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Beiträge verschlagwortet als “Lipobay”

[Rede Rainer Kau] Hauptversammlung 2002

CBG Redaktion

Rede Rainer Kau, ver.di

Sehr geehrte Damen und Herren,

250 Millionen Euro der Dividende, die hier und
heute trotz des Lipobay-Desasters zur Verteilung
anstehen, stammen als Rückzahlung von Körper-
schaftssteuern des Landes NRW direkt aus
öffentlichen Kassen.

Sie werden als Folge der Steuerreform der rot-
grünen Bundesregierung aus den Steuergro-
schen der ArbeitnehmerInnen unseres Landes
und den von kleinen und mittleren Unternehmen,
die übrigens im Gegensatz zu Bayer Arbeits-
plätze schaffen und nicht abbauen, direkt in Ihre
Taschen umverteilt.

Dies ist ein sozialpolitischer Skandal erster Güte
und auch der Grund, warum ich als Gewerk-
schaftssekretär von ver.di im Rheinland und als
PDS-Bundestagskandidat hier die Proteste der
Kritischen Aktionäre unterstütze.

Die politische Verantwortung dafür, dass große Unternehmen immer weniger Ertragssteuern zahlen, liegt unmittelbar bei der Bundesregierung, und es ist ihr Recht, die politisch geschaffenen Steuerschlupflöcher weitestgehend auszunutzen. Zwischen dieser unsozialen Steuerpolitik und der Bayer AG gibt es jedoch eine enge Verbindung in der Person des Finanzstaatssekretärs Zitzelsberger, der vor seinem Eintritt in die Politik die Steuerabteilung von Bayer leitete. Vorstandsvorsitzender Schneider hat selbst Herrn Zitzelsberger als Bayers Beitrag zur Steuerpolitik bezeichnet, und es mag sein, dass sie meine erste Frage an den Vorstandsvorsitzenden als rhetorisch abtun werden.

Herr Schneider, ich möchte sie fragen, ob sie diesen Beitrag zur Steuerpolitik ernsthaft für vereinbar mit der im Grundgesetz festgeschriebenen Sozialpflichtigkeit des Eigentums halten.

150 Millionen Ertragssteuern bei einem Gewinn von über einer Milliarde Euro hat Bayer im vergangenen Jahr noch gezahlt, fast eine Milliarde Mark weniger als im Vorjahr. Und von einer

effektiven Steuerbelastung von 15 Prozent können die
Beschäftigten, die ich tagtäglich vertretenur träumen, denn
das Lohnsteueraufkommen ist stetig gestiegen, während
die Konzerne von rot-grün restlos aus der sozialen Verant-
wortung entlassen wurden.

Die Bundesregierung geht davon aus, dass diese Steuer-
entlastungen in den Unternehmen für die Schaffung neuer
Arbeitsplätze verwandt werden. Auch im Namen der
Bundestagsabgeordneten Ulla Lötzer, die sehr bedauert,
ihnen wegen der Sitzungswoche des Bundestages diese
Frage nicht selbst stellen zu können, möchte ich sie fragen, Herr Schneider, ob sie dieses wirtschaftspolitische Kalkül
der Bundesregierung für zutreffend halten, und woran es
aus ihrer Sicht liegt, dass es nicht aufgeht, wie der Anstieg
der Arbeitslosigkeit im vergangenen Jahr zeigt. Weiter
möchte ich konkret wissen, wie viele neue Arbeitsplätze die Bayer AG mit den im Geschäftsjahr 2001 gesparten Steuern geschaffen hat,
beziehungsweise wie viele Arbeitsplätze im Konzern abgebaut wurden.

Weitere 45 Millionen Euro ihrer Dividende stammen ganz konkret aus Gewerbesteuerminderein-
nahmen im Haushalt der Stadt Leverkusen. 45 Millionen Euro, nicht einmal 5 % des Konzerngewinns, sind aus Sicht der Bayer AG vielleicht eher Peanuts, für die verschuldete Kommune ganz bestimmt nicht. Die Leverkusener Stadtkasse ist so leer, dass die Stadt, deren Infrastruktur und Dienstleistungs-
angebot nicht zuletzt auch der Bayer AG zu Gute kommt, nicht einmal mehr die für die Teilnahme an Landesprogrammen zur Verbesserung der bekannt desolaten Situation an den Schulen erforderlichen Eigenbeträge aufbringen kann.

Langfristig werden diese heute gesparten 45 Millionen jedoch auch die Bayer AG teuer zu stehen kommen, denn auch Bayer braucht gut qualifizierte Beschäftigte aus der Region. Solche Steuer-
vermeidungspolitik kommt kurzfristig ihren Bankkonten zu Gute, mittelfristig sägen sie, meine Damen und Herren, damit aber an dem Ast auf dem nicht nur sie selber sitzen. Denn ohne eine Kommune, die in Ausbildung und leistungsfähige Infrastruktur investieren kann, hat auch ihr Unternehmen keine Zukunft. Deshalb möchte ich sie abschliessend fragen, auf welche Weise sie künftig zum Erhalt und Ausbau der kommunalen Infrastruktur und des Bildungsangebotes beitragen wollen.

[Rede Axel] Bayer HV 2012

CBG Redaktion

Rede von Axel Köhler-Schnura (gekürzte Fassung)

Meine Damen und Herren, guten Tag,

mein Name ist Axel Köhler-Schnura. Ich bin ehrenamtlich im Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren und Gründungsmitglied des Dachverbandes der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.

Heute stehe ich seit 30 Jahren an diesem Mikrofon und nehme meine Rechte als Aktionär wahr.

Sicher nicht zur Erbauung der GroßaktionärInnen und auch nicht zur Freude der Verantwortlichen im Konzern, das ist wohl wahr. Ich beleuchte die Geschäftstätigkeit eher kritisch, rücke die Kehrseiten der BAYER-Profite ins Rampenlicht.

Doch Vorwürfe, wie sie von Herrn Dekkers kommen, und dann auch noch mit exakt den gleichen Worten, wie bei Herrn Wenning, Herrn Schneider, Herrn Strenger und den anderen Vorsitzenden vor ihm, dass wir kritischen AktionärInnen das Mikrofon als Polit-Bühne missbrauchen würden, muss ich doch mit aller Entschiedenheit zurückweisen. Solche Behauptungen sind nichts als der hilflose Versuch, die von mir und anderen kritischen AktionärInnen vorgetragene Kritik an der Arbeit des Konzerns in Zweifel zu ziehen bzw. unglaubwürdig zu machen.

Meine Damen und Herren,
wir sprechen hier stets völlig korrekt zur Sache, zur aktuellen Geschäftstätigkeit des Konzerns. Ich kann nichts dafür, dass all die Skandale, Vergehen und auch Verbrechen, die wir vortragen, mit eben dieser Geschäftstätigkeit verbunden sind. Dafür sind die Vorstände und Aufsichtsräte verantwortlich und nicht wir, die wir das kritisieren.

Meine Damen und Herren,
heute leitet Herr Schneider zum letzten Mal die Hauptversammlung. Ich möchte es mir nicht nehmen lassen, dazu auch etwas zu sagen. Immerhin wird Ihr Name, Herr Schneider, laut der Biografie auf der BAYER-Internetseite „mit einer der größten strukturellen Veränderungen in der Geschichte des BAYER-Konzerns verbunden.“

Herr Schneider, immer wieder haben Sie anlässlich meiner Redebeiträge in den vergangenen zwanzig Jahren festgestellt, dass wir beide „wohl keine Freunde werden“. Das ist sicher auch heute nicht anders. Und: Sie haben Sie recht damit.
Offen gelassen haben Sie jedoch immer, weshalb das so ist?

Meine Damen und Herren,
ich sage es Ihnen: Herr Schneider und ich, wir stehen auf verschiedenen Seiten, wir spielen in verschiedenen Mannschaften.

Sie, Herr Schneider, sagen (ich zitiere): „Wir sind auf Profit aus. Das ist unser Job.“

Ich sage, um in Ihrer Wortwahl zu bleiben: „Ich bin auf demokratische Konzern-Kontrolle aus. Das ist mein Job.“
Da trennen uns in der Tat Welten.

Das wiederum brachte der neue Aufsichtsratsvorsitzende, Herr Wenning , im Klartext auf den Punkt, als er im Jahr 2010 meinte, dass meine Forderung nach demokratischer Kontrolle doch „tief blicken“ ließe und ein „fragwürdiges Verständnis für Demokratie zum Ausdruck“ bringe.

Damit machte Herr Wenning deutlich, dass die Verantwortlichen bei BAYER, ein gebrochenes Verhältnis zur Demokratie haben. Sie missachten das Grundgesetz und die Verfassung von NRW, die beide die Pflicht zum Gemeinwohl vorschreiben und eben demokratische Kontrolle vorsehen. Sie outen sich als Feinde der Demokratie, indem Sie den Profit über das Gemeinwohl stellen. Sie praktizieren die offene Diktatur des Profits.

Herr Schneider, Sie wurden journalistisch als „König der Deutschland AG“ tituliert und vom Handelsblatt zum „Topverdiener des Landes“ gekürt. Damit tragen Sie maßgeblich Verantwortung für das Klima der Ausbeutung und der sozialen Kälte in unserem Land. Da kann es in der Tat keine Freundschaft geben.
Entsprechend das Abschiedsgeschenk der Coordination gegen BAYER-Gefahren. Dieses Geschenk entspringt den unsäglichen Umwelt-, sozialen und anderen Verbrechen, die Sie, Herr Schneider, in Ihrer Amtszeit zu verantworten haben und an die ich mit einigen ausgewählten Beispielen erinnern möchte:

- Da sind die vielen Opfer, die Lipobay nicht überlebt haben oder noch heute mit Gesundheitsschäden kämpfe.
- Da ist die würdelose und beschämende Abwehr der Entschädigungen für die IG-Farben-Opfer durch Ihre hinter dem Rücken der Öffentlichkeit eingefädelte Winkeladvokatsstiftung.
- Da ist die Ausrichtung des Konzerns auf eine einzige Maxime: Gewinn und Profit. In der bereits erwähnten BAYER-Biografie über Sie wird das als „Ausrichtung auf das Kerngeschäft“ gefeiert.
- Tatsächlich damit verbunden die Vernichtung tausender Arbeitsplätze, die unmenschliche Verdichtung der Arbeit und gigantischer Sozial- und Lohnraub.
- Da ist der verfassungsfeindliche Piratenakt, mit dem Sie Ihren Finanzchef Zitzelsberger in das Finanzministerium hievten, nur um die Steuern für Konzernprofite abzusenken und sich sogar noch aus der Steuerkasse in Milliardenhöhe zu bedienen.
- Und schließlich ist da der gewissenlose Bruch des von Ihnen, Herr Schneider, im Jahr 1995 gegenüber der Weltöffentlichkeit gegebenen Versprechens, mit dem Sie zugesagt hatten, bis zum Jahr 2000 sämtliche hochgefährlichen BAYER-Pestizide der Klasse I von den globalen Märkten zu nehmen. Bis heute ist dieses Versprechen nicht eingelöst.

Herr Schneider, alleine die Verweigerung der Einlösung Ihres persönlichen Versprechens hatte zigtausende von Toten und Vergifteten zur Folge. Sie kennen die Zahlen besser als ich. Die Internationale Arbeitsorganisation ILO spricht von jährlich 2,5 bis 5,0 Mio. Vergifteten und 40 Tsd. Toten. Der BAYER-Konzern ist Marktführer, die Klasse I Pestizide von BAYER sind verantwortlich für den Löwenanteil an diesen Opferzahlen.

Was ist nun unser Geschenk? Nein, nicht ein Fläschchen Dioxin-verseuchtes Blut eines BAYER-Opfers, wie es einer Ihrer Vorgänger von uns bekam . Ich überreiche Ihnen zum Abschied stellvertretend für alles, was Sie in Ihrer aktiven Zeit bei BAYER zu verantworten haben, ein etwas anderes BAYER-Kreuz. Es ist eines der Kreuze, das wir in den letzten 35 Jahren bei vielen unserer Protest-Aktionen zum Gedenken an die zahllosen Opfer der BAYER-Produkte und der Vernichtung der tausenden von Arbeitsplätzen bei BAYER eingesetzt haben. Möge es Ihnen Erinnerung und Mahnung zugleich sein.
Vielen Dank.

Antwort

des Vorstandsvorsitzenden des BAYER-Konzerns, Dr. Marijn Dekkers, auf die Rede von Axel Köhler-Schnura (auszugsweise, zitiert nach Erinnerung)
Herr Köhler-Schnura, zunächst möchte ich Ihnen gratulieren, dass Sie seit 30 Jahren hier sprechen. Doch muss ich sagen: Wir spielen nicht nur in unterschiedlichen Mannschaften, wir sind auch in unterschiedlichen Ligen. Wir stehen unverbrüchlich zur parlamentarischen Demokratie und zur sozialen Marktwirtschaft. Wir wissen, dass Sie da ganz andere Ansichten haben, Sie missbrauchen ja auch das christliche Symbol des Kreuzes. Nachweislich haben Sie sich lustig gemacht über einen Evangelischen Kirchentag. Da erübrigt sich jede weitere Antwort zu Ihrem Beitrag.“

Anmerkungen
1 Herr Dekkers ist Vorstandsvorsitzender seit 2010. Vor ihm war Herr Wenning Vorsitzender von 2002 bis 2010. Davor war Herr Schneider Vorsitzender von 1992 bis 2002. Und da davor Herr Strenger von 1984 bis 1992. Sie alle verwendeten ähnliche oder gleiche Formulierungen.

2 Dr. Manfred Schneider (Jg. 1938) war Vorsitzender des Vorstands von 1992 bis 2002 und Vorsitzender des Aufsichtsrates von 2002 bis 2012. Er bündelte auch darüber hinaus durch zahlreiche Mandate Macht in seinen Händen. Er galt zeitweise als „mächtigster Mann Deutschlands“ und ist auch heute noch einer der einflussreichsten Wirtschaftsbosse.

3 Werner Wenning war Vorstandsvorsitzender des BAYER-Konzerns von 2002 bis 2010. Da die öffentliche Debatte um die Macht der Konzernherren es mit sich brachte, dass der direkte Wechsel vom Vorstandsvorsitz in den Aufsichtsratsvorsitz durch eine Neufassung des Aktiengesetzes unterbunden wurde (Karenzzeit), wurde er zwei Jahre „geparkt“ und rückt nun in den Aufsichtsratsvorsitz ein.

4 Dr. Manfred Schneider enthält für seine Tätigkeit als Vorsitzender des BAYER-Aufsichtsrats eine Vergütung von ausgewiesenen 270 Tsd. Euro. Darüber hinaus war Schneider in weiteren vier Aufsichtsräten vertreten (DAIMLER (bis April 2011), LINDE (Vorsitzender des AR), RWE (Vorsitzender des AR) und TUI (bis Februar 2011). Bei Linde erhielt er 417 Tsd. Euro (ausgewiesen), bei RWE waren es 350 Tsd. Euro (ausgewiesen).

[Pharma] Hauptversammlung 2014

CBG Redaktion

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hat heute Gegenanträge zu gefährlichen Pharmaprodukten zur BAYER-Hauptversammlung am 29. April in Köln eingereicht. Die Gegenanträge werden auch auf der website des Konzerns veröffentlicht.

Gegenantrag zu TOP 2: Der Vorstand wird nicht entlastet

Der BAYER-Konzern vermarktet eine Vielzahl gefährlicher Pharma-Produkte. Der Vorstand trägt hierfür die Verantwortung, weswegen ihm die Entlastung zu verweigern ist. Es folgt eine Auswahl aktueller Problemfälle.

Medikamente nur für Reiche
Der BAYER-Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers äußerte sich im Dezember zur Einführung des Krebsmittels NEXAVAR wie folgt: „Wir haben dieses Medikament nicht für den indischen Markt entwickelt, um ehrlich zu sein. Wir haben es für Patienten im Westen entwickelt, die es sich auch leisten können.“
Die Aussage von Herrn Dekkers bietet einen aufschlussreichen und zugleich erschreckenden Blick in das Innenleben der Pharmaindustrie: nicht medizinische Notwendigkeiten sind entscheidend bei der Entwicklung neuer Präparate, sondern allein der Profit. BAYER geht es nicht darum, dass viele Menschen von einem Medikament profitieren. Vielmehr wird die Forschungs- und Verkaufspolitik gezielt so gestaltet, dass die höchsten Preise erzielt werden können - unabhängig davon, wie vielen Menschen dadurch der Zugang zu Medikamenten verwehrt bleibt.
Da die Pharmaindustrie für das Marketing weit mehr ausgibt als für die Forschung, zielt auch das Argument ins Leere, wonach die hohen Preise für die Entwicklung neuer Präparate notwendig wären. BAYER gibt für Vertrieb und Marketing über zehn Milliarden Euro aus - etwa das Dreifache der Forschungsausgaben.

Risiken von XARELTO
Weiterhin drückt BAYER mit allen Mitteln den neuen Gerinnungshemmer XARELTO in den Markt – auch für Indikationen, bei denen eine Wirksamkeit nicht belegt ist.
So gibt es bislang keine Studien, die bei der Behandlung von Vorhofflimmern einen Vorteil von XARELTO gegenüber gut eingestellten Marcumar-Patienten nachweisen. Das unabhängige arznei-telegramm rät von einer Verordnung daher generell ab. XARELTO reduziere weder Schlaganfälle plus systemische Embolien noch die Rate relevanter Blutungen. Dass das Medikament unter den neuen Gerinnungshemmern die höchsten Verschreibungszahlen aufweist, sei nur durch das exorbitante Marketing und durch Einflussnahme auf medizinische Fachgesellschaften erklärbar.
Auch zur Behandlung des Akuten Koronarsyndroms (ACS) ist XARELTO nicht zu empfehlen. Die US-Behörde FDA verweigerte wegen der mangelhaften Qualität der von BAYER vorgelegten Studien hierfür gar die Zulassung. Bei über 10% der Patien-ten war der Beobachtungszeitraum so knapp bemessen, dass am Studien-Ende nicht einmal bekannt war, ob der Patient noch lebt. Zudem ergab eine stichprobenartige Überprüfung der Primärdaten, dass mehrere Todesfälle unter XARELTO unter den Tisch gefallen waren. Hinzu kommt, dass das Ergebnis durch Ausschluss uner-wünschter Daten - offenbar bewusst - verzerrt wurde.
Derweil explodiert die Zahl der gemeldeten Nebenwirkungen. Laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) wurden im vergangenen Jahr für XARELTO 133 tödliche Verläufe und 1400 schwere Nebenwirkungen registriert.
Es darf nicht sein, dass BAYER aus Profit-Gründen ein Medikament vermarktet, an dessen Sicherheit es erhebliche Zweifel gibt. Der Konzern sollte aus den Skandalen mit LIPOBAY, TRASYLOL und YASMIN gelernt haben. Präparate, die gegenüber älteren Mitteln keinen Vorteil bieten, sollten grundsätzlich nicht zugelassen werden.

Gefährliche Antibaby-Pillen
Antibabypillen mit dem Wirkstoff Drospirenon haben gegenüber älteren Pillen ein zwei- bis dreifach erhöhtes Thrombose- und Embolierisiko. Allein in Deutschland lie-ßen sich pro Jahr rund 250 schwere Embolien vermeiden, wenn alle Frauen mit Kontrazeptiva der 2. Generation verhüten würden.
Obwohl BAYER alles tut, um den vielen Tausend Opfern (darunter hunderte von To-desfällen) die Entschädigung zu verweigern, hat der Konzern inzwischen 1,7 Milliarden Dollar an über 8.000 betroffene Frauen gezahlt. Trotzdem verweigert der Konzern eine Entschuldigung und hält an der Vermarktung fest. Zynischerweise gehört BAYER sogar zu den Sponsoren des „Weltthrombosetags“, der auf die Risiken von Thromboembolien aufmerksam machen soll.

Antibiotika in der Tierzucht
Zwar ist die Menge der in der Tierzucht eingesetzten Antibiotika leicht rückgängig. Weiterhin werden jedoch in der Intensiv-Tierhaltung rund sieben Mal so viele Bakterizide eingesetzt wie in der Humanmedizin. Und ausgerechnet die Verwendung des von BAYER vertriebenen Präparats BAYTRIL aus der Klasse der Fluorchinolone wächst: die jüngsten verfügbaren Zahlen zeigen in Deutschland einen Anstieg um 25% gegenüber dem Vorjahr.
BAYTRIL ist eng verwandt mit den in der Humanmedizin verwendeten Reserve-Antibiotika Ciprofloxacin und Moxifloxacin. Durch den massenhaften Einsatz in der Tiermast bilden sich immer mehr resistente Keime, so dass die Präparate ihre Wirk-samkeit verlieren. Die WHO fordert seit Jahren ein Verbot des massenhaften Einsat-zes von Antibiotika in der Tierzucht. Dies dürfte ein Grund dafür sein, dass BAYER den Umsatz von BAYTRIL im aktuellen Geschäftsbericht verheimlicht.

Hauptversammlung

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 18. März 2004

Bilanzpressekonferenz der BAYER AG

Kritische Aktionäre reichen Gegenanträge ein

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren reicht anlässlich der heutigen Bilanzpressekonferenz der BAYER AG Gegenanträge zur Hauptversammlung des Konzerns ein. „BAYER war im vergangenen Geschäftsjahr für eine Vielzahl von Missständen verantwortlich. Der Vorstand hat diese verursacht oder nicht verhindert, weshalb ihm die Entlastung verweigert werden muss“, heißt es in dem Antrag.

Im vergangenen Geschäftsjahr war der Konzern für eine Vielzahl von Skandalen verantwortlich:

Kinderarbeit bei indischen Zulieferern des Konzerns;
Behinderung freier Gewerkschaftsarbeit bei Bayer Philippines;
Forcierung von Gen-Nahrung gegen den Wunsch der Bevölkerungsmehrheit;
Mit-Verantwortung für das europaweite Bienensterben durch Verkauf des Insektizids Gaucho;
Gefährdung Tausender Patienten durch den Verkauf unwirksamer oder gefährlicher Pharmazeutika.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren macht seit 20 Jahren in den BAYER-Hauptversammlung auf die Schattenseiten der Konzernpolitik aufmerksam. Kritiker aus dem In- und Ausland werden die Gegenanträge in der Versammlung am 30. April begründen.

Es folgt der vollständige Text der Gegenanträge:

Gegenantrag zu TOP 2: Der Vorstand wird nicht entlastet

* Die von der Coordination gegen BAYER-Gefahren veröffentlichte Studie „Kinderarbeit im indischen Baumwollanbau“ enthüllt, wie Saatgut-Konzerne von Kinderarbeit in ihrer schlimmsten Form profitieren: der indische Markt für hybride Baumwoll-Saaten wird von fünf multinationalen Unternehmen dominiert, darunter eine Tochterfirma von BAYER. Die Zulieferer der Multis beschäftigen Zehntausende Kinder, überwiegend Mädchen zwischen sechs und 14 Jahren. Viele Kinder befinden sich in Schuldknechtschaft, sind also über Jahre von ihren Familien getrennt, um Darlehen abzuarbeiten. Eine Schulbildung erhalten sie nicht, damit bleiben sie ihr Leben lang im Armutskreislauf gefangen. Die Saatgut- Konzerne kontrollieren die Farmen mehrmals pro Jahr - es wäre für die Firmen ein Leichtes, durch die Zahlung höherer Abnahmepreise sowie ein vertragliches Verbot von Kinderarbeit und diesbezüglichen Kontrollen das Problem zu lösen. Die Kampagne der Coordination gegen BAYER-Gefahren hat dazu geführt, dass Vertreter von BAYER die Verantwortung für die Zustände bei ihren Zulieferern übernahmen und Abhilfe versprachen. Bislang ist unklar, ob die Kinder tatsächlich durch erwachsene Arbeitskräfte ersetzt werden - unabhängig davon ist einem Vorstand, der über Jahre hinweg Kinderarbeit bei seinen Zulieferern toleriert, die Entlastung zu verweigern.
* In den Philippinen versucht BAYER, gewählte Gewerkschafts-
vertreter aus den Werken zu drängen. Mehreren Gewerkschaftern wurde gekündigt, geltende Tarifverträge wurden nicht eingehalten, und mit Unterstützung der Firmenleitung wurde eine unternehmensnahe Gewerkschaft gegründet. Trotz mehrerer Gerichtsbeschlüsse wurden die Gewerkschaftsbeiträge seit mehreren Jahren nicht an die rechtmäßigen Arbeitnehmervertreter von der EMPLOYEES UNION OF BAYER PHILIPPINES ausgezahlt.
* Im südindischen Baumwollgürtel kommt es zu einer hohen Zahl von Vergiftungen durch Pestizide der Firma BAYER. Dies belegen Recherchen der TV-Journalistin Inge Altemeier. Da die Landarbeiter nicht über die Risiken des Gifteinsatzes aufgeklärt werden und keine Schutzkleidung besitzen, kommt es täglich zu Todesfällen. BAYER dominiert den indischen Pestizidmarkt. Große Mengen von in Europa nicht mehr zulassenen Agrogiften wie Monocrothopos lässt der Konzern von Subunternehmern produzieren - besonders im Industriegebiet von Vapi. Aufgrund fehlender Sicherheitsstandards sind Unfälle dort an der Tagesordnung. Das Grundwasser ganzer Landstriche ist mit dem Agrogift verseucht, so dass sich die Bewohner aus Tankwagen versorgen müssen und hierfür einen großen Teil ihres Einkommens aufbringen müssen. Die von BAYER vertriebenen Pestizide gelangen über die Baumwolle auch in die Textilproduktion. Die dort beschäftigten Arbeiterinnen atmen die Gifte in großen Mengen ein. Im Textilstandort Tripur beträgt die Lebenserwartung daher lediglich 35 Jahre.
* Das von US-Verbraucheranwalt Ralph Nader herausgegebene Magazin Multinational Monitor hat die BAYER AG auf die Liste der „Ten Worst Corporations 2003“ gesetzt. In der jährlich veröffentlichten Aufstellung werden Firmen aufgeführt, die „Verbraucher betrügen, die Umwelt verseuchen und Arbeiterrechte missachten“. Mehrere Skandale führten zu der Nominierung: jahrelang hatte BAYER Medikamente überteuert abgerechnet und das amerikanische Gesundheitsprogramm MedicAid um Millionenbeträge geprellt. Im Mai 2003 bekannte sich BAYER in einem Strafverfahren des Betrugs schuldig. Zivilrechtlich wurde der Konzern zusätzlich zu Zahlungen von rund 250 Millionen Dollar verurteilt. Im vergangenen Sommer brachten Recherchen der New York Times ans Licht, dass BAYER in den Achtziger Jahren ungetestetes Blutplasma nach Asien exportierte, während in den USA und Europa bereits sichere Präparate angeboten wurden. Zahlreiche asiatische Bluter infizierten sich mit HIV. Ebenfalls die New York Times enthüllte im vergangenen Jahr interne Dokumente, nach denen Mitarbeiter von BAYER die Risiken des Cholesterin-Senkers Lipobay frühzeitig kannten und das Management warnten. Trotzdem wurde das Präparat auf den Markt gebracht. Lipobay wird für mindestens 100 Todesfälle verantwortlich gemacht, rund 10.000 Klagen gegen BAYER sind noch anhängig.
* Der geplante Verkauf der Chemiesparte NewCo zieht erhebliche Nachteile für die Belegschaft nach sich. Tausenden MitarbeiterInnen drohen Einkommensverluste oder sogar der Verlust des Arbeitsplatzes. Bereits nach dem Lipobay-Desaster hatte der Vorstand Tausende von Arbeitsplätzen vernichtet. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert eine dauerhafte Beschäftigungs- und Gehaltsgarantie für alle Angestellten des Unternehmens.
* Der BAYER-Konzern ist mehrfach bei Bundeskanzler Schröder und Wirtschaftsminister Clement vorstellig geworden, um die Reform des EU-Chemikalienrechts zu verhindern. BAYER verbreitete zudem abenteuerliche Studien, wonach die Reform hunderttausende Arbeitsplätze vernichten würde. EU-Umweltkommissarin Margot Wallström hat daraufhin die deutsche Chemie-Wirtschaft der Lüge bezichtigt: wenn durch das Regelwerk tatsächlich Arbeitsplätze verloren gingen, gestehe die Industrie ein, dass tatsächlich zahlreiche Substanzen wegen ihrer Gefährlichkeit aus dem Verkehr gezogen werden müssten. Dies hätten die Konzerne aber immer bestritten. „Ich mag insbesondere die Panikmache der deutschen Chemie-Industrie nicht“, so Wallström. Der BAYER-Konzern produziert eine lange Liste hochgefährlicher Chemikalien: Weichmacher, Chlororganika, das hormonaktive Bisphenol A und hunderte von Pestiziden. In der Vergangenheit mussten zahlreiche BAYER-Produkte wegen der Vergiftung Tausender Menschen vom Markt genommen werden, u.a. PCBs, Holzschutzmittel und Pentachlorphenol.
* 80% der VerbraucherInnen lehnen Gentechnik im Essen ab. Denn trotz der gebetsmühlenartig wiederholten Versicherung der Industrie, dass Gen-Nahrung sicher und „tausendfach getestet“ sei, sind die langfristigen Risiken bis heute völlig unklar. So verdoppelte sich in den USA seit Einführung von Gen-Pflanzen die Zahl Nahrungsmittel-induzierter Krankheiten und Allergien. Frühere Versprechen („veränderte Gensequenzen können nicht auf herkömmliche Pflanzen überspringen“) stellten sich samt und sonders als falsch heraus. In Belgien wurde im Frühjahr der Antrag von BAYER auf Zulassung von Gen-Raps wegen unkalkulierbarer Risiken für die Umwelt abgelehnt. Trotzdem hält BAYER an dieser Risikotechnologie fest und hat die Zulassung gentechnisch veränderte Pflanzen in verschiedenen europäischen Ländern beantragt.
* Auf Druck des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) verzichtete die Bundesregierung auf die Einführung einer „Positivliste für Medikamente“ und des „Institut für Qualitätssicherung in der Medizin“. Die Positivliste hätte die Möglichkeit erbracht, nutzlose und risikoreiche Medikamente aus dem Leistungskatalog zu streichen. Hierdurch wären eine Verbesserung der Versorgung und Einsparungen in Milliardenhöhe zu erreichen. Der VFA wurde 1994 auf Initiative von BAYER gegründet und wird von Cornelia Yzer, früher Justitiarin bei BAYER, geleitet.

Gegenantrag zu TOP 3: Der Aufsichtsrat wird nicht entlastet

Begründung: Der Aufsichtsrat kommt seiner Kontrollfunktion nur ungenügend nach und soll daher nicht entlastet werden. Es folgen Beispiele einer umweltfeindlichen Konzernpolitik, die vom Aufsichtsrat mitgetragen werden:

* Am 13. Februar 2004 kam es im BAYER-Werk Baytown/USA zu einer Explosion im Bereich der TDA-Produktion. Auch in Deutschland stellt BAYER im großen Maßstab Toluylendiamin her - erst vor vier Monaten wurde im Werk Dormagen die weltweit größte TDA-Anlage in Betrieb genommen. Trotzdem ließ der Konzern einen Brief der Coordination gegen BAYER-Gefahren unbeantwortet, in dem sich der Verein nach den Ursachen des Störfalls und den Risiken für die Anwohner des Dormagener Werks erkundigt.
* Der BAYER-Konzern beteiligte sich an illegalen Geheim- Gesprächen der US-Umweltbehörde EPA mit Pestizidherstellern. Ziel der Konzerne ist eine Aufweichung der Pestizid-Grenzwerte.
* Das von der französischen Regierung beauftragte Comité Scientifique et Technique stellte kurz vor Weihnachten in einem Untersuchungsbericht fest, dass „die Saatgutbehandlung mit dem Pestizid Gaucho ein signifikantes Risiko für Bienen darstellt“. Französische Untersuchungsrichter leiteten zudem Ermittlungen gegen Bayer CropScience sowie gegen dessen Vorsitzenden Franck Garnier ein. Der Vorwurf lautet auf Handel mit „giftigen landwirtschaftlichen Produkten mit Schädigungen für die Gesundheit von Mensch oder Tier“. Der BAYER-Konzern behauptete daraufhin, eine Studie der französischen Lebensmittelbehörde AFSSA würde die Vorwürfe gegen Gaucho entkräften. Ein Sprecher der AFFSA wies diese Darstellung jedoch zurück: „Unsere Studie zeigt, dass der Wirkstoff Imidacloprid unter bestimmten Bedingungen zum Tod von Bienen führen kann.“ Fast die Hälfte aller Bienenvölker in Mitteleuropa fiel dem großen Bienensterben der letzten Jahre zum Opfer. Trotzdem weigert sich BAYER, das hierfür mitverantwortliche Insektizid vom Markt zu nehmen.
* In den USA ist ein geheimes Strategiepapier der Chemie-Industrie in die Öffentlichkeit gelangt: Demnach wollen die im American Chemistry Council zusammengeschlossenen Unternehmen (darunter BAYER) auf „schmutzige Tricks“ zurückgreifen, um vorsorgende Sicherheits-Tests von Chemikalien zu verhindern. Eine auf Schmutzkampagnen spezialisierte Werbeagentur soll Umweltaktivisten von ehemaligen Agenten ausspionieren lassen, Pseudo-Bürgerinitiativen gründen, fachfremde Organisationen (z.B. Minderheiten- oder Frauenorganisationen) als „unabhängige“ Bündnispartner kaufen und das Vorsorgeprinzip durch Öffentlichkeits-Kampagnen „stigmatisieren“. Ein selten deutliches Beispiel für den Machtmißbrauch großer Konzerne.
* Zu Beginn des Jahres musste BAYER in Kanada unlautere Werbekampagnen für Pestizide einstellen. Die irreführende Verwendung von Begriffen wie „sicher“, „umweltfreundlich“ oder „staatlich geprüft“ vermittelte den falschen Eindruck, dass staatliche Stellen den Einsatz von Pestiziden empfohlen hatten. Die Regulierungsbehörde Pest Management Regulatory Agency folgte einem Antrag der Umweltorganisation Earth Action. Betroffen ist u.a. das BAYER-Insektizid Admire. Neben der Einstellung der Werbekampagne verhängte die Behörde ein Bußgeld. Die Verharmlosung der immensen Gefahren von Pestiziden hat bei BAYER Tradition. So verstößt der Konzern seit Jahren gegen den Kodex der Welternährungsorganisation FAO, wonach Pestizidwerbung grundsätzlich auf Umwelt- und Gesundheitsrisiken hinweisen muss.

[Artikel taz] Hauptversammlung 2002

CBG Redaktion

Bei Bayer ein Gefühl wie im Hochsicherheitstrakt

Auf der Hauptversammlung des Leverkusener Konzerns schlechtere Stimmung als gewohnt. Englische Proteste auf der Vorstandsbühne

KÖLN taz Ein wahres Seuchenjahr hat die Bayer AG hinter sich. Zunächst kam der Skandal um das Cholesterin senkende Medikament Lipobay, dann der Einbruch der Aktie und jetzt die Kürzung der Dividende. Die Aktionärsversammlung der Bayer AG in der Kölner Messehalle 6 hatte am vergangenen Freitag einiges zu besprechen. Doch zunächst mussten die etwa 8.000 AktionärInnen sich durch die Jahr für Jahr wachsende Zahl der Demonstranten gegen die Geschäftspraktiken des Chemie- und Pharmakonzerns kämpfen.

In diesem Jahr wurde vor allem gegen die grausamen Tierversuche und die Senkung der Unternehmenssteuern protestiert, die der ehemalige Bayer-Angestellte Heribert Zitzelsberger als jetziger Staatssekretär im Bundesfinanzministerium durchgesetzt hatte. Danach musste sich AktionärIn durch eine von zwanzig Sicherheitsschleusen quetschen, wie man sie von Flughäfen kennt. Derart strenge Kontrollen waren bisher nicht üblich. Doch die Sicherheitsvorkehrungen waren seltsam inkonsequent: Wer die Halle verließ, wurde bei der Rückkehr ohne Kontrolle durchgewunken. Samt Gepäck.

Der sonst so weltgewandte Vorstandsvorsitzende der Bayer AG, Dr. Manfred Schneider, wirkte wenig souverän, als er zum letzten Mal zum Geschäftsbericht ansetzte. Nach zehn Jahren Amtszeit wechselte der 63-Jährige mit Ablauf der HV in den Aufsichtsrat. Im vergangenen Jahr brach der Konzerngewinn um 47 Prozent auf 965 Millionen Euro ein. Die Dividende wird auf Vorschlag des Vorstands von 1,40 auf 0,90 Euro je Aktie gesenkt. Nur verhaltener Beifall aus den Reihen der anwesenden Bayer-Aktionäre ertönte nach Schneiders Rede. Doch er bekannte erleichtert, dass ihm das sehr gut tue. Nach dem enttäuschenden Geschäftsjahr hatte er wohl mit heftigeren Reaktionen seiner Aktionäre gerechnet. Der aus diesem Anlass verstärkte Werkschutz war aber nicht in der Lage, zu verhindern, dass englische Gegner von Genpflanzen-Freilandversuchen zur Bodyguard-geschützten Vorstandsbühne stürmten und sich einer von ihnen die Dekoration hinaufhangelte. Diesen zu entfernen, gelang erst, nachdem Aufsichtsratsvorsitzender Strenger dem Werkschutz wutentbrannt seine Hilfe angeboten hatte.

Über die Diskussion des Geschäftsberichts selbst dürfte der Vorstand wenig Freude gehabt haben. Außer den vom Dachverband der Kritischen Aktionäre und von der Coordination eingeladenen elf Konzernkritikern äußerten sich diesmal fast alle Redner kritisch; etliche beklagten natürlich den Dividendenrückgang, aber es gibt eine wachsende Zahl von Aktionären, die vom Vorstand ein an ethischen Grundsätzen orientiertes Handeln erwarten. Die Stimmung der Aktionäre drückte sich auch in einer deutlichen Abstrafung bei der Abstimmung über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat aus; statt der üblichen 99 Prozent gab es diesmal nur 90 Prozent Zustimmung.

PAUL KRANEFELD-WIED Der Autor ist Mitglied der konzernkritischen Coordination gegen Bayer-Gefahren (www.cbgnetwork.org)
taz Nr. 6737 vom 29.4.2002

[Dormagen] 90 Fragen von Dormagener Bürgerinnen und Bürgern an die Bayer AG

CBG Redaktion

Gesammelt von der Dormagener Agenda 21 und übergeben am 4. Februar 2007, dem „Tag der offenen Tür“ der Bayer-Sondermüllverbrennungsanlage.

? Wie ist gewährleistet, dass gesundheitliche Beeinträchtigungen - ausgelöst durch die Verbrennung der Hexachlorbenzol-Verbindungen - garantiert vermieden werden?
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Es wird stets argumentiert, dass die behördlichen Grenzwerte eingehalten werden. Unbeantwortet bleiben aber die Fragen:

? Welche absoluten Emissionen von Dioxin, HCB und anderen Giftstoffen werden durch die geplante HCB-Verbrennung entstehen?

? Mit welchen Mengen welcher Giftstoffe sind Schlacken und Filterstäube belastet?

? Wie soll über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte verhindert werden, dass toxische Schlacken und Filterstäube Luft und Wasser vergiften?

? Welche Mengen welcher Giftstoffe wurden im vergangenen Jahr verbrannt? Welche Mengen stammten nicht von Bayer?

? Wie hoch ist der Anteil von Fremdmüll im kommenden Jahr?

? Aus welchen Ländern stammt der Sondermüll?
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In dem Schreiben von Bayer an die Dormagener Haushalte heisst es sinngemäss, das NRW Umweltministerium habe keinen Zweifel an dem Know How von Bayer in dieser Sache. Dies ist eine Beschönigung der Tatbestände, wenn man folgende Antwort von Herrn Dr. Michalzik aus dem NRW Umweltministerium liest: „Herr Uhlenberg teilt grundsätzlich Ihren Unmut über Giftmüllexporte von Australien nach Europa bis hierher nach NRW. Er hat mich gebeten, Ihnen für Ihre e-mail zu danken und Ihnen zu antworten.

? Woher wissen wir, dass nicht in gleichem Maße, wie hier die Aussage des NRW Umweltministeriums beschönigt wurde, auch die Emissions-Grenzwerte verschleiert werden?

? Welche Krankheiten drohen uns nach diesem öffentlichen „Menschenversuch“? Wird hier nach dem Motto agiert: Die Unglücksfälle von heute sind die Grenzwerte von morgen?

? Warum soll die Verbrennung am dichtbesiedeltsten Standort Deutschlands erfolgen zu Lasten extrem vieler Menschen?

? Wieviel Giftmüll und welche Art plant Bayer in den kommenden Jahren zu akquirieren, um diesen in Dormagen zu verbrennen? (Zahlen)

? Welcher Geldbetrag fliesst bei dem Deal zwischen Bayer und Orica?

? Was passiert mit den Abfallprodukten aus der Verbrennung? Werden diese tatsächlich für den Straßenbau eingesetzt?
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Sehr geehrter Dr. Walter Leidinger, Leiter des Bayer-Chemieparks Dormagen,
mit Datum vom 25. Januar 2007 haben Sie mich davon unterrichtet, dass geplant ist, Sonderabfälle aus Australien (Mengen?) zusätzlich zu den bislang 65.000 Tonnen verschiedener Sonderabfälle im Bayer-Chemiepark Dormagen zu entsorgen. Das aus Australien gelieferte Hexachlorbenzol soll verbrannt und die Rauchgase sollen gereinigt werden. Die Rauchgase würden dann die vorgeschriebenen Grenzwerte unterschreiten.

Mir liegt als Wasserwirtschaftler insbesondere die Güte unserer Gewässer am Herzen. Deshalb frage ich Sie:

? Werden beim Rauchgasreinigen auch Wässer mit Schadstoffen belastet?

? Wieviel Schadstoffe gelangen davon gegebenenfalls in die Gewässer?
a) als Konzentration?
b) als Mengen?

? Wie sind Konzentrationen und Mengen in ihrer Umweltwirksamkeit zu bewerten?

Mit freundlichen Grüßen
Edgar Ephan (Diplomingenieur TH), Delhoven

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? Zwar lassen sich viele chemische Substanzen beim Verbrennungsprozeß bei z.B. bei 1000 Grad Cel. im Ofen spalten, einige fügen sich aber - aufgrund ihrer hohen Affinität zueinander kurz oberhalb des Schornsteins wieder zusammen, so dass sie keineswegs zerstört sind und das Gefährdungspotential somit weiter besteht.
Meine Frage: An welchem Punkt wird gemessen? Grenzwerte lassen sich leicht einhalten, wenn man dazu an der „richtigen“ Stelle mißt. Also: Wo genau wird gemessen?
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? Wenn aus der Anlage nichts herauskommt. Wozu braucht man dann einen Schornstein? Nur für den Störfall?
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Mitglieder des Stadtrates zeigten sich offenbar vom Ausmaß des „Mülltourismus“ der Fa. Bayer überrascht. Manche Ratsmitglieder hatten offenbar das Gefühl, früher „über den Tisch gezogen“ worden zu sein.

? Als die Stadt Dormagen in einer Rats- oder Planungsausschuss-Sitzung Bayer zugestimmt hat, dass Chemiemüll auch von außerhalb des Bayer-Werksgeländes herangeführt und verbrannt werden soll, war da vonseiten Bayer eindeutig transparent gemacht worden, dass auch Giftmüll aus anderen Bundesländern bzw. sogar aus dem Ausland vermarktet werden soll?

? Könnte da nicht- im juristischen Sinne - ein Dissenz zum Zeitpunkt dieses Vertragsabschlusses bzw Genehmigungsverfahrens vorgelegen haben, der diese Überraschung der Ratsmitglieder erklärt und den es aufzuarbeiten gilt?

? Wie hat Bayer dazu in den Entscheidungsgremien aufgeklärt?

Bayer betrachtet mit Stolz seine technologische Marktführerschaft auf dem Gebiet der HighTec-Müllverbrennung. Es steht zu erwarten, dass dieses Geschäft ausgebaut werden soll.

? Welche Kapazität hat die Sondermüllverbrennungsanlage heute?
? Zu wieviel Prozent ist die Anlage ausgelastet?
? Welche Kapazitätserwartungen bestehen für die nächsten 5 Jahre?

Bayer behauptet, sich völlig korrekt im Rahmen aller vorgegebenen Grenzwerte des Umweltbundes- oder Landesamtes zu verhalten.

? Hat Bayer bei der Festlegung der Grenzwerte und Formulierung dieses komplizierten technischen Sachverhaltes zur Genehmigung der Anlage dem Umweltamt mit seinem Sachverstand „beratend“ zur Seite gestanden?
? Steht die Ausweitung des Gefahrgut-Lagers auf dem Gelände in logischem Zusammenhang mit einer möglichen Ausweitung der Sondermüll-Verbrennungsaktivitäten?

„Es gibt immer ein Restrisiko“ sagte der Leiter der Verbrennungsanlage in der ngz vom 27.1.2007.
? Ist dieses Restrisiko quantifiziert worden?
? Bildet Bayer dafür laufend aus seinen Gewinnen (geschätzte 3 Millionen Euro aus dem laufenden australischen Geschäft) Rückstellungen?
? Wer zahlt im Katastrophenfall? Wer hat die Versicherung übernommen?
? Wie ist das Störfall-Management organisiert?
? Was passiert z.B. bei totalem Stromausfall, der sich - trotz vermeintlich getrennt gesicherter Stromnetze - doch noch ereignen könnte?
? Was passiert im Brandfall mit dem Löschwasser?

Erhalt und Schaffung von Arbeitsplätzen ist immer ein klassisches Argument für Wirtschafts-aktivitäten, die unter Beschuß geraten sind.
? Wieviele Arbeitsplätze hat die Anlage geschaffen? In wieviel Schichten?
? Sind das Vollzeitarbeitsplätze? Wieviele sind angelernte Arbeitskräfte? Sind das alles Fachkräfte?
? Wenn mehr als die Hälfte der Mitarbeiter in Großunternehmen üblicherweise innerlich gekündigt haben, woher kommt dann die Gewissheit, dass im Störfall - auch charakterlich - alles richtig gemacht wird und nicht vordringlich die eigene Haut gerettet wird? (vgl. auch den aktuellen Beinahe-Störfall im schwedischen Atomkraftwerk von Vattenfall)

Im Brief des Chemieparkleiters heißt es „Wir leisten mit der umweltgerechten Entsorgung von derartigen Sonderabfällen einen aktiven Beitrag zum weltweiten Umweltschutz.“
? Wird dabei nur die Gewinnsteigerung vor Ort als Handlungsmaxime gesehen und die komplette Umweltbelastung aufgrund des 16.000 km langen Transportes von Australien völlig ausgeblendet, weil man dafür ja nicht zuständig ist und demzufolge keine Verantwortung trägt?
? Auch dieser Transport-bedingte Umweltschaden ließe sich ja als Folge des Bayer-Angebotes quantifizieren?
? Im Schreiben an die Nachbarn verwendet die PR-Abteilung eine Serie von „selbstverliehenen Güte-Siegeln“ als Placebos gegen die Angst vor dem Gefährdungspotential aus der SMV-Anlage: „modernste Technik - verantwortungsvoller Umgang - bestens ausgebildet - umweltverträglich entsorgt - Stoffkreislauf sicher und umweltgerecht entsorgt - unsere Expertise an der Weltspitze - aktiven Beitrag zum Umweltschutz - höchste Sicherheitsstandards - vollständig verbrannt - aufwändige Rauchgasreinigung - Grenzwerte deutlich unterschreiten - permanent gemessen - online zur Verfügung gestellt.“

Vertrauen in die Zusagen der chemischen Industrie als Nachbar muß über Jahre organisch gewachsen sein. „Großes Verständnis für Ungewissheiten ... auch in Bezug auf Ihr eigenes Wohlbefinden.“ äußert mitfühlend der Chemieparkleiter.
? Woher nimmt Bayer den Glauben, mit einem solchen PR-Brief das gewachsene Mißtrauen bei vielen Menschen in der Nachbarschaft verringern zu können?
? Wohnt der Leiter des Chemieparks selbst in unmittelbarer Nähe seines Chemieparks und genießt dort die von ihm verantwortete frische Luft?
? Hat der Leiter des Chemieparks Kinder, die dort im Freien zur Schule oder in den Kindergarten gehen?
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Bei der Verbrennung von HCB ist mit der Entstehung von geringen Mengen Dioxin (2,3,7,8-TCDD, Tetrachlordibenzodioxin; 100.000 mal giftiger als Natriumcyanid) zu rechnen (immerhin 10-1000 ng/kg Abfall http://www.xfaweb.baden-wuerttemberg.de/alfaweb/berichte/tba18- 95/hcb0068.html

  • Heading5090_ ).

? Liegt der Grund für die Verteilung der relativ geringen Abfallmenge auf 2,5 Jahre darin, dass nur durch die damit verbundene Verdünnung die vorgeschriebenen Grenzwerte eingehalten werden können?

? Warum sollen die Behälter aus Brunsbüttel in Leverkusen umgeladen werden, obwohl Dormagen über einen eigenen Gleisanschluss verfügt? Birgt nicht jedes unnötige Umladen Risiken?

? Wie bewertet Bayer (oder BIS) die Tatsache, dass die australische Verursacherfirma die Verantwortung für die Entsorgung ans Ausland überträgt?
Eine wirtschaftliche Betreibung einer modernen Anlage ist sicher auch in Australien möglich.

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Bezüglich der Giftmülltransfers möchte ich einfach nur wissen:
? Sind alle relevanten Verträge bereits unterschrieben (wovon ich ausgehe)?
? Welche Laufzeiten haben diese Verträge?.

Wenn vertraglich alles unter Dach und Fach ist, halte ich die Sache für unumkehrbar. Damit hätten wir wieder ein Beispiel für profitorientierte Konzernpolitik, die völlig an den Interessen der Bürger unserer Stadt vorbei geht und diese zudem noch belasten bzw. gefährden.
? Natürlich werden durch die Lieferungen auch Arbeitsplätze gesichert. Aber man muß sich fragen, zu welchem Preis und auf wessen Kosten?

Als jemand, der seine Stadt am Fuße der Schornsteine liebt, fühle ich mich sehr betroffen und frage mich zudem:
? Wird mein kleines Grundstück/Häuschen nicht wertgemindert? Wer will denn jetzt noch freiwillig hier wohnen bzw. sich hier ansiedeln?

Ich sehe Schwierigkeiten für die Wachstumspolitik Dormagens voraus. Der Imageschaden ist sicher nicht zu unterschätzen: denn im Bewußt-sein der Menschen ist Dormagen als Wohnstadt weiter unattraktiv geworden.
? Welchen Anteil haben unsere Verwaltungsführung und unsere Ratsherren und -damen daran?
Sie haben schließlich einen Eid geschworen und sich verpflichtet alles zum Wohle der Stadt und ihren Bewohnern zu tun. Damit sind auch und gerade unsere Kinder gemeint, denn sie werden mit den Auswirkungen der Müllvernichtung zu tun haben, wenn es uns schon lange nicht mehr gibt.
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Es ist doch nur logisch, dass sich die Bürger der betroffenen Städte Sorgen darüber machen, wenn einer der 12 giftigsten Stoffe in ihrem direkten Lebensraum in die Luft geblasen werden soll. Es existiert m.E. derzeit noch keine Technologie auf der Welt, die diesen Stoff emissonsfrei entsorgen kann.
? Wie kann es sein, dass die Profitgier der Betreiber der Verbrennungsanlagen vor unserer Gesundheit rangiert?

* Wie ist es rechtlich überhaupt möglich, einen hier seit langem verbotenen Giftstoff vom anderen Ende der Welt einzuführen und zu entsorgen?
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? Kann es sein, dass die Bezirksregierung nicht einschreitet, weil sie einen Prozeß von Bayer mit Schadensersatzansprüchen fürchtet, dem sie nicht gewachsen ist?
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Alle reden über die wachsende Klimakatastrophe durch stetige Aufheizung der Erdatmosphäre:

? Womit wird der Ofen geheizt?
? Wieviel Energie wird dabei verbraucht?
? Wird entstandene Wärme genutzt oder verpufft sie?
? Welche CO2-Belastung ist damit zusätzlich verbunden? Kauft dazu Bayer zusätzlich Verschnutzungsrechte?
? Ist diese Bayer- Müllverbrennungsanlage nicht ebenfalls dazu angetan, das Klima aufzuheizen?
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? Welche Bayer-eigenen und fremden Teilbetriebe auf dem Chemiepark liefern schon jetzt mengenmäßig welche Emissionen? Und welche weiteren sind geplant?
Bitte eine Liste der Teilbetriebe übergeben.

? Können die verschiedenen Emissionen miteinander reagieren und unkontrollierbar in ihren Auswirkungen werden?

? Wie ist gewährleistet, dass die SMV-Anlage nach jeweils neuesten Erkenntnissen weiter entwickelt und ausgebaut wird?

? Wer von den Überwachungsbehörden hat dazu so viel Fachkenntnisse, um das Geschehen bei der Giftmüll-Verbrennung zu beurteilen?

Ist die Genehmigungsbehörde bei solchen von Bayer mit Stolz präsentierten, im Weltmarkt einzigartigen und konkurrenzlosen Chemieanlagen nicht tatsächlich auf die Mitarbeit der Bayer-Spezialisten angewiesen?

Wer gewährleistet dann die dringend benötigte fachliche Neutralität der Prüfinstanzen?
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? Was passiert mit den Rückständen aus der Verbrennung?

? Was wird in Zukunft noch alles auf dem Gelände von Bayer-Industry-Services stattfinden, ohne dass die Bevölkerung davon erfährt?

? Können Kinder bei uns überhaupt noch gesund aufwachsen?
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? Inwieweit übernimmt der Bayer-Konzern noch soziale Verantwortung in der Gesellschaft?

? Reduziert sich etwa inzwischen seine Verantwortung nur noch auf den wirtschaftlichen Erfolg?

? Wer - von neutraler Stelle - quantifiziert die Kosten, die z.B. bei der Verbrennung von Hexachlorbenzol bei der normalen Bevölkerung z.B. durch Atemwegserkrankungen anfallen?
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? Wie sieht der gesamte Zeithorizont im Genehmigungsverfahren der Bayer Sondermüllverbrennungsanlage in Dormagen aus?
Wann wurden welche Stufen von wem genehmigt?

? Und wie sieht die Planung für die nächsten 5 - 10 Jahren aus?
? Wie stark wird dieser lukrative Dienstleistungsbereich ausgebaut?
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? Wie will Bayer nach der PR-wirksamen Serie ...

1. Risiken und Nebenwirkungen des Medikamentes „Lipobay“

2. „mittelbare Beteiligung an gesundheitsschädlicher Kinderarbeit auf Indiens Baumwoll-Plantagen“,

3. „versehentliches Auftreten von Gen-technisch verunreinig-tem Reis aus den USA in deutschen Lebensmittel-Supermärk-ten“

4. der Auflösung des Zugehörigkeitsgefühls der Mitarbeiter zur Bayer-Familie, aufgrund der Zergliederung der Unternehmensteile

5. und jetzt hier vor Ort: das Bekanntwerden des Ausmasses an Verbrennung an gefährlichem Giftmüll für ferne Länder in der Welt mit erheblichem Gefährdungspotentail für die Menschen in der Region.

... das Vertrauen der Dormagener Menschen und Nachbarn zurückgewinnen? ______________________________________________________________

Wirtschaftliche Interessen konkurrieren mit den Zielen der Klimaforscher, deren Schlussfolgerungen inzwischen weltweit Konsens und unbestritten sind.

? „Global denken und lokal handeln“ ist ein Grundsatz der Lokalen Agenda 21 abgeleitet aus dem Kioto-Protokoll und der Konferenz von Rio. Ist diese Aussage auch relevant für Bayer Dormagen?

? Fühlt sich Bayer als Global Player von den Prognosen der aktuellen Klimakonferenz in Paris angesprochen?

? Welchen Beitrag gedenkt Bayer in Zukunft zur Verbesserung des Weltklimas zu leisten? Und würde davon auch Bayer Industry Services berührt sein?
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Bei der Verbrennung von Chemie- und Plastikabfällen bilden sich Dioxine und Furane. Das sind flüchtige krebserzeugende Gase, die - meines Wissens - kein katalytisches Verfahren und kein Filter einfangen kann. Sie werden dabei frei gesetzt. Zum anderen: Der schädlichste Raum liegt um den Kamin in einem Radius von 5 km Umgebung. Hier rieselt das Zeug runter. In diesem Radius ist die höchst belastete Zone. In diesem Radius liegen aber auch - wenn man sich den Stadtplan von Dormagen anschaut, viele Schulen und Kindergärten. Besonders betroffen wären Kinder und ältere Menschen.
? Übernimmt Bayer Industry Services hier die Garantie für eine körperliche Unversehrtheit speziell in dieser Zone? Wer haftet persönlich bei Bayer dafür?
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? Mit der stillschweigenden Ausweitung des Geschäfts- und Bearbeitungs-volumens der Sondermüll-Verbrennungsanlage auf z.B. die Verbrennung von hochtoxischen Hexachlorbenzol-Verbindungen aus Australien (die jetzt die Spitze eines Eisbergs von verborgenen überregionalen Sondermüll-Aktivitäten signalisiert) könnte Bayer Industry Services da nicht eine Fülle von Anfragen zur Wertminderung von nahen privaten und geschäftlichen Immobilien-Eignern auslösen?
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? In welchen Behältnissen soll der Giftmüll angeliefert werden?
? Wie lange lagert der Giftmüll bereits in den Transportbehältnissen?
? Bei welcher Temperatur soll das HCB verbrannt werden?
? Welche Endprodukte entstehen bei der Verbrennung? Dioxine ?
? Was geschieht mit den Dioxinen?
? Welche Schadstoffe bleiben übrig und welche Mengen werden als Emmission in die Luft abgegeben?
? Welche Schadstoffe bleiben in der Schlacke zurück?
? Wie hoch ist der Schadstoffantei in der Verbrennungsschlacke?
? Was passiert mit der Verbrennungsschlacke?
? Warum sollen wenige an der Giftverbrennung gut verdienen und andere die zusätzliche Giftbelastung ertragen?
? Es sollte kein Problem sein geeignete Anlagen für die Entsorgung beim Verursacher des Giftmülls zu erstellen?

Hermann und Ute Kienle,

Offener Brief an Herrn Dr. Leidinger, Bayer Industry Services

Sehr geehrter Herr Dr. Leidinger,

vielen Dank für Ihr Informationsschreiben vom 25.01.2007. Ihre Argumente für eine Verbrennung des australischen Giftmülls in Dormagen konnten uns nicht überzeugen. Anscheinend zählt für Sie nur die wirtschaftliche Seite. Als verantwortlicher Werksleiter kommt uns in Ihrem Handeln die soziale, menschliche Seite zu kurz. Trotz aller Sicherheitsvorkehrungen und Versicherungen werden Prozentanteile bei der Verbrennung in die Atmosphäre gelangen. Da wir bereits in einem äußerst belasteten Ballungsgebiet wohnen - angefangen von der Erdölchemie, Braunkohlewerke bis hin nach Alu Norf - sollten keine weiteren Umweltbelastungen hinzukommen. Wo bleibt bei Ihnen die Gesundheitsvorsorge für die Menschen die hier wohnen? Was nützen die schwarzen Zahlen, wenn die Menschen mittelfristig erkranken. Sie können letztlich nicht ausschließen, dass die Verbrennung des hochgiftigen Giftes aus Australien nicht schädlich ist. Ich erinnere nur an verschiedene Bayer Medikamente, die zunächst als vollkommen verträglich verkauft wurden, und nach einigen Jahren stellten sich die hochgradigen Gesundheitsschäden ein. Intuitiv fühlen die Menschen in unserer Region, dass es nicht in Ordnung ist, wenn Sie aus rein wirtschaftlichen Erwägungen den Giftmüll aus Australien hier verbrennen wollen. Insofern haben die Bewohner in Australien die Manager überzeugen können, welche Gefahren von Hexachlorbenzol ausgehen.

Der Hinweis, dass es in Australien noch nicht die hochwertige Verbrennungstechnik gibt, kann letztlich nicht zum Schaden der heimischen Bevölkerung heran gezogen werden. Was in Australien für die Menschen gilt, sollte hier genauso verantwortungsbewusst wahrgenommen werden. Wir schlagen vor, dass die moderne Verbrennungstechnik in Australien ebenfalls gebaut wird. Solange muss der Giftmüll weiter in Australien zwischengelagert werden. Es ist einfach ein Unding, wenn der Giftmüll rund 16.000 KM um die halbe Welt auf Schiffen nach Deutschland transportiert werden soll.

Wir appellieren an Ihr menschliches Gewissen, denken sie in erster Linie verantwortungsvoll an die Menschen die hier Leben! Stoppen Sie die Verhandlungen für den Giftmülltransport von Australien nach Dormagen.
Mit freundlichen Grüßen
Hermann und Ute Kienle

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CBG Redaktion

wissenschaftlich-humanitäres komitee (whk)
Mehringdamm 61
10961 Berlin
www.whk.de

Pressemitteilung vom 2. März 2005

Pharma-Gigant BAYER: AIDS-Leichen im Keller

Konzern will „AIDS bekämpfen“ und wirbt mit Homopaar „for a better Life“/ whk: Unternehmen trägt Mitschuld an tausendfachem AIDS-Tod

Mit einem Schwulenpaar wirbt der BAYER-Konzern derzeit in halbseitigen Tageszeitungsinseraten für seine Diagnosemethode zur Resistenzbestimmung bei HIV. Hierzu erklärt das wissenschaftlich-humanitäre komitee (whk):

Offenbar hocherfreut über profitverheißende Meldungen zu medikamentenresistenten HIV-Virenstämmen schaltet der weltweit agierende BAYER-Konzern derzeit - unter anderem in der Tageszeitung Die Welt vom 1. März - halbseitige Werbeanzeigen mit einem aneinandergeschmiegten Männerpaar. Unter dem Slogan „Diagnostik verbessern - AIDS bekämpfen“ verspricht der Konzern dabei unter anderem „Science for a better life“.

Vollständig heißt es im Anzeigetext: „AIDS ist weiterhin weltweit auf dem Vormarsch. Alle sechs Sekunden infiziert sich ein Mensch mit HIV. Alle zehn Sekunden stirbt ein Mensch an AIDS. Weltweit gibt es bereits 42 Millionen infizierte Menschen. HIV ist ein tückisches Virus, da es immer neue Formen annimmt und deshalb schnell gegen Medikamente resistent wird. Daher hat BAYER Health Care eine neue Diagnostik entwickelt - eine Methode zur HIV-Resistenzbestimmung. Ein wichtiger Schritt, um Patienten gezielter und individueller helfen zu können.“

Für das whk sind diese Äußerungen blanker Hohn. Es ist allgemein bekannt, daß sich BAYER aus der Erforschung wirksamer Medikamente gegen HIV und AIDS weitgehend zurückgezogen hat. Wenn der Konzern nun schwulen Männern, die in den westlichen Industriestaaten nach wie vor am meisten von AIDS betroffen sind, ausgerechnet die Methode der Resistenzbestimmung nun als wichtigen Schritt gezielter und individueller „Hilfe“ verkaufen will, ist das mehr als zynisch.

Vor dem Hintergrund des von BAYER-Medikamenten verursachten weltweiten AIDS-Skandals bekommt die Anzeige sogar den Charakter einer regelrechten Desinformationskampagne. Es sei daran erinnert, daß mit HIV- und Hepatitis-C-Viren verseuchte Medikamente der hundertprozentigen BAYER-Tochter CUTTER seit Beginn der 80er Jahre Tausende von Menschen mit der Bluter-Krankheit das Leben gekostet haben. Anstatt seine verseuchten Medikamente im Sondermüll zu entsorgen, hatte das BAYER-Unternehmen sie seinerzeit massenweise zur Medikation nach Asien, Südamerika und Europa verhökert. In einzelne asiatische Länder wurde AIDS nachweislich erst durch BAYER-Medikamente eingeschleppt, die Krankheit war dort vorher nicht aufgetreten. Während sich damals Firmenmanager in Japan bei den AIDS-Opfern und deren Angehörigen entschuldigen mußten, warten die meisten von BAYER verursachten AIDS-Opfer bis heute vergeblich auf Entschädigung.

Es ist längst erwiesen, daß BAYER um die Gefährlichkeit seiner verseuchten Produkte wußte und die hochinfektiösen Medikament aus reiner Profitgier an ahnungslose Abnehmer verkaufte. Entsprechende Dokumente waren am 27. September 2004 unter anderem in der WDR-Sendung „Tödlicher Ausverkauf“ zu sehen. Auch das in Deutschland ansässige konzernkritische Netzwerk „Coordination gegen BAYER-Gefahren“ (CBG) und die New York Times haben bereits mehrfach über Hintergründe berichtet. Das whk erinnert daran, daß BAYER-Produkte zahlreiche Bluter auch in Deutschland und Frankreich mit HIV infizierten. In Frankreich war es deswegen Mitte der 80er Jahre sogar zu einer Regierungskrise gekommen. Gesundheitsminister Laurent Fabius mußte seinerzeit zurücktreten, zwei Beamte des Gesundheitsamtes wanderten sogar in den Knast. In Deutschland hat sich BAYER bislang weder bei seinen Opfern entschuldigt, noch sind BAYER-Manager je juristisch zur Rechenschaft gezogen worden.

Das Sündenregister von BAYER ist bekanntlich viel länger. Weil BAYER immer wieder die Gefährlichkeit seiner nicht nur von Pharma-Produkten wie dem Cholesterin-Senker Lipobay verschwieg, war der Global Player in den Jahren 2001 und 2004 bereits zwei Mal auf Liste der „zehn übelsten Unternehmen“ des von dem US-Bürgerrechtler Ralph Nader herausgegebenen Magazins Multinational Monitor BAYER gelandet. Demnach hatte der Chemie-Riese das US-Gesundheitsprogramm „MedicAid“, das die Arzneiversorgung von sozial Schwachen organisiert, durch fingierte Rechnungen um Millionen-Summen betrogen. Nach Angaben der CBG verzögerte die US-Gesundheitsbehörde im Jahr 2003 wegen möglicher Gesundheitsgefährdungen die Zulassung der Potenzpille Levitra, die BAYER in den USA zusammen mit dem ebenfalls im Bereich AIDS und HIV aktiven Unternehmen GlaxoSmithKline vermartet. Und Entschädigungsklagen jüdischer KZ-Opfer, die durch BAYER-Präparate in Birkenau und Auschwitz unfruchtbar gemacht worden waren, hat das Unternehmen immer wieder abgeschmettert.

In dem vor zwei Jahren erschienenen „Schwarzbuch der Markenfirmen“ bescheinigen dessen Verfasser dem Konzern unumwunden, BAYER bleibe „unangefochten“ an der Spitze der „bösen Konzerne“ und dies „nicht nur weil BAYER in allen Geschäftsfeldern - Chemie, Pharmazie, Agrobusiness und Rohstoffgewinnung - eine destruktive Phantasie an den Tag legt, was die Mißachtung ethischer Prinzipien betrifft“, sondern auch, „weil BAYERs Kommunikationspolitik offenbar im 19. Jahrhundert stecken geblieben ist. Da wird vertuscht, daß einem die Haare zu Berge stehen.“ (www.markenfirmen.com)

Das whk fordert nunmehr die kommerzielle Szenepresse dringend auf, ihren letzten Rest an Glaubwürdigkeit nicht durch die Annahme potentieller Anzeigenaufträge des BAYER-Konzerns mutwillig zu verspielen. Die verlogene und im Kern homophobe BAYER-Werbung gehört nicht in die Blätter schwuler Emanzipation. Ärzte und medizinisches Personal sollten prüfen, ob sie bei der Diagnose und Behandlung von HIV-Infizierten auf gleichartige Produkte anderer Firmen zurückgreifen können.

Das whk ruft die Szene zu Protesten gegen die Werbekampagne auf.
Rückfragen: 0162/6673642 (Dirk Ruder)

[MoPo] Hauptversammlung 2002

CBG Redaktion

Hamburger Morgenpost

Hauptversammlung mit Handgemenge

Protest gegen Gen-Saat / Harte Zeiten für die Bayer AG

KÖLN - Eine Gruppe britischer
Demonstranten hat gestern die
Hauptversammlung der Bayer AG zu Beginn
unterbrochen. Sie protestierten gegen die
Einführung von genetisch manipuliertem
Saatgut in Großbritannien. „Nieder mit
Bayer“, schrie ein Demonstrant, der etwa
fünf Meter an einer Wand am Rande des
Podiums hochgeklettert war. Die Aktionäre
des Bayer-Konzerns dürften ebenfalls
schlechter Stimmung gewesen sein. Denn
der scheidende Vorstandschef Manfred
Schneider verkündete überwiegend negative
Nachrichten. Die Konjunkturflaute und
Umsatzausfälle durch die Rücknahme des
Medikaments Lipobay machen dem Chemie-
und Pharmakonzern auch 2002 zu schaffen.

In allen vier Geschäftsbereichen –
Gesundheit, Pflanzenschutz, Polymere und
Chemie – brach im ersten Quartal der
Gewinn ein. Der Konzernumsatz im
fortzuführenden Geschäft blieb mit sieben
Milliarden Euro um sechs Prozent unter dem
Vorjahreswert. Das operative Ergebnis vor
Sonderposten verringerte sich sogar um 46
Prozent auf 493 Millionen Euro.

Schneider, der nach zehn Jahren auf dem
Bayer-Chefsessel auf den Posten des
Aufsichtsratsvorsitzenden wechseln will,
dürfte es schwer fallen, gerade jetzt die
Zügel aus der Hand zu geben. Acht Mal
hintereinander hatte der Vorstandschef die
Aktionäre mit Rekordergebnissen verwöhnt.
Schneider holte nach fast 75 Jahren für
Bayer die Rechte am eigenen Namen in den
USA zurück. Er brachte die Bayer-Aktie an
die Wall Street und sorgte dafür, dass sich
der Unternehmenswert verdreifachte.

Doch ausgerechnet im letzten Jahr seiner
Verantwortung ging fast alles schief. Zwar
gelang Schneider gerade noch, das Ruder
rumzureißen, doch für Nachfolger Werner
Wenning bleibt noch eine Menge zu tun. Ihm
dürfte helfen, dass er den Konzern in- und
auswendig kennt: Wenning, 55 Jahre alt,
begann am 1. April 1966 als Lehrling im
Hause Bayer. (AP/dpa)

[RP] HV 2007

CBG Redaktion

28.04.2007 Rheinische Post

Bayer hält am Siemenschef fest

Die Bayer-Hauptversammlung lockte gestern ein bunt gemischtes Publikum an: von bieder bis komisch, von kritisch bis analysierend reichte die Besucherpalette. Eines konnten alle: die Bayer-Manager live erleben.

Unter starken Sicherheitsvorkehrungen hat gestern pünktlich um zehn Uhr die Bayer-Hauptversammlung in der Kölner Messehalle 9 begonnen. Über eine Stunde zuvor hatten sich zwei Dutzend Demonstranten vor dem Haupteingang postiert. Sie bauten ein gemaltes Skelett und ein „Giftfass“ auf, um gegen die geplante, aber immer noch nicht genehmigte Verbrennung von australischem Giftmüll zu protestieren.

Bayer will bekanntlich - auch in Leverkusen - Material, das mit dem hochgiftigen Hexachlorbenzol (HCB) belastet ist, in den Sondermüllanlagen vernichten. Dies ist grundsätzlich zulässig. Angeblich gibt es in Australien keine Möglichkeit, diesen Problemmüll dort zu entsorgen. Die Prüfungen, ob der HCB-Transport rund um die halbe Welt überhaupt zugelassen wird, laufen noch - wahrscheinlich bis Ende Mai.

Bei den Demonstranten dabei auch Vertreter des „Eine Welt Netz NRW“.
Der Protest direkt vor dem streng bewachten Haupteingang verlief friedlich. Bayer-Sicherheitskräfte kennen ihre „Gegner“ teils seit fast 30 Jahren, beide Seiten gehen aber inzwischen entspannt miteinander um. Nur einmal musste ein Protestler Personalien angeben: Er hatte mit einem Protestplakat einen geparkten Wagen leicht verschrammt. Vertreter der Demonstranten ergriffen auch auf der Hauptversammlung das Wort. Sie kritisierten angebliche Steuergeschenke für Bayer „auf Kosten der Hartz IV-Empfänger“, sie fragten nach der Lipobay-Krise, nach der HCB-Verbrennung und klagten über die Wiederwahl von Siemenschef Dr. Klaus Kleinfeld in den Aufsichtsrat.

Bayer-Aufsichtsratsvorsitzender Dr. Manfred Schneider stufte einige Aussagen der Bayer-Kritiker als „kommunistisches Manifest“ ein, das „wir seit Jahren hier hören“. Schneider: „Aber glauben Sie nicht, dass Sie uns überzeugen können.“ Am Rednerpult lief auch eine kleine Modenschau ab: vom dezenten Geschäftsanzug, über das leichte ärmellose Sommerkleid bis hin zum T-Shirt, rot-weiß karierter Flätschkappe zum Dreitagebart gab es viele Auftrittsvarianten (Auffallend übrigens auch das fast schon wallende Haupthaar von Schneider.)

Zuvor hatte Bayer-Vorstandsvorsitzender Werner Wenning in einem Kurzbericht die Finanzsituation des Konzerns vorgestellt. Wenning präsentierte erwartungsgemäß erfreuliche Zahlen. Offenbar auch mit Blick auf die Bestechungsaffäre bei Siemens betonte der Bayer-Chef Wenning: „Geschäfte, die nur mit unlauteren Methoden gemacht werden können, kommen für uns nicht in Betracht. Denn nur so sind wir in der Lage nachhaltig zu wachsen.“ Es sei „selbstverständlich, dass wir keinerlei Verstöße gegen Gesetze dulden“.

Ein paar Meter neben Wennings Rednerpult saß derweil Dr. Klaus Kleinfeld, der scheidende Siemens-Manager. Über ihn hatte der Bayer-Aufsichtsratsvorsitzende Schneider schon in der Begrüßung gesagt, dass es bei Kleinfeld „keinerlei Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten“ bei Siemens gebe. „Daher halten wir an unserem Vorschlag (Kleinfeld-Wahl für den Aufsichtsrat) fest“, sagte Schneider. Die Aktionäre im Saal spendeten Beifall. VON ULRICH SCHÜTZ

[Philipp Mimkes] Hauptversammlung 2014

CBG Redaktion

Philipp Mimkes, Coordination gegen BAYER-Gefahren

Liebe Aktionärinnen und Aktionäre,

der SPIEGEL meldete letzte Woche, dass der Fonds für HIV-geschädigte Bluter erneut zur Neige geht. Hepatitis-infizierte Bluter, deren Gesundheitszustand oft noch schlechter ist, gehen bislang ganz leer aus.
BAYER hat in diesen Fonds mehrfach eingezahlt, jedoch in vollkommen unzureichender Weise.

Zur Erinnerung: in den 80er Jahren wurde rund die Hälfte aller Bluter mit HIV und Hepatitis C infiziert. Die meisten durch Produkte von BAYER. Mehr als 2/3 der Betroffenen starben bislang an den Folgen.

Ein Bundestags-Untersuchungsausschuss kam zu Ergebnis: Die Mehrzahl der Infektionen hätte verhindert werden können, da Tests und Sterilisierungsverfahren rechtzeitig vorlagen.
Aus Profitgründen widersetzte sich BAYER damals der Umstellung der Produktion und der Vernichtung ungetesteter Präparate.

Im Oktober lief im ZDF der eindrucksvolle Film „Blutgeld“. U. a. wird darin gezeigt, wie Hersteller von Plasmaprodukten die Gefahren ungetesteter Präparate kannten, den Verkauf jedoch fortsetzten. Der Regisseur hat im Interview deutlich gemacht, dass es sich bei der dargestellten Firma um Bayer handelt.

Der Film hat vor wenigen Wochen den „Deutschen Hörfilmpreis“ erhalten. Hauptsponsor der Preisverleihung war ausgerechnet die BAYER AG.

Herr Dekkers, mir fehlen dazu fast die Worte: der Film thematisiert das Leid Tausender Hämophiler, deren Sterben BAYER größtenteils hätte verhindern können. Und Sie nutzen ausgerechnet diese Veranstaltung für Ihr sogenanntes „Social Marketing“??
Ich möchte Sie fragen: ob Sie solche makabren Werbekampagnen künftig unterlassen möchten?

Statt die BAYER-Opfer dergestalt zu verhöhnen, sollten Sie sich endlich bei den Geschädigten und den Hinterbliebenen entschuldigen. Außerdem fordern wir von Ihnen, dass Sie die Behandlungskosten der Opfer vollständig übernehmen und alle Infizierten nach japanischem Vorbild entschädigen.
In Japan erhielten die infizierten Bluter von BAYER rund eine halbe Mio Euro, lebenslange Rente + offizielle Entschuldigung.
+++++
Heute haben wir viele warme Worte zum Ausscheiden von Wolfgang Plischke aus dem Vorstand gehört. Damit der Abschied nicht zu rührselig ausfällt, möchte ich kurz an 2 Stationen aus der Karriere von Herrn Plischke erinnern:

Ich sprach eben davon, dass sich die japanische BAYER-Tochterfirma Bayer Yakuhin 1996 bei den Opfern von HIV-verseuchten Blutpräparaten entschuldigte.
Ich zitiere aus der damaligen Erklärung von BAYER: wir „fühlen uns für die Schäden der HIV-infizierten Bluterkranken tief verantwortlich” und wir „entschuldigen uns von Herzen, den Opfern sowohl physisch wie psychisch großen Schaden zugefügt zu haben.”

Und wie hieß nun der damalige Geschäftsführer von Bayer Yakuhin? Ganz richtig: Wolfgang Plischke

Gegenüber europäischen oder amerikanischen Opfern hat BAYER eine Entschuldigung hingegen stets abgelehnt. Ich kenne mehrere Infizierte persönlich und ich weiß, dass diese seit 30 Jahren auf eine solche Entschuldigung warten.

Herr Plischke: es würde von menschlicher Größe zeugen, wenn Sie Ihren heutigen Abschied dazu nutzen würden, für die Betroffenen hierzulande ähnliche Worte zu finden wie damals in Japan.

Bleiben wir noch kurz bei Herrn Plischke: nach seiner Station in Japan wurde er Leiter der US-amerikanischen Pharma-Sparte von BAYER. In den USA lagen BAYER ab 1999 zahlreiche Berichte über schwere Nebenwirkungen des Cholesterin-Senkers Lipobay vor. Insbesondere bewirkte Einnahme von Lipobay einen Muskelzerfall (sog. Rhabdomyolyse), die zu Nierenversagen führen kann. Hätte BAYER bereits nach dem Bekanntwerden der ersten Fälle gehandelt, wären über hundert Menschen am Leben geblieben.

BAYER verkaufte zu diesem Zeitpunkt Lipobay mit einer Konzentration von 0,3 mg pro Tablette. Obwohl die Nebenwirkungen schon mit dieser relativ niedrigen Konzentration weit gravierender waren als bei Konkurrenz-Präparaten, brachte Bayer in den USA zunächst Lipobay mit einer Konzentration von 0,4 mg und schließlich im Jahr 2000 sogar mit einer Dosis von 0,8 mg auf den Markt.

Sogar Wissenschaftler von BAYER warnten das Management wiederholt vor diesem Schritt. Die internen Papiere, die von US-Gerichten später veröffentlicht wurden, zeigen: der Geschäftsleitung unter Wolfgang Plischke waren diese Warnungen im Detail bekannt. Sie setzte sich jedoch bewusst darüber hinweg. Die Mehrzahl der Todesfälle erfolgte durch Tabletten dieser erhöhten Konzentration von 0,8 mg.

Der Ausgang dieses Skandals ist den meisten bekannt: im August 2001 wurde Lipobay vom Markt genommen; BAYER zahlte Entschädigungen von über einer Milliarde Euro. Das macht die Toten aber nicht wieder lebendig.

Insofern ist Lipobay eines von vielen Beispielen einer Vermarktung von Pharmazeutika, die notfalls über Leichen geht. Und einer der Protagonisten dieses Prinzips heißt Wolfgang Plischke.

Abschließend habe ich einige Fragen zum Gerinnungshemmer Xarelto. Wir befürchten, dass mit Xarelto das nächste überflüssige (und für viele Patienten gefährliche) Präparat auf den Markt gedrückt wird.

Im vergangenen Jahr gab es allein in Deutschland 133 Meldungen über „tödliche Verläufe“ nach Einnahme von Xarelto und 1400 Meldungen schwerer Nebenwirkungen (in der Regel Blutungen). Gleichzeitig hat sich der Xarelto-Umsatz im vergangenen Jahr verdreifacht. Parallel dazu gab es von BAYER geradezu ein Marketing-Feuerwerk: mit Werbe-Veranstaltungen, dem Versand von Gratis-Mustern, dem Sponsoring medizinischer Kongresse etc

Hierzu meine erste Frage: welchen Betrag haben Sie für das Marketing von Xarelto im vergangenen Jahr ausgegeben?

Grundsätzlich möchte ich klarstellen: verbesserte Gerinnungshemmer sind wünschenswert, da die bisherige Therapie mit Marcumar kompliziert und mit vielen Nebenwirkungen verbunden ist.

Nur: aktuell gibt es keine glaubhafte Studie, wonach der Einsatz von Xarelto insb. zur Behandlung des Vorhofflimmerns (und das ist genau die lukrative Indikation, für die Xarelto vermarktet wird!) sinnvoll ist.
Xarelto reduziert weder die Zahl der Schlaganfälle noch die Rate schwerer Blutungen. Zudem liegen keine Langzeit-Studien zu den Nebenwirkungen des Präparats vor
Und nebenbei: die Kosten einer Xarelto-Therapie liegen 20x höher als z.B. bei Marcumar, was jährlich zu Zusatzkosten von etwa 1.000 Euro pro Patient führt

Neben der Vermarktung für Patienten mit Vorhofflimmern plant BAYER zusätzlich, Xarelto zur Behandlung des Akuten Koronarsyndroms (ACS) einzusetzen. Für das Zulassungsverfahren hat BAYER nur eine einzige, vollkommen unzureichende Studie vorgelegt.

Die US-Aufsichtsbehörde FDA hat eine Zulassung für ACS wegen mangelhafter Daten 2x verweigert. Unter anderem kritisierte die FDA unvollständige Datensätze und den viel zu kurzen Beobachtungszeitraum. BAYER musste gegenüber der FDA sogar einräumen, dass bei über 10% der Probanden der Beobachtungszeitraum so knapp war, dass am Studienende nicht einmal bekannt war, ob der Patient noch lebt. Zudem wies FDA nach: BAYER hatte mehrere Todesfälle von Probanden unter den Tisch fallen lassen.

Herr Dekkers, Sie haben kürzlich geäußert: Xarelto soll mittelfristig Jahreserlös von 3,5 Milliarden Euro einfahren.
Ich frage Sie: wie kommen Sie auf diese Summe? Planen Sie Vermarktung für Behandlung des Akuten Koronarsystems?
Bitte schlüsseln Sie auf, für welche Indikation Sie welche Umsätze mit Xarelto anpeilen.

Ihr Konkurrent Boehringer hat im Februar eine Studie zum Gerinnungshemmer Dabigatran veröffentlicht. Die Studie zeigt: der Plasmaspiegel schwankt bis zu einem Faktor 5 und korrelliert signifikant mit schweren Blutungen und Schlaganfällen. Boehringer überlegt daher, eine Kontrolle des Plasmaspiegels einzuführen und ein Antidot zu entwickeln.

Es ist davon auszugehen, dass die Lage bei Xarelto ähnlich ist. Von daher meine Frage:
Gibt es ähnliche Untersuchungen zu Xarelto? Ist Bayer bekannt, ob der Plasmaspiegel von Xarelto in ähnlichem Umfang schwankt?

Bayer hat laut Aussage der EMA im Jahr 2011 einen Test entwickelt, mit dem Überdosierungen festgestellt werden können.
Plant Bayer die Vermarktung des Tests zur Gerinnungskontrolle?
Entwickelt Bayer ein Antidot für Xarelto? Wenn ja, wird dieses vermarktet?

Wir befürchten, dass Xarelto – nach Lipobay, Trasylol und Yasmin – der nächste Pharma GAU von BAYER wird. Wir fordern daher in einem ersten Schritt, die Vermarktung von Xarelto an Risiko-Patienten sowie an Personen >70 Jahre einzustellen und das aggressive Marketing für Xarelto zu unterbinden.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Anmerkung zu den Antworten:

Marijn Dekkers weigerte sich, Angaben zu den Marketing-Kosten von Xarelto zu machen. Nur die allgemeinem Ausgaben für Marketing und Vertrieb (25% vom Umsatz) würden angegeben.
Auch die Umsätze nach Indikationen würden nicht aufgeschlüsselt.

Flugblätter

CBG Redaktion

Flugblätter der Coordination gegen BAYER-Gefahren zum Downloaden

Anklage: Mord! Duogynon Opfer sind nicht vergessen! (2016)

BAYER-MONSANTO Fusion: Fusion stoppen! (2016)

BAYER-MONSANTO Fusion: Hochzeit des Todes stoppen! (2016)

Gefährliche Pestizide: Glyphosat stoppen! (2015)

angezeigter Text

Plastikmüll im Ozean: Mikroplastik verbieten! (2015)

„...legendär“: Die CBG im Spiegel der Medien (2015)

Keine Pestizide und Genfood durch die Hintertür: TTIP stoppen! (2014)

Blutige Kohle (2013)

Import von GenReis verhindern (2013)

Antibiotika in der Massentierhaltung (2012)

Ausbeutung von Bodenschätzen (2012)

Tödliche Pharma-Studien (2012)

Kampagne Bienensterben (update 2012)

Plünderung natürl. Ressourcen

Umweltverseuchung Thailand (2011)

Risiken von Nanotubes (2011)

Gewerkschaften bei BAYER unter Beschuss (2011)

Keine Zulassung für GenFood! (2010)

Risiken von Kontrazeptiva (2010)

Generika retten Menschenleben

Kohlekraftwerke, Müllverbrennung, Giftgasproduktion: aktuellen Probleme zu BAYER

Dormagen: Keine Erweiterung der Phosgen-Produktion!

Brunsbüttel: Umweltrisiko durch neue Anlagen

Bienensterben durch BAYER-Pestizide

Zur UN-Biodiversitätskonferenz

Gefährliches Pharmamarketing

CO-Pipeline stoppen!

Import von australischem Giftmüll stoppen!

Klima-Emissionen von Bayer

Kampagne gegen Kinderarbeit in Indien

Grundwasser Vergiftung in Südafrika

Proteste Menschenversuche mit Pestiziden (2005)

Proteste gegen die Landesgartenschau in Leverkusen (2005)

Aktiv mit Erfolg - Aktionen der Coordination gegen BAYER-Gefahren (2005)

GenReis von Bayer - Gefahr für asiatische Landwirte (2004)

GenFood - Hände weg von unserer Nahrung (2004)

Bayer auf der Liste der „10 worst corporations“ (2004)

Gentech: Geheimkampagne von Metro, Bayer und Monsanto (2003)

Die Uno im Würgegriff der Konzerne

Vogelsterben durch Bayer-Pestizid (2003)

Aktiv gegen KonzernMacht (2002)

keine Steuergeschenke an Großkonzerne (2002)

Bayer am Pranger - der Lipobay-Skandal (2001)

[Pequito] Alfredo Pequito

CBG Redaktion

Rede Alfredo Pequito

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich freue mich, hier sprechen zu können und möchte mich besonders bei der Coordination gegen BAYER-Gefahren für ihre ausdauernde Unterstützung bedanken.

Mein Name ist Alfredo Pequito. Ich bin Portugiese und wahrscheinlich den meisten von Ihnen nicht bekannt. Einige unter Ihnen werden wissen, dass ich die Öffentlichkeit und die portugiesischen Behörden auf korrupte Praktiken von Bayer im Gesundheitswesen aufmerksam gemacht habe.

Bis 1992 arbeitete ich für eine andere Pharmafirma und wurde dann von einem hohen Verantwortlichen bei Bayer abgeworben. Sobald ich meine Arbeit für Bayer aufnahm, im Dezember 1992, wurde ich darauf hingewiesen, dass mir jederzeit ein hoher Betrag zu Verfügung stünde, mit dem ich Ärzte unterstützen könne. Mit diesem Geld sollten in erster Linie Flüge und Urlaubsreisen finanziert werden. Dabei fungierten Reisebüros als eine Art Bank: Bayer hinterlegte dort mit den Medizinern ausgehandelte Summen für Flüge, und die Doktoren konnten damit zu Ärzte-Kongressen reisen oder aber gleich das Geld nehmen.

Bayer klassifizierte die portugiesischen Ärzte dabei in die Klassen A, B und C, abhängig davon, in welchem Umfang sie Medikamente verschreiben konnten. Die medizinischen Berater von Bayer waren angehalten, zusätzliche Informationen über die Ärzte einzuholen, zum Beispiel Zahl der Kinder, Hobbies, politische Einstellung und sogar sexuelle Vorlieben. Mit Hilfe dieser Dossiers und den Bonuszahlungen sollten die Ärzte dazu gebracht werden, Produkte von Bayer zu verschreiben.

Meine Frage an Bayer lautet: gibt es solche Ärzte-Dossiers auch in Deutschland?

Ich setzte diese Art von Geld während meiner Arbeit für Bayer nie ein, da dies meiner Meinung nach nicht zu meinen Aufgaben als medizinischer Berater gehörte. Nach einigen Jahren wurde ich nach einem ganz normalen Meeting überraschend aufgefordert, mich in der Personalabteilung zu melden. Dort wartete bereits der Personaldirektor, heute Vorstandsmitglied von Bayer Portugal. Er hielt mir vor: „Sie kaufen keine Ärzte, Sie hinterlegen kein Geld in Reisebüros, Sie reichen keine überhöhten Rechnungen ein, Sie kaufen keine Elektrogeräte für die Ärzte, die Sie betreuen. Sie akzeptieren also unsere Strategie nicht - damit dienen Sie dem Unternehmen nicht“. Ich wurde gefeuert.

Das portugiesische Gesundheitsministerium veröffentlichte später eine Untersuchung, wonach Bayer im Jahr 1997 zwischen 5 und 10% des Pharma-Umsatzes, also etwa ein bis zwei Millionen Euro, für solch korrupte Praktiken. Zur Beruhigung meines Gewissens kann ich sagen, nie Teil eines solchen korrupten Systems gewesen zu sein.

Ich dachte, es sei meine Pflicht, den damaligen Vorstandsvorsitzenden von Bayer, Manfred Schneider, über solche Unregelmäßigkeiten in Kenntnis zu setzen. Ich erhielt lediglich die Antwort, dass Bayer Portugal autonom arbeite. Dies ist eine der vielen Ausreden der Konzernleitung.

Ich frage daher den heutigen Vorstandsvorsitzenden: tolerieren Sie es weiterhin, wenn bei Ihren ausländischen Tochterfirmen Korruption und Bestechung angewandt werden? Welche Konsequenzen hat Bayer daraus gezogen, dass sie in Portugal der Korruption überführt wurden?

Nachdem ich die portugiesischen Behörden auf diese Missstände hinwies, wurde eine Untersuchung der Generalstaatsanwaltschaft durchgeführt. Ich sprach mehrfach mit dem Gesundheitsminister, und auch die Parteien empfingen mich. Die Untersuchung kam zu dem Ergebnis, dass sich korrupte Praktiken im gesamten Gesundheitswesen ausgebreitet hatten. Falls es Sie genauer interessiert: die Ergebnisse füllen vier voluminöse Bände. Belangt werden konnten jedoch nur Ärzte, die im öffentlichen Dienst arbeiteten, rund 10.000. Niedergelassene Ärzte wurden nicht behelligt.

Ich dachte wie viele andere auch, diese Enthüllungen würden die Regierung dazu veranlassen, wieder etwas Ordnung in diesen Sektor zu bringen, der schon lange im Gerede war, dessen Gepflogenheiten aber niemals so offen kritisiert worden waren wie von mir.

Bayer engagierte daraufhin eine berühmte Kanzlei aus Lissabon – Jardim, Sampaio, Caldas. Die Teilhaber dieser Kanzlei waren der damalige portugiesische Präsident, der Justizminister und der Verteidigungsminister. Die wirtschaftliche Macht ist augenscheinlich mit der politischen Macht eng verbündet.

Bayer und die mit Bayer verbündeten Politiker fanden dann eine Lösung: 1999 verkündete der Präsident der Republik zum 25. Jahrestag der Nelkenrevolution eine Generalamnestie, die auch für korrupte Praktiken im Pharma-Bereich galt. Die Amnestie wurde vom Präsidenten Jorge Sampaio und seinem Justizminister verkündet – beides Teilhaber der Kanzlei, die Bayer verteidigte. So blieb es bei einigen Geldbußen und Verurteilungen zu gemeinnütziger Arbeit.

Über Korruption und Bestechung hinaus gibt es weiter Missstände in Portugal, für die Bayer verantwortlich ist. Zum Beispiel führte Bayer ohne Kenntnis der Behörden und ohne medizinische Aufsicht klinische Untersuchungen durch, u.a. mit der Substanz Escadotril. In einem firmeninternen Memorandum heißt es: Placebo null Tote, Escadotril acht Tote.

Die portugiesische Medikamentenaufsicht Infarmed war über diese Tests von Bayer nicht informiert. Die Untersuchungen wurden mit Hilfe der beteiligten Ärzte verheimlicht. Erst Recherchen der Zeitung Expresso brachten die Fakten in die Öffentlichkeit.

Meine Frage an Bayer lautet: Warum wurde die Existenz dieser Studie verheimlicht? Warum hat Bayer nicht die Verantwortung für diese Todesfälle übernommen? Ist Bayer bereit, die Ergebnisse aller in Portugal durchgeführten klinischen Tests offen zu legen?

Aus Portugal wurden nie Nebenwirkungen von Lipobay gemeldet, obwohl dieses Präparat Tausende Patienten in aller Welt geschädigt hat und obwohl Lipobay auch in Portugal verschrieben wurde. Meine Frage an den Vorstand lautet: wie viele Lipobay-Verschreibungen gab es in Portugal und zu wie vielen Gesundheits-Schäden ist es gekommen?

Das gleiche gilt für das tödliche Herzmittel Trasylol. Seit Jahrzehnten waren Bayer die schweren Nebenwirkungen von Trasylol bekannt. Auch hierzu frage ich: wie viele Patienten wurden in Portugal geschädigt? Wann werden Sie dieses Präparat endlich vollständig vom Markt nehmen?

Herr Wenning, fühlen Sie Scham und Schuldgefühle für die Unglücksfälle, für die Sie in aller Welt verantwortlich sind?

Warum korrumpiert Bayer Ärzte und Apotheken in solcher Art und Weise? Vertraut Bayer seinen Produkten nicht und greift deswegen zu solchen Verkaufsmethoden?

Ich frage Sie: Welche Konsequenzen hat Bayer aus diesen Enthüllungen gezogen?

Diese beschämende Vorgehensweise ist wirklich kein Aushängeschild für ein großes Land wie Deutschland. Meine Familie und ich mussten stark unter dem Vorgehen von Bayer leiden. Ich hoffe, der Vorstand hat heute den Mut, meine Fragen ehrlich zu beantworten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Lipobay

CBG Redaktion

10. August 2001

Nach dem LIPOBAY-Desaster:

„Weitere BAYER-Produkte gehören auf den Prüfstand“

Nach dem weltweiten Rückzug des Cholesterin-Senkers LIPOBAY fordern Kritiker eine Überprüfung weiterer BAYER-Produkte sowie Konsequenzen bei der Medikamenten-Aufsicht. Zahlreiche Pharmazeutika des Leverkusener Konzerns stehen im Verdacht, wirkungslos oder gefährlich zu sein - darunter die „Blockbuster“ GLUCOBAY und ADALAT.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG): „BAYER hat mindestens seit Juni von den Problemen mit LIPOBAY gewusst. Die späte Reaktion des Unternehmens ist unverantwortlich.“ Mimkes fordert als Reaktion auf den Skandal eine verschärfte Überwachung durch die Behörden: „Bis heute gibt es kein funktionierendes Meldesystem für Nebenwirkungen, Tausende von Folgeschäden bleiben daher unentdeckt.“ Nach unabhängigen Schätzungen führen Nebenwirkungen von Medikamenten allein in Deutschland zu jährlich 16.000 Todesfällen.

Hubert Ostendorf von der CBG ergänzt: „Auch das Präparat GLUCOBAY zur Behandlung von Diabetes wird von Experten als untauglich und unverträglich abgelehnt. Es gehört genauso auf den Prüfstand wie LIPOBAY.“ Das Mittel wurde gegen den Willen von Diabetologen mit einer millionenschweren Werbekampagne auf den Markt gedrückt. Ostendorf fordert, dass die bei der Zulassung neuer Medikamente eingereichten Studien veröffentlicht werden. Bislang werden die Zulassungsunterlagen als geheim eingestuft. Hierdurch wird eine Überprüfung durch unabhängige Wissenschaftler verunmöglicht.

Kritische Berichte gibt es auch zu den von BAYER entwickelten Kalziumantagonisten ADALAT und NIMOTOP. Nach Angaben des US-Wissenschaftlers Prof. Bruce Psaty erhöht ADALAT die Gefahr eines tödlichen Herzinfarkts um 60%. ADALAT ist mit einem jährlichen Umsatz von mehr als 2 Milliarden DM das zweitwichtigste BAYER-Medikament.

[Strack] Rede Guido Strack

CBG Redaktion

Köln, 14. Mai 2009
Whistleblowing bei Bayer

Ein Bericht von der Hauptversammlung der Bayer AG
am 12.5.2009 in den Messehallen Düsseldorf

1. Rede des Vorsitzenden des Whistleblower-Netzwerk e.V., Guido Strack

Sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Guido Strack. Ich bin Vorsitzender des gemeinnützigen Vereins Whistleblower-Netzwerk e.V. aus Köln der sich für Whistleblower, also für Menschen einsetzt, die auf Miss-stände in ihren Unternehmen hinweisen, damit diese frühzeitig abgestellt werden können. Lei-der ernten Whislteblowe heut zu tage statt Lob und Anerkennung in vielen Betrieben immer noch Mobbing und ihnen droht der Jobverlust

Bevor ich dem Vorstand ein paar Fragen zum Thema Whistleblowing stelle, möchte ich mich zunächst mit einigen Fragen an Sie liebe Mit-Aktionärinnen und Mit-Aktionäre wen-den:

Glauben Sie eigentlich, dass sich unsere Firma an Recht und Gesetz hält, überall, in in Deutschland in Europa und in der Welt?

Glauben Sie, dass der Vorstand uns darüber aufklären würde wenn dies – und sei es auch nur irgendwo in einer Ecke des großen Bayer-Imperiums - nicht der Fall wäre?

Glauben Sie dass der Aufsichtsrat dies auch dann feststellen würde, wenn der Vorstand ihm derartige Informationen vorenthalten würde?

Und, glauben Sie, dass uns hier und heute reiner Wein auch dann eingeschenkt wird, wenn die wahrheitsgemäße Beantwortung der Fragen die Herren auf dem Podium erheblich belasten würde – sei es einzelne, sei es mehrere?

Nur zu gerne würde ich alle diese Fragen aus vollem Herzen bejahen und mit der Vorlage von Informationsmaterial aller Art, inklusive schöner Worte in der Corporate Compliance Policy tut der Vorstand einiges dafür insoweit Vertrauen zu schaffen.

Aber was würde wohl geschehen, wenn hier und heute im Backoffice ein Mitarbeiter aufbegehrt und gegenüber seinen Vorgesetzten feststellt, dass eine Antwort auf eine der bereits gestellten Fragen geschönt oder gar bewusst falsch abgegeben werden soll oder wurde. An wen könnte er sich dann wenden? Ließe man es zu, dass er hier ans Rednerpult tritt und uns alle über sei-ne Sicht der Dinge informiert? Ich jeden falls würde mir dies wünschen.

Ich sprach eben von Vertrauen, aber ist dieses Vertrauen wirklich angebracht angesichts der diesbezüglichen Bilanz von Bayer?

Ist nicht vielmehr davon auszugehen, dass sich jener Mitarbeiter im Backoffice wenn er tatsäch-lich den Versuch unternehmen würde um uns als Eigentümer darüber zu informieren was im Unternehmen wirklich passiert sich schon morgen nach einem neuen Job umsehen müsste? Davon, dass diese unausgesprochene Wahrheit allen Mitarbeitern bekannt ist und dass die meisten genau deshalb schweigen.

Bayer hat eine lange unrühmliche Tradition im Hinblick auf Gesetzesverstöße, Missstän-de und die Gefährdung von Kundeninteressen und über einen schlechten Umgang mit Whistleblowern.

Mit Alfredo Pequito tritt hier heute ein solcher Whistleblower auf und berichtet uns allen über einen Teil jener Wirklichkeiten die uns der Vorstand auch diesmal wahrscheinlich wieder ver-schweigen wird. Wirklichkeiten von denen wir nur dank Whistleblowern und auch dank ihrer Unterstützung durch die Coordination gegen Bayer Gefahren überhaupt wissen.

Erinnern möchte ich hier auch an den Bayer Mitarbeiter George Couto. Er deckte auf, dass Bayer die US-Regierung betrog indem der staatlichen Gesundheitsversorgung zustehende Ra-batte nicht gewährt wurden. 2003 musste Bayer schließlich aufgrund eines in den USA und in Deutschland leider nicht bestehenden Whistleblowerschutz-Gesetzes des false claims acts 255,6 Millionen Dollar, die bis dahin höchste je verhängte Strafsumme einem Betrugsverfahren zahlen.

Dabei hätte BAYER damals eigentlich schon gewarnt sein können, denn bereits zwei Jahre zuvor zahlte man 14,1 Millionen Dollar in einem anderen Betrugsfall zu Lasten der US-Gesundheitsvorsorge, der ebenfalls durch einen Whistleblower ans Tageslicht gekommen war.

Ich möchte gerne herausfinden was der Vorstand aus diesen und anderen Fällen gelernt hat und was in unserem Unternehmen heute anders laufen würde, wie heute sichergestellt ist, dass Whistleblower heutzutage frühzeitig auf Missstände, Gefahren und Risiken auch für unsere Ak-tionärsinteressen hinweisen und wie mit diesen Hinweisen umgegangen wird.

Vor diesem Hintergrund habe ich folgende Fragen, sowohl zu einzelnen Fällen, die durch die Medien gegangen sind, als auch genereller Art:

Ist der Whistleblower bekannt der auf die von Bayer zunächst nicht veröffentlichten Daten zur Gefährlichkeit von Trasylol hinwies? Was ist mit ihm geschehen bzw. was würde geschehen wenn sein Name bekannt würde?

Unterhält Bayer noch vertragliche Beziehungen zu Alexander Walker einem Professor in Har-vard der an der Trasylol-Studie beteiligt war oder ist dieser mittlerweile eine „persona non grata“ in unserem Konzern?

Wie ging Bayer mit der ehemaligen Marketing-Expertin Susan Blankett um, die zunächst intern immer wieder erfolglos versuchte auf die Gefahren von LIPOBAY hinzuweisen bis sie schließ-lich einen Prozess gegen unser Unternehmen anstrengte? Wie ist diesbezüglich der aktuelle Sachstand? Welche Maßnahmen wurden ergriffen um zu verhindern, dass derartiges wieder passieren kann?

Der Herr von Greenpeace hat eben über das Image unseres Unternehmens gesprochen. Am 19.4.2009, also vor weniger als einem Monat, fand sich in einem der best besuchtesten deut-schen Politik-Blogs unter der Überschrift „“Bayer Mord wegen des Profits!“ ein Link zum Film „Tödlicher Ausverkauf“ von Egmond R. Koch, in welchem behauptet wurde, dass die US-Tochter Cutter auch dann noch ungereinigte Blutkonserven an Bluter in Asien und in Entwick-lungsländern aus Lagerbeständen abverkaufte als ihr die damit verbundenen Gefahren bereits bekannt waren. Trifft dies zu?
Wieviele Menschen sind hierdurch mit AIDS infiziert worden bzw. zu Tode gekommen? Sind diesbezüglich noch Rechtsstreite anhängig? Um welche Beträge geht es dabei? Was wurde aus dem chinesischen Hongkong Vertriebsmann von Cutter, einem Herrn Raymond Ho der sich als Whistleblower frühzeitig intern über diese Vertriebspraxis beschwerte? Ist er noch bei Cutter bzw. Bayer beschäftigt und wenn nein, warum nicht mehr? Gab es in diesem Fall andere Whistleblower und was geschah mit Ihnen? Was wurde aus Willi Ewald der in anderen Fällen zeitgleich vor der Verwendung des Produkts warnte, den Verkauf an Entwicklungsländer und Asien aber wohl nicht stoppte. John H. Hink ein ehemaliger Cutter-Manager sagt in diesem Film sinngemäß: „Statt die Produkte wegzuschmeißen wurde entschieden diese in anderen Ländern zu verkaufen wodurch Menschen zu Schaden kamen. Ich habe Fehler gemacht und bin froh jetzt darüber reden zu können.“ Wäre Bayer bereit diesen und andere Ex-Manager die Fehler bereuen heute für Compliance Schulungen anzuwerben und einzusetzen um Mitarbeitern dras-tisch und anschaulich zu vermitteln, wie man es nicht und wie man es besser machen sollte?

Wie viel Geld hat Bayer in den letzten 10 Jahren im Rahmen von Fällen die nach US-Bundes oder Staaten false claims acts anhängig gemacht wurden gezahlt? Sei es im Vergleichswege oder nach Verurteilungen und welche weiteren Kosten, z.B. für Rechtsanwälten sind dem Un-ternehmen dadurch insgesamt entstanden?

Können Sie uns bitte nähere Information über den Stand des im Berichtszeitraum, nämlich am 24.4.2008 in Newark New Jersey geöffneten false claims Verfahrens gegen BAYER geben, bei dem ein Whistleblower dem Unternehmen und seinen Töchtern vorwirft über einen Zeitraum von drei Jahren vor der Rücknahme von BAYCOL vom Markt illegale und betrügerische Marke-ting-Praktiken inklusive Schmiergeldzahlungen –Sie erinnern sich ja noch an das was ich eben zum false claims act gesagt habe – angewandt zu haben? Welche Strafzahlung könnten hier auf das Unternehmen schlimmstenfalls zukommen, wenn dieser Klage stattgegeben werden würde? Wie vielen anderen false claims act Verfahren sind derzeit in den USA auf Bundes oder Staatenebene anhängig? Worum geht es dabei jeweils und wie hoch wären in jenen Verfahren die jeweils maximal zu befürchtenden Schadensersatzzahlungen? Dazu muss man wissen, dass Bayer seit zwei Jahren nicht mehr in Amerika gelistet ist, also auch nicht mehr den SEC-Regeln unterliegt und es den 20-F Bericht nicht mehr gibt, in dem solche Informationen früher auch aufgeführt hätten werden müssen. Also haben wir nicht unbedingt ein Mehr an Transpa-renz in den letzten Jahren.

Abschließend noch ein paar generellere Fragen:

Teilen Sie die Einschätzung einer globalen Umfrage von Price Waterhouse aus dem letzten Jahr, der zu Folge Whistleblower-Vorbringen in mehr Fällen für die Feststellung von internen Betrugsfällen verantwortlich war als Audits, Interne Compliance und behördliche Kontrolle zu-sammen?

Gab es in den letzten drei Jahren Kündigungen von Bayer-Mitarbeitern, oder von Mitarbeitern von Tochterunternehmen an denen Bayer mehrheitlich beteiligt ist, wegen des Verrats von Be-triebs- und Geschäftsgeheimnissen oder wegen Loyalitätspflichtverletzungen in denen sich jene Mitarbeiter zuvor oder danach mit Hinweisen auf Missstände oder mit Vorwürfen in Bezug auf Gesetzesverstöße an Behörden oder an die Öffentlichkeit gewandt hatten? Wenn ja wie viele und welche Vorwürfe wurden dem Unternehmen dabei gemacht?

Wie würde ein Bayer-Mitarbeiter behandelt, der sich an die Öffentlichkeit wendet und Beweise vorlegen könnte dass Bayer z.B. für das derzeit an vielen Stellen zu beobachtende Massenbie-nensterben mit-verantwortlich ist?

Im Bayer Compliance Programm heißt es „. Alle Mitarbeiter sind verpflichtet, Verletzungen die-ses Compliance-Programms unverzüglich mitzuteilen.“ Wieviele solche Meldungen gab es 2008? Was waren die Folgen? Ist jemals einem Mitarbeiter die Nichterfüllung der Mitteilungs-pflicht vorgeworfen worden? Ist jemals ein Mitarbeiter hierfür sanktioniert worden? Oder steht dies alles nur auf dem Papier und abgestraft werden diejenigen, die unbequeme Meldungen machen?

Hat Bayer irgendwelche früheren Whistleblower rehabilitiert bzw, ihnen die Wiedereinstellung z.B. als Berater in Compliance-Angelegenheiten angeboten oder wäre der Vorstand hierzu als glaubwürdigen Einstieg in eine Neuorientierung bereit?

Wenn der Vorstand an Veränderungen und Vertrauen schaffender Transparenz hinsichtlich seiner Whistleblower-Politik interessiert ist, warum dann wurde die Umfrage mit welcher Whistleblower-Netzwerk und der Dachverband kritischer Aktionäre sich bereits Ende letzten Jahres an Sie gewandt hatten, bisher von Ihnen, anders als von vielen anderen DAX-Unternehmen, überhaupt nicht beantwortet?

Sind Sie bereit über Verbesserungen Ihrer derzeitigen Whistleblower-Policy nachzudenken und hierzu mit unserem Verein oder mit anderen anerkannten Experten mit dem Ziel einer best-practice zusammen zu arbeiten?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

2. Fragen von Antje Kleine-Wisskot zum Thema Whistleblowing

Unmittelbar im Anschluss, stellte Antje Kleine-Wiskott vom Dachverband kritischer Akti-onärinnen und Aktionäre in ihrer Rede noch folgende Fragen im Zusammenhang mit dem Thema Whistleblowing:

Gibt es in unserem Unternehmen spezielle Regelungen für Whistleblowing bzw. zum Whistleblowerschutz? In wieweit genügt deren Ausgestaltung international anerkannter „Best Practice„ wie sie sich z.B. im Code of practice „Whistlelbowing arrangements“ (PAS 1998:2008) der British Standards Institution widerspiegelt?

Wie ist sichergestellt, dass Hinweisen von Whistleblowern auf Risiken, Missstände und Geset-zesverstöße aller Art in unserem Unternehmen auch dann umfassend und bis zur Abhilfe nach-gegangen wird, wenn es dabei um den Schutz von langfristigen Aktionärsinteressen oder öf-fentlichen Interessen geht und hierbei ein Interessenskonflikt mit den kurzfristigen Interessen der aktuellen Unternehmensleitung besteht?

Erläutern Sie bitte die gegenwärtige Informationspolitik unseres Unternehmens bezüglich tat-sächlich vorkommender Fälle von Whistleblowing.
Wir begreifen Whistleblowing als ein wichtiges Element der Risikovorsorge und Compliance. Ist in unserem Unternehmen die Informationspolitik intern und extern ausreichend, um bei poten-ziellen Whistleblowern und auch bei Aktionären, die diese Anschauung teilen, eine tragfähige Vertrauensbasis herzustellen?

Sie schreiben in Ihrem Geschäftsbericht: „Alle Bayer-Mitarbeiter sind verpflichtet, Verletzungen der Compliance-Policy unverzüglich mitzuteilen. Die Anzeigen können auch anonym erfolgen; dazu sind in allen Ländern spezielle Hotlines eingerichtet, die ganz überwiegend zu von uns beauftragten spezialisierten Rechtsanwaltskanzleien führen.“ Was heißt an dieser Stelle „ganz überwiegend“ ganz genau? Wer sind diese Anwälte? In welcher Beziehung stehen sie ansons-ten zum Unternehmen? Was genau sind ihre Aufgaben? Gehören dazu auch unternehmensbe-ratende Tätigkeiten oder gar Ermittlungen gegen Whistleblower wie sie derzeit über Bahn-Ombudsleute berichtet werden? Könnten Sie sich vor diesem Hintergrund eine Einbeziehung wirklich Unabhängiger vorstellen?

3. Beantwortung der Fragen von Guido Strack durch den Vorstandsvorsitzenden der Bayer AG Werner Wenning:

Unser Bestreben ist es unsere Aktionäre offen und umfassend über alle wesentlichen Entwick-lungen in unserem Haus zu informieren. Nichts anderes gilt für de unternehmensinterne Dis-kussion. Ein offener, ehrlicher und direkter Dialog gehört zu unserer Unternehmenskultur und zu unseren Werten.

Herr Strack, sie haben ferner eine Reihe von hypothetischen Fragen zu unserem Backoffice gestellt. Diese Konstruktionen gehen jedoch an den realen Gegebenheiten vorbei. Sie werden verstehen, dass ich auf hypothetische Fragen auch keine faktischen Antworten geben kann.

Wenn wir uns an den realen Gegebenheiten orientieren, dann lassen sie mich an dieser Stelle unmissverständlich sagen: gesetzmäßiges und verantwortungsbewusstes Handeln ist für jeden Mitarbeiter verbindlich. Verstöße gegen Gesetze werden von uns nicht geduldet. Unser umfas-sendes Compliance-Programm beinhaltet u.a. ein striktes Verbot von Korruption und wettbe-werbswidrigem Verhalten, die Schaffung fairer und respektvoller Arbeitsbedingungen und ein klares Bekenntnis zum Schutz geistigen Eigentums.

Dies ist für uns ein Kernthema. Unseren Mitarbeitern wurde deshalb dieses Programm, fast überall verbunden mit persönlichen Gesprächen, als Broschüre ausgehändigt. Parallel dazu starteten wir eine Kommunikationskampagne, die das Bewusstsein für Compliance weiter schärft. Unter dem Titel Compliance W.I.N.S. werden weltweit u.a. Plakate an den Standorten ausgehängt, Präsentationsmaterial für Teambesprechungen und Mitarbeiterversammlungen bereit gestellt und Artikel in den internen Publikationen veröffentlicht. Informationen zu Compli-ance sind zudem über das Intranet für Mitarbeiter zugänglich, ebenso wie die Kontaktdaten aller Compliance-Officers und die Telefonnummern der lokalen Compliance-Hotlines, die inzwischen in 66 Ländern, in denen Bayer-Gesellschaften ansässig sind, bereitgestellt werden. Um Regel-verstöße aufdecken zu können, unterliegen Bayer Mitarbeiter einer Meldepflicht für mutmaßli-che Compliance-Verstöße. Gemeldete Vorfälle werden untersucht. Bei Bedarf ergreifen wir Maßnahmen. Dies beantwortet auch ihre Frage, Herr Strack, wie Mitarbeiter im Backoffice e-ventuelle Compliance Fälle melden können und wie bei uns mit diesen Hinweisen umgegangen wird.

Sie sprechen auch Compliance Verstöße in den USA und daraus resultierende Strafzahlungen an. Diese Sachverhalte liegen zum Teil weit zurück in der Vergangenheit. Wir haben in den vergangenen Jahren unser Compliance Programm und auch unsere Compliance Organisation erheblich ausgebaut und weiter verschärft. Wir sind deshalb davon überzeugt, dass Compliance bei Bayer heute ein fester Bestandteil unserer Geschäftsprozesse ist.

Herr Strack, sie haben eine im Zusammenhang mit Trayslol beauftragte Studie erwähnt. Deren vorläufige Daten von Bayer erst kurz nach der Sitzung eines Advisory Committees der amerika-nischen FDA im Herbst 2006 eingereicht wurden. Ihre Unterstellung, dass es einen Whistleblo-wer gab, der diese Daten öffentlich machte, ist unzutreffend. Bayer selbst hat die Daten der FDA bekannt gemacht. Sie sprachen außerdem Herrn Professor Alex Walker an. Er hat diese Studie für uns im Jahre 2007 fortgeführt und beendet.

Sie sprachen eine Klage an, die von einer ehemaligen Bayer Mitarbeiterin im vergangenen Jahr in den USA im Zusammenhang mit Baycol gegen Bayer erhoben wurde. Die in dieser Klage erhobenen Vorwürfe waren zum allergrößten Teil bereits Gegenstand der zahlreichen Klagen die zum Marktrückzug von Baycol/Lipobay in den USA erhoben worden sind. Wir weisen diese Vorwürfe entschieden zurück. Bayer hat in den USA bisher alle sechs Prozesse gewonnen. Die von der ehemaligen Bayer Mitarbeiterin eingereichte neue Klage ist nun zuständigkeitshalber an das Bundesgericht in Minnesota verwiesen worden, welches auch in den anderen bundes-gerichtlichen Baycol-Verfahren für die prozessuale Koordinierung zuständig ist.

Herr Strack, sie haben sich ausführlich nach dem Stand von false claims act Verfahren in den USA erkundigt. Derzeit sind uns keine Klagen bekannt, in denen von Behörden Verletzungen des false claims act durch uns behauptet wurden.

Sie haben, Herr Strack, eine Reihe von Fragen zu den HIV verunreinigten Blutprodukten und im Zusammenhang der damit anhängigen Rechtsstreitigkeiten gestellt. Im Zusammenhang mit Bluterpräparaten, die während der 80iger Jahre hergestellt wurden, betont Bayer nochmals, dass alle mit der Herstellung und Vermarktung biologischer Produkte befassten Unternehmen größtes Mitgefühl empfinden wegen der Folgen von HIV und AIDS für die Blutererkrankten. Die Tragik, ist der Umstand dass das Virus gerade durch die Therapien übertragen wurde, die das Leben von Bluterpatienten entscheidend verbessern können. Dies geschah zu einem Zeitpunkt als man nicht wusste und auch nicht wissen konnte, dass das Virus in die Blutprodukte gelangt war. Bayer bestreitet Fehlverhalten bei der Herstellung und Vermarktung dieser Produkte. Grundlage für die Entscheidungen von Cutter Laboratories waren die seinerzeit vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse und der damalige Stand der Technik. Man kann diese Ent-scheidungen nicht mit dem Wissen und den technischen Möglichkeiten beurteilen die es Jahre später verfügbar wurden. Gegen Bayer sind in den USA und in anderen Ländern zahlreiche Klagen anhängig die sich auf Schadensersatz für außerhalb der USA lebende Kläger richten, die durch von Bayer verkaufte Blutplasma-Produkte mit HIV oder Hepatitis-C Virus infiziert wor-den sein sollen. Die Klagen sind der Höhe nach nicht näher beziffert.

Herr Strack, sie fragten, ob wir bereit sind, mit ihrem Verein zusammen zu arbeiten. Ich habe gerade bereits auf unser umfassendes Compliance Programm hingewiesen. Wir haben dies zusammen mit Experten einer spezialisierten externen Kanzlei erarbeitet. Insofern sehen wir keinen weiteren Handlungsbedarf.

Herr Strack, sie fragten nach unserer Einschätzung einer Studie von Price-Waterhouse-Coopers zu Whistleblower-Fällen. Bitte haben sie Verständnis dafür, dass ich Ergebnisse von allgemeinen Erhebungen anderer Unternehmen weder validieren noch kommentieren kann.

Sie haben nach Zahlungen gefragt, die Bayer in den letzten Jahren wegen angeblicher Verlet-zungen des false claims acts in den USA geleistet hat. Wir haben in den letzten Jahren ein Ver-fahren hierzu verglichen ohne eine solche Verletzung einzugestehen. Wir haben in diesem Ver-gleich 97,5 Mio US-$ an die Behörde gezahlt. Die Anwaltskosten liegen im niedrigen einstelli-gen Millionenbereich. Darüber hinaus gibt es keine weiteren Klagen, in denen Behörden Verlet-zungen des false claims acts durch uns behaupten.

Sie fragten nach Kündigungen von Mitarbeitern im Zusammenhang mit der Meldung von Compliance Verstößen. Auch hierzu enthält unser aktuelles Compliance Programm eine klare Aussage: Kein Mitarbeiter darf auf Grund einer gutgläubigen Anzeigeerstattung auf irgendeine Weise benachteiligt werden. Dementsprechend sind uns auch keine derartigen Fälle bekannt.

Herr Strack, sie fragten nach der Anzahl von Anzeigen unter unserem Compliance Programm im Laufe des Jahres 2008. Die genaue Zahl der weltweiten Fälle liegt uns nicht vor. Die Grö-ßenordnung dürfte zwischen 50 und 100 liegen. Ich kann ihnen aber versichern, dass wir sämt-lichen Anzeigen nachgehen. Teilweise erwiesen sich diese Meldungen als nicht zutreffend. Da wo zutreffend hat dies zu arbeitsrechtlichen Schritten bis hin zur Trennung von Mitarbeitern ge-führt. Sie fragten nach der Wiedereinstellung von Whistleblowern bei Bayer. Dies würde vor-aussetzen, dass wir uns von Whistleblowern getrennt hätten. Dies ist aber nicht der Fall. Kein Mitarbeiter wird bei uns auf Grund einer gutgläubigen Anzeige von Compliance Verstößen auf irgendeine Weise benachteiligt und schon gar nicht gekündigt.

Herr Strack, sie hatten das Thema Bienensterben und Bayer angesprochen. Herr Strack, selbstverständlich gehen wir Hinweisen die zu einer Verbesserung der Sicherheit unserer Pro-dukte führen können im eigenen Interesse nach. Ich möchte allerdings festhalten: Unsere Pro-dukte sind, bei sachgerechter Anwendung, sicher für den Landwirt, die Umwelt und den Verbraucher. Die Wissenschaftler sind sich einig, dass es eine Vielzahl von Gründen für die in bestimmten Regionen beobachteten Bienenverluste gibt. Dazu zählen u.a. extreme Umweltein-flüsse und Bienenkranheiten wie die Varoa-Milbe. Die Bienengesundheit hat für Bayer hohe Priorität. Daher unterstützt das Unternehmen Wissenschaftler und Behörden bei der Aufklärung.

4. Herr Wenning zu den Fragen von Antje Kleine-Wisskot

Zu den Fragen von Antje Kleine-Wisskot aus dem Bereich Whistleblowing führte Herr Wennig anschließend noch sinngemäß aus:

- dass auch anonyme Meldungen an externe Rechtsanwalts-Kanzleien möglich sind,
- dass keinerlei Benachteiligungen von Whistleblowern stattfinden und
- dass er auch keinen Widerspruch zwischen kurz- und langfristigen Interessen sähe; vielmehr sei eine uneingeschränkte Compliance Politik nötig und werde von Bayer auch angewandt.

5. Zweite Wortmeldung von Guido Strack

In einer zweiten Wortmeldung versuchte Guido Strack später noch Antworten auf die zunächst unbeantworteten Fragen zu bekommen und stellte zugleich auch einige Nach-fragen zu den Äußerungen von Herrn Wennig.

Sehr geehrter Herr Wennig,

leider haben sie nur einen Teil der von mir und Frau Kleine Wisskot aufgeworfenen Fragen zum Thema Whistleblowing beantwortet. Außerdem ergeben sich aus ihren Äußerungen auch Nach-fragen, weshalb ich mich nunmehr zu acht Punkten nochmals äußern möchte:

Vorab möchte ich aber auch feststellen, dass ich die auf dem Papier bestehende Grundaussa-ge ihrer Compliance-Policy „keinerlei Nachteile für Whistleblower“ ausdrücklich begrüße. Mei-nes Erachtens fehlt aber die Transparenz und hierzu haben sie meine spezifischen Fragen auch nicht ausreichend beantwortet. Transparenz wäre aber nötig um Vertrauen aufzubauen und die Kultur des Schweigens zu überwinden.

Erstens: Sie sprachen von externen Anwaltskanzleien. Wir hatten auch nach Namen gefragt. Können sie diese bitte, wenn schon nicht für die gesamte Welt, dann wenigsten für Deutschland benennen? Wenn sie von externen Kanzleien sprechen, kann ich daraus schließen, dass sie grundsätzlich der Meinung sind, dass es einen unabhängigen Ansprechpartner für Whistleblo-wer geben sollte? Zugleich möchte ich dann aber hinterfragen, wie extern und unabhängig die von ihnen konkret eingeschalteten Kanzleien sind. Habe ich sie richtig verstanden, dass die Kanzleien das Unternehmen beim Aufbau des Systems beraten haben und dass sie auch in Bereichen jenseits der Compliance mit diesen Zusammenarbeiten? Teilen sie meine Einschät-zung, dass eine solche Kanzlei dann nicht mehr wirklich unabhängig sein kann? Außerdem hät-te ich gerne nähere Informationen darüber, was die Anwaltskanzleien genau machen? Nehmen sie nur die Anzeigen auf oder sind sie auch in die Aufklärung der Sachverhalte eingebunden? Gibt es Rückmeldungen an die Whistleblower und haben diese Gelegenheit zu Ermittlungs-nachfragen und/oder dazu zu Ermittlungsergebnissen Stellung zu nehmen?
Außerdem interessiert es mich zu erfahren, welche Rechte die Anwaltskanzlei hat. Erschöpfen sich diese in der Einbindung in einen internen Prozess oder haben die Kanzleien, im Sinne von unabhängigen Organen der Rechtspflege, auch die Möglichkeit Behörden einzuschalten wenn sie der Auffassung sind, dass Gesetzesverstöße seitens von Bayer oder von Mitarbeitern vor-liegen?
Teilen sie meine Auffassung, dass mehr Transparenz mehr Vertrauen schaffen kann? Sind sie bereit die nähere Ausgestaltung ihres Umgangs mit Whistleblower-Hinweisen und zur Rolle der Rechtsanwaltskanzleien sowie die mit jenen geschlossenen Verträge – und hier geht es nicht um finanzielle Regelungen – öffentlich zu machen?

Zweitens: Es wurde gefragt, wie die interne und externe Kommunikationspolitik zu konkreten Whistleblower- bzw. Compliance Meldungen aussieht. Hierzu gab es leider keine Antwort. Ich will daher kurz verdeutlichen, was mit jener Frage gemeint war: Die Lufthansa Technik z.B. ver-öffentlicht intern in einem Tracing System, also einer Übersicht anonymisiert sämtliche Whistleblower Meldungen, deren jeweils aktuellen Sach- und Bearbeitungsstand, bis hin zu Untersuchungsergebnissen und follow-up. Damit ist gewährleistet, dass ein transparentes Ver-fahren entsteht und Mitarbeiter begründetes Vertrauen gewinnen und aus Fehlverhalten lernen können. Siemens macht die Zahlen zur Nutzung seiner Whistleblower-Hotlines zumindest in Form von nach Sachgruppen untergliederten statistischen Daten sogar der Öffentlichkeit quar-talsmäßig zugänglich. In beiden Fällen und auch in anderen uns bekannten Unternehmen ist die Nutzung der Hotlines außerdem wesentlich größer als die von ihnen genannten groben Zah-len. Sehen sie hier einen Zusammenhang? Können auch sie bitte die von ihnen genannten Fallzahlen weiter aufschlüsseln? Ging es hierbei um Korruption, andere Gesetzesverstöße oder auch um Fragen unzureichender Risikoabschätzungen hinsichtlich der Gefährlichkeit von Bayer Produkten? Ist der letztere Bereich überhaupt vom Compliance Programm umfasst?

Drittens: Eine andere Frage, zu der sie nicht Stellung genommen haben war jene nach dem Vergleich ihres Compliance Systems mit dem BSI Standard PAS 1998:2008. Dieser Standard enthält am Ende eine Checklist mit konkreten Punkten und ich würde gerne wissen, in wie weit ihr Compliance System jedem dieser Punkte genügt. So wird z.B. neben einem Meldekanal auch eine davon und vom Unternehmen unabhängige Beratungsmöglichkeit gefordert. Gewähr-leisten sie diese? Wichtig für gute Whistleblower-Systeme ist anerkannter Weise auch eine Vorbild Funktion und die transparente Belobigung von Whistleblowern die über eine bloße Nichtdiskriminierung hinaus gehen muss. Was tun sie insoweit? Können sie bitte auch noch etwas dazu sagen, ob die Compliance Hotline auf Mitabeiter begrenzt ist oder ob sie z.B. auch von Vertragspartnern, Lieferanten oder Kunden genutzt werden kann wie sich dies in anderen Unternehmen bewehrt hat?
Viertens: Ich hatte sie gefragt, ob es bisher bei Bayer einen Fall gab, in dem ein Mitarbeiter we-gen der Nichtmeldung von Compliance Informationen, also für Nicht-Whistleblowing sanktioniert wurde, denn dies wäre ja eigentlich eine Folge der von ihnen statuierten Meldepflicht. Hierzu hatte ich keine Antwort erhalten.

Fünftens: Sie haben trotz aller Defizite einen zumindest auf dem Papier bestehenden Compli-ance Standard beschrieben der über jenen des Deutschen Corporate Governance Kodex hi-nausgeht. Daher meine Frage: Werden sie sich dafür einsetzen zumindest jenen Standard auch im Deutschen Corporate Governance Kodex verbindlich festzuschreiben? Wird Bayer die Be-deutung von Whistleblowing auch dadurch anerkennen, dass sich der Konzern für eine gesetz-liche Schutzregelung für Whistleblower einsetzt. Im letzten Sommer ist der Vorschlag für einen neune § 612a BGB ja noch am Widerstand von CDU/CSU und der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände gescheitert. Wird sich Bayer gegen diese Haltung der BdA stel-len?

Sechstens: Eine weitere Nachfrage bezieht sich auf die false claims act Fälle. Hier hatten sie erwähnt, dass Bayer im letzten Jahr eine Zahlung vom 97,5 Mio US-$ geleistet hat. Dabei hatte ich den Eindruck, dass es sich hierbei nicht um den von mir erwähnten Fall aus Newark iZm. Baycol handelte – der jetzt wohl in Minnesota anhängig ist. Daher die Nachfrage: Worum ging es bei der Zahlung von 97,5 Mio US-$? Wieso zahlt Bayer mal eben 100 Millionen, wenn doch wie sie sagen „keine Rechtsverstöße anerkannt“ wurden? Sehen sie in diesem verweigerten Bekenntnis zu eigenen früheren Rechtsverstößen nicht einen Widerspruch zu dem von ihnen mehrmals abgegebenen Bekenntnis zur Rechtstreue? Setzt Rechtstreue und verantwortliches Handeln nicht auch klare Fehlereingeständnisse voraus? Wir alle machen Fehler. Wie kann dies von den Mitarbeitern verlangt werden, wenn die Firma hier nicht mit Vorbildfunktion voran-geht? Außerdem nochmals meine Frage von eben: Wieviel wurde in den letzten 10 Jahren im Rahmen von false claims act Verfahren sei es über Verurteilungen oder Vergleiche inklusive Kosten insgesamt gezahlt? Ich komme hier auf ca. 370 Milllionen US-$, sie sprachen aber nur von 97,5 Mio US-$ plus Anwaltskosten.

Siebtens: Abschließend erlauben sie mir noch eine Anmerkung zur Frage des Dialogs. Sie ha-ben heute mehrfach betont, dass sie diesen für wichtig halten. Zugleich aber mein konkretes Angebot in einem solchen Dialog mit uns, dem Whistleblower-Netzwerk e.V. einzusteigen aber verweigert. Gibt es einen Grund für diese offensichtliche Abweichung von ihrem Grundprinzip und wenn ja , warum haben sie dann nicht wenigstens meine konkrete Frage nach den Grün-den für die Nichtbeantwortung der ihnen bereits im Dezember 2008 zugesandten Umfrage be-antwortet?

Achtens und dies ist eine ganz persönliche Anmerkung zum Schluss: „Claiming science for a better life without caring for risks“ so scheint mir nach allem hier heute gehörten der wahre Leit-spruch von Bayer zu lauten. Bei Produkteinführungen wahren sie bestenfalls noch die nach gesetzlichen Vorgaben nötigen Anforderungen vom Stand der Technik, allerdings stets unter dem Gesichtspunkt der Kostenminimierung. Dann versuchen sie das meiste aus dem Produkt herauszuholen, notfalls auch jenseits der geprüften Bereiche. Wenn dann ein Schaden bei Drit-ten auftritt wird er solange wie möglich geleugnet und entsprechende Medien- und Politikbear-beitung betrieben. Lässt er sich nicht mehr leugnen, leugnet man die eigene Verantwortung und zahlt notfalls, „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ an diejenigen wenigen Hartnäckigen, die bis hierhin durchgehalten haben. Nachhaltige Unternehmenspolitik sieht für mich anders aus.

6. Replik Wennig

Ganz am Ende der Hauptversammlung erfolgte dann nochmals eine sehr kurze Replik von Herrn Wenning die in etwa wie folgt zusammengefasst werden kann:

Die für Deutschland beauftragte externe Anwaltskanzlei ist die Kanzlei Heuking, Kühn, Lüer und Wojek in Köln.

Compliance steht für Bayer nicht neben dem Geschäft sondern ist voll integriert. Jeder Mitarbei-ter ist zur Compliance verpflichtet und kann sich an Vorgesetzte, spezielle Compliance Beauf-tragte oder eben auch über die Hotline anonym an externe Anwaltskanzleien wenden. Im letzte-ren Fall bekommt er eine Fallnummer über die jederzeit Rückfragen zu Stand und Ergebnissen der Untersuchungen bei den Anwälten möglich sind. Die Untersuchungen werden von der Compliance Abteilung koordiniert und wo nötig unter Einbeziehung anderer Abteilungen (z.B. Rechtsabteilung oder Fachabteilungen) durchgeführt. In Einzelfällen werden auch externe Stel-len und Behörden eingebunden. Die Unabhängigkeit ist demnach in ausreichender Form ge-währleistet.

Sie sprachen von einer Kultur des Schweigens bei Bayer – dies ist falsch, das Gegenteil ist rich-tig.

Unser umfassendes Compliance Programm spricht insgesamt 10 Bereiche an darunter neben Gesetzesverstößen auch Nachhaltigkeit, Umwelt und Gesundheit. Wir haben dieses Programm selbst entwickelt, weiter ausgebaut und genau auf unser Unternehmen zugeschnitten. Daher ist es nachrangig ob es BSI-konform ist. Jedes Unternehmen sollte hier selbst entscheiden, was das Beste ist.

Die erwähnten 97,5, Mio US-$ sind nicht im Zusammenhang mit Baycol, sondern von Bayer Healtcare LLC im Zusammenhang mit einem Streit um die Marketingmethoden bei Diabetes Care in den Jahren 1998 bis 2003 gezahlt worden. Konkret ist es um den Vertrieb von Blutzu-ckermessgeräten. Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht ist hierzu im November 2008 ein Ver-gleich mit dem US-Justiztministerium und ein Corporate Integrity Agreement geschlossen wer-den. Weitere Zahlungen in false claims act Sachverhalten gab es in den letzten 10 Jahren nicht.

7. Persönliches Fazit von Guido Strack:

Aufschlussreich und erschöpfend war es schon die Bayer Hauptversammlung 2009 mitzuerle-ben. Aufschlussreich vor allem im Hinblick auf die von Herrn Wenning beim Thema Whistleblo-wing aber auch bei vielen anderen kritischen Fragen an den Tag gelegte professionelle Igno-ranz von Kritik. Mit zur Schau getragener Selbstsicherheit und ohne Anflug von Zweifeln wurden da Bedenken zu vergangenen und aktuellen Bayer-Produkten und -Vorhaben locker vom Tisch gewischt. Und mit gleicher Sicherheit wird auch an dem bedrohlichen Pipeline Projekt festgehal-ten. Wen kümmern da schon die Massenproteste bei der betroffenen Bevölkerung – Bayer je-denfalls nicht.

Eine „Kultur des Schweigens“ herrsche bei Bayer nicht, sagte Vorstandsvorsitzender Wenning. Aber die extrem niedrige Zahl von 50 – 100 Whistleblower-Meldungen weltweit in 2008 beweist etwas anderes.

Eine Fehlerkultur die eigene Fehler einräumt und für diese Verantwortung übernimmt ist nicht erkennbar. Alle Entscheidungen liegen allein in der Hand des Vorstandes, ohne jegliche externe Kontrolle. Praktisch ist es da auch, dass der Aufsichtsrat dem ehemaligen Vorstandsvorsitzen-den untersteht.

Der Schutz von Whistleblowern vor Benachteiligungen wird zwar behauptet. In konkreten Fäl-len, wie etwa dem des Portugiesen Alfrede Pequito, droht man dann aber doch lieber mit allen verfügbaren rechtlichen Keulen und hat diese in der Vergangenheit auch reichlich zum Einsatz gebracht.

Dialogbereitschaft wird zwar formal postuliert, bei konkreten Angeboten aber verneint. Das gilt hinsichtlich der Coordination gegen Bayer Gefahren, die es immer wieder wagt Bayer auf seine wirklichen Probleme hinzuweisen, ebenso wie gegenüber dem Whistleblower-Netzwerk. Da wundert es dann auch kaum noch, dass Internationale best practice Standards zu Whistleblo-wing die selbstherrlichen Herren bei Bayer ebenfalls nicht interessieren.

All dies spricht mehr für ein „Augen zu und durch“ als für ein Interesse daran mittels Förderung von Whistleblowing eigene Probleme und Risken frühzeitig erkennen und bekämpfen zu wollen, mag auf dem Papier der Compliance Policy stehen was will.

Mal abwarten wann Herr Wenning & Co. von den Folgen ihrer eigentlichen Agenda eingeholt werden – es bleibt nur zu hoffen, dass dabei nicht noch wesentlich mehr Menschen zu Bayer-Opfern werden.

Lipobay

CBG Redaktion

14. August 2001

Vermarktungsmethoden für LIPOBAY in der Kritik:

Gratisreisen und Kopfprämien

Nach dem spektakulären Verkaufs-Stopp des Medikaments Lipobay geraten nun auch die Vermarktungsmethoden des Unternehmens Bayer in die Kritik. Ärzte berichten von Prämien und Gratisreisen, die für die Verschreibung von Lipobay in Aussicht gestellt wurden. Noch im Juli wurde das Produkt von Pharmavertretern landesweit beworben - ohne Hinweis auf die seit langem bekannten Risiken.

Der niedergelassene Arzt Dr. Udo Böhm aus Unterwössen berichtet, dass Bayer ihm eine Reise im Orient-Express offerierte - wenn er mindestens 20 Patienten auf Lipobay einstellen würde. Den Nachweis sollte er über Rezeptkopien und Patientennamen erbringen.
„Die Außendienstmitarbeiter weichen selbst dann nicht von ihren Vorgaben ab, wenn ihnen der Arzt die Unehrenhaftigkeit und Unzulässigkeit solcher Kopplungsgeschäfte und die Verletzung des Datenschutzes aufzeigt“, so Böhm.

Der Arzt Thomas Nasse beklagt, dass noch nach der ersten Warnung im Juni „eine Pharma-Referentin zu mir in die Praxis gekommen ist und das Medikament angepriesen hat“. Schon die Markteinführung von Lipobay wurde mit unlauterer Werbung begleitet: die Aussage, Lipobay könne „im Vergleich zu anderen Präparaten um das 25fache niedriger dosiert werden“, wurde jedoch vom Landgericht Köln untersagt.

Die intensiven Bemühungen von Bayer erklären sich mit dem hohen Preis des Medikaments: eine Packung Lipobay mit 100 Tabletten - ausreichend für vier bis sechs Wochen - kostet in der schwächsten Dosierung 235.90 DM.

Auch bei der Einführung des Antihypertonikums Bayotensin hatte Bayer laut einer Untersuchung der AOK Prämien von 150 Mark pro Patient bezahlt. Hierzu Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Es gibt keinen Grund, bei Bayer auf Einsicht zu hoffen - in Zweifelsfällen hat das Profitinteresse Vorrang gegenüber dem Verbraucherschutz. Wir brauchen dringend eine Positivliste zur Abwehr von überteuerten und unsinnigen Medikamenten sowie verstärkte staatliche Kontrollen.“

[Groebl] Lipobay

CBG Redaktion

Der Fall Groebl

Mechthild Groebl erlitt durch die Einnahme von Lipobay eine lebensbedrohliche Rhabdomyolyse. Nach wochenlangem Aufenthalt auf der Intensivstation überlebte sie nur Dank glücklicher Umstände.
Der BAYER-Konzern wies jede Verantwortung von sich. Zwar wurde ein geringes Schmerzensgeld angeboten, dies wäre jedoch mit einem „Maulkorb“ verbunden gewesen: weder Frau Groebl noch ihre Angehörigen hätten sich zu dem Fall weiter äußern dürfen. Die Groebls lehnten ab.
Obwohl firmeninterne Papiere belegen, dass dem Unternehmen die Gefahren des Präparats schon vor der Markteinführung bekannt waren, wurde eine Strafanzeige der Groebls abgewiesen. Der Fall steht somit exemplarisch für den Umgang mit Pharma-Opfern und den Einfluss der Industrie auf Politik, Justiz und Behörden.

=> Das ungesühnte Verbrechen? Zeugenbericht eines Angehörigen

=> Artikel “BAYER speist Lipobay-Opfer ab”

=> Die Ablehnung der Strafanzeige im Wortlaut

=> Artikel: Das LIPOBAY-Desaster

=> Risiken waren BAYER bekannt: Artikel New York Times, weitere Infos, die Klage einer ehemaligen BAYER-Angestellten mit der vollständigen Klageschrift

Lipobay

CBG Redaktion

17. August 2001

Nach dem LIPOBAY-Skandal

„Medikamenten-Kontrolle von Grund auf reformieren“

Nach dem Skandal um den Cholesterin-Senker LIPOBAY fordern Verbraucherschützer eine von Grund auf reformierte Medikamenten- Aufsicht. In der Kritik stehen besonders die Zulassung von Medikamenten ohne Wirksamkeits-Nachweis sowie die fehlenden Kontrollen von auf dem Markt befindlichen Pharmazeutika.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren:
„Kein Arzt kann bei 50.000 Medikamenten den Überblick behalten.
Die Pharmaindustrie nutzt diesen Mißstand aus, um auch unwirksame und gefährliche Präparate auf den Markt zu drücken.“ Mimkes erinnert daran, dass BAYER bis heute keinen Nachweis vorgelegt hat, dass LIPOBAY vor Schlaganfällen, Herzinfarkten oder Arteriosklerose schützt. „In Norwegen, wo es keine starke Pharma-Lobby gibt, sind nur 2000 Medikamente erhältlich - trotzdem sind Norweger im Durchschnitt gesünder als Deutsche. Neue Medikamente müssen einen therapeutischen Vorteil gegenüber existierenden Präparaten nachweisen, sonst dürfen sie nicht zugelassen werden“, fordert Mimkes.

Ebenfalls in der Kritik stehen die fehlenden Kontrollen bereits zugelassener Pharmazeutika. Nach Ansicht der Verbraucherschützer müssen die Aufsichtsbehörden materiell und gesetzgeberisch gestärkt werden, um in Zukunft Nebenwirkungen von Medikamenten systematisch erfassen und risikoreiche Mittel vom Markt nehmen zu können.
„Die Tatsache, dass BAYER eine kritische Studie zu LIPOBAY über Monate zurückhalten konnte, sagt alles über das Kräfteverhältnis zwischen Pharmaindustrie und Aufsichtsbehörden“, so Mimkes weiter. „Die Politik muss hier eingreifen, denn die Gesundheit von Patienten ist wichtiger als der Profit von Pharma-Unternehmen.“

Nach Schätzungen unabhängiger Wissenschaftler müssen jährlich rund 200.000 Patienten wegen Nebenwirkungen von Medikamenten stationär behandelt werden. Mindestens 5.000 Fälle verlaufen tödlich.

[Groebl] 150 Jahre BAYER – von Zyklon B zu Lipobay

CBG Redaktion

Don´t worry, we care „For Whom the Bell Tolls” kennzeichnet die Unternehmenspolitik des Konzerns mit dem Slogan „HEALTH CARE”, der in diesem Jahr eine weltweite Geburtstagsfeier plant – ein „Kulturereignis“.
Die Fakten, die Lügen, die Opfer weisen jedoch auf eine Tragödie hin, die nicht geboren wurde aus dem Geiste der Musik, sondern aus dem Profitstreben des Konzerns. Das Lipobay- Desaster verwandelte den Slogan „BAYER HEALTH CARE“ für die Opfer in „BAYER DEATH CARE“.

Lipobay - das ungesühnte Verbrechen?

Ein Zeugenbericht zum Fall Lipobay von Adolf Groebl, ergänzt durch die Recherche der Coordination gegen BAYER-Gefahren.

Politik, Staatsanwaltschaft, Medien. Die Diagnosen, die Lügen, die Opfer.

Einer der weltweit größten Pharmaskandale dringt im Jahr 2001 an die Öffentlichkeit (siehe ZDF, FRONTAL 21 vom 21. August 2001). Der damalige Ministerpräsident von NRW, Herr Clement, stellt sich in den Medien augenblicklich und offensiv vor den BAYER-Konzern. Die Gefährdung von Arbeitsplätzen, seine Konzernbindung und der Aktienkurs stehen auf seiner Werteskala über den tödlichen Nebenwirkungen von Lipobay.

Es gibt keinen Zweifel. Der Konzern hat die Risiken des neuen Cholesterin-Senkers seit Jahren verheimlicht, verharmlost, die Meinungsbildner und Ärzte gekauft. Für BAYER steht der Profit an erster Stelle. Als Folge dieser skrupellosen Unternehmenspolitik werden weltweit mehr als hundert Todesfälle registriert, hinzu eine große Anzahl Menschen, die durch Lipobay schwere und bleibende gesundheitliche Schäden erlitten haben. Aber es geht um einen Milliarden-Umsatz. Dafür nimmt der Konzern jedes Risiko in Kauf und leugnet es.

New York Times vom 22.2.2003

„Newly disclosed company documents indicate that some senior executives at Bayer were aware that their anticholesterol drug hat serious problems long before the company pulled it from the market.“

Zu dieser Meldung der New York Times gesellt sich ein Untersuchungsbericht des US-Kongresses nach einem Störfall im BAYER-Werk Institute (USA) im Jahr 2008, bei dem zwei Arbeiter ihr Leben verloren:
Zitat: „BAYER beteiligte sich an einer Geheimhaltungskampagne. Die Firma hat den Sicherheitskräften entscheidende Informationen vorenthalten, hat den Ermittlungsbehörden nur eingeschränkten Zugang zu Informationen gewährt, hat die Arbeit von Medien und Bürgerinitiativen unterminiert und hat die Öffentlichkeit unrichtig und irreführend informiert“.

Die Staatsanwaltschaft Köln und die Macht des Konzerns
Aus dem Ermittlungsverfahren gegen Verantwortliche der BAYER AG, BAYER VITAL GmbH u.a. wegen Körperverletzung und Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz. Aktenzeichen 23 Js 1/07 vom 18.1.2007.

Die Ausführungen der Staatsanwaltschaft Köln (Staatsanwältin
Drossé) gehen über 12 Seiten. Sie entsprechen in weiten Teilen der Verteidigungslinie von BAYER und erwecken den Eindruck, einem von BAYER und der Anwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer vorgegebenen Text zu folgen. Ein detaillierter Bezug zur Anzeige des Klägers fehlt. Die Staatsanwaltschaft unterstellt ein schuldhaftes Verhalten der Geschädigten mit Hinweis auf die Dosierung und die bestimmungsgemäße Verwendung des Medikaments.

Zitat: „Diese strafrechtliche Verantwortlichkeit setzt allerdings voraus, dass das in Rede stehende Konsumgut so beschaffen ist, dass seine bestimmungsgemäße Verwendung für den Verbraucher - entgegen dessen berechtigten Erwartungen - die Gefahr des Eintritts gesundheitlicher Schäden begründet. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall jedoch gerade nicht erfüllt.“

Zitat: „Eine Verletzung der dem pharmazeutischen Hersteller und Unternehmer obliegenden Sorgfaltspflicht ist somit weder im Zusammenhang mit dem Inverkehrbringen von Cerivastatin-haltigen Arzneimitteln noch im Zusammenhang mit dem Zeitpunkt der Entscheidung, die Vermarktung von Cerivastatin abzubrechen, ersichtlich. Hinreichender Tatverdacht besteht somit auch nicht in Bezug auf den Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung und fahrlässigen Tötung zum Nachteil einzelner Arzneimittelanwender.“

Bemerkung: Eine fahrlässige Tötung zum Vorteil einzelner Arzneimittelanwender konnte das Gericht demzufolge ebenfalls verneinen.

Die Benachrichtigung über die Einstellung der Ermittlungen gemäß §170 Abs.2 STPO richtet sich an den Kläger, Dipl.-Kfm. Adolf Groebl. Seine Frau hatte nur knapp überlebt - trotz „bestimmungsgemäßer Verwendung“ und „entgegen ihren berechtigten Erwartungen“ (die Dosierung von Lipobay betrug eingangs 0,1 dann 0,2).

Das BAYER-Kreuz leuchtet über der Staatsanwaltschaft. Der Kläger schreibt im August 2010 nochmals an die Staatsanwältin Drossé. Er weist erneut auf die Fakten hin, auch auf die gegenteilige Entscheidung eines spanischen Gerichts zu Gunsten des Klägers. Seine Frage ist: Hält es die deutsche Rechtsprechung mit den Konzernen? Die Antwort der Staatsanwaltschaft vom 19.8.2010 ist unterzeichnet von Staatsanwalt Flöck: „Auf Ihre oben genannte E-Mail hin muss ich Ihnen mitteilen, dass die darin enthaltenen Angaben zu einer Wiederaufnahme der Ermittlungen keinen Anlass geben.“

Die Fakten

Ärztliches Attest der Gemeinschaftspraxis Dr. med. V. Warm, Dr.med. B. Helmreich vom 27.3.2003:

„Frau Groebl wurde am 24.7.1998 Lipobay verordnet. Am 27.12. 1998 erfolgte die stationäre Aufnahme im Kreiskrankenhaus Freising wegen eines Crush-Syndroms mit Nierenversagen. Es folgte am 30.12.98 die Verlegung auf die Intensivstation des KH München-Schwabing. Entwicklung eines schwersten Krankheitsbildes mit Rhabdomyolyse. Entwicklung einer Crushniere, Entwicklung eines Cappilary-Leak-Syndroms. Epiduralblutung und Tachyarrhytmia absoluta bei Vorhofflimmern. Anstieg der CPK bis 10 000 Einheiten. Am 1.2.99 Verlegung in die Klink Wartenberg für ein Anschlussheilverfahren. Die Rekonvaleszenz zog sich bis Mitte Juni 1999 hin... Von April bis Juli 99 verstärkter Haarausfall......Es besteht jetzt immer noch eine Herabsetzung der Muskelkraft an Unterarmen und Unterschenkeln. Sie benötigt deshalb ständig Unterstützung durch ihren Ehemann. An Armen und Beinen haben sich längs verlaufende Narben gebildet, die durch die massive Ödembildung im Rahmen des Cappilary-Leak-Syndroms entstanden sind.“

Aus dem Verlegungsbericht des Krankenhauses Freising vom 30.12.1998 an Dr. Hartmann, Intensivstation des Krankenhauses München Schwabing

Diagnosen: „Myositis unklarer Genese ….Z.n. hämorrhag. Cystitis.
Die Aufnahme der Patientin erfolgte am 27.12. wg. unklaren abdominellen Schmerzen….. Im Verlauf klagte die Patientin über zunehmende Muskelschmerzen, es kam zu einer zunehmenden lividen Verfärbung der Haut sowie einem generalisierten Ödem… Steigende CK auf aktuell 3600U/l“ Vormedikation: Lipobay O-O-1 .

Aus dem Bericht des Krankenhauses München Schwabing vom 1.2.1998 und dito der Klinik Wartenberg vom 9.3.1999.

Rhabdomyolyse, Cruhniere und Cappilary-leak-Syndrom nach CSE-Hemmer-Einnahme.

Epiduralblutung Th 11/12 bis S2 mit vollständig zurückgebildeter Paraparese beider Beine. Z.n.

Tachyarrhytmia absoluta bei Vorhofflimmern.
V.a. Glaskörperabhebung links.

Die Aufenthaltsdauer der Patientin:

Krankenhaus Freising 27.12.1998 bis 30.12.1998
Krankenhaus München-Schwabing 30.12.1998 bis 01.02.1999
Klinik Wartenberg 01.02.1999 bis 22.02.1999

Der Ehemann ist als Folge der Ereignisse ebenfalls ein Opfer von Lipobay. Auf der Intensivstation des Krankenhauses München Schwabing verfolgt er über Wochen, auch in der Silvesternacht 1998/99, die Kurven und das Zahlenbild auf dem Monitor über dem Bett seiner Frau. Er erhält die Diagnosen der Ärzte: Auflösung der Muskelzellen, Nierenversagen, Eiweißverlust….zu rechnen ist mit einem Koma. An 60 Tagen und Nächten sitzt er am Bett seiner Frau. Am 2.1.1999 empfängt er den Anruf des Hausarztes nach dessen Rücksprache mit den behandelnden Ärzten des Krankenhauses München Schwabing: „Es steht auf Spitz und Knopf“ .

Ab 4. Januar gibt es dort keinen Zweifel mehr: Verantwortlich ist Lipobay. Ein behandelnder Arzt telefoniert mit BAYER - dort wird abgeblockt, die Vernebelung beginnt. Ärzte und Schwestern des Krankenhauses München Schwabing retten das Leben der Patientin. Es bleiben Schäden - innerlich, äußerlich.

Der Vorstandsvorsitzende und heutige Aufsichtsratschef des BAYER Konzerns, Herr Wenning, lügt, als er in den Medien allen Geschädigten eine angemessene Entschädigung verspricht. Die international renommierte Anwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer erhält den Auftrag, die Ansprüche der Opfer abzuweisen. In Amerika zahlt der Konzern in den folgenden Jahren mehr als 1,2 Milliarden Dollar für Vergleiche um ein Schuldanerkenntnis zu vermeiden. In Deutschland hat der Konzern die Gerichte auf seiner Seite.

Freshfields Bruckhaus Deringer - Lügen und Arroganz

Brief der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer vom 12. Oktober 2005 an den Ehemann des Opfers.

„...dass der lebensbedrohende Krankheitsverlauf Ihrer Ehefrau, nicht wie von Ihnen angenommen, auf das Medikament Lipobay zurückgeführt werden kann.“

„...sind die angeführten Erscheinungen nicht als Nebenwirkungen von Lipobay bekannt und lassen sich auch durch die Wirkungsweise von Lipobay nicht erklären.“

„...allenfalls die bei Ihrer Frau aufgetretene und in wenigen Tagen ausgeheilte Muskelerkrankung (Rhabdomyolyse) auf die Einnahme von Lipobay zurückzuführen sein könne.“

„...nicht einmal mit Sicherheit feststeht, dass die Rhabdomyolyse durch die Einnahme von Lipobay ausgelöst worden ist. Dennoch führt BAYER auf der Basis eines für Ihre Frau günstigeren Wahrscheinlichkeitsmaßstabes Vergleichsgespräche mit Ihnen“.

(FERENC MOLNÁR: Wenn die Stunde der Wahrheit kommt, gibt es nur eines: lügen, lügen, lügen.)

In Deutschland macht sich Anwalt Dietmar Knopp von Freshfields Bruckhaus Deringer auf seine Rundreise zu den Opfern, um deren berechtigte Forderungen zurückzuweisen.

Besuch des Anwalts Dietmar Knopp bei den Eheleuten Groebl am 15.9.2005

Herr Knopp stellt vage eine Entschädigung von 2.000 bis 3.000 Euro in Aussicht und verlangt Vertraulichkeit. Die Eheleute Groebl nennen die Ausführungen des Anwalts eine Beleidigung und lehnen das „Almosen“ des Konzerns ab - allein die ihnen bis dahin direkt entstandenen Kosten sind höher. Adolf Groebl fährt den Anwalt von Freshfields Bruckhaus Deringer an diesem 15.9.2005 mit seinem eigenen Auto zum Franz Josef Strauss Flughafen und wünscht ihm einen guten Rückflug.

Am 11. Mai 2006 sendet die Kanzlei eine schriftliche Vergleichsvereinbarung. In dieser bietet der Konzern jetzt eine Entschädigung von fünftausend Euro an. Vorausgesetzt wird jedoch eine strenge Sprachregelung und Schweigepflicht. Der Vertrag enthält ferner die Ankündigung einer Vertragsstrafe.

Zitat: „Frau Groebl trägt dafür Sorge und steht dafür ein, dass das nach Maßgabe der Ziffer 5.1 vereinbarte Stillschweigen in gleicher Weise von Personen aus ihrem persönlichen Umfeld, insbesondere von ihrem Ehemann Adolf Groebl und von den sie behandelnden Ärzten gewahrt wird...Über evtl. Anfragen von Medienvertretern werden Frau Groebl oder die in Ziffer 5.2 genannten Personen die BAYER VITAL GmbH oder Herrn Rechtsanwalt Dietmar Knopp, Frankfurt am Main, sofort informieren....“

Die Eheleute weisen auch dieses Entschädigungsangebot zurück. Sie verweigern einen Maulkorb. Die Folge ist, dass der Konzern keinerlei Entschädigung zahlt.

Der Spiegel und die Abhängigkeit der Medien

„Das Schweigegeld“ in Spiegel Nr. 17 vom April 2007

Die Journalistin Barbara Hardinghaus denkt an die große „Story“. Unter der Rubrik Gesellschaft hatte sie bisher kleine Geschichten geschrieben, weit entfernt von investigativem Journalismus. Die Eheleute glauben noch an das „alte“ Image des SPIEGEL. Aber - so etwa Tina Mendelsohn in Kulturzeit - „Der Spiegel bringt Histörchen, nicht das was ist“.

Die Journalistin besucht viermal die Eheleute, erhält sämtliche Dokumente wie Arztbrief, Krankenhausberichte, Protokoll des Krankheitsverlaufs, selbst Auszüge aus dem Tagebuch des Ehemanns. Und sie sieht bei den Eheleuten auch die Bandaufnahme der Sendung von FRONTAL 21 vom 21 August 2001.

Im Gespräch mit den Hausjuristen von BAYER und Anwalt Knopp von Freshfields Bruckhaus Deringer in der Konzernzentrale lässt sie sich überzeugen, dass die Opfer des Konzerns nur den großen Reibach machen wollen. Noch vor der Hauptversammlung von BAYER erscheint ihr sechsseitiger Artikel. Er erinnert an den Ausspruch des langjährigen Herausgebers der New York Times, John Swainton:

„Wir sind Werkzeuge und Hörige der Finanzgewaltigen hinter den Kulissen. Wir sind die Marionetten, die hüpfen und tanzen, wenn sie am Draht ziehen. Unser Können, unsere Fähigkeiten und selbst unser Leben gehören diesen Männern. Wir sind nichts als intellektuelle Prostituierte“. Der Artikel des SPIEGEL aber hat das intellektuelle Niveau einer Boulevard-Zeitung.

Zitat: „Ein Rentnerehepaar aus Bayern gehört zu den seltsamsten Klägern - es will keine Abfindung...“ Das Ehepaar findet sich nicht seltsam - es hat einen Maulkorb abgelehnt.

Das Urteil: Un juicio inédito a un laboratorio extranjero.

Schon im Februar 2010 wirft der Gerichtshof von Comellà de Llobregat, einem Vorort von Barcelona, dem BAYER-Konzern schuldhaftes Verhalten vor und verurteilt ihn zu einer Strafzahlung von 145.000 Euro an den Kläger Cayo Yánez, der nach der Einnahme von Liposterol ein Nierenversagen erlitten hat.

In Argentinien zieht sich das Verfahren gegen BAYER über neun Jahre hin. Der Kläger, Flavio Rein, hat nach der Einnahme des Cholesterin-Senkers, vergleichbar mit dem hier beschriebenen deutschen Opfer, schwere Muskelschädigungen (Rhabdomyolyse), Sehstörungen und Nierenschäden erlitten. Das Gericht spricht ihm eine Entschädigung von 968.000 Pesos (etwa 160.000 Euro) zu. Der Gerichtshof von Buenos Aires stellt eindeutig die Schuld des Konzerns fest. Die Anwältin von Flavio Rein, Patricia Venegas, Jura-Professorin an der Universität von Buenos Aires:

„Mit außergerichtlichen Vergleichen wollte BAYER bisher den kausalen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Lipobay und schweren Gesundheitsschäden leugnen. Jetzt steht es schwarz auf weiß fest."

Für deutsche Gerichte steht das nicht fest. Das BAYER-Kreuz blendet die Staatsanwaltschaft Köln. Konzerne wie BAYER machen Politik, diktieren Gesetze, sprechen Recht, beherrschen die Medien.

Die Millionensummen, die BAYER weltweit für den Lobbyismus ausgibt - davon im Jahr 2012 in den USA mehr als 260.000 Euro für den Wahlkampf der Republikaner (honi soit qui mal y pese) - hätten sicherlich ausgereicht, die Opfer von Lipobay in Deutschland angemessen zu entschädigen, zählt man noch die Honorare für die Kanzlei Freshfields Bruckhaus Derringer hinzu - unter anderem für die Lipobay-Tournee ihres Herrn Dietmar Knopp.

Epilog

Die Fahne des Konzerns weht nicht auf Halbmast. Wie viele Tote rechtfertigt die Gewinnmaximierung? Müssen in unserem, von Politikern so oft gepriesenen, Wertesystem die Nebenwirkungen von Gewissenlosigkeit und Gier als Collateral-Schäden hingenommen werden? Darf der Aktienkurs das Maß aller Dinge sein?

Aufspaltung Bayer

CBG Redaktion

6. Dezember 2001

Zur angekündigten Aufspaltung der Bayer AG:

Konzernkritiker fordern langfristige Sicherung von Arbeitsplätzen

Kritiker der Bayer AG befürchten, dass die geplante Aufteilung des Konzerns in mehrere unabhängige Unternehmen Nachteile für die Belegschaft nach sich zieht. Der Aufsichtsrat der Bayer AG will nach seiner heutigen Sitzung Details der geplanten Aufspaltung bekannt geben.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG): „Die Erfahrung bei der Zerschlagung der Hoechst AG zeigt, dass die angekündigten Rationalisierungsgewinne zu Lasten der Beschäftigten gehen - Tausenden Bayer-Mitarbeitern drohen Einkommensverluste oder der Verlust des Arbeitsplatzes. Und erfahrungsgemäß wird durch die Atomisierung des Unternehmens die Arbeit von Betriebsräten und Gewerkschaften erschwert“. Mimkes kritisiert zudem, dass der Gesamtkonzern nicht mehr für Störfälle oder gefährliche Produkte haftet.

Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der CBG ergänzt: „Die Belegschaft zahlt die Zeche für die Fehler des Managements - gleichzeitig haben sich die Gehälter der Vorstandsmitglieder in den letzten Jahren mehr als verdoppelt.“ Nach dem Lipobay-Desaster im Sommer hatte der Vorstand allein im Bereich Pharma die Vernichtung von rund 4.000 Arbeitsplätzen angekündigt.

Die CBG fordert eine dauerhafte Beschäftigungs- und Gehaltsgarantie für alle Angestellten des Unternehmens. Betriebsräte im Bayer-Werk Leverkusen rufen für kommenden Montag zu einer Protestdemonstration auf.