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Veröffentliche Beiträge in “SWB 01/2024”

Der Konzern stürzt immer tiefer in Krise

Marius Stelzmann

Kahlschlag bei BAYER

Im November 2023 verschärfte sich die angespannte Lage beim Leverkusener Multi noch einmal. Dementsprechend arbeitet das Management rund um die Uhr an einer Krisenbewältigungsstrategie. Klar ist bisher nur eines: Die Maßnahme wird Arbeitsplätze vernichten.

Von Jan Pehrke

„Der Kapitalmarkt hat bekommen, was er gefordert hat“, so kommentierte die Frankfurter Allgemeine Zeitung im Frühjahr 2023 die Entscheidung des BAYER-Aufsichtsrats, den amtierenden Konzern-Chef Werner Baumann vorzeitig abzulösen und zum 1. Juni durch Bill Anderson zu ersetzen. Und wirklich hatten die Hedgefonds darauf gedrungen, den Vorstandsvorsitzenden nicht bis zum Ende seines Vertrags bleiben zu lassen, weil sie diesem nicht mehr zutrauten, das Unternehmen aus dem MONSANTO-Tief führen und den Aktien-Kurs wieder nach oben treiben zu können.

Mit konkreten Plänen für ein solches Unterfangen hielt der Baumann-Nachfolger allerdings lange zurück. Anderson sprach nur vage davon, beim Leverkusener Multi eine andere Unternehmenskultur schaffen zu wollen. Flachere Hierarchien, weniger Meetings und weniger „Top down“-Management schwebten ihm vor. „Ich habe sehr viel positive Eindrücke gewonnen – insbesondere über die Innovationskraft und die Identifikation mit der Mission. Ein Feedback ist aber auch, dass wir im Unternehmen noch viel Bürokratie haben“, fasste er seine ersten Wochen bei der neuen Arbeitsstelle zusammen. Was genau er unter Bürokratie versteht, konkretisierte der US-Amerikaner dann am 8. November 2023 bei der Vorstellung der Geschäftszahlen für das dritte Quartal, die einen Verlust von 4,5 Milliarden Euro auswiesen: Arbeitsplätze. Dementsprechend kündigte er ein Umbau-Paket an, das „die Belegschaft erheblich reduzieren werde“.

Arbeitsplatzvernichtung

Obwohl die letzte, nach dem Kurs-Sturz der Aktie in der Folge der Glyphosat-Prozesse eingeläutete Rationalisierungsrunde, die 12.000 Jobs kostete, erst im Jahr 2021 auslief, steht beim Global Player also wieder eine beträchtliche Arbeitsplatzvernichtung an. Diesmal setzt der Kahlschlag bei den Beschäftigten mit Leitungsfunktion an, die rund 17 Prozent der rund 100.000 Beschäftigten bei BAYER ausmachen.

„Trotz zahlreicher Umstrukturierungen ist die Zahl der leitenden Angestellten gleich geblieben“, hat Anderson nämlich zu seinem Leidwesen herausgefunden. Als reines Kostensenkungsprogramm möchte er die Maßnahmen jedoch nicht verstanden wissen: „Wir beginnen nicht mit einer Zahl. Wir stellen den Kunden und das Produkt in den Mittelpunkt. Dann schauen wir, welche Ressourcen dafür nötig sind. Alles andere muss weg.“ Und im Handelsblatt findet der Vorstandsvorsitzende drastische Worte für diejenigen, die nicht mitziehen wollen.„Es gibt Leute, bei denen sich alles um ihr Ego dreht oder die keine Lust auf Veränderung haben. Sie können vielleicht in einer traditionellen Arbeitsumgebung effektiv sein, aber sicher nicht in unserer. Wer für diese Veränderung nicht offen ist, wird es bei BAYER schwer haben“, droht Anderson. „Das hat Methode bei BAYER. Stets müssen die Beschäftigten für Fehler des Managements büßen“, kritisierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) deshalb die Pläne des Vorstandsvorsitzenden.

Statt der Annoncierung solcher Einschnitte hatten viele BeobachterInnen von Anderson eigentlich eher Aussagen zur Zerschlagung der Aktien-Gesellschaft erwartet, drängen die FinanzinvestorInnen doch bereits seit Langem auf eine solche Operation. Für Blackrock & Co. ist nämlich das Ganze weniger wert als die Summe seiner Teile. Hier jedoch blieb der BAYER-Boss unkonkret und verwies auf den Kapitalmarkt-Tag im März 2024, an dem der Agro-Riese dann seine Entscheidung bekanntgeben will.

Aber Zwischenergebnisse der internen Beratungen präsentierte der US-Amerikaner bereits. „Einige Optionen sind mittlerweile vom Tisch. So haben wir beispielsweise die Möglichkeit geprüft, das Unternehmen gleichzeitig in drei Teile aufzuspalten. Diese Option schließen wir aus“, bekundete er. Zur Disposition steht jedoch eine Trennung von der Agrar- oder der „Consumer Care“-Sparte. Die Veräußerung der Abteilung mit ASPIRIN und den anderen nicht rezeptpflichtigen Medikamenten erscheint dabei wahrscheinlicher, da sich momentan wegen der Glyphosat-Rechtsrisiken kaum Interessenten für die Division „Landwirtschaft“ finden dürften. Tatsächlich stieß der Konzern nach den teuren Glyphosat-Urteilen auch bereits seine Anteile an dem Chemie„park“-Betreiber CURRENTA, das Tierarznei-Segment, einzelne „Consumer Care“-Produkte und den Geschäftsbereich „Environmental Science“ ab, aber die Trennung von einer ganzen Sparte wäre nicht so einfach. BAYER hat 2016 nach der Abspaltung des Kunststoff-Sektors nämlich seine Holding-Struktur aufgegeben und und die übriggebliebenen Bereiche „Agrar“, „Pharma“ und  „Consumer Care“ wieder enger miteinander verzahnt.

„Der Status Quo ist für BAYER schlicht keine Option“, konstatierte Bill Anderson aber auf jeden Fall schon einmal und versicherte den AktionärInnen: „Es zählt nur, was nachhaltig Wert schafft. Und wenn man überzeugt ist, dass sich ein Geschäft außerhalb von BAYER besser entwickeln kann, muss man entsprechend handeln. BAYER hat übrigens genau das bewiesen, als man sich von Chemie und Kunststoffen trennte.“, resümierte das Webportal Börse Online.

Neue Hiobsbotschaften

Wenig später kamen dann erneut schlechte Zahlen und Nachrichten, die den Druck auf den Konzern noch einmal erhöhten. Am 17. November 2023 verlor BAYER den vierten Schadensersatz-Prozess in Sachen „Glyphosat“ nacheinander. Hier sah er zuletzt optimistischer in die Zukunft, weil er seine Prozess-Strategie geändert hatte. Nur noch bei besonders aussichtsreichen Fällen riskierte die Aktien-Gesellschaft Gerichtsverfahren und strebte ansonsten Vergleiche mit den Krebskranken an. „Aktuell geht es um Abschreckung“, mit diesen Worten umriss das Handelsblatt die Strategie. Und tatsächlich ging diese zunächst auf. Der Agro-Riese gewann neun Prozesse in Folge. Nun aber geht die Abschreckungsstrategie nach hinten los: Viele neue Betroffene sehen sich durch die jüngsten Entscheidungen ermutigt, vor Gericht zu ziehen. „Im amerikanischen Rechtssystem mit Laien-Jurys und emotionaler Prozess-Führung lässt sich leider nicht ausschließen, dass auch mal Prozesse verlorengehen, obwohl wir die wissenschaftlichen Fakten auf unserer Seite haben“, erklärte der Global Player. Er kündigte zwar wacker an, die Urteile anfechten zu wollen, aber die InvestorInnen konnte das nicht beruhigen. Sie mahnten ein Überdenken der Prozess-Strategie an. Und ein weiteres Urteil zu Ungunsten BAYERs, das RichterInnen am 5. Dezember in Philadelphia fällten, bestätigte sie darin.

Zwei Tage später folgte die nächste Hiobsbotschaft, die den Pharma-Giganten noch schlimmer traf. Er musste den Abbruch einer Zulassungsuntersuchung mit seinem Gerinnungshemmer Asundexian bekanntgeben. Es war ein Scheitern mit Ansage: Das Unternehmen begann die klinischen Tests der Phase 3 mit dem Präparat, obwohl die Ergebnisse zweier Prüfungen der Phase 2 enttäuscht hatten. Der Wirkstoff konnte weder die Zahl der Hirninfarkte noch die der ischämischen, also durch verstopfte Hirn-Arterien ausgelösten Schlaganfälle verringern und erreichte die jeweiligen Studien-Ziele nicht. Der Pillen-Riese machte aber trotzdem weiter, weil er unter Zugzwang steht, einen Nachfolger für seine Milliarden-Seller Xarelto und Eylea zu finden, deren Patente bald auslaufen. Und Asundexian hat er seinen InvestorInnen schon als einen solchen präsentiert: Ein Umsatz-Potenzial von fünf Milliarden Euro traute der Global Player dem Mittel zu.

Also ließ er die Versuche „Oceanic AF“ und „Oceanic Stroke“ der Phase 3 anlaufen. Mit insgesamt 30.000 ProbandInnen aus 46 Ländern zählten diese zu den bislang größten – und teuersten – klinischen Prüfungen in seiner Geschichte. Nun aber verkündete BAYER für „Oceanic AF“ das vorzeitige Aus.

Dem Konzern zufolge zeigte sich „eine unterlegene Wirksamkeit von Asundexian im Vergleich zum Kontrollarm der Studie“, deren TeilnehmerInnen ELIQUIS von PFIZER/BRISTOL MYERS SQUIBB erhalten hatten. Ganz freiwillig geschah der Abbruch überdies nicht. Das die Studie beaufsichtigende „Data Monitoring Committee“ war eingeschritten, als sich das negative Resultat abzeichnete, um die Asundexian-PatientInnen nicht länger einer suboptimalen Arznei-Therapie auszusetzen. Aber die Aktiengesellschaft gibt sich noch nicht geschlagen. Sie kündigte an, „Oceanic Stroke“ fortzuführen, und überdies nach Anschlussverwendungen für die Arznei zu suchen, etwa bei „Patienten, die eine antithrombotische Behandlung benötigen“.

Zuvor schon hatte es einen herben Rückschlag für BAYERs Pillen-Sparte gegeben. Das Unternehmen musste den Verkauf seines Krebsmittels ALIQOPA einstellen. Es hatte ein beschleunigtes Zulassungsverfahren durchlaufen und gelangte auf der Basis eines Tests der Phase 2 mit lediglich 104 ProbandInnen auf den Markt. Die nachgereichte Studie der Phase 3 mit einem weit größeren TeilnehmerInnen-Kreis bestätigte die Heil-Wirkung jedoch nicht, was das Schicksal des Medikaments besiegelte.

Die Nachricht vom neuerlichen Pharma-Flop schickte die BAYER-Aktie auf Sinkflug. Zeitweilig verlor sie mehr als ein Fünftel ihres Wertes – das hatten nicht einmal milliarden-schwere Urteile zu Entschädigungszahlungen in Sachen „Glyphosat“ vermocht. Weil das Unternehmen bei dem aktuell schwachen Kurs von kaum über 30 Euro – im Jahr 2015 waren es fast 144 Euro – Opfer von Hedgefonds oder feindlichen Übernahmen zu werden droht, hält Aufsichtsratschef Norbert Winkeljohann nach Informationen der Rheinischen Post gerade fieberhaft Ausschau nach einem verlässlichen Großaktionär.

„Eine Ikone der deutschen Industrie befindet sich in freiem Fall“, konstatierte die FAZ. Die Zeit fragte indessen: „Weltapotheke am Ende?“, und Markus Manns von Union Investment hielt fest: „Der Umgang mit Asundexian ist ein weiteres Beispiel für das Versagen des Risiko-Managements bei BAYER“.

Tatsächlich ruhten alle Pharma-Hoffnungen einzig auf Asundexian. Ansonsten sieht es mau aus. Nur zwei weitere Arznei-Kandidaten des Leverkusener Multis befinden sich aktuell in Klinischen Prüfungen der Phase 3 und drei in solchen der Phase 2. Zum Vergleich: BOEHRINGER als zweitgrößtes bundesdeutsches Medikamenten-Unternehmen kommt auf vier bzw. zwölf. Nach Ansicht von Bill Anderson floss lange Zeit einfach zu wenig Geld in die Pillen-Sparte. „Wir hatten einige Jahre mit Unter-Investitionen bis etwa 2018“, sagte er der Financial Times.

Zur Schadensbegrenzung berief BAYER schon kurz nach der Katastrophen-Meldung eine Telefon-Konferenz mit den Finanz-AnalystInnen ein. Dort gab der Vorstandsvorsitzende sich kleinlaut. „Ich bedaure das zutiefst. Die Ereignisse der vergangenen Tage waren eine große Herausforderung für uns, aber wir sind uns auch der sehr negativen Auswirkungen bewusst, die sie auf unsere Anlieger hatten“, bekundete er. Pharma-Chef Stefan Oelrich gestand derweil: „Wir müssen nun das Spitzenumsatz-Potenzial von Asundexian neu bewerten“ und fügte hinzu: „[A]ber es ist unnötig zu sagen, dass es mit Sicherheit unter fünf Milliarden sein werden.“

Einen nochmals erhöhten Handlungsbedarf erkannten die ManagerInnen des Leverkusener Multis jedoch nicht. „Wir machen es so schnell, wie wir können, aber in einer sinnvollen Art“, erklärte Bill Anderson in dem Telefon-Call: „Wir wollen nicht zu einem Urteil eilen und dabei eine falsche Abzweigung nehmen.“ Auch hat sich die Ausgangslage, die er bei der Vorstellung der Geschäftszahlen für das dritte Quartal 2023 skizzierte, nicht verändert: „Ich denke, die Möglichkeiten sind dieselben.“

Beschäftigte beunruhigt

In der Belegschaft herrscht schon seit Andersons Ankündigung, die Zahl der Beschäftigten „erheblich reduzieren“ zu wollen, Unruhe. Die Meldungen über den Studien-Flop von Asundexian sorgten dann noch einmal für zusätzliche Verunsicherung. Er könnte nämlich das Ausmaß des Kahlschlags erheblich erweitern und nicht mehr nur das mittlere Management, sondern auch andere Stellen betreffen. So wollte BAYER mit Asundexian die neue Produktionsstätte „Solida-1“ in Leverkusen einweihen, zu deren Richtfest der Bundeskanzler Olaf Scholz höchstpersönlich angereist war. „Die Investition beweist großes Vertrauen in den Standort Leverkusen und in die Region als Zentrum der Chemie- und Pharma-Industrie. Projekte wie diese sind entscheidend dafür, dass Deutschland auch im 21. Jahrhundert wirtschaftlich und technologisch zu den globalen Spitzenreitern gehört“, sagte er damals über den Bau.

Mit Asundexian kann der Pillen-Riese das nun kaum mehr demonstrieren, auch wenn er beteuert, das Mittel weiterhin dort produzieren zu wollen und ansonsten auf die Modernität der Fabrik verweist, die schnell auf alle Gegebenheiten reagieren könne. „Solida-1 ist modular aufgebaut und somit flexibel in der Produktion – auch im Hinblick auf künftige Entwicklungen im Pharma-Bereich“, verlautet aus der Konzern-Zentrale. Ob das aber reicht, um alle 100 Solida-1-Arbeitsplätze zu halten, steht sehr in Frage.

„Auch wir prüfen derzeit die Situation“, ließ sich Gesamtbetriebsratschefin Heike Hausfeld deshalb vernehmen. Und in Wuppertal fand am 30. November 2023 eine Betriebsversammlung zum Stand der Dinge bei BAYER statt.

Gegen eine Aufspaltung hatte sich die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE schon im Frühjahr ausgesprochen, als aktivistische InvestorInnen eine solche Lösung eingefordert hatten. „Aus Sicht der Beschäftigten ist BAYER mit seinen drei Standbeinen genau richtig aufgestellt für die Herausforderungen der Zukunft“, erklärte Francesco Grioli vom Vorstand der IG BCE damals. „Die Transformation der Industrie bewältigt man nur mit einer Unternehmenspolitik, die auf Risiko-Streuung und Nachhaltigkeit beruht – und nicht auf Hedgefonds-Aktivismus“, so Grioli, der auch im BAYER-Aufsichtsrat sitzt. Ob er die Kapital-Seite in dem Gremium mit dieser Ansicht überzeugen kann, wird sich im Verlaufe dieses Jahres zeigen – dem Jahr der Entscheidung für BAYER. ⎜

BAYERs Glyphosat darf in die Verlängerung

Marius Stelzmann

Ohne Rücksicht auf Verluste

Mitte November 2023 setzte sich die EU-Kommission über alle wissenschaftlichen Bedenken hinweg und verlängerte die Glyphosat-Zulassung um zehn Jahre. BAYERs Lobby-Arbeit hatte sich wieder einmal ausgezahlt.

Von Jan Pehrke

2017 kam Glyphosat nur mit freundlicher Unterstützung des damaligen deutschen Landwirtschaftsministers Christian Schmidt zu einer Zulassungsverlängerung um fünf Jahre. Der CSU-Politiker verstieß bei der EU-Abstimmung kurzerhand gegen die Koalitionsabsprache und räumte dem BAYER-Herbizid mit seinem „Ja“ den Weg frei. Solche Manöver schienen eher unwahrscheinlich, als die Frist ablief und Brüssel sich wieder mit dem umstrittenen Mittel befassen musste. Und nicht nur das ließ auf ein Glyphosat-Ende hoffen. Es hatte sich auch weiteres Belastungsmaterial angesammelt – und das nicht zu knapp.

Aber am 16. November 2023 – 165.000 Klagen von Glyphosat-Geschädigten, zahl-reiche neue Krebs-Studien und zwei EU-Wahlgänge ohne eine qualifizierten Mehrheit für das Pestizid später – erteilte die EU-Kommission BAYERs Topseller wiederum die Genehmigung. Bereits unmittelbar nach dem Scheitern des Verlängerungsantrags im Berufungsausschuss stellten von der Leyen & Co. die neue Lizenz aus. „Im Einklang mit den EU-Rechtsvorschriften und in Ermangelung der erforderlichen Mehrheit in einer der beiden Richtungen ist die Kommission nun verpflichtet (…) eine Entscheidung zu treffen“, erklärten sie und gaben den Entschluss bekannt, eine Laufzeit bis 2033 zu gewähren – offensichtlich ein Vorratsbeschluss. Die EU-Kommission hat es noch nicht einmal wie noch 2017 für nötig befunden, auf die Bedenken der Mitgliedsländer einzugehen und die Zulassungsspanne entsprechend zu verkürzen.

Sie untersagte lediglich den Einsatz von Glyphosat als Trocknungsmittel kurz vor der Ernte und kündigte an, die Ausbringungsmengen zu deckeln. Zudem verpflichtete die Kommission die Hersteller, Brüssel in einigen Jahren Material über die Auswirkungen der Substanz auf die biologische Vielfalt vorzulegen. Den Umgang mit den Restrisiken überließ sie den einzelnen EU-Staaten, obwohl die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA da so einiges zu Tage gefördert hatte. Mehr als 20 Daten-Lücken machte sie bei ihrer Bewertung des Gefährdungspotenzials von Glyphosat aus. Eine dieser Fehlstellen betrifft die Entwicklungsneurotoxizität, also die Auswirkungen des Stoffes auf die noch im Wachstum befindlichen Nervensysteme von Embryos, Säuglingen und Kindern. Zu den möglichen Beeinträchtigungen von Zellteilungsprozessen und Schädigungen von Chromosomen durch das Mittel vermochte die Behörde ebenfalls keine Aussagen zu treffen: „data gaps“ sowohl für Glyphosat selbst als auch für das Abbau-Produkt AMPA. Zudem blieb „die Bewertung des ernährungsbedingten Risikos für Verbraucher“ offen, da keine Angaben zu den Glyphosat-Rückständen auf Karotten, Weizen und Salat vorlagen.

„Ich halte die Entscheidung der EU-Kommission für falsch, Glyphosat bis 2033 zu genehmigen und sehe sie auch nicht vom Votum der EU-Staaten gedeckt“, erklärte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir nach dem schwarzen Donnerstag. Im Votum Deutschlands fand diese Einschätzung jedoch keinen Ausdruck. „Leider ließ sich hierzu innerhalb der Bundesregierung keine Einigung herstellen. Mir blieb in Brüssel deshalb gemäß unserer gemeinsamen Geschäftsordnung nur die Enthaltung“, bedauerte er. Dabei hätte Özdemir die FDP nur auf den Koalitionsvertrag verpflichten müssen, in dem es unmissverständlich heißt: „Wir nehmen Glyphosat bis Ende 2023 vom Markt.“

Das ist jetzt Schnee von gestern. Am 15. Dezember gab das Landwirtschaftsministerium eine Eilverordnung heraus, die das 2021 neu im Pflanzenschutz-Gesetz festgelegte Anwendungsverbot für Glyphosat ab dem 1. Januar 2024 aufhob und die nationale Zulassung erst einmal bis zum 30. Juni 2024 verlängerte. In der Zwischenzeit will der Minister nach Wegen suchen, die Anwendungen des Pestizids „wirksam einzuschränken“, um „unserer Koalitionsvereinbarung zu Glyphosat trotz EU-Genehmigung so weit wie möglich nachzukommen“. „Ich setze dabei auf die Unterstützung aller Ampelpartner!“, betont er, wobei das Ausrufezeichen nicht gerade Zuversicht ausdrückt.

Die Landwirtschaft braucht sich vor den Reduktionsplänen jedoch nicht zu fürchten. Özdemir hat eher „die Anwendung durch nicht professionelle Nutzer in Klein- und Hausgärten“ sowie die „flächige Anwendung auf Dauergrünland“ im Blick. Dabei fällt der Privatgebrauch von Glyphosat kaum ins Gewicht, der Hauptteil landet auf landwirtschaftlich genutzten Flächen. Nach Angaben des Bundesumweltamtes findet es sich auf 40 Prozent der bundesdeutschen Äcker.

Überdies hatte bereits die „Glyphosat-Minderungsstrategie“ von Cem Özdemirs Amtsvorgängerin Julia Klöckner die Verwendung von Glyphosat im Haus- und Gartenbereich ab dem September 2021 bis auf wenige Ausnahmen untersagt und noch weitere Restriktionen vorgenommen. Auswirkungen hatte das alles aber bisher kaum: 2022 sanken die Verkaufsmengen im Vergleich zum Vorjahr lediglich um 182 Tonnen auf 3.915 Tonnen.

Ein Komplett-Verbot kommt für Cem Özdemir nicht in Betracht. Hier drohte der BAYER-Konzern vorsorglich schon einmal eine Klage an. Gegen Luxemburg, das die Substanz im Januar 2021 aus dem Verkehr gezogen hatte, prozessierte er bereits erfolgreich. Das will aber nichts heißen. So hat der Bann, den Frankreich 2019 mit dem Verweis auf mögliche genotoxische Effekte gegen 36 Glyphosat-Produkte aussprach, nach wie vor Bestand. Schließlich liefern interne Dokumente der BAYER-Tochter MONSANTO selbst Belege für diese Nebenwirkung. Und das fest im EU-Reglement verankerte Vorsorge-Prinzip bietet noch weitere Ansatzpunkte, Genehmigungen anzufechten. In Sachen „Langzeit-Toxizität“ und „Toxizität der Glyphosat-Zusatzstoffe“ konnten die Hersteller nämlich bisher keine Entlastungsstudien vorlegen, und neue wissenschaftliche Evidenz für die Gefährlichkeit des Produkts liegt mit der Leukämie-Untersuchung des Ramazzine-Instituts auch vor.

So müssen sich die RichterInnen dann auch erst einmal mit Klagen gegen die bestehenden und neuen Glyphosat-Zulassungen beschäftigen. Das pestizid-kritische Netzwerk PAN Europe hat unmittelbar nach der Brüsseler Entscheidung „The Great Glyphosate Court Case“ auf den Weg gebracht, und die DEUTSCHE UMWELTHILFE leitete bereits vor einiger Zeit juristische Schritte gegen das Total-Herbizid ein. Zudem tut sich in den USA ebenfalls etwas. Dort zogen das CENTER FOR FOOD SAFETY, die FARMWORKER ASSOCIATION OF FLORIDA und andere Organisationen gegen Glyphosat vor Gericht. Ruhiger wird es also vorerst um das Pestizid nicht werden. ⎜

BAYERs Pharma-Produktion in der Kritik

Marius Stelzmann

Hätte, hätte, Lieferkette

Mit neuen Lieferketten-Gesetzen wollen Deutschland und die EU den zweifelhaften Praktiken von BAYER & Co. beim Bezug ihrer Grundstoffe aus aller Herren Länder begegnen. Bis dato fällt es oft bestechend schwer, die Konzerne für derlei zur Verantwortung zu ziehen. Ob die Paragrafen-Werke eine Veränderung einläuten können, steht allerdings in Frage. Dabei zeigt eine neue Studie der AOK über die Arzneimittel-Produktion in indischen und europäischen Fabriken dringenden Handlungsbedarf an.

Von Max Meurer

„Unser Einkauf stellt die weltweite, termingerechte Versorgung mit Waren und Dienstleistungen zu den entsprechenden Marktkonditionen, in der erforderlichen Qualität und unter Einbeziehung unserer ethischen, ökologischen und sozialen Prinzipien sicher“, so wirbt der Pharma-Gigant BAYER auf seiner Website großspurig für den Glauben an seine menschenfreundlichen Intentionen. Da selbst die Politik zwischenzeitlich bemerkte, dass sie derlei Absichtserklärungen kaum vertrauen kann, brachte sie in den letzten Jahren mit wechselndem Personal auf diverse Probleme und kleine bis große Skandale reagierend mehrere Paragrafen-Werke auf den Weg. 2019 trat das „Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittel-Versorgung“ in Kraft und 2023 das „Lieferketten-Sorgfaltspflichtengesetz“ (LkSG), das demnächst auf kleinere Unternehmen ausgeweitet wird. Der auf freiwillige Maßnahmen bauende „Nationale Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte“ war zuvor gescheitert, nur 13-17 Prozent der Unternehmen beteiligten sich daran und gaben Auskünfte über ihre Lieferketten. Nähere Aufschlüsse über die Wirksamkeit der gesetzlichen Maßnahme dürften erst die Berichte erlauben, welche die Unternehmen im Frühjahr 2024 vorzulegen haben.

Worum handelt es sich aber bei einer Lieferkette, auf die hier so viel Bezug genommen wird? Bei Großkonzernen setzte sich nach und nach die Tendenz durch, größtmögliche Teile der Produktion ins Ausland zu verlagern und die Wertschöpfungsketten über den ganzen Globus zu verteilen. Der Grund: Trotz der teils niedrigeren Produktivität aufgrund der schlechteren technischen Möglichkeiten im Vergleich mit hochindustrialisierten Ländern wie der Bundesrepublik lohnt sich das ab einer gewissen Größe. Lockerere Arbeitsrechte (z. B. bei Arbeitszeiten und Arbeitssicherheit), weniger Umweltauflagen und -kontrollen  – diese Faktoren sorgen für eine größere Profit-Marge. Wo ohne Rücksicht auf Mensch, Tier und Natur produziert werden kann, wird günstiger produziert.

Stichjahr 1994

Im Pharma-Bereich kam es vor rund 30 Jahren zu einer Forcierung dieser Entwicklung. Sie setzte mit dem vorerst letzten Globalisierungsschub ein, den 1994 die Gründung der Welthandelsorganisation (WTO) einläutete. Wer dem Club angehören wollte, musste vorher das internationale Patentschutz-Abkommen TRIPS anerkennen – dafür hatten vor allem die Lobby-Aktivitäten des US-amerikanischen Pillen-Riesen PFIZER gesorgt. Indien wollte, und so hatte die stärkere Integration des südasiatischen Landes in den Weltmarkt dann auch gleich massive Auswirkungen auf die heimische Arznei-Industrie. Die Unternehmen konnten fortan nicht mehr einfach den Schutz des geistigen Eigentums umgehen, indem sie Pharmazeutika aus den Industrieländern kopierten und billiger weiterverkauften. Deshalb blieb der Pillen-Industrie des Landes nichts anderes übrig, als ihr Geschäftsmodell zu ändern.

Und dabei spielte BAYER eine bedeutende Rolle. Als erster großer Pharmazeutika-Produzent schloss der Konzern 1999 mit einem indischen Unternehmen einen Vertrag ab. RANBAXY schaffte es, das Interesse des Leverkusener Multis für dessen eigenen – und wegen seiner zahlreichen Nebenwirkungen alles andere als unumstrittenen – Antibiotikum-Inhaltsstoff Ciprofloxacin in einer neuen Formulierung zu wecken. Ein Ciprofloxacin, von dem die PatientInnen nur einmal täglich eine Tablette zu nehmen brauchten – das war dem bundesdeutschen Konzern viel Geld wert. Für die weltweiten Vermarktungsrechte über einen Zeitraum von 20 Jahren zahlte er RANBAXY 65 Millionen Dollar. Und im selben Jahr kaufte das indische Unternehmen seinem neuen Partner auch die BASICS GmbH, eine Tochter-Gesellschaft für Nachahmer-Produkte, sogenannte Generika, ab, um einen Brückenkopf nach Europa zu haben.

Allerdings gelang der inzwischen von SUN PHARMACEUTICAL geschluckten Firma ein solcher Coup wie mit Ciprofloxacin seither nicht mehr. Darum muss sie sich weitgehend auf die Funktion des Zulieferers für Pharma-Unternehmen aus den Industrie-Ländern beschränken – wie die Branche im ganzen Land.

Und auf diese Firmen wollen BAYER & Co. natürlich nur ungern verzichten. Deshalb sorgten sie mit Extrem-Lobbyismus dafür, dass im oben erwähnten „Nationalen Aktionsplan“ keine rechtlich bindenden Regelungen auftauchten und ihnen beim Lieferketten-Gesetz das Schlimmste erspart blieb. So mahnte die Industrie eine Beschränkung des Paragrafen-Werks auf direkte Zulieferer an und lehnte eine Haftungsregelung vehement ab. Mit Erfolg: In der Endfassung fehlt beides.

Die Pharma-Lieferketten

Wie viel bei den ersten Gliedern der Lieferketten von Big Pharma im Argen liegt, belegte jetzt eine 2021 gestartete Studie der AOK Baden-Württemberg aufs Neue. Diese untersuchte das Abwasser von zehn Antibiotikawirkstoff-Fabriken in Europa und Indien und stellte fest, dass bei dreien die Grenzwerte für Antibiotikawirkstoffe in naheliegenden Gewässern massiv überschritten wurden. Besonders Ciprofloxacin, das inzwischen auch viele andere Firmen außer Bayer herstellen, fiel dabei auf. Die Konzentration lag teilweise um 11.000 Prozent über dem festgelegten Grenzwert. Bei anderen Antibiotika-Substanzen stellte es sich ähnlich dar. Die AOK setzte diese Zahl eindrucksvoll in Verhältnis: „Die Umweltprobe mit der höchsten Überschreitung eines Schwellenwertes wurde einem Gewässer entnommen, das durch den Regenwasserüberlauf einer indischen Produktionsstätte entsteht. Dieses Gewässer führt dabei unmittelbar durch ein Gebiet, das als Viehweiden genutzt wird. Die hier gemessene Gewässerkonzentration von Azithromycin übersteigt den ökotoxikologisch relevanten Schwellenwert um mindestens 1.600.000 Prozent (!). Das Verhältnis von Schwellenwert zu Umweltkonzentration entspricht damit in etwa dem der Fläche der baden-württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart zur gesamten EU.“

Das Problem: Derlei Stoffe, die über das Wasser, angrenzende Ackerflächen oder über Nutztiere zum Menschen gelangen, sorgen für die Bildung von resistenten Bakterienstämmen, die sich mit den gängigen Antibiotika dann immer schwerer bekämpfen lassen. In Indien treten dabei solche als „Superbugs“ bezeichnete resistente Krankheitserreger in ungekannter Häufung auf: So starben beispielsweise im Jahr 2013 58.000 Babys an solchen Keimen.

Verbindliche Verpflichtungen, hier Maßnahmen zur Vorsorge zu treffen, wie sie z. B. die „Davos Declaration“ vorsieht, geht der Leverkusener Multi nicht ein. Er zog sich mit der Begründung, Antibiotika seien nicht mehr im Fokus des Produkt-Portfolios, aus der Verantwortung. Man richte Workshops und Schulungen aus, um den Umgang damit zu verbessern, hieß es lediglich.

Das zeitigt natürlich wenig Wirkung. Die AOK Baden-Württemberg zitierte eine Studie aus dem Januar 2022, wonach die multiresistenten Keime für die Mehrzahl an weltweiten Todesfällen verantwortlich seien. Allein in Deutschland erkranken der Untersuchung zufolge jährlich 54.500 Menschen an Infektionen durch antibiotikaresistente Erreger. Dieser besorgniserregenden Zahlen wegen schlägt die AOK Alarm. „Die bisherigen Ergebnisse der Pilotstudie machen den hohen Handlungsdruck auf nationaler, vor allem aber auf europäische Ebene deutlich. Dies umso mehr, weil die Studien-Partner bisher nur einen Ausschnitt aus der Arznei-Produktion beleuchten konnten und vermutlich nur die ‚Spitze des Eisbergs‘ gesehen haben (zu den Forderungen der AOK siehe Kasten).

Das EU-Lieferkettengesetz

Das EU-Lieferkettengesetz, über das die Kommission, der MinisterInnenrat und das EU-Parlament kurz vor Weihnachten im Trilog-Verfahren eine Einigung erzielt haben, trägt diesem Handlungsdruck Rechnung. Es geht nämlich in wesentlichen Punkten über sein deutsches Pendant hinaus. So greift die Regelung schon bei Firmen mit mehr als 500 Beschäftigten. Auch geht sie weiter bei der Rückverfolgung und bezieht nicht nur die direkten Zulieferer ein. Zudem schließt das Gesetz den Rechtsweg nicht aus und macht BAYER & Co. für Verfehlungen haftbar. Überdies müssen die Konzerne die CO2-Einsparziele über ihre ganzen Lieferketten hinweg verfolgen und entsprechende Klima-Pläne aufstellen.

Dementsprechend aufgeschreckt reagierten die Multis. „Unsere Unternehmen ersticken bereits jetzt in Bürokratie. Nun kommen noch mehr Vorschriften on top. Das ist ein weiterer Nackenschlag“, ereiferte sich der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI). Und der „Bundesverband der deutschen Industrie“ stimmte mit ins Untergangslied ein: „Der Kompromiss bedroht Wettbewerbsfähigkeit, Versorgungssicherheit und Diversifizierung der europäischen Wirtschaft, da sich Unternehmen aufgrund rechtsunsicherer Bestimmungen und drohender Sanktions- und Haftungsrisiken aus wichtigen Drittländern zurückziehen könnten.“

Die FAZ überschrieb ihren Kommentar mit „Standortrisiko ‚Brüssel‘“ und schloss mit den Worten: „Das EU-Lieferkettengesetz passt nicht in die Zeit. Es noch zu stoppen, wäre wichtig“. Die Zeitung gab da auch ihre Hoffnung nicht auf, obwohl die Umsetzung von Trilog-Beschlüssen sonst eigentlich immer nur noch Formsache ist. „Bei einigen umstrittenen Gesetzen war das zuletzt vor allem im Ministerrat nicht immer der Fall“, sprach das Blatt den Multis Mut zu. Und VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup, der nicht wenige Jahre seines Berufslebens beim Leverkusener Multi verbrachte, appellierte an die Ampel-Koalition: „Die Bundesregierung muss jetzt Farbe bekennen und ihre Zustimmung verweigern.“ Ein Übriges werden die Lobby-Truppen der Unternehmen tun. Allein der BAYER-Konzern verfügt über einen Etat von über sechs Millionen Euro, um die politische Landschaft in Brüssel zu pflegen und die gesetzlichen Angriffe auf seine Profitmarge so klein und wirkungslos wie möglich zu halten. ⎜

Kampf für Würde, Anerkennung und Entschädigung

Marius Stelzmann

Protest gegen BAYER & Co.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren und der Verein der ehemaligen Heimkinder Schleswig-Holstein nahmen den Weltkindertag zum Anlass, um vor den schleswig-holsteinischen Landtag zu ziehen. Die Ex-Heimkinder forderten von BAYER & Co. Entschädigungen für die mit ihnen in frühen Jahren unternommenen Medikamenten-Versuche und protestierten gegen Misshandlungen und sexualisierte Gewalt in den Einrichtungen.

Von Marius Stelzmann

Seit 2018 steht die Coordination gegen BAYER-Gefahren in engem Kontakt mit dem Verein der ehemaligen Heimkinder Schleswig-Holstein. Die Organisation hat sich die Aufarbeitung des Unrechts auf die Fahne geschrieben, welches an Heimkindern von den 1950er bis in die 1970er Jahre hinein verübt wurde: Misshandlungen, sexualisierte Gewalt und Medikamentenversuche. Gegen ihren Willen mussten die ehemaligen Heimzöglinge – entweder in den Einrichtungen selbst oder aber in Kinder- und Jugendpsychiatrien – verschiedenste Pharmazeutika einnehmen, meist Psychopharmaka oder Neuroleptika. Nicht wenige davon stammten von BAYER. Unter den Folgen leiden viele bis heute. Darum unterstützt die CBG die Heimkinder in ihrer Auseinandersetzung mit den Pharma-Konzernen, Kirchen und staatlichen Stellen um Entschädigung, Anerkennung und Würde. Zum Weltkindertag am 20. September traten beide Netzwerke zusammen in Aktion: Vor dem Kieler Landtag wurde der Protest auf die Straße getragen.

Fünf Jahre zuvor hatten die Ex-Heimkinder dort auf einem Symposium bereits von ihrem Leid berichtet. Versprochen wurde danach einiges. Die meisten Ehemaligen warten jedoch immer noch auf Entschädigungen. Darum kamen sie zurück. Um auf die Verwicklung der Pharma-Unternehmen hinzuweisen, errichtete der Verein vor dem Eingang des Landtags zusammen mit der Coordination eine symbolische Mauer aus Medikamentenpackungen. Auf den großen Kartons prangten die Logos von BAYER, MERCK und anderen Konzernen, die mit den an den Heimkindern getesteten Medikamenten Millionengewinne erwirtschafteten. AktivistInnen hielten Schilder mit Forderungen hoch, die sich nicht nur an die Pillen-Riesen, sondern auch an die staatlichen Stellen und die Kirchen als Träger vieler der Einrichtungen richteten. Unter anderem protestierten die Geschädigten dagegen, dass Anträge auf Opferentschädigungsrenten immer wieder abgelehnt werden. Auch die im Koalitionsvertrag der schwarz-grünen Landesregierung angekündigte Prüfung der Einrichtung einer Landesstiftung, an der sich alle für das Leid und Unrecht Verantwortliche beteiligen, stehe noch aus, kritisierten sie.

Die Reaktionen

Die Abgeordneten kamen nicht umhin, der mahnenden Präsenz Rechnung zu tragen. Mehrere PolitikerInnen verschiedener Parteien stießen zur Kundgebung, um mit den Heimkindern über Ihre Lage zu sprechen und Möglichkeiten der Aufarbeitung und Entschädigung zu erörtern. Ein ebenfalls anwesender Richter bot an, Fälle, in denen den Heimkindern Entschädigung verweigert wurde, nochmals nachzuprüfen. Auch der NDR war vor Ort und dokumentierte die Aktion. O-Ton der Reportage: „Die ehemaligen Heimkinder fordern, dass die Landesregierung endlich Nägel mit Köpfen macht.“ Franz Wagle, der Vorsitzende des Vereins der ehemaligen Heimkinder Schleswig-Holstein, sagte dem Fernseh-Team: „Unsere Forderung ist, dass die Opfer zu ihrem Recht kommen. Und dass die Politik das, was sie uns mal zugesagt hat in dem Symposium von 2018, auch umsetzt.“ Die Aktion erreichte ihr Ziel: Druck auf die Politik zu machen, damit diese die Verbrechen von Kirche, Pharmakonzernen und staatlichen Stellen endlich aufklärt und für eine angemessene Entschädigung der Betroffenen sorgt.                                              

Einige Heimkinder haben durch eine Kampagne, zu der auch die CBG beigetragen hat, bereits Entschädigungen erhalten. Im Jahr 2019 waren Franz Wagle, Eckhard Kowalke und Günter Wulf von der Coordination auf die BAYER-Hauptversammlung eingeladen worden. Dort konfrontierten sie den Vorstand des Konzerns direkt mit ihren Krankengeschichten. Das Publikum reagierte mit hörbarem Raunen. Ein PR-Desaster, das auch der damalige Vorstandsvorsitzende Werner Baumann nicht mehr verhindern konnte. In seiner Antwort auf die Reden der ehemaligen Heimkinder bekundete Baumann, dass sich im Unternehmensarchiv keine Hinweise auf eine BAYER-Verwicklung finden würden. Um Druck aus dem Kessel zu nehmen, kam dann ein Vorstandsmitglied vom Podium herunter und machte den Dreien ein Angebot: Sie könnten den Aktenstand zu ihrer Frage im eigentlich für die Öffentlichkeit nicht zugänglichen BAYER-Archiv selbst prüfen. Die Heimkinder kamen – anders als vom Konzern erwartet – vorbereitet nach Leverkusen und brachten den Historiker Dr. Klaus Schepker von der Universität zu Ulm mit. Und dem Team gelang das, womit BAYER nicht gerechnet hat: Es förderte Dokumente zutage, die belegten, dass der Global Player in die Medikamentenversuche verwickelt war. Diese Funde flossen als Quellengrundlage in eine Studie der Universität Kiel ein, die wiederum vom Landtag Schleswig-Holstein als Grundlage dafür herangezogen wurde, zumindest einigen der Heimkinder eine Entschädigung zuzusprechen. Den Betroffenen reicht das jedoch nicht: Für sie ist Gerechtigkeit erst erreicht, wenn alle eine solche erhalten. Deshalb werden die CBG und der Verein der ehemaligen Heimkinder Schleswig-Holstein ihre Kampagne in diesem Jahr fortsetzen. Die Coordination wird sich dafür einsetzen, dass die ehemaligen Heimkinder 2024 auf der BAYER-Hauptversammlung wieder die Möglichkeit haben werden, ihr Anliegen vorzutragen. Auch wollen CBG und Heimkinder die Aktion in größerem Maßstab in der zweiten Jahreshälfte wiederholen. Dieses Mal haben sich großen Opfer- und Kinderschutzverbände wie zum Beispiel der Weiße Ring angesagt, die im vergangenen Jahr leider erfolglos angefragt worden waren.

Es bleibt also heiß in der Frage des Kampfes der Heimkinder um Würde, Anerkennung und Entschädigung. Die CBG wird sich weiterhin nach Kräften mit ihnen zusammen dafür einsetzen, dass Konzerne, Kirchen und Staat sich endlich öffentlich zu ihrer Verantwortung bekennen und die Betroffenen dafür entschädigen, dass sie sie für ihr Leben geschädigt haben. ⎜

Gegen Konzern-Macht anschreiben

Marius Stelzmann

Die CBG-Jahrestagung 2023

2023 feiert das Stichwort BAYER seinen 40. Geburtstag. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren nahm das zum Anlass, ihre Jahrestagung dem Schreiben gegen Konzerne im Allgemeinen und dem gegen BAYER im Besonderen zu widmen und auch das Pendant zu dieser Gegenöffentlichkeit in den Blick zu nehmen: den medialen Mainstream.

Von Jan Pehrke

„Konzern-Macht unter der Lupe – 40 Jahre Stichwort BAYER“ – so lautete der Titel der diesjährigen Jahrestagung der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG). Eine Selbstfeier war jedoch nicht angestrebt. Die Coordination nahm den runden Geburtstag ihrer Zeitschrift vielmehr zum Anlass, auf der Veranstaltung im Düsseldorfer Stadtteil-Zentrum Bilk allgemeiner über das Schreiben gegen BAYER & Co. zu diskutieren und dabei als Bezugsgröße auch den Gegenpol, den medialen Mainstream, in den Blick zu nehmen.

Der Kölner Publizist Werner Rügemer hat dessen Meinungsmacht bereits mehrfach am eigenen Leib zu spüren bekommen. Von 25 Klagen mit dem Ziel, ihn mundtot zu machen, berichtete er. Fünf Mal zog er selbst vor Gericht. Gegen den Kölner Stadtanzeiger etwa bemühte er wegen Urheberrechtsverletzung und Rufschädigung die AnwältInnen, weil die Redaktion in seinen Artikel zum Abwassersystem der Stadt nicht weniger als 82 Eingriffe vorgenommen hatte. In den allermeisten Fällen bekam Rügemer recht. Es erfuhr nur niemand – still ruhte der Blätterwald.

Eigentlich blieben da schon kaum mehr Fragen zum kapitalistischen Strukturwandel der Öffentlichkeit offen, aber Werner Rügemer holte noch weiter aus und lieferte eine kleine Geschichte der Medien seit 1945 nach. Während die kommunistischen Blätter umgehend ein Verbot ereilte, gewährten die Alliierten Publikationen wie Spiegel, Stern und Zeit, in deren Redaktionen es vor Alt-Nazis bald nur so wimmelte, großzügig Lizenzen. Und wenn eine Zeitung dann doch einmal leer ausging, da sie es 1933 ff. zu arg getrieben hatte wie etwa die Frankfurter Zeitung, dann sorgten interessierte UnternehmerInnen-Kreise für einen Neuanfang. Mittlerweile unterhalten die Konzerne „Medien-Partnerschaften“, Google zum Beispiel mit Faz, Spiegel und Zeit. Die Medien in Deutschland sind „seit Beginn nicht der Wahrheit verpflichtet, sie sind im Prinzip den Kapital-Interessen verpflichtet“, so Rügemers Resümee. Eine eigene Medien-Präsenz, wie die CBG sie mit dem Stichwort Bayer zeigt, ist deshalb seiner Ansicht nach unabdingbar.

Nach der anschließenden Diskussion schob die CBG einen Aktivismus-Block ein, der über Mitwirkungsmöglichkeiten informierte. Sie zeigte zur Anregung Videos von den letzten Hauptversammlungsprotesten und klärte dann erst einmal die Basics: Wie sieht es mit dem Zeitbudget der Einzelnen aus? Müssen MitstreiterInnen aus der Region stammen? Nutzt die Coordination die richtigen Kanäle zur Information? Dann wurde es konkreter. Die Gespräche drehten sich um potenzielle Ansatzpunkte für politische Interventionen in Nordrhein-Westfalen, aber auch darum, welche Optionen zur Unterstützung bestehen, wenn der Wohnort weiter entfernt liegt. Die Notwendigkeit einer besseren Vernetzung erkannten fast alle an, und ein Öko-Landwirt, der in Brasilien Flächen bewirtschaftet, bekundete sogar, von der Arbeit der CBG wichtige Anregungen mit nach Lateinamerika zu nehmen. Am Ende der Runde setzten zur Freude der CBG viele ihren Namen auf die Liste mit InteressentInnen für Aktionen.

Die begonnenen Gespräche konnten dann beim Mittagessen fortgesetzt werden, denn dieses Mal brauchten die Besucher-Innen sich nicht auswärts zu verpflegen und sich dazu in alle Himmelrichtungen zu zerstreuen. Die Coordination bot im Stadteil-Zentrum Bilk nämlich selbst eine Mahlzeit an, um mehr Angebote für ein zwangloses Miteinander und Austausch zu schaffen.

Frisch gestärkt ging es dann zum Nachmittagsteil der Jahrestagung. Dieser wurde mit einem musikalischen Beitrag eingeleitet: Lars-Ulla Krajewski brachte dem Stichwort Bayer ein Geburtstagsständchen. „Des Widerstandes Säule/ Und für das Greenwashing die Keule/ der Grund für diese Feier/ Ist Stichwort BAYER“ hieß es in ihrem Lied unter anderem.

Eine Säule des Widerstands ist auch der Berliner Journalist Peter Nowak. Seit Jahr und Tag schon schreibt er für verschiedene linke Blätter. Von diesem Erfahrungsschatz zehrte das Urgestein der engagierten Publizistik an diesem Samstag aber nicht. Er hielt stattdessen ein Plädoyer für eine Art Barfuß-Journalismus.

Zunächst jedoch schilderte Peter Nowak seinen persönlichen Werdegang. Er charakterisierte sich als einen der Anti-Atomkraftbewegung entstammenden Graswurzel-Journalisten, der sich an die Unparteilichkeit als Berufsethos nie gebunden fühlte. Eine JournalistInnen-Schule hat Nowak nie von innen gesehen. Ein Manko stellt das in seinen Augen keinesfalls dar. KollegInnen, die dort ihr Handwerk inklusive der Verpflichtung auf das Ideal der Objektivität lernten, fehlt ihm zufolge nämlich allzu oft der Zugang zu den Lebensrealitäten, was häufig zu unzutreffenden Einschätzungen führt.

Nähe stellt für Peter Nowak keine journalistische Grenzverletzung dar, im Gegenteil. Er ging sogar noch weiter und plädierte dafür, sich als Schreiber zurückzunehmen und lediglich als Ermutiger und Lautsprecher zu fungieren – bis zur Selbstaufgabe. Als Spielarten dieser Formen der Gegenöffentlichkeit nannte er das Internet-Portal Indymedia, das seine Anfänge in der globalisierungskritischen Bewegung nahm und ihr bloß eine Plattform bieten wollte. TierschützerInnen, die in Ställe eindringen und die dortigen Missstände auf Video dokumentieren, begriff er ebenfalls als Nachrichten-Produzenten.

Überdies erinnerte Nowak an die in den 1970er Jahren entstandene betriebliche Gesundheitsbewegung, die in die Fabriken hineinging und die Beschäftigten in den Stand von ExpertInnen des Alltags hob. Ein Problem mit der Wahrheit warf die Parteilichkeit nach Ansicht des Referenten nicht auf, mussten die AktivistInnen um Wolfgang Hien doch immer juristische Schritte von Seiten der Firmenleitungen befürchten und entsprechend faktensicher agieren. Die Arbeiterkorrespondenz und andere Betriebszeitungen führte Nowak als zusätzliche Beispiele auf und aus der Literatur die „Bottroper Protokolle“ von Erika Runge sowie die schreibenden ArbeiterInnen des „Werkkreises Literatur der Arbeitswelt“. „Wir sind das Medium“ – mit diesem Ansatz gewann Peter Nowak dem Thema ganz neue Aspekte ab.

Den Abschluss der Jahrestagung durfte dann das Stichwort BAYER bilden. Der Autor dieser Zeilen warf einen Blick zurück auf die Anfänge des Magazins im Dezember 1983. Fünf Jahre nach ihrer Gründung dämmerte es der Coordination, dass Aktionen nicht genügen, sondern dass es eines eigenen Organs bedarf, um sich Gehör zu verschaffen. Auf bescheidene acht Seiten brachte es der damalige rundbrief, Fotos gab es keine, und als Gestaltungsmittel mussten Schere, Kleber und Letraset dienen. So antiquiert das Erscheinungsbild aus heutiger Sicht wirkt, so gegenwärtig kommt das Heft daher, wenn es um den Inhalt geht, betonte Pehrke. Wasserverschmutzung, PCB, Menschenversuche in der Pharma-Forschung, Störfälle – diese Themen beschäftigen das Stichwort BAYER noch immer, was ein Licht auch auf die Entwicklung – oder besser gesagt: Nicht-Entwicklung – der chemischen Industrie wirft.

Heutzutage hat das SWB zumeist 32 Seiten und zudem mit dem Ticker noch eine 12-seitige Beilage für Kurzmeldungen.  Allein die Berichterstattung über die Aktionärsversammlungen nimmt regelmäßig fast ein ganzes Heft ein, während die Rest-Presse zumeist nur den Worten der jeweiligen Großen Vorsitzenden lauscht und sich ansonsten bloß für die Geschäftszahlen interessiert. Nicht ihre einzige Unterlassungssünde, aber ein besonders schlagendes Beispiel für die Pflege der journalistischen Landschaft durch BAYER. Mehr als 500 Beschäftigte setzt der Agro-Riese darauf an. Die ÖffentlichkeitsarbeiterInnen kümmern sich um den Aufbau exklusiver Journalisten-Zirkel, das Reputationsmanagement und die Schaffung von Informationskanälen wie dem Science Media Center, die wohlwollende Veröffentlichung über strittige wissenschaftliche Fragen zu Gentechnik, Glyphosat & Co. garantieren. Und neben diesen „konstruktiven“ Maßnahmen steht dem Unternehmen noch ein ganzes Arsenal von destruktiven zur Verfügung, wenn es um die Ausschaltung von Konzern-Kritik geht. Sie reichen von Anzeigen-Entzug über Interventionen bei Redaktionen und Beschwerden beim Presserat bis hin zu Klagen, führte Pehrke aus.

Und gegen diese Konzern-Macht schreibt das Stichwort seit nunmehr 40 Jahren an. Ohne Unterstützung, besonders durch den „Stichwort BAYER“-Förderkreis, wäre das nicht möglich gewesen, hob der Journalist hervor. Darum dankte er für die Hilfe und wünschte sich zum Geburtstag noch ein paar Förderer mehr.

Nach seinem Beitrag entspann sich wieder eine lebhafte Debatte, die dem SWB für die nächsten 40 Jahre den Rücken stärkte. Auch sonst zog die CBG ein positives Fazit der Jahrestagung. Sie wollte es 2023 ein wenig anders machen als in den früheren Jahren und sah das auch gut angenommen, wenngleich an ein paar Stellschrauben sicher noch gedreht werden muss. ⎜

Gartenschau mit BAYER-Gefahren

Marius Stelzmann

Durchhängen in Wuppertal

Bei der Bundesgartenschau 2031 in Wuppertal will die Stadt mit einer besonderen Attraktion aufwarten: einer Hängebrücke mitten über das BAYER-Gelände. Über mögliche Risiken schweigt sich die Stadt lieber aus. Dementsprechend kommt von Bürgerinitiativen, der Linkspartei und von Umweltverbänden Kritik.

Von Max Meurer

Wenig war die letzten Jahre in Wuppertal kommunalpolitisch so umstritten wie die geplante Bundesgartenschau 2031. Laut waren und sind die Diskussionen in der Stadt, diverse Bürgerinitiativen arbeiten gegen die geplante Bundesgartenschau, und bei einer Bürgerbefragung 2022 hat sich nur ein Fünftel der BürgerInnen für eine solche ausgesprochen. Ein bisschen weniger waren explizit dagegen, und ein Großteil hat sich überhaupt nicht beteiligt. Zudem machten Umweltbündnisse Einwände geltend.

Die vier größten Ratsfraktionen aber (SPD, CDU, Grüne und FDP) entschieden sich trotzdem für die Bundesgartenschau (BUGA) und übergingen die Diskussion damit de facto. Doch warum sind die Kontroversen so groß? Was spricht gegen die Bundesgartenschau? Und warum soll eine Hängeseilbrücke aufgehängt werden, bzw. gerade nicht? Einerseits geht es hier um finanzielle Fragen. So geht der Pfarrer im Ruhestand Manfred Alberti, der auf seinem Blog alle Kritik zur BUGA zusammenträgt, von Kosten um die 150 Millionen Euro aus, davon rund 70,9 Millionen Euro als voraussichtlicher Mindesteigenbetrag von Wuppertaler Seite. Mensch wird sich nun mit Recht fragen: Wofür soll das ganze Geld denn ausgegeben werden? Unter anderem für eine Hängebrücke, die mit rund 15 Millionen Euro zu Buche schlägt. Sie soll sich dabei von der Kaisers- bis zur Königshöhe erstrecken, rund 700 Meter lang sein und – das ist der spannende Knackpunkt – über das Gelände des Wuppertaler BAYER-Werkes führen.

Groß sind hier die Erwartungen zur vermeintlichen Wirkung der Hängebrücke, einige Verantwortliche kommen ins Schwärmen. So wird Michael Gehrke, der Stabstellenleiter für Freiraumentwicklung und Stadtökologie, in der Westdeutschen Zeitung wie folgt zitiert: „Die angedachte Hängebrücke wird das Bild und das Image von Wuppertal nochmals nachhaltig verbessern.“

Viele Fragen

Derartigen rhetorischen Höhenflügen setzt die Linksfraktion durch ihre Anfragen-Arbeit Grenzen. Sie wirft beispielsweise die Frage auf, ob eine Hängebrücke über das Gelände eines Chemieunternehmens wirklich eine gute Idee ist oder ob sie nicht gegen die Seveso-III-Richtlinie verstößt. Die erste dieser Richtlinien hat die Europäische Union nach der Explosion eines Chemie-Werkes im italienischen Seveso erlassen. Eine Vernachlässigung von basalen Sicherheitsvorschriften in der Fabrik einer ROCHE-Tochterfirma führte damals zu der Katastrophe. Mehrere hundert Menschen erlitten schwere Verletzungen; unzählige andere machten die ins Freie gelangten Stoffe erst später krank. Noch mehr Personen mussten ihre Häuser und Wohnungen lange Zeit aufgeben. Darüber hinaus starben über 3.000 Tiere. Auf mehr als 1.800 Hektar Land verteilten sich die Gifte.

Mit den Richtlinien zog die EU die Lehre aus solchen Unglücken. Die Bestimmungen finden immer dort Anwendung, wo Unternehmen Chemikalien produzieren und wo diese in der Umwelt nachweisbar sind. In Wuppertal ist das zum Beispiel am alten, 2018 stillgelegten, Heizkraftwerk direkt neben dem BAYER-Gelände, der Fall. Eine Nutzung als Freizeitobjekt scheiterte mit Verweis auf die Seveso-Richtlinien, nicht zuletzt wegen der Nähe zum Werk des Chemie-Multis.

Die Anfrage der Partei „Die Linke“, ob diese Richtlinien nicht auch für die Hängebrücke gelten müssten, da diese ja über das Werksgelände und das alte Heizkraftwerk führe, beantwortete die Stadtverwaltung ausweichend damit, dass nicht klar sei, ob die Hängebrücke einem Freizeitgebiet zuzuordnen ist oder einen wichtigen Verkehrsweg darstellt. Träfe beides nicht zu, kämen die Richtlinien auch nicht in Betracht. Außerdem, so die Verwaltung zynischerweise, seien auf der Brücke ja maximal 600 Leute gleichzeitig von den möglichen Auswirkungen der Schadstoffe betroffen.

Die Linkspartei stellt dazu in ihrer Anfrage fest: „Die Fa. BAYER ist aufgrund der Betriebsgenehmigung und der im Betrieb eingesetzten Gefahrstoff-Mengen ein Störfallbetrieb im Sinne der 12. Bundesimmissionsschutzverordnung. Gemäß Art. 13 Seveso-III-Richtlinie müssen bei der Aufstellung eines Bebauungsplans zwischen einer schutzbedürftigen Nutzung und einem Störfallbetriebsbereich angemessene Sicherheitsabstände gewahrt werden. […] Der erforderliche Abstand zwischen einem Störfallbetriebsbereich und einer empfindlichen Nutzung, wie das geplante Projekt, ergibt sich rechnerisch nach den Regelungen des Leitfadens KAS-181 als Stand der Technik.“ Dann listet die Anfrage diejenigen schutzbedürftigen Nutzungen auf, für die nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz ein Abstandsgebot gilt. Neben den Freizeitgebieten und wichtigen Verkehrswegen sind das Wohnsiedlungen, öffentliche Gebäude und Gebiete sowie Naturschutz-Regionen. Das Resümee der Partei: „Die geplante Nutzung des Kraftwerkareals als Multiservice-Standort ist eindeutig als schutzbedürftige Nutzung (öffentlich genutztes Gebäude/Gebiet) einzustufen, so dass im Rahmen der Bauleitplanung der angemessene Sicherheitsabstand beachtet werden muss.“ Auch eine Anleitung für das weitere Vorgehen existiert der Anfrage zufolge: „Die Stadt Wuppertal hat 2014 eine Begutachtung aller im Stadtgebiet vorhandenen Störfallbetriebe vornehmen lassen. Hierbei wurden die angemessenen Sicherheitsabstände nach KAS-18 Leitfaden ermittelt.“

Risiken & Nebenwirkungen

Die Zahlen liegen also vor, sie sind der Stadt bekannt, nur Aussagen darüber, ob die Brücke in den immerhin bis zu 850 Meter weiten Schutzradius fällt, tätigt sie nicht. Die Verwaltung zog sich lediglich darauf zurück, dass „die Belange des Störfallschutzes Beachtung“ fänden und dass man die Brücke nicht direkt über das Werk bauen wolle.

Nichts Genaues weiß man also nicht und will es auch nicht mitteilen. Dabei spielt natürlich auch das Stadtmarketing eine Rolle. So twitterte der vermeintlich „grüne“ Oberbürgermeister Wuppertals, Uwe Schneidewind, am Tag nach der Ratsabstimmung: „Damit schaffen wir einen Katalysator und ein Schaufenster für die Entwicklung Wuppertals in den 20er-Jahren – in den Bereichen Klima, Kreislaufwirtschaft, Mobilität und Stadtentwicklung.“ Und auch der BAYER-Konzern, dessen Werk im Wuppertaler Stadtteil Elberfeld dieses Jahr 157 Jahre alt wird, erhofft sich vermutlich eine Imagepolierung durch das Prestige-Projekt – mit Industriechic und einer Hängebrücke über den romantischen alten Industrieanlagen, in denen unter anderem mit den Gefahrenstoffen Ammoniak, Acrolein, Thionylchlorid, Chlor und leicht entzündlichen Flüssigkeiten hantiert wird.

Die Frage, was passiert, wenn was passiert, stellen sich die Verantwortlichen offensichtlich ungerne. Dabei ist die Störfall-Liste lang. Die letzte Beinahe-Katastrophe ereignete sich im Januar 2019, als 280 Kilo Chinolon-Carbonsäure austraten. Die Explosion vom Sommer 1978 gab sogar den Anstoß zur Gründung der CBG. Und Kontroversen um Gartenschauen sind dem Konzern auch nicht fremd. So rief die Landesgartenschau, die 2005 in Leverkusen stattfand, massive Proteste hervor, weil die Blumen ausgerechnet über der ehemaligen Giftmüll-Deponie des Chemie-Multis erblühten.

Es bleibt zu hoffen, dass die GegnerInnen der Hängebrücke die Gefahren für die öffentliche Sicherheit weiterhin in den Fokus der Diskussion stellen werden. Das Bündnis ist breit genug, der Widerstand kommt aus allen Richtungen, und auf Dauer wird der Rat nicht am Bevölkerungswillen vorbeiregieren können. ⎜ 

SWB 01/2024 – Hätte, hätte, Lieferkette

CBG Redaktion

BAYERs Pharma-Produktion in der Kritik

Hätte, hätte, Lieferkette

Mit neuen Lieferketten-Gesetzen wollen Deutschland und die EU den zweifelhaften Praktiken von BAYER & Co. beim Bezug ihrer Grundstoffe aus aller Herren Länder begegnen. Bis dato fällt es oft bestechend schwer, die Konzerne für derlei zur Verantwortung zu ziehen. Ob die Paragrafen-Werke eine Veränderung einläuten können, steht allerdings in Frage. Dabei zeigt eine neue Studie der AOK über die Arzneimittel-Produktion in indischen und europäischen Fabriken dringenden Handlungsbedarf an.

Von Max Meurer

„Unser Einkauf stellt die weltweite, termingerechte Versorgung mit Waren und Dienstleistungen zu den entsprechenden Marktkonditionen, in der erforderlichen Qualität und unter Einbeziehung unserer ethischen, ökologischen und sozialen Prinzipien sicher“, so wirbt der Pharma-Gigant BAYER auf seiner Website großspurig für den Glauben an seine menschenfreundlichen Intentionen. Da selbst die Politik zwischenzeitlich bemerkte, dass sie derlei Absichtserklärungen kaum vertrauen kann, brachte sie in den letzten Jahren mit wechselndem Personal auf diverse Probleme und kleine bis große Skandale reagierend mehrere Paragrafen-Werke auf den Weg. 2019 trat das „Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittel-Versorgung“ in Kraft und 2023 das „Lieferketten-Sorgfaltspflichtengesetz“ (LkSG), das demnächst auf kleinere Unternehmen ausgeweitet wird. Der auf freiwillige Maßnahmen bauende „Nationale Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte“ war zuvor gescheitert, nur 13-17 Prozent der Unternehmen beteiligten sich daran und gaben Auskünfte über ihre Lieferketten. Nähere Aufschlüsse über die Wirksamkeit der gesetzlichen Maßnahme dürften erst die Berichte erlauben, welche die Unternehmen im Frühjahr 2024 vorzulegen haben. Worum handelt es sich aber bei einer Lieferkette, auf die hier so viel Bezug genommen wird? Bei Großkonzernen setzte sich nach und nach die Tendenz durch, größtmögliche Teile der Produktion ins Ausland zu verlagern und die Wertschöpfungsketten über den ganzen Globus zu verteilen. Der Grund: Trotz der teils niedrigeren Produktivität aufgrund der schlechteren technischen Möglichkeiten im Vergleich mit hochindustrialisierten Ländern wie der Bundesrepublik lohnt sich das ab einer gewissen Größe. Lockerere Arbeitsrechte (z. B. bei Arbeitszeiten und Arbeitssicherheit), weniger Umweltauflagen und -kontrollen – diese Faktoren sorgen für eine größere Profit-Marge. Wo ohne Rücksicht auf Mensch, Tier und Natur produziert werden kann, wird günstiger produziert.

Stichjahr 1994

Im Pharma-Bereich kam es vor rund 30 Jahren zu einer Forcierung dieser Entwicklung. Sie setzte mit dem vorerst letzten Globalisierungsschub ein, den 1994 die Gründung der Welthandelsorganisation (WTO) einläutete. Wer dem Club angehören wollte, musste vorher das internationale Patentschutz-Abkommen TRIPS anerkennen – dafür hatten vor allem die Lobby-Aktivitäten des US-amerikanischen Pillen-Riesen PFIZER gesorgt. Indien wollte, und so hatte die stärkere Integration des südasiatischen Landes in den Weltmarkt dann auch gleich massive Auswirkungen auf die heimische Arznei-Industrie. Die Unternehmen konnten fortan nicht mehr einfach den Schutz des geistigen Eigentums umgehen, indem sie Pharmazeutika aus den Industrieländern kopierten und billiger weiterverkauften. Deshalb blieb der Pillen-Industrie des Landes nichts anderes übrig, als ihr Geschäftsmodell zu ändern. Und dabei spielte BAYER eine bedeutende Rolle. Als erster großer Pharmazeutika-Produzent schloss der Konzern 1999 mit einem indischen Unternehmen einen Vertrag ab. RANBAXY schaffte es, das Interesse des Leverkusener Multis für dessen eigenen – und wegen seiner zahlreichen Nebenwirkungen alles andere als unumstrittenen – Antibiotikum-Inhaltsstoff Ciprofloxacin in einer neuen Formulierung zu wecken. Ein Ciprofloxacin, von dem die PatientInnen nur einmal täglich eine Tablette zu nehmen brauchten – das war dem bundesdeutschen Konzern viel Geld wert. Für die weltweiten Vermarktungsrechte über einen Zeitraum von 20 Jahren zahlte er RANBAXY 65 Millionen Dollar. Und im selben Jahr kaufte das indische Unternehmen seinem neuen Partner auch die BASICS GmbH, eine Tochter-Gesellschaft für Nachahmer-Produkte, sogenannte Generika, ab, um einen Brückenkopf nach Europa zu haben. Allerdings gelang der inzwischen von SUN PHARMACEUTICAL geschluckten Firma ein solcher Coup wie mit Ciprofloxacin seither nicht mehr. Darum muss sie sich weitgehend auf die Funktion des Zulieferers für Pharma-Unternehmen aus den Industrie-Ländern beschränken – wie die Branche im ganzen Land. Und auf diese Firmen wollen BAYER & Co. natürlich nur ungern verzichten. Deshalb sorgten sie mit Extrem-Lobbyismus dafür, dass im oben erwähnten „Nationalen Aktionsplan“ keine rechtlich bindenden Regelungen auftauchten und ihnen beim Lieferketten-Gesetz das Schlimmste erspart blieb. So mahnte die Industrie eine Beschränkung des Paragrafen-Werks auf direkte Zulieferer an und lehnte eine Haftungsregelung vehement ab. Mit Erfolg: In der Endfassung fehlt beides.

Die Pharma-Lieferketten

Wie viel bei den ersten Gliedern der Lieferketten von Big Pharma im Argen liegt, belegte jetzt eine 2021 gestartete Studie der AOK Baden-Württemberg aufs Neue. Diese untersuchte das Abwasser von zehn Antibiotikawirkstoff-Fabriken in Europa und Indien und stellte fest, dass bei dreien die Grenzwerte für Antibiotikawirkstoffe in naheliegenden Gewässern massiv überschritten wurden. Besonders Ciprofloxacin, das inzwischen auch viele andere Firmen außer Bayer herstellen, fiel dabei auf. Die Konzentration lag teilweise um 11.000 Prozent über dem festgelegten Grenzwert. Bei anderen Antibiotika-Substanzen stellte es sich ähnlich dar. Die AOK setzte diese Zahl eindrucksvoll in Verhältnis: „Die Umweltprobe mit der höchsten Überschreitung eines Schwellenwertes wurde einem Gewässer entnommen, das durch den Regenwasserüberlauf einer indischen Produktionsstätte entsteht. Dieses Gewässer führt dabei unmittelbar durch ein Gebiet, das als Viehweiden genutzt wird. Die hier gemessene Gewässerkonzentration von Azithromycin übersteigt den ökotoxikologisch relevanten Schwellenwert um mindestens 1.600.000 Prozent (!). Das Verhältnis von Schwellenwert zu Umweltkonzentration entspricht damit in etwa dem der Fläche der baden-württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart zur gesamten EU.“ Das Problem: Derlei Stoffe, die über das Wasser, angrenzende Ackerflächen oder über Nutztiere zum Menschen gelangen, sorgen für die Bildung von resistenten Bakterienstämmen, die sich mit den gängigen Antibiotika dann immer schwerer bekämpfen lassen. In Indien treten dabei solche als „Superbugs“ bezeichnete resistente Krankheitserreger in ungekannter Häufung auf: So starben beispielsweise im Jahr 2013 58.000 Babys an solchen Keimen. Verbindliche Verpflichtungen, hier Maßnahmen zur Vorsorge zu treffen, wie sie z. B. die „Davos Declaration“ vorsieht, geht der Leverkusener Multi nicht ein. Er zog sich mit der Begründung, Antibiotika seien nicht mehr im Fokus des Produkt-Portfolios, aus der Verantwortung. Man richte Workshops und Schulungen aus, um den Umgang damit zu verbessern, hieß es lediglich. Das zeitigt natürlich wenig Wirkung. Die AOK Baden-Württemberg zitierte eine Studie aus dem Januar 2022, wonach die multiresistenten Keime für die Mehrzahl an weltweiten Todesfällen verantwortlich seien. Allein in Deutschland erkranken der Untersuchung zufolge jährlich 54.500 Menschen an Infektionen durch antibiotikaresistente Erreger. Dieser besorgniserregenden Zahlen wegen schlägt die AOK Alarm. „Die bisherigen Ergebnisse der Pilotstudie machen den hohen Handlungsdruck auf nationaler, vor allem aber auf europäische Ebene deutlich. Dies umso mehr, weil die Studien-Partner bisher nur einen Ausschnitt aus der Arznei-Produktion beleuchten konnten und vermutlich nur die ‚Spitze des Eisbergs‘ gesehen haben (zu den Forderungen der AOK siehe Kasten).

Das EU-Lieferkettengesetz

Das EU-Lieferkettengesetz, über das die Kommission, der MinisterInnenrat und das EU-Parlament kurz vor Weihnachten im Trilog-Verfahren eine Einigung erzielt haben, trägt diesem Handlungsdruck Rechnung. Es geht nämlich in wesentlichen Punkten über sein deutsches Pendant hinaus. So greift die Regelung schon bei Firmen mit mehr als 500 Beschäftigten. Auch geht sie weiter bei der Rückverfolgung und bezieht nicht nur die direkten Zulieferer ein. Zudem schließt das Gesetz den Rechtsweg nicht aus und macht BAYER & Co. für Verfehlungen haftbar. Überdies müssen die Konzerne die CO2-Einsparziele über ihre ganzen Lieferketten hinweg verfolgen und entsprechende Klima-Pläne aufstellen. Dementsprechend aufgeschreckt reagierten die Multis. „Unsere Unternehmen ersticken bereits jetzt in Bürokratie. Nun kommen noch mehr Vorschriften on top. Das ist ein weiterer Nackenschlag“, ereiferte sich der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI). Und der „Bundesverband der deutschen Industrie“ stimmte mit ins Untergangslied ein: „Der Kompromiss bedroht Wettbewerbsfähigkeit, Versorgungssicherheit und Diversifizierung der europäischen Wirtschaft, da sich Unternehmen aufgrund rechtsunsicherer Bestimmungen und drohender Sanktions- und Haftungsrisiken aus wichtigen Drittländern zurückziehen könnten.“ Die FAZ überschrieb ihren Kommentar mit „Standortrisiko ‚Brüssel‘“ und schloss mit den Worten: „Das EU-Lieferkettengesetz passt nicht in die Zeit. Es noch zu stoppen, wäre wichtig“. Die Zeitung gab da auch ihre Hoffnung nicht auf, obwohl die Umsetzung von Trilog-Beschlüssen sonst eigentlich immer nur noch Formsache ist. „Bei einigen umstrittenen Gesetzen war das zuletzt vor allem im Ministerrat nicht immer der Fall“, sprach das Blatt den Multis Mut zu. Und VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup, der nicht wenige Jahre seines Berufslebens beim Leverkusener Multi verbrachte, appellierte an die Ampel-Koalition: „Die Bundesregierung muss jetzt Farbe bekennen und ihre Zustimmung verweigern.“ Ein Übriges werden die Lobby-Truppen der Unternehmen tun. Allein der BAYER-Konzern verfügt über einen Etat von über sechs Millionen Euro, um die politische Landschaft in Brüssel zu pflegen und die gesetzlichen Angriffe auf seine Profitmarge so klein und wirkungslos wie möglich zu halten.