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Veröffentliche Beiträge von “CBG Redaktion”

CBG für den Frieden

CBG Redaktion

CBG bei Friedensdemo

„Schluss mit dem Krieg – Sofortiger Waffenstillstand – Verhandeln statt schießen – Keinen Euro für Krieg und Zerstörung, sondern Milliarden für eine weltweite soziale, gerechte und ökologische Friedenspolitik! – unter diesem Motto fanden sich am 1. Oktober in Köln rund 300 Menschen zu einer Friedensdemonstration ein. Sie forderten einen Ausstieg aus der Eskalationsspirale, die sich mit permanenten Waffenlieferungen, der Annektion besetzter Gebiete und der Zerstörung von Gas-Pipelines zu immer neuen Höhen aufschwingt und eine Kehrtwendung hin zum Frieden zunehmend schwieriger macht. Ein breiter Kreis hatte sich am Heumarkt versammelt, GewerkschaftlerInnen ergriffen ebenso das Wort wie Mitglieder der DEUTSCHEN FRIEDENSGESELLSCHAFT – VEREINIGTE KRIEGSDIENSTGEGNERINNEN, AktivistInnen der christlichen Friedensbewegung und Mitglieder der SDAJ.

Und auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN ging an diesem Tag mit auf die Straße, denn der Leverkusener Multi nutzt die desaströse Lage massiv für sich aus. Er bezeichnet sich als system-relevant und pocht auf einen einen privilegierten Zugang zu Energie, weshalb BAYER-Chef Werner Baumann Wirtschaftsminister Robert Habeck auch bei seinen Shopping-Touren in Sachen „Wasserstoff“ und „Flüssiggas“ begleitet hat. Zudem verdient der Global Player an der Nahrungsmittel-Krise, denn diese ließ die Preise für Glyphosat & Co. massiv steigen. Und damit nicht genug, nutzt der Global Player die Knappheiten auch noch, um die Werbetrommel für die Gentechnik zu rühren.

SWB 04/2022 – BAYER, Brasilien, Bolsonaro

CBG Redaktion

Politische Landschaftspflege

BAYER, Brasilien, Bolsonaro

Die Studie „Giftige Profite – Die Lobbyarbeit der EU-Pestizidhersteller in Brasilien“ legt dezidiert dar, welch massiven Einfluss BAYER & Co. auf die Politik des Landes haben.

Von Jan Pehrke

Brasilien zählt neben den USA, China und Argentinien zu den weltweit größten Absatzmärkten für Pestizide. Schier endlos erstrecken sich die Felder, auf denen zumeist die Cashcrops Soja, Mais und Zuckerrohr wachsen. Und die Monokulturen fressen sich immer weiter in den Regenwald hinein, was verheerende Auswirkungen auf das Klima und die Artenvielfalt hat. Auf 1,883 Milliarden Hektar landwirtschaftlich genutzer Flächen kam das Land im Jahr 2021. 2020 waren es „nur“ 1,679 Milliarden und 2017 1,378 Milliarden. Demensprechend steigt der Agrochemie-Bedarf. Die Regierung von Jair Bolsonaro stellt deshalb neue Genehmigungen am Fließband aus. Von Anfang 2019 bis April 2022 ließ sie nicht weniger als 1.880 neue Mittel zu. Damit nicht genug, dulden die staatlichen Stellen auch Produkte, welche die Konzerne in der Europäischen Union wegen ihrer Gefährlichkeit nicht (mehr) verkaufen dürfen. 15 solcher Ultragifte vertreibt BAYER in Brasilien, BASF gar 17. Aber solch paradiesische Verwertungsbedingungen entstehen nicht von allein. BAYER & Co. haben kräftig politische Landschaftspflege betrieben. Das ganze Ausmaß der Einflussnahmen legt die Studie „Giftige Profite – Die Lobbyarbeit der EU-Pestizid-Hersteller in Brasilien“ von Larissa Mies Bombardi und Audrey Changoe offen. Den AutorInnen zufolge bedient sich der Leverkusener Multi dabei bespielsweise Unternehmensverbänden wie SINDIVEG, ABAG und „CropLife Brasil“, dem der ehemalige BAYER-Manager Christian Lohbauer vorsteht. Überdies arbeiten Denkfabriken wie das „Instituto Pensar Agro“ und PR-Plattformen wie Agrosaber für ihn. Das Wichtigste aber regelt der Konzern persönlich. So trafen sich der Vorstandsvorsitzende Werner Baumann und der Leiter der „Public and Governmental Affairs“ der Aktiengesellschaft, der ehemalige Grünen-Politiker Matthias Berninger, im Jahr 2019 mit dem brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro. Dessen ehemaliger Umweltminister Ricardo Salles machte sogar schon Hausbesuche am bundesdeutschen Stammsitz des Agro-Riesen. Und als Malu Nachreiner bei BAYER/Brasil den Vorsitz von Marc Reichardt übernahm, dauerte es nicht lange, bis sie sich bei Landwirtschaftsministerin Tereza Cristina vorstellte. Mit deren Nachfolger Marcos Montes fand indes bisher noch keine Zusammenkunft statt. Da Montes schon in Diensten des Global Player stand und auch ansonsten über viel Berufserfahrung in der Branche verfügt, scheint sich der Gesprächsbedarf in Grenzen zu halten. Ansonsten herrscht jedoch ein lebhafter Austausch zwischen dem Ministerium und dem Multi, wie die auf der Webpage des „Ministério da Agricultura“ – vorbildlicherweise – zugänglich gemachten Terminkalender der MitarbeiterInnen belegen. Landes- und Lateinamerika-Chefs, Ackergift-Fachleute, ExpertInnen für Fragen der Pestizid-Regulierungen sowie Zuständige für „Public Affairs“ und andere Angelegenheiten gehen im Ministério ein und aus. Sie erörterten dort z. B. den Stand der Dinge beim Glyphosat-Wiederzulassungsverfahren der Europäischen Union. Auch zu den Problem-Pestiziden Dicamba und Imidacloprid gab es Meetings. Die China-Geschäfte des Leverkusener Multis und die von der EU beschlossene Reform der „Gemeinsamen Agrar-Politik“ zählten ebenfalls zu den Themen. Und über „die Nachhaltigkeit der brasilianischen Landwirtschaft und die Vision des europäischen Unternehmenssektors“ konferierte der Nachreiner-Vorgänger Marc Reichardt im Juli 2021 mit Fernando Sardenberg Zelner Gonçalves, im Ministerium als Sonderberater für strategische Angelegenheiten tätig.

Mercosur-Lobbying

Die große Rolle, welche die EU bei den Gesprächen spielt, dürfte nicht zuletzt mit dem Handelsabkommen zusammenhängen, das Brüssel mit den Mercosur-Mitgliedern Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay abschließen will. Laut der Studie von Larissa Mies Bombardi und Audrey Changoe bildet dieser ausverhandelte, aber noch nicht ratifizierte Vertrag einen Hauptschwerpunkt der Einflussarbeit der Konzerne. Die getroffenen Vereinbarungen stellen nämlich steigende Profite in Aussicht. „Das Handelsabkommen (...) schafft die Zölle für 90 Prozent der Chemikalien-Exporte ab, für die derzeit Einfuhr-Zölle von bis zu 18 Prozent gelten“, frohlockt etwa der europäische Chemie-Verband CEFIC. Parallel dazu rechnet der EU-Forschungsdienst durch die dem Mercosur gewährten Handelserleichterungen mit mehr Einfuhren von Soja, Mais und anderen Ackerfrüchten in die Europäische Union. Eine Steigerung der Marktanteile an den Nahrungsmittel-Importen der EU von derzeit 17 auf 25 Prozent bis zum Jahr 2025 prognostiziert er, was nicht unerhebliche Auswirkungen auf den Pestizid-Absatz von BAYER in den vier Staaten haben dürfte. Die Lobbystrategie der Unternehmen spielt dabei über Bande und versucht, das Bild der lateinamerikanischen Agro-Industrie in den Augen der EuropäerInnen positiver zu gestalten. Die Herausforderung besteht vor allem darin, dem Cashcrops-Ödland einen grünen Anstrich zu verleihen. Der Leverkusener Multi hat zu diesem Behufe den Brüsseler Thinktank ECIPE verpflichtet. Das sogenannte EU-Mercosur-Projekt liegt dabei in den Händen von Emily Rees, die einige Berufsjahre als EU-Beauftragte von APEX, der brasilianischen Agentur für Export- und Investitionsförderung, in der belgischen Hauptstadt verbracht hat. Sie legt den Soja- und Mais-BaronInnen ans Herz, sich kleinzumachen. „Die Europäer legen Wert auf Produkte aus kleinen, regionalen Erzeugerbetrieben“, sagte sie bei der Vorstellung einer von APEX lancierten PR-Kampagne. Und „CropLife Brasil“ gibt sich klima-bewusst und buhlt um die Gunst Greta Thunbergs. „Wir wollen Greta zeigen, dass wir keine Schurken sind“, so Christian Lohbauer. Die beiden „Giftige Profite“-Autorinnen befürchten durch den Abschluss des Mercosur-Deals eine nochmalige Forcierung des agro-industriellen Modells mit all seinen Risiken und Nebenwirkungen. Darüber hinaus steht die Übereinkunft ihrer Meinung nach in einer kolonialen Tradition. „Seit dem späten 15. Jahrhundert haben Europäer in der Region Rohstoffe abgebaut und natürliche Ressourcen und landwirtschaftliche Erzeugnisse aus Monokulturen nach Europa exportiert. Dieses Muster ist in den heutigen europäischen Handelsbeziehungen mit den Mercosur-Staaten nach wie vor deutlich erkennbar“, schreiben Bombardi und Changoe. Bei rund 84 Prozent der EU-Exporte in Mercosur-Staaten handele es sich um Dienstleistungen und hochwertige Industrieprodukte, wohingegen sich rund drei Viertel der Mercosur-Exporte nach Europa aus landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Bodenschätzen zusammensetzten, führen die beiden aus und halten fest: „Die im EU-Mercosur-Abkommen vorgesehene Handelsliberalisierung wird diese neokoloniale Beziehung zementieren.“

Das Pestizid-Gesetz

Ein weiteres Herzstück der Lobby-Anstrengungen von BAYER und den anderen Agro-Riesen ist das von der Bolsonaro-Regierung geplante neue Pestizid-Gesetz, das Glyphosat & Co. den Weg noch ein bisschen freier machen will. Das von KritikerInnen folgerichtig als „Poison Package“ bezeichnete Maßnahmen-Bündel hebelt unter anderem das Vorsorge-Prinzip aus und sieht Verbote von Agro-Chemikalien nur noch bei „inakzeptablen Risiken“ vor. Zudem schwächt das PL 6299/2002 die Stellung von Umweltbehörde und Gesundheitsbehörde in den Zulassungsverfahren zugunsten derjenigen des Landwirtschaftsministeriums und beschleunigt den Genehmigungsprozess generell. Beste Aussichten also für die Branche. Dementsprechend engagiert antichambriert sie für das Paragrafen-Werk. Mit Erfolg: Im Februar 2022 nahm es die erste parlamentarische Hürde. Nun muss dem Gesetz, das nach der Annahme durch den Kongress die neue Laufnummer PL 1459/2022 erhielt, nur noch der Senat zustimmen. „Wird die Gesetzesvorlage verabschiedet, wäre mit einem Anstieg von Registrierungen, Zulassungen und Einsatz von Pestiziden ohne eine angemessene Abschätzung der sozio-ökologischen Folgen zu rechnen“, warnen Larissa Mies Bombardi und Audrey Changoe. Dabei reicht bereits, was die Mittel bisher in dem Land angerichtet haben. So stirbt dort jeden zweiten Tag ein Mensch an einer Pestizid-Vergiftung. „Du hast einen bitteren Geschmack in deinem Mund. Du möchtest kein Gift mehr einatmen. Du möchtest eine andere Art von Luft einatmen – aber es gibt keine. Dann fühlst Du dich schwach, Du kannst nicht aufstehen (...)“, mit diesen Worten beschrieb der Indigene Jakaira der Initiative HUMAN RIGHTS WATCH den Verlauf seiner Intoxikation. Besonders im Bundesstaat Mato Grosso mit seinen immensen Soja-, Zuckerrohr- und Mais-Monokulturen leiden die Menschen unter dem Dauereinsatz der Chemie-Cocktails, wie WissenschaftlerInnen von der Bundesuniversität in Cuiabá 2016 in einer Studie darlegten. 1.442 an Magen-, Speiseröhren- oder Bauchspeicheldrüsen-Krebs Leidende machten die ForscherInnen in Mato Grosso aus, während es in Bundesstaaten ohne Landwirtschaft im Großmaßstab bloß 53 Betroffene waren. Durch das Pestizid-Gesetz dürften sich diese Fälle noch häufen. Darum kritisiert das brasilianische GREENPEACE-Büro das Vorhaben vehement. „Das Giftpaket passt nicht zu dem Weg, den wir einschlagen müssen, um die sozio-ökologischen Krisen, insbesondere die Ernährungs- und Klimakrise, zu entschärfen und das Wohlergehen künftiger Generationen zu gewährleisten. Der agrarökologische Wandel ist dringender denn je“, konstatiert Sprecherin Marina Lacôrte. Die Jugendorganisation der Landlosen-Bewegung MST beließ es hingegen nicht bei Worten. Sie besetzte am 10. Juni 2022 die BAYER-Niederlassung in Jacareí. „Dieser Gesetzentwurf bringt gravierende Änderungen der geltenden Rechtsvorschriften mit sich, die den Verkauf und die Verwendung von für Mensch und Natur hochgiftigen Stoffen erleichtern“, erklärten die Jugendlichen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) protestierte ebenfalls gegen die Operationen des Konzerns in dem lateinamerikanischen Staat. „BAYERs Pestizide hinterlassen in Brasilien eine Spur der Verwüstung. Und jetzt tut der Konzern durch sein Extrem-Lobbying für das Giftpaket auch noch alles dafür, sie noch ein bisschen breiter werden zu lassen, um seine Profite zu erhöhen“, hieß es in der Presseerklärung der Coordination. Sogar die Vereinten Nationen schalteten sich ein. Dr. Marcos Orellana, der UN-Sonderberichterstatter für die Auswirkungen giftiger Substanzen und Abfälle auf die Menschenrechte, und andere SonderberichterstatterInnen appellierten in einem Brief eindringlich an die Regierung Bolsonaro, das „Poison Package“ zurückzuziehen. Sie sehen durch die Deregulierungen ernste Gesundheitsgefahren auf das lateinamerikanische Land zukommen und warnen vor einem „monumentalen Rückschlag für die Menschenrechte in dem Staat“. „Ohne weitere Maßnahmen, die sicherstellen, dass Unternehmen die Menschenrechte und die Umwelt respektieren, werden die Missbräuche weiter zunehmen, wenn dieser Gesetzesentwurf angenommen wird“, prophezeien die UN-MitarbeiterInnen. „Brasilien sollte daran arbeiten, das Regelwerk zu stärken statt zu schwächen“, legten sie den PolitikerInnen ans Herz. Dass die Regierung Bolsonaro jedoch Maßnahmen auf den Weg bringt, die BAYER & Co. zur Respektierung der Menschenrechte und zum Schutz der Umwelt zwingen, steht nicht zu erwarten. So dürfte die Agro-Lobby ungerührt weiter Druck auf Menschen wie Larissa Bombardi ausüben. Die Geografie-Professorin konnte diesem irgendwann nicht mehr widerstehen. „Ich habe sehr viele schlaflose Nächte verbracht“, schilderte sie ihre Situation auf der Diskussionsveranstaltung der CBG am Vortag der Hauptversammlung. Darum entschied sie sich schlussendlich – nicht zuletzt aus Sorge um ihre Kinder – das Land zu verlassen und nach Europa ins Exil zu gehen. Die Coordination stellte BAYER auf der letzten Hauptversammlung Ende April 2022 zum Fall „Bombardi zur Rede. Der Frage „Pestizid-KritikerInnen sind in Brasilien vielen Bedrohungen ausgesetzt. Die Wissenschaftlerin Larrissa Bombardi hat sich deshalb entschließen müssen, das Land zu verlassen. Wie beurteilt BAYER den Umgang der brasilianischen Agrar-Lobby mit UmweltschützerInnen? Setzt sich der Konzern innerhalb der Industrie-Verbände für ein zivilisiertes Vorgehen ein?“ wich der Vorstandsvorsitzende Werner Baumann jedoch aus. Seine Nicht-Antwort lautete: „BAYER bekennt sich uneingeschränkt zur Wahrung der Menschenrechte und steht für Vielfalt, Toleranz, Respekt und Dialog (...) Wir verpflichten uns, die Menschenrechte zu achten, zu fördern und transparent darüber zu berichten, und das gilt für jedes Land auf dieser Erde, in dem BAYER aktiv ist.“ Der Leverkusener Multi rechtfertigt auch den Umgang des Staates mit den Agro-Chemikalien. Brasilien besäße „eines der strengsten Regulierungssysteme der Welt“, verlautbarte er im Jahr 2021. Und für die Praxis, Produkten die Genehmigung zu erteilen, die innerhalb der EU nicht (mehr) erlaubt sind, findet das Unternehmen ebenfalls eine Erklärung. „Allein die Tatsache, dass ein Pflanzenschutzmittel nicht in der EU zugelassen ist, sagt nichts über seine Sicherheit aus. Auch viele andere Zulassungsbehörden aus der ganzen Welt verfügen über eine sehr robuste und hochentwickelte Regulierungssystematik zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt. Ihre Bewertungen spiegeln die jeweiligen spezifischen agronomischen Bedingungen der jeweiligen Länder wider und stellen mitnichten einen sogenannten Doppelstandard dar“, so Baumann am 29. April. Dazu wird er sich auf der nächsten Hauptversammlung am 28. April 2023 erneut äußern müssen. Die Coordination stellt das Thema nämlich auf Wiedervorlage. Und auch zu den frischen Lobbyismus-Verfehlungen des Leverkusener Multis in Brasilien erwartet sie dann Antworten.

SWB 04/2022 – BAYERs großer Durst

CBG Redaktion

Klimawandel-Symptom Wassermangel

BAYERs großer Durst

In diesem Jahr zeigte sich der Klimawandel vor allem in Form von lang anhaltenden Dürren, die zeigten, wie kostbar ein Element ist, das viele als ein alltägliches Gut betrachten: Wasser. Es fehlte den LandwirtInnen, den Flüssen und den Gemeinden. Nicht wenige mussten den Wassernotstand ausrufen. Der BAYER-Konzern trägt mit seinem enormen Durst nicht unwesentlich zur Verschärfung der Lage bei. 55 Milliarden Liter verbrauchte er im Geschäftsjahr 2021.

Von Jan Pehrke

Der diesjährige Sommer sorgte auf der nach oben offenen Klimawandel-Skala mal wieder für Maximal-Ausschläge. Nach Angaben des EU-Klimawandeldienstes Copernicus haben die MeteorologInnen, seit sie Buch führen, noch nie so hohe Temperaturen verzeichnet. Auch hierzulande gab es mit 820 Sonnenstunden einen Rekord. „Der Sommer 2022 war in Deutschland der sonnigste, sechstrockenste und gehört zu den vier wärmsten seit Aufzeichnungsbeginn“, konstatiert der „Deutsche Wetterdienst“. Dementsprechend alarmierend fiel der Dürrebericht der Gemeinsamen Forschungsstelle der EU-Kommission aus. Die WissenschaftlerInnen machten die schlimmste Trockenheitsperiode seit 500 Jahren aus. Fast zwei Drittel aller Flächen attestierten sie einen kritischen Zustand.

Wassernotstand

Damit geriet verschärft in den Blickpunkt, was bisher in den Diskussionen um die Erderwärmung eher eine Nebenrolle spielte: das Wasser. Ins Zentrum der Aufmerksamkeit gelangte es aber nicht nur durch sein Fehlen. Es gab in den zurückliegenden Monaten nicht nur zu wenig davon, gleichzeitig gab es davon auch zu viel – und das aus demselben Grund. Mit dem Klimawandel gehen nämlich nicht nur Dürren und in der Folge Wassermangel-Lagen einher, sondern ebenso Starkregen-Ereignisse, denn durch die Hitze verdunstet mehr, was größere Mengen von Wasserdampf in die Atmosphäre treibt und so die Niederschlagsmengen erhöht. Einen Ausgleich im Flüssigkeitshaushalt verschafft das jedoch nicht. Die trockenen Böden vermögen das viele, plötzlich hereinbrechende Wasser nämlich nicht aufzunehmen, was mit zu den gravierenden Folgen solcher Unwetter beiträgt. Im letzten Jahr gingen solche über Holland, Belgien, die Schweiz und Deutschland, wo im Ahrtal und anderswo über 170 Menschen starben, nieder. 2022 litt besonders Pakistan. Ein Drittel des Landes stand unter Wasser. In den Fluten starben rund 1.300 Menschen und mehr als 700.000 Tiere. Mitte September 2022 traf es dann Italien. An der Adria-Küste ging binnen zwei, drei Stunden so viel Regen nieder wie sonst in einem halben Jahr. Es kam zu Überflutungen, Schlamm-Lawinen und Erdrutschen. Zehn Menschen verloren ihr Leben. Im Monat zuvor hatte das Land noch mit einer Hitze-Welle zu kämpfen. Fast drei Grad über dem Durchschnittswert der letzten drei Jahrzehnte zeigten die Thermometer an, und der Pegel des Po sank auf den tiefsten Stand seit über 70 Jahren. Viele Gemeinden reagierten auf die Trockenheit mit einer Wasser-Rationierung. Das taten auch zahlreichen Kommunen in Irland, Spanien, Nordamerika und den Niederlanden. Der Nachbarstaat rief sogar den Wassernotstand aus. Da fast ein Drittel seiner Fläche unter dem Meeresspiegel liegt, muss es sich mit Schleusen vor der Nordsee schützen. Diese aber brachte die Tore in den Sommermonaten massiv in Bedrängnis, denn ein bedeutender Stabilisierungsfaktor fiel aus. „Normalerweise gibt es einen Gegendruck des Süßwassers aus den Flüssen“, so ein Sprecher der Wasserwirtschaftsbehörde. Besonders schwer aber hatte Frankreich zu kämpfen. In mehr als 100 Gemeinden brach die Trinkwasser-Versorgung zusammen. Tanklaster mussten die dringend benötigte Ressource von fern her anliefern. Viele BürgermeisterInnen verboten deshalb das Blumengießen und Autowaschen. Auch in einigen Gebieten Deutschlands kam es zu Einschränkungen. In Brandenburg etwa erließ der Wasserverband Strausberg-Erkner Auflagen zur Nutzung des kostbar gewordenen Guts. Und in Nordrhein-Westfalen schlug Landesumweltminister Oliver Krischer Alarm: „NRW trocknet aus.“ Rhein-Romantik war für den Politiker von Bündnis 90/Die Grünen ein Lied aus uralter Zeit. „Der vielfach als majestätisch beschriebene Rhein zeigt sich momentan von einer traurigen Seite“, stellte er fest. Während der Pegel vielerorts Rekord-Tiefstände erreichte, heizte der Strom sich massiv auf. Bei Bad Honnef betrug seine Temperatur nicht weniger als 25 Grad. Ähnliches war an Weser, Elbe, Main und den anderen großen Flüssen sowie an Bächen und Seen zu beobachten. Überdies sanken die Grundwasser-Spiegel. Allein in Nordrhein-Westfalen zeigten 68 Prozent der Messstellen niedrige bis sehr niedrige Werte an. Als „Grundwasser-Dürre“ bezeichnen die WissenschaftlerInnen solche Befunde. Dabei hatten die Wasserstandsmeldungen schon vorher düster ausgesehen. „Deutschland verliert jährlich 2,5 Gigatonnen (...) Das macht das Land zu einer der Regionen mit dem weltweit höchsten Wasserverlust“, resümierte das kanadische „Global Institute for Water Security“ im März 2022. Ein Bestand von der Größe des Bodensees ging über die letzten 20 Jahre verloren, so Direktor Jay Famiglietti.

Die Folgen

Die Wetterextreme, die vom Klimawandel künden wie Hitze-Wellen, Hurrikans und Starkregen-Ereignisse, fordern Menschenleben. Zudem bedrohen sie die Ernährungssicherheit. Bis zu 50 Prozent ihres Ertrags verloren die LandwirtInnen. Das Getreide konnten sie größtenteils noch vor der Dürre – allerdings mit Qualitätsverlusten – einbringen, aber den Herbstkulturen wie Mais, Zuckerrüben und Kartoffeln setzten die heißen Sommermonate zu. Die verschiedenen Obst-, Salat- und Kohlsorten gedeihten ebenfalls nicht recht. „An manchen Standorten sind die Köpfe nur halb so groß wie sonst, und manchmal haben sie im Inneren ein braunes Herz“, klagte etwa der Gemüsebauer Willi Andree aus Düsseldorf-Hamm in der Rheinischen Post über seinen Rotkohl. „Die Wasserversorgung ist in NRW wegen der hohen Niederschläge im Winter und deshalb meist gut gefüllter Talsperren akut nicht gefährdet“, erklärte derweil Oliver Krischer. „Bisher – ob das so bleibt, können wir nicht sagen“, relativierte der Minister aber sogleich. Dementsprechend entbrennen um das Wasser schon Konflikte. Deshalb mahnt Gerd Landsberg vom „Deutschen Städte- und Gemeindebund“ eine Wassernutzungshierarchie an und stellt klar: „Hierbei muss und wird die öffentliche Wasserversorgung stets Vorrang haben.“ Sein Wort in BAYERs Ohr. In Frankreich setzte die Politik vorsorglich bereits im Februar 2021 eine „Untersuchungskommission zur Kontrolle der Wasser-Ressourcen durch Privat-Interessen und deren Folgen“ ein. Aber nicht nur zwischen Industrie, Landwirtschaft und den Kommunen gibt es Reibungen, sondern auch zwischen einzelnen Gemeinden selbst. So liegt etwa Frankfurt mit dem Vogelberg-Kreis im Clinch um Nutzungsrechte, während sich in den USA gleich sieben Bundesstaaten das Wasser des Colorado Rivers streitig machen. Die seit Jahren andauernden Querelen zwischen Äthiopien, Ägypten und dem Sudan um das Nil-Wasser beschäftigen derweil schon den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Und selbst zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Staaten kommt es bereits. Nicht zuletzt das Wasser ließ Kirgistan und Tadschikistan im September 2022 zu den Waffen greifen. Auch für die Tiere und die Umwelt haben die Auswirkungen der Erderwärmung auf den Wasserhaushalt der Natur massive Folgen. Vor allem Fische und andere aquatische Lebewesen leiden stark - nicht nur in der Oder, wo mutmaßlich zusätzlich noch ein Umweltverbrechen mit im Spiel war. Schon Temperaturen ab 20 Grad halten Lachsforelle und Äsche nur schwer aus. Und noch heftigere Aufheizungen mit entsprechend heftigerem Algen-Wuchs und in der Folge abnehmendem Sauerstoff-Gehalt bringen auch weniger empfindliche Exemplare in Bedrängnis. Die Flachwasser-Zonen, die trockengefallen sind, fehlen einigen Arten ebenfalls, denn sie dienen unter anderem als Laich-Plätze und Aufwuchs-Regionen für Jungfische. Darüber hinaus müssen die Wasser-Bewohner eine stärkere Verunreinigung ihres Habitats verkraften. Durch die abnehmenden Pegelstände steigt nämlich die Schadstoff-Konzentration, bleiben doch die von BAYER & Co. eingeleiteten Gift-Frachten auf konstant hohem Niveau. Da ist es nur ein schwacher Trost, dass auch die Industrie zu spüren bekam, was der von ihnen befeuerte Klimawandel – allein der Leverkusener Multi stieß im Geschäftsjahr 3,17 Millionen Tonnen Kohlendioxid und 3.000 Tonnen Methan aus – mit den Flüssen tut, denn diese vermochten nun die vielfältigen Aufgaben, welche die Konzerne ihnen auferlegen, nicht mehr in ausreichendem Maße erfüllen. Durch die niedrigen Wasserstände stockte die Bereitstellung von Kühlwasser für Atomkraftwerke und Produktionsanlagen, und auch bei den Hol- und Bringdiensten haperte es. Die Schiffe luden teilweise nur noch die Hälfte ihrer sonst üblichen Fracht auf, um nicht zu riskieren auf Grund zu laufen. Das ließ für BAYER & Co. die Preise explodieren und sorgte überdies für Lieferengpässe. Das, was für den BASF-Manager Uwe Liebelt ein „strategischer Standort-Nachteil“ war, fasste Holger Lösch vom „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI) schon in ein wenig ungemütlichere Worte: „Die anhaltende Trocken-Periode und das Niedrigwasser bedrohen die Versorgungssicherheit der Industrie.“

Opferstrecke Rhein

Für die BASF und für BAYER hat der Rhein eine besondere Bedeutung. „Als Lebensader der deutschen Chemie-Industrie“ bezeichnet das Manager Magazin den Strom. Wegen ihm verlegte der Global Player dereinst sogar seinen Hauptsitz von Wuppertal nach Leverkusen. Die FAZ fasste die Funktion des Gewässers für die Branche so zusammen: „Der Rhein war für viele der Erzeugnisse der einzige Transport-Weg, sein Wasser wurde als Kühl- und Lösemittel gebraucht. Und er war lange ein riesiger Abfluss.“ Von einer „Opferstrecke“ sprach der frühere BAYER-Generaldirektor Carl Duisberg deshalb. Aber um all diesen Zwecken dienen zu können, mussten die Unternehmen den Rhein ebenso wie Main, Weser & Co. erst einmal herrichten (lassen). Also folgten Vertiefungen, Begradigungen, Dämme und andere Maßnahmen. Von den größten Strömen der Welt haben nur noch 37 Prozent einen natürlichen Verlauf und nur noch 23 Prozent eine natürliche Verbindung von Quelle zu Mündung. Das hatte für die Tier- und Pflanzenwelt gravierende Auswirkungen. Zudem verschärfen sich damit die Probleme, die der Klimawandel mit sich bringt. Die erhöhten Fließgeschwindigkeiten beispielsweise potenzieren die Gefahren, die von Starkregen- und Hochwasserereignissen ausgehen. Details über den konkreten Umgang des Leverkusener Multis mit dem Wasser liefert sein Nachhaltigkeitsbericht. Nicht weniger als 55 Milliarden Liter nutzte er im Geschäftsjahr 2021. Zu allem Übel erstreckt sich sein enormer Durst auch noch auf Gebiete, die unter Wasser-Mangel leiden. „Etwa 5,8 % unseres Gesamtwasser-Einsatzes entstammt wasserarmen bzw. von Wasser-Knappheit bedrohten Regionen“, heißt es in dem Report. Damit bestätigte er die Feststellung der FAZ: „Die chemische Industrie ist mit Abstand der größte industrielle Wasser-Verbraucher in Deutschland.“ Und nicht nur aus Flüssen bedient der Agro-Riese sich. An manchen deutschen Standorten wie in Berlin und Bergkamen verfügt er noch über alte Wasserrechte, die ihm den Zugriff auf reinstes Grundwasser ermöglichen. In Leverkusen hingegen gingen diese auf die CURRENTA über, als der BAYER-Konzern seine Anteile an der Service-Gesellschaft im Jahr 2019 verkaufte. Die Aktien-Gesellschaft entnimmt den Flüssen jedoch nicht nur etwas, sie gibt ihnen auch etwas zurück. Auf 25 Milliarden Liter summierten sich die Abwässer. Die Mengen davon, welche als Kühlwasser genutzt und dabei entsprechend warm wurden, sorgten nun für aquatische Wärme-Schübe. Aber mehr noch haben es die Gift-Frachten in sich. Auf 172.000 Tonnen Anorganischer Salze, 510 Tonnen Phosphor, 360 Tonnen Stickstoff und 2,6 Tonnen Schwermetalle kam BAYER 2021. Damit nicht genug, landen nicht nur Produktionsrückstände, sondern auch Produkt-Rückstände im Wasser. So wiesen WissenschaftlerInnen in einer Studie, welche die ECOLOGISTAS EN ACCIÓN in Auftrag gegeben hatten, Glyphosat-Spuren in 31 Prozent der spanischen Flüsse und Seen nach. Auf das Glyphosat-Abbauprodukt AMPA stießen sie sogar in 42 Prozent der Proben.

BAYER will baggern

Der Leverkusener Multi bekennt sich zwar wohlfeil zum Schutz des Wassers und investiert in entsprechende PR-Kampagnen wie diejenige zur Unterstützung der „Wasseraktivistin“ Mina Guli, praktische Auswirkungen hat das jedoch nicht. Jetzt, da die Flüsse unter dem Klimawandel ächzen, wollen BAYER & Co. sie noch mehr schinden. So fordert Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des „Verbandes der chemischen Industrie“ und davor lange in Diensten des Agro-Riesen, mit Blick auf den Rhein: „Die Leistungsfähigkeit von Deutschlands wichtigster Binnenschifffahrtsstraße muss auch bei den niedrigen Wasserständen so rasch wie möglich gesichert werden.“ Und das Mittel der Wahl dazu für ihn: Vertiefung der Fahrrinne. Eine sogenannte Beschleunigungskommission mit VertreterInnen aus Kreisen der Wirtschaft, der Politik und der Behörden mit der Aufgabe, diese Arbeiten an den Flüssen voranzutreiben, hat sich nach einem Treffen von Industrie-EmissärInnen mit Verkehrsminister Volker Wissing schon gebildet. „Hier ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Notlage. Wir brauchen dieses Infrastruktur-Projekt vorrangig und so schnell wie möglich“, sagte der FDP-Politiker. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst stimmt dem zu, während sich Landesumweltminister Krischer gegen das Vorhaben ausspricht. „Den Rhein einfach nur auszubaggern und tiefer zu machen, löst kein Problem“, so der Bündnisgrüne. „Wir müssen die Schiffe dem Rhein anpassen, nicht umgekehrt“, sagt er. Und tatsächlich passiert in diese Richtung auch etwas. So ließ beispielsweise die BASF schon Niedrigwasser-Schiffe entwickeln, um sich zu wappnen. Die großen Umweltverbände wenden sich ebenfalls streng gegen die avisierte Vertiefung. „Dadurch sinkt der Grundwasserspiegel, die Strömungsgeschwindigkeit erhöht sich, das Wasser fließt schneller ab und die Auswirkung auf die Flusssohle, ein wichtiger besiedelbarer Raum für Kleinstlebewesen, ist verheerend“, warnt etwa der WWF. Überdies machen die Erosionen, die dort unten durch den stärkeren Druck entstehen, aufwendige Stabilisierungsarbeiten mittels Kies erforderlich. „De facto bekommt der Rhein dann immer mehr den Charakter eines Kanals“, so Klaus Markgraf-Maué vom NABU. Auch für die Fluss-Auen hätten die Ausschachtungen Folgen, sie drohen durch den dann niedrigeren Grundwasserspiegel nämlich trockenzufallen und damit ihre wichtige Funktion nicht nur als Habitat für Flora und Fauna, sondern auch als Wasserspeicher zu verlieren. Bei Arbeiten in Mündungsnähe von Flüssen, wie sie jetzt die Weser zu befürchten hat, potenzieren sich die Risiken und Nebenwirkungen noch einmal. Durch die Tieferlegung verändert sich nämlich der Tidenhub, also die Differenz zwischen den Wasserständen bei Ebbe und bei Flut. Es tut sich eine größere Schere auf, was für eine stärkere Dynamik sorgt, welche die Deichsicherheit gefährdet sowie mehr salzhaltiges Meerwasser und Schlick einströmen lässt.dieser Aussichten plädiert Markgraf-Maué dafür, sich ins Unabänderliche zu fügen: „Es geht kein Weg daran vorbei zu akzeptieren, dass die Schiffbarkeit des Rheins abnimmt.“ Und Dirk Jansen vom BUND NRW hält ebenfalls wenig davon, den Lastkähnen den Weg freizuschaufeln. „Wir können nicht gegen den Klimawandel anbaggern“, meint er. „Anstatt Steuer-Millionen für ökologisch schädliche Eingriffe zu verplanen, sollte lieber das Ökosystem Rhein gestärkt werden“, so der Umweltaktivist.

Nationale Wasserstrategie

Dazu gilt es beispielsweise, die Ströme zu entschleunigen, indem sie mehr Raum zur Ausdehnung erhalten, etwa durch eine Renaturierung der Fluss-Auen oder eine Rückverlegung von Deichen. So bleibt das Wasser länger in der Landschaft, und die Böden können als Speicher oder Auffangbecken bei Überschwemmungen dienen. Einige solcher Maßnahmen sieht das „Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz“ vor, das Umweltministerin Steffi Lemke im August 2022 vorstellte. Ein größeres Paket will die „Nationale Wasserstrategie“ schnüren, welche noch von Amtsvorgängerin Svenja Schulze aufs Gleis gesetzt wurde und im Moment in der Beratungsschlaufe von Ressorts und Bundesländern steckt. Der Entwurf zur Kurzfassung bezeichnet die Klima-Krise als eine gewaltige Herausforderung. „Die Sommer werden heißer und trockener. Starkregen wird häufiger, Schnee seltener. Die Grundwasserspiegel sinken, die Bodenfeuchte geht zurück. Die Trockenheit bedroht Ackerpflanzen und unseren Wald. Wasserstraßen sind immer öfter nicht mehr schiffbar. Nutzungskonflikte können entstehen oder verstärken sich“, konstatiert er. „Grundlegende Veränderungen in unserem Umgang mit dem Wasser“ mahnt die Strategie deshalb an. Der Industrie verlangt sie jedoch kaum etwas ab. Die Pläne beschränken sich darauf, die Wasserentnahme-Entgelte weiterzuentwickeln, BAYER & Co. Mindeststandards für eine effiziente Nutzung der Ressource vorzugeben und weniger Ausnahmen bei der Erlaubnispflicht von Grundwasser-Entnahmen zuzulassen. Das Vorhaben, „die Hersteller für die von Stoffen und Produkten ausgehenden Gewässer-Belastungen in die Verantwortung zu nehmen“ schiebt das „Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz“ (BMUV) von selbst auf die lange Bank bzw. auf Brüssel. „Das BMUV setzt sich für EU-Regelungen ein“ heißt es dazu nämlich lediglich. Bei der Vorstellung der Wasser-Strategie durch Svenja Schulze im Juni 2021 hielt die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) deshalb fest: „Immer deutlicher zeichnet sich ab, dass der Wassermangel eine der dramatischsten Folgen des Klimawandels ist. Aber die Politik handelt nicht. Sie kapituliert vor der Macht der Konzerne.“ Das Thema „Wasser“ begleitet die Coordination dabei seit ihren Anfängen. „Wasser ist Leben“ lautete Ende der 1970er Jahre das Motto ihrer ersten überregionalen Kampagne. Im Jahr 1980 initiierte sie gemeinsam mit GREENPEACE eine Blockade des Leverkusener Rhein-Anlegers, um das Auslaufen eines Tankers zu verhindern, der den Auftrag hatte, giftige BAYER-Dünnsäure in der Nordsee zu verklappen. 1983 gehörte die CBG mit zu den Organisatoren des Wasser-Tribunals in Rotterdam. In den 2000er Jahren stand sie schließlich lange an der Seite des Landwirts Hans Möller, der einen langen juristischen Kampf mit dem Leverkusener Multi ausfocht, weil dessen enormer Durst in der Region zur Absenkungen des Grundwasserspiegels, Austrocknung von Haus- und Weidebrunnen und Bodensenkungen inklusive Gebäude-Schäden führte. Und bis heute stellt die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN den Vorstand des Unternehmens auf den Hauptversammlungen regelmäßig wegen des schonungslosen Umgangs BAYERs mit dem Wasser zur Rede und wird davon auch in Zukunft nicht ablassen.

SWB 04/2022 – BAYERs neue Gentechnik

CBG Redaktion

RNA-Interferenz

BAYERs neue Gentechnik

BAYER & Co. setzen seit einiger Zeit auf eine neue Gentechnologie, die sogenannte RNA-Interferenz (RNAi). Bisher kommt sie nur in Pflanzen zum Einsatz, aber die Konzerne arbeiten auch an Pestiziden auf Basis dieses Mechanismus’, der nicht ohne Risiken und Nebenwirkungen ist.

Von Judith Düesberg (GEN-ETHISCHES NETZWERK)

„Aktuell wird in den Laboren von BAYER & Co. eine Biotechnologie weiterentwickelt, die große Hoffnungen der Konzerne weckt. Es handelt sich um den Prozess der sogenannte RNA-Interferenz (RNAi). Der Begriff steht für eine Vielzahl von Möglichkeiten, mithilfe von RNA-Sequenzen die Entstehung von Proteinen in Organismen zu beeinflussen. Die Entwicklung der Organismen kann dadurch gehemmt, Eigenschaften verstärkt und abgeschwächt oder ihr Tod herbeigeführt werden. Im Gegensatz zur DNA handelt es sich bei RNAs um kurzlebige bewegliche Moleküle. Sowohl in ihren Bausteinen als auch ihrer Funktion unterscheiden sie sich von der DNA. Lange wurde angenommen, dass sie vor allem für den Transport von DNA-Sequenzen aus dem Zellkern in das Zellplasma und für die Proteinbildung zuständig sind. Heute sind eine Vielzahl weiterer Funktionen bekannt. Als Entdecker des RNAi-Mechanismus gelten der US-amerikanische Biologe Andrew Fire und der Biochemiker Craig Mello. 2006 bekamen sie dafür den Medizinnobelpreis. Hans Jörnvall, Sprecher des Nobelkomitees, sagte damals über die Arbeit der beiden Forscher: „Das Pfiffige an ihrer Entdeckung ist, dass sie die Mittel der Natur selbst zur Anwendung bringt. Dies eröffnet fantastische Möglichkeiten. Natürlich dauert es noch etliche Jahre, bis wir daraus Arzneimittel bekommen werden. Aber die Prinzipien sind klar.“(1) Die Euphorie überträgt sich auch auf den Agrarbereich – Konzerne und WissenschaftlerInnen wittern hier ebenfalls Anwendungsmöglichkeiten. In der Landwirtschaft sind zwei Verfahren von besonderer Bedeutung: Gentechnisch veränderte (gv) Pflanzen, die den RNAi-Mechanismus nutzen, um Schadinsekten oder Viren fernzuhalten und neuerdings auch Stoffe zur äußerlichen Anwendung. Letzteres Verfahren steckt noch in den Kinderschuhen, aber die ersten Vorbereitungen zur Vermarktung und Anwendung im freien Feld laufen bereits.

Was ist RNAi?

Die RNA-Interferenz ist natürlicherweise vor allem ein Mechanismus zur Abwehr von Viren. Beobachten lässt er sich in den Zellen von Lebewesen, die einen Zellkern besitzen. Viren injizieren ihre doppelsträngige RNA (dsRNA) in Zellen, um die dortigen biochemischen Komponenten zur Synthese ihrer Proteine zu nutzen und sich zu vermehren. Erkennt die Zelle dsRNA, bearbeitet sie diese, blockiert damit die verbleibende Viren-RNA und verhindert somit die Entstehung von Viren-Proteinen. Da Zellen zudem selbstständig dsRNA produzieren, kann der gleiche Mechanismus auch zur eigenen Genregulierung verwendet werden. RNAi ermöglicht das Stoppen oder Hemmen der Genexpression und wird daher auch Gene-Silencing – also Gen-Verstummung – genannt. Ganz neu ist das nicht, ein ähnlicher Prozess der Genregulierung ist von Bakterien bekannt und wurde schon in Nutzpflanzen eingebaut. Einige der ersten gv-Pflanzen, wie die Tomate FlavrSavr oder die Kartoffel Amflora, basieren auf diesem Mechanismus. Durch die RNAi-Technologie kann jetzt aber nicht nur die Genregulation des eigenen Organismus verändert werden, sondern auch diejenigen anderer Organismen, die mit der Pflanze Kontakt haben. So wurde in Brasilien eine gv-Bohne entwickelt, die durch RNAi gegen das Golden-Mosaik-Virus resistent ist. Ein weiteres Anwendungsgebiet von großem Interesse ist der Schutz von Pflanzen vor pflanzenfressenden Insekten. Der langjährige MONSANTO-Mitarbeiter James Baum veröffentlichte zusammen mit anderen WissenschaftlerInnen 2007 einen Artikel, der als ein Meilenstein in der Entwicklung von RNAi-Pflanzen gilt.(2) In ihrer Studie nutzten sie spezifische dsRNA, um Schadinsekten auszuschalten. Dazu verwendeten sie dsRNA, das einem überlebenswichtigen Protein von Käfern nachempfunden ist. Mit dem Verzehr gelangt die künstliche dsRNA in die Zellen und startet dort den RNAi-Verteidigungsmodus, der neben der künstlichen RNA auch die RNA des Tiers zerstört. Das überlebenswichtige Protein wird nicht mehr gebildet, und der Käfer stirbt. Auf Grundlage dieser Untersuchung entwickelte MONSANTO den gv-Mais MON87411, der in den USA und Kanada zum kommerziellen Anbau und 2019 in der EU als Lebens- und Futtermittel zugelassen wurde.

BAYERs „Monster-Mais“

Noch 2022 erwartet die BAYER AG die Zulassung eines ihrer neuen Gentech-Produkte auf dem US-Markt. Bei der US-amerikanischen Aufsichtsbehörde EPA läuft momentan das Genehmigungsverfahren für den Mais Smartstax PRO, der bisher in Brasilien, Kanada und Japan für den Anbau zugelassen ist. Der Mais ist eine Weiterentwicklung von MONSANTOs (jetzt BAYER) Genmais der Smartstax-Produktreihe, der sechs verschiedene, für Insekten giftige Bt-Toxine produziert sowie Resistenzen gegenüber Glypohsat und Glufosinat besitzt. Nun soll der PRO-Mais zudem auch noch die für den Käfer „Westlicher Maiswurzelbohrer“ giftige dsRNA aus dem MON87411 produzieren. Die sogenannte Stapelung von verschiedenen gv-Eigenschaften wie unterschiedlichen Bt-Toxinen und dsRNA soll der Resistenzentwicklung bei Insekten entgegenwirken. Allerdings wurde schon beim SmartStax-Mais von Nichtregierungsorganisationen kritisiert, dass mögliche Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Toxinen sowie zwischen den Toxinen und den Herbizid-Rückständen weder in den Studien noch in der Risikoprüfung der EU beachtet werden. So bestätigten Pestizid-ExpertInnen der EFSA, dass es zu wenig Daten gibt, um die Sicherheit der Glyphosatrückstände in gv-Pflanzen zu bewerten.(3) Leider stimmen die Gentechnik-Abteilung der EFSA und die EU-Kommission dieser Einschätzung nicht zu und scheinen auch weitere Kritik an der momentanen Risikoprüfung von gv-Pflanzen nicht ernstzunehmen. Somit konnte BAYER-Chef Werner Baumann auf der Hauptversammlung 2022 auch getrost verlauten lassen: „Bei CROPSCIENCE überprüfen wir während der Entwicklungsphase alle unsere Produkte in behördlich und international vorgeschriebenen Tests auf ihre Sicherheit für den Anwender, die Umwelt und die Konsumenten.“ Aber gerade diese Tests sind es, die Mängel in der Methodik haben.(4,5)

RNAi-Pestizide

Alle die bis hierher genannten Produkte haben gemeinsam, dass durch gentechnische Verfahren Gene in Pflanzen eingebaut wurden, die über RNAi auf die Pflanze selbst oder andere Organismen wirken. Diese Pflanzen gelten daher als gv-Organismen und fallen dementsprechend unter die Gentechnik-Regulierung. Damit sie auf den Markt gebracht werden dürfen, müssen sie in den meisten Ländern ein Zulassungsverfahren inklusive Risikoprüfung durchlaufen sowie gekennzeichnet werden – und mit der kritischen Haltung vieler KonsumentInnen leben. Große Hoffnungen legt die Biotech-Industrie daher in die Entwicklung von rein äußerlichen RNAi-Anwendungen zum Pflanzenschutz. Diese werden bisher nämlich nicht als Gentechnik eingestuft, da sie keine Veränderungen der DNA bewirken sollen. Aus diesem Grund wird in den Staaten, die diese Anwendung bereits diskutieren, eine äußerliche RNAi-Anwendung voraussichtlich als Pestizid behandelt. Neben den USA, Australien und Neuseeland läuft auch innerhalb der „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (OECD) ein Prozess zur Einordnung und Risikoeinschätzung dieser neuen Anwendungen, der auch richtungsweisend für Deutschland ist.(6) Jack Heinemann, Professor für Genetik an der Universität von Canterbury, kritisierte 2019 die Einschätzung der Neuseeländischen Umweltbehörde. Er verweist in seinem Artikel auf einige Interaktionen zwischen RNA und der Erbinformation, die als Mechanismus und mit ihren unbeabsichtigten Folgen der möglichen Erbgutveränderung nicht beachtet werden in der Risikobewertung. Heinemann plädierte daher für eine strengere Prüfung. (7) Der am Horizont winkende neue Markt hat dazu geführt, dass bereits viele Start-ups, fast alle außerhalb Europas ansässig, gegründet wurden, um an möglichen Produkten zu arbeiten. Innerhalb der EU forschen die großen Agrarkonzerne an der Technologie. BAYER etwa arbeitet seit Jahren sowohl an gv-Pflanzen als auch an RNAi-Pestiziden. Die Expertise hierfür wurde vor allem durch die Fusion mit MONSANTO gewonnen. Aber andere positionieren sich ebenfalls. So hat SYNGENTA 2012 das in Belgien ansässige multinationale Agrarbiotechnologieunternehmen DEVGEN für 523 Million Dollar aufgekauft, um im Bereich „RNAi-Pestizide“ zu expandieren.

Die Vor- und Nachteile

Für die Konzerne ist das Herumkommen um die Gentech-Regulierung ein Plus. Externe RNAi-Anwendungen haben im Vergleich mit gv-Pflanzen oder chemischen Pestiziden aber durchaus auch ökologische Vorteile. So kann ihr Einsatz zielgenauer erfolgen, nämlich nur dann, wenn ein großes Schadinsekten-Aufkommen zu erwarten ist und sie folglich tatsächlich benötigt werden. Gv-Pflanzen hingegen, die ständig Toxine produzieren, werden immer schon vorsorglich angebaut, so dass diese Substanzen ständig in der Umgebung sind. Dies befördert die Entstehung von Resistenzen bei Insekten und hat einen größeren Einfluss auf ökologische Systeme. Neben der selektiven Ausbringung bieten überdies RNAi-Pestizide noch einen zweiten Vorteil. Sie zerfallen sehr schnell beim Kontakt mit UV-Licht, was für den Pflanzenschutz hinderlich, aber hinsichtlich der Umweltauswirkungen durchaus positiv ist. Allerdings weisen WissenschaftlerIinnen darauf hin, dass sich die Moleküle doch länger im Boden halten könnten als vermutet.(8) Es wird angenommen, dass Pestizide, die auf RNAi basieren, deutlich spezifischer vorgehen als herkömmliche Insektizide. Viele chemische Insektizide wirken auf das Nervensystem, die Zellmembranen oder hemmen das Wachstum in frühen Entwicklungsstadien. Je ähnlicher die biochemischen Reaktionen in verschiedenen Organismen sind, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass ein chemischer Stoff für beide Organismen schädlich ist. Die RNAi soll hingegen auf der art-eigenen mRNA-Sequenz von Proteinen beruhen. Einige Studien mahnen jedoch zur Vorsicht und verweisen auf überraschende Forschungsergebnisse sowie Wissenslücken. So hängt es anscheinend sehr vom Mechanismus der RNAi, der Länge der verwendeten RNA-Sequenzen sowie der Sensibilität der Organismen ab, ob auch Nicht-Ziel-Arten betroffen sein könnten. Überdies kann es innerhalb der Organismen zu Nebeneffekten kommen, die noch wenig verstanden sind. (9,10,11) Problematisch ist zudem, wie bei gv-Organismen oder Pestiziden auch, dass Nebeneffekte immer nur an einer Auswahl von Insekten, die besondere Ähnlichkeiten haben oder als besonders schützenswert gelten, getestet werden.(12)

Systemfrage

Bereits jetzt wird deutlich, dass Insekten und Viren auch gegen diese Art der Bekämpfung Resistenzen entwickeln.(13,14) Somit sind Pestizide, die auf der RNAi-Technologie basieren, wohl nicht die große Lösung – der wichtige, unabdingbare Schritt zu einer nachhaltigen Landwirtschaft, den BAYER & Co. in ihnen sehen wollen. Vielmehr sind sie wieder nur eine weitere Entwicklungsstufe in der technologischen Tretmühle der industriellen Landwirtschaft. Möglicherweise führt der Einsatz von RNAi-Pestiziden zu einer etwas weniger vergifteten Landwirtschaft, was besser ist als nichts. All die bekannten Defizite des überholten Landwirtschaftsmodells bleiben jedoch bestehen und werden durch eine wissens-, kapital- und materialintensive Technologie weiter verstetigt. Quellen: (1) Deutsche Welle (02.10.2006): Nobelpreis an US-Forscher für das Stummschalten von Genen. Online: https://p.dw.com/p/9CBP (2) Baum, J.A. et al. (2007): Control of coleopteran insect pests through RNA interference. Nat. Biotechnol. Vol:25(11), Seite: 1322-6, DOI: 10.1038/nbt1359 (3) European Food Safety Authority (EFSA) (2019): Review of the existing maximum residue levels for glyphosate according to Article 12 of Regulation (EC) No 396/2005 – revised version to take into account omitted data. EFSA Journal, Vol: 17(10), Seite: 211, HYPERLINK „https://doi.org/10.2903/j.efsa.2019.5862“ DOI:10.2903/j.efsa.2019.5862 (4) Hilbeck, A. et al. (2020): Insecticidal Bt crops: EFSA’s risk assessment approach for GM Bt plants fails by design. Report of the results from the RAGES project 2016-2019. Online: www.testbiotech.org/projekt_rages (5) Testbiotech (18.10.2019): Das Problem mit der Gentechnik und der unabhängigen Risikoforschung in der EU. Online: https://www.testbiotech.org/content/das-problem-mit-der-gentechnik-und-der-unabhaengigen-risikoforschung-der-eu (6) OECD (2020): Considerations for the Environmental Risk Assessment of the Application of Sprayed or Externally Applied ds-RNA-Based Pesticides. Online: HYPERLINK „https://www.oecd.org/officialdocuments/publicdisplaydocumentpdf/?cote=env/jm/mono(2020)26&doclanguage=en“ https://www.oecd.org/officialdocuments/publicdisplaydocumentpdf/?cote=env/jm/mono(2020)26&doclanguage=en (7) Jack, A. H. (2019): Should dsRNA treatments applied in outdoor environments be regulated? Environmental International, Vol: 132, DOI: 10.1016/j.envint.2019.05.050. (8) Kimberly, M. P. et al. (2019): Environmental Fate of RNA Interference Pesticides: Adsorption and Degradation of Double-Stranded RNA Molecules in Agricultural Soils. Environmental Science & Technology, Vol: 53 (6), S: 3027-3036, DOI: 10.1021/acs.est.8b05576 (9) Chen, J. et al. (2021): Off-target effects of RNAi correlate with the mismatch rate between dsRNA and non-target mRNA. RNA Biol. Vol: 18(11), S:1747-1759. DOI: 10.1080/15476286.2020.1868680. (10) Taning, C.N.T. et al. (2021): A sequence complementarity-based approach for evaluating off-target transcript knockdown in Bombus terrestris, following ingestion of pest-specific dsRNA. J. Pest. Sci., Vol: 94, Seiten 487–503, DOI: 10.1007/s10340-020-01273-z (11) Dalakouras, A.; Papadopoulou, K.K. (2020): Epigenetic Modifications: An Unexplored Facet of Exogenous RNA Application in Plants. Plants Vol.9, S.673. DOI: 10.3390/plants9060673 (12) Carstens K. et al. (2014): Surrogate species selection for assessing potential adverse environmental impacts of genetically engineered insect-resistant plants on non-target organisms. GM Crops Food 5, 11–15. DOI: 10.4161/gmcr.26560 (13) Mishra, S., et al. (2021): Selection for high levels of resistance to double-stranded RNA (dsRNA) in Colorado potato beetle (Leptinotarsa decemlineata Say) using non-transgenic foliar delivery. Sci Rep Vol:11, DOI:10.1038/s41598-021-85876-1 (14) Darlington, M. et al. (2022): RNAi for Western Corn Rootworm Management: Lessons Learned, Challenges, and Future Directions. Insects, 13, 57. DOI:10.3390/insects13010057.

SWB 04/2022 – Die Schrumpfkur

CBG Redaktion

BAYER & Co. zerfleddern Bidens Klima- und Sozialpaket

Die Schrumpfkur

Der Extrem-Lobbyismus von BAYER & Co. hat vom Gesetzes-Bündel der Biden-Administration zur Klima- und Sozialpolitik nicht mehr viel übrig gelassen. Von 3,5 Billionen auf 433 Milliarden Dollar schrumpfte der Etat.

Von Jan Pehrke

„Build back better“ – mit einem billionen-schweren Gesetzespaket dieses Namens wollte die Biden-Administration den Neustart der US-Ökonomie nach Corona einläuten. Nicht weniger als 3,5 Billionen Dollar plante sie für Sozial- und Klimaschutzprojekte ein. Unter anderem sah der „Build back better“-Act bessere Krankenversicherungsleistungen, mehr Kinderbetreuungsangebote, bezahlte Elternzeit, Steuerentlastungen für Familien, erleichterte Hochschul-Zugänge und eine Stärkung der Altenpflege vor. Die zweite Säule umfasste finanzielle Anreize für die Industrie zur Realisierung von Klimaschutz-Investitionen in Höhe von 555 Milliarden Dollar. Zur Gegenfinanzierung beabsichtigten Biden & Co. unter anderem, die von Donald Trump veranlasste drastische Unternehmenssteuer-Senkung wieder etwas zurückzufahren und die Arzneimittel-Preise zu senken. Das passte BAYER & Co. natürlich gar nicht. Also startete die Industrie eine Kampagne, die auch verfing. Am Ende blieben von den 3,5 Billionen Dollar gerade einmal 433 Milliarden übrig und viele Maßnahmen Makulatur. Die Strategie der Industrie, die schließlich zum Erfolg führte, bestand darin, die hauchdünne Mehrheit der Demokraten im Senat zu unterminieren und Abgeordnete mittels üppiger „Wahlkampf-Hilfe“ aus der Fraktion herauszulösen. So erhielten Carolyn Bourdeaux, Ed Case, Jim Costa Henry Cuellar, Jared Golden, Vincente Gonzales, Josh Gottheimer, Joe Manchin, Stephanie Murphy Kurt Schrader, Kyrsten Sinema und Filemon Vela hunderttausende Dollar. Allein der Leverkusener Multi bedachte Gottheimer, Murphy und Schrader mit je 2.500 Dollar und Jim Costa mit 1.000 Dollar. Die konservativen Demokraten-Zirkel „Moderate Democrats“ und „Blue Dog Coalition“ erhielten noch mal je 5.000 Dollar vom Global Player. Andere DAX-Konzerne wie AIRBUS, BASF, SIEMENS, DEUTSCHE TELEKOM und das Familien-Unternehmen BOEHRINGER zeigten sich ebenfalls erkenntlich. Das meiste Geld zum Rückbau von „Build back better“ stammte allerdings nicht von den einzelnen Firmen selbst, sondern von ihren Interessensverbänden wie dem „Business Roundtable“, dem „US Chamber of Commerce“ und den „Pharmaceutical Research & Manufacturers of America“ (PhRMA). Der „Business Roundtable“ stieß sich vor allem an Bidens Plan, den Unternehmenssteuersatz von 21 auf 28 Prozent zu erhöhen, während die PhRMA warnte, eine Kappung der Arznei-Preise würde „das gleiche innovative Ökosystem zerstören, aus dem lebensrettende Impfstoffe und Therapien zur Bekämpfung von COVID-19 erwuchsen“. Das „American Action Network“ bezeichnete das Vorhaben gleich als eine „sozialistische Übernahme des Medikamenten-Marktes“, und sogar eine eigene „Coalition Against Socialized Medicine“ brachten Bayer & Co. an den Start.

Der Etat schrumpft

Die Wirkung blieb nicht aus. In den Verhandlungsrunden schrumpfte der Etat mehr und mehr. Ende 2021 reduzierte er sich von 3,5 Billionen Dollar auf 1,75 Billionen. Trotzdem ließen sich die abtrünnigen Demokraten nicht erweichen und verhinderten die Verabschiedung des Paragrafen-Werks noch vor dem Jahres-Wechsel. „Mir ist klar, dass die Pharma-Industrie die Republikaner-Partei besitzt und dass kein Republikaner für ein solches Gesetz stimmt, aber es gibt keine Entschuldigung für einen Demokraten, es nicht zu unterstützen“, erboste sich Bernie Sanders damals über seine KollegInnen. Ein paar Monate und Spar-Runden später blieb nicht einmal der Name übrig. Unter „Inflation Reduction Act of 2022“ firmiert „Build back better“ nun nicht ganz zu Unrecht, denn nach den ganzen Streichungen bleibt unterm Saldo ein Plus von 306 Milliarden Dollar übrig. Ausgaben von 433 Milliarden stehen erwartete Einnahmen von 739 Milliarden gegenüber. In der Schrumpf-Version ersetzt nun ein Mindeststeuer-Satz von lediglich 15 Prozent für Firmen mit einem Umsatz von mehr als einer Milliarde Dollar die Unternehmenssteuer-Reform. Private-Equity-ManagerInnen müssen nicht einmal die 15 Prozent zahlen und auch keine höheren Abzüge auf ihre Kapital-Erträge mehr fürchten. Eine Erbschafts- und eine MillionärInnensteuer finden sich in der endgültigen Fassung ebenfalls nicht mehr. Jedoch erhebt der „Inflation Reduction Act“ nun eine Abgabe auf Aktien-Rückkäufe. Darüber hinaus beabsichtigt die Biden-Administration, Steuer-Schlupflöcher zu schließen und die Finanzämter besser auszustatten. Sie will diese mit einer Investition von 80 Milliarden Dollar wieder auf den Stand von 2011 bringen und damit die Kürzungsorgien der vergangenen Jahre rückgängig machen. Mit zusätzlichen 87.000 FinanzbeamtInnen erhofft sich die Regierung den Fiskus zu befähigen, mehr von den Steuern, die dem Staat eigentlich zustehen, einzutreiben. Bisher belaufen sich die nicht realisierten Steuer-Einnahmen nach Einschätzung von ExpertInnen auf rund drei Prozent des Bruttoinlandprodukts.Pharma-Sektor brauchen sich BAYER & Co. erst ab 2026 auf Arzneipreis-Verhandlungen mit Medicare, der staatlichen Krankenversicherung für ältere US-AmerikanerInnen, einzustellen. Überdies kommen dabei vorerst nur 60 Präparate auf den Tisch – und nicht einmal die neuen, oft besonders teuren Mittel. Des Weiteren sieht das Gesetz vor, die Arznei-Zuzahlungen von SeniorInnen auf 2.000 Dollar zu deckeln und die Preissteigerungen für Pillen auf die Inflationsrate zu begrenzen.

Klima-Ziele in weiter Ferne

369 der 433 Milliarden Dollar gehen in den Klimaschutz. Unter anderem enthält das Maßnahmen-Bündel Mittel zum Ausbau der Sonnen- und Windenergie, die nach Berechnungen der „American Clean Power Association“ für bis zu 550 Gigawatt zusätzlichen sauberen Strom sorgen. Überdies stellt es 27 Milliarden Dollar zur Gründung einer „grünen“ Bank und 1,5 Milliarden Dollar zur Reduktion von Methan-Emissionen bereit. Darüber hinaus sieht das Förder-Paket Zuschüsse für die energie-effiziente Umgestaltung von Wohnhäusern vor. Für Bio-Kraftstoffe stehen 200 Millionen Dollar zur Verfügung. Da es sich bei den dafür benötigten Ackerfrüchten zumeist um gentechnisch veränderte handelt, betrachtet die Initiative CENTER FOR FOOD SAFETY diese Gelder allerdings lediglich als „weitere Subventionen für die GVO-Technologie“. Darüber hinaus gibt es Gelder zur Förderung der Batterie-Produktion und eine Steuergutschrift in Höhe von 7.500 Dollar für KäuferInnen von Elektro-Autos. Dafür muss allerdings ein bestimmter Anteil der Batterie-Komponenten aus heimischer Herstellung stammen, was sogleich Proteste der EU nach sich zog. „Die Europäische Union ist zutiefst besorgt über dieses neue potenzielle Handelshindernis“, erklärte eine Sprecherin der EU-Kommission und richtete einen Appell an die Biden-Administration: „Wir fordern die USA auf, diese diskriminierenden Elemente aus dem Gesetzes-Entwurf zu entfernen und sicherzustellen, dass er im Einklang mit der WHO steht.“ Mit diesem von 555 Milliarden auf 369 Milliarden heruntergekürzten Klima-Bud-get vermag die Biden-Administration nach Ansicht von Energie-Fachleuten ihr im April 2021 verkündetes Klima-Ziel, die Treibhausgas-Emissionen bezogen auf das Jahr 2005 um 50 bis 52 Prozent bis 2030 zu reduzieren, nicht zu erreichen. Es langt lediglich zu einer 40-prozentigen Absenkung. Zudem ist längst nicht alles im grünen Bereich, was das Paragrafen-Werk vorhält. Auf Drängen des vehementesten demokratischen Blockierers, Joe Manchin, erlaubt es Firmen, die vor den Küsten der USA Öl- oder Gasförderung betreiben wollen, die betreffenden Areale vom Staat zu pachten. Darüber hinaus erreichte der Bremser, der über das Unternehmen ENERSYSTEMS selbst Einkünfte aus dem Kohle-Business bezieht, den Weiterbau der „Mountain Valley“-Gaspipeline. Damit nicht genug, gewährt das Gesetz Atomkraftwerk-Betreibern eine Steuer-Gutschrift in Höhe von 30 Milliarden Dollar. Aus dem Sozialprogramm fielen derweil die bezahlte Elternzeit, Steuerentlastungen für Familien, bezahlte Krankheits- und Familienurlaube, die Abschaffung von Hochschul-Gebühren, Zuschüsse für die Altenpflege, Wohnungsbau-Maßnahmen, Wohngeld und Ausweitung der Medicare-Leistungen auf Zahn-, Seh- und Hörhilfen weg. „Das Verfahren hat alle möglichen Schwächen und Widerstände gegen Reformen in den USA enthüllt“, resümierte die taz und nannte dabei nicht zuletzt auch die fortwährenden Interventionen von BAYER & Co. „Und so haben einige der mächtigen Lobbys der Welt – darunter die Energie-Erzeuger und die Pharma-Konzerne – das gesetzgeberische Verfahren der gewählten Repräsentanten der USA nach Strich und Faden verzögert, behindert und beeinflusst“, schreibt die Zeitung und zeigt sich mit dem Ergebnis dennoch zufrieden. Ganz im Gegensatz zu den Unternehmen. Der Präsident des Pharma-Verbandes PhRMA, Stephen Ubl, sprach von einer „Litanei falscher Versprechungen“. Er machte einen „tragischen Verlust für die Patienten“ aus und prophezeite einen Rückgang der Innovationen. „[D]ieses Gesetz wird zu weniger neuen Heilmitteln und Behandlungsformen für Patienten führen, die gegen Krebs, Alzheimer und andere Krankheiten kämpfen“, so Ubl. Seine PhRMA-Kollegin Sarah Sutton schloss sogar rechtliche Schritte nicht aus. Der Leverkusener Multi verstärkt derweil seine Lobby-Anstrengungen auf den Politik-Feldern „Arznei-Preise“ und „Medicare-Erstattungen“, um sich auf die neuen Gegebenheiten einzustellen. Zu diesem Behufe hat er das Unternehmen WILLIAMS & JENSEN engagiert, die ein Team aus sieben Personen nach Washington ins Rennen schickt, wo es dann die Arbeit der neun anderen in BAYER-Diensten stehenden Firmen sowie diejenige der konzern-eigenen AntichambriererInnen verstärkt. Überdies haben einige BeobachterInnen schon Strategien ausgemacht, mit denen die Pillen-Riesen mögliche Einkommensverluste kompensieren könnten. Sie rechnen mit höheren Preisen für die nach wie vor unregulierten neuen Medikamente und mit höheren Belastungen für privat Versicherte. Zu geringeren Renditen dürfte es also wieder mal nicht kommen.

SWB 04/2022 – Der Lobby-Tsunami

CBG Redaktion

BAYER & Co. opponieren gegen die Klimapolitik der EU

Der Lobby-Tsunami

Brüssel will den Handel mit Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten reformieren, um die Klimaschutz-Vorgaben des Green Deals erfüllen zu können. BAYER & Co. wehren sich dagegen nach Kräften.

Von Jan Pehrke

Im Jahr 2005 hat die Europäische Union den Emissionshandel mit Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten eingeführt. Der sogenannte EU-EHS sieht vor, BAYER & Co. CO2-Emissionen nur in einem bestimmten Umfang zu gestatten. Alles, was über ein bestimmtes Limit hinausgeht, sollte die Konzerne teuer zu stehen kommen und sie zum Bau weniger klima-schädlicher Anlagen veranlassen. Aber die disziplinarische Wirkung dieser Maßnahme hält sich in Grenzen, weil die Unternehmen damals durch Extrem-Lobbyismus das Schlimmste verhindert haben. So gewähren viele Regierungen einen Ausgleich für die Kosten, die durch die CO2-Preise entstehen. Auch fallen nur Kraft- und Heizwerke unter die Regelung, Fertigungsstätten bleiben indessen verschont. Darum braucht der Leverkusener Agro-Riese kaum Emissionshandel zu betreiben. Mit lediglich fünf Anlagen, die für noch nicht einmal zehn Prozent seines jährlichen CO2-Ausstoßes von zuletzt 3,17 Millionen Tonnen sorgen, beteiligte er sich im Geschäftsjahr 2021. In Deutschland waren dies der Supply Center in Bergkamen, das Berliner Energie-Zentrum und das Wuppertaler Heizhaus. Zudem erhalten die Firmen dank ihrer Drohung, ansonsten aus Europa abzuwandern, viel zu viele Zertifikate umsonst zugeteilt. Aus diesem Grund kommt es sie billiger, ihre Dreckschleudern am Netz zu halten, als sie zu ersetzen. „Der CO2-Preis liegt (...) sowohl im europäischen als auch nationalen Emissionshandel auf absehbare Zeit unter den Vermeidungskosten vieler CO2-armer Schlüsseltechnologien in der Industrie“, befindet eine Untersuchung, die Agora Energiewende und die Unternehmensberatung ROLAND BERGER in Tateinheit mit BAYER, BASF, BP, SIEMENS und anderen Firmen erstellt haben, und konstatiert „Investitionsattentismus“. Eine Studie der nordrhein-westfälischen Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen bestätigt den Befund: „[D]ie Industrien schieben Neuinvestitionen bereits seit mehr als einem Jahrzehnt auf.“ Lediglich eine Klima-Innovation kann der Global Player deshalb vorweisen: Die gerade im Bau befindliche Arznei-Fertigung am Standort Leverkusen wird durch ein Geothermie-Kraftwerk mit Erdwärme als Energieträger versorgt.

Der neue Klima-Deal

Trotz einiger Reformen des EU-EHS hat sich an dieser Situation nicht viel geändert. Darum entstand mit dem Green Deal von 2019, der auf dem Gebiet der Europäischen Union eine Reduktion der CO2-Emissionen um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 bis zum Jahr 2030 vorsah, Handlungsbedarf. Die EU-Kommission schlug vor, den Geltungsbereich des Emissionshandels auszuweiten sowie die Bestimmungen zu verschärfen und so den Kohlendioxid-Ausstoß in den einzelnen Sektoren um 61 Prozent bezogen auf den Stand von 2005 zu senken. Unter anderem trat sie dafür ein, den See-Verkehr einzubeziehen und ein eigenes System für Gebäude und Verkehr zu schaffen. Überdies plädierten von der Leyen & Co. dafür, die kostenlose Zuteilung von Verschmutzungsrechten bis 2035 schrittweise zu beenden und die Schonung der eigenen Industrie stattdessen durch einen Grenzausgleich, eine Art von CO2-Einfuhrzöllen, zu bewerkstelligen. Zudem sprach sich die Kommission dafür aus, das Instrument der Marktstabilisierungsreserve zu stärken, das dem Handel Zertifikate entziehen kann, um einen Preisverfall zu stoppen. Dazu wollte sie eine Regelung schaffen, die es erlaubt, die Verschmutzungsrechte dauerhaft zu löschen, wenn sich davon mehr als 400 Millionen angesammelt haben. Der Rat der Mitgliedsländer schloss sich dem allen dann weitgehend an und konkretisierte die einzelnen Punkte lediglich. Der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments formulierte dagegen ehrgeizigere Ziele. Das Gremium sprach sich für eine Verringung der Emissionen um 67 Prozent aus. Es zog deshalb in seiner Vorlage das Ende der kostenlos ausgegebenen CO2-Zertifikate von 2035 auf 2030 vor und erweiterte überdies die Palette der Stoffe, die unter den CO2-Grenzschutz fallen um organische Chemikalien, Polymer-Kunststoffe und Wasserstoff. Nur so sah es der Ausschuss als realistisch an, die Erderwärmung gemäß dem Übereinkommen von Paris bis zum Ende des Jahrhunderts auf 1,5 Grad begrenzen zu können. Das hatte vor dem Parlament allerdings keinen Bestand. Am 8. Juni 2022 gelangte stattdessen ein Kompromiss-Paket zur Abstimmung, das jedoch auch keine Mehrheit fand. Lediglich 63 Prozent weniger Kohlendioxid-Emissionen und Verschmutzungsrechte für lau bis 2034 – das war mit den Abgeordneten nicht zu machen. Die „Europäische Volkspartei“ mit ihrem Chef-Unterhändler Peter Liese von der CDU habe zusammen mit den Parteien vom rechten Rand versucht, den Kommissionsvorschlag „zu verwässern, wo es nur möglich war“, erboste sich Tiemo Wölken von der sozialdemokratischen Fraktion. Und auch die Grünen sagten nein zu dem, was ihr Parlamentarier Michael Bloss einen „von der fossilen Lobby und Allianz aufgeweichten Emissionshandel“ nannte. So kam zwei Wochen später alles auf Wiedervorlage. Die 63 Prozent überstanden den Prozess unbeschadet. Dafür gingen die Abgeordneten bei den Maßnahmen zur Regulierung der Zertifikatspreise weiter. Sie traten für eine Löschung von insgesamt 120 Millionen CO2-Verschmutzungsrechten ein. Und kostenlose CO2-Zertifikate soll es meistenteils nur noch bis 2032 geben. Ob die Grenzabgabe als Alternativ-Instrumentarium auch für Chemikalien, Polymer-Kunststoffe und Wasserstoff zu zahlen ist, machten die EU-PolitikerInnen von genaueren Untersuchungen abhängig. Dafür schlossen sie sich der Forderung der Bundesregierung an, BAYER & Co. für die Ausfuhr von energie-intensiv produzierten Stoffen weiterhin Verschmutzungslizenzen zum Nulltarif zur Verfügung zu stellen. Damit setzten sie sich über Bedenken der EU-Kommission hinweg, die Zweifel hegt, ob eine solche Regelung im Einklang mit den Bestimmungen der Welthandelsorganisation steht.

Extremer Lobby-Druck

Bei dem Ganzen haben BAYER & Co. mehr als nur ein Wörtchen mitgeredet. „Von einem regelrechten ‚Lobby-Tsunami’ sprachen einige Abgeordnete“, meldete der Spiegel. Möglichst „wirtschaftsfreundlich“, „flexibel“ und „technologie-offen“ wollten BAYER & Co. den neuen Emissionshandel haben. Nachdem der Umweltausschuss des EU-Parlaments Mitte Mai seine Vorschläge veröffentlicht hatte, schlug der „Verband der Chemischen Industrie“ Alarm. „Sollte die Position des Parlaments unverändert in die finale EU-Richtlinie eingehen, droht statt einer klima-neutralen europäischen Industrie ein klima-neutrales Europa ohne Industrie“, warnte VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup. Mit den verschärften Reduktionszielen und ohne die verschenkten Verschmutzungszertifikate könne die Industrie die Transformation nicht schaffen, erklärte er. Selbstredend ergriff Große Entrup, der lange Zeit in Diensten BAYERs stand, auch die unpassende Gelegenheit, den Ukraine-Krieg für die Sache der Multis zu instrumentalisieren. Der Umweltausschuss blende die unsichere geopolitische Lage und die massiv gestiegenen Energie-Kosten für die Unternehmen komplett aus“, empörte sich der gelernte Agrar-Ingenieur. Und das Urteil über den Vorschlag, auf den sich die EU-ParlamentarierInnen am 22. Juni letztlich einigten, fiel nicht eben besser aus. Der Verband sieht überhaupt keinen Reform-Bedarf. „Das bisher im Emissionshandel etablierte und funktionierende System der Zuteilung von Zertifikaten verhindert Verlagerungen von Treibhausgas-Emissionen in andere Weltregionen“, behauptete er. Der an die Stelle der unentgeltlichen Verschmutzungsrechte tretende Grenzausgleich-Mechanismus ist für BAYER & Co. schlichtweg ein „Bürokratie-Monster“. Nach Einschätzung der Konzerne kostet die Kohlendioxid-Produktion jetzt schon viel zu viel: „Wenn die Preise für CO2-Zertifikate weiter so zulegen wie in den letzten Monaten, fliegt uns das ganze System um die Ohren. Dann brauchen wir im Wettbewerb mit anderen Weltregionen gar nicht mehr anzutreten“, sagt Jörg Rothermel, der Leiter der VCI-Abteilung „Energie, Klimaschutz und Rohstoffe“. Im weiteren Verlauf des Prozesses hat die Position der Unternehmen gute Chancen, weiter an Boden zu gewinnen, denn aus den nun anstehenden Trilog-Verhandlungen zwischen der EU-Kommission, dem MinisterInnen-Rat und dem Parlament drohen die Vorstellungen, die sich noch am ambitioniertesten ausnehmen – denjenigen der EU-Abgeordneten – nicht unbeschadet herauszukommen. Und einige Ländern wie Polen fordern wegen der infolge des Ukraine-Krieges immens gestiegenen Strom-Kosten bereits, den Emissionshandel ganz auszusetzen oder zumindest preis-mindernd mehr Zertifikate auszugeben. Dabei genügen nach Meinung vieler ExpertInnen nicht einmal die, um das Ziel von 1,5-Grad zu erreichen. Dem WWF zufolge müsste dafür der vom Emissionshandel erfasste Kohlendioxid-Ausstoß um 70 Prozent sinken. Darüber hinaus hält der Verband es für nötig, den Grundstock der zur Verteilung kommenden Verschmutzungslizenzen nicht nur um 120 Millionen zu minimieren, wie es dem Parlament vorschwebt, sondern um 350 Millionen. „Überdies bedarf es der Einführung eines Mindestpreises als Sicherheitsnetz, um einen neuen CO2-Preisabsturz zu vermeiden und um die Investitionssicherheit in Bezug auf klima-freundliche Erzeugungsformen zu stärken“, so der WWF. Und das Freiburger Öko-Institut fordert darüber hinaus, die Marktstabilisierungsreserve nicht als Zwischenlager für die dem Markt entzogenen Zertifikate zu nutzen, sondern diese nach spätestens fünf Jahren zu löschen. Aber all dies dürfte Zukunftsmusik bleiben.

SWB 04/2022 – BAYER & Co. zahlen nicht

CBG Redaktion

Keine Soli-Abgabe zur Sanierung der Krankenkassen-Kassen

BAYER & Co. zahlen nicht

Zum Haushaltsloch der Krankenkassen in Höhe von 17 Milliarden Euro haben die Arznei-Ausgaben nicht wenig beigetragen. Nicht zuletzt darum sah das „Gesetz zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung“ eine Solidarabgabe der Pharma-Riesen in Höhe von zwei Milliarden Euro vor. Aber BAYER & Co. wehrten sich erfolgreich.

Von Jan Pehrke

Kurz bevor sich das Bundeskabinett Ende Juli 2022 mit dem „Gesetz zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung“ befasste, nahm sich Gesundheitsminister Karl Lauterbach das Paragrafen-Werk noch einmal vor. „Eine der auffälligen Änderungen betrifft die Pharmaindustrie: Die im Referentenentwurf noch vorgesehene Solidaritätsabgabe von zwei Milliarden Euro über zwei Jahre ist verschwunden“, fiel dem Online-Portal der Deutschen Apotheker Zeitung auf. Wieder einmal hatte sich das Extrem-Lobbying der Pharma-Riesen ausgezahlt. Dabei sind sie alles andere als unbeteiligt an dem 17-Milliarden-Defizit der Krankenkassen. Trotz aller Eingriffe der Politik schaffen es die Firmen immer wieder, die Arznei-Budgets von DAK & Co. über Gebühr zu strapazieren. So wuchsen deren Ausgaben für Medikamente im letzten Jahr um 7,8 Prozent auf 3,4 Milliarden Euro – und die Renditen der Unternehmen entsprechend. „Der Umsatz mit rezeptpflichtigen Medikamenten (Pharmaceuticals) stieg (...) um 2,1 Prozent auf 4,818 Milliarden Euro. Die Markteinführung neuer Produkte, vor allem NUBEQA und KERENDIA, verlief weiter erfolgreich“, verkündete der BAYER-Konzern bei der Vorstellung seiner Halbjahres-Bilanz am 4. August 2022. Gerade diese neuen patent-geschützten Produkte sind es, die die Etats der Kassen belasten. So beträgt der Preis für eine Packung NUBEQA mit 112 Pillen schlappe 3.840,57 Euro. Bei der empfohlenen Dosierung von 2 x 2 Tabletten fallen Tagestherapie-Kosten von rund 137 Euro an. Da müsste ein kleiner Obulus eigentlich drin sein, aber weit gefehlt: Die Branche sah sich durch die Pläne Lauterbachs in ihren Grundfesten erschüttert und „die Konkurrenzfähigkeit des Standorts im internationalen Wettbewerb akut gefährdet“. „Anstatt die Pharma-Industrie zu schröpfen, sollte die Bundesregierung sie vielmehr als wichtigen industriellen Kern schätzen“, meinte Wolfgang Große Entrup vom „Verband der Chemischen Industrie“. Die Resilienz der Gesundheitswirtschaft müsse durch wettbewerbsfähige Preise gestärkt werden, so der VCI-Hauptgeschäftsführer, der lange in Diensten BAYERs stand. Der vom Leverkusener Multi gegründete „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VFA) sprach derweil von einer „Zäsur“. „Der Entwurf entzieht der Industrie Mittel für Investitionen in Forschung und Produktion in Milliardenhöhe“, entrüstete er sich. Dieses Wehklagen verfehlte seine Wirkung nicht: Lauterbach strich schließlich den Soli-Beitrag. Er beließ es stattdessen bei einer – auf ein Jahr befristeten – Erhöhung des Hersteller-Rabattes auf Medikamente. Zwölf statt sieben Prozent erhalten die Kranken-Versicherungen 2023. Zudem haben die Pillen-Produzenten auf Kombinationspräparate zukünftig einen 20-prozentigen Abschlag zu gewähren. Darüber hinaus dürfen sie für neue patentgeschützte Arzneien nicht mehr ein ganzes, sondern nur noch ein halbes Jahr lang Mondpreise veranschlagen. Ab dem siebten Monat nach dem Inverkehrbringen greift dann der mit dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GVK) ausgehandelte Erstattungsbetrag. Auch gibt es strengere Vorgaben für solche Pharmazeutika, die im Vergleich zu den schon länger eingeführten Mitteln kaum einen Zusatznutzen aufweisen. Überdies kommen Präparate für seltene Krankheiten jetzt lediglich unterhalb eines Jahresumsatzes von 20 Millionen Euro in den Genuss von Erleichterungen. Und schließlich verlängert das „GKV-Finanzstabilisierungsgesetz“ das Preis-Moratorium für Pharmazeutika. Das allerdings könnte die Kassen noch teuer zu stehen kommen, wenn das Paragrafen-Werk auf seinem weiteren Weg durch Bundestag und Bundesrat nicht noch Änderungen erfährt. „Die geplante Verlängerung des Preis-Moratoriums dürfte statt zu Einsparungen zu erheblichen Mehrkosten für die Krankenkassen führen. Grund ist eine seit 2018 geltende Inflationsklausel, die nun angesichts hoher einstelliger Preissteigerungsraten erstmals voll durchzuschlagen droht“, warnt der Tagesspiegel. Trotz allem ist das, was SPD, Grüne und FDP dem „Leistungsbereich Pharma“ abverlangen, BAYER & Co. immer noch viel zu viel. „Jede dieser Änderungen ist für sich genommen schon gravierend. Und im Zusammenspiel entfalten sie darüber hinaus noch eine kumulative Wirkung“, lamentiert der VFA. Wirklich Grund zum Jammern hätten dagegen die Versicherten. Ihnen bürdet der Gesetzgeber nämlich den größten Anteil am Stopfen des GKV-Finanzlochs auf. Ihr Zusatz-Beitrag erhöht sich von 1,3 auf 1,6 Prozent. Außerdem müssen die Kassen die Reserven auflösen, die sie dank der Zahlungen ihrer Mitglieder anzulegen vermochten. „Es bleibt dabei: Auch mit dem vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzes-Entwurf tragen die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler der GVK weiterhin einseitig die Belastungen“, sagt deshalb Jürgen Hohnl vom „Verband der Innungskrankenkassen“. Den Rest steuern Finanzmittel und ein Darlehen des Bundes, eine Begrenzung des Honorar-Zuwachses für Zahnärzte und andere kleinere Maßnahmen bei. Eine nachhaltige Sanierung der Krankenkassen-Kassen erreicht die Ampel-Koalition dadurch jedoch nicht – da waren BAYER & Co. vor. Darum hat Karl Lauterbach schon die nächste Baustelle aufgetan. Der Gesundheitsminister will sich aber nicht etwa an eine Bürger-Versicherung machen, die auch Besserverdienende in das staatliche System einbezieht und damit wirklich eine finanzielle Stabilisierung erreichen würde. Er droht vielmehr eine Krankenhaus-Reform an.

Chemische Kampfstoffe in Nord- und Ostsee

CBG Redaktion

BAYER muss sich am Bergungsprogramm beteiligen!

Die Bundesregierung hat ein Sofortprogramm zur Bergung von Munitionsaltlasten aus Nord- und Ostsee aufgelegt. 58 Millionen Euro stellt die Ampelkoalition dafür bis zum Jahr 2025 zur Verfügung. Allerdings reichen die Mittel nach ihren Angaben nicht aus, um die Gesamtmenge von 1,6 Millionen Tonnen Munition und mehr als 5.000 Tonnen chemischer Kampfstoffe zu sichern. „Nach Auffassung der Bundesregierung ist eine flächenhafte Beräumung und Vernichtung aller versenkten Munition nicht umsetzbar", heißt es in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke".

Wegen der großen Gefahr, die von den Mitteln für Mensch, Tier und Umwelt ausgeht, fordert die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) jedoch eine solche Komplett-Räumung – und hält diese auch für finanzierbar. „Wenn dem Staat das Geld fehlt, alle chemischen Zeitbomben aus dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg unschädlich zu machen, dann müssen BAYER und die anderen Firmen einen Beitrag leisten, denn sie waren es, die mit diesen Minen, Kampfstoffen und Bomben einst die Waffenarsenale der Militärs füllten", so CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann.

Der Leverkusener Multi hatte 1914 mit Dianisidin eine der weltweit ersten Chemie-Waffen entwickelt. Bis 1939 folgten weitere Kampfstoffe wie Chlorkohlenoxyd, Blausäure, Tabun, Sarin und Lost. Neben bestimmten Arsen-Verbindungen sieht das Umweltbundesamt dieses Lost in Form von Zäh-Lost – einer Mixtur aus Schwefel-Lost und Verdickungsmitteln – als besonders bedrohlich an. Während sich andere Kampfstoffe im Wasser nämlich allmählich zersetzen, behält diese Substanz eine feste Konsistenz und verliert kaum etwas von seiner Wirksamkeit. „Die meisten der bisher bekannten Unfälle mit Kampfstoffen wurden durch Zäh-Lost rund um das Versenkungsgebiet östlich der dänischen Ostsee-Insel Bornholm verursacht, wobei Klumpen von Zäh-Lost in Fischernetze gerieten", konstatiert die Behörde.

Die Zahl der Unfälle im Zeitraum von Januar 2010 bis Februar 2022 beziffert die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Linkspartei-Anfrage, die sich auf Informationen aus den Küstenländern stützt, auf 107. Vier Menschen starben und 256 verletzten sich.

Der Meeresbiologe Dr. Stefan Nehring hat die Vorfälle von Kriegsende 1945 bis einschließlich 2015 systematisch untersucht und kommt auf insgesamt 418 Tote und 720 Verletzte.

„Das ist ein alarmierender Befund, der dazu aufruft, schnell zu handeln und dabei umfassende Maßnahmen zu ergreifen", konstatiert Stelzmann abschließend.

Pressekontakt:

Marius Stelzmann 0211/33 39 11

CBG beim Klima-Streik

CBG Redaktion

Klimawandler BAYER

Überschwemmungen mit über 1.000 Toten, Hitze-Wellen, Waldbrände, Hurrikans, Taifune und dahinschmelzende Gletscher – das ist die Klimawandel-Bilanz der vergangenen Sommer-Monate. Der BAYER-Konzern trägt mit seinem immensen Ausstoß von Kohlendioxid und Methan das Seinige zu dieser katastrophale Lage bei. Darum beteiligt sich die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) am heutigen Freitag in Köln am Klima-Streik.

„Die Situation spitzt sich immer mehr zu, und doch gibt es kein Zeichen für eine Klima-Wende. Es geht sogar in die entgegengesetzte Richtung. Im Zuge des Ukraine-Krieges feiern die alten CO2-Dreckschleudern ein Comeback. Jetzt rächt sich, dass die Politik sich dem Extrem-Lobbyismus von BAYER & Co. beugte und die Energie-Wende verschleppte, anstatt zum Ausstieg aus Kohle und Gas und zum Einstieg in die Erneuerbaren zu drängen", konstatiert CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann.

Im Geschäftsjahr 2021 emittierte der BAYER nicht weniger als 3,17 Millionen Tonnen Kohlendioxid und 3.000 Tonnen Methan. Für einen Großteil dieser Treibhausgas-Lasten sorgt die Pestizid-Produktion im Allgemeinen und die Glyphosat-Herstellung im Besonderen. Neben allem anderen ist das Herbizid nämlich auch noch ein veritabler Klima-Killer. Um das Glyphosat-Vorprodukt Phosphor aus dem Sediment-Gestein Phosphorit zu gewinnen, muss der Ofen am US-amerikanischen Unternehmensstandort Soda Springs auf eine Betriebstemperatur von 1500° Grad kommen, wofür Energie en masse nötig ist.

Seit Langem fordert die Coordination eine Umrüstung der dortigen Fertigung. Dazu zeigt sich der Global Player aber nach wie vor nicht bereit. Und an einigen großen Niederlassungen hierzulande will er sich der Verantwortung für eine klimaschonende Strom-Versorgung sogar ganz entledigen. Er beabsichtigt, „Teile der Infrastruktur sowie der Dienstleistungsbereiche an den deutschen Standorten in Bergkamen, Wuppertal und Berlin an externe Partner zu übertragen".

„Das alles zeigt, wie wenig BAYER die Zeichen der Zeit erkannt hat. Ohne gesellschaftlichen Druck bewegt sich beim Agro-Riesen nichts. Darum gehen wir heute auf die Straße", so Stelzmann abschließend.

Pressekontakt:

Jan Pehrke 0211/30 58 49

In eigener Sache: Konzern-Widerstand nach 44 erfolgreichen Jahren in ernster Gefahr!

CBG Redaktion

Erklärung des Vorstands der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG)

Aktuell brauen sich außerordentlich große Probleme zusammen: Die internationale Neuordnung der Welt mit Ultra-Reichtum, ökologischer Krise, Corona-Pandemie und Krieg in Europa verunsichert die Menschen zutiefst. Die Konzerne kämpfen brutal um Märkte, Rohstoffe und Profite. Dafür wird die friedliche Kooperation und die internationale Zusammenarbeit rücksichtslos zerschlagen und wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr beispiellos für „Wehrhaftigkeit“ aufgerüstet. Sogar in den „reichen“ kapitalistischen Metropolen greifen aufgrund des Ruins der Sozialsysteme Hunger, Kälte und Obdachlosigkeit um sich.

Wenn Gemüse, Wohnung und Heizung nicht mehr finanziert werden können, müssen die Menschen zunehmend mit knappem Geld und spitzem Stift rechnen. Da wird auch der Spielraum für Spenden enger und enger.

Das bekommt die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) dramatisch zu spüren: Im Vorjahr erhielt die CBG zur gleichen Zeit ca. ein Drittel mehr Spenden zugewendet als heute. Zum Ende des Jahres drohen wir auf das Niveau von vor 15 Jahren abzusinken.

Doch die CBG benötigt trotz des beispiellosen ehrenamtlichen Einsatzes zur Finanzierung ihrer Arbeit Spenden. Sie erhält keinerlei institutionelle Förderung. Deshalb müssen wir Alarm schlagen.

Wir blicken seit unserer Gründung im Jahr 1978 zurück auf eine 44jährige Geschichte erfolgreichen Widerstandes gegen einen der größten Chemiekonzerne der Welt. Im Rahmen nationaler und internationaler Konzernkritik hat unsere Arbeit längst Modell-Charakter: Ausdauernde, weltumspannende zivilgesellschaftliche Kontrolle eines der ganz großen Konzerne, breitangelegte Zusammenarbeit über Länder- und weltanschauliche Grenzen hinweg unter konsequentem Ausschluss von faschistischen, rassistischen und sexistischen Gesinnungen. Die Arbeit der CBG ist beispielhaft für jeden Widerstand gegen Willkür und Verbrechen der Konzerne schlechthin.
Allerdings mussten wir eines lernen: Wenn der BAYER-Konzern im Zentrum der Kritik steht, wird der Wind rauher. Es ist dann Schluss mit Freundlichkeit. Stattdessen haben wir mit Bespitzelung und Repression zu kämpfen.
Und vor allem: Es gibt keine finanzielle Förderung durch Staat, Kirchen, großen Stiftungen und andere Institutionen wie es für größere und große „Nichtregierungsorganisationen“ aller Art üblich ist. Der lange Arm des BAYER-Konzerns reicht weit. Alle Türen schließen sich. Selbst die Gemeinnützigkeit wurde der CBG seit 1984 verweigert, weil sie „einen Teilnehmer der freien Marktwirtschaft behindert“.

Das Geld für ein Flugblatt lässt sich noch schnell sammeln, doch die Spenden für weltweite Kampagnen und regelmäßig national und international erscheinender Informationen zu mobilisieren, ist weitaus schwieriger. Zwar ist die CBG ist noch nie in Geld geschwommen und musste ständig mit fehlenden Mitteln kämpfen, aber es ist ihr 44 Jahre lang doch erfolgreich gelungen, weltumspannenden Konzern-Widerstand zu 100% aus Spenden finanzieren. Wobei es naturgemäß nicht die Vermögenden und Reichen sind, die konzern- und kapitalismuskritische Arbeit fördern.

Dabei ist aktuell Konzern-Widerstand nötiger denn je, sind es doch die Konzerne, die den Planeten plündern und ruinieren. Die hinter den Konzernen stehenden Ultrareichen nehmen für ihre Profite, ihren Reichtum, ihre Milliarden und Abermilliarden den Ruin und den Untergang des Planeten in Kauf! Ihnen müssen wir uns entgegenstellen. Sie müssen gestoppt werden, wollen wir überleben und den Planeten an die Kinder und EnkelInnen weiterreichen.

Deshalb unsere Bitte: Wenn auch Sie es für notwendig halten, dass den Konzernen auf die Finger geschaut wird, dann spenden Sie bitte, werden Sie bitte Fördermitglied.

Die Rechnung ist einfach: Wenn die Zuwendungen kleiner werden, müssen mehr Menschen sich engagieren und spenden. Es müssen mehr Menschen Fördermitglied werden oder uns vielleicht sogar als „GarantInnen“ mit einem regelmäßigen Beitrag von mind. 500 Euro jährlich unterstützen.

Und eines noch: Wir danken allen unserer treuen Unterstützerinnen und Unterstützern, die uns durch Höhen und Tiefen fördern und begleiten.

Vielen Dank.

Presse

In der taz und im nd wurde über unsere Situation berichtet.

taz.de/Bayer-kritische-Organisation/!5865704/

nd-aktuell.de/artikel/1165530.coordination-gegen-bayer-gefahren-spendenbereitschaft-in-der-krise.html

Presseerklärung: US-Saatgutproduzenten kritisieren das Agro-Oligopol von BAYER & Co.

CBG Redaktion

„Ein extremer Grad an Konzentration"

Der Verband der unabhängigen US-amerikanischen Saatgut-Produzenten hat massive Kritik an der marktbeherrschenden Position von BAYER und drei weiteren Konzernen auf dem Agrar-Markt der Vereinigten Staaten geübt. Bei allen bedeutenden Ackerfrüchten hätte sich das Quartett den Zugriff auf das für die Züchtung unerlässliche Keimplasma gesichert, so die „Independant Professional Seed Association" (IPSA). „Wir sind in einem Geschäftsumfeld, in dem vier Unternehmen das Haupt-Keimplasma für Baumwolle und Mais und alle wichtigen Technologien für diese Kulturpflanzen – plus Soja – kontrollieren", konstatiert IPSA-Geschäftsführer Todd Martin und spricht von einem „extremen Grad an Wettbewerbskonzentration".

Der IPSA zufolge beherrscht das Quartett 85 Prozent des Marktes für Gen-Mais und 76 Prozent des Marktes für Gen-Soja. Besonders schlimm stellt sich für Martin die Situation bei dem Elite-Keimplasma von Mais dar: „Etwa 90 Prozent der kommerziellen Sorten befinden sich – direkt oder indirekt durch Lizenzvergabe – im Besitz von zwei Unternehmen. BAYER CROPSCIENCE hat vor kurzem seinen Anteil am Keimplasma mit 55 Prozent angegeben, und 35 Prozent entfallen auf CORTEVA – eine Konzentration, die weit höher ist als in jedem anderen Land".

Als Grund für die Entwicklung nennt die „Independant Professional Seed Association" die Einführung genmanipulierter Gewächse Anfang der 1990er Jahre, die zu einem Konsolidierungsprozess in der Branche führte. Dieser läutete das Ende von hundert Saatgut-Firmen ein und ließ von zwölf Agro-Multis nur noch vier übrig. Der fehlende Wettbewerb wirkte sich vor allem auf die Preise aus. Für Saatgut stiegen sie laut IPSA im Zeitraum von 2000 bis 2015 um über 700 Prozent.

Einen wesentlichen Anteil an der Herausbildung des Oligopols hatte nach Einschätzung der Saatgut-Produzenten das Patentrecht. Es ermöglicht BAYER & Co., geistiges Eigentum auf ein großes Quantum des Keimplasmas zu beanspruchen und nötigt unabhängigen ZüchterInnen Lizenz-Zahlungen auf – einen ähnlichen Vorwurf hat jüngst die Initiative „No Patents on Seeds" gegen das europäische Patentrecht erhoben. Und selbst nach dem eigentlichen Ende der Patent-Laufzeit gelänge es den Multis durch juristische Winkelzüge, den Schutz zu verlängern, hält Martin fest und verweist darauf, dass es nach dem Ablauf der Schutzrechte für die ersten Gentech-Pflanzen im Jahr 2014 immer noch kaum von anderen Anbietern entwickelte Nachfolger gebe.

Die Äußerungen des Verbandschefs stehen im Zusammenhang mit einer Stellungnahme, welche die IPSA auf Aufforderung des Landwirtschaftsministeriums abgab, das ermitteln wollte, inwieweit das geltende Patent-Reglement den Wettbewerb auf den Märkten für Saatgut, Dünger und andere Produkte behindert. Dieses Vorhaben wiederum ist Teil größer angelegter Bemühungen der Biden-Administration, der Dominanz weniger großer Unternehmen in der US-Wirtschaft entgegenzutreten. Das entsprechende Dekret des US-amerikanischen Präsidenten führt neben dem Agrar-Sektor unter anderem noch das Banken- und Transport-Wesen sowie den Krankenhaus-, Pharma-, Internet- und Lebensmittelbereich auf.

„Hier besteht auch in Europa Handelsbedarf, besonders auf dem Gebiet der Landwirtschaft. Es kann nicht sein, dass das Schicksal der Welternährung vom Profit-Kalkül BAYERs und weniger anderer Multis abhängt", erklärt Marius Stelzmann von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG).

Pressekontakt:

Marius Stelzmann 0211/33 39 11

presse@cbgnetwork.org

Ein Jahr nach der Explosion

CBG Redaktion

Konsequenzen für die Verantwortlichen!

Ein Jahr liegt die Explosion bei der CURRENTA in Leverkusen nun zurück. Die Bilanz? Die Anlage ist wieder im "Normalbetrieb", weiterhin in unzulässiger Nähe zu den AnwohnerInnen.

Ermittelt wird gegen vier Beschäftigte, die die Explosion durch Fahrlässigkeit verursacht haben sollen. Aber wird gegen den Vorstand der CURRENTA ermittelt, der das gesamte, auf Profit und nicht auf Sicherheit getrimmte Modell der Entsorgung verantwortet und zeitnah nach der Explosion wieder in Betrieb nehmen wollte?

Unsere Forderungen, die wir anlässlich der Wiederinbetriebnahme der Müllverbrennungsanlage gestellt haben, bleiben weiter aktuell:

Hier zu finden

Mit unserem offenen Brief an die Konzernleitung sind wir für eine lückenlose Aufklärung und Bestrafung der Verantwortlichen eingetreten:

Der offene Brief

Ebenfalls zum Weiterlesen:

<a href="https:rp-online.de/nrw/staedte/leverkusen/leverkusen-chempark-leid-der-hinterbliebenen-ein-jahr-nach-der-explosion_aid-73505633" target="_blank" rel="noreferrer noopener">https:rp-online.de/nrw/staedte/leverkusen/leverkusen-chempark-leid-der-hinterbliebenen-ein-jahr-nach-der-explosion_aid-73505633

Drohende Konzernwillkür durch eingeschränktes Fragerecht

CBG Redaktion

Presseerklärung des Dachverbandes der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre und der CBG

  • Strittige Themen und Fragen könnten unberücksichtigt bleiben, wenn Aktiengesellschaften das Recht erhalten, die Anzahl der Fragen nach eigenem Ermessen zu begrenzen
  • Zuvor geplante, massive Einschränkungen der Aktionärsrechte nach lautstarker Kritik abgewendet
  • Umfassende Reform der Aktienrechts zur Stärkung der Aktionärsrechte nötig
  • Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre und die Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG) kritisieren die vom Bundestag verabschiedete gesetzliche Regelung zu virtuellen Hauptversammlungen als weiterhin unzureichende Alternative zur Präsenzveranstaltung, da die Organisationen Aktionär:innenrechte gefährdet sehen.

Die CBG erkennt keine Notwendigkeit für eine Änderung des Aktiengesetzes. „Es ist nicht einzusehen, warum Bayer und Co. nun auch ohne pandemische Not die Möglichkeit erhalten sollten, vor der Konzernkritik ins Internet zu fliehen und Aktionär:innen-Rechte generell zu schwächen“, erklärt CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann.

Gerade bei komplexen und strittigen Themen würden Aktiengesellschaften zu vielen kritischen Punkten keine Auskunft geben müssen bzw. diese gar nicht zur Kenntnis nehmen, wenn sie willkürlich im Voraus den Umfang von einzureichenden Fragen beschränken dürfen. Zwar müssen entsprechende Einschränkungen „angemessen“ sein, doch allein die Aktiengesellschaften können entscheiden, was sie für angemessen erachten.

„Es droht ein Flickenteppich, wie viele Fragen und damit auch Kritik die Aktiengesellschaften überhaupt zulassen“, warnt Tilman Massa vom Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre. „Das neue Gesetz überlässt es den Aktiengesellschaften, wie gut die Frage- und Informationsrechte von Aktionär:innen auf virtuellen Hauptversammlungen wahrgenommen werden können. Damit wird die Bundesregierung nicht dem im Koalitionsvertrag gemachten Versprechen gerecht, Aktionärsrechte auch auf virtuellen Hauptversammlungen vollumfänglich zu wahren. Für uns stellt die virtuelle Hauptversammlung weiterhin keine gleichwertige Alternative zur Hauptversammlung in Präsenz dar. Wir werden die Pläne und Umsetzungen durch die Aktiengesellschaften kritisch beobachten und Missstände klar benennen“, kündigt Massa an.

Laut Gesetz können Aktiengesellschaften nicht nur über Anzahl und Länge der Fragen bestimmen, sondern auch darüber, ob es eine absolute Höchstzahl von Fragen oder ein Limit pro Aktionär:in geben soll. Das könnte zu langwierigen Rechtsstreitigkeiten und Unsicherheiten führen. Zu einer Auswahl auf der Basis des Aktienbesitzes darf es nicht kommen, da Aktionärsrechte unabhängig von der Anzahl der gehaltenen Aktien gelten.

Auf der letzten Online-Hauptversammlung der Bayer AG hatte die CBG leidvolle Erfahrungen mit Konzernwillkür sammeln müssen. Just als es an die Beantwortung ihrer Fragen ging, erklärte der Versammlungsleiter mit Verweis auf die fortgeschrittene Zeit, nun keine Nachfragen mehr zu erlauben. Damit bestätigte sich der Vorwurf, den CBG-Vorstandsmitglied Axel Köhler-Schnura Bayer-Chef Werner Baumann in seinem Video-Statement gemacht hatte: mit der Online-Hauptversammlung die Aktionär:innen-Demokratie gezielt auszuhebeln und sie zu nutzen, um sich der direkten Debatte mit den Aktionär:innen zu entziehen.

Zugleich konstatieren die Organisationen, dass sich etliche Konzernverbände mit Forderungen nach massiven Einschränkungen der Aktionärsrechte, insbesondere beim Rede- und Nachfragerecht, nicht durchsetzen konnten. Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) etwa wollte „eine angemessene Auswahl an Rednern unter Berücksichtigung der Aktionärsstruktur“ treffen. So hätten Blackrock und andere Großaktionäre den Vortritt gehabt.

Die Organisationen fordern eine umfassende Reform des Aktienrechts, um die Bedingungen zur Wahrnehmung von Aktionär:innenrechten unabhängig vom Format der Hauptversammlung zu verbessern.

Um die Relevanz der Hauptversammlung und die Mitspracherechte der Aktionär:innen zu stärken, sollte der Hauptversammlung das Recht zugestanden werden, über zentrale strategische Ausrichtungen zu entscheiden. Darunter sollten auch beispielsweise Maßnahmen zum Klimaschutz fallen. Dazu sollte es möglich sein, entsprechende Anträge zu Fragen der Geschäftsführung oder strategischen Ausrichtung der Aktiengesellschaft als Punkte auf die Tagesordnung zu setzen.

Zudem sollte eine aktive Teilnahme auch in englischer Sprache möglich sein. Die Aktiengesellschaften sollten dazu die entsprechende Simultan-Übersetzung sicherstellen. Alle Hauptversammlungen sollten vollständig öffentlich über das Internet übertragen werden und auch sämtliche Stellungnahmen entsprechend öffentlich zugänglich sein. Einige Aktiengesellschaften übertragen die gesamte Hauptversammlung frei zugänglich, die meisten Aktiengesellschaften jedoch nur die Eingangsreden von Vorstand und Aufsichtsrat.

Kontakt:

Tilman Massa, Referent Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre, dachverband[at]kritischeaktionaere.de, Tel.: 0221 599 56 47

Jan Pehrke, Coordination gegen BAYER-Gefahren, info[at]cbgnetwork.org, Tel.: 0211 30 58 49

Extrem-Lobbying für Gift-Paket

CBG Redaktion

Brasilien unter BAYER-Einfluss

BAYER, BASF und andere Agro-Multis betreiben in Brasilien massive Einflussarbeit, um die Verabschiedung eines neuen Pestizid-Gesetzes mit aufgeweichten Bestimmungen zu befördern. Das von den KritikerInnen als „Gift-Paket" titulierte Paragrafen-Werk hebelt unter anderem das Vorsorge-Prinzip aus und sieht Verbote von Agro-Chemikalien nur noch bei „inakzeptablen Risiken" vor. Zudem schwächt es die Stellung von Umweltbehörde und Gesundheitsbehörde in den Zulassungsverfahren zugunsten derjenigen des Landwirtschaftsministeriums. Von all dem versprechen sich die Unternehmen bessere Vermarktungschancen für ihre Produkte, weshalb sie zahlreiche Aktivitäten entfalten.

Die Operationen der Konzerne im Einzelnen dokumentiert die Studie „Giftige Profite" der beiden AutorInnen Larissa Mies Bombardi und Audrey Changoe. „Während die europäische Pestizid-Industrie danach strebt, ihre Profite zu maximieren, stirbt in Brasilien jeden zweiten Tag ein Mensch an einer Pestizid-Vergiftung. Und rund 20 Prozent dieser Todesopfer sind Kinder und Jugendliche unter 19 Jahren", resümieren die VerfasserInnen.

An erster Stelle der politischen Landschaftspflege stehen Gespräche mit den StaatslenkerInnen und MinisterInnen. So trafen BAYER-Chef Werner Baumann und der oberste Öffentlichkeitsarbeiter des Konzerns, der ehemalige Grünen-Politiker Matthias Berninger, sich schon persönlich mit Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro. Dessen ehemaliger Umweltminister Ricardo Salles machte sogar bereits einmal einen Hausbesuch in Leverkusen. Zudem fanden Treffen von Malu Nachreiner, der Präsidentin von BAYER/Brasil, mit Landwirtschaftsministerin Teresa Cristina statt. Mit deren Nachfolger Marcos Montes dürfte es indes kaum Gesprächsbedarf geben: Montes stand schon in Diensten des Leverkusener Multis und verfügt auch ansonsten über viel Berufserfahrung in der Branche.

Überdies baut die Agro-Industrie durch Unternehmensverbände wie SINDIVEG, ABAG und CropLife Brasil, dem der ehemalige BAYER-Manager Christian Lohbauer vorsteht, Druck auf. Auch über Denkfabriken wie das „Instituto Pensar Agro" und PR-Plattformen wie Agrosaber versucht sie, auf die Annahme der Gesetzes-Vorlage 6299/2002 hinzuwirken.

Dagegen erhebt sich in dem Land starker Widerstand. Am 10. Juni besetzte beispielsweise die Jugendorganisation der Landlosen-Bewegung MST eine BAYER-Niederlassung in Jacareí. „Dieser Gesetzentwurf bringt gravierende Änderungen der geltenden Rechtsvorschriften mit sich, die den Verkauf und die Verwendung von für Mensch und Natur hochgiftigen Stoffen erleichtern", erklärten die Jugendlichen. Zudem kritisierten sie den Agro-Riesen dafür, in Brasilien viele Pestizide zu vertreiben, die in Europa wegen ihrer Gefahren für Mensch, Tier und Umwelt verboten sind.

Selbst die Vereinten Nationen schaltete sich ein. Dr. Marcos Orellana, der UN-Sonderberichterstatter für die Auswirkungen giftiger Substanzen und Abfälle auf die Menschenrechte, und andere SonderberichterstatterInnen appellierten eindringlich an die Regierung Bolsonaro, das „Poison Package" keine Rechtskraft erlangen zu lassen. Sie sahen durch die Deregulierungen ernste Gesundheitsgefahren auf das lateinamerikanische Land zukommen und warnten vor einem „monumentalen Rückschlag für die Menschenrechte in dem Staat". „Ohne weitere Maßnahmen, die sicherstellen, dass Unternehmen die Menschenrechte und die Umwelt respektieren, werden die Missbräuche weiter zunehmen, wenn dieser Gesetzesentwurf angenommen wird", prophezeihten die UN-MitarbeiterInnen. „Brasilien sollte daran arbeiten, das Regelwerk zu stärken statt zu schwächen", legten sie den PolitikerInnen ans Herz.

Der Lobbyismus der Agro-Riesen beschränkt sich indes nicht auf das Gift-Paket. BAYER etwa hat den Brüsseler Thinktank ECIPE engagiert, um den Abschluss des Handelsabkommens zwischen der Europäischen Union und den Mercosur-Nationen Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay voranzubringen. Dazu gilt es nach Ansicht ECIPEs zuvörderst, das Image der brasilianischen Landwirtschaft mit ihren ausladenden, sich immer weiter in den Regenwald hineinfressenden Monokulturen zu verbessern und die Größe der Pflanzungen herunterzuspielen. „Die Europäer legen Wert auf Produkte aus kleinen, regionalen Erzeugerbetrieben", redete die ECIPE-Vertreterin Emily Rees dem Agro-Business bei einem öffentlichen Auftritt ins Gewissen.

„BAYERs Pestizide hinterlassen in Brasilien eine Spur der Verwüstung. Und jetzt tut der Konzern durch sein Extrem-Lobbying für das Gift-Paket auch noch alles dafür, sie noch ein bisschen breiter werden zu lassen, um seine Profite zu erhöhen", konstatiert Marius Stelzmann von der Coordination gegen BAYER-Gefahren.

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Heraus für die zivile Zeitenwende!

CBG Redaktion

CBG-Treffpunkt zur Demo für eine zivile Zeitenwende in Berlin:

2.Juli
Reiterstandbild Friedrichs des Großen,
Unter den Linden 9
13.45 Uhr

Meldet Euch an unter info@cbgnetwork.org

oder 0211 33 39 11

Keine 100 Milliarden für Rüstung! 100 Milliarden Euro für Klimaschutz, soziale Absicherung der schwächsten in der Gesellschaft und für ein Gesundheitssystem, dass nicht mehr auf dem Rücken von Pflegekräften kaputtprivatisiert wird!

BAYER und co. treten aufs Gas und wollen die Krise für sich nutzen. Der Verband der chemischen Industrie, der Lobbyverein, der auch BAYER/MONSANTO vertritt, fordert, dass der Steuerzahler für durch den Ukraine-Krieg erlittene Verluste aufkommt. Der Verband kennt in der Krise kein Halten mehr: Im Zuge der Ausnahmesituation soll alles abgeräumt werden, was die Chemiebranche stört. EEG-Umlage, angeblich zu hohe Energiesteuern, Kohleausstieg, Brüsseler Chemikalien-Strategie und das Lieferkettengesetz.

Unsere Gegenposition: Für einen sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft ist genug Geld da! Aber die Aufrüstung können wir nicht leisten, da sie uns soziale Gerechtigkeit, Frieden, Klima und die Umwelt kostet! Die CBG ruft auf: Beteiligt Euch am kommenden Samstag an der Demonstration für eine demokratische, zivile und soziale Zeitenwende!

Müll-Öfen laufen wieder an

CBG Redaktion

Presse-Information CBG vom 23.06.22

Ein Jahr nach der Chem„park"-Explosion

Weniger als ein Jahr nach der Chemie-Katastrophe vom 27. Juli 2021 läuft die Müllverbrennungsanlage des Leverkusener Chemie„parks" wieder an. Bereits vergangene Woche nahm die CURRENTA den Teilbetrieb auf. Aber der Chem„park"-Betreiber sah sich trotz aller Transparenz-Beteuerungen nicht genötigt, die BürgerInnen vorher über die Wiederinbetriebnahme zu informieren. Erst heute will er sich in der Wiesdorfer Bürgerhalle kritischen Fragen dazu stellen.

Bei der Explosion und dem anschließenden Brand von drei Tanks waren sieben Menschen getötet worden, 31 erlitten teils schwere Verletzungen. Nichtsdestotrotz hat die CURRENTA seither eifrig Lobby-Arbeit betrieben, um die Anlage schnellstmöglich wieder in Betrieb nehmen zu können. Der Konzern drängte: Bereits im März sollte es soweit sein. Doch das Land hatte der CURRENTA die Beauftragung eines unabhängigen Gutachtens zur Auflage gemacht.

Diese erstellte dann ein Team um Prof. Dr. Christian Jochum. Am 3.6.2022 erschien die Untersuchung, deren Schwerpunktsetzung auf schnelle Wiederinbetriebnahme Jochum mit folgenden Worten klarmacht: „Wegen der Bedeutung einer ordnungsgemäßen, sicheren Abfallentsorgung wurde vordringlich untersucht, ob und unter welchen Bedingungen es verantwortet werden kann, die Sonderabfallverbrennungsanlage schrittweise wieder in Betrieb zu nehmen."

Nicht „vordringlich" gestellt wurden hingegen Fragen, die die AnwohnerInnen und Umweltverbände umtreiben: Ist die Sondermüll-Verbrennung in direkter Nähe zu Wohngebieten nicht zu risikoreich, um weitergeführt zu werden? Entspricht die Anlage überhaupt noch dem heutigen Stand der Technik? All das stand nicht zur Debatte.

CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann kommentiert: „So erfüllte die Studie ihren Auftrag und kommt zu dem bestellten Schluss, dass eine – so wörtlich ‚eingeschränkte 1. Wiederinbetriebnahme der VA-1 (Verbrennungsanlage) möglich und verantwortbar' ist. Eine Beruhigungspille aus dem Hause BAYER und CURRENTA."

Zur Explosion vom 27.Juli 2021 heißt es: „Aus den bisher durchgeführten Untersuchungen zur Unfallursache hat sich ergeben, dass bei dem aus Dänemark angelieferten, temperatur-empfindlichen Abfall nicht alle benötigten Informationen über die Gefährlichkeit des Abfalls, wie z. B. die Neigung zur Zersetzung bei gleichzeitiger Selbsterwärmung und Volumenausdehnung, vorlagen. Darüber hinaus waren die sonstigen mitgelieferten Informationen über die Temperaturempfindlichkeit des Abfalls nach bisherigen Erkenntnissen beim Bedienpersonal der SMVA nicht vollständig vorhanden. Diese Informationsdefizite im Gesamtprozess von der Abfallerzeugung über den Transport bis zur Verbrennung führte dazu, dass der Abfall über der Selbsterwärmungstemperatur gehandhabt und in Tank Nummer 3 gelagert wurde, sich bei steigendem Druck immer weiter erwärmte und schließlich die Explosion des Tanks auslöste."

Marius Stelzmann dazu: „Die Entsorgung von giftigen Abfällen, die vorher durch die halbe Welt transportiert wurden, war vor der Katastrophe zentraler Teil des lukrativen Geschäftsmodells der CURRENTA. Nun zeigt die Studie, dass das als erheblicher Risikofaktor mitauslösend für die Katastrophe im vergangenen Juli war. Damit stellt sich natürlich die Frage nach der gesellschaftlichen und rechtlichen Verantwortung. Werden die EntscheidungsträgerInnen, die dieses Modell implementiert haben, für ihre Mitverantwortung für die Explosion bestraft? Und: Muss CURRENTA für die entstandenen Schäden geradestehen?"

Die GutachterInnen empfehlen naheliegenderweise, vorerst keine wärmeempfindlichen und andere besonders gefährlichen Stoffe mehr zu entsorgen und sich auf Müll aus den CURRENTA-Chem„parks" oder dem regionalen Umfeld zu beschränken. CURRENTAs Chem„park"-Leiter Lars Friedrich klagt allerdings jetzt schon öffentlich über den „eingeschränkten" Betrieb, denn „wirtschaftlich ist das noch nicht".

Stelzmann dazu: „Das ist ein Warnsignal. Für Anwohner, für Beschäftigte, für die Bevölkerung von Leverkusen. CURRENTA will den großdimensionalen Wiedereinstieg in den Mülltourismus – in der jahrzehntealten von BAYER erbauten Anlage. BAYER hat die Risiken der gefährlichen Sondermüllverbrennung auf CURRENTA abgewälzt. CURRENTA will sie auf die Allgemeinheit abwälzen – und damit reich werden. Dieses Geschäftsmodell müssen wir stoppen."

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren lehnt eine Wiederinbetriebnahme des Entsorgungszentrums auf Raten ab. „Es reicht nicht aus, ein paar Risiken auszuschließen um ein sicheres Betreiben der Öfen zu gewährleisten, so wie es das Gutachten tut. Es räumt selbst ein, dass die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zur Klärung der Explosionsursache noch andauern und verschiedene andere Gutachten, etwa zur Sicherheitskultur bei der CURRENTA oder zur Schleichleckage in einem Tank mit „Ereignis-Wasser", noch nicht in einer finalen Fassung vorliegen", so Stelzmann abschließend.

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BAYER scheitert mit Plan B in Sachen „Glyphosat“

CBG Redaktion

Presse-Information CBG vom 20.06.22

Kein Grundsatz-Urteil des Obersten Gerichtshofs der USA

Der BAYER-Konzern muss im Rechtsstreit um das umstrittene Pestizid Glyphosat seiner Tochterfirma MONSANTO erneut eine Niederlage einstecken. Nachdem der Agro-Riese die Vergleichsverhandlungen mit den AnwältInnen der rund 138.000 Geschädigten im Mai 2021 hatte platzen lassen, setzte er auf ein Grundsatz-Urteil des Supreme Courts in seinem Sinne, „wodurch die Rechtsstreitigkeiten zu Glyphosat in den USA weitgehend beendet würden". Doch dazu kommt es jetzt nicht: Der Oberste Gerichtshof nahm den Fall „Edwin Hardeman v. MONSANTO" gar nicht erst zur Entscheidung an. Er hatte die Biden-Administration im Dezember 2021 um Amtshilfe in der Causa gebeten, die fünf Monate später durch die Generalstaatsanwältin Elisabeth Prelogar erfolgte. Sie riet dem Supreme Court, BAYERs Antrag abzulehnen, woran die RichterInnen sich dann auch hielten.

Der Leverkusener Multi hatte in seiner Petition gravierende Versäumnisse des kalifornischen Ninth Circuits als Vorinstanz geltend gemacht und dem Gericht die Berechtigung abgesprochen, in der juristischen Auseinandersetzung ein Urteil nach Landesrecht zu fällen. Er reklamierte Bundesrecht für die Angelegenheit, weil die „Environment Protection Agency" (EPA) als Bundesbehörde die Agro-Chemikalie bundesweit zugelassen und ihr Unbedenklichkeit bescheinigt habe, und sah demzufolge den Obersten Gerichthof als zuständige Instanz an. „Die Fehler des Ninth Circuit bedeuten, dass ein Unternehmen für die Vermarktung eines Produkts ohne Krebs-Warnung hart bestraft werden kann, obwohl es nahezu universellen wissenschaftlichen und regulatorischen Konsens darüber gibt, dass das Produkt nicht krebserregend ist und die verantwortliche Bundesbehörde eine solche Warnung sogar verboten hat", argumentierte der Global Player.

Elisabeth Prelogar ließ das nicht gelten. Ihrer Ansicht nach erlaubt das Pestizid-Recht den einzelnen Bundesstaaten, spezielle Vorschriften zu erlassen, wenn diese den darin festgelegten Regelungen nicht explizit widersprechen. „Die Genehmigung der EPA für eine Kennzeichnung, die nicht vor bestimmten chronischen Risiken warnt, bedeutet nicht, dass eine amtliche Anordnung, die solche Warnungen vorsieht, außer Kraft gesetzt wird", hielt die Juristin fest. Überdies distanzierte sich Prelogar von der Parteinahme der EPA in dem Hardeman-Verfahren. Vom damaligen Präsidenten Donald Trump auf Linie gebracht, hatte die Agency nämlich in Tateinheit mit dem Justizministerium das in den USA bestehende „Amicus Curiae"-Recht genutzt, um in das Berufungsverfahren einzugreifen und auf Freispruch für BAYER zu plädieren. „Im Angesicht der Entscheidung des Berufungsgerichts und des Regierungswechsels haben die Vereinigten Staaten ihre dort dargelegten Argumente überprüft", erklärte sie.

Und noch von einer anderen Seite her bekam die „Environment Protection Agency" unlängst wegen ihrer industrie-freundlichen Haltung in der Trump-Ära Druck. Am 17. Juni erklärte ein US-Gericht die verläufige Glyphosat-Zulassung der Umweltbehörde aus dem Jahr 2020 teilweise für ungültig. „Die Fehler der EPA bei der Bewertung des Risikos für die menschliche Gesundheit sind schwerwiegend", konstatierte der „9th U.S. Circuit Court of Appeals".

„Nun ist auch BAYERs Plan B in Sachen „Glyphosat" gescheitert. Für einen Plan C ist jetzt – sechs Jahre nach der ersten Klage und vier Jahre nach dem ersten RichterInnen-Spruch – keine Zeit mehr. Der Konzern darf die Milliarden-Einnahmen durch das Herbizid nicht länger mit den Kosten verrechnen, die seine Risiken und Nebenwirkungen verursachen. Es führt kein Weg an einem Verkaufsstopp und an einer sofortigen Entschädigung aller krebskranken KlägerInnen vorbei", so Marius Stelzmann von der Coordination gegen BAYER-Gefahren.

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[Glyphosatzulassung] Presse-Information CBG vom 20.06.22

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RichterInnen machen schwere Fehler bei der Risiko-Bewertung aus

US-Gericht kassiert Glyphosat-Zulassung

Erneut hatte eine industrie-freundliche Entscheidung, welche die US-amerikanische Umweltbehörde EPA in der Trump-Ära traf, vor Gericht keinen Bestand. Am 17. Juni erklärte der „9th U.S. Circuit Court of Appeals„ die im Januar 2020 gewährte vorläufige Glyphosat-Zulassung in Teilen für ungültig. „Die Fehler der EPA bei der Bewertung des Risikos für die menschliche Gesundheit sind schwerwiegend“, heißt es in dem Urteil. Die RichterInnen gaben damit der Klage des „Natural Resources Defense Councils„ und des „Pesticide Action Network North America“ statt und ließen der Behörde bis zum 1. Oktober 2022 Zeit für eine neue Überprüfung des Herbizids. Dem Gremium zufolge hat die „Environment Protection Agency„ bei dem Zulassungsverfahren gegen ihre eigenen Richtlinien zur Interpretation von Studien und zur Einschätzung von Krebsgefahren verstoßen und sich zudem über Bedenken des eigenen wissenschaftlichen Beirats hinweggesetzt. Im Einzelnen monierte es unter anderem einen selektiven Umgang mit Daten und konstatierte eine „Missachtung von Tumor-Bildungen bei hohen Dosen“. Die Verstöße gegen gängige ForscherInnen-Standards, die das Gericht feststellte, gleichen teilweise bis ins Detail denjenigen, die Dr. Peter Clausing vom „Pestizid Aktions-Netzwerk„ und Dr. Angeliki Lyssimachou von der „Health and Environment Alliance“ bei der EU-Bewertung von Glyphosat ausgemacht und in dem Bericht „How the EU risks greenlighting a pesticide linked to cancer„ dokumentiert hatten. „Das Urteil aus den USA wirft auch noch einmal ein neues Licht auf die Glyphosat-Zulassungsverlängerung der Europäischen Union vom November 2017“, befindet Marius Stelzmann von der Coordination gegen BAYER-Gefahren deshalb: „Darum sollten die EU-Behörden, die sich im Augenblick wieder mit dem Ackergift befassen, es genau lesen.„ Die BAYER-Tochter MONSANTO nahm als Beigeladene an dem Prozess teil. Ihre AnwältInnen bestritten den Umweltverbänden schlicht die Klage-Berechtigung, weil der von den Organisationen geltend gemachte Schaden nicht im direkten Zusammenhang mit der Glyphosat-Genehmigung der EPA vom Januar 2020 stehe. Damit vermochten sie sich allerdings nicht durchzusetzen. „MONSANTO argumentiert nicht überzeugend, dass das Kausalitätserfordernis nicht erfüllt sei“, so der 9th Circuit. In einer Stellungnahme zu dem Votum verteidigte der Leverkusener Multi das Vorgehen der EPA in Sachen „Glyphosat„ als sorgfältig und hielt weiter in Treue fest zu dem Pestizid. „In mehr als vier Jahrzehnten wurde festgestellt, das Herbizide auf Glyphosat-Basis sicher verwendet werden können und nicht krebserregend sind“, so der Agro-Riese. Daran dürften jetzt jedoch noch mehr Menschen zweifeln. „Die Haltung der EPA zu Glyphosat spielte bei BAYERs Verteidigung des Mittels immer eine große Rolle. Diese Strategie fällt nun wie ein Kartenhaus zusammen. Das Unternehmen muss das endlich einsehen, die Agro-Chemikalie sofort vom Markt nehmen und schnell eine Einigung mit allen Glyphosat-Geschädigten erzielen", fordert CBG-Geschäftsführer Stelzmann abschließend. Pressekontakt: Marius Stelzmann 0211/33 39 11

[Fehlentscheidung] Presse-Information CBG vom 02.06.22

CBG Redaktion

EU-Chemikalienagentur: Glyphosat nicht krebserregend

Eine krasse Fehlentscheidung!

Die Europäische Chemikalien-Agentur ECHA stuft das Pestizid Glyphosat trotz erdrückender Beweislast nicht als krebserregend ein. Erneut setzt sie sich damit über die Klassifikation der „Internationalen Agentur für Krebsforschung“ der Weltgesundheitsorganisation WHO hinweg, die dem Mittel im Jahr 2015 bescheinigte, „wahrscheinlich krebserregend für den Menschen“ zu sein. Dabei haben zahlreiche danach publizierte Studien den Befund noch einmal erhärtet. Das europäische „Ban Glyphosate“-Bündnis, dem die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) angehört, kritisiert die Entscheidung deshalb scharf. „Wieder einmal hat sich die ECHA einseitig auf die Studien und Argumente der Industrie verlassen. Und das, obwohl eine kürzlich durchgeführte Überprüfung von Industrie-Studien zur DNA-schädigenden Wirkung von Glyphosat durch WissenschaftlerInnen des Wiener Krebsforschungsinstituts zu dem Ergebnis kam, dass nur zwei von 35 Industrie-Studien als „zuverlässig“, 15 weitere als „teilweise zuverlässig“ angesehen werden können und 18 dieser Studien aufgrund erheblicher Abweichungen von den geltenden Test-Richtlinien als „nicht zuverlässig“ eingestuft werden müssen“, heißt es in der Presseerklärung. Auch hat die ECHA sich wiederum nur mit dem Wirkstoff Glyphosat selbst beschäftigt, nicht aber mit dem von der BAYER-Tochter MONSANTO unter dem Namen „ROUND UP“ vertriebenen Enderzeugnis. Da dieses noch viele Beistoffe enthält, erhöht sich nach Meinung vieler WissenschaftlerInnen das Gefährdungspotenzial. Das räumt sogar MONSANTO ein, wie aus firmen-internen Unterlagen hervorgeht, die in den Schadensersatz-Verfahren als Beweismittel dienten. So schrieb der Toxikologe William Heydens in einer E-Mail an eine Kollegin: „Glyphosat ist OK, aber das formulierte Produkt verursacht den Schaden.“ Die ECHA beschränkt sich in dem Begutachtungsprozess auf die unmittelbaren Gesundheitsgefahren, die umfassende Risiko-Bewertung, die alle Effekte des Herbizids auf Mensch, Tier und Umwelt in den Blick nimmt, obliegt der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Sie hat unlängst angekündigt, länger als vorgesehen für ihre Bewertung des Pestizids zu brauchen, dessen Zulassung Ende des Jahres ausläuft, weil die Sichtung des während der EU-Konsultationen eingegangenen umfangreichen Materials zu den Risiken und Nebenwirkungen der Agro-Chemikalie mehr Zeit in Anspruch nimmt. „Nun steht zu hoffen, dass die Beurteilung der Lebensmittel-Behörde wirklich nach dem neuesten Stand der Wissenschaft erfolgt. Die EFSA hätte dies jedoch gut noch 2022 schaffen können. Durch die Verschiebung darf BAYER jetzt ein Pestizid mit ungeklärtem Status noch rund ein Jahr weiterverkaufen und so noch einmal Millionen Euro einstreichen. Nicht von ungefähr hat die EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides sich ‚zutiefst besorgt’ über die Verzögerung gezeigt“, konstatiert CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann. https://www.pan-europe.info/press-releases/2022/05/glyphosate-echa-classification-denial-science-and-disrespect-eu-law Pressekontakt: Marius Stelzmann 0211/33 39 11

[Behördenversagen] Presse-Information CBG vom 12.05.22

CBG Redaktion

Behördenversagen

EU verschleppt Glyphosat-Entscheidung

Die Europäische Chemikalienagentur und die Behörde für Lebensmittelsicherheit kündigten eine Verschiebung der Entscheidung über die Glyphosat-Zulassungsverlängerung an. Das umfangreiche Material, das im Rahmen der öffentlichen Konsultationen zu dem Bewertungsbericht eingegangen sei, mache eine Veränderung des Zeitplans notwendig, lautet die Begründung. Damit steht der für Dezember 2022 vorgesehene Beschluss über die Zukunft des Herbizids in Frage. Obwohl dessen Zulassung Ende des Jahres ausläuft, droht jetzt eine vorläufige Lizenz zur Weitervermarktung. „Das ist ein Skandal! Die EU hatte lange genug Zeit, über die Risiken und Nebenwirkungen von Glyphosat zu befinden. Nun aber will sie BAYER & Co. erlauben, mit dem Pestizid sogar ohne gültige Genehmigung weiter Profite einzustreichen und damit die Gesundheit der Menschen zu gefährden“, so Marius Stelzmann von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG). Die EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides zeigte sich laut Euractiv dann auch „zutiefst besorgt darüber, dass sich die Bewertung von Glyphosat verzögert“. Der Interessensverband BAYERs und anderer Hersteller, die Glyphosate Renewal Group, wiegelte indessen erwartungsgemäß ab und erklärte, „dass solche Verfahrensverzögerungen zusammen mit einer Verlängerung des aktuellen Zulassungszeitraums zu den üblichen Praktiken des EU-Regulierungsprozesses gehören“. „Da sprechen die Agro-Riesen leider eine traurige Wahrheit aus. Nicht nur bei der Europäischen Union, sondern auch in Deutschland halten die Behörden die Fristen oftmals nicht ein und stellen „technische Verlängerungen“ en masse aus“, konstatiert Stelzmann. Seiner Ansicht nach kann jetzt eine Reaktion aus Berlin nicht ausbleiben. „Die Bundesregierung muss ihre Koalitionsvertragsvereinbarung, Glyphosat bis Ende 2023 vom Markt zu nehmen, bekräftigen und auf europäischer Ebene darauf dringen, das Zulassungsprozedere ohne Aufschub im vorgesehenen Zeitrahmen zum Abschluss zu bringen“, fordert der CBG-Geschäftsführer. Pressekontakt: Jan Pehrke 0211/33 39 11