN“ befasst. Mit 15 zu 11 Stimmen votierten die von der FDA berufenen ExpertInnen knapp dafür, das Mittel auf dem Markt zu lassen. Die Behörde dürfte den Leverkusener Multi nun lediglich auffordern, auf den Verpackungen dringlicher vor den Gesundheitsgefahren zu warnen. Ähnlich defensiv verfuhr bereits das hiesige „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“.

Erweiterte XARELTO-Indikation
Die US-Gesundheitsbehörde FDA hat das BAYER-Präparat XARELTO, bisher zur Thrombose-Vorbeugung nach schweren orthopädischen OPs im Einsatz, jetzt auch als Mittel zur Schlaganfall-Vorbeugung zugelassen. Sie setzte sich damit über viele, auch interne Bedenken hinweg. Eigene MitarbeiterInnen hatten sich noch Anfang September 2011 gegen die Genehmigung ausgesprochen, weil die von BAYER eingereichten Studien ihrer Meinung nach Fragen zu Herzinfarkt- und Blutungsrisiken aufwarfen. Zudem konnten sie im Vergleich zum bislang gebräuchlichen Wirkstoff Warfarin keinen therapeutischen Zusatznutzen entdecken. Aber die FDA setzte sich über diese Einwände hinweg. Nicht einmal Meldungen über Sterbefälle bei der Klinischen Erprobung des Mittels in Indien (siehe ERSTE & DRITTE WELT) konnten sie umstimmen. Der Institution waren derartige Zwischenfälle bekannt, wie sie der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN mitteilte: „Die Ärzte-Information führt Tod als mögliche Nebenwirkung auf, die während der Klinischen Tests mit XARELTO auftrat“. Bei Zulassungen gelte es immer, zwischen Wirksamkeit und Sicherheit eines Medikamentes abzuwägen, so die Behörde weiter. Dank dieser Abwägung zu Gunsten der Wirksamkeit und zu Lasten der Sicherheit kann der Leverkusener Multi mit einem XARELTO-Umsatz von zwei Milliarden Euro rechnen.

ALPHARADIN-Zulassung beantragt
Krebsmedikamente sind teuer, helfen zumeist wenig und haben allzuoft nur ein eingeschränktes Anwendungsgebiet. So auch das vom Leverkusener Multi gemeinsam mit dem norwegischen Unternehmen ALGETA entwickelte ALPHARADIN, das vermittels radioaktiver Strahlung das Wachstum von Prostatatumor-Zellen hemmen soll. Männern, bei denen eine Hormon-Behandlung erfolglos geblieben ist und sich zudem noch Metastasen im Knochen gebildet haben, verhalf es in einem Klinischen Test zu einem noch nicht einmal drei Monate längeren Leben. Trotzdem will BAYER für das Medikament im nächsten Jahr die Zulassung beantragen.

TRASYLOL-Wiederzulassung in Kanada
Im November 2007 musste BAYER das Medikament TRASYLOL, das MedizinerInnen bei OPs zur Blutstillung einsetzten, wegen der Nebenwirkung „Tod“ vom Markt nehmen. Mehrere Studien hatten die Gefährlichkeit des Medikamentes belegt. So analysierte der Harvard-Professor Alexander Walker die Unterlagen von 78.000 Krankenhaus-PatientInnen und konstatierte im Falle einer Behandlung mit TRASYLOL eine erhöhte Sterblichkeitsrate sowie ein größeres Risiko für Nierenversagen, Schlaganfälle und Herzerkrankungen. „2.653 Patienten mussten zur Dialyse und 2.613 Patienten starben“, hieß es in der Expertise. Trotz dieses Befundes hat Kanada der Arznei zur Versorgung von PatientInnen nach Bypass-Operationen eine Wiederzulassung erteilt. „Nach einer sorgsamen Überprüfung kam Health Canada (die staatliche Gesundheitsbehörde, Anm. Ticker) zu dem Schluss, dass der Nutzen von TRASYLOL die Risiken übersteigt“, hieß es zur Begründung. Zahlreiche MedizinerInnen mochten sich diese Meinung nicht anschließen und protestierten gegen die Entscheidung.

Lieber kein ASPIRIN COMPLEX
In unendlichen Variationen bietet der Leverkusener Multi seinen „Tausendsassa“ ASPIRIN mittlerweile an. So gibt es ASPIRIN COMPLEX zur Behandlung von Erkältungssymptomen seit Kurzem auch zum Anrühren mit heißem Wasser. Die unabhängige Fachzeitschrift arznei-telegramm rät von dem Mittel mit der Wirkstoff-Kombination Acetylsalicylsäure und Pseudoephedrin allerdings ab. Vor allem am Nutzen des Amphetamin-Abkömmlings Pseudoephedrin zweifelt das Magazin, weil es gegen eine verstopfte Nase nicht so gut wirkt wie andere Wirkstoffe und zudem noch mehr Nebenwirkungen hat. Als solche zählt die Zeitschrift Angstzustände, Schlaflosigkeit, Halluzinationen, Herzrasen und steigender Blutdruck auf. Sogar ein Herzinfarkt ist der Publikation zufolge belegt.

Keine Packungsbeschränkung für ASPIRIN
Immer mehr Menschen nehmen ASPIRIN ein, was vor allem der BAYER-Werbung geschuldet ist. Dem Konzern gelingt es mit seinen Kampagnen, das Präparat nicht mehr nur als Schmerztablette, sondern auch als Mittel zur Herzinfarkt-Prophylaxe zu vermarkten. Aber mit den Umsätzen (aktuell 776 Millionen Euro), steigen auch die Zwischenfälle. Dr. Friedrich Hagenmüller von der Hamburger Asklepios-Klinik schätzt die Zahl der Todesopfer durch die ASPIRIN-Nebenwirkung „Magenbluten“ allein in der Bundesrepublik auf 1.000 bis 5.000. Da er zudem den Nutzen des „Tausendsassas“ bei der Schmerzbehandlung anzweifelt, setzt er sich für eine Handelsbeschränkung ein. Die forderte das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) ebenfalls. Es trat dafür ein, die rezeptfrei abgegebenen Packungen von ASPIRIN und ähnlichen Produkten so zu verkleinern, dass sie nur noch für vier Tage reichen. Danach sollten die PatientInnen die Medikamente bloß noch auf Rezept bekommen. Dieser Vorschlag konnte vor dem auch mit Pharma-VertreterInnen besetzten „Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht“ allerdings nicht bestehen.

Doping mit ASPIRIN
ASPIRIN erfreut sich auch im Sport-Bereich zunehmender Beliebtheit. Besonders vor strapaziösen Marathonläufe greifen die TeilnehmerInnen gerne zu dem Tausendsassa oder zu anderen Schmerzmitteln. Nach einer Untersuchung des Pharmakologen Dr. Kay Brune nahmen beim Bonn-Marathon 2009 fast zwei Drittel der LäuferInnen ASPIRIN oder ähnliche Präparate ein. Unter der sportlichen Belastung steigt die Gefahr noch einmal stark an, dass die Nebenwirkungen durchschlagen, denn der Körper versorgt während dieser Zeit die für die Entgiftung zuständigen Nieren und den Magen/Darm-Trakt weniger mit Blut als üblicherweise. Die Folge: Nierenschäden und Magengeschwüre. „Manche Sportler müssen sogar unmittelbar nach der sportlichen Höchstleistung operiert werden und verlieren Teile ihrer inneren Organe“, so Brune.

LEGANTO neu auf dem Markt
BAYER bringt das bisher unter dem Namen NEUPRO bekannte Pflaster unter der Bezeichnung LEGANTO neu heraus. Eine entsprechende Kooperation mit dem NEUPRO-Hersteller UCB gab der Leverkusener Multi im Sommer 2011 bekannt. Das mit dem dopamin-ähnlich wirkenden Rotigotin versehene Pflaster ist zur Behandlung des Restless-Legs-Syndroms und zur Therapie von Parkinson im Frühstadium zugelassen. In einem späterem Stadium der Krankheit dürfen es die MedizinerInnen nur gemeinsam mit einem anderen Medikament verwenden. In Tests zeigte sich das Mittel bei dieser Indikation der Substanz Ropinirol unterlegen. Die „European Medicines Agency“ ließ das Medikament, zu dessen Nebenwirkungen Müdigkeit, Schwindel, Kopfschmerz und Übelkeit zählen, aber trotzdem zu.

VFA beklagt sinkende Pillen-Preise
Das 2010 erlassene „Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittel-Marktes“ hat die Pillen-Preise bis zum Jahr 2013 auf dem Stand von August 2009 eingefroren und den Hersteller-Rabatt für neue Medikamente von sechs auf 16 Prozent erhöht. Das hat nach Berechnungen des „Verbandes der Forschenden Arzneimittelhersteller“ (VFA), den BAYER gegründet hat, die Arzneien im Durchschnitt um drei Prozent billiger gemacht, was zu entsprechenden Mindereinnahmen bei den Pharma-Multis geführt hat. Allein das neue Rabatt-Reglement kostet die Konzerne 1,5 Milliarden Euro.

Personalisierte Medizin floppt
Die personalisierte Medizin, also die Entwicklung einer passgenauen, auf die jeweiligen Bedürfnisse der PatientInnen ausgerichteten Therapie-Form, erfüllt die in sie gesteckten Erwartungen nicht. „Die Sache ist komplizierter als gedacht“, räumt BAYERs Pharma-Forscher Jörg Müller ein. Besonders bei Herz/Kreislauf-Erkrankungen hapert es noch. „Kardiologische Erkrankungen sind auf molekularer Ebene viel weniger erforscht, als das bei Krebs-Indikationen der Fall ist“, stellt sein Kollege Helmut Haning fest. Zudem ist „Personalisierte Medizin“ oftmals nur ein Euphemismus für ein dem Großteil der PatientInnen nicht zumutbares Medikament. Wenn eine Arznei in einem Klinischen Test bei der Mehrheit der ProbandInnen keine positiven Effekte zeitigt, picken sich die Pharma-Multis die Minderheit heraus und deklarieren die Pille als maßgeschneidert für ebendiese Gruppe. Das hat auch der Leverkusener Multi vor. Da sein Pharmazeutikum XARELTO bei der Indikation „Thrombose“ in Tests nicht besser als die bisherige Standardmedikation abschnitt, will er sich nun diejenigen TeilnehmerInnen herausfiltern, bei denen es doch anschlug, um wenigstens ein personalisiertes XARELTO für dieses Anwendungsgebiet herausbringen zu können.

Neuer Anlauf für Positivliste?
Viele GesundheitsministerInnen haben sich schon bemüht, die unübersehbare Menge der auf dem Markt befindlichen Arzneimittel durch eine Positivliste zu beschränken. Allesamt scheiterten sie jedoch am Widerstand von BAYER & Co. Jetzt unternehmen CDU und FDP einen neuen Anlauf. Die Parteien wollen parallel zum LandärztInnen-Gesetz einen Modellversuch starten, der die MedizinerInnen auf die Verordnung bestimmter, in einem Katalog festgehaltener Arzneien verpflichtet. Warnungen vor einer „standardisierten Kochbuch-Medizin“ ließen da nicht lange auf sich warten, und allen bisherigen Erfahrungen nach zu urteilen, dürfte das Projekt keine großen Chancen haben.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Endosulfan-Verbot beschlossen
Jahrelang hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) den Leverkusener Multi aufgefordert, den in der Bundesrepublik schon längst verbotenen, besonders gefährlichen Pestizid-Wirkstoff Endosulfan in anderen Ländern ebenfalls nicht mehr zu vertreiben. Im vorletzten Jahr erklärte sich der Konzern endlich dazu bereit (SWB 3/09), nicht ohne jedoch noch einmal einen aggressiven Schlussverkauf zu veranstalten (siehe auch SWB 1/11). Und jetzt darf der Multi auch gar nicht mehr anders: Die 133 der „Stockholmer Konvention“ angeschlossenen Staaten haben sich zu einem weltweiten Bann entschlossen. Allerdings gestalteten sich die Verhandlungen schwierig, und Indien, China und Uganda stimmten der Einigung nur gegen die Gewährung von Ausnahmegenehmigungen zu. Ganz verschwindet das Ultragift damit also nicht.

PFLANZEN & SAATEN

Zugriff auf Hybridreis-Zucht
Ende September 2011 erwarb BAYER Zugriffsrechte auf das Hybridreis-Zuchtprogramm der brasilianischen Firma FAZENDA ANA PAULA. Bei Hybrid-Reis handelt es sich um solche Pflanzen, welche die LandwirtInnen nicht wiederaussäen können, was die Abhängigkeit von den Konzernen steigert (siehe auch SWB 1/10). Darum engagiert sich der Leverkusener Multi auch stark auf diesem Gebiet. Er hat in Ländern wie Indonesien, Brasilien, Burma, China, Thailand, den Philippinen und Vietnam Kooperationen mit den Regierungen vereinbart hat, um ARIZE und andere Sorten durchzusetzen. Bauern und Bäuerinnen haben mit ihnen denkbar schlechte Erfahrungen gemacht. So klagen etwa indonesische FarmerInnen über ARIZE, weil er hohe Produktionskosten verursacht, schlecht schmeckt und anfälliger gegenüber Schadinsekten ist. Da der Agro-Riese das Produkt zudem auf die industrielle Landwirtschaft zugeschnitten hat, warnt die Initiative ALLIANCE OF AGRARIAN REFORM MOVEMENT im Land bereits vor einem Bauernsterben durch ARIZE & Co.

Mehr Bioscience
BAYER entwickelt pro Jahr mehr als 100 neue Pflanzen- und Gemüsesorten. Und es sollen noch mehr werden. Der Konzern kündigte nämlich an, seine Forschungsausgaben in der Sparte „Bioscience“ bis 2015 auf 400 Millionen Euro zu verdoppeln. Und neben neuen Gentech-Arten (siehe GENE & KLONE) will der Agro-Multi mit diesem Geld auch mehr Saatgut und auf konventionellem Wege veränderte Ackerfrüchte entwickeln.

Weizen-Kooperation mit Uni
Der Leverkusener Multi hat mit der US-amerikanischen „South Dakota State University“ eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet „Weizen-Saatgut“ vereinbart. Nach dem Vertrag gewähren sich die Partner gegenseitig den Zugriff auf ihr Zuchtmaterial, was dem Konzern die Möglichkeit eröffnet, neue Sorten zu entwickeln. Das gewachsene Interesse des Global Players an der weltweit am häufigsten angebauten Kulturpflanze belegen auch neuere Kooperationen mit dem französischen Unternehmen RAGT, der australischen Forschungseinrichtung „Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation“ (CSIRO), mit dem israelischen Biotech-Betrieb EVOGENE und der Universität von Nebraska sowie der Erwerb zweier Zuchtprogramme von ukrainischen Gesellschaften. Der erste Weizen made by BAYER ist für das Jahr 2015 angekündigt.

Weizenzucht-Zentrum in Gatersleben
BAYER errichtet im Biotech„park“ Gatersleben ein Europäisches Weizenzucht-Zentrum und verstärkt damit sein Engagement auf diesem Gebiet (s.o.) weiter. Auf dem Gelände, auf dem sich auch das „Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzen-Forschung“ befindet, hat der Multi Großes im Sinn. „Unser Team im Europäischen Weizenzucht-Zentrum wird erstklassige, an europäische Bedingungen angepasste Sorten entwickeln. Mit diesen Sorten und unserem führenden Portfolio an Pflanzenschutz-Produkten werden wir in Zukunft Lösungen für eine nachhaltige Getreide-Produktion von der Aussaat bis zur Ernte anbieten können“, erklärte der Agro-Riese. Ähnliche Zentren wie das in Gatersleben plant er in den USA, in Australien, Asien und Lateinamerika. Und um auch den ganzen Nutzen aus der Wertschöpfungskette „Weizen“ ziehen und die LandwirtInnen in eine größere Abhängigkeit treiben zu können, fordert der Global Player auch für nicht per Gentechnik entwickelte Ackerfrüchte eine Patent-Regelung ein (siehe Ticker 4/11).

GENE & KLONE

BAYER testet Krebsmittel
Das Biotech-Unternehmen MORPHOSYS hat einen Antikörper zur Tumor-Behandlung entdeckt und will ihn gemeinsam mit BAYER bis zur Produktreife entwickeln. Die Klinischen Tests der Phase I haben im Herbst 2011 begonnen. Die bisherigen Erfahrungen machen allerdings skeptisch. Bislang ist es dem Leverkusener Multi noch nie gelungen, ein Krebspräparat auf den Markt zu bringen, welches das Leben der PatientInnen mehr als drei Monate verlängert.

BAYER-Gensoja nicht zugelassen
Ein ExpertInnen-Gremium der EU konnte sich nicht über die Zulassung von BAYERs Gensoja der BASTA-Produktreihe einigen. Deshalb muss sich jetzt eine höhere Instanz mit dem Fall beschäftigen. Die COORDINATON GEGEN BAYER-GEFAHREN tritt schon seit längerem für ein Importverbot ein. Die Pflanze ist nämlich durch eine auf gentechnischem Wege eingebaute Resistenz auf den Gebrauch des hochgefährlichen Herbizides Glufosinat abgestimmt, dessen Gebrauch die Europäische Union ab 2017 verboten hat.

Mehr Gentech-Forschung
BAYER will die Forschungsausgaben im Bereich „Bioscience“ bis zum Jahr 2015 auf 400 Millionen Euro verdoppeln. Da sich die Hälfte der Projekte in dieser Sparte mit der „grünen Gentechnik“ befasst, dürfte deshalb in Zukunft mit mehr Laborfrüchten made by BAYER zu rechnen sein.

Neues Gentech-Verfahren
Durch die Nutzung einer Technologie, die das US-Unternehmen PRECISION BIOSCIENCE entwickelt hat, ist es BAYER-ForscherInnen gelungen, eine neue Erbanlage in eine bereits gen-veränderte Pflanze einzubauen. „Durch die zielgenaue Integration vorteilhafter Pflanzen-Eigenschaften lässt sich die Produktentwicklung vereinfachen und die Zeit bis zur Marktreife verkürzen“, jubiliert der Konzern.

WASSER, BODEN & LUFT

„Map Ta Phut“-Gesetz scheitert vorerst
Im thailändischen Map Ta Phut liegt eine der größten Industriezonen der Welt. Sie sollte noch größer werden, aber den AnwohnerInnen reichten schon die bisherigen Umweltbelastungen. Sie klagten, und 2009 gab ein Gericht ihnen Recht. Es stoppte 76 Bauvorhaben, darunter zwei des Leverkusener Multis, der seine Bisphenol- und seine Polycarbonat-Produktion erweitern wollte (SWB 1/11). Inzwischen ist das Moratorium wieder aufgehoben. Die Regionalregierung versprach jedoch einen besseren Gesundheitsschutz. Eine unabhängige Kommission erarbeitete dann auch einen Gesetzesvorschlag. Der allerdings fand im September 2011 nicht die Gnade der Politik. Sie gab eine Überarbeitung in Auftrag, was die Initiative EASTERN PEOPLE‘S NETWORK zu herber Kritik veranlasste.

Kooperation mit der Müll-Mafia
BAYER und andere bundesdeutsche Unternehmen haben in den 1960er bis 1980er Jahren die Dienste der Mafia in Anspruch genommen, um ihren Giftmüll zu entsorgen. Die Abfälle landeten zunächst in Afrika. Als es dort zu Protesten kam, versenkte die kriminelle Vereinigung die Produktionsreste mitsamt Schiffen einfach auf hoher See. Ca. 30 von ihnen schlummern heute noch auf dem Meeresgrund. „Es war ein weitverzweigtes Netzwerk. Ein internationales Netzwerk, bestehend aus Drecksarbeitern und Saubermännern, bis in höchste politische Ebenen vernetzt, mit Ausläufern auf dem ganzen Erdball“, sagt der Journalist Sandro Mattioli, der gemeinsam mit seinem Kollegen Andrea Palladino über diesen Fall das Buch „Die Müllmafia“ geschrieben hat. Ernsthafte Bemühungen, diesen Skandal aufzudecken, gab es nur in den 1990er Jahren - und der damalige Hauptermittler Natale de Grazia bezahlte das mit seinem Leben.

Dormagen: Aus für Müllkraftwerk
Der Leverkusener Multi hat Planungen für ein Müllkraftwerk in Dormagen aufgegeben, da das zu erwartende Abfall-Volumen nicht ausreicht, um es rentabel betreiben zu können. Auch in Brunsbüttel stocken die Vorbereitungen für einen solchen Ofen, der mehr Schadstoffe produziert als herkömmliche Rückstandsverbrennungsanlagen, weshalb die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN die Bau-Bestrebungen bereits seit längerem kritisiert (siehe SWB 1/08).

BAYER initiiert „CleantechNRW“
Unter Nachhaltigkeit versteht der Leverkusener Multi vor allem Ressourcen-Effizienz. Aber die Umwelt profitiert im Gegensatz zum Unternehmensetat nicht unbedingt von einem sparsamen Umgang mit den Rohstoffen. So lobt sich der Konzern zwar immer wieder selbst dafür, den Energie-Einsatz pro Produktionseinheit heruntergefahren zu haben, schweigt aber lieber über den trotzdem in absoluten Zahlen gestiegenen Kohlendioxid-Ausstoß. Da wundert es nicht, dass sich der auf BAYERs Initiative hin entstandene Verbund „CleantechNRW“ auch diesem Paradigma verschrieben hat. „Ich bin überzeugt, dass CleanTechNRW einen hervorragenden Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit des Standorts NRW leisten kann. Auch, weil es sich mutig und klar zu bestimmten Zukunftsthemen bekennt - wie dem Klimawandel und der Ressourcen-Effizienz“, sagt etwa BAYER-Chef Marijn Dekkers. Neben solchen Projekten will sich das Cluster vor allem der Entwicklung von Batterien für Elektroautos und der Gewinnung von Wasserstoff und Methan aus gasförmigen Abfallstoffen widmen.

BAYER sieht Energiewende skeptisch
Der Leverkusener Multi vermag dem Ausstieg aus der Atomkraft nichts Positives abgewinnen, weil er höhere Energiekosten befürchtet. Auf die Frage des Magazins Process: „Könnte die Energiewende im Hinblick auf eine energie-effiziente Produktion zum Antrieb werden?“ antwortete BAYER-Chef Marijn Dekkers: „Daran glaube ich nicht. Wäre es so, müssten sich alle Mitbewerber um deutsche Standorte reißen, um in den Genuss dieser ‚Antriebskräfte‘ zu kommen.“

Plan B zum Gaskraftwerk
Nach massiven Protesten musste TRIANEL darauf verzichten, auf dem Gelände von BAYERs Chemie„park“ in Krefeld ein klima-schädigendes Kohlekraftwerk zu errichten. Nun plant BAYER gemeinsam mit TRIANEL ein Gas- und Dampfkraftwerk. Aber so ganz in trockenen Tüchern ist das Vorhaben noch nicht. „Ob dieses Projekt wirtschaftlich umsetzbar ist, wird sich im Laufe der Projekt-Entwicklung zeigen“, heißt es von Seiten des Leverkusener Multis. Darum hält er sich auch die Alternative einer „Eigenlösung“ offen und hat bei der Bezirksregierung einen Genehmigungsantrag zum Bau einer gas-betriebenen Kessel-Anlage gestellt.

Emissionshandel ohne Effekt
Vor einigen Jahren hat die EU den Emissionshandel mit Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten eingeführt. Er sieht vor, BAYER & Co. CO2-Emissionen nur in einem bestimmten Volumen zu gestatten. Alles, was über ein bestimmtes Limit hinausgeht, sollte den Konzernen teuer zu stehen kommen. Aber die disziplinarische Wirkung dieser Maßnahme hält sich in Grenzen. Die Unternehmen erhalten nämlich immer noch viel zu viel Gratis-Lizenzen zur Klimaschädigung. 1,97 Milliarden Tonnen Kohlendioxid dürfen sie 2013 ungestraft ausstoßen, nur geringfügig weniger als momentan (2,08 Milliarden Tonnen). So kann der Leverkusener Multi munter seinen CO2-Ausstoß steigern (aktuell 8,5 Millionen Tonnen), „ohne in größerem Umfang Zertifikate zukaufen zu müssen“, wie es im Nachhaltigkeitsbericht heißt.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

BAYER drittgrößter Chlorproduzent
Chlor-Verbindungen gehören zu den gesundheitsschädlichsten und umweltbelastendsten Substanzen überhaupt. Trotzdem unternimmt BAYER kaum Anstrengungen, das Gas als Grundstoff für Chemie-Produkte wie etwa Polyurethan zu ersetzen. So stellen in Europa nur noch DOW CHEMICAL und SOLVAY mehr Chlor her als der Leverkusener Multi. Auf eine Jahres-Kapazitä