Veröffentliche Beiträge von “CBG Redaktion”
Indigene leiden stark unter dem Einsatz von Glyphosat & Co.
Brasilien hat ein Pestizidproblem. Auf riesigen Agrarflächen werden massenhaft Agro-Chemikalien gegen Insekten, unerwünschte Pflanzen oder Pilze eingesetzt. Neben Kleinbauern und -bäuerinnen und LandarbeiterInnen leiden besonders indigene Gemeinschaften unter der Ausbringung der Gifte, denn sie leben oftmals in unmittelbarer Nähe der Anbau-Gebiete. Viele der Mittel hat BAYER produziert und exportiert. Wir sagen, Verantwortung fängt beim Export an.Von Eliane Fernandes und Regina Sonk (Gesellschaft für bedrohte Völker)
„Jede Woche werden neue Pestizide registriert. Abgesehen davon, dass sie unseren Boden und unser Grundwasser verunreinigen und sich negativ auf unsere kollektive Gesundheit auswirken, ist es absurd, dass die brasilianische Regierung ausländischen Unternehmen erlaubt, Produkte zu verkaufen, die Chemikalien enthalten, die auf ihren heimischen Märkten verboten sind“, Sônia Guajajara, Ministerin für Indigene Angelegenheiten und ehemalige Sprecherin des indigenen Dachverbands APIB. In unserer Arbeit zur Verteidigung der Rechte von indigenen Völkern weltweit erleben wir, wie diese weltweit unter den verantwortungslosen Handlungen von Unternehmen wie der BAYER AG leiden. Häufig missachten Konzerne die Rechte von Menschen weltweit, indem sie Profit über das Recht auf Leben und auf Gesundheit stellen. So sehen sich in Brasilien Indigene seit Jahrzehnten mit dem Dauer-Einsatz von Pestiziden in unmittelbarer Nähe ihrer Territorien konfrontiert, ausgebracht auf den riesigen Feldern mit Soja, Mais und Zuckerrohr. Diese Pestizide vergiften alles, was diese indigenen Gemeinschaften zum Leben haben, das wenige, was sie noch zur Verfügung haben. Ihre Kinder kommen teilweise mit Fehlbildungen zur Welt und leiden oft unter Allergien und Atempro-blemen. Die einzigen Landstriche mit der für sie so wichtigen Lebensader Wasser, die ihnen geblieben sind, werden durch hochschädliche Substanzen vergiftet. Und BAYER ist durch den Export und die Produktion dieser Stoffe aktiv an diesem Ökozid beteiligt.Schutzlos ausgeliefert
Die Konstitution von 1988 hat Brasiliens Indigene durch fest verankerte Rechte theoretisch gut abgesichert. In der Realität sieht die Situation aber ganz anders aus. Die etwa 300 indigenen Völker Brasiliens, die auf der gesamten Staatsfläche leben, bilden nach Jahrhunderten der Marginalisierung eine Minderheit im eigenen Land. Tiefgreifender Alltagsrassismus, institutionell wie versteckt, bestimmt ihren Alltag. Besonders in rohstoffreichen Regionen wie dem Amazonas-Gebiet hat der staatliche Wille zur Ausbeutung der Vorkommen Vorrang vor der Sicherung ihrer Rechte. Schnell werden so eigentlich durch die Verfassung garantierte Landrechte zur Makulatur – und bei noch offenen Landfragen kommen die Indigenen sowieso kaum gegen die GroßgrundbesitzerInnen an. Die sich stetig ausbreitende Agrarindustrie, Abholzung und illegaler Goldabbau tragen so gewaltvolle Konflikte in ihre Regionen. Und der Staat kommt seiner Pflicht nicht nach, Indigene hier genug zu schützen. Im Kontext der Agrarindustrie ist das besonders sichtbar: Indigene sind hier mehrfach betroffen. Mit stetig wachsender Nachfrage wachsen auch die Anbaugebiete und damit die Konflikte um indigene Territorien. Die Indigenen werden aus ihren Gebieten verdrängt oder gewaltsam vertrieben. Zudem leben sie meist in unmittelbarer Nähe zu den Feldern und den Pestiziden. Sie werden häufig ohne Mindestabstand zu den Ansiedlungen einzuhalten versprüht, und manchmal gehen sie auch nicht nur aus Versehen auf die Gebiete nieder. In den meisten Fällen lässt der Staat die Unternehmen einfach gewähren. Untersuchungen zeigen, dass Trinkwasser in Brasilien bereits ernsthaft belastet ist – nicht nur auf dem Land, sondern auch in vielen Großstädten. Offizielle Daten, ausgewertet von Repórter Brasil, ergaben, dass sich in São Paulo, Rio de Janeiro und über 1.300 anderen Städten und Gemeinden giftige Rückstände im Wasser des Versorgungsnetzes befinden. Auf dem Land ist das Wasser in Gebieten mit Sojaanbau nachweislich höher belastet. Durch die fehlende Infrastruktur haben viele indigene Gemeinschaften keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Sie sind auf die verschmutzten Flüsse als Reservoirs angewiesen. Das hat gesundheitliche Folgen. Sie reichen von Durchfall und Hautausschlag über Magenbeschwerden und Erkältungen bis hin zu Langzeitschäden wie Krebs, Unfruchtbarkeit oder Fehlbildungen bei Neugeborenen. Zudem fehlt es meist an einer lokalen Gesundheitsversorgung, denn viele indigene Gemeinschaften leben kilometerweit entfernt von einem Krankenhaus oder einer Gesundheitsstation.Sojaanbau weitet sich aus
Ein Großteil von Brasiliens Soja wird im Bundesstaat Mato Grosso produziert. Doch seit dem Bau der Bundesstraße BR-163, die mitten durch den Amazonas-Urwald verläuft, weitet sich der Anbau immer weiter nach Norden bis in den Bundesstaat Pará aus. Leidtragende sind auch hier die Indigenen wie beispielsweise diejenigen, die zur Gemeinschaft Açaizal gehören. Die Sojaplantagen sind von diesem Dorf der indigenen Munduruku nämlich nur zehn Meter entfernt! Laut Gesetz müsste ein Mindestabstand von 500 Metern zu solchen Siedlungen eingehalten werden. Viele Agrarunternehmen halten sich jedoch nicht daran. So stellen die ausgebrachten Pestizide für die BewohnerInnen eine ständige Belastung dar. „Wenn es zu regnen beginnt, fangen sie an, Gift auszubringen. Sie wollen das Unkraut töten. Jede Woche tragen sie Gift auf die Sojapflanzen auf“, berichtet der 57-jährige Munduruku Paulo Bezerra. Die Folge: Viele Indigene leiden unter Übelkeit, Hautausschlag, Kurzatmigkeit und Schwindelgefühl. „Jeden Tag sterben wir Stück für Stück in unserem Dorf“, fährt Bezerra fort. Die Chemikalien seien bereits in den Flüssen und im Grundwasser, und auch die Anbauflächen der Indigenen würden verseucht, sagt der Anführer des Dorfes, Josenildo Munduruku. „Unsere Leute werden jeden Tag kränker, unsere Tiere und die Wildtiere im Wald verschwinden durch den Einsatz von Pestiziden. Sie können uns mit dem Gift töten“, konstatiert er. Die Munduruku haben Anzeige gegen die Verantwortlichen erstattet, aber die lokalen Behörden reagierten nicht darauf. „Hier begünstigt die Regierung die Familie des Plantagenbesitzers und nicht unsere mehr als 60 Munduruku-Familien vom Volk Munduruku“, klagt Josenildo Munduruku.BAYER trägt Verantwortung
Gerade was Länder wie Brasilien betrifft, braucht es Unternehmen, die aus eigenen Stücken für ihr Handeln Sorge tragen und sich am Maßstab der Menschenrechte orientieren. Darum nahm die GESELLSCHAFT FÜR BEDROHTE VÖLKER (GfbV) schon die Jahreshauptversammlung der BAYER AG im April 2022 zum Anlass, in Sachen „Pestizide“ Druck auf den Konzern zu machen. Und zur Bestärkung der Forderung wollte die GfbV dem Leverkusener Multi 3.000 Postkarten gegen den Export von hochschädlichen Agro-Chemikalien, die von GfbV-MitgliederInnen unterschrieben wurden, aushändigen. Jedoch nahmen die Verantwortlichen die Postkarten nicht entgegen. Daraufhin gingen sie dem Unternehmen per Post zu mit der Bitte um ein Gespräch, um über die Verletzungen der Rechte von indigenen Völkern in Brasilien zu sprechen. Wir sagen, Verantwortung fängt beim Export an. BAYER exportiert einen Großteil der Wirkstoffe, die auch HHPs – hochschädliche Pestizide – genannt werden, und viele davon sind in der EU nicht zugelassen. Das Geschäft mit der Chemie folgt dabei einer Logik der Doppelstandards: Pestizide, die zum Teil innerhalb der Europäischen Union verboten sind, werden in Deutschland produziert und in Länder wie Brasilien exportiert. Dort finden sie vor allem Anwendung im Anbau von Soja, Mais, Zucker, Baumwolle – alles Exportprodukte, die anschließend wieder Europa erreichen. Mit diesem Geschäftsgebaren ist also eine Verlagerung menschenrechtsverletzender und umweltverschmutzender Praktiken in Drittländer verbunden. Über all das hat die GfbV Anfang Februar mit BAYER-Beschäftigten online gesprochen. Das Gespräch war offen, erbrachte jedoch keinen nennenswerten Mehrwert. Es wurde gesagt, von Konzernseite gebe es keinen Nachholbedarf, die Wirkstoffe in den Pflanzenschutzmitteln erfüllten die höchsten Sicherheitsstandards und würden sicher ausgebracht. Gerade hier verwies der Konzern auf zahlreiche Trainings für LandwirtInnen, die er finanziere und so den sicheren Umgang mit den eigenen Produkten garantiere. Auf Nachfrage, wie denn Pestizid-Sprühen per Flugzeug überhaupt kontrollierbar sein könne, gab es keine eindeutige Antwort. Nur die Bemerkung, dass diese Anwendungsart bereits in vielen Ländern verboten sei. Fakt ist: Niemand kann die Sicherheit von Pestizid-Anwendungen garantieren, wenn sie großflächig und massenhaft, wöchentlich und per Flugzeug erfolgt. Kein Unternehmen vermag zu verhindern, dass die Wirkstoffe durch Wind und Wetter unkalkulierbar weit verbreitet werden. Leittragende sind lokale und oftmals indigene Gemeinschaften, die den Pestiziden schutzlos ausgesetzt sind. Zum Schluss informierte die GfbV über konkrete Fälle von Pestizidvergiftungen. Der Konzern versprach, diesen Fällen nachzugehen und sich wieder zu melden Bisher blieb eine Antwort jedoch aus.Piyãko klagt an
Als wir unseren indigenen Freund, den Ashaninka-Vertreter Benki Piyãko, fragten, was er von den Handlungen der BAYER AG hält, sagte er: „Was sind das für WissenschaftlerInnen, die chemische Produkte entwickeln, um die Erde und somit das Leben und die Nahrung zu vergiften, die wir konsumieren? In unserer Kultur brauchen wir keine künstlichen oder giftige Mittel, um unsere Plantagen anzulegen oder zu pflegen. Wer möchte schon Gift auf dem eigenen Teller haben?“ „Und wie ist das mit Ihnen, MitarbeiterInnen von BAYER? Möchten Sie die Welt retten, indem Sie Gift auf der Erde verstreuen? Wo ist Ihr Herz?, fragte Benki Piyãko. Die indigenen Völker sehen in Erde, Wasser und Boden wirklich Mutter Natur verkörpert. Die Erde gibt ihnen Nahrung in natürlicher Form, und die Gewässer erhalten sie und ihre Wälder und das gesamtes Habitat am Leben. Es ist nun Zeit, dass die BAYER AG anerkennt, dass wenigstens die bereits in der EU verbotenen hochschädliche Pestizide nicht mehr in andere Länder ausgeführt oder dort produziert werden dürfen. Das Leben und die Gesundheit von uns Menschen sollten und müssen an erster Stelle stehen. Als wir Benki Piyãko schließlich fragten, was er BAYER gerne sagen würde, wenn er es könnte, antwortete er: „BAYER soll endlich damit aufhören!“Keine Unterstützung für DUOGYNON-Geschädigte
Der Schwangerschaftstest DUOGYNON der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING hat von 1950 bis in die 1970er Jahre hinein verherrende Wirkungen entfaltet. Entschädigungsforderungen wiesen SCHERING sowie der Leverkusener Multi als Rechtsnachfolger jedoch stets ab. Auch die Politik tut nichts – außer Gutachten in Auftrag zu geben, welche die damalige Aufsichtsbehörde von jeglicher Mitschuld freispricht.Von Andre Sommer (NETZWERK DUOGYNON)
BAYER handelt im Fall „DUOGYNON“ verantwortungslos. Dieser hormon-basierte Schwangerschafts-Test, den die seit 2006 zum Konzern gehörende Firma SCHERING 1950 auf den Markt brachte, steht seit über 50 Jahren im Verdacht, Tausende von Missbildungen verursacht zu haben. Dennoch verweigert das Unternehmen jegliche Mithilfe bei der Aufklärung. BAYER versteckt sich hinter der Verjährung und verhindert so eine gerichtliche Aufarbeitung in Deutschland. Auf Gesprächsangebote der Geschädigten – bis heute haben sich 661 Betroffene beim NETZWERK DUOGYNON gemeldet – reagierte das Unternehmen nicht, auch die vom Landgericht Berlin vorgeschlagene Mediation lehnte es ab. Öffentlich einsehbare Unterlagen im Landesarchiv Berlin zeigen deutlich das Ausmaß der Verschleierung. Zum Beispiel finden sich in den Unterlagen zahlreiche Schreiben besorgter ÄrztInnen, die schwere Fehlbildungen ihrer PatientInnen beschreiben. Bereits 1969 hatten firmen-interne Tierversuche deutliche Auffälligkeiten und Fehlbildungen gezeigt. SCHERING unternahm jedoch nichts und verkaufte das Produkt gewissenlos weiter. Im Ausland wurde das Medikament meist früher vom Markt genommen. Parallelen zum CONTERGAN-Skandal drängen sich auf. Nicht umsonst trafen sich SCHERING-ManagerInnen damals wiederholt mit VertreterInnen des CONTERGAN-Herstellers GRÜNENTHAL, um mit deren Input eine Abwehr-Strategie gegen Ansprüche von Geschädigten zu erarbeiten. Seit Jahrzehnten kämpfen diese um ihre Rechte und haben dabei nicht nur BAYER im Blick, sondern auch die staatlichen Behörden, die SCHERING damals gewähren ließen. Auf Druck der Betroffenen-Verbände befasste sich im Jahr 2021 der Petitionsausschuss des Bundestages mit der Angelegenheit. Dieser schlug vor, eine Untersuchung über die Vorgänge im Bundesgesundheitsamt (BGA) in Auftrag zu geben, „deren Ergebnisse für die Entscheidung über die Einrichtung eines Entschädigungsfonds zugrundegelegt werden“. Dem folgte der zu der Zeit amtierende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Mit der Bestallung des Historikers Dr. Niklas Lenhard-Schramm als Gutachter nahm er das Ergebnis allerdings schon so gut wie vorweg. Lenhard-Schramm empfahl sich Spahn nicht nur durch Entlastungsstudien zu CONTERGAN und zu Medikamentenversuchen an Kindern in Bethel, er hatte sich auch schon im Vorfeld zu DUOGYNON geäußert und erklärt, ein Verbot wäre damals rechtlich nicht möglich gewesen. Dabei stand der Weg für eine solche Rechtsauslegung nach dem CONTAGAN-Skandal offen. Der sogenannte CONTERGAN-Beschluss sah nämlich vor, dass bei Verdachtsfällen prioritär Maßnahmen zu ergreifen sind, die dem Schutz der PatientInnen dienen, statt etwa solche wie die Durchführung neuer Untersuchungen. Einzig ein Arzneimittelverbot war hier also angemessen, da die beiden anderen VerbraucherInnenschutz-Maßnahmen – Information und Rezeptpflicht – bereits herbeigeführt waren. Fehlende Kompetenz in juristischen Fragen zeichnet auch die Studie selbst aus. So hätte sie dem damals unterbesetzten und schlecht aufgestellten Bundesgesundheitsamt durchaus ein „Organisationsverschulden“ attestieren können. Und SCHERINGS Unterlassung, die Öffentlichkeit in ausreichendem Maße über die vorgenommene Einschränkung der Indikationsgebiete für DUOGYNON zu informieren, erfüllt den Tatbestand der Verletzung der Instruktionspflicht. Lenhard-Schramm aber erweckt durch die Abbildung der Packungsaufdrucke „Nicht bei Schwangeren oder Schwangerschaftsverdacht verwenden“, die erst sehr spät erfolgten, den Eindruck einer korrekten Durchführung. Besondere Mängel offenbart das Gutachten bei der Darlegung der von SCHERING unternommenen und dem BGA vorgelegten Tierversuche. Hier missachtet der Gutachter toxikologische Prinzipien, indem er besonders harmlose Ergebnisse herausstellt und toxische Wirkungen meist erst bei starker Überdosierung bis zum 2.500-Fachen der Humandosis konstatiert. Eine ganze Versuchsreihe, die bereits bei einstelligen Vielfachen der Humandosis (vom 2-Fachen bis zum 10-Fachen) eine hohe Toxizität zeigte, verschweigt der Historiker einfach. Ähnlich geht er bei der Bewertung des Handelns im Bundesgesundheitsamt vor. So tut er alles, um das BGA zu entlasten. Dabei gab es dort beispielsweise einen Mitarbeiter, der sich und das Amt als „Advokat der Firma SCHERING“ bezeichnete – und auch so handelte. So schmuggelte er entlastende Unterlagen in die Behörde und hielt den Konzern immer über die Vorgänge im Amt auf dem Laufenden. Der Beschäftigte gab dem Unternehmen sogar Tipps für Entlastungsstudien und den Umgang mit der aufkeimenden Kritik am Verhalten des Konzerns in Sachen „DUOGYNON“. Lenhard-Schramm aber relativiert solche eindeutigen Belege für ein Behörden-Versagen, was ganz im Sinn des Auftraggeber ist. Bei einem anderen Ergebnis hätte er nämlich in der Pflicht gestanden, eine Stiftung für die DUOGYNON-Geschädigen ins Leben zu rufen, wie es bei CONTERGAN und dem von BAYER mitverursachten Bluter-Skandal um HIV-verseuchte Blutpräparate geschehen ist. Diese Studie kann nicht zur Aufklärung des Falles beitragen. Das belegt auch ein vom NETZWERK DUOGYNON in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten, das Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zuging. Es muss eine klare rechtliche Einordnung des Falles geben, so dass die Frage der Amtshaftung geklärt wird. Hier müsste dann die deutsche Regierung auf die Einrede der Verjährung verzichten, so dass es möglich ist, den Fall vor Gericht zu lösen. Aktuell beschäftigt dieser auch viele Abgeordnete im Bundestag. So kam es bereits zu einem fraktionsübergreifenden Treffen. Überdies hat die Berliner Charité ein Forschungsprojekt zu hormonellen Schwangerschaftstests gestartet. WissenschaftlerInnen aus der ganzen Welt arbeiten daran mit. In England fand derweil zu den Schwangerschaftstests, die SCHERING dort unter dem Namen PRIMODOS vertrieb, eine Anhörung vor einem Gericht statt. Es ging um eine Wiederaufnahme des Primodos-Verfahrens, welche die RichterInnen vorerst abgelehnt haben. Derzeit werden weitere rechtliche Schritte beraten. Darüber hinaus ist die Veröffentlichung von Untersuchungen angekündigt, welche weitere Belege für die Schädlichkeit von Duogynon liefern könnten. Für die Geschädigten steht fest: Späte-stens nach dem Contergan-Urteil hätten das BGA und auch SCHERING anders handeln müssen. Und hier ist auch BAYER in der Pflicht: Es ist nicht zu verstehen, warum ein Weltkonzern wie der Leverkusener Multi keine Verantwortung für die Fehler von SCHERING übernimmt, sich bei den Familien entschuldigt, schnell Ausgleichszahlungen auf den Weg bringt und Maßnahmen zur Aufklärung des Falles einleitet. Stattdessen mauert er bis heute und wimmelt die Betroffenen ab. Ein solches Handeln ist unmoralisch. Ausführliche Informationen zu dem Fall finden sich auf der Homepage der Betroffenen unter: www.duogynonopfer.deDie CBG auf der BAYER-Hauptversammlung
Zwölf Gegenreden zu seiner goldenen Bilanz musste der BAYER-Konzern in der virtuellen Hauptversammlung entgegennehmen. Von Glyphosat und anderen Pestiziden über Gentechnik und schädliche Medikamente bis hin zur IG-FARBEN-Vergangenheit reichten die Themen der Einsprüche. Sendeplatz für Profit-Predigten blieb da kaum noch.Von Jan Pehrke
Selbst in post-pandemischen Zeiten floh BAYER mit der Hauptversammlung wieder ins Internet. Der Leverkusener Multi wollte sich erneut nicht direkt mit MenschenrechtlerInnen, Bio-LandwirtInnen, Medikamenten-Geschädigten und StreiterInnen für eine Agrarwende konfrontieren. Er erlaubte es den RednerInnen lediglich, sich von ihren heimischen Computern aus zuzuschalten. Dazu mussten sie über das AktionärInnen-Portal gehen. Dieses erwies sich allerdings als Türhüter, vor dem manche ebenso verzweifelt standen wie der Josef K. aus Kafkas „Der Prozess“. Und das war auch Sinn der Übung. Zwölf Wackere jedoch kamen durch und praktizierten Aktivismus im Homeoffice, um BAYERs Geschäftsbilanz eine Schadensbilanz gegenüberzustellen. Damit beherrschten Beiträge zu den katastrophalen Folgen der gnadenlosen Profit-Jagd den Ablauf der Veranstaltung. Für den Überhang sorgten neben den CBG-Mitgliedern VertreterInnen von FOODWATCH, PARENTS FOR FUTURE, der AURELIA-STIFTUNG, dem NETZWERK GERECHTER WELTHANDEL, der GESELLSCHAFT FÜR BEDROHTE VÖLKER, dem PESTIZID AKTIONS-NETZWERK, dem MARCH AGAINST BAYER & SYNGENTA und dem BUND DER DUOGYNONGESCHÄDIGTEN.Die Causa „Glyphosat“
Das Symbol im BAYER-Portfolio für ein Gewinnstreben auf Kosten von Mensch, Tier und Umwelt ist seit geraumer Zeit Glyphosat. Dementsprechend viel Raum nahm das Herbizid an diesem Tag ein. Die prominenteste Intervention kam dabei von der kanadischen Schriftstellerin Margaret Atwood, welche die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) für ein Statement gewinnen konnte. „Hallo. Mein Name ist Margaret Atwood. Ich bin Schriftstellerin und schreibe schon seit langem über Umweltthemen. Ich fordere die Aktionäre auf, dafür zu stimmen, dass BAYER die Produktion von ROUNDUP einstellt und alle BAYER-Produkte, die Glyphosat in ihrer Formel enthalten, vom Markt nimmt“, hieß es in ihrer von CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann verlesenen Einlassung. „Es hat Auswirkungen auf Ihre Leber, Ihre Nieren, Ihren Verdauungstrakt, Ihre Fruchtbarkeit und Ihre Wahrscheinlichkeit, Krebs zu bekommen. Und es schädigt das Leben unzähliger Tiere und Pflanzen auf der ganzen Welt“, führte Atwood zur Begründung aus. Marco Jenni vom MARCH AGAINST BAYER & SYNGENTA legte dar, was Glyphosat in Argentinien anrichtet. Er brachte den BAYER-AktionärInnen zu Gehör, wie ein argentinischer Aktivist der ALIANZA BIODIVERSIDAD ihm die Lage vor Ort schilderte: „Er berichtet, dass die Krebserkrankungen in Argentinien, besonders bei Bäuerinnen und LandarbeiterInnen, deutlich zunehmen“. Und das sei auch kein Wunder, so Jenni: „Argentinien ist mit 200 Millionen Litern Glyphosat, die pro Jahr versprüht werden, das Land mit dem höchsten Glyphosat-Verbrauch pro Einwohner weltweit. Und das hat leider messbare Auswirkungen. Es wurde in verschiedenen Studien vor Ort eine Verdoppelung oder sogar Verdreifachung des Krebs-Risikos bei der Landbevölkerung von Argentinien festgestellt.“ CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann widmete sich ebenfalls dem Glyphosat-Tatort Lateinamerika und zählte im Anschluss noch weitere Risiken und Nebenwirkungen auf. „Da Glyphosat auch wie ein Antibiotikum wirkt, schwächt das Mittel das Mikrobiom von Menschen und von Nutztieren. Darüber hinaus schädigt das Herbizid die Artenvielfalt“, konstatierte Stelzmann. Ludwig Essig vom NETZWERK GERECHTER WELTHANDEL nannte hier konkret die verheerenden Effekte auf Bestäuber, „auf die wir für die Erzeugung unserer Nahrungsmittel ja unbedingt angewiesen sind“. „Das Geschäftsmodell BAYERs beruht auf einer veralteten und rücksichtslosen Geschäftspraxis“, resümierte er. Verheerende Effekte auf Bestäuber üben auch andere Pestizide aus dem Hause BAYER aus. Matthias Wolfschmidt von der AURELIA STIFTUNG führte in seiner Rede CONFIDOR und GAUCHO aus der Gruppe der Neonicotinoide an. Und als Zeugen der Anklage zitierte er niemand anderen als BAYERs Nachhaltigkeitsbeauftragten Dr. Klaus Kunz höchstpersönlich: „Die Leute sagten, unsere Produkte seien schädlich für Bienen, und unsere Botschaft lautete: ‚Unsere Produkte sind sicher für die Umwelt, wenn sie gemäß den Anweisungen auf dem Etikett angewendet werden‘ (...) Aber wenn man darüber nachdenkt – ein Insektizid ist sicher für die Umwelt – ist das ein Witz. Es ist so konzipiert, dass es nicht sicher für die Umwelt ist.“ Peter Clausing vom PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) widmete sich dem Wirkstoff Thiacloprid, der Mensch und Umwelt gleichermaßen gefährdet, weil er reproduktionstoxisch und wasser-schädigend ist. Der CBGler Gottfried Arnold schließlich ging auf eine ganze Gruppe von Substanzen ein, die sogenannten PFAS, die auch in Pestiziden ihr Unwesen treiben. Dort sorgen sie als Zusatzstoff für die feine Verteilung der Ackergifte beim Spritzen. Die PFAS sorgen Arnold zufolge jedoch noch für etwas ganz anderes: „Leider sind PFAS aber auch kaum abbaubar und daher Ewigkeits-chemikalien, die sich immer mehr in der Umwelt, in Pflanzen, Tieren und in den Menschen ansammeln.“ Und dort blieben die Chemikalien nicht untätig, so könnten sie beispielsweise Krebs auslösen, erläuterte der Kinderarzt im Ruhestand. Ein Eintragsweg für Glyphosat & Co. ist die Nahrung, wie Annemarie Botzki von FOODWATCH ausführte: „Ich spreche hier für all jene Verbraucherinnen und Verbraucher, die sich um die Auswirkungen von Ackergiften auf ihren Tomaten und Äpfeln sorgen. Doch lassen Sie mich betonen: Es geht um viel mehr als nur um Pestizid-Rückstände auf Obst.“ Sie zählte jedoch nicht nur zusätzlich Weizenmehl, Brot und Müsli auf, sondern prophezeite eine veritable Lebensmittelkrise, wenn die Pestizide die Bestände bestäubender Insekten weiterhin so krass lichten, wie sie es im Moment tun.Doppelte Standards
Aber nicht nur die einzelnen Produkte, sondern die ganze politische Ökonomie des Pestizid-Geschäfts stand an diesem Tag auf der Tagesordnung. Gleich mehrere RednerInnen kritisierten die Praxis BAYERs, innerhalb der EU wegen ihrer Gefährlichkeit nicht (mehr) erlaubte Ackergifte in anderen Ländern weiter zu vermarkten. „Wir sagen, Verantwortung fängt beim Export an. BAYER exportiert einen Großteil dieser Wirkstoffe, die auch HHPs – hochschädliche Pestizide – genannt werden, und viele davon sind in der EU nicht zugelassen“, hielt Regina Sonk von der GESELLSCHAFT FÜR BEDROHTE VÖLKER (GfbV) fest. In ihrem Beitrag griff sie als Beispiel Brasilien auf und führte offizielle Statistiken an, wonach sich im Trinkwasser von über 1.300 Städten Ackergift-Rückstände befinden. Unter dieser Überdosis Chemie leiden nach Darstellung der Aktivistin besonders die indigenen Gemeinschaften. „Jeden Tag sterben wir Stück für Stück in unserem Dorf. Denn all diese Wirkstoffe sind in unseren Flüssen und Böden“, mit diesen Worten zitierte Sonk einen Dorfältesten. Anfang Februar hatte die GfbV das Gespräch mit dem Konzern über die Lage in Brasilien gesucht und ihm dabei auch konkrete Vergiftungsfälle präsentiert. Das Unternehmen versprach, diesen nachzugehen, ließ dann aber nichts mehr von sich hören. „Bisher bekamen wir keine Antwort“, so Sonk. Peter Clausing und Ludwig Essig thematisierten die doppelten Standards ebenfalls. Essig band diese in den größeren Kontext der Außenwirtschaftspolitik ein, für dessen global gerechte, faire und nachhaltige Gestaltung er sich als Koordinator des NETZWERKS GERECHTER WELTHANDEL einsetzt. Und im Moment ist hier viel Einsatz gefragt. Die EU treibt nämlich die Unterzeichnung des Mercosur-Abkommens mit den Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay voran, das die Ungleichgewichte zu verschärfen droht. BAYER hingegen profitiert laut Essig von der Vereinbarung z. B. durch den Wegfall vieler Zölle auf Pharmazeutika und Chemie-Produkte und lobbyiert dementsprechend kräftig für den Deal. Aus all diesen Gründen forderten die RednerInnen eine radikale Kehrtwende vom Leverkusener Multi. „Nur mit einem kompletten Pestizid-Ausstieg können wir unsere Lebensgrundlagen wie frisches Wasser, gesunde Böden und Bestäuber dauerhaft schützen“, konstatierte Annemarie Botzki, und Matthias Wolfschmidt pflichtete ihr bei: Zukunftsfähig kann der BAYER-Konzern nur sein, wenn er umweltschädigende Geschäftspraktiken aufgibt und sich von sämtlichen chemisch-synthetischen Pestiziden verabschiedet.“BAYER wiegelt ab
Aber die ManagerInnen-Riege zeigte sich uneinsichtig. „Glyphosat ist ein wichtiger Baustein für Landwirte weltweit zur effizienten Unkraut-Bekämpfung. Produkte auf Basis dieses Wirkstoffs sind bei sachgemäßer Anwendung – wie bereits mehrfach erwähnt – sicher. Glyphosat wird weiterhin eine wichtige Rolle in der globalen Landwirtschaft und der Produkt-Palette von BAYER spielen“, betonte BAYER-Chef Werner Baumann. Und den materiellen Beweis dafür trat er auch gleich an: Die Erschließung einer Mine zur Gewinnung des Glyphosat-Vorprodukts Phosphorit war nach seinem Bekunden die größte Investition des Konzerns im Geschäftsjahr 2022 dar. Zu Thiacloprid stand der Vorstandsvorsitzende ebenfalls in Treue fest. „Produkte mit dem Wirkstoff Thiacloprid sind für viele Landwirte weltweit wichtig, um ihre Ernten vor Schädlinge zu schützen. Es gibt zu Thiacloprid derzeit keine wirksamen Alternativen.“ Und Unbedenklichkeitsbescheinigungen stellte er auch gleich allen anderen Pestiziden aus: „Bevor Pflanzenschutzmittel auf den Markt gebracht werden können, muss nachgewiesen werden, dass diese (...) für Menschen unschädlich sind und die Umwelt keinem unvertretbaren Risiko ausgesetzt wird.“ Darum muss es seiner Meinung nach auch andere Gründe für das Artensterben geben als die chemischen Keulen auf den Feldern. Die verstärkte Landnutzung, der Klimawandel und die Umweltverschmutzung fiel ihm da ein.Andere Länder, andere Sitten
Die Existenz von doppelten Standards stritt Baumann ebenfalls ab. „Allein die Tatsache, dass ein Pflanzenschutzmittel nicht in der EU zugelassen ist, sagt nichts über seine Sicherheit aus. Auch viele andere Zulassungsbehörden aus der ganzen Welt verfügen über robuste und hochentwickelte Regulierungssysteme zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt“, beschied er Ludwig Essig. Zudem gebe es im globalen Süden andere klimatische Bedingungen und „einen höheren Schädlingsdruck“ Andere Länder, andere Sitten – darauf brach der Manager es herunter. Und von diesen „kleinen“ Unterschieden möchte der Konzern gern noch mehr profitieren, „weshalb wir uns für eine Unterzeichnung des EU-Mercosur-Abkommens aussprechen“. Den Worten folgen selbstverständlich auch Taten. „BAYER hat in Berlin, Brüssel und beispielsweise auch in Brasilien im Rahmen seiner Verbandsmitgliedschaften an zahlreichen Treffen teilgenommen, bei denen das EU-Mercosur-Abkommen angesprochen worden ist. In Brüssel fanden darüber hinaus beispielsweise Gespräche mit der GD Trade [Generaldirektion Handel, Anm. CBG] und der GD Agri [Generaldirektion Agrar, Anm. CBG] statt“, plauderte Baumann aus dem Nähkästchen. Bernd Rodekohr von der AURELIA STIFTUNG brachte einen anderen Bestandteil der agro-industriellen Landwirtschaft zur Sprache: das Genome Editing als neueste Spielart der Gentechnik. Hierbei kommen Gen-Scheren wie CRISPR-Cas9 zum Einsatz, die das Erbgut angeblich genau an einer vorgegebenen Stelle auftrennen können, um es dann „umzuschreiben“ oder neue, im Labor hergestellte DNA-Stränge einzufügen. Ohne Reibungsverluste geht das nicht ab, so Rodekohr: „Das ‚Bundesamt für Naturschutz’ warnt, dass Genome Editing anders als klassische Züchtung auch geschützte Bereiche des Genoms für mehrfache und parallele Veränderungen zugänglich macht. Pflanzen aus neuer Gentechnik würden möglicherweise ein größeres Risiko-Potenzial aufweisen als Pflanzen aus alter Gentechnik.“ Er verwies zudem auf eine Studie der Universität Zürich, wonach genom-editierte Ackerfrüchte das Potenzial haben, die Stoffwechsel- und Signalwege von Bestäubern zu stören. Damit nicht genug, erlauben es die Patent-Regelungen den Konzernen, sich im Zuge der Arbeiten an CRISPR-Cas9 & Co. auch ganz natürliche Pflanzeneigenschaften als geistiges Eigentum schützen zu lassen, was züchterischen Fortschritt massiv behindert. Kleinere, konventionell arbeitende Betriebe müssen so nämlich immer mit Patentverletzungsklagen von Seiten der Agro-Riesen rechnen. Darum wollte Rodekohr wissen, wie der Leverkusener Multi zur Forderung des „Bundesverbandes Deutscher Pflanzenschützer“ steht, keine Schutzrechte auf solche Pflanzen-Charakteristika zu erteilen. Finanzvorstand Wolfgang Nickel aber leugnete den Tatbestand schlicht: „Pflanzen-bezogene Erfindungen sind nur dann patentierbar, wenn sie die Patent-Kriterien ‚Neuheit’, ‚erfinderische Tätigkeit’, ‚Reproduzierbarkeit’ und ‚gewerbliche Anwendbarkeit’ erfüllen.“ Risiken und Nebenwirkungen von Genpflanzen stellte er ebenfalls in Abrede. „Bei Cropscience überprüfen wir während der Entwicklungsphase alle unsere Produkte im behördlich vorgeschriebenen und internationalen standardisierten Test-Verfahren auf ihre Sicherheit für Anwender, die Umwelt und auch die Konsumenten“, bekundete er. Ohne Wenn und Aber bekannte Nickel sich deshalb zu den umstrittenen Praktiken: „Die klassische Gentechnik sowie neue Züchtungsmethoden sind essenziell, um eine wachsende Weltbevölkerung ernähren zu können.“ Auf eine andere Nebenwirkung der Agrochemie-Fertigung – sie produziert bei BAYER deutlich mehr Treibhausgas-Emissionen als die Pharma-Sparte – kam Alice Werner von den PARENTS FOR FUTURE Leverkusen zu sprechen: die Gefährdung des Klimas. „Schonung der Ressourcen und Klimaneutralität muss (...) das wichtigste Ziel aller Unternehmen sein. Wo dies nicht möglich ist, müssen die Unternehmen ihre Tätigkeit drosseln und sich transformieren. Das erwarten wir auch von der BAYER AG“, erklärte Werner. Unverändert hoher Güter-Transport, Energie- und Grundwasser-Verbrauch seien heutzutage nicht mehr zu verantworten, meinte sie. Darum redete die Leverkusenerin den ManagerInnen ins Gewissen: „Meine Damen und Herren, bitte nehmen Sie ihre Verantwortung ernst! Der größte Teil der einfachen Bevölkerung hat nur recht begrenzte Möglichkeiten, um zur Problem-Lösung beizutragen. Weitaus umfassendere Möglichkeiten und damit auch Verantwortung hat da ein Unternehmen wie die BAYER AG, die weltweit tätig ist.“Verantwortung Fehlanzeige
Eine solche Übernahme von Verantwortung verlangte Margret-Rose Pyka dem Konzern auch in Sachen „DUOGYNON“ ab. Dieser hormonelle Schwangerschaftstest der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING hat nämlich ab den 1950er Jahren zu tausenden Totgeburten geführt. Darüber hinaus kamen durch das Medizin-Produkt bis zum Vermarktungsstopp Anfang der 1980er Jahre unzählige Kinder mit schweren Fehlbildungen zur Welt. „Man kann (...) Eltern am stärksten treffen, wenn man das Kind trifft. Und unsere Kinder wurden getroffen. Die sind heute nicht mehr klein, sondern sie leben ihr Leben und zwar mehr oder weniger diejenigen, die überlebt haben (...) mit unendlichen Leiden auf dieser Welt, mit teilweise multiplen Behinderungen“, legte Pyka dar. Bereits seit 1953 war es ihr zufolge bekannt, dass die Inhaltsstoffe der DUOGYNON-Dragees auf die DNA wirken und Missbildungen hervorrufen können. „Es war also unverantwortlich damals, dieses Produkt nicht vom Markt zu nehmen“, resümierte Pyka und fragte: „Wann werden Sie auf die Opfer zugehen und werden ihnen endlich eine angemessene Entschädigung zahlen?“ Der Pharma-Riese aber hatte wieder nur den Standard-Satz parat: „BAYER schließt DUOGYNON nach wie vor als Ursache für embryonale Missbildungen aus.“ Jan Pehrke von der Coordination präsentierte mit dem Langzeit-Verhütungsmittel ESSURE ein neueres Produkt der Abteilung „Frauengesundheit“ mit fatalen Folgen. Er begnügte sich damit jedoch nicht, sondern legte eine umfassende Schadensbilanz vor. Als Posten auf seiner Liste tauchten unter anderem die Substanzen PCB und Asbest sowie die Pestizid-Wirkstoffe Dicamba, Clothianidin, Imidacloprid und last not least Glyphosat auf. Letzteres sorgt für einen Gutteil von BAYERs Treibhausgas-Emissionen, denn neben allem anderen ist das Herbizid wegen des energie-intensiven Herstellungsprozesses auch ein veritabler Klima-Killer. „Plant BAYER an den Glyphosat-Standorten Soda Springs und Luling Investitionen in klima-freundlichere Technologien?“, fragte Pehrke deshalb, bevor er sich die Öko-Bilanz für 2022 im Ganzen vornahm. Nichts ist da im grünen Bereich, überall nur steigende Stoffeinträge in die Umwelt, von Anorganischen Salzen über Schwefeloxide bis hin zu Schwermetallen, lautete sein Fazit. All das führte der kritische Aktionär schließlich auf eine einzige Ursache zurück: Das Profitsystem. Dieses zeigte sich auch in Kriegszeiten voll funktionsfähig. „Zu einem guten Teil stieg der Umsatz nicht trotz des Krieges um 8,7 Prozent auf 50,7 Milliarden Euro, sondern gerade wegen des Krieges. BAYER profitierte nämlich von Mangellage auf dem Nahrungsmittel-Sektor und den steigenden Preisen für Lebensmittel“, kritisierte Pehrke. Seine ManagerInnen belohnte das Unternehmen fürstlich für diese Krisen-Renditen. Allein Baumann erhält 7,8 Millionen Euro. Das ist 93 Mal so viel, wie Tarifbeschäftigte beim Konzern durchschnittlich verdienen, erboste sich das CBG-Vorstandsmitglied. „[E]ine in sich konsistente Abstandslogik“, befand hingegen der Aufsichtsratsvorsitzende Norbert Winkeljohann. Der Vorstandsvorsitzende Werner Baumann verteidigte indes BAYERs Abgabenlogik und beantwortete die Frage des CBGlers, ob der Konzern bereit wäre, für seine Riesen-Profite eine Übergewinn-Steuer zu zahlen, abschlägig. Zum Klima-Komplex hatte er sich schon in seiner Antwort auf die Rede von Alice Werner geäußert. Der Konzernchef bekannte sich da zum Pariser Klimaschutz-Abkommen, führte die unternehmensinternen Reduktionsziele auf und sah den Global Player diesbezüglich auf einem guten Weg. Pehrke gegenüber kündigte er nun Sanierungsmaßnahmen an den Glyphosat-Standorten Soda Springs und Luling an. Die Coordination hatte das auf den zurückliegenden Hauptversammlungen immer wieder angemahnt und wird die Entwicklungen vor Ort jetzt genau beobachten. CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann verlängerte die umfassende Perspektive seines Kollegen sogar bis in die Vergangenheit. Er beschäftigte sich mit der Ankündigung des Leverkusener Multis, seine Nazi-Geschichte aufzuarbeiten und eine neue Stiftung mit der Aufgabe zu betrauen, sich dem von BAYER mitgegründeten Mörder-Unternehmen I.G. FARBEN zu widmen. „Nach Ansicht der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN ist dieser Schritt fast 80 Jahre nach dem Nationalsozialismus mehr als überfällig“, konstatierte Stelzmann. Er fordert allerdings einen Lackmus-Test für die Glaubwürdigkeit des Unterfangens ein: „Um die Ehrlichkeit des BAYER-Vorhabens unter Beweis zu stellen, muss der Konzern sich zu allererst öffentlich bei allen Opfern der I.G.-FARBEN-Verbrechen bzw. deren Hinterbliebenen entschuldigen und die gerechte Entschädigung der betroffenen Familien sicherstellen. Bisher hat BAYER das stets abgelehnt. Die heutige Hauptversammlung wäre der richtige Ort, wo dies stattfinden könnte“. Werner Baumann wich allerdings aus und bekannte sich nur allgemein zur Verantwortung BAYERs. „Herr Stelzmann – Sie fragten, ob wir uns bei den Hinterbliebenen der Opfer der I.G.-FARBEN entschuldigen und diese entschädigen wollen. Die Frage eines verantwortungsvollen Umgangs mit der eigenen Vergangenheit, bei dem wir uns besonders mit dem Erbe der I.G. FARBEN befassen, bleibt jederzeit aktuell. Als verantwortungsvolle globale Akteure sind wir es den Opfern und ihren Nachfahren schuldig, uns unserer Geschichte zu stellen“, entgegnet er und stellte dann die „Hans und Berthold Finkelstein Stiftung“ als Fundament für solch ein „selbstkritisches Gedenken“ vor. Auf Drängen der Konzern-KritikerInnen musste der BAYER-Vorstand also bis tief in die Vergangenheit absteigen und sein Zahlenwerk dafür beiseite legen. Nicht weniger als zwölf Mal musste er sich zum Abschluss der Gegenreden die Aufforderung an seine AktionärInnen anhören: Darum bitte ich Sie, Vorstand und Aufsichtsrat nicht zu entlasten und stattdessen für die Gegenanträge der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN zu stimmen. Und so ganz ohne Gewicht waren diese nicht. Aktien im Wert von rund zwei Millionen Euro warf die CBG in die Waagschale, weil kritische AktionärInnen ihr die Stimmrechte übertragen hatten. So konnte sie dann an dem Tag selbst bei den Zahlen punkten.Abstimmungsergebnisse
Abstimmungen auf Hauptversammlungen der Konzerne werden bestimmt von dem Block der ca. ein Prozent GroßaktionärInnen. Entsprechend beachtlich ist die Anzahl der NEIN-Stimmen. Die Kritischen AktionärInnen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) stimmen bei allen Tagesordnungspunkten mit NEIN und fordern die anderen AktionärInnen auf, dies ebenfalls zu tun. Der Erfolg dieser Anträge wird deutlich an den Gegenstimmen zu den Anträgen des Vorstands. Die Nein-Stimmen und Enthaltungen bei ca. 600 Mio. anwesenden Aktien wie folgt:Gewinnverwendung
Die CBG hat vorgeschlagen, die Gewinnausschüttung auf NULL Euro zu senken. Da das gesetzlich nicht möglich ist, hat sie empfohlen, nur zehn Cent auszuschütten und die Gewinne stattdessen für BAYER-Geschädigte. Da zunächst der Gewinnvorschlags des Vorstands beraten wurde, forderte die CBG alle AktionärInnen auf, mit NEIN zu stimmen. Nein-Stimmen 1,7 Mio. 0,27 % Enthaltungen 2,2 Mio. 0,36 % Summe 3,9 Mio. 0,63 %Entlastung Vorstand
Die CBG hat vorgeschlagen, die Mitglieder des Vorstands nicht zu entlasten, weil sie verantwortlich sind für Verbrechen an Mensch und Umwelt, für Profitgier und Ausbeutung. Da zunächst der Vorschlag des Vorstands auf Entlastung beraten wurde, forderte die CBG alle AktionärInnen auf, mit NEIN zu stimmen. Nein-Stimmen 25,8 Mio. 4,2 % Enthaltungen 4,5 Mio. 0,7 % Summe 30,3 Mio. 4,9 %Entlastung Aufsichtsrat
Die CBG hat vorgeschlagen, die Mitglieder des Aufsichtsrats nicht zu entlasten, weil sie verantwortlich sind für Verbrechen an Mensch und Umwelt, für Profitgier und Ausbeutung. Da zunächst der Vorschlag des Vorstands auf Entlastung beraten wurde, forderte die CBG alle AktionärInnen auf, mit NEIN zu stimmen. Nein-Stimmen 34,0 Mio. 5,6 % Enthaltungen 24,1 Mio. 4,0 % Summe 58,1 Mio. 9,6 %Vorstandsgehälter
Die meisten Gegenstimmen kassierte BAYER bei dem Vorschlag zur maßlosen Vergütung der Vorstände. Nein-Stimmen 241,0 Mio. 39,6 % Enthaltungen 102,0 Mio. 16,8 % Summe 343,0 Mio. 56,4 %Virtuelle HVs
Bei dem Tagesordungspunkt „Ermächtigung des Vorstandes zur Abhaltung virtueller Hauptversammlungen“ gab es ebenfalls viele ablehnende Voten. Nein-Stimmen 124,0 Mio. 20,3 % Enthaltungen 18,0 Mio. 3,0 % Summe 142,0 Mio. 23,3 %
Protest vor Ort und virtuell
Während viele Aktien-Gesellschaften in diesem Jahr ihre Hauptversammlungen wieder in Präsenz abhielten, klammerte sich der BAYER-Konzern weiter an das Online-Format, um sich nicht direkt mit seinen KritikerInnen konfrontieren zu müssen. Aber die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) bot ihm trotzdem sowohl in der realen als auch in der virtuellen Welt Paroli. So gelang es auch unter erschwerten Bedingungen aufzuzeigen, warum das kapitalistische, auf Maximalprofit ausgerichtete Produktionsmodell des Leverkusener Multis nicht zukunftsfähig und durch ein anderes, demokratisch kontrolliertes zu ersetzen ist.
Von Marius Stelzmann
Der BAYER-Vorstand hatte Anfang März 2023 verkündet, dass diese Hauptversammlung wieder lediglich online stattfinden sollte. Abermals also mochte er sich Konzern-Kritik lieber nicht direkt aussetzen. Bereits zu diesem Zeitpunkt wurde das Unternehmen mit der Frage nach den Gründen konfrontiert, war doch die akute Notwendigkeit, begründet durch den Schutz vor der Corona-Pandemie, da schon längst nicht mehr gegeben. Die BAYER-ManagerInnen lavierten: Zum Zeitpunkt der Entscheidung wäre das noch nicht absehbar gewesen, das Unternehmen prüfe für die Zukunft die Rückkehr in die Präsenz. Dass dies vorgeschoben war, offenbarte sich spätestens, als BAYER die Tagesordnung der diesjährigen HV öffentlich machte: Baumann & Co. beabsichtigten, sich von den AktionärInnen die Zustimmung zu holen, die Web-Option auch in den nächsten zwei Jahren unabhängig von pandemischen Lagen wählen zu können. Schon 2020 hatte sich abgezeichnet, dass die Aktiengesellschaften die Pandemie nur als Probelauf für ihren langgehegten Wunsch nach AktionärInnen-Treffen im World Wide Web betrachteten, den es anschließend auf Dauer zu stellen galt.Im Jahr 2020 nutzte der BAYER-Konzern erstmals das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ vom 27. März 2020 aus, um eine reine Online-Hauptversammlung abzuhalten. Am 13. Juli 2022 lag die vor-virtuelle Normalität nun schließlich weit genug zurück, um aus provisorischen, an der Pandemie orientierten Richtlinien richtige Gesetze zu machen. Mit einer Änderung des Aktiengesetzes wurde den Konzernen gestattet, weiterhin rein virtuelle Hauptversammlungen abzuhalten. Dankbar nutzte BAYER diese Möglichkeit, die kaum ein anderes Land bietet, wie der europäische Vergleich zeigt: Neben Deutschland sind nur noch in Italien virtuelle Hauptversammlungen an der Tagesordnung, in allen anderen Staaten ist die Präsenz-Hauptversammlung wieder Standard. Und selbst in Deutschland machen zahlreiche Unternehmen wie AURUBIS, BASF, DEUTSCHE POST, DEUTSCHE TELEKOM, HENKEL und VW vor, dass Aktionär-Innen-Treffs problemlos im realen Leben möglich sind. Und der Leverkusener Multi hält nicht nur am virtuellen Format fest, er schöpft hierbei noch nicht einmal die ohnehin schon spärlichen Optionen, die der Gesetzgeber eröffnet, zugunsten seiner AktionärInnen aus. Unter diesen erschwerten Bedingungen startete die CBG in die Vorbereitung des diesjährigen Protestes. Sie trat mit den folgenden konkreten Forderungen an: 1. Bill Anderson, der neue CEO von BAYER/MONSANTO, muss endlich die Verantwortung für die vom Konzern verursachten Leiden der Glyphosat-KlägerInnen in den USA und anderswo übernehmen und diese angemessen entschädigen. 2. Bill Anderson muss weiterhin garantieren, dass es nicht zu einer Zerschlagung des Konzerns kommt, welche unzählige Beschäftigte arbeitslos machen würde. 3. Der BAYER-Konzern muss jegliche Lobbybemühungen zu einer Verlängerung der EU-Zulassung von Glyphosat einstellen und das Produkt vom Markt nehmen. Durch die Hauptversammlungsaktionen beabsichtigte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) nicht nur den Blick der Öffentlichkeit auf die von der Konzern-Politik Betroffenen zu lenken, sie trachtete auch danach, die Stimmen der Klein-AktionärInnen zu gewinnen. Die Coordination wollte diese beispielsweise dazu veranlassen, der Glyphosat-Zulassungsverlängerung eine Absage zu erteilen. Das agrarökonomische Modell, welches auf Glyphosat und Gentechnik setzt, ist nämlich aufgrund der juristischen Risiken und Nebenwirkungen auch wirtschaftlich eine Katastrophe.Die CBG sammelt ihre Kraft
In dieser Hinsicht konnte die CBG auch dieses Jahr wieder ansehnliche Erfolge vermelden. Selbst hinter den Schwergewichten, welche die Abstimmungen bei BAYER bestimmen, musste sie sich nicht verstecken. Zwar hat die Coordination selbstredend nicht das Stimmgewicht von Shareholder-Riesen wie BLACKROCK und will das auch gar nicht haben. Dennoch ist es auch 2023 wieder gelungen, Aktien-Stimmrechte im Wert von knapp zwei Millionen Euro zu mobilisieren und diese Stimmen gegen den Vorstand in Stellung zu bringen. Diese Mobilisierung ist ein aufwändiger Prozess, der viel Kraft und Mühe kostet. Die CBG stützt sich dabei auf AktionärInnen, die ihr bereits seit Langem die Treue halten, sie bittet aber auch Partner-Organisationen, die ebenfalls Verbindungen zu kritischen AktionärInnen haben, um Hilfe. Auch dieses Jahr geht hier wieder ein besonderer Dank an die Organisation EKO, (ehemals SUMOFUS), die zuverlässig Ihre UnterstützerInnen dazu aufruft, der Coordination Stimmrechte zu übertragen. So sind dann Stimmanteile wie die diesjährigen im Wert von knapp zwei Millionen Euro möglich.Die Stimme erheben
Die Coordination ist auf den Hauptversammlungen schon durch viele Höhen und Tiefen gegangen. Sie hat sich stets bemüht, alle Register zu ziehen, um dem Protest eine starke Präsenz zu verleihen, und dabei immer wieder auch neue Ansätze gewählt. Eine Aktionsform aber hat die Coordination seit der ersten Hauptversammlung im 1982 begleitet: Die Organisation von Reden und Fragen, um den Vorstand direkt zu konfrontieren und den AktionärInnen unmittelbar und unausweichlich zu demonstrieren, welche Konzern-Verbrechen BAYER begeht. Für diese Beiträge konnte die CBG bereits SprecherInnen aus der ganzen Welt gewinnen. Sie hat Betroffene von BAYER-Produkten ebenso wie AktivistInnen oder versierte WissenschaftlerInnen, welche die Gefahren von Glyphosat und anderen Produkten fundiert darlegten, auf die HV gebracht. Diese Reden stören den Ablauf der Hauptversammlung, so wie der Vorstand ihn sich wünscht, am meisten. Sie sind ihm ein besonderer Dorn im Auge, gleichzeitig allerdings auch ein besonders gesichertes Recht. Da AktionärInnen nach deutschem Aktien-Gesetz das Recht haben, dem Unternehmen auf der Hauptversammlung Fragen zu stellen, darf BAYER den KonzernkritikerInnen nicht grundsätzlich das Wort verbieten. Die Lösung für die Konzernspitze kann also nur darin liegen, den GegenrednerInnen möglichst viele Hindernisse in den Weg zu legen und sicherzustellen, dass möglichst wenig Menschen sie hören können. Für dieses „Problem“ des Vorstandes ist die virtuelle Hauptversammlung geradezu eine Ideallösung. Seit sie implementiert ist, gibt es keine Möglichkeit mehr dazu, mit Vorstand und Aufsichtsrat im Blick zu rund 3.000 AktionärInnen zu sprechen. Nur Fragen und vorher aufgezeichnete Kurz-Videos erlaubte BAYER bisher. Die Konzern-Kritik litt darunter immens. Es macht eben einen fundamentalen Unterschied, ob etwa eine Medikamenten-Geschädigte vor das Mikrofon tritt, ihre Leidensgeschichte erzählt und am Schluss fragt, wann BAYER die betreffende Arznei endlich vom Markt zu nehmen gedenkt, oder ob der Versammlungsleiter dies – wie 2020 geschehen – auf ein läppisches Informationsbedürfnis herunterbricht und kundtut: „Eine Aktionärin fragte nach dem Produkt DUOGYNON.“ Auch geht die Wirkung auf die AktionärInnen im Saal verloren, die sich in der Vergangenheit immer wieder von den Reden beeindruckt gezeigt und dies nicht zuletzt dadurch dokumentiert hatten, der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) am Ende des Tages ihre Stimmrechte zu übertragen. Dieses Jahr jedoch war der Agro-Riese nach den Bestimmungen des neuen AktionärInnengesetzes gezwungen, zumindest wieder Live-Reden zu gestatten, die in den Stream zugeschaltet wurden. Für die CBG eine halbe Rückkehr zu früheren Zeiten und eine interessante Möglichkeit, die Protestpräsenz zu gestalten. Entsprechend motiviert ging sie auf die Suche nach BündnispartnerInnen, die ein Interesse daran hatten, an der Online-HV teilzunehmen. Dieses Jahr konnte die Coordination insgesamt zwölf SprecherInnen gewinnen.Ein Bündnis schmieden
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN versucht in ihrer Arbeit stets, möglichst breite Bündnisse zu schmieden. Lediglich Nazis, RassistInnen und SexistInnen sind ausgeschlossen. Da sie bereits lange auf den Hauptversammlungen präsent ist und kontinuierlich dazu arbeitet, hat sie schon eine Menge WeggefährtInnen gefunden, um mit ihnen gemeinsam die Proteste gestalten. So konnte sie auch dieses Jahr wieder ein breites Bündnis von Organisationen schaffen. Die Coordination erhielt Support unter anderem von: der GESELLSCHAFT FÜR BEDROHTE VÖLKER, dem Allerweltshaus Köln, der ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT, dem PESTIZID AKTIONS-NETZWERK, PARENTS FOR FUTURE, FRIDAYS FOR FUTURE, SECRETS TOXIQUES, MARCH AGAINST BAYER & SYNGENTA, MULTIWATCH, DEUTSCHE UMWELTHILFE, WIR HABEN ES SATT, AURELIA-STIFTUNG, die PARTEI, EXTINCTION REBELLION, CORPORATE EUROPEAN OBSERVATORY, DACHVERBAND DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE, VEREIN EHEMALIGER HEIMKINDER IN SCHLESWIG-HOLSTEIN e. V., BUND DER DUOGYNONGESCHÄDIGTEN, NETZWERK DUOGYNON, DIE LINKE Leverkusen, FOODWATCH, NETZWERK GERECHTER WELTHANDEL, UMWELTINSTITUT und einigen freien AktivistInnen. Schon bei dem Bündnistreffen im Kölner Allerweltshaus zeigte sich, dass die Gegenaktivitäten zur BAYER-HV schon längst ein überregional bedeutsames Ereignis darstellen. So schalteten sich AktivistInnen aus dem fernen Berlin zu. Sogar internationalen Zulauf erhielten wir. Von Basel aus nahm das Bündnis MARCH AGAINST BAYER & SYNGENTA teil. Mit dem March in Basel arbeitet die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN bereits seit Jahren vertrauensvoll zusammen, sie hat stets eine Präsenz auf den jährlichen Demonstrationen dort gehabt. In diesem Jahr ist es allerdings gelungen, die Zusammenarbeit auf eine neue Stufe zu heben. Bereits Ende letzten Jahres hatten die AktivistInnen die CBG kontaktiert und mitgeteilt, dass sie in diesem Jahr von SYNGENTA weg und stärker auf BAYER/MONSANTO fokussieren wollten. Für die Coordination natürlich eine willkommene Möglichkeit, endlich eine gemeinsame Aktion an den Start zu bringen. Eine Gelegenheit zur näheren Erörterung bot sich im Februar. Das Bündnis hatte die CBG zu einem Vortrag über die Risiken und Nebenwirkungen von Glyphosat nach Basel eingeladen und danach fand sich Zeit, um über gemeinsame Handlungsmöglichkeiten zu sprechen. Und dazu hatte CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann auch gleich eine Aktionsidee im Gepäck. Das Ziel: Die Kräfte auf der Hauptversammlung zu bündeln! Klar war: Wenn die Coordination an dem Tag der Konzern-Zentrale in Leverkusen einen Besuch abstatten würde, wäre in Basel ein Stelldichein bei der dortigen BAYER-Niederlassung fällig! Und so geschah es dann auch. Damit nicht genug, drang das Echo der Hauptversammlung bis in die Hauptstadt. Das „WIR HABEN ES SATT“-Bündnis schritt nämlich zur Tat. Es protestierte vor BAYERs Berliner Dependance gegen den Umgang des Global Players mit gefährlichen Ackergiften. Die Aktivist-Innen nahmen sich dabei nicht nur Glyphosat vor, sondern auch die Praxis, in die Länder des globalen Südens Pestizide zu exportieren, die innerhalb der EU wegen ihrer Gefährlichkeit verboten sind. Und sie taten das mit Hilfe eben dieser Mittel. „Mit einer mit umweltfreundlicher Kreidefarbe befüllten Pestizidspritze hinterließen wir Botschaften in giftgrüner Farbe und forderten den Glyphosat-Ausstieg und die Einhaltung der Menschenrechte durch BAYER“, erklärte das Bündnis. Und so gelang es der Coordination dann am 28. April erstmals, Aktionen an mehreren BAYER-Standorten zugleich durchzuführen – und das sogar grenzüberschreitend.Auf der Straße und virtuell
Auf der Kundgebung in Leverkusen konnte die CBG dieses Jahr ebenfalls internationale Gäste begrüßen: Andy Battentier von der Kampagne SECRETS TOXIQUES, den die Coordination im Rahmen ihrer Kooperation mit dem „Pariser March against MONSANTO“ als Bündnispartner gewann, überbrachte Grüße aus Frankreich. Er klärte die anwesenden AktivistInnen über das auf, was in den ROUNDUP-Pestiziden außer Glyphosat sonst noch so alles an geheimen, giftigen Bestandteilen drin ist. Zudem ergriffen vor BAYERs Konzern-Zentrale noch Moritz Hegmann von FRIDAYS FOR FUTURE, Malte Kemp von DIE LINKE/Leverkusen und PARENTS FOR FUTURE sowie Bernd Schmitz von der ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT und die CBGlerInnen Uwe Friedrich, Brigitte Hincha-Weisel und Lars-Ulla Krajewski das Wort. Und zum krönenden Abschluss überbrachten die AktivistInnen dem scheidenden BAYER-Chef Werner Baumann noch ein Abschiedsgeschenk: einen goldenen Glyphosat-Kanister mit Totenkopf-Emblem als Symbol für die lukrativen Geschäfte mit dem Tod, die er dem Konzern mit der von ihm eingefädelten MONSANTO-Übernahme beschert hat. Dann galt es an dem Tag noch, die BündnispartnerInnen durch die schwierigen Anmeldehürden zu begleiten, welche der Auftritt auf der virtuellen HV mit sich brachte. Obgleich die Coordination sich vorher eingehend mit den Modalitäten beschäftigt und versucht hatte, den BündnispartnerInnen möglichst viele Hinternisse aus dem Weg zu räumen, erwies sich das Verfahren dennoch erwartungsgemäß als kompliziert. Aber es kamen dann doch alle durch. Und nicht nur das: Die zwölf GegenrednerInnen dominierten die HV und drängten das Gerede über Zahlen und Profit-Aussichten in den Hintergrund und das über die Folgen der gnadenlosen Rendite-Jagd in den Vordergrund (Näheres dazu im folgenden Artikel). Und als Krönung gab es dann noch das Glyphosat-Statement von Margaret Atwood. Eine ereignisreiche Hauptversammlung also wieder einmal. Die nächste dürfte kaum langweiliger geraten – in welchem Format auch immer. ⎜Atwoods HV-Rede
„Hallo. Mein Name ist Margaret Atwood. Ich bin Schriftstellerin und schreibe schon seit langem über Umweltthemen. Ich fordere die Aktionäre auf, dafür zu stimmen, dass BAYER die Produktion von Roundup einstellt und alle BAYER-Produkte, die Glyphosat in ihrer Formel enthalten, vom Markt nimmt. Und warum? Weil Ihre Gesundheit in Gefahr ist. Glyphosat ist das weltweit am häufigsten verwendete Unkrautvernichtungsmittel. Es ist überall, auch in unseren Körpern und in den Körpern unserer Kinder. Es hat Auswirkungen auf Ihre Leber, Ihre Nieren, Ihren Verdauungstrakt, Ihre Fruchtbarkeit und Ihre Wahrscheinlichkeit, Krebs zu bekommen Und es schädigt das Leben unzähliger Tiere und Pflanzen auf der ganzen Welt. Trotz der Lobbyarbeit der großen Chemiekonzerne und des Drucks, der auf Institutionen und Aufsichtsbehörden ausgeübt wird, weiß ich, dass Sie das tun können. Und ich weiß auch, dass Sie es tun MÜSSEN. Und tief in Ihren Herzen wissen Sie es auch“Schamlose Profite
Auf der Hauptversammlung legte BAYER den AktionärInnen die Geschäftsbilanz vor. Jede der etwa 982 Millionen „nennwertlosen“ BAYER-Aktien repräsentiert einen Anteil am Grundkapital des Konzerns in Höhe von 2,55 Euro. Mit diesem Grundkapital erwirtschaftete der BAYER-Konzern im Geschäftsjahr 2022 einen Umsatz von 50,7 Mrd. Euro. Dabei erzielte er ein „Ergebnis vor Sondereinflüssen“ in Höhe von 13,5 Mrd. Euro. Das entspricht einer Marge auf den Umsatz von 26,6 Prozent. Auf jede Aktie entfällt ein „bereinigtes Ergebnis“ (nach Steuern etc.) von 7,94 Euro. Das entspricht 311 Prozent des Aktienwertes. Rund 2,35 Mrd. Euro seines Gewinns schüttete der Konzern an die AktionärInnen aus. Das ergab für jede Aktie eine Dividende von 2,40 Euro und das entspricht einer Rendite von sage und schreibe 78 Prozent. Um diese Maßlosigkeit vor der Öffentlichkeit zu verschleiern, wird die Dividende von BAYER und den Wirtschaftsmedien gerne auf Basis des zum Jahresende aktuellen Kurswertes der BAYER-Aktie berechnet. Der lag Ende 2022 bei ca. 50 Euro. Damit fällt die Dividende – Hokuspokus – auf lediglich 4 Prozent.CBG nimmt Stellung
Mitte Juli 2023 präsentierte die EU-Kommission einen Verordnungsvorschlag zur Regulierung von Pflanzen, die BAYER & Co. mit Hilfe von Genscheren wie CRISPR/Cas entwickelt haben und forderte Privatpersonen und Organisationen zu Stellungnahmen auf. Da die Europäische Union den Gewächsen mit ihrem neuen Rechtsrahmen den Weg auf die Äcker erleichtern will, wandte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) sich in ihrem Statement gegen das Vorhaben: Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) lehnt den Verordnungsvorschlag der EU-Kommission für Pflanzen, die mithilfe bestimmter neuer genomischer Verfahren gewonnen werden, ab. Auch wenn die Konzerne den Gewächsen keine Gene artfremder Organismen übertragen und die Zahl der Eingriffe unter 20 bleibt, erlauben es die von den Technologien ausgehenden Gefährdungen nicht, die Ackerfrüchte konventionell erzeugten gleichzustellen und ihnen eine Risiko-Prüfung sowie eine Kennzeichnungspflicht zu ersparen. Nicht selten verursachen die Genscheren unbeabsichtigte Mutationen an den beabsichtigten Stellen (On-Target-Effekte) und vice versa beabsichtigten Mutationen an unbeabsichtigten Stellen (Off-Target-Effekte). Überdies sind die Operationen oftmals gar nicht so klein. So vermögen CRISPR/Cas oder TALEN in Gen-Bereiche vorzudringen, die der alten Gentechnik verschlossen blieb. Zudem sind die Genscheren in der Lage, mehrere Transformationsprozesse gleichzeitig in die Wege zu leiten. Darüber hinaus rufen sie im Gegensatz zu konventionellen Züchtungspraktiken zumeist keine Punkt-Mutationen an der DNA hervor, um sie umzuprogrammieren, sondern Doppelstrangbrüche. Diese „Wunde“ soll dann der natürliche Reparatur-Mechanismus der Zellen wieder schließen. Allzu oft aber funktioniert das nicht. Die losen Enden des Gen-Abschnittes finden nicht mehr zusammen und setzen eine Kaskade von Veränderungen in Gang. Als „Chromothripsis“ bezeichnen WissenschaftlerInnen diesen gefährlichen Effekt. Damit nicht genug, drohen die Ackerfrüchte ihre Widerstandsfähigkeit gegen bestimmte Pflanzenkrankheiten zu verlieren, wenn BAYER & Co. sie massenhaft z. B. gegen Krautfäule wappnen, denn der Erreger stellt sich darauf ein und wandelt sich. Im Übrigen gibt es bessere Methoden, die Pflanzen gegen den Klimawandel zu wappnen, als die neuen Gentechniken. Die ökologische Landwirtschaft etwa verfolgt da einen viel breiteren Ansatz. Dieser umfasst beispielsweise Bemühungen, die Böden durch Fruchtfolgen zu entlasten und überhaupt eine andere Bodenstruktur zu schaffen, welche die Wasserhalte-Fähigkeit verbessert. Auch arbeitet sie daran, Pflanzen mit größeren, aufnahmefähigeren Wurzeln zu züchten. Die neuen Gentechniken aber gefährden ihre Arbeitsgrundlage. „Egal, wie ich es hin und her drehe, egal, welche Vorsorge-Maßnahmen wir ergreifen werden, mit diesem Gesetzes-Vorschlag könnten wir Gentechnik-Verunreinigungen auf unseren Äckern und in unseren Ställen nicht mehr verhindern“, sagt die Öko-Landwirtin Bärbel Endraß. Die Wahlfreiheit der VerbraucherInnen beschneidet der Verordnungsvorschlag ebenfalls. Durch den Wegfall der Kennzeichnungspflicht haben diese im Supermarkt nicht mehr die Möglichkeit, sich bewusst gegen gen-manipulierte Lebensmittel zu entscheiden. Und schließlich lässt die EU die Patent-Frage ungeklärt, weshalb ZüchterInnen und LandwirtInnen einen Eingriff in ihre bisherigen Rechte im Umgang mit Pflanzen-Material fürchten. „Die Schutzsysteme für das geistige Eigentum in der Pflanzenzüchtung müssen in den Blick genommen und eine schnelle, rechtsverbindliche Lösung geschaffen werden, nach der biologisches Material, das auch in der Natur vorkommen oder entstehen könnte, nicht patentiert werden kann“, fordert BDP-Geschäftsführer Dr. Carl-Stephan Schäfer deshalb. Der Verordnungsvorschlag der EU zur Regulierung der neuen Gentechniken ignoriert nach Ansicht der Coordination gegen BAYER-Gefahren die von den Prozeduren ausgehenden Gefahren und gefährdet die bisherige Ko-Existenz zwischen der ökologischen und der konventionellen Landwirtschaft. Zudem nimmt er den VerbraucherInnen durch den Wegfall der Kennzeichnungspflicht die Wahlfreiheit im Supermarkt. Und ZüchterInnen und LandwirtInnen drohen massive Einschnitte in ihre bisherige Arbeit, sollte die Kommission Patente auf die mit den Genscheren erzeugten Pflanzen erlauben und BAYER & Co. damit noch einmal eine größere Kontrolle über das Welternährungssystem ermöglichen.Stoppt die Bombardierung von Indigenen Feldern und Dörfern mit Glyphosat!
In Kolumbien regnet es Agrargift auf indigene Dörfer und Felder. Schon unter der Regierung des Vorgängers des jetzigen Präsidenten Gustavo Petro, des rechtskonservativen Iván Duque wurde der Plan gefasst, Koka-Pflanzungen durch großflächige Sprüheinsätze mit Glyphosat zu vernichten. Diese regierung knüpfte damit wieder an die Strategie des „Plan Colombia“ an, von der sich Duques Amtsvorgänger Juan Manuel Santos im Jahr 2015 abgewendet hatte. Die CBG hat diese Ereignisse genau verfolgt und dazu auch publiziert sowie eine Erklärung veröffentlicht.Unsere Soli-Erklärung
Solidarität mit dem Generalstreik in Kolumbien und seinen gerechten Forderungen! Stoppt das Morden!Artikel
Wir berichten im SWB Die [Tageszeitung junge Welt druckt unseren Artikel] zum Giftkrieg der Regierung Duque.Presseerklärungen
Desaströser PlanNachrichten
Ticker 03/2021Unser Flugblatt
[Unser Flugblatt zur Kampagne ist hier als Download erhältlich.]Bitte unterstützt die Kampagne mit eurer Unterschrift:
Hiermit protestiere ich gegen die Flugzeug-Sprüheinsätze mit Glyphosat auf Feldern und Dörfern indigener Koka-Bauern! {support_de.html}Zulassungsverlängerung für Glyphosat
EU-Kommission stellt BAYER verheerenden Freibrief aus
Die EU-Kommission hat sich am gestrigen Mittwoch dafür ausgesprochen, die Zulassung für das Herbizid um zehn Jahre zu verlängern. Eine erste Abstimmung der Mitgliedsländer über diesen Vorschlag ist für den 13. Oktober angesetzt. Eine Ablehnung der Glyphosat-Zulassungsverlängerung ist nur noch möglich, wenn mindestens 15 der 27 EU-Staaten, die zudem mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten müssen, den Vorschlag der Kommission ablehnen. Jan Pehrke vom Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG): „In den USA sind noch Zehntausende Klagen wegen gesundheitlicher Schäden anhängig, in Deutschland hat nahezu jeder Mensch Glyphosat im Blut, weltweit gibt es Jahr für Jahr millionenfache Proteste, Landwirte und Landwirtinnen, NGOs, Wissenschaft und Politik sehen massive Gefahren für Mensch und Umwelt, in Deutschland soll Glyphosat ab 2024 nicht mehr zugelassen werden. Die EU-Kommission aber stellt dem BAYER-Konzern in unglaublich skandalöser Weise eine verheerende Unbedenklichkeitsbescheinigung aus." Der BAYER-Konzern nahm den Vorschlag der EU-Kommission erwartungsgemäß mit Begeisterung auf. Er signalisierte auch sofort, wie er damit Politik zu machen gedenkt: Der internationalen Kritik soll der Boden entzogen werden, Glyphosat sei vielmehr unbedenklich. O-Ton BAYER in der „Tagesschau": „Die Entscheidung der Mitgliedstaaten (beruhen) auf den wissenschaftlichen Schlussfolgerungen der zuständigen Behörden." CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann meint dazu: „Statt den Leverkusener Multi aufzufordern, umgehend die über 20 von der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA festgestellten Daten-Lücken zum Gefährdungspotenzial des Mittels zu schließen, zeigt sich die EU-Kommission als willfähriger Partner der millionenschweren BAYER-Lobby-Arbeit und stellt dem Konzern einen Freibrief aus." Eine der von der EFSA benannten Daten-Lücken betrifft die Auswirkungen von Glyphosat auf die noch im Wachstum befindlichen Nervensysteme von Embryos, Säuglingen und Kindern. Auch zu etwaigen Beeinträchtigungen von Zellteilungsprozessen und Schädigungen von Chromosomen fehlten Unterlagen. Zudem musste laut EFSA „die Bewertung des ernährungsbedingten Risikos für Verbraucher" offenbleiben. Andere „data-gaps" betrafen die Langzeit-Folgen auf Bienen sowie mögliche Schädigungen des Grundwassers und des Boden. In Sachen „Biodiversität" sprach die Behörde sogar von einer „generellen Daten-Lücke". Nach Ansicht der CBG vermag zudem ein Blick in die Akten der Glyphosat-Schadensersatzprozesse viele offenen Fragen zu klären. Die AnwältInnen der KlägerInnen erstritten sich nämlich den Zugang zu internen Firmen-Unterlagen der jetzigen BAYER-Tochter MONSANTO. In diesen Dokumenten hält der Toxikologe William Heydens etwa fest: „Glyphosat ist OK, aber das formulierte Produkt verursacht den Schaden". Beispielsweise habe es negative Effekte auf das Erbgut. Als eine Auftragstudie in dieser Hinsicht nicht genug Entlastungsmaterial lieferte, sondern den Befund sogar noch zu bestätigen drohte, schlug Heydens einfach vor, sich willigere WissenschaftlerInnen zu suchen: „Wir müssen jemanden finden, der sich mit dem gen-toxischen Profil von Glyphosat wohlfühlt und einflussreich bei den Regulierungsbehörden ist." Aus berufenerem Mund können Aussagen zur Gefährlichkeit des Herbizids kaum kommen. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hat dem Leverkusener Multi am 14. September einen Offenen Brief übergeben, der ihn aufforderte, die Daten-Lücken sofort zu füllen. Der Konzern verweigerte jedoch die Annahme. Stattdessen entblödet sich der Konzern nicht, Bundestagsabgeordnete mit einer „Petition" unter Druck zu setzen. Zudem hat er für heute vor dem Landwirtschaftsministerium in Berlin eine Aktion angekündigt, bei der er eine Mauer aus Kartons mit 80.000 Seiten der in Brüssel eingereichten 2.400 Studien errichtet werden soll. Die verweigerten Untersuchungen zu den von der EFSA benannten wissenschaftlichen Schwarzen Löchern fehlen garantiert auch dort. Marius Stelzmann von der CBG prophezeit, dass die Proteste gegen die willfährigen Glyphosat-Zulassungen weiter ansteigen werden: „Die EU-Kommission macht sich entgegen aller offenkundigen Gefahren für Mensch, Tier und Umwelt und trotz der nun schon seit Jahrzehnten andauernden Proteste in aller Welt zum willfährigen Partner der Profitgier des BAYER-Konzerns. Wir eröffnen am 6. Oktober in Düsseldorf die Ausstellung ‚Glyphosat-Stopp jetzt!' des weltbekannten Fotokünstlers Pablo E. Piovano in der fiftyfifty-Galerie in Düsseldorf. Die Proteste und der Widerstand gegen Herstellung, Zulassung, Vermarktung und Einsatz von Glyphosat werden anschwellen." Pressekontakt: Marius Stelzmann 0211/33 39 11 presse@cbgnetwork.orgPR-Endspurt für die Zulassungsverlängerung
BAYERs Glyphosat-Petition ist eine Farce!
Der BAYER-Konzern wendet sich in Sachen „Glyphosat" mit einer Petition an den Deutschen Bundestag. „Deutschland soll sich für eine Verlängerung der Genehmigung für Glyphosat auf EU-Ebene einsetzen", fordert er mit Verweis auf die jüngst veröffentlichte Risiko-Bewertung der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA. Diese hatte jede Menge Daten-Lücken zu den Risiken und Nebenwirkungen des Mittels, jedoch „keine kritischen Problembereiche" entdeckt. Erwartungsgemäß betreibt der Leverkusener Multi Panikmache und warnt vor großen Schwierigkeiten für LandwirtInnen und WinzerInnen im Allgemeinen und für die „Erzeugung heimischer Lebensmittel" im Besonderen im Falle eines erzwungenen Vermarktungsstopps. „Kein Verbot ohne Alternative", dekretiert der Agro-Riese. „BAYER hatte jahrelang Zeit, eine Alternative zu Glyphosat zu entwickeln, aber das Unternehmen wollte gar nicht, weil das Pestizid Milliarden in die Kassen spült. Und ein Übriges tun die oligopolhaften Strukturen im Agro-Business, die zu einem massiven Abbau der Forschungskapazitäten geführt haben", konstatiert Marius Stelzmann von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG). Überdies spricht der Global Player in der Petition einschränkend nur vom Fehlen einer wirtschaftlichen Alternative zu der Substanz. An sich gibt es zu ihr nämlich schon eine Alternative, zudem eine seit Jahrtausenden erprobte: Das Pflügen. Kombiniert mit anderen mechanischen, physikalischen und biologischen Praktiken kann es Glyphosat mühelos ersetzen, wie das „Pesticide Action Network Europe" jüngst in „Alternative Methods in Weed Management to the Use of Glyphosate" darlegte. Aber das ist halt mit ein wenig mehr Aufwand verbunden als der chemische Rundumschlag, weshalb die gnadenlos auf Effizienz ausgerichtete industrielle Landwirtschaft da lieber auf Glyphosat zurückgreift. BAYER preist dies zu allem Überfluss sogar noch als eine Vorgehensweise, die den Böden besser bekommt als das Pflügen, weil die Ausbringung des Pestizids angeblich für eine bessere Wasser-Aufnahme sorgt, die Erosion eindämmt, die Humus-Bildung und generell die Biodiversität fördert. „Glyphosat ist weder Boden- noch Klimaschutzmittel", hält der BUND stattdessen fest. Und wo der Verband die Behauptungen des Agro-Riesen nicht widerlegt, nennt er umweltschonendere Techniken wie etwa die Verwendung von Untersaaten und Zwischenfrüchten als den Einsatz von chemischen Keulen. Selbst die EFSA kam nicht umhin, Glyphosat und besonders dem Abbau-Produkt AMPA ein sehr hohe Verweildauer im Boden zu bescheinigen, was für die Fruchtbarkeit der Äcker nicht ohne Folgen bleibt. „Anstatt sich Mittel der Zivilgesellschaft wie Petitionen zu bedienen, um den Milliarden-Seller Glyphosat nicht zu verlieren, sollte BAYER lieber mal versuchen, die vielen Daten-Lücken zum Sicherheitsprofil des Stoffes zu schließen, auf welche die Lebensmittelbehörde gestoßen ist", rät Stelzmann. „Die EFSA hatte bei ihrem risk assessment unter anderem „data gaps" zu möglichen Schädigungen von Zellen und Chromosomen, zu den Auswirkungen auf das Nervensystem von Heranwachsenden, zur „Bewertung des ernährungsbedingten Risikos für Verbraucher", zur Toxizität eines Zusatzstoffes, zu Glyphosat-Verunreinigungen sowie zur Gefährdung diverser Tier- und Pflanzen-Arten ausgemacht. Mehr Informationen zu Glyphosat hält die „Stop Glyphosate Coalition", der die CBG angehört, auf ihrer [https://stopglyphosate.eu/|Website] bereit. Pressekontakt: Marius Stelzmann 0211/33 39 11 presse@cbgnetwork.org
Liebe FreundInnen, liebe MitstreiterInnen,
die CBG freut sich auf einen heißen Herbst. Und damit meinen wir nicht nur das spätsommerliche Wetter: Die CBG hat im September eine Menge Aktionen geplant, an denen Ihr Euch auch beteiligen könnt!
