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Veröffentliche Beiträge von “CBG Redaktion”

Carl Duisberg

CBG Redaktion

18. Februar 2016

Dortmund: Carl-Duisberg-Strasse umbenannt

Erfolg für die Kampagne der Coordination gegen BAYER-Gefahren: die Dortmunder Carl-Duisberg-Straße wurde nun in „Kleine Löwenstraße“ umbenannt. Damit wurde ein Beschluss vom Dezember 2014 umgesetzt.

Duisberg setzte im 1. Weltkrieg den Einsatz von Giftgas durch, betrieb die Deportation von Zwangsarbeitern und forderte die Annexion großer Teile Osteuropas. Höhepunkt von Duisbergs Lebenswerk war der Zusammenschluss der deutschen Chemie-Industrie zur IG FARBEN.

Carl Duisberg taugt nicht als Vorbild für künftige Generationen. Die CBG fordert nun auch Umbenennungen der nach Duisberg benannten Straßen in Bonn, Krefeld, Frankfurt, Wuppertal und Leverkusen, der Carl Duisberg-Centren und des CD-Gymnasiums in Wuppertal.

alle Infos zur Kampagne

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[Dhünnaue] Giftmülldeponie Dhünnaue

CBG Redaktion

Presse Information vom 12. Februar 2016

Leverkusen: Keine Autobahn auf BAYER-Giftmülldeponie!

Konzern muss für erhöhte Ausgaben aufkommen / hunderttausende Tonnen Chemie-Müll

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren ruft zur Teilnahme an der morgigen Kundgebung vor dem Leverkusener Rathaus auf. Unter dem Motto „Tunnel statt Stelze“ fordern mehrere Leverkusener Initiativen, die Autobahn A 1 künftig in einem geschlossenen Tunnel durch die Stadt zu führen (Beginn: 12 Uhr).

Die vom Landesstraßenbetrieb vorgeschlagene neue Trasse führt über die Deponie Dhünnaue. In der Altlast des BAYER-Konzerns befinden sich hunderttausende Tonnen Giftmüll, darunter gefährliche Schwermetalle und Chlorverbindungen. Der Bau wäre daher mit hohen Risiken verbunden: Zehntausende Tonnen giftiger Abfall müssten entsorgt werden, gesundheitsschädliche Gase könnten austreten, Stützpfeiler durch Chemikalien angegriffen werden.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) fordert stattdessen eine große Tunnel-Lösung. Die Firma BAYER, die den erhöhten Aufwand zu verantworten hat, muss hierfür die Kosten übernehmen. Philipp Mimkes vom Vorstand der CBG: „Der BAYER-Konzern hat in der Dhünnaue über Jahrzehnte hinweg Chemikalien und Abfälle deponiert - ohne jegliche Absicherung. Der hieraus entstehende Mehraufwand beim Bau der neuen Autobahn-Trasse darf heute nicht auf die Allgemeinheit abgewälzt werden!“. Die CBG hat im Januar eine Einwendung gegen die bisherigen Planungen zum Ausbau der A1 eingereicht.

Die Dhünnaue galt einst als größte bewohnte Giftmülldeponie Europas (der SPIEGEL sprach von „Bitterfeld am Rhein“). In den 50er Jahren war die Deponie mit einer dünnen Bodenschicht versehen und bebaut worden. Insgesamt entstanden 300 Wohneinheiten, eine Schule, ein Altersheim und ein Kindergarten. Nach gehäuftem Auftreten von Krebserkrankungen und Todesfällen wurden die Gebäude in den 90er Jahren abgerissen.

Über Jahrzehnte hinweg wurden zudem giftige Chemikalien in den Rhein ausgeschwemmt. Das Gelände wurde daher mit einer Spundwand umgeben und nach oben hin abgedichtet. Das verseuchte Erdreich wurde jedoch nicht abgetragen. Nach unten ist die Müllkippe offen, daher müssen stündlich rund 750 Kubikmeter verseuchtes Wasser abgepumpt und gereinigt werden. Die Sanierungskosten von rund 110 Millionen Euro trugen zu einem nicht geringen Teil die öffentlichen Haushalte.

weitere Infos: CBG-Kampagne zur Dhünnaue

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[Peter Kleinert] In memoriam Peter Kleinert

CBG Redaktion

gestorben am 6. Februar 2016

Lieber Peter,

ein letzter Gruß.

Du hast mit uns gekämpft, gestritten, gefeiert. Gegen Ausbeutung und Unterdrückung. Gegen das Kapital und den Kapitalismus, gegen Barbarei und Krieg. Für eine Welt in Frieden und Gerechtigkeit.

Unauslöschbar Deine Verdienste bei der Aufdeckung der dunklen Machenschaften von BAYER bei der völkerrechtswidrigen Entwicklung und Produktion chemischer VX-Kampfstoffe für die US-Armee zusammen mit Jörg Heimbrecht und der Coordination gegen BAYER-Gefahren.

Als Gründer und Herausgeber der Internetzeitung NRhZ, die erklärtermaßen in die Fußstapfen des von Karl Marx gegründeten gleichnamigen Blattes trat, hast Du Dir ebenfalls große Verdienste um einen unabhängigen, kritischen, marxistischen Journalismus erworben.

Mit Dir, lieber Peter, ging ein kluger Kopf, ein Revolutionär.

Rote Grüße
Axel Köhler-Schnura

[Stellenanzeige] Stellenangebot

CBG Redaktion

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V. (CBG) arbeitet seit 35 Jahren kritisch zur Geschäftspolitik des Pharma- und Agro-Konzerns BAYER. Wir kritisieren die ungezügelte Macht multinationaler Unternehmen und organisieren Kampagnen zu Themen wie Pestizidvergiftungen, gefährliche Pharmazeutika, Lobbyismus, Steuerflucht, Gentechnik, Störfall-Risiken oder Arbeitsbedingungen. Die CBG informiert die Öffentlichkeit, organisiert Protestaktionen und unterstützt Geschädigte.

Wir suchen zum 01. April 2016 (oder später) eine/n

Leiter/in Campaigning

Ihre künftigen Aufgaben
Als Leiter/in Campaigning sind Sie mit Unterstützung des fünfköpfigen Vorstands, externer Dienstleister sowie der ehrenamtlichen AktivistInnen verantwortlich für die Arbeit und Entwicklung des Vereins.
Ihr Aufgabenspektrum umfasst u.a.:
=> Planung und Durchführung der Kampagnen
=> Finanzakquise (Fundraising, Drittmittel)
=> Vertretung des Vereins nach außen, z. B. bei politischen Veranstaltungen, Vorträgen, Medienanfragen und Bündnistreffen
=> selbständige Erstellung von Presse-Informationen und Artikeln
=> Online-Präsentation (Pflege der Website; Versand von Newslettern; Betreuung sozialer Netzwerke)
=> Kooperation mit Partnern im In- und Ausland
=> Koordination und Betreuung unserer Ehrenamtlichen in Deutschland und international
=> Ausbau des Netzwerks an Partnerorganisationen und ehrenamtlichen AktivistInnen
=> Organisation von Protestaktionen

Unsere Anforderungen
=> Sie haben berufliche oder ehrenamtliche Erfahrungen in NGOs oder politischen Initiativen, idealerweise im Kampagnenbereich.
=> Sie haben Erfahrung in der Akquise von Fördergeldern und/oder im Privatspenden-Fundraising.
=> Sie sind ein Organisationstalent und arbeiten sich rasch in neue Themenbereiche ein.
=> Sie bringen komplexe Sachverhalte schnell und prägnant auf den Punkt, im Gespräch wie auch in schriftlichen Anfragen.
=> Sie treten gegenüber Medien, Behörden und Partnergruppen sicher auf.
=> Sie sind politisch engagiert und haben Lust auf politische Auseinandersetzungen in Form von Protestaktionen
=> Sie zeigen Eigenverantwortung, Engagement und Gewissenhaftigkeit in Ihrer Arbeit.
=> Sie arbeiten sicher mit elektronischen Medien (Office Programme, Social Media etc).
=> Sie sprechen und schreiben fließend Englisch.

Wir bieten
=> Eine verantwortungsvolle und langfristige Tätigkeit im Bereich politischer Kampagnenarbeit mit umfangreicher Entscheidungsbefugnis, großem Gestaltungsspielraum und hohem Entwicklungspotenzial
=> Eine unbefristete Vollzeitstelle (38-40 Std./Woche)
=> Die Möglichkeit, das eigene politische Engagement zum Beruf zu machen
=> Ein spannendes Arbeitsumfeld mit direkter Einbindung in (inter-)nationale Bündnisse aus politischen und sozialen Bewegungen und NGOs
=> Unterstützung durch den Vorstand beispielsweise in den Bereichen Finanzen, Recht, Recherche und Redaktion
=> Die Möglichkeit, auf das gesammelte Know-How unserer Ehrenamtlichen zurückzugreifen und das bestehende Netzwerk des Vereins zu nutzen
=> Ein schönes Büro in Düsseldorf
=> Ein Gehalt zwischen 2.700 und 3.000 Euro brutto pro Monat je nach Berufserfahrung und Qualifikation

Wenn Sie sich mit der Arbeit der CBG identifizieren, Lust darauf haben, neue und laufende politische Kampagnen zu betreuen und unseren Verein nach außen hin zu vertreten, dann freuen wir uns über Ihre aussagekräftige Bewerbung (inkl. Ihres frühestmöglichen Eintrittstermins).

Bitte bewerben Sie sich per E-Mail bei Philipp Mimkes unter: Info(at)CBGnetwork.org

Da wir die Position bald besetzen möchten, freuen wir uns über eine zeitnahe Bewerbung.

Für Fragen steht Ihnen Herr Philipp Mimkes bei der CBG gerne zur Verfügung.

Weitere Informationen zur Arbeit der CBG finden Sie unter: www.CBGnetwork.org

[PCB] Hormonaktive Chemikalien

CBG Redaktion

22. Januar 2016

Vogelsterben durch PCB

Frankreich fordert Regulierung hormonaktiver Chemikalien

Weltweit wurden rund 1,3 Millionen Tonnen Polychlorierte Biphenyle (PCB) produziert. Die giftigen „Alleskönner“ kamen in Elektrogeräten, Dichtungsmassen, Farben und Bodenbelägen zum Einsatz. Die Entsorgung dauert Jahrzehnte und kostet Milliarden. Die Hersteller, vor allem MONSANTO und BAYER, wälzen die Kosten auf die Allgemeinheit ab. Erste Versuche, die Firmen für ihr toxisches Erbe haftbar zu machen, scheiterten.

Aktuelle Studien kommen zu dem Ergebnis, dass PCB auch für den starken Rückgang der Populationen von Zugvögeln verantwortlich sind. Christy Morrissey von der kanadischen Saskatchewan-Universität erforscht, wie hormonell wirksame Stoffe wie PCB auf Vögel einwirken. Jungen Versuchstieren wurden unterschiedliche Dosen PCB verabreicht – alle lagen unter dem festgelegten Grenzwert, waren also angeblich ungefährlich.

Gegenüber dem Deutschlandfunk äußerte Morrissey: „Die Vögel, die wir damit in Kontakt brachten, waren nicht fähig, beim Flug die richtige Richtung anzusteuern. Ihr Orientierungssinn war völlig verwirrt. Vielfach zeigten sie Monate nach der Fütterung mit der Chemikalie weitere Symptome: Räumliche Aufgaben lösten sie weitaus schlechter als andere Vögel, die keinen Chemikalien ausgesetzt waren. Bei ihrer Mauser traten Probleme auf. All dies beeinträchtigt ihre Fähigkeit, erfolgreich den Wanderflug anzutreten.“

Die französische Behörde ANSES, die für die Sicherheit von Lebensmitteln und Umwelt zuständig ist, fordert nun eine Regulierung der Stoffe. ANSES-Experte Gérard Lasfargues: „Wir verfügen nun auch über Studien mit Menschen. Und die bestätigen die Wirkungen der hormonell wirksamen Stoffe, die schon beim Tier sehr deutlich aufgezeigt wurden.“

Schon Ende 2013 hätte die EU-Kommission eine Definition chemischer Stoffe, die störend in das Hormonsystem eingreifen können, erstellen sollen. Der Verzug brachte der EU-Kommission kürzlich eine Rüge des Europäischen Gerichts wegen Verschleppung ein. Dennoch erklärte die EU-Kommission gestern in einer Stellungsnahme, man habe nicht vor, die Vorgehensweise zur Erstellung von Kriterien zu hormonell wirksamen Chemikalien zu beschleunigen.

Dabei hat auch die französische Umweltministerin Ségolène Royal die EU-Kommission aufgefordert, das Regulierungsverfahren schnell voran zu bringen. Royal lässt derzeit von der ANSES 20 Chemikalien untersuchen, die entsprechend verdächtigt werden. Initiativen, die Andreas Kortenkamp sehr begrüßt. Der Professor für Humantoxikologie an der Brunel-Universität in London erstellte 2011 für die EU-Kommission einen Bericht zu hormonell wirksamen Stoffen. „Leider gibt es in Deutschland kein nationales Forschungsprogramm, was mit dem in Frankreich vergleichbar ist. Es gibt wenig Initiativen. Und es ist auch im politischen Raum bisher auf der europäischen Ebene wenig zu erkennen, welche Initiativen die deutsche Regierung hier unternimmt, um die Regulierung von Endokrinen Disruptoren voranzutreiben auf Kommissions-Ebene“, so Kortenkamp gegenüber dem Deutschlandfunk.

Chemikalien wie PCB finden sie sich nahezu überall in der Natur - in der Tiefsee ebenso wie in der Arktis. Traurige Berühmtheit erlangten kanadische Eskimos, die unter einer Giftkonzentration leiden, die der von Opfern großer Chemie-Unglücke vergleichbar ist – in einer Weltgegend, in der die Substanzen nie großtechnisch eingesetzt wurden. PCB besitzen eine hohe Fettlöslichkeit und reichern sich daher in der Nahrungskette an.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Die Hersteller, vor allem die Firmen Monsanto und Bayer, haben die Gefahren von Polychlorierten Biphenylen jahrzehntelang vertuscht. Damit tragen sie Mitverantwortung für Umweltschäden und Tausende von Vergiftungsfällen. Es wird höchste Zeit, dass die Produzenten für die ungeheuren Sanierungs- und Behandlungskosten haften.“

Informationen zur Kampagne der CBG

[VerwG Köln] CO-Pipeline stoppen!

CBG Redaktion

Presse Info vom 19. Januar 2016

CO-Pipeline von Dormagen nach Leverkusen: Kommentar zum heutigen Urteil des Verwaltungsgerichts Köln

Das Verwaltungsgericht Köln hat heute die Klage gegen die Betriebsgenehmigung der Kohlenmonoxid-Pipeline von Dormagen nach Leverkusen abgewiesen. Begründet wurde das Urteil mit rein formalen Umständen: der Wohnort des Klägers, Gottfried Schweitzer aus Leverkusen, läge 4,1 km von der Pipeline entfernt. Schweitzer sei daher im Fall eines Austritts von Kohlenmonoxid nicht persönlich betroffen und somit nicht klageberechtigt.

Hierzu erklärt Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Viele hundert Menschen leben im direkten Gefahrenbereich der Pipeline - dies hat sogar der Gutachter von BAYER bestätigt. Wir sind daher enttäuscht, dass das Gericht die Umstände der Umwidmung der Leitung, die ursprünglich für harmlose Gase wie Stickstoff gebaut wurde, nicht geprüft hat. Wir fordern die Behörden auf, anlässlich des Neubaus der Rhein-Unterquerung endlich ein reguläres Genehmigungsverfahren für die vollständige Leitung durchzuführen!“.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert eine Stilllegung der Leitung: „Die CO-Leitung stellt einen Präzedenzfall dar, denn Gefahrstoffe wie Kohlenmonoxid, Chlor oder Phosgen wurden über Jahrzehnte hinweg nur in gut gesicherten Werken eingesetzt. Giftige Gase müssen – wenn überhaupt - ortsnah produziert und verarbeitet werden. Ein Transport durch dicht besiedelte Gebiete ist nicht zu verantworten und auch nicht notwendig. Die BAYER-Tochter Covestro kann Kohlenmonoxid dezentral in jedem Werk produzieren“, so Mimkes weiter.

ausführliche Informationen auf unserer Kampagnenseite

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[Dhünnaue] Giftmülldeponie Dhünnaue

CBG Redaktion

19. Januar 2016

Giftmülldeponie „Dhünnaue“ in Leverkusen

CBG reicht Einwendung zur Planung der A1 ein

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) hat heute bei der Bezirksregierung Köln eine Einwendung zum Ausbau der Autobahn A1 in Leverkusen eingereicht. Die geplante Trasse führt weit in die Giftmülldeponie Dhünnaue hinein. In der Altlast befinden sich hunderttausende Tonnen Giftmüll aus dem BAYER-Werk Leverkusen, darunter hochgefährliche Schwermetalle und Chlorverbindungen.

Die Kritik der CBG richtet sich vor allem gegen mögliche Risiken durch die Überbauung der Deponie. Das verseuchte Erdreich wurde weder abgetragen noch vollständig umschlossen. Nach unten ist die Müllkippe offen, daher müssen stündlich 750 Kubikmeter verseuchtes Wasser abgepumpt und gereinigt werden. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert eine vollständige Sicherung des Geländes auf Kosten des BAYER-Konzerns.

Bei der Erstellung der Einwendung hat die CBG mit dem BUND Leverkusen kooperiert.

=> Die vollständige Einwendung findet sich unter: http://www.cbgnetwork.org/downloads/Einwendung_BAB1_CBG.pdf

=> Weitere Informationen zur Deponie Dhünnaue finden sich auf unserer Kampagnenseite

Dhünnaue

CBG Redaktion

Durch den Neubau der Autobahn 1 in Leverkusen ergeben sich erhebliche Risiken durch die Giftmüll-Deponie Dhünnaue. Die CBG fordert seit Jahrzehnten eine vollständige Sicherung des Geländes auf Kosten von BAYER (alle Infos zur Kampagne).

Autobahn bei Leverkusen

Weitere erhebliche Bedenken an Plänen für die A1

Nach der Kritik eines Sachverständigen führt nun ein Bauingenieur erhebliche Einwände gegen die Pläne für die neue A 1 von Straßen.NRW ins Feld. Das größte Problem sieht er in der Giftmüll-Deponie, die durchkreuzt werden soll.

18. Januar 2016 -- Nach Lutz von Waldowski bringt auch sein Planungspartner Rolf Kraneis Zweifel an der Autobahnplanung vor. Acht Punkte führt der pensionierte Bauingenieur auf, nachdem er die Unterlagen durchforstet hat. Wobei er wichtige Informationen noch vermisst.

Wie seine Kollegen sieht auch Kraneis das größte Problem in der Giftmüll-Deponie, die nach dem von Straßen NRW favorisierten Plan durchkreuzt wird und den Neubau des Spaghettiknotens auf dem Deponie-Gelände erfordert. Einen Gesamtquerschnitt des Müllhaufens gebe es nicht: „Dadurch wird meines Erachtens die Gesamtsituation verschleiert“, so Kraneis in seiner am Wochenende erschienenen Stellungnahme.

Oberflächliche Verankerung
Erhebliche Einwände hat der Schlebuscher Ingenieur außerdem gegen die Idee von Straßen NRW, die neue A 1 in diesem Bereich nur oberflächlich in der Deponie zu verankern. Zwei Meter seien völlig unzureichend.

Unbefriedigend findet er, dass die detaillierten Ergebnisse der Probebohrungen nicht zum Antrag von Straßen NRW gehören. Aus diesen vier Ordnern sei mit Sicherheit einiges über den Baugrund zu schließen. Kraneis selbst konnte die Daten ansehen und interpretieren. Sein Fazit: Die Ergebnisse der Probebohrungen zeigten „sehr eindeutig, dass auf dem Deponat kein vernünftiger Gründungserfolg zu erwarten ist.“ Die von Straßen NRW ins Spiel gebrachte oberflächige Verdichtung des labilen Baugrunds reiche nicht: Selbst mit schwerem Gerät könne man von oben maximal einen Meter tief eine ausreichende Stabilität erreichen. Das wäre die Hälfte dessen, was die Planer vorhaben. Und sicher sei das Einstampfen auch nicht: Kontrollierte Werte erziele man so nicht.

Dazu komme das Eigenleben unter der Oberfläche. Dort gebe es „unkontrollierte chemische oder sonstige Zersetzungsprozesse“. Kraneis geht davon aus, dass Abfälle aus der Entwicklung der Gifte Zyklon B und E 605 der damaligen Farbenfabriken der 30er- und 40er- Jahre darunter sind.

„Dilettanz“
Die Prozesse im Innern des gigantischen Abfallhaufens änderten auch das Volumen des Baugrunds. Eine dauerhafte Tragfestigkeit und Tragfähigkeit des Unterbaus, wie sie die technischen Vorschriften für Erdbauarbeiten fordern, „sind mit dieser Dilettanz nicht zu erzielen“.

Stattdessen müssten die neuen Pfähle für die Autobahn im Bereich der Deponie genauso verankert werden wie in den sechziger Jahren: unter der Deponiesohle. Das wiederum bedeute, rund 500 000 Kubikmeter Deponat abzutragen.

Um das Gelände wieder entsprechend zu modellieren, müsse ungefähr die gleiche Menge Ersatzboden angeliefert werden. Straßen NRW geht von gut 34 000, maximal gut 68 000 Kubikmetern aus und kalkuliert die Kosten entsprechend. Aus Kraneis’ Berechnungen folgt eine Schätzung in erschreckender Dimension: Man müsse mit gut 100 Millionen Euro mehr rechnen.

Heute befasst sich der Leverkusener Stadtrat mit den Planungen. Offenbar aufgeschreckt durch die vielen, durchaus nachvollziehbaren Kritikpunkte wollen CDU, Grüne und Opladen plus die Notbremse ziehen: Für die Brücke wollen sie es bei sechs Spuren belassen – statt der geplanten zehn. Daraus würde nicht nur folgen, dass die Deponie nicht angetastet werden muss. Sondern auch, dass die drohende Mega-Stelze unnötig wäre.

[CO Leitung] CO-Pipeline stoppen!

CBG Redaktion

Presse Information vom 14. Januar 2016

CO-Pipeline zwischen BAYER-Werken Dormagen und Leverkusen:

Verwaltungsgericht Köln verhandelt am 19. Januar

Protestkundgebung: Dienstag, 19. Januar, ab 8.45 Uhr
Ort: Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz (Eingang Burgmauer)
Verhandlung:ab 9.30 Uhr, Saal 160, 1. Stock
Aktenzeichen: 14 K 2363/14

Das Verwaltungsgericht Köln verhandelt am kommenden Dienstag über die Betriebsgenehmigung für die Kohlenmonoxid-Leitung zwischen Dormagen und Leverkusen. Gegner der Leitung rufen zu einer Protestkundgebung am Eingang des Gerichts auf. Gottfried Schweitzer, der die Klage vor zwei Jahren eingereicht hatte, wird für Nachfragen zu Verfügung stehen.

Die Firma BAYER hatte die Pipeline bereits in den 60er Jahren gebaut und jahrzehntelang für den Transport ungefährlicher Gase wie Stickstoff und CO2 genutzt. Im Jahr 2001 wurde die Pipeline ohne Beteiligung der Öffentlichkeit für Kohlenmonoxid umgewidmet. Weder BAYER noch die Behörden erstellten damals ein worst case-Szenario für einen möglichen Bruch der Leitung. Ein Gutachter von BAYER sprach jedoch in einem firmeninternen Schreiben von einem Gefahrenbereich von 350 Metern beidseits der Trasse (siehe unten). In diesem Abstand finden sich die zahlreiche Wohngebiete.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert eine Stilllegung der Leitung. Philipp Mimkes vom Vorstand des Vereins: „Gefahrstoffe wie Kohlenmonoxid dürfen allenfalls am Ort ihrer Verwendung produziert werden Ein Transport durch dicht besiedeltes Gebiet ist nicht zu verantworten, zumal die Leitung für deutlich ungefährlichere Gase konzipiert wurde. Die im Jahr 2001 genehmigte Umwidmung auf Kohlenmonoxid ohne ein öffentliches Genehmigungsverfahren ist verantwortungslos und in Deutschland ohne Beispiel“.

Gottfried Schweitzer und Philipp Mimkes hatten vor zwei Jahren durch Akteneinsicht bei der Bezirksregierung Köln nachweisen können, dass die Leitung schwere Rostschäden aufwies. Kurz darauf leitete BAYER den CO-Transport auf ein anderes Rohr um und kündigte den Neubau der besonders maroden Rhein-Unterquerung an. In den Antragsunterlagen für den neuen Tunnel räumt die Firma ein, dass eine Explosion „nicht 100-prozentig ausgeschlossen werden“ könne, was „als katastrophal einzuschätzen“ sei. Mimkes weiter: „Ein solches Risiko ist für die Bevölkerung untragbar und wegen der Möglichkeit einer dezentralen Kohlenmonoxid-Produktion in den einzelnen Werken auch keinesfalls notwendig“.

Gottfried Schweitzer hatte zunächst beantragt, die Genehmigung für den Betrieb der Pipeline wegen der Rostschäden zurückzuziehen. Am 26. März 2014 lehnte die Bezirksregierung diesen Antrag ab, weswegen Schweitzer am 23. April Klage beim Verwaltungsgericht Köln einreichte. Das Verfahren wurde am 7. Mai 2014 unter dem Aktenzeichen 14 K 2363/14 eröffnet.

Stellungnahme Dipl. Ing. Boguschewski (BAYER)
Im Rahmen der Änderungsmitteilung aus dem Jahr 2000 wurde kein Szenario für den Austritt von CO untersucht. Weder erfolgten detaillierte Ausbreitungs-Rechnungen noch wurden die örtlichen Begebenheiten betrachtet. Einzig ein Gutachter von BAYER, Dipl.-Ing. Boguschewski, widmete sich der Frage eines Austritts von Kohlenmonoxid, wenn auch nur auf neun Zeilen (!). Doch sogar dieser kurze Absatz ist alarmierend. Der Gutachter spricht für den Fall einer Beschädigung der Leitung von einem Gefahrenbereich von bis zu 350 Metern beidseits der Trasse (Datum: 20. Juni 2000). Wörtlich heißt es:

„Aus der Nennweite 150, der Länge von ca. 10,5 km und einem Arbeitsüberdruck von ca. 12 bar ergibt sich in der Fernleitung ein Inhalt von max. ca. 2500 Nm3. Unterstellt man weiterhin ein 15-minütiges Nachströmen bei 3500 Nm3/h ergibt sich für den Fall der Intoxikation bei Freisetzung von Kohlenmonoxid unter ungünstiger atmosphärischer Turbulenzsituation lediglich eine Gefährdung im windabwärts gerichteten Sektor in einem Abstand von maximal 150-350m. Aufgrund des weitestgehend linksrheinischen Verlaufes, der vorherrschenden Windrichtung Nord-West sowie der Verlegung in unbebautem Gebiet, ist die Gefährdung durch Intoxikation bei Freisetzung von Kohlenmonoxid als gering einzuschätzen. CO ist relativ leichter als Luft.“

Im Abstand von 350m finden sich die Wohngebiete von Wiesdorf, Merkenich, Rheinkassel, Langel, Hitdorf und Worringen. Dennoch unterblieb im weiteren Verfahren eine Untersuchung der Risiken für die Anwohnerinnen und Anwohner.
Anmerkung: Der TÜV kam in einem Gutachten vom Juni 2005 zu dem Ergebnis, dass bei einem Vollbruch der Leitung bis zu 590 m auf beiden Seiten eine tödliche CO-Konzentration entstehen kann.

ausführliche Informationen zur CO-Pipeline

Bienensterben

CBG Redaktion

13. Januar 2016

Dramatische Verluste bei Insekten

Anhörung im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit

Die Lage der Insekten in Deutschland ist angespannt: Nicht nur die Zahl der Arten, sondern auch die der Individuen hat in den vergangenen Jahren teils dramatisch abgenommen. Dieses Bild zeichneten am Mittwochmittag alle vier zu einem öffentlichen Fachgespräch des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit geladenen Experten. Eine schnelle Lösung scheint auch nicht in Sicht, denn die Ursachen sind vielfältig, lautete der Tenor der Sachverständigen.

Josef Tumbrinck, Vorsitzender des NABU Nordrhein-Westfalen, verwies auf Daten, die der NABU gemeinsam mit Ehrenamtlichen des Entomologischen Vereins Krefeld in den vergangenen Jahrzehnten zur Artenvielfalt in NRW erhoben hatte. Demnach zeigten die Auswertungen von Malaisefallen den dramatischen Rückgang. Im Wahnbachtal bei Bonn zum Beispiel sei seit 1989 bei Großschmetterlingen ein Artenverlust von 22 Prozent und ein Individuenverlust um 56 Prozent registriert worden. Vor allem seit der Jahrtausendwende habe es einen dramatischen Rückgang gegeben. Als Ursachen kämen verschiedene Faktoren in Betracht, etwa die Fragmentierung und Zerstörung von Lebensräumen. Für den Rückgang in den vergangenen Jahren könnten aber Neonicotinoide, eine Gruppe von Insektiziden, verantwortlich seien, vermutete Tumbrinck. Hier müsse weiter geforscht werden. Aktuell gilt in der Europäischen Union ein Moratorium für Neonicotinoide, das in der Landwirtschaft unter anderem als Beizmittel genutzt wird.

Die Bedeutung von Neonicotinoiden und weiteren Pestiziden für den Artenrückgang betonte auch Teja Tscharntke, Professor für Agrarökologie an der Georg-August-Universität Göttingen. Der Pestizideeinsatz müsse dementsprechend reduziert werden. Hinzu kämen Probleme mit ausgeräumten Kulturlandschaften und Überdüngung. Der Verlust von Biodiversität habe gerade in Hinblick auf Bestäuber erheblichen Einfluss auf Wild- und Nutzpflanzen sowie auf die Nahrungsmittelproduktion. Zudem bedeutete der Insektenverlust auch, dass natürliche Gegenspieler für Schädlinge ausfielen, sagte Tscharntke.
Thomas Schmitt (Senckenberg Deutsches Entomologisches Institut Müncheberg) skizzierte den Insektenverlust systematisch. So betreffe der Rückgang Spezialisten mehr als Generalisten und große Arten mehr als kleine. Neben den auch von den anderen Sachverständigen angeführten Gründen hätten auch genetische Gründe einen „sehr starken Einfluss“, betonte Schmitt. Auch Gewässerinsekten seien betroffen. Hier fielen zum Beispiel Kleinstrukturen weg. Zudem komme auch die toxische Wirkung dessen, was auf den Felder gespritzt werden, in den Gewässern an, sagte Schmitt.

Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Halle ging auf die Folgen des Klimawandels ein. Diese seien in Hinblick auf Artenvielfalt in Deutschland von geringerer Bedeutung, da der eventuelle Verlust durch Zuwanderung anderer Arten ausgeglichen werden könne. In südlicheren Ländern sei aber von erheblichen Verlusten auszugehen. Settele regte zudem an, die Zulassungsverfahren für Pestizide und Co. auch in Hinblick auf Biodiversität auszugestalten.So würden zum Beispiel aktuelle Verfahren nicht den Effekt von nicht-tödlichen Dosen auf die Insekten und die Populationsentwicklung berücksichtigen. Diese Verfahren wären dann zwar wesentlich aufwendiger, aber das sei gerechtfertigt, sagte Settele.

ausführliche Informationen

[Belgien] Steuerflucht

CBG Redaktion

Presse Info vom 12. Januar 2016

„Steuerflucht von BAYER endlich beenden!“

EU erklärt belgisches Steuerspar-Modell für illegal / BAYER AG verlagert Milliardenbeträge nach Benelux

Die EU-Kommission hat gestern ein belgisches Steuerspar-Modell für illegal erklärt; 35 transnationale Firmen sollen insgesamt 700 Millionen Euro nachzahlen. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) fordert den BAYER-Konzern zu diesem Anlass auf, die Verlagerung von Firmenteilen in Steueroasen zu unterbinden. Philipp Mimkes vom Vorstand der CBG: „Die Steuertricks internationaler Konzerne kosten die Finanzämter jährlich viele Milliarden Euro. Die Finanzierung der Staatshaushalte wird dadurch immer mehr der lohnabhängigen Bevölkerung aufgebürdet. Es ist nicht hinzunehmen, dass BAYER und Co. immer weniger zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen!“.

Das im Jahr 2005 eingerichtete Steuersparmodell mit dem griffigen Namen „Only in Belgium“ wandte sich speziell an multinationale Konzerne. Die Firmen konnten dadurch die Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer um 50 bis 90 Prozent senken. Das belgische Finanzministerium hatte die Steuerpraxis im Januar 2015 gestoppt, als die EU-Kommission mit den ersten Ermittlungen begann.

Zwar wurden die Namen der begünstigten Firmen gestern nicht genannt. Der Leverkusener Pharma- und Agro-Konzern gehört jedoch zu den großen Nutznießern der bisherigen Regelungen. Bereits 2011 hatte BAYER die Mittel seiner in Antwerpen ansässigen Tochter-Gesellschaft auf acht Milliarden Euro verdoppelt. Hintergrund hierfür ist, dass Belgien Zinszahlungen auf das Eigenkapital gewährt, wodurch fiktive Zinsen steuerlich geltend gemacht werden können. BAYER konnte dadurch den in Belgien erzielten Gewinn von 254,8 Millionen Euro fast komplett mit nach Hause nehmen: lediglich Steuern in Höhe von 10,8 Millionen Euro fielen an, was einer Steuerquote von 4,3 Prozent entspricht. Auf Anfrage äußerte der Konzern lapidar: „BAYER nutzt wie einige andere Unternehmen das günstige makrowirtschaftliche Klima in Belgien, das durch den Abzug für Risikokapital geschaffen wurde.“

Um in den Genuss der Sonder-Konditionen zu kommen, konzentrierte der Konzern auch das firmeninterne Bank-Wesen in Belgien. Auf Nachfrage der Coordination gegen BAYER-Gefahren nannte der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers in der letztjährigen Hauptversammlung den immensen Umfang der Transaktionen: 2014 gewährte allein BAYER Antwerpen anderen Konzern-Töchtern Kredite in Höhe von 13,4 Milliarden Euro. Die hierauf berechneten Zinsen mindern in Ländern wie Deutschland oder den USA die Steuern, werden in Belgien jedoch nur minimal versteuert.

Zusätzlich gründete der Konzern in Benelux Briefkasten-Firmen wie Bayer World Investments, Bayer Capital Corporation oder Bayer Global Investments, die Anteile an rund einem Fünftel aller 350 Tochtergesellschaften halten und damit die Voraussetzung für die BAYER-internen Verrechnungen schaffen. Allein aus den USA verlagerte der Konzern Firmenanteile im Wert von mehr als einer Milliarde Euro nach Benelux.

Um Druck gegen das Steuerdumping aufbauen zu können, fordert die Coordination gegen BAYER-Gefahren die EU-weite Einführung einer länderspezifischen Berichterstattung („country by country reporting“), ein EU-weit einheitliches System zur Körperschaftssteuer-Bemessung sowie ein öffentlich einsehbares Steuer-Register.

Zudem muss der „Fremdvergleichsgrundsatz“ auf den Verhandlungstisch kommen: dieser generiert ein riesiges Potenzial an steuerlich absetzbaren Posten, indem er Transaktionen innerhalb großer Unternehmensverbünde mit Geschäften zwischen rechtlich eigenständigen Firmen gleichstellt. Nur hierdurch ist es möglich, dass sich Konzerne steuersparend in Gläubiger und Schuldner, Käufer und Verkäufer, Lizenznehmer und Lizenzgeber aufspalten können. Diese Beschäftigung mit sich selbst erfreut sich zunehmender Beliebtheit: nach Auskunft der Deutschen Bundesbank hatten bereits 1999 firmen-interne Kredite einen Anteil von 25 Prozent an allen bundesdeutschen Direktinvestitionen im Ausland.

Forderungen der CBG hier unterstützen

weitere Informationen zur Steuer-Modellen von BAYER:
=> Steuerflucht nach Belgien
=> Artikel „Im Steuer-Paradies“
=> Steuerflucht am Konzern-Sitz Leverkusen

Duogynon

CBG Redaktion

Presseinfo im Fall Duogynon
9. Januar 2016

Ein zweiter Fall Contergan?

Evtl. tausende Missbildungen durch Duogynon in den 60er und 70er Jahren? Medien und Wissenschaftler haben Einsicht in die Akten im Landesarchiv in Berlin!

Neue Dokumente, bestehend aus mehr als 7.000 Seiten, aus dem Landesarchiv in Berlin werfen ein dunkles Licht auf Schering bzw. Bayer. Der Konzern schien mehr gewusst zu haben und hat nicht gehandelt. Bis heute versucht Bayer die Ausmaße der damaligen Schering zu vertuschen. Die vertraulichen Dokumente des Pharmakonzerns sind der Öffentlichkeit noch nicht zugänglich, aber Medien und Wissenschaftler können die Dokumente im Landesarchiv in Berlin einsehen. In England findet seit Herbst 2015 eine öffentliche Untersuchung statt! Bayer kann hier noch verklagt werden!

Es ist eine britische Kinderärztin, die 1967 erstmals über einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Medikament Duogynon des Arzneimittelherstellers Schering und Fehlbildungen bei Ungeborenen schreibt. Kinder kamen mit offenen Rücken, Herzfehlern, fehlenden Gliedmaßen, deformierten Därmen oder Genitalien zur Welt. Der Verdacht, den viele Mütter der geschädigten Kinder bis heute haben: Duogynon könnte Schuld sein an ihrem Leid.

Vertrauliche Dokumente zeigen nun, dass Schering Chemicals Limited, das britische Tochterunternehmen des Berliner Pharmakonzerns Schering, damals einen externen Statistiker beauftragte, die Ergebnisse der Wissenschaftlerin zu überprüfen.

Er befand ihren Bericht für „an sich korrekt“ und riet zu weiteren Untersuchungen. Doch die Forschungsabteilung lehnte ab: „Es bestünde die Gefahr, dass eine derart ausgedehnte Studie erst recht die Aufmerksamkeit auf den Verdacht lenken und so zu unerwünschtem Aufsehen führen würde.“
André Sommer ist einer der Betroffenen, er wird 1976 mit einer Blasenekstrophie geboren, seine Harnblase ist außen am Bauch angewachsen. Heute ist er 39 Jahre alt und will wissen, was diese Fehlbildungen verursacht haben könnte. Schätzungsweise gab es europaweit Tausende Betroffene.
Die TAZ zeichnet am Wochenende anhand der Unterlagen das Psychogramm einer der einst mächtigsten Firmen der Bundesrepublik, der spätestens seit Mitte der sechziger Jahre Zweifel an ihrem Produkt bekannt waren. Die sich aber dennoch weigerte, Konsequenzen zu ziehen – vielleicht auch, weil sie gewiss sein konnte, gesetzeskonform zu handeln. Marie Lyon und Andre Sommer waren Detektive in eigener Sache im Landesarchiv in Berlin.

Duogynon war in den Sechzigern eine Innovation. Der Pharmakonzern Schering stellte es als Injektion und Dragee her. Es wurde bei Menstruationsstörungen und als hormoneller Schwangerschaftstest empfohlen – wenn die Regel nach der Einnahme des Mittels nicht einsetzte, galt die Patientin als schwanger. Zweimal klagte André Sommer als Betroffener gegen die heutige Bayer AG auf Akteneinsicht. Zweimal hat er wegen Verjährung verloren. Auch Marie Lyon ist auf der Suche nach Erklärungen. Die heute 69-Jährige brachte 1970 ihre Tochter Sarah zur Welt, deren linker Unterarm fehlt, die Finger wachsen aus dem Ellenbogen. Auch sie hatte während der Schwangerschaft Duogynon genommen.

Im Frühsommer 2015 erhalten Sommer und Lyon wegen persönlicher Betroffenheit schließlich eine Sondererlaubnis, die mehr als 7.000 Seiten mit vertraulicher Korrespondenz des Pharmakonzerns im Landesarchiv Berlin einzusehen.
„Duogynon“, sagt André Sommer, „das ist vielleicht ein zweites Contergan.“ 15 Operationen hat er heute hinter sich, allein wegen des künstlichen Harnausgangs am Bauch. Sommer will Antworten. Wann hatte Schering erstmals Hinweise darauf, dass das Medikament embryonale Fehlbildungen verursachen könnte? Und falls es sie gab: Warum nahm der Konzern das Medikament nicht früher vom Markt? Warum verbot er nicht den Einsatz als Schwangerschaftstest?

Bis heute antwortet der Hersteller nicht auf diese Fragen. Es gibt auch keine Rechtsgrundlage, die Antworten zu erzwingen. Denn, das scheint unbestritten: Das Unternehmen hat nicht gegen geltendes Recht verstoßen.
Deutschland hinkte hinterher.

Doch die vertraulichen Dokumente zeigen, dass es auch intern Beunruhigung über die Wirkung von Duogynon gab. Zwei britische Schering-Mitarbeiter forderten in einem Schreiben schon 1968 weitere Untersuchungen. Ohne Erfolg. 1975, schrieb einer der beiden erneut an die Muttergesellschaft in Berlin: In den „letzten fünf Jahren hat die Arzneimittelüberwachung an Schwangeren ergeben, daß bei denen, die einen hormonalen Test gehabt hätten, ein relatives Risiko von 5:1 bestehe, ein missgebildetes Kind zu bekommen“.

Und auch als die Pillen 1978 in Großbritannien wegen Fehlbildungsgefahr schließlich vom Markt genommen werden, änderte sich in Deutschland wenig. Schering nahm für Duogynon nur die Empfehlung als Schwangerschaftstest zurück und benannte das Präparat um. Erst 1981 wurde es aus dem Handel genommen – mit der Begründung, die Behandlung mit dem Medikament sei überholt.

Infos zur Kampagne

Agrarsubventionen

CBG Redaktion

8. Januar 2016

Leverkusen: BAYER erhält die meisten EU-Agrarsubventionen

Ausgerechnet der Milliardenkonzern BAYER, gegenwärtig das teuerste Unternehmen im Aktienindex Dax, erhält die höchsten Agrarsubventionen in Leverkusen.

Nach einer Recherche des „Leverkusener Anzeigers“ gehen von den rund 600.000 Euro, die von der EU im Jahr 2014 im Bereich der Stadt vergeben wurden, allein 127.000 Euro an die Immobiliensparte Bayer Real Estate. Weitere 50.000 gingen an Bayer CropScience.

Als Quelle für die Zahlen dient eine Internetseite der in Bonn ansässigen Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, in der jede Firma, jeder Verein und jeder Landwirt mit Vor- und Nachname aufgeführt wird und die Höhe der Überweisungen auf den Cent genau mitgeteilt werden: www.agrar-fischerei-zahlungen.de Die Zahlen für 2015 werden erst demnächst veröffentlicht.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren kritisiert die Zahlungen. BAYER ist weltweit der zweitgrößte Hersteller von Pestiziden und einer der zentralen Anbieter von gentechnischem Saatgut. Die von BAYER propagierte Landwirtschaft, die auf dem intensiven Einsatz von Agrochemikalien und Dünger basiert, schädigt Böden und Biodiversität irreversibel und gefährdet dadurch die Ernährungssicherheit. Der Konzern exportiert sogar Pestizide, die in Europa verboten sind.

Ursprünglich wurden die EU-Subventionen eingeführt, damit Bauern auch unter schlechten Marktbedingungen überleben sollten. Das ist seit zehn Jahren vorbei, das Geld fließt unabhängig von Produkten. Egal, ob dabei Nahrungsmittel produziert werden, oder nicht. Heute erhält jeder eine Überweisung, der unter Einhaltung bestimmter Regeln einfach nur Land bearbeitet und einen Antrag gestellt hat. Einmal mähen reicht.

Insgesamt gibt es in der Stadt Leverkusen etwa 50 Empfänger. Grob lässt sich aus der Zahlung die Größe des Landes abschätzen: 300 Euro gibt es für jeden Hektar (10 000 Quadratmeter). Land, das nicht unbedingt in Leverkusen liegen muss, denn laut dem Sprecher der Landwirtschaftskammer NRW muss das Land nicht unbedingt in der Nähe liegen, es gebe zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen Landwirte, die Geld für Felder in Holland bekämen. Aber das sei eine komplizierte Rechnung.

Ob das auch für Bayer zutrifft? Ganz genau konnte ein Bayer-Sprecher nicht aufklären, für welche Äcker die EU-Mittel geflossen sind und welche landwirtschaftlichen Arbeiten dort verrichtet werden. Der Laacher Hof spiele eine Rolle und auch Bayer Real Estate habe Versuchsfelder, auf denen es um Pflanzenschutz gehe.

[Süllhöfer] STICHWORT BAYER 01/2016

CBG Redaktion

Von BAYER ruinierter Erfinder gestorben

Die biologische Lösung

Im März 2015 ist Heinz Süllhöfer verstorben. Fast 50 Jahre seines Lebens kämpfte er gegen den Leverkusener Multi an, der sich widerrechtlich eine Erfindung von ihm angeeignet hatte. Doch BAYER brachte ihn nicht nur um die Früchte seiner Arbeit, sondern in den nachfolgenden Rechtsstreitigkeiten auch um sein ganzes Hab und Gut.

Im vergangenen März starb der Düsseldorfer Erfinder Heinz Süllhöfer. In seinem Leben gab es eine Zeit vor BAYER und eine Zeit nach BAYER. Nichts prägte ihn so, wie die Erfahrung, die er mit dem Konzern machen musste. „Ich schlafe seit 40 Jahren mit der Geschichte ein und wache am nächsten Morgen wieder damit auf“, sagte Heinz Süllhöfer 2008 in einem dpa-Interview.

Die Geschichte, das ist die Geschichte davon, wie ein Welt-Konzern einen jungen, aufstrebenden Erfinder um die Früchte seiner Arbeit und im nachfolgenden Rechtsstreit auch um sein ganzes Vermögen brachte. Sie begann 1965. In diesem Jahr meldete Süllhöfer eine Maschine zur Herstellung von Kunststoff-Platten zum Patent an. Anschließend nahm er Kontakt zum Leverkusener Multi auf und offerierte ihm die Neuheit. BAYERs Tochter-Firma HENNECKE vertrieb zu der Zeit zwar eine ähnliche Apparatur, aber sie konnte mit der von Süllhöfer nicht mithalten. Dementsprechend prüfte der Konzern die Offerte mit großem Interesse, um sie dann überraschenderweise aber doch abzulehnen. Wenig später sollte sich der Grund dafür herausstellen: Der Global Player hatte die Kreation des Diplom-Ingenieurs in der Zwischenzeit nachgebaut, reklamierte die Erfindung für sich und focht das Patent des Düsseldorfers an.

Und so nahm eine der längsten juristischen Auseinandersetzungen in der bundesdeutschen Rechtsgeschichte ihren Anfang. Der Leverkusener Multi arbeitete dabei mit allen Tricks, denn der eigentliche Rechtsweg erschien ihm nach Lage der Dinge nur wenig erfolgversprechend. „Gegen sein Patent können wir nichts unternehmen, denn wir stehen praktisch da mit patentrechtlich leeren Händen“, hieß es in einem geheimen Strategie-Papier. Der Konzern musste befürchten, dass „es bei der derzeitigen Rechtssprechung (...) durchaus möglich schien, dass Süllhöfer obsiegt, was genau das Gegenteil von dem bewirkt hätte, was wir beabsichtigen, nämlich Süllhöfer zum Schweigen zu bringen“ (siehe hier den internen Brief von BAYER).

Deshalb täuschte das Unternehmen bereits im ersten Verfahren. Es machte Süllhöfer mit Hilfe von fingierten Konstruktionszeichnungen sein geistiges Eigentum an der Kunststoffplatten-Maschine streitig und reklamierte auf diese Weise ein Vornutzungsrecht. Das Gericht stand dem Konzern dieses zu, und schon bald warf die Apparatur für die Aktiengesellschaft Millionen-Gewinne ab. Aber Süllhöfer ging gegen das Urteil vor und hatte Erfolg. Es kam zu einem Vergleich, nach dem der Konstrukteur die Nutzungsrechte für die Maschine offiziell an BAYER abtreten und im Gegenzug Lizenz-Zahlungen erhalten sollte.

Damit hätte die Geschichte eigentlich beendet sein können, aber da war der Leverkusener Multi vor. Er vergab Unterlizenzen an andere Firmen und brachte Süllhöfer auf diese Weise um sein Geld. Dem Erfinder blieb nichts anderes übrig, als erneut vor Gericht zu ziehen, um doch noch zu seinem Recht zu kommen. Immer neue Verfahren strengte Süllhöfer über die kommenden Jahrzehnte an, das letzte fand im Januar 2008 vor dem Düsseldorfer Landgericht statt. Er steckte sein ganzes Vermögen in den Rechtsstreit und verkaufte unter anderem sein 100-Betten-Hotel. Trotzdem reichte das alles nicht, um die immensen Gerichtskosten, die sich an dem Streitwert von 500 Millionen Euro bemaßen, zu decken. Auch deshalb blieb der Patentraub letztlich ungesühnt.

Den Hauptanteil daran hatte aber das perfide Vorgehen BAYERs. Da der Konzern das Vornutzungsrecht für „seine“ Kunststoffplatten-Apparatur nur mittels gefälschter Konstruktionszeichnungen erlangt hatte, besaß er gar keine Maschine, die dem Süllhöfer-Original entsprach. Deshalb machte das Unternehmen schnell eine passend. BAYERs Justiziar Joachim Strauss hegte allerdings so einige Zweifel, ob sich das als gerichtsfest erweisen würde. „Die informatorische Anhörung der ggf. als Zeugen zu benennenden HENNECKE-Mitarbeiter erweckt bei mir Zweifel, ob der Umbau der 63er DTG-Anlage wirklich entspr. der für mich nicht eindeutig zuordenbaren Werkstattzeichnungen erfolgt ist“, schreibt er in einem Memo mit „vertraulich“-Vermerk und schließt: „Die weitere Befragung/Vorbereitung unserer Zeugen auf Basis der Werkstatt-Zeichnungen halte ich für äußerst riskant“.

Aber der Jurist fand immer einen Weg für die Patent-Räuber. So ließ er beispielsweise seine Beziehungen spielen. Nach einem für Süllhöfer günstigen Urteil des Oberlandesgerichts – die Kammer hatte einen zwischen BAYER und dem Erfinder geschlossenen Vertrag wegen des Verstoßes gegen die Kartell-Bestimmungen des Artikel 85 des EWG-Vertrages für ungültig erklärt – aktivierte Joachim Strauss seine Kontakte bei der Europäischen Union, um den RichterInnen-Spruch über den Europäischen Gerichtshof zu Fall zu bringen. Zu diesem Zweck lud er in Brüssel einen Bekannten zum Essen ein, der wiederum den beim EuGH mit der Sache „Süllhöfer vs. BAYER“ betrauten Generalanwalt Johannes zu seinen Bekannten zählte. Während des Mahls überzeugte der Konzern-Justiziar seinen Intimus, dass „der Fall auch akademisch so interessant ist, dass man ihn durchaus mit einem Juristenfreund auf einer ‚Wanderung’ diskutieren kann“. Und so vertrat sich Strauss’ Spezi mit Johannes die Beine und akademisierte ein wenig. Ergebnis des Spaziergangs: Am Ende verwarf der EuGH die Sichtweise des Oberlandesgerichtes, und dem Bundesgerichtshof blieb im Folgenden kaum etwas anderes übrig, als sich diesem Votum anzuschließen. Damit nicht genug, profitierte BAYERs Advokat noch ein zweites Mal von seinem großen Freundeskreis. Zu diesem gehörte nämlich ebenso der gleichfalls mit dem Patentklau befasste Richter Gisbert Steinacker, der sich dann auch einem kleinen Freundschaftsdienst nicht verschließen mochte.

Solche Strippenziehereien und andere winkeladvokatische Züge erfüllten den Juristen mit Stolz. „Herr Strauss hat sich gegenüber seinen Kollegen in der Rechtsabteilung der BAYER AG damit gerühmt, wie überragend er in diesem Patentstreit agiert habe (...) Dies könnte ihm die Firma BAYER nie wieder gutmachen“, das berichtete ein BAYER-Beschäftigter Süllhöfers Anwalt kurz nach einer der vielen Urteilsverkündungen im Sinne des Kunststoff-Konzerns. Der Düsseldorfer Erfinder hat viele solcher Nachrichten aus dem Inneren des Unternehmens erhalten. Und dabei handelte es sich beileibe nicht nur um atmosphärische Schilderungen, sondern auch um handfestere Dinge. Immer wieder fand Heinz Süllhöfer in seinem Briefkasten anonyme Sendungen mit Dokumenten, die den Prozess-Betrug belegten und ihm so halfen, die juristische Auseinandersetzung fortzusetzen. Die Belegschaftsangehörigen der Rechtsabteilung bekamen nämlich ganz genau mit, was gespielt wurde, und empfanden das als Schurkerei. In den Begleitschreiben sprachen sie das deutlich aus. „Hoffentlich bekommen Sie endlich ihr Recht“, war da etwa zu lesen oder: „Ich habe gelesen, dass Sie wieder gegen BAYER prozessieren. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg, denn ich bin sicher, dass man Ihnen Unrecht getan hat.“

Auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN wusste Heinz Süllhöfer hinter sich. Jahrzehntelang stand sie ihm zur Seite. Die CBG machte im Vorfeld der Verfahren Pressearbeit, stellte den Kontakt zu JournalistInnen her und veröffentlichte die dem Erfinder zugespielten Unterlagen. Für „Stichwort BAYER“-Artikel besuchten Redakteure den Ingenieur öfters in Düsseldorf-Unterrath und wühlten sich gemeinsam mit ihm durch die Berge von Prozess-Unterlagen, die fast ein ganzes Zimmer in Beschlag nahmen. 2009 brachte der Erfinder mit Hilfe der Coordination sogar einen Gegenantrag auf der BAYER-Hauptversammlung ein. „Es ist (...) an der Zeit, dass der Vorstand Süllhöfer ein Vergleichsangebot unterbreitet. Solange dies nicht geschieht, soll dem Vorstand die Entlastung verweigert werden“, hieß es darin unter anderem. Der Chemie-Multi rührte sich jedoch nicht: „Der Vorstand hält den Gegenantrag für unbegründet und hält deshalb an seinem Beschluss-Vorschlag fest“, hielt die Manager-Riege fest.

Das letzte Zusammentreffen fand 2013 statt. Wieder hatte ein Anonymus dem Erfinder brisantes Material zugespielt, wieder wollte er damit vor Gericht ziehen. Aber das scheiterte; zum Verfahren Nr. 90 in der Sache kam es nicht mehr. Schlussendlich erreichte der Leverkusener Multi so mit der Strategie, auf eine „biologische Lösung“ der Prozesse zu setzen, sein Ziel. Gesundheitlich war Süllhöfer schon lange angeschlagen; der aufreibende Kampf um sein Recht hatte Spuren hinterlassen. „Ich hatte zwei Herzinfarkte, vier Operationen, unfassbaren Stress“, klagte er bereits 2008. Und im Jahr 2015 machte sein Körper endgültig nicht mehr mit. Just in dem Jahr, in dem der Leverkusener Multi die Trennung von seinem Kunststoff-Geschäft auf den Weg brachte, verschied er. Die Öffentlichkeit nahm vom Tod des Mannes, der als Erfinder 1984 die vom Deutschen Institut für Erfindungswesen verliehene Rudolf-Diesel-Medaille erhielt und in Düsseldorf einst zu den Honoratioren zählte, kaum Notiz. von Jan Pehrke

[Krebsmedikamente] STICHWORT BAYER 01/2016

CBG Redaktion

Große Einnahmen, kleiner Nutzen

Krebs-Industrie à la BAYER

BAYER ist ein wesentlicher Bestandteil der von Karl Lauterbach in seinem Buch kritisierten „Krebs-Industrie“. Der Leverkusener Multi nimmt Milliarden mit kaum hilfreichen Präparaten ein.

„Wir haben dieses Produkt nicht für den indischen Markt entwickelt, um ehrlich zu sein. Wir haben es für westliche Patienten entwickelt, die es sich leisten können“, mit dieser Äußerung über das Krebs-Medikament NEXAVAR sorgte BAYER-Chef Marijn Dekkers 2013 für einen handfesten Skandal. Die Aussage warf nämlich ein Schlaglicht auf die horrenden Preise der Onkologie-Präparate und die Ausschluss-Mechanismen, die das produziert.

Dekkers kam der Satz im Zuge einer Auseinandersetzung mit staatlichen Stellen Indiens über die Lippen. Diese hatten sich nämlich zwei Jahre zuvor erdreistet, auch den PatientInnen ihres Landes Zugang zu der Arznei zu verschaffen, für die der Leverkusener Multi damals 4.200 Euro pro Monat verlangte. Dazu erkannte das „Indian Patent Office“ dem Konzern das Patent an dem Mittel ab und erteilte dem Unternehmen NATCO PHARMA eine Zwangslizenz zur Herstellung eines Nachahmer-Produktes, sich dabei auf einen Ausnahme-Paragraphen des internationalen Patentabkommens TRIPS berufend. Der Leverkusener Multi zog sofort vor Gericht und ging durch alle Instanzen, musste sich schlussendlich aber geschlagen geben. Und auf diese Niederlage reagierte der Vorstandsvorsitzende dann mit seiner menschenverachtenden Einlassung.

Andere Staaten stellten sich der Preis-Politik des Global Players nicht entgegen, und so sprießen die NEXAVAR-Einnahmen. Allein in den ersten drei Quartalen 2015 machte das Unternehmen mit dem Präparat einen Umsatz von 661 Millionen Euro – 90 Millionen mehr als im Vorjahreszeitraum. Damit belegt es in der Liste mit BAYERs Pharma-Topsellern den fünften Rang. Und in der Aufstellung finden sich mit STIVARGA (236 Millionen Euro, Rang 12) und XOFIGO (188 Millionen Euro, Rang 13) noch weitere Krebs-Arzneien, die kräftig zulegten. Nicht von ungefähr hat der Leverkusener Multi dieses Geschäftsfeld deshalb zu einem Schwerpunkt seiner pharmazeutischen Produktion erkoren. Und nicht nur er: Wegen der glänzenden Profit-Aussichten drängen alle großen Hersteller auf den Onkologie-Markt.

Die Gesundheitssysteme stellt das vor eine immense Belastungsprobe. NEXAVAR & Co. haben zwar nur einen Anteil von etwa zwei Prozent an allen Verschreibungen, fressen aber rund ein Viertel des Pillen-Budgets der Krankenkassen. Wenn die Mittel dafür nun der Menschheitsplage Einhalt gebieten würden, hätte Big Pharma es leicht mit den KritikerInnen, aber das tun die Produkte nicht. „Die Krebs-Medikamente, die in der Zeit von 2002 bis 2014 zugelassen worden sind, haben trotz hoher Kosten die durchschnittliche Überlebenszeit der Patienten nur um 2,1 Monate verlängert und das Tumor-Wachstum im Durchschnitt nur um 2,5 Monate verzögert“, konstatiert Karl Lauterbach in „Die Krebs-Industrie“.

Die BAYER-Präparate machen da keine Ausnahme. NEVAVAR mit seinem Wirkstoff Sorafenib, das pro Packung mit 112 Tabletten rund 4.900 Euro kostet, verlängerte in der Klinischen Prüfung das Leben von Nierenkrebs-PatientInnen um 3,4 Monate; 2,8 Monate waren es für Leberzellkrebs-PatientInnen. Und selbst diese wenig erhebenden Zahlen sind noch mit Vorsicht zu genießen. Der Leverkusener Multi sortierte bei der Klinischen Studie nämlich PatientInnen mit fortgeschrittenen Krankheitssymptomen aus und nahm nur solche mit günstigeren Prognosen auf. Zudem brach er die Untersuchung vorzeitig ab. Sorafenib schlug dermaßen gut an, dass die WissenschaftlerInnen die Substanz der Placebo-Gruppe nicht länger vorenthalten wollten – so lautete die offizielle Begründung. Die „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“ sieht bei dieser in der ganzen Branche üblichen Praxis allerdings weniger die Barmherzigkeit am Werk als vielmehr die Absicht, sich einer profunden Sicherheitsanalyse der Medikamente und einer Bewertung ihres Kosten/Nutzen-Profils zu entziehen.
XOFIGO, das vermittels radioaktiver Alpha-Strahlen das Wachstum von Prostatatumor-Zellen hemmen soll, verhalf Männern, bei denen eine Hormon-Behandlung erfolglos geblieben ist und sich zudem noch Metastasen im Knochen gebildet haben, zu einem noch nicht einmal drei Monate längeren Leben. Und die Bilanz von STIVARGA (Wirkstoff: Regorafenib) fällt sogar noch schlechter aus. Die Substanz steigerte die Gesamtüberlebenszeit der ProbandInnen im Vergleich zu derjenigen von VersuchsteilnehmerInnen aus der Placebo-Gruppe gerade einmal um 1,4 Monate und schenkte ihnen bloß eine um 0,2 Monate längere Zeit ohne weiteres Tumor-Wachstum. Darum ist für die Arzneimittel-Kommission „der therapeutische Stellenwert von Regorafenib (...) derzeit nicht überzeugend belegt“.

Diese dürftige Leistungsbilanz hängt mit der Wirkungsweise der Substanz zusammen. Sie gehört wie NEXAVARs Sorafenib zur Gruppe der Multikinase-Inhibitoren und greift in den Stoffwechsel der Krebszelle ein, um deren Wachstum zu hemmen. Was sich erst einmal gut anhört und in Zeitungsschlagzeilen wie „Euphorie bei Krebsforschern: Abschalten von Enzym vernichtet Tumore“ noch besser, erweist sich in der medizinischen Praxis als verzwickter. Gerade bei fortgeschrittenen Tumor-Arten sehen sich die ÄrztInnen nämlich mit bis zu 150 verschiedenen mutierten Genen konfrontiert, und vor dieser schieren Masse müssen STIVARGA, NEXAVAR & Co. kapitulieren. Darüber hinaus verlieren die Inhaltsstoffe auch gegenüber denjenigen karzinogenen Zellen ihre Durchschlagskraft, in deren Organismus sie eigentlich einzugreifen vermögen, weil sich diese Gene als lernfähig erweisen und Resistenzen ausbilden.

Das alles hindert BAYER nicht daran, den Pharmazeutika immer neue Indikationsgebiete erschließen zu wollen. Selbst Misserfolge halten den Konzern nicht davon ab. So scheiterte NEXAVAR bereits als Therapeutikum bei Haut-, Brust-, Bauchspeicheldrüsen- und einer bestimmten Art von Leberkrebs. STIVARGA hingegen konnte sein Anwendungsspektrum in letzter Zeit bedeutend erweitern und ist jetzt nicht nur für die Behandlung von PatientInnen mit fortgeschrittenem Darmkrebs zugelassen, sondern darf auch bei Magenkrebs und anderen Verdauungstrakt-Tumoren zum Einsatz kommen. Darüber hinaus erprobt der Leverkusener Multi noch zahlreiche andere Onkologie-Präparate.

20 neue Arzneien gegen Krebs stehen nach Angaben des von BAYER mitgegründeten „Verbandes der Forschenden Arzneimittel-Hersteller“ kurz vor der Zulassung. Damit dürften sich die finanziellen Belastungen für die Krankenkassen noch einmal massiv erhöhen. Darum warnt nicht nur Karl Lauterbach vor einer Kosten-Lawine. In den USA protestieren schon PatientInnen-Verbände und ÄrztInnen gegen die Profit-Sucht von Big Pharma. 118 Krebs-ExpertInnen haben sich unlängst zusammengeschlossen und einen Maßnahmen-Katalog zur Reduzierung der Preise vorgelegt. „Es ist Zeit für die PatientInnen und ihre Ärzte, Veränderungen einzufordern“, so Dr. Ayalew Tefferi von der Mayo Clinic. Von Jan Pehrke

Lauterbach kritisiert BAYER & Co.

Die Krebs-Industrie

Mit seinem Buch „Die Krebsindustrie“ hat der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach einen interessanten und diskussionswürdigen Beitrag über die Risiken und Nebenwirkungen einer Krebs-Medizin geschrieben, die unter dem Einfluss von BAYER & Co. steht.

Zu Beginn seines Buch stellt Karl Lauterbach einige Fakten zu Grundprinzipien der Krebs-Entstehung und zur medikamentösen Krebs-Behandlung dar. Zusätzlich erklärt er sehr genau, wie die Pharma-Industrie besonders in diesem Bereich zu einer unglaublichen Kosten-Explosion im Gesundheitswesen beiträgt. In Kapitel 3 („Die Krebs-Industrie wächst“) werden fünf Vorwürfe gegenüber BAYER & Co. formuliert, die das Missverhältnis von hohen Medikamenten-Kosten bei oft geringem Nutzen und die Auswirkungen dieser Kostenlawine auf das gesamte Gesundheitssystem anprangern. Dann folgen die Vorstellungen des Gesundheitspolitikers, wie die Politik in diesem Bereich gegensteuern kann. Den Abschluss bildet dann eine Zusammenstellung von Risiko-Faktoren und Präventionsmöglichkeiten bei vier häufigen Krebserkrankungen (Lungen-, Darm-, Brust- und Prostata-Krebs). Prof. Lauterbach belegt seine Argumentation mit einer erfreulichen Fülle von Literatur-Zitaten und Verweisen. Die Ausstattung des Buches mit Abbildungen oder Diagrammen wirkt hingegen eher spartanisch.
Es ist ein Verdienst von Karl Lauterbach, das Augenmerk auf unsere älter werdende Gesellschaft mit der Konsequenz zunehmender Krebs-Fälle gelenkt zu haben. Auch legt er interessant dar, mit welchen Methoden es der Pharma-Industrie gelingt, in unserem Gesundheitssystem konsequent die Probleme von Krebskranken für ihre Gewinne auszunutzen („freie Marktwirtschaft“), auch wenn dabei jede soziale Dimension verlorengeht. Kompetente Fachleute weiß er zu diesem Sachverhalt als Beleg zu zitieren.
So gut die Bestandsaufnahme der Probleme durch den Mediziner gelungen ist, so schwer tut sich die Politik damit, Abhilfe zu schaffen. Das 2011 in Kraft getretene Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) führte zwar bei neuen Arzneien zu einer gewissen Begrenzung der Pharma-Profite durch die Kosten/Nutzen-Bewertung, aber leider hatten CDU und FDP der Pharma-Industrie dabei eine Karenz-Zeit von einem Jahr eingeräumt, in der BAYER & Co. die Medikamenten-Preise selbst festlegen können! So geschah es dann, dass die Kosten für die Behandlung von Hepatitis C in den Bereich derjenigen von Krebs-Therapien vorstießen mit der absehbaren Folge, dass dieses Modell alle verfügbaren finanziellen Mittel des Gesundheitsbereiches auffrisst. Damit bleibt der Gesellschaft dann auch weniger Geld für eine eigene Krebs-Forschung, die ganz andere Ergebnisse als diejenige der Pillen-Riesen hervorbringen und z. B. auf ganz andere Krebs-Ursachen stoßen könnte.
Anerkennenswert ist hier zwar der Versuch Lauterbachs, die Krebs-Ursachen und Krebs-Risikofaktoren zu beschreiben, was anderswo selten versucht wird. Dennoch erscheint die geringe Beachtung, die er dabei Umwelt-Einflüssen schenkt, unangemessen. Seine hypothetische Berechnung, auf solche Faktoren würde nur ein geringe Prozentsatz der Krankheitsfälle zurückgehen, geht an der Realität vorbei. Wenn man sich die Vielzahl von langlebigen krebserzeugen-den Substanzen vergegenwärtigt, denen der Mensch ausgesetzt ist, wird man eines Besseren belehrt. Bei dem in dem Buch selber angeführten Beispiel „Asbest“ hat Karl Lauterbach leider nicht erwähnt, dass uns der Höhepunkt von asbest-induziertem Krebs (Bauch- und Rippenfell-Krebs) in den Jahren 2017 – 20201 erst noch bevorsteht (laut Paracelsius-Medaillenträger Prof. Hans-Joachim Woitowitz2), obwohl Asbest in Deutschland schon seit 1993 verboten ist. Seit langem gibt es zudem starke epidemiologische Hinweise darauf, dass z. B. in Südamerika, wo Unkrautvernichtungsmittel wie Glyphosat in großen Mengen versprüht werden, vermehrt Krebsfälle aufgetreten sind.
Schließlich hat die angesehene internationale medizinische Gesellschaft der Hormon-SpezialistInnen (Endocrine Society) bereits 2009 und aktuell wieder in diesem Jahr ein Statement zur Bewertung der vielen hormonaktiven Substanzen in unserer Umwelt abgegeben mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass diese endokrinen Disruptoren (Dioxine, PCB, Bispenol A, hormonaktive Pestizide ...) schon in sehr geringen Konzentrationen Krebs auslösen können3,4 Diese Fakten machen deutlich, dass es durchaus im Interesse von BAYER und anderen Pillen-Riesen sein könnte, diese Krebs-Ursachen außer Acht zu lassen und ein potenzielles Geschäftsmodell so am Laufen zu halten. Mit dieser Einschränkung ist das neue Buch von Karl Lauterbach lesenswert und als guter Diskussionsbeitrag zu empfehlen. Von Dr. Gottfried Arnold

1 http:www.daserste.de/information/wirtschaft-boerse/plusminus/sendung/sr/14012015-plusminus-asbest-100.html
2 http:
www.aerzteblatt.de/archiv/140367/Hans-Joachim-Woitowitz-Anwalt-der-Patienten
3 Diamanti-Kandarakis E, Bourguignon JP, Giudice LC, et al. Endocrine-disrupting chemicals: an Endocrine Societyscientific statement. Endocr Rev. 2009;30:293–342.
4 Gore AC, Chappell VA, Fenton SE, et al. EDC-2: The Endocrine Society’s second scientific statement on endocrine- disrupting chemicals. Endocr Rev. In press. (9-2015)

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[BAYER HV 2016] Hauptversammlung 2016

CBG Redaktion

Am 29. April fand in Köln die BAYER-Hauptversammlung statt. Auch in diesem Jahr protestierten Umweltschützer, Geschädigte und Anwohner gegen die Geschäftspolitik des Konzerns.

alle Redetexte der Kritischen Aktionär/innen

=> Aktionsbericht zu den Protesten + Foto-Impressionen

Presseberichte:
=> Leverkusener Anzeiger: Massives Sicherheitsaufkommen bei Bayer-Hauptversammlung
=> Neues Deutschland: Steuerflucht und schwindende Gewerkschaftsrechte bei BAYER
=> Umstrittene CO-Pipeline wird zum Thema auf Bayer HV
=> Leverkusener Anzeiger: CBG-Protest zur BAYER-HV
=> jW: »Bayer erfindet die Wechseljahre des Mannes«
=> Bonner Generalanzeiger: Die Schattenseite der Rendite
=> Neues Deutschland: Interview mit Axel Köhler-Schnura (CBG)
=> Leverkusener Anzeiger: Protest der CBG zur BAYER-Hauptversammlung

Gegenanträge und Presse Infos
=> Verbot gefährlicher Antibaby-Pillen gefordert
=> BUND: Protest bei Bayer-Hauptversammlung gegen bienengefährdende Pestizide
=> Gegenantrag der CBG zu Steuerflucht der Bayer AG
=> Gegenantrag der CBG zu Marketing im Kindergarten
=> Pestizidverkauf in Indien: ECCHR fordert nicht-Entlastung von Bayer-Vorstand
=> BAYER: Entlassungen und Druck auf Gewerkschaften
=> Öko-Schwindel: Gegenantrag zur „Dream Production“
=> CBG legt Gegenantrag zur Vermarktung von GenSoja ein
=> Testosteron-Marketing von BAYER unverantwortlich!

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[Entlassungen] Hauptversammlung 2016

CBG Redaktion

Presse Information vom 30. März 2016

Gegenantrag zur Hauptversammlung am 29. April

BAYER: Entlassungen und Druck auf Gewerkschaften

Der Pharma-Bereich von BAYER ist mit einem jährlichen Gewinn von über vier Milliarden Euro die lukrativste Sparte des Konzerns. Trotz der hohen Profite sollen nun Entlassungen vorgenommen werden. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) kritisiert, dass der BAYER-Vorstand seiner Verantwortung gegenüber der Belegschaft nicht gerecht wird.

Die Beschäftigten bei BAYER werden höchst ungleich behandelt: so gelten die Standortsicherungs-Vereinbarungen nur für die Belegschaft in Leverkusen, Dormagen, Krefeld, Brunsbüttel und Wuppertal, also rund 60 Prozent der Beschäftigten in Deutschland. Die Vereinbarungen zum Erhalt der Arbeitsplätze haben jedoch keine Gültigkeit für die Mitarbeiter/innen der GmbHs in Bitterfeld, Grenzach und anderswo.

Noch düsterer ist die Situation in den ausländischen Tochterfirmen: nachdem BAYER in den USA mehrere gewerkschaftlich organisierte Werke geschlossen hat, verfügen dort gerade einmal 5 % der Belegschaft über einen Tarifvertrag oder andere betriebliche Vereinbarungen, während es in Europa 88 % sind. In Asien ist die Situation kaum besser, dort unterliegen lediglich 15 % der Mitarbeiter/innen kollektiven Vereinbarungen. Auch die Verträge zur Standortsicherung gelten nicht. Allein in den USA waren in den vergangenen Jahren vier große BAYER-Werke mit hohem gewerkschaftlichen Organisationsgrad ganz oder in großen Teilen geschlossen worden.

Axel Köhler-Schnura, Vorstandsmitglied der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG): „Die gravierende Ungleichbehandlung innerhalb der Belegschaft von BAYER ist nicht akzeptabel. Wir fordern daher, dem Vorstand in der anstehenden Hauptversammlung die Entlastung zu verweigern.“ Köhler-Schnura hat einen entsprechenden Gegenantrag offiziell eingereicht.

Im lukrativen Pharmabereich drohen sogar Entlassungen: BAYER hat Ende 2015 angekündigt, in den kommenden drei Jahren im Werk Grenzach am Oberrhein etwa ein Drittel der derzeit 670 Arbeitsplätze zu vernichten. Leiharbeiter sind hiervon ebenso betroffen wie Beschäftigte mit befristeten und unbefristeten Verträgen. Die Abfüllung für Fertigspritzen und Injektionsflaschen in Grenzach soll bis zum Jahr 2018 komplett geschlossen werden.

BAYER hatte die Fabrik nahe der Schweizer Grenze im Jahr 2004 von ROCHE übernommen. Wie bei solchen Geschäften üblich, war sogleich von Einspar-Möglichkeiten die Rede. Ein von den Gewerkschaften gefordertes Bekenntnis zum Standort unterblieb. Zur Sicherung des Standortes mussten altgediente Mitarbeiter/innen schließlich große Verluste bei den Betriebsrenten-Ansprüchen hinnehmen.

Derzeit laufen zwischen der Werksleitung und dem Betriebsrat Verhandlungen über einen Sozialplan. Um die Zahl der Entlassungen zu verringern und die übrig bleibenden Arbeitsplätze zu sichern, fordert der Betriebsrat einen Standortsicherungsvertrag sowie Investitionen zur Modernisierung der Fabrik. Diese Forderung ist zu unterstützen: der Konzern darf sich der Verantwortung für seine Mitarbeiter/innen nicht entziehen.

[BMS] STICHWORT BAYER 01/2016

CBG Redaktion

BAYER bringt Kunststoff-Sparte an die Börse

Ich bin dann mal weg

Im Eiltempo treibt der Leverkusener Multi die vom Kapital-Markt geforderte Abspaltung seiner Kunststoff-Sparte voran. Am 1. September entließ er die „Plaste & Elaste“-Abteilung in die wirtschaftliche und rechtliche Unabhängigkeit und verpasste ihr mit COVESTRO einen neuen Namen. Anfang Oktober erfolgte dann der Börsengang. Dieser verlief allerdings nicht reibungslos und gab dem Parkett-Frischling damit schon mal einen Vorgeschmack auf den beschwerlichen Weg, der ihm bevorsteht. Für BAYER indessen hat die Holding-Struktur mit der Trennung von dem ungeliebten Geschäftsbereich ihre Schuldigkeit getan. Der Konzern verordnet sich eine neue Struktur und verzahnt die beiden verbliebenen Bereiche „Agrar“ und „Pharma“ enger. Trotzdem bleibt ungewiss, wie lange der Global Player noch auf zwei Beinen stehen wird.

Von Jan Pehrke

Zum Amtsantritt von Marijn Dekkers im Jahr 2010 hatte Stichwort BAYER geschrieben: „Am 1. Oktober löst der Niederländer Marijn Dekkers Werner Wenning als Vorstandsvorsitzenden von BAYER ab. Der Kapitalmarkt erwartet von ihm einschneidende Veränderungen wie den Verkauf der Kunststoff-Sparte.“ Und diese Mission erfüllte der Holländer, bevor er wieder zu anderen Ufern aufbricht – auf eigenen Wunsch verlängerte Dekkers seinen 2016 auslaufenden Vertrag nicht. Mitte September 2014 gab der Leverkusener Multi die Trennung von seiner „Plaste & Elaste“-Abteilung bekannt. „Eine Frage der Investitionspolitik“ war das für Dekkers. „Wir müssen entscheiden, wofür wir bei BAYER künftig Geld ausgeben wollen“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Süddeutschen Zeitung: „Unsere drei Bereiche – Kunststoffe, Gesundheit, Agrarwirtschaft – erfordern jeweils hohe Investitionen und stehen hierbei in einem Wettbewerb miteinander. Da die Bereiche ‚Gesundheit’ und ‚Agrarwirtschaft’ höhere Renditen erwirtschaften, würden wir unsere Ressourcen vor allem dort konzentrieren.“
Jahrelang hatten Pensionsfonds und andere große Finanzinvestoren wie etwa BLACKROCK einen entsprechenden Schritt gefordert. Nun musste sich der Global Player deren Macht endgültig beugen und brachte damit die GewerkschaftsvertreterInnen gegen sich auf. Die Beschäftigten des Kunststoff-Bereichs hatten in der Vergangenheit immer wieder Opfer erbracht, um die angeblich schlechten Geschäftszahlen zu verbessern und auf diese Weise eine Loslösung zu verhindern. So hatten sie in den letzten Jahren die Vernichtung von über 2.000 Arbeitsplätzen, Werksschließungen, untertarifliche Bezahlung, Effizienz-Programme und die Streichung von Boni erduldet – und jetzt stellt sich heraus: Das alles war umsonst. Im Aufsichtsrat stemmten sich die GewerkschaftsvertreterInnen lange gegen den Plan der BAYER-Oberen. Sie mussten schlussendlich aber klein beigeben: „Die durch uns kritisierte Abkehr von der Drei-Säulen-Strategie ist durch die Arbeitnehmer-Vertreter im Aufsichtsrat, trotz intensivster Beratungen, nicht zu verhindern gewesen.“ Sonst hätte das Management keine finanziellen Mittel mehr bereitgestellt, womit der Plaste-Bereich eine äußerst kritische Entwicklung genommen hätte, hieß es. „Gemeinhin nennt man so etwas Erpressung“, kommentierten die KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN FÜR DURCHSCHAUBARE BETRIEBSRATSARBEIT, eine alternative IG-BCE-Gewerkschaftsgruppe im Leverkusener BAYER-Werk.
In Windeseile machte sich der Konzern dann an die Umsetzung des Beschlusses, den vermeintlichen „Minderleister“ an die Börse zu bringen. Eine Kommission nahm die Entflechtung vor und fand Regelungen für die Pensionsverpflichtungen, Patente und Grundstücksnutzungen. Auch die Beschäftigten sortierte sie auseinander und legte fest, wie viele Arbeitskräfte von BAYER BUSINESS SERVICES und den anderen Service-Gesellschaften das neue Unternehmen benötigen würde. Die Wechselstimmung hielt sich unter den BAYER-WerkerInnen begreiflicherweise in Grenzen. Kaum einer wollte freiwillig zu dem eben noch als zu rendite-schwach geschmähten Kunststoff-Hersteller gehen. Darum startete der Konzern in der Belegschaftszeitung direkt eine Kampagne und präsentierte wechselwilliges Personal. „Ich sehe dem Wechsel mittlerweile sehr entspannt entgegen und weiß, dass ich auch bei MaterialScience die besten Entwicklungschancen habe“, erklärte da eine Ingenieurin. Eine Kollegin von ihr gab sich ebenfalls gelassen: „Für mich sind der Wechsel und die Loslösung eines Teilkonzerns nicht gleich ein kompletter Neuanfang – das ist sehr angenehm“, und ein Techniker bekräftigte: „Ich bin sicher, dass ich auch weiterhin für einen erstklassigen Arbeitgeber tätig sein werde.“
Um die Kontinuität zu betonen, hat das neue Unternehmen in seinem Firmen-Logo den BAYER-Kreis und die BAYER-Farben grün und blau übernommen. Als Namen wählten die ManagerInnen COVESTRO aus. Bei dem „CO“ handelt es sich dabei keineswegs um das chemische Zeichen für Kohlenmonoxid; es steht deshalb auch nicht etwa für die umstrittene Giftgas-Pipeline zwischen Dormagen und Krefeld als Erblast der neuen Gesellschaft, sondern für „Collaboration“. Das „VEST“ verweist auf „Investment“ und das „STRO“ auf „strong“. Der Brands-Entwickler Manfred Gotta fühlte sich bei dem Wort allerdings eher an eine Bezeichnung für einen italienischen Handkäse erinnert.
Im Sommer 2015 brach der COVESTRO-Chef Patrick Thomas dann mit zweien seiner Manager zu einer „Road show“ auf, um die BAYER-Abspaltung Pensionsfonds und anderen Finanzmarkt-Akteuren schmackhaft zu machen sowie deren Bereitschaft zu eruieren, in den Konzern zu investieren. Auf diese Weise wollte der Leverkusener Multi Aufschluss darüber gewinnen, ob er mit seiner Plastik-Sparte einen regulären Börsengang wagen könnte. Das käme nämlich einer Kapital-Erhöhung gleich und würde Geld in die Kassen spülen. Andernfalls müsste er – wie 2004 bei der Abspaltung des Chemie-Geschäfts geschehen – einen Spin-Off vornehmen und den BAYER-AktionärInnen die Papiere des ausgemusterten Firmenteils einfach schenken.
Also legten sich Thomas und seine Mannen mächtig ins Zeug, um COVESTRO als zukunftsträchtigen Konzern zu präsentieren, der auf Innovationen setzt, in wichtigen Bereichen wie etwa bei den Polyurethanen die Märkte dominiert und obendrein noch ein strenges Kosten-Management betreibt. „Wir wollen uns bei den Kosten mit den Besten messen“, erklärte der Finanz-Chef Frank Lutz und kündigte Einsparungen in einem Volumen von 420 Millionen Euro bis 2019 an. Den Anfang machte das Management bereits im Juni 2015. Es stoppte die Kunststoff-Produktion im brasilianischen Belford Roxo und vernichtete dadurch 320 Arbeitsplätze. Bestandschutz erhielten von Lutz nämlich nur die heimischen Niederlassungen: „Wir können Standort-Schließungen in Deutschland ausschließen.“ Auch auf eine Job-Garantie bis 2020, wie sie BAYER mit der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE für die bundesdeutschen Kunststoff-Beschäftigten vereinbart hatte, warteten die ArbeiterInnen und Angestellten ausländischer Konzern-Gesellschaften vergeblich. Die belgischen KollegInnen mussten sich eine solche Zusicherung erst in zähen Auseinandersetzungen erstreiten, und die Belegschaften anderer ausländischer Niederlassungen gingen ganz leer aus. Pittsburgh beispielsweise speiste Marijn Dekkers mit dem Lippenbekenntnis ab, die Stadt sei „ein wichtiger Standort für BAYER MATERIAL SCIENCE“ und es gäbe keinen Grund anzunehmen, dass die Produktionsstätte ihre Geschäftstätigkeit nicht in dem bisherigen Umfang fortsetzen wird. Da dürfte auf die Belegschaftsangehörigen in den USA und anderswo also noch so einiges zukommen, auch wenn Lutz vorgibt, die Absicht zu haben, das ehrgeizige Spar-Ziel vornehmlich durch eine bessere Auslastung der Anlagen zu erreichen.
Und noch ein anderes Lockmittel hielt COVESTRO für die Anleger bereit. Die Gesellschaft stellte hohe Dividenden-Zahlungen in Aussicht. 30 bis 50 Prozent des Gewinnes will sie den AktionärInnen in die Tasche stecken und zur Premiere sogar einmalig 100 bis 150 Millionen Euro ausschütten. Zudem beeindruckte der Kunststoff-Konzern die Investoren mit guten Zahlen. „BAYER-Chef Marijn Dekker kann sein Glück kaum fassen: Mit einem Rekord-Quartal geht er auf die Zielgeraden zur Abspaltung der Kunststoff-Tochter BAYER MATERIALSCIENCE. Im ersten Quartal stieg der Gewinn des Konzerns um sieben Prozent auf 2,2 Milliarden Euro“, vermeldete die Rheinische Post. Das beste Vierteljahres-Ergebnis seit 2006 erwirtschaftete die Sparte. Um Glück handelte es sich dabei jedoch keineswegs. Mit der Standort-Schließung in Brasilien und anderen Manövern hat der Leverkusener Multi akribisch darauf hingearbeitet, zum feierlichen Anlass eine ordentliche Bilanz vorzulegen. Auch seine Foto-Sparte AGFA hatte er einst mit solchen Maßnahmen für die Börse fitgespritzt, was allerdings nicht lange vorhielt und am schlechten Allgemeinzustand der Gesellschaft kaum etwas zu ändern vermochte.
Eigentlich hätten die ausgewiesenen Profite das ganze Projekt in Frage stellen müssen, denn es waren ja gerade die in BAYERs Augen zu schwachen Erträge, die für die Trennung sprachen, aber um solche Widersprüchlichkeiten scherte sich keiner mehr groß. Stattdessen startete das ungeliebte Kind am 1. September 2015 mit großem Tamtam offiziell in die Selbstständigkeit. Zu den 4.000 Gästen gehörte auch der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Garrelt Duin. Laut COVESTRO überbrachte er Grüße der Landesregierung. Mit den Worten „COVESTRO ist bestens aufgestellt, um langfristig erfolgreich zu sein – aufgrund seiner Herkunft, seiner neuen Eigenständigkeit und Flexibilität und vor allem aufgrund seiner erfahrenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Durch die wettbewerbsfähige Position von COVESTRO auf dem Weltmarkt wird Nordrhein-Westfalen als führender Chemie-Standort gestärkt“ zitierte das Unternehmen den Sozialdemokraten.
Auch die AktionärInnen des Konzerns feierten mit – und verdarben dem Leverkusener Multi dabei die Party. Sie nutzen den Festtag nämlich, um sich von ihren BAYER-Papieren zu trennen. Die SpekulantInnen werteten die vollzogene Abspaltung als einen vorläufigen Höhepunkt in der Entwicklung des Unternehmens und erwarteten in absehbarer Zeit kein weiteres Kurs-Feuerwerk. „Da machen einige Händler offenbar Kasse“, lautete der lapidare Kommentar eines Händlers. Zum Handelsschluss hatte die Aktie deshalb vier Prozent an Wert verloren – so viel wie kein anderer Wert an diesem 1. September.
Für BAYER markierte dieses Datum jedoch nur eine Etappe auf dem Weg zur Abspaltung der Kunststoff-Sparte. Der Konzern konnte es gar nicht abwarten, weitere Schritte einzuleiten und COVESTRO an die Börse zu bringen. Hatte der Pharma-Riese dafür ursprünglich erst Mitte 2016 als geeigneten Zeitpunkt ins Auge gefasst, so kündigte er nun schon Anfang Oktober als Termin an und nannte als Grund die „robuste Nachfrage“ nach den Papieren. Anteile im Wert von 2,5 Milliarden Euro hoffte der Global Player zu platzieren – und in Frankfurt damit für die gewichtigste Neu-Emission seit dem Jahr 2000 zu sorgen, als die DEUTSCHE POST gleich in den DAX vorstieß.

Mit diesem Geld sollte der Börsen-Novize einen Teil der Schulden ablösen, die das Mutter-Unternehmen auf ihn übertragen hatte. Insgesamt sechseinhalb Milliarden Euro Verbindlichkeiten bekam COVESTRO mit auf den Weg, wobei BAYER da nicht übermäßig „großherzig“ war, ein allzu dickes Minus hätten die Investoren nämlich nicht geschluckt.
Eine Preisspanne von 26,50 bis 35,50 setzte der Multi für das Papier fest. Allerdings mochte zu diesen Konditionen kaum jemand zugreifen; die Vorbestellungen hielten sich in engen Grenzen. Dann flogen auch noch die Abgas-Manipulationen von VW auf und trafen beunruhigende Meldungen über die Konjunktur-Aussichten in China ein, was in Frankfurt alle Werte auf Talfahrt schickte. Dem Leverkusener Multi blieb nichts anderes übrig, als eine Krisen-Sitzung einzuberufen. „Die Nacht über berieten die Investment-Banker die Lage, gestern Morgen zogen die Vorstände die Notbremse: BAYER und COVESTRO verschoben den Börsengang und senkten die Preisspanne“, berichtete die Rheinische Post am 2.10.15. Das „eingetrübte und volatile Kapitalmarkt-Umfeld“ führte der Konzern selber als Begründung an. Für das Fachblatt Der Platow Brief ließ das erahnen, „wie gnadenlos die Investoren mit den Konsortial-Banken und den Alt-Aktionären hinter den Kulissen pokern“.
Für 21,50 bis 24,50 Euro war die COVESTRO-Aktie nun schon zu haben. Von diesem niedrigen Niveau aus sollte denn am ersten Ausgabe-Tag noch Luft nach oben sein, so die Einschätzung, zumal die großen Fondsgesellschaften mit ihren festen Budgets zu diesem Preis noch zukaufen müssen. Einen Kursverlust gleich zum Start – das wollte BAYER unter allen Umständen vermeiden. Allerdings sah sich das Unternehmen dafür gezwungen, die Kalkulation umzuschmeißen. Die 2,5 Milliarden Euro Einnahmen konnte es jetzt vergessen und den größten Börsengang seit 2000 ebenfalls. Deshalb versicherte der Global Player umgehend, COVESTRO den Fehl-Betrag von einer Milliarde Euro zusätzlich zur Verfügung zu stellen, um den Schuldenstand der Gesellschaft bei vier Milliarden Euro – und damit die Investoren bei der Stange – zu halten.
Für einen zusätzlichen Kaufanreiz wollte der Leverkusener Multi mit einer 1-seitigen Anzeige sorgen, die in den großen überregionalen Tageszeitungen erschien. Darin pries sich COVESTRO selbst als eine Art GREENPEACE in Kapitalgesellschaftsform, konnte sich damit aber nicht recht verständlich machen. Der Satz „Deshalb haben wir die Vision einer bunteren Welt – und einen Optimismus, der auf mutigen Innovationen und einem standhaften Glauben in die Kraft der Nachhaltigkeit“ warf wegen seines offenen Endes so einige Fragen zum Öko-Trip des Kunststoff-Herstellers auf. Offenbar sperrte sich die Sprache gegen die orwellschen Verdrehungen, mit denen der Konzern seine Dreckschleudern auf grün wenden wollte. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN protestierte scharf gegen diese Propaganda-Aktion. „Die Produktion bei COVESTRO basiert auf klassischer Chlor-Chemie: Mit hochgefährlichen Chemikalien und unter hohem Energie-Einsatz werden biologisch nicht abbaubare Produkte hergestellt. Doch anstatt den Umbau auf nachhaltige Produktionsmethoden zu forcieren, betreiben BAYER und COVESTRO Greenwashing der übelsten Sorte“, hieß es in der Presse-Erklärung.
Roadshow, Kostensenkungsprogramm, großflächige Werbung und ein Schnäppchen-Preis – mit dieser Kraftanstrengung gelang es COVESTRO, genügend Kauf-Interesse zu wecken und eine Pleite bei der Parkett-Premiere zu verhindern. Die Aktie lag zum Handelsschluss bei 26,90 Euro, und die Presse vermeldete „COVESTRO gelingt der Börsenstart“. Auch an den kommenden Tagen brach das Papier nicht ein. Der Plan B konnte deshalb in der Schublade bleiben. Um auf Nummer sicher zu gehen, hatte der Leverkusener Multi mit der den Börsengang begleitenden DEUTSCHEN BANK nämlich „Stabilisierungsmaßnahmen“ verabredet. Im Fall des Falles sollte BAYER GLOBAL INVESTMENTS in größerem Stil COVESTRO-Anteile bei der Bank ordern und so Kurspflege betreiben. Aber die Finanzgesellschaft des Konzerns mit Sitz im Steuer-Paradies Holland (siehe SWB 4/15) brauchte sich schlussendlich nicht zu bemühen. „Im Zusammenhang mit dem öffentlichen Angebot von Aktien der COVESTRO AG gibt die DEUTSCHE BANK in ihrer Eigenschaft als Stabilisierungsmanager bekannt, dass der Stabilisierungszeitraum vorzeitig am 16. Oktober 2015 endete und von ihr keine Stabilisierungsmaßnahmen durchgeführt wurden“, teilte das Geldhaus in einer Kapitalmarkt-Information mit.
Einstweilen besitzt der Leverkusener Multi noch 69 Prozent der COVESTRO-Papiere und darf sich auch vor dem 7. April 2016 nicht von ihnen trennen. So lange gilt nämlich die im Börsen-Prospekt zugesicherte Haltefrist, mit welcher BAYER den AnlegerInnen garantiert, den Finanzmarkt nicht mit einem die Preise verderbenden Aktien-Überangebot zu konfrontieren. Nach dem Stichtag steht ein Ausverkauf ebenfalls nicht an. Der Pharma-Riese will die Loslösung von seiner Kunststoff-Sparte peu à peu vollziehen und hat als Deadline das Jahr 2020 im Auge. Die neue AG bleibt bis auf Weiteres sogar eine 100-prozentige Konzern-Tochter. Einstweilen betont COVESTRO-Boss Patrick Thomas deshalb noch die Verbundenheit mit der Mutter-Gesellschaft: „Wir werden für eine sehr lange Zeit sehr eng zusammenarbeiten.“
Wie schnell der Global Player seine Anteile abstößt, wird nicht zuletzt von der Kurs-Entwicklung abhängen. Und da sind die Aussichten nicht so rosig. In der Produkt-Palette von COVESTRO finden sich nämlich entgegen den Behauptungen der Werbe-Abteilung kaum innovative Werkstoffe. Das Angebot besteht zu 80 Prozent aus industrieller Massenware, welche die Unternehmen zur Zeit aufgrund der weltweiten Überproduktion nur noch rabattiert losschlagen können. So verzeichnete die frisch gebackene Aktien-Gesellschaft im 3. Quartal 2015 wegen der Preis-Einbrüche einen Umsatz-Rückgang um 1,4 Prozent auf drei Milliarden Euro. Zudem beunruhigen die chinesischen Wirtschaftsdaten die Hersteller von Plaste & Elaste. Aus diesem Grund zeigte sich BAYER-Chef Marijn Dekkers Ende Oktober 2015 heilfroh über den Split. Während die Lage in dem asiatischen Land bei BAYER MATERIAL SCIENCE immer ein Thema gewesen sei, so der Große Vorsitzende, spiele sie für die verbliebenen Geschäfte nicht mehr so eine bedeutende Rolle, der Konzern sei jetzt „weniger abhängig von konjunkturellen Schwankungen“. Überdies fehlt vielen Investoren bei COVESTRO die Zukunftsperspektive. Der Plastik-Produzent hat sich der Börse zwar als „Wachstumswert“ präsentiert, vermag aber kaum Investitionen vorzuweisen. Darum musste Finanz-Vorstand Frank Lutz diesen Begriff der Börsen-Zeitung gegenüber etwas unkonventionell interpretieren: „Wir haben noch viele Kapazitäten, die ungenutzt sind. Da werden wir hineinwachsen.“
BAYER selber geht nach der Trennung von BAYER MATERIAL SCIENCE nicht einfach wieder zur Tagesordnung über. Der Konzern organisiert sich um. Die Holding-Struktur hat mit der Abspaltung der Kunststoff-Sparte ihre Schuldigkeit getan. Mit ihr hatte der Leverkusener Multi den Abschied von dem Vier-Säulen-Modell vorbereitet und auf diese Weise im Vorfeld des – inzwischen wieder rückabgewickelten – US-Börsengangs dem Druck der Finanzmärkte nachgegeben, die den Konzern mit den Geschäftsfeldern „Chemie“, „Kunststoffe“, „Pharma“ und „Landwirtschaft“ als „Gemischtwarenladen“ betrachteten und stattdessen eine „Konzentration auf das Kerngeschäft“ forderten. Und so machte der Leverkusener Multi die vier Bereiche erst einmal zu selbstständig operierenden Einheiten. Nur ein verkleinerter Vorstand wachte als Holding noch über sie und kümmerte sich bloß noch um die Finanzen und die längerfristige Unternehmensstrategie. Jetzt werde der Konzern „Werttreiber und Wertvernichter noch leichter identifizieren können“, frohlockte der damalige Finanz-Vorstand, spätere Vorstandsvorsitzende und heutige Aufsichtsratsvorsitzende Werner Wenning damals und ergänzte: „BAYER wird in der Lage sein, schneller die Konsequenzen daraus zu ziehen.“ Und das tat das Unternehmen. Ende 2003 stellte es die Chemie-Sparte zur Disposition und läutete damit das Ende des Misch-Konzerns ein, welches das Abscheiden der Kunststoff-Abteilung schließlich besiegelte.
Nun führt der Global Player die Verantwortung für die beiden noch verbliebenen Unternehmensteile „Pharma“ und „Landwirtschaft“ wieder im Vorstand zusammen und erweitert ihn aus diesem Grund. Liam Condon repräsentiert in dem Gremium ab Januar 2016 die Agrar-Geschäfte, Dieter Weinand die Sparte mit den verschreibungspflichtigen Arzneien und Erica Mann diejenige mit den freiverkäuflichen Pharma-Produkten. „Wir sind überzeugt davon, dass die stärkere Verzahnung von strategischen und operativen Aufgaben BAYER voranbringen wird“, bekundet Werner Wenning und Marijn Dekkers pflichtet ihm bei. Die neue Struktur wird unsere Strategie als führendes Life-Science-Unternehmen unterstützen und uns gegenüber dem Wettbewerb noch schlagkräftiger machen“, so der Vorstandsvorsitzende.
„Life-Science“ – unter diesem Label planen Dekkers & Co., die beiden noch verbliebenen Einheiten enger miteinander zu verknüpfen. „In allen Lebewesen, so unterschiedlich sie uns erscheinen mögen, folgen die molekularen Mechanismen gemeinsamen Regeln. Diese Gemeinsamkeiten wollen wir unter einem Dach zu unserem Vorteil nutzen“, erläutert der BAYER-Chef. Als praktisches Beispiel nennt der Konzern dabei die Bergkamener Niederlassung. Sie stellte bisher nur pharmazeutische Produkte her, züchtet jetzt aber auch den Bakterienstamm „Bacillus firmus“ heran, den Grundstoff für BAYERs Bio-Pestizid VOTIVO.
Die für den Anlagebau zuständige Abteilung BAYER TECHNOLOGY SERVICES (BTS) rückt ebenfalls wieder näher an den Konzern heran. Sie verliert mit ihrem Namen auch ihre rechtliche Eigenständigkeit und firmiert fortan einfach unter „Engineering & Technology“. 400 Beschäftigte gab die Sparte an COVESTRO ab, der Umfang der Aufgaben reduziert sich jedoch kaum. Trotzdem kommt es in keinem nennenswerten Ausmaß zu Neu-Einstellungen. Stattdessen will der Global Player mehr mit Partnern zusammenarbeiten: „Künftig wird es bei BAYER für externe Dienstleister deutlich mehr Chancen geben.“
Die IT-Sparte BAYER BUSINESS SERVICES (BBS) bleibt indes weiter außen vor, obwohl sie ebenso wenig wie BTS die mit der Eigenständigkeit verbundene Hoffnung hat erfüllen können, in größerem Volumen Aufträge von außen einzuholen. Immerhin zahlt der Leverkusener Multi der BBS-Belegschaft, die durch das 2010 von Marijn Dekkers verantwortete Sparprogramm arg geschrumpft ist, jetzt wieder den Chemie-Tarif. Auch der Status des Chemie„park“-Betreibers CURRENTA, an dem BAYER seit der Trennung vom Chemie-Geschäft noch 60 Prozent der Anteile hält, ändert sich nicht. Das deutet nicht gerade auf eine gesicherte Zukunft der beiden Gesellschaften im Konzern-Verbund hin.
Jobs will die AG im Zuge des Umbaus nicht vernichten. Sie beabsichtigt, die Zahl der Stellen in den nächsten Jahren auf dem jetzigen Niveau zu halten. „Das ist eine Neuorganisation – und keine Restrukturierung. Deshalb besteht kein Bedarf für Abfindungsprogramme“, betont der Vorstandsvorsitzende. Einen Abbau schließt das trotzdem nicht aus, worauf die BELEGSCHAFTSLISTE, eine alternative IG-BCE-Gewerkschaftsgruppe im Wuppertaler BAYER-Werk, aufmerksam macht: „Wenn die Summe aller Arbeitsplätze in Deutschland wie versprochen stabil bleiben soll, können z. B. für alle Neueinstellungen in gleicher Zahl an anderer Stelle Plätze wegfallen.“
Die Faz begrüßt die Suspensierung der Holding-Form. „Die BAYER-Spitze rückt jetzt enger an den Markt. Der Börse gefällt das, wie die weitere Erholung der BAYER-Aktie am Montag gezeigt hat“, hält die Zeitung am 22.9.15 fest. Das Handelsblatt ist hingegen weniger überzeugt von der Strategie des Unternehmens, „auf das fast schon vergessene ‚Life-Science-Konzept’“ zu setzen. Die Wirtschaftszeitung warnt: „Das ‚Life-Science-Konzept’ hat seine Tücken. Die Leverkusener folgen damit einem Sonderweg, den alle großen Konkurrenten mittlerweile wieder verlassen haben. Pflanzenschutz und Pharma sind hinsichtlich der Marktbedingungen und Kunden zu weit voneinander entfernt, als dass sie gemeinsamen Gesetzen folgten. Alle großen Pharma-Hersteller setzen heute auf das ‚Pure Play’. Dekkers muss die gemeinsame Klammer mit Leben füllen, sonst wird BAYERs Sonderweg vom Finanzmarkt schnell in Frage gestellt.“
So sieht also nicht nur BAYERs ehemalige Kunststoff-Tochter unruhigen Zeiten entgegen, sondern auch die Konzern-Mutter selber.

[Bienensterben] STICHWORT BAYER 01/2016

CBG Redaktion

Interview zu BAYERs bienengefährlichen Pestiziden

„Teil-Verbote reichen nicht“

Ende September 2015 haben Harald Ebner und weitere Bundestagsabgeordnete von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine Kleine Anfrage zu den bienengefährlichen Pestiziden von BAYER & Co. an die Bundesregierung gestellt. Die PolitikerInnen wollten unter anderem wissen, welche Konsequenzen die Große Koalition aus der immer erdrückender werdenden Beweislast zum Gefährdungspotenzial der Substanzen zieht, wie Merkel & Co. den Nutzen der Wirkstoffe bewerten und ob sie über eine Reduktionsstrategie verfügen. Mit Harald Ebner sprach Stichwort BAYER über die Antworten.

Im Oktober 2013 hat die EU Fipronil und drei Pestizid-Wirkstoffe aus der Gruppe der Neonicotinoide, darunter die hauptsächlich in Saatgut-Beizen zum Einsatz kommenden BAYER-Produkte Clothianidin und Imidacloprid, wegen ihrer Bienengefährlichkeit mit einem vorläufigen Teil-Verbot belegt. Trotzdem geht nach Angaben der Bundesregierung der Neonicotinoid-Absatz in Deutschland nicht zurück. Wie erklären Sie sich das?

Harald Ebner: Dafür gibt es zwei Erklärungsmöglichkeiten: Erstens, dass die teil-verbotenen Wirkstoffe durch die nicht-teilverbotenen Wirkstoffe ersetzt wurden. Mit Acetamiprid und Thiacloprid sind ja nach wie vor Neonicotinoide ohne entsprechende Anwendungsbeschränkungen auf dem Markt. Es ist wahrscheinlich, dass hier eine Substituierung stattgefunden hat. Zweitens, dass der Einsatz der teilverbotenen Wirkstoffe dort erhöht wurde, wo keine Beschränkungen bestehen, z. B. bei Zuckerrüben, Kartoffeln, Gemüse-Saaten und Gewächshaus-Kulturen. Und nach der Blüte dürfen sogar bienen-attraktive Kulturen behandelt werden. In Frankreich hat das Teilverbot nach Aussage der Bundesregierung auch nicht zu wesentlichen Mengen-Reduzierungen geführt. Das heißt also: Die Teilverbote reichen nicht aus, da gibt es zu viele Ausweichmöglichkeiten1.

Die Bundesregierung verweist in ihrer Antwort auf die Anfrage der Grünen auf eine Studie des Julius-Kühn-Instituts, die „keine signifikanten Effekte“ von Clothianidin auf Bienen festgestellt habe. Was sagen Sie zu dieser Untersuchung?

Es gibt dazu noch keinen Endbericht und keine veröffentlichte Studie, so dass wir die Methodik nicht überprüfen können. Bei solchen Studien besteht die große Gefahr, dass – je nach Versuchsanordnung – Faktoren mit hineinspielen, die das Ergebnis verfälschen. Wenn etwa die Felder mit und ohne Saatgut-Beizung zu nahe beieinanderliegen, kommt es wegen des großen Flug-Radius der Bienen zu Überschneidungen, und dann verschwimmen die Ergebnisse. Außerdem kommt es auch darauf an, welche Pestizide auf den Feldern ohne Saatgut-Beizung eingesetzt werden. Da gibt es zum Beispiel eine Studie von SYNGENTA zu den Auswirkungen der Thiamethoxam-Beizung. Kritische Wissenschaftler haben nun nachgewiesen, dass die gesetzten Rahmenbedingungen in dieser Feldstudie komplett realitätsfern waren. Die Syngenta-Wissenschaftler haben den Wirkstoff in Reinform und in niedrigerer Dosierung, als in der Praxis üblich, eingesetzt, die unterschiedlich behandelten Bienenvölker in nur zwei Kilometer Entfernung voneinander positioniert und die Behandlungsdauer extrem eingeschränkt – aus solchen Studien können Sie dann kaum etwas rausholen außer falschen Ergebnissen.

Glauben Sie, dass die Studie des Julius-Kühn-Instituts (JKI) Einfluss haben wird auf die Entscheidung über ein endgültiges Verbot der Neonicotinoide, die Ende des Jahres ansteht?

Die Beweislast zu den Gefahren der Neonikotinoide ist seit dem Inkrafttreten des Teil-Verbotes eher größer als kleiner geworden, daran ändert auch die Studie des Julius-Kühn-Instituts, deren Methodik noch überprüft werden muss, nichts. Amerikanische und britische Forscher haben einen Zusammenhang zwischen dem Einsatz von Imidacloprid beim Raps-Anbau und Bienenvölker-Verlusten nachgewiesen. Es gibt auch immer mehr Erkenntnisse über die Gefährdung von Wildbienen: Eine schwedische Feldstudie hat zum Beispiel negative Effekte auf die Fortpflanzungsfähigkeit von Hummeln und Mauerbienen aufgezeigt – also gerade das Gegenteil von dem, was das JKI festgestellt hat. Und die Bundesregierung räumt ja selber ein, dass es im Hinblick auf die Wildbienen Reformbedarf bei der Risiko-Bewertung gibt und auch konkrete Hinweise auf Gefährdungen von Gewässer-Organismen durch Imidacloprid vorliegen. Darüber hinaus gibt es auch hochrangige Wissenschaftsinstitutionen wie z. B. die EASAC (das von den Wissenschaftsakademien der EU-Staaten gebildete BeraterInnen-Gremium, Anm. SWB) oder die „Task Force on Systemic Pesticides“, die eindeutig sind bei ihrer kritischen Beurteilung der Neonicotinoide. Ich kann mir kaum vorstellen, dass die Europäische Behörde für Lebensmittel-Sicherheit diesen eindeutigen Erkenntnisstand ignorieren kann. Aber die EFSA hat auf der anderen Seite bei Glyphosat auch völlig kritiklos den Bericht des „Bundesinstituts für Risiko-Bewertung“ übernommen. Passieren kann also alles.

Sie haben noch keine Hinweise darauf, wie die Entscheidung wohl ausfallen wird?

Nein, aber wir wissen natürlich, dass die Lobby hinter den Kulissen extrem aktiv ist. Und außerdem läuft ja die Klage der Chemiekonzerne gegen die Teilverbote vor dem Europäischen Gerichtshof. Das heißt, da ist jetzt auch öffentlicher Druck gefordert, dass nicht wider besseren Wissens die Teilverbote aufgehoben werden.

BAYER mischt ja auch kräftig mit und hat z. B. dem Runden Tisch „Imker, Landwirtschaft, Industrie“ eine Entlastungsstudie zu dem Saatgut-Beizmittel ELADO mit dem Wirkstoff Clothianidin präsentiert. Ist das eigentlich üblich, dass die Konzerne vor diesem Gremium ihre eigenen Untersuchungen präsentieren dürfen?

Der Runde Tisch – das ist sowieso eine seltsame Konstruktion. Dort nimmt die Industrie eine starke Stellung ein. Und natürlich versorgt der BAYER-Konzern diesen Runden Tisch mit ihm genehmen Studien oder Informationen. Wir erleben das ja auch beim „Deutschen Bienen-Monitoring“. Wenn BAYER da mit drin ist, dann bestimmen die natürlich wesentlich mit, wohin die Reise geht. Ich würde sagen, üblich darf das eigentlich nicht sein, aber es war zumindest bis 2011 – also zu Zeiten des CSU-geführten Agrar-Ministeriums – absolut üblich. Problembewusstsein ist da Fehlanzeige.

Kennen Sie die BAYER-Studie?

Nein, wir kennen sie nicht, weil sie nicht veröffentlicht ist. Wir haben nur Hinweise aus Imker-Kreisen, dass es da offenbar auch das Ergebnis gab – und das finde ich jetzt spannend –, dass der Einsatz von gebeiztem Saatgut für die Bestäuber keine ökologischen Vorteile gegenüber einem Anbau ohne Beizung hat. Es wurde ja immer behauptet und auch von der Bundesregierung so vertreten, dass diese prophylaktische Saatgutbehandlung ökologische Vorteile biete gegenüber einer Mittel-Anwendung im Bestand, weil diese in die Blütenbestände eingreift und so viel mehr Insekten treffen würde. Das zeigt aber ein mangelhaftes Verständnis von systemischen Wirkstoffen, denn auch die gelangen ja in die Blüte. Diese prophylaktische Gift-Behandlung verstößt zudem gegen den Grundsatz des integrierten Pflanzenschutzes, der besagt: „Pestizide nur als letztes Mittel und abhängig von Schad-Schwellen einsetzen“. Ich glaube daher nicht, dass BAYER ein Interesse hat, diese Studie zu veröffentlichen. Auch die Bundesregierung weicht an dieser Stelle aus, obwohl Mitarbeiter des Bundeslandwirtschaftsministeriums beim Runden Tisch dabei waren. Wir brauchen auch hier öffentlichen Druck damit BAYER diese Studie öffentlich macht.

Das Neonicotinoid Thiacloprid ist nicht vom Teil-Verbot betroffen, obwohl auch da Belege für eine Gefährdung von Bienen durch die Substanz existieren. Aber die Bundesregierung sieht keinen Handlungsbedarf. Wie beurteilen Sie diese Position?

Die FU Berlin und das Hessische Bienen-Institut haben hier deutliche Hinweise auf Risiken herausgearbeitet. Es passt leider total ins System, dass die Bundesregierung und Bundesbehörden diesen renommierten Wissenschaftlern nun Berechnungsfehler vorwerfen. Ich kenne dieses Vorgehen von dem Fall „Glyphosat“, wo sie zahlreiche Studien, deren Ergebnisse ihnen nicht in den Kram passten, aussortiert und gesagt haben: „Die sind alle wissenschaftlich mangelhaft.“ Aber wehe, man kritisiert das BfR (Bundesinstitut für Risiko-Bewertung, Anm. SWB), dass es selber wissenschaftlich mangelhaft vorgehe. Das BfR ist in den Augen der Bundesregierung absolut sakrosankt.

Auch auf Studien, die die Bienengefährlichkeit von Glyphosat nahelegen, erfolgt keine politische Reaktion von Seiten der Bundesregierung ...

Nein, das interessiert die Bundesregierung überhaupt nicht, sie sagt nur, es bestehe kein Handlungsbedarf. Und das angesichts der Tatsache, dass es der meistverwendete Herbizid-Wirkstoff in Deutschland ist. Da wird es wirklich kritisch! Besorgniserregend ist auch, dass im aktuellen Glyphosat-Zulassungsverfahren keine Risikobewertung für Wildbienen bzw. Hummeln stattgefunden hat, obwohl sie aufgrund viel kleinerer Völker noch stärker durch Pestizide gefährdet sind als Honigbienen. Diese höhere Empfindlichkeit von Wildbienen und die Notwendigkeit einer neuen Risikobewertung dazu hat die Bundesregierung schon bei unserer letzten Kleinen Anfrage (September 2014) eingeräumt. Es ist ein Skandal, dass das „Bundesinstitut für Risikobewertung“ trotz dieser Fakten eine Zulassungsverlängerung empfohlen hat!

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA hat unlängst eine Leitlinie erarbeitet, die vorsieht, bei Pestizid-Zulassungen das Augenmerk verstärkt auch auf den Bienenschutz zu richten. Die Bundesregierung hat aber nicht für deren Annahme gestimmt, sondern sich enthalten. Wie bewerten Sie das?

Das passt zu allem anderen. Die Bundesregierung folgt auch hier den Einflüsterungen der Agro-Chemie. Es gibt da auch sehr gute Kontakte zu BAYER und zu BASF. Deren Berliner Vertreter gehen im Regierungsviertel ein und aus. Sowohl BAYER als auch BASF haben je sechs Vertreter mit Hausausweisen für den Bundestag, wie jetzt durch eine Klage offengelegt werden musste. Der Industrieverband Agrar hat ebenfalls beste Kontakte. Ich finde es natürlich skandalös, dass die Bundesregierung im Zweifel lieber zur Agro-Industrie hält statt zu den Menschen und zur Umwelt. Sie sehen das auch in anderen Bereichen: Deutschland hat sich auch bei der EU-Zulassung von einem weiteren bienengefährlichen Wirkstoff, Sulfoxaflor (von DOW CHEMICAL, Anm. SWB), enthalten. Dabei hat die EFSA selber Sicherheitsbedenken geltend gemacht, und in den USA wurde die Zulassung sogar wieder aufgehoben. Wenn’s drauf ankommt, werden Imker und Bienen von dieser Bundesregierung leider im Stich gelassen. Da hilft auch die PR mit einer Bienen-App nichts.

Ich wollte Sie gerade nach ihrer allgemeinen Einschätzung der Pestizid-Politik der Bundesregierung fragen, aber das erübrigt sich jetzt fast.

Die Bundesregierung räumt zwar Risiken ein, zieht aber keine Konsequenzen daraus. Es gibt keine konkreten Maßnahmen, um die Anwendungen der Neonicotinoide zu verringern. Schmidt (der amtierende CSU-Landwirtschaftsminister, Anm. SWB) will sich nicht einmal zum Bestand der Teil-Verbote bekennen. Auch die irreversible Wirkung der Neonikotinoide will das Landwirtschaftsministerium nicht wahrhaben, die EFSA nimmt dieses Problem ernster als die Bundesregierung. Auch bei der Erforschung von Alternativen wird von Deutschland kaum etwas getan. Ein eigenständiges Wildbienen-Monitoring gibt es jetzt doch nicht, obwohl es einmal angekündigt war – es bleibt beim „Deutschen Bienen-Monitoring“. Spezielle Programme zur Substituierung der Neonikotinoide gibt es auch nicht mehr, stattdessen nur allgemeine Modell-Vorhaben zur Pestizid-Reduktion. Und bei der Ökolandbau-Forschung steht im Haushalt mal wieder eine Nullrunde an. Mein Fazit ist: Die Bundesregierung agiert gegen die Interessen von Umwelt, Verbrauchern und auch von Landwirten. Was ist denn, wenn jetzt aufgrund der wissenschaftlichen Fakten das Teil-Verbot in ein endgültiges umgewandelt und weiter ausgeweitet werden muss? Dann stehen die Landwirte mit leeren Händen da, weil die Bundesregierung nichts dafür getan hat, dass die Landwirtschaft ökologisch unproblematische Alternativen zur Verfügung hat.

Anmerkung:
Nach dem Interview bat das SWB das „Bundesministerium für Landwirtschaft“ um eine Erklärung für den ausgebliebenen Effekt des Teil-Verbotes. Das BMEL antwortete: „Die Absatzmengen von Neonicotinoid-Wirkstoffen umfassen die in Deutschland abgegebene Menge aller Neonicotinoid-Wirkstoffe und damit mehr Wirkstoffe, als die auf EU-Ebene Verordnung (EU) Nr. 485/2013 verbotenen Wirkstoffe Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam. In Deutschland sind zwar die Anwendungen als Saatgut-Behandlungsmittel bei bienen-attraktiven Kulturen und die Anwendungen im nicht-beruflichen Anwender-Bereich verboten und die Zulassungen entsprechend eingeschränkt, diese Anwendungsbereiche fallen mengenmäßig jedoch weit weniger ins Gewicht als z. B. Wirkstoffe in Spritz-Anwendungen.“