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Lipobay

CBG Redaktion

Presse Info vom 23. Januar 2013
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Lipobay-Skandal:

BAYER in Italien zu Entschädigung verurteilt

Italienische Medien berichten, dass der BAYER-Konzern in der vergangenen Woche von einem Gericht in Venedig zu einer Entschädigung von 350.000 Euro an ein Lipobay-Opfer verurteilt wurde (siehe Artikel Il Gazzettino). Ein damals 51-jähriger Arzt hatte sich das Präparat im Jahr 1999 selbst verschrieben. Zwei Monate später erlitt er eine lebensbedrohliche Rhabdomyolyse (Muskelzerfall) und war zu 100% arbeitsunfähig geworden. Er bezieht seitdem eine Invalidenrente. BAYER muss auch die Verfahrenskosten in Höhe von 14.000 Euro tragen.

Erst im vergangenen September war das Unternehmen in Buenos Aires zu einer Entschädigung von 160.000 Euro an ein argentinisches Lipobay-Opfer verurteilt worden. Das Urteil hatte einen kausalen Zusammenhang zwischen der Einnahme des Präparats und schweren Gesundheits-Schäden sowie ein schuldhaftes Verhalten des Konzerns festgestellt.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG): „Firmeninterne Dokumente belegen, dass das Management von BAYER die schweren Gesundheitsschäden der Patienten billigend in Kauf nahm und dabei sogar Warnungen aus dem eigenen Haus missachtete. Die Entscheidungen der Gerichte in Argentinien und nun in Italien sind daher eine große Genugtuung für die Betroffenen in aller Welt. Zusätzlich fordern wir strafrechtliche Konsequenzen für die damaligen Verantwortlichen bei BAYER.“

Der Konzern hatte das Präparat im August 2001 nach über 100 Todesfällen vom Markt genommen. Weltweit leistete BAYER Vergleichszahlungen von über einer Milliarde Euro. In den meisten Fällen zahlte das Unternehmen Entschädigungen, bevor es zu einer Verurteilung kam. In Deutschland kam es nur zu marginalen Zahlungen.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hat heute eine Kampagnenseite zum Lipobay-Skandal mit Berichten von Betroffenen, Gerichtsurteilen und Presseberichten veröffentlicht

[Tierversuche] Brutal & nutzlos

CBG Redaktion

BAYERs Tierversuche

Die Pharma-Industrie rechtfertigt Tierversuche mit der Entwicklung neuer Medikamente für kranke Menschen. Zahlreiche Fakten zeigen aber, dass der Tierversuch „im Dienste der Medizin“ nicht nur Tieren, sondern auch Menschen gegenüber verantwortungslos ist. Pillen-Riesen wie BAYER geht es dabei einzig und allein um ihren Profit – auf dem Rücken von PatientInnen und Tieren.

Von Silke Bitz (ÄRZTE GEGEN TIERVERSUCHE e. V.)

Nach aktueller Statistik wurden im Jahr 2010 allein in Deutschland rund 2,9 Millionen Wirbeltiere für Versuchszwecke verwendet (1). Davon entfallen ca. 6,6 Prozent auf die Forschung im Hause BAYER. Der Leverkusener Multi „verbrauchte“ 192.412 Tiere; im Jahr 2011 stieg die Zahl sogar auf 199.636. (2) Während in den eigenen Laboren des Konzerns mit 168.825 weniger Tiere als 2010 starben, wo es noch 171.627 waren, erhöhte sich Anzahl der Tiere, die bei vom Agro-Riesen beauftragten externen Dienstleistern ihr Leben ließen, von 19.785 auf 30.811. Mit 91,7 Prozent machen Mäuse, Ratten, Kaninchen, Meerschweinchen und Hamster den Großteil der im Labor getöteten Tiere aus.

Versuche ohne Nutzen
Viele Menschen glauben, dass die Erforschung menschlicher Krankheiten ohne diese Tieropfer zum Erliegen käme und es keine neuen Medikamente mehr gebe. Dies ist aber ein Trugschluss. Das Ende der Tierversuche bedeutet keineswegs das Ende des medizinischen Fortschritts. Denn bei allen Heilversprechen der Verfechter dieser Praxis darf man eines nicht vergessen: Da die meisten menschlichen Krankheiten bei Tieren nicht vorkommen, werden die Symptome auf künstliche Weise in so genannten „Tiermodellen“ nachgeahmt. Um zum Beispiel Parkinson auszulösen, wird bei Affen und anderen Geschöpfen ein Nervengift in das Gehirn injiziert, das Hirnzellen zerstört. Bei Mäusen wird Krebs durch Genmanipulation oder Injektion von Tumor-Zellen hervorgerufen. Einen Schlaganfall versucht man durch das Einführen eines Fadens in eine Hirn-Arterie von Mäusen zu simulieren. Die Zuckerkrankheit entfachen die MedizinerInnen in Ratten durch die Injektion eines Giftes, das die Insulin produzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse zerstört. Einen „menschlichen“ Herzinfarkt ahmen die ForscherInnen an Hunden durch das Zuziehen einer von außen bedienbaren Schlinge um ein Herzkranzgefäß nach.

Die am Tier künstlich herbeigeführten Symptome haben jedoch nichts mit den menschlichen Krankheiten gemein. Die Gattungen untereinander sowie Mensch und Tier unterscheiden sich grundlegend in Körperbau und Stoffwechsel. Auch wichtige Aspekte der Krankheitsentstehung wie Ernährung, Lebensgewohnheiten, der Einfluss von Suchtmitteln, schädlichen Umwelteinflüssen, Stress sowie psychische und soziale Faktoren werden gänzlich außer Acht gelassen. Ergebnisse aus Studien mit Tieren sind daher irreführend und tragen nichts zum Verständnis über menschliche Krankheiten oder gar deren Heilung bei.

Selbst die Ergebnisse aus klinischen Studien, die meist an jüngeren Menschen stattfinden, sind nicht einfach auf Kinder oder alte Menschen übertragbar, auch Unterschiede zwischen Männern und Frauen werden unzulänglich berücksichtigt. Wenn schon die Übertragung von Ergebnissen von einem Menschen auf einen anderen aufgrund von alters- und geschlechtsspezifischen Unterschieden problematisch ist, liegt es nahe, dass der Tierversuch noch viel weniger Aufschluss über Ursachen und Heilungsmöglichkeiten menschlicher Leiden liefern kann.

Wie ein neues Medikament beim Menschen wirkt, lässt sich also auf der Grundlage von Tierversuchen nicht mit der nötigen Sicherheit feststellen. Dass man sich trotz dieser Unsicherheit auf Tierversuche verlässt, hat fatale Folgen. Allein in Deutschland sterben einer Studie der Medizinischen Hochschule Hannover zufolge jährlich 58.000 Menschen an den Folgen von Arzneimittelnebenwirkungen.(3) Und immer wieder werden Medikamente, die aufgrund von Tierversuchen als sicher befunden wurden, wegen schwerer, oft sogar tödlicher Nebenwirkungen vom Markt genommen oder erreichen die Apotheken gar nicht erst.

So wurde die Substanz TGN1412, ein Wirkstoff der Würzburger Firma TEGENERO zur Behandlung schwerer Krankheiten wie Leukämie, Arthritis und Multipler Sklerose, ausgiebig unter anderem an Affen getestet. Im Tierversuch waren keine Nebenwirkungen ersichtlich. Bei den Testpersonen jedoch traten lebensbedrohliche bleibende Schäden auf.

Schätzungsweise 7.000 PatientInnen erkrankten oder verstarben in Deutschland durch die Einnahme des Schmerzmittels VIOXX. Zu diesem Ergebnis kommt eine Berechnung des Kölner „Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWIG). Das Rheuma-Medikament kam im Jahr 2000 auf den Markt, verlor aber vier Jahre später seine Zulassung, weil eine Studie gezeigt hatte, dass das Präparat Herzinfarkte, Thrombosen und Schlaganfälle verursachte. Der damalige IQWIG-Leiter Peter Sawicki schätzte die Zahl der VIOXX-Opfer sogar noch um rund 20 Prozent höher ein, da er davon ausging, dass Privatversicherte das relativ teure neue Medikament häufiger verschrieben bekamen als Kassen-PatientInnen.(4)

In den 1990er Jahren hat die Wissenschaft mit der so genannten Krebsmaus den Durchbruch in der Bekämpfung der Krankheit medienwirksam gefeiert und Hoffnungen geweckt, die bis heute nicht erfüllt werden konnten. Denn Krebs ist zwar im Labor bei verschiedenen Tierarten heilbar, bislang aber nicht beim Menschen. AIDS-ForscherInnen experimentierten beispielsweise jahrelang mit Affen, bis deutlich wurde, dass diese Tierart überhaupt keine Krankheit bekommt, die mit dem bei Menschen auftretenden AIDS vergleichbar wäre. Deshalb stammen die wesentlichen Erkenntnisse über AIDS aus Forschung ohne Tierversuche.

Untersuchungen der amerikanischen Arzneimittelbehörde (FDA) ergaben derweil, dass 92 Prozent der potenziellen Medikamente, die sich im Tierversuch als wirksam und sicher erwiesen haben, nicht durch die klinische Prüfung kommen – beim Menschen zeigt sich entweder gar keine oder aber eine unerwünschte Wirkung.(5) Und eine Studie des Cambridge Hospitals und der Harvard Medical School zur Arzneimittelsicherheit erbrachte den Nachweis, dass rund 20 Prozent der Medikamente, die es auf den Markt schaffen, entweder wieder zurückgenommen werden oder entsprechende Warnungen erhalten.(6) Das „Tiermodell“ bietet damit also keine objektive Sicherheit, sondern kann lediglich als Glücksspiel betrachtet werden, das im schlimmsten Fall nicht nur für die Tiere tödlich endet, sondern auch für Menschen.

Wer also glaubt, die Pharmariesen würden ihre Produkte auf den Markt bringen, um uns Menschen von Krankheiten zu heilen, irrt gewaltig. Vorrangiges Interesse ist das Einfahren großer Gewinne in möglichst kurzer Zeit. Dabei schrecken die Konzerne auch vor skrupellosen PR-Maßnahmen nicht zurück. So wird den VerbraucherInnen in Zeitschriften wie beispielsweise der Apotheken Umschau ein scheinbar gut recherchierter, mit Aussagen von WissenschaftlerInnen untermauerter Bericht über die angeblich positive Wirkung eines Medikaments präsentiert. Von ZDF Frontal 21 versteckt gefilmte Aufnahmen von Verhandlungsgesprächen zwischen Presse- und PharmavertreterInnen brachten diese schockierenden Machenschaften ins Licht der Öffentlichkeit. Sie zeigten auf, wie PharmavertreterInnen systematisch ÄrztInnen, PolitikerInnen und die Medien kaufen und die Verzweiflung von Hilfe suchenden PatientInnen gnadenlos ausnutzen. Trotz Kenntnis über schwere Nebenwirkungen werden mit allen Mitteln Medikamente auf den Markt gebracht. Frontal 21 ist es sogar ohne Probleme gelungen, Angebote für die Bewerbung eines puren Phantasieprodukts in namhaften Zeitschriften zu erhalten.7

Schädliche Nebenwirkungen von Wirkstoffen kehren die Unternehmen hingegen gern unter den Tisch, z. B. indem sie nur „positive“ Studien veröffentlichen, die „negativen“ aber nicht.8 Gelangen Informationen über schwerwiegende oder gar tödliche Nebenwirkungen eines Präparates an die Öffentlichkeit, so versuchen die Pillen-Riesen zumeist, das Desaster so lange wie möglich zu vertuschen oder schönzureden. BAYER tat das beispielsweise im Fall des Blutstillungspräparats TRASYLOL und PFIZER beim Antidepressivum ZOLOFT, das zu einer Steigerung der Selbsttötungsabsicht führt.8 In den USA gab es entsprechende Warnungen, aber obwohl die tödliche Nebenwirkung auch in Deutschland längst bekannt war, stand auf der Packungsbeilage nichts davon.

Die Pharma-GAUs
Leidtragende dieser bei BAYER und anderen Pharma-Multis vorherrschenden Firmenphilosophie sind die Menschen, die - in gutem Glauben an Heilung - Opfer von Arzneimittel-Nebenwirkungen werden. Die Liste der wegen schwerer, oft sogar tödlicher Nebenwirkungen vom Markt genommenen und allesamt ausführlich an Tieren getesteten Medikamente ist lang: TRASYLOL und LIPOBAY von BAYER sowie VIOXX, ACOMPLIA und TGN1412 befinden sich unter anderem darauf.

TRASYLOL, ein Medikament gegen Blutverlust bei Bypass-Operationen, stand schon seit Anfang 2006 in der Kritik. Eine kanadische Studie mit über 4.300 Bypass-PatientInnen hatte eine erhöhte Sterberate und ein doppelt so hohes Risiko für Nierenversagen im Vergleich zur Nichtbehandlung ergeben.9 Eine Hochrechnung der Ergebnisse ergab, dass das zu mehr als 11.000 Dialysen pro Jahr geführt hat. Die Aufsichtsbehörden schränkten daraufhin das Anwendungsgebiet von TRASYLOL ein und ordneten das Anbringen von Warnhinweisen auf den Verpackungen an. Auch einer von BAYER selbst in Auftrag gegebenen Untersuchung mit 67.000 PatientInnen zufolge treten verstärkt schwere Nierenschäden, Herzversagen und Schlaganfälle mit Todesfolge auf, weshalb der Global Player die Ergebnisse gegenüber der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA zunächst verschweigt.10 Andere Analysen bestätigten die Resultate. Darum zogen das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und die FDA die Notbremse und sprachen ein Verkaufsverbot aus.11 Im Frühjahr 2012 hob die europäische Arzneimittel-Behörde EMA den Bann wegen angeblicher Fehler in der Studie, die zum TRASYLOL-Stopp geführt hatte, wieder auf.

Beim als Schwangerschaftstest eingesetzten Hormonpräparat DUOGYNON des Berliner Unternehmens SCHERING, das heute zu BAYER gehört, kam es verstärkt zu Fehlgeburten und schweren Missbildungen von Kindern. Aus internen Dokumenten geht hervor, dass der Pharmafirma die fatalen Nebenwirkungen bereits seit 1967 bekannt waren. Das Bundesgesundheitsministerium sprach erst 1978 eine offizielle Warnung aus, das Medikament war bis 1980 zugelassen.12

Bis zum Sommer 2001 starben weltweit mehr als 100 Menschen an den Nebenwirkungen des Cholesterin-Senkers LIPOBAY, mindestens sieben davon in Deutschland. Schwerer Muskelzerfall mit nachfolgendem tödlichem Nierenversagen lautete die Diagnose. Bei weiteren 1.100 Patienten traten gravierende Nebenwirkungen auf. BAYER musste seinen Verkaufsschlager vom Markt nehmen.

In medias animal
Wie alle Medikamente, wurde auch der LIPOBAY-Wirkstoff Cerivastatin vor seiner Marktzulassung ausführlich getestet. In einer Reihe von Tierversuchen testeten die WissenschaftlerInnen zunächst die Cholesterin-Spiegel senkende Wirkung von Cerivastatin. An Ratten, Mäusen und Hunden untersuchten sie die Verstoffwechslung und Ausscheidung der Substanz im Körper. Die Mäuse erhielten dazu radioaktiv markiertes Cerivastatin, dann entnahmen die ExperimentatorInnen in bestimmten Zeitabständen Urin-, Blut-, Galle- und Leberproben. Das Blut gewannen sie aus dem Venengeflecht hinter dem Auge oder durch Ausbluten durch einen Schnitt in die Halsschlagader. Für die Entnahme von Leberproben betäubten oder töteten die BAYER-Beschäftigten die Mäuse. Um die Galle zu gewinnen, operierten sie Katheter in die Gallengänge ein. Weitere Studien führten sie mit frisch gewonnener Galle von Hunden und Ratten durch.13

Dann folgten umfangreiche Tierversuche zum Nachweis der Unbedenklichkeit14: Hierfür bekamen die Affen, Hunde, Minischweine, Ratten und Mäuse die Substanz in verschiedenen Dosierungen über eine direkt in den Magen führende Schlundsonde verabreicht. An Ratten und Kaninchen testeten die ExperimentatorInnen den Einfluss auf die Fruchtbarkeit und auf die Embryo-Entwicklung während der Schwangerschaft und prüften mögliche Folgeschäden nach der Geburt. Ratten und Mäuse erhielten das Medikament vor oder während der Schwangerschaft. Einige Zeit später töteten sie die Tiere, um eventuelle Schäden am Erbgut zu untersuchen. Zur Untersuchung krebserregender Eigenschaften gaben sie die Substanz weiteren Ratten und Mäusen, um sie später zu Untersuchungszwecken zu töten.

In den Tierversuchen hatten sich zwar einige Nebenwirkungen gezeigt, doch waren diese anders als die, die sich später beim Menschen einstellten. Die PatientInnen litten an Rhabdomyolyse, einem tödlich verlaufenden Muskelzerfall. Bei einigen Tierarten waren nur leichte Muskelschäden und auch nur bei hohen Dosierungen aufgetreten, stattdessen waren bei ihnen Magenblutungen und Augenschäden zu verzeichnen. Die Auswirkungen des Medikaments auf den Menschen konnten im Tierversuch also nicht erkannt werden.

Wie dieser Fall demonstriert, lassen Tierversuche allenfalls eine vage Hypothese über die Wirkung von Substanzen beim Menschen zu. Ob und wie ein neues Medikament beim Menschen dann tatsächlich wirkt, zeigt sich immer erst am Menschen selbst. Erst dann kann man beurteilen, ob die Tierversuchsergebnisse mit den Befunden am menschlichen Patienten übereinstimmen oder nicht.

Trotz der nicht gegebenen Übertragbarkeit von Ergebnissen aus tier-experimentellen Untersuchungen auf den Menschen müssen Tiere als Tester für immer neue Rezepturen herhalten. Dabei handelt es sich in den allermeisten Fällen nicht einmal um Produkte, die die Medizin voranbringen. So erklärte beispielsweise die Firma BAYER völlig normale Alterserscheinungen des Mannes zu einem Testosteron-Mangel-Syndrom, um einen neuen Absatzmarkt für ein Hormonpräparat zu schaffen. In Deutschland tummeln sich nach Angaben des BfArM auf dem Markt derzeit 89.374 Arzneien, davon 43.422 verschreibungspflichtige.15 Im Jahr 2011 wurden rund 2.400 Zulassungs- und Registrierungsanträge gestellt.16 Laut „Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft“ helfen nur 10 bis 30 Prozent der neuen Medikamente besser als ihre Vorläufer. Auf die restlichen Pharmazeutika könne man in Zukunft verzichten, ohne dass sich die Qualität der PatientInnen-Versorgung verschlechtern würde.17 Die WHO hält nur 325 Medikamente zur Behandlung menschlicher Erkrankungen für erforderlich.18

Forschung ohne Tierversuche
Tierversuche sind weder ethisch zu rechtfertigen, noch sind sie sinnvoll für den medizinischen Fortschritt. Sie halten diesen sogar auf. In den letzten Jahrzehnten entwickelten WissenschaftlerInnen unzählige tierversuchsfreie Forschungsmethoden. Bei den In-vitro-Verfahren testen sie potentielle Wirkstoffe an schmerzfreier Materie wie Zellen, Gewebe oder Mikroorganismen. Ausgeklügelte Computersimulationen stellen die Verstoffwechslung einer Substanz im menschlichen Körper detailliert dar. Auf Biochips analysieren ForscherInnen wie in einem künstlichen Minimenschen Auswirkungen von Pharma-Stoffen auf bestimmte Organe. In einem System aus winzigen Gängen und Kanälen siedeln sie menschliche Zellen an und lassen den zu testenden Wirkstoff durch den so geschaffenen Organismus zirkulieren. Solche Forschungsmethoden sind nicht nur schneller, billiger, reproduzierbarer und zuverlässiger, sie liefern zudem – im Gegensatz zum Tierversuch – für den Menschen relevante Ergebnisse. Viele tierversuchsfreie Methoden kommen bereits zum Einsatz, doch ihr Potential ist bei weitem nicht ausgeschöpft. Hier besteht weiterer Forschungsbedarf, für den es nötig ist, die finanziellen Mittel aufzubringen. Tausende dieser innovativen Verfahren liegen auf Halde, da sie noch nicht behördlich anerkannt sind. Es wäre möglich, das Arzneimittel-Risiko drastisch zu senken, indem neue Wirkstoffe zunächst mit einer Kombination verschiedener solcher Testverfahren geprüft und anschließend beispielsweise wie beim Micro-Dosing gefahrlos an freiwilligen ProbandInnen und PatientInnen erprobt werden. Hierbei verabreichen die WissenschaftlerInnen den Wirkstoff in einer so kleinen Dosis, dass diese keinerlei pharmakologische Wirkung hat, aber dank hochempfindlicher Methoden doch Aufschluss über ihre Verstoffwechslung gibt. Solange sich jedoch die Entwicklung und Marktzulassung von Arzneien auf die angebliche Sicherheit durch Tierversuche stützt, wird es bei BAYER und anderen Pharmakonzernen auch weiterhin Medikamenten-Skandale geben.

ANMERKUNGEN:
1 Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Tierversuchsstatistik 2010
2 http:www.tierversuche.bayer.de/de/zahlen.aspx, 20.7.2012
3Schnurrer J.U, Frölich J.C. (2003): Zur Häufigkeit und Vermeidbarkeit von tödlichen unerwünschten Arzneimittelwirkungen. Der Internist, 44: 889-895
4 Bender R., Gutschmidt S., Klauber J., Selke G., Sawicki P.T. (2006): Schätzung der unter Rofecoxib (VIOXX®) in Deutschland in den Jahren 2001-2004 aufgetretenen kardio- und zerebrovaskulären Ereignisse. Med Klein, 101: 191-197
5 U.S. Food and Drug Administration Report (2004): Innovation or Stagnation - Challenge and Opportunity on the Critical Path to New Medical Products, S.8
6 Lasser K.E., Allen, P.D, Woolhandler S.J., Himmelstein D.U., Wolfe S.M, Bor D.H. (2002): Timing of new black box warnings and withdrawals for prescription of medications. The Journal of the American Medical Association, 287(17): 2215-2220
7Das Pharma-Kartell – Wie wir als Patienten betrogen werden, ZDF Frontal 21, Sendung vom 09.12.2008
8 Paulus J. (2005): Kranke Machenschaften. Bild der Wissenschaft, 10/2005, S. 27-31
9 Mandango, D.T. et al (2006): New England Journal of Medicine 2006, 345: 353-365
10 arzneitelegramm 11/06
11 BfArM: Pressemitteilung 29/07 vom 5. November 2007
12 Vertuschte Nebenwirkungen? Opfer klagen, ZDF Frontal 21, Sendung vom 3.7.2012
13 Drug Metabolism and Disposition 1998, 26, 640-652
14 American Journal of Cardiology 1998, 82 (4B), 11J-17J
15 http:
www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/4_statistik/statistik-verkf-am-zustBfArM.html?nn=1009778, 10.7.2012
16 http:www.bfarm.de/SharedDocs/1_Downloads/DE/Arzneimittel/4_statistik/stat-2011-internet.pdf?__blob=publicationFile, 10.7.2012
17 http:
www.augsburger-allgemeine.de/wissenschaft/20-000-verschreibungspflichtige-Medikamente-zu-viele-meinen-Aerzte-id17530676.html, 10.7.2012
18 Weltgesundheitsorganisation, Pressemitteilung 4.9.2002 (WHO releases first global reference guide on safe and effective use of essential medicines)

Lipobay

CBG Redaktion

Presse Information vom 20. September 2012
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Klage von Lipobay-Geschädigtem

Argentinien: BAYER zu Entschädigung verurteilt

Der BAYER-Konzern ist in Argentinien zu einer Zahlung von 968.000 Pesos (rund 160.000 Euro) an einen Lipobay-Geschädigten verurteilt worden. Der Kläger, Flavio Rein, hatte nach einmonatiger Einnahme des Cholesterin-Senkers irreversible Muskelschädigungen (Rhabdomyolyse), Sehstörungen und Nierenschäden erlitten.

Das Verfahren hatte sich über insgesamt neun Jahre hingezogen. Das Berufungsgericht in Buenos Aires (Cámara Nacional de Apelaciones en lo Civil) stellte am 22. August 2012 fest, dass BAYER weder die Ärzte noch die Patienten angemessen über die Risiken des Präparats informiert hatte und bestätigte damit ein Urteil aus dem Vorjahr (die Entscheidung im Wortlaut finden Sie hier). Da der Konzern die Frist, den Obersten Gerichtshof von Argentinien anzurufen, verstreichen ließ, wird das Urteil in dieser Woche rechtskräftig.

Nach Angaben argentinischer Medien handelt es sich weltweit erst um die zweite Verurteilung des Konzerns in Sachen Lipobay. Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Das Gericht hat eindeutig ein schuldhaftes Verhalten des Konzerns festgestellt. Ein solches Urteil ist überfällig: firmeninterne Dokumente zeigen, dass die Verantwortlichen bei BAYER schwere Gesundheitsschäden der Patienten billigend in Kauf nahmen und dabei sogar Warnungen aus dem eigenen Haus missachteten. Die Entscheidung ist somit eine große Genugtuung für die Betroffenen in aller Welt.“

Patricia Venegas, Anwältin von Flavio Rein und Jura-Professorin an der Universität von Buenos Aires: „Es war stets die Politik von BAYER, nur außergerichtliche Vergleiche einzugehen. Damit sollte verhindert werden, was nun schwarz auf weiß steht: Es gibt einen kausalen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Lipobay und schweren Gesundheits-Schäden.“ BAYER hatte für Vergleiche mit Lipobay-Opfern mehr als eine Milliarde Dollar bezahlt, diese enthielten bislang jedoch keine Schuld-Anerkennung.

In den USA, wo zahlreiche Todesfälle zu beklagen waren, ist es bislang in keinem Fall zu einer Verurteilung gekommen; der US Supreme Court hat jedoch im vergangenen Jahr eine Sammelklage gegen BAYER zugelassen.

Flavio Rein hatte Lipobay im Jahr 1998 wegen eines leicht erhöhten Cholesterinspiegels verschrieben bekommen. Rein, der ansonsten vollkommen gesund war und täglich Sport getrieben hatte, konnte wegen der Muskelschäden fünf Monate lang nicht gehen. Bis heute ist er körperlich stark eingeschränkt, auf einem Auge hat er eine Sehstärke von nur noch 30%.

weitere Informationen:
=> ein Artikel aus Argentinien: Condena Millonaria contra Bayer
=> Artikel „pagina 12“: Indemnización de laboratorio
=> New York Times: Bayer Knew Of Dangers of Its Cholesterol Drug
=> Artikel “BAYER speist Lipobay-Opfer ab”
=> Das Urteil im vollen Wortlaut (span.)

[HV Bericht] STICHWORT BAYER 03/2012

CBG Redaktion

HV-Jubiläum der CBG

BAYER schafft Bannmeile

Zu ihrem 30-jährigen Hauptversammlungsjubiläum bot die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) so viele Konzern-KritikerInnen auf wie nie zuvor. Der Leverkusener Multi wappnete sich dagegen, indem er den Eingangsbereich der Kölner Messehallen weiträumig abschirmte. So ersparte er seinen AnteilseignerInnen die Konfrontation mit Medikamenten-Geschädigten, Bienenzüchtern, TierschützerInnen und anderen AktivistInnen. Im Saal selber gab es dann allerdings kein Entrinnen mehr: Die GegenrednerInnen dominierten das Aktionärs-Treffen.

Vor Beginn der BAYER-Hauptversammlungen in den Kölner Messehallen bot sich Jahr für Jahr das gleiche Bild: Die den Bussen entstiegenen AktionärInnen mussten sich den Weg in die heiligen Hallen des Profits durch einen Kordon von Konzern-Kritikern bahnen, die sie mit Transparenten, Flugblättern und politischen Aktionen empfingen. Das wollte der Leverkusener Multi ihnen dieses Mal ersparen. Er zog einen weiträumigen Bannkreis um den Eingangsbereich und chauffierte seine AnteilseignerInnen auf diese Weise unbehelligt von den ProtestlerInnen bis vor die Tür.

Allzu lange konnte der Leverkusener Multi sie allerdings nicht abschirmen, denn im Saal selber machten ihnen mit 20 GegenrednerInnen mehr Kritische Aktionärinnen und Aktionäre denn je ihre Aufwartung. Besonders die leibhaftige Konfrontation mit den Opfern, welche die gnadenlose Jagd nach Profit zwangsläufig produziert, dürfte den Aktien-Haltern einiges Unwohlsein bereitet haben. So berichtete etwa Monika Thinschmidt über ihre Qualen nach dem Einsetzen von BAYERs Hormonspirale MIRENA. „Die kommenden fünfeinhalb Monate sollten mich bis dato prägen. Meine Beschwerden waren: nächtliche Schweißausbrüche, Herzrasen, Unruhe, Schlaflosigkeit, permanente Bauchkrämpfe und Oberbauchschmerzen.“ Zudem klagte sie über Brustknoten, eine Eierstock-Zyste als Tumorvorstufe, Libido-Verlust und eine verfrühte Menopause. Und damit ist sie beileibe nicht die Einzige. Die Frau zitierte eine Untersuchung des Frauengesundheitszentrums Graz, wonach 96 Prozent der Teilnehmerinnen Gegenanzeigen schilderten, über die sich die bunten Werbe-Broschüren ausschwiegen. „Sie bringen also ein unsicheres Produkt auf den Markt, informieren falsch, unzureichend und zu spät (...) Sie gefährden damit die Gesundheit von vielen Millionen Frauen weltweit. Sie streichen die Profite ein und sind nach meiner Einschätzung deshalb auch haftbar“, resümierte Thinschmidt.

Auch Geschädigte des hormonellen Schwangerschaftstests DUOGYNON, den die heute zu BAYER gehörende Firma SCHERING bis Mitte der 1970er Jahre hinein vermarktete, gingen ans Mikrofon. „Ich wurde im Juni 1976 mit einer Schädigung an beiden Armen geboren“, legte Silke Ehrenberg dar und erzählte von ihrem Martyrium mit Krankengymnastik ab dem Alter von sechs Wochen, häufigen Operationen und Folge-Erkrankungen. Hinzu traten noch die seelischen Schmerzen: „Ich bin anders, und das bekam ich ständig und überall zu spüren.“ Es war ein langer Prozess, bis die 36-Jährige sich so annehmen konnte, wie sie ist. Und er ist noch immer nicht abgeschlossen. „Dies heute und hier ist für mich ein weiterer Schritt, zu mir zu stehen. Zu sagen: Ich lebe mit einer Behinderung“, betonte sie deshalb. Immer wieder trieb die 36-Jährige die Frage um, woher ihre Behinderung rühre. Auf die Antwort stieß sie erst vor zweieinhalb Jahren. Da wurde sie auf Andre Sommer aufmerksam, den Gründer einer Initiative DUOGYNON-Geschädigter, der im letzten Jahr auf der Hauptversammlung gesprochen hatte und schon lange mit der CBG kooperiert. Seither kennt sie die Ursache ihrer Leiden. Die Erzieherin will aber ebenso wie Sommer mehr wissen und fordert BAYER zur Offenlegung interner Dokumente über den Zusammenhang von DUOGYNON und den Fehlbildungen auf. Ein Gericht in Berlin wies diesen Anspruch jedoch zurück. „Die Aussage, die Angelegenheit DUOGYNON sei verjährt, ist ein Schlag ins Gesicht aller Betroffenen. Ich stehe hier heute vor ihnen und lebe damit. Von Verjährung keine Spur“, so Ehrenberg.

Auch die extra aus England angereiste Valerie Williams, deren Sohn durch den in ihrer Heimat unter dem Namen PRIMODOS angebotenen Schwangerschaftstest stark gehandicapt zur Welt kam, verlangte den Zugang zum Firmen-Archiv. Die bislang bekannt gewordenen Unterlagen belegen nämlich eindeutig: Der SCHERING-Konzern wusste, was er tat. „1969 schrieb SCHERING, heute BAYER SCHERING, dem Britischen Ausschuss für Sicherheit und Medizin, dass PRIMODOS wegen der hohen Rate von Fehlgeburten bei einer Studie mit Ratten zurückgezogen würde“, referierte Williams und fragte dann: „Welche Gründe hatten Sie, PRIMODOS weiter herzustellen?“ Die Antwort darauf gab Gisela Clerc, ebenfalls Mutter eines DUOGYNON-Opfers. Finanzielle Erwägungen ließen ihrer Ansicht nach das Unternehmen an dem Produkt festhalten. DUOGYNON habe BAYER „viel Geld, den Kindern viel Schmerz und den Eltern viel Leid“ gebracht, fasste sie den Fall zusammen.

BAYER-Chef Marijn Dekkers zeigte sich ungerührt von den Leidensgeschichten und holte die Textbausteine von der letzten Hauptversammlung wieder hervor. „Wir haben schon mehrfach betont, dass wir ihr Schicksal bedauern und dass wir die Suche nach den Ursachen verstehen“, antwortete er den DUOGYNON-Geschädigten, um dann unmissverständlich die Konzern-Sicht darzulegen, wonach es keinen Zusammenhang zwischen dem Schwangerschaftstest und den Fehlbildungen gebe. Zur Hormonspirale MIRENA stand er gleichfalls in Treue fest. Sie werde seit 22 Jahren von 20 Millionen zufriedener Frauen angewendet und weise kein erhöhtes Brustkrebsrisiko auf, so Dekkers. Auch die Gefahr, eine Eileiter-Schwangerschaft zu erleiden, sei verschwindend gering, führte er weiter aus. „Es kann (...) jede Arznei unerwünschte Nebenwirkungen haben“, räumte der Vorstandsvorsitzende dann zwar ein, aber die seien ja auf dem Beipackzettel aufgeführt, womit er den Konzern – geschützt vor juristischen Ansprüchen – auf der sicheren Seite wähnte.

Die Verhütungsmittel des Pharma-Riesen mit dem Wirkstoff Drospirenon, die zahlreiche, zum teil tödlich verlaufende Thrombo-Embolien verursacht hatten, verteidigte der Ober-BAYER ebenfalls. „Wir sind vom Risiko-Profil Drospirenons überzeugt“, hielt er dem Rechtsanwalt Martin Jensch entgegen, der im Namen der betroffenen Frauen der SELBSTHILFEGRUPPE DROSPIRENON-GESCHÄDIGTER gesprochen hatte. Nicht einmal die nunmehr ausdrücklich auf das Risiko „Embolie“ aufmerksam machenden Warnhinweise auf den Packungen und die Zahlungen von 142 Millionen Dollar an US-amerikanischen Klägerinnen galten ihm als Schuld-Eingeständnis. Und einen Imperativ, ähnlich mit bundesdeutschen Geschädigten umzugehen, wollte er daraus schon einmal gar nicht ableiten. Die Zahlungen seien der Besonderheit des Rechtssystems in den USA geschuldet, erklärte Dekkers.

Diese Besonderheit lenkte sogar die Aufmerksamkeit der sonst nur auf ihre Dividende fixierten AktionärInnen-Vertreter einmal auf die Nebenwirkungen der Konzern-Präparate. „Das ist kein Gerinnsel, das ist ein Risiko“, konstatierte Hans-Martin Buhlmann von der „Vereinigung institutioneller Privatanleger“. Und sein Kollege Marc Tüngler von der „Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz“ fragte in Anspielung auf den unseligen BAYER-Cholesterinsenker, der das Leben von mehr als hundert Menschen gekostet hatte und den Konzern zu Schadensersatz-Zahlungen in Höhe von über einer Milliarde Dollar zwang: „Ist das LIPOBAY II?“

Das Geschäft mit den Pillen rief jedoch noch mehr GegenrednerInnen auf den Plan. Philipp Frisch von ÄRZTE OHNE GRENZEN befasste sich mit BAYERs Pharma-Patenten, die dem Konzern Monopol-Einnahmen sichern und Menschen in den ärmeren Ländern den Zugang zu einer erschwinglichen Versorgung mit Pharmazeutika versperren. So kostet das Krebspräparat NEXAVAR in Indien 5.500 Dollar pro Monat, weshalb Frisch die Entscheidung der indischen Regierung begrüßte, den Schutz des geistigen Eigentums für das Mittel unter Berufung auf den Ausnahme-Paragraphen im TRIPS-Handelsabkommen aufzuheben und eine Zwangslizenz zu erteilen. Der Verfasser dieser Zeilen wandte sich ebenfalls dem südasiatischen Land zu und machte auf den Skandal aufmerksam, dass dort von 2007 bis 2010 138 Menschen während der Klinischen Tests von Medikamenten des Global Players starben. Die Tierärztin Dr. Christine Esch von PETA DEUTSCHLAND schließlich widmete sich dem Leid der Tiere, die in den Arznei-Laboren des Unternehmens oder seiner Vertragspartner ihr Leben lassen, noch dazu, ohne valide Erkenntnisse zu produzieren, wie die vielen unerwünschten Pillen-Folgen zeigen.

Aber nicht nur der Pharmazeutika-Entwickung fallen Kreaturen zum Opfer, auch die Agrochemikalien des Leverkusener Multis fordern ihren Tribut. Sie sorgten in den vergangenen Jahren für das Verenden von Millionen Bienenvölkern. Deshalb sind ImkerInnen bereits seit langem Stammgäste auf der Hauptversammlung. „Der Mais kommt, die Bienen gehen“, so beschrieb Christoph Koch vom DEUTSCHEN BERUFS- UND ERWERBSIMKERBUNDES die fatale Wirkung der auf den Feldern nicht nur dieser Ackerfrüchte eingesetzten BAYER-Produkte. Sein Kollege Holger Nettler bezeichnete das Mantra des Konzerns, bei sachgemäßer Anwendung seiner Pestizide und Saatgut-Beizen träten keine Beeinträchtigungen der Bienen auf, als „Augenwischerei“. Dem schloss sich Roland Netter an, sich dabei auf eigene Erfahrungen berufend. Er nahm nämlich an dem Projekt „Melissa“ teil, das die Effekte der Pestizide auf Bienen unter Berücksichtigung aller Schutzmaßnahmen untersuchte. Ergebnis: Die gemessenen Ackergift-Werte lagen sogar noch über denen des fatalen, von BAYER als „Unfall“ bezeichneten Bienensterbens in Baden-Württemberg 2008. Darum schloss sich Roland Netter dem Vorstoß der CBG an, Vorstand und Aufsichtsrat auch wegen des Bienensterbens nicht zu entlasten: „Wir Imker aus Österreich unterstützen den Gegenantrag der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN.“ Der BAYER-Chef ließ sich jedoch von alldem nicht beeindrucken und sprach GAUCHO & Co. von jedem Verdacht frei. „Die Gründe für den in einigen Ländern beobachteten Rückgang der Bienenvölker sind vielschichtig. Die Hypothese, dass Saatgut-Beizungen dazu gehören, wird durch eine Reihe von wissenschaftlichen Untersuchungen widerlegt“, antwortete er den Imkern.

Ähnlich ignorant zeigte sich Marijn Dekkers den Konzern-KritikerInnen gegenüber, die weitere Risiken und Nebenwirkungen der Profit-Jagd auf die Tagesordnung setzten. Dieter Donner von STOPP-BAYER-CO-PIPELINE und Dr. Gottfried Arnold von ÄRZTE GEGEN DIE CO-PIPELINE warnten einmal mehr vor der Inbetriebnahme der Kohlenmonoxid-Leitung von Dormagen nach Krefeld, Friedhelm Meyer von SOLIDARISCHE KIRCHE zeigte die Problematik der in vielen Alltagsgegenständen auftauchenden Industrie-Chemikalie Bisphenol A auf und Claudia Baitinger vom BUND beschäftigte sich mit der neuesten Gefahren-Quelle aus dem Hause BAYER, der Nano-Technik. CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes schließlich vervollständigte die Liste, indem er das Gefährdungspotenzial von Tier-Antibiotika, des Gerinnungshemmers XARELTO und des LIBERTYLINK-Genreises darstellte. Zudem verlangte er abermals Auskunft über die Marketing-Ausgaben und den vom Unternehmen mit der Universität Köln geschlossenen Kooperationsvertrag.

Der CBGler Axel Köhler-Schnura schließlich ergänzte dieses neue „Schwarzbuch BAYER“ aus gegebenem Anlass um die historische Dimension. Er beging im Kölner Messe-Saal nämlich nicht nur das 30-jährige Betriebsjubiläum der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auf den Hauptversammlungen des Konzerns, sondern verabschiedete auch den Aufsichtsrats- und ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Manfred Schneider. Während jedoch dessen Aufsichtsratskollege Paul Achleitner Schneider als „BAYER-Urgestein“ titulierte, das immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort und ein „höchst aktiver Lotse für das Unternehmen“ gewesen sei, sah der Rückblick Köhler-Schnuras etwas anders aus. „Herr Schneider und ich, wir stehen auf verschiedenen Seiten, wir spielen in verschiedenen Mannschaften. Sie, Herr Schneider, sagen: ‚Wir sind auf Profit aus. Das ist unser Job.’ Ich sage, um in Ihrer Wortwahl zu bleiben: ‚Ich bin auf demokratische Konzern-Kontrolle aus. Das ist mein Job.’ Und dann stellte er die Negativ-Bilanz von dessen Amtszeit vor. Der Aktivist erinnerte noch einmal an den LIPOBAY-Skandal, die Farce um die Entschädigungen der ZwangsarbeiterInnen der von BAYER mitgegründeten IG FARBEN, das gebrochene Versprechen, bis zum Jahr 2000 sämtliche hochgefährlichen Pestizide der Klasse I vom Markt zu nehmen und den Coup, mit Heribert Zitzelsberger den Steuer-Chef des Konzerns ins Finanzministerium einzuschleusen. Das alles kam dann in dem „Geschenk“ zum Ausdruck, das der Diplom-Kaufmann dem Manager abschließend darbot: ein schwarzes Holzkreuz. „Es ist eines der Kreuze, das wir in den letzten 35 Jahren bei vielen unserer Protest-Aktionen zum Gedenken an die vielen Opfer der BAYER-Produkte und der Vernichtung der tausenden von Arbeitsplätzen bei BAYER eingesetzt haben“, erläuterte Axel Köhler-Schnura, „Möge es Ihnen Erinnerung und Mahnung zugleich sein.“ Doch der Konzern verweigerte die Annahme. Er sah darin einen Missbrauch christlicher Symbole. Auch mit dem Redebeitrag des CBG-Vorstandsmitglieds mochte das Unternehmen sich nicht so recht anfreunden. „Wir spielen nicht nur in unterschiedlichen Mannschaften, wir sind auch in unterschiedlichen Ligen. Wir stehen unverbrüchlich zur parlamentarischen Demokratie und zur sozialen Marktwirtschaft. Wir wissen, dass Sie da ganz andere Ansichten haben“, beschied ihm Dekkers.

Wie unverbrüchlich der Multi zu demokratischen Werten steht, das hatte am Morgen die Einrichtung der Bannmeile gezeigt und im Laufe des Tages die Ignoranz, die er den – die überwältigende Mehrheit der RednerInnen stellenden – KritikerInnen entgegenbrachte. Entsprechend schlecht für den Chemie-Riesen fiel deshalb das Urteil der Presse aus. „Zwischen Jubel und Tribunal“ überschrieb etwa die Westdeutsche Zeitung ihren Bericht, „Noch mehr Ärger mit der Pille“ titelte der Tagesspiegel, „Kleinkrieg mit den Kritikern“ der Kölner Stadtanzeiger und „Die Störenfriede“ die Frankfurter Rundschau. Von Jan Pehrke

Yasmin

CBG Redaktion

Der Berliner „Tagesspiegel“ berichtet 2x über die Proteste zur BAYER-Hauptversammlung gegen risikoreiche Antibaby-Pillen von BAYER. alle Infos zur Kampagne

Noch mehr Ärger mit der Pille

Die Aktionäre von Bayer machen sich Sorgen

28. April -- Die Zukunft von Bayer, sie scheint in Berlin zu liegen. In der Hauptstadt sitzt die Pharmatochter des Leverkusener Dax-Unternehmens, und auf ihr ruhen Milliardenhoffnungen. Denn der Umsatz- und Gewinnzuwachs, den der Pharma- und Chemiekonzern für 2013 in Aussicht gestellt hat, soll besonders durch neue Medikamente gelingen. „Dabei ist vor allem die optimale Vermarktung unserer fortgeschrittenen Produktentwicklungen bei Pharma entscheidend“, bekräftigte Konzernchef Marijn Dekkers am Freitag auf der Hauptversammlung in Köln.
Nach mehreren Jahren mit geringem Wachstum in der Pharmasparte sollen vier neue Präparate künftig mehr als fünf Milliarden Euro Umsatz jährlich einbringen. Allein dem Schlaganfallmittel Xarelto, das vor kurzem auf den Markt kam, traut der Konzern Erlöse von mehr als zwei Milliarden Euro pro Jahr zu.
Doch der Erfolg der Pharma-Sparte, die Bayer 2006 durch den Zukauf von Schering massiv stärkte, wird von fast 12 000 Klagen gegen den Konzern in den USA getrübt. Die Betroffenen beklagen Gesundheitsschäden wegen der Antibabypillen der Produktfamilie Yasmin, deren neuartiger Wirkstoff Drospirenon im Verdacht steht, ein höheres Risiko für Thrombosen zu bergen als andere Pillen. Mit 651 Klägerinnen habe sich Bayer auf Vergleiche in Höhe von 107 Millionen Euro geeinigt, sagte Dekkers. Bayer habe nur Vergleichen zugestimmt, bei denen Ansprüche wegen venöser Blutgerinnsel – etwa Lungenembolien – erhoben worden seien. Eine solche Erkrankung werde aber in weniger als der Hälfte der Klagen behauptet. Der Konzern habe „industrieüblichen Versicherungsschutz“, könne aber nicht ausschließen, „dass dieser zur Deckung sämtlicher Kosten nicht ausreichen wird“, sagte Dekkers. Man habe aber „angemessene bilanzielle Rückstellungen" gebildet.
Aktionärsschützer zeigten sich besorgt. „Das ist kein Gerinnsel, das ist ein Risiko“, sagte Hans-Martin Buhlmann von der Vereinigung Institutionelle Privatanleger (VIP) auf der Hauptversammlung mit rund 3000 Aktionären. „Ist das Lipobay 2?“, fragte auch Marc Tüngler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Den Cholesterinsenker hatte Bayer nach etlichen Todesfällen 2001 vom Markt genommen. „Verlässliche Schätzungen zur weiteren Entwicklung der Klagen bei Yasmin und Yaz sind uns nicht möglich“, antwortete Dekkers. Martin Jensch, Anwalt der deutschen Klägerin Felicitas Rohrer, wies erneut auf Studien hin, die den Pillen mit Drospirenon ein bis zu dreifach erhöhtes Thromboserisiko bescheinigen. Diese Studien seien in den Beipackzetteln der Pillen berücksichtigt, sagte Dekkers.
Die jüngsten Spekulationen um ein Interesse von Bayer an der Tiermedizin- Sparte von Pfizer wollte der Konzernchef nicht bestätigen. „Unser Fokus liegt primär auf internem Wachstum.“ Zukäufe im Gesundheitsbereich seien aber nicht ausgeschlossen.
Die Hauptversammlung war die letzte des Aufsichtsratschefs Manfred Schneider. Der 73-Jährige, der seit 46 Jahren für Bayer arbeitet, verlässt Ende September den Konzern. Ihm soll dann an der Spitze des Aufsichtsrats der ehemalige Bayer-Chef Werner Wenning (65) folgen. Das Kontrollgremium wurde am Freitag für fünf Jahre neu gewählt. Dekkers und das Aufsichtsratsmitglied Paul Achleitner dankten Schneider für seine Verdienste. Der Konzernumbau, an dem der Aufsichtsratschef beteiligt war, sei eine „Herkulesaufgabe“ gewesen, sagte Achleitner, die „höchst erfolgreich bewältigt“ wurde. Die aktuellen Zahlen seien dafür der beste Beweis. Jahel Mielke

Die Risiko-Frage

Bayer drohen wegen der Klagen um die Antibaby-Pille hohe Kosten und Protest auf der Hauptversammlung

23. April 2012 - Zwanzig Minuten lang war Felicitas Rohrer klinisch tot – ihr Herz hatte nach einer Lungenembolie versagt. Viereinhalb Stunden operierten die Ärzte und retteten schließlich das Leben der 25-Jährigen. Rohrer hatte keine bekannten Vorerkrankungen, kein Risiko in der Familie. Warum sie so schwer krank wurde, ist für die junge Frau klar. „Bayer hat mein Leben zerstört“, sagt sie. „Dass ich überlebt habe, ist ein Wunder.“
Von Oktober 2008 bis Juli 2009 nahm die junge Frau die Antibaby-Pille Yasminelle des Leverkusener Chemie- und Pharmakonzerns. Mit der Produktfamilie, zu der das Präparat gehört, macht die Berliner Pharmatochter von Bayer einen Umsatz von mehr als einer Milliarde Euro im Jahr. Zugleich brachten die Mittel dem Konzern in den USA bisher mehr als 11 300 Klagen wegen Gesundheitsschäden ein. Denn wegen des neuartigen Wirkstoffs Drospirenon, der in Yasmin, Yaz und Yasminelle steckt, stehen sie imVerdacht, ein höheres Risiko für Thrombosen zu bergen als andere Antibaby-Pillen. Thrombosen sind Blutgerinnsel, die in den Venen entstehen und zu Schlaganfällen und Embolien führen können. Auf der Hauptversammlung von Bayer am Freitag soll es erneut Protest gegen die Präparate geben.
Felicitas Rohrer bekam Anfang 2009 schlechter Luft, fühlte sich schlapp, hatte Schmerzen im Bein. „Ich dachte, das ist der Stress“, sagt sie. Sechs Monate später brach sie zusammen. Heute, knapp drei Jahre später, kämpft sie noch immer mit den Folgen dieses Tages. Vor dem Zusammenbruch hatte Rohrer ihr Studium zur Tierärztin abgeschlossen, nun kann sie ihren Beruf nicht mehr ausüben. Um ihr Leben zu retten, mussten die Ärzte ihr Brustbein durchtrennen. „Ich darf nichts Schweres mehr heben, kann nicht lange stehen“, sagt Rohrer. Dass sie täglich blutverdünnende Mittel einnehmen muss, ist weit mehr als lästig. „Kinder werde ich, solange ich die Mittel schlucke, nicht bekommen können“, sagt sie.
Im vergangenen Jahr entschied die heute 27-Jährige, Bayer zu verklagen. Sie war die erste, die das hierzulande tat. Denn anders als in den USA sind in Deutschland keine Sammelklagen möglich, das Risiko für die Betroffenen ist viel höher. Schmerzensgeld und Schadenersatz will Rohrer, und mittlerweile ist sie nicht mehr die einzige. Als sie 2011 mit ihrem Fall an die Öffentlichkeit ging, lernte sie drei weitere Betroffene kennen, mit ihnen gründete sie eine Selbsthilfegruppe. Eine der Frauen, Kathrin Weigele, geht nun ebenfalls gerichtlich gegen Bayer vor.
Rohrers Anwalt verweist auf die „schädlichen Wirkungen“ von Yasminelle, „die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen“. Drospirenon, so konstatiert der Anwalt, führe im Vergleich zu Pillen der vorherigen Generation zu einem „bis zu doppelten Thromboserisiko“. Bayer verneint dies. „Alle kombinierten oralen Kontrazeptiva von Bayer, auch die mit Drospirenon, haben ein positives Nutzen-Risiko-Profil, wenn sie gemäß ihrer Indikation eingenommen werden“, teilte eine Bayer-Sprecherin auf Anfrage mit. Es gebe keine einheitliche wissenschaftliche Meinung dazu, ob das Risiko bei Drospirenon-Pillen höher sei als bei anderen. Zu Felicitas Rohrers Fall wollte Bayer sich mit Hinweis auf das laufende Verfahren nicht äußern. „Wir bedauern, was Frau Rohrer widerfahren ist“, sagte die Sprecherin.
In den USA gerät Bayer wegen der Klagen nun zunehmend unter Druck. Die Verfahren sind derzeit offiziell ausgesetzt, die Mediation, die der Richter Ende 2011 angeordnet hatte, läuft aber nur noch bis zum 30. April. Mit 170 Klägern hat Bayer nach eigenen Angaben bereits einen Vergleich in unbekannter Höhe geschlossen – ohne Anerkennung einer Haftung. Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete unter Berufung auf Insider jüngst, dass der Konzern sich mit 500 Klägern auf eine Summe von mindestens 110 Millionen Dollar geeinigt habe – pro Fall wären das 220 000 Dollar. „Neben einem Schmerzensgeld steht den Klägern auch ein materieller Schadenersatz zu, wegen Verdienstausfällen, Haushaltsführungsschäden, Fahrt- oder Beerdigungskosten“, sagte Tobias Kiwitt, Rechtsanwalt in der Kanzlei Ciper & Coll.
Bayer bestätigte die Zahlen nicht, einige Analysten reagierten aber alarmiert. Die bisherige Schätzung der Belastung des Konzerns sei zu niedrig, schrieben Experten der Investmentbank JP Morgan. Sie schätzten die Gesamtkosten zur Beilegung aller 11 300 Fälle damit auf über zwei Milliarden Euro. Bayer teilte dazu mit, dass der Konzern „von Fall zu Fall“weiter „die Möglichkeit eines Vergleichs einzelner Rechtsstreitigkeiten in den USA in Betracht ziehen“ werde. Mit zusätzlichen Verfahren sei zu rechnen. Der Konzern sei in „industrieüblichem Umfang gegen Produkthaftungsrisiken versichert“. Abhängig vom weiteren Verlauf der Yasmin- und Yaz-Klagen sei es allerdings möglich, dass der bestehende Versicherungsschutz nicht ausreichen könnte, um sämtliche Verteidigungskosten und etwaige Schadenersatzleistungen vollständig abzudecken, hieß bei Bayer in Berlin.
Die Chancen der Kläger könnten zudem durch die jüngste Verschärfung der Warnhinweise für die drospirenonhaltigen Pillen in den USA gestiegen sein. Vor etwa zwei Wochen passte Bayer den Beipackzettel auf Drängen der US-Gesundheitsbehörde FDA an, nun wird davor gewarnt, dass das Thromboserisiko bei diesen Pillen im Vergleich zu anderen Verhütungsmitteln höher sein könnte. In der EU waren die Warnhinweise für Yaz, Yasminelle und Yasmin, die seit 2001 auf dem Markt sind, schon im vergangenen Jahr verschärft worden.
Wann die Verfahren in den USA wieder aufgenommen werden, ist offen. Auch Felicitas Rohrer wartet auf ihren Prozess. Sie hatte versucht, sich mit Bayer außergerichtlich zu einigen, war damit aber gescheitert. „Ich will Gerechtigkeit“, sagt sie, „und dass Bayer Verantwortung für seine Produkte übernimmt.“ Zwei Mal hat sie bereits auf der Hauptversammlung des Konzerns gesprochen, dieses Mal, am Freitag, wird nur ihr Anwalt auftreten. Rohrer will sich auf ihren Neuanfang konzentrieren, gerade macht sie eine Ausbildung zur Journalistin. „Nochmal auf der Hauptversammlung zu sprechen, dafür fehlt mir gerade die Kraft“, sagt sie. von Jahel Mielke

Xarelto

CBG Redaktion

Presse Information vom 10. November 2011
Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V.

Xarelto: Bedenken nicht ausgeräumt

Trotz interner Warnungen hat die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) eine Zulassung des Gerinnungshemmers Xarelto zur Schlaganfall-Prävention erteilt. Nach Auffassung der Coordination gegen BAYER-Gefahren wurden die Bedenken bezüglich der Sicherheit des Medikaments jedoch nicht ausgeräumt. Bei Studien mit dem BAYER-Präparat war es mehrfach zu Todesfällen gekommen.

Erst im September kamen Berater der amerikanische Food and Drug Administration (FDA) zu dem Ergebnis, dass Xarelto keine Vorteile gegenüber dem seit langem etablierten Gerinnungshemmer Warfarin (in Deutschland: Marcumar) bietet. Die von BAYER eingereichten Studien warfen ihrer Meinung nach Fragen zu Herzinfarkt- und Blutungsrisiken auf. Nach Aussage der Experten zeigte die von BAYER eingereichte Studie (Rocket-AF) nur deshalb eine vergleichbare Wirksamkeit von Warfarin und Xarelto, da die mit Warfarin behandelten Patienten nicht die optimale Dosis erhalten hatten. Außerdem waren mehrere Probanden nach dem Absetzen von Xarelto gestorben.

Jan Pehrke von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Die zahlreichen Meldungen über Gefäß-Verschlüsse, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden lassen die Genehmigung von Xarelto zur Schlaganfall-Prophylaxe nicht ratsam erscheinen. Wir fordern grundsätzlich, dass Präparate, die gegenüber älteren Mitteln keinen Vorteil bieten, nicht zugelassen werden. Xarelto ist hierfür ein Paradebeispiel.“

Die US-Initiative Public Citizen kritisiert überdies, dass bei den BAYER-Studien vor allem Versuchsteilnehmer in Entwicklungsländern nicht richtig mit Warfarin eingestellt wurden. So bekamen nur 36 Prozent der indischen Probanden eine angemessene Warfarin-Therapie und setzten sich so einem erhöhten Schlaganfall-Risiko aus. Darüber hinaus rügt die Gruppe die Darreichungsform. Die Proband/innen mussten die ganze Dosis auf einmal einnehmen, was mit höheren Gefahren verbunden ist als eine Verteilung über den Tag. Einzig marketing-technische Erwägungen vermutet Public Citizen hinter dieser Wahl und riet der FDA wegen solcher Verstöße gegen medizinische und ethische Standards von einer Zulassung ab.

In Indien waren mindestens vier Proband/innen bei Xarelto-Studien ums Leben gekommen. Das Präparat soll daher in den USA mit einem Warnhinweis versehen werden, wonach Patienten das Medikament nicht ohne ärztliche Rücksprache absetzen sollen, da sonst das Risiko von Schlaganfällen steigt. BAYER hatte den Hinterbliebenen der in Indien Verstorbenen jeweils bloß 5.250 Dollar Entschädigung gezahlt.

In Europa ist Xarelto bislang nur zur Thrombose-Prophylaxe nach schweren orthopädischen Operationen zugelassen. Der Zulassungsprozess gestaltete sich wegen der vielen Nebenwirkungen und der ungeklärten Langzeitwirkung von Beginn an schwierig. Um den Umsatz zu steigern, hatte Bayer zusätzlich einen Zulassungsantrag für die weitaus lukrativere Schlaganfall-Prophylaxe bei Patienten mit Vorhofflimmern gestellt. Vorhofflimmern ist eine der häufigsten Herzrhythmusstörungen, allein in Europa sind davon mehr als 6 Millionen Menschen betroffen.

Auch als allgemeines Therapeutikum gegen Venen-Thrombosen möchte BAYER das Präparat einsetzen. Gegenüber bislang verwendeten Medikamenten konnte jedoch auch für diese Anwendung kein Vorteil gezeigt werden. Die sogenannte Magellan-Studie war laut BAYER lediglich darauf ausgelegt, bei mehr als 3.400 teilnehmenden Patienten nachzuweisen, dass Xarelto der Vergleichsmedikation „nicht unterlegen ist“. Selbst nach Aussage von BAYER wies das Präparat jedoch „kein konsistent positives Nutzen-Risiko-Profil“ auf.

weitere Informationen:
=> Public Citizen: Xarelto approval for stroke prevention rejected
=> Xarelto: Todesfälle in Indien

Wirtschaftswoche, 7. September 2011

FDA zweifelt an neuem Medikament

Schwarzer Tag für Bayer

Die US-Zulassungsbehörde FDA hat Zweifel an einem neuen Bayer-Medikament. Die Aktie des Leverkusener Pharma- und Chemiekonzerns verlor zeitweise um zwölf Prozent.

Eine Verzögerung – oder gar eine spätere Ablehnung – würde für Bayer und den neuen Konzernchef Marijn Dekkers ein ziemliches Desaster bedeuten. Entwickelt wurde Xarelto im wesentlichen am Forschungs- und Entwicklungsstandort Wuppertal. Für ihre Arbeit wurden die Forscher sogar vom damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler mit dem Deutschen Zukunftspreis ausgezeichnet. Erst kürzlich besuchte Nachfolger Christian Wulff das Team in Wuppertal.
Bayer-Chef Dekkers hatte sich vor einigen Wochen im WirtschaftsWoche-Interview optimistisch über Xarelto geäußert: „Wir sind sehr zuversichtlich und rechnen unverändert mit einer Markteinführung im dritten oder vierten Quartal 2011 – schließlich haben wir das Präparat an 65 000 bis 70 000 Patienten getestet.“
Nun könnte alles anders kommen. Die FDA verlangt bessere Informationen zu Xarelto. Die Experten argwöhnen auch, dass Bayer einen Vergleichstest mit dem Standardmedikament Warfarin nicht fair und adäquat durchgeführt haben könnte, um Xarelto einen Vorteil zu verschaffen.
Das Leverkusener Unternehmen geht dagegen weiterhin von einem positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis von Xarelto im Vergleich zu Warfarin aus. Zudem verursache Xarelto weniger Blutungen.
„Wir freuen uns auf eine offene und produktive Diskussion mit den FDA-Beratern und vertrauen auf die Ergebnissse der Rocket-AF.Studie“, sagt Bayer-Entwicklungschef Kemal Malik. Ob ihm die Diskussion am Ende auch noch Freude macht, wird sich zeigen.
Doch auch, wenn Xarelto noch zeitig den Markt erreicht, wird das Geschäft für Bayer nicht einfach werden: Ein Konkurrenzpräparat von Boehringer Ingelheim ist bereits auf dem Markt. Und ein vielversprechendes Mittel der US-Konzerne Pfizer und Bristol Myers Squibb zur Schlaganfall-Prophylaxe befindet sich gleichfalls in der Entwicklung.
Einen solchen Rückschlag hat die Bayer-Aktie seit drei Jahren nicht mehr erlebt. Am Dienstagnachmittag war an den Börsen durchgedrungen, dass Experten der US-Zulassungsbehörde FDA Zweifel an Bayers geplantem Spitzenmedikament Xarelto hegen. Für Bayer ist Xarelto, das gegen Schlaganfälle vorbeugen soll, das wichtigste Medikament seit Jahren. Die Bayer-Manager haben jährliche Spitzenumsätze von zwei Milliarden Euro schon ziemlich fest einkalkuliert. Nach den bisherigen Planungen soll das Mittel gegen Ende des Jahres auf den Markt kommen.
Am Donnerstag tagt nun bei der FDA in Silver Spring im US-Bundesstaat Maryland ein mit hochrangigen Medizinern besetztes Beratergremium. Dann fällt eine Vorentscheidung darüber, ob sich die‚ Einführung des Bayer-Medikaments verzögert. Endgültig wird die FDA Anfang November entscheiden. Die FDA ist allerdings nicht an die Empfehlungen des Beratergremiums gebunden; tatsächlich folgt sie diesen jedoch häufig. Von der europäischen Zulassungsbehörde EMEA, wo Bayer Xarelto gleichfalls zur Zulassung eingereicht hat, ist noch keine entsprechende Reaktion überliefert. von Jürgen Salz (Düsseldorf)

DIE ZEIT, 04. November 2011

Warnung mit der Roten Hand

Neue Blutverdünner waren die Hoffnung für Bayer und Boehringer. Nun könnten sie sich als großer Reinfall erweisen.

Lieselotte Bettermann (Name geändert) ist eine rüstige Rentnerin. Eine, die auch mit 84 Jahren noch gerne verreist und sich ihr Alter ebenso wenig anmerken lässt wie die beiden Schlaganfälle, die sie erlitten hat. Nun gut – ein paar Zugeständnisse macht sie inzwischen doch: Sie ist in eine Seniorenwohnanlage im Hamburger Süden gezogen, und jeden Montag kommt eine Putzfrau und hilft ihr, ihren kleinen Haushalt in Schuss zu halten. Und wegen ihrer Herzrhythmusstörungen schluckt sie Arzneien, die verhindern, dass sich in ihrem Herzen erneut Blutgerinnsel bilden und ins Gehirn wandern. Jeder weitere Schlag, das weiß sie, könnte sie zum Pflegefall machen.
Allein hierzulande gibt es laut Deutscher Schlaganfall-Gesellschaft knapp eine Million Patienten wie Lieselotte Bettermann. Insgesamt sollen in der alternden industrialisierten Welt neun Millionen Menschen unter dem sogenannten Vorhofflimmern leiden und einer Schlaganfall-Prophylaxebedürfen. Bis zu zehn Milliarden Euro pro Jahr, so schätzen Analysten, ließen sich auf diesem Markt verdienen, weshalb sich gleich mehrere Pharmariesen – darunter auch Bayer aus Leverkusen und Boehringer Ingelheim – auf die Suche nach neuen Pillen machten. So viel Aufbruchstimmung gab es seit der Entdeckung der Statine als Cholesterinsenker vor zwanzig Jahren nicht.
Und tatsächlich schafften es die zuletzt wenig erfolgverwöhnten deutschen Arzneihersteller, den anderen zuvorzukommen: Boehringer konnte seine Pille namens Pradaxa bereits einführen. Und das Bayer-Produkt Xarelto ist ebenfalls marktreif: Die US-Gesundheitsbehörde etwa will am kommenden Freitag über ihre Zulassung entscheiden. »Schön, dass in diesem wichtigen Therapiegebiet zwei Unternehmen aus Deutschland die Nase vorn haben«, triumphierte Boehringer-Chef Andreas Barner noch im April in der Wirtschaftswoche.
Doch seither haben sich die Aussichten deutlich eingetrübt. So kam es in Asien – wo Boehringer das Mittel schon im Frühjahr einführte – bald zu unerfreulichen Nebenwirkungen. In Japan, wo bis August 14 Todesfälle registriert wurden, schlug die Gesundheitsbehörde zuerst Alarm, Australien folgte im Oktober. In Europa verschickte Boehringer vergangenen Donnerstag auf Betreiben der Europäischen Arzneimittelagentur ebenfalls sogenannte Rote-Hand-Briefe zur Warnung an die Ärzteschaft. Der Hersteller bestätigte, dass auch in Deutschland und anderswo in Europa Todesfälle gemeldet wurden. Wie viele, wollte Boehringer-Sprecher Reinhard Malin unter Verweis auf die laufende »Einzelfallprüfung« nicht sagen. Die Zahl von 50 Todesfällen weltweit sei, so Malin, aber »vermutlich die richtige Größenordnung«.
Und bei Bayer läuft die Sache auch nicht ganz rund. So entspann sich unter den Beratern der US-Gesundheitsbehörde Anfang September eine Debatte über die Wirksamkeit von Xarelto. Die Zulassungsempfehlung gab es mit Gegenstimmen.
»Das alles mindert die Chancen von Bayer und Boehringer«, urteilt Pharmaanalyst Karl-Heinz Scheunemann von der Landesbank Baden-Württemberg. »Die Idee, dass die Deutschen den Markt unter sich aufteilen, dürfte sich als Illusion erweisen.« Auch Ulrich Huwald von der Privatbank Warburg meint: »Der Durchmarsch wird wohl nicht stattfinden.«
Das Problem: Die deutschen Hersteller sind dringend auf Erfolge angewiesen. Seit Bayer vor zehn Jahren den Cholesterinsenker Lipobay wegen Nebenwirkungen vom Markt nahm, hat der Konzern keine Bestseller hervorgebracht, und selbst die Übernahme des Wettbewerbers Schering 2006 kann die Lücke wohl nicht dauerhaft füllen. Beim Familienkonzern Boehringer, wo gerade mehrere Pillen Billigkonkurrenz bekamen, hängt die Zukunft erst recht an dem neuen Produkt.
Noch dramatischer sind die jüngsten Entwicklungen allerdings für die Patienten. In wenigen Feldern der Medizin würden Innovationen »sehnlicher erwartet« als bei den Gerinnungshemmern, sagt Joachim Röther. Er ist Chefarzt an der Asklepios Klinik im Hamburg-Altona. Die Notaufnahme unten im Erdgeschoss des Krankenhauses ist eine der am stärksten frequentierten Ambulanzen in Deutschland, auch an diesem Abend ist der Computertomograf noch in Betrieb.
Rund tausend Schlaganfälle werden hier jedes Jahr behandelt. Viele davon wären durch Vorbeugung zu vermeiden, sagt Röther, im Nebenamt Präsident der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft. Doch die bisher gängige Pille Marcumar, die vor vielen Jahrzehnten vom Schweizer Pharmakonzern Roche entwickelt wurde, ist bei den Patienten unbeliebt. Es hat sich herumgesprochen, dass die Substanz zunächst als Rattengift patentiert worden war und dass sie – falsch dosiert – auch Menschen töten kann. Und weil die Arznei auf bestimmte Lebensmittel mit Wirkungsschwankungen reagiert, ist es nicht leicht, sie richtig zu dosieren. Rund die Hälfte derer, die die Pille eigentlich brauchten, verzichten deshalb darauf.
Lieselotte Bettermann ist eine davon. »Mit Marcumar hätte ich mit Salat und grünem Gemüse aufpassen und mir ständig Blut abnehmen lassen müssen«, sagt sie, und dass sie als Diabetikerin schon genug Aufwand dieser Art betreibe. Sie entschied: »Ich schlucke lieber ASS.« Tatsächlich kann Acetylsalicylsäure – besser bekannt unter dem Namen Aspirin – nicht nur Schmerzen lindern, sondern auch die Verklumpung der Blutplättchen bremsen – die Wirkung ist jedoch schwächer.
Möglicherweise lag es daran, dass Frau Bettermann im Mai dieses Jahres mit einem zweiten, glücklicherweise leichten, Schlaganfall in Röthers Notaufnahme landete. »Behandlung mit Marcumar wurde ausdrücklich nicht gewünscht« steht in ihrer Patientenakte. Auch die neue Pille Pradaxa – seit September in deutschen Apotheken zu haben – lehnt sie ab.
Möglicherweise eine weise Entscheidung: Denn die Patienten, die in Asien nach der Einnahme von Pradaxa starben, waren Menschen, deren Nieren – aufgrund hohen Alters oder einer Erkrankung wie Diabetes – nicht gut funktionierten. So sammelte sich der Gerinnungshemmer in ihrem Körper an, sie starben an inneren Blutungen.
In dem Warnbrief, den der Hersteller nun im Auftrag der Gesundheitsbehörden verschickte, werden die Ärzte deshalb aufgefordert, bei Patienten über 75 Jahren regelmäßig die Nieren zu testen – und gegebenenfalls auf eine Verordnung zu verzichten. Weil das Schlaganfallrisiko ab diesem Alter steigt, trifft das die Kernzielgruppe.
Lutz Hein, Pharmakologe von der Uni Freiburg, fordert deshalb: »Hier müssen zunächst einmal mehr Erfahrungen gesammelt werden, um die Blutungen auch zu beherrschen.« Zwar bergen alle Gerinnungshemmer ein gewisses Blutungsrisiko – und zumindest bei der leichteren Pradaxa-Dosis ist dieses sogar »um etwa 20 Prozent niedriger« als bei der gängigen Arznei, wie Boehringer-Chef Andreas Barner zur Verteidigung der Pille anführt. Doch anders als bei Marcumar gibt es für die neuen Pillen eben noch kein Gegenmittel.
Bei Boehringer schlägt man vor, die Patienten an die Dialyse zu legen, um den Blutverdünner auszuwaschen. Bei akuten Blutungen oder auch Notfall-Operationen dürfte dieses Verfahren aber zu langsam sein. Bei Bayer hingegen scheint man zumindest eine heiße Spur zu verfolgen: Das Medikament aus Leverkusen blockiert einen anderen Blutgerinnungsfaktor und lässt sich durch Gabe bestimmter menschlicher Enzyme offenbar wieder ausschalten.
Diese Nachricht dürfte auch die amerikanischen Wettbewerber Pfizer und Bristol-Myers Squibb erfreuen. Sie arbeiten nämlich gemeinsam an einem fast baugleichen Gerinnungshemmer wie Bayer. Zwar war das Projekt von so viel Rückschlägen begleitet, dass es in der Fachwelt zwischendurch fast nicht mehr ernst genommen wurde. Dann allerdings landete das Duo einen Paukenschlag: Auf einem Kongress Ende August in Paris präsentierten die Amerikaner eine Studie, die nahelegt, dass ihre Pille sowohl in der Wirksamkeit als auch bei der Sicherheit allen anderen überlegen ist. Sie soll allerdings frühestens im nächsten Jahr in die Apotheken kommen.
Auch vom anderen Ende der Welt droht Konkurrenz. Der japanische Arzneihersteller Daiichi Sankyo arbeitet ebenfalls an einem Gerinnungshemmer. Dass das Mittel den Markt noch später erreicht, scheint Europa-Geschäftsführer Reinhard Bauer wenig anzufechten. »Wir haben uns bewusst Zeit gelassen«, sagt der Deutsche, der vorher lange bei Bayer gearbeitet hat. »Am Ende kommt es auf die Qualität an«, sagt er selbstsicher.
Die Zeit, als sich Deutschland Apotheke der Welt nannte, scheint endgültig vorüber. Doch so ärgerlich die Konkurrenz für Bayer und Boehringer ist, so sehr profitieren Patienten wie Lieselotte Bettermann, wenn sie zu besseren Pillen führt.
Natürlich nur, wenn sie sie auch einnehmen. Von Jutta Hoffritz

Lipobay

CBG Redaktion

16. Juni 2011

Lipobay-Opfer fordern Entschädigung

USA: Sammelklage gegen Bayer

Weltweit wird der Tod von mindestens 100 Menschen mit dem Blutfettsenker Lipobay in Verbindung gebracht, den der deutsche Pharmakonzern Bayer produziert hat. Der Oberste Gerichtshof in Washington hat nun eine Sammelklage mutmaßlicher Opfer zugelassen. Interne Papiere zeigten, dass dem Konzern das erhöhte Risiko bereits vor der Markteinführung bekannt war.
Das Medikament wurde in den Vereinigten Staaten in den Jahren 1997 bis 2001 unter dem Namen Baycol vertrieben. Bayer musste den Blutfettsenker im August 2001 wegen tödlicher Nebenwirkungen vom Markt nehmen. Der Konzern zahlte Opfern bereits mehr als eine Milliarde Dollar in außergerichtlichen Einigungen.
Der Supreme Court gab nun grünes Licht für eine Sammelklage. Die Richter widerriefen damit eine Entscheidung eines US-Berufungsgerichts, die die Sammelklage im US-Bundesstaat West Virginia gegen das Leverkusener Unternehmen zuvor unterbunden hatte.

weitere Infos zu Lipobay
=> In Sachen „LIPOBAY“: Ex-Angestellte verklagt BAYER
=> Lipobay, Trasylol, Aspirin: Das Pharma-Marketing bei BAYER
=> NY Times: Bayer Knew of Dangers of Its Cholesterol Drug
=> „Schuldig ist die Industrie“: Das LIPOBAY-Desaster
=> Bayer Held Back on Drug Dangers

[Yasmin] STICHWORT BAYER 04/2010

CBG Redaktion

neue Zahlen aus den USA

Yasmin: noch mehr Todesfälle

Die Einnahme von Kontrazeptiva wie Yaz, Yasminelle und Yasmin ist mit einem vergrößerten Thrombose- und Embolie-Risiko verbunden. Neue Daten der US-Aufsichtsbehörden zeigen, dass die Zahl der Todesfälle weit höher liegt als bislang angenommen. Auch die Zahl der Klagen gegen den Produzenten, die BAYER SCHERING AG, steigt weiter. Durch die Einführung generischer Versionen von Yaz könnte die Häufigkeit schwerer Nebenwirkungen weiter zunehmen.

von Philipp Mimkes

Vor 50 Jahren begann in Deutschland der Verkauf der Antibaby-Pille. Erster Produzent war die Schering AG, die mittlerweile zum Weltmarktführer für hormonelle Kontrazeptiva aufgestiegen ist und seit 2006 zum BAYER-Konzern gehört. Mit Präparaten der sogenannten „vierten Generation“ wie Yaz, Yasminelle, Yasmin und Petibelle macht die Bayer Schering AG einen Jahresumsatz von über einer Milliarde Euro. Zum Jubiläum startete der Konzern daher ein wahres Marketing-Feuerwerk - unter anderem wurden eine Wanderausstellung auf die Reise geschickt, Vorträge und Gala-Veranstaltungen in mehreren Ländern ausgerichtet und eine Facebook-Kampagne zu den „erstaunlichen Errungenschaften von Frauen in den vergangenen fünf Jahrzehnten“ initiiert.
Nicht thematisiert werden hierbei die erhöhten Risiken der hormonalen Verhütungsmittel, die den Markt heute beherrschen. Dabei waren schon bei der Einführung der Präparate mit dem Hormon Drospirenon vor rund acht Jahren Warnungen geäußert worden. Das pharmakritische arznei-telegramm bemängelte das Thrombose-Risiko des neuen Wirkstoffs und riet von einer Verordnung ab. Neuere Studien, die im vergangenen Sommer im British Medical Journal veröffentlicht wurden, fanden gar ein gegenüber älteren Pillen um bis zu 80% erhöhtes Risiko.
Die absolute Gefahr ist zwar vergleichsweise gering – von 100.000 Frauen, die die Pille nehmen, erleiden jährlich zwischen 20 und 50 eine Thrombose. Da jedoch weltweit bis zu 100 Millionen Frauen mit der Antibaby-Pille verhüten, führen selbst relativ seltene Nebenwirkungen zu zahlreichen Schädigungen. Zumal das zusätzliche Risiko der neueren Präparate in keiner Weise zu rechtfertigen ist: ältere Mittel der „zweiten Generation“ verhüten ebenso zuverlässig.

Interne FDA-Daten
Recherchen des Schweizer Fernsehens zeigen, dass die Zahl der gemeldeten Todesfälle weit höher liegt als vermutet. War im Zusammenhang mit den BAYER-Produkten Yasmin und Yaz bislang von 50 Todesfällen die Rede, so zeigen neue Daten, dass allein in den USA 140 (Yasmin) bzw. 50 (Yaz) Frauen starben.
Reporter der Nachrichtensendung „10vor10“ hatten hierfür eine Anfrage nach dem amerikanischen Informationsfreiheitsgesetz gestellt und von der Aufsichtsbehörde Food and Drug Administration (FDA) kartonweise Unterlagen erhalten. Die FDA hatte in den vergangenen zehn Jahren rund 10.000 sogenannter Spontanmeldungen zu Nebenwirkungen von Antibaby-Pillen gesammelt und diese nun erstmals zugänglich gemacht. Dokumentiert werden harmlose Nebenwirkungen wie Kopfweh und Schlaflosigkeit, aber auch Lungenembolien und Todesfälle. Auch das Verhütungspflaster Evra von JANSSEN CILAG und der Nuvaring der ESSEX CHEMIE führten demnach zu Dutzenden von Todesfällen.
Der Frauenarzt Daniel Brügger, der seit Jahren vor den Risiken neuerer Verhütungsmittel warnt: „Ich bin schockiert. Man hätte die Todeszahlen besser kommunizieren sollen.“ Stephan Krähenbühl, Chefarzt in Basel und Präsident der Schweizer Kommission für Medikamentenzulassung, äußert sich überrascht: „Es ist für mich emotional ergreifend und sehr tragisch.“ In der Schweiz ist BAYER SCHERING ebenfalls Marktführer. Seit dem Tod mehrerer junger Frauen in der Schweiz fordern mehrere Gesundheitsverbände ein Verbot der Mittel mit dem Wirkstoff Drospirenon.

2700 Klagen
Ende Juli musste BAYER einräumen, dass in den USA 2.700 Klagen geschädigter Frauen eingereicht wurden. Bislang war von 1.600 Verfahren die Rede. In Kanada liegen acht Sammelklagen vor.
In Deutschland, wo Sammelklagen juristisch nicht vorgesehen sind, müssen die Betroffenen einzeln klagen. Zu den Klägerinnen gehören auch geschädigte Frauen, die Ende April auf Einladung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) in der Hauptversammlung des Unternehmens von ihrer Leidensgeschichte berichtet hatten (siehe Stichwort BAYER 2/3 2010).
Die CBG kooperiert mit den Anwälten und brachte das Thema wiederholt in die Medien. So wurden Kathrin Weigele und Felicitas Rohrer, die die Einnahme der BAYER-Präparate nur knapp überlebt hatten und die in der BAYER-Hauptversammlung ein Rückzug der Produktgruppe gefordert hatten, in der Wochenzeitung DIE ZEIT und in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG portraitiert.

Verbot gefordert
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN wandte sich in einem Schreiben an die FDA und verlangte ein Verbot aller Präparate mit erhöhtem Risikopotential. Im Jahr 2001 hatte die FDA den Cholesterin-Senker Lipobay wegen zahlreicher Todesfälle vom Markt genommen. „Die Problematik ist durchaus vergleichbar, da es in beiden Fällen weniger gefährliche Alternativen gab beziehungsweise gibt – nur dass die Zahl der Todesfälle von Yasmin und Yaz höher liegt“, heißt es in dem Brief der CBG. Die FDA antwortete, eine Studie zu den Todesfällen sei im Gange. Weitere Schritte seien momentan nicht absehbar. Die Umsatzzahlen gehen jedoch auch ohne behördliches Eingreifen zurück: Der Branchendienst IMS Health meldete für den US-Markt zwischen Januar und Mai 2010 Rückgänge bei Drospirenon von 15 Prozent.
Die deutschen Behörden reagieren ebenfalls langsam. Einzig eine Ergänzung des Beipackzettels, der nun einen Hinweis auf die jüngsten Studien enthalten muss, wurde vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) verfügt. Noch vier Monate später hatte es der Konzern jedoch nicht geschafft, die Fachinformation für Ärzte entsprechend zu aktualisieren.
Die Zurückhaltung der Behörden erklärt sich vielleicht damit, dass das BfArM in den 90er Jahren in einer Auseinandersetzung mit der Pharma-Industrie unterlegen war: Die Zulassungsbehörde hatte damals die Verschreibung von Antibaby-Pillen der dritten Generation wegen erhöhter Risiken für Frauen unter 30 Jahren untersagt. Daraufhin klagten die Hersteller, an führender Stelle Schering. 1998 wurde das Verbot aufgehoben.

Generika verschärfen Probleme
Das israelische Unternehmen Teva, weltgrößter Anbieter preisgünstiger Generika, kündigte derweil an, noch in diesem Jahr eine Kopie von Yaz auf den US-Markt zu bringen. Auch die Novartis-Tochter Sandoz sowie der US-Konzern Watson wollen Nachahmerversionen verkaufen. BAYER hat gegen alle drei Konkurrenten Klage erhoben, wird den Markteintritt der Generika aber wahrscheinlich nicht lange verhindern können. Durch den günstigeren Preis drohen die Verkaufszahlen – und damit die Zahl schwerer Nebenwirkungen – weiter anzusteigen.

[HV Reden] STICHWORT BAYER 02/03 2010

CBG Redaktion

Pharma-Opfer auf BAYER-HV

„Lassen Sie keine jungen Frauen mehr sterben!“

15 KritikerInnen machten die BAYER-Hauptversammlung am 30. April 2010 zu einem Tribunal gegen die menschenverachtende Unternehmenspolitik. Besonders viel Belastungsmaterial lieferten dabei die Anklageschriften der Pharma-Opfer.

Von Jan Pehrke

Die Geschäftspolitik BAYERs misst sich in Zahlen. All das, was sich nicht in Ziffern von 0 bis 10 ausdrücken lässt, findet keinen Eingang in die Bilanz. So gibt es kein Register für die Risiken und Nebenwirkungen profit-orientierten Wirtschaftens. Die Produktion von Kunststoff und die Produktion von klima-schädigendem Kohlendioxid, die Produktion von Pestiziden und die Produktion von Vergifteten, die Produktion von Arzneistoffen und die Produktion von Pharma-Opfern - das führt der Geschäftsbericht nicht zusammen auf, obwohl es zusammen gehört.

Nur die alljährliche Hauptversammlung eröffnet die Möglichkeit zu dieser Art der doppelten Buchführung. Allerdings nicht ganz freiwillig und entgegen ihrer eigentlichen Bestimmung. Aber wer immer im Gewande eines Aktionärs auftritt, der kann eine ganz andere „Soll und Haben“-Rechnung aufmachen. Und so zwingt ausgerechnet das Aktienrecht den Konzern-Vorstand dazu, den Opfern ihres Gewinnstrebens ins Gesicht zu sehen.

Darum mussten die Manager am 30. April den Anblick von Felicitas Rohrer ertragen. Die Tiermedizinerin hatte nach der Einnahme des Kontrazeptivums YASMINELLE eine Lungenembolie erlitten und wäre daran fast gestorben. Die Verhütungsmittel, die BAYER-Chef Werner Wenning in seiner Eröffnungsrede als Beispiel für Konzern-Entwicklungen pries, „die die Therapie in ihrer jeweiligen Indikation revolutioniert haben“, hat die 25-jährige am eigenen Leib so erlebt: „Am 11. Juli 2009 war ich zufällig mit meinem Freund in Freiburg. In der dortigen Universität wurde mir plötzlich schwindlig, bevor ich ohnmächtig zusammengesackt bin. Mein Freund konnte mich gerade noch auffangen, und es gelang ihm nach einiger Zeit, mich aus der Ohnmacht zurückholen. Aber ich hatte furchtbare Schmerzen, ein enormes Druckgefühl auf dem Oberkörper, und ich konnte kaum noch atmen (...) Der Notarzt ließ mich sofort in die Uniklinik einliefern. Dort haben im Schockraum bereits etwa fünfzehn Ärzte auf mich gewartet. Mir wurden die Kleider vom Leib geschnitten. Die Schmerzen wurden so stark, dass ich nicht mehr liegen bleiben konnte. Dann weiß ich bis zum nächsten Tag nichts mehr“.

„Doppelte Lungenembolie“ war die Diagnose und die Prognose entsprechend düster: Die ÄrztInnen bezeichneten das Überleben der jungen Frau als ein Wunder. Allerdings ist Felicitas Rohrer schwer gezeichnet. Ihre Venen transportieren das Blut nicht mehr richtig, weshalb sie Stützstrümpfe tragen und einmal die Woche zur Lymph-Drainage muss. Herz und Lunge arbeiten nur noch eingeschränkt, und Narben überziehen den Körper. Ihren erlernten Beruf als Tierärztin kann sie nicht ausüben, und auch ihren Kinderwunsch musste sie begraben. „Ich stand mitten im Leben, und ihre Pille hat mich da herausgerissen, mir Qualen und unerträgliche Schmerzen zugefügt und mich geschädigt hinausgespuckt in ein neues Leben“, klagte Felicitas Rohrer an.

Es war eine Pille, der BAYER in der Werbung allen Anschein eines Medikamentes genommen hatte. Als Lifestyle-Präparat mit angeblich hautfreundlicher und gewichtsneutraler Wirkung pries der Konzern sein Produkt an. Am Anfang ihrer Rede zitierte Felicitas Rohrer diese Reklamesprüche, weil es gerade dieser „Feel-Good-Faktor“ war, der ihr zum Verhängnis wurde. YASMINELLE & Co. entziehen dem Körper wegen des in Aussicht gestellten „Figur-Bonus‘“ nämlich Wasser, was das Blut verdickt und das Thrombose-Risiko erhöht. „Wann werden Sie etwas unternehmen und die Pillen der dritten und vierten Generation vom Markt nehmen“, fragte das Pharma-Opfer deshalb und appellierte an den Vorstand: „Lassen Sie keine jungen Frauen mehr sterben. Mein Leben haben Sie schon zerstört!“.

Und Felicitas Rohrer ist kein Einzelfall. Dafür stand an diesem Tag Kathrin Weigele. „Ich bin heute hier, um auch anderen Betroffenen ein Gesicht zu geben“, erklärte sie auf dem RednerInnen-Pult und berichtete den AktionärInnen, auf welche Weise sie im Alter von 24 Jahren durch die Pille YASMIN ebenfalls beinahe aus dem Leben gerissen wurde. Die Frauenärztin hatte ihr die Pille wegen der angeblich positiven Effekte auf Haut und Gewicht empfohlen. „Die Folgen dieser Entscheidung: eine schwere beidseitige Lungenembolie, durch die sich ein lebensgefährlicher Lungenhochdruck entwickelte, sowie eine damit verbundene Rechtsherz-Belastung mit der Gefahr akuten Herzversagens“, so Weigele. Die angehende Juristin, die ebenso wie Felicitas Rohrer noch immer an der Nebenwirkung „Lungenembolie“ zu leiden hat, zitierte eine Vielzahl von Studien und Untersuchungen als Beleg für die besondere Gefährlichkeit der Mittel aus der YASMIN-Familie und wollte vom Vorstand wissen: „Wie können Sie angesichts solcher Ergebnisse weiterhin von einem positiven Nutzen-/Risikoprofil von YASMIN ausgehen? Wie erklären Sie sich dann, dass nun auf Veranlassung europäischer Arzneimittelbehörden sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland der Beipackzettel geändert (...) werden muss?“. Mit der Aufforderung an die BAYER-Manager, auf die Betroffenen zuzugehen und sie bei der Problem-Bewältigung zu unterstützen, beendete Kathrin Weigele ihre Rede.
Aber nicht nur die Verhütungsmittel, auch andere Pharma-Produkte des Multis haben es in sich. Der Engländer John Santiago führte das der Hauptversammlung eindrucksvoll vor, indem er auf die Widersprüche zwischen Anspruch und Wirklichkeit des Konzerns hinwies, ganz ohne die Sprach-Barriere überwinden zu müssen. Santiago deutete auf die Bühnendekoration mit dem weithin sichtbaren BAYER-Leitsatz „Science for a better life“ und hielt dann seine Hand mit zwei Finger-Stümpfen hoch. Diese Missbildung rührt von dem hormonellen Schwangerschaftstest PRIMODOS der heute zu BAYER gehörende Firma SCHERING her, den seine Mutter Ende der 60er Jahre verwendete. Tausende Babys starben dadurch unmittelbar nach der Geburt, wenn sie nicht schon im Mutterleib verendeten oder kamen mit schweren Missbildungen zur Welt. „Wann wird BAYER SCHERING die Verantwortung für diesen Fehler übernehmen?“, fragte der Brite die Vorstandsriege und forderte eine Entschädigung der Opfer.

Eine solche verlangte ebenso - wie bereits im letzten Jahr - der PRIMODOS-Geschädigte Karl Murphy von der ASSOCIATION OF CHILDREN DAMAGED BY HORMONE PREGNANCY TESTS. Nach seinem Auftritt auf der Hauptversammlung 2009 hatte der Pharma-Riese Murphy gebeten, ihm Dokumente zu seinem Fall zuzusenden. Das tat der Engländer auch - geschehen ist aber bislang nichts. Dafür wollte der 37-Jährige, der wie John Santiago deformierte Gliedmaßen hat, nun eine Erklärung. Zudem legte er der Hauptversammlung neues Beweismaterial vor. So entsprach die Hormon-Dosis von PRIMODOS derjenigen von zwei bis drei Packungen Antibaby-Pillen. „Was würden Sie sagen, wenn ihr Doktor Ihnen zwei bis drei Packungen Antibaby-Pillen als Schwangerschaftstest verschreiben würde?“, fragte der Liverpooler Wenning & Co. und wartete die Reaktion nicht ab: „Ich denke, wir alle kennen die Antwort. Nur die Verantwortlichen von BAYER beharren darauf, dass diese Hormon-Menge unbedenklich für den Fötus ist“. Und BAYER tut das nicht nur entgegen der Urteile des „British Committee on Safety of Medicines“ und großer Studien, sondern sogar in Verleugnung des eigenen Beipackzettels. Darauf heißt es laut Murphy nämlich: „Es besteht die Möglichkeit eines Zusammenhangs zwischen der Verwendung von PRIMODOS in der frühen Schwangerschaft und einer erhöhten Gefahr von Fehlbildungen. Wegen dieser möglichen Folgen darf PRIMODOS nicht in der Schwangerschaft eingenommen werden.“

Die Existenz eines solchen Beipackzettels bestritt Werner Wenning nicht, wohl aber dessen Aussage. SCHERING habe den Warnhinweis 1975 auf Drängen der Behörden ergänzt, „obwohl das Unternehmen nicht der Auffassung war, dass ein Zusammenhang zwischen PRIMODOS und den Fehlbildungen besteht“, so der BAYER-Chef. Und dieser Auffassung ist der Vorstandsvorsitzende auch heute noch nicht. Er sagte Karl Murphy auf den Kopf zu: „Wir schließen PRIMODOS als Ursache für Ihr Leiden aus“. Für das Wenning ihm ansonsten sein Mitgefühl aussprach. „Wir haben Ihnen schon im vergangenen Jahr deutlich gemacht, wie sehr wir ihr Schicksal bedauern“, erklärte der BAYER-Boss.

Nach diesem Schema - salbungsvoll-verbindlich in der persönlichen Ansprache, unnachgiebig in der Sache - waren auch die Antworten auf die Fragen der anderen Pharma-Opfer gestrickt. „Lassen Sie uns zuerst sagen, wie sehr wir Ihr Schicksal bedauern“, bekam John Santiago zu hören - und gleich danach eine Ableugnung der fatalen Nebenwirkungen des Schwangerschaftstests. Das Schicksal Kathrin Weigeles machte den BAYER-Chef ebenfalls betroffen. Er fing sich allerdings schon recht bald wieder und stellte klar, „dass nicht feststeht, ob die Erkrankung wirklich auf unser Produkt zurückzuführen ist oder nur ein zeitlicher Zusammenhang besteht“. An den von ihr angeführten Untersuchungen zum erhöhten Lungenembolie-Risiko der YASMIN-Pille zweifelt Wenning nach wie vor, während er nicht einsehen will, warum an den entlastenden Ergebnissen einer Studie zu zweifeln ist, die BAYER selbst in Auftrag gegeben hat: „Die Validität wird dadurch in keinster Weise berührt“. In der „Aktualisierung“ der Packungsbeilage mochte er so wenig wie im Fall „PRIMODOS“ ein Schuldeingeständnis sehen. In seiner Reaktion auf die Rede Felicitas Rohrers gestattete sich Werner Wenning vorab gleichfalls einige persönliche Worte über die Last von Krankheiten, aber seine Anteilnahme überdauerte dann nicht mal den Satz. „Ich verstehe sehr gut, dass Sie Antworten suchen“, setzte er an, um der Frau dann zu erklären, „dass Sie die Antwort hier nicht finden können“. Hier hieß es nämlich: „Wir stehen hinter der YAZ-Familie“ und „Das positive Nutzen/Risiko-Profil besteht unverändert fort“. Darum versicherte der Große Vorsitzende seinen AktionärInnen auch, mit Nachdruck daran arbeiten zu wollen, den Trend umzukehren, der - durch die Negativ- Schlagzeilen ausgelöst - vor allem in den USA zu massiven Umsatzeinbußen für YASMIN & Co. geführt hat.

Freundliche Unterstützung erhielt Wenning dabei von der Betriebsrätin des Wuppertaler Pharma-Werkes, Gudrun Kiesler. Die Chemie-Gewerkschaftlerin bekannte sich in der AktionärInnen-Versammlung eindeutig zu den Pillen, sprach den Entlastungsstudien blind ihr Vertrauen aus und bezeichnete die Krankengeschichten Felicitas Rohrers und Kathrin Weigeles als bedauerliche Einzelfälle. Von Felicitas Rohrer nach ihren Einlassungen zur Rede gestellt, beschied Kiesler den Pharma-Opfern allen Ernstes, sie hätten sich ja vorher über die Risiken und Nebenwirkungen des Medikamentes informieren können.
Es war an Axel Köhler-Schnura von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG), diesen erbärmlichen Akt der Sozialpartnerschaft öffentlich zu geißeln. „Was die Betriebsrätin aus dem BAYER-Werk Wuppertal, Frau Kiesler, vorhin hier am Mikrofon angesichts des Leids der Opfer von YASMIN und deren Angehörigen von sich gegeben hat, und das auch noch im Wissen um die weltweiten Schlagzeilen zum BAYER-Medikament LIPOBAY, die vielen Todesopfer von ASPIRIN und die tödlichen BAYER-Bluter-Pharmazeutika, für das gibt es leider nur einen Kommentar: Unterste Schublade!“

Damit demonstrierte der CBG-Vorständler auch gleich, dass es sich bei den jüngsten Pharma-GAUs nicht um Einzel-Ereignisse handelt, sie vielmehr in einer langen, vom Profitstreben begründeten Tradition stehen. Aus dieser Erfahrung heraus wusste er bereits, wie Wenning auf die Reden der Opfer reagieren würde und kritisierte das im Vorgriff äußerst treffend: „Und noch schändlicher ist es, Herr Wenning, wenn der Konzern das Ganze noch regelmäßig toppt, indem er nach Eintritt der Schadens- und Todesfälle jede Verantwortung leugnet, die Opfer oftmals sogar verhöhnt und Entschädigungen für die Opfer und deren Angehörigen grundsätzlich verweigert“.

Das tat der Konzernlenker nicht nur in Sachen „YASMIN“ und „PRIMODOS“. Zwischenfälle bei aus Kostengründen in die „Dritte Welt“ verlegten Arzneimitteltests leugnete er schlichtweg ab. Den Imkern Christoph Koch und Manfred Gerber gegenüber, die über die Verluste Tausender Bienenvölker durch BAYER-Pestizide klagten, brachte er wieder den Textbaustein „Es besteht kein Zusammenhang zwischen ...“ in Anschlag. Auch die Rede Antje Kleine-Wiskotts vom DACHVERBAND DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE veranlasste ihn nicht dazu, seine Meinung über die Gefährlichkeit der Ackergifte zu ändern: „Wir sind davon überzeugt, dass unsere Produkte sicher sind“. Und Warnungen vor den Risiken und Nebenwirkungen neuer Projekte wie der geplanten Kohlenmonoxid-Pipeline und der unlängst in Betrieb genommenen Nanotechnologie-Pilotanlage hielt er für gegenstandlos.

Dank soviel Ignoranz und Gnadenlosigkeit musste Axel Köhler-Schnura die Jubelarien konterkarieren, die Werner Wenning zu seinem Abgang nach acht Jahren als Vorstandsvorsitzender gewidmet wurden. „Herr Wenning, ich kann nur sagen, Sie mögen sich für die Profite des Konzerns einen Namen gemacht haben, aber für die Belegschaften, für die Allgemeinheit und für die Umwelt haben Sie großen Schaden angerichtet“, bilanzierte Köhler-Schnura. Und Wennings Nachfolger Marijn Dekkers forderte der Diplom-Kaufmann zu einer Umkehr auf: „Andernfalls, Herr Dekkers, können Sie sich zwar im goldenen Schein der Profite sonnen, aber Sie werden den Zorn und die Wut der Beschäftigten, der Menschen und der Kinder und Enkel auf sich ziehen“.

Kritische AktionärInnen belasten Vorstand

BAYER in der Defensive

Nicht nur im Konzernbereich „Pharma“ bot der Leverkusener Multi im Geschäftsjahr 2009 reichlich Anlass zur Kritik. Auch in den Segmenten „Material Science“ und „Crop Science“ tat sich so einiges. Von der Kohlenmonoxid-Pipeline und bienenvergiftenden Pestiziden über geplante CO2-Dreckschleudern und nicht sicherheitsüberprüfte Nano-Anlagen bis zu umstrittenen Gentechnik-Vorhaben reichte die Mängelliste der GegenrednerInnen.

Von Jan Pehrke

Den prominentesten Platz in den Reden der Konzern-KritikerInnen nahm wieder einmal die geplante Kohlenmonoxid-Leitung von Dormagen nach Krefeld ein. Gleich in fünf Stellungnahmen fand die „verflixte Pipeline“, wie sie Dieter Donner zufolge BAYER-intern mittlerweile genannt wird, Eingang. Für den Presse-Koordinator der Bürgerinitiative STOPP BAYER-CO-PIPELINE lässt schon das Ausmaß des Pfusches am Bau Böses über die Sicherheitslage bei einer möglichen Inbetriebnahme ahnen. So hat der Leverkusener Multi an 36 Stellen dünnere Rohre als ursprünglich vorgesehen verwendet, an zehn Stellen anderen Stahl als beantragt verbaut und an über 80 Stellen einen anderen Trassenverlauf als genehmigt gewählt. Zudem versäumte er es, das Gebiet sorgfältig nach Fliegerbomben aus dem Zweiten Weltkrieg zu durchsuchen. Aber nicht nur diese „Ungereimtheiten“ sind es, die Donner gegen das Projekt einnehmen. Er zweifelte generell an dessen Sinnhaftigkeit, zumal das Unternehmen 2004 einen langfristigen Vertrag über CO-Lieferungen mit LINDE abgeschlossen hat, widersprüchliche Aussagen über die angeblich dringend abzuleitenden Kohlenmonoxid-Überkapazitäten in Dormagen macht und den Stoff am Standort Leuna direkt vor Ort produziert. „Warum meinen BAYER und LINDE jetzt in Uerdingen alles anders machen zu können und wollen partout das giftige CO-Gas von LINDE 67 Kilometer durch dichtest besiedeltes Gebiet leiten?“, fragte er den Vorstand.

Was bei diesem Unternehmen schon im Falle einer kleinsten Leckage droht, malte Marlis Elsen der Hauptversammlung aus: „Bei einem 54 Millimeter großen Loch wird (...) mit bis zu fünf Tonnen Gas-Austritt und einer Gaswolke in Form einer Keule von 800 Metern gerechnet“. Die Vertreterin der AnwohnerInnen-Initiative FAMILIENHEIM-SIEDLUNG LEHMKUHLER WEG verstand ebenso wenig wie Dieter Donner, warum der Multi nicht einfach eine CO-Anlage in Uerdingen baut, äußerte aber eine Vermutung. Auf eine Interview-Aussage von BAYER-Sprecher Jörg Brückner Bezug nehmend, wonach der Global Player den Leitungsverbund brauche, um „Reserven einzuspielen“, mutmaßte sie, der Multi wolle die Pipeline aus wirtschaftlichen Gründen als Speicher zur CO-Vorratshaltung nutzen. Für Elsen ein unakzeptables Vorgehen: „Wann endlich begreift der Konzern, dass es nicht darum geht, ob BAYER eine Vernetzung der Standorte braucht oder Wettbewerbsnachteile hat? Es geht darum, dass die Erhöhung der Profite durch diesen Wettbewerbsvorteil auf Kosten unserer Sicherheit erfolgt“.

Und noch dazu klammheimlich. Harald Jochems vom NIEDERRHEINISCHEN UMWELTSCHUTZVEREIN prangerte die desaströse Informationspolitik von BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) an, welche die AnwohnerInnen im Unklaren über die Risiken des Giftgas-Verbundes lasse und damit den Vorschriften der Störfall-Verordnung zuwiderlaufe.

Nach Ansicht von Rainer Kalbe ist ein Konzern, der seine Absichten mit solchen Mitteln „auf Teufel komm raus“ gegen den - hunderttausendfach auf Unterschriftenlisten dokumentierten - Widerstand der Bevölkerung verfolgt, schon von vornherein auf dem Holzweg. „Vielleicht ist es auch so, dass nicht die mehr als 110.000 Menschen in diesem Lande industriefeindlich sind, sondern ein Konzern, der so handelt, menschenfeindlich ist?“, stellte er in den Raum. Eine ehrliche Antwort darauf erwartete Kalbe, der wie Dieter Donner der Bürgerinitiative STOPP BAYER-CO-PIPELINE angehört, ebenso wenig wie auf seine anderen Fragen. Das hatte ihn die letzte AktionärInnen-Versammlung gelehrt. Hatte BAYER-Chef Werner Wenning ihm dort doch versichert: „BMS ist bei dem in die Kritik geratenen Projekt stets nach geltendem Recht vorgegangen“, während zeitgleich wenige Kilometer Luftlinie entfernt das Düsseldorfer Verwaltungsgericht zahlreiche Verstöße gegen den genehmigten Bauplan festgestellt hatte. Diese Erfahrung veranlasste den Aktivisten, auf eine Stellungnahme Wennings zu verzichten. „Sie brauchen Ihre Mitarbeiter hinter der Bühne nicht zu bemühen. Wissen Sie, ich habe einfach keinen Bock mehr auf Märchenstunden“, mit diesen Worten beschloss Kalbe seinen Vortrag.

Werner Wenning nahm das Angebot gerne an. Seine Ausführungen zu den Reden der anderen Pipeline-GegnerInnen zeigten dann, dass Kalbe nicht allzu viel entging. „CO ist kein ungefährliches Gas“, räumte der Ober-BAYER ein, um dann aber flugs zu ergänzen: „Entscheidend ist der richtige Umgang“. Und den pflegt BAYER seiner Meinung nach. Die Sicherheit habe für den Konzern nach wie vor oberste Priorität, bekräftigte Wenning. Daran änderten für ihn auch die Verwendung anderer Stahlsorten und die paar Umwege in der Streckenführung nichts, schließlich habe der TÜV das abgesegnet. „Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass es im Industrieland NRW möglich sein muss, eine solche Pipeline zu bauen und zu betreiben“, sagte der Konzern-Chef und betete das Pipeline-Mantra herunter: „Sie ist symbolträchtig. Sie dient dem Allgemeinwohl. Sie dient dem Standort“.

Unsichere Anlagen
Ebenfalls über alle Zweifel erhaben wähnte Wenning ein anderes Bau-Vorhaben, das in Krefeld von TRIANEL auf dem BAYER-Gelände geplante Kohlekraftwerk, ein kalkulierter Kohlendioxid-Ausstoß von 4,4 Millionen Tonnen änderte daran nichts. Dabei setzte der Leverkusener Multi ursprünglich auf eine umweltschonendere Art der Strom-Gewinnung, wie Harald Jochems dokumentierte. Er zitierte aus einem Planfeststellungsbeschluss, wonach BAYER an dem Standort eine Gas/Wärme-Koppelungsanlage errichten wollte, um „zu einer nachhaltigen Reduzierung der CO2-Emissionen“ zu kommen. Aber letztendlich wählte das Unternehmen die etwas billigere - und umweltschädlichere Alternative. „Hat BAYER die Umstellung auf eine gas-basierte Energie-Erzeugung aufgegeben?“, wollte der Architekt deshalb wissen. Wenning verneinte: Kohle habe am Energiemix des Unternehmens nur einen Anteil von 20 Prozent, Gas hingegen einen von 80 Prozent. Das hörte sich überzeugend an, entsprach aber leider nicht den Angaben des eigenen Nachhaltigkeitsberichts. Nach den dort veröffentlichten Zahlen für die selbst produzierte Energie beträgt das Kohle-Kontingent ca. 37 Prozent!

Den Gefahren eines von BAYER bereits realisierten Großprojektes, eine Produktionsstätte für Nano-Röhrchen namens BAYTUBES, widmete sich Claudia Baitinger vom BUND FÜR UMWELT UND NATURSCHUTZ DEUTSCHLAND (BUND). Obwohl auch diese „Zukunftstechnologie“ mit vielen Risiken behaftet ist - so gibt es Hinweise auf eine asbest-ähnliche Wirkung der Nano-Röhrchen - blieb der Fabrik eine Umweltverträglichkeitsprüfung erspart. Der Multi hatte sie kurzerhand als Pilotanlage deklariert und musste deshalb nur die Auflagen des Baurechts erfüllen. Ein Etikettenschwindel, wie Baitinger befand. Über einen bloßen Testlauf ist das Nano-Werk mit einer Kapazität von 200 Jahrestonnen nämlich bereits weit hinaus. Die Sprecherin des BUND-Landesarbeitskreises „Technischer Umweltschutz“ zitierte dazu aus der Eröffnungsrede Werner Wennings und aus einer Konzern-Veröffentlichung, in der es hieß: „Vor diesem Hintergrund hat BAYER MATERIAL SCIENCE bereits früh die Weichen für eine industrielle Herstellung von BAYTUBES gestellt“. Claudia Baitinger zählte mit dem Arbeitsschutz- und Chemikalien-Gesetz, der Gefahrstoff-, Altstoff- und der Biozidmelde-Verordnung, der EU-Biozid- und Arbeitschutzrichtlinie die Regelungen auf, die laut „Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin“ im Umgang mit Nano-Materialien zu beachten sind, und fragte anschließend: „Sind die Verantwortlichen wirklich davon überzeugt, dass das alles im Baurecht abzuhandeln ist?“. Und wie nicht anders zu erwarten, waren sie das. „Die Anlage läuft auf höchstem Sicherheitsniveau“, konstatierte Wenning und bezeichnete das Vorgehen des Unternehmens bei der Genehmigung als „gesetzeskonform“.

Just dieses „höchste Sicherheitsniveau“ hatte der BAYER-Chef 2008 trotz der von CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes präsentierten Mängelliste auch der Anlage im US-amerikanischen Institute bescheinigt, bis es wenige Monate später zu einer Explosion mit zwei Toten kam. Wären die durch die Luft wirbelnden Teile in die Lager mit der Bhopal-Chemikalie Methylisocyanat (MIC) eingeschlagen, hätte sich die indische Katastrophe von 1984 wiederholen können. „Ganz so unbegründet waren unsere Forderungen also offenbar doch nicht“, stellte Mimkes deshalb jetzt fest. Die nach dem großen Knall eingeleiteten Veränderungen bezeichnete er als einen Schritt in die richtige Richtung; sie gingen ihm allerdings nicht weit genug. Statt einer Reduzierung der auf dem Werksgelände vorgehaltenen MIC-Bestände um 80 Prozent verlangte er eine Umstellung auf Verfahren, die ohne die gefährliche Chemikalie auskommen. Das war mit Wenning allerdings nicht zu machen. Er zählte dem CBGler zwar „weitreichende Maßnahmen“ auf, die BAYER nach dem Unglück zur Verbesserung der Anlagensicherheit durchgeführt hat, diese spezielle erschien ihm dann aber doch zu weitreichend.

Mehr oder weniger weitreichende Maßnahmen dürften auch im thailändischen Map Ta Phut auf den Pharma-Riesen zukommen. Im dortigen Chemie-Park hat die Regierung wegen der hohen Umweltbelastungen nämlich über 60 Fabriken geschlossen und zwei Erweiterungsbauten des Leverkusener Multis gestoppt.

Unsichere Genpflanzen
Vor den Risiken gentechnisch veränderter Pflanzen hatten Konzern-KritikerInnen den Global Player ebenfalls frühzeitig gewarnt. Auf der Hauptversammlung von 2004 hatte Geert Ritsema von FRIENDS OF THE EARTH EUROPE ein ganzes Bündel von Nebenwirkungen von BAYERs Genreis aufgezählt wie die Bedrohung der Artenvielfalt, erhöhte Pestizid-Ausbringungen und Einkreuzungen in andere Sorten. Der Konzern ignorierte diese Hinweise jedoch - und sah sich 2006 mit dem größten Gen-GAU der Nuller-Jahre konfrontiert: Die haus-eigene Zucht war weltweit in Supermärkten aufgetaucht, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch nirgendwo eine Zulassung für die Laborfrucht vorlag. Aber auch aus diesem Schaden wurde das Unternehmen nicht klug, wie Mimkes kritisierte. Trotz Verurteilungen zu Schadensersatz von über 50 Millionen Dollar an LandwirtInnen, deren Ernte durch den Genreis kontamiert wurde, hält der Leverkusener Multi an seinem Produkt fest. In Russland, Kanada, Argentinien und Brasilien wächst es auf den Feldern, die Philippinen und Südafrika lassen Einfuhren zu, und auch den entsprechenden EU-Antrag zieht BAYER nicht zurück, so rapportierte Wenning Mimkes den Stand der Dinge.

Pleiten, Pech und Pannen dieser Art stellen natürlich eine Herausforderung für die PR-Abteilung des Global Players dar. Aber warum sich die Werbe-Kosten auf fast acht Milliarden Euro belaufen, leuchtete Philipp Mimkes trotzdem nicht ein. Weil er Investitionen im Graubereich wie die Finanzierung von Pharma-ReferentInnen, ÄrztInnen-Kongressen und Anwendungsstudien dahinter vermutete, erbat er eine genaue Aufstellung. Diese konnte seinen Verdacht dann nicht widerlegen, sprach Wenning doch von einem „hohen Betreuungsaufwand“ angesichts der fast 300.000 MedizinerInnen, die es auf die BAYER-Arzneien einzustimmen gelte und großem Bedarf an „Aufklärung“. Den sah der scheidende Vorsitzende in Sachen CO2-Emissionen des in Krefeld geplanten Kohlekraftwerkes nicht. Wiederum betrachtete der BAYER-Chef sich als nicht zuständig und beschied Mimkes, sich an den Bauträger zu wenden.

Die Zuständigkeit für die vom Verfasser dieser Zeilen auf die Tagesordnung der Hauptversammlung gesetzten Verlagerung von Arzneitests in die Länder der „Dritten Welt“ (siehe auch Seite ) bestritt der Konzern-Lenker dagegen nicht. Ein großes Reservoir an armen und deshalb auf Geld angewiesenen ProbandInnen, unschlagbare Preise und eine mangelnde Aufsicht - diese Standortvorteile locken den Pillen-Produzenten dort. Über die Risiken und Nebenwirkungen für die Versuchspersonen schwieg Wenning sich in seiner Antwort auf den Beitrag allerdings aus. Er begnügte sich mit allgemeinen Ausführungen zu hohen Qualitätsmaßstäben, ständigen Kontrollen und versicherte: „Die Einhaltung von Gesetzen ist selbstverständlich“.

Unsichere Pestizide
Die Risiken und Nebenwirkungen von BAYERs Pestizid-Produktion schilderten der Imker Christoph Koch vom BERUFS- UND ERWERBSIMKERBUND und Manfred Gerber vom UMWELTBUND. Die Agrochemikalien stellen nämlich eine existenzielle Bedrohung für die von Gerber als „Leittier einer intakten Kulturlandschaft“ bezeichnete Biene dar. So hat die Saatgut-Beize PONCHO vor zwei Jahren am Oberrhein 12.500 Bienenvölker vergiftet, weshalb in vielen Ländern Verbote erfolgten und hierzulande die Zulassung für Mais-Kulturen einstweilen ruht. Während gesprühte Agrochemikalien bloß die Oberflächen der Pflanzen treffen, dringt PONCHO als „systemisches Pflanzenschutzmittel“ vom Boden her in jede Pore ein. Das „bereitet Bienenzüchtern und Naturschützern auf der ganzen Welt größte Sorgen und ist verantwortlich für einen der größten Umweltskandale durch die chemische Industrie in dieser Dekade“, konstatierte Gerber. Der Leverkusener Multi hatte das auf der letzten Hauptversammlung erwartungsgemäß anders gesehen und auf technische Fehler beim Beiz-Prozess, veraltete Sämaschinen und das Wirken der Varroa-Milbe verwiesen. Nun kam es aber 2009 in Österreich zu neuen Vergiftungen, obwohl die LandwirtInnen beste Beizen und Sägeräte verwendet hatten und weit und breit keine Varroa-Milbe zu sehen war. Darüber verlangte Christoph Koch vom Management Aufschluss: „Nun frage ich Sie, wie Sie sich diese Vergiftungen von 2009 in Österreich erklären können?“. Für ihn selber war der Fall klar: BAYER hat den Wirkstoff nicht im Griff. Dieser Meinung schloss sich Manfred Gerber an. „Um in Zukunft ein großflächiges Aussterben der Bienen und des Nutzinsektenbestandes und ein damit verbundenes Artensterben zu verhindern, fordern wir daher das sofortige Verbot aller systemischen Pestizide, denn diese Erde gehört nicht uns, wir haben sie von unseren Nachkommen geliehen“, lauteten seine Schlussworte. Aber Wenning antwortete in der Manier eines Herren der Welt und wies alle Anschuldigungen von sich. Wiederum waren sich ihm zufolge die ExpertInnen einig, dass die inkriminierten Zustände am Oberrhein, in Österreich und anderswo alle möglichen, bloß keine BAYER-spezifischen Ursachen haben.

Antje Kleine-Wiskott vom DACHVERBAND DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE widmete sich ebenfalls den Mensch, Tier und Umwelt gefährdenden Ackergiften und wollte vom Vorstand wissen, warum er entgegen aller Versprechen seine Agro-Chemikalien der höchsten Gefahrenklasse immer noch nicht vom Markt genommen hat. Diese Unterlassung war für sie allerdings nur ein Beispiel dafür, wie wenig ernst das Unternehmen es mit seinem Bekenntnis meint: „Wir wollen Nachhaltigkeit erreichen - in allem, was wir tun“. Auch das Setzen auf klima-schädliche Kohlekraftwerke und auf eine die Artenvielfalt bedrohende industrielle Landwirtschaft, der immense Wasserverbrauch und der wenig Verantwortung für das Allgemeinwesen erkennen lassende ständig schrumpfende Steuer-Beitrag zeigten für Kleine-Wiskott, wie groß die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist. Die Antworten Wennings konnten den Abstand nicht verringern. An das 1995 gemachte Versprechen bezüglich der chemischen Keulen erinnerte er sich nicht, lediglich an eine Ankündigung, diese „schrittweise durch Präparate mit geringerer Giftigkeit zu ersetzen“. Da sei man halt immer noch dabei, einen Fuß vor den anderen zu setzen, weil es keine „Schwarz/Weiß-Lösung“ gäbe, erläuterte der BAYER-Chef. Seine Einlassungen zu den anderen angesprochenen Punkten fielen nicht überzeugender aus, so dass Kleine-Wiskotts Paraphrasierung der Nachhaltigkeitsmaxime „Wir wollen Profit erreichen - in allem, was wir tun“ der Realität bedeutend näher kam. Und den Schadensbericht dazu wird sich der BAYER-Vorstand auch im nächsten Jahr wieder anhören müssen.

Lipobay

CBG Redaktion

Presse Information vom 4. Februar 2010
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Spanien: BAYER zu Entschädigung verurteilt

„mangelhafte“ Warnung vor Risiken von Cholesterinsenkern / Gefahren firmenintern bekannt / strafrechtliche Konsequenzen gefordert

Der Gerichtshof von Cornellà de Llobregat, einem Vorort von Barcelona, hat den BAYER-Konzern zu einer Strafzahlung von 145.000 Euro verurteilt. Der Kläger, Cayo Yánez, hatte nach der Einnahme des Cholesterinsenkers Liposterol im Jahr 2001ein Nierenversagen erlitten und auf Entschädigung geklagt.

Liposterol enthielt den Wirkstoff Cerivastatin, der von BAYER unter den Namen Lipobay und Baycol weltweit vertrieben wurde. In Spanien hatte BAYER dem Unternehmen Vita Científica eine Lizenz erteilt, den Wirkstoff zusätzlich unter dem Produktnamen Liposterol zu verkaufen. Das Gericht hatte am 19. Januar zunächst Vita Científica verurteilt. Das Urteil wurde nun überarbeitet und die Entschädigungszahlung BAYER auferlegt. In der Urteilsbegründung heißt es, dass der Beipackzettel in „mangelhafter Weise“ vor den Gefahren eines Muskelzerfalls (Rhabdomyolyse), insbesondere den damit einhergehenden Nierenschäden, warnte.

BAYER hatte den Wirkstoff im August 2001 weltweit vom Markt genommen, nachdem es zu mindestens 100 Todesfällen gekommen war. Interne Dokumente, die durch Gerichtsverfahren in die Öffentlichkeit gelangten, zeigen, dass das Risiko firmenintern zuvor lange bekannt war – schwere Nebenwirkungen traten bis zu zehn mal häufiger auf als bei Produkten der Konkurrenz. Selbst ein BAYER-Mitarbeiter riet angesichts des stark erhöhten Risikos dazu, „den Marketing-Enthusiasmus zu dämpfen“. Die Firmenleitung ignorierte die Warnungen jedoch jahrelang.

Hubert Ostendorf von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Der Konzern hat die Risiken des Medikaments systematisch verharmlost, Daten von klinischen Tests gefälscht und Ärzte für positive Stellungnahmen gekauft. Das spanische Gericht hat nun eindeutig ein schuldhaftes Verhalten der Verantwortlichen bei BAYER festgestellt. Da die Entscheidungen des Managements zu Dutzenden von vermeidbaren Todesfällen führten, müssen jetzt auch strafrechtliche Konsequenzen gezogen werden.“

Entschädigungszahlungen kosteten BAYER bereits mehr als eine Milliarde Euro. Das aktuelle Urteil ist von großer Bedeutung, da BAYER in den bisherigen Verfahren einer Verurteilung fast ausnahmslos mit Hilfe von Vergleichen zuvorgekommen war. In den Vergleichs-Vereinbarungen hatte BAYER keine Fehler eingeräumt und die Geschädigten zudem stets zum Schweigen verpflichtet. Aktuell liegen gegen den Konzern auch Hunderte von Klagen von Trasylol- und Yasmin-Opfer vor.

weitere Informationen:
· Artikel der Zeitung Diario ABC
· Lipobay: Ex-Angestellte verklagt BAYER (Klageschrift im Original: http://www.pharmalot.com/wp-content/uploads/2008/04/simpson-bayer-case.pdf)
· Argentinien: BAYER muss erstmals Schadensersatz an Lipobay-Opfer zahlen
· New York Times „Bayer Knew of Dangers of Its Cholesterol Drug”
· LIPOBAY-Skandal: BAYER speist Pharma-Opfer ab

[Pentagon] Rüstungsaufträge

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 24. August 2009
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Pentagon-Connection der Pharmaindustrie:

BAYER zahlt Reisekosten für Mitarbeiter des US-Verteidigungsministeriums

Das US-Verteidigungsministerium kauft jährlich für fast sieben Milliarden Dollar Arzneimittel ein. Dies sind rund 2% des amerikanischen Verbrauchs. Das Pentagon zählt auch zu den Großabnehmern von Medikamenten made by BAYER. Der Leverkusener Multi betreibt daher eine intensive Kundenpflege und lädt regelmäßig Beschäftigte der US-Streitkräfte, insbesondere Mitarbeiter von Armee-Krankenhäusern, zu Kongressen und Fortbildungs-Veranstaltungen ein. Die Kosten - allein die Reisen schlagen mit 46.000 Dollar zu Buche - scheinen für BAYER eine lohnende Investition zu sein.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hat heute in einem Brief an den Konzern nach den Hintergründen der Zuwendungen gefragt:

· Welche Präparate wurden in den vergangenen zehn Jahren an das US-Verteidigungsministerium geliefert? Wie hoch waren die hiermit verbundenen Umsätze?
· Gehören Neuroleptika wie Atosil, die zur Ruhigstellung von traumatisierten Soldaten eingesetzt werden können, zu den gelieferten Produkten?
· Wurden Insektizide wie Permethrin, DEET oder Chlorpyrifos, die mit dem Golfkriegs-Syndrom in Verbindung gebracht werden, geliefert?
· Gibt es eine Zusammenarbeit mit dem Pentagon im Bereich chemischer Kampfstoffe?
· Wurden in den vergangenen zehn Jahren auch Reisen von Bundeswehr-Angehörigen finanziert?
· In welchem Umfang wurden Präparate an die Bundeswehr geliefert?
Eine Anfrage zu etwaigen Lieferungen an die Bundeswehr ging heute auch an das Verteidigungsministerium.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG), die den Konzern seit 30 Jahren überwacht, kritisiert jede Art von Zuwendungen an Armee-Angehörige. Jan Pehrke vom Vorstand der CBG: „Wie im zivilen Bereich auch, handelt es sich bei solchen Geschenken um eine subtile Form des Marketings. Wir erwarten von dem Unternehmen BAYER, das als Erfinder von chemischen Kampfstoffen in einer unseligen Tradition steht, keine Geschäfte mit Armeen zu machen“.

Die US-Organisation Public Integrity, die über sogenannte Right to Know-Gesetze Unterlagen amerikanischer Regierungsstellen auswertet, hat einen Report zu Reisen von Pentagon-Mitarbeitern veröffentlicht. In den vergangenen zehn Jahren wurden 22.000 solcher Reisen von Firmen bezahlt, 40% davon allein von der Pharma-Industrie. Die Aufwendungen von Bayer für ingesamt 36 Einladungen liegen in einer Aufstellung aller Pharmafirmen an 10. Stelle. Auf den ersten Plätzen befinden sich Johnson&Johnson, GlaxoSmithKline und Pfizer. Die Aufwendungen des Pentagon für Medikamente sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen und könnten bis 2015 rund 15 Milliarden Dollar pro Jahr erreichen.

Die Studie von Public Integrity: http://www.publicintegrity.org/investigations/pentagon_travel

25.08.2009 German Foreign Policy

Großkunde Pentagon

WASHINGTON/LEVERKUSEN/MÜNCHEN - Deutsche Konzerne sichern ihre Millionengeschäfte mit dem Pentagon durch Sonderzuwendungen an Beschäftigte der US-Streitkräfte ab. Dies berichten deutsche und US-amerikanische Nicht-Regierungsorganisationen. Demnach bezahlen vor allem Unternehmen der Pharma- und der Medizintechnik-Branche Mitarbeitern von US-Militärkrankenhäusern Reisekosten zu „Kongressen“ und zu „Trainings“, unter ihnen Prothesen-Hersteller, aber auch Bayer und Siemens. Beide Konzerne gehören schon seit Jahren zu den Geschäftspartnern des US-Verteidigungsministeriums. Die Ausgaben des Pentagon für die medizinische Versorgung der US-Soldaten sind mit den Kriegen in Afghanistan und im Irak stark gestiegen, Beobachtern zufolge könnten sich allein die Aufwendungen für Medikamente bis 2015 auf rund 15 Milliarden US-Dollar im Jahr verdoppeln. Zu den Firmen, die ihrer Lobbyarbeit beim US-Militär mit der Finanzierung von Reisekosten Nachdruck verleihen, gehören darüber hinaus Ausstatter wie der Sportartikel-Hersteller Adidas. Ein weiterer Interessent am Kriegsgeschäft, Boehringer Ingelheim, operierte bereits während des Krieges in Vietnam als Helfer des Pentagon und lieferte den Grundstoff für das Herbizid Agent Orange - mit bis heute fatalen Folgen für Hunderttausende Vietnamesen.

Presentation of Product Line
Wie die konzernkritische „Coordination gegen Bayer-Gefahren“ (Düsseldorf/Nordrhein-Westfalen) berichtet, wenden deutsche Unternehmen, darunter der Bayer-Konzern (Leverkusen/Nordrhein-Westfalen), beträchtliche Summen für Reisen von Mitarbeitern des Pentagon und von Angehörigen der US-Streitkräfte auf. Quelle des Berichtes ist ein Report der US-Organisation Public Integrity, die Unterlagen von Regierungsstellen in Washington auswertet. Demnach ließen sich Mitarbeiter des US-Verteidigungsministeriums und der US Armed Forces im Zeitraum von 1998 bis 2007 mehr als 22.000 Reisen von Stellen außerhalb der US-amerikanischen Regierung bezahlen - Wert: mindestens 26 Millionen US-Dollar. Fremde Regierungen, darunter die deutsche, stellten für Reisen - gewöhnlich zu Tagungen und zu Konferenzen - 2,6 Millionen US-Dollar bereit. Zu den Finanziers gehörten zudem Thinktanks, etwa die Bertelsmann-Stiftung und die Clausewitz-Gesellschaft, und Einrichtungen aus Wissenschaft und Forschung - Universitäten sowie die Max-Planck-Gesellschaft -, die zu Treffen einluden, aber auch Konzerne. Der Sportartikel-Hersteller Adidas etwa finanzierte mehrere Reisen von Pentagon-Einkäufern, um für seine Waren zu werben („Presentation of Product Line“).(1)

Prothesen-Spezialist
Der Schwerpunkt der interessegeleiteten Reisekostenerstattung lag in den Jahren von 1998 bis 2007 jedoch eindeutig in der Pharma- und Medizintechnik-Branche. Wie Public Integrity berichtet, zahlten Unternehmen der Branche rund 8.700 von 22.000 fremdfinanzierten Reisen - Wert: mehr als zehn Millionen US-Dollar.(2) „Eine subtile Form des Marketings“, urteilt die Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG) mit Verweis auf rund 46.000 Euro, mit denen allein Bayer von 1998 bis 2007 Reisen von Pentagon-Mitarbeitern finanzierte. Wie die CBG berichtet, sind die Aufwendungen des Pentagon für Medikamente in der jüngsten Zeit erkennbar gestiegen und belaufen sich derzeit auf beinahe sieben Milliarden US-Dollar jährlich - rund zwei Prozent des gesamten US-Verbrauchs. Die Arzneimittelkosten der US-Streitkräfte könnten wegen der fortdauernden Kriege bis 2015 sogar „rund 15 Milliarden Dollar pro Jahr erreichen“, vermutet die CBG.(3) Auf der von Public Integrity veröffentlichten Liste deutscher Pentagon-Finanziers findet sich neben Bayer auch ein deutscher Prothesen-Spezialist.(4)

Giftgas-Tradition
Geschäfte von Bayer mit dem Pentagon haben mittlerweile Tradition. Öffentliche Aufmerksamkeit erregte die Zusammenarbeit zuletzt im Frühjahr 2004; damals machten Berichte über heftige Auseinandersetzungen zwischen Washington und dem deutschen Konzern über das Arzneimittel Lipobay die Runde. Bayer hatte den Cholesterinsenker schon 2001 vom Markt genommen - wegen mutmaßlicher Nebenwirkungen mit in zahlreichen Fällen tödlichem Ausgang. Ein gestoppter Lipobay-Liefervertrag zwischen der Firma und dem Pentagon war noch 2004 Gegenstand eines Streits zwischen den Vertragsparteien. Dabei beschränkt sich die Kooperation nicht auf Arzneien. „Auch das von der US-Armee bis heute verwendete Giftgas VX basiert auf einem Patent des Leverkusener Konzerns“, berichtet die CBG. Eine „unselige Tradition“, urteilt die Organisation, die auf die enge Verwandtschaft von Pestiziden - einer Bayer-Spezialität (5) - mit Chemiewaffen verweist. Wie die CBG in Erinnerung ruft, haben Bayer-Forscher schon lange vor VX bei der Entwicklung chemischer Kampfstoffe „eine bedeutende Rolle gespielt“. „Fritz Haber entwickelte während des Ersten Weltkrieges gemeinsam mit Bayer-Generaldirektor Carl Duisberg das Senfgas und teste dieses erstmals an der Front. 1938 synthetisierte Gerhard Schrader Sarin“, berichtet die CBG dieser Redaktion: „Schrader leitete bis 1964 die Pflanzenschutzabteilung des Konzerns.“(6)

Agent Orange
Zu den von Public Integrity aufgelisteten Pentagon-Lobbyisten gehört mit Boehringer Ingelheim ein weiterer deutscher Konzern, der bereits in der Vergangenheit als Zulieferer für ein Gift der US Armed Forces aufgetreten ist. Boehringer lieferte in den 1960er Jahren 720 Tonnen Trichlorphenolatlauge zur Herstellung des Pflanzengifts „Agent Orange“ an eine Tochterfirma des US-Konzerns Dow Chemical. Agent Orange wurde von den US-Streitkräften damals in großem Stil zur Entlaubung der vietnamesischen Wälder eingesetzt - mit verheerenden Folgen: Das Herbizid ist auch für Menschen giftig. Unter den Folgen des Chemiewaffeneinsatzes leiden bis heute hunderttausende Vietnamesen.(7)

Millionengeschäfte
Unter den deutschen Reisefinanziers findet sich schließlich mit Siemens auch ein Großkonzern, der sich um gute Beziehungen zu Medizintechnik-Spezialisten der US-Militärapparate bemüht - mit einigem Erfolg. So hat Siemens Medical Solutions USA beispielsweise im Februar 2007 einen umfangreichen Auftrag der US-Streitkräfte erhalten - zur Lieferung von Geräten im Wert von 30 Millionen US-Dollar. Im April 2009 folgte ein Auftrag zum Verkauf von Röntgensystemen an US-Heer, Marine, Luftwaffe und Marine-Infanterie, diesmal sogar in Höhe von 267 Millionen US-Dollar.(8) Die Millionengeschäfte von Siemens, Bayer und von anderen deutschen Firmen leben von den Kriegen, die Washington derzeit im Irak und in Afghanistan führt - und von der immer größeren Zahl US-amerikanischer Soldaten, die diesen Kriegen zum Opfer fällt.

(1), (2) Pentagon Travel. How Outside Interests Sponsor Thousands of Military Trips; www.publicintegrity.org
(3) BAYER zahlt Reisekosten für Mitarbeiter des US-Verteidigungsministeriums; Pressemitteilung der Coordination gegen BAYER-Gefahren, 24.08.2009
(4) Otto Bock Health Care (Duderstadt/Niedersachsen) lud Public Integrity zufolge den Chief Prosthetist vom Walter Reed Army Medical Center/North Atlantic Regional Medical Command zu einem „Otto Bock Prosthetics Course“.
(5) s. dazu Tödliches Gift und Mit Abstand Marktführer
(6) Jan Pehrke: Chemie-Waffen: tödliche Tradition bei Bayer; SWB 04/2003, www.cbgnetwork.org
(7) s. dazu Mordsgeschäfte
(8) Siemens unit in $267 mln Pentagon contract; Reuters 31.03.2009

[Kurzmeldungen] STICHWORT BAYER 03/2009 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Wahlerfolge für Pipeline-GegnerInnen
GegnerInnen der Kohlenmonoxid-Pipeline, die BAYER zwischen den Standorten Dormagen und Krefeld plant, haben sich mit beträchtlichem Erfolg an den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen beteiligt. In Erkrath erreichte ein entsprechendes WählerInnen-Bündnis 18 Prozent, die BÜRGER-UNION in Ratingen kam sogar auf 30 Prozent. Auch bei der Landtagswahl im nächsten Jahr dürfte die umstrittene Gasleitung eine große Rolle spielen.

Erfolgreiche Endosulfan-Kampagne
Die britische Gruppe PANTS TO POVERTY, die sich für ökologischen Baumwoll-Anbau einsetzt und Unterwäsche aus fairer Produktion vertreibt, begann im Juli eine schlüpfrige Kampagne gegen BAYERs Ultragift Endosulfan. Sie forderte die Menschen auf, gebrauchte - aber gewaschene - Unterhosen an den Leverkusener Multi zu senden. Hunderte indische BaumwollfarmerInnen und TextilarbeiterInnen unterstützten die Aktion ebenso wie die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG), das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) und die ENVIRONMENTAL JUSTICE FOUNDATION. Am Ende gab der Agro-Riese sich geschlagen: Er verkündete einen Endosulfan-Verkaufsstopp (siehe auch SWB 3/09).

Pillen-Preise kritisiert
Die Ausgaben der Krankenkassen für Medikamente sind im letzten Jahr um 5,3 Prozent auf 29,2 Milliarden Euro gestiegen. Einen großen Anteil daran haben die von BAYER & Co. neu auf den Markt gebrachten Arzneien. Für solche Pillen dürfen die Hersteller die Preise netterweise nämlich selbst festlegen. Als „systemsprengend“ hat der Pharmakologe Gerd Glaeske diese Kosten bezeichnet und eine Deckelung gefordert. Die ehemalige BAYER-Angestellte Cornelia Yzer wies diese Kritik in ihrer Funktion als Geschäftsführerin des vom Leverkusener Multi mitgegründeten „Verbandes der Forschenden Arzneimittelhersteller“ umgehend zurück. Die neuen Produkte seien „kein Kostentreiber“, so Yzer.

KAPITAL & ARBEIT

Datensammler BAYER
Nicht nur bei der DEUTSCHEN BAHN dient die Korruptionsbekämpfung als Vorwand, um die Beschäftigten zu bespitzeln. Auch der Leverkusener Multi benutzt dieses Argument, um die Computer der Belegschaftsangehörigen zu scannen. Die Computer-Software SAP und das Programm „Staan“ ermöglichen es dem Konzern nach den Worten von Günter Müller, dem Bereichsleiter der Unternehmensrevision, hunderttausende von Daten zu eruieren und den Großen Bruder BAYER „under perfect information“ zu stellen.

Weiter Kritik an Beistandskasse
Die BAYER-Beistandskasse hatte im Jahr 2007 auf ihrer Mitglieder-Versammlung Kürzungen beim Sterbegeld, das ca. 6.000 Euro beträgt, vorgenommen (Ticker 3/08). Die Abschläge durch die Streichung des Gewinn-Zuschlages können sich auf zu 2.000 Euro - also ein Drittel der Summe - summieren. Zwei Jahre später haben sich die Wogen immer noch nicht wieder geglättet. Einer Anfechtungsklage gegen den Beschluss gab das Amtsgericht Opladen in erster Instanz statt, woraufhin der Leverkusener Multi in die Berufung ging. Und auch auf der diesjährigen Versammlung stellten Mitglieder Anträge auf Wiedereinführung des Gewinnzuschlages, die der Vorstand allerdings nicht zur Abstimmung stellte. Spekulationen mit Lehman-Zertifikaten sowie ein Schrumpfen der Sterbegelder bei steigenden Sterbezahlen sorgten für zusätzlichen Unmut, der sich in den Abstimmungsergebnissen niederschlug. So verweigerten 150 der 652 Anwesenden dem Vorstand und 147 dem Aufsichtsrat die Entlastung.

ERSTE & DRITTE WELT

Milde NEXAVAR-Gaben
Der Leverkusener Multi verklagt routine-mäßig Pharma-Hersteller, die nach Ablauf der Patentfrist Nachahmer-Produkte von BAYER-Pillen auf den Markt bringen wollen, um sich die lästige Billig-Konkurrenz möglichst lange vom Leibe zu halten (siehe auch RECHT & UNBILLIG). Sogar gegen Generika-Unternehmen in der „Dritten Welt“ geht BAYER gerichtlich vor, obwohl diese die Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Medikamenten zu erschwinglichen Preisen sicherstellen. So verlor der Konzern in Indien gerade einen Prozess, der den Nachbau seiner Krebs-Arznei NEXAVAR hinauszuzögern sollte (SWB 1/09). Der wachsenden Kritik an dieser Patent-Praxis begegnet der Pharma-Riese mit milden Gaben: Er erleichtert über spezielle Förderprogramme den Zugang zu NEXAVAR.

IG FARBEN & HEUTE

Gedenkplatte enthüllt
Im November 2008 hatte die KULTURVEREINIGUNG LEVERKUSEN e. V. mit einer Kundgebung vor dem Tor des BAYER-Chemie„parks“ an die Opfer des vom Pharma-Riesen mitgegründeten IG-FARBEN-Konzerns erinnert. Die AktivistInnen hatten zu diesem Anlass auch geplant, eine Gedenkplatte in den Boden einzulassen, aber die Stadt untersagte dies. Die Kulturvereinigung gab sich jedoch nicht geschlagen und bot dem Memorial auf ihrem eigenen Grundstück eine Heimat. Am 27. Juni 2009 enthüllte der Verein das Erinnerungsmal und eröffnete parallel dazu eine kleine Ausstellung über die Geschichte des Mörderkonzerns.

Karl-Winnacker-Preis verliehen
Karl Winnacker war von 1933 bis 1945 einer der einflussreichsten Manager des von BAYER mitgegründeten Mörderkonzerns IG FARBEN. Das hindert weder den „Marburger Universitätsbund“ noch das „Deutsche Atomforum“ daran, einen „Karl-Winnacker-Preis“ zu verleihen. Die diesjährige Auszeichnung erhielt die Bertelsmann-Miteignerin Liz Mohn. Karl Winnackers Sohn, der Gentechniker und Wissenschaftslobbyist Ernst-Ludwig Winnacker, setzt heute die Familien-Tradition fort und sitzt im BAYER-Aufsichtsrat. Auch aus anderen Nachkommen von IG-Managern ist etwas geworden. So ging Kurt Biedenkopf, Sohn des Technischen Direktors Wilhelm Biedenkopf, in die Politik und bekleidete einflussreiche Ämter für die CDU. Dieser Partei blieb auch die Fritz-ter-Meer-Tochter Charlotte treu, zumindest privat: Sie heiratete den langjährigen CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep.

POLITIK & EINFLUSS

BDI fordert Rohstoff-Strategie
Immer wieder drängen BAYER & Co. die Politik, sich beherzter am Wettlauf um Kupfer, Zink und andere knappe Güter zu beteiligen. Im August 2009 hat der „Bundesverband der Deutschen Industrie“ (BDI) von der Bundesregierung und der EU eine „Rohstoff-Strategie“ eingefordert, um die Versorgung der Wirtschaft mit Ressourcen sicherzustellen. Nach den Vorstellungen des BDI müsste diese unter anderem für den Abbau von Handelshemmnisse sorgen, die europäischen Länder konkurrenzfähiger gegenüber China machen und die Ausweisung von immer mehr ökologischen Schutzgebieten stoppen, damit die Konzerne sich die heimischen Reservoirs besser erschließen können.

Merkel bestaunt BAYER-Modell
Ausgerechnet bei BAYER wollte Bundeskanzlerin Angela Merkel das Energiesparen lernen. Auf der Hannover-Messe ließ die CDU-Politikerin sich mit Bundesforschungsministerin Annette Schavan und dem südkoreanischen Premierminister Han Seung-Soo im Schlepptau ein Modell zur Ressourcen-Schonung bei technischen Prozessen erläutern, das BAYER gemeinsam mit der Hannover-Messe entwickelt hatte.

Wenning bei Ackermann-Geburtstag
Wenn Angela Merkel für Josef Ackermann von der DEUTSCHEN BANK den Party-Service übernimmt und dessen Geburtstagsessen ausrichtet, darf einer natürlich nicht fehlen: BAYER-Chef Werner Wenning. Er gehörte zu den ca. 30 Gästen, die auf Kosten der SteuerzahlerInnen im Bundeskanzleramt speisten.

BAYER & Co. beim Runden Tisch
„Fortschritte beim zweiten Runden Tisch zur Pflanzen-Genetik“ vermeldete Forschungsministerin Annette Schavan im Juli. Kein Wunder, dass es so rund lief, denn 24 der 30 TeilnehmerInnen erwiesen sich als Anhänger der Risikotechnologie. Er habe sich „wie auf einer Werbeveranstaltung von BASF gefühlt“, klagte Hartmut Vogtmann vom DEUTSCHEN NATURSCHUTZRING dann auch. Jetzt wollen die Initiativen aber nicht mehr länger als Feigenblatt dienen. Sie haben einen neun Punkte umfassenden Katalog zur ökologischen Sicherheitsforschung formuliert, mit dem sich der nächste Runde Tisch befassen soll. Darin fordern NABU, BUND & Co. unter anderem eine systematische Erfassung der gesundheitlichen Risiken von Genpflanzen, die Untersuchung von Wechselwirkungen mit Pestiziden und eine Standardisierung der Zulassungstests.

Reul sitzt EU-Industrie-Ausschuss vor
Der CDU-Politiker Herbert Reul hat den Vorsitz des Industrie-Ausschusses der Europäischen Union übernommen. „Klimapolitik gegen die Industrie ist Unsinn“ gehört zu den Glaubensätzen des Christdemokraten, der generell Zweifel daran hat, „dass der Mensch so viel zur Erderwärmung beiträgt, wie allgemein behauptet wird“ und damit natürlich BAYERs Mann ist. Nicht umsonst hat der EU-Parlamentarier schon 2005 Vorträge beim Leverkusener Multi gehalten.

Thoben in Leverkusen
Die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin Christa Thoben nahm an der Vorstandssitzung der „Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft“ teil, die im Leverkusener Chemie-„park“ stattfand. Die CDU-Politikerin nutzte sogleich die Gelegenheit, ein Bekenntnis zu den „industriellen Kernen“ des Bundeslandes abzulegen. Wenig später verteidigte die Christdemokratin dann auch BAYERs umstrittene Kohlenmonoxid-Leitung: „Es ist ein wichtiger Schritt zur Sicherung und zum Ausbau des Chemie-Standortes Nordrhein-Westfalen. Durch die Pipeline erhalten die beiden Werke in Krefeld und Dormagen eine gesicherte Perspektive“.

Rüttgers & Oettinger im Baykomm
Die beiden CDU-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers und Günther Oettinger besuchten das BAYKOMM in Leverkusen und ließen sich von BAYER-Chef Werner Wenning und Forschungsvorstand Wolfgang Plischke durch die Themenräume führen. Dabei fanden die Manager Gelegenheit, den Politikern die Gentechnik des Hauses als Beitrag zur Lösung des Welternährungsproblems zu verkaufen, BAYER als Klimaschützer in Szene zu setzen und bessere Rahmenbedingungen für die Forschung zu fordern.

Schäfer sitzt NRW-VCI vor
Klaus Schäfer, der Geschäftsführer von BAYERs Chemie„park“-Betreiber CURRENTA, hat den Vorsitz der nordrhein-westfälischen Sektion des „Verbandes der Chemischen Industrie“ (VCI) übernommen. „Ich freue mich sehr, dass ich mich nun auch an der Spitze des Chemieverbandes für den Erhalt und die Stärkung dieses wichtigsten deutschen Chemie-Standortes einsetzen kann“, sagte er nach seiner Wahl.

Schneider Chef-Aufseher bei RWE
Manfred Schneider hat seinen Aufsichtsratschef-Sesseln bei BAYER und LINDE jetzt auch noch den von RWE hinzugefügt. Daneben nimmt Schneider profane Aufsichtsratsmandate bei DAIMLER und TUI wahr. Zudem gehört er dem „Gemeinsamen Beirat“ der ALLIANZ an und leitet das Kuratorium der „Fritz Thyssen Stftung“.

Winnacker kritisiert Seehofer
Der Gentechnik-Multifunktionär Ernst-Ludwig Winnacker, dem seine vielfältigen Kontakte einen Sitz im BAYER-Aufsichtsrat einbrachten, hatte eine ganz ausgezeichnete Beziehung zum ehemaligen CSU-Boss Edmund Stoiber. So leitete er sieben Jahre lang den Wissenschaftlich-Technischen Beirat der Bayerischen Staatsregierung. Da bereitet ihm die zunehmende Gentechnik-Skepsis der Christsozialen unter Horst Seehofer natürlich Sorge. Deshalb setzte er einen Brief an den Ober-Bayern auf. „Ich habe ihm geschrieben, dass ich seine Äußerungen als forschungsfeindlich empfinde und enttäuscht bin, dass er als Ministerpräsident eine solch extreme Haltung einnimmt“, erklärte Winnacker in der Süddeutschen Zeitung. Dessen Gentech-Lobbyismus machte auch die Journalistin misstrauisch: „Die Gegner werfen Ihnen vor, von der Industrie gekauft zu sein“. Aber Mr. Gentechnik focht das nicht an. „Das Argument ist billig“, entgegnete er. Bereits wenige Tage nach dem Interview setzte er seine Mission fort und warb auf dem Münchner Symposion „Grüne Gentechnologie“ für Gen-Mais auf dem Acker.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER schult Pentagon-Personal
Das Pentagon kauft jährlich Arzneimittel für sieben Milliarden Dollar und zählt zu den Großabnehmern von BAYER-Medikamenten. Darum betreibt der Leverkusener Multi eine intensive Kundenpflege. Besonders gern lädt der Konzern Beschäftigte von Armee-Krankenhäusern zu Kongressen und „Fortbildungs“veranstaltungen ein. Die Kosten - allein die Reisen schlagen mit 46.000 Dollar zu Buche - scheinen eine lohnende Investition zu sein.

PLEON vermarktet Sozialpreis
Der Leverkusener Multi hat einen „ASPIRIN-Sozialpreis“ ausgelobt, den der Konzern an Sozial-Projekte aus dem Gesundheitsbereich verleihen will. Das Konzept für diese PR-Aktion stammt von der Agentur PLEON, die für den Pharma-Riesen in der Vergangenheit bereits BAYERs Kinderarmut-„Sozialarbeit“ betreut hatte. Im Bereich „Health Care“ kann die Werbefirma mit besonderer Kompetenz aufwarten, diese Sparte betreut nämlich die ehemalige grüne Gesundheitsministerin Andrea Fischer. An diese adressierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) auch ihren Protestbrief. Die CBG sieht durch die Aktion die Aufklärung über gefährliche Nebenwirkungen des „Tausendsassas“ in den Hintergrund gedrängt und misstraut dem Bemühen des Global Players um die Mühseligen und Beladenen. „Es geht uns nicht darum, das Engagement der beim „ASPIRIN-Sozialpreis“ teilnehmenden Organisationen in Frage zu stellen. Aber es ist wohl unstrittig, dass es der BAYER AG bei solchen aus der Portokasse finanzierten Kampagnen nicht um soziales Engagement, sondern ausschließlich um Werbung geht“, heißt es in dem Schreiben an Fischer.

Greenwashing zum Umwelttag

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Pünktlich zum weltweiten Umwelttag am 5.6.09 hatte der Leverkusener Multi im US-amerikanischen Omaha sein Grünwaschprogramm angeworfen. Der Konzern initiierte gemeinsam mit der UNEP, dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen, eine Ausstellung mit Bildern von Kindern zum Thema „Klimawandel“ im Kindermuseum. Zudem spendierte der Konzern im Rahmen der „Sieben Milliarden Bäume“-Kampagne der UNEP 10.000 Dollar für das Anpflanzen von 500 Bäumen regionaler Provenienz im Stadtgebiet.

Greenwashing zum Umwelttag

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Auch im ostfriesischen Aurich wusch sich der Klimasünder BAYER (Kohlendioxid-Ausstoß 2008: 7,57 Millionen Tonnen) am weltweiten Umwelttag die Hände grün und zeigte im städtischen Rathaus von Kindern gemalte Bilder zum Thema „Klimawandel“. Entstanden waren die Exponate im Rahmen eines gemeinsam mit dem UN-Umweltprogramm UNEP veranstalteten Malwettbewerbs.

BAYER eröffnet klima-neutrale Kita
Der Leverkusener Multi betreibt ein Klein-Klein in der Klimapolitik. Während die Kohlendioxid-Emissionen (2008: 7,57 Millionen Tonnen) nur konjunktur-abhängig sinken, versucht der Konzern mit Mini-Projekten zu punkten. So eröffnete er in Monheim eine klima-neutrale Kindertagesstätte und heimste dafür auch noch einen Preis für energie-optimiertes Bauen ein.

Kulturachse Leverkusen-Berlin
BAYER entfaltet zunehmend PR-Aktivitäten in der Hauptstadt. Zu diesem Behufe rief der Konzern die „Kulturachse Leverkusen-Berlin“ ins Leben. Im Rahmen dieses Projekts zeigt er gesponsorte Theaterproduktionen nach der Premiere am Stammsitz auch in Berlin. Darüber hinaus plant der Multi die Förderung zeitgenössischer Dramatik. Zudem will der Agro-Riese seine Kunstsammlung am Regierungssitz zeigen und junge Berliner KünstlerInnen ausstellen. Zur Präsentation des Kulturprogrammes, das BAYER mit Partnern wie der „Hochschule Ernst Busch“, dem Renaissance-Theater und dem Martin-Gropius-Bau durchführt, kam auch der Kulturstaatssekretär André Schmitz ins Rote Rathaus.

VDMJ verleiht BAYER-Preis
Der „Verband Deutscher Medizinjournalisten“ (VDMJ) ist sich für nichts zu schade und hat den von BAYER gestifteten JournalistInnen-Preis für Berichte über Fortschritte in der Nierenkrebs-Therapie mit Malini Guha einer Journalistin verliehen, die in einem Artikel über die von BAYERs Arznei NEXAVAR bewirkten Fortschritte in der Nierenkrebs-Therapie berichtet hatte.

BAYER lehrt Gentechnik
Bereits über 200 Schülerlabore haben die Konzerne in der Bundesrepublik eingerichtet, um Nachwuchs für die Naturwissenschaften zu gewinnen. Mit einer kritischen Aufbereitung der Themen gelingt dies nicht. So durften SchülerInnen des Gymnasium Herkenrath in BAYERs „Baylab plants“ zwar die DNA von Raps isolieren, aber nichts über die „Risiken und Nebenwirkungen“ der Gentechnik lernen.

BAYER lehrt Wasserkunde
Der Leverkusener Multi lädt SchülerInnen nicht nur zu sich in seine Labore ein (s. o.). Er unterhält auch einen Außendienst, um Jugendliche mit Naturwissenschaften nach BAYER-Art vertraut zu machen. So halten ehemalige Beschäftigte wie Gerhard Heywang oder Peter Michael Lange Schulstunden ab. Gerhard Heywang etwa widmete sich im Chemie-Unterricht des Bonner Ernst-Kalkuhl-Gymnasiums dem Thema „Wasser“. „Er demonstrierte die Sprengkraft von Wasser im gefrorenen Zustand und zeigte mit Hilfe von kleinen Glasplättchen, dass Wasser sogar als Klebstoff dienen kann“, zeigte sich der General-Anzeiger begeistert. Der enorme Wasserverbrauch von BAYER (siehe WASSER, BODEN & LUFT) stand natürlich ebenso wenig auf dem Stundenplan wie die massiven Verunreinigungen durch Schadstoff-Einleitungen.

BAYERs Testosteron-Check
Mit großer Anstrengung arbeitet der Leverkusener Multi daran, die „Männergesundheit“ als neues Geschäftsfeld zu etablieren und seinen Potenzpillen und Hormon-Präparaten neue und nur selten zweckdienliche Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. So hat er die Krankheit „Testosteron-Mangel“ erfunden, um seine Hormon-Pillen an den Mann zu bringen, obwohl die Liste der Nebenwirkungen lang ist. Bluthochdruck, Ödeme, Herzkrankheiten, Blutverdickung, Leberschäden und Wachstum der Prostata zählen dazu. Zwecks Erschließung neuer Käuferschichten sucht der Konzern seit Neuestem sogar männer-affine Veranstaltungen wie Oldtimer-Shows und Golfmessen heim und bittet dort zum „Testosteron-Check“.

DRUGS & PILLS

FDA: Qualitätsmängel bei YAZ & Co.
Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hat zweimal das Bergkamener BAYER-Werk inspiziert und gravierende Mängel bei der Qualitätskontrolle von Wirkstoffen für Verhütungsmittel wie YASMIN und YAZ festgestellt, die seit geraumer Zeit wegen erhöhter Thrombose- und Lungenembolie-Risiken in der Kritik stehen (siehe SWB 3/09). So entdeckten die KontrolleurInnen unreine Pharmastoffe und solche, die in ihrer Stabilität erhebliche Schwankungen aufwiesen, was BAYER durch Tricks bei den Analyse-Verfahren verbergen wollte. Zudem kritisierte die FDA Defizite bei der Reinigung und Wartung der Produktionseinrichtungen. Die Institution setzte dem Konzern eine Frist von 30 Tagen, um die Mängel zu beheben und drohte bei einer mit der Verhängung eines Einfuhrverbotes für Pillen made by BAYER.

Pharma-Forschung unter Einfluss
Seit langem kritisiert die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) den großen Einfluss der Pillen-Hersteller auf Arzneimittelstudien im Allgemeinen und die von BAYER mit der Kölner Universitätsklinik vereinbarte Kooperation auf diesem Gebiet im Besonderen. Auch die ÄrztInnenschaft beobachtet die Entwicklung misstrauisch. So gab der „Deutsche Ärztetag“ eine Expertise zum Thema „Der Einfluss der pharmazeutischen Industrie auf die wissenschaftlichen Ergebnisse und die Publikation von Arzneimittelstudien“ in Auftrag. Das Fazit fiel verheerend aus. So kommen von BAYER & Co. gesponsorte Untersuchungen deutlich öfter zu positiven Ergebnissen als staatlich geförderte. Das geschieht dem Autor Dr. Klaus Lieb zufolge unter anderem durch Veränderungen des Studien-Protokolls, das Zurückhalten von Informationen über Nebenwirkungen und durch die Beschäftigung von GhostwriterInnen. Als Konsequenz aus dem Resultat der Analyse forderte der „Deutsche Ärztetag“ die Bundesregierung auf, eine von den Pharma-Firmen unabhängige Forschung stärker als bisher zu unterstützen.

Studien: Kein ASPIRIN zur Vorbeugung
ForscherInnen der Universität Oxford raten davon ab, ASPIRIN zur Herzinfarkt-Vorbeugung zu nehmen. Die WissenschaftlerInnen werteten Daten aus sechs Studien aus und stellten dem „Tausendsassa“ in einer Risiko/Nutzen-Analyse ein schlechtes Zeugnis aus. So hat das Präparat zwar das Auftreten von Störungen des Herz/Kreislaufsystems um 12 Prozent gesenkt, dafür im Gegenzug aber zu einem 43-prozentigen Anstieg von Gehirnblutungen geführt. Eine Untersuchung des an der Edinburgher „Wolfson Unit“ tätigen Dr. Gerry Fowkes beurteilte die prophylaktische Wirkung von ASPIRIN ebenfalls negativ. Und das, obwohl BAYER zu den Sponsoren der Expertise gehörte.

RENNIE schadet Lunge und Knochen
BAYERs Arznei RENNIE bindet die Magensäure und wirkt so gegen Sodbrennen. Zu den Risiken und Nebenwirkungen der vom Leverkusener Multi und anderen Herstellern angebotenen Präparate gehören die Schädigung des Knochenbaus und die Förderung von Lungenentzündungen, wie neue Studien der Universität Hamburg-Eppendorf und des „Beth Israel Deaconess Medical Centers“ ergaben. Die von den Mitteln neutralisierte Magensäure spielt nämlich bei der Verwertung des für den Knochenaufbaus wichtigen Kalziums eine Rolle, und findet der Körper nicht genug in der Nahrung, so muss er die im Skelett verborgenen Kalzium-Reserven angreifen. Für die Erhöhung des Lungenentzündungsrisikos durch RENNIE & Co. gibt es hingegen keine eindeutige Erklärung. Die WissenschaftlerInnen vermuten, dass die Medikamente mit dem Blocken der Magensäure auch Immunzellen ausschalten, die für die Abwehrkraft des Organismus eine wichtige Funktion erfüllen. Angesichts des alarmierenden Befundes kritisieren die ForscherInnen die viel zu häufige Verwendung der Produkte.

Omeprazol-Lizenz erworben
BAYER hat von ASTRAZENECA die Lizenz für Omeprazol erworben. Der Leverkusener Multi will das Mittel gegen Sodbrennen in einer rezeptfreien 20-Milligramm-Version mit einer Wirkstoff-Konzentration von 20 Milligramm unter dem Namen ANTRA auf den Markt bringen. Dafür hat der Konzern auch grünes Licht vom Bundesrat bekommen, der seinem Antrag auf die Aufhebung der Verschreibungspflicht für das Omeprazol light stattgab.

XARELTO: US-Zulassung verzögert sich
Während die Europäische Union BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO bei schweren orthopädischen OPs zugelassen hat, verzögert sich die US-Genehmigung weiter. Wegen des erhöhten Risikos von Gefäß-Verschlüssen, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden sowie ungeklärter Langzeitwirkung forderte die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA weitere Unterlagen an (Ticker 1/09). Der Leverkusener Multi hat offenbar Mühe, diese bereitzustellen. Erst im vierten Quartal des Jahres will der Konzern der FDA die Daten übergeben.

FDA warnt vor ALKA SELTZER & Co.
Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA macht Schmerzmittel mit der Wirksubstanz Acetaminophen für jährlich 1.600 schwerwiegende Leberschäden - manchmal sogar mit Todesfolge - verantwortlich. Deshalb zieht die Institution verschreibungspflichtige Arzneien mit diesem Inhaltsstoff aus dem Verkehr. Für die geringere Dosen dieser Substanz enthaltenen freiverkäuflichen Pharmazeutika schreibt die Behörde eine Senkung des Acetaminophen-Gehaltes vor. Davon sind BAYER-Produkte wie ALKA SELTZER, MIDOL und BAYER SELECT betroffen.

Diabetikum-Vermarktung in China
Der Leverkusener Multi hat vom polnischen Pharma-Hersteller BIOTON die Exklusiv-Rechte zum Vertrieb des Diabetikums SCILIN in China erworben.

BAYER testet Verhütungspflaster
Der Leverkusener Multi testet Antibaby-Pflaster mit den Wirkstoffen Ethinylestradiol und Gestoden. Mit einer Zulassung rechnet er für 2012.

Neuer Ballon-Katheder
MedizinerInnen weiten PatientInnen mit verengten Gefäßen in einer OP mittels eines Ballon-Katheders die Arterien. BAYER hat jetzt die Zulassung für einen Ballon-Katheder beantragt, der mit einem Medikament beschichtet ist und so das erneute Zuwachsen der Gefäße effektiver verhindern soll.

Alzheimer-Marker in 3. Testphase
Die Universität von Nagasaki hatte ein Verfahren entwickelt, das Eiweißablagerungen im Gehirn mittels eines radioaktiven Markers visuell darstellen und so angeblich zur Früherkennung von Alzheimer dienen kann. BAYER sicherte sich durch einen Vertrag mit der japanischen Hochschule die Exklusivrechte an dieser Technologie und startete klinische Prüfungen, die sich mittlerweile in der dritten und letzen Phasse befinden.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Studie: GAUCHO tötet Bienen
Im letzten Winter haben britische ImkerInnen ein Fünftel ihrer Bienenvölker verloren. Eine daraufhin von den Initiativen BUGLIFE und SOIL ASSOCIATION durchgeführte Untersuchung machte Pestizide wie Imidacloprid, Wirkstoff von BAYERs Saatgut-Behandlungsmittel GAUCHO, mitverantwortlich für das Bienensterben. Als Konsequenz daraus forderten die Gruppen ein Verbot von GAUCHO und anderen Mitteln, wie es die Bundesrepublik und andere Staaten in Europa für bestimmte Anwendungsbereiche schon ausgesprochen haben.

Bienensterben global
Im letzten Jahr hat BAYERs Saatgut-Beizmittel PONCHO in Süddeutschland ein verheerendes Bienensterben ausgelöst. Deshalb dürfen die LandwirtInnen das Produkt in der Bundesrepublik vorerst auf Maisfeldern nicht mehr ausbringen. Andere Länder reagierten hingegen nicht. Nach einem Massentod von Bienen in Österreich (Ticker 2/09) beklagten nun auch ImkerInnen in Kroatien und Japan große Verluste.

Berufskrankheit „Parkinson“
Pestizide haben Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem. Besonders Menschen, die täglich mit Agrochemikalien umgehen, setzen sich einem Gesundheitsrisiko aus. So erkranken LandwirtInnen häufiger an Parkinson als der Durchschnitt der Bevölkerung. Die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft hat deshalb - allerdings erst nach einer Klage - pestizid-bedingten Parkinson als Berufskrankheit anerkannt. Einen ähnlichen Fall hatte vor einiger Zeit das Landessozialgericht Mainz positiv entschieden.

Diuron am Bau
Die verbesserte Wärmedämmung führt zu kälteren und feuchteren Außenfassaden. Weil das die Häuserwände anfälliger für Pilzbefall macht, greifen die BesitzerInnen häufig zu Anstrichen mit Agrochemie-Zusätzen. Regen spült die Gifte dann ins Grundwasser. Bei einer Untersuchung des schweizer Wasserversorgers EAWAG enthielt ein Liter Abfluss allein bis zu 7.000 Mikrogramm von BAYERs Pestizid-Wirkstoff Diuron.

Weiterhin Klasse-I-Pestizide
Auf der BAYER-Hauptversammlung von 1995 hatte der Vorstand zugesagt, bis zum Jahr 2000 alle Pestizide der Gefahrenklasse I vom Markt zu nehmen. Dieses Versprechen hat der Leverkusener Multi immer noch nicht eingelöst. Dem Nachhaltigkeitsbericht von 2008 zufolge „gibt es weiterhin Produkte, deren Einsatz notwendig ist und für die noch immer keine Alternativen verfügbar sind“. Zudem machten regionale Unterschiede beim Schadinsekten-Aufkommen angeblich eine „Standardlösung unmöglich“.

GENE & KLONE

Saatgut mit T25 verunreinigt
GREENPEACE hat konventionell angebautes Mais-Saatgut untersucht und Verunreinigungen mit gentechnisch manipulierten Saaten festgestellt. In 22 der 386 Proben fanden sich Gentechnik-Spuren. In den meisten Fällen führten diese zu MONSANTO, aber auch der Leverkusener Multi wurde ertappt. So wiesen die WissenschaftlerInnen in Maispflanzen aus Hessen, dessen Saatgut aus Kanada stammte, den BAYER-Mais T25 nach, den gentechnische Verfahren resistent gegen die Herbizide BASTA und LIBERTY gemacht haben.

Glyphosat schädigt Zellen
Das BAYER-Pestizid Glyphosat, das in den Mitteln GLYPHOS, KEEPER und USTINEX enthalten ist, hat es in sich. Der Wirkstoff, den der Konzern ab 2010 auch in Kombination mit seiner gentechnisch gegen die Substanz resistent gemachten „GlyTol“-Baumwolle anbieten will, kann menschliche Zellen schädigen. Nach einer Untersuchung französischer ForscherInnen von der Universität Caen löste die Agrochemikalie noch in 100.000facher Verdünnung binnen 24 Stunden ein komplettes Zellsterben aus.

USA genehmigen Gen-Baumwolle
Die USA haben BAYERs GlyTol-Baumwolle eine Genehmigung erteilt. Der Agro-Riese will die per Gentechnik immun gegen den Herbizid-Wirkstoff Glyphosat gemachte Pflanze ab 2010 vermarkten. Ob die BAYER-Baumwolle Hitze und Trockenheit besser trotzt als die Laborfrüchte des Konkurrenten MONSANTO? Bei denen ließen die klimatischen Verhältnisse nämlich die Glyphosat-Resistenz schwinden, weshalb die Gewächse dem Glyphosat-Großeinsatz nicht gewachsen waren und en masse eingingen.

Tallowamin tötet Frösche
Nicht nur Glyphosat als Wirkstoff von MONSANTOs Produktlinie ROUND-UP, auf die auch BAYER im Rahmen einer Kooperation mit dem Agro-Riesen zurückgreift (s. u.), steht in der Kritik (s. o.) Der ROUND-UP-Hilfsstoff Tallowamin hat jetzt ebenfalls die Aufmerksamkeit von ForscherInnen auf sich gezogen. US-amerikanischen WissenschaftlerInnen zufolge hat die Substanz für ein Massensterben von Fröschen und Kröten gesorgt. Das „Bundesamt für Verbraucherschutz“ hat von dem US-Unternehmen und anderen Anbietern bereits neue Daten angefordert und droht mit einer Aberkennung der Zulassung.

Mehr Kooperation mit MONSANTO
Schadinsekten gewöhnen sich zunehmend an die Pestizide, welche die Hersteller im Kombipack mit ihren gegen diese Wirkstoffe resistenten Genpflanzen verkaufen. Deshalb gehen BAYER & Co. nach der Devise „Doppelt hält besser“ immer mehr dazu über, ihre Sorten gleich gegen mehrere Agrochemikalien immun zu machen. So haben BAYER und MONSANTO bereits vor zwei Jahren einen umfangreichen Technologie-Transfer vereinbart. Der US-amerikanische Agro-Riese darf laut Vertrag BAYERs LIBERTY-Resistenzen zusätzlich zum Bt- oder Glyphosat-Gen in seine Raps- oder Soja-Kreationen einbauen und der Leverkusener Multi im Gegenzug auf MONSANTO-Entwicklungen zurückgreifen. Jetzt weiteten die beiden Unternehmen ihre Zusammenarbeit nochmals aus. Der US-Gigant erhält für seinen Gen-Raps Zugang zur LIBERTY-Technologie, während der bundesdeutsche Konzern für seine Rapssorten die MONSANTO-Entwicklung ROUNDUP-READY verwenden kann.

DUPONT kauft BAYER-Lizenzen
Auch der Agro-Riese DUPONT versucht, die nachlassende Widerstandskraft seiner Genpflanzen gegen Schadinsekten durch die Zusammenstellung neuer Giftcocktails aufzuhalten. Das Unternehmen erwarb vom Leverkusener Multi die Rechte zum Einbau von Resistenzen gegen das Pestizid Glufosinat in seine Sorten. Zudem hat das US-amerikanische Unternehmen Zugriff auf BAYERs Dual-Bt-Patent, welches das Bestücken seiner Produktlinien mit dem für Insekten tödlichen Bacillus thuringiensis erlaubt. Das den Agrarmarkt beherrschende Oligopol versucht also momentan, die sich aus der Genpflanzen-Monokultur ergebenden Probleme dadurch zu lösen, dass es den Oligopol-Giftschrank zwecks Pseudo-Diversifizierung gemeinsam nutzt.

Einzelstaatliche Gentechnik-Verbote?
Bislang galt in Sachen „Gentechnik“ einheitliches EU-Recht. Nach einer Genehmigung aus Brüssel konnte der Anbau im Prinzip starten. Da aber immer mehr Mitgliedsländer doch Wege fanden, der grünen Gentechnik auf ihren Feldern kein grünes Licht zu geben, stehen jetzt einzelstaatliche Lösungen zur Debatte. Wenn die letzte Entscheidung wieder bei den einzelnen Staaten liegt, bräuchten diese sich nicht mehr gleich für europa-weite Zulassungsverbote auszusprechen, kalkulieren die Befürworter der Risikotechnologie, während die Gentech-GegnerInnen sich von der Reform mehr „Nein“-Voten auf Länder-Ebene erhoffen.

Lizenz auf Krebsmoleküle erworben
BAYER hat vom US-amerikanischen Gentech-Unternehmen CELERA die Rechte an fünf Eiweiß-Substanzen erworben, die bei Krebskrankheiten eine Rolle spielen und deshalb angeblich als Ansatzpunkte für die Entwicklung von Gegenmitteln dienen können.

NEXAVAR immer noch zu teuer
Das britische Pendant zum bundesdeutschen „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“, die Sondergesundheitsbehörde NICE, hatte im letzten Jahr eine Kosten/Nutzen-Analyse von BAYERs Gentech-Arznei NEXAVAR bei der Indikation „Nierenkrebs“ vorgenommen. Das Ergebnis fiel negativ aus, weshalb die Krankenkassen für eine Behandlung nicht zahlten. Der Leverkusener Multi focht die Entscheidung an, aber die NICE blieb bei ihrem Urteil. Ob die Institution NEXAVAR als Leberkrebs-Medikament positiver gegenübersteht, bleibt abzuwarten. Die Prüfungen laufen noch.

Mehr Indikationen für NEXAVAR?
Der Leverkusener Multi versucht unentwegt, das Anwendungssspektrum seiner zur Behandlung von fortgeschrittenem Nieren- und Leberkrebs zugelassenen Gentech-Arznei NEXAVAR zu erweitern. Nachdem das Medikament als Haut- und Bauchspeicheldrüsen-Therapeutikum versagte, setzt der Konzern nun auf die Indikationen „Brustkrebs“ und „fortgeschrittener Lungenkrebs“, für die er in Tests auch erste Behandlungserfolge wie „keine weitere Verschlimmerung der Krankheit“ vermeldet.

PFLANZEN & SAATEN

Saatgut-Forschung in Cartagena
BAYERs Saatgut-Tochter NUNHEMS expandiert beständig. Im US-amerikanischen Parma baut sie für 15 Millionen Dollar ihr Werk aus, und im spanischen Cartagena hat di Firma ein Forschungszentrum eröffnet, das neue Melonen-, Salat-, Artischocken- und Paprika-Sorten entwickeln will.

Kooperation mit Reis-Institut
BAYER hat mit dem chinesischen Reis-Institut CNRRI eine Kooperation vereinbart. Die beiden Vertragspartner wollen gemeinsam an der Erforschung und Entwicklung von neuen hybriden, also sterilen und nicht zur Wiederaussaat bestimmten Sorten arbeiten. Diese Arten ermöglichen dem Agro-Riesen ein besonders gutes Geschäft, da die LandwirtInnen jedes Jahr neue Saaten kaufen müssen.

WASSER, BODEN & LUFT

Wolfenbüttel: schwierige Sanierung

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Bis BAYER den aufgegebenen Standort Wolfenbüttel (siehe Ticker 4/08) besenfrei übergeben kann, dürften Jahrzehnte vergehen. Die Sanierung des verseuchten Boden gestaltet sich nämlich schwieriger als erwartet. Nicht nur 325 Kilgramm Pestizide schlummern im Erdreich, sondern auch 3.000 Kilogramm Benzol sowie Lösungsmittel, Mineralöle und Schlacken. Für den größten Schadstoff-Eintrag hatte 1978 - damals betrieb SCHERING auf dem Gelände eine Chemie-Produktion - eine Explosion gesorgt, denn mit dem Löschwasser versickerte ein ganzer Chemie-Cocktail. Jetzt muss das vergiftete Grundwasser über 16 Brunnen an die Oberfläche gepumpt und einer großen Filteranlage zugeführt werden. Nach Auskunft des Geologen Jürgen Röhrs wird die Reinigung 50 Jahre in Anspruch nehmen - BAYER will es hingegen in einer Dekade schaffen. Und zu allem Überfluss verursachen die Maßnahmen zusätzliche Schäden: NachbarInnen klagen schon über Risse in den Wänden ihrer Häuser. Trotzdem erhielten die Arbeiten höchstministeriellen Segen. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel lobte die Sanierung bei einem Lokaltermin. „BAYER CROPSCIENCE ist ein hochgradig professionelles Unternehmen“, so der SPD-Politiker.

Sanierung der Wolfenbütteler Deponie
Zu dem aufgegebenen Standort Wolfenbüttel gehörte auch die Sondermüll-Deponie in Klein Biewende. SCHERING als Vorbesitzer des Werkes und BAYER entsorgten dort von 1967 bis 2004 ihre Produktionsabfälle. Da die letzte Ruhestätte für die Chemie-Gifte nur unzureichend gesichert war, sorgten die Schadstoffe für eine erhebliche Umweltbelastung. Deshalb muss der Leverkusener Multi nun umfangreiche Sanierungsmaßnahmen durchführen. Er geht dabei ähnlich vor wie in Sachen „Dhünnauc“ (siehe SWB 3/04). Statt die Deponie auszuräumen, mumifiziert der Konzern sie aus Kostengründen nur. Er zieht Sperrwände ein und dichtet alles nach oben hin mit Ton, Erde und Kunststoff ab. Nach unten hin bleibt hingegen alles offen, weshalb das Unternehmen später permanent das verunreinigte Wasser abpumpen muss. Zudem sah BAYER sich nicht genötigt, die AnwohnerInnen über die Arbeiten zu informieren, was auf einigen Unmut stieß. „Die Politik des Unternehmens ist eine Katastrophe“, zürnte etwa der Bürgermeister des angrenzenden Remlingen, Klaus-Günter Warnecke (SPD).

Siedlung über BAYER-Altlast
Bis zum Jahr 2003 betrieb BAYER im englischen Hauxton nahe Cambridge ein Werk. Bei der Schließung hinterließ der Konzern in Boden und Grundwasser jede Menge Altlasten. Trotzdem will die Gemeinde auf dem Areal Wohnhäuser errichten lassen. Einen Investor hat sie schon gefunden. Dessen ersten Sanierungsplan, der nicht viel mehr als Schönheitsreparaturen vorsah, lehnten die LokalpolitikerInnen allerdings ab. Erst der zweite fand ihre Gnade, obwohl ehemalige BAYER-Beschäftigte im Stadtrat vor der Genehmigung warnten. „Auf diesem Gelände sollte niemals gebaut werden und ich würde dort nie ein Haus kaufen“, sagte etwa Deborah Roberts.

Produktionsrückstand Quecksilber
Der Leverkusener Multi hat seine Chlor-Produktion anders als viele mittelständische Betriebe immer noch nicht komplett auf das Membran-Verfahren umgestellt, bei dem kein giftiges Quecksilber als Produktionsrückstand mehr anfällt. Zudem ist dem Konzern als einzigem der 196 Quecksilber-Emittenten in der Bundesrepublik das Kunststück gelungen, die Größenordnung der Umweltbelastung durch dieses Schwermetall als „vertraulich“ deklarieren zu können (siehe auch SWB 3/09).

CO2-Bilanz: 7,57 Mio. Tonnen
Der Leverkusener Multi hat im Geschäftsjahr 2008 7,57 Millionen Tonnen klima-schädigende Treibhausgase ausgestoßen. 4 Millionen Tonnen davon stammen „aus eigener Herstellung“; 3,57 Millionen Tonnen entstanden bei der Produktion zugekaufter Energie. Die Summe setzt sich aus 92,1 Prozent Kohlendioxid, 7,5 Prozent Lachgas und 0,4 Prozent Kohlenwasserstoffe zusammen. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet das einen Rückgang von 7,1 Prozent. Auf umweltfreundliche Investitionen ist diese Reduzierung jedoch nur zum Teil zurückzuführen. Sie „resultiert aus konjunkturellen Veränderungen und Maßnahmen zur Verringerung des besonders klima-wirksamen Lachgases (N2O) in unserer Salpeter-Anlage in Köln-Worringen“, heißt es im Nachhaltigkeitsbericht.

VOC-Bilanz: 3.160 Tonnen
Der Leverkusener Multi hat mit 3.160 Tonnen im Jahr 2008 mehr flüchtige organische Verbindungen (VOC) an die Umwelt abgegeben als 2007 (2.870 Tonnen). Verantwortlich für den höheren Ausstoß der gesundheitsschädlichen Stoffe war eine Steigerung der Produktion im überalteten Pestizid-Werk Vapi (Indien), womit eine verstärkte Emission von Lösemittel-Dämpfen einherging. Laut Nachhaltigkeitsbericht will BAYER prüfen, ob die Anlage ihre VOC-Bilanz verbessern kann.

Ozon-Schädigung: plus 16 Prozent
Der Leverkusener Multi hat 2008 mit 17,1 Tonnen rund 16 Prozent mehr ozonschicht-schädigende Substanzen emittiert als 2007. Und schon in jenem Jahr war der Ausstoß stark gestiegen. Verantwortlich für diese Erhöhung in beiden Fällen: das nicht dem neuesten Standard der Technik entsprechende Pestizid-Werk im indischen Vapi. Im letzten Herbst hat der Konzern endlich die Konsequenz gezogen und eine Modernisierung der Dreckschleuder angekündigt.

Etwas weniger Co & Co.
Der Leverkusenener Multi hat im Geschäftsjahr 2008 den Ausstoß von Kohlenmonoxid (CO) leicht von 2.000 Tonnen auf 1.700 gesenkt. Die Schwefeloxid-Emissionen sanken von 3.600 Tonnen auf 3.200 Tonnen, hauptsächlich weil der Konzern seine Dreckschleuder im indischen Vapi mittlerweile mit einem schwefelärmeren Brennstoff befeuert. Die Stickstoffoxid-Bilanz blieb weitgehend unverändert. Um 100 Tonnen auf 3.900 Tonnen reduzierte sich der Wert. Dabei gilt es dem Pharma-Riesen als Erfolgsmeldung, seine Anlage in Bergkamen schon jetzt so umgerüstet zu haben, dass sie mit 75mg/Nm3 passgenau auf den ab 2012 vorgeschriebenen Stickstoffoxid-Grenzwert geeicht ist.

Etwas weniger Schadstoffe im Abwasser
Die Abwasser-Bilanz des Leverkusener Multi sieht 2008 etwas besser aus als im Vorjahr. Das liegt jedoch nur zum Teil an Umweltschutz-Maßnahmen: Die Produktionsrückgänge infolge der Wirtschaftskrise wirkten sich ebenso stark aus. So produzierte BAYER 2008 mit 68,4 Millionen Kubikmeter Abwasser 12 Millionen weniger als im Vorjahr. Entsprechend reduzierte sich der Anteil der darin herumschwimmenden Schadstoffe etwas. Die Phosphorfracht sank von 990 Tonnen auf 780 Tonnen. Die Einleitungen organischer Verbindungen reduzierten sich von 1.770 Tonnen auf 1.590 Tonnen und die von anorganischen Salzen von 825.000 Tonnen auf 812.000 Tonnen. Der Wert für Stickstoff blieb mit 670 Tonnen fast gleich. Dafür fanden sich mehr Schwermetalle made by BAYER in den Gewässern wieder: 10,4 Tonnen (2007: 8,9 Tonnen). Der Pharma-Riese begründet das mit allerdings nicht mit einer schmutzigeren Produktion, sondern gibt „einem umfassenderen Abwasser-Reporting“ die Schuld für den Anstieg.

Mehr Abfall
BAYER produziert immer mehr Abfall. Die Gesamtmenge, die 2006 noch 649.000 Tonnen betrug, stieg 2007 auf 928.000 Tonnen und 2008 noch einmal auf 1.077.000 Tonnen. Auch die Zahlen für gefährlichen Müll erhöhten sich: von 570.000 Tonnen im Jahr 2006 auf 617.000 Tonnen 2007 und 670.000 Tonnen 2008. Mit 45 Prozent landete ein Großteil der Produktionsrückstände auf der Deponie, 24 Prozent gingen in den Verbrennungsofen und lediglich 28 Prozent wurden wiederverwertet (davon wahrscheinlich noch ein großer Teil in ökologisch bedenklichen Müllkraftwerken).

Kohlekraftwerk: Steigt GETEC aus?
Bei dem Projekt, auf dem Gelände des Brunsbütteler BAYER-Werkes ein Steinkohle-Kraftwerk zu errichten, treten offensichtlich Schwierigkeiten auf. Nach Informationen der Wilsterschen Zeitung will der Hannoveraner Energieversorger GETEC das Vorhaben aufgeben und VATTENFALL oder RWE überlassen. Das Unternehmen dementiert einstweilen die Gerüchte, räumt aber Probleme ein. „Vor dem Hintergrund der augenblicklichen Wirtschaftskrise ist die Einwerbung von Industriepartnern schwieriger geworden“, so GETEC-Sprecherin Neele Gehrt.

Immenser Wasserverbrauch
BAYER verbraucht dem Nachhaltigkeitsbericht 2008 zufolge jährlich 438 Millionen Kubikmeter Wasser. Das sind mehr als eine Millionen Kubikmeter pro Tag. 58 Prozent davon entnimmt der Chemie-Multi Oberflächengewässern, und 32 Prozent dem Grundwasser. Allein das Leverkusener Werk entzog dem Rhein im letzten Jahr 45 Millionen Kubikmeter und verbrauchte 85 Millionen Kubikmeter Grundwasser.

NRW schafft „Wasser-Cent“ ab
Der Wasserdurst des Leverkusener Multis ist enorm (s. o.). Um ihn etwas zu zügeln, hatte die rot-grüne Landesregierung den Wasser-Cent eingeführt; 4,6 Millionen Euro zahlte BAYER im vergangenen Jahr. Allerdings tat das Unternehmen alles, um sich von dieser Last zu befreien. Erst im August hatte Konzern-Chef Werner Wenning den „Wasser-Cent“ in einem Bild-Interview als einen „Investitionshemmer“ bezeichnet. „Das ‚Wasserentnahmegesetz‘ beispielsweise schwächt die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Industrie und schreckt potenzielle Investoren ab“, wetterte Wenning. Sein Ruf fand Gehör. Die gelbe-schwarze Koalition in Düsseldorf schaffte die Steuer ab, was umgehend auf Kritik stieß. „Der Wasserverbrauch des Leverkusener BAYER-Werks liegt rund doppelt so hoch wie der Trinkwasserbedarf der benachbarten Millionenstadt Köln! Dies ist ein schwerwiegender Eingriff in die Natur, der nicht dauerhaft zu rechtfertigen ist. Der enorme Verbrauch von BAYER zeigt, dass der „Wasser-Cent“ dringend notwendig ist, um den Wasserverbrauch zu verringern“, protestierte Philipp Mimkes von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) in der Presse-Erklärung, welche die Coordination gemeinsam mit dem BUND und dem BUNDESVERBAND BÜRGERINITIATIVEN UMWELTSCHUTZ (BBU) herausgab.

NANO & CO.

Nano-Partikel schädigen Nervenzellen
Nano leitet sich vom griechischen Wort für Zwerg ab. Die Nanotechnik beschäftigt sich folglich mit der Entwicklung von mikroskopisch kleinen Werkstoffen. Mit seinen Nano-Röhrchen ist der Leverkusener Multi mittlerweile in die Großproduktion eingestiegen. Für die Risiken und Nebenwirkungen dieser „Zukunftstechnologie“ fühlt er sich allerdings nicht verantwortlich. Dabei gibt es immer mehr alarmierende Hinweise. So können Nano-Stoffe nach einer Untersuchung der Universität Edinburgh das Gewebe angreifen und ähnlich wie in der Vergangenheit Asbest Entzündungen auslösen (siehe Ticker 2/08). Irische ForscherInnen haben Wirkungen von Nano-Partikeln auf das Immunsystem nachgewiesen. Und ForscherInnen der US-amerikanischen Umweltbehörde EPA haben in einem Reagenzglas-Versuch mit Nano-Teilchen aus Titandioxid schädigende Effekte auf Nervenzellen festgestellt.

PRODUKTION & SICHERHEIT

BAYER baut MIC-Tanks ab
Seit langem kritisiert die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) die Sicherheitslage am BAYER-Standort Institute. So forderte die Coordination auf Hauptversammlungen immer wieder, die Tanks mit der Bhopal-Chemikalie Methyl Isocyanat (MIC) abzubauen. Noch vier Monate vor der Explosion vom 28. August 2008, die zwei Menschenleben forderte und die schlimmsten Befürchtungen der CBG bestätigte, wies der Konzern die Warnungen als „unbegründet“ zurück. Nun endlich scheint der Chemie-Multi ein Einsehen zu haben. Er kündigte an, die MIC-Lager um 80 Prozent zu reduzieren und die Produktion des Pestizides Carbofuran einzustellen. Aber auch so bleibt die BAYER-Niederlassung das Chemie-Werk in den USA mit dem größten MIC-Reservoir. Zudem kommt in der Produktion immer noch das gefährliche Giftgas Phosgen zum Einsatz. Darum setzt die CBG trotz des Erfolges ihr Engagement fort. „Wir fordern von BAYER, in der Kunststoff- und Pestizidproduktion neue Verfahren zu entwickeln und künftig auf Giftgase wie MIC und Phosgen ganz zu verzichten“, erklärte Geschäftsführer Philipp Mimkes.

STANDORTE & PRODUKTION

AKW-Panne legt Brunsbüttel lahm
Alle Räder stehen still, wenn es VATTENFALL will: Die Abschaltung des Atomkraftwerks Krümmel führte zu einem Spannungsabfall, der die Kunststoff-Herstellung im Brunsbütteler BAYER-Werk stoppte. Erst über eine Woche danach konnte der Multi die Produktion wieder aufnehmen. Ob er nach dem Zwischenfall immer noch ein glühender Anhänger der Atomkraft bleibt?

BAYER investiert in Bitterfeld
Der Leverkusener Multi investiert am Standort Bitterfeld sieben Millionen Euro in die Modernisierung der Pillen-Produktion.

BAYER deinvestiert in Krefeld
BAYER schließt die Kunststoff-Forschungsabteilung in Krefeld/Uerdingen (siehe auch SWB 3/09). Der Chemie-Multi will die wissenschaftliche Arbeit in Leverkusen konzentrieren, um eine stärkere Anbindung an das Marketing-Ressort zu gewährleisten, wie es offiziell heißt. Tatsächlich handelt es sich dabei um eine Rationalisierungsmaßnahme. Von den 132 Beschäftigten können nämlich nur 74 nach Leverkusen umziehen. 45 Jobs in den Laboren entfallen für immer, vor allem im Polyurethan-Bereich. Zudem hat die Abwicklung Folge-Wirkungen, denn 40 Stellen hängen direkt von der Entwicklungssparte ab. Einen „Aufschrei der Entrüstung“ hat die Ankündigung des Konzerns laut Westdeutscher Zeitung ausgelöst. „Die Auswirkungen auf die Menschen und den Standort Uerdingen wären bei einer tatsächlichen Realisierung der Unternehmensvorstellung fatal“, warnt die Betriebsratsvorsitzende Petra Kohnen. Die Wellen schlagen so hoch, weil die Belegschaftsangehörigen bereits seit längerem ein Ende der Niederlassung in Krefeld befürchten.

BAYER erpresst den Standort Berkeley
Der Leverkusener Multi droht dem Standort Berkeley, Teile der Herstellung des Blutproduktes KOGENATE abzuziehen, wenn er nicht in den Genuss von Steuernachlässen, Strom-Rabatten und anderen Vergünstigungen kommt. Auf 19 Millionen Dollar belaufen sich die Forderungen von BAYER. Und die Erpressung scheint Erfolg zu haben. Die Stadt Oakland signalisierte schon, die Niederlassung in ihre Sondertarife gewährende Sonderwirtschaftszone aufzunehmen.

BAYER schwächt Wuppertal
BAYERs Pharma-Standort Berlin wächst auf Kosten anderer Niederlassungen. So zieht der Pharma-Riese das Produkt-Team für das neue Mittel XARELTO, das Thrombosen nach Knie- und Hüftgelenksoperationen verhindern soll, von Wuppertal ab und verlegt es nach Berlin.

IMPERIUM & WELTMARKT

Dekkers folgt Wenning
BAYER hat den Niederländer Marjin Dekkers zum Nachfolger des Vorstandsvorsitzenden Werner Wenning bestimmt. Damit besetzt zum ersten Mal ein BAYER-Externer und Ausländer den Chef-Posten. Dekkers spricht allerdings Deutsch, was der Konzern sich auch ausbedungen hat. „Der Chef eines deutschen Großunternehmens muss sich ohne Dolmetscher mit der Kanzlerin und den Arbeitnehmer-Vertretern unterhalten können“, hieß es zur Begründung. Die anderen Qualitäten des Holländers wie „Durchsetzungsvermögen“, „Beste Drähte zu den Kapitalmärkten“ und lassen ebenso wenig etwas Gutes für die Zukunft erwarten wie die Tatsache, dass er bei seinem früheren Arbeitgeber THERMO FISHER SCIENTIFIC ein umfassendes Restrukturierungsprogramm inklusive des Verkaufs mehrerer Firmenteile initiierte. Die BAYER-Manager Klaus Kühn und Arthur Higgins, die sich ebenfalls Hoffnungen auf den BAYER-Vorsitz gemacht hatten, verließen das Unternehmen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu Gunsten Dekkers umgehend.

BTS baute Schwefelsäure-Anlage
BAYER TECHNOLOGY SERVICES (BTS) hat für den Bleihersteller BERZELIUS in Stolberg bei Aachen eine Schwefelsäure-Anlage errichtet, die trotz höherer Produktivität angeblich weniger schädliches Schwefeldioxid freisetzt als vergleichbare Fertigungsstätten.

ÖKONOMIE & PROFIT

BAYER spart Steuern
Bei der Verkündung der Geschäftszahlen für das erste Halbjahr 2009 konnte BAYER-Chef Werner Wenning eine Steigerung des Geldmittel-Zuflusses um „erfreuliche“ 57,4 Prozent auf fast 1.4 Milliarden vermelden, was er unter anderem auf „niedrigere Ertragssteuerzahlungen“ zurückführte. Auf die Kassen des Bundes, des Landes und der Kommunen mit BAYER-Werken dürften also unerfreulichere Zeiten zukommen.

Pensionsversicherungsbeitrag steigt
Wenn Unternehmen Insolvenz anmelden, dann stehen auch die Betriebsrenten zur Disposition. In solchen Fällen springt der Pensionssicherungsverein (PSV) ein. Da die Zahl der Firmenpleiten in Zeiten der Krise allerdings drastisch steigt, reichen die Ressourcen der Versicherung nicht mehr aus. Deshalb erhöhte sich für BAYER der Beitragssatz um das Siebenfache auf 70 Millionen Euro.

Kreditversicherungsbeiträge steigen
Der Leverkusener Multi hat Kreditversicherungen in einem Volumen von ca. 300 Millionen Euro abgeschlossen, um vor Zahlungsausfällen seiner Kunden gewappnet zu sein. Im Zuge der Wirtschaftskrise agieren ALLIANZ & Co. allerdings vorsichtiger und limitieren die Deckungssumme. „BAYER hat ebenso wie andere Chemie-Unternehmen eine Welle von Limitkürzungen bekommen. Darüber sind wir überhaupt nicht erfreut“, sagt BAYERs Versicherungsmann Gregor Köhler. Auch das Anheben der Preise, mit dem die Versicherungskonzerne ihre Verluste an den Kapitalmärkten kompensieren wollen, hebt seine Stimmung nicht. Deshalb droht Köhler der Branche damit, eine eigene Kreditversicherung aufzumachen, wie in den 90er Jahren. Damals hatten BAYER, BASF und HOECHST das in Luxemburg ansässige - und immer noch existierende - Unternehmen INDURISK gegründet, weil ihnen die verlangten Umwelthaftungsprämien zu hoch erschienen.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Explosion in Bergkamen
In dem Bergkamener Werk von BAYER SCHERING kam es am 5.9.09 bei der Entladung eines Containers mit flüssigen Metallalkyl-Resten, die für die Rückstandsverbrennungsanlage bestimmt waren, zu einer großen Explosion und zwei kleineren Folge-Detonationen. Vier Beschäftigte erlitten einen Schock und mussten sich ärztlicher Behandlung unterziehen. 170 Feuerwehrleute brauchten zwei Stunden, um den Großbrand unter Kontrolle zu bringen. Für den Chemie-Multi war das alles kein Grund zur Beunruhigung. „Eine Gefahr für die Bevölkerung hat zu keiner Zeit bestanden“, erklärte er. Dies sahen Sachverständige, welche die Vorgänge später untersuchten, anders. Sie sprachen von einem „unheimlichen Glück“, dass die vier Belegschaftsangehörigen gehabt hätten, außer einem Schock keine ernsthaften Verletzungen erlitten zu haben. Den ExpertInnen zufolge hat eine defekte Pumpe zu dem großen Knall geführt.

Gas-Austritt in Kansas
Am BAYER-Standort Kansas City kam es am 11.8.09 zu einem Gas-Austritt. Aus einem Zylinder, den eine Fremdfirma geliefert hatte, entwich durch eine Leckage die giftige und ätzende Substanz Chlorwasserstoff.

Phosgen-Austritt in Baytown
Wie der Leverkusener Multi in seinem Nachhaltigkeitsbericht dokumentiert, trat 2008 am Standort Baytown durch eine Leckage Phosgen aus, das zu den gefährlichsten Chemiestoffen überhaupt zählt.

Salzsäure tritt aus
Durch einen defekten Tank trat 2008 laut Nachhaltigkeitsbericht am BAYER-Standort New Martinsville Salzsäure aus.

Ethylenoxid tritt aus
Laut Nachhaltigkeitsbericht wurden 2008 auf dem Gelände des BAYER-Werkes im US-amerikanischen Channelview aus einem Eisenbahn-Waggon 150 Kilogramm Ethylenoxid freigesetzt.

Institute: 2 Arbeiter vergiftet
Am BAYER-Standort Institute war es am 28. August 2008 zu einer Explosion gekommen, in deren Folge zwei Männer starben. Aber auch die Aufräumarbeiten gefährden die Belegschaft. So kamen zwei Arbeiter bei der Instandsetzung einer Rohrleitung in Kontakt mit dem Pestizid-Wirkstoff Carbuforan und mussten sich in ärztliche Behandlung begeben. Der Zwischenfall erreignete sich, weil der Leverkusener Multi sich nicht veranlasst sah, die Belegschaftsangehörigen zum Tragen von Schutzkleidung anzuhalten. Die US-amerikanische Arbeitsschutzbehörde OSHA hatte das bereits nach dem ersten Vorkommnis dieser Art gerügt.

RECHT & UNBILLIG

Preisabsprachen im Pharma-Bereich
Der Leverkusener Multi kann es nicht lassen und ist wieder mal in einen Kartell-Fall verwickelt. Die rumänische Wettbewerbsbehörde hat wegen des Verdachts auf Preis-Absprachen zwischen Pillen-Produzenten und Zwischenhändlern Büros der Pharma-Hersteller BAYER, BAXTER, BELUPO PHARMACEUTICAL und SINTOFARM durchsucht. „Der pharmazeutische Sektor besitzt Priorität für die Wettbewerbsbehörde. Wenn immer es nötig ist, werden wir intervenieren, damit die Bevölkerung Zugang zu Medikamenten erhält, deren Preise auf freiem Wettbewerb beruhen“, sagte Bogdan Chiritoiu, der Präsident der rumänischen Kartellbehörde, zur Begründung der Hausdurchsuchungen.

Patentklage scheitert
Ende letzten Jahres wollte der Leverkusener Multi in Indien die Zulassung einer Nachahmer-Version seines Krebsmedikamentes NEXAVAR verhindern und ging deshalb juristisch gegen den Hersteller CIPLA und die Genehmigungsbehörde vor. Das Gericht wies die Klage im August 2009 jedoch ab und stellte so die Versorgung armer Menschen mit billigen Arzneien sicher (siehe auch SWB 3/09).

BAYER entschädigt Blutplasma-Opfer
Weltweit starben in den 80er Jahren Tausende Bluter durch HIV-verseuchte Blutprodukte an AIDS. Zudem übertrugen die Präparate Hepatitis-C. Obwohl BAYER & Co. das Risiko bekannt war, weigerten die Konzerne sich aus Kostengründen lange Zeit, eine Hitze-Behandlung der Mittel zur Abtötung der Krankheitskeime vorzunehmen. Deshalb sah sich das Unternehmen mit vielen Prozessen konfrontiert. Ein Jahrzehnte lang währender Rechtsstreit ging erst 2009 zuende. Der Konzern willigte schließlich ein, SammelklägerInnen eine Entschädigung zu zahlen.

BAYER mahnt Duckhome ab
Der Leverkusener Multi hat das Internet-Portal Duckhome wegen eines Kommentars zu einem BAYER-kritischen Beitrag abgemahnt. Der Text „BAYER - so ein richtig schmutziger Turbokapitalismus“ hatte einen recht umfassenden Einblick in das Sündenregister des Konzerns von Arbeitsplatzvernichtung und Bienensterben über die Gentechnik und die Kohlenmonoxid-Pipeline bis hin zu giftigen Pestiziden gewährt. Einen Leser hat das zu der Frage veranlasst, ob gegen den Vorstandsvorsitzenden Werner Wenning ein Notwehrrecht besteht. Das sah der Agro-Riese als „ehrverletzend“ an und leitete rechtliche Schritte gegen Duckhome ein. Der Betreiber der Website beruft sich hingegen auf die Meinungsfreiheit und kündigte an, den Rechtsstreit nötigenfalls bis zur letzten Instanz durchzufechten.

BAYER verklagt TEVA
Der Leverkusener Multi verklagt routine-mäßig Pharma-Hersteller, die nach Ablauf der Patentfrist Nachahmer-Produkte von BAYER-Pillen auf den Markt bringen wollen, um sich die lästige Billig-Konkurrenz möglichst lange vom Leibe zu halten. Jetzt traf es wieder einmal das Unternehmen TEVA. Der bundesdeutsche Pharma-Riese wirft dem Pillen-Produzenten, der eine Generika-Version des Potenzmittels LEVITRA plant, Patent-Verletzung vor. Damit heißt es bereits zum dritten Mal „BAYER vs. TEVA“. Jüngst geriet diese Klage-Praxis ins Visier der Brüsseler Wettbewerbskommission. Diese betrachtet die gerichtlichen Auseinandersetzungen als Indiz dafür, „dass die Pharma-Märkte nicht so gut funktionieren, wie sie sollten“, so Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes. Die Gesundheitssysteme kostet die juristische Verzögerungstaktik zur Verhinderung preiswerterer Arznei-Alternativen Milliarden von Euro.

YASMIN-Patent ungültig
Seit langem schwelt zwischen BAYER und dem jetzt zu TEVA gehörenden Pharma-Unternehmen BARR ein Patentstreit um die Verhütungspille YASMIN (Zu den Nebenwirkungen siehe SWB 3/09). In einem ersten Verfahren erkannte der Richter dem Leverkusener Multi kein geistiges Eigentum auf das Kontrazeptivum zu. Der Konzern ging in Revision, einigte sich aber zwischenzeitlich mit seinem Konkurrenten darauf, ihn gegen eine Umsatzbeteiligung mit dem YASMIN-Wirkstoff zu beliefern. Im August 2009 scheiterte dann auch der Einspruch des Pharma-Riesen. Dem Gericht zufolge reicht eine pharmazeutische Ausbildung, um das Mittel anzurühren; einen Patentschutz könne BAYER dafür nicht beanspruchen.

Klage wg. Vitamin-Werbung
Die VerbraucherInnenschutz-Organisation THE CENTER FOR SCIENCE IN THE PUBLIC INTEREST will den Leverkusener Multi verklagen, falls dieser falsche Angaben in der Werbung für das Vitamin-Präparat ONE-A-DAY nicht korrigiert. BAYER spricht dem Mittel eine Prostatakrebs vorbeugende Wirkung zu, obwohl Studien diese Aussage nicht bestätigen. So hat das „National Institute of Health“ eine ursprünglich auf 12 Jahre angelegte Untersuchung zu diesem Thema wegen sich abzeichnender negativer Ergebnisse vier Jahre früher als geplant beendet. Statt positiver Effekte auf Prostatakrebs machte das Institut ein erhöhtes Diabetes-Risiko durch den Vitamintabletten-Konsum aus.

Baytown-Unfall: BAYER zahlt
Am 26. September 2006 war es im Baytowner BAYER-Werk zu einer Explosion gekommen, bei der 22 Belegschaftsangehörige Gesundheitsstörungen erlitten und zur Behandlung ins Krankenhaus mussten. Die verletzten Beschäftigten strengten eine Schadensersatzklage gegen den Konzern an. Im Sommer 2009 erhielten sie schließlich im Rahmen eines Vergleiches Schmerzensgeld: Ein Gutachten der US-amerikanischen Arbeitsschutzbehörde OSHA hatte dem Leverkusener Multi „grobe Fahrlässigkeit“ in Sicherheitsfragen nachgewiesen.

EU: Sammelklagen auf Eis gelegt
Die EU hat den Plan, Sammelklagen nach US-Vorbild zu ermöglichen, vorerst auf Eis gelegt. Die Europäische Volkspartei (EVP), welche den Kommissionsvorschlag in den Ausschüssen schon empfindlich verwässert hatte, griff sogar zum Mittel der politischen Erpressung, um dieses Instrument des VerbraucherInnenschutzes zu Fall zu bringen. Der EVP-Fraktionsvorsitzende Joseph Daul warnte den Kommssionspräsidenten José Manuel Barroso nicht nur in einem Brief vor dem „möglichst radikal formulierten Kommissionsvorschlag“, er machte auch die EVP-Stimmen zu Barrosos Wiederwahl davon abhängig, dass der Politiker das Vorhaben stoppt. Zur Wiedervorlage kommt es erst im Herbst - und dann wohl nur in einer nochmals abgeschwächten Form. Den Leverkusener Multi, der vehement Lobby-Aktivitäten gegen das Projekt entfaltet hatte, wird das freuen. Millionen-Klagen, wie sie Opfer seines Cholesterin-Senkers LIPOBAY in den USA eingereicht hatten, muss der Konzern in Europa höchstwahrscheinlich nie entgegensehen.

Prozess gegen Broschüre
Die von der Projektwerkstatt Sassen herausgegebene Broschüre „Organisierte Unverantwortlichkeit“ widmet sich den Gentechnik-Seilschaften zwischen BAYER & Co., der Politik und Wissenschaftseinrichtungen. Jetzt hat der ehemalige sachsen-anhaltinische Wirtschaftsminister Horst Rehberger gegen die Publikation, in die auch Recherchen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN eingeflossen sind, vor dem Landgericht Saarbrücken eine Verbotsklage eingereicht.

FORSCHUNG & LEHRE

EU stärkt Standortforschung
Das europäische Forschungsnetzwerk „F3 Factory“ plant, neue Produktionsverfahren für die Chemie zu entwickeln. „Flexibler, schneller, ressourcen-effizienter und energiesparender“ soll es in den „Fabriken der Zukunft“ zugehen - und sicher auch weniger personal-intensiver. Mit 18 Millionen Euro unterstützt die EU den Verbund, dem neben BAYER, BASF, PROCTER & GAMBLE auch Hochschulen und staatliche Wissenschaftsinstitutionen angehören, um europäische Standortpolitik im Sinne der Lissabon-Strategie zu betreiben, die aus Europa „die wettbewerbsfähigste wissensgestützte Wirtschaft der Welt“ zu machen gedenkt. „Mittels schnellerer und flexiblerer Herstellungsverfahren wollen die Experten die weltweite Technologie-Führerschaft der europäischen Chemie-Industrie nachhaltig stärken und die Wettbewerbsfähigkeit verbessern“, heißt es dazu in BAYERs Propaganda-Postille direkt.

Kooperation mit dem Liverpooler IVCC
BAYER CROPSCIENCE hat eine Forschungskooperation mit dem „Innovative Vector Control Consortium“ (IVCC) aus Liverpool vereinbart. Ziel der Zusammenarbeit ist es, neue Insektizid-Wirkstoffe zu finden, um der Mücken Herr zu werden, die Malaria übertragen. Gegen viele alte Mittel haben die Tiere nämlich bereits Resistenzen ausgebildet.

BAYER sponsort SIFE
Die StudentInnen-Organisation SIFE „eröffnet den Studenten bereits während des Studiums ein Forum auf nationaler wie auf internationaler Ebene, um persönliche Kontakte zu Entscheidungsträgern namhafter Unternehmen aufzubauen“, so die Selbstauskunft des Verbandes. Deren „Country Coordinator“ ist deshalb praktischerweise gleich über das Wirtschaftsprüfungsunternehmen KPMG zu erreichen. Der Draht zu BAYER könnte auch nicht kürzer sein. Der Leverkusener Multi gehört nämlich nicht nur zu den Sponsoren, er stellt mit Jörg Krell auch den Präsidenten von SIFE Deutschland. Dem BAYER-Manager gefällt dabei vor allem das „soziale Engagement“ der SIFElerInnen in der „Dritten Welt“, wo die Konzern-Kontakt Suchenden laut SIFE-Homepage „als Unternehmer im besten Sinne wirtschaftliche Perspektiven für Dritte“ eröffnen, denn „ethisch verantwortliches Handeln hat für die Unternehmen an Bedeutung gewonnen“, meint Krell. Er denkt dabei natürlich bloß an die Bedeutung für die Öffentlichkeitsarbeit.

BAYERs Forschungspolitik
Hinter BAYERs Vorgehen, verstärkt Kooperationen mit Hochschulen wie der Universität Köln einzugehen und hoffnungsvolle Arznei-Kandidaten von anderen Unternehmen einzukaufen, steckt System. „Große Unternehmen sind gut, um Produkte zu entwickeln, zur Zulassung zu bringen, zu vermarkten, sagte der BAYER-SCHERING-Pharmachef Andreas Fibig in einem Tagesspiegel-Interview. Für Grundlagenforschung ist der Leverkusener Multi seiner Meinung nach nicht so gut gerüstet. Darum lautet Fibigs Devise: „Wir müssen neue Wege finden und Partnerschaften bilden. Da kommen vor allem kleinere Biotech-Unternehmen sowie akademische Einrichtungen in Frage“. Hatte der Konzern sich in der Vergangenheit stets voller Stolz als „Forschender Arzneimittelhersteller“ bezeichnet, so scheint sich der Pharma-Riese nun von dieser Unternehmensphilosophie zu verabschieden.

SPORT & MEDAILLEN

LEVITRA bald auf Doping-Liste?
Der LEVITRA-Wirkstoff Sildenafil weitet die Blutgefäße und verbessert so die Sauerstoff-Aufnahme. Das hat auch doping-willige SportlerInnen auf die Potenzpillen von BAYER & Co. aufmerksam gemacht und die Antidoping-Agentur WADA auf den Plan gerufen. Die Institution debattiert derzeit darüber, die Mittel auf die Doping-Liste zu setzen.

[Reden] STICHWORT BAYER 02/2009

CBG Redaktion

Wenning kanzelt KritikerInnen ab:

„Ein Sammelsurium subtiler Unterstellungen“

Die BAYER-Hauptversammlung in Großaufnahme: Was die KonzernkritikerInnen genau sagten und fragten und worauf sich die Antworten des Vorstandsvorsitzenden Werner Wenning im Einzelnen beschränkten. Alle Reden im vollen Wortlaut finden sich hier.

Die Ouvertüre zu der Art, wie BAYER-Chef Werner Wenning später mit den 15 KonzernkritikerInnen auf der Hauptversammlung umgehen sollte, erklang schon in seinen Statements zu den zahlreichen Gegenanträgen im Anschluss an seine Eingangsrede zur Lage des Konzerns. Den Vergleich der im August 2008 nur knapp an einer Katastrophe vorbeigeschlitterten Anlage in Institute mit der von Bhopal nannte er „völlig abwegig“ und den Vorwurf mangelhafter Sicherheitsvorkehrungen „nicht stichhaltig“. Falschaussagen von Konzern-Beschäftigten in den zahlreichen Patentraub-Verfahren, die der Erfinder Heinz Süllhöfer gegen den Leverkusener Multi schon angestrengte, hat es ebenfalls nicht gegeben. „Meineide weisen wir auf das Schärfste zurück“, so der Ober-BAYER. Und die umstrittene Kohlenmonoxid-Pipeline ist für ihn natürlich auch nicht unnötig und gefährlich, sondern „das beste Transportmittel für flüssige und gasförmige Stoffe“.

„Ein üblicher Vorgang“
Dem widersprach nicht nur Harald Jochums vom NIEDERRHEINISCHEN UMWELTVERBAND (NUV) heftig. „Die CO-Pipeline gefährdet potentiell das Leben von vielen Menschen, die von der eigenen Landesregierung und der BAYER AG gezwungen werden, an dieser Pipeline zu leben, darunter insbesondere unsere Kinder, führt die Trasse doch bisweilen direkt an den Gartenzäunen von Kindergärten und Schulen vorbei“, führte Jochums aus. Trotzdem hat BAYER beim Bau nochmal an der Sicherheit gespart. Der Konzern verwendete nämlich nicht wie ursprünglich vorgesehen 80cm breite Schutzgitter, sondern nur 60cm breite, verlegte teilweise dünnere Rohre als vorgesehen und änderte nach Gutdünken den Verlauf der Leitung. „So schaffen Sie kein Vertrauen, Herr Wenning“, hielt Rainer Kalbe von der Bürgerinitiative STOPP CO-PIPELINE dem BAYER-Chef vor. Und alles andere als eine vertrauensbildende Maßnahme ist für Marlis Elsen von der FAMILIENHEIMSIEDLUNG LEHMKUHLER WEG e. V. auch der Eilantrag des Chemie-Multis zu vorzeitigen Inbetriebnahme der Pipeline, mit welcher das Unternehmen die für die Genehmigung zuständigen RichterInnen vor vollendete Tatsachen stellen will. Sollte der durchkommen, so wäre das für sie ein Zeichen dafür, dass „die Wirtschaft endgültig die Diktatur in dem Land übernehmen“ würde.

Werner Wenning sah hingegen in dem - knapp zwei Wochen nach der Hauptversammlung abgelehnten - Eilantrag „ein gängiges rechtliches Mittel“, und auch die von Rainer Kalbe monierten Abweichungen von den Planvorgaben waren für ihn ein „bei komplexen Maßnahmen üblicher Vorgang“. Also kein Grund zur Beunruhigung. Und wenn wider Erwarten doch mal etwas passiert, dann gilt es nach Ansicht Wennings ruhig Blut zu bewahren: „Radio einschalten, Lautsprecheransagen hören und entsprechend reagieren“.

Sicherheit „top“
In Institute ist im letzten Sommer ein solcher Ernstfall eingetreten, und BAYER war denkbar schlecht gerüstet, wie Philipp Mimkes von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN berichtete. „Schockwellen wie ein Erdbeben“ hat die Explosion in einer Pestizidproduktion Mimkes zufolge ausgelöst und zwei Beschäftigte das Leben gekostet. Ein Katastrophenplan existierte offenbar nicht. „Wir bekamen aus dem Werk nur dürftige Informationen. Das ist vollkommen wertlos“, zitierte der CBGler den Bezirkspräsident Kent Carper. Mimkes, der schon auf der letzten Hauptversammlung die mangelhafte Sicherheitslage in Institute kritisiert hatte, sah sich durch die Untersuchungsberichte zum Ereignis bestätigt. Diese hatten nämlich vorsätzlich deaktivierte Sicherheitssysteme und defekte Detektoren entdeckt. Wäre der hochgegangene Rückstandsbehälter auf seinem Weg der Zerstörung durch das BAYER-Gelände auf die nur 20 Meter vom Unglücksort entfernten Tanks mit der Bhopal-Chemikalie Methyl-Isocyanat (MIC) getroffen, so „hätte das Resultat eine Katastrophe schlimmer als das Bhopal-Unfall von 1984 sein können“, stellte das Waxman-Komitee bei einer Anhörung im US-Kongress zum Fall laut Mimkes fest. Dort gestand ein BAYER-Manager unter Eid auch, dass das Management Anti-Terrorgesetze nur vorgeschoben habe, um bestimmte Dokumente nicht herausgeben zu müssen, die für negative Schlagzeilen oder gar zur Forderung nach einem MIC-Produktionsstopp hätten führen können. Und diese zurückgehaltenen Dokumente hatten es wirklich in sich. Philipp Mimkes zitierte aus einer „Teile und Herrsche“-Strategie, welche die KritikerInnen spalten und gezielt Desinformationen verbreiten wollte, während der Konzern den Standort zur Besänftigung mit einer „Brot und Spiele“-Offensive zu beglücken trachtete.
Obwohl der CBG-Vorständler der Hauptversammlung das alles schwarz auf weiß präsentierte, sah Wenning die Vorwürfe als unberechtigt an: „Die Darstellung, BAYER habe versucht, den Behörden Informationen vorzuenthalten, ist falsch“. Ansonsten war für ihn alles halb so schlimm. Die Bevölkerung war seiner Meinung nach zu keinem Zeitpunkt gefährdet und zu Umweltbeeinträchtigungen ist es angeblich auch nicht gekommen. Trotz der zwei Toten besaß der BAYER-Boss sogar die Dreistigkeit, von einem „Top-Standard“ bei den Sicherheitsbedingungen zu sprechen. Für die Untersuchungen, die den Fall „Institute“ sogar vor den Kongress gebracht haben, hatte er auch eine nette Umschreibung übrig: Man sei „in Kontakt mit den zuständigen Behörden“.

„Verkettung unglücklicher Umstände“
Mit einem anderen Desaster beschäftigte sich Christoph Koch vom „Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbund“. „Als einer der betroffenen Berufsimker hier in Deutschland muss ich Sie hier heute mit der Frage konfrontieren, wie es möglich sein konnte, dass das legal zugelassene Beizmittel PONCHO bzw. PONCHO PRO dieses Konzerns allein in der BRD weit über 12.000 Bienenvölker nachweislich vergiften konnte“, so Koch. Ausreden wie „fehlerhafte Beize“, „fehlerhafte Sämaschinen“ und „Bienenkrankheiten“ wollte er dabei nicht gelten lassen. Genau mit diesen versuchte es Werner Wenning dann aber. Eine „Verkettung unglücklicher Umstände“ habe zu dem Bienensterben geführt, das er natürlich außerordentlich bedauerte, auch wenn es nur „ein lokales Ereignis“ war, sagte er und beruhigte: „Wir schließen eine Wiederholung aus“. Blanker Hohn angesichts des neuerlichen Bienensterbens in Österreich.

Genreis „sicher“
Ein anderes „höchst riskantes Geschäftsfeld“ setzte Philipp Strohm von GREENPEACE ÖSTERREICH auf die Agenda der Hauptversammlung: die Gentechnik. Im Jahr 2006 gelangte nicht zugelassener Gen-Reis von BAYER in handelsüblichen Supermarkt-Reis. Die Ursachen für den Gen-GAU sind noch immer unbekannt. Trotzdem strebt der Leverkusener Chemie-Multi gerade die weltweite Zulassung der Sorte LL62 an, der die Gen-WerkerInnen eine Immunität gegen den Pestizidwirkstoff Glufosinat eingebaut haben, eine laut Europäischer Lebensmittelbehörde das Fortpflanzungsvermögen beeinträchtigende und besonders für Kleinkinder gefährliche Substanz. „Und deshalb frage ich Sie heute, bevor es zu spät ist: Sehr geehrter Herr Wenning, wie können Sie es verantworten, ein gentechnisch verändertes Lebensmittel vermarkten zu wollen, von dem sie bereits jetzt wissen, dass es ein Gesundheitsrisiko birgt?“, pochte Strohm auf eine Erklärung. Seine Mängelliste war damit aber noch längst nicht abgearbeitet. Als Wundermittel gegen die Lebensmittelknappheit hat der jüngste Weltagrarbericht die Gentechnik Strohm zufolge gerade entzaubert, und die Erträge der manipulierten Pflanzen kämen auch nicht an die der konventionell gezüchteten Ackerfrüchte heran. Deshalb gab es für den Gentechnik-Gegner nur eine Lösung: Ausstieg aus der Risikotechnologie!

Dazu war Werner Wenning erwartungsgemäß nicht bereit. Der BAYER-Chef stand in Treue fest zu seiner „Zukunftstechnologie“, Auf diese „dürfen wir nicht aus ideologischen Gründen verzichten“, mahnte er. Nicht einmal der Genreis-GAU sprach für ihn gegen die „schöne, neue Gen-Welt“, denn: „Ein Fehlverhalten konnte nicht festgestellt werden“. Neuerliches Ungemach mit LL62, der „weltweit als sicher eingestuft“ ist, schloss er aus. Der Weltagrarbericht focht den Großen Vorsitzenden ebenfalls nicht an; er „verkennt die Möglichkeiten“ der Gentechnik bei der Lösung der Nahrungsmittel-Probleme in der „Dritten Welt“, so sein Urteil.

Patente „essenziell“
Wie wenig BAYER sich indessen um das Schicksal der Menschen in den armen Staaten schert, legte Oliver Moldenhauer von ÄRZTE OHNE GRENZEN dar. Der Pharma-Riese hat nämlich rechtliche Schritte gegen die indische Medikamenten-Zulassungsstelle eingeleitet, da diese dem einheimischen Unternehmen CIPLA die Genehmigung für ein Nachahmer-Präparat des BAYER-Krebsmittels NEXAVAR erteilt und damit angeblich Patentrechte des Leverkusener Multis verletzt hätte. Mit dieser Klage verhindert der Konzern nach Moldenhauers Meinung die Versorgung der Menschen in den „Entwicklungsländern“ mit erschwinglichen Arzneien. Er kritisierte die teure Pillen-Monopole schaffende Patent-Politik BAYERs im Allgemeinen und die „negative Vorreiterrolle“, die der Gen-Gigant dabei spielt, den indischen Herstellern von Generika-Produkten rechtliche Schwierigkeiten zu bereiten, im Besonderen. „Wir brauchen Generika aus Indien. Halb Afrika hängt davon ab“, mahnte er und appellierte an den Vorstand: „Hindern Sie unsere Ärzte nicht daran, Menschenleben zu retten“.

Aber der Vorstandsvorsitzende war nicht zu erweichen. Zu dem schwebenden Verfahren wollte er sich nicht äußern, deshalb blieb er beim Grundsätzlichen. Für BAYER ist „der Schutz des geistigen Eigentums essenziell“, erklärte er und sagte auch gleich, warum: Der Konzern mache „40 Prozent seines Umsatzes mit geschützten Verfahren“.

Kein Kommentar
Dieses „geistige Eigentum“ ist aber selber nur Frucht eines Aneignungsprozesses. So hat der Pharma-Riese mit der Universität Köln und über 800 anderen Hochschulen und Forschungseinrichtungen Kooperationsabkommen geschlossen, um sich „Zugang zu Wissen“ zu sichern. Der Verfasser dieser Zeilen verlangte in seiner Rede eine Offenlegung des Pharmaforschungsvertrages mit der Kölner Universitätsklinik und genaue Informationen zu den einzelnen Vereinbarungen. Aber Wenning mauerte. Er gab weder Auskünfte zur Regelung der Besitzansprüche an den Erfindungen oder zum Recht der Universität, auch über fehlgeschlagene Experimente zu berichten, noch überhaupt zum angestrebten Primat der Wirtschaft über die Wissenschaft. „Hier halten wir uns sowohl an die rechtlichen wie auch an die vertraglichen Vorgaben“, lautete die Begründung für das große Schweigen.

Keine „Kultur des Schweigens“
Von einer ganzen „Kultur des Schweigens“ bei BAYER sprach Guido Strack vom WHISTLEBLOWER NETZWERK e. V.. Der Leverkusener Multi hat sich zwar verpflichtet, Beschäftigte zu schützen, die als Whistleblower über Missstände im Unternehmen Bericht erstatten, aber was dieses Bekenntnis in der Realität wert ist, zeigt für Strack nicht nur der Fall des Pharma-Vertreters Alfredo Pequito, der wegen seiner Weigerung, MedizinerInnen zu bestechen, seinen Job verlor. Strack führte als weitere Beispiele gescheiterter Whistleblower Susan Blankett, die so frühzeitig wie vergeblich vor den Gefahren des Cholesterinsenkers LIPOBAY gewarnt hatte, und George Couto an, der den BAYER-Betrug an dem staatlichen Medikamenten-Hilfsprogramm für Bedürftige nicht mittragen wollte. Entsprechend niedrig ist die Zahl derjenigen, die es wagen, die konzern-internen Anlaufstellen aufzusuchen. Nur 50 bis 100 Whistleblower-Meldungen gingen dort laut Wenning im Geschäftsjahr 2008 ein - in anderen Großunternehmen sind es bedeutend mehr, wie Strack den AktionärInnen mitteilte. Trotzdem wies der BAYER-Chef dessen Vorwürfe zurück: „Sie sprachen von einer Kultur des Schweigens bei BAYER - dies ist falsch, das Gegenteil ist richtig“.

Keine Gehaltsgrenzen
Nach dem Umgang mit Whistleblowern fragte - mit ebenso geringem Erfolg - auch Antje Kleine-Wiskott vom DACHVERBAND DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE, denn dieser ist Bestandteil einer verantwortungsvollen Unternehmensführung, welche die Initiative in diesem Jahr zu ihrem Schwerpunkt-Thema gemacht hatte. Zu einer solchen verantwortungsvollen Unternehmensführung gehören für Kleine-Wiskott auch eine angemessene Berücksichtigung der Interessen der Belegschaft und der Kunden, eine sich im Rahmen haltende Gehaltsschere zwischen den einzelnen Ebenen im Konzern, eine persönliche Haftung der Vorstände und ein Verbot für diese, einen fliegenden Wechsel in den Aufsichtsrat vorzunehmen.
BAYERs Aufsichtsratsvorsitzender Manfred Schneider hatte da andere Ansichten. Zunächst sprach er sich gegen gesetzliche Vorschriften zu einer moralisch korrekten Geschäftspolitik aus: Er wäre prinzipiell eher für weniger rechtliche Regelungen als für mehr. Auch wollten sich seine Gehaltsvorstellungen nicht, wie von der Kritischen Aktionärin vorgeschlagen, auf das 20fache eines BAYER-Durchschnittslohns beschränken. Solche „statistischen Grenzen“ lehnte er genauso ab wie das Verbauen des Karriereweges vom Vorstandschef zum Aufsichtsratschef. Was sollte er als jemand, der gerade auf diese Weise zu seinem Posten gekommen ist, da auch anderes sagen als: „Je besser der Aufsichtsrat ein Unternehmen kennt, desto besser kann er seine Interessen wahrnehmen“.

„Ideologische Rundumschläge“
Eine Zusammenfassung von BAYERs unverantwortlicher Unternehmensführung lieferte Axel Köhler-Schnura, Vorständler der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN. Von A wie Arbeitsplatzvernichtung, der ab 1983 über 70.000 Stellen zum Opfer fielen, während sich gleichzeitig der Umsatz von 14 Milliarden Euro auf 33 Milliarden Euro mehr als verdoppelte, und C wie CO-Pipeline über G wie Gier und I wie Institute bis zu K wie Krefelder Kohlekraftwerk, das bei Inbetriebnahme jährlich 4,4 Millionen Tonnen Kohlendioxid ausstoßen würde, reichte seine die Unvereinbarkeit von Profit und Moral dokumentierende Panorama-Schau. Wenning tat diese als „Sammelsurium von subtilen Unterstellungen und ideologischen Rundumschlägen, um zu kritisieren, aber auch um kommunistisches Gedankengut zu verbreiten“ ab. Aber Köhler-Schnura hatte in seiner Rede mit einer solchen Replik schon gerechnet und Wennings Immun-Reaktion schon vorbeugend widersprochen. „Es mangelt nicht an der Stichhaltigkeit unserer Argumente, sondern es ist so, dass Herr Wenning hier eine sehr einseitige Wahrnehmung wiedergibt. Es sind nicht wir, die wir hier ohne Substanz argumentieren, es ist die Konzernleitung, die die Wahrheiten verdreht, Fakten unterschlägt und wahrheitswidrig berichtet“, stellte er richtig und sprach damit ohne Zweifel auch im Namen der anderen 14 Gegenredner, die BAYER an diesem Tag Paroli geboten hatten.
Von Jan Pehrke

[HV Bericht] STICHWORT BAYER 02/2009

CBG Redaktion

Kritiker dominieren HV

„Aufstand gegen BAYER“

Ist das noch ein Aktionärs-Meeting oder schon ein Klassentreffen konzern-kritischer Gruppen, zu dem ein multinationaler Konzern freundlicherweise praktischen Anschauungsunterricht in Sachen „real existierender Kapitalismus“ beisteuert? Diese Frage drängte sich einem angesichts der massiven Hauptversammlungspräsenz von Initiativen wie ATTAC, GREENPEACE, ÄRZTE OHNE GRENZEN, von Bienenzüchtern, Pipeline-Gegnern und anderen BAYER-Leidtragenden auf. Pillen-Opfer scheuten nicht einmal die Anreise aus England, und der ehemalige Pharma-Vertreter Alfredo Pequito, der die korrupten Marketing-Praktiken des Multis nicht mehr mittragen konnte, flog extra aus Portugal ein. „Aufstand gegen BAYER“ überschrieb die Boulevardzeitung Express deshalb folgerichtig ihren Artikel zum antikapitalistischen Großereignis.

Von Jan Pehrke

Ein äußerst vielgestaltiger „Aufstand gegen BAYER“ (Express) hatte sich da am 12. Mai vor der Halle 8a der Düsseldorfer Messe zur Hauptversammlung des Leverkusener Multis eingefunden: GegnerInnen der Kohlenmonoxid-Pipeline waren mit ihrem fahrbarem Protestzug, einem Traktor mit Anhänger, vorgefahren, BienenzüchterInnen richteten einen kleinen Stand ein, KommunistInnen riefen mit einem Transparent zu „Widerstand gegen BAYER global“ auf, die beiden Pharma-Opfer Karl Murphy und Valerie Williams konfrontierten die AktionärInnen mit ihrem Schicksal und mittenmang die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN. Um das Eingangsfeld nicht kampflos den Konzern-KritikerInnen zu überlassen, sah sich der Multi erstmals genötigt, einen Angestellten mit einer kleinen Broschüre für die Unternehmenssicht der Dinge werben zu lassen - eine mehr als undankbare Aufgabe an diesem Tag.

Den beschwerlichsten Weg zur Hauptversammlung hatten Karl Murphy und Valerie Williams auf sich genommen, nicht nur weil sie aus England anreisten. Sie wollten erstmals demjenigen Konzern auf Augenhöhe gegenübertreten, dessen Tochtergesellschaft SCHERING ihnen das Leben bis heute so schwer macht. Diese hatte nämlich in den fünfziger Jahren den Schwangerschaftstest PRIMODOS auf den Markt gebracht, der zu Fehlgeburten und Fehlbildungen führte. „Ich habe eine Gaumenspalte und an meinen beiden Händen fehlen Finger. An meinem linken Fuß fehlen alle Zehen, an meinem rechten Fuß fehlt ein Zeh“, diese „Nebenwirkungen“ des in der Bundesrepublik unter dem Namen DUOGYNON verkauften PRIMODOS zählte Karl Murphy in seiner Rede auf. Mehreren langwierigen Operationen hatte Murphy sich in seiner Kindheit zu unterziehen, und in der Schule wurde er zum Außenseiter. Mit Spottnamen wie „Hummer-Hand“, „Haxen-Hand“ oder „Lustiger Finger“ belegten ihn die Klassenkameraden, erzählte Murphy, und auf seine Bewerbungen erhielt der Liverpooler später wegen seiner Behinderungen immer wieder Absagen.

MedizinerInnen hatten schon früh vor dem Hormonpräparat gewarnt, 1968 wandten sich sogar SCHERING-PharmakologInnen selber besorgt an die Berliner Zentrale, aber erst seit Mitte der 70er Jahre warnte das Unternehmen schwangere Frauen vor einer Einnahme, natürlich ohne die Verantwortung für die bisherigen Geburtsschäden zu übernehmen. Murphy hat seine Hoffnung allerdings noch nicht aufgegeben. „Ich meine, dass die Übernahme von SCHERING durch BAYER der richtige Moment ist, auf die Opfer von PRIMODOS zuzugehen“, sagte er zum Abschluss, „Bitte denken Sie an Ihre eigenen Kinder und stellen Sie sich vor, wie diese mit den Schwierigkeiten und dem Spott klarkommen müssten, dem meine Familie und ich täglich ausgesetzt sind“, um dann eine Entschuldigung und eine Entschädigung einzufordern.

Wie sich der Fall „PRIMODOS“ aus Sicht einer betroffenen Mutter darstellt, schilderte Valerie Williams. „Für mich als Mutter war es herzzerreißend, als sich mein Sohn mit sechs Jahren vollkommen von seiner Umgebung abkapselte. Wegen der zahlreichen Operationen konnte er sein Leben mental und physisch nicht mehr bewältigen“, so Williams. Da es Tausenden Eltern ähnlich erging - dem britischen Kinderarzt Claus Newman zufolge haben Schwangerschaftstests auf Hormon-Basis mehr Schaden angerichtet als CONTERGAN - gründete die Britin 1978 die ASSOCIATION FOR CHILDREN DAMAGED BY HORMONE PREGNANCY TESTS. Da klingelten bei SCHERING die Alarmglocken: Umgehend bot der Pharma-Riese einen Vergleich an. Er verlangte allerdings von Valerie Williams, ein Schweigegelübde abzulegen, ganz so wie es BAYER später auch LIPOBAY-Opfern zur Bedingung machte. Williams lehnte dankend ab und wertete das unmoralische Angebot als ein Schuldeingeständnis. „Der Vergleich, der mir angeboten wurde, zeigt, dass PRIMODOS für die schrecklichen Schäden meines Sohnes verantwortlich war“, konstatierte sie und schloss sich den Forderungen Karl Murphys an.

BAYER reagierte auf die beiden Reden mit Beileidsbekundungen, blieb in der Sache aber hart. „Wir bedauern ihr Schicksal und das ihres Sohnes“, antwortete BAYER-Chef Werner Wenning Valerie Williams, „Wir schließen PRIMODOS als Ursache für embryonale Missbildungen jedoch aus“. Auch Murphys Beitrag hat ihn tief bewegt, allein: „Die Fakten und die Rechtslage sind eindeutig. Ein ursächlicher Zusammenhang konnte nicht nachgewiesen werden“.

Bei seiner Entgegnung auf den Insider-Report über Pharma-Korruption vom ehemaligen BAYER-Angestellten Alfredo Pequito aus Portugal, der für seine Rede ebenso wie Karl Murphy und Valerie Williams eine weite Strecke zurückgelegt hatte, brauchte Wenning dann keine Rücksichten mehr zu nehmen. „Wir verwehren uns gegen die Anschuldigungen“, so der Ober-BAYER ungehalten. Diese Anschuldigungen füllen jedoch vier dicke Akten-Bände, wie Pequito berichtete, denn der Leverkusener Multi überließ bei seiner „Verkaufsförderpolitik“ nichts dem Zufall. Er hielt seine Angestellten dazu an, Dossiers über die politische Einstellung von MedizinerInnen, ihre Hobbys und sexuelle Vorlieben anzulegen, um den Bestechungsofferten eine persönliche Note geben zu können. Alfredo Pequito wollte das nicht mitmachen - und bekam die Kündigung. „Sie kaufen keine Ärzte, Sie hinterlegen kein Geld in Reisebüros, Sie reichen keine überhöhten Rechnungen ein, Sie kaufen keine Elektrogeräte für die Ärzte, die Sie betreuen. Sie akzeptieren also unsere Strategie nicht - damit dienen Sie dem Unternehmen nicht“, diese Worte wählte Pequito zufolge sein Chef zur Begründung des Rausschmisses. Der Pharma-Vertreter legte Rechtsmittel ein und machte die Praktiken öffentlich, aber BAYER saß am längeren Hebel. Der Global Player engagierte eine Kanzlei, deren Teilhaber der damalige portugiesische Präsident, der Justiz- und der Verteidigungsminister waren. Die beiden Erstgenannten verkündeten dann 1999 eine Generalamnestie, weshalb nur einige ÄrztInnen in Staatsdiensten für ihren allzu BAYER-freundlichen Rezeptblock büßen mussten. „Die wirtschaftliche Macht ist augenscheinlich mit der politischen Macht eng verbündet“, so lautete das Resümee Alfredo Pequitos.

Der Bund zur Durchsetzung der umstrittenen Kohlenmonoxid-Pipeline, den der Chemie-Multi und die nordrhein-westfälische Landesregierung geschlossen haben, heißt Vertrag und geht zu Lasten Dritter, was BAYER und den ca. 4.000 AktionärInnen an diesem Dienstag vor und während der Hauptversammlung deutlich demonstriert wurde. Gleich fünf Gegenreden beschäftigten sich mit der Giftgas-Leitung. Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der CBG ordnete den Bau in einen größeren Zusammenhang ein und zog eine Parallele zu Kohlekraftwerk-Projekten und dem Betrieb von solch gefährlichen Anlagen wie der in Institute, wo im letzten August bei einer großen Explosion zwei Beschäftigte gestorben waren. Warum dem Unternehmen die Folgen seiner Geschäftspolitik für Mensch, Tier und Umwelt äußerlich bleiben müssen, verdeutlichte der Diplom-Kaufmann, indem er die Konzern-Herren selbst darüber sprechen ließ, was die BAYER-Welt im Innersten zusammenhält. „Unser Job ist der Profit“, diese Worte des Aufsichtsratsvorsitzenden Manfred Schneider zitierte Köhler-Schnura und gleich im Anschluss die noch bezeichnendere Äußerung Wennings aus dem Spiegel: „Ein wenig ‚gesunde‘ Gier ist sogar ganz nützlich und natürlich“.

Mitten in der Wirtschaftskrise hat Wenning dieses kapitalistische Glaubensbekenntnis abgelegt und - damit es noch ein bisschen Gier mehr sein darf - gefordert: „Es wäre deutlich besser, jetzt jene Bremsen zu lösen, die das Wachstum behindern“. Thomas Eberhardt-Köster von ATTAC kamen solche Aussagen wie die „Wahnträume eines auf den Abgrund Zurasenden vor, der kurz vor dem Ende noch einmal den ultimativen Kick verspüren will“. Aber der Vorstandsvorsitzende ignorierte den Weckruf des Globalisierungskritikers. „Wir brauchen mehr Markt und nicht weniger“, antwortete er Eberhardt-Köster. Eine Abkehr von der sozialen Marktwirtschaft wäre fatal, so Wenning.

„Soziale Marktwirtschaft“, davon reden die ManagerInnen in diesen Tagen gerne, um das schmutzige und neuerdings so übel beleumundete Wort „Kapitalismus“ nicht in den Mund nehmen zu müssen. „Kapitalismus“ gibt es nur bei den anderen, und die haben uns Wenning zufolge auch die ganzen Probleme eingebrockt. „Die Ursachen für die Krise lagen in den USA“, erklärte der Große Vorsitzende und sah deshalb auch keinen Grund zur Selbstkritik. „Konzern-Strategie bewährt sich in schwierigem Umfeld“, lautete die Überschrift seiner Hauptversammlungsrede. Und „Weiter so“, hieß die Parole: „In diesen Zeiten, in denen es populär - oder besser gesagt: populistisch - ist, dem Management von Unternehmen Versagen oder mangelnde moralische Orientierung vorzuwerfen, werden wir an diesem Kurs des nachhaltigen Wirtschaftens festhalten“. Nachhaltig ist dabei nur der Profit, aber auch das focht Wenning nicht an. „Während Teile der Politik glauben, Unternehmen für wettbewerbsfähige Renditen kritisieren zu müssen, sind wir stolz auf das operativ erfolgreichste Jahr in der langen Geschichte von BAYER“, beglückwünschte er sich selber zu fast sieben Milliarden Euro Gewinn.

Die sind in dem „schwierigen Jahr“ 2009 womöglich nicht wieder drin. Trotzdem gab sich Wenning optimistisch. Im Kunststoff-Geschäft, das unter der aus dem US-amerikanischen Reich des Bösen gekommenen Krise derzeit besonders leidet, wähnte er die Talsohle zudem bereits durchschritten. So konnte er schon mal den „Aufsetzpunkt nach der Krise“ ins Visier nehmen und sich fragen: „Mit welchen Anpassungen müssen wir dann reagieren?“. Die Antwort gab er sich gleich selbst. „Dabei benötigen wir sicherlich mehr Flexibilität - bei den Löhnen, bei den Arbeitszeiten und bei den Einsatzorten“, stellte er fest und verdeutlichte damit unmissverständlich, auf wen der Konzern Anpassungsdruck auszuüben gedenkt.

Also alles beim Alten beim BAYER? Nur fast, denn am Ende des langen Tages stimmten bis zu sechs Millionen Aktien gegen eine Entlastung von Vorstand bzw. Aufsichtsrat und scherten damit aus der zum überwiegenden Teil von Banken und GroßaktionärInnen verwalteten 450 Millionen-Herde aus. Da muss dann wohl von den 16 Gegenreden zu Pipeline, Gentechnik, Konzern-Korruption, unverantwortlicher Unternehmensführung, Geheimverträgen mit Universitäten, Beschränkung der Arznei-Produktion in der „Dritten Welt“, Bienensterben, Beinah-Katastrophen in Werken, gemeingefährlichen Medikamenten, BAYERs Krisenmanagement und Kohlekraftwerken doch irgendetwas hängen geblieben sein.

Abstimmungsergebnisse
Am Ende der Versammlung stimmten immerhin bis zu mehr als 6 Millionen Aktien mit den KritikerInnen gegen die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat. Dazu muss man wissen, dass ca. 450 Millionen Aktien abgestimmt haben, wovon 95 Prozent Banken und GroßaktionärInnen zuzurechnen sind; entsprechend groß ist der Erfolg, wenn bei den einzelnen Abstimmungen zwischen einem halben und 3 Prozent mit der CBG und den anderen Kritischen AktionärInnen für die Kürzung der Dividende und gegen die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat gestimmt haben. Und das trotz der ganzen Diffamierungen, die der BAYER-Vorstand über die kritischen RednerInnen ausgeschüttet hat.

Proteste zur BAYER-Hauptversammlung am 12. Mai: Fotos, Berichte, Redebeiträge

[Lipobay] STICHWORT BAYER 04/2008

CBG Redaktion

In Sachen „LIPOBAY“: Ex-Angestellte verklagt BAYER

Nach zahlreichen Meldungen über Todesfälle musste BAYER am 8. August 2001 den Cholesterinsenker LIPOBAY vom Markt nehmen. Wie gefährlich das Mittel ist, wusste der Leverkusener Pharma-Riese allerdings lange vorher. Darum verklagte eine ehemalige Angestellte den Konzern jetzt.

Von Jan Pehrke

Am 30. September 1998 standen bei einem BAYER-Meeting die Verkaufszahlen des Cholesterinsenkers LIPOBAY auf der Tagesordnung. Der damalige Pharma-Chef David Ebsworth zeigte sich enttäuscht über die Umsätze und schwor seine Mannschaft auf eine neue Werbe-Philosophie ein. „Andere Unternehmen greifen zu einer aggressiven Werbestrategie, gemäß der Devise: ‚Wir wissen nicht, wo die rechtliche Grenze ist, bis wir auf sie gestoßen sind'. Man muss das nicht gutheißen, aber es ist die Regel des Marktes und deshalb haben wir als Unternehmen ihr zu folgen. Die Zone ist grauer, als wir bislang wahrhaben wollen“, sprach der Manager.

Fortan betrieb der Global Player in Sachen „LIPOBAY“ die Ausweitung der Grauzone und ging dabei buchstäblich über Leichen. Der Konzern verharmloste die Risiken des Medikamentes, fälschte die Daten der klinischen Tests und kaufte MedizinerInnen. Die Marketing-Expertin Susan Blankett* erlebte das alles hautnah mit. Immer wieder versuchte sie, das gefährliche Spiel zu unterbinden, aber mit den Konzern-Bossen war nicht zu reden. Im April dieses Jahres entschloss sich Blankett schließlich, auszupacken und damit zum „whistleblower“ zu werden. Sie strengte gegen den Leverkusener Multi einen Prozess an. Die Klageschrift umfasst über 170 Punkte und bietet einen erschreckenden Einblick das Herz der Finsternis eines Pillen-Riesen.

Wer bislang vielleicht geglaubt hatte, ein Pharma-Hersteller müsste - wenn schon nicht aus Sorge um die PatientInnen, dann doch wenigstens um das eigene Ansehen - ein Interesse daran haben, das sicherstmögliche Medikament anzubieten, sieht sich nach der Lektüre des über 50-seitigen Dokumentes von seiner Gutgläubigkeit kuriert. Nach der Brandrede von Ebsworth bildete der Global Player für LIPOBAY ein Team aus den verschlagensten Marketing-Profis. Es stellte unter der Überschrift „The Science for Success“ fragwürdige Daten zusammen, wählte für die „Risiken und Nebenwirkungen“ die kleinste Schrift und nahm dafür eine Verwarnung seitens der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA billigend in Kauf. Bis die Institution reagieren würde, hätte man schon längst eine andere Kampagne in den Startlöchern, so das Kalkül, das auch aufging.

Anfang 1999 tauchten dann erste Meldungen über Muskelzerfall bei LIPOBAY-PatientInnen auf. Wegen dieser so genannten Rhabdomyolyse, die zu akutem Nierenversagen führen kann, musste BAYER das Mittel im August 2001 schließlich vom Markt nehmen. Hätte der Leverkusener Multi bereits nach dem Bekanntwerden der ersten Fälle gehandelt, wären über hundert Menschen am Leben geblieben. Aber den Konzern interessierte zu diesem Zeitpunkt nur, ob von den Konkurrenzpräparaten eine ähnliche Gefahr ausgeht. Susan Blankett erhielt den Auftrag, bei der FDA die entsprechenden Informationen einzuholen. Aus freien Stücken erkundigte sie sich auch nach den LIPOBAY-Nebenwirkungen und erfuhr Besorgniserregendes. Der hauseigene Cholesterinsenker sorgte für weit mehr Gegen-Anzeigen als vergleichbare Arzneien, was kein Wunder war, überstieg die Statin-Dosis von 0,3 Milligramm damals doch die der anderen Medikamente um einiges.

Kombinationswirkungen
Blankett mahnte deshalb in ihrem Bericht neue Untersuchungen an. Diese vermied BAYER jedoch tunlichst. „Was wir nicht wissen, brauchen wir der FDA auch nicht zu erzählen“ - an diese Maxime hielten sich die Pharma-ManagerInnen Blankett zufolge immer in solchen Fällen und strichen die entsprechende Text-Passage, um vor den juristischen Folgen ihrer Unterlassungssünde gewappnet zu sein. Auf die im Report erwähnten LIPOBAY-kritischen Artikel reagierten die Bosse ebenfalls nicht. Eine wenig später im AMERICAN JOURNAL OF CARDIOLOGY veröffentlichte Untersuchung über Rhabdomyolyse als Kombinationsnebenwirkung von LIPOBAY und Gemfibrozil-haltigen Arzneien rief hingegen eine Reaktion hervor: BAYER kaufte sich als „Opinion Leader“ geltende Professoren und schrieb in deren Namen einen alle Bedenken zerstreuenden Leserbrief an die Fachzeitschrift. Dann folgte eine Presseerklärung, in der der Pillen-Riese LIPOBAY und Fibrate wie Gemfibrozil wider besseren Wissens als das ideale Paar pries.
Schließlich wurde dem Konzern die Sache jedoch zu heiß. Er beschloss, sich abzusichern und die MedizinerInnen in einem Schreiben auf die möglichen Gemfibrozil-Komplikationen hinzuweisen. Nur lesen sollten es möglichst wenige. Also suchte der Multi die Adressaten sorgfältig aus. Zudem schickte er den Brief nicht wie geplant Anfang Dezember 1999 ab, sondern erst am 17., in der Hoffnung, er würde im allgemeinen Feiertagstrubel untergehen. Rückfragen der ÄrztInnen beantwortete BAYER erst gar nicht. Blankett zufolge galt das Schweigegebot: „Less said the better“. Eine ausdrückliche Warnung, den Cholesterinsenker nicht gemeinsam mit Gemfibrozilen zu verschreiben, erfolgte erst zwei Jahre später unmittelbar vor dem LIPOBAY-Aus. BAYER testete nämlich gerade selber eine Kombination von LIPOBAY mit dem von ABBOTT hergestellten Fibrat TRICOR und konnte deshalb keine schlechte Presse gebrauchen.

Viel hilft viel
Aber nicht nur für Gemfibrozil-PatientInnen stellte das BAYER-Statin eine Gefahr dar, auch Nierenkranke setzte es einer Bedrohung aus. Nichtsdestotrotz erhöhte das Unternehmen die ohnehin schon kräftige Dosis und pushte im August 2000 eine 0,8mg-Version auf den Markt. Mit einer Erfolgsquote von 84 Prozent bei den Kranken warb der Konzern, obwohl die ÄrztInnen-Information nur Werte von 53 bis 79 Prozent auswies und selbst hinter diesen Zahlen ein Fragezeichen steht, denn der Cholesterinspiegel einiger Test-TeilnehmerInnen war praktischerweise schon vor der LIPOBAY-Gabe im grünen Bereich.

Nach offizieller Maßgabe sollten die MedizinerInnen ihren PatientInnen zunächst die 0,4-Version verschreiben und erst nach eine Weile auf die 0,8er umstellen. Aber die Pharma-VertreterInnen hüteten sich davor, den ÄrztInnen ausdrücklich von einem Einstieg mit der höheren Dosis abzuraten. „Den Doktoren steht immer frei, das zu tun, was sie wollen“, hieß es in der Marketing-Abteilung. Der Leverkusener Multi hoffte nämlich auf das „Viel hilft viel“ und wollte LIPOBAY durch die Verdoppelung der Cerivastatin-Konzentration einen uneinholbaren Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz verschaffen. Dass die stärkere Formulierung das Rhabdomyolyse-Risiko noch einmal beträchtlich erhöhte, nahm das Management dabei billigend in Kauf. Als ein Mitarbeiter bei einer Besprechung Sicherheitsbedenken geltend machte, erklärte BAYERs heutiger Forschungsvorstand Wolfgang Plischke das Meeting kurzerhand für beendet und verließ fluchtartig den Raum. Erst eine bevorstehende Risiko-Analyse der FDA veranlasste den Konzern dazu, das Praxis-Wissen über die Nebenwirkungen von LIPOBAY abzufragen. Obwohl das Ergebnis niederschmetternd war, folgte keine Aufklärungskampagne. Der Pharma-Riese spielte weiter auf Zeit und gab lieber weitere ÄrztInnen-Befragungen in Auftrag. Nur Roger Celesk von der Abteilung für Arzneimittelsicherheit wagte es bei einem Meeting in seinen einleitenden Worten, die in den USA bezeichnenderweise „field force“ genannten Außendienst-MitarbeiterInnen über die Sicherheitslage in Kenntnis zu setzen, weshalb er seine vorbereitete Rede nicht mehr halten durfte.
So erhielten die Pharma-VertreterInnen weiterhin geschönte Statistiken und Diagramme, BAYER-intern als „homemade bread“ - selbstgebackenes Brot - bezeichnet. „Ich habe noch nie einen Datensatz gesehen, der mir nicht gefallen hätte“, brüstete sich der Marketing-Direktor Eric Pauwels bei dieser Gelegenheit. Susan Blanketts Proteste blieben dagegen wirkungslos. Das gehe sie nichts an, sie solle sich da raushalten, bekam sie nur zu hören.

Geld hilft noch mehr
Parallel zu den Lieferungen perfekter LIPOBAY-Daten aus der BAYER-Versuchsküche entfalteten die Pillen-DreherInnen diverse Marketing-Aktivitäten. So verpflichtete der Konzern MedizinerInnen für Beobachtungsstudien mit dem Cholesterinsenker. Vordergründig ging es um die Wirksamkeit von LIPOBAY, in Wirklichkeit dienten die Tests, die den MedizinerInnen jeweils 750 Dollar einbrachten, nur dem Zweck, neue KundInnen für das Präparat aus Leverkusen zu gewinnen. „Ändern die ÄrztInnen bei den TeilnehmerInnen ihr Verschreibungsverhalten?“, diese Frage trieb den Pharma-Riesen bei dem Unterfangen um, und die AußendienstmitarbeiterInnen hatten sie zu beantworten: Die „Field Force“ war angehalten, der Zentrale genauestens über die „Konversion“ von Doktoren Bericht zu erstatten.

Darüber hinaus verschenkte der Multi Probepackungen en masse und initiierte Panels. 3.900 MedizinerInnen folgten dabei dem Lockruf des Geldes, um für eine Abendgage von 1.000 Dollar Vorträge über das Medikament zu hören. Diese wurden gehalten von den LIPOBAY-Verschreibungsweltmeistern unter ihren Kollegen. Ca. drei Millionen Dollar jährlich ließ BAYER sich diesen offiziell „Marktuntersuchung“ genannten Spaß kosten. Zur Produkteinführung des Cholesterinsenkers mit der 0,8mg-Wirkstoffkonzentration richtete BAYER dann Ende 2000 für 600 MedizinerInnen eine große Sause bzw. ein Symposion aus. Darüber hinaus fand der Global Player für ein Jahressalär von 100.000 Dollar in Antonio Gotto auch noch einen willigen Mediziner zur LIPOBAY-Lobpreisung auf allen Kanälen.

Der Rückruf
Aber dann brach das Kartenhaus doch zusammen. Keine noch so gut frisierte Statistik und keine noch so ausgefeilte Marketing-Strategie konnte über eine längere Zeit die Todesopfer vergessen machen, die das Medikament forderte. Im August 2001 musste BAYER das Mittel schließlich vom Markt nehmen - geschlagene zweieinhalb Jahre nach den ersten Meldungen über schwerwiegende Nebenwirkungen. Über 100 Sterbefälle und eine Vielzahl von teils lebensgefährlichen Gesundheitsstörungen - das war am Ende die LIPOBAY-Bilanz. Gelernt hat der Konzern aus dem Pharma-GAU nicht, obwohl dieser ihn auch ökonomisch schwer traf. So hat das Unternehmen jüngst bis zuletzt an seiner zur Blutstillung bei OPs eingesetzten Arznei TRASYLOL festgehalten, obwohl allein in der Bundesrepublik jährlich 300 PatientInnen daran starben und viele Studien seit langem die Gefährlichkeit des Präparates nachgewiesen hatten (SWB 4/07). Aber nicht nur der Leverkusener Multi handelt so; es ist „Business as usual“ in der Pharma-Branche. Nachdem die website pharmalot einen Artikel über Susan Blanketts Fall veröffentlicht hatte, meldete sich ein User im Forum: „Ich arbeite seit vielen Jahrzehnten in dieser Industrie. Was ich in der LIPOBAY-Klage lese, ist die übliche Praxis“.

*Name von der Redaktion geändert

[Ticker] STICHWORT BAYER 04/2008 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Wieder Streik in Rosia
Seit Anfang 2007 wehren sich die Beschäftigten des Pharma-Werkes von BAYER im italienischen Rosia mit Streiks gegen die drohende Schließung der Niederlassung. Im September 2008 organisierte die Belegschaft wieder Arbeitsniederlegungen und eine Kundgebung,

BAYER-Beschäftiger will Bail-out
Ein BAYER-Beschäftigter hat in einem Offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel, den das Belegschaftsinfo in seiner 192. Ausgabe veröffentlicht hat, einen Schutzschirm für sich gefordert. „Ich arbeite in einem globalisierten Unternehmen“, schreibt er, „und in den letzten Jahren hat das Management leider dafür gesorgt, dass die Arbeitsplätze immer weniger wurden. Auch ist die Sicherheit der Arbeitsplätze durch immer aufgeweichtere Regelungen massiv gefährdet. Es geht sogar so weit, dass Mitarbeiter schuldlos in betriebseigene Leiharbeitsverhältnisse gedrängt werden“. Wegen dieser prekäre Lage fürchtet der Schreiber, seinen Pflichten als Steuerzahler bald nicht mehr nachkommen zu können und erbittet deshalb von der Kanzlerin ein monatliches Sicherheitspaket in Höhe von 4.000 bis 5.000 Euro.

Initiative erinnert an IG-FARBEN-Verbrechen
Im Rahmen der Reihe „Verbrechen der Wirtschaft“ hat die KULTURVEREINIGUNG LEVERKUSEN e. V. mit einer Gedenkkundgebung an die Opfer des von BAYER mitgegründeten IG-FARBEN-Konzerns erinnert. Mit Transparenten wie „Sie förderten die Nazis - Sie profitierten von den Nazis“ fanden sich die TeilnehmerInnen dafür am 14. November 2008 vor dem Tor 1 des BAYER-Chemieparks ein. Ansprachen hielten unter anderem Ulrich Sandner von der VEREINIGUNG DER VERFOLGTEN DES NAZI-REGIMES und Axel Köhler-Schnura von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN. Eigentlich sollte den Worten noch eine Tat folgen. Die Kulturinitiative plante ursprünglich, am Eingang zum Werk eine Gedenkplatte in den Boden einzulassen, die Stadt untersagte das allerdings.

Offener Brief an die Uni Köln
DIE COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat die Uniklinik Köln gemeinsam mit den KRITISCHEN MEDIZINSTUDIERENDEN AN DER UNI KÖLN, MEDICO INTERNATIONAL und anderen Gruppen in einem Offenen Brief aufgefordert, Angaben zu dem mit BAYER geschlossenen Kooperationsvertrag zu machen. „Verzichtet die Uniklinik auf die negative Publikationsfreiheit - also darauf, auch fehlgeschlagene Experimente publik zu machen? Müssen Studien vor ihrer Veröffentlichung der BAYER AG vorgelegt werden? Wie wird sichergestellt, dass Konzeption und Auswertung pharmakologischer Studien nicht allein durch ökonomische Interessen beeinflusst werden? Wie ist die Frage der Rechte an Arznei-Entwicklungen geregelt?“ - diese Fragen stellten die Initiativen dem Universitätsklinikum unter anderem. Eine Antwort blieb bis heute aus.

GREENPEACE gegen Kohlekraftwerk
„Kohlekraft verheizt das Klima“ - diesen Slogan versinnbildlichte GREENPEACE am 26. November in Krefeld mit einem brennenden CO2-Zeichen und protestierte so gegen das im BAYER-Chemiepark geplante Kohlekraftwerk, das jährlich 4,4 Millionen Tonnen Kohlendioxid ausstoßen soll.

Institute: DemokratInnen wachen auf
Das BAYER-Werk im US-amerikanischen Institute produziert vor allem Beinah-Katastrophen. Beim letzten Unfall am 28. August kamen zwei Arbeiter ums Leben (SWB 3/08). Die von der Fertigungsstätte ausgehenden Gefahren haben nun auch einen Denkprozess innerhalb der Demokratischen Partei des Bundesstaats West Virginnia eingeleitet. Zumindest der Jugendverband unterstützt den traditionell industrie-freundlichen Kurs der Demokraten nicht mehr bedingungslos. Er gehörte vielmehr zu den Unterzeichnern des von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN initiierten Offenen Briefes, der eine Verbesserung der Anlagensicherheit forderte.

Bluewashing in Südafrika mit Schmutzflecken
Als „Bluewashing“ kritisieren die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und andere Initiativen die Strategie der Konzerne, sich durch Kooperationen mit den Vereinten Nationen ein gutes Image zu verschaffen. BAYER tut dies hauptsächlich durch die Zusammenarbeit mit UNEP, dem Umweltprogramm der UN. Im Rahmen dieser konzertierten Aktion ernennt der Leverkusener Multi in aller Welt „Umweltbotschafter“, die vor Ort für die gute grüne Sache werben sollen. So auch in Südafrika. Aber aus diesem Land sendet BAYER leider selber seit langem schlechte Umweltbotschaften in Form von chrom-verseuchtem Grundwasser. Die ganze Umgebung des mittlerweile zu BAYERs Chemie-Abspaltung LANXESS gehörenden Werkes in Durban ist belastet, und die Sanierungsmaßnahmen ziehen und ziehen sich. Darum plant eine örtliche Umweltgruppe, den südafrikanischen Umweltbotschafter einzubestellen und das Umwelt-Image des Konzerns auf undiplomatische Weise mit der Wirklichkeit zu konfrontieren.

Endosulfan-Verbot gefordert
BAYER gehört weltweit zu den größten Produzenten des ultragiftigen Pestizides Endosulfan. Auf den Philippinen machte es zuletzt im Sommer Schlagzeilen. Bei dem Fährunglück am 21. Juni starben nämlich nicht nur 800 Menschen, es drohten auch 10 Tonnen Endosulfan ins Meer zu geraten. Die Regierung hatte die Anwendung des Organophosphates zwar generell untersagt, schuf aber gleichzeitig Schlupflöcher. Diese abzuschaffen, verlangten im Juli 50 Initiativen bei einer Protestkundgebung vor dem Landwirtschaftsministerium. „Die Regierung muss Endosulfan verbieten und die Ausnahmeregelungen aufheben, um Mensch, Tier und Umwelt vor der Bedrohung durch Endosulfan zu schützen“, forderte Romy Quijano vom PESTICIDE ACTION NETWORK PHILIPPINES, der ein langjähriger Kooperationspartner der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN ist.

Jahrestagung 2008
Aus Anlass ihres 30jährigen Bestehens machte sich die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) auf ihrer diesjährigen Jahrestagung selbst zum Thema. „30 Jahre Konzernkritik - Bilanz & Perspektive“ stand auf der Agenda. Axel Köhler-Schnura gab zu Beginn einen allgemeinen Überblick über die Geschichte der Konzernkritik von den ersten Streiks und Demonstrationen im 19. Jahrhundert über die Arbeiterräte der Novemberrevolution und die Niederlage von 1933 bis zur Sozialpartnerschaftsideologie heutigen Tags. Was Konzernkritik konkret heißt, entwickelte der CBG-Vorständler in seinem zweiten Vortrag am praktischen Beispiel der Coordination. Gegründet nach einem Störfall im Wuppertaler BAYER-Werk, sprengte die CBG bald die lokalen Grenzen und nahm den Chemie-Multi in all seinen Verästelungen in den Blick, was Köhler-Schnura zufolge nur durch den Aufbau eines internationalen Netzwerks gelingen konnte. Nach der Mittagspause ging es in die Gegenwart: CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes stellte die aktuellen Kampagen gegen BAYERs Bienen- und Klimakiller sowie gegen die Erweiterung der Phosgen-Produktion und den Bau einer Kohlenmonoxid-Leitung vor. Anschließend öffnete sich die Tagung anderen Ansätzen der Konzernkritik. Markus Dufner vom DACHVERBAND DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE und Thomas Eberhardt-Köster von ATTAC stellten die Arbeitsweisen ihrer Gruppen vor. In der abschließenden Podiumsrunde mit Dufner, Eberhardt-Köster und Köhler-Schnura ging es dann um das Trennende und das Verbindende, wobei das Verbindende überwog. Alle Diskutanten betonten die Notwendigkeit einer stärkeren Kooperation, gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise, die sich an diesem Tag natürlich immer wieder auf die Tagesordnung drängte. So klang schließlich die Jubiläumsjahrestagung aus, die dem feierlichen Anlass gemäß zu den bestbesuchtesten der letzten Jahren gehörte. Einen Besucher riss es sogar zu einem Dankesschreiben hin. „Ich möchte mich nochmals bedanken für die Veranstaltung am Samstag. Es war sehr interessant für mich und außergewöhnlich offen“, schrieb er der CBG.

Offener Brief wg. Phosgen
BAYER will in Krefeld, Brunsbüttel und Dormagen die Produktion von Polycarbonat, Methyldiisocyanat (MDI) und Toluylendiisocyanat (TDI) erweitern (siehe SWB 4/08). Während andere Unternehmen Polycarbonate schon ohne Phosgen herstellen, setzt der Leverkusener Multi weiterhin das im Ersten Weltkrieg zu trauriger Berühmtheit gelangte Giftgas ein, heutzutage immer noch die gefährlichste Industrie-Chemikalie. Aber nicht nur aus diesem Grund, auch weil bei den geplanten Ausbau-Aktivitäten keine Umweltverträglichkeitsprüfung mit Beteiligung der Öffentlichkeit vorgesehen ist, kritisiert die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) das Vorhaben. Für das Engagement gegen die Erhöhung der Kapazitäten in Krefeld fand die Coordination im BUND FÜR UMWELT UND NATURSCHUTZ e. V. (BUND) einen Bündnispartner. Im Oktober schrieben die beiden Initiativen gemeinsam einen Offenen Brief an den Stadtrat von Krefeld, der auf die Gefahren des noch nicht offiziellen und nicht zuletzt auch durch die aktuelle Wirtschaftskrise gefährdeten BAYER-Projektes aufmerksam macht.

CBG schreibt China Daily
Die Zeitung China Daily betätigte sich als williger Greenwashing-Helfer BAYERs und druckte unter der Überschrift „Umweltschutz ist ein Highlight BAYERs“ einen komplett auf PR-Unterlagen des Konzerns beruhenden Artikel über dessen „segensreiche“ Umweltaktivitäten. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) schrieb einen Leserbrief mit einer Gegendarstellung. Sie zitierte aus dem „Schwarzbuch BAYER“ und zählte als Umweltsünden des Leverkusener Multis unter anderem die Verwendung von Phosgen in der Kunststoff-Produktion, das Hintertreiben einer ökologisch sinnvollen Klimapolitik, das Setzen auf Kohlekraftwerke und die Herstellung schädlicher Chemikalien wie Bisphenol A auf. Das wollte das Presseorgan seinen LeserInnen offenbar nicht zumuten: Eine Veröffentlichung unterblieb bis heute.

Köhler gegen Saatgut-Oligopol
Die Agromultis dominieren den weltweiten Saatgut-Handel nach Belieben. Die 10 größten Anbieter, unter denen BAYER 2006 die siebte Position einnahm, kommen zusammen auf einen Marktanteil von über 60 Prozent. Dies ist selbst dem wirtschaftsfreundlichsten Bundespräsidenten zuviel. Auf dem Bauerntag mahnte Horst Köhler: „Und schließlich sollten wir in diesem Zusammenhang auch ein besonderes Augenmerk auf die möglichen Folgen richten, die sich aus einer marktbeherrschenden Stellung einzelner Saatgutunternehmen ergeben können“.

Bisphenol-Anfrage
Die von BAYER massenhaft hergestellte und vor allem in Mineralwasser- und Babyflaschen sowie Konservendosen Verwendung findende Chemikalie Bisphenol A (BPA) kann einer neuen Studie zufolge Diabetes oder Herz/Kreislauf-Erkrankungen befördern (siehe GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV). Die grüne EU-Parlamentarierin Hiltrud Breyer nahm die Veröffentlichung zum Anlass, eine Anfrage an die Brüsseler Kommission zu richten, die 2007 eine von der EU-Lebensmittelbehörde EFSA vorgeschlagene Erhöhung der Grenzwerte um das Fünffache genehmigt hatte. „Hält die Kommission es für verantwortlich, angesichts der sensiblen Präsenz von BPA in Nahrungsmittelkontakt-Materialien, insbesondere Babyflaschen (...) den Grenzwert hochzusetzen, auch wenn Studien vorhanden sind, die gemäß klassischer Toxikologie zu bestehenden oder gar niedrigeren Grenzwerten führen sollten?“, wollte Breyer unter anderem wissen. „Mehrere der durchgeführten Studien, insbesondere diejenigen zur Verabreichung niedrigerer Dosen werden entweder nicht gemäß der GLP (gute Laborpraxis, Anm. SWB) durchgeführt oder ergeben keine statistisch signifikanten Wirkungen“, bekam sie zur Antwort. Zur möglichen Industrie-Abhängigkeit der VerfasserInnen der Untersuchung, welche die EFSA bei ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hatte, hüllte sich die Kommission dezent in Schweigen.

FDA wg. Bisphenol kritisiert
In den USA hat es die Bisphenol-Lobby von BAYER & Co. bisher geschafft, Maßnahmen gegen die hormon-ähnlich wirkende Substanz zu verhindern, die unter anderem in Lebensmittelverpackungen Verwendung findet. Obwohl die Chemikalie in Verdacht steht, die Entwicklung des Gehirns, Stoffwechselprozesse und die Fortpflanzungsfähigkeit zu beeinträchtigen, Chemotherapien zu erschweren und Diabetes oder Herz/Kreislauf-Erkrankungen zu befördern, sieht die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA keinen Anlass zum Handeln. „Die Bisphenol-Exposition durch Lebensmittelverpackungen stellt für die Bevölkerung, einschließlich Kindern und Säuglingen, kein akutes Gesundheitsrisiko dar“, meint die FDA. Dieser Ansicht hat jetzt ein wissenschaftliches Panel widersprochen. In einem Report werfen die ForscherInnen der Behörde vor, neueste Erkenntnisse zu ignorieren und „eine trügerische Sicherheit“ zu verbreiten. Der Bericht werfe wichtige Fragen auf, konzedierte die FDA, ohne sich allerdings gezwungen zu sehen, ihre Einschätzung zu ändern.

REACH: BUND macht Druck
Das REACH genannte Chemikaliengesetz der EU schreibt BAYER & Co. vor, ihre Stoffe auf gesundheitsgefährdende Wirkungen hin zu untersuchen. Über die Umsetzung der von BAYER & Co. erfolgreich aufgeweichten Verordnung wacht die Chemikalien-Agentur ECHA in Helsinki. Bisher hat sich dort jedoch wenig getan. Damit gefährliche Chemie endlich vom Markt verschwindet, hat der BUND die ECHA jetzt aufgefordert, eine Liste mit potenziell schädlichen Substanzen zu erstellen, die ein Zulassungsverfahren durchlaufen müssen. „Nur eine Zulassungspflicht und die öffentliche Bekanntmachung dieser gefährlichen Chemikalien können die Industrie dazu bewegen, mehr Gelder in die Entwicklung sicherer Alternativen zu stecken“, so die BUND-Chemie-Expertin Patricia Cameron.

Zockte die Beistandskasse?
Die BAYER-Beistandskasse hatte beim Sterbegeld, das bislang durchschnittlich ca. 6.000 Euro betrug, Kürzungen von bis zu 2.000 Euro vorgenommen, was zu großen Protesten führte (Ticker 3/08). Der Vorstandsvorsitzende Lutz Cardinal von Widdern begründete den Schritt mit zurückgehenden Beiträgen aufgrund der überalterten Mitgliederstruktur und der Notwendigkeit zu einer verstärkten Risikovorsorge. In einem an den Leverkusener Anzeiger adressierten Leserbrief fand sich jedoch eine andere Erklärung für den Geldmangel der Kasse. „Der Versuch des Vorstandsvorsitzenden von Widdern, noch vor der Mitgliedsversammlung deutlich zu machen, wie verantwortungsvoll der Vorstand mit den Geldern der Mitglieder umgehe, zeigt, dass dieser Vorstand nicht bereit ist zuzugeben, dass er rund 80 Millionen Euro bei Spekulationsgeschäften mit den Mitgliederbeiträgen verloren hat“, heißt es dort.

KAPITAL & ARBEIT

Prekarisierung bei BayJob
BAYER hat seinen Pool für „bedarfsgerechte Einsätze“, in dem Rationalisierungsopfer Springer-Dienste verrichten müssen, in „BayJob“ umbenannt und ihn nicht nur damit noch mehr in McJob-Nähe gerückt. Der Leverkusener Multi hat die betroffenen Belegschaftsangehörigen nämlich gezwungen, einen Zusatz zu ihrem Arbeitsvertrag zu unterschreiben, in dem sie sich damit einverstanden erklären, alle zumutbaren Angebote inklusive Leiharbeit anzunehmen und auch Zeiten ohne Beschäftigung zu akzeptieren. Zudem sieht der Konzern das Parken der Arbeitskräfte bei „BayJob“ nicht als Versetzung an, weshalb er die Zustimmung des Betriebsrates nicht einzuholen braucht. Diese Frage wollte die BELEGSCHAFTSLISTE, eine alternative Gewerkschaftsgruppe im Wuppertaler BAYER-Werk, erst juristisch klären lassen, ehe sie der Gesamtbetriebsratsvereinbarung ihr Ja-Wort gibt, aber das war mit der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE nicht zu machen. Die Gewerkschaft drohte: „Sollte der GBR (Gesamtbetriebsrat, Anm. Ticker) keine Beauftragung bekommen, könnte es in Zukunft auch zu betriebsbedingten Kündigungen kommen“ und erzwang so ein positives Votum, wie das Belegschaftsinfo vom November 2008 berichtet.

BAYER will „Commitment“
Im dritten Quartal 2008 stieg der Umsatz der Gesundheitssparte des Konzerns gegenüber dem Vorjahr um 6,1 Prozent. Nichtsdestotrotz macht BAYER SCHERING Rationalisierungsbedarf aus und startete das Projekt „Commitment“. „Obwohl das Projekt offiziell weder Restrukturierungs-, Kostensenkungs- noch Personalabbaukonzept sein soll, wurde doch zumindest in einigen Abteilungsversammlungen deutlich, dass restrukturiert werden wird, Kosten reduziert werden und Personalabbau nicht ausgeschlossen ist“, heißt es in der Mai-Ausgabe des von der BASIS INITIATIVE SOLIDARITÄT herausgegebenen BAYER-SCHERING Info. BAYER begründet die Maßnahmen unter anderem mit dem TRASYLOL-Stopp, dem Patentstreit um die Pille YAZ, dem Ausfall eines KOGENATE-Zwischenhändlers und erhöhten Anforderungen der Behörden. Die Basis Initiative lässt das nicht gelten. „Ginge es tatsächlich um Beseitigung von Patentproblemen, müsste man die Patentabteilung stärken oder die Dokumentation optimieren. Probleme der Arzneimittelsicherheit und höheren Behördenanforderungen könnte man mit dem Ausbau von Drug Safety und Regulatory und guter Archivierung und Recherche begegnen. Aber gerade die letztgenannten Bereiche gehen in Wuppertal am Stock“.

Sparprogramm wg. Finanzkrise
Anfang November 2008 nahm das BAYER-SCHERING-Vorstandsmitglied Andreas Busch die Finanzkrise zum Anlass, ein Sparprogramm zu verhängen. In einem Rundbrief ordnete er einen Einstellungsstopp, eine Verlängerung der weihnachtlichen Werksferien, eine Absage der Weihnachtsfeiern und andere Maßnahmen an. Nach massiver Kritik von Seiten des Personals ruderte er zurück und bezeichnete sein Schreiben als bloßen Entwurf. Eine von Buschs Direktiven konnte der Wuppertaler Betriebsrat schon einmal verhindern: Er stimmte dem Produktionsstillstand vom 19.12. bis zum 6.1. nicht zu.

Schließung in Wolfenbüttel
Der Leverkusener Multi gibt den Standort Wolfenbüttel auf und gliedert die dortige Pestizid-Produktion aus. Der Agro-Riese hat das Werk an das Unternehmen LEHNKERING verkauft, das nun als Dienstleister in Sachen „Ackergifte“ für den Konzern tätig wird und dazu auch die zuletzt auf eine Stärke von 140 zusammengeschrumpfte BAYER-Belegschaft übernimmt. Die giftigen Altlasten des Agro-Riesen wollte LEHNKERING allerdings nicht haben, die musste der Global Player noch selber entsorgen (siehe WASSER, BODEN & LUFT).

Tarifparteien vereinbaren Ethik-Kodex
Von der BAYER-Familie ist nicht mehr viel zu spüren. Immer rücksichtloser verfolgt der Leverkusener Multi seine Profitinteressen auf Kosten der Belegschaft. Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE sieht darin jedoch keinen Anlass, die Politik der Sozialpartnerschaft in Frage zu stellen. Sie setzt ihren Schmusekurs unbeeindruckt fort und hat jüngst gemeinsam mit dem „Bundesarbeitgeberverband Chemie“ ein Glaubensbekenntnis zur „sozialen Marktwirtschaft“ abgegeben, zu dem auch Bundespräsident Horst Köhler seinen Segen gab. „Unternehmerischer Erfolg, der von nachhaltig handelnden und wettbewerbsfähigen Unternehmen erzielt wird, ist Bedingung für Innovationen, Investitionen und Arbeitsplätze“, heißt es in den „Leitlinien für verantwortliches Handeln in der sozialen Marktwirtschaft“, die ansonsten nur schwammige Bekenntnisse zu sozialem und ökologischem Wirtschaften liefern.

Schmoldt gegen höhere Spitzensteuer
Die immer weiter auseinandergehende Schere zwischen Arm und Reich hat den DGB veranlasst, eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes zu fordern. Der Vorsitzende der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE und BAYER-Aufsichtsrat Hubertus Schmoldt hält davon gar nichts. Gerechtigkeit sei nicht allein vom Spitzensteuersatz abhängig, auch nicht, wenn er bei 60 Prozent läge, so Schmoldt laut Faz.

Kostspielige Altersteilzeit
Die Altersteilzeit-Regelung, wie sie vor allem größere Konzerne wie BAYER praktizieren, kommt den Staat teuer zu stehen. Gehaltszuschüsse und der Verzicht auf einen Teil der Sozialabgaben kosten die SteuerzahlerInnen jährlich 2, 4 Milliarden Euro.

Kostspielige Vorstandsgehälter
Die Vorstände von DAX-Unternehmen konnten von 1987 bis 2007 eine Gehaltserhöhung von sage und schreibe 650 Prozent verzeichnen. Erhielten die Manager von BAYER & Co. vor zwanzig Jahren durchschnittlich 445.000 Euro, so stecken sie mittlerweile 3,3 Millionen ein. Die GeschäftsführerInnen nicht an der Börse notierter Unternehmen kamen im gleichen Zeitraum dagegen „nur“ auf eine Einkommenssteigerung von 132.000 auf 268.000 Euro.

Beistandskasse: Datenschutz-Verstoß?
Auf der tumultösen letzten Mitgliederversammlung der BAYER-Beistandskasse (Ticker 3/08) fanden keine geheimen Wahlen statt, vielmehr war jede Stimmkarte einer Person zuordbar. Besonders KritikerInnen der Geschäftspolitik der Beistandskasse ist das nicht ganz geheuer. Die nordrhein-westfälische Datenschutzbeauftragte Bettina Gayk sieht durch diese Wahlordnung zwar keine Gesetze verletzt, sie kündigte aber an, im Falle von Beschwerden tätig zu werden und den Vorstand zu einer Stellungnahme aufzufordern.

ERSTE & DRITTE WELT

Welthandelsrunde gescheitert
Die Industrieländer subventionieren ihren Landwirtschaftssektor mit immensen Summen, was auf den Märkten von „Dritte-Welt“-Staaten zu einem Verdrängungswettbewerb führt, den die einheimischen FarmerInnen verlieren. Darum haben Indien und China bei den Verhandlungen der Welthandelsorganisation (WTO) einen besseren Schutz ihrer Bauern und Bäuerinnen eingefordert. Wenn die Importe eine bestimmte Quote übersteigen, wollten sie Schutzzölle erheben dürfen. Dies aber lehnten vor allem die USA ab, weshalb die Gespräche Ende Juli 2008 scheiterten. „Bei dem Kraftakt einer allgemeinen Liberalisierung des Welthandels (...) scheint die Globalisierung der Wirtschaft vorerst an ihre Grenzen zu stoßen“, lamentiert die Faz. Und auch BAYER dürfte das bedauern, profitiert der Konzern doch stark von den globalen Agrarmärkten mit ihrer durchindustrialisierten Struktur.

BAYER sponsort Demographie-Konferenz
BAYER gehörte wieder einmal zu den Sponsoren der seit sieben Jahren stattfindenden Konferenz „Internationaler Dialog Bevölkerung und Nachhaltige Entwicklung“, an der unter anderem Entwicklungshilfe-Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul teilnahm. Damit erkaufte sich der Multi auch das Rederecht. „Unsere Expertise in der Frauengesundheit verpflichtet uns dazu, Familienplanung in Entwicklungsländern zu einem festen Bestandteil unseres gesellschaftlichen Engagements zu machen“, sprach BAYER SCHERING PHARMAs Forschungsvorstand Andreas Busch. Wenn „gesellschaftliches Engagement“ sich bloß immer so auszahlen würde: Allein mit seinen Verhütungsmitteln machte der Konzern im letzten Geschäftsjahr einen Umsatz von einer Milliarde Euro. Zudem sorgt dieses „Engagement“ dafür, dass die Armen sich nicht zu stark vermehren - auch eine Art von Klassenkampf.

POLITIK & EINFLUSS

BAYER im Klimarat NRW
Die nordrhein-westfälische Landesregierung betreibt ihre Umweltpolitik mit freundlicher Unterstützung von BAYER & Co. So rief sie etwa als Nebenregierung den mit vielen Konzern-VertreterInnen bestückten „Dialog Wirtschaft und Umwelt NRW“ ins Leben. Damit nicht genug, gründete Rüttgers Club nun auch noch einen Energie- und Klimarat. Selbstverständlich ist der Leverkusener Multi hier wieder mit von der Partie. Klaus Schäfer, Geschäftsführer der 60-prozentigen BAYER-Tochter CURRENTA GmbH, sitzt in dem Gremium, während Abgesandte von Umweltverbänden fehlen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) protestierte lautstark gegen die Berufung. „Die Landesregierung hat einmal mehr den Bock zum Gärtner gemacht. Ausgerechnet ein Unternehmen, das den Bau klimafeindlicher Kohlekraftwerke vorantreibt und das gegen verbindliche Regeln zum Klimaschutz agitiert, soll die Energiepolitik des Landes mitbestimmen“, kritisierte die CBG in einer Presseerklärung.

Emissionshandelsschluss
Vor einigen Jahren hat die EU den Emissionshandel mit Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten eingeführt. Er sieht vor, BAYER & Co. CO2-Emissionen nur in einem bestimmten Volumen zu gestatten. Alles, was über ein bestimmtes Limit hinausgeht, sollte den Konzernen teuer zu stehen kommen, weil sie dafür Verschmutzungsrechte kaufen müssten. Dazu ist es jedoch dank umfangreicher Lobby-Aktivitäten immer noch nicht gekommen. Für die neueste Variante ihrer Obstruktionspolitik instrumentalisierten die Multis die Wirtschaftskrise und malten einmal mehr das Schreckgespenst von Arbeitsplatz-Vernichtungen an die Wand. Angela Merkel verfiel sogleich in Schockstarre und handelte beim Brüsseler EU-Gipfel kostenlose Verschmutzungsrechte für die bundesdeutschen Chemie- und Stahlunternehmen, die besonders viel CO2 emittieren (BAYER insgesamt ca. 7,5 Millionen Tonnen), aus. Zudem dürfen die Multis ihre Klimaschutz-Anstrengungen auch in Drittweltländer outsourcen. Die Süddeutsche Zeitung kommentierte unter der Überschrift „Artenschutz für Luftverschmutzer“: „Der Emissionshandel sollte das Instrument sein, das die Mechanismen des Marktes nutzt, um den Klimawandel abzumildern. Mit dem Bonus für besonders schädliche Branchen auch in Deutschland, mit dem Nachlass für Kohlekraftwerke in Osteuropa noch weit über das Jahr 2013 hinaus ist das Modell entwertet“.

BAYER & Co. schreiben Steinbrück
Die großen Konzerne wissen oftmals selber nicht mehr ganz genau, wer nun eigentlich ihre Großaktionäre sind, da der Finanzmarkt neben den schnöden Aktien zahlreiche neue, undurchsichtige Produkte entwickelt hat. Noch bevor der VW-Kurs durch Hedge Fonds, die sich mit geliehenen Anteilsscheinen verspekuliert hatten, auf eine Achterbahn-Fahrt geriet, forderten die Finanzvorstände von BAYER und anderen DAX-Unternehmen Peer Steinbrück in einem Brief zu Regulierungsmaßnahmen auf. Die Konzerne forderten umfassendere Offenlegungspflichten, wünschten sich mehr Klarheit über die wirklichen Besitzverhältnisse und mahnten allgemein mehr Transparenz auf den Aktienmärkten an.

Plumpe Chef des HistorikerInnen-Verbandes
Die GeschichtswissenschaftlerInnen haben mit Werner Plumpe erstmals einen Unternehmenshistoriker an die Spitze ihres Verbandes gewählt. Und was für einen! Plumpe hat beste Beziehungen zu BAYER und betätigt sich gerne als Weißwäscher der etwas unappetitlichen Firmenhistorie, wie Otto Köhler in SWB 1/08 darlegte. Dabei scheut der frischgebackene Verbandschef auch nicht vor Manipulationen zurück. Wenn der ehemalige IG-Chef Carl Krauch in einem Brief schreibt: „Auf meinen Antrag und auf Weisung des Herrn Reichsmarschalls“ habe der Reichsführer SS unter dem 26. Februar angeordnet, dass der Aufbau des Werkes in Auschwitz „durch die Gefangenen aus dem Konzentrationslager in jedem nur möglichem Umfange zu unterstützen sei“, so lässt Plumpe einfach das „Auf meinen Antrag und“ weg. Prompt kann er dann schreiben: „„Wie weit etwa der Einsatz von Zwangs- und Sklavenarbeit eigeninitiativ veranlasst wurde, ist selbst im Fall des IG-Werkes in Monowitz umstritten“. Deshalb versteht der plumpe Geschichtsfälscher auch gar nicht, warum sich die IG-Oberen bei den Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozessen auf der Anklagebank wiederfanden. Dies habe Plumpe zufolge nur „eine eigentümliche Allianz aus Marxisten und Liberalen, aus Sozialdemokraten und Vertretern der Frankfurter Schule“ zustandegebracht. Zur Belohnung für diese Geschichtsklitterei durfte sich der Historiker letztes Jahr im BAYER-Kommunikationszentrum über „Carl Duisberg und das moderne Unternehmen“ verbreiten.

Umweltstaatssekretär besucht BAYER
Am 3. November 2008 war wieder großer Grünwaschtag bei BAYER. Der Leverkusener Multi lud zum „Opening Day BAYER Young Environmental Envoy 2008“ und bot zur Bestallung seiner neuen „Umweltbotschafter“ Berliner Prominenz auf. Der Umweltstaatssekretär Matthias Machnig schüttete einen Vortrag zu den umweltpolitischen Schwerpunkten der Bundesregierung in den Waschgang.

SPD: mit Schmoldt gegen Linkspartei
Dem Vorsitzenden der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE und BAYER-Aufsichtsrat Hubertus Schmoldt kommt der Rechtsruck in der SPD nach dem Sturz Kurt Becks sehr gelegen, pflegt er doch seit langem freundschaftliche Beziehungen zu Frank-Walter Steinmeier. Darum ließ er sich gerne dazu einspannen, auch für freundschaftlichere Beziehungen zwischen der SPD und den Gewerkschaften im Allgemeinen zu sorgen und die Agenda-Wogen wieder zu glätten. Bei einem Treffen zwischen führenden SozialdemokratInnen und GewerkschaftlerInnen einigte man sich nach einem Bericht der Rheinischen Post auf eine weitgehende Kooperation. Sogar als Wadenbeißer an der Leine von Müntefering & Co. wollen sich die KollegInnen betätigen und in der Öffentlichkeit verstärkt auf die Linkspartei losgehen.

Krach im Konvent
BAYERs Aufsichtsratschef Manfred Schneider betätigt sich zusätzlich zu seinem Leverkusener Job nicht bloß noch als Aufseher bei ALLIANZ, LINDE, DAIMLER, RWE und TUI, er gehört auch dem „Konvent für Deutschland“ an. Dort befindet er sich in der zweifelhaften Gesellschaft von Otto Graf Lambsdorff, Roman Herzog, Wolfgang Clement und Klaus von Dohnanyi und kämpft gegen den vermeintlichen Reformstau an. Aber jetzt haben sich die hohen Herren in der Wolle. Der Unternehmenshistoriker Manfred Pohl und Wolfgang Clement wollen den Aktionsradius des exklusiven Clubs ausweiten, ihren neoliberalen Senf auch zu Themen wie „Migration“, „Bildung“ und „Erziehung“ geben und eine aggressivere Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Das war aber mit Herzog, Schneider & Co. nicht zu machen, weshalb es zu einem Split kam.

BAYER & Co. zahlen 18 Prozent weniger
In keinem anderen Erdteil sanken die Unternehmenssteuern in den letzten neun Jahren so stark wie in Europa. Besonders in der Bundesrepublik mussten die Konzerne immer weniger Abgaben zahlen. Die Nominalsätze fielen von 1999 bis 2008 von 52,3 Prozent auf 29,5 Prozent. Daran hatte BAYERs inzwischen verstorbener Ex-Steuerchef Heribert Zitzelsberger, der unter Rot/Grün Staatssekretär im Finanzministerium wurde, einen maßgeblichen Anteil. „Wir haben mit Herrn Zitzelsberger unseren besten Mann entsandt“, kommentierte der damalige Vorstandsvorsitzende Manfred Schneider den Wechsel einst. Aber Zitzelsberger hat würdige Nachfolger gefunden. So sorgte die Anfang des Jahres in Kraft getretene Unternehmenssteuerreform der großen Koalition für ein um 18 Prozent auf ca. 19 Milliarden Euro eingebrochenes Körperschaftssteuer-Aufkommen.

VCI will Steuererleichterungen
Der „Verband der Chemischen Industrie“ mahnt Steuererleichterungen für die Forschungsaufwändungen von BAYER & Co. an und flankiert seine Forderung mit Abwanderungsdrohungen. Beim Bundesforschungsministerium hat das schon gewirkt. Das Haus hat die Idee nach den Worten des VCI-Vorsitzenden Alfred Oberholz positiv aufgenommen, nur Peer Steinbrück stellt sich noch quer. „Im Finanzministerium gibt es natürlich Bedenken“, so Oberholz. Auch BAYERs Forschungsvorstand Wolfgang Plitschke hatte unlängst mehr staatliche Unterstützung für die Labor-Aktivitäten der Industrie gefordert (SWB 3/08).

BAYER & Co. wollen EU-Patentrecht
Bisher hat jedes europäische Land sein eigenes Patentrecht, was den Weg von einer Labor-Entwicklung zu einer Markteinführung zu einem langen Marsch machen kann. Deshalb haben BAYER & Co. die PolitikerInnen aufgefordert, die Anstrengungen für ein EU-weites Gemeinschaftspatentrecht zu verstärken.

Wennings Versorgungsproblem
Konzern-Chef Werner Wenning sieht an den BAYER-Standorten schon ab 2012 die Lichter ausgehen. „Wenn wir die jetzige Politik so beibehalten, werden wir in Deutschland nach Meinung führender Energie-Experten ab 2012 ein ernstes Versorgungsproblem haben“, warnt der Vorstandsvorsitzende. Er fordert deshalb nicht nur mehr Kohlekraftwerke und die Verlängerung von AKW-Laufzeiten, sondern tritt sogar für den Neubau von Kernkraftwerken ein. Dabei geht es Wenning nur um die Kosten, denn der mit viel Risiken und Nebenwirkungen in Kohlekraftwerken und AKWs erzeugte Strom ist schlicht billiger als der ökologisch korrekt produzierte.

PROPAGANDA & MEDIEN

Kodex wirkungslos
Mit großem Tamtam haben BAYER & Co. im Jahr 2004 eine „Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e. V.“ ins Leben gerufen. Die Pharma-Riesen verpflichteten sich dazu, Pillen nur noch „zutreffend zu bewerben“, MedizinerInnen nicht länger „in unlauterer Weise“ zu beeinflussen und ihnen nur noch milde Gaben zukommen zu lassen. Fortbildungsveranstaltungen wollten die Unternehmen den Lustreisen-Charakter nehmen und ihr Verhalten allgemein an hohen ethischen Standards ausrichten. Der Realitätsprüfung halten diese schönen Worte allerdings nicht stand. Nach Ansicht der „Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft“ hat es der Kodex bisher nicht vermocht, „unlauteren Werbepraktiken der Arzneimittelindustrie und versuchten Einflussnahmen auf das Verordnungsverhalten von Ärzten in gewünschter Weise entgegenzuwirken“.

Krisenmanagement in Institute
Am 28. August 2008 hatte sich im Instituter BAYER-Werk eine Explosion ereignet, der zwei Beschäftigte zum Opfer fielen (siehe SWB 3/08). Die Ereignisse haben die AnwohnerInnen so in Aufruhr versetzt, dass der Leverkusener Multi sich veranlasst sah, zwei PR-Agenturen mit dem Krisenmanagement zu beauftragen. So organisierten die Kommunikationsprofis eine BürgerInnen-Versammlung und versuchten die Initiative PEOPLE CONCERNED ABOUT MIC einzubinden. Von Erfolg war diese Strategie bisher allerdings nicht gekrönt. Pünktlich zum anberaumten Meeting erschien der von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN initiierte Offene Brief mit der Fundamentalkritik an der Risikovorsorge des Konzerns, den viele ortsansässige Gruppen mit unterschrieben hatten, und die PEOPLE CONCERNED ABOUT MIC mochten sich auch nicht mit den „MediatorInnen“ an einen Tisch setzen.

BAYER sponsort Fluss-Reiniger
Der Leverkusener Multi verunreinigt durch seine Einleitungen Flüsse in aller Welt massiv. Trotzdem gerierte er sich an seinem Standort Pittsburgh als Umweltengel und sponsorte eine Initiative, die sich vorgenommen hatte, die Gewässer Allegheny und Ohio von Unrat zu säubern.

BISPHENOL-Kampagne gestartet
In den USA hat es die Bisphenol-Lobby von BAYER & Co. bisher geschafft, Maßnahmen gegen die vor allem in Lebensmittelverpackungen Verwendung findende Substanz zu verhindern, obwohl die Chemikalie in Verdacht steht, die Entwicklung des Gehirns, Stoffwechselprozesse und die Fortpflanzungsfähigkeit zu beeinträchtigen, Chemotherapien zu erschweren sowie Diabetes oder Herz/Kreislauf-Erkrankungen zu befördern. Nachdem Kanada jedoch den Vertrieb von bisphenol-haltigen Babyflaschen verboten hatte, startete auch in Kalifornien eine entsprechende Gesetzes-Initiative. BAYER & Co. antworteten mit einer Desinformationskampagne. In Zeitungsannoncen warnten die Unternehmen davor, dass im Falle eines Bisphenol-Banns „viele Alltagsgegenstände aus dem Handel verschwinden würden“.Wissenschaftsnacht für Kinder
Mitte Juni 2008 veranstaltete BAYER eine Wissenschaftsnacht für Kinder. „Anschaulich und auf spielerische Art“ vermittelten WissenschaftlerInnen den lieben Kleinen den Segen der Chemie. Dabei ging es zu wie in einer Märchenstunde: Die guten Pestizide sicherten nach den Erzählungen der BAYER-ForscherInnen die Ernährung der Menschen und befreiten Haustiere von bösen Flöhen und anderen Peinigern.

Hilfe zur BAYER-Hilfe
Den Leverkusener Multi kommt seine Spendentätigkeit jetzt noch billiger, denn das im letzten Jahr verabschiedete Gesetz zur Stärkung bürgerschaftlichen Engagements lockt mit erheblichen Steuernachlässen. Also hat der Konzern für sein Engagement im Bildungsbereich flugs die 10 Millionen Euro schwere Stiftung „BAYER Science & Education Foundation“ gegründet, die Schulen fördert. Dabei bilden die naturwissenschaftlichen Bereiche einen Schwerpunkt, „denn ein Land, das wie Deutschland über keine reichen Bodenschätze verfügt, ist in seiner wirtschaftlichen Entwicklung vordringlich auf die geistige Kreativität angewiesen“, so BAYERs Oberkommunikator Michael Schade zur nicht gerade uneigennützigen Motivation der Bildungsoffensive des Unternehmens, die bei ihrer zweiten Förderrunde 42 Schulen mit einer Summe von insgesamt 500.000 Euro beglückte.

BAYERs Sozialpolitik I
Während der Konzern intern immer unsozialer wird, Arbeitsplätze vernichtet und Arbeitsbedingungen verschärft, macht seine PR-Abteilung seit einiger Zeit verstärkt auf „sozial“ und hat die Kinderarmut entdeckt. „Jedes sechste Kind in Deutschland gilt als arm und lebt in einer Familie, die auf Sozialhilfe angewiesen ist - Tendenz steigend. Daher hat BAYER in diesem Jahr die BEPANTHEN-Kinderförderung ins Leben gerufen“. Mit 40.000 Euro jährlich will diese Ferienfreizeiten der Initiative „Arche“ unterstützen und so ein bisschen Mutter Teresa spielen.

BAYERs Sozialpolitik II
BAYER hat nicht nur milde Gaben für sozial Benachteiligte übrig. „Das Unternehmen engagiert sich auch inhaltlich“, vermeldet die Presseabteilung. Der Leverkusener Multi will gemeinsam mit ErziehungswissenschaftlerInnen der Universität Bielefeld die Kinderarmut erforschen und hat die „BEPANTHEN Kinderarmutsstudie“ in Auftrag gegeben. Vielleicht sollte der Konzern zu diesem Behufe eher mit WirtschaftswissenschaftlerInnen zusammenarbeiten und eine Reichtumsstudie ordern. Diese würde nämlich leicht herausfinden, wo das Geld geblieben ist, das armen Familien fehlt: Zum Beispiel bei den BAYER-ManagerInnen, deren Gehälter in den letzten 20 Jahren um 650 Prozent gestiegen sind (siehe KAPITAL & ARBEIT)!

TIERE & VERSUCHE
Im Jahr 2007 starben in den Laboren von BAYER 157.000 Tiere. 90 Prozent davon waren Ratten und Mäuse, der Rest Hunde, Katzen und Affen. Von Alternativ-Methoden wie der Erprobung von Wirkstoffen an Zellkulturen hält die Gesundheitsabteilung des Leverkusener Multis nichts: „Die Abläufe sind tatsächlich anders als in einzelnen Zellkulturen im Labor“. Und ansonsten verweist der Konzern scheinheilig auf die Politik. „Wir sind gesetzlich verpflichtet, die Medikamente im Tierversuch zu testen“, verlautet aus der Berliner Zentrale von BAYER SCHERING.

DRUGS & PILLS

Neue Testosteron-Studie
Mit aller Macht pocht der Leverkusener Multi auf Gleichberechtigung und will Wechseljahre auch für Männer. Der Konzern meint nämlich mit Testosteron-Präparaten wie TESTOGEL die passenden Medikamente zur Behandlung im Angebot zu haben. Fehlen nur noch ein paar Studien, die Testosteron-Mangel nebst Stimmungsschwankungen und Libido-Einbußen diagnostizieren, die heilsamen Effekte von TESTOGEL nachweisen und - wider besseren Wissens - Nebenwirkungen wie Krebs ausschließen. Aber auch diese akquiriert der Pharma-Riese im Handumdrehen. Zum Beispiel bei Dr. Pierre-Marc Bouloux. Und dieser willige Wissenschaftler brillierte sogar mit Sollübererfüllung: Selbst bei Testosteronwerten im unterem Normbereich empfiehlt Bouloux noch den Griff zum BAYER-Gel.

KINZAL beugt Infarkten nicht vor
BAYERs Blutdrucksenker KINZAL (Wirkstoff: Telmisartan) schützt nicht vor Herzinfarkten. Das ergab eine Studie der in Ontario gelegenen McMaster University unter Leitung von Salim Yusuf. Während im Untersuchungszeitraum 8,7 Prozent der Telmisartan-PatientInnen einen Herzinfarkt erlitten, waren aus der Plazebo-Gruppe 9,2 Prozent betroffen. Dieses Ergebnis reichte nach Meinung der WissenschaftlerInnen nicht aus, um KINZAL und den anderen Telmisartan-Medikamenten einen prophylaktischen Effekt zuzuschreiben.

Neuzulassung für LEUKINE
Ende Januar 2008 musste BAYER die nur in den USA angebotene flüssige Darreichungsform seines Krebs-Medikamentes LEUKINE vom Markt nehmen, weil der darin enthaltene Stoff Ethylendiamintetraacetat (EDTA) Ohnmachtsanfälle ausgelöst hatte. Für eine Formulierung ohne EDTA erlangte der Leverkusener Multi im Mai die Wiederzulassung.

Teures ASPIRIN
Kaum ein Produkt hat sich nach der Euro-Umstellung so verteuert wie ASPIRIN. Zwar erhöhten sich auch die Preise für Bier, Hautcreme, Waschmittel, Kino, Autos, Bekleidung oder Obst, aber nur BAYERs Tausendsassa kostet mittlerweile in Euro mehr als einst in DM. Von 6,85 DM im Jahr 2001 ging es bis 2008 auf 7,69 Euro herauf.

Nutzloses ASPIRIN
Seit Jahren bewirbt BAYER ASPIRIN als Mittel, das Herz/Kreislauf-Erkrankungen vorbeugt, und hat auch Erfolg damit. So empfehlen mittlerweile medizinische Behandlungsrichtlinien in vielen Ländern, Risiko-PatientInnen wie DiabetikerInnen das regelmäßige Schlucken des „Tausendsassas“ nahezulegen. Unberechtigerweise, wie jetzt eine im British Medical Journal veröffentlichte Studie des Professors Jill Belch von der „University of Dundee“ nachwies. Bei keinem der 1.300 von ihm untersuchten Zuckerkranken, die bisher noch keinen Herzinfarkt erlitten hatten, konnte die Arznei einen präventiven Effekt entfalten. „Wir müssen über seinen Einsatz in der primären Präventionen neu nachdenken“, lautet deshalb das Fazit Belchs auch angesichts der ASPIRIN-Nebenwirkungen wie Magenbluten. Und sein Kollege Peter Sever vom „Imperial College London pflichtet ihm bei. „Das bestätigt unseren Verdacht, dass ASPIRIN weite Verbreitung findet, ohne seinen Nutzen nachgewiesen zu haben“, so Sever.

Zulassung für QLAIRA
BAYER hat die europa-weite Zulassung für das Verhütungsmittel QLAIRA erhalten, dessen Wirksubstanzen die beiden Hormonen Estradiol und Dienogest sind.

Schlechte Noten für YASMINELLE
In dem Internet-Portal Ratgeber Pille können sich Frauen über ihre Erfahrungen mit den verschiedenen Verhütungsmitteln austauschen. BAYERs Kontrazeptivum YASMINELLE kommt dabei ziemlich schlecht weg.
Die Nutzerinnen klagen unter anderem über Gewichtszunahme, Gemütsschwankungen, verstärkten Haarwuchs, Zwischenblutungen, Bauch-, Kopf- und Brustschmerzen, Übelkeit, Ausfluss und Schweißausbrüche.

BAYER testet Lungen-Arznei
Der Leverkusener Multi will mit RIOCIGUAT ein neues Medikament zur Behandlung des Lungenhochdrucks auf den Markt bringen. Derzeit durchläuft die gefäßerweiternde Arznei die dritte und letzte Testphase.

Pillen-Preise: plus 6,7 Prozent
Und ewig steigen die Pillen-Preise: In diesem Jahr haben sie um 6,7 Prozent zugelegt. Besonders die Kosten für neue Medikamente belasten die Etats der Krankenkassen, weil AOK & Co. für diese mit BAYER und den anderen Herstellern keine Rabatte aushandeln dürfen. Mittlerweile zahlen die BundesbürgerInnen für Arzneien rund ein Drittel mehr als ihre EU-NachbarInnen. Da verlor selbst Gesundheitsministerin Ulla Schmidt die Contenance. „Wenn die Ausgaben weiter so steigen, muss die pharmazeutische Industrie wissen, dass sie mit überhöhten Preisen auf Dauer nicht die medizinische Versorgung leisten kann“, wetterte die SPD-Politikerin und warnte BAYER & Co.: „Wir beobachten die Entwicklung. Höchst unfaire Preise kann kein Gesundheitssystem überstehen. Daher werden wir uns im Notfall nicht scheuen, gegen unfaire Preise Maßnahmen zu ergreifen“.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

BAYER-Beschäftigte vergiftet
Nach einer nur dreimonatigen Arbeit als Handelsvertreterin für Pestizide zog sich eine BAYER-Beschäftigte schon eine Vergiftung zu, die sie zu einem Krankenhaus-Aufenthalt zwang. Der Leverkusener Multi hielt das offenbar für Berufsrisiko. Er kümmerte sich nicht weiter um die Frau und behielt auch noch einen Teil ihres Lohnes ein.

Italien verbietet PONCHO
BAYERs Saatgutbehandlungsmittel PONCHO mit dem Wirkstoff Clothianidin hat im Frühjahr 2008 zu einem großen Bienensterben geführt. 11.500 Bienenvölker von 700 ImkerInnen rund um die südbadischen Maisfelder waren betroffen. Nach einigem Hin und Her entschloss sich das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ deshalb, das Mittel vom Markt zu nehmen. Aber Ende Juli 2008 war es wieder da: Die Behörde gab grünes Licht für PONCHO-Raps. Italien dagegen zeigte mehr Konsequenz. Im September erließ das Land ein Verbot für Clothianidin, Imidacloprid (Wirkstoff von BAYERs GAUCHO) und zwei weitere Substanzen, geltend für Mais-, Raps und Sonnenblumen-Kulturen.

Pestizide in Gewürzen
GREENPEACE hat Gewürze wie Paprika, Pfeffer und Petersilie nach Pestizid-Rückständen untersucht und in 82 Prozent der 30 Proben Agrogift-Spuren nachgewiesen. Auch Wirkstoffe, die in BAYER-Produkten enthalten sind, waren mit von der Partie. Unter anderem stießen die WissenschaftlerInnen auf Chlorpyrifos, Endosulfan, Imidacloprid, Methomyl, das hierzulande längst verbotene Methamidophos und Permethrin.

Profitable Nahrungsmittelkrise
BAYER profitiert weiterhin von der Nahrungsmittelkrise. „Landwirte in allen Anbauregionen weltweit haben im ersten Halbjahr 2008 aufgrund der gestiegenen Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse vermehrt in hochwertiges Saatgut und innovative Pflanzenschutztechnologien investiert“, berichtete BAYER-CROPSCIENCE-Chef Friedrich Berschauer auf der Jahrespressekonferenz im September 2008 und vermeldete eine Umsatz-Steigerung von 13 Prozent auf 3,8 Milliarden Euro.

MOVENTO zugelassen
BAYER hat in den USA die Zulassung für das Insektizid MOVENTO mit dem Wirkstoff Spirotetramat erhalten. Es soll unter anderem gegen Blattläuse und weiße Fliegen wirken, angeblich aber Nutzinsekten wie Marienkäfer nicht vergiften.

PFLANZEN & SAATEN
BAYER hat in Singapur ein Reis-Forschungszentrum eröffnet. Die WissenschaftlerInnen wollen dort hybride, also sterile, nicht zur Wiederaussaat bestimmte Sorten züchten, die angeblich besondere Widerstandskräfte aufweisen und für bessere Ernten sorgen.

GENE & KLONE

Indien: Tests mit Bt-Reis
Im Jahr 2004 hatte BAYER noch das Versprechen abgegeben, keine Tests mit gentechnisch veränderten Pflanzen in Indien durchzuführen. Dieses hat der Leverkusener Multi jetzt gebrochen. Er beantragte erfolgreich Feldversuche mit 28 Reis-Linien, denen GentechnikerInnen den für Insekten tödlichen Bacillus thuringiensis eingebaut haben.

Tod durch CAMPATH
Bisher durften MedizinerInnen das von BAYER und GENZYME gemeinsam entwickelte Gentech-Medikament CAMPATH bei der chronisch-lymphatischen Leukämie nur einsetzen, wenn die PatientInnen bereits mit anderen Arzneien vorbehandelt waren oder eine Therapie mit Fludarabin nicht den gewünschten Erfolg erbracht hatte. Im letzten Jahr hat der Pharmariese eine Zulassung auch für den Ersteinsatz in Kombination mit Fludarabin und Rituximab beantragt. Diese dürfte er allerdings nicht bekommen, denn die entsprechenden Klinischen Tests haben sechs Menschen das Leben gekostet. Sie starben an Hirnhautentzündung, an der Legionärskrankheit, durch den Epstein-Barr-Virus oder an anderen Infektionen.

RECOTHROM-Zulassung beantragt
BAYER hat bei der EU eine Zulassung für die zur Blutstillung bei Operationen bestimmte Arznei RECOTHROM beantragt. Das von ZYMOGENETICS entwickelte und vom Leverkusener Multi für den europäischen Markt einlizenzierte Präparat besteht aus dem mittels Gentechnik nachgebautem gerinnungshemmenden Enzym Thrombin und ist in den USA bereits seit Anfang 2008 erhältlich. In der Wirkungsweise unterscheidet es sich erheblich von dem ebenfalls zur Blutstillung bei OPs eingesetzten TRASYLOL, das BAYER wegen seiner lebensgefährlichen Nebenwirkungen nicht mehr vertreiben darf.

Deal mit MAXYGEN
Der Leverkusener Multi hat vom US-amerikanischen Biotech-Unternehmen MAXYGEN die Rechte an einem in der Entwicklung befindlichen Blutgerinnungspräparat erworben. Der Konzern stellt mit KOGENATE zwar selber ein solches Produkt her, aber bei 15 Prozent der Bluter bleibt es wirkungslos, weil ihr Organismus Abwehrstoffe gegen den Gerinnungshemmer ausbildet. Das MAXYGEN-Präparat hingegen soll gegen solche Antikörper gewappnet sein. Zudem hat BAYER sich durch den Deal den Zugriff eine Gentechnik-Forschungsplattform gesichert, die Ansatzpunkte für neue Medikamente bietet.

BAYERs Gen-Baumwolle genehmigt
Dass BAYERs Gentech-Baumwolle der Marke „LLCotton25“ einen höheren Anteil des Giftes Gossypol hat als konventionelle Pflanzen und einen niedrigeren an Vitamin E, stört die Europäische Union offenbar ebenso wenig wie die von dem Produkt ausgehende Gefahr für die Artenvielfalt. Im Oktober 2008 erlaubte die Brüsseler Kommission dem Konzern die Einfuhr der Baumwolle in die EU.

WASSER, BODEN & LUFT

BAYER-Altlasten im Grundwasser
In Wuppertal haben BAYER und die Stadt zwischen 1930 und 1950 einen ehemaligen Steinbruch an der Industriestraße als Müll-Deponie benutzt. 84.000 Kubikmeter Abfall kamen so zusammen, der das Grundwasser bis heute verunreinigt. Daran hat auch die 1990 vorgenommene Teil-Abdichtung nichts geändert. Deshalb steht nun eine Komplettsanierung an. Dichtungsbahnen aus Kunststoff sollen verhindern, dass Regenwasser in die Grube sickert und die Giftstoffe weiter in das Grundwasser spült. 850.000 Euro kostet das Ganze, das der Leverkusener Multi nicht alleine zahlen muss: Die Stadt Wuppertal und das Land Nordrhein-Westfalen beteiligen sich. Eine ebensolche Kraftanstrengung war vor Jahren in Leverkusen nötig, um die Dhünnaue-Deponie abzudichten.

Keine Kohlekraft nach Schwaben
Die Stadtwerke Schwäbisch Hall wollen sich aus Klimaschutzgründen nicht länger an dem Kohlekraftwerk beteiligen, das im Krefelder Chemiepark von BAYER geplant ist und 4,4 Millionen Tonnen Kohlendioxid ausstoßen soll. Die Energieerzeuger bauen stattdessen ein Biokraftwerk und erwägen die Mitfinanzierung eines Gaskraftwerks.

Altlasten in Wolfenbüttel
BAYER hat den Standort Wolfenbüttel aufgegeben (siehe KAPITAL & ARBEIT), aber Erinnerungsstücke hinterlassen. Als ArbeiterInnen den Labortrakt abrissen, stießen sie auf eine Altlast des Konzerns: 1.000 Kubikmeter pestizid-haltiges Erdreich! Der Wolfenbütteler BAYER-Betriebsleiter Christoph Sender konnte sich natürlich überhaupt nicht erklären, wie die Ackergifte in den Boden gelangen konnten, erklärte sich aber großzügigerweise bereit, für den Abtransport zu sorgen.

Keine weitere CO2-Senkung bis 2020
BAYER produziert jährlich 3,9 Millionen Tonnen Kohlendioxid. Dazu kommen noch die 3,6 Millionen Tonnen des klima-schädigenden Gases, die bei der Produktion der zugekauften Energie anfallen. Reduzieren will der Leverkusener Multi den CO2-Ausstoß bis auf Weiteres nicht. „Die absoluten Treibhausgas-Emissionen werden bis 2020 auf dem aktuellen Niveau verbleiben“, kündigte Forschungsvorstand Wolfgang Plischke bei der Vorstellung des jüngsten Nachhaltigkeitsberichtes des Unternehmens an.

Kohlekraft: ein Viertel für BAYER
Obwohl noch mehr als unklar ist, ob die Stadt Krefeld dem Bau eines Kohlekraftwerks auf dem Gelände des BAYER-Chemieparks zustimmt, hat Konzernchef Werner Wenning in einem Interview mit Euro am Sonntag schon einmal den Umfang der avisierten Energie-Lieferungen beziffert. Ein Viertel der Leistung von 800 Megawatt will der Multi abnehmen.

GIFTIG, ÄTZEND, EXPLOSIV

Bezirksregierung bessert nach
Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte BAYERs Pipeline-Projekt im Dezember 2007 das Allgemeinwohl abgesprochen. Deshalb erlaubte es zwar den Weiterbau, nicht aber die Inbetriebnahme der zwischen den Standorten Krefeld und Dormagen geplanten Kohlenmonoxid-Leitung. Die Bezirksregierung musste jetzt den Bedenken der RichterInnen in einem Planergänzungsverfahren Rechnung tragen. Im Oktober 2008 legte sie die Nachbesserungen vor, welche die Sache jedoch kaum besser machen (siehe auch SWB 4/08). Die BeamtInnen können nämlich auch jetzt nicht plausibel erklären, warum der Leverkusener Multi nicht einfach vor Ort eine Anlage zur CO-Erzeugung baut und flüchten sich in Falschaussagen. So behaupten die BürokratInnen einfach, es falle in Krefeld nicht genug Kohlendioxid für eine solche Fertigung an, obwohl der Konzern dort laut Schadstoffregister 1,15 Millionen Tonnen des Stoffes produziert. Wohl nicht zuletzt wegen solcher Schnitzer hält die Bezirksregierung die neun Gutachten, auf die sie sich bei den angemahnten Nachbesserungen gestützt hatte, unter Verschluss. Die Forderung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN nach Veröffentlichung der Expertisen lehnte die Behörde ohne Begründung ab.

Pfusch am Pipeline-Bau
BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline, welche die Standorte Dormagen und Krefeld verbinden soll, ist noch nicht einmal ganz fertig, da füllt die Mängelliste schon 23 Seiten. Die Initiative „Baustopp der BAYER-Pipeline“ dokumentierte „Pfusch am Bau“ wie Rohre, die trotz Arbeitsunterbrechung nicht abgedeckt waren, fehlerhafte Schweißarbeiten, rostige Leitungen und unsachgemäß angebrachte Gas-Melder. Der Leverkusener Multi erkennt die Beweiskraft der vorgelegten Fotos erwartungsgemäß nicht an. Es handle sich dabei nur um „Momentaufnahmen“, welche die Pipeline-GegnerInnen überdies „laienhaft“ interpretiert hätten, so BAYER.

Holländische Pipeline-Verhältnisse
In Holland sind die Sicherheitsvorschriften für Kohlenmonoxid-Pipelines viel strenger als in der Bundesrepublik. Während die von BAYER zwischen Dormagen und Krefeld verlegte Leitung bis auf drei Meter an Häuser herankommt, schreiben die Niederlande zu Wohnbebauung einen Abstand von 55 Meter vor und zu Kindergärten, Schulen und Altersheimen sogar einen von 175 Metern.

Kritik am Pipeline-Gefahrenplan
Der Duisburger Physik-Professor Michael Schreckenberg hat Kritik an dem Gefahrenabwehrplan geübt, der im Falle eines Unfalls an BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline zur Anwendung kommen soll. „Es gibt viele Ungereimtheiten“, so Schreckenberg. Der Hochschullehrer hält die Alarmierungszeiten von 15 Minuten für zu lang und rechnet im Fall eines Gasaustrittes mit einem Fluchtverkehr, der den Feuerwehren den Weg zum Unfallort versperren könnte. Auch die eigenen vier Wände sieht er nicht als Schutzraum an, wenn Häuser über Umluft-Anlagen verfügen, die das Kohlenmonoxid von draußen hereinholen.
Volkskrankheiten durch Bisphenol?
BAYER zählt zu den größten Herstellern der Chemikalie Bisphenol A, die in Alltagsgegenständen wie Mineralwasser- und Babyflaschen sowie Konservendosen enthalten ist. Die Substanz wirkt hormon-ähnlich und stört so die Entwicklung des Gehirns, Stoffwechselprozesse und die Fortpflanzungsfähigkeit. Eine Forschergruppe um David Melzer von der Peninsula Medical School in Barrack hat diesen „Risiken und Nebenwirkungen“ jetzt weitere hinzugefügt. Die WissenschaftlerInnen wiesen im Urin von DiabetikerInnen und Herzkranken überdurchschnittlich hohe Bisphenol-Werte nach. Die beiden Forscher Frederick vom Saal und John Peterson Myers übten daraufhin Kritik an den US-amerikanischen und europäischen Zulassungsbehörden, die anders als die kanadischen (SWB 2/08) noch immer keine Veranlassung für strengere Auflagen sehen. Dass die Ämter nicht reagieren, habe mit einer aggressiven Desinformationskampagne der Industrie zu tun, schreiben vom Saal und Myers in dem Fachjournal Jama (Bd. 300, S. 1353).

AGROSPRIT & PROFIT

Agrosprit verteuert Lebensmittel
BAYER profitiert direkt und indirekt vom Agrosprit-Boom. Einerseits betreibt der Leverkusener Multi in Tateinheit mit DAIMLER das Jatropha-Pflanzen-Projekt, andererseits bietet er maßgeschneidertes, besonders viel Tankfüllung produzierendes Saatgut an. In welchem Ausmaß der Agro-Kraftstoff die Nahrungsmittel verteuert, hat jetzt ein Bericht der Weltbank offen gelegt. Dem Institut zufolge hat die Nachfrage nach „Treibstoff-Pflanzen“ bei Lebensmitteln für einen Preisauftrieb in Höhe von 75 Prozent gesorgt.

STANDORTE & PRODUKTION

Mehr Kunststoffe aus China
In Shanghai hat eine neue BAYER-Anlage zur Herstellung des Kunststoffes MDI die Produktion aufgenommen, die auf eine Jahres-Kapazität von 350.000 Tonnen kommt. Zudem ging eine Fertigungsstätte für Polyurethan-Rohstoffe, die in der Wasserlack-Industrie Verwendung finden, in Betrieb. Damit nicht genug, begannen die Bauarbeiten für ein TDI-Werk, das der Leverkusener Multi im Jahr 2010 einweihen will.

Leuchtreklame am Hochhaus
BAYER reißt sein altes Verwaltungszentrum nicht ab, sondern nutzt es als Leuchtreklame. Der Leverkusener Multi bringt an den Außenwänden 5,6 Millionen Leuchtdioden an, die das Gebäude zu einem der größten Werbeträger der Welt machen - und zu einem der energie-intensivsten. Der Stromverbrauch liegt bei 1.800 Kilowattstunden pro Tag, und lediglich zehn Prozent dieses Bedarfes decken die auf dem Dach installierten Solarzellen.

ÖKONOMIE & PROFIT

Japanische Börse ohne BAYER
Im letzten Jahr hat der Leverkusener Multi sich von der US-Börse zurückgezogen. Nun verabschiedete sich der Konzern auch vom japanischen Aktien-Markt. Das geringe Handelsvolumen habe die mit dem Listing verbundenen Kosten nicht mehr gerechtfertigt, sagte BAYER-Finanzvorstand Klaus Kühn zur Begründung und verwies im Übrigen auf den globalisierten Handel mit den Anteilsscheinen, der eine Präsenz an allen Weltbörsen überflüssig mache.

Höhere Kosten, höhere Preise
Der Leverkusener Multi gibt die höheren Rohstoff- und Energiekosten, die allein im Kunststoffbereich 230 Millionen Euro ausmachen, zum großen Teil an seine Kunden weiter. „Das wird bis in den zweistelligen Bereich gehen“, kündigte BAYER-Chef Werner Wenning an.

BAYER Nr. 10
Mit einem Umsatz von 32 Milliarden Euro und 106.000 Beschäftigten nimmt BAYER in der Rangliste der größten bundesdeutschen Unternehmen den zehnten Platz ein.

BAYER im Stoxx 50
BAYER hat Aufnahme in den Stoxx 50 gefunden, einen Index, der die fünfzig kapitalträchtigsten Unternehmen aus dem europäischen Raum aufführt. Der Platz, der dem Leverkusener Multi mehr Aufmerksamkeit von Seiten der Aktien kaufenden Fondsgesellschaften garantiert, wurde durch die im Zuge der Wirtschaftskrise rapide an Wert verlierenden Finanztitel HBOS, LLOYD‘s und FORTIS frei.

IMPERIUM & WELTMARKT

Fibig neuer SCHERING-Chef
Der frühere PFIZER-Manager Andreas Fibig ist neuer Vorstandsvorsitzender von BAYER SCHERING. Sein Vorgänger Arthur Higgins bleibt Chef der Gesundheitssparte, zu der neben BAYER SCHERING noch die Diabetis- und Veterinärabteilung sowie der Bereich mit frei verkäuflichen Arzneien gehört.

Deutsch-brasilianischer Wirtschaftstag
Brasilien zählt zu den zehn größten Absatzmärkten BAYERs - gerade erst gab der Konzern Investitionen von 100 Millionen Euro in dem südamerikanischen Land bekannt. Darum durfte er auch bei den deutsch-brasilianischen Wirtschaftstagen nicht fehlen, die vom 24. bis zum 26. August in Köln stattfanden.

Deal mit MAXYGEN
Der Leverkusener Multi hat vom US-amerikanischen Biotech-Unternehmen MAXYGEN die Rechte an einem in der Entwicklung befindlichen Blutgerinnungspräparat erworben (siehe auch GENE & KLONE).

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Mehr Unfälle, mehr Sirenen
In Nordrhein-Westfalen ereigneten sich in diesem Jahr zahlreiche Chemie-Unfälle. Auch bei BAYER kam es zu einigen Störfällen. In Wuppertal wurde Ammoniak freigesetzt, in Bergkamen gelangte Thionylchlorid ins Freie und in Leverkusen drang aus einer undichten Leitung Chlor. Diese Störfälle haben das Bewusstsein für die Gefährlichkeit industrieller Anlagen geschärft und die Politik zum Handeln gezwungen. Es blieb allerdings bei einem symbolischen. Der Krisengipfel der nordrhein-westfälischen Landesregierung beschloss lediglich, mehr Sirenen aufzustellen, um die Bevölkerung besser warnen zu können, wenn es mal wieder einen großen Knall gegeben hat. Prophylaktische Maßnahmen wie eine strengere Aufsicht oder schärfere Auflagen für die Anlagen-Betreiber standen nicht auf der Tagesordnung.

RECHT & UNBILLIG

Anklage wg. Medicaid-Sozialbetruges
Der US-Bundesstaat Kansas hat Anklage gegen BAYER und andere Pillen-Riesen erhoben. Der Staatsanwalt Steve Six wirft Big Pharma vor, Medicaid, das staatliche Medikamenten-Hilfsprogramm für Bedürftige, durch überhöhte Arznei-Preisangaben betrogen zu haben. „Wir glauben, dass Kansas durch die betrügerischen Kalkulationen dieser Pharma-Unternehmen Millionen Dollar verloren hat“, sagte Six der Presse.

BAYER besticht
Der Leverkusener Multi hat in den USA elf Firmen, die medizinische Geräte vertreiben, mit insgesamt 2,8 Millionen Dollar bestochen, damit sie nur noch Blutzucker-Messgeräte aus dem Hause BAYER vertreiben. Doch der Schwindel flog auf - und wurde teuer. Der Konzern musste für die Bestechung eine Strafe von 97,5 Millionen Dollar zahlen und fügte seinem ellenlangen Sündenregister damit ein weiteres Kapitel zu.

Keine Steuerrückzahlung für BAYER
Der Leverkusener Multi vermeinte, für seine immer wieder durch Störfälle auffallende Niederlassung im US-amerikanischen Institute 457.000 Dollar zu viel Steuern gezahlt zu haben, und zog vor Gericht. Zunächst bekam der Konzern Recht zugesprochen, verlor jedoch in letzter Instanz. Die RichterInnen räumten zwar durchaus Berechnungsfehler ein, führten diese aber auf BAYERs mangelhafte Steuererklärung zurück und lehnten das Rückzahlungsbegehr ab. Der Landkreispräsident Kent Carper zeigte sich erleichtert über das Urteil. Wenn große Unternehmen mit großen Ressourcen sich nachträglich ihrer Steuerverpflichtungen entledigen könnten, müsste der normale Steuerzahler nämlich seiner Ansicht nach entsprechend mehr zahlen.

Institute: BAYER muss zahlen
Schon bevor BAYER 2001 das Werk im US-amerikanischen Institut erwarb, wo sich am 28. August eine schwere Explosion ereignete, wurde die Produktionsstätte wegen seiner Sicherheitsrisiken aktenkundig. Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA stellte so schwerwiegende Mängel wie überhöhte Emissionen, fehlerhafte Emissionsberichte sowie Verstöße gegen Vorschriften im Umgang mit gefährlichen Stoffen fest und forderte den Leverkusener Multi als Rechtsnachfolger zu einer Strafzahlung in Höhe von einer Million Dollar auf.

Ex-Beschäftigte verklagt BAYER
Nach zahlreichen Meldungen über Todesfälle musste BAYER am 8. August 2001 den Cholesterinsenker LIPOBAY vom Markt nehmen. Wie gefährlich das Mittel ist, wusste der Leverkusener Pharma-Riese allerdings schon lange vorher. Trotzdem vermarktete er das Medikament weiter. Darum betätigte sich jetzt eine ehemalige Angestellte als Whistleblowerin und verklagte den Konzern (siehe auch SWB 4/08).

1.200 Klagen wg. Genreis
Im Jahr 2006 fand sich genmanipulierter Reis von BAYER massenhaft in herkömmlicher Supermarkt-Ware wieder und löste damit einen der größten Gen-Gaus der letzten Zeit aus. Den Schaden, den die gegen das Herbizid LIBERTY resistente Sorte verursacht hatte, bezifferte GREENPEACE auf 1,2 Milliarden Dollar. Die Lebenmittel-Rückrufe schlugen dabei mit 253 Millionen zu Buche, die Exportverluste für die US-amerikanischen Reis-FarmerInnen in der Saison 2006/07 mit 254 Millionen und die für 2007/08 ca. mit 445 Millionen. Die LandwirtInnen zogen deshalb massenhaft vor Gericht. Auf 1.200 ist die Zahl der KlägerInnen mittlerweile angewachsen.

BAYER-Beschäftigter klagt
Den BAYER-Beschäftigten Rickey J. Carman machte die Arbeit krank, weshalb er den Leverkusener Multi verklagt hat. Carmans Aufgabe war es, am Standort Natrium im US-amerikanischen Marshall County für den Abtransport bestimmte Tanks mit dem Kunststoff-Zwischenprodukt Toluylendiisocyanat (TDI) zu befüllen oder die gelieferte flüssige Chemikalie aus den Behältern abzupumpen. Immer kam er dabei mit der Substanz in Berührung, denn es leckte gehörig aus den Leitungen, so dass sich permanent ein Chemie-Nebel verbreitete. Da TDI das zentrale Nervensystem angreifen kann, blieb das nicht ohne Folgen. Der Arbeiter bekam eine Depression und litt zudem unter Übelkeit, Kopfschmerzen und Gedächtnisverlust. Das alles hätte dem US-Amerikaner erspart bleiben können, wenn BAYER die TDI-Produktion in Natrium aufrechterhalten hätte, statt den Stoff aus Kostengründen per Zug, LKW oder Pipeline anliefern zu lassen. Aber der Konzern verzichtete wie im Fall „Kohlenmonoxid“ auf eine Fertigung im Werk selbst.

Noch eine TRASYLOL-Klage
Im November 2007 musste BAYER das zur Blutstillung bei Operationen eingesetzte Medikament TRASYLOL vom Markt nehmen (SWB 4/07). Die Nebenwirkungen reichten von Nierenversagen über Schlaganfälle bis hin zu Herzinfarkten. Peter Sawicki vom „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ zufolge starben an der BAYER-Arznei allein in der Bundesrepublik jährlich 300 Menschen; weltweit geht die Zahl der Toten in die Zehntausende. Ca. 100 Klagen auf Schadensersatz sind den Justizbehörden bislang eingegangen. Im Oktober 2008 kamen noch zwei dazu. Die US-AmerikanerInnen Gary Harms und Linda Kopsie verlangen zwei Millionen Dollar Schmerzensgeld vom Leverkusener Multi. Linda Kopsie macht den Konzern für den Tod ihres an Nierenversagen gestorbenen Mannes verantwortlich, und Harms fordert eine finanzielle Entschädigung für sein Nierenleiden ein.

Irreführende ASPIRIN-Werbung
BAYER hat in den USA eine Kombination seines „Tausendsassas“ ASPIRIN mit dem hauptsächlich als Nahrungsergänzungsmittel verwendeten Phytosterol auf den Markt geworfen und bewirbt den Mix als „best of both worlds“: gleichzeitig cholesterinsenkend und einem Herzinfarkt vorbeugend. Die US-Gesundheitsbe

Sponsoring

CBG Redaktion

3. Juli 2008

Offener Brief an Bernd Siggelkow, Kinderhilfswerk Arche

Sehr geehrter Pastor Siggelkow,

sogar hier in Köln ist Ihre Arbeit bekannt und wir beglückwünschen Sie zu Ihren Erfolgen im Kampf gegen Kinderarmut, Verwahrlosung und Hunger!
Dennoch sehen wir es kritisch, dass Sie mit dem Leverkusener Bayer-Konzern eine Kooperation eingegangen sind.
Ich denke, es ist unstrittig, dass es Unternehmen bei solchen Kooperationen nicht um soziales Engagement geht, sondern um ein verbessertes Image, also um Werbung. Dies spricht die Firma Bayer auch offen aus: Gegenüber Studenten einer Fotografie-Klasse, die ursprünglich ebenfalls für die Kampagne gewonnen werden sollten, wurde die geplante Kooperation als „Teil einer Social Marketing Kampagne“ bezeichnet, die die Öffentlichkeitsarbeit der Firma unterstützen solle. Die Studenten lehnten das Angebot trotz guter finanzieller Dotierung ab, da sie sich nicht von Bayer instrumentalisieren lassen wollten.
Der Bayer-Konzern steht seit Jahrzehnten wegen seiner oftmals verantwortungslosen Geschäftspolitik in der Kritik. Lobbyisten des Konzerns bekämpfen nahezu sämtliche Anstrengungen zum Umweltschutz. Bayer produziert zahlreiche hochgefährliche Produkte und emittiert große Mengen von Schadstoffen und Treibhausgasen. Und sogar im Bereich Kinderarmut ist Bayer nicht „unschuldig“: im indischen Saatgut-Anbau arbeiteten Tausende von 6-14jährigen Kindern für minimale Löhne bei Zulieferern des Unternehmens. Diese Praxis änderte sich erst, als indische und deutsche Organisationen öffentlich auf die Mißstände hinwiesen.
Bayer ist weltweit der größte Pestizid-Hersteller. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO erleiden jährlich mehrere Millionen Menschen schwere Pestizid-Vergiftungen, bis zu 200.000 Fälle verlaufen tödlich. Die Welternährungsorganisation FAO spricht von einer ”Umwelttragödie”. Viele der gefährlichsten Wirkstoffe kommen von Bayer.
Bayer ist größter Produzent der hormonaktiven Chemikalie Bisphenol A, die leider auch in Babyflaschen, Kinderspielzeug, Konservendosen, etc eingesetzt wird. Hierdurch werden insbesondere Kinder gefährdet. Umweltverbände und auch das Umweltbundesamt fordern seit vielen Jahren, risikoreiche Anwendungen von BPA zu verbieten – können sich aber nicht gegen die Industrielobby durchsetzen.
Besonders problematisch ist der Pharma-Bereich des Konzerns, zu dem auch Bayer Vital gehört (Bayer Vital ist verantwortlich für die Bepanthen-Kinderförderung). Ganz aktuell ist der Fall Trasylol: erst im vergangenen Herbst nahm Bayer Trasylol vom Markt, obwohl die Risiken des Präparats (Nierenversagen, Herzinfarkt, Schlaganfall) seit langem bekannt waren und ungefährlichere Alternativen verfügbar sind. Nach Schätzungen des US-Mediziners Dennis Mangano, dessen Studien zum Aus von Trasylol führten, hätten durch einen früheren Rückzug von Trasylol allein in den vergangenen zwei Jahren 22.000 Todesfälle verhindert werden können.
Es gibt zahlreiche weitere Beispiele – von der Erfindung und jahrzehntelangen Vermarktung des „Hustenmittels“ Heroin (dieses wurde von Bayer 1898 gemeinsam mit Aspirin auf den Markt gebracht), den zahlreichen Todesfällen durch „Lipobay“ bis hin zur Infektion Tausender Bluter mit HIV durch Blutprodukte von Bayer. Ausführliche Informationen zu Dutzenden weiterer Beispiele finden Sie unter www.CBGnetwork.org .
Die Arche ist nicht der einzige Partner von Bayer im Sozial-Bereich. Das Unternehmen ging Dutzende von Kooperationen mit Umweltgruppen, medizinischen Fachgesellschaften, Selbsthilfegruppen und sogar den Vereinten Nationen ein. Besonders wertvoll für Bayer sind hierbei „glaubwürdige Partner“ wie eben die Arche. Reale Veränderungen der Geschäftspolitik von Bayer resultieren aus diesen Projekten jedoch nicht.
Sie können einwenden, dass Sie mit dem Geld von Bayer etwas Sinnvolles anstellen, und natürlich stellen wir dies nicht in Zweifel. Sie werden aber durch diese Kooperation ein Teil des Bayer-Marketings, mit dessen Hilfe das Unternehmen Probleme in anderen Bereichen überdecken will.
Die Firma nutzt diese Kooperationen in ihrer Außendarstellung weidlich - z.B. auf ihrer homepage, dem Geschäftsbericht und zahllosen Werbebroschüren. Kritische Anfragen von Journalisten oder engagierten Privatpersonen kontert Bayer routinemäßig mit Verweisen auf eben solche Kooperationen. Hieran zeigt sich noch einmal, dass das vorgebliche Engagement nichts weiter ist als ein Bestandteil des Konzern-Marketings.
Uns ist bewusst, dass die Ablehnung von Fördergeldern schmerzlich ist. Trotzdem möchten wir Sie bitten, die Kooperation mit Bayer noch einmal zu überdenken. Gerne stehen wir für Rückfragen zu Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen,

Philipp Mimkes
Coordination gegen BAYER-Gefahren
www.CBGnetwork.org
Tel 0211-333 911, Fax 0211-333 940

Trasylol

CBG Redaktion

Heute wurde im New England Journal of Medicine eine kanadische Studie veröffentlicht, wonach die Sterberate bei Trasylol-Patienten mehr als 50 Prozent höher liegt als bei Herzkranken, die mit anderen Medikamenten behandelt werden. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren weist seit langem auf die Risiken von Trasylol hin. Lesen Sie hierzu:

=> Interview: „Massive Nebenwirkungen von TRASYLOL lange bekannt“
=> Früherer Stopp von Trasylol hätte 22.000 Menschenleben gerettet
=> Presse Info: „Aus Lipobay-Skandal nichts gelernt“
=> Artikel Zweifelhaftes Pharma-Marketing bei BAYER

15. Mai 2008

Bayer nimmt sein umstrittenes Herzpräparat Trasylol praktisch vollständig vom Markt

Die US-Arzneimittelaufsicht FDA erklärte am Mittwoch, Bayer habe angekündigt, in den Vereinigten Staaten die noch vorhandenen Bestände einzuziehen. Das Medikament solle künftig nur noch zu Studienzwecken für bestimmte Patienten verfügbar bleiben, die keine akzeptablen Alternativen hätten. Die Behörde befürworte die Entscheidung, Trasylol komplett aus dem regulären Gebrauch in den USA zu nehmen.
Eine Bayer-Sprecherin erklärte, die Bestände des Präparats würden in allen Ländern eingezogen, in denen sie sich noch in der Lieferkette befänden. Davon ausgenommen seien nur Staaten, in denen die Behörden das Mittel für Sonderprogramme auf dem Markt halten wollten.
Zuvor hatte das Fachblatt „New England Journal of Medicine“ die Ergebnisse einer lange erwarteten Studie veröffentlicht, derzufolge die Sterberate bei Trasylol-Patienten mehr als 50 Prozent höher liegt als bei Herzkranken, die mit anderen Medikamenten behandelt werden. Das bedeute höchstwahrscheinlich das Ende des auch unter dem Wirkstoff-Namen Aprotinin bekannten Mittels, folgerten die Autoren der kanadischen Untersuchung. „Auch wenn die Existenz einer Patientenklasse, denen Aprotinin nutzen würde, nicht unmöglich ist, erscheint sie äußerst unwahrscheinlich“, führten sie aus.
Bayer hatte den Vertrieb von Trasylol im November wegen zunehmender Hinweise auf ein erhöhtes Sterberisiko zunächst ausgesetzt. Das Medikament, mit dem Bayer jährlich gut 150 Millionen Euro umsetzte, wurde bei bestimmten Herzoperationen eingesetzt, um den Blutverlust zu verringern.

Lipobay

CBG Redaktion

Presse Information vom 15. Februar 2008
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Lipobay: BAYER muss erstmals Schadensersatz zahlen

Argentinisches Gericht schafft Präzedenzfall / strafrechtliche Konsequenzen gefordert

Ein Gericht in der argentinischen Stadt Rosario hat erstmals einem Lipobay-Geschädigten Schadensersatz zuerkannt. Der Kläger, Carlos Potocnik, litt nach Einnahme des Cholesterin-Senkers unter Muskelzerfall, der zu schweren Nierenschäden und einer dauerhaften Behinderung führte. In den bisherigen Verfahren war der BAYER-Konzern, der Hersteller von Lipobay, einer Verurteilung stets mit Hilfe von Vergleichen zuvorgekommen.

Die zuständige Richterin Sylvia Aramberri verwies darauf, dass die Firma BAYER die Nebenwirkungen von Lipobay im Vorhinein kannte, diese jedoch bewusst in Kauf genommen hat. Der Schadensersatz in Höhe von 160.000 Peso (knapp 40.000 Euro) setzt sich aus Schmerzensgeld, Behandlungskosten sowie entgangenem Lohn zusammen. Potocnik hatte ursprünglich 570.000 Peso gefordert.

Mindestens hundert Personen in aller Welt waren an Nebenwirkung von Lipobay gestorben. Tausende von Prozessen endeten mit Vergleichen, bei denen der Konzern offiziell keine Schuld anerkannte. Ein Vertrag, der kürzlich einer Lipobay-Geschädigten aus Bayern vorgelegt wurde, zeigt, wie die Betroffenen zum Schweigen verpflichtet werden. Darin heißt es: „Mit BAYER wurde ein Vergleich geschlossen. Über den Inhalt und die Umstände wurde Stillschweigen vereinbart. Weiter möchte ich daher zu dem Thema des Vergleichsabschlusses keine Stellung nehmen“. Bei Zuwiderhandlungen droht eine Vertragsstrafe in Höhe des Abfindungsbetrages.

Die Entscheidung in Argentinien wirft auch Fragen nach der Verantwortung des Managements auf. Hubert Ostendorf von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Das Gericht hat eindeutig ein schuldhaftes Verhalten der Verantwortlichen bei BAYER festgestellt. Da es zu Dutzenden von vermeidbaren Todesfällen kam, müssen nun strafrechtliche Konsequenzen gezogen werden.“ Die Coordination gegen BAYER-Gefahren bemängelt, dass einseitige Gewinnmaximierung nicht Maxime des Gesundheitssystems sein dürfe. Der Verband fordert ein demokratisch kontrolliertes und ethisch vertretbares Gesundheitssystem.

BAYER hatte den von weltweit sechs Millionen Menschen eingenommenen Cholesterin-Senker im Jahr 2001 vom Markt genommen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Risiken lange bekannt gewesen. Bereits in der ersten Test-Phase hatte die Lipobay-Version mit einer 0,8 Milligramm-Dosis, wie sie auch Carlos Potocnik verschrieben wurde, zu Muskelzerfall und Nierenversagen geführt - etwa zehn mal häufiger als bei Produkten der Konkurrenz. In Japan klagten Probanden über so starke Nebenwirkungen, dass der leitende Arzt die Studie einstellen wollte. Selbst ein BAYER-Mitarbeiter riet angesichts des stark erhöhten Risikos dazu, „den Marketing-Enthusiasmus zu dämpfen“. Die Verantwortlichen im Konzern hatten sich davon unbeeindruckt gezeigt und Lipobay in den USA und Südamerika mit der 0,8 Milligramm-Dosis herausgebracht. In Europa blieb es bei der ungefährlicheren Dosis von 0,3 oder 0,4 Milligramm pro Tablette. Vergleiche und Entschädigungszahlungen kosteten BAYER bislang mehr als eine Milliarde Euro.

weitere Informationen:
Ein Artikel der argentinischen Zeitung La Capital
deutsche Übersetzung des Artikels von La Capital
Artikel „BAYER speist Pharma-Opfer ab“
Artikel der New York Times „Bayer Knew of Dangers of Its Cholesterol Drug”