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Veröffentliche Beiträge von “CBG Redaktion”

Die CBG zum Tag der Befreiung

CBG Redaktion

Am 8. Mai 1945 endete der Zweite Weltkrieg. Die Alliierten hatten Deutschland vom Faschismus befreit. Die 1925 von BAYER und anderen Chemie-Gesellschaften gegründete I.G. FARBEN hatte den Nazis durch üppige Parteispenden an die NSDAP mit zur Macht verholfen. Fortan bildete sie das industrielle Rückgrat des Hitler-Regimes und stellte ihm auch wichtiges Personal wie etwa Wehrwirtschaftsführer. Unter anderem arbeitete die Interessensgemeinschaft die Blaupause für den Vierjahresplan aus, mit dem Hitler & Co. die Wirtschaft wehrtüchtig machten. Als es dann 1939 soweit war, konnte das Unternehmen die Armee fast alleine ausstatten. Im Schlepptau der Raubzüge nahm es sofort die chemischen Anlagen der überfallenden Länder in Beschlag. Zudem betätigten sich Beschäftigte der Auslandsniederlassungen als Spione und fertigten Karten-Material für Bombenangriffe an. 

An der Vernichtungspolitik wirkte die I.G. FARBEN ebenfalls mit. Ihre Tochterfirma DEGESCH lieferte den Nazis mit Zyklon B die Mordwaffe. Zudem errichtete der Konzern in unmittelbarer Nähe zu Auschwitz ein eigenes Werk, um beim Bau auf ZwangsarbeiterInnen zugreifen zu können. Später unterhielt er in der Nähe der Baustelle sogar ein firmen-eigenes KZ. Damit nicht genug, dienten die Häftlinge der I.G. auch noch als Versuchskaninchen für medizinische Experimente. 

„Sollte es zu Wirtschaftsklagen kommen, würde das Material den Verteidigern den Schlaf rauben“, schwante deshalb dem I.G.-Vorstandsmitglied Georg von Schnitzler. Und zunächst sah es auch ganz danach aus. Aber es kam anders. Die Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozesse widmeten der I.G. FARBEN zwar einen eigenen Verfahrensstrang, und von den 23 angeklagten Managern landeten auch 13 im Gefängnis, sie mussten ihre Haftstrafen allerdings nicht voll abbüßen. Die Zeiten hatten sich nämlich geändert. Im Zuge des Kalten Krieges baute der Westen wieder auf Deutschland. Deshalb erfolgte auch nicht wie ursprünglich vorgesehen eine radikale Zerschlagung des Mörder-Kombinats. Es blieb bei einer Entflechtung, die die tragenden Säulen BAYER, BASF und HOECHST unangetastet ließ. Resultat: Kaum 20 Jahre nach dem Neustart erreichten die drei Gesellschaften für sich allein eine Größe, die derjenigen der I.G. FARBEN in ihren besten Zeiten entsprach. 

CBG zum Tag der Arbeit

CBG Redaktion

Presse-Information vom 30.04.25

Arbeitsplatz-Vernichter BAYER

Der 1. Mai ist ein trauriger Tag für die BAYER-Beschäftigten. Das zwei Milliarden Euro schwere Rationalisierungsprogramm„Dynamic Shared Ownership“ (DSO) vernichtet immer mehr Arbeitsplätze. Als „Fortschritte bei der Transformation“ feiert der Leverkusener Multi das dann zu allem Übel auch noch auf seinen Bilanzpressekonferenzen ab.

Dieser „Transformation“ fielen seit Anfang 2024 bereits 10.000 Stellen zum Opfer. Um nicht weniger als zehn Prozent schrumpfte die Belegschaft. Das sorgt für erhebliche Unruhe unter den BAYER-WerkerInnen. „Viele wissen nicht, wo sie am Ende landen, sie sind nervös“, vertraute ein Angestellter dem „Handelsblatt“ an. Und ein Pharma-Manager bekundete gegenüber der „Wirtschaftswoche“: „So mies war die Stimmung noch nie.“ Allenfalls Krokodilstränen vergießt BAYER-Arbeitsdirektorin und „Chief Talent Officer“ Heike Prinz darüber. „Manche Gespräche sind natürlich emotional“, weiß sie über die nicht ganz einfachen Termine in der Personalabteilung zu berichten. 

Auch ansonsten steht es mit den Arbeitsbedingungen beim Konzern nicht eben zum Besten. Der aktuelle Bericht zum Lieferkettensorgfaltspflichten-Gesetz weist 64 Meldungen über Arbeitsschutz-Verletzungen und Gesundheitsgefährdungen am Arbeitsplatz aus. Bei den 61 Meldungen die Zulieferer von BAYER betreffend kommt da erschwerend noch Kinderarbeit, Behinderung gewerkschaftlicher Tätigkeit, Lohnraub und Diskriminierung am Arbeitsplatz hinzu.

„Die Lage der BAYER-Beschäftigten ist prekär. Ihre Rechte gilt es zu stärken. Dazu braucht es aber eine selbstbewusste IG Bergbau, Chemie und Energie, die nicht länger auf Co-Management setzt“, hält Brigitte Hincha-Weisel vom Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren fest.

Offener Brief an die Bayer-Aktionäre – 25. April 2025

CBG Redaktion

Sehr geehrte Damen und Herren,

Im Vorfeld der Bayer-Hauptversammlung schreiben wir, zivilgesellschaftliche Organisationen von beiden Seiten des Atlantiks und anderen Teilen der Welt, Ihnen wegen der anhaltenden Lobbying-Aktivitäten des Unternehmens, insbesondere in den USA, die auf Kosten der Rechte von US-Bürgern gehen. Unserer Ansicht nach werden diese Aktivitäten weder dem Bayer-eigenen Verhaltenskodex[1] noch den allgemeinen Grundsätzen der Unternehmensverantwortung gerecht, wie dem Internationalen Verhaltenskodex für Pestizid-Management[2] und den Grundprinzipien des UN Global Compact[3].

Im Jahr 2024 erklärte Bayer-CEO Bill Anderson, dass beim „Aufbau eines Unternehmens (...) ein gemeinsamer Sinn für Integrität und ein starker ethischer Kodex absolut unverzichtbar sind”, und rief „jeden im Team Bayer (...) dazu auf, sicherzustellen, dass wir integer handeln”. Herr Anderson erklärte auch:  „Politische Interessenvertretung oder Lobbying bedeutet, sich an demokratischen Prozessen zu beteiligen und die Politik mitzugestalten, indem man die Interessen einer Person oder einer Organisation gegenüber denjenigen Politikern und Institutionen vertritt, die politische und regulatorische Rahmenbedingungen schaffen, die sich auf den Tätigkeitsbereich oder das Geschäft jener auswirken”.

Seit mindestens zwei Jahren betreibt der in Europa ansässige multinationale Konzern Bayer in den USA jedoch eine intensive Lobbykampagne, die weit über das bloße „Vermitteln der Interessen einer Person oder Organisation gegenüber Politikern und Institutionen, die politische und rechtliche Rahmenbedingungen schaffen”, hinausgeht. In den letzten zehn Jahren haben 181.000 US-Bürger Klage gegen das Unternehmen eingereicht, weil sie sich nicht ausreichend über die Gefahren des Glyphosat-Herbizids „Roundup” informiert fühlten. Viele von ihnen haben Schadensersatz in Höhe von mehreren Millionen und sogar mehreren Milliarden Dollar erstritten, und Zehntausende haben von Bayer Vergleichszahlungen erhalten. Doch viele weitere Verfahren laufen noch.

Bayer reagiert nun mit Lobbyarbeit auf bundesstaatlicher und zentralstaatlicher Ebene, um Bürger daran zu hindern, die Hersteller giftiger Produkte zu verklagen, wenn sie gesundheitliche Schäden erleiden. Wie die Washington Postberichtet[4], enthält der Entwurf des US-Landwirtschaftsgesetzes einen Abschnitt, der „mit Hilfe von Bayer entworfen” wurde und der die bundesstaatlichen und lokalen Behörden daran hindern würde, ihre eigenen Standards für Sicherheitswarnungen bei Pestiziden festzulegen. Dies kann nicht als „ethisches und verantwortungsvolles” Verhalten angesehen werden. Entsprechende Gesetze sind in mindestens acht US-Bundesstaaten eingebracht worden[5] und werden in mehr als zwanzig Staaten vorbereitet. Nach eigenen Angaben gab Bayer im Jahr 2023 18 Millionen US-Dollar für Lobbyarbeit in den USA aus. 

Aus Gerichtsdokumenten geht hervor[6] , dass Bayer und Monsanto die wissenschaftlichen Erkenntnisse[7],[8] zu Glyphosat und glyphosatbasierten Herbiziden wie Roundup lange und aggressiv bekämpft haben. In einem offenen Brief vom April letzten Jahres bezeichnete Bayer wissenschaftliche Studien, die in den Roundup-Prozessen vorgelegt wurden, als „Junk Science“. Dazu gehören auch Studien von Wissenschaftlern, die unabhängig von den Pestizidunternehmen arbeiten und die von der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) überprüft wurden und dazu führten, dass diese Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend für den Menschen einstufte.

Erst im Dezember 2023 legte eine Studie des US National Institute of Health neue Beweise dafür vor, dass die Exposition gegenüber Glyphosat mit oxidativem Stress beim Menschen verbunden ist, der bekanntermaßen zu vielen Krankheiten, einschließlich Krebs, führt[9]. Daraufhin reichte in den USA ein Bündnis aus Landarbeitern, Vertretern der öffentlichen Gesundheit und Umweltschützern eine  Petition bei der US-Umweltschutzbehörde (EPA) ein und forderte die sofortige Aussetzung der Zulassung von Glyphosat[10].

Tatsächlich versprach der Bayer-Konzern 2023, Glyphosat in den USA aus den für Privat-Anwender bestimmten Roundup-Produkten zu entfernen – nur um dann alles noch schlimmer zu machen, indem er vier Chemikalien hinzufügte, von denen zwei in der EU verboten sind, darunter Diquatdibromid. Wie FOE US berichtet, macht dies das neue Roundup im Durchschnitt nach langfristiger Exposition 45-mal giftiger für die menschliche Gesundheit als die alte Version.

Auf der ganzen Welt versucht Bayer mit seinen tiefen Taschen, Gesetze und Verordnungen zu untergraben, die die Bevölkerung und die Umwelt schützen und somit dem Allgemeinwohl dienen sollen, und setzt dabei eine breite Palette von Lobbytaktiken ein[11]. In Europa zum Beispiel hat Bayer – zusammen mit seiner Lobbygruppe Croplife EU – hart dafür gekämpft, eine Verordnung zur Reduzierung von Pestiziden zu Fall zu bringen, die ein wesentlicher Bestandteil des EU Green Deal ist.

Dies steht auch in krassem Gegensatz zu dem, was EU-Politiker in ihrem Bericht über die Monsanto-Papiere[12]dargelegt haben. Die Autoren – Mitglieder des Europäischen Parlaments – erklärten, dass wir stärkere Maßnahmen zum Risikomanagement benötigen: „Das Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel sollte weiterhin wissenschaftlich fundiert sein und auf unabhängigen, transparenten und effizienten Verfahren beruhen“ und „die für die Bewertung verwendeten Studien sollten unabhängiger sein und auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen, um Interessenkonflikte zu vermeiden”.

Die Lobbykampagne von Bayer in den USA hat nun in mehreren US-Bundesstaaten Kämpfe zwischen Bauernverbänden entfacht. Aaron Lehman, ein Mais- und Sojabohnenfarmer aus Iowa und Präsident der Iowa Farmers Union, sagte in The New Lede und The Guardian: „Wir sind sehr besorgt. Unsere Landwirte sind der Meinung, dass sie bei Verletzungen oder Krankheiten, die auf den Einsatz von Pestiziden zurückzuführen sind, Zugang zu den Gerichten haben sollten. Wir sind einfach der Meinung, dass dieser Zugang niemandem versperrt werden sollte”.

Der Bayer-Konzern behauptet, die Gesetzesänderungen seien einfach notwendig, um seine „wichtigen Investitionen” zu schützen und um sicherzustellen, dass die Landwirte nicht den Zugang zu Roundup verlieren. Dies steht in krassem Widerspruch zu dem von Bayer selbst für sich reklamierten Wert der „Integrität” und international anerkannten Standards.

Das Ziel der Lobbykampagne von Bayer ist einfach: Gewinnmaximierung und die Aufrechterhaltung einer nahezu monopolistischen Kontrolle über die kommerziellen Saatgut- und Pestizidmärkte[13]. Wie der US-Wissenschaftler Phil Howard schrieb, schaden die kommerziellen Strategien von Bayer auch den Landwirten in den USA: „Die Konzentration auf dem Agrar-Markt verringert die Autonomie der Landwirte und verteilt Kosten und Nutzen über die gesamte Lebensmittelkette, was die Einkommen der Landwirte drückt”[14].

Kurz gesagt: Bayers Fehlkalkulation beim Kauf von Monsanto für 53 Milliarden Euro im Jahr 2018 geht auf Kosten von Verbrauchern, Landwirten und der Demokratie, wobei kommerzielle Interessen offenkundig über die Belange der öffentlichen Gesundheit und der Umwelt gestellt werden.  

In Anbetracht dessen fordern wir, die unterzeichnenden Organisationen aus den USA, der EU und anderen Teilen der Welt Sie auf, folgende Forderungen an den Bayer-Vorstand zu stellen:

  • Stellen Sie die Bemühungen um ein Immunitätsgesetz für Glyphosat in den USA ein
  • Unterlassen Sie weitere Lobbyarbeit, die dem öffentlichen Interesse schadet
  • Hören Sie auf, die wissenschaftliche Integrität zu untergraben, indem Sie die unabhängige Wissenschaft angreifen, und respektieren Sie stattdessen das Vorsorgeprinzip.


[1]    Wie internationale Untersuchungen zeigen, erwirtschaften die größten Agrarchemieunternehmen der Welt (BASF, Bayer Crop Science, Corteva Agriscience, FMC und Syngenta/Synochem) mehr als ein Drittel ihres Umsatzes mit hochgefährlichen Pestiziden - den Pestiziden, die für die menschliche Gesundheit und die Umwelt am schädlichsten sind. Siehe: https://www.publiceye.ch/en/media-corner/press-releases/detail/pesticide-giants-make-billions-from-bee-harming-and-carcinogenic-chemicals

[2]    Die letzte Fassung des Internationalen Verhaltenskodexes mit Schwerpunkt auf der öffentlichen Gesundheit „konzentriert sich auf Risikominderung, indem sie die Länder auffordert, hochgefährliche Pestizide zu identifizieren und falls nötig aus dem Verkehr zu ziehen“, und fordert die Industrie und die Regierungen auf, „alle erforderlichen Vorkehrungen zum Schutz von Arbeitnehmern, Unbeteiligten, nahe gelegenen Gemeinden und der Umwelt zu treffen“; siehe: https://openknowledge.fao.org/server/api/core/bitstreams/a9191456-07cb-4a79-9dce-50472e31b694/content

[3]    https://unglobalcompact.org/what-is-gc/mission/principles/principle-7 und https://unglobalcompact.org/what-is-gc/mission/principles/principle-9

[4]    Washington Post, 20 Juni 2024. ‘Bayer lobbies Congress to help fight lawsuits tying Roundup to cancer’: https://www.washingtonpost.com/business/2024/06/20/bayer-roundup-farm-bill-lobbying/

[5]    The Guardian, 10 Februar 2025. ‘Farmers ‘very worried’ as US pesticide firms push sto bar cancer diagnoses lawsuits’: https://www.theguardian.com/environment/2025/feb/10/pesticide-lawsuits-cancer-gag-act

[6]    https://www.wisnerbaum.com/toxic-tort-law/monsanto-roundup-lawsuit/monsanto-papers/

[7]    https://www.wisnerbaum.com/documents/monsanto-documents-chart-101217.pdf

[8]    Dazu gehören die Manipulation der Wissenschaft, einschließlich Ghostwriting, die Finanzierung von Desinformationskampagnen, die Beeinflussung von Regulierungsbehörden und die Organisation einer Hetzkampagne gegen das IARC. Siehe: https://stopglyphosate.eu/policy-and-scientific-integrity/

[9]    Glyphosate Use and Mosaic Loss of Chromosome Y among Male Farmers in the Agricultural Health Study : https://ehp.niehs.nih.gov/doi/10.1289/EHP12834 and: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36629488/

[10]  https://www.centerforfoodsafety.org/files/12-13-23_glycancelpet_final_85692.pdf

[11]  Bayer und Monsanto haben die Handelspolitik genutzt, um Drittländer zur Änderung ihrer Gesetze zu zwingen, während sie gleichzeitig die politischen Entscheidungsträger mit Investitionsversprechen hinhielten und ablenkten. Diese Taktik wurde in der ganzen Welt angewandt: in der EU und den USA, aber auch in Thailand, Mexiko und in afrikanischen Ländern. Siehe: https://www.corporateeurope.org/en/2024/09/bayers-toxic-trails

[12]  https://www.europarl.europa.eu/news/en/press-room/20181206IPR21260/pesticides-meps-propose-blueprint-to-improve-eu-approval-procedure

[13]  Nur vier multinationale Konzerne - Bayer, BASF, Corteva und Syngenta - kontrollieren über 65 % des weltweiten Handels mit Pestiziden und mindestens die Hälfte des weltweiten Saatguthandels, was einen Markt von mehreren Milliarden Euro darstellt. Siehe: https://philhoward.net/2020/11/19/concentration-and-its-impacts/

[14]  https://philhoward.net/2020/11/19/concentration-and-its-impacts/

CBG reicht zur Hauptversammlung Gegenanträge ein

CBG Redaktion

Presse-Information vom 16.04.25

Die andere BAYER-Bilanz

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) hat zur BAYER-Hauptversammlung am 25. April zahlreiche Gegenanträge eingereicht. „Mit unseren Gegenanträgen legen wir die etwas andere BAYER-Bilanz vor. Sie zeigt, welch katastrophale Folgen für Mensch, Tier und Umwelt die gnadenlose Profit-Jagd des Konzerns hat“, erklärt Brigitte Hincha-Weisel vom CBG-Vorstand. 

So setzt die Coordination die prekären Lieferketten des Leverkusener Multis auf die Tagesordnung der Hauptversammlung. Auch die Pestizid-Nebenwirkung „Parkinson“ und das besondere Gefährdungspotenzial von PFAS-haltigen Ackergiften macht sie zum Thema. Zudem wendet sich die CBG gegen das Vorhaben des Global Players, eine Kapital-Erhöhung vorzunehmen, um sich ein Polster für die Glyphosat-Entschädigungsverfahren und „andere Maßnahmen im Zusammenhang mit einer weitgehenden Eindämmung von Klage-Verfahren in den USA“ zu verschaffen. Ihrer Ansicht nach besteht die einzige Möglichkeit, die Rechtsstreitigkeiten in Sachen „Glyphosat“ zu beenden, darin,die Vermarktung des Herbizids zu beenden. Wäre dieser Schritt schon frühzeitig erfolgt, hätte das den Beschäftigten auch das Rationalisierungsprogramm „Dynamic Shared Ownership“ erspart, das bis dato bereits 7.000 Arbeitsplätze gekostet hat.

Die Zusammenarbeit BAYERs mit der PR-Agentur V-Fluence und deren Netzwerk-Portal „Bonus Eventus“ stößt ebenfalls auf Kritik, denn das US-Unternehmen pflegt die politische Landschaft mit äußerst zweifelhaften Methoden im Sinne der Agro-Riesen. Darüber hinaus schrieb die CBG einen Gegenantrag zur Weigerung des Leverkusener Multis, Verantwortung für die bis in die 1970er Jahre hinein an Heimkindern durchgeführten Arznei-Tests zu übernehmen. Damit nicht genug, fordert sie die AktionärInnen auf, dem Vorstand kein neues Mandat zur Abhaltung von virtuellen Hauptversammlungen zu erteilen: „Solange die Hauptversammlung lediglich online im virtuellen Raum stattfindet, ist sie kein Ort des wirklichen Austausches zwischen AktionärInnen und Management mehr.“

Darum gibt es von der Coordination neben virtuellem Protest in Form von Online-Reden auch weiterhin physischen Protest. Sie hält zeitgleich mit Hauptversammlung eine Kundgebung vor BAYERs Konzern-Zentrale in Leverkusen ab. Dort wie bei der HV selbst kommen neben den Themen der Gegenanträge noch viele weitere zur Sprache. Unter anderem beteiligen sich an der Konzern-Kritik das Pestizid Aktions-Netzwerk, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, das Gen-ethische Netzwerk, das Umweltinstitut München, der Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzen-Vielfalt und das Corporate Europe Observatory. 

Das Corporate Europe Observatory wird im Vorfeld der Hauptversammlung überdies einen an die BAYER-AktionärInnen gerichteten – und von zahlreichen US-amerikanischen und europäischen Organisationen unterzeichneten – offenen Brief veröffentlichen. Dieser prangert die Bestrebungen des Konzerns an, in den Vereinigten Staaten mit immensem Lobby-Einsatz Gesetze zu lancieren, die Glyphosat Straffreiheit verschaffen sollen. 

CBG beim Klimastreik

CBG Redaktion

Der BAYER-Konzern stößt immens viel Kohlendioxid aus, und er gedenkt auch nicht, dagegen irgendetwas zu tun. Seit Jahren bewegen sich seine CO2-Emissionen um die Marke von drei Millionen Tonnen pro Jahr herum. Darum beteiligte sich die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN am 11. April 2025 wieder am weltweiten Klimastreik. Sie ging in Düsseldorf mit auf die Straße, wo die Demonstration am Burgplatz begann. Dort brauchten die TeilnehmerInnen ihren Blick nur ein wenig von der Bühne ab auf den Rhein zu richten, um die Dringlichkeit ihres Anliegens bestätigt zu finden; „die niedrigsten Wasserstände seit mindestens 20 Jahren in einem April“ machte das „Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Rhein“ aus. Darunter leidet zwar auch der Leverkusener Multi selbst, aber er zeigt sich gewappnet. „Generell sind wir auf Ereignisse wie Hoch- und Niedrigwasser organisatorisch vorbereitet. Unter anderem können wir auf andere Transport-Möglichkeiten ausweichen“, verlautete aus der Unternehmenszentrale.

CBG zum Welt-Parkinson-Tag

CBG Redaktion

Presse-Information vom 10.04.25

BAYER & Co. müssen die Behandlungskosten mittragen!

Anlässlich des morgigen Welt-Parkinson-Tages fordert die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) die Bundesregierung auf, die Empfehlung des „Ärztlichen Sachverständigenbeirats“ „Parkinson durch Pestizide“ als Berufskrankheit bei LandwirtInnen anzuerkennen, rasch umzusetzen. „Die Politik muss die
Berufskrankheiten-Verordnung jetzt entsprechend ergänzen. Sie darf nicht auf den letzten Metern vor der geballten Lobby-Macht einknicken“, so CBG-Vorständin Brigitte Hincha-Weisel.

Die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) hat aktuell 8.000 Parkinson-PatientInnen unter ihren Mitgliedern. Sie rechnet durch die neue Regelung mit zusätzlichen finanziellen Belastungen von bis zu 270 Millionen Euro pro Jahr. Nicht zuletzt um das zu schultern, hat die Berufsgenossenschaft der LandwirtInnen ihre Beiträge um rund 20 Prozent erhöht. „Die Gefährdeten selbst sollen also zahlen und nicht die Gefährder. Das geht nicht an. BAYER und die anderen Pestizid-Produzenten müssen hier ihren Beitrag leisten“, verlangt Brigitte Hincha-Weisel.

Dazu haben sich BAYER und die anderen im Industrieverband Agrar (IVA) organisierten Hersteller bisher jedoch nicht bereit erklärt. Sie leugnen sogar den Tatbestand. „Die Entstehung von Parkinson ist komplex und in der Medizin nicht vollständig geklärt“, behauptet der IVA. Die vorliegenden Studien würden zwar „statistische Zusammenhänge abbilden (Korrelation), aber die Ursache nicht erklären (Kausalität)“, führt der Lobby-Verband aus. Ansonsten schiebt er in altbekannter Manier alles auf eine möglicherweise nicht sachgerechte Anwendung der Mittel.

Dabei belegten erste wissenschaftliche Untersuchungen bereits in den 1980er Jahren den Zusammenhang zwischen Pestizid-Exposition und Parkinson. Und im Jahr 2023 forderten MedizinerInnen in der Fachzeitschrift „The Lancet Planetary Health“ ausdrücklich mit Verweis auf die Nebenwirkung „Parkinson“, den BAYER-Antrag auf eine Verlängerung der Glyphosat-Genehmigung abzulehnen. „Eindringlich appellieren wir an die Regierungen und Politiker der Europäischen Union, gegen die Verlängerung der Marktzulassung von Glyphosat um weitere zehn Jahre zu stimmen“, schrieben sie.

Dementsprechend begrüßen die „Deutsche Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen“ (DPG) und die „Deutsche Gesellschaft für Neurologie“ (DGN) die Anerkennung als Berufskrankheit. „Für viele Pestizide ist ein direkter toxischer Effekt auf das Nervensystem nachgewiesen. So auch für Glyphosat, welches zu Veränderungen der Neurotransmitter- (Überträgerstoff-)Konzentrationen im Nervensystem und zu einem zellschädigenden Milieu beiträgt. Parkinson-Erkrankungen werden sowohl nach akuter (…) wie auch nach chronischer (…) Glyphosat-Exposition beobachtet“, konstatiert die DGN.

„Die Pestizid-Nebenwirkung ‚Parkinson‘ zeigt einmal mehr, was für Lasten gesundheitlicher und finanzieller Art BAYER & Co. der Gesellschaft aufbürden“, hält Hincha-Weisel abschließend fest.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren wird „Parkinson durch Pestizide“ auf die Tagesordnung der BAYER-Hauptversammlung setzen, die am 25. April im Online-Format stattfindet. Auf der Kundgebung, die zeitgleich um 10 Uhr vor der Konzern-Zentrale in Leverkusen beginnt, kommt das Thema ebenfalls zur Sprache. Überdies hat die CBG dazu einen Gegenantrag eingereicht.

Solidaritätserklärung

CBG Redaktion

Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) erklärt sich mit der Journalistin Gaby Weber solidarisch, der die Comdirect-Bank das Konto gekündigt hat. Die langjährige Kooperationspartnerin der CBG hat den dringenden Tatverdacht, dass dieses „De-Banking“ im Zusammenhang mit ihrer Arbeit steht. Sie recherchiert nämlich bereits seit Langem zu den Finanzierungsquellen von BAYERs MONSANTO-Übernahme und hat im Zuge dessen auch eine Auskunftsklage gegen die Bundesbank eingereicht, dessen ehemaliger Chef Jens Weidmann der Aufsichtsratsvorsitzender der Comdirect ist.

Zum Hintergrund: Der Leverkusener Multi finanzierte den Erwerb des US-amerikanischen Agro-Riesen zu einem nicht geringen Teil über die Ausgabe von Unternehmensanleihen. Rund 19 Milliarden Euro hat er auf diese Weise eintreiben können. Gaby Weber hat nun die Vermutung, dass die Europäische Zentralbank (EZB) und sechs Zentralbanken der EU-Länder – darunter die Deutsche Bundesbank – BAYER dabei durch ihr im Juni 2016 angelaufenes Kaufprogramm für Unternehmensanleihen unter die Arme gegriffen haben. 

Indirekt taten die Banken das auf jeden Fall, denn die Shopping Tour – im Januar 2020 hielt allein die EZB Anleihen von Unternehmen im Wert von 183 Milliarden Euro – reduzierte nämlich durch den Nachfrage-Druck die Zinsen, welche die Global Player den KäuferInnen der Papiere zahlen mussten. Aber Weber interessierte sich auch für die direkte Unterstützung. Darum wollte sie wissen, wie viele Anleihen des Leverkusener Multis die Banken damals erwarben. Die Europäische Zentralbank und die Bundesbank mauerten aber, weshalb Weber vor Gericht zog. 

Die beiden Häuser äußerten sich nur allgemein zu dem Tatbestand und wiesen die Vorwürfe der Journalistin zurück. Sie bezeichneten deren Aussage, „dass ‚ein großer Teil der BAYER-Anleihen von der Bundesbank mit EZB-Geldern gekauft’ wurden“, als falsch. Zentral- und Bundesbank gingen vielmehr nach dem „Prinzip der Marktneutralität“ vor und achteten streng darauf, einzelne Unternehmen nicht über- oder unterzugewichten, hieß es in der Stellungnahme. Die BankerInnen räumten zwar ein, mit dem Ankauf-Programm die Finanzierungsbedingungen für die Firmen verbessert zu haben, bezeichneten dies jedoch nicht als das eigentliche Ziel der Maßnahmen. Dieses habe vielmehr darin bestanden, „eine drohende Deflation in der Eurozone abzuwenden“.

„Die Konto-Kündigung kann nicht der Privat-Person Gaby Weber gegolten haben, sondern nur dem politischen Menschen Gaby Weber. Darum solidarisiert sich die Coordination gegen BAYER-Gefahren mit ihr und allen anderen, denen Ähnliches widerfuhr – und das sind nicht wenige“, erklärt Jan Pehrke vom Vorstand der CBG.

Nachruf

CBG Redaktion

Ein Urgestein des Klassenkampfes

Ein gemeinsamer Nachruf auf Toni Kilger/München

von Hans See
(Gründer und Ehrenvorsitzender von Business Crime Control/BCC) 

und Axel Köhler-Schnura
(Gründer der Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG) und der Stiftung ethecon) 

Toni Kilger, geboren am 10. Juli 1941, ist im Februar 2025 in München gestorben. Er war schon lange krank, litt an einer behandelbaren Form der Leukämie, hat sich aber niemals von seinen vielfältigen kapitalismuskritischen und friedenspolitischen Engagements abbringen lassen. Toni war nicht nur langjähriges Mitglied und aktiver Unterstützer der vielfältigen Aktivitäten und Aktionen von Business Crime Control (BCC) gegen Wirtschaftsverbrechen und lebenslanger Friedensaktivist. Neben seinen ungezählten anderen Engagements war er auch bundesweit z. B. aktiv beim Dachverband der Kritischen Aktionäre, Mitglied der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) und Zustifter der ersten Stunde bei ethecon Stiftung Ethik & Ökonomie. 

In seiner geliebten Heimatstadt München stand der Sozialdemokrat Kilger unbeirrt in der Tradition der „Münchner Räterepublik“ und war stadtbekannt dafür, dass er bei jeder Demonstration gegen von Konzernen und Kapital zu verantwortende Verbrechen präsent war. Bei allem aber fraß die meiste Zeit die „ewige“ Auseinandersetzung mit seiner Partei, der SPD, der er trotz ihrer permanenten Verbürgerlichungspolitik und Trends nach rechts – ohne selbst dabei mitzumachen – zeitlebens die Treue hielt. Den „rechtsabweichlerischen Genossen“ hat er aber immer wieder die Leviten gelesen. Toni war auch – „seit er denken kann“ – Gewerkschafter, Mitglied der Deutschen Postgewerkschaft, dann auch der Gewerkschaft ver.di, in der die PDG aufgegangen ist.

Er war kein Spalter, sondern ein Brückenbauer. Ohne jedwede Berührungsangst arbeitete er mit Linken aller Couleur und auch mit progressiven politischen Kräften des bürgerlichen Lagers zusammen. Die gemeinsame Kraft, der Traum von der demokratischen Entmachtung des Kapitals, waren für ihn die Leitlinie und das Verbindende. Meinungsverschiedenheiten haben ihn nie daran gehindert, bei der Durchsetzuung sozial-, friedens- und umweltpolitischer Ziele die Zusammenarbeit fortzusetzen. Der Antifaschismus gehörte zu seinen politischen Grundwerten.

Beruflich hatte Toni es geschafft, vom stressigen Mittleren Dienst bei der Post über den Zweiten Bildungsweg und ein Jurastudium bis zum Postoberrat aufzusteigen. Trotzdem ist er überzeugtes Mitglied der Post-Gewerkschaft und ver.di geblieben, ein Mitstreiter seiner Klasse geblieben. Selbstverständlich war er auch aktiver Widerstandskämpfer gegen die Privatisierung des Unternehmens unter der Regierung Kohl. Und immer tief verwickelt in die ständigen Kämpfe um Löhne, Arbeitsbedingungen und sichere Arbeitsplätze. Er war kein Mann der oberflächlichen Parolen. Er war erfahren und belesen, und er kannte die Grundlagen seiner politischen Positionen in- und auswendig. 

Da blieb es nicht aus, dass die Material- und Bücherberge in Tonis Wohnung immer umfangreicher wurden. Abhilfe konnte erst geschaffen werden als er – schweren Herzens – endlich alles an das „Archiv der Münchner Arbeiterbewegung“ vermachte. Im Internet findet man dazu folgende Information: „Die Auseinandersetzung um die Postprivatisierung 1987–1995 kann in unserem Archivbestand, ‚Vorlass Toni Kilger‘und den lokalen Protokollen der Deutschen Post Gewerkschaft (DPG) Südbayern nachvollzogen werden. Die Standorte der Bestände sind DPG Südbayern (37.8 und 37.9) und Vorlass Toni Kilger zur Postreform (35.9). Hier finden sich Zeitungsartikel, Stellungnahmen der Parteien und viele interne Veröffentlichung der Deutschen Postgewerkschaft.“

Das war ein Kampffeld, auf dem sich Toni – wenn auch letztendlich ohne Erfolg – mit aller Kraft engagierte. Ein Herzensanliegen war ihm immer auch der Kampf gegen die Kriegs- und Rüstungspolitik im Allgemeinen und speziell gegen die NATO-"Sicherheitskonferenzen" in München. Seine Unterschrift findet sich auf vielen Friedensresolutionen und Flugschriften, oft neben Persönlichkeiten wie Konstantin Wecker und Conrad Schuhler. 

BCC-Mitglied wurde Toni, als ich, Hans See, ihn in Kassel auf einem „Friedenspolitischen Ratschlag“ kennenlernte. Unter anderem kritisierte ich dort die Aufrüstungs- und Militärpolitik, auch der SPD, die sich damals immer noch damit brüstete, dass ihr berühmter Vorsitzender, der ehemalige Bundeskanzler Willy Brandt, den Friedensnobelpreis erhalten hatte. Was Toni besonders interessierte, war meine These, dass Waffenhandel eine Domäne der kriminellen Ökonomie und ein von der Friedensbewegung leichtfertig übersehener, dennoch zentraler und wirkungsmächtiger Krisen- und Kriegsfaktor ist. 

Toni hat mich regelmäßig per Telefon, eMail oder Briefpost über viele seiner Aktivitäten auf dem Laufenden gehalten. So hat er mir in diesem Zusammenhang in einer eMail die Kopie seines Briefes an den SPD-Bundestagsabgeordneten Michael Roth übermittelt, den ich hier öffentlich zugänglich mache, weil er Biographisches und Politisches knapp und authentisch schildert und so einen Einblick in sein Leben gewährt. Er schrieb:

Lieber Herr Roth,
ich habe wie Sie auch Kriegsdienst verweigert und in Hessisch-Lichtenau Ersatzdienst gemacht (Okt. 1964 – März 1966). Ich bin seit 1970 Mitglied der SPD, aus der ich schon längst hätte austreten müssen, aber es dann doch wieder nicht getan habe als ehemaliger Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung. Allerdings anders als Sie kann ich nicht vergessen, daß die SPD eine Politik gemacht hat und noch macht, die das Gegenteil dessen ist, was ich erwartet hätte. Die SPD ist heute nicht nur der beste Verbündete der Bundeswehr (unterstützt nahezu alles, was die Militärs wollen) und unterstützt über das sog. Verteidigungsbündnis NATO auch alle Kriege, die auf Wunsch der NATO (= USA) geführt werden „müssen“(?), obschon sie weiß, daß der Krieg ein Verbrechen ist (so auch schon Willy Brandt) und kein Mittel der Politik sein darf. Wie man davon reden kann, daß die SPD Friedenspolitik macht, ist mir unter diesen Umständen schleierhaft. Und Sie wundern sich immer noch, daß die SPD von immer weniger Menschen gewählt wird – ich nicht! Gruß Toni Kilger

Nachdem Toni Mitglied von Business Crime Control geworden war, fehlte er auf keiner unserer Tagungen und Konferenzen. Oft kam er zusammen mit seiner ebenfalls friedenspolitisch aktiven und schon lange vor ihm verstorbenen Frau Ursula. Wir, die Verfasser dieses Nachrufs, trafen die beiden immer wieder auf Demonstrationen für Frieden und Abrüstung, soziale Gerechtigkeit und eine antirassistische Willkommenskultur. Es blieb also nicht aus, dass sich im Lauf der Zeit eine enge Freundschaft zu beiden entwickelte und ich, Hans See, die beiden zu meinem 80sten Geburtstag einlud. In einer seiner letzten eMails machte Toni mich auf einen kritischen Beitrag des Friedenpolitikers Jürgen Rose zum überraschenden Rückzug der USA aus Afghanistan aufmerksam. 

Unsere letzte persönliche Begegnung fand im September 2021 in München statt. Dorthin hatte mich die ehemalige Rechtsanwältin des Justiz-Opfers Gustl Mollath, Erika Lorenz-Löblein, im Namen der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ) zu einem Vortrag über Wirtschaftsverbrechen eingeladen, bei dem Toni natürlich nicht fehlen durfte. Wir nutzten die Gelegenheit zu einem gemeinsamen Essen in seinem Lieblingsrestaurant, wo ihn die Kellner freundlich wie einen alten Bekannten begrüßten. 

Tonis Freund Prof. Franz Kohout, den ich nach meinem Münchner Vortrag dort kennenlernte und dessen Buch über „Austeilende Ungerechtigkeit“ ich später rezensierte, war es, der mich noch am Todestag Tonis anrief und mir mittteilte, dass unser Freund am frühen Morgen gestorben sei. Tonis Tod ist nicht nur für uns als seine Freunde, sondern auch für BCC und ethecon, eigentlich für alle Organisationen und Aktionen, besonders für die linke Friedensbewegung, ein herber Verlust. Die jüngeren Generationen, denen er immer Vorbild sein wollte und war, werden – daran glaubte er fest, und wir hoffen das auch – über kurz oder lang die Lücken schließen, die wir Alten naturgemäß hinterlassen. 

Hans See & Hildegard Waltemate
Christiane Schnura & Axel Köhler-Schnura

BAYER HAUPTVERSAMMLUNG 2025

CBG Redaktion
Raus zur BAYER-Hauptversammlung!
Kundgebung vor der BAYER-Konzernzentrale:
25.04.202510.00 UhrKaiser-Wilhelm-Allee 3, Leverkusen
S-Bahn-Haltestelle Leverkusen-Chempark

Auch in diesem Jahr flüchtet der Leverkusener Chemie-Multi BAYER mit seiner Hauptversammlung wieder ins Internet, um sich nicht direkt mit der Konzern-Kritik konfrontieren zu müssen. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) und ihre Mitstreiter*innen zeigen aber trotzdem Protest in Präsenz und halten vor der Unternehmenszentrale eine Kundgebung ab

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) hat bereits angekündigt, dazu mit Treckern bei BAYER vorzufahren.

Rede-Beiträge wird es unter anderem zu Parkinson durch Pestizide als Berufskrankheit von Landwirt*innen, den Gefahren der neuen Gentechniken, PFAS, BAYERs prekären Lieferketten und zur ökologischen Landwirtschaft als Alternative zum agro-industriellen Modell geben. Für musikalische Zwischenspiele ist ebenfalls gesorgt.

Also kommt zahlreich! Die Redeliste ist auch noch nicht geschlossen. Bei Interesse bitte bei der CBG melden.


BAYER-HV 2025: Das Wort ergreifen!

Ihr lebt zu weit entfernt von Leverkusen, um an der Kundgebung teilnehmen zu können, oder seid aus anderen Gründen verhindert und wollt trotzdem etwas machen? Dann gibt es die Möglichkeit, auf der Online-Hauptversammlung digital das Wort zu ergreifen und dem Vorstand kritische Fragen zu stellen. Ihr könnt Euch vom heimischen Rechner aus zuschalten. Nehmt bei Interesse per Mail an info@cbgnetwork.org oder telefonisch unter 0049 211 33 39 11 Kontakt zu uns auf. Wir geben euch dann die benötigten Informationen.


Kundgebung vor der BAYER-Konzernzentrale:
25.04.202510.00 Uhr
Kaiser-Wilhelm-Allee 3, Leverkusen
S-Bahn-Haltestelle Leverkusen-Chempark

Wegbeschreibung von da aus: die Otto-Bayerstr. hochgehen, nach rechts in dieDüsseldorferstr. einbiegen und dann die erste Straße links 

Die Hauptversammlungsaktivitäten der CBG werden gefördert von

Medikamentenversuche mit Heimkindern

CBG Redaktion

Presse-Information vom 12.03.25

BAYER muss sich der Verantwortung stellen!

Am morgigen Donnerstag widmet sich die schleswig-holsteinische Landesregierung dem Leid, das ehemalige Heimkinder von den 1950er bis weit in die 1970er Jahre hinein durch Medikamentenversuche von BAYER & Co. erfahren haben. 

Auf der Veranstaltung mit dem Titel „Anerkennen, Aufarbeiten, Zukunft gestalten“, die im Plenarsaal des Landtags stattfindet, berichten Betroffene von ihren Erfahrungen. WissenschaftlerInnen der Universität Lübeck präsentieren neue Forschungsergebnisse zu den Arznei-Tests. Den größten Raum aber nimmt die Aufarbeitung der schrecklichen Geschehnisse ein. Landessozialministerin Aminata Touré spricht über die Verantwortung des Landes Schleswig-Holstein. Über die Verantwortung der evangelischen Kirche referiert die Bischöfin Nora Steen; über die der katholischen Kirche der Generalvikar Pater Sascha-Philipp Geißler. Nur der Platz der Pharma-Industrie bleibt unbesetzt.

„Wir haben in der letzten Legislaturperiode das Gesprächsformat ‚Gespräch der Verantwortungsträger‘ ein- bzw. durchgeführt, bei dem wir unermüdlich versucht haben, die Pharmaverbände mit an den Tisch zu bekommen“, antwortet das Sozialministerium der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) auf die Frage nach den Gründen: „Wir haben hier ganz überwiegend die Resonanz bekommen, dass die Übernahme von Verantwortung durchgängig negiert wurde. Insofern wurden diejenigen Verantwortungsträger angefragt, mit denen wir in Gesprächen sind und die sich ihrer Verantwortung stellen.“

Initiiert hatte das „Gespräch der Verantwortungsträger“ Touré-Vorgänger Heiner Garg (FDP). Dem BAYER-Konzern warf er damals eine „unverschämte Abwehrhaltung“ vor. Die hat der Leverkusener Multi beibehalten. In dieser Legislaturperiode brachte er in Tateinheit mit anderen Pharma-Riesen die Einrichtung einer Stiftung zur Unterstützung der ehemaligen Heimkinder zu Fall. Dieses Modell macht nach Meinung des Ministeriums nämlich nur Sinn, „wenn die neben dem Land weiteren Verantwortungsträger bereit wären, ebenfalls finanzielle Mittel einzubringen“. Jetzt bleibt der schwarz-grünen Landesregierung nur, sich auf „Möglichkeiten innerhalb des Landeshaushalts“ zu konzentrieren.

„Der BAYER-Konzern hat Heimkinder jahrzehntelang als Versuchskaninchen für Psychopharmaka, Neuroleptika und andere Mittel benutzt. Nach den Testreihen belieferte er dann die Einrichtungen mit riesigen „Anstaltspackungen“ zur Ruhigstellung der Kinder und Jugendlichen. Viele von ihnen leiden bis heute unter den Folgen der Medikamenten-Gaben. Der Leverkusener Multi aber verdiente Millionen damit.

Und jetzt will er sich der Verantwortung nicht stellen. Dieses Verhalten ist erbärmlich“, so Brigitte Hincha-Weisel von der CBG.

Die Coordination unterstützt die ehemaligen Heimkinder in ihrem Kampf für Anerkennung ihres Leids und für Entschädigungen seit Jahren und wird die Menschenversuche auf die Tagesordnung der nächsten BAYER-Hauptversammlung setzen.

 

Eine katastrophale Bilanz

CBG Redaktion

Der BAYER-Konzern hat auf seiner heutigen Bilanzpressekonferenz eine forcierte Arbeitsplatzvernichtung angekündigt. Das Einsparprogramm DSO, das im Jahr 2024 durch die Streichung von fast 7.000 Stellen einen „Ertrag“ von 500 Millionen Euro erbracht hat, reicht ihm nicht. Für 2025 lautet die Vorgabe 800 Millionen Euro. „Wie immer beim Leverkusener Multi sind es die Beschäftigten, die für Fehler des Vorstands büßen müssen. Sie zahlen jetzt die Zeche für die Unfähigkeit des Managements, mit den Glyphosat-Geschädigten eine gütliche und faire Einigung zu finden“, kritisiert Brigitte Hincha-Weisel von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG).

Die Zahl der noch anhängigen Glyphosat-Klagen stieg noch einmal. Auf 67.000 beläuft sie sich nun. Aber der Global Player beruhigt seine AktionärInnen: „[D]er Vorstandsvorsitzende stellte für dieses Jahr spürbare Fortschritte in Richtung Eindämmung in Aussicht“. Dabei setzt er auf eine mit immensen Lobby-Aufwand betriebene Gesetzes-Initiative, die dem umstrittenen Herbizid einen Immunitätsstatus verleihen soll – und auf Donald Trump. Der Ober-BAYER Bill Anderson besuchte als einziger Chef eines deutschen DAX-Unternehmens die Amtseinführung des Präsidenten.

Damit nicht genug, sorgt das umstrittene Herbizid auch noch dafür, dass sich beim Kohlendioxid-Ausstoß des Unternehmens kaum etwas tut. Seit Jahren liegen die CO2-Emissionen bei rund drei Millionen Tonnen. Neben allem anderen ist das Mittel nämlich auch noch ein veritabler Klima-Killer, weil die Herstellung am US-Standort Soda Springs enorm viel Energie frisst. 

Bei den anderen Umwelt-Parametern sieht es nicht besser aus. Die Werte für den Ausstoß von flüchtigen organischen Substanzen, Kohlenmonoxid und Schwefeloxiden und Stickoxiden in die Luft bewegen sich auf einem nahezu gleichbleibend hohen Niveau. Und die Einleitungen von Phosphor, Stickstoff, Anorganischen Salzen und Schwermetallen in die Gewässer nehmen sogar durchgehend zu.

Noch nicht einmal die Geschäftszahlen können Blackrock & Co. erfreuen. Der Umsatz verändert sich mit 46,6 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr kaum, und das bereinigte Ergebnis sinkt um 13,5 Prozent auf 10,1 Milliarden Euro. Für 2025 erwartet der Konzern hier keine Steigerung, erst für 2026 rechnet er mit Profit-Steigerungen. 

CBG beim Klimastreik

CBG Redaktion

Der Januar 2025 war der wärmste seit Aufzeichnungsbeginn. Trotzdem hat die Politik das Klima-Thema zur Freude der Konzerne ad acta gelegt. Dementsprechend liegt Deutschlands CO2-Minderungsziel für 2030 in weiter Ferne, wie der ExpertInnen-Rat für Klimafragen jüngst feststellte. Auch die Industrie liefert nicht. Dafür wäre eine fast dreimal so hohe Minderungsrate pro Jahr nötig wie die gegenwärtige, so der Rat. Aber die Unternehmen investieren kaum in sauberere Anlagen zur Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen (THG). „Der Abbau des fossilen bzw. energie-intensiven Kapitalstocks geht nur langsam voran“, konstatiert der Rat. Der BAYER-Konzern bildet da keine Ausnahme. Er kam im Jahr 2023 auf Kohlendioxid-Emissionen von rund drei Millionen Tonnen. Grund genug für die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG), sich wieder am Klimastreik zu beteiligen. Sie ging am 14. Februar in Düsseldorf mit auf die Straße, um die Klima-Politik wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Rund 600 Menschen nahmen an der Demonstration teil.

Sozialpartner BAYER

CBG Redaktion

Kapital & Arbeit

Die Tarifrunde in der Chemie

IG BCE setzt in den Tarif-Verhandlungen zu Lasten der Beschäftigten auf „Sozialpartnerschaft“.

Von Max Meurer

„Wir honorieren Einsatz für Sozialpartnerschaft“, so gönnerisch tönt es von Seiten des „Bundesarbeitgeberverbands Chemie“. Und auch die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) gibt sich gut gelaunt, spricht von einem „wegweisenden Abschluss“ der Tarifrunde. Die Zeichen stehen auf Friede, Freude, Eierkuchen. Aber warum eigentlich?

6,85 Prozent mehr Entgelt und einen freien Tag mehr (nur für Mitglieder der IG BCE) wurden Ende Juni 2024 herausgehandelt.  Damit bewegt sich der Tarif-Abschluss rechnerisch zwar immer noch deutlich unter einem Inflationsausgleich, die Zeit vor der Pandemie zugrunde gelegt, musste aber auch nicht hart erkämpft werden.

Dabei fing alles so schön an: Immerhin hatte die IG BCE zu Beginn der Tarifrunde endlich das Stillhalteabkommen mit den Chemiemultis, das unter anderem den Einsatz von Mitteln des Arbeitskampfes wie Warnstreiks extrem streng limitierte – so krass wie in keiner anderen Branche –, aufgekündigt und gab sich kämpferisch. Trotzdem kam es noch innerhalb des Friedenspflicht-Zeitraums zu einer Einigung, die immerhin 585.000 Beschäftigte betrifft. Und dafür bedankt sich Michael Vassiliadis, der Chef der IG BCE, dann auch noch. Wörtlich sagte er: „Damit senden die Arbeitgeber ein klares Zeichen der Wertschätzung an diejenigen Beschäftigten, die mit ihrem gewerkschaftlichen Engagement Tarifverträge erst möglich machen.“ Bei so viel Eintracht wird fast vergessen, dass beispielsweise BAYER gerade ein massives Arbeitsplatzvernichtungsprogramm umsetzt. Darüber hinaus wird gekonnt ignoriert, dass die „Arbeitgeber“ – also just die, die aus der Arbeit der ArbeiterInnen Kapital schlagen – diejenigen sind, die von der Talfahrt der Reallöhne profitieren.

Seit 50 Jahren hat die IG BCE nicht mehr gestreikt (mit einer Ausnahme bei einer kleinen Chemiefirma in Hamburg), und die Kapitalseite der Chemieindustrie honorierte das so lange finanziell, bis die bloße Möglichkeit des Streiks vielen in der IG BCE-Führung scheinbar absurd vorkommen musste. Daraus erklärt sich auch die aktuelle Situation in der Chemieindustrie, daraus erklären sich Äußerungen von Seiten der Gewerkschaftsführung zum Gewerkschaftsmitgliedern vorbehaltenen freien Tag wie „Das nutzt nicht nur Kaufkraft und Binnenkonjunktur, mit der attraktiven Regelung exklusiv für Gewerkschaftsmitglieder beweisen IG BCE und BAVC einmal mehr ihre tarifpolitische Innovationskraft.“ Das ist keine Innovationskraft, das ist die Spaltung der Belegschaft der Chemie-Industrie. Für uns ist derweil klar: Die gewerkschaftlich organisierten KollegInnen bei BAYER kämpfen nicht nur für sich, sie kämpfen auch für all jene, die die Machenschaften des BAYER-Konzerns wie der anderen Chemie-Multis kritisch beobachten – und sie sind diejenigen, die potenziell den größten Druck auf die Multis ausüben können.

Wenn von der Gewerkschaftsführung keine kämpferische Haltung BAYER & Co. gegenüber aufkommt, dann müssen sich konzern-kritische und andere Bewegungen mit den ArbeiterInnen vor Ort vernetzen. Denn nur mit der gewerkschaftlichen Organisation im Betrieb kommt zur Öffentlichkeitsarbeit der ökonomische Hebel, um Druck auf die Multis auszuüben. ⎜

Ein Booster für BAYER & Co.

CBG Redaktion

Politik & Einfluss

Politik pampert Pharma-Produzenten

Millionen-Subventionen für Forschungseinrichtungen, bessere Bedingungen für Pharma-Studien, Zugriff auf die Daten von PatientInnen und Medikamenten-Preise als geheime Kommando-Sache – die Ampel-Koalition umsorgt BAYER und andere Pillen-Riesen zurzeit wie keinen anderen Industrie-Zweig.

Von Jan Pehrke

Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung wusste genau zu sagen, wie „Das neue deutsche Pharma-Wunder“ begann. „Es fing nach Informationen der F.A.S. damit an, dass ein Dutzend Konzern-Chefs aus aller Welt ihre Aufwartung im Bundeskanzleramt machten, um für ihre Sache zu werben – und zu sagen, was sie in Deutschland nerve, die langen Genehmigungsdauern für klinische Studien etwa und die Einschränkungen bei der Nutzung medizinischer Daten“, hieß es in der Ausgabe vom 21. Juli 2024. Dann ging es in kleineren Runden mit Bundeskanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck weiter. „Man sprach über Medikamente und geostrategische Sicherheit, über Innovation und Wertschöpfung, über den Zusammenhang von Arzneimittel-Erstattung und Standort-Attraktivität“, protokollierte die F.A.S.

Und bald schon wurden aus den Worten Taten. Erleichternd kam dabei das Jahresgutachten des Sachverständigen-Rates für Wirtschaft hinzu. Die „Wirtschaftsweisen“ schrieben der Branche in ihrer Bewertung einzelner Industrie-Zweige nämlich das größte ökonomische Potenzial zu. „Das spielte für unsere Überlegungen natürlich eine Rolle“, so Staatssekretär Jörg Kukies, seit vielen Jahren die graue Eminenz der deutschen Wirtschaftspolitik.

Diese „Überlegungen“ mündeten dann in die „Pharma-Strategie“, an der BAYER & Co. kräftig mitgeschraubt haben. Sie wurde „unter Einbeziehung der pharmazeutischen Industrie erarbeitet“, wie das Bundesministerium für Gesundheit auf Nachfrage der Linken-Abgeordneten Katrin Vogler zugab.

Das Medizinforschungsgesetz

Das Herzstück der Strategie stellt das Medizinforschungsgesetz dar. Mit diesem verfolgt Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die Absicht, den hiesigen Pharma-Standort so zu stärken, dass er „in einigen Jahren an die Vereinigten Staaten anschließen kann“ und Deutschland „ein Gigant in der Medizin-Forschung“ wird. „Mit BAYER hat er deshalb eine Gesetzesinitiative abgesprochen“, meldete der Kölner Stadtanzeiger. Der Gesundheitsminister erklärte gegenüber der Zeitung freimütig, bei der Arbeit am Projekt im engen Austausch mit Stefan Oelrich, dem Pharma-Vorstand des Leverkusener Multis, gestanden zu haben. Der hatte nämlich im Januar 2023 lamentiert: „Die europäischen Regierungen versuchen, Anreize für Forschungsinvestitionen zu schaffen, aber auf der kommerziellen Seite machen sie uns das Leben schwer“. Die Konsequenz für BAYER: „Wir verlagern unseren kommerziellen Fußabdruck und die Ressourcen für unseren kommerziellen Fußabdruck deutlich weg von Europa.“ Im Mai 2023 gab der Pillen-Riese dann bekannt, seine Forschungsausgaben in den USA verdoppeln und eine Milliarde Dollar investieren zu wollen.

Um das Fernweh der Pillen-Riesen zu lindern, sieht das Paragrafen-Werk nun unter anderem vor, BAYER & Co. die Durchführung klinischer Studien zu erleichtern. Lauterbach plant, die Genehmigungsdauer für Medikamenten-Tests auf fünf Tage zu verkürzen. „Bürokratie-Abbau“ lautet die bei solchen Gelegenheiten gern in Anschlag gebrachte Devise. Dabei ist Zentralisierung das Mittel der Wahl. Der SPD-Politiker beabsichtigt, eine Bundesethikkommission zur Begutachtung der klinischen Prüfungen zu schaffen und diese beim „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) anzusiedeln. Die Ethikkommissionen von Universitätskliniken, Ärztekammern und Landesbehörden spielen dann keine Rolle mehr. Beim Datenschutz stehen ähnliche „Verschlankungen“ an. Zudem soll es künftig nicht nur Uni-Kliniken, sondern auch ganz normalen Krankenhäusern erlaubt sein, Arznei-Erprobungen im Auftrag der Konzerne durchzuführen.

Darüber hinaus möchte die Ampelkoalition die Preise, die die Pillen-Produzenten mit den Krankenkassen für ihre neuen Medikamente aushandeln, künftig unter Verschluss halten. Zwischen den ausgewiesenen und den tatsächlichen Preisen liegen nämlich kleine Welten bzw. Rabatte. Und über die Höhe dieser Abschläge herrscht jetzt Stillschweigen. „Der Hintergrund dafür ist, dass die öffentlich bekannten, stark rabattierten deutschen Preise bisher als Reverenz für andere Länder dienten. Das beschnitt aus Sicht der Hersteller ihre Verhandlungsspielräume in anderen Staaten, weshalb sie auf Vertraulichkeit drangen“, erläuterte die FAZ. Im Zuge des parlamentarischen Verfahrens gab es hier jedoch Einschränkungen. Die Geheimhaltungsklausel darf ein pharmazeutischer Unternehmer jetzt nur noch für sich in Anspruch nehmen, wenn er „eine Arzneimittel-Forschungsabteilung und relevante eigene Projekte und Kooperationen mit öffentlichen Einrichtungen in präklinischer oder klinischer Arzneimittel-Forschung in Deutschland nachweisen kann“.

Damit nicht genug, reißt das Medizinforschungsgesetz die Leitplanken ein, die das Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) von 2011 für die Preise von neuen Pharmazeutika mit gar keinem oder nur geringen Zusatznutzen aufgestellt hatte. Bisher mussten diese sich an den Kosten der Vergleichstherapie orientieren. Jetzt vergrößert sich der Verhandlungsspielraum, „um die Erhebung versorgungsnaher Daten zu unterstützen und die Kontinuität der Versorgung sicherzustellen“, wie der Gesetzgeber festhält. Abermals gilt das jedoch nur für diejenigen Unternehmen, die hierzulande in nennenswerter Weise forschen, entwickeln und testen.

Der BAYER-Konzern hatte eine solche Regelung für pharmazeutische Nullnummern lange gefordert. Was der Gesetzgeber als nur „geringen Zusatznutzen“ bezeichnet, ist für Pharma-Chef Stefan Oelrich eine „Schrittinnovation“. So ein Kleinklein wäre in der Branche überdies der Regelfall, konstatiert er mit Verweis auf Diabetes und psychische Erkrankungen, „da ein mindestens beträchtlicher Zusatznutzen hier so gut wie nie erreicht werden kann“.

In solchen Fällen mit Leitplanken in den Zahlungsverkehr einzugreifen, hat dem Pillen-Manager zufolge beträchtliche Nebenwirkungen. „Anreize für die Entwicklung verbesserter Therapie-Ansätze und für weitere Behandlungsoptionen werden vermindert und die Markt-Einführung dieser Schritt-Innovationen in Deutschland gefährdet. Was jetzt verlagert und in anderen Ländern investiert wird, das wird nicht mehr zurückkommen. Das kann nicht der Wunsch der Politik im Sinne einer stabilen Versorgung der Bevölkerung in Deutschland sein“, bekundete er.

Viel Kritik

Lauterbach hörte die Signale. Und das Handelsblatt zeigte sich begeistert. „Lauterbach-Pläne könnten Wirtschaft Milliarden-Einnahmen bescheren“, frohlockte die Zeitung. Ansonsten stieß das Programm zur Pflege der Pharma-Landschaft jedoch auf massive Kritik. Der „Arbeitskreis Medizinischer Ethik-Kommissionen“ etwa wandte sich scharf gegen das Vorhaben, eine Obere Ethikkommission einzurichten. „Bestrebungen, das System der dezen-tralen Ethikkommissionen in Deutschland abzuschaffen und stattdessen eine Bundesethikkommission beim ‚Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte‘ (BfArM) zu schaffen, sind politisch, rechtlich und wirtschaftlich nicht zu rechtfertigen“, hieß es in einer Erklärung. Konkret sah der Arbeitskreis die Unabhängigkeit des neuen Gremiums gefährdet, wenn es an das BfArM angegliedert ist.

Besonders große Empörung rief das Ansinnen hervor, die wahren Preise für neue Medikamente nunmehr zu verschweigen. „Das würde zu noch mehr Intransparenz bei der Preisbildung und zur Anhebung des ohnehin hohen Preis-Niveaus führen und die Arzneimittel-Preise in Deutschland weiter hochschaukeln“, warnt der stellvertretende AOK-Vorsitzende Jens Martin Hoyer. Seiner Ansicht nach „ist die Wirtschaftsförderung für den Pharma-Standort Deutschland keine Aufgabe der Beitrag zahlenden Versicherten“. Mit zusätzlichen Belastungen in Höhe von bis zu 30 Milliarden Euro rechnet der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen, unter anderem weil die ÄrztInnen nicht mehr wissen, wie teuer die von ihnen verschriebenen Pillen die BeitragszahlerInnen kommen.

Ein gesteigertes Interesse an dieser Regelung hat das US-Unternehmen ELI LILLY, das mit einem zur Abnehm-Arznei umgewidmeten Diabetes-Präparat derzeit Milliarden-Profite einfährt. Dem Pharma-Riesen ist aktuell nämlich sehr daran gelegen, über den wirklichen Preis des vor der Markteinführung stehenden Antidiabetikums MOUNJARO den Mantel des Schweigens zu hüllen, um bei der Preisgestaltung für dessen Lifestyle-Zwilling – die Schlankheitsspritze ZEPBOUND – genug Luft nach oben zu haben. Deshalb besteht der dringende Tatverdacht, dass der entsprechende Passus des Gesetzes bei der Ansiedlung einer Pillen-Produktion von ELI LILLY in Alzey eine Rolle als „weicher Standort-Faktor“ gespielt hat. Die Linken-Abgeordnete Katrin Vogler stellte in der Sache eine „Kleine Anfrage“ an die Bundesregierung und erbat Auskunft darüber, ob es einen Austausch mit dem Management von ELI LILLY gab und ob dabei die Geheimpreise auf der Tagesordnung gestanden hätten. Die Ampelkoalition listete in einer Tabelle fein säuberlich sechs Gespräche auf und vermerkte drei Mal knapp „Themen der Frage wurden angesprochen“.

In der Bundestagsdebatte zum Medizinforschungsgesetz wollte Gesundheitsminister Lauterbach aber nichts von einem „Lex Lilly“ wissen. „Das hat nichts mit dem Unternehmen ELLI LILLY zu tun“, beteuerte der Sozialdemokrat. Als Oppositionspolitiker hatte er Geheimpreise noch als „unerträgliche Bevormundung der Ärzte“ bezeichnet und strikt abgelehnt.  Stattdessen plädierte Lauterbach damals für Transparenz. Nun aber sagt er plötzlich, „Transparenz zugunsten aller anderen und wir zahlen – das kann nicht richtig sein“. Und in der Antwort der Bundesregierung auf die Vogler-Anfrage heißt es gleichlautend, die Bestimmung hebe lediglich einen Wettbewerbsnachteil auf.

Aber die Wunscherfüllungsmaschine spukte noch mehr Gesetze aus. Mit dem Paragrafen-Werk „zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens“ machte die Ampelkoalition die elektronische Patienten-Akte (ePA) obligatorisch (zu den Risiken und Nebenwirkungen siehe auch S. 12 ff.). Wer jetzt aus Datenschutz-Gründen keine zentrale Speicherung seiner Kranken-Akte auf einem kleinen Kärtchen möchte, muss sich jetzt proaktiv dagegen aussprechen und die „Opt-out“-Möglichkeit nutzen, ansonsten kommt die ePA automatisch ins Haus – und nicht nur ins eigene. Mit dem Gesetz „zur verbesserten Nutzung von Gesundheitsdaten“ erlauben Scholz & Co. nämlich auch Big Pharma einen Einblick, um die Daten zu Forschungszwecken zu nutzen.

Des Weiteren im Programm: Das „Gesetz zur Stärkung der Herz-Gesundheit (Gesundes-Herz-Gesetz – GHG)“. Dieses strebt an, „die Früherkennung und die Versorgung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu verbessern“ und hat dazu auch schon die passenden Mittel parat: Statine. Wann immer die Untersuchungen bei Kindern und Jugendlichen einen erhöhten Cholesterinspiegel feststellen, gibt es zur Vorbeugung BAYERs SIMVASTATIN oder andere Präparate dieser Medikamenten-Gruppe. Die Fachwelt schüttelt den Kopf über den Lauterbach-Vorstoß. Das industrie-unabhängige arzneimittel-telegramm sieht gar schon „das Ende der Ära der evidenz-basierten Medizin“ eingeläutet, weil es keine fundierten Nachweise zum Langzeit-Nutzen von SIMVASTATIN & Co. bei Kindern gibt.

Millionen-Subventionen

Noch dazu fließen kräftig Subventionen in Projekte von BAYER & Co. So bezuschusst der Staat das vom Leverkusener Multi gemeinsam mit der Charité in Berlin geplante Zell- und Gentherapie-Zentrum mit 44 Millionen Euro. Begleitend dazu hat die Ampelkoalition eine „Nationale Strategie für gen- und zellbasierte Therapien“ an den Start gebracht. Diese beabsichtigt, „ein lösungsorientiertes Konzept für den GCT (gen- und zellbasierte Therapien)-Standort Deutschland zu entwickeln, das den Transfer neuer Erkenntnisse aus der Forschung in die direkte Krankenversorgung verbessert“, verlautet aus dem „Bundesministerium für Bildung und Forschung“ (BMBF). „Dadurch soll die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland in diesem Feld gestärkt werden“, so das BMBF.

Und neben BAYER und ELI LILLY bauen auch noch BIONTECH, VETTER, ROCHE, SANOFI, DAIICHI und MERCK. Auf rund sieben Milliarden Euro belaufen sich die „Pharmawunder“-Investitionen. Und die Branche zeigt sich erkenntlich. „Heute ist einfach mal der Tag, ‚Danke‘ zu sagen“, mit diesen Worten begrüßte Markus Steilemann, der Vorsitzende des „Verbandes der Chemischen Industrie“, Bundeskanzler Olaf Scholz im September auf dem „Chemie & Pharma Summit 2024“.

Der Rest der Bevölkerung hat weniger Grund zur Dankbarkeit. Die Politik pumpt Unsummen in Unternehmen wie BAYER, die mit Zell- und Gentherapien hochspezialisierte Behandlungsformen für Krankheiten entwickeln, die kaum jemand hat, weil hier das Geld lockt, oder hofiert auf Kosten der BeitagszahlerInnen Hersteller von Schwachsinnsmedikamenten wie Abnehm-Spritzen.

Dabei ist hierzulande die medizinische Grundversorgung gefährdet. Rund 500 Arznei-Lieferengpässe meldet das BfArM. Zudem stehen zahlreiche Krankenhäuser vor der Pleite, und es herrscht ein eklatanter Mangel an ÄrztInnen und Pflege-Personal. Nicht umsonst hat im September 2024 ein Bündnis aus MedizinerInnen, ApothekerInnen, TherapeutInnen und PflegerInnen Bundeskanzler Olaf Scholz zu einem nationalen Gesundheitsgipfel im Kanzleramt aufgefordert. „Die Schere zwischen Anspruch und Wirklichkeit in der Gesundheitsversorgung geht immer weiter auseinander, warnt Christine Vogler vom „Deutschen Pflegerat“ und Ärzte-Präsident Klaus Reinhardt mahnt, „dass das Vertrauen der Menschen in unsere demokratische Grundordnung auch durch das Vertrauen in ein verlässliches Gesundheitssystem wesentlich beeinflusst wird“. ⎜

BAYER streicht 5.500 Jobs

CBG Redaktion

Kapital & Arbeit

Halbjahresbilanz: Arbeitsplatzvernichtung über Plan

Anfang August 2024 legte der BAYER-Konzern seine Halbjahres-Bilanz vor. Stolz präsentierte er dabei den Erfolg seines Rationalisierungsprogramms: Die Vernichtung von rund 5.500 Arbeitsplätzen binnen eines Jahres. Die neue-sten Geschäftszahlen konnten die AktionärInnen allerdings weniger erfreuen.

Von Jan Pehrke

„[W]ir kommen schneller voran, als ich erwartet habe“, sagte BAYER-Chef Bill Anderson am 6. August 2024 bei der Präsentation der Halbjahresbilanz zum Stand der Dinge in Sachen „Arbeitsplatzvernichtung“. Das von ihm eingeführte und in Wortnebel à la „Bürokratie beseitigen“, „Strukturen verschlanken“ und „Entscheidungsprozesse beschleunigen“ gehüllte Organisationsmodell „Dynamic Shared Ownership“ (DSO) erwies sich als ein knallhartes Rationalisierungsprogramm. Ca. 5.500 Stellen fielen dem DSO seit August 2023 zum Opfer. Das Einspar-Potenzial beziffert der Konzern auf zwei Milliarden Euro ab 2026.

Kurz vor dem Termin zur Vorstellung der Halbjahresbilanz hatte der Leverkusener Multi die Zügel noch einmal angezogen. Er kündigte eine Reihe von Maßnahmen an, um „einen schnellen Austritt aus dem Unternehmen zu incentivieren“. So streicht der Global Player Beschäftigten, die auf die Abfindungsangebote nicht eingehen und ihren Platz nicht schnell genug räumen, die Boni. Darüber hinaus droht er mit Arbeitszeitverkürzungen inklusive Entgeltkürzungen. „Beschäftigte, deren Stelle entfallen ist, konzentrieren sich fortan ganz auf die Suche nach einer adäquaten neuen Beschäftigung außerhalb von BAYER beziehungsweise die dafür nötige Weiterqualifizierung. Da sie in dieser Phase keinen aktiven Beitrag für den Unternehmenserfolg leisten, sind sie von etwaigen Bonus-Zahlungen ausgenommen“, erklärte ein Sprecher des Agro-Riesen. Und nach dem 6. August machte die Aktiengesellschaft unverdrossen weiter. Sie baute in Basel, wo die Sparte „Consumer Health“ ihren Sitz hat, 150 der insgesamt 1.000 Arbeitsplätze ab. Dementsprechend geht innerhalb der Belegschaft die Angst um. „Im Konzern ist die Verunsicherung groß, Einladungen aus der Personalabteilung sind gefürchtet“, berichtete die Rheinische Post.

Gewinn: -16,5 Prozent

Mit den Zahlen zum Geschäftsverlauf konnte BAYER dagegen bei den Aktionär-Innen nicht punkten. Trotz eines schwach verbesserten Umsatzes brach der Gewinn drastisch ein. Gegenüber dem 2. Quartal 2023 sank dieser – vor Sondereinflüssen – um 16,5 Prozent auf 2,1 Milliarden Euro. Der Konzern macht dafür wenig erhellend „einen nachteiligen Produkt-Mix“ sowie negative Währungseffekte vor allem im Pharma-Bereich und höhere Rückstellungen für ManagerInnen-Boni verantwortlich.

Im Arznei-Segment stieg der Umsatz zwar um 4,5 Prozent auf 4,6 Milliarden Euro, dennoch schrumpfte der Gewinn um 4,1 Prozent auf 1,3 Milliarden Euro. Mehreinnahmen bei dem Krebs-Therapeutikum NUBEQA, dem Nieren-Präparat KERENDIA, dem Augen-Medikament EYLEA, dem Langzeit-Kontrazeptivum MIRENA, ASPIRIN CARDIO und den Röntgenkontrastmitteln standen Mindereinnahmen beim Topseller – dem Gerinnungshemmer XARELTO – gegenüber. Da dessen Patente ablaufen, steigt die Konkurrenz durch Nachahmer-Produkte. Dem „generischen Wettbewerbsdruck“ ausgesetzt, spülte XARELTO rund 100 Millionen Euro weniger in die Kassen.

Mehr Umsatz, weniger Gewinn – so stellte sich die Situation auch in der Sparte mit den frei verkäuflichen Medikamenten dar. Ein Plus von 5,3 Prozent stand einem Minus von 6,3 Prozent gegenüber. Als Gründe führte der Konzern neben Sondereinflüssen im Jahr 2023 durch Verkäufe kleinerer Marken Kostensteigerungen und negative Währungseffekte sowie höhere PR-Investitionen zur Markt-Einführung des Magenmittels IBEROGAST in den USA an. Als profit-steigernde Maßnahme bei „Consumer Health“ kündigte Anderson die Zusammenlegung der beiden Abteilungen „Forschung & Entwicklung“ und „Marketing“ an. Die WissenschaftlerInnen sind also künftig noch mehr dazu angehalten, bei ihren Experimenten nach Mitteln zu suchen, die viel Profit versprechen.

Im Agrar-Geschäft ging ein geringfügig gestiegener Umsatz (+1,1 Prozent) sogar mit einem Gewinn-Rückgang von 27,7 Prozent einher, was der Multi mit einem „nachteiligen Produkt-Mix“ erklärte. Glyphosat gereichte hier allerdings nicht zum Nachteil. Das umstrittene Herbizid verkaufte sich nämlich ausgesprochen gut. Von 486 Millionen Euro im 2. Halbjahr 2023 erhöhte sich der Umsatz auf 685 Millionen Euro im 2. Halbjahr 2024.

 Früher hatte sich BAYER stets massiv dagegen gesträubt, solche Zahlen preiszugeben. Über die Gründe für den Bewusstseinswandel lässt sich nur spekulieren. Vielleicht will der Konzern auf diese Art die Bedeutung des allerlei juristischen Anfeindungen ausgesetzten Pestizids hervorheben und so eine System-Relevanz reklamieren. Bei einem Vortrag im „Executives‘ Club of Chicago“ hatte Bill Anderson das wie folgt versucht: „Wenn Glyphosat aus dem landwirtschaftlichen System entfernt würde, dürften die Lebensmittel-Kosten für eine durchschnittliche vierköpfige Familie in den USA nach Schätzungen um mehr als 40 Prozent steigen.“ Sogar die Welternährung sei ohne Glyphosat in Gefahr, so der BAYER-Chef.

Bei den anderen Anti-Unkrautmitteln lief es dagegen deutlich schlechter. „Umsatz-Rückgänge in allen Regionen“, beklagt der Konzern. Weniger Absatz verzeichnete er auch bei den Fungiziden. Nur die Insektizide legten zu. Ein gemischtes Bild ergab sich bei den Gen-Pflanzen. Während die Soja-Gewächse für einen Zuwachs sorgten, nahm der Global Player mit seinem Labor-Mais weniger ein. „Es ist kein Geheimnis, dass der Agrar-Markt eine Herausforderung darstellt. Das haben wir auch zu spüren bekommen“, resümierte Anderson. Und auf bessere Aussichten für die Cropscience-Sparte konnte er auch nicht verweisen: „Für das zweite Halbjahr gehen wir davon aus, dass das starke Wachstum im Kerngeschäft durch deutliche Mengen-Rückgänge bei Glyphosat gedämpft wird.“

Die Rechtskomplexe

Fester Bestandteil einer jeden Bilanzpressekonferenz von BAYER sind nunmehr bereits seit Jahren die „Rechtskomplexe“ – aus gegebenem Anlass: Die kurz nach der MONSANTO-Übernahme beginnende Serie von Schadensersatz-Prozessen in Sachen „Glyphosat“ mit ihren millionen-schweren Urteilen zu Lasten des Konzerns hat die Aktie des Unternehmens zu einem bis heute anhaltenden Tiefflug ansetzen lassen. Die teuren Rechtsstreitigkeiten haben dann auch zum Arbeitsplatzvernichtungsprogramm des Konzerns geführt – schon das zweite seit 2018.

Auch die Schulden rühren größtenteils vom Großeinkauf her. Diese verringerten sich binnen der letzten drei Monate etwas auf nunmehr 36,8 Milliarden Euro. „Mittelzuflüsse aus der operativen Geschäftstätigkeit“ gibt der Quartalsbericht als Grund dafür an. Die fast komplette Streichung der Dividende hatte das Geld dafür in die Kassen gespült. Wegen der rechtlichen Risiken und Nebenwirkungen von Glyphosat erwarten BLACKROCK & Co. stets Stellungnahmen des Vorstands zum juristischen Stand der Dinge. Anderson versuchte am 6. August zu beruhigen, indem er sowohl bei Glyphosat als auch bei der Ewigkeitschemikalie PCB auf jüngste Gerichtsentscheidungen zu Gunsten des Global Players verwies.

Der Berg der Klagen schrumpfte dadurch jedoch nicht. Den US-amerikanischen Gerichten liegen immer noch rund 60.000 vor. Um „diesen Rechtskomplex im Sinne unseres Unternehmens und unserer Kunden abzuschließen“, konzentriert sich BAYER im Moment offensichtlich ganz auf die Lancierung neuer Pestizid-Gesetze in den USA und den Versuch, mit dem Supreme Court das oberste Gericht des Landes das letzte Wort in Sachen „Glyphosat“ sprechen zu lassen (siehe S. 24 ff.). „Wenn es im Gerichtssaal wirklich um Wissenschaft geht, gewinnen wir“, bemühte Anderson sich, Optimismus zu verbreiten.

Ansonsten fiel der Blick in die Zukunft an diesem Tag nicht übertrieben positiv aus. Der Agro-Riese bekundete, trotz der schlechten Zahlen an seiner – im Mai 2024 allerdings bereits nach unten korrigierten – Prognose festzuhalten. 10,2 bis 10,8 Milliarden Euro will der Multi 2024 an Gewinn einfahren, obwohl er die gesamtwirtschaftliche Lage eher düster einschätzt. „Basierend auf den Daten des Internationalen Wirtschaftsfonds (IWF) erwarten wir für das Jahr 2024 weiterhin ein unterdurchschnittliches globales Wachstum im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Die Inflationsrisiken dürften zunehmen, ebenso wie die Handelsspannungen und die politische Unsicherheit, was zu längerfristig höheren Zinssätzen führen könnte“, so das Unternehmen. ⎜

BAYER-Chef bei Amtseinführung

CBG Redaktion
Der Konzern setzt in Sachen „Glyphosat" auf Trump
BAYERs Vorstandsvorsitzender Bill Anderson nahm an der Amtseinführung von Donald Trump teil. Während die Chefs von Henkel, SAP, Siemens, Lufthansa, Deutsche Telekom, RWE und DHL es vorzogen, der Veranstaltung fernzubleiben, legte Anderson offenbar als einziger Wert auf persönliche Anwesenheit. Von niemand anderem seiner KollegInnen vermeldete die Presse im Vorfeld entsprechende Pläne.Der Leverkusener Multi beabsichtigt den Fall „Glyphosat" – noch immer stehen rund 63.000 Entschädigungsklagen zur Entscheidung an – jetzt politisch zu lösen und setzt dabei auf Trump. Von einer „Schicksalswahl" für BAYER hatte die FAZ gesprochen, und der Konzern wollte diese nicht einfach so über sich ergehen lassen. Mit 122.000 Dollar unterstützte er die Republikaner, die Demokraten mussten sich mit 77.000 Dollar begnügen. Mit dem Ergebnis des Urnengangs zeigte Anderson sich dann auch zufrieden. „Ich bin mir nicht sicher, ob das einen direkten Einfluss auf die Verfahren hat", sagte er auf der letzten Bilanzpressekonferenz, um nach einigen erratischen Ausführungen zu Glyphosat als angeblicher Inflationsbremse zu bekennen: „Darum denken wir, dass das Umfeld dem Fortschritt förderlich ist. Und wir erwarten, diesen Fortschritt 2025 zu sehen."Der Fortschritt, dem das Umfeld förderlich sein soll, besteht für Anderson konkret in mehreren Gesetzesinitiativen auf bundesstaatlicher und zentralstaatlicher Ebene, die dazu dienen, Glyphosat juristische Immunität zu verschaffen. Bisher nämlich haben sich die AdvokatInnen des Unternehmens mit dem Argument, zugelassene Pestizide dürften generell nicht auf die Anklagebank, in den Prozessen nicht durchsetzen können. Mit immensem Lobby-Aufwand betätigt sich der Global Player deshalb nun als Gesetzgeber, und die diversen Termine über mehrere Wochen hinweg, die Anderson um die Inauguration herum in Washington wahrnimmt, dienen ebenfalls diesem Zweck. Auf Trump baut der Agro-Riese dabei nicht zuletzt, weil dieser sich schon in seiner ersten Amtsperiode höchstpersönlich zu Gunsten BAYERs in ein Glyphosat-Verfahren eingemischt hatte. Und der zweite Versuch, Glyphosat vor den Obersten Gerichtshof der USA zu bringen und dort ein Urteil im Sinne des Konzerns zu erwirken, startet wohl auch kaum zufällig erst in wenigen Wochen.„BAYER ist offenbar bereit, alles zu tun, um die Glyphosat-Krise zu beenden, ohne Rücksicht auf politische Verluste. Der Konzern hat aus seiner Vergangenheit offenbar nichts gelernt", kritisiert Marius Stelzmann von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN.Die vom Leverkusener Multi mitgegründete I.G. FARBEN spielte eine aktive Rolle bei der Demontage der Demokratie von Weimar, unterstützte Hitler und unterhielt in Auschwitz sogar ein eigenes Konzentrationslager für ZwangsarbeiterInnen. Auch nach 1945 hatte BAYER kaum Berührungsängste mit Militärdiktaturen und Autokratien. 

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