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Veröffentliche Beiträge von “CBG Redaktion”

[Pharmapreise] STICHWORT BAYER 04/2010

CBG Redaktion

Kampagne gegen Pillen-Gesetz

BAYER sieht rot

Die exorbitanten Pillen-Preise drohen das Gesundheitssystem zu sprengen. Da sah selbst ein FDP-Minister Handlungsbedarf. Aber obwohl der Leverkusener Multi mit dem „Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittel-Marktes“ recht gut bedient ist, sieht er rot. „Anstatt sich um mehr Wettbewerb und um den Abbau der überbordenden Regulierung zu kümmern, setzt die Koalition auf kurzfristige Maßnahmen und geht weitere Schritte in Richtung Planwirtschaft im Gesundheitswesen“, erbost sich BAYER-Chef Werner Wenning.

Auf fast 16 Milliarden Euro Umsatz kam die Pharma-Sparte des Leverkusener Multis im Geschäftsjahr 2009. Besonders gut laufen die Geschäfte in der Bundesrepublik. Hier liegen die Arznei-Preise im Vergleich mit anderen Industrieländern nämlich um ca. 18 Prozent über dem Durchschnitt. Der Grund dafür ist einfach: Sie sind selbstgemacht. Die Pillen-Riesen können ganz allein bestimmen, wieviel sie für ihre neuen Medikamente verlangen wollen. Und da schlagen die Behandlungskosten für BAYERs Krebsmittel NEXAVAR dann eben mit 58.400 Euro im Jahr pro Patient/in zu Buche.

Patentgeschützte Arzneien wie NEXAVAR haben an allen ärztlichen Verschreibungen nur einen Anteil von 2,5 Prozent, am Krankenkassen-Umsatz jedoch einen von 26 Prozent. Damit tragen sie die Hauptverantwortung für die ständig steigenden Pillen-Kosten. Im letzten Jahr beliefen sich die Ausgaben der Krankenkassen für Medikamente auf fast 30 Milliarden Euro - eine Steigerung von 5,3 Prozent oder 1,5 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr. Mehr Geld geben AOK & Co. nur noch für die Krankenhäuser aus.

Und das wird zunehmend knapp. Um das für 2011 erwartete Defizit von elf Milliarden Euro aufzufangen, sah sich Gesundheitsminister Philipp Rösler deshalb zum Eingreifen erzwungen. Auch die Pharmazeutika im Allgemeinen und das „Premium-Segment“ im Besonderen nahm der Liberale sich dabei vor. „In Deutschland sind viele Medikamente zu teuer“, befand Rösler und brachte das „Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittel-Marktes“ auf den Weg, das zum 1.1. 2011 in Kraft treten soll. Es sieht unter anderem ein Einfrieren der Arznei-Preise auf dem Stand von August 2009 bis zum Jahr 2013, eine Erhöhung des Hersteller-Rabattes für neue Medikamente von sechs auf 16 Prozent und ein Ende des Preisfindung nach Gutsherren-Art vor. Zudem will die schwarz-gelbe Koalition eine Kosten/Nutzen-Bewertung für Medikamente einführen, denn allzu oft haben die neuen Pillen nicht allzu viel Neues in petto.

Das ist den Pharma-Riesen zu viel. Sie hatten zwar mit Einschnitten gerechnet - „Wir wussten, dass wir kein Heimspiel mehr haben“, so ein Branchen-Vertreter -, aber nicht in dem Ausmaß. Der Leverkusener Multi stellt sich auf eine „Rösler-Delle“ von 15 Millionen Euro im laufenden und 25 Millionen im kommenden Jahr ein. Deshalb wähnt der Konzern bereits den Sozialismus anbrechen und sieht rot. „Anstatt sich um mehr Wettbewerb und um den Abbau der überbordenden Regulierung zu kümmern, setzt die Koalition auf kurzfristige Maßnahmen und geht weitere Schritte in Richtung Planwirtschaft im Gesundheitswesen“, erboste sich BAYER-Chef Werner Wenning im April 2010 auf der Hauptversammlung des Konzerns. Und Forschungsvorstand Wolfgang Plischke sah sich unvermittelt einer gelben Gefahr ausgesetzt: „Das hätten wir von einem liberalen Gesundheitsminister nie erwartet“. Erwartet hatten BAYER & Co. vielmehr, mit allen Krankenkassen einzeln in Preis-Verhandlungen gehen zu dürfen. Nach Röslers Gesetz stehen die Unternehmen jedoch dem Gesamtverband gegenüber und damit schmerzlicherweise einem „Nachfrage-Monopol“, wie die Angebotsmonopolisten meinen.

Nun heißt es bei den Multis erwartungsgemäß „Land unter“. Sie sprechen von einer Gefahr für den „Standort Deutschland“, warnen vor Arbeitsplatz-Vernichtung und fürchten um den medizinischen Fortschritt. Darüber hinaus malen die Global Player das Schreckgespenst einer Rationierung im Gesundheitswesen an die Wand, um die Zustimmung der PatientInnen für ihre Geschäftspolitik zu gewinnen. Dass sie selber das Gesundheitssystem bis an die Grenzen der Belastbarkeit getrieben haben, geht ihnen nicht ein. Die hohen Pillen-Preise - BAYERs Gewinn-Spanne im Pharma-Bereich liegt aktuell bei 30,5 Prozent - halten die Konzerne für gerechtfertigt. Sie müssten ja auch viele Fehlschläge verkraften und hätten immense Forschungsausgaben, argumentieren die Hersteller scheinheilig. Und für die ausufernden Arznei-Budgets der Krankenkassen haben sie auch eine schlichte Erklärung: die Überalterung der Gesellschaft.

Dabei hätten die Konzerne allen Grund, etwas demütiger aufzutreten, denn sie sind noch gut weggekommen. So dürfen ihre Pharma-Produkte nach dem Markteintritt noch mindestens 12 Monate zu den selbstgemachten Preisen kursieren. Dann erst beginnen die Verhandlungen mit den Gesetzlichen Krankenkassen auf Basis von Nützlichkeitsdossiers. Noch dazu sollen diese von BAYER & Co. selber stammen. Dem „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWIG), dessen Leiter Peter Sawicki wegen seiner allzu pharma-kritischen Haltung gehen musste, kommt dabei höchstens eine beratende Funktion zu. Nur wenn die Gespräche zwischen den Pharma-Riesen und den Kassen scheitern, kann es eine umfassende Bewertung der Arznei vornehmen. Aber auch in diesem Fall nicht zu den eigenen, streng wissenschaftlichen Bedingungen. BAYER & Co. haben es nämlich geschafft, die Bewährung der Pillen im Alltag zu einem Kriterium zu machen, weshalb schon eine anwendungsfreundlichere Darreichungsform, eine größere Flexibilität bei der Einnahme oder eine geringere Belastung pflegender Angehöriger das Klassenziel „Zusatznutzen“ erreicht. Und selbst bei einem Verfehlen dieser Anforderungen bleibt das Mittel der Welt erhalten; es fällt dann unter die Festpreis-Regelung. Die Rabatt-Vereinbarung hat ebenfalls so ihre Vorteile für die Branche. Sie tastet die Mondpreise nämlich nicht wirklich an. „Das ist eine wirkliche Mogelpackung, denn viele Länder nutzen Deutschland als Referenzland, um den Preis zu bestimmen“, kritisiert die BUKO-PHARMAKAMPAGNE.

1,5 Milliarden Euro sparen die Krankenkassen durch diese Neuordungen, also gerade mal so viel, wie sie im letzten Jahr mehr ausgeben mussten. Dazu kommen noch einmal 400 Millionen durch Einschnitte beim Pharma-Großhandel. Eine magere Bilanz. Eine wirkliche „Neuordnung des Arzneimittel-Marktes“ hätte es hingegen bedeutet, eine Positivliste einzuführen. Sie hätte es vermocht, den Pharma-Dschungel zu lichten und nur noch die wirklich nützlichen Medikamente übrig zu lassen. Aber das hat der Lobby-Druck von BAYER & Co. noch immer zu verhindern gewusst und stand heuer nicht einmal mehr zur Debatte.

Darum muss Philipp Rösler das Milliarden-Loch anders stopfen. Mit sechs Milliarden Euro kommt in seiner „Gesundheitsreform“ der größte Flicken durch die Erhöhung der Versicherungsbeiträge auf 8,2 Prozent für die Beschäftigten und 7,3 Prozent für die Unternehmen zustande. Zwei Milliarden erbringt ein Steuerzuschuss und 1,4 Milliarden tragen Krankenhäuser, AOK & Co., MedizinerInnen und ApothekerInnen zum Schulden-Abbau bei. Damit gleichen die abhängig Beschäftigten einen Großteil der roten Zahlen aus. Und das kommende Defizit, das sich nach Schätzungen des Bundesgesundheitsministeriums im Jahr 2014 auf ca. zehn Milliarden Euro belaufen wird, bürdet die Regierung ihnen allein auf. Sie hat nämlich die Versicherungsbeiträge von BAYER & Co. bis auf Weiteres eingefroren und im Gegenzug die Begrenzung für die Krankenkassen-Zusatzbeiträge, die bislang bei acht Euro im Monat lag, aufgehoben.

Schöne Aussichten also für BAYER & Co. Trotzdem hätten es die Konzerne gerne noch ein wenig schöner. Der vom Leverkusener Multi gegründete „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VFA) startete eine Kampagne, um im Laufe des parlamentarischen Verfahrens noch Änderungen an den betreffenden Gesetzen zu erwirken. Dazu nimmt der Verband mit der ehemaligen BAYER-Managerin Cornelia Yzer an der Spitze perfiderweise die Beschäftigten in Haftung. In ihrem Namen hat der Lobbyverein Musterbriefe entworfen, in denen Belegschaftsangehörige den PolitikerInnen ihre Sorgen über Arbeitsplatzvernichtungen durch die Kostendämpfungsmaßnahmen mitteilen. Nach den Vorstellungen der ÖffentlichkeitsarbeiterInnen sollte jede Mitgliedsfirma ein entsprechendes Schriftstück aufsetzen, um den Protest vielstimmiger zu machen. „Bitte beachten Sie, dass es sich hierbei um Musterbriefe handelt, die in variierter Form verwendet werden sollten, um wortgleiche Schreiben zu vermeiden“, instruierte VFA seine Mitglieder. Nicht immer mit Erfolg - oft brachten nur Briefkopf und Unterschrift ein wenig Farbe ins Spiel. Der Einsatz der Pharma-Riesen wird aber wohl dennoch seine Wirkung nicht verfehlen und die „Neuordnung des Arzneimittelmarktes“ noch ein wenig älter aussehen lassen. Von Jan Pehrke

[Ticker] STICHWORT BAYER 04/2010 Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Protest-Lauf von PRIMODOS-Opfern
Der hormonelle Schwangerschaftstest PRIMODOS der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING hat zu tausenden Todgeburten geführt. Darüber hinaus kamen unzählige Kinder mit schweren Missbildungen zur Welt. Die Opfer des auch unter dem Namen DUOGYNON vermarkteten Produkts fordern den Konzern auf seinen Hauptversammlungen regelmäßig auf, Entschädigungen zu zahlen, aber der Leverkusener Multi weigert sich konsequent. In England nutzen die Geschädigten deshalb einen vom Pharma-Riesen gesponsorten 10-km-Langstreckenlauf, um auf ihr Schicksal aufmerksam zu machen. Sie liefen mit, verteilten Flugblätter und hielten entlang der Strecke Pappen mit Aufschriften wie „Warum wurden wir als Versuchskaninchen benutzt?“ hoch. Zudem setzten sie den Schlusspunkt des Sport-Events. Der Aktivist Karl Murphy kam nämlich nach knapp zwei Stunden als Letzter ins Ziel. Zu dieser Zeit wollten die VeranstalterInnen eigentlich längst die Siegerehrung durchgeführt haben, aber nach Protesten der ZuschauerInnen mussten sie noch ein geschlagenes Stündchen auf Murphy warten.

Anfrage wg. DUOGYNON/PRIMODOS
Grüne Bundestagsabgeordnete haben in Kooperation mit der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und Geschädigten des Schwangerschaftstest PRIMODOS (s. o.) eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt. Diese hielt sich jedoch bedeckt. Die Regierungskoalition wusste nichts über die Verschreibungshäufigkeit und die Zahl der Geschädigten. Das aus dem Jahr 1980 stammende Urteil, die PRIMODOS-Opfer nicht zu entschädigen, mochte sie nicht kommentieren. Auch sahen sich CDU und FDP nicht in der Lage, Auskünfte über die Fakten-Grundlage der im Jahr 1975 getroffenen Entscheidung zu geben, PRIMODOS trotz bedenklichen Sicherheitsprofils nicht die Zulassung als Schwangerschaftstest zu entziehen.

Datenschützer für Offenlegung
Vor zwei Jahren vereinbarte BAYER mit der Kölner Hochschule eine Kooperation auf dem Gebiet der Pharma-Forschung. „Sie ist die weitreichendste, die eine nordrhein-westfälische Universitätsklinik bislang eingegangen ist“, jubilierte Innovationsminister Andreas Pinkwart damals. Der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und anderen Initiativen machte das eher Angst. Die Gruppen befürchteten eine Ausrichtung der Pharma-Forschung nach Profit-Vorgaben, eine Entwicklung von Präparaten ohne therapeutischen Mehrwert, eine Verheimlichung negativer Studienergebnisse und einen Zugriff des Konzerns auf geistiges Eigentum der Hochschul-WissenschaftlerInnen. Deshalb forderten sie eine Offenlegung des Vertrages. Das verweigerte die Universität aber mit Verweis auf das Forschungs- und Geschäftsgeheimnis. Die CBG schaltete daraufhin den nordrhein-westfälische Landesbeauftragten für Datenschutz ein, der das Begehr der Gruppen prüfte und für rechtmäßig erklärte. „Auf der Grundlage der mir vorliegenden Erkenntnisse gehe ich (...) von einem Informationszugangsanspruch aus“, heißt es in dem Schreiben. Die Kölner Hochschule nahm das jedoch nicht zum Anlass, ihre Position zu revidieren und blieb bei ihrer Verweigerungshaltung: „Der Rechtsansicht des Landesbeauftragten wird nicht gefolgt“. Unterdessen hat die CBG sich an die nordrhein-westfälische Forschungsministerin Svenja Schulze (SPD) gewandt und sie aufgefordert, „der Rechtsansicht der Landesbeauftragten“ Geltung zu verschaffen.

22.233 KraftwerksgegnerInnen
Im Frühjahr hatte TRIANEL offiziell den Genehmigungsantrag für das auf dem Gelände von BAYERs Chemie„park“ in Krefeld geplante Kohlekraftwerk gestellt. Weil die Anlage auf einen Kohlendioxid-Ausstoß von jährlich ca. 4,4 Millionen Tonnen kommt und die Umwelt darüber hinaus mit Feinstaub, Schwermetallen und Radioaktivität belastet, erhoben über 22.000 Privatpersonen, Nachbarstädte und Initiativen, darunter auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, bei der Bezirksregierung Einspruch gegen das Projekt.

Einspruch gegen Antwerpener Kraftwerk
Gegen das vom Energie-Riesen E.ON auf dem Antwerpener Werksgelände von BAYER geplante Kohlekraftwerk haben GREENPEACE, der WWF und der niederländische Umweltverband BBLV wegen des zu erwartenden Ausstoßes von Kohlendioxid und anderen Stoffen offiziell Einspruch eingelegt.

Offener Brief wg. CO-Pipeline
Aus Protest gegen die von BAYER zwischen Dormagen und Krefeld geplante Kohlenmonoxid-Pipeline haben Kinder- und JugendmedizinerInnen aus der Region jetzt schon ihren zweiten Offenen Brief geschrieben, adressiert an BAYER, den Ministerpräsidenten, den Landtag und die Bezirksregierung. Bis auf eine Ausnahme unterzeichnete die komplette Innung, denn die ÄrztInnen sehen im Fall einer Leckage keine Rettungsmöglichkeiten. Gerade einmal zwei Sauerstoff-Überdruckkammern für die Behandlung von Vergifteten gebe es in ganz Nordrhein-Westfalen, kritisierten sie. Auch an dem Gefahrenabwehrplan ließen die Unterzeichner kein gutes Haar. „Es gibt nur eine einzige Prävention, und die ist, dass die Pipeline nicht in Betrieb gehen darf, so Dr. Martin Terhardt. BAYER hingegen blieb unbeeindruckt. Das Schreiben enthalte „mehrere längst widerlegte Behauptungen“, meinte der Konzern und schwelgte weiter in Pipeline-Poesie: „Für die CO-Pipeline zwischen Dormagen und Krefeld-Uerdingen wurde ein Sicherheitskonzept entwickelt, das die bisherigen Standards und gesetzlichen Regelungen übertrifft. Im normalen Leitungsbetrieb ist ein Austreten von CO auszuschließen“.

Feuerwehr kritisiert CO-Pipeline
Die Feuerwehren in der Region sind nach Ansicht des Kreisbrandmeisters Friedrich-Ernst Martin nicht auf einen Pipeline-Unfall vorbereitet. So schaffen es ihre Spezialgeräte nur, die Feuerwehrleute 45 Minuten mit Sauerstoff versorgen. „Das ist viel zu wenig Zeit, um Menschenleben in einem großen Wohnhaus retten zu können“, so Martin. Auch an Spezialfahrzeugen, die es erlauben, direkt zum Ort des Gasaustritts vorzudringen, fehlt es seiner Meinung nach - und an Personal sowieso.

Steinbrück kritisiert CO-Pipeline
Der den Wahlkreis Mettmann im Bundestag vertretende Peer Steinbrück (SPD) hat BAYER scharf für die Unregelmäßigkeiten beim Bau der Kohlenmonoxid-Pipeline kritisiert. „Wer eine gültige Planfeststellung so oft ändert oder jedenfalls nicht so erfüllt, wie er müsste, ist entweder verrückt oder allzu couragiert“, konstatierte der Ex-Finanzminister.

Quecksilber-Anfrage
BAYER gehört zu den letzten Konzernen, die ihre Chlor-Produktion so umstellen, dass dabei kein giftiges Quecksilber mehr anfällt (SWB 3/09). Was aber geschieht mit den Rückständen, immerhin mehrere 100 Tonnen? Das wollte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN von der Bezirksregierung wissen. Diese „dankt für Ihre kritischen und nachvollziehbaren Fragen“ und „versichert, dass diese im Rahmen der behördlichen Anlagen-Überwachung angemessene Berücksichtigung finden werden“. Antworten konnte die Bezirksregierung jedoch nicht geben. Wo das Quecksilber einmal landet, vermochte sie nicht zu sagen, da der Umbau noch bevorstehe. Immerhin ist Versorge für die Gesundheit der Beschäftigten getroffen: Sie müssen sich regelmäßigen Quecksilber-Tests unterziehen.

UN übt Konzern-Kritik
Die Vereinten Nationen werfen den großen Konzernen der Welt schwere Versäumnisse beim Umweltschutz vor. Allein die 3.000 wichtigsten Unternehmen sollen Umweltschäden von jährlich knapp zwei Billionen Euro verursachen; das Artensterben sei 100-mal schneller als es die Evolution vorgibt, so die UN. „Der Raubbau an der Natur durch die Wirtschaft setzt sich seit Jahren ungebremst fort. Das natürliche Kapital der Welt wird im großen Stil vernichtet“, konstatierte Achim Steiner, Leiter des UN-Umweltprogramms UNEP, in der Süddeutschen Zeitung und kritisierte: „In vielen Konzernen gilt noch immer die Devise: Natürliche Ressourcen sind unerschöpflich. Dabei müssen wir längst schmerzhaft spüren, dass das nicht mehr stimmt“. Steiner verlangte ein Einpreisen dieser negativen Ökobilanz in die Geschäftsbilanzen und forderte die Politik zum Umdenken auf. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN forderte allerdings auch ihn zum Umdenken auf, da seine Organisation mit einem der größten Übeltäter zusammenarbeitet. „Wir begrüßen die unmissverständlichen Aussagen von Achim Steiner zur mangelnden Verantwortung multinationaler Unternehmen. Die UNEP muss hieraus Konsequenzen ziehen und endlich die unselige Kooperation mit dem BAYER-Konzern beenden. BAYER als einer der größten Hersteller von Pestiziden und gentechnisch verändertem Saatgut gehört zu den Verursachern des Artensterbens“, heißt es in der Presseerklärung der CBG.

Persilschein für PONCHO & Co.
Pestizide gefährden das Leben von Bienen massiv. So hat BAYERs Saatgut-Beize PONCHO mit dem Wirkstoff Clothianidin vor zwei Jahren ein Massensterben verursacht, weshalb in vielen Ländern Verbote erfolgten und hierzulande die Zulassung für Mais-Kulturen einstweilen ruht. Die Bundestagsfraktion der GRÜNEN hat diese „Risiken und Nebenwirkungen“ zum Anlass für eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung genommen. Die Partei wollte wissen, welche Maßnahmen CDU und FDP zum Schutz der Tiere vor BAYERs PONCHO und ELADO sowie anderen Ackergiften schon ergriffen haben und welche sie in Zukunft noch planen. Für eine spezielle Überwachung dieser Produkte sah die schwarz-gelbe Koalition jedoch keinen Anlass. Nach der Risiko-Bewertung der Mittel durch die Aufsichtsbehörde würden keine „Anhaltspunkte für eine Schädigung von Bienenvölkern vorliegen“, antworteten Merkel & Co.

Protest gegen Pestizid-Ausbringungen
Nicht nur die massive Ausweitung des Soja-Anbaus in Südamerika führt zu einer entsprechenden Ausweitung des Pestizid-Gebrauchs. Auch die Umstellung auf das Direktsaat-Verfahren, für das die LandwirtInnen den Boden nicht mehr umpflügen müssen, sorgt für mehr Agrochemie auf den Feldern - und damit auch für mehr Gesundheitsschädigungen. Viele Wirkstoffe, die auch Bestandteile von BAYER-Mitteln sind, haben daran einen Anteil, so etwa das in GLYPHOS und USTINEX G enthaltene Glyphosat. Im argentinischen San Jorge etwa häufen sich die Asthma- und Krebsfälle. Zudem leiden immer mehr Männer unter Unfruchtbarkeit. Viviana Peralta wollte das nicht länger hinnehmen. Sie startete eine Unterschriften-Kampagne, zog vor Gericht und erreichte einen Teilerfolg. Die RichterInnen untersagten eine großräumige Ausbringung der Ackergifte und ordneten die Einrichtung einer Schutzzone an.

Boykott des Runden Tisches
Beim „Runden Tisch zur Pflanzen-Genetik“, den Forschungsministerin Annette Schavan deckt, haben KritikerInnen nicht viel zu sagen. Da die Initiativen nicht länger als Feigenblatt dienen wollten, haben sie nach dem letzten Treffen im September 2009 einen neun Punkte umfassenden Anforderungskatalog zur Sicherheit der Risikotechnologie formuliert, an dem die Bundesregierung sich orientieren sollte. Diese war jedoch nicht dazu bereit, ernsthaft über eine systematische Erfassung der gesundheitlichen Risiken von Genpflanzen, die Untersuchung von Wechselwirkungen der Laborfrüchte mit Pestiziden und eine Standardisierung der Zulassungstests zu diskutieren. Deshalb sagten die im DEUTSCHEN NATURSCHUTZRING organisierten Verbände ihre Teilnahme am „Runden Tisch“ vom Juli 2010 ab.

Mediziner kritisiert Industrie-Einfluss
Der Hannoveraner Medizin-Professor Dr. med. Arnold Ganser hat bitter das Fehlen einer von Big Pharma unabhängigen Arzneimittel-Forschung beklagt. „Durch die Hürden der Gesetzgebung, die durch Druck von seiten der Industrie durchgedrückt worden ist, sind heutzutage Arzneimittel-Studien ohne Unterstützung der Pharma-Industrie kaum mehr möglich. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass die zur Zulassung führenden und von der Pharma-Industrie üppig mit Geld unterstützten klinischen Studien nicht unbedingt das Optimum der therapeutischen Wirkung, sondern eher das Optimum des finanziellen Gewinns zum Ziel haben“, schreibt er in einem Leserbrief an die Faz. Im Interesse der „Gesundheit der Bürger“ fordert er deshalb die Politik auf, aktiv zu werden und den Einfluss von BAYER & Co. zu begrenzen.

KAPITAL & ARBEIT

Tarifverträge für 56 %
Nur bei 56 Prozent aller BAYER-Belegschaftsangehörigen ist ihr Entgelt durch Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen gesichert. Für Beschäftigte in Europa beträgt die Quote 88 Prozent, in Lateinamerika/Afrika/Nahost 42 Prozent, in der Asien/Pazifik-Region 18 Prozent und in Nordamerika 14 Prozent.

PRONOVA schluckt DER PARTNER
Mitte 2007 schloss sich BAYERs Betriebskrankenkasse mit der FORTISNOVA BKK zur PRONOVA BKK zusammen. Seither schluckt sie kleinere Kassen. So verleibte die PRONOVA sich bereits FORD & RHEINLAND und GOETZE & PARTNER ein. Und im April 2010 folgte schließlich DER PARTNER. Mit nunmehr 660.000 Versicherten gehört BAYERs ehemalige Versorgungseinrichtung mittlerweile zu den 25 größten Krankenkassen der Bundesrepublik.

Wenning verdient 3,57 Millionen
Im Krisenjahr 2009 hat BAYER-Chef Werner Wenning mit 3,57 Millionen Euro 90.000 Euro weniger verdient als 2008.

Vorstandsvergütung nicht populär
Den BAYER-AktionärInnen sind die hohen Bezüge des Vorstands nicht ganz geheuer. Während die Hauptversammlungen der anderen 29 Dax-Unternehmen die Gehälter der Chef-Etagen mit Zustimmungsraten von bis zu 99,93 Prozent absegneten, votierten beim Leverkusener Multi lediglich 95,25 Prozent für die Millionen-Gagen. Nur sieben Konzerne erzielten noch schlechtere Ergebnisse.

Pharma-Umstrukturierungen
Wirtschaftskreise üben seit längerem Kritik an der angeblich immer noch nicht abgeschlossenen Integration des 2006 gekauften Pharma-Riesen SCHERING in den BAYER-Konzern und machen „Doppelstrukturen und überflüssige Hierarchie-Ebenen“ aus. Das veranlasste den Leverkusener Multi jetzt zu Umstrukturierungen. So hat er bei BAYER SCHERING PHARMA die Geschäftsfelder Spezialmedizin und Diagnostik sowie Frauengesundheit und Allgemeinmedizin zusammengelegt. Die neue Abteilung „BAYER Medical Care“ soll vor allem den Absatz von Blutzucker-Messgeräten befördern, bei denen BAYERs Marktanteile massiv eingebrochen waren. Mit „Innovationen“ wie dem DIDGET (siehe PROPAGANDA & MEDIEN), computer-kompatiblen Apparaturen und Technologie-Partnerschaften bei Diagnostika-Neuentwicklungen will das Unternehmen verlorenes Terrain zurückerobern. Zudem hat der Global Player als neue Pharma-Führungsebene ein „Executive Committee“ eingeführt, das vor allem im angelsächsischen Raum verbreitet ist. „Es trifft die wichtigsten Entscheidungen, braucht aber anders als der Vorstand nicht dem Aufsichtsrat Rede und Antwort stehen“, benennt die Financial Times Deutschland die „Vorteile“. Die Zeitung gibt sich damit allerdings nicht zufrieden und erwartet vom neuen BAYER-Chef Marijn Dekkers eine umfassende Neu-Organisation der Sparte.

ERSTE & DRITTE WELT

BAYER & Co. bei Niebel
Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel betrachtet das Ministerium nicht länger als „Weltsozialamt“, sondern als Wirtschaftsförderungsamt. Deshalb hat er im März den „Bundesverband der Deutschen Industrie“ zu einem Roundtable-Gespräch eingeladen. „Dies ist der Beginn eines fortlaufenden Dialogs mit der Wirtschaft“, erklärte die Parlamentarische Staatssekretärin Gudrun Kopp und ließ keinen Zweifel daran, dass sie BAYER & Co. für die wahren EntwicklungshelferInnen hält. „Das Know-How deutscher Unternehmen wird in vielen Entwicklungsländern dringend gebraucht“, so Kopp. Auch der „Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft“ durfte bei Niebel schon vorsprechen. Der „Verband entwicklungspolitischer deutscher Nichtregierungsorganisationen“ kritisierte diesen Politikwechsel. Er verlangte, sich auf die Grundbedürfnisse der Menschen in den armen Ländern nach einer ausreichenden Gesundheits- und Nahrungsmittelversorgung zu konzentrieren statt auf die Grundbedürfnisse der bundesdeutschen Wirtschaft.

Neues Lateinamerika-Konzept
Die schwarz-gelbe Koalition hat ein neues Lateinamerika-Konzept erstellt, das ganz auf die Bedürfnisse von BAYER & Co. zugeschnitten ist. „Die Bundesregierung unterstützt die deutsche Wirtschaft bei der Erschließung des Potenzials Lateinamerikas. Sie misst der Beteiligung der Wirtschaft bei der Auswahl und Definition der Maßnahmen eine zentrale Rolle zu“, heißt es in dem Text.

Proteste gegen „Maiz Solidario“
Das Entwicklungshilfe-Programm „Maiz Solidario“ will Millionen Kleinbauern und -bäuerinnen der Chiapas-Region in den Genuss der industriellen Landwirtschaft bringen. Aber diese können auf Ackergifte und auf hybrides, also nicht für die Wiederaussaat geeignetes Saatgut sowie auf Genpflanzen gut verzichten. Deshalb protestieren sie gegen den Anschluss an den Agro-Weltmarkt mit all seinen negativen Folgen für die Nahrungssouveränität, die Gesundheit und die Umwelt.

Millionengeschäft mit der UNFPA
In seinem Nachhaltigkeitsbericht verbucht der Leverkusener Multi seine Kooperation mit dem „UN Population Fund“ (UNFPA) als zivilgesellschaftliches Engagement. Die Zusammenarbeit dient aber ausschließlich dem Zweck, neue Absatzmöglichkeiten für seine Kontrazeptiva zu finden. Die UN handelt nämlich immer noch nach der vom ehemaligen US-Präsidenten Lyndon B. Johnson formulierten Devise „Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar“ und verteilt unter den Armen der Welt Verhütungsmittel en masse. Deshalb hatte der seit 2006 zu BAYER gehörende SCHERING-Konzern schon früh entsprechende Kontakte geknüpft (SWB 4/06). Diese zahlen sich auch heute noch aus. Bei empfängnisverhütenden Mitteln steht der Pharma-Riese an der Spitze der UNFPA-Lieferliste; für 25 Millionen Dollar kauften die Vereinten Nationen 2009 in Leverkusen ein.

8.000 asiatische Versuchskaninchen
Der Leverkusener Multi verlegt immer mehr Medikamentenversuche in arme Länder. Dort locken ein großes Reservoir an ProbandInnen, unschlagbare Preise, schnelle Verfahren und eine mangelhafte Aufsicht (SWB 2-3/10). Allein in Asien setzen sich zur Zeit 8.000 Personen den Risiken und Nebenwirkungen von neuen BAYER-Arzneien aus.

POLITIK & EINFLUSS

Pott Kölner Hochschulrats-Vorsitzender
Der Leverkusener Multi hat mit der Kölner Universität im Jahr 2008 eine umfangreiche Forschungskooperation im Medizin-Sektor vereinbart, über deren genaue Modalitäten sowohl Hochschule als auch BAYER jede Auskunft verweigern (siehe AKTION & KRITIK). Die fürsorgliche Belagerung der Bildungseinrichtung durch den Multi spiegelt sich auch auf der Verwaltungsebene wider. So hat der Konzern-Manager Richard Pott den Vorsitz des Hochschulrats übernommen.

Konzerne starten Energie-Kampagne
Auf großflächigen Anzeigen haben BAYER-Chef Werner Wenning, EON-Vorstand Johannes Teyssen, Josef Ackermann von der DEUTSCHEN BANK und über 30 andere Manager die Energiepolitik der Bundesregierung angegriffen. Sie kritisierten geplante Maßnahmen wie die Brennelemente-Steuer und die Streichung der Ökosteuer-Ausnahmeregelungen für energie-intensive Branchen wie die Chemie und verlangten ein Bekenntnis zu Atom- und Kohlekraftwerken. „Damit die Preise für alle bezahlbar bleiben, können wir bis auf Weiteres nicht auf kostengünstige Kohle und Kernenergie verzichten“, schreiben die Bosse. Hauptsache billig, meinen sie also und nennen das „Mut zum Realismus“. Bei Zuwiderhandlungen drohen die Millionäre wieder einmal mit Unbill für den Standort Deutschland. Ursprünglich drohte auch Michael Vassiliadis von der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE mit. Aber dann fehlte sein Konterfei doch, wofür es unterschiedliche Erklärungen gibt. Laut Süddeutscher Zeitung hat der RWE-Vorstandsvorsitzende Jürgen Großmann den Gewerkschaftler ohne dessen Wissen zum Bundesgenossen gemacht und vom verdutzten ArbeiterInnen-Vertreter kurz vor Toresschluss eine Absage erhalten. Nach Informationen der Rheinischen Post hingegen zog Vassiliadis seine Unterschrift erst zurück, nachdem VERDI-Chef Frank Bsirske seine Teilnahme verweigert hatte, da der IG BCEler inner-gewerkschaftlichen Twist vermeiden wollte. Auch unter den Konzernen selber herrscht nicht immer solch eine traute Eintracht. So haben große Stromkunden wie BAYER wegen der hohen Abgabe-Preise immer wieder mit den Strom-Anbietern gehadert und sogar Anspruch auf Teile des Extra-Profites von 66 bis 84 Milliarden Euro erhoben, den die AKW-Laufzeitverlängerung RWE & Co. in die Kassen spült (Ticker 2-3/10).

BAYER & Co. gegen Finanzmarkt-Reformen
Auch BAYER nutzt die umstrittenen Instrumente, die der Finanzmarkt bietet. So hat der Konzern Geld in Derivaten angelegt, die eine Art Wette auf Preissteigerungen oder -senkungen von Rohstoffen, Aktien, Währungen, Zinsen oder aber von Derivaten selber sind. Der Leverkusener Multi weist dabei das Motiv „Spekulation“ weit von sich. „Derivate Finanzinstrumente werden dabei fast ausschließlich zur Absicherung von gebuchten und geplanten Transaktion abgeschlossen“, heißt es im Geschäftsbericht. Aber die Interessen der SpekulantInnen sind auch die Interessen BAYERs. Darum hat der Leverkusener Multi in Tateinheit mit BMW, DAIMLER, ROLLS ROYCE und anderen Unternehmen an die EU appelliert, den Derivate-Markt nicht zu regulieren. Die Konzerne rechnen damit, im Falle einer solchen Reform nicht mehr so schnell an Finanzierungsmöglichkeiten zu kommen wie ihre US-amerikanische Konkurrenz und befürchten Wettbewerbsnachteile. In ihrer Eingabe sprechen sie allerdings nicht nur pro domo, sondern haben das große Ganze im Blick und entwerfen ein Horrorszenario. „Statt die nächste Krise zu verhindern, könnten sie die nächste Krise auslösen“, mit diesen Worten warnen BAYER & Co. die EU-Kommission vor strengeren Finanzcasino-Spielregeln.

Aus für Ökosteuer-Ausnahmen?
Die strom-intensivsten Branchen wie z. B. die Chemie-Industrie müssen relativ gesehen am wenigsten Ökosteuer zahlen. Nach erfolgreichen Interventionen von BAYER & Co. hatte die rot-grüne Koalition ihnen 1999 bei der Verabschiedung des Gesetzes großzügige Ausnahmeregelungen eingeräumt, die den Konzerne bis zu neun Milliarden Euro ersparen. Diese Subventionen will Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble jetzt um 2,5 Milliarden abbauen, was einen Sturm der Entrüstung auslöste. „Was da im Bundesfinanzministerium geplant wird, ist ein Anschlag auf Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze dieser Branchen“, sagte nicht etwa BAYER-Chef Werner Wenning, sondern Michael Vassiliades von der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE. Aber selbstverständlich kritisierten auch Chemie-Bosse das „Gesetz zur Reduzierung der Subventionen der ökologischen Steuerreform“. Von „Gift für den Aufschwung“ sprachen sie - und werden sicherlich auch erhört werden.

CDU-Wirtschaftsrat für Sozialkürzungen
Der Wirtschaftsrat der CDU, bei dem Wolfgang Große Entrup genauso wie bei BAYER für die Umweltpolitik zuständig ist, hat massive Kürzungen im Sozial- und Gesundheitsbereich gefordert. Im Etat von Ursula von der Leyen sieht er ein Einsparpotenzial von 40 Milliarden Euro. Das Budget ihres Kollegen Philipp Rösler will das Gremium durch eine forciertere Abwicklung des paritätisch von Beschäftigten und Unternehmern finanzierten Krankenversicherungssystems und die Ausklammerung der Zahnbehandlungskosten aus dem Erstattungskatalog der Krankenkassen entlasten.

Obamas Klimaschutz-Politik scheitert
Barack Obama trat mit einer ehrgeizigen Klima-Politik an. So wollte er die US-amerikanischen Kohlendioxid-Emissionen gegenüber 2005 um 17 Prozent reduzieren und einen den Ausstoß senkenden Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten einführen. Aber BAYER & Co. liefen Sturm gegen die angeblich gerade in Krisenzeiten kontraproduktive „Klima-Steuer“ und setzten sich durch. Erst änderten die DemokratInnen ihren Gesetzes-Entwurf, strichen die Passagen über Kohlendioxid-Obergrenzen und den Emissionshandel, dann gaben sie das Projekt im Juli 2010 schließlich ganz auf. „Wir wissen, dass wir nicht genug Stimmen haben“, so Harry Reid, der Fraktionsvorsitzende der DemokratInnen im Senat, zur Begründung.

BDI gegen EU-Klimaschutzpläne
8,1 Millionen Tonnen Kohlendioxid hat BAYER im Geschäftsjahr 2009 produziert. Um den Klimawandel nicht werter zu befördern, müsste der Konzern seinen Ausstoß drastisch reduzieren. Das jedoch lehnt er ab. In Tateinheit mit den anderen im „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI) organisierten Unternehmen sprach sich der Leverkusener Multi gegen Pläne europäischer UmweltministerInnen aus, die Treibhausgas-Emissionen innerhalb der EU bis zum Jahr 2020 nicht mehr nur um 20 Prozent, sondern um 30 Prozent zu senken. „In Zeiten, in denen ganze Branchen schwerer zu kämpfen haben denn je zuvor, gefährdet jede zusätzliche Belastung den Aufschwung“, ließ der BDI verlauten.

BDI für Steuerentlastungspläne
Der „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI) hat sich mit dem Steuerrecht befasst und nicht weniger als 170 Vereinfachungsvorschläge eruiert. Selbstverständlich geht es dabei überhaupt nicht um eine Senkung der Abgabe-Lasten, sondern nur um eine „Reduzierung unnötiger Bürokratie“. Als zu bürokratisch empfinden BAYER & Co. etwa die Steuern auf Verlagerungen von Betriebsteilen ins Ausland und das mit Steuer-Paradiesen wie Singapur vereinbarte Anrechnungsverfahren, das die dortigen Sätze auf das bundesdeutsche Niveau hebt (siehe auch RECHT & UNBILLIG).

BAYER spendet an UN
Mit BAYER, DAIMLER/CHRYSLER, SHELL und 47 anderen Global Playern unterzeichnete UN-Generalsekretär Kofi Annan Ende Juli 2000 in New York den „Global Compact“, eine unverbindliche Vereinbarung zur Umsetzung internationaler Menschenrechts-, Sozial- und Umweltstandards (Ticker 4/00). Im Gegenzug berechtigt die Unterschrift BAYER & Co., mit dem UN-Emblem für Konzern-Produkte zu werben. Das lassen die Unternehmen sich auch etwas kosten. 1,7 Millionen Dollar spendeten sie im Jahr 2009 dem „Global Compact“ für seine diversen Projekt. BAYER fand sich in der Gruppe der Konzerne, die 1.000 bis 5.000 Dollar gaben. Solch einen Wohltäter möchte die UN nicht verlieren. Während sie bereits 1.300 Firmen wegen Verstoßes gegen den Werte-Kanon ausschloss, weigert sie sich bisher standhaft, einer Forderung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN nachzugeben und dem Leverkusener Multi wegen des Störfalls in Institute und dem nachfolgenden desaströsen Katastrophen-Management die Rote Karte zu zeigen (Ticker 1/10).

Lobbyismus als Dienstleistung
In wichtigen Hauptstädten wie Berlin, Brüssel, Washington und Peking unterhält der Leverkusener Multi mittlerweile so genannte Verbindungsbüros. „Wir bei BAYER verstehen uns als Bestandteil der Gesellschaft und sehen es daher als unsere Pflicht, uns in die gesetzgeberischen Entscheidungsprozesse einzubringen“, sagt der Vorstandsvorsitzende Werner Wenning zur Begründung. Und seine oberste Einbringerin in Berlin, Patricia Solaro, betrachtet sich nicht als schnöde Lobbyistin; ihrem Verständnis nach hat sie eine Service-Funktion. „Wir sind Dienstleister für die Politiker, das bedeutet, wir müssen komplexe Sachverhalte aus den Bereichen ‚Pharma‘, ‚Gesundheit‘ und ‚Chemie‘ verständlich darstellen“. Im Moment gibt die Dame den Abgeordneten Nachhilfe in „steuerlicher Forschungsförderung“ (s. u.), „Bildungsförderung“ und „Ordnungspolitik“.

BAYERs Beitrag
„Mit dem BAYER-Politikbrief ‚Beitrag‘ bringen wir unsere Expertise in die politische Debatte in Deutschland ein“, so charakterisiert der Leverkusener Multi Sinn und Zweck seiner neuen Publikation, die sich an „politische Entscheider auf Bundes- und Landesebene sowie Wissenschaft, Wirtschaft und Medien“ wendet. Die neueste Ausgabe ist dem derzeitigen politischen Lieblingsthema des Konzerns, der steuerlichen Absetzbarkeit von Forschungsaufwendungen, gewidmet. BAYER-Vorstand Wolfgang Plischke zeigt den PolitikerInnen dort auch gleich, wie es gehen kann, und „entwirft eine steuerliche Förderung für Deutschland“. Um seinen Worten Gehör zu verschaffen, hat der Konzern sich prominenten Beistandes versichert. Jürgen Mlynek von der Helmholtz-Gesellschaft, der österreichische Finanzminister Josef Pröll und Christof Ernst und Friedrich Heinemann vom „Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung“ unterstützten BAYERs dreistes Subventionsbegehr.

BAYERs Lobby-Akademie
2009 hat BAYER in Kooperation mit dem „European Training Institute“ die „Brussels Academy“ gegründet. Die Einrichtung hat es sich zur Aufgabe gemacht, in Schulungskursen Lobby-Techniken zu vermitteln. Zudem will sie „die Lücke zwischen Unternehmen und der Zivilgesellschaft“ schließen und baut zu diesem Zweck Beziehungen mit Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und VerbraucherInnen-Organisationen auf. Der WORLD WILDLIFE FUND (WWF) ist dem Leverkusener Multi schon ins Netz gegangen und bereitet für den „Civil Society Council“ eine Diskussionsrunde zum Thema „Wissenschaft und Regulierungen“ vor.

Bund gründet Rohstoffagentur
Die Versorgung mit Öl und anderen zur Neige gehenden Rohstoffen bereitet BAYER & Co. zunehmend Sorge, weshalb ihr Druck auf die Politik zunimmt, die Ressourcen-Versorgung sicherzustellen (SWB 1/10). Um dies besser gewährleisten zu können, hat die Bundesregierung im Juni 2010 die „Deutsche Rohstoffagentur“ gegründet.

Tajani besucht BAYER
Der EU-Kommissar für Unternehmen und Industrie, Antonio Tajani von Berlusconis rechtspopulistischem „Haus der Freiheiten“, besuchte im März 2010 den BAYER-Stammsitz Leverkusen. „BAYER macht in der Unternehmensphilosophie und in den Produkten ein starkes Engagement für Innovation und Nachhaltigkeit deutlich“, zeigte sich der Politiker beeindruckt. In Begleitung des alten BAYER-Bekannten Herbert Reul (CDU), der dem EU-Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie vorsitzt, erörterte Tajani mit Vorständler Wolfgang Plischke und anderen Managern Brüssels neue Industriepolitik-Strategie „Europa 2020“ sowie BAYERs Lieblingsthemen „Patentschutz“ und „Steuererleichterungen für Forschungsleistungen“.

Shouwen Wang besucht Chemie„park“
Im letzten Jahr haben die BAYER-Chemie„parks“ in Leverkusen, Dormagen und Krefeld ein Kooperationsabkommen mit einem chinesischen Pendant, dem „Nanjing Chemical Industry Park“ geschlossen und einen Informationsaustausch, gemeinsame Weiterbildungsaktivitäten sowie eine Überlassung von Beschäftigten vereinbart. Im Rahmen dieses „Joint Ventures“ besuchte der Nanjinger Bürgermeister Shouwen Wang im April 2010 mit zehn chinesischen Managern den Leverkusener Chemie„park“. Gastgeschenke wie Ansiedlungsversprechen chinesischer Betriebe hatte er allerdings nicht im Gepäck.

Schmitt im Dormagener Stadtrat
Bernhard Schmitt ist nicht nur der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende von CURRENTA, dem Gemeinschaftsunternehmen von BAYER und seiner Chemie-Abspaltung LANXESS, er gehört auch dem Dormagener Stadtrat an und sitzt dort der SPD-Fraktion vor.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER sponsert Kindertheater-Projekt
Im Rahmen des „social sponsoring“ arbeitet der Leverkusener Multi seit längerem mit dem Kinderhilfswerk „Die Arche“ zusammen, das der evangelikalen „Deutschen Evangelischen Allianz“ angehört. Als neuestes Projekt fördert BAYER ein Theater-Angebot für 100 Kinder.

Biodiesel-PR in rumänischer Zeitung
Nicht nur die Sindelfinger Zeitung hat einen PR-Text von DAIMLER, der ein gemeinsam mit BAYER durchgeführtes Biodiesel-Projekt in den höchsten Tönen lobt, ohne Verweis auf die Quelle abgedruckt und ihm dadurch journalistische Weihen verliehen, was der Publikation dank der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN eine Rüge des Presserates einbrachte (SWB 2-3/10). Auch das rumänische Blatt Curierul National hat sich für diese Schleichwerbung hergegeben.

500 Millionen Pfund für Pillenwerbung
Für Pillenwerbung in Europa, Asien und Lateinamerika gibt BAYER jährlich 500 Millionen Pfund aus. Die USA einbezogen, dürfte noch einmal ein erkleckliches Sümmchen dazukommen. Dort ist nämlich Reklame für verschreibungspflichtige Medikamente erlaubt.

BAYER VITAL stockt Werbeetat auf
BAYER VITAL, die für rezeptfreie Arzneien zuständige Abteilung des Leverkusener Multis, hat im letzten Jahr nach Angaben des Fachmagazins Horizont 51,9 Millionen Euro für Reklame ausgegeben, fast 8,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Nur KLOSTERFRAU und BOEHRINGER INGELHEIM investierten mehr. TV-Werbung und Anzeigen in Publikumszeitschriften schlucken dabei den Löwen-Anteil des Etats. Immer größere Summen fließen jedoch ins Internet. Der Leverkusener Multi platziert fleißig Banner im Umfeld von Gesundheitswebseiten und sorgt dafür, dass GOOGLE vornehmlich BAYER findet. „Suchmaschinen-Marketing“ heißt das im Fachjargon.

Spielend den Blutzucker messen
BAYER will junge DiabetikerInnen mit dem Blutzucker-Messgerät DIDGET zur regelmäßigen Blutkontrolle anregen. Zu diesem Zweck enthält es ein extra für diese Altersgruppe unter den Blutzucker-Kranken entwickeltes Spiel, das NINTENDO-kompatibel ist und für gute Werte und regelmäßige Blutzucker-Checks Bonus-Punkte vergibt.

Ferien bei BAYER
Wenn das keine Alternative zu Sommer, Sonne & Strand ist: „Pünktlich zum Ferien-Start öffnet BAYER CROPSCIENCE für jugendliche Naturwissenschaftsfans sein Schülerlabor „Baylab Plants“, vermeldet die Rheinische Post. Und es haben sich wirklich ein paar Sonnen-AllergikerInnen gefunden, die es auch sonst nicht so mit der Natur haben und meinen, ihr auf die Sprünge helfen zu müssen, indem sie am Erbgut von Pflanzen herumdoktorn und etwa versuchen, Raps zu „verbessern“, damit er als Biokraftstoff besser in die Tanks passt. Über die Risiken und Nebenwirkungen des Agro-Sprits wie die Gefährdung der Ernährungssicherheit durch das Verdrängen von Anbaufläche für Nahrungsmittel-Grundstoffe erfuhren die SchülerInnen während ihrer „Betriebsferien“ natürlich nichts.

TIERE & ARZNEIEN

USA schränken Antibiotika-Gaben ein
BAYERs Geschäft mit dem Tier-Antibiotikum BAYTRIL (Wirkstoff: Fluorchinolon) läuft prächtig. Die ZüchterInnen verabreichen es ihrem Vieh nämlich nicht nur im Krankheitsfall, sondern routinemäßig zur Mast. Die massenhafte Gabe von Antibiotika in der Massentierhaltung birgt allerdings große Gefahren, denn Krankheitskeime können Resistenzen gegen die Mittel ausbilden und - wenn sie in den Nahrungskreislauf gelangen - z. B. schwere Magen/Darm-Infektionen auslösen, gegen die Human-Antibiotika auf Fluorchinolon-Basis wie BAYERs CIPROBAY dann machtlos sind. Aus diesem Grund hat die US-amerikanische Gesundheitsbehörde jetzt die Empfehlung ausgesprochen, BAYTRIL & Co. nur noch bei Gesundheitsschädigungen zu verabreichen.

DRUGS & PILLS

140 YASMIN-Tote
Nach Recherchen des schweizer TV-Magazins 10vor10 hat BAYERs Antibaby-Pille YASMIN in den USA den Tod von 140 Frauen verursacht; YAZ ist für weitere 50 Sterbefälle verantwortlich. 10.000 Spontanmeldungen über unerwünschte Nebenwirkungen von Kontrazeptiva gingen bei der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA binnen der letzten zehn Jahre ein. In der Bundesrepublik starben alleine im letzten Jahr fünf Personen an den Nebenwirkungen von BAYERs Verhütungsmitteln. Für die Pharma-Riesen ist das kein Grund zur Beunruhigung. Spontanmeldungen hätten keine Aussagekraft, wenn es um das Risiko eines Medikamentes ginge, wiegelten die Pillen-Produzenten gegenüber 10vor10 ab und hielten weiter am positiven Nutzen/Risiko-Profil ihrer Produkte fest.

YAZ gegen Regelschmerzen
Ungeachtet der schweren Nebenwirkungen von YASMIN und YAZ (s. o.) sucht BAYER neue Anwendungsmöglichkeiten für die Pillen, da ihr Patent ausgelaufen ist und Nachahmer-Präparate auf den Markt drängen. So hat der Leverkusener Multi in Japan eine Zulassung für YAZ als Mittel zur Behandlung von Regelschmerzen erhalten.

Krebs durch KINZAL?
BAYERs KINZAL (Wirkstoff: Telmisartan) und andere Bluthochdruck-Medikamente aus der Gruppe der Angiotensin-Antagonisten können das Krebsrisiko erhöhen. Das ergab eine Studien-Auswertung der „Case Western Reserve University“ unter Leitung von Ilke Sipahi. Bei ProbandInnen, die Angiotensin-Antagonisten einnahmen, bildeten sich deutlich mehr Tumore heraus als bei Testpersonen, die Betablocker, ACE-Hemmer oder Placebos schluckten. „Als beunruhigend und provokativ“, bezeichnete der Kardiologe Steven Nissen von der „Cleveland Clinic“ die Ergebnisse. Er vermutet, dass diese „Nebenwirkung“ schon in den Klinischen Prüfungen auftrat und fordert BAYER & Co. auf, die entsprechenden Unterlagen öffentlich zu machen.

Gelenk-Probleme durch ADALAT
Blutdruck-Senker aus der Gruppe der Kalzium-Antagonisten wie die BAYER-Mittel ADALAT und BAYMYCARD führen zu Wasserablagerungen und können so - trotz parallel eingenommener Entwässerungsmittel - Arthrosen in den Gelenken verschlimmern und die Herausbildung von offenen Stellen im Knöchelbereich befördern.

XARELTO bei Thrombosen?
Während die US-Behörden immer noch zögern, dem BAYER-Medikament XARELTO die Genehmigung zu erteilen, weil von ihm ein erhöhtes Risiko für Gefäß-Verschlüsse, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden ausgeht und seine Langzeitwirkung nicht geklärt ist, gab die EU bereits 2009 grünes Licht. Sie ließ die Arznei mit dem Wirkstoff Rivaroxaban zur Thrombose-Vorbeugung bei schweren orthopädischen Operationen zu. Das reicht dem Leverkusener Multi jedoch nicht. Er möchte das Mittel nur allzu gerne als allgemeines Thrombose-Therapeutikum einsetzen und führt auch entsprechende Versuche durch. Im August vermeldete der Konzern einen durchschlagenden Erfolg, woraufhin der Unternehmenswert an den Börse gleich um zwei Milliarden Euro auf 40 Milliarden Euro stieg. Bei Licht besehen bleibt von dem blendenden Resultat allerdings nicht viel übrig, denn die Latte hing nicht sehr hoch. Die Studie war laut BAYER nämlich nur darauf ausgelegt, „bei mehr als 3.400 teilnehmenden Patienten nachzuweisen, dass Rivaroxaban der Vergleichsmedikation nicht unterlegen ist“. Dieses Klassenziel hat XARELTO erreicht, weshalb auf die Krankenkassen in Kürze wieder ein klassisches „Me too“-Produkt zukommen dürfte.

Kein ASPIRIN bei Hautkrebs
Nach einer Studie des australischen „Queensland Institute of Medical Research“ von 2006 senkt BAYERs ASPIRIN die Gefahr, an Hautkrebs zu erkranken. Eine neue Untersuchung, welche die Fachzeitschrift Archives of Dermatology veröffentlichte, bestätigte diesen Befund allerdings nicht. Sie konnte keinen Zusammenhang zwischen der Einnahme von ASPIRIN und einem verminderten Hautkrebs-Risiko erkennen.

Starke VIADUR-Nebenwirkungen
Mehrere Studien haben gefährliche Nebenwirkungen von BAYERs VIADUR und anderen Medikamenten zur Prostatakrebs-Behandlung festgestellt, die mittels Hormonen für eine Schrumpfung der Prostata-Drüse sorgen. Den WissenschaftlerInnen zufolge führten diese Arzneien zu Todesfällen, Herzinfarkten, Schlaganfällen oder Diabetes. Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA kündigte daraufhin genauere Untersuchungen an.

Warnung vor Testosteron-Pillen
Mit großer Anstrengung arbeitet der Leverkusener Multi daran, die „Männergesundheit“ als neues Geschäftsfeld zu etablieren und seinen Potenzpillen und Hormon-Präparaten neue und nur selten zweckdienliche Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. So hat er die Krankheit „Testosteron-Mangel“ erfunden, um seine Hormon-Pillen an den Mann zu bringen, obwohl die Testosteron-Werte von Männern ab 40 nur um ein bis zwei Prozent pro Jahr sinken. Das englische Fachmagazin Drug and Therapeutics Bulletin hat MedizinerInnen jetzt eindringlich davor gewarnt, sich in die Werbe-Maßnahmen einbinden zu lassen. Wegen Nebenwirkungen wie Prostata-Krebs, Harntrakt-Schädigungen oder Brust-Wachstum riet die Publikation zu äußerster Vorsicht beim Verschreiben der Mittel.

BAYER & Co. bezahlen ÄrztInnen
Nach einer Umfrage der Universität Mainz unter ÄrztInnen erhielt im Jahr 2007 jeder zweite der Befragten Zahlungen von der Pharma-Industrie. BAYER & Co. honorierten vor allem die als Wissenschaft getarnten Anwendungsbeobachtungen von Medikamenten, die nur dem Zweck dienen, die PatientInnen auf das getestete Präparat umzustellen. Aber auch für BeraterInnen-Tätigkeiten, Vorträge oder Aufsätze in Fachzeitschriften investierten die Konzerne Geld.

Russland reguliert Pharma-Markt
BAYER ist die Nummer fünf auf dem russischen Pharma-Markt. In Zukunft dürfte der Rubel aber nicht mehr so rollen. Die Regierung will nämlich die Preise regulieren und dabei den einheimischen Pillen-Unternehmen Wettbewerbsvorteile verschaffen. Den Global Playern bleibt also nur, künftig vor Ort zu produzieren oder aber Allianzen mit russischen Firmen einzugehen.

Chinas Pharma-Markt wächst
China eifert den USA nach und integriert mehr Menschen in das Krankenversicherungssystem. Dem Leverkusener Multi wachsen so 200 Millionen neue KundInnen zu, die der Konzern binnen der nächsten fünf Jahre mit 20 neuen Arzneien begrüßen will. Der Chef von BAYERs chinesischer Pharma-Sparte, Chris Lee, rechnet mit einem Pillen-Markt, dessen Volumen sich von heute bis zum Jahr 2020 fast um das Zehnfache auf 220 Milliarden Dollar vergrößern wird.

Indiens Pharma-Markt wächst
Der Leverkusener Multi rechnet mit stark wachsenden Pillen-Umsätzen in Indien. Bei Steigerungsraten von jährlich 14 Prozent prognostiziert der Konzern für 2012 ein Markt-Volumen von 82 Milliarden Dollar (2007: 42 Milliarden). Darum hält er nach günstigen Zukäufen Ausschau und verdreifacht die Zahl seiner Pharma-ReferentInnen.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Endgültiges Aus für Tolylfluanid
Vor drei Jahren hatte das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ (BVL) die Zulassung für BAYERs Pestizid-Wirkstoff Tolylfluanid ausgesetzt, den der Agro-Riese unter den Produkt-Namen EUPAREN M WG, FOLICUR EM und MELODY MULTI vermarktet (Ticker 2/07), da die Substanz bei der Trinkwasser-Aufbereitung ultragiftige Stoffe bilden kann. Benutzen die Wasserwerke bei der Reinigung nämlich Ozon, so kann es mit einem Abbauprodukt von Tolylfluanid reagieren und auf diesem Weg das gesundheitsgefährdende Nitrosamin produzieren. Diese Sachlage bewog die EU jetzt, die Agro-Chemikalie ganz zu verbieten.

Aldicarb raus aus USA
Das BAYER-Pestizid Aldicarb, vermarktet unter dem Namen TEMIK, gehört als Organophosphat zur Gefahrenklasse 1a - und damit zur höchsten. Die EU hat das Ackergift deshalb schon im Jahr 2007 aus dem Verkehr gezogen, wogegen der Leverkusener Multi sich mit Händen und Füßen gewehrt hatte. Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA sieht jetzt ebenfalls Handlungsbedarf, weil die Agro-Chemikalie die Lebensmittel-Sicherheit gefährdet. Sie gewährte dem Agro-Riesen jedoch noch eine Gnadenfrist bis Ende 2014.

Alt-Pestizide in Nepal
In den vergangenen Jahrzehnten haben die Agro-Multis - gefördert von „Entwicklungshilfe“-Programmen - „Drittweltländer“ großzügig mit Ackergiften versorgt. Die Folge: Nach Schätzungen der Welternährungsorganisation der UN lagern dort über eine halbe Million Tonnen Alt-Pestizide, schlecht gesichert in lecken Behältern, zerrissenen Tüten und geplatzten Säcken. Altlasten made by BAYER sind nach GREENPEACE-Angaben in rund 20 Ländern vertreten. Unter anderem auch in Nepal. Vor neun Jahren begann die Umweltorganisation dort, Bestände zu sichern (SWB 4/01). Methyl Parathion, Solbar und Quecksilberchlorid aus den Werken des Leverkusener Multis verpackten die Umweltschützer zusammen mit Ackergiften anderer Firmen transportfertig in Spezialfässer. Aber immer noch ticken in dem Land chemische Zeitbomben. Im Moment setzt gerade die Asien-Sektion des PESTIZID-AKTIONS-NETZWERKs (PAN) die Arbeit von GREENPEACE fort und füllt Agro-Chemikalien von BAYER & Co. in dickwandige Behältnisse um.

Weniger Pestizide verkauft
Im Jahr 2009 schlug die Wirtschaftskrise auch auf den Pestizid-Markt durch, der um ca. zehn Prozent auf 37,7 Milliarden Dollar schrumpfte. Die Erlöse von BAYER CROPSCIENCE vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen gingen deshalb um 5,9 Prozent auf 1,5 Milliarden Euro zurück.

GAUCHO & Co. noch gefährlicher
Eine Untersuchung des niederländischen Toxikologen Dr. Henk Tennekes stellt den beiden Pestizid-Wirkstoffen Imidacloprid (enthalten in BAYERs GAUCHO) und Thiacloprid (Produktname: PROTEUS) ein noch schlechteres Gesundheitszeugnis aus als frühere Studien. „Das Risiko von Pestiziden wie Imidacloprid und Thiacloprid wird wahrscheinlich enorm unterschätzt, besonders für Wasserlebewesen und Bodenorganismen. Die bislang gültigen Grenzwerte wurden weitgehend aus Kurzzeit-Tests abgeleitet. Würde man Langzeit-Versuche durchführen, könnten schon bei wesentlich geringeren Konzentrationen verheerende Schäden auftreten. Damit kann erklärt werden, wieso schon geringe Mengen Imidacloprid längerfristig Bienensterben verursachen können“, so der Wissenschaftler. Der Wissenschaftler zeigte sich äußerst besorgt über die hohen Ackergift-Konzentrationen in Oberflächen-Gewässern. So ergaben Messungen der niederländischen Umweltbehörde Imidacloprid-Belastungen weit oberhalb des EU-Grenzwertes für Trinkwasser von 0,1 µg/l pro Liter (µg/l): Bis zu 320 Mikrogramm pro Liter wiesen die BeamtInnen nach.

BAYER kritisiert Pestizid-Gesetz
Im Jahr 2009 hat die EU eine strengere Pestizid-Verordnung verabschiedet. Nach der neuen Regelung erhalten mit Glufosinat, Carbendazim, Mancozeb, Tebuconazole, Bifenthrin und Thiacloprid sechs Wirkstoffe, die auch in BAYER-Mitteln enthalten sind, keine Zulassung mehr. Der Leverkusener Multi ist darüber not amused. Er wirft der Europäischen Union eine „Überinterpretation des Vorsorge-Prinzips“ vor und sieht die Produktivität der Landwirtschaft wegen angeblichen Giftmangels schwinden.

Krebs durch BAYGON
In der Chiapas-Region hat die indigene Bevölkerung 2004 BAYERs Agrochemikalie BAYGON (Wirkstoff: Lindan) dazu benutzt, um die Kopfläuse ihrer Kinder zu behandeln, was zu einer deutlich gestiegenen Krebsrate geführt hat.

Bauernsterben durch Endosulfan
Jahrelang hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN den Leverkusener Multi aufgefordert, den in der Bundesrepublik schon längst verbotenen besonders gefährlichen Pestizid-Wirkstoff Endosulfan auch in anderen Ländern nicht mehr zu vertreiben. Im letzten Jahr erklärte sich der Konzern endlich dazu bereit (SWB 3/09). Aber vorher gab es noch einmal eine Überdosis Chemie. Das Unternehmen warf alle Restbestände auf den Markt, was zu hohen Belastungen führte. Besonders hart traf es brasilianische Bio-LandwirtInnen. Ihre Soja-Ernte weist so große Endosulfan-Rückstände auf, dass sie unverkäuflich ist. 300 Bauern und Bäuerinnen droht deshalb die Pleite.

Moskito-Netze mit Deltamethrin
BAYER hat Moskito-Netze entwickelt, in deren Fasern der Pestizid-Wirkstoff Deltamethrin eingearbeitet ist. Das soll die Mücken, die Malaria übertragen, unschädlich machen. Allerdings bergen die „Life-Nets“ mit ihrem nicht abgeschirmten textilen Gift-Reservoir auch selber Gesundheitsgefahren, besonders für Kinder.

Pyrethroide im Blut
Eine neue US-amerikanische Untersuchung stellte eine hohe Belastung der Bevölkerung durch Insektizide auf Pyrethroid-Basis fest. So fanden sich in 70 Prozent der Urin-Proben Spuren von Mitteln wie BAYERs BAYTHROID oder BULLDOCK; bei Kindern waren die Konzentrationen besonders hoch. Welche Gesundheitsgefahr von den Stoffen ausgeht, legte 2008 eine Studie der US-amerikanischen Umweltbehörde EPA dar (Ticker 3/08). Die Expertise machte die Pyrethroide für 20 Todesfälle und 22.500 zum Teil schwerwiegende Vergiftungen zwischen 1997 und 2007 verantwortlich.

ADHS durch Pestizide?
Eine neue Untersuchung von Maryse F. Bouchard und anderen ForscherInnen hat einen Zusammenhang zwischen erhöhter Pestizid-Belastung und der Anfälligkeit für die Aufmerksamkeitsdefizit-Störung ADHS festgestellt. So erhöht sich für Kinder mit auffälligen Agrochemie-Konzentrationen im Urin die Gefahr, an ADHS zu erkranken, um mehr als 50 Prozent.

Chlorpyrifos-Belastungen in Ägypten
Pestizide sind Nervengifte und können deshalb neurologische Gesundheitsschäden verursachen. Solche weisen nach einer neuen Untersuchung Beschäftigte im ägyptischen Baumwollanbau auf. Die ForscherInnen führten das auf den Pestizid-Wirkstoff Chlorpyrifos zurück, der auch in den BAYER-Produkten BLATTANEX, PROFICID und RIDDER enthalten ist. Die Chlorpyrifos-Werte der LandarbeiterInnen überschritten die Hintergrund-Belastung der US-Bevölkerung um das 1.300fache.

GENE & KLONE

LIBERTY ist überall
BAYERs genmanipulierter Raps LIBERTY LINK, der gegen das Unkrautmittel Glufusinat immun ist, hat sich in den USA weitflächig ausgekreuzt. An Straßenrändern weitab von den Gentech-Feldern untersuchten ForscherInnen 406 wild wachsende Rapspflanzen, und in nicht weniger als 347 von ihnen stießen sie auf Resistenzen gegen Glufosinat und/oder MONSANTOs Glyphosat. Vor solch einer unkontrollierten Ausbreitung hatten Gentechnik-GegnerInnen immer wieder gewarnt, aber Wirtschaft und Politik blieben tatenlos.

Kein Genreis in Brasilien
Im Jahr 2006 war gentechnisch veränderter Langkorn-Reis von BAYER weltweit in Supermärkten aufgetaucht, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch nirgendwo eine Zulassung vorlag. Damit verursachte der Leverkusener Multi den größten Gen-Gau der Nuller-Jahre. Trotzdem hält er unverdrossen an seinem Labor-Reis fest. In Brasilien musste der Konzern sich jetzt aber dem Widerstand von LandwirtInnen, VerbraucherInnen und UmweltschützerInnen beugen: Er zog wegen der „Notwendigkeit, den Dialog mit den Hauptbeteiligten der Reis-Produktionslinie in Brasilien zu erweitern“ den Genehmigungsantrag für die gegen das hochgefährliche Herbizid Glufosinat (Produktname: LIBERTY) resistente Sorte „LL62“ vorerst zurück.

Abkommen mit SYNGENTA
Der Leverkusener Multi kann seine Baumwoll-Pflanzen bald mit neuen Genen bestücken. Er hat von SYNGENTA eine Lizenz zur Nutzung zweier Proteine erworben, die gegen den Baumwollkapselbohrer und die Tabakknospen-Eule wirken sollen.

Mehr Schadinsekten durch Bt-Pflanzen
BAYER & Co. bauen in ihre Laborfrüchte gern das Gift-Gen des Bacillus thuringiensis ein, um Schadinsekten zur Strecke zu bringen. Nach einer Langzeit-Studie chinesischer WissenschaftlerInnen sieht die Bilanz allerdings nicht so gut aus. Die ForscherInnen untersuchten Felder mit Bt-Baumwolle und stellten zwar eine abnehmende Zahl von Maiszünslern fest, dafür aber eine Zunahme von Weichwanzen und anderen Organismen.

Gen-Versuche im Müritzkreis
Im Müritzkreis, wo jetzt Freisetzungsversuche mit der BASF-Kartoffel AMFLORA stattfinden, haben nach Informationen der BI MÜRITZREGION - GENTECHNIKFREI WissenschaftlerInnen in der Vergangenheit auch gentechnisch manipulierte Raps- und Kartoffelsorten von BAYER getestet.

Kein NEXAVAR bei Lungenkrebs
BAYERs extrem teure und das Leben von Nieren- und Leberkrebs-PatientInnen nur minimal verlängernde Gentech-Arznei NEXAVAR (siehe auch SWB 4/10) scheitert bei immer mehr Versuchen, das Anwendungsspektrum zu erweitern. Nach negativ verlaufenden Tests bei Haut- und Bauchspeicheldrüsenkrebs kam jetzt auch das Aus bei Lungenkrebs.

WASSER, BODEN & LUFT

Pestizide belasten Gewässer
Dem Bewirtschaftungsplan des Landes Nordrhein-Westfalen für seine Gewässer zufolge belasten Pestizide die Flüsse immer noch massiv. Zahlreiche Pestizid-Wirkstoffe, die auch in BAYER-Ackergiften enthalten und teilweise gar nicht mehr zugelassen sind, verletzten die Umweltqualitätsnorm. So überschritten die Werte für Endosulfan, Diuron, Dichlorprop, Fenthion, MCPA, Mecoprop, Diazinon und Glyphosat mehrmals im Jahr das Limit. Diese Belastungssituation entspricht nicht den Vorgaben der EU-Wasserrahmenrichtlinie. Deshalb will die Politik auch auf Zeit spielen und die Umsetzung verzögern. „Viele Maßnahmenträger haben bei genereller Zustimmung zu den Bewirtschaftungszielen Finanzierungs - und Planungsvorbehalte vorgetragen“, heißt es in dem noch von Umweltminister Eckhard Uhlenberg verantworteten Bericht, weshalb „Fristverlängerungen vorgesehen sind“.

Bisphenol A belastet den Rhein
BAYER ist einer der größter Hersteller der Industrie-Chemikalie Bisphenol A, die unter anderem in Baby-Flaschen und Konservendosen Verwendung findet und zu Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen führen kann (siehe SWB 4/10). Zu allem Unglück verunreinigt die Substanz laut Bewirtschaftungsbericht des NRW-Umweltministeriums auch den Rhein, wobei die Konzentration an mehreren Messstellen sogar die Orientierungswerte - Grenzwerte gibt es für den Stoff nicht - überschritten hat.

Jede Menge Kohle
Bei der Strom-Gewinnung setzt BAYER immer noch sehr stark auf die klima-schädliche Kohlekraft. An der Gesamtsumme der erzeugten Energie von 48.124 Terajoule hatte die Steinzeit-Technologie 2009 mit 17.000 Terajoule hinter Erdgas mit 29.400 Terajoule den größten Anteil.

8,1 Millionen Tonnen Kohlendioxid
Trotz markanter Produktionsdrosselungen infolge der Wirtschaftskrise hat BAYER 2009 den Kohlendioxid-Ausstoß kaum minimieren können. Er betrug 8,1 Millionen Tonnen und sank damit gegenüber dem Vorjahr nur um 0,56 Millionen Tonnen. Mit 4,83 Millionen Tonnen hatte BAYER MATERIAL SCIENCE den größten Anteil daran.

Antwerpen: Anhörung wg. Kraftwerk
Der Energie-Riese E.ON will auf dem Antwerpener Werksgelände von BAYER das größte Kohlekraftwerk der Benelux-Staaten errichten. Der Rat der Stadt hatte sich wegen der Emission klimaschädlicher Gase und gesundheitsgefährdender Stoffe allerdings gegen das Mammutprojekt ausgesprochen. Darum kam es jetzt zu einer Anhörung. Dabei hat E.ON zwar angeboten, den avisierten CO2-Ausstoß in Höhe von sechs Millionen Tonnen etwas zu drosseln, das Projekt aber für unabdingbar erklärt, weil sonst das BAYER-Werk in seinem Bestand gefährdet wäre. Eine solche Horrorvision entwarf Konzern-Chef Werner Wenning auf der letzten Hauptversammlung im April 2010 nicht. Seiner Ansicht nach fällt das Bau-Vorhaben von E.ON nicht in seinen Zuständigkeitsbereich. Zudem deutete das Unternehmen an, zur Not auch mit einem umweltfreundlichen Gas/Dampf-Kraftwerk leben zu können.

Kraftwerk: Dachau beteiligt sich nicht
Hinter TRIANEL, dem Bauherrn des auf dem Gelände von BAYERs Chemie„park“ in Krefeld geplanten Kohlekraftwerkes, stehen 47 Stadtwerke aus der Bundesrepublik, der Schweiz und Österreich. Im Falle des am Standort des Global Players anvisierten Projektes allerdings nicht so ganz. In Dachau hat ein Bürgerentscheid sich nämlich gegen die Beteiligung der örtlichen Stadtwerke an dem Bau ausgesprochen, woraufhin diese den Vertrag mit TRIANEL kündigten.

Modernes Kraftwerk in Leverkusen
Auch am BAYER-Standort Leverkusen stand kurz die Errichtung eines Kohlekraftwerks zur Diskussion. Der Multi hat sich jedoch eines Besseren belehren lassen und baut jetzt ein umweltschonendes Gas/Dampf-Kraftwerk. Warum nicht gleich so, und warum nicht auch woanders?

BAYER produziert mehr FCKW
2009 stieg bei BAYER die Produktion von FCKW und anderen ozon-abbauenden Stoffen um zwei Prozent auf 17,5 Tonnen. Abermals trägt die Hauptverantwortung dafür das Werk im indischen Vapi. Dessen bereits 2008 angekündigte Modernisierung will der Leverkusener Multi nun stufenweise durchführen und bis 2015 beendet haben.

Weniger Stickstoffoxid-Emissionen
Im Jahr 2009 hat BAYER mit 3,5 Tonnen 400 Kilogramm weniger Stickstoffoxid in die Luft geblasen als im Vorjahr. Die Werte für Kohlenmonoxid gingen um 300 Kilogramm auf 1,4 Tonnen zurück und die für Schwefeloxide um 400 Kilogramm auf 2,8 Tonnen. Die Feinstaub-Emissionen verharrten dagegen unverändert bei 200 Kilogramm.

Wasser-Belastung konstant hoch
Nur „konjunkturell bedingt“ sank dem Leverkusener Multi zufolge die Wasser-Belastung durch seine Werke im Jahr 2009 etwas. Diese leiteten 726 Tonnen anorganischer Salze in die Flüsse ein (2008: 812 Tonnen), 1,35 Tonnen Kohlenstoff (2008: 1,59 Tonnen), 740 Kilogramm Phosphor (2008: 780 Kilogramm), 640 Kilogramm Stickstoff (2008: 670 Kilogramm) und neun Kilogramm Schwermetall (2008: 10,4 Kilogramm).

Weniger, aber gefährlicherer Abfall
Im Jahr 2009 hat der Leverkusener Multi 914.000 Tonnen Abfall produziert, 163.000 Tonnen weniger als 2008. Dafür stieg aber der Anteil gefährlicher Hinterlassenschaften von 365.000 auf 375.000 Tonnen. Das Ziel, die Menge der gesundheitsschädlichen Rückstände auf 2,5 Prozent pro Tonne Verkaufsprodukt zu senken, hat der Leverkusener Multi damit verfehlt. Er macht dafür den 2006 erfolgten Erwerb von SCHERING, die ausgeweitete Pestizid-Produktion sowie - paradoxerweise - den Mengenrückgang bei der Kunststoff-Herstellung verantwortlich, der laut BAYER „das Verhältnis von gefährlichem Abfall zur Produktionsmenge weiter verschlechtert hat“.

CO & CO.

Kontroverse um Alarmplan
Das „Worst Case Scenario“ des Leverkusener Multis für einen Pipeline-Unfall stößt auf große Kritik (Ticker 2/3-10). René Schubert von der Ratinger Feuerwehr etwa prangerte die mangelhafte Ausstattung der Schieberstationen an, so habe das Unternehmen aus Kostengründen auf die Installation von Windmessern verzichtet, weshalb die Feuerwehr bei einem GAU auf den Wetterdienst angewiesen sei. Zudem kalkulierten die Hochrechnungen zum möglichen Umfang eines Gas-Austrittes extreme Wetterlagen nicht ein, so Schubert. Dieses monierte auch der Kreis Mettmann. Zudem sahen die Verantwortlichen nicht ein, warum von einem Zwischenfall zunächst BAYER und dann erst die betroffenen Regionen erfahren sollen. Den Regierungspräsident Jürgen Büssow störten die Bedenken nicht weiter. Er erklärte die Arbeit an dem Gefahrenabwehrplan kurzerhand für beendet. Nur eine Abstimmung der Landkreise mit der Bezirksregierung sei zu seiner Absegnung erforderlich, nicht aber ihre Zustimmung, stellte Büssow klar. Erst nach massiven Protesten an seiner gutsherrlichen Art bequemte er sich dazu, den Mettmanner Landrat Thomas Hendele noch einmal zu einem Meinungsaustausch zu treffen.

Vassiliadis für CO-Pipeline
Michael Vassiliadis, Chef der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE, hat sich die Argumente BAYERs in Sachen „Kohlenmonoxid-Pipeline“ zu Eigen gemacht und warnt vor einem Scheitern des Projektes. „Das würde die Attraktivität des Standortes deutlich verringern. Zug um Zug würden Produktionsanlagen unter Druck geraten und irgendwann verlagert“, drohte er in einem Interview mit der Rheinischen Post.

Treffen mit BAYER ohne Ergebnis
Anfang Juni 2010 haben sich VertreterInnen von Anti-Pipeline-Initiativen mit Emissären von BAYER getroffen. Zu einem konkreten Ergebnis führten die Gespräche allerdings nicht. „In den grundsätzlichen Fragen und in der Bewertung von Alternativen konnte keine Annäherung erreicht werden“, erklärte der Leverkusener Multi nach dem Meeting.

NANO & CO.

Bezirksregierung antwortet
BAYER betreibt in Leverkusen und in Laufenburg Versuchsanlagen zur Fertigung von Nano-Kohlenstoffröhrchen. Die Winzlinge können ungeahnte Folgen für Mensch, Tier und Umwelt haben. So gibt es beispielsweise Hinweise auf eine asbest-ähnliche Wirkung. Trotzdem haben die Verantwortlichen die Fertigungsstätten mit der Begründung, es handele sich nur um Test-Betriebe, in vereinfachten Verfahren ohne Umweltverträglichkeitsprüfungen genehmigt. Ein bereits abgeschlossener Liefervertrag mit der HIRTENBERGER PROSAFE SAFETY TECHNOLOGY GmbH und Aussagen von BAYER wie „Durch die Inbetriebnahme der weltgrößten Pilotanlage für BAYTUBES mit einer Kapazität von 200 Jahrestonnen kommt BAYER MATERIAL SCIENCE der großen Nachfrage einen erheblichen Schritt entgegen“, wecken allerdings Zweifel am Status der Fabriken. Und die Antwort der Kölner Bezirksregierung auf eine entsprechende Anfrage der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) vermochte diese auch nicht auszuräumen. Die Behörde schrieb zum Laufenburger Werk nämlich: „Nach Mitteilungen des Regierungspräsidiums Freiburg und der Fa. HC STARCK werden die in der CNT-Versuchsanlage seit 2007 bis heute hergestellten Carbon-Nanotubes (...) für Anwendungstests an Dritte veräußert“.

USA genehmigen BAYTUBES
Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA hat BAYER eine Genehmigung zur Vermarktung seiner Nano-Röhrchen mit dem Produktnamen BAYTUBES (s.o.) erteilt, obwohl von den Winzlingen erhebliche Gefahren für Mensch, Tier und Umwelt ausgehen können.

BAYTUBES in Flugzeugen
Obwohl BAYER seine BAYTUBES noch gar nicht vermarkten darf (s.o.), häufen sich die Meldungen über Geschäftsabschlüsse. So wurde der Leverkusener Multi mit SOLAR IMPULSE handelseinig und rüstet den Akku eines per Sonnenenergie betriebenen Flugzeugs mit Nano-Röhrchen aus.

PLASTE & ELASTE

Kunststoff in Sonnencremes
Auf der Suche nach neuen Vermarktungsmöglichkeiten für seine Kunststoffe hat der Leverkusener Multi Sonnencremes entdeckt. Ein bisschen Plaste in die Tube, und schon erhöht sich der Sonnenschutzfaktor - das wollen BAYER-ForscherInnen im Labor herausgefunden haben. Darüber hinaus plant der Konzern mit seinen Polyurethanen auch die Haftkraft von Wimperntusche und Make-Ups zu verstärken und Haaren mehr Halt zu verleihen (Ticker 1/09). Die Kunststoff-Nebenwirkungen wie Krebs, Allergien oder Schädigungen der Atmungsorgane stören bei diesem Business-Plan nicht.

IMPERIUM & WELTMARKT

Peterson folgt auf Berschauer
Die seit 2005 beim Leverkusener Multi beschäftigte US-Amerikanerin Sandra E. Peterson übernimmt den BAYER-CROPSCIENCE-Vorsitz von Friedrich Berschauer, der in Ruhestand geht. Mit den bundesdeutschen Verhältnissen ist Peterson trotz ihrer Herkunft bestens vertraut. Die ehemalige Unternehmensberaterin von MCKINSEY machte ihren College-Abschluss mit einer Untersuchung über die bundesdeutsche Chemie-Industrie und arbeitete im Rahmen eines Stipendiums der Robert-Bosch-Stiftung 1984/85 beim „Bundesverband der Deutschen Industrie“ und im Bundesfinanzministerium.

Reinhardt folgt auf Higgins
Der NOVARTIS-Manager Jörg Reinhardt übernimmt den BAYER-HEALTHCARE-Vorsitz von Arthur Higgins, der sich Hoffnungen auf den Posten des Vorstandsvorsitzenden gemacht hatte und nach der Nominierung von Marijn Dekkers kündigte.

Weintritt folgt auf Stegmüller
Volker Weintritt wird neuer Leiter des Brunsbütteler BAYER-Werkes. Sein Vorgänger Roland Stegmüller wechselt nach China und übernimmt den Chefposten der Shanghaier Niederlassung.

BTS-Regionalbüro in Singapur
BAYER TECHNOLOGY SERVICES (BTS), die hauptsächlich für den Anlagenbau zuständige BAYER-Sparte, richtet seit einiger Zeit rund um den Globus Regionalbüros ein. So entstanden neue Repräsentanzen in Mumbai und Singapur, weitere will BTS schon bald in Brasilien und Russland eröffnen.

Kooperation mit EQUITY
Beim Leverkusener Multi haben die Störfälle im letzten Jahr markant zugenommen (s. u.). Mit der haus-eigenen BAYKBIS-Software zur Inspektion von Industrie-Anlagen kann es also nicht allzu weit her sein. Sie ist offensichtlich nicht in ausreichendem Maße fähig, Schwachpunkte zu identifizieren. Trotzdem vermarktet der Konzern die Technologie großflächig und versucht Kunden aus der Öl-, Pharma-, Chemie oder Gasbranche zu gewinnen. Im März hat er nun ein Kooperationsabkommen mit einem anderen Hersteller von solchen Programmen unterzeichnet, der EQUITY ENGINEERING GROUP. Deren „API RBI-Software ist der industrielle Standard im Bereich Anlagen-Risikomanagement“, heißt es in der entsprechenden Pressemeldung. Jetzt wollen BAYER und EQUITY die beiden Systeme kombinieren und damit auch die Anforderungen an risiko-basierte Inspektionen (RBI) erfüllen, die das „American Petroleum Institute“ 1993 für Sicherheitschecks von Anlagen der Öl- und Chemie-Industrie formuliert hat. Das Institut dürfte seine Ansprüche allerdings noch einmal überprüfen, denn offensichtlich haben sie nicht ausgereicht, um die Öl-Katastrophe im Golf von Mexiko zu verhindern.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Mehr Störfälle
Die Zahl der Störfälle bei BAYER hat 2009 markant zugenommen. Der Nachhaltigkeitsbericht listet für das Jahr mehr Unfälle auf, als bisher bekannt wurden und verzeichnet 13 „Umweltereignisse“, bei denen es zu einem Austritt gefährlicher Substanzen kam. Im Vorjahr waren es „nur“ neun.

Phosgen-Austritt in Dormagen
Im Dormagener Werk trat nicht bloß am 27.11.09, sondern bereits am 14.1.09 Phosgen aus. Um zu verhindern, dass die hochgiftige Chemikalie an die Luft gerät, musste der Leverkusener Multi eine Dampfwand aus - ebenfalls gesundheitsschädlichem - Ammoniak aufziehen.

LKW-Unfall in Kanada
Am 12.3.09 verunglückt in Kanada ein mit BAYER-Pestiziden b

[Yasmin] STICHWORT BAYER 04/2010

CBG Redaktion

neue Zahlen aus den USA

Yasmin: noch mehr Todesfälle

Die Einnahme von Kontrazeptiva wie Yaz, Yasminelle und Yasmin ist mit einem vergrößerten Thrombose- und Embolie-Risiko verbunden. Neue Daten der US-Aufsichtsbehörden zeigen, dass die Zahl der Todesfälle weit höher liegt als bislang angenommen. Auch die Zahl der Klagen gegen den Produzenten, die BAYER SCHERING AG, steigt weiter. Durch die Einführung generischer Versionen von Yaz könnte die Häufigkeit schwerer Nebenwirkungen weiter zunehmen.

von Philipp Mimkes

Vor 50 Jahren begann in Deutschland der Verkauf der Antibaby-Pille. Erster Produzent war die Schering AG, die mittlerweile zum Weltmarktführer für hormonelle Kontrazeptiva aufgestiegen ist und seit 2006 zum BAYER-Konzern gehört. Mit Präparaten der sogenannten „vierten Generation“ wie Yaz, Yasminelle, Yasmin und Petibelle macht die Bayer Schering AG einen Jahresumsatz von über einer Milliarde Euro. Zum Jubiläum startete der Konzern daher ein wahres Marketing-Feuerwerk - unter anderem wurden eine Wanderausstellung auf die Reise geschickt, Vorträge und Gala-Veranstaltungen in mehreren Ländern ausgerichtet und eine Facebook-Kampagne zu den „erstaunlichen Errungenschaften von Frauen in den vergangenen fünf Jahrzehnten“ initiiert.
Nicht thematisiert werden hierbei die erhöhten Risiken der hormonalen Verhütungsmittel, die den Markt heute beherrschen. Dabei waren schon bei der Einführung der Präparate mit dem Hormon Drospirenon vor rund acht Jahren Warnungen geäußert worden. Das pharmakritische arznei-telegramm bemängelte das Thrombose-Risiko des neuen Wirkstoffs und riet von einer Verordnung ab. Neuere Studien, die im vergangenen Sommer im British Medical Journal veröffentlicht wurden, fanden gar ein gegenüber älteren Pillen um bis zu 80% erhöhtes Risiko.
Die absolute Gefahr ist zwar vergleichsweise gering – von 100.000 Frauen, die die Pille nehmen, erleiden jährlich zwischen 20 und 50 eine Thrombose. Da jedoch weltweit bis zu 100 Millionen Frauen mit der Antibaby-Pille verhüten, führen selbst relativ seltene Nebenwirkungen zu zahlreichen Schädigungen. Zumal das zusätzliche Risiko der neueren Präparate in keiner Weise zu rechtfertigen ist: ältere Mittel der „zweiten Generation“ verhüten ebenso zuverlässig.

Interne FDA-Daten
Recherchen des Schweizer Fernsehens zeigen, dass die Zahl der gemeldeten Todesfälle weit höher liegt als vermutet. War im Zusammenhang mit den BAYER-Produkten Yasmin und Yaz bislang von 50 Todesfällen die Rede, so zeigen neue Daten, dass allein in den USA 140 (Yasmin) bzw. 50 (Yaz) Frauen starben.
Reporter der Nachrichtensendung „10vor10“ hatten hierfür eine Anfrage nach dem amerikanischen Informationsfreiheitsgesetz gestellt und von der Aufsichtsbehörde Food and Drug Administration (FDA) kartonweise Unterlagen erhalten. Die FDA hatte in den vergangenen zehn Jahren rund 10.000 sogenannter Spontanmeldungen zu Nebenwirkungen von Antibaby-Pillen gesammelt und diese nun erstmals zugänglich gemacht. Dokumentiert werden harmlose Nebenwirkungen wie Kopfweh und Schlaflosigkeit, aber auch Lungenembolien und Todesfälle. Auch das Verhütungspflaster Evra von JANSSEN CILAG und der Nuvaring der ESSEX CHEMIE führten demnach zu Dutzenden von Todesfällen.
Der Frauenarzt Daniel Brügger, der seit Jahren vor den Risiken neuerer Verhütungsmittel warnt: „Ich bin schockiert. Man hätte die Todeszahlen besser kommunizieren sollen.“ Stephan Krähenbühl, Chefarzt in Basel und Präsident der Schweizer Kommission für Medikamentenzulassung, äußert sich überrascht: „Es ist für mich emotional ergreifend und sehr tragisch.“ In der Schweiz ist BAYER SCHERING ebenfalls Marktführer. Seit dem Tod mehrerer junger Frauen in der Schweiz fordern mehrere Gesundheitsverbände ein Verbot der Mittel mit dem Wirkstoff Drospirenon.

2700 Klagen
Ende Juli musste BAYER einräumen, dass in den USA 2.700 Klagen geschädigter Frauen eingereicht wurden. Bislang war von 1.600 Verfahren die Rede. In Kanada liegen acht Sammelklagen vor.
In Deutschland, wo Sammelklagen juristisch nicht vorgesehen sind, müssen die Betroffenen einzeln klagen. Zu den Klägerinnen gehören auch geschädigte Frauen, die Ende April auf Einladung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) in der Hauptversammlung des Unternehmens von ihrer Leidensgeschichte berichtet hatten (siehe Stichwort BAYER 2/3 2010).
Die CBG kooperiert mit den Anwälten und brachte das Thema wiederholt in die Medien. So wurden Kathrin Weigele und Felicitas Rohrer, die die Einnahme der BAYER-Präparate nur knapp überlebt hatten und die in der BAYER-Hauptversammlung ein Rückzug der Produktgruppe gefordert hatten, in der Wochenzeitung DIE ZEIT und in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG portraitiert.

Verbot gefordert
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN wandte sich in einem Schreiben an die FDA und verlangte ein Verbot aller Präparate mit erhöhtem Risikopotential. Im Jahr 2001 hatte die FDA den Cholesterin-Senker Lipobay wegen zahlreicher Todesfälle vom Markt genommen. „Die Problematik ist durchaus vergleichbar, da es in beiden Fällen weniger gefährliche Alternativen gab beziehungsweise gibt – nur dass die Zahl der Todesfälle von Yasmin und Yaz höher liegt“, heißt es in dem Brief der CBG. Die FDA antwortete, eine Studie zu den Todesfällen sei im Gange. Weitere Schritte seien momentan nicht absehbar. Die Umsatzzahlen gehen jedoch auch ohne behördliches Eingreifen zurück: Der Branchendienst IMS Health meldete für den US-Markt zwischen Januar und Mai 2010 Rückgänge bei Drospirenon von 15 Prozent.
Die deutschen Behörden reagieren ebenfalls langsam. Einzig eine Ergänzung des Beipackzettels, der nun einen Hinweis auf die jüngsten Studien enthalten muss, wurde vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) verfügt. Noch vier Monate später hatte es der Konzern jedoch nicht geschafft, die Fachinformation für Ärzte entsprechend zu aktualisieren.
Die Zurückhaltung der Behörden erklärt sich vielleicht damit, dass das BfArM in den 90er Jahren in einer Auseinandersetzung mit der Pharma-Industrie unterlegen war: Die Zulassungsbehörde hatte damals die Verschreibung von Antibaby-Pillen der dritten Generation wegen erhöhter Risiken für Frauen unter 30 Jahren untersagt. Daraufhin klagten die Hersteller, an führender Stelle Schering. 1998 wurde das Verbot aufgehoben.

Generika verschärfen Probleme
Das israelische Unternehmen Teva, weltgrößter Anbieter preisgünstiger Generika, kündigte derweil an, noch in diesem Jahr eine Kopie von Yaz auf den US-Markt zu bringen. Auch die Novartis-Tochter Sandoz sowie der US-Konzern Watson wollen Nachahmerversionen verkaufen. BAYER hat gegen alle drei Konkurrenten Klage erhoben, wird den Markteintritt der Generika aber wahrscheinlich nicht lange verhindern können. Durch den günstigeren Preis drohen die Verkaufszahlen – und damit die Zahl schwerer Nebenwirkungen – weiter anzusteigen.

[Nexavar] STICHWORT BAYER 04/2010

CBG Redaktion

BAYERs Krebsmittel in der Kritik

NEXAVAR nutzt nichts

Im Pharma-Geschäft versprechen Krebs-Arzneien die höchsten Gewinne. Eine Behandlung mit BAYERs NEXAVAR (Wirkstoff: Sorafenib) kostet die Krankenkassen 58.400 Euro im Jahr. Der Heilerfolg des Mittels rechtfertigt diese hohen Ausgaben nicht. „Bei Sorafenib zeigte sich kein Vorteil bezogen auf das Gesamtüberleben“, fasst der „Gemeinsame Bundesausschuss“ des bundesdeutschen Gesundheitswesens die Studien-Ergebnisse zusammen.

Von Jan Pehrke

„Diese Zulassung von NEXAVAR ist ein wichtiger Schritt für japanische Patienten mit Nierenkrebs“, sagte der Konzern-Manager Gunnar Riemann im Jahr 2008 anlässlich der Markteinführung in dem asiatischen Land. Der „Meilenstein im Kampf gegen Krebs“ (O-Ton BAYER), dessen Wirkstoff Sorafenib die Tumorzellen von der Blutzufuhr abschneiden und ihr Wachstum verlangsamen soll, darf allerdings erst in einem fortgeschrittenen Stadium der Krankheit und nach dem Scheitern anderer Mittel zum Einsatz kommen. Auch bei Leberkrebs müssen die ÄrztInnen zunächst andere Therapien versuchen.

Als einen gar so wichtigen Schritt nach vorn in der Krebsmedizin schätzen die Zulassungsbehörden dieses Medikament also offensichtlich nicht ein. Seine exakte Länge haben die Testreihen bestimmt: Um 3,4 Monate verlängert NEXAVAR das Leben von Nierenkrebs-PatientInnen im Vergleich zu ProbandInnen aus der Placebo-Gruppe; 2,8 Monate waren es für Leberzellkrebs-PatientInnen. Nach offizieller Statistik-Lesart gilt das als „nicht signifikant“. Aus diesem Grund resümiert der „Gemeinsame Bundesausschuss“: „Bei Sorafenib zeigte sich kein Vorteil bezogen auf das Gesamtüberleben“. In weiser Voraussicht hat BAYER deshalb noch ein anderes Behandlungsziel formuliert. Das Stoppen des Tumor-Wachstums wollte der Konzern als „sekundären Endpunkt“ des Tests erreichen. Dies schaffte NEXAVAR bei Nierenkrebs mit ca. sechs Monaten drei Monate länger als der Placebo, was zwar „signifikant“ ist, aber leider noch keine Aussage über die Erhöhung der Überlebenschancen erlaubt.

Zahlen-Kosmetik
Zudem sind die Zahlen mit Vorsicht zu genießen, denn von der Industrie bezahlte Arznei-Prüfungen warten stets mit positiveren Ergebnissen auf als unabhängig finanzierte. BAYER & Co. stehen dazu viele Möglichkeiten offen. Mit der Konzeption der Untersuchungen, der Entscheidung für einen bestimmten Studien-Standort (siehe SWB 2-3/10) und der Auswahl der ProbandInnen können die Unternehmen die Resultate beeinflussen. Während der Erprobung greift dann laut Süddeutscher Zeitung das Nebenwirkungsmanagement: „Treten in Tests bei höherer Dosierung mehr Nebenwirkungen auf, wird für die Studie eine niedrigere Dosis gewählt, auch wenn in der Praxis die höhere empfohlen wird. Zeigt sich, dass ein Präparat bei längerem Gebrauch zu mehr Nebenwirkungen führt, wird das Ende der Studie vorverlegt“. Und ist dieses schließlich - vorzeitig oder planmäßig - gekommen, so gibt es immer noch Gelegenheiten zur Kosmetik. Jetzt kommen nämlich die hauseigenen StatistikerInnen zum Zug und bearbeiten das erhobene Daten-Material.

Die „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“ kritisiert deshalb ebenfalls die Manipulationen bei Arznei-Tests im Allgemeinen und bei Krebsmittel-Tests im Besonderen. „Erhebliche Defizite“ im Prüfplan von onkologischen Mitteln stellt das Gremium fest und hebt Mängel bei der Bestimmung der Studien-Ziele und bei der Auswahl der Vergleichssubstanzen hervor. Darüber hinaus moniert die Kommission den zu frühen Abbruch vieler Untersuchungen.

Nach der Recherche einer Gruppe von Wissenschaftlern um den italienischen Mediziner F. Trotta endeten 23 Krebsmittel-Erprobungen jüngeren Datums vorzeitig, darunter auch diejenige von NEXAVAR. Die Konzerne führten dafür stets ethische Motive an: Da die Mittel so gut wirkten, konnten sie es schlicht nicht übers Herz bringen, sie der Placebo-Gruppe länger vorzuenthalten. Trotta zufolge bekamen die Unternehmen allerdings aus profaneren Gründen den Moralischen - sie wollten schlicht Kosten sparen. Die Arzneimittel-Kommission macht noch andere Ursachen für die Kurzstrecken-Tests aus. Sie sieht in ihnen einen Weg, sich einer profunden Sicherheitsanalyse der Medikamente und einer Bewertung ihres Kosten/Nutzen-Verhältnisses zu entziehen.

Aber der Leverkusener Multi gehörte nicht nur zu den Studien-Abbrechern, der Pharma-Riese fiel auch mit einer gezielten Auswahl seiner ProbandInnen negativ auf. So sortierte er PatientInnen mit fortgeschrittenen Krankheitssymptomen aus und nahm nur solche mit günstigeren Prognosen auf.

Schlimme Monate
Es bestehen also erhebliche Zweifel an den von BAYER angegebenen Zahlen von 2,8 bzw. 3,4 Monaten „geschenkter Zeit“ durch NEXAVAR. Zudem ist dieser Gewinn an Wochen, wie groß oder klein er auch ausfallen mag, für die PatientInnen immer mit einem erheblichen Verlust an Lebensqualität verbunden. NEXAVAR hat nämlich starke Nebenwirkungen. „Rauher Hals und belegte Stimme, aber schlimmer noch, ein kaum zu kontrollierender Durchfall“, beschreibt ein Nutzer des Krebs-Forums die Leiden seiner Mutter. „Da ich es schon zwei Jahre nehme, reagiert mein Körper mit Infektionen und ständiger Blasenentzündung“, schildert eine andere Teilnehmerin ihre Erfahrungen und hält fest: „Ich musste auch auf die halbe Dosis umsteigen, um noch ein halbwegs erträgliches Leben zu führen“. Der „Gemeinsame Bundesausschuss“ weiß noch von schlimmeren unerwünschten Arzneimittel-Effekten zu berichten. So kam es bei der Klinischen Erprobung in der 452 Personen starken NEXAVAR-Gruppe zu 48 Todesfällen, während in der Placebo-Gruppe nur 28 starben. Auch mussten TesterInnen des BAYER-Mittels häufiger wegen schwerer Nebenwirkungen ins Krankenhaus (154 gegenüber 110). Zudem erlitten die ProbandInnen öfter Herzinfarkte, Hirnblutungen und Durchblutungsstörungen. 21 Prozent der TeilnehmerInnen zwangen solche Umstände, das Mittel kurzzeitig abzusetzen, zehn Prozent mussten den Test ganz abbrechen.

Obszöne Preise
Diese großen Neben- und eher kleinen Hauptwirkungen sind teuer erkauft. Zu teuer, meinte der Onkologe Wolf-Dieter Ludwig im Spiegel. „Die meisten dieser Medikamente haben nur eine geringe Wirkung. Deshalb halte ich die Preise schlicht für obszön“, so Ludwig, der auch Vorsitzender der Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft ist. Und als der ehemalige Leiter der „Kassenärztlichen Vereinigung Hessen, Jürgen Bausch, kritisierte: „Die Herstellerfirmen handeln mit ihrer Preisbildung gegenüber dem System einer solidarisch finanzierten Krankenversicherung verantwortungslos“, hatte er vor allem BAYER und NOVARTIS im Sinn. Die jährlichen Kosten für eine NEXAVAR-Behandlung in Höhe von 58.400 Euro bei minimalem Herstellungsaufwand zeugen in der Tat nicht von einem besonderen Verantwortungsgefühl. Die Krebsmittel fressen mittlerweile ein Viertel des Arznei-Budgets der Krankenkassen, obwohl sie nur zwei Prozent der Verordnungen ausmachen. Zukünftig dürfte es noch mehr sein: Nach einer Prognose des Berliner Institutes IGES werden die Ausgaben für Onkologie-Präparate bis 2013 jährlich um fast fünf Prozent auf 3,8 Milliarden Euro steigen.

In Großbritannien verhält es sich ähnlich. Dort aber hat das „National Institute for Health and Clinical Evidence“ (NICE) reagiert und eine Kosten/Nutzen-Bewertung der Mittel vorgenommen. Für den NEXAVAR-Wirkstoff Sorafenib fiel das Ergebnis negativ aus. „Die PatientInnen profitieren von Sorafenib nicht in einem Maße, das die hohen Kosten rechtfertigen würde“, urteilte die Behörde. Zuvor hatte das NICE mit BAYER und den anderen Herstellern um einen Kompromiss gerungen. Aber während ASTRAZENECA bereit war, den Preis für IRESSA zu senken und keine Rechnung zu stellen, wenn eine Therapie nicht die Länge von mindestens drei Monaten erreicht, blieb der Leverkusener Multi stur.

Keine Frage der Moral
Die Entscheidung des NICE-Instituts, mahnende Stimmen aus dem medizinischen Umfeld sowie Presse-Artikel über die lukrativen Onkologie-Arzneien haben eine Diskussion über Rationierungen im Gesundheitswesen entfacht. „Wir müssen einen Preis für das Leben festsetzen“, forderte etwa die kanadische Zeitung The Globe and Mail. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat sich hingegen nach Aussage seines Chefs Rainer Hess gegenüber dem Spiegel lange „vor der tiefen ethischen Debatte gescheut“ und das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ als bundesdeutsches NICE-Pendant nicht mit einer Prüfung von NEXAVAR & Co. betraut. Das soll sich laut Hess jetzt ändern: „Wir müssen die Krebs-Medikamente sauber bewerten, um Transparenz für die Patienten zu schaffen“.

Tiefgründige moralische Erwägungen sind dazu aber nicht nötig. Es geht nicht darum, in einer Güterabwägung zu ermitteln, welchen Preis das Überleben haben darf. Es geht vielmehr darum zu ermitteln, ob ein Mittel ohne statistisch signifikanten Wirksamkeitsnachweis 58.400 Euro im Jahr pro PatientIn kosten darf und ob den Krankenkassen eine solche Summe zuzumuten ist. Nicht um Rationierung also, sondern um Rationalität. Da mag der Leverkusener Multi im Falle eines solchen Verfahrens noch so philosophisch werden und menschliche Werte ökonomischen geopfert wähnen.

Momentan interessiert den Konzern jedoch etwas anderes. Er arbeitet fieberhaft daran, die Grenzen der Krankenkassen-Belastbarkeit in Sachen „NEXAVAR“ weiter zu strapazieren. Um die Umsätze von zuletzt 604 Millionen Euro noch zu toppen, testet er das Mittel auf neuen Anwendungsgebieten. Weder die mageren Resultate bei Leberzell- und fortgeschrittenem Nierenkrebs noch die völlig gescheiterten Erprobungen bei den Indikationen „Hautkrebs“ und „Bauchspeicheldrüsenkrebs“ vermochten ihn davon abzuhalten.

update Februar 2012 Patentstreit um Krebsmedikamente in Indien: BAYER verlangt Mondpreise

[Kraftwerk Krefeld] Klimakiller

CBG Redaktion

Presse Informationen von BUND, Niederrheinischem Umweltschutzverein und BI Saubere Luft e.V zum 7-tägigen Erörterungstermin in Krefeld

BUND und Bürgerinitiativen optimistisch: „Krefelder Kohlekraftwerk kommt nicht“

Erörterungstermin nach sieben Tagen beendet / Antrag nicht genehmigungsfähig

Krefeld, 29. September 2010 – Nach sieben Tagen ist heute der Erörterungstermin zum geplanten Trianel-Kohlekraftwerk in Krefeld-Uerdingen zu Ende gegangen. Mehr als 499 von Einwenderseite vorgebrachte Kritikpunkte waren seit dem 20. September im Krefelder Seidenweberhaus zwischen den Kraftwerkskritikern, der Antragstellerin und den zuständigen Behörden diskutiert worden. Nach dem Verlauf der Erörterung zeigen sich der nordrhein-westfälische Landesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), die Duisburger Bürgerinitiative Saubere Luft e.V. und der Niederrheinische Umweltschutzverein (NUV) in Krefeld optimistisch, dass das beantragte Kohlekraftwerk nicht realisiert werden wird.

„Keiner der in unserer 355-seitigen schriftlichen Stellungnahme vorgebrachten Kritikpunkte konnte seitens Trianel entkräftet oder gar ausgeräumt werden – im Gegenteil“, so Dirk Jansen, Geschäftsleiter des BUND NRW. „Im Laufe der Erörterung haben sich zudem weitere Unzulänglichkeiten und Rechtswidrigkeiten des Genehmigungsantrages offenbart. Trianel wäre gut beraten, den Genehmigungsantrag zurückzuziehen.“ Weder die planungsrechtlichen Grundlagen noch die immissionsschutzrechtlichen oder naturschutzrechtlichen Voraussetzungen für eine Kraftwerksgenehmigung seien gegeben. Mit Kohlendioxidemissionen von 4,4 Millionen Jahrestonnen würde das Kraftwerk zudem alle Bemühungen der Landesregierung zum Klimaschutz torpedieren.

Die zahlreichen von BUND und Bürgerinitiativen im Erörterungstermin gestellten Anträge werden jetzt von der Bezirksregierung Düsseldorf abgearbeitet. Bereits jetzt zeichnet sich nach Aussage der Genehmigungsbehörde ab, dass für den Fall, dass Trianel den Antrag aufrecht erhält, eine erneute Offenlegung der überarbeiteten Pläne inklusive eines weiteren Erörterungstermins notwendig werden.

BUND und Bürgerinitiativen optimistisch: „Kraftwerk nicht genehmigungsfähig"

„Tag des Wassers“ beim Erörterungstermin zum Kraftwerks-Projekt Krefeld-Uerdingen

Krefeld, 28. September 2010 - Der sechste Tag des Erörterungstermins zum
geplanten Trianel-Kohlekraftwerk in Krefeld-Uerdingen stand ganz im
Zeichen des Wassers. Die Problematik der zusätzlichen Kühlwasser-
und Quecksilberbelastung des Rheins stand dabei im Mittelpunkt. Der
nordrhein-westfälische Landesverband des Bund für Umwelt und
Naturschutz Deutschland (BUND), die Duisburger Bürgerinitiative
Saubere Luft e.V. und der Niederrheinische Umweltschutzverein (NUV)
in Krefeld fühlen sich dabei in ihrer Einschätzung von der nicht
existierenden Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens bestätigt. Zudem
zeichnet sich immer deutlicher ab, dass eine erneute Offenlegung
bislang fehlender Unterlagen und Gutachten und damit auch ein
erneuter Erörterungstermin unabdingbar sind.
Trianel hat die Einleitung von bis zu 35 °C warmen Kühlwassers in
den Rhein beantragt, was angesichts des sich abzeichnenden
Klimawandels zu unzulässig hohen Wärmefrachten und einer großen
Gefährdung geschützter Fischarten führen würde“, so Dirk Jansen,
Geschäftsleiter des BUND NRW. „Das Landesumweltamt hält deshalb eine
Begrenzung der Kühlwassertemperatur auf maximal 30 Grad für
erforderlich und empfiehlt den Verzicht auf die geplante
Durchlaufkühlung. Damit aber würde eine vollständige Umplanung des
Vorhabens notwendig.“
Für den BUND und die Bürgerinitiativen verfestigt sich mit dem
Fortschreiten des Erörterungstermins die Kritik an dem Vorhaben.
Weder die Zweifel an der Wirksamkeit der Maßnahmen zum Schutz
gefährdeter Fischarten wie z.B. der geplanten Fischscheuchanlagen
noch die Zweifel an dem Kühlsystem zur Begrenzung der Wärmemengen
hätten ausgeräumt werden können. Als „Knock-out“-Kriterium könnte
sich zudem die kraftwerksbedingte Zusatzbelastung des Rheins durch
Quecksilber erweisen. Trianel plant die jährliche Einleitung von
etwa 5,8 Kilogramm des gefährlichen Stoffes, dabei sieht das
europäische Recht einen vollständigen Stopp von Quecksilbereinträgen
in die Gewässer vor. Schon jetzt werde die Umweltqualitätsnorm einer
maximalen Quecksilberbelastung der Wasserlebewesen von 20 Mikrogramm
pro Kilogramm in NRW nach Angaben des Landesumweltamtes um das bis
zu 22-fache überschritten.
„Trianel hält die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben für nicht
verhältnismäßig“, kritisierte Norbert Bömer von der BI Saubere Luft.
„Dieses Rechtsverständnis ist für uns nicht nachvollziehbar. Man
kann nicht einfach nach dem Motto verfahren „Was nicht passt, wird
passend gemacht“ und alle Belastungen durch das Kraftwerk als
irrelevant abtun.“

Am Nachmittag wurden dann noch gravierende Mängel in puncto
Hochwassersicherheit offenbar. Der zuständige Deichverband hält eine
Rheindeicherhöhung vor einer möglichen Inbetriebnahme des Kraftwerks
für unabdingbar und auch die höhere Wasserbehörde teilt die
BUND-Auffassung, wonach die bisher zum Hochwasserschutz vorgelegten
Unterlagen unzureichend seien.

„Angesichts der gravierenden Mängel des beantragten Vorhabens wäre
Trianel gut beraten, den Genehmigungsantrag zurückzuziehen“, so auch
das Fazit von Ulrich Grubert vom Niederrheinischen
Umweltschutzverein. „Die Probleme lassen sich letztendlich nur
vermeiden, wenn auf den Bau eines Kohlekraftwerks verzichtet wird.“
Morgen wird der Erörterungstermin mit dem Thema Schwerpunkt-Thema
Klimaschutz fortgesetzt.

PRESSEinformation, 27.09.2010

„Radioaktivität wie ein Atomkraftwerk“

Start in die 2. Woche des Erörterungstermins zum geplanten Trianel-Kohlekraftwerk in Krefeld / kraftwerksbedingte Radioaktivität und Naturschutz im Mittelpunkt

Krefeld,– Mit den Themen Radioaktivität und Naturschutz ging der Erörterungstermin zum Kohlekraftwerks-Projekt in Krefeld-Uerdingen in die zweite Woche. Das Aktionsbündnis bestehend aus dem nordrhein-westfälischen Landesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der Du-isburger Bürgerinitiative Saubere Luft e.V. und dem Niederrheinische Umweltschutzverein (NUV) in Krefeld war wie in der letzten Woche mit seinen Exper-ten präsent und untermauerte die Kritik an dem Vorhaben.

„Das geplante Kohlekraftwerk würde über den Luftpfad auch Radionuklide aus dem in der Kohle vorhandenen Uran, Kalium und Thorium in die Umwelt transportieren, womit die radioaktive Belastung der Bevölkerung zwangsläufig zunimmt“, sagte Dirk Jansen, Geschäftsleiter des BUND NRW. „Nach Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz ist die durch Kohlekraftwerke bedingte effektive
Dosis in etwa so hoch wie die Jahresdosis der Bevölkerung durch die Freisetzung von Radionukliden aus Atomkraftwerken. Trotz erwiesener Schäd-lichkeit von Radionukliden versucht Trianel aber, dem Kohlekraftwerk trotz vieler unbeantworteter Fragen einen radiologischen Persilschein auszustellen.“ Der BUND hat deshalb heute bei der Bezirksregierung Düsseldorf bean-tragt, Trianel aufzugeben, unabhängige Gutachten zu der radioaktiven Vorbe-lastung der Region und den möglichen gesundheitlichen Auswirkungen zusätzli-cher Belastungen beizubringen. Nach Auffassung des BUND ist wegen der schäd-lichen Wirkungen ionisierender Strahlen allein schon aus dem gesetzlichen Vorsorgegrundsatz abzuleiten, dass eine Kraftwerksgenehmigung nicht erteilt werden darf.

Norbert Bömer von der BI Saubere Luft kritisierte, dass die Bevölkerung der Region schon jetzt von Kohlekraftwerken „geradezu umzingelt“ werde. „Wegen der Unzulänglichkeit der Trianel-Antragsunterlagen auch im Hinblick auf Radioaktivität gehen wir davon aus, dass die Bezirksregierung gemäß unserer Anträge weitere Gutachten einfordern wird.“ Bereits zu Beginn der heutigen Er-örterung hatte die Genehmigungsbehörde klargestellt, dass mit der erforderlichen Nachbesserung seitens Trianel eine erneute Offenlegung und ein weiterer Erörterungstermin absehbar seien.

„Es ist unfassbar: Mit jedem Tag des Erörterungstermins werden die Lücken und Unzulänglichkeiten des Genehmigungsantrages deutlicher. Trianel hat seine Hausaufgaben definitiv nicht gemacht“, kritisierte Ulrich Grubert vom Niederrheinischen Umweltschutzverein. „Wenn Trianel die radioaktive Belastung durch das Kohlekraftwerk weiter so verharmlost, werden die Zweifel an der Zuverlässigkeit des potenziellen Kraftwerksbetreibers nicht geringer.“

Neben der Radioaktivität stand mit dem Naturschutz ein weiteres zentrales Thema auf der heutigen Tagesordnung. Im Zentrum steht dabei die Frage, wie die schädlichen Einwirkungen des Kraftwerks auf die geschützten empfindlichen Naturschutzgebiete zu bewerten sind. BUND und BIs befürchten, dass insbeson-dere nährstoffarme Schutzgebiete v.a. durch die Stickstoffemissionen des Kraftwerks unzulässig beeinträchtigt werden könnten. Dabei musste Trianel während der Erörterung einräumen, dass auch diesbezüglich die Antragsunterlagen nicht „up to date“ sind.

Morgen wird der Erörterungstermin mit dem Thema Wasser fortgesetzt. Dann geht es insbesondere um die Erwärmung des Rheins durch Kühlwasser und zusätzliche Quecksilberemissionen.

22. September 2010

Der dritte Erörterungstag zur Kohlekraftwerksplanung in Krefeld: Gesundheit der Bevölkerung irrelevant?

Das Aktionsbündnis des nordrhein-westfälischen Landesverbandes des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der Duisburger Bürgerinitiative Saubere Luft e.V. und des Niederrheinischen Umweltschutzvereins (NUV) in Krefeld war auch für den dritten Erörterungstag zum geplanten Steinkohlekraftwerk Krefeld Uerdingen mit dem Themenschwerpunkt Immissionsschutz und Luftreinhaltung gut vorbereitet.
„Das dieser Erörterungstag kontrovers und spannend werden würde, war uns ja klar“, sagte Kerstin Ciesla, Co-Sprecherin BI-Saubere Luft und BUND Duisburg, „dass aber ein Currenta-Mitarbeiter, der maßgeblich an der Erstellung der Immissionsprognose für Trianel beteiligt war, das geplante Steinkohlekraftwerk mit einem Einfamilienhauses mit Pelletsheizung verglich, war wirklich nicht gerade professionell“. Auch die Bezirkregierung musste die Antragssteller darauf hinweisen, dass man doch wohl kaum ein Steinkohlekraftwerk mit dem Hausbrand eines Einfamilienhauses vergleichen könne.
Wie zu erwarten, wurden alle gesundheitsgefährdenden Zusatzbelastungen von
Trianel als „irrelevant“ heruntergespielt.
Ulrich Grubert, vom NUV dazu: „Feinstaub, Quecksilber, Cadmium, Arsen - alles irrelevant, vor lauter Irrelevanz bleibt der Bevölkerung nur leider ganz relevant die Luft weg“. Die Experten und der Rechtsbeistand auf Seiten der Kraftwerksgegner sehen die Irrelevanzregelungen aufgrund der extremen Vorbelastung und den bereits ohne das Kraftwerk konkret vorhandenen Überschreitungen der zulässigen Grenzwerte sowohl auf Krefelder als auch Duisburger Stadtgebiet, nicht als anwendbar an.
Im weiteren Verlauf wies der Experte der Kraftwerksgegner erhebliche Mängel der Antragsunterlagen nach. Als Beispiel sei hier nur genannt, dass im Falle des Ausfalls des Elektrofilters innerhalb einer Stunde 35 Tonnen Staub ausgeschieden werden – „35 Tonnen pro Stunde irrelevant?“, fragt sich Ulricht Grubert. Um am Mittwoch nachmittag der Ärzte und Apotheker Initiative die Möglichkeit zu geben, die gesundheitlichen Auswirkungen zu erörtern, wurde die abschließende Detaildiskussion zur Immissionsprognose auf Donnerstag morgen verlegt.
Eine sehr kontroverse Diskussion wurde auch zum Thema Gesundheitsgefahren
geführt, nachdem zwei Vertreter der Krefelder Ärzte- und Apotheker
Initiative sachlich den neuesten Stand der medizinischen Erkenntnisse
dargestellt hatten. Der Gutachter von Trianel hingegen greift auf
wesentlich ältere medizinische Studien zurück und bezweifelt die
anerkannten, aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Gefährdung der
Bevölkerung durch Luftbelastungen. Er ignoriert, dass auch die Welt
Gesundheitsorganisation klar zum Ausdruck bringt, dass auch unterhalb der
Grenzwerte Gesundheitsgefährdung besteht. Nobert Bömer, Sprecher der BI
Saubere Luft: „ Will Trianel uns wirklich erklären, dass die Bemühungen zur
Verbesserung der Luftqualität durch die Europäische Union der letzten 20
Jahre ohne Grund geschehen sind? Hat der europaweite medizinische
Sachverstand ohne Grund die Grenzwerte kontinuierlich nach unten
korrigiert?“.

Die Farce der Erörterung zur Kohlekraftwerksplanung in Krefeld in der zweiten Runde:

Umweltverbände weisen Trianel nach: Überlegungen zur Wirtschaftlichkeit unvollständig und unausgegoren

Der zweite Erörterungstag zum geplanten Steinkohlekraftwerk Krefeld Uerdingen war geprägt vom Thema Anlagentechnik mit möglichen Alternativen und der Anlagensicherheit.
Der nordrhein-westfälische Landesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), die Duisburger Bürgerinitiative Saubere Luft e.V. und der Niederrheinische Umweltschutzverein (NUV) in Krefeld halten erneut fest, der Erörterungstermin ist eine Farce. „Statt über wirkliche Alternativen zu reden, sah sich Trianel wohl aufgrund der Tatsache, dass an dem Leverkusener Currenta Standort nun ein modernes Gasund Dampfturbinen Kraftwerk (GuD) gebaut wird, gezwungen die Argumentation zur Alternative eines GuD-Kraftwerk zu verändern“, teile Kerstin Ciesla, Co-Sprecherin BI-Saubere Luft und BUND Duisburg mit. „Am ersten Erörterungstag wurde bereits klar, dass Trianel nach wie vor keine Wirtschaftlichkeitsberechnung für den Betrieb eines Steinkohlekraftwerkes aufgestellt hat und „ob“ und „wann“ das Vorhaben realisiert werden würde und am zweiten Erörterungstag stellt Trianel dann bereits zu Beginn dar, dass ein Gas- und Dampfkraftwerk von Trianel aufgrund wirtschaftlicher Erwägungen und schwankender Gaspreise nicht in Betracht gezogen wurde“, so Kerstin Ciesla weiter.
Harald Jochums, vom Vorstand NUV ist fassungslos über die Argumentation:
“Da wird uns jahrelang erklärt, dass ein GuD-Kraftwerk für den Chempark
nicht in Frage käme, da es nicht grundlastfähig sei, und nun ist ein Gas-
Kraftwerk zwar grundlastfähig aber es wird auf einmal der schwankende Gas-
Preis für eine fehlende Alternativenprüfung herangezogen, da fühlt man sich
im wahrsten Sinne des Wortes verkohlt“.
Das Aktionsbündnis aus BUND, BI-Saubere Luft und NUV appellierte erneut und
energisch an Trianel, sich von dem Vorhaben zu verabschieden, das Verfahren
einzustellen und stattdessen eine klima- umwelt- und
gesundheitsfreundlichere Alternativplanung auf Basis eines angemessen
großen Gas- und Dampfturbinenkraftwerkes zu realisieren und die Farce der
Erörterung ein Ende zu bereiten. Die Erörterung machte aus Sicht der
Kraftwerksgegner deutlich, was sie bereits seit Jahren vertreten, dass
weder die öffentliche Stromversorgung noch der CHEMPARK Uerdingen die
zusätzlichen Strom- und Dampfmengen wie beantragt, benötigt.
Die Umweltverbände machten dem Antragssteller Trianel außerdem deutlich,
dass wohl keine langfristigen Überlegungen angestellt wurden. Aufgrund des
gesetzlichen Vorrangs der Einspeisung von Strom aus erneuerbaren
Energieträgern und der Laufzeitverlängerung von Atomanlagen gibt es bereits
jetzt Situationen, bei denen kein Strom aus Fossilen Energieträgern mehr
eingespeist werden kann. Prognosen für die folgenden Jahre zeigen
eindeutig, dass in 10 – 20 Jahren ein solches Steinkohlekraftwerk mehrmals
am Tage abgeschaltet werden müsste, was allerdings gerade bei einem
Steinkohlekraftwerk zu erheblichen Problemen führen kann. “Auch die
Berechnungen für die Ausstöße, welche vor allem beim
Hochfahren eines solchen Kraftwerks wesentlich höher sind, als
bei einem Normalbetrieb, müssten vor diesem Hintergrund ganz neu betrachtet
werden“, so Norbert Bömer. „Bereits jetzt sind unzumutbare
Zusatzbelastungen für die Bevölkerung in den Antragsunterlagen. Wir müssen
daher davon ausgehen, dass die Bezirksregierung unserem Antrag auf
Einforderung der Korrekturen der An- und Abschaltungsszenarien stattgeben
wird und dann doch wohl auch zu der Erkenntnis kommen muss, wie beantragt,
das Vorhaben abzulehnen“, führt Norbert Bömer weiter aus.
Schockiert vom zweiten Erörterungstag äußerte sich auch Ulricht Grubert vom
NUV: „Trianel wirbt in den letzten Jahren kontinuierlich damit, dass das
geplante Kraftwerk ein modernes Kraftwerk auf dem neuesten Stand der
Technik sei. Sieht man sich aber die Gegenüberstellung unseres Experten an,
der die für Krefeld beantragten Schadstoffausstöße im Vergleich zu anderen
Kohlekraftwerksgenehmigungsverfahren gegenüber gestellt hat, so sieht man
eindeutig, dass Trianel die maximal erlaubten Werte beantragt wohingegen
andere Standorte nachweislich wesentlich geringere Ausstöße beantragt oder
genehmigt bekommen haben – da kann man doch wohl bei dem Trianel Antrag
nicht vom Stand der Technik reden“.
„Unfassbar ist auch, was man uns dann ab 18:00 Uhr zum Thema Brandschutz
zugemutet hat. Statt eines wirklichen Brandschutzkonzeptes und einer
geschlossenen Darstellung dessen was geplant ist, wurden unzusammenhängende
Ideen aufgezeigt,“ berichtete Frau Ciesla. „Meine Herren
Antragssteller, Sie haben Ihre Hausaufgaben nicht gemacht und es ist eine
Schande, dass wir unsere Freizeit damit verbringen müssen, Ihnen
nachzuweisen, dass das was Sie vorgelegt haben mehr als nur unzureichend
ist“, sagte Frau Ciesla. Das Aktionsbündnis der Kraftwerksgegner/innen
konnte daher auch in diesem Punkt wieder nur bei der Bezirksregierung
beantragen, den Vorentscheid zum Kraftwerk abzulehnen.

21. September 2010
Presse Information von BUND, Niederrheinischem Umweltschutzverein und BI Saubere Luft e.V

Überraschung zum Beginn des Erörterungstermins zur Kohlekraftwerksplanung in Krefeld:

Trianel stellt eigenes Vorhaben in Frage

Der Erörterungstermin zur Trianel-Kohlekraftwerksplanung Krefeld begann mit Diskussionen zur Wirtschaftlichkeit des Kraftwerks. Nachdem Trianel bereits in der Vergangenheit erklärt hatte, dass das „Ob“ und „Wann“ eines Kraftwerksbaus intern noch nicht entschieden sei, steht die Wirtschaftlichkeit vor dem Hintergrund der AKW-Laufzeitverlängerung nun noch mehr in Frage. Der nordrhein-westfälische Landesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), die Duisburger Bürgerinitiative Saubere Luft e.V. und der Niederrheinische Umweltschutzverein (NUV) in Krefeld empfinden den Erörterungstermin unter dieser Voraussetzung als eine Farce:

„Das ganze Erörterungsverfahren ist eine Vergeudung von Ressourcen, wenn der Antragssteller (Trianel) zwar einerseits einen Vorentscheid für angebliche Planungssicherheit haben will und andererseits nicht glaubwürdig machen kann, ob ein Kraftwerksbau denn wirklich ernsthaft betrieben wird“, sagte Paul Kröfges, Landesvorsitzender des BUND.

Nach Ansicht der Antragsgegner werden Steuergelder für MitarbeiterInnen von Behörden und der Bezirkregierung vergeudet, hier werden Spenden für Rechtsexperten und Gutachter von Privatpersonen benötigt, Menschen die sich ehrenamtlich engagieren opfern Zeit und Geld, ohne dass ein berechtigtes Interesse für ein Vorentscheidsverfahren gegeben ist.

So wurden bereits sehr frühzeitig am ersten Erörterungstag Anträge auf Aussetzung des Erörterungsverfahrens und Rückziehung des Antrages von Trianel gefordert. Die Bezirkregierung teilte mit, dass erst im Verfahren über die Anträge entschieden wird. Der Rechtsbeistand, des BUND, NUV und Bürgerinitiative Saubere Luft, Dirk Teßmer stellte dar, dass das Beharren auf einen Vorbescheid einerseits moralisch verwerflich ist, denn das bedeutet, dass wie in Datteln einzelne Teilgenehmigungen durch die Umweltverbände zu bewerten und ggf. zu beklagen wären, was wiederum mit Mehrkosten verbunden ist. Andererseits ist der Antrag auf Vorbescheid auch rechtlich nicht einwandfrei, da nach wie vor, das wirkliche Interesse an dem Vorhaben – das so genannte „Antragsbescheidungsinteresse“ von Trianel nicht dargelegt wird.

Der Nachmittag des ersten Erörterungstermins gehörte der Bauleitplanung, Landesentwicklungsplanung, Regionalplanung. Hier stellten die Experten des Bündnisses aus BUND, NUV, BI-Saubere Luft nochmals ausführlich dar, dass das Vorhaben weder von Seiten der Landesentwicklungsplanung, noch von Seiten der Regionalplanung zulässig sein kann.

Völlig schockiert äußerte sich Ulrich Grubert vom NUV: „es wird u.A. auf einen 44 Jahre alten Bebauungsplan verwiesen und die Interessen der Bevölkerung auf eine bessere und gesündere Umwelt werden missachtet. In den letzten Jahren ist die Erkenntnis zu Erkrankungen und deren Ursachen wesentlich fortgeschritten“ und Norbert Bömer von der Bürgerinitiative Saubere Luft ergänzt: „ es ist unverständlich, wie Ziele die vor fast einem ½ Jahrhundert in einem Bebauungsplan definiert wurden und der heutigen energiepolitischen Zielsetzung völlig widersprechen, nun Ausschlag für eine Genehmigung sein sollen“.

Zum Ende des ersten Erörterungstages wurde schließlich offenbar, dass dem Kraftwerk zwingende Vorschriften des Denkmalschutzesrechts entgegenstehen. Nach Auffassung der Fachbehörden verstößt die Planung gegen den zwingenden Denkmalschutz zugunsten des Friedhofs und weiterer geschützter Denkmäler.

Laut Rechtsanwalt Teßmer, der den BUND im Verfahren vertritt, steht bereits nach dem ersten Erörterungstag fest: „Die Planung ist nicht genehmigungsfähig und wird an den bestehenden unüberwindlichen Hindernissen scheitern.“

alle Infos zur Kampagne

NRZ, 20. September 2010

Entscheidung steht noch nicht

Krefeld. Begleitet von Protesten hat Montag im Krefelder Seidenweberhaus das „Erörterungsverfahren“ zum Antrag des Stadtwerke-Verbundes Trianel auf Bau und Betrieb eines 800-Megawatt-Kohlekraftwerkes in Uerdingen begonnen.
Acht Tage werden Beamte der Bezirksregierung die von rund 22 500 Bürgern mitgetragenen Einwände gegen das Projekt anhören.
BUND- und Greenpeace-Vertreter forderten bereits zu Beginn der Sitzung die Anhörung abzubrechen: Da Trianel vor dem Hintergrund des Energiekonzeptes der Bundesregierung selber an der Wirtschaftlichkeit des Projektes zweifele, sei es nicht angebracht, das Zeit- und arbeitsintensive Erörterungsverfahren weiterzuführen. Trianel-Anwalt Christoph Riese räumte zwar ein, dass die endgültige Entscheidung für das Kohlekraftwerk noch nicht gefallen sei, wies die Forderung aber zurück: „Die Entscheidung kann erst gefällt werden, wenn wir Sicherheit haben, dass es genehmigungsfähig ist.“

Protest in der Nachbarstadt
Seit dem ersten Bekanntwerden der Pläne trifft das Vorhaben in Krefeld, aber noch stärker im angrenzenden Duisburger Stadtteil Rheinhausen auf Ablehnung: Schwermetall-belasteter Feinstaub, so Berechnungen von Experten, würde wegen der vorherrschenden Windrichtung vor allem über Rheinhauser Wohngebieten niederkommen. Auch unter langfristigen Klimaschutz-Aspekten lehnen Umweltverbände das Kraftwerk mit geschätzten 4,38 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß pro Jahr ab. Als Alternative schlagen sie ein Gas- und Dampfkraftwerk vor. Dies sei wegen der Entwicklung auf dem Gasmarkt langfristig sogar wirtschaftlicher als die Kohle-Lösung.
Trianel-Projektleiter Jürgen Bewerunge warb dafür, dass das geplante Großkraftwerk dank eines elektrischen Wirkungsgrades von 46 Prozent bereits deutlich weniger CO2 freisetze als ältere Kohlekraftwerke. Wegen der Dampfauskopplung für den benachbarten „Chempark“, das ehemalige Bayer-Werk, liege der Wirkungsgrad sogar bei rund 60 Prozent. Die Umweltschützer entgegneten bei der Anhörung, dies sei ein Ideal-Szenario. Schon im Sommer, wenn die Kraftwerks-Abwärme nicht zum Heizen genutzt wird, sinke die Effizienz - und bei längeren Teillast- oder Ruhephasen erst recht.
Die Bayer-Tochter Currenta als Großabnehmer von Strom und Dampfkraft hatte im Vorfeld mehrfach betont, im Rahmen des Standort-internen Energiemixes in Uerdingen auf Kohle für die „Grundlast“ zu setzen. Bei Trianel selber waren dagegen Stimmen laut geworden, eine Lösung auf Erdgas-Basis sei, je nach Ergebnis der noch ausstehenden Prüfung der Wirtschaftlichkeit, denkbar.
Auf diese Wirtschaftlichkeit – auch vor dem Hintergrund der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke – setzen Kritiker wie die Grünen-Politikerin Bärbel Höhn: „Trianel ist in den Planungs-Szenarien von einem hohen, an den Ölpreis gebundenen Gaspreis ausgegangen. Die Entwicklung geht aber in eine andere Richtung.“
Doch die nächsten zwei Wochen geht es erst einmal um die Genehmigungsfähigkeit. Und wenn die Bezirksregierung Anfang 2011ihr Urteil gefällt hat, wird die unterlegene Seite vermutlich klagen: „Unsere Entscheidung, wie auch immer sie ausfällt“, ist Sitzungsleiter Siegfried Goetsch sicher, „wird gerichtlich überprüft werden.“ Er könnte Recht behalten: Umweltschützer Ulrich Grubert hat ein entsprechendes Vorgehen bereits angekündigt. Matthias Oelkrug

Hormonpräparate

CBG Redaktion

Presse Information vom 29. September 2010
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Arznei-Telegramm warnt vor sorglosem Testosteron-Gebrauch

unseriöses Marketing für Hormonpräparate / Studie wegen Risiken abgebrochen / „normale Alterserscheinungen nicht pathologisieren“

Das industrieunabhängige arznei-telegramm warnt in seiner aktuellen Ausgabe vor dem sorglosem Umgang mit Testosteron-Präparaten wie Nebido und Testogel . Eine Anwendung sei nur bei eindeutigen klinischen Symptomen zu empfehlen. Die Fachzeitung berichtet von einer aktuellen Studie mit einem Testosteron-Gel, die wegen schwerer Nebenwirkungen abgebrochen werden musste.

Größter Anbieter von Testosteron-Präparaten ist die Firma BAYER. Das Unternehmen verspricht „müden, lustlosen, unkonzentrierten und gestressten“ Männern „vital, aktiv und ausgeglichen“ zu werden, wenn sie einen angeblichen Testosteronmangel beheben. Nach Angaben von BAYER weisen in Deutschland 2 Millionen Männer zwischen 40 und 70 einen erniedrigten Testosteronspiegel auf. Tatsächlich sinkt die Testosteronkonzentration bei Männern ab 40 um etwa 1% jährlich. Ein kausaler Zusammenhang mit dem Auftreten von Altersbeschwerden ist nicht belegt.

Für das Marketing hat BAYER eigens die website Testosteron.de geschaltet. Ärzten wird hierauf empfohlen, individuelle Gesundheitsleistungen (iGeL) anzubieten, denn Erfolge einer Testosteron-Behandlung seien, so wörtlich, „schnell sichtbar und die Patienten zufrieden“. Dies führe „zu einer optimalen Kundenbindung“. In den vergangenen Jahren hat BAYER in aller Welt Hunderte Artikel lanciert, in denen Hormontherapien gepriesen werden. Als mögliche Indikationen werden Zunahme des Bauchfetts, verringerte Libido, Haarausfall oder eine Abnahme der Knochendichte genannt – Symptome, die noch vor wenigen Jahren als reguläre Alterserscheinungen galten.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Seit Jahren versucht BAYER, die „Männer-Gesundheit“ als Absatzmarkt zu etablieren. Normale Alterserscheinungen sollten jedoch nicht pathologisiert werden – zumal, wenn die Risiken einer Behandlung nicht absehbar sind. Hormone dürfen nur unter strenger ärztlicher Aufsicht und nicht als Lifestyle-Produkte eingesetzt werden.“ Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert die Produzenten auf, unseriöses Marketing für Testosteron zu unterlassen.

Das arznei-telegramm kommt in dem Artikel „Krank statt vital durch Testosteron“ zu dem Ergebnis: „Der Nutzen einer Testosteronanwendung ist unzureichend belegt. (…) Die Sicherheit einer langfristigen Behandlung mit Testosteron, z.B. hinsichtlich des Auftretens von Prostatakarzinomen, ist wegen der zu geringen Dauer und/oder Größe der Studien nicht belegt. Vor der unzureichend abgesicherten Anwendung von Testosteron bei Männern außerhalb der zugelassenen Indikation ist auch aufgrund der negativen Erfahrung mit der Hormonersatztherapie bei Frauen zu warnen“.

Die kürzlich veröffentlichte TOM-Studie (Testosterone in Older Men with mobility limitations), an der 209 Männer über 65 Jahren teilgenommen hatten, wurde abgebrochen, da in der Testosterongruppe erhöhte kardiovaskuläre Ereignisse, darunter ein tödlicher Herzinfarkt, auftraten. BAYER hingegen hatte in Pressemitteilungen behauptet, die Testosteronspritze Nebido könne das „Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich senken“. Belege für diese Behauptung wurden auch auf Nachfrage nicht vorgelegt. Testosteron-Präparate von BAYER wurden wiederholt auch zum Sport-Doping eingesetzt.

weitere Informationen:
· Der Artikel des arznei-telegramms
· „Bayers merkwürdige Männer-Pillen“
· Das Pharma-Marketing von Bayer

Klagen gegen BAYER

CBG Redaktion

28. September 2010

In der Wirtschaftswoche ist heute ein 8-seitiger Artikel zu Klagen gegen Pharmaunternehmen erschienen. Darin werden zwei Kampagnen der Coordination gegen BAYER-Gefahren aufgegriffen, Yasmin und Duogynon. Ein großes Foto zeigt Felicitas Rohrer, die in der vergangenen BAYER-Hauptversammlung zu tödlichen Nebenwirkungen von Antibaby-Pillen von BAYER gesprochen hat.

Pillen-Klagen

Der Feel-Bad-Faktor: Patienten verklagen Pharmariesen

Jürgen Salz (Düsseldorf)
Die Pharmaindustrie muss sich auf schwerere Zeiten einstellen. Mutmaßliche Medikamenten-Opfer gehen vor allem in Deutschland dazu über, Konzerne wie Bayer, Pfizer oder Merck & Co. verstärkt zu verklagen. Die Folgen für die Unternehmen sind kaum kalkulierbar.

Lothar Schröder will endlich Gewissheit. Er ist sicher, dass Zoloft, seine Frau in den Tod getrieben hat. Zoloft ist ein Mittel gegen Depressionen, das der US-Pharmakonzern Pfizer herstellt. Weil der die tödliche Nebenwirkung bestreitet, zieht der 47-jährige Mathematiker aus Dormagen bei Köln nun vor Gericht. Schröder verlangt von dem größten Arzneimittelhersteller der Welt, dass er Auskunft über die Gefahren gibt, die mit der Einnahme von Zoloft verbunden sind. Er verklagt den Konzern wegen fahrlässiger Tötung, verlangt Schadensersatz.
Die 61-jährige Rosemarie Herbermann aus der Nähe von München, streitet seit Jahren gegen MSD Sharp & Dohme vor Gericht. Das Unternehmen ist eine Tochter des US-Konzerns Merck & Co., der das umstrittene Schmerzmittel Vioxx produzierte und es 2004 wegen des Verdachts auf teilweise tödliche Nebenwirkungen vom Markt nahm. Herbermann erlitt vor Jahren einen Herzinfarkt und einen Schlaganfall – beides führt sie auf Vioxx zurück. In den USA hat das Unternehmen Milliarden für einen gerichtlichen Vergleich bezahlt. Die frühere Vorstandssekretärin ist eine von über 100 Klägern, die nun erreichen wollen, dass Merck & Co. endlich auch in Deutschland zahlen muss.

Badenerin will sich mit Bayer anlegen
Felicitas Rohrer, eine gelernte Tierärztin aus Bad Säckingen im Südwesten Deutschlands, wird sich demnächst mit dem Bayer-Konzern rechtlich anlegen. „Bayer hat mein Leben zerstört“, sagt die heute 26-jährige Frau. Sie fühlt sich als Opfer der Bayer-Verhütungspille Yasminelle, die sie eingenommen hat. Rohrer erlitt eine doppelte Lungenembolie. In ihren beiden Lungenflügeln bildeten sich Blutgerinnsel, sie verlor das Bewusstsein und war 20 Minuten lang klinisch tot. In einer dramatischen Aktion öffneten die Ärzte ihren Brustkorb und retteten sie. Das war vor etwa einem Jahr. Heute kann die Badenerin nicht lange stehen, sitzen oder sich konzentrieren, sie leidet unter Albträumen und Angstzuständen und kann, solange sie zur Verhinderung weiterer Thrombosen einen Blutverdünner einnehmen muss, keine Kinder bekommen.
Die Jahre zuvor hatte sie sich stets gesund ernährt, Sport getrieben und nie geraucht, sagt Rohrer. „Es gibt keinen anderen Grund für die Embolie als die Pille“, ist sie überzeugt. Deshalb will die Badenerin in den nächsten Wochen Bayer auf Schadensersatz verklagen. „Die Klage geht bald raus“, sagt ihr Anwalt Martin Jensch. Rohrer sieht gute Erfolgsaussichten, weil die Bayer-Verhütungspillen aus der Yasmin-Produktfamilie (Yasmin, Yasminelle, Yaz) auch in anderen Ländern mit Todesfällen und schwerwiegenden Nebenwirkungen in Verbindung gebracht werden.
Sowohl Pfizer, Bayer als auch MSD Sharp & Dohme bestreiten die Vorwürfe.

Pharmaklagen in Zahlen
Doch die Pharmakonzerne gehen – gerade auch in Deutschland – schwereren Zeiten entgegen. Immer mehr mutmaßliche Medikamenten-Opfer nehmen sich Anwälte und gehen gegen die mächtigen Pillenunternehmen vor. Durch die Klagen drohen den Medikamentenherstellern nun Imageschäden und Schadensersatzzahlungen. Zunehmend entscheiden die Gerichte in Deutschland – anders als früher – zugunsten der Kläger.
Die finanziellen Risiken der Pharmahersteller steigen. Der Umsatz der Bayer-Pille Yasmin etwa ist im zweiten Quartal weltweit um elf Prozent eingebrochen. Zwar mussten die Leverkusener sich in diesem Zeitraum gegen ein neues Konkurrenzpräparat des israelischen Herstellers Teva zur Wehr setzen. Doch zur Erlösminderung dürfte auch beigetragen haben, dass die Pillen aus der Yasmin-Produktfamilie in den USA, der Schweiz und Deutschland mit Todesfällen und schweren Komplikationen wie Embolien in Verbindung gebracht werden. In den Vereinigten Staaten sind derzeit etwa 2700 Klagen anhängig. Dabei zählen die Verhütungspillen zu den Spitzenpräparaten des Leverkusener Konzerns – allein 2009 brachten die Yasmin-Pillen einen Jahresumsatz von 1,3 Milliarden Euro ein.
In den USA, dem größten Arzneimittelmarkt der Welt, sind bei Medikamenten-Skandalen bereits hohe Summen fällig. Allein Merck & Co. zahlte in den USA wegen Vioxx fast fünf Milliarden Dollar. In Deutschland hat keiner der über 100 Kläger bislang auch nur einen Cent erhalten. Das Unternehmen erklärt, sich vor dem „Hintergrund der Besonderheiten des Rechts- und Gerichtssystems“ in den USA auf einen Vergleich eingelassen zu haben – langwierige und kostspielige Prozesse sollten so vermieden werden. Die Zahlung, so der Konzern, bedeute kein Schuldeingeständnis. Der britische Konzern GlaxoSmithKline ließ sich wegen seines umstrittenen Diabetes-Präparates Avandia – das Mittel soll zu Herzproblemen führen – auf eine Vergleichszahlung in Höhe von 460 Millionen Dollar ein. Auch GlaxoSmithKline bestreitet allerdings die Vorwürfe.
Inzwischen wehren sich aber auch die mutmaßlich Geschädigten in Deutschland stärker als zuvor. „Die Patienten sind mutiger geworden und machen mehr Druck auf die Unternehmen als früher“, sagt der Berliner Rechtsanwalt Jörg Heynemann, der zahlreiche Mandanten gegen Medikamentenkonzerne wie Pfizer, Merck & Co., Novo Nordisk oder Abbott vertritt.
„Die Kläger wurden meist mit Standardfloskeln abgespeist“
Auslöser für die sich aufbauende Klagewelle gegen die Pharmaunternehmen ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 1. Juli 2008. Die Richter minderten damit die Darlegungslast für geschädigte Patienten, die Schadensersatz einklagen wollen. Seither urteilen Gerichte zunehmend im Sinne der Kläger. Bislang hatten es die Pharmakonzerne nach der Erfahrung von Medizinrechtlern in Deutschland relativ leicht, Schadensersatzforderungen von Patienten abzuschmettern. „Die Kläger wurden meist mit Standardfloskeln abgespeist“, sagt Martin Jensch, der Anwalt der Bayer-Klägerin Rohrer. Die Einzelfälle seien zwar bedauerlich, hätten die Unternehmen meist erklärt, doch man könne keinen Kausalzusammenhang mit dem Medikament erkennen, werde das aber prüfen. „Danach kommt dann lange nichts mehr“, sagt Jensch. Mit der Beantwortung anwaltlicher Schreiben hätten sich die Konzerne meist viel Zeit gelassen, so der Anwalt. Vor allem aber hätten sie keine Unterlagen herausgerückt, in denen etwa unerwünschte Nebenwirkungen der Medikamente aufgelistet sind.
„Damit werden sie künftig kaum noch durchkommen“, prognostiziert Medizinrechtler Heynemann. Denn Gerichte in Berlin, Brandenburg und Siegen verfügten in den vergangenen Monaten, dass MSD Sharp & Dohme firmeninterne Unterlagen offenlegen muss – ein Novum in der hiesigen Rechtsprechung. Die Kläger wollen anhand der Unterlagen beweisen, dass Merck frühzeitig von einem erhöhten Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko seines Schmerzmittels Vioxx wusste.

Hohe Hürden für Schadensersatzklagen
Im Oktober will das Oberlandesgericht Köln entscheiden, ob auch Pfizer – nach der Klage von Mathematiker Schröder – Unterlagen zum umstrittenen Antidepressivum Zoloft präsentieren muss. Finden die Kläger darin belastendes Material, wächst die Chance, erfolgreich Schadensersatz einklagen zu können.
In den USA greifen in solchen Fällen oft sogenannte Sammelklagen, die im deutschen Rechtssystem in dieser Form nicht vorgesehen sind. Hunderte von Klägern bündeln ihre Interessen und lassen sich von Anwälten vertreten, die im Erfolgsfalle hohe Honorarsummen kassieren – damit kommt dann Schwung in die Gerichtsprozesse.
Wegen der besseren Erfolgsaussichten wollte sich auch die möglicherweise Vioxx-Geschädigte Herbermann einer solchen Sammelklage in den USA anschließen. Doch ein US-Gericht blockte den Versuch ab und beschränkte die Klage auf US-Bürger. „Dabei habe ich doch genauso gelitten wie Tausende Amerikaner“, sagt die 61-Jährige, „ich fühlte mich als Mensch zweiter Klasse.“
In Deutschland müssen die Pharmaunternehmen noch keine Sammelklagen fürchten. Stattdessen drohen ihnen viele Einzelklagen, bei denen es allerdings durchaus jeweils um fünf- bis sechsstellige Beträge geht. Zwischen 40 000 und 150.000 Euro Schadensersatz etwa fordert Anwalt Heynemann in Deutschland pro Vioxx-Patient – je nach Schweregrad der Erkrankung. Würden alle Kläger, die derzeit gegen Merck & Co. vor Gericht ziehen, ihre Ansprüche durchsetzen, müsste der Konzern insgesamt bis zu 15 Millionen Euro zahlen, schätzt Heynemann.
„Die Hürden sind immer noch hoch“, sagt der Anwalt. „Aber ich bin zuversichtlich, dass wir nach dem langen juristischen Prozedere Schadensersatzansprüche durchsetzen werden.“

Dabei sehen sich die Pharmahersteller längst nicht nur juristischen Klagen ausgesetzt. Die mutmaßlichen Pillen-Opfer entwickeln auch zunehmend öffentlichkeitswirksame Strategien, um die Medikamentenhersteller in die Enge zu treiben. Mutmaßlich geschädigte Patienten gründen inzwischen Interessengemeinschaften, rufen zum Boykott von Unternehmen auf und versuchen, Politiker für ihre Zwecke einzuspannen.
So trat die Badenerin Rohrer, die sich von der Anti-Baby-Pille Yasminelle geschädigt fühlt, auf der Bayer-Aktionärsversammlung auf. In ihrer Rede – Rohrer hatte sich von kritischen Aktionären eine Aktie übertragen lassen – las sie dann dem versammelten Vorstand und Aufsichtsrat die Leviten.
Die Folgen solcher Aktionen in der Öffentlichkeit sind für die Unternehmen kaum kalkulierbar. Für das größte Aufsehen in Deutschland sorgten in jüngster Zeit die Contergan-Opfer. 1957 brachte der Hersteller Grünenthal das fatale Schlafmittel auf den Markt – Tausende Kinder wurden mit verkürzten Armen und Beinen geboren. Nach einem längeren juristischen Prozedere ließ sich Grünenthal zu Beginn der Siebzigerjahre auf eine Vergleichszahlung von 100 Millionen Mark ein – aus heutiger Sicht ein lächerlich geringer Betrag.
Der Spielfilm „Nur eine einzige Tablette“, der vor drei Jahren im Westdeutschen Rundfunk lief, brachte das Thema Contergan zurück ins öffentliche Bewusstsein. Viele Contergan-Geschädigte traten öffentlich auf, waren in Filmen und Talkshows zu sehen. Durch den öffentlichen Druck erreichten sie, dass Grünenthal noch einmal 50 Millionen Euro lockermachte. Auch die Bundesregierung öffnete noch einmal die Schatulle und erhöhte die Renten für die Opfer.

Beispiele könnten Schule machen
Trotzdem können die Eigentümer von Grünenthal nicht damit rechnen, das Thema Contergan nun endgültig abgeschlossen zu haben. Eine Gruppe von Contergan-Opfern ruft inzwischen zum Boykott gegen Waschmittel der Dalli-Werke („Tandil“) und Düfte von Mäurer & Wirtz (Tabac, 4711) auf. Die Unternehmen gehören ebenfalls der Grünenthal-Eigentümerfamilie Wirtz. Die Kampagne soll bundesweit ausgedehnt werden.
Solche Beispiele könnten Schule machen. Eine weitere Initiative rückt Bayer zu Leibe. Im Allgäu organisiert der Lehrer Andre Sommer eine Interessengemeinschaft für mutmaßliche Duogynon-Opfer. Duogynon war ein Schwangerschaftstest des früheren Berliner Pharmaherstellers Schering, der Frauen in den Sechziger- und Siebzigerjahren entweder als Injektion oder als Dragee verabreicht wurde. Ende der Siebzigerjahre war von mindestens 1000 geschädigten Frauen die Rede, die Kinder mit auffälligen Fehlbildungen gebaren. Bei Sommer etwa war die Blase betroffen, die außen am Körper lag. Nach zahlreichen Operationen muss er nun dauerhaft mit einem künstlichen Ausgang leben.
2006 übernahm der Bayer-Konzern den Konkurrenten Schering. Für die Leverkusener, bei denen zum 1. Oktober der neue Vorstandschef Marijn Dekkers – ein gebürtiger Niederländer – antritt, wird es in den kommenden Monaten schwer werden, aus den Schlagzeilen zu kommen. Allerdings bestreitet der Pharma- und Chemieriese einen Zusammenhang zwischen Duogynon und den Missbildungen. Bayer verweist auch darauf, dass die Staatsanwaltschaft Berlin 1980 ein Verfahren eingestellt habe, weil es keinen Zusammenhang gebe.

Politik mischt sich langsam ein
Am 21. Oktober verhandelt nun das Landgericht Berlin die Auskunftsklage im Fall Sommer – es geht darum, ob Bayer firmeninterne Unterlagen offenlegen muss. Die Betroffenen verlangen endlich Aufklärung; in der Interessengemeinschaft haben sich mittlerweile 120 Mitstreiter zusammengefunden. Nach einem Fernsehbericht und diversen Zeitungsartikeln erhielt Lehrer Sommer inzwischen mehr als 1000 E-Mails zu Duogynon. Mittlerweile haben die möglichen Opfer beschlossen, auf der nächsten Hauptversammlung des Bayer-Konzerns im Frühjahr 2011 aufzutreten, um vom Unternehmen endlich Antworten zu erhalten.
Auch die Politik bringen die vermeintlich Pharma-Geschädigten zunehmend gegen die Unternehmen in Stellung. Im Juli etwa stellten die Grünen – im Sinne von Sommer – eine Anfrage an die Bundesregierung zu Duogynon. Gesundheits-Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz antwortete zwar, dass „kein wissenschaftlich überzeugender Beweis dafür erbracht werden (konnte), dass diese Hormongaben einen höheren Prozentsatz an Fehlbildungen bei Neugeborenen hervorrufen“. Gleichzeitig erklärte sie jedoch, dass die Bundesregierung die Rechte der Patienten stärken will sowie eine von der Pharmaindustrie unabhängige Verbraucher- und Patientenberatung einrichten werde. Auch die EU will die Patientenrechte und Informationsmöglickeiten verbessern – so sollen etwa die Packungsbeilagen verständlicher werden.
Leute wie Sommer stehen in vorderster Front gegen die mächtigen Medikamentenunternehmen, arbeiten sich mit ungeheurer Akribie in die meist hoch komplizierte Materie ein. Und versuchen, alle Register zu ziehen. Witwer Schröder etwa, der derzeit wegen des Todes seiner Frau gerichtlich gegen Pfizer vorgeht, hatte sich ursprünglich an seine Parteifreunde von der SPD in Berlin gewandt. Doch die Genossen konnten oder wollten ihm nicht helfen, also wurde er selbst aktiv.

Schröders Frau hat sich vor fünf Jahren umgebracht. Ihr Mann sagt, dass sie an leichten Depressionen litt und dagegen das Pfizer-Mittel Zoloft nahm. Zwischen der Pille und der Selbsttötung seiner Frau sieht Schröder einen Zusammenhang. Er fand Hinweise, dass Wissenschaftler und Zulassungsbehörden das Präparat Zoloft schon etliche Jahre zuvor mit Suiziden in Verbindung brachten. Pfizer, so Schröders Verdacht, habe nicht rechtzeitig über das Risiko informiert. Im Sommer 2009 landete der Rheinländer einen sensationellen Erfolg. Er erhielt vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in Bonn die Erlaubnis, die Zoloft-Akten – inklusive der Meldungen über unerwünschte Nebenwirkungen – einzusehen. Das war das erste Mal, dass die Zulassungsbehörde einem solchen Antrag auf Akteneinsicht stattgab. Zwei Tage lang stöbert Schröder zusammen mit der Tochter seiner verstorbenen Frau, Anwalt Heynemann und dem früheren Vorsitzenden der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Professor Bruno Müller-Oerlinghausen, 75 Leitz-Ordner durch.
Dabei stieß der Trupp auf brisantes Material. In einem Schreiben aus dem Jahr 1997 etwa hatte die Behörde Pfizer vorgeschlagen, im Beipackzettel auf die Suizidgefahr hinzuweisen. Doch es passierte nichts. Im März 2004 forderte die US-Zulassungsbehörde FDA Pfizer auf, bei Zoloft auf ein erhöhtes Risiko unter Kindern und Jugendlichen hinzuweisen. Auch die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft sorgte sich damals bereits wegen der Suizidfälle. Erst im Sommer 2005 änderte Pfizer, nach einem Beschluss der europäischen Arzneibehörde, den Beipackzettel – zu spät für Schröders Frau, die sich kurz zuvor umgebracht hatte.
„Wir bedauern den Verlust, den die Kläger durch den Suizid erleiden mussten“, schreibt Pfizer in einer Stellungnahme an die WirtschaftsWoche. „Wir haben die konkreten Umstände genauestens überprüft. Anhaltspunkte für die Annahme eines Kausalzusammenhangs mit der Einnahme des Medikaments Zoloft haben sich dabei nicht ergeben.“

Streit um Studien
Eine ähnliche Klage wie bei Zoloft steht – wegen des Verhütungsmittels Yasminelle – nun auch Bayer bevor. Die Badenerin Rohrer, die nach Einnahme der Pille 20 Minuten lang klinisch tot war, lässt sich gemeinsam mit der 28-jährigen Kathrin Weigele aus Regensburg, die ebenfalls an schweren Komplikationen litt, von der Kanzlei Dr. Burkhard Schulze und Kollegen vertreten. Das Anwaltsbüro aus Weiden in der Oberpfalz ist spezialisiert auf Haftungsfälle in der Medizin.
Die jungen Frauen halten auch Kontakt zu weiteren mutmaßlichen Yasmin-Opfern. Sie werfen Bayer vor, dass die Pillen aus der Yasmin-Produktfamilie das Thromboserisiko erhöhen und dass der Konzern darüber nicht rechtzeitig informiert habe. Seit dem Jahr 2000 werden in Deutschland zwölf Todesfälle mit Yasmin in Verbindung gebracht, weltweit sollen es 190 sein. In den USA sieht sich Bayer mit 2700 Yasmin-Klagen – wegen schwerwiegender Nebenwirkungen – konfrontiert.
Bayer sieht den Zusammenhang zu den Todesfällen und schweren Komplikationen als nicht erwiesen an. Das grundsätzliche Thromboserisiko bei allen Verhütungspillen sei bekannt. Zwei vom Unternehmen finanzierte Studien kommen zu dem Schluss, dass die Yasmin-Präparate – mit dem Wirkstoff Drospirenon – kein höheres Risiko aufweisen als andere Pillen.
Mit solchen Argumenten kommen Pharmaunternehmen inzwischen aber immer weniger durch. Sehr zum Leidwesen von Bayer argumentierten nämlich unabhängige dänische und holländische Wissenschaftler, das Risikoprofil älterer Anti-Baby-Pillen mit dem Wirkstoff Levenorgestrel falle deutlich günstiger aus das von Yasmin.

Bundesinstitut entkräftet Bayer-Argumente
Zwar versuchte Bayer die Kritik herunterzuspielen. Die dänische Studie weise erhebliche Mängel auf. Wichtige Faktoren wie Übergewicht und familiäre Vorbelastungen seien nicht berücksichtigt worden. Der holländischen Studie fehle es an statistischer Signifikanz, das heißt letztlich an der Beweiskraft.
Allerdings entkräftet das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte die Argumente von Bayer. „Die Studien haben Mängel, aber sie sind nicht erheblich“, sagt Ulrich Hagemann, Pharmazeut und Abteilungsleiter der Behörde. „Wir haben aus den Studienergebnissen den Schluss gezogen, dass die Änderung der Packungsbeilage der Yasmin-Familie notwendig ist.“
Im Frühjahr dieses Jahres änderte der Bayer-Konzern schließlich den Text für die Beipackzettel ab – die beiden für den Konzern ungünstigen Studienergebnisse finden dort künftig auch Erwähnung. In den USA musste das Unternehmen sogar einen Werbespot für Yasmin korrigieren, der die positiven Wirkungen übertrieben hatte. Einst wurde das Verhütungspräparat gar als „Pille mit Feel-Good-Faktor“ beworben.
Auch Felicitas Rohrer hatte die Pille eingenommen, weil sie angeblich schonender wirke. Ihre folgende Leidensgeschichte hat sie den Aktionären und Managern auf der Bayer-Hauptversammlung in Köln deutlich geschildert; während ihres Vortrags ist es sehr still. Die Aktionäre, die noch im Saal sind, schauen nachdenklich.
Draußen, im Foyer des Versammlungssaals hat Bayer eine Werbetafel aufbauen lassen. Glückliche junge Frauen sind dort zu sehen. Darüber steht geschrieben: „Eine kleine Pille verändert die Welt für immer.“ Felicitas Rohrer glaubt, dass die Verhütungspille Yasminelle ihre Welt ganz besonders verändert hat. Doch sie will nicht aufgeben. Die Klage gegen Bayer soll demnächst rausgehen.

[Dekkers] BAYER Vorstand

CBG Redaktion

Presse Information vom 22. September 2010
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Neuer BAYER-Chef: Wachsender Druck auf Arbeitnehmer befürchtet

Marijn Dekkers mit Karikatur begrüßt / Verkauf von BAYER MaterialScience in der Diskussion

Kritische Aktionäre begrüßen den neuen BAYER-Vorstandsvorsitzenden Marijn Dekkers mit einer Karikatur, die den Niederländer auf einer qualmenden Dampfwalze zeigt. Die Bildunterschrift in holländischer Sprache Opgepast Marijn Dekkers – Profijt is niet lekkers! warnt vor einer rücksichtslosen Erhöhung der Renditeziele des Konzerns. Dekkers tritt den Posten am 1. Oktober an.

Hubert Ostendorf von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Die Bilanz von Marijn Dekkers in amerikanischen Firmen lässt befürchten, dass BAYER auch künftig Gewinne zu Lasten der Mitarbeiter und der Umwelt erwirtschaften wird.“ Konkret in der Diskussion steht der Verkauf der Sparte MaterialScience. Teile des Kunststoff-Geschäfts hatte BAYER schon 2004 zusammen mit dem Chemie-Bereich abgestoßen; dies führte zu Entlassungen und deutlichen Lohn-Einbußen der verbliebenen Belegschaft.

Der Leverkusener Multi rekrutiert seinen neuen Vorstandsvorsitzenden erstmals nicht aus den eigenen Reihen, sondern ließ diesen von Headhuntern aufspüren. Der Holländer entsprach am besten den Vorstellungen, die sich BAYER vom Nachfolger des langjährigen Vorsitzenden Werner Wenning gemacht hatte: gute Beziehungen zu den Kapitalmärkten, Internationalität und Erfahrung im Kaufen und Verkaufen von Firmen und Betriebsteilen. Besonders über letztere Qualifikation verfügt Marijn Dekkers nicht zu knapp: bei seinem früheren Arbeitgeber, dem amerikanischen Laborgeräte-Hersteller Thermo Electron Corporation, veräußerte er 45 Firmensparten, machte Dutzende von Fabriken dicht und vernichtete Tausende von Arbeitsplätzen, ehe er den größeren Konkurrenten Fisher Scientific übernahm.

Für die Tochterfirma Bayer MaterialScience (BMS) hat BAYER bereits 2007 nach Interessenten Ausschau gehalten. Selbst mitten in der Rezession, als die Umsätze im Kunststoff-Markt einbrachen und kaum jemandem in der Branche der Sinn nach Akquisitionen stand, führte BAYER Verhandlungen mit Investoren aus Abu Dhabi. Vor drei Jahren hatte BMS trotz eines Rekordgewinns rund 10% der Arbeitsplätze – weltweit etwa 1.500 – gestrichen. In Belgien will BMS die Löhne aktuell trotz bestehender Tarifverträge und trotz eines Rekordgewinns um 10% kürzen.

Die Märkte verlangen indes weiteren Kahlschlag: „Von Dekkers erhoffen sich viele Analysten, dass sich der erste nicht im Konzern aufgewachsene Vorstandschef möglichst schnell vom ungeliebten Kunststoffgeschäft trennt“, so der Platow-Brief. Auch das Handelsblatt legt dem Holländer diesen Schritt nahe und fasst zusammen „Die Teilbereiche von BAYER verdienen zu wenig. Der neue Chef Dekkers muss durchgreifen“.

Auf die Beschäftigten dürften daher schwere Zeiten zukommen, selbst wenn sich BAYER für ein Festhalten am 3-Säulen-Modell aus Pharma, Kunststoff und Pestiziden entscheiden sollte. Ohne schwere Belastungen der Arbeitnehmer wird Dekkers den Wünschen der Investoren nicht gerecht werden können. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hingegen fordert, die rein auf Profit ausgerichtete Geschäftspolitik zugunsten einer ökologischen und sozial verantwortlichen Betriebsführung über Bord zu werfen. Der Verein arbeitet seit über 30 Jahren zu den Schattenseiten der BAYER-Geschäftspolitik.

weitere Informationen:
· Rekordgewinn und Arbeitsplatzvernichtung: Das Krisenmanagement von BAYER
· Interview „BAYER-Wurzeln sterben ab”
· Protest gegen Ausgliederungen im BAYER-Werk Antwerpen
· Lanxess: Belegschaft "verraten und verkauft

[Valette] Antibabypillen

CBG Redaktion

18. September 2010

Das industrieunabhängige arznei-telegramm untersucht in seiner aktuellen Ausgabe Sept/Okt 2010 die Risiken der Antibaby-Pille Valette von BAYER. Das a-t kommt zu dem Ergebnis, dass von einer Verschreibung abzuraten ist. Wie auch bei den Pillen Yaz und Yasmin ist davon auszugehen, dass das Thrombose-Risiko gegenüber älteren Präparaten stark erhöht ist.
Die von BAYER angeführten Entlastungs-Studien wurden von dem Unternehmen selbst in Auftrag gegeben und von ehemaligen Mitarbeitern der Firma durchgeführt. Objektive Pharma-Forschung sieht anders aus.
alle Infos zur Kampagne

a-t 2010; 41: 98-9

THROMBOEMBOLIEN UNTER DIENOGEST-HALTIGER PILLE VALETTE

Seit 15 Jahren ist das Dienogest-haltige orale Kontrazeptivum VALETTE auf dem deutschen Markt. Hinreichend beurteilbare Daten zum Risiko venöser Thromboembolien gab es für die international wenig gebräuchliche Kombination mit Ethinylestradiol bislang nicht: Von zwei Fallkontrollstudien war eine nur als „Zusammenfassung”1 publiziert, die andere gar nicht (a-t 2009; 40: 62-3). Jetzt liegt diese zweite Untersuchung vollständig veröffentlicht vor. Sie soll Nichtunterlegenheit von VALETTE gegenüber Levonorgestrel-haltigen oralen Kontrazeptiva (FEMIGOA u.a.) nachweisen, definiert als maximaler Anstieg des Thromboembolierisikos unter Dienogest auf weniger als das Doppelte (obere Grenze des Konfidenzintervalls {CI} < 2). Das errechnete Ergebnis erfüllt dieses Kriterium (Odds ratio 1,0; 95% CI 0,6-1,8).2

Die Unbedenklichkeit der Dienogest-haltigen Kombination ist unseres Erachtens dennoch nicht belegt: Der obere Wert des Vertrauensbereichs von 1,8 bedeutet, dass das Risiko venöser thromboembolischer Ereignisse unter Dienogest bis zu 80% höher sein kann als unter Levonorgestrel – für die Annahme von Nichtunterlegenheit inakzeptabel hoch. Zudem wurde die von Bayer Schering – Mutterkonzern des VALETTE-Anbieters Jenapharm – gesponserte Studie von dem in Berlin ansässigen Center for Epidemiology and Health Research (ZEG Berlin) durchgeführt, das von zwei ehemaligen Schering-Mitarbeitern geleitet wird, darunter J. DINGER, Hauptautor der aktuellen Publikation. Untersuchungen dieses Zentrums ergeben regelmäßig für die Hersteller oraler Kontrazeptiva günstige Ergebnisse. Beispielsweise stammt die EURAS-Studie3 zu Drospirenon-haltigen Kontrazeptiva wie YASMIN, in der ebenfalls ein Thromboembolierisiko vergleichbar dem unter Levonorgestrel-haltigen Pillen beschrieben wird, aus diesem Institut (a-t 2007; 38: 95-6). Nach Publikation zweier herstellerunabhängiger Studien, in denen die Gefährdung unter Drospirenon der von Kontrazeptiva der dritten Generation entspricht, mussten die Fachinformationen von YASMIN und PETIBELLE entsprechend geändert werden (a-t 2010; 41: 53-4). Von vier in einem systematischen Review4 identifizierten Fallkontrollstudien zum Thromboembolierisiko von Gestagen-Monopräparaten errechnen drei ein numerisch erhöhtes Risiko, während die vierte – durchgeführt vom ZEG – zu einer gegenüber Nichtanwendung verringerten Gefährdung kommt.5

Industrieunabhängige Daten zum Thromboembolierisiko hormonaler Kontrazeptiva mit neueren Gestagenen wie Dienogest sind dringend erforderlich. Das Problem ist nicht neu: Schon 2001 hatte eine Metaanalyse epidemiologischer Studien zum Thromboserisiko kombinierter oraler Kontrazeptiva festgestellt, dass die Zunahme der Gefährdung durch Präparate der dritten Generation beispielsweise mit Desogestrel (in MARVELON, Generika) gegenüber denen der zweiten Generation (z.B. mit Levonorgestrel) in Studien, die von Pharmaherstellern (mit) finanziert sind, deutlich geringer ausfällt als in unabhängigen Studien (a-t 2001; 32: 84).

Das Dienogest-haltige orale Kontrazeptivum VALETTE ist in einer firmengesponserten und von einem industrienahen Institut durchgeführten Fallkontrollstudie Levonorgestrel-haltigen Pillen (FEMIGOA u.a.) hinsichtlich des Risikos venöser Thromboembolien nicht unterlegen. Das errechnete Ergebnis schließt jedoch eine bis zu 80% höhere Gefährdung unter Dienogest nicht aus.

Solange unabhängige Studien fehlen, raten wir von Dienogest-haltigen Kontrazeptiva ab.

1 HEINEMANN, L.A. et al.: LAMSO 2001; 2: 6 Seiten (Zeitschrift ist nicht mehr im Internet auffindbar, –Red.)
2 DINGER, J. et al.: J. Fam. Plann. Reprod. Health Care 2010; 36: 123-9
3 DINGER, J. et al.: Contraception 2007; 75: 344-54
4 BERGENDAL, A. et al.: Acta Obstet. Gynecol. Scand. 2009; 88: 261-6
5 HEINEMANN, L.A. et al.: Eur. J. Contracept. Reprod. Health Care 1999; 4: 67-73

[Mirena] Hormonspirale

CBG Redaktion

Presse Information vom 16. September 2010
Coordination gegen BAYER-Gefahren

USA: „Tupper-Partys“ für Hormonspirale Mirena verboten

BAYER-Kampagne bagatellisiert die Risiken / Mehr als Hälfte der Frauen bricht Anwendung vorzeitig ab / 1700 Unterschriften für Petition

Mehr als 1700 Frauen unterstützen eine Petition, in der die Veröffentlichung aller Risiken der Hormonspirale Mirena gefordert wird. In dem an die US-Aufsichtsbehörde Food and Drug Administration (FDA) gerichteten Schreiben wird kritisiert, dass der Beipackzettel des von der Firma BAYER vertriebenen Produkts nur einen geringen Teil der Nebenwirkungen nennt. Die detaillierteren Angaben in den Informationen für Ärzte würden den Patientinnen meist nicht zur Kenntnis gebracht. Die mangelhaften Hinweise führten nach Aussage der Initiatorinnen der Petition dazu, dass Tausende Frauen falsch behandelt werden und die Ursachen ihrer Beschwerden jahrelang unentdeckt bleiben.

Mehr als jede zehnte Anwenderin von Mirena leidet unter schweren Nebenwirkungen, u.a. Depressionen, Zyklusstörungen, Gewichtszunahme, Eierstockzysten, Unterleibsschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Akne, Hautkrankheiten und Kopfschmerzen. Zudem besteht der Verdacht auf Erhöhung des Brustkrebsrisikos.

Derweil hat die Food and Drug Administration eine Mirena-Werbekampagne nach dem Muster von „Tupper-Partys“ untersagt. In dem Verbot der FDA heißt es, dass das Marketing von BAYER „die Wirksamkeit übertrieben darstellt, unbegründete Behauptungen aufstellt und die Risiken von Mirena bagatellisiert“. Im Rahmen der Kampagne sollten Promotion-Teams von BAYER in Privatveranstaltungen auftreten. Um Frauen für diese „Partys“ zu gewinnen, hatte BAYER einen Werbevertrag mit dem online-Portal MomCentral geschlossen.

In den von der FDA veröffentlichten internen Handlungsanweisungen für die Werbeteams finden sich Fragen an die Teilnehmerinnen wie „Wie würden Sie sich charakterisieren: heiß, sexy und spontan, oder zu müde für eine intime Beziehung?“ oder „viel beschäftigten Paaren empfehle ich eine Verhütungsmethode, an die Sie nicht jeden Tag denken müssen, so wie die Spirale Mirena“. Nach Aussage der FDA lässt sich das Werbeversprechen, wonach die Verwendung von Mirena zu einem befriedigenden Sexualleben führt, nicht belegen – im Gegenteil: mehr als 5% aller Anwenderinnen klagen über Verlust ihrer Libido. Die Aussage von BAYER, wonach sich Mirena-Benutzerinnen „großartig fühlen“, verharmlose die häufigen Nebenwirkungen. Thomas Adams von der FDA: „Dies war für uns extrem Besorgnis erregend, da dieses Produkt hohe Risiken trägt – unter anderem Infektionsgefahr und Verlust der Fruchtbarkeit.“

Jan Pehrke von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Tupper-Partys für risikoreiche Hormonpräparate sind ein neuer Tiefpunkt des BAYER-Marketings. Der Fall zeigt einmal mehr, wie gefährlich eine ausschließlich an Profitmaximierung orientierte Pharmaproduktion ist - schließlich verschweigt auch die unseriöse Werbung für die Antibaby-Pille Yasmin die höheren Risiken gegenüber älteren Präparaten. Die Aufsichtsbehörden müssen endlich ihren Respekt vor BAYER und Co. ablegen und Medikamente mit erhöhtem Gefahrenpotential verbieten.“

Eine im vergangenen Jahr in der Fachzeitschrift Gynecological Endocrinology veröffentlichte Studie zeigt, dass bis zu 60% aller MIRENA-Benutzerinnen die Anwendung vorzeitig abbrechen. Häufigster Grund sind die – oft schweren - Nebenwirkungen. Der Autor der Studie, der britische Frauenarzt Dr. Ayman A. Ewies, fordert alle Gynäkologen auf, Frauen rechtzeitig auf die Risiken hinzuweisen, da dies von BAYER nicht gewährleistet wird. „Die jüngsten Bedenken gegen MIRENA sollten allen Frauen zugänglich gemacht werden – unabhängig vom Marketing-Druck des Herstellers“, so Dr. Ewies. Nach Aussage des Gynäkologen müsse man sich von der Vorstellung verabschieden, dass Spiralen wie MIRENA nur lokal wirken: im Blutserum der Probandinnen fanden sich vergleichbare Hormonkonzentrationen wie bei Nutzerinnen der Antibaby-Pille.

Hier finden Sie die in der Zeitschrift Gynecological Endocrinology veröffentlichte Studie sowie einen Erfahrungsbericht

weitere Informationen:
· Das FDA-Verbot sowie das Promotion-Material für Mirena (engl)
· Der Wortlaut der Petition
. website Risiko Hormonspirale
· Artikel „Pharmamarketing von BAYER“
· Tödliche Nebenwirkungen der Antibabypille Yasmin

Jahrestagung

CBG Redaktion
Tagung am Samstag, 13. November 2010 in Düsseldorf:

Störfall-Risiken der chemischen Industrie

Pipelines, Kohlekraftwerke und Phosgen-Produktion

Zeit: 13. November, 9.30 – 17.30 Uhr Ort: Umweltzentrum Düsseldorf, Merowinger Str. 88 Eintritt: frei (Spende erwünscht) Veranstalter: Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V. Nordrhein Westfalen ist eine der dichtest besiedelten Regionen Europas. Gleichzeitig findet sich in NRW die größte Anzahl gefährlicher Chemie-Werke in Deutschland: die Phosgen- und Pestizid-Produktion bei BAYER, die Blausäure-Herstellung bei DEGUSSA, Acrylnitril und Benzol bei INEOS, die riesigen Chemieanlagen in Marl, Raffinerien von SHELL und BP, etc. Zu allem Überfluss will der BAYER-Konzern von seinem Dormagener Werk aus hochgiftiges Kohlenmonoxid per Pipeline nach Krefeld leiten. Dicht vorbei an Wohngebieten, Schulen und Kindergärten. Das jahrzehntelange Prinzip, wonach Gefahrstoffe nur am Ort ihrer Verwendung produziert werden, soll aufgegeben werden – ein gefährlicher Präzedenzfall. Tausende Anwohner sollen künftig im „Todesstreifen“ (O-Ton CDU-Bürgermeister von Monheim) leben. Proteste und Gerichtsverfahren konnten die für 2007 geplante Fertigstellung der Pipeline bis heute verzögern. Einmal mehr zeigt sich, dass wirksamer Bürgerprotest auch gegen mächtige Konzerne nicht chancenlos ist! Doch BAYER will von dem Projekt bis heute nicht abrücken. Wir wollen in der Tagung mit Aktiven und Betroffenen über die Risiken der chemischen Industrie in NRW sprechen, den Widerstand gegen CO-Pipeline und Störfällgefahren vorstellen, die Störfallbilanz von BAYER - dem größten Chemie-Unternehmen der Region – präsentieren und über künftige Möglichkeiten der Gegenwehr diskutieren. Themen und Referenten: => Geballte Risiken: Die Chemie-Industrie in NRW; Dr. Walther Ensslin, Chemiker => Von Baytown bis Ankleshwar – Störfälle bei BAYER; Philipp Mimkes, Dipl. Phys., Coordination gegen BAYER-Gefahren => CO-Pipeline: Kritik und Widerstand; Erich Hennen, Sprecher der Duisburger Pipeline-Gegner => Kohlenmonoxid-Vergiftungen: Hilfe unmöglich; Dr. Gottfried Arnold, Kinderarzt, Initiator eines Offenen Briefs von 100 Ärzten Das vollständige Programm findet sich unter: http://www.cbgnetwork.de/downloads/CBG_Jahrestagung2010.pdf ANMELDUNG: e-Mail an CBGnetwork(at)aol.com Fax 0211 - 33 39 40 Tel

Magnevist

CBG Redaktion

APOTHEKE ADHOC, 13. September 2010

KONTRASTMITTEL

FDA warnt vor Gadolinium

Berlin - Die US-Zulassungsbehörde FDA warnt vor dem Gebrauch von drei Kontrastmitteln, die das chemische Element Gadolinium enthalten. Wegen zum Teil tödlicher Nebenwirkungen bei Patienten mit Nierenerkrankungen sollen nun die Packungs- und Gebrauchsinformationen der Produkte Magnevist (Gadopentat-Dimeglumin), Omniscan (Gadodiamid) und Optimark (Gadoversetamid) mit entsprechenden Hinweisen ergänzt werden. Die Diagnostika werden zur Magnetresonanztomographie sowie -angiographie eingesetzt.

Die Kontrastmittel sollen künftig nicht bei Personen mit akuten Nierenverletzungen oder schweren chronischen Nierenerkrankungen eingesetzt werden. Die FDA weist darauf hin, dass vor dem Gebrauch die Nierenfunktion der Patienten getestet werden soll.

Unter der Anwendung der Gadolinium-Präparate kann es zur so genannten nephrogenen fibrosierenden Fibrose kommen, bei der sich das Bindegewebe von Haut, Muskeln oder der inneren Organe krankhaft vermehrt. Zu den Symptomen zählen rote oder dunkle Flecken sowie verdickte und verhärtere Haut. Insbesondere wenn auch die Organe betroffen sind, kann die Erkrankung tödlich verlaufen.

Magnevist wird in den USA von Bayer vermarktet, Omniscan von GE Healthcare und Optimark von Covidien.

weitere Informationen:
Magnevist: Woman sues Bayer over son's death
Bayer Settles Suits Over Imaging Dye Tied to Disease

Zensur

CBG Redaktion

Das Helmholtz-Gymnasium in Hilden (NRW) feiert morgen seinen 100. Geburtstag. Der langjährige Chemie-Lehrer Dr. Walther Ensslin sollte in der Festschrift über Auseinandersetzungen mit Chemiefirmen wie BAYER und ICI berichten. Seine Beiträge wurden jedoch von der Schulleitung gestrichen. Der Fall dokumentiert einmal mehr den vorauseilenden Gehorsam von Politik, Behörden und Bildungseinrichtungen gegenüber großen Unternehmen.

morgige 100-Jahrfeier des Hildener Helmholtz-Gymnasiums:

Kritische Beiträge aus Festschrift gestrichen

10. Sept. - Am morgigen Samstag findet in der Hildener Stadthalle die Jubiläumsfeier zum 100. Geburtstag des Helmholtz-Gymnasiums statt. Die Gala wird von ARD-Moderator Sven Lorig moderiert. Zu diesem Anlass erscheint auch eine etwa 100 Seiten starke Festschrift zur Geschichte der Schule. Dr. Walther Enßlin, jahrzehntelang Leiter der vielfach ausgezeichneten Chemie AG des Helmholtz-Gymnasiums, wurde gebeten, hierfür einige Beiträge zu verfassen.

Der Schulleiter Karl-Heinz Rädisch entschied jedoch, drei kritische Texte nicht in die Festschrift aufzunehmen, da er die Vertreter der Stadt nicht verärgern wolle. In den nicht gedruckten Beiträgen geht es u.a. um die Aushorchung der Schule durch den Werkschutz der Bayer AG sowie um die unrühmliche Rolle der Stadt Hilden bei der Asbestsanierung der Schule. Rädischs Vorgänger Bodo Wernicke hingegen befürwortet einen Abdruck.

Dr. Walther Enßlin: „Die Entscheidung der Schulleitung, kritische Bereiche der Schul-Geschichte in der Festschrift auszuklammern, ist enttäuschend. Mir geht es nicht um den Ruhm der Chemie-AG, sondern um die Frage, wie verantwortungsvoll mit den im Grundgesetz garantierten Gütern wie Meinungsfreiheit, Freiheit der Schule vom Druck durch Interessensvertreter und Recht auf körperliche Unversehrtheit umgegangen wird. Heutzutage geraten die Schulen immer mehr in finanzielle Abhängigkeit von Sponsoren - die Bespitzelung durch Bayer zeigt exemplarisch die hieraus erwachsenden Gefahren für die Beschäftigung mit industriekritischen Themen.“ Nach Ansicht von Enßlin wurde die Firma Bayer durch die heftige öffentliche Reaktion auf die damalige Aushorchung davon abgehalten, derartige Praktiken in anderen Schulen anzuwenden. „Wenn diese Vorgänge allerdings in Vergessenheit geraten, werden die Begehrlichkeiten von Bayer und anderen Firmen sicher wieder geweckt“, so Enßlin weiter.

Der Journalist Jürgen Streich, der in seinem Buch „Dem Gesetz zuwider“ über mehrere Hildener Umweltskandale berichtet hat, ergänzt: „Die Schüler der Chemie AG haben unter Anleitung von Dr. Enßlin engagiert und phantasievoll Aufgaben wahrgenommen, die eigentlich Aufgabe der Behörden bis hin zur Staatsanwaltschaft sind. Dies ist Erziehung und Ermutigung zu staatsbürgerlicher Verantwortung und Demokratie! Schade, dass für so etwas angeblich der Platz fehlt. Zensiert wird landauf, landab schon genug - immer weichgespültere und gleichgeschaltete Medien können wir nicht gebrauchen!“

Wir dokumentieren die Texte hier in ungekürzter Form (Nachdruck erlaubt):

Der Jogger, der aus dem Abendrot kam

von Walther Enßlin

1988 waren die Schülerinnen und Schüler noch mutiger, ihre Aussichten auf eine Stelle waren sicherer als heute im Jahre 2010. Deshalb konnte Walther Enßlin ihnen im Rahmen des Chemieunterrichtes zwei Veranstaltungen anbieten:

1. „Gift in unserer Nahrung dank Bayer“, vorgetragen durch die Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG).
2. “Gift in unserer Nahrung?“, gestaltet von einem Vertreter von Bayer.
Ursprünglich sollte es nur eine Podiumsdiskussion geben, aber Bayer weigerte sich, mit seinen Kritikern an einem Tisch zu sitzen. Sicherheitshalber waren in Absprache mit dem Schulleiter die Veranstaltungen als nicht-öffentlich geplant, um den Schülern die Möglichkeit zu geben, Diskussionsbeiträge zu einem kritischen Thema abzugeben, ohne dass sie dadurch später berufliche Schwierigkeiten bekommen könnten.

Am 27.1.1988 fand die erste Veranstaltung in der vollbesetzten Aula des HGHs statt. Der Vortrag der Coordination gegen Bayer-Gefahren war fundiert. Leider irritierte Walther Enßlin sein Sitznachbar, der emsig alles notierte. Auf die Frage, woher er käme, antwortete er, dass er als Jogger zufällig vorbeigekommen sei und dabei die Plakate gelesen hätte. Walther Enßlin wies darauf hin, dass hier zwar niemand etwas zu verbergen habe, aber die Veranstaltung nicht öffentlich sei und somit seine Notizen nicht veröffentlicht werden dürften. Die Verwunderung von Walther Enßlin über den guten Anzug und die hochglänzenden Schuhe des Joggers hielt nicht lange an, da er als Diskussionsleiter seinen Platz verlassen musste.

Wochen später bekam Walther Enßlin einen Anruf von Axel Köhler-Schnura von der CBG: „Es liegt ein Dossier vom Werkschutzmann Kramer von Bayer aus der Vorstandsetage von Bayer über die Veranstaltung und über den Unterricht von Walther Enßlin vor.“ Kramer hatte hierfür auch Schülerinnen und Schüler befragt. Das Dossier war der CBG von Bayer-Mitarbeitern zugespielt worden.

Da Walther Enßlin zusätzlich schon über Jahrzehnte vom Verfassungsschutz telefonisch abgehört wurde und vielleicht noch wird, bat er den Regierungspräsidenten auf dem Dienstwege um ein Rederecht bei einer von der CBG organisierten Pressekonferenz in Bonn. Dies wurde ihm zugestanden.

Der Journalist Martin Stankowski wollte hierüber im “Kritischen Tagebuch“ auf WDR3 berichten, erhielt jedoch einige Schwierigkeiten: Bayer sparte nicht mit Einstweiligen Verfügungen gegen die Veröffentlichung zum „Jogger, der aus dem Abendrot kam“. Juristen und Techniker des WDR harrten bis zur Sendezeit um 19 Uhr aus, damit die Sendung trotz Bayer-Protesten gesendet werden konnte.

Abgekämpft von der Pressekonferenz wurde Walther Enßlin schon am nächsten Tag aus dem Unterricht zum Schuldezernenten der Bezirksregierung Düsseldorf gerufen und mit den Worten empfangen: „Hier ist ein Chemielehrer zu viel“. Walther Enßlin sollte an eine Düsseldorfer Schule versetzt werden.

Enßlin wies auf das seltsame Zusammentreffen zwischen der Pressekonferenz zu Bayer und die folgende Androhung der Versetzung hin. Der Dezernent leugnete, etwas von der Bespitzelung zu wissen, obwohl die Meldung auf dem Dienstweg auch über seinen Schreibtisch gelaufen war und in allen Presseorganen zitiert worden war. Weiterhin bemerkte Walther Enßlin, dass er sehr engagierte Schülerinnen und Schüler sowohl im Unterricht als auch in seiner Arbeitsgemeinschaft hätte, die seine Versetzung an eine andere Schule nicht tatenlos zusehen würden.

Am letzten Ferientag der Sommerferien kam um 16 Uhr eine Verfügung der Bezirksregierung, dass der Kollege von Walther Enßlin, Herr P., am nächsten Tag an einer Schule in Düsseldorf seinen Dienst anzutreten hätte. Dieser erfuhr es am nächsten Tag und musste sofort zur neuen Schule fahren, wo er zu seiner Verwunderung drei zusätzliche neue Chemiekollegen vorfand, für die diese Schule nun keinen Bedarf hatte. Herr P. meldete sich krank, und die Düsseldorfer Schule hatte wenig Freude an der Versetzung.

Interessant war das Verhalten der Rechtsabteilung der Stadt Hilden, die die schriftliche Bitte des Schulleiters, Herrn Oberstudiendirektor Schmitz, nach rechtlicher Unterstützung – bei diesem Hausfriedensbruch durch Bayer – unbeantwortet ließ. Bei einem persönlichen Besuch stellte der Rechtsdezernent Sch. fest, dass Walther Enßlin durch die Wahl solch kritischer Themen die Bespitzelung durch Bayer selbst heraufbeschworen hätte. Darüber hinaus hätte Walther Enßlin das Hausrecht und die Stadt hätte damit nichts zu tun. Letztere Antwort wurde Walther Enßlin sicherheitshalber(?) erst nach Ablauf der Frist für eine Anzeige gegen Bayer zugestellt.

Eine Unterstützung, die Firma Bayer auf ihr unrechtmäßiges Tun hinzuweisen, fand Walther Enßlin nur beim Schulleiter, den Kollegen und der Elternpflegschaft. Vertreter der drei Parteien des Landtags (FDP, CDU, SPD) fanden nur abenteuerliche Ausflüchte dafür, nicht gegen Bayer vorzugehen zu müssen oder hüllten sich in Schweigen. Am Rande: Die Bespitzelung war durch den ehemaligen Helmholtzianer B. ausgelöst worden, der auch Walther Enßlin erläuterte, dass nicht ein Werksschutzmann, sondern deren zwei die Schule ausspioniert hatten.

Bayer lud zur Wiedergutmachung die Schülerinnen und Schüler des HGHs zu drei Veranstaltungen ein: Zu zwei Diskussionsrunden und zu einer Besichtigung des Pflanzenschutzzentrums in Monheim. Beim obligatorischen Photo vor dem Bayerportal drehten die Schülerinnen und Schüler entweder dem Fotografen den Rücken zu oder trugen schwarze Brillen – ein Horrorbild. Die Diskussionsveranstaltung zum Thema Gentechnologie wurde nach Aussagen des Vertreters von Bayer, Dr. Stadler und der Landtagsabgeordneten der Grünen, Frau Grüber, die bisher heißeste in ihren Laufbahnen. Zwei Jahre später entschuldigte sich Bayer bei Walther Enßlin und sandte ihm den Bayerbildband zum 100-jährigen Bestehen des Unternehmens zu.

Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hatte zur selben Zeit folgenden Satz auf einem Flugblatt verewigt: „In seiner grenzenlosen Sucht nach Gewinnen und Profiten verletzt BAYER demokratische Prinzipien, Menschenrechte und politische Fairness. Missliebige Kritiker werden bespitzelt und unter Druck gesetzt, rechte und willfährige Politiker werden unterstützt und finanziert.“

Bayer klagte dagegen und bei den folgenden Gerichtsverfahren ging es darum, ob dieser Text eine Tatsachenbehauptung oder eine Meinungsäußerung darstelle. In dem Verfahren spielte auch das Protokoll von Werkschutzmann Kramer eine wichtige Rolle, da es den Vorwurf der Bespitzelung erhärtete. Aus diesem nervenaufreibenden und kostspieligen Prozess über alle Instanzen, der die kleine Gruppe der Kritiker mehrmals beinahe in den Ruin trieb, stieg sogar Greenpeace als Verbündeter aus. Die Gerichte befanden schließlich in letzter Instanz, dass die Meinungsfreiheit höher einzustufen sei. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hatte bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen müssen, um dem Recht auf Meinungsfreiheit fünf Jahre nach Beginn des Verfahrens wieder Geltung zu verschaffen.

Noch heute setzt sich Bayer über die Meinung und Ängste der Anwohner hinweg und legte eine Giftgasleitung direkt durch deren Gärten. Kritiker der Giftgasleitung wie einzelne Kinderärzte des Kreises Mettmann werden unter Druck gesetzt, indem ihnen von Bayer mit dem Entzug von Geldern gedroht wird.

Asbest und Disziplinarverfahren

von Walther Enßlin

Ein Partyraum muss geschaffen werden. Die Aula-Garderobe im Keller des Helmholtz-Gymnasiums bot sich an. Schon ein ganzer VW-Bus war mühsam die Treppe hinunter in den Keller geschleppt worden. Doch es kam anders:

Alexander Ellendt erzählte Walther Enßlin, dass der neue Hausmeister S. meinte, dass der Bodenbelag, den sie gerade mit Hammer und Meißel herausstemmten und mit einer Schleifscheibe abschliffen, asbesthaltig wäre. Walther Enßlin las das „Gutachten“ vom „Asbest-Sachverständigen“ G., konnte darin aber keinen Hinweis auf Asbest im Bodenbelag finden.

Bei einem Ortstermin am 22. Dezember 1992 zu den vielen nachträglichen Asbestfunden und auf die Baumaßnahmen im Kellerraum angesprochen, gab sich die Stadtverwaltung unwissend. Sie versprach eine schnelle Überprüfung des Asbestverdachtes, da das Arbeiten in Asbest für Jugendliche strengstens verboten sei. In der gesamten Schule bestünde sonst auf Grund von Asbest Verseuchungsgefahr.

Es dauerte eine Woche, dann mahnte Schulleiter Wernicke bei der Stadt eine schnelle Antwort an. Die zweite, dritte und vierte Woche vergingen trotz mehrerer Anrufe und dringender Briefe seitens Schulleiter Wernicke. Nach vier Wochen bat Walther Enßlin Alexander um eine Probe des Bodenbelages. Alexander fischte aus dem Mülleimer eine Bodenplatte. Walther Enßlin brach davon eine Ecke ab, tütete diese ein und schickte die Probe an ein renommiertes Institut zur Asbestuntersuchung. Zwei Wochen später lag das Gutachten vor und bestätigte den Verdacht auf Asbest. Dieses Gutachten hängte Walther Enßlin im Lehrerzimmer aus.

Schon ein paar Tage später bekam Walther Enßlin nicht etwa wegen der Untersuchung eine positive Rückmeldung von der Stadtverwaltung. Nein, es traf eine durch den Stadtdirektor Göbel veranlasste und von dem neu im Amt sitzenden Schuldezernenten Gatzke verfasste Dienstaufsichtsbeschwerde mit folgenden fünf Punkten ein:

1. Nichteinhaltung des Dienstweges. Zur Erläuterung: Walther Enßlin hat seinen Schulleiter nicht von der Probenentnahme informiert.
2. Aufwiegelung der Schulöffentlichkeit: Das Gutachten hat Walther Enßlin im Lehrerzimmer ausgehängt.
3. Sachbeschädigung: Walther Enßlin hat von einer Bodenplatte aus dem Müll eine Ecke abgebrochen
4. Diebstahl: Diese Ecke hat er doch tatsächlich weggeschickt.
5. Verseuchung der Schule mit Asbest: Die Platte war – wie das Gutachten bewies – asbesthaltig, und somit hat eine unsachgemäße Arbeit durch Walther Enßlin mit Asbest stattgefunden. Dass die Schülerinnen und Schüler wochenlang beim Herausbrechen und -schleifen Asbeststaub eingeatmet hatten, kümmerte die Verwaltung der Stadt wenig.

Auch der Rat der Stadt Hilden beschloss einstimmig, dass nachdem ein Diebstahl und eine Sachbeschädigung im Helmholtz-Gymnasium durch einen Lehrer stattgefunden hätte, die Lehrerschaft aller Hildener Schulen darauf hingewiesen wurde, mit städtischem Eigentum pfleglich umzugehen.

Walther Enßlin verbrachte die Herbstferien ohne Familie, die in den sonnigen Süden fuhren, um die Vorwürfe zu entkräften. Er wies durch Aktenstudien nach, dass sowohl die Untersuchung auf Asbest als auch die Sanierung nicht gesetzeskonform verlaufen waren und eine hohe Gefährdung der Schülerinnen und Schüler und der Lehrer in Kauf genommen worden waren. Sowohl die Landesregierung als auch die Staatsanwaltschaft drückten sich fadenscheinigen Argumenten vor einer Strafverfolgung der für die Asbestuntersuchung und –sanierung im HGH Verantwortlichen.
Zur allgemeinen Erläuterung: Die durch Asbestaufnahme bis 1993 verursachten Krebsfälle – wie vor allem Lungen- und Bauchfellkrebs – steigen derzeit laut Untersuchungen von Toxikologen exponentiell an und werden zwischen 2015 und 2020 ihren Höhepunkt erreichen. Eine Erfassung der Krebsfälle der Schülerinnen und Schüler und dem Personal des Helmholtzgymnasiums existiert nicht.
Der Regierungspräsident rehabilitierte Walther Enßlin in allen Punkten und auch die Presse würdigte dies mit einem kurzen Artikel.

Doch wer glaubt, dass Walther Enßlin danach entspannt zu seiner fristgemäß – 6 Wochen vorher – angemeldeten Tagung hätte gehen können, zu der – üblicherweise – der Regierungspräsident in Düsseldorf noch nicht seine Einverständnis gegeben hatte und der Schulleiter es trotzdem – wie immer erlaubte –, der täuscht sich: Schon einen Tag nach der Tagung bekommt Walther Enßlin ein erneutes Disziplinarverfahren wegen unerlaubten Entfernens vom Schuldienst mit der Androhung einer Gehaltskürzung.

Glücklicherweise hatte der Schulleiter Oberstudiendirektor Wernicke die gute Idee, dass Walther Enßlin den Unterricht schon vorher erteilt hatte, wodurch sich das erneute Disziplinarverfahren – wie das vorhergehende – in Luft auflöste.

Umweltschutz rettet Arbeitsplätze

von Walther Enßlin und Jürgen Streich

Nach 15 Jahren ist die Sanierung des Geländes von ICI Hilden 2005 abgeschlossen. Sie kostete - weil biologisch und nicht physikalisch-chemisch durchgeführt - nur die Hälfte von den ursprünglich veranschlagten 80 Millionen DM. Die Firma ICI konnte ihr Gelände erst nach dieser Sanierung verkaufen, so dass ein Großteil der 1.500 Arbeitsplätze im Hildener Werk für 15 Jahre gesichert war. Dies ist ein Beispiel dafür, dass Umweltschutz und Arbeitsplatzsicherung sich nicht im Wege stehen, sondern sich sogar unterstützen.

Die Chemie-AG und damit das Helmholtz-Gymnasium erhielten aus dem Sanierungstopf der Firma ICI durch Prof. Dr. Henkler während dieser 15 Jahre jährlich ca. 8000.- DM, was auch zu ihrem Erfolg beitrug und den Etat von Schule und Stadt entlastete. Dazu die Vorgeschichte nach Jürgen Streich , “Dem Gesetz zuwider – Wie bundesdeutsche Behörden Umweltverbrechen zulassen”, Zebulon - Verlag 1993.

Jürgen Streich: „Wie das Miteinander von Bevölkerung und chemischer Industrie auch funktionieren kann, zeigt eine Geschichte, die – ganz real – in Hilden spielt. Ausgangspunkt war im Herbst 1990 eine Projektwoche am Helmholtz-Gymnasium. Die Chemie-AG unter Leitung des Lehrers Dr. Walther Enßlin hatte sich Luftuntersuchungen vorgenommen. Weil die Messergebnisse nachts nicht so stark durch Autoabgase beeinflusst werden, zogen die Schüler Michael Nieswandt und Karsten Schöning in der Dunkelheit los. Gegen zwei Uhr fiel ihnen übler Gestank auf, der aus einem Kanaldeckel drang. Die beiden gingen gar nicht mehr erst ins Bett, sondern brachten ihre Luftproben gleich in die Schule. Dort ergab die Untersuchung Erschütterndes: Die Lösungsmittelstoffe Essigsäureethylester, Xylol und Toluol, allesamt leber- und nierenschädigend, narkotisierend und letztere im Verdacht, Krebs auszulösen, drangen in derartigen Mengen aus dem Kanal, dass die maximal zulässige Arbeitsplatzkonzentration (MAK) überschritten war. Die Stoffe stammten offenkundig aus dem Werk des internationalen Chemiegiganten ICI.

Die Chemie-AG, deren Aktivitäten übrigens weit über den schulischen Bereich hinausreichen (jeden Freitagnachmittag treffen sich Schüler der Klassen 7 bis 13, um sich mit Umweltschutzthemen zu befassen), informierte das Werk und die Presse von ihrem Fund. Die Schüler und ihr Lehrer unterstrichen, dass sie bereit wären, bei der Lösung des Problems mitzuwirken. Und siehe da: Sie stießen auf einen für Umweltschutz aufgeschlossenen ICI-Mitarbeiter, den Leiter des Geschäftsführungsstabes der Bereiche Sicherheit, Gesundheit und Umwelt, Dr. Rolf-Dieter Henkler. Der lud die jungen Umweltschützer zunächst einmal ins Werk ein. Doch einer der Schüler, Michael Koch, war besonders akribisch. Vor dem Besuch wollte er ganz genaue Daten haben.

So begaben er, einige seiner Mitschüler und ihr Lehrer Enßlin sich erneut zu der Kanalöffnung. Als Walther Enßlin die Proben-Entnahmestelle in der Sackgasse durch sein quer gestelltes Auto sicherte, tauchte der ICI-Werkschutz auf. Dessen Mitarbeiter wollten die Umweltschützer aus der öffentlichen Straße vertreiben. Doch die ließen sich auf nichts ein, so dass die Werkschützer sich telefonisch bei der Geschäftsleitung erkundigten, was zu tun sei. Rolf-Dieter Henkler verfügte: Die Schüler haben bei der Überprüfung der Abwässer des Werks freie Hand und sind zu unterstützen.

Hilfe konnten die engagierten Jungchemiker dann tatsächlich gebrauchen, als sie erneut Besuch bekamen, und zwar von einem edlen Mann zu Pferde und seiner singenden Gefolgschaft. Dabei war nicht so sehr das Problem, St. Martins Ross und die Kinder mit ihren Eltern sicher an dem offenen Kanaldeckel vorbeizudirigieren, sondern vielmehr die Vermutung, dass die Lösungsmittelbestandteile in einer solchen Konzentration austraten, dass Walther Enßlin Explosionsgefahr aufgrund der brennenden Fackeln befürchtete. So war es wahrscheinlich ein glücklicher Zufall, dass gerade Fachleute vor Ort waren, die ein vorgezogenes unbeabsichtigtes Martinsfeuer mit wahrscheinlich traurigem Ausgang verhinderten.

Beim Werksbesuch wurde den Schülern dann klar: Hier werden gewaltige Lösungsmittelmengen über das Kanalnetz entsorgt. Auch stellten sie fest, dass aus den Abwässern des Klärwerks des Unternehmens bereits große Mengen der gefährlichen Stoffe in die Luft gelangten.

Zunächst einmal besorgten sich die Mitglieder der Chemie-AG bei der Stadtverwaltung Hilden Kanalkarten und stellten fest, dass die Zeichnungen das Papier nicht wert waren, auf dem sie gedruckt waren. Von ICI erhielten sie dann korrekte Kanalverzeichnisse. Rolf-Dieter Henkler war inzwischen überzeugt, dass der Ruf des Unternehmens auf dem Spiel stand und leitete eine umfassende Kanaluntersuchung in die Wege. Dabei kam heraus, dass der Boden der Rohre teilweise bereits weggefressen war und die Lösungsmittel ins Grundwasser sickerten. Bohrungen bis in sechs Meter Tiefe ergaben, dass dort auf einer Fläche von 1500 Quadratmetern im Durchschnitt zehn Zentimeter hoch Lösungsmittel auf dem Grundwasser schwamm. In 35 Metern Tiefe wurden chlororganische Verbindungen festgestellt, die von benachbarten Geländen ausgingen, von denen eines ehemals der Firma Mannesmann gehört hatte. Besondere Brisanz erhielten diese Grundwasservergiftungen, weil sie sich gen Düsseldorf bewegten. ’Doch das’, so der Chemiker Walther Enßlin‚will die Hildener Stadtverwaltung nicht wahrhaben.’

Ganz anders die Firma ICI. Deren Zentrale in London dachte sicherlich aufgrund der zu erwartenden immensen Sanierungskosten ernsthaft über eine Schließung des Hildener Werks nach, was den Verlust von 1.500 Arbeitsplätzen bedeutet hätte. Den Verantwortlichen in der Londoner Zentrale wurde jedoch schnell klar, dass eine Schließung nach deutschen Gesetzen zu riesigen Rückstellungen (ca. 50 bis l00 Millionen Mark) für die Sanierung führen würde, so dass die Geschäftsleitung unter der Beteiligung von Dr. Henkler die Chance sah, die Sanierung aktiv in die Hand zu nehmen. Vor diesem Hintergrund entschloss sich das Londoner Management, lieber in den Umweltschutz zu investieren. Es stellte 40 Millionen Mark zur Sanierung bereit.

ICI sammelte seine lösungsmittelhaltigen Abwässer in Containern und führte sie einer fachgerechten Entsorgung zu. Das gesamte firmeneigene Kanalnetz wurde zwischenzeitlich stillgelegt. Außerdem arbeitete das Unternehmen gemeinsam mit der Chemie-AG des Helmholtz-Gymnasiums an einem biologischen Verfahren, bei dem Bakterien Lösungsmittel abbauen. Dieser Weg war zwar zeitaufwändiger, aber weitaus kostengünstiger. Ein weiterer Nebeneffekt der von ICI eingeleiteten Untersuchung des Abwassers führte zu einer gewaltigen Reduzierung der Abwasservolumen von circa 80.000 l/a auf circa drei- bis fünftausend Tonnen pro Jahr bei gleichzeitiger Reduzierung der organischen Belastung. Die Abwässer, die das Werk ins öffentliche Kanalnetz einleitete, wurden in der Schädlichkeitskategorie mit denen aus Haushalten gleichgestellt, wodurch ICI allein die Summe von etwa einer halben Million Mark pro Jahr einsparte.

Trotz der insgesamt hohen Sanierungskosten für die Altlasten unterstützte der Chemie-Multi den Chemiebereich des Helmholtz-Gymnasiums und dessen im Umweltschutz engagierte Arbeitsgemeinschaft mit größeren Beträgen.

Bei soviel Zusammenarbeit entsteht gegenseitiges Vertrauen. So erhielt die Chemie-AG Einblick in sämtliche Genehmigungsunterlagen des Unternehmens. Walther Enßlin: ’Mitunter trauten wir unseren Augen nicht.’

Walther Enßlin zeigte die Untere Wasserbehörde wegen ihrer Genehmigungspraktiken an, nach der die Vorläuferfirma Wiederhold überhaupt keine Grenzwerte oder Beschränkungen bei der Einleitung von Lösungsmitteln in die Kanalisation einhalten musste. Von der Staatsanwaltschaft hieß es daraufhin sinngemäß: Behörden dürfen genehmigen, was sie wollen.

Die Schüler der Chemie-AG entwickelten gemeinsam mit dem Werk ein Überwachungssystem, das auch anderswo eingesetzt werden kann. Dazu bezahlte ICI ihnen bereits zwei Messstationen und einen Computer. Eine Station war mobil. Damit die Schüler, die meist noch keinen Führerschein besaßen, die Gerätschaften von A nach B bewegen und auch dabei dem Umweltschutzgedanken Rechnung tragen konnten, wurde sie auf einem Fahrrad installiert. Dem Chemielehrer Walther Enßlin wurde diese Anordnung seinerzeit zum Verhängnis: Er stürzte mit dem Rad und brach sich dabei einen Arm...“. (Ende des von Jürgen Streich s.o. zitierten und gekürzten Textes).

Dieses Jahr (2010) begann die Stadt Düsseldorf die giftigen, chlorierten Kohlenwasserstoffe mit großem Aufwand aus dem Grundwasser zu entfernen. Diese Schadstoffe waren auf Anregung der Chemie-AG 1990 unter dem Gelände von ICI entdeckt, später in der Grundschule Wiederhold gefunden worden und inzwischen 2 km weiter bis über die Stadtgrenze von Hilden gewandert, wo sie die Trinkwasserbrunnen von Düsseldorf bedrohen.

Ein Artikel des SPIEGEL zum Prozess gegen die CBG

Pressemitteilung

„Kritik findet nicht statt – oder: Der vorauseilende Gehorsam ist auch nach 100 Jahren noch modern am Helmholtz-Gymnasium?“

Das Helmholtz-Gymnasium in Hilden (NRW) feiert morgen seinen 100. Geburtstag. Der langjährige Chemie-Lehrer Dr. Walther Ensslin sollte in der Festschrift über Auseinandersetzungen mit Chemiefirmen wie BAYER und ICI berichten. Seine Beiträge wurden jedoch von der Schulleitung gestrichen. Der Fall dokumentiert einmal mehr den vorauseilenden Gehorsam von Politik, Behörden und Bildungseinrichtungen gegenüber großen Unternehmen.

Die schulpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion DIE LINKE und langjährige Politik-Lehrerin Gunhild Böth erklärt dazu:
„Gerade Lehrkräfte mit kritischem Verstand, die ihren Schülerinnen und Schülern Gelegenheit geben, sich für eigene Interessen und Interessen der Allgemeinheit zu engagieren, genauer hinzusehen, eigene Erkundungen anzustellen, zu kritischem Sachverstand zu gelangen, werden in Festakten zur politischen Bildung gefordert. Wenn aber ein Lehrer wie Herr Dr. Enßlin die daraus entstehenden Konflikte, die notwendigerweise im politischen Raum auftreten, in einer Festschrift dokumentieren will, werden sie mundtot gemacht? Das ist ein Skandal! Im Gegenteil sollte die Schule stolz sein auf solche Projekte und diese bei Wettbewerbungen der Landeszentrale für politische Bildung einreichen!“

Gunhild Böth
Mitglied des Landtags NRW
Vizepräsidentin des Landtags
Bildungspolitische Sprecherin
Fraktion DIE LINKE
Platz des Landtags 1
40221 Düsseldorf

[Pipeline] CO Pipeline stoppen!

CBG Redaktion

Rheinische Post, 9. September 2010

Rückenwind für Pipeline-Gegner

Umweltminister Johannes Remmel (Bündnis 90 / Grüne) strebt ein neues Genehmigungsverfahren zur umstrittenen CO-Pipeline zwischen Dormagen und Krefeld an. Derzeit ruht die Arbeit an der Trasse, weil Schäden an der Isolierung der Leitung festgestellt worden sind.

Die Betreiber der umstrittenen Bayer-Kohlenmonoxid-Pipeline von Dormagen nach Krefeld müssen mit einer weiteren Verzögerung der Inbetriebnahme rechnen. Der neue Umweltminister Johannes Remmel (Bündnis 90/Grüne) und die Bezirksregierung Düsseldorf streben ein neues Planfeststellungsverfahren mit Beteiligung der Öffentlichkeit für sämtliche Abweichungen der Bauausführungen von den genehmigten Plänen an. Das gab Remmel gestern im Umweltausschuss des Landtags bekannt. Anwohner zwischen Dormagen und Krefeld befürchten im Falle eines Schadens an der Anlage eine Katastrophe durch das geruchlose tödliche Kohlenmonoxid.

Pipeline-Gegner, von denen sich viele gestern auf den Weg nach Düsseldorf gemacht haben, reagieren auf die Ankündigung Remmels mit Genugtuung. Dieter Donner, Sprecher der Bürgerinitiativen gegen die Pipeline, kommentiert die Ankündigung des Ministers so: „Wir freuen uns, dass die CO-Pipeline auf Jahre nicht in Betrieb genommen werden kann.“ Nach seiner Ansicht habe Remmel die Konsequenz aus einer Reihe von Mängeln, Versäumnissen und Schlampereien gezogen, die im Zuge des Pipeline-Baus bekanntgeworden waren. Anwohner Peter Buhlert (65) aus Monheim bemerkt trocken. „Remmel soll die Todes-Pipeline stoppen. Dafür haben wir ihn gewählt.“

Ein Bayer-Sprecher gibt sich dagegen gelassen: „Wir sind über die Ankündigung des Ministers nicht überrascht und begrüßen das Verfahren. Das gibt uns die Möglichkeit, Planungsanpassungen wie etwa die punktuelle Verlegung von Trassen zu erklären.“ Ob ein zweites Planfeststellungsverfahren auch zu Verzögerungen der Inbetriebnahme führe, lasse sich jetzt noch nicht abschätzen.

Trotzdem ist unverkennbar, dass Bayer der Wind ins Gesicht weht. Remmel war zu Oppositionszeiten einer der entschiedensten Pipeline-Gegner. Zudem sitzt in der Düsseldorfer Bezirksregierung in Anne Lütkes eine Parteifreundin Remmels auf dem Chef-Sessel. Ihre Behörde ist Herrin des Genehmigungsverfahrens. VON JÜRGEN STOCK

alle Infos zur Kampagne

Rheinische Post, 21. September 2010

CDU setzt auf Röttgen

Langenfeld/Monheim (RP) Während der Bundesumweltminister für seine kritischen Äußerungen zur CO-Pipeline Kritik einstecken muss, ist er für die Christdemokraten vor Ort ein neuer Hoffnungsträger. Auch die CDU-Landtagsfraktion müsse nun umdenken.

Die ablehnende Haltung von Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) zu der in der Region umstrittenen Kohlenmonoxid(CO)-Pipeline des Bayer-Konzerns (wir berichteten) nährt an der christdemokratischen Basis im Kreis Mettmann Hoffnungen auf einen Sinneswandel auch in der CDU-Landtagsfraktion.
„Ich hoffe, dass die Pipeline-kritischen Äußerungen eines Mitglieds des Bundeskabinetts auch in unserer Düsseldorfer Fraktion für ein Umdenken sorgen“, sagt Hans-Dieter Clauser, CDU-Landtagsabgeordneter für den Südkreis und Vorsitzender der Langenfelder CDU-Mittelstandsvereinigung (MIT).
Damit reagiert Clauser auf Äußerungen seines Vizefraktionschefs Lutz Lienenkämper. Der hatte am Sonntag betont, die CDU-Fraktion „steht zu diesem Projekt“. Bislang sind die vier Abgeordneten aus dem Kreis Mettmann die einzigen aus dem Unionslager, die sich offensiv gegen die 67 Kilometer lange Röhre zwischen den Bayer-Standorten Dormagen und Uerdingen wenden.
Genau wie Monheims CDU-Fraktionschef Tim Brühland hatte auch Clauser am Wochenende an der vorletzten Regionalkonferenz der Partei teilgenommen. Bekanntlich sollen diese Konferenzen beim Kampf um den CDU-Vorsitz in NRW eine Entscheidungshilfe bieten. Die beiden Christdemokraten sind sich als Augen- und Ohrenzeugen sicher: „Röttgen ist da nichts herausgerutscht. Er wollte Position beziehen.“ Vor allem im Unterschied zu Armin Laschet sei dies deutlich geworden. Laschet habe vorsichtiger agiert. „Er hat den bekannten Satz wiederholt, dass es nun vor allem auf die Entscheidung der Gerichte ankomme“, sagt Brühland.

„Kein Opportunismus“
Dass Röttgen ausgerechnet auf der Düsseldorfer Regionalkonferenz sowie wenige Tage vor einem Auftritt in Ratingen (siehe Info) seine Skepsis gegenüber der weitgehend fertig gestellten, derzeit mit einem Baustopp belegten CO-Pipeline öffentlich machte, ist nach Einschätzung der hiesigen Christdemokraten „keineswegs Ausdruckvon Opportunismus oder gar Populismus“.
Vielmehr tue der Mann aus Merkels Kabinett das, was die Menschen immer wieder von Politikern forderten. „Er hört auf die Basis.“ Sorgen, dass die CDU bei einem landesweiten Schwenk gegen die Pipeline ihren industriepolitischen Markenkern verlieren könnte, hat Landespolitiker Clauser im Übrigen nicht. Versuche der Konzerne und Verbände, die Gegnerschaft zur Pipeline in eine Reihe mit anderen Projekten, wie den Kraftwerksneubauten in Datteln und Krefeld, zu stellen, hält er für „unredlich“.
Die nach Einschätzung vieler Experten und Bürger gefährliche Gasleitung, die nur wenige Meter von Einfamilienhäusern, Schulen und Kindergärten vorbeiführe, sei ein singulärer Fall. Clauser: „Ich bin Unternehmer und MIT-Boss, halte viel vom Chemiestandort Nordrhein-Westfalen und bin trotzdem gegen dieses unverantwortliche, von Pannen, Mängeln und Nachbesserungen durchsetzte Projekt.
Die rot-grüne Minderheitsregierung forderte er auf, Farbe zu bekennen. Am entscheidenden Punkt bleibe der Koalitionsvertrag schwammig. Clauser: “Stimmten SPD und Grüne tatsächlich geschlossen gegen die Leitung, könnten sie für eine Mehrheit im Landtag auf unsere vier CDU-Stimmen aus dem Kreis Mettmann rechnen." VON JÖRG JANSSEN

[Tierversuche] Undercover-Recherche von PETA USA: Auch Bayer ließ Produkte in Skandal-Versuchslabor testen

CBG Redaktion

Hunde, Katzen und Kaninchen für Anti-Flohmittel gequält

Gerlingen, 9. September 2010 – Eine neue Undercover-Recherche der weltweit größten Tierrechtsorganisation PETA USA (People for the Ethical Treatment of Animals) enthüllt, wie Hunde, Katzen und Kaninchen in einem Versuchslabor im amerikanischen North Carolina grausam misshandelt werden. Das auf Floh- und Zeckenmittel spezialisierte Labor „Professional Laboratory and Research Services, Inc.“ (kurz: PLRS) testet auch für die Hersteller der Floh- und Zeckenmittel „Advantage / Advantix“ (Bayer Konzern, Leverkusen), „Frontline” (Merial GmbH, Hallbergmoos) und „Exspot“ (Essex Pharma GmbH, München).

PETAs Videoaufnahmen zeigen, wie Labor-Mitarbeiter Hunde treten, hinter sich herschleifen und in eine Ecke werfen. Kaninchen werden an den Ohren und Hundewelpen an der Kehle hochgerissen. Katzen werden in Käfige regelrecht geknallt. Die Tiere werden in ihren eigenen Fäkalien zurückgelassen und obszön als „Arschloch“ und „Motherfucker“ beschimpft. Hunde werden mit einer Mischung von Wasser, Chlor und anderen gefährlichen Chemikalien besprüht. Verletzte und kranke Tiere werden über Jahre nicht tierärztlich versorgt. PETA fordert alle beteiligten Pharmaunternehmen auf, die Geschäftsbeziehungen zu diesem Labor sofort abzubrechen. Außerdem bittet die Organisation alle Heimtierhalter, bei den Herstellern der betreffenden Floh- und Zeckenmittel gegen die Tierversuche und die grausame Behandlung der Tiere zu protestieren. Einen entsprechenden Online-Aktionsaufruf und das Undercover-Video finden Sie auf www.peta.de/plrs.

„Das Leben der Tiere bei PLRS ist ein einziger Albtraum. Kein Hunde- oder Katzenhalter kann akzeptieren, dass Hunde und Katzen so schrecklich gequält werden. Die Verantwortlichen in den Pharmakonzernen müssen unverzüglich reagieren!“, so PETA-Tierärztin und Kampagnenleiterin Christine Esch.

Sendefähiges Videomaterial: http://petaav.com/4broadcast/product_testing_media_edit_peta_v1.htm

Endosulfan

CBG Redaktion

Presse Information vom 8. September 2010
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Brasilien: BAYER-Pestizid kontaminiert Soja

„Endosulfan sofort vom Markt nehmen“ / Entschädigung für Landwirte gefordert

Im Süden von Brasilien wird die Soja-Ernte von Biobauern durch das hochgefährliche Pestizid Endosulfan kontaminiert. Zu den Verkäufern des Giftstoffs gehört auch die deutsche Firma Bayer CropScience. Auf öffentlichen Druck hin kündigte Bayer zwar an, den Verkauf von Endosulfan bis zum Jahresende einzustellen – bis dahin sollen aber offenbar alle Restchargen abgesetzt werden.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Wir fordern das Unternehmen BAYER auf, den Verkauf von Endosulfan unverzüglich einzustellen. Zudem muss BAYER die Biobauern in Capanema entschädigen. Ein gefahrloser Umgang mit Giftstoffen wie Endosulfan ist schlichtweg unmöglich – daher muss der Hersteller für alle Folgen haften.“

In den letzten Jahren hat die Belastung mit Pestiziden rund um den Ort Capanema drastisch zugenommen. Schuld daran sind nicht die Biobauern, die ohne Agrochemikalien arbeiten, sondern der starke Einsatz von Endosulfan in benachbarten Plantagen. Große Mengen des Giftstoffs verdunsten und schlagen sich auf angrenzende Felder nieder. Wegen der strengen Bio-Standards ist die Ernte nun unverkäuflich. Die Landwirte stehen vor dem Ruin.

Die Kleinbauern aus Capanema fordern daher in einer Petition an die brasilianische Regierung ein sofortiges Verbot der Giftstoffe Endosulfan, Paraquat und Methamidophos. Im vergangenen Jahr hat Brasilien über 2000 Tonnen Endosulfan importiert. Allein in der Gemeinde Capanema wurden mehr als fünf Tonnen ausgebracht - doppelt so viel wie in den Vorjahren. „Brasilien wird zur Mülldeponie. Alle problematischen Pestizide, welche andernorts nicht mehr verkauft werden können, werden hierher gebracht“, kritisiert Rosany Bochner, Toxikologin am brasilianischen Institut Fiocruz.

Die Schweizer fairtrade-Firma gebana analysierte das biologisch produzierte Soja aus Capanema und fand rund 0.05 ppm Endosulfan pro Kilogramm. Das ist zwar deutlich unter dem gesetzlichen Grenzwert von 0.5 ppm, aber für Bioprodukte dennoch zu viel. Den Bauern, die ihre Felder mit Sorgfalt biologisch bewirtschaften, wird dadurch die Existenzgrundlage entzogen. Die gebana initiierte daher die Kampagne „chega!“ - übersetzt „Es reicht!“.

Endosulfan ist in sechzig Ländern verboten, in Deutschland seit fast zwanzig Jahren. BAYER exportiert das Pestizid jedoch weiterhin ins Ausland. Auch in Indien, China und Israel wird Endosulfan weiter produziert. Die Chemikalie greift Nervensystem, Blutkreislauf und Nieren an, immer wieder kommt es zu tödlichen Vergiftungen. 99% der Unfälle betreffen Landarbeiter und Landarbeiterinnen in der „Dritten Welt“, da diese weder über die nötige Schutzkleidung verfügen, noch die Warnhinweise auf dem Produkt verstehen. Sollte die Chemikalie im kommenden Jahr auf die Liste der Stockholm Konvention aufgenommen werden, käme dies einem weltweiten Verbot gleich.

Unter http://www.chega.org kann die Petition unterzeichnet werden. Außerdem findet man hier ausführliche Informationen zum Sojaanbau und die Gelegenheit zur Spende an die Kampagne „chega!“

update vom 05 Nov. 2010

CHEGA! hat 5800 Unterzeichnende! „Die betroffenen Biobauern können kaum glauben, dass sich Menschen weltweit mit ihnen solidarisieren“, erzählt Adrian Wiedmer. Er ist Geschäftsführer der Fairtrade Organisation gebana und arbeitet seit Jahren mit den Biobauern in Capanema zusammen. Im Oktober war er vor Ort um die weiteren Massnahmen im Zusammenhang mit dem Endosulfan-Problem sowie die Bio-Zertifizierung und die Vorfinanzierung der nächsten Ernte zu koordinieren.

Adrian Wiedmer berichtet über erste positive Entwicklungen: So hat Bayer wie angekündigt im August alle Restbestände von Endosulfan aus den Lagern in Capanema zurückgezogen. Ausserdem konnten die ersten zehn Container mit Soja nach Europa importiert werden. Diese Ware wird als Bio anerkannt, kann allerdings nur als Futtersoja verkauft werden, was mit grossen Verlusten verbunden ist.

In Südbrasilien steht die nächste Soja-Aussaat an. Obwohl Bayer ihr Produkt vom Markt genommen hat, werden andere Hersteller Endosulfan weiterhin verkaufen. Um die lokalen Anbieter unter Druck zu setzen, werden wir sie in einem Schreiben auf die Gefahren von Endosulfan und die gesetzlichen Bestimmungen für dessen Verkauf aufmerksam machen.

weitere Informationen:
· Aktionen gegen Bayer-Pestizid Endosulfan erfolgreich
· Umweltverbände fordern Verkaufs-Stopp von Endosulfan
· Klasse I-Pestizide von BAYER

Bio-Bauern wehren sich gegen Pestizid-Kontamination

Die Biobauern von Capanema haben die Nase voll. Sie kämpfen für ihr Recht biologisch produzieren zu dürfen und gegen die Verunreinigung ihrer Produktion mit Pestiziden. Campanema ist ein Dorf im Süden Brasiliens, ganz in der Nähe der berühmten Wasserfälle von Iguaçu und dem dortigen Nationalpark gelegen. Von seinen rund 20'000 Einwohnern leben rund die Hälfte von der Landwirtschaft. Sie bewirtschaften Höfe von durchschnittlich 10-20 Hektaren Grösse. Als italienische und deutsche Auswanderer sind sie vor etwa hundert Jahren nach Brasilien gekommen. Auf der Suche nach dem besseren Leben.

Capanema hat eine bewegte Geschichte. In den 50er Jahren verbreitete eine aggressive Holzfirma Angst und Schrecken in der Region, um die Bauern zu vertreiben. Das Land hatte die Regierung sowohl den Bauern als auch der Firma zugeteilt. Aber die Bauern wehrten sich. Sehr arm und kaum bewaffnet, schafften sie es, die Firma und ihre Desperados zu verjagen. Die Region um Capanema ist deshalb eine der wenigen Regionen in Brasilien, in der Kleinbauernwirtschaft überlebt hat.

Mit der Intensivierung der Landwirtschaft in den 80er Jahren kam es wegen der Anwendung von Pestiziden zu schlimmen Unfällen. Unerfahren und unvorsichtig im Umgang mit den Spritzmitteln, starben Bauern und Kinder durch den Kontakt mit den giftigen Substanzen. Eine Gruppe dieser Bauern entschied sich, fortan darauf zu verzichten und nach Alternativen zu suchen. Biologische Soja war eine der Alternativen, auch wenn man damals noch nicht wusste, dass dieser Anbau „biologisch“ heisst und dass es dafür ein besonderes Kundeninteresse gibt. In den 90er Jahren haben diese Bauern Schritt für Schritt ihren Markt aufgebaut, seit 1999 in Zusammenarbeit mit der Fairtrade-Pionierfirma gebana.

Die konventionell arbeitenden Bauern in der Umgebung verwendeten allerdings weiterhin Pestizide aller Art und liessen sich auf die Gentechnik ein. Mit intensiver Werbung und vielen Versprechen bringt die Agroindustrie gentechnisch verändertes Saatgut (GVO) und immer neue Spritzmittel an die Bauern.

Die Biobauern führen derweil eine schwierige Existenz. Sie werden ausgelacht, weil sie ihre Felder von Hand bearbeiten und ohne die Hilfe von Pestiziden mit Schädlingen zu kämpfen haben. Im Vergleich zu den konventionellen Bauern arbeiten sie nicht nur härter, sondern müssen erst noch immense Anstrengungen unternehmen, um ihre Soja von der GVO Soja der Nachbarn und vom Einfluss der Spritzmittel freizuhalten. Und die Kosten dafür tragen sie alleine. Es liegt an ihnen, Schutzhecken gegen Pestizid-Verunreinigungen um ihre ohnehin schon kleinen Anbauflächen herum zu erstellen. Mit einem Teil ihrer Ernte müssen sie die geliehenen Mähdrescher „reinigen“ und diesen Teil als konventionell verkaufen, um den anderen Teil der Ernte von GVO-Kontaminationen fern zu halten. Weiteres Geld und Mühsal fliesst in separate Warenflüsse, Probennahme und chemische Analysen.

Leider sind die Kunden der biologischen Soja oft nicht besonders daran interessiert, wie und wo ihre Soja angebaut wird. Sie denken nicht mehr an die Umwelt und an die sozialen Aspekte der Produktion. Im Vordergrund steht die „Reinheit“ des Konsumgutes. Deswegen ist die eindimensionale chemische Analyse der Produkte ins Zentrum gerückt und der nachhaltige Anbau zweitrangig geworden. Wie alle Kleinbauern weltweit besitzen auch die Kleinbauern in Capanema in diesem Spiel die schlechteren Karten. Ihre kleinen Felder sind den Einflüssen der Nachbarbauern stark ausgesetzt. Zusätzlich sind die vom Staat vernachlässigten peripheren und armen Regionen ein idealer Ort, um in Europa schon lange verbotene Spritzmittel loszuwerden und einen lukrativen Ausverkauf zu betreiben.

Eines dieser Gifte ist Endosulfan, welches zu den umstrittensten Pestiziden gehört. Es baut sich in der Umwelt nur sehr langsam ab und ist bereits in der Anwendung potentiell tödlich. Seit 1991 in Deutschland verboten, verkauft unter anderen Bayer CropScience in der Region Capanema Endosulfan bis heute unter mehreren Marken. Der Verkauf wird offenbar sogar forciert und hat sich von 2008 auf 2009 mindestens verdoppelt. Geht es darum, vor einem weltweiten Verbot nochmals richtig abzusahnen? Oder sollen die Lager bei den Kleinbauern von Capanema entsorgt werden? Sicher ist, dass die Biobauern in ihrer diesjährigen Soja soviel Endosulfan haben, dass sie wohl nicht mehr als Bio verkauft werden kann. Die gebana analysiert die biologische Soja auf die verschiedensten Pestizidrückstände und hat in ihnen Werte von rund 0,05 ppm Endosulfan gefunden. Das ist zwar immer noch zehnmal unter dem gesetzlichen Grenzwert von 0,5 ppm, aber für Bioprodukte zu viel. Mit dem Beizug von Experten und aufwändigen Analysen und Abklärungen mit der Kontrollstelle konnte nachgewiesen werden, dass die Bauern keine Schuld trifft. Das Endosulfan stammt von den Feldern der konventionellen Bauern. Trotzdem ist die Soja unverkäuflich! Die Behörden haben die Importe vorläufig blockiert und die wichtigsten Kunden haben die diesjährige Ernte zurückgewiesen.

Den Bauern wird die Existenzgrundlage entzogen. Sie haben mit Sorgfalt ihre Felder biologisch bewirtschaftet und haben dennoch Spuren eines Pestizids in der Soja, welches von einer deutschen Firma verkauft wird, obwohl dieses Pestizid in Deutschland seit bald zwanzig Jahren verboten ist. Die Bauern von Capanema finden das nicht korrekt. Sie wehren sich. Sie haben schon gegen die Holzfirma revoltiert und sie sehen nicht ein, warum nun Gift „legal“ bei ihnen entsorgt werden soll, ihre Bio-Soja damit verunreinigt wird und die Kunden schliesslich diese Soja nicht mehr kaufen wollen. Die gebana unterstützt sie dabei mit der Kampagne „chega!“.

In ihrem Überlebenskampf bitten die Bauern und die gebana nun die KundInnen um Unterstützung. Zunächst geht es darum, die Ungerechtigkeit bekannt zu machen und eine von möglichst vielen Menschen unterschriebene Petition an die brasilianischen Behörden und Botschaften zu schicken. Die Foderung: das sofortige Verbot von Endosulfan. Der Zeitpunkt dafür ist günstig, ANVISA - die Zulassungsbehörde in Brasilien - revidiert im Moment die Zulassung von Endosulfan und diverser anderer in den meisten Ländern schon lange geächteter Pestizide. Eine mächtige Lobby aus industrieller Landwirtschaft und den Herstellern der Pestizide versucht, diesen Prozess mit allen Mitteln zu torpedieren. ANVISA wurde bereits kontaktiert und hat signalisiert, kurz vor einem Entscheid zu stehen. Es ist deshalb der richtige Zeitpunkt, um Einfluss zu nehmen.

Kinderarbeit

CBG Redaktion

2. September 2010
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Kinderarbeit im indischen Saatgut-Anbau

Kampagne erfolgreich

Seit Jahren führt die Coordination gegen BAYER-Gefahren eine Kampagne zu Kinderarbeit bei indischen Zulieferern von BAYER, MONSANTO und anderen Agro-Konzernen. Über Jahre hinweg arbeiteten Tausende von Kindern, teilweise nicht älter als sechs Jahre, bei Zuliefer-Betrieben, die für die Multis Baumwoll-Saatgut produzierten. Die Kinder brechen für die Arbeit ihre Schulausbildung ab. Viele befinden sich in Schuld-Knechtschaft, um Darlehen abzuarbeiten. Ihr Tageslohn für eine 12 Stunden-Schicht liegt bei rund 50 Cent.

Die Kampagne zeigt nun deutliche Erfolge. Nachdem BAYER und MONSANTO jahrelang nur Lippenbekenntnisse von sich gaben, die Situation bei den indischen Zulieferern jedoch unverändert blieb, hat sich der Zustand seit etwa drei Jahren deutlich verbessert. Die Löhne sind gestiegen, und der Anteil von Kindern (zumindest solcher unter 14 Jahren) ist deutlich gesunken. Dies zeigt auch eine neue Studie unserer Kooperationspartner in Indien.

Nach Aussage unserer indischen Partner war dieser Erfolg nur durch Druck von außen zu erreichen. In Indien war das Problem seit langem bekannt gewesen, aber erst die Schlagzeilen in Deutschland und den USA brachten ein Einlenken bei BAYER. Die erfolgreiche Zusammenarbeit von Gruppen aus vier Ländern ist ein gelungenes Beispiel einer „Globalisierung von unten“.

Allerdings versucht BAYER weiterhin, die Aktivitäten als freiwillig hinzustellen. So enthält ein aktueller Bericht der Firma eine Reihe falscher Behauptungen, z.B. „progress that has been made without any public pressure“ oder „Bayer CropScience started up the program after discovering that some subcontractors in the production of cotton seed in India were using child labor“. Seit Jahren versucht BAYER den Eindruck zu erwecken, von sich aus aktiv geworden zu sein. Tatsächlich war es aber eine Studie, die die Coordination gegen BAYER-Gefahren im Jahr 2003 gemeinsam mit indischen Partnern veröffentlicht hatte, die zu zahlreichen Medienberichten führte, aufgrund derer Bayer aktiv wurde. Auch zuvor war dem Unternehmen die Kinderarbeits-Problematik aufgrund der kontinuierlichen Feldbesuche bekannt, es geschah jedoch nichts.

[CO Pipeline] CO Pipeline stoppen!

CBG Redaktion

1. September 2010

CO-Pipeline: Bezirksregierung lässt Bauarbeiten ruhen

Die Bezirksregierung Düsseldorf hat heute die Firma Bayer Material Science AG (BMS) darauf hingewiesen, dass im Baulos 1 Bauarbeiten an der CO-Pipeline erst fortgesetzt werden dürfen, wenn alle in diesem Bereich noch zu klärenden Sachverhalte erledigt sind. Im Rahmen der Bauüberwachung wurde der Bezirksregierung mitgeteilt, dass an fünf Stellen technische Probleme bei der Verlegung der Rohre aufgetreten sind. Die Bezirksregierung geht davon aus, dass BMS die ihr gestellten Fragen zeitnah beantworten wird.

alle Infos zur Kampagne

Rheinische Post, 02.September 2010

Streit um CO-Pipeline

Langenfeld/Monheim (RP) Die Düsseldorfer Bezirksregierung hat die aktuellen Bauarbeiten (wir berichteten) an der in der Region umstrittenen CO-Pipeline des Bayer-Konzerns vorübergehend gestoppt. Wie die Behörde gestern mitteilte, muss Bayer Material Science (BMS) als künftiger Betreiber erst einen Katalog mit 25 Fragen abarbeiten, bevor die von dem Konzern als völlig unspektakulär eingestuften Nachbesserungsarbeiten fortgesetzt werden können. Bei diesen Arbeiten geht es nach Angaben des Unternehmens vor allem um Nachbesserungen an der dem Korrosionsschutz dienenden Kunststoff-Ummantelung einiger weniger Rohre. Mindestens drei kurze Abschnitte im südlichen Kreis Mettmann sollen betroffen sein.

Nach Auffassung der Gegner bestätigt die aktuelle Entwicklung eine nunmehr seit drei Jahren zu beobachtende „Unzuverlässigkeit“ beim Umgang mit der Leitung. Wieder einmal müsse Bayer Mängel an der Röhre zugeben. Bissig fragt Dieter Donner, Koordinator der Initiativen im Kreis Mettmann: „Arbeiten Bayer und die von Bayer beauftragten Firmen immer so dilettantisch oder nur an der CO-Pipeline, wo künftig extrem giftiges Gas nur wenige Meter an Schulen, Kindergärten, Krankenhäusern und an den Gärten von Bürgern entlang strömen soll?“

Donner stellt auch die immer wieder propagierte Offenheit beim Umgang mit dem Thema in Frage: So soll in Langenfeld ein Sicherheitsingenieur versucht haben, Fotografen der Anti-Pipeline-Initiative zu behindern. Es sei unter anderem mit der Bahnpolizei gedroht worden. Donner: „Offene Information und Kommunikation sieht anders aus.“

Rheinsche Post, 2. September 2010

Feuerwehr beinahe hilflos

Sollte es an der CO-Pipeline durch Erkrath einen Unfall mit Gasaustritt geben, könnten die Feuerwehrleute höchstens 30 bis 40 Minuten arbeiten. Länger reicht ihre Atemluft nicht. Spezielle CO-Masken lehnt der Kreisbrandmeister ab.

Noch fließt kein einziger Kubikmeter Kohlenmonoxid durch die Pipeline zwischen den beiden Bayer-Werken Uerdingen und Dormagen. Wenn die Gerichte die Leitung erlauben sollten, muss die Feuerwehr im Falle eines Lecks auf den möglichen Austritt des farb- und geruchlosen Gases vorbereitet sein. Große Teile der Erkrather Bevölkerung wären in Gefahr, denn die Leitung verläuft aus Unterfeldhaus kommend parallel zur A3 und verlässt die Stadt etwa unter der Neandertalbrücke in Richtung Norden. Für Menschen in der Nähe einer Unglücksstelle könnte beim Einatmen Lebensgefahr bestehen. „Für die Feuerwehrleute, die sie retten sollen aber auch“, sagte Kreisbrandmeister Friedrich-Ernst Martin.

Streit um den Alarmplan
Im Erkrather Planungsausschuss berichtete er über den aktuellen Stand der Pipeline aus Sicht der Feuerwehren im Kreis Mettmann. Ob durch Baggerschaufel, Erdbeben oder ein Unglück – zumindest rein theoretisch könnte das Gas in größerer Menge austreten. Wie soll die Feuerwehr dann an die Unglücksstelle kommen und Menschenleben retten? „Mit den herkömmlichen Atemluftgeräten reicht der Sauerstoff höchstens 30 bis 45 Minuten“, sagte Martin. Aber nur unter optimalen Bedingungen.
Sollten Menschen etwa verschüttet sein, würde diese Zeit nicht mal reichen, um zu ihnen vorzudringen. Von Seiten des Betreibers werde laut Martin offenbar angeregt, dass die Feuerwehr auch sogenannte CO-Masken tragen könne. So werde die Luft aber lediglich gefiltert. Der Kreisbrandmeister lehnt aber das Tragen dieser Masken für Feuerwehrleute kategorisch ab. „Das ist nicht verantwortbar, dass Feuerwehrleute selbst in Gefahr geraten“, sagte Martin. Dazu müsste außerdem eine Richtlinie der Feuerwehr extra geändert werden.
Bei farb- und geruchlosem Gas sei das Tragen der Masken bislang nicht erlaubt, so Martin. Er könne sich aber nicht vorstellen, dass diese Richtlinie geändert werde. Nach wie vor strittig ist aus Martins Sicht, der Allgemeine Gefahren- und Abwehrplan (AGAP). Darin wird geregelt, was im Falle eines Schadens passieren wird, wer zuerst alarmiert wird, welche Schritte erfolgen sollen. Während Bayer immer wieder betont, alle Beteiligten hätten zugestimmt, beharrt Martin darauf, dass aus seiner Sicht keine der beteiligten Städte zwischen Duisburg, Köln und Krefeld zugestimmt habe. Der Planfeststellungsbeschluss der CO-Pipeline verlangt allerdings kein „Einvernehmen“ der Beteiligten, sondern lediglich eine Abstimmung. Und die hat der Bezirksregierung zufolge stattgefunden, indem Feuerwehren und Bayer den Plan erörtert haben. VON OLIVER WIEGAND

[Primodos / Duogynon] Interview mit RA Jörg Heynemann, Offenbach-Post, 21. August 2010 zum Thema Duogynon

CBG Redaktion

1. Was versprechen Sie sich von dem Verfahren, das Ende Oktober in Berlin beginnt?
Wir haben Bayer zunächst auf Auskunft verklagt. Der Auskunftsanspruch nach § 84 a AMG kommt auch rückwirkend zur Anwendung. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus der Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der GRÜNEN. Es ist auch kein Grund ersichtlich, warum Bayer die begehrte Auskunft verweigert, da Bayer stets behauptet, dass Studien ergeben haben sollen, dass es keinen Zusammenhang zwischen der Fruchtschädigung und der Duogynoneinnahme gebe. Was spricht denn dann dagegen, diese Erkenntnisse auch offenzulegen? Erst nach der erteilten Auskunft, kann über weitere Maßnahmen entschieden werden.

2. Bayer weist alle Eingaben mit Hinweisen auf die Verjährung der Ansprüche zurück ...
Bayer lehnt die Ansprüche mit dem Hinweis auf einen fehlenden Kausalzusammenhang und die Verjährung ab. Wenn man bedenkt, dass die Betroffenen ihre Ansprüche erst mit dem Erreichen des 18ten Lebensjahres selbst geltend machen konnten, ist unklar, ob die 30-jährige Verjährungsfrist tatsächlich abgelaufen ist oder nicht. Eine ähnliche Problematik stellt sich derzeit in der Diskussion über die Missbrauchsopfer. Auch die Missbrauchsopfer sollen nunmehr entschädigt werden, wobei die Verjährungsfrage ausgeklammert wird. Es würde Bayer gut anstehen, hier auf die Opfer zuzugehen und in Verhandlungen über Entschädigungen einzutreten.

3. Sind der Duogynon-Skandal und der Contergan-Skandal vergleichbar?
Eindeutig ja. Die statistische Signifikanz eines Zusammenhanges der Geburt behinderter Kinder und der Einnahme von Duogynon durch die Mütter, ist ebenso offensichtlich wie im Fall der Contergan-Tragödie. Meines Erachtens sogar noch offensichtlicher. Die Behinderungsbilder der Duogynonopfer ist jedoch differenzierter und bei einer Vielzahl der Betroffenen nicht äußerlich sichtbar. Dies ist sicherlich ein Grund dafür, dass die Duogynon-Kinder vergessen und nicht entschädigt wurden. Vergleichbar ist auch die rechtliche Situation. Wie im Fall des Arzneimittels Contergan, gab es auch bei Duogynon keine spezifische gesetzliche Haftungsnorm, so wie heute der § 84 AMG. Nach heutigen Kriterien, müsste Bayer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die begehrte Auskunft erteilen und würde mit großer Wahrscheinlichkeit auch zu einer Schmerzensgeld- und Schadensersatzzahlung verurteilt. Bayer sollte sich bereit erklären, wenigstens ein Fond oder eine Stiftung zu gründen, deren Zweck es ist, die Duogynon-Geschädigten zu entschädigen. Diese wäre eine Geste, die Bayer sicherlich mehr nützen als finanziell schaden würde.

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