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Veröffentliche Beiträge von “CBG Redaktion”

Patent-Raub

CBG Redaktion

3. Januar 2008

Düsseldorf- Mammutprozess

Bayer schuldet mir 500 Mio Euro

Er könnte ein steinreicher Mann sein, mehrere Hundert Millionen Euro auf seinem Konto haben. Doch der Düsseldorfer Erfinder und Unternehmer Heinz Süllhöfer (81) besitzt kaum noch etwas.

Sein Hotel, mehrere Firmen, sein Vermögen – alles weg für die Kosten eines Prozesses, den er seit genau 40 Jahren gegen den Chemie-Giganten Bayer führt. Es geht um eine Erfindung, die ihm der Konzern nach seinen Angaben „geklaut“ hat, eine Maschine zur Herstellung von Hartschaumplatten.
Süllhöfer: „Meine Ansprüche liegen bei über 500 Millionen Euro. Dieses juristische Verfahren ist das teuerste und längste der Welt.“ Rund 10.000 Seiten Akten lagern dazu in seiner Wohnung an der Niederrheinstraße.
Nach mehreren Niederlagen vor Gericht kann er jetzt wieder Hoffnung schöpfen. NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter hat sich in den Rechtsstreit eingeschaltet. Das Verfahren läuft jetzt beim Oberlandesgericht Düsseldorf (Aktenzeichen Az I-20 W 96/07) weiter. Dabei geht es Süllhöfer heute nicht mehr nur um das Geld, sondern „auch um Gerechtigkeit“.
Bayer hat immer wieder argumentiert, die ihr vor über 40 Jahren von Süllhöfer angebotene Technologie sei in Wirklichkeit ein „alter Hut“ und im eigenen Unternehmen schon vorher erprobt worden. Süllhöfer fährt schweres Geschütz auf: „Patentamt, Justiz und Geschäftspartner sind mit gefälschten Urkunden und Zeichnungen getäuscht worden. Dazu sind mir von Bayer-Managern anonym konkrete Unterlagen zugespielt worden.“
Süllhöfer hat mit dem langen Prozess auch seine Gesundheit ruiniert, drei Herzinfarkte erlitten. Doch der Bayer-Konzern könne nicht auf eine „biologische Lösung“ hoffen: „Meine Forderungen werden nach meinem Ableben auf meine verbleibende Firma Süllo GmbH übertragen.“
Inzwischen soll es bei Bayer möglicherweise Signale für einen Vergleich geben. Doch Bayer-Sprecher Hans-Bernd Schmitz weicht beim Thema aus: „Dies ist ein laufendes Verfahren. Deshalb möchten wir uns dazu nicht äußern.“

DER SPIEGEL, 14. Januar 2008
REKORD-RECHTSSTREIT

Ex-Fabrikant klagt seit 40 Jahren gegen Bayer

Es geht um ein Patent für Isolierplatten, 500 Millionen Euro Schadensersatz - und Durchhaltevermögen. Heinz Süllhöfer kämpft den längsten Rechtsstreit der Republik. Seit 40 Jahren klagt er gegen die Bayer AG. Und ist bereit, alles aufzugeben, was er hat.
Hamburg - Heinz Süllhöfer führt ins eiche-dominierte Wohnzimmer seines Flachbaus in Düsseldorf-Lohausen, bietet Kaffee und Marzipanpralinen an, deutet auf den Stapel Gerichtsakten und sagt: „Nehmen Sie den Mantel ab. Wir haben viel vor. Mein Anwalt kommt auch gleich.“
Heinz Süllhöfer ist ein nicht sehr großer, energischer Mann, der darauf achtet, einem in die Augen zu schauen, wenn er redet. Er bringt den Mantel weg, holt mehr Aktenordner, in denen er etwas nachschaut, und hat offenbar keine Lust, auf den Anwalt zu warten.
„Soll ich ohne ihn anfangen?“
Er soll.
81 Jahre ist Süllhöfer alt und seit 40 Jahren eine der beiden Parteien im längsten Rechtsstreit der Bundesrepublik. „Die Angelegenheit ist weltweit einmalig.“ Noch nie hat sich jemand in der Bundesrepublik länger vor Gericht gestritten als Heinz Süllhöfer, ein ehemaliger Schaumstoffplattenfabrikant und Hotelbesitzer aus Düsseldorf.
Sein Gegner ist die Bayer AG . 15 Millionen Euro hat das Ganze bisher gekostet. Das Problem: Kunststoffplatten. Profane Metallplatten mit einer Schicht Bauschaum drauf. Darum geht es. Seit 40 Jahren.
„Am Sterbebett hat mein Vater mir gesagt, Junge, mach was Eigenes, du hast das Zeug dafür.“ Süllhöfer hat es getan. Etwa 200 Patente hat er auf seinen Namen angemeldet. Mitte der sechziger Jahre entwickelte er eine Maschine, mit der man sehr schnell und präzise sogenannte Polyurethan-Dämmplatten für den Bau herstellen kann. Die Bauindustrie war von den Isolierplatten begeistert. Schwierig wurde es, als auch Bayer begeistert war, aber Süllhöfer die Technik dafür hatte, wie man den Bauschaum so dünn, so gleichmäßig und so schnell auf eine Unterlage bekam.
Süllhöfer verwies darauf, dass sein Verfahren mit einem Patent geschützt war. Bayer verwies darauf, man habe schon lange vor ihm dieses Verfahren gekannt.
„Unfug, die haben das nicht hingekriegt, die sind in meine Firma gekommen und haben sich das abgeschaut.“ Süllhöfer klingt ein wenig stolz und ein ganz klein wenig müde. Mehrere Herzinfarkte hat er hinter sich, seine Frau ist vor dreieinhalb Jahren gestorben, am Ende sprachen sie fast nur noch über den Fall. Er spricht seit 40 Jahren fast jeden Tag über den Streit. Die Garage ist voll mit Akten, die Regale in der Schrankwand, die Ablagen neben den Fenstern, eigentlich ist sein ganzes Leben voll von dem Streit.
„500 Millionen Euro, so hoch ist der Schaden.“ Süllhöfer ist kein Träumer, er weiß, dass das viel Geld ist. Es klingt weniger absurd, wenn man bedenkt, dass einige Jahre nach Süllhöfers Idee bereits etwa 15 Hersteller in Deutschland die Platten bauten. Alle mit dem Süllhöfer-Verfahren.
Bayer will keine 500 Millionen Schadensersatz zahlen und kann sich den Prozess leisten. Süllhöfer ist bereit, alles auszugeben, was er hat. Also streiten sie, seit 40 Jahren.
Süllhöfer richtet sich auf, er holt noch eine Akte mit einem besonders „schönen Beschluss“.
„Das Schlimmste ist ja, dass ich es beweisen kann und niemand mir glaubt“, sagt er im Türrahmen. Das scheint das Wichtigste zu sein. Dass niemand sagen kann, Heinz Süllhöfer sei ein Lügner.
Man muss sich das mit dem Streit ein wenig wie bei einem Stellungskrieg vorstellen. Eine Art Verdun zwischen zwei Parteien, die genug Geld für Munition haben, in dem Fall Anwälte, und eine Niederlage nicht akzeptieren wollen. Um jeden Zentimeter wird gekämpft. Um jeden Gutachter, jeden Schriftsatz, jede Zeugenaussage, jeden Beweis. Kaum fällt das Urteil, wird Berufung oder Revision eingelegt.
Erst gewinnt Süllhöfer, dann tauchen neue Zeugen auf und Bayer gewinnt, später stellt sich heraus, dass Zeugen falsch ausgesagt haben. Dann muss festgestellt werden, ob Bayer Prozessbetrug begangen hat. Es kommt zur Hausdurchsuchung. Süllhöfer gewinnt wieder. Dann geht Süllhöfer das Geld aus, weil der Streitwert so hoch angesetzt wurde, dass er sich die Prozesskosten nicht mehr leisten kann.
Bayer möchte sich nicht äußern zum Rechtsstreit mit Süllhöfer, „angesichts des laufenden Verfahrens“. Jedenfalls wird immer alles ausgeschöpft, von beiden Seiten, alles, was deutsches Recht hergibt. Vermutlich ist es das, was gute Anwälte tun. Wenn sie schon nicht gewinnen, sorgen sie wenigstens dafür, dass es weitergeht. Manchmal fragt man sich, ob es so viele gute Anwälte brauchte, wenn es weniger sture Menschen gäbe.
Heinz Süllhöfer verlässt das Zimmer. Es gebe da noch eine Unterlage, die ganz interessant sei. Im Hintergrund hört man jetzt Krach, dumpfen, polternden Krach. Es ist ein Bagger, der Bauschutt verlädt.
Gleich neben Süllhöfers Haus, keine zehn Meter weg, steht das Hotel Fairport. Bis 2000 gehörte es ihm. Drei Etagen, vier Sterne, nahe am Flughafen. 2001 wurde es zwangsversteigert. Er konnte seine Prozesskosten nicht zahlen. Jeden Tag, wenn Süllhöfer aus dem Haus geht, sieht er den Bautrupp, der sein Hotel abreißt.
Der nächste Verhandlungstermin ist am 24. Januar. Dieses Verfahren hat das Aktenzeichen 4 O 139/73. Die 73 steht für das Jahr, in dem die Klage eingereicht wurde. Süllhöfer möchte wissen, an wie viele Firmen genau Bayer das Verfahren weitergegeben hat. Nur so ließe sich feststellen, wie groß sein Schaden überhaupt war. Erst dann will er auf Schadensersatz klagen.
Mit anderen Worten: Heinz Süllhöfer ist noch ganz am Anfang.
Von Juan Moreno

siehe auch:
Schlappe für BAYER im Patentraub-Verfahren
BAYER muss wahrheitswidrige Behauptungen unterlassen

Cholesterinsenker

CBG Redaktion

2. Januar 2008, Telepolis

Verheimlichte die Pharmaindustrie Indizien für Leberschäden?

Unerwünschte Studienergebnisse zu Cholesterinsenkern

Diabetes ist eine Volkskrankheit und für die Pharmakonzerne ist das Geschäft mit den Cholesterinpräparaten hochlukrativ. Mit aggressivem Marketing für ihr Medikament „Zetia“ haben die Konzerne Merck und Schering-Plough bereits rund 20% im hart umkämpften US-Markt erobert. Die Umsätze in diesem Segment liegen im zweistelligen Milliardenbereich. Nun wird publik, dass der Cholesterinsenker möglicherweise für Leberschäden verantwortlich ist. Die Hersteller hatten interne Studienergebnisse jahrelang verheimlicht.

Für die medikamentöse Behandlung erhöhter Blutcholesterinspiegel ist das Medikament „Zetia“ tatsächlich eine Innovation. Die Neuartigkeit von Zetia und seinem Wirkstoff „Ezetimib“ besteht darin, dass die Cholesterinabsorption bereits im Dünndarm gehemmt wird. Damit unterscheidet es sich von den sonst gebräuchlichen Statinen, die in der Leber die Cholesterinbildung hemmen und dort zusätzlich das „böse“ LDL-Cholesterin binden und unschädlich machen sollen.

Lukrative Präparate: Der Umsatz mit dem neuen Cholesterinsenker erreichte neue Rekordmarken
Aber es gibt noch einen weiteren Aspekt, der Zetia interessant macht: um den Cholesterinspiegel auf denselben Wert abzusenken, ist die Behandlung mit Zetia um ein Vielfaches teurer als eine konventionelle Statintherapie. Kein Wunder, dass der Hersteller Schering-Plough noch im Juli euphorisch neue Rekordzahlen für die ersten Quartale des Jahres 2007 vorlegte. Allein mit den beiden Cholesterinsenkern Zetia und Vytorin („Vytorin“ ist ein Kombinationspräparat, das den Wirkstoff Ezetimib mit einem Statin (Simvastatin) kombiniert) setzte man von April bis Mai diesen Jahres 3,18 Milliarden Dollar um.
Und am 18. April konnte Schering-Plough stolz verkünden, dass Zetia nun auch die Zulassung für den japanischen Markt erhalten hat - dort wird das Präparat in Zusammenarbeit mit Bayer vermarktet. Der potentielle Patientenkreis wird - so die offiziellen Zahlen von BayerHealthCare - allein in Japan auf 30 Millionen geschätzt. Bei den Buchhaltern in den Pharmakonzernen leuchten bei solchen Meldungen natürlich die Augen. Nicht zuletzt, weil der Patentschutz für die Statine in wenigen Jahren auslaufen und dann die Gewinnmarge durch Nachahmerpräparate (Generika) deutlich geringer ausfallen wird. Hier liegen die Hoffnungen der Hersteller auf neuen Wirkstoffklassen, die den Statinen möglicherweise überlegen sind.

Überlegenheit des Wirkstoffs „Ezetimib“ bislang nicht durch Studien bestätigt
Das alles wäre ein weniger großes Problem, wenn die Überlegenheit des Wirkstoffs Ezetimib tatsächlich erwiesen wäre. Allerdings liegen bislang keine seriösen Langzeitstudien vor, die einerseits die Unbedenklichkeit, andererseits den Mehrwert einer Ezetimib-Therapie belegen könnten. Und während für die erprobten Statine sowohl positive Effekte im Bezug auf koronare Krankheiten als auch eine entzündungshemmende Wirkung bekannt sind, steht ein solcher Nachweis für Zetia bzw. Vytorin bislang aus.
Einzelne Ärzte hatten immer wieder bezweifelt, ob sich die Behandlung mit Ezetimib ebenso günstig auf Arteriosklerose, Gefäßerkrankungen und Herzinfarkte auswirkt, wie diejenige mit den deutlich preisgünstigeren Statinen. Um diese Fragen zu klären wurde im Juni 2002 eine klinische Studie unter dem Namen „Enhance“ begonnen. In ihr nahmen 720 Patienten mit sehr hohen Cholesterinwerten teil. Abschluss der Studie, die unter der Regie von Merck und Schering-Plough durchgeführt wurde, war im Juni 2006. Doch die Veröffentlichung der Studienergebnisse ließ auf sich warten.

Studienergebnisse werden seit fast 2 Jahren zurückgehalten
Zunächst wurden die Studienresultate für das Jahresende 2006 angekündigt. Nachdem dieser Termin verstrichen war, rechneten die Fachleute damit, dass spätestens zum Amerikanischen Kardiologen-Kongress im März 2007 die Ergebnisse vorliegen sollten. Aber weit gefehlt: Schering und Merck vertrösteten die interessierte Fachöffentlichkeit abermals und verwiesen auf die langwierige Datenauswertung. Sollte die Studie etwa unerwünschte Ergebnisse erbracht haben?
Auf die zunehmend skeptischen Fragen von US-Kardiologen reagierte man mit seltsamen Ausflüchten: Man habe zwischenzeitlich die sogenannten „klinischen Endpunkte“ (also die Zielgrößen des Studiendesigns und der Fragestellung) variiert, weswegen die Analyse mehr Zeit in Anspruch nehme. Solche Statements sorgten freilich erst recht für Irritationen, denn aus gutem Grund wird üblicherweise vor (!) Studienbeginn definiert, welche Richtgrößen man in der Studie fokussiert und welche Schlussfolgerungen ggf. daraus abzuleiten wären. Wer im Nachhinein an diesen Stellschrauben dreht, muss dafür gute Gründe haben. Und er macht sich - wenn er sich nicht in die Karten schauen lässt - verdächtig.
Ein weiteres verdächtiges Mosaiksteinchen ist die Tatsache, dass die „Enhance-Studie“ im nationalen Register klinischer Studien nicht zu finden war. Erst als US-Journalisten darauf hinwiesen, wurde im November 2007 nachträglich ein Eintrag zu der Studie erstellt. Man habe das – so die lapidare Antwort – eben übersehen. Die Skepsis der Fachleute schmälert sich durch solche Statements freilich nicht.

Interne Studienergebnisse mit Hinweisen auf Leberschäden hielt man angeblich für „nicht relevant“
Die ungewöhnliche Verzögerungs- und Verschleierungstaktik blieb nicht ohne Folgen. Auf Druck des US-Kongresses stellte Schering-Plough mittlerweile die Publikation für März 2008 in Aussicht. Allerdings wurde nun auch publik, dass bereits in den Jahren 2000-2003 mehrere interne Studien durchgeführt wurden, die Anhaltspunkte für erhebliche Nebenwirkungen ergeben hatten. Die leberschädigende Wirkung stand dabei an vorderster Stelle. Auf Nachfrage gab nun Paul Spiegel (Chief Medical Officer von Schering-Plough) zu Protokoll, dass man die Ergebnisse seinerzeit nicht für relevant gehalten habe.
Und offenbar ahnte man damals bereits im Vorfeld von der mangelnden Relevanz der eigenen Studien. Denn zufälligerweise versäumte man es auch damals, die Medikamententests in die Datenbanken einzutragen, in denen seit 2002 alle Firmenstudien registriert werden. Und Zufall ist es sicher auch, dass – wie der Schering-Pressesprecher Lee Davies nun gegenüber der New York Times einräumte – innerhalb der Enhance-Studie einige Patienten mit bedenklichen Leberwerten aus der Studie entfernt wurden.

Es bleibt also abzuwarten, wie lange es den Herstellern noch gelingt, das Image ihrer Topseller einigermaßen makellos zu halten. Derzeit beläuft sich allein in den USA die Zahl der Patienten, die Zetia oder das Kombipräparat Vytorin einnehmen, auf knapp 1 Million. Sollte sich der Verdacht bewahrheiten, dass ihr Zusatznutzen kaum nachweisbar ist, erhebliche Leberschäden aber seit langem bekannt waren, dürfte dies die beiden Unternehmen nicht nur bezüglich ihrer Glaubwürdigkeit gehörig erschüttern. Auch die Finanzmärkte reagieren gemeinhin sehr sensibel auf solche Informationen...
Marc Scheloske

Biodiversität erhalten!

CBG Redaktion

UN-Konferenz zur biologischen Vielfalt in Bonn

=> update Februar 2012: AGROPOLY - Broschüre zum Konzentrationsprozess in der Saatgut- und Pestizid-Industrie

=> update März 2011: Biopirat BAYER - Naturstoffe als billige Ressource

=> update vom 13. Juli 2010: UN-Studie - Großkonzerne betreiben Raubbau an der Natur

=> Protestaktion am Leverkusener BAYER-Werk am 17.Mai 2008/ Offener Brief übergeben Lesen Sie hierzu einen Artikel des Leverkusener Anzeigers

Neonicotinoide

CBG Redaktion

13. August 2008

Pestizide und Bienensterben - Informationen zur Strafanzeige der Coordination gegen BAYER-Gefahren gegen den BAYER-Vorstand

Seit 1991 stellt der Leverkusener BAYER-Konzern das Insektizid Imidacloprid aus der Substanzklasse der Neonicotinoide her. Neonicotinoide sind synthetische Nikotinverbindungen, die als Nervengift wirken. In Deutschland ist Imidacloprid unter den Markennamen Gaucho, Confidor, Chinook und Imprimo unter anderem im Raps-, Zuckerrüben-, Tabak-, Wein- und Maisanbau zugelassen.
Der jährliche Imidacloprid-Absatz in Deutschland liegt zwischen 25 und 100 Tonnen, genauere Angaben sind öffentlich nicht zugänglich. Über 1.000 Tonnen exportiert BAYER in rund 120 Länder. Im vergangenen Jahr setzte der Konzern mit Imidacloprid 556 Millionen Euro um. Die Substanz ist damit das bestverkaufte Pestizid von BAYER und gehört zu den weitest verbreiteten Insektiziden weltweit.
Neonicotinoide werden vornehmlich als Beizmittel zur Behandlung von Saatgut verwendet. Hierdurch soll zum einen die Saat vor Insekten geschützt werden. Zum anderen steigt der Giftstoff in die Pflanze auf und ist später in allen Pflanzenteilen zu finden. Schadinsekten sterben, wenn sie von Blättern oder Blüten fressen. Der Wirkstoff wandert auch in den Pollen und in den Nektar und kann Nutzinsekten wie Bienen schädigen.
Da der Patentschutz von Imidacloprid in den meisten Ländern abgelaufen ist, brachte BAYER im Jahr 2003 das ähnlich wirkende Nachfolgeprodukt Clothianidin (Produktnamen: Elado, Poncho) auf den Markt. Der Clothianidin-Umsatz betrug im vergangenen Jahr 237 Mio Euro. Der Wirkstoff wird vor allem im Mais- und Rapsanbau verwendet.

Bienensterben
Der Beginn der Vermarktung von Neonicotinoiden fällt mit dem Auftreten großer Bienensterben zusammen. Verlustmeldungen gab es in den vergangenen 13 Jahren unter anderem aus Italien, Spanien, der Schweiz, Deutschland, Österreich, Polen, England, Slowenien, Griechenland, Belgien, Kanada, den USA und Brasilien. Dabei waren bis zu 70 Prozent aller Bienenstöcke betroffen. Allein in Frankreich starben innerhalb von zehn Jahren rund 90 Milliarden Bienen. Die Honigproduktion sank dadurch um bis zu 60%. Da Honigbienen außerdem den größten Teil der Blütenbestäubungen erbringen, gingen auch die Erträge von Äpfeln, Birnen und Raps zurück.
Die Bienengefährlichkeit von Imidacloprid und Clothianidin ist unstrittig. Im Imidacloprid-Datenblatt des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) ist vermerkt: „Das Mittel wird als bienengefährlich eingestuft (B1). Es darf nicht auf blühende oder von Bienen beflogene Pflanzen ausgebracht werden; dies gilt auch für Unkräuter“.
Neonicotinoide können zudem wegen ihrer hohen Persistenz mehrere Jahren im Boden verbleiben. Für Clothianidin wurden Halbwertszeiten von bis zu fünf Jahren beobachtet. Selbst unbehandelte Pflanzen, auf deren Feldern in den Vorjahren Imidacloprid oder Clothianidin eingesetzt wurde, können den im Boden befindlichen Giftstoff über die Wurzeln aufnehmen und eine für Bienen gefährliche Konzentration enthalten.
Wegen der Gefährlichkeit für den Bienenbestand hat die französische Regierung im Jahr 1999 den Einsatz von Imidacloprid zur Saatgutbeizung von Sonnenblumen verboten. Die Zulassung des Wirkstoffs als Beizmittel von Mais wurde 2004 aufgehoben. Auch das Nachfolgeprodukt Clothianidin erhielt in Frankreich keine Zulassung. Im Jahr 2000 wurde in den Niederlanden ein Verbot der Ausbringung von Imidacloprid auf freien Flächen verfügt. In der Schweiz wurde der Wirkstoff zeitweise auf Maisfeldern verboten.

Zulassung von Clothianidin
Im Jahr 2003 brachte der BAYER-Konzern in Nordamerika das Beizmittel Clothianidin auf den Markt, ab 2006 auch in Deutschland.
In einem Offenen Brief an das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) wies Manfred Hederer, Vorsitzender des Deutschen Berufs- und Erwerbs-Imkerbunds, schon 2006 darauf hin, dass die von BAYER behauptete Ungefährlichkeit von Clothianidin für Bienen auf einseitigen Studien beruhe („Die von BAYER CropScience veröffentlichten Informationen beruhigen uns als Imker in keinem Fall. Im Gegenteil, die (schlechte) Qualität der Studien schürt den Verdacht, dass Clothianidin für unsere Bienen zu einer großen Gefahr werden wird. Wir sehen in Clothianidin und Thiomethoxam eine große Gefahr für die Gesundheit und das Überleben unserer Bienenvölker“). (1) Der Berufsimkerbund forderte die Bundesbehörden auf, die Zulassung von Clothianidin zurückzuziehen.

Auch die kanadische Zulassungsbehörde Pest Management Regulatory Agency bezeichnete die von BAYER eingereichten Studien als „mangelhaft“, weswegen eine Gefährdung von Bienen befürchtet werde. Besonders hervorgehoben wurde die mehrjährige Verweildauer des Giftstoffes im Boden („All of the field/semi-field studies, however, were found to be deficient (=mangelhaft) in design and conduct of the studies. Given the foregoing, the risk that clothianidin seed treatment may pose to honey bees and other pollinators cannot be fully assessed, owing to the lack of sufficient information and data. Clothianidin may pose a risk to honey bees and other pollinators, if exposure occurs via pollen and nectar of crop plants grown from treated seeds“) (2).
Wie gefährlich Clothianidin eingeschätzt wird, zeigt auch eine Warnung der französischen Veterinärämter zu Frühjahrsbeginn: Darin rieten sie den Imkern eindringlich, mit ihren Bienenvölkern die Gebiete, in welchen das Gift eingesetzt wurde, für Jahre zu meiden. (3)

Bienensterben am Oberrhein
In Baden-Württemberg kam es im Frühjahr 2008 nach der Aussaat von Clothianidin-behandeltem Mais zum größten Bienensterben seit Jahrzehnten. Rund 700 Imker verloren ihre Bestände zum Teil oder ganz, insgesamt rund 11.500 Völker. Der Bestand wildlebender Insekten ging ebenfalls zurück. Nach Angaben des Landesverbandes Badischer Imker liegt der Verlust der betroffenen Imkers im Durchschnitt bei 17.000 Euro.
Nach Aussage des Bundesforschungsinstituts für Kulturpflanzen (Julius Kühn-Institut, JKI), das mit der Untersuchung des Bienensterbens betraut wurde, ist „eindeutig davon auszugehen, dass Clothianidin hauptsächlich für den Tod der Bienen vor allem in Teilen Baden-Württembergs verantwortlich ist“. (4) In 66 untersuchten Bienen wiesen die chemischen Analysen des JKIs in 65 Fällen den Wirkstoff Clothianidin nach. Die Bienenschäden können laut Julius Kühn-Institut „nicht mit dem Auftreten von Bienenkrankheiten erklärt werden“.

Zeugenaussage des betroffenen Imkers Fritz Hug
Fritz Hug aus Simonswald ist Nebenerwerbsimker. Seine 30 Bienenvölker im Auwald in Weisweil (Kreis Emmendingen) wurden direkt nach der Mais-Aussaat Ende April schwer geschädigt: Es leben fast keine Flugbienen mehr, die Flugbretter sind übersät mit toten Bienen. Auch die Brut hat keine Überlebenschance. Frisch verendete Bienen hatten den Rüssel ausgefahren, was ein sicheres Zeichen für eine Vergiftung ist.
Weitere 70 Bienenvölker von Herrn Hug wurden nach Beobachtung der ersten Schäden in andere Gebiete gebracht. Zu diesem Zeitpunkt waren rund 40-50% der Bienen verendet. Die Pollenwaben dieser Völker wurden vom Landwirtschaftsministerium eingesammelt und entsorgt.
Der monetäre Schaden von Herrn Hug beläuft sich auf mindestens 9000 Euro.
Alle Völker waren gut über den Winter gekommen, ein Milbenbefall kann für das Bienensterben nicht verantwortlich sein. Die Bienenstände befanden sich in der Nähe zahlreicher Mais-Äcker, die mit Clothianidin-gebeiztem Saatgut eingesät wurden. Das Julius Kühn-Institut is Braunschweig untersuchte tote Bienen von Herrn Hug und fand in diesen Clothianidin. Laut Aussage des Julius Kühn-Instituts kommt nur Clothianidin von BAYER für das Massensterben der Bienen in Frage.
Die Coordination gegen BAYER-Gefahren und Fritz Hug legten gemeinsam Strafanzeige ein.

Verbot in Deutschland
Durch das großflächige Bienensterben in Baden-Württemberg wurde die von BAYER-Vertretern stets vorgebrachte Aussage, dass Beizmittel wie Clothianidin und Imidacloprid nicht direkt mit Bienen in Kontakt kämen, widerlegt.
Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) reagierte und verbat am 16. Mai die Anwendung mehrerer Beizmittel, darunter Imidacloprid und Clothianidin, mit sofortiger Wirkung. Die betroffenen Mittel dürfen weder eingeführt, noch in Verkehr gebracht oder gar benutzt werden.
Auch in Italien und in Slowenien war es im Frühjahr nach der Aussaat von Mais zu großflächigen Bienensterben gekommen. In Slowenien wurde Clothianidin daher ebenfalls verboten. Auch in abgestorbenen Bienen in Italien wurde Clothianidin nachgewiesen.
Vertreter von BAYER versuchen, das Bienensterben als einmaligen Vorgang darzustellen, der auf einen fehlerhaften Abrieb der Wirkstoffe bei der Aussaat von Mais zurückzuführen sei. Dabei hatte Dr. Richard Schmuck von BAYER CropScience bei einem Expertengespräch des baden-württembergischen Landwirtschaftsministeriums am 8. Mai selbst eingeräumt, dass er auch bei einer ordnungsgemäßen Aussaat von Mais mit einem Abrieb von Clothianidin von 2g/Hektar rechne. (5)
Ein weiteres Problem stellt der im Sommer blühende Mais dar. Es ist zu befürchten, dass die Bienen durch den Clothianidin-haltigen Blütenpollen erneut geschädigt werden.

Studienergebnisse
Vertreter von BAYER argumentieren, „der Wirkstoff sei für Mensch, Tier und Natur völlig ungefährlich, wenn er sachgemäß verwendet werde“. (6) Die Konzentration von Imidacloprid oder Clothianidin sei zu niedrig, um Bienen zu schädigen oder den Tod von Bienen zu verursachen. Diese Aussagen stehen jedoch im Widerspruch zu zahlreichen Untersuchungen:

· Im Auftrag des französischen Landwirtschaftsministerium erstellte das Comité Scientifique et Technique (CST) gemeinsam mit den Universitäten Caen und Metz sowie dem Institut Pasteur einen 108-seitigen Untersuchungsbericht zum Bienensterben in Frankreich. Darin wird festgestellt, dass die Verwendung von Imidacloprid für den Tod Hunderttausender Bienenvölker mitverantwortlich ist. So heißt es in der Zusammenfassung der Studie: „Die Untersuchungsergebnisse zu den Risiken des Saatgutbehandlungsmittels Gaucho (Wirkstoff: Imidacloprid) sind beunruhigend. In Bezug auf Bienensterblichkeit und Orientierungsstörungen von Bienen stimmen die Ergebnisse der Studie mit den Beobachtungen zahlreicher Imker in Regionen intensiver Landwirtschaft (Mais- und Sonnenblumenanbau) überein. Die Saatgutbehandlung mit Gaucho stellt ein signifikantes Risiko für Bienen in verschiedenen Altersstufen dar.“ Und weiter: „Was die Behandlung von Mais-Saat mit Gaucho betrifft, so sind die Ergebnisse ebenso besorgniserregend wie bei Sonnenblumen. Der Verzehr von belasteten Pollen kann zu einer erhöhten Sterblichkeit von Pflegebienen führen, wodurch das anhaltende Bienensterben auch nach dem Verbot der Anwendung auf Sonnenblumen erklärt werden kann“ (7).

· Labor-Untersuchungen aus Frankreich belegen die schädigende Wirkung selbst geringster Dosen Imidacloprid auf Orientierungs- und Geruchssinn der Bienen. Selbst wenn eine Vergiftung nicht unmittelbar tödlich wirkt, können die Bienen derart geschädigt werden, dass sie nicht mehr zu ihrem Stock zurückfinden und den Fundort von Nektar nicht an andere Bienen weitergeben können. Französische Wissenschaftler bemängeln, dass die Empfindlichkeit von Bienen gegenüber Imidacloprid wesentlich (ca. 100 Mal) höher ist, als in deutschen Publikationen dargestellt wurde. Die in Deutschland vorgenommenen Untersuchungen wurden überwiegend von BAYER durchgeführt oder finanziert. (8)

· Untersuchungen fanden Spuren des Wirkstoffs in über 20% der untersuchten Blütenstaubproben - selbst in Pflanzen, die nicht behandelt worden waren und das Pestizid über den Boden aufgenommen hatten. Wurde Mais-Saatgut mit Imidacloprid behandelt, fand sich später in der Pflanze eine Pestizid-Konzentration von 5-12 ppb (parts per billion). Konzentrationen dieser Höhe können bei Bienen zu Orientierungs-Störungen führen.

· Im Jahr 2002 startete das Bieneninstitut Österreich gemeinsam mit dem Bieneninstitut Celle, der Biologischen Bundesanstalt (BBA) und der Firma BAYER einen Feldversuch. Zu Beginn der Rapsblüte wurden 10 Bienenvölker neben 60 Hektar Imidacloprid-gebeiztem Raps aufgestellt. 10 weitere Völker standen in 15 km Entfernung von 40 Hektar ungebeiztem Raps. Es wurde festgestellt, dass in den Imidacloprid-behandelten Feldern kein Rapspollen gesammelt wurde, bei den nicht-gebeizten Feldern hingegen in großem Ausmaß. Die Auswertung des Versuchs zeigte, dass es bei den Bienen unter Einfluss von Imidacloprid zu Orientierungsproblemen kam. Bienen, die mit einem gewissen Imidacloprid-Level belastet waren, waren nicht mehr im Stande, aus 500 m Entfernung in ihr Bienenvolk zurückzufinden. (9)

· Kanadische Studien zeigen, dass der Einsatz von Imidacloprid zu einer bedenklichen Grundwasserbelastung führt. (10) Im US-Bundesstaat New York wurde Clothianidin keine Zulassung erteilt, da eine Verunreinigung des Grundwassers durch das langlebige Pestizid befürchtet wird. (11)

Es besteht der dringende Verdacht, dass die verantwortlichen Manager der BAYER AG beim Verkauf giftiger Saatgutbeizmittel die Verluste an Bienenvölkern und den damit verbundenen wirtschaftlichen Schaden in Kauf genommen haben. Neben dem wirtschaftlichen Schaden liegt ein schwerer Fall von Umweltgefährdung vor. Die von BAYER bei den Zulassungsbehörden eingereichten Studien wurden offenbar derart angelegt, die Bienengefährlichkeit von Neonicotinoiden möglichst gering erscheinen zu lassen und Pestizid-Rückstände in gebeizten Pflanzen zu verharmlosen.

Anmerkungen
1 Siehe: http:www.cbgnetwork.org/2533.html
2 Siehe: http:
www.pmra-arla.gc.ca/english/pdf/reg/reg2004-06-e.pdf
3 Clothianidin ist zwar in Frankreich nicht zugelassen, wurde aber von elsässischen Landwirten verwendet, die den Wirkstoff in Deutschland gekauft hatten
4 Presse Information des JKI: www.jki.bund.de/cln_045/nn_806762/DE/pressestelle/Presseinfos/2008/1006__AnalyseBienenschaeden.html
5 Die von BAYER empfohlene Menge beträgt 60g Clothianidin pro Hektar (http:xmedia.bayercropscience.de/pdf/200806171807173080799.PDF)
6 Siehe Artikel in der „Rheinischen Post“ http:
www.rp-online.de/public/article/leverkusen/575425/BAYER-zahlt-wegen-Bienentod.html
7 Siehe den vollständigen Bericht unter http://agriculture.gouv.fr/IMG/pdf/rapportfin.pdf
8 Siehe: Gesprächsprotokoll deutscher und französischer Bieneninstitute zum Thema „Imidacloprid und Bienenschutz“ in Straßburg am 28.01. 2004
9 „Pestizid-Problematik: Schadet Imidacloprid den Bienen?“ aus Schweizer Bienenzeitung 12/2003
10 CONTAMINATION DE L‚EAU SOUTERRAINE PAR LES PESTICIDES ET LES NITRATES DANS LES RÉGIONS EN CULTURE DE POMMES DE TERRE, Ministère de l‘Environnement, Gouvernement du Québec, 2003
11 Siehe EPA review „EFED Risk Assessment for the Seed Treatment of Clothianidin 600 FS on Corn and Canola“, February 20, 2003

[Süllhöfer] STICHWORT BAYER 01/2008

CBG Redaktion

„Süllhöfer vs. BAYER“ - die Fortsetzung folgt

Ein langer Prozess

Es ist das längste Verfahren in der Justiz-Geschichte der Bundesrepublik. Seit nunmehr vierzig Jahren klagt Heinz Süllhöfer gegen BAYER. Der Düsseldorfer wirft dem Leverkusener Multi vor, sich widerrechtlich seine Erfindung einer Kunststoffplatten-Maschine angeeignet zu haben. Immer wieder wollten die RichterInnen die Aktendeckel schließen; immer wieder gelang Süllhöfer eine Wiederaufnahme. So müssen sich die Gerichte auch noch in diesem Jahr mit dem Fall befassen.

Von Jan Pehrke

„Ich schlafe seit 40 Jahren mit der Geschichte ein und wache am nächsten Morgen wieder damit auf“, sagte der Düsseldorfer Erfinder Heinz Süllhöfer in einem dpa-Interview. Diese unendliche Geschichte begann Mitte der sechziger Jahre. Süllhöfer hatte eine Maschine zur Massenherstellung von Isolierplatten aus Polyurethan-Kunststoff konstruiert und bot sie BAYER zum Kauf an. Der Leverkusener Multi prüfte die Offerte lange - und lehnte dann überraschend ab. Später erfuhr der Erfinder, warum. Der Konzern hatte die Apparatur kurzerhand nachgebaut, in Betrieb genommen und in die eigene Produktpalette integriert. Süllhöfer zog umgehend vor Gericht und erwirkte einen Vergleich: Für die Überlassung der Nutzungsrechte hatte BAYER ihm künftig für Verkäufe ins Ausland Lizenzgebühren zu zahlen. Geld erhielt der 81-Jährige allerdings nie. „Zahlen? Wofür? Ach, sie wollen Lizenzgelder? Tja, dann weisen Sie uns erst einmal nach, welcher unserer ausländischen Kunden nach Ihrem Verfahren arbeitet! Und dann sehen wir weiter!“1, beschied ihm damals ein BAYER-Justiziar.

Der Düsseldorfer Erfinder reichte 1973 deshalb erneut eine Klage ein. Er wollte den Pharma-Riesen per Gerichtsbeschluss zwingen, das Ausmaß der Geschäfte mit seinen ausländischen Kunden offen zu legen, um daraus seine Ansprüche abzuleiten. Da Heinz Süllhöfer das mit einer Entschädigungsforderung in dreistelliger Millionen-Höhe verband, unterlag er. 1991 versuchte der Unternehmer es erneut, scheiterte jedoch abermals. Noch 16 Jahre später weigerte sich das Landgericht Düsseldorf, die Akten von 1973 wieder zu öffnen. Süllhöfer ging in Revision und errang einen Erfolg. Im November 2007 ordnete das Oberlandesgericht an, die Berechtigung seiner alten Auskunftsklage, die er in seinem neuerlichen Antrag nicht mehr direkt mit Schadensersatz-Forderungen verknüpfte, zu prüfen.

Hatte das Landgericht Süllhöfers Begehr noch mit dem Hinweis auf Gerichtsschulden und die 1991 doch stattgefunden habende Verhandlung des Falles abgewiesen, so folgten die OLG-RichterInnen der Argumentation des Rechtsanwalts Siegfried Bratke, wonach sein Mandat 1973 ordnungsgemäß einen Gerichtskosten-Vorschuss gezahlt habe und 1991 sein Anliegen nicht einmal habe vortragen können, weil weder der komplette Aktensatz noch überhaupt die Klageschrift vorlag.

BAYER versuchte jetzt auf Zeit zu spielen, um juristischen Schaden vom Unternehmen abzuwenden. „Die Ansprüche sind verjährt, aber auch unbegründet“, argumentierte der Konzernanwalt in verräterischer Logik. Wenn die Ansprüche verjährt sind, dann waren sie nämlich einmal begründet, wenn sie aber unbegründet sind, dann waren sie es von Anfang an. Was der Unternehmensjurist eher unfreiwillig andeutet, spricht der Konzern intern ganz offen aus. „Gegen sein Patent können wir nichts unternehmen, denn wir stehen praktisch da mit patentrechtlich leeren Händen“, hieß es in einem alten Strategiepapier des Chemie-Multis. Deshalb schwante den Patenträubern auch, dass „es bei der derzeitigen Rechtssprechung ... durchaus möglich schien, dass Süllhöfer obsiegt, was genau das Gegenteil von dem bewirkt hätte, was wir beabsichtigen, nämlich Süllhöfer zum Schweigen zu bringen“.

Auch auf die Zeit ist vor Gericht allerdings nicht unbedingt Verlass, denn auf die Verjährungsfrist von 30 Jahren kann der Beschuldigte nur hoffen, wenn er sich seit der „Tatzeit“ an die juristischen Spielregeln gehalten und in der Sache nichts Inkriminierendes mehr unternommen hat. Und genau das hat der Global Player nicht. Er hat z. B. mit Manipulationen von Beweismaterial versucht, den Prozess-Ausgang zu seinen Gunsten zu beeinflussen - Beweise für ein solches „Täuschungshandeln“, wie der juristische Fachausdruck heißt, hat Süllhöfer dem Gericht vorgelegt. Diese haben das Düsseldorfer Landgericht offensichtlich nicht unbeeindruckt gelassen. Anfang März lehnten die RichterInnen es in einem Beschluss ab, das Verfahren wg. Verjährung einzustellen. Sie verlangten von den BAYER-Anwälten stattdessen, stichhaltigere Argumente für ihre Position vorzulegen. An Heinz Süllhöfer erging die Aufforderung, seine Schadensersatzansprüche „entscheidungsfest“ zu belegen; fünf offene Fragen bestanden für die JuristInnen noch. Eine Antwort machten sie dem Erfinder jedoch schwer. Sie setzten nämlich den Streitwert auf 500 Millionen Euro fest. Da sich die Kosten der rechtlichen Auseinandersetzung an dieser Summe bemessen, müsste der Kläger nun erst einmal einen Gerichtskostenvorschuss von drei Millionen Euro leisten, um im Verfahren „drin“ zu bleiben. Das kann Süllhöfer nicht - und die Richterin Ulrike Voß wollte es ihm nicht ermöglichen. Sie lehnte den Antrag auf Prozesskostenbeihilfe ab. „Die Rechtsverfolgung hat keine Aussicht auf Erfolg“, begründete Landgerichtssprecherin Christina Schubert. Siegfried Bratke will diesen Beschluss jedoch anfechten. Das Gericht kann nicht gleichzeitig weiteren Klärungsbedarf anmelden und die Bereitstellung der Mittel dafür verwehren. Eine Entscheidung über den Widerspruch ergeht erst nach SWB-Redaktionsschluss. Aber wie sie auch ausfallen mag, das letzte Wort zum Fall „Süllhöfer vs. BAYER“ dürfte die Justiz damit noch nicht gesprochen haben.

1 zit. nach Süllhöfers Angaben in Monique Klinkenberg, Das Patent - Krankheiten, Konzerne und Patentklau, S. 191 (Das Buch ist über den J5A-Versand erhältlich)

[Quecksilber] STICHWORT BAYER 01/2008

CBG Redaktion

Quecksilber-Emissionen

OSPAR legt Bericht zur Chlorindustrie vor

Die Nordsee-Schutzkommission OSPAR hat einen neuen Bericht über die Quecksilber-Emissionen von Chloralkali-Anlagen veröffentlicht. Die Zahl der Chlorwerke mit Quecksilbertechnik ist seit dem ersten Bericht 1998 zurückgegangen, stagniert aber seit einigen Jahren. So wurde in Deutschland zuletzt 2002 ein Werk stillgelegt. Ebenso sind die Quecksilberemissionen anfänglich stark, zuletzt deutlich schwächer zurückgegangen. Insgesamt betrugen die Emissionen 4450 Kilogramm. Davon stammten 1229 Kilogramm aus neun Anlagen in Deutschland.
Die Bayer AG hat ihre Produktionskapazitäten in Krefeld-Uerdingen dem Bericht zu Folge um knapp 20 Prozent erweitert. Von 110.000 Tonnen Chlorproduktion mit Quecksilbertechnik (2004) auf 130.000 Tonnen im Jahr 2005. Die Firma LII Europe, mit einer Anlage im Chemiepark Frankfurt-Höchst, hat den höchsten Quecksilberausstoß der deutschen Anlagen. Pro produzierter Tonne Chlor lag dieser bei 1,3 Gramm und damit über dem in Deutschland zulässigen Grenzwert von 1,0 Gramm, der ab Oktober 2007 gilt.
Die Nordsee-Anreinerstaaten hatten bereits 1990 beschlossen, dass Chlorwerke bis zum Jahr 2010 nicht mehr mit Quecksilbertechnik arbeiten sollen. Die Betreiber haben sich lediglich bereit erklärt, die betreffenden Anlagen bis 2020 umzurüsten oder zu schließen. Als beste verfügbare Technik wird das energiesparende Membranverfahren angesehen. Der Bericht kann im Internet unter www.ospar.org abgerufen werden. (fn)

[Parkinson] STICHWORT BAYER 01/2008

CBG Redaktion

Parkinson-Kranke geschädigt

BAYERs Arzneitest-GAU

Im Jahr 2005 kam es bei Arznei-Tests mit Parkinson-Kranken, die der nun zu BAYER gehörende Pharma-Multi SCHERING in Kooperation mit dem Unternehmen TITAN in den USA durchführte, zu ernsthaften Zwischenfällen. Die per gehirnchirugischem Eingriff implantierten Zellen zur Dopamin-Produktion verursachten bei den ProbandInnen Verwirrtheitszustände, Depressionen bis zu Selbsttötungsversuchen, Lähmungserscheinungen, Sprachausfälle, epileptische Anfälle, Hirnblutungen, Asthma und andere körperliche oder geistige Beeinträchtigungen. Die dauerhaft geschädigte Suzanne Davenport hat deshalb Klage gegen den Leverkusener Agro-Riesen eingereicht.

Von Jan Pehrke

Chronisch kranke Menschen müssen mit einem hohen Leidensdruck leben. Sie haben oft schon eine Odyssee durch diverse schul- und alternativmedizinische Praxen hinter sich, saugen begierig Meldungen über wissenschaftliche Fortschritte auf und klammern sich an jeden Strohhalm. Parkinson-Erkrankten etwa machte SCHERING große Hoffnungen. „In einer ersten Studie, die Daten aus drei Jahren Beobachtung umfasste, zeigten alle sechs Patienten eine lang anhaltende Verbesserung ihrer Parkinson-Symptome um durchschnittlich beinahe 50 Prozent“, meldete das Berliner Unternehmen über Versuche mit SPHERAMINE in seinem Geschäftsbericht von 2004. In den Fachzeitschriften erschienen entsprechende Artikel, das „Kompetenznetz Parkinson“ verbreitete die frohe Kunde und die US-Gesundheitsbehörde FDA votierte wegen der guten Therapie-Aussichten für ein beschleunigtes Versuchsverfahren. Da war es für den seit 2006 zu BAYER gehörenden Pharma-Riesen ein Leichtes, aus diesem Personenkreis ProbandInnen für die zweite Phase der Klinischen Tests mit dem Biotech-Medikament zu gewinnen.
Dabei handelte es sich um alles andere als einen „normalen“ Arznei-Test. Die TeilnehmerInnen hatten sich einer richtigen Operation zu unterziehen, bei der die ChirurgInnen ihnen von Organspendern stammende Augenzellen zur Anregung der Dopamin-Produktion ins Gehirn einpflanzen wollten. Aber diese Aussicht schreckte sie ebenso wenig ab wie das Verbot solcher Unterfangen in Europa, wo ein Studien-Design, das Angehörigen der Placebo-Gruppe sinnlose Operationen zumutet, nicht die Gnade der Genehmigungsbehörden findet.
Ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten musste SCHERING im Jahr 2005 die zwei bundesdeutschen Probanden deshalb extra fliegen, und diese konnten es kaum erwarten. „Endlich, nach einem Jahr kam das Signal:‚Es geht los‘“, schildert einer von ihnen im Parkinsonline-Forum seine Reaktion. Auch die vorläufige Absage seines OP-Termins wegen erheblicher Komplikationen nach einem Versuch mit dem SCHERING-Präparat in Tampa macht den Parkinson-Kranken nicht misstrauisch; er reagiert erleichtert auf die Entscheidung der Ethik-Kommission, grünes Licht für die Fortsetzung der Testreihe zu geben. Nicht einmal das Schicksal seines bundesdeutschen Leidensgenossen, der nach der Einsetzung der Dopamin-Zellen Halluzinationen und Depressionen bekam, in jedem einen potenziellen Mörder sah und im Bett fixiert werden musste, ließen bei dem „Parki“, wie er sich selbst nennt, Zweifel aufkommen. Ihm blieben dann ähnliche Leiden glücklicherweise erspart - seinen Kopf öffneten die MedizinerInnen nur „pro forma“, weil er der Kontrollgruppe angehörte.
Seine sehnlich erwünschten SPHERAMINE-Kulturen pflanzten die ÄrztInnen ihm und den anderen „Placebos“ erst später ein. „Das heißt für mich, und das ist vertraglich abgesichert, nach Ablauf der Studie noch mal hin, und dann natürlich garantiert mit Zellen wieder zurück. Dazu nehme ich die nicht unbedeutenden Risiken in Kauf. Ich hoffe, ich habe Euch allen ein bisschen Mut gemacht“, schließt er seinen Forumsbeitrag.
Auf einer anderen Parkinson-Website stellt ein Patient ähnlich unkritisch dar, was bei den SPHERAMINE-Tests in Tampa geschah. Bevor er die von den MedizinerInnen für die US-Gesundheitsbehörde FDA angefertigte vorläufige Studien-Auswertung präsentiert, die auf den Daten von 55 der 68 TeilnehmerInnen basiert und bei 10 Personen ernsthafte Nebenwirkungen dokumentiert, schreibt er: „Wie bei allem werden auch hier einige nur das Negative sehen und andere die Zukunft“. Wer allerdings nach den ellenlangen Passagen über Verwirrtheitszustände, Depressionen bis zu Selbsttötungsversuchen, Lähmungserscheinungen, Sprachausfälle, epileptische Anfälle, Hirnblutungen, Asthma und anderen körperliche oder geistigen Beeinträchtigungen in SPHERAMINE noch einen Heilsbringer sehen kann, bleibt schleierhaft. Die von SCHERING und TITAN engagierten ÄrztInnen allerdings glauben nach wie vor an „goldene Zeiten“. „Die Stärke und Häufigkeit dieser ernsthaften Nebenwirkungen entsprechen den Komplikationen, die nach dieser Art der Intervention normalerweise zu erwarten waren“, bagatellisieren sie die Vorkommnisse. Die als „nicht ernsthafte Ereignisse“ verbuchten Fälle von Brechreiz, Muskelzuckungen, Gleichgewichtsstörungen, Kopfschmerzen, Halluzinationen, Depressionen und Verwirrtheitszustände betrachten sie ebenfalls als Test-Business as usual.
Nur einen Fall vermochten die VersuchsleiterInnen beim besten Willen nicht kleinzureden. Nachdem sich bei der 69-jährigen Suzanne Davenport die „erwartbaren“ Nebenwirkungen wie Verwirrtheitszustände und Bewegungsstörungen scheinbar gelegt hatten, verschlechterte sich ihre geistige und körperliche Verfassung auf Dauer so gravierend, dass sie in ein Pflegeheim musste und auf einen Rollstuhl sowie auf künstliche Ernährung angewiesen ist. Das hatten die TesterInnen nicht erwartet. Und weil nicht sein kann, was nicht sein darf, musste „das bisschen Hirnchirurgie“ für die MedizinerInnen mit einer solch krassen Verschlechterung des Allgemeinzustandes nicht unbedingt etwas zu tun haben. „Der kausale Zusammenhang dieser Degenerationserscheinungen mit der SPHERAMINE-Behandlung ist unklar“, heißt es in ihrem Bericht.
Suzanne Davenport leidet seit 1989 an Parkinson. Lange Zeit konnte die ehemalige Kindergärtnerin mit der Krankheit relativ gut leben. Aber im Jahr 2003 verschlechterte sich ihr Befinden. Sie begab sich wieder in ärztliche Behandlung, und im Frühjahr 2004 machten ihr NeurologInnen von der University of California in Los Angeles den Vorschlag, an der vorklinischen Erprobung von SPHERAMINE teilzunehmen, das sich in ersten Studien als vielversprechend erwiesen habe. In der Hoffnung auf Linderung ihres Leidens willigte Davenport ein und begab sich am 14. Januar 2005 ins General Hospital von Tampa. „Nach dem Eingriff war sie nicht mehr dieselbe Person“, schreibt Sarah Rubenstein vom Wall Street Journal, „sie konnte nicht länger aufrecht in einem Stuhl sitzen und nicht mehr gehen (...) Sie brauchte eine Windel und behielt ihren Mund ständig offen“.
Suzanne Davenport war zu einem Pflegefall geworden. Ihre Angehörigen kümmerten sich aufopferungsvoll um sie, aber irgendwann wuchs ihnen die Rundum-Betreuung über den Kopf. Im September 2005 beschlossen ihr Ehemann Jim und Tochter Julie deshalb schweren Herzens, Suzanne Davenport in einem Altersheim pflegen zu lassen. 700 Dollar musste Jim Davenport für den Platz monatlich zuzahlen, den Rest und die Aufwändungen für die ärztliche Versorgung - bis heute über 100.000 Dollar - übernahm die US-amerikanische Gesundheitsfürsorge „Medicaid“. Nach Meinung von Julie Languille sollten aber SCHERING und TITAN für diese Kosten aufkommen, denn das hatte das Unternehmen vor Beginn der Studie zugesichert. „Wenn Sie als eine direkte Folge der Forschungsprozeduren gesundheitliche Schäden davontragen, erhalten Sie eine kostenlose medizinische Betreuung“, lautete der entsprechende Passus in dem Vertrag.
In einem Brief gab sich der bei TITAN für die Klinische Entwicklung zuständige Wissenschaftler Dr. Dimitri Lissin dann auch einsichtig. „Ich nehme zur Kenntnis, dass sich die Symptome ihrer Mutter während der Teilnahme an der Studie (...) verschlimmert haben“, schrieb Lissin. Ob das dem Fortschreiten der Krankheit oder der Behandlung mit SPHERAMINE geschuldet war, stand für ihn zwar nicht fest, er versicherte Julie Languille aber, eine mögliche Entschädigung zu prüfen. Die Rechtsabteilung sei schon eingeschaltet, so Lissin.
Das verunsicherte Suzanne Davenports Tochter, die auf eine schnelle, unbürokratische Einigung gehofft hatte. Sie wendete sich nun ihrerseits an einen Anwalt. Stephen Pappas prüfte den Fall und verklagte SCHERING, TITAN und die Universität von Kalifornien auf Schadensersatz in Höhe von fünf Millionen Dollar. Nach der Übernahme SCHERINGs mussten sich BAYERs JuristInnen mit der Sache befassen. Der Pharma-Riese „habe Anstrengungen unternommen, um zu versuchen, eine Einigung über eine irgendwie geartete Entschädigung für Frau Davenports Pflege zu erzielen“, antwortete der Konzern auf Nachfrage des Wall Street Journal in aller Undeutlichkeit. Für die fünf Millionen Dollar müsste der Global Player dabei eigentlich keine besonderen Anstrengungen unternehmen, aber mit dem Zahlungsgrund hat der Konzern Probleme: Es darf nämlich keinen geben, weil das einem Schuldeingeständnis gleichkäme. Und so wird BAYER wohl nur zahlen, wenn die Gegenseite der Unternehmenssicht der Dinge zustimmt, nach der es „nicht erwiesen ist“, dass SPHERAMINE den Krankheitsschub auslöste. Dazu scheint diese bereit zu sein. Laut BAYER steht ein Vergleich unmittelbar bevor.
Dabei sieht der Pharma-Riese selber die SPHERAMINE-Untersuchungen als nicht ganz unheikel an. „Wenn chirurgische Interventionen nötig sind, stehen kontrollierte, günstigstenfalls Placebo-kontrollierte Studien vor der Herausforderung, eine Balance zwischen ethischen und wissenschaftlichen Erfordernissen zu finden“, trug Dr. Elke Reissig von BAYERs SPHERAMINE-Studiengruppe im letzten Jahr in Berlin auf einem NeurologInnen-Kongress vor. Aber die Vorkommnisse in Atlanta und Tampa störten dieses Gleichgewicht offenbar nicht nachhaltig. Der Konzern kündigte an, im Jahr 2009 mit großflächigen SPHERAMINE-Tests zu beginnen.
Staatlich beauftragte Arznei-PrüferInnen haben da offensichtlich ein anderes Moralempfinden. So stoppten sie unlängst eine Studie mit Diabetes-Präparaten vom Leverkusener Multi und anderen Herstellern. Diese wollte prüfen, ob BAYERs PRECOSE und weitere Mittel in einer hohen Dosierung lebensverlängernd wirkten, erbrachte aber das gegenteilige Resultat. In der entsprechenden Gruppe starben deutlich mehr PatientInnen als in derjenigen mit der Standardtherapie, woraufhin die Forschungsleiter die Erprobung vorzeitig beendeten.
Solche Zwischenfälle häufen sich, weil ständig mehr Studien stattfinden. Die Börse straft Pillen-Produzenten ohne aussichtsreiche Neuentwicklungen in der „Pipeline“ gnadenlos ab, und so testen sie, was das Zeug hält. Von 40.000 im Jahr 2000 auf 59.000 im Jahr 2006 stieg die Zahl der Untersuchungen. Die zunehmenden Experimente mit bio- oder genmedizinischen Therapieformen erhöhen das Risiko zusätzlich, denn die Wirkungsweise von SPHERAMINE und ähnlichen Präparaten ist schwieriger vorherzusehen als diejenige von synthetisch hergestellten Medikamenten. Schlagzeilen machte im letzten Jahr die Erprobung eines monoklonalen Antikörpers an acht Versuchspersonen in England, bei der alle sechs Nicht-Placebo-ProbandIinnen einen lebensgefährlichen Immunschock erlitten, an deren Spätfolgen ein Tester wenige Monate später starb.
Diese Vorfälle bewogen die EU, ein neues Reglement für solche Studien vorzubereiten. Diese „Richtlinie über Strategien zur Identifizierung und Minderung von Risiken bei Phase-1-Studien mit experimentellen mediznischen Produkten“ rief sofort die Global Player auf den Plan. Nicht weniger als 58 Eingaben mit Verwässerungsvorschlägen von Einzelunternehmen oder Pharmaverbänden erhielt die Europäische Arzneimittelagentur EAMA. Die auch BAYER zu ihren Mitgliedern zählenden Gentech-Verbände „EuropaBio“ und „European Biopharmaceutical Enterprises“ etwa machten sich Sorgen um den medizinischen Fortschritt, wenn auf ihren Labor-Hervorbringungen der „Hochrisiko-Stempel“ pappt und plädierten dafür, bloß von einem höheren statt von einem hohen Risiko zu sprechen. Wie immer zeigte sich die EU aufgeschlossen für die Änderungswünsche und überarbeitete ihren Entwurf. Auch wenn die EAMA verfügte, die Anfangsdosis der Testsubstanzen zu senken und sie immer nur einer Testperson zur Zeit zu verabreichen, dürfte der „medizinische Fortschritt“ deshalb auch in Zukunft noch so einige Opfer wie Suzanne Davenport kosten.

[Ticker] STICHWORT BAYER 01/2008 – Ticker

CBG Redaktion

Kurzmeldungen Ticker

AKTION & KRITIK

Pipeline-Demo in Erkrath
Der Protest gegen BAYERs umstrittene Kohlenmonoxid-Leitung reißt nicht ab. An zahlreichen Bauabschnitten halten die CO-GegnerInnen Mahnwachen ab, und am 13. März 2008 demonstrierten in Erkrath 500 Menschen gegen das Projekt. Der Protestmarsch, an dem LokalpolitikerInnen aller Parteien, Angehörige verschiedener Initiativen und natürlich auch VertreterInnen der COORDINATION gegen BAYER-Gefahren teilnahmen, führte von der Erkrather Innenstadt bis zur Pipeline-Baustelle, wo die TeilnehmerInnen 420 Holzkreuze mit Grablichtern aufstellten, um so auf die tödliche Gefahr durch den Röhren-Verbund aufmerksam zu machen.

CBG bei Pipeline-Veranstaltung
Ende Februar nahm CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes auf Einladung der DÜSSELDORFER BÜRGERINITIATIVE GEGEN DIE BAYER-GIFTGAS-LEITUNG gemeinsam mit VertreterInnen von anderen Gruppen und Parteien in Düsseldorf-Unterbach an einer Diskussionsveranstaltung zur umstrittenen BAYER-Pipeline teil.

Romy Quijano freigesprochen
Dr. Romy Quijano untersuchte in Kamukhaan auf den Philippinen die Risiken und Nebenwirkungen der auf einer Bananen-Plantage ausgebrachten Pestizide von BAYER und anderen Herstellern. Der Bananenbaron vom Unternehmen LADECO wollte den Wissenschaftler daraufhin mundtot machen und verklagte Quijano. Dabei schreckte der Plantagen-Besitzer nicht einmal davor zurück, DorfbewohnerInnen mit Bestechungsgeldern zu Aussagen gegen Romy Quijano zu veranlassen; es kam sogar zu Todesdrohungen. Im Jahr 2008 endete die juristische Auseinandersetzung nach sieben Jahren endlich mit einem Freispruch. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, die sich seit Jahren an einer Solidaritätskampagne für den Umweltschützer beteiligt, gratulierte Romy Quijano umgehend zu seinem Erfolg.

Ter Meer ohne Grabschmuck
Alle Jahre wieder zu Allerheiligen schmückt BAYER das Grab des ehemaligen IG-FARBEN-Vorstandsmitglieds und Kriegsverbrechers Fritz ter Meer mit einem großen Kranz. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN protestiert seit Jahren gegen die Ehrung eines Mannes, den die Richter im Nürnberger IG-FARBEN-Prozess wegen seiner Verantwortung für Zwangsarbeit und Plünderungen zu sieben Jahren Haft verurteilt hatten. Das hat jetzt offensichtlich Wirkung gezeigt: Im letzten Jahr verzichtete der Leverkusener Multi zum ersten Mal auf diese Art der Traditonspflege.

CBG schreibt Gabriel
Das Bundesumweltamt unterhält zwar ein Störfall-Register, aber nähere Angaben zu den Betreibern der explosiven Anlagen finden sich darin nicht. Dieses kritisierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) in einem Brief an Bundesumweltminister Sigmar Gabriel. „Mit dieser Art der Anonymisierung sind wir in keinster Weise einverstanden! Sie begünstigt in unangemessener Weise die Verursacher von Schäden gegenüber der Öffentlichkeit und den Betroffenen. Da die Unternehmen von sich aus kaum oder gar nicht über Unfälle berichten, haben Medien und Umweltverbände keine Möglichkeit, eine Störfall-Bilanz einzelner Firmen zu erstellen. Hierdurch könnte Druck auf die Unternehmen ausgeübt werden, ihre Sicherheitslage zu verbessern“, schrieb die CBG.

Genreis: CBG schreibt Bundesregierung
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, das GEN-ETHISCHE NETZWERK, der BUND und andere Initiativen haben die Bundesregierung in einem Offenen Brief aufgefordert, sich auf EU-Ebene gegen eine Importzulassung von BAYERs Genreis auszusprechen, der - obwohl noch gar nicht zugelassen - im Jahr 2006 aus ungeklärter Ursache massenhaft in Haushaltsreis von ALDI und anderen Anbietern gelangt war. „Für über 2,5 Milliarden Menschen ist Reis das wichtigste Grundnahrungsmittel. Die Europäische Union darf sich nicht über die ökologischen und sozialen Risiken von LL RICE 62 in den potentiellen Anbau-Ländern hinwegsetzen. Wir fordern Sie auf, sich bei der EU gegen eine Import-Zulassung von LIBERTY LINK-Reis auszusprechen!“, heißt es in dem Schreiben wörtlich.

Kartelle: CBG schreibt Zypries
In Sachen „Kartelle“ entwickelt BAYER sich immer mehr zum Serientäter. Allein in den letzten Jahren haben die Behörden elf Fälle von illegalen Preisabsprachen entdeckt. Die hohen Bußgelder - der Konzern zahlte bislang ca. 500 Millionen Dollar - schrecken den Leverkusener Multi offenbar nicht ab. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) forderte Bundesjustiziministerin Brigitte Zypries deshalb in einem Offenen Brief auf, die ManagerInnen-Haftung einzuführen. „Es stellt unserer Meinung nach eine gesetzgeberische Fehlleistung ersten Ranges dar, dass Verstöße gegen Kartellvorschriften nur mit Bußgeldern und evtl. zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen belegt sind, nicht hingegen mit Strafen. Angesichts der Gemeinschädlichkeit derartiger Absprachen und des dadurch verursachten enormen Schadens stimmt es merkwürdig, dass nicht einmal in schweren Fällen Straftaten vorliegen. Wir fordern daher den Gesetzgeber auf, entsprechende Straftatbestände zu schaffen. Erst wenn die verantwortlichen Manager Gefängnisstrafen fürchten müssen, kann von einem abschreckenden Effekt ausgegangen werden“, stellt die CBG fest.

BAYER für „Public Eye Award“ nominiert
Alljährlich halten die Global Player im schweizerischen Davos ihr Klassentreffen ab. Die Schweizer Initiativen ERKLÄRUNG VON BERN und PRO NATURE nutzen die Gelegenheit, um als Spielverderber dem Unternehmen mit den fragwürdigsten Geschäftspraktiken den „Public Eye Award“ zu verleihen. Zu den Vorgeschlagenen zählte auch dieses Mal wieder: BAYER. Das FORUM FÜR UMWELT UND ENTWICKLUNG, das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK und die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN nominierten den Leverkusener Multi für seine Versuche, die Jatropha-Pflanze als Biotreibstoff-Reservoir zu nutzen und dazu auch gleich noch das passende Saatgut und die passenden Pestizide zu liefern. „Das Saatgut und die Pflanzenschutzmittel für Jatropha sollen die Pflanze für den Chemiekonzern und die Automobilindustrie profitabel machen. Verlierer sind einmal mehr die Bauern der südlichen Länder. Sie verlieren wertvolles, zur Nahrungsproduktion genutztes Land und tragen die Umweltbelastungen durch den intensiven Agrotreibstoff-Anbau. Zudem werden die Kleinbauern im Vertragsanbau abhängig gemacht von den teuren Agrochemie-Produkten“, heißt es in der Begründung der Gruppen.

CBG-Mitglied wg. Feldbesetzung verurteilt
Ein in Frankreich lebendes Mitglied der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat an der Besetzung eines Genfeldes teilgenommen und kam dafür vor Gericht. Die Richterin verurteilte es zu einer Strafe von 1.000 Euro.

Prozess wg. Feldbesetzung
Im letzten Frühjahr führten Gentech-GegnerInnen die Besetzung eines Feldes durch, auf dem die Universität Gießen zu Versuchszwecken Gerste mit einer eingebauten Resistenz gegen Glufosinat ausgesät hatte, mit welcher BAYER auch die Pflanzen aus der LIBERTY-LINK-Serie versehen hat. Seit März 2008 haben sich die AktivistInnen dafür vor Gericht zu verantworten.

CBG bei „Dritte-Welt“-Diskussion
Philipp Mimkes nahm für die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) in Köln an einer Diskussionsveranstaltung zum Thema „Umweltschutz - Menschenrechte - soziale Standards: Wie sieht es aus mit der Unternehmensverantwortung?“ teil, die das DRITTE WELT JOURNALISTINNEN NETZ gemeinsam mit der Kölner MELANCHTON AKADEMIE initiiert hatte. Der CBG-Geschäftsführer sah, so weit es BAYER betrifft, schwarz für die Unternehmensverantwortung und zählte dem Publikum detailliert die doppelten Standards auf, deren sich der Leverkusener Chemie-Multi in Sachen Umweltschutz, Kinderarbeit, Produktionsbedingungen und Produktsicherheit befleißigt.

OECD kritisiert bundesdeutsche Justiz
Nach menschlichem Ermessen müsste der Exportweltmeister eigentlich auch Weltmeister im Bezahlen von Schmiergeldern sein. Und tatsächlich stützt nicht nur der Fall „SIEMENS“ diese Vermutungen. Auch BAYER hat nach Angaben eines ehemaligen Mitarbeiters im Iran und in Italien kräftig Bestechungsgelder gezahlt, um Bau-Vorhaben realisieren oder andere Konzern-Ziele durchsetzen zu können (siehe auch Ticker 2/03). Die bundesdeutschen Gerichte bleiben jedoch weitgehend untätig. Während US-RichterInnen seit 1998 70 Unternehmen wg. Korruption verurteilten, verhängten ihre deutschen KollegInnen nur vier Strafen. Diese Praxis hat jetzt die OECD, die gemeinsame Organisation der 30 größten Industrieländer, kritisiert. „Es gibt eine ganze Reihe von Fällen, die von den Staatsanwaltschaften nicht besonders aktiv verfolgt werden“, so der OECD-Korruptionsbeauftragte Mark Pieth. Der deutsche Richterbund wies die Vorwürfe umgehend zurück, räumte aber Mängel ein. „In den Wirtschaftsabteilungen der Staatsanwaltschaften haben wir generell ein großes Problem. Eigentlich bräuchten wir viel mehr Spezialisten“, gestand Richterbund-Präsident Christoph Frank.

Spärliche Auskünfte
Die OECD ist ein Zusammenschluss der weltweit größten Industriestaaten. Ihre Leitsätze verpflichten die Multis zu gesellschaftlich verantwortlichem Handeln. GERMAN WATCH wollte von den Global Playern jetzt einmal wissen, wie sie diese Anforderungen konkret umsetzen. BAYER zeigte sich dabei nicht sehr auskunftsfreudig. „Während einige der Unternehmen ausführliche Informationen zu ihrer Nachhaltigkeitsstrategie machten, gaben andere keine oder nur sehr unvollständige Antworten ab, z. B. BAYER und VOLKSWAGEN“, erklärte die Initiative.

IQWIG-Chef Sawicki droht
Das „Kölner Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWiG) führt Kosten/Nutzen-Analysen von Arzneimitteln durch, was eine Streichung von Medikamenten aus dem Erstattungskatalog der Krankenkassen zur Folge haben kann. Entsprechend nervös reagiert die Pharma-Industrie. Auf allen erdenklichen Wegen versucht sie, bei den Prüfungen ein Wörtchen mitzureden. Diese Bestrebungen haben den IQWIG-Leiter Peter Sawicki jetzt dazu gebracht, im Falle eines gesteigerten Einflusses von BAYER & Co. auf die Entscheidungen des Instituts seinen Rücktritt anzukündigen. „Wenn das geschehen sollte, bin ich nicht mehr da, wo ich jetzt bin“, sagte der Pharmakologe, woraufhin ihm Gesundheitsministerin Ulla Schmidt versprach, die „fürsorgliche Belagerung“ nicht zuzulassen.

Kritik an Gates-Stiftung
Nach dem Vorbild von MICROSOFT hat Bill Gates der von ihm gegründeten „Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung“, die auch Projekte von BAYER unterstützt (siehe ERSTE & DRITTE WELT) eine Monopolstellung bei der Malaria-Forschung verschafft. Daran nahm jetzt der Leiter des Malaria-Programms der Weltgesundheitsorganisation WHO, Arata Kochi, Anstoß. Er kritisierte die Dominanz der keiner öffentlichen Kontrolle unterworfenen Stiftung, die inzwischen alle maßgeblichen WissenschaftlerInnen an sich binde, und bezeichnete ihre bei der Malaria-Therapie eingeschlagenen Wege sogar als teilweise gefährlich.

KAPITAL & ARBEIT

Nur 1,3 Prozent über 60 Jahre
Von den 37.590 Beschäftigten der BAYER AG sind gerade einmal 1,3 Prozent über 60 Jahre alt.

Nur 905 Ausbildungsplätze
Die Zahl der Ausbildungsplätze bei BAYER ist in den letzten 17 Jahren um 700 zurückgegangen. Gab es 1990 in den Werken der BAYER AG noch 1.600 Lehrstellen, so strich sie der Konzern bis zum Herbst 2007 auf 905 zusammen. Nicht einmal der Kauf der SCHERING AG hat das Angebot nennenswert erweitert. Wieder einmal liegt der Multi damit unter der durchschnittlichen Lehrstellen-Quote der bundesdeutschen Wirtschaft von sieben Prozent der Belegschaft.

Wennings Tarifrunde: + 28,1 %
Für BAYER-Chef Werner Wenning hat sich die letzte Lohnrunde gelohnt. Er konnte sein Salär um 28,1 Prozent auf 4,444 Millionen Euro steigern. Das Sümmchen setzt sich aus einem „Grundgehalt“ von 3,294 Millionen und einer variablen, am Aktienkurs orientierten Komponente von 1,1 Millionen zusammen. „Die Manager sollten ihren Mitarbeitern einmal erklären, warum sie soviel Geld brauchen“, kommentierte der SPD-Politiker Joachim Poß die von der Welt am Sonntag vorgelegten Lohnstreifen von Wenning & Co.. Der Große Vorsitzende hat das in einem Interview mit der Wirtschaftswoche getan. Seiner Ansicht nach geht beim Leverkusener Chemie-Multi alles gerecht zu, nur Tätigkeit, Qualifikation, Erfahrung und Verantwortung entscheiden über die Bezahlung. „Dabei messen wir beim Top-Management wie bei den Tarif-Mitarbeitern mit der gleichen Elle“, so Wenning.

Betriebsräte verdienen 60.000 Euro
Die VW-Affäre hat die Frage aufkommen lassen, ob den Betriebsräten im Lande nicht eine allzu üppige Bezahlung das „Co-Management“ erleichtert. BAYER veröffentlichte deshalb Zahlen und bezifferte das Durchschnittsgehalt eines Konzern-Betriebsrats auf 60.000 Euro.

Brunsbüttel streicht 100 Stellen
BAYER heizt den konzern-internen Wettbewerb um Investitionen immer mehr an. Mit dem Projekt „Mustang“ verglich der Multi jetzt das Verhältnis von Anlagen-Kapazität und Personalstamm an jedem Standort und vergab schlechte Noten für Brunsbüttel. „Wir sind 15 - 20 Prozent schlechter in der Personaleffizienz“, mit diesen Worten akzeptierte der dortige Betriebsratsvorsitzende Hans-Joachim Möller die negative Beurteilung ohne Widerworte, die ein Rationalisierungsprogramm mit einer Vernichtung von 100 Arbeitsplätzen zur Folge hat. Möller wusste sich darin mit der Werksleitung einig. „Nur so können wir im Wettbewerb um eine neue Anlage mithalten“, verlautete aus der Zentrale der Niederlassung.

ERSTE & DRITTE WELT

Bill Gates sponsort BAYER
Im Jahr 1998 startete die Weltgesundheitsorganisation WHO in Kooperation mit der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung die Malaria-Initiative „Roll back Malaria“. Sie wollte 60 Prozent der Erkrankten sofort eine medizinische Versorgung ermöglichen und die Zahl der Malaria-Toten bis zum Jahr 2010 auf die Hälfte senken. Zu diesem Zweck unterstützte die Initiative auch das BAYER-Projekt, auf Basis des von der „Hongkong University of Science and Technology“ entdeckten Wirkstoffes Artemisone ein neues Medikament zu entwickeln. Um dieses Präparat ist es allerdings still geworden, und auch von anderen Erfolgen kann „Roll back Malaria“ kaum künden, so dass die medizinische Fachzeitschrift Lancet im Jahr 2005 eine ernüchterne Zwischenbilanz zog. Bill Gates glaubt aber immer noch an BAYER. Er stellte dem Leverkusener Multi 50,7 Millionen Dollar zur Verfügung, um mit dem Kooperationspartner „Innovative Vector Control Consortium“ nach einem neuen Pestizid gegen den Malaria-Erreger zu forschen und schon vorhandene Wirkstoffe zu verändern, da die Stechmücke als Überträger der Krankheit gegen die alten Substanzen Resistenzen herausgebildet hat.

Pesticides are coming home
In den vergangenen Jahrzehnten haben die Agro-Multis - gefördert von „Entwicklungshilfe“-Programmen - „Drittweltländer“ großzügig mit Ackergiften versorgt. Die Folge: Nach Schätzungen der Welternährungsorganisation der UN lagern dort über eine halbe Millionen Tonnen Alt-Pestizide, schlecht gesichert in lecken Behältern, zerrissenen Tüten und geplatzten Säcken. Altlasten made by BAYER sind nach GREENPEACE-Angaben in rund 20 Ländern vertreten. Ob die 75 Tonnen DDT aus Tansania, die der Konzern jetzt auf Kosten des Entwicklungshilfeministeriums in Dormagen verbrennen will, ganz, teilweise oder gar nicht aus eigenen Beständen stammen, ist hingegen nicht bekannt.

KONZERN & VERGANGENHEIT

VCI: Geschichtsaufarbeitung nicht erwünscht
Die bundesdeutsche Chemiebranche hat sich ihrer unheilvollen Vergangenheit immer noch nicht gestellt. Fragen nach den IG FARBEN, dem für Zwangsarbeit, eigene KZs und Kriegsvorbereitungen verantwortlichen Mörderkonzern, wiesen BAYER als IG-Initiator, BASF und HOECHST & Co. stets mit dem Verweis ab, sie hätten die Rechtsnachfolge des Chemie-Trusts nicht angetreten. Nur die BASF hat sich bisher diesem dunklen Kapitel in einer Unternehmensgeschichte gewidmet. Ob allerdings eine lückenlose Aufklärung erfolgte, steht in Frage, denn es halten sich Gerüchte über zurückgehaltene Dokumente und Knebelverträge die Veröffentlichungsrechte betreffend. Der „Verband der Chemischen Industrie“ erwog zwar einmal, den Historiker Michael Stürmer mit einer Aufarbeitung seiner Vergangenheit zu betrauen, aber die Verantwortlichen stoppten das Projekt. Und BAYER? Der Leverkusener Multi hat noch nicht einmal im Traum daran gedacht, einen Wissenschaftler zur Inventur seines Giftschrankes im Firmenarchiv zu verpflichten.

POLITIK & EINFLUSS

Der Leverkusener BAYER-Rat
Die partei-übergreifende BAYER-Fraktion im Leverkusener Stadtrat hat viele Mitglieder. Zahlreiche KommunalpolitikerInnen standen oder stehen noch in Diensten des Pharma-Riesen. Bei den Christdemokraten sind es Bernhard Apel (bis zu einer Pensionierung Diplom-Ingenieur bei BAYER und Betriebsleiter bei AGFA), der von 1957 bis 1999 bei AGFA als Chemie-Facharbeiter und Technischer Angestellter tätig gewesene Raimund Gietzen, der ehemalige BAYER-Industriekaufmann Dietrich (Dieter) Volberg und Ulrich Wokulat (Kaufmännischer Angestellter bis 1999). Die Sozialdemokraten zählen auf den als Industriemeister beim ehemals zu BAYER gehörenden Unternehmen DYSTAR arbeitenden Ferdinand Feller, den bei BAYERs Logistik-Ableger CHEMION unter Vertrag stehenden Wolfgang Oertel, den seine berufliche Karriere bei BAYER als Hochdruckrohr-Schlosser begonnen und bei der 2002 verkauften Wohnungsgesellschaft des Konzerns fortgesetzt habenden Dieter März sowie den seit 2006 im Ruhestand lebenden BAYER-Dreher Gerhard (Paul) Masurowski. Die Bürgerliste bietet den als Physiklaborant und Technischer Angestellter in BAYER-Diensten gestanden habenden Klaus-Peter Gehrtz und den CHEMION-Werker Stefan Manglitz auf. Die Grünen sind durch Georg Müller, der als Technischer Angestellter bei dem früher zu BAYER gehörenden Unternehmen LANXESS arbeitet, und Gerd (Gerhard) Wölwer, der von 1969 bis 1972 seine Lehre zum Chemielaboranten bei BAYER absolvierte, vertreten. Für die FDP sitzen der bis zu seinem Renteneintritt 2006 auf 40 Jahre BAYER-Erfahrung als Planungsingenieur, Organisationsberater, Betriebsleiter „Logistik“ und Vertragsmanager zurückblicken könnende Wolfgang Blümel und der einst in BAYERs Monheimer Pestizid-Produktion wirkende Chemiker Dr. Klaus Naumann im Stadtrat. Die Unabhängige Wählergruppe (UWG) schließlich schickte den CHEMION-Mann Reimund Vozelj in das Kommunalparlament. Bei dieser geballten Ladung BAYER hat der Chemie-Multi an seinem Stammsitz kaum noch politische Unbill zu befürchten.

Wenning wettert
BAYER-Chef Werner Wenning nutzte seine Abschiedsrede als Vorsitzender des „Verbandes der Chemischen Industrie“, um der Großen Koalition Hausaufgaben aufzugeben. So mahnte er weitere „Reformen“ an. „Was heute politisch opportun erscheint, darf nicht ausschlaggebend sein, wenn es um unsere Zukunft geht“, mahnte er. Auch ein bisschen weniger Klimaschutz hätte Wenning gern: „Bei allem Engagement für den Klimaschutz, den wir mit der Bundesregierung teilen, muss die Politik auch darauf achten, die Leistungsfähigkeit der Industrie nicht zu überfordern“. Im Bereich „Gentechnik“ hingegen sieht er die Seinen deutlich unterfordert. „Es wird höchste Zeit, dass die Bedingungen für die Forschung und den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen auch hier in Deutschland endlich verbessert werden“, forderte der Konzern-Lenker.

Wenning in Davos
Die alljährliche Hauptversammlung der Global Player im schweizerischen Davos gibt sich gerne einen idealistischen Anstrich. BAYER-Chef Werner Wenning strich da kräftig mit. Die Konferenzen, „die sich mit übergeordneten, uns alle betreffenden Fragestellungen befassen, wie zum Beispiel Klimaschutz“, machten für ihn den eigentlichen Wert des Forums aus. Wie materialistisch es aber in Wirklichkeit hinter diesen für die Weltöffentlichkeit aufgebauten Kulissen zuging, beschrieb der Filmregisseur Florian von Henckel Donnersmarck in einem Spiegel-online-Interview. Wer kaum mehr als fünf Milliarden Dollar Umsatz macht, gilt bei dem Klassentreffen nämlich schon als Unterschicht, welche die „feinen Unterschiede“ zu spüren bekommt. „Unternehmer zum Beispiel, die ‚nur‘ fünf Milliarden Dollar Umsatz machen und sich damit gerade mal für das Forum qualifizieren, werden weniger respektvoll behandelt, als solche, die sieben oder neun Milliarden machen“, so der Oscar-Preisträger.

Bund beschließt Gentechnik-Gesetz
Ende Januar 2008 hat der Bundestag das neue Gentechnik-Gesetz verabschiedet, das laut CDU/CSU die „Blockade“ bei der grünen Gentechnik beendet. Das Paragraphen-Werk legt mit 150 Meter Mindestabstände zwischen Genmais-Feldern und konventionell bzw. ökologisch bewirtschafteten Äckern fest, die teilweise weit unter denen in vielen anderen europäischen Ländern festgelegten bleiben. Zudem macht der Gesetzgeber diese zur Verhandlungssache, indem er Privatabsprachen zwischen Nachbarn zulässt. Auch die Haftungsbestimmungen sind völlig unzureichend, da das Verursacherprinzip nicht gilt und bestimmte Berufsgruppen wie ImkerInnen gar nicht erfasst sind. Zudem legt die neue Regelung eine äußerst knapp bemessene Einspruchsfrist fest. So kritisiert der BUND ÖKOLOGISCHER LEBENSMITTELWIRTSCHAFT (BÖWL) denn auch, dass „ein Großteil der zu erwartenden Schadensfälle durch die im Gesetz vorgesehene Haftung nicht abgedeckt“ ist. Nur bei der Etikettierung hat sich die Große Koalition zu einer Verschärfung durchgerungen. Wo „ohne Gentechnik“ drauf steht, darf jetzt kein 0,9-prozentiger Anteil von Futtermitteln aus Gentech-Produktion mehr drin sein. Dafür dürfen sich jetzt Medikamente und Vitamine, die GenköchInnen angerührt haben, unter dem Label wohlfühlen, wogegen prompt der „Hauptverband des deutschen Einzelhandels“ protestierte.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER sponsort Pestizid-Symposion
Im Oktober 2007 hat der Leverkusener Multi ein internationales Symposion zum Thema „Grauschimmelfäule“ gesponsort, das im südafrikanischen Kapstadt stattfand. Veranstaltet vom zur Universität Stellenbosch gehörenden Institut für Wein-Biotechnologie, diente das Ganze laut Konzern als „‚Schaufenster‘ für die neuesten Forschungsergebnisse“. Allerdings ließ die ausgestellte Produktvielfalt zu wünschen übrig: In der Auslage fanden sich nur BAYERs Antipilz-Wirkstoffe Fenhexamid und Pyrimethanil.

BAYER hetzt gegen die CBG
Ende August 2007 wollte BAYER als Ausrichter einer Konferenz der UN-Umweltbehörde UNEP, an der 150 junge UmweltschützerInnen aus aller Welt teilnahmen, weiter an seinem grünen Image feilen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) protestierte gegen die Alibi-Veranstaltung und präsentierte der Öffentlichkeit das Umweltsündenregister des Konzerns, was auf breite Resonanz stieß. So interviewte ein ungarischer Journalist CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes und konfrontierte den Leverkusener Multi anschließend mit den von der Coordination erhobenen Vorwürfen. In dem Antwortschreiben weist das Unternehmen die Kritik wie erwartet zurück. Man habe niemals Lobby-Aktivitäten gegen politische Vorhaben entfaltet und bemühe sich stets nach Kräften, „faire und effektive politische Rahmenbedingungen, welche den Wettbewerb nicht behindern“ zu erreichen, behauptet der Leverkusener Multi. Die CBG bezichtigt der Konzern hingegen einmal mehr, mit Halbwahrheiten und Falschinformationen zu operieren. Darüber hinaus bezeichnet das Unternehmen diese als Gruppe „einer extremen ideologischen Richtung“ - und auch diesmal fehlt der Verweis auf einen „teilweise kommunistischen Hintergrund“ nicht.

BAYERs Freund der Baum
Durch die Kooperation mit der UN-Umweltbehörde UNEP versucht sich BAYER ein grünes Image zu verleihen. So richtete der Pharma-Riese Ende August 2007 eine Konferenz in Leverkusen mit 150 jungen UmweltschützerInnen aus aller Welt aus. Neuester Greenwashing-Coup: Der Konzern pflanzt im Rahmen eines UNEP-Aufforstungsprogramms 300.000 Bäume, was angeblich den Kohlendioxid-Gehalt in der Luft um 7.500 Tonnen reduziert. Um allerdings das CO2 um einen solchen Wert zu senken, wie ihn die vom Unternehmen geplanten Kohlekraftwerke erhöhen, müsste er schon Milliarden von Bäumen aufbieten.

Lobby-Verband aufgeflogen
Seit Jahren versuchen BAYER & Co., das Reklame-Verbot für Arzneien aufzuheben, indem sie Werbung zu „Information“ umwidmen. Dabei bedienten sie sich auch der Mithilfe des Verbandes „Pro Patienteninformation“. Das Ziel der „Abschaffung des Informationsverbotes für verschreibungspflichtige Arzneimittel“ verfolgend, gab die Organisation vor, 55.000 PatientInnen sowie die Selbsthilfegruppen der Parkinson-, Osteoporose- und Morbus-Bechterew-Erkrankten zu vertreten. Diese wussten allerdings gar nichts von ihrem Glück. Das „IPAS Institut politische Analysen und Strategie“ hatte sie kurzerhand zu StatistInnen in seiner von der Pharma-Industrie finanzierten Lobby-Kampagne gemacht. Doch der Schwindel flog auf. Der „Deutsche Rat für Public Relations“ (DRPR) erteilte Jan Burdinski als Initiator der „allem Anschein nach virtuelle Koalition Pro-Patienteninformation“ eine Rüge. „Die Nichttransparenz sei als vorsätzlich und der Verstoß als schwerwiegend zu bewerten“, urteilte der DRPR.

Selbsthilfe zur BAYER-Hilfe
Die Unterstützung von Selbsthilfegruppen stellt für die Pillenriesen eine lohnende Investition dar. „Wenn Firmen zehn Prozent mehr in Selbsthilfegruppen investieren, wächst ihr Umsatz um ein Prozent im Jahr. Wenn sie zehn Prozent mehr in das Marketing bei Ärzten investieren, wächst ihr Umsatz nur zwischen 0,2 und 0,3 Prozent“, hat der als Gesundheitsökonom an der Universität Bremen lehrende Gerd Glaeske errechnet. Darum unterstützt der Leverkusener Multi Verbände wie die „Deutsche Multiple-Sklerose-Gesellschaft, die „International Diabetes Federation“, die „National Coalition for Cancer Survivorship“, die „Juvenile Diabetes Research Foundation“, die „National Hemophilia Foundation“ und die „American Heart Association“ finanziell. Darüber hinaus betrieb BAYER bis 2005 die Homepage „www.selbsthilfegruppen.de“. Um die Gruppen vor dem Ruch der Käuflichkeit zu bewahren, gab der Konzern die Pflege der Seite inzwischen an eine Leverkusener Agentur ab. Das Geld dürfte aber immer noch aus der Portokasse des Pharma-Riesen kommen.

100.000 Dollar für Bluterverband
Dem US-amerikanischen Bluterverband „National Hemophilia Foundation“ (s. o.) ist BAYER besonders gewogen, gilt es doch, vergessen zu machen, dass in den 90er Jahren Tausende Bluter an „HIV“-verseuchten Blutprodukten des Konzerns starben, weil das Unternehmen sein Präparat KOGENATE aus Kostengründen keiner Hitze-Behandlung unterzog. So überreichte der Multi der Organisation im Februar 2008 einen Scheck über 100.000 Dollar für ein Programm zur Förderung des Verbandsnachwuchses.

BAYERs DiabetikerInnen

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„Hilfe zur Selbsthilfe“ (s. o.) betreibt BAYER auf dem Feld „Diabetes“ besonders intensiv. So hat er mit der „International Diabetes Federation“ (IDF) die Kampagne „Unite for Diabetes“ ins Leben gerufen. Der IDF zeigte sich dankbar und nahm die Blutzucker-Selbstkontrolle in ihren Richtlinien-Katalog zur Diabetes-Therapie auf, was den Abverkauf von Diabetes-Diagnostika made by BAYER nicht unwesentlich ankurbeln dürfte. Als hilfreich erwies es sich auch, dass das IDF-Vorstandsmitglied Anne Marie Felton gleichzeitig der „Federation of European Nurses in Diabetes“ angehört. So konnte die Organisation sich gleich einmal in Leverkusen zu einem Diabetes-Symposion treffen. Der Pharma-Riese nutzte das, um weiter Netzwerk-Arbeit zu betreiben. Es gelang ihm, Professor Oliver Schnell vom „Institut für Diabetes-Forschung“ der Universität München und Dr. Xavier Cos vom Katalonischen Gesundheitszentrum als Redner zu gewinnen, die selbstredend beide die Bedeutung der Blutzucker-Selbstkontrolle betonten.

BAYERs DiabetikerInnen

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Mit dem gestiegenen Lebensstandard werden in den Schwellenländern auch die Zivilisationskrankheiten zunehmen, spekuliert BAYER und pflegt deshalb in Indien schon einmal die gesundheitspolitische Landschaft. So gehört er gemeinsam mit ELI LILLY und BD zu den Sponsoren eines millionen-schweren Diabetes-Weiterbildungsprogramms für Angestellte des Gesundheitswesens. Damit wollen die Pharma-Riesen die westlichen Behandlungsmethoden in Indien implementieren. Ein wesentlicher Bestandteil dieser „Entwicklungshilfe“ ist es, die PatientInnen zu einem „Selbstmanagement“ ihrer Krankheit anzuleiten, wozu natürlich die entsprechenden Blutzuckermessgeräte von BAYER & Co. unabdingbar sind.

BAYERs DiabetikerInnen

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BAYER gehört zu den Sponsoren des EU-Projektes „Image“, das einheitliche Richtlinien zur Früherkennung und Behandlung von Diabetes entwickeln will.

BAYERs ASPIRIN-Kampagne
Der Leverkusener Multi hat seine Anstrengungen, ASPIRIN als Mittel zur Vorbeugung von Herz/Kreislaufkrankheiten am Markt zu platzieren, noch einmal verstärkt. In den USA gelang es dem Konzern, das „American College of Preventive Medicine“ und die „Partnership für Prevention“ für eine Kampagne einzuspannen. Diese setzt sich zum Ziel, ÄrztInnen und andere AkteurInnen des Gesundheitswesens für die Wirkungen des „Tausendsassas“ zu sensibilisieren, welche längst nicht alle ExpertInnen als segensreich empfinden. So erhöht das Mittel nach einer Studie der Universität Oxford z. B. das Risiko für durch Blutungen im Gehirn ausgelöste Schlaganfälle, da es den Blutfluss anregt (Ticker 3/07).

BAYER startet „Tierarzt-TV“
Der Leverkusener Multi nutzt künftig VeterinärInnen-Praxen als Werbe-Plattform. Der Leverkusener Multi strahlt in Wartezimmern sein „Tierarzt-TV“ aus. Das Magazin bietet alles rund ums Tier - und das entsprechende BAYER-Angebot. „Tierärzte sind von jeher unsere wichtigsten Multiplikatoren. Das von uns kreierte Tierarzt-TV bietet die Möglichkeit, Tierhalter in den Praxen direkt anzusprechen“, erläuterte BAYER-Mann Christian Behm die PR-Strategie.

BAYER schult ApothekerInnen
Die traditionelle bundesdeutsche Pharmazie steht derzeit durch Internet-Apotheken und Forderungen nach Aufhebung des Fusionsverbotes unter Druck. In dieser Situation bietet BAYER „Hilfe“ an. Die vom Leverkusener Multi gegründete „Innovations-Akademie Deutscher Apotheker“ will den Pillen-VerkäuferInnen Marketing-Nachhilfe geben - und als Nebenwirkung natürlich noch besser mit ihnen ins Geschäft kommen.

BAYER wäscht weiter
BAYER setzt die Kooperation mit der Zeitschrift National Geographic Deutschland (NGD) und damit auch die diesbezüglichen Greenwashing-Aktivitäten fort (siehe auch SWB 3/05). Der Konzern unterstützt weiterhin den von dem Magazin initiierten „Global Exploration Fund“, der sich der Ressource „Wasser“ widmet. Das letzte Mal stellte die Publikation dem Unternehmen dafür in einer Wasser-Broschüre vier Seiten zur Eigenwerbung zur Verfügung. Hinzu kamen „lobende Erwähnungen“ in zahlreichen Medien-Veröffentlichungen zum Thema. Damit kann sich der Leverkusener Multi einmal mehr medienwirksam als Schutzpatron des kostbaren Stoffes in Szene setzen, dem er im wirklichen Leben als Einleiter von Chemikalien und Großverbraucher arg zusetzt.

Fonds & Co. macht BAYER-Werbung
Die Zeitschrift Fonds & Co. widmet sich Finanz-Anlagen. Dies ist ein recht trockenes Thema. Deshalb hat sich die Publikation dafür entschieden, eine Artikelreihe zu Private Equity-Investments mit Einblicken in BAYERs Forschungslabors aufzumachen und mit den entsprechenden Fotos auszuschmücken, obwohl der Zusammenhang mehr als vage ist. Das hört sich dann zum Beispiel so an: „Bioscience-Wissenschaftler können nicht genau genug prüfen, bevor sie ein neues Produkt in den Freiversuch entlassen (...) Nicht viel anders als den Forschern von BAYER im Genter Labor ergeht es Zeichnern und Emissionshäusern“. Ein anderes Mal spannt der Autor den Bogen von BAYERs gentechnisch veränderten Baumwollpflanzen, von denen die wenigsten den Sprung vom Labor auf den Acker schaffen, zu den Gepflogenheiten der Finanzbranche. „Die Größe der Population hängt also von der Zahl der Pflänzchen am Start ab. Das Gleiche gilt, wenn man sich einen Eindruck von den Private-Equity-Investments verschaffen will, die am besten performt haben“, heißt es in dem Text. Es wäre schon ein großer Zufall, wenn die Assoziationen der Fonds-JournalistInnen nur aus freien Stücken immer wieder gen Leverkusen strebten ...

Funk Uhr wirbt für LEVITRA
Die Fernsehzeitschrift Funk Uhr macht unverhüllt Werbung für BAYERs LEVITRA und andere Potenzmittel. Dabei schließt sie sich natürlich auch der von den Pharmariesen in Umlauf gebrachten Diagnose an, wonach die Ursache der „erektilen Dysfunktion“ in 80 Prozent der Fälle organischer Natur sei. Die Frage „Was hilft?“ ist dann schnell beantwortet. „VIAGRA, LEVITRA und CALIS helfen medikamentös auf die Sprünge“, heißt es in dem Blatt.

Verkappte Werbung im Internet
In der Bundesrepublik ist es untersagt, für rezeptpflichtige Arzneien zu werben. BAYER & Co. versuchen zurzeit alles, um dieses Verbot aufzuheben. Parallel dazu finden die Multis aber auch jetzt schon Mittel und Wege, ihre Produkte anzupreisen. Wer sich beispielsweise im Internet über Verhütungsmittel informieren will und bei GOOGLE den Begriff „Pille“ eintippt, landet als erstes auf www.pille-mit-herz.de. Nur im Kleingedruckten findet sich der Betreiber der Seite angegeben: die BAYER-Tochter JENAPHARM. Die Webpage gibt vor, allgemein in das Thema einzuführen, stellt die unterschiedlichen Verhütungsmethoden sowie einzelne Pillen-Arten vor. Nur ganz behutsam führt JENAPHARM die SurferInnen auf den „richtigen“ Weg. Mit dem Slogan „Mehr als verhüten - sanft verhüten“ preist die Firma mit Drospirenon den Wirkstoff der haus-eigenen niedrig dosierten Verhütungspillen an. Natürlich fehlt der Hinweis darauf, dass diese Substanz doppelt so oft die Nebenwirkung „Blutgerinnsel“ hat wie Levonorgestrel oder Norethisteron. Darüber hinaus will das Unternehmen seine Präparate als Lifestyle-Medikamente an die Frau bringen. „Die neueste Entwicklung ist, dass deine Pille jetzt sogar einen Beauty-Effekt hat“, verkündet JENAPHARM und verheißt positive Effekte auf Haut und Haar an.

DRUGS & PILLS

Arznei-Test mit Nebenwirkungen
Im Jahr 2005 kam es bei Arznei-Tests mit Parkinson-Kranken, die der nun zu BAYER gehörende Pharma-Multi SCHERING in Kooperation mit dem Unternehmen TITAN in den USA durchführte, zu ernsthaften Zwischenfällen. Die per gehirnchirugischem Eingriff implantierten Zellen zur Dopamin-Produktion verursachten bei den ProbandInnen Verwirrtheitszustände, Depressionen bis zu Selbsttötungsversuchen, Lähmungserscheinungen, Sprachausfälle, epileptische Anfälle, Hirnblutungen, Asthma und andere körperliche oder geistige Beeinträchtigungen. Die dauerhaft geschädigte Suzanne Davenport hat deshalb Klage gegen den Leverkusener Agro-Riesen eingereicht (siehe auch SWB 1/08).

Leberschäden durch ZETIA?
Seit Juni 2007 vermarktet BAYER den Cholesterinsenker ZETIA (Wirkstoff: Ezetimib) gemeinsam mit SCHERING-PLOUGH in Japan. Um die Geschäfte mit dem Milliarden-Seller nicht zu gefährden, hat SCHERING-PLOUGH als Hersteller jahrelang interne Untersuchungsergebnisse über die leberschädigende Wirkung des Präparates geheim gehalten. Nicht einmal die Aussortierung einiger PatientInnen mit besonders hohen Leberwerten konnte das Resultat verbessern. Auf die Frage, warum der Konzern die Öffentlichkeit nicht umgehend informiert habe, antwortete ein Verantwortlicher, man habe die ganze Sache nicht für relevant gehalten. Ebenso irrelevant scheint für das Unternehmen eine ZETIA-Studie zu sein, die im Jahr 2002 begann und noch immer keinen Abschluss gefunden hat. Erst nach erheblichem Druck von Seiten des US-Kongresses erklärte sich der Pharma-Riese bereit, die Daten im März 2008 zu publizieren.

Schlaganfälle durch ASPIRIN
Der Leverkusener Multi bewirbt sein Schmerzmittel ASPIRIN mit dem Wirkstoff Acetylsalicylsäure seit einiger Zeit aggressiv als Mittel zur Prophylaxe von Herzinfarkten und Schlaganfällen. Dabei erhöht das Mittel das Risiko für Schlaganfälle, die nicht durch einen Gefäßverschluss, sondern durch eine Blutung im Gehirn entstehen, weil der „Tausendsassa“ den Blutfluss im Kopf anregt (Ticker 3/07). Eine neue, in der Fachzeitschrift Lancet (Band 370, S. 493) veröffentlichte Studie hat jetzt auch seine Unterlegenheit gegenüber dem Gerinnungshemmer Warfarin beim Schutz älterer Menschen mit Vorhofflimmern vor einem Gehirnschlag dokumentiert. Während in der Warfarin-Gruppe 21 ProbantInnen einen Schlaganfall erlitten, so waren es in der Acetylsalicylsäure-Gruppe 44.

ASPIRIN-Resistenzen nehmen zu
Durch jahrelange Arbeit hat BAYER es geschafft, ASPIRIN eine Herz/Kreislauf-Erkrankungen vorbeugende Wirkung anzudichten. So nehmen z. B. schon fünf Prozent aller SchweizerInnen das Schmerzmittel aus prophylaktischen Gründen ein. Seit einiger Zeit beobachten MedizinerInnen aber gerade bei den KonsumentInnen des „Tausendsassas“ einen Zuwachs von Herzinfarkten und Schlaganfällen. Die ÄrztInnen erklären sich dieses Phänomen mit der zunehmenden Herausbildung von ASPIRIN-Resistenzen. Allein in Thailand zählen die Gesundheitsbehörden schon 65.000 Fälle.

YASMIN-Patent verloren
Die Verhütungspille YASMIN ist BAYERs lukrativstes Medizin-Produkt. Allein in den USA macht der Konzern damit jährlich einen Umsatz von 321 Millionen Euro. Und die weiteren Aussichten schienen glänzend, denn das Patent sollte eigentlich erst 2020 auslaufen. Doch es kam anders. Das US-amerikanische Pharma-Unternehmen BARR focht in den Vereinigten Staaten eines der drei Patente an, die der Leverkusener Multi auf die Antibabypille hält, und bekam Recht zugesprochen. Der zuständige Richter Peter Sheridan wies BAYERs Anspruch auf geistiges Eigentum für die Praxis, das Hormon Drospirenone in so kleine Portiönchen aufzuteilen, dass der Organismus es schnell aufnehmen kann, zurück. Das wäre ein in der Pharmazie übliches Vorgehen und keine BAYER-Erfindung, begründete Sheridan das Urteil, das der Konzern in einem Revisionsverfahren wieder kippen will. Während BARR nun mit einer Nachahmer-Version von YASMIN auf den Markt drängt, sieht der Pillenriese nach der Gerichtsentscheidung auch das Patent für das Verhütungsmittel YAZ bedroht. Die Börse reagierte prompt mit Kursabschlägen für die BAYER-Aktie, und der Vorstandsvorsitzende Werner Wenning musste die Gewinnerwartungen für den gesamten Pharma-Bereich nach unten korrigieren.

Neue Verhütungspille
Nicht zuletzt der langwierige und jetzt vorerst entschiedene Patentstreit um das Verhütungsmittel YASMIN (s. o.) hat den Leverkusener Multi dazu getrieben, rasch für Nachschub in dem Segment zu sorgen. So hat er nun in Europa die Zulassung für ein neues Präparat beantragt. Ob das Mittel mit den beiden Hormonen Estradiol und Dienogest als Wirksubstanzen die Leber aber tatsächlich weniger schädigt als vergleichbare Produkte, wie BAYER behauptet, dürfte erst der Praxis-Test zeigen.

Doppelte DIANE-Standards
BAYER darf DIANE-35 in Europa und Kanada wegen seiner Risiken und Nebenwirkungen nicht als Verhütungsmittel vermarkten; zugelassen ist es nur noch als Arznei zur Behandlung schwerer Hormonerkrankungen. Das hinderte den Pharma-Riesen jedoch nicht, das Produkt in Schwellenländern als Antibabypille auf den Markt zu bringen. So erhielt DIANE-35 2001 in Südkorea eine Zulassung. Erst als unabhängige Nichtregierungsgruppen diese doppelten Standards kritisierten, machte der Leverkusener Multi einen Rückzieher.

Teststreifen-Rückruf
In den USA musste der Leverkusener Multi eine Rückruf-Aktion für Diabetes-Teststreifen starten. Durch einen Produktionsfehler zeigten sie um bis zu 17 Prozent höhere Blutzucker-Werte an.

LEUKINE-Rückruf
BAYER musste das gentechnisch produzierte LEUKINE in der flüssigen Darreichungsform nach Meldungen über schwere Nebenwirkungen vom Markt nehmen. Der vor allem zur Stärkung des Immunsystems von Leukämie-Kranken und nach Knochenmarktransplantationen zum Einsatz kommende Wachstumsfaktor hatte bei den PatientInnen wiederholt zu Bewusstlosigkeit geführt. Der Leverkusener Multi machte den der Flüssigkeit als Stabilisator beigegebenen Stoff Ethylendiamintetraacetat dafür verantwortlich.

AVELOX schädigt Leber
Nach Meldungen über von BAYERs Antibiotikum AVELOX ausgelöste Leber- und Hautschädigungen forderte das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ den Pharma-Riesen auf, ÄrztInnen in einem Brief ausdrücklich auf diese Nebenwirkungen hinzuweisen.

Lungenkrebs: NEXAVAR hilft nicht
Als „Meilenstein im Kampf gegen Krebs“ feiert BAYER sein Mittel NEXAVAR. Es kommt bisher bei der Behandlung von Nieren- und Leberkrebs zum Einsatz und sollte auch bei Lungenkrebs Anwendung finden. Jetzt musste der Leverkusener Multi entsprechende Tests allerdings abbrechen. Das Präparat mit dem Wirkstoff Sorafenib half nicht nur nicht, es verkürzte sogar die Lebenserwartung der PatientInnen.

Bluthochdruck durch NEXAVAR
Nach einer in der medizinischen Fachzeitschrift LancetOncology veröffentlichten Studie erhöht BAYERs Krebsmedikament NEXAVAR das Bluthochdruck-Risiko, wodurch für die PatientInnen die Gefahr steigt, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden.

Zulassung für Thrombose-Mittel beantragt
BAYER hat die Zulassung für die Thrombose-Arznei Rivaroxaban beantragt. Der Leverkusener Multi hofft auf eine Genehmigung für den prophylaktischen Einsatz zur Verhinderung von Blutgerinnseln nach größeren orthopädischen Operationen und will das Präparat unter dem Namen XARELTO vermarkten.

Riesige Gewinnspannen
Der Pharma-Markt hält für BAYER & Co. riesige Gewinnspannen bereit. Von dem Geld, das Kranke für ein Medikament zahlen, fließen über 60 Prozent an die Pillen-Produzenten zurück, während für die Apotheke nur 15,2, den Staat 12,8, die Krankenkassen 7,5 und den Großhandel 3,7 Prozent bleiben.

Fast alles zulässig
„Die Alte Welt ist auf dem besten Weg, zum neuen Lieblingsmarkt der Pharma-Industrie zu werden. Die Konzerne haben hier weniger Probleme mit der Zulassung als in den USA“, zitiert die BUKO-PHARMA-KAMPAGNE die Financial Times Deutschland. Wenn diese Wirtschaftspostille die bundesdeutschen Genehmigungsbehörden lobpreist, dann muss es um den vorbeugenden Gesundheitsschutz im Lande wahrlich schlecht stehen.

JENAPHARM erfindet Krankheiten
Für die vielen auf dem Markt befindlichen Pillen gibt es viel zu wenig Gesundheitsstörungen. Deshalb zeigen sich die Pharma-Riesen erfindungsreich. BAYERs Tochtergesellschaft JENAPHARM beispielsweise will kleine Zipperlein vor der Monatsblutung dem eh‘ nur mit Biegen und Brechen als Krankheit durchgehenden „Prä-Menstruellen Syndrom“ zuschlagen und dafür mit der Pille PETIBELLE auch gleich die passende pharmakologische Lösung liefern.

Forschung an Brustkrebs-Arznei
„Sexualhormone selbst verursachen keinen Brustkrebs, sie können aber das Wachstum bestehender Karzinome fördern“ - diese Erkenntnis führt den Leverkusener Multi keinesfalls dazu, in einem Akt der Selbstkritik seine umstrittenen Hormontherapien für Frauen in den Wechseljahren vom Markt zu nehmen. Sie dient vielmehr dazu, neue Forschungen zur Verlangsamung des Brustkrebs-Wachstums vorzustellen. Setzten die MedizinerInnen hier bislang vor allem Antihormone ein, welche die Östrogen-Aufnahme hemmten, so konzentrieren sich die Leverkusener PharmakologInnen jetzt auf das Progesteron und testen einen Progesteron-Blocker in einer Phase-II-Studie mit 70 PatientInnen. Wenn es sich wie im Fall NEXAVAR verhält, dürfte das Mittel die Lebenserwartung der Patientinnen um 2-3 Monate erhöhen und BAYER wieder dazu veranlassen, mit Schlagzeilen wie „Leberkrebs im Visier“ oder „Weiterer Meilenstein im Kampf gegen den Krebs“ den Eindruck zu erwecken, wirklich eine Arznei gegen die Krankheit gefunden zu haben, was nicht den Tatsachen entspricht.

GENE & KLONE

BAYERs Genmedizin-Partner
Der Leverkusener Pharma-Riese führt mit zahlreichen Biotech-Unternehmen genmedizinische Forschungsprojekte durch. Die Kooperation mit AFFIMETRIX widmet sich ebenso wie die mit INPHARMATICA, NEUROSCIENCES VICTORIA und der Universität von Monash der Suche nach Arznei-Wirkorten. Mit ARTEMIS prüft er diese nach Herz und Nieren. Mit CELERA entwickelt BAYER ein Therapeutikum für Autoimmunkrankheiten. Mit den Firmen CHEMDIV und COMGENEX betreibt der Pillen-Hersteller Wirkstoff-Synthese, mit GENEDATA Bioinformatik. In Zusammenarbeit mit MORPHOSYS und NOVARTIS forscht der Multi nach Antikörpern zur Behandlung von Krebs und mit WARNER CHILLCOTT nach solchen zur Behandlung von Hautkrankheiten.

BAYER setzt auf molekulare Diagnostika
Der Leverkusener Multi entwickelt derzeit gentechnische Diagnose-Verfahren, die erste Anzeichen einer Krankheit bereits auf zellulärer Ebene aufspüren sollen. Der Konzern hofft, so ein Instrument zur Früherkennung degenerativer Gesundheitsstörungen wie etwa Alzheimer, Krebs oder Herz/Kreislauf-Erkrankungen entwickeln zu können. Diese „molekularen Diagnostika“ befinden sich allerdings noch in der ersten Phase der Klinischen Tests. Ob die Mittel die in sie gesetzten Erwartungen auch erfüllen werden, steht lange noch nicht fest.

MABCAMPATH: erweiterte Zulassung
Bisher durften MedizinerInnen das von BAYER und GENZYME gemeinsam entwickelte Gentech-Medikament MABCAMPATH (Wirkstoff: Alemtuzumab) bei der chronisch-lymphatischen Leukämie nur einsetzen, wenn die PatientInnen bereits mit anderen Arzneien vorbehandelt waren oder eine Therapie mit Fludarabin nicht den gewünschten Erfolg erbracht hatte. Nach der US-amerikanischen Zulassungsbehörde erteilte dem Pharmariesen nun aber auch ihr europäisches Pendant die Genehmigung für den Ersteinsatz des monoklonalen Antikörpers, der sich gezielt an von Leukämie befallene Zellen binden und das Immunsystem so anregen soll, diese zu zerstören.

KOGENATE zur Vorbeugung?
BAYER will das Anwendungsspektrum seines gentechnisch hergestellten Blutgerinnungshemmers KOGENATE erweitern und hat eine Studie durchführen lassen, die den prophylaktischen Einsatz ab einem Alter von sechs Monaten empfiehlt. Das würde Gelenkeinblutungen vorbeugen und so die Gelenkfunktion länger erhalten, meinen die AuftragsforscherInnen.

LIBERTY-LINK-Zulassung vertagt
Über die von BAYER bei der EU beantragte Import-Zulassung für genmanipulierte Soja- und Baumwoll-Pflanzen aus der LIBERTY-LINK-Baureihe müssen jetzt die Agrar-MinisterInnen entscheiden. Ein Ausschuss hatte sich zuvor weder auf eine Ablehnung noch auf eine Genehmigung einigen können.

Brasilien genehmigt Gen-Mais
Um die Genehmigung für genmanipulierten BAYER-Mais tobte in Brasilien lange eine heftige Auseinandersetzung. Nachdem Präsident Lula da Silva kurzerhand die Zulassungsbedingungen gelockert hatte, gaben die Behörden zunächst grünes Licht für die Genpflanze mit der eingebauten Resistenz gegenüber dem Herbizid LIBERTY LINK. Ein Bundesrichter hob das Votum jedoch wieder auf. Die einheimischen Sorten bedürften des Schutzes, gab er zur Begründung an. Das Moratorium währte allerdings nicht allzu lange. Anfang 2008 erlaubten die zuständigen Stellen die Aussaat des Labor-Mais‘ wieder.

Raps made by BAYER
Seit einiger Zeit macht sich der Leverkusener Multi daran, Lebensmittel zu „verbessern“. So hat er mittels biotechnologischer Verfahren die Raps-Sorte INVIGOR HEALTH entwickelt. Diese muss bei der Weiterverarbeitung kein Härtungsverfahren mehr durchlaufen und bildet deshalb angeblich keine Trans-Fettsäuren mehr, die nach BAYER-Angaben das Herz/Kreislaufsystem schädigen können.

Pflanzen made by BAYER
Bislang leuchteten kaum einem die Segnungen der „grünen Gentechnik“ ein. BAYER hat aus dem Akzeptanz-Problem gelernt und will nun in die Pflanzen besser vermarktbare Eigenschaften einbauen. Seine Gen-KöchInnen suchen jetzt angeblich nicht mehr nach „dem maximalen Ertrag“. „Der richtige Mix vieler günstiger Eigenschaften“ ist ihnen wichtiger. In der Genter Versuchsküche des Konzerns arbeiten die WissenschaftlerInnen daran, den Stoffwechsel der Ackerfrüchte anzuregen, ihre Abwehrkräfte zu stärken und die Ausschüttung von Stresshormonen zu reduzieren. Wenn sich diese Eigenschaften, die der Agro-Riese schon in zehn Jahren wie „Legosteine“ zu kombinieren hofft, auf der freien Wildbahn einmal an Wildpflanzen vererben, dann dürfte ein Flurschaden ungeheurer Ausmaße einstehen.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

BAYER-Pestizide sind überall
Das nordrhein-westfälische Umweltministerium hat die Pestizid-Belastungen von Obst und Gemüse im Internet öffentlich zugänglich gemacht. Unter www.ilm.nrw.de/pestrep/pestshow1.html listet es detailliert die Ergebnisse der Lebensmitteluntersuchungen auf. Wie nicht anders zu erwarten, ist BAYER prominent vertreten. Bei Äpfeln beispielsweise stammen fünf der zehn am häufigsten in den Früchten nachgewiesenen Ackergifte vom Leverkusener Multi. Die PrüferInnen stießen auf den unter dem Namen SEVIN oder SEVIN XLR PLUS vermarkteten Wirkstoff Carbaryl, auf Trifloxystrobin (FLINT), auf Chlorpyrifos (BLATTANEX, PROFICID und RIDDER), auf Pyrimethanil (CLARINET, FLINT STAR, MYSTIC, MYTHOS, SCALA, SIGANEX, VISION und WALABI) sowie auf die in der Bundesrepublik jüngst mit einem Verbot belegte Substanz Tolylfluanid. Bei Birnen, Tomaten & Co. dürfte der Marktanteil des Leverkusener Multis an den Giftdosen kaum geringer ausfallen.

Keine Zulassung für PONCHO
Die französischen Behörden haben BAYERs Saatgutbehandlungsmittel PONCHO mit dem Wirkstoff Clothianidine wegen seiner Bienengefährlichkeit eine Zulassung verweigert. Sie werteten die vom Agro-Riesen vorgelegten Unterlagen als „unpräzise“, „voller Ungereimtheiten“ und „nicht für eine Zulassungsprüfung geeignet“. Ihre Pendants in der Bundesrepublik und in anderen europäischen Ländern hatten da weniger Probleme: Sie genehmigten PONCHO ohne viel Federlesens.

Neue Vermarktungsstrategie für Pestizide
In Brasilien hat der Leverkusener Chemie-Multi eine neue Vermarktungsstrategie entwickelt, um den Absatz seiner Ultragifte BAYSISTON und FOLICUR unter den Kaffee-AnbauerInnen zu fördern: Er lässt sich in Naturalien auszahlen. „Diese Initiative vereinfacht das Leben des Kaffeebauern, denn er bezahlt mit seiner Produktion, ohne dafür Geld ausgeben zu müssen“, so BAYERs Marketing-Direktor Gerhard Bohne (sic!).

BIOSPRIT & PROFIT

Agrosprit aus Institute
Der Leverkusener Multi versucht verstärkt, Biodiesel-Betrieben mit dem Zauberwort „Synergie-Effekte“ eine Ansiedlung in seinen von Leerständen heimgesuchten Chemie-Parks schmackhaft zu machen. In den USA erlag die KANAWHA BIODIESEL LLC den Lockrufen des Konzerns und bezog auf dem BAYER-Areal in Institute Quartier.

WASSER, BODEN & LUFT

Zwei neue Müllkraftwerke
Der Leverkusener Chemiemulti setzt bei seiner Energie-Versorgung zunehmend auf billige und dementsprechend umweltschädliche Lösungen. Neben Kohlekraftwerken zählen Müllkraftwerke, beschönigend Ersatzbrennstoffkraftwerke genannt, zu seinen Favoriten. So plant er in Brunsbüttel und Dormagen den Bau solcher Dreckschleudern, die unter anderem Dioxin, chlor-, brom- und fluorhaltige Kohlenwasserstoffe, Chloride, Furane, Kohlendioxid, Schwermetalle wie Quecksilber und Feinstaub, Rost-, Filter- und Kesselasche produzieren (siehe auch SWB 1/08).

Aus für Krefelder Kohlekraftwerk?
In Krefeld hält einstweilen die Opposition gegen das im Chemiepark von BAYER geplante Steinkohle-Kraftwerk mit einem Jahresausstoß von 4,4 Millionen Tonnen CO2, obwohl die CDU-Landtagsfraktion viel Druck auf ihre ParteifreundInnen vor Ort ausübt. Nachdem der Regionalrat den Bau einer solchen Dreckschleuder in einem Industriegebiet für grundsätzlich zulässig erklärte, indem er den Gebietsentwicklungsplan „nachbesserte“, änderten CDU und Grüne kurzerhand den Bebauungsplan, so dass dieser nun kein Kraftwerk in dieser Dimension mehr erlaubt. Beim Leverkusener Multi herrschte daraufhin „große Verbitterung“. Er hat jetzt ein Prüfverfahren bei der traditionell sehr BAYER-freundlichen Bezirksregierung beantragt und hofft auf einen positiven Bescheid bis zum Ende des Jahres.

Schadinsekten mögen CO2
ExpertInnen rechnen bis zur Mitte des Jahrhunderts mit einem Anstieg der Kohlendioxid-Konzentration in der Luft von bisher 380 ppm (Teile pro Million) auf 550 ppm, wozu BAYER mit einem jährlichen Treibhausgas-Ausstoß von 3,8 Millionen Tonnen nicht wenig beiträgt. ForscherInnen der Universität Illinois haben jetzt untersucht, welche Auswirkungen das auf das Verhalten von Schadinsekten hat. Auf einem Sojabohnenfeld simulierten sie die CO2-Erhöhung und stellten beim Japankäfer einen beträchtlich gewachsenen Appetit fest. Der durch die erhöhten Kohlendioxid-Werte in der Luft gestiegene Zuckergehalt bei reduziertem Eiweiß-Anteil brachten ihn auf den Geschmack. Und da die Pflanzen durch die veränderten Bedingungen weniger Abwehrstoffe produzierten, wurde er bei der Mahlzeit kaum noch gestört.

NANO & CO.

Nano im Beton?
Der Leverkusener Multi erweitert seine Produktpalette im Bereich der Nanotechnologie beständig. Er entwickelte bisher spezielle Duftkapseln, Folien, Eishockeyschläger und die BAYTUBE-Kohlenstoffröhrchen. Diese will er jetzt nicht nur Kunststoffen zusetzen, sondern auch Beton, um den Baustoff zugleich leichter und härter zu machen. Ein entsprechendes Forschungsprogramm führt der Leverkusener Multi gemeinsam mit dem „Institut für Bau- und Werkstoffchemie“ der Universität Siegen durch. Der Konzern erwartet von der „Zukunftstechnologie“ Millionen-Umsätze, nur leider teilt diese die schlechten Eigenschaften vieler alter Technologien: Sie stellt ein Risiko für Mensch, Tier und Umwelt dar. Das räumen BAYER & Co. sogar selber ein. „Bei vielen unlöslichen Nanomaterialien ist derzeit nicht auszuschließen, dass die inhalative Aufnahme dieser besonders kleinen Partikel am Arbeitsplatz zu Gefährdungen führen kann“, heißt es in dem vom „Verband der Chemischen Industrie“ gemeinsam mit der „Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin“ herausgegebenen „Leitfaden für Tätigkeiten mit Nanomaterialien am Arbeitsplatz“.

Mehr Nano aus Laufenburg
So ganz hat BAYER die Bande zu HC STARCK noch nicht gekappt. Der Leverkusener Multi nahm auf dem Laufenberger Werksgelände seiner ehemaligen Tochtergesellschaft eine Anlage zur Herstellung von BAYTUBE-Kohlenstoffröhrchen, die aus Nano-Materialien bestehen, in Betrieb. Zusammen mit der ebenfalls auf dem Areal befindlichen BAYTUBE-Pilotanlage will der Konzern damit die Jahresproduktion auf über 60 Tonnen ausweiten.

Kooperation mit FUTURECARBON
BAYER hat eine Zusammenarbeit mit der Bayreuther Firma FUTURECARBON vereinbart. Das Unternehmen produziert für den Leverkusener Multi eine Version der BAYTUBE-Nanoröhrchen in flüssiger Form. So will der Konzern in Zukunft auch mit Herstellern von Batterien und Wasserstoffspeichern ins Geschäft zu kommen.

Nano-Wirkstoffhüllen
Auch auf medizinischem Gebiet finden BAYER & Co. Anwendungsbereiche für die Nano-Technik. Bereits 40 nanomedizinische Produkte gibt es mittlerweile. Der Leverkusener Multi forscht zur Zeit an Arznei-Umhüllungen aus Nano-Materialien. Die winzig kleinen Kunststoff-Mäntel sollen ihre Fracht zielgenauer zum Wirkort transportieren und noch feinstes Gewebe durchdringen können. Eine Gesundheitsgefährdung ist mit dem bisschen Plaste & Elaste im Körper nach Ansicht des Leverkusener Multis nicht verbunden. „Nanomedizinische Produkte werden wie alle Arzneimittel umfassend geprüft und erst dann für den Markt zugelassen, wenn eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung für die Patienten positiv ausgefallen ist“, lässt er den Nanomediziner Dr. Oliver Bujok vom „Verein Deutscher Ingenieure“ (sic) versichern, ganz so, als ob es die Skandale um LIPOBAY und TRASYLOL nie gegeben hätte.

POLITIK & ÖKONOMIE

BAYERs AktionärInnen-Struktur
Bei den bundesdeutschen DAX-Unternehmen hat sich die AktionärInnen-Struktur in den letzten Jahren stark verändert. Besaßen ausländische KapitalanlegerInnen im Jahr 2005 rund ein Drittel der Aktien von MERCEDES, SIEMENS & Co., so konnten sie diesen Anteil bis 2007 auf 53 Prozent steigern. In ihrer Beliebtheitsskala liegt BAYER auf dem dritten Platz, 78 Prozent der AktionärInnen des Leverkusener Multis leben nicht in der Bundesrepublik. Die größte Beteiligung hält mit 20 Prozent die US-amerikanische Investmentgesellschaft CAPITAL RESEARCH AND MANAGEMENT COMPANY.

STANDORTE & PRODUKTION

Platzverweis für Rechtsextreme
Der Rechtsextreme Hans-Ulrich Pieper organisiert seit 1991 „Dienstagsgespräche“. Bisher nutzte er dafür in Dormagen auch das von BAYER verpachtete Parkrestaurant „Kasino“. Am 2.10.07 aber mussten Pieper, Holger Apfel, der Vize-Vorsitzende der NPD, Markus Beisicht, der Chef von „Pro Köln“ und „Pro NRW“ und ihre Anhängerschar draußen bleiben: Der Chemie-Multi machte erstmals von seinem Hausrecht Gebrauch. „Die „Dienstagsgespräche“ finden ab sofort nicht mehr in unserem Hause statt“ - diesen Hinweis im Eingangsbereich hatten die Rechten zur Kenntnis zu nehmen.

BAYER-Kaufhaus dicht
Die viel beschworene BAYER-Familie wird immer mehr zur Chimäre, weil die „Sozialpolitik“ für den Leverkusener Multi nicht mehr zum Kerngeschäft gehört. Nach der Schließung von Bibliotheken, Schwimmbädern, Werkskindergärten und der Abwicklung von Sportvereinen beraubte der Konzern seiner BAYER-Familie jetzt auch noch der Einkaufsmöglichkeit im werkseigenen Kaufhaus. Die 1897 gegründete „Konsumanstalt der Farbenfabriken“ schloss kurz vor Weihnachten 2007 endgültig ihre Pforten und muss nun einem Einkaufscenter weichen.

BAYWOGE wieder verkauft
Anfang 2002 hat BAYER seine Wohnungsgesellschaft BAYWOGE, die in Leverkusen über 6.000 Wohneinheiten verfügte, an die ESSENER TREUHANDSTELLE (THS) verkauft. Für die MieterInnen werde sich nichts ändern, betonte der Konzern damals. Ob sich dies bewahrheitet, steht nun allerdings in Frage, denn der Bund trennte sich von seinen THS-Anteilen und veräußerte sie für 450 Millionen Euro an die beiden anderen Gesellschafter, die RUHRKOHLE AG und die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE. Da das für die beiden neuen Besitzer schwierig zu refinanzieren ist, befürchten der SPD-Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach und der SPD-Kommunalpolitiker Jürgen Scharf Nachteile für die MieterInnen. Zu verkaufsbedingten Mieterhöhungen darf es nach dem Vertrag von 2002 zwar nicht kommen, aber Scharf rechnet mit Einsparungen bei der Instandsetzung und bei der Modernisierung.

Neues Werk in Köln-Knapsack
BAYER baut in Köln-Knapsack für 60 Millionen Euro eine neue Anlage zur Pestizid-Herstellung. Unter anderem will der Konzern dort Glufosinat produzieren. Dass die EU diesen Stoff, den der Konzern bevorzugt in Kombination mit seinen Glufosinat-resistenten Gentech-Pflanzen der LIBERTY-LINK-Serie vermarktet, wegen seiner Gefahren für Mensch, Tier und Umwelt gerade einer Sicherheitsprüfung unterzieht, scheint den Agro-Riesen nicht abzuschrecken.

BAYER wirbt auf der „Expo Real“
Der Leerstand in seinen Chemieparks bewog den Leverkusener Multi dazu, auf der Münchener Immobilien-Messe „Expo Real“ offensiv um neue Mieter zu werben. Die Standkosten teilte sich der Konzern mit der „Wirtschaftsförderung Leverkusen“, die ihrerseits den Manforter Innovationspark und die „Neue Bahnstadt Opladen“ anpries.

BAYER-Kreuz bleibt
Nach vielen Protesten hat sich der Pharma-Riese entschieden, sein weit über Leverkusen hinaus sichtbares BAYER-Kreuz nicht abzureißen. Zu den Gründen der „Denkmalschutz-Initiative“ schreibt die Süddeutsche Zeitung: „Weil seit langem auch über Ausgliederungen von Geschäftsbereichen und Stellenabbau diskutiert wird, ist auch dem letzten Romantiker in der Stadt klar, dass BAYER kein Wohltäter ist, sondern eine Firma, die gut wirtschaften wird. Dennoch erschien manchem in Leverkusen der Abriss des Kreuzes als symbolischer Akt, als endgültiger Bruch mit der Tradition. Eine solche Stimmungslage kann der BAYER-Führung nicht recht sein. Mit der Entscheidung, das Kreuz stehen zu lassen, signalisiert der Konzern, dass er die Wünsche seiner Nachbarn ernst nimmt“.

Neue Nano-Anlage
BAYER hat in Laufenburg eine neue Anlage zur Herstellung von Nano-Röhrchen in Betrieb genommen (siehe NANO & CO.).

Kommt die Verbund-Feuerwehr?
Wie an allen anderen BAYER-Standorten ist auch die 40-köpfige Werksfeuerwehr in Brunsbüttel von Rationalisierungsmaßnahmen bedroht. „Wir müssen was machen, die Kosten treiben uns. Am Ende geben wir Stück für Stück an Sicherheit auf“, warnt der Betriebsratsvorsitzende Hans-Joachim Möller und machte den Vorschlag, eine von allen Unternehmen im Chemiepark getragene Verbund-Feuerwehr zu gründen.

IMPERIUM & WELTMARKT

Nano-Röhrchen mit FUTURECARBON
Der Leverkusener Multi hat auf dem Gebiet der Nanotechnik eine Zusammenarbeit mit dem Bayreuther Unternehmen FUTURECARBON begonnen (siehe NANO & CO.).

PRODUKTION & SICHERHEIT

Berufskrankheit „Asbestose“
Der lange Zeit vor allem in der Bau- und Chemieindustrie verbreitete Werkstoff Asbest ist zwar seit 1993 verboten, aber seine Wirkungen entfaltet er noch heute, da es bis zu 40 Jahren dauern kann, bis z. B. eine Asbestose ausbricht. So zählen durch Asbest ausgelöste Leiden mit einem Anteil von über 15 Prozent immer noch zu den häufigsten - und tödlichsten - Berufskrankheiten. Wieviele ehemalige BAYER-Beschäftigte davon betroffen sind, darüber schweigt sich der Pharma-Riese aus. Die letzten Angaben datieren aus dem Jahr 2000, wo der Konzern die Zahl der anerkannten Berufskrankheiten auf 130 bezifferte und kurz und knapp mitteilte: „Als Krankheitsauslöser waren bei uns vor allem Expositionen gegen Asbest und Lärm relevant“.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Ammoniak-Austritt: 23 Verletzte
Im Wuppertaler BAYER-Werk kam es am 12.3.08 durch eine bei Reparaturarbeiten versehentlich geöffnete Leitung zu einem Austritt von Ammoniak. 23 Personen zogen sich eine Vergiftung zu und mussten sich in ärztliche Behandlung begeben. Die Feuerwehr forderte die BewohnerInnen auf, die Fenster geschlossen zu halten und ihre Wohnungen nicht zu verlassen. Die Schwebebahn stellte umgehend den Betrieb ein. Die WuppertalerInnen hatten dabei noch Glück im Unglück, denn das Sturmtief „Kirsten“ sorgte dafür, dass die gen Innenstadt ziehende Giftwolke rasch vom Winde verweht wurde. „Die Wetterlage hat uns in die Hände gespielt“, so ein Feuerwehr-Sprecher erleichtert.

Thiodicarb-Fässer geborsten
Am 28. Dezember 2007 barsten am US-amerikanischen BAYER-Standort Institute mehrere Fässer mit dem von der Weltgesundheitsorganisation WHO als „extrem gefährlich“ eingestuften Pestizid Thiodicarb. Mehrere AnwohnerInnen mussten sich daraufhin zur stationären Behandlung in ein Krankenhaus begeben. Aufgrund der starken Geruchsbelästigung liefen bei den Behörden die Telefone heiß. Die zögerliche Informationspolitik des Konzerns rügte der zuständige Verwaltungschef als „bodenloses Verhalten“ (siehe auch SWB 1/08).

Sturz in den Tod
Am 15. November 2007 stürzte auf dem Gelände des Uerdinger Chemieparks ein Arbeiter einer Fremdfirma bei Abbrucharbeiten 25 Meter tief in einen Lichtschacht und kam dabei ums Leben.

Arbeiter verlor Bein
Am 29 Februar 2007 geriet ein Arbeiter des Baytowner BAYER-Werks unter einen Schienenwagen und verlor dabei ein Bein.

RECHT & UNBILLIG

Gericht contra Pipeline
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen mit Sitz in Münster hat BAYER verboten, die momentan im Bau befindliche Kohlenmonoxid-Pipeline in Betrieb zu nehmen und entzog damit dem von allen Landtagsparteien im Schnellverfahren verabschiedeten Enteignungsgesetz die Rechtsgrundlage. „Es fehlt eine überzeugende Darstellung der Bedeutung, die die von der Firma BMS (BAYER MATERIAL SCIENCE, Anm. SWB), einem privaten Unternehmen, betriebene Rohrleitungsanlage für die Allgemeinheit hat, um den staatlichen Zugriff auf das Eigentum Dritter zu rechtfertigen. Es müssten konkrete Informationen gegeben werden, beispielsweise Angaben zur Zahl der entstehenden Arbeitsplätze“, urteilten die RichterInnen und schlossen sich damit der Argumentation der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und anderer Initiativen an. In zwei weiteren Verfahren verbot das OVG dem Chemie-Multi das Verlegen der Rohre auf den Grundstücken von Gemeinden, die gegen das Enteignungsgesetz geklagt hatten. „Eine Ohrfeige für den Landtag“, kommentierte die Rhein

[Kartelle] Kartell-Fälle mit Beteiligung von BAYER

CBG Redaktion

Der BAYER-Konzern beteiligt sich laufend an illegalen Preisabsprachen. Unsere Aufstellung ist notwendigerweise unvollständig. Die Liste ist nach Bekanntwerdung der Fälle sortiert und enthält die Strafzahlung sowie die Laufzeit der jeweiligen Absprachen (weitere Informationen zur Kampagne).

August 2018 – Mehrere Kunststoff-Hersteller reichen in den USA Klagen gegen BAYER und andere Unternehmen wegen Bildung eines Kartells ein. Sie werfen BAYER & Co. vor, die Preise für die Polyurethan-Vorprodukte TDI und MDI von 2014 an und teilweise bis zum Februar 2018 künstlich in die Höhe getrieben zu haben, indem sie ihre Fertigungsstätten vorübergehend schlossen und so für Verknappungseffekte sorgten.

August 2013 - chinesische Kartellbehörden durchsuchen die Büros von BAYER und anderen Pharmaherstellern wegen möglicher Preisabsprachen

März 2012 - Das rumänische Kartellamt verhängt eine Strafe von 12 Millionen Euro gegen BAYER und weitere Pharmahersteller

1. Dezember 2009 - Die Schweizer Wettbewerbskommission verhängt gegen die Firmen Pfizer, Bayer und Eli Lilly Bußen in Höhe von 5,7 Mio Franken. Die Unternehmen hatten die Preise der Potenzmittel Viagra, Cialis und Levitra abgesprochen (weitere Infos).

11. September 2009 - Die rumänische Wettbewerbsbehörde hat Büros der vier Pharmaunternehmen Bayer, Baxter, Belupo Pharmaceutical und Sintofarm durchsucht. Die Kartellbehörde vermutet Preisabsprachen zwischen Pharma-Produzenten und Zwischenhändlern (weitere Infos).

10. Februar 2009 - Die Schweizer Wettbewerbskommission (WEKO) hat bei den Herstellern und Verkaufsstellen der Potenzmittel Viagra, Cialis und Levitra Preisabsprachen festgestellt. Die Wettbewerbsbehörde wirft den betroffenen Pharmakonzernen und Verkaufsstellen vertikale Preisabsprachen vor. Im Extremfall drohen hohe Bußen(weitere Infos).

26. November 2008 - Wegen unerlaubter Prämienzahlungen beim Vertrieb von Blutzuckermessgeräten zahlt der BAYER-Konzern eine Strafe von 97,5 Millionen US-Dollar. Das US-Justizministerium wirft dem Unternehmen vor, insgesamt elf amerikanische Vertreiber von Messgeräten für Diabetes-Patienten bestochen zu haben, damit sie nur noch BAYER-Produkte anbieten. Allein an die Firma Liberty Medical Supply flossen demnach 2,5 Millionen US Dollar.

28. Mai 2008 - Das Bundeskartellamt hat gegen die Bayer Vital GmbH ein Bußgeld i.H.v. 10,34 Mio. € verhängt. Bayer Vital hat in wettbewerbswidriger Weise auf die Wiederverkaufspreise von Aspirin in Apotheken Einfluss genommen. Lesen Sie hierzu einen Artikel des STERN. Recherchen des STERN hatten die Ermittlungen ins Rollen gebracht.

Januar 2008: Die Europäische Kommission hat über die Konzerne Bayer und Zeon Geldbußen in Höhe von 34 Mio Euro verhängt (davon knapp 29 Mio für BAYER, weil diese zwischen 2000 und 2002 die Preise für Nitrilkautschuk (NBR) abgesprochen haben (Presse Info der EU-Kommission)

Januar 2008: Absprache mit anderen Pestizid-Produzenten im Rahmen eines Malariaprogramms der Weltbank in Indien. Dauer des Kartells: 1999–2004 (Artikel Dow Jones)

Januar 2008: Bundeskartellamt verhängt eine Geldbuße von 465.000 Euro gegen BAYER, Novartis und andere Unternehmen wegen Festlegung von Apotheken-Preisen (siehe Artikel)

Dezember 2007: Gemeinsam mit den Firmen ENI, DuPont, Dow, DuPont, Denka und Tosoh hat BAYER von 1993 bis 2002 Liefermengen und Preise für Chloropren-Kautschuk abgestimmt. BAYER als Wiederholungstäter hätte eigentlich eine Buße von 200 Mio Euro erhalten. Die Firma blieb wegen einer Kronzeugenregelung jedoch straffrei (siehe Artikel).

Oktober 2007: Bundeskartellamt durchsucht Geschäftsgebäude von BAYER Vital wegen Absprache mit Apotheken bei Aspirin-Preisen (Artikel Berliner Zeitung)

Oktober 2006: BAYER zahlt 18 Mio Dollar für die Beteiligung an einem Kartell für Polyether Polyole zwischen 1998 und 2004 (siehe Artikel)

Juni 2006: die Schweizer Wettbewerbskommission untersucht Preisabsprachen zwischen den Herstellern von Potenzmitteln, den Unternehmen Pfizer, BAYER und Eli Lilly (Presse Info der Weko).

Dezember 2005: Von 1996 bis 2001 sprach der Leverkusener Konzern mit den Konkurrenten Flexsys und Crompton die Preise für Kautschuk-Chemikalien ab. Die EU-Kommission verhängte ein Bußgeld von 58,88 Mio Euro (Presse Info der EU). In den USA zahlte BAYER in dem selben Fall weitere 66 Mio Dollar (Artikel Bloomberg)

Oktober 2005: Zwanzig Pharma-Unternehmen, darunter BAYER und Boehringer, sind in Brasilien zu Strafzahlungen verurteilt worden. Die Konzerne hatten sich im Juli 1999 Absprachen getroffen, um den Import von Generika nach Brasilien zu behindern (weitere Informationen).

Oktober 2005: Die portugiesische Kartellbehörde verhängt gegen fünf Pharmaunternehmen, darunter BAYER, Strafen von insgesamt 16 Millionen Euro. Die Konzerne hatten bei insgesamt 36 Bieter-Verfahren zur Belieferung von 22 Krankenhäusern ihre Preise abgesprochen. Die Strafe für BAYER beträgt 5 Mio Euro, die Laufzeit des Kartells war 2001-2004 (weitere Informationen)

September 2004: BAYER wurde in den USA zu einer Strafe von 33 Mio Dollar verurteilt. Zwischen 1998 und 2002 hatte sich der Konzern an einem Kartell für Polyole beteiligt (Artikel Bloomberg).

Herbst 2004: BAYER wurde in den USA zu einer Strafe von 4,7 Mio Dollar verurteilt; hierbei ging es um Preisabsprachen beim Verkauf von Acrylonitril im Jahr 2002 (zum Artikel)

April 2003: in den USA hat BAYER über Jahre hinweg bei Lieferungen an die staatlichen Gesundheitsprogramme „Medicare“ und „Medicaid“ falsche Preise gemeldet. BAYER zahlte die Rekord-Strafe von 257 Mio Dollar. Es wurde sowohl straf- als auch zivilrechtlich ermittelt (Artikel Corporate Crime Reporter)

April 2003: in Italien hat BAYER mit Konkurrenzfirmen die Preise für Diabetes-Tests abgesprochen. BAYER und vier weitere Unternehmen wurden zu Strafen von insg. 30 Mio verurteilt, davon 6 Mio für BAYER (Presse Info der ital. Kartellbehörde). Das Kartell lief von 1996 bis 2001.

März 2003: BAYER und die Northern Pigment Company haben zwischen 1984 und 1992 in Kanada den Preis für Eisenoxid-Pigmente abgestimmt. Der Schaden wird auf über 100 Mio Dollar geschätzt (weitere Informationen)

1997 wurde die damalige BAYER-Tochter Haarmann+Reimer zu 50 Mio Dollar Strafe verurteilt, hinzu kamen Klagen von geschädigten Firmen. H+R hatte von 1991 bis 1995 den Preis für Zitronensäure mit Konkurrenten abgestimmt. Im Jahr 2001 verhängte die EU in dem selben Fall eine Buße von weiteren 14,2 Mio Euro (Presse Info der EU, Artikel Guardian)

According to an article in the Lancet, Bayer was under investigation in 1995 by the US Department of Health and Human Services for a „kickback program“ in which pharmacies received $35 for every new prescription of Bayer's brand of calcium channel blocker. In 1994 the company (then known as Miles) had paid a fine of $605 000 and agreed to drop the scheme.

Bereits in den 80er Jahren beteiligte sich BAYER an einem europaweiten Kartell für den Kunststoff Polyethylen. Preise und Quoten der Kartell-Teilnehmer wurden vorab exakt abgestimmt.

Oktober 1975: die amerikanische BAYER-Tochter Mobay wird mit acht anderen Produzenten von Farbstoffen zu einer Strafe von 15 Mio US Dollar verurteilt (Artikel Wall Street Journal)

Gerne stellen wir weitere Informationen zu Verfügung

Störfälle

CBG Redaktion

5. März 2008

Störfälle: Offener Brief an Umweltminister Gabriel

Vertreter der Umweltverbände Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Greenpeace, Naturschutzbund Deutschland (NABU), Coordination gegen BAYER-Gefahren, Deutscher Naturschutzring (DNR) und Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) fordern in einem Brief an Umweltminister Sigmar Gabriel, alle Informationen zu Störfällen in der Industrie offen zu legen. Bislang werden Angaben zu Unfällen nur anonymisiert veröffentlicht, also ohne Angabe der betroffenen Unternehmen. Da die Betreiber von sich aus kaum oder gar nicht über Störfälle berichten, haben Medien und Umweltverbände keine Möglichkeit, eine Unfall-Bilanz einzelner Firmen zu erstellen.

Der Brief im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Minister Gabriel,

seit 1993 erfasst die Zentrale Melde- und -Auswertestelle für Störfälle (ZEMA) im Umweltbundesamt alle nach der Störfall-Verordnung meldepflichtigen Ereignisse. Die ZEMA-Onlinedatenbank umfasst momentan über 530 Berichte. Hinzu kommen auf der Homepage des Umweltbundesamtes rund 25 Datenblätter zu Einzelereignissen, die als „sicherheitstechnisch bedeutsam“ eingestuft wurden, allerdings aus formalen Gründen nicht als Störfälle gelten.

Die „sicherheitstechnisch bedeutsamen“ Vorfälle enthalten weder eine Angabe des Ortes noch des Betreibers der jeweiligen Anlage, unter der Datums-Angabe findet sich lediglich die Jahreszahl. Hierdurch ist eine eindeutige Zuordnung unmöglich. Die Einträge in der ausführlicheren ZEMA-Onlinedatenbank enthalten zwar Orts- und Datums-Angabe. Aber auch hier fehlt die Nennung des Betreibers, obwohl die zugrundeliegenden Ereignisse durchweg in der lokalen Presse mit Betreiberangaben kommentiert wurden.

Mit dieser Art von Re-Anonymisierung sind wir überhaupt nicht einverstanden! Sie begünstigt in unangemessener Weise die Verursacher von Schäden gegenüber der Öffentlichkeit und den Betroffenen. Da die Unternehmen von sich aus kaum oder gar nicht über Störfälle und extern wahrnehmbare Ereignisse berichten, haben Medien und Umweltverbände keine Möglichkeit, eine Ereignis-Bilanz einzelner Firmen zu erstellen. Somit fehlt der öffentliche Druck auf die beteiligten Unternehmen, ihre Sicherheitslage zu verbessern.

Solch öffentlicher Druck ist aber dringend notwendig, denn in allen Bereichen von Unternehmen - so auch in den sicherheitsrelevanten - werden seit Jahren durch Personaleinsparung und Outsourcen Kosten reduziert. Sicherheitspersonal wurde reduziert und in mehreren Werken gar die Werksfeuerwehr geschlossen. Die steigende Arbeitsbelastung und der damit einhergehende Stress sind für viele Unfälle verantwortlich. Zusätzlich dazu nimmt durch den Verlust erfahrener Arbeitnehmer über Frühpensionierung und Altersteilzeit und den damit einhergehenden geringeren Wissenstransfer die Sicherheit in den Betrieben großen Schaden.

Auch nach Meinung des Umweltbundesamts liegt es in den Händen der Betreiber, die Unfall-Zahlen zu senken: „Eine bessere Wartung der Anlagen, intensivere Schulungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie ausreichendes Personal könnten die Zahl der Störfälle und die damit verbundenen Personen- sowie Sachschäden deutlich verringern“ (Presse Info des UBA vom 27. Oktober 2006).

Die öffentliche Aufklärung von Ereignissen - wie sie in den Niederlanden und den USA (CIRC) bereits üblich ist - und die detaillierte Information von Fachgremien wie die Kommission für Anlagensicherheit und Umweltverbänden können mit dazu beitragen, dass Unfälle an Anlagen vermieden werden, dass ihre Folgen reduziert werden, dass die Lernprozesse zu ihrer Vermeidung stattfinden und dass die Arbeit der Katastropheninstitutionen und -organisationen unterstützt wird.

Die praktizierte (Re-)Anonymisierung der Störfall- und Ereignis-Daten durch ZEMA und Kommission für Anlagensicherheit bzw. durch die Betreiber oder Berichterstatter verstößt einerseits gegen die Umweltinformationspflicht; andererseits ist sie willkürlich und in den meisten Fällen völlig unbegründet. Im übrigen besteht für das Eigentum an Produktionsanlagen nach dem Grundgesetz eine soziale Verpflichtung. Darunter sollte auch die Verpflichtung zur unmittelbaren, vollständigen und umfassenden Übermittlung der Daten von o.g. Ereignissen zu verstehen sein.

Sicherheitsrelevante Informationen dürfen der Öffentlichkeit also nicht vorenthalten werden. Wir möchten Sie daher auffordern, künftig und rückwirkend eine Aufschlüsselung aller Unfälle nach Ort, Datum und Anlagenbetreiber vorzulegen.

Mit freundlichen Grüßen,

Prof. Dr. Jürgen Rochlitz
Mitglied der Kommission für Anlagensicherheit

Angelika Horster
Vertreterin des Naturschutzbund Deutschland (NABU) in der Kommission für Anlagensicherheit

Roland Hipp
Kampagnengeschäftsführer
Greenpeace e.V.

Philipp Mimkes
Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V.

Dr. Helmut Roescheisen
Generalsekretär Deutscher Naturschutzring (DNR)

Dr. Ursula Fischbach
Vertreterin des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in der Kommission für Anlagensicherheit

Oliver Kalusch
Vertreter des Bundesverbands Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) e.V. in der Kommission für Anlagensicherheit

Für Rückfragen stehen wir gerne zu Verfügung

Gegenanträge

CBG Redaktion

Presse Information vom 13. März 2008
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Gegenanträge zur BAYER-Hauptversammlung eingereicht

Kritiker bemängeln risikoreiche Pharmaprodukte, umweltgefährdende Kraftwerksprojekte und Kartell-Vergehen

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hat heute Gegenanträge zur BAYER-Hauptversammlung am 25. April eingereicht. Die Konzernkritiker fordern die Nicht-Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat. Die Gegenanträge werden auf der BAYER-homepage veröffentlicht.
Schwerpunkte der Protestaktionen vor den Kölner Messehallen werden die geplante CO-Pipeline zwischen Dormagen und Krefeld, der Bau umweltverschmutzender Kraftwerke, die Gentechnik sowie der Vertrieb gefährlicher Pharmaprodukte sein.

Gegenantrag zu TOP 2: Der Vorstand wird nicht entlastet

Begründung: Der BAYER-Konzern verstieß im vergangenen Geschäftsjahr erneut gegen die Regeln einer verantwortungsvollen Unternehmensführung. Der Vorstand trägt hierfür die Verantwortung. Es folgt eine Auswahl aktueller Problemfälle.

Erst nach einer Intervention des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte stoppte BAYER im November die Vermarktung des Herzmittels Trasylol. Obwohl die Gefährlichkeit von Trasylol seit langem bekannt war, hatte das Management bis zum bitteren Ende an dem Medikament festgehalten. Nach Angaben des Mediziners Dr. Dennis Mangano hätte ein rechtzeitiger Verkaufsstopp mindestens 22.000 Patienten das Leben retten können. Mangano wies bereits vor zwei Jahren nach, dass Trasylol überdurchschnittlich oft schwere Nebenwirkungen wie Nierenschäden, Herzinfarkte oder Schlaganfälle verursacht. Kürzlich wurde bekannt, dass BAYER schon in den 70er Jahren Untersuchungen in Auftrag gab, die eine Gefahr von Nierenschädigungen ergaben. Die Ergebnisse landeten jedoch in der Schublade. Anfang der 80er Jahre wurde BAYER erneut auf die Risiken hingewiesen. Trotzdem wurde Trasylol ohne Rücksicht auf Verluste vermarktet (siehe: http://www.cbgnetwork.de/2348.html).

In den BAYER-Werken Brunsbüttel und Dormagen sollen Müllverbrennungsanlagen zur Dampf-Erzeugung errichtet werden. Allein in Brunsbüttel sollen darin jährlich über 370.000 Tonnen Müll in Rauch aufgehen. Die Anlagen werden nicht für die Entsorgung heimischen Mülls benötigt und werden über kurz oder lang Müll aus dem Ausland verbrennen. Die geplante Filtertechnik, ein trockenes Verfahren der Rauchgas-Reinigung, ist weit unterhalb der best verfügbaren Technik. Die Anlagen würden daher große Mengen Staub, Schwermetalle, Fluorkohlenwasserstoffe und CO2 freisetzen. Durch den Bau immer neuer Müllverbrennungsanlagen wird der Einstieg in eine ökologisch sinnvolle Kreislaufwirtschaft verhindert. Allein in Brunsbüttel legten über 3.000 Anwohner Einwendungen ein (siehe: http://www.cbgnetwork.de/2312.html).

Weiterhin will BAYER in Krefeld-Uerdingen gemeinsam mit der Firma Trianel ein Steinkohle-Kraftwerk bauen. Dieses würde jährlich 4,4 Millionen Tonnen CO2 und jeweils 4000 Tonnen Schwefeldioxid und Stickoxide emittieren. Neu ist, dass auch in den BAYER-Werken Antwerpen und Brunsbüttel Kohlekraftwerke errichtet werden sollen. Alle drei Kraftwerke sollen mit Kohle aus Übersee befeuert werden, es entstehen also zusätzliche Emissionen durch den Transport.
Durch den Bau dieser Klimakiller würde für Jahrzehnte eine umweltschädliche Stromproduktion festgeschrieben. Damit konterkariert BAYER sein vollmundiges Versprechen, „im Klimaschutz neue Maßstäbe“ setzen zu wollen.
Im vergangenen November hielt BAYER eine Pressekonferenz zum Thema Klimaschutz ab. Dass es sich hierbei um eine reine Schau-Veranstaltung handelte zeigt sich daran, dass die geplanten Kohlekraftwerke mit keinem Wort erwähnt wurden (siehe: http://www.cbgnetwork.de/1885.html).

Der BAYER-Konzern gehört zu den wenigen westlichen Unternehmen, die trotz der katastrophalen Menschenrechtslage Geschäfte in Burma tätigen. BAYER unterhält eine Niederlassung in Rangun und plant dort Versuche mit Hybrid-Reis. BAYER-Manager Harald Printz äußerte: „Ich weiß nicht, wann der Staat sich öffnen wird. Aber wir sind darauf vorbereitet. Wir glauben, wenn wir Jahr für Jahr weitermachen, haben wir später eine gute Marktposition, auch wenn es 20 Jahre dauert“.
Wirtschaftliche Aktivitäten in Burma sind nicht ohne ein Kooperation mit dem Militärregime möglich, wodurch die Militärjunta legitimiert und finanziert wird. Die Aussage von Printz zeigt, dass BAYER auch vor einer längerfristigen Zusammenarbeit mit den burmesischen Diktatoren nicht zurückschreckt. Gerade vor dem Hintergrund, dass BAYER in der Vergangenheit eine Vielzahl von Kooperationen mit repressiven Regimen einging – angefangen bei der engen Verquickung mit dem Dritten Reich bis hin zu Geschäften mit dem südafrikanischen Apartheidsregime und Militärdiktaturen in Südamerika – ist die Geschäftstätigkeit von BAYER in Burma nicht zu rechtfertigen (siehe: http://www.cbgnetwork.de/2179.html).

Gegenantrag zu TOP 3: Der Aufsichtsrat wird nicht entlastet

Begründung: Der Aufsichtsrat kommt seiner Kontrollfunktion nur ungenügend nach und soll daher nicht entlastet werden. Es folgen Beispiele einer verantwortungslosen Konzernpolitik, die vom Aufsichtsrat mitgetragen wird:

Erneut wurden Kartelle mit BAYER-Beteiligung bekannt: Im Januar belegte ein Bericht der Weltbank, dass BAYER im Rahmen eines Anti-Malaria-Programms in Indien Preise für Pestizide abgesprochen hat. Ebenfalls im Januar verhängte das Kartellamt gegen BAYER und andere Pharma-Unternehmen Bußgelder, da bei nicht verschreibungspflichtigen Präparaten der Wettbewerb ausgeschaltet werden sollte. Im Januar und Dezember wurden zwei weitere Kartelle im Kautschuk-Bereich bekannt, BAYER zahlte eine Buße von 29 Mio Euro. Bereits im Oktober hatte das Kartellamt Büros von BAYER durchsucht, da das Unternehmen großzügige Rabatte an Apotheken gewährt hatte - damit sollten die Apotheken dazu bewegt werden, sich an „unverbindliche“ Preisempfehlungen von BAYER zu halten und von Preissenkungen abzusehen.
Eine Liste von Kartellen mit BAYER-Beteiligung findet sich unter: http://www.cbgnetwork.de/2355.html

Durch die Übernahme von Schering ist BAYER zum weltweit größten Anbieter von Verhütungsmitteln und Hormonen geworden. Auch die ehemalige DDR-Dopingschmiede Jenapharm gehört nun zum Konzern.
Im Rahmen von Werbekampagnen startet BAYER ständig neue Aktionen zu den Themen Familienplanung und Sexualität: Der Konzern sponsort Internetforen, finanziert internationale Kampagnen wie den „Weltverhütungstag“, gibt Umfragen in Auftrag und startet Initiativen wie Family Planning International.
Die Gründe für dieses Engagement klingen auf der BAYER-homepage wie bei Globalisierungskritikern abgeschrieben („weltweit Armut bekämpfen, die Umwelt schützen, die Globalisierung gerechter gestalten“). Tatsächlich geht es wohl eher darum, Hormonpräparate weltweit als Standard-Verhütungsmittel zu etablieren - denn die Gewinne sind gigantisch: Die „Pille“ ist mit einem jährlichen Umsatz von über einer Milliarde Euro das meistverkaufte Pharmazeutikum von BAYER. Durch das Marketing-Feuerwerk sollen die mitunter schweren Nebenwirkungen – Thrombosen, Embolien, Depressionen, Brustkrebs - in den Hintergrund gedrängt werden. Millionen Frauen sind, meist unwissentlich, gefährdet (siehe: http://www.cbgnetwork.de/2324.html).

Auch für Männer will BAYER mit großem Werbeaufwand Hormon-Therapien etablieren. So nennt BAYER als mögliche Indikationen für eine Testosteron-Behandlung Zunahme des Bauchfetts, verringerte Libido, Haarausfall oder Abnahme der Knochendichte – alles Symptome, die noch vor fünf Jahren als normale Alterserscheinungen galten. Websites wie www.testosteron.de, die von der BAYER-Werbeabteilung betreut werden, versprechen eine „entscheidende Verbesserung der Lebensqualität und der Gesundheit des Mannes“. Dabei gibt es keinerlei Langzeit-Untersuchungen zu den Risiken einer Testosteron-Behandlung. Untersuchungen mit kürzerer Laufzeit erbrachten Hinweise, dass Testosteronprodukte Prostatakrebs fördern und die Leber schaden können. Ärzte warnen davor, nicht ohne ausreichenden medizinischen Grund in den Hormonhaushalt einzugreifen (siehe: http://www.cbgnetwork.de/2325.html).

Im vergangenen August fand das NRW-Landwirtschaftsministerium gentechnisch verändertes Raps-Saatgut, das in Deutschland nicht zugelassen ist. Trotzdem wurde dieses auf einer Fläche von 1.500 Hektar ausgesäht. Die Kontamination geht auf ein herbizidresistentes Produkt von BAYER CropScience zurück. Wie in den USA, wo im Jahr 2006 herkömmlich angebauter Reis durch eine herbizidresistente Sorte von BAYER kontaminiert wurde und weltweit in den Handel gelangte, geht die Verunreinigung des Raps-Saatguts wahrscheinlich auf jahrelang zurückliegende Freilandversuche zurück. BAYER weigert sich, für den Schaden zu haften. Der Fall zeigt einmal mehr, dass Gentechnik in der Landwirtschaft unweigerlich zur Kontamination von herkömmlichem Saatgut führt. Trotzdem drängt BAYER auf neue Märkte: in Australien soll Gen-Raps angebaut werden, bei der EU hat BAYER Import-Zulassungen für genmanipulierten Reis und Raps beantragt (siehe: http://www.cbgnetwork.de/2147.html).

Eine Kampagne der Coordination gegen BAYER-Gefahren und anderer Initiativen führte dazu, dass die Verbrennung von australischem Giftmüll in Anlagen von BAYER untersagt wurde. Der Konzern weigert sich jedoch, alle Müll-Importe nach Herkunft und Inhaltsstoffen offen zu legen. BAYER hatte eingeräumt, Sonderabfälle von 300 Firmen aus dem In- und Ausland zu verbrennen, obwohl die Anlagen ursprünglich nur für Müll aus den BAYER-Werken genehmigt worden waren. Es ist nicht hinnehmbar, dass ein so dicht besiedeltes Land wie die Bundesrepublik, das bereits eine hohe Umweltbelastung aufweist, zum Ziel von Giftmülltransporten wird (siehe: http://www.cbgnetwork.de/1757.html).

[BAYER HV 2008] Hauptversammlung 2008

CBG Redaktion

Pressestimmen
=> Kölner Stadt-Anzeiger: Giftgas-Pipeline unter Beschuss
=> Rheinische Post: Kritiker gegen Vorstandsentlastung
=> Leverkusener Anzeiger: Opposition hat sich formiert

Presse Informationen:
=> Kritik an Agrotreibstoffen
=> Protest gegen die CO-Pipeline
=> Engagement in Burma in der Kritik

Ein ausführlicher Bericht von den HV-Protesten

Gegenanträge zur Hauptversammlung
=> Coordination gegen BAYER-Gefahren reicht Gegenanträge ein
=> CO-Pipeline: Gegenantrag zur BAYER-Hauptversammlung
=> Störfall-Gefahren in Institute/USA: weiterer Gegenantrag eingereicht

Fotos von der Protestaktion

[Editorial] STICHWORT BAYER 01/2008

CBG Redaktion

Editorial von STICHWORT BAYER 1/2008

Liebe Leserinnen und Leser,

der TÜV hat in seinem Gutachten zur Kohlenmonoxid-Pipeline von BAYER ganze Arbeit geleistet. Er hat die Sicherheitslage gleich für Jahrhunderte im Voraus analysiert und über einen Zeitraum von Äonen Entwarnung gegeben. Der Verein prophezeit lediglich einen Rohrleitungsunfall in 5000 Jahren und drei Lecks pro Kilometer in einer Million Jahren. An den CO-Röhren, die am bayerischen Chiemsee entlang verlaufen, nagte der Zahn der Zeit allerdings bedeutend früher. Er fraß binnen 50 Jahren von der 6mm dicken Wandung 4mm ab, weshalb diese porös wurde und Gas austrat. 2002 erfolgte deshalb die vorübergehende Stilllegung und ein Austausch der Rohre.

Bei solchen kleineren Lecks nimmt das Kohlenmonoxid die Temperatur des durchströmten Bodens an. Ist dieser kühler als die darüber geschichtete Luft, besitzt das CO eine größere Dichte als diese und breitet sich somit an der Oberfläche aus, wo es sich gründlich mit der Luft vermischt und selbst noch in tausendfacher Verdünnung tödlich wirkt. Beim einfachsten Fall eines Vollrohrbruches der Giftleitung hingegen hebt sich die 1,4 m dicke Erdschicht über der Leitung unter dem gewaltigen Druck von 6 bis 40 Bar. Es reißt in kürzester Zeit ein Krater auf, aus welchem mit einem Höllenlärm das CO gen Himmel strömt. Wird das Gas entzündet, entsteht eine gewaltige Explosion mit Feuerball. Solch ein großes Leck in der Leitung sollte von den Prüfsystemen Dormagen und Uerdingen innerhalb von Minuten erkannt werden und von dort die Leitung durch Ventile in etwa 10 km lange Abschnitte abgeschottet werden. Diese Reaktionszeit reicht jedoch nicht aus, um das Ausströmen von bis zu 10.000 m3 CO im Bereich der Berststelle zu verhindern.

Trotz dieser Gefahren steht die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE rückhaltlos hinter dem Projekt. GewerkschaftssekretärInnen reden von der Gefährdung des Industrie-Standortes, um Werbung für die Pipeline zu machen, obwohl mit der Inbetriebnahme der Leitung am Standort Uerdingen die alte Kohlevergasung für die CO-Erzeugung geschlossen wird, d. h. die dortigen Arbeitsplätze verloren gehen. Diese Jobs blieben teilweise erhalten, wenn statt der CO-Pipeline für 50.000.000 € eine 70.000.000 € teure, moderne Reformeranlage von der Firma BAYER oder LINDE oder PRAXAIR in Uerdingen gebaut würde. Die dafür notwendige Fläche ist – dank vieler Stilllegungen – in ausreichendem Maße vorhanden, ebenso sind die Rohstoffe Methan und Kohlenstoffdioxid für die Erzeugung von CO vor Ort verfügbar. Es ist für mich unverständlich, warum dieser Weg der Vermeidung einer überflüssigen Gefährdung von den Verantwortlichen bei BAYER nicht beschritten wird. Der einzig in Frage kommende Grund dürfte sein, dass LINDE und PRAXAIR ihre in Dormagen erzeugten CO-Überkapazitäten auf praktische Weise loswerden wollten, wofür die Landesregierung dann per Pipeline-Gesetz eilfertig den Weg frei machte. Deshalb sollen nun die Grundstücke und Häuser unzähliger Privatpersonen durch den Bau der Giftgas-Leitung entwertet werden. Und um Giftgas handelt es sich, nicht „bloß“ um giftiges Gas, wie ein BAYER-Sprecher in der TV-Sendung Monitor richtigstellen wollte. Als ich das hörte, stockte mir der Atem: Wissen diese MitarbeiterInnen des Leverkusener Multis etwa nichts mehr von den Massenmorden mit dem von den IG FARBEN gelieferten Kohlenmonoxid im Dritten Reich?

Durch den leichtfertigen Umgang mit dem Thema und die Ignoranz gegenüber den Ängsten der Menschen wirkt BAYER selbst standort-gefährend. Ein erfolgreicher Industriestandort ist nämlich nicht nur durch Innovation und Weiterentwicklung der Unternehmen, sondern auch durch die Akzeptanz in der Bevölkerung bestimmt. Diese Akzeptanz setzt BAYER auf Spiel. Da bleibt nur zu hoffen, dass der Konzern auf dem Gerichtswege zur Vernunft zu bringen ist. Die Urteile des Oberlandesgerichts Münster, welche die vorzeitige Inbetriebnahme untersagten, weil sie sich der Argumentation der Pipeline-GegnerInnen anschlossen und das dem Allgemeinwohl dienende des Vorhabens nicht erkennen mochten, stimmen da ganz optimistisch.

Dr. Walther Enßlin gehört der Bürgerinitiative BAU-STOPP DER BAYER-PIPELINE und der Coordination gegen BAYER-Gefahren an

[Jatropha] STICHWORT BAYER 01/2008

CBG Redaktion

UN-Konferenz zu biologischer Vielfalt

Jatropha: Greenwashing mit „Bio“-Treibstoff

Im Mai findet in Bonn die 9. UN-Konferenz zur Konvention über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity) statt. Wichtige Themen werden dabei die negativen Auswirkungen von Agrar-Kraftstoffen, Pestiziden und Gentechnik für die biologische Vielfalt sein. Gleichzeitig versuchen BayerCropScience, Monsanto und andere Firmen, die UN als Werbeplattform für ihre Technologien zu mißbrauchen.

Mit großem Aufwand präsentierte Bayer CropScience Anfang Januar eine neue Kooperation mit DaimlerChrysler und dem Nahrungsmittel-Konzern Archer Daniels Midlands. Gemeinsam wollen die drei Unternehmen den Anbau der tropischen Ölpflanze Jatropha, eine der zur Zeit am meisten propagierten Kraftstoff-Pflanzen, forcieren.
BAYER behauptet, dass sich Jatropha auf „Grenzertragsböden in tropischen und subtropischen Klimata anbauen lässt, also auf Flächen, die sich nicht für die Produktion von Nahrungsmitteln eignen“. Allerdings ist geplant, die Ölfrucht auch auf Standorten anzubauen, die von der lokalen Bevölkerung intensiv genutzt werden, und zwar als Weideland und zur Sammlung von Nutzpflanzen. Ein Hektar kann je nach Ertrag etwa zehn Tankfüllungen pro Jahr liefern - aber durch einen Hektar Weideland kann auch eine Großfamilie ihre Ernährung erheblich und dauerhaft verbessern. Die Welternährungsorganisation FAO weist seit Jahrzehnten darauf hin, dass solche Ressourcen für Ernährung und Gesundheit armer Bevölkerungsschichten sehr wichtig sind.
Jatropha-Plantagen würden die Bevölkerung von ihrem gemeinschaftlich genutzten Land vertreiben, Armut und Hunger wären die Folge. Auch die Konkurrenz um Wasser würde durch den Anbau verschärft, denn mit Bewässerung liefern die Pflanzungen weit höhere Erträge.

Vertreibung droht
In Indien soll durch ein großangelegtes Regierungsprogramm drei Viertel der sogenannten „wastelands“ – bis zu 11 Millionen Hektar - durch Kraftstoff-Plantagen ersetzt werden. Zusammen mit DaimlerChrysler will BayerCropScience hierfür die Technologie liefern. BAYER arbeitet intensiv an Saatgut und Pflanzenschutzmitteln für Jatropha; es wird erwartet, dass langfristig auch gentechnische Herbizid-Resistenz eingesetzt werden soll. Damit würden Kleinbauern in die von Gentechnik-Mais, -Soja und -Baumwolle bekannte Abhängigkeit geraten.
Bereits jetzt wird in Indien Jatropha im Vertragsanbau von Kleinbauern produziert. Dabei werden Saatgut und Kredite von derselben Firma geliefert, die das Produkt zu üblicherweise vorher festgelegten Preisen aufkauft. In der Regel sind Kleinbauern im Vertragsanbau in einer ungünstigen Verhandlungsposition; sie tragen die Risiken von Ernteschwankungen, die auch bei Jatropha bestehen. Verschuldung tritt oft an die Stelle des erhofften festen Einkommens. Jatropha hat, wie Kaffee, unterschiedliche Reifezeitpunkte, so dass eine mechanische Ernte kaum infrage kommt. Wenn, wie in den Publikationen von BAYER, die Schaffung von Arbeit durch Jatropha-Anbau betont wird, sollte man nach dem Einkommen fragen, und eben auch nach der Verdrängung von Armen vom Gemeinschaftsland.
Wegen seiner Giftigkeit für Mensch und Tier wurde Jatropha zudem in manchen Ländern, so in Westaustralien, verboten. Die Risiken eines großflächigen Anbaus sind unbekannt.

Werbeplattform UN
BayerCropScience und DaimlerChrysler sammelten bereits im September 2007 in Madrid unter den Delegierten einer UN-Konferenz, der 8. Vertragsstaatenkonferenz der Konvention zur Wüstenbekämpfung (UNCCD), Unterschriften für den Anbau von Jatropha. Schon seit 2002 hat BayerCropScience, ein Teilkonzern der BAYER AG, einen Vertrag mit dem Sekretariat der Wüstenbekämpfungskonvention, das seinen Sitz in Bonn hat. Soweit bekannt, stellt BAYER einige PCs zur Verfügung. Im Gegenzug ist BayerCropScience bei den Verhandlungen der UNCCD-Vertragsstaaten mit großen Ständen präsent und hat direkten Zugang zu den Regierungsvertretern.
Auch im Vorfeld der UN-Konferenz über die Biologische Vielfalt im Mai in Bonn wird der Anbau von Jatropha beworben. Auf einem Vorbereitungs-Treffen in Hannover präsentierte DaimlerChrysler seine Jatropha-Aktivitäten. Ein Vertreter der Intermed Discovery, einer Management-Ausgründung von BAYER, die sich ebenfalls mit Jatropha befasst, durfte bei der feierlichen Vorstellung der Biodiversitäts-Strategie der Bundesregierung im Dezember 2007 in Berlin über internationale Aspekte der Biologischen Vielfalt sprechen.
Schon 2004 wurde mit der UN-Umweltbehörde UNEP eine Kooperation eingegangen. Im August 2007 fand im BAYER-Erholungsheim in Leverkusen gar die „Internationale Jugendumweltkonferenz“ der UNEP statt. Die BAYER AG bezahlte die komplette Veranstaltung, und ihr Vorstandsvorsitzender Werner Wenning hielt eine Eröffnungsrede (s. SWB 3/2007).

Pestizide und Artensterben
Zugleich trägt BAYER als weltgrößter Pestizidhersteller massiv zur Bodenerosion und zum Verlust biologischer Vielfalt bei. Obwohl die BAYER AG in ihrem Geschäftsbericht 1995 angekündigt hat, bis zum Jahr 2000 den Verkauf sämtlicher Pestizide der Gefahrenklasse 1a (extremely hazardous) und 1b (highly hazardous) einzustellen, verkauft der Konzern weiter solche Pestizide in Entwicklungsländern.
Auch gentechnisch verändertes Saatgut wird von BayerCropScience vertrieben. Der Konzern hofft, dass sich der weltweite Markt für gentechnisch verändertes Saatgut von Mais, Soja, Raps, Baumwolle und Reis von 2005 bis 2015 auf rund 3,6 Mrd € verdoppeln wird. Herbizidresistentes Saatgut in Verbindung mit dem jeweiligen Agrogift trägt erheblich zur Vernichtung von biologischer Vielfalt auf landwirtschaftlich genutzten Flächen sowie zur Bodenerosion bei.

Schlechte Nachrichten aus Indien
In Chhattisgarh, dem Jatropha-Vorreiter unter den indischen Bundesstaaten, wurden einigen der größten indischen Unternehmen 200.000 Hektar Land versprochen, ein Paradies für sogenannte „land-grabber“ - Profis, die sich Land aneignen, so ein Sozialarbeiter aus der Region. 2006 hatten bereits 30 Kleinbauern im Kampf um ihr Land ihr Leben verloren, berichtet die Umwelt-Zeitschrift Down to Earth. Die Umweltaktivistin Vandana Shiva kritisiert, dass Kleinbauern unter Androhung von Gefängnisstrafen ihr Reisland für den Jatropha-Anbau übergeben mussten. Auch aus der Region Patnagar wurden Verkäufe fruchtbaren Landes an Firmen für den Jatropha-Anbau berichtet.
Im Oktober 2007 wurde geschätzt, dass in Indien bereits 500.000 bis 600.000 Hektar Jatropha angebaut werden, und die Staatsbank vergab Millionen-Kredite an Kleinbauern. Aus der Grünen Revolution der Siebziger Jahre ist bekannt, dass solche Kredite häufig zur Verschuldung führen; hinzu kommt heute der Vertragsanbau zu Bedingungen, die ebenfalls häufig Verschuldung zur Folge haben.

von Susanne Gura (AG Biodiversität des Forum Umwelt und Entwicklung)

[Institute] STICHWORT BAYER 01/2008

CBG Redaktion

„Zwillings-Werk“ von Bhopal

Institute: Hochrisiko-Fabrik in den USA

Regelmäßig treten im amerikanischen BAYER-Werk Institute gefährliche Chemikalien aus. Die Unternehmensleitung verharmlost die Vorfälle und räumt lediglich „Geruchsbelästigungen“ ein. Die Fabrik gehörte früher der Firma UNION CARBIDE und war das Zwillings-Werk von Bhopal, Schauplatz der größten Chemie-Katastrophe der Geschichte. Nirgendwo in den USA werden bis heute größere Mengen der in Bhopal ausgetretenen Chemikalie MIC produziert und gelagert.

von Philipp Mimkes

Immer wieder leiden die Anwohner des amerikanischen BAYER-Werks in Institute/West Virginia unter gesundheitsschädlichen Chemikalien-Dämpfen. Der jüngste Vorfall ereignete sich am 28. Dezember 2007, als mehrere Fässer mit dem Pestizid Thiodicarb platzten. Dutzende Anwohner mussten wegen Kopfschmerzen und Atemwegsproblemen behandelt werden, mindestens ein Betroffener wurde stationär behandelt.
Der Präsident des zuständigen Verwaltungsbezirks Kanawha County, Kent Carper, übte scharfe Kritik: „Das Verhalten von BAYER nach dem Unfall war bodenlos, die veröffentlichten Informationen waren vollkommen unzureichend. Niemand wusste, was zu tun war“. Ähnlich äußert sich Hazo Carter, Präsident der West Virginia State University mit 2.500 Studenten, deren Gebäude direkt neben dem Werk liegen: „Ich möchte energisch unterstreichen, dass wir, die wir in der Nachbarschaft des Werks leben, arbeiten und studieren, ernsthafte Schritte von BAYER erwarten. Die Nachbarn müssen kurzfristig und detailliert über Unfälle informiert werden“. Carter kritisiert, dass ein von BAYER eingerichtetes Notfalltelefon nicht funktionierte und dass die Universitäts-Leitung erst aus dem Radio von dem Unfall erfuhr.

Gefahren verharmlost
Noch Tage später verharmloste das Unternehmen den Vorfall und sprach von einer „ungefährlichen Geruchsbelästigung“. Tatsächlich gehört Thiodicarb aber zu den gefährlichsten Agrogiften überhaupt. Die Weltgesundheitsorganisation WHO bezeichnet den Wirkstoff aus der Stoffklasse der Carbamate als „extrem giftig“ und als potentiell krebserregend. In der EU wurde Thiodicarb verboten. Im vergangenen Jahr forderten 154 Organisationen aus 35 Ländern den BAYER-Konzern auf, den Verkauf aller Pestizide der Gefahrenklasse 1, darunter Thiodicarb, einzustellen.
Der Vorfall kurz vor Sylvester war bereits der dritte innerhalb von nur sechs Wochen: Am 16. November waren 50 kg der Chemikalie Rhodimet ausgetreten, was zu einer zehntägigen Geruchsbelästigung führte. Am 20. Dezember traten stinkende Abgase aus einem Faultank aus. BAYER wurde von der Umweltbehörde des Bundesstaats West Virginia vorgeladen. Die Behörde startete eigene Luftmessungen und kündigte Strafzahlungen an.

Todes-Chemikalie MIC...
Die Fabrik in Institute gehörte früher zur Firma UNION CARBIDE und war das „Schwester-Werk“ der berüchtigten Fabrik im indischen Bhopal. In Bhopal waren im Dezember 1984 rund 30 Tonnen Methyl-Isocyanat (MIC) ausgetreten. Mindestens 15.000 Menschen fielen dem schwersten Chemie-Unfall der Geschichte zum Opfer.
Nach der Katastrophe in Indien richteten sich die Augen der Öffentlichkeit auf die Pestizid-Fabrik in Institute, da dort ebenfalls große Mengen MIC lagerten und die selben „Sicherheits“-Bestimmungen wie in Bhopal galten. Allen Beteuerungen der Werksleitung zum Trotz, wonach von der Fabrik keinerlei Gefahren ausgingen, ereignete sich im August 1985 auch in Institute ein Groß-Unfall: rund zwei Tonnen giftiger Chemikalien, darunter das hochgefährliche Pestizid Aldicarb, zogen in einer brennenden Wolke über die Wohnviertel in der Nähe der Fabrik. Über 300 Anwohner mussten stationär behandelt werden.
Der nächste große Störfall ereignete sich im August 1994, als eine Explosion einen Teil der Pestizid-Produktion zerstörte. Ein Arbeiter starb unmittelbar, mindestens ein weiterer Arbeiter erlag den Spätfolgen. Die Behörde für Arbeitssicherheit OSHA verhängte wegen „vorsätzlicher Verletzung von Sicherheits-Bestimmungen“ eine Strafe von 1,7 Millionen Dollar.
Im Februar 1996 brach in der Anlage ein Feuer aus, erneut traten große Mengen Chemikalien aus. Tausende von Anwohnern durften ihre Häuser nicht verlassen.

... wird bis heute gelagert
Im Rahmen der Übernahme von AVENTIS CROPSCIENCE gelangte die Fabrik im Jahr 2001 in den Besitz von BAYER. Während in den deutschen BAYER-Werken nach Bhopal die Menge der gelagerten Ultragifte wie Phosgen oder MIC reduziert wurde, blieben die Tanks in Institute bestehen. Heute ist Institute das einzige Werk in den USA, in dem MIC in großen Mengen produziert und gelagert wird. Mindestens die doppelte – möglicherweise gar die vierfache - Menge des in Bhopal ausgetretenen MIC befindet sich ständig in der Fabrik, genauere Angaben verweigert die Werksleitung. Auch zwischen fünf und fünfzig Tonnen des Giftgases Phosgen, das im 1. Weltkrieg als Kampfgas verwendet wurde, werden in dem Werk gelagert. Ein worst-case-Szenario kam 1994 zu dem Ergebnis, dass im Falle eines GAUs in einem Umkreis von mehreren Kilometern tödliche Vergiftungen auftreten können.
Auch im Normalbetrieb treten aus der Fabrik in Institute große Mengen gefährlicher Stoffe aus. Nach Angaben der US-Umweltbehörde EPA blies das Werk im vergangenen Jahr mehr als 300 Tonnen Chemikalien und Schadstoffe in die Luft, darunter 200 kg MIC, 50 kg Thiodicarb, 4 Tonnen Chlor und mehrere Kilogramm Phosgen. Die Anlage ist damit für 90% der gelagerten MIC-Menge und gar 95% der MIC-Emissionen der gesamten USA verantwortlich.

Protest der Anwohner
Nach dem ersten großen Störfall gründeten Anwohner die People Concerned About MIC („Gruppe der MIC-Betroffenen“), die mehr als zehn Jahre lang für mehr Sicherheit kämpften und eine drastische Verringerung der gelagerten MIC-Mengen forderten. „Es gibt keinen Tag, an dem ich nicht an die Unmenge der hier gelagerten Chemikalien denke“, so die Anwältin Wendy Radcliff, eine der Gründerinnen von People Concerned About MIC. Ihre Mitstreiterin Pam Nixon, die als Gutachterin der staatlichen Umweltbehörde arbeitet, erläutert, warum es in den vergangenen Jahren ruhiger wurde: „Seit Ende der 90er Jahre gab es keinen größeren Unfall mehr. Es braucht aber meist einen solchen Anlass, um die Leute zusammen zu bringen und dazu zu bringen, für eine Verbesserung der Lage zu kämpfen“.
Gegenüber der örtlichen Zeitung Charleston Gazette äußerte Nixon anlässlich des 20. Jahrestags der Katastrophe von Bhopal: „Wir sollten nicht vergessen, dass die Risiken nicht aus der Welt sind. Auch wenn wir nichts davon hören oder sehen: mitten in unserer Gemeinde befindet sich ein schlafender Riese“. Nixon war bei dem Groß-Unfall 1985 durch giftige Gase verletzt worden. Zehn Jahre später wurde bei ihr eine seltene Immunstörung diagnostiziert, für die sie die Vergiftung verantwortlich macht. Wie auch den meisten anderen Betroffenen ist es unmöglich, einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Exposition und Erkrankung juristisch nachzuweisen.

Gefahrstoffe dokumentiert
Als Konsequenz von Bhopal und des ersten Groß-Unfalls in Institute beschloss der US-Kongress im November 1986 den Community Right to Know Act. Das Gesetz verpflichtete die Industrie, für jede Fabrik eine Aufstellung der produzierten und gelagerten Chemikalien sowie Gefahrenpläne zu veröffentlichen. Zudem wurde das Toxic Release Inventory (TRI) geschaffen. Darin dokumentiert die Umweltbehörde EPA für jedes Werk den Umfang der deponierten und der in Luft und Wasser ausgetretenen Schadstoffe. Erfasst werden 650 Chemikalien und über 20.000 Anlagen, die Daten werden im Internet veröffentlicht. Durch den unkomplizierten Zugriff steigt der Druck von Anwohnern, Umweltverbänden und Medien, den Ausstoß zu senken.
In Deutschland existiert bis heute keine vergleichbare Aufstellung, die Öffentlichkeit ist oftmals auf freiwillige Veröffentlichungen der Firmen angewiesen. Wegen angeblicher „Geschäftsgeheimnisse“ klagte der BAYER-Konzern mehrfach gegen die Publikation von Emissionswerten. Informationen über Störfälle werden nur unzureichend gesammelt und zudem anonymisiert, also ohne Angabe der jeweiligen Firma veröffentlicht. Zwar müssen die Firmen nach der Störfallverordnung über die Gefahren der produzierten Stoffe informieren. In den Broschüren finden sich aber weder Angaben zu emittierten Chemikalien noch zur Menge gelagerter Gefahrstoffe.

[EBS] STICHWORT BAYER 01/2008

CBG Redaktion

Dreckschleuder Müllkraftwerk

Der Leverkusener Chemiemulti Bayer setzt bei seiner Energie-Versorgung zunehmend auf billige und dementsprechend umweltschädliche Lösungen. Neben Kohlekraftwerken zählen Müllkraftwerke, beschönigend Ersatzbrennstoffkraftwerke genannt, zu seinen Favoriten. Was Bayer als Beitrag zum Klimaschutz, zur Kreislaufwirtschaft und zum Schutz natürlicher Ressourcen verkauft, versuchen die Anwohner wegen der von den Müllöfen ausgehenden Gefahren für Mensch, Tier und Umwelt jedoch mit aller Macht zu verhindern.

„Wir freuen uns sehr über den neuen Industriepark-Partner auf unserem Gelände, der durch seine wirtschaftliche Energie-Erzeugung dazu beiträgt, die Attraktivität des Standortes zu erhöhen“. Mit diesen Worten begrüßte Bayers Brunsbütteler Statthalter Roland Stegmüller den Müllkraftwerk-Betreiber „Gesellschaft für Wirtschaftliche Energieversorgung“ (GWE). Die Anwohner mochten seine Freude über das Projekt des Unternehmens, das schon in seinem Namen dem Primat der Ökonomie über die Ökologie folgt und damit wohl auch die Investmentgesellschaft STAR CAPITAL PARTNERS als Mehrheitseigner angelockt hat, jedoch nicht so einfach teilen. „Wir wollen keine Müllverbrennungsanlage – und nichts anderes ist das“, zürnt etwa Werner Zeiss von der Bürgerinitiative Klimaschutz und Gesundheit Unterelbe, die bereits 2.700 Unterschriften gegen das Vorhaben gesammelt hat.

Das von Stegmüller ob seiner Wirtschaftlichkeit als Standort-Faktor gepriesene Ersatzbrennstoff-Kraftwerk, das den Bayer-Anlagen 120 Tonnen Dampf pro Stunde an Energie liefern soll, hat es nämlich in sich. Pro Tonne verfeuertem Müll entstehen sechs Tonnen Abgase. Und was für welche: Dioxin, chlor-, brom- und fluorhaltige Kohlenwasserstoffe, Chloride, Furane, Kohlendioxid, Schwermetalle wie Quecksilber und Feinstaub. An Rostasche fallen jährlich 80.000 Tonnen an, an Kesselasche 2.600 Tonnen und an Filterasche 16.600 Tonnen. Genauere Angaben zu den anderen Schadstoffen spart die GWE aus naheliegenden Gründen in ihren Unterlagen zum Scoping-Verfahren, das dem eigentlichen Genehmigungsverfahren vorausgeht, aus. Sie listet dort lediglich die im Bundes-Immissionsschutz-Gesetz festgelegten Limits für die einzelnen Stoffe auf, was nicht viel Sinn macht – es sei denn, die GWE will mit der nach dem Prinzip der Kraft/Wärme-Kopplung arbeitenden Anlage wirklich immer genau bis zur Grenze des Erlaubten gehen.

Auf den Himmel über Brunsbüttel kommt also so einiges zu, umso mehr, als das für das Kraftwerk vorgesehene Grundstück in einem Außenbereich des Chemieparks in der Nähe von Ackerflächen liegt und die Landwirte deshalb wirtschaftliche Schäden befürchten. Der Bürgermeister der Stadt nimmt das achselzuckend hin. „Brunsbüttel hat eben das größte Industriegebiet in ganz Schleswig-Holstein“, so der parteilose Wilfried Hansen. Und der schleswig-holsteinische Wirtschaftsminister Dietrich Austermann (CDU) bezeichnet das Projekt trotz der Risiken und Nebenwirkungen gar als „Knüller“.

Für Schadensbegrenzung soll nach Angaben der GWE die Rauchgasreinigung sorgen. Diese arbeitet abwasserfrei. Dabei wird dem Rauchgas Kalk zugesetzt, das einen Teil der Gifte zu Salzen umwandelt. In einem weiteren Schritt binden Kalkhydrat und Herdofenkoks bzw. Aktivkohle vor allem Schwermetalle und organische Substanzen. Die Verringerung der Stickoxidemissionen erfolgt durch das sogenannte SNCR-Verfahren. Dabei werden durch die Eindüsung von Ammoniak die Stickoxide auf nicht-katalytischem Wege zu Stickstoff und Wasser reduziert. „Die verwendeten Technologien entsprechen dem Stand der Technik“, versichert der Betreiber. Diese Meinung teilt Klaus Koch vom Hamburger Büro für Umweltfragen nicht. Er attestiert Anlagen, welche die Emissionen mit Hilfe von Katalysatoren (SCR-Technik) zu chemischen Reaktionen zwingen und/oder mit Nasswäschern und Mehrstufen-Systemen arbeiten, bedeutend bessere Ergebnisse. Sie lassen nämlich weit weniger Stickoxide, Fluorwasserstoff, Salzsäure, organische Kohlenstoffverbindungen, Quecksilber, Dioxine, Furane und Feinstaub aus dem Schornstein entweichen als das in Brunsbüttel geplante Ersatzbrennstoff-Kraftwerk.

Der Leverkusener Multi hingegen verkauft die in Brunsbüttel und Dormagen geplanten Müllkraftwerke als Beitrag zum Klimaschutz. „Die Verwertung von Ersatzbrennstoffen in speziellen Verbrennungsanlagen bieten den Vorteil, dass nicht vermeidbare Abfälle effizient verwertet werden und diese Form der Energiegewinnung aktiv zur Minderung des klimaschädlichen Methan- und Kohlendioxid-Ausstoßes beiträgt“, so der Konzern. Eine CO2-Reduzierung gegenüber mit fossilen Brennstoffen betriebenen Kraftwerken in einer Größenordnung von jährlich 180.000 Tonnen verspricht die GWE. Als eine „Mär“ bezeichnet das Klaus Koch. Er rechnet das durch die täglichen Mülltransporte entstehende Kohlendioxid, die Kohle, Öl und Gas unterlegene Energie-Ausbeute der Anlage und die bei der Abfallverbrennung zusätzlich freigesetzten Ozonschicht-Zerstörer wie Fluorkohlenwasserstoff mit in die Klima-Bilanz ein und kommt so für das GWE-Projekt auf keinen grünen Zweig. Für Methan sieht es nicht besser aus. Damit sich auf den Deponien solche Faulgase nicht mehr bilden, hat der Gesetzgeber nämlich bereits im Jahr 2005 die Verbrennung von Hausmüll zur Vorschrift erklärt. Und ob nun Bayers Müllöfen oder andere diese Aufgabe erledigen, läuft leider nicht einmal auf ein ökologisches Nullsummenspiel hinaus, denn um den an „Ersatzbrennstoffe“ gestellten Anforderungen genügen zu können, muss der Abfall erst noch ein energie- und also CO2-intensives Trocknungsverfahren durchlaufen.

Die von Bayer in Brunsbüttel und Dormagen geplanten Müllkraftwerke dienen deshalb nicht der Klima-Bilanz, sondern der Geschäftsbilanz. Ein nicht ganz kleines Scherflein des „Energieträgers“ produziert er nämlich selbst, und für die Entsorgung der restlichen paar 100.000 Tonnen bekommt er sogar noch Geld. So erhalten die Entsorger heute pro Tonne Abfall ca. 80 Euro, und bei einer Jahreskapazität von 300.000 Tonnen kommt da schon ein erkleckliches Sümmchen zusammen. „Aus Dreck Geld machen“ – diesem Geschäftsmodell folgt der Leverkusener Multi bereits seit einigen Jahren mit seinen Sondermüllverbrennungsanlagen. Produktionsrückstände made by Bayer machen einen immer geringeren Anteil aus. Der Fremdmüll kommt mittlerweile auf eine Quote von 20 Prozent – Tendenz steigend, wenn auch im letzten Jahr dank der Proteste der Coordination gegen BAYER-Gefahren und anderer Initiativen der drei Millionen Euro schwere Deal mit 4.500 Tonnen Giftmüll aus Australien platzte.

Passenderweise spricht nun auch niemand mehr von Müll, „Sekundärrohstoff“ heißt das heutzutage, „Nebenprodukt“ oder eben „Ersatzbrennstoff“. Damit das schmutzige Geschäft aber so richtig anlaufen konnte, mussten die PolitikerInnen erst noch einige Hindernisse aus dem Weg räumen, wobei der Pharma-Riese ihnen tatkräftig unter die Arme griff. So hatte die von Wolfgang Große Entrup, dem Vorsteher des Bayer-Stabes „Politik und Umwelt“, beim CDU-Wirtschaftsrat geleitete Umweltkommission die EU-Abfallrahmenrichtlinie zu einem Schwerpunkt ihrer Arbeit erklärt und eine „Entbürokratisierung“ angemahnt. Der mit VertreterInnen von Bayer und anderen Konzernen bestückte „Dialog Wirtschaft und Umwelt NRW“ machte dazu gleich einige konkrete Vorschläge. So forderte das Gremium, mit dem das Land Nordrhein-Westfalen seine Umweltpolitik quasi ausgegliedert hat, die Gleichwertigkeit der stofflichen und energischen Verwertung von Abfall sicherzustellen und – besonders entlarvend – auf Programme zur Müllvermeidung zu verzichten. Sonst dürfte den Müllöfen nämlich bald das Brennmaterial ausgehen: Allein die derzeit geplanten 75 neuen Müllkraftwerke und die 20 im Umbau befindlichen Verbrennungsanlagen brauchen jährlich 26 Millionen Tonnen Nahrung.

Die EU leitete umgehend das Nötige in die Wege und erleichterte es den Dreckschleudern von Bayer & Co., an ihren Stoff zu kommen. Die in diesem Jahr zur Abstimmung anstehende Müll-Richtlinie befördert Abfall offiziell zum Wirtschaftsgut – mit weit reichenden Konsequenzen. „Die Folge ist, dass für ihn plötzlich die Warenverkehrsfreiheit der EU gilt“, jubiliert die Branche, „Er darf künftig beliebig exportiert und außerhalb der Landesgrenzen verbrannt werden“. Und die Entsorger lassen keinen Zweifel daran, wer vom Mülltourismus am meisten profitieren wird: „Den deutschen Unternehmen winkt ein lukrativer neuer Auslandsmarkt, weil sie über moderne Verbrennungsanlagen verfügen“.

„Ersatzbrennstoffanlagen stehen im Einklang mit der Abfallpolitik der Europäischen Union“, kann der Leverkusener Multi nach getaner Lobby-Arbeit nun behaupten. So schließt sich dann der Kreis, der mit einer ökologisch sinnvollen Kreislaufwirtschaft leider überhaupt nichts zu tun hat.

Jan Pehrke, Vorstandsmitglied der Coordination gegen BAYER-Gefahren

[Thiodicarb] Institute / USA

CBG Redaktion

28. Dezember 2007

USA: hochgiftiges Pestizid in BAYER-Fabrik ausgetreten

Im amerikanischen BAYER-Werk in Institute platzen mehrere Fässer, die die Chemikalie Thiodicarb enthalten. Es kommt zu starker Geruchsbelästigung der Anwohner, hunderte Betroffene melden sich bei den Behörden. Mehrere Anwohner müssen stationär behandelt werden. Thiodicarb gehört zu den gefährlichsten Pestiziden, die WHO klassifiziert den Wirkstoff als „extrem gefährlich“.
Der zuständige County President übt wegen mangelhafter Informationspolitik scharfe Kritik an der Werksleitung („bodenloses Verhalten“). Noch acht Stunden nach dem Vorfall lagen den Behörden keinerlei Informationen zu den ausgetretenen Chemikalien und deren Gefährlichkeit vor.

Das Werk in Institute im Bundesstaat West Virginia gehörte früher zu Union Carbide und war das „Schwester-Werk“ der Fabrik in Bhopal. Heute ist es das einzige Werk in den USA, in dem weiterhin das Bhopal-Gas Methyl-Isocyanat produziert und gelagert wird.

weitere Informationen:
Chemical spill in Institute/USA: Bayer‚s odor alert called ‘abysmal'
Bayer plant still home to MIC stockpile / MIC killed thousands in Bhopal

Müllverbrennung

CBG Redaktion

28. Dezember 2007, WILSTERSCHE ZEITUNG

Widerstand gegen Industrieheizkraftwerk

Bürgerinitiative „Klimaschutz und Gesundheit Unterelbe“ legt Einspruch beim Umweltamt gegen die Anlage ein.

Kreis Steinburg - Der Widerstand gegen das geplante Industrieheizkraftwerk in Brunsbüttel formiert sich. „Wir wollen keine Müllverbrennungsanlage - und nichts anderes ist das“, erklärt Werner Zeiss von der Bürgerinitiative „Klimaschutz und Gesundheit Unterelbe“. Die Organisation hatte sich vor rund drei Wochen gegründet und zählt mittlerweile „50 bis 60 Mitglieder“, wie Zeiss mitteilt.

Deren Kritikpunkte: Die zahlreichen unbekannten Giftstoffe, die bei der Verbrennung von 370000 Tonnen Müll jährlich auftreten und an die Luft abgegeben werden. Außerdem ergebe sich eine immense Verkehrsbelastung durch maximal 223 Lkw, die pro Tag verkehren. „Außerdem ist nach unserer Meinung in Deutschland gar nicht genug Müll vorhanden“, betont Zeiss. Er vermutet, dass die Anlage auch Müll aus dem Ausland verbrennen werde. „Das wird dann aber kein Haus- sondern Industriemüll sein.“

Im Auftrag der Bürgerinitiative war der 57-Jährige jetzt beim Staatlichen Umweltamt in Itzehoe und hat sich die Antragsunterlagen für das geplante Kraftwerk kopieren lassen. Zeiss hatte dabei schwer zu schleppen: Papiere, die zuvor sechs Aktenordner gefüllt hatten, nahm Zeiss im Umweltamt in Empfang. Inhalt: Daten, Fakten und Pläne. Kostenpunkt: 260 Euro. Dies zeige, wie wichtig der Initiative ihr Anliegen sei, Einspruch gegen die Anlage zu erheben.

Doch dafür müssen sich Zeiss und seine Mitstreiter sputen. Nach den Vorschriften müssen Einwände schriftlich bis zum 3. Januar vorgebracht werden. „Das ist kein bürgerfreundliches Verfahren“, kritisiert der 57-Jährige, „aber wir werden das schaffen und zugleich einen Antrag auf Fristverlängerung stellen.“

Am 5. Februar dann kommt es zu einem offiziellen Erörterungstermin in Brunsbüttel, auf dem die Einwände behandelt werden. „Ich rechne damit, dass da von Seiten der Betreiber alles abgeschmettert wird“, ahnt der Diplompädagoge, „dann müsste geklagt werden.“ Das allerdings könne nur, wer in der näheren Umgebung des Kraftwerks wohne und vorher bereits am Einspruchsverfahren teilgenommen habe.

[OVG] Pipeline gestoppt!

CBG Redaktion

Presse Information vom 18. Dezember 2007
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Dritter großer Erfolg gegen risikoreiche BAYER-Projekte

„Rechtsauffassung bestätigt“ / Oberverwaltungsgericht stoppt BAYER-Pipeline / „unseliges Projekt nun endgültig begraben!“

Zufrieden zeigt sich die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) mit dem heutigen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster, wonach die vom BAYER-Konzern geplante Kohlenmonoxid-Pipeline keine Betriebsgenehmigung erhält.

Philipp Mimkes vom Vorstand der CBG: „Unsere Rechtsauffassung wurde bestätigt. Schon Anfang des Jahres haben wir moniert, dass kein öffentliches Interesse an dem Bau der Pipeline besteht. Hierdurch entfällt die Rechtsgrundlage für das Projekt. Spätestens seit dem Aus der parallel geplanten Propylen-Leitung war die Argumentation von BAYER-Konzern und Landesregierung hinfällig“. Die erhöhte Gefahr für die Anwohner und die notwendigen Enteignungen wurden stets mit Vorteilen für das Allgemeinwohl gerechtfertigt. „Tatsächlich lagen dem Bau der Kohlenmonoxid-Pipeline aber von Anfang an ausschließlich privatwirtschaftliche Interessen zu Grunde. BAYER könnte auch in Krefeld eine moderne CO-Produktionsanlage bauen“, so Mimkes weiter.

In Krefeld-Uerdingen setzt BAYER für die Kohlenmonoxid-Produktion eine veraltete und energieintensive Technik ein. Im vergangenen Jahr musste die Anlage nach einem Brand wochenlang stillgelegt werden. Üblicherweise werden Gefahrstoffe wie Kohlenmonoxid dort produziert, wo sie gebraucht werden. Die CBG hatte stets einen Präzedenzfall befürchtet, wenn von diesem Prinzip abgewichen wird und die Rohrleitung eine Genehmigung erhält.

Die OVG-Richter urteilten, in dem Enteignungsgesetz sei nicht ausreichend erklärt, inwiefern die Allgemeinheit vom Privatinteresse des Bayer-Konzerns profitiere. „Da müssen sich Elemente der Gemeinnützigkeit finden“, erklärte OVG-Sprecher Ulrich Lau. Es müssten konkrete Informationen gegeben werden, beispielsweise Angaben zur Zahl der entstehenden Arbeitsplätze. Nur wenn das private Interesse des Unternehmens identisch sei mit dem der Allgemeinheit, sei die Enteignung von Bürgern oder Gemeinden gerechtfertigt. Tatsächlich aber hatte die BAYER-Tochter MATERIAL SCIENCE vor wenigen Wochen angekündigt, trotz eines prognostizierten Rekord-Gewinns ein Zehntel der Belegschaft wegzurationalisieren.

Die Entscheidung des Gerichts kann bis zur Entscheidung in der Hauptverhandlung nicht angefochten werden; der Prozess wird sich voraussichtlich über mehrere Jahre hinziehen. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert den Konzern daher auf, sich nun endgültig von dem unseligen Projekt zu verabschieden.

„Die heutige Entscheidung ist ein großer Erfolg für Bürgerinitiativen, Anwohner und Umweltgruppen. Ohne den Protest der Betroffenen wäre das Projekt stillschweigend realisiert worden. Nach dem Aus für die Verbrennung von australischem Giftmüll im Sommer und dem in der vergangenen Woche beschlossenen Stopp des in Krefeld geplanten Kohlekraftwerks ist dies der dritte Erfolg gegen risikoreiche BAYER-Projekte innerhalb weniger Monate“, so Philipp Mimkes weiter.

alle Infos zur Kampagne gegen die CO-Pipeline

Kölner Stadt-Anzeiger, 19 Dezember 07

Bayer-Pipeline muss vorerst leer bleiben

Das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster hat dem Industriekonzern Bayer die Inbetriebnahme seiner zwischen Dormagen und Krefeld geplanten Kohlenmonoxid-Pipeline vorläufig untersagt (Az.: 20 B 1586 / 07; 20 B 1667 / 07). Zugleich erlauben die Richter dem Konzern jedoch, die Pipeline auf eigenes Risiko zu Ende zu bauen. Gegen das Projekt hatten zwei Privatpersonen geklagt, über deren Grundstücke die Trasse laufen soll. Die Beschlüsse des OVG können nicht angefochten werden. Während ein Bayer-Konzernsprecher sich zunächst nicht zu dem Richterspruch äußern wollte, kündigte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums eine Prüfung des Urteils an.

Eingriff in Eigentum
Ein Planfeststellungsverfahren hatte Bayer dazu berechtigt, seine CO-Pipeline über Privatgrundstücke zu verlegen. Die Richter äußerten in ihrer Begründung jedoch Bedenken am Feststellungsverfahren. So fehle eine „vertiefte und überzeugende Darstellung der Bedeutung“, die die geplante Pipeline für die Allgemeinheit habe. Nur durch eine Gemeinnützigkeit wäre ein solcher Zugriff auf Privateigentum gerechtfertigt. Außerdem monierten die Richter, es sei fraglich, ob durch den Bau der Pipeline die Wirtschaftskraft der Industriesparte und der Region so sehr gestärkt werde.
Zwar betonten die Richter, dass gegen die sicherheitstechnische Bewertung der Anlage keine grundsätzlichen Bedenken bestünden. Die besondere Gefährlichkeit von Kohlenmonoxid könne jedoch „über die Grundanforderungen des technischen Regelwerks hinausgehende Sicherheitsmaßnahmen erforderlich“ machen. Anwohner und die Stadt Monheim hatten in den vergangenen Monaten wiederholt das Sicherheitsrisiko der Trasse kritisiert. Ein Gutachten, das die Kreisverwaltung Mettmann in Auftrag gegeben hatte, war zu dem Schluss gekommen, dass bei einem Bruch der Leitung über 143 000 Menschen durch das geruchlose Atemgift gefährdet seien.
Die Richter folgten der Argumentation so weit, dass sie feststellten, mögliche Gesundheitsrisiken würden mit der Inbetriebnahme sofort aktuell. Dies sei den Anliegern „derzeit nicht zuzumuten“. So dürfe die Pipeline zwar weiter gebaut, nicht aber in Betrieb genommen werden. Bayer will mit der Pipeline seine Standorte in Dormagen und Krefeld verbinden, da in beiden Chemieparks Kohlenmonoxid für die Kunststoffproduktion benötigt wird. Anwohner, Umweltschützer und die Oppositionsparteien im Landtag wehren sich seit Monaten gegen die Pipeline für das geruchlose und hochgefährliche Atemgift.
Die OVG-Entscheidung hat nun Bestand, bis im Hauptsacheverfahren ein Urteil ergangen ist. Wann dieses gefällt wird, ist nach den Worten Laus noch unklar. „Das kann Jahre dauern.“ Wahrscheinlicher sei, dass die Bezirksregierung Düsseldorf versuchen wird, den Bedenken der Münsteraner Richter Rechnung zu tragen.

Pressemitteilungen des Oberverwaltungsgerichts, 18. Dezember 2007

Inbetriebnahme der Bayer-Kohlenmonoxid-Pipeline Dormagen-Krefeld/Uerdingen vorerst gestoppt

Der 20. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat mit zwei Beschlüssen vom 17.12.2007 die Inbetriebnahme der Bayer-Kohlenmonoxid-Pipeline, die von Dormagen nach Krefeld/ Uerdingen führt, vorläufig untersagt.
Mit Planfeststellungsbeschluss vom 14.02.2007 hatte die Bezirksregierung Düsseldorf die rechtsrheinisch verlaufende Rohrfernleitung der Firma Bayer Material Science AG (BMS) zugelassen. Gegen das Vorhaben wenden sich Privatpersonen und Gemeinden, deren Gebiet von der Leitung berührt wird. Die Rechtsbehelfe richten sich gegen den Planfeststellungsbeschluss und gegen auf diesem Beschluss aufbauende vorzeitige Besitzeinweisungen. Da die Bezirksregierung die sofortige Vollziehung sowohl des Planfeststellungsbeschlusses wie auch der vorzeitigen Besitzeinweisungen angeordnet hat, konnten die Bauarbeiten bereits aufgenommen und weit fortgeführt werden.
Zwei Privatpersonen, die in der Nähe der Trasse leben und deren Grundbesitz in Anspruch genommen werden soll, haben beim Verwaltungsgericht Düsseldorf Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss erhoben. Außerdem hatten sie im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klagen beantragt. Diesen Antrag hatte das Verwaltungsgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 18.09.2007 abgelehnt. Auf die Beschwerde der Antragsteller hat das Oberverwaltungsgericht nunmehr mit den o. g. Beschlüssen entschieden, dass die schon weitgehend verlegte Rohrfernleitung zwar zu Ende gebaut werden darf, die Inbetriebnahme aber vorerst unterbleiben muss.
Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt: Gegen den Planfeststellungsbeschluss bestünden Bedenken, die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht auszuräumen seien. So fehle eine vertiefte und überzeugende Darstellung der Bedeutung, die die von der Firma BMS, einem privaten Unternehmen, betriebene Rohrleitungsanlage für die Allgemeinheit habe, um den staatlichen Zugriff auf das Eigentum Dritter zu rechtfertigen. Es sei auch fraglich, ob der erstrebte positive Effekt für die Allgemeinheit, also vorrangig die Stärkung der Wirtschaftskraft der Industriesparte und der Region, für die Zukunft hinreichend abgesichert sei. Klärungsbedarf bestehe auch hinsichtlich der Entscheidung für die planfestgestellte Trasse, insbesondere hinsichtlich des Verzichts auf eine linksrheinische Trassenführung und der Bedeutung einer angestrebten gemeinsamen Verlegung mit anderen geplanten Leitungen. Demgegenüber bestünden gegen die sicherheitstechnische Bewertung der Anlage keine grundsätzlichen Bedenken. Allerdings könne problematisch sein, inwieweit wegen der Gefährlichkeit von Kohlenmonoxid und des Verlaufs der Rohrleitung über die Grundanforderungen des technischen Regelwerks hinausgehende Sicherheitsmaßnahmen erforderlich und ergriffen seien. Unter Abwägung der berührten Interessen sei es angemessen, der Firma BMS die Möglichkeit zu belassen, auf eigenes Risiko die Leitung zu Ende zu bauen. Für die Nutzung der Rohrfernleitung sei dagegen ein überwiegendes öffentliches Interesse oder ein entsprechendes Interesse der Firma nicht gegeben. Mit der Betriebsaufnahme würden die Risiken, insbesondere für die Gesundheit, sofort aktuell. Dies sei den Antragstellern, die den Planfeststellungsbeschluss zur Abwehr solcher Risiken angefochten hätten, derzeit nicht zuzumuten. Die Beschlüsse des Oberverwaltungsgerichts sind unanfechtbar. Über die Beschwerden in den Verfahren zur vorzeitigen Besitzeinweisung wird das Oberverwaltungsgericht in den ersten Wochen des nächsten Jahres entscheiden.
Az.: 20 B 1586/07 und 20 B 1667/07