Drücke „Enter”, um zum Inhalt zu springen.

Veröffentliche Beiträge von “CBG Redaktion”

Aspirin

CBG Redaktion

25. Juni 1999

New England Journal of Medicine warnt:

Tödliche ASPIRIN-Nebenwirkungen

Nach einer Untersuchung der Boston University School of Medicine sterben jährlich 16.500 AmerikanerInnen an Magenblutungen, die durch ASPIRIN und ähnliche Schmerzmittel verursacht werden. Über 100.000 Betroffene müssen stationär behandelt werden. Damit gehören ASPIRIN-Nebenwirkungen zu den 15 häufigsten Todesarten in den USA, die Zahl ihrer Opfer ist ebenso hoch wie die von AIDS (16.685 HIV-Tote 1997). Trotzdem geht der rezeptfreie Verkauf weiter - allein in den USA gehen jährlich 30 Milliarden Tabletten über die Ladentheken.

Einhundert Jahre ist es her, dass Felix Hoffmann in den BAYER-Laboren erstmals Azetylsalizylsäure synthetisierte – der Siegeszug von ASPIRIN konnte beginnen. Erst vierzig Jahre nach der Entdeckung wurde die wichtigste Nebenwirkung des ”Tausendsassas” offenbar: Magenblutungen. Weitere Risiken, die von einem überhöhten Schmerzmittelgebrauch ausgehen, sind Nierenschäden und Magengeschwüre. Obwohl Hunderte von Studien die Nebenwirkungen von Schmerzmitteln untersucht haben und obwohl für die meisten Anwendungen harmlosere Behandlungsmethoden zur Verfügung stehen, herrscht bis heute bei ÄrztInnen und PatientInnen ein mangelndes Risikobewußtsein vor.
Eine im New England Journal of Medicine veröffentlichte Untersuchung kritisiert, dass 75% aller Patienten, die regelmäßig ASPIRIN einnehmen, die Risiken des Schmerzmittel-Gebrauchs nicht kennen oder ignorieren. Dabei entwickeln sich bei 13 von 1.000 Patienten, die ASPIRIN über einen Zeitraum von einem Jahr verwenden, schwerwiegende Magenbeschwerden. Bis zu 10% der Fälle verlaufen tödlich.
13 Millionen AmerikanerInnen nehmen regelmäßig ASPIRIN oder ähnliche Mittel. Mindestens 103.000 PatientInnen müssen daraufhin in Krankenhäusern behandelt werden, die Kosten für die Volkswirtschaft belaufen sich hierfür auf 2 Mrd. Dollar. Die Bostoner Arbeitsgruppe berechnet, dass mindestens 16.500 Menschen jährlich an den Folgewirkungen sterben – ebenso viele wie an der Immunschwäche AIDS. Da jedoch die Zahl der Schmerzmittel-Opfer in Statistiken normalerweise nicht einzeln aufgeführt wird, nimmt die Öffentlichkeit die Gefahren kaum wahr, obwohl ASPIRIN-Nebenwirkungen dreimal so viele Todesfälle verursachen wie beispielsweise Asthma-Erkrankungen. Die Autoren der Studie sprechen daher von einer ”geräuschlosen Epidemie”.
Azetysalizylsäure wird von den Herstellern breit angepriesen: gegen Herzinfarkt, Schlaganfall und Krebs. Bücher wie Michael Castlemans ”Jeden Tag ein ASPIRIN” fördern den unsinnigen routinemäßigen Gebrauch und suggerieren, dass auch gesunde Menschen Azetylsalizylsäure regelmäßig einnehmen sollten. Der Pharmariese BAYER, der jährlich 11 Milliarden ASPIRIN-Tabletten verkauft und dabei 850 Millionen Mark umsetzt, lobt Forschungspreise wie den ”International ASPIRIN Award” aus, um neue Anwendungsbereiche für das Produkt zu erschließen. Dieses Vorgehen verspricht Gewinne ohne Investitionsrisiko: Die Vertriebswege bestehen und die Hersteller benötigen keine neuen Produktionsanlagen und Zulassungen. Die zahlreichen Studien zu Azetylsalizylsäure müssen daher kritisch daraufhin untersucht werden, ob sie nicht gewinnversprechende (Schein-) Indikationen schaffen sollen.
Auch die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft weist darauf hin, dass Schmerzmittel tief in den biochemischen Haushalt des Körpers eingreifen und Schleimhautreizungen, Blutungen im Magen-Darm-Trakt und Magengeschwüre verursachen können. Die Ärzte haben es jedoch schwer, sich durch das Trommelfeuer der Werbung hindurch Gehör zu verschaffen. BAYER wirbt seit Jahren nicht nur für die Behandlung von Erkältungen mit ASPIRIN (was medizinisch völlig unsinnig ist, da Viren nicht einmal auf Antibiotika ansprechen), sondern auch für ihre Prophylaxe: In einer Anzeigenserie wälzten sich gar sexy Nackedeis im Schnee. Höhepunkt der Kampagne: die Verkleidung des BAYER-Hauptsitzes in eine gigantische ASPIRIN-Schachtel im Frühjahr diesen Jahres.

Demo Leverkusen

CBG Redaktion

18. Juni 1999

Spektakuläre Aktion in Leverkusen:

500 indische Landarbeiter demonstrieren bei BAYER

500 indische Bauern demonstrierten heute am Leverkusener BAYER-Werk für gerechten Welthandel und gegen den Einsatz von Gentechnik und Pestiziden in der Landwirtschaft. Die Landarbeiter, die in traditionelle weisse Gewänder und grüne Schals gekleidet waren, wurden von 300 deutschen Unterstützern begleitet. Die spektakuläre Aktion fand im Rahmen der Internationalen Karawane für Solidarität und Widerstand statt, die in zwölf europäischen Ländern Kundgebungen organisiert.

Spezielle Vorwürfe wurden gegen Bayer gerichtet, da der Leverkusener Konzern mit Pestiziden und gentechnischen Produkten die Lebensgrundlagen der indischen Landbevölkerung gefährdet. Ein Sprecher der Karawane erklärte an die Adresse von Bayer: “Wir brauchen Eure Pestizide nicht, sie zerstören unsere Lebensgrundlagen. Wir warnen Bayer: wenn Sie gentechnisch veränderte Produkte auf den indischen Markt bringen, werden wir unseren Widerstand noch verstärken.”
Das Unternehmen Bayer ist der größte deutsche Chemiekonzern, Vorreiter in der Gentechnologie, einer der weltweit größten Pestizidhersteller und Mitglied einflussreicher Lobbyorganisationen. Nanjunda Swamy, Präsident der 10 Millionen Mitglieder zählenden Bauernorganisation KRRS, erklärte: ”Wir wollen den Regierungen und transnationalen Konzernen im Norden direkt vor Ort unsere Ablehnung ihres Ausbeutungssystems zeigen”. Die Demonstration war in Zusammenarbeit mit Betriebsräten der Bayer AG, der Kölner Gruppe AntiGen und der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) organisiert worden.

Philipp Mimkes, Geschäftsführer der CBG: “Bayer produziert in Indien das hochgiftige Pestizid Parathion, das jährlich für mehr als eine Million Vergiftungsfälle verantwortlich ist. Andere Pestizide lässt Bayer von Subunternehmenen herstellen, bei denen Gewerkschaften verboten sind und keinerlei Sicherheitsstandards eingehalten werden. Daher muss sich das Unternehmen der Kritik der indischen Landbewegung stellen”. Mimkes kritisiert weiterhin den hohen Einfluss von Bayer auf die Politik. Dies zeige sich einmal mehr beim G8-Gipfel in Köln, der von Bayer mitfinanziert wird und auf dem sich das Unternehmen exklusiv präsentiert.

[gallery]

Störfälle

CBG Redaktion

18. Juni 1999

Giftige Gase bei der RHEIN CHEMIE in Mannheim ausgetreten:

Störfall-Serie bei BAYER reisst nicht ab

Zum dritten grossen Unfall in Werken der BAYER AG innerhalb eines Monats kam es in den frühen Morgenstunden bei der RHEIN CHEMIE in Mannheim. Nach einem vierstündigen Stromausfall, der das Kühlsystem in einem Druckbehälter ausser Kraft setzte, explodierte ein Kessel. Giftige Schwefelverbindungen gelangten in die Umwelt, mehrere hundert Anwohner klagten über “bestialischen Gestank”. Die Bevölkerung wurde aufgefordert, Türen und Fenster zu schließen, mehr als 20 Personen mussten ärztlich untersucht werden. Die RHEIN CHEMIE ist eine 100%ige Tochter des Leverkusener BAYER-Konzerns.

Erst am 8. Juni waren durch eine Explosion im Wuppertaler BAYER-Werk über 100 Mitarbeiter und Anwohner verletzt worden, dabei entstand ein Sachschaden von mehreren hundert Millionen Mark. Anfang Mai war bei der BAYER-Tochter EC ERDÖLCHEMIE ein Tankschiff explodiert. Drei Menschen kamen ums Leben, mehrere Tonnen Benzin flossen in den Rhein.

Philipp Mimkes, Geschäftsführer der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG): “BAYER fährt Jahr für Jahr Rekordgewinne ein, bei ständig sinkender Belegschaftsstärke. Seit Jahren weisen wir darauf hin, dass durch den rasanten Arbeitsplatzabbau ein sicheres Betreiben der Anlagen nicht mehr möglich ist.” Die CBG fordert systematische Untersuchungen aller Anwohner von Chemieunfällen, um Langzeitschäden aufzudecken. Mimkes weiter: “In den BAYER-Werken wird ausgerechnet bei der Feuerwehr und den Kontrolleinrichtungen gespart. Sicherheit muss aber vor Gewinnoptimierung gehen.”

Die CBG beobachtet den Multi BAYER seit über 20 Jahren. Mit konsequenter Öffentlichkeitsarbeit werden die Bereiche Umweltschutz, Arbeitssicherheit, Probleme in der Dritten Welt und Einflussnahme auf die Politik beleuchtet. Zahlreiche Erfolge wurden verbucht, so ein Sieg vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Leverkusener Multi und die Verhinderung mehrerer umstrittener Werke.

[BAYER HV 1999] Hauptversammlung 1999

CBG Redaktion
Kritische Aktionäre reichen Gegenanträge ein Presseerklärung: Kritische Aktionäre attackieren Vorstand

Zehn KonzernkritikerInnen setzten BAYER zu

von Jan Pehrke Einmal mehr konnte Vorstandsvorsitzender Manfred Schneider auf der diesjährigen BAYER-Hauptversammmlung Gewinnzuwächse vermelden. Auf die Nebenwirkungen der Profithatz machten zehn Konzern-KritikerInnen aufmerksam: Arbeitsplatzvernich- tung, rücksichtsloser Vertrieb hochgiftiger Pestizide, die Vermarktung von Arzeimitteln wie ASPIRIN als Lebensmittel und die Verleugnung der blutigen Unternehmens- geschichte. Auch auf den Plakaten der Coordination gegen BAYER-Gefahren war das BAYER- Hochhaus in Leverkusen als ASPIRIN-Schachtel verpackt - allerdings mit dem Warnhinweis „ASPIRIN tötet Kinder“ versehen. Mit dieser Aktion vor den Kölner Messehallen machte die CBG die AktionärInnen auf die fatalste Nebenwirkung des „Tausendsassas“ aufmerksam. Den verteilten Flugblättern konnten sie weitere „Gegenanzeigen“ entnehmen. So waren die BesucherInnen richtig eingestimmt auf die Vorhalle, in der es vor ASPIRIN-Devotionalien kein Entrinnen gab. Drinnen im Saal präsentierte sich der Vorstandsvorsitzende Dr. Manfred Schneider dieses Jahr selbstherrlich als Firmen-Patriarch alter Schule. „Ich schaue immer vom 26. Stockwerk meines Hochhauses ...“, setzte er einmal an, korrigierte die Freudsche Fehlleistung aber sofort wieder: „unseres Hochhauses“. Launig erwartete er den Erlös aus dem Börsengang der AGFA „auf der nach oben offenen Schneider-Skala“ in luftigen Höhen. Und die Berufung des BAYER-Steuerexperten Heribert Zitzelsberger zum Staatssekretär im Finanzministerium kommentierte der Konzernchef süffisant „als unseren Beitrag“ zur Steuerpolitik. „Wir haben unseren besten Steuer-Mann nach Bonn abgegeben“, tönte er und: „Ich hoffe, dass er so von BAYER infiltriert worden ist, dass er ... die richtigen Wege einleiten wird“, so Schneider wörtlich. Gnädig erklärte der Große Vorsitzende sich auch bereit, Finanzminister Manfred Eichel, „der sehr pragmatisch vorgeht“, eine Chance einzuräumen. Minister von Schneiders Gnaden - so frank und frei gab bisher noch kein Konzern-Chef in der Bundesrepublik Auskunft darüber, wo die eigentliche Macht im Staate sitzt. Beim Bericht über das zurückliegende Geschäftsjahr hatte es mit Schneiders Offenheit allerdings ein Ende. Da versteckte der BAYER-Boss „Arbeitsplatzvernichtung“ hinter Begriffen wie „Desinvestion“ oder „Restrukturierung“. Sein Wirtschaftsslang machte aus der Schließung mehrerer Pharma-Standorte das „Effizienzprogramm Pharma“. Und Rationalisierungen werden bei BAYER selbstverständlich nur aus „sozialer Verantwortung“ vorgenommen, nach Schneider-Logik kann die Standorte nur soziale Kälte vor einer Arbeitsplatz-Eiszeit bewahren. Als der Vorstandsvorsitzende auf die zahlreichen Gegenanträge zu sprechen kam, die „die bekannte Gruppierung“ zu Themen wie „gefährliche Pestizide“ oder „Ausgliede- rungen“ einbrachte, bemühte er sich nicht einmal mehr um Sprachkosmetik. Schneider recycelte einfach seine Worthülsen aus vergangenen Hauptversammlungen. „Die Hauptversammlung ist nicht der Ort, um über wissenschaftliche Fachfragen zu debattieren“, war einer dieser altgedienten Textbausteine.Die Gegenanträge nannte er „einseitig“, „unsinnig“ und „rechtlich fragwürdig“ und „ unbegründet“ - die alte BAYER-Leier. 10 x Konzernkritik Zehn BAYER-KritikerInnen sprachen auf der Hauptversammlung und dominierten damit eindeutig die RednerInnen-Liste. Als erste trat Christiane Niesel von der Kölner Gruppe ANTIGEN vor das Mikrofon. Sie griff die Große Koalition zur Durchsetzung der Gentechnologie, bestehend aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft, an und nannte die Gründung des Rechtsrheinischen Technologie-Zentrums in Köln-Kalk sowie des Interessenverbandes BIOGENTECH NRW als Beispiele. Eine direkte Frage richtete Niesel an Ernst-Ludwig Winnacker: „Warum kann eigentlich ein Aufsichtsratsmitglied von BAYER auch in der Funktion als Leiter des Institutes für Genetik in München und als Präsident der DEUTSCHEN FORSCHUNGSGEMEINSCHAFT auftreten?“ Im Mittelpunkt von Uwe Friedrichs (CBG) Rede stand die Gefährlichkeit von BAYER- Pestiziden. Er forderte BAYER auf, der Öffentlichkeit die Sicherheitsunterlagen der Produkte zugänglich zu machen und dafür Sorge zu tragen, dass endlich auch in den Ländern der sog. Dritten Welt eine sachgemäße AnwenderInnen-Information gewährleistet ist. Dann erinnerte Friedrich den Vorstand an ein Versprechen aus der vorletzten Hauptversammlung: Die Zusage, den Vertrieb von Pestiziden der Toxizitätsklasse 2 einzustellen. Darauf ging Manfred Schneider in seiner „Antwort“ mit keinem Wort ein. Den langjährigen Misständen stellte er lediglich die langjährigen Ausflüchte entgegen: „Wir haben unseren Ansichten nichts hinzuzufügen.“ Auf früheren Hauptversammlungen hatte Manfred Schneider in der Auseinandersetzung um Entschädigungen für die Opfer von HIV-kontaminierten BAYER-Blutpräparaten immer wieder entlastende Urteile aus den USA. „Wer die Härte und Strenge amerikanischer Gerichte und der dortigen Gerichtsverfahren kennt, meine Damen und Herren, wird mir zustimmen: Wenn es überhaupt eine unabhängige Instanz gibt, die sich objektiv ein Urteil bilden kann, dann sind es amerikanische Gerichte“, lauteten seine Worte. Jetzt konfrontierte ihn Axel Köhler-Schnura (CBG) mit einem neuen „unabhängigen und objektiven“ Richter-Spruch in Sachen Bluter-Präparate aus New Orleans, der den Konzern des Betrugs und der groben Fahrlässigkeit schuldig befand und ihn zu einer Entschädigungszahlung von 35,3 Millionen Dollar verurteilte. Dem sichtlich perplexen Schneider, der sich vorbehielt, nur „auf einige extreme Punkte“ von Köhler-Schnurras Rede einzugehen, blieb nichts anderes übrig, als das Urteil wider besseren Wissens zu dementieren. Die Ärztin Christiane Fischer von der BUKO-PHARMA-KAMPAGNE nahm eine Imageverschmutzung am „Tausendsassa“ ASPIRIN vor. Sie warf BAYER vor, das Mittel als Lebensmittel und nicht als Medikament zu vermarkten, was besonders beim Indikationsgebiet „Erkältungskrankheiten“ medizinisch unlauter sei, da die Wunderpille gegen Viren gar nichts ausrichten könne. Sie präsentierte der Konzernspitze einen ganzen Katalog unerwünschter ASPIRIN-Wirkungen: Magenschmerzen, Magenbluten, das Auslösen von Anfällen bei AsthmatikerInnen und beim in den Ländern der „Dritten Welt“ vertriebenen KINDER-ASPIRIN das lebensbedrohliche Reye-Syndrom. Versammlungsleiter Strenger wollte sich die Mängelliste aber nicht bis zum Ende anhören. Er unterbrach die Rednerin mit der Bemerkung, das Vorgetragene sei auf einer AktionärInnen-Veranstaltung fehl am Platz. „Wenn Sie die ASPIRIN-Reklamen im Eingangsbereich der Messehalle sehen, ist klar, was das mit der Hauptversammlung zu tun hat“, versetzte Fischer schlagfertig. Schwebende Verfahren und andere Ausflüchte Mit seinen Bemerkungen zur Berufung des BAYER-Steuerfachmannes Zitzelsberger ins Finanzministerium hätte Manfred Schneider Hubert Ostendorf (CBG) kein besseres Stichwort liefern können. In seiner Rede über BAYERs Extrem-Lobbyismus griff er die Worte des Vorstandsvorsitzenden sogleich als ein weiteres, besonders eindrucksvolles Beispiel auf. Ostendorf führte aus, wie es dem Leverkusener Chemie-Multi im Verbund mit anderen Unternehmen gelang, beim Schulministerium gentech- und chemiefreund- liche Lehrpläne durchzusetzen. Als flankierende Maßnahme zu dieser autoritären Akzeptanz-Erziehung sponserte BAYER gemeinsam mit dem Bundesforschungs- ministerium und dem Land Nordrhein-Westfalen das sog. BioTechMobil, das die Schulen, Marktplätze und Industriestandorte des Landes abklappert. Und es gelang sogar, Schulministerin Behler und Wirtschaftsminister Steinbrück vor den Karren dieses mit kompletten Labors ausgestatteten Propaganda-Gefährts zu spannen. Die Pharmakologin Dr. Sigrid Müller hatte schon auf der letzten Hauptversammlung zu den Risiken von BAYERs Alzheimer-Präparat METRIFONAT gesprochen und von Zwischenfällen bei der Erprobung berichtet. Durch einen neuerlichen Test-GAU in den USA – 20 ProbandInnen erlitten eine plötzliche Muskelschwäche – fühlte sie sich in ihrem Urteil bestätigt. „Warum haben Sie nicht auf uns gehört“, fragte sie BAYER-Chef Schneider eindringlich. Ein weiteres Mal schilderte sie die Gefahren des METRIFONAT-Wirkstoffes, eines Pestizids, und griff die Praxis des Konzerns an, Menschenversuche auch bei der Erprobung von Agrochemikalien durchzuführen. Als besonders skandalös hob Müller dabei hervor, daß den Testpersonen vorgegaukelt werde, es handle sich um die Erprobung eines Medikamentes. Für Manfred Schneider waren dies alles „Detailfragen“, auf die er nicht antworten könne. Zu den Menschen- versuchen erklärte er kurz und schmerzlos: „Wir müssen auch die Auswirkung von Stoffen auf Menschen überprüfen.“ André Schösser ist im letzten Jahr mehrere Monate lang in Brasilien gewesen und schilderte aus eigener Anschauung, welche verheerenden Auswirkungen das im Kaffeeanbau eingesetzte BAYER-Pestizid BAYSISTON auf die Gesundheit der LandarbeiterInnen hat. Obwohl nach internationalen Bestimmungen in der sog. Dritten Welt keine Agrochemikalien vertrieben werden dürfen, für deren Ausbringung aufwendige Schutzkleidung nötig ist, kann man BAYSISTON dort an jeder Straßenecke kaufen. Ungenügend über die Gefahren des Ackergifts informiert, streuen es die LandarbeiterInnen ungeschützt mit einem einfachen Kaffeelöffel auf den Plantagen aus und benutzen es sogar als Düngemittel für Mais- und Bohnenpflanzen. In Minas Gerais, dem Dorf, das Schösser besuchte, leiden folglich viele Menschen an Vergiftungs- symptomen, Lähmungserscheinungen und Atemwegserkrankungen - vereinzelt ist es sogar schon zu Todesfällen gekommen. Manfred Schneider ließ dieser eindrucksvolle Augenzeugenbericht völlig kalt: „Für den Rückzug des Produkts sehen wir keinen Grund.“ Wer geglaubt hatte, dass wenigstens das dunkle Kapitel IG FARBEN den Konzern- herrn zu verbindlicheren Tönen veranlassen könnte, sah sich bald getäuscht. Er fertigte David Rosenberg, Amerikaner jüdischer Abstammung, der extra aus Pittsburgh angereist war, um die BAYER-Spitze in leiser, eindringlicher Form zu einem angemessenen Umgang mit der Vergangenheit aufzufordern, genauso barsch ab wie die VorrednerInnen. BAYER sei 1951 neu gegründet worden, auch wenn es schwer falle, diese Tatsache zu akzeptieren, mit diesen Worten gliederte der Manager die Geschichte der IG FARBEN aus der des BAYER-Konzerns aus. Philipp Mimkes, der Geschäftsführer der CBG, widmete sich einigen besonders skandalträchtigen Vorkommnissen des Geschäftsjahres 1998. Er berichtete von den Protesten aufgebrachter französischer ImkerInnen gegen das BAYER-Pestizid GAUCHO, das ganze Bienenstämme verenden ließ und deshalb vom Landwirt- schaftsminister Jean Galvani verboten wurde. Sodann präsentierte Mimkes Vorstand und AktionärInnen ein Werbeblatt für das Holz„schutz“mittel XYLADECOR, wie es auf einer Agrarmesse in Kolumbien auslag. Offiziell hat BAYER sich seit dem Skandal um die massiven Gesundheitsschädigungen durch Holzgifte schon lange aus diesem Geschäftsfeld zurückgezogen. Das Prospekt zeigt nun aber, so Philipp Mimkes, dass der Konzern in weit von Europa entfernten Regionen noch auf die Ahnungslosigkeit der Kundschaft spekuliert und skrupellos weiter Profite auf Kosten der menschlichen Gesundheit macht. Der CBG-Geschäftsführer verlangte von der Vorstandsetage schließlich Auskunft darüber, warum das Unternehmen sich so beharrlich gegen die Schadstoff-Kontrolle durch die Emissionsfernüberwachung sträubt, wo es sich doch sonst so umweltbewusst gibt. Ein ganz besonders beschämendes Kapitel in der BAYER-Geschichte, das erst jetzt bekannt geworden ist, stellte für Mimkes ein „Arisierungsgeschäft“ des damals zur IG FARBEN gehörenden Krefelder Werkes dar. Es erwarb für eine lächerliche Summe den jüdischen Friedhof der Stadt, um das Gelände für eine Erweiterung der Produktionsstätten zu nutzen. Auf diese - fortdauernde - Grabschändung ging Manfred Schneider in seiner Antwort mit keiner Silbe ein. Zum Thema „GAUCHO“ gab er scheinheilig zu Protokoll: „An einer Klärung sind wir selbst dringend interessiert.“ Desweiteren sah er keine „Veranlassung, XYLADECOR in ein schlechtes Licht zu setzen“ und enthielt sich mit dem Hinweis auf ein schwebendes Verfahren Bemerkungen zur Emissionsfernüberwachung. In aller Ausführlichkeit wendete er sich dann wieder den Fragen „seiner“ AktionärInnen zu, die etwa umtrieb, ob BAYER durch den Kosovo-Krieg Umsatzeinbußen erleide. Eine Sorge, die Schneider zerstreuen konnte. Profitsplitter Für das Jahr 1998 wurde ein Gewinn vor Steuern in Höhe von 5,1 Milliarden Mark ausgewiesen. Jede/r weiß, dass ein solchermaßen deklarierter Gewinn nur einen Bruchteil des tatsächlichen Gewinns darstellt, denn auch BAYER wird alles tun, um die Steuern zu minimieren und sich entsprechend schlechtzurechnen. Bei einem ausgewiesenen Eigenkapital in Höhe von 23,9 Milliarden Mark entspricht der erzielte Gewinn einer Rendite von 21,3 %. An die AktionärInnen wurde eine Dividende von 2,00 Mark ausgeschüttet. Der achtköpfige Vorstand kassierte allein an ausgewiesenen Gehältern 15,2 Millionen Mark – im Durchschnitt also pro Kopf 1,9 Millionen Mark jährlich bzw. 161.500 Mark monatlich. Erbringen müssen diese Profite heute 145.100 MitarbeiterInnen, die im Durchschnitt jährlich 110.764 Mark verdienen. Dabei wurden von 1989 bis 1998 25.100 Arbeits- plätze vernichtet. Der Umsatz stieg im gleichen Zeitraum von 43,3 Millarden Mark auf 54,9 Milliarden Mark, der ausgewiesene Gewinn von 4,1 Milliarden Mark auf 5,1 Milliarden Mark. [gallery]

IG FARBEN!

CBG Redaktion

22. Februar 1999

Kein Neuanfang für IG FARBEN!

IG FARBEN sofort auflösen! Opfer endlich entschädigen!

Die IG FARBEN beabsichtigt, am 25. März 1999 in Frankfurt ihre Hauptversammlung durchzuführen. Auf der Tagesordnung steht die „Einrichtung einer Stiftung“, die Firma spricht von einem „Neuanfang“.
Der Sprecher der Kampagne ‚Nie wieder!‘, Axel Köhler-Schnura: “Für die IG FARBEN kann es keinen Neuanfang geben. Es ist eine Verhöhnung der Opfer und ihrer Angehörigen, daß die Reichsmark-Aktien dieser Gesellschaft noch immer - nun sogar mit einem Euro-Wechselkurs - an der Börse gehandelt werden! Für diesen Blutkonzern gibt es nur eine akzeptable Handlungsmöglichkeit: Sofortige Auflösung und Verwendung des gesamten Vermögens für Entschädigungsleistungen.„
Die gegen die IG FARBEN und die Nachfolge-Gesellschaften BAYER und BASF anhängigen Klagen zeigen, daß es auch mit Stiftungen keinen “Schlußstrich„ geben kann. Kritiker befürchten, dass die geplante Stiftung von der Schuld der Gesellschaft ablenken und eine umfassende Entschädigung verhindern soll. Außerdem wird kritisiert, daß die stadteigenen Firmen AUFBAU AG und SAALBAU GMBH der IG FARBEN Büroräume und Versammlungsräume vermieten.
Die IG FARBEN ist in die Verbrechen der Nazis verstrickt wie keine andere Gesellschaft in Deutschland, deshalb wurde sie 1949 in Nürnberg zur Auflösung verurteilt. Das Unternehmen unterhielt in Auschwitz/Monowitz ein eigenes Konzentrationslager, in dem über 30.000 Menschen vernichtet wurden und lieferte das ZYKLON B für die Gaskammern.
Die die Kampagne ‚Nie wieder!‘ unterstützenden ca. 2'000 Organisationen und Einzelpersonen fordern:
* Kein “Neuanfang„ für IG FARBEN! Die IG FARBEN i.A. muß ihre Geschäfte sofort beenden, der Handel mit diesen “Blut-Aktien" muß unterbunden werden.
* Die Hauptversammlung der IG FARBEN am 25. März 1999 in Frankfurt (Bergen-Enkheim), Stadthalle Bergen, Marktstr. 15 darf nicht stattfinden!
* Die angemessene Entschädigung aller IG FARBEN-ZwangsarbeiterInnen und ihrer Hinterbliebenen durch die IG FARBEN sowie die Nachfolgefirmen muß endlich erfolgen.
* Die IG FARBEN und die Nachfolgefirmen müssen die Finanzierung und den Erhalt der die IG FARBEN betreffenden Gedenkstätten Auschwitz und Schwarzheide sicherstellen.
* Die IG FARBEN und die Nachfolger müssen freien Zugang zu ihren Archiven gewähren.
Weitere Informationen senden wir Ihnen gerne zu!

USA

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 18.12.98

Aufarbeitung der Geschichte gefordert:

Amerikanische Initiative attackiert BAYER

Die amerikanische Gruppe Committee for Appropriate Acknowledgment hat sich heute mit einem offenen Brief an den Vorstandsvorsitzenden des BAYER-Konzerns, Manfred Schneider, gewandt. Die jüdische Initiative wirft dem Unternehmen vor, seiner Verantwortung, die aus der Beteiligung an dem Holocaust resultiert, nicht gerecht zu werden. Der Sprecher des Vereins, David Rosenberg, fordert: „Die Geschichte von BAYER ist eng mit der der IG Farben verbunden. Indem Sie sich der Vergangenheit stellen und den noch lebenden Opfern der IG Farben Gerechtigkeit zukommen lassen, können Sie auch zu diesem späten Zeitpunkt einen Rest an Moral demonstrieren.“ Die Gruppe aus Pittsburgh, dem Stammsitz der amerikanischen BAYER-Tochter, erinnert daran, daß Tausende von Zwangsarbeiter bis heute keinerlei finanzielle Kompensation erhalten haben.

Der offene Brief ist Teil einer internationalen Aktion, die am heutigen Freitag mit Demonstrationen in mehreren Städten auf die Rolle der IG Farben im Dritten Reich hinweist. Neben einer Auflösung der bis heute existenten IG Farben in Liquidation wird eine Haftung auch der Nachfolgegesellschaften BAYER, BASF und HOECHST gefordert. Hierzu Philipp Mimkes, Geschäftsführer der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „BAYER darf die IG Farben i.L. nicht weiter als Blitzableiter benutzen. Das Unternehmen muß sich zu seiner Schuld bekennen und den Opfern von Zwangsarbeit und Menschenversuchen eine offene Entschuldigung aussprechen.“

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren war in den 80er Jahren einer der Initiatoren der Proteste gegen die IG Farben. Die IG hatte in Auschwitz ein eigenes Werk betrieben und etwa 300.000 Zwangsarbeiter ausgebeutet, auch an den Standorten Leverkusen und Krefeld gab es Arbeitslager. Bis heute weigert sich der Leverkusener Multi aber, den Opfern Entschädigungen zu zahlen. In den USA mußte der Konzern auf den Druck des Committee for Appropriate Acknowledgment reagieren. Helge Wehmeier, Vorsitzender der amerikanischen BAYER-Niederlassung, sprach eine „tiefe Entschuldigung dafür aus, was mein Land und die IG Farben Millionen von Opfern angetan haben“. In Deutschland bleibt das Unternehmen den Opfern eine ähnliche Erklärung bis heute schuldig.

Pestizide

CBG Redaktion

gemeinsame Pressemitteilung vom 25.11.98

Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) e.V.
GRÜNE LIGA Berlin e.V.-Netzwerk ökologischer Bewegung
Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN) e.V.
Naturschutzbund NABU Landesverband Berlin e.V.

Offener Brief gegen Ausstellungs-Sponsoring

In einem offenen Brief äußern heute die Umweltverbände Grüne Liga, Coordination gegen BAYER-Gefahren, Naturschutzbund NABU und Pestizid Aktions-Netzwerk Kritik an der Ausstellung „Naturfotos des Jahres“. Im Berliner Museum für Naturkunde werden ab dem 1. Dezember die „schönsten Naturfotografien der Welt“ präsentiert - mit finanzieller Hilfe der Pestizidabteilung des Chemie-Konzerns Bayer. Die Ausstellung, die „die Schönheit und gleichzeitige Gefährdung unserer natürlichen Umwelt bewußt machen“ soll, wird von der Zeitschrift natur organisiert.

Philipp Mimkes von der CBG: „Das sinnvolle Anliegen, die Vielfalt und die gleichzeitige Bedrohung der Natur zu zeigen, wird durch die Zusammenarbeit mit einem Brunnenvergifter wie der Bayer AG völlig konterkariert. Ausgerechnet die engagierte Zeitschrift natur legitimiert somit den Einsatz von Pestiziden - obwohl dieser zu den großen ökologischen Problemen unserer Zeit gehört.“

Die Leverkusener Bayer AG gehört weltweit zu den fünf größten Pestizid-Herstellern. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO erleiden jährlich mehr als eine Million Menschen schwere Pestizid-Vergiftungen, rund 20.000 Fälle verlaufen tödlich. Die Welternährungsorganisation FAO spricht von einer „Umwelttragödie“. Die schleichende Vergiftung von Böden und Gewässern, die Ausrottung nützlicher Pflanzen- und Tierarten und die Zunahme pestizidresistenter Schädlinge stören das ökologische Gleichgewicht empfindlich. Pestizide gelten daher als ein wesentlicher Verursacher des Artensterbens. Allein in Deutschland werden jährlich mehr als 35.000 to Ackergifte versprüht, rund 30% unseres Grundwassers sind mit Pestiziden belastet.

Die Umweltverbände fordern das Museum für Naturkunde und die Zeitschrift natur auf, diese Zusammenarbeit mit der Bayer AG einzustellen. Eine solche Kooperation schadet dem Umwelt- und Naturschutz.

Zwangsarbeit

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 22.10.98

Nach dem Treffen von Gerhard Schröder mit den Spitzen der Industrie:

BAYER-Konzern muß angemessene Entschädigungen leisten

Anläßlich des gestrigen Treffens des designierten Kanzlers Schröder mit den Vorstandsvorsitzenden der größten deutschen Konzerne erklärt die Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V. (CBG): Das Chemieunternehmen BAYER muß endlich seine ehemaligen Arbeitssklaven gerecht und individuell entschädigen. Alle IG Farben-Zwangsarbeiter und ihre Hinterbliebenen müssen eine angemessene Entschädigung erhalten, notfalls müssen die Konzerne von der Regierung zu einem gerechten Verhalten gezwungen werden. Jetzt ist die letzte Chance, den Betroffenen noch zu helfen.

Jan Pehrke von der CBG: „Die Verantwortlichen bei BAYER handeln in dieser Frage völlig gewissenlos. Sie setzen auf die „biologische Lösung“ und warten den Tod des letzten Zwangsarbeiters ab. Gerade die IG Farben - Nachfolger BAYER, BASF und HOECHST tragen eine große historische Schuld, der sie endlich entsprechen müssen. Die neue Regierung ist gefordert, den notwendigen Druck auf die Verantwortlichen in den Unternehmen auszuüben.“ Ein diesbezüglich von der CBG initiierter Aufruf wird von Auschwitz-Komitee, Aktion Sühnezeichen, Gewerkschaften und Kritischen Aktionären unterstützt.

Die IG Farben hatte in Auschwitz ein Werk betrieben und etwa 300.000 Zwangsarbeiter ausgebeutet. Auch an den Werksstandorten Leverkusen und Krefeld gab es Arbeitslager. Hierzu Jan Pehrke: „BAYER profitiert noch heute von den Entdeckungen aus den IG-Laboren. Die Entwicklung zahlreicher Kunststoffe und Pharmazeutika fällt in die NS-Epoche und ist daher unauflöslich mit der Ausbeutung von Zwangsarbeitern und den unwürdigen Menschenversuchen in den KZ verbunden. BAYER, BASF und HOECHST müssen die Opfer ihrer skrupellosen Geschäftspolitik individuell und angemessenen entschädigen.“

Offener Brief

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 19.8.98

Nach Zahlungen von VW und der Schweizer Banken:

BAYER-Konzern zu Entschädigungen aufgefordert

In einem offenen Brief fordert die Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V. das Chemieunternehmen BAYER auf, seine ehemaligen Arbeitssklaven finanziell zu entschädigen. Wörtlich heißt es: „Die IG Farben-Firmen BAYER, BASF und HOECHST müssen mit ihrer historischen Schuld konfrontiert werden. Wir fordern eine angemessene Entschädigung aller IG Farben-Zwangsarbeiter und ihrer Hinterbliebenen durch die Nachfolgefirmen“. Das Auschwitz-Komitee, die Aktion Sühnezeichen, Gewerkschafter und Kritische Aktionäre unterstützen die Forderungen. Der Druck auf den BAYER-Konzern verstärkt sich, seit die Volkswagen AG die Ansprüche ehemaliger Zwangsarbeiter kürzlich anerkannte und sich zu Zahlungen bereiterklärt hat.

Jan Pehrke von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „BAYER profitiert noch heute von den Entdeckungen aus den IG-Laboren. Das Unternehmen bekennt sich unbefangen zu seiner Tradition, wenn es darum geht, „60 Jahre Polyurethan-Chemie“ oder „60 Jahre Perlon“ zu feiern. Die Entwicklung zahlreicher Kunststoffe und Pharmazeutika fällt in die NS-Epoche und ist daher unauflöslich mit der Ausbeutung von Zwangsarbeitern und den unwürdigen Menschenversuchen in den KZ verbunden. BAYER, BASF und HOECHST müssen sich zu ihrer unrühmlichen Geschichte bekennen und die Opfer ihrer skrupellosen Geschäftspolitik mit einer angemessenen Summe entschädigen.“

Die IG Farben hatte in Auschwitz ein Werk betrieben und etwa 300.000 Zwangsarbeiter ausgebeutet. Auch an den Werksstandorten Leverkusen und Krefeld gab es Arbeitslager. Bis heute weigert sich der Leverkusener Multi aber, den Opfern von Menschenversuchen und Sklavenarbeit eine Entschuldigung auszusprechen. In den USA hingegen mußte der Konzern auf Druck von jüdischen Organisationen reagieren: Helge Wehmeier, Vorsitzender der amerikanischen BAYER-Niederlassung, sprach eine „tiefe Entschuldigung dafür aus, was mein Land und die IG Farben Millionen von Opfern angetan haben“. Hierzu Jan Pehrke: „Die Verantwortlichen bei BAYER handeln in dieser Frage völlig gewissenlos und setzen auf die „biologische Lösung“, das heißt, sie warten den Tod des letzten Zwangsarbeiters ab. Der Konzern reagiert nur auf äußeren Druck, und jetzt ist die letzte Chance, den Betroffenen noch zu helfen“.

Störfall Dormagen

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 29.6.98

Ein Jahr nach dem Großunfall im BAYER-Werk Dormagen:

Fragen bleiben bis heute offen

Am 30. Juni 1997 platzte im BAYER-Werk Dormagen ein Reaktor zur Herstellung des Kunststoff-Vorprodukts Toluylendiamin (TDA). Die betreffende Anlage war erst wenige Monate zuvor in Betrieb genommen worden. 12 Tonnen des krebserregenden Stoffes traten aus, gerieten teilweise in Brand und gelangten bis über die Werksgrenzen. Trotz mehrmonatiger Untersuchungen durch den TÜV konnte die Unfallursache bis heute nicht zweifelsfrei ermittelt werden! Am 10. April diesen Jahres kam es wegen eines geplatzten Ventils erneut zu einer Freisetzung von 5 Tonnen TDA.

Folgende Fragen bleiben nach Meinung der Coordination gegen BAYER-Gefahren ungeklärt:

· BAYER führt die Explosion auf eine ungewöhnlich lange und verwinkelte Zuleitung zurück, in der sich Ablagerungen gebildet hätten. Warum wurde diese Leitungsführung gewählt? Wie konnte es zu der Sicherheitsabnahme der Anlage nur wenige Monate vor der Explosion kommen?
· Wie kann BAYER heute einen sicheren Betrieb garantieren, wenn die Gefahren seinerzeit nicht vorhergesehen wurden und die Ursache der Explosion noch immer nicht zweifelsfrei feststeht?
· Wie sieht die Zusammensetzung der entstandenen Brandgase aus? Welche Risiken (auch langfristig) gehen von ihnen aus? Warum wurden die Anwohner des Werkes nicht ärztlich untersucht?

Philipp Mimkes, Geschäftsführer der CBG: „Risikoreiche Anlagen müssen mit einer zusätzlichen Hülle gesichert werden. Denn obwohl Leckagen in druckführenden Rohren zu den häufigsten Ursachen von Störfällen gehören, bleibt bei BAYER eine Ummantelung von Anlagen und Leitungen die Ausnahme. Außerdem müssen die Anwohnerinnen und Anwohner gründlich über Gefahren risikoreicher Anlagen informiert werden, wie es auch §11 der Störfallverordnung verlangt. Hierzu gehört unter anderem eine detaillierte Aufzählung aller produzierten und gelagerten Stoffe, mit Mengenangaben und potentiellen Gesundheitsgefahren. Auf die lange Sicht muß es aus Sicherheitsgründen das Ziel sein, gefährliche Anlagen und Wohngebiete räumlich voneinander zu trennen.“

[BAYER HV 1998] Hauptversammlung 1998

CBG Redaktion
Millionenschweres Aktienpaket: Kritiker übergeben Erweiterung der Tagesordnung

Ergänzung der Tagesordnung

Dank der Übertragung von mehreren Millionen Bayer-Aktien kann die Coordination gegen BAYER-Gefahren erstmals in der Geschichte der BAYER-Hauptversammlungen eine Erweiterung der Tagesordnung durchsethen. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V. schlägt vor, in der Satzung der BAYER AG ökologische und soziale Mindeststandards verbindlich festzuschreiben. Die hierfür nötigen Satzungsänderungen sind unten abgedruckt. Sie wurden dem BAYER-Konzern fristgerecht mitgeteilt, auch die für eine Erweiterung der Tagesordnung erforderlichen 200.000 Aktien wurden vorgelegt. Trotzdem weigerte sich der Vorstand des Konzerns, die zusätzlichen Tagesordnungspunkte zu veröffentlichen. Dies ist ein Verstoß gegen das Aktiengesetz. Das Landgericht Frankfurt hat vor wenigen Wochen in einem ähnlichen Fall gegen die Deutsche Bank entschieden. Demnach müssen zusätzliche Tagesordnungspunkte bekanntgegeben und diskutiert werden. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V. wird ihre Vorschläge in der heutigen Diskussion vorstellen. Im einzelnen lauten sie: § 2 der Satzung wird um folgende Punkte ergänzt: „(3) Die Gesellschaft leistet umfassende finanzielle Entschädigungen an alle Personen, die durch Geschäftsaktivitäten oder durch Produkte gesundheitlich geschädigt wurden. Diese Regelung gilt auch für Hinterbliebene von Geschädigten. Eine rückwirkende Produkthaftung wird unbefristet übernommen. Bluter, die durch Faktor VIII-Präparate mit dem Aids-Virus infiziert wurden, werden weltweit auf der Basis des in Japan geschlossenen Vergleichs finanziell entschädigt.“ „(4) Die Gesellschaft garantiert ihren Beschäftigten weltweit in allen Niederlassungen weitestgehende gewerkschaftliche Freiheit, insbesondere Organisations- und Versammlungsfreiheit, Kündigungsschutz für Belegschaftsvertreter und Mitspracherechte der Beschäftigten bei allen arbeitnehmerspezifischen Belangen. In Staaten, in denen sie diese Rechte nicht garantieren kann, unterhält sie keine Niederlassungen oder Beteiligungen. In Ländern, deren Regierungen keine demokratische Legitimation besitzen oder aus denen Berichte über staatlich veranlaßte oder geduldete Menschenrechtsverletzungen vorliegen, tätigt die Gesellschaft keine Geschäfte.“ „(5) Die Gesellschaft entwickelt und produziert keine Güter, die für militärische Zwecke verwendet werden können. Sie beliefert weder Armeen noch Rüstungskonzerne.“ „(6) Die Gesellschaft verpflichtet sich dem Ziel der umfassenden Schadstoff- und Risikominimierung. Hierzu gehören der Einsatz chlorfreier Verfahren in der Polyurethan-Produktion, der sofortige Verzicht auf die Produktion von Pestiziden der WHO-Toxizitätsklasse I sowie der Verzicht auf gentechnische Forschung und gentechnisch hergestellte Produkte.“ „(7) Die Gesellschaft anerkennt ihre Verantwortung für die IG Farben-Geschichte - insbesondere für das den Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern sowie den Opfern von Menschenversuchen zugefügte Unrecht. Sie sorgt für die rückhaltlose öffentliche Aufklärung der gesamten Firmengeschichte. Sie entschädigt die ehemaligen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter bzw. die Hinterbliebenen auf Basis des vorenthaltenen Lohns zuzüglich entgangener Zinsen. Den Überlebenden der Menschenversuche wird eine lebenslange monatliche Rente von 4.000 DM zugestanden.„ Aktionsbericht:

Der Tag der Abrechnung

Das Geschäftsjahr 1997 verlief für BAYER wieder einmal äußerst erfolgreich: Ein Umsatzzuwachs von 6,4 Milliarden Mark und eine Gewinnsteigerung von 7 %. Einen “Wachstumsschub, wie wir ihn seit Beginn der achtziger Jahre nicht mehr hatten„ bejubelt BAYERs Vorstandsvorsitzender Manfred Schneider. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN präsentierte auf der Hauptversammlung im April die Gegenrechnung: negative Umweltbilanz, Arbeitsplatzvernich- tung, mangelnde Entschädigung von BAYER-Aidsopfern, unlautere Geschäftspraktiken wie Bestechung und Ausbeutung von Beschäftigten in der “Dritten Welt„. “BAYER got profits, I got AIDS„. Weithin sichtbar wehte Todd Smiths´ von schwarzen Luftballons gehaltenes Transparent vor dem Eingangsbereich zur BAYER-Hauptversammlung in den Kölner Messehallen. Mit einem Plakat gleicher Aufschrift demonstriert der amerikanische Bluter, der durch BAYER-Blutpräparate mit HIV infiziert wurde, regelmäßig jede Woche vor dem BAYER-Werk in Berkeley, Kalifornien. In diesem Jahr ist der teilweise auf einen Rollstuhl angewiesene Ingenieur erstmals in die Bundesrepublik gereist, um die BAYER- Oberen leibhaftig mit dem Pharma-Skandal zu konfrontieren. Am Tag vor der Hauptversammlung hatte Smith sogar gemeinsam mit dem deutschen Bluter und BAYER-Opfer Carl Caspari versucht, in der Leverkusener BAYER-Zentrale Manfred Schneider persönlich zur Rede zu stellen - vergeblich. Erstaunt hielten die Aktionäre vor der ungewöhnlich Manifestation des Rollstuhlfahrers inne. Durch Flugblätter konnten sie sich über die Hintergründe des Skandals, der viele Tausend Bluter das Leben kostete, informieren. Einige Besucher begannen, mit Todd und den übrigen ProtestlerInnen zu diskutieren. Manche reagierten aber auch schroff mit sich selbst disqualifizierenden Sprüchen wie “die Schwulen sind doch selbst schuld„. Besonders ignorant zeigten sich die TV-Teams von WDR- und ZDF. Überschwenglich von der BAYER PR-Abteilung begrüßt, bemühten sie sich nach Kräften, zu übersehen, was schlicht nicht zu übersehen war. Mit äußerster Gewandtheit filmten die Kamera- Männer um die Gruppe der AktivistInnen herum, die Flugblätter verteilten und mit den AktionärInnen diskutierten. Es war offensichtlich, daß man sich durch das unvorhergesehene Ereignis nicht die schon feststehende Dramaturgie der Routine-Beiträge über den Haufen werfen lassen wollte. Während Todd Smith, Mitglieder der COORDINATION und TierversuchsgegnerInnen draußen vor der Messehalle noch auf die Kehrseiten der BAYER-Bilanz hinwiesen, mußte drinnen schon der große, 5.000 Personen fassende Saal wegen Überfüllung geschlossen werden. Für einige AktionärInnen endete die gerne auch als “Butterfahrt der kleinen Leute„ titulierte BAYER-HV vorerst auf den billigen Plätzen vor der Video-Leinwand. Der Große Vorsitzende spricht Satzungsgemäß eröffnete der Vorstandsvorsitzende Dr. Manfred Schneider die Hauptversammlung mit einer Jubel-Arie über die guten Zahlen und die noch besseren Zukunftsaussichten. Die Gegenanträge bezeichnete er pauschal als “zweifelhaften Coctail„. Auf einige seiner Bestandteile ging er dennoch detaillierter ein. BAYERs Taiwan-Schlappe, die Aufgabe des Plans, dort ein TDI-Werk zu errichten, führte der BAYER-Boss allein auf “mangelnde Planungssicherheit„ zurück. Die massiven Proteste vor Ort, die auf die mangelnde Sicherheit der TDI-Produktion für Mensch, Tier und Umwelt aufmerksam machten, erwähnte er mit keinem Wort. Auch den Dormagener “Störfall„ spielte Schneider herunter. Aus der Anlage waren im Juli vergangenen Jahres durch ein geplatztes Rohr 12 Tonnen des krebserregenden Stoffes Toluylendiamin ausgetreten. Das “Störfall-Management„ sei in diesem Fall vorbildlich gewesen, und eine 100 %ige Garantie könne es eben nie geben. Rosige Aussichten. Besonders süffisant kommentierte der Vorstandsvorsitzende die Gegenanträge, die sich mit “100 Jahre Heroin„ und BAYERs Vermarktung der Droge als Hustensaft befaßten. “Wir sind es ja gewohnt, uns mit historischen Themen der letzten 60 Jahre auseinanderzusetzen (er meinte die IG FARBEN), aber 100 Jahre, nein.„ Das ginge eindeutig zu weit und stelle nur die Verblendung der Konzern-KritikerInnen unter Beweis. Nach der Eröffnungsrede schlug erstmal die Stunde der KleinaktionärInnen. Die Funktionäre ihrer Verbände hatten sichtlich Spaß daran, auch einmal Industrie-Kapitän zu spielen und versuchten, sich noch ökonomischer als die Ökonomen vom Vorstand zu gebärden. Warum in diesem und jenen Bereich die Umsatzrendite denn von 14 auf 13,1 % gefallen sei, und ob die Form des Mischkonzern wirklich die Lösung für die Zukunft wäre, wollten sie vom Vorstandsvorsitzenden wissen. Besonders das Schreckgespenst der “Quersubvention„, die Alimentierung weniger florierender Geschäftsteile durch profitablere, trieb sie um. Die andere Bilanz Axel Köhler-Schnura von der CGB eröffnete die lange Reihe der konzernkritischen Gegenreden. Er ergriff sogleich die Gelegenheit, Hintergrund-Informationen zum “mustergültigen Vorgang„ Taiwan zu geben, die Manfred Schneider in seiner Eröffnungsrede wohlweislich verschwiegen hatte. Weitere Schwerpunkte seiner “Jahresbilanz„ waren die massive Streichung von Arbeitsplätzen bei BAYER, der Bluter- Skandal und die umweltgefährdende Dünnsäure-Verknappung. Die Sozialwissenschaftlerin Maria Mies sprach zum MAI, dem Multilateralen Abkommen über Investitionen. Von BAYER und anderen multinationalen Konzernen vorangetrieben, soll diese Deregulierungsoffensive in- und ausländische Investitionen gleichstellen - was de facto die Souveränität von Nationalstaaten außer Kraft setzt. In Gestalt von sog. “Sonderwirt- schaftszonen„ in den ärmeren Regionen hat sich das Kapital schon solche rechtfreien Räume geschaffen, wie die Professorin berichtete. Angelika Horster (BUND), Mitglied der Störfall-Kommission, offenbarte der Vorstandsetage detailliert die Wartungs- und Verfahrensfehler wie eine verdünnte Durchlassung und ein unterschiedlicher Durchfluß, die mit dazu führten, daß im Dormagener Werk zwei Rohre platzten und 12 Tonnen hochgiftiger Substanzen austreten konnten. Obwohl die Unfallursache noch nicht restlos geklärt sei, wurde die Anlage wieder in Betrieb genommen, kritisierte sie. Die Pharmakologin Dr. Sigrid Müller erteilte den Erwartungen einen Dämpfer, die BAYERs PR-Abteilung schon jetzt anläßlich der im Herbst geplanten Markteinführung des Alzheimer-Präparats METRIFONAL weckt. Sie berichtete, daß es in der klinischen Erprobung des Medikamentes, dessen Basis ein Pestizid- Wirkstoff ist, bei einigen Probanden zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen gekommen ist und sogar zu Verwirrheitszuständen, also exakt zu dem, wogegen das Präparat eigentlich helfen sollte. Als ethisch verwerflich geißelte sie den Tabubruch BAYERs, Menschenversuche mit nicht zustimmungsfähigen PatientInnen durchgeführt zu haben. Hubert Ostendorf schilderte die zwielichtigen Geschäftspraktiken des Multis, der nicht mal vor Bestechungen zurückschreckt. Er überführte den Konzern sogar des Wortbruches. Hatte Manfred Schneider auf der letztjährlichen Hauptversammlung noch zugesichert, die Werbung für Kinder-Aspirin einzustellen, da das Präparat hohe Risiken birgt, so präsentierte Ostendorf den verblüfften AktionärInnen eine Kinder-Aspirin-Werbe- annonce aus Guatemala. Daß es sich bei dieser Geschäftspolitik nicht um Einzelfälle handelt, demonstrierte der Redebeitrag Philipp Mimkes´. Denn auch die Versicherung, sich aus der Produktion von Pestiziden der Toxizitätsklasse1 zurückzuziehen, hielt BAYER nicht ein. Einen analogen Fall zu “BAYERgate„ in Portugal zitierte der Geschäftsführer der CGB mit den illegalen Preisabsprachen der BAYER-Tochter HAARMANN & REIMER, gegen die in den USA ein Kartellverfahren anhängig ist. Wie wenig BAYER gewillt ist, sich an demokratische Gepflogenheiten zu halten, wenn es ans Eingemachte geht, mußte Uwe Friedrich (CGB) erfahren. Die Ausführungen von jemandem, der vor Ort in Taiwan war und dort mit PolitikerInnen und AktivistInnen zusammentraf, mochte Versammlungsleiter Strenger nicht über sich ergehen lassen. Er unterbrach Friedrich mehrfach und zwang ihn schließlich dazu, das Rednerpult zu verlassen. Doc Schneider antwortet nicht Die Antworten Manfred Schneiders auf die geballte Konzernkritik fielen einsilbrig aus, wenn er die Berechtigung der Vorwürfe nicht gleich barsch zurückwies. Nur einmal, im Falle der Resistenz-Bildungen gegen Antibiotika, räumte er einem Kritiker ein, in der Tat ein wichtiges wissenschaftliches Problem angesprochen zu haben. Er schob aber gleich nach, daß eine Hauptversammlung nicht der geeignete Ort für die Erörterung dieses Themas sei. Nicht die geeignete Adresse sei BAYER nach Meinung des Vorsitzenden auch in den Fragen “MAI„ und “Untersuchung des Dormagener Störfalls„. Da solle man sich doch an die politischen Gremien bzw. die zuständigen Behörden wenden, beschied er den RednerInnen knapp. Eine Antwort auf die Frage, wie hoch der Anteil der Pestizide auf Phosphat-Basis, einer besonders gefährlichen Art, am Umsatz sei, umging er mit dem Hinweis, BAYER gebe grundsätzlich keine Verkaufszahlen einzelner Produkte preis. Keine Auskunft auch zu den Entschädigungen für Bluter: da gebe es noch ein schwebendes Verfahren. An ein anderes schwebendes Verfahren, das “unerfreuliche„ gegen die BAYER-Tochter HAARMANN & REIMER, mochte er hingegen nicht erinnert werden. Völlig aus der Luft gegriffen die Behauptung, der Verkauf der Zitronensäure-Produktion hänge mit dem Kartell-Prozeß in den USA zusammen. Nein, nein, alles nur Konzentration auf das Kern-Geschäft. Konnte Schneider sich nicht hinter solchen Sprachformeln verschanzen, wurde er ausfallend. Schon aus der Art ihres Vortrags würde hervorgehen, daß sie dem Thema nicht gewachsen sei, entgegnete er Angelika Horster aus der Störfall-Kommission, offensichtlich, um ihre Argumente zu entkräften. Besonders infam aber seine Reaktion, als Hubert Ostendorf ihn mit der Werbung für Kinder-Aspirin konfrontierte. Er bestritt schlichtweg den Sachverhalt und behauptete dummdreist, es handle sich bei der Annonce lediglich um einen Malwettbewerb für Kinder! Ein BAYER-Opfer klagt an Mit einem Kritiker konnte es sich der Vorstandsvorsitzende aber nicht so leicht machen. Als ein Helfer den Rollstuhlfahrer Todd Smith nach vorn brachte, er neben dem Rednerpult halten mußte, da es zu hoch war, und der amerikanische Bluter statt dessen in ein von einem Saalordner gehaltenes Mikrophon sprechen mußte, setzte im Saal eine beklemmende Stille ein. Hier war jemand, den man nicht so einfach als Kommunist, Radikal-Ökologen oder Chaot diffamieren konnte, sondern leibhaftig die Folgen unnachgiebiger Profitgier dokumentiert. Todd Smith berichtete den AktionärInnen detailliert von BAYERs HIV- verseuchten Blutpräparaten, “die eine ganze Generation von Blutern ausgelöscht haben„. Und das, obwohl das Risiko einer Kontamination Konzern-intern bekannt war, und man nur die umständlichen und kostenintensiven Test- und Behandlungsverfahren umgehen wollte. Selbst als in den USA der Test obligatorisch wurde, verkaufte BAYER unbehandelte Chargen weiter in andere Länder wie z.b. Japan. “Wollen Sie so wirklich einen Konzern ins nächste Jahrtausend führen, Herr Schneider?„, fragte Smith eindringlich am Ende seiner Rede. So direkt mit einem BAYER-Opfer konfrontiert, mußte sich Schneider um mehr Takt bemühen, als er sonst im Tagesverlauf zeigte. “Wir bedauern das tragische Schicksal aller Menschen, die betroffen sind„, rang er sich ab. “Tragisches Schicksal„, eine Worthülse, in gerade in der Bundesrepublik immer gern verwendet wird, wenn man ein negatives Faktum anerkennen will, seinen eigenen Anteil daran aber verschleiern will. Ein Schuld-Eingeständnis wollte der BAYER-Mann nämlich nicht leisten. Statt dessen zitierte er ein Gerichtsurteil als Persilschein, daß dem Konzern bescheinigte “verantwortungsbewußt„ und “dem Stand der Technik gemäß„ gehandelt zu haben. Dann schloss er mit dem schon leidlich erprobten ,,Aber sie müssen verstehen, daß eine Hauptversammlung nicht der geeignete Ort ist.“ seine Ausführungen. Ein geeigneter Ort ist eine Hauptversammlung nur dafür, hemmungslos dem Terror der Ökonomie zu huldigen, dem solche Menschen wie Todd Smith dann zum Opfer fallen. Diese Tagesordnung ein wenig durcheinandergebracht zu haben und dem Konzern eine politische, ökologische, wissenschaftliche und soziale Gesamtbilanz seines verantwortungslosen Tuns präsentiert zu haben, war nun schon im 18. Jahr der Verdienst der KonzernkritikerInnen.

Rede von Todd Smith, USA

Guten Tag, mein Name ist Todd Smith, ich komme aus den USA. Ich bin Bluter und habe viele Jahre für die Behandlung meiner Krankheit Medikamente der Firma BAYER verwendet. Diese Medikamente wurden aus menschlichem Blutplasma gewonnen und haben mich mit dem AIDS-Virus infiziert. Tausende von Blutern in den USA wurden durch BAYER-Produkte infiziert, viele Tausend weitere auf der übrigen Welt. Viele sind an AIDS gestorben und viele haben Frauen und Kinder mit dieser Krankheit unwissentlich infiziert. All dieses Leid wurde durch ein Produkt ausgelöst, das hätte sicher sein können! Herr Schneider, ich frage Sie persönlich: Warum hat BAYER seine Kunden nie vor diesen Gefahren gewarnt? Warum wurde uns Blutern bis zum heutigen Tag nicht mitgeteilt, daß die Blutprodukte mit solch hohen Risiken behaftet waren? Plasma ist der flüssige Teil des Blutes, der keine Zellen enthält. Das Plasma für die Bluterpräparate wird auch für andere Produkte wie Immunglobuline verwendet. Immunglobuline bestehen aus menschlichen Antikörpern, diese Antikörper weisen stark auf die Existenz von Viren hin. Aus diesem Grund hat die amerikanische Kontrollbehörde Food and Drug Administration schon in den siebziger Jahren die Verwendung dieses hochgefährlichen Plasmas für Bluterpräparate verboten. Warum hat sich BAYER immer wieder über die Verbote der FDA hinweggesetzt und trotzdem infiziertes Plasma für Bluterpräparate verwendet? Hätte sich BAYER an die Bestimmungen der FDA gehalten, hätte sehr viel Plasma nicht verwendet und nicht verkauft werden können. Offenbar haben Sie sich aus Profitgründen für die Verwendung dieses infizierten Plasmas und gegen die Gesundheit der Menschen entschieden! Schon 1982 war bekannt, daß AIDS genauso wie Hepatitis über das Blut verbreitet wird. Seit Jahrzehnten gab es Verfahren, um Blutplasma von Viren zu befreien. Diese Verfahren wurden für Immunglobuline angewandt, so daß diese kein Aids hervorgerufen haben. Aber zwischen 1980 und 1984 wurden diese Verfahren aus Kostengründen nicht für die Bluterpräparate eingesetzt. Die bestehende Technik wurde nicht eingesetzt, da sich bei dem Verfahren die Menge des Plasmas auf ein Viertel reduziert hätte. Dementsprechend wären auch die Profite der Firma BAYER geschrumpft. Finanzielle Gründe waren also wichtiger als die Sicherheit der Patienten! Diese Entscheidung hat Tausenden von Blutern das Leben gekostet! Herr Schneider, warum hat BAYER sich geweigert, die bestehenden Inaktivierungsverfahren für Viren einzusetzen? Sind Sie bereit, sich für dieses Verhalten zu entschuldigen? 1985 brachte BAYER behandelte Blutprodukte auf den Markt. Trotzdem wurden die schon hergestellten und unbehandelten Produkte weiterverkauft! BAYER empfahl sogar den Zwischenhändlern, zunächst die unbehandelten Produkte zu verkaufen und erst danach die behandelten! Als die Food and Drug Administration den Verkauf der unbehandelten Produkte in den USA endgültig verbot, wurden die übriggebliebenen Produkte in Entwicklungsländer wie Costa Rica verkauft. Herr Schneider, warum wurden die infizierten Produkte nicht vernichtet? Warum mußten noch mehr Bluter infiziert werden? Sind die Menschen in Costa Rica weniger wert als in den USA? In vielen Ländern hat BAYER finanzielle Entschädigungen an Bluter geleistet, allerdings in allen Ländern in verschiedener Höhe! Die japanische Regierung hat eine angemessene Entschädigung durchgesetzt, die eine Rente und alle Behandlungskosten einschließt. In den USA hingegen zahlt BAYER gerade einmal ein Zehntel dieser Summe, einhunderttausen US$ für jedes zerstörte Leben! Herr Schneider, sind die Menschenleben in verschiedenen Teilen der Welt unterschiedlich viel wert? Warum zahlen Sie in manchen Teilen der Welt überhaupt keine Entschädigung? BAYER ist doch ein multinationaler Konzern, warum sind für BAYER die Menschen in den verschiedenen Ländern nicht gleichwertig? Hunderte von Amerikanern, darunter auch ich, haben das beschämende Angebot Ihres Unternehmens nicht akzeptiert. Wir werden Ihr unglaubliches Fehlverhalten weiterhin gerichtlich verfolgen. Zusammen mit anderen Betroffenen demonstriere ich jede Woche in Berkeley, Kalifornien vor den Toren der Fabrik von BAYER. Viele Menschen ermutigen uns bei diesem Protest, sogar Beschäftigte der Firma BAYER. Aber alle Angestellten der Firma BAYER, die mit uns reden, müssen befürchten, ihre Arbeit zu verlieren. Ich frage den Vorstand: werden alle Mitarbeiter, die sich um die Sicherheit der Produkte sorgen, mit der Kündigung bedroht? Liebe Aktionärinnen und Aktionäre! Das Motto von BAYER lautet Kompetenz und Verantwortung. Die Verantwortung gegenüber den Interessen der Aktionäre wird BAYER offenbar gerecht. Aber die Verantwortung gegenüber der Menschheit und ihren ethischen Grundsätzen wiegt viel höher. Und dieser Verantwortung wird die Firma BAYER nicht gerecht. So lange wie Profite wichtiger sind als die Sicherheit, werden Menschenleben geopfert. Tausende von toten Blutern sind der Beweis dieser Tatsache. Herr Schneider, ich frage Sie: Wollen Sie wirklich solch ein Unternehmen in das nächste Jahrtausend führen? Warum werden die Geschädigten in allen Teilen der Welt nicht gerecht entschädigt? Sind Sie wenigstens bereit, sich bei mir für mein Leiden zu entschuldigen?

Wasser

CBG Redaktion

Presseerklärung vom 1. April 1998

BAYER-Pestizide gefährden Trinkwasser

Wie eine Untersuchung der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) nachgewiesen hat, überschreiten die BAYER-Einleitungen in den Rhein die zulässigen Grenzwerte für Pestizide. Bei Messungen um das BAYER-Werk Dormagen ermittelte die LAWA erhöhte Meßwerte für die Pestizide Diuron, Metabenzthiazuron und Metamitron. Durch das verunreinigte Wasser entsteht eine erhebliche Gesundheitsgefährdung, da die Agrochemikalien krebserregend wirken, die Zeugungsfähigkeit beeinträchtigen und besonders für Säuglinge ein Gesundheitsrisiko darstellen. Die LAWA hatte die Qualität von 23 Flüssen untersucht, aus denen Trinkwasser gewonnen wird, und dabei Grenzwertüberschreitungen bei insgesamt 23 Pestiziden festgestellt.

Philipp Mimkes, Geschäftsführer der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN fordert: „BAYER muß die Produktion der im LAWA-Bericht genannten Pestizide einstellen, bis die entsprechenden Grenzwerte eingehalten werden. Die Verursacher müssen für die Folgekosten ihrer Giftproduktion haftbar gemacht werden. Hierfür benötigen wir eine Pestizid-Abgabe wie in den skandinavischen Ländern, nur so kann eine medizinisch unbedenkliche Trinkwasser-Versorgung gewährleistet werden.“

Der Pestizid-Jahresverbrauch beträgt allein in der Bundesrepublik 30.000 Tonnen. Die gesellschaftlichen Folgekosten dieses Chemie-Overkills ermittelte unlängst eine Studie des Landwirtschaftsministeriums: rund 300 Millionen Mark! So viel muß für die nötige Wasseraufbereitung, die fällige Lebensmittel-Überwachung und die Behandlung von akuten Pestizid-Vergiftungen aufgewendet werden. Langzeit-Wirkungen wie Krebs sind in dieser Kosten/Nutzen-Analyse noch nicht einmal enthalten.

[BAYER HV 1996] Hauptversammlung 1996

CBG Redaktion

BAYER-Vorstand: Bittere Mienen

Großer Erfolg für KritikerInnen auf der BAYER-Hauptversammlung 1996

Die BAYER-Hauptversammlung (HV) ist dank gut geplanter Aktionen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) seit Jahren Ort kritischer Abrechnung mit der umwelt- und menschenfeindlichen Geschäftstätigkeit des multinationalen Leverkusener Chemie-Konzerns. UmweltschützerInnen, GewerkschafterInnen, AnwohnerInnen, Betroffene und vor allem immer wieder Opfer nutzten auf Einladung der CBG diese Veranstaltung in Köln am 25. April 1996, um die Verantwortlichen bei BAYER und die Besitzer des Konzerns, die AktionärInnen, mit den schmutzigen Kehrseiten ihrer Gewinne und Umsätze zu konfrontieren und um ihre Forderungen nach Umweltschutz, Menschenrechten und Gesundheit persönlich zur Kenntnis zu bringen. Die BAYER-Hauptversammlung wurde so erneut zum Ort prinzipieller Auseinandersetzung mit der chemischen Industrie und mit multinationaler Konzernpolitik. Beim BAYER-Vorstand gab es allerdings statt der erhofften Isolation der KritikerInnen bittere Mienen. Von Marc Pletzer und Axel Köhler-Schnura. Die Spannung im Vorfeld der diesjährigen Hauptversammlung war groß. Einerseits hatte der Aufsichtsratsvorsitzende von BAYER, Herrmann Josef Strenger, im Vorjahr die Stimmung im Saal provokativ angeheizt und drei Kritiker mit Werkschutzgewalt aus dem Saal werfen lassen; andererseits hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG), seit nunmehr 14 Jahren Organisator der oppositionellen Aktionen zum jährlichen Aktionärs-Auftrieb, dieses Jahr mehr Unterstützung auf Seiten der BAYER-AktionärInnen denn je: Geradezu mit Erschütterung mußten die BAYER-Verantwortlichen zur Kenntnis nehmen, daß erstmals nicht nur mehrere Hundert KleinaktionärInnen die KritikerInnen unterstützten, sondern auch ein Großaktionär seine 25 Tsd. BAYER-Aktien gegen Vorstand und Aufsichtsrat in Position brachte. BAYER sah sich vor die historische Tatsache gestellt, daß die mißliebige sozial-ökologische Aktionärs-Opposition aufgrund dieses Aktienpakets in die Lage versetzt wurde, ganz formal die Tagesordnung zu beeinflußen. Waren bisher die Gegenaträge der Kritiker schon lästig, so standen plötzlich der Ausstieg aus der Gentechnik, die Entschädigung ehemaliger IG FARBEN-Sklaven, ein Fonds für Opfer von BAYER-Produkten/-Produktion, angemesse Löhne in aller Welt und ähnliche für Dividende, Image und Börsenkurs kontraproduktive Themen ganz formal auf der Tagesordnung. Guter Rat war teuer, der Vorstand sah seiner Hautpversammlung mit gemischten Gefühlen entgegen. Mit allen Mitteln versuchten die BAYER-Verantwortlichen zu retten, was zu retten war. Die Anträge und Tagesordnungserweiterungen der Opposition wurden als „unbegründet“ diffamiert; der Vorstandsvorsitzende meinte, durch eine eigene Stellungnahme zum „tausendfachen AIDS-Tod durch BAYER-Medikamente“ (Flugblatt der CBG) den KritikerInnen von vorneherein den Wind aus den Segeln nehmen zu können; die Tagesordnungsvorschläge wurden als „untauglicher Versuch, die Hauptversammlung zu majorisieren“ dargestellt. Doch die Gesichter der auf einem Podium zwei Meter über dem Boden sitzenden BAYER-Vorstände wurden länger und länger: Die Rechnung ging nicht auf. Zwar blieben die meisten der anwesenden ca. 7.000 Aktionäre noch sitzen, als Hubert Ostendorf, Vorstandsmitglied der COORDINATION, aufforderte sich zu einer Schweigeminute zugunsten der vielen tausend verstorbenen Opfer von BAYER-Bluter-Medikamenten von den Plätzen zu erheben, aber so mancher bereute dies bereits, als Dr. Ute Braun, die Vorsitzende der Deutschen Hämopholiegesellschaft, in eindringlicher Sachlichkeit schilderte, daß von den weltweit ca. 22 Tsd. durch BAYER- und andere Medikamente tödlich verseuchten Blutern bereits die Hälfte gestorben ist. Und als danach ein Betroffener, Karl Caspari, das Rednerpult betrat und vortrug, wie ihm 1990 auf der BAYER-Hauptversammlung vom damaligen Versammlungsleiter, Prof. Grünewald das Mikrofon abgestellt, er mit Häme überzogen und gezwungen wurde, seine Rede abzubrechen, da zeigte das Publikum Anteilnahme und Mitgefühl. Es empörte in der Folge nicht wenige, mit welch kühler Arroganz der Vorstandsvorsitzende in Anbetracht dieser Reden die Zahlung von Geldern an die Opfer verweigerte und feststellte, daß er kein „schuldhaftes Verhalten von BAYER“ entdecken könne. Der Vorstand geriet zusehends in die Defensive. Redner auf Redner betrat das Mikrofon: José Tolentino aus El Salvador z. B. sprach über Leid, Elend und Tod aufgrund in den industrialisierten Ländern längst verbotener, in seiner Heimat noch immer von BAYER vermarkteter Pestizide; Melanie Willms/COORDINATION und Gregor Bornes/GenEthisches Netzwerk schilderten, wie sich der Konzern in immer neuen Gentechnik-Patenten Leben aneignet, darunter ganze Baumfamilien; Siebo Janssen/amnesty international stellte dar, wie der Konzern mit Regimen paktiert, die die Menschenrechte mit Füßen treten, so z. B. in Indonesien; Uwe Friedrich und Marc Pletzer, beide COORDINATION, berichteten über die Leidenswege unzähliger Opfer der BAYER-Holzgifte und -Pyrethroide; Dr. Joachim Dullin erläuterte die Gefahren, die durch die BAYER-Verweigerung eines Ausstiegs aus der Chlorchemie für Mensch und Umwelt entstehen usw. - insgesamt konfrontierten 17 von 29 Redebeiträgen den Saal mit immer neuen Fakten zu Umweltverbrechen und sozialen Problemen in aller Welt. Endgültig ins Abseits geriet der Vorstand, als nicht nur der ehemalige IG FARBEN-Sklave Hans Frankenthal gerechte Entschädigung für unvorstellbares Leid forderte, sondern ihm spontan traditionelle Aktionäre zur Seite traten und bekundeten, sie seien durchaus mit einer Kürzung der Dividende einverstanden, wenn BAYER nur endlich die IG FARBEN-Opfer entschädigen würde. Und dann kamen die Abstimmungen: Bis zu 458.000 Stimmen, das entspricht einem Kapital von über 200 Mio. Mark Kurswert, unterstützten die Tagesordnungspunkite der COORDINATION. Bis zu weiteren 240 Tsd. Stimmen, ca. 120 Mio. DM Kurswert, verweigerten dem Vorstand ihre Solidarität und enthielten sich der Stimme. Melanie Willms, Vorstandsmitglied der COORDINATION, sieht in diesem Ergebnis “ein Waterloo für den BAYER-Vorstand und einen historischen Sieg für die COORDINATION.” Da ändere auch die Tatsache nichts daran, daß „BAYER durch massive Einflußnahme auf die Medien dies der Öffentlichkeit vorenthalten kann. Der BAYER-Vorstand mußte zur Kenntnis nehmen, daß er - auch wenn er noch immer die Mehrheit der Aktien für sich verbuchen kann - die Mehrheit der Aktionäre gegen sich hat.“ Entsprechend bitter waren die Mienen der BAYER-Leute am Ende der Versammlung ...

“Wir lassen uns nicht majorisieren!”

Anmerkungen zur Aktionärs„demokratie“ (aks) Alle auf der BAYER-Hauptversammlung anwesenden Aktien wurden von BAYER am Eingang erfaßt und in die EDV eingegeben. Kollege Computer spuckte dann die sogenannte „Präsenzliste“ aus, in die die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) Einsicht nahm und nach der sich folgendes Bild ergibt: - Das Grundkapital von BAYER beträgt ca. 3,6 Mrd. DM in Aktien à 50,-- DM. Das sind also rund 75 Mio. Aktien. - Von diesen 75 Mio. Aktien waren ca. 47 %, also etwa 34 Mio., auf der HV anwesend bzw. vertreten. - Es waren gleichzeitig ca. 7 Tsd. AktionärInnen anwesend. - Laut Präsenzliste wurden ca. 95 % der 34 Mio. Aktien von lediglich etwa 30 Aktionären gehalten. Das waren die Deutsche Bank als größter Aktionär, sowie einige weitere Banken, Versicherungen und Investmentgesellschaften. - Lediglich ca. 20 Personen, die nicht als VertreterInnen von Banken, Versicherungen etc. in Erscheinung traten, hatten mehr als 500 Aktien. - Die restlichen ca. 7 Tsd. AktionärInnen besaßen laut Präsenzliste zwischen 1 und max. 500 Aktien, im Schnitt ca. 50 Aktien je Person. - Diese ca. 7 Tsd. (Klein)aktionärInnen kamen zusammen auf lediglich ca. 1 % des anwesenden Kapitals. - In den Abstimmungen stimmten zwischen ca. 32,3 und 49,0 Tsd. Aktien für unsere Vorschläge und gegen die Vorschläge des Vorstands. Weitere ca. jeweils 150 Tsd. Aktien enthielten sich der Stimme, mochten sich also auch nicht auf die Seite der Vorstandsvorschläge schlagen. - Bei den von den Kritischen AktionärInnen der CBG eingebrachten Tagesordnungspunkten stimmten bis zu 460 Tsd. Aktien für die Vorschläge der Opposition und weitere ca. 200 Tsd. Aktien enthielten sich. - Selbst im schlechtesten Fall stimmten noch 274 Tsd. Aktien für unsere Vorschläge und weitere 200 Tsd. verweigerten durch Enthaltung dem Vorstand die Solidarität. - Da davon ausgegangen werden muß, daß in der Regel die KleinaktionärInnen mit uns stimmten, haben also bei den Gegenanträgen bis zu zweihundert und bei den Tagesordnungspunkten sogar bis zu mehreren tausend AktionärInnen bis hin zur übergroßen Mehrheit im Saal für unsere Vorschläge gestimmt. Unter Umständen hat auch der eine oder Großaktionär mit uns gestimmt. Ev. mußten vielleicht sogar einige BankenvertreterInnen im Auftrag von (Klein-)AktionärInnen für uns stimmen. Fazit: Die Ergebnisse der Hauptversammlung 1996 sind als sensationell zu bewerten. Die große Mehrheit der auf der BAYER-Hauptversammlung anwesenden Personen hat sich gegen den Vorstand ausgesprochen. Unsere Kritik hat breite Unterstützung bei den AktionärInnen gefunden. Über das übliche Maß der Zustimmung von ca. 400 AktionärInnen hinaus - was auch bereits eine beachtliche Oppossition darstellt - hat sich erstmals eine Mehrheit von mehreren tausend BAYER-AktionärInnen für unsere Vorschläge ausgesprochen (immer unterstellt, daß die Stimmen nicht durch wenige Großaktionäre zustande kamen). Doch so funktioniert „Aktionärsdemokratie“: Trotz dieser Mehrheit für uns hat der BAYER-Vorstand alle Abstimmungen gewonnen. Einige wenige anwesende AktionärInnen und BankenvertreterInnen garantierten, daß zwischen 98,8 und 99,9 % aller Aktien für den Vorstand stimmten. Kapitalismus pur! Bei BAYER war die Stimmung angesichts dieser Ergebnisse deutlich eingeknickt. Der Vorstand kennt die realen Bessitzverhältnisse bedeutend besser als wir und weiß deshalb genau, welche Mehrheiten sich für unsere Vorschläge gebildet haben. Da konnte er über den Unfug, den ein schimpfender Großaktionär in den Saal rief auch nicht mehr froh sein: „Es muß doch endlich mal Schluß sein, daß diese Spinner uns majorisieren!“ Es blieb nämlich angesichts der realen Situation offen, wer denn nun die „majorisierenden Spinner“ tatsächlich sind ...

“Nach bestem Wissen und Gewissen”

Auszug aus der einleitenden Stellungnahme zu den kritischen Anträgen und Tagesordnungspunkten der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) von BAYER-Vorstandschef Dr. Manfred Schneider auf der Hauptversammlung der BAYER-AktionärInnen am 25. April 1996. Nach einer Mitschrift von Hubert Ostendorf “ ... Hinzu kommt eine Erweiterung der Tagesordnung. ... Diese Anträge (die Anträge der CBG, ho) haben wir Ihnen, soweit mit Recht und Gesetz vereinbar, ... mitgeteilt. Zur Begründung werden Argumente und Ansichten vorgetragen, die bereits seit vielen Jahren vorgetragen werden. ... Neue Aspekte ... haben wir dabei nicht entdecken können. ... (Daher) halten wir es nicht für notwendig, die Diskussion noch einmal zu wiederholen. Außerdem haben wir nicht den Eindruck, daß diese Gruppierung (die CBG, ho) ernsthaft an einer Diskussion interessiert ist. ...” Zum Thema Pyrethroide habe das “Bundesinstitut für Gesundheit und Verbraucherschutz festgestellt, daß sie keine Schäden hervorrufen”. Zum Thema IG FARBEN würden, so Schneider, “Jahr für Jahr die gleichen Behauptungen” vorgetragen. Was die tausendfache HIV-Infektion von Blutern durch BAYER-Produkte anbetrifft (vgl. dazu Bericht auf S. 22 ff.), meinte Schneider “in aller Deutlichkeit ... teilweise ehrenrührige Vorwürfe zurückweisen” zu müssen. Die Infizierung sei “auf tragische Weise” erfolgt, “von einer Behinderung” der Einführung von Sicherheitsverfahren “kann überhaupt keine Rede sein. ... In allen Fällen haben wir das unsere getan. Das gilt für Deutschland, Japan und die USA, wo jetzt nicht zuletzt auf unsere Initiative ein Vorschlag zur Entschädigung„ der Opfer unterbreitet worden sei. Es sei, so Schneider, “nicht sinnvoll, die in Deutschland und Japan gefundenen Lösungen miteinander zu vergleichen. ... Der Unterschied (der Entschädigungssummen, in Deutschland zwischen 10 und 50 Tsd. DM einmalig, in Japan 630 Tsd. DM zzgl. einer monatlichen Rente von 2 Tsd. DM, ho) resultiert aus der unterschiedlichen Lebenssituation. In Japan gibt es keine Berufsunfähigkeitsversicherung. ... Eine Geldentschädigung bei einer lebensbedrohlichen Krankheit” sei im übrigen keine Wiedergutmachung, stellt Schneider fest, um im gleichen Atemzug weitere Entschädigungen zu verweigern. Als wolle Schneider die stets bestrittene Tatsache, daß BAYER die verseuchten Gerinnungspräparate in vollem Bewußtsein der Konsequenzen vertrieben hat, im nachhinein rechtfertigen, führt er weiter aus: “Schließlich wurden die Plasmapräparate dringend benötigt. ... Niemand kannte die damit verbundene Gefahr. ... Unsere Mitarbeiter haben nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. ... Dennoch sprechen wir allen Betroffenen unser tiefstes Bedauern und Mitgefühl aus.”

Wo bleibt die Gerechtigkeit?

Auszüge aus der Rede von Dr. Ute Braun, Vorsitzende der Deutschen Hämophiliegesellschaft (ho) “Weltweit wurden aufgrund schwerer Versäumnisse der Pharmazeutischen Industrie 22.000 Hämophile durch verseuchte Gerinnungspräparate infiziert, allein in Deutschland sind es ca. 1.400 Betroffene. Nahezu die Hälfte der Betroffenen ist bereits verstorben und ein Teil schwer erkrankt. Viele wagen es auch heute nicht, sich in der Öffentlichkeit als HIV-Infizierte zu bekennen. Noch immer warten die Betroffenen in Deutschland und in vielen anderen Ländern der Welt auf eine gerechte Entschädigung. In Japan haben nun BAYER und vier weitere Firmen Ende März mit einigen mit einigen Klägergemeinschaften von HIV-infizierten Blutern einen Vergleich geschlossen, der besagt, daß die Betroffenen eine Entschädigung von umgerechnet ca. 630.000 Mark erhalten, zusätzlich eine monatliche Rente von 2.000 DM, wenn sie bereits an AIDS erkrankt sind. Der BAYER-Vorstand muß sich fragen lassen: Mit welchen Argumenten soll den Betroffenen in Deutschland eine Entschädigung verwehrt werden, die den Betroffenen in Japan zugestanden wird? Der AIDS-Untersuchungsausschuß des Deutschen Bundestages, der den Blut-AIDS-Skandal aufgearbeitet hat, hat Versäumnisse und Fehlverhalten bei Pharmafirmen, staatlichen Aufsichtsbehörden und Ärzten festgestellt. BAYER hat bis 1985 durch seine amerikanische Tochter CUTTER mit dem AIDS-Virus verseuchte Blutgerinnungspräparate nach Deutschland geliefert, obwohl firmenintern bereits 1982 vor einer AIDS-Epidemie gewarnt wurde. Bekannte Virusinaktivierungsverfahren wurde aus ökonomischen Gründen nicht genutzt. Der AIDS-Untersuchungsausschuß hatte die Einrichtung eines Fonds vorgeschlagen, aus dem ein Betrag von ca. 350.000 DM als Auslgleichsleistung für jeden HIV-infizierten Hämophilen gezahlt werden sollte. Der im Juli ‘95 eingebrachte Fonds hingegen hat nur einen Bruchteil dieser Summen eingebracht, so daß im vergangenen Jahr gerade einmal 3,8 Mio. DM gezahlt wurden - bei 1.400 Betroffenen. Wenn das Geld der Stiftung verbraucht ist, werden die monatlichen Zahlungen an die Betroffenen eingestellt. Die Notsituation der Betroffenen wurde hemmungslos ausgenutzt, um eine Billig-Lösung durchzusetzen. Viele haben resigniert und im vergangenen Jahr die geringen Stiftungsleistungen angenommen. Wo bleibt da die Gerechtigkeit? Eine gerechte Entschädigung ist das Mindeste, was den Betroffenen zugestanden werden muß. Auch auf eine Entschuldigung von Seiten der Firmen, die in Japan ausgesprochen wurde, haben die Betroffenen hierzulande vergeblich gewartet. Die Betroffenen müssen auf der Grundlage der Empfehlungen des HIV-Untersuchungsausschusses entschädigt werden. Da der BAYER-Vorstand diesbezüglich seiner Verantwortung weltweit nicht gerecht geworden ist, fordere ich die Aktionäre auf, ihm die Entlastung zu verweigern. Ich danke Hubert Ostendorf von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN für seinen Redebeitrag und das Engagement. Die von ihm verlangte Schweigeminute ist eine Verneigung vor dem unendlichen Leid der Opfer.”

Chemie im Dialog - BAYER verweigert die Antwort

Die oppositionellen RednerInnen, ihre Themen und die Nicht-Antworten des BAYER-Vorstands

Auf der BAYER-Hauptversammlung am 25. April 1996 traten folgende kritische AktionärInnen ans Rednerpult: Hubert Ostendorf (Vorstand CBG) wurde als erster Redner ans Mikrofon gerufen. Er wertete die Verseuchung vieler tausend Bluter durch BAYER-Produkte als “Verbrechen”. Dies führte zum Abstellen des Mikrofons und zur Drohung des Versammlungsleiters, des Aufsichtsratsvorsitzenden H. J. Strenger, ihn bei Wiederholung gewaltsam “aus dem Saal entfernen zu lassen„. Hubert Ostendorf zeigte eine großformatige Fotografie, auf der japanische Pharma-Manager abgebildet waren, die sich im April 1996 öffentlich auf die Knie begeben hatten und als Entschuldigungsgeste an die Opfer ihrer AIDS-verseuchten Bluter-Präparate den Kopf auf den Boden neigten. Er forderte den BAYER-Vorstand auf, es den japanischen Kollegen gleichzutun, sich bei den Opfern zu entschuldigen und sie angemessen zu entschädigen. Außerdem verlangte er die strafrechtliche Verfolgung der verantwortlichen Manager. Er zitierte aus dem Protokoll des Bundestagsuntersuchungsausschusses zum Bluter-Medikamenten-Skandal die Stellen, die belegen, daß BAYER von der AIDS-Gefahr seiner Produkte spätestens Anfang 1983 gewußt und dennoch die verseuchten Präparate in vollem Wissen der tödlichen Wirkung in aller Welt jahrelang weiter verkauft hat. Er stellte dar, daß BAYER sogar verseuchte Medikamente nach Japan geliefert hat, die in USA nach einem Verbot vom Markt genommen werden mußten. Ferner ging Ostendorf auf den Vertrieb des BAYER-Herzmittels ADALAT ein, das durch eine US-Studie in Verruf gekommen ist. Wie berichtet (SWB 1/96, S. 25), soll ADALAT die Wahrscheinlichkeit, an einem Herztod zu sterben, erhöhen. Ostendorf wollte wissen, ob es stimmt, daß BAYER eine Kommission der amerikanischen Arzneimittelbehörde dazu gebracht hat, eine Unbedenklichkeitserklärung für ADALAT auszusprechen. Nicht-Antwort Dr. Schneider: “Aus dem Zusammenhang gerissene Zitate werde ich nicht kommentieren”, stellte er zu den Ergebnissen des Untersuchungsberichtes des Bundestages lapidar fest. Zu ADALAT äußerte er sich gar nicht. Dr. Ute Braun, Vorsitzende der Deutschen Hämophiliegesellschaft, geißelte die tausendfache Verseuchung von Blutern durch Faktor VIII-Präparate und forderte vom BAYER-Konzern eine angemessene Entschädigung (650.000 Mark pro Opfer zuzüglich einer Rente). Sie legte ausführlich dar, wie BAYER und die Pharma-Industrie selbst solche Vorschläge, wie den Kompromiß der Bundesregierung in Form einer Stiftung, ad absurdum führen. Sie bedankte sich ausdrücklich bei Hubert Ostendorf für die Initiative zu einer Schweigeminute für die Opfer des Skandals. Nicht-Antwort Dr. Schneider: Die in Deutschland gezahlten Summen (20.000 - 50.000 Mark) seien fair und entsprächen der Entschädigungsregelung in Japan, da hier wichtige Kosten, wie etwa die Lohnfortzahlung, von der Sozialversicherung übernommen werden. (Mit dieser Aussage gesteht Schneider ein, daß die Kosten in Deutschland auf die Allgemeinheit umgelegt werden. ho). Im Übrigen schade die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) den Blutern, Einzelheiten über Zahlungen mache er nicht, ein Schuldeingeständis werde es nicht geben. Karl Caspari, Betroffener im Bluter-Skandal, berichtete in einer sehr bewegenden Rede von seinem Schicksal und forderte die Entschädigung aller Opfer. Er legte dar, wie er 1990 an gleicher Stelle vom Vorstand erniedrigt und gezwungen wurde, seine Rede abzubrechen. Nicht-Antwort Dr. Schneider: Er ging mit keinem Wort auf die Rede ein, entschuldigte sich auch nicht für die zugefügten Erniedrigungen 1990, lehnte alle Zugeständnisse ab und beharrte darauf, daß “wir das Unsere” getan haben. Hans Frankenthal, ehemaliger IG FARBEN-Sklave, heute im Auschwitz-Komitee, berichtete über sein Schicksal und forderte in einer sehr persönlich gehaltenen Rede die Entschädigung der IG FARBEN-ZwangsarbeiterInnen: “Es ist ein Skandal, daß heute, 50 Jahre nach Kriegsende, die wenigen, die noch leben, immer noch keine Entschädigung erhalten haben. Ich fordere den BAYER-Konzern auf, endlich seiner historischen Verantwortung nachzukommen.” Nicht-Antwort Dr. Schneider: Er stellte “unmißverständlich„ fest, daß es abschließende Regelungen gegeben hätte und BAYER nicht zuständig sei. Das Unternehmen sei, so Schneider, nicht Rechtsnachfolger der IG FARBEN. Diese rüde Ablehnung stieß selbst bei traditionellen AktionärInnen auf Unmut. Zwei von ihnen ließen sich spontan in die Rednerliste aufnehmen und bekundeten unter Beifall im Saal, daß sie durchaus bereit seien, auf einen Teil der (in diesem Jahr erhöhten) Dividende zu verzichten, damit die ehemaligen ZwangsarbeiterInnen endlich entschädigt werden können. Nicht-Antwort Dr. Schneider: Zum Thema wäre alles gesagt. Gregor Bornes vom Vorstand des Genethischen Netzwerkes berichtete von zahlreichen Patenten auf Leben, die sich BAYER bereits hat sichern lassen. Er erläuterte die damit verbundenen Gefahren und stellte eine Fülle konkreter Fragen an den Vorstand. Nicht-Antwort Dr. Schneider: Gentechnik sei der Markt der Zukunft, der sich in den nächsten Jahren bereits von derzeit ca. 10 Mrd. DM auf weit über 100 Mrd. DM Volumen ausweiten werde. “Alle Wissenschaftler der Welt„ seien sich über die “positive Bedeutung der Gentechnik für die Zukunft einig„. José Angel Tolentino von der Verbraucherschutzorganisation CDC in El Salvador durfte seine Rede nicht in spanisch vortragen. Der Versammlungsleiter, Hermann Josef Strenger, erlaubte lediglich, daß die deutsche Übersetzung vorgetragen wurde. Tolentino kritisierte die Vertriebspraxis von ASPIRINA INFANTIL in seinem Land. Das Mittel kann zu einer schwerwiegenden Krankheit mit Todesfolge bei Kindern führen. Außerdem verurteilte Tolentino den anhaltenden Vertrieb von in USA und Deutschland längst verbotener gefährlicher BAYER-Pestizide in El Salvador. Nicht-Antwort Dr. Schneider: Er könne keine Einzelheiten zur Situation in El Salvador nennen; eine Antwort werde schriftlich nachgereicht. Im Übrigen sei ASPIRINA INFANTIL gut verträglich. BAYER beschäftige in El Salvador 400 Menschen. Dr. Joachim Dullin von der Aktionskonferenz Nordsee (AKN) sprach zu den Themen Chlorchemie und Vergiftung der Nordsee durch BAYER-Substanzen. Nicht-Antwort Dr. Schneider: Dafür seien die Behörden und staatliche Vorschriften zuständig. Diese gewährten “optimalen Schutz„. Im Ürigen hätte das NRW-Umweltministerium im Gegensatz zu Dullins Einschätzung den Zustand des Rheins als gut bis zufriedenstellend bewertet. Henry Matthews vom Dachverband der kritischen AktionärInnen stellte eine Reihe von Fragen zur Situation der Behinderten bei BAYER. Er forderte mehr behindertengerechte Arbeitsplätze. Nicht-Antwort Dr. Schneider: Er räumte pauschal ein, daß die gesetzlich geforderte Quote für Schwerbehinderte nicht erfüllt werde, die Ausgleichszahlungen lägen bei 1,7 Mio. Mark. Peter Vollmer von der Stiftung Menschwürde und Arbeitswelt (M & A) begründete die von der CBG eingereichte Änderung der Tagesordnung (siehe Seite 11). Nicht-Antwort Dr. Schneider: Die Erweiterung der Tagesordnung sei unnötig, der COORDINATION gehe es gar nicht um eine ernsthafte Diskussion. Siebo Janssen von amnesty international kritisierte das wirtschaftliche Engagement von BAYER in Ländern, in denen die Menschenrechte mit Füßen getreten werden. Als Beispiel führte er unter anderem Indonesien an. Nicht-Antwort Dr. Schneider: Wirtschaftliche Zusammenarbeit fördere die Einführung von Demokratie und Menschenrechten. Max Eberle forderte die Nicht-Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat. Axel Köhler-Schnura (Vorstand CBG) sprach zu sozialen und anderen Problemen bei BAYER. Die hohen Gewinne seien auf dem Rücken der ArbeitnehmerInnen erzielt worden. Die sogenannten BAYER-Umweltberichte (und das erteilte Ökoaudit für den Standort Dormagen) seien das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben sind. Die AnwohnerInnen leben ständig in der Gefahr eines Super-Gaus, regelmäßige Unfälle und Katastrophen belegen dies. Er stellte zahlreiche Fragen zu Umweltschutz und sozialen Themen. Er betonte, daß einige dieser Fragen seit Jahren gestellt, aber nie beantwortet würden. Nicht Antwort Dr. Schneider: Er bewertete all diese Einschätzungen als “nicht zutreffend”. Melanie Willms (Vorstand CBG) geißelte das BAYER-Engagement in der Gentechnik. Die neue Technologie degradiere den Menschen und stelle ein großes Problem für die Umwelt dar. Nicht-Antwort Dr. Schneider auf die von Willms gestellten Fragen: Die Forschungen an dem Reaktor-Schaf (SWB berichtete) wurden eingestellt. In China sei keine Freisetzung genetisch veränderter Pflanzen geplant und in Japan würde an Mitteln zur Behandlung von Allergien geforscht. Zum gentechnisch hergestellten “Schnupfenmittel” könne er keine Angaben machen. Philipp Mimkes (Geschäftsführer CBG) trug vor, daß BAYER 1995 heimlich den US-Amerikaner und ehemaligen IG FARBEN-Sklaven Hugo Princz entschädigt habe. Er fragte, weshalb BAYER die Entschädigung anderer IG FARBEN-Sklaven verweigere? Nicht-Antwort Dr. Schneider: Der Fall Princz sei zwischen der amerikanischen und der deutschen Regierung geregelt worden, BAYER sei nicht beteiligt gewesen. (Zum Fall Princz vergleiche Schlaglicht in diesem Heft und umfangreiche Berichterstattung in SWB (vgl. SWB-Sonderheft IG FARBEN 1995, SWB 4/95 S. 8 ff. u. a.) Uwe Friedrich (Vorstand CBG) stellte die Gefahren, die von BAYER-Pyrethroiden ausgehen, dar. Diese Nervengifte seien für tausendfache gesundheitliche Schäden verantwortlich. Friedrich forderte ein Produktionsverbot. Nicht-Antwort Dr. Schneider: “Bei sachgemäßer Anwendung keine Gefahr.” Marc Pletzer (Vorstand CBG) erkundigte sich nach dem aktuellen Stand des Holzgiftprozesses (SWB berichtete mehrfach). Außerdem wollte er wissen, warum BAYER die Produktion von Chrom von Leverkusen nach Südafrika verlagert habe. Nicht-Antwort Dr. Schneider: Zum Holzgiftprozeß keine Stellungnahme, da es sich um ein laufendes Verfahren handele. Die Verlagerung der Chromproduktion sei aus Kostengründen erfolgt.

Schneider fordert neues Aktiengesetz

BAYER-Chef Dr. Manfred Schneider will den Auftritt kritischer AktionärInnen auf den Hauptversammlungen behindern. Auf die Frage eines traditionellen Couponschneiders, ob man sich die “Agitation der sogenannten COORDINATION gegen die sogenannten BAYER-GEFAHREN” anhören müsse, antwortete Schneider: “Hier ist der Gesetzgeber gefordert, das Aktienrecht zu reformieren, damit eine ordnungsgemäße Durchführung der Hauptversammlung überhaupt noch zu garantieren ist.„ Dicke Dividende Während die KollegInnen in den BAYER-Werken um ihre Arbeitsplätze zittern, die Real-Löhne sinken, die Sozialleistungen fortlaufend gekürzt werden und in den letzten Jahren bereits Tausende auf die Straße gesetzt wurden, werden die Kapitaleigner mit einer dicken Dividende verwöhnt: Je Aktie à 50 DM werden 15 Mark ausgeschüttet. Das entspricht satten 30 % und sind 2 DM mehr als noch 1995 mit bereits stolzen 13 Mark. Möglich machen das die trotz aller Bilanztricks nicht mehr zu versteckenden Rekord-Gewinne, für die sich Bankenvertreter und Großaktionäre auch noch zynisch bei den von Lohnkürzung und Arbeitsplatzvernichtung bedrohten “Mitarbeitern bedanken". Die Gewinne betrugen 1995 offiziell 4,18 Mrd. Mark im Konzern vor Steuern, ein Plus von 27,1 % gegenüber dem Vorjahr. Im laufenden Jahr 1996 soll erneut zugelegt werden: Das Ergebnis vor Steuern soll noch einmal um 10 % klettern. Gleichzeitig sind weitere 1.700 Arbeitsplätze zur Vernichtung angekündigt. Reiche Vorständler Während die BAYER-Beschäfigten Reallohneinbußen hinnehmen müssen und um ihren Arbeitsplatz zittern, verdienen die Vorstandsmitglieder bestens. 10,4 Mio. DM gibt der Konzern für neun Spitzenposten aus, 1,155 Mio. DM durchschnittlich. Das Durchschnittsgehalt der etwa 150.000 deutschen Beschäftigten liegt dagegen bei 72.000 DM. Forderungen Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN reichte anläßlich der Hauptversammlung 39 Gegenanträge ein und forderte, wie in den Jahren zuvor, erneut u. a.: - Nichtentlastung von Vorstand und Aufsichtsrat - Kürzung der Dividende von 15 auf 1 Mark - Änderung der Satzung (siehe S. 11) - Entschädigung aller Opfer der Konzernpolitik - Schluß mit den Tierversuchen - Keine Gentechnik - Ausstieg aus der Chlorchemie - Ökologischer Umbau des Unternehmens - Erhalt aller Arbeitsplätze, Schaffung neuer Arbeitsplätze

Gegen gefährliche Pestizide

(swb) In einem offenen Brief hat das Pestizid-Aktions-Netzwerk (PAN) den Vorstand des BAYER-Konzerns aufgefordert, giftige Pestizide vom Markt zu nehmen. Anläßlich der BAYER-Hauptversammlung fordert PAN den Chemie-Konzern auf, alle Produkte der WHO-Toxizitätsklasse I umgehend und weltweit vom Markt zu nehmen. PAN berichtet über die Vertriebspraxis von FOLIDOL E 605 in Kambodscha, durch das unzählige Kleinbauern geschädigt werden. Das von der WHO als “extrem gefährlich” eingestufte Mittel wird gegen “Schädlinge” im Soja- und Gemüseanbau eingesetzt, ohne daß vorhergehende Aufklärungsmaßnahmen über die vorschriftsmäßige Anwendung stattfinden. Die Bauern bringen das Ackergift zum Teil barfuß und mit unbedecktem Oberkörper auf die Felder. Sie verwenden weder Schutzbrillen oder -masken noch Handschuhe. FOLIDOL kommt über Vietnam und Thailand nach Kambodscha. Die Etiketten der Originalverpackung sind in Thai oder Vietnamesisch verfaßt und damit für die Kambodschaner unverständlich. Auch die Händler können keine Angaben über die sachgerechte Handhabung machen. Die Bauern dosieren deshalb meist sehr willkürlich. Die Situation steht im krassen Widerspruch zum internationalen Verhaltenskodex der FAO, zu dem sich auch der BAYER-Konzern bekannt hat. In Abschnitt 5.2.3 des FAO-Kodexes heißt es: “Auch wenn ein Überwachungssystem vorhanden ist, sollte die Industrie ... den Verkauf einstellen und die Mittel zurückrufen, wenn eine sichere Anwendung im Rahmen der Gebrauchsanleitung oder von Beschränkungen nicht möglich erscheint.”

[BAYER HV 1994] Hauptversammlung 1994

CBG Redaktion

Bayer-Aktionäre vermißten die gewohnten Geschenke

Gentechnik und Faschismus waren keine Themen für Vorstandschef Schneider

Nur noch etwa 8.000 Aktionärinnen und Aktionäre besuchten die Hauptversammlung der Bayer AG Ende April in Köln. Nach dem Besucherrekord von 26.000 Menschen 1993 und Zahlen um 20.000 in den Jahren zuvor ist das ein drastischer Einbruch. Als Grund werten Beobachter, daß Bayer in diesem Jahr erstmals keine Präsente an die Besucher verteilte. In den Vorjahren konnte jeder Aktionär des Leverkusener Chemie- konzerns als „Naturaldividende“ ein Geschenktäschchen mit Bayer- Kosmetik und Filmen der Konzerntochter AGFA von der Versammlung mit nach Hause tragen. Aufsichtsratschef Hermann Josef Strenger erklärte zur Begründung des diesjährigen Verzichts, daß die „Spar- und Konsolidierungs-Maßnahmen im Konzern auch die Hauptversammlung einschließen sollten.“ Trotz aller Einsparungen sank der Nachsteuergewinn des Unternehmens aber um gut 12 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 1,37 Milliarden Mark. An seine Aktionäre schüttet Bayer dennoch unveränderte elf Mark Dividende pro 50-Mark-Aktie aus. Der Konzernumsatz lag mit 41 Milliarden nur unwesentlich unter dem Vorjahreswert. Härter als die Aktionäre trafen die Sparmaßnahmen die Belegschaft. Die Konzernleitung reduzierte die Zahl der Beschäftigten im Geschäfts- jahr 1993 weltweit um 4.500 und senkte den Personalaufwand damit um fast ein Prozent. Für das laufende Jahr kündigte Vorstandsvorsitzender Manfred Schneider den Abbau weiterer 2.000 Stellen an, obwohl der Konzern bereits wieder mit „steigenden Gewinnen“ arbeite. Kritische Aktionäre warnen vor Gentechnik Die Aussprache in der Hauptversammlung dominierten erneut die kritischen Aktionärinnen und Aktionäre von der Düsseldorfer ,Coordination gegen BAYER-Gefahren’ (CBG) und anderen Umweltschutz- und Menschenrechtsverbänden. Schwerpunkt ihrer Kritik an der Konzernleitung waren diesmal die Risiken, die Bayer mit der Nutzung der Bio- und Gentechnologie eingehe. Manuela Jäger vom Ökoinstitut Freiburg warnte vor möglichen Gesund- heitsgefahren durch Nahrungspflanzen, deren Erbgut gentechnisch verändert wurde. Die Industrie könne nicht „im Vorfeld überprüfen, welche Auswirkungen der Verzehr von genmanipuliertem Obst und Gemüse langfristig nach sich ziehen wird.“ Jäger befürchtet eine Häufung allergischer Erkrankungen, denn „empfindliche Personen können nicht erkennen, wenn zum Beispiel Gene aus Erdnüssen, auf die sie allergisch reagieren, auf Tomaten übertragen werden, die sie vorher problemlos essen konnten.“ „Wir haben nie von einer risikofreien Technologie gesprochen“, entgegnete ihr Vorstandschef Schneider, ohne inhaltlich auf mögliche Gefahren einzugehen. „Es wird uns nicht gelingen, sie zu überzeugen,“ sagte er an alle Kritiker der Gentechnologie bei Bayer gerichtet, „aber seien sie versichert, sie werden auch uns nicht überzeugen.“ CBG-Sprecher Axel Köhler-Schnura nannte diesen Umgang mit Kritik „unwürdig“ und prophezeihte Schneider „und allen seinen Nachfolgern“, daß sie sich „noch Jahrzehnte mit Kritik an den Folgen der Gentechno- logie befassen müssen.“ Bayer in Tradition der IG Farben An die Verantwortung der Bayer AG als ehemaligem Teil des deutschen Chemie-Kartells IG Farben erinnerte Peter Gingold, Vertreter des ‘Auschwitz Komitees’ und der ‘Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes’ (VVN). 10.000 Häftlinge des Konzentrationslagers Auschwitz hätten der IG Farben „täglich als Arbeitssklaven zur Verfügung stehen“ müssen. Von Bayer verlangte Gingold deshalb Entschädigungen für die überlebenden Zwangsarbeiter und eine finanzielle Beteiligung an der Erhaltung der Gedenkstätten. Der heutige Bayer-Vorstand müsse „angesichts tausender Ermordeter ein Zeichen setzten, daß unter das Unternehmen IG Farben niemals ein Schlußstrich gezogen werden kann.“ Der Vorstandsvorsitzende Manfred Schneider konstatierte daraufhin „Einigkeit in der Verurteilung der Verbrechen des Nazi-Regimes“. Alle weiteren Anliegen von Peter Gingold seien jedoch „nicht Gegen- stand der Tagesordnung.“ Martin Wiebek