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Veröffentliche Beiträge in “SWB 03/2017”

[Ticker] AKTION & KRITIK

CBG Redaktion

EDCs: CBG macht Druck
Viele Pestizide und andere Stoffe von BAYER wirken wie Hormone. Diese sogenannten endokrinen Disruptoren (EDCs) können deshalb den menschlichen Organismus gehörig durcheinanderwirbeln und Krankheiten wie Krebs oder Diabetes auslösen. Bereits seit 2009 schickt sich die Europäische Union an, die EDCs strenger zu regulieren bzw. sie ganz aus dem Verkehr zu ziehen, aber der Leverkusener Multi hat es in Tateinheit mit anderen Konzernen immer wieder geschafft, den Prozess hinauszuzögern. Gemeinsam mit dem PESTIZID AKTIONS-NETZWERK und anderen Organisationen hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) die Bundesregierung deshalb jetzt aufgefordert, in Brüssel auf eine zügige Vereinbarung zu den Hormongiften zu drängen und insbesondere keine Ausnahmen für hormonell wirksame Agro-Chemikalien zuzulassen.

Protest gegen Afrika-Konferenz
Bereits seit einiger Zeit betreibt die Bundesrepublik eine Privatisierung der Entwicklungshilfe und setzt dabei auf eine Kooperation mit BAYER und anderen Konzernen. So wirkt das Unternehmen etwa an dem Projekt „Better Rice Initiative in Asia“ mit und nutzt es als Vehikel, um seine Reis-Saaten besser zu vermarkten. Auf eine neue Stufe stellte die Bundesregierung diesen Schulterschluss allerdings im Juni 2017. Im Rahmen ihrer G20-Präsidentschaft lud sie in Berlin zu einer Afrika-Konferenz. Dort boten Merkel & Co. Ländern des Kontinents, die sich bereit zeigten, günstige Bedingungen für Investoren zu schaffen, privilegierte Partnerschaften an. Und passenderweise konnten BAYER, BASF, COCA COLA & Co. dabei schon ein Wörtchen mitreden, denn sie nahmen am Konferenz-Tisch Platz. Aber glücklicherweise ging das alles nicht ohne Kritik über die Bühne. Ein breites Bündnis aus Geflüchteten-Initiativen, Gewerkschaften und linken Gruppen unternahm eine Fahrrad-Rallye gegen die G20-Afrika-Konferenz und machte dabei auch vor einer Niederlassung des Leverkusener Multis Station. „Wir besuchen BAYER und andere Profiteure sowie verantwortliche Institutionen, die u. a. für die Zerstörung der bäuerlichen Landwirtschaft in Afrika verantwortlich sind“, erklärten die ProtestlerInnen. Und selbstverständlich strampelten bei der Tour auch AktivistInnen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN mit.

Widerspruch gegen BVL-Bescheid
Immer wieder kritisiert die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) die hohen Antibiotika-Gaben in der Tiermast im Allgemeinen und die Verwendung von BAYERs BAYTRIL im Besonderen. Dieses Pharmazeutikum gehört nämlich zur Gruppe der Fluorchinolone und damit zu den Reserve-Antibiotika, die in der Humanmedizin nur zum Einsatz kommen, wenn andere Mittel bereits versagt haben. Durch die Dauerdröhnung in den Ställen aber gewöhnen sich die Krankheitserreger zunehmend an die Präparate. Gelangen die Keime dann in den menschlichen Organismus, ist kein Kraut mehr gegen sie gewachsen. Auch im letzten August vermeldete das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel-Sicherheit“ (BVL) wieder einen massiven Anstieg des Fluorchinolone-Gebrauchs in der Massentierhaltung. Später korrigierte es die Zahlen dann allerdings nach unten. Ein Unternehmen habe falsche Daten übermittelt, hieß es. Gemeinsam mit den ÄRZTEN GEGEN MASSENTIERHALTUNG, GERMAN WATCH und anderen Gruppen wollte die CBG nun wissen, um welche Firma es sich handelte. Diese Auskunft hat das Bundesamt jedoch mit Verweis auf das Betriebsgeheimnis verweigert. Auch antwortete es nicht auf die Frage, in welchen Mengen TierärztInnen bestimmte Antibiotika erhalten. Darum haben die Initiativen Widerspruch gegen den Bescheid eingelegt.

KAPITAL & ARBEIT

Weniger BAYER-Beschäftigte
Bei BAYER ging 2016 die Zahl der Beschäftigten im Vergleich zum Vorjahr um 1,2 Prozent auf 115.200 zurück.

US-Werke ohne GewerkschaftlerInnen
In den USA haben die Gewerkschaften traditionell eine schweren Stand, bei BAYER allerdings einen noch schwereren: Während der Organisationsgrad in den Betrieben durchschnittlich bei 6,7 Prozent liegt, betrug er 2016 in den US-Niederlassungen des Leverkusener Multis nur fünf Prozent. Diesen „Erfolg“ können sich die dortigen ManagerInnen gutschreiben, denn sie versuchen mit allen Mitteln, die Gründung von Beschäftigten-Vertretungen zu hintertreiben. So schüren sie etwa die Angst, Betriebszellen würden den jeweiligen Standort und damit auch die Jobs gefährden. In Emeryville hat der Konzern GewerkschaftlerInnen vor den Beschäftigten sogar als Schmarotzer diffamiert, die es nur auf die Mitgliedsbeiträge der Betriebsangehörigen abgesehen hätten. Und schließlich müssen beim Pharma-Riesen organisierte Belegschaftsmitglieder im Falle von Entlassungen immer als erste dran glauben.

ERSTE & DRITTE WELT

JADELLE bereitet Probleme
Bei BAYERs JADELLE handelt es sich um ein speziell für die Bevölkerungspolitik geschaffenes, fünf Jahre lang unfruchtbar machendes Hormon-Implantat, das die Devise des früheren US-Präsidenten Lyndon B. Johnson in die Praxis umsetzt: „Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar.“ Konsequenterweise bietet der Pharma-Riese das Mittel deshalb in den Industrie-Nationen gar nicht erst an – ein typisches Beispiel für doppelte Standards. Dankbarer Abnehmer ist hingegen die „Bill & Melinda Gates Foundation“: Sie erwarb im Jahr 2013 27 Millionen Einheiten des Medizin-Produkts. Dabei hat das Kontrazeptivum mit dem Wirkstoff Levonorgestrel nicht nur zahlreiche Nebenwirkungen wie etwa Kopfschmerzen, Depressionen, Gewichtszunahme, Sehstörungen und Migräne, es kommt auch immer wieder zu Komplikationen beim Einsetzen und Rausholen der Präparate. Der Gates-Stiftung graust es deshalb schon vor dem nächsten Jahr, wenn in Afrika das Entnehmen von 5,8 Millionen Implantaten ansteht. „Eine beunruhigende Zahl, angesichts der schon jetzt vorhandenen Probleme beim Entfernen“, heißt es in einem Bericht der Einrichtung.

IG FARBEN & HEUTE

85 Jahre Benzin-Pakt
Das Projekt der von BAYER mitgegründeten IG FARBEN, aus deutscher Braunkohle Benzin gewinnen zu wollen, erwies sich Anfang der 1930er Jahre als gigantische Fehlinvestition. Immer mehr ManagerInnen plädierten deshalb dafür, das Vorhaben einzustellen. Im Sommer 1932 aber kam die Wende. Die IGler Heinrich Bütefisch und Heinrich Gattineau trafen sich mit Hitler und schlossen mit ihm den Benzin-Pakt: Der NSDAP-Vorsitzende stellte dem Unternehmen Absatz-Garantien für den Rohrkrepierer in Aussicht, sollte er an die Macht kommen. Daraufhin fasste das IG-Direktorium umgehend den Entschluss, mit der Kohle-Hydrierung fortzufahren. „Wir wissen heute, dass diese Eile historisch notwendig war, schrieb Bütefisch 1941. Sonst hätte der Diktator es mit seinen Kriegsplänen nämlich nicht so einfach gehabt. „Die beruhigende Gewissheit, in der Treibstoff-Versorgung für die Luftwaffe und die wichtigsten Teile der übrigen Wehrmacht in Deutschland von fremder Zufuhr unabhängig zu sein, wäre ohne diese Eile in Frage gestellt gewesen“, konstatierte das Vorstandsmitglied des Mörder-Konzerns. Der Publizist Otto Köhler hat dieses Zitat ausgegraben. Er widmete dem Benzin-Pakt anlässlich seines 85-jährigen Jubiläums in der jungen Welt einen langen Artikel. Und Köhler schilderte darin auch, wie der ehemalige BAYER-Pressesprecher Gottfried Plumpe versuchte, die IG FARBEN zu exkulpieren. Bevor er beim Leverkusener Multi anheuerte, hatte Plumpe die Entscheidung des Unternehmens, weiter auf die Produktion von synthetischem Benzin zu setzen, noch historisch korrekt auf den Juli 1932 datiert und damit nach dem Treffen mit Hitler stattfinden lassen. In BAYER-Diensten stehend, verlegte er sie dann einfach vor, um den Treibstoff-Deal auf dem Müllhaufen der Geschichte entsorgen zu können.

POLITIK & EINFLUSS

Bilderberger Baumann
Die globale Macht-Elite aus Wirtschaft und Politik trifft sich einmal im Jahr zur Bilderberg-Konferenz, um aus herrschaftlicher Perspektive über die Weltlage zu beraten. Dieses Mal fand das Meeting Anfang Juni im US-amerikanischen Chantilly statt. Auf der Tagesordnung standen unter anderem die Trump-Regierung, die transatlantischen Beziehungen, China, Russland, das Schicksal der EU, die Zukunft der Globalisierung und der Populismus. Und mit von der Partie: BAYER-Chef Werner Baumann und BAYER-Aufsichtsrat Paul Achleitner. Für den Leverkusener Multi stellt die Teilnahme an der illustren Runde jedoch kein Novum dar. Schon frühere ManagerInnen des Konzerns zählten zu den berühmt-berüchtigten BilderbergerInnen.

EPA unter Einfluss
Im Gegensatz zur Weltgesundheitsorganisation WHO stufte die US-amerikanische Umweltbehörde EPA das Pestizid Glyphosat, das hauptsächlich in Kombination mit MONSANTOs Gen-Pflanzen zum Einsatz kommt, aber auch in BAYER-Mitteln wie GLYFOS, PERMACLEAN, USTINEX G, KEEPER und SUPER STRENGTH GLYPHOSATE enthalten ist, nicht als „wahrscheinlich krebserregend“ ein. Interne Unterlagen MONSANTOs, die im Zuge eines Prozesses von Glyphosat-Geschädigten ans Licht der Öffentlichkeit gelangten, nähren allerdings erhebliche Zweifel an der Unabhängigkeit des Votums. Der bei der EPA für das Verfahren zuständige Jess Rowland stand nämlich in engem Kontakt mit dem US-Unternehmen und erwies ihm einen nicht gerade kleinen Freundschaftsdienst. Er tat alles in seiner Kraft stehende, um das US-amerikanische Gesundheitsministerium an einer Studie zu den Risiken und Nebenwirkungen von Glyphosat zu hindern. „Wenn ich es schaffe, das zu killen, sollte ich eine Medaille bekommen“, schrieb Rowland MONSANTO. Und er schaffte es: Die Untersuchung kam nie zustande. Auch hat der EPA-Mitarbeiter einer Toxikologin der Behörde zufolge Abschlussberichte zugunsten der Industrie verändert und Druck auf Beschäftigte ausgeübt, die BAYER & Co. keine Persilscheine ausstellen wollten.

Agrar-Subventionen für Bauer BAYER
Die EU bedenkt den Leverkusener Multi seit geraumer Zeit mit Agrar-Subventionen. Im Jahr 2016 strich die BAYER REAL ESTATE GmbH 108.893 Euro aus Brüssel ein, die BAYER CROPSCIENCE AG 32.391 Euro und die BAYER CROPSCIENCE GmbH 11.345 Euro.

BAYER klagt über Strom-Kosten
Und ewig klagt der Leverkusener Multi über die angeblich zu hohen Strom-Preise. In einer Sonderbeilage der Faz zum Wirtschaftstag 2017 stimmte der Konzern-Manager Wolfgang Große Entrup die alte Leier an. „Teuer erkauft“ nennt er die Energie-Wende da und meint damit: zu teuer erkauft. „Die im internationalen Vergleich überdurchschnittlich hohen Energie-Kosten gefährden Deutschlands Zukunft als Industrie-Standort“, warnt Große Entrup und konstruiert einen Zusammenhang zwischen diesen Aufwendungen und dem Rückgang von Investitionen im Land. Der BAYER-Mann, der dem CDU-Wirtschaftsrat angehört und dort der Bundesfachkommission „Umweltpolitik“ vorsteht, fordert deshalb: „Angesichts explodierender Kosten ist eine marktwirtschaftliche und europäische Neuausrichtung der Energie- und Klimapolitik zwingend notwendig.“

PROPAGANDA & MEDIEN

Die Grenzen des Dialogs
„BAYER ist dafür bekannt, den Dialog auch mit besonders kritischen NGOs zu suchen“, meint das prmagazin beobachtet zu haben. Allerdings verlässt den Konzern dabei nach Meinung des Branchenblattes von Zeit zu Zeit das Finderglück. „Michael Preuss stößt im Dialog mit manchen NGOs an Grenzen“, heißt es in einem langen Artikel über den obersten Öffentlichkeitsarbeiter des Leverkusener Multis. Nach den Gründen befragt, antwortet Preuss: „Es wird immer Gruppen geben, deren Geschäftszweck es ist, uns zu kritisieren. Dann ist es relativ schwierig, auf irgendeinen gemeinsamen Nenner zu kommen.“ Damit meint er offensichtlich die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN. In ähnlichen Worten hatte sich nämlich schon Preuss’ Vorgänger Herbert Heitmann über die Coordination geäußert. Mit dem BUND FÜR UMWELT UND NATURSCHUTZ (BUND) kam der Konzern ebenfalls nicht ins Gespräch. Er wollte mit der Umwelt-Organisation eigentlich über die geplante MONSANTO-Akquisition reden. Der BUND forderte aber erst einmal Informationen über die voraussichtlichen Markt-Anteile des Unternehmens bei Pestiziden und Saatgut nach Abschluss der Transaktion ein – und hörte dann nichts mehr von BAYER. Ein Tête-à-Tête mit VertreterInnen von NABU und WWF erfolgte hingegen. Ergebnisse allerdings waren nach Angaben der Umweltverbände am Ende des Tages nicht zu verzeichnen.

BAYERs Landwirtschafts-PR
Das zynische Monopoly-Spiel um Übernahmen und Fusionen, das zurzeit den Landwirtschaftssektor heimsucht, hat das Image des agro-industriellen Komplexes weiter ramponiert. Dem beabsichtigt der Leverkusener Multi jetzt entgegenzuarbeiten. „Um zur Versachlichung beizutragen“, wie das prmagazin fadenscheinig meint, will der Leverkusener Multi „verstärkt in eine gesellschaftliche Debatte über die Zukunft der Landwirtschaft einsteigen.“

BAYERs MIRENA-Netzwerk
BAYERs Hormonspirale MIRENA mit dem Wirkstoff Levonorgestrel steht seit Jahren wegen ihrer vielen Nebenwirkungen in der Kritik. Nicht zuletzt, um den Vorbehalten gegenüber den sogenannten Intrauterinsystemen entgegenzuarbeiten, hat der Leverkusener Multi im Gesundheitswesen ein umfangreiches Netzwerk aufgebaut. So hält er sich diverse medizinische Mietmäuler. Der Frauenheilkundler Dr. Thomas Römer etwa strich vom Leverkusener Multi 2015 56.000 Euro und 2016 rund 20.000 Euro ein. Dafür leitet er unter anderem ein ÄrztInnen-Gremium, das eindeutige Empfehlungen ausspricht. „Die Verhütung mit dem Levonorgestrel-Intrauterinsystem ist für viele Frauen eine gute Option und bietet gegenüber alternativen Methoden zahlreiche Vorteile“, heißt es in dem Konsensus-Statement „deutscher Experten aus Gynäkologie und Endokrinologie“. Kai J. Bühling hingegen zeigte sich für sein Berater-Geld erkenntlich, indem er sich für ein Werbe-Interview zur Verfügung stellte. „Hormonspirale & Co. passen perfekt ins Leben moderner Frauen“, tönt er etwa in dem Gespräch, das dann die auf „strategische Online- und Social Media PR“ spezialisierte GOERKE PUBLIC RELATIONS GmbH unter die Leute brachte. Zudem sponserte der Leverkusener Multi die zum „Berufsverband der Frauenärzte“ gehörende „Frauenärztliche Bundesakademie“. 194.210 Euro strich die Einrichtung, die unter anderem GynäkologInnen-Kongresse veranstaltet, vom Konzern 2015 nach Angaben des Recherche-Zentrums Correctiv ein. So viel zahlte ihr kein anderes Unternehmen. Und auch die „Deutsche Gesellschaft für Frauengesundheit“ erhielt 2015 einen Scheck vom Pillen-Riesen: 51.000 Euro überwies BAYER der Gesellschaft.

Marketing-Ausgaben steigen weiter
BAYER gibt immer mehr Geld für Marketing und Vertrieb aus. 2016 stiegen die Zahlen gegenüber dem Vorjahr von 12,27 auf 12,47 Milliarden Euro. Obwohl das mehr als 26 Prozent des Gesamtumsatzes entspricht, verweigert der Konzern der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auf den Hauptversammlungen seit Jahren eine genauere Aufschlüsselung dieser Ausgaben.

DRUGS & PILLS

HIV-Stiftung ohne BAYER
In den 1980er Jahren haben Blut-Produkte von BAYER & Co. zehntausende Bluter und andere PatientInnen mit AIDS und/oder Hepatitis C infiziert. Aus Profit-Gründen haben die Konzerne die Einführung von Virus-Inaktivierungsverfahren hinausgezögert und trotz aller Warnungen lange Zeit weiter das Blut von Risiko-Gruppen zur Herstellung ihrer Präparate verwendet. Darum blieb dem Leverkusener Multi in der Bundesrepublik kaum etwas anderes übrig, als sich 1995 gemeinsam mit anderen Pillen-Riesen und dem Deutschen Roten Kreuz finanziell an der Stiftung „Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen“ zu beteiligen. Die Unternehmen rechneten dabei mit einem zeitlich befristeten Engagement. Diese Einschätzung erwies sich jedoch als falsch – die AIDS-Kranken lebten länger als erwartet. Darum gingen die Konzerne in der Folge dazu über, immer wieder um ihren Anteil am Etat zu feilschen. Mit Erfolg: Er sank mit den Jahren von 39 auf 22 Prozent. Jetzt aber erschien ihnen offensichtlich sogar das zu viel. Obwohl BAYER-Chef Werner Baumann auf der letzten Hauptversammlung dem Bluter Thomas Gabel noch versicherte, „mit dem Gesundheitsministerium in konstruktiven Gesprächen über die weitere Beteiligung der Pharma-Industrie an der Sicherung der Zukunft der Stiftung“ zu sein, stellten die Firmen de facto ihr Mitwirken ein. Deshalb war die Bundesregierung gezwungen, das HIV-Hilfegesetz zu überarbeiten. Der entsprechende Änderungsantrag lautete: „Die Nummern 1 bis 4 werden gestrichen. Eingefügt wird der Satz ‚Die Mittel für die finanzielle Hilfe werden vom Bund aufgebracht.’“ Und zur Begründung hieß es: „Da es zunehmend schwieriger wird, weitere Finanzierungszusagen von den pharmazeutischen Unternehmen und dem DRK zu erhalten (...), soll der Bund die Finanzierung zukünftig sicherstellen.“

AGRO & CHEMIE

Glyphosat: Kalifornien handelt
Es gibt eindeutige Belege dafür, dass das Pestizid Glyphosat Krebs auslösen kann. Dennoch ist es MONSANTO & Co. – nicht zuletzt durch gekaufte WissenschaftlerInnen – gelungen, Zweifel daran zu säen. Der US-amerikanische Bundesstaat Kalifornien hat sich in dem Streit um den Wirkstoff, der auch in vielen BAYER-Produkten enthalten ist, jetzt eindeutig positioniert. Er stufte die Substanz als potenziell karzinogen ein, weshalb die Hersteller vermutlich bald entsprechende Warnhinweise auf den Packungen aufbringen müssen. MONSANTO nannte die Entscheidung wenig überraschend „ungerechtfertigt auf der Basis von Wissenschaft und Gesetz“ und kündigte rechtliche Schritte an.

GENE & KLONE

BAYER & MONSANTO vs. Indien
Die indische Regierung hat im Juni 2017 ein Gesetz zur Senkung der Lizenz-Gebühren für gen-manipuliertes Baumwoll-Saatgut erlassen. Erwartungsgemäß laufen MONSANTO, BAYER & Co. dagegen Sturm. MONSANTO kündigte an, in Zukunft keine neuen Produkte mehr in dem Land zu vermarkten. Und der Leverkusener Multi mahnte: „Ein förderliches politisches Umfeld, starke Unterstützung durch die Regierung und ein verlässlicher Schutz des geistigen Eigentums sind sehr wichtig für ein Forschungsunternehmen wie BAYER.“

Persilschein für BAYER-Baumwolle
Die EU prüft zurzeit eine Import-Zulassung für BAYERs Gentech-Baumwolle „GHB119“, die der Leverkusener als Lebens- und Futtermittel vermarkten will. Und die Europäische Lebensmittel-Behörde EFSA stellte der Labor-Frucht in ihrer Risiko-Bewertung einen Persilschein aus. Das Gentech-Erzeugnis, das gegen das gesundheitsschädliche Herbizid Glufosinat resistent ist und den für Insekten tödlichen Bacillus thuringiensis (Bt) enthält, wirft nach Meinung der WissenschaftlerInnen keinerlei Sicherheitsfragen auf. Den ExpertInnen zufolge unterscheidet das Gewächs sich gar nicht von herkömmlicher Baumwolle. Die ihm mittels Gentechnik eingepflanzten Proteine haben laut EFSA nicht das Potenzial, giftig zu wirken und/oder Allergien auszulösen. Auch die Gefahr von Auskreuzungen sieht die Behörde nicht. Die Initiative TESTBIOTEST kommt dagegen zu einer ganz anderen Einschätzung. So verweist sie auf die Ergebnisse von Feldversuchen mit der Pflanze, in denen ForscherInnen sie mit den Eigenschaften ihres konventionellen Pendants verglichen und bis zu 24 Abweichungen festgestellt haben. Überdies schenkten die EFSA-WissenschaftlerInnen den Effekten der Bt-Toxine – wie zum Beispiel Wechselwirkungen mit anderen Stoffen – nach Ansicht von TESTBIOTEST nicht genügend Aufmerksamkeit. Zudem verweist die Organisation auf Studien, die den Toxinen sehr wohl ein allergenes Potenzial attestierten. Die Risiken, die von möglichen Glufosinat-Rückständen in der Baumwolle ausgehen, haben in der Bewertung ebenfalls keine Rolle gespielt, moniert TESTBIOTEST. Und schließlich werfen die Gentech-KritikerInnen der EFSA vor, Forschungen zu Auskreuzungen von gen-manipulierter Baumwolle ignoriert zu haben.

Stammzellen-Forschung mit BLUEROCK
„Die Möglichkeiten sind grenzenlos“, so schwärmte im Jahr 2001 BAYERs damaliger Chef-Pharmazeut Wolfgang Hartwig über die Chancen, die Stammzellen bieten. Aus ihnen wollten die GenforscherInnen des Konzerns zahlreiche Zelltypen oder Gewebe-Arten für medizinische Anwendungen entwickeln. Aber es hat sich rasch Ernüchterung über das Potenzial dieses Forschungszweigs eingestellt, und der Leverkusener Multi stoppte bald alle Aktivitäten auf diesem Gebiet. Jetzt jedoch wagt er einen neuen Anlauf. Der Pharma-Riese gründete gemeinsam mit der Investment-Gesellschaft VERSANT VENTURES das Unternehmen BLUEROCK THERAPEUTICS und stattete es mit 225 Millionen Dollar aus. Dafür erhofft sich der Global Player die Entwicklung von „zell-basierten Therapien“ für Herz/Kreislauf-Erkrankungen, Alzheimer und Parkinson.

WASSER, BODEN & LUFT

BAYER schädigt Ozonschicht
Seit Jahren schon sorgt hauptsächlich ein einziges Werk des Leverkusener Multis für den ganzen Ausstoß an ozon-abbauenden und deshalb klima-schädigenden Substanzen: die Niederlassung der Agro-Sparte im indischen Vapi. Und seit Jahren schon schraubt der Konzern auch ein bisschen an der Fertigungsstätte rum, so dass die Werte immer ein bisschen sinken. Aber 2016 summierten sie sich trotzdem noch auf neun Tonnen (2015: 11,7).

1.120 Tonnen flüchtige Substanzen
Auch BAYERs flüchtige organische Substanzen entstammen hauptsächlich dem Werk im indischen Vapi. Im Zuge der „Work in Progress“-Sanierung ging der Ausstoß dieser gesundheitsschädlichen Gase ebenso wie derjenige der ozon-abbauenden Stoffe (s. o.) 2016 etwas zurück. Von 1.610 auf 1.120 Tonnen sank der Wert.

Kaum weniger Stickstoff & Co.
Der Ausstoß von Stickstoffoxiden, Schwefeldioxiden, Staub und Kohlenmonoxid hat sich bei BAYER 2015 gegenüber dem Vorjahr kaum verändert. Die Emissionen von Stickstoffoxiden fielen geringfügig von 2.420 Tonnen auf 2.360 Tonnen ebenso wie diejenigen von Schwefeldioxiden. Diese reduzierten sich von 1.170 Tonnen auf 990 Tonnen. Der Konzern wirbelte auch weniger Staub auf. Die Werte sanken von 230 auf 160 Tonnen. Dafür erhöhte sich jedoch der Kohlenmonoxid-Ausstoß um 70 auf 1.000 Tonnen.

BAYERs großer Durst
Der Leverkusener Multi hat einen enormen Wasser-Durst. Auf 330 Millionen Kubikmeter bezifferte er seinen Konsum im Jahr 2014, in den zwölf Monaten zuvor waren es sogar 346 Millionen gewesen. Zum Vergleich: Das ist mehr als das Dreifache dessen, was die ganze Stadt Köln verbraucht. Rund drei Viertel des Wassers gehen als Kühlwasser drauf, ein Viertel verwendet der Konzern in der Produktion. Und erschwerend kommt noch hinzu, dass die Wiederaufbereitungsquote verschwindend gering ist: Mit 11,8 Millionen Kubikmetern recycelte das Unternehmen gerade einmal vier Prozent des Kühlwassers.

BAYERs Abwasser-Frachten
2016 produzierte der Leverkusener Multi mit 60 Millionen Kubikmetern Abwasser eine Million weniger als 2015. Der Phosphor-Eintrag sank von 100 auf 90 Tonnen und der von organischem Kohlenstoff von 1.160 auf 1.140 Tonnen. Auch Schwermetalle fanden sich etwas weniger im Wasser. Der Wert reduzierte sich von 64 auf 54 Kilogramm. Dagegen legten die Einleitungen von Stickstoff und Anorganischen Salzen zu. Sie stiegen von 560 auf 570 Tonnen bzw. von 927.000 auf 931.000 Tonnen.

BAYER produziert mehr Müll
Im Jahr 2016 produzierte BAYER mehr Müll als 2015. Von 940.000 auf 958.000 Tonnen erhöhte sich die Gesamtmenge. Darunter befanden sich 547.000 Tonnen gefährlicher Abfall. Um 6.000 Tonnen stieg dessen Aufkommen.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

Brandgefährliche Wärmedämmung
79 Menschen starben im Juni 2017 bei dem verhängnisvollen Hochhaus-Brand im Londoner Stadtteil North Kensington. Eine fatale Rolle bei dem Feuer im Grenfell Tower spielte die Fassaden-Dämmung. Sie bestand aus Polystyrol, besser bekannt als Styropor, das als Brandbeschleuniger wirkte. Wärmedämmungsmaterialien aus Kunststoff bietet auch die BAYER-Tochter COVESTRO an. Sie setzt dabei jedoch nicht auf Polystyrol, sondern auf Polyurethan. Diese Substanz bildet unter großer Hitze-Einwirkung zwar nicht wie das Polystryrol brennenden Tropfen, die das Feuer weiterverbreiten können, aber sie hat es ebenfalls in sich. Die Polyurethane gehören mit „normal entflammbar“ oder „schwer entflammbar – je nach Verarbeitung oder Präparierung – nämlich denselben Brandschutz-Klassen an wie die Polystyrole. Und wie die Polystyrole wirkten sie bereits dabei mit, aus Hochhäusern flammende Infernos zu machen, so etwa im Jahr 2010 beim Brand eines Wolkenkratzers in Shanghai, bei dem 58 Menschen starben, und 2009, als sich in Peking der noch im Bau befindliche TV- und Kultur-Center entzündete. Auch in Kensington selber waren die Substanzen mit im Spiel. Sie steckten als Isolationsmaterial in dem Kühlschrank, der das Feuer auslöste, und sorgten für eine schnellere Verbreitung der Flammen. Weil in England jährlich rund 300 Haus-Brände auf das Konto von mit diesen Kunststoffen bestückten Eisschränken oder Gefriertruhen gehen, hat die „London Fire Brigade“ die Politik zum Handeln aufgefordert. Sie verlangte unter anderem das Verbot der Verwendung von Polyurethanen als Isoliermaterial in Haushaltsgeräten.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Vier tödliche Arbeitsunfälle
Insgesamt ereigneten sich im Jahr 2016 bei BAYER 489 meldepflichtige, also schwerwiegendere Arbeitsunfälle. Vier davon verliefen tödlich. Zwei Belegschaftsangehörige des Leverkusener Multis kamen durch Verkehrsunfälle ums Leben, und zwei Beschäftigte von Fremdfirmen starben durch Stürze.

14 anerkannte Berufskrankheiten
Lange Zeit machte BAYER überhaupt keine Angaben zu Berufskrankheiten mehr. Im Geschäftsbericht von 2016 hingegen nennt der Konzern wieder eine Zahl. 14 im Berichtszeitraum gemeldete Fälle zählt er auf und gibt vor allem Gesundheitsstörungen, die „den Bewegungsapparat betrafen (z. B. durch Computer-Arbeit oder Heben)“ an. Es dürften jedoch viel mehr sein, denn der Global Player erwähnt nur die von den Berufsgenossenschaften als arbeitsplatz-bedingt anerkannten Erkrankungen – und das sind nicht viele. 80 Prozent der Anträge lehnen die Einrichtungen, in deren Beschluss-Gremien die Unternehmen über die Hälfte der Stimmen verfügen, ab.

Entzündlicher Stoff tritt aus
Am 3.4.16 ereignete sich am BAYER-Standort Kiel ein Umfall. In dem Werk, das veterinär-medizinische Produkte hergestellt, trat entzündlicher flüssiger Abfall aus.

Leckage in Wuppertal
Am 18.4.16 kam es im Wuppertaler Pharma-Betrieb BAYERs zu einem Unfall. An einem Kanal-Schacht entstand eine Leckage, aus der eine größere Menge Abwasser in einen Fluss gelangte.

Diesel im Abfluss-Kanal
Am pakistanischen BAYER-Standort Karachi geschah am 23.6.16 beim Umfüllen von Diesel ein Unfall, in deren Folge 2.000 Liter des Treibstoffs in einen Abfluss-Kanal gerieten.

Lösemittel-Austritt in Antwerpen
Im Antwerpener Werk der BAYER-Tochter COVESTRO trat am 28.7.16 bei der Inbetriebnahme einer Pumpe ein Lösemittel aus. Nach Angaben des Leverkusener Multi wurde es „nach Absprache mit den Behörden fachgerecht entsorgt“.

Viele Transport-Unfälle
Beim Transport von gefährlichen BAYER-Gütern kam es 2016 zu 12 „Ereignissen“, wie der Leverkusener Multi die Beinah-Katastrophen zu bezeichnen beliebt. Und damit nicht genug der Sprach-Kosmetik, spricht der Konzern seit Neuestem auch nur noch von „Produkt-Austritten“, wo er in früheren Geschäftsberichten noch die Substanz nannte, die ins Freie gelangte.

BAYSANTO & MONSAYER

Kritik an Fusionskontrolle

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Die ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT, das FORUM UMWELT UND ENTWICKLUNG, die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und weitere Verbände haben massive Zweifel daran, ob die EU-Wettbewerbsbehörde willens und in der Lage ist, mit den geeigneten Mitteln auf BAYERs Plan, MONSANTO zu schlucken, zu reagieren. Darum haben die Initiativen gemeinsam eine Streitschrift gegen die Ohnmacht der Wettbewerbskontrolle herausgegeben, die den Titel „Fusion von BAYER & MONSANTO“ trägt. Untersagt hat die Europäische Union der Publikation zufolge im Jahr 2015 nämlich keinen einzigen der 300 von ihr überprüften Deals. Nur in 18 Fällen erfolgten Auflagen. Auch spielten die Auswirkungen der Transaktionen auf die Belegschaften und auf die Umwelt keinerlei Rolle. Überdies analysierten die WettbewerbshüterInnen nicht die möglichen Effekte der Übernahmen und Fusionen auf Länder des globalen Südens. „Eine Verschärfung der Fusions- und Missbrauchskontrolle ist unerlässlich, um die Markt-Macht der Multis zu begrenzen“, lautet deshalb das Resümée der AutorInnen. Sie fordern unter anderem ein Trennungsgebot, das es den Unternehmen nicht länger erlaubt, gleichzeitig dominierende Stellungen im Saatgut-, Gentechnik- und Pestizid-Bereich aufzubauen. Auch verlangen sie, die gehaltenen Patente in die Entscheidungen mit einzubeziehen. Und schließlich tritt die Streitschrift für die Einrichtung einer Welt-Kartellbehörde ein.

Kritik an Fusionskontrolle

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Bei den bisherigen Genehmigungsverfahren zu den Mega-Deals in der Agro-Branche hat die Wettbewerbsbehörde der EU außer-ökonomischen Kriterien zu wenig Beachtung geschenkt. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten, das Dr. Boris P. Paal von der Universität Freiburg im Auftrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erstellt hat. Nach Ansicht Paals bietet die Fusionskontroll-Verordnung (FKVO) eine ausreichende Handhabe dafür, um bei der Prüfung der Übernahmen und Fusionen beispielsweise ökologischen Aspekten mehr Geltung zu verschaffen. Der Jurist verweist dazu besonders auf den Artikel 2 der Verordnung. BAYERs Plan, MONSANTO zu übernehmen, droht Paal zufolge nämlich das, was dort unter „wirksamer Wettbewerb“ gefasst ist, in Bezug auf die Ernährungssicherheit, die Biodiversität und den Gesundheitsschutzes zu gefährden. „Die EU-Kommission ist somit (auch) im Fall BAYER/MONSANTO gehalten, außer-ökonomische Ziele in das Fusionskontroll-Verfahren mit einzubeziehen“, hält der Gutachter fest. Und nach Artikel 21 der FKVO besteht laut Paal sogar für die Bundesregierung eine Handlungsmöglichkeit, denn gemäß dieses Paragrafens können die Mitgliedsstaaten „geeignete Maßnahmen zum Schutz anderer berechtigter Interessen als derjenigen treffen, die in der FKVO selbst berücksichtigt werden“. Und nicht nur die Umwelt braucht Schutz vor Baysanto. Auch die Beschäftigten, die LandwirtInnen und die VerbraucherInnen benötigen ihn.

CCI hat Nachforderungen
Der indischen Wettbewerbsbehörde CCI reichten die Unterlagen nicht aus, die BAYER zur Genehmigung der MONSANTO-Akquisition eingereicht hatte. Sie forderte den Global Player deshalb auf, Informationen nachzuliefern. „Wir sind mit der Antitrust-Behörde im Dialog über die Vollständigkeit des Daten-Paketes“ – mit diesen Worten kommentierte der Leverkusener Multi das Schreiben der CCI und wollte sich zu näheren Details nicht äußern.

Kritik an Mega-Deals

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Zwei US-amerikanische Landwirtschaftsverbände haben massive Kritik an den Fusionen und Übernahmen geübt, die BAYER und andere Unternehmen zurzeit planen. „Zutiefst beunruhigende Auswirkungen“ werden die Deals nach Einschätzung des Verbandes der afro-amerikanischen LandwirtInnen „National Black Farmers Association“ (NBFA) und der Geflügel-FarmerInnen von der „Contract Poultry Growers Association of the Virginias“ (CPGAVA) haben. Von einem „Desaster für die US-amerikanischen Landwirte und Konsumenten, die sich auf höhere Lebensmittelpreise und weniger Innovationen einstellen müssen“ sprechen John Boyd Jr. von der NBFA und Mike Weaver von der CPGAVA. Besonders vor „Baysanto“ haben die beiden Angst. „Dieses Unternehmen hätte eine enorme Macht“, schreiben sie in der Online-Publikation The Hill. Mit Verweis auf die seit den 1980er Jahren eh schon immens gewachsenen Kosten für Soja-Saatgut, denen nur gering gestiegene Ernte-Einnahmen gegenüberstehen, warnen Boyd und Weaver vor einer Existenz-Gefährdung der FarmerInnen durch das Vorhaben des Leverkusener Multis, den US-Konzern zu schlucken. „Die geplante Fusion zwischen BAYER und MONSANTO könnte der Todesstoß sein“, so die Verbandschefs.

Kritik an Mega-Deals

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Nach einer Umfrage, die SumOfus und FRIENDS OF THE EARTH in Auftrag gegeben haben, lehnen über 80 Prozent der US-AmerikanerInnen – darunter auch ein Großteil der Trump-WählerInnen – BAYERs Plan, MONSANTO zu übernehmen, ab. Einhellig befürchten die Befragten negative Auswirkungen auf die Arbeitsplätze, die Situation der LandwirtInnen, die Nahrungsmittel-Qualität und die Umwelt.

Kritik an Mega-Deals

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Auch der diesjährige Evangelische Kirchentag, der vom 24. bis zum 28 Mai in Berlin und Wittenberg stattfand, beschäftigte sich mit der von BAYER geplanten Übernahme des US-Unternehmens MONSANTO und anderen Mega-Deals in der Agro-Branche. Die AGRAR KOORDINATION sammelte dort, unterstützt von AktivistInnen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, eifrig Unterschriften für eine Resolution gegen die ganzen Transaktionen. Und wirklich kamen auch genug UnterzeichnerInnen zusammen, so dass es vom Kirchentag aus heißen konnte: „Wir rufen die Europäische Kommission und das Kartellamt auf, die aufgeführten Zusammenschlüsse, auch unter hohen Auflagen, NICHT ZU GENEHMIGEN! Die Bundesregierung rufen wir auf, die Regeln für den Wettbewerb auch in Deutschland zu verbessern und solche Markt-Konzentrationen nicht zu erlauben.“

BAYER verkauft LIBERTY
Von vornherein hatte BAYER damit gerechnet, sich im Zuge der geplanten MONSANTO-Übernahme von Unternehmensteilen trennen zu müssen, um von den Kartell-Behörden die Genehmigung für den Deal zu erhalten. Kalkulierte der Leverkusener Multi als Opfergabe zunächst ein Sortiment in einem Umfang von bis zu 1,6 Milliarden Dollar Umsatz ein, so erhöhte er den Betrag später noch einmal auf 2,5 Milliarden. Im Frühjahr 2017 benannte er dann erstmals einzelne Produkte. So stellte die Aktien-Gesellschaft ihre Gentech-Pflanzen der LIBERTY-Produktreihe mitsamt dem auf sie abgestimmten Herbizid Glufosinat zur Disposition. Auch Raps-und Baumwoll-Saatgut steht zum Verkauf. Aber all das ändert nichts daran, dass der Global Player durch die Zusammenlegung der Geschäfte mit dem US-Konzern eine markt-beherrschende Position im Agrar-Sektor erlangen würde.

Schlechte Agro-Geschäfte
Auf dem Townhall-Meeting in der Kölner Universität, das am 27. April im Rahmen der Hauptversammlungsaktionen gegen den Plan des Leverkusener Multis, MONSANTO zu übernehmen, stattfand, wertete der australische Öko-Bauer und Präsident von IFOAM ORGANICS INTERNATIONAL, Andre Leu, die vielen Übernahmen und Fusionen im Agrar-Bereich als Zeichen der Schwäche von BAYER & Co. Und tatsächlich hat die Branche bereits seit Jahren mit schlechten Zahlen zu kämpfen. So musste BAYER-Chef Werner Baumann in seiner Hauptversammlungsrede festhalten: „Für unsere Division Crop Science blieb das Markt-Umfeld im vergangenen Jahr weiterhin schwach, vor allem in Lateinamerika.“ Sowohl die Umsätze als auch die Gewinne gingen nominell von 10,1 auf 9,9 Milliarden Euro bzw. 2,6 auf rund 2,3 Milliarden Euro zurück und konnten nur dank positiver Währungseinflüsse marginal zulegen. Unter anderem wegen solcher Bilanzen hoffen die Konzerne auf profit-steigernde Synergie-Effekte durch Akquisitionen.

Von MONSANTO lernen
BAYER-Chef Werner Baumann hat an der Unternehmenspolitik von MONSANTO nichts auszusetzen. Für die Praxis des US-Konzerns, LandwirtInnen Lizenz-Verträge für Saatgut aufzuzwingen, findet er nur Worte des Lobes. „MONSANTO hat ein völlig neues Geschäftsmodell etabliert und marktfähig gemacht“, konstatiert der Vorstandsvorsitzende. Er findet auch nichts dabei, die Gerichte zu bemühen, falls die Bauern und Bäuerinnen das Saatgut im nächsten Jahr wieder aussäen, ohne zu zahlen. „Wenn man ein solches Verhalten als Unternehmen toleriert, entzieht man dem Geschäftsmodell die Basis. MONSANTO hat nur seine Rechtsposition verteidigt“, meint der Große Vorsitzende. Und gegen Glyphosat hat Baumann ebenfalls nichts. Auch der Leiter von BAYERs Pharma-Sparte, Dieter Weinand, hält große Stücke auf die Firma aus St. Louis und drohte an, deren Expertise für Neuentwicklungen im Pharma-Bereich zu nutzen. „Unsere Wissenschaftler können da etwas von MONSANTO lernen“, sagte Weinand. Und das Knowhow des Agro-Riesen auf dem Sektor des „Digital Farming“ will er ebenfalls auf Drugs & Pills übertragen.

BAYERs MONSANTO-PR
BAYERs Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit, die rund 400 Beschäftigte zählt, hat sich schon Monate vor der Bekanntgabe des Konzern-Vorhabens, MONSANTO schlucken zu wollen, auf den Coup vorbereitet und eine Medien-Strategie ausgearbeitet. Die Text-Bausteine, die seither immer wieder aus dem Munde des Vorstandsvorsitzenden Werner Baumann quellen – die Übernahme trage zur Sicherheit der globalen Lebensmittel-Versorgung bei; BAYER wisse um das schlechte Image des US-Unternehmens; der Konzern wolle niemandem die Gentechnik aufzwingen; die Akquisition bedrohe den Wettbewerb nicht; es gehe bei dem Deal nicht um Kosten-Senkung, sondern um Wachstum – hatten die ÖffentlichkeitsarbeiterInnen bereits lange bevor die Kauf-Pläne im Mai 2016 publik wurden, fertiggestellt. „Die minutiöse Vorbereitung erwies sich als großer Vorteil, denn nachdem die Übernahme-Gespräche bestätigt waren, ließ sich die PR-Maschine schnell anwerfen“, lobt das Fachblatt prmagazin.

BAYER interveniert beim WDR
Immer wieder setzt der Leverkusener Multi Presse, Funk und Fernsehen unter Druck, weil er sich falsch dargestellt wähnt. Aktuell passte dem Konzern die journalistische Arbeit des WDR in Sachen „BAYER-Hauptversammlung“ nicht. „Viele Medien berichteten ausgewogen über die Proteste, der WDR allerdings veröffentlichte einen Film-Beitrag, der ohne jede Einordnung nur die Position der Demonstranten wiedergab“, klagt der Global Player in seiner Haus-Postille direkt. Darum intervenierte er umgehend bei der Pressestelle des Senders.

RECHT & UNBILLIG

Klage wg. SIVANTO
BAYER hat als Alternative zu den wegen ihrer Bienengefährlichkeit von der EU mit einem vorläufigen Verkaufsbann belegten Pestiziden GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin) das Produkt SIVANTO entwickelt. Dessen Inhaltsstoff Flupyradifuron gehört zwar nicht wie Imidacloprid und Clothianidin zur Gruppe der Neonicotinoide, er ähnelt diesen Substanzen jedoch in seiner Funktionsweise. Wie diese Chemikalien wirkt Flupyradifuron systemisch, also gegen eine Vielzahl von Schadinsekten. Und wie diese Neonicotinoide blockiert das zu den Butenoliden zählende Mittel bei den Tieren die Reiz-Weiterleitung an den Nervenbahnen. Deshalb bestehen massive Zweifel daran, ob SIVANTO wirklich so „bienenfreundlich“ ist, wie der Leverkusener Multi behauptet. Trotzdem erhielt er für das Produkt in den USA bereits eine Genehmigung. Nach Informationen des Münchner Umweltinstituts hat der Agro-Riese auch in der Bundesrepublik einen Antrag eingereicht. Genauere Informationen dazu rückt das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ aber nicht raus. Darum hat das Umweltinstitut die Behörde jetzt verklagt.

BAYER-JHV

CBG Redaktion

Aktion & Kritik

Hauptversammlung gestürmt

BAYER-Festung hält nicht stand

Das hatte sich der Leverkusener Multi fein ausgedacht: Er verlegte seine Hauptversammlung kurzerhand von Köln nach Bonn ins „World Conference Center“, um die schon für die Dom-Stadt anberaumten Proteste gegen die MONSANTO-Übernahme auszubremsen. Dort meinte der Konzern, die idealen Standort-Bedingungen für einen AktionärInnen-Treff unter Ausschluss der Öffentlichkeit vorzufinden. Und für den Rest sollte das Zauberwort „Terror-Gefahr“ sorgen. Aber der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gelang es, die BAYER-Pläne zu durchkreuzen und den Weg für die AktivistInnen freizumachen. Sie rückten unter anderem mit Treckern, einer LKW-Bühne, dem Ungetüm eines historischen Kartoffeldämpfers sowie einer Popcorn-Maschine an und wandelten den „Platz der Vereinten Nationen“ zu einer bunten Bühne für Konzern-Kritik um.

Von Jan Pehrke

„Ob als Bienen verkleidete Aktivisten, die gegen Insektizide protestieren, oder Umweltschützer, die BAYER für die Verschmutzung der Weltmeere durch Plastikmüll verantwortlich machen: Der Vorstand des Leverkusener Pharma- und Chemiekonzerns ist turbulente Hauptversammlungen gewohnt. Nun ist noch ein Aufreger-Thema dazu gekommen“, schrieb Börse Online. Dabei handelte es sich natürlich um den BAYER-Plan, MONSANTO zu übernehmen und damit zum größten Agro-Konzern der Welt zu werden.
Ein sichtbares Zeichen gegen dieses Vorhaben setzten in Bonn vor dem World Conference Center (WCCB) Bauern und Bäuerinnen von der Organisation MEINE LANDWIRTSCHAFT mit einem historischen Kartoffeldämpfer. Und dieser konnte sich sogar noch von seiner praktischen Seite zeigen: Er diente dazu, Übernahme-Verträge und Patent-Urkunden zu verbrennen. Zudem hatten die LandwirtInnen Traktoren aufgefahren, die aus gegebenem Anlass Transparente statt der sonst üblichen Heuballen aufspießten. Auch zahlreiche andere Initiativen brachten ihren Protest gegen den Mega-Deal zum Ausdruck. Damit nicht genug, stimmten Rede-Beiträge und mexikanische Musik von der LKW-Bühne die rund 300 KundgebungsteilnehmerInnen zusätzlich auf „Stop BAYER/MONSANTO“ ein. Und die Stammgäste der Aktionärs-Treffen durften natürlich ebenfalls nicht fehlen: ImkerInnen, Medikamenten-Geschädigte, GegnerInnen der Kohlenmonoxid-Pipeline und AktivistInnen, die sich gegen die Öffnung von BAYERs Giftgrab „Dhünnaue“ im Zuge eines anvisierten Autobahn-Ausbaus wenden, konfrontierten die Aktien-HalterInnen mit ihren Anliegen.

Rechtsbruch

Aber all das hätte eigentlich nicht sollen sein. Der Leverkusener Multi hatte nämlich vor, die Hauptversammlung (HV), auf der mit der MONSANTO-Übernahme eine der umstrittensten Entscheidungen der Unternehmensgeschichte auf der Tagesordnung stand, unter Ausschluss der kritischen Öffentlichkeit abzuhalten. Dafür hatte der Agro-Riese sein AktionärInnen-Treff extra in den Bonner World Conference Center (WCCB) verlegt. Der Standort-Vorteil des neuen Tagungsortes bestand in den Augen des Konzerns nämlich darin, den Protest gegen den Milliarden-Deal bei entsprechenden Vorkehrungen weit draußen vor der Tür halten zu können. Entsprechend teilte die Polizei der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Woche vor der HV mit, die Kundgebung an dem dafür vorgesehenen Ort nicht zu erlauben und stattdessen ins Niemandsland weit weg vom WCCB-Eingang zu verlegen.
Die Coordination wandte sich sofort an einen Rechtsanwalt und reichte Klagen ein. Der Konzern hielt mit Terror-Gefahr dagegen und spannte dabei den Bogen weit. Von Sprengsatz-Zündungen aus Habgier wie beim Anschlag auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund über Ankündigungen der CBG, es am 28. April nicht zu einem HV-Business as usual kommen zu lassen, bis hin zu den Rauch-Bläsern, mit denen ImkerInnen auf früheren Hauptversammlungen gegen bienenschädliche Pestizide protestiert hatten (O-Ton BAYER: „Gas-Angriff von Vermummten“), reichte die für die Hauptversammlung vom Unternehmen skizzierte Bedrohungslage.
In der juristischen Auseinandersetzung errang die Coordination dann einen Teilerfolg. Sieben der acht Auflagen der Polizei kippten die Gerichte. Der Bruch der Verfassung – konkret des Versammlungs- und Hoheitsrechts, das die Festsetzung einer Gefahrenlage der Polizei und nicht einem Unternehmen überantwortet – blieb allerdings unbeanstandet. Mit dem Argument, die Sicherheit der AktionärInnen gehe vor, begründete die Gerichtssprecherin Stefanie Seifert die Entscheidung der RichterInnen. „Bedenklich“ nannte hingegen die taz dieses Urteil. Die Zeitung prophezeite: „Jeder Konzern kann sich künftig auf eine drohende Terror-Gefahr berufen, um missliebige Demonstrationen zu verhindern“ und warnte davor, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit den Konzern-Interessen zu opfern.
BAYER aber besaß zu allem Übel auch noch die Dreistigkeit, auf seinem als Bannmeilen-Bollwerk dienenden Zelt, das auf dem Rechtsweg nicht rückbaubar war, ein Transparent mit der Aufschrift „Liebe Demonstranten, nutzt doch mal ‚Fakten statt Vorurteile’“ anzubringen. Der Schuss ging jedoch nach hinten los, denn „Fakten, Fakten, Fakten“ lieferten auf der Hauptversammlung nur die Konzern-KritikerInnen.

26 kritische Redebeiträge

Bevor die Vorstandsriege diese im Saal „New York“ allerdings abholen konnte, hatte sie sich erst einmal mit einer anderen Art der Protest-Kultur auseinanderzusetzen. So wurde die Eingangsrede des BAYER-Vorsitzenden Werner Baumann bereits nach fünf Minuten und auch danach noch mehrfach durch Sprechchöre wie „Ihr vergiftet unsere Böden!“ unterbrochen. Den 2.500 anwesenden AktionärInnen schallte außerhalb und innerhalb der Halle immer wieder die Aufforderung entgegen: „Stimmen Sie mit Nein.“ Zudem enterten zwei DemonstrantInnen das Vorstandspodium; andere AktivistInnen brachten auf der Empore das Transparent „Menschenrechte statt Profite“ an.
Und ab dem frühen Nachmittag folgten dann die Fakten der 26 kritischen BAYER-AktionärInnen. Jan Pehrke vom Vorstand der CBG kritisierte in seiner Rede den Versuch, die HV vor den Protesten abzuschirmen, vehement: „BAYER instrumentalisiert die Terror-Gefahr in infamer Weise.“ Anschließend führte der Journalist dem Publikum das mit dem Kauf von MONSANTO verbundene Schreckensszenario noch einmal drastisch vor Augen. „Käme der Deal vollumfänglich zustande, betrüge der Markt-Anteil beim gen-manipulierten Saatgut weit über 90 Prozent, bei den konventionellen Saaten läge er bei 30 Prozent und bei den Pestiziden ungefähr bei 25 Prozent“, so Pehrke. Anschließend beschrieb er die Risiken und Nebenwirkungen, welche die Transaktion für die LandwirtInnen, VerbraucherInnen, Beschäftigten und Standorte-Städte hätte. Aber zu Ende bringen durfte er seinen Beitrag nicht. Der Global Player hatte da nämlich schon die Redezeit begrenzt und drehte dem CBGler kurzerhand das Mikrofon ab. Aber der Leverkusener Multi hatte sich zu diesem Zeitpunkt schon viel zur avisierten MONSANTO-Akquisition anhören müssen, und es folgte noch eine Menge nach.
Wohlweislich hatte der Konzern dieses Mal nicht nur wie gewohnt draußen auf alle BAYER-Embleme verzichtet und die Fahnen eingezogen, um nicht zusammen mit ProtestlerInnen fotografiert zu werden, sondern sich auch bei der Dekoration des „New York“-Saals selber auf rein graphische Elemente beschränkt, statt die Bühnen-Wand wie üblich mit seinem Slogan „Science for a better life“ zu schmücken. Der Global Player wollte nämlich den Gegen-RednerInnen keinen Anreiz mehr bieten, auf diese Maxime Bezug zu nehmen und ihr die harte Konzern-Wirklichkeit gegenüberzustellen. Michael Slaby von der Initiative MELLIFERA hielt das jedoch nicht davon ab, sich den Leitspruch dennoch vorzunehmen. „‚Science for a better life’ – mit diesem Slogan wirbt die BAYER AG“, hob er an und fuhr fort: „Meine Frage dazu lautet: Wem verschaffen Sie denn ein besseres Leben mit Ihren Pestiziden, Ihren gentechnisch veränderten Pflanzen und der geplanten Übernahme von MONSANTO? Dem indischen Kleinbauern, der in den Ruin und vielleicht auch den Selbstmord getrieben wird, weil er den hundertfachen Preis für das von MONSANTO patentierte, gentechnisch veränderte Baumwoll-Saatgut sowie die nötigen Pflanzenschutz- und Düngemittel zahlen muss und in eine Schuldenspirale gerät, aus der er nicht mehr herauskommt? Die von der Honig-Produktion lebende indigene Gemeinde in Mexiko, deren Lebensgrundlage durch den Anbau von transgenen ROUND-UP-READY-Sojapflanzen bedroht wird, deren Pollen sich dann im Honig wiederfinden?“
Das, was BAYER als Grund für die geplante MONSANTO-Übernahme angibt, nämlich das Wohl der Welternährung befördern zu wollen, hielt Slaby für eine reine PR-Story. „Habe ich nicht recht, an den Beitrag Ihres Konzern zur Lösung des globalen Hunger-Problems glauben Sie doch selbst nicht. Es handelt sich hierbei doch nur um eine Verschleierungstaktik, um Ihrem Streben nach Kontrolle des globalen Agrarsektors einen noblen Anstrich zu geben. Herr Baumann, wie wollen Sie diesen Eindruck entkräften?“ fragte er.
Markus Arbenz von IFOAM, der weltweiten Bewegung für den biologischen Landbau, pflichtete Slaby bei. „BAYER/MONSANTO arbeiten in Richtung ‚Monopol-Stellung’. 20 Jahre Gentechnologie und Patentierung zeigen, dass wenige Sorten an Hilfsmittel wie ROUND UP (das Pestizid Glyphosat, Anm. SWB) gebunden werden. Biologische Vielfalt verschwindet, das Klima verändert sich und immer noch gehen 800 Millionen hungrig ins Bett“, resümierte der Schweizer.
Das berühmt-berüchtigte Glyphosat setzte nicht nur Arbenz auf die Agenda der HV. Peter Clausing vom PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) legte – gestützt auf Studien – noch einmal eindrücklich dar, warum das Ackergift als „wahrscheinlich krebserregend“ gilt. Heike Moldenhauer vom BUND FÜR UMWELT UND NATURSCHUTZ (BUND) machte derweil auf die zunehmende Unwirksamkeit des Mittels aufmerksam.
Anton Hofreiter von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schließlich schilderte in drastischen Worten den Kahlschlag bei Wild-Pflanzen und Insekten, für den dieses Total-Herbizid verantwortlich zeichnet, und führte dem BAYER-Management die Konsequenzen vor Augen. „Mit dem Einbruch der Artenvielfalt zerstören Sie das Netz des Lebens und zerstören damit unsere Lebensgrundlagen mit.“
Seine Partei-Kollegin Renate Künast sprach derweil über die Folgen der im großen Maßstab betriebenen Landwirtschaft, die mit ihren Monokulturen einen Raubbau an den Böden betreibt und mit ihren Pestiziden Mensch, Tier und Umwelt schädigt. Und auch sie ordnete das Argument von BAYER, der Mega-Deal sei nötig, um die Welternährung zu sichern, dem Reich der Mythen zu. Die Politikerin stützte sich dabei auf den Weltagrarbericht, der ganz im Gegensatz zum Leverkusener Multi gerade im Ausbau der kleinbäuerlichen Landwirtschaft eine wirksame Maßnahme zur Sicherung der Lebensmittel-Versorgung sieht.
Renate Künasts Anwesenheit in Bonn hatte einen bestimmten Grund: Sie ist nämlich die deutsche Botschafterin des MONSANTO-Tribunals, das im letzten Herbst in Den Haag stattgefunden und sich vorgenommen hatte, wenigstens ein paar der rechtsfreien Räume zu schließen, die dem US-Unternehmen das Leben so leicht machen.
Die Kritik Baumanns an dem Gremium – von „Schauprozessen“ hatte der BAYER-Chef gesprochen – verbat sich die Grüne ausdrücklich. Sie unterstrich die große Bedeutung dieser Institution für die Verteidigung der BürgerInnen-Rechte gegen die Macht der Konzerne und hob, auf das Russell-Tribunal als Vorläufer des MONSANTO-Tribunals verweisend, die lange zivilgesellschaftliche Tradition hervor, in der die Den Haager RichterInnen stehen.
Deren juristisches Gutachten, das MONSANTO auf der Basis der Vernehmung zahlreicher ZeugInnen wie LandwirtInnen, BiologInnen, MedizinerInnen und TierzüchterInnen den Bruch von UN-Abkommen zum Recht auf Nahrung, auf Gesundheit und auf eine saubere Umwelt nachweist, veröffentlichte die Jury knapp eine Woche vor der BAYER-Hauptversammlung. Und der Tribunal-Mitarbeiter René Lehnherr hatte es passenderweise an dem Freitag aus Den Haag mitgebracht und ließ es Werner Baumann aushändigen.

Nur Profit zählt

Den Vorstandsvorsitzenden focht das alles nicht an. Um dem Vorwurf von Michael Slaby zu begegnen, der Konzern strebe mit der MONSANTO-Übernahme die Kontrolle des gesamten Nahrungsmittelmarktes an, gab Werner Baumann wieder mal den Märchen-Onkel. Der Vorstandsvorsitzende erzählte die wundersame Story vom Weltenretter BAYER, der sich anschickt, das Ernährungsproblem durch ein beherztes „Weiter so“ zu lösen und den Mühseligen und Beladenen mit stabilen Wertschöpfungsketten, der „digitalen Landwirtschaft“ und Produktivitätssteigerungen beizuspringen gedenkt. „Letztlich geht es darum, auch in Zukunft eine große Auswahl an sicheren und qualitativ hochwertigen Lebensmitteln zu erschwinglichen Preisen sicherzustellen“, fasste der Ober-BAYER zusammen und wähnte sich damit aus dem Schneider. Sich direkt an Michael Slaby wendend, plädierte er für Freispruch in eigener Sache: „Das ist im Übrigen (...) das Gegenteil des von Ihnen erhobenen Vorwurfs, den globalen Agrar-Sektor beherrschen zu wollen. Insofern denke ich, dass Ihre Unterstellung jeder Grundlage entbehrt.“
Der konkreten Frage Pehrkes, ob BAYER im Zuge der MONSANTO-Übernahme Preis-Erhöhungen plane oder solche für die nächsten zwei Jahre ausschließen könne, wich Baumann aus. Er kündigte lediglich „eine angemessene Preis-Politik“ an. Um Mehreinnahmen durch solche Manöver gehe es im Übrigen bei dem Deal nicht, sondern um Wachstum und Innovation. Warum der Konzern, wenn ihm Innovationen doch so sehr am Herzen liegen, nicht seinen Forschungsetat auffüllt, anstatt mit dem Geld in den USA auf Shopping Tour zu gehen – darauf blieb Baumann eine Antwort schuldig. Zu möglichen Arbeitsplatzvernichtungen als Folge der Transaktion mochte er wegen schwebender Genehmigungsverfahren ebenfalls nichts sagen, und für die Weigerung, die AktionärInnen zum MONSANTO-Kauf zu befragen, lieferte der BAYER-Boss nur fadenscheinige Begründungen. Dafür war er ganz offenherzig, was das Sparen von Steuern durch den Großeinkauf angeht: „Finanzierungskosten im Zusammenhang mit der Akquisition sind Betriebsausgaben und werden nach den gesetzlichen Regeln in den Ländern, in denen dann diese Zins-Lasten anfallen, auch steuerlich im erlaubten Umfang zum Abzug gebracht.“
Die „Reputationsrisiken“, die einige VertreterInnen von AktionärInnen-Verbänden mit MONSANTO auf den Leverkusener Multi zukommen sahen, wies Baumann nicht von der Hand. Er stellte diese allerdings als „ein Ergebnis massiver Kampagnen“ dar und hielt fest: „Den Machern dieser Kampagnen ist es gelungen, MONSANTO zu einem Symbol zu machen. Für viele ist MONSANTO heute der Inbegriff einer bestimmten Form von Landwirtschaft, die sie ablehnen.“ Als ein Instrument solcher Kampagnen wertete der Ober-BAYER offensichtlich auch das MONSANTO-Tribunal. Dieses hatte es ihm so richtig angetan. Immer wieder kam er darauf zurück. Aus der Tatsache, dass das RichterInnen-Gremium in keine bestehende Rechtsordnung eingebunden ist, weil es diese ja gerade ergänzen und auch Konzern-Verbrechen justiziabel machen will, drechselte Werner Baumann den Vorwurf mangelnder Legitimität. Auch mangelnde Transparenz bei der Finanzierung und Bestallung der JuristInnen monierte er. Deshalb sah der Manager nicht nur keine Veranlassung, sein Unwort für die Einrichtung zurückzunehmen. Er hob es in seiner Antwort auf die Rede von Renate Künast sogar noch einmal ausdrücklich hervor: „Selbsternannte Tribunale und auch politisch vorgeprägte Schauprozesse, und ich erwähne ausdrücklich ‚Schauprozesse’ lehnen wir (...) ab.
Und Werner Baumann sprach auch aus, worum es bei der Übernahme wirklich geht. Der Konzern will ihm zufolge durch den Erwerb von MONSANTO „langfristig erheblichen zusätzlichen Wert schaffen“. Nähere Ausführungen zum Profit-Prinzip im Allgemeinen machte der Konzern-Chef in seiner Antwort auf eine entsprechende Frage von Felix Pohl, der für die BONNER JUGENDBEWEGUNG sprach und in seiner Rede zusätzlich zu den Risiken und Nebenwirkungen von Pestiziden auch die ökonomischen Antriebe des Unternehmens auf die Tagesordnung setzte. „Sie wollten (...) wissen, warum der Profit, also der Gewinn, eine wichtige Planziffer ist“, mit diesen Worten wandte Baumann sich an Pohl und begann dann BAYERs Version des „Kapitals“ zu erzählen. In seiner Darstellung mutierte dieses zu einer veritablen sozialen Veranstaltung. „Ohne Gewinne können wir weder Gehälter an Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bezahlen, neue Produkte entwickeln noch soziale oder auch karikative Projekte (...) fördern und finanzieren. Gewinne sind also das Ziel einer jeden unternehmerischen Tätigkeit, und das ist auch gut so“, soweit seine Mär zum gesamtgesellschaftlichen Nutzen von BAYERs wundersamer Geldvermehrung.
Problem-Felder jenseits der beabsichtigten MONSANTO-Übernahme benannte an diesem Tag jedoch nicht nur Pohl. Zahlreiche weitere kritische AktionärInnen schrieben die Schadensbilanz der glänzenden Geschäftsbilanz fort. So ganz nebenbei machten sie damit auch deutlich, dass BAYER und MONSANTO in dem Schmieren-Stück keinesfalls als „Die Schöne und das Biest“ auftreten und es bei der Transaktion deshalb nicht darum geht, dass eine kleine nette Firma von nebenan beabsichtigt, einen bösen, großen US-Konzern zu resozialisieren. Von risiko-reichen Projekten wie der Kohlenmonoxid-Pipeline über gesundheitsschädliche Chemikalien und bienengefährliche Ackergifte bin hin zu BAYERs Politik der doppelten Standards in der „Dritten Welt“ reichten die neuerlichen Einträge ins „Schwarzbuch BAYER“.
Besonders beeindruckten dabei wie jedes Jahr die Medikamenten-Geschädigten mit ihren Leidensgeschichten, weil diese Menschen eine personifizierte Anklage an den Konzern sind. Auf deren Beiträge reagierte der neue BAYER-Vorstandsvorsitzende Baumann wie die alten Konzern-Chefs: zynisch und kaltschnäuzig. Egal wie groß und schlimm die angeprangerten Gesundheitsschäden auch waren, immer stellte er dem in Rede stehenden Medikament eine positive „Risiko/Nutzen-Bilanz“ aus. Und ebenso wie seine Vorgänger verweigerte er den Geschädigten eine Entschuldigung. Deutlich wurde einmal mehr: Beim Global Player ist einzig der Profit entscheidend. Solange Produkte trotz Entschädigungszahlungen und Prozesskosten noch Gewinne bringen, gibt es für das Unternehmen keinen Anlass, sie vom Markt zu nehmen.
Nur konsequent also, wenn die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN das Diktat der Profite brandmarkt und einmal mehr fordert, dass BAYER unter gesellschaftliche Kontrolle gestellt werden muss und dabei auf die Landesverfassung von Nordrhein-Westfalen verweist, die eine solche Möglichkeit durchaus vorsieht.

Viele Gegenstimmen

Bei den Abstimmungen zur Gewinn-Verteilung und zur Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat zeigte sich, dass die menschenverachtende Haltung der BAYER-Verantwortlichen nicht nur von den Kritischen AktionärInnen verurteilt wird. Mehrere Hundert KleinaktionärInnen unterstützten die CBG bereits im Vorfeld der Hauptversammlung und übertrugen Zehntausende von Aktien. Und im Saal selbst votierten viele Zehnmillionen Aktien zu den verschiedenen Tagesordnungspunkten mit den Kritischen AktionärInnen für ein „Nein“. Auf besonders viel Ablehnung stießen dabei die Vorschläge des Konzerns zur Besetzung des Aufsichtsrats. Das Ansinnen des Unternehmens, dem ehemaligen ALLIANZ-Manager Paul Achleitner zu einer vierten Amtsperiode zu verhelfen und damit seinen eigenen, gerade erst eingeführten Regel-Kodex zu brechen, der eigentlich ein Aus nach drei Runden vorsieht, straften viele AktionärInnen ab. Auch an Colleen A. Goggins fanden sie keinen rechten Gefallen, hatte die Dame bei ihrem früheren Arbeitgeber JOHNSON & JOHNSON doch ihren Posten räumen müssen, weil sie einen Skandal um Arzneien, die mit Metallspänen und Bakterien verunreinigt waren, vertuschen wollte. Selbst beim Antrag der Coordination, die Gewinnausschüttung auf zehn Cent zu begrenzen und die Milliarden stattdessen für Umweltschutz, Menschenrechte, soziale Sicherheit sowie für eine gerechte Entschädigung der BAYER-Opfer einzusetzen, stimmten noch knapp eine Millionen Aktien mit der CBG.
Entsprechend zog die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN eine andere Bilanz als die Wirtschaftspresse: Angesichts der Tatsache, dass einige wenige GroßaktionärInnen mit ihrem gigantischen Besitz von Hunderten Millionen Aktien regelmäßig für satte Mehrheiten und für die Ausschüttung immer neuer Rekord-Dividenden sorgen, sind die NEIN-Ergebnisse von Tausenden KleinaktionärInnen, die mit der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) stimmten, ein beachtliches Signal gegen das Diktat des Profits und für Umweltschutz, Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit. So hatte die ganze Veranstaltung für die ManagerInnen des Unternehmens noch nicht einmal einen versöhnlichen Abschluss – eine Erfahrung, die zunehmend auch ihre KollegInnen von anderen Aktien-Gesellschaften machen, wie die Faz festhält. Konnten sich die Bosse früher nach den ganzen Gegen-Reden auf eines verlassen: „Wenn die abendliche Abstimmung naht, hat der Vorstand meist hohe Zustimmung sicher“, geht der Zeitung zufolge auch diese Gewissheit „zunehmend verloren“.
Trotz aller Anstrengungen, den Protest kleinzuhalten, musste der BAYER-Konzern also am 28. April auf allen Ebenen realisieren, wie groß und breit der Widerstand gegen seinen Übernahme-Coup ist. „So turbulent war eine Hauptversammlung von BAYER noch nie“, urteilte beispielsweise die Rheinische Post. Damit markierte der Tag den Höhepunkt einer ganzen Aktionswoche. Sie begann am 25. 4. mit einer Kick-Off-Veranstaltung in der Bonner Universität. Das unter anderem mit VertreterInnen der Gewerkschaftsjugend, der ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT, der von Vandana Shiva ins Leben gerufenen Initiative NAVDANYA und der CBG besetzte Podium beleuchtete noch einmal die ganzen Probleme des agro-industriellen Komplexes und zeigte Alternativen auf. Zwei Tage später nahm ein Townhall Meeting an der Universität Köln die Diskussion wieder auf und hob sie auf eine internationale Ebene. So berichtete etwa der ehemalige Präsident der paraguayischen Saatgut-Behörde, Miguel Lovera, aus erster Hand über das gegenwärtige Landwirtschaftsmodell. Dieses zwingt sein Land zum Anbau von „cash crops“ für den Export und verdrängt Nahrungsmittel-Pflanzen von den Äckern, so dass Lebensmittel importiert werden müssen. Der australische Öko-Bauer und Präsident von IFOAM ORGANICS INTERNATIONAL, Andre Leu, machte indes Mut. Er wertete die gegenwärtigen Turbulenzen in diesem Sektor mit seinen ganzen Übernahmen und Fusionen als ein Zeichen für die Schwierigkeiten des Agrar-Business’ und sah die Chancen für eine Landwende steigen. Auf diese Weise eingestimmt, schritten dann am nächsten Tag alle in Bonn zur Tat. Doch damit nicht genug: Am 29. April formierte sich Widerstand gegen den Mega-Deal auch in Berlin: Rund 400 Menschen nahmen in der Bundeshauptstadt an der „Stop BAYER/MONSANTO“-Demo teil.

So gelang der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und ihren zahlreichen Kooperationspartnern mit der „Stop BAYER/MONSANTO“-Kampagne ein großer Erfolg, der Mut macht für den weiteren Weg.

Kasten

  • 1

Schamlose Profite
Eine BAYER-Aktie hat am Kapital des Konzerns einen Anteil von 2,56 Euro. Auf jede Aktie wurde eine Dividende von 2,70 Euro ausgeschüttet. Das entspricht einer Kapitalrendite von sage und schreibe 105,5 Prozent. Um diese Schamlosigkeit in der Öffentlichkeit zu verschleiern, wählt der Global Player als Berechnungsgrundlage jedoch den jeweils aktuellen Kurswert seiner Aktie. Dieser beträgt zurzeit etwa 113 Euro. Damit fällt die Dividende – HokusPokus - auf lediglich 2,4 Prozent.

Kasten

  • 2

Abstimmungsergebnisse
BAYER hat ca. 360.000 AktionärInnen, doch die Abstimmungen auf den Hauptversammlungen des Konzerns dominieren wenige GroßaktionärInnen (Ultrareiche, Investmentfonds, Banken etc.). Sie sorgen für sichere Mehrheiten von 90 Prozent plus. Die vielen hunderttausend KleinaktionärInnen hingegen besitzen zusammen lediglich fünf bis 10 Prozent der Aktien. Entsprechend beachtlich sind die Abstimmungsergebnisse für die Kritischen AktionärInnen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) bei BAYER. Mehrere Hundert KleinaktionärInnen unterstützten die CBG und brachten 25 Tsd. Aktien zur HV 2017 mit. Damit wird deutlich, dass auf dem AktionärInnen-Treff mehrere Tausend KleinaktionärInnen mit der CBG gestimmt haben müssen, um die dokumentierten Stimmergebnisse zu erzielen.

Von anwesenden 489 Mio. Aktien (je Aktie eine Stimme) stimmten bei den einzelnen Tagesordnungspunkten
mit Nein:

Gewinn-Verwendung
Nein-Stimmen 888.293 (0,1 %)

Entlastung Vorstand
Nein-Stimmen 15.495.950 (3,3 %)

Entlastung Aufsichtsrat
Nein-Stimmen 21.760.129 (4,7 %)

Wahlen zum Aufsichtsrat
Nein-Stimmen: je Kandidat/in bis zu 80 Mio. Aktien bzw. 16,9 %

BAYER-JHV-Gegenreden

CBG Redaktion

Aktion & Kritik

Schuldig in 26 Fällen

Das BAYER-Tribunal

Rekord eingestellt: Wie schon im vergangenen Jahr boten auch 2017 wieder 26 Gegen-RednerInnen dem BAYER-Management Paroli und dominierten so die Hauptversammlung. Und nicht nur gegen die geplante MONSANTO-Übernahme trugen sie gewichtige Argumente vor. Von gefährlichen Infrastruktur-Projekten wie der Kohlenmonoxid-Pipeline und den Risiken und Nebenwirkungen von Pestiziden über die Geschäftspolitik des Konzerns in Ländern der sogenannten Dritten Welt bis hin zu gesundheitsschädlichen Chemikalien und Medikamenten reichte ihr Themen-Spektrum.

Von Jan Pehrke

In früheren Zeiten zelebrierten die BAYER-Hauptversammlungen geschlossen das Hochamt für den Profit. Ab 1983 änderte sich dies allerdings. Von da an brachte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) ketzerische Töne in die AktionärInnen-Treffen ein. Und seit geraumer Zeit fallen mehr und mehr vom Glauben ab und entweihen so die heiligen Hallen weiter: Die Zahl der vor die Mikrofone tretenden Konzern-KritikerInnen übersteigt diejenige der Konzern-LaudatorInnen verlässlich um ein Vielfaches. Wovon aber die CBG nach der letzten HV selbst kaum zu träumen wagte, wiederholte sich 2017: Wieder meldeten sich 26 Gegen-RednerInnen zu Wort.
Viele von ihnen widmeten sich der von BAYER geplanten Übernahme von MONSANTO. Aber auch andere Risiken und Nebenwirkungen des agro-industriellen Komplexes standen auf der Tagesordnung wie z. B. die Gefahren, die von Pestiziden ausgehen. Die Brasilianerin Verena Glass, die für die Rosa-Luxemburg-Stiftung in São Paulo arbeitet und sich in einer Initiative gegen Agro-Chemikalien engagiert, berichtete vom verheerenden Ausmaß des Gift-Einsatzes in ihrem Land. Nirgendwo auf der Welt bringen die LandwirtInnen so viele Pestizide aus wie in Brasilien. In einigen Regierungsbezirken sind es rund 400 Liter pro EinwohnerIn. Mit entsprechenden Folgen: In den Teilen des Staates mit einer intensiv betriebenen Landwirtschaft übertreffen die Krebsraten diejenigen der Gebiete ohne endlose Mais- und Soja-Felder um ein Vielfaches.

Doppelte Standards

Einen nicht geringen Anteil an den vielen Krankheitsfällen haben ganz bestimmte Ackergifte. Vielfach handelt es sich dabei nämlich um solche, die wegen ihrer Gefährlichkeit in der Europäischen Union gar nicht mehr zugelassen sind oder es nie waren, wie Carbendazim, Cyclanilide, Disulfoton, Ethiprole, Ethoxysulfuron, Ioxynil, Thiadiazuron oder Thiodicarb. Christian Russau vom DACHVERBAND DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE brachte dies der Hauptversammlung zu Gehör. Als Beispiel nannte er den Wirkstoff Thiodicarb: Während die EU die Substanz gar nicht erst zuließ und die USA sie aus dem Verkehr zogen, vertreibt der Leverkusener Multi Thiodicarb in Brasilien ohne Rücksicht auf Verluste unter dem Namen LARVIN. Ein klarer Fall von doppelten Standards also, was BAYER jedoch abstreitet. Von Russau schon vor der HV um eine Stellungnahme zum Sachverhalt gebeten, fand der Konzern eine originelle Erklärung für „die feinen Unterschiede“, die er beim Verkauf seiner Produkte macht. Der Agro-Riese begründete sie mit den jeweiligen Gegebenheiten vor Ort, „was die lokal angebauten Kulturen, Böden, Vegetationszonen, Anbau- und Klimabedingungen sowie das Auftreten von Schadinsekten, Unkräutern und Pflanzen-Krankheiten angeht“. Da Kaffee, Reis und Zuckerrohr in Europa kaum heimisch wären, wären es die dafür benötigten Agro-Chemikalien auch nicht, weshalb der Global Player für sie in Brüssel – „auch aus wirtschaftlichen Gründen“ – keine Zulassung beantragt habe. „Tja, so kann man das auch formulieren. Wenn man will. Statt ‚verboten’ sagen Sie einfach, BAYER habe für diese Mittel keine Zulassung in europäischen Ländern beantragt“, resümierte Russau.
Auch in Indien befleißigt sich die Aktien-Gesellschaft doppelter Standards, wie Sarah Schneider von MISEREOR mit Verweis auf Vorort-Recherchen des EUROPEAN CENTER FOR CONSTITUTIONAL AND HUMAN RIGHTS (ECCHR) monierte. So vermarktet der Leverkusener Multi das Ackergift NATIVO (Wirkstoffe: Trifloxystrobin und Tebuconazole) dort ohne den Warnhinweis an Schwangere, dass es werdendes Leben schädigen kann, während sich ein entsprechender Vermerk in Europa auf jeder Packung findet. Weil BAYER damit gegen internationale Handelsrichtlinien und das bundesdeutsche Pflanzenschutz-Gesetz verstößt, hatte das ECCHR bei der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen – allerdings erfolglos – eine Klage eingereicht. Und auch die indischen Behörden ermitteln in der Sache, teilte Schneider mit.
Zudem vernachlässigt es der Konzern dem ECCHR zufolge, die LandwirtInnen im Umgang mit den Mitteln zu schulen und sie über Sicherheitsvorkehrungen wie etwa das Tragen von Schutzkleidung zu informieren. Darum reiste im April 2017 eine Gruppe von FAO-ExpertInnen nach Neu Delhi und konfrontierte BAYER mit unangenehmen Fragen. „Gibt es bereits Empfehlungen vom Gremium?“ und „Wurden bereits Maßnahmen getroffen, um die möglichen Verletzungen des internationalen Kodex und der indischen Gesetzgebung zu beheben und in Zukunft zu vermeiden?“, wollte Schneider deshalb von Werner Baumann wissen.
Der Vorstandsvorsitzende beließ es allerdings bei vagen Auskünften. Es „wurde die Intensivierung von Schutzmaßnahmen diskutiert“ beispielsweise durch „die Zurverfügungstellung persönlicher Schutzkleidung“, teilte er mit und darüber gesprochen, „wie Kleinbauern in Indien noch besser in der effizienten und sicheren Anwendung von Pflanzenschutzmitteln trainiert werden können.“ Den LandwirtInnen wichtige Informationen über die Risiken und Nebenwirkungen von NATIVO vorenthalten zu haben, stritt er Schneider gegenüber schlicht ab: „In Bezug auf unsere Produkte folgen wir dem internationalen Verhaltenskodex der Welternährungsorganisation FAO.“
Eine besonders gefährliche Eigenschaft von Pestiziden wie NATIVO besteht darin, hormon-ähnlich zu wirken. Sie sind deshalb imstande, den menschlichen Organismus gehörig durcheinanderzuwirbeln und Krebs, Diabetes, Fettleibigkeit, Unfruchtbarkeit sowie andere Gesundheitsstörungen auszulösen. Wie diese sogenannten endokrinen Disruptoren das genau machen, legte der Kinderarzt Gottfried Arnold dar. „Stellen Sie sich einen werdenden Jungen in einem Schwangerschaftsalter von ca. acht Wochen vor: Er ist wenige Gramm schwer und ca. drei Zentimeter lang. Jetzt schon beginnen seine eigenen winzigen Hoden die Menge von männlichem Geschlechtshormon zu bilden (...) Bringen die östrogen-artig wirkenden Fremdhormone in dieser frühen Phase dieses System aus dem Gleichgewicht, kann es einerseits zu Fehlbildungen der Geschlechtsorgane wie z. B. Hodenhochstand oder Fehlmündung der Harnröhre kommen. Andererseits kann sich statt eines männlichen ein weibliches Gehirn entwickeln mit der Folge der Störung der sexuellen Identität.“
Auf einer von der EU erstellten und nicht einmal vollständigen Liste mit Pestiziden, welche diese hormonellen Effekte haben, befinden sich elf von BAYER, rechnete Susanne Smolka vom PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) der Vorstandsregie vor: „Das sind 34 Prozent!“ Und damit nicht genug, stellt der Konzern auch noch andere Produkte wie etwa die Industrie-Chemikalie Bisphenol A her, die unter die Kategorie „Pseudo-Hormone“ fallen. Bereits seit 2009 schickt sich die Europäische Union an, für diese Stoffe strengere Regelungen zu treffen bzw. sie ganz aus dem Verkehr zu ziehen, aber da ist der Leverkusener Multi vor, wie die PAN-Mitarbeiterin berichtete. „Wir wissen, dass sich die BAYER AG aktiv dafür eingesetzt hat, dass die Umsetzung dieser demokratisch vereinbarten Regelungen über Jahre von der EU-Kommission verschleppt wurden“, so Smolka.
Das stellte BAYER-Chef Baumann jedoch in Abrede: „Unternehmen und Verbände haben nie einen Zweifel daran gelassen, dass eine Regulierung sogenannter endokriner Disruptoren selbstverständlich notwendig ist.“ Lediglich über den Weg dahin, „zu praktikablen Regulierungskriterien zu gelangen, die es erlauben, die wirklich relevanten Substanzen auch sicher zu identifizieren“, bestände nicht immer Einigkeit zwischen Industrie, Politik und zivilgesellschaftlichen AkteurInnen, behauptete er.

Bienensterben

Großen Raum nahm auf der Hauptversammlung wieder ein weiterer bitterer Effekt vieler Pestizide ein: Ihre bienenschädliche Wirkung. Gleich vier ImkerInnen hatten den Weg nach Bonn gefunden, um die verhängnisvollen Folgen der BAYER-Produkte PONCHO (Wirkstoff: Clothianidin) und GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) zu beschreiben. Diese Ackergifte aus der Gruppe der Neonicotinoide können nämlich eine ganze Kettenreaktion in Gang setzen. Heike Holzum führte dies den AktionärInnen vor Augen. Die Bienenzüchterin machte ihnen deutlich, wie immens wichtig die Bienen für die Bestäubung der Nutzpflanzen und somit für die Ernten sind. Mit ihnen steht also auch die Zukunft der Nahrungsmittel-Versorgung auf dem Spiel. Die EU hat PONCHO & Co. nicht zuletzt deshalb mit einem vorläufigen Verkaufsbann belegt. Dagegen klagt der Leverkusener Multi allerdings, hält er doch seine Mittel für unschuldig am Bienensterben. Zum Beweis verweist der Konzern dabei unter anderem auf eine neue Studie mit dem Saatgutbehandlungsmittel PONCHO. An deren Seriösität meldete Holzum allerdings massive Zweifel an. Auch ihre Kollegin Annette Seehaus-Arnold, die Vorsitzende des ImkerInnen-Kreisverbandes Rhön-Grabfeld, kritisierte die Untersuchung, die in Mecklenburg-Vorpommern stattfand. Ihrer Ansicht nach produziert bereits das Studien-Design entlastende Resultate. So waren etwa auch die Bienen aus der Kontrollgruppe Ackergiften ausgesetzt, was einen seriösen Vergleich massiv erschwert. Trotz dieser günstigen Bedingungen konnten die ForscherInnen die Pestizid-Effekte allerdings nicht ganz negieren. So maßen sie einen Clothianidin-Rückstand im Nektar von 3,5 Mikrogramm/kg. Das alles hielt den BAYER-Manager Dr. Richard Schmuck jedoch nicht davon ab, Entwarnung zu geben: „Die Ergebnisse zeigen, dass die früher behördlich zugelassene Behandlung von Raps-Saatgut mit Clothianidin Honigbienenvölkern und den getesteten Wildbienen-Arten keinen Schaden zufügt.“ Schleierhaft blieb Seehaus-Arnold eine solche Schlussfolgerung.
Markus Bärmann versuchte indessen, BAYER schon aus einem Eigeninteresse heraus zu einer Umkehr in Sachen „Neonicotinoide“ zu bewegen. Bienenwachs ist nämlich ein wichtiger Grundstoff für die pharmazeutische Industrie, und eine Verunreinigung kann doch eigentlich nicht im Interesse des Produzenten liegen, meinte der Imker. Christoph Koch vom „Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbund“ legte derweil den Zusammenhang zwischen der durch eine Milbe übertragenen Bienenkrankheit Varroatose, welche der Konzern immer für die Dezimierung der Bestände verantwortlich macht, und der Ausbringung von PONCHO & Co. dar. Durch deren Einwirkung sinkt nämlich die Brutnest-Temperatur, was die Vermehrung des Parasiten beflügelt. „Seit die Neonics verwendet werden, gehen unsere Bienen an der Varroa kaputt“, hielt er fest.
Aber der Imker, der schon zum neunten Mal bei einer BAYER-Hauptversammlung sprach, erweiterte diesmal die Perspektive. Koch kritisierte nicht nur das ganze Konzept der durchindustrialisierten Landwirtschaft, wobei er überraschenderweise sogar Unterstützung von Seiten der „Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft“ in Anspruch nehmen konnte, sondern griff auch das dahinterstehende Prinzip an: „Meine Damen und Herren Aktionäre, bei meinen Reden ging es immer nur um die Bienen. Das, was BAYER mit uns Menschen macht, weil es bei den Aktien immer nur ums Geld geht, sogar um sehr viel Geld, das ist das wirklich Schreckliche! Die Honigbienen sind nur der Anfang.“
Werner Baumann jedoch leugnete bereits den reinen Tatbestand des Bienensterbens. Er hatte stattdessen sogar eine wundersame Vermehrung der Bestände um 60 Prozent ausgemacht. Und auf die Pestizide aus seinem Hause ließ er auch nichts kommen: „Wir sind nach wie vor der Ansicht, dass Neonicotinoide keine Gefahr für die Bienengesundheit darstellen, wenn sie ordnungsgemäß angewendet werden.“

CO & Co.

Aber nicht nur mit Pestiziden bedroht BAYER Mensch, Tier und Umwelt, und nicht nur bei den Agro-Chemikalien leugnet der Konzern diesen Tatbestand. Gottfried Arnold, der in seiner Rede neben dem Gefahren-Potenzial von Ackergiften unter anderem auch dasjenige der Kohlenmonoxid-Leitung des Unternehmens thematisierte, musste diese Erfahrung machen. Nachdrücklich warnte der Kinderarzt vor der Inbetriebnahme des zwischen den Standorten Dormagen und Krefeld verlaufenden Röhrensystems. „Wissen die Aktionäre, welches Hochrisiko-Projekt Sie betreiben mit einer Giftgas-Pipeline, die eine so schlechte Leck-Erkennung hat, dass Hunderte oder Tausende verletzt oder getötet sein könnten, bevor der erste Alarm in der BAYER-Sicherheitszentrale ausgelöst werden kann?“, fragte er.
Dieter Donner, der Presse-Koordinator der Stopp-BAYER-CO-Pipeline-Initiativen, appellierte ebenfalls eindringlich an den Vorstand, von dem Projekt abzulassen: „Bei dem Giftgas CO, das schon mit der Menge eines Weinglases – das sind 100 Milliliter – eingeatmet einen erwachsenen Menschen ohnmächtig und bewegungsunfähig macht und letztlich tötet, sind Transporte unverantwortlich.“ Donner plädierte deshalb dafür, den „ehernen Grundsatz der Chemie“ zu befolgen und die Substanz vor Ort zu produzieren. Auch nach der Weigerung des Bundesverfassungsgerichts, die Verfassungsgemäßheit des Gesetzes, das den Weg für die Pipeline freimachte, zu überprüfen, sieht er keine Zukunft für das Vorhaben. Seiner Meinung nach wird die Entscheidung der Karlsruher RichterInnen, den Fall wieder dem Oberverwaltungsgericht Münster zu übergeben, das Verfahren noch weiter verzögern. Zudem hat Donner zufolge „noch immer das Urteil aus dem Jahr 2011, in dem das Projekt als rechtswidrig (...) beurteilt wurde“, Bestand. Mit Verweis auf den damals von den RichterInnen nicht akzeptierten Antrag, die zahlreichen die Sicherheit zusätzlich gefährdenden Abweichungen vom genehmigten Plan, die sich im Zuge der Arbeiten ergaben, nachträglich abzusegnen, bezeichnete er die Kohlenmonoxid-Leitung als „Schwarzbau“.
Der BAYER-Chef tat jedoch so, als ob er mit alldem nichts mehr zu tun habe. Weil der Leverkusener Multi im Begriff ist, sich von seiner Kunststoff-Sparte zu trennen, gliederte er die Fragen nach der Sicherheit der Kohlenmonoxid-Leitung gleich mit aus. Obwohl der Konzern aktuell noch 44,8 Prozent der Anteile an dem Geschäft mit Plaste & Elaste hält, betonte Werner Baumann, „dass die CO-Pipeline ein Projekt des rechtlich unabhängigen Unternehmens COVESTRO ist, so dass wir uns dazu nicht im Detail äußern können“. Ganz entrückt erschien ihm das Röhren-Werk schon. Auskünfte dazu musste er angeblich bei der BAYER-Tochter einholen. Was er dort zur Gefährlichkeit des Vorhabens vernahm, beruhigte ihn aber völlig. „Insofern sehen wir das von ihnen angedeutete Risiko nicht“, beschied der Ober-BAYER Gottfried Arnold scheinheilig.
Ein anderes umstrittenes Infrastruktur-Projekt setzte Michael Aggelidis von der Partei „Die Linke“ auf die Agenda der Hauptversammlung. Der Bonner Rechtsanwalt sprach über den Plan, die Autobahn A1 in Leverkusen auf bis zu 12 Spuren zu erweitern und eine neue Rheinbrücke zu errichten, was es nötig macht, BAYERs erst zur Landesgartenschau 2005 einigermaßen abgedichtetes Giftgrab „Dhünnaue“ wieder zu öffnen. Als hochgefährlich empfand es der Jurist, die Totenruhe von Quecksilber, Arsen, Chrom, Blei & Co. zu stören – und unnötig noch dazu. Es gibt ihm zufolge nämlich die Alternative, den Verkehr statt über eine Mega-Brücke unterirdisch durch einen Tunnel zu führen und so die Deponie unangetastet zu lassen.
Vom BAYER-Chef erbat Aggelidis die Information, wie er die Altlasten denn zu entsorgen gedenke und wer im Falle des Falles die Haftung für Kontaminationen übernimmt. Der Angesprochene fühlte sich aber wieder mal nicht zuständig. „Die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Landesbetrieb Straßenbau NRW, ist hier Bauherr. Daher müssen Fragen zu eventuellen Haftungen dorthin und nicht an BAYER gerichtet werden. Auch zu Fragen der Abfall-Entsorgung sowie Teil-Abtragung von Abfällen sind die zuständigen Behörden in diesem Fall die richtigen Ansprechpartner.“ Ansonsten versicherte Werner Baumann, Straßen.NRW bei den Neubau-Planungen nach Kräften zu unterstützen. In der Diskussion um „Tunnel oder Stelze“ schien er sich zunächst nicht positionieren zu wollen. „Entgegen Ihrer Annahme haben wir selber keine favorisierte Variante“, teilte er dem kritischen Aktionär mit, um dann jedoch zu einem „aber“ anzuheben: „Aber wir haben immer darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit des Gefahrgut-Transportes gewährleistet sein muss“. Und das sieht der Global Player eben bei einem Tunnel nicht gewährleistet. Obwohl ein Gutachten für ein solches Unterfangen unlängst praktikable Vorschläge machte, mochte das Unternehmen die Ergebnisse nicht akzeptieren. „Für uns ist wichtig, dass der Gefahrgut-Verkehr über eine Autobahn-Trasse möglich ist“, erklärte ein Sprecher von BAYERs Tochter-Firma CURRENTA im März 2017.

Bittere Pillen
Gewohnt umfangreich fiel bei der Hauptversammlung auch wieder die Schadensbilanz von BAYERs Pharma-Sparte aus. Den ersten Eintrag nahm der Internist Dr. Jan Salzmann aus Aachen vor. Er widmete sich in seiner Rede dem Gerinnungshemmer XARELTO und schilderte die Probleme, die dieses Medikament in der Praxis bereitet. Weil Blutungen zu den häufigsten Nebenwirkungen der Arznei gehören und es dafür kein Gegenmittel gibt, zögern die Krankenhäuser Operationen von XARELTO-PatientInnen oftmals aus Angst vor Komplikationen hinaus, obwohl die Eingriffe eigentlich dringlich wären, informierte der Mediziner. Schon an den Zulassungsstudien erhob er Zweifel, hatte der Leverkusener Multi die ProbandInnen doch handverlesen und nur Personen unter 70 Jahre mit gesunden Nieren ausgesucht, um positivere Resultate zu erreichen. „Post-faktisch“ nannte Salzmann daher, was der Global Player gerne unter „Science for a better Life“ subsummiert. Und der Mediziner wusste auch, warum der Konzern zu solchen lebensgefährlichen Tricks greift: aus reiner Profit-Gier.
Es war dann eine Betroffene selbst, die die Schadensbilanz fortschrieb. Dr. Beate Kirk schilderte ihre Erfahrungen mit dem levonorgestrel-haltigen Verhütungsmittel MIRENA. „Mein Fazit: Für meine Psyche war die Verwendung der Hormonspirale eine Katastrophe. Wie viele andere Frauen litt ich unter der Hormonspirale an heftigen Depressionen, weder Antidepressiva noch Gesprächstherapie halfen. Erst nach dem Entfernen der Hormonspirale ging es ständig aufwärts“, so Kirk. Den verkaufsfördernden Verweis auf die lediglich lokale Wirkung der MIRENA muss BAYER mittlerweile in Anführungszeichen setzen, merkte die Apothekerin an. Auch räumt der Konzern ihr zufolge inzwischen selber ein, dass sich das Levonorgestrel im Blutkreislauf nachweisen lässt. Allerdings ist diese Kunde noch längst nicht bis zu allen FrauenärztInnen vorgedrungen, und Beate Kirk ahnte auch schon, weshalb: „Ich persönlich frage mich, welche Informationen die Pharma-Referenten des Arzneimittel-Herstellers den Mitarbeitern der gynäkologischen Praxen vermitteln.“
Natürliche nur „sachliche, wissenschaftliche Informationen“, vermeldete Werner Baumann. Ansonsten ging er bei der Konfrontation mit einer Pharma-Geschädigten wieder nach dem alten Muster vor. Er drückte ob der erschütternden Krankengeschichte sein Mitgefühl aus, blieb in der Sache aber hart. „Wir bedauern es sehr, dass Sie persönlich eine Beeinträchtigung ihrer Gesundheit erlitten haben, die Sie in Zusammenhang mit der Verwendung unseres Produktes bringen. Das Nutzen/Risiko-Profil von MIRENA ist allerdings positiv“, so der Ober-BAYER. Nur leider musste der Manager einräumen, dass die Aufsichtsbehörden sich dieses Profil derzeit genauer anschauen – und zwar gerade im Hinblick auf die von Beate Kirk so leidvoll erfahrene Nebenwirkung „Depression“.
Thomas Gabel buchte dann den nächsten Posten in die Schadensbilanz ein. Er sprach für die Betroffenen des AIDS-Skandals der 1980er Jahre. Damals hatten BAYER & Co. Blutprodukte auf den Markt gebracht und sich aus Profit-Gründen gespart, die Präparate Virus-Inaktivierungsverfahren zu unterziehen. In der Folge infizierten sich Gabel und Zehntausende Bluter sowie andere auf Blutkonserven angewiesene PatientInnen mit AIDS und/oder Hepatitis-C. „Wie wurden in der BAYER AG die Verantwortlichen für die HIV-Infektionen zur Rechenschaft gezogen?“, wollte der Bluter deshalb vom Vorstand wissen. Er zählt zu den nur noch 550 Überlebenden in der Bundesrepublik. Oftmals können sie nicht mehr voll oder gar nicht mehr arbeiten und sind deshalb auf das – magere – Zubrot der Stiftung „Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen“ angewiesen. An der Gründung dieser Einrichtung im Jahr 1995 hatten sich BAYER und andere Unternehmen beteiligt. Aber die Kranken lebten länger, als die Konzerne einkalkuliert hatten, und so versuchten sie in der Folge permanent, ihren Anteil am Etat zu drücken. Auch in diesem Frühjahr liefen wieder Verhandlungen mit der Bundesregierung, die sich schwierig gestalteten. Darum fragte Gabel: „Warum gibt es von Seiten der BAYER AG noch immer keine konkrete Zusage für Zustiftungen in den nächsten Jahren?“
„Wir sind mit dem Gesundheitsministerium in konstruktiven Gesprächen über die weitere Beteiligung der Pharma-Industrie an der Sicherung der Zukunft der Stiftung“, antwortete ihm Werner Baumann – wider besseren Wissens. Zu diesem Zeitpunkt war nämlich der Ausstieg der Konzerne aus dem Hilfsfonds längst beschlossene Sache. Ohnehin sah er in dem Mitwirken an dem Unterstützungswerk nur einen Akt der Barmherzigkeit, aber längst kein Schuldeingeständnis: „BAYER bestreitet (...) ein Fehlverhalten bei der Herstellung und Vermarktung dieser Produkte.“
Dies sollte Baumann auch bei dem Präparat tun, welches das Pharma-Kapitel im „Schwarzbuch BAYER“ schloss: DUOGYNON. Dieser hormonelle Schwangerschaftstest der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING hat ab den 1950er Jahren zu tausenden Totgeburten geführt. Darüber hinaus kamen bis zum Vermarktungsstopp Anfang der 1980er Jahre unzählige Kinder mit schweren Missbildungen zur Welt. Gleich zwei Frauen berichteten in Bonn von diesem schweren Einschnitt in ihrem Leben. Valerie Williams war dazu extra aus England angereist. Sie hat nie wie andere Mütter mit Freude erleben dürfen, „wie die Kinder älter werden, wie sie Freundschaften schließen und Erfahrungen machten“, erzählte sie und nannte den Umgang mit dem Medikament „vorsätzlichen Kindesmord“. Margret-Rose Pyta war Zeugin eines solchen: Ihre beiden Kinder starben in jungen Jahren. „Zwei Kinder, die hätten leben können. Sie wurden ums Leben gebracht, weil mir mein Frauenarzt DUOGYNON gegeben hat“, klagte sie an und wendete sich an den Vorstandsvorsitzenden: „Ich möchte, dass Sie Verantwortung übernehmen!“ Das mochte der Angesprochene jedoch nicht: „Wir schließen DUOGYNON als Ursache für embryonale Missbildungen aus“, hatte Baumann schon in seiner Reaktion auf die Rede Gottfried Arnolds klargestellt.
Eigentlich sollte sich der BAYER-Chef an diesem Tag noch mehr über den Schwangerschaftstest anhören müssen. Auf der RednerInnen-Liste stand nämlich ursprünglich der Name von Petra Marek. Da die Ratzeburgerin auf einen Rollstuhl angewiesen ist und eine so lange Veranstaltung nur unter großen Anstrengungen durchsteht, hat die Coordination im Vorfeld Kontakt mit den BAYER-Verantwortlichen aufgenommen und von ihnen auch die Zusicherung erhalten, die Medikamenten-Geschädigte frühzeitig ans RednerInnen-Pult zu rufen. Dies ist jedoch nicht geschehen, und irgendwann am späten Nachmittag zwangen ihre angeschwollenen Beine Petra Marek, unverrichteter Dinge wieder die Heimreise anzutreten. Offenbar wollte der Konzern sich und seinen AktionärInnen den Anblick eines Menschen ersparen, den DUOGYNON in den Rollstuhl brachte. In der Absicht, einen versöhnlichen Abschluss der Hauptversammlung zu inszenieren, ließ BAYER lieber Joachim Kregel von der „Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger“ den Endpunkt setzen. Dieser aber konnte die 26 kritischen AktionärInnen, die vor ihm geredet und die Folgen der unerbittlichen Profit-Gier so eindringlich beschrieben hatten, nicht so einfach vergessen machen.

BaySanto

CBG Redaktion

Gene & Klone

Expandierendes Saatgutkartell

Baysanto auf dem Vormarsch

Die Initiative KEINE PATENTE AUF SAATGUT! führt regelmäßig Recherchen beim Europäischen Patentamt in München durch und sammelt dort Informationen über die neuesten Entwicklungen. Auf Bitte des Stichwort BAYER hin hat sich die Organisation einmal genauer mit den Patenten beschäftigt, die BAYER und MONSANTO im Jahr 2016 eingereicht oder bewilligt bekommen haben.

Von Christoph Then und Ruth Tippe

Baysantos Marktstrategie

Käme die Fusion von BAYER und MONSANTO zustande, hätte das neue Unternehmen eine weitgehende Markt-Dominanz in den Bereichen „Saatgut-Handel“, „Agro-Gentechnik“ und „Pestizide“. Besonders betroffen wäre die Saatgut-Branche. Schon jetzt ist MONSANTO mit einem Marktanteil von rund 25 Prozent weltweit die Nummer 1 im internationalen Saatgut-Geschäft. Zudem sind beide Unternehmen im Bereich der konventionellen Gemüsezucht aktiv, MONSANTO besitzt unter anderem die Firmen SEMINIS und DERUITER, BAYER ist hier mit seiner Tochterfirma NUNHEMS präsent.
Bislang sind die Konzerne vor allem für ihr Interesse an der Vermarktung von Gentechnik-Pflanzen bekannt. BAYER und MONSANTO setzen hier nach wie vor besonders stark auf herbizid-resistente Pflanzen. Unter den weltweit eingesetzten Mitteln gegen Wildkräuter zählen Glyphosat (MONSANTO-Marke ROUNDUP) und Glufosinat (BAYER-Marke LIBERTY) zu den die wichtigsten Wirkstoffen. Aus der Sicht der Multis macht das Sinn. Im Doppelpack können sie sowohl mit dem Verkauf des patentierten Saatguts als auch mit dem der Herbizide Geld machen.
Angesichts einer zunehmenden Anzahl von Unkraut-Arten, die sich in Anbauländern wie den USA, Brasilien und Argentinien auf Glyphosat eingestellt haben, bringen die Konzerne vermehrt Pflanzen auf den Markt, die gegen gleich gegen mehrere Spritzmittel resistent gemacht wurden. Jüngst hat die Europäische Lebensmittelbehörde (EFSA) eine Anmeldung auf Import-Zulassung von Gentechnik-Pflanzen geprüft, die ein typisches Beispiel für diese Unternehmensstrategie darstellen: Die Gentech-Soja FG72 x A5547-127 des BAYER-Konzerns ist gegen Isoxaflutol, Glyphosat und Glufosinat resistent, der Raps MON 88302 x MS8 x RF3 wurde von BAYER und MONSANTO gemeinsam angemeldet und kann mit Glyphosat und Glufosinat behandelt werden. Interessanterweise hält es weder die EFSA noch die EU-Kommission für notwendig, die Wechselwirkung der Rückstände und deren mögliche gesundheitliche Auswirkungen auf Mensch und Tier näher zu untersuchen – das Geschäftsfeld der Konzerne entwickelt sich so in der EU weitgehend ungestört.
Zwar wird berichtet, dass BAYER aus kartellrechtlichen Gründen seine LIBERTY-Produkte verkaufen würde, um die Genehmigung für die Übernahme von MONSANTO zu erhalten. Doch an der Konzernstrategie dürfte sich dadurch wenig ändern. So setzt der Leverkusener Multi in den letzten Jahren verstärkt auf Herbizide, die die Photosynthese von Pflanzen über eine Blockade des HPPD-Enzyms (s. u.) behindern. Entsprechendes Saatgut wird u. a. als BALANCE GT beworben. Auf LIBERTY folgt dann also BALANCE. Die erwähnte Gentechnik-Soja FG72 ist ein Beispiel für diese Produkt-Reihe.
In den 2016 erteilten und angemeldeten Patenten zeigt sich, dass sich die Marktstrategie von „Baysanto“ auch in Zukunft nicht grundlegend ändern wird – sie wird allerdings um den Bereich neue Gentechnikverfahren erweitert.

Die Patente von 2016

Die Stärke des künftigen Gentechnik- und Saatgutkartells spiegelt sich auch in beantragten oder schon erteilten Patenten wider. Wenn man die jeweiligen Firmen-Ableger mit einbezieht, sind BASF und MONSANTO bei den 2016 vom Europäischen Patentamt (EPA) in München erteilten Saatgut-Patenten mit etwa 28 Patenten (BASF) beziehungsweise etwa 24 Patenten (MONSANTO) führend, gefolgt von BAYER (19), DUPONT und DOW AGROSCIENCES (zusammen 15) sowie SYNGENTA (8). Falls MONSANTO wie geplant von der Firma BAYER übernommen wird, läge der neu formierte Konzern in diesem Bereich europaweit an der Spitze. Die Firmen mit den meisten erfassten Patent-Anmeldungen im Saatgut-Segment waren 2016 DUPONT (etwa 38 Anmeldungen), MONSANTO (20), DOW AGROSCIENCES (16), BAYER (14), SYNGENTA (7) und BASF (4).

Die Marktstrategie der Konzerne zeigt sich auch hier. Den größten Block der 2016 erteilten Patente bilden herbizid-resistente Pflanzen: BAYER und MONSANTO erhielten zusammen über ein Dutzend Patente. Es folgen dann die insektengiftigen Pflanzen – das zweite große Geschäftsfeld der Gen-Giganten – mit rund zehn erteilten Patenten.
Die 2016 erteilten Patente wurden bereits vor etlichen Jahren eingereicht. Deswegen ist es interessant zu sehen, ob und wie sich die Geschäftsfelder bei den aktuellen Patentanträgen verändert haben. Und tatsächlich nehmen die Patente in den Bereichen „Herbizid-Resistenz“ und „Insektengiftigkeit“ etwas ab, der größte Block der Patent-Anträge bezieht sich jetzt auf konventionelle Pflanzenzucht (insgesamt über ein Dutzend Anträge), die insbesondere bei der BAYER-Tochter Nunhems stark zugenommen haben. Der Anstieg der Patent-Anträge im Segment der konventionellen Züchtung ist schon seit mehreren Jahren und auch bei anderen Konzernen zu beobachten.
MONSANTO und BAYER haben 2016 unter anderem Patente auf Tomaten, Gurken, Melonen, Salat und Kohlgewächse aus konventioneller Zucht angemeldet. Die Mitgliedsländer des Europäischen Patentamtes planen derzeit, die Verbote in diesem Bereich zu verschärfen. Pflanzen und Tiere, die aus „im Wesentlichen biologischen Verfahren“ stammen, sollen die Unternehmen in Zukunft mehr als Erfindung ausgeben und patentieren können. Inwieweit die Patentanträge von MONSANTO und BAYER davon betroffen sind, bleibt abzuwarten.

Neue Gentech-Verfahren

Interessant ist auch die Entwicklung in der Sparte der neuen Gentechnik-Verfahren des Genome Editing, bei denen bestimmte Enzyme, die Nukleasen, als Gen-Scheren wirken, das Genom aufschneiden und neue DNA-Teile einfügen oder natürliche Erbanlagen blockieren können (siehe auch SWB 2/16). Sowohl BAYER als auch MONSANTO haben dafür Patente angemeldet. Und damit ist „Baysanto“, neben den Firmen DUPONT und DOW AGROSCIENCES, die derzeit fusionieren und ebenfalls über viele Patente für die Schnippel-Techniken verfügen, schon jetzt der „Platzhirsch“ in dieser Kategorie.
BAYER kooperiert hier aber auch mit anderen Firmen wie CELLECTIS, KEYGENE und CRISPR THERAPEUTICS, die vor allem Patente auf die Verwendung von Nukleasen wie CRISPR-Cas anmelden. Für BAYER dürfte dabei besonders interessant sein, dass eine der Erfinderinnen von CRISPR-Cas, Emmanuelle Charpentier, an CRISPR Therapeutics beteiligt ist. Laut Kooperationsvertrag überlässt CRISPR THERAPEUTICS alle Anwendungen im Bereich landwirtschaftlicher Pflanzen- und Tierzucht exklusiv der Firma BAYER.
Aber auch MONSANTO sichert sich den Zugriff auf die neuen Technologien und hat im September 2016 einen Lizenzvertrag mit dem Broad Institute (MIT) und der Harvard University abgeschlossen, die eine Weiterentwicklung der CRISPR-Technologie, die CRISPR-Cpf1 Nuklease, zum Gegenstand hat. Diese soll noch einfacher einzusetzen sein als CRISPR-Cas.

Neue Symbiosen

Mit Emmanuelle Charpentier hat BAYER zugleich eine sympathische Werbeträgerin gefunden, die sich beispielsweise im Interview mit der Süddeutschen Zeitung vom 15. Mai 2017 für den Einsatz von CRISPR-Cas in der Pflanzenzucht ausspricht. Kurz zuvor hatte das Europäische Patentamt ihr und ihren KollegInnen von der Universität von Kalifornien ein breites Basispatent auf die Nutzung von CRISPR gewährt, das sich auch auf Anwendungen bei Pflanzen erstreckt. Das dürfte auch eine gute Nachricht für die Saatgutabteilung bei BAYER gewesen sein. Im September 2017 wird Charpentier auf Einladung der EU-Kommission auf einer Konferenz zum Thema „Modern Biotechnologies in Agriculture – Paving the way for responsible innovation“ die zentrale Rede halten. Im Programm wird sie als Mitarbeiterin des Max-Planck-Instituts in Berlin angekündigt und nicht als Firmengründerin und Patent-Inhaberin. Auf den jüngsten Patent-Anträgen der Firma CRISPR THERAPEUTICS wiederum findet sich nicht nur Emanuelle Charpentier als Patentanmelder, sondern auch die Max-Planck-Gesellschaft und ein Helmholtz-Zentrum, an denen die Französin tätig ist, bzw. war. Es ist erkennbar, wie sehr Wissenschaft und Wirtschaft immer stärker in Richtung gemeinsamer ökonomischer Interessen marschieren. Und für publizistischen Geleitschutz ist auch gesorgt. So ist BAYER (gemeinsam mit Süddeutscher Zeitung und Acatech, der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften e. V.) im Vorstand des Fördervereins des Science Media Centers in Deutschland, das mehr Akzeptanz für Risikotechologien schaffen soll bzw. „registrierten Journalisten dabei (hilft), wissenschaftlich zuverlässiges Wissen von irrelevanten Informationen zu unterscheiden.“

Patent auf Gift-Soja

Ein Beispiel für BAYERs aktuelle Produktserie von herbizid-resistenten, gentechnisch veränderten Pflanzen ist das Patent EP2268815. Es bezieht sich auf ein Enzym, das als HPPD abgekürzt wird (Hydroxyphenylpyruvate Dioxygenase). Wird das Enzym zerstört, kann die Pflanze keine Carotinoide bilden, sich nicht vor UV-Strahlen schützen und auch keine Photosynthese betreiben. Diesen Effekt machen sich verschiedene Wirkstoffgruppen von Herbiziden zu eigen, unter anderem löst das Herbizid Isoxaflutol, das ebenfalls von BAYER hergestellt wird, diese Wirkung aus.
Das Patent beansprucht sowohl das Saatgut von Pflanzen, die gegen den Einsatz entsprechender Herbizide resistent gemacht werden, als auch die Pflanzen sowie die aus diesen gewonnenen Lebensmittel. Dabei ist der Leverkusener Multi vor allem an Gentechnik-Sojabohnen (FG72) interessiert, bei deren Anbau Glyphosat und Isoxaflutol gemeinsam zum Einsatz kommen sollen (Marke: „BALANCE GT“, siehe oben).
Um die Gentechnik-Pflanzen resistent zu machen, wird das Enzym HPPD in seiner Struktur so verändert, dass diese dem Einsatz der Herbizide besser widerstehen. In der Folge entstehen in den Gewächsen allerdings Abbaustoffe der Herbizide. Das ist problematisch, weil die Ausgangssubstanz Isoxaflutol laut internationaler Klassifikation als wahrscheinlich krebserregend eingestuft wird. BAYER hat 2016 gleich sechs europäische Patente auf Pflanzen mit veränderten HPPD-Enzymen erhalten.

Noch mehr Glyphosat

Obwohl die Entwicklung der ersten glyphosat-resistenten Pflanzen schon etwa 30 Jahre zurückliegt, meldet MONSANTO in diesem Bereich nach wie vor Patente an. 2016 wurde vom EPA ein Patent auf Gentechnik-Pflanzen wie Weizen, Mais, Roggen, Reis, Hafer, Gerste, Rasengras, Sorghum, Hirse, Zuckerrohr, Tomaten, Kartoffeln, Soja, Baumwolle, Raps, Sonnenblume und Luzerne erteilt, die laut Plan extreme Mengen von Glyphosat aushalten. So will das US-Unternehmen es den LandwirtInnen möglich machen, die bereits an das Mittel gewöhnten Unkräuter mit einem Vielfachen der bisher üblichen Dosis zu bekämpfen: Während in Deutschland die maximal zulässige Menge pro Hektar bei 3,6 kg/Jahr liegt, soll beim Anbau dieser Gentechnik-Pflanzen in Ländern wie Argentinien, Brasilien und den USA fast bis zu 18 kg Glyphosat pro Hektar gesprüht werden. Entsprechend steigt dann die Belastung für die Umwelt und die Konzentration der Rückstände in den Pflanzen.

Aktuelle Anmeldungen

Eine Beispiel für die Kombination von alten und neuen Gentechnik-Verfahren sind Patentanträge der Firma Monsanto inbesondere im Bereich insektengiftiger Pflanzen. Hier soll das Arsenal der biologischen Kriegsführung, d. h. der Schädlingsbekämpfung durch Botenstoffe, sogenannte miRNA (Mikro-Ribonukleinsäuren) erweitert werden, die in die Genregulation der Insekten eingreifen.
MONSANTO hat 2016 mehrere Anträge auf Patente für verschiedene Anwendungen dieser miRNAs gestellt. Dabei handelt es sich um biologisch aktive Botenstoffe mit einer großen Bandbreite von Funktionen, die in den letzten Jahren im Zentrum vieler Forschungsprojekte standen. Sie greifen auf vielfältige Weise in die Gen-Regulation ein. So können sie die Wirkung von Genen teilweise oder vollständig, vorübergehend oder auch über mehrere Generationen hinweg beeinflussen. Die miRNAs sind an Entwicklung, Wachstum und der Abwehr von Krankheitserregern ebenso beteiligt wie an der Entstehung von Krankheiten. Ihre Vielfalt ist unendlich: Zu jedem Abschnitt der Erbsubstanz DNA können spiegelbildliche Abbilder unterschiedlicher Länge und Funktion synthetisiert werden.
Ihre biologische Wirkung entfalten die Stoffe oft über komplexe Interaktionen und über mehrere Zwischenstufen, in anderen Fällen auch direkt. Eine der Besonderheiten: miRNAs können über die Nahrung aufgenommen werden und über Art-Grenzen hinweg in die Gen-Regulation eingreifen. Auch Übertragungen von miRNAs von Nahrungspflanzen auf Menschen und Tiere wurden beobachtet .
MONSANTO arbeitet mit Nachdruck an Gentechnik-Pflanzen, die miRNA-Abschnitte produzieren, die von Insekten beziehungsweise ihren Larven aufgenommen werden, wenn diese an den Pflanzen fressen. In den Insekten sollen diese dann lebenswichtige Gene blockieren und so zum Tod der Tiere führen. In der Patentanmeldung WO2016018887 werden rund 800 RNA-Sequenzen beansprucht, die imstande sind, bei hunderten von Insekten-Arten in die Genregulation einzugreifen. Dabei können nicht nur Schadinsekten, sondern auch geschützte Arten betroffen sein. Die miRNA kann als insektengiftiges Spray eingesetzt werden. Im Patent beansprucht werden auch Gentechnik-Pflanzen, die derartige miRNAs produzieren. Die Risikoabschätzung bei derartigen Pflanzen ist umstritten und mit vielen Unsicherheiten verbunden. Relevante Fragestellungen sind u. a.: Können die miRNAs über die Nahrungskette auch bei Wirbeltieren eine Wirkung entfalten? Was sind sie Auswirkungen für Bodenorganismen, wenn diese über Pflanzenteile und die Wurzeln dauerhaft in Kontakt mit der miRNA kommen? Noch sind derartige Pflanzen nicht zum Anbau zugelassen.
MONSANTO will miRNAs auch dazu verwenden, die Eigenschaften von Pflanzen zu verändern, ohne die Struktur ihres Erbgut zu verändern. Ein möglicher Weg dazu besteht darin, das miRNA per Spray auf Pflanzen (Nutzpflanzen wie Wildpflanzen) aufzubringen. Über die Oberfläche der Gewächse aufgenommen, verändert es in der Folge deren Gen-Regulation und die biologischen Eigenschaften der Pflanzen. Entsprechende epigenetische Effekte lassen sich zum Teil auch vererben.
In der Patent-Anmeldung WO2016196782 beschreibt MONSANTO ein Verfahren, wie die Oberfläche von Pflanzen mechanisch beschädigt wird, um die Aufnahme der RNA-Moleküle zu erleichtern. Über diese, wie mit einem Mikrosandpapier angeschliffene Oberfläche öffnet sich für die WissenschaftlerInnen ein Tor, um miRNA, aber auch DNA oder die DNA-Schere CRISPR-Cas in die Pflanzen einzuschleusen. So könnten beispielsweise Nutzpflanzen noch unempfindlicher gegenüber Herbiziden oder aber das Erbgut von Wildpflanzen empfindlicher gegenüber Mitteln wie Glyphosat gemacht werden. In der Patentschrift werden Dutzende Pflanzen-Arten als mögliche Kandidaten genannt.

Fazit

Mit „Baysanto“ würde ein neues Gentechnik- und Saatgutkartell entstehen, dessen Auswirkungen derzeit eher noch unterschätzt werden. Es droht eine weitgehende Markt-Dominanz eines Unternehmens in den Bereichen „Saatgut-Handel“, „Agro-Gentechnik“ und „Pestizide“.
Die von BAYER und MONSANTO in diesen Segmenten angemeldeten Patente beziehen sich zum Teil auf Technologien und Produkte, die ein erhebliches Gefährdungspotential für Mensch und Umwelt aufweisen. Zudem droht eine weitgehende Monopolisierung von wichtigen Lebensgrundlagen.
Es droht zudem eine umfassende Beeinflussung von Wissenschaft, Behörden und öffentlicher Meinung. Schon jetzt ist u. a. auf der Grundlage von Patentanträgen und Lizenzverträgen erkennbar, dass sich Wissenschaft und Wirtschaft immer stärker in Richtung gemeinsamer ökonomischer Interessen entwickeln.
Die Verwertungsabsicht, die durch die Patente zum Ausdruck kommt, findet auf der Seite der Zivilgesellschaft kein auch nur annähernd ausreichendes Gegengewicht. „Baysanto“ wird diese bestehenden einseitigen Machtstrukturen und Pfade der Einflussnahme weiter verstärken.
Es wird unter diesen Bedingungen immer schwieriger, den notwendigen gesellschaftlichen Diskurs zu führen, in dem es nicht nur um Risiken für Investoren, sondern auch um die Risiken für Mensch und Umwelt geht. Bisher scheint die Politik weitgehend unfähig, diese Bedrohung der Grundlagen unserer „Risiko-Gesellschaft“ ausreichend zu analysieren und steuernd einzugreifen.

HIV-Stiftung

CBG Redaktion

Drugs & Pills

Der Skandal nach dem Skandal

HIV-Stiftung ohne BAYER

In den 1980er Jahren haben Blut-Produkte von BAYER & Co. Zehntausende Bluter und andere PatientInnen mit AIDS und/oder Hepatitis C infiziert, weil die Konzerne aus Profit-Gründen unter anderem die Einführung von Virus-Inaktivierungsverfahren hinausgezögert haben. Und damit nicht genug, entziehen sich die Unternehmen jetzt ihrer Verantwortung für die noch Lebenden: Sie tragen die Stiftung „Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen“ nicht länger mit.

Von Jan Pehrke

Der 1. Juni 2017 war ein langer Tag für die BundestagsabgeordnetInnen. Bis weit nach Mitternacht sollte die 237. Sitzung des Bundestags dauern. Unzählige Gesetze, Beschluss-Empfehlungen und Berichte waren zu beraten. Fast ganz am Schluss stand auch das Gesetz „zur Fortschreibung der Vorschriften für Blut- und Gewebe-Zubereitungen und zur Änderung anderer Vorschriften“ auf der Tagesordnung. Darin wiederum fand sich der Änderungsantrag 14 zum HIV-Hilfegesetz, der lautete: „Die Nummern 1 bis 4 werden gestrichen. Eingefügt wird der Satz ‚Die Mittel für die finanzielle Hilfe werden vom Bund aufgebracht.’“ Zur Begründung hieß es: „Da es zunehmend schwieriger wird, weitere Finanzierungszusagen von den pharmazeutischen Unternehmen und dem DRK zu erhalten (...), soll der Bund die Finanzierung zukünftig sicherstellen.“
Die SteuerzahlerInnen bringen also zukünftig die Mittel für die Überlebenden des Blut-Skandals auf, für diejenigen Bluter und andere PatientInnen, die BAYER, BEHRING & Co. durch ihre Blutprodukte ohne Not mit AIDS und/oder Hepatitis C infizierten. Zu dieser späten Stunde haben davon kaum noch AbgeordnetInnen und JournalistInnen Notiz genommen. Dementsprechend berichteten die Medien nur äußerst spärlich. Und auch die die Presseerklärung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, die das Ausscheiden von BAYER & Co. aus der Stiftung einen „Skandal nach dem Skandal“ genannt hatte, stieß auf keine große Resonanz.
Der „Skandal vor dem Skandal“ begann in den frühen 1980er Jahren. Trotz der AIDS-Gefahr brachten die BAYER-Tochter CUTTER, BEHRING und eine handvoll anderer Unternehmen, die das globale Blutprodukte-Oligopol bildeten, ihre Faktor-VIII- und Faktor-IX-Präparate aus Profit-Gründen ohne ausreichende Sicherheitsvorkehrungen auf den Markt. CUTTER ging dabei im Dezember 1982 sogar über die Empfehlung von jemandem hinweg, der es wissen musste. Der frühere Firmen-Besitzer Ed Cutter, zu der Zeit noch als Berater für den Blutprodukte-Hersteller tätig, legte dem Vorstand dringend nahe, die ÄrztInnen über die Gesundheitsgefährdung durch HIV zu informieren. „Es scheint mir ratsam, in unsere Literatur zu Faktor IX und Faktor VIII einen Warnhinweis zu AIDS aufzunehmen“, schrieb er. Es geschah jedoch nichts, und wenig später war es dann so weit. Im Januar 1983 erfuhr der Konzern vom ersten AIDS-Fall unter seinen SpenderInnen. Aber selbst das veranlasste ihn nicht zu einem Umdenken. Er ließ für sein Blutgerinnungspräparat KOATE – entgegen anderslautenden Bekundungen gegenüber den Aufsichtsbehörden – nach wie vor Angehörige von Risiko-Gruppen zur Ader. Auch vermischte CUTTER weiterhin das Blut von bis zu 400.000 SpenderInnen miteinander, obwohl schon eine einzige kontaminierte Spende ausreichte, um den Erreger in der ganzen Charge zu verbreiten. Darum plädierten ExpertInnen seinerzeit dafür, den Pool zu verkleinern. Dem verweigerte sich das Unternehmen jedoch; „ökonomisch entmutigend“ lautete der Akten-Vermerk zu dem Vorschlag schlicht.
Trotz eines eigenen worst case scenarios, das eine „gigantische Epidemie“ mit 2.000 AIDS-infizierten Blutern allein in den USA für möglich hielt, betrieb die Firma weiter „Business as usual“. Mit allen Mitteln sträubte CUTTER sich dagegen, eine Erfindung von BEHRING zu übernehmen und die Viren per Hitze-Behandlung zu deaktivieren. Und zwar nicht nur, weil das Lizenz-Gebühren gekostet hätte. „Die bestehende Technik wurde nicht eingesetzt, da sich bei dem Verfahren die Menge des Plasmas auf ein Viertel reduziert hätte. Dementsprechend wären auch die Profite der Firma BAYER geschrumpft“, hielt der inzwischen verstorbene Bluter Todd Smith der Vorstandsriege im Jahr 1998 auf der Hauptversammlung vor. „Finanzielle Gründe waren also wichtiger als die Sicherheit der Patienten. Diese Entscheidung hat Tausenden von Blutern das Leben gekostet“, resümierte er damals.
Die Aufsichtsbehörden mussten BAYER & Co. bei ihrem Treiben nicht fürchten. In Dennis Donohue von der US-amerikanischen „Food and Drug Administration“ (FDA) fanden sie einen willigen Helfer, der sich auf ihre Hinhalte-Taktik einließ und sogar Außenpolitik im Sinne der Multis betrieb. So reiste er nach Europa, um seinen dortigen KollegInnen wider besseren Wissens zu versichern, dass die Pharma-Industrie in seinem Land kein Blut von Risiko-Gruppen verwendet. Im Vorfeld hielt CUTTER dazu fest, Donohue fliege, „um dort unsere Strategie zu verteidigen. Er erbittet deshalb Unterstützung von uns, damit er drüben beruhigend wirken kann, dass wir alles täten, AIDS-Infizierte von der Plasma-Spende auszuschließen“.
In der Bundesrepublik verhielt es sich ähnlich. Die Pillen-Riesen gingen im Bundesgesundheitsministerium ein und aus, hatten ihre Leute in wichtigen Gremien sitzen und verstanden sich bestens mit den Bediensteten. Und kleine Geschenke erhielten die Freundschaft. So spendierte BAYER dem Behörden-Chef Karl Überla auch schon mal eine Flugreise nach Israel. Bei einer Anhörung zur AIDS-Krise im Herbst 1983 zeigte sich dann, was die Industrie in dem Epidemologen hatte. Es ging dort nämlich nicht um „Kopf und Kragen“, wie die Unternehmen fürchteten, sondern darum, ob es sich bei der Krankheit überhaupt um eine Infektion handele und sie nicht eher auf eine allergische Reaktion, genetische Faktoren oder Umwelteinflüsse zurückzuführen sei. ExpertInnen, die eine andere Meinung vertraten, ließ Überla nicht zu Wort kommen, und sogar die AIDS-Arbeitsgruppe seines eigenen Hauses verurteilte er zum Schweigen. All das trug wesentlich dazu bei, die Einführung von wirksamen Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit der Blut-Produkte zu Darum überlebte das Bundesgesundheitsamt den AIDS-Skandal auch nicht. Der damalige Gesundheitsminister Horst Seehofer löste es auf und schasste den Industrie-Amigo Überla.
Und selbst als die meisten westlichen Staaten dann endlich die Hitze-Behandlung von KOATE & Co. gesetzlich vorschrieben, war die Gefahr noch nicht gebannt. BAYER verkaufte die alten Chargen einfach nach Asien weiter. Der Pharma-Riese hatte sich in langfristigen Verträgen nämlich zu einem Festpreis verpflichtet und dachte nicht daran, das in der Herstellung teurere KOATE HT zu diesen Konditionen abzugeben. Zudem hieß es in internen Dokumenten: „Wir müssen die Lagerbestände aufbrauchen.“ In Japan galt es dazu allerdings, in die Portokasse zu greifen. Der Konzern zahlte einem Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums in Tateinheit mit BAXTER und anderen Unternehmen 409.524 Dollar, damit dieser die Tür für die medizinischen Zeitbomben offen hielt.
Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses zu den verseuchten Blutpräparaten, Gerhard Scheu (CSU) nannte das Treiben von BAYER & Co. Anfang der 1990er Jahre den „zynischsten Umgang mit Menschenleben seit Contergan“. Nicht zuletzt deshalb lautete der letzte Satz der CBG-Presseerklärung zur Veränderung des HIV-Hilfegesetzes: „Wir kritisieren heute den Rückzug von BAYER aus der Finanzierung der Stiftung, aber eigentlich wäre es nötig, dem Konzern Gravierenderes anzulasten, Totschlag nämlich, und auch Gravierenderes einzufordern: eine strafrechtliche Verfolgung.“

[MIRENA] MIRENAs dunkle Seele

CBG Redaktion

Drugs & Pills

BAYERs Hormonspiralen unter Beobachtung

MIRENAs dunkle Seele

Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA überprüft zurzeit MIRENA und andere Hormonspiralen des BAYER-Konzerns. Die Medizin-Produkte stehen im Verdacht, Depressionen und andere psychische Erkrankungen zu befördern.

Von Jan Pehrke

„Für meine Psyche war die Verwendung der Hormonspirale eine Katastrophe. Wie viele andere Frauen litt ich unter der Hormonspirale an heftigen Depressionen, weder Antidepressiva noch Gesprächstherapie halfen. Erst nach dem Entfernen der Hormonspirale ging es ständig aufwärts“, das sagte Dr. Beate Kirk auf der letzten BAYER-Hauptversammlung über das Verhütungsmittel MIRENA mit dem Wirkstoff Levonorgestrel. BAYER-Chef Werner Baumann reagierte wie immer in solchen Fällen. Er fand ein paar persönliche Worte, blieb in der Sache aber hart. „Wir bedauern es sehr, dass Sie persönlich eine Beeinträchtigung ihrer Gesundheit erlitten haben, die Sie in Zusammenhang mit der Verwendung unseres Produktes bringen. Das Nutzen/Risiko-Profil von MIRENA ist allerdings positiv“, so der Vorstandsvorsitzende.
Nur musste der Manager im Weiteren leider kleinlaut einräumen, dass die Aufsichtsbehörden eher die Meinung von Beate Kirk teilen und BAYER aufgefordert haben, Daten zu einem möglichen Zusammenhang zwischen den levonorgestrel-haltigen Hormonspiralen MIRENA, JAYDESS und KYLEENA und Symptomatiken wie Panik-Attacken, Angst-Zustände, Unruhe-Zustände und Schlafstörungen zu übermitteln. Das tat der Konzern auch, aber die Informationen reichten der Europäische Arzneimittel-Agentur EMA jedoch nicht. Sie verlangte im Juni 2017 von dem Unternehmen, noch einmal nachzuliefern. Von sich aus hätte die EMA allerdings nicht reagiert. Den Anstoß zu dem Verfahren gab eine Petition, die mit Katharina Micada eine Vorgängerin Beate Kirks als Hauptversammlungsrednerin initiiert hatte.
Aber auch andere Risiken und Nebenwirkungen der Hormonspiralen nehmen die Behörden jetzt verstärkt in den Blick. So hat das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ die sogenannten Intrauterin-Systeme des Leverkusener Multis wegen des Auslösens von Seh-Störungen unter Beobachtung gestellt. Damit droht die lange Liste der Gegen-Anzeigen – unter anderem finden sich Herzrasen, Bauch-Krämpfe, Oberbauch-Schmerzen, Zysten, Menstruationsbeschwerden, Akne und Migräne darauf – noch länger zu werden.
BAYER jedoch verkauft MIRENA, JAYDESS und KYLEENA ohne Rücksicht auf diese Verluste weiter. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Mit einem Umsatz von über einer Milliarde Euro pro Jahr gehören die Hormonspiralen zu den erfolgreichsten Pharma-Produkten des Leverkusener Multis. Dazu tragen nicht zuletzt äußerst fragwürdige Marketing-Methoden bei. Der Global Player hebt etwa verkaufsfördernd die niedrige Dosierung und lokale Wirkung hervor, obwohl sich bei Frauen, die mit MIRENA verhüten, eine höhere Levonorgestrel-Konzentration im Blut nachweisen lässt als bei solchen, die Levonorgestrel in Pillen-Form einnehmen. Zudem hat der Konzern ein umfangreiches Netzwerk von medizinischen Mietmäulern aufgebaut, welche die Hormonspiralen bei Fortbildungsveranstaltungen und anderen Gelegenheiten anpreisen.
Ob dem Leverkusener Multi diese Pflege der medizinischen Landschaft weiterhin zu Millionen-Gewinnen verhilft, entscheidet sich im Oktober. Dann will die EMA ihr Votum in Sachen „MIRENA“ bekannt geben.