Ein Bericht von uns in der „Jungen Welt“.
Ein lesenswerter Artikel in der taz über die Informationen an Personen auf den Listen.
Der Tagesspiegel berichtet ebenfalls über die Benachrichtigungen von Listen-Opfern.
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Am 28. Oktober 2018 gewann in Brasilien mit Jair Bolsonaro ein Mann die Präsidentschaftswahl, der sich als Anhänger der alten Militärdiktatur zu erkennen gibt, zur Jagd auf „rote Verbrecher“ bläst und verkündet: „Das Privateigentum ist heilig“. Die DEUTSCHE BANK erklärte ihn zum „Wunschkandidaten der Märkte“. Und ganz besonders stark wünschte sich ihn die Agro-Branche. Der Leverkusener Multi, der von 1964 bis 1985 bestens mit den Generälen zusammenarbeitete, findet vor allem an der neuen Agrar-Ministerin Tereza Cristina Gefallen, hat diese sich doch den Ruf einer „Königin der Ackergifte“ erworben. Stichwort BAYER sprach mit dem Öko-Aktivisten Alan Tygel über den Machtwechsel. Tygel, der auf der diesjährigen Hauptversammlung des Konzerns sprach und den Vorstand in seiner Rede mit den von den BAYER-Pestiziden in seinem Land angerichteten Schäden für Mensch, Tier und Umwelt konfrontierte, gehört der PERMANENTEN KAMPAGNE GEGEN PESTIZIDE UND FÜR DAS LEBEN an.
Stichwort BAYER: Neben den religiösen Gruppen der Evangelikalen zählt die Agrar-Lobby zu den größten Unterstützern des neuen brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro.
Alan Tygel: ... und dazu kommen noch die Militärs. Das ist wichtig, um die Entwicklung der letzten Jahre in Brasilien zu verstehen. Die drei Gruppen bilden zusammen die sogenannte BBB-Fraktion, „Bala“ für „Kugel“, „Boi“ für „Rind“ und „Bíbla“ für „Bibel“. Extrem konservative Projekte bilden dabei die Klammer. BBB fordert eine Absenkung des Strafmündigkeitsalters auf 16 Jahre und einen leichteren Zugang zu Schusswaffen. Zudem spricht der Block sich gegen die Abtreibung aus und macht gegen den Kampf der Landlosen-Bewegung für eigenen Grund und Boden mobil. Er hat seinen Einfluss in letzter Zeit stark ausbauen können; schon unter Lula setzte das ein. Beim Putsch gegen Dilma Rousseff beispielsweise hat BBB schon eine große Rolle gespielt. Dabei profitierte der Bund von dem brasilianischen Parteien-System. Hier gibt es 30 Parteien. Bei der Mehrheit von ihnen handelt es sich um „Miet-Parteien“: Sie haben keine Ideologie und lassen sich in Bündnis-Fragen ganz von ihren jeweiligen Interessen leiten. BBB dagegen ist überparteilich – und ideologisch – und hat eine starke Mehrheit, wenn sie es schafft, genug Miet-Parteien hinter sich zu bringen. Und genau das ist im Fall „Dilma Rousseff“ geschehen.
SWB: Wie kam es zum Schulterschluss mit Bolsonaro?
A. T.: Bolsonaro ist der Chef von Bala. Im Vergleich zu Boi und Bíbla ist Bala klein. Bis zur 2. Runde der Präsidentschaftswahlen handelte es sich bei BBB um ein mehr oder weniger lockeres informelles Bündnis. So agierten Bala und Boi/Bíbla beim ersten Wahlgang noch getrennt. Kátia Abreu, die während der Amtsperiode Lulas als Chefin der Agro-Lobby firmierte, war stellvertretende Vorsitzende der PDT (Mitte-links-Partei, Anm. SWB), und Ana Amélia, eine andere wichtige „Ruralista“, Vize der PSDB (wirtschaftsliberal, Anm. SWB). Erst bei der Stichwahl, als Bolsonaro gegen Fernando Haddad von der Arbeiterpartei antrat, schlugen die Evangelikalen und die Rualistas sich auf die Seite Bolsonaros.
SWB: Was erwartet die Agro-Lobby von Bolsonaro?
A. T.: Konkret erwarten die Rualistas von Bolsonaro: 1. Kein Zentimeter Land für die Quilombolas (Nachfahren geflohener Sklaven afrikanischer Herkunft, Anm. SWB) und die indigenen Gemeinschaften. 2. Laxere Umwelt-Auflagen für die großen Plantagen z. B. dem Schutz des Wassers und der Regenwälder betreffend. 3. Die Bekämpfung der Landlosen-Organisation MST und anderer sozialer Bewegungen. 4. Ein neues, schnellere Zulassungen ermöglichendes Pestizid-Gesetz und schließlich 5. Schwächere Arbeitsschutz-Gesetze und eine weniger umfassende Definition von moderner Sklavenarbeit.
SWB: Der brasilianische Agro-Verband ABAG, dem auch BAYER angehört, hat die Ernennung von Tereza Cristina zur neuen Agrar-Ministerin sehr begrüßt. „Sie kennt das Agro-Business und hat gute Beziehungen zu den Unternehmen“, sagte der ABAG-Präsident Luiz Carlos Corrêa Carvalho. Er äußert sich auch lobend darüber, dass die Politikerin oft an den ABAG-Meetings teilnahm. Was ist sonst noch über die Frau zu sagen, die sich den Ruf einer „Königin der Ackergifte“erarbeitet hat?
A. T.: Der Agrar-Minister war immer, auch bei Lula, jemand aus der Agrar-Lobby. Der Unterschied ist: Tereza Cristina hat total enge Beziehungen zu den Pestizid-Herstellern. Der amtierende Minister, Blairo Maggi, ist der mächtigste Soja-Baron der Welt und hatte sich gegen die Übernahme von MONSANTO durch BAYER ausgesprochen. Er verteidigte damit die Interessen der brasilianischen Produzenten, denn er weiß, dass diese Transaktion wie auch die anderen Mega-Deals in dem Sektor schlecht für deren Geschäfte sind. Tereza Cristina hat hingegen 200.000 brasilianische Real (rund 45.000 Euro, Anm. SWB) als Wahlkampf-Spende von Osmar Martignano Junior bekommen, der Teilhaber von Elo Agrícola – einem Geschäftspartner der BASF – ist. Auch war Tereza Cristina Präsidentin der Kommission, die das neue brasilianische Pestizid-Gesetz geschrieben hat. Wenn dieses durchkommt, können künftig selbst krebserregende Ackergifte eine Zulassung erhalten. Zudem will das Gesetz dem Gesundheitsministerium die Möglichkeit nehmen, eine Agro-Chemikalie wegen ihrer gesundheitsschädlichen Wirkung zu verbieten.
SWB: Bolsonaro wollte das Umweltministerium auflösen und mit dem Agrar-Ministerium zusammenlegen. Ausgerechnet die ABAG hat sich dagegen ausgesprochen. Wie kam es dazu?
A. T.: Bolsonaro agiert ähnlich wie Trump. Er verbreitet Unsinn auf Twitter und sorgt so erst einmal für eine länger andauernde Empörung. Zur gleichen Zeit erhalten Themen, die weit schlimmere Auswirkungen haben, wenig Aufmerksamkeit. Dann, wenn er merkt, dass er Unsinn geschrieben hat, rudert er wieder zurück. Bei dem Zusammenlegungsplan ist es so gelaufen.
SWB: Am Schluss hat wohl die Agro-Lobby selbst Bolsonaro dazu gedrängt, den Plan aufzugeben. „Die Unternehmen fürchten, eine offene Abkehr vom Umweltschutz könne brasilianischem Soja, Fleisch und anderen Rohstoffen den Zugang zu ausländischen Märkten verwehren“, schrieb die Faz.
A. T.: Apropos: Heute wurde gerade der neue Umweltminister vorgestellt: Ricardo Salles. Salles ist Gründer einer rechten Gruppe namens „Endireita Brasil“. Er bekennt sich zur alten Militärdiktatur und zur Todesstrafe. Und Tereza Cristina segnete seine Nominierung ab.
SWB: Hat die Agrar-Lobby mehr von ihren Leuten ins Parlament bekommen als bei der letzten Wahl? Wie stark ist diese Fraktion?
A. T.: Nur 50 Prozent der Ruralistas wurden wiedergewählt. Einige ihrer wichtigsten Protagonisten wie etwa Nilson Leitão und Valdir Colatto sind nicht mehr dabei. Das könnte eine gute Nachricht sein, aber unglücklicherweise ist sie das nicht. Die Zusammensetzung des Parlamentes hat sich durch die letzte Wahl stark verändert, vor allem durch die Facebook und Whatsapp nutzende „Fake News“-Strategie. Viele unbekannte Kandidaten, die sich mit Bolsonaro verbunden haben, wurden gewählt. Und das heißt, dass sie sich den Rualistas annähern werden. Auf der anderen Seite ist die Arbeiter-Partei PT noch die stärkste Kraft im Parlament. Alle ihre Mitglieder, die sich gegen das neue Pestizid-Gesetz ausgesprochen hatten, wurden wiedergewählt.
SWB: Bolsonaro hat allen NGOs den Kampf angesagt. Fühlt auch ihr von der PERMANENTEN KAMPAGNE euch bedroht?
A. T.: Auf jeden Fall. Nicht nur durch Bolsonaro, sondern auch durch Tereza Cristina. 2018 haben wir in Sachen „Pestizid-Gesetz“ direkt mit ihr gekämpft. Aber unter den sozialen Bewegungen ist es ganz klar, dass wir die Köpfe nicht hängen lassen. Die Kämpfe werden jetzt schwieriger werden, aber unsere Arbeit ist jetzt nötiger denn je. Und wir haben eine große Unterstützung in der Gesellschaft.
SWB: Im Jahr 1998 hatten 450 Familien das Areal einer pleitegegangenen Zuckerrohr-Plantage besetzt und dort ökologischen Landbau betrieben. Im Moment wird versucht, dieses Projekt namens „Quilombo Campo Grande“ plattzumachen. Ist das schon eine Folge der Wahl von Jair Bolsonaro oder geht das noch auf das Konto der Vorgänger-Regierung unter Michel Temer?
A. T.: Man muss das Bolsonaro-Projekt größtenteils als eine Fortsetzung des Temer-Projektes verstehen. Aber viel stärker, viel konservativer, rechtsextremistisch, und ab dem 1. Januar zudem mit einer viel größeren Unterstützung durch das Parlament. Aber es ist trotzdem noch eine Fortsetzung. Und wir können sagen, dass das, was heute mit dem „Quilombo Campo Grande“ passiert, sowohl ein Ergebnis von Temers Politik als auch der Wahl Bolsonaros ist, denn Temer erfuhr Rückendeckung durch das faschistische Klima nach dem 28. Oktober. Gerade gestern wurden zwei Mitglieder der Landlosen-Bewegung MST in Paraíba ermordet. Wir haben keinen Zweifel daran, dass die rechtsextreme Atmosphäre sehr zu solchen Taten beiträgt.
SWB: Eure Gruppe hat sich für die Rettung des Projektes stark gemacht und unter anderem dazu aufgefordert, Briefe an den brasilianischen Justizminister zu schreiben, um das Vorgehen der Justiz gegen das Projekt zu stoppen. Wie ist da im Moment der Stand?
A. T.: Es gab viel Solidarität. Wir haben circa 500 Briefe aus der ganzen Welt – auch aus Deutschland bekommen (unter anderem von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, Anm. SWB) – und alle in das Verfahren eingebracht. Die Berufung wurde in der letzten Woche akzeptiert, und im Moment gibt es kein Räumungsrisiko. Aber das definitive Urteil ist noch nicht ergangen und daher ist also alles noch unsicher.
SWB: Wie können die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und andere deutsche Organisationen euch in dieser Lage am besten unterstützen?
A. T.: Unserer Meinung nach werden die sozialen Bewegungen in Brasilien künftig viel internationale Solidarität brauchen. Ende der 2000er Jahre haben unsere internationalen Partner die Lage in Brasilien als gut eingeschätzt. Aus diesem Grund kamen sie überein, dass keine Hilfe mehr nötig sei. Sie hatten recht damals, aber jetzt ist die rechtsextremistische Welle, die Europa schon längere Zeit überschwemmt, auch in Brasilien angekommen. Wir müssen die Taten der Regierung deshalb in der ganzen Welt verbreiten, damit der Druck auch vom Ausland her kommt. Wir werden über eine längere Zeit hinweg ganz viel Arbeit damit haben, die Herzen der Menschen wiederzugewinnen. Wir haben bei der Wahl eine ideologische Niederlage erlitten. Unsere Werte – Solidarität, Kooperation, Vielfalt – wurden besiegt. Und wir brauchen nun Unterstützung, um diesen Werten in der Gesellschaft wieder Anerkennung zu verschaffen.
Das SWB führte dieses Interview mit Alan Tygel per E-Mail.
Im letzten Herbst kamen die Argentinier Damian Verzeñassi und Juan Ignaci Pereira auf Einladung der Initiative AKTION GEN-KLAGE nach Europa, um über die verheerenden Folgen des Ackergift-Gebrauchs in ihrem Land zu berichten. Am 7. Oktober machten sie in Köln Station: Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN konnte die beiden für einen Vortrag in der Alten Feuerwache gewinnen.
Von Jan Pehrke
„Die Europäer sollten etwas über die Herstellung von Agrar-Gütern in Argentinien und anderen Ländern Südamerikas wissen. Es ist eine Produktionsweise, die unsere Landbevölkerung krank macht und umbringt. Und das Gift, das hier verwendet wird, bleibt nicht einfach nur hier. Es gelangt bis nach Europa in verarbeiteten Lebensmitteln und landet auf europäischen Tellern in dem Fleisch, das man dort isst“, diesen Grund gab Damián Verzeñassi für die Rundreise an, die ihn und Juan Ignaco Pereyra Queles durch Deutschland, Österreich, Belgien und die Schweiz führte. Pereyra Queles formulierte darüber hinaus noch ein weiteres Anliegen. „Mit BAYER als nunmehrigem Hauptproduzenten von Glyphosat liegt der Schlüssel zur Lösung des Problems in Deutschland. Der Konzern darf seine Augen nicht vor dem verschließen, was in Argentinien geschieht: Wir stehen vor einem Ökozid.“
Bei der Veranstaltung in der Kölner Alten Feuerwache, zu der die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) die beiden eingeladen hatte, konkretisierten sie das. „1,8 Mal mehr“ Krebsfälle gibt es in den Gemeinden nahe der großen Soja- und Mais-Monokulturen als in den Regionen ohne intensive Landwirtschaft, so der Gerichtsmediziner Verzeñassi über die Ergebnisse seiner Feld-Forschungen.
Aber das ist noch nicht alles. Pereyra Queles, der sich als Rechtsanwalt auf Umweltrecht spezialisiert und unter anderem schon Glyphosat-Geschädigte verteidigt hat, legte die Auswirkungen des massiven Ackergift-Einsatzes auf die Artenvielfalt dar. „Ich gehöre vermutlich zu der letzten Generation von Menschen, die auf einer Wiese noch verschiedene Schmetterlingsarten umherschwirren sehen konnte“, konstatierte der Jurist.
Auf „die kleinen Unterschiede“ kamen Damián Verzeñassi und Pereyra Queles ebenfalls zu sprechen: Rund 40 Prozent der Pestizide, welche auf den Äckern der Nation niedergehen, sind in der EU nicht oder nicht mehr zugelassen. Vehement kritisierten die beiden die doppelten Standards, derer sich BAYER und die anderen Konzerne bei der Vermarktung ihrer Produkte befleißigen.
Anders als in Europa stellen sich auch die politischen Verhältnisse dar. Die Landwirtschaft ist der bedeutendste Wirtschaftsfaktor in Argentinien und entsprechend großen Einfluss besitzt die Agro-Branche. „Corpocracia“ nennt Verzeñassi die Staatsform seines Landes deshalb, und deren Macht hat er bereits zu spüren bekommen. Nach seiner Rückkehr vom MONSANTO-Tribunal, wo er 2016 als Zeuge auftrat und seine Untersuchungen über die Risiken und Nebenwirkungen von Glyphosat & Co. vorstellte, fand er plötzlich die Türen zu seinem Büro verrammelt und mit Ketten abgesichert – die Corpocracia hatte auf dem kurzen Dienstweg beim Hochschul-Präsidenten interveniert. Nur der Fürsprache aus dem Ausland – unter anderem von dem grünen Bundestagsabgeordneten Harald Ebner – war es zu verdanken, dass Damián Verzeñassi seine Arbeit ohne Einschränkungen fortsetzen konnte.
Trotz solcher Repressalien formiert sich in Argentinien immer mehr Widerstand gegen den agro-industriellen Komplex. Ein Netzwerk der Gemeinden gegen Pestizid-Vergiftungen, einen Zusammenschluss der agro-ökologischen Produzenten und Initiativen wie „Hört auf, uns zu besprühen“ nannten Verzeñassi und Pereyra Queles als Beispiele. So endete der Abend in Köln dann mit einem hoffnungsvollen Ausblick.
Am nächsten Morgen mussten die beiden schon früh weiter, denn in Brüssel stand ein Treffen mit dem grünen EU-Parlamentarier Martin Häusling und anderen Abgeordneten an. Viele solcher Termine sollten noch kommen, und viele hatten sie schon wahrgenommen. Ein umfangreiches Programm absolvierten Damián Verzeñassi und Juan Ignaco Pereyra Queles auf ihrem Europa-Trip. So führten sie in Berlin Gespräche mit VertreterInnen aus dem Außen- und dem Landwirtschaftsministerium. Auch österreichischen PolitikerInnen wie Karin Kadenbach von der „Sozialdemokratischen Partei Österreichs“ und Thomas Waitz von den Grünen des Landes begegneten die Südamerikaner. Überdies hielten sie nicht nur in Köln, sondern auch noch in Städten wie Klagenfurt, Basel und Wien Vorträge und diskutieren anschließend mit dem Publikum.
Das wichtigste Datum ihrer Europa-Reise war der 24. September. An diesem Tag fuhren Damián Verzeñassi und Juan Ignaco Pereyra Queles nämlich nach Genf, um gemeinsam mit Christiane Lüst von der AKTION GEN-KLAGE und anderen AktivistInnen beim „UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte“ vorzusprechen. „Wir wollen (...) den Menschenrechtsausschuss auffordern, dass er Argentinien ermahnt, das geltende Umweltrecht in unserem Land einzuhalten, weil der argentinische Staat mit dem Nichteinhalten geltender Umwelt-Gesetze Menschenrechte verletzt“, erklärte Pereyra Queles vor dem Aufbruch in die Schweiz.
Und die Pestizid-KritikerInnen erreichten ihr Ziel. Am 12. Oktober veröffentlichte das UN-Gremium seinen Länderreport zu Argentinien, der Handlungsbedarf in Sachen „Agro-Chemikalien“ formulierte. „Der Ausschuss ist sehr besorgt über die Zunahme des Einsatzes von Pestiziden und Herbiziden, einschließlich Glyphosat, trotz der schwerwiegenden negativen Auswirkungen auf die Gesundheit und die Umwelt“, hieß es darin etwa.
Mit dem Verweis auf das Recht aller Menschen auf das höchstmögliche Gesundheitsniveau empfahl die UN-Einrichtung Argentinien deshalb, „einen Regelungsrahmen zu verabschieden, der die Anwendung des Vorsorge-Prinzips in Bezug auf die Verwendung schädlicher Pestizide und Herbizide, insbesondere von Glyphosat, einschließt“.
„Mit diesen Schlussfolgerungen schafft das CESCR (spanische Abkürzung für den „UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte“, Anm. SWB) einen beispielhaften Präzedenz-Fall, indem es den argentinischen Staat ausdrücklich darauf hinweist, dass die Nutzung agro-chemischer Aktivitäten schwere Schäden für Gesundheit und Umwelt verursacht“, kommentierten Damián Verzeñassi, Juan Ignaco Pereyra Queles und die AKTION GEN-KLAGE das Votum erfreut.
Und der UN-Ausschuss nimmt auch die Bundesregierung und BAYER & Co. in die Pflicht (siehe auch Seite 16 ff). In den concludings seines Deutschland-Berichtes fordert er Berlin nämlich auf, „dass alle Unternehmen mit Sitz im Vertragsstaat oder unter seiner Gerichtsbarkeit Menschenrechtsverletzungen bei ihren Tätigkeiten nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland identifizieren, verhindern und bekämpfen“ und bei Zuwiderhandlungen dafür zu sorgen, „dass sie für Verstöße haftbar gemacht werden können“. Für die AKTION GEN-KLAGE ist der Fall damit klar: „Heißt: BAYER und MONSANTO mit Sitz in Deutschland dürfen nach den UN-concludings kein Glyphosat (...) mehr in den Erzeugerländern mehr verkaufen.“ Ob der Leverkusener Multi das befolgt, ist allerdings fraglich. Zweifellos aber haben es Damián Verzeñassi und Juan Ignaco Pereyra Queles durch ihren Einsatz geschafft, den Druck auf den Konzern zu erhöhen und den EuropäerInnen noch einmal die Dringlichkeit vor Augen zu führen, Argentinien von der Pestizid-Pest zu befreien.
Donald Trump ist BAYER teuer. Mit 400.000 Dollar unterstützte der Leverkusener Multi dessen KandidatInnen bei den Zwischenwahlen im November 2018. Kein bundesdeutscher Konzern investierte so viel Geld in die Republikaner. Und der Global Player wusste genau, warum.
Von Jan Pehrke
Bei den US-amerikanischen Zwischenwahlen im November 2018 fiel das Votum des BAYER-Konzerns eindeutig aus: Während KandidatInnen der Demokraten „nur“ 185.000 Dollar Wahlkampf-Hilfe erhielten, strichen PolitikerInnen der Republikaner 400.000 Dollar ein. 182.000 Dollar überwies das Unternehmen selber, 218.000 seine Tochter-Gesellschaft MONSANTO. Kein bundesdeutsches Unternehmen spendete Trump & Co. nach Recherchen der Tageszeitung Die Welt auf der Basis von Zahlen des „Center for Responsive Politics“ (CRP) so hohe Beträge. Auf Platz Nr. 2 liegt die DEUTSCHE TELEKOM mit 338.000 Dollar; Rang 3 nimmt die BASF mit 335.000 Dollar ein.
69 Prozent der Wahlkampf-Hilfen des Global Players von insgesamt 585.000 Dollar gingen an die Republikaner, lediglich 31 Prozent entfielen auf die Demokraten. Deutlicher zeigten sich die politischen Präferenzen nur bei seiner seit 2004 selbstständig agierenden Abspaltung LANXESS und SCHAEFFLER mit jeweils 100 Prozent sowie bei HEIDELBERG C. (94 Prozent) und der DEUTSCHEN BANK (70 Prozent). Anders als etwa die BASF oder SIEMENS sah sich der Leverkusener Multi durch die Politik Trumps nicht bemüßigt, seinen Wahlkampf-Etat umzuschichten. Entsprechend scharf fiel die Kritik der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN aus. „Es steht in der Tradition des BAYER-Konzerns, der die blutige Pinochet-Diktatur in Chile per Glückwunsch-Telegramm begrüßte und Hitler zur Macht verhalf, einen offen rassistischen Präsidenten finanziell zu unterstützen, der bevorzugt auf undemokratische Weise per Dekret regiert und mit seiner konfrontativen Außenpolitik Kriegsgefahren heraufbeschwört“, hieß es in ihrer Presserklärung.
BAYER stand immer schon in Treue fest zu den Republikanern. Für George Bush zweigte er 2008 sogar 79 Prozent seines Wahl-Budgets ab. 2012 hatte kein deutscher Konzern so viel Dollar für dessen Partei-Kollegen Mitt Romney übrig wie der Leverkusener Multi, und auch Donald Trump musste 2016 nicht darben. 433.000 Dollar flossen damals in seine Wahlkampf-Kasse. Der Agro-Riese erhoffte sich von dem Immobilien-Mogul unter anderem Steuer-Senkungen sowie den Abbau von Umwelt-Auflagen. Und Trump lieferte. '84Insbesondere in den USA erwarten wir eine höhere Dynamik als im Vorjahr. Konjunkturelle Impulse dürften dabei insbesondere von der jüngst erfolgten Steuersenkung ausgehen“, frohlockte der Konzern Anfang des Jahres in seinem Geschäftsbericht über die Aussichten für seinen wichtigsten ausländischen Absatz-Markt. Auch in Sachen „Deregulierung“ erfüllte der Präsident die Erwartungen. 46 Umweltvorschriften lockerte oder strich er bereits; 30 weitere Maßnahmen stehen an. Unlängst vertraute er zudem einer ehemaligen MONSANTO-Beschäftigten einen wichtigen Posten im Naturschutz-Bereich an.
Und noch aus einem anderen Grund musste der Global Player dem manager magazin zufolge bei den Midterms in die Republikaner investieren: Um der Gefahr vorzubeugen, wegen der Nebenwirkungen von Glyphosat zu Anhörungen nach Washington zitiert zu werden. „Da BAYER auf die engen Verbindungen der früheren MONSANTO-Manager zu den Republikanern in Senat und Repräsentanten-Haus zurückgreifen kann, droht von dieser Seite keine akute Gefahr, Sollte die Grand Old Party allerdings eines oder beide Häuser verlieren, ändert sich die Risiko-Lage“, hält die Zeitschrift fest. Und diese änderte sich – trotz des Geldsegens aus Leverkusen. Trump & Co. verloren die Mehrheit im Repräsentanten-Haus. Aber noch kam aus der Hauptstadt der USA keine Vorladung in Sachen „Glyphosat“ ...
Den Vorwurf, politische Landschaftspflege zu betreiben, weist die Aktien-Gesellschaft dabei weit von sich. Sie deklariert die „milden Gaben“ schlicht zu einer reinen Privatsache: „In den USA (...) nutzen einige Mitarbeiter das ‚BAYER Corporation Political Action Commitee’, um Kandidaten für politische Ämter durch private Spenden zu unterstützen.“ Tatsächlich ist es den Firmen in den USA untersagt, direkt an Parteien zu spenden. Deshalb gründen sie sogenannte Politische Aktionskomitees (PACs), die unter leitenden Angestellten und Geschäftspartnern Geld für die PolitikerInnen sammeln. Aber die Belegschaftsangehörigen tun das Sheila Krumholz vom „Center for Responsive Politics“ zufolge nicht pro domo. „Obwohl das Geld von den einzelnen Beschäftigten kommt, sollte ein PAC dem Unternehmen zugeschrieben werden, denn das Unternehmen steuert es“, so die CRP-Chefin. Und es spricht für sich, dass sich der oberste Lobbyist des Konzerns in Washington, Chris Leahy, als großzügigster Spender des BAYER-PACs erwies.
Die BAYER-Tochter MONSANTO zeigt sich im Umgang mit ihrem „MONSANTO Citizenship Fund“ (MCF) dann auch ehrlicher: „Der MCF unterstützt Kandidaten, deren Ausrichtung MONSANTOs politischen Zielen entspricht, ohne Berücksichtigung der persönlichen politischen Präferenzen der Manager des Unternehmens.“
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) fordert generell ein Verbot von Konzern-Spenden an Parteien, PolitikerInnen und sogenannte „think tanks“. Schon anlässlich der US-Präsidentschaftswahl von 2012 hielt sie fest: „Die amerikanische Politik befindet sich im Würgegriff von Lobbyisten und potenten Geldgebern. Fortschritte beim Umwelt- und Verbraucherschutz werden dadurch blockiert, das Allgemeinwohl bleibt auf der Strecke. Aus dem hehren Ideal der amerikanischen Verfassung ‚One man, one vote’ ist ein schnödes ‚One dollar, one vote’ geworden.“ ⎜
Im Zuge der Globalisierung hat die „Apotheke der Welt“ den Standort gewechselt. Ihre größten Filialen stehen heute in Indien und China. Ein großer Teil der Wirkstoffe und Vorprodukte für den Pharma-Weltmarkt kommt mittlerweile aus diesen beiden Ländern. Dort locken nämlich Standort-Vorteile wie niedrige Herstellungskosten und laxe Umwelt-Auflagen, was katastrophale Folgen für Mensch, Tier und Umwelt hat. BAYER aber lässt auf die ersten Glieder seiner Arznei-Lieferketten nichts kommen, was sich nicht mit ein paar Schulungen beheben ließe.
Von Jan Pehrke
„Lassen Sie uns nicht im Stich. Stoppen Sie den Bezug von Medikamenten aus dieser Gegend. Sie kaufen hier, um Ihr Leben zu retten, auf Kosten anderer. Ist es denn ein Verbrechen, Bewohner dieser Gegend zu sein?“, diesen Hilferuf des Arztes Kishan Rao zitierte das Stichwort BAYER 4/17 in seinem Artikel über die indischen und chinesischen Hot Spots der globalen Pharma-Produktion. Diese beiden Länder bilden die ersten Glieder der Arznei-Lieferketten von BAYER & Co. Zudem dominieren sie den Weltmarkt für nicht mehr patent-geschützte Medikamente. Mit Werbe‑Sprüchen wie „Maximale Förderung – minimale Kontrolle“ und niedrigen Herstellungskosten haben Städte wie Hyderabad erfolgreich um Industrie-Ansiedlungen geworben. Den Preis dafür zahlen Mensch, Tier und Umwelt. Besonders die Einleitung von antibiotika-haltigen Abwässern in die Flüsse und Seen entfaltet eine fatale Wirkung. Durch die permanente Zufuhr von Ciprofloxacin & Co. gewöhnen sich die Krankheitserreger nämlich an die Substanzen und bilden Resistenzen heraus. Solche „Superbugs“ verbreiten sich nirgendwo auf der Welt so stark wie in Indien. Allein im Jahr 2013 starben dort 58.000 Babys, weil sie sich mit Keimen infiziert hatten, gegen die kein Kraut mehr gewachsen war.
Von AktivistInnen direkt mit diesen Missständen konfrontiert, warf der Leverkusener Multi die Phrasendresch-Maschine an. „Verantwortungsvolle Geschäftspraktiken sind für BAYER über die gesamte Supply Chain hinweg eine Selbstverständlichkeit. Dieser Anspruch gilt sowohl für die Herstellung von pharmazeutischen Wirkstoffen in unseren eigenen Betrieben, aber auch für die Beschaffung von entsprechendem Material bei externen Lieferanten“, ließ er verlauten. Warum aber paraphierte der Global Player dann die „Davos Declaration“ nicht, welche die Konzerne verpflichtet, ihre Lieferketten zu kontrollieren und gegebenenfalls „das Abfall- und Abwasser-Management zu verbessern“? „Antibiotika stehen (...) nicht mehr im Fokus unseres Produkt-Portfolios. Vor diesem Hintergrund hat unser Unternehmen die von Ihnen angesprochene ‚Davos Declaration’ nicht unterzeichnet“, führte der Pharma-Riese zur Begründung an.
Auf der Hauptversammlung Ende Mai 2018 gab die Aktien-Gesellschaft sich kaum auskunftsfreudiger. Sie räumte zwar ein, „Vorstufen der Wirkstoffe sowie einen kleinen Teil fertiger Wirkstoffe vom globalen Markt einschließlich Indien und China“ zu beziehen, versicherte aber, bei der Anbahnung von Geschäftsbeziehungen höchste Sorgfalt walten zu lassen. „BAYER wählt alle Lieferanten im Einklang mit seinen ethischen und ökologischen und sozialen Standards aus“, hielt der Vorstandsvorsitzende Werner Baumann fest. Namen wollte er allerdings nicht nennen: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir darüber hinaus aus Wettbewerbsgründen keine detaillierten Angaben zu einzelnen Lieferanten machen.“
Eine deutlichere Sprache spricht hingegen der letzte Geschäftsbericht des Multis. „Im Rahmen unserer Lieferanten-Nachhaltigkeitsbewertungen haben wir besonders für China und Indien ein Länder-Risiko identifiziert“, heißt es dort. Der Gentech-Gigant wusste jedoch zugleich Abhilfe. Schulungen, Trainings und Workshops sollten es richten.
So ganz bei solchen freiwilligen Maßnahmen belassen will es die Bundesregierung jedoch nicht. Im Sommer 2018 hatte nämlich ein Medikament made in China für einen Pharma-Skandal gesorgt: Überall auf der Welt tauchten Chargen des blutdruck-senkenden Wirkstoffs Valsartan auf, die mit der krebserregenden Substanz Nitrosamin verunreinigt waren. Und da die Konzentration auf dem Sektor der Pillen-Produktion inzwischen ein großes Ausmaß angenommen hat – Zhejiang Huahai belieferte allein in Deutschland 16 Arznei-Firmen mit dem Pharmazeutikum – verfügten die Apotheken kaum noch über sauberes Valsartan. Normalisiert hat sich die Lage bis heute nicht. Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfArM) führt den Blutdruck-Senker immer noch auf seiner langen Liste der Lieferengpässe.
Die Politik erkannte daraufhin Handlungsbedarf – jedenfalls ein bisschen. In das geplante „Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittel-Versorgung“ fanden auch zwei kleine Abschnitte zur Minimierung der Risiken und Nebenwirkungen der globalisierten Pharma-Lieferketten Eingang. CDU und SPD beabsichtigen, die Inspektionen bei den Wirkstoff-Herstellern durch einen besseren Informationsaustausch zwischen Bund und Ländern effektiver zu gestalten. Allerdings gibt es da nicht viel Gestaltungsspielraum, weil Hausbesuche in chinesischen und indischen Fabriken kaum stattfinden. Schließlich möchten die PolitikerInnen mehr Transparenz in diesem Sektor. „Informationen über Wirkstoff-Hersteller werden öffentlich“, kündigt das Bundesgesundheitsministerium an. Die Betriebsgeheimnisse von Big Pharma dürften dabei aber auch Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) heilig bleiben.
Überdies zeigen sich Merkel & Co. nur wenig ambitioniert, internationale Vereinbarungen, die zur Verbesserung der Lage in Indien und China beitragen könnten, wirklich stark zu machen. So gibt es seit 1966 ein UN-Abkommen über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, den so genannten UN-Sozialpakt, der die Verantwortung der Unternehmen nicht an ihren Fabrik-Toren enden lässt, sondern die Firmen auch für ihre Lieferketten rechenschaftspflichtig macht. Das hatte die Bundesrepublik einst noch mit unterzeichnet, aber das Zusatz-Protokoll von 2008, das Beschwerde- und Untersuchungsverfahren vorsieht – also konkrete Schritte, die vielleicht sogar zu Sanktionsmöglichkeiten führen – trägt sie bis heute nicht mit. Das FORUM MENSCHENRECHTE kritisiert diese Verweigerungshaltung massiv. „Zur vollen Anerkennung der Menschenrechte gehört auch die volle Anerkennung der Kontroll-Verfahren, so Michael Krennerich vom Koordinierungskreis des Forums.
Bei der Umsetzung der im Juni 2011 vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen verabschiedeten Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte hapert es ebenfalls. Der Nationale Aktionsplan (NAP) zur „Einhaltung von Menschenrechten in globalen Liefer- und Wertschöpfungsketten“ enthält dank des Extrem-Lobbyismus von BAYER & Co. nämlich keinerlei verbindliche Regelungen. Stattdessen setzt Berlin auf Freiwilligkeit. Darüber hinaus belassen CDU und SPD es dabei, den Konzernen Berichtspflichten aufzuerlegen. Und zu allem Übel haben sie mit der Abwicklung des ganzen Monitoring-Prozesses ausgerechnet die Unternehmensberatung ERNST & YOUNG betraut, die sich bisher nicht durch besondere Expertise in Menschenrechtsfragen hervorgetan hat. Auf deren Fragebögen können sich die Firmen der lästigen Aufgabe meistens per „Multiple Choice“ entledigen. Es reicht überdies, wenn sie intern bestimmte Prozesse zur Überprüfung ihrer Geschäftstätigkeiten im Ausland etabliert haben. Einen Wirksamkeitsnachweis müssen die Konzerne nicht erbringen. Trotzdem klagen sie bereits lauthals über den mit dem Nationalen Aktionsplan angeblich verbundenen bürokratischen Aufwand.
Viel zutage gefördert hat dieser bisher nicht. Eine „magere Halbzeit-Bilanz“ zogen der DGB, das FORUM MENSCHENRECHTE, VENRO und andere Gruppen. „Schon bei der Erarbeitung des Aktionsplans hatte die Bundesregierung keinen Mut zu verbindlichen Menschenrechtsauflagen für Unternehmen aufgebracht“, kritisiert DGB-Chef Reiner Hoffmann und fährt fort: „Die gleiche Mutlosigkeit kennzeichnet leider auch die Umsetzung des ohnehin schwachen Aktionsplans.“ Die Verbände treten daher für ein Gesetz ein, das BAYER & Co. zur Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet, wie es Länder wie Großbritannien, Frankreich und die Schweiz bereits verabschiedet haben. Das UN-Komitee für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte teilt dieses Anliegen. In seinem Report zur Lage der Menschenrechte in Deutschland hält das Gremium fest: „Das Komitee begrüßt die Implementierung eines Nationalen Aktionsplans zu Wirtschaft und Menschenrechten, bedauert aber die rein freiwillige Natur der Maßnahmen und das Fehlen wirksamer Kontroll-Mechanismen.“ Daher empfiehlt es, ein Regelwerk zu schaffen, das die Konzerne für alle mit ihrer Geschäftstätigkeit verbundenen Menschenrechtsverletzungen „nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland“ in Haftung nimmt.
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) verlangt ebenfalls ein strafbewehrtes Paragrafen-Werk. Das genügt ihrer Ansicht nach aber längst nicht. Der Autor dieser Zeilen formulierte am Ende seines Vortrages „An der Lieferkette von BAYER, NOVARTIS, ROCHE & Co.: Die Pharma-Sweatshops in Indien und China“, den er im Dezember 2018 auf Einladung des „Runden Tisches Bayern“ hielt, weitergehende Forderungen. Er trat für wirksame Kontrollen vor Ort ein. Ihm zufolge muss das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ es der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA gleichtun und Filialen in China und Indien eröffnen. Zudem hielt er es für notwendig, Herkunftsvermerke auf den Arznei-Packungen anzubringen. Überdies drang der CBGler darauf, die Qualitätsnormen zur Produktion von Medikamenten um Umweltschutz-Vorschriften zu ergänzen und Verstöße mit schmerzlichen Strafen bis hin zum Lizenz-Entzug zu ahnden. Nur so ist es vielleicht zu erreichen, dass meterhohe Schaumwände auf den Flüssen, in allen Farben des Spektrum schillernde Gewässer und tiefschwarzes, teeriges Sediment auf dem Grund der Seen mit all den damit verbundenen Gefährdungen für Mensch, Tier und Umwelt bald nicht mehr zum Alltag der Städte rund um die Arznei-Sweatshops gehören.
BAYER hat an MONSANTO schwer zu schlucken. Der Mega-Deal scheint sich immer mehr zu einem Mega-Desaster auszuwachsen. Der Milliarden-Seller Glyphosat droht nämlich zu einem Milliarden-Grab zu werden, da fast 10.000 Klagen von Geschädigten anstehen. Nach dem ersten Urteil, das Dewayne Johnson Schadensersatz in Millionen-Höhe zusprach, setzten die Aktien des Leverkusener Multis zu einer Talfahrt an. BLACKROCK und andere Groß-Investoren schauten da nicht lange zu: Sie meldeten Handlungsbedarf an. Und der Global Player lieferte: Am 29. November 2018 gab er die Vernichtung von 12.000 Arbeitsplätzen bekannt. Jeder zehnte Job im Unternehmen fällt der Streich-Orgie zum Opfer. Kein bundesdeutscher Konzern stellte im zurückliegenden Jahr so vielen Stellen zur Disposition.
Von Jan Pehrke
Mit großen Versprechungen hatte der Leverkusener Multi die Übernahme von MONSANTO verbunden. „BAYER wird nach Abschluss der Integration mehrere Tausend Stellen in den USA schaffen und dort dann mehr Mitarbeiter haben als beide Unternehmen heute zusammen“, kündigte der Vorstandsvorsitzende Werner Baumann in einem Interview mit Die Welt an. Diese frohe Botschaft hatte er dem US-Präsidenten Donald Trump am 11. Januar 2017 sogar persönlich überbracht, um dessen Ja-Wort zu dem Deal zu erheischen – die US-Behörden hatten die Transaktion damals nämlich noch nicht genehmigt. Trumps damaliger Sprecher Sean Spicer konnte sich sogar noch an Details aus dem Gespräch erinnern. Genau 3.000 neue Jobs wollte der Konzern schaffen und an den US-amerikanischen Standorten acht Milliarden Dollar in Forschung & Entwicklung investieren. Und Europas sollte darunter nicht leiden, beteuerte Baumann: „Es geht beim Erwerb von MONSANTO um die Schaffung eines Wachstumsunternehmens. Daher werden nach Abschluss der Integration unter anderem auch in Europa neue Arbeitsplätze entstehen.“
Noch nicht einmal zwei Jahre später, am 29. November 2018, gibt der Global Player die Vernichtung von 12.000 Stellen – jeder zehnten im Unternehmen – bekannt. Aus dem vermeintlichen Job-Wunder MONSANTO wurde in dieser Zeit eine Job-Wunde, die tief ins Fleisch der Belegschaft reicht und 4.100 Beschäftigten den Posten kostet. Einen „Synergie-Effekt“ in dieser Höhe hätte der Konzern von Anfang an in Rechnung gestellt, hieß es nun auf einmal. Mit 900 Beschäftigten weniger muss die Pharma-Forschung auskommen. „Eine verstärkte Ausrichtung auch auf externe Innovationen“ will der Konzern nämlich vornehmen. Und in Wuppertal wird der gerade erst in Betrieb genommene „futuristische Glasbau“ (Handelsblatt) zur Herstellung von Bluter-Medikamenten schon wieder Geschichte, respektive 350 Arbeitsstätten. Die „Consumer Health“-Abteilung mit den nicht rezeptpflichtigen Produkten verliert 1.100 Belegschaftsangehörige, unter anderem weil der Leverkusener Multi beabsichtigt, sich von den Sonnenschutz-Mitteln der COPPERTONE-Reihe und den Fußpflege-Präparaten der Marke DR. SCHOLL’S zu trennen. Ganz verkaufen will die Aktien-Gesellschaft nicht nur seinen Anteil an dem Chem„park“-Dienstleister CURRENTA, sondern auch die„Animal Health“-Sparte, obwohl Werner Baumann das vier Wochen vorher noch ausgeschlossen hatte. Rationalisierungsmaßnahmen in der Verwaltung – 5.500 bis 6.000 Beschäftigungsverhältnisse fallen hier weg – komplettieren dann die Streichliste.
Und natürlich tut BAYER das alles ganz, ganz Leid. „Schwer zu treffen“ waren die Entscheidungen, sagte Werner Baumann auf dem Wirtschaftsgipfel der Zeitung Rheinische Post am 10. Dezember in Düsseldorf, bei dem er sich auch mit den Protesten der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) auseinandersetzen musste (siehe Seite 24). Der Konzern sei „mit der höchsten Verantwortung“ vorgegangen und hätte „fürsorglich“ gehandelt, bekundete der Vorstandschef, aber langfristig gesehen wäre es für alle Beschäftigten das Beste gewesen, da die Maßnahme das Unternehmen wettbewerbsfähiger und damit auch zukunftsfester mache.
Glyphosat unschuldig
Einen Zusammenhang der Arbeitsplatz-Vernichtung mit den Glyphosat-Verfahren bestritt der Ober-BAYER auf der Veranstaltung vehement: „Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.“ Tatsächlich hatte der Leverkusener Multi das Spar-Programm „Superbowl“ für den Pharma-Bereich schon vor längerer Zeit auf den Weg gebracht, und auch der CURRENTA-Beschluss ist älteren Datums. Dass es aber danach noch so dicke kam, liegt eindeutig an den fast 10.000 Schadensersatz-Klagen, mit denen sich der Konzern konfrontiert sieht. Der Ausgang des ersten Prozesses in den USA hatte in beeindruckender Weise gezeigt, mit welch hohen finanziellen Risiken die juristischen Aus-einandersetzungen verbunden sind. Zu einer Zahlung von 289 Millionen Dollar an den Geschädigten Dewayne Johnson verurteilte der „San Francisco County Superior Court“ den Leverkusener Multi am 10. August 2018. Sofort setzte die BAYER-Aktie zu einer Talfahrt an, die sich am 23. Oktober noch einmal beschleunigte. An diesem Tag nämlich entschied die Richterin Suzanne R. Bolanos, den Rechtstreit nicht noch einmal neu aufzurollen, wie das Unternehmen gehofft hatte. Lediglich die Entschädigungssumme setzte sie auf 78 Millionen Dollar herunter. Um zwölf Prozent rutschte der Kurs daraufhin ab. Der Fall „BAYER“ avancierte in der Folge immer mehr zum Top-Thema der Wirtschaftspresse und lenkte den Blick auch noch einmal neu auf Unternehmensteile, welche die Finanzbranche schon länger als „Minderleister“ identifiziert hatte. Das manager magazin etwa machte eine „Jagd auf BAYER“ aus, angezettelt von Glyphosat-KritikerInnen sowie AnwältInnen der US-amerikanischen „Klage-Industrie“, und wandelte für sein Titelbild das BAYER-Kreuz plakativ zu einer Zielscheibe um. Die schlechten Nachrichten ließen auch die Großinvestoren nicht unbeeindruckt. „Entsprechend ungemütlich verliefen die Gespräche von Baumann mit Anteilseignern wie dem Vermögensverwalter BLACKROCK aus New York oder dem Staatsfonds TEMASEK aus Singapur“, wusste das Handelsblatt zu berichten. Die Branche mahnte Handlungsbedarf an – und der Leverkusener Multi lieferte. Rechtzeitig zum „Capital Markets Day“ in London am 5. Dezember 2018 verkündete er die Einschnitte.
Die genauen Angaben zu den Arbeitsplatz-Vernichtungen finden sich in der entsprechenden Verlautbarung, garniert mit ein paar Krokodilstränen – „Gleichzeitig sind wir uns der Tragweite der Entscheidungen für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bewusst“ – allerdings nur im Kleingedruckten. Die Investoren sind der eigentliche Adressat der Veröffentlichung. „BAYER will Life-Science-Kerngeschäfte weiter stärken sowie Produktivität und Ertragskraft deutlich steigern“ ist sie deshalb überschrieben. Der Leverkusener Multi stellt BLACKROCK & Co. für 2022 ein Ergebnis je Aktie von rund zehn Euro und eine Rendite von mehr als 30 Prozent in Aussicht. „Mit den notwendigen Anpassungen werden wir in Zukunft noch schlagkräftiger und agiler. Wir wollen damit die Wachstumspotenziale für unsere Geschäfte optimal nutzen“, verlautete aus der Konzern-Zentrale.
Eine Woche später in London beim Investoren-Tag ging es dann direkt zur Sache. 224 Seiten stark und mit vielen Tabellen und Zahlen-Kolonnen bestückt war der Zukunftsroman, den Baumann und seine Riege den rund 150 Fonds-ManagerInnen und Finanz-AnalystInnen dort präsentierten. Und ein bisschen neue Zeit sollte schon von jetzt auf gleich anbrechen: Das Unternehmen kündigte Aktien-Rückkäufe zur Kurs-Pflege an. „Die Richtung, die BAYER nach der größten Übernahme der Firmen-Geschichte – mit der auch ein milliarden-schweres Rechtsrisiko Hand in Hand geht – einzuschlagen gedenkt, ist klar am Shareholder Value ausgerichtet, kommentierte die Börsen-Zeitung: „Denn BAYER wirbt nicht nur mit steigenden Dividenden, sondern stellt auch die Möglichkeit eines Aktien-Rückkaufs in Aussicht. Das fällt bei Investoren immer auf fruchtbaren Boden, wie die Kurs-Reaktion vom Mittwoch belegt.“ Allerdings blieb der Boden nur kurze Zeit fruchtbar. Die Welt sah dann darin auch nur „Bilanz-Kosmetik“ und konstatierte: „Geradezu verzweifelt wirkte es, als Neu-Finanzchef Wolfgang Nickl plötzlich sogar mögliche Aktien-Rückkäufe in Aussicht stellt. Ein Instrument, das der Bilanz-Kosmetik dient, das Unternehmen aber operativ keinen Deut weiterbringt.“ Generell sah die Zeitung bei dem Auftritt nur das klassische Börsen-Einmaleins „schneller wachsen, größere Gewinne machen, konsequenter sparen“ am Werk und vermisste überzeugende Ideen. „Der Vorfall ist auch deshalb so bezeichnend, weil der Versuch, das Kurs-Desaster zu beenden und die Investoren wieder zu besänftigen, nun geradezu reflexartig auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird“, resümierte das Blatt.
Beschäftigte empört
Das realisierten die ArbeiterInnen und Angestellten dann auch sofort. „Jetzt müssen wir die Zeche für den MONSANTO-Deal zahlen“, mit diesen Worten zitierte die Rheinischer Post einen Belegschaftsangehörigen. „Wut und Angst“ machte die Zeitung unter den BAYER-WerkerInnen aus. Am Standort Wuppertal-Elberfeld fiel es den JournalistInnen jedoch schwer, Stimmen einzufangen. „Wir sollen nichts sagen“, hieß es. Der Leverkusener Multi hatte seinem Personal – wie schon unmittelbar nach Bekanntwerden des Planes, MONSANTO übernehmen zu wollen – einen Maulkorb verhängt. Dafür sprachen die Beschäftigten-VertreterInnen Klartext: „Die Betriebsräte verurteilen die Vernichtung von Know-how und hochinnovativen Arbeitsplätzen. Wir halten eine derartige Kürzung für den ungeeignetsten Weg eines ‚Forschungsunternehmens’, zu besseren Ergebnissen zu kommen.“ Und es blieb nicht bei Worten. In Wuppertal gingen rund 1.000 Belegschaftsmitglieder gegen den geplanten Kahlschlag auf die Straße, und in Berlin organisierten die BayeranerInnen einen Trauermarsch mit mehreren hundert TeilnehmerInnen.
Der Gesamtbetriebsrat jedoch verteidigte die Maßnahmen, die er mit ausverhandelt hatte. Er zeigte sich äußerst zufrieden damit, der Geschäftsleitung das Zugeständnis abgerungen zu haben, vorerst auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten. Als einen „Meilenstein“ feierte der Gesamtbetriebsratschef Oliver Zühlke die bis zum Jahr 2025 geltende Schutzfrist. Auf die Frage eines Journalisten des Wochenblattes Die Zeit: „Und doch soll jede zehnte Stelle wegfallen, einen Kündigungsschutz gab es bis 2020 ohnehin schon. Haben Sie in Wahrheit sehr wenig erreicht?“, antwortete der Gewerkschaftsvertreter: „Nein. Wir haben bis wenige Minuten vor der Unterzeichnung unserer gemeinsamen Erklärung mit dem Vorstand gekämpft, der erst einmal gar keinen Kündigungsschutz angeboten hatte“. Mit den gleichen Argumenten hatten bereits frühere Gesamtbetriebsratschefs stets ihr Placet zu Job-Streichungen des Pharma-Riesen gerechtfertigt. Auch sonst gab sich Zühlke ganz als Co-Manager, wenn er etwa im Jargon der Nadelstreifen-Nieten von „Veränderungen im Portfolio“ und dergleichen sprach. Und wie Baumann behauptete der Mann von der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE), MONSANTO im Allgemeinen und die Glyphosat-Klagen im Besonderen hätten nichts mit dem Stellenabbau zu tun. Der Gewerkschaftler warf vielmehr den Medien vor, diesen Zusammenhang erst konstruiert zu haben, und kam dann richtig in Schwung: „Wir messen Glyphosat oder dem Hambacher Forst viel mehr Bedeutung zu, als sie eigentlich haben, und zwar eine viel zu sehr ökologisch gefärbte!“ Der Zeit-Journalist glaubte seinen Ohren nicht zu trauen: „Wie bitte, ‚ökologisch gefärbt’?“, hakte er nach, aber der IG BCEler blieb darbei.
Auf die Bosse ließ er hingegen nichts kommen. „Baumann und Aufsichtsratschef Wenning stehen dafür, dass der Abbau BAYER-like erfolgt“, so Zühlke. Da blieb Kritik aus dem Lager unabhängiger Betriebsratsgruppen nicht aus. „Es dient nicht der Glaubwürdigkeit, wenn Arbeitnehmer-Vertreter im Aufsichtsrat zuerst Maßnahmen zustimmen und anschließend zur Demonstation in Elberfeld aufrufen“, konstatierte das BELEGSCHAFTS-TEAM. Überdies redete es Tacheles und stellte Forderungen auf. „Auch wenn die Unternehmensleitung durch die Stärkung der Kern-Kompetenzen das Ziel der Gewinn-Maximierung verfolgt, darf die Fürsorge-Pflicht des Arbeitgebers für die Kolleginnen und Kollegen nicht auf der Strecke bleiben, verlangte die Organisation.
Politik leistet Beistand
Beistand erhielten die Beschäftigten aus den Reihen der Politik. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach, der seinen Wahlkreis in Leverkusen hat, twitterte: „Ein Klassiker. Weil Aktionäre durch verheerenden MONSANTO Glyphosat Deal nicht leiden sollen, werden Arbeitsplätze geopfert. Das ist nicht akzeptabel.“ Der Fraktionschef von Bündnis 90/Die Grünen, Anton Hofreiter, pflichtete ihm bei. Er warf dem Management vor, den mit Glyphosat verbundenen Risiken beim Kauf des US-Unternehmens nicht genug Beachtung geschenkt zu haben: „Das ist und war nicht nur rücksichtslos gegenüber Umwelt und Natur, sondern auch fahrlässig und verantwortungslos gegenüber den Beschäftigten.“
Die LokalpolitikerInnen an den BAYER-Standorten übten ebenfalls Solidarität. So erklärte Wuppertals Oberbürgermeister Andreas Mucke (SPD): „Ich unterstütze den Protest der Beschäftigten, die von den Entscheidungen unmittelbar betroffen sind, obwohl sie die Ursache für den Stellenabbau nicht zu verantworten haben.“ Und die Oppositionsparteien CDU und Bündnis 90/Die Grünen brachten eine Resolution zur Unterstützung der Belegschaft in den Rat ein, die auch eine Mehrheit fand. „Der Rat der Stadt Wuppertal steht an der Seite der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Der Fortfall von 400 Arbeitsplätzen in der Forschung und 350 in der Produktion trifft aber nicht nur die von dieser Entscheidung unmittelbar Betroffenen hart, sondern hat zugleich auch noch nicht absehbare Konsequenzen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung der Stadt“, hieß es darin. Eine Passage des Textes richtete sich direkt an den Leverkusener Multi. „In dieser Situation fordert der Rat der Stadt den Vorstand und die Verantwortlichen in der Unternehmensleitung auf, mit offenen Karten zu spielen und alles für die Sicherung der Arbeitsplätze und den Ausbau des Standortes Wuppertal zu unternehmen. Der Rat der Stadt Wuppertal erwartet jetzt ein klares Bekenntnis zu einem Industrie-Standort mit langjähriger Firmen-Tradition und die notwendige Entschlossenheit, einem möglicherweise schleichenden Prozess mit aller Kraft entgegenzusteuern.“
Mit der Streichung von 12.000 Jobs setzt der Konzern sich unangefochten an die Spitze der Arbeitsplatzvernichter in Deutschland. Kein anderes Unternehmen kündigte 2018 den Abbau von so vielen Stellen an wie BAYER. Im globalen Maßstab kommt der Leverkusener Multi damit auf den sechsten Rang. Aber den GroßaktionärInnen reicht das nicht. Nach der Bekanntgabe des Kahlschlags gewann das BAYER-Papier kurzzeitig zwei Prozent, um dann prompt wieder 2,7 Prozent zu verlieren. „Im ersten Moment glaubten Anleger offenbar an das Versprechen, es werde dadurch effizienter werden. Danach schien sich die Sicht durchzusetzen, dass dies nicht ausreicht“, resümierte die Faz. Angesichts eines Börsenwert-Verlustes von fast 30 Milliarden Euro im Jahr 2018 drängt der Finanzmarkt das Management zu noch drastischeren Schritten. Immer lauter werden die Stimmen, die eine Trennung von der Pharma-Sparte verlangen. Das dürfte auch auf der Agenda des Geierfonds ELLIOT MANAGEMENT COOPERATION stehen, der im Dezember 2018 aus der Deckung kam und sein schon länger bestehendes Engagement beim deutschen Global Player öffentlich machte. Bei THYSSENKRUPP verfolgte ELLIOT seine strategischen Ziele so rücksichtslos, dass der Vorstandsvorsitzende Heinrich Hiesinger und der Aufsichtsratschef Ulrich Lehner zurücktraten.
Werner Baumann gab sich auf dem Wirtschaftsgipfel der Rheinischen Post aber cool. Der BAYER-Boss bestritt, schon Kontakt mit dem ELLIOTT-Besitzer Paul Singer gehabt zu haben, verteidigte ihn aber schon einmal prophylaktisch. Er versuchte sogar, in dem Investment der US-Gesellschaft bei BAYER ein positives Zeichen zu sehen. Singer sei nicht nur ein aktivistischer Aktionär, er steige auch bei Unternehmen ein, die er am Markt für unterbewertet erachte, behauptete der Vorstandsvorsitzende.
Neue Prozess-Strategie
Unterdessen arbeitet der Konzern fieberhaft daran, sich für die kommenden Schadensersatz-Prozesse zu rüsten, ohne jedoch von der Nibelungen-Treue zu seinem von der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuften Pestizid zu lassen. Auch auf dem Wirtschaftsgipfel versicherte Baumann wieder, „dass ich vollumfänglich hinter Glyphosat als Produkt stehe“. Der Vorstandsvorsitzende zeigt sich jedoch unzufrieden damit, wie die MONSANTO-VerteidigerInnen den Fall angingen. Er hätte „einige Dinge anders gemacht“, gab er JournalistInnen im November 2018 zu verstehen und kündigte eine neue Strategie an. Darum engagierte das Unternehmen AnwältInnen von der Kanzlei ARNOLD & PORTER KAYE SCHOLER. Deren Verhandlungsgeschick hat den Pharma-Riesen nämlich schon mehrfach vor Schadensersatz-Zahlungen für seinen mit vielen Nebenwirkungen behafteten Blutverdünner XARELTO bewahrt. Überhaupt versucht der Global Player, seine jahrzehntelange juristische Erfahrung mit Geschädigten seiner Produkte zum Vorteil zu wenden. So verwies Werner Baumann etwa auf die in seinen Augen „billige“ 12-Millionen-Dollar-Lösung in der rechtlichen Auseinandersetzung mit den 4.000 Klägerinnen, die unter den unerwünschten Arznei-Effekten der Hormon-Spirale MIRENA litten.
Die schmerzende Niederlage im ersten Glyphosat-Prozess schreibt der Leverkusener Multi vor allem der Disposition der Geschworenen zu, Empathie für den dem Tode geweihten Kläger Dewayne Johnson zu zeigen. Darum bemüht er sich in den weiteren Verfahren, verstärkt Einfluss auf die Auswahl der JurorInnen zu gewinnen. So ersuchte das Unternehmen Anfang November 2018 den Richter Vince Chhabria, für die noch anstehenden Verfahren den Jury-Pool zu erweitern und immer nachzuprüfen, ob die in Frage kommenden Personen durch die Berichterstattung zum Fall „Dewayne Johnson“ nicht etwa voreingenommen sein könnten. Zudem fehlt es nicht an wohlmeinenden Empfehlungen von Rechts-ExpertInnen. Gary Baise beispielsweise rät BAYER dazu, auf die Schulbildung der Geschworenen zu achten, da Menschen mit höheren Abschlüssen in der Regel nicht so emotional reagierten.
Einen Erfolg hat die Aktien-Gesellschaft einstweilen bei Chhabria schon erzielt. Der Bezirksrichter gab dem Antrag statt, drei bereits angesetzte juristische Auseinandersetzungen in zwei Teile aufzuspalten. Zu Beginn geht es jetzt streng wissenschaftlich nur noch um die Erörterung der Frage, ob ein Kausalzusammenhang zwischen Glyphosat und Krebserkrankungen besteht, und erst danach kommen die schmutzigen Tricks von MONSANTO bei der Freisprechung des Pestizides von aller Schuld zur Sprache.
PR-Kampagne
Begleitend dazu investiert der Agro-Mogul Unsummen in eine PR-Kampagne. Er charterte ein Flugzeug, um JournalistInnen großer deutscher Zeitungen und Sender in die ehemalige MONSANTO-Zentrale nach St. Louis einzufliegen. Dort präsentierte er ihnen dann mit Mark Scott den Vorzeige-Bauern des Konzerns, der – was Wunder – zu Protokoll gab, Glyphosat ganz toll zu finden und gerne jedes Jahr wieder Lizenz-Gebühren für Gentech-Saatgut zu zahlen. Und viele JournalistInnen apportierten das brav. In den USA schaltete der Konzern zudem 1-seitige Anzeigen in Blättern wie der Washington Post. Um das Internet kümmerte er sich ebenfalls. Wer den Begriff „Glyphosat“ in eine Suchmaschine eingab und auf Seiten mit Artikeln zum Thema klickte, der bekam zeitweilig immer gleich eine Anzeige des Agro-Moguls mitgeliefert. „Behauptungen zu Glyphosat – was sagt BAYER dazu?“ – mit dieser Frage wollte das Unternehmen die Web-UserInnen ködern, seine Glyphosat-Propaganda aufzurufen. Auch in neue PropagandistInnen steckte es Geld. Der Leverkusener Multi verpflichtete den ehemaligen Grünen-Politiker Matthias Berninger – vor seinem Job beim Schokoriegel-Hersteller MARS unter anderem Staatssekretär im Verbraucherschutz-Ministerium – als seinen neuen Mann in Washington. Er nimmt sich in der US-amerikanischen Hauptstadt künftig der „Public and Governmental Affairs“ an. „Der richtige Mann, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort“, erklärte BAYER zu der Personalie.
Ob diese Kraftanstrengungen reichen, den Negativ-Trend zu stoppen, wird sich mit dem zweiten Glyphosat-Prozess zeigen, der am 25. Februar beginnt. Einigen dürfte der Ausgang der Sache jedoch inzwischen egal sein: den 12.000 Menschen, die beim Konzern ihren Arbeitsplatz verlieren.⎜
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) warnte bereits 2016: „Die MONSANTO-Übernahme kommt die BAYER-Beschäftigten teuer zu stehen.“ Auf den Hauptversammlungen des Chemie-Konzerns im Mai 2017 und 2018 fragten Kritische AktionärInnen der CBG: „Wieviele Arbeitsplätze werden vernichtet durch die Übernahme von MONSANTO?“ BAYER-Chef Baumann verweigerte die Antwort. Gestern wurde die Katze aus dem Sack gelassen: 12.000 Jobs werden im Konzern gestrichen. . Dies hat BAYER am gestrigen Tag nach einer Aufsichtsratssitzung bekannt gegeben. Ob das alles ist oder ob weitere Arbeitsplatzvernichtung folgen wird – dies ließ BAYER offen.
Ein erheblicher Teil dieser Posten wird in den deutschen Werken wegfallen. Der Leverkusener Multi plant unter anderem, sich von der Tiermedizin-Sparte komplett zu trennen. Zudem sollen keine neuen rezeptfreien Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel mehr hergestellt und alte ausgemustert werden. Dies wird 1.100 Menschen die Arbeitsstelle kosten. In der Abteilung „Pharmaceuticals“, die verschreibungspflichtige Medikamente produziert, sollen 900 Arbeitsplätze wegfallen. Hiervon ist direkt der Standort Wuppertal betroffen. Hier beabsichtigt die Aktien-Gesellschaft, 350 Stellen zu streichen. Im Saatgut- und Pestizid-Bereich, gerade erst durch den berüchtigten Neukauf „MONSANTO“ gewachsen, stehen 4.100 Jobs zur Disposition. Überdies will der Agro-Riese seine Anteile an dem Dienstleister CURRENTA, die 60 % des Grundkapitals ausmachen, abstoßen – ein unkalkulierbares Risiko für die Belegschaft.
„Der Finanzmarkt kennt keine Gnade. Erst drängen die Ultra-Reichen, die hinter BLACKROCK & Co. stehen, BAYER zum MONSANTO-Kauf und jetzt, da sich ihre Erwartungen nicht erfüllen, zwingen sie den Global Player zum Aderlass. Und bluten müssen wieder mal die Beschäftigten“, stellt Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der CBG klar.
Die Investoren schon frühzeitig Druck auf BAYERs Finanz-Chef Wolfgang Nickl aus. „Herr Nickl muss dafür einstehen, dass BAYER Cash aus jeder möglichen Quelle generiert“, mahnte etwa der Finanzanalyst Jeremy Redenius. Und der Konzern tat wie geheißen und brachte im Unternehmensteil „Pharma“ schon Ende Mai das Rationalisierungsprogramm „Super Bowl“ auf den Weg.
Die CBG fürchtet weitere Maßnahmen. So pochen einige Finanzmarkt-AkteurInnen bereits auf einen Komplett-Verkauf des Pillen-Geschäfts. Eine Bestandsgarantie für die nächsten Jahre verweigerte BAYER-Chef Werner Baumann der Coordination auf der letzten Hauptversammlung dann auch bezeichnenderweise. „Aufgrund der recht dynamischen Entwicklungen des Marktumfeldes wären verbindliche Festlegungen über 20 Jahre unseriös“, meinte er.
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Durch die Übernahme des US-amerikanischen Konzerns MONSANTO ist BAYER zum Monopolisten für Pestizide und genetisch verändertes Saatgut geworden. Eine Gefahr für die Umwelt und den Menschen! MONSANTO ist für seine skrupellosen Gift-Praktiken berüchtigt, BAYER für seine verbrecherische IG FARBEN-Vergangenheit.
Selbst weite Teile der AktionärInnen fürchten ganz offenkundig um ihr Geld durch die Übernahme der „worldwide worst company“ MONSANTO. Seit der Bekanntmachung der Übernahme hat BAYER fast zwei Drittel seines Marktwertes eingebüßt, der Kurs der Aktie hat sich in 12 Monaten halbiert. MONSANTO ist für seine skrupellosen Praktiken bereits berüchtigt. Nun ist in den USA ein beachtlicher Erfolg gegen das Unternehmen gelungen: Der durch das von Monsanto hergestellte Umweltgift Glyphosat an Krebs erkrankte Landwirt DeWayne Johnson hat in erster gerichtlicher Instanz von einer Jury recht bekommen.
Obwohl das Unternehmen bereits angekündigt hat, sich durch die Instanzen kämpfen zu wollen, ist das Signal da: Der Gigant ist angreifbar! BAYER spürt den gesellschaftlichen Gegenwind – und fürchtet ihn. In der Aussicht, nun viele vergleichbare Prozesse führen zu müssen, und möglicherweise zu verlieren, hat der der Chemie- und Pharma-Riese aus Leverkusen nun eine beispiellose Propaganda-Kampagne losgetreten, um die Börsen-Katastrophe abzuwenden und sein Image in der Öffentlichkeit wieder aufzupolieren.
Die Giftigkeit von GLYPHOSAT, die beim Prozess in den USA gerichtlich festgestellt wurde, wird weiter geleugnet. Die mehr als 9.000 anhängigen Gerichtsverfahren sollen durch Winkel-Juristerei unwirksam gemacht werden.
Um sowohl besorgte AnteilseignerInnen als auch die kritische Öffentlichkeit ruhig zu stellen, greift man auf so faule Tricks zurück, wie den Namen „Monsanto“ einfach fallen zu lassen. Dieser Strategie dient auch die als „Podiumsdiskussion“ getarnte Veranstaltung der RHEINISCHEN POST. BAYER-Chef Baumann höchstpersönlich wird angekündigt.
Die Veranstaltung findet in Düsseldorf am 10.12.2018 um 19.00 Uhr im Konferenzzentrum der Rheinischen Post in der Zülpicher Straße 10 statt. Wir werden nicht hinnehmen, dass BAYER sich mit einer PR – Kampagne aus der Verantwortung für tausend fache Tode durch ihre Umweltgifte heraus kaufen möchte.
Wir rufen deshalb euch alle auf: Kommt zur Protestkundgebung um 18.30 Uhr vor dem Konferenzzentrum! Nehmen wir nicht hin, dass BAYER sich mit Lügen-Propaganda aus der Verantwortung für zig-tausendfachen Pestizidtod, endloses menschliches Leid und Umweltzerstörung im Weltmaßstab herausstiehlt! Sagt BAYER – Chef Werner Baumann direkt, was ihr vor seiner Konzernpolitik haltet. Die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen, die Monopolisierung des Lebensmittelmarktes und die Ausbreitung von Gen – Pflanzen gehen uns alle an!
BAYER muss für alle Schäden an Mensch und Umwelt haften!
Gemeinsam für den Stop von BAYER/MONSANTO!
Gemeinsam für Umweltschutz und Menschenrechte!
Gemeinsam gegen BAYER-Lügenpropaganda!
Wir sehen uns auf der Straße!
Die argentinische Regierung unter Präsident Mauricio Macri plant die Verabschiedung eines Saatgut-Gesetzes, das die LandwirtInnen zur Zahlung von Lizenz-Gebühren an BAYER, BASF, CORTEVA & Co. zwingt. Dagegen erhebt sich in dem Land ein großer Widerstand. „Dies ist nicht der erste Versuch, das argentinische Gesetz gemäß der Vorschläge der Konzerne zu ändern, und es ist Teil einer globalen Offensive, die das Ziel verfolgt, das Saatgut, das die Grundlage aller Nahrungsmittel-Ketten ist, unter die Kontrolle der Unternehmen zu stellen“, heißt es in einem Aufruf gegen das „BAYER-MONSANTO-Gesetz“. Via Campesina, GRAIN, Hapitar Argentina und die 65 weiteren Organisationen, die das Dokument unterzeichnet haben, sprechen dem Vorhaben grundsätzlich die Legitimität ab, „denn Samen, die die Menschheit heute ernähren und die die großen Firmen kommerzialisieren, sind das Ergebnis einer kollektiven Arbeit der Menschen seit mehr als zehntausend Jahren.“ Zudem werfen die Initiativen Macri und seinen Koalitionspartnern vor, das „ley BAYER-MONSANTO“ unter Umgehung demokratischer Prinzipien hinter verschlossenen Türen gemeinsam mit den Agro-Riesen geschrieben zu haben.
Der letzte Vorstoß Macris, das Saatgut-Gesetz von 1973 zu ändern, das den LandwirtInnen eine freie Verwendung ihrer Saaten erlaubt, scheiterte 2016. Die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO suchte deshalb in dem Staat immer nach anderen Wegen, um Gelder einzutreiben. So setzte er beispielsweise bei den Ackerfrucht-Exporten an. Aber im Jahr 2010 scheiterte das Unterfangen, die Europäische Union in Dienst zu nehmen und sie zu bewegen, Soja aus Argentinien nur nach der Vorlage von Zahlungsbelegen über Lizenz-Gebühren auf ihr Territorium zu lassen. Auch führte das Unternehmen in den argentinischen Häfen selber Inspektionen bei Saatgut-Exporteuren durch. Als die Regierung Macri sich im Mai 2016 dieses eigenständige Vorgehen verbat, entschied MONSANTO, kein neues Gentech-Soja mehr in das lateinamerikanische Land zu liefern und auf Einkünfte zu verzichten. „BAYER hat MONSANTO geschluckt und nimmt einen neuen Anlauf, Gesetze zu erzwingen, die Bauern und Bäuerinnen in die Abhängigkeit drängen und zum Zahlen zwingen“, konstatiert Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren.
Der BAYER-Konzern bekannte sich in der Vergangenheit stets zu dem MONSANTO-Prinzip der Knebel-Verträge. Regelrecht begeistert äußerte sich der Vorstandsvorsitzende Werner Baumann darüber in einem Interview des manager magazins. „MONSANTO hat ein völlig neues Geschäftsmodell etabliert und marktfähig gemacht“, hielt er fest und fand sich dabei an die Praxis von Software-Giganten wie MICROSOFT erinnert. Sogar die Prozesse gegen LandwirtInnen rechtfertigte er. „Natürlich gab es Bauern, die gesagt haben, wir nutzen das MONSANTO-Saatgut genauso, wie wir es schon immer gemacht haben. Wenn man ein solches Verhalten als Unternehmen toleriert, entzieht man dem Geschäftsmodell die Basis. MONSANTO hat nur seine Rechtsposition verteidigt“, so Baumann.
Kein bundesdeutsches Unternehmen hat dem US-Präsidenten Donald Trump im Zuge der Zwischenwahlen so hohe Beträge gespendet wie der BAYER-Konzern. Das erbrachten Recherchen der Tageszeitung Die Welt auf der Basis von Zahlen des „Center for Responsive Politics“ (CRP).
Der Leverkusener Multi stellte den Republikanern rund 400.000 Dollar zur Verfügung. 182.000 Dollar überwies er selber, 218.000 seine Tochter-Gesellschaft MONSANTO. Auf Platz Nr. 2 liegt die DEUTSCHE TELEKOM mit 338.000 Dollar; Rang 3 nimmt die BASF mit 335.000 Dollar ein.
69 Prozent der Wahlkampf-Hilfen des Global Players von insgesamt 585.000 Dollar gingen an Trump & Co., bloß 31 Prozent entfielen auf die Demokraten. Deutlicher zeigten sich die politischen Präferenzen bloß bei seiner seit 2004 selbstständig agierenden Abspaltung LANXESS und SCHAEFFLER mit jeweils 100 Prozent sowie bei HEIDELBERG C. (94 Prozent) und der DEUTSCHEN BANK (70 Prozent). „Es steht in der Tradition des BAYER-Konzerns, der die blutige Pinochet-Diktatur in Chile per Glückwunsch-Telegramm begrüßte und Hitler zur Macht verhalf, einen offen rassistischen Präsidenten finanziell zu unterstützen, der bevorzugt auf undemokratische Weise per Dekret regiert und mit seiner konfrontativen Außenpolitik Kriegsgefahren heraufbeschwört“, so Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren.
Schon bei den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2016 zählte BAYER zu den deutschen Firmen, die den Immobilien-Mogul mit den größten Wahlkampf-Hilfen bedachten. Der Agro-Riese erhoffte sich von dem Kandidaten Profitsteigerungen, unter anderem Steuer-Senkungen und einen Abbau der Umwelt-Auflagen. Und Trump hat geliefert. „Insbesondere in den USA erwarten wir eine höhere Dynamik als im Vorjahr. Konjunkturelle Impulse dürften dabei insbesondere von der jüngst erfolgten Steuersenkung ausgehen“, frohlockte der Konzern Anfang des Jahres in seinem Geschäftsbericht über die Aussichten seinen wichtigsten ausländischen Absatz-Markt betreffend. Auch in Sachen „Deregulierung“ erfüllte der Präsident die Erwartungen. 46 Umweltvorschriften lockerte oder strich er bereits; 30 weitere Maßnahmen stehen an. Unlängst vertraute er zudem einer ehemaligen MONSANTO-Beschäftigten einen wichtigen Posten im Naturschutz-Bereich an. Trumps Deckelung der Pillen-Preise passte BAYER hingegen nicht, und mit dessen Welthandelspolitik hadert er ebenfalls, aber in summa überwiegen für BAYER offensichtlich die Vorteile. Zumal sich mit großzügigen Spenden vielleicht auch Wohlwollen bei strittigen Fragen erreichen läßt.
In den USA ist es Firmen untersagt, direkt an Parteien zu spenden. Deshalb gründen sie sogenannte Politische Aktionskomitees (PACs), die unter leitenden Angestellten und Geschäftspartnern für die PolitikerInnen Geld sammeln und über diesen Umweg ihre Favoriten unterstützen. Für den Leverkusener Multi werden die „milden Gaben“ so zu einer reinen Privatsache: „In den USA (...) nutzen einige Mitarbeiter das ‚Bayer Corporation Political Action Commitee’, um Kandidaten für politische Ämter durch private Spenden zu unterstützen.“ Sheila Krumholz vom „Center for Responsive Politics“ lässt diese Darstellung nicht gelten. „Obwohl das Geld von den einzelnen Beschäftigten kommt, sollte ein PAC dem Unternehmen zugeschrieben werden, denn das Unternehmen steuert es“, so die CRP-Chefin. Die BAYER-Tochter MONSANTO zeigt sich im Umgang mit ihrem „MONSANTO Citizenship Fund“ (MCF) dann auch offener: „Der MCF unterstützt Kandidaten, die konsistent sind mit MONSANTOs politischen Zielen, ohne Berücksichtigung der persönlichen politischen Präferenzen der Manager des Unternehmens.“
16. Oktober 2018
Am 18. Oktober findet der Schadensersatz-Prozess der Medikamenten-Geschädigten Felicitas Rohrer gegen den BAYER-Konzern seine Fortsetzung. Die 33 Jahre alte Frau hatte das Verhütungsmittel YASMINELLE mit dem Wirkstoff Drospirenon eingenommen und im Juli 2009 eine beidseitige Lungen-Embolie mit akutem Atem- und Herzstillstand erlitten. Nur durch eine Notoperation gelang es den ÄrztInnen damals, ihr Leben zu retten.
Im April 2011 reichte die gelernte Tierärztin eine Klage gegen den Pharma-Riesen ein, zuvor hatte sie dem Konzern auf dessen AktionärInnen-Versammlungen mehrfach erfolglos ein Gesprächsangebot unterbreitet. Im Dezember 2015 begann die mündliche Verhandlung mit der Bestellung eines Gutachtens. Mit diesem und dem Gegen-Gutachten des Leverkusener Multis wird sich das Landgericht Waldshut-Tiengen jetzt beschäftigen. „Ich bin sehr froh, dass es nun zum zweiten mündlichen Verhandlungstermin kommt. BAYER muss sich weiterhin vor Gericht verantworten, und ich habe die große Hoffnung, dass am Ende die Gerechtigkeit siegen und BAYER verurteilt wird“, so Rohrer.
Ihr Anwalt Martin Jensch vertritt noch acht weitere Frauen mit ähnlichen Fall-Geschichten. In den USA nahmen die juristischen Auseinandersetzungen um die Kontrazeptiva aus der YASMIN-Produktfamilie, die beim Pillen-Riesen im Geschäftsjahr 2017 für einen Umsatz von 648 Millionen Euro sorgten, hingegen eine ganz andere Dimension an. Mit Sammelklagen von rund 12.000 Frauen sah sich das Unternehmen dort konfrontiert; Strafzahlungen in Höhe von ca. zwei Milliarden Dollar wurden am Ende fällig.
„Auch in Europa ist es dringend erforderlich, Pharma-Geschädigten die Möglichkeit einzuräumen, gemeinsam für ihre Rechte zu streiten und die eventuellen Kosten der Verfahren auf mehrere Schultern zu verteilen. Sie dürfen BAYER & Co. nicht länger als EinzelkämpferInnen gegenüberstehen. Aber weder die in der Bundesrepublik geplante Musterfeststellungsklage noch die von der EU erwogene Verbandsklage können den Betroffenen diesen Rückhalt geben“, kritisiert Axel Köhler-Schnura von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG).
Konkret wirft Felicitas Rohrer dem Leverkusener Multi vor, auf den Packungsbeilagen nicht vor der erhöhten Venenverschluss-Gefahr, die von Kontrazeptiva der vierten Generation ausgeht, gewarnt und die Produkte stattdessen als schlank-machende Lifestyle-Präparate vermarktet zu haben. Inzwischen müssen BAYER und andere Hersteller von drospirenon-haltigen Mitteln diesen Hinweis auf den Beipackzetteln anbringen. Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfArM) hatte dies im Jahr 2009 veranlasst.
Industrie-unabhängige Pharmazie-Journale wie das arznei-telegramm raten wegen des Thromboembolie-Risikos und anderer schwerwiegender Nebenwirkungen bereits seit Längerem von YASMINELLE & Co. ab. Der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA liegen 10.800 Meldungen über unerwünschte Arznei-Effekte nach Gebrauch dieser Medikamente vor, der Europäische Arzneimittel-Agentur EMA 4.869. „Angesichts solcher Zahlen sind die Aufsichtsbehörden aufgerufen, die Präparate aus der YASMIN-Gruppe aus dem Verkehr zu ziehen, zumal es sichere Alternativen gibt. Die Profit-Jagd BAYERs darf keine weiteren Opfer mehr kosten“, fordert Köhler-Schnura abschließend.
BAYER & Co. betrachten die neuen Verfahren zur Manipulation des Erbguts nicht als Gentechnik und wollen CRISPR/Cas9 & Co. nicht den Auflagen ausgesetzt sehen, die für die sonstigen Prozeduren gelten. Der Europäische Gerichtshof teilte diese Meinung nicht, weshalb die Konzerne um ihre schöne neue Gen-Welt bangen.
Von Jan Pehrke
„Regulierungsentscheidungen werden politisiert, Angst-Debatten geschürt und Fakten ignoriert. Damit kommen wir in Teufels Küche“, mit diesen Worten kritisierte BAYER-Chef Werner Baumann in einem Interview mit der Faz die aktuellen Diskussion um Glyphosat und Gen-Scheren wie CRISPR/Cas9. Der Vorstandsvorsitzende versteht die ganze Aufregung nicht. Glyphosat ist für ihn „ein effizientes und sicheres Mittel“, und die neuen Prozeduren zur Manipulation des Erbguts begreift der Konzern als natur-identische Verfahren. „CRISPR/Cas ist ein rein natürlicher Prozess (...) Es ist etwas, das genauso in der Natur passieren könnte. Wissenschaftler sind jetzt in der Lage, diese natürlichen Vorgänge nur zu beschleunigen. Auch deshalb ist CRISPR so eine aufregende Technologie“, schwärmt der Forschungsleiter von BAYER CROPSCIENCE, Adrian Percy, über diese Form des Genome Editing.
Der Leverkusener Multi hat es in Sachen „CRISPR/Cas9“ so mit der Natur, weil Gottes Schöpfung für ihr Treiben keine langwierigen Genehmigungsprozesse durchlaufen muss. Viele WissenschaftlerInnen und Initiativen halten eine solche Prüfung bei den Gen-Scheren jedoch für angebracht, nicht bloß wenn sie fremdes Erbgut in den Organismus einschleusen, sondern auch, wenn sie „nur“ kleine DNA-Sequenzen mit im Gepäck haben, welche die Zellen veranlassen, selbst die entsprechenden Veränderungsprozesse – sogenannte Mutagenesen – einzuleiten.
Französische Naturschutz-Verbände haben deshalb vor dem Europäischen Gerichtshof geklagt und damit ein Grundsatz-Urteil erzwungen. Am 25. Juli 2018 verkündeten die RichterInnen ihre Entscheidung. „Durch Mutagenese gewonnene Organismen sind gentechnisch veränderte Organismen (GVO) und unterliegen grundsätzlich den in der GVO-Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen“, stellten sie fest. Herkömmliche Mutagenese-Methoden, in denen chemische Stoffe oder UV-Licht die Rolle der Gen-Scheren übernehmen, schloss das EuGH davon aus, weil diese Werkzeuge ganz anders arbeiten und beispielsweise nicht so schnelle und umfangreiche Wandlungsprozesse in Gang setzen.
Was aber CRISPR/Cas & Co. anging, kam die Große Kammer des Gerichtshofs zu dem Schluss, „dass sich die mit dem Einsatz dieser neuen Mutagenese-Verfahren verbundenen Risiken als vergleichbar mit den bei der Erzeugung und Verbreitung von GVO im Wege der Transgenese auftretenden Risiken erweisen könnten“. Darum sahen sich die JuristInnen dem Vorsorge-Prinzip verpflichtet und unterwarfen die Erbgut-Schnippeleien der GVO-Richtlinie und deren Maßgabe, „schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und Umwelt zu verhindern“.
Anhaltspunkte für solche „schädlichen Auswirkungen“ gibt es bereits. So steht CRISPR/Cas9 im Verdacht, Krebs-Erkrankungen zu befördern. Gleich zwei Studien kommen zu diesem Befund. Die Nebenwirkung leitet sich von der Abneigung der neuen Gentech-Verfahren gegen das Protein p53 her, welches das Krebs befördernde Zell-Wachstum hemmt. Die Gen-Scheren meiden nach Möglichkeit Eingriff-Stellen, an denen dieses Eiweiß anzutreffen ist, weil es als Reparatur-Einheit der Zellen fungiert und sich immer unverzüglich daran macht, die CRISPR/Cas-Schnitte wieder zuzunähen, ehe noch das Schneide-Handwerk vollendet und die Mutation vollzogen ist.
Auch mit der viel beschworenen Präzision dieses Gen-Werkzeuges hapert es, da mag Axel Bouchon vom BAYER LIFESCIENCE CENTER noch so sehr schwärmen: „Das ist wie ein Protein-Roboter mit GPS-System.“ Im wirklichen Leben lässt die Trennschärfe der Gen-Schnippeleien doch so einiges zu wünschen übrig (siehe auch SWB 2/16). Weitere Belege dafür fanden jetzt ForscherInnen des britischen „Wellcome Sanger Institutes“. Ihren Studien zufolge führt CRISPR/Cas9 nicht nur an ihrem eigentlichen Einsatz-Ort zu Veränderungen im Erbgut, sondern auch jenseits davon. Auf Zerstörungen langer DNA-Stränge und komplexe Mutationen stießen die WissenschaftlerInnen. Überdies unterscheiden sich die Resultate der Gentechnik 2.0 entgegen den Behauptungen von BAYER & Co. doch sehr von denen konventioneller Zucht-Methoden. Selbst eine Publikation, die der Agro-Riese DOW/DUPONT gemeinsam mit dem „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel-Sicherheit“ herausgegeben hat, räumt einen solchen Wiedererkennungswert ein. CRISPR/Cas 9 wandelt im Gegensatz zu den traditionellen Prozeduren mit dem avisierten Gen nämlich immer gleich auch alle Kopien desselben um. Zudem schlagen die Gen-Scheren an Orten zu, die den anderen Praktiken nicht offenstehen. „Ein wichtiger Unterschied ist, dass einige Gene bei Pflanzen auf Abschnitten von Chromosomen liegen, die sonst kaum oder gar nicht neu kombiniert werden (...) Genome Editing ermöglicht es, dass alle Gene entsprechend verändert werden können“, übersetzt die Organisation Testbiotech die entsprechende Passage aus dem Text. Und all das hat nach Einschätzung der Initiative Konsequenzen: „Auf diese Weise können Pflanzen entstehen, die sich nicht nur in ihrer Gen-Struktur, sondern auch in ihren biologischen Eigenschaften deutlich von denen aus herkömmlicher Züchtung unterscheiden.“
BAYER & Co. ficht das alles nicht an. Für die Branche brach mit dem Votum des Europäischen Gerichtshofs gleich ihre schöne neue Gen-Welt zusammen, ganz so, als hätte Straßburg ein Verbot ausgesprochen und nicht nur bestimmte Vorgaben zur Regulierung von CRISPR/Cas & Co. gemacht. „Eine immense Enttäuschung“, nannte der BAYER-Manager Bob Reiter das Urteil. Liam Condon, Chef der Agro-Sparte des Leverkusener Multis, klagte derweil: „Ich denke, das wird die Innovationen in Europa verlangsamen und zwar nicht nur im Landwirtschafts-, sondern auch im Medizinbereich. Ähnlich fiel die Stellungnahme des „Verbandes der Chemischen Industrie“ (VCI) aus: „Das Urteil des EuGH ist rückwärtsgewandt und fortschrittsfeindlich und weist so den Weg auf ein Abstellgleis.
Es schadet der Innovationsfähigkeit des Biotech-Standorts EU erheblich und koppelt ihn von der Entwicklung im Rest der Welt ab.“ Und die „Deutsche Industrie-Vereinigung Biotechnologie“ nannte den RichterInnen-Spruch „eine sehr schlechte Nachricht für Pflanzenzüchter, Arzneimittel-Forscher und Hersteller bio-basierter Chemikalien“.
Aus dem berufensten Mund kam hingegen Zustimmung. Die Wissenschaftlerin Emmanuelle Charpentier, die nicht nur gemeinsam mit Jennifer A. Doudna Mutter von CRISPR/Cas, sondern mit ihrem Unternehmen CRISPR THERAPEUTICS auch Geschäftspartnerin von BAYER ist, begrüßte in einem Deutschlandfunk-Interview den EuGH-Beschluss. „Diese Technologie ist mächtig, und deshalb brauchen wir eine strenge Regulierung. Europa könnte hier eine Vorreiter-Rolle spielen“, so Charpentier.
Das wäre allerdings so gar nicht nach dem Geschmack des Leverkusener Multis. Nach Ansicht von Benedikt Haerlin, der das Berliner Büro der ZUKUNFTSSTIFTUNG LANDWIRTSCHAFT leitet und die Initiative SAVE OUR SEEDS mitgründete, hat BAYER ganz andere Pläne für Europa. Die Aktiengesellschaft „wird auf eine Änderung des europäischen Gentechnik-Rechts drängen“, prophezeit er: „Genauer gesagt, wird sie drängen lassen, von Leuten aus Wissenschaft, Medien und Politik, die sie für glaubwürdiger hält.“ ⎜
GENTECH 2.0 bei BAYER
Der Leverkusener Multi setzt sowohl im Pharma- als auch im Agro-Bereich stark auf die Gentechnik 2.0, die mit CRISPR/Cas9 und anderen Techniken arbeitet. Und wie schon bei der Gentechnik 1.0 verspricht der Konzern Wunderdinge. Da sich nur die wenigsten Zellen des Körpers per Gen-Scheren einfach so rausnehmen, verändern und wiedereinsetzen lassen, hat Axel Bouchon vom BAYER LIFESCIENCE CENTER Größeres im Sinn: „Wir wollen den nächsten Schritt: eine Spritze oder eine Infusion geben, und die Sache wäre erledigt.“ Das dürfte Zukunftsmusik bleiben. Die Aktiengesellschaft aber glaubt daran und arbeitet mit vielen Firmen der Branche zusammen. So hat es 2013 ein – inzwischen wieder aufgelöstes (s. Seite 10) – Kooperationsabkommen mit CELLECTIS in Sachen „Genome Editing“ geschlossen und gründete im selben Jahr ein Joint Venture mit CRISPR THERAPEUTICS. 2016 schließlich traf der Global Player eine Lizenz-Vereinbarung mit ERS GENOMICS. Überdies gehen mit dem MONSANTO-Deal viele Verträge des ehemaligen Agro-Riesen auf BAYER über, wie etwa die mit dem Broad Institute, mit TARGETGENE BIOTECHNOLOGIES und mit NOMAD BIOSCIENCE geschlossenen.
Mit den Weihen der Wissenschaft versehene Produkte verkaufen sich besser. Darum hat der BAYER-Konzern „Studien“ zu seinen Arzneien in Journalen platziert, die solche Ehren-Titel für viel Geld verleihen.
Von Jan Pehrke
„Fake Science – Die Lügenmacher“, „Die Ware Wahrheit“, „Nur fauler Zauber“, „Gefährliche Sumpfblasen“, „Wissenschaft auf Abwegen“ – so lauteten einige der Überschriften in der Berichterstattung über den Skandal um Pseudo-Studien. Hunderttausende ForscherInnen von Hochschulen, außeruniversitären Einrichtungen und Konzernen haben Untersuchungen in Zeitschriften veröffentlicht, die sich nur einen wissenschaftlichen Anstrich geben. Die Publikationen haben zwar fach-chinesische Titel wie Metabolomics and Cancer Research oder Journal of Integrative Oncology, werden ihren Namen aber alles andere als gerecht. Während bei seriösen Magazinen Koryphäen der jeweiligen Disziplinen die Aufsätze in so genannten „Peer Review“-Verfahren begutachten, nehmen die sogenannten Raubtier-Journale alles, was kommt. Und es kommt viel, die Nachfrage nach dem Produkt „Wissenschaftlichkeit“, das die Blätter verkaufen, ist hoch.
Rund 5.000 deutsche ForscherInnen haben sich auf den Deal „Renommee gegen Geld“ eingelassen, darunter auch solche, die bei der Industrie unter Vertrag stehen. Zwölf der 30 DAX-Konzerne gehören mit zu den Forschungssimulanten. BAYER darf da natürlich nicht fehlen. Der Leverkusener Multi bevorzugt als Verlagshaus den Branchen-König OMICS. Die aus steuerlichen Gründen in einer Sonderwirtschaftszone der indischen Stadt Hyderabad ansässige Firma bringt jährlich nicht weniger als 700 „Fachblätter“ mit rund 50.000 Artikeln heraus. Bei Preisen von 150 bis zu 1.800 Dollar pro Veröffentlichung macht das Unternehmen da einen guten Schnitt. Auf rund eine Million Dollar belief sich 2016 der Gewinn.
Der Global Player aus Deutschland trägt seinen Teil dazu bei. Er nutzt die Organe des Verlegers Srinubabu Gedela vor allem als Mittel zur Nobilitierung seiner nicht im besten Ruf stehenden Vitamin-Präparate und Nahrungsergänzungsmittel. Die meisten MedizinerInnen halten es nämlich bei normalem Ess-Verhalten nicht für notwendig, dem Körper noch zusätzliche Stoffe zuzuführen. Deshalb gilt es, Überzeugungsarbeit zu leisten, und da machen sich Verweise auf medizinische Studien immer gut. Im Falle von ELEVIT, einem Nahrungsergänzungsmittel mit der Zielgruppe „Schwangere“, heißt es aus diesem Grunde in einer BAYER-Publikation: „Ein aktuelles wissenschaftliches Review stellt (...) die bisher allgemein vorherrschende Überzeugung in Frage, dass es für Frauen in westlichen Industrie-Staaten wie Deutschland kein Problem sei, die empfohlene Menge an Mikro-Nährstoffen ausschließlich mit der Nahrung aufzunehmen.“ Eine dramatische Unterversorgung bei Folsäure, Eisen und Vitamin D haben die „ExpertInnen“ stattdessen eruiert und warnen vor einem erhöhten Risiko für Schwangerschaftskomplikationen, Totgeburten und der Geburt von Kindern mit Entwicklungsstörungen. Deshalb kommen sie zu dem Schluss, „dass die Einnahme von Multi-Mikronährstoff-Supplementen mindestens einen Monat vor der Konzeption begonnen und während der Schwangerschaft fortgeführt werden sollte, um gute Voraussetzungen zu schaffen.(1)“ Und unter der Eins findet sich dann der Rekurs auf den entsprechende Aufsatz der lieber nicht als BAYER-Beschäftigte ausgewiesenen Ella Schäfer, veröffentlicht im Journal of Nutritional Disorders & Therapy, den der Pharma-Riese nach allen Regeln der Kunst zitiert: „Schäfer E., J Nutr Disorders Ther 2016; 6: 199“. doi: 10.4172/2161-0509.1000199“.
Wie nicht anders zu erwarten, hält die Arbeit fachlichen Kriterien nicht stand. Von der Süddeutschen Zeitung um eine Einschätzung gebeten, resümiert der Heidelberger Medizin-Professor Dr. Herbert Fluhr: „Nur wenn das Produkt besser wäre als andere Produkte, wäre so eine Studie wissenschaftlich relevant.“ Das Einzige, was ELEVIT aber von den anderen Mitteln unterscheidet, ist ihm zufolge der Preis von 36 Euro. Damit kostet es 12 Mal so viel wie vergleichbare Präparate. Eine ökonomische Relevanz spricht Fluhr den Pillen jedoch nicht nur aus diesem Grund zu: „Wenn Sie etwas verkaufen wollen, sind Schwangere und junge Mütter eine super Zielgruppe. Die sorgen sich um ihr ungeborenes Kind und wollen alles richtig machen.“
Für den Pillen-Riesen geht diese Strategie auf. Bezeichnete er das Umsatz-Plus von ELEVIT vor einem Jahr schon als „besonders erfreulich“, so legte das „Pränatal-Vitamin“ im Geschäftsjahr 2017 noch mal um 3,8 Prozent zu und spülte dem Unternehmen 189 Millionen Euro in die Kasse. Ähnlich verkaufsfördernde „Fake Science“-Maßnahmen schob der Pillen-Produzent in Sachen „ASPIRIN plus C“ und „Zink“ an. Und Multivitamine erwiesen sich laut der in „Vitamins & Minerals“ publizierten „Untersuchung“ gar als Antidot gegen die gesundheitsschädlichen Auswirkungen der Luftverschmutzung. „Multivitamin Supplementation Supports Immune Function and Ameliorates Conditions Triggered By Reduced Air Quality“, hat die BAYER-Wissenschaft nämlich festgestellt.
Der Leverkusener Multi behauptet gegenüber der Presse scheinheilig, er sei davon ausgegangen, ein solcher Mumpitz hätte den „üblichen Review-Prozess“ durchlaufen und den Segen von GutachterInnen erhalten. Der Konzern wüsste zwar auch von einigen schwarzen Schafen unter den Verlegern, halte sich aber an die Journale, „die bei Fachleuten anerkannt sind“.
Ganz offensichtlich tut der Konzern das nicht. Er produziert schamlos Pseudo-Studien – mit unabsehbaren Folgen. „So sickert eine Mischung aus Wissen, Halbwahrheit und Irreführung in die Welt“, fasst die Süddeutsche Zeitung den Schaden zusammen. Von einem „Desaster für die Wissenschaft“ spricht der an der Universität Heidelberg lehrende Psychologie-Professor Joachim Funke, und die Helmholtz-Gemeinschaft sieht durch die Hervorbringungen sogar „das Vertrauen in die Wissenschaft selbst“ gefährdet.
Und dieses Vertrauen erschüttert der Leverkusener Multi nicht bloß durch seine abstruse Forschung in Sachen „ELEVIT & Co.“. Er hält sich eine ganze Armada von medizinischen Mietmäulern, damit die Halbgötter in Weiß seinen Medikamenten den Segen geben, der ihnen nach dem neuesten Stand der pharmazeutischen Wis- sen-schaft allzu oft gar nicht zusteht. 1.344 Doctores standen ihm 2017 allein für Vorträge und Beratungen zu Diensten. 3,3 Millionen Euro kassierten sie dafür. Insgesamt erhielten die ÄrztInnen von den 56,8 Millionen Euro, die der Global Player ins Gesundheitswesen pumpte, 9,3 Millionen.
Schon bei der Geburt eines Pharmazeutikums steht häufig die „Fake Science“ Pate. Die Zulassungsprüfungen bieten nämlich vielfältige Manipulationsmöglichkeiten. Ausgiebig genutzt hat BAYER diese beispielsweise bei den klinischen Tests mit dem Gerinnungshemmer XARELTO. Das alles andere als glanzvolle Ergebnis der „Nicht-Unterlegenheit“ gegenüber der Standard-Therapie Warfarin erreichte der jetzige Milliarden-Seller nämlich nur, weil die ProbandInnen der Warfarin-Gruppe das Mittel nicht ordnungsgemäß verabreicht bekamen.
Zusätzlich litt die Glaubwürdigkeit der „Rocket“-Studie unter der handverlesenen Auswahl der XARELTO-TesterInnen, hat das Unternehmen doch penibel darauf geachtet, möglichst gesunde Kranke zu engagieren. Und die gegenüber der Konkurrenz-Kohorte höhere Quote derer, die wegen Blutungen oder anderer Nebenwirkungen den klinischen Test vorzeitig abbrachen (4,28 zu 3,07 Prozent), verfälschten das Ergebnis zusätzlich.
Wie BAYER konkret versucht, auf das Ergebnis von Forschungsarbeiten Einfluss zu nehmen, enthüllte jüngst die Initiative BUGLIFE, die sich über das britische Informationsfreiheitsgesetz Zugang zu internen Dokumenten über eine Studie verschafft hatte (siehe auch SWB 1/18). Diese hatte der Leverkusener Multi gemeinsam mit SYNGENTA beim „Center for Ecology and Hydrology“ (CEH) in Auftrag gegeben, um die Pestizide Imidacloprid, Clothianidin und Thiamethoxam vom Vorwurf der Bienengefährlichkeit zu entlasten. Das Resultat fiel allerdings nicht wunschgemäß aus. Darum wollten die beiden Konzerne die Untersuchung ein wenig „aufhübschen“. Als Mittel der Wahl dazu dienten die „Co-Variablen“. Diese erschienen BAYER hervorragend geeignet, um die Kausal-Beziehung zwischen den Pestiziden und dem Bienensterben zu lockern und das Augenmerk auf andere Faktoren zu lenken. „Wir vermissen einige wichtige Co-Variable“, hieß es deshalb in einer Mail von BAYER an das CEH. Als solche brachte die Aktien-Gesellschaft etwa „Wetter-Daten, die das Verhalten der Bienen beeinflusst haben könnten“ ins Spiel.
Insbesondere von der Kraft der Sonne erwartete das Unternehmen einiges, weshalb es für ein „sunshine only“-Modell plädierte. Auch agro-chemikalische Vorschädigungen der Bienen hätte BAYER gerne mit den neuen Zahlen verrechnet. Der Global Player machte sich sogar selbst ans Forschungswerk. Er rekonstruierte mit einigem Zeitaufwand die Roh-Daten der Wildbienen-Testreihen und führte zusätzliche „statistische Analysen“ durch. Und diese Mühe lohnte sich seiner Ansicht nach. Von „interessanten Funden“ kündete er dem CEH. Dieses hatte in seinem Bericht zwar schon viele Veränderungen vorgenommen, wie die deutschen ManagerInnen lobten, aber leider kein Feedback zu den Fernstudien aus Leverkusen gegeben, „was überraschend ist“. Glücklicherweise verweigerten sich die ForscherInnen den Nachbesserungen und blieben ihren wissenschaftlichen Grundsätzen treu. Aber solch ein Verhalten stellt eher eine Ausnahme dar.
Trotz alledem reklamiert der Leverkusener Multi in den Auseinandersetzungen um Gen-Manipulationen und andere Risiko-Technologien die Wissenschaft für sich. Den Konzern-KritikerInnen hingegen wirft er vor, von obskuren Ängsten geleitet zu sein und bringt gegen sie Parolen wie „Fakten statt Vorurteile“ in Anschlag. Damit nicht genug, hat das Unternehmen sich auch noch „Science for a better Life“ auf die Fahnen geschrieben. „Fake Science for better Profits“ müsste es besser heißen. ⎜
In der Diskussion um die neuen Gentechnikverfahren wird immer wieder das Argument vorgebracht, dass die neue Technologien billiger seien als die bisherige Gentechnik und deswegen auch von kleineren Unternehmen und nicht nur von den großen Gentechnik-Konzernen eingesetzt werden könnten. Dabei wird übersehen, dass die neuen Verfahren, bei denen insbesondere Nukleasen wie CRISPR-Cas9 eingesetzt werden, ebenso patentiert werden wie die damit manipulierten Pflanzen und Tiere.
Von Christoph Then, Testbiotech
BAYER setzt sowohl im Pharma- als auch im Agro-Bereich stark auf die „Gentechnik 2.0“. Bei diesen Verfahren wirken bestimmte Enzyme, die Nukleasen, als Gen-Scheren. Sie schneiden das Genom auf und können so neue DNA-Teile einfügen oder natürliche Gene stilllegen. Die am häufigsten eingesetzte Gen-Schere C-RISPR/Cas etwa bedient sich dabei eines Abwehr-Mechanismus’ von Bakterien zum Aufspüren von Fremd-DNA, um bestimmte Gen-Abschnitte anzusteuern, und nutzt dann das Cas-Enzym zur Auftrennung der Genom-Sequenz.
Der BAYER-Konzern hat schon vor Jahren entsprechende Patente angemeldet und dabei insbesondere mit der französischen Firma CELLECTIS im Bereich der Entwicklung von Nukleasen kooperiert. 2006 startete eine Kooperation zwischen BAYER und CELLECTIS zur Erforschung sogenannter Meganukleasen, die ähnlich wie CRISPR gezielte Interventionen im Erbgut erlauben sollen, 2014 wurde die Kooperation ausgeweitet. (1) Die ersten Patentanträge von BAYER in diesem Bereich datieren aus dem Jahr 2006: Laut der Patentanmeldung WO2006105946 sollen beispielsweise gezielt Gen-Abschnitte aus dem Erbgut von Pflanzen entfernt werden.
Die Entwicklung der Meganukleasen geriet angesichts neuer technischer Entwicklungen im Bereich „Gen-Scheren“ ins Hintertreffen. 2013 schloss BAYER deswegen einen weiteren Vertrag mit der Firma Calyxt ab, einer US-Tochter von Cellectis. (2) Dabei ging es um die Nutzung der neueren Gen-Schere TALEN, die Calyxt speziell für den Einsatz an Pflanzen weiterentwickelte. Calyxt will schon bald auch entsprechende Pflanzen vermarkten, unter anderem Sojabohnen mit veränderter Öl-Zusammensetzung. (3) Allerdings ist die Kooperation mit BAYER dabei nicht länger erwünscht: Nach einem Rechtsstreit einigte man sich 2018 darauf, dass BAYER die von Calyxt entwickelten Gen-Scheren nicht mehr nutzen wird. (4) BAYER hat bereits 2017 Patente auf entsprechende Pflanzen angemeldet wie zum Beispiel WO2017184727, in dem es um die Entwicklung herbizidresistenter Pflanzen geht. Nach der Einigung mit Calyxt scheint BAYER auf die Nutzung von Patenten zu verzichten, die die spezielle Technologie der Firma betreffen.
Dass BAYER die TALEN Gen-Schere nicht mehr nutzen wird, scheint für den Konzern verkraftbar. 2015 schloss BAYER nämlich einen Vertrag mit CRISPR Therapeutics ab. Für BAYER dürfte dabei besonders interessant sein, dass eine der Erfinderinnen von CRISPR-Cas9, Emmanuelle Charpentier, an dieser Firma beteiligt ist. CRISPR Therapeutics will dem Konzern alle Anwendungen im Bereich landwirtschaftlicher Pflanzen- und Tierzucht exklusiv zur weiteren Nutzung überlassen. (5)
Mit der Übernahme von MONSANTO gewinnt BAYER weiteres Potential hinzu: So hat MONSANTO nicht nur eigene Patentanträge auf CRISPR-Pflanzen angemeldet, sondern ging auch einen Lizenzvertrag mit den ErfinderInnen der DNA-Scheren rund um das Broad Institute (in Kooperation mit dem Massachusetts Institute for Technology und Harvard) ein. (6)
BAYER, MONSANTO und DOWDUPONT haben eine Reihe von eigenen Patenten auf Nukleasen, deren Anwendung und entsprechend manipulierte Pflanzen angemeldet. In vielen Fällen dienen die neuen Verfahren dabei allerdings nur als Mittel zur Verfolgung alter Strategien. Sie werden in den Patenten oft nur als technische Hilfsmittel zur Erzeugung weiterer herbizidresistenter und insektengiftiger Pflanzen angeführt. Diese Patentanträge machen insbesondere bei BAYER im Bereich des Genom-Editing bisher die Mehrzahl aus. Mit Hilfe der neuen Gentechnikverfahren werden so alte Konzepte wieder zu innovativen Erfindungen: Sowohl BAYER als auch DOWDUPONT und MONSANTO haben Patente auf glyphosatresistente Pflanzen angemeldet, die mit dem C-RISPR-Verfahren hergestellt werden. So kann auch in Zukunft das Kerngeschäft – die Vermarktung herbizidresistenter Pflanzen wie Soja, Mais, Raps und Baumwolle – durch neue Patentmonopole geschützt werden. Eine ganz spezielle Anwendung des von der Industrie viel beschworenen „Innovationsprinzips“: alter Wein in neuen, patentierten Schläuchen.
Fortschreitende Konzentration
Über die Patente wird der Einfluss der großen Saatgutkonzerne weiter wachsen und der Konzentrationsprozess in der Branche weiter vorangetrieben. Schon jetzt verfügen nur drei Unternehmen, ‚Baysanto‘, DOWDUPONT und SYNGENTA, über einen Anteil von rund 50 % am internationalen Saatgutmarkt. Nach dem Verkauf von wesentlichen Teilen des Saatgutgeschäfts von BAYER an BASF (7), steigt BASF vermutlich zur Nummer vier im internationalen Ranking der Saatgutkonzerne auf – nach Baysanto, DOWDUPONT und SYNGENTA. (8)
Bei den neuen Gentechnikverfahren im Bereich „Nutzpflanzen“ führt laut einer Patentrecherche von Testbiotech vom März 2018 derzeit DOWDUPONT mit rund 50 internationalen Patentanmeldungen (angemeldet bei der WIPO in Genf), ‚Baysanto‘ folgt mit rund 30 auf Platz 2. Die Firma CELLECTIS mit ihrem Ableger Calyxt kommt auf mehr als 20 im Bereich „Nutzpflanzen“. CELLECTIS ist zudem im Bereich medizinischer Forschung tätig und hat deswegen im Vergleich zu einem reinen Agrarunternehmen höhere Forschungskapazitäten. Insofern ähnelt CELLECTIS, das auch an der Börse gehandelt wird (9), Konzernen wie BAYER und BASF, auch wenn das französische Unternehmen wesentlich kleiner ist. Weiterhin mit dabei sind SYNGENTA und BASF, einige wenige Patente wurden auch von klassischen Züchtungsunternehmen wie Rijk Zwaan und der KWS angemeldet.
Auch bei der ursprünglichen Einführung der Gentechnik gab es viele kleinere und mittlere Unternehmen, die sich hier engagieren wollten. Überlebt haben die Konzerne, die sich die besten PatentanwältInnen leisten können und nicht nur einige, sondern viele Patente angemeldet haben. Die Erfahrung zeigt also, dass - anders als beim Sortenschutz – kleine und mittelständische Züchter sich in einer von Patenten geprägten Züchtungslandschaft langfristig nicht durchsetzen können.
Patente über Umwege
Diese Entwicklung kann erhebliche Auswirkungen auf die herkömmliche Züchtung haben: Patentiert werden nicht nur technische Verfahren, sondern auch die jeweiligen Pflanzen und Tiere mit ihren Eigenschaften. Dabei gilt der sogenannte „absolute Stoffschutz“: Die Patente erstrecken sich auf alle Pflanzen und Tiere, die die beschriebenen Eigenschaften haben, unabhängig davon, wie sie gezüchtet oder gentechnisch verändert wurden. Ist also ein Salat z. B. resistent gegen Blattläuse, gilt ein entsprechendes Patent sowohl auf mit CRISPR veränderte als auch für konventionell gezüchtete Pflanzen. So wird das gesetzliche Verbot der Patentierung konventioneller Züchtung unterlaufen.
Interessanterweise unterscheiden die Konzerne auf der Ebene der technischen Beschreibung aber klar zwischen konventioneller (Mutations-)Züchtung und Genome Editing. Anders als in der Öffentlichkeit dargestellt, gehört für MONSANTO die Verwendung von CRISPR-Cas eindeutig in den Bereich der Gentechnik und nicht in den der Züchtung. So heißt es in mehreren Patentanmeldungen von MONSANTO (siehe z. B. WO2017044744, Seite 53): „Beispiele für Gentechnik sind Meganukleasen, Zink-Finger-Nukleasen, TALENs und CRISPR/Cas 9 (...). Eine Pflanze, wie sie im Patent beschrieben ist, kann aber auch zusätzlicher Züchtung unterzogen werden, wobei bekannte Methoden wie Abstammungszüchtung, wiederholte Auswahl, Massen-Selektion und Mutationszüchtung genutzt werden können.“ ⎜
(1) https:www.chemanager-online.com/news-opinions/maerkte/BAYER-cropscience-und-cellectis-plant-sciences-bauen-partnerschaft-weiter-aus
(2) https:markets.businessinsider.com/news/stocks/calyxt-filed-complaint-in-delaware-chancery-court-against-BAYER-cropscience-lp-1018631115
(3) http:www.calyxt.com/products/
(4) https:labiotech.eu/medical/BAYER-settlement-calyxt-share-offering/
(5) http:crisprtx.com/news-events/news-events-press-releases-2015-12-21.php
(6) https:www.statnews.com/2016/09/22/MONSANTO-licenses-crispr/
(7) https:transkript.de/news/basf-76-mrd-euro-kauf-abgeschlossen.html 8) http:www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/BAYER-verkauft-crop-science-geschaeft-an-basf-wegen-MONSANTO-uebernahme-a-1205226.html
(9) http://www.deraktionaer.de/aktie/nach-bis-zu-190--mit-kite-pharma--ist-cellectis-der-naechste-senkrechtstarter--359940.htm
Die Risiken und Nebenwirkungen von Ackergiften geraten immer mehr in das Bewusstsein der Öffentlichkeit. Folglich beschäftigen sich auch immer mehr Bücher mit dem Thema. Das Stichwort BAYER widmet sich in dieser Ausgabe dem Werk „Unser täglich Gift“, das der Ökologe Johann G. Zaller von der Wiener Universität für Bodenkunde verfasst hat.
Von Dr. Gottfried Arnold, Kinderarzt
Dem Ökologie-Professor an der Wiener Universität für Bodenkultur, Johann G. Zaller, ist eine umfassende und spannende Darstellung der Probleme gelungen, welche die verniedlichend „Pflanzenschutzmittel“ genannten Gifte Mensch, Tier und Umwelt bereiten. Das rund 240 Seiten umfassende Werk ist in drei Abschnitte gegliedert. Es beginnt mit einer Einführung in die Welt der Pestizide, die schon so einiges Besorgniserregendes wie etwa die häufigen Berufskrankheiten bei WinzerInnen oder die häufigen Aufweichungen der Pestizid-Grenzwerte anspricht. Im mittleren Teil befasst sich Zaller mit den Auswirkungen der Agro-Chemikalien auf Mensch und Natur, wobei er deutlich macht, dass der Boden nicht einfach eine erneuerbare Ressource darstellt. Im letzten Teil gelingt es dem Autor schließlich trotz vieler deprimierender Fakten, den Blick nach vorne zu richten: Der Ökologie-Fachmann stellt darin überzeugend dar, dass und wie ökologische Landwirtschaft gelingen kann. In guter pädagogischer Manier fasst der Wissenschaftler dann ganz zum Schluss seine Verbesserungsvorschläge zusammen, und zumindest diese sollten eine Pflicht-Lektüre für PolitikerInnen sein.
Schon zu Beginn muss der Rezensent verwundert bis entsetzt zur Kenntnis nehmen, wie oft die Spitzenreiter Äpfel (31x von März bis September), Wein (18x) und Kartoffeln (12x) gespritzt werden. Dass im Bier die Rückstandswerte 300 Mal höher sein dürfen als im Trinkwasser, ist ebenso erstaunlich wie die Tatsache, dass im Wein 33 Pestizide gefunden wurden. Pestizid-Anwendungsfehler fand das Umweltbundesamt (UBA) Zaller zufolge bei 50 % der verdeckten Kontrollen, und die vorgeschriebenen Gewässer-Abstände wurden sogar zu 100 % nicht eingehalten.
Es ist hier aus dem berufenden Munde eines Ökologen zu hören, was eines der Hauptprobleme der Pestizide ist: Sie sind ganz überwiegend nicht zielgerichtet anwendbar. Der ökologische Schaden ist deshalb so groß, weil mehr als 90 % der Stoffe in den Organismus von Lebewesen gelangen, die gar nicht bekämpft werden sollen. So vergiften jene nicht nur Menschen, sondern auch Tiere, von denen einige die Schadinsekten sogar selber in Schach halten könnten. Die Ackergifte unterscheiden eben nicht zwischen Freund und Feind, wie es Zaller ausdrückt.
Es hapert jedoch nicht nur am Unterscheidungsvermögen, sondern zunehmend auch überhaupt an der Wirksamkeit. Trotz der Vielzahl der Pestizide, die in den letzten Jahren zum Einsatz kamen, sind die Ernte-Verluste durch Insektenfraß in den USA von sieben auf 13 % angestiegen, berichtet Zaller. Als Folge davon erhöhen viele LandwirtInnen die Dosis, was dann natürlich auch wieder für mehr Risiken und Nebenwirkungen sorgt. Sogar auf Feldern der biologischen Landwirtschaft finden sich vereinzelnd Rückstände. Die Chemikalien gelangen nämlich in Luft. Der Wind trägt sie dann manchmal weit fort vom Einsatz-Ort, und der Regen lässt sie wieder auf die Erde niederkommen.
Auch regionale Verbote helfen nicht weiter. BAYER & Co. verkaufen nämlich hierzulande mit einem Bann belegte Mittel in andere Länder, aus denen sie mit Import-Waren wie Mais, Soja, Südfrüchten oder Blumen wieder heimkehren. Ein bis vier Kilogramm des in Deutschland schon lange verbotenen Insektizids DDT kommen allein durch abschmelzende Gletscher jedes Jahr mit dem Meerwasser wieder zurück. Besonders für die Entwicklung von Kindern stellt dies eine Bedrohung dar, ist das Mittel doch in der Muttermilch nachweisbar. Und schon in der Schwangerschaft vermag es die Reifung der Leibesfrucht zu stören, denn DDT ist plazenta-gängig, besitzt also die Fähigkeit, die Schranke zwischen der Mutter und dem heranwachsenden Embryo zu überwinden.
Genauer nimmt der Wissenschaftler auch die Pestizid-Zulassungsverfahren der Behörden unter die Lupe. Er bemängelt, dass Langzeitstudien nicht häufig genug durchgeführt werden und rügt die Verbindungen von Behörden-MitarbeiterInnen zur Industrie, wie sie z. B. mehr als 50 Prozent der ExperInnen der „Europäischen Behörde für Lebensmittel-Sicherheit“ (EFSA) unterhalten.
Dass nur Einzelstoffe und nicht Kombinationen getestet werden, dass Effekte auf die Lernfähigkeit, das Immun- und Hormon-System oft nicht untersucht werden und dass generationen-übergreifende Effekte vernachlässigt werden, sind wichtige und bittere Erkenntnisse. Für WissenschaftlerInnen und LaiInnen gleichermaßen unverständlich ist die Tatsache, dass nur die sogenannten „aktiven Substanzen“, nicht aber die z. T. giftigeren Beistoffe wie Netzmittel und andere Zusätze getestet werden müssen. Zaller macht überzeugend klar, dass den Grenzwerten somit keine medizinische Funktion zukommt, sondern nur eine juristische: Bis hierhin und nicht weiter, sonst drohen rechtliche Schritte. Nach Ansicht des Ökologen gibt es für Pestizide keine absolut unbedenkliche Dosis.
So viele Negativ-Beispiele Zaller auch anführen muss, gelingt es ihm auf der anderen Seite doch, eine Fülle von positiven Maßnahmen aus dem Bereich der praktischen Ökologie vorzustellen: Werden etwa Kartoffeln quer zur Windrichtung gepflanzt, breiten sich die Kartoffelkäfer nicht so stark aus. Ein einfacher Kniff, der den Pestizid-Gebrauch verringert. Und solche einfachen Lösungen hält die ökologische Werkzeug-Kiste viele bereit, zum Segen nicht nur der Biodiversität, sondern auch der Bodengesundheit und -fruchtbarkeit. Trotzdem ist die Wissenschaft in diesem Sektor deutlich unterfinanziert: In den USA erhält sie weniger als ein Prozent der 49 Millionen Dollar, die jährlich in die Lebensmittel- und Agrarforschung fließen.
So fällt das Fazit der Lektüre positv aus. Johann Zaller gibt in seinem Buch einen breit gefächerten Überblick über Pestizide mit einer Fülle hochinteressanter Details. Belege dazu finden sich im ausführlichen Literatur-Verzeichnis, was den LeserInnen weitere Informationsmöglichkeiten erschließt. Für die nächste Auflage, die dem Werk sehr zu wünschen ist, wäre nur ein Stichwort-Verzeichnis begrüßenswert, um die vielen Fakten leichter rekapitulieren oder wieder aufrufen zu können. Aber das ist es auch schon an Kritik. Und weil der klaren Darstellung der Fakten konkrete Verbesserungsvorschläge folgen, ermuntert der Autor seine LeserInnen sogar dazu, nicht in Resignation zu verfallen, sondern als VerbraucherIn, LandwirtIn oder WissenschaftlerIn den Umstieg in eine menschenfreundliche ökologische Landwirtschaft voranzubringen. ⎜
Der MONSANTO-Deal lässt sich für BAYER nicht gut an. Bereits elf Tage nach der offiziellen Übernahme des US-Konzerns begann der erste Prozess in Sachen „Glyphosat“, der noch dazu mit einem Schuldspruch endete. Das Geschworenen-Gericht gab dem Hausmeister DeWayne Johnson recht, der das Herbizid für seine Krebs-Erkrankung verantwortlich macht. Eine Strafe in Höhe von 289 Millionen Dollar verhängte der „San Francisco County Superior Court“. Und das ist erst der Anfang: Es stehen noch fast 9.000 Klagen an.
Von Jan Pehrke
„Wenn Du weißt, dass Du bald sterben musst, gibt dir das einen Extra-Push. Du kannst nicht einfach für nichts sterben“, mit diesen Worten reagierte DeWayne Johnson auf den positiven Ausgang seines Glyphosat-Entschädigungsprozesses. Der „San Francisco County Superior Court“ sah das Herbizid als Auslöser seiner Krebserkrankung an und verurteilte die BAYER-Tochter MONSANTO zu einer Zahlung von 289 Millionen Dollar – 250 Millionen Dollar Strafe plus 39 Millionen Dollar Schmerzensgeld. Ein Vergleichsangebot von Johnsons Anwalt Brent Wisner, das sich auf sechs Millionen Dollar belief, hatte das neudeutsche Unternehmen vorher ausgeschlagen. So ging die Sache dann vor Gericht, und während der Verhandlung trat die ganze kriminelle Energie MONSANTOs zu Tage. Aus diesem Grund erkannten Geschworenen einstimmig auf „vorsätzlichen Betrug“ – mit den entsprechenden finanziellen Folgen.
Johnson war als Schul-Hausmeister mit dem Gift in Berührung gekommen. Als im Jahr 2014 erste Haut-Veränderungen auftraten, hatte er sofort Glyphosat in Verdacht. Johnson setzte sich daraufhin mit MONSANTO in Verbindung. Rückrufe blieben aber trotz entsprechender Zusagen aus, stattdessen beschwichtigten die zuständigen Beschäftigten. „Sie haben ihm gesagt, man könne es quasi trinken, so ungefährlich sei es“, führte der Anwalt des 46-Jährigen vor Gericht aus. Ein paar Monate nach dem ersten Anruf erhielt der Familien-Vater dann die Diagnose: Non-Hodgkin-Lymphom (NHL), eine Krebs-Form, welche die Lymph-Drüsen befällt.
„Es ist unethisch. Es ist falsch. Menschen verdienen so etwas nicht“, entrüstete DeWayne Johnson sich deshalb und hielt fest: „Hier geht es nicht nur um mich. Diese Sache wird nun hoffentlich die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdient.“
Die Reaktionen
Und die bekam sie auch. Als einen „Weckruf“ bezeichnete die grüne Bundestagsabgeordnete Renate Künast das Urteil. Den französischen Umweltminister Nicolas Hulot veranlasste es sogar zu einem Rundumschlag gegen die Agro-Industrie. Das Glyphosat, das den LandwirtInnen ob seiner Kahlschlag-Qualitäten das Pflügen und Eggen erspart, ist für ihn „zum Grundstein der produktivitätsorientierten Landwirtschaft geworden, die weiterhin zu großen Teilen unantastbar bleibt – obwohl die verursachten Schäden immer deutlicher sichtbar und immer besser dokumentiert sind“. Der Prozess legte dem – inzwischen zurückgetretenen – Politiker zufolge gnadenlos die Strategie der BAYER-Tochter offen, „die Nahrungsressourcen des Planeten zu schröpfen“. Dementsprechend frohlockte Hulot nach der Entscheidung des Superior Courts: „Das ist der Anfang vom Ende der Arroganz dieses verfluchten Paares MONSANTO-BAYER.“
Tatsächlich geriet ihr Verkaufsschlager gleich nach dem Richterinnen-Spruch massiv unter Druck. So appellierte Oliver Krischer, der Vize-Vorsitzende der grünen Bundestagsfraktion, an die Bundesregierung, „das Geeiere endlich zu beenden und sich ohne Wenn und Aber für ein Verbot von Glyphosat einzusetzen“. Diese wollte aber lieber weitereiern. Ein Sprecher des Umweltministeriums verwies auf den Koalitionsvertrag, wonach die Anwendung des Ackergifts grundsätzlich innerhalb dieser Legislatur-Periode zu beenden sei und stellte klar, dass das US-Urteil keinen Einfluss auf den Terminplan habe. Die Entscheidung der Großen Koalition, das Mittel aus dem Verkehr zu ziehen, beruhe nämlich nicht auf seinen Risiken und Nebenwirkungen für die menschliche Gesundheit, sondern auf denen für die Artenvielfalt, erläuterte er. Die EU sah ebenfalls keinen erhöhten Handlungsbedarf und weigerte sich, die im Jahr 2017 bis zum Jahr 2022 verlängerte Zulassung in Frage zu stellen.
Die BAYER-Reaktion auf das Votum der Geschworenen fiel wenig überraschend aus: Der Konzern steht nach wie vor in Treue fest zu der Agro-Chemikalie. „Ein Urteil von einer Jury ändert nichts an den wissenschaftlichen Fakten“, befand der Vorstandsvorsitzende Werner Baumann zitierte 800 angebliche Entlastungsstudien herbei. Dem Unternehmen zufolge belegten diese, „dass Glyphosat bei sachgerechter Anwendung sicher ist und nicht das Non-Hodgkin-Lymphom verursacht“. Darum gibt Baumann sich kämpferisch: „Wir sind darauf eingestellt, dass Produkt energisch zu verteidigen.“ Die schiere Menge der anhängigen Verfahren – mittlerweile beläuft sie sich auf fast 9.000 – schreckt ihn dabei nicht ab. „Diese Zahl könnte über die Zeit steigen oder fallen, aber sie gibt keinen Aufschluss über die Substanz der Klagen“, meint er. Und Agro-Chef Liam Condon scheute sich nicht einmal, das lange Sündenregister des Leverkusener Multis zum Vorteil zu wenden. Er verwies auf die große Routine BAYERs im Umgang mit Produkthaftungsprozessen vor US-amerikanischen Gerichten und eine ähnliche Expertise bei MONSANTO: „Wenn man beide Mannschaften zusammenbringt, hat man mehr Erfahrung und Ideen.“
Die Dokumente
Ob das aber ausreicht, um diese juristischen Auseinandersetzungen zu überstehen, steht sehr in Frage. Die Beweise sind nämlich erdrückend, stammen sie doch vom Täter selbst. Die Anwälte Johnsons stützten sich in den fast acht Wochen dauernden Verhandlungen hauptsächlich auf interne Unterlagen MONSANTOS. Und diese lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. So informierte ein Beschäftigter die Toxikologin Donna Farmer über eine Untersuchung zum Zusammenhang zwischen Glyphosat und dem Non-Hodgkin-Lymphom. „Die Fall-Kontroll-Studie ergibt ein Chancen-Verhältnis von 2,02 für Glyphosat-Exposition (eine zweifache Wahrscheinlichkeit, die Krankheit zu bekommen)“, heißt es in der Mail. Für Farmer war das nichts Neues. „Uns ist dieses Dokument schon seit einiger Zeit bekannt, und wir wussten, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die Aktivisten es aufgreifen“, antwortet sie und geht sofort zum Praktischen über: „Wie bekämpfen wir das?“ Nicht die Spur eines Zweifels lässt die Wissenschaftlerin daran, was sie als ihre vorrangige Aufgabe ansieht: „Das Ziel Nr. 1 ist es, das globale Glyphosat- und ROUNDUP-Geschäft zu verteidigen und zu erhalten.“
Ihr Kollege William Heydens wusste sogar schon genauer, wo sich bei dem Herbizid der neuralgische Punkt befindet. Er verortete ihn nicht in dem Wirkstoff Glyphosat selbst, sondern in der endgültigen, noch mit Wirkungsverstärkern und anderen Substanzen angereicherten Formulierung, die MONSANTO unter dem Namen ROUND-UP vermarktete. „Glyphosat ist OK, aber das formulierte Produkt verursacht den Schaden“, konstatierte er. Beispielsweise hat es negative Effekte auf das Erbgut. Als eine Auftragstudie in dieser Hinsicht nicht genug Entlastungsmaterial lieferte, sondern den Befund sogar noch zu bestätigen drohte, schlug Heydens einfach vor, sich willigere WissenschaftlerInnen zu suchen: „Wir müssen jemanden finden, der sich mit dem gen-toxischen Profil von Glyphosat wohlfühlt und einflussreich bei den Regulierungsbehörden ist.“
Schon die Zulassung Glyphosats im Jahr 1974 vollzog sich unter denkwürdigen Umständen. Die toxikologischen Gutachten, die INDUSTRIAL BIO-TEST (IBT) im Auftrag von MONSANTO anfertigte, warfen für die US-amerikanische Zulassungsbehörde EPA nämlich so einige Fragen auf. „Man tut sich schwer, an die Wissenschaftlichkeit einer Studie zu glauben, die männlichen Kaninchen Proben aus dem Uterus entnommen haben will“, schrieb ein Mitarbeiter. Eine 1977 einsetzende genauere Überprüfung ergab dann, dass IBT bei seinen Jobs für das Unternehmen aus St. Louis und andere Konzerne – jeweils mit dem Wissen der Firmen – systematisch Untersuchungsdaten fälschte. Die „Environment Protection Agency“ ordnete deshalb eine Wiederholung des Glyphosat-Tests an. Und was die MONSANTO-ForscherInnen da herausfanden, ließ sich nicht gut an: Die WissenschaftlerInnen machten bei Glyphosat ausgesetzten Versuchstieren ein signifikant erhöhtes Risiko aus, an Nierenkrebs zu erkranken – eine Erkenntnis, die ihnen auch schon bei purer Anschauung der chemischen Formel ohne die Labor-Quälereien hätte dämmern können. Die EPA reagierte 1985 und führte das Herbizid fortan als „potenziell krebserregend für Menschen“. Aber der US-Riese gab sich nicht geschlagen. Er behauptete, seinen Fachleuten seien bei dem Tierversuch Fehler unterlaufen und kam damit durch: Der Agro-Gigant hatte nämlich seine Leute in der Reagan-Administration sitzen. Diese übten erfolgreich Druck auf die Agency aus, die Krebs-Klassifikation rückgängig zu machen. Die EPA forderte MONSANTO zwar noch auf, eine dritte Studie durchzuführen, erhielt diese jedoch nie. Erst als das Thema Anfang des neues Jahrtausends erneut auf der Agenda stand, legte der Agro-Multi der EPA wieder etwas vor – allerdings inkognito. William Heydens hatte sich gemeinsam mit einem Kollegen als Ghostwriter einer Entlastungsstudie betätigt, die prompt das Placet der Behörde fand.
Die Dokumente geben einen erschütternden Einblick in das Innere MONSANTOs. Freimütig bekennt ein Angestellter in einer Mail, die Firma habe sich ein Spiel daraus gemacht, die staatlichen Einrichtungen in Sachen „Krebs-Gefahr“ hinters Licht zu führen. Und wenn einem Wissenschaftler einmal Zweifel kamen, erfolgte sofort der Ordnungsruf: „Hier geht es darum, Geld zu verdienen, das hast Du dir klarzumachen!“ Um die Profite zu sichern, hatte der Konzerne klare Strategien ausgearbeitet. Das Programm „Let nothing go“ etwa ging jeden Wissenschaftler und jede Wissenschaftlerin an, die es gewagt hatten, sich negativ über ein Produkt des Unternehmens zu äußern. Für die Belegschaft existierte derweil ein Manual, das sie im Umgang mit Kritik zu Glyphosat & Co. schulte. Es hielt bestimmte Textbausteine bereit und zeigte den Beschäftigten beispielsweise Wege auf, wie sie „von einer Frage, die die Öffentlichkeit stellt, zu der Antwort, die Du geben willst, gelangen“ können.
Die Rückstellungen
Einen Großteil dieser Dokumente hatte die Richterin Suzanne R. Bolanos als Beweismittel nicht zugelassen. Auch zeigte sie sich den MONSANTO-Beschäftigten gegenüber kulant und ersparte ihnen, im Gerichtssaal auftreten zu müssen. Bolanos erlaubte stattdessen Video-Aussagen. Dass das Gericht trotzdem eine so hohe Strafe verhängte, schockte die Aktien-Märkte und sorgte für einen massiven Kurs-Sturz des BAYER-Papiers, von dem es sich bis heute nicht erholt hat. 289 Millionen Dollar bei dem Auftakt-Prozess – angesichts der insgesamt fast 9.000 noch anstehenden Verfahren schwante den AnlegerInnen da Schlimmes.
Der Leverkusener Multi hingegen wiegelte ab. Er maß den Glyposat-Unterlagen seines Neuerwerbs keine große Beweiskraft zu und bezeichnete die während der Verhandlungen zitierten Aussagen als „aus dem Zusammenhang gerissen“. Im Übrigen zeigte der Konzern sich zuversichtlich, das Urteil in der zweiten Instanz zu Fall bringen oder zumindest das Strafmaß herabsetzen zu können, so wie es vor einiger Zeit der Tabak-Industrie in vergleichbaren juristischen Auseinandersetzungen gelungen war. Zudem nahm er skeptische Aussagen des Bundesrichters Vince Chhabria zu den Chancen der anstehenden Sammelklagen als gutes Omen. Auch erhofft der Global Player sich von Gerichten ohne Beteiligung von Geschworenen, die seiner Ansicht nach immer zu viel Anteil am Leid der KlägerInnen nehmen, weniger schmerzliche Entscheidungen. Selbst Johnsons Anwalt Brent Wisner glaubt nicht mehr an allzu viele ebenso kostspielige Verfahren für den Konzern. Er rechnet nur mit ein paar weiteren Prozessen, die dann den Finanzrahmen für Vergleichsverhandlungen vorgeben.
Das alles wirkte allerdings weder auf die Wirt-schaftsjournalistInnen noch auf die Finanzwelt beruhigend. Sie stellten BAYER stattdessen drängende Fragen nach Vorsorge-Maßnahmen. Diese beantwortete der Konzern jedoch nicht. Wegen bestimmter Auflagen des US-amerikanischen Justiz-Ministeriums hätte er vorerst nur begrenzten Zugang zu den MONSANTO-Unterlagen, führte der Leverkusener Multi zur Begründung an. Der Agro-Riese vertröstete stattdessen auf den 5. September – das Datum der Veröffentlichung des neuen Quartalsberichts – als Tag der Wahrheit. In der Zwischenzeit recherchierten die Zeitungen die vom bundesdeutschen Unternehmen und seiner Tochter-Gesellschaft gebildeten Rücklagen für Strafzahlungen: 393 Millionen Euro bzw. 218 Millionen Euro sowie die Höhe des Versicherungsschutzes von BAYER (drei Milliarden Euro) und machten dabei eine nicht unerhebliche Deckungslücke aus. Das Handelsblatt wusste sogar schon von Plänen des Vorstandes, eine Art BAYER-Bad-Bank für den Umgang mit den Glyphosat-Belastungen zu gründen.
Der Quartalsbericht konnte dann auch nur wenig zu einer Aufhellung der Stimmung beitragen. Als Rechtsrisiken MONSONTOS führte er zusätzlich zu den Klagen, die Glyphosat betreffen, noch diejenigen zu der Industrie-Chemikalie PCB auf und stellte fest: „Im Zusammenhang mit den oben genannten Verfahren ist MONSANTO in jeweils industrie-üblichem Umfang gegen gesetz-liche Produkthaftungsansprüche ver--sichert und hat auf Grundlage der derzeit vorliegenden Informationen angemessene bilanzielle Vorsorge-Maßnahmen für erwartete Verteidigungskosten getroffen.“ Für Verteidigungskosten – nicht aber für eventuell ins Haus stehende Milliarden-Zahlungen, und ebenso wenig hat die Konzern-Mutter dafür etwas zurückgelegt, wie Finanz-Vorstand Wolfgang Nickl einräumen musste.
„Haben die Führungsteams in Leverkusen das Wagnis der schlechten Reputation und der Vielzahl der schon anhängigen Klagen gegen den amerikanischen Saatgut-Riesen auf die leichte Schulter genommen“, fragte deshalb die FAZ. Und tatsächlich räumte Werner Baumann ein, es hätte „andere Zeiten“ geherrscht, als der Konzern sich vor zwei Jahren für die Übernahme entschied und Einsicht in die Geschäftsbücher von MONSANTO nahm. Zwar hätten die ManagerInnen damals auch schon die Rechtsstreitigkeiten im Blick gehabt, erläutert der Vorstandsvorsitzende, gibt jedoch zu bedenken: „Man muss aber auch sehen, dass zum damaligen Zeitpunkt der Umfang der Klagen, mit denen wir uns jetzt auseinandersetzen, noch gar nicht absehbar war.“ Ob das alle Investoren, die viel Geld mit ihren BAYER-Aktien versenkten – allein der rund vier Prozent der Unternehmensanteile haltende indonesische Staatsfonds TEMASEK verlor 1,2 Milliarden Dollar – einfach so akzeptieren, bleibt fraglich. Johnson-Anwalt Brent Wisner rechnet jedenfalls auch mit Klagen von dieser Seite. Damit nicht genug, droht mit DICAMBA zu allem Unglück noch ein weiteres Pestizid auf der Anklagebank zu landen, weil es in den Vereinigten Staaten massive Ernte-Schäden verursacht hat. Im Moment hat es also ganz den Anschein, als ob sich der Milliarden-Deal für BAYER zu einem Milliarden-Grab entwickeln würde. ⎜
Der Leverkusener Multi kann es einfach nicht lassen. In den USA steht er wieder einmal wegen illegaler Geschäftspraktiken vor Gericht.
Von Jan Pehrke
Gleich mehrere Kunststoff-Hersteller haben in den USA Klagen gegen BAYER und andere Konzerne wegen Bildung eines Kartells eingereicht. Die Unternehmen werfen dem Leverkusener Multi, BASF, DOW, MITSUI CHEMICALS und weiteren Gesellschaften vor, die Preise für die Polyurethan-Vorprodukte TDI und MDI von 2014 an und teilweise bis zum Februar 2018 künstlich in die Höhe getrieben zu haben, indem sie ihre Fertigungsstätten vorübergehend schlossen und so für Verknappungseffekte sorgten.
„Diese Schließungen erfolgten mit fadenscheinigen Begründungen wie etwa Mangel an Rohstoffen oder der Notwendigkeit von Wartungsarbeiten“, hält etwa die Firma CUE fest. Sie verweist dabei auf die verdächtige Häufung der Produktionsstilllegungen und die bald darauf erfolgenden Preis-Anhebungen. „Das muss gemeinsam koordiniert worden sein“, so CUE. Das US-amerikanische Justiz-Ministerium hat in der Sache ebenfalls eine Untersuchung gestartet. Der bundesdeutsche Global Player, der sich Ende 2015 von seiner Kunststoff-Sparte trennte, sieht sich nicht zum ersten Mal mit solchen Vorwürfen konfrontiert. 2013 durchsuchten chinesische Behörden seine Geschäftsräume auf der Suche nach Beweismitteln für Preis-Manipulationen im Pharma-Bereich. 2012 verhängte die rumänische Kartell-Behörde wegen Absprachen im Arznei-Geschäft eine Strafe von 12 Millionen Euro gegen BAYER und andere Pillen-Produzenten. Und im Jahr 2009 musste das Unternehmen in der Schweiz wegen Bildung eines Potenzpillen-Kartells gemeinsam mit PFIZER und ELI LILLY 5,7 Millionen Franken zahlen. Zur letzten Verurteilung im Segment „Kunststoffe“ kam es 2008.
„BAYER ist ein Wiederholungstäter“, hieß es deshalb in der Presseerklärung der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG): „Die bisherigen Bußgelder haben den Konzern offensichtlich nicht von seinen kriminellen Machenschaften abhalten können. Darum fordern wir endlich harte Strafen, wie sie zum Beispiel ein Unternehmensstrafrecht böte. Zudem muss es die Brüsseler Wettbewerbsbehörde ihrem US-amerikanischen Pendant gleichtun und Ermittlungen aufnehmen.“ ⎜
AKTION & KRITIK
CBG im Hambacher Forst
Der BAYER-Konzern zählt mit seinen Kohlendioxid-Emissionen zu den großen Klima-Sündern. Darum beteiligte sich die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) im letzten Herbst auch an den Protesten rund um die Klima-Konferenz der Vereinten Nationen (COP 23) in Bonn. Und in diesem Jahr nahm sie an den Demonstrationen im Rheinischen Braunkohle-Revier teil. Zudem bot die Coordination im Klima-Camp einen Workshop zum klima-schädlichen Wirken der nordrhein-westfälischen Chemie-Industrie im Allgemeinen und BAYER im Besonderen an. Dieses hat nämlich maßgeblichen Anteil daran, das Bundesland zum deutschland-weiten Spitzenreiter in Sachen CO2-Emissionen zu machen: Zu den insgesamt rund 900 Millionen Tonnen steuert NRW ca. ein Drittel bei.
Apotheken boykottieren BAYER
„Wegen Glyphosat gestrichen – Wir empfehlen gerne eine Alternative“, dieses Schild hat der Pharmazeut Thomas Riedrich genau dort auf das Regal gestellt, wo seine KundInnen sonst BAYERs ASPIRIN finden. Medizin von einem Konzern, der die Menschen mit anderen Produkten krank macht, wollte Riedrich nicht mehr verkaufen. Eine „zu 100 Prozent positive Resonanz“ erhielt er nach eigenen Angaben auf die Aktion. Inzwischen haben sich auch weitere Apotheken dem BAYER-Boykott angeschlossen.
Brief-Aktion von PETA
Der Leverkusener Multi führt nicht nur Tierversuche in eigenen Labors durch, er vergibt darüber hinaus Aufträge an Fremdfirmen wie LIBERTY (siehe auch TIERE & VERSUCHE). Nach Recherchen der Tierrechtsorganisation PETA herrschen bei diesem US-Unternehmen unhaltbare Zustände. Die Firma bohrt Hunden die Schädeldecke auf, um ihnen Viren direkt ins Gehirn zu injizieren, hält Katzen in völlig überfüllten Gehegen und versorgt sie bei Krankheiten nicht angemessen. PETA hat deshalb einen Offenen Brief an BAYER und andere LIBERTY-Auftraggeber aufgesetzt, der die Konzerne auffordert, zu „hinterfragen, mit wem Sie Geschäfte eingehen“. Bis zum 5. Oktober 2018 hatten 69.786 Menschen das Schreiben unterzeichnet.
Forderung nach unabhängigen Studien
Der Pharmazeut Yoon Loke von der britischen Universität East Anglia hat publizierte und unpublizierte Arznei-Tests, die den gleichen Wirkstoff erprobten, genauer analysiert und dabei eklatante Unterschiede festgestellt. So verschwanden auf dem Weg in die Öffentlichkeit viele Angaben über Nebenwirkungen. „Wir haben seit Langem vermutet, dass das ein großes Problem ist. Deshalb haben wir uns die Ergebnisse klinischer Studien besorgt, die nicht veröffentlicht wurden und haben sie mit publizierten Untersuchungen verglichen. Dabei kam heraus, dass nur ein Teil der auftretenden Nebenwirkungen tatsächlich veröffentlicht wird“, berichtet der Forscher. Karsten Juhl-Jörgensen vom unabhängigen Medizin-Institut Cochrane nahm das zum Anlass, unabhängige Arznei-Studien zu fordern: „Wenn wir ein Produkt getestet haben wollen, möchten wir eine unabhängige Untersuchung. Wenn SAMSUNG zum Beispiel die Qualität seiner eigenen Smart-phones testet, würden wir dieser Untersuchung nicht trauen. Aber wenn es um Medikamente geht, bei denen kleine Fehler über Leben oder Tod vieler Patienten entscheiden können, akzeptieren wir, dass die Hersteller selbst die Sicherheit ihrer Produkte testen dürfen. Das ist paradox!“
KAPITAL & ARBEIT
3,6 Prozent mehr Entgelt
Bei der diesjährigen Tarif-Runde leitete der BAYER-Manager Georg Müller für den „Bundesarbeitgeber-Verband Chemie“ (BAVC) die Verhandlungen mit der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE. Er einigte sich mit der Gewerkschaft auf eine Entgelt-Erhöhung von 3,6 Prozent, wovon bei einer Inflationsrate von derzeit rund zwei Prozent nicht viel übrig bleibt. Zudem erhalten die Beschäftigten eine Einmal-Zahlung von 280 Euro und 600 Euro mehr Urlaubsgeld. Die Forderung der IG BCE, den Chemie-WerkerInnen die Möglichkeit zu eröffnen, auf die 600 Euro zugunsten von mehr Freizeit zu verzichten, lehnte der BAVC ab.
BAYER streicht in Berkeley 227 Jobs
Der Leverkusener Multi hat sein gentechnisch hergestelltes Blut-Präparat KOGENATE weiterentwickelt. Die Innovation beschränkt sich allerdings darauf, den Patienten die Möglichkeit zu verschaffen, die Dosis dem individuellen Bedarf anzupassen. Zur Fertigung des Mittels namens JIVI, dessen Zulassung der Pharma-Riese nach positiven Entscheidungen in den USA und Japan bald auch in der EU erwartet, hat der Konzern schon neue Produktionskapazitäten aufgebaut. Er tat dies allerdings nicht im US-amerikanischen Berkeley, wo eigentlich das Herzstück seiner Blutprodukte-Fertigung liegt, sondern in Wuppertal und Leverkusen. Dass es sich bei Berkeley um einen der wenigen US-Standorte des Unternehmens mit einer gewerkschaftlich organisierten Belegschaft handelt, dürfte dabei eine nicht unerhebliche Rolle gespielt haben. Und Anfang Oktober 2018 bekam die Niederlassung schließlich die Folgen der Investitionsentscheidung zu spüren: Der Global Player kündigte die Vernichtung von 227 Arbeitsplätzen in Berkeley an.
Tod eines Angestellten
Im letzten Jahr nahm sich ein BAYER-Angestellter das Leben, weil er seine Entlassung nicht verkraftete. Der Pharma-Manager sprang aus dem Fenster seines Büros in Leverkusen. Zuvor hatte er sich erfolglos um andere Posten beim Konzern beworben. Vorgesetzten und KollegInnen gegenüber kündigte der Mann die Tat mehrfach an, diese Signale wurden allerdings nicht ernst genommen. In seiner Heimat England kam es deshalb zu einer gerichtsmedizinischen Untersuchung des Todes. Dabei sparte der Sachverständige Grahame Short nicht mit Kritik am Leverkusener Multi: „Arbeitgeber haben eine Fürsorge-Pflicht ihren Angestellten gegenüber (...) Wenn ein Beschäftigter wie (Name ist der Redaktion bekannt) Zeichen von Stress zeigt, sollte das bemerkt werden und Handlungen zur Folge haben.“ Der Global Player ist sich jedoch keiner Schuld bewusst. „BAYER hat klar dokumentierte Richtlinien zur Unterstützung seiner Angestellten, die im Fall von (Name ist der Redaktion bekannt) auch befolgt wurden, inklusive der Unterstützung beim Umgang mit seiner Entlassung“, erklärte ein Unternehmenssprecher.
ERSTE & DRITTE WELT
Armen-Bekämpfung mit Bill Gates
„Verhütungsmittel können mit am besten zur Armutsbekämpfung beitragen“ konstatiert Melinda Gates in einem Beitrag für Die Welt. Weniger Menschen = weniger Armut, lautet die Rechnung ganz nach der Devise des früheren US-Präsidenten Lyndon B. Johnson: „Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar.“ Dementsprechend ignorant zeigt sich die „Bill & Melinda Gates Foundation“ den ökonomischen Ursachen von Hunger und Mangelernährung gegenüber. Stattdessen sieht sie es als Entwicklungshilfe an, Millionen Einheiten von BAYERs Langzeit-Kontrazeptivum JADELLE aufzukaufen und an die afrikanische Frau zu bringen. Dabei hat das Medizin-Produkt mit dem Wirkstoff Levonorgestrel nicht nur zahlreiche Nebenwirkungen wie etwa Kopfschmerzen, Depressionen, Gewichtszunahme, Sehstörungen und Migräne, es kommt auch immer wieder zu Komplikationen beim Einsetzen und Herausnehmen der Präparate.
KONZERN & VERGANGENHEIT
Das Sunshine Mining Desaster 1972
Am 2. Mai 1972 ereignete sich das Sunshine Mine Desaster, eines der größten Unglücke in der Geschichte des US-amerikanischen Bergbaus. Nach dem Ausbruch eines Feuers starben 91 Bergleute an einer Kohlenmonoxid-Vergiftung. Nicht zuletzt setzten die in Brand geratenen Kunststoff-Materialien, die unter Tage beispielsweise in Leitungsumhüllungen, Sieb-Maschinen und Druckschläuchen Verwendung finden, die giftigen Dämpfe frei. Darum sahen sich neben anderen Firmen auch Kunststoff-Hersteller wie DOW CHEMICAL und die BAYER-Tochter MOBAY, die der Leverkusener Multi im Jahr 1967 ganz von MONSANTO übernommen hatte, Entschädigungsklagen gegenüber. Gemeinsam mussten sie 6,5 Millionen Dollar zahlen. Einen zweiten Prozess allerdings gewannen die Konzerne. Die Anwaltskanzlei „Wheeler Trigg O’Donnell“ rühmt sich noch heute, den Unternehmen damals immense Zahlungen erspart zu haben.
POLITIK & EINFLUSS
NRW bremst beim Kohle-Ausstieg
Die schwarz-gelbe Landesregierung in Nordrhein-Westfalen tut alles dafür, um BAYER & Co. auch langfristig den Zugang zu den ebenso billigen wie klima-schädlichen Energieträgern zu sichern. So betätigen sich Laschet & Co. in der Kohle-Kommission als Bremser und sprechen sich vehement dagegen aus, den Kohle-Ausstieg „schon“ auf das Jahr 2030 zu terminieren. „Nordrhein-Westfalen ist der bundesweit bedeutendste Standort energie-intensiver Industrien wie Chemie, Stahl, Aluminium und Papier, die auf eine sichere und bezahlbare Stromversorgung angewiesen sind“, hält Landeswirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) fest. Deshalb will Ministerpräsident Armin Laschet den Unternehmen die Braunkohle möglichst lange erhalten. „Aktuelle Studien bestätigen die Erreichbarkeit der Klima-Ziele ohne beschleunigten Ausstieg aus der Braunkohle“, schrieb er gemeinsam mit dem sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer in einem Beitrag für das Handelsblatt. Entsprechend zufrieden zeigte sich der nordrhein-westfälische Verband der chemischen Industrie mit der bisherigen Arbeit von CDU und FDP. Es sind „viele Weichen aus Sicht des Chemie-Verbandes richtig gestellt worden“, heißt es in einer Presseerklärung. Und die Schlussfolgerung lautete: „Berlin braucht mehr Düsseldorf.“
Industrie kippt schärferes Klima-Ziel
Die Europäische Union hatte geplant, ihr Klima-Ziel zu verschärfen. Eine Reduktion der Kohlendioxid-Emissionen von 45 Prozent im Vergleich zu 1990 bis zum Jahr 2030 schwebte der EU vor. Aber der Extrem-Lobbyismus von „Business Europe“ und anderer Einfluss-Organe von BAYER & Co. wusste das zu verhindern. Wie überlegt die Konzerne dabei vorgingen, offenbaren geleakte Unterlagen von „Business Europe“. Der Verband arbeitete vier unterschiedliche Strategien aus, um das Projekt zu Fall zu bringen, und legte diese anschließend seinen Mitgliedern zur Entscheidung vor. Die erste bestand darin, dem Vorhaben grundsätzlich positiv gegenüberzustehen, so lange es unverbindlich bleibt und keinen Eingang in die Gesetz-Bücher zu finden sucht. Die zweite optierte dafür, „die üblichen Argumente zu gebrauchen“ und vor den Wettbewerbsnachteilen für europäische Unternehmen gegenüber der globalen Konkurrenz zu warnen, die eine auf die EU beschränkte Klima-Kleinstaaterei mit sich brächte. Der dritte Vorschlag beabsichtigte, den ganzen Prozess in Frage zu stellen, die Belastbarkeit der Zahlen zu bestreiten und vor allem anderen erst einmal eine ökonomische Folgen-Abschätzung auf den Weg zu bringen. Als viertes Mittel, die 45 Prozent zu kippen, stand zur Auswahl, Brüssel dahinzubringen, nicht bei sich selbst, sondern bei den anderen anzufangen. „Der Schlüssel ist, andere große Volkswirtschaften davon zu überzeugen, zur EU aufzuschließen und den Umbau in Europa zum Erfolg zu machen. Dafür brauchen wir Stabilität, um Investitionen zu mobilisieren“, hieß es in dem Papier. Und eine dieser Strategien muss in den Hinterzimmern der Macht schließlich aufgegangen sein. Nach der Schlappe tat ein EU-Sprecher dann kund, der Klimaschutz- und Energie-Kommissar Miguel Arias Cañete habe nie einen offiziellen Vorschlag zur Einführung strengerer Klima-Ziele angekündigt.
BAYERs ehemaliger Chef-Jurist AfDler
BAYERs langjähriger Chef-Jurist Roland Hartwig sitzt heute für die AfD im Bundestag und gehört zu den vier stellvertretenden Vorsitzenden der Fraktion. 2013, noch zu seinen Zeiten beim Leverkusener Multi, war er zu der Partei gestoßen. „Wir müssen Recht und Ordnung in unserem Land wiederherstellen“, meint Hartwig und zeigt sich davon, dass der Klimawandel eine Folge menschlichen Handels und Wandels ist, „nicht überzeugt“. In seinen Vorträgen gelingt es ihm zuweilen sogar, alte und neue Aufgabe zu verbinden, etwa wenn er zum Thema „Deutsche Unternehmen im Fadenkreuz der US-Justiz“ Vorträge hält. Der 64-Jährige kam 1984 zum bundesdeutschen Global Player und stand von 1999 bis zu seiner Demission 2016 der Rechtsabteilung des Agro-Riesen vor. Zudem bekleidete er über einen längeren Zeitraum hinweg den Posten des Vorsitzenden des Rechtsausschusses des „Verbandes der Chemischen Industrie“. Noch heute betrachtet Roland Hartwig es als seine größte Leistung, „einen internationalen Groß-Konzern juristisch durch alle Untiefen geführt zu haben“.
Baumann VCI-Vize
Die Mitglieder-Versammlung des „Verbandes der Chemischen Industrie“ wählte im September 2018 den BAYER-Chef Werner Baumann zu ihrem Vize-Vorsitzenden.
Agrar-Subventionen für Bauer BAYER
Die EU bedenkt den Leverkusener Multi für seinen Grundbesitz und seine Pestizid-Versuchsfelder seit geraumer Zeit mit Agrar-Subventionen. Im Jahr 2017 strich die BAYER REAL ESTATE GmbH 109.206 Euro aus Brüssel ein, die BAYER CROPSCIENCE AG 31.000 Euro und die BAYER CROPSCIENCE GmbH 11.133 Euro.
In diplomatischen BAYER-Diensten
Dr. Gabriele Ney arbeitet bei BAYER in der Krebsforschung und ist mit Dr. Martin Ney verheiratet, dem deutschen Botschafter in Indien. Deshalb ergriff sie die günstige Gelegenheit, für den Leverkusener Multi diplomatisch tätig zu werden und fädelte eine Kooperation des Konzerns mit einer indischen Organisation ein, die Krebs-PatientInnen betreut. Das Unternehmen sponserte ein Projekt, das kranke Kinder mit nährstoff-reichen Lebensmitteln versorgt.
PROPAGANDA & MEDIEN
Millionen für das Gesundheitswesen
Die 55 Unternehmen, die im von BAYER gegründeten „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller“ organisiert sind, pflegten die bundesdeutsche medizinische Landschaft im Jahr 2017 mit 605 Millionen Euro (2016: 562 Millionen). Keinen kleinen Teil davon brachte der Leverkusener Multi auf. Er erhöhte seinen Etat noch einmal kräftig um fast 16 Millionen Euro und investierte 56,8 Millionen Euro in MedizinerInnen, ärztliche Standesorganisationen, Selbsthilfegruppen, Institute, medizinische Fachgesellschaften und in von Krankenhäusern betriebene Pharma-Forschung.
Neun Millionen für ÄrztInnen
Von den 56,8 Millionen Euro, die der BAYER-Konzern 2017 ins Gesundheitswesen pumpte (s. o.), erhielten ÄrztInnen ca. 9,3 Millionen. Eine detaillierte Aufschlüsselung des Verwendungszwecks der Gelder gibt das Unternehmen nur für diejenigen MedizinerInnen an, die lieber inkognito bleiben wollen. Mit acht Millionen Euro floss ein Großteil der Summe in diesen Bereich. 3,3 Millionen davon gingen für Vortrags- oder Beratungshonorare drauf; 1.344 Doctores standen dem Leverkusener Multi hier zu Diensten. Reise- und Übernachtungskosten in Höhe von 3,1 Millionen Euro, die bei Kongressen und ähnlichen Veranstaltungen anzufallen pflegen, übernahm der Pharma-Riese für 4.923 Weißkittel.
BAYER bedenkt Fachgesellschaften
Zu den Akteuren des Gesundheitswesens, die BAYER mit hohen Summen bedenkt (s. o.), gehören auch die medizinischen Fachgesellschaften nebst den von ihnen veranstalteten Kongressen und Weiterbildungen. Und wenn sich die Tätigkeiten der Organisationen auf ein Gebiet erstrecken, für das der Konzern die passende Arznei im Angebot hat, überweist er ihnen besonders viel Geld. So konnte sich die „Deutsche Gesellschaft für Mann und Gesundheit“ im Jahr 2017 über 135.000 Euro freuen – und der Pharma-Riese sicherlich bald über mehr Rezepte für seine umstrittenen Testosteron-Präparate. Die „Deutsche Gesellschaft für Frauengesundheit“ sponserte er mit 34.000 Euro, um seine Verhütungsmittel-Verkäufe anzukurbeln. Die „Frauenärztliche Bundesakademie GmbH“, die Fortbildungsveranstaltungen anbietet, erhielt zu diesem Behufe 124.000 Euro. Das Marktumfeld für seine nebenwirkungsreichen Röntgen-Kontrastmittel GADOVIST, PRIMOVIST und MAGNEVIST gestaltete der Pillen-Riese durch Zuwendungen an die „Deutsche Röntgen-Gesellschaft“ (37.000 Euro) und ihren Kongress (101.000 Euro) freundlicher. Der Absatz-Förderung des gentechnisch hergestellten Augen-Präparats EYLEA dienten Überweisungen an den „Bundesverband der Augenärzte“ (15.000 Euro), die „Augenärztliche Akademie“ (57.000 Euro) und die „Deutsche Gesellschaft für Ophthalmo-Chirugie“ (70.000 Euro). Das meiste Geld aber gab der Leverkusener Multi für die Promotion seines umstrittenen G