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Nanotubes

25. Dezember 2010, Heise Online

Kritik an Genehmigungsverfahren für Nanoröhrchen-Produktion bei Bayer

Der NRW-Landesverband der Naturschutzorganisation BUND und die Organisation Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG) kritisieren das Genehmigungsverfahren für eine Nanoröhrchen-Versuchsanlage der Bayer AG. Den Umweltschützer bemängeln insbesondere den nach ihrer Ansicht willkürlich festgesetzten Grenzwert von 0,05 mg Nanoröhrchen pro Kubikmeter Raumluft in der Anlage.
Die Anfang 2010 von Bayer MaterialScience als zweite in Deutschland in Betrieb genommene Pilotanlage für Kohlenstoff-Nanoröhrchen in Leverkusen ist nach Unternehmensangaben die „weltweit größte“ ihrer Art. Der Chemiekonzern vermarktet mehrwandige Nanoröhrchen unter der Marke BayTubes. Sie werden in Lacken, in Rotorblättern von Windkraftanlagen sowie in Sportartikeln verwendet, um etwa die mechanische Stabilität zu verbessern.
Nanoröhrchen gehören wie Nanosilber zu den umstrittenen Nano-Produkten, da bisher nicht geklärt ist, ob die Materialien schädliche Nebenwirkungen haben. Tierversuche mit Mäusen im Jahr 2008 hatten Hinweise ergeben, dass bestimmte Nanoröhrchen ähnlich wie Asbestfastern die Entstehung von Krebs begünstigen können. Die Bundesregierung hatte sich erst kürzlich in ihrer Antwort (PDF-Datei) auf eine kleine Anfrage umfangreich zur Risikoforschung geäußert. Demnach gebe es in Einzelfällen Hinweise auf ein erhöhtes Gefahrenpotenzial von Nanoröhren, wenn diese über die Atemwege in den Körper gelangen. Abschließend lasse sich jedoch die Eintrittswahrscheinlichkeit des „Schadens“ aufgrund vielfältiger zusätzlicher Einflüsse nicht mit letzter Sicherheit voraussagen.
Die zuständige Bezirksregierung Köln genehmigte die Leverkusener Anlage als Pilotanlage mit einer Produktionskapazität von 200 Tonnen im Jahr. Die Sprecherin des Arbeitskreises technischer Umweltschutz des BUND NRW, Claudia Baitinger, verweist darauf, dass eine Genehmigung als reguläre Produktionsanlage ein Genehmigungsverfahren unter Beteiligung der Öffentlichkeit mit Umweltverträglichkeitsprüfung nach sich gezogen hätte. Laut öffentlich verfügbaren Informationen von Bayer soll bis 2011 bzw. 2012 die Anlage auf eine Kapazität von 3000 Jahrestonnen ausgebaut werden. Laut Bezirksregierung Köln ist es die wirtschaftliche Vermarktung, die für die Einstufung einer Anlage entscheidend ist.
Baitinger hält für problematisch, dass bei dem gewählten Genehmigungsverfahren mögliche Risiken von Nanoröhrchen gar nicht berücksichtigt worden seien, da die Versuchsproduktion weder einer Immissionschutz-, noch der Störfall-Verordnung unterliegt. So wurde die Anlage vom Leverkusener Bauamt genehmigt, das nur eine bauaufsichtliche Prüfung vorgenommen hatte. Eine Änderung der bestehenden Abluftreinigungsanlage wurde nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz angezeigt und von der Bezirksregierung Köln lediglich bestätigt. Desweiteren sei bislang nicht bekannt, so Baitinger, wie die Mitarbeiter angemessen geschützt werden sollen.
Im Genehmigungsverfahren für die Leverkusener Anlage wurde ein Grenzwert von 0,05 mg Nanoröhrchen pro Kubikmeter Raumluft in der Anlage akzeptiert. In einer Antwort auf eine kleine Anfrage des damaligen grünen Abgeordneten und heutigen Landesumweltministers Johannes Remmel hatte die ehemalige schwarz-gelbe Landesregierung geschrieben: „Der Hersteller empfiehlt einen Grenzwert von 0,05 mg/m3 am Arbeitsplatz für das in der Technikumsanlage in Leverkusen hergestellte Produkt. Aufgrund der derzeit vorliegenden Informationen ist diese Empfehlung vertretbar.“
Nach Auffassung des Epidemiologen Rainer Frentzel-Beyme ist dieser Grenzwert „angesichts des Fehlens epidemiologischer Daten als völlig willkürlich anzusehen“. Remmel bestätigte gegenüber heise online, dass es keinen gesetzlichen Grenzwert gibt: „Wir müssen die Gefahren von Nanotubes grundsätzlich bewerten. Leider liegen dazu noch keine verlässlichen Daten vor.“ Erst sobald diese Grundlage geschaffen sei, könnten auch die von Bayer festgelegten Grenzwerte bewertet werden. Auf Remmels Initiative hin hat die Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz beschlossen, sich in der nächsten Sitzung im März 2011 ein Konzept für die Messung von Emissionen und Immissionen, die bei der Produktion oder Verarbeitung von Nanopartikeln möglicherweise entstehen, vorlegen zu lassen.
Bayer ist auch am Nano-Dialog der Nano-Kommission der Bundesregierung beteiligt. BUND-Nanoexpertin Patricia Cameron kritisiert, dass die Bayer-Anlage dort nicht zum Gespräch gemacht wurde. Es sei seltsam, dass eine Anlage dieses Ausmaßes nur als Versuchsanlage beantragt wurde und nicht in Ordnung, dass die Öffentlichkeit nicht auf freiwilliger Basis an der Vorstellung des Vorhabens beteiligt worden sei. Zur Umsetzung des Prinzipienpapiers des Nanodialogs zum verantwortungsvollen Umgang mit Nanomaterialien von Ende 2008 hat sich bisher keines der beteiligten Unternehmen direkt bekannt. In dem Papier legten die Teilnehmer den sicheren Umgang von Unternehmen mit Nanopartikeln sowie Informationspflichten gegenüber Behörden und Öffentlichkeit fest. Eine Selbstverpflichtung der Industrie gibt es bis heute nicht. (Christiane Schulzki-Haddouti)

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