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Beiträge verschlagwortet als “Glyphosat”

[24Reden] STICHWORT BAYER 3/2016

CBG Redaktion

Aktion & Kritik

Von Arbeitsplatzvernichtung bis XARELTO

24 Einsprüche

Der Faz gefallen die AktionärInnen-Treffen von BAYER nicht. Die Zeitung klagte jüngst über das Gros der HauptversammlungsrednerInnen, das sich „zu Themen äußert, die nicht viel mit Bilanzen zu tun haben“. Und in der Tat wartete die Journalistin des Blattes am 29. April in den Beiträgen der 24 Konzern-KritikerInnen vergeblich auf Zahlen. Stattdessen bekam sie so einiges über Bienensterben, Gentechnik, üble Marketing-Praktiken, gefährliche Giftgas-Leitungen, Steuertricks, Altlasten und die Lage der Beschäftigten zu hören.

Von Jan Pehrke

Das größte Kapitel im „Schwarzbuch BAYER“ nahm auch bei der diesjährigen Hauptversammlung wieder das Thema „Bienensterben“ ein. Gleich sechs Beiträge befassten sich mit dieser Nebenwirkung von Ackergiften aus dem Hause des Leverkusener Multis. Die Imkerin Heike Holzum erinnerte noch einmal an das Jahr 2008, als die bisher größte Bienen-Vergiftung durch die legale Anwendung eines Pestizids geschah: Am Oberrhein erlagen 12.500 Bienenvölker BAYERs Saatgut-Beize PONCHO. Dazu hätte es Holzum zufolge nicht kommen müssen, denn bereits seit 1994 lagen Erkenntnisse über die verheerenden Effekte der zur Gruppe der Neonicotinoide gehörenden Agro-Chemikalien auf Bienen vor. Der Global Player hat diese jedoch nicht beachtet und macht bis heute andere Gründe für das Sterben der Tiere überall auf der Welt geltend. Vor allem die Varroa-Milbe nennt er immer wieder als Ursache. „Wie lange wollen Sie uns dieses Märchen noch erzählen“, fragte Holzum den Vorstand deshalb.
Auch Michael Slaby von der Initiative MELLIFERA warf dem Konzern vor, das Vorsorge-Prinzip missachtet zu haben. „Erklären Sie uns mal bitte, wie die ‚vorsorgende Haltung’ Ihres Unternehmens aussieht gegenüber den sich verdichtenden Studien, die von einer hirnschädigenden Wirkung der Neonicotinoide nicht nur bei Insekten, sondern auch bei uns Menschen und insbesondere bei Föten und Säuglingen warnen“.
Für den präventiven Gesundheitsschutz müssen stattdessen andere sorgen wie etwa die „Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit“ (EFSA). Diese untersuchte die Ackergifte und bescheinigte ihnen, die Gesundheit von Bienen anzugreifen. Daraufhin entzog die Europäische Kommission den BAYER-Mitteln PONCHO und GAUCHO sowie dem SYNGENTA-Produkt CRUISER vorläufig die Zulassung. Der Leverkusener Multi aber hatte nichts Besseres zu tun, als gegen diese Entscheidung gerichtlich vorzugehen, monierte die Imkerin Annette Seehaus-Arnold.
Ihr Kollege Christoph Koch vom Erwerbsimkerbund sowie Anne Isakowitsch von der Initiative SUM OF US kritisierten dieses Vorgehen ebenfalls. Isakowitsch verlangte vom Agro-Riesen, die Klage zurückzuziehen und wusste sich darin mit 1.392.625 Menschen einig – so viele Unterschriften zur Unterstützung ihrer Forderung übergab sie dem Vorstand um BAYER-Chef Marijn Dekkers. Corinna Hölzel vom BUND appellierte ebenfalls an den Konzern, die juristische Auseinandersetzung zu beenden. Darüber hinaus lenkte sie die Aufmerksamkeit noch auf einen Neonicotinoid-Wirkstoff von BAYER, den die EU verschont hat: Thiacloprid. Für den HobbygärtnerInnen-Bereich bietet der Global Player die Substanz zwar nicht mehr an, die LandwirtInnen können ihn jedoch nach wie vor erwerben. So findet sich der Stoff dann nicht nur in den Bienen wieder, sondern auch in ihrem Produkt, dem Honig. Und seit Kurzem darf es sogar wieder ein wenig mehr sein: Als die EFSA den Grenzwert für Thiacloprid im Februar 2016 von 0,2 auf 0,05 mg/kg senkte, schrieb der Konzern einen Brandbrief nach Brüssel und bekam prompt „geliefert“ – die Lebensmittelbehörde machte den Beschluss rückgängig. „Ist BAYER tatsächlich der Meinung, dass sich ein Grenzwert für Lebensmittel am Absatz eines Pestizids und nicht an der Gefahr für die menschliche Gesundheit orientieren soll?“, fragte Hölzel eindringlich. Der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers ging darauf nicht näher ein und bekräftigte stattdessen: „BAYER ist davon überzeugt, dass der ursprüngliche Grenzwert für Verbraucher sicher ist und dass dieser Honig bedenkenlos verkauft werden kann. Die Rückstände, die im Honig gefunden werden, sind auch weit unterhalb einer Konzentration, die für Bienen problematisch sein könnte.“ Und selbstredend war der Konzern auch generell „ … davon überzeugt, dass unsere Neonicotinoide sicher sind für die Umwelt, wenn sie sachgerecht eingesetzt werden“.

Doppelte Standards
Christian Schliemann vom EUROPEAN CENTER FOR CONSTITUTIONAL AND HUMAN RIGHTS (ECCHR) widmete sich mit LARVIN, NATIVO, CONFIDOR und REGENT weiteren Pestiziden.

Hatte BAYER kurz zuvor in einem Werbe-Video noch glückliche LandwirtInnen präsentiert, die von den Segnungen der Agro-Chemie kündeten, so berichtete Schliemann von ganz anderen Bildern. Seine Organisation hatte nämlich vor Ort auf indischen Feldern einen Film aufgenommen, der ein Kontrastprogramm zu dem PR-Clip bietet. Die ECCHR-Aufnahmen zeigen FarmerInnen, die ihre Gesundheit riskieren, weil sie – noch dazu ohne Schutzkleidung – Pestizide ausbringen, die in Europa wegen ihrer Gefährlichkeit zum Teil längst nicht mehr erhältlich sind und keine ausreichenden Sicherheitshinweise bieten.
Die indische Rechtsanwältin Mani Prakash hatte dies der Hauptversammlung bereits zu Gehör gebracht (siehe S. X). Schliemann konzentrierte sich deshalb auf einen anderen Aspekt. Er interessierte sich dafür, wo beim Unternehmen die Verantwortung für diese Politik der doppelten Standards liegt. Er wollte zum Beispiel wissen, welche Kenntnisse Vorstand und Aufsichtsrat von den Anwendungsbedingungen für LARVIN & Co. in Indien haben und wie sie die Einhaltung der Pestizid-Exportvorschriften überwachen. Dekkers bekundete, der Konzern würde Berichten über etwaige Verstöße gegen Gebrauchsvorschriften immer „intensiv“ nachgehen, selbstverständlich die Bestimmungen über die Ausfuhren von Ackergiften einhalten und auch den Verhaltenskodex der FAO respektieren. Wie es dann aber zu den indischen Verhältnissen kommen konnte, darüber blieb er eine Erklärung schuldig.
Christoph Then von der Initiative TESTBIOTECH wandte sich einem weiteren risikoreichen Produkt aus BAYERs Landwirtschaftsabteilung zu, dem Gen-Soja FG72. Die ForscherInnen des Konzerns haben die Pflanze mit Namen BALANCE, für die der Global Player bei der EU eine Import-Zulassung beantragt hat, gleich mit zwei Resistenzen gegen Pestizide ausgestattet. Sie ist sowohl gegen Glyphosat immun, über dessen karzinogenen Effekte die ExpertInnen noch streiten, als auch gegen Isoxaflutol, das laut Then bereits offiziell als „wahrscheinlich krebserregend“ klassifiziert ist. Besonders auf Glyphosat haben sich die Unkräuter schon relativ gut eingestellt, weshalb die LandwirtInnen immer größere Mengen verwenden müssen. Von einem regelrechten „Wettrüsten auf dem Acker“ sprach der Gentech-Kritiker deshalb. Im Falle von FG72 ist das ihm zufolge besonders verheerend, denn die Behörden haben der Labor-Frucht eine Genehmigung erteilt, ohne die möglichen Effekte der Kombinationswirkung von Glyphosat und Isoxaflutol geprüft zu haben. Kein Problem, wiegelte der BAYER-Chef in seiner Antwort auf Then ab: „Risiko-Bewertungen werden üblicherweise auf der Basis von Einzelstoffen durchgeführt. Für Mischungen in Produkten gibt es jedoch umfangreiche Regulierungen.“ Trotzdem würde der Konzern, „die Bemühungen der EU, praktikable und effiziente Methoden für eine kumulative Risiko-Bewertung zu finden“ unterstützen, gab Dekkers den Märchen-Onkel. Zudem versicherte er: „Wir beschäftigen uns intensiv mit den Auswirkungen des Soja-Anbaus auf die Umwelt.“
Mit den Auswirkungen von BAYERs hemmungslosem Pharma-Marketing auf die Gesundheit beschäftigte sich der Mediziner Dr. Jan Salzmann von der ÄrztInnen-Initiative MEIN ESSEN ZAHL ICH SELBER (MEZIS). „Wir Ärzte erwarten von einem Pharmazie-Unternehmen, dass es Medikamente für die Krankheiten entwickelt, an denen unsere Patienten leiden. BAYER macht es manchmal umgekehrt. Da werden Krankheiten für Medikamente entwickelt“, erklärte Salzmann. So hat der Konzern ihm zufolge die „Wechseljahre des Mannes“ kreiert, um den Verkauf seiner Hormon-Präparate anzukurbeln, und eine Marketing-Firma damit beauftragt, diese Diagnose an den Mann zu bringen. Nebenwirkungen der Testosteron-Gaben wie erhöhtes Herzinfarkt- und erhöhtes Krebs-Risiko nahm das Unternehmen bei dem Coup billigend in Kauf, kritisierte der Mediziner.
Das alles wies der „Ober-BAYER“ natürlich weit von sich. Der Konzern sehe sich einem verantwortungsvollen Marketing gemäß internationalen Standards verpflichtet und suche für seine Produkte auch keine Anwendungsgebiete jenseits der von den Aufsichtsbehörden genehmigten, so Dekkers. Und bei den „männlichen Wechseljahren“ handelte es sich seiner Meinung nach um ein veritables klinisches Syndrom. Er zauberte dafür sogar eine standesgemäße lateinische Fachbezeichnung aus dem Hut: Hypogonadismus. Den gibt es zwar tatsächlich, allerdings ist er längst nicht so verbreitet, als dass er dem Pharma-Riesen ein einträgliches Geschäft verspräche. Also arbeitet er hart an einer „Ausweitung der Krankheitszone“.

BAYERs Steuertricks
CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes befasste sich mit einer anderen Marketing-Aktivität. Der Leverkusener Chemie-Multi hatte in Kindergärten sogenannte Wimmelbücher verteilen lassen, die das Leben auf den Firmen-Arealen in den buntesten Farben malen und zu einer Art Disneyland mit Schornsteinen verklären. Paradiesische Zustände gibt es für den Pillen-Riesen Mimkes zufolge aber auch im wirklichen Leben - steuerparadiesische. In Holland und Belgien beispielsweise: Dort hat der Konzern seine großen Finanzgesellschaften angesiedelt. Sie treten nominell als Eigentümer von BAYER-Tochtergesellschaften auf, was konzern-interne Geschäfte zu Lasten des bundesdeutschen Fiskus ermöglicht. Auch gewähren diese Briefkasten-Firmen anderen Unternehmensniederlassungen Kredite und streichen dafür Zins-Zahlungen ein, auf die kaum Abgaben anfallen. Als Folge dieser Vermeidungspraxis darbt der Stammsitz des Chemie-Multis, den dieser zu allem Übel auch noch zusätzlich mit dem Umzug seiner Patent-Abteilung nach Monheim gestraft hat. „Die Weltfirma BAYER beteiligt sich in Leverkusen sehr wenig am Gewerbesteuer-Aufkommen“, zitierte Mimkes den Bürgermeister der Stadt, Uwe Richrath.
Und das dürfte sich in nächster Zeit laut Dekkers auch nicht ändern. Die Gewerbesteuer-Zahlungen an allen deutschen Standorten zusammen würden gegenwärtig „im ein- bis zweistelligen Millionen-Bereich“ liegen, offenbarte der BAYER-Chef dem CBGler. Früher betrugen sie ein Vielfaches dessen. Allein der Abzug der Patentsparte in die nordrhein-westfälische Steuer-Oase Monheim kostet Leverkusen einen Millionen-Betrag. Trotzdem will der Niederländer diese Standort-Verlagerung nicht als Steuerspar-Projekt verstanden wissen: Sie diente angeblich lediglich der „Optimierung der Organisationsstruktur“.
Damit nicht genug, setzt der Agro-Multi seinen Stammsitz auch noch der Gefahr einer Kohlenmonoxid-Leitung aus. Seit 15 Jahren bereits transportiert er das Giftgas damit von Dormagen nach Leverkusen. „Ohne ein Wimpernzucken muten Sie den Anwohnern teilweise eine Halbierung der Rohrwände durch Rost zu“, warf Gottfried Arnold dem Aufsichtsratschef Werner Wenning vor. Des CO-Röhrenwerks, das von Krefeld nach Dormagen führt, aber wegen einer Klage glücklicherweise noch auf eine Betriebsgenehmigung wartet, nahm sich Dieter Donner an. Einmal mehr beschwor der Presse-Koordinator der verschiedenen Anti-Pipeline-Initiativen die Gefährlichkeit des Kohlenmonoxids herauf, von dem schon ein Hauch, die „Menge eines Weinglases – das sind 100 Milliliter“ reiche, um einen Menschen zu töten. Die Warnsysteme entlang der Strecke können nach Ansicht Donners einen „Worst Case“ nicht verhindern, dafür aber etwas anderes, ein: „Zurück zum ehernen Grundsatz der Chemie, Giftstoffe nur innerhalb der Werke erzeugen und dort unmittelbar zu verarbeiten.“
Dazu war Marijn Dekkers jedoch nicht zu bewegen. Er erklärte die Pipeline für notwendig, um einen „standort-übergreifenden Rohstoff-Verbund für die Kunststoff-Produktion zu schaffen“ – und selbstredend für „sicher“. Dieses Prädikat verlieh er auch der Leitung, die zwischen Dormagen und Leverkusen verläuft. Dass der TÜV bei dieser in dem Teil, der unter dem Rhein verläuft, „gravierende externe Materialverluste“ ausgemacht und ihm noch eine Restlebensdauer von zwei Jahren gegeben hatte, unterschlug der Vorstandsvorsitzende geflissentlich. Den notwendig gewordenen Bau einer neuen Unterquerung widmete er kurzerhand zu einer reinen „Instandhaltungsmaßnahme“ um.
Ein Bau ganz anderer Art sorgt derzeit für heftige Kontroversen in Leverkusen. Und wieder steht BAYER im Mittelpunkt der Auseinandersetzung. Das Land Nordrhein-Westfalen will – nicht zuletzt auf Druck des Global Players hin – eine neue Rheinbrücke bauen und im Zuge dessen auch die Autobahn A1 auf bis zu 12 Spuren verbreitern. Der neue Streckenverlauf soll teilweise über die berüchtigte Dhünnaue, BAYERs ehemalige Giftmüll-Deponie führen. Und dazu müssen die ArbeiterInnen das Gift-Grab öffnen. „Die Gefahren, die von einem Eingriff in die Deponie ausgehen, werden von der Straßenbau-Verwaltung als extrem hoch angegeben“, warnte der Diplom-Ingenieur Helmut Hesse auf der Hauptversammlung. Deshalb forderte er den Konzern auf, sich für die Tunnel-Alternative einzusetzen, wie es etwa Leverkusener Initiativen tun. Das lehnte der Multi jedoch ab. BAYER sei dafür nicht der richtige Ansprechpartner, beschied Dekkers dem Ingenieur und verwies ihn auf Straßen NRW als „Vorhabenträger“. Im gleichen Atemzug offenbarte er jedoch, dass das Unternehmen an dem ganzen Prozess keinesfalls unbeteiligt ist. So brachte der Konzern seine Vorstellungen in das Planfeststellungsverfahren ein. Er schrieb etwa eine Einwendung und machte seinen Standpunkt bei einer Anhörung deutlich – Umweltschutz-Belange dürfte dabei kaum eine Rolle gespielt haben.

Die feinen Unterschiede
Der Verfasser dieser Zeilen thematisierte die Lage der Beschäftigten bei BAYER und kam dabei vor allem auf die feinen Unterschiede zu sprechen, welche die Aktiengesellschaft bei der Behandlung von Belegschaftsangehörigen macht. So kommen beispielsweise längst nicht alle bundesdeutschen BAYER-WerkerInnen in den Genuss der Standortsicherungsvereinbarung, die unter anderem betriebsbedingte Kündigungen ausschließt. Und dann tun sich noch einmal Gräben zwischen Deutschland und dem Rest der Welt auf: Während etwa die bundesdeutschen Belegschaften 2015 eine Lohn-Erhöhung von 2,8 Prozent erhielten, mussten sich die französischen KollegInnen jüngst mit einem Prozent zufriedengeben. Besonders weit aber geht die Schere in puncto „Tarifverträge“ auseinander. „Nur für etwas mehr als die Hälfte aller Belegschaftsmitglieder weltweit hat BAYER mit Gewerkschaften Tarifvereinbarungen abgeschlossen. Besonders düster sieht es in den USA aus. Dort gelten laut Geschäftsbericht nur für fünf Prozent der Beschäftigen Tarifverträge oder ähnliche Bestimmungen – Tendenz fallend“, kritisierte das CBG-Vorstandsmitglied und machte dafür Druck von oben verantwortlich.
Das stritt Marijn Dekkers natürlich ab: Beschäftigten-VertreterInnen hätten bei BAYER keine Nachteile zu befürchten, und überhaupt lege dem Konzern das Wohl der Belegschaft sehr am Herzen. Für die „feinen Unterschiede“ im Wohlergehen fand der Vorstandsvorsitzende mehrere Erklärungen. „Praktische Gründe“ führte er dafür an, dass eine Niederlassung wie die in Grenzach bei der Standortsicherungsvereinbarung außen vor bleiben muss. Sie habe schlicht nicht die kritische Größe, um genug Alternativen jenseits von Entlassungen bieten zu können, wenn das Unternehmen sich mal wieder zu Rationalisierungsmaßnahmen veranlasst sehe, meinte er. Und die Differenzen bei den Entgelt-Steigerungen zwischen Deutschland und Frankreich begründete der Manager mit den voneinander abweichenden Rahmenbedingungen in beiden Staaten. Ein Gerechtigkeitsproblem trete dabei jedoch nicht auf: „Eine Ungleichbehandlung ist darin nicht zu erkennen“.
Die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen sprach Andrea Rupp an. So erfüllt BAYER immer noch nicht die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Quote von einem mindestens 30-prozentigen Frauen-Anteil im Aufsichtsrat. Selbst mit der bei der Hauptversammlung neu in das Gremium gewählten Johanna W. Farber kommt der Konzern gerade einmal auf 25 Prozent. Und auf den Management-Ebenen darunter sieht es auch nicht besser aus. Trotzdem stellte Dekkers das Unternehmen in seiner Antwort auf den Beitrag Rupps als Hort der Emanzipation dar.
Das Schlusswort der Konzern-KritikerInnen formulierte dann am frühen Abend Sibylle Arians: „Nach allem, was ich heute hier gehört habe, bin ich erschüttert. Erschüttert und empört! Letztes Jahr war ich erstmals auf der BAYER-HV. Ich war in vielerlei Hinsicht beeindruckt, aber nicht wirklich überrascht davon, dass die Unternehmenstätigkeit orientiert ist am finanziellen Erfolg um nahezu jeden Preis. Die Behauptung, Verbrauchersicherheit stünde an oberster Stelle, das Unternehmen würde sich an Verhaltenskodizes und nationale Gesetze halten, spricht dem Leid derer Hohn, die hier über ihr Schicksal berichtet haben.“

[Ticker] STICHWORT BAYER 03/2016

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CBG beim „Terra Viva March“
Der Düsseldorfer „March against MONSANTO“ hieß diesmal „Terra Viva March“, „March against BAYER“ wäre vielleicht aber der passende Namenswechsel gewesen, schickt der Leverkusener Multi sich doch gerade an, seinen US-amerikanischen Konkurrenten zu übernehmen. Der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) war die Teilnahme aus gegebenem Anlass diesmal ein noch wichtigeres Anliegen. Der neue CBG-Geschäftsführer Toni Michelmann malte den DemonstrantInnen in seinem Rede-Beitrag plastisch aus, was es bedeutet, wenn BAYER der Coup gelingen und das Unternehmen damit ein Monopol über die globalen Nahrungsmittel-Märkte erlangen sollte.

Anhörung im Landtag
Am 18. August 2015 hatte das Oberverwaltungsgericht Münster die Klage der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) abgelehnt und ihr die Einsichtnahme in den Vertrag verwehrt, den BAYER mit der Universität Köln im Bereich medizinischer Forschungen abgeschlossen hatte. Für die Piraten-Partei zeigte dieses Urteil, wie dringlich eine gesetzliche Neuregelung der Transparenz-Vorschriften in den Landesgesetzen Nordrhein-Westfalens ist. Deshalb startete sie verschiedene Initiativen. Dazu gehörte unter anderem eine öffentliche Anhörung zum Thema im Landtag, die am 28. April 2016 stattfand. Zu den Eingeladenen gehörte auch ein Vertreter der CBG. Dieser legte dem Innenausschuss noch einmal dar, welch einen enormen Einfluss ein Konzern wie BAYER mittlerweile nicht nur auf Hochschulen, sondern auf den gesamten Bildungssektor hat, weshalb dieses Treiben nicht im Verborgenen stattfinden dürfe. Christopher Bohlens von TRANSPARENCY INTERNATIONAL und die NRW-Datenschutzbeauftragte Helga Block traten ebenfalls für erweiterte Informationspflichten bei Kooperationen zwischen Wirtschaft und Universitäten ein. Die EmissärInnen der Unternehmensverbände wollten indessen die Geheimniskrämerei fortführen. „Informationsfreiheit muss dort an seine Grenzen stoßen, wo die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gefährdet ist“, meinte etwa die nordrhein-westfälische Industrie- und Handelskammer in ihrer schriftlichen Stellungnahme zur Anhörung.

Proteste gegen GAUCHO & Co.
Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin) gelten als besonders bienengefährlich. Die EU hat diese Stoffe deshalb ebenso wie andere Ackergifte dieser Substanz-Klasse bereits mit einem vorläufigen Verkaufsbann belegt.
Und nicht nur bei seinen Hauptversammlungen sieht sich der Leverkusener Multi mit direkter Kritik in Sachen „GAUCHO & Co.“ konfrontiert. So initiierte die Organisation FRIENDS OF THE EARTH im April 2016 Demonstrationen vor Konzern-Niederlassungen im US-amerikanischen Washington, im kanadischen Montreal und im englischen Newbury.

Kritik an „Neuer Allianz“
Im Jahr 2012 gründeten BAYER, MONSANTO, CARGILL, DUPONT und andere Agro-Riesen gemeinsam mit den führenden Industrie-Staaten am Rande eines G8-Treffens die „Neue Allianz für Ernährungssicherheit“. Die „Public Private Partnership“ will Entwicklungshilfe nach Konzern-Gusto machen und strebt deshalb unter anderem an, die „Verteilung von frei verfügbarem und nicht verbessertem Saatgut systematisch zu beenden“. Dafür akquiriert die Allianz nicht zu knapp öffentliche Gelder. Allein die Bundesrepublik stellte ihr in den Jahren bis 2014 über 50 Millionen Euro zur Verfügung. Luis Muchanga vom UNAC, dem mosambikanischen Verband für Kleinbauern und -bäuerinnen, kritisiert das Treiben der Multis scharf. „Die Neue Allianz beunruhigt uns und die mosambikanischen Kleinbauern sehr. Wir sind gegen das Modell einer industrialisierten Landwirtschaft, das die Neue Allianz propagiert. Ernährungssicherheit, wie sie der Neuen Allianz vorschwebt, ist etwas völlig anderes als die Ernährungssouveränität, für die wir eintreten“, so Muchanga.

Manipulierte Glyphosat-Studien
Ein ehemaliger Mitarbeiter der US-amerikanischen Umweltbehörde „Environmental Protection Agency“ (EPA) erhebt schwere Vorwürfe gegen seine einstige Arbeitsstelle. William Sanjour bezichtigt die EPA in seinem Buch „Poison Spring“, die Zulassung von Pestiziden nicht widerrufen zu haben, obwohl sich die zur Genehmigung vorgelegten Studien als manipuliert erwiesen hatten. Die Behörde hätte stattdessen von den Herstellern einfach nur neue Untersuchungen eingefordert, so Sanjour. Auch bei dem umstrittenen Ackergift Glyphosat, das unter anderem MONSANTO und BAYER produzieren, ging die Agency dem Whistleblower zufolge so vor.

Habeck für Pestizid-Steuer
Dänemark, Frankreich und Schweden erheben eine Steuer auf Pestizide, um einen Anreiz zu setzen, die Ausbringung der Ackergifte zu reduzieren. Die Einführung einer solchen Maßnahme schlägt in einer Studie, die der schleswig-holsteinische Landwirtschaftsminister Robert Habeck von Bündnis 90/die Grünen in Auftrag gab, jetzt auch das „Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung“ vor. Das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) fordert eine solche Abgabe bereits seit Längerem.

Leserbrief zu Menschenversuchen
Die vom VEREIN DEMOKRATISCHER ÄRZTINNEN UND ÄRZTE herausgegebene Zeitschrift Gesundheit braucht Politik hatte in ihrer Ausgabe 4/15 einen Text über den BAYER-Forscher Gerhard Domagk veröffentlicht, der 1935 die antibakterielle Wirkung eines Sulfonamid-Farbstoffes entdeckt hatte und dafür später den Nobelpreis erhielt. Mit eben diesem Sulfonamid unternahm die vom Leverkusener Multi mitgegründete IG FARBEN in Konzentrationslagern Menschenversuche. Da der Artikel diesen Sachverhalt bestritt und stattdessen behauptete, die IG FARBEN hätte die Sulfonamid-Lieferungen in die KZs eingestellt, nachdem sie von den dortigen Experimenten erfahren hatte, schrieb die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) einen Leserbrief. Darin wies die CBG auch auf eine SWB-Veröffentlichung zum Thema hin, die mit Zitaten aus dem Beweis-Material zu den Nürnberger Prozessen eindeutige Belege für dieses Kriegsverbrechen des Großkonzerns anführte. „Medikamente sind von der IG unmittelbar an Konzentrationslager in solchen Mengen versandt worden, dass schon hieraus die Verwendung dieser Medikamente zu unzulässigen Zwecken hätte gefolgert werden müssen“, hieß es in den Dokumenten unter anderem.

ÄrztInnen gegen CO-Pipeline
Nicht nur die zwischen den BAYER-Werken Dormagen und Krefeld verlegte Kohlenmonoxid-Pipeline wirft Sicherheitsfragen auf. Auch die in den 1960er Jahren zwischen Dormagen und Leverkusen gebaute und schon genutzte Verbindung birgt hohe Risiken. Eine ÄrztInnen-Initiative forderte die nordrhein-westfälische Landesregierung deshalb in einem Brief auf, dem Röhren-Verbund die Betriebserlaubnis zu entziehen. Unter anderem begründeten die MedizinerInnen dies mit den unzureichenden Katastrophenschutz-Maßnahmen. „Die bestehenden Leckerkennungssysteme schlagen erst an, wenn bereits 100 Kubikmeter CO ausgetreten sind. Dabei können schon ein oder zwei Atemzüge ausreichen, um einen Menschen zu töten. Ein Vollbruch der Leitung könnte eine Katastrophe ungeheuren Ausmaßes zur Folge haben“, heißt es in dem Schreiben.

KAPITAL & ARBEIT

US-Werke ohne GewerkschaftlerInnen
In den USA haben die Gewerkschaften traditionell eine schweren Stand, bei BAYER allerdings einen noch schwereren: Während der Organisationsgrad in den Betrieben durchschnittlich bei 6,7 Prozent liegt, beträgt er in den US-Niederlassungen des Leverkusener Multis nur 5,5 Prozent. Diesen „Erfolg“ können sich die dortigen ManagerInnen gutschreiben, denn sie versuchen mit allen Mitteln, die Gründung von Beschäftigten-Vertretungen zu hintertreiben. So schüren sie etwa die Angst, Betriebszellen würden den jeweiligen Standort und damit auch die Jobs gefährden. In Emeryville hat der Konzern GewerkschaftlerInnen vor den Beschäftigten sogar als Schmarotzer diffamiert, die es nur auf die Mitgliedsbeiträge abgesehen hätten. Und schließlich müssen organisierte Belegschaftsmitglieder bei Entlassungen immer auch als erste dran glauben.

Erneute Effizienz-Offensive
Im Zuge der Trennung von seiner Kunststoff-Sparte hat der Leverkusener Multi die Holding-Struktur mit den vormals selbstständig agierenden Teil-Bereichen aufgegeben. „Wir sind überzeugt davon, dass die stärkere Verzahnung von strategischen und operativen Aufgaben BAYER voranbringen wird“, sagte Aufsichtsratschef Werner Wenning zur Begründung. Und der Konzern verbindet mit der Veränderung auch ein neues Rationalisierungsprogramm. „Es gibt einige Bereiche, wo unsere Mitbewerber effizienter arbeiten“, mit diesen Worten stimmte der Manager Markus Arnold die Beschäftigten auf die Maßnahme ein. Unter anderem will er Doppelarbeiten, nicht reibungslos funktionierende Herstellungsprozesse und Probleme bei den Zuständigkeitsregelungen ausgemacht haben.

Ausgliederung im Lager-Bereich
BAYER hat am Standort Dormagen die Pestizid-Produktion beträchtlich gesteigert. Deshalb reichen die Lager-Kapazitäten nicht mehr aus. Nun hat der Leverkusener Multi aber nicht etwa mit einem Erweiterungsbau begonnen, sondern einfach bei einem externen Dienstleister in Düsseldorf 20.000 Paletten-Plätze angemietet. Bleibt nur zu hoffen, dass der Anbieter auch die für die Unterbringung von Chemikalien nötigen Sicherheitsmaßnahmen getroffen hat.

24 Millionen für den Vorstand
Der BAYER-Vorstand konnte sich auch 2015 wieder über eine saftige Gehaltserhöhung freuen. Die Gesamtbezüge stiegen gegenüber dem Vorjahr von 22,2 Millionen auf 23,8 Millionen Euro. Und darüber hinaus
musste der Konzern noch 2,3 Millionen Euro für die späteren Pensionen der ManagerInnen zurücklegen.

BAYER stößt Haushaltsgifte-Sparte ab
Der Leverkusener Multi trennt sich von seinen Haushaltsgiften. Das Unternehmen verkaufte die Sparte mit den Pestiziden für den Haus- und Gartenbereich, mit der es zuletzt einen Umsatz von rund 240 Millionen Euro machte, an das französische Unternehmen SBM. Alle 250 Arbeitsplätze dürften diese Transaktion wohl kaum überleben.

ERSTE & DRITTE WELT

Marketing-Instrument „Health Camps“
Der indische Staat hat – vornehmlich in der Nähe von Slums – Gesundheitscamps eingerichtet, um wenigstens für eine notdürftige medizinische Versorgung der Armen zu sorgen. Auch BAYER, ROCHE und andere große Pharma-Firmen sind in den „Health Camps“ präsent. Entwicklungshilfe leisten sie dort allerdings nicht, auch wenn es auf den ersten Blick so aussehen mag. Die Konzerne stellen den in den Camps praktizierenden ÄrztInnen Personal und Apparaturen zur Diagnose von Krankheiten zur Verfügung, erwarten aber eine kleine Gegenleistung: Das Verschreiben ihrer Medikamente. „Die Förderung des Arznei-Umsatzes durch Screening-Programme, welche den Anschein von Wohltätigkeit verbreiten, ist eine gängige Praxis in Indien“, kritisiert das British Medical Journal. Das Fachblatt sieht darin einen klaren Verstoß gegen die Grundsätze eines verantwortungsvollen Marketings, zu denen sich BAYER & Co. immer gerne bekennen. Auch der holländische Mediziner Hans Hogerzeil geißelt das Treiben der Pillen-Riesen: „Ich würde das eine Markt-Penetration unter dem Label der Corporate Social Responsibility nennen.“

KONZERN & VERGANGENHEIT

Merkel spricht Chemie-Verbrechen an
2013 konnte der BAYER-Konzern zu seinem 150-jährigen Betriebsjubiläum Bundeskanzlerin Angela Merkel als Festrednerin gewinnen. Im Vorfeld hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN die Christdemokratin in einem Offenen Brief aufgefordert, in Leverkusen auch die dunklen Kapitel der Vergangenheit des Unternehmens wie etwa Giftgas-Produktion, ZwangsarbeiterInnen und Menschenversuche in den KZs anzusprechen. Das tat Merkel jedoch nicht. Drei Jahre später bei der BASF jedoch zeigte sie mehr Geschichtsbewusstsein. Bei den Feierlichkeiten zu „100 Jahre Leuna“ verschwieg die Politikerin die Chemie-Verbrechen nicht länger. „Es bleibt unsere Pflicht, daran zu erinnern“, mahnte sie.

BAYERs „Max Planck“-Connection
2015 war ein trauriges Jubiläum zu begehen: „25 Jahre Freiland-Versuche in Deutschland“. 1990 hatte das Kölner „Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung“ gentechnisch veränderte Petunien ausgesetzt. Der Leverkusener Multi war frühzeitig in das Projekt involviert. Er unterstützte die Experimente finanziell und sicherte sich so Zugriff auf die Ergebnisse. Dem Gen-ethischen Informationsdienst (GID) berichtete der damalige Forschungsleiter Dr. Heinz Saedler, dass „die Mitarbeiter der Firma BAYER (...) an unser Institut gekommen waren, um die Methodik und das Know-how kennenzulernen, um beides dann zu Hause auf ihre Projekte anwenden zu können.“ Und genauso hatte es sich die bundesdeutsche Forschungspolitik auch gedacht. Sie war Saedler zufolge nämlich darauf aus, „die Grundlagen-Forschung so zu entwickeln, dass sie in Anwendungsnähe kommt“.

POLITIK & EINFLUSS

BAYER setzt EFSA unter Druck
BAYERs Pestizid Thiacloprid hat die EU im Gegensatz zu den anderen beiden bienengefährlichen Neonicotinoiden Imidacloprid und Clothianidin von ihrem vorläufigen Verbot verschont. So findet sich der Stoff dann nicht nur in den Bienen selber wieder, sondern auch in ihrem Produkt, dem Honig. Und seit Kurzem darf es sogar wieder ein wenig mehr sein: Als die Europäische Behörde für Lebensmittel (EFSA) den Grenzwert für Thiacloprid im Februar 2016 von 0,2 auf 0,05 mg/kg senkte, schrieb der Konzern nämlich einen Brandbrief nach Brüssel und bekam prompt „geliefert“ – die EFSA machte den Beschluss rückgängig.

Gekaufte Glyphosat-Wissenschaft
Der Pestizid-Wirkstoff Glyphosat, der hauptsächlich in Kombination mit MONSANTOs Gen-Pflanzen zum Einsatz kommt, aber auch in BAYER-Mitteln wie GLYFOS, PERMACLEAN, USTINEX G, KEEPER und SUPER STRENGTH GLYPHOSATE enthalten ist, gilt als gesundheitsgefährdend. So hat eine Krebsforschungseinrichtung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Substanz im März 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Just vor der Sitzung eines EU-Gremiums, das sich mit der Frage eines Verbotes dieser Agro-Chemikalie befasste, legte eine aus WissenschaftlerInnen der Welternährungsorganisation FAO und der WHO gebildete Kommission jedoch eine entlastende Studie vor. „Die Experten sind nach eingehender Analyse aller vorliegenden Daten zu dem Schluss gekommen, dass für den Verbraucher von den Glyphosat-Rückständen in Lebensmitteln kein Gesundheitsrisiko ausgeht“, erklärte eine WHO-Sprecherin. Was sie jedoch nicht erklärte: Sowohl der Vorsitzende des „Joint FAO/WHO Meeting on Pesticide Residues“ als auch sein Stellvertreter gehören dem „International Life Science Institute“ an, das schon Spenden von rund 500.000 Dollar von MONSANTO und Croplife – dem Lobbyverband von MONSANTO, BAYER & Co. – erhielt.

Merkel kaut BAYER-PR nach
Die Agro-Riesen gerieren sich beim Verkauf ihrer Pestizide und Gen-Pflanzen gerne als bessere EntwicklungshelferInnen, denen es nur darum gehe, alle Menschen satt zu machen. Und so will BAYER dann auch MONSANTO selbstverständlich nur schlucken, um „die weltweite Versorgung einer wachsenden Weltbevölkerung mit gesunden, sicheren und bezahlbaren Lebensmitteln zu ermöglichen“. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel verbreitet diese PR-Lügen. In einer Rede lobte sie BAYER & Co. dafür, „bei der Bekämpfung des Hungers eine zentrale Rolle“ zu spielen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN kritisierte diese Äußerung scharf. „Das von BASF, BAYER und Co. propagierte Modell der industriellen Landwirtschaft ist gescheitert. Es führt zu einem erhöhten Ausstoß von Klimagasen, dem Verlust fruchtbarer Böden sowie zu einer verringerten Biodiversität. Hunger ist in den meisten Fällen eine Folge von Armut und sozialer Ungerechtigkeit. Die Kanzlerin sollte an dieser Stelle nicht die gebrochenen Versprechungen der Konzerne nachbeten“, erklärte CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes.

Schäuble zu BAYER-Diensten
Die Konzerne nutzen alle Steuersparmodelle, die sich ihnen so bieten. BAYER tut sich hierzu vor allem in Belgien und in den Niederlanden um. Dort haben etwa BAYER WORLD INVESTMENTS, BAYER GLOBAL INVESTMENTS, BAYER CAPITAL CORPORATION und BAYER ANTWERPEN ihren Sitz (siehe auch ÖKONOMIE & PROFIT). Weil den Finanzämtern durch solche Briefkasten-Firmen Milliarden entgehen, plant die Europäische Kommission Maßnahmen gegen das Vorgehen der Groß-Unternehmen. Dazu zählt beispielsweise, die Gesellschaften zur Offenlegung der Abgaben zu veranlassen, die sie in den jeweiligen Staaten leisten. Und die Zahlen dieses „Country-by-Country-Reportings“ sollten nach Ansicht der EU nicht nur den FinanzbeamtInnen zur Verfügung stehen, sondern allen, die sich dafür interessieren. Dagegen wehrt sich der Leverkusener Multi jedoch vehement. „Diese Form der Transparenz ist wenig hilfreich“, meint BAYERs Steuer-Chef Bernd-Peter Bier und sieht gleich den ganzen Standort Europa in Gefahr. „Drittstaaten – aber im Übrigen auch Wettbewerber – können so an die Kennziffern der europäischen Unternehmen gelangen, ohne dass sie dafür die Daten der eigenen Unternehmen preisgeben müssen“, warnt er. Darum appelliert er an die Politik: „Wir erwarten ein Signal, dass Deutschland seine Unternehmen schützt.“ Und von Finanzminister Wolfgang Schäuble kam ein solches Signal dann auch prompt. „Fachleute wissen, dass der Informationsaustausch sehr viel weniger effizient sein wird, wenn er öffentlich sein wird“, hielt er fest und setzte sich in Brüssel für die „effiziente“ Lösung ein. Damit nicht genug, drang der Finanzminister zusätzlich noch darauf, die Tochter-Firmen der Aktien-Gesellschaften von der Berichtspflicht zu entbinden. Das wollten seine KollegInnen aus den anderen Mitgliedsstaaten jedoch nicht mitmachen. „Wir wurden hierbei von keinem MS (Mitgliedsstaat, Anm. Ticker) unterstützt, klagt sein Ministerium. Nicht einmal in Deutschland selber hat Schäuble für seine Beistandspolitik ausreichend Rückendeckung. Sowohl Justizminister Heiko Maas (SPD) als auch die meisten Ministerpräsidenten der Länder, denen durch die ganz legalen Steuertricks der Konzerne viele Einnahmen entgehen, treten einstweilen für das Recht der Öffentlichkeit ein, mehr über das Finanz-Gebaren von BAYER & Co. zu erfahren.

Preis für Chlor-Fertigungsstätte
Mit einer Chlor-Produktion von über einer Million Tonnen gehört BAYER europa-weit zu den größten Anbietern der Substanz. Dennoch sperrte sich der Leverkusener Multi lange gegen eine umweltschonendere Fertigung dieser gefährlichen Chemikalie. Während viele mittelständische Betriebe ihre Chlor-Herstellung schon lange auf das Membran-Verfahren umgestellt hatten, bei dem kein giftiges Quecksilber als Produktionsrückstand mehr anfällt, hielt der Konzern noch eisern am Unbewährten fest. Erst als Subventionen in Höhe von sechs Millionen Euro aus dem Forschungsministerium lockten, zeigte er sich zu Veränderungen bereit. Gemeinsam mit dem Anlagenbauer UHDE und der RWTH Aachen entwickelte das Unternehmen das Membran-System bei dieser Gelegenheit gleich so weiter, dass zur Einspeisung des zur Elektrolyse benötigten Sauerstoffs weniger Energie erforderlich ist als bisher. Und genau dafür erhielt der Global Player nun vom Land Nordrhein-Westfalen einen Klimaschutz-Preis, obwohl seine gesamten Kohlendioxid-Emissionen im Jahr 2015 stiegen (siehe WASSER, BODEN & LUFT).

BAYERs Nachwuchsarbeit gefällt Obama
Seit Jahr und Tag bemüht sich der Leverkusener Multi, die Naturwissenschaften von ihrem schlechten Image zu befreien und Nachwuchsarbeit zu betreiben. An kritischen WissenschaftlerInnen hat er dabei natürlich kein Interesse, außer Gentechnik und Agro-Chemie steht nicht viel auf dem Lehrplan. „Making Science Make Sense“ heißt das betreffende Programm in den USA. Und dem Konzern gelang es sogar, US-Präsident Barack Obama dafür einzunehmen. „BAYER setzt sich dafür ein, 100.000 amerikanische Eltern und ihre Kinder zusammenzubringen, um gemeinsam im Rahmen von Wissenschafts- und Techologie-Projekten zu arbeiten“, lobte er etwas unkonkret.

Prizker bei BAYER
Im letzten Herbst besuchte die US-amerikanische Handelsministerin Penny Prizker die Berliner BAYER-Niederlassung. Im Beisein von Thorben Albrecht, Staatssekretär im „Bundesministerium für Arbeit und Soziales“, informierte sie sich dem Leverkusener Multi zufolge über die Berufsausbildung in Deutschland und die Frage, wie sich die Unternehmen hierzulande auf den technologischen Wandel durch die Digitalisierung einstellen.

PROPAGANDA & MEDIEN

Einweihung der „Dream Production“
Am 17. Juni 2016 nahm die BAYER-Tochter COVESTRO ihre „Dream Production“ offiziell in Betrieb. „CO2, das unpopuläre Treibhaus-Gas – so ist gemeinhin die Wahrnehmung. Doch das ist eigentlich nur die halbe Wahrheit. Denn wie im Theater sich der vermeintliche Bösewicht häufig als Held erweist, so hat auch Kohlendioxid sozusagen zwei Gesichter. Es ist nämlich gleichzeitig ein nützlicher Helfer“, mit diesen Worten pries COVESTRO-Chef Patrick W. Thomas die neue Rolle des CO2 als Grundstoff zur Herstellung von Kunststoffen in Dormagen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zweifelt allerdings an den dem Kohlendioxid nun zugesprochenen Star-Qualitäten. Für sie ist die „Dream Production“ alles andere als eine Traumfabrik. Das gesamte Verfahren erfordert nämlich selber viel Energie, bei deren Erzeugung als Nebenwirkung Kohlendioxid entsteht. So schlägt etwa die Herstellung von Katalysatoren, die das reaktionsträge CO2 aktivieren, in der Klimabilanz als Negativposten zu Buche. Als „bestenfalls marginal“ bezeichnete die CBG in ihrer Presseerklärung deshalb die Verbesserung des CO2-Footprints für den gesamten Prozess. Auf rund zehn Prozent beläuft sich die Einsparung, während die gesamten BAYER-Emissionen weiter zunehmen (siehe WASSER, BODEN & LUFT). An der COVESTRO ging diese bereits im Frühjahr 2016 erstmals geübte Kritik nicht spurlos vorüber. Sie versucht jetzt nicht mehr mit einer guten Klima-Bilanz durch die CO2-Kunststoffe zu punkten, sondern betont die Schonung natürlicher Ressourcen durch die Verwendung von Kohlendioxid statt Öl. Und wenn die Gesellschaft im Vorfeld schon eine Medien-Agentur engagiert hatte, um sich mittels der „Dream Production“ als Umweltengel in Szene zu setzen, so zeigte sie zur Eröffnung „low profile“. Nicht einmal eine Pressemitteilung veröffentlichte das Unternehmen zur Einweihung der Fertigungsstätte.

BAYERs Innovationsapotheke
Die ApothekerInnen beraten die KundInnen, und BAYER berät die ApothekerInnen – was dabei herauskommt, ist klar: BAYER-Produkte in den Taschen der KundInnen. Der Leverkusener Multi hat zur Sicherung dieses Mechanismus’ in Köln eine „Innovationsakademie Deutscher Apotheken“ (IDA) aufgebaut, die angeblich schon mit über 1.000 Pharmazien zusammenarbeitet. In der IDA hat er sogar die Möglichkeit, den PharmazeutInnen ganz praktischen Unterricht zu geben. Zur Ausstattung gehört nämlich eine Muster-Apotheke, die auf dem neuesten technischen Stand ist. So verfügt sie etwa über eine Kamera, welche die Laufwege von KundInnen aufnimmt, um Aufschlüsse darüber zu gewinnen, wie die ApothekerInnen ihnen möglichst viele Waren vor die Nase setzen können. Ganz oben auf dem Lehrplan der Akademie steht für BAYER dann auch „die Frage, wie sich durch die richtige Präsentation der Verkauf von OTC-Produkten steigern lässt. Dabei steht ‚OTC’ für nicht verschreibungspflichtige Medikamente“. Und das kommt nicht von ungefähr. „Gerade dieser Bereich wird für Apotheker immer wichtiger. Denn er bietet viel Potenzial, um Impulskäufe zu generieren“, hält der Konzern fest, ohne zu erwähnen, dass dieser Bereich deshalb auch für ihn immer wichtiger wird. Er tut jedoch alles dafür, ASPIRIN & Co. auf diesem Gebiet die besten Ausgangspositionen zu verschaffen. Der Konzern gibt etwa Regal-Systeme und andere Einrichtungsgegenstände kostenlos ab; lediglich eine kleine Gegenleistung verlangt er: „BAYER-Produkte erhalten dafür in der Apotheke die prominentesten Plätze.“

Chemie-Tag mit TU Dortmund
Der Leverkusener Multi veranstaltet regelmäßig „Tage der Chemie“, um zu versuchen, das Image dieser nicht eben gut beleumundeten Naturwissenschaft aufzupolieren. Dabei setzt das Unternehmen traditionell schon bei den Jüngsten an. Im Bergkamener Werk beispielsweise veranstaltete es einen SchülerInnen-Wettbewerb, um das Interesse der Youngster zu wecken. Aber auch um die Älteren kümmerte der Konzern sich zu diesem Anlass. So bewegte er die ihm seit langer Zeit in Freundschaft verbundene TU Dortmund dazu, an dem BAYER-Standort über ihre Studiengänge zu informieren, damit die Bildungsstätte ihm auch weiterhin passgenauen, unkrititischen Nachwuchs liefert.

VFA im Kontrollwahn
Die Multis investieren viel Zeit und Geld in das sogenannte Reputationsmanagement. Und zuweilen drohen sie auch mit Anzeigen-Entzug oder bemühen Gerichte, um eine konzern-freundliche Berichterstattung durchzusetzen. Besonders doll trieb es jetzt der von BAYER gegründete „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“. Er hielt eine Presse-Konferenz ab und verlangte anschließend von den JournalistInnen, ihm die Artikel vor Erscheinen noch einmal zur Freigabe der wörtlichen Zitate vorzulegen. „Es herrscht ein Kontrollwahn“, empörte sich Klaus Max Smolka in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über diese Gängelung. Ein mutiger Schritt, denn wer sich den Gepflogenheiten der Konzerne nicht fügt, riskiert berufliche Nachteile wie etwa den, keine Einladungen zu Hintergrund-Gesprächen mehr zu erhalten.

Tomaten-PR in der Rheinischen Post
BAYER zählt in Europa zu den größten Züchtern von Tomaten-Saatgut (siehe auch PFLANZEN & SAATEN). Und obwohl sich das in der Angebotspalette neben Pestiziden, Gen-Pflanzen und Medikamenten nicht gerade gut macht, steht der Leverkusener Multi zu dem Produkt-Segment und sucht seit einiger Zeit verstärkt die Öffentlichkeit. So gewann er die Rheinische Post dazu, Reklame für CALIFORNICATION, ROTATION und andere „High-Tech-Tomaten“ zu machen. Auf einer ganzen Seite, dekoriert von Rezeptvorschlägen, breitete die Zeitung die Story vom Gemüse-Bauern BAYER aus.

Marketing-Ausgaben steigen weiter
BAYER gibt immer mehr Geld für Marketing und Vertrieb aus. 2015 stiegen die Zahlen gegenüber dem Vorjahr um 15,9 Prozent auf 12,36 Milliarden Euro. Obwohl das mehr als einem Viertel des Gesamtumsatzes entspricht, verweigert der Konzern der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auf den Hauptversammlungen seit Jahren eine genauere Aufschlüsselung dieser Ausgaben.

DRUGS & PILLS

BAYER stoppt STIVARGA-Vertrieb
Nach dem Arzneimittel-Neuverordnungsgesetz (AMNOG) von 2011 müssen neue Medikamente eine Kosten/Nutzen-Prüfung durchlaufen. Schaffen die Arzneien es dann in diesem Prozess, ihre Überlegenheit gegenüber den gängigen Pharmazeutika unter Beweis zu stellen, können die Hersteller in den Verhandlungen mit den Krankenkassen einen besonders hohen Preis für die Präparate verlangen. Dem BAYER-Mittel STIVARGA (Wirkstoff: Regorafenib) gelang dies für das Anwendungsgebiet „fortgeschrittener Darmkrebs“ jedoch nicht (siehe Ticker 2/16). Einen Zusatznutzen vermochte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) von MedizinerInnen, Krankenhäusern und Krankenkassen bei dieser Indikation nicht auszumachen. Er folgte damit der Bewertung, die das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWiG) vorgelegt hatte. Demnach verlängerte STIVARGA zwar das Leben der PatientInnen um rund 45 Tage, die stärkeren Nebenwirkungen wie z. B. Durchfall heben diesen positiven Effekt nach Ansicht des IQWiG jedoch wieder auf. Auch zweifelte das Institut die Ergebnisse der STIVARGA-Tests, die zur Zulassung der Arznei geführt hatten, wegen nicht eingehaltener Studien-Standards an. Der Konzern reagierte schroff auf das Votum. Er bezeichnete die Entscheidung als „nicht nachvollziehbar“ und entschied kurzerhand, das Pharmazeutikum in Deutschland vom Markt zu nehmen.

Neue ASPIRIN-Studie
Mit Verweis auf eine Studie der TU München versucht BAYER, den Verkauf des Schmerzmittels ASPIRIN weiter anzukurbeln. Die ForscherInnen um Markus Ploner hatten herausgefunden, dass sich körperlicher Schmerz binnen kurzem in der Psyche niederschlägt. „Es ist grundsätzlich richtig, jede Art von Schmerz ernstzunehmen und die Schmerz-Weiterleitung frühzeitig und ausreichend zu unterbinden, um eine Chronifizierung (...) zu unterbinden“, meint deshalb Prof. Hartmut Göbel von der Schmerzklinik Kiel. Und von diesem Statement ist es dann nicht mehr weit bis zur Produkt-Empfehlung des Leverkusener Multis: „Hier punktet die weiterentwickelte ASPIRIN-Tablette: Eine erste spürbare Schmerz-Linderung tritt bereits 16 Minuten nach der Einnahme ein.“ Bis zu den ersten Nebenwirkungen dauert es hingegen ein wenig länger, dafür kommen sie gewaltig – Magenblutungen zählen zu den gravierensten.

LAIF-Lieferengpass
Kein Johanneskraut-Mittel verschreiben die MedizinerInnen so oft wie BAYERs LAIF. Für 30 Millionen Tagesdosen des Präparats, das bei leichten bis mittelschweren Depressionen Anwendung findet, erstellten die ÄrztInnen 2014 Rezepte. In diesem Jahr dürften es jedoch weniger sein. Der Leverkusener Multi kann nämlich nicht liefern, und die PatientInnen stehen auf dem Schlauch. Über die Gründe macht der Konzern nur ungenaue Angaben. Teile der neuen Ernte hätten die hohen Qualitätsstandards nicht in allen Punkten erfüllt, verlautet aus der Unternehmenszentrale. Darüber, ob die Probleme mit neuen Auflagen des „Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) bezüglich der Rückstände von Pyrrolizidinalkaloiden zusammenhängen, schweigt sich der Pharma-Riese aus. Fragen zur Belastung seiner LAIF-Pflanzen mit diesen von Kräutern zur Insektenabwehr gebildeten Giften ließ er unbeantwortet.

Neue Hormon-Spirale
BAYERs Hormon-Spiralen haben beträchtliche Nebenwirkungen. Bei MIRENA etwa reichen sie von nächtlichen Schweißausbrüchen, Herzrasen und Unruhe über Schlaflosigkeit und Bauchkrämpfe bis hin zu Oberbauchschmerzen. Allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA erhielt bereits über 45.000 Meldungen zu solchen unerwünschten Arznei-Effekten. Trotzdem will der Leverkusener Multi seine Produkt-Palette in diesem Bereich noch einmal erweitern. Er hat in den USA und in der EU einen Zulassungsantrag für die Spirale LCS-16 gestellt und stellt als besonderen Vorteil die geringe Konzentration des Wirkstoffes Levonorgestrel heraus. Als „hocheffektiv und gleichzeitig gut verträglich“ bezeichnet der Konzern seine neueste Errungenschaft. Aber das sagt er in seinen Hauptversammlungen ja auch immer über MIRENA, wenn Geschädigte ihn mit ihren Krankengeschichten konfrontieren.

41 Anwendungsbeobachtungen
Erkenntnisse werfen die Beobachtungsstudien zu Arzneien, die MedizinerInnen mit ihren PatientInnen durchführen, kaum ab. Das ist aber auch gar nicht Sinn der Übung. Die Anwendungsuntersuchungen verfolgen einzig den Zweck, die Kranken auf das getestete Präparat umzustellen. Dafür zahlen die Pharma-Riesen den ÄrztInnen jährlich ca. 100 Millionen Euro. Rund 700 Euro erhalten diese pro TeilnehmerIn. „Fangprämien“ nannte ein ehemaliger Vorsitzender der „Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein“ diese Zuwendungen einst. 41 solcher „Studien“ mit BAYER-Medikamenten fanden nach Angaben des Recherche-Netzwerkes Correct!v von 2009 bis 2014 in den Praxen statt. Unter anderem testeten die MedizinerInnen für den Konzern das Antibiotikum AVALOX, das MS-Präparat BETAFERON, das Kontrastmittel GADOVIST, das Blutprodukt KOGENATE und die Krebs-Arznei NEXAVAR.

BAYERs DDR-Arzneitests korrekt?
Im Jahr 2013 berichtete der Spiegel über großflächige Arznei-Tests bundesdeutscher Pharma-Firmen in der ehemaligen DDR. Von 1961 bis 1990 fanden dort ca. 600 Arznei-Versuche mit ungefähr 50.000 ProbandInnen statt. Auch BAYER war mit von der Partie. Der Pharma-Riese erprobte im anderen Deutschland unter anderem das Antibiotikum CIPROBAY, das Diabetikum GLUCOBAY, das die Gehirn-Durchblutung fördernde Mittel NIMOTOP und das zur Blutstillung nach Bypass-Operationen zum Einsatz kommende TRASYLOL, das wegen seiner Risiken und Nebenwirkungen von 2007 bis Anfang 2012 verboten war. Der Spiegel-Bericht warf Fragen danach auf, ob die Medikamenten-Prüfungen gängigen Standards entsprachen. Darum beauftragte die damalige Bundesregierung eine Kommission mit einer genaueren Untersuchung. Drei Jahre später stellte diese erste Ergebnisse vor. Die ForscherInnen um den Medizin-Historiker Volker Hess fanden nach Auskunft der Ostbeauftragten der Großen Koalition, Iris Gleicke, „keine Hinweise darauf, dass ethische Standards verletzt worden wären“. Systematische Verstöße gab es den ExpertInnen zufolge nicht. Die Grünen meldeten jedoch Zweifel an den Resultaten an. Sie bemängelten unter anderem, dass Hess und sein Team nur einen Bruchteil der Firmen-Unterlagen gesichtet haben und dass BAYER & Co. dieses Material obendrein noch vorselektieren durften. Auch gebe es Hinweise auf medizinische Grundsätze verletzende Tests mit nicht einwilligungsfähigen Menschen, so die Partei. Die Informationen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN über die einstigen Versuche des Leverkusener Multis bestätigen das skeptische Urteil von Bündnis 90/Die Grünen über die wissenschaftliche Arbeit. So verabreichte der Pharma-Riese sein NIMOTOP damals etwa AlkoholikerInnen in akutem Delirium. „Ich bin psychisch absolut weggedampft“, berichtete ein früheres Versuchskaninchen. Und da hatte er noch Glück. „Es hätte auch Tote geben können“, meint der Mediziner Ulrich Moebius. Bei TRASYLOL, das der Pharma-Riese im Osten auch als Mittel zur Konservierung von Organen, die für eine Transplantation vorgesehen waren, erprobte, wies er den verantwortlichen Arzt Dr. Horpacsy an, Stillschweigen über negative Resultate zu bewahren (siehe SWB 3/13). Darum verschwieg dieser in einem späteren Aufsatz den völligen Verlust der Vital-Funktionen der Nieren unter TRASYLOL. Er vermeldete lediglich, die Gabe des Pharmazeutikums hätte nicht zu einer Verbesserung des Transplantat-Überlebens geführt; dafür hätte der Stoff jedoch einen positiven Effekt auf die Enzym-Werte des Organs gehabt. Der Global Player weist in Sachen „DDR-Tests“ allerdings alle Schuld von sich. „Sofern im Auftrag unseres Unternehmens klinische Studien in der ehemaligen DDR durchgeführt worden sind, gehen wir davon aus, dass diese entsprechend der Deklaration von Helsinki sowie den Vorschriften des Arzneimittel-Gesetzes der ehemaligen DDR erfolgte“, erklärte er.

Testosteron bei Fettleibigkeit?
Mit großer Anstrengung arbeitet der Leverkusener Multi daran, die „Männergesundheit“ als neues Geschäftsfeld zu etablieren und Hormon-Präparaten wie NEBIDO oder TESTOGEL neue und nur selten zweckdienliche Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. Zu diesem Behufe hat der Pharma-Riese die Krankheit „Testosteron-Mangel“ bzw. „männliche Wechseljahresstörungen“ erfunden. Aber dabei soll es nicht bleiben. BAYER will die Mittel auch bei fettleibigen Männern in Anschlag bringen. „Epidemiologische Studien zeigen mit großer Übereinstimmung, dass zwischen Adipositas und Testosteron-Mangel (Hypogonadismus) ein enger Zusammenhang besteht“, behauptet der Konzern. Er erweitert diesen Zusammenhang sogar noch um Diabetes – und weiß sogleich Abhilfe. Der Multi präsentiert in einem Artikel, den er in der Zeitschrift Diabetes, Stoffwechsel und Herz platzieren konnte, Untersuchungen, welche die positiven Effekte von NEBIDO & Co. auf das Gewicht und den Blutzucker-Spiegel der Probanden belegen. Allerdings handelt es sich dabei lediglich um kleine, den Anforderungen von Zulassungsstudien nicht genügende Test-Reihen mit unter hundert Teilnehmern. MedizinerInnen warnen indessen vor den Hormon-Gaben. Als Nebenwirkungen zählen sie unter anderem Herzinfarkt, Harntrakt-Schädigungen, Brust-Wachstum, Bluthochdruck, Ödeme und Leberschäden auf. Zudem beobachteten die WissenschaftlerInnen Schrumpfungen des Hodengewebes und Samenzellen-Missbildungen.

BAYER testet Finerenone
Der Leverkusener Multi erprobt zur Zeit den Wirkstoff Finerenone. Er will die Substanz zur Behandlung von Herz-Insuffizienz einsetzen und spekuliert darauf, Präparaten wie dem PFIZER-Mittel INSPRA Markt-Anteile wegnehmen zu können. Angeblich hat das Pharmazeutikum nämlich weniger Nebenwirkungen als andere Arzneien dieser Medikamenten-Gruppe, die häufig die Blutkalium-Konzentrationen in bedenkliche Höhe treiben und deshalb das Herz schädigen können. Zudem testet der Konzern Finerenone noch zur Therapie von solchen Nierenschädigungen, die in Folge einer Diabetes entstehen.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Neonicotinoid-Verbot in Frankreich
Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin) gelten als besonders bienengefährlich. Sie sorgen unter anderem für schrumpfende Populationen, indem sie im Futtersaft der Ammen-Bienen die Bildung des Botenstoffes Acetylcholin hemmen, der bei der Aufzucht der Larven eine wichtige Rolle spielt. Die EU hat Imidacloprid und Clothianidin wegen ihrer desaströsen Wirkung auf Bienen gemeinsam mit der Substanz Thiamethoxam bereits vorläufig aus dem Verkehr gezogen. Die Französische Nationalversammlung ging im März 2016 jedoch noch einen Schritt weiter. Sie erließ ein komplettes Neonicotinoid-Verbot, das 2018 in Kraft tritt. Der Leverkusener Multi protestierte vehement gegen diese Entscheidung. Er sieht die LandwirtInnen nun mit „veritablen Engpässen beim Schutz ihrer Pflanzen“ konfrontiert und prophezeite Ernte-Einbußen von 15 bis 40 Prozent.

UN-Gremium warnt vor GAUCHO & Co.
Auch die Vereinten Nationen hatten die Berichte über das zunehmende Bienensterben alarmiert. Darum setzte sie mit dem Welt-Biodiversitätsrat (IPBES) ein Gremium ein, um eine Bestandsaufnahme zur Lage von Bienen und anderen anderen Bestäuber-Insekten zu erhalten und Aufschluss die Gefährdung der Bestände zu gewinnen. Die WissenschaftlerInnen kamen – wie schon viele ihrer KollegInnen vor ihnen – zu dem Ergebnis, dass Ackergifte eine Mitschuld am Rückgang der Populationen tragen. „Das Gutachten ermittelte, dass Pestizide, inklusive Insektizide aus der Gruppe der Neonicotinoide, für Bestäuber weltweit eine Bedrohung darstellen“, hält der IPBES fest. Das Pikante dabei: Unter den am Bericht beteiligten ForscherInnen befand sich auch Christian Maus von BAYERs Bienenforschungszentrum in Monheim. Das wirbelte in Leverkusen gehörig Staub auf. Die Presseabteilung des Konzerns griff Maus umgehend dafür an, sich nicht von der Neonicotinoid-Kritik des Reports distanziert zu haben und tat das stellvertretend für ihn: „Diese Aussage können wir nicht nachvollziehen.“

Zahlreiche Bienen-Arten gefährdet
Besonders Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO und PONCHO tragen eine Mitschuld am Bienensterben (s. o.). Welches Ausmaß der Rückgang der Populationen in der Bundesrepublik bereits angenommen hat, machte jetzt die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen deutlich. Von insgesamt 560 Wildbienen-Arten schätzte die Große Koalition 40,9 Prozent als gefährdet ein. 39 Spezies sind bereits ausgestorben. Nicht viel besser sieht es bei den Schmetterlingen aus: 69 Arten drohen bald vom Planeten zu verschwinden. BAYER jedoch leugnet den Zusammenhang zwischen den Agro-Chemikalien und dem Artensterben. Auf der Hauptversammlung am 29. April 2016 zeigte sich der Konzern „ … davon überzeugt, dass unsere Neonicotinoide sicher sind für die Umwelt, wenn sie sachgerecht eingesetzt werden“.

Neues Bio-Pestizid
BAYER hat die Zulassung für das Pestizid REQUIEM erhalten, dessen Wirk-Mechanismus auf einem biologischen statt auf einem chemischen Prinzip beruht. Der Inhaltsstoff Terpenoid ist einer Substanz nachgebildet, mit der sich die Pflanze Epazote, bekannt auch als Mexikanischer Drüsengänsefuß, gegen Insekten wehrt. Damit erweitert der Konzern seine Produkt-Palette im Bereich der Bio-Pestizide. So bietet er in diesem Segment bereits das Anti-Wurmmittel BIBACT und das Anti-Pilzmittel CONTANS an. Zudem kaufte der Global Player bereits im Jahr 2014 das argentinische Unternehmen BIAGRO, das biologische Saatgutbehandlungsmittel auf der Basis von Mikro-Organismen und Pilzen sowie Mittel zur Stärkung des Pflanzen-Wachstums produziert. Der Leverkusener Multi will wegen REQUIEM & Co. jedoch seinen Agrogift-Schrank nicht gleich entsorgen; „best of both worlds“ lautet die Devise. „Wir setzen auf integrierte Angebote für Nutzpflanzen. Also auf die Auswahl des passenden Saatguts und die beste Kombination aus chemischen und biologischen Produkten“, so BAYER-Manager Ashish Malik.

PFLANZEN & SAATEN

Tomaten made by BAYER
Von keiner Gemüse-Art produziert die europäische Landwirtschaft mehr als von der Tomate. Entsprechend stark konzentrieren sich die Agro-Multis auf diese Nachtschatten-Gewächse – BAYER, SYNGENTA, MONSANTO & Co. dominieren den EU-Handel mit Tomaten-Saatgut. Der Studie „Concentration of Market Power in the EU Seed Market“ zufolge stammten 2013 45 Prozent aller Saaten aus den Gewächshäusern dieser Konzerne. Der Marktanteil der BAYER-Tochter NUNHEMS belief sich 2014 auf 3,7 Prozent. Inzwischen dürfte dieser gestiegen sein, denn in den letzten zwölf Monaten brachte das Unternehmen viele neue Sorten heraus. Die „hochtechnologischen Tomaten“ versprechen laut NUNHEMS gute Ernten, zuweilen gar „Ertragsrekorde“ und „Einheitlichkeit“, was diese „zu einer rentablen Wahl für den Erzeuger macht“. Geschmacksfragen stellen sich der Firma hingegen nicht.

BAYER erweitert Weizenzucht-Zentrum
Im Saatgut-Geschäft des Agro-Riesen bildet Weizen einen Schwerpunkt, weil die Ackerfrucht die weitverbreiteste Kulturpflanze der Welt ist. Bis 2020 will der Konzern 1,5 Milliarden Euro in Züchtungsprogramme investieren, um eine führende Rolle in diesem Markt-Segment zu einzunehmen. Dazu kooperiert er mit vielen Weizenforschungsinstituten und unterhält eigene Zuchtstationen. Sieben solcher Einrichtungen hat der Multi bisher schon aufgebaut. In Gatersleben, wo der Global Player seit 2012 ein solches Zentrum – nicht von ungefähr in unmittelbarer Nähe des „Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzen-Forschung“ – betreibt, plant er jetzt eine Erweiterung. Das Unternehmen kündigte an, dort die Acker-Flächen auf 80 Hektar zu verdoppeln.

GENE & KLONE

BAYERs Gen-Soja entert Brasilien
Brasilien hatte es Gen-Pflanzen made by BAYER jahrelang sehr schwer gemacht. So verbot das Land gentechnisch veränderten Mais der Produktreihe LIBERTYLINK und entzog der Sorte T25 die Genehmigung. Jetzt aber scheint der Widerstand gebrochen. Ab diesem Jahr vermarktet der Leverkusener Multi in dem südamerikanischen Staat LIBERTYLINK-Soja. Dabei handelt es sich um eine Laborfrucht, die immun gegen das extrem gesundheitsschädliche und in Europa deshalb nur noch bis 2017 erlaubte Pestizid Glufosinat ist. Gleich 2.000 LandwirtInnen wollen es nach Aussage des Global Players trotzdem mit dem LL-Soja versuchen.

WASSER, BODEN & LUFT

BAYER-Altlast unter Kleingarten
Viele Duisburger KleingärtnerInnen sorgen sich um ihre Grundstücke, denn unter der Grasnarbe schlummern Altlasten von BAYER, KRUPP oder MANNESMANN. Boden-Untersuchungen des Bielefelder Instituts IFUA PROJEKT ergaben in vielen Fällen bedenkliche Werte für Cadmium, Zink, Arsen, Benzo(a)pyren und Blei. Auf dem Gelände des Kleingarten-Vereins „Borgsche Hütte“ in Rumeln, wo der Leverkusener Multi um 1958 Giftstoffe verklappt hat, gab es hingegen keine Überschreitungen der zulässigen Limits. Das Chemie-Grab liege zu tief, als dass von ihm noch Gefahren ausgehen könnten, versichert Wolfgang Ibels vom Duisburger Umweltamt. Mögliche Verunreinigungen des Grundwassers durch die Hinterlassenschaften des Leverkusener Multis ignorierte er dabei jedoch.

Kaum Energie-Ersparnis
BAYERs Energie-Einsatz sank 2015 gegenüber dem Vorjahr von 85.317 auf 83.182 Terajoule. Die Reduktion verdankt sich jedoch mitnichten einer ressourcen-schonenderen Produktionsweise, sondern hauptsächlich der im letzten Jahr erfolgten Stillegung der Fertigungsstätte im brasilianischen Belford Roxo.

Mehr Kohlendioxid-Emissionen
BAYERs Emissionen des klima-schädlichen Kohlendioxids stiegen 2015 gegenüber dem Vorjahr um 160.000 Tonnen auf 9,71 Millionen Tonnen. Ein Grund dafür ist, dass der Konzern bei der Energie, die er selbst erzeugt, mehr auf die besonders klima-schädliche Kohle setzt. Deren Quantum am Energie-Mix wuchs gegenüber 2014 von 12.611 auf 12.755 Terajoule. Für den Löwenanteil an den CO2-Emissionen des Unternehmens sorgt die Kunststoff-Tochter COVESTRO mit 6,41 Millionen Tonnen, dahinter folgt die CURRENTA als Betreiber der Chemie- „Parks“ mit 1,47 Millionen Tonnen, die Agro-Sparte mit einer Million Tonnen und der Pharma-Bereich mit 0,57 Millionen Tonnen.

BAYER schädigt Ozonschicht
Seit Jahren schon sorgt hauptsächlich ein einziges Werk des Leverkusener Multis für den ganzen Ausstoß an ozon-abbauenden Substanzen: die Niederlassung der Agro-Sparte im indischen Vapi. Und seit Jahren schon schraubt der Konzern auch ein bisschen an der Fertigungsstätte rum, so dass die Werte immer ein bisschen sinken. Aber 2015 summierten sie sich trotzdem noch auf 11,7 Tonnen (2014: 14,8).

1.610 Tonnen flüchtige Substanzen
Auch BAYERs flüchtige organische Substanzen entstammen hauptsächlich dem Werk im indischen Vapi. Im Zuge der „Work in Progress“-Sanierung ging der Ausstoß ebenso wie derjenige der ozon-abbauenden Stoffe (s. o.) 2015 etwas zurück. Von 2.120 auf 1.610 Tonnen sank der Wert.

Kaum weniger Stickstoff & Co.
Der Ausstoß von Stickstoffoxiden, Schwefeloxiden, Staub und Kohlenmonoxid hat sich bei BAYER 2015 gegenüber dem Vorjahr kaum verändert. Die Emissionen von Stickstoffoxiden stiegen von 2.360 Tonnen auf 2.420 Tonnen, während diejenigen von Schwefeloxiden leicht von 1.220 Tonnen auf 1.170 Tonnen zurückgingen. Auch etwas weniger Staub wirbelte der Konzern auf: 250 gegenüber 230 Tonnen. Dafür erhöhte sich jedoch der Kohlenmonoxid-Ausstoß um 20 auf 930 Tonnen.

BAYERs großer Durst
Der Leverkusener Multi hat einen enormen Wasser-Durst. Auf 346 Millionen Kubikmeter bezifferte er seinen Konsum im Jahr 2014, in den zwölf Monaten zuvor waren es sogar 350 Millionen gewesen. Zum Vergleich: Das ist mehr als das Dreifache dessen, was die ganze Stadt Köln verbraucht. Drei Viertel des Wassers gehen als Kühlwasser drauf, ein Viertel verwendet der Konzern in der Produktion. Und erschwerend kommt noch hinzu, dass die Wiederaufbereitungsquote verschwindend gering ist: Gerade einmal 10,4 Millionen Liter recycelte das Unternehmen.

BAYER Abwasser-Frachten
2015 produzierte der Leverkusener Multi mit 61 Millionen Kubikmetern fünf Millionen Liter weniger Abwässer als 2014, aber nicht, weil er etwa „grüner“ produzierte, sondern nur, weil er überhaupt weniger produzierte. Und trotzdem schaffte es der Konzern noch, von einzelnen Stoffen mehr einzuleiten als im Vorjahr. Bei den anorganischen Salzen stieg die Menge von 845.000 Tonnen auf 927.000 Tonnen. Bei den Schwermetallen, die das Unternehmen nicht mehr einzeln aufführt, um besonders gefährliche Stoffe wie Quecksilber nicht nennen zu müssen, wuchs sie von 63 auf 64 Kilogramm. Der Phosphor-Eintrag blieb hingegen konstant bei 100 Tonnen, und der Stickstoff-Wert sank von 760 auf 560 Tonnen. Auch organischer Kohlenstoff fand sich etwas weniger im Wasser wieder: Das Volumen reduzierte sich um 40 Tonnen auf 1.160.

BAYER produziert mehr Müll
Im Jahr 2015 produzierte BAYER mehr Müll als 2014. Von 896.000 auf 940.000 Tonnen stieg die Menge. Auch bei gefährlichen Abfällen erhöhte sich der Wert; er legte von 487.000 auf 541.000 Tonnen zu. Als Grund dafür nennt der Leverkusener Multi neben Produktionssteigerungen „eine neue abfallrechtliche Bewertung der Wirbelschicht-Asche aus dem Kraftwerk im Chem-‚Park’ Leverkusen“.

CO & CO.

„Risiko nicht ausgeschlossen“
Während BAYERs zwischen Dormagen und Krefeld geplante Kohlenmonoxid-Pipeline wegen einer Klage noch immer keine Betriebsgenehmigung hat, zeigt deren zwischen Dormagen und Leverkusen verlaufendes Pendant schon bedenkliche Alterserscheinungen. Besonders dort, wo die Leitung den Rhein unterquert, zeigen sich Korrosionsschäden, also Abnutzungserscheinungen an den Bau-Bestandteilen. So treten an diesem Düker nach einem Bericht des TÜV Rheinland „gravierende externe Materialverluste“ auf. Eine „Restlebensdauer von 2 Jahren, bis die rechnerisch geforderte Mindestrohrwandstärke von 3,6 mm erreicht wird“, errechnete der Technische Überwachungsverein. Nachdem die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN diesen Befund publik gemacht hatte, blieb dem Leverkusener Multi nichts anderes übrig, als Maßnahmen einzuleiten: Er kündigte den Bau eines neuen Dükers an. Dieser nimmt noch einmal größere Dimensionen als der alte an und bietet zusätzlich zu den zehn Leitungen noch Platz für fünf Reserve-Pipelines. Weil der Pharma-Riese deshalb in die unter Naturschutz stehende Uferlandschaft eingreifen muss, hat er später Kompensationsleistungen zu erbringen. Absolute Sicherheit mochte der Konzern auch nach der Fertigstellung des neuen Tunnel-Systems nicht garantieren. Lediglich als „unwahrscheinlich“ bezeichnete das Unternehmen das Risiko einer Explosion im Düker, es könne aber „nicht 100-prozentig ausgeschlossen werden“. Und die Folgen wären BAYER zufolge „wegen der engen räumlichen Nähe der Rohrleitungen und dem zu erwartenden Totalversagen auch der CO-Leitung als katastrophal einzuschätzen“. Trotzdem rechnet der Multi fest mit einer Betriebsgenehmigung durch die Bezirksregierung. Anfang 2017 will er den Düker dann nutzen – und ansonsten wohl bei der Pipeline, die immerhin schon rund 50 Jahre auf dem Buckel hat, alles beim Alten lassen. Lediglich ein paar kleine Eingriffe stehen möglicherweise an.

STANDORTE & PRODUKTION

Neues Haus für Insektizid-Forschung
BAYER will am Standort Monheim ein Gewächshaus für die Insektizid-Forschung errichten, das „weltweit neue Maßstäbe“ setzt. 43,5 Millionen Euro investiert der Leverkusener Multi zu diesem Behufe.

Leverkusen: Neue Pack-Anlage
BAYER errichtet in Leverkusen für rund 150 Millionen Euro eine neue Anlage für Medikamenten-Verpackungen. Zudem kündigte der Konzern den Bau einer Fertigungstätte für Arznei-Formulierungen an.

Millionen-Investition in Bitterfeld
Der Leverkusener Multi plant am Standort Bitterfeld, wo er vor allem das Schmerzmittel ASPIRIN produziert, 20 bis 30 Millionen Euro zu investieren. Das Geld will er unter anderem für einen Ausbau der Automation, für neue Filteranlagen und für mehr Informationstechnologie.

ÖKONOMIE & PROFIT

Die BAYER-Bank in Belgien
Der Leverkusener Multi unterhält viele Niederlassungen im Steuer-Paradies Belgien. BAYER ANTWERPEN etwa wirkt als konzern-interne Bank, die den Teilgesellschaften Geld für Investitionen leiht. Für den Global Player entsteht so eine Win-win-Situation: Während die Tochter-Firmen die Zins-Zahlungen von der Steuer absetzen können, muss BAYER ANTWERPEN für die Zins-Erträge kaum Abgaben zahlen. Und bei den 11,8 Milliarden Euro an Krediten, die im Jahr 2015 von Belgien aus auf die Reise gingen, kommen da schon ganz hübsche Summen zusammen.

BAYERs globale Steuer-Praxis
Der Leverkusener Multi hat Niederlassungen auf der ganzen Welt. Nur profitiert steuerlich nicht die ganze Welt gleichermaßen von den Erträgen. Die BAYER-Töchter müssen einen Großteil ihrer Gewinne an die Mutter-Gesellschaft in Leverkusen abführen. In der Heimat fällt deshalb auch der Löwenanteil der Abgaben an, welche der Konzern leistet, nachdem er sich durch Nutzung diverser Steuersparmodelle arm gerechnet hat. Der Global Player gibt an, 50 Prozent seiner Ertragssteuern in Deutschland zu zahlen, obwohl er hierzulande nur rund elf Prozent seines Gesamtumsatzes erzielt und nur 31 Prozent seiner Belegschaftsangehörigen beschäftigt. Mit Imperialismus hat das alles aber dem Unternehmen zufolge nichts zu tun. Der Pharma-Riese betrachtet die ungleiche Verteilung vielmehr als angemessen und führt dazu eine recht abenteuerliche Begründung an: Da er hauptsächlich an den deutschen Standorten forsche und das mit viel kosten-intensivem „Trial and Error“ einher gehe, sei auch das unternehmerische Risiko vornehmlich zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen angesiedelt. Sorgen bereiten ihm in diesem Zusammenhang nun die Pläne der EU, die Multis zur Veröffentlichung ihrer Steuer-Zahlungen in den einzelnen Ländern zu zwingen (siehe POLITIK & EINFLUSS) So warnt BAYERs Steuer-Chef Bernd-Peter Bier, das sogenannte Country-by-Country-Reporting „führt gerade vor dem Hintergrund der deutschen Export-Stärke dazu, dass die Regierungen unserer ausländischen Absatzmärkte (sic!) künftig mehr vom deutschen Anteil am Steuer-Kuchen abhaben wollen“. Deshalb sperrt er sich vehement gegen weitergehende Transparenz-Verpflichtungen.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Salzsäure tritt aus
Am 15.1.2015 meldete die BAYER-Tochter COVESTRO am US-amerikanischen Standort Illinois einen Stoff-Austritt: Ein Tankwagen, der Salzsäure transportierte, verlor 7.600 Liter seiner Ladung.

Polyisocyanat tritt aus
Am 18.1.2015 meldete die BAYER-Tochter COVESTRO am indischen Standort Hubli einen Transport-Unfall, bei dem 1.200 Kilo des Gefahrguts Polyisocyanat ins Freie gelangten.

TDI tritt aus
Am 7.2.2015 liefen in einem kalifornischen Werk der BAYER-Tochter COVESTRO an einer Abfüll-Station 1.150 Liter des Kunststoffes TDI aus, weil ein Tankwagen zu voll gepumpt wurde.

MDI tritt aus
Am 31.5.2015 meldete die BAYER-Tochter COVESTRO am US-amerikanischen Standort Ward Creek einen Transport-Unfall. Ein Sattelzug stürzte auf der Straße um, und 1.500 Liter des Kunststoffes MDI liefen aus.

BAYHYDROL tritt aus
Am 4.6.15 kam es in Helsinki zur Beschädigung eines Containers der BAYER-Tochter COVESTRO, in dem sich das Lackharz BAYHYDROL befand. Die Flüssigkeit trat aus, und 12 Personen, die mit ihr in Berührung gerieten, mussten sich zur Untersuchung in ein Krankenhaus begeben. Ein stationärer Aufenthalt blieb ihnen aber erspart.

DESMOPHEN-Tank platzte
Am 18.8.15 platzte am Antwerpener Standort der BAYER-Tochter COVESTRO bei einem Umfüll-Vorgang ein Tank, in dem sich der Lack-Grundstoff DESMOPHEN befand. Rund 6.000 Kilogramm des Stoffes gelangten so an die Luft. Der Leverkusener Multi gab jedoch sogleich Entwarnung: „Es kam weder zu Verletzungen noch zu Gefährdungen.“

Salpetersäure tritt aus
Am 3.9.15 kam es am Dormagener Standort der BAYER-Tochter COVESTRO beim Entladen von Salpetersäure zu einem Unfall. In der Folge liefen 150 Liter des Stickstoffs aus, der auf Haut, Atemwege und Schleimhäute stark reizend wirkt und Verätzungen hervorrufen kann. Ein Beschäftigter geriet mit der Substanz in Berührung und kam in ein Krankenhaus. Er konnte jedoch zum Glück bald schon wieder entlassen werden.

DESMODUR tritt aus
Am 28.9.15 durchbohrte am US-amerikanischen Standort Laredo der BAYER-Tochter COVESTRO ein Gabelstabler die Wand eines Fasses, in dem sich das Kunststoff-Produkt DESMODUR befand. In der Folge liefen 150 Liter der Substanz aus.

Salzsäure tritt aus

  • 2


Am 30.9.15 trat an einem Kesselwagen der DEUTSCHEN BAHN, der Salzsäure der BAYER-Tochter COVESTRO beförderte, eine Leckage auf. 100 Liter der Substanz flossen auf diese Weise aus.

DESMODUR tritt aus

  • 2


Wie zuvor in Laredo (s. o.) durchbohrte am 28.10.15 auch in Köln ein Gabelstabler ein Fass, in dem sich DESMODUR der BAYER-Tochter COVESTRO befand. Und wieder flossen 150 Liter der Substanz aus.

DESMODUR tritt aus

  • 3


Das Werk der BAYER-Tochter COVESTRO am US-amerikanischen Standort Martinsburg schickte am 9.12.15 ein undichtes DESMODUR-Fass auf Reisen. Der LKW-Fahrer bemerkte den Austritt des Kunststoff-Produkts jedoch nach einiger Zeit und alarmierte die Feuerwehr. Diese sog die Substanz mit Bindemitteln auf und konnte den Schaden so in Grenzen halten.

Polyalkohol tritt aus
Am 16.12.15 informierte die BAYER-Tochter COVESTRO am US-amerikanischen Standort Charleston die Behörden über einen Verkehrsunfall, in dessen Folge ein LKW aus einem Tank 1.900 Liter Polyalkohol verlor.

RECHT & UNBILLIG

4.300 XARELTO-Klagen
BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO mit dem Wirkstoff Rivaroxaban hat gefährliche Nebenwirkungen. So erhielt das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) 2015 von ÄrztInnen 173 Benachrichtigungen über Todesfälle, von denen 137 auf Blutungen zurückgingen. Insgesamt erfolgten 1.792 Meldungen wegen unerwünschter Pharma-Effekte. In den USA, wo PatientInnen bzw. deren Hinterbliebene leichter Schadensersatz-Ansprüche geltend machen können, beschäftigt sich deshalb bereits die Justiz mit XARELTO. Bis zum 25.1.2016 lagen 4.300 Klagen vor. Bei kanadischen Gerichten belief sich die Zahl auf acht.

Patent-Klage gegen AUROBINDO et. al.
Der Leverkusener Multi verklagt routinemäßig Pharma-Hersteller, die nach Ablauf der Patentfrist Nachahmer-Produkte seiner Pillen auf den Markt bringen wollen, wegen Verletzung seines geistigen Eigentums. So hofft der Konzern sich die lästige Billig-Konkurrenz möglichst lange vom Leibe halten zu können. Deshalb ging er auch gegen AUROBINDO und sieben weitere Unternehmen vor, die Generika-Versionen seines umstrittenen Gerinnungshemmers XARELTO (s. o.) vorbereiten.

Patent-Klage gegen MYLAN
BAYER will generische Versionen seines Krebsmittel NEXAVAR möglichst lange vom Markt fernhalten. Aus diesem Grund ging der Pharma-Riese jetzt gerichtlich gegen die Firma MYLAN vor, die bei den US-Behörden Zulassungsanträge für ein solches Präparat eingereicht hatte, und verklagte das Unternehmen wegen Patent-Verletzung.

BAYER-Patente ungültig
BAYER hatte das Unternehmen WATSON LABORATORIES, das beabsichtigt, Generika-Versionen der gefährlichen drospirenon-haltigen Verhütungsmittel BEYAZ und SAFYRAL herzustellen, schon vor längerer Zeit wegen Patent-Verletzung verklagt. In erster Instanz bekam der Pharma-Riese auch Recht, aber WATSON focht die Entscheidung an. Und in dem Revisionsverfahren erklärte das Gericht die BAYER-Patente dann für ungültig. Als Begründung führten die RichterInnen an, dass MERCK als ursprünglicher Inhaber der BEYAZ- und SAFYRAL-Schutzrechte schon vor Erhalt des Patents einzelne Komponenten der Kontrazeptiva zum Verkauf angeboten hatte. Ob der Global Player plant, gegen diesen Beschluss vorzugehen, stand bis Redaktionsschluss nicht fest. Auch der Rechtsstreit mit LUPIN in der gleichen Sache könnte durch das Urteil jetzt eine andere Wendung nehmen.

EU-Klage wg. Dünger
Laut nordrhein-westfälischem Umweltministerium befindet sich das rechtsrheinische Grundwasser-Reservoir in einem chemisch so schlechten Zustand, dass es sich nicht zur Trinkwasser-Gewinnung eignet. BAYER trägt dazu unter anderem durch den Dünger bei, der auf den landwirtschaftlichen Versuchsfeldern in Monheim zum Einsatz kommt und so für Nitrat-Einträge sorgt. Die Europäische Kommission hatte die Bundesrepublik in der Vergangenheit mehrfach aufgefordert, die Dünge-Praxis strenger zu reglementieren, aber es geschah nichts. Deshalb hat die EU nun vor dem Europäischen Gerichtshof in Straßburg eine Klage eingereicht. Nicht einmal der Verweis auf eine in Arbeit befindliche Gesetzes-Novelle konnte Juncker & Co. davon abhalten. Diese enthalte zu viele Ausnahme-Regelungen und sei deshalb nicht geeignet, eine bessere Wasser-Qualität zu garantieren, hieß es aus Brüssel.

FORSCHUNG & LEHRE

Pharmazie-Studierende bei BAYER
Früh übt sich, wer ein/e Pharmazeut/in ganz im Sinne der Pharma-Industrie werden will, deshalb bietet der Leverkusener Multi viele Übungsmöglichkeiten an. So unterhält er bereits seit 2008 eine Kooperation mit der Kieler Christian-Albrechts-Universität, in deren Rahmen die BAYER-Tochter KVP PHARMA + VETERINÄR zweimal im Jahr Pharmazie-Studierende empfängt. Im Werk erfahren diese dann unter anderem, wie mustergültig der Pillen-Riese angeblich Qualitätssicherung betreibt und die regulatorischen Rahmenbedingungen umsetzt. Und die Lehrenden spielen das Spiel mit. Die Privatdozentin Dr. Regina Scherließ bezeichnet es dem Global Player zufolge nachgerade als Glücksfall, mit dem BAYER-Standort in Kiel ein international aufgestelltes Pharma-Unternehmen zu haben, das den Studierenden einen solchen Einblick bietet.

BAYER forciert Digital-Medizin
Der Leverkusener Multi bereitet sich auf den Eintritt in den Markt der digitalen Medizin vor und fördert im Rahmen seiner „Grants4Apps-Accelerator“-Initiative Start-ups, die Apps oder andere Anwendungen entwickeln. So erhielt VIOMEDO im Jahr 2015 Geld für ein Internet-Projekt, das den Pharma-Riesen mehr ProbandInnen für seine Klinischen Studien zuführen soll. SERONA bekam Unterstützung für das Vorhaben, die personalisierte Medizin auf dem Gebiet der Hormon-Therapien mittels Daten-Analysen voranzutreiben und VITAMETER für die Konstruktion eines Gerätes zur Bestimmung des Vitamin-Gehaltes im Blut.

[BadUgly] STICHWORT BAYER 3/2016

CBG Redaktion

Imperium & Weltmacht

BAYER will MONSANTO schlucken

The Bad & the Ugly

BAYER setzt dazu an, ein Monopol über die globalen Agro-Märkte zu errichten und damit die Kontrolle über wichtige Glieder der Nahrungsmittel-Kette zu erlangen. Auf entsprechend großen Widerstand stößt das Vorhaben.

Von Jan Pehrke

„Wir sind seit Langem von MONSANTO beeindruckt und teilen die Überzeugung, dass durch ein integriertes Geschäft erheblicher Wert für die Aktionäre beider Unternehmen entstehen würde“, mit diesen Worten begründete BAYER-Chef Werner Baumann die Übernahme-Pläne. 62 Milliarden Dollar bietet der Leverkusener Multi aktuell für die US-Gesellschaft.

Eine Akquisition dieser Dimension hat ein bundesdeutsches Unternehmen bisher noch nie bewerkstelligt – und in diesem Jahr weltweit noch keine andere Firma. Gelänge der Coup, würde der mit Abstand größte Agro-Konzern der Erde entstehen. Einen „bedeutend größeren Fußabdruck auf dem Globus“ würden die zusammengelegten Geschäfte der beiden Firmen hinterlassen, frohlockt der Leverkusener Multi. In seinen Werbe-Broschüren zum Übernahme-Plan errechnet er auf Basis der 2015er Zahlen stolz einen gemeinsamen Umsatz von 23,1 Milliarden Dollar. Damit kann niemand aus der Branche mithalten. Die frisch vermählten Paare SYNGENTA/ChemChina und DUPONT/DOW folgen mit weitem Abstand (14,8 bzw. 14,6 Milliarden), und auf Rang vier landet abgeschlagen BASF mit 5,8 Milliarden.

Bei den Pestiziden kommen BAYER und MONSANTO zusammen auf einen Marktanteil von rund 25 Prozent, beim Saatgut für gentechnisch veränderte und konventionelle Ackerfrüchte auf einen von rund 30 Prozent. Allein die Gen-Pflanzen betrachtet, erreichen die beiden Konzerne vereint mit weit über 90 Prozent sogar eine klar dominierende Position. Entsprechend besorgt reagierte die Coordination gegen BAYER-Gefahren. „Wir schlagen Alarm: ‚Wer das Saatgut kontrolliert, beherrscht die Welt’, hat Henry Kissinger einmal gesagt. Durch die Übernahme droht ein weltweites Lebensmittel-Monopol. Die Welternährung gerät in ernste Gefahr“, so Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der CBG.

Und das umso mehr, als sich da wirklich The Bad & the Ugly vermählen würden. Was dem US-Unternehmen sein Glyphosat, das ist dem Leverkusener Multi sein Glufosinat, was dem US-amerikanischen Agro-Riesen seine Gen-Pflanzen der Produktreihe „ROUND UP“, das sind seinem deutschen Pendant die LIBERTY-LINK-Ackerfrüchte. Gesundheitsschädliche Chemikalien wie Polychlorierte Biphenyle (PCB) und vietnamkriegstaugliche Agrochemikalien produzierten beide. Und BAYER war im Gegensatz zu MONSANTO sogar schon 1914-1918 und 1939-1945 Kriegsteilnehmer. Trotzdem tischen viele Zeitungen bei ihrer Berichterstattung über den geplanten Deal die Mär vom Umweltengel aus Leverkusen auf, der sich auf einen Pakt mit dem Teufel einlassen will.

Das aktuell auf 55 Milliarden Euro bezifferte Gebot des deutschen Global Players, „der sich in den vergangenen Jahren viel Mühe gegeben hat, als sauberes Unternehmen dazustehen“ (Rheinische Post), markiert den vorerst letzten Zug in einem makabren Monopoly-Spiel um eines der wichtigsten Güter der Menschheit: der Nahrung. Eröffnet hatte es MONSANTO selber, mit dem Begehr, SYNGENTA zu übernehmen. Die Schweizer aber bevorzugten ChemChina als neuen Partner, und plötzlich mochten auch Dupont und Dow nicht mehr auf eigenen Füßen stehen – sie fusionierten. Mit dieser Entwicklung beschleunigte sich der Konzentrationsprozess im Agro-Business noch einmal, der vor rund 20 Jahren begann. Im Saatgut-Bereich etwa hatten sich 1985 noch keine oligopolartigen Strukturen herausgebildet. Die zehn größten Anbieter kamen bloß auf einen Marktanteil von ca. 12,5 Prozent. 2011 sah das jedoch schon ganz anders aus, da teilte die damalige Top 10 bereits 75,3 Prozent des Geschäfts unter sich auf. Einen wesentlichen Antrieb für die neue Übersichtlichkeit stellte dabei die Gentechnik dar. Sie verlangte nämlich nach einer vertikalen Integration. „Ein neues Gen ist nutzlos ohne einen hochwertigen Grundstock von Saatgut, in das es eingebaut werden kann, und eine Infrastruktur, die solches bereitstellt“, wie es ein Finanz-Analyst einmal formulierte.

Käme BAYER bei MONSANTO zum Zuge, so erlangte der Leverkusener Multi aber nicht nur die Hoheit über die Esstische. Der Deal hätte noch weitere negative Folgen. Die LandwirtInnen etwa müssten sich auf höhere Betriebskosten einstellen, denn diese steigen verlässlich in Korrelation zum Monopolisierungsgrad der Branche. Allein die Preise für Mais- und Baumwoll-Saatgut haben sich in den vergangenen 20 Jahren nach Angaben des US-Landwirtschaftsministeriums vervierfacht.

Überdies hätten die LandwirtInnen noch weniger Auswahl. Die oligopol-artigen Strukturen haben jetzt schon einen riesigen Innovationsstau mit sich gebracht. An eine Landwirtschaft ohne Gifte verschwenden die Konzerne keinen Gedanken, sie schaffen es noch nicht einmal, Ersatz für ihre Uralt-Mittel zu finden. BAYERs Glufosinat oder MONSANTOs Glyphosat haben schon über 40 Jahre auf dem Buckel. Deshalb trotzen immer mehr Unkräuter diesen Substanzen. Den FarmerInnen bleibt nichts anderes übrig, als die Gift-Dosis zu erhöhen. Und der Leverkusener Multi leugnet diesen Tatbestand keineswegs. „Seit über 25 Jahren hat die weltweite Pflanzenschutz-Industrie kein wirtschaftlich bedeutendes Herbizid mit neuem Wirkmechanismus mehr für Flächenkulturen entwickelt und auf den Markt gebracht – unter anderem eine Folge der Konsolidierung der Industrie, die mit einer deutlichen Reduktion der Forschungsaufwendungen für neue Herbizide einherging“, so der BAYER-Forscher Dr. Hermann Stübler.

Die bei Transaktionen dieser Art immer gerne beschworenen „Synergie-Effekte“ schließlich lassen ebenfalls Böses ahnen. Der bundesdeutsche Agro-Riese konnte diese sogar schon genau beziffern: mit 1,5 Milliarden Dollar zusätzlicher Einnahmen nach drei Jahren Baysanto rechnet er. Dazu dürfte die Arbeitsplatz-Vernichtung durch Beseitigung von Doppel-Strukturen einiges beitragen. Einen Job-Abbau – sei es zur Reduzierung der durch den Deal anfallenden Schulden oder im Zuge der Zusammenführung der Unternehmen – hat der Global Player ausdrücklich nur hierzulande ausgeschlossen. „Rationalisierungsmaßnahmen zur Finanzierung der Akquisition werden in Deutschland nicht stattfinden“, heißt es in einer mit dem Gesamtbetriebsrat geschlossenen Vereinbarung. Über die Grenzen schauen die Gewerkschaftler also offenbar nicht – ein Tief der internationalen Solidarität.

Die Standort-Städte müssen sich ebenfalls auf so einiges gefasst machen. Ihnen ist die letzte Einkaufstour des Multis noch in denkbar schlechter Erinnerung. Unmittelbar nach dem Kauf der Merck-Sparte mit den nicht rezeptpflichtigen Arzneien hatte der Konzern nämlich verkündet: „BAYER rechnet ab dem ersten Jahr nach dem Vollzug mit signifikanten Steuer-Einsparungen.“ Und prompt hat er die Akquisition dann auch von der Steuer abgesetzt und damit vor allem seinen Stammsitz Leverkusen noch tiefer in die Verschuldung getrieben.

Den Grünen der Stadt schwant deshalb wieder Schlimmes. „Die Übernahme von MONSANTO ist teuer. Dies dürfte zur Folge haben, dass die Gewerbesteuer-Einnahmen der Stadt Leverkusen weiter sinken“, erklärte die Partei. Auch der grüne Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter kritisiert das Vorhaben des Unternehmens: „Die BAYER-Bosse folgen reiner Gewinn-Maximierung. Der geplante Deal würde die Welt nicht besser machen, sondern schlechter.“ Die SPD-Bundestagsabgeordnete Elvira Drobinski-Weiß bewertete das BAYER-Ansinnen unterdessen als „sehr problematisch“, weil die Gentechnik damit in der Bundesrepublik zu einem Wirtschaftsfaktor aufstiege und ergo mit mehr Macht auf die Äcker drängen würde. Die „Arbeitsgemeinschaft für bäuerliche Landwirtschaft (AbL) spricht sich ebenfalls gegen Baysanto aus. „Durch die Fusion würde der Saatgut- und Pestizidmarkt noch weiter monopolisiert“, erklärte der Verband. Die US-amerikanische „National Farmers Union“ teilt im Gegensatz zur – von BAYER großzügig gesponserten „American Farm Bureau Federation“ – die Befürchtungen. „Das wird todsicher zu weniger Wettbewerb führen, und als direktes Resultat davon werden die Farmer höhere Preise zahlen, als sie es sonst müssten“, so NFU-Präsident Roger Johnson.

Ein Mitglied der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) schrieb in der Sache deshalb einen Brief an das Bundeskartellamt. „Wir versichern Ihnen, dass wir bei unseren Fusionsprüfungen sehr gewissenhaft die Märkte betrachten und dies auch künftig so handhaben werden, um den Wettbewerb zu schützen“, antwortete die Behörde. Auch die EU-Wettbewerbskommission, bei welcher der Fall wegen seiner großen Tragweite wohl landen wird, erhielt ein Schreiben. Die Coordination verlässt sich allerdings nicht auf die Reaktionen der politischen Institutionen. Sie organisiert gemeinsam mit Partnern wie Sum Of Us und Campact einen breiten Widerstand gegen die Übernahme. Anfang Juni hat die CBG etwa zum Düsseldorfer „March against MONSANTO“ bzw. „Terra Viva March“ mobilisiert und dort auch gesprochen.

Der Faz graut indessen schon vor der nächsten Hauptversammlung des Leverkusener Multis. „Wenn sich heute schon das überwiegende Gros der Hauptversammlungsredner zu Themen äußert, die nicht viel mit Bilanzen zu tun haben, möchte man sich die Diskussionsinhalte künftiger BAYER-Aktionärstreffen lieber nicht ausmalen“, schreibt die Zeitung. Ängstlich schaut sie darauf, was sich da gegen den nach noch mehr Größe strebenden Konzern zusammenbraut und wirft ihm vor, „diese von breiten Bevölkerungsschichten getragene gesellschaftliche Stimmung gegen aggressive Agrochemie-Konzerne und ihre Patente“ zu ignorieren und „nur noch auf Zahlen“ zu schauen.

Und in der Tat ist es diese Rendite-Fixierung von BAYER & Co., die das zynische Monopoly-Spiel um die Welternährung und ähnliche Entwicklungen in anderen Wirtschaftsbereichen anheizt. Für die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN dokumentiert dies einmal mehr die Dringlichkeit, die Multis unter gesellschaftliche Kontrolle zu stellen. Waren es laut einer Studie der ETH Zürich 2011 noch 147 Konzerne, die den gesamten Weltmarkt beherrschten, so dürfte ihre Zahl bis heute noch einmal deutlich gesunken sein. Allein 2015 belief sich der Wert der Fusionen auf rund fünf Billionen Dollar. Und das Jahr 2016 könnte diese Summe dank Baysanto noch übertreffen. Die Welt steuert also – mit freundlicher Unterstützung von Freihandelsabkommen wie TTIP, die staatliche Rechte auf Unternehmen übertragen – auf eine Diktatur der Konzerne zu, hinter denen wiederum eine Gruppe weniger Ultra-Reicher steht.

Damit ist es höchste Zeit, die Eigentumsfrage zu stellen und in den sozialen Bewegungen verstärkt über die Alternativen und deren Umsetzungsmöglichkeiten zu diskutieren. Die CBG fordert:

>Die Fusion der beiden Konzerne muss gestoppt werden!
>Die Konzerne vergesellschaften und unter demokratische Kontrolle stellen (wie es etwa die Landesverfassung von NRW vorsieht)!
>Das Profitprinzip muss fallen und einem Solidarprinzip weichen!

[MONSANTO] Gegen die Fusion: Wir brauchen Ihre Hilfe!

CBG Redaktion

Bitte helfen Sie mit einer Spende.

Sollte die drohende BAYER / MONSANTO-Fusion zustande kommen, werden wir uns dieses Konzerns genauso gründlich annehmen, wie wir dies in den letzen 35 Jahren mit dem BAYER-Konzern getan haben. Aufklärung und Dokumentation sowie Koordinierung, Unterstützung und Zusammenführung von Betroffenen, Widerstand und Fachleuten - so lautet die Aufgabe die wir uns gesteckt haben. Bereits jetzt, da die Fusion zunächst „nur“ droht sind unsere Kräfte besonders gefragt. Leider kostet auch eherenamtliche Arbeit Geld. Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit durch Ihre Spende.

Fusion verhindern! Forderung hier unterstützen

Presse Information vom 20. Mai 2016
Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG)

Der BAYER/MONSANTO-Deal

Vereinigung zu Lasten Dritter

Der BAYER-Konzern hat Gespräche mit MONSANTO über eine mögliche Fusion bestätigt. Bei einem Abschluss der Transaktion würde der mit Abstand größte Agro-Multi der Welt entstehen mit schlimmen Folgen für die LandwirtInnen, die Natur, die VerbraucherInnen und die Beschäftigten.

Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der CBG: „Wir schlagen Alarm: ‚Wer das Saatgut kontrolliert, beherrscht die Welt’, hat Henry Kissinger einmal gesagt. Durch die Übernahme droht ein weltweites Lebensmittel-Monopol. Die Welternährung gerät in ernste Gefahr.“

Schon jetzt befindet sich der globale Agrar-Markt in den Händen einiger weniger Unternehmen. Hatten 1985 die zehn größten Anbieter von Saatgut zusammen noch einen Marktanteil von ca. 12,5 Prozent, so kamen BAYER, BASF, DUPONT, MONSANTO, SYNGENTA & Co. 2011 schon auf 75,3 Prozent. Und in den letzten beiden Jahren hat sich die Situation noch einmal zugespitzt. DUPONT hat DOW aufgekauft und CHEM-CHINA erwarb SYNGENTA. Vor allem vom Finanzmarkt geht dabei der Druck aus. Den großen Akteuren wie BLACKROCK reicht das interne Wachstum der Agro-Riesen nicht mehr, deshalb treiben sie die Gesellschaften zu Fusionen.

Die oligopol-artigen Strukturen bringen einen riesigen Innovationsstau mit sich. Weitverbreitete gesundheitsschädliche Pestizide wie BAYERs Glufosinat oder MONSANTOs Glyphosat stammen bereits aus den 1970er Jahren. Neue Herbizide haben die Konzerne wegen der übersichtlichen Markt-Verhältnisse seit Urzeiten nicht mehr entwickelt, wie der Leverkusener Multi selbst einräumt. „Seit über 25 Jahren hat die weltweite Pflanzenschutz-Industrie kein wirtschaftlich bedeutendes Herbizid mit neuem Wirkmechanismus mehr für Flächenkulturen entwickelt und auf den Markt gebracht – unter anderem eine Folge der Konsolidierung der Industrie, die mit einer deutlichen Reduktion der Forschungsaufwendungen für neue Herbizide einherging“, so der BAYER-Forscher Dr. Hermann Stübler. Als Folge davon stellen sich immer mehr Wildpflanzen auf die Mittel ein, und die LandwirtInnen müssen immer mehr Agro-Chemikalien ausbringen, was verheerende Auswirkungen auf die Artenvielfalt hat.

Die Konzerne reagieren auf die Forschungsmisere, indem sie sich bei der Entwicklung von Genpflanzen gegenseitig Zugriff auf ihre Ackergifte gewähren. Auf diese Weise können sie ihre Labor-Früchte gleich gegen mehrere Agrochemikalien zugleich immunisieren, was den FarmerInnen mehr Flexiblität bei der Anwendung der Substanzen erlaubt, aber zugleich die Abhängigkeit der Agrarwirtschaft von den Konzernen erhöht.

Was die Skrupellosigkeit angeht, so verweist die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) darauf, dass BAYER 1954 bis 1967 mit MONSANTO das US-amerikanische Joint Venture MOBAY führte und dort in die Herstellung von Komponenten von AGENT ORANGE für den Vietnamkrieg verwickelt war.

[GenSoja] Hauptversammlung 2016

CBG Redaktion

Presse Info vom 8. April 2016

BAYER-Hauptversammlung am 29. April 2016

Coordination legt Gegenantrag zu GenSoja ein

Der BAYER-Konzern vermarktet eine Vielzahl gefährlicher Produkte. Der Vorstand trägt hierfür die Verantwortung, weswegen ihm die Entlastung zu verweigern ist.

Ein Beispiel hierfür ist die Vermarktung von Gen-Soja: BAYER betreibt in Südamerika intensives Marketing für Soja-Saatgut. Die lateinamerikanische Soja-Ernte wird zu großen Teilen nach Europa und Nordamerika exportiert und dort in der Massentierhaltung eingesetzt.

Besonders stark bewirbt BAYER die Produktlinie Credenz. Diese genmanipulierte Sorte ist gegen gleich zwei Herbizide resistent, Glyphosat und Glufosinat. BAYER verkauft das Saatgut und die zugehörigen Pestizide im „Kombipack“.

Beide Wirkstoffe sind jedoch stark gesundheitsgefährlich. So wird Glufosinat in der EU im kommenden Jahr wegen erbgutschädigender Wirkungen vom Markt genommen. Glyphosat wiederum wurde von der WHO im vergangenen Jahr als „wahrscheinlich krebserregend“ klassifiziert. Trotz solcher Gesundheitsgefahren wächst die Menge der in Südamerika eingesetzten Pestizide in hoher Geschwindigkeit. Besonders in den Soja-Anbauregionen nimmt die Zahl von Vergiftungen und Fehlbildungen dadurch stark zu.

Die riesigen Monokulturen bedrohen nicht nur die Regenwälder und die Biodiversität, sondern auch die Ernährungssicherheit: durch die massive Ausweitung des Soja-Anbaus werden immer mehr Kleinbauern verdrängt. Einheimische Kulturen verschwinden, was in vielen Regionen zu Lebensmittel-Knappheit führt. Traditionelles Saatgut, das an die lokalen Bedingungen angepasst ist, kommt kaum noch zum Einsatz.

Trotz der Gefahren für Umwelt und Gesundheit hat BAYER im vergangenen Jahr eine EU-Importgenehmigung für mehrere genmanipulierte Soja-Sorten beantragt. Das EU-Parlament hat sich gegen eine Zulassung ausgesprochen. Dennoch hält BAYER den Antrag aufrecht.

In den USA will BAYER ab 2017 Soja-Saatgut namens Balance Bean vermarkten, das gegen Glyphosat und Isoxaflutol resistent ist. In einem weiteren Schritt soll eine zusätzliche Glufosinat-Resistenz eingebaut werden.

Credenz und Balance Bean sind Musterbeispiele für den Irrweg der von BAYER propa-gierten Agrochemie. Der massive Einsatz von Herbiziden führt zur Entstehung resisten-ter „Super-Unkräuter“, die mit immer höheren Mengen immer giftigerer Pestizide be-kämpft werden müssen.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Gefährliche Herbizide wie Glyphosat und Glufosinat müssen verboten werden. Die Landwirtschaft muss auf agrarökologische Verfahren umgestellt werden; hierdurch kann die Ernährungssicherheit erhöht und der Einsatz fossiler Rohstoffe verringert werden.

Infos zu GenSoja: Kampagne der CBG

[Krebsmedikamente] STICHWORT BAYER 01/2016

CBG Redaktion

Große Einnahmen, kleiner Nutzen

Krebs-Industrie à la BAYER

BAYER ist ein wesentlicher Bestandteil der von Karl Lauterbach in seinem Buch kritisierten „Krebs-Industrie“. Der Leverkusener Multi nimmt Milliarden mit kaum hilfreichen Präparaten ein.

„Wir haben dieses Produkt nicht für den indischen Markt entwickelt, um ehrlich zu sein. Wir haben es für westliche Patienten entwickelt, die es sich leisten können“, mit dieser Äußerung über das Krebs-Medikament NEXAVAR sorgte BAYER-Chef Marijn Dekkers 2013 für einen handfesten Skandal. Die Aussage warf nämlich ein Schlaglicht auf die horrenden Preise der Onkologie-Präparate und die Ausschluss-Mechanismen, die das produziert.

Dekkers kam der Satz im Zuge einer Auseinandersetzung mit staatlichen Stellen Indiens über die Lippen. Diese hatten sich nämlich zwei Jahre zuvor erdreistet, auch den PatientInnen ihres Landes Zugang zu der Arznei zu verschaffen, für die der Leverkusener Multi damals 4.200 Euro pro Monat verlangte. Dazu erkannte das „Indian Patent Office“ dem Konzern das Patent an dem Mittel ab und erteilte dem Unternehmen NATCO PHARMA eine Zwangslizenz zur Herstellung eines Nachahmer-Produktes, sich dabei auf einen Ausnahme-Paragraphen des internationalen Patentabkommens TRIPS berufend. Der Leverkusener Multi zog sofort vor Gericht und ging durch alle Instanzen, musste sich schlussendlich aber geschlagen geben. Und auf diese Niederlage reagierte der Vorstandsvorsitzende dann mit seiner menschenverachtenden Einlassung.

Andere Staaten stellten sich der Preis-Politik des Global Players nicht entgegen, und so sprießen die NEXAVAR-Einnahmen. Allein in den ersten drei Quartalen 2015 machte das Unternehmen mit dem Präparat einen Umsatz von 661 Millionen Euro – 90 Millionen mehr als im Vorjahreszeitraum. Damit belegt es in der Liste mit BAYERs Pharma-Topsellern den fünften Rang. Und in der Aufstellung finden sich mit STIVARGA (236 Millionen Euro, Rang 12) und XOFIGO (188 Millionen Euro, Rang 13) noch weitere Krebs-Arzneien, die kräftig zulegten. Nicht von ungefähr hat der Leverkusener Multi dieses Geschäftsfeld deshalb zu einem Schwerpunkt seiner pharmazeutischen Produktion erkoren. Und nicht nur er: Wegen der glänzenden Profit-Aussichten drängen alle großen Hersteller auf den Onkologie-Markt.

Die Gesundheitssysteme stellt das vor eine immense Belastungsprobe. NEXAVAR & Co. haben zwar nur einen Anteil von etwa zwei Prozent an allen Verschreibungen, fressen aber rund ein Viertel des Pillen-Budgets der Krankenkassen. Wenn die Mittel dafür nun der Menschheitsplage Einhalt gebieten würden, hätte Big Pharma es leicht mit den KritikerInnen, aber das tun die Produkte nicht. „Die Krebs-Medikamente, die in der Zeit von 2002 bis 2014 zugelassen worden sind, haben trotz hoher Kosten die durchschnittliche Überlebenszeit der Patienten nur um 2,1 Monate verlängert und das Tumor-Wachstum im Durchschnitt nur um 2,5 Monate verzögert“, konstatiert Karl Lauterbach in „Die Krebs-Industrie“.

Die BAYER-Präparate machen da keine Ausnahme. NEVAVAR mit seinem Wirkstoff Sorafenib, das pro Packung mit 112 Tabletten rund 4.900 Euro kostet, verlängerte in der Klinischen Prüfung das Leben von Nierenkrebs-PatientInnen um 3,4 Monate; 2,8 Monate waren es für Leberzellkrebs-PatientInnen. Und selbst diese wenig erhebenden Zahlen sind noch mit Vorsicht zu genießen. Der Leverkusener Multi sortierte bei der Klinischen Studie nämlich PatientInnen mit fortgeschrittenen Krankheitssymptomen aus und nahm nur solche mit günstigeren Prognosen auf. Zudem brach er die Untersuchung vorzeitig ab. Sorafenib schlug dermaßen gut an, dass die WissenschaftlerInnen die Substanz der Placebo-Gruppe nicht länger vorenthalten wollten – so lautete die offizielle Begründung. Die „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“ sieht bei dieser in der ganzen Branche üblichen Praxis allerdings weniger die Barmherzigkeit am Werk als vielmehr die Absicht, sich einer profunden Sicherheitsanalyse der Medikamente und einer Bewertung ihres Kosten/Nutzen-Profils zu entziehen.
XOFIGO, das vermittels radioaktiver Alpha-Strahlen das Wachstum von Prostatatumor-Zellen hemmen soll, verhalf Männern, bei denen eine Hormon-Behandlung erfolglos geblieben ist und sich zudem noch Metastasen im Knochen gebildet haben, zu einem noch nicht einmal drei Monate längeren Leben. Und die Bilanz von STIVARGA (Wirkstoff: Regorafenib) fällt sogar noch schlechter aus. Die Substanz steigerte die Gesamtüberlebenszeit der ProbandInnen im Vergleich zu derjenigen von VersuchsteilnehmerInnen aus der Placebo-Gruppe gerade einmal um 1,4 Monate und schenkte ihnen bloß eine um 0,2 Monate längere Zeit ohne weiteres Tumor-Wachstum. Darum ist für die Arzneimittel-Kommission „der therapeutische Stellenwert von Regorafenib (...) derzeit nicht überzeugend belegt“.

Diese dürftige Leistungsbilanz hängt mit der Wirkungsweise der Substanz zusammen. Sie gehört wie NEXAVARs Sorafenib zur Gruppe der Multikinase-Inhibitoren und greift in den Stoffwechsel der Krebszelle ein, um deren Wachstum zu hemmen. Was sich erst einmal gut anhört und in Zeitungsschlagzeilen wie „Euphorie bei Krebsforschern: Abschalten von Enzym vernichtet Tumore“ noch besser, erweist sich in der medizinischen Praxis als verzwickter. Gerade bei fortgeschrittenen Tumor-Arten sehen sich die ÄrztInnen nämlich mit bis zu 150 verschiedenen mutierten Genen konfrontiert, und vor dieser schieren Masse müssen STIVARGA, NEXAVAR & Co. kapitulieren. Darüber hinaus verlieren die Inhaltsstoffe auch gegenüber denjenigen karzinogenen Zellen ihre Durchschlagskraft, in deren Organismus sie eigentlich einzugreifen vermögen, weil sich diese Gene als lernfähig erweisen und Resistenzen ausbilden.

Das alles hindert BAYER nicht daran, den Pharmazeutika immer neue Indikationsgebiete erschließen zu wollen. Selbst Misserfolge halten den Konzern nicht davon ab. So scheiterte NEXAVAR bereits als Therapeutikum bei Haut-, Brust-, Bauchspeicheldrüsen- und einer bestimmten Art von Leberkrebs. STIVARGA hingegen konnte sein Anwendungsspektrum in letzter Zeit bedeutend erweitern und ist jetzt nicht nur für die Behandlung von PatientInnen mit fortgeschrittenem Darmkrebs zugelassen, sondern darf auch bei Magenkrebs und anderen Verdauungstrakt-Tumoren zum Einsatz kommen. Darüber hinaus erprobt der Leverkusener Multi noch zahlreiche andere Onkologie-Präparate.

20 neue Arzneien gegen Krebs stehen nach Angaben des von BAYER mitgegründeten „Verbandes der Forschenden Arzneimittel-Hersteller“ kurz vor der Zulassung. Damit dürften sich die finanziellen Belastungen für die Krankenkassen noch einmal massiv erhöhen. Darum warnt nicht nur Karl Lauterbach vor einer Kosten-Lawine. In den USA protestieren schon PatientInnen-Verbände und ÄrztInnen gegen die Profit-Sucht von Big Pharma. 118 Krebs-ExpertInnen haben sich unlängst zusammengeschlossen und einen Maßnahmen-Katalog zur Reduzierung der Preise vorgelegt. „Es ist Zeit für die PatientInnen und ihre Ärzte, Veränderungen einzufordern“, so Dr. Ayalew Tefferi von der Mayo Clinic. Von Jan Pehrke

Lauterbach kritisiert BAYER & Co.

Die Krebs-Industrie

Mit seinem Buch „Die Krebsindustrie“ hat der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach einen interessanten und diskussionswürdigen Beitrag über die Risiken und Nebenwirkungen einer Krebs-Medizin geschrieben, die unter dem Einfluss von BAYER & Co. steht.

Zu Beginn seines Buch stellt Karl Lauterbach einige Fakten zu Grundprinzipien der Krebs-Entstehung und zur medikamentösen Krebs-Behandlung dar. Zusätzlich erklärt er sehr genau, wie die Pharma-Industrie besonders in diesem Bereich zu einer unglaublichen Kosten-Explosion im Gesundheitswesen beiträgt. In Kapitel 3 („Die Krebs-Industrie wächst“) werden fünf Vorwürfe gegenüber BAYER & Co. formuliert, die das Missverhältnis von hohen Medikamenten-Kosten bei oft geringem Nutzen und die Auswirkungen dieser Kostenlawine auf das gesamte Gesundheitssystem anprangern. Dann folgen die Vorstellungen des Gesundheitspolitikers, wie die Politik in diesem Bereich gegensteuern kann. Den Abschluss bildet dann eine Zusammenstellung von Risiko-Faktoren und Präventionsmöglichkeiten bei vier häufigen Krebserkrankungen (Lungen-, Darm-, Brust- und Prostata-Krebs). Prof. Lauterbach belegt seine Argumentation mit einer erfreulichen Fülle von Literatur-Zitaten und Verweisen. Die Ausstattung des Buches mit Abbildungen oder Diagrammen wirkt hingegen eher spartanisch.
Es ist ein Verdienst von Karl Lauterbach, das Augenmerk auf unsere älter werdende Gesellschaft mit der Konsequenz zunehmender Krebs-Fälle gelenkt zu haben. Auch legt er interessant dar, mit welchen Methoden es der Pharma-Industrie gelingt, in unserem Gesundheitssystem konsequent die Probleme von Krebskranken für ihre Gewinne auszunutzen („freie Marktwirtschaft“), auch wenn dabei jede soziale Dimension verlorengeht. Kompetente Fachleute weiß er zu diesem Sachverhalt als Beleg zu zitieren.
So gut die Bestandsaufnahme der Probleme durch den Mediziner gelungen ist, so schwer tut sich die Politik damit, Abhilfe zu schaffen. Das 2011 in Kraft getretene Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (AMNOG) führte zwar bei neuen Arzneien zu einer gewissen Begrenzung der Pharma-Profite durch die Kosten/Nutzen-Bewertung, aber leider hatten CDU und FDP der Pharma-Industrie dabei eine Karenz-Zeit von einem Jahr eingeräumt, in der BAYER & Co. die Medikamenten-Preise selbst festlegen können! So geschah es dann, dass die Kosten für die Behandlung von Hepatitis C in den Bereich derjenigen von Krebs-Therapien vorstießen mit der absehbaren Folge, dass dieses Modell alle verfügbaren finanziellen Mittel des Gesundheitsbereiches auffrisst. Damit bleibt der Gesellschaft dann auch weniger Geld für eine eigene Krebs-Forschung, die ganz andere Ergebnisse als diejenige der Pillen-Riesen hervorbringen und z. B. auf ganz andere Krebs-Ursachen stoßen könnte.
Anerkennenswert ist hier zwar der Versuch Lauterbachs, die Krebs-Ursachen und Krebs-Risikofaktoren zu beschreiben, was anderswo selten versucht wird. Dennoch erscheint die geringe Beachtung, die er dabei Umwelt-Einflüssen schenkt, unangemessen. Seine hypothetische Berechnung, auf solche Faktoren würde nur ein geringe Prozentsatz der Krankheitsfälle zurückgehen, geht an der Realität vorbei. Wenn man sich die Vielzahl von langlebigen krebserzeugen-den Substanzen vergegenwärtigt, denen der Mensch ausgesetzt ist, wird man eines Besseren belehrt. Bei dem in dem Buch selber angeführten Beispiel „Asbest“ hat Karl Lauterbach leider nicht erwähnt, dass uns der Höhepunkt von asbest-induziertem Krebs (Bauch- und Rippenfell-Krebs) in den Jahren 2017 – 20201 erst noch bevorsteht (laut Paracelsius-Medaillenträger Prof. Hans-Joachim Woitowitz2), obwohl Asbest in Deutschland schon seit 1993 verboten ist. Seit langem gibt es zudem starke epidemiologische Hinweise darauf, dass z. B. in Südamerika, wo Unkrautvernichtungsmittel wie Glyphosat in großen Mengen versprüht werden, vermehrt Krebsfälle aufgetreten sind.
Schließlich hat die angesehene internationale medizinische Gesellschaft der Hormon-SpezialistInnen (Endocrine Society) bereits 2009 und aktuell wieder in diesem Jahr ein Statement zur Bewertung der vielen hormonaktiven Substanzen in unserer Umwelt abgegeben mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass diese endokrinen Disruptoren (Dioxine, PCB, Bispenol A, hormonaktive Pestizide ...) schon in sehr geringen Konzentrationen Krebs auslösen können3,4 Diese Fakten machen deutlich, dass es durchaus im Interesse von BAYER und anderen Pillen-Riesen sein könnte, diese Krebs-Ursachen außer Acht zu lassen und ein potenzielles Geschäftsmodell so am Laufen zu halten. Mit dieser Einschränkung ist das neue Buch von Karl Lauterbach lesenswert und als guter Diskussionsbeitrag zu empfehlen. Von Dr. Gottfried Arnold

1 http:www.daserste.de/information/wirtschaft-boerse/plusminus/sendung/sr/14012015-plusminus-asbest-100.html
2 http:
www.aerzteblatt.de/archiv/140367/Hans-Joachim-Woitowitz-Anwalt-der-Patienten
3 Diamanti-Kandarakis E, Bourguignon JP, Giudice LC, et al. Endocrine-disrupting chemicals: an Endocrine Societyscientific statement. Endocr Rev. 2009;30:293–342.
4 Gore AC, Chappell VA, Fenton SE, et al. EDC-2: The Endocrine Society’s second scientific statement on endocrine- disrupting chemicals. Endocr Rev. In press. (9-2015)

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[Bienensterben] STICHWORT BAYER 01/2016

CBG Redaktion

Interview zu BAYERs bienengefährlichen Pestiziden

„Teil-Verbote reichen nicht“

Ende September 2015 haben Harald Ebner und weitere Bundestagsabgeordnete von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine Kleine Anfrage zu den bienengefährlichen Pestiziden von BAYER & Co. an die Bundesregierung gestellt. Die PolitikerInnen wollten unter anderem wissen, welche Konsequenzen die Große Koalition aus der immer erdrückender werdenden Beweislast zum Gefährdungspotenzial der Substanzen zieht, wie Merkel & Co. den Nutzen der Wirkstoffe bewerten und ob sie über eine Reduktionsstrategie verfügen. Mit Harald Ebner sprach Stichwort BAYER über die Antworten.

Im Oktober 2013 hat die EU Fipronil und drei Pestizid-Wirkstoffe aus der Gruppe der Neonicotinoide, darunter die hauptsächlich in Saatgut-Beizen zum Einsatz kommenden BAYER-Produkte Clothianidin und Imidacloprid, wegen ihrer Bienengefährlichkeit mit einem vorläufigen Teil-Verbot belegt. Trotzdem geht nach Angaben der Bundesregierung der Neonicotinoid-Absatz in Deutschland nicht zurück. Wie erklären Sie sich das?

Harald Ebner: Dafür gibt es zwei Erklärungsmöglichkeiten: Erstens, dass die teil-verbotenen Wirkstoffe durch die nicht-teilverbotenen Wirkstoffe ersetzt wurden. Mit Acetamiprid und Thiacloprid sind ja nach wie vor Neonicotinoide ohne entsprechende Anwendungsbeschränkungen auf dem Markt. Es ist wahrscheinlich, dass hier eine Substituierung stattgefunden hat. Zweitens, dass der Einsatz der teilverbotenen Wirkstoffe dort erhöht wurde, wo keine Beschränkungen bestehen, z. B. bei Zuckerrüben, Kartoffeln, Gemüse-Saaten und Gewächshaus-Kulturen. Und nach der Blüte dürfen sogar bienen-attraktive Kulturen behandelt werden. In Frankreich hat das Teilverbot nach Aussage der Bundesregierung auch nicht zu wesentlichen Mengen-Reduzierungen geführt. Das heißt also: Die Teilverbote reichen nicht aus, da gibt es zu viele Ausweichmöglichkeiten1.

Die Bundesregierung verweist in ihrer Antwort auf die Anfrage der Grünen auf eine Studie des Julius-Kühn-Instituts, die „keine signifikanten Effekte“ von Clothianidin auf Bienen festgestellt habe. Was sagen Sie zu dieser Untersuchung?

Es gibt dazu noch keinen Endbericht und keine veröffentlichte Studie, so dass wir die Methodik nicht überprüfen können. Bei solchen Studien besteht die große Gefahr, dass – je nach Versuchsanordnung – Faktoren mit hineinspielen, die das Ergebnis verfälschen. Wenn etwa die Felder mit und ohne Saatgut-Beizung zu nahe beieinanderliegen, kommt es wegen des großen Flug-Radius der Bienen zu Überschneidungen, und dann verschwimmen die Ergebnisse. Außerdem kommt es auch darauf an, welche Pestizide auf den Feldern ohne Saatgut-Beizung eingesetzt werden. Da gibt es zum Beispiel eine Studie von SYNGENTA zu den Auswirkungen der Thiamethoxam-Beizung. Kritische Wissenschaftler haben nun nachgewiesen, dass die gesetzten Rahmenbedingungen in dieser Feldstudie komplett realitätsfern waren. Die Syngenta-Wissenschaftler haben den Wirkstoff in Reinform und in niedrigerer Dosierung, als in der Praxis üblich, eingesetzt, die unterschiedlich behandelten Bienenvölker in nur zwei Kilometer Entfernung voneinander positioniert und die Behandlungsdauer extrem eingeschränkt – aus solchen Studien können Sie dann kaum etwas rausholen außer falschen Ergebnissen.

Glauben Sie, dass die Studie des Julius-Kühn-Instituts (JKI) Einfluss haben wird auf die Entscheidung über ein endgültiges Verbot der Neonicotinoide, die Ende des Jahres ansteht?

Die Beweislast zu den Gefahren der Neonikotinoide ist seit dem Inkrafttreten des Teil-Verbotes eher größer als kleiner geworden, daran ändert auch die Studie des Julius-Kühn-Instituts, deren Methodik noch überprüft werden muss, nichts. Amerikanische und britische Forscher haben einen Zusammenhang zwischen dem Einsatz von Imidacloprid beim Raps-Anbau und Bienenvölker-Verlusten nachgewiesen. Es gibt auch immer mehr Erkenntnisse über die Gefährdung von Wildbienen: Eine schwedische Feldstudie hat zum Beispiel negative Effekte auf die Fortpflanzungsfähigkeit von Hummeln und Mauerbienen aufgezeigt – also gerade das Gegenteil von dem, was das JKI festgestellt hat. Und die Bundesregierung räumt ja selber ein, dass es im Hinblick auf die Wildbienen Reformbedarf bei der Risiko-Bewertung gibt und auch konkrete Hinweise auf Gefährdungen von Gewässer-Organismen durch Imidacloprid vorliegen. Darüber hinaus gibt es auch hochrangige Wissenschaftsinstitutionen wie z. B. die EASAC (das von den Wissenschaftsakademien der EU-Staaten gebildete BeraterInnen-Gremium, Anm. SWB) oder die „Task Force on Systemic Pesticides“, die eindeutig sind bei ihrer kritischen Beurteilung der Neonicotinoide. Ich kann mir kaum vorstellen, dass die Europäische Behörde für Lebensmittel-Sicherheit diesen eindeutigen Erkenntnisstand ignorieren kann. Aber die EFSA hat auf der anderen Seite bei Glyphosat auch völlig kritiklos den Bericht des „Bundesinstituts für Risiko-Bewertung“ übernommen. Passieren kann also alles.

Sie haben noch keine Hinweise darauf, wie die Entscheidung wohl ausfallen wird?

Nein, aber wir wissen natürlich, dass die Lobby hinter den Kulissen extrem aktiv ist. Und außerdem läuft ja die Klage der Chemiekonzerne gegen die Teilverbote vor dem Europäischen Gerichtshof. Das heißt, da ist jetzt auch öffentlicher Druck gefordert, dass nicht wider besseren Wissens die Teilverbote aufgehoben werden.

BAYER mischt ja auch kräftig mit und hat z. B. dem Runden Tisch „Imker, Landwirtschaft, Industrie“ eine Entlastungsstudie zu dem Saatgut-Beizmittel ELADO mit dem Wirkstoff Clothianidin präsentiert. Ist das eigentlich üblich, dass die Konzerne vor diesem Gremium ihre eigenen Untersuchungen präsentieren dürfen?

Der Runde Tisch – das ist sowieso eine seltsame Konstruktion. Dort nimmt die Industrie eine starke Stellung ein. Und natürlich versorgt der BAYER-Konzern diesen Runden Tisch mit ihm genehmen Studien oder Informationen. Wir erleben das ja auch beim „Deutschen Bienen-Monitoring“. Wenn BAYER da mit drin ist, dann bestimmen die natürlich wesentlich mit, wohin die Reise geht. Ich würde sagen, üblich darf das eigentlich nicht sein, aber es war zumindest bis 2011 – also zu Zeiten des CSU-geführten Agrar-Ministeriums – absolut üblich. Problembewusstsein ist da Fehlanzeige.

Kennen Sie die BAYER-Studie?

Nein, wir kennen sie nicht, weil sie nicht veröffentlicht ist. Wir haben nur Hinweise aus Imker-Kreisen, dass es da offenbar auch das Ergebnis gab – und das finde ich jetzt spannend –, dass der Einsatz von gebeiztem Saatgut für die Bestäuber keine ökologischen Vorteile gegenüber einem Anbau ohne Beizung hat. Es wurde ja immer behauptet und auch von der Bundesregierung so vertreten, dass diese prophylaktische Saatgutbehandlung ökologische Vorteile biete gegenüber einer Mittel-Anwendung im Bestand, weil diese in die Blütenbestände eingreift und so viel mehr Insekten treffen würde. Das zeigt aber ein mangelhaftes Verständnis von systemischen Wirkstoffen, denn auch die gelangen ja in die Blüte. Diese prophylaktische Gift-Behandlung verstößt zudem gegen den Grundsatz des integrierten Pflanzenschutzes, der besagt: „Pestizide nur als letztes Mittel und abhängig von Schad-Schwellen einsetzen“. Ich glaube daher nicht, dass BAYER ein Interesse hat, diese Studie zu veröffentlichen. Auch die Bundesregierung weicht an dieser Stelle aus, obwohl Mitarbeiter des Bundeslandwirtschaftsministeriums beim Runden Tisch dabei waren. Wir brauchen auch hier öffentlichen Druck damit BAYER diese Studie öffentlich macht.

Das Neonicotinoid Thiacloprid ist nicht vom Teil-Verbot betroffen, obwohl auch da Belege für eine Gefährdung von Bienen durch die Substanz existieren. Aber die Bundesregierung sieht keinen Handlungsbedarf. Wie beurteilen Sie diese Position?

Die FU Berlin und das Hessische Bienen-Institut haben hier deutliche Hinweise auf Risiken herausgearbeitet. Es passt leider total ins System, dass die Bundesregierung und Bundesbehörden diesen renommierten Wissenschaftlern nun Berechnungsfehler vorwerfen. Ich kenne dieses Vorgehen von dem Fall „Glyphosat“, wo sie zahlreiche Studien, deren Ergebnisse ihnen nicht in den Kram passten, aussortiert und gesagt haben: „Die sind alle wissenschaftlich mangelhaft.“ Aber wehe, man kritisiert das BfR (Bundesinstitut für Risiko-Bewertung, Anm. SWB), dass es selber wissenschaftlich mangelhaft vorgehe. Das BfR ist in den Augen der Bundesregierung absolut sakrosankt.

Auch auf Studien, die die Bienengefährlichkeit von Glyphosat nahelegen, erfolgt keine politische Reaktion von Seiten der Bundesregierung ...

Nein, das interessiert die Bundesregierung überhaupt nicht, sie sagt nur, es bestehe kein Handlungsbedarf. Und das angesichts der Tatsache, dass es der meistverwendete Herbizid-Wirkstoff in Deutschland ist. Da wird es wirklich kritisch! Besorgniserregend ist auch, dass im aktuellen Glyphosat-Zulassungsverfahren keine Risikobewertung für Wildbienen bzw. Hummeln stattgefunden hat, obwohl sie aufgrund viel kleinerer Völker noch stärker durch Pestizide gefährdet sind als Honigbienen. Diese höhere Empfindlichkeit von Wildbienen und die Notwendigkeit einer neuen Risikobewertung dazu hat die Bundesregierung schon bei unserer letzten Kleinen Anfrage (September 2014) eingeräumt. Es ist ein Skandal, dass das „Bundesinstitut für Risikobewertung“ trotz dieser Fakten eine Zulassungsverlängerung empfohlen hat!

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA hat unlängst eine Leitlinie erarbeitet, die vorsieht, bei Pestizid-Zulassungen das Augenmerk verstärkt auch auf den Bienenschutz zu richten. Die Bundesregierung hat aber nicht für deren Annahme gestimmt, sondern sich enthalten. Wie bewerten Sie das?

Das passt zu allem anderen. Die Bundesregierung folgt auch hier den Einflüsterungen der Agro-Chemie. Es gibt da auch sehr gute Kontakte zu BAYER und zu BASF. Deren Berliner Vertreter gehen im Regierungsviertel ein und aus. Sowohl BAYER als auch BASF haben je sechs Vertreter mit Hausausweisen für den Bundestag, wie jetzt durch eine Klage offengelegt werden musste. Der Industrieverband Agrar hat ebenfalls beste Kontakte. Ich finde es natürlich skandalös, dass die Bundesregierung im Zweifel lieber zur Agro-Industrie hält statt zu den Menschen und zur Umwelt. Sie sehen das auch in anderen Bereichen: Deutschland hat sich auch bei der EU-Zulassung von einem weiteren bienengefährlichen Wirkstoff, Sulfoxaflor (von DOW CHEMICAL, Anm. SWB), enthalten. Dabei hat die EFSA selber Sicherheitsbedenken geltend gemacht, und in den USA wurde die Zulassung sogar wieder aufgehoben. Wenn’s drauf ankommt, werden Imker und Bienen von dieser Bundesregierung leider im Stich gelassen. Da hilft auch die PR mit einer Bienen-App nichts.

Ich wollte Sie gerade nach ihrer allgemeinen Einschätzung der Pestizid-Politik der Bundesregierung fragen, aber das erübrigt sich jetzt fast.

Die Bundesregierung räumt zwar Risiken ein, zieht aber keine Konsequenzen daraus. Es gibt keine konkreten Maßnahmen, um die Anwendungen der Neonicotinoide zu verringern. Schmidt (der amtierende CSU-Landwirtschaftsminister, Anm. SWB) will sich nicht einmal zum Bestand der Teil-Verbote bekennen. Auch die irreversible Wirkung der Neonikotinoide will das Landwirtschaftsministerium nicht wahrhaben, die EFSA nimmt dieses Problem ernster als die Bundesregierung. Auch bei der Erforschung von Alternativen wird von Deutschland kaum etwas getan. Ein eigenständiges Wildbienen-Monitoring gibt es jetzt doch nicht, obwohl es einmal angekündigt war – es bleibt beim „Deutschen Bienen-Monitoring“. Spezielle Programme zur Substituierung der Neonikotinoide gibt es auch nicht mehr, stattdessen nur allgemeine Modell-Vorhaben zur Pestizid-Reduktion. Und bei der Ökolandbau-Forschung steht im Haushalt mal wieder eine Nullrunde an. Mein Fazit ist: Die Bundesregierung agiert gegen die Interessen von Umwelt, Verbrauchern und auch von Landwirten. Was ist denn, wenn jetzt aufgrund der wissenschaftlichen Fakten das Teil-Verbot in ein endgültiges umgewandelt und weiter ausgeweitet werden muss? Dann stehen die Landwirte mit leeren Händen da, weil die Bundesregierung nichts dafür getan hat, dass die Landwirtschaft ökologisch unproblematische Alternativen zur Verfügung hat.

Anmerkung:
Nach dem Interview bat das SWB das „Bundesministerium für Landwirtschaft“ um eine Erklärung für den ausgebliebenen Effekt des Teil-Verbotes. Das BMEL antwortete: „Die Absatzmengen von Neonicotinoid-Wirkstoffen umfassen die in Deutschland abgegebene Menge aller Neonicotinoid-Wirkstoffe und damit mehr Wirkstoffe, als die auf EU-Ebene Verordnung (EU) Nr. 485/2013 verbotenen Wirkstoffe Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam. In Deutschland sind zwar die Anwendungen als Saatgut-Behandlungsmittel bei bienen-attraktiven Kulturen und die Anwendungen im nicht-beruflichen Anwender-Bereich verboten und die Zulassungen entsprechend eingeschränkt, diese Anwendungsbereiche fallen mengenmäßig jedoch weit weniger ins Gewicht als z. B. Wirkstoffe in Spritz-Anwendungen.“

[Ticker] STICHWORT BAYER 01/2016 – TICKER

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CBG-Jahrestagung 2015
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) widmete ihre diesjährige Jahrestagung dem Thema „Die Plastik-Flut – ein Öko-Desaster made by BAYER & Co.“ Der Meeres-Chemiker Prof. Dr. Gerd Liebezeit zeichnete in seinem Eingangsvortrag ein verheerendes Bild von der Lage. Millionen Tonnen Plastik-Müll verunreinigen die Ozeane. Ein großer Teil der Fische und Seevögel hat Spuren von Plaste & Elaste im Körper, und an den Küsten schwemmen Kadaver von Tieren an, die einen vollen Magen hatten und trotzdem verhungert sind, weil sie nur Fischernetze, PET-Flaschen und andere Plastik-Teile als „Nahrung“ zu sich genommen hatten. Liebezeit kritisierte deshalb die Bundesregierung, die im Gegensatz zu „Entwicklungsländern“ wie Bangladesh oder Ruanda nicht einmal willens war, durch ein Verbot von Plastiktüten zu einer Reduktion der Kunststoff-Produktion beizutragen. Marijana Toben vom BUND FÜR UMWELT UND NATURSCHUTZ gab dagegen ein wenig Hoffnung. Sie stellte die erfolgreiche BUND-Kampagne gegen Mikroplastik in Kosmetika und Körperpflege-Produkten vor, die für viele der gesundheitsschädlichen Winzlinge das Ende bedeutete. Toben warnte jedoch davor, den Bekenntnissen der Industrie blindlings zu vertrauen – es gelte, ihren Umstieg auf unbedenklichere Alternativen ganz genau zu beobachten. CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes ging das Problem in bewährter Coordinationsmanier grundsätzlich an. Er begann mit der energie-intensiven Kunststoff-Herstellung, widmete sich hiernach mit Bisphenol A einem besonders gefährlichen Stoff, kritisierte dann BAYERs Nachhaltigkeitsstrategie als reine PR-Maßnahme und skizzierte abschließend Grundzüge einer Chemie-Wende. Durch die lebhaften, fachkundigen und nicht selten von persönlichem Engagement auf dem Gebiet geprägten Diskussionsbeiträge trugen die BesucherInnen das Ihrige zum Gelingen der Veranstaltung bei, so dass am frühen Abend alle angeregt und zufrieden die Heimreise antreten konnten.

Viele CBG-Vorträge
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) erhält immer wieder Anfragen zu Vorträgen, denen sie auch gerne nachkommt. So berichtete CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes bei der „Linken Medien-Akademie“ in Berlin über die vielfältigen Lobby-Aktivitäten BAYERs. Am Konzern-Stammsitz Leverkusen versorgte er die TeilnehmerInnen des „Klima-Pilgerwegs“ mit Informationen über den immensen Kohlendioxid-Ausstoß des Global Players. Bei der „Offenen Akademie“ in Gelsenkirchen referierte Mimkes über die Auseinandersetzungen um die Offenlegung des Kooperationsvertrages, den der Leverkusener Multi mit der Universität Köln vereinbart hatte. Und in Bremen ging der CBGler auf Einladung der „Volkshochschule Delmenhorst“ und des „Labors für Chemische und Mikrobiologische Analytik“ über die Marathon-Distanz und legte in zweieinviertel Stunden die Geschichte der deutschen Chemie-Industrie dar.

„Stoppt die alte CO-Pipeline!“
Nicht nur die zwischen den BAYER-Werken Dormagen und Krefeld verlegte Kohlenmonoxid-Pipeline wirft Sicherheitsfragen auf. Auch die in den 1960er Jahren zwischen Dormagen und Leverkusen gebaute Verbindung weist gravierende Mängel auf. Das offenbarte sich der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, nachdem sie bei der Bezirksregierung Köln Einsicht in die entsprechenden Unterlagen genommen hatte. Besonders an dem Rhein-Düker, mittels dessen die Pipeline den Fluss unterquert, zeigen sich Korrosionsschäden, also Abnutzungserscheinungen an den Bau-Bestandteilen. Die CBG veröffentlichte den Befund, und kurz danach kündigte BAYER einen Düker-Neubau an. Dieses Vorhaben beseitigt die Gefahr jedoch nicht, die von dem Transport gefährlichen Giftgases quer durch Nordrhein-Westfalen ausgeht. Darum lehnt die Coordination es ab und hat auch bereits eine Einwendung gegen das Projekt formuliert. Der Leverkusener Multi aber will es unbedingt durchdrücken. Er hat aus dem PR-Desaster bei seiner anderen Pipeline-Baustelle gelernt und versucht nun, durch Dialog-Formate Akzeptanz für die Düker-Arbeiten zu schaffen. Aus diesem Grund beauftragte er die Agentur JOHANSSEN + KRETSCHMER mit der Ausrichtung einer Informationsveranstaltung. Sie fand am 10. November in der Bürgerhalle Leverkusen-Wiesdorf statt. Die COORDINATION ließ sich an dem Tag aber nicht einbinden. Sie hielt vor dem Eingang eine Kundgebung ab, auf der sie die Stilllegung der Alt-Pipeline forderte. „Für ergebnis-offene Diskussionen stehen wir gerne zur Verfügung, nicht aber für Alibi-Veranstaltungen zur Akzeptanz-Förderung“, erklärte die CBG. Allzu viele andere standen dafür auch sonst nicht zur Verfügung. Nur rund 15 BürgerInnen fanden sich im Saal ein.

MedizinerInnen gegen alte CO-Leitung
Auch ÄrztInnen wenden sich gegen die alte, zwischen Dormagen und Leverkusen verlaufende Kohlenmonoxid-Pipeline, der momentan eine Teil-Renovierung bevorsteht (s. o.). Da bei einem möglichen Gas-Austritt wegen der akuten Toxizität des Gases kaum Ansatzpunkte für ärztliche Notfall-Maßnahmen bestehen, forderten 94 MedizinerInnen eine sofortige Stilllegung der Leitung. „Wir sind nicht länger gewillt, dieses Hochrisiko-Projekt außerhalb des Werksgeländes von BAYER hinzunehmen, nur damit das Unternehmen eine unverantwortlich große Menge an CO vorhalten kann. Daher verlangen wir, die CO-Pipeline von Dormagen nach Leverkusen schnellstens zu stoppen“, erklärte Dr. Gottfried Arnold für die Gruppe.

Ein Musical gegen die CO-Pipeline
BAYERs umstrittene Kohlenmonoxid-Pipeline schaffte es jetzt sogar auf die Theater-Bühne. Am 23. Oktober 2015 hatte „Rheinheim – das Katastrophen-Musical“ Premiere. Kinder und Jugendliche aus Monheim und Langenfeld führten das Stück auf; für die Co-Produktion taten sich Monheimer Schulen und Kindergärten, die Musikschulen Monheim und Langenfelds sowie das Hitdorfer Matchbox-Theater zusammen. Und das Stück um die böse Frau Dr. Blöker von der Reichol AG, den in die Jahre gekommenen Action-Helden Briece Wullis, einen zerstreuten Professor, Werkschutz-AgentInnen und vier junge ReporterInnen mit Spürsinn für Industrie-Skandale kann sogar mit einem Happy End aufwarten. Im echten Leben ist hingegen das dicke Ende für die Giftgas-Leitung leider noch nicht gekommen.

Offener Brief an National Geographic
Der Leverkusener Multi gehört mit seiner unökologischen Produktionsweise und Hervorbringungen wie gefährlichen Industrie-Chemikalien und Pestiziden zu den großen Umweltsündern. Um das zu kaschieren, betreibt er Greenwashing, indem er mit dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen und Umwelt-Organisationen Kooperationen eingeht. Mit der „National Geographic Society“, die unter anderem die Zeitschrift National Geographic herausgibt, arbeitet das Unternehmen nun schon zum zweiten Mal zusammen. Im Oktober 2015 ließ die Gesellschaft sich für die ganz auf den agro-industriellen Komplex setzende Landwirtschaftssparte des Konzerns einspannen. Gemeinsam mit BAYER CROPSCIENCE präsentierte sie das Online-Spiel „Top Crop“, das sich angeblich den „komplexen Problemen beim Anbau von Nahrungsmitteln für eine wachsende Weltbevölkerung“ widmet. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN kritisierte die Partnerschaft in einem Offenen Brief an die „National Geographic Society“ scharf. „BAYER ist der zweitgrößte Hersteller von Pestiziden und einer der zentralen Anbieter von gentechnisch verändertem Saatgut. Die von BAYER propagierte Landwirtschaft, die auf einem intensiven Einsatz von Agro-Chemikalien und Dünger basiert, schädigt Böden und Biodiversität irreversibel und gefährdet dadurch die Ernährungssicherheit. National Geographic sollte sich nicht dafür hergeben, Geld aus der Portokasse von BAYER anzunehmen und dadurch zum ‚Greenwashing’ des Konzerns beizutragen“, hieß es darin etwa.

Virtueller MIRENA-Flashmob
BAYERs Hormon-Spirale MIRENA hat Nebenwirkungen wie nächtliche Schweißausbrüche, Herzrasen, Unruhe, Schlaflosigkeit, permanente Bauchkrämpfe und Oberbauchschmerzen. Allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA erhielt bereits 45.000 Meldungen über unerwünschte MIRENA-Effekte. Darum setzen sich immer mehr Frauen zur Wehr. Sie verklagen den Leverkusener Multi – in den USA gibt es bereits über 2.000 Prozesse – und führen Aktionen durch. So kam eine bundesdeutsche Gruppe zu einem virtuellen Flashmob auf BAYERs Facebook-Seite zusammen und forderte dort unter anderem aussagekräftigere Beipackzettel und einen Widerruf der Aussage, MIRENA würde nur lokal wirken.

Neues von der Duisberg-Kampagne
Am 29. September 2011 jährte sich der Geburtstag des langjährigen BAYER-Generaldirektors Carl Duisberg zum 150. Mal. Um die medialen Ständchen für den Mann zu konterkarieren, der im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas und die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen war und später einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörderkonzerns IG FARBEN hatte, rief die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Kampagne ins Leben. Sie mahnte anlässlich des Jahrestags die Umbenennung von Straßen, Schulen und anderen Einrichtungen an, die Duisbergs Namen tragen. Viele Menschen ließen sich davon anregen und trugen die Forderung in die zuständigen Kommunal-Vertretungen. In Dortmund und Lüdenscheid hatte das schon Erfolg (siehe auch SWB 1/15). Andere Orte wie z. B. Frankfurt und Marl haben noch keine Entscheidung gefällt. Der Bürgermeister des BAYER-Standortes Dormagen beauftragte das Stadtarchiv mit einer Prüfung. Diese fiel nicht eben zu Gunsten Duisbergs aus. CDU, FDP und die Zentrumspartei wollten jedoch trotzdem keine Initiative ergreifen, die SPD blieb gespalten. Darum schlug der Bürgermeister vor, die AnwohnerInnen selbst über die Sache entscheiden zu lassen. Und da diese sich hauptsächlich von praktischen Erwägungen leiten lassen dürften, wird es wohl keine Adress-Änderungen in Dormagen geben. Bonn und Waldshut-Tiengen haben sich ebenfalls gegen einen neuen Namen entschieden. Auch die Universität Marburg hielt an Duisberg fest und ließ ihm seine Ehrendoktor-Würde. In Bergisch-Gladbach hingegen stand die Straßen-Bezeichnung zwar nicht zur Debatte, die Stadt hat aber ein Straßennamen-Buch herausgegeben, das auch einen kritischen Artikel zu Duisberg enthält.

UN-Kritik an BAYER
Bei seinem Deutschland-Besuch im Herbst 2015 beanstandete der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Buskat Tuncak, die von den Chemie-Konzernen betriebene Politik der doppelten Standards. „Gefährliche Pestizide, die in der EU zur Verwendung verboten sind, werden von einigen deutschen Unternehmen immer noch in Länder exportiert, die nicht über ein angemessenes System zur Kontrolle dieser Pestizide verfügen“, so Tuncak. Ganz konkret kritisierte er dabei auch den Leverkusener Multi. „BAYER hat zugegeben, dass noch hochgefährliche Pestizide hergestellt werden, hat aber auch eingeräumt, dass daran gearbeitet wird, nach und nach aus den Produkten auszusteigen. Mich befriedigt allerdings nicht, dass es keinen konkreten Zeitplan dafür gibt“, sagte der Sonderberichtserstatter. Das PESTIZID-AKTIONS-NETZWERK (PAN) machte bei seiner letzten Inventur im Jahr 2012 64 hochgefährliche Ackergifte in den Beständen des Konzerns aus. 15 davon verkauft er nur in Afrika, Asien und Lateinamerika; elf Substanzen dieser Gruppe wie etwa Fipronil, Mancozeb und Diuron sind hierzulande gar nicht (mehr) zugelassen (SWB 3/12).

ESSURE-Protest in den USA

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ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, zieht immer mehr Kritik auf sich. Die kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich die Eileiter verschließen, kann nämlich beträchtliche Gesundheitsschädigungen hervorrufen. Allzu oft bleibt die Spirale nicht an ihrem vorgesehenen Ort, wandert vielmehr im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Nebenwirkungen. Aktionsgruppen in den USA riefen deshalb den 15. Juli 2015 zum landesweiten Protesttag aus. Mit Parolen wie „Don’t be sure with ESSURE“ oder „BAYER stole my uterus – people before profits“ gaben Frauen auf den Straßen ihren Unmut über das Medizin-Produkt Ausdruck.

ESSURE-Protest in den USA

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Die unerwünschten Arznei-Effekt von BAYERs Sterilisationsspirale ESSURE (s. o.) bewogen den republikanischen Politiker Mike Fitzpatrick, einen Verbotsantrag in den Kongress einzubringen, den „E-Free Act“. „Die durch ESSURE verursachten Schäden sind gut dokumentiert und reichen weit. Trotz all dieser Fakten bleibt das Medizinprodukt auf dem Markt, mit einem Zulassungsstempel der FDA (US-Gesundheitsbehörde, Anm. Ticker) versehen. Das ist unakzeptabel für mich und die Zehntausenden von ‚ESSURE Sisters’, die mit den Nebenwirkungen leben müssen“, sagte Fitzpatrick zur Begründung. Ursprünglich versicherte ihm mit Rosa DeLauro sogar eine Demokratin ihren Beistand, ein ungewöhnlicher Akt angesichts der aktuellen Grabenkämpfe zwischen den beiden Parteien. Die Abgeordnete aus Connecticut zog ihre Unterstützung jedoch wieder zurück, weshalb der „E-Free Act“ kaum Chancen hat, Gesetzeskraft zu erlangen.

Transparenz für Stiftungsprofessuren?
Der Leverkusener Multi unterhält diverse Stiftungsprofessuren. In Niedersachsen muss der Konzern über die genauen Modalitäten bei der Einrichtung der Lehrstühle künftig vielleicht etwas genauer Auskunft geben. Das Bundesland bereitet nämlich ein Informationsfreiheitsgesetz vor, das Transparenz-Regelungen für die entsprechenden Vereinbarungen vorsieht. So kann die Öffentlichkeit dann etwa erfahren, wie viele Wörtchen die Konzerne bei der Berufung der Hochschul-LehrerInnen mitzureden haben. Den Landtag passiert hat das Paragrafen-Werk allerdings noch nicht.

Transparenz bei Beobachtungsstudien
Erkenntnisse werfen die Beobachtungsstudien zu Arzneien, die MedizinerInnen mit ihren PatientInnen durchführen, kaum ab. Das ist auch gar nicht Sinn der Übung. Die Anwendungsuntersuchungen – wie sie BAYER etwa zu seinem Multiple-Sklerose-Präparat BETAFERON in Auftrag gegeben hat – verfolgen nur den Zweck, die Kranken auf das getestete Präparat umzustellen. Und dafür zahlen die Pharma-Riesen den ÄrztInnen viel Geld. „Fangprämien“ nannte ein ehemaliger Vorsitzender der „Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein“ diese Zuwendungen einst. Genauere Informationen zu den Anwendungsbeobachtungen (AWB) müssen die Unternehmen den Krankenkassen, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem „Bundesinstitut für Arzneien und Medizinprodukte“ (BfArM) übermitteln. Die Deutschland-Sektion von TRANSPARENCY INTERNATIONAL wollte sich diese Unterlagen einmal genauer ansehen und stellte einen Antrag auf Einsichtnahme. Von den drei angesprochenen Institutionen stellte sich nur das BfArM quer. Erst nach zwei Klage-Verfahren gelang es Transparency, Zugang zu den Dokumenten zu erhalten. Der Grund für das Blockade-Verhalten erschloss sich gleich nach Lektüre der Akten. Das BfArM war nämlich seinem gesetzlichen Auftrag, die Anwendungsbeobachtungen zu beobachten, mitnichten nachgekommen. Die Einrichtung versah das Material meistens nur mit einer Posteingangsnummer und heftete es ab. Unstimmigkeiten, die Transparency gleich ins Auge stachen wie etwa unvollständige Meldungen, fehlende Beobachtungspläne und fehlende Angaben zu den Honoraren, bemerkte das Bundesinstitut folglich nicht. Auch verglich es die erhaltenen Angaben nicht mit denen, die BAYER & Co. gegenüber den Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gemacht hatten, so dass die stark differierenden Auskünfte über die Anzahl der AWB nicht weiter auffielen. „Es erfolgte offensichtlich seitens der Institutionen kein Abgleich untereinander, auch gegenüber den Meldenden wurden kaum Beanstandungen erhoben. Ebenso wenig interessierte man sich für den Verlauf oder die Ergebnisse der AWB, vor allem hinsichtlich der Arzneimittel-Sicherheit“, kritisiert TRANSPARENCY INTERNATIONAL. Das Resümee der Organisation lautet deshalb: „Der wissenschaftliche Nutzen von AWB für die Allgemeinheit ist also gleich Null.“ Der Nutzen für die MedizinerInnen ist hingegen hoch. Die 126.764 von 2008 bis 2010 an den Beobachtungsuntersuchungen beteiligten ÄrztInnen erhielten für ihre Arbeit mit den über eine Million PatientInnen im Durchschnitt 19.000 Euro. Zehnmal stellte dabei der Leverkusener Multi den Scheck für „Studien“ mit insgesamt 6.500 Menschen aus. Als Konsequenz aus dem Studium der Unterlagen fordert Transparency nun strengere Auflagen für die Anwendungsuntersuchungen.

Protest gegen SIVANTO
BAYER preist das Pestizid SIVANTO mit dem Inhaltsstoff Flupyradifuron als Alternative zu den bienengefährlichen Substanzen GAUCHO und PONCHO an. SIVANTO zählt zwar nicht wie GAUCHO (Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin) zu den Neonicotinoiden, sondern zu den Butenoliden, aber es wirkt wie die beiden Agro-Gifte systemisch und blockiert ebenso wie diese die Reiz-Weiterleitung an den Nervenbahnen. Deshalb bestehen massive Zweifel daran, ob der Stoff wirklich so „bienenfreundlich“ ist, wie der Leverkusener Multi behauptet. So hält Michele Colopy von der Organisation POLLINATOR STEWARDSHIP COUNCIL fest: „Die Forschungsergebnisse weisen vielleicht auf keine akute toxische Wirkung bei der ersten Anwendung hin, aber Zweit- und Drittanwendung zeigen eindeutige Effekte auf die Bienensterblichkeit, das Verhalten, die Brut-Entwicklung sowie Pollen und Nektar.“ Trotzdem erteilten die US-Behörden dem Produkt die Zulassung. Kanada hat noch nicht über eine Genehmigung entschieden, aber im Vorfeld regt sich bereits heftiger Widerstand gegen SIVANTO. HEALTH CANADA, SumOfUs und die „DAVID SUZUKI FOUNDATION“ rufen dazu auf, dem Pestizid kein grünes Licht zu erteilen, und haben eine Kampagne gestartet.

Gen-Soja: TESTBIOTEST kritisiert EU
Die Europäische Kommission entscheidet demnächst über die Einfuhr-Genehmigung von BAYERs Gen-Soja FG72. Dank Manipulationen an ihrem Erbgut übersteht die Laborfrucht Heimsuchungen durch die Pestizide Isoxaflutol und Glyphosat, während Wildkräuter den Agro-Giften erliegen. Bei Isoxaflutol haben die „ZukunftstechnologInnen“ auf einen 20 Jahre alten Inhaltsstoff zurückgegriffen, der ebenso wie sein Pendant Glyphosat im Verdacht steht, Krebs zu erregen. Die Organisation TESTBIOTEST hat die EU wegen dieser Risiken und Nebenwirkungen aufgefordert, eine detaillierte Untersuchung zu den Chemikalien durchzuführen, ehe sie ihre Entscheidung fällt. „Es ist Aufgabe der EU-Kommission, für eine Risiko-Prüfung zu sorgen, die den Anforderungen der EU-Gesetze genügt. Diese basieren auf dem Vorsorge-Prinzip und fordern hohe wissenschaftliche Standards. Die Risiko-Bewertung muss daher auch die gesundheitlichen Auswirkungen von speziellen Mischungen von Spritzmittel-Rückständen einbeziehen“, so der Testbiotestler Christoph Then. Brüssel lehnte seine Forderung jedoch ab.

Warnung vor Testosteron-Mitteln
Mit großer Anstrengung arbeitet der Leverkusener Multi daran, die „Männergesundheit“ als Geschäftsfeld zu etablieren und Hormon-Präparaten wie NEBIDO oder TESTOGEL neue und nur selten zweckdienliche Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. Zu diesem Behufe hat der Pharma-Riese die Krankheit „Testosteron-Mangel“ erfunden und sie zu „männlichen Wechseljahresstörungen“ erhoben. Studien hingegen warnen wegen Nebenwirkungen wie Herzinfarkt, Harntrakt-Schädigungen, Schrumpfung des Hoden-Gewebes, Beeinträchtigung der Zeugungsfähigkeit, Brust-Wachstum, Bluthochdruck, Blutverdickung, Ödeme und Leberschäden vor den Mitteln (siehe auch Ticker 4/15). Ungeachtet dessen verschreiben MedizinerInnen die Pharmazeutika immer häufiger – die Pharma-DrückerInnen von BAYER & Co. machen offenbar ganze Arbeit. Dr. Thomas Vögeli, Leiter der Aachener „Klinik für Urologie“ kritisiert den Umgang mit NEBIDO & Co.: „Es kommen Patienten zu uns, die halbwegs normale Testosteron-Werte haben – und trotzdem von Urologen oder Hausärzten Hormone verabreicht bekommen“, so Vögeli: „Das ist unverantwortlich.“

KAPITAL & ARBEIT

Grenzach: BAYER streicht 200 Stellen
Der Leverkusener Multi vernichtet in seinem Grenzacher Werk 200 der 660 Arbeitsplätze. Der Konzern stellt an dem Standort die Salben BEPANTHOL und BEPANTHEN her und befüllt Fertigspritzen und Injektionsfläschchen für andere Pharma-Unternehmen. Mit ausbleibenden Aufträgen von diesen Fremdfirmen begründet der Pillen-Riese nun die Stellen-Streichungen, die LeiharbeiterInnen ebenso betreffen wie Beschäftigte mit befristeten und unbefristeten Verträgen. „Die Kollegen sind spürbar entsetzt, fassungslos und enttäuscht“, hält der Betriebsratsvorsitzende Armin Schranz fest und kritisiert die Verantwortungslosigkeit des Personals in den Top-Rängen. „Erfahrene Manager, die uns bis dahin geführt haben und die wir eigentlich in diesen schwierigen Zeiten dringend benötigen, verließen uns nach und nach und ließen uns mit unseren Sorgen und Problemen alleine“, so Schranz. Er verweist auch auf die – sich nun als sinnlos erweisenden – Opfer, welche die Belegschaft erbracht hatte, als BAYER die Produktionsstätte im Zuge des Kaufs von ROCHEs „Consumer Health“-Sparte übernahm, und warnt vor weiteren Einschnitten. „Nachdem altgediente Mitarbeiter nach dem Betriebsübergang von ROCHE zur BAYER AG zur Sicherung des Standortes große Verluste der Betriebsrenten-Ansprüche hinnehmen mussten, dürfen weitere Einbußen keinesfalls folgen“, mahnt Schranz. Um das sicherzustellen, will der Betriebsratschef bei den laufenden Verhandlungen mit dem Global Player eine Standortsicherungsvereinbarung durchsetzen.

500 Euro Monatslohn in China
Das Reich der Mitte hält für BAYER viele Standort-Vorteile bereit. So braucht der Leverkusener Multi in der Pharma-Produktion beschäftigten Frauen nur einen Monatslohn von umgerechnet 500 Euro zu zahlen. Auch mit den Sozialleistungen kann sich der Konzern zurückhalten. Mutterschutz gewährt er nur wenige Wochen. Grund genug für den Pharma-Riesen, die Pillen-Produktion in Peking auszuweiten. 100 Millionen Euro investiert er in den Ausbau des dortigen Werkes.

Klagen über Arbeitsverdichtung
Am Wuppertaler Pharma-Standort von BAYER leidet die Belegschaft unter einer massiven Arbeitsverdichtung. „Die Mitarbeiter beklagen die hohe Taktzahlen“, „Man hat nur noch zu funktionieren“, „Bei der Urlaubsabsprache kommt man sich vor wie ein Bittsteller“ – diese Stimmen aus der Produktion zitiert die Wuppertaler BELEGSCHAFTSLISTE, eine Gruppe kritischer Chemie-GewerkschaftlerInnen im Wuppertaler BAYER-Werk. Dem Belegschaftsinfo zufolge lässt der Pillen-Riese Schichten mit zwei statt wie eigentlich vorgesehen mit vier Beschäftigten fahren und bürdet durch die heißlaufenden Maschinen vor allem den SchlosserInnen und dem Kontroll-Personal viele Lasten auf. Darüber hinaus arbeiten Belegschaftsangehörige bis zu 17 Tage ohne Pause durch und häufen Überstunden ohne Ende an. „Hier muss Abhilfe geschaffen werden“, fordert die BELEGSCHAFTSLISTE.

Feine Unterschiede beim Bonus
Von seinem 2014er Rekord-Gewinn gab BAYER mit 420 Millionen Euro auch bisschen was an die 18.200 Tarif-Beschäftigten in der Bundesrepublik weiter. Bei BAYER HEALTH CARE profitierten davon jedoch nicht alle in gleichem Maße. Die in der Produktion arbeitenden Belegschaftsangehörigen erhielten nicht so viel wie diejenigen aus dem Bereich „Forschung & Entwicklung“. „Wieso bekommen unsere Produktionskollegen weniger als ‚Forschung und Entwicklung?“, fragte die im Wuppertaler BAYER-Werk aktive alternative Gewerkschaftsgruppe BELEGSCHAFTSLISTE deshalb kritisch und stellte fest: „Die Kollegen haben sicher nicht weniger zum überragenden Geschäftserfolg beigetragen!“

Neuer Tarifvertrag in Berkeley
Das BAYER-Werk in Berkeley gehört zu den wenigen US-Niederlassungen des Konzerns mit einer organisierten Arbeiterschaft, aus anderen Werken vertrieb der Leverkusener Multi die Gewerkschaften erfolgreich. 2012 hatte es an dem kalifornischen Standort nahe San Francisco noch harte Tarif-Verhandlungen gegeben, die von Solidaritätsaktionen im ganzen Land begleitet waren. 2015 hingegen blieben die großen Auseinandersetzungen aus. Der Konzern einigte sich mit den GewerkschaftlerInnen relativ schnell auf einen neuen Tarif-Vertrag mit 4-jähriger Laufzeit. Offenbar hat sich das Unternehmen mit der Existenz der Beschäftigten-Vertretung abgefunden.

DRITTE WELT

Aus für die „Food Partnership“
Im Jahr 2012 rief der damalige Entwicklungshilfe-Minister Dirk Niebel die „German Food Partnership“ (GFP) ins Leben. BAYER, BASF, SYNGENTA und weitere Firmen beteiligten sich an der Kooperation. „Mit ihrem Kapital, vor allem aber ihrem Know-how und ihrer Wertschätzung für Umwelt- und Sozialstandards trägt die Privatwirtschaft ganz wesentlich zu entwicklungspolitischen Fortschritten bei“, so begründete der FDP-Politiker die Zusammenarbeit damals. Der Leverkusener Multi wirkt an dem GFP-Projekt „Better Rice Initiative in Asia“ mit. Er nutzt es als Vehikel, um seinen nach einer agro-industriellen Produktionsweise verlangenden, sich nicht zur Wiederaussaat eignenden Hybrid-Reis zu vermarkten. Zur Erhöhung der Versorgungssicherheit und Stärkung der Kleinbauern und Kleinbäuerinnen trägt die Unternehmung hingegen nichts bei. Darum kritisierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN die Liasion zwischen dem „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) und der Industrie scharf. Andere Verbände wie OXFAM und FIAN protestierten ebenfalls gegen die Entwicklungshilfe für multinationale Konzerne. Das Engagement hatte jetzt Erfolg. Das BMZ beendet die „German Food Partnership“. Die Reis-Initiative und andere Programme laufen jedoch weiter. Andere Formen dessen, was Niebel einst „Schulterschluss mit der Privatwirtschaft“ nannte, brauchen sich um die Überweisungen aus Berlin auch keine Sorgen zu machen. Die „Neue Allianz für Ernährungssicherung“ von MONSANTO, BAYER & Co., kann sich ebenso nach wie vor über hohe Subventionen freuen wie develoPPP, in dessen Rahmen der Leverkusener Multi an einem Vorhaben zur Behebung der Mangelernährung von afrikanischen Frauen teilnimmt. Und für die „Grünen Innovationszentren“, für die der Agro-Riese in Indien gerade eine Messstation zur Erfassung von Pilz-Sporen baut, gilt das Gleiche.

Kenia: Streit um Parallel-Importe
In manchen afrikanischen Ländern kosten bestimmte Medikamente bis zu 50 Mal mehr als in anderen Staaten auf der Welt. Die Weltgesundheitsorganisation WHO nennt als Beispiel BAYERs Antibiotikum CIPROFLOXACIN, von dem eine Packung mit 100 Tabletten in Mozambik zu einem Preis von 740 Dollar erhältlich ist, während InderInnen dafür nur 15 Dollar zahlen müssen, weil die Arznei dort Konkurrenz in Form von billigen Nachahmer-Produkten hat. Die WHO hält deshalb die Einfuhr dieser günstigeren Präparate („Parallel-Import“) ausdrücklich für ein legitimes und auch nicht die Regeln der Welthandelsorganisation WTO verletzendes Mittel, um die Medikamenten-Versorgung sicherzustellen. Genau zu diesem Instrument will jetzt das kenianische Gesundheitsministerium greifen, aber die Industrie-Vereinigung „Pharmaceutical Society of Kenya“ sträubt sich dagegen.

POLITIK & EINFLUSS

Konzerne kritisieren Klima-Abkommen
Auf der Pariser Klima-Konferenz kamen die Teilnehmer-Länder überein, die Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts auf 1,5 Grad zu begrenzen. Einen verbindlichen Fahrplan zum Erreichen dieses Zieles haben die Staaten allerdings nicht beschlossen. Aber nicht daran stören sich BAYER & Co. Die Konzerne kritisieren die Vereinbarung, weil diese sie nicht vor den Wettbewerbsnachteilen schützt, die ihnen die aus ihrer Sicht zu ambitionierte Politik der EU auf diesem Gebiet beschert hat. Der Präsident des „Bundesverbandes der deutschen Industrie“, Ulrich Grillo, beklagte die angeblich unfaire Lastenverteilung und forderte ein Klimaschutz-Moratorium. „Es ist jetzt nicht die Zeit, überstürzt über neue EU-, geschweige denn nationale Ziele nachzudenken“, so Grillo. Sein Kollege Holger Lösch aus der BDI-Geschäftsführung leitete aus den Pariser Beschlüssen die Schlussfolgerung ab, „dass Deutschland und Europa auch weiterhin ihre Industrien vor ungleichen Wettbewerbsbedingungen schützen müssen“, und der Hauptgeschäftsführer des „Verbandes der Chemischen Industrie“, Utz Tillmann, wusste dafür sogar schon ein erstes Betätigungsfeld zu nennen. Die Europäische Union dürfe den Unternehmen bei der anstehenden Reform des Emissionshandels keine neuen Auflagen machen, meinte Tillmann.

Offene Bundestagstüren für BAYER
In wichtigen Hauptstädten wie Berlin, Brüssel, Washington und Peking unterhält der Leverkusener Multi so genannte Verbindungsbüros für seine Lobby-Arbeit. Patricia Solaro, welche die Dependance am bundesdeutschen Regierungssitz leitet, beschreibt ihre Tätigkeit allerdings ein wenig anders: „Wir sind Dienstleister für die Politiker, das bedeutet, wir müssen komplexe Sachverhalte aus den Bereichen ‚Pharma‘, ‚Gesundheit‘ und ‚Chemie‘ verständlich darstellen“. Und dazu hat BAYER soviel Gelegenheit wie kaum ein anderes Privat-Unternehmen. Gleich sieben Beschäftigte des Konzerns verfügen über Hausausweise für die Bundestag, nur die Lobby-Agentur EUTOP besitzt mehr. Ausgestellt hat die Dokumente für den Pharma-Riesen ausnahmslos die CDU-Fraktion. Die hatte dann auch ebenso wenig wie die SPD ein Interesse daran, dass die Liste mit den privilegierten Konzernen, Organisationen und Verbänden ans Licht der Öffentlichkeit kommt. Es war eine Klage des Tagesspiegels nötig, um die Parteien zur Preisgabe der Unterlagen zu zwingen.

Steinmeier preist BAYER & Co.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat für die Neuausgabe des „Lexikons der deutschen Weltmarkt-Führer“ ein Grußwort verfasst und lobt BAYER & Co. darin in den höchsten Tönen. „Der Erfolg deutscher Weltmarkt-Führer speist sich aus mehr als einem ausgeprägten Gespür für Marktchancen und herausragender Innovationskraft. Vernunft, Verantwortung und langfristige Orientierung – das sind die Werte, die das Handeln dieser Unternehmen bestimmen“, schreibt der Sozialdemokrat und schwärmt von seinen Besuchen der Firmen-Standorte im In- und Ausland. Dass es mittlerweile kaum noch einen nicht vorbestraften Dax-Konzern gibt und nicht nur das Sündenregister von BAYER kaum noch zu überblicken ist, ficht ihn dabei nicht an.

Schmidt knickt vor BAYER & Co. ein
Viele TierzüchterInnen verwenden Gentech-Pflanzen als Futtermittel. Darum fordern Gentechnik-GegnerInnen schon seit Langem eine Kennzeichnungspflicht für tierische Produkte, in denen Labor-Früchte von BAYER & Co. stecken. Auch die Bundesregierung bekannte sich in ihrem Koalitionsvertrag zu einer solchen Maßnahme. Jetzt schrieb die Große Koalition das Projekt allerdings ab. Das Vorhaben „finde derzeit keine ausreichende Unterstützung seitens der Europäischen Kommission und der Mitgliedsstaaten“, hieß es kurz und knapp in dem von Landwirtschaftsminister Christian Schmidt CSU vorgelegten agrarpolitischen Bericht. „Die Bundesregierung betrügt die Bürgerinnen und Bürger, die Gentechnik im Essen und auf den Äckern mehrheitlich ablehnen, ein weiteres Mal“, kritisierte Harald Ebner von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Duin im Chemie-Mobil
Der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) hat eigentlich nichts gegen die gefährliche Kohlenmonoxid-Pipeline, die zwischen den BAYER-Standorten Krefeld und Dormagen verläuft und immer noch ihrer Inbetriebnahme harrt. Er warf dem Leverkusener Multi nur vor, die BürgerInnen bei der Entscheidung nicht eingebunden zu haben. Deshalb mahnte er eine bessere Öffentlichkeitsarbeit an. Frucht dieser Offensive ist nun das Chemie-Mobil des nordrhein-westfälischen „Verbandes der Chemischen Industrie“, das im Herbst 2015 Stadtfeste und Märkte heimsuchte. Der Minister ließ es sich dann auch nicht nehmen, dem Gefährt seine Aufwartung zu machen, für einen Foto-Termin zur Verfügung zu stehen und Zitierfähiges kundzutun. „Die Menschen vor Ort können sich so über die Vielfalt und Bedeutung der Produkte der chemischen Industrie informieren. Das schafft Vertrauen und legt die Basis für ein lebendiges Miteinander“, lobte der Sozialdemokrat die Propaganda-Aktion.

Peking: Kraft besichtigt BAYER-Werk
Auf ihrer China-Reise im Frühjahr 2015 begleitete die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) eine 40-köpfige Delegation mit Wirtschafts-, Wissenschafts- und MedienvertreterInnen. Darunter befand sich auch der BAYER-Vorstand Michael König. Damit nicht genug, stattete Kraft überdies noch BAYERs Pharma-Werk in Peking einen Besuch ab und verlieh der Fertigungsstätte ministrielle Weihen. „Wir sind wirklich beeindruckt, mit welchen Standards hier produziert wird“, ließ sich die Sozialdemokratin vernehmen.

BAYER & Co. fordern Maßnahmen
Mitte März 2015 kamen der „Bundesverband der deutschen Industrie“ und andere Wirtschaftsverbände mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammen. Im Vorfeld des Treffens veröffentlichten BAYER & Co. eine lange Wunschliste. Darin forderten die Konzerne Maßnahmen zur Stärkung des Standortes Deutschland durch mehr Investitionen in die Infrastruktur, „Bürokratie-Abbau“ und bessere Anlage-Bedingungen für Wagnis-Kapital. Darüber hinaus klagten die Unternehmen über hohe Strom-Kosten und warnten vor zusätzlichen Belastungen etwa durch die von der EU geplante Neuregelung des Handels mit Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten. Statt mit einem „verschärften Ordnungsrecht“ zu operieren, müsse die Energie-Politik Anreize setzen und auf das Prinzip „Freiwilligkeit“ vertrauen, hielten die Multis darüber hinaus fest. Auch ein Wiederaufschnüren des Gesetzes-Pakets mit den Hartz-„Reformen“ verbaten die Firmen sich. „Die Bundesregierung darf die Reform-Uhr auf dem Arbeitsmarkt nicht immer weiter zurückdrehen. Das gilt gerade für die Zeitarbeit und Regulierung von Werk- und Dienstverträgen“, heißt es in der „Gemeinsamen Erklärung“.

BAYER & Co. vs. Hillary Clinton
Hierzulande kritisierte Karl Lauterbach jüngst in seinem Buch „Die Krebs-Industrie“ die Mondpreise für Onkologie-Medikamente scharf. In den USA wächst der Unmut über die hohen Kosten für die Pharmazeutika ebenfalls (siehe SWB 1/16). So protestierten schon PatientInnen-Verbände und ÄrztInnen gegen die Profit-Sucht von Big Pharma. Und kurz nachdem 118 Krebs-ExpertInnen einen Maßnahmen-Katalog zur Reduzierung der Arznei-Ausgaben vorgelegt hatten, veröffentlichte auch Hillary Clinton von der demokratischen Partei einen Plan zur Reduzierung der Renditen nicht nur bei Krebs-, sondern auch bei Alzheimer- und Parkinson-Therapeutika. BAYERs US-amerikanischer Lobby-Verband PhRMA reagierte postwendend und tischte die altbekannten Argumente für die Beibehaltung des lukrativen Status Quos auf: „Secretary Clintons Vorschlag würde die Uhr des medizinischen Fortschritts zurückdrehen und den Fortschritt im Kampf gegen diejenigen Krankheiten bremsen, welche die Menschen am meisten fürchten.“

Steuerbefreiung in Mishawaka
In den USA macht BAYER es sich zur Gewohnheit, vor Investitions- oder Deinvestitionsentscheidungen zu eruieren, ob die Standorte zu Steuer-Reduzierungen bereit sind (siehe auch TICKER 2/15). Mit Mishawaka ging nun erneut eine Gemeinde auf die Erpressung ein. Gegen die Versicherung des Konzerns, 50 bis 60 Arbeitsplätze zu schaffen, stellte die Stadt dem Global Player gehörige Nachlässe in Aussicht. Im ersten Jahr will Mishawaka ihm aller Abgaben erlassen, im zweiten 90 Prozent, anschließend 80 Prozent und so weiter, bis der Leverkusener Multi nach einer Dekade dann wieder normal zahlen muss.

PROPAGANDA & MEDIEN

XARELTO-Kampagne mit Ballack
Da der Gesetzgeber in der Bundesrepublik direkte Werbung für Arzneien nicht gestattet, greift BAYER zu indirekten Methoden. Die Reklame für seinen umstrittenen Gerinnungshemmer XARELTO – allein im Jahr 2014 gingen beim „Bundesinstitut für Arzneien und Medizinprodukte“ 161 Meldungen über Todesfälle im Zusammenhang mit dem Mittel ein – tarnt der Leverkusener Multi beispielsweise als Aufklärungskampagne zum Thema „Schlaganfall“. Bereits seit vier Jahren läuft die PR-Aktion „Rote Karte für den Schlaganfall“ mit dem ehemaligen BAYER-Leverkusen-Fußballer Michael Ballack als prominentes Gesicht. Als Kooperationspartner mit dabei: Die PatientInnen-Organisation „Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe“, die dem Global Player den Kontakt zur Zielgruppe sichert.

Große Tierarznei-Verkaufsshow
Bei der Vermarktung von Tier-Arzneien stoßen BAYER & Co. auf noch weniger Grenzen als bei der Verkaufsförderung von humanmedizinischen Produkten. Das nutzen die Unternehmen weidlich aus. So veranstaltete die Branchen-Vereinigung „American Veterinary Medical Association“ im Dezember 2014 eine 4-tägige Messe, die rund 9.000 VeterinärInnen besuchten. Mit freien Mahlzeiten, kleinen, die Freundschaft erhaltenden Geschenken, Rock-Konzerten und anderen Events hielten die Konzerne ihre Kundschaft bei Laune. So bot der Leverkusener Multi einen Magier auf, um einen Vortrag mit „Produkt-Informationen“ einzuleiten und belohnte die ZuhörerInnen anschließend mit einem USB-Ladegerät.

BAYER sponsert Jugend-Agrar-Gipfel
Der Leverkusener Multi investierte in die Zukunft seines Landwirtschaftsgeschäfts und rief deshalb den Jugend-Agrar-Gipfel ins Leben. Gemeinsam mit der JunglandwirtInnen-Organisation „Future Farmers Network“ lud BAYER Ende August 2015 „rund 100 junge Vordenker aus aller Welt“ ins australische Canberra ein, um ihnen nahezubringen, was ein Agro-Riese so unter einer nachhaltigen Acker-Bewirtschaftung versteht.

BAYER sponsert ÄrztInnen-Kongresse
Zur Pflege der medizinischen Landschaft sponsert der Leverkusener Multi auch ÄrztInnen-Kongresse. Im November 2015 „unterstützte“ er nach Informationen der Initiative BIOSKOP den Kongress der „Deutschen Hochdruck-Liga“ zu „Hypertonie und Prävention“ mit 18.000 Euro und die Arbeitstagung der „Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft Endokrinologie“ mit 5.000 Euro. Im Oktober konnte sich die „Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Urologen“ über 2.000 Euro freuen, und auch die Veranstaltungen des Geriatrie-Forums und der „European Association of Nuclear Medicine“ bedachte der Leverkusener Multi. Am meisten ließ er sich jedoch den Kongress der „Deutschen Gesellschaft für Neurologie“ (DGN) kosten, der vom 23. bis zum 26. September in Düsseldorf stattfand. Über 180.000 Euro investierte der Konzern hier – gut angelegtes Geld, denn diese Medizin-Gesellschaft zählt zu den einflussreichsten Verfechtern des umstrittenen BAYER-Gerinnungshemmers XARELTO. So widersprach die DGN ausdrücklich der XARELTO-Kritik der „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“ und empfiehlt das Medikament in seinen Leitlinien.

BAYER sponsert Fortbildungen
Der Gesetzgeber verpflichtet die MedizinerInnen darauf, ihre Kenntnisse ständig zu erweitern. Die betreffenden Fortbildungsmaßnahmen unterliegen allerdings dem Einfluss von BAYER & Co. 60 bis 70 Prozent der Angebote finanziert Big Pharma. Der Leverkusener Multi arbeitet dabei besonders eifrig daran, das Wissen der ÄrztInnen über seinen umstrittenen Gerinnungshemmer XARELTO zu mehren und bietet zu diesem Behufe Veranstaltungen wie „ThromboVision 2015“ und Vorträge wie „Die neuen Antikoagulantien im perioperativen Umfeld“ an. Eigentlich müssten die ÄrztInnenkammern prüfen, ob ihre KollegInnen bei solchen Gelegenheiten der unrechtmäßigen Einflussnahme von BAYER & Co. unterliegen, aber den Standes-Organisationen reicht meist die unverbindliche Erklärung der AusrichterInnen, es würden keine kommerziellen Interessen verfolgt. „Solche Formen der Fortbildung müssten verboten werden“, fordert TRANSPARENCY INTERNATIONAL deshalb. Das dürfte jedoch kaum geschehen, obwohl die Bundesregierung gerade ein Paragrafen-Werk zur Unterbindung der Korruption im Gesundheitswesen vorbereitet. Dieses hat nämlich nur Käuflichkeit durch Bestechung im Blick, nicht aber die indirekteren Wege, die MedizinerInnen auf Konzern-Kurs zu bringen, wie sie z. B. Vorteilsgewährungen eröffnen. Christiane Fischer von der ärztlichen Antikorruptionsinitiative MEIN ESSEN ZAHLE ICH SELBST beklagt diese Gesetzeslücke: „Der größte Teil der Korruption im Gesundheitswesen läuft über Vorteilsnahme und Vorteilsgabe.“

VDMJ verleiht BAYER-Preis
Der Leverkusener Pillen-Riese versucht, Medizin-JournalistInnen an sich zu binden. Zu diesem Behufe kooperiert er mit dem „Verband Deutscher Medizin-Journalisten“ (VDMJ) und lobt mit ihm gemeinsam den „Deutschen Medizinjournalisten-Preis“ aus. 2014 ging die Auszeichnung an Andreas Wenderoth für einen Artikel über einen Demenz-Kranken.

TIERE & ARZNEIEN

Falsche Antibiotika-Statistik
Ende März 2015 vermeldete das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ (BVL): „Antibiotika-Abgabe in der Tiermedizin sinkt weiter.“ Das war an sich schon eine fragwürdige Aussage. Da die Präparate nämlich immer effektiver wirken, sagen die nackten Zahlen nur wenig aus: Während eine Tonne des Alt-Antibiotikums Tetracyclin gerade einmal für 39.000 Mastschweine langt, vermögen die LandwirtInnen mit einer Tonne von BAYERs BAYTRIL 2,2 Millionen Tiere zu versorgen. Jetzt aber kommen noch mehr Zweifel an den Angaben auf, denn die BVL-Statistik weist beträchtliche Lücken auf. Sie erfasste längst nicht alle Betriebe; allein aus Baden-Württemberg fehlen Daten von mehr als der Hälfte aller Tier-Fabriken. Und die Behörde setzte diese Leerstellen einfach mit Null gleich und verbuchte sie unter „kein Antibiotika-Verbrauch“, was das Bild natürlich entsprechend verzerrte. „Wir brauchen hier einen ganz schnellen Neustart, mit diesen Zahlen können wir überhaupt nichts anfangen“, forderte der agrar-politische Sprecher der Grünen, Friedrich Ostendorff, deshalb.

Viele Antibiotika-Überdosen
Ein 2014 erlassenes Gesetz schreibt MassentierhalterInnen vor, den Behörden ihre Antibiotika-Gaben zu melden. In Niedersachsen lag der Verbrauch von BAYTRIL & Co. in 6.000 von 21.000 Betrieben so hoch, dass die UnternehmerInnen einen Reduktionsplan erstellen mussten.

Antibiotika-Zahlen bleiben geheim
Die Bundesregierung hat die MassentierhalterInnen 2014 per Gesetz angewiesen, den Behörden Zahlen über ihre Antibiotika-Gaben zu liefern (s. o.). Das Bundeslandwirtschaftsministerium möchte die Daten allerdings unter Verschluss halten. Es hat die Landesregierungen angewiesen, ParlamentarierInnen und JournalistInnen die entsprechenden Informationen nicht zur Verfügung zu stellen. Offenbar fürchtet Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) die Wahrheit über die Medikamenten-Exzesse in den Ställen und über ZüchterInnen, die sich der Meldepflicht entziehen. Peter Sauer von der Initiative ÄRZTE GEGEN MASSENTIERHALTUNG schätzte das ähnlich ein: „Da drängt sich der Verdacht auf, dass es etwas zu verbergen gibt.“

Zulassung für ZELNATE
Im Jahr 2008 hatte BAYER von JUVARIS BIOTHERAPEUTICS die Lizenz zur exklusiven Nutzung einer Immun-Therapie im Veterinär-Bereich erworben. Sieben Jahre später erhielt der Leverkusener Multi in den USA die Genehmigung für die Vermarktung des auf dieser Basis entwickelten Immun-Stimulans ZELNATE. Das Präparat soll bei Rindern mit Atemwegserkrankungen begleitend zu Antibiotika zum Einsatz kommen und so helfen, die Gaben dieser umstrittenen Mittel (s. o.) zu reduzieren.

DRUGS & PILLS

Immer noch viele YASMIN-Rezepte
Frauen, die drospirenon-haltige Pillen wie BAYERs YASMIN zur Empfängnis-Verhütung nehmen, tragen im Vergleich zu solchen, die levonorgestrel-haltige Kontrazeptiva bevorzugen, ein bis zu dreimal so hohes Risiko, eine Thromboembolie zu erleiden. Trotzdem verschreiben die MedizinerInnen diese Mittel nach wie vor häufig, wie aus dem „Statusbericht zu oralen Kontrazeptiva“ der Techniker Krankenkasse hervorgeht. Von AIDA setzte der Leverkusener Multi 2014 155.000 Packungen ab; in der Liste der meistverordneten Kontrazeptiva belegt das Präparat damit Platz 26. Von YAZ verkauften sich 153.000 Einheiten (Rang 27), von YASMINELLE 124.000 (34) und von YASMIN 104.000 (37). BAYERs MAXIM mit dem Wirkstoff Dienogest, der die Thromboembolie-Gefahr für die Frauen im Vergleich zu Levonorgestrel um den Faktor 1,7 erhöht, führt die Liste an. Über zwei Millionen Mal ging das Produkt über die Apotheken-Ladentische. „Die Markt-Dominanz der Pillen mit dem höheren Risiko ist ein Beispiel dafür, dass wir noch nicht verstehen, wie Risiko-Kommunikation wirksam funktioniert. Und andererseits scheint es effektive Strategien zu geben, diese Risiken geringfügig erscheinen zu lassen“, hält die Krankenkasse dazu mit Verweis auf die Marketing-Methoden von BAYER & Co. fest. Dagegen hebt sie positiv das Vorgehen der französischen Behörden hervor, welche die Kosten für die besonders gefährlichen Verhütungsmittel nicht mehr erstatten, was zu einem Rückgang der Lungenembolie-Fälle bei Frauen um bis zu 27,9 Prozent führte.

Neue Tests mit ADEMPAS
Bisher haben die Behörden BAYERs ADEMPAS zur Behandlung der beiden Lungenhochdruck-Krankheiten CTEPH und PAH zugelassen. Der Leverkusener Multi will jedoch die Indikationen erweitern und hat mit der klinischen Erprobung des Mittels zur Therapie von Kindern mit Lungenhochdruck begonnen. Und obwohl das Fach-Magazin Arzneimittelbrief die therapeutischen Effekte schon bei dieser Krankheit nur als „marginal“ bewertet, hält der Konzern zusätzlich noch nach ganz anderen Anwendungsgebieten Ausschau. So testet er ADEMPAS gerade als Arznei gegen die systemische Sklerose, eine Autoimmun-Krankheit. Und darüber hinaus beabsichtigt er, das Pharmazeutikum bei Herz-Insuffizienz und Schädigungen der Niere in Anschlag zu bringen.

ALEVE: Mehr Warnhinweise
Entzündungshemmende Schmerzmittel wie BAYERs ALEVE (Wirksubstanz: Naproxen) steigern das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall oder andere Herz-Kreislauf-Krankheiten mit möglicher Todesfolge. Darum mussten die Hersteller die Packungen auch mit entsprechenden Warnhinweisen versehen. Der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde „Food and Drug Administration“ (FDA) reichte das jedoch noch nicht. Neuere Studien, die das Gefährdungspotenzial der Mittel noch einmal höher einschätzen, bewogen die FDA dazu, die Pharma-Riesen aufzufordern, die von ALEVE & Co. ausgehenden Gefahren noch deutlicher als bisher herauszustellen.

Prophylaxe mit ASPIRIN gefährlich
In den USA schlucken fast 40 Prozent der Menschen über 50 Jahre ASPIRIN, um damit Herzinfarkten und anderen Gesundheitsschädigungen vorzubeugen. Diese Zahl alarmiert MedizinerInnen, weil die prophylaktische Wirkung mit einer größeren Gefahr von Blutungen erkauft ist. Sie empfehlen die regelmäßige Einnahme von ASPIRIN nur Personen zwischen 50 und 59 mit einem erhöhten Risiko für Herz/Kreislaufkrankheiten. Dies- und jenseits dieser Altersgrenze überwiegen den WissenschaftlerInnen zufolge die Nachteile. Auch den Einsatz des „Tausendsassas“ zur Verhinderung von Krebs empfehlen die ForscherInnen nicht. Sie halten die Untersuchungen, die entsprechende ASPIRIN-Effekte nahelegten, für nicht belastbar. „Die beschriebene Wirkung war ein Zufallsfund aus Studien, in denen es eigentlich um Herz/Kreislauf-Leiden ging“, relativiert Bernd Mühlbauer von der „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“ das Ergebnis einer dieser Arbeiten: „Der unabhängige Befund, dass ASPIRIN vor Krebs schützt, steht noch aus.“

Deutlichere CIPROBAY-Warnhinweise
Die Liste der Nebenwirkungen von BAYERs Antibiotikum CIPROBAY ist lang. Die Arznei aus der Substanzklasse der Fluorchinolone kann unter anderem Sehnen-Entzündungen, Sehnenrisse, die Autoimmun-Krankheit „Myasthenia gravis“, Netzhaut-Ablösungen, die Herzstörung „QT-Syndrom“ und Nervenleiden wie die periphere Neuropathie auslösen. Der Leverkusener Multi muss diese Gegen-Anzeigen zwar auf den Medikamenten-Schachteln bzw. im Beipackzettel aufführen, aber das reichte der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA nicht. Nach einer Anhörung mit ExpertInnen und PatientInnen beschloss die Einrichtung, BAYER zu deutlicheren Formulierungen zu veranlassen. Nicht wenige MedizinerInnen votierten sogar dafür, in einigen Fällen zur höchsten Alarmstufe, der „Black Box Warning“, zu greifen. Zudem übersteigt nach Meinung des Gremiums das Risiko von CIPROBAY und anderen Fluorchinolonen in manchen Anwendungsbereichen den Nutzen. Deshalb plädierte es dafür, die Mittel für Indikationen wie Nasennebenhöhlen-Entzündungen (s. u.), Blaseninfektionen und bakterien-induzierte chronische Bronchitis nicht länger zuzulassen.

CIPROBAY hilft nicht bei Sinusitis
CIPROBAY und andere Medikamente aus der Substanzklasse der Fluorchinolone helfen nicht bei der Behandlung von Nasennebenhöhlen-Entzündungen. Das ergab eine Auswertung von neun Studien mit insgesamt 2.547 Sinusitis-PatientInnen. CIPROBAY & Co. brachten nicht nur das Kunststück fertig, weniger zu helfen als Placebos, sie malträtierten nicht wenige ProbandInnen überdies noch mit gefährlichen Nebenwirkungen (s. o.).

Mehr Antibiotika, mehr Resistenzen
Einer neuen Untersuchung zufolge nimmt der Antibiotika-Verbrauch weltweit zu und damit auch die Anzahl der Krankheitserreger, die Resistenzen gegen die Mittel herausbilden. Zwischen 2000 und 2010 erhöhte sich der Absatz von 50 auf 70 Milliarden Einheiten – eine Steigerung von über 30 Prozent. Das „Center for Disease Dynamics, Economics & Policy griff für die Studie „The State of World’s Antibiotics 2015“ auf Daten aus 71 Staaten zurück und beobachtete gerade auch in Entwicklungs- und Schwellenländern hohe Steigerungsraten. BAYERs CIPROBAY profitiert sehr von dem Boom und ist dementsprechend auch für dessen Kehrseite verantwortlich: Das Präparat kann einer immer größeren Zahl von Bakterien nichts mehr anhaben. In Uganda, Tansania und Ghana zeigt es sich etwa wirkungslos gegen den Keim Neisseria gonorrhoeae, Auslöser der Geschlechtskrankheit Gonorrhoe. Gegen in Geflügel nachgewiesene Krankheitserreger kommt das Pharmazeutikum ebenfalls kaum noch an, denn sein veterinär-medizinisches Pendant BAYTRIL findet in allzu vielen Ställen der Fleisch-Industrie Anwendung. Gegen Salmonellen versagte CIPROBAY in 10 bis 98 Prozent der Fälle, gegen den Campylobacter spp in 55 bis 69 Prozent der Fälle und gegen Escherichia coli in 56 Prozent der Fälle. Befällt dieses Bakterium Schweine, so muss die Arznei in 31 Prozent der Fälle kapitulieren. Gegen E.coli-Isolate aus Rindern richtete es in 36 Prozent der Fälle nichts mehr aus und gegen solche aus Hühnern in 19 bis 28 Prozent der Fälle. So vermögen E.coli & Co. dann über den Fleischverzehr ungestört in den menschlichen Organismus zu gelangen und dort Krankheiten auszulösen, gegen die kein Kraut mehr gewachsen ist. Ein WissenschaftlerInnen-Team von der Princeton University um die Humanbiologin Aude Teillant hat diesen Zusammenhang genauer analysiert. Wenn prophylaktisch zum Einsatz kommende Antibiotika zehn Prozent ihrer Wirksamkeit einbüßen, wächst die Zahl der Infektionen um 40.000 und die der Todesfälle um 6.300. Verlieren die Präparate gar 70 Prozent ihrer Durchschlagskraft, nimmt die Zahl der Infektionen um 280.000 und diejenige der Todesfälle um 15.000 zu.

Marketing-Nebenwirkung „Resistenzen“
Die aggressive Vermarktung von Antibiotika hat der BUKO PHARMA-KAMPAGNE zufolge einen großen Anteil an der Ausbreitung von Resistenz-Bildungen. So bewirbt der Leverkusener Multi etwa sein Produkt AVELOX in MedizinerInnen-Zeitschriften mit dem Slogan „Verlieren Sie keine Zeit, wenn Sie Atemwegsinfektionen bei Erwachsenen behandeln“, obwohl der zur Gruppe der Fluorochinolone gehörende Wirkstoff Moxifloxacin zu den Reserve-Antibiotika zählt. Diese sollten eigentlich nur zum Einsatz kommen, wenn andere Substanzen versagen. Besonders in Entwicklungs- und Schwellenländern finden AVELOX & Co. reißenden Absatz. In Mexiko beispielsweise unterliegen die Präparate nicht der Verschreibungspflicht, weshalb Apotheken schon in ihren Schaufenstern für BAYERs Fluorochinolon-Therapeutikum CIPROBAY und andere Mittel Reklame machen. Und in Indien kritisieren WissenschaftlerInnen die gängige Praxis der ÄrztInnen, bereits bei Durchfall Rezepte für Antibiotika auszustellen.

BAYER vermarktet neues Antibiotikum
Im Jahr 2011 erwarb BAYER von dem Unternehmen TRIUS die Vermarktungsrechte an dem Antibiotikum Tedizolid für die Regionen Asien, Afrika, Lateinamerika und Mittlerer Osten. Unter dem Produktnamen SIVEXTRO will der Leverkusener Multi die Substanz künftig als Mittel gegen das MRSA-Bakterium in Umlauf bringen. Darüber hinaus testet der Pharma-Riese den Wirkstoff gemeinsam mit MERCK & Co. als Therapeutikum gegen eine bestimmte Art von Lungenentzündung.

Zweifel an XARELTO-Tests
Die Zuverlässigkeit der Tests, mit denen der Leverkusener Multi eine Zulassung für seinen umstrittenen Gerinnungshemmer XARELTO erlangt hat, steht in Zweifel, wie das Handelsblatt berichtete. Nach Angaben der Europäischen Arzneimittel-Behörde EMA benutzten die WissenschaftlerInnen bei den Klinischen Prüfungen ein defektes Gerät zur Bestimmung der Gerinnungswerte der ProbandInnen, was die Ergebnisse verzerrte. Nach dem Erscheinen des Artikels verlor die BAYER-Aktie sofort drei Prozent an Wert und sackte damit so tief wie kein anderes Papier an diesem Tag. In einer umgehend veröffentlichten Erklärung verwies der Pharma-Riese auf Kontroll-Untersuchungen mit einem anderen Monitor-System, das die ursprünglichen Resultate angeblich bestätigte. Trotzdem überprüfen jetzt sowohl die EMA als auch ihr US-Pendant FDA die vom Global Player eingereichten Unterlagen. „BAYER arbeitet eng mit den Gesundheitsbehörden zusammen, um mögliche Fragen zu klären“, heißt es dazu aus der Konzern-Zentrale. Mit welchen Risiken die Einnahme des Präparats verbunden ist, belegen Zahlen des „Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte“. Es erhielt allein im Jahr 2014 161 Benachrichtigungen über Todesfälle im Zusammenhang mit dem Mittel; insgesamt erfolgten rund 2.000 Meldungen wegen unerwünschter Pharma-Effekte.

XARELTO: schwankende Gerinnungswerte
In den Klinischen Prüfungen zeigte sich BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO dem altgedienten Marcumar nicht überlegen. Deshalb wirbt der Leverkusener Multi mit den praktischen Vorteilen der Arznei wie dem Wegfall der regelmäßigen Blutgerinnungsmessung. Aber selbst damit ist es nicht weit her. So räumte ein Konzern-Wissenschaftler gegenüber dem Handelsblatt ein, dass die Gerinnungswerte unter XARELTO eine erhebliche Schwankungsbreite aufweisen. Wegen des damit verbundenen Blutungsrisikos lässt das Kontrollen dringend angeraten erscheinen. Erst später relativierte der BAYER-Mediziner seine Aussage wieder – es habe ein „Irrtum“ vorgelegen.

BAYER nutzt AMNOG-Lücke aus

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Nach dem Arzneimittel-Neuverordnungsgesetz (AMNOG) von 2011 müssen neue Medikamente eine Kosten/Nutzen-Prüfung durchlaufen. Schaffen die Arzneien es dann in diesem Prozess, ihre Überlegenheit gegenüber herkömmlichen Pharmazeutika unter Beweis zu stellen, können die Hersteller in den Verhandlungen mit den Krankenkassen einen besonders hohen Preis für die Präparate verlangen. Gelingt es den Medikamenten hingegen nicht, den Nachweis über ihre besondere Qualität zu erbringen, so haben sich die Therapie-Kosten an denjenigen zu orientieren, welche die bislang verfügbaren Produkte verursachen. Viele Konzerne geben sich von vornherein mit der zweiten Option zufrieden, weil ihnen auch der Normalpreis ein gutes Auskommen sichert. Deshalb legen sie es gar nicht darauf an, einen Zusatznutzen bestätigt zu bekommen, und reichen dem „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWiG) unvollständige Dossiers ein oder verzichten ganz auf Dokumente aus klinischen Tests. So ging BAYER beispielsweise bei dem Magenkrebs-Mittel STIVARGA mit dem Wirkstoff Regorafenib vor. Der Global Player rechtfertigte sein Vorgehen zu allem Überfluss auch noch mit ethischen Motiven. STIVARGA hätte in den Versuchen so gut angeschlagen, dass die MedizinerInnen es den Kranken aus der Placebo-Gruppe nicht vorenthalten wollten und die Versuche vorzeitig abbrachen. Deshalb konnten aber leider keine Aussagen über den Zusatznutzen mehr erhoben werden. Ein fadenscheiniges Argument, das auch andere Konzerne gerne nutzen, um neue Arzneien auf den Markt schleusen, die keinen echten Vorteil für die PatientInnen bieten. Darum wächst auch die Kritik an diesem Schlupfloch des Arzneimittel-Neuverordnungsgesetzes. „Falls das AMNOG ernst gemeint ist, müsste es eine Verpflichtung geben, Dossiers abzugeben“, sagt etwa Wolfgang Becker-Brüser von der industrie-unabhängigen Fachzeitschrift arzneimittel-telegramm. Die Große Koalition sieht jedoch aktuell keinen konkreten Handlungsbedarf. Aber die Bundesregierung beobachte die Vorgänge aufmerksam und werde die Initiative ergreifen, sollte sie „zu der Überzeugung kommen, dass eine gesetzliche Änderung erforderlich ist“, wie es in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ heißt.

BAYER nutzt AMNOG-Lücke aus

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Der Leverkusener Multi profitiert noch von einer weiteren Lücke des Arzneimittel-Neuverordnungsgesetzes (AMNOG). Diese tat sich mit dem Regierungswechsel 2013 auf. Die neu an die Macht gekommene Große Koalition beschloss nämlich, schon länger zugelassene Medikamente von einer Kosten/Nutzen-Bewertung auszunehmen und den entsprechenden AMNOG-Passus zu streichen. Ulrike Faber, die als PatientInnen-Vertreterin an den Überprüfungen der Arzneien teilnimmt, kritisierte diese Verschonung des Bestandsmarkts gerade auch im Hinblick auf die Gerinnungshemmer XARELTO (Wirkstoff: Rivaroxaban) von BAYER und PRADAXA (Wirkstoff: Dabigatran) von BOEHRINGER. „Ebenso skandalös ist die Nichtbewertung der neuen oralen Antikoagulantien (Dabigatran, Rivaroxaban) – bei explodierenden Verordnungszahlen, extremen Kosten und nicht bewertetem Zusatznutzen“, schrieb sie in der vom VEREIN DEMOKRATISCHER ÄRZTINNEN UND ÄRZTE herausgegebenen Zeitschrift Gesundheit braucht Politik.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Immer mehr Pestizide
Die Agro-Riesen setzen immer mehr Pestizide ab. Global stiegen ihre Umsätze im Jahr 2014 um 4,5 Prozent auf 56,7 Milliarden Dollar. In der Bundesrepublik konnten die Konzerne sogar einen Zuwachs von 6,2 Prozent auf 1,6 Milliarden Euro verzeichnen. BAYERs Ackergift-Geschäft lag dabei noch über dem Schnitt. Das Unternehmen nahm in diesem Segment mit 6,6 Milliarden Euro 7,2 Prozent mehr ein als 2013.

Neonics-Teilverbote ohne Wirkung
Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie die BAYER-Wirkstoffe Imidacloprid (GAUCHO) und Clothianidin (PONCHO) haben einen erheblichen Anteil am weltweiten Bienensterben. Darum erfolgten auf nationaler Ebene 2008 und EU-weit Ende 2013 Anwendungsbeschränkungen. Gebracht haben die Maßnahmen jedoch kaum etwas, wie eine Kleine Anfrage von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ergab (siehe SWB 1/16). Die Verbrauchsmengen gingen nämlich nicht zurück. Das „Bundesministerium für Landwirtschaft“ begründete das gegenüber der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) wie folgt: „Die Absatzmengen von Neonicotinoid-Wirkstoffen umfassen die in Deutschland abgegebene Menge aller Neonicotinoid-Wirkstoffe und damit mehr Wirkstoffe, als die auf EU-Ebene Verordnung (EU) Nr. 485/2013 verbotenen Wirkstoffe Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam. In Deutschland sind zwar die Anwendungen als Saatgut-Behandlungsmittel bei bienen-attraktiven Kulturen und die Anwendungen im nicht-beruflichen Anwender-Bereich verboten und die Zulassungen entsprechend eingeschränkt, diese Anwendungsbereiche fallen mengenmäßig jedoch weit weniger ins Gewicht als z. B. Wirkstoffe in Spritz-Anwendungen.“ Die CBG forderte die verantwortlichen Stellen deshalb auf, bei der demnächst anstehenden EU-Entscheidung über die weitere Zukunft von GAUCHO & Co. die Konsequenzen aus diesem Befund zu ziehen und die Neonicotinoide komplett zu verbieten.

Neonics gefährden nicht nur Bienen
Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie die BAYER-Produkte GAUCHO und PONCHO (s. o.) gefährden nicht nur Honigbienen, sondern auch andere Tiere. Darauf hat jetzt die EASAC, das von den Wissenschaftsakademien der EU-Staaten gebildete BeraterInnen-Gremium, hingewiesen. Mehrere Studien, die Gefahren für Hummeln, Wildbienen, Schmetterlinge und Nachtfalter durch GAUCHO & Co. ausgemacht hatten, bestätigen diese Einschätzung der EASAC.

Propaganda-Studie zu GAUCHO & Co.
Professor Harald von Witzke, der an der Berliner Humboldt-Universität einen Lehrstuhl für „Internationalen Agrarhandel und Entwicklung“ innehat, gründete 2009 den Thinktank „Humboldt Forum for Food and Agriculture e. V. (HFFA), dabei geschickt auf den Renommee-Transfer durch den Namen Humboldt setzend. Zu den Partnern des Forums zählen BAYER, BASF, NESTLÉ, E.ON und KWS SEED – und so sehen die Expertisen der Denk-Fabrik dann auch aus. Witzke greift den Agro-Multis nämlich bevorzugt mit Untersuchungen unter die Arme, die es dann unter Überschriften wie „Studie belegt Wohlstandsgewinn durch moderne Landwirtschaft“ in die Presse schaffen. BAYER erteilt dem HFFA da natürlich gerne Aufträge. Jüngst bestellte der Leverkusener Multi beim Forum eine Ehrenrettung der als bienengefährlich verschrienen Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide, zu der unter anderem die BAYER-Produkte PONCHO und GAUCHO gehören. Nach Meinung des Pestizid-Experten Lars Neumeister unterliefen dem HFFA dabei allerdings jede Menge Fehler. Nicht weniger als 15 Punkte umfasst seine Mängelliste. So belegten die Autoren etwa ihre These, das Verbot von PONCHO & Co. würde zu Ernte-Verlusten in Höhe von bis zu 23 Milliarden Euro führen, nicht mit empirischem Material. Zudem arbeiteten sie mit unrealistischen Modellen und nahmen die wissenschaftliche Literatur zum Thema nur unzureichend zur Kenntnis. Als „Corporate science fiction“ bezeichnet Neumeister die Arbeit deshalb.

Leverkusener Bienensterben
2014 verendeten in Leverkusen, nicht weit entfernt von den Pestizid-Versuchsfeldern des Agro-Multis, Millionen Bienen. Als Todesursache stellten die Behörden dann auch zweifelsfrei BAYERs Ackergift Clothianidin fest. Aber einen Zusammenhang zwischen den Feldversuchen des Konzerns und den verendeten Bienenvölkern konnte das beauftragte Labor dann überraschenderweise nicht ausmachen, obwohl AugenzeugInnen noch unmittelbar vor dem großen Sterben einen massiven Spritz-Einsatz beobachtet hatten. Auf eine kritische Nachfrage hin stritten die WissenschaftlerInnen jedoch einseitige Untersuchungsmethoden ab. Man empfinde BAYER gegenüber keine Loyalität, sei unabhängig und hätte sorgfältig getestet, hieß es.

Glyphosat schädigt Darmflora
Der Pestizid-Wirkstoff Glyphosat, der hauptsächlich in Kombination mit MONSANTOs Gen-Pflanzen zum Einsatz kommt, aber auch in BAYER-Mitteln wie GLYFOS, PERMACLEAN, USTINEX G, KEEPER und SUPER STRENGTH GLYPHOSATE enthalten ist, gilt als gesundheitsgefährdend. So hat die Weltgesundheitsorganisation die Substanz im März 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Darüber hinaus schädigt der Stoff nach Forschungen von Stefanie Seneff und Anthony Samsel das Immunsystem. Er hemmt die Produktion von CYP-Enzymen, die im Zusammenspiel mit der Darmflora eine wichtige Rolle bei Entgiftungsprozessen spielen. Den WissenschaftlerInnen zufolge kann das nicht nur zu Krebs, sondern auch zu Herz-Krankheiten, Depressionen, Diabetes, Alzheimer und Unfruchtbarkeit führen.

Glyphosat schädigt Lungen
Der Pestizid-Wirkstoff Glyphosat (s. o.) kann bei Kindern Schädigungen der Atemwege und der Haut hervorrufen. Zu diesem Ergebnis kommt eine argentinische Studie. Die WissenschaftlerInnen verglichen den Gesundheitszustand von 50 Kindern in ländlichen Regionen, wo auf den Feldern viel Glyphosat zum Einsatz kommt, mit demjenigen von 25 AltersgenossInnen, die in Städten aufwachsen. Das Resultat: Die Landkinder litten deutlich öfter an Atemwegsbeschwerden und Hautkrankheiten.

PAN dokumentiert Abdrift-Fälle
Wenn LandwirtInnen Pestizide ausbringen, dann bleiben die Stoffe nicht einfach auf den Feldern. Der Wind trägt sie teilweise weit fort. Abdrift nennen WissenschaftlerInnen dieses Phänomen, das bei den AnrainerInnen der Äcker oft zu gesundheitlichen Problemen führt. Das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) dokume

National Geographic

CBG Redaktion

Presse Info vom 29. Oktober 2015
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Online-Spiel gemeinsam vorgestellt:

„Kooperation mit BAYER gefährdet Glaubwürdigkeit von National Geographic“

In einem Offenen Brief an den Präsidenten der National Geographic Society in Washington, Gary Knell, fordert die Coordination gegen BAYER-Gefahren eine Beendigung der Kooperation mit dem BAYER-Konzern. Durch die Zusammenarbeit mit einem Umweltzerstörer werde die Glaubwürdigkeit von National Geographic beschädigt. Die Organisation hatte in der vergangenen Woche zusammen mit BAYER CropScience das Online-Spiel Top Crop präsentiert, das sich mit den „komplexen Problemen beim Anbau von Nahrungsmitteln für eine wachsende Weltbevölkerung“ befasst.

Jan Pehrke vom Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG): „BAYER ist der zweitgrößte Hersteller von Pestiziden und einer der zentralen Anbieter von gentechnischem Saatgut. Die von BAYER propagierte Landwirtschaft, die auf dem intensiven Einsatz von Agrochemikalien und Dünger basiert, schädigt Böden und Biodiversität irreversibel und gefährdet dadurch die Ernährungssicherheit. National Geographic sollte sich nicht dafür hergeben, Geld aus der Portokasse von BAYER anzunehmen und damit zum „Greenwashing“ des Konzerns beizutragen.“

In dem Schreiben erinnert die CBG daran, dass die Lobbyist/innen von BAYER fast alle Umweltschutzinitiativen bekämpften – vom Kyoto-Protokoll über die EU-Pestizidgesetzgebung bis hin zum europäischen Chemikalienrecht REACH. Gerade die Agrar-Sparte von BAYER führt zu zahlreichen Umweltproblemen: Pestizide aus der Substanzklasse der Neonicotinoide sind für das weltweite Bienensterben mitverantwortlich. Der massenhafte Einsatz von Herbiziden wie Glufosinat und Glyphosat, die in Kombination mit genverändertem Saatgut eingesetzt werden, kann zu schweren Gesundheitsschäden führen. Hochgefährliche Insektizide verursachen immer wieder – oftmals tödliche – Vergiftungen.

BAYER initiierte in den vergangenen Jahren Dutzende von Kooperationen mit Umweltorganisationen und Fachgesellschaften – insbesondere in Bereichen, in denen der Konzern in der Kritik steht. Bereits vor zehn Jahren war die deutsche Sektion von National Geographic wegen der Zusammenarbeit mit dem Leverkusener Unternehmen in die Kritik geraten.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren führt derzeit eine Kampagne für ein Verbot von GenSoja. BAYER hatte im vergangenen Jahr unter dem Namen „Credenz“ eine Soja-Produktlinie vorgestellt, die gegen die Herbizide Glyphosat und Glufosinat immun ist. Durch die riesigen Plantagen werden Wälder, Brachflächen und kleinbäuerliche Betriebe verdrängt, vor allem in Südamerika. Die Ernte dient jedoch nicht der Versorgung der örtlichen Bevölkerung, sondern wird fast vollständig exportiert. Grund hierfür ist die große Soja-Nachfrage der Massentierhalter in Europa und den USA.

weitere Informationen:
=> der Brief an National Geographic im Wortlaut
=> Schreiben von Umweltverbänden aus dem Jahr 2005
=> Kampagne zu GenSoja

GenSoja

CBG Redaktion

Informationsdienst Gentechnik, 5. Januar 2016

Giftcocktails auf Sojabohnen

Kommende Woche stimmen die EU-Mitgliedstaaten über den Import weiterer Gentechnik-Pflanzen ab. Dabei geht es auch um zwei Sojavarianten, die je gegen zwei Herbizide resistent sind. Doch dieser Gift-Doppelpack kann das Risiko für Verbraucher und Tiere, die mit dem Soja gefüttert werden, vergrößern, meint ein Freiburger Toxikologe. Die Behörden untersuchten das aber nicht.
Die Sojapflanzen stammen von den Agrarkonzernen Monsanto und Bayer Cropscience. Ihre Gemeinsamkeit: beide sind gegen Unkrautvernichter mit dem umstrittenen Wirkstoff Glyphosat immun. Die Monsanto-Soja (MON87708 x MON89788) ist dank der im Labor eingebauten DNA zudem gegen Dicamba, einen weiteren Herbizidwirkstoff, resistent. Bayers Bohnen (FG72) können neben Glyphosat auch mit Isoxaflutol besprüht werden.
Der Toxikologe Wolfgang Reuter hält das für bedenklich. Denn die Giftmischungen könnten als Rückstände an den Sojabohnen haften bleiben – und so im Futtertrog von Tieren oder auch auf den Tellern von Verbrauchern landen. Kombinierte Effekte können laut Reuter auftreten, wenn Chemikalien dasselbe Organ schädigen, beispielsweise die Leber, oder sie denselben Wirkmechanismus haben. Sie können sich auch gegenseitig beeinflussen und so neue Effekte hervorrufen, die zuvor unbekannt waren.
Im Auftrag des Vereins Testbiotech aus München hat Reuter wissenschaftliche Untersuchungen zu den Herbiziden sowie Behördenpapiere ausgewertet. Gestern wurde das Gutachten veröffentlicht. Das Ergebnis: Dicamba und Isoxaflutol weisen Ähnlichkeiten zu Glyphosat auf, die ein gegenseitiges Hochschaukeln der Giftigkeit befürchten lassen. So gebe es sowohl für Dicamba als auch Glyphosat wissenschaftliche Hinweise auf eine erbgutschädigende Wirkung, auf Totgeburten bei Versuchstieren und auf eine Beeinflussung des Thymus. Dieses Organ ist wichtig für das Immunsystem.
Auch in den Studien zu Glyphosat und Isoxaflutol wurde Reuter fündig: beide Herbizide griffen die Leber von Versuchstieren an und führten zu Tumoren des Organs. Insgesamt gebe es zu Isoxaflutol aber nur wenige veröffentlichte Studien, die zudem überwiegend von der Industrie selbst durchgeführt worden seien.
Auf solchen Industrie-Untersuchungen beruhen häufig auch die Einschätzungen von Behörden wie der EFSA, die in der EU für die Risikobewertung von Pestiziden und gentechnisch veränderten Pflanzen zuständig ist. Kritiker monieren, dass kombinierte Effekte mehrerer Wirkstoffe dabei bislang keine Rolle spielen. „Die EU-Kommission hat uns mehrfach schriftlich versichert, dass die Herbizide, die bei den Sojabohnen eingesetzt werden, auf alle relevanten Risiken geprüft wurden“, kommentierte Testbiotech-Geschäftsführer Christoph Then, der Reuter beauftragt hatte. „Wir sind daher nicht nur über das Ergebnis des toxikologischen Gutachtens besorgt, sondern auch schockiert von der Art und Weise, wie die EU-Kommission mit diesen Gesundheitsrisiken umgeht.“
„Es sieht so aus, als ob die Stellungnahmen der EU-Kommission der gezielten Desinformation dienen sollten“, so Then. Er forderte, den Gentechnik-Sojapflanzen von Monsanto und Bayer, die gegen zwei Herbizidwirkstoffe resistent sind, die Genehmigung zu verweigern. „Sowohl Verbraucher als auch Nutztiere können der Kombination dieser giftigen Rückstände ausgesetzt sein, weil man annehmen muss, dass diese auch in der Ernte vorhanden sind“, schrieb Testbiotech in einer Pressemitteilung.
Die Abstimmung kommende Woche ist bereits die zweite über die gentechnisch veränderten Sojapflanzen. Im November hatten die Vertreter der EU-Mitgliedstaaten schon einmal abgestimmt, dabei kam es allerdings nicht zur nötigen qualifizierten Mehrheit für eine verbindliche Entscheidung. Gibt es auch beim zweiten Durchgang ein Patt, kann die EU-Kommission dem Import der Gentechnik-Soja grünes Licht geben.

9. Oktober 2015, Testbiotech

Soja von MONSANTO und BAYER gegen mehrere Spritzmittel resistent

Trotz Verdacht auf krebserregende Glyphosat-Rückstände: EU-Kommission will weitere Gentechnik-Soja zulassen

Die EU-Kommission sieht laut einem aktuellen Schreiben keinen Bedarf für eine detaillierte Untersuchung von gentechnisch veränderten Pflanzen, die einen Mix von wahrscheinlich krebserregenden Rückständen enthalten. Die Gentechnik-Soja MON 87708 × MON 89788 der Firma Monsanto ist gegen die Unkrautvernichtungs¬mittel Glyphosat und Dicamba resistent. Die Rückstände beider Spritzmittel stehen im Verdacht, krebserregend zu sein.

Im Juli 2015 hatte Testbiotech eine Online-Aktion gegen die Importzulassung gestartet, vor kurzem hat die EU-Kommission schriftlich auf die Aktion reagiert. Aus der Antwort muss geschlossen werden, dass die Gentechnik-Soja zugelassen werden soll, ohne zuvor die spezifischen Wechselwirkungen von Rückständen der Unkrautvernichtungsmittel zu untersuchen.

Das Herbizid Glyphosat wurde jüngst von einer internationalen Arbeitsgruppe der Weltgesundheitsorganisation WHO als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Dicamba wird in den Pflanzen u. a. zu Stoffen wie Formaldehyd abgebaut, das bereits seit Jahren als krebserregend gilt. Der Import der gentechnisch veränderten Sojabohnen würde die Nahrungskette mit einer speziellen Kombination dieser möglicherweise krebserregendeN Rückstände belasten. Eine genaue Untersuchung der gesundheitlichen Auswirkungen der Kombination dieser giftigen Rückstände erscheint daher unverzichtbar. In Kombination könnten die Rückstände wesentlich giftiger sein, als es die Bewertung der einzelnen Stoffe erwarten lässt.

Jüngst hat die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA auch für die Gentechnik-Soja FG72 der Firma Bayer grünes Licht gegeben, die die gleiche Problematik aufwirft: Diese Soja wurde gegen Glyphosat und Isoxaflutol resistent gemacht. Auch Rückstände von Isoxaflutolen sind als wahrscheinlich krebserregend für Menschen klassifiziert. Auch in diesem Falle hat die EFSA die Wechselwirkungen der Rückstände der Unkrautvernichtungsmittel nicht überprüft.

„Es ist Aufgabe der EU-Kommission, für eine Risikoprüfung zu sorgen, die den Anforderungen der EU-Gesetze genügt. Diese basieren auf dem Vorsorgeprinzip und fordern hohe wissenschaftliche Standards. Die Risikobewertung muss daher auch die gesundheitlichen Auswirkungen von speziellen Mischungen von Spritzmittelrückständen einbeziehen“, sagt Christoph Then für Testbiotech.

weitere Infos:
=> GenSoja von BAYER
=> Bewertung der GenSoja-Sorte FG72 von BAYER

[Pestizide] STICHWORT BAYER 04/2015

CBG Redaktion

BAYER & Co. setzen Pestizid-Limits fest

Grenzwertige Grenzwerte

Die Bestimmung der Pestizid-Grenzwerte erfolgt keinesfalls nach wissenschaftlich objektiven Kriterien, wie gutgläubige Laien vielleicht annehmen mögen. Und wenn es zu arge Überschreitungen gibt, dürfen BAYER & Co. nach dem Motto „Was nicht passt, wird passend gemacht“ sogar selbst Hand anlegen.

Von Lars Neumeister

Eine der ersten Fragen, die ich bekomme, wenn ich für jemanden Ergebnisse von Pestizid-Tests in Lebensmitteln auswerte, lautet: „Wurden die Grenzwerte überschritten?“ Damit sind die gesetzlich erlaubten Höchstgehalte gemeint. Sie stellen für viele immer noch die Messlatte der Rückstandsbelastung dar und gelten politisch als Indikator für erfolgreichen oder weniger erfolgreichen VerbraucherInnen-Schutz. Das ist jedoch falsch. Man muss nur genau hinhören und hinsehen, um das zu wissen. Werden sehr viele Höchstgehalte für Pestizide überschritten, stellen sich PolitikerInnen, politisch motivierte Institutionen und Produzenten hin und sagen: „Die gesetzlich festgelegten Höchstgehalte sind keine toxikologischen Grenzwerte. Sie dienen der Überprüfung der Guten landwirtschaftlichen Praxis.“ (1) Ist die Anzahl der Überschreitungen aber gering, hört man: „Das ist ein Erfolg unserer Verbraucherschutzpolitik.“ BAYER veröffentlicht bei einer zurückgehenden Beanstandungsquote sogar Pressemitteilungen wie: „Immer weniger Pflanzenschutzmittel-Rückstände in Lebensmitteln“ (2).

Auch das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ ignoriert die Belastung unterhalb der gesetzlichen Höchstmengen und leitet aus einer niedrigen Beanstandungsquote ab: „Die Belastung von Lebensmitteln mit Pflanzenschutzmittel-Rückständen bleibt auf einem niedrigen Niveau.“ (3)
Das ist etwa so, als würde man die allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 250 km/h anheben und dann aufgrund weniger Geschwindigkeitsüberschreitungen behaupten, alle AutofahrerInnen führen langsamer.

In Wahrheit sagen die Daten zu Über- oder Unterschreitungen der gesetzlich erlaubte Höchstgehalte fast gar nichts aus. Im Jahr 2011 gab es beispielswiese es sehr viele Überschreitungen von Glyphosat in getrockneten Linsen (fast 100 Prozent der Proben). Im darauffolgenden Jahr 2012 jedoch nur noch eine. Ursache des wundersamen Rückgangs: Die noch erlaubten Höchstmengen für Linsen wurden von 0,1 mg/kg auf 10 mg/kg angehoben . Und das ist kein Einzelfall. In den Jahren 2012 und 2013 gab es in Deutschland viele Überschreitungen durch zwei bis dahin eher unbekannte Stoffe (Benzalkoniumchlorid BAC und Didecyldimethylammoniumchlorid DDAC), und prompt wurden 2014 die Limits auf das Hundertfache angehoben. (4)

Jährlich werden ca. 40 Prozent aller gesetzlichen Höchstgehalte verändert. (5) Auf Initiative der Lebensmittel- und der Pestizidindustrie werden oft auch genau die Höchstgehalte angehoben, die für Überschreitungen sorgen. So beantragte der Glyphosat-Hersteller MONSANTO die hundertfache Anhebung der erlaubten Glyphosat-Gehalte in Linsen. (6) Auch bei Rückständen durch das Insektizid Acetamiprid kam es 2012/13 zu einer hohen Anzahl von Höchstmengen-Überschreitungen. In der Folge sorgte die NISSO CHEMICAL EUROPE GmbH gleich dreimal für Anhebungen. Auch BAYER lässt regelmäßig Höchstgehalte anheben z. B. für Fluopyram-Rückstände in Endivien, Trifloxystrobin-Rückstände in Strauchbeeren, Spirotetramat-Rückstände in Oliven für die Öl-Produktion und Ethephon-Rückstände in Tafeltrauben und Oliven.

Will man Aussagen über Trends in der Rückstandsbelastung treffen, ist die der Anteil von Überschreitungen der Höchstgehalte (Beanstandungsquote) völlig untauglich. Denn ein gesetzlich festgelegter Höchstgehalt ist nichts weiter als ein zum Proben-Zeitraum gültiger Rechtsstand. Ein Jahr darauf oder zuvor war/ist dieser Rechtsstand oft anders. Die einzigen verlässlichen Parameter, um Trends abzulesen, wären Pestizid-Konzentrationen, die Anzahl der aufgefundenen Wirkstoffe und die mittlere Giftigkeit. Diese Parameter muss mensch dann natürlich an immer denselben Fruchtarten messen.

Ein Blick auf die Nachweisquote zeigt hingegen den stetigen Anstieg der Pestizid-Belastung. Verfolgt man die Daten aus einem der besten staatlichen Labore, dem CVUA Stuttgart, kommt man zu einer ganz anderen Einschätzung der Datenlage als Industrie und Behörden. Nur noch 5 Prozent des konventionell produzierten Obstes und 9 Prozent des konventionell produzierten Gemüses waren 2014 ohne Rückstände.

Zum Autor: Lars Neumeister betreibt den Blog Essen ohne Chemie, hat die Ratgeber-App „Essen ohne Chemie“ entwickelt und arbeitet selbstständig für Organisationen wie GREENPEACE, BUND, WWF und andere.

1 Eine Kritik des Autors an dieser Begrifflichkeit ist hier zu finden Artikel: http:www.essen-ohne-chemie.info/wenn-gut-auch-schlecht-sein-darf-gute-landwirtschaftliche-praxis-ein-irrefuehrender-begriff/

2 BAYER CROPSCIENCE (2015): Immer weniger Pflanzenschutzmittelrückstände in Lebensmitteln. Mitteilung vom 05.02.2015 auf http:agrar.bayer.de/Aktuelles/Nachrichten/2015/01/Weniger%20PSM-Rueckstand.aspx?category=aktuelles.

3 BVL (2015): Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Lebensmitteln konstant auf niedrigem Niveau. BVL stellt Bericht für 2013 vor – Einzelne Lebensmittelgruppen unterschiedlich betroffen. Presseinformation des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) vom 13.04.2015.

4 Verordnung (EU) Nr. 1119/2014 der Kommission vom 16. Oktober 2014 zur Änderung des Anhangs III der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Höchstgehalte an Rückständen von Benzalkoniumchlorid und Didecyldimethylammoniumchlorid in oder auf bestimmten Erzeugnissen. OJ L 304, 23.10.2014, p. 43–74

5 Veränderungen der Höchstgehalte: Bezogen auf festgelegte Höchstgehalte über der analytischen Bestimmungsgrenze. Ohne Doppelnennungen durch Gruppen.

6 EFSA (2012): Modification of the existing MRL for glyphosate in lentils. EFSA Journal 2012; 10(1):2550. European Food Safety Authority. doi:10.2903/j.efsa.2012.2550. Siehe: EFSA Journal 2013;11(12):3506; EFSA Journal 2012;10(12):3051; EFSA Journal 2014;12(9):3824 20 pp.

[Ticker] STICHWORT BAYER 04/2015 – TICKER

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Marburg: Duisberg bleibt Dr. h. c.
Am 29. September 2011 jährte sich der Geburtstag des langjährigen BAYER-Generaldirektors Carl Duisberg zum 150. Mal. Um die medialen Ständchen für den Mann zu konterkarieren, der im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas und die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen war und später einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörderkonzerns IG FARBEN hatte, rief die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Kampagne ins Leben. Sie mahnte anlässlich des Jahrestags die Umbenennung von Straßen, Schulen und anderen Einrichtungen an, die Duisbergs Namen tragen. Viele Menschen ließen sich davon anregen und trugen die Forderung in die zuständigen Kommunal-Vertretungen. In Dortmund und Lüdenscheid hatte das schon Erfolg (siehe auch SWB 1/15). Andere Orte wie z. B. Frankfurt, Marl und Dormagen haben noch keine Entscheidung gefällt. Bonn und Waldshut-Tiengen hingegen haben einen entsprechenden Änderungsantrag schon abgelehnt. Auch die Universität Marburg hielt an Duisberg fest und ließ ihm seine Ehrendoktor-Würde. Der Fakultätsrat kam zu der Entscheidung, den Titel posthum nicht aberkennen zu können, was rechtlich aber sehr wohl möglich ist. Die Dekanin versicherte der CBG jedoch, der Fall habe „im Fachbereich großes Interesse geweckt“ und die Hochschule wolle „in Lehrveranstaltungen und durch Arbeiten von Nachwuchs-Wissenschaftlern die Rolle Duisbergs untersuchen“.

USA: Protest gegen GAUCHO & Co.
Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin) gelten als besonders bienengefährlich. Die EU hat deshalb Imidacloprid, Clothianidin und andere Stoffe dieser Substanz-Klasse mit einem vorläufigen Verkaufsbann belegt. Auch in den USA wächst die Kritik an diesen Agro-Chemikalien. So kamen Mitte September 2015 BienenzüchterInnen, LandwirtInnen und UmweltschützerInnen in North Carolinas Hauptstadt Raleigh zusammen, um dem Gouverneur eine das Verbot dieser Mittel verlangende Petition zu übergeben, die 500.000 Menschen unterzeichnet haben. Ursprünglich wollten die AktivistInnen den Leverkusener Multi selber die Unterschriften aushändigen, aber das Unternehmen folgte einer entsprechenden Einladung nicht. „Wenn es BAYER wirklich ernst ist mit der Bienengesundheit, dann muss der Konzern den mehr als 500.000 Amerikanern Gehör schenken, die ihn zum Wohl der Umwelt, des Lebensmittel-Systems und der Nahrungsmittel-Versorgung auffordern, den Verkauf bienengefährlicher Pestizide zu stoppen“, sagte Tiffany Finck-Haynes von FRIENDS OF THE EARTH.

ERSTE & DRITTE WELT

BAYER expandiert in Afrika
Für BAYERs Landwirtschaftssparte spielt der afrikanische Kontinent eine immer größere Rolle. Bis zum Jahr 2023 erwartet der Konzern eine Verdoppelung des dortigen Ackergift-Marktes. Deshalb besitzt er mittlerweile in zwölf afrikanischen Ländern Niederlassungen, wobei der Gen-Gigant sich auf die wirtschaftlich erfolgreicheren Nationen konzentriert. Der Global Player bietet in diesen Staaten nicht nur Saatgut und Pestizide an, sondern hält auch Schulungen ab. Zudem arbeitet der Konzern intensiv mit dem öffentlichen Sektor zusammen – und greift dafür teilweise auf Entwicklungshilfe-Gelder zurück. So gehört die Aktien-Gesellschaft etwa der „German Food Partnership“ (GFP) an, die das „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ mit rund 30 Firmen gegründet hat, und betreibt im GFP-Rahmen die „Competitive African Rice Initiative“. „BAYER CROPSCIENCE unterhält bereits Public-Private-Partnerships entlang der gesamten Lebensmittel-Wertschöpfungskette – von landwirtschaftlichen Lieferketten über eine nachhaltige Bodenbewirtschaftung und die Agrarforschung bis hin zur Mikrofinanzierung“, verkündete das Unternehmen 2014 auf dem „AGCO Africa Summit“ in Berlin stolz, den es gemeinsam mit dem Landmaschinen-Hersteller AGCO, RABOBANK und der „Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft“ veranstaltet. Dabei hat der Multi auch die Kleinbauern und -bäuerinnen entdeckt, zumindest rhetorisch, gibt es doch von Entwicklungshilfe-Organisationen immer wieder Kritik am „Think Big“ des agro-industriellen Komplexes. „Afrikanische Kleinbetriebe können einen großen Beitrag zur Ernährung der Weltbevölkerung leisten“, sagt der BAYER-Manager Marc Reichardt. Allerdings müssten sie dafür größer werden und auf die „innovativen“ Produkte seines Hauses zurückgreifen, meint er. Hunger und Unterernährung gehen für ihn nämlich nicht auf Verteilungsprobleme zurück, sondern „auf den mangelnden Zugang zu Produktionsmitteln wie Dünger, qualitativ hochwertiges Saatgut, innovative chemische und biologische Pflanzenschutz-Lösungen sowie Maschinen und andere wichtige landwirtschaftliche Geräte“.

POLITIK & EINFLUSS

Massive Kritik an IMI
Im Jahr 2009 hat die EU die „Innovative Medicines Initiative“ (IMI) gestartet, um die europäische Pharma-Branche im internationalen Wettbewerb zu stärken. Der „Public Private Partnership“ zwischen Brüssel, den Pharma-Multis, Universitäten und Forschungseinrichtungen steht dafür ein Etat von fünf Milliarden Euro zur Verfügung. Die Hochschulen hatten zunächst große Hoffnungen in das Projekt gesteckt, weil sie hofften, endlich ähnlich große Etats wie BAYER & Co. zur Verfügung zu haben und so ihre Stellung gegenüber der Industrie stärken zu können. Nun äußern sie jedoch vehemente Kritik an IMI, weil Big Pharma die Forschungspläne diktiert. Die Unternehmen hätten „eine sehr starke Vormachtstellung“, klagt eine Forscherin. So behindern die Multis etwa Vorhaben, wenn diese eigenen zu sehr ähnelten, oder zwingen Instituten Studien-Designs auf, die den Einrichtungen keinen vollständigen Zugang zu den Daten erlauben. Bereits im Oktober 2010 prangerten deshalb die beiden europäischen Hochschulverbände „League of European Research Universities“ und „European University Association“ das Vorgehen der Pillen-Riesen an. Der EU-Haushaltsausschuss monierte derweil einen intransparenten Umgang mit den Förder-Milliarden und gab die Gelder erst mit Verzögerung frei. BAYER hingegen schwärmt von der „Innovative Medicines Initiative“: „IMI hat mit über 40 großen Konsortien erfolgreich ein neues Modell der Zusammenarbeit aller relevanten Partner im Gesundheitsbereich etabliert, um übergreifende Problemfelder zu bearbeiten, die keine Institution allein bearbeiten könnte oder würde.“ Eines dieser Problemfelder stellen für die Konzerne offenbar die PatientInnen dar. Deshalb wollen sie sich mit Hilfe von IMI in der „Europäische Patienten-Akademie zu therapeutischen Innovationen“ die passenden heranzüchten.
„Mit einem geeigneten Training können Patienten-Vertreter akzeptierte Partner in Wissenschaft, Ethik- und Kontrollausschüssen werden und dabei klinische Studien, Arzneimittel-Entwicklung und Zugangsstrategien verbessern und beschleunigen“, meinen die Unternehmen. Der Leverkusener Multi leitet im Rahmen von IMI zudem mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf einen Forschungsverbund, der Biomarker zur Krebs-Diagnose entwickelt. Darüber hinaus ist er an der Entwicklung einer Software beteiligt, welche die Risiken und Nebenwirkungen von Arzneimittel-Kandidaten in klinischen Tests analysieren soll. Überdies baut der Global Player einen europäischen Masterstudiengang für ArzneimittelsicherheitsexpertInnen mit auf und mischt unter anderem noch bei Projekten zur Immunologie und zum Management von medizinischen Daten mit.

Vapi: bald noch verseuchter?
Die indischen Behörden stufen Vapi als den verschmutztesten Ort des Landes ein. Nirgendwo sonst im Staat sind Wasser, Boden und Luft derart verseucht. Der Leverkusener Multi hat gehörigen Anteil daran. Er zählt die Stadt neben Dormagen, Knapsack, Frankfurt und Kansas City zu den wichtigsten Pestizid-Standorten. Seine dortige Produktionsstätte belastet die Umwelt jedoch deutlich stärker als das die entsprechenden Anlagen in der Bundesrepublik oder den USA tun. So stammen 94,9 Prozent aller die Ozonschicht zerstörenden Stoffe, die der Konzern weltweit emittiert, aus Vapi. Bei den flüchtigen organischen Substanzen, den so genannten VOCs, beträgt der Anteil 68,2 Prozent. Wegen solcher und anderer Dreckschleudern hat eine frühere indische Regierung ein Gesetz erlassen, das neue Ansiedlungen im Industrie-Gebiet verbietet. Die „Vapi Industries Association“, der BAYER nicht angehört, will jetzt eine Aufhebung des Moratoriums erreichen. Und Premierminister Narenda Modi hat bereits Entgegenkommen signalisiert. Der Himmel über Vapi könnte also bald noch düsterer werden.

Duin beim „Bio-Europe-Spring“
Im März 2015 besuchte der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Garrelt Duin in Paris die Biotech-Konferenz „Bio-Europe-Spring“, auf der auch BAYER vertreten war. Beim NRW-Landesempfang, der unter dem Motto „Schlüssel-Technologien made in NRW“ stand, sprach der Sozialdemokrat Gruß- und Schlusswort.

Grußwort von Löhrmann
Die nordrhein-westfälische Schulministerin Sylvia Löhrmann hat gute Beziehungen zu BAYER. So bedachte sie dann auch die Feier zum 50-jährigen Bestehen des Landeswettbewerbs „Jugend forscht“, die im Leverkusener BayKomm stattfand, mit einem Grußwort.

Schmidt beim „AGCO Africa Summit“
Seit einiger Zeit hat BAYER den afrikanischen Kontinent als Absatzmarkt für seine Landwirtschaftsprodukte entdeckt (siehe ERSTE & DRITTE WELT). Darum veranstaltet der Leverkusener Multi seit einiger Zeit in Berlin gemeinsam mit dem Landmaschinen-Hersteller AGCO, RABOBANK und der staatlichen „Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft“ auch einen Kongress zum Agro-Business in Afrika. Und in diesem Jahr konnte der Global Player dort Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt als Gast begrüßen. Der CSU-Politiker mahnte auf dem „AGCO Africa Summit“ aus gegebenem Anlass, die Entwicklung in den Ländern dürfte nicht an den Kleinbauern und -bäuerinnen vorbeigehen und müsse „im Einklang mit der Umwelt und den Schutzrechten der Bevölkerung stehen“.

PROPAGANDA & MEDIEN

Extrem-Lobbying in Brüssel
Im Jahr 2014 ließ BAYER sich das Lobbying bei der Europäischen Union in Brüssel rund 2,5 Millionen Euro kosten. 15 Personen beschäftigt der Leverkusener Multi dort; acht von ihnen haben offiziell Zugang zu den EU-ParlamentarierInnen.

Von der FDA zu BAYER
BAYERs Ruf in den Vereinigten Staaten ist wegen der vielen Schadensersatz-Prozesse um YASMIN, XARELTO & Co. nicht der Beste. Darum ging der Leverkusener Multi jetzt in die Offensive und verpflichtete mit Steven Immergut einen ehemaligen Mitarbeiter der Presseabteilung der US-Gesundheitsbehörde FDA als obersten Öffentlichkeitsarbeiter seiner US-amerikanischen Pharma-Sparte.

Bisphenol-Lobbying in Brüssel
Viele Chemikalien enthalten Wirkstoffe, die in ihrem chemischen Aufbau Hormonen ähneln. Zu diesen endokrinen Disruptoren zählen im BAYER-Sortiment unter anderem Biozide wie BAYER GARTEN FLIEGENSPRAY und Bisphenol A, das z. B. in Lebensmittel-Verpackungen Verwendung findet. Vom menschlichen Körper aufgenommen, können diese Substanzen Fehlsteuerungen im Organismus auslösen und zu Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen führen. Die Europäische Union plant deshalb Maßnahmen, aber der Lobby-Druck verzögert den Prozess massiv. Der Leverkusener Multi kann dabei kräftig mitbremsen, denn er verfügt über das notwendige Herrschaftswissen. Einer seiner Brüsseler LobbyistInnen (s. o.) sitzt nämlich als Beobachter in der ExpertInnen-Gruppe der EU-Kommission zu den endokrinen Disruptoren.

PR-Offensive zu ESSURE
Bei ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, handelt es sich um eine kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich die Eileiter verschließen. Allzu oft jedoch bleibt die Spirale nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Nebenwirkungen. Darum zieht ESSURE viel Kritik auf sich. Allein die Facebook-Gruppe „Essure Problems“ hat über 11.000 Mitglieder. Der Konzern reagiert darauf mit einer PR-Offensive. Der oberste US-amerikanische Öffentlichkeitsarbeiter des Unternehmens, Ray Kerins, hat sein Team angewiesen, direkt mit den Verfasserinnen von Facebook-Posts und Twitter-Nachrichten Kontakt aufzunehmen und Schadensbegrenzung zu betreiben.

PR-Offensive zum Bienensterben
Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin) gelten als besonders bienengefährlich. Die EU hat deshalb Imidacloprid, Clothianidin und Thiamethoxam mit einem vorläufigen Verkaufsbann belegt. Auch in den USA wächst die Kritik an diesen Substanzen (siehe auch AKTION & KRITIK). Deshalb hat die US-amerikanische Öffentlichkeitsarbeitsabteilung des Leverkusener Multis, die 80 Beschäftigte umfasst, eine PR-Offensive gestartet. Sie schuf ein mobiles „Bee Care Center“ und zog damit vor den Kongress, den Washingtoner Bahnhof und den Botanischen Garten, um den Konzern als großen Bienen-Kümmerer in Szene zu setzen. Zudem spendete der Agro-Riese Geld für das Anpflanzen von Blumen mit pollen-reichen Blüten.

BAYER sponsert Pestizid-Kongress
BAYER und MONSANTO zählten zu den Hauptsponsoren des „18. Internationalen Pflanzenschutz-Kongress IPPC“, der Ende August 2015 in Berlin stattfand. Die anwesenden WissenschaftlerInnen fanden dann auch kein kritisches Wort zu dem von den beiden Agro-Multis vertriebenen Pestizid Glyphosat, obwohl die Weltgesundheitsorganisation WHO dieses unlängst als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft hat. Es werde nur nicht immer sachgemäß angewandt, meinten die ForscherInnen und schlugen Schulungsprogramme für LandwirtInnen vor. Einen Zusammenhang zwischen den milden Gaben der Konzerne und den wohlmeinenden Äußerungen zu der chemischen Keule stritt der Kongress-Präsident Holger Deising allerdings vehement ab. „Als Vorsitzender des Programm-Komitees kann ich sagen, dass zu keiner Zeit so etwas eine Rolle gespielt hat. Wir haben keine Abhängigkeiten von irgendwelchen Industrie-Firmen“, sagte der an der Hallenser „Martin-Luther-Universität“ zu Pflanzen-Krankheiten und Pflanzenschutz forschende Professor.

BAYER sponsert „CancerLinQ“
Krebs-Medikamente nehmen in BAYERs Produkt-Palette viel Raum ein. Darum legt der Pharma-Riese Wert darauf, sich mit den entsprechenden Medizin-Gesellschaften wie z. B. der „American Society of Clinical Oncology“ (ASCO) gutzustellen. Und kleine Geschenke erhalten dabei die Freundschaft. So spendete der Leverkusener Multi eine Million Dollar für das ASCO-Projekt „CancerLinQ“, eine Internet-Plattform, die Daten von Krebs-PatientInnen zusammenträgt. Sicherlich spekuliert der Leverkusener Multi dabei auch darauf, später einmal Zugang zu dieser Datenbank zu erhalten.

BAYER bildet JournalistInnen fort
Seit 2014 kooperiert der Leverkusener Multi mit der US-amerikanischen „National Press Foundation“ und finanziert Fortbildungsprogramme zu medizinischen Themen. Dieses Jahr bietet er ein Seminar zu Masern und der Kontroverse um Schutz-Impfungen an.

DRUGS & PILLS

Studie warnt vor Testosteron-Pillen
Mit großer Anstrengung arbeitet der Leverkusener Multi daran, die „Männergesundheit“ als neues Geschäftsfeld zu etablieren und Hormon-Präparaten wie NEBIDO oder TESTOGEL neue und nur selten zweckdienliche Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. Zu diesem Behufe hat der Pharma-Riese die Krankheit „Testosteron-Mangel“ erfunden und sie zu „männlichen Wechseljahresstörungen“ erhoben. Studien warnen hingegen vor den Mitteln. So stellte eine Untersuchung von Shalender Bhasin, die das Journal of the American Medical Association veröffentlichte, ausbleibende Haupt-, dafür aber zahlreiche Nebenwirkungen fest. Der Mediziner von der „Harvard Medical School“ konnte keinerlei positive Effekte der Produkte auf die Arterien-Verkalkung feststellen, auch Potenz- oder Libido-Probleme behoben NEBIDO & Co. nicht. Dafür beobachteten Bhasin und sein Team viele gesundheitsgefährdende Begleiterscheinungen wie eine Blut-Verdickung, welche die Thrombose-Gefahr anwachsen lässt und einen gestiegenen PSA-Wert, der auf ein erhöhtes Prostatakrebs-Risiko verweist. Zu ähnlich besorgniserregenden Ergebnissen war zuvor schon die Studie einer ForscherInnen-Gruppe um Jared L. Moss von der Universität Knoxville gekommen. Sie hatte herausgefunden, dass die Testosteron-Spritzen die Zeugungsfähigkeit beeinträchtigen. Zudem registrierten die WissenschaftlerInnen Schrumpfungen des Hodengewebes und Samenzellen-Missbildungen. Auf der langen Liste der Risiken und Nebenwirkungen von Testosteron-Medikamenten stehen außerdem Herzinfarkt, Harntrakt-Schädigungen, Brust-Wachstum, Bluthochdruck, Ödeme und Leberschäden.

Gefährliche Hormonersatz-Therapie
BAYER & Co. ist es gelungen, die Wechseljahre zu einer Krankheit zu erklären, bei der nur eins hilft: die Hormonersatz-Therapie. Was die Konzerne „Menopausen-Management“ nennen, bezeichnen KritikerInnen als „die Medikalisierung körperlicher Umbruchphasen im Leben von Frauen“. Und diese setzt die Patientinnen erheblichen Gesundheitsgefahren aus. So erhöhen die Hormon-Gaben das Risiko für Demenz, Thrombosen, Herzinfarkte, Schlaganfälle und Brustkrebs. Und Anfang 2015 hat ein ForscherInnen-Team um Richard Peto von der Universität Oxford diese Liste noch um Eierstockkrebs erweitert. Ob das alles bei der derzeitigen Überarbeitung der ärztlichen Leitlinie zur Hormonersatz-Therapie Berücksichtigung findet, steht allerdings in Zweifel. Der Leverkusener Multi hat nämlich beste Beziehungen zu den FrauenärztInnen im Allgemeinen und ihrer Fach-Organisation „Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe“ im Besonderen.

Pillen-Preise mit Akzeptanz-Problem
Der Leverkusener Multi rechtfertigt die hohen Arzneimittel-Preise stets mit dem hohen Forschungsaufwand, den er angeblich betreiben muss, um neue Medikamente zu kreieren. Dabei steckt der Konzern viel mehr Geld in das Pharma-Marketing als in die Pharma-Forschung. So will denn auch das Argument in der Bevölkerung nicht so recht verfangen, wie der Pillen-Riese durch eine von ihm in Auftrag gegebene Umfrage erfuhr. Der Aussage: „Damit die Arzneimittel-Industrie teure Forschung auch langfristig finanzieren kann, ist es wichtig, dass sie angemessene Preise erzielt“, mochten nämlich nur 51 Prozent der Befragten zustimmen. „Daran wollen und müssen wir arbeiten“, kommentierte Frank Schöning, der Geschäftsführer von BAYER VITAL, bedröppelt das enttäuschende Ergebnis.

Kooperation mit PROTEROS
BAYER hat eine Zusammenarbeit mit PROTEROS vereinbart. Der Leverkusener Multi will auf der Basis eines von dem Münchner Biotech-Unternehmen entdeckten Proteins, das Regulationsprozesse der Herz-Membranen steuert, ein Medikament entwickeln und finanziert deshalb die weiteren Forschungsarbeiten der Firma.

PESTIZIDE& HAUSHALTSGIFTE

Pestizide in Lebensmitteln
Die Europäische Behörde für Lebensmittel-Sicherheit (EFSA) veröffentlichte im Frühjahr 2015 die Ergebnisse ihrer Untersuchung über Pestizid-Rückstände in Lebensmitteln. In 45 Prozent aller 81.000 Proben fanden sich Spuren von Agro-Chemikalien. Bei 1,5 Prozent der Samples überschritten die Rückstände die zulässigen Höchstwerte. Dabei lagen auch viele von BAYER vertriebene Wirkstoffe über den zulässigen Limits. So wiesen die ForscherInnen Überdosen von Tebuconazole, Trifloxystrobin, Ethephon, Spiromesifen, Chlorpyrifos, Pencycuron, Folpet, Prochloraz und Carbendazim nach.

Grenzwerte nach BAYER-Gusto
Jährlich ändern sich ca. 40 Prozent der gesetzlich festgelegten Pestizid-Grenzwerte. Deren Bestimmung erfolgt nämlich keinesfalls nach wissenschaftlich objektiven Kriterien, wie Gutgläubige vielleicht annehmen mögen. Die Limits richten sich vielmehr nach dem Aufkommen der Überschreitungen. Gibt es zu viele davon, so legen die Behörden die Latte nach dem Motto „Was nicht passt, wird passend gemacht“ auf Antrag der Konzerne einfach ein bisschen höher. Auch BAYER wird in diesem Sinne tätig. So hat der Agro-Riese beispielsweise die Höchstgehalte für Fluopyram-Rückstände in Endivien, Trifloxystrobin-Rückstände in Strauchbeeren, Spirotetramat-Rückstände in Oliven für die Öl-Produktion und Ethephon-Rückstände in Tafeltrauben und Oliven anheben lassen.

MOON PRIVILEGE schädigt Reben
BAYERs Antipilz-Mittel MOON PRIVILEGE (Wirkstoff: Fluopyram) hat verheerende Schäden im Weinbau verursacht. Die Reben vertrockneten und trugen kaum Beeren; die Blätter zeigten Deformationserscheinungen. Durch den Ernte-Ausfall entstand allein schweizer Weinbauern und -bäuerinnen ein Minus von rund 135 Millionen Franken. Ihre KollegInnen in Österreich, Deutschland, Frankreich, Spanien und Italien klagen ebenfalls über Verluste durch das Pestizid, das der Leverkusener Multi auch unter dem Namen „LUNA PRIVILEGE“ vertreibt. Mit den ersten Schadensersatz-Klagen sieht der Agro-Riese sich deshalb schon konfrontiert. Und er scheint sogar gewillt zu zahlen. Es besteht „eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen Zusammenhang“, räumt das Unternehmen ein. Angesichts der unvorhergesehenen Risiken und Nebenwirkungen des Mittels steht zudem die Zulassungspraxis der Behörden in der Kritik.

Mehr MPE aus Hürth
BAYERs Pestizid-Wirkstoff Glufosinat erfreut sich derzeit einer großen Nachfrage, weil immer mehr Unkräuter der MONSANTO-Substanz Glyphosat trotzen. Darum erweitert der Leverkusener Multi an vielen Standorten die Produktionskapazitäten für die unter den Namen LIBERTY und BASTA vermarktete Agro-Chemikalie. Nachdem der Konzern unlängst die Fertigung in Höchst ausgebaut hatte, nahm er im August 2015 in Hürth-Knapsack eine neue Anlage für das Glufosinat-Vorprodukt Methanphosphonigsäureester (MPE) in Betrieb. Dass die EU angekündigt hat, Glufosinat 2017 wegen seiner Gefährlichkeit aus dem Verkehr zu ziehen, störte das Unternehmen dabei nicht. Der Global Player hat es nämlich hauptsächlich auf die Absatz-Märkte in Südamerika und in den USA abgesehen. Dort investiert er in Mobile, Alabama und Muskegon, Michigan ebenfalls kräftig, um die Herstellung der Substanz zu forcieren. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN kritisiert diese Praxis der doppelten Standards scharf und fordert ein weltweites Verbot der Chemikalie.

Vorerst weiter mit Glyphosat
Der Pestizid-Wirkstoff Glyphosat, der hauptsächlich in Kombination mit MONSANTOs Gen-Pflanzen zum Einsatz kommt, aber auch in BAYER-Mitteln wie GLYFOS, PERMACLEAN, USTINEX G, KEEPER und SUPER STRENGTH GLYPHOSATE enthalten ist, gilt als gesundheitsgefährdend. So hat eine Krebsforschungseinrichtung der Weltgesundheitsorganisation die Substanz im März 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft und damit das „Bundesinstitut für Risiko-Bewertung“ in Erklärungsnot gebracht, das der Agro-Chemikalie eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt hatte. Eigentlich sollte die Europäische Union bis Ende 2015 über eine Verlängerung der Zulassung des Stoffes befinden. Nun hat die Kommission die Entscheidung aber wegen der unterschiedlichen Einschätzungen des Glyphosat-Sicherheitsprofils vertagt und den Verkauf des Pestizids vorerst bis zum Juni 2016 weiter genehmigt. Der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger kritisierte das scharf. „Es ist inakzeptabel, dass die EU-Kommission Europas Bevölkerung weiter einer Substanz aussetzen will, die von der WHO als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft wurde“, so Weiger.

WHO kritisiert Glyphosat-Studien
Während die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation das umstrittene, auch von BAYER vertriebene Pestizid Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ bezeichnete (s. o.), stufte eine andere Abteilung der WHO die Agro-Chemikalie als unbedenklich ein. Eine aus WHO-WissenschaftlerInnen und ForscherInnen der Agrar-Organisation der Vereinten Nationen gebildete Gruppe, die „Joint FAO/WHO Meetings on Pesticide Residues (JMPR), konnte keine gesundheitsgefährdenden Glyphosat-Effekte ausmachen, was die Agro-Riesen natürlich gerne hörten und weiterverbreiteten. Jetzt haben aber vom JMPR selbst berufene ExpertInnen dem Gremium bei ihrer Bewertung Versäumnisse nachgewiesen. So hat dieses nach Meinung der Fachleute viele Studien nicht ausgewertet und sich bei seinem Votum stattdessen vorwiegend auf Untersuchungen der Hersteller gestützt. In Anbetracht dieses Urteils tritt die WHO nun für eine Neubewertung des Ackergifts ein. Und der Grünen-Politiker Harald Ebner forderte ein sofortiges Verbot: „Es kann nicht sein, dass Menschen Gesundheitsrisiken ausgesetzt sind, weil die zuständigen Behörden womöglich vorsätzlich im Profit-Interesse gepfuscht haben.“

GENE & KLONE

Genpollen fliegen bis zu 4,5 km weit
In einem großangelegten Versuch haben die Universität Bremen, das Ökologie-Büro Bremen und das „Bundesamt für Naturschutz“ über einen Zeitraum von zehn Jahren hinweg untersucht, wie weit sich Pollen von gen-manipulierten Pflanzen ausbreiten. Das Ergebnis hat die Fachwelt in Erstaunen versetzt: Strecken von bis zu 4,5 Kilometer legte der Blütenstaub zurück. Die gängigen Regeln, die höchstens einen Abstand von ein paar hundert Metern zwischen Feldern mit Gen-Konstrukten und solchen mit konventionellen Ackerfrüchten vorschreiben, waren damit Makulatur. Die Europäische Lebensmittel-Behörde EFSA zog die Konsequenz und setzte das Zulassungsverfahren für den von PIONEER und DOW AGROSCIENCES entwickelten Gentech-Mais 1507, der unter anderem gegen das gefährliche BAYER-Pestizid Glufosinat resistent ist, erst einmal aus.

China lässt BAYER-Soja rein
Ein Großteil der chinesischen Bevölkerung steht der Gentechnik skeptisch gegenüber. Deshalb hat die Regierung bisher den Anbau von Labor-Früchten nicht genehmigt. Und auch beim Import von Pflanzen mit verändertem Erbgut zeigt sich das Land restriktiv. Seit im Jahr 2013 an den Häfen eine Ladung Soja anlandete, die mit SYNGENTAs in dem Staat nicht zugelassenen Produkt AGRISURE VIPTERA kontaminiert war, ließen die Behörden ein Fünftel der Lieferungen wieder zurückgehen. Zudem nimmt sich das Reich der Mitte viel Zeit für Genehmigungsverfahren. BAYER & Co. kritisierten dieses Vorgehen scharf und bezeichneten es als „allzu politisch“, „intransparent“ und „unkalkulierbar“. Das hat offensichtlich gefruchtet. Ende 2014 genehmigte der Staat den Import von BAYERs Soja LL55, der gentechnisch auf eine gemeinsame Verwendung mit dem gefährlichen Pestizid Glufosinat geeicht ist. Als „gute Nachricht für die Landwirte“ und „gute Nachricht für BAYER“ bezeichnete der Leverkusener Multi die Entscheidung.

Wieder kein EYLEA-Zusatznutzen
BAYERs zur Therapie der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – zugelassene Augen-Arznei EYLEA erschließt nicht gerade medizinisches Neuland. In den klinischen Prüfungen gelang es dem Gentech-Medikament mit dem Wirkstoff Aflibercept nicht, das NOVARTIS-Präparat LUCENTIS zu übertrumpfen, was der Leverkusener Multi auch selbst einräumen musste. Trotzdem erweitert der Leverkusener Multi das Anwendungsspektrum des Mittels permanent. Und auch bei den neuen Indikationen sieht die Bilanz nicht besser aus. Das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWIG) hat dem Präparat noch nie einen Zusatznutzen bescheinigen können. Erst im Juni 2015 lehnte die Behörde wieder einen BAYER-Antrag ab. Sie vermochte EYLEA bei der Behandlung eines Sehschärfe-Verlustes bei einem Makula-Ödem, das von einem Verschluss einzelner Augen-Venen herrührt, keinen Vorteil gegenüber anderen Therapie-Formen zu bescheinigen.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

Bisphenol auf Bundesrat-Agenda
BAYER ist mit einer Jahresproduktion von ca. einer Million Tonnen einer der größten Produzenten der Industrie-Chemikalie Bisphenol A (siehe auch POLITIK & EINFLUSS). Drei Prozent davon kommen in Verpackungen von Nahrungsmitteln wie etwa Konservendosen zum Einsatz. Die Substanz ähnelt in ihrem chemischen Aufbau Hormonen, was zu Stoffwechsel-Irritationen und damit zu Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen führen kann. Die EU hat deshalb bereits die Verwendung des Stoffes in Babyflaschen untersagt und schärfere Grenzwerte erlassen. Nordrhein-Westfalen und zwei weiteren Bundesländern gehen diese Maßnahmen allerdings nicht weit genug. Sie brachten in den Bundesrat einen Antrag mit der Forderung ein, die Verwendung von Bisphenol in Lebensmittel-Verpackungen generell zu verbieten, so wie es Frankreich schon getan hat.

Dauerproblem Holzschutzmittel
BAYERs Tochter-Firma DESOWAG hat bis Mitte der 1980er Jahre das Holzschutzmittel XYLADECOR produziert, das rund 200.000 Menschen vergiftete. Erst als die Geschädigten gegen den Konzern und andere Hersteller vor Gericht zogen und damit das bislang größte Umwelt-Strafverfahren in der Geschichte der Bundesrepublik initiierten, trennte sich der Leverkusener Multi von der DESOWAG. In vielen Häusern treiben die Produkte aber nach wie vor ihr Unwesen. Die Stiftung Warentest hat noch 2013 in Holz-Proben hohe Konzentrationen festgestellt. Ein besonderes Risiko besteht nach Meinung von ExpertInnen, wenn Umbau-Maßnahmen anstehen und die gefährlichen Stoffe etwa durch das Abschleifen von Holz verstärkt freigesetzt werden. Die Politik verschließt jedoch die Augen vor dem Problem. „Der Bundesregierung liegen keine wissenschaftlichen Untersuchungen vor, dass nachweisbare gesundheitliche Gefahren für Bewohnerinnen und Bewohner heute noch von den vormals mit PCP- oder Lindan-haltigen Holzschutzmitteln gestrichenen Wohnhäusern ausgehen“, heißt es in einer Antwort der Großen Koalition auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ zu den anhaltenden Folgen des Holzschutzmittel-Skandals.

Anfrage zum Holzschutzmittel-Skandal
In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ zu den nachhaltigen Folgen des Holzschutzmittel-Skandals blieb die Bundesregierung nicht nur, was die immer noch andauernden Gesundheitsgefährdungen durch das ehemalige BAYER-Produkt XYLADECOR und andere Präparate anbetrifft, einsilbig und scheinheilig (s. o.). Obwohl ExpertInnen bereits Anfang der 1980er Jahre vor XYLADEDOR & Co. gewarnt hatten, reagierte das damalige Bundesgesundheitsamt nicht. Dieses sei zwar den Berichten „vertieft nachgegangen. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den eingetretenen Gesundheitsstörungen und Holzschutzmittel-Belastung konnte aber nicht belegt werden“, so die Große Koalition. Auch wussten Merkel & Co. nicht zu sagen, warum die Geschädigten ihre Ansprüche gegen BAYER und die anderen Unternehmen in Prozessen kaum geltend machen konnten: „Der Bundesregierung liegen darüber keine Erkenntnisse vor.“ Ebenfalls keine Informationen hat diese zum Ausmaß der Verbreitung der Mittel, zur Zahl der Opfer und zu den Kosten, welche die Substanzen verursachten.

CO & CO.

Einwendung gegen neuen Rhein-Düker
Nicht nur die zwischen den BAYER-Werken Dormagen und Krefeld verlegte Kohlenmonoxid-Pipeline wirft Sicherheitsfragen auf. Auch die in den 1960er Jahren zwischen Dormagen und Leverkusen gebaute Verbindung hat gravierende Mängel. Das offenbarte sich der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, nachdem sie bei der Bezirksregierung Köln Einsicht in die entsprechenden Unterlagen genommen hatte. Besonders an dem Rhein-Düker, mittels dessen die Pipeline den Fluss unterquert, zeigen sich Korrosionsschäden, also Abnutzungserscheinungen an den Bau-Bestandteilen. Die CBG veröffentlichte den Befund, und kurz danach kündigte BAYER einen Düker-Neubau an. Dieses Vorhaben beseitigt die Gefahr jedoch nicht, die von dem Transport gefährlichen Giftgases quer durch das Land ausgeht. Darum lehnt die Coordination es ab und hat eine Einwendung gegen das Projekt formuliert. „Ein solches Risiko ist für die Bevölkerung untragbar und wegen der Möglichkeit einer dezentralen Kohlenmonoxid-Produktion in den einzelnen Werken auch nicht notwendig“, heißt es in dem Schreiben an die Bezirksregierung unter anderem.

STANDORTE & PRODUKTION

Brunsbüttel: Neustart für MDI-Plan
2012 kündigte BAYER an, die TDI-Anlage am Standort Brunsbüttel zu einer Fertigungsstätte für MDI umzurüsten. Ein Jahr später legte der Leverkusener Multi die Pläne wieder ad acta, da die Absatz-Zahlen für TDI stiegen. Jetzt holt der Konzern sie erneut hervor – und muss sich abermals mit der Kritik der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) an dem Vorhaben befassen. Nach Ansicht der Coordination berücksichtigt das Vorhaben die Möglichkeit eines Austrittes großer Mengen des Giftgases Phosgen nämlich nicht in ausreichendem Maße. So will das Unternehmen den Bau zwar mit einer Einhausung schützen, womit er einer langjährigen Forderung der Umweltverbände nachkommt, diese aber nicht aus Beton, sondern nur aus Blechplatten errichten. Zudem verzichtet der Konzern auf eine Ammoniak-Wand als zweites Sicherheitssystem.

BAYER-Opfer Hohenbudberg
Die Standort-Städte, die heute so sehr unter BAYERs verkommener Steuer-Moral leiden, haben schon viel Opfer für den Konzern erbracht. So musste in Krefeld einst ein ganzer Ortsteil dem Expansionsdrang des Multis weichen. In den 1960er Jahren besiegelte die Erweiterung des Chemie-„Parks“ das Schicksal von Hohenbudberg und seiner rund 2.000 EinwohnerInnen. Heute zeugen nur noch die Kirche St. Matthias und drei Häuser von seiner Existenz.

RECHT & UNBILLIG

Uni-Vertrag bleibt vorerst geheim
Im Jahr 2008 ging BAYER mit der Kölner Hochschule eine Kooperation auf dem Gebiet der Pharma-Forschung ein. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und andere Initiativen befürchteten eine Ausrichtung der Arznei-Forschung auf Profit, eine Entwicklung von Präparaten ohne therapeutischen Mehrwert, eine Verheimlichung negativer Studienergebnisse und einen Zugriff des Konzerns auf geistiges Eigentum der Hochschul-WissenschaftlerInnen. Deshalb forderten die Organisationen eine Offenlegung des Vertrages. Die Universität verweigerte das jedoch, weshalb die CBG eine Klage einreichte. Nach dem Kölner Verwaltungsgericht lehnte diese nun auch das Oberverwaltungsgericht Münster ab (siehe auch SWB 4/15). In der Urteilsbegründung verwies der Richter auf einen Ausnahme-Paragrafen im Informationsfreiheitsgesetz NRW, der Forschung und Lehre von Offenlegungspflichten entbindet. Während der Verhandlung hatte die Coordination vergeblich darauf hingewiesen, dass sich ihr Interesse an dem Vertrag gerade auf die Teile bezieht, die nicht unmittelbar der Wissenschaft zuzuordnen sind, beispielsweise Vereinbarungen zu Patenten und zur Verwertung der Ergebnisse. „Das Urteil verdeutlicht, dass das nordrhein-westfälische Informationsfreiheitsgesetz überarbeitet werden muss. Die generelle Ausklammerung des Hochschulbereichs von jeglicher Transparenz muss durch eine differenzierte Regelung ersetzt werden, sonst droht eine Ausrichtung der universitären Forschung auf rein wirtschaftliche Interessen“, erklärte die CBG nach dem Richter-Spruch. Eine Entscheidung darüber, ob sie gegen den OVG-Entscheid, der eine Revision nicht zugelassen hat, Beschwerde einlegt, hat die Coordination noch nicht gefällt.

Millionen-Strafe für Explosion
Am BAYER-Standort Institute war es am 28. August 2008 zu einer Explosion gekommen, in deren Folge zwei Beschäftigte starben (SWB 3/08). Anschließend nahm die US-amerikanische Arbeitsschutzbehörde OSHA Untersuchungen auf und stellte „mangelhafte Sicherheits-Systeme, signifikante Mängel der Notfall-Abläufe und eine fehlerhafte Schulung der Mitarbeiter“ fest. Wegen dieser und anderer Versäumnisse muss der Leverkusener Multi nun eine Strafe von 5,6 Millionen Dollar zahlen. Das Geld fließt nach dem Willen der US-Umweltbehörde EPA zum größten Teil in Projekte, welche die Sicherheit von Chemie-Anlagen erhöhen. Bereits 2010 hatte die Arbeitsschutzbehörde OSHA dem Global Player in der Sache eine Kompensationszahlung von 150.000 Dollar auferlegt.

Weiterer YASMIN-Vergleich
Frauen, die drospirenon-haltige Pillen wie BAYERs YASMIN zur Empfängnis-Verhütung nehmen, tragen im Vergleich zu solchen, die levonorgestrel-haltige Kontrazeptiva bevorzugen, ein bis zu doppelt so hohes Risiko, eine Thromboembolie zu erleiden. Massen von Geschädigten oder deren Hinterbliebene haben deshalb bisher vor allem in den USA Einzel- oder Sammelklagen gegen den Multi angestrengt. Im August 2015 kam es dort gegen die Zahlung von 57 Millionen Dollar zu einem Vergleich mit 1.200 Betroffenen. Insgesamt kosteten den Pillen-Riesen solche Vereinbarungen schon über zwei Milliarden Dollar.

Behörden gegen Kontrazeptiva-Monopol
Als der Leverkusener Multi 2014 vom US-Unternehmen MERCK die Sparte mit den nicht verschreibungspflichtigen Produkten erwarb, gelangten nicht nur Sonnencremes, Fußpflege-Mittel und Magen/Darm-Arzneien neu ins BAYER-Sortiment, sondern auch die MERCILON-Kontrazeptiva mit den Wirkstoffen Desogestrel und Ethinylestradiol. Zusammen mit seinen anderen Verhütungsmitteln kommt der Pharma-Riese damit in Südkorea auf einen Markt-Anteil von 82 Prozent. Das war der dortigen Monopol-Kommission zu viel. Deshalb wies sie den Global Player an, sich von einem Teil dieses Geschäftssegmentes zu trennen.

Das Potenzmittel-Kartell
In der Schweiz zieht sich die juristische Auseinandersetzung um ein Potenzmittel-Kartell, das BAYER, PFIZER und ELI LILLY gebildet hatten, schon lange Jahre hin. Nach Ermittlung der Behörden hatten sich die Pharma-Multis für LEVITRA & Co. auf identische Preis-Empfehlungen geeinigt. Die Wettbewerbskommission WEKO hat deshalb 2009 Strafen in Höhe von insgesamt 5,7 Millionen Franken verhängt. Die Multis fochten die Entscheidung jedoch juristisch an. Das Bundesverwaltungsgericht des Landes erklärte die Klage 2013 auch für berechtigt. Es gebe gar keinen Wettbewerb in diesem Segment, da ein Werbeverbot herrsche und der Schamfaktor die KonsumentInnen von Preisvergleichen abhalte, befanden die RichterInnen, und wo es keinen Wettbewerb gebe, kann es auch keine Wettbewerbsverstöße geben. Anfang 2015 hob das schweizer Bundesgericht dieses Urteil aber auf und verwies den Fall wieder an das Verwaltungsgericht.

Whistleblower-Schutz für Simpson
In ihrer Zeit als BAYER-Beschäftigte bekam Laurie Simpson einen umfassenden Einblick in die Praxis des Leverkusener Multis, die Risiken seiner Arzneimittel zu verschweigen und diese mit Hilfe illegaler Marketing-Methoden zu vertreiben. Sie kritisierte dieses Vorgehen intern und musste dafür berufliche Nachteile in Kauf nehmen. Darum machte sie die Fälle öffentlich und begann zwei Prozesse gegen den Pharma-Riesen. In dem Verfahren um das bei OPs zum Einsatz kommende Blutstill-Präparat TRASYLOL wirft Simpson dem Konzern vor, der medizinischen Öffentlichkeit und den PatientInnen das gesundheitsgefährdende Potenzial des Mittels verheimlicht zu haben, ungeachtet der Tatsache, dass dazu eindeutige Informationen vorlagen. Zudem beschuldigt sie das Unternehmen, den Verkauf des Pharmazeutikums mit illegalen Methoden wie dem Einräumen von Rabatten und der Gewährung anderer Vergünstigungen befeuert zu haben. Darüber hinaus lastet sie dem Global Player an, den Gebrauch von TRASYLOL auch bei Operationen wie beispielsweise Leber-Transplantationen empfohlen zu haben, obwohl für die Indikationen gar keine Zulassungen vorlagen. Zwei ihrer Vorwürfe hielt ein Gericht in New Jersey für so substanziell und schwerwiegend, dass es Simpson das Recht zusprach, dafür den „False Claims Act“ in Anspruch zu nehmen, das US-amerikanische Schutzprogramm für WhistleblowerInnen. BAYER focht die Entscheidung an, konnte sich jedoch nicht durchsetzen.

FORSCHUNG & LEHRE

Forschungssubventionen: 8 Millionen
Im Jahr 2014 förderte die öffentliche Hand allein in der Bundesrepublik 80 Forschungsprojekte mit BAYER-Beteiligung und zahlte dem Konzern dafür ca. acht Millionen Euro.

BAYERs Nachhaltigkeitslehrstuhl
Der Leverkusener Multi finanziert an der Berliner Humboldt-Universität einen Lehrstuhl für „Nachhaltige Landnutzung und Klimawandel“. Mit dem Kohlendioxid-Ausstoß des Global Players, der 2014 rund 8,7 Millionen Tonnen betrug, dürfte sich der Stiftungsprofessor Hermann Lotze-Camper dabei eher nicht beschäftigen.

[Glyphosat] Glyphosat stoppen!

CBG Redaktion

Glyphosat stoppen!

Kampagne der Coordination gegen BAYER-Gefahren gegen Ackergift von BAYER und MONSANTO hier unterstützen

Achtung: CBG kämpft noch immer um finanzielle Existenz
Fördermitglieder und Spenden dringend benötigt

Glyphosat ist das meistgespritzte Pestizid der Welt. Jahr für Jahr landen mehr als 700.000 Tonnen auf den Äckern. Meist wird der Wirkstoff in Kombination mit genmanipulierten Pflanzen wie Mais oder Soja eingesetzt.

Glyphosat ist omnipräsent. Regelmäßig werden Rückstände in Getreide und Brot gefunden - aber auch in menschlichem Urin und in der Muttermilch. Selbst bei Großstadtbewohner/innen.

Dies birgt große Gefahren: nach Erkenntnissen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Glyphosat „wahrscheinlich krebserregend“. Die Substanz steht zudem in Verdacht, die Embryonalentwicklung zu stören. In den lateinamerikanischen Soja-Anbaugebieten, in denen riesige Mengen Glyphosat gespritzt werden, explodiert die Zahl von Totgeburten und Fehlbildungen.

In der BAYER-Hauptversammlung hat die Coordination gegen BAYER-Gefahren immer wieder gefordert, den Verkauf der gefährlichen Herbizide Glyphosat und Glufosinat einzustellen – doch ohne Erfolg. Der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers lobte die „herausragenden Eigenschaften“ seiner Produkte und weigerte sich sogar, die Verkaufsmengen zu nennen. Wegen angeblicher Betriebsgeheimnisse.

Im Frühjahr 2016 läuft die EU-Zulassung für Glufosinat aus. Die nächsten Monate sind daher von entscheidender Bedeutung. Sollte der Stoff verboten werden, so lässt sich auch der Verkauf von Gen-Saatgut, das mit Glyphosat gekoppelt ist, nicht weiter rechtfertigen.

Deutschland spielt im Hinblick auf ein mögliches Verbot eine entscheidende Rolle: Vier deutsche Behörden unter Federführung des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) überprüfen im Auftrag der EU die Risiken des Wirkstoffs. Im bisherigen Verfahren griff die Behörde fast ausschließlich auf Studien von BAYER und MONSANTO zurück. Mehr als die Hälfte aller in Fachzeitschriften publizierten Untersuchungen – oftmals von unabhängigen Forschern – blieb unberücksichtigt. Hinzu kommt: Die von der Industrie eingereichten Studien sind der Öffentlichkeit und damit einer Überprüfung durch unabhängige Wissenschaftler/innen nicht zugänglich. Erneut wegen angeblicher Betriebsgeheimnisse.

Solange der Krebsverdacht und eine mögliche Fruchtschädigung nicht widerlegt sind, muss Glyphosat aus dem Verkehr gezogen werden. Bitte unterstützen Sie unsere Kampagne mit einer Spende und mit Ihrer Unterschrift! alle Informationen zur Kampagne finden Sie hier.

So können Sie helfen:
=> Unterstützen Sie die Forderung nach einem Verbot
=> Helfen Sie mit einer Spende auf unserer Internetseite
=> werden Sie Förder/in (mtl. ab fünf €)

KonzernKritik vor dem Aus

Wenn wir einem der großen Multis die Stirn bieten, brauchen wir Unterstützung und Rückendeckung. Es kostet Geld, Hintergründe zu recherchieren, Skandale aufzudecken und Proteste zu organisieren. Auch wenn wir sparsam und fast vollständig ehrenamtlich arbeiten.
Da wir keinerlei öffentliche Förderung erhalten, sind wir auf die Solidarität der Menschen angewiesen.
Natürlich wissen wir, dass bei vielen unserer Förderinnen und Förderer alle finanziellen Reserven ausgeschöpft sind. Fühlen Sie sich bitte nicht gedrängt, handeln Sie ganz nach Ihren Möglichkeiten. Wir wissen die Unterstützung in jedem Fall sehr zu schätzen.
Mit herzlichen Soli-Grüßen

Axel Köhler-Schnura
Gründer und Vorstandsmitglied der Coordination gegen BAYER-Gefahren

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Glyphosat

CBG Redaktion

Glyphosat: Kampagne der Coordination

21. September 2015

Herbizid Glyphosat

Weltgesundheitsorganisation: Risiken unter den Tisch gekehrt

Anfang 2016 läuft die EU-Zulassung für Glyphosat ab. Das weltweit bestverkaufte Pestizid steht im Verdacht, Fehlbildungen zu verursachen. Zudem wird Glyphosat von der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Nun fordert die WHO, die Risiken vollkommen neu zu untersuchen, da zentrale Studien bislang nicht berücksichtigt wurden.

Das umstrittene Pflanzenvernichtungsmittel Glyphosat muss nach Ansicht einer Expertenkommission der Weltgesundheitsorganisation (WHO) völlig neu bewertet werden. Viele Studien, die mögliche Risiken belegen, seien bei früheren Einschätzungen nicht berücksichtigt worden, heißt es in einem Bericht, der jetzt von der WHO veröffentlicht wurde.

Nachdem Glyphosat im März von der Internationalen Krebsforschungsagentur der WHO als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft wurde, hatten Hersteller wie MONSANTO und BAYER stets auf ein anderes Gremium verwiesen, das „Joint FAO/WHO Meeting on Pesticide Residues“ (JMPR). Dieses hatte dem Unkrautvernichter bescheinigt, in den erlaubten Mengen weder Krebs noch Schäden am Erbgut zu verursachen.

Doch jetzt rät selbst eine vom JMPR eingesetzte Expertengruppe, diesen Persilschein zu überprüfen. Die Arbeitsgruppe empfiehlt eine vollständige Neubewertung von Glyphosat. Das JMPR habe „viele“ von den WHO-Tumorforschern verwendete Studien, vor allem aus Fachzeitschriften, nicht ausgewertet. Die Experten heben hervor, dass die Krebsforscher nicht nur Untersuchungen, in denen es allein um Glyphosat geht, sondern auch solche mit Mischungen analysiert hätten. Pestizidprodukte bestehen meist aus einer Kombination aus dem Wirkstoff und mehreren Hilfssubstanzen.

Kritisiert wird außerdem, dass sich die JMPR zu sehr auf Studien konzentriert habe, die von den Herstellern selbst stammen. Das Problem dabei: Viele Industriestudien fallen unter das Geschäftsgeheimnis, sind nicht veröffentlicht und können von externen Wissenschaftlern nicht geprüft werden. Die JMPR-Gruppe solle ihre Einschätzung von Glyphosat komplett überarbeiten, so die Empfehlung der WHO-Expertenkommission.

Dieses Urteil bringt auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Erklärungsnot. Die deutsche Behörde hat Glyphosat in der Vergangenheit immer wieder als unbedenklich eingestuft, obwohl das Pestizid auch im Verdacht steht, Missbildungen und andere schwere Gesundheitsschäden zu verursachen.

Die Einschätzung der WHO könnte weitreichende Folgen haben. Denn die Zulassungen für Glyphosat in der EU und in den USA laufen Ende des Jahres aus und müssen verlängert werden. Die EU-Kommission hatte vergangene Woche angekündigt, dass sich die Risikoprüfung hinziehen werde bis Sommer 2016. Die derzeitige Genehmigung, die im Wesentlichen auf dem Urteil des deutschen BfR beruht, solle bis dahin verlängert werden.

Der Gentechnik-Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Harald Ebner, forderte nach Bekanntwerden des Berichts, die Anwendung von Glyphosat zu stoppen. „Es kann nicht sein, dass Menschen Gesundheitsrisiken ausgesetzt sind, weil die zuständigen Behörden womöglich vorsätzlich im Profitinteresse gepfuscht haben.“ Die EU müsse ihr laufendes Verfahren für eine neue Zulassung von Glyphosat abbrechen.

Ursprünglich war Glyphosat von MONSANTO unter dem Handelsnamen „Roundup“ auf den Markt gebracht worden. Da der Patentschutz abgelaufen ist, wird das Ackergift inzwischen auch von BAYER verkauft. Der Leverkusener Konzern vermarktet das Herbizid unter den Namen GLYPHOS, USTINEX G und KEEPER und hat auch glyphosat-resistentes Saatgut im Programm.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren und die Agrarkampagne hatten in der jüngsten BAYER-Hauptversammlung gefordert, die Zulassung der gefährlichen Herbizide Glyphosat und Glufosinat zu entziehen.

[HV Bericht] STICHWORT BAYER 03/2015

CBG Redaktion

KritikerInnen dominieren BAYER-HV

Das Tribunal

Die „verkehrte Welt“, die sich auf der letzten BAYER-Hauptversammlung mit der großen Dominanz von Konzern-KritikerInnen auftat, kam auch am 27. Mai nicht wieder ins Lot. Erneut lasen 26 RednerInnen dem Konzern von morgens früh bis abends spät die Leviten. Sie setzten sich mit gefährlichen Medikamenten, Plastik-Abfällen, der Vergangenheitspolitik des Konzerns, der Abspaltung der Kunststoff-Sparte sowie all den vielen anderen ohne Rücksicht auf Verluste betriebenen geschäftlichen Aktivitäten zur Rendite-Steigerung auseinander.

Alle Redebeiträge finden Sie hier

Eigentlich schien das unwiederholbar: 2014 auf der BAYER-Hauptversammlung hatten 26 Konzern-KritikerInnen Einspruch gegen die gnadenlose Profit-Jagd erhoben und damit die RednerInnen-Liste ganz klar dominiert. Und jetzt das: Erneut traten 26 RednerInnen ans Pult, und konfrontierten Konzern und AktionärInnen ebenso umfangreich wie qualifiziert mit Kritik an den profitablen Geschäften. Auch vor der Kölner Messehalle braute sich wieder viel zusammen. Das Unternehmen versuchte jedoch mit allen Mitteln zu verhindern, dass Bilder davon künden und ein Firmenlogo neben den Protestaktionen auftaucht: Keine BAYER-Fahne, kein Plakat und kein sonstiger Hinweis zeigte an, dass hier einer der großen Dax-Konzerne sein jährliches AktionärInnen-Treffen abhielt.

Trotzdem war klar, dass hier gegen die Geschäftspolitik von BAYER demonstriert wurde. Dafür sorgten schon die eindeutigen Transparente und Flugblätter. Und wie in den vergangenen Jahre herrschte vor dem Eingang zur Hauptversammlung ein buntes Treiben. ImkerInnen zeigten sich in voller Montur mit ihren Arbeitsgeräten und protestierten gegen BAYERs bienenschädigende Pestizide. Unterstützung erhielten sie dabei von BUND- und SumOfUs-VertreterInnen, die in Bienen-Kostüme gehüllt Flugblätter verteilten. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN war derweil in See gestochen und hatte auf dem Messe-Gelände ein Meer angelegt, in dem Spülmittel-Flaschen und andere Behältnisse schwammen, um den AktionärInnen das Plastikmüll-Problem plastisch vor Augen zu führen. Darüber hinaus machten junge Frauen mit T-Shirts, die mit Aufdrucken wie „Erfolgsbilanz ‚die Pille’: Valerie, 23, Schlaganfall“ Einblick in ihre Krankenakten gaben, auf ihr Schicksal als Verhütungsmittel-Geschädigte aufmerksam. Andere riefen mit Plakaten die Risiken und Nebenwirkungen der Medikamente des Pharma-Riesen ins Gedächtnis. Zu einem drastischeren Mittel griff das Ehepaar Zwartje: Es konfrontierte die AktionärInnen mit einem großen Foto, das ihre durch eine BAYER-Pille gestorbene Tochter Lena zeigt.

Drinnen offenbarte sich den HV-BesucherInnen dann ein Kontrastprogramm. „BAYER-Aktionäre treffen auf heile und kranke Welten“, so drückte es die Rheinische Post aus. Heil war die Welt des Profits, und zwar gerade weil sie ihre Ziele ohne Rücksicht auf Verluste für Mensch, Tier und Umwelt verfolgt: Um zwei Seiten einer Medaille handelt es sich bei den beiden auf den ersten Blick so disparaten Sphären. Und um den Aktien-HalterInnen den Übergang ein wenig zu erleichtern, zeigte BAYER-Chef Marijn Dekkers zu Anfang seiner Hauptversammlungsrede sogar Gefühle. Er erzählte davon, wie sehr ihn als gelernter Chemiker bei seinem Vorstellungsgespräch die Konzern-Maxime „Science For A Better Life“ beeindruckt habe. „Wissenschaft. Für ein besseres Leben. Das hat mich umgehauen“, schwärmte er und entschuldigte sich sogleich für seinen lockeren Umgangston, der vermutlich eher der von BAYERs Kommunikationschef Herbert Heitmann war.

Nach dieser Overtüre ging Dekkers allerdings rasch wieder zum „Business as usual“ über und widmete sich dem schnöden Zahlenwerk. Er sprach über den Rekord-Umsatz, die Kurs-Entwicklung, die Wachstumstreiber, die Profit-Aussichten im laufenden Geschäftsjahr und verkündete eine Dividenden-Erhöhung. Dafür bedankten sich die anschließend zu Wort kommenden zwei AktionärInnen-Vertreter dann auch artig und beendeten damit gleichzeitig das Kontrastprogramm. Von nun an folgten bis zum Abend nur noch Beiträge über „kranke Welten“. Dem Global Player blieb dabei nur übrig, „die schlechtesten aller Welten“, die emotional erschütternden Zeugnisse der Medikamenten-Geschädigten oder ihrer Angehörigen, ganz an den Schluss der Veranstaltung zu setzen, in der Hoffnung, die meisten AktionärInnen hätten sich da schon längst auf die Heimreise gemacht.

Als aber beispielsweise Karl Murphy zum RednerInnen-Pult schritt, war der Saal bei Weitem nicht leer. So konnten noch viele mitverfolgen, welche verheerenden Folgen der von seiner Mutter genutzte Schwangerschaftstest DUOGYNON bei ihm hatte. Der Engländer zeigte den HV-BesucherInnen die Auswirkungen des Pharmazeutikums, das der 2006 von BAYER geschluckte Konzern SCHERING bis in die 1970er Jahre hinein vermarktete, indem er seine beiden Hände mit den teilweise verstümmelten Fingern hochhielt. In seiner Rede, deren Übersetzung Anabel Schnura vortrug, trug er überzeugende Belege für das Gefährdungspotenzials des Präparates vor. „Ich bin im Besitz von 102 Studien, darunter auch Studien aus Deutschland, die über 3.500 Fälle von Missbildungen bei Babys aufzeigen, deren schwangere Mütter entweder hormonelle Schwangerschaftstests oder die Antibaby-Pille verordnet bekamen“, so Murphy. Und er warf dem Unternehmen vor, schon frühzeitig von den Risiken gewusst zu haben, ohne die ÄrztInnen darüber zu informieren.

Margret-Rose Pyka hatte wie Karl Murphys Mutter DUOGYNON nichtsahnend angewendet und wie sie ein Kind mit einer Behinderung zur Welt gebracht. „Sie müssen sich vorstellen, das sind zwei kleine Tabletten, die haben die Wirkung von zwei bis drei Packungen Antibaby-Pillen, und diese geballte Hormon-Bombe kommt auf ein paar Millimeter werdendes Leben. Und damit rechnet man als Frau nicht“, mit diesen Worten beschrieb sie die fatalen Effekte des Produktes. Pyka hatte sich später auch in einer Initiative engagiert, um andere Menschen das Schicksal ihrer Familie zu ersparen, stieß dabei allerdings rasch auf Grenzen: „Ich habe damals mit den Behörden gesprochen, und die Behörden haben mir gesagt: ‚Wir können das Produkt nicht vom Markt nehmen, weil die Markt-Macht von SCHERING zu groß ist“. Zum Schluss brachte sie das Thema „Entschädigungen“ zur Sprache. „Wir sind alle eine BAYER-Familie. Da gibt es auf der einen Seite die Mitarbeiter, die den Gewinn erwirtschaften, und dann gibt es in der Familie diejenigen, die von BAYER-Produkten negativ betroffen sind, und jetzt ist die Frage, wie geht so eine BAYER-Familie mit ihren Mitgliedern um, und zwar mit den Schwachen“, führte sie aus und schlug dem Vorstand vor, einen Runden Tisch zur Schadensregulierung einzuberufen.

Margret-Rose Pyka war offenbar der Meinung, unter vernünftigen Menschen müsste sich für solch ein Problem doch eine Lösung finden lassen. Aber die BAYER-ManagerInnen betrachten sich nicht als Personen, die frei über solche Angebote entscheiden können. Sie sehen sich an den Auftrag der Eigentümer des Konzerns, vor allem der GroßaktionärInnen und der InvestorInnen, gebunden, so viel Profit wie möglich zu erwirtschaften. Und ein Entgegenkommen in der Schadensersatz-Frage birgt in den Augen des Vorstandes das Risiko, weitere Ansprüche von Geschädigten nach sich zu ziehen und so den Gewinn zu schmälern. „Selbstverständlich stehen wir zu unseren Produkten, wir müssen aber bei der Regulierung von Ansprüchen auch juristische Aspekte mit berücksichtigen“, so drückte Marijn Dekkers diesen Sachverhalt aus und beschied Pyka: „Im von Ihnen angesprochenen Kontext sehen wir daher keine Grundlage für Entschädigungszahlungen.“

Was die verheerenden Wirkungen der Antibaby-Pillen aus der YASMIN-Produktfamilie betrifft, sahen allerdings US-amerikanische Gerichte „eine Grundlage für Entschädigungszahlungen“. 1,9 Milliarden Dollar musste der Konzern bisher dafür aufwenden. Das sei „den Besonderheiten des Rechtssystems in den USA“ geschuldet und beruhe auf den spezifischen Fakten des jeweiligen Einzelfalles, so Dekkers auf eine entsprechende Frage der YASMIN-geschädigten Kathrin Weigele. Er hob jedoch auch hier wieder den „juristischen Aspekt“ hervor, dies sei im Rahmen eines Vergleiches und ohne Anerkenntnis einer Haftung geschehen.

Für Weigele, ihre Leidensgenossin Felicitas Rohrer sowie für das Ehepaar Zwartje, das die beiden Frauen zum Rednerpult begleitet hatte, denen keine so verbraucherschutz-freundliche Gerichte wie in den Vereinigten Staaten zur Seite stehen, hatte BAYER nur formelhafte Beileidsbekundigungen übrig. Felicitas Rohrer hatte sich vorher solche Floskeln ausdrücklich verbeten, Marijn Dekkers ließ sich davon allerdings nicht abhalten. „Deshalb wiederhole ich mich zwar, wenn ich Ihnen sage, dass mich ihre persönliche Geschichte bewegte und weiter bewegt“, eröffnete der Vorstandsvorsitzende der jungen Frau, bevor er wieder zur Tagesordnung überging: „Das Sicherheitsprofil unserer oralen Kontrazeptiva entspricht dem vergleichbarer hormoneller Verhütungsmittel auf dem Markt.“

Unerbittlich zeigte sich der Leverkusener Multi auch wieder in der Sprach-Frage. Der Aufsichtsratsvorsitzende Werner Wenning als Versammlungsleiter untersagte es Valerie Williams, die wie Karl Murphy extra aus Großbritannien angereist war, um über ihre Erfahrungen mit dem Schwangerschaftstest DUOGYNON zu berichten, ihre Rede in der Muttersprache zu halten. Während Wenning als Aufsichtsratsmitglied der DEUTSCHEN BANK kein Problem damit hatte, dass sich der damalige Co-Vorsitzende Anshu Jain auf deren Hauptversammlung größtenteils des Englischen bediente, blieb der ehemalige BAYER-Chef Williams gegenüber hart: „Redebeiträge und Fragen sind auch in diesem Jahr nur in deutscher Sprache möglich“. CBG-Vorstandsmitglied Axel Köhler-Schnura kritisierte das scharf. „Wann wird dieser entwürdigende, skandalöse und arrogante großdeutsche Sprach-Zopf bei BAYER endlich abgeschnitten“, fragte er. Aber Wenning zeigte sich uneinsichtig. „Wieso Sie den Gebrauch der deutschen Sprache für arrogant halten und als skandalös empfinden, erschließt sich mir übrigens, Herr Köhler-Schnura, nicht“, so der Ober-Aufseher des Konzerns.

Das CBG-Urgestein setzte aber auch noch andere Themen auf die Agenda der Hauptversammlung. Er sprach über das, was Marijn Dekkers in seiner Eröffnungsrede als den „Wandel zu einem reinen Life-Science-Unternehmen“ und eine Konzentration „auf unsere innovationsstärksten Bereiche“ beschrieben hatte: die Trennung von der Kunststoff-Sektion BAYER MATERIAL SCIENCE. „Dieser schwerwiegende Eingriff in den Betriebsfrieden dient einzig und allein dazu, die bereits unverschämte Profit-Rate weiter zu steigern“, konstatierte Köhler-Schnura und prophezeite den dort Beschäftigten ein ähnliches Schicksal wie den KollegInnen der 2004 ausgegliederten, heute unter dem Namen LANXESS firmierenden Plaste- und Chemie-Sparte: „Lohndumping und Vernichtung von Arbeitsplätzen im großen Stil“. Darüber hinaus griff der Diplom-Kaufmann noch BAYERs windige Umtriebe im Netz auf. Der Konzern hatte eine Agentur beauftragt, um „Online-Reputationsmanagement“ zu betreiben und mittels gefaketer Postings auf Facebook und in Foren Produkte des Unternehmens anzupreisen, komplett mit kruden Rechtschreibfehlern als besonderem Authentizitätsausweis. „Ich wüsste schon gerne von Ihnen, Herr Dekkers, wie sich solche (...) Methoden ihres Konzerns mit den von Ihnen immer wieder beschworenen Verhaltensregeln vertragen, in denen so Sätze zu lesen sind wie: ‚BAYER bekennt sich ohne Einschränkung zum Wettbewerb mit fairen Mitteln?’“ Da blieb dem Niederländer kaum etwas anderes übrig, als den Vorgang zu bedauern. Als eine Unternehmensstraftat wertete er die Manipulationen allerdings nicht, für ihn handelte es dabei lediglich sich um Einzelfälle bzw. „Aktivitäten einzelner Mitarbeiter“, die dann auch als Bauernopfer herhalten und den Pharma-Riesen verlassen mussten.

CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes sprach ebenfalls ein ganzes Bündel von problematischen BAYER-Aktivitäten an. So kritisierte er die massenhafte Herstellung von biologisch nicht abbaubaren Kunststoffen, deren drastische Folgen für die Ozeane die Coordination vor den Messehallen mit dem vor Plastikmüll berstenden Miniatur-Meer illustriert hatte. Als den „Gipfel nicht-nachhaltiger Kunststoff-Produktion“ bezeichnete Mimkes dabei die Fertigung von Mikroplastik für die Kosmetik-Industrie, das Kläranlagen mühelos überwindet und ungefiltert in die Gewässer gelangt. Aber nicht nur die Chemie-Wende, auch die Energie-Wende hat der Leverkusener Multi dem CBGler zufolge verschlafen, und zwar so sehr, dass der Konzern sich im Gegensatz zu den vergangenen Jahren gar nicht mehr traut, den verschwindend geringen Prozentsatz, den der Anteil erneuerbarer Energien in seinem Strom-Mix einnimmt, im Geschäftsbericht aufzuführen. Weit entfernt davon, hier eine Umkehr einzuleiten, setzt der Global Player auch noch auf die mit vielen Umweltrisiken behaftete Fracking-Technologie. „Offenbar werden hier bei BAYER entscheidende Weichen falsch gestellt“, resümierte Mimkes. Nicht nur mit der Zukunft tut sich das Unternehmen jedoch schwer, sondern auch mit der Vergangenheit. Noch vor zwei Jahren hatte Dekkers auf der Hauptversammlung die „historischen Verdienste“ des ehemaligen BAYER-Generaldirektors Carl Duisberg gerühmt, der im Ersten Weltkrieg mitverantwortlich für die Entwicklung von Chemie-Waffen und die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen war und später einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörderkonzerns IG FARBEN hatte. Anlässlich des 100. Jahrestages des ersten Giftgas-Einsatzes im belgischen Ypern wies Mimkes noch einmal auf die fatale Rolle Duisbergs bei der Entwicklung dieser Massenvernichtungswaffe hin und nannte dies als einen der Gründe dafür, warum sich immer mehr Städte und Gemeinden entscheiden, ihre Carl-Duisberg-Straßen umzubenennen.

Der große Vorsitzende wollte es allerdings nicht zulassen, am Denkmal zu rütteln. „Die historische Forschung würdigt die Leistung Carl Duisbergs als herausragende Unternehmer-Persönlichkeit“, konstatierte er und hielt fest: „Die angesprochenen historischen Themen bedürfen einer differenzierten Beurteilung durch Fach-Historiker, sie sollten daher meines Erachtens nicht Gegenstand gesellschaftspolitischer Agitation sein.“ In diesem Sinne sprach er dann auch von der Umbenennungsinitiative als „einer gesteuerten Kampagne“. Und sein Blick in die Zukunft entsprach ebenfalls nicht dem von Philipp Mimkes. Für Marijn Dekkers war bei BAYER alles im grünen Bereich. Von einer Mikroplastik-Produktion in den heimischen Werken wusste er nichts, und die Erneuerbaren Energien seien leider „im größeren Stil nicht wirtschaftlich“, aber ungeachtet dessen sah er den Multi dank angeblich hocheffizienter Kraftwerke und hochinnovativer Verfahrenstechnologien in der Kunststoff-Fertigung voll auf Nachhaltigkeitskurs.

Auf unzählige weitere Fragen musste der Vorstandsvorsitzende an diesem Tag Antworten bzw. Schein-Antworten finden. Die Konzern-KritikerInnen setzten noch das Bienensterben sowie andere Risiken und Nebenwirkungen von Ackergiften, die Gentechnik, Tierversuche, die Kohlenmonoxid-Pipeline, BAYERs Steuervermeidungsstrategien, die Rolle des Großinvestors BLACKROCK, die Datensicherheit und die JADELLE-Kontrazeptiva auf die Tagesordnung. Damit bestimmten sie den ganzen Ablauf der Hauptversammlung. In den Abstimmungsergebnissen spiegelte sich das allerdings nicht wider, aber so geht es eben zu in der markt-konformen Demokratie. Am Ende votierten 98,5 Prozent für die Entlastung des Vorstands und 96,9 Prozent, was angesichts der Kapital-Verhältnisse schon ein Erfolg ist, für die Entlastung des Aufsichtsrates. Und bei der Abstimmung über die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erreichte der Widerspruch sogar mehr als 10 Prozent. Ob das eine Folge der in der Hauptversammlung vorgetragenen massiven Kritik an dem Steuervermeidungskonzern PWC war, bleibt allerdings offen. Von Jan Pehrke

BAYER trotzt Kritik

„Wir stehen zu unseren Produkten“

Was sonst noch geschah: KritikerInnen brachten auf der Hauptversammlung zahlreiche weitere Themen zur Sprache. So setzten sie zusätzlich das Bienensterben, das Pestizid Glyphosat, die Gentechnik, die Medikamente XARELTO und JADELLE, die Tierversuche, die Datensicherheit, die Kohlenmonoxid-Pipeline, die Rolle des Großinvestors BLACKROCK und BAYERs Steuervermeidungsstrategien auf die Tagesordnung.

Auch auf der diesjährigen Hauptversammlung des Leverkusener Multis nahm das Thema „Bienensterben“ wieder breiten Raum ein. Gleich sechs KritikerInnen beschäftigten sich mit dieser Nebenwirkung der BAYER-Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie GAUCHO und PONCHO. Die Imkerin Annette Seehaus-Arnold, Kreisvorsitzende der ImkerInnen der Region Rhön-Grabfeld, legte dem Global Player eine Schadensbilanz vor. „Meine Imker-Kollegen mussten in diesem Winter wieder sehr hohe Verluste an Bienenvölkern hinnehmen. Viele haben sogar alle Völker verloren“, klagte sie. Dabei hätten die BienenzüchterInnen alle Anweisungen zum Schutz der Bienen vor der Varroa-Milbe befolgt, in der BAYER die eigentliche Ursache für den Tod der Bienen sieht. Seehaus-Arnold hatte den Agro-Riesen hingegen in Verdacht, die Bedrohung durch die Varroa-Milbe künstlich aufzubauschen, um von den gefährlichen Effekten seiner Pestizide abzulenken. Und selbst wenn diese einen negativen Einfluss auf die Bienengesundheit haben sollten: „Es kommt nicht auf den Erreger an, sondern auf den Boden, auf den er fällt“, zitierte Seehaus-Arnold Louis Pasteur. Und diesen Boden haben der Imkerin zufolge GAUCHO & Co. besonders fruchtbar für den Erreger gemacht.

Flurschäden
Die Europäische Union schätzt die Mittel ebenfalls als sehr gefährlich ein. Nach Ansicht der EU-Kommission bergen sie „etliche Risiken für die Bienen“. Darum hat Brüssel einen zunächst zweijährigen Verkaufsstopp angeordnet. Der Leverkusener Multi aber geht in Tateinheit mit SYNGENTA gerichtlich gegen das Votum vor. „Warum akzeptieren Sie die Entscheidung nicht? Warum gefährden Sie wissentlich das Überleben der Honigbienen“, fragte Lea Horak von RETTET DEN REGENWALD den Vorstand deshalb. Wiebke Schröder von SumOfUs bezeichnete das als „aggressives Verhalten“ und überreichte den Konzern-ManagerInnen über eine Million Unterschriften, die ihre Organisation gegen die Klage gesammelt hatte. „Nehmen Sie die Neonicotinoid-Bedrohung ernst“, mahnte sie eindringlich angesichts der großen Bedeutung, die Bienen durch die Bestäubung von Nutz-Pflanzen für die Nahrungsmittelversorgung der Menschen haben.
Wie richtig die Entscheidung der EU war, drei Neonicotinoide von BAYER und SYNGENTA mit einem Moratorium zu belegen, bestätigte derweil der Imker Markus Bärmann mit seinen Erfahrungen aus der Praxis. „Dieses Frühjahr war bei den Bienen vieles anders. So viel anders, wie ich es seit zwanzig Jahren nicht mehr erlebt habe! Endlich wieder Insekten in der Luft und am Boden!“, schwärmte er. Auch über orientierungslos umherfliegende Bienen musste Bärmann nicht mehr klagen.
Corinna Hölzel vom BUND widmete sich derweil einem immer noch erhältlichen Neonicotinoid-Wirkstoff, der unter anderem in BAYERs CALYPSO und LIZETAN sein Unwesen treibt: Thiacloprid. „Thiacloprid ist ähnlich besorgniserregend wie die drei verbotenen Wirkstoffe, denn es gehört zur gleichen Gruppe“, stellte sie fest und führte zum Beleg eine Studie des Berliner Bienenforschers Randolf Menzel an, wonach Bienen nach dem Kontakt mit dieser Agrochemikalie nicht mehr in ihren Stock zurückfanden. Auch der Imker Christoph Koch vom DEUTSCHEN BERUFS- UND ERWERBSIMKERBUND berichtete vom Gefährdungspotenzial dieses Produkts. Er verwies dabei auf Zahlen, die das „Deutsche Bienen-Monitoring“ ermittelt hat. Rückstände von sage und schreibe 23 verschiedenen Pestiziden wiesen die WissenschaftlerInnen in den von den Bienen gesammelten Pollen nach. Darunter befanden sich „beängstigend viele Proben mit extrem hohen Thiacloprid-Werten“, so Koch. Der Agro-Riese bestreitet den Sachverhalt jedoch und bewirbt CALYPSO und LIZETAN als „nicht bienengefährlich“. Weil der BUND das als eine Irreführung der VerbraucherInnen bezeichnete, verklagte BAYER den Umweltverband, was Christoph Koch ebenso wie Corinna Hölzel scharf kritisierte – und das Düsseldorfer Landgericht ebenfalls als nicht berechtigt ansah: Es entschied im März 2015 zu Gunsten der Initiative.
„BAYER respektiert das Urteil, da in diesem Verfahren die juristische Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Schutz des Eigentums im Mittelpunkt stand“, erklärte Marijn Dekkers. Und weder von dieser Niederlage noch von den vielen Unterschriften, die SumOfUs sammelte, lässt der Konzern sich davon abbringen, die Auseinandersetzung über die Gefährlichkeit seiner Pestizide vornehmlich auf juristischem Wege zu führen. Er verfolgt die Klage gegen die EU weiter. Dekkers zufolge ging die Kommission gegen die Ackergifte vor, ohne neue Erkenntnisse über unerwünschte Effekte der Mittel zu haben, was seiner Ansicht nach die Rechtssicherheit gefährdet. „Deshalb legen wir weiterhin Wert auf eine gerichtliche Klärung“, so der Ober-BAYER. Immer noch hat er nicht die Spur eines Zweifels an GAUCHO und PONCHO. „Wir stehen zu unseren Produkten. Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass Neonicotinoide sicher sind, wenn sie verantwortungsvoll und vorschriftsmäßig eingesetzt werden“, hielt er fest und machte für das Bienensterben neben der Varrao-Milbe nur noch extreme Umwelt- und Klima-Einflüsse sowie eine Veränderung der landwirtschaftlichen Strukturen verantwortlich.
Julia Sievers-Langer von der AGRAR KOORDINATION widmete sich zwei anderen Pestizid-Wirkstoffen, die zwar nicht zur Gruppe der Neonicotinoide gehören, es aber trotzdem in sich haben: Glyphosat und Glufosinat. Glyphosat, das BAYER etwa unter den Namen GLYPHOS, USTINEX G oder KEEPER vermarktet, hat das Krebsforschungsinstitut der Weltgesundheitsorganisation jüngst als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft, berichtete Sievers-Langer. Und von Glufosinat, das der Leverkusener Multi vor allem in Kombination mit seinen Gen-Saaten vertreibt, gehe sogar nach Meinung der Europäischen Union ein hohes Gesundheitsrisiko aus. Die globale Glufosinat-Produktion verdoppeln zu wollen, obwohl die EU-Zulassung 2017 ausläuft, bezeichnete die Aktivistin deshalb als „Skandal“. Sie forderte eine Erklärung dafür ein. „Welche Argumente können schwerer wiegen als die Verpflichtung, die Entstehung von Missbildungen bei Embryos als Folge des Glufosinat-Einsatzes zu verhindern?“, fragte sie den Vorstand. Darauf antwortete Dekkers allerdings nicht. Stattdessen stellte er Glufosinat angesichts der immer mehr Pestiziden trotzenden Wildpflanzen als wichtige Alternative für die LandwirtInnen dar und betonte die herausragenden Produkt-Eigenschaften. Und was die Risiken und Nebenwirkungen angeht, da ist es für den Konzern damit getan, sich „für den sicheren, vorschriftsmäßigen Einsatz“ einzusetzen.
Dr. Christopher Faßbender von der Tierschutz-Organisation PETA thematisiert das Leid, das Versuchstiere ertragen müssen, die mit Pestizid-Wirkstoffen imprägnierte Halsbänder gegen Zecken-Befall testen. Bis zu 400 Tage dauern die Erprobungen, bei denen Hunde und Katzen wiederholt über mehrere Stunden Parasiten in engen Transportboxen ausgesetzt sind. Dekkers äußerte sich aber nicht zu dem konkreten Fall. Er erging sich stattdessen in Ausführungen über die Verantwortung für das Tier als Mitgeschöpf, die BAYER angeblich übernehme.
Christoph Then vom Verein TESTBIOTECH und Sibylle Arians konfrontierten die Hauptversammlung mit einem Schadensbericht zur „grünen“ Gentechnik. „Offensichtlich hat die Firma BAYER die Kontrolle über ihre gentechnisch veränderten Pflanzen längst verloren“, konstatieren die beiden und präsentierten eine lange Liste mit „Unfällen“. Sie begann mit dem Genreis-Skandal, bei dem sich Spuren von BAYERs LL601-Laborfrucht in normalem Haushaltsreis fanden, und reichte über kontamierten Mais bis zu Auskreuzungen von Gen-Raps und Gen-Baumwolle. Zu diesen Kontrollverlusten wollte sich der BAYER-Chef allerdings nicht äußern. Er beließ es bei Allgemeinplätzen über einen verantwortungsvollen Umgang mit der Risikotechnologie und stellte deren Beitrag zur Sicherung der Nahrungsmittel-Versorgung heraus, ungeachtete der Tatsache, dass die meisten Genpflanzen als Futter in den Ställen der MassentierhalterInnen landen.

Pillenschäden
Roland Holtz wandte sich der Pillen-Sparte zu und nahm sich mit dem Blutgerinnungshemmer XARELTO BAYERs Bestseller vor. Holtz, der lange Jahre in der pharmazeutischen Industrie gearbeitet hat und die Branche aus ethischen Gründen verließ, unterzog die Zulassungstests einer genaueren Betrachtung. Er enthüllte, mit welchen Tricks der Leverkusener Multi eine Nicht-Unterlegenheit des Mittels gegenüber den herkömmlichen Präparaten demonstrieren konnte. So hat der Konzern beispielsweise den ProbantInnen der Vergleichsgruppe ihr Medikament nicht in der richtigen Dosierung verabreicht. Darauf ging Marijn Dekkers jedoch nicht näher ein. Lieber verlas er Textbausteine aus den Werbe-Broschüren zu dem Pharmazeutikum, das es allein 2014 auf fast 2.000 Meldungen über unerwünschte Arznei-Effekte brachte und in Verdacht steht, für 161 Todesfälle verantwortlich zu sein.
Susanne Schultz vom GEN-ETHISCHEN NETZWERK problematisierte in ihrem Beitrag, wie BAYER mit seinem Langzeitverhütungsmittel JADELLE eine Entwicklungshilfe-Strategie stützt, die weniger gegen die Armut als vielmehr gegen die Armen gerichtet ist und deren Vermehrung eindämmen will. „JADELLE wurde vom bevölkerungspolitischen Think Tank ‚Population Council’ dafür entwickelt, Frauen in den Ländern des Globalen Südens möglichst langfristig unfruchtbar zu machen“, so Schultz – und zwar ohne Rücksicht auf Verluste. Nebenwirkungen wie starke oder ausbleibende Monatsblutungen, Depressionen, Migräne und abrupte Gewichtszunahmen oder –abnahmen zählte die Wissenschaftlerin von der Frankfurter Goethe-Universität auf.
Während BAYER die Ärmsten der Armen mit einem fünf Jahre wirkenden Silikonstäbchen bestückt, das in den Oberarm eingenäht wird, versucht der Pharma-Riese die reicheren Afrikanerinnen für seine teuren Kontrazeptiva zu gewinnen, kritisierte Daniel Bendix von GLOKAL e. V. Und wenn BAYER offiziell verkündet, „Kundinnen, die für ihre reproduktiven Gesundheitsdienstleistungen mehr zahlen können, dazu zu bringen, auf diese Produkte umzusteigen“, dann firmiert das Ganze auch noch unter Entwicklungshilfe und speist sich zum Teil aus staatlichen Geldern, so Bendix. Konkret nannte der Sozialwissenschaftler von der Universität Kassel Zahlungen von der US-amerikanischen Entwicklungshilfe-Einrichtung USAID. Dekkers focht das nicht an: Er gab unverdrossen den Albert Schweitzer. Der Pharma-Riese kalkuliere nur mit einer geringen Marge, und die staatliche Unterstützung würde gerade einmal ermöglichen, kostendeckend zu arbeiten, behauptete er. Und auch mit JADELLE betätigt sich der Konzern nach Ansicht des Vorstandsvorsitzenden nur als Samariter, reduziere das selbstverständlich sichere und gut verträgliche Mittel doch die Säuglings- und Müttersterblichkeit bei Geburten in beträchtlichem Maße. „Ohne Schwangerschaften keine Schwangerschaftskomplikationen“ – so lautete seine bestechende Logik.
Dieter Donner befasste sich hingegen mit den Risiken und Nebenwirkungen, die von BAYERs Kunststoff-Abteilung ausgehen und beschäftigte sich mit einer Sache, die für den Multi schon zu einer Altlast mutierte, ehe sie überhaupt in Betrieb ist: mit der von Dormagen nach Krefeld verlaufenden Kohlenmonoxid-Pipeline. Auch 2014 war wieder ein schwarzes Jahr für das Projekt, wie der Presse-Koordinator der STOPP-BAYER-CO-PIPELINE-INITIATIVE resümierte. Erst legte die nordrhein-westfälische Landesregierung ein Gutachten vor, wonach es sicherere und sogar preisgünstigere Alternativen zu der Rohrleitung gibt, und dann beurteilte das Oberverwaltungsgericht Münster das Pipeline-Gesetz auch noch als verfassungswidrig. Zudem muss das Unternehmen sich weiter mit der Klage von Heinz-Josef Muhr auseinandersetzen, obwohl dieser jüngst verstarb. Donner, der zum Gedenken an Muhr einen Trauerflor trug, kündigte nämlich an, dass der Prozess trotzdem weitergeführt wird. Angesichts all dieser Unbill fragte Rainer Kalbe den Vorstand, ob er denn einen Plan B hätte. „Diese Frage stellt sich für uns nicht“, antwortete ihm Marijn Dekkers, denn die Giftgas-Leitung gewähre „ein Höchstmaß an Sicherheit“.
Sicherheitsproblemen virtueller Art nahm sich der IT-Berater Fabian Keil an. Er erbat vom Vorstand Informationen zum Datenschutz bei BAYER und erkundigte sich danach, welche Vorkehrungen der Konzern, der auch mit externen IT-Dienstleistern in den USA zusammenarbeitet, gegen Ausspäh-Versuche von NSA & Co. trifft. Eine konkrete Antwort darauf blieb der Vorstandsvorsitzende Keil schuldig, einmal mehr flüchtete Dekkers sich ins Allgemeine und versicherte dem kritischen Aktionär, beim Pharma-Riesen würden hohe Sicherheitsstandards im Computer-Bereich gelten.

Steuerschäden
Der Verfasser dieser Zeilen setzte die Steuermoral des Gen-Giganten auf die Agenda. „Aktuell ist das Unternehmen der wertvollste Konzern im Dax. Die Stadt Leverkusen aber, in der BAYER seinen Stammsitz hat, darbt“, hob er an und führte die ganz legalen Steuertricks auf, die so etwas ermöglichen. Zu den Mitteln der Wahl gehören für den Multi vor allem Niederlassungen in Holland und Belgien, die Anteile an BAYER-Gesellschaften halten und steuermindernde Zins- und Kredit-Transaktionen abwickeln. Zu den ständig sinkenden Gewerbesteuer-Zahlungen räumte der Vorstandsvorsitzende in bemerkenswerter Offenheit ein: „Die Strukturen des heutigen globalen Konzerns sind mit denen von BAYER aus den 80er und 90er Jahren nicht mehr vergleichbar.“ Er gab auch detaillierte Auskünfte zu den Struktur„reformen“. So haben holländische oder belgische Briefkasten-Firmen wie BAYER WOLRD INVESTMENTS Besitztitel an rund einem Fünftel aller 350 Gesellschaften des Konzerns. Und das Volumen ihrer Steuerspar-Geschäfte ist immens. So hat allein BAYER-Antwerpen anderen Töchtern des Global Players 2014 Kredite in einem Volumen von 13,4 Milliarden Euro gewährt.
Der Publizist Dr. Werner Rügemer stellte schließlich die für eine AktionärInnen-Versammlung zentrale Frage: Wem gehört BAYER eigentlich? Er legte die intransparenten Besitz-Verhältnisse dar, schilderte, wie die großen Finanzinvestoren beinahe täglich ihren Aktien-Anteil an dem Unternehmen verändern und forderte Aufklärung. Stellvertretend befasste Rügemer sich näher mit den Praktiken der Gesellschaft BLACKROCK, die 6,2 Prozent der BAYER-Papiere hält und wegen Verstößen gegen das Wertpapierhandelsgesetz im März 2015 eine Strafe in Höhe von 3,25 Millionen Euro zahlen musste. Unter anderem wollte Werner Rügemer von der Management-Riege wissen, wie sich die Beziehungen des Finanzinvestors zum Agro-Mogul konkret gestalten und ob BLACKROCK Einfluss auf die Einscheidung hatte, sich von der Kunststoff-Sparte zu trennen. Es gebe „einen regelmäßigen Gedankenaustausch“, antwortete Dekkers, im Geschäftsjahr 2014 hätten zwei Einzelgespräche auf Vorstandsebene in New York und Boston stattgefunden. Druck hat der Global Player dort laut Marijn Dekkers nicht bekommen: „Wir haben die Portfolio-Manager von BLACKROCK als konstruktive, interessierte und die Unternehmensstrategie unterstützende Aktionäre kennengelernt.“
Solche hat die Aktien-Gesellschaft am 27. Mai auf der Hauptversammlung hingegen kaum kennengelernt. Mit 26 kritischen AktionärInnen musste sie sich in den Kölner Messehallen auseinandersetzen. Und als reiche all dies noch nicht, wirkte das auch noch ansteckend, so dass sich auch andere zu Interventionen ermuntert fühlten. Uta Behrens vom „Deutschen Juristinnen-Bund“ mahnte mehr Frauen-Förderung an, die französische Journalistin Elise Lucet thematisierte weitere Pestizid-Probleme und Margret Seitz brachte aus gegebenem Anlass Fehler bei vergangenen Unternehmensabspaltungen auf Tapet. So musste der Leverkusener Multi seine Rekorde-Ergebnisse alleine feiern, die Hauptversammlung ist dafür seit Langem schon kein Ort mehr.

Schamlose Profite

Eine Aktie des Leverkusener Multis hat einen Wert von 2,56 Euro. Auf diesen Wert zahlte der Konzern eine Dividende von 2,25 Euro. Das entspricht einer Rendite von sage und schreibe 88 Prozent. Um der Öffentlichkeit diese Schamlosigkeit zu verschleiern, wählt der Global Player als Berechnungsgrundlage jedoch den aktuellen Kurswert des BAYER-Papiers, der gegenwärtig etwa 134 Euro beträgt. Und damit – Hokuspokus – macht der Dividenden-Ertrag nur noch 1,7 Prozent aus.

Abstimmungsergebnisse

Die Abstimmungen auf den AktionärInnen-Hauptversammlungen der Konzerne dominieren wenige GroßaktionärInnen (Ultrareiche, Investmentfonds, Banken etc.) Sie sorgen für sichere Mehrheiten von 90 Prozent + x. Die vielen hunderttausend KleinaktionärInnen besitzen zusammen lediglich fünf bis zehn Prozent der Aktien. Entsprechend sind die Zahlen der Nein-Stimmen auf den Hauptversammlungen des Leverkusener Multis durchaus als Erfolg der Kritischen AktionärInnen bei BAYER zu werten. (Da das Unternehmen die Anzahl der Enthaltungen nicht nennt, ergeben sich im Verhältnis der absoluten Zahlen zu den Prozent-Angaben Schwankungen.)

Gewinn-Verwendung

Nein-Stimmen: 899.013 (0,3 Prozent)

Entlastung Vorstand

Nein-Stimmen: 505.329 (1,5 Prozent)

Entlastung Aufsichtsrat

Nein-Stimmen: 9.984.692 (3,1 Prozent)

Abschlussprüfung durch PWC (PricewaterhouseCoopers)

Nein-Stimmen: 44.346.258 (13,2 Prozent)

[Glyphosat] STICHWORT BAYER 03/2015

CBG Redaktion

Glyphosat & Co. – unterschätzte Gefahren

Pestizid auf dem Prüfstand

Glyphosat, das meistverkaufte Pestizid weltweit, steht zurzeit auf dem Prüfstand. Da die Zulassung auf dem EU-Markt Ende 2015 ausläuft, entscheiden die EU-Mitgliedsstaaten im Laufe dieses Jahres darüber, ob die Zulassung um weitere zehn Jahre verlängert wird. Das wirtschaftliche Interesse an einem positiven Votum ist enorm, auch bei der BAYER AG – schließlich vertreibt der Konzern in Konkurrenz zu MONSANTO, SYNGENTA & Co ebenfalls einige glyphosat-haltige Pestizide (1) und glyphosat-resistente Pflanzen (2).

Zum Verkaufsschlager stiegen glyphosat-haltige Pestizide weltweit vor allem durch die Entwicklung und Verbreitung gentechnisch veränderter – glyphosatresistenter – Pflanzen auf, welche die Hersteller extra darauf ausrichteten, den Kontakt mit dem sogenannten Totalherbizid zu überleben. Aber auch in der konventionellen Landwirtschaft kommt Glyphosat immer häufiger zum Einsatz – das Anwendungsspektrum ist sehr breit. Weltweit brachten die LandwirtInnen im Jahr 2012 etwa 718 000 Tonnen glyphosat-haltige Pestizide aus.
Deutschland trägt im aktuellen Zulassungsverfahren eine große Verantwortung. Vier deutsche Behörden unter Federführung des „Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ (BVL) haben im Auftrag der EU die Risiken des Wirkstoffs neu überprüft. Dabei haben sie sich wieder dem Urteil der Glyphosat-Produzenten angeschlossen – Glyphosat sei nicht humantoxisch. Dementsprechend empfehlen sie, die Zulassung zu verlängern. Der Bewertungsbericht bildet eine wichtige Grundlage für die Entscheidung über die weitere Zulassung, an der sich alle EU-Mitgliedsstaaten in einem Ausschuss beteiligen.

Gefährlichkeit belegt
Zahlreiche Studien Industrie-unabhängiger WissenschaftlerInnen haben jedoch in den vergangenen Jahren immer mehr Zweifel an der Unbedenklichkeit von glyphosat-haltigen Pestiziden aufkommen lassen. Neben den schädlichen Auswirkungen auf Biodiversität, Gewässer, Böden und einige Tierarten geraten vor allem die gesundheitlichen Gefahren des Wirkstoffs in den Blick. Glyphosat steht unter anderem in Verdacht, Krebs auszulösen, die Fruchtbarkeit zu beeinträchtigen sowie Schädigungen des Erbguts und der Embryonal-Entwicklung zu verursachen.
Es stellt sich die Frage, wie es angehen kann, dass all diese Studien offenbar keinen Einfluss auf das behördliche Urteil hatten. Analysen des deutschen Bewertungsberichtes offenbaren erhebliche Defizite bei der Einschätzung des Gefährdungspotenzials. Offenbar basiert das Urteil der Behörden fast ausschließlich auf Studien, die von Glyphosat-Produzenten durchgeführt oder in Auftrag gegeben wurden. Demgegenüber haben die staatlichen Stellen viele in wissenschaftlichen Journalen publizierte, peer-reviewte Studien zu Glyphosat zunächst überhaupt nicht zur Kenntnis genommen, wie eine Analyse von PAN Europe zeigt3. Demnach nahmen die Behörden nur 52 Prozent der relevanten toxikologischen Studien wahr und diskutierten nur 31 Prozent von ihnen im Bewertungsbericht. Sie haben damit eine Vorgabe der EU-Verordnung 1107/2009 missachtet, nach der bei Zulassungsverfahren für Pestizide alle vorhandenen wissenschaftlichen Studien zu dem betreffenden Pestizid Berücksichtigung finden müssen.
Sehr problematisch ist zudem, dass die Behörden die unabhängigen wissenschaftlichen Studien, welche sie registrierten, größtenteils als nicht oder nur eingeschränkt zuverlässig eingestuften, da sie nicht den sogenannten GLP-Richtlinien (GLP = Good Laboratory Practice) entsprachen.
Diese Richtlinien hat die US-amerikanische Food and Drug Administration erstmalig 1978 als Reaktion auf schwerwiegende Betrugsprobleme bei Industriestudien zu Pestiziden aufgestellt, die auch toxikologische Tests bei glyphosat-haltigen Pestiziden wie MONSANTOs ROUNDUP betrafen. GLP-Richtlinien dienen seither als Qualitätskontrolle für von der Industrie eingereichte Studien im Rahmen der Risikobewertung und Zulassung von Chemikalien. Sie legen sehr detailliert den organisatorischen Ablauf und die Dokumentationspflichten von Untersuchungen zugrundeliegenden Versuchsabläufen fest. Doch die GLP-Bedingungen sind für universitäre Einrichtungen kaum erfüllbar. So ist eine GLP-Zertifizierung mit einem hohen Zeitaufwand und hohen Kosten verbunden, welche die Kapazitäten wissenschaftlich-universitärer Einrichtungen häufig übersteigen. Auch die Anforderungen an die Methoden-Beschreibung und Ergebnis-Dokumentation sind im Rahmen der Publikation in wissenschaftlichen Zeitschriften gar nicht einzuhalten. WissenschaftlerInnen kritisieren daher nachvollziehbar, dass wissenschaftliche Studien im Rahmen der behördlichen Risikobewertung von Pestiziden mangels GLP-Konformität automatisch als nicht oder nur eingeschränkt zuverlässig bewertet werden.
Im Hinblick auf Objektivitätskriterien ist zudem zu kritisieren, dass die behördliche Risikobewertung größtenteils auf Studien basiert, die Mitglieder der „Glyphosat Task Force“ (ein Zusammenschluss Glyphosat-produzierender Unternehmen) in Auftrag gaben oder selbst durchführten. Auch lässt die Transparenz zu wünschen übrig. Die von den Glyphosat-Herstellern im Rahmen des Zulassungsverfahrens eingereichten Studien sind nämlich der Öffentlichkeit und damit der Überprüfung durch unabhängige WissenschaftlerInnen nicht zugänglich. Der Verdacht liegt nahe, dass von wirtschaftlichen Interessen geleitete Unternehmen Studiendesigns, statistische Methoden und die Interpretation der Ergebnisse dahingehend beeinflussen können, dass negative Effekte maskiert werden.
Tatsächlich legten WissenschaftlerInnen bereits 2011 plausibel dar, dass selbst einige von den Behörden (im vorigen Glyphosat-Zulassungsverfahren) geprüfte Industrie-Studien zeigen, dass Glyphosat Missbildungen bei den Versuchstieren verursacht. Mit Hilfe von wissenschaftlich zweifelhaften Argumenten hätten die ForscherInnen jedoch abgestritten, dass Glyphosat die Ursache für die Missbildungen ist4. Dieselbe Kritik äußern andere WissenschaftlerInnen am aktuellen Bewertungsbericht der deutschen Behörden5. Dabei spielt unter anderem die Relativierung von statistisch signifikanten Unterschieden zwischen der Versuchsgruppe und der eigentlichen Kontrollgruppe durch den Verweis auf historische Kontrolldaten eine wichtige Rolle6. Auch die wiederholten Hinweise auf (angeblich) fehlende Dosis/Wirkung-Beziehungen beanstanden die ExpertInnen. Problematisch ist, dass die Behörden die Angaben und Argumente der antragstellenden Unternehmen größtenteils kritiklos übernehmen und dabei auch eindeutige Mängel übersehen oder ignorieren7.
Es deutet vieles darauf hin, dass die Objektivität der Risikobewertung durch Interessenskonflikte beeinträchtigt wird. Auch die Mitgliedschaft von BAYER- und BASF-MitarbeiterInnen8 in einer Pflanzenschutzmittel-Kommission des für die humantoxische Risikobewertung zuständigen Bundesamtes für Riskikobewertung (BfR) erhärtet diesen Verdacht, auch wenn das BfR angibt, dass diese Kommission nicht direkt in amtliche Entscheidungen hinsichtlich der Risikobewertung eingebunden ist. Sie sei ein externes Beratungsgremium, keine Organisationseinheit des BfR. Andererseits erwartet das BfR laut einem Sitzungsprotokoll von der Kommission „fachliche Beratung, konzeptionelle Unterstützung und kritische Begleitung bei der Bewertung von Pflanzenschutzmitteln und ihren Rückständen hinsichtlich Toxikologie, Rückstandsverhalten und Exposition“9. Eine indirekte Einflussnahme von Pestizid-Herstellern auf die Risikobewertung ist also beim BfR offenbar systematisch verankert.

Zweifelhafte Zulassungen
Die Defizite bei der Risikobewertung im Fall von Glyphosat verdeutlichen, dass das System der Pestizid-Zulassung einer grundlegenden Reformierung bedarf7. Die gesundheitlichen Risiken von Pestiziden (und anderen Produkten) sollten nicht von den Konzernen, die diese Produkte herstellen, überprüft werden, sondern von unabhängigen wissenschaftlichen Instituten. Das „Bundesinstitut für Risiko-Bewertung“ (BfR) rechtfertigt das bestehende System zwar in einer Stellungnahme folgendermaßen: „Zulassungsverfahren in aller Welt beruhen auf dem Prinzip, dass derjenige, der ein Produkt auf den Markt bringen möchte, sämtliche erforderlichen toxikologischen Studien bezahlt, damit dem Steuerzahler dadurch keine Kosten entstehen.“ Doch es gibt sinnvolle Reformvorschläge, welche die SteuerzahlerInnen nicht belasten. So könnten industrie-unabhängige Forschungsinstitute aus einem unabhängig verwalteten Fonds für die Durchführung toxikologischer Studien bezahlt werden. Unternehmen, die das jeweilige Pestizid vermarkten möchten, sollten weiterhin die Kosten tragen, indem sie im Rahmen des Zulassungsantrags zur Zahlung von Gebühren verpflichtet werden.
Im Falle des aktuellen Glyphosat-Zulassungsverfahrens kommen derartige Reformvorschläge zu spät. Hier machen allerdings aktuelle Entwicklungen Hoffnung auf einen Bann des Ackergifts. Denn der öffentliche Druck auf die Behörden in Sachen „Glyphosat“ wächst zurzeit enorm. Ein wichtiger Beitrag dazu war im März 2015 die Meldung, dass die IARC – die Krebsforschungsinstitution der WHO – Glyphosat nach eingehender Prüfung vorhandener Studien als „wahrscheinlich krebserregend“ einstuft. Hilfreich dürfte auch sein, dass CAMPACT Anfang Mai innerhalb weniger Tage mehr als 200.000 Unterschriften für ein Glyphosat-Verbot gesammelt hat. Es bleibt spannend zu verfolgen, wie Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt auf diese neuen Entwicklungen reagiert. Wird ihn der öffentliche Druck oder die wissenschaftliche Autorität der WHO-ExpertInnen zu einem Kurswechsel veranlassen?
Die Entscheidung über die Zulassung von Glyphosat in der EU ist wegen des großen Stellenwerts, den Glyphosat in der konventionellen Landwirtschaft und beim Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen einnimmt, von hoher Bedeutung. Von der Entscheidung wird sicherlich auch eine Signalwirkung auf andere Regionen ausgehen. Allein Glyphosat vom Markt zu nehmen, ist natürlich nicht die Lösung des Pestizid-Problems. Weitere gefährliche Pestizide sind weltweit und auch in Europa im Einsatz – dazu gehört auch das von Bayer vermarktete Glufosinat, das sogar die Behörden als reproduktionstoxisch einstufen und das dennoch weiterhin bis September 2017 in der EU zugelassen bleibt. Die Tatsache, dass es immer wieder Agro-Chemikalien gibt, bei denen sich nach jahrelangem Einsatz herausstellt, dass sie doch nicht so ungefährlich sind wie zunächst propagiert, sie vielmehr schwerwiegende ökologische und gesundheitliche Auswirkungen haben, sollte Anlass für ein grundsätzliches Umdenken sein. Das ganze System der Pestizid-Zulassung und des Pestizid-Einsatzes muss in Frage gestellt werden – zugunsten der Vorsorge für die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt.

Fußnoten
1 BAYER vertreibt folgende glyphosathaltige Pestizide: GLYFOS, PERMACLEAN, USTINEX G, KEEPER und SUPER STRENGTH GLYPHOSATE
2 BAYER vertreibt folgende gentechnisch veränderte, glyphosat-resistente Pflanzen: die Soja-Arten CREDENZ und FG 72, die Baumwollarten GHB 614, GHB 119, GLYTOL und T304-40 sowie den Raps IH 50 RR
3 Tweedale, Lysimachou, Muilermann (Pan Europe, 2014): Missed & Dismissed – Pesticide regulators ignore the legal obligation to use independent science for deriving safe exposure levels
4 Antoniou et al., 2011: Roundup and birth defects – is the public being kept in the dark?; siehe auch: Antoniou et al., 2012: Teratogenic Effects of Glyphosate-Based Herbicides: Divergence of Regulatory Decisions from Scientific Evidence
5 Swanson (2014): Glyphosate re-assessment in Europe is corrupt: toxicology
6 Earth Open Source (2012): Why Monsanto´s attempt to disappear tumors by using historical control data is unvalid
7 Siehe dazu auch die Publikation „Roundup & Co – Unterschätzte Gefahren“
8 Der Bayer-Mitarbeiter Dr. Frank Pierre Laporte und die BASF-Mitarbeiterinnen Dr. Ivana Fegert und Dr. Monika Bross sind aktuelle Mitglieder der BfR-Kommission für Pflanzenschutzmittel und ihre Rückstände.
9 Zitat aus Protokoll der 6. Kommissionssitzung vom 6.5.2011
10 Weitere Erläuterungen zur Kritik am System der Pestizidzulassung (am Beispiel Glyphosat): AGRAR KOORDINATION, PAN Germany (2014): Roundup & Co. – Unterschätzte Gefahren.

Julia Sievers-Langer ist verantwortlich für die Kampagne „Roundup & Co. – Unterschätzte Gefahren“ der AGRAR KOORDINATION. Mit der Kampagne setzt sich die AGRAR KOORDINATION für ein Glyphosat-Verbot, eine grundlegende Reform des Systems der Pestizid-Zulassung und für eine verstärkte Förderung der ökologischen Landwirtschaft ein.
Mehr Infos unter: http://www.agrarkoordination.de/projekte/roundup-co/

[Ticker] STICHWORT BAYER 03/2015 – TICKER

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

PAN für Pestizid-Abgabe
Die Ackergifte von BAYER & Co. bürden der Gesellschaft große Lasten auf. Darum fordert das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) eine Pestizid-Abgabe. „Die Umwelt-, Kontroll- und Gesundheitskosten, die durch Pestizide verursacht werden, sind weder im Preis der Pestizid-Produkte noch im Preis der Lebensmittel enthalten (...) Mit einer Abgabe könnte man diese Kosten auf die Pestizid-Produkte aufschlagen“, so die PAN-Aktivistin Susan Haffmans. Sie verweist dabei auch auf das Beispiel Dänemark, wo eine solche Regelung den Agrochemie-Verbrauch deutlich reduzieren konnte.

Weniger Kinderarbeit
Jahrelang hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN die Kinderarbeit bei Zulieferern von BAYERs indischer Saatgut-Tochter PROAGRO angeprangert. Zunächst leugnete der Konzern seine Verantwortung, erst nach öffentlichkeitswirksamen Protesten kam Bewegung in die Sache. Das Unternehmen bekannte sich zu dem Problem, senkte den Anteil arbeitender Kinder unter 14 Jahren drastisch und installierte das „Child Care Program“, das neben Kontrollen auch noch ein Engagement auf dem Bildungssektor umfasst. Inzwischen hat der Global Player dieses Programm ausgeweitet. Er praktiziert es mittlerweile auch im indischen Gemüse-Anbau sowie auf den Reisfelder in Bangladesh und auf den Philippinen. Ein schöner Erfolg der CBG und ihrer MitstreiterInnen!

Kaum Frauen in Führungspositionen
Im BAYER-Vorstand sitzen keine Frauen. In der ersten Führungsebene unterhalb des Vorstands beträgt ihr Anteil fünf Prozent, in der zweiten neun Prozent. Und im Aufsichtsrat liegt die Quote bei 20 Prozent.

BETAFERON-Stellungnahme
Das „Multiple Sklerose“-Präparat BETAFERON gehört zu den umsatzträchtigsten BAYER-Medikamenten, obwohl Studien dem Mittel größere Nebenwirkungen als Wirkungen bescheinigen. Während es bei nur 16 Prozent der frisch Erkrankten imstande ist, einen zweiten Schub zu verhindern, und bei einer schon chronifizierten, aber immer noch schubförmig verlaufenden MS bloß in vierzehn Prozent der Fälle anschlägt, produziert es unzählige unerwünschte Arznei-Effekte. Dazu gehören unter anderem Nierenleiden, Muskelschmerzen und Depressionen. Dies alles schadet dem Absatz jedoch nicht, weil der Leverkusener Multi beste Beziehungen zu Fachkreisen und Selbsthilfegruppen unterhält. Darum forderten die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und die INITIATIVE SELBSTHILFE MULTIPLE SKLEROSE KRANKER den Pharma-Riesen auf, all diese Kontakte offenzulegen und auch etwaige finanzielle Zuwendungen zu dokumentieren.

BfArM für kleinere ASPIRIN-Packungen
Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfArM) warnt davor, die Risiken von ASPIRIN und anderen Schmerzmitteln zu unterschätzen. Der Gebrauch der Medikamente könne „zu Magenbluten mit unter Umständen tödlichem Ausgang, Leber- und Nierenschäden sowie allergenen Reaktionen führen“, so BfArM-Präsident Walter Schwerdtfeger. Bei dem ASPIRIN-Wirkstoff Acetylsalicylsäure bestehe das Risiko „selbst bei den niedrigen Dosierungen, die zur Prävention von Schlaganfall und Herzinfarkt dienen sollen“, konstatiert Schwerdtfeger. Darum verlangt das Bundesinstitut seit langem eine Reduzierung der Mengen, die noch ohne Rezept erhältlich sind. Im Jahr 2012 hatte der „Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht“ eine solche Forderung nach einer Beschränkung der Packungsgrößen abgelehnt, und auch heuer stehen die Chancen für ein neues Regelwerk nicht besser. Gegenüber NOVARTIS wollte das BfArM im Frühjahr 2015 kleinere VOLTAREN-Schachteln gerichtlich durchsetzen, das Verwaltungsgericht Köln wies die Klage allerdings ab.

DBU warnt vor BAYTRIL & Co.
Der massenhafte Einsatz von Antibiotika wie BAYERs BAYTRIL in der Massentierhaltung führt zur massenhaften Entwicklung resistenter Krankheitserreger. Gelangen diese in den menschlichen Organismus, so können MedizinerInnen oftmals nichts mehr gegen die Keime ausrichten, was eine massive Gesundheitsgefahr darstellt. Die DEUTSCHE BUNDESSTIFTUNG UMWELT fordert deshalb politische Schritte zur Einschränkung der Medikamenten-Gaben. Ansonsten bestehe die Gefahr, „dass es zu unkontrollierten Ausbreitungen von resistenten Keimen auch in der Bevölkerung kommt“, so DBU-Generalsekretär Heinrich Bottermann gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Grüne gegen BAYTRIL-Rabatt
An der massenhaften Verbreitung von BAYTRIL und anderen Antibiotika in den Ställen haben die VeterinärInnen keinen geringen Anteil. Sie sind nämlich Arzt und Apotheker in Personalunion und verdienen an den von ihnen ausgegebenen Medikamenten. Zudem haben sich unter den Tier-MedizinerInnen oligopol-artige Strukturen herausgebildet. So bedienen die zehn größten Praxen die Geflügel- und Kälbermastbetriebe fast im Alleingang: Ihr Marktanteil beträgt 90 Prozent. Und sie können BAYTRIL & Co. zu Konditionen veräußern, zu denen es manche TierärztInnen nicht einmal im Einkauf bekommen, weil die Pharma-Riesen ihnen Mengen-Rabatte gewähren (siehe auch Ticker 2/15). Darum haben die Grünen in den „Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft“ den Antrag eingebracht, das Einräumen solcher Sonderkonditionen zu verbieten und einheitliche Abgabe-Preise einzuführen. Das lehnten CDU und SPD jedoch ab (siehe auch TIERE & ARZNEIEN).

Arznei-Studien: ein bisschen Transparenz
Im letzten Jahr hat die EU BAYER & Co. auferlegt, ihre Arznei-Studien zu veröffentlichen. Allerdings brauchen sie nicht die Original-Untersuchungen zu präsentieren, sondern können die Daten aufbereiten. Den Persilschein für diese „Transparenz light“ liefert der Verweis auf Geschäftsgeheimnisse, mit dem der Leverkusener Multi auch die Einsichtnahme in seinen mit der Universität Köln geschlossenen Kooperationsvertrag verweigert (Ticker berichtete mehrfach). Das Europäische Parlament hatte bei seiner Entscheidung zwar deutlich gemacht, dass Unterlagen aus Klinischen Prüfungen an sich nicht unter dieses Rubrum fallen, aber die sehr industrie-freundliche Arznei-Behörde EMA respektiert bei der konkreten Ausgestaltung der Studien-Datenbank den Wunsch der Pharma-Riesen nach Diskretion. Das stößt auf scharfe Kritik. „Weder die Ergebnisse noch die Methoden klinischer Studien sind Geschäftsgeheimnisse. Partikular-Interessen müssen sich dem öffentlichen Interesse an einer zügigen und vollständigen Veröffentlichung solcher Daten und Dokumente unterordnen“, hält etwa das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWIG) fest. Aber ob die öffentliche Empörung die Auskunftsfreudigkeit von Big Pharma zu steigern vermag, bleibt zweifelhaft, zumal die Unternehmen zusätzlich noch auf die gerade in Planung befindliche EU-Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen hoffen dürfen, die auch Regelungen zu Studien mit Medikamenten, Chemikalien und Pestiziden umfasst.

KAPITAL & ARBEIT

Tarifrunde 2014: nur 2,8 Prozent mehr
Die diesjährigen Tarif-Verhandlungen in der Chemie-Branche verliefen in einer weit weniger sozialpartnerschaftlichen Atmosphäre als frühere. „Selten war eine Tarifrunde in der chemischen Industrie derart aufgeheizt wie in diesem Jahr“, resümierte die Rheinische Post. Grund war das niedrige Angebot des Bundesarbeitgeberverbandes Chemie (BAVC) von 1,6 Prozent mehr Entgelt bei einer Vertragslaufzeit von 15 Monaten. Wegen des herausfordernden wirtschaftlichen und geopolitischen Umfelds im Allgemeinen und der Lage der ertragsschwächeren kleineren Betriebe im Besonderen könne er leider nicht mehr bieten, führte der BAVC zur Begründung an. Der Vorschlag erboste die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE). „Als ich das gehört habe, ist mir die Kinnlade heruntergerutscht“, berichtete der Tarif-Vorstand der IG BCE, Peter Hausmann. Dementsprechend schwierig gestalteten sich die Gespräche, in deren Verlauf es auch zu Warnstreiks und anderen Aktionen kam. So protestierten BAYER-Beschäftigte in Berlin und Weimar vor der Konzern-Niederlassung für eine gerechtere Bezahlung. Die IG BCE zögerte am Schluss nicht einmal, offen mit einem Arbeitskampf zu drohen. Das hatte sie zuletzt vor zehn Jahren getan, und der letzte Streik liegt sogar schon 34 Jahre zurück. Letztendlich scheute die Gewerkschaft die Konfrontration dann aber doch und gab klein bei. Während die Chemie-WerkerInnen in der letzten Tarifrunde noch 3,7 Prozent mehr Entgelt erhalten hatten, akzeptierte die IG BCE dieses Mal eine Erhöhung von nur 2,8 Prozent – und das auch noch bei einer Laufzeit von 17 Monaten.

Immer weniger Beschäftigte
Im Jahr 1996 hatte BAYER 142.200 Beschäftigte. 2014 waren es gerade mal noch 119.000. Und in nächster Zeit wird diese Zahl durch den Verkauf der Kunststoff-Sparte noch einmal beträchtlich sinken. Dabei könnte sie den absoluten Tiefpunkt von 2004 erreichen, wo bloß 91.700 Menschen beim Leverkusener Multi arbeiteten.

BAYER macht depressiv
Nach einer Untersuchung der „Techniker Krankenkasse“ treten Depressionen in Leverkusen leicht häufiger auf als im NRW-Landesdurchschnitt. Während die Kasse die hohe Arbeitslosen-Quote und die große Anzahl von BerufspendlerInnen in der Stadt als mögliche Gründe anführt, lenkt der Psychologe Martin Gadatsch den Blick auf BAYER. „Es kann auch ein strukturelles Problem hinter der Häufung von depressiven Erkrankungen in Leverkusen stecken. In Leverkusen arbeiten besonders viele Leute bei BAYER. Früher war BAYER für diese Menschen eine große Familie. Mit steigendem Wirtschaftsdruck wächst der Stress aber auch für die Mitarbeiter“, so Gadatsch. Er dürfte dabei aus Erfahrung sprechen, denn er arbeitet in der nahe Leverkusen gelegenen Klinik Roderbirken, die unter anderem auf Psycho-Kardiologie spezialisiert ist, sich also den Auswirkungen seelischer Belastungen auf das Herz widmet.

Immer weniger Tarifverträge
Weltweit hat der Leverkusener Multi nur mit knapp der Hälfte seiner Beschäftigten Tarifverträge abgeschlossen, und 2014 haben sich die Zahlen noch einmal verschlechtert. Der Anteil der Belegschaften, mit denen der Konzern eine entsprechende Vereinbarung abgeschlossen hat, sank von 54 auf 52 Prozent. In Europa bestehen solche Regelungen mit 87 Prozent der BAYER-WerkerInnen, in Lateinamerika beträgt die Quote 45 Prozent und Schlusslicht bleiben die Vereinigten Staaten mit bloß fünf Prozent.

Ein bisschen Mitsprache
Eine formelle Mitbestimmung mit einem Aufsichtsrat, in dem Beschäftigten-VertreterInnen Stimmen haben, existiert nur in der Bundesrepublik. Im restlichen Europa gibt es in den BAYER-Werken immerhin noch Betriebsräte. Dies ist im Rest der Welt dann auch nicht mehr der Fall. Das höchste der Gefühle stellen da laut BAYER-Geschäftsbericht „gewählte Mitarbeiter-Vertreter“ dar, die „bei bestimmten personal-bezogenen Unternehmensentscheidungen ein Mitsprache-Recht“ haben.

Kein Kunststoff mehr aus Belford Roxo
Wenn BAYER ankündigt, sich von Teilgesellschaften zu trennen, entfalten diese in der Regel mannigfaltige Rationalisierungsaktivitäten, um sich so attraktiver für mögliche Investoren zu machen. Ganz nach diesem Muster handelt auch BAYER MATERIALSCIENCE. Die vom Leverkusener Multi zur Disposition gestellte „Plaste & Elaste“-Sparte hat im Juli 2015 die Kunststoff-Produktion im brasilianischen Belford Roxo gestoppt, wo sie bisher jährlich 55.000 Tonnen Diphenylmethan-Diisocyanat (MDI), 15.000 Tonnen Polyether-Polyolen sowie Lack-Vorprodukte fertigte. 320 Arbeitsplätze vernichtete BMS dadurch, und längst nicht alle Beschäftigten können zu den anderen BAYER-Gesellschaften am Platze wechseln.

Selbstbedienung im Ideen-Pool
Bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit betont der Leverkusener Multi die Unverzichtbarkeit des Schutzes des geistigen Eigentums. An den Ideen seiner Belegschaftsangehörigen vergreift der Konzern sich jedoch ganz unverblümt. So erklärt der Pharma-Riese frank und frei, dank der 2014 eingereichten Verbesserungsvorschläge der Beschäftigten bereits im ersten Jahr der Umsetzung über fünf Millionen Euro eingespart zu haben. An Prämien zahlte er indessen nur rund eine Million Euro aus.

E.ON-Vorbild BAYER
Was BAYERs Aufsichtsratschef Werner Wenning in Leverkusen gelernt hat, das praktiziert er auch an anderer Stelle, zum Beispiel bei E.ON, wo er ebenfalls dem obersten Kontrollgremium vorsitzt. KommentatorInnen schreiben ihm eine maßgebliche Rolle bei der Entscheidung des Energie-Multis zu, das Alt-Geschäft mit den Kohle-, Gas- und Atomkraftwerken von dem Unternehmensteil abzuspalten, der sich dem Vertrieb, den Stromnetzen und der Erneuerbaren Energie widmet. So konstatiert das manager-magazin: „Die Lösung eines Spin-offs trägt die Handschrift des E.ON-Aufsichtsratsvorsitzenden Werner Wenning. Der frühere BAYER-Chef hat Erfahrung mit derlei Konzepten seit der Abspaltung von LANXESS (die ehemalige Chemie-Sparte des Leverkusener Multis, Anm. SWB).“

KONZERN & VERGANGENHEIT

Der PCB-Produktionsstopp von 1971
Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören zu den giftigsten Hervorbringungen der Chlorchemie (SWB 1/14). Sie können das menschliche Hormonsystem, das Nervensystem und das Immunsystem schädigen, die Schilddrüse, Leber und Nieren angreifen und zu Unfruchtbarkeit führen. 1971 entschlossen sich MONSANTO und BAYER dazu, die Produktion der Chemikalie zu stoppen, die bis dahin vor allem in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz kam. Die treibende Kraft dabei war der US-Konzern. Er drängte auf den PCB-Ausstieg, „um nicht von einer Welle politischer Emotionen über Bord gespült zu werden“, wie es der damalige Europa-Chef Norbert Dahlström ausdrückte. Zu der Zeit waren die Wogen nämlich schon ziemlich hochgegangen. Meldungen über fünf Japaner, die nach der Zubereitung von Reis in PCB-verunreinigtem Öl gestorben waren, über Totgeborene mit deutlichen Symptomen einer PCB-Vergiftung, 146.000 durch PCB verendete Hühner und Nachrichten über hohe PCB-Rückstände im menschlichen Körper hatten die Öffentlichkeit alarmiert. Trotzdem zögerte der Leverkusener Multi lange, auf den MONSANTO-Vorschlag einzugehen. Fünf Monate lang musste Dahlström nach eigenen Worten „auf BAYER einwirken“, ehe der Pharma-Riese zustimmte. Anfang Oktober 1971 besprachen die beiden Unternehmen dann in Bad Godesberg gemeinsam mit EmissärInnen des Bundesgesundheitsamtes die Details. Dabei forderte die bundesdeutsche Aktien-Gesellschaft dann auch noch Gegenleistungen ein. Sie wollte als Belohnung für ihren Schritt laut Spiegel eine Zusicherung der amtlichen Stellen haben, dass von „eingehenderen Untersuchungen“ der Risiken und Nebenwirkungen von PCB „abgesehen werden“ soll. Zudem produzierte BAYER den Stoff zur Verwendung in vermeintlich sichereren, weil geschlossenen Systemen wie Hydraulik-Ölen und Transformatoren weiter und stellte die Fertigung erst 1983 ganz ein. Schäden richtet der chemisch nur schwer abbaubare Stoff jedoch noch immer an. Darum finden quer durch die Republik aufwendige Sanierungen von Universitäten und Schulen statt – und eine Beteiligung an den Kosten lehnt der Global Player strikt ab.

POLITIK & EINFLUSS

Dekkers will Geld für Antibiotika-Forschung
Die gängigen Antibiotika verlieren immer mehr an Wirkung und können gegen viele Krankheitskeime nichts mehr ausrichten. Die massenhafte Verwendung von Mitteln wie BAYERs BAYTRIL in der Massentierhaltung hat daran einen nicht unerheblichen Anteil (siehe TIERE und ARZNEIEN), denn sie fördert die Herausbildung von antibiotika-resistenten Erregern, die auch in den menschlichen Organismus gelangen können. Der Leverkusener Multi tut jedoch nichts, um sich dem Problem zu stellen. Er forscht auch nicht nach neuen Präparaten. Antibiotika stellen für die Pillen-Riesen nämlich keine große Einnahme-Quelle dar, weil die MedizinerInnen sie nur über einen kurzen Zeitraum hinweg verordnen. „Wir müssen Geld verdienen mit unseren Produkten. Das führt dazu, dass nicht alle Medikamente entwickelt werden, die wir brauchen“, erläuterte Konzern-Chef Marijn Dekkers im Spiegel den Sachverhalt. Daraus zieht er die Konsequenz, staatliche Subventionen einzufordern: „Die Regierungen sollten die Pharma-Industrie wie in der Militär-Industrie Auftragsforschung machen lassen.“

Klimaschutz: Dekkers mauert
Im Herbst 2014 hat die EU ihre Klimaschutz-Ziele festgelegt und eine Senkung der Kohlendioxid-Emissionen von 40 Prozent bis zum Jahr 2030 beschlossen. Der Leverkusener Multi, der im letzten Jahr 8,72 Millionen Tonnen des Gases ausgestoßen hat, hält das für unerreichbar. „Wir akzeptieren diese politische Vorgabe. Und wir wollen unseren Beitrag dazu leisten. Gleichwohl sehen wir derzeit aber weder eine technische noch eine wirtschaftliche Lösung, wie die deutsche chemische Industrie dieses hochgesteckte Ziel erreichen könnte“, sagte der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers in seiner Funktion als Präsident des „Verbandes der Chemischen Industrie“ (VCI). Er plädierte deshalb dafür, die Bereiche „Verkehr“ und „Wohnen“ zur Entlastung von BAYER & Co. mehr in die CO2-Reduktionspläne einzubeziehen. Ansonsten müsste die Chemie-Industrie leider die Produktion drosseln, um den Anforderungen gerecht zu werden, drohte der Holländer. Einen zweiten Lösungsansatz sah er in einem internationalen Klima-Abkommen, wohl wissend, dass die Chancen für eine derartige Übereinkunft zurzeit gen Null tendieren: „Nur wenn es gelingt, auch international alle wichtigen Emittenten einzubeziehen, laufen die Belastungen nicht gegen die Wettbewerbsfähigkeit Europas.“

Kaum weniger EEG-Rabatte
BAYER & Co. klagen routinemäßig über die hohen Strom-Kosten, die ihnen das „Erneuerbare-Energien-Gesetzes“ (EEG) durch die Förderung von Windkraft & Co. angeblich beschert. Dabei gewährt das Paragraphen-Werk energie-intensiven Betrieben großzügige Rabatte, für welche dann die Privathaushalte aufzukommen haben. Für diese stieg die Strom-Rechnung seit 2008 um 38 Prozent, während diejenige der Konzerne in der Zeit sogar um ein Prozent niedriger ausfiel. Die ungleiche Lasten-Verteilung brachte das ganze EEG in Verruf, weshalb schon Schwarz-Gelb eine „Reform“ begonnen hatte, welche die Große Koalition unter der Ägide von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) dann abschloss. Der Vize-Kanzler drosselte den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Gleichzeitig schaffte er es durch zähe Überzeugungsarbeit in Brüssel, den Konzernen die von der EU eigentlich als unerlaubte Subventionen angesehenen Industrie-Privilegien weiterhin zu sichern. Er erklärte sich lediglich zu etwas mehr Enthaltsamkeit bereit und kündigte an, die Preis-Abschläge um eine Milliarde Euro zu reduzieren. BAYER & Co. wehrten sich jedoch vehement und hatten damit Erfolg. Es gelang ihnen, den Gabriel-Plan zu Fall zu bringen, auf den von den Kraftwerken der Unternehmen selber erzeugten Strom eine Öko-Abgabe zu erheben. Unter anderem deshalb musste sich der Wirtschaftsminister von seinem Milliarden-Ziel verabschieden: 2015 sanken die Subventionen für die Industrie um gerade einmal 300 Millionen Euro auf 4,8 Milliarden Euro. Trotzdem geben sich die Multis nicht zufrieden. So forderte BAYER-Chef Marijn Dekkers in seiner Funktion als Präsident des „Verbandes der Chemischen Industrie“, die Ökostrom-Förderung aus Steuer-Mitteln zu bestreiten: „Mit einer alternativen Finanzierung der Energiewende – zum Beispiel über den Bundeshaushalt – könnten die Förderzusagen des EEG eingehalten werden, ohne den Strompreis in die Höhe zu treiben.“

Klimaschutz-Programm schont BAYER & Co.
Im Jahr 2007 hat die damalige Bundesregierung das Klimaschutz-Ziel ausgegeben, die Kohlendioxid-Emissionen bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent zu senken, mit 1990 als Bezugsgröße. Die parallel dazu eingeleiteten Maßnahmen genügten jedoch nicht, um die Reduktion zu erreichen. Darum hat die Große Koalition Ende 2014 nachgelegt und ein „Aktionsprogramm Klimaschutz“ sowie einen „Aktionsplan Energie-Effizienz“ auf den Weg gebracht, womit sie bis zu 78 Millionen Tonnen CO2 zusätzlich einsparen will. Der Leverkusener Multi braucht dazu aber kaum einen Beitrag zu leisten, obwohl sein Energie-Verbrauch ebenso wie sein CO2-Ausstoß steigt (siehe WASSER, BODEN & LUFT). „Der Fokus der beschlossenen Maßnahmen liegt auf den Bereichen ‚Gebäude’ und ‚Verkehr’“, atmet der „Verband der Chemischen Energie“ auf, also genau dort, wo er nach Meinung seines derzeitigen Präsidenten, des BAYER-Chefs Marijn Dekkers, auch liegen sollte (s. o.). Dem VCI gefällt zudem, dass die Regierungskoalition seine Signale erhört hat und Sektoren, die bereits dem Emissionshandel unterliegen, keine weiteren Auflagen gemacht hat. Auch das alleinige Setzen auf freiwillige Maßnahmen im Industrie-Bereich begrüßt die Lobby-Organisation. Darüber hinaus ließ Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel zur Freude von BAYER & Co. den Plan fallen, eine Sonderabgabe auf ältere Kohlekraftwerke zu erheben – das hätte nämlich ihre Strom-Rechnung erhöhen können. Stattdessen ging der Sozialdemokrat den umgekehrten, von dem Chemiegewerkschaftsboss Michael Vassiliadis ersonnenen und von der rot-grünen NRW-Landesregierung tatkräftig unterstützten Weg: Er zahlt den Energie-Riesen Abwrack-Prämien für das Stilllegen ihrer Dreckschleudern und holt sich das Geld dafür bei den Strom-KundInnen wieder.

Agrar-Subventionen für Bauer BAYER
Die EU bedenkt den Leverkusener Multi seit geraumer Zeit mit Agrar-Subventionen. Brüssel sieht die Pestizid-Versuche, die der Konzern auf seinen Ackerflächen in Monheim und Burscheid unternimmt, nämlich als landwirtschaftliche Aktivitäten an. Allerdings nehmen die Zahlungen ab. Strich der Konzern 2013 noch fast 180.000 Euro ein, so gab es 2014 „nur“ 49.000 Euro.

VFA schreibt Merkel wg. Griechenland
BAYER und die anderen Pharma-Multis haben vor der Krise heftig von der griechischen Misswirtschaft im Gesundheitswesen profitiert, wie der Schriftsteller Petros Markaris 2011 in einem Zeit-Artikel festhielt. „In welchem Ausmaß dabei Geld verschwendet wurde, haben die Griechen erst jetzt begriffen. Der Einkauf von Arzneimitteln und medizinischem Gerät wurde bislang von den Krankenhäusern selbst vorgenommen. Jetzt hat das Gesundheitsministerium den Kauf von Arzneimitteln zentral über das Internet organisiert und gemäß den bisherigen Ausgaben dafür 9.937.480 Euro zur Verfügung gestellt. Nun stellte sich heraus: Die Medikamente kosteten nur 616.505 Euro, also bloß 6,2 Prozent der früheren Summe!“, schrieb er. Jetzt können die Pillen-Riesen in dem Staat nicht mehr so viel Geld einstreichen. Und das hat zu allem Überfluss auch noch Einfluss auf die Einnahmen hierzulande. Für neue Medikamente legen die Krankenkassen und die Hersteller die Preise nämlich fest, indem sie sich daran orientieren, was Pharmazeutika in anderen Staaten so kosten. Und in diesem sogenannten Länderkorb macht Griechenland zur Zeit alles etwas billiger. Darum forderte der von BAYER gegründete „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller“: „Die Preis-Referenzierung auf Griechenland in Deutschland muss ausgesetzt werden. Die dortige Sondersituation darf keine europa-weite Preisspirale nach unten lostreten.“ Der Verband setzte in der Sache sogar einen Brandbrief an Bundeskanzlerin Angela Merkel auf.

Duin bei „Steam Reformer“-Einweihung
Ursprünglich hatte BAYER den Bau der Kohlenmonoxid-Leitung zwischen Dormagen und Krefeld mit dem CO-Überschuss in Dormagen begründet. Davon kann allerdings schon lange nicht mehr die Rede sein. Der Bau einer neuen TDI-Anlage am Standort machte sogar die Errichtung eines Steam Reformers zur Deckung des Mehrbedarfs notwendig. Am 17. April 2015 nahm ihn der Leverkusener Multi feierlich in Betrieb. „Als „elementar für die Chemie in unserem Land“ pries der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) die Investition bei dem Festakt. Er nutzte die Gelegenheit jedoch nicht, um zu fragen, warum BAYER einen solchen Reformer als Alternative zum gefährlichen Transport des Stoffes quer durchs Land nicht auch in Krefeld plant, obwohl der Konzern damit einem von der Landesregierung in Auftrag gegebenen Gutachten zufolge auch noch Geld sparen würde.

PROPAGANDA & MEDIEN

Pestizid-Propaganda

  • 1


Pestizide stehen immer stärker in der Kritik. Kaum ein Tag vergeht ohne Meldungen über ihre Risiken und Nebenwirkungen für Mensch, Tier und Umwelt. Der Leverkusener Multi geht deshalb in die Offensive und startet einen „Agrar-Dialog zum Pflanzenschutz“. Seine AußendienstlerInnen verteilen ein Kompendium, das auf Fragen wie „Warum brauchen wir überhaupt Pflanzenschutzmittel?“ oder „Wie sieht es mit den Rückständen in Lebensmitteln aus?“ einfache Antworten gibt. Als AdressatInnen hat der Konzern dabei neben LandwirtInnen „und/oder landwirtschaftlichen Öffentlichkeitsarbeitern“ auch VerbraucherInnen im Sinn. Und das Propaganda-Material steht nicht nur „als gedruckte Ausgabe in Form eines Fächers, eines Heftchens und eines Kartenspiels“ zur Verfügung, sondern auch als App.

Pestizid-Propaganda

  • 2


Die zunehmende Kritik an Pestiziden (s. o.) hat auch schon zu Konsequenzen wie der vorläufigen Aussetzung der Genehmigung für die BAYER-Ackergifte GAUCHO und PONCHO wegen ihrer Bienengefährlichkeit geführt. Das bereitet dem Leverkusener Multi Sorge. Darum unternimmt er große Anstrengungen, um der Politik und der Öffentlichkeit zu demonstrieren, dass die Entscheidung der EU zu einer Rückkehr der Plagen führt. So befragte der Konzern 8.000 LandwirtInnen, die einhellig zu Protokoll gaben, welche Probleme ihnen das Fehlen von GAUCHO und PONCHO bereitet. 98 Prozent klagten über zunehmende Schäden durch den Raps-Erdfloh und 74 Prozent über solche durch die Kleine Kohlfliege verursachten.

Pestizid-Propaganda

  • 3


Um das schlechte Image von Pestiziden zu verbessern, haben BAYER & Co. die Aktion „Schau ins Feld“ gestartet. Im Rahmen dieser Initiative verschonen die teilnehmenden LandwirtInnen auf einem an öffentliche Wege grenzenden Feld einen Teil ihrer Ackerfrüchte mit den Agro-Chemikalien. „So wird sich bis zur Ernte dem Betrachter ein Bild bieten, das den Fachmann nicht überrascht, wohl aber manchen Spaziergänger oder Radfahrer: Unkräuter überwuchern die Kulturen, Pilzkrankheiten und Schädlinge verursachen sichtbare Schäden und gefährden die Erde“, hofft die Branchen-Organisation „Industrieverband Agrar“.

Pestizid-Propaganda

  • 4


Die Risiken und Nebenwirkungen von Pestiziden haben teilweise zu einer strengeren Zulassungspraxis geführt – und in den Augen BAYERs zu einer so strengen, dass sie Zulassungen überhaupt verhindert. So sieht der Leverkusener Multi das Inverkehrbringen neuer Insektizide durch rigidere Auflagen der „Europäischen Behörde für Lebensmittel-Sicherheit“ (EFSA) gefährdet. Diese schreibt den Konzernen unter anderem vor, die Bienengefährlichkeit ihrer Produkte auf einem Versuchsareal mit ausreichenden Abmessungen zu untersuchen. Der Konzern hat hierfür jedoch einen Flächenbedarf von 448 km2 errechnet und sieht sich außerstande, solch ein großes Gebiet aufzutreiben.

Pestizid-Propaganda

  • 5


Wegen seiner bienengefährlichen Pestizide PONCHO und GAUCHO steht der Leverkusener Multi bereits seit Langem in der Kritik von BienenzüchterInnen. BAYER hat darauf reagiert und selber einen Imker angeheuert, um den aufgebrachten BienenhalterInnen die Konzern-Version vom Bienensterben möglichst glaubwürdig vermitteln zu können. „Freier Berater für Bienengesundheit“ nennt sich Fred Klockgether. Und er, der sich laut Faz nur „sehr ungern als Lobbyist bezeichnen ließe“, meint selbstverständlich, „dass der Rückgang von Wildbienen mehr durch den Wegfall von Habitaten begründet ist als durch den Pflanzenschutzmittel-Einsatz“ und dass die Varroa-Milbe die Reduzierung der Honigbienen-Populationen verursacht habe. Klockgether zögert nicht einmal, den Agro-Riesen ob seiner Mittel gegen die Milbe als Bienenretter zu bezeichnen.

Elf Milliarden Marketing-Kosten
Seit Jahren wachsen BAYERs Marketing-Kosten. 2014 stiegen sie um rund 700 Millionen Euro auf 11 Milliarden Euro an. Damit machen sie mehr als ein Viertel des Umsatzes aus. Trotz dieses gewaltigen Volumens weigert sich der Konzern auf den Hauptversammlungen beharrlich, die Ausgaben genauer aufzuschlüsseln. Nur zu der Aussage, 40 Prozent des Etats verbrauche die Pharma-Sparte, ließ sich BAYER-Chef Marijn Dekkers 2013 hinreißen. Einen Großteil dieser 40 Prozent wiederum dürfte der Konzern aufwenden, um seinen gefährlichen Gerinnungshemmer XARELTO zu bewerben. Und diese Investition lohnt sich: Trotz vieler kritischer Stimmen aus dem Bereich des Gesundheitswesens setzte der Leverkusener Multi im letzten Jahr mit dem Mittel fast 1,7 Milliarden Euro um.

BAYERs rollendes SchülerInnen-Labor
In Kooperation mit der Berliner Humboldt-Universität betreibt der Leverkusener Multi ein rollendes Labor. Das „Humboldt-BAYER-Mobil“ fährt Schulen in der Bundesrepublik an und arbeitet mehr oder weniger spielerisch den naturwissenschaftlichen Lernplan des Konzerns ab, um bei den 11- bis 15-Jährigen „die Attraktivität des Fachgebietes zu erhöhen“.

TIERE & ARZNEIEN

Tiermast: hohe Antibiotika-Gaben in NRW
Die massenhafte Gabe von Antibiotika wie BAYERs BAYTRIL in der Massentierhaltung befördert die Entwicklung resistenter Krankheitserreger. Gelangen diese dann in den menschlichen Organismus, so können MedizinerInnen oftmals nichts mehr gegen die Keime ausrichten, was eine massive Gesundheitsgefahr darstellt. Deshalb steht diese Praxis bereits seit Jahren in der Kritik. Geändert hat sich bislang allerdings nur wenig. Das zeigt jetzt eine Studie des nordrhein-westfälischen Umweltministeriums über die Antibiotika-Applikation in der Puten-Aufzucht. 92,8 Prozent der Tiere mussten diese Medikamente während ihrer vier- bis sechsmonatigen Aufzucht schlucken. „Der massenhafte Einsatz von Antibiotika in der Intensiv-Haltung ist weiterhin Alltag“, resümierte NRW-Umweltminister Johannes Remmel bei der Vorstellung der Untersuchung. Am häufigsten wurde in den Ställen auf Benzylpenicillin zurückgegriffen, dann folgten Colistin, Amoxicillin und Enrofloxacin, der Wirkstoff von BAYTRIL. Enrofloxacin gehört zur Gruppe der Fluorchinolone, die auch in der Humanmedizin Verwendung finden – das entsprechende BAYER-Präparat heißt CIPROBAY – und dort sogar den Status von Reserve-Antibiotika haben, weil sie gegen viele Krankheiten wirken. Die Verabreichung von Enrofloxacin in den Ställen schätzt die Untersuchung deshalb als besonders problematisch ein, zumal ihre humanmedizinischen Pendants gegen die ESBL-Keime schon ihre Wirkkraft eingebüßt haben. Deshalb forderte der NRW-Umweltminister Johannes Remmel die Bundesregierung im Frühjahr auf, den Gebrauch von Reserve-Antibiotika, zu denen neben Enrofloxacin auch Colistin gehört, in der Massentierzucht zu verbieten. Und die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen stellte im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft den Antrag, den Einsatz von Fluorochinolen und vergleichbaren Mitteln nur noch in Ausnahmefällen zu gestatten. CDU und SPD lehnten das jedoch ebenso ab wie strengere Auflagen zur Abgabe von Antibiotika an VeterinärInnen (siehe auch AKTION & KRITIK).

Mehr BAYTRIL in den Tierställen
Der massenhafte Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung führt zur Entwicklung resistenter Krankheitserreger. Das stellt auch für die Humanmedizin eine Gefahr dar, denn die Keime, gegen die kein Kraut mehr gewachsen ist, können in den menschlichen Organismus gelangen. Erleichtert vermeldet das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ (BVL) darum für das Jahr 2014 einen Rückgang der Antibiotika-Gaben in den Ställen. Von 1.452 auf 1.238 Tonnen gingen die verabreichten Mengen zurück. Was das BVL da als Erfolgsmeldung verkauft, ist allerdings nur auf den ersten Blick eine. Da die Präparate nämlich immer effektiver wirken, sagen die nackten Zahlen nur wenig aus: Während eine Tonne des Alt-Antibiotikums Tetracyclin gerade einmal für 39.000 Mastschweine langt, vermögen die LandwirtInnen mit einer Tonne von BAYERs BAYTRIL 2,2 Millionen Tiere zu versorgen. Und das Leverkusener Produkt mit dem Wirkstoff Enrofloxacin, der zur Substanz-Klasse der Fluorchinolone gehört, erfreut sich zunehmender Beliebtheit. „Die Abgabe von Fluorchinolonen hat auf hohem Niveau weiter leicht zugenommen und zeigt gegenüber dem ersten Erfassungsjahr 2011 eine Steigerung von nunmehr 50 Prozent“, konstatiert das Bundesamt. Um 200 Kilogramm auf 12,3 Tonnen wuchs der Verbrauch. Das ist alarmierend, denn Fluorchinolone finden auch in der Humanmedizin Verwendung – das entsprechende BAYER-Präparat heißt CIPROBAY – und haben dort sogar den Status von Reserve-Antibiotika, weil sie gegen viele Krankheiten wirken. Darum erklärten die ÄRZTE GEGEN MASSENTIERHALTUNG: „Wir fordern das sofortige Verbot des Einsatzes dieser Antibiotika-Klassen in der Tierhaltung“. Zudem appellierten sie an die Politik, nach dem Vorbild der Niederlande das verbindliche Reduktionsziel „50 Prozent weniger Antibiotika in den Mast-Anlagen binnen dreier Jahre“ vorzugeben.

Erweitertes Anwende-Spektrum für BAYTRIL
BAYERs Veterinär-Antibiotikum BAYTRIL kann bald noch mehr Schaden anrichten (s. o.) In den USA erhielt der Leverkusener Multi für BAYTRIL 100 die Zulassung, das ein erweitertes Anwendungsspektrum hat und nun bei Schweinen auch zum Einsatz kommen kann, wenn die Tiere vom E.coli-Bakterium befallen sind. Zudem dürfen die TierärztInnen das Präparat jetzt auch intra-muskulär spritzen. Als eine gute Nachricht für Schweine-ProduzentInnen, VeterinärInnen und alle, denen eine Versorgung mit gesunden Nahrungsmitteln am Herzen liegt, feierte der Leverkusener Multi die Entscheidung der US-Gesundheitsbehörde FDA.

TIERE & VERSUCHE

144.471 Tierversuche
Im Geschäftsjahr 2014 hat BAYER 144.471 Tierversuche durchgeführt, 95,8 Prozent davon mit Ratten und Mäusen. Die Zahl ist nur bedingt mit derjenigen von 2013 vergleichbar, wo es 142.084 Experimente am „Tiermodell“ gab. Die EU hat nämlich die Dokumentationsvorschriften geändert; gemäß der Richtlinie 2010/63 müssen die Unternehmen jetzt nicht mehr die Tiere selber, sondern ihre Einsätze zählen. „Ob der Anstieg um 1,7 Prozent alleine durch die neue Zählweise oder von unseren Projekten im letzten Jahr abhängig war, kann nicht eindeutig identifiziert werden“, erklärt der Konzern deshalb.

DRUGS & PILLS

Immer mehr XARELTO
BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO mit dem Wirkstoff Rivaroxaban hat gefährliche Nebenwirkungen. Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ erhielt allein 2014 161 Benachrichtigungen über Todesfälle im Zusammenhang mit dem Mittel; insgesamt erfolgten rund 2.000 Meldungen wegen unerwünschter Pharma-Effekte. Trotzdem will der Leverkusener Multi das Anwendungsspektrum des bisher unter anderem zur Behandlung von Thrombosen, Embolien und von Vorhofflimmern zugelassenen Präparates weiter vergrößern. Für sieben neue Indikationen wie z. B. zur Therapie von PatientInnen mit chronischem Herz-Versagen testet der Konzern die Arznei derzeit.

Kein Handlungsbedarf bei XARELTO
Jetzt musste sich sogar die Bundesregierung mit BAYERs umstrittenem Gerinnungshemmer XARELTO beschäftigen. Die Partei „Die Linke“ wollte in einer Kleinen Anfrage wissen, welche Konsequenzen die Große Koalition aus den zahlreichen Berichten über die Risiken und Nebenwirkungen der Arznei zu ziehen gedenkt. Die Antwort fiel ernüchternd aus. Es bestehe „kein neuer Handlungsbedarf“, verlautete aus den Reihen der Großen Koalition. Merkel & Co sprachen von einer derzeit positiven Nutzen/Risiko-Relation“ und ließen sich von dieser Meinung noch nicht einmal durch die „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“ (AkdÄ) abbringen, die vor dem massenhaften Verschreiben von „Neuen Oralen Anti-Koagulantien“ (NOAKs) wie XARELTO gewarnt hatte. Und an der Tatsache, dass es zu dem BAYER-Präparat im Gegensatz zur Standard-Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten wie MARCUMAR kein Gegenmittel gibt, um Blutungen zu stoppen, nimmt die Merkel-Regierung ebenfalls keinen Anstoß. Sie hält ein solches Antidot nicht für nötig, weil sich XARELTO im Organismus angeblich relativ schnell abbaue.

NOCTAMID: hohes Sucht-Potenzial
BAYERs Schlafmittel NOCTAMID mit dem Wirkstoff Lormetazepam gehört zu den Benzodiazepinen. Eine Studie der Universität Bochum unter Federführung von Dr. Knut Hoffmann bescheinigt dieser Substanz-Klasse ein hohes Sucht-Potenzial. Von 128.000 bis 1,6 Millionen Abhängigen allein in der Bundesrepublik spricht die Untersuchung. Gemäß Zulassung sollte die Anwendung benzodiazepin-haltiger Mittel zwar auf zwei bis vier Wochen beschränkt bleiben, das entspricht jedoch nicht der Praxis. Viele Menschen bekommen die Präparate doch länger verordnet oder sie besorgen sich die Mittel auf eigene Kosten über ein Privat-Rezept. Hoffmann und seine MitarbeiterInnen zitieren eine Arbeit von Dr. Rüdiger Holzbach, wonach 2,8 Prozent der PatientInnen ein sehr problematisches Einnahme-Verhalten zeigen und 17,5 Prozent ein problematisches. Bei älteren Menschen liegt diese Quote sogar bei über 20 Prozent. Die Ergebnisse der Studie alarmieren deshalb besonders, weil hierzulande jährlich rund zwei Millionen Packungen von NOCTAMID & Co. über die Ladentheken der Apotheken gehen. Hoffmann und seinem Team bleibt da nur, einmal mehr zu warnen: „Trotz initial guter Wirksamkeit sollte die Indikation streng und zeitlich befristet sein. Wenn ein kurzer Therapie-Zeitraum nicht möglich ist, sollte der Patient frühzeitig zu einem Facharzt überwiesen und gegebenenfalls das Suchthilfe-System kontaktiert werden.“

Ökotest: SUPRADYN ungenügend
Multivitamin-Präparate wie BAYERs SUPRADYN ENERGY helfen nicht nur nicht, sie können der Gesundheit sogar schaden. So erhöhen SUPRADYN & Co. das Sterblichkeitsrisiko von älteren Frauen um 2,4 Prozent, wie eine im Fachmagazin Archives of Internal Medicine veröffentlichte Studie herausgefunden hat. „Bestenfalls nutzlos“ überschrieb das Magazin Ökotest deshalb seinen Prüfbericht. „Kein Produkt ist eine Empfehlung wert“, resümierte die Zeitschrift und vergab als Bestnote ein „befriedigend“. Das vom Leverkusener Multi hergestellte SUPRADYN bekam diese nicht, sondern nur ein „ungenügend“. Die Brausetabletten enthielten nämlich deutlich mehr Anteile von Vitamin A, Niacin, Zink und anderen Inhaltsstoffen, als das „Bundesinstitut für Risikobewertung“ (BfR) in seinen Höchstmengen-Empfehlungen für noch angemessen erachtet. „Den Vogel schießen die SUPRADYN ENERGY Brausetabletten mit Orangen-Geschmack mit zwölf Überschreitungen ab“, hält die Publikation fest. Damit nicht genug, tummeln sich in SUPRADYN auch noch Spurenelemente wie Eisen, Kupfer und Mangan, die nach Ansicht des BfR in Nahrungsergänzungsmitteln nichts zu suchen haben sollten.

Ökotest: BEPANTHOL ungenügend
Die Zeitschrift Ökotest stellte in ihrem Ratgeber „Kosmetik und Wellness“ Lippenpflege-Stifte mit UV-Schutz auf den Prüfstand. BAYERs BEPANTHOL LIPSTICK SPF 30 schnitt dabei schlecht ab und bekam die Note „ungenügend“. Er enthielt nämlich Lichtschutz-Filter, die hormon-ähnlich wirken und deshalb die Entwicklung des Gehirns, Stoffwechselprozesse und die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen sowie Diabetes und Herz/Kreislauf-Erkrankungen befördern können. Und zu allem Übel befanden sich mit Ethylhexyl Methooxycinnamate und Benzophenone-3 auch noch solche Stoffe in dem Produkt, die als besonders gesundheitsgefährdend gelten.

ASPIRIN: schneller und gefährlicher?
BAYERs „Tausendsassa“ ASPIRIN ist in Apotheken rezeptfrei erhältlich, aber dennoch alles andere als harmlos (siehe auch AKTION & KRITIK). Der Hamburger Mediziner Dr. Friedrich Hagenmüller von der Hamburger Asklepios-Klinik etwa schätzt die Zahl der Todesopfer durch die Nebenwirkung „Magenbluten“ allein in der Bundesrepublik auf jährlich 1.000 bis 5.000. Im letzten Jahr hat der Leverkusener Multi nun eine ASPIRIN-Formulierung auf den Markt gebracht, die schneller wirkt. „Mikronisierung“ lautet das Zauberwort: Der Pharma-Riese hat die Partikel-Größe des Wirkstoffes Acetylsalicylsäure um 90 Prozent verkleinert, weshalb ihn der Organismus flinker aufnehmen kann. Das birgt allerdings auch die Gefahr neuer Gesundheitsschädigungen. „Durch die Mikronisierung erzielt die neue ASPIRIN-Tablette eine dreimal so hohe Wirkstoff-Konzentration im Blut des Menschen als die bisherige. Die Wirkung dieses Effektes hätte man unbedingt in einer gesonderten Sicherheitsuntersuchung überprüfen müssen“, kritisiert Fritz Sörgel, der Leiter des Nürnberger „Institutes für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung“.

ASPIRIN: Weniger Infarkte, mehr Blutungen
Eine Langzeit-Untersuchung hat überprüft, ob niedrig dosiertes ASPIRIN vorbeugend gegen Herz-Infarkte und Krebs-Arten wirkt, die den Verdauungstrakt befallen. Die über 15 Jahre gehende Studie mit rund 28.000 Frauen hat zwar einen prophylaktischen Effekt festgestellt, aber bei den ProbandInnen als Begleiterscheinung auch häufig Blutungen registrieren müssen. Darum schätzten die WissenschaftlerInnen das Nutzen/Risiko-Verhältnis negativ ein und rieten von einer dauerhaften ASPIRIN-Einnahme ab.

Kontrazeptiva verursachen Hirntumore
Die Einnahme von Verhütungsmitteln steigert die Wahrscheinlichkeit, an einem Gehirntumor zu erkranken. Das ergab eine Studie der Universitätsklinik von Odense, welche David Gaist und seine MitarbeiterInnen durchgeführt haben. Das Risiko, eine solche Krankheit zu erleiden, liegt bei Frauen, welche Kontrazeptiva einnehmen, um das Anderthalb- bis Vierfache höher als bei denjenigen, welche auf die Mittel verzichten. Der Gefährdungsgrad hängt dabei davon ab, welche Hormone in den Pillen wirken und über welchen Zeitraum hinweg die Präparate genutzt wurden. Die größte Gefahr geht von Gestagenen aus, zu denen BAYERs umstrittener YASMIN-Wirkstoff Drospirenon gehört (Ticker berichtete mehrfach) und die allergrößte dabei von dem Gestagen Progesteron, das der Leverkusener Multi bei seiner Verhütungsspirale MIRENA einsetzt.

Neue Gesundheitsapps
Der Leverkusener Multi will in den lukrativen Markt mit Gesundheitsapps einsteigen. Auf seiner Internet-Plattform „Grants4Targets“ hat der Global Player deshalb Startup-Unternehmen angeworben, um für ihn spezielle Anwendungen zu programmieren. So hat PHARMAASSISTANT eine App entwickelt, die mit einer Pillen-Dose verbunden ist und die PatientInnen an die Medikamenten-Einnahme erinnert. QOMPIUM entwickelte eine Software, welche die Herz-Frequenz misst und bei Auffälligkeiten anschlägt, während CORTRIUM einen Sensor ersonnen hat, der Funktionen eines EKGs übernehmen kann. Außerdem noch im Angebot: Ein Gerät, das aus der Atemluft Daten über den Kalorien-Verbrauch gewinnt, und eine Apparatur, die für Apotheken gläserne PatientInnen schafft bzw. „die Apotheker mit Patienten-Informationen unterstützt“, wie die Berliner Morgenpost es ausdrückte.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Chlorpyrifos auf dem Prüfstand
Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA hat die von dem Pestizid-Wirkstoff Chlorpyrifos – enthalten unter anderem in den BAYER-Produkten BLATTANEX, PROFICID und RIDDER – ausgehenden Gesundheitsgefahren neu untersucht. Dabei stellte sie ein erhöhtes Gefährdungspotenzial für LandarbeiterInnen fest, die mit dem Stoff umgehen. Wenn LandwirtInnen das Ackergift in großen Mengen nutzen, besteht zudem das Risiko einer Wasser-Verunreinigung, warnen die ExpertInnen. Darum prüft die Behörde derzeit, ob die Auflagen für den Gebrauch der Agro-Chemikalie noch ausreichen. Die EPA hat in der Vergangenheit bereits mehrmals strengere Regularien erlassen. Bereits im Jahr 2000 verbot sie die Verwendung von Chlorpyrifos in Haus und Garten. Zwei Jahre später untersagte die Environmental Protection Agency das Ausbringen auf Tomaten-Kulturen und schränkte den Einsatz auf Apfel-, Zitrus- und Nussplantagen ein. Und im Jahr 2012 schließlich machte sie die Einrichtung von Pufferzonen rund um Flächen zur Pflicht, die mit Chlorpyrifos traktiert wurden, und erließ Regeln für einen sparsameren Umgang mit BLATTANEX & Co.

Genehmigung für DIFLEXX
Die US-Behörden haben BAYERs neuem Herbizid DIFLEXX eine Zulassung erteilt. Als Wirkstoff enthält das Mittel Dicamba. Nach einer Studie des US-amerikanischen „National Cancer Institutes“ kann es Lymph-Krebs auslösen. FarmerInnen, die der Substanz ausgesetzt waren, trugen der Untersuchung zufolge ein doppelt so hohes Risiko, an dem Non-Hodgkin-Lymphom zu erkranken wie ProbandInnen der Vergleichsgruppe. Zusätzlich kommt in DIFLEXX noch ein „CSI Safener“ zum Einsatz, eine Substanz, welche die negativen Effekte des Pestizids auf die damit bespritzten Pflanzen abmildern soll.

Baumärkte ohne Glyphosat
Der Pestizid-Wirkstoff Glyphosat, der hauptsächlich in Kombination mit MONSANTOs Gen-Pflanzen zum Einsatz kommt, aber auch in BAYER-Mitteln wie GLYFOS, PERMACLEAN, USTINEX G, KEEPER und SUPER STRENGTH GLYPHOSATE enthalten ist, gilt als gesundheitsgefährdend. So hat eine Krebsforschungseinrichtung der Weltgesundheitsorganisation die Substanz im März 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Zur Zeit berät die Europäische Union über eine Verlängerung der Zulassung für die Agro-Chemikalie. Einige Verkaufsstellen wie die TOOM-Baumärkte und die schweizer Supermarktketten COOP und MIGROS wollten die EU-Entscheidung indes nicht mehr abwarten: Sie entfernten glyphosat-haltige Mittel vorsorglich aus ihren Regalen.

Glyphosat in der Muttermilch
Eine von den Grünen in Auftrag gegebene Untersuchung der Toxikologin Irene Witte hat Spuren des umstrittenen Pestizids Glyphosat (s. o.) in der Muttermilch nachgewiesen. Die Rückstände lagen dabei über den zulässigen Grenzwerten für Trinkwasser. Angesichts des besorgniserregenden Studien-Ergebnisses forderte der Grünen-Obmann für Ernährung und Landwirtschaft, Harald Ebner: „Jetzt muss wirklich Schluss sein mit der Glyphosat-Verharmlosung.“ Die Partei drängte die Bundesregierung, das Mittel solange aus dem Verkehr zu ziehen, bis Klarheit über seine möglicherweise krebserregende Wirkung besteht. Die „Arbeitsgemeinschaft Glyphosat“, der BAYER nicht angehört, bezeichnete den Vergleich mit den Trinkwasser-Höchstgrenzen indes als irreführend und wiegelte ab: „Muttermilch ist ein sensibles und wichtiges Nahrungsmittel. Aber die darin festgestellten Mengen an Glyphosat sollten nicht zu falschen Schlüssen führen. Nach allen wissenschaftlichen Erkenntnissen geben sie keinen Anlass zur Sorge.“

Hormonell wirksame Haushaltsgifte
Viele Biozide, also für den Haus- und Gartenbereich bestimmte Pestizide, enthalten Wirkstoffe, die in ihrem chemischen Aufbau Hormonen ähneln. Vom menschlichen Körper aufgenommen, können diese Fehlsteuerungen im Organismus auslösen und zu Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen führen. Auch in BAYER-Produkten finden sich solche Substanzen. So tummelt sich in BAYER GARTEN UNGEZIEFER & AMEISEN SPEZIAL SPRAY Deltamethrin, in BAYER GARTEN FLIEGENSPRAY Tetramethrin und in BAYER GARTEN SCHÄDLINGSFREI das obendrein bienenschädliche Thiacloprid. Eigentlich verbietet es das EU-Recht, solche Stoffe in den Handel zu bringen, aber in Brüssel herrscht noch Uneinigkeit darüber, welche Chemikalien wirklich unter das Hormon-Verdikt fallen. „Während die EU-Kommission infolge des massiven Lobby-Drucks durch die Industrie die notwendige Festsetzung solcher Kriterien weiter verzögert, erhalten immer mehr Biozide, die im Verdacht stehen, hormonell wirksam zu sein, eine Genehmigung“, kritisiert deshalb das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN). Und Schweden hat wegen der Hinhalte-Politik bereits eine Klage gegen die Europäische Kommission angestrengt.

PFLANZEN & SAATEN

Neue Zuckerrübe ab 2018
BAYER hat zusammen mit KWS eine Zuckerrüben-Art entwickelt, deren Erbgut eine natürliche und durch Züchtung verstärkte Enzym-Veränderung aufweist. Auf diese Weise übersteht die Labor-Frucht eine Behandlung mit solchen Anti-Unkrautmitteln, welche die Acetolactat-Synthese stören, unbeschadet. Allerdings überstehen auch immer mehr Wildpflanzen die Behandlung mit diesen so genannten ALS-Hemmern unbeschadet. Deshalb könnte die neue Rübe, wenn sie wie geplant 2018 gemeinsam mit dem auf die Pflanze abgestimmten Herbizid CONVISO auf den Markt kommt, schon bald ziemlich alt aussehen.

EPA: Brokkoli-Patent rechtens
Nicht nur auf gen-manipulierte Ackerfrüchte, sondern auch auf mittels konventioneller Verfahren gezüchtete Sorten erheben die Konzerne Patentansprüche. So hält der Leverkusener Multi unter anderem Schutzrechte auf eine herbizid-resistente Mais-Art, auf Pflanzen mit einer erhöhten Stress-Resistenz und auf ein Verfahren zur Erhöhung des Zucker-Gehaltes von Zuckerrohr. Ursprünglich hatte das Straßburger Patent-Übereinkommen von 1963 genauso wie das 1977 beschlossene Europäische Patent-Übereinkommen Eigentumsansprüche auf „im Wesentlichen biologische Verfahren“ ausgeschlossen. Aber die Agro-Lobby erreichte Aufweichungen, um die sich allerdings heftige Kontroversen entzündeten. Mediale Aufmerksamkeit erlangte dabei vor allem die Auseinandersetzung um das Brokkoli-Patent, welches das Europäische Patentamt (EPA) erteilte. Dieses fochten gleich zwei Firmen an. Im März 2015 verhandelte die Große Beschwerdekammer der EPA darüber – und wies den Einspruch ab. Schutzrechte auf im Wesentlichen biologische Verfahren gestatte das Europäische Patent-Übereinkommen zwar nicht, das schlösse jedoch die Gewährung von Patenten auf Pflanzen, die durch solche Techniken entständen, nicht aus, sagte EPA-Sprecher Rainer Osterwalder zur Begründung. „Das ist nirgendwo vorgesehen im Patentrecht“, so Osterwalder. Die Entscheidung löste große Empörung aus. „Die EPA hat den Weg für Konzerne wie MONSANTO und SYNGENTA geebnet, die Kontrolle über die Grundlagen unserer Ernährung zu übernehmen. Wir fordern die europäischen Regierungen auf, jetzt politisch Druck auf das Europäische Patentamt auszuüben, um diese Praxis sofort zu stoppen“, sagte etwa Christoph Then vom Bündnis KEINE PATENTE AUF SAATGUT!.

BAYER kauft SEEDWORKS
Den Pestizid-Markt haben die Agro-Multis BAYER, MONSANTO & Co. schon mehr oder weniger unter sich aufgeteilt. Wachsen können die „Big Six“ nur noch mittels milliarden-schwerer Übernahmen (siehe auch ÖKONOMIE & PROFIT). Auf dem Saatgut-Markt sieht es ähnlich aus. Dort bieten sich jedoch in Asien und Südamerika noch Kauf-Gelegenheiten, die BAYER auch emsig nutzt. So erwarb der Konzern Anfang Juni 2015 das indische Saatgut-Unternehmen SEEDWORKS, das hybride, also nicht zur Wiederaussaat bestimmte Tomaten-, Chili-, Kürbis- und Okra-Saaten im Angebot hat. In Südamerika hatte der Global Player zuvor bereits die Saatgut-Firmen GRANAR, WEHRTEC, SEMILLAS und SOYTECH übernommen und Pflanzenzucht-Technologie von AGROPASTORIL MELHORAMENTO und CVR erworben.

WASSER, BODEN & LUFT

Höherer Kohlendioxid-Ausstoß
Der Strom-Verbrauch BAYERs stieg 2014 gegenüber dem Vorjahr um 5,5 Prozent auf 85.317 Terajoule, was rund 23,7 Millionen Megawatt-Stunden entspricht. Der Konzern macht dafür ein höheres Produktionsvolumen im Allgemeinen und eine gesteigerte Aktivität am holländischen Kunststoff-Standort Maasvlakte im Besonderen verantwortlich. Bei der direkt vom Leverkusener Multi erzeugten Energie wuchs der Erdgas-Anteil von 29.796 auf 31.580 Terajoule, während der Kohle-Anteil von 15.094 auf 12.611 Terajoule sank. Der Beitrag von Quellen wie Abfall und Wasserdampf zur Strom-Versorgung reduzierte sich ebenfalls. Und das Kontingent, das regenerative Energien dazu beisteuerten, war so niedrig, dass der Leverkusener Multi es erstmals gar nicht mehr zu nennen wagte. Auf der Hauptversammlung von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN darauf angesprochen, rückte BAYER-Chef Marijn Dekkers mit der Angabe „weniger als ein Prozent“ heraus. Den zugekauften Energie-Mix schlüsselt der Global Player nicht weiter auf; er führt in seinem Geschäftsbericht nur einen stärkeren Dampf-Anteil auf. Als Folge des expandierenden Bedarfes an Elektrizität schwoll der Kohlendioxid-Ausstoß des Unternehmens erneut an. Er betrug 8,72 Millionen Tonnen.

CO2 lässt Meere versauern
Der Leverkusener Multi schädigt die Meere nicht nur durch seine Plastik-Hinterlassenschaften, sondern auch durch das von ihm emittierte Kohlendioxid – 8,72 Millionen Tonnen betrug der Ausstoß im Jahr 2014. Die Ozeane nehmen nämlich rund ein Drittel des produzierten CO2 auf, was nicht ohne Auswirkungen bleibt. Der Säuregehalt des Wassers steigt, und infolgedessen verändern sich die Existenz-Bedingungen für die aquatischen Lebewesen. So bildet sich durch den höheren pH-Wert des Wassers weniger Kalziumkarbonat, auf das Miesmuscheln und Austern zum Aufbau ihrer Schalen, aber auch andere Meeresbewohner wie Flügelschnecken, Seesterne, Seeigel und Krebse angewiesen sind. Und wenn ihre Populationen zurückgehen, hat das wiederum Konsequenzen für Fische, Seevögel oder Wale, denen die Tiere als Nahrungsgrundlage dienen. „Die Ozean-Versauerung bedroht die Biodiversität der Meere“, warnt der Ozeanograf Ulf Riebesell von Geomar, dem Kieler Helmholtz-Zentrum für Ozean-Forschung, deshalb.

BAYER schädigt Ozonschicht
Der Leverkusener Multi stieß 2014 in einem Volumen von 14,8 Tonnen Substanzen aus, welche die Ozonschicht schädigen. 2013 beliefen sich die Emissionen auf 15,7 Tonnen. Seit Jahren schon macht BAYER für diese Emissionen hauptsächlich das Pestizid-Werk im indischen Vapi verantwortlich, und ebenfalls seit Jahren schon berichtet der Konzern von Fortschritten bei den Sanierungsmaßnahmen vor Ort.

2.120 Tonnen flüchtiger Substanzen
Der Ausstoß flüchtiger organischer Stoffe, der Volatile Organic Compounds (VOC), in die Atmosphäre reduzierte sich bei BAYER 2014 gegenüber dem Vorjahr leicht von 2.270 auf 2.120 Tonnen. Als Hauptquelle dieser Emissionen gibt der Leverkusener Multi wie auch bei den ozonschicht-schädigenden Substanzen das Pestizid-Werk in Vapi an.

Kaum weniger Stickstoff & Co.
Der Ausstoß von Kohlenmonoxid, Stickstoffoxiden und Schwefeloxiden hat sich bei BAYER 2014 gegenüber dem Vorjahr kaum verändert. Die Emissionen von Stickstoffoxiden gingen von 2.500 Kilogramm auf 2.400 Kilogramm zurück und die von Schwefeloxiden von 1.300 auf 1.200 Kilogramm. An Kohlenmonoxid gelangten wie 2013 900 Kilogramm in die Luft, und Staub wirbelte der Konzern auch genauso viel auf wie in den zwölf Monaten zuvor: 200 Kilogramm.

BAYERs großer Durst
Der Leverkusener Multi hat einen enormen Wasser-Durst. Auf 350 Millionen Kubikmeter bezifferte er seinen Verbrauch im Jahr 2014, in den zwölf Monaten zuvor waren es sogar 361 Millionen gewesen. Drei Viertel davon gehen als Kühlwasser drauf, ein Viertel verwendet der Konzern in der Produktion. Und erschwerend kommt hinzu, dass die Wiederaufbereitungsquote verschwindend gering ist, der Anteil von recyceltem Wasser an den 350 Millionen Kubikmetern betrug gerade einmal vier Prozent.

BAYER Abwasser-Frachten
Obwohl BAYERs Wasserverbrauch etwas zurückging (s. o.), kam hinten mehr heraus: Die Abwasser-Menge stieg um drei auf 66 Millionen Kubikmeter. Der Stickstoff-Eintrag erhöhte sich von 690 auf 760 Tonnen. Neben einer größeren Auslastung seiner Werke macht der Leverkusener Multi dafür eine Anlagen-Störung am Standort Baytown verantwortlich, die auch Reinigungsvorrichtungen in Mitleidenschaft gezogen hatte. Die Phosphor-Einleitungen gingen geringfügig von 110 auf 100 Tonnen zurück. Die von Schwermetallen – die der Konzern nicht mehr einzeln aufführt, um besonders gefährliche Stoffe wie Quecksilber nicht nennen zu müssen – reduzierten sich von 9,1 auf 6,3 Tonnen. Die Frachten von anorganischen Salzen in die Flüsse verringerten sich ebenfalls, sie sanken von 946.000 auf 845.000 Tonnen.

PFC beeinflusst Fruchtbarkeit
Wieviel Perfluorierte Kohlenwasserstoff-Verbindungen (PFC) der Leverkusener Multi in die Flüsse einleitet, weist der neueste Geschäftsbericht nicht aus. Nach Recherchen des BUND gelangt per annum rund eine Tonne PFC made by BAYER in den Rhein; lange Zeit belief sich die Zahl sogar auf sechs Tonnen. Dabei wäre eine genaue Dokumentation äußerst wichtig, denn bei den Stoffen handelt es sich um hochgiftige, schwer abbaubare Substanzen. So haben die Chemikalien nach einer kanadischen, in der Fachzeitschrift Human Reproduction veröffentlichten Studie Einfluss auf die Fruchtbarkeit. Bei Frauen mit einer hohen PFC-Konzentration im Blut trat die Schwangerschaft später ein und häufiger als bei ProbantInnen mit niedrigeren Werten blieb sie den WissenschaftlerInnen zufolge auch ganz aus.

Mehr gefährlicher Abfall
Der Leverkusener Multi hat im letzten Jahr 3.000 Tonnen weniger Abfall fabriziert als 2013: 896.000 Tonnen. Der Anteil gefährlichen Abfalls daran stieg jedoch. Er erhöhte sich von 467.000 auf 487.000 Tonnen. Als Grund gab der Konzern ein größeres Produktionsvolumen an den Standorten Dormagen, Frankfurt und Leverkusen an.

Bergkamen: Dauerbaustelle Klärwerk
Bereits seit Jahren klagen die AnwohnerInnen des Bergkamener BAYER-Werkes über Geruchsbelästigungen, die von der Kläranlage ausgehen. Die 2008 eingeleitete Sanierung hat bislang keine Abhilfe schaffen können. Aus immer neuen Quellen dringt Mief nach außen. Ende Juli 2011 sorgte eine defekte Pumpe für schlechte Luft. Wenige Tage später flossen unvorhergesehen saure und basische Abwässer zusammen, was übel aufstieß (Ticker 4/11). Einem erneuten Angriff auf die Riech-Organe begegnete der Konzern dann mit einer Entfernung des Klärschlamms und der Ablagerungen in den Auffangbecken. Ende Juli 2012 schließlich traten an einigen Leitungen Risse auf, durch die Abwässer sickerten und Duftmarken setzten. Deshalb entschloss sich der Global Player erneut zu Reparatur-Arbeiten. Aber auch diese brachten keine Abhilfe. Im Juni 2013 beschwerten sich die BergkamerInnen erneut und klagten über Übelkeit und Kopfschmerzen. Knapp anderthalb Jahre später fiel dann die letzte Stufe der Abwasser-Reinigung aus. Der Pharma-Riese musste das mit Mikroorganismen versetzte Wasser in einem offenen Becken zwischenspeichern, was einen erheblichen Gestank verursachte. Im Mai 2015 war die Zeit dann mal wieder reif für neue Bau-Maßnahmen. Der Puffer-Behälter erhielt eine Generalüberholung. Zudem tauschte das Unternehmen die Rohrleitungen aus, in denen sich so viele Ablagerungen gebildet hatten, dass die Pumpen nur noch mit einem Viertel ihrer Kraft arbeiten konnten.

Dauersanierungsfall Bitterfeld
Als Chemie-Standort hat Bitterfeld eine bis ins Jahr 1893 zurückreichende Geschichte, an welcher der Leverkusener Multi bis dato beteiligt ist. 1921 kaufte er sich in die AGFA-Fabriken ein, die dort eine Niederlassung hatten. Nach 1945 musste BAYER diesen Besitz abschreiben, aber die Wende brachte den Konzern wieder nach Bitterfeld, wo er heute ein Pharma-Werk betreibt. Und die lange Chemie-Geschichte hat an dem Ort seine Spuren hinterlassen, vor allem im Grundwasser. Es ist ein Dauersanierungsfall geworden. Eine besondere Gefahr droht zu den Zeiten, an denen die Elbe Hochwasser hat. Dann nämlich kommen auch die Schadstoff-Lasten nach oben. Darum unternimmt die Stadt viel, um die Gebäude vor den Chemie-Fluten zu schützen. Zudem hat sie ein komplexes Brunnen- und Drainage-System installiert, das monatlich bis zu 175.000 Kubikmeter Grundwasser reinigen kann. Und ein Ende ist nicht abzusehen. Nach der Meinung von ExpertInnen müssen sie Arbeiten noch weit über 100 Jahre andauern.

CO & CO.

Erdbeben in Erkrath
Mitte Januar 2015 ereignete sich in Erkrath ein kleines Erdbeben. Das warf sofort die Frage nach der Sicherheit von BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline auf, die auf ihrem Weg von Dormagen nach Krefeld auch Erkrather Gebiet passiert. „BAYER hat ja immer gesagt, dass es im Kreis Mettmann keine Erdbeben gibt“, erinnert Wolfgang Cüppers von der Initiative BAU-STOPP DER BAYER-PIPELINE an die Verharmlosungsstrategie des Konzerns. Bereits im Mai 2011 hatte das Düsseldorfer Verwaltungsgericht die Genehmigung für das Röhrenwerk wegen mangelnder Erdbeben-Sicherheit aufgehoben und Nachbesserungen verlangt. Inzwischen will der Leverkusener Multi Bedenken zerstreut haben, die Leitung könnte bei Erd-Erschütterungen zerbersten, aber Cüppers überzeugen die Argumente nicht. Die Erdbeben-Sicherheit sei „letztlich nie bewiesen worden“, so der Aktivist.

Neue CO-Pipeline unter dem Rhein
Nicht nur die zwischen den BAYER-Werken Dormagen und Krefeld verlegte Kohlenmonoxid-Pipeline wirft Sicherheitsfragen auf. Auch die in den 1960er Jahren zwischen Dormagen und Leverkusen gebaute Verbindung, die BAYER seit 2001 für den Transport von CO nutzt, ohne von der Bezirksregierung dafür mit einem neuen Genehmigungsverfahren oder schärferen Auflagen behelligt worden zu sein, hat gravierende Mängel. Besonders an dem Rhein-Düker, mittels dessen die Pipeline den Fluss unterquert, zeigen sich Korrosionsschäden, also Abnutzungserscheinungen an den Bau-Bestandteilen. So treten dort nach einem Bericht des TÜV Rheinland „gravierende externe Materialverluste“ auf, weswegen die Konstruktion „nicht dem Stand der Technik“ entspreche. Der Leverkusener Multi bezeichnet diese zwar als sicher, projektiert aber dennoch eine neue. Den Genehmigungsantrag für den Rohrleitungstunnel reichte er Ende 2014 ein. Mit einer Inbetriebnahme rechnet der Konzern für den Herbst 2016.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

2014: Fünf tödliche Arbeitsunfälle
Im Geschäftsjahr 2014 ereigneten sich bei BAYER fünf tödliche Arbeitsunfälle. Am brasilianischen Standort Belford Roxo wurde ein Wachmann erschossen, ein Belegschaftsangehöriger kam bei Rangier-Arbeiten ums Leben, einer weiterer bei einem Brand und zwei Beschäftigte starben bei Verkehrsunfällen.

Elf anerkannte Berufskrankheiten
Für das Geschäftsjahr 2014 vermeldet der Leverkusener Multi bei seinen Beschäftigten elf arbeitsbedingte Erkrankungen. Dabei handelt es sich allerdings nur um solche Schädigungen, welche die Berufsgenossenschaften auch als Berufskrankheiten anerkannt haben – und das sind nicht viele. 80 Prozent der Anträge lehnen die Einrichtungen, in deren Beschluss-Gremien die Unternehmen über die Hälfte der Stimmen haben, ab. Zweifel ob dieser Zahl sind zudem angebracht, da die Gesundheitsstörungen, die Belegschaftsangehörige an ihrem Arbeitsplatz erlitten hatten, bei BAYER früher ganz andere Größenordnungen erreichten. Im Jahr 2000, als der Konzern noch ausführlicher über Berufskrankheiten berichtete, führte er noch 130 Fälle auf und vermerkte dazu: „Als Krankheitsauslöser waren bei uns vor allem Expositionen gegen Asbest und Lärm relevant“.

PLASTE & ELASTE

Lackhärter aus Biomasse
Mit Pentamethylen-Diisocyanat (PDI) hat BAYER einen Kunststoff entwickelt, der zum Teil aus Biomasse besteht. Als Ausgangsstoff diente Maisstärke (siehe auch Ticker 2/15). Das PDI kommt in dem Lackhärter DESMODUR ECO N 7300 zum Einsatz, den der Leverkusener Multi bald vermarkten will. Bedenken, die Nutzung der Äcker als Rohstoff-Reservoir für die Plaste-Fertigung könnte den Anbau von Pflanzen für die Lebensmittel-Herstellung beeinträchtigen, weist der Konzern zurück. Die Biomasse-Gewinnung erfolge „ohne direkte Konkurrenz zur Nahrungsmittel-Produktion“, beteuert die Teil-Gesellschaft. Seinen KundInnen empfiehlt das Unternehmen jetzt schon einmal, auf „bio“ als Werbe-Effekt zu setzen, obwohl in dem DESMODUR-Kohlenstoff noch zu 30 Prozent Petrochemie steckt: „Anwender und Markenartikler in verschiedenen Industriebranchen können sich mit dem höheren Bio-Anteil als Pioniere für nachhaltige Materialien positionieren.“ In Zukunft will der Global Player das Segment mit Biomasse-Kunststoffen noch ausbauen. So kündigte er die Herstellung von Produkten an, deren Basis Cellulose oder Bioabfälle bilden.

STANDORTE & PRODUKTION

Mehr Pestizide aus Dormagen
Der Leverkusener Multi reagiert auf die gestiegene Nachfrage nach Antipilzmitteln und erweitert am Standort Dormagen die Produktionskapazitäten für den Wirkstoff Prothioconazole. Zudem baut der Konzern die Flupyradifuron-Fertigung aus. Diese Substanz ist der Inhaltsstoff von BAYERs neuem Insektizid SIVANTO. Der Agro-Riese vermarktet es explizit als bienenfreundliche Alternative zu seinen umstrittenen und EU-weit einstweilen mit einem Verkaufsbann belegten Neonicotinoiden GAUCHO und PONCHO. Allerdings bestehen Zweifel daran, ob SIVANTO wirklich so „bienenfreundlich“ ist, wie der Leverkusener Multi behauptet. Flupyradifu

[Glyphosat] Hauptversammlung 2015

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 26. Mai 2015

Appell an die Bayer AG: Glyphosat und Glufosinat freiwillig vom Markt nehmen

Anlässlich der Hauptversammlung der Bayer AG fordern die Agrar Koordination, die Coordination gegen Bayer Gefahren und das Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. den Konzern auf, die Produktion von Glyphosat und Glufosinat einzustellen. Wissenschaftlichen Studien zufolge kann Glufosinat Missbildungen hervorrufen und die Fortpflanzung schädigen. Auch im Fall von Glyphosat weisen wissenschaftliche Studien auf gravierende Gesundheitsgefahren hin. Die Substanz kann Fehlbildungen verursachen und wird von einem Expertengremium der WHO-Agentur für Krebsforschung (IARC) als „wahrscheinlich krebserregend beim Menschen“ eingestuft.

„BAYER sollte Konsequenzen aus der Einschätzung der Krebsforschungsinstitution der WHO ziehen. Es ist unverantwortlich, das wahrscheinlich krebserregende Glyphosat weiter zu vermarkten. Selbstverständlich erwarten wir auch von den politischen Entscheidungsträgern in der EU, sich für ein Verbot von Glyphosat einzusetzen“, erläutert Julia Sievers-Langer von der Agrar Koordination die Forderung, Glyphosat vom Markt zu nehmen.

Die Diskussion um Glyphosat ist hoch aktuell. Im Laufe dieses Jahres sollen VertreterInnen aller Mitgliedsstaaten im EU-Ausschuss „Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel“ über die weitere Zulassung von Glyphosat nach 2015 entscheiden. Eine wichtige Grundlage dafür ist die Risikobewertung, die von vier deutschen Behörden durchgeführt wurde. „Die humantoxische Risikobewertung zu Glyphosat durch das zuständige BfR ist nicht nachvollziehbar und sollte grundlegend von unabhängigen Wissenschaftlern überprüft werden. Die Einschätzung, dass Glyphosat nicht humantoxisch sei, missachtet die Ergebnisse zahlreicher wissenschaftlicher Studien“, kritisiert Julia Sievers-Langer.

Der im Vergleich zu Glyphosat wenig beachtete Fall des Pestizidwirkstoffes Glufosinat verdeutlicht ebenfalls grundlegende Probleme des Pestizidzulassungssystems in Europa. Obwohl die EU-Kommission bereits im November 2013 in einer Verordnung bestätigt hat, dass von dem Wirkstoff Glufosinat ein hohes Risiko für Säugetiere und Arthropoden (Gliederfüßler) ausgehe, bleibt der Wirkstoff nach wie vor bis September 2017 auf dem EU-Markt. „Es ist ein politischer Skandal, dass Glufosinat trotz der wissenschaftlichen Erkenntnisse über ökologische Schäden und schwerwiegende Gesundheitsgefahren weiter in der EU angewendet werden darf. Ein moralischer Skandal ist es, dass Bayer sich zum Ziel gesetzt hat, die Produktion von Glufosinat weltweit zu verdoppeln“ äußert sich Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren.

„Glufosinat zählt zu den hoch gefährlichen Pestizidwirkstoffen. Vor dem Hintergrund der Einstufung von Glufosinat als reproduktionstoxisch, ist die Beteuerung von BAYER, dass Glufosinat bei verantwortungsvoller und vorschriftsmäßiger Anwendung sicher für Mensch und Umwelt sei, zynisch – besonders im Hinblick auf den Einsatz von Pestiziden unter Armutsbedingungen“ so Susan Haffmans vom Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN Germany).

„In Asien, Afrika und Südamerika werden oft selbst minimale Schutzvorkehrungen nicht eingehalten und die AnwenderInnen nicht angemessen über Risiken und Anwendungsbestimmungen aufgeklärt. Daran konnten auch die vielen Programme zur ´sicheren Pestizidanwendung´ nichts ändern“, erläutert Julia Sievers-Langer.

[Vietnam] STICHWORT BAYER 02/2015

CBG Redaktion

Agent Orange & Co.

BAYER in Vietnam

Vor vierzig Jahren endete der Vietnam-Krieg. Aber Opfer fordert er immer noch. Das zeigt jetzt ein neuer Dokumentarfilm, dessen Titel „Lighter than Orange“ schon einen Hinweis auf den Grund für das lange Fortdauern des Schreckens gibt. Er spielt nämlich auf das seine giftige Wirkung bis heute entfaltende Pestizid Agent Orange an. Einer der Lieferanten der Chemie-Waffe, welche die US-Armee zur Entlaubung des Dschungels einsetzte, um südvietnamesische Guerilla-KämpferInnen besser aufspüren zu können: Der Leverkusener Multi BAYER. Und auch sonst kann der Konzern auf reichlich Erfahrung im Zusammenhang mit Kriegseinsätzen von Chemikalien zurückblicken.

„Die Flugzeuge mit dem Agent Orange flogen immer über uns. Es wurde wie ein Regen zerstreut, so wie wir Dünger verstreuen. Innerhalb kurzer Zeit verloren die Bäume ihre Blätter. Sie waren kahl, und wir waren dem ausgesetzt. Es kroch in die Nase, in den Mund, es roch so scharf, dass wir niesen mussten“, mit diesen Worten beschreibt der Vietnamkrieg-Teilnehmer Nguyen Van Pham in dem Film „Lighter than Orange“ von Matthias Leupold die Chemie, die aus der Höhe kam. Mit feuchten Tüchern versuchten sich die SoldatInnen zu schützen. Wer keines zur Hand hatte, der bekam sofort Ausschlag im Gesicht. Was da genau vom Himmel fiel, und was es alles in ihnen – und vor allem in den nachfolgenden Generationen – anrichten sollte, darüber waren die nordvietnamesischen KämpferInnen sich zu dem Zeitpunkt aber noch nicht im Klaren. „Wir wussten überhaupt nicht, dass es dioxin-haltiges Gift war, das sie versprühten“, sagt Ha Ngoc Phuc in der Dokumentation. Und von den erbgut-schädigenden Wirkungen ahnten er und seine KameradInnen auch nichts. Do Duc Diu musste zwölf seiner Kinder begraben, und vermochte sein Leid trotzdem noch nicht in Zusammenhang mit dem Pestizid zu bringen: „Ich wusste immer noch nicht, dass ich ein „Agent Orange“-Opfer bin.“
Agent Orange kam in Vietnam nicht zu seinem ersten Kriegseinsatz; die Briten hatten das Herbizid zuvor schon in ihrem Kampf gegen die malaysische Befreiungsarmee verwendet. Aber die US-amerikanische „Operation Hades“, die später unter dem Namen „Operation Ranch Hand“ firmierte, sprengte die Dimension des englischen „Herbicidal warfare“ bei Weitem. Zwischen 1962 und 1970 gingen rund 43 Millionen Liter der Chemikalie, die aus den beiden Substanzen 2,4-D und 2,4,5-D besteht, auf Vietnam herab. Die Nachfrage des „U. S. Chemical Corps“ war so groß, dass die Firmen mit der Produktion gar nicht mehr nachkamen und bei der Fertigung Fehler machten. Sie verunreinigten das 2,4,5-D mit Dioxin und potenzierten damit die giftige Wirkung noch, die ohnehin schon immens war: Die Konzentration der Inhaltsstoffe überstieg die des für „zivile“ Zwecke genutzten Agent Orange um ein Vielfaches. Und entsprechend verändert waren auch die Mixturen der anderen Vietnam-Pestizide wie Agent White, Blue, Purple, Pink and Green. Sie sollten nämlich nicht nur wie im zivilen Leben den Unkräutern zu Leibe rücken, sondern einen ganzen Dschungel entlauben und zudem auf den Feldern verbrannte Erde hinterlassen, um den VietnamesInnen auf diese Weise ihre Nahrungsgrundlage zu rauben.
Ein Viertel von ganz Südvietnam suchten die Substanzen heim, darunter 3.181 Dörfer. Auf einer Fläche von mehr als zwei Millionen Hektar vergifteten die 68 insgesamt zum Einsatz gekommenen Pestizide Böden und Grundwasser. Fast 18 Millionen Menschen kamen im Zuge der „Operation Ranch Hand“ so mit den Agrochemikalien in Kontakt. Bei bis zu drei Millionen von ihnen haben sie gesundheitliche Schäden verursacht. Und es kommen ständig neue Opfer dazu, denn die Stoffe befinden sich immer noch im Erdreich, was Vietnam mit der Chemie-Katastrophe von Bhopal verbindet (SWB 4/14). In manchen Gebieten liegen die Konzentrationen um den Faktor 1.000.000 über dem zulässigen Grenzwert. „Wie viele hundert Jahre wird das Dioxin brauchen, um sich aufzulösen?“, fragt sich Nguyen Thi Ngoc Hanh vom Verein für „Agent Orange“-Geschädigte in Matthias Leupolds Film deshalb.

Lieferant BAYER
Auch BAYER zählte zu den Lieferanten, verfügt der Konzern doch über vielfältige Erfahrungen bei der Nutzung von Chemikalien für militärische Zwecke. Das Unternehmen entwickelte schon für den Ersten Weltkrieg Chemiewaffen wie das Senfgas Lost (SWB 3/14). In den 1930er Jahren braute sein Forscher Gerhard Schrader dann die Giftgase Sarin und Tabun zusammen und stellte sein Wissen nach 1945 auch den USA zur Verfügung, bevor er wieder zum Leverkusener Multi zurückkehrte und weiter an kriegsverwendungsfähigen Stoffen arbeitete. So beruhen die von den Vereinigten Staaten produzierten Kampfstoffe VX, VE, VM, VS und 33SN zum Teil auf seinen Patenten.
BAYER fertigte von dem Agent-Orange-Bestandteil 2,4,5-D zur Zeit des Vietnam-Krieges jährlich 700 bis 800 Tonnen und verkaufte einen Teil der Produktion an die französische Firma PRODIL. Diese wiederum verarbeitete die Trichlorphenoxy-Essigsäure weiter zu Agent Orange und lieferte das Herbizid nach Asien.
Ein Akten-Notiz der ebenfalls mit PRODIL Geschäfte machenden BOEHRINGER AG belegt dies: „BAYER und PRODIL haben auf dem 2,4,5-D-Sektor seit Jahren (Vietnam) zusammengearbeitet“. Darüber hinaus steht MOBAY, das vom Leverkusener Multi lange mit MONSANTO gemeinsam betriebene Joint Venture, in dringendem Tatverdacht, ebenfalls Tätigkeiten „auf dem 2,4,5-D-Sektor“ unternommen zu haben – entsprechende Vorwürfe hat der Pharma-Riese nie dementiert. Die Essigsäure suchte das südostasiatische Land als Agent Green aber auch in Reinform heim. Und wieder war BAYER mit von der Partie, das geht aus der damaligen Lieferliste der US-Regierung hervor. Zudem führt das Dokument den Agro-Mogul noch als Bezugsquelle von Zineb und Dalapon auf. Teilweise legten die Substanzen dabei einen weiten Weg zurück. Einige von ihnen gelangten über Konzern-Niederlassungen in den damals autoritär regierten Staaten Spanien und Südafrika zur US-Tochter CHEMAGRO und von dort dann zu den Militärbasen. Die Zeitschrift International Defense Business konnte für das Jahr 1972 sogar genau den Wert von BAYERs Kriegsbeitrag beziffern. 1,8 Millionen DM stellte die Aktiengesellschaft für die verschiedenen Chemikalien in Rechnung.
ExpertInnen von BAYER und HOECHST standen der US-Army aber auch direkt vor Ort mit Rat und Tat zur Seite, wie der bekannte US-amerikanische Enthüllungsjournalist Seymour M. Hersh in seinem Buch „Chemical and Biological Warfare“ schreibt. Als medizinische Helfer getarnt, arbeiteten sie dem US-amerikanischen Planungsbüro für B- und C-Waffeneinsätze in Saigon zu. Die transatlantische Kooperation vermochte sich dabei sogar auf alte Verbindungen zu stützen: Die Abstimmung zwischen den US-amerikanischen und bundesdeutschen Chemie-Firmen übernahm GENERAL ANILINE AND FILM CORPORATION, die ehemalige US-Tochter des vom Leverkusener Multi gegründeten Mörder-Konzerns IG FARBEN.
Entschädigung mussten die Firmen den vietnamesischen Opfern ihrer Pestizide nie zahlen. 2005 schmetterte ein Gericht die entsprechende Klage ab. Um einen völkerrechtswidrigen Chemiewaffen-Einsatz habe es sich bei der „Operation Ranch Hand“ nicht gehandelt, urteilten die RichterInnen. Mit den einheimischen Soldaten, die durch das „friendly fire“ von Agent Orange & Co. ihre Gesundheit ruinierten, einigten die Unternehmen sich in einem außergerichtlichen Vergleich auf die Einrichtung eines Fonds in Höhe von 180 Millionen Dollar. Ein Schuldeingeständnis war damit freilich nicht verbunden. MONSANTO etwa rechtfertigt das Ausbringen der Chemikalie noch heute. Die Flugzeuge hätten das Herbizid versprüht, „um das Leben der US-Soldaten und ihrer Verbündeter zu schützen und zu retten“, heißt es auf der Webseite des Konzerns.

Vietnam keine Zäsur
Nach Vietnam konnten Ackergifte und andere Chemikalien ihre militärische Karriere bruchlos fortsetzen. Der Irak bediente sich sowohl bei den Angriffen gegen die kurdische Bevölkerungsgruppe als auch im Krieg gegen den Iran der BAYER-Erfindungen Tabun, Sarin und Lost. Und das angegriffene Land rüstete seinerseits nach. Es begann in den achtziger Jahren mit Planungen zu einem großen Chemie-Komplex mit angeschlossener Pestizid-Produktion nahe der Stadt Ghaswin. 1984 verkaufte der Leverkusener Multi dem Staat dafür Lizenzen zur Fertigung von Azinphos-Methyl und Fenitrothion – beides chemiewaffen-fähige Substanzen. Die Aufsichtsbehörden genehmigten den Deal, rieten dem Konzern aber von weiteren Geschäften im Zusammenhang mit Ghaswin ab. Der Konzern hielt sich jedoch nicht daran. Ab 1987 lieferte er Teile einer Anlage zur Agrochemie-Produktion dorthin. Das Unternehmen verstieß damit sowohl gegen einen internen Beschluss von 1984, keinen „Chemical warfare“ zu befördern, als auch gegen das solche Geschäfte ausdrücklich verbietende Außenwirtschaftsgesetz. Dass die USA und der Irak bei der Bundesregierung intervenierten, um die Ausfuhr zu verhindern, hielt den Agro-Riesen ebenfalls nicht auf. 1988 machte er dann zumindest den Pestizid-Deal rückgängig, nicht nur „weil das Produkt inzwischen von der BAYER AG nicht mehr hergestellt und vertrieben wird“, sondern auch, „weil aufgrund des allgemeinen politischen Umfeldes im Mittleren Osten ein möglicher Missbrauch nicht mit hundertprozentiger Sicherheit ausgeschlossen werden könnte“.
Ende 1989 leitete die Kölner Oberfinanzdirektion wegen Verletzung der Ausfuhrbestimmungen ein Ermittlungsverfahren gegen das Unternehmen ein. „‚Das Endprodukt‘ könnte ‚auch zur Bekämpfung von Warmblütern‘ eingesetzt werden und ‚damit als Kampfgas dienen‘“, so begründete die Institution ihr Vorgehen laut Spiegel. Zur Beweissicherung führten FahnderInnen Razzien in den Dormagener, Leverkusener und Monheimer BAYER-Niederlassungen durch und stellten drei Dutzend Ordner mit Konstruktionsplänen sicher. Zu einer Verurteilung kam es dann allerdings nie. All diesen Verstrickungen zum Trotz durfte der Multi dann auch noch ganz offiziell als Friedensstifter auftreten: Der BAYER-Direktor Prof. Hoffmann vertrat die Bundesrepublik Deutschland lange Zeit bei den Genfer Verhandlungen zur Abschaffung der Chemiewaffen.
Aber nach seinen Erfahrungen mit der Justiz war der Global Player gewarnt. 1990 weigerte er sich, der US-Regierung 72,5 Tonnen Thionylchlorid zur Produktion von Senfgas zu verkaufen. Die Vereinigten Staaten hatten sich zwar gerade mit der Sowjetunion auf einen Bann chemischer Waffen verständigt, beabsichtigten aber, ihre Bestände vor dem endgültigen Inkrafttreten der Vereinbarung noch einmal kräftig aufzufüllen. Doch BAYERs US-Tochter MOBAY wollte nicht liefern. „Selbstverständlich glauben wir an eine robuste Landesverteidigung, aber wir glauben nicht, dass das dazu nötig ist“, sagte der MOBAY-Boss Nick Prater und verwies dabei auf eine anderthalb Jahre zuvor getroffene Entscheidung des Konzern-Ablegers, die Politik der Mutter-Gesellschaft in Sachen „Chemie-Waffen“ zu übernehmen. Nur wenn sich der Staat auf den „Defense Production Act“ von 1950 berufe und das Thionylchlorid unmissverständlich einfordere, werde sich sein Unternehmen fügen und die Substanz zur Verfügung stellen, stellte Prater klar. So weit mochte die Regierung von George Bush dem Älteren zu dem Zeitpunkt aber nicht zu gehen.
Trotzdem führen die Pestizide auch nach dieser „Kriegsdienstverweigerung“ noch kein ausschließlich ziviles Leben. So dienen sie etwa als Waffen im „War on drugs“ und zerstören Koka-, Mohn- und Marihuana-Ernten, wobei ihnen noch so manches andere vor die Flinte gerät. Die Gifte schädigen die Böden und sickern in das Grundwasser ein, was die Gesundheit von Mensch und Tier bedroht. Das Mittel der Wahl ist hierbei zwar MONSANTOs ROUND UP mit dem Wirkstoff Glyphosat, die Drogen-KriegerInnen greifen jedoch auch auf den „Agent Orange“-Bestandteil 2,4-D und andere Produkte zurück – und BAYER dürfte bei den Bestellungen nicht ganz leer ausgehen.
Das Kapitel „Agent Orange“ verfolgt das Unternehmen ebenfalls weiter. Im Jahr 2003 kündigten Apartheidsopfer eine Sammelklage unter anderem gegen den Leverkusener Multi an, weil dieser „Agent Orange“ in Südafrika nicht nur für den Export produzierte: Der Konzern fand auch in dem rassistischen Staat selbst einen dankbaren Abnehmer. Das Regime zog mit der Agrochemikalie in die Kriege gegen Namibia, Angola und Mosambik und bekämpfte mit ihr den AFRIKANISCHEN NATIONALKONGRESS (ANC). Darüber hinaus hat der Global Player noch „Agent Orange“-Altlasten geerbt. In den USA hat ein nunmehr zum Pharma-Riesen gehörender Agrochemie-Hersteller zwischen 1969 bis 1971 Produktionsrückstände einfach in die Wüste geschickt. Mehr als vier Millionen Liter eines Vorproduktes des Vietnam-Giftes sowie anderer Substanzen hatte dieser einfach unweit des Alkali Lake im Bundesstaat Oregon abgeladen. Dort rosteten die Fässer vor sich hin, und die Chemikalien traten aus. Schließlich rückten Bulldozer an und räumten das Lager, wobei sie die Behältnisse noch mehr zerstörten – und die Substanzen endgültig dem Wüstensand überantworteten. Die Regierungsbehörden verlangten von BAYER als Rechtsnachfolger des Umweltverschmutzers, sich in angemessener Form an der Sanierung des Geländes zu beteiligen. 2009 signalisierte der Pharma-Riese dazu auch Bereitschaft, zahlte die zugesagten 700.000 Dollar jedoch nie, weshalb die Arbeiten ruhen.
Und so verrichtet das „Agent Orange“ seine giftige Arbeit weiter. Der Agro-Riese hat das Wissen um die Chemikalie sogar ins Gentechnik-Zeitalter überführt. Er hält das Patent auf ein Enzym, das imstande ist, den „Agent Orange“-Bestandteil 2,4-D zu neutralisieren. Ein ähnliches Protein hat DOW CHEMICAL nebst zwei weiteren, für die der Konzern im Zuge von Tausch-Vereinbarungen Lizenzen von BAYER und MONSANTO erhielt, jüngst in eine Laborfrucht eingebaut. So können dann jetzt wenigstens ein paar Pflanzen dem Agent Orange trotzen. Von Jan Pehrke

[Ticker] STICHWORT BAYER 02/2015 – TICKER

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Umbenennungskampagne geht weiter
Am 29. September 2011 jährte sich der Geburtstag des langjährigen BAYER-Generaldirektors Carl Duisberg zum 150. Mal. Um die medialen Ständchen für den Mann zu konterkarieren, der im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas und die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen war und später einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörderkonzerns IG FARBEN hatte, rief die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Kampagne ins Leben. Sie mahnte anlässlich des Jahrestags die Umbenennung von Straßen, Schulen und anderen Einrichtungen an, die Duisbergs Namen tragen. Viele Menschen ließen sich davon anregen und trugen die Forderung in die zuständigen Kommunal-Vertretungen. In Dortmund und Lüdenscheid hatte das schon Erfolg (siehe auch SWB 1/15), während Bonn einen entsprechenden Antrag ablehnte. Aus Waldshut-Tiengen kam ebenfalls ein abschlägiger Bescheid. In anderen Orten, wie z. B. in Frankfurt, Marl und Dormagen, läuft die Kampagne unterdessen weiter. Zudem gibt es neue Aktivitäten. So schrieb ein CBG-Mitglied an Bundestagsmitglieder, um eine Umbenennung der „Carl-Duisberg-Gesellschaft“ (CDG) anzuregen, die auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe tätig ist und staatliche Förderungen erhält. Die Politiker wandten sich wiederum an das Entwicklungshilfe-Ministerium. Dieses antwortete, keine rechtliche Handhabe dafür zu haben, die Gesellschaft umzutaufen, sagte aber zu, mit der CDG eine „neutrale Namensgebung bei öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen“ zu erörtern. Und die CBG selber forderte die „Gesellschaft deutscher Chemiker“ auf, den „Carl-Duisberg-Gedächtnispreis“ nicht länger zu verleihen und sich für die Auszeichnung einen neuen Namenspatron zu suchen. Dem dürfte der Verband allerdings kaum nachkommen, denn in seinem Vorstand sitzt auch ein BAYER-Vertreter. Allerdings sagte der Chefredakteur der Verbandszeitschrift Nachrichten aus der Chemie, Dr. Ernst Guggolz, zu, sich in einer der nächsten Ausgaben mit der Causa Duisberg zu befassen. Darüber hinaus hat sich die Coordination mit dem Begehr an die Universität Marburg gewandt, Duisberg die 1927 verliehene Ehrendoktor-Würde wieder abzuerkennen.

Duisberg-Veranstaltung in Leverkusen
Am 4. März 2015 hielt die Historikerin Kordula Kühlem in Leverkusen einen Vortrag zum Thema „Carl Duisberg, BAYER und der Erste Weltkrieg“. Kühlem, die 2012 die Briefe Carl Duisbergs – with a little help from BAYER – herausgegeben hat, stellte den ehemaligen Generaldirektor des Konzerns als eine historische Randfigur ohne großen politischen Einfluss dar. Diese Bild korrigierte CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes jedoch, indem er auf die Mitgliedschaft des Chemikers in der rechtsextremen „Deutschen Vaterlandspartei“ und die entscheidende Rolle hinwies, die dieser bei der Rekrutierung von ZwangsarbeiterInnen aus dem „Menschenbassin Belgien“ im Ersten Weltkrieg spielte. Unvermeidlich kam bei der Veranstaltung auch der aktuelle Streit um Umbenennungen von „Carl-Duisberg-Straßen“ zur Sprache (s. o.). Die Geschichtswissenschaftlerin räumte in der Diskussion zwar ein, dass man aufgrund von Carl Duisbergs Beteiligung an der Entwicklung von chemischen Kampfstoffen „zu dem Schluss kommen könne, Ehrenbezeugungen rückgängig zu machen“, ihrer eigenen Position entspreche dies jedoch nicht. Für Kordula Kühlem überwogen weiterhin die Verdienste des Mannes.

Promis gegen „Food Partnership“
Die bundesdeutsche Entwicklungshilfe-Politik setzt auf Kooperationen mit der Privatwirtschaft. So hat das „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) mit dem Leverkusener Multi, BASF, SYNGENTA und ca. 30 weiteren Konzernen die „German Food Partnership“ (GFP) gegründet (SWB 4/13). Staatliche Mittel fließen unter anderem in zwei Projekte mit BAYER-Beteiligung, die „Better Rice Initiative in Asia“ (BRIA) und die „Competitive African Rice Initiative“ (CARE). Diese dienen dem Agro-Riesen als Vehikel, um seinen nach einer agro-industriellen Produktionsweise verlangenden, sich nicht zur Wiederaussaat eignenden Hybrid-Reis zu vermarkten. Gegen diese Entwicklungshilfe zur Selbsthilfe der Konzerne haben jetzt zahlreiche bekannte Persönlichkeiten gemeinsam mit der Initiative OXFAM protestiert. Der Hamburger TV-Koch Ole Plogstedt setzte einen unter anderem von Jan Delay, Roger Willemsen und Jan Josef Liefers unterzeichneten Offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel und Entwicklungshilfe-Minister Gerd Müller auf. In dem Schriftstück fragen Plogstedt, Delay & Co. die PolitikerInnen: „Forscher und Nichtregierungsorganisation sind sich einig, dass nur das kleinbäuerliche Anbau-Modell langfristig den globalen Hunger beenden könnte – und nicht die industrielle Landwirtschaft. Wie kommt also das deutsche Ministerium für Entwicklung (BMZ) dazu, Konzern-Giganten wie BAYER, BASF und MONSANTO mit der Hunger-Bekämpfung zu beauftragen?“ Der Leverkusener Multi hingegen weist die Kritik als reflexhaft zurück. „Sobald ein Konzern mit großem Namen im Spiel ist, wird das verteufelt“, moniert „Nachhaltigkeitssprecher“ Martin Märkl nicht ohne zu betonen, wie sehr dem Konzern doch das Los der Kleinbauern und -bäuerinnen am Herz lege.

Unterschriften gegen Alt-Pipeline
Der Leverkusener Multi hat bereits eine Kohlenmonoxid-Pipeline in Betrieb. Seit 2002 darf er das Giftgas nämlich von Dormagen nach Leverkusen in einer zehn Kilometer langen Leitung transportieren. Und das alles unter noch prekäreren Sicherheitsbedingungen als bei dem jetzt zwischen Dormagen und Krefeld fertiggestellten, aber immer noch seiner Betriebsgenehmigung harrenden Röhren-Werk. Die Bezirksregierung Köln hat BAYER damals nämlich einfach erlaubt, eine 1968 für den Transport von Kohlendioxid errichtete Verbindung umzuwidmen und für CO zu benutzen. Dem Global Player zufolge entspricht diese aber gleichwohl dem „Stand der Technik“. Gottfried Schweitzer, langjähriges Mitglied der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN aus Leverkusen, zweifelt das allerdings an. Er hat nicht nur eine Klage gegen die Genehmigung eingereicht, sondern startete auch eine Unterschriften-Aktion zur Stilllegung der Giftgas-Pipeline.

CBG-Vortrag in Drüpplingsen
Ende Januar 2015 hatte der UMWELTVEREIN DRÜPPLINGSEN CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes zu einem Vortrag über die Risiken und Nebenwirkungen von BAYERs Landwirtschaftsgeschäft eingeladen. Bei dessen Bestandsaufnahme, die von Ackergiften bis hin zur Veterinär-Medizin reichte, musste er viel Überzeugungsarbeit leisten. Gut die Hälfte des Publikums bestand nämlich aus Bauern und Bäuerinnen, und überdies zählte ein Pestizid-Berater der Landwirtschaftskammer zu den Gästen. Der CBGler tat sein Bestes und hatte auch gute Argumente, aber alle Anwesenden konnte er trotzdem nicht zur ökologischen Landwirtschaft bekehren.

Aprilscherz der taz
Unter der Überschrift „BAYER unterstützt kritischen Journalismus“ meldete die taz: „Der Pharma-Riese richtet eine Stiftungsprofessur für investigativen Journalismus ein – ausgerechnet an der Hochschule, mit der das Unternehmen selbst Geheimverträge unterhält.“ Aber der Leverkusener Multi tat dies dem Blatt zufolge mit Bedacht. Als ein „klares Bekenntnis zu Transparenz in der privaten Hochschul-Finanzierung“ wollte BAYER-Vorstand Werner Baumann diesen Schritt verstanden wissen. Hochschul-Direktor Axel Freimuth pflichtete ihm bei und nannte die Stiftungsprofessur mit Blick auf die Zusammenarbeit zwischen der Uni und dem Pillen-Riesen auf dem Gebiet der Pharma-Forschung ein „fehlendes Beweisstück für die durchweg lautere Kooperation“. Allein, es war alles zu schön, um wahr zu sein – einen Tag später kam die Ernüchterung. „Von Bewerbungen bei BAYER als Professor bittet die taz abzusehen“, schrieb die Zeitung, bei der Meldung habe es sich um einen Aprilscherz gehandelt.

KAPITAL & ARBEIT

Verkauf der Diagnostika-Sparte
2006 hatte BAYER zur Finanzierung der SCHERING-Übernahme die Diagnostika-Sparte für 4,2 Milliarden Euro an SIEMENS abgestoßen. Nur die Abteilungen mit Kontrastmitteln und Diabetes-Apparaturen verblieben im Unternehmen. Das Geschäft mit den Röntgenkontrastmitteln MAGNEVIST und ULTRAVIST hat der Leverkusener Multi einstweilen seiner Tochterfirma MEDRAD zugeschlagen. Dasjenige mit den Blutzucker-Messgeräten stellte er 2013 gleich ganz zum Verkauf, denn Billiganbieter und die neue Politik der Krankenkassen, die Kosten für die Teststreifen nicht mehr in allen Fällen zu übernehmen, hatten für sinkende Profite gesorgt. Allerdings fand der Pharma-Riese dafür lange keinen Interessenten. Dies gelang erst im Juni 2015. In diesem Monat veräußerte er das Diabetes-Care-Geschäft für rund eine Milliarde Euro an PANASONIC HEALTHCARE, eine dem Unternehmen PANASONIC und dem Finanzinvestor KKR gehörende Gesellschaft. Wie viele Arbeitsplätze damit im Konzern verloren gehen, teilte der Pharma-Riese nicht mit.

Erfolg für belgische Beschäftigte
Im letzten Jahr hatte BAYER die Trennung von der Kunststoff-Sparte BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) bekanntgegeben. Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE wehrte sich bis zuletzt gegen diesen Schritt, konnte sich letztlich aber nicht durchsetzen. Als „Schmerzensgeld“ gestand das Management der Gewerkschaft eine Arbeitsplatz-Garantie für die BMS-Beschäftigten bis 2020 – also auch noch für die ersten Jahre der Post-BAYER-Zeit – zu. Allerdings galt diese Übereinkunft nur für die rund 6.500 KollegInnen in den deutschen Werken. Das Schicksal der 10.000 anderen Belegschaftsmitglieder in den über die ganze Welt verstreuten Niederlassungen war nicht Gegenstand der Gespräche. Die belgische Gewerkschaft ALGEMEEN BELGISCH VAKVERBOND (ABVV) reagierte prompt und forderte, die Regelung auf die BMS-WerkerInnen am Standort Antwerpen zu übertragen. Der Konzern weigerte sich jedoch lange. Erst nach zähem Ringen gelang es den BetriebsrätInnen schließlich, eine Gleichbehandlung durchzusetzen.

Institute comes home
Der Leverkusener Multi hat die Pestizid-Produktion im US-amerikanischen Institute wieder an seinen früheren Besitzer UNION CARBIDE verkauft. In die Schlagzeilen geriet die Niederlassung 2008 durch eine verheerende Explosion, bei der zwei Arbeiter starben. Auch vorher schon hatten sich in dem einstigen Schwester-Werk der berühmt-berüchtigten Anlage von Bhopal immer wieder Störfälle ereignet. Nach dem großen Knall musste BAYER aus Sicherheitsgründen die Herstellung der Chemikalie Methylisocyanat aufgeben. Zudem drängten die US-amerikanischen Aufsichtsbehörden den Chemie-Riesen dazu, die Fabrikation des gesundheitsgefährdenden Ackergifts Aldicarb und anderer Pestizide einzustellen. Damit begründet das Unternehmen jetzt auch die Desinvestition. „Ohne zusätzliche Produktionskapazität hat BAYER CROPSCIENCE nicht die benötigte kritische Masse, um die Anlage in eigener Regie weiterhin profitabel betreiben zu können“, sagte ein Konzern-Sprecher. Lediglich die Fertigung von Thiodicarb erhält der Pillen-Riese dort – in nun angemieteten Hallen – aufrecht. Dies bietet jedoch nicht genug Beschäftigung für die 150 Belegschaftsangehörigen. Den meisten von ihnen steht deshalb eine ungewisse Zukunft bevor.

Wenning einflussreichster Aufsichtsrat
Mit seinem Posten als BAYER-Aufsichtsratschef fühlt sich Werner Wenning noch längst nicht ausgelastet. Dieselbe Position bekleidet er bei E.ON, und bei SIEMENS rückte er jüngst zum Aufsichtsratsvize vor. Einfache Mandate nimmt er zudem in den Kontrollgremien der DEUTSCHEN BANK und der Versicherungsgesellschaft TALANX wahr. Darüber hinaus hat Wenning Sitze in den Gesellschafter-Ausschüssen von HENKEL und FREUDENBERG. Wegen dieser Ämterhäufung bestimmte die „Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz“ den ehemaligen BAYER-Chef nun zum einflussreichsten Aufsichtsrat der Deutschland AG.

Manager, wechsel-dich
ManagerInnen ist es egal, was sie wo machen, nur ein Schritt auf der Karriere-Leiter muss es sein. Deshalb herrscht seit einiger Zeit ein reges Kommen und Gehen in BAYERs Führungsetage. Olivier Brandicourt, der erst 2013 Jörg Reinhardt als Pharma-Boss ersetzt hatte, weil dieser den Chef-Posten bei NOVARTIS ergattern konnte, kündigte beim Leverkusener Multi, um Vorstandsvorsitzender bei SANOFI zu werden. Geld bekam Reinhardt schon, bevor er überhaupt dort auftauchte: Der französische Pillen-Riese zahlte ihm eine „Antrittsprämie“ in Höhe von vier Millionen Euro. Die Politik reagierte empört. „Diese Leute haben noch nicht einmal die Leitung einer Firma übernommen und bekommen schon eine unverhältnismäßige Zahlung“, kritisierte Regierungssprecher Stephane Le Foll.

BAYER gegen Frauen-Quote
Im März 2015 hat der Bundestag ein Gesetz verabschiedet, das Aktien-Gesellschaften vorschreibt, den Frauen-Anteil in ihren Aufsichtsräten auf mindestens 30 Prozent zu steigern. BAYER zeigte sich darüber alles andere als erfreut. „Ein Freund von vorgeschriebenen Quoten sind wir nicht“, sagte Konzern-Sprecher Markus Siebenmorgen: „Wir besetzen Positionen grundsätzlich nach der jeweiligen Qualifikation und nicht nach Geschlecht.“ Jetzt muss das Unternehmen sich sputen. In seinem Aufsichtsrat sitzen gegenwärtig nämlich nur zu 20 Prozent Frauen, und im Konzern-Führungskreis sind die Herren Manager sogar zu 87 Prozent unter sich.

BAYER zahlt Bonus
Der Leverkusener Multi hat 2014 mal wieder einen Rekord-Gewinn eingefahren und gibt dafür seinen Angestellten auch artig Trinkgeld, sich dabei sichtlich in der Rolle des guten Königs gefallend. 420 Millionen Euro schüttet er an die 18.200 Tarif-Beschäftigten in der Bundesrepublik aus, 90 Millionen mehr als im letzten Jahr. Die Belegschaftsangehörigen von BAYER MATERIALSCIENCE dürften sich jedoch kaum über die Bonus-Zahlung gefreut haben, denn für sie wird es eine der letzten gewesen sein. Der Konzern will nämlich in Zukunft noch höhere Rekord-Gewinne einfahren und betrachtet die Kunststoff-Sparte dabei als Hindernis. Deshalb beschloss er, sich von dem Bereich zu trennen. Wie immer bei BAYER trägt also ein Teil der Belegschaft die Kosten für das, was das Unternehmen „ein sehr erfolgreiches Geschäftsjahr“ nennt.

KONZERN & VERGANGENHEIT

Vor 60 Jahren: Freispruch für Peters
DEGESCH, eine Tochterfirma der vom Leverkusener Multi mitgegründeten IG FARBEN, lieferte im „Dritten Reich“ das Zyklon B für die Gaskammern. Deshalb verurteilte ein Gericht 1949 Gerhard Peters als Geschäftsführer des Unternehmens, das noch bis 1986 zu 37,5 Prozent BAYER gehörte, wegen Beihilfe zum Mord zu einer fünfjährigen Zuchthaus-Strafe. Peters erreichte jedoch – mit Unterstützung von 200 bekannten Persönlichkeiten – eine Wiederaufnahme des Verfahrens, das 1955 tatsächlich mit einem Freispruch endete. Er hatte zwar nach Ansicht der RichterInnen den KZs wirklich das Zyklon B zur Verfügung gestellt und wusste auch genau, wofür, aber die JuristInnen mochten das ganze DEGESCH-Gift nicht komplett als eine Mordwaffe betrachten. Es kann „nicht bewiesen werden, dass mit dem von dem Angeklagten gelieferten Zyklon jemand getötet worden ist“, hieß es im Urteil.

Duisberg auf der Flucht
Der Leverkusener Multi betont bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit, was für ein inniger ArbeiterInnen-Freund sein ehemaliger Generaldirektor Carl Duisberg war (siehe auch AKTION & KRITIK). So hob der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers auf der vorletzten BAYER-Hauptversammlung – konfrontiert mit der Kritik der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN an Duisberg wegen seiner Verantwortung für den Einsatz von Giftgas und die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen im Ersten Weltkrieg – die sozialpolitischen Verdienste des Chemikers hervor. „Er ließ Wohnungen für die Arbeiter bauen, verringerte deren wöchentliche Arbeitszeit, er führte soziale Versicherungssysteme ein“, so Dekkers. Besondere Beliebtheit unter den abhängig Beschäftigten hat Carl Duisberg dies jedoch nicht eingebracht. So musste er sich nach der November-Revolution 1918 zweimal auf die Flucht begeben, weil er fürchtete, von KommunistInnen verhaftet zu werden. Und einmal war er dabei sogar gezwungen, sich in die Obhut des ehemaligen Feindes zu begeben: Er suchte in Köln Unterschlupf bei den Besatzungstruppen.

POLITIK & EINFLUSS

Trotz Subventionen: St. Joseph dicht
Anfang 2014 gelang es BAYER, die US-amerikanische Gemeinde St. Joseph mit Abwanderungsplänen so unter Druck zu setzen, dass diese dem Konzern Subventionen für eine Erweiterung der Tierarznei-Produktion gewährte (Ticker 3/14). Ein „Job-Erhaltungsprogramm“ nannte der Stadtverwaltungsmitarbeiter Clint Thompson die Maßnahme damals und hielt zur drohenden Schließung der Fertigungsstätten fest: „Die Gefahr war sehr real.“ Doch all die Steuer-Gelder halfen nichts: Kaum ein Jahr später machte sich der Leverkusener Multi vom Acker. Er verlagerte die Herstellung der Produkt-Reihen DVM und EXPERT CARE nach Shawnee und stellte die Fertigung der übrigen ein (siehe auch IMPERIUM & WELTMARKT).

Duin lädt zum 2. Chemie-Gipfel
Im Herbst 2014 lud der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) zum 2. Chemie-Gipfel. „Die Chemische Industrie nimmt eine Schlüsselposition in der Wirtschaftspolitik der Landesregierung ein. Deshalb wollen wir den Austausch zwischen Vertretern der Branche und der Politik im partnerschaftlichen Dialog weiter intensivieren“, so Duin zum Sinn der Übung. Die BAYER-Belange fanden dabei durch Günter Hilken und Frank Löllgen Berücksichtigung. Hilken sitzt nämlich nicht nur der NRW-Sektion des „Verbandes der Chemischen Industrie“ vor, sondern auch der 60-prozentigen BAYER-Tochter CURRENTA. Und Löllgen, der Vorsitzende des Nordrhein-Bezirkes der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE), hat beim Leverkusener Multi seine Ausbildung zum Chemie-Laboranten absolviert. Auf der Tagesordnung des Treffens stand unter anderem das Thema „Energiekosten“, das der Minister nutzte, um seinen unermüdlichen Einsatz für die Chemie-Unternehmen hervorzuheben. So verwies er darauf, bei den Beratungen zum „Erneuerbare-Energien-Gesetz“ mit dafür gesorgt zu haben, dass energie-intensive Betriebe weiterhin Rabatte bei der Ökostrom-Umlage erhalten. Hilgers honorierte das auch: „Wir begrüßen es sehr, bei Minister Duin stets auf offene Ohren für die Herausforderungen unserer Branche zu treffen.“ Zum großen Bedauern der Runde stoßen BAYER & Co. draußen nicht auf so aufnahmebereite Hör-Organe. Doch daran wollen Wirtschaft und Politik weiter arbeiten: „Übereinstimmend betonten die Teilnehmer, dass die Akzeptanz für Industrie und Infrastruktur-Projekte in der Bevölkerung weiter gestärkt werden muss“. Als Stärkungsmittel dienen ihnen dabei unter anderem Nachbarschaftsbüros, Public-Viewing-Veranstaltungen bei Sport-Events und pseudo-partizipative Formate wie „Dialog schafft Zukunft“.

Weihnachtsempfang ohne SPD-Granden
Sonst haben SozialdemokratInnen eigentlich kaum Berührungsängste mit dem Leverkusener Multi. Aber zum Berliner Weihnachtsempfang des Global Players traute sich keiner von den Granden. Ein unterer Partei-Charge musste sie bei Norbert Lemken, dem Leiter des BAYER-Verbindungsbüros in der Hauptstadt, entschuldigen: Die Ober-GenossInnen dürften in allzu nahem Dunstkreis der Industrie leider nicht gesehen werden.

Dekkers will Wagniskapital-Gesetz
Die Bundesregierung und die bundeseigene „Kreditanstalt für Wiederaufbau“ unterstützen bereits den Hightech-Gründerfonds II von BAYER, BASF, BOSCH & Co., der jungen Pharma- und Biotech-Firmen Startkapital zur Verfügung stellt. Auf dem von der Zeitung Die Welt veranstalteten „Wirtschaftsgipfel“, an dem unter anderem Bundeskanzlerin Angela Merkel, EZB-Chef Mario Draghi, Finanzminister Wolfgang Schäuble und Innenminister Thomas de Maizière teilnahmen, forderte Ober-BAYER Marijn Dekkers die Große Koalition jedoch auf, mehr zu tun. „Ein ganz wichtiges Thema ist für mich die Finanzierung junger Unternehmen. Wir brauchen ein neues Wagniskapital-Gesetz“, verlangte er und erhielt dafür viel Zustimmung.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER: Null Problemo mit ASPIRIN
Wenn BAYER-WissenschaftlerInnen erforschen, was BAYER-WissenschaftlerInnen zu den Risiken und Nebenwirkungen einer Pille erforschten, die BAYER-WissenschaftlerInnen entwickelt hatten, dann ist das Ergebnis unschwer zu erraten: Es spricht nichts gegen die Arznei. Trotzdem räumte die Pharmazeutische Zeitung BAYERs Pharma-Manager Uwe Gessner sechs Seiten für das Unterfangen ein, dem immer wieder wegen der Nebenwirkung „Magenbluten“ inkriminierten ASPIRIN (Wirkstoff: Acetylsalicylsäure) einen Persilschein auszustellen. „In der Meta-Analyse auf Basis der individuellen Daten von über 13.000 Patienten ergab sich, dass bei der für die Selbstmedikation von akuten Schmerzen, Fieber und Erkältungssymptomen üblichen niedrigen Dosierung und kurzer Behandlungsdauer das Risiko unerwünschter Ergebnisse unter Acetylsalicylsäure gering ist. Insbesondere traten praktisch keine schwerwiegenden gastrointestinalen (zum Beispiel Blutung oder Perforation) oder nicht-gastrointestinalen (zum Beispiel Hirnblutung) Komplikationen auf“, lautet sein wenig überraschender Befund. Vorsichtshalber hat Gessner nicht meta-analysiert, was für unerwünschte Arznei-Effekte ASPIRIN bei Menschen hervorruft, die das Pharmazeutikum über einen längeren Zeitraum hinweg nehmen, beispielsweise weil sie der BAYER-PR Glauben schenkten, das Produkt beuge Herzinfarkten vor.

Mehr BAYCUSAN-Werbung
Der Leverkusener Multi erschließt seinen unter dem Namen BAYCUSAN als Rohstoffe für die Kosmetik-Branche vertriebenen Mikroplastik-Produkten immer neue Absatzmärkte (siehe WASSER, BODEN & LUFT) und sorgt so für eine immer größere Belastung der Weltmeere mit Schadstoffen. Jetzt hat der Konzern sogar eine Werbeagentur verpflichtet, um Polyurethan-32 & Co. unter dem Motto „Beauty made possible“ bei der internationalen Schönheitsindustrie noch bekannter zu machen.

BAYERs Kreislauf-Kurzschluss
BAYERs Kunststoff-Produktion entspricht mitnichten ökologischen Kriterien. Sie basiert zum größten Teil auf fossilen Grundstoffen, verbraucht Unmengen von Strom, bei dessen Erzeugung Erneuerbare Energien nur eine verschwindend geringe Rolle spielen, und die Produkte selber wie zum Beispiel Mikroplastik (s. o.) gefährden Mensch, Tier und Umwelt in beträchtlichem Maße. Das alles hält den Konzern aber nicht davon ab, sich als Umweltengel zu präsentieren. So lud er auf einer Kunststoff-Fachmesse in Holland zu einer Veranstaltung, bei der die Entwicklung von Lösungen zu nachhaltigeren Herstellungstechniken auf der Agenda stand. Und das verleitete das Fachblatt MM Maschinenmarkt dann zu der Überschrift: „BAYER lebt Kreislaufwirtschaft.“

Viel mehr Geld für Selbsthilfegruppen
BAYER sponsert Selbsthilfegruppen und PatientInnen-Organisationen in hohem Maße. Gegenüber 2013 verdoppelte der Leverkusener Multi seinen Etat fast noch einmal und schüttete über 500.000 Euro aus. Zuwendungen erhalten hauptsächlich diejenigen Verbände, für die der Konzern die entsprechenden Medikamente bereithält: Sehbehinderten-, Diabetes-, Krebs-, Bluter-, Lungenkrankheiten- sowie Multiple-Sklerose-Vereinigungen. Allein solche Gesellschaften wie der „Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband“ , die dem Pharma-Riesen KundInnen für sein Augen-Präparat EYLEA zuführen könnten, bekamen mit 271.000 Euro beinahe genauso viel wie im Jahr zuvor alle Vereine zusammen. Der Leverkusener Multi selber weist hingegen finanzielle Motive für sein Engagement weit von sich und führt andere Gründe an. „BAYER betrachtet die Zusammenarbeit mit Patienten-Organisationen als wichtigen Bestandteil seiner Arbeit, um die Bedürfnisse der Betroffenen besser identifizieren und verstehen zu können“, so Jens Lipinski von der Abteilung „Patient Relations“.

EYLEA-Rundumbetreuung

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Der Leverkusener Multi versucht zunehmend, Kranke mit „Patienten-Unterstützungsprogrammen“ längerfristig an seine Arzneien zu binden. Solche Angebote hält der Pharma-Riese nicht nur Menschen für mit Multipler Sklerose bereit, sondern auch für solche, die wegen einer Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – sein Gentech-Präparat EYLEA nehmen, das in den Zulassungstests anderen Mitteln gegenüber bloß seine „Nicht-Unterlegenheit“ demonstrierte. Und um die Rundumbetreuung namens „VisusVital“ bekannt zu machen, hat BAYER viele Partner gewinnen können. So verpflichtete der Konzern Professor Dr. Norbert Schrage für einen Auftritt auf der „SightCity“, einer Messe für Sehbehinderten-Hilfsmittel. „Patienten mit chronischen Augenerkrankungen haben besondere Bedürfnisse, die in der Arztpraxis nicht immer erfüllt werden. Denn sie benötigen mehr als reine medikamentöse Therapien. Diese müssen durch geeignete Unterstützungs- und Versorgungsangebote optimiert werden“ – mit diesen Worten warb der Chefarzt der Augenklinik Köln-Merheim auf dem vom Global Player arrangierten Pressegespräch für das PatientInnen-Unterstützungsprogramm. Mit Markus Georg ließ sich auch der Geschäftsführer der PatientInnen-Organisation „Pro Retina“, die im Jahr 2014 33.000 Euro vom Pillen-Produzenten erhielt, in die PR-Kampagne einspannen. Zudem gelang es dem Unternehmen noch, die Reklame für „VisusVital“ in dem Fachblatt Der Augenarzt unterzubringen, das gerne auch BAYER-Pressemeldungen zu EYLEA unkommentiert abdruckt.

EYLEA-Rundumbetreuung

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Nicht nur die an einer Makula-Degeneration leidenden PatientInnen will der Leverkusener Multi zur Verkaufsförderung seines Gentech-Mittels EYLEA enger an sich binden (s. o.), sondern auch deren Angehörige. So bietet er in Tateinheit mit MedizinerInnen, der BARMER-Krankenkasse sowie den – von ihm großzügig alimentierten – PatientInnen-Organisationen AMD-Netz und „Pro Retina“ Workshops für Familien-Mitglieder der Erkrankten an.

WFH-Präsident in BAYER-Diensten
BAYERs Investitionen in PatientInnen-Organisationen lohnen sich, denn diese revanchieren sich mit „Freundschaftsdiensten“. So erteilte der Präsident des Bluter-Verbandes „World Federation of Hemophilia“, Mark Skinner, jüngst einem neuen Therapie-Ansatz des Leverkusener Multis die Absolution, obwohl die Entwicklung sich noch in einem frühen Stadium befindet. Zu den Versuchen des Leverkusener Multis, ein Gen, das den Gerinnungsfaktor VIII produziert, direkt in die Leber einzuführen, um so das bisher nötige tägliche Spritzen zu ersetzen (Ticker 4/14), lässt er sich mit den Worten vernehmen: „Eine einzige Behandlung wäre ein Segen und würde die Belastungen einer lebenslangen prophylaktischen Therapie enorm senken.“

Bienen-Kümmerer BAYER
Der Leverkusener Multi steht wegen seiner bienenschädigenden Pestizide GAUCHO und PONCHO, welche die EU vorerst bis Ende 2015 aus dem Verkehr gezogen hat, in der Kritik. Darum verstärkt der Konzern seine PR-Aktivitäten. Wo das Unternehmen nicht schlicht versucht, die Fakten abzustreiten, da inszeniert es sich als Bienenkümmerer. Der Global Player fördert nicht nur das Anlegen von Ackerrand-Streifen mit pollen-reichen Blütenpflanzen sowie von Bienenweiden und gründet „Bee Care Center“, sondern unterstützt auch Forschungsvorhaben zum Erhalt der Bienengesundheit. Im Februar 2015 spendete er in den USA zudem 100.000 Dollar, um die Ernährungslage der Bienen vor Beginn der Mandelblüte zu verbessern.

ASPIRIN-Sozialpreis an App
Während der Konzern de facto immer unsozialer wird, indem er Arbeitsplätze vernichtet und Arbeitsbedingungen verschärft, macht seine PR-Abteilung seit einiger Zeit verstärkt auf „sozial“. So hat diese den ASPIRIN-Sozialpreis ins Leben gerufen. 2015 ging die Auszeichnung an die EntwicklerInnen einer App, die Ess-Gestörten dabei hilft, die Nahrungsaufnahme zu protokollieren.

TIERE & ARZNEIEN

BAYTRIL-Mengenrabatt
Der massenhafte Einsatz von Antibiotika wie BAYERs BAYTRIL in der Massentierhaltung führt zur Entwicklung resistenter Krankheitserreger. Gelangen diese in den menschlichen Organismus, so können MedizinerInnen oftmals nichts mehr gegen die Keime ausrichten, was eine massive Gesundheitsgefahr darstellt. Ein Grund für die Verbreitung der Mittel sind auch die oligopol-haften Strukturen bei den VeterinärInnen. So bedienen die zehn größten Praxen die Geflügel- und Kälbermastbetriebe fast im Alleingang: Ihr Marktanteil beträgt 90 Prozent. Und sie können BAYTRIL & Co. zu Konditionen anbieten, zu denen es manche TierärztInnen nicht einmal im Einkauf bekommen, weil die Pharma-Riesen Mengen-Rabatte gewähren. Die GESELLSCHAFT FÜR GANZHEITLICHE TIERMEDIZIN und der BUND fordern deshalb die Einführung von Festpreisen, um die Kosten für die Arzneien zu erhöhen und so Anreize für einen geringeren Verbrauch zu setzen.

DRUGS & PILLS

ESSURE ruft FDA auf den Plan
Bei ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, handelt es sich um eine kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich nach etwa drei Monaten die Eileiter verschließen. Allzu oft jedoch bleibt die Spirale nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den möglichen Gesundheitsschädigungen. Vier Meldungen über Todesfälle und mehr als 5.000 über unerwünschte Arznei-Effekte hat die US-Gesundheitsbehörde FDA seit der Zulassung des Medizin-Produktes im Jahr 2002 bereits erhalten. Viele dieser Nebenwirkungen haben schon die Probandinnen in den Zulassungstests erlitten. In den Protokollen der Klinischen Prüfungen tauchten diese Angaben jedoch oft nicht auf. Eine Teilnehmerin berichtete dem US-Sender ABC, wenn sie über starke Menstruationsbeschwerden klagte, hätten die ÄrztInnen das „stark“ in dem Versuchsprotokoll einfach gestrichen. Auch vermerkten diese darin, es wäre unwahrscheinlich, dass die schweren Menstruationsblutungen der Frau auf das Präparat zurückgingen. Eine Gruppe von ESSURE-Geschädigten hat die FDA deshalb in einer Petition aufgefordert, die Zulassungstests noch einmal zu überprüfen. Und die Behörde hat daraufhin eine Untersuchung eingeleitet.

Gefälle bei YASMIN-Verordnungen
Frauen, die drospirenon-haltige Pillen wie BAYERs YASMIN zur Empfängnis-Verhütung nehmen, tragen im Vergleich zu solchen, die levonorgestrel-haltige Kontrazeptiva bevorzugen, ein bis zu doppelt so hohes Risiko, eine Thromboembolie zu erleiden. Das hat bereits zu hunderten von Todesfällen geführt und die Gesundheitsbehörden einiger Länder zu Reaktionen veranlasst. So erstatten etwa die Krankenkassen in Frankreich die Kosten für YASMIN & Co. nicht mehr. Das hat sich merklich auf die Verordnungszahlen ausgewirkt: Sie sanken 2013 um 45 Prozent. Gleichzeitig gingen die Fälle von Lungen-Embolien bei den 15- bis 45-jährigen Frauen um 11,2 Prozent und bei den 15- bis 19-jährigen Frauen sogar um 27,9 Prozent zurück. Hierzulande hat sich allerdings noch nichts getan. Immer noch entfallen auf YASMIN und andere Präparate der 3. Generation zwei Drittel aller Rezepte. Das industrie-unabhängige Fachblatt arznei-telegramm (a-t) macht dafür neben nicht ausreichend vor den Gefahren warnenden Fach-Informationen auch das Verhalten der ÄrztInnen-Verbände verantwortlich. So bezeichnet etwa der „Berufsverband der Frauenärzte“ (BVF) Thrombosen infolge der Einnahme dieser Präparate als „sehr seltene Komplikation“ und attestiert ihnen eine bessere Verträglichkeit als Pillen der 1. und 2. Generation. Auch führen Drospirenon-Produkte im Gegensatz etwa zu levonorgestrel-haltigen Arzneien dem BVF zufolge nicht zu einer Gewichtszunahme. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hat die MedizinerInnen-Organisation wie auch die „Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe“ angeschrieben und wegen ihrer Verharmlosung von YASMIN & Co. scharf kritisiert. Der BVF wies die Vorwürfe zurück und stützte sich dabei auf eine Studie des nicht gerade industrie-fernen Berliner ZEG-Institutes. Zu dessen Leitern gehört mit Jürgen C. Dinger nämlich ein ehemaliger Beschäftigter des SCHERING-Konzerns, der YASMIN entwickelt hatte und damit 2006, als BAYER die Berliner Aktien-Gesellschaft übernahm, die Produktpalette des Leverkusener Multis erweiterte. Das arznei-telegramm fordert derweil eine Überarbeitung der Fach-Informationen und einen Ausschluss von Pillen mit dem Wirkstoff Drospirenon aus der Erstattungspflicht. Ein kompletter Verzicht auf diese Medikamente würde die Zahl der Thrombose-Vorfälle um 250 senken, konstatiert das a-t.

Leitlinien-Empfehlung für XOFIGO
XOFIGO, BAYERs Medikament zur Behandlung der Prostatakrebs-Art CRPC, hat Aufnahme in die Leitlinien zur Prostatakrebs-Therapie gefunden. Die zuständige Kommission bezeichnete die Arznei mit dem Wirkstoff Radium-223-Dichlorid, mit dem ÄrztInnen PatientInnen bestrahlen dürfen, wenn eine Hormon-Behandlung erfolglos geblieben ist und sich zudem noch Metastasen im Knochen gebildet haben, als eine „Option“. Dabei verlängerte das Mittel bei den Klinischen Tests die Lebensdauer der Krebs-Kranken noch nicht einmal um drei Monate. Aber der Leverkusener Multi konnte sich auf das Votum von willigen MedizinerInnen wie den Professoren Dr. Axel Heidenreich und Dr. Kurt Miller verlassen, die er auf seiner Gehaltsliste führt. Heidenreich gehört einem Beratungsgremium von BAYER an und hält Vorträge für den Pharma-Riesen. So machte der Leiter der Urologie am Klinikum Aachen etwa bei dem Symposium „Mehr als ASPIRIN – BAYER in der Onkologie“ Werbung für XOFIGO, die das Deutsche Ärzteblatt anschließend unter dem Titel „Radium-223-Dichlorid: Innovativer Wirk-Mechanismus gegen Knochen-Metastasen“ veröffentlichte. Und auch bei der Jahrestagung der „Deutschen Gesellschaft für Urologie“ pries der Arzt das Mittel an. Dr. Miller von der Berliner Charité verdingte sich derweil bei dem Pressetermin zur Zulassung des BAYER-Präparats als Mietmaul und verdiente sich zudem noch etwas durch XOFIGO-Workshops dazu.

NICE ändert seine XOFIGO-Meinung
Im März hatte das britische „National Institute for Health and Care Excellence“ (NICE) eine Kosten/Nutzen-Analyse von BAYERs Strahlentherapie-Medikament XOFIGO durchgeführt und der Arznei kein gutes Zeugnis ausgestellt (Ticker 4/14). Die vom Leverkusener Multi eingereichten Unterlagen gaben nicht genügend Hinweise darauf, dass „die Vorteile die beträchtlichen Kosten rechtfertigen“, so die Behörde damals. Nachdem der Konzern Dokumente nachgereicht hatte, entschied sich das NICE jedoch um und sprach eine Empfehlung für das Präparat aus.

Endometriose-Fortschritte bei EVOTEC
Der Leverkusener Multi unternimmt derzeit einige Anstrengungen, mehr Mittel zur Behandlung der Endometriose, einer gutartigen Wucherung der Gebärmutter-Schleimhaut, herauszubringen. Neben der Markt-Einführung von VISANNE, in deren Gefolge er die Produktion der ebenfalls zur Therapie dieser Gesundheitsstörung geeigneten, aber viel preiswerteren Verhütungsmittel VALETTE und CHLORMADINON kurzerhand einstellte (Ticker 4/14), unterhält der Konzern noch mehrere Endometriose-Forschungskooperationen. So arbeitet er auf diesem Gebiet mit der Universität Oxford und mit dem Hamburger Biotech-Unternehmen EVOTEC zusammen. Dieses verkündete nun entscheidende Entwicklungsfortschritte.

BEPANTHEN bei Tattoo-Entfernung?
Dank BAYER-Geld hat die Wissenschaft festgestellt: Zur Nachbehandlung der Haut bei Tattoo-Entfernungen per Laser eignet sich die BAYER-Salbe BEPANTHEN hervorragend. „Nach unseren Forschungsergebnissen ermöglicht BEPANTHEN Wund- und Heilsalbe eine raschere Wundheilung als Vaseline“, erklärte Dr. Jens Malte Baron von der Aachener „Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule“ auf einer Presse-Veranstaltung des Leverkusener Multis zu den Resultaten einer vom Global Player gesponserten Studie. Sogar die Entwicklung des Versuchsmodells, das der Untersuchung zugrunde liegt, finanzierte der Konzern.

GADOVIST für Kleinstkinder
Der Leverkusener Multi hat in den USA für sein Röntgen-Kontrastmittel GADOVIST (auch GADAVIST) eine erweiterte Zulassung erhalten. MedizinerInnen dürfen das Präparat künftig auch bei Kindern unter zwei Jahren verwenden. Der Entscheidung der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA lagen Tests des Pharma-Riesen zugrunde, die dem Mittel eine ausreichende Sicherheit für einen solchen Einsatz bescheinigten. Dabei gehen von GADOVIST ebenso wie von BAYERs anderem Kontrastmittel MAGNEVIST sehr wohl Gesundheitsgefahren aus. Die beiden Präparate enthalten nämlich Gadolinium, das bei Nierenkranken ein unkontrolliertes Wachstum des Bindegewebes mit Todesfolge auslösen kann, weshalb der Konzern sich schon mit Schadensersatz-Klagen konfrontiert sah (Ticker 3/11).

Kein STIVARGA bei Darmkrebs
BAYERs Krebsmedikament STIVARGA mit dem Wirkstoff Regorafenib ist als Mittel der 2. Wahl zur Behandlung von fortgeschrittenem Darmkrebs zugelassen. Zudem dürfen es die MedizinerInnen bei PatientInnen mit GIST – einer bestimmten Art von Verdauungstrakt-Tumoren – anwenden. Auf eine Erweiterung des Anwendungsspektrums kann der Konzern vorerst jedoch nicht zählen. Er musste eine Studie zur Therapie einer Darmkrebs-Art, bei der die Metastasen in die Leber streuen, abbrechen, weil sich nur 25 statt 750 ProbandInnen fanden. Die Anforderungen an die TeilnehmerInnen seien zu speziell gewesen, verlautete aus der Firmen-Zentrale. Aber der Pharma-Riese lässt sich davon nicht entmutigen: „Wir werden (...) weiter schauen, was für Möglichkeiten es noch gibt, den Einsatz von Regorafenib auch im Bereich von Darmkrebs weiter zu untersuchen.“

Arznei-Tests: vereinheitlicht und schneller
Die Pillen-Riesen lagern immer mehr Arznei-Tests in ärmere Länder aus. Dort winken günstigere Preise, ein großes Reservoir an ProbandInnen und eine mangelhafte Aufsicht. Die Folge: Immer wieder kommt es zu Todesfällen. So starben 2011 in Indien 20 Menschen bei Erprobungen von BAYER-Medikamenten. Die EU bemüht sich jedoch darum, wieder mehr Pillen-Prüfungen in heimische Gefilde zurückzuholen und begegnet der Konkurrenz, indem sie ihrerseits die Sicherheitsstandards senkt. So hat Brüssel mit der Verordnung Nr. 536/2014 ein beschleunigtes und europa-weit vereinheitlichtes Genehmigungsverfahren für Medikamenten-Erprobungen eingeführt.

Fünf Arzneien in beschleunigter Entwicklung
In der Pharma-Forschung hat der Leverkusener Multi fünf Wirkstoffe als besonders aussichtsreich identifiziert und forciert deshalb deren Entwicklung besonders. Dabei handelt es sich um Molidustat zur Behandlung von Blutarmut mit begleitender Nierenschwäche, einen Phosphatidylinositol-Hemmer zur Tumor-Therapie, Vilaprisan für das Anwendungsgebiet „Gebärmutter-Geschwüre“ sowie Finerenon und einen Guanylatcyklase-Hemmer für die Indikation „Herzinsuffizienz“.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Mehr Pestizide wg. Klimawandel
Der Klimawandel, den BAYER & Co. durch den massenhaften Ausstoß von Kohlendioxid befördern, hat auch Einfluss auf den Pestizid-Verbrauch. Durch die Erderwärmung blühen nämlich die Ackerfrüchte früher – und mit ihnen auch die Wildgräser und Schadpilze. Darum lag hierzulande beispielsweise die Nachfrage nach Agro-Chemikalien im Februar und März 2014 um 15 Prozent über derjenigen des Vorjahres-Zeitraums. „Aufgrund der milden Witterung gab es ein durchgehendes Wachstum von Ungräsern im Wintergetreide, was dann höhere Aufwand-Mengen bei den Herbiziden erforderlich machte. Bei Fungiziden waren ungewöhnlich früh erste Rost-Infektionen zu verzeichnen. Insgesamt führte dieses Befallsgeschehen zu einem früheren und höheren Bedarf an Pflanzenschutzmitteln“, resümierte BAYER die Lage erfreut.

Neues Wurm-Mittel
Die Absatz-Chancen für Pestizide auf biologischer Basis vergrößern sich. ExpertInnen sagen für das Jahr 2020 ein Markt-Potenzial von drei Milliarden Dollar voraus. Darum baut BAYER diese Sparte aus. Der Leverkusener Multi will seinen Agrogift-Schrank jedoch nicht gleich entsorgen; „best of both worlds“ lautet die Devise. Und diese gedenkt er jetzt sogar in einem einzigen Produkt zusammenzuführen. Der Konzern entwickelt ein Mittel gegen Würmer, das sowohl mit der Agro-Chemikalie Fluopyram als auch mit dem Bodenpilz Purpureocillium lilacinum bestückt ist. Dieses Biologikum, den der Global Player als „BioAct“ markenrechtlich geschützt hat, soll bereits die Eier von Fadenwurm & Co. befallen und so eine Vermehrung verhindern.

Mehr Glufosinat aus Höchst
BAYERs Pestizid-Wirkstoff Glufosinat erfreut sich derzeit einer großen Nachfrage, weil immer mehr Wildpflanzen der MONSANTO-Substanz Glyphosat trotzen. Der Leverkusener Multi will deshalb am Standort Höchst die Produktion der Substanz, die er unter anderem in Kombination mit gentechnisch verändertem Saatgut vermarktet, auf 16.000 Tonnen im Jahr verdoppeln. Zuvor hatte der Agro-Riese bereits die Kapazitäten in Hürth bei Köln erweitert, obwohl die EU angekündigt hat, die Substanz 2017 wegen ihrer Gefährlichkeit aus dem Verkehr zu ziehen. Der Global Player hat es nämlich hauptsächlich auf die Absatz-Märkte in Südamerika und in den USA, wo er unlängst mit dem Bau einer neuen Glufosinat-Fertigungsstätte begonnen hat, abgesehen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN kritisiert diese Praxis der doppelten Standards scharf und fordert ein weltweites Verbot der Chemikalie. „Es ist zynisch, im Ausland eine Anbau-Technik zu forcieren, die mit der Verwendung eines hochgiftigen und bei uns demnächst verbotenen Pestizids verknüpft ist. Das Schicksal der LandarbeiterInnen und Landarbeiter in Lateinamerika oder Asien ist dem Konzern augenscheinlich gleichgültig.“

Weniger GAUCHO aus Ontario
GAUCHO und PONCHO, die beiden BAYER-Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide, haben einen großen Anteil am weltweiten Bienensterben. Die EU hat die Mittel deshalb vorerst bis Ende 2015 aus dem Verkehr gezogen und prüft ein generelles Verbot. Und jetzt hat auch ein kanadischer Bundesstaat reagiert: Ontario will den Einsatz von GAUCHO & Co. bis 2017 um 80 Prozent reduzieren. Vorausgegangen war der Entscheidung eine Untersuchung der Aufsichtsbehörde PMRA, nach der sich 2012 und 2013 in über 70 Prozent der toten Bienen Spuren von Neonicotinoiden fanden.

Neue Neonicotinoid-Studien
WissenschaftlerInnen finden immer mehr Beweise für die bienenschädigende Wirkung von GAUCHO, PONCHO und anderen Pestiziden aus der Gruppe der Neonicotinoide (s. o.). Gleich drei neue Studien legen Belege dafür vor. ForscherInnen der schwedischen Lund-Universität haben auf Rapsfeldern einmal BAYERs ELADO, das neben dem Neonicotinoid Clothianidin auch Beta-Cyfluthrin gegen Pilz-Befall enthält, und einmal nur Beta-Cyfluthrin pur ausgebracht. Ergebnis: Auf den Äckern ohne Neonicotinoide vermehrten sich Wildbienen und Hummeln deutlich besser; nur bei den Honigbienen zeigten sich keine Unterschiede. Eine Studie des EU-Wissenschaftsnetzwerks EASAC kam zu einem ähnlichen Befund und stellte zudem negative Auswirkungen von GAUCHO & Co. auf Pflanzen-Bestäuber wie Motten und Schmetterlinge fest. Und ForscherInnen der Newcastler Hochschule verglichen die Mittel sogar mit Drogen. „Die Tatsache, dass Bienen eine Vorliebe für neonicotinoid-belastete Nahrung haben, ist besorgniserregend, weil sie vermuten lässt, dass die Neonicotinoide ähnlich wie Nikotin als Droge wirken“, konstatierten sie. Darum reicht es ihnen zufolge nicht aus, den Bienen in der Nähe der kontaminierten Felder Blühstreifen mit Nahrungsalternativen anzubieten. Eine Einschränkung der Neonicotinoid-Verwendung sei womöglich der einzige Weg, den Rückgang der Bestäuber-Populationen aufzuhalten, so ihr Votum laut dpa. BAYER bezweifelt die Ergebnisse jedoch. Den WissenschaftlerInnen aus Newcastle wirft der Leverkusener Multi vor, mit zu hohen Wirkstoff-Konzentrationen gearbeitet zu haben, und bei der Untersuchung aus Schweden macht er methodische Mängel aus und bestreitet überdies die „Robustheit der Daten“.

Mangelhafte CALYPSO-Beratung
Der BUND hat untersucht, inwieweit Gartencenter und Baumärkte beim Kauf von Haushaltsgiften auf Risiken und Nebenwirkungen hinweisen. Dazu hat die Initiative in 17 Geschäften die BAYER-Produkte SCHÄDLINGSFREI CALYPSO und ZIERPFLANZENSPRAY LIZETAN sowie MONSANTOs ROUNDUP erworben. Die Bilanz fiel nicht eben gut aus. So resümiert der Umweltverband die Verkaufsgespräche zu CALYPSO wie folgt: „Auf die Gesundheitsgefahren (...) wurde bei der Beratung kaum eingegangen. Selten wurde empfohlen, bei der Ausbringung des Mittels Haut, Augen und Mund zu schützen. Die mögliche krebserregende Wirkung von SCHÄDLINGSFREI CALYPSO wurde nicht benannt.“

GENE & KLONE

Milliarden-Schaden durch LL601
Im Jahr 2006 war gentechnisch veränderter Langkorn-Reis von BAYER weltweit in Supermärkten aufgetaucht, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch nirgendwo eine Zulassung für die gegen das hochgefährliche Herbizid Glufosinat (Produktname: LIBERTY) resistente Sorte vorlag. Rund 30 Prozent der US-amerikanischen Ernte hatte der LL601-Reis verunreinigt. Für die LandwirtInnen, die Verarbeiter, die Exporteure und den Handel entstanden dadurch Verluste in Höhe von 1,18 bis 1,72 Milliarden Dollar. Das errechnete der „Schadensbericht Gentechnik“, den der „Bund ökologische Lebensmittel-Wirtschaft“ herausgegeben hat. An Entschädigung hat der Leverkusener Multi hingegen nur 560 Millionen Dollar gezahlt. Insgesamt verursachten die vier bisher größten Gen-Desaster Schäden in Höhe von 5,4 Milliarden Dollar.

Keine Kennzeichnung in Oregon
Seit einiger Zeit gibt es in US-amerikanischen Bundesstaaten Initiativen zur Einführung einer Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel mit gentechnisch veränderten Bestandteilen. BAYER & Co. investieren viel Geld, um diese Vorhaben zu Fall zu bringen und können leider schon Erfolge verbuchen. Nachdem bereits in Washington und Kalifornien BürgerInnen-Begehren scheiterten, erlitten die Gentechnik-GegnerInnen jetzt auch in Colorado und Oregon Niederlagen. In Vermont allerdings muss auf Nahrungsmitteln weiterhin draufstehen, was drin ist: Eine Klage der Lebensmittel- und Agrarindustrie gegen das entsprechende Gesetz scheiterte Ende April 2015, die Konzerne können jedoch noch in die Berufung gehen.

MON88701 mit Glufosinat-Resistenz
Schadinsekten gewöhnen sich zunehmend an die Pestizide, welche die Hersteller im Kombipack mit ihren gegen diese Wirkstoffe resistenten Genpflanzen verkaufen. Deshalb gehen die Multis nach der Devise „Doppelt hält besser“ immer mehr dazu über, ihre Sorten gleich gegen mehrere Agrochemikalien immun zu machen und gewähren sich gegenseitig Zugriff auf ihre Technologien. So haben die US-Behörden jüngst MONSANTOs Gen-Soja MON88701 zugelassen, das sowohl gegen Dicamba als auch gegen BAYERs Ultragift Glufosinat (siehe PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE) resistent ist.

Import-Zulassung für BAYER-Baumwolle
Bislang hatte die Europäische Union zentral über die Zulassung von Genpflanzen entschieden. Jetzt will Brüssel dies jedoch den Mitgliedsländern selber überlassen, wovon sich BAYER & Co. mehr Chancen für die Risiko-Technologie erhoffen (Ticker 3/14). Im Zuge dieser Veränderung hat die EU schnell noch reinen Tisch gemacht und alle Genehmigungsanträge für Gen-Importe bearbeitet. Ende April 2015 stand das Ergebnis fest. Die Kommission ließ neun Pflanzen neu zu. Darunter befanden sich auch zwei Labor-Früchte des Leverkusener Multis. Grünes Licht erhielten die Baumwoll-Sorten LLCotton25xGHB614, die gegen Glyphosat und BAYERs Ultragift Glufosinat (siehe auch PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE) resistent ist, und T304-40, welcher die Gen-WerkerInnen ebenfalls eine Immunität gegen Glufosinat und zudem noch das gegen Insekten wirkende Protein des „Bacillus thuringiensis“ (Bt) eingebaut haben. Darüber hinaus verlängerte die EU-Kommission zehn bereits bestehende Zulassungen. Jetzt muss sie nur noch über den 1507-Mais von PIONEER und DOW AGROSCIENCES befinden, der mit dem „Bacillus thuringiensis“ (Bt) bestückt ist und darüber hinaus über eine Glufosinat-Resistenz verfügt. Die Initiative TESTBIOTEST kritisiert das Schnellverfahren und kündigt eine Beschwerde an. „Die Risiken der jeweiligen Pflanzen wurden nicht ausreichend erforscht. Kombinierte Auswirkungen auf die Gesundheit, die auftreten können, wenn die Pflanzen in Nahrungsmitteln gemischt werden, wurden sogar überhaupt nie untersucht“, moniert die Organisation.

Neue EYLEA-Indikationen
BAYERs Gentech-Augenpräparat EYLEA, 2011 zunächst nur zur Behandlung der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – zugelassen, vermochte sein Anwendungsspektrum seither kontinuierlich zu erweitern. 2015 kamen zwei weitere Zulassungen hinzu. MedizinerInnen dürfen das Mittel künftig zur Therapie von solchen Flüssigkeitsansammlungen im Auge einsetzen, die nach einem Zentralvenen-Verschluss an der Netzhaut auftreten. Darüber hinaus genehmigten die Aufsichtsbehörden seinen Einsatz bei krankhaften Gefäß-Neubildungen auf der Netzhaut in Folge einer starken Kurzsichtigkeit.

WASSER, BODEN & LUFT

BAYCUSAN jetzt auch in China
Immer mehr Plastik-Abfälle gelangen in die Weltmeere und bedrohen das aquatische Ökosystem (siehe auch SWB 2/15). Eine besondere Gefahr stellt dabei Mikroplastik dar, denn diese Kleinst-Partikel enthalten nicht nur selbst Giftstoffe, sie wirken obendrein wie ein Magnet auf andere. Seine wasserabweisende und fettlösliche Oberfläche lockt nämlich Schadstoffe wie Polychlorierte Biphenyle (PCB), Pestizide, Medikamenten-Rückstände, Quecksilber, Blei oder Chrom an, die über die Nahrungskette gemeinsam mit den Mini-Kunststoffen auch in den menschlichen Organismus gelangen können. BAYER produziert diese Substanzen hauptsächlich für die Hersteller von Haarpflege- und Haarstyling-Mitteln, Wimperntusche sowie anderen Schmink-Utensilien. „Unsere Rohstoffe machen es der Kosmetik-Industrie überhaupt erst möglich, immer bessere Produkte zu entwickeln“, preist der Konzern seine Mikroplasten Polyurethan-32, Polyurethan-34, Polyurethan-35 und Polyurethan-48 an. Dem Unternehmen zufolge sorgen sie unter anderem für „samtige Haut“, „glänzendes Haar“ „geschmeidigen Glanz“ und „natürlichen Halt“. Im Frühjahr 2015 gelang es dem Leverkusener Multi, für seine unter dem Label BAYCUSAN angebotenen Mikroplastik-Artikel ein neues Absatz-Gebiet zu erobern. Er erhielt eine Zulassung für den chinesischen Markt.

Kochsalz aus Abwässern
Der Leverkusener Multi nimmt am Standort Krefeld eine Pilotanlage zur Wiedergewinnung von Kochsalz aus Prozess-Abwässern in Betrieb. Allerdings trägt er die Kosten dafür nicht allein. Der Bund subventionierte das Recycling-Projekt mit 738.000 Euro.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

Härtere Zeiten für Bisphenol
BAYER ist mit einer Jahresproduktion von ca. einer Million Tonnen einer der größten Produzenten der Industrie-Chemikalie Bisphenol A. Drei Prozent davon finden in Lebensmittel-Verpackungen wie etwa Konservendosen Verwendung, und das bringt Gesundheitsrisiken mit sich. Die Substanz ähnelt in ihrem chemischen Aufbau nämlich Hormonen, was Auswirkungen auf den menschlichen Stoffwechsel hat und zu Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen führen kann. Deshalb steht der Stoff seit Jahren in der Kritik. Die EU, die im März 2011 bereits seine Verwendung in Babyflaschen untersagt hatte, erhöhte unlängst die Grenzwerte (Ticker 1/15). Frankreich ging noch weiter. Der Staat erließ einen kompletten Bann für Bisphenol in Nahrungsmittel-Behältnissen. Das wiederum nahm der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel (Bündnis 90/Grüne) zum Anlass, strengere Maßnahmen auch hierzulande zu fordern: „Das ist ein deutliches Zeichen. Frankreich hat mit diesem Verbot den richtigen ersten Schritt getan. Deutschland muss nun folgen.“ Gemeinsam mit seinen KollegInnen aus Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein startete er deshalb auf der Bundeskonferenz der Landesumweltschutz-MinisterInnen eine entsprechende Gesetzes-Initiative.

Bisphenol in Zahn-Füllungen
Die gefährliche Chemikalie Bisphenol A treibt nicht nur in Lebensmittel-Verpackungen ihr Unwesen (s. o.), sondern auch in Zahn-Füllungen. Zudem finden sie in Zahn-Klebern und -Versieglern Verwendung. „Trotz sorgfältigster Verarbeitung können diese Substanzen im Mund freigesetzt werden“, warnt die Umweltzahnmedizinerin Dr. Hiltrud Boeger.

PLASTE & ELASTE

BMS entwickelt neuen Kunststoff
Die Chemie-Unternehmen nutzen zunehmend Biomasse zur Kunststoff-Fertigung. Als Ausgangsstoffe für die Erdöl-Alternative dienen unter anderem Milchsäure und Zucker. Mit Pentamethylen-Diisocyanat (PDI) hat auch BAYER MATERIALSCIENCE (BMS) ein solches Produkt entwickelt. „Die Umweltverträglichkeit wird zur Markt-Erfordernis“, so begründete die vor der Loslösung vom Konzern stehende Sparte diesen Schritt. Bedenken, die Nutzung der Äcker als Rohstoff-Reservoir für die Plaste-Produktion könnte den Anbau von Pflanzen für die Lebensmittel-Herstellung beeinträchtigen, weist BMS zurück. Die Biomasse-Gewinnung erfolge „ohne direkte Konkurrenz zur Nahrungsmittel-Produktion“, beteuert die Teil-Gesellschaft.

STANDORTE & PRODUKTION

Duisberg-Park noch ohne Statuen
Im Januar 2012 hatten MetalldiebInnen den Leverkusener Carl-Duisberg-Park heimgesucht und mehrere Skulpturen aus der Sammlung des ehemaligen BAYER-Generaldirektors Carl Duisberg (siehe auch AKTION & KRITIK) entwendet. Dankenswerterweise sackten sie dabei auch einige Werke des Nazi-Künstlers Fritz Klimsch ein, der unter anderem Büsten von Ludendorff und Hitler anfertigte und von Goebbels das Attribut „der reifste unter unseren Plastikern“ verliehen bekam. Nach dem Raub baute der Pharma-Riese die noch im Park verbliebenen Kunstwerke ab. Er kündigte an, ein Sicherheitskonzept zu erarbeiten und die Hervorbringungen von Klimsch & Konsorten dann wieder öffentlich zu präsentieren. Ursprünglich sollte dies schon 2013 der Fall sein. Dann verschob der Konzern die Sache auf 2015, und inzwischen nennt er gar kein Datum mehr.

Planungsstau wg. Chemie-„Parks“
Die Notwendigkeit, ihre EinwohnerInnen vor den Gefahren zu schützen, die von BAYERs Chemie-„Parks“ ausgehen, stellt die Standort-Städte vor zunehmende Probleme. Die Seveso-Richtlinie der EU schreibt nämlich einen ausreichenden Abstand zwischen Industrie-Anlagen und anderen Gebäuden vor. In Leverkusen, wo der Pharma-Riese vor zwei Jahren auch selber seinen Plan begraben musste, in unmittelbarer Nähe des Werksgeländes einen Kindergarten zu errichten, liegen aus diesem Grund derzeit Pläne brach, den Süden Wiesdorfs zu entwickeln. Die Kommune hat erst einmal ein Seveso-Gutachten in Auftrag gegeben, um die Realisierungschancen zu evaluieren. Das tat auch Dormagen, obwohl die – nicht zuletzt wegen magerer Gewerbesteuer-Zahlungen von BAYER – darbenden Kommune dafür einiges Geld investieren musste. „Das fällt uns in der gegenwärtigen Haushaltslage nicht leicht. Ohne das Gutachten könnten wir aber anstehende Baugenehmigungen nicht erteilen und hätten einen Stillstand in der Stadtentwicklung“, erklärte Bürgermeister Erik Lierenfeld (SPD). Bis zum Ende des Jahres erste Zwischenergebnisse vorliegen, müssen Projekte in Dormagen-Mitte, Horrem, Hackenbroich, Rheinfeld und auf dem Areal der ehemaligen Zuckerfabrik mindestens noch auf ihre Ausführung warten. Und in Monheim steht derweil das Vorhaben der Stadt, die Rheinauen nach ökologischen Kriterien umzugestalten und besser für den Tourismus zu erschließen, auf dem Prüfstand.

Instandhaltung mit BILFINGER
Am Standort Frankfurt übernimmt der Bau-Konzern BILFINGER weiterhin die Instandhaltung und Wartung der Produktionsanlagen von BAYER CROPSCIENCE. Auch für Umbauten bleibt er die nächsten drei Jahre zuständig. Einen entsprechenden, 40 Millionen Euro schweren Vertrag schlossen die beiden Unternehmen im Januar 2015.

JENAPHARM verkauft Pharma-„Park“
Der Leverkusener Multi stutzte seine Tochter-Firma JENAPHARM Stück für Stück. 2006 schloss er die Forschungs- und Ende 2011 die Entwicklungsabteilung. 2013 schließlich wanderte die Logistik in die BAYER-Zentrale ab. Durch diesen Schrumpfungsprozess gab es im Jenaer Pharma-„Park“ immer mehr Leerstände. Und da die Geschäftsleitung die Suche nach Mietern und das gesamte Immobilien-Management nicht mehr selber übernehmen wollte, verkaufte sie das Gelände an das Unternehmen INFRAREAL, das in Marburg bereits das Grundstück des Arznei-Herstellers BEHRING erworben hatte.

VOTIVO-Grundstoff aus Bergkamen
Die Bergkamener Niederlassung des Leverkusener Multis, die bisher nur pharmazeutische Produkte herstellte, fertigt jetzt auch den Grundstoff für BAYERs Bio-Pestizid VOTIVO. In einer Anlage des Werkes wird der Bakterienstamm „Bacillus firmus“ herangezüchtet, der Mais-Pflanzen vor Fadenwürmern schützen soll. Die Weiterverarbeitung findet allerdings in Leverkusen statt und die Endproduktion in einer französischen Konzern-Niederlassung, so dass in dem nordrhein-westfälischen Werk keine neuen Arbeitsplätze entstehen.

Mehr Propamocarb aus Hürth
BAYER hat am Pestizid-Produktionsstandort Hürth, wo sich im Oktober 2014 ein Brand ereignete (Ticker 4/14), eine neue Anlage zur Fertigung von Propamocarb in Betrieb genommen. Mit ihr will der Leverkusener Multi die Herstellungsmenge der Substanz, die er unter dem Namen VOLARE vertreibt, verdoppeln. Für Mensch, Tier und Umwelt ist das keine gute Nachricht. Das Mittel wirkt nämlich hormon-ähnlich. Es kann deshalb den menschlichen Organismus aus dem Gleichgewicht bringen und zu Krebs, Stoffwechsel-Störungen, Unfruchtbarkeit und neurologischen Erkrankungen führen.

Brunsbüttel im Abwind
Der Leverkusener Multi betreibt in Brunsbüttel eine Kunststoff-Produktion. Frank Nägele, der Wirtschaftsstaatssekretär der rot-grünen Landesregierung in Schleswig-Holstein, zeichnete jetzt ein düsteres Bild der wirtschaftlichen Zukunft der Stadt und machte dafür nicht zuletzt die Geschäftspolitik des Global Players verantwortlich. „Das Industrie-Gebiet Brunsbüttel hat seinen Zenit überschritten“, sagte er bei einer Veranstaltung zum möglichen Ausbau des Hafens. Als Gründe nannte der Sozialdemokrat neben der Stilllegung der CHEMISCHEN FABRIK BRUNSBÜTTEL (CFB), in der unter anderem Teile von BAYERs einstiger Textilfarben-Produktion aufgegangen waren, auch die Entscheidung des Leverkusener Multis, sich von seiner Kunststoff-Sparte zu trennen. „Allein schon der Name ‚BAYER’ wird damit als Zugpferd fehlen“, so Nägele.

IMPERIUM & WELTMARKT

Veterinär-Sparte vor Verkauf?
In der Tierarznei-Branche hat ein Konzentrationsprozess eingesetzt, der BAYER unter Druck setzt. „Das lässt uns vor allem auf die Frage blicken, bis zu welchem Grad kritische Größe wichtig für die Tiermedizin ist“, sagte Konzern-Chef Marijn Dekkers und kündigte an, die Sparte auf den Prüfstand zu stellen. Unterdessen hat der Pharma-Riese sich schon von einigen Pharmazeutika für Pferde getrennt. Zudem machte er ein Werk im US-amerikanischen St. Joseph dicht (siehe auch POLITIK & EINFLUSS) und führt mit DVM und EXPERT CARE lediglich zwei der dort hergestellten Produkt-Reihen weiter. Plänen, die Veterinär-Abteilung zu vergrößern, erteilte Dekkers indes im Herbst 2014 bei einer Telefon-Konferenz mit Investoren eine Absage.

Mehr Ackergifte für China
Der Leverkusener Multi will mehr von der Industrialisierung der chinesischen Landwirtschaft profitieren (siehe Ticker 1/15) und kündigte an, bis zum Jahr 2020 mehr als 20 neue Produkte in dem Land herauszubringen und seine Belegschaft zu erweitern.

RECHT & UNBILLIG

LIZETAN-Klage: BUND siegt
BAYER-Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide haben einen großen Anteil am weltweiten Bienensterben. Die Ackergifte GAUCHO und PONCHO hat die EU deshalb bereits vorerst aus dem Verkehr gezogen. Andere Mittel wie etwa SCHÄDLINGSFREI CALYPSO und ZIERPFLANZENSPRAY LIZETAN vertreibt der Agro-Riese hingegen weiter; und er bezeichnet die beiden Produkte mit dem Wirkstoff Thiacloprid sogar als „nicht bienengefährlich“. Als eine Irreführung der VerbraucherInnen stellte der BUND das dar, was der Leverkusener Multi nicht auf sich sitzen lassen wollte: Er verklagte die Organisation. Das Düsseldorfer Landgericht gab der Initiative jedoch Recht. Die Richterin sah in der BUND-Kritik eine Aussage, die „als Meinungsäußerung einen erhöhten Schutz genießt“. „Wir freuen uns über diesen Erfolg. Das ist ein Sieg für die Bienen und für die Meinungsfreiheit“, kommentierte der BUND-Pestizidexperte Thomas Brückmann. Der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger forderte derweil politische Konsequenzen: „Die Bienengefährlichkeit der BAYER-Produkte mit dem Neonicotinoid-Wirkstoff Thiacloprid ist belegt. BAYER muss sie umgehend vom Markt nehmen.“. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hatte den BUND bei dieser juristischen Auseinandersetzung unterstützt und sich an Protestaktionen zu den Prozess-Terminen vor dem Düsseldorfer Landgericht beteiligt.

CBG-Klage wg. Schleichwerbung
„BAYER duldet keine Gesetzes-Verstöße bei der Vermarktung seiner Produkte. Verantwortungsvolles Marketing steht auch für ethisch-moralische Grundsätze“, heißt es in einem Nachhaltigkeitsbericht des Leverkusener Multis. Dennoch überschreitet er immer wieder die Grenzen des Erlaubten. Beispielsweise hat die österreichische Konzern-Tochter die PR-Agentur Mhoch3 engagiert, um „Online-Reputationsmanagement“ zu betreiben und im Netz mittels gefaketer Postings Anti-Flohmittel für Katzen und andere Produkte des Unternehmens anzupreisen (siehe auch SWB 1/15). Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) entschloss sich, gegen diese Werbe-Praxis von BAYER gerichtlich vorzugehen und Anzeige zu erstatten. Die Staatsanwaltschaft beabsichtigt jedoch, das Verfahren einzustellen. Das Heilmittel-Werbegesetz verbiete es zwar, „eine aus fachkundigen Kreisen vorgegebene objektive Informationsvermittlung vorzutäuschen“, aber im vorliegenden Fall hätten ja Laien gehandelt, weshalb das Paragrafen-Werk nicht greife, so die JuristInnen zur Begründung. Zudem handle es sich um eine ausländische Firma, für die bundesdeutsches Recht nicht gelte, meinten die StaatsanwältInnen, obwohl sich die Gesellschaft zu 100 Prozent in BAYER-Besitz befindet und weisungsgebunden ist. Die Coordination will eine Ablehnung der Klage deshalb nicht akzeptieren und hat Beschwerde beim Generalstaatsanwalt eingelegt.

IPPNW-Beschwerde wg. Schleichwerbung
Die Organisation INTERNATIONALE ÄRZTE FÜR DIE VERHÜTUNG DES ATOMSKRIEGS (IPPNW) hat BAYERs Schleichwerbung im Netz mittels gefaketer Postings zur Hormon-Spirale MIRENA und anderen Produkten (s. o.) zum Anlass genommen, bei der „Freiwilligen Selbstkontrolle der Arzneimittel-Industrie“ eine formelle Beschwerde einzureichen. Das Gremium akzeptierte diese jedoch nicht. Zunächst verwies es wie die Kölner Staatsanwaltschaft wegen des Firmensitzes „Österreich“ auf Nichtzuständigkeit, und als der IPPNW dieses Argument mit Verweis auf die genauen Besitzverhältnisse entkräftete, lehnte das vermeintliche Selbstkontroll-Organ die Eingabe einfach mit der Begründung „Verjährung“ ab.

NEXAVAR-Prozess

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2012 erlaubte das Indian Patent Office (IPO) dem Generika-Hersteller NATCO PHARMA, eine preisgünstige Version von BAYERs patent-geschütztem Krebs-Medikament NEXAVAR herauszubringen. Das IPO begründete die Ausstellung einer Zwangslizenz damit, dass der Pharma-Riese es versäumt habe, den Preis für das Medikament (monatlich 4.200 Euro) auf eine für indische PatientInnen bezahlbare Höhe herabzusetzen. Zudem habe der Konzern die Arznei den Kranken nicht in ausreichender Menge zur Verfügung gestellt. Das räumte BAYER auch unumwunden ein. „Wir haben diese Arznei nicht für Inder entwickelt (...) Wir haben sie für westliche PatientInnen entwickelt, die sie sich auch leisten können“, so der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers. Trotzdem versuchte der Leverkusener Multi alles, um das IPO-Votum rückgängig zu machen. Er konnte sich aber bisher nicht durchsetzen. So schmetterte der Mumbai High Court im Juli 2014 seine Patentverletzungsklage ab, und auch im Berufungsverfahren vier Monate später scheiterte das Unternehmen. Wie der Global Player auf das Urteil reagieren wird, ließ ein Sprecher der Aktien-Gesellschaft noch offen.

NEXAVAR-Prozess

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Neben dem Patent-Streit, der in Indien um BAYERs Krebs-Medikament NEXAVAR tobt (s. o