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[Ticker] STICHWORT BAYER 03/2015 – TICKER

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

PAN für Pestizid-Abgabe
Die Ackergifte von BAYER & Co. bürden der Gesellschaft große Lasten auf. Darum fordert das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) eine Pestizid-Abgabe. „Die Umwelt-, Kontroll- und Gesundheitskosten, die durch Pestizide verursacht werden, sind weder im Preis der Pestizid-Produkte noch im Preis der Lebensmittel enthalten (...) Mit einer Abgabe könnte man diese Kosten auf die Pestizid-Produkte aufschlagen“, so die PAN-Aktivistin Susan Haffmans. Sie verweist dabei auch auf das Beispiel Dänemark, wo eine solche Regelung den Agrochemie-Verbrauch deutlich reduzieren konnte.

Weniger Kinderarbeit
Jahrelang hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN die Kinderarbeit bei Zulieferern von BAYERs indischer Saatgut-Tochter PROAGRO angeprangert. Zunächst leugnete der Konzern seine Verantwortung, erst nach öffentlichkeitswirksamen Protesten kam Bewegung in die Sache. Das Unternehmen bekannte sich zu dem Problem, senkte den Anteil arbeitender Kinder unter 14 Jahren drastisch und installierte das „Child Care Program“, das neben Kontrollen auch noch ein Engagement auf dem Bildungssektor umfasst. Inzwischen hat der Global Player dieses Programm ausgeweitet. Er praktiziert es mittlerweile auch im indischen Gemüse-Anbau sowie auf den Reisfelder in Bangladesh und auf den Philippinen. Ein schöner Erfolg der CBG und ihrer MitstreiterInnen!

Kaum Frauen in Führungspositionen
Im BAYER-Vorstand sitzen keine Frauen. In der ersten Führungsebene unterhalb des Vorstands beträgt ihr Anteil fünf Prozent, in der zweiten neun Prozent. Und im Aufsichtsrat liegt die Quote bei 20 Prozent.

BETAFERON-Stellungnahme
Das „Multiple Sklerose“-Präparat BETAFERON gehört zu den umsatzträchtigsten BAYER-Medikamenten, obwohl Studien dem Mittel größere Nebenwirkungen als Wirkungen bescheinigen. Während es bei nur 16 Prozent der frisch Erkrankten imstande ist, einen zweiten Schub zu verhindern, und bei einer schon chronifizierten, aber immer noch schubförmig verlaufenden MS bloß in vierzehn Prozent der Fälle anschlägt, produziert es unzählige unerwünschte Arznei-Effekte. Dazu gehören unter anderem Nierenleiden, Muskelschmerzen und Depressionen. Dies alles schadet dem Absatz jedoch nicht, weil der Leverkusener Multi beste Beziehungen zu Fachkreisen und Selbsthilfegruppen unterhält. Darum forderten die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und die INITIATIVE SELBSTHILFE MULTIPLE SKLEROSE KRANKER den Pharma-Riesen auf, all diese Kontakte offenzulegen und auch etwaige finanzielle Zuwendungen zu dokumentieren.

BfArM für kleinere ASPIRIN-Packungen
Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfArM) warnt davor, die Risiken von ASPIRIN und anderen Schmerzmitteln zu unterschätzen. Der Gebrauch der Medikamente könne „zu Magenbluten mit unter Umständen tödlichem Ausgang, Leber- und Nierenschäden sowie allergenen Reaktionen führen“, so BfArM-Präsident Walter Schwerdtfeger. Bei dem ASPIRIN-Wirkstoff Acetylsalicylsäure bestehe das Risiko „selbst bei den niedrigen Dosierungen, die zur Prävention von Schlaganfall und Herzinfarkt dienen sollen“, konstatiert Schwerdtfeger. Darum verlangt das Bundesinstitut seit langem eine Reduzierung der Mengen, die noch ohne Rezept erhältlich sind. Im Jahr 2012 hatte der „Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht“ eine solche Forderung nach einer Beschränkung der Packungsgrößen abgelehnt, und auch heuer stehen die Chancen für ein neues Regelwerk nicht besser. Gegenüber NOVARTIS wollte das BfArM im Frühjahr 2015 kleinere VOLTAREN-Schachteln gerichtlich durchsetzen, das Verwaltungsgericht Köln wies die Klage allerdings ab.

DBU warnt vor BAYTRIL & Co.
Der massenhafte Einsatz von Antibiotika wie BAYERs BAYTRIL in der Massentierhaltung führt zur massenhaften Entwicklung resistenter Krankheitserreger. Gelangen diese in den menschlichen Organismus, so können MedizinerInnen oftmals nichts mehr gegen die Keime ausrichten, was eine massive Gesundheitsgefahr darstellt. Die DEUTSCHE BUNDESSTIFTUNG UMWELT fordert deshalb politische Schritte zur Einschränkung der Medikamenten-Gaben. Ansonsten bestehe die Gefahr, „dass es zu unkontrollierten Ausbreitungen von resistenten Keimen auch in der Bevölkerung kommt“, so DBU-Generalsekretär Heinrich Bottermann gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Grüne gegen BAYTRIL-Rabatt
An der massenhaften Verbreitung von BAYTRIL und anderen Antibiotika in den Ställen haben die VeterinärInnen keinen geringen Anteil. Sie sind nämlich Arzt und Apotheker in Personalunion und verdienen an den von ihnen ausgegebenen Medikamenten. Zudem haben sich unter den Tier-MedizinerInnen oligopol-artige Strukturen herausgebildet. So bedienen die zehn größten Praxen die Geflügel- und Kälbermastbetriebe fast im Alleingang: Ihr Marktanteil beträgt 90 Prozent. Und sie können BAYTRIL & Co. zu Konditionen veräußern, zu denen es manche TierärztInnen nicht einmal im Einkauf bekommen, weil die Pharma-Riesen ihnen Mengen-Rabatte gewähren (siehe auch Ticker 2/15). Darum haben die Grünen in den „Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft“ den Antrag eingebracht, das Einräumen solcher Sonderkonditionen zu verbieten und einheitliche Abgabe-Preise einzuführen. Das lehnten CDU und SPD jedoch ab (siehe auch TIERE & ARZNEIEN).

Arznei-Studien: ein bisschen Transparenz
Im letzten Jahr hat die EU BAYER & Co. auferlegt, ihre Arznei-Studien zu veröffentlichen. Allerdings brauchen sie nicht die Original-Untersuchungen zu präsentieren, sondern können die Daten aufbereiten. Den Persilschein für diese „Transparenz light“ liefert der Verweis auf Geschäftsgeheimnisse, mit dem der Leverkusener Multi auch die Einsichtnahme in seinen mit der Universität Köln geschlossenen Kooperationsvertrag verweigert (Ticker berichtete mehrfach). Das Europäische Parlament hatte bei seiner Entscheidung zwar deutlich gemacht, dass Unterlagen aus Klinischen Prüfungen an sich nicht unter dieses Rubrum fallen, aber die sehr industrie-freundliche Arznei-Behörde EMA respektiert bei der konkreten Ausgestaltung der Studien-Datenbank den Wunsch der Pharma-Riesen nach Diskretion. Das stößt auf scharfe Kritik. „Weder die Ergebnisse noch die Methoden klinischer Studien sind Geschäftsgeheimnisse. Partikular-Interessen müssen sich dem öffentlichen Interesse an einer zügigen und vollständigen Veröffentlichung solcher Daten und Dokumente unterordnen“, hält etwa das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWIG) fest. Aber ob die öffentliche Empörung die Auskunftsfreudigkeit von Big Pharma zu steigern vermag, bleibt zweifelhaft, zumal die Unternehmen zusätzlich noch auf die gerade in Planung befindliche EU-Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen hoffen dürfen, die auch Regelungen zu Studien mit Medikamenten, Chemikalien und Pestiziden umfasst.

KAPITAL & ARBEIT

Tarifrunde 2014: nur 2,8 Prozent mehr
Die diesjährigen Tarif-Verhandlungen in der Chemie-Branche verliefen in einer weit weniger sozialpartnerschaftlichen Atmosphäre als frühere. „Selten war eine Tarifrunde in der chemischen Industrie derart aufgeheizt wie in diesem Jahr“, resümierte die Rheinische Post. Grund war das niedrige Angebot des Bundesarbeitgeberverbandes Chemie (BAVC) von 1,6 Prozent mehr Entgelt bei einer Vertragslaufzeit von 15 Monaten. Wegen des herausfordernden wirtschaftlichen und geopolitischen Umfelds im Allgemeinen und der Lage der ertragsschwächeren kleineren Betriebe im Besonderen könne er leider nicht mehr bieten, führte der BAVC zur Begründung an. Der Vorschlag erboste die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE). „Als ich das gehört habe, ist mir die Kinnlade heruntergerutscht“, berichtete der Tarif-Vorstand der IG BCE, Peter Hausmann. Dementsprechend schwierig gestalteten sich die Gespräche, in deren Verlauf es auch zu Warnstreiks und anderen Aktionen kam. So protestierten BAYER-Beschäftigte in Berlin und Weimar vor der Konzern-Niederlassung für eine gerechtere Bezahlung. Die IG BCE zögerte am Schluss nicht einmal, offen mit einem Arbeitskampf zu drohen. Das hatte sie zuletzt vor zehn Jahren getan, und der letzte Streik liegt sogar schon 34 Jahre zurück. Letztendlich scheute die Gewerkschaft die Konfrontration dann aber doch und gab klein bei. Während die Chemie-WerkerInnen in der letzten Tarifrunde noch 3,7 Prozent mehr Entgelt erhalten hatten, akzeptierte die IG BCE dieses Mal eine Erhöhung von nur 2,8 Prozent – und das auch noch bei einer Laufzeit von 17 Monaten.

Immer weniger Beschäftigte
Im Jahr 1996 hatte BAYER 142.200 Beschäftigte. 2014 waren es gerade mal noch 119.000. Und in nächster Zeit wird diese Zahl durch den Verkauf der Kunststoff-Sparte noch einmal beträchtlich sinken. Dabei könnte sie den absoluten Tiefpunkt von 2004 erreichen, wo bloß 91.700 Menschen beim Leverkusener Multi arbeiteten.

BAYER macht depressiv
Nach einer Untersuchung der „Techniker Krankenkasse“ treten Depressionen in Leverkusen leicht häufiger auf als im NRW-Landesdurchschnitt. Während die Kasse die hohe Arbeitslosen-Quote und die große Anzahl von BerufspendlerInnen in der Stadt als mögliche Gründe anführt, lenkt der Psychologe Martin Gadatsch den Blick auf BAYER. „Es kann auch ein strukturelles Problem hinter der Häufung von depressiven Erkrankungen in Leverkusen stecken. In Leverkusen arbeiten besonders viele Leute bei BAYER. Früher war BAYER für diese Menschen eine große Familie. Mit steigendem Wirtschaftsdruck wächst der Stress aber auch für die Mitarbeiter“, so Gadatsch. Er dürfte dabei aus Erfahrung sprechen, denn er arbeitet in der nahe Leverkusen gelegenen Klinik Roderbirken, die unter anderem auf Psycho-Kardiologie spezialisiert ist, sich also den Auswirkungen seelischer Belastungen auf das Herz widmet.

Immer weniger Tarifverträge
Weltweit hat der Leverkusener Multi nur mit knapp der Hälfte seiner Beschäftigten Tarifverträge abgeschlossen, und 2014 haben sich die Zahlen noch einmal verschlechtert. Der Anteil der Belegschaften, mit denen der Konzern eine entsprechende Vereinbarung abgeschlossen hat, sank von 54 auf 52 Prozent. In Europa bestehen solche Regelungen mit 87 Prozent der BAYER-WerkerInnen, in Lateinamerika beträgt die Quote 45 Prozent und Schlusslicht bleiben die Vereinigten Staaten mit bloß fünf Prozent.

Ein bisschen Mitsprache
Eine formelle Mitbestimmung mit einem Aufsichtsrat, in dem Beschäftigten-VertreterInnen Stimmen haben, existiert nur in der Bundesrepublik. Im restlichen Europa gibt es in den BAYER-Werken immerhin noch Betriebsräte. Dies ist im Rest der Welt dann auch nicht mehr der Fall. Das höchste der Gefühle stellen da laut BAYER-Geschäftsbericht „gewählte Mitarbeiter-Vertreter“ dar, die „bei bestimmten personal-bezogenen Unternehmensentscheidungen ein Mitsprache-Recht“ haben.

Kein Kunststoff mehr aus Belford Roxo
Wenn BAYER ankündigt, sich von Teilgesellschaften zu trennen, entfalten diese in der Regel mannigfaltige Rationalisierungsaktivitäten, um sich so attraktiver für mögliche Investoren zu machen. Ganz nach diesem Muster handelt auch BAYER MATERIALSCIENCE. Die vom Leverkusener Multi zur Disposition gestellte „Plaste & Elaste“-Sparte hat im Juli 2015 die Kunststoff-Produktion im brasilianischen Belford Roxo gestoppt, wo sie bisher jährlich 55.000 Tonnen Diphenylmethan-Diisocyanat (MDI), 15.000 Tonnen Polyether-Polyolen sowie Lack-Vorprodukte fertigte. 320 Arbeitsplätze vernichtete BMS dadurch, und längst nicht alle Beschäftigten können zu den anderen BAYER-Gesellschaften am Platze wechseln.

Selbstbedienung im Ideen-Pool
Bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit betont der Leverkusener Multi die Unverzichtbarkeit des Schutzes des geistigen Eigentums. An den Ideen seiner Belegschaftsangehörigen vergreift der Konzern sich jedoch ganz unverblümt. So erklärt der Pharma-Riese frank und frei, dank der 2014 eingereichten Verbesserungsvorschläge der Beschäftigten bereits im ersten Jahr der Umsetzung über fünf Millionen Euro eingespart zu haben. An Prämien zahlte er indessen nur rund eine Million Euro aus.

E.ON-Vorbild BAYER
Was BAYERs Aufsichtsratschef Werner Wenning in Leverkusen gelernt hat, das praktiziert er auch an anderer Stelle, zum Beispiel bei E.ON, wo er ebenfalls dem obersten Kontrollgremium vorsitzt. KommentatorInnen schreiben ihm eine maßgebliche Rolle bei der Entscheidung des Energie-Multis zu, das Alt-Geschäft mit den Kohle-, Gas- und Atomkraftwerken von dem Unternehmensteil abzuspalten, der sich dem Vertrieb, den Stromnetzen und der Erneuerbaren Energie widmet. So konstatiert das manager-magazin: „Die Lösung eines Spin-offs trägt die Handschrift des E.ON-Aufsichtsratsvorsitzenden Werner Wenning. Der frühere BAYER-Chef hat Erfahrung mit derlei Konzepten seit der Abspaltung von LANXESS (die ehemalige Chemie-Sparte des Leverkusener Multis, Anm. SWB).“

KONZERN & VERGANGENHEIT

Der PCB-Produktionsstopp von 1971
Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören zu den giftigsten Hervorbringungen der Chlorchemie (SWB 1/14). Sie können das menschliche Hormonsystem, das Nervensystem und das Immunsystem schädigen, die Schilddrüse, Leber und Nieren angreifen und zu Unfruchtbarkeit führen. 1971 entschlossen sich MONSANTO und BAYER dazu, die Produktion der Chemikalie zu stoppen, die bis dahin vor allem in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz kam. Die treibende Kraft dabei war der US-Konzern. Er drängte auf den PCB-Ausstieg, „um nicht von einer Welle politischer Emotionen über Bord gespült zu werden“, wie es der damalige Europa-Chef Norbert Dahlström ausdrückte. Zu der Zeit waren die Wogen nämlich schon ziemlich hochgegangen. Meldungen über fünf Japaner, die nach der Zubereitung von Reis in PCB-verunreinigtem Öl gestorben waren, über Totgeborene mit deutlichen Symptomen einer PCB-Vergiftung, 146.000 durch PCB verendete Hühner und Nachrichten über hohe PCB-Rückstände im menschlichen Körper hatten die Öffentlichkeit alarmiert. Trotzdem zögerte der Leverkusener Multi lange, auf den MONSANTO-Vorschlag einzugehen. Fünf Monate lang musste Dahlström nach eigenen Worten „auf BAYER einwirken“, ehe der Pharma-Riese zustimmte. Anfang Oktober 1971 besprachen die beiden Unternehmen dann in Bad Godesberg gemeinsam mit EmissärInnen des Bundesgesundheitsamtes die Details. Dabei forderte die bundesdeutsche Aktien-Gesellschaft dann auch noch Gegenleistungen ein. Sie wollte als Belohnung für ihren Schritt laut Spiegel eine Zusicherung der amtlichen Stellen haben, dass von „eingehenderen Untersuchungen“ der Risiken und Nebenwirkungen von PCB „abgesehen werden“ soll. Zudem produzierte BAYER den Stoff zur Verwendung in vermeintlich sichereren, weil geschlossenen Systemen wie Hydraulik-Ölen und Transformatoren weiter und stellte die Fertigung erst 1983 ganz ein. Schäden richtet der chemisch nur schwer abbaubare Stoff jedoch noch immer an. Darum finden quer durch die Republik aufwendige Sanierungen von Universitäten und Schulen statt – und eine Beteiligung an den Kosten lehnt der Global Player strikt ab.

POLITIK & EINFLUSS

Dekkers will Geld für Antibiotika-Forschung
Die gängigen Antibiotika verlieren immer mehr an Wirkung und können gegen viele Krankheitskeime nichts mehr ausrichten. Die massenhafte Verwendung von Mitteln wie BAYERs BAYTRIL in der Massentierhaltung hat daran einen nicht unerheblichen Anteil (siehe TIERE und ARZNEIEN), denn sie fördert die Herausbildung von antibiotika-resistenten Erregern, die auch in den menschlichen Organismus gelangen können. Der Leverkusener Multi tut jedoch nichts, um sich dem Problem zu stellen. Er forscht auch nicht nach neuen Präparaten. Antibiotika stellen für die Pillen-Riesen nämlich keine große Einnahme-Quelle dar, weil die MedizinerInnen sie nur über einen kurzen Zeitraum hinweg verordnen. „Wir müssen Geld verdienen mit unseren Produkten. Das führt dazu, dass nicht alle Medikamente entwickelt werden, die wir brauchen“, erläuterte Konzern-Chef Marijn Dekkers im Spiegel den Sachverhalt. Daraus zieht er die Konsequenz, staatliche Subventionen einzufordern: „Die Regierungen sollten die Pharma-Industrie wie in der Militär-Industrie Auftragsforschung machen lassen.“

Klimaschutz: Dekkers mauert
Im Herbst 2014 hat die EU ihre Klimaschutz-Ziele festgelegt und eine Senkung der Kohlendioxid-Emissionen von 40 Prozent bis zum Jahr 2030 beschlossen. Der Leverkusener Multi, der im letzten Jahr 8,72 Millionen Tonnen des Gases ausgestoßen hat, hält das für unerreichbar. „Wir akzeptieren diese politische Vorgabe. Und wir wollen unseren Beitrag dazu leisten. Gleichwohl sehen wir derzeit aber weder eine technische noch eine wirtschaftliche Lösung, wie die deutsche chemische Industrie dieses hochgesteckte Ziel erreichen könnte“, sagte der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers in seiner Funktion als Präsident des „Verbandes der Chemischen Industrie“ (VCI). Er plädierte deshalb dafür, die Bereiche „Verkehr“ und „Wohnen“ zur Entlastung von BAYER & Co. mehr in die CO2-Reduktionspläne einzubeziehen. Ansonsten müsste die Chemie-Industrie leider die Produktion drosseln, um den Anforderungen gerecht zu werden, drohte der Holländer. Einen zweiten Lösungsansatz sah er in einem internationalen Klima-Abkommen, wohl wissend, dass die Chancen für eine derartige Übereinkunft zurzeit gen Null tendieren: „Nur wenn es gelingt, auch international alle wichtigen Emittenten einzubeziehen, laufen die Belastungen nicht gegen die Wettbewerbsfähigkeit Europas.“

Kaum weniger EEG-Rabatte
BAYER & Co. klagen routinemäßig über die hohen Strom-Kosten, die ihnen das „Erneuerbare-Energien-Gesetzes“ (EEG) durch die Förderung von Windkraft & Co. angeblich beschert. Dabei gewährt das Paragraphen-Werk energie-intensiven Betrieben großzügige Rabatte, für welche dann die Privathaushalte aufzukommen haben. Für diese stieg die Strom-Rechnung seit 2008 um 38 Prozent, während diejenige der Konzerne in der Zeit sogar um ein Prozent niedriger ausfiel. Die ungleiche Lasten-Verteilung brachte das ganze EEG in Verruf, weshalb schon Schwarz-Gelb eine „Reform“ begonnen hatte, welche die Große Koalition unter der Ägide von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) dann abschloss. Der Vize-Kanzler drosselte den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Gleichzeitig schaffte er es durch zähe Überzeugungsarbeit in Brüssel, den Konzernen die von der EU eigentlich als unerlaubte Subventionen angesehenen Industrie-Privilegien weiterhin zu sichern. Er erklärte sich lediglich zu etwas mehr Enthaltsamkeit bereit und kündigte an, die Preis-Abschläge um eine Milliarde Euro zu reduzieren. BAYER & Co. wehrten sich jedoch vehement und hatten damit Erfolg. Es gelang ihnen, den Gabriel-Plan zu Fall zu bringen, auf den von den Kraftwerken der Unternehmen selber erzeugten Strom eine Öko-Abgabe zu erheben. Unter anderem deshalb musste sich der Wirtschaftsminister von seinem Milliarden-Ziel verabschieden: 2015 sanken die Subventionen für die Industrie um gerade einmal 300 Millionen Euro auf 4,8 Milliarden Euro. Trotzdem geben sich die Multis nicht zufrieden. So forderte BAYER-Chef Marijn Dekkers in seiner Funktion als Präsident des „Verbandes der Chemischen Industrie“, die Ökostrom-Förderung aus Steuer-Mitteln zu bestreiten: „Mit einer alternativen Finanzierung der Energiewende – zum Beispiel über den Bundeshaushalt – könnten die Förderzusagen des EEG eingehalten werden, ohne den Strompreis in die Höhe zu treiben.“

Klimaschutz-Programm schont BAYER & Co.
Im Jahr 2007 hat die damalige Bundesregierung das Klimaschutz-Ziel ausgegeben, die Kohlendioxid-Emissionen bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent zu senken, mit 1990 als Bezugsgröße. Die parallel dazu eingeleiteten Maßnahmen genügten jedoch nicht, um die Reduktion zu erreichen. Darum hat die Große Koalition Ende 2014 nachgelegt und ein „Aktionsprogramm Klimaschutz“ sowie einen „Aktionsplan Energie-Effizienz“ auf den Weg gebracht, womit sie bis zu 78 Millionen Tonnen CO2 zusätzlich einsparen will. Der Leverkusener Multi braucht dazu aber kaum einen Beitrag zu leisten, obwohl sein Energie-Verbrauch ebenso wie sein CO2-Ausstoß steigt (siehe WASSER, BODEN & LUFT). „Der Fokus der beschlossenen Maßnahmen liegt auf den Bereichen ‚Gebäude’ und ‚Verkehr’“, atmet der „Verband der Chemischen Energie“ auf, also genau dort, wo er nach Meinung seines derzeitigen Präsidenten, des BAYER-Chefs Marijn Dekkers, auch liegen sollte (s. o.). Dem VCI gefällt zudem, dass die Regierungskoalition seine Signale erhört hat und Sektoren, die bereits dem Emissionshandel unterliegen, keine weiteren Auflagen gemacht hat. Auch das alleinige Setzen auf freiwillige Maßnahmen im Industrie-Bereich begrüßt die Lobby-Organisation. Darüber hinaus ließ Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel zur Freude von BAYER & Co. den Plan fallen, eine Sonderabgabe auf ältere Kohlekraftwerke zu erheben – das hätte nämlich ihre Strom-Rechnung erhöhen können. Stattdessen ging der Sozialdemokrat den umgekehrten, von dem Chemiegewerkschaftsboss Michael Vassiliadis ersonnenen und von der rot-grünen NRW-Landesregierung tatkräftig unterstützten Weg: Er zahlt den Energie-Riesen Abwrack-Prämien für das Stilllegen ihrer Dreckschleudern und holt sich das Geld dafür bei den Strom-KundInnen wieder.

Agrar-Subventionen für Bauer BAYER
Die EU bedenkt den Leverkusener Multi seit geraumer Zeit mit Agrar-Subventionen. Brüssel sieht die Pestizid-Versuche, die der Konzern auf seinen Ackerflächen in Monheim und Burscheid unternimmt, nämlich als landwirtschaftliche Aktivitäten an. Allerdings nehmen die Zahlungen ab. Strich der Konzern 2013 noch fast 180.000 Euro ein, so gab es 2014 „nur“ 49.000 Euro.

VFA schreibt Merkel wg. Griechenland
BAYER und die anderen Pharma-Multis haben vor der Krise heftig von der griechischen Misswirtschaft im Gesundheitswesen profitiert, wie der Schriftsteller Petros Markaris 2011 in einem Zeit-Artikel festhielt. „In welchem Ausmaß dabei Geld verschwendet wurde, haben die Griechen erst jetzt begriffen. Der Einkauf von Arzneimitteln und medizinischem Gerät wurde bislang von den Krankenhäusern selbst vorgenommen. Jetzt hat das Gesundheitsministerium den Kauf von Arzneimitteln zentral über das Internet organisiert und gemäß den bisherigen Ausgaben dafür 9.937.480 Euro zur Verfügung gestellt. Nun stellte sich heraus: Die Medikamente kosteten nur 616.505 Euro, also bloß 6,2 Prozent der früheren Summe!“, schrieb er. Jetzt können die Pillen-Riesen in dem Staat nicht mehr so viel Geld einstreichen. Und das hat zu allem Überfluss auch noch Einfluss auf die Einnahmen hierzulande. Für neue Medikamente legen die Krankenkassen und die Hersteller die Preise nämlich fest, indem sie sich daran orientieren, was Pharmazeutika in anderen Staaten so kosten. Und in diesem sogenannten Länderkorb macht Griechenland zur Zeit alles etwas billiger. Darum forderte der von BAYER gegründete „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller“: „Die Preis-Referenzierung auf Griechenland in Deutschland muss ausgesetzt werden. Die dortige Sondersituation darf keine europa-weite Preisspirale nach unten lostreten.“ Der Verband setzte in der Sache sogar einen Brandbrief an Bundeskanzlerin Angela Merkel auf.

Duin bei „Steam Reformer“-Einweihung
Ursprünglich hatte BAYER den Bau der Kohlenmonoxid-Leitung zwischen Dormagen und Krefeld mit dem CO-Überschuss in Dormagen begründet. Davon kann allerdings schon lange nicht mehr die Rede sein. Der Bau einer neuen TDI-Anlage am Standort machte sogar die Errichtung eines Steam Reformers zur Deckung des Mehrbedarfs notwendig. Am 17. April 2015 nahm ihn der Leverkusener Multi feierlich in Betrieb. „Als „elementar für die Chemie in unserem Land“ pries der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) die Investition bei dem Festakt. Er nutzte die Gelegenheit jedoch nicht, um zu fragen, warum BAYER einen solchen Reformer als Alternative zum gefährlichen Transport des Stoffes quer durchs Land nicht auch in Krefeld plant, obwohl der Konzern damit einem von der Landesregierung in Auftrag gegebenen Gutachten zufolge auch noch Geld sparen würde.

PROPAGANDA & MEDIEN

Pestizid-Propaganda

  • 1


Pestizide stehen immer stärker in der Kritik. Kaum ein Tag vergeht ohne Meldungen über ihre Risiken und Nebenwirkungen für Mensch, Tier und Umwelt. Der Leverkusener Multi geht deshalb in die Offensive und startet einen „Agrar-Dialog zum Pflanzenschutz“. Seine AußendienstlerInnen verteilen ein Kompendium, das auf Fragen wie „Warum brauchen wir überhaupt Pflanzenschutzmittel?“ oder „Wie sieht es mit den Rückständen in Lebensmitteln aus?“ einfache Antworten gibt. Als AdressatInnen hat der Konzern dabei neben LandwirtInnen „und/oder landwirtschaftlichen Öffentlichkeitsarbeitern“ auch VerbraucherInnen im Sinn. Und das Propaganda-Material steht nicht nur „als gedruckte Ausgabe in Form eines Fächers, eines Heftchens und eines Kartenspiels“ zur Verfügung, sondern auch als App.

Pestizid-Propaganda

  • 2


Die zunehmende Kritik an Pestiziden (s. o.) hat auch schon zu Konsequenzen wie der vorläufigen Aussetzung der Genehmigung für die BAYER-Ackergifte GAUCHO und PONCHO wegen ihrer Bienengefährlichkeit geführt. Das bereitet dem Leverkusener Multi Sorge. Darum unternimmt er große Anstrengungen, um der Politik und der Öffentlichkeit zu demonstrieren, dass die Entscheidung der EU zu einer Rückkehr der Plagen führt. So befragte der Konzern 8.000 LandwirtInnen, die einhellig zu Protokoll gaben, welche Probleme ihnen das Fehlen von GAUCHO und PONCHO bereitet. 98 Prozent klagten über zunehmende Schäden durch den Raps-Erdfloh und 74 Prozent über solche durch die Kleine Kohlfliege verursachten.

Pestizid-Propaganda

  • 3


Um das schlechte Image von Pestiziden zu verbessern, haben BAYER & Co. die Aktion „Schau ins Feld“ gestartet. Im Rahmen dieser Initiative verschonen die teilnehmenden LandwirtInnen auf einem an öffentliche Wege grenzenden Feld einen Teil ihrer Ackerfrüchte mit den Agro-Chemikalien. „So wird sich bis zur Ernte dem Betrachter ein Bild bieten, das den Fachmann nicht überrascht, wohl aber manchen Spaziergänger oder Radfahrer: Unkräuter überwuchern die Kulturen, Pilzkrankheiten und Schädlinge verursachen sichtbare Schäden und gefährden die Erde“, hofft die Branchen-Organisation „Industrieverband Agrar“.

Pestizid-Propaganda

  • 4


Die Risiken und Nebenwirkungen von Pestiziden haben teilweise zu einer strengeren Zulassungspraxis geführt – und in den Augen BAYERs zu einer so strengen, dass sie Zulassungen überhaupt verhindert. So sieht der Leverkusener Multi das Inverkehrbringen neuer Insektizide durch rigidere Auflagen der „Europäischen Behörde für Lebensmittel-Sicherheit“ (EFSA) gefährdet. Diese schreibt den Konzernen unter anderem vor, die Bienengefährlichkeit ihrer Produkte auf einem Versuchsareal mit ausreichenden Abmessungen zu untersuchen. Der Konzern hat hierfür jedoch einen Flächenbedarf von 448 km2 errechnet und sieht sich außerstande, solch ein großes Gebiet aufzutreiben.

Pestizid-Propaganda

  • 5


Wegen seiner bienengefährlichen Pestizide PONCHO und GAUCHO steht der Leverkusener Multi bereits seit Langem in der Kritik von BienenzüchterInnen. BAYER hat darauf reagiert und selber einen Imker angeheuert, um den aufgebrachten BienenhalterInnen die Konzern-Version vom Bienensterben möglichst glaubwürdig vermitteln zu können. „Freier Berater für Bienengesundheit“ nennt sich Fred Klockgether. Und er, der sich laut Faz nur „sehr ungern als Lobbyist bezeichnen ließe“, meint selbstverständlich, „dass der Rückgang von Wildbienen mehr durch den Wegfall von Habitaten begründet ist als durch den Pflanzenschutzmittel-Einsatz“ und dass die Varroa-Milbe die Reduzierung der Honigbienen-Populationen verursacht habe. Klockgether zögert nicht einmal, den Agro-Riesen ob seiner Mittel gegen die Milbe als Bienenretter zu bezeichnen.

Elf Milliarden Marketing-Kosten
Seit Jahren wachsen BAYERs Marketing-Kosten. 2014 stiegen sie um rund 700 Millionen Euro auf 11 Milliarden Euro an. Damit machen sie mehr als ein Viertel des Umsatzes aus. Trotz dieses gewaltigen Volumens weigert sich der Konzern auf den Hauptversammlungen beharrlich, die Ausgaben genauer aufzuschlüsseln. Nur zu der Aussage, 40 Prozent des Etats verbrauche die Pharma-Sparte, ließ sich BAYER-Chef Marijn Dekkers 2013 hinreißen. Einen Großteil dieser 40 Prozent wiederum dürfte der Konzern aufwenden, um seinen gefährlichen Gerinnungshemmer XARELTO zu bewerben. Und diese Investition lohnt sich: Trotz vieler kritischer Stimmen aus dem Bereich des Gesundheitswesens setzte der Leverkusener Multi im letzten Jahr mit dem Mittel fast 1,7 Milliarden Euro um.

BAYERs rollendes SchülerInnen-Labor
In Kooperation mit der Berliner Humboldt-Universität betreibt der Leverkusener Multi ein rollendes Labor. Das „Humboldt-BAYER-Mobil“ fährt Schulen in der Bundesrepublik an und arbeitet mehr oder weniger spielerisch den naturwissenschaftlichen Lernplan des Konzerns ab, um bei den 11- bis 15-Jährigen „die Attraktivität des Fachgebietes zu erhöhen“.

TIERE & ARZNEIEN

Tiermast: hohe Antibiotika-Gaben in NRW
Die massenhafte Gabe von Antibiotika wie BAYERs BAYTRIL in der Massentierhaltung befördert die Entwicklung resistenter Krankheitserreger. Gelangen diese dann in den menschlichen Organismus, so können MedizinerInnen oftmals nichts mehr gegen die Keime ausrichten, was eine massive Gesundheitsgefahr darstellt. Deshalb steht diese Praxis bereits seit Jahren in der Kritik. Geändert hat sich bislang allerdings nur wenig. Das zeigt jetzt eine Studie des nordrhein-westfälischen Umweltministeriums über die Antibiotika-Applikation in der Puten-Aufzucht. 92,8 Prozent der Tiere mussten diese Medikamente während ihrer vier- bis sechsmonatigen Aufzucht schlucken. „Der massenhafte Einsatz von Antibiotika in der Intensiv-Haltung ist weiterhin Alltag“, resümierte NRW-Umweltminister Johannes Remmel bei der Vorstellung der Untersuchung. Am häufigsten wurde in den Ställen auf Benzylpenicillin zurückgegriffen, dann folgten Colistin, Amoxicillin und Enrofloxacin, der Wirkstoff von BAYTRIL. Enrofloxacin gehört zur Gruppe der Fluorchinolone, die auch in der Humanmedizin Verwendung finden – das entsprechende BAYER-Präparat heißt CIPROBAY – und dort sogar den Status von Reserve-Antibiotika haben, weil sie gegen viele Krankheiten wirken. Die Verabreichung von Enrofloxacin in den Ställen schätzt die Untersuchung deshalb als besonders problematisch ein, zumal ihre humanmedizinischen Pendants gegen die ESBL-Keime schon ihre Wirkkraft eingebüßt haben. Deshalb forderte der NRW-Umweltminister Johannes Remmel die Bundesregierung im Frühjahr auf, den Gebrauch von Reserve-Antibiotika, zu denen neben Enrofloxacin auch Colistin gehört, in der Massentierzucht zu verbieten. Und die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen stellte im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft den Antrag, den Einsatz von Fluorochinolen und vergleichbaren Mitteln nur noch in Ausnahmefällen zu gestatten. CDU und SPD lehnten das jedoch ebenso ab wie strengere Auflagen zur Abgabe von Antibiotika an VeterinärInnen (siehe auch AKTION & KRITIK).

Mehr BAYTRIL in den Tierställen
Der massenhafte Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung führt zur Entwicklung resistenter Krankheitserreger. Das stellt auch für die Humanmedizin eine Gefahr dar, denn die Keime, gegen die kein Kraut mehr gewachsen ist, können in den menschlichen Organismus gelangen. Erleichtert vermeldet das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ (BVL) darum für das Jahr 2014 einen Rückgang der Antibiotika-Gaben in den Ställen. Von 1.452 auf 1.238 Tonnen gingen die verabreichten Mengen zurück. Was das BVL da als Erfolgsmeldung verkauft, ist allerdings nur auf den ersten Blick eine. Da die Präparate nämlich immer effektiver wirken, sagen die nackten Zahlen nur wenig aus: Während eine Tonne des Alt-Antibiotikums Tetracyclin gerade einmal für 39.000 Mastschweine langt, vermögen die LandwirtInnen mit einer Tonne von BAYERs BAYTRIL 2,2 Millionen Tiere zu versorgen. Und das Leverkusener Produkt mit dem Wirkstoff Enrofloxacin, der zur Substanz-Klasse der Fluorchinolone gehört, erfreut sich zunehmender Beliebtheit. „Die Abgabe von Fluorchinolonen hat auf hohem Niveau weiter leicht zugenommen und zeigt gegenüber dem ersten Erfassungsjahr 2011 eine Steigerung von nunmehr 50 Prozent“, konstatiert das Bundesamt. Um 200 Kilogramm auf 12,3 Tonnen wuchs der Verbrauch. Das ist alarmierend, denn Fluorchinolone finden auch in der Humanmedizin Verwendung – das entsprechende BAYER-Präparat heißt CIPROBAY – und haben dort sogar den Status von Reserve-Antibiotika, weil sie gegen viele Krankheiten wirken. Darum erklärten die ÄRZTE GEGEN MASSENTIERHALTUNG: „Wir fordern das sofortige Verbot des Einsatzes dieser Antibiotika-Klassen in der Tierhaltung“. Zudem appellierten sie an die Politik, nach dem Vorbild der Niederlande das verbindliche Reduktionsziel „50 Prozent weniger Antibiotika in den Mast-Anlagen binnen dreier Jahre“ vorzugeben.

Erweitertes Anwende-Spektrum für BAYTRIL
BAYERs Veterinär-Antibiotikum BAYTRIL kann bald noch mehr Schaden anrichten (s. o.) In den USA erhielt der Leverkusener Multi für BAYTRIL 100 die Zulassung, das ein erweitertes Anwendungsspektrum hat und nun bei Schweinen auch zum Einsatz kommen kann, wenn die Tiere vom E.coli-Bakterium befallen sind. Zudem dürfen die TierärztInnen das Präparat jetzt auch intra-muskulär spritzen. Als eine gute Nachricht für Schweine-ProduzentInnen, VeterinärInnen und alle, denen eine Versorgung mit gesunden Nahrungsmitteln am Herzen liegt, feierte der Leverkusener Multi die Entscheidung der US-Gesundheitsbehörde FDA.

TIERE & VERSUCHE

144.471 Tierversuche
Im Geschäftsjahr 2014 hat BAYER 144.471 Tierversuche durchgeführt, 95,8 Prozent davon mit Ratten und Mäusen. Die Zahl ist nur bedingt mit derjenigen von 2013 vergleichbar, wo es 142.084 Experimente am „Tiermodell“ gab. Die EU hat nämlich die Dokumentationsvorschriften geändert; gemäß der Richtlinie 2010/63 müssen die Unternehmen jetzt nicht mehr die Tiere selber, sondern ihre Einsätze zählen. „Ob der Anstieg um 1,7 Prozent alleine durch die neue Zählweise oder von unseren Projekten im letzten Jahr abhängig war, kann nicht eindeutig identifiziert werden“, erklärt der Konzern deshalb.

DRUGS & PILLS

Immer mehr XARELTO
BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO mit dem Wirkstoff Rivaroxaban hat gefährliche Nebenwirkungen. Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ erhielt allein 2014 161 Benachrichtigungen über Todesfälle im Zusammenhang mit dem Mittel; insgesamt erfolgten rund 2.000 Meldungen wegen unerwünschter Pharma-Effekte. Trotzdem will der Leverkusener Multi das Anwendungsspektrum des bisher unter anderem zur Behandlung von Thrombosen, Embolien und von Vorhofflimmern zugelassenen Präparates weiter vergrößern. Für sieben neue Indikationen wie z. B. zur Therapie von PatientInnen mit chronischem Herz-Versagen testet der Konzern die Arznei derzeit.

Kein Handlungsbedarf bei XARELTO
Jetzt musste sich sogar die Bundesregierung mit BAYERs umstrittenem Gerinnungshemmer XARELTO beschäftigen. Die Partei „Die Linke“ wollte in einer Kleinen Anfrage wissen, welche Konsequenzen die Große Koalition aus den zahlreichen Berichten über die Risiken und Nebenwirkungen der Arznei zu ziehen gedenkt. Die Antwort fiel ernüchternd aus. Es bestehe „kein neuer Handlungsbedarf“, verlautete aus den Reihen der Großen Koalition. Merkel & Co sprachen von einer derzeit positiven Nutzen/Risiko-Relation“ und ließen sich von dieser Meinung noch nicht einmal durch die „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“ (AkdÄ) abbringen, die vor dem massenhaften Verschreiben von „Neuen Oralen Anti-Koagulantien“ (NOAKs) wie XARELTO gewarnt hatte. Und an der Tatsache, dass es zu dem BAYER-Präparat im Gegensatz zur Standard-Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten wie MARCUMAR kein Gegenmittel gibt, um Blutungen zu stoppen, nimmt die Merkel-Regierung ebenfalls keinen Anstoß. Sie hält ein solches Antidot nicht für nötig, weil sich XARELTO im Organismus angeblich relativ schnell abbaue.

NOCTAMID: hohes Sucht-Potenzial
BAYERs Schlafmittel NOCTAMID mit dem Wirkstoff Lormetazepam gehört zu den Benzodiazepinen. Eine Studie der Universität Bochum unter Federführung von Dr. Knut Hoffmann bescheinigt dieser Substanz-Klasse ein hohes Sucht-Potenzial. Von 128.000 bis 1,6 Millionen Abhängigen allein in der Bundesrepublik spricht die Untersuchung. Gemäß Zulassung sollte die Anwendung benzodiazepin-haltiger Mittel zwar auf zwei bis vier Wochen beschränkt bleiben, das entspricht jedoch nicht der Praxis. Viele Menschen bekommen die Präparate doch länger verordnet oder sie besorgen sich die Mittel auf eigene Kosten über ein Privat-Rezept. Hoffmann und seine MitarbeiterInnen zitieren eine Arbeit von Dr. Rüdiger Holzbach, wonach 2,8 Prozent der PatientInnen ein sehr problematisches Einnahme-Verhalten zeigen und 17,5 Prozent ein problematisches. Bei älteren Menschen liegt diese Quote sogar bei über 20 Prozent. Die Ergebnisse der Studie alarmieren deshalb besonders, weil hierzulande jährlich rund zwei Millionen Packungen von NOCTAMID & Co. über die Ladentheken der Apotheken gehen. Hoffmann und seinem Team bleibt da nur, einmal mehr zu warnen: „Trotz initial guter Wirksamkeit sollte die Indikation streng und zeitlich befristet sein. Wenn ein kurzer Therapie-Zeitraum nicht möglich ist, sollte der Patient frühzeitig zu einem Facharzt überwiesen und gegebenenfalls das Suchthilfe-System kontaktiert werden.“

Ökotest: SUPRADYN ungenügend
Multivitamin-Präparate wie BAYERs SUPRADYN ENERGY helfen nicht nur nicht, sie können der Gesundheit sogar schaden. So erhöhen SUPRADYN & Co. das Sterblichkeitsrisiko von älteren Frauen um 2,4 Prozent, wie eine im Fachmagazin Archives of Internal Medicine veröffentlichte Studie herausgefunden hat. „Bestenfalls nutzlos“ überschrieb das Magazin Ökotest deshalb seinen Prüfbericht. „Kein Produkt ist eine Empfehlung wert“, resümierte die Zeitschrift und vergab als Bestnote ein „befriedigend“. Das vom Leverkusener Multi hergestellte SUPRADYN bekam diese nicht, sondern nur ein „ungenügend“. Die Brausetabletten enthielten nämlich deutlich mehr Anteile von Vitamin A, Niacin, Zink und anderen Inhaltsstoffen, als das „Bundesinstitut für Risikobewertung“ (BfR) in seinen Höchstmengen-Empfehlungen für noch angemessen erachtet. „Den Vogel schießen die SUPRADYN ENERGY Brausetabletten mit Orangen-Geschmack mit zwölf Überschreitungen ab“, hält die Publikation fest. Damit nicht genug, tummeln sich in SUPRADYN auch noch Spurenelemente wie Eisen, Kupfer und Mangan, die nach Ansicht des BfR in Nahrungsergänzungsmitteln nichts zu suchen haben sollten.

Ökotest: BEPANTHOL ungenügend
Die Zeitschrift Ökotest stellte in ihrem Ratgeber „Kosmetik und Wellness“ Lippenpflege-Stifte mit UV-Schutz auf den Prüfstand. BAYERs BEPANTHOL LIPSTICK SPF 30 schnitt dabei schlecht ab und bekam die Note „ungenügend“. Er enthielt nämlich Lichtschutz-Filter, die hormon-ähnlich wirken und deshalb die Entwicklung des Gehirns, Stoffwechselprozesse und die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen sowie Diabetes und Herz/Kreislauf-Erkrankungen befördern können. Und zu allem Übel befanden sich mit Ethylhexyl Methooxycinnamate und Benzophenone-3 auch noch solche Stoffe in dem Produkt, die als besonders gesundheitsgefährdend gelten.

ASPIRIN: schneller und gefährlicher?
BAYERs „Tausendsassa“ ASPIRIN ist in Apotheken rezeptfrei erhältlich, aber dennoch alles andere als harmlos (siehe auch AKTION & KRITIK). Der Hamburger Mediziner Dr. Friedrich Hagenmüller von der Hamburger Asklepios-Klinik etwa schätzt die Zahl der Todesopfer durch die Nebenwirkung „Magenbluten“ allein in der Bundesrepublik auf jährlich 1.000 bis 5.000. Im letzten Jahr hat der Leverkusener Multi nun eine ASPIRIN-Formulierung auf den Markt gebracht, die schneller wirkt. „Mikronisierung“ lautet das Zauberwort: Der Pharma-Riese hat die Partikel-Größe des Wirkstoffes Acetylsalicylsäure um 90 Prozent verkleinert, weshalb ihn der Organismus flinker aufnehmen kann. Das birgt allerdings auch die Gefahr neuer Gesundheitsschädigungen. „Durch die Mikronisierung erzielt die neue ASPIRIN-Tablette eine dreimal so hohe Wirkstoff-Konzentration im Blut des Menschen als die bisherige. Die Wirkung dieses Effektes hätte man unbedingt in einer gesonderten Sicherheitsuntersuchung überprüfen müssen“, kritisiert Fritz Sörgel, der Leiter des Nürnberger „Institutes für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung“.

ASPIRIN: Weniger Infarkte, mehr Blutungen
Eine Langzeit-Untersuchung hat überprüft, ob niedrig dosiertes ASPIRIN vorbeugend gegen Herz-Infarkte und Krebs-Arten wirkt, die den Verdauungstrakt befallen. Die über 15 Jahre gehende Studie mit rund 28.000 Frauen hat zwar einen prophylaktischen Effekt festgestellt, aber bei den ProbandInnen als Begleiterscheinung auch häufig Blutungen registrieren müssen. Darum schätzten die WissenschaftlerInnen das Nutzen/Risiko-Verhältnis negativ ein und rieten von einer dauerhaften ASPIRIN-Einnahme ab.

Kontrazeptiva verursachen Hirntumore
Die Einnahme von Verhütungsmitteln steigert die Wahrscheinlichkeit, an einem Gehirntumor zu erkranken. Das ergab eine Studie der Universitätsklinik von Odense, welche David Gaist und seine MitarbeiterInnen durchgeführt haben. Das Risiko, eine solche Krankheit zu erleiden, liegt bei Frauen, welche Kontrazeptiva einnehmen, um das Anderthalb- bis Vierfache höher als bei denjenigen, welche auf die Mittel verzichten. Der Gefährdungsgrad hängt dabei davon ab, welche Hormone in den Pillen wirken und über welchen Zeitraum hinweg die Präparate genutzt wurden. Die größte Gefahr geht von Gestagenen aus, zu denen BAYERs umstrittener YASMIN-Wirkstoff Drospirenon gehört (Ticker berichtete mehrfach) und die allergrößte dabei von dem Gestagen Progesteron, das der Leverkusener Multi bei seiner Verhütungsspirale MIRENA einsetzt.

Neue Gesundheitsapps
Der Leverkusener Multi will in den lukrativen Markt mit Gesundheitsapps einsteigen. Auf seiner Internet-Plattform „Grants4Targets“ hat der Global Player deshalb Startup-Unternehmen angeworben, um für ihn spezielle Anwendungen zu programmieren. So hat PHARMAASSISTANT eine App entwickelt, die mit einer Pillen-Dose verbunden ist und die PatientInnen an die Medikamenten-Einnahme erinnert. QOMPIUM entwickelte eine Software, welche die Herz-Frequenz misst und bei Auffälligkeiten anschlägt, während CORTRIUM einen Sensor ersonnen hat, der Funktionen eines EKGs übernehmen kann. Außerdem noch im Angebot: Ein Gerät, das aus der Atemluft Daten über den Kalorien-Verbrauch gewinnt, und eine Apparatur, die für Apotheken gläserne PatientInnen schafft bzw. „die Apotheker mit Patienten-Informationen unterstützt“, wie die Berliner Morgenpost es ausdrückte.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Chlorpyrifos auf dem Prüfstand
Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA hat die von dem Pestizid-Wirkstoff Chlorpyrifos – enthalten unter anderem in den BAYER-Produkten BLATTANEX, PROFICID und RIDDER – ausgehenden Gesundheitsgefahren neu untersucht. Dabei stellte sie ein erhöhtes Gefährdungspotenzial für LandarbeiterInnen fest, die mit dem Stoff umgehen. Wenn LandwirtInnen das Ackergift in großen Mengen nutzen, besteht zudem das Risiko einer Wasser-Verunreinigung, warnen die ExpertInnen. Darum prüft die Behörde derzeit, ob die Auflagen für den Gebrauch der Agro-Chemikalie noch ausreichen. Die EPA hat in der Vergangenheit bereits mehrmals strengere Regularien erlassen. Bereits im Jahr 2000 verbot sie die Verwendung von Chlorpyrifos in Haus und Garten. Zwei Jahre später untersagte die Environmental Protection Agency das Ausbringen auf Tomaten-Kulturen und schränkte den Einsatz auf Apfel-, Zitrus- und Nussplantagen ein. Und im Jahr 2012 schließlich machte sie die Einrichtung von Pufferzonen rund um Flächen zur Pflicht, die mit Chlorpyrifos traktiert wurden, und erließ Regeln für einen sparsameren Umgang mit BLATTANEX & Co.

Genehmigung für DIFLEXX
Die US-Behörden haben BAYERs neuem Herbizid DIFLEXX eine Zulassung erteilt. Als Wirkstoff enthält das Mittel Dicamba. Nach einer Studie des US-amerikanischen „National Cancer Institutes“ kann es Lymph-Krebs auslösen. FarmerInnen, die der Substanz ausgesetzt waren, trugen der Untersuchung zufolge ein doppelt so hohes Risiko, an dem Non-Hodgkin-Lymphom zu erkranken wie ProbandInnen der Vergleichsgruppe. Zusätzlich kommt in DIFLEXX noch ein „CSI Safener“ zum Einsatz, eine Substanz, welche die negativen Effekte des Pestizids auf die damit bespritzten Pflanzen abmildern soll.

Baumärkte ohne Glyphosat
Der Pestizid-Wirkstoff Glyphosat, der hauptsächlich in Kombination mit MONSANTOs Gen-Pflanzen zum Einsatz kommt, aber auch in BAYER-Mitteln wie GLYFOS, PERMACLEAN, USTINEX G, KEEPER und SUPER STRENGTH GLYPHOSATE enthalten ist, gilt als gesundheitsgefährdend. So hat eine Krebsforschungseinrichtung der Weltgesundheitsorganisation die Substanz im März 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Zur Zeit berät die Europäische Union über eine Verlängerung der Zulassung für die Agro-Chemikalie. Einige Verkaufsstellen wie die TOOM-Baumärkte und die schweizer Supermarktketten COOP und MIGROS wollten die EU-Entscheidung indes nicht mehr abwarten: Sie entfernten glyphosat-haltige Mittel vorsorglich aus ihren Regalen.

Glyphosat in der Muttermilch
Eine von den Grünen in Auftrag gegebene Untersuchung der Toxikologin Irene Witte hat Spuren des umstrittenen Pestizids Glyphosat (s. o.) in der Muttermilch nachgewiesen. Die Rückstände lagen dabei über den zulässigen Grenzwerten für Trinkwasser. Angesichts des besorgniserregenden Studien-Ergebnisses forderte der Grünen-Obmann für Ernährung und Landwirtschaft, Harald Ebner: „Jetzt muss wirklich Schluss sein mit der Glyphosat-Verharmlosung.“ Die Partei drängte die Bundesregierung, das Mittel solange aus dem Verkehr zu ziehen, bis Klarheit über seine möglicherweise krebserregende Wirkung besteht. Die „Arbeitsgemeinschaft Glyphosat“, der BAYER nicht angehört, bezeichnete den Vergleich mit den Trinkwasser-Höchstgrenzen indes als irreführend und wiegelte ab: „Muttermilch ist ein sensibles und wichtiges Nahrungsmittel. Aber die darin festgestellten Mengen an Glyphosat sollten nicht zu falschen Schlüssen führen. Nach allen wissenschaftlichen Erkenntnissen geben sie keinen Anlass zur Sorge.“

Hormonell wirksame Haushaltsgifte
Viele Biozide, also für den Haus- und Gartenbereich bestimmte Pestizide, enthalten Wirkstoffe, die in ihrem chemischen Aufbau Hormonen ähneln. Vom menschlichen Körper aufgenommen, können diese Fehlsteuerungen im Organismus auslösen und zu Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen führen. Auch in BAYER-Produkten finden sich solche Substanzen. So tummelt sich in BAYER GARTEN UNGEZIEFER & AMEISEN SPEZIAL SPRAY Deltamethrin, in BAYER GARTEN FLIEGENSPRAY Tetramethrin und in BAYER GARTEN SCHÄDLINGSFREI das obendrein bienenschädliche Thiacloprid. Eigentlich verbietet es das EU-Recht, solche Stoffe in den Handel zu bringen, aber in Brüssel herrscht noch Uneinigkeit darüber, welche Chemikalien wirklich unter das Hormon-Verdikt fallen. „Während die EU-Kommission infolge des massiven Lobby-Drucks durch die Industrie die notwendige Festsetzung solcher Kriterien weiter verzögert, erhalten immer mehr Biozide, die im Verdacht stehen, hormonell wirksam zu sein, eine Genehmigung“, kritisiert deshalb das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN). Und Schweden hat wegen der Hinhalte-Politik bereits eine Klage gegen die Europäische Kommission angestrengt.

PFLANZEN & SAATEN

Neue Zuckerrübe ab 2018
BAYER hat zusammen mit KWS eine Zuckerrüben-Art entwickelt, deren Erbgut eine natürliche und durch Züchtung verstärkte Enzym-Veränderung aufweist. Auf diese Weise übersteht die Labor-Frucht eine Behandlung mit solchen Anti-Unkrautmitteln, welche die Acetolactat-Synthese stören, unbeschadet. Allerdings überstehen auch immer mehr Wildpflanzen die Behandlung mit diesen so genannten ALS-Hemmern unbeschadet. Deshalb könnte die neue Rübe, wenn sie wie geplant 2018 gemeinsam mit dem auf die Pflanze abgestimmten Herbizid CONVISO auf den Markt kommt, schon bald ziemlich alt aussehen.

EPA: Brokkoli-Patent rechtens
Nicht nur auf gen-manipulierte Ackerfrüchte, sondern auch auf mittels konventioneller Verfahren gezüchtete Sorten erheben die Konzerne Patentansprüche. So hält der Leverkusener Multi unter anderem Schutzrechte auf eine herbizid-resistente Mais-Art, auf Pflanzen mit einer erhöhten Stress-Resistenz und auf ein Verfahren zur Erhöhung des Zucker-Gehaltes von Zuckerrohr. Ursprünglich hatte das Straßburger Patent-Übereinkommen von 1963 genauso wie das 1977 beschlossene Europäische Patent-Übereinkommen Eigentumsansprüche auf „im Wesentlichen biologische Verfahren“ ausgeschlossen. Aber die Agro-Lobby erreichte Aufweichungen, um die sich allerdings heftige Kontroversen entzündeten. Mediale Aufmerksamkeit erlangte dabei vor allem die Auseinandersetzung um das Brokkoli-Patent, welches das Europäische Patentamt (EPA) erteilte. Dieses fochten gleich zwei Firmen an. Im März 2015 verhandelte die Große Beschwerdekammer der EPA darüber – und wies den Einspruch ab. Schutzrechte auf im Wesentlichen biologische Verfahren gestatte das Europäische Patent-Übereinkommen zwar nicht, das schlösse jedoch die Gewährung von Patenten auf Pflanzen, die durch solche Techniken entständen, nicht aus, sagte EPA-Sprecher Rainer Osterwalder zur Begründung. „Das ist nirgendwo vorgesehen im Patentrecht“, so Osterwalder. Die Entscheidung löste große Empörung aus. „Die EPA hat den Weg für Konzerne wie MONSANTO und SYNGENTA geebnet, die Kontrolle über die Grundlagen unserer Ernährung zu übernehmen. Wir fordern die europäischen Regierungen auf, jetzt politisch Druck auf das Europäische Patentamt auszuüben, um diese Praxis sofort zu stoppen“, sagte etwa Christoph Then vom Bündnis KEINE PATENTE AUF SAATGUT!.

BAYER kauft SEEDWORKS
Den Pestizid-Markt haben die Agro-Multis BAYER, MONSANTO & Co. schon mehr oder weniger unter sich aufgeteilt. Wachsen können die „Big Six“ nur noch mittels milliarden-schwerer Übernahmen (siehe auch ÖKONOMIE & PROFIT). Auf dem Saatgut-Markt sieht es ähnlich aus. Dort bieten sich jedoch in Asien und Südamerika noch Kauf-Gelegenheiten, die BAYER auch emsig nutzt. So erwarb der Konzern Anfang Juni 2015 das indische Saatgut-Unternehmen SEEDWORKS, das hybride, also nicht zur Wiederaussaat bestimmte Tomaten-, Chili-, Kürbis- und Okra-Saaten im Angebot hat. In Südamerika hatte der Global Player zuvor bereits die Saatgut-Firmen GRANAR, WEHRTEC, SEMILLAS und SOYTECH übernommen und Pflanzenzucht-Technologie von AGROPASTORIL MELHORAMENTO und CVR erworben.

WASSER, BODEN & LUFT

Höherer Kohlendioxid-Ausstoß
Der Strom-Verbrauch BAYERs stieg 2014 gegenüber dem Vorjahr um 5,5 Prozent auf 85.317 Terajoule, was rund 23,7 Millionen Megawatt-Stunden entspricht. Der Konzern macht dafür ein höheres Produktionsvolumen im Allgemeinen und eine gesteigerte Aktivität am holländischen Kunststoff-Standort Maasvlakte im Besonderen verantwortlich. Bei der direkt vom Leverkusener Multi erzeugten Energie wuchs der Erdgas-Anteil von 29.796 auf 31.580 Terajoule, während der Kohle-Anteil von 15.094 auf 12.611 Terajoule sank. Der Beitrag von Quellen wie Abfall und Wasserdampf zur Strom-Versorgung reduzierte sich ebenfalls. Und das Kontingent, das regenerative Energien dazu beisteuerten, war so niedrig, dass der Leverkusener Multi es erstmals gar nicht mehr zu nennen wagte. Auf der Hauptversammlung von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN darauf angesprochen, rückte BAYER-Chef Marijn Dekkers mit der Angabe „weniger als ein Prozent“ heraus. Den zugekauften Energie-Mix schlüsselt der Global Player nicht weiter auf; er führt in seinem Geschäftsbericht nur einen stärkeren Dampf-Anteil auf. Als Folge des expandierenden Bedarfes an Elektrizität schwoll der Kohlendioxid-Ausstoß des Unternehmens erneut an. Er betrug 8,72 Millionen Tonnen.

CO2 lässt Meere versauern
Der Leverkusener Multi schädigt die Meere nicht nur durch seine Plastik-Hinterlassenschaften, sondern auch durch das von ihm emittierte Kohlendioxid – 8,72 Millionen Tonnen betrug der Ausstoß im Jahr 2014. Die Ozeane nehmen nämlich rund ein Drittel des produzierten CO2 auf, was nicht ohne Auswirkungen bleibt. Der Säuregehalt des Wassers steigt, und infolgedessen verändern sich die Existenz-Bedingungen für die aquatischen Lebewesen. So bildet sich durch den höheren pH-Wert des Wassers weniger Kalziumkarbonat, auf das Miesmuscheln und Austern zum Aufbau ihrer Schalen, aber auch andere Meeresbewohner wie Flügelschnecken, Seesterne, Seeigel und Krebse angewiesen sind. Und wenn ihre Populationen zurückgehen, hat das wiederum Konsequenzen für Fische, Seevögel oder Wale, denen die Tiere als Nahrungsgrundlage dienen. „Die Ozean-Versauerung bedroht die Biodiversität der Meere“, warnt der Ozeanograf Ulf Riebesell von Geomar, dem Kieler Helmholtz-Zentrum für Ozean-Forschung, deshalb.

BAYER schädigt Ozonschicht
Der Leverkusener Multi stieß 2014 in einem Volumen von 14,8 Tonnen Substanzen aus, welche die Ozonschicht schädigen. 2013 beliefen sich die Emissionen auf 15,7 Tonnen. Seit Jahren schon macht BAYER für diese Emissionen hauptsächlich das Pestizid-Werk im indischen Vapi verantwortlich, und ebenfalls seit Jahren schon berichtet der Konzern von Fortschritten bei den Sanierungsmaßnahmen vor Ort.

2.120 Tonnen flüchtiger Substanzen
Der Ausstoß flüchtiger organischer Stoffe, der Volatile Organic Compounds (VOC), in die Atmosphäre reduzierte sich bei BAYER 2014 gegenüber dem Vorjahr leicht von 2.270 auf 2.120 Tonnen. Als Hauptquelle dieser Emissionen gibt der Leverkusener Multi wie auch bei den ozonschicht-schädigenden Substanzen das Pestizid-Werk in Vapi an.

Kaum weniger Stickstoff & Co.
Der Ausstoß von Kohlenmonoxid, Stickstoffoxiden und Schwefeloxiden hat sich bei BAYER 2014 gegenüber dem Vorjahr kaum verändert. Die Emissionen von Stickstoffoxiden gingen von 2.500 Kilogramm auf 2.400 Kilogramm zurück und die von Schwefeloxiden von 1.300 auf 1.200 Kilogramm. An Kohlenmonoxid gelangten wie 2013 900 Kilogramm in die Luft, und Staub wirbelte der Konzern auch genauso viel auf wie in den zwölf Monaten zuvor: 200 Kilogramm.

BAYERs großer Durst
Der Leverkusener Multi hat einen enormen Wasser-Durst. Auf 350 Millionen Kubikmeter bezifferte er seinen Verbrauch im Jahr 2014, in den zwölf Monaten zuvor waren es sogar 361 Millionen gewesen. Drei Viertel davon gehen als Kühlwasser drauf, ein Viertel verwendet der Konzern in der Produktion. Und erschwerend kommt hinzu, dass die Wiederaufbereitungsquote verschwindend gering ist, der Anteil von recyceltem Wasser an den 350 Millionen Kubikmetern betrug gerade einmal vier Prozent.

BAYER Abwasser-Frachten
Obwohl BAYERs Wasserverbrauch etwas zurückging (s. o.), kam hinten mehr heraus: Die Abwasser-Menge stieg um drei auf 66 Millionen Kubikmeter. Der Stickstoff-Eintrag erhöhte sich von 690 auf 760 Tonnen. Neben einer größeren Auslastung seiner Werke macht der Leverkusener Multi dafür eine Anlagen-Störung am Standort Baytown verantwortlich, die auch Reinigungsvorrichtungen in Mitleidenschaft gezogen hatte. Die Phosphor-Einleitungen gingen geringfügig von 110 auf 100 Tonnen zurück. Die von Schwermetallen – die der Konzern nicht mehr einzeln aufführt, um besonders gefährliche Stoffe wie Quecksilber nicht nennen zu müssen – reduzierten sich von 9,1 auf 6,3 Tonnen. Die Frachten von anorganischen Salzen in die Flüsse verringerten sich ebenfalls, sie sanken von 946.000 auf 845.000 Tonnen.

PFC beeinflusst Fruchtbarkeit
Wieviel Perfluorierte Kohlenwasserstoff-Verbindungen (PFC) der Leverkusener Multi in die Flüsse einleitet, weist der neueste Geschäftsbericht nicht aus. Nach Recherchen des BUND gelangt per annum rund eine Tonne PFC made by BAYER in den Rhein; lange Zeit belief sich die Zahl sogar auf sechs Tonnen. Dabei wäre eine genaue Dokumentation äußerst wichtig, denn bei den Stoffen handelt es sich um hochgiftige, schwer abbaubare Substanzen. So haben die Chemikalien nach einer kanadischen, in der Fachzeitschrift Human Reproduction veröffentlichten Studie Einfluss auf die Fruchtbarkeit. Bei Frauen mit einer hohen PFC-Konzentration im Blut trat die Schwangerschaft später ein und häufiger als bei ProbantInnen mit niedrigeren Werten blieb sie den WissenschaftlerInnen zufolge auch ganz aus.

Mehr gefährlicher Abfall
Der Leverkusener Multi hat im letzten Jahr 3.000 Tonnen weniger Abfall fabriziert als 2013: 896.000 Tonnen. Der Anteil gefährlichen Abfalls daran stieg jedoch. Er erhöhte sich von 467.000 auf 487.000 Tonnen. Als Grund gab der Konzern ein größeres Produktionsvolumen an den Standorten Dormagen, Frankfurt und Leverkusen an.

Bergkamen: Dauerbaustelle Klärwerk
Bereits seit Jahren klagen die AnwohnerInnen des Bergkamener BAYER-Werkes über Geruchsbelästigungen, die von der Kläranlage ausgehen. Die 2008 eingeleitete Sanierung hat bislang keine Abhilfe schaffen können. Aus immer neuen Quellen dringt Mief nach außen. Ende Juli 2011 sorgte eine defekte Pumpe für schlechte Luft. Wenige Tage später flossen unvorhergesehen saure und basische Abwässer zusammen, was übel aufstieß (Ticker 4/11). Einem erneuten Angriff auf die Riech-Organe begegnete der Konzern dann mit einer Entfernung des Klärschlamms und der Ablagerungen in den Auffangbecken. Ende Juli 2012 schließlich traten an einigen Leitungen Risse auf, durch die Abwässer sickerten und Duftmarken setzten. Deshalb entschloss sich der Global Player erneut zu Reparatur-Arbeiten. Aber auch diese brachten keine Abhilfe. Im Juni 2013 beschwerten sich die BergkamerInnen erneut und klagten über Übelkeit und Kopfschmerzen. Knapp anderthalb Jahre später fiel dann die letzte Stufe der Abwasser-Reinigung aus. Der Pharma-Riese musste das mit Mikroorganismen versetzte Wasser in einem offenen Becken zwischenspeichern, was einen erheblichen Gestank verursachte. Im Mai 2015 war die Zeit dann mal wieder reif für neue Bau-Maßnahmen. Der Puffer-Behälter erhielt eine Generalüberholung. Zudem tauschte das Unternehmen die Rohrleitungen aus, in denen sich so viele Ablagerungen gebildet hatten, dass die Pumpen nur noch mit einem Viertel ihrer Kraft arbeiten konnten.

Dauersanierungsfall Bitterfeld
Als Chemie-Standort hat Bitterfeld eine bis ins Jahr 1893 zurückreichende Geschichte, an welcher der Leverkusener Multi bis dato beteiligt ist. 1921 kaufte er sich in die AGFA-Fabriken ein, die dort eine Niederlassung hatten. Nach 1945 musste BAYER diesen Besitz abschreiben, aber die Wende brachte den Konzern wieder nach Bitterfeld, wo er heute ein Pharma-Werk betreibt. Und die lange Chemie-Geschichte hat an dem Ort seine Spuren hinterlassen, vor allem im Grundwasser. Es ist ein Dauersanierungsfall geworden. Eine besondere Gefahr droht zu den Zeiten, an denen die Elbe Hochwasser hat. Dann nämlich kommen auch die Schadstoff-Lasten nach oben. Darum unternimmt die Stadt viel, um die Gebäude vor den Chemie-Fluten zu schützen. Zudem hat sie ein komplexes Brunnen- und Drainage-System installiert, das monatlich bis zu 175.000 Kubikmeter Grundwasser reinigen kann. Und ein Ende ist nicht abzusehen. Nach der Meinung von ExpertInnen müssen sie Arbeiten noch weit über 100 Jahre andauern.

CO & CO.

Erdbeben in Erkrath
Mitte Januar 2015 ereignete sich in Erkrath ein kleines Erdbeben. Das warf sofort die Frage nach der Sicherheit von BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline auf, die auf ihrem Weg von Dormagen nach Krefeld auch Erkrather Gebiet passiert. „BAYER hat ja immer gesagt, dass es im Kreis Mettmann keine Erdbeben gibt“, erinnert Wolfgang Cüppers von der Initiative BAU-STOPP DER BAYER-PIPELINE an die Verharmlosungsstrategie des Konzerns. Bereits im Mai 2011 hatte das Düsseldorfer Verwaltungsgericht die Genehmigung für das Röhrenwerk wegen mangelnder Erdbeben-Sicherheit aufgehoben und Nachbesserungen verlangt. Inzwischen will der Leverkusener Multi Bedenken zerstreut haben, die Leitung könnte bei Erd-Erschütterungen zerbersten, aber Cüppers überzeugen die Argumente nicht. Die Erdbeben-Sicherheit sei „letztlich nie bewiesen worden“, so der Aktivist.

Neue CO-Pipeline unter dem Rhein
Nicht nur die zwischen den BAYER-Werken Dormagen und Krefeld verlegte Kohlenmonoxid-Pipeline wirft Sicherheitsfragen auf. Auch die in den 1960er Jahren zwischen Dormagen und Leverkusen gebaute Verbindung, die BAYER seit 2001 für den Transport von CO nutzt, ohne von der Bezirksregierung dafür mit einem neuen Genehmigungsverfahren oder schärferen Auflagen behelligt worden zu sein, hat gravierende Mängel. Besonders an dem Rhein-Düker, mittels dessen die Pipeline den Fluss unterquert, zeigen sich Korrosionsschäden, also Abnutzungserscheinungen an den Bau-Bestandteilen. So treten dort nach einem Bericht des TÜV Rheinland „gravierende externe Materialverluste“ auf, weswegen die Konstruktion „nicht dem Stand der Technik“ entspreche. Der Leverkusener Multi bezeichnet diese zwar als sicher, projektiert aber dennoch eine neue. Den Genehmigungsantrag für den Rohrleitungstunnel reichte er Ende 2014 ein. Mit einer Inbetriebnahme rechnet der Konzern für den Herbst 2016.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

2014: Fünf tödliche Arbeitsunfälle
Im Geschäftsjahr 2014 ereigneten sich bei BAYER fünf tödliche Arbeitsunfälle. Am brasilianischen Standort Belford Roxo wurde ein Wachmann erschossen, ein Belegschaftsangehöriger kam bei Rangier-Arbeiten ums Leben, einer weiterer bei einem Brand und zwei Beschäftigte starben bei Verkehrsunfällen.

Elf anerkannte Berufskrankheiten
Für das Geschäftsjahr 2014 vermeldet der Leverkusener Multi bei seinen Beschäftigten elf arbeitsbedingte Erkrankungen. Dabei handelt es sich allerdings nur um solche Schädigungen, welche die Berufsgenossenschaften auch als Berufskrankheiten anerkannt haben – und das sind nicht viele. 80 Prozent der Anträge lehnen die Einrichtungen, in deren Beschluss-Gremien die Unternehmen über die Hälfte der Stimmen haben, ab. Zweifel ob dieser Zahl sind zudem angebracht, da die Gesundheitsstörungen, die Belegschaftsangehörige an ihrem Arbeitsplatz erlitten hatten, bei BAYER früher ganz andere Größenordnungen erreichten. Im Jahr 2000, als der Konzern noch ausführlicher über Berufskrankheiten berichtete, führte er noch 130 Fälle auf und vermerkte dazu: „Als Krankheitsauslöser waren bei uns vor allem Expositionen gegen Asbest und Lärm relevant“.

PLASTE & ELASTE

Lackhärter aus Biomasse
Mit Pentamethylen-Diisocyanat (PDI) hat BAYER einen Kunststoff entwickelt, der zum Teil aus Biomasse besteht. Als Ausgangsstoff diente Maisstärke (siehe auch Ticker 2/15). Das PDI kommt in dem Lackhärter DESMODUR ECO N 7300 zum Einsatz, den der Leverkusener Multi bald vermarkten will. Bedenken, die Nutzung der Äcker als Rohstoff-Reservoir für die Plaste-Fertigung könnte den Anbau von Pflanzen für die Lebensmittel-Herstellung beeinträchtigen, weist der Konzern zurück. Die Biomasse-Gewinnung erfolge „ohne direkte Konkurrenz zur Nahrungsmittel-Produktion“, beteuert die Teil-Gesellschaft. Seinen KundInnen empfiehlt das Unternehmen jetzt schon einmal, auf „bio“ als Werbe-Effekt zu setzen, obwohl in dem DESMODUR-Kohlenstoff noch zu 30 Prozent Petrochemie steckt: „Anwender und Markenartikler in verschiedenen Industriebranchen können sich mit dem höheren Bio-Anteil als Pioniere für nachhaltige Materialien positionieren.“ In Zukunft will der Global Player das Segment mit Biomasse-Kunststoffen noch ausbauen. So kündigte er die Herstellung von Produkten an, deren Basis Cellulose oder Bioabfälle bilden.

STANDORTE & PRODUKTION

Mehr Pestizide aus Dormagen
Der Leverkusener Multi reagiert auf die gestiegene Nachfrage nach Antipilzmitteln und erweitert am Standort Dormagen die Produktionskapazitäten für den Wirkstoff Prothioconazole. Zudem baut der Konzern die Flupyradifuron-Fertigung aus. Diese Substanz ist der Inhaltsstoff von BAYERs neuem Insektizid SIVANTO. Der Agro-Riese vermarktet es explizit als bienenfreundliche Alternative zu seinen umstrittenen und EU-weit einstweilen mit einem Verkaufsbann belegten Neonicotinoiden GAUCHO und PONCHO. Allerdings bestehen Zweifel daran, ob SIVANTO wirklich so „bienenfreundlich“ ist, wie der Leverkusener Multi behauptet. Flupyradifu

[Plastikmüll] STICHWORT BAYER 02/2015

CBG Redaktion

BAYERs Umweltsünden

Ein Meer von Plastik

Immer mehr Plastik-Abfälle gelangen in die Weltmeere, bilden dort riesige Müllteppiche und bedrohen das aquatische Ökosystem. Als einer der weltgrößten Kunststoff-Produzenten trägt BAYER maßgeblich zu diesem Umweltverbrechen bei.

Auf dem Pazifischen Ozean treibt ein Müllteppich, dessen Ausmaße diejenigen Indiens übertreffen. „Gewebt“ vor allem aus Kunststoff-Abfällen, die unterschiedlichen Meeres-Strömungen zusammengetrieben haben, erstreckt er sich auf einer Fläche von 3,4 Millionen Quadratkilometern.
Durch die Hinterlassenschaften menschlicher Zivilisation in den Meeren hat sich sogar schon eine neue Gesteinsart gebildet. „Plastiglomerate“ nennen GeologInnen die Gebilde aus Plaste & Elaste, Lava, Korallen-Teilen und Sand, wobei die Plastik-Komponenten oft noch Spuren ihres Vorlebens als Zahnbürste, Besteck oder Schnüre erkennen lassen. Aber nicht nur toter Materie rücken die Industrie-Produkte zu Leibe. Im Jahr 2012 wurde an der Südküste Spaniens ein lebloser Pottwal angespült, in dessen Magen sich unter anderem 30 Quadratmeter Kunststoff-Folie, viereinhalb Meter Schlauch, eine Leine, diverse Tüten und ein Kleiderbügel befanden. Schätzungen zufolge sterben jedes Jahr bis zu 100.000 Meeressäuger an einer Überdosis Plastik. Auch See-Vögel verenden auf diese Weise. In 90 Prozent der Kadaver fanden WissenschaftlerInnen Zivilisationsmüll dieser Art.
Eine besondere Bedrohung stellen Kleinst-Partikel dar, die entweder schon so winzig in die Meere gelangt sind oder dort zermahlen wurden. Das Mikroplastik enthält nämlich nicht nur selbst Giftstoffe, es wirkt auch wie ein Magnet auf andere, denn seine wasserabweisende und fettlösliche Oberfläche lockt Schadstoffe wie Polychlorierte Biphenyle (PCB), Pestizide, Medikamenten-Rückstände, Quecksilber, Blei oder Chrom an.

Plastik im Fisch
Was die Teilchen in Muscheln anrichten, haben die Meeresbiologin Angela Köhler und ihre KollegInnen vom Alfred-Wegener-Institut untersucht. Die Kunststoff-Fragmente reichern sich im Magen und in der Leber an, bevor die Zellen sie wieder abstoßen. Erst an ihrem neuen Ort schlagen sie dann so richtig zu. „Das Interessante, was wir da gesehen haben, ist, dass diese entsorgten Plastik-Partikelchen im Umgebungsgewebe ganz extreme Entzündungsreaktionen auslösen und es zu einer Bildung bindegewebiger Kapseln kommt, um diese Fremdkörper einzuschließen. Die pathologischen Phänomene, die erinnern uns auch sehr an das, was man im Menschen als die Anfänge von Asbestosis beschrieben findet“, berichtet die Wissenschaftlerin. Der Ökotoxikologe Stephan Pflugmacher-Lima, der an der Technischen Universität Berlin ebenfalls Muschel-Experimente durchgeführt hat, warnt deshalb: „Mikroplastik stellt auch für den Menschen eine Gefahr dar.“ Zumal schon Mikroorganismen wie Zoo-Plankton die Stoffe aufnehmen und in die marine Nahrungskette einspeisen, von wo aus diese auch in die humane geraten können.
Die Abwasser-Reinigung ist nicht in der Lage, den Eintrag der Substanzen in die Gewässer zu verhindern. Das Alfred-Wegener-Institut überprüfte das gesäuberte Wasser von zwölf Kläranlagen in Norddeutschland und wies darin 86 bis 714 Mikroplastik-Fragmente pro Kubikmeter nach. Dazu kamen dann noch 98 bis 1.479 Kunststofffaser-Reste, die meistens von Fleece-Pullovern herrührten. Nur das Klärwerk, das über einen Tuchfilter verfügte, vermochte die Einträge weitgehend zu stoppen. So strömen dann allein von diesen Anlagen aus über die Flüsse rund zwölf Milliarden Plaste-Partikel und -Fasern pro Jahr in die Nordsee.
Und zu allem Übel gelangen die Kunststoffe nicht nur in die Gewässer. Der bei den Reinigungsprozessen anfallende Klärschlamm absorbiert ebenfalls Mikroplastik – und gibt es in seinem späteren Leben als Brennstoff oder Dünger auch nicht zu knapp wieder ab. Von den 1,2 bis 5,7 Milliarden Teilchen, welche die Klärschlamm-Jahresproduktion allein der Wasseraufbereitungsbetriebe Brake, Varel, Oldenburg, Scharrel, Holdorf und Schillig enthält, emittiert so ein ansehnlicher Scherflein wieder in die Umwelt, mit entsprechenden Konsequenzen für die menschliche Ernährung. In Bier, Milch, Mineralwasser und Honig stießen die Wissenschaftler schon auf Kunststoff-Spuren.
Die meisten Rückstände finden sich allerdings in Fischen, denn die Ozeane müssen Unmengen von Mikro- und Makroplastik aufnehmen und haben schwer daran zu schlucken – der Abbau-Prozess kann bis zu 500 Jahre dauern. Die US-amerikanische Umweltingenieurin Jenna Jambeck und ihr Team haben nur die in Küstennähe eingeleiteten Frachten näher untersucht und taxieren die jährlich in die Meere fließenden „Plaste & Elaste“-Abfälle auf bis zu 12,7 Millionen Tonnen. Nach Berechnungen der UNO-Umweltagentur UNEP tummeln sich dort in toto schon 142 Millionen Tonnen Kunststoffe. Der Bundesregierung zufolge haben diese chemischen Substanzen am gesamten Meeresmüll-Aufkommen einen Anteil von 75 Prozent. „Wenn wir uns den marinen Bereich anschauen, dann geht das dort, denke ich mal, schon in Richtung Desaster“, sagt Stephan Pflugmacher.

Mikroplastik von BAYER
Ein Großteil der Plastik-Abfälle gelangte erst in den letzten Jahrzehnten in die Gewässer. Betrug die globale Jahresproduktion Mitte der 1950er Jahre noch ca. 1,5 Millionen Tonnen, stellen die Konzerne jetzt bereits 280 Millionen Tonnen her. BAYER leistet einen gehörigen Beitrag zu diesem Kunststoff-Berg. Einige Substanzen, wie das Polycarbonat und das TDI, entstammen sogar den Laboren des Leverkusener Multis. Entsprechend rund laufen die Geschäfte mit den Konzern-Erfindungen. Bei Polycarbonaten und MDI, das bei der Produktion von Hartschaumstoffen Verwendung findet, ist der Leverkusener Multi weltweit der größte Hersteller. Bei TDI kommt er auf einen Marktanteil auf rund 25 Prozent.
Und selbstverständlich hat das Unternehmen auch Mikroplastik im Angebot. So hält es etwa für die Kosmetik-Industrie Produkte der BAYCUSAN-Reihe bereit. In Haarpflege- und Haarstyling-Mitteln, Lotions, Sonnen- und Hautcremes, Wimperntusche und anderen Schmink-Utensilien kommen die Polyurethane (PUR) zum Einsatz. Das Polyurethane-32 etwa soll dafür sorgen, dass sich Gesichtsmasken besser ablösen lassen. Das Polyurethane-34 und das Polyurethane-48 versprechen laut BAYER exzellenten Locken-Halt sowie hohen Glanz, während das Polyurethan-35 Kosmetika angeblich zu einer sehr guten Wasserbeständigkeit verhilft und ihnen „ein natürliches Hautgefühl“ verleiht. Der Leverkusener Multi hat den Schönheitsmarkt erst vor relativ kurzer Zeit entdeckt, sich aber zum Ziel gesetzt, in diesem Jahr die Top-Position bei den Mikroplastik-Zulieferern einzunehmen. „Wir wollen uns bis 2015 den Hauptanteil der PUR-Technologie sichern. Als Newcomer muss man in dieser hart umkämpften Branche forsch auftreten“, hieß es 2009 zum Produktionsstart von BAYCUSAN.
Aber auch auf anderen Feldern kommen die Mini-Kunststoffe des Konzerns noch zum Einsatz. So setzt er etwa einigen Medikamenten wie dem Bluthochdruckmittel ADALAT oder dem Kontrazeptivum JAYDESS Polyethyle zu, um eine kontrollierte, sich auf einen längeren Zeitraum erstreckende Wirkstoff-Abgabe zu ermöglichen. In der Knochenabbau entgegenwirkenden Arznei BONEFOS erfüllt Polyvinyl-Alkohol diese Funktion. Arznei-Verpackungen mischt der Multi ebenfalls Mikroplastik wie Polypropylen bei. Zudem stellt er Moskito-Netze her, die aus insektizid-haltigen Polypropylen-Fasern bestehen. Darüber hinaus enthalten viele Lackrohstoffe des Unternehmens die kleinen Kunststoff-Partikel. So findet sich dann Mikroplastik made by BAYER in vielen Meeren wieder, wo sie dann zusammen mit den Kleinstkunststoff-Hinterlassenschaften aus Reifen, Fleece-Pullovern, Fischernetzen, Zahnpasten und Seifen ihr Unwesen treiben. Und zu allem Überfluss beschränken sich die Einleitungen des Leverkusener Multis in die Gewässer nicht auf Plaste & Elaste aller Gewichtsklassen. Auch mit Pestizid-Wirkstoffen, Schwermetallen, organisch gebundenen Kohlenstoffen, Phospor, Stickstoff und anderen Substanzen setzt er ihnen zu.

Politik bleibt untätig
Trotzdem hat BAYER von Seiten der Politik nicht viel zu befürchten. CDU und SPD bekennen im Koalitionsvertrag zwar: „Wir werden die EU-Kommission beim Kampf gegen die Vermüllung der Meere unterstützen, insbesondere beim Vorgehen gegen Plastik-Einträge“, aber wehtun möchten sie den Unternehmen dabei nicht. Als die Grünen in einer kleinen Anfrage zum Thema „Wirksamer Meeresschutz“ von der Bundesregierung wissen wollten, welchen Beitrag die Kunststoff-Industrie nach Meinung der Großen Koalition leisten müsse, um das in der Meeres-Rahmenrichtlinie der Europäischen Union formulierte Ziel einer Abfall-Reduktion erreichen zu können, blieben CDU und SPD die Antwort schuldig.
Die Kosmetik-Industrie will Berlin ebenfalls nicht in die Pflicht nehmen; gesetzliche Maßnahmen in Sachen „Mikroplastik“ bleiben ihr erspart. Stattdessen beabsichtigen Merkel & Co., die Hersteller in einem Dialog zu einem freiwilligen Verzicht auf die umstrittenen Substanzen zu bewegen. Das Übrige regelt aus ihrer Sicht das Kreislaufwirtschaftsgesetz mit seinen Recycling-Vorschriften. Der Umgang mit Industrie-Produkten am Ende ihres Lebenszyklusses ist in den Augen der Bundesregierung nämlich „ein weiterer wichtiger Aspekt für den Meeresschutz“. Dass der Kunststoff-Kreis bei all dem Plaste-Müll, der allein aus deutschen Landen in die Ozeane treibt, nicht allzu rund sein kann, ficht Christ- und SozialdemokratInnen dabei nicht an. Ein Rückbau der Plastikwelt, mehr Müll-Vermeidung oder wenigstens eine Vorschrift zur obligatorischen Ausstattung von Klärwerken mit Tuchfiltern steht nicht auf ihrer Agenda.
Unterlassungssünden bescheinigt der Bundesrepublik auch die EU. Den Bericht der Bundesregierung über den Zustand der Nordsee, der als Handlungsgrundlage für einen besseren Schutz der Meere dienen sollte, bezeichnete die Europäische Kommission als nicht ambitioniert genug. Eine Schutzgebietsverordnung für dieses Meer gemäß der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie haben die GroßkoalitionärInnen ebenfalls noch nicht erlassen, weshalb Brüssel zur Zeit ein Vertragsverletzungsverfahren prüft.
Der einzige Sektor, der sich unter Schwarz-Rot auf neue Regularien einstellen muss, ist die Landwirtschaft. Hier planen die beiden Parteien, das Düngen mit Klärschlamm zu verbieten. Ansonsten verweisen sie in ihrer Antwort auf die kleine Anfrage der Grünen bloß noch auf ihre Mitwirkung an den Meeresschutz-Übereinkommen „Ospar“ und „Helcom“. In deren Rahmen haben die Länder zwar schon Aktionspläne verabschiedet, aber rechtlich verbindliche Vorschriften enthalten die Schriftstücke nicht. Zum Mikroplastik-Eintrag in die Meere heißt es vage, er „soll verhindert werden“, die Produktion nachhaltigeren Kunststoffes schlagen die Vertragsparteien lediglich vor, und die Reinigung von Stränden, des Meereswassers und des Meeresbodens ist gar nur „angedacht“.
So dürfte „die neueste globale Gefahr unserer Zeit“, als die der Ozeanograf Charles J. Moore die Kunststoff-Belastung der Weltmeere bezeichnet, kaum zu bannen sein. Eine Fortsetzung des Kurses „in Richtung Desaster“ scheint deshalb vorprogrammiert, sollte nicht eine breite Gegenbewegung entstehen, wie es sie Anfang der 1980er Jahre schon einmal gab. Damals unternahmen COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, GREENPEACE und andere Initiativen spektakuläre Aktionen gegen die Verklappung von Dünnsäure in der Nordsee, was 1990 schließlich auch dazu führte, BAYER & Co. diesen Entsorgungsweg zu untersagen. Von Jan Pehrke

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[Ticker] STICHWORT BAYER 02/2015 – TICKER

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Umbenennungskampagne geht weiter
Am 29. September 2011 jährte sich der Geburtstag des langjährigen BAYER-Generaldirektors Carl Duisberg zum 150. Mal. Um die medialen Ständchen für den Mann zu konterkarieren, der im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas und die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen war und später einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörderkonzerns IG FARBEN hatte, rief die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Kampagne ins Leben. Sie mahnte anlässlich des Jahrestags die Umbenennung von Straßen, Schulen und anderen Einrichtungen an, die Duisbergs Namen tragen. Viele Menschen ließen sich davon anregen und trugen die Forderung in die zuständigen Kommunal-Vertretungen. In Dortmund und Lüdenscheid hatte das schon Erfolg (siehe auch SWB 1/15), während Bonn einen entsprechenden Antrag ablehnte. Aus Waldshut-Tiengen kam ebenfalls ein abschlägiger Bescheid. In anderen Orten, wie z. B. in Frankfurt, Marl und Dormagen, läuft die Kampagne unterdessen weiter. Zudem gibt es neue Aktivitäten. So schrieb ein CBG-Mitglied an Bundestagsmitglieder, um eine Umbenennung der „Carl-Duisberg-Gesellschaft“ (CDG) anzuregen, die auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe tätig ist und staatliche Förderungen erhält. Die Politiker wandten sich wiederum an das Entwicklungshilfe-Ministerium. Dieses antwortete, keine rechtliche Handhabe dafür zu haben, die Gesellschaft umzutaufen, sagte aber zu, mit der CDG eine „neutrale Namensgebung bei öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen“ zu erörtern. Und die CBG selber forderte die „Gesellschaft deutscher Chemiker“ auf, den „Carl-Duisberg-Gedächtnispreis“ nicht länger zu verleihen und sich für die Auszeichnung einen neuen Namenspatron zu suchen. Dem dürfte der Verband allerdings kaum nachkommen, denn in seinem Vorstand sitzt auch ein BAYER-Vertreter. Allerdings sagte der Chefredakteur der Verbandszeitschrift Nachrichten aus der Chemie, Dr. Ernst Guggolz, zu, sich in einer der nächsten Ausgaben mit der Causa Duisberg zu befassen. Darüber hinaus hat sich die Coordination mit dem Begehr an die Universität Marburg gewandt, Duisberg die 1927 verliehene Ehrendoktor-Würde wieder abzuerkennen.

Duisberg-Veranstaltung in Leverkusen
Am 4. März 2015 hielt die Historikerin Kordula Kühlem in Leverkusen einen Vortrag zum Thema „Carl Duisberg, BAYER und der Erste Weltkrieg“. Kühlem, die 2012 die Briefe Carl Duisbergs – with a little help from BAYER – herausgegeben hat, stellte den ehemaligen Generaldirektor des Konzerns als eine historische Randfigur ohne großen politischen Einfluss dar. Diese Bild korrigierte CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes jedoch, indem er auf die Mitgliedschaft des Chemikers in der rechtsextremen „Deutschen Vaterlandspartei“ und die entscheidende Rolle hinwies, die dieser bei der Rekrutierung von ZwangsarbeiterInnen aus dem „Menschenbassin Belgien“ im Ersten Weltkrieg spielte. Unvermeidlich kam bei der Veranstaltung auch der aktuelle Streit um Umbenennungen von „Carl-Duisberg-Straßen“ zur Sprache (s. o.). Die Geschichtswissenschaftlerin räumte in der Diskussion zwar ein, dass man aufgrund von Carl Duisbergs Beteiligung an der Entwicklung von chemischen Kampfstoffen „zu dem Schluss kommen könne, Ehrenbezeugungen rückgängig zu machen“, ihrer eigenen Position entspreche dies jedoch nicht. Für Kordula Kühlem überwogen weiterhin die Verdienste des Mannes.

Promis gegen „Food Partnership“
Die bundesdeutsche Entwicklungshilfe-Politik setzt auf Kooperationen mit der Privatwirtschaft. So hat das „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) mit dem Leverkusener Multi, BASF, SYNGENTA und ca. 30 weiteren Konzernen die „German Food Partnership“ (GFP) gegründet (SWB 4/13). Staatliche Mittel fließen unter anderem in zwei Projekte mit BAYER-Beteiligung, die „Better Rice Initiative in Asia“ (BRIA) und die „Competitive African Rice Initiative“ (CARE). Diese dienen dem Agro-Riesen als Vehikel, um seinen nach einer agro-industriellen Produktionsweise verlangenden, sich nicht zur Wiederaussaat eignenden Hybrid-Reis zu vermarkten. Gegen diese Entwicklungshilfe zur Selbsthilfe der Konzerne haben jetzt zahlreiche bekannte Persönlichkeiten gemeinsam mit der Initiative OXFAM protestiert. Der Hamburger TV-Koch Ole Plogstedt setzte einen unter anderem von Jan Delay, Roger Willemsen und Jan Josef Liefers unterzeichneten Offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel und Entwicklungshilfe-Minister Gerd Müller auf. In dem Schriftstück fragen Plogstedt, Delay & Co. die PolitikerInnen: „Forscher und Nichtregierungsorganisation sind sich einig, dass nur das kleinbäuerliche Anbau-Modell langfristig den globalen Hunger beenden könnte – und nicht die industrielle Landwirtschaft. Wie kommt also das deutsche Ministerium für Entwicklung (BMZ) dazu, Konzern-Giganten wie BAYER, BASF und MONSANTO mit der Hunger-Bekämpfung zu beauftragen?“ Der Leverkusener Multi hingegen weist die Kritik als reflexhaft zurück. „Sobald ein Konzern mit großem Namen im Spiel ist, wird das verteufelt“, moniert „Nachhaltigkeitssprecher“ Martin Märkl nicht ohne zu betonen, wie sehr dem Konzern doch das Los der Kleinbauern und -bäuerinnen am Herz lege.

Unterschriften gegen Alt-Pipeline
Der Leverkusener Multi hat bereits eine Kohlenmonoxid-Pipeline in Betrieb. Seit 2002 darf er das Giftgas nämlich von Dormagen nach Leverkusen in einer zehn Kilometer langen Leitung transportieren. Und das alles unter noch prekäreren Sicherheitsbedingungen als bei dem jetzt zwischen Dormagen und Krefeld fertiggestellten, aber immer noch seiner Betriebsgenehmigung harrenden Röhren-Werk. Die Bezirksregierung Köln hat BAYER damals nämlich einfach erlaubt, eine 1968 für den Transport von Kohlendioxid errichtete Verbindung umzuwidmen und für CO zu benutzen. Dem Global Player zufolge entspricht diese aber gleichwohl dem „Stand der Technik“. Gottfried Schweitzer, langjähriges Mitglied der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN aus Leverkusen, zweifelt das allerdings an. Er hat nicht nur eine Klage gegen die Genehmigung eingereicht, sondern startete auch eine Unterschriften-Aktion zur Stilllegung der Giftgas-Pipeline.

CBG-Vortrag in Drüpplingsen
Ende Januar 2015 hatte der UMWELTVEREIN DRÜPPLINGSEN CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes zu einem Vortrag über die Risiken und Nebenwirkungen von BAYERs Landwirtschaftsgeschäft eingeladen. Bei dessen Bestandsaufnahme, die von Ackergiften bis hin zur Veterinär-Medizin reichte, musste er viel Überzeugungsarbeit leisten. Gut die Hälfte des Publikums bestand nämlich aus Bauern und Bäuerinnen, und überdies zählte ein Pestizid-Berater der Landwirtschaftskammer zu den Gästen. Der CBGler tat sein Bestes und hatte auch gute Argumente, aber alle Anwesenden konnte er trotzdem nicht zur ökologischen Landwirtschaft bekehren.

Aprilscherz der taz
Unter der Überschrift „BAYER unterstützt kritischen Journalismus“ meldete die taz: „Der Pharma-Riese richtet eine Stiftungsprofessur für investigativen Journalismus ein – ausgerechnet an der Hochschule, mit der das Unternehmen selbst Geheimverträge unterhält.“ Aber der Leverkusener Multi tat dies dem Blatt zufolge mit Bedacht. Als ein „klares Bekenntnis zu Transparenz in der privaten Hochschul-Finanzierung“ wollte BAYER-Vorstand Werner Baumann diesen Schritt verstanden wissen. Hochschul-Direktor Axel Freimuth pflichtete ihm bei und nannte die Stiftungsprofessur mit Blick auf die Zusammenarbeit zwischen der Uni und dem Pillen-Riesen auf dem Gebiet der Pharma-Forschung ein „fehlendes Beweisstück für die durchweg lautere Kooperation“. Allein, es war alles zu schön, um wahr zu sein – einen Tag später kam die Ernüchterung. „Von Bewerbungen bei BAYER als Professor bittet die taz abzusehen“, schrieb die Zeitung, bei der Meldung habe es sich um einen Aprilscherz gehandelt.

KAPITAL & ARBEIT

Verkauf der Diagnostika-Sparte
2006 hatte BAYER zur Finanzierung der SCHERING-Übernahme die Diagnostika-Sparte für 4,2 Milliarden Euro an SIEMENS abgestoßen. Nur die Abteilungen mit Kontrastmitteln und Diabetes-Apparaturen verblieben im Unternehmen. Das Geschäft mit den Röntgenkontrastmitteln MAGNEVIST und ULTRAVIST hat der Leverkusener Multi einstweilen seiner Tochterfirma MEDRAD zugeschlagen. Dasjenige mit den Blutzucker-Messgeräten stellte er 2013 gleich ganz zum Verkauf, denn Billiganbieter und die neue Politik der Krankenkassen, die Kosten für die Teststreifen nicht mehr in allen Fällen zu übernehmen, hatten für sinkende Profite gesorgt. Allerdings fand der Pharma-Riese dafür lange keinen Interessenten. Dies gelang erst im Juni 2015. In diesem Monat veräußerte er das Diabetes-Care-Geschäft für rund eine Milliarde Euro an PANASONIC HEALTHCARE, eine dem Unternehmen PANASONIC und dem Finanzinvestor KKR gehörende Gesellschaft. Wie viele Arbeitsplätze damit im Konzern verloren gehen, teilte der Pharma-Riese nicht mit.

Erfolg für belgische Beschäftigte
Im letzten Jahr hatte BAYER die Trennung von der Kunststoff-Sparte BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) bekanntgegeben. Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE wehrte sich bis zuletzt gegen diesen Schritt, konnte sich letztlich aber nicht durchsetzen. Als „Schmerzensgeld“ gestand das Management der Gewerkschaft eine Arbeitsplatz-Garantie für die BMS-Beschäftigten bis 2020 – also auch noch für die ersten Jahre der Post-BAYER-Zeit – zu. Allerdings galt diese Übereinkunft nur für die rund 6.500 KollegInnen in den deutschen Werken. Das Schicksal der 10.000 anderen Belegschaftsmitglieder in den über die ganze Welt verstreuten Niederlassungen war nicht Gegenstand der Gespräche. Die belgische Gewerkschaft ALGEMEEN BELGISCH VAKVERBOND (ABVV) reagierte prompt und forderte, die Regelung auf die BMS-WerkerInnen am Standort Antwerpen zu übertragen. Der Konzern weigerte sich jedoch lange. Erst nach zähem Ringen gelang es den BetriebsrätInnen schließlich, eine Gleichbehandlung durchzusetzen.

Institute comes home
Der Leverkusener Multi hat die Pestizid-Produktion im US-amerikanischen Institute wieder an seinen früheren Besitzer UNION CARBIDE verkauft. In die Schlagzeilen geriet die Niederlassung 2008 durch eine verheerende Explosion, bei der zwei Arbeiter starben. Auch vorher schon hatten sich in dem einstigen Schwester-Werk der berühmt-berüchtigten Anlage von Bhopal immer wieder Störfälle ereignet. Nach dem großen Knall musste BAYER aus Sicherheitsgründen die Herstellung der Chemikalie Methylisocyanat aufgeben. Zudem drängten die US-amerikanischen Aufsichtsbehörden den Chemie-Riesen dazu, die Fabrikation des gesundheitsgefährdenden Ackergifts Aldicarb und anderer Pestizide einzustellen. Damit begründet das Unternehmen jetzt auch die Desinvestition. „Ohne zusätzliche Produktionskapazität hat BAYER CROPSCIENCE nicht die benötigte kritische Masse, um die Anlage in eigener Regie weiterhin profitabel betreiben zu können“, sagte ein Konzern-Sprecher. Lediglich die Fertigung von Thiodicarb erhält der Pillen-Riese dort – in nun angemieteten Hallen – aufrecht. Dies bietet jedoch nicht genug Beschäftigung für die 150 Belegschaftsangehörigen. Den meisten von ihnen steht deshalb eine ungewisse Zukunft bevor.

Wenning einflussreichster Aufsichtsrat
Mit seinem Posten als BAYER-Aufsichtsratschef fühlt sich Werner Wenning noch längst nicht ausgelastet. Dieselbe Position bekleidet er bei E.ON, und bei SIEMENS rückte er jüngst zum Aufsichtsratsvize vor. Einfache Mandate nimmt er zudem in den Kontrollgremien der DEUTSCHEN BANK und der Versicherungsgesellschaft TALANX wahr. Darüber hinaus hat Wenning Sitze in den Gesellschafter-Ausschüssen von HENKEL und FREUDENBERG. Wegen dieser Ämterhäufung bestimmte die „Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz“ den ehemaligen BAYER-Chef nun zum einflussreichsten Aufsichtsrat der Deutschland AG.

Manager, wechsel-dich
ManagerInnen ist es egal, was sie wo machen, nur ein Schritt auf der Karriere-Leiter muss es sein. Deshalb herrscht seit einiger Zeit ein reges Kommen und Gehen in BAYERs Führungsetage. Olivier Brandicourt, der erst 2013 Jörg Reinhardt als Pharma-Boss ersetzt hatte, weil dieser den Chef-Posten bei NOVARTIS ergattern konnte, kündigte beim Leverkusener Multi, um Vorstandsvorsitzender bei SANOFI zu werden. Geld bekam Reinhardt schon, bevor er überhaupt dort auftauchte: Der französische Pillen-Riese zahlte ihm eine „Antrittsprämie“ in Höhe von vier Millionen Euro. Die Politik reagierte empört. „Diese Leute haben noch nicht einmal die Leitung einer Firma übernommen und bekommen schon eine unverhältnismäßige Zahlung“, kritisierte Regierungssprecher Stephane Le Foll.

BAYER gegen Frauen-Quote
Im März 2015 hat der Bundestag ein Gesetz verabschiedet, das Aktien-Gesellschaften vorschreibt, den Frauen-Anteil in ihren Aufsichtsräten auf mindestens 30 Prozent zu steigern. BAYER zeigte sich darüber alles andere als erfreut. „Ein Freund von vorgeschriebenen Quoten sind wir nicht“, sagte Konzern-Sprecher Markus Siebenmorgen: „Wir besetzen Positionen grundsätzlich nach der jeweiligen Qualifikation und nicht nach Geschlecht.“ Jetzt muss das Unternehmen sich sputen. In seinem Aufsichtsrat sitzen gegenwärtig nämlich nur zu 20 Prozent Frauen, und im Konzern-Führungskreis sind die Herren Manager sogar zu 87 Prozent unter sich.

BAYER zahlt Bonus
Der Leverkusener Multi hat 2014 mal wieder einen Rekord-Gewinn eingefahren und gibt dafür seinen Angestellten auch artig Trinkgeld, sich dabei sichtlich in der Rolle des guten Königs gefallend. 420 Millionen Euro schüttet er an die 18.200 Tarif-Beschäftigten in der Bundesrepublik aus, 90 Millionen mehr als im letzten Jahr. Die Belegschaftsangehörigen von BAYER MATERIALSCIENCE dürften sich jedoch kaum über die Bonus-Zahlung gefreut haben, denn für sie wird es eine der letzten gewesen sein. Der Konzern will nämlich in Zukunft noch höhere Rekord-Gewinne einfahren und betrachtet die Kunststoff-Sparte dabei als Hindernis. Deshalb beschloss er, sich von dem Bereich zu trennen. Wie immer bei BAYER trägt also ein Teil der Belegschaft die Kosten für das, was das Unternehmen „ein sehr erfolgreiches Geschäftsjahr“ nennt.

KONZERN & VERGANGENHEIT

Vor 60 Jahren: Freispruch für Peters
DEGESCH, eine Tochterfirma der vom Leverkusener Multi mitgegründeten IG FARBEN, lieferte im „Dritten Reich“ das Zyklon B für die Gaskammern. Deshalb verurteilte ein Gericht 1949 Gerhard Peters als Geschäftsführer des Unternehmens, das noch bis 1986 zu 37,5 Prozent BAYER gehörte, wegen Beihilfe zum Mord zu einer fünfjährigen Zuchthaus-Strafe. Peters erreichte jedoch – mit Unterstützung von 200 bekannten Persönlichkeiten – eine Wiederaufnahme des Verfahrens, das 1955 tatsächlich mit einem Freispruch endete. Er hatte zwar nach Ansicht der RichterInnen den KZs wirklich das Zyklon B zur Verfügung gestellt und wusste auch genau, wofür, aber die JuristInnen mochten das ganze DEGESCH-Gift nicht komplett als eine Mordwaffe betrachten. Es kann „nicht bewiesen werden, dass mit dem von dem Angeklagten gelieferten Zyklon jemand getötet worden ist“, hieß es im Urteil.

Duisberg auf der Flucht
Der Leverkusener Multi betont bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit, was für ein inniger ArbeiterInnen-Freund sein ehemaliger Generaldirektor Carl Duisberg war (siehe auch AKTION & KRITIK). So hob der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers auf der vorletzten BAYER-Hauptversammlung – konfrontiert mit der Kritik der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN an Duisberg wegen seiner Verantwortung für den Einsatz von Giftgas und die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen im Ersten Weltkrieg – die sozialpolitischen Verdienste des Chemikers hervor. „Er ließ Wohnungen für die Arbeiter bauen, verringerte deren wöchentliche Arbeitszeit, er führte soziale Versicherungssysteme ein“, so Dekkers. Besondere Beliebtheit unter den abhängig Beschäftigten hat Carl Duisberg dies jedoch nicht eingebracht. So musste er sich nach der November-Revolution 1918 zweimal auf die Flucht begeben, weil er fürchtete, von KommunistInnen verhaftet zu werden. Und einmal war er dabei sogar gezwungen, sich in die Obhut des ehemaligen Feindes zu begeben: Er suchte in Köln Unterschlupf bei den Besatzungstruppen.

POLITIK & EINFLUSS

Trotz Subventionen: St. Joseph dicht
Anfang 2014 gelang es BAYER, die US-amerikanische Gemeinde St. Joseph mit Abwanderungsplänen so unter Druck zu setzen, dass diese dem Konzern Subventionen für eine Erweiterung der Tierarznei-Produktion gewährte (Ticker 3/14). Ein „Job-Erhaltungsprogramm“ nannte der Stadtverwaltungsmitarbeiter Clint Thompson die Maßnahme damals und hielt zur drohenden Schließung der Fertigungsstätten fest: „Die Gefahr war sehr real.“ Doch all die Steuer-Gelder halfen nichts: Kaum ein Jahr später machte sich der Leverkusener Multi vom Acker. Er verlagerte die Herstellung der Produkt-Reihen DVM und EXPERT CARE nach Shawnee und stellte die Fertigung der übrigen ein (siehe auch IMPERIUM & WELTMARKT).

Duin lädt zum 2. Chemie-Gipfel
Im Herbst 2014 lud der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) zum 2. Chemie-Gipfel. „Die Chemische Industrie nimmt eine Schlüsselposition in der Wirtschaftspolitik der Landesregierung ein. Deshalb wollen wir den Austausch zwischen Vertretern der Branche und der Politik im partnerschaftlichen Dialog weiter intensivieren“, so Duin zum Sinn der Übung. Die BAYER-Belange fanden dabei durch Günter Hilken und Frank Löllgen Berücksichtigung. Hilken sitzt nämlich nicht nur der NRW-Sektion des „Verbandes der Chemischen Industrie“ vor, sondern auch der 60-prozentigen BAYER-Tochter CURRENTA. Und Löllgen, der Vorsitzende des Nordrhein-Bezirkes der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE), hat beim Leverkusener Multi seine Ausbildung zum Chemie-Laboranten absolviert. Auf der Tagesordnung des Treffens stand unter anderem das Thema „Energiekosten“, das der Minister nutzte, um seinen unermüdlichen Einsatz für die Chemie-Unternehmen hervorzuheben. So verwies er darauf, bei den Beratungen zum „Erneuerbare-Energien-Gesetz“ mit dafür gesorgt zu haben, dass energie-intensive Betriebe weiterhin Rabatte bei der Ökostrom-Umlage erhalten. Hilgers honorierte das auch: „Wir begrüßen es sehr, bei Minister Duin stets auf offene Ohren für die Herausforderungen unserer Branche zu treffen.“ Zum großen Bedauern der Runde stoßen BAYER & Co. draußen nicht auf so aufnahmebereite Hör-Organe. Doch daran wollen Wirtschaft und Politik weiter arbeiten: „Übereinstimmend betonten die Teilnehmer, dass die Akzeptanz für Industrie und Infrastruktur-Projekte in der Bevölkerung weiter gestärkt werden muss“. Als Stärkungsmittel dienen ihnen dabei unter anderem Nachbarschaftsbüros, Public-Viewing-Veranstaltungen bei Sport-Events und pseudo-partizipative Formate wie „Dialog schafft Zukunft“.

Weihnachtsempfang ohne SPD-Granden
Sonst haben SozialdemokratInnen eigentlich kaum Berührungsängste mit dem Leverkusener Multi. Aber zum Berliner Weihnachtsempfang des Global Players traute sich keiner von den Granden. Ein unterer Partei-Charge musste sie bei Norbert Lemken, dem Leiter des BAYER-Verbindungsbüros in der Hauptstadt, entschuldigen: Die Ober-GenossInnen dürften in allzu nahem Dunstkreis der Industrie leider nicht gesehen werden.

Dekkers will Wagniskapital-Gesetz
Die Bundesregierung und die bundeseigene „Kreditanstalt für Wiederaufbau“ unterstützen bereits den Hightech-Gründerfonds II von BAYER, BASF, BOSCH & Co., der jungen Pharma- und Biotech-Firmen Startkapital zur Verfügung stellt. Auf dem von der Zeitung Die Welt veranstalteten „Wirtschaftsgipfel“, an dem unter anderem Bundeskanzlerin Angela Merkel, EZB-Chef Mario Draghi, Finanzminister Wolfgang Schäuble und Innenminister Thomas de Maizière teilnahmen, forderte Ober-BAYER Marijn Dekkers die Große Koalition jedoch auf, mehr zu tun. „Ein ganz wichtiges Thema ist für mich die Finanzierung junger Unternehmen. Wir brauchen ein neues Wagniskapital-Gesetz“, verlangte er und erhielt dafür viel Zustimmung.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER: Null Problemo mit ASPIRIN
Wenn BAYER-WissenschaftlerInnen erforschen, was BAYER-WissenschaftlerInnen zu den Risiken und Nebenwirkungen einer Pille erforschten, die BAYER-WissenschaftlerInnen entwickelt hatten, dann ist das Ergebnis unschwer zu erraten: Es spricht nichts gegen die Arznei. Trotzdem räumte die Pharmazeutische Zeitung BAYERs Pharma-Manager Uwe Gessner sechs Seiten für das Unterfangen ein, dem immer wieder wegen der Nebenwirkung „Magenbluten“ inkriminierten ASPIRIN (Wirkstoff: Acetylsalicylsäure) einen Persilschein auszustellen. „In der Meta-Analyse auf Basis der individuellen Daten von über 13.000 Patienten ergab sich, dass bei der für die Selbstmedikation von akuten Schmerzen, Fieber und Erkältungssymptomen üblichen niedrigen Dosierung und kurzer Behandlungsdauer das Risiko unerwünschter Ergebnisse unter Acetylsalicylsäure gering ist. Insbesondere traten praktisch keine schwerwiegenden gastrointestinalen (zum Beispiel Blutung oder Perforation) oder nicht-gastrointestinalen (zum Beispiel Hirnblutung) Komplikationen auf“, lautet sein wenig überraschender Befund. Vorsichtshalber hat Gessner nicht meta-analysiert, was für unerwünschte Arznei-Effekte ASPIRIN bei Menschen hervorruft, die das Pharmazeutikum über einen längeren Zeitraum hinweg nehmen, beispielsweise weil sie der BAYER-PR Glauben schenkten, das Produkt beuge Herzinfarkten vor.

Mehr BAYCUSAN-Werbung
Der Leverkusener Multi erschließt seinen unter dem Namen BAYCUSAN als Rohstoffe für die Kosmetik-Branche vertriebenen Mikroplastik-Produkten immer neue Absatzmärkte (siehe WASSER, BODEN & LUFT) und sorgt so für eine immer größere Belastung der Weltmeere mit Schadstoffen. Jetzt hat der Konzern sogar eine Werbeagentur verpflichtet, um Polyurethan-32 & Co. unter dem Motto „Beauty made possible“ bei der internationalen Schönheitsindustrie noch bekannter zu machen.

BAYERs Kreislauf-Kurzschluss
BAYERs Kunststoff-Produktion entspricht mitnichten ökologischen Kriterien. Sie basiert zum größten Teil auf fossilen Grundstoffen, verbraucht Unmengen von Strom, bei dessen Erzeugung Erneuerbare Energien nur eine verschwindend geringe Rolle spielen, und die Produkte selber wie zum Beispiel Mikroplastik (s. o.) gefährden Mensch, Tier und Umwelt in beträchtlichem Maße. Das alles hält den Konzern aber nicht davon ab, sich als Umweltengel zu präsentieren. So lud er auf einer Kunststoff-Fachmesse in Holland zu einer Veranstaltung, bei der die Entwicklung von Lösungen zu nachhaltigeren Herstellungstechniken auf der Agenda stand. Und das verleitete das Fachblatt MM Maschinenmarkt dann zu der Überschrift: „BAYER lebt Kreislaufwirtschaft.“

Viel mehr Geld für Selbsthilfegruppen
BAYER sponsert Selbsthilfegruppen und PatientInnen-Organisationen in hohem Maße. Gegenüber 2013 verdoppelte der Leverkusener Multi seinen Etat fast noch einmal und schüttete über 500.000 Euro aus. Zuwendungen erhalten hauptsächlich diejenigen Verbände, für die der Konzern die entsprechenden Medikamente bereithält: Sehbehinderten-, Diabetes-, Krebs-, Bluter-, Lungenkrankheiten- sowie Multiple-Sklerose-Vereinigungen. Allein solche Gesellschaften wie der „Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband“ , die dem Pharma-Riesen KundInnen für sein Augen-Präparat EYLEA zuführen könnten, bekamen mit 271.000 Euro beinahe genauso viel wie im Jahr zuvor alle Vereine zusammen. Der Leverkusener Multi selber weist hingegen finanzielle Motive für sein Engagement weit von sich und führt andere Gründe an. „BAYER betrachtet die Zusammenarbeit mit Patienten-Organisationen als wichtigen Bestandteil seiner Arbeit, um die Bedürfnisse der Betroffenen besser identifizieren und verstehen zu können“, so Jens Lipinski von der Abteilung „Patient Relations“.

EYLEA-Rundumbetreuung

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Der Leverkusener Multi versucht zunehmend, Kranke mit „Patienten-Unterstützungsprogrammen“ längerfristig an seine Arzneien zu binden. Solche Angebote hält der Pharma-Riese nicht nur Menschen für mit Multipler Sklerose bereit, sondern auch für solche, die wegen einer Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – sein Gentech-Präparat EYLEA nehmen, das in den Zulassungstests anderen Mitteln gegenüber bloß seine „Nicht-Unterlegenheit“ demonstrierte. Und um die Rundumbetreuung namens „VisusVital“ bekannt zu machen, hat BAYER viele Partner gewinnen können. So verpflichtete der Konzern Professor Dr. Norbert Schrage für einen Auftritt auf der „SightCity“, einer Messe für Sehbehinderten-Hilfsmittel. „Patienten mit chronischen Augenerkrankungen haben besondere Bedürfnisse, die in der Arztpraxis nicht immer erfüllt werden. Denn sie benötigen mehr als reine medikamentöse Therapien. Diese müssen durch geeignete Unterstützungs- und Versorgungsangebote optimiert werden“ – mit diesen Worten warb der Chefarzt der Augenklinik Köln-Merheim auf dem vom Global Player arrangierten Pressegespräch für das PatientInnen-Unterstützungsprogramm. Mit Markus Georg ließ sich auch der Geschäftsführer der PatientInnen-Organisation „Pro Retina“, die im Jahr 2014 33.000 Euro vom Pillen-Produzenten erhielt, in die PR-Kampagne einspannen. Zudem gelang es dem Unternehmen noch, die Reklame für „VisusVital“ in dem Fachblatt Der Augenarzt unterzubringen, das gerne auch BAYER-Pressemeldungen zu EYLEA unkommentiert abdruckt.

EYLEA-Rundumbetreuung

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Nicht nur die an einer Makula-Degeneration leidenden PatientInnen will der Leverkusener Multi zur Verkaufsförderung seines Gentech-Mittels EYLEA enger an sich binden (s. o.), sondern auch deren Angehörige. So bietet er in Tateinheit mit MedizinerInnen, der BARMER-Krankenkasse sowie den – von ihm großzügig alimentierten – PatientInnen-Organisationen AMD-Netz und „Pro Retina“ Workshops für Familien-Mitglieder der Erkrankten an.

WFH-Präsident in BAYER-Diensten
BAYERs Investitionen in PatientInnen-Organisationen lohnen sich, denn diese revanchieren sich mit „Freundschaftsdiensten“. So erteilte der Präsident des Bluter-Verbandes „World Federation of Hemophilia“, Mark Skinner, jüngst einem neuen Therapie-Ansatz des Leverkusener Multis die Absolution, obwohl die Entwicklung sich noch in einem frühen Stadium befindet. Zu den Versuchen des Leverkusener Multis, ein Gen, das den Gerinnungsfaktor VIII produziert, direkt in die Leber einzuführen, um so das bisher nötige tägliche Spritzen zu ersetzen (Ticker 4/14), lässt er sich mit den Worten vernehmen: „Eine einzige Behandlung wäre ein Segen und würde die Belastungen einer lebenslangen prophylaktischen Therapie enorm senken.“

Bienen-Kümmerer BAYER
Der Leverkusener Multi steht wegen seiner bienenschädigenden Pestizide GAUCHO und PONCHO, welche die EU vorerst bis Ende 2015 aus dem Verkehr gezogen hat, in der Kritik. Darum verstärkt der Konzern seine PR-Aktivitäten. Wo das Unternehmen nicht schlicht versucht, die Fakten abzustreiten, da inszeniert es sich als Bienenkümmerer. Der Global Player fördert nicht nur das Anlegen von Ackerrand-Streifen mit pollen-reichen Blütenpflanzen sowie von Bienenweiden und gründet „Bee Care Center“, sondern unterstützt auch Forschungsvorhaben zum Erhalt der Bienengesundheit. Im Februar 2015 spendete er in den USA zudem 100.000 Dollar, um die Ernährungslage der Bienen vor Beginn der Mandelblüte zu verbessern.

ASPIRIN-Sozialpreis an App
Während der Konzern de facto immer unsozialer wird, indem er Arbeitsplätze vernichtet und Arbeitsbedingungen verschärft, macht seine PR-Abteilung seit einiger Zeit verstärkt auf „sozial“. So hat diese den ASPIRIN-Sozialpreis ins Leben gerufen. 2015 ging die Auszeichnung an die EntwicklerInnen einer App, die Ess-Gestörten dabei hilft, die Nahrungsaufnahme zu protokollieren.

TIERE & ARZNEIEN

BAYTRIL-Mengenrabatt
Der massenhafte Einsatz von Antibiotika wie BAYERs BAYTRIL in der Massentierhaltung führt zur Entwicklung resistenter Krankheitserreger. Gelangen diese in den menschlichen Organismus, so können MedizinerInnen oftmals nichts mehr gegen die Keime ausrichten, was eine massive Gesundheitsgefahr darstellt. Ein Grund für die Verbreitung der Mittel sind auch die oligopol-haften Strukturen bei den VeterinärInnen. So bedienen die zehn größten Praxen die Geflügel- und Kälbermastbetriebe fast im Alleingang: Ihr Marktanteil beträgt 90 Prozent. Und sie können BAYTRIL & Co. zu Konditionen anbieten, zu denen es manche TierärztInnen nicht einmal im Einkauf bekommen, weil die Pharma-Riesen Mengen-Rabatte gewähren. Die GESELLSCHAFT FÜR GANZHEITLICHE TIERMEDIZIN und der BUND fordern deshalb die Einführung von Festpreisen, um die Kosten für die Arzneien zu erhöhen und so Anreize für einen geringeren Verbrauch zu setzen.

DRUGS & PILLS

ESSURE ruft FDA auf den Plan
Bei ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, handelt es sich um eine kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich nach etwa drei Monaten die Eileiter verschließen. Allzu oft jedoch bleibt die Spirale nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den möglichen Gesundheitsschädigungen. Vier Meldungen über Todesfälle und mehr als 5.000 über unerwünschte Arznei-Effekte hat die US-Gesundheitsbehörde FDA seit der Zulassung des Medizin-Produktes im Jahr 2002 bereits erhalten. Viele dieser Nebenwirkungen haben schon die Probandinnen in den Zulassungstests erlitten. In den Protokollen der Klinischen Prüfungen tauchten diese Angaben jedoch oft nicht auf. Eine Teilnehmerin berichtete dem US-Sender ABC, wenn sie über starke Menstruationsbeschwerden klagte, hätten die ÄrztInnen das „stark“ in dem Versuchsprotokoll einfach gestrichen. Auch vermerkten diese darin, es wäre unwahrscheinlich, dass die schweren Menstruationsblutungen der Frau auf das Präparat zurückgingen. Eine Gruppe von ESSURE-Geschädigten hat die FDA deshalb in einer Petition aufgefordert, die Zulassungstests noch einmal zu überprüfen. Und die Behörde hat daraufhin eine Untersuchung eingeleitet.

Gefälle bei YASMIN-Verordnungen
Frauen, die drospirenon-haltige Pillen wie BAYERs YASMIN zur Empfängnis-Verhütung nehmen, tragen im Vergleich zu solchen, die levonorgestrel-haltige Kontrazeptiva bevorzugen, ein bis zu doppelt so hohes Risiko, eine Thromboembolie zu erleiden. Das hat bereits zu hunderten von Todesfällen geführt und die Gesundheitsbehörden einiger Länder zu Reaktionen veranlasst. So erstatten etwa die Krankenkassen in Frankreich die Kosten für YASMIN & Co. nicht mehr. Das hat sich merklich auf die Verordnungszahlen ausgewirkt: Sie sanken 2013 um 45 Prozent. Gleichzeitig gingen die Fälle von Lungen-Embolien bei den 15- bis 45-jährigen Frauen um 11,2 Prozent und bei den 15- bis 19-jährigen Frauen sogar um 27,9 Prozent zurück. Hierzulande hat sich allerdings noch nichts getan. Immer noch entfallen auf YASMIN und andere Präparate der 3. Generation zwei Drittel aller Rezepte. Das industrie-unabhängige Fachblatt arznei-telegramm (a-t) macht dafür neben nicht ausreichend vor den Gefahren warnenden Fach-Informationen auch das Verhalten der ÄrztInnen-Verbände verantwortlich. So bezeichnet etwa der „Berufsverband der Frauenärzte“ (BVF) Thrombosen infolge der Einnahme dieser Präparate als „sehr seltene Komplikation“ und attestiert ihnen eine bessere Verträglichkeit als Pillen der 1. und 2. Generation. Auch führen Drospirenon-Produkte im Gegensatz etwa zu levonorgestrel-haltigen Arzneien dem BVF zufolge nicht zu einer Gewichtszunahme. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hat die MedizinerInnen-Organisation wie auch die „Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe“ angeschrieben und wegen ihrer Verharmlosung von YASMIN & Co. scharf kritisiert. Der BVF wies die Vorwürfe zurück und stützte sich dabei auf eine Studie des nicht gerade industrie-fernen Berliner ZEG-Institutes. Zu dessen Leitern gehört mit Jürgen C. Dinger nämlich ein ehemaliger Beschäftigter des SCHERING-Konzerns, der YASMIN entwickelt hatte und damit 2006, als BAYER die Berliner Aktien-Gesellschaft übernahm, die Produktpalette des Leverkusener Multis erweiterte. Das arznei-telegramm fordert derweil eine Überarbeitung der Fach-Informationen und einen Ausschluss von Pillen mit dem Wirkstoff Drospirenon aus der Erstattungspflicht. Ein kompletter Verzicht auf diese Medikamente würde die Zahl der Thrombose-Vorfälle um 250 senken, konstatiert das a-t.

Leitlinien-Empfehlung für XOFIGO
XOFIGO, BAYERs Medikament zur Behandlung der Prostatakrebs-Art CRPC, hat Aufnahme in die Leitlinien zur Prostatakrebs-Therapie gefunden. Die zuständige Kommission bezeichnete die Arznei mit dem Wirkstoff Radium-223-Dichlorid, mit dem ÄrztInnen PatientInnen bestrahlen dürfen, wenn eine Hormon-Behandlung erfolglos geblieben ist und sich zudem noch Metastasen im Knochen gebildet haben, als eine „Option“. Dabei verlängerte das Mittel bei den Klinischen Tests die Lebensdauer der Krebs-Kranken noch nicht einmal um drei Monate. Aber der Leverkusener Multi konnte sich auf das Votum von willigen MedizinerInnen wie den Professoren Dr. Axel Heidenreich und Dr. Kurt Miller verlassen, die er auf seiner Gehaltsliste führt. Heidenreich gehört einem Beratungsgremium von BAYER an und hält Vorträge für den Pharma-Riesen. So machte der Leiter der Urologie am Klinikum Aachen etwa bei dem Symposium „Mehr als ASPIRIN – BAYER in der Onkologie“ Werbung für XOFIGO, die das Deutsche Ärzteblatt anschließend unter dem Titel „Radium-223-Dichlorid: Innovativer Wirk-Mechanismus gegen Knochen-Metastasen“ veröffentlichte. Und auch bei der Jahrestagung der „Deutschen Gesellschaft für Urologie“ pries der Arzt das Mittel an. Dr. Miller von der Berliner Charité verdingte sich derweil bei dem Pressetermin zur Zulassung des BAYER-Präparats als Mietmaul und verdiente sich zudem noch etwas durch XOFIGO-Workshops dazu.

NICE ändert seine XOFIGO-Meinung
Im März hatte das britische „National Institute for Health and Care Excellence“ (NICE) eine Kosten/Nutzen-Analyse von BAYERs Strahlentherapie-Medikament XOFIGO durchgeführt und der Arznei kein gutes Zeugnis ausgestellt (Ticker 4/14). Die vom Leverkusener Multi eingereichten Unterlagen gaben nicht genügend Hinweise darauf, dass „die Vorteile die beträchtlichen Kosten rechtfertigen“, so die Behörde damals. Nachdem der Konzern Dokumente nachgereicht hatte, entschied sich das NICE jedoch um und sprach eine Empfehlung für das Präparat aus.

Endometriose-Fortschritte bei EVOTEC
Der Leverkusener Multi unternimmt derzeit einige Anstrengungen, mehr Mittel zur Behandlung der Endometriose, einer gutartigen Wucherung der Gebärmutter-Schleimhaut, herauszubringen. Neben der Markt-Einführung von VISANNE, in deren Gefolge er die Produktion der ebenfalls zur Therapie dieser Gesundheitsstörung geeigneten, aber viel preiswerteren Verhütungsmittel VALETTE und CHLORMADINON kurzerhand einstellte (Ticker 4/14), unterhält der Konzern noch mehrere Endometriose-Forschungskooperationen. So arbeitet er auf diesem Gebiet mit der Universität Oxford und mit dem Hamburger Biotech-Unternehmen EVOTEC zusammen. Dieses verkündete nun entscheidende Entwicklungsfortschritte.

BEPANTHEN bei Tattoo-Entfernung?
Dank BAYER-Geld hat die Wissenschaft festgestellt: Zur Nachbehandlung der Haut bei Tattoo-Entfernungen per Laser eignet sich die BAYER-Salbe BEPANTHEN hervorragend. „Nach unseren Forschungsergebnissen ermöglicht BEPANTHEN Wund- und Heilsalbe eine raschere Wundheilung als Vaseline“, erklärte Dr. Jens Malte Baron von der Aachener „Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule“ auf einer Presse-Veranstaltung des Leverkusener Multis zu den Resultaten einer vom Global Player gesponserten Studie. Sogar die Entwicklung des Versuchsmodells, das der Untersuchung zugrunde liegt, finanzierte der Konzern.

GADOVIST für Kleinstkinder
Der Leverkusener Multi hat in den USA für sein Röntgen-Kontrastmittel GADOVIST (auch GADAVIST) eine erweiterte Zulassung erhalten. MedizinerInnen dürfen das Präparat künftig auch bei Kindern unter zwei Jahren verwenden. Der Entscheidung der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA lagen Tests des Pharma-Riesen zugrunde, die dem Mittel eine ausreichende Sicherheit für einen solchen Einsatz bescheinigten. Dabei gehen von GADOVIST ebenso wie von BAYERs anderem Kontrastmittel MAGNEVIST sehr wohl Gesundheitsgefahren aus. Die beiden Präparate enthalten nämlich Gadolinium, das bei Nierenkranken ein unkontrolliertes Wachstum des Bindegewebes mit Todesfolge auslösen kann, weshalb der Konzern sich schon mit Schadensersatz-Klagen konfrontiert sah (Ticker 3/11).

Kein STIVARGA bei Darmkrebs
BAYERs Krebsmedikament STIVARGA mit dem Wirkstoff Regorafenib ist als Mittel der 2. Wahl zur Behandlung von fortgeschrittenem Darmkrebs zugelassen. Zudem dürfen es die MedizinerInnen bei PatientInnen mit GIST – einer bestimmten Art von Verdauungstrakt-Tumoren – anwenden. Auf eine Erweiterung des Anwendungsspektrums kann der Konzern vorerst jedoch nicht zählen. Er musste eine Studie zur Therapie einer Darmkrebs-Art, bei der die Metastasen in die Leber streuen, abbrechen, weil sich nur 25 statt 750 ProbandInnen fanden. Die Anforderungen an die TeilnehmerInnen seien zu speziell gewesen, verlautete aus der Firmen-Zentrale. Aber der Pharma-Riese lässt sich davon nicht entmutigen: „Wir werden (...) weiter schauen, was für Möglichkeiten es noch gibt, den Einsatz von Regorafenib auch im Bereich von Darmkrebs weiter zu untersuchen.“

Arznei-Tests: vereinheitlicht und schneller
Die Pillen-Riesen lagern immer mehr Arznei-Tests in ärmere Länder aus. Dort winken günstigere Preise, ein großes Reservoir an ProbandInnen und eine mangelhafte Aufsicht. Die Folge: Immer wieder kommt es zu Todesfällen. So starben 2011 in Indien 20 Menschen bei Erprobungen von BAYER-Medikamenten. Die EU bemüht sich jedoch darum, wieder mehr Pillen-Prüfungen in heimische Gefilde zurückzuholen und begegnet der Konkurrenz, indem sie ihrerseits die Sicherheitsstandards senkt. So hat Brüssel mit der Verordnung Nr. 536/2014 ein beschleunigtes und europa-weit vereinheitlichtes Genehmigungsverfahren für Medikamenten-Erprobungen eingeführt.

Fünf Arzneien in beschleunigter Entwicklung
In der Pharma-Forschung hat der Leverkusener Multi fünf Wirkstoffe als besonders aussichtsreich identifiziert und forciert deshalb deren Entwicklung besonders. Dabei handelt es sich um Molidustat zur Behandlung von Blutarmut mit begleitender Nierenschwäche, einen Phosphatidylinositol-Hemmer zur Tumor-Therapie, Vilaprisan für das Anwendungsgebiet „Gebärmutter-Geschwüre“ sowie Finerenon und einen Guanylatcyklase-Hemmer für die Indikation „Herzinsuffizienz“.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Mehr Pestizide wg. Klimawandel
Der Klimawandel, den BAYER & Co. durch den massenhaften Ausstoß von Kohlendioxid befördern, hat auch Einfluss auf den Pestizid-Verbrauch. Durch die Erderwärmung blühen nämlich die Ackerfrüchte früher – und mit ihnen auch die Wildgräser und Schadpilze. Darum lag hierzulande beispielsweise die Nachfrage nach Agro-Chemikalien im Februar und März 2014 um 15 Prozent über derjenigen des Vorjahres-Zeitraums. „Aufgrund der milden Witterung gab es ein durchgehendes Wachstum von Ungräsern im Wintergetreide, was dann höhere Aufwand-Mengen bei den Herbiziden erforderlich machte. Bei Fungiziden waren ungewöhnlich früh erste Rost-Infektionen zu verzeichnen. Insgesamt führte dieses Befallsgeschehen zu einem früheren und höheren Bedarf an Pflanzenschutzmitteln“, resümierte BAYER die Lage erfreut.

Neues Wurm-Mittel
Die Absatz-Chancen für Pestizide auf biologischer Basis vergrößern sich. ExpertInnen sagen für das Jahr 2020 ein Markt-Potenzial von drei Milliarden Dollar voraus. Darum baut BAYER diese Sparte aus. Der Leverkusener Multi will seinen Agrogift-Schrank jedoch nicht gleich entsorgen; „best of both worlds“ lautet die Devise. Und diese gedenkt er jetzt sogar in einem einzigen Produkt zusammenzuführen. Der Konzern entwickelt ein Mittel gegen Würmer, das sowohl mit der Agro-Chemikalie Fluopyram als auch mit dem Bodenpilz Purpureocillium lilacinum bestückt ist. Dieses Biologikum, den der Global Player als „BioAct“ markenrechtlich geschützt hat, soll bereits die Eier von Fadenwurm & Co. befallen und so eine Vermehrung verhindern.

Mehr Glufosinat aus Höchst
BAYERs Pestizid-Wirkstoff Glufosinat erfreut sich derzeit einer großen Nachfrage, weil immer mehr Wildpflanzen der MONSANTO-Substanz Glyphosat trotzen. Der Leverkusener Multi will deshalb am Standort Höchst die Produktion der Substanz, die er unter anderem in Kombination mit gentechnisch verändertem Saatgut vermarktet, auf 16.000 Tonnen im Jahr verdoppeln. Zuvor hatte der Agro-Riese bereits die Kapazitäten in Hürth bei Köln erweitert, obwohl die EU angekündigt hat, die Substanz 2017 wegen ihrer Gefährlichkeit aus dem Verkehr zu ziehen. Der Global Player hat es nämlich hauptsächlich auf die Absatz-Märkte in Südamerika und in den USA, wo er unlängst mit dem Bau einer neuen Glufosinat-Fertigungsstätte begonnen hat, abgesehen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN kritisiert diese Praxis der doppelten Standards scharf und fordert ein weltweites Verbot der Chemikalie. „Es ist zynisch, im Ausland eine Anbau-Technik zu forcieren, die mit der Verwendung eines hochgiftigen und bei uns demnächst verbotenen Pestizids verknüpft ist. Das Schicksal der LandarbeiterInnen und Landarbeiter in Lateinamerika oder Asien ist dem Konzern augenscheinlich gleichgültig.“

Weniger GAUCHO aus Ontario
GAUCHO und PONCHO, die beiden BAYER-Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide, haben einen großen Anteil am weltweiten Bienensterben. Die EU hat die Mittel deshalb vorerst bis Ende 2015 aus dem Verkehr gezogen und prüft ein generelles Verbot. Und jetzt hat auch ein kanadischer Bundesstaat reagiert: Ontario will den Einsatz von GAUCHO & Co. bis 2017 um 80 Prozent reduzieren. Vorausgegangen war der Entscheidung eine Untersuchung der Aufsichtsbehörde PMRA, nach der sich 2012 und 2013 in über 70 Prozent der toten Bienen Spuren von Neonicotinoiden fanden.

Neue Neonicotinoid-Studien
WissenschaftlerInnen finden immer mehr Beweise für die bienenschädigende Wirkung von GAUCHO, PONCHO und anderen Pestiziden aus der Gruppe der Neonicotinoide (s. o.). Gleich drei neue Studien legen Belege dafür vor. ForscherInnen der schwedischen Lund-Universität haben auf Rapsfeldern einmal BAYERs ELADO, das neben dem Neonicotinoid Clothianidin auch Beta-Cyfluthrin gegen Pilz-Befall enthält, und einmal nur Beta-Cyfluthrin pur ausgebracht. Ergebnis: Auf den Äckern ohne Neonicotinoide vermehrten sich Wildbienen und Hummeln deutlich besser; nur bei den Honigbienen zeigten sich keine Unterschiede. Eine Studie des EU-Wissenschaftsnetzwerks EASAC kam zu einem ähnlichen Befund und stellte zudem negative Auswirkungen von GAUCHO & Co. auf Pflanzen-Bestäuber wie Motten und Schmetterlinge fest. Und ForscherInnen der Newcastler Hochschule verglichen die Mittel sogar mit Drogen. „Die Tatsache, dass Bienen eine Vorliebe für neonicotinoid-belastete Nahrung haben, ist besorgniserregend, weil sie vermuten lässt, dass die Neonicotinoide ähnlich wie Nikotin als Droge wirken“, konstatierten sie. Darum reicht es ihnen zufolge nicht aus, den Bienen in der Nähe der kontaminierten Felder Blühstreifen mit Nahrungsalternativen anzubieten. Eine Einschränkung der Neonicotinoid-Verwendung sei womöglich der einzige Weg, den Rückgang der Bestäuber-Populationen aufzuhalten, so ihr Votum laut dpa. BAYER bezweifelt die Ergebnisse jedoch. Den WissenschaftlerInnen aus Newcastle wirft der Leverkusener Multi vor, mit zu hohen Wirkstoff-Konzentrationen gearbeitet zu haben, und bei der Untersuchung aus Schweden macht er methodische Mängel aus und bestreitet überdies die „Robustheit der Daten“.

Mangelhafte CALYPSO-Beratung
Der BUND hat untersucht, inwieweit Gartencenter und Baumärkte beim Kauf von Haushaltsgiften auf Risiken und Nebenwirkungen hinweisen. Dazu hat die Initiative in 17 Geschäften die BAYER-Produkte SCHÄDLINGSFREI CALYPSO und ZIERPFLANZENSPRAY LIZETAN sowie MONSANTOs ROUNDUP erworben. Die Bilanz fiel nicht eben gut aus. So resümiert der Umweltverband die Verkaufsgespräche zu CALYPSO wie folgt: „Auf die Gesundheitsgefahren (...) wurde bei der Beratung kaum eingegangen. Selten wurde empfohlen, bei der Ausbringung des Mittels Haut, Augen und Mund zu schützen. Die mögliche krebserregende Wirkung von SCHÄDLINGSFREI CALYPSO wurde nicht benannt.“

GENE & KLONE

Milliarden-Schaden durch LL601
Im Jahr 2006 war gentechnisch veränderter Langkorn-Reis von BAYER weltweit in Supermärkten aufgetaucht, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch nirgendwo eine Zulassung für die gegen das hochgefährliche Herbizid Glufosinat (Produktname: LIBERTY) resistente Sorte vorlag. Rund 30 Prozent der US-amerikanischen Ernte hatte der LL601-Reis verunreinigt. Für die LandwirtInnen, die Verarbeiter, die Exporteure und den Handel entstanden dadurch Verluste in Höhe von 1,18 bis 1,72 Milliarden Dollar. Das errechnete der „Schadensbericht Gentechnik“, den der „Bund ökologische Lebensmittel-Wirtschaft“ herausgegeben hat. An Entschädigung hat der Leverkusener Multi hingegen nur 560 Millionen Dollar gezahlt. Insgesamt verursachten die vier bisher größten Gen-Desaster Schäden in Höhe von 5,4 Milliarden Dollar.

Keine Kennzeichnung in Oregon
Seit einiger Zeit gibt es in US-amerikanischen Bundesstaaten Initiativen zur Einführung einer Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel mit gentechnisch veränderten Bestandteilen. BAYER & Co. investieren viel Geld, um diese Vorhaben zu Fall zu bringen und können leider schon Erfolge verbuchen. Nachdem bereits in Washington und Kalifornien BürgerInnen-Begehren scheiterten, erlitten die Gentechnik-GegnerInnen jetzt auch in Colorado und Oregon Niederlagen. In Vermont allerdings muss auf Nahrungsmitteln weiterhin draufstehen, was drin ist: Eine Klage der Lebensmittel- und Agrarindustrie gegen das entsprechende Gesetz scheiterte Ende April 2015, die Konzerne können jedoch noch in die Berufung gehen.

MON88701 mit Glufosinat-Resistenz
Schadinsekten gewöhnen sich zunehmend an die Pestizide, welche die Hersteller im Kombipack mit ihren gegen diese Wirkstoffe resistenten Genpflanzen verkaufen. Deshalb gehen die Multis nach der Devise „Doppelt hält besser“ immer mehr dazu über, ihre Sorten gleich gegen mehrere Agrochemikalien immun zu machen und gewähren sich gegenseitig Zugriff auf ihre Technologien. So haben die US-Behörden jüngst MONSANTOs Gen-Soja MON88701 zugelassen, das sowohl gegen Dicamba als auch gegen BAYERs Ultragift Glufosinat (siehe PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE) resistent ist.

Import-Zulassung für BAYER-Baumwolle
Bislang hatte die Europäische Union zentral über die Zulassung von Genpflanzen entschieden. Jetzt will Brüssel dies jedoch den Mitgliedsländern selber überlassen, wovon sich BAYER & Co. mehr Chancen für die Risiko-Technologie erhoffen (Ticker 3/14). Im Zuge dieser Veränderung hat die EU schnell noch reinen Tisch gemacht und alle Genehmigungsanträge für Gen-Importe bearbeitet. Ende April 2015 stand das Ergebnis fest. Die Kommission ließ neun Pflanzen neu zu. Darunter befanden sich auch zwei Labor-Früchte des Leverkusener Multis. Grünes Licht erhielten die Baumwoll-Sorten LLCotton25xGHB614, die gegen Glyphosat und BAYERs Ultragift Glufosinat (siehe auch PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE) resistent ist, und T304-40, welcher die Gen-WerkerInnen ebenfalls eine Immunität gegen Glufosinat und zudem noch das gegen Insekten wirkende Protein des „Bacillus thuringiensis“ (Bt) eingebaut haben. Darüber hinaus verlängerte die EU-Kommission zehn bereits bestehende Zulassungen. Jetzt muss sie nur noch über den 1507-Mais von PIONEER und DOW AGROSCIENCES befinden, der mit dem „Bacillus thuringiensis“ (Bt) bestückt ist und darüber hinaus über eine Glufosinat-Resistenz verfügt. Die Initiative TESTBIOTEST kritisiert das Schnellverfahren und kündigt eine Beschwerde an. „Die Risiken der jeweiligen Pflanzen wurden nicht ausreichend erforscht. Kombinierte Auswirkungen auf die Gesundheit, die auftreten können, wenn die Pflanzen in Nahrungsmitteln gemischt werden, wurden sogar überhaupt nie untersucht“, moniert die Organisation.

Neue EYLEA-Indikationen
BAYERs Gentech-Augenpräparat EYLEA, 2011 zunächst nur zur Behandlung der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – zugelassen, vermochte sein Anwendungsspektrum seither kontinuierlich zu erweitern. 2015 kamen zwei weitere Zulassungen hinzu. MedizinerInnen dürfen das Mittel künftig zur Therapie von solchen Flüssigkeitsansammlungen im Auge einsetzen, die nach einem Zentralvenen-Verschluss an der Netzhaut auftreten. Darüber hinaus genehmigten die Aufsichtsbehörden seinen Einsatz bei krankhaften Gefäß-Neubildungen auf der Netzhaut in Folge einer starken Kurzsichtigkeit.

WASSER, BODEN & LUFT

BAYCUSAN jetzt auch in China
Immer mehr Plastik-Abfälle gelangen in die Weltmeere und bedrohen das aquatische Ökosystem (siehe auch SWB 2/15). Eine besondere Gefahr stellt dabei Mikroplastik dar, denn diese Kleinst-Partikel enthalten nicht nur selbst Giftstoffe, sie wirken obendrein wie ein Magnet auf andere. Seine wasserabweisende und fettlösliche Oberfläche lockt nämlich Schadstoffe wie Polychlorierte Biphenyle (PCB), Pestizide, Medikamenten-Rückstände, Quecksilber, Blei oder Chrom an, die über die Nahrungskette gemeinsam mit den Mini-Kunststoffen auch in den menschlichen Organismus gelangen können. BAYER produziert diese Substanzen hauptsächlich für die Hersteller von Haarpflege- und Haarstyling-Mitteln, Wimperntusche sowie anderen Schmink-Utensilien. „Unsere Rohstoffe machen es der Kosmetik-Industrie überhaupt erst möglich, immer bessere Produkte zu entwickeln“, preist der Konzern seine Mikroplasten Polyurethan-32, Polyurethan-34, Polyurethan-35 und Polyurethan-48 an. Dem Unternehmen zufolge sorgen sie unter anderem für „samtige Haut“, „glänzendes Haar“ „geschmeidigen Glanz“ und „natürlichen Halt“. Im Frühjahr 2015 gelang es dem Leverkusener Multi, für seine unter dem Label BAYCUSAN angebotenen Mikroplastik-Artikel ein neues Absatz-Gebiet zu erobern. Er erhielt eine Zulassung für den chinesischen Markt.

Kochsalz aus Abwässern
Der Leverkusener Multi nimmt am Standort Krefeld eine Pilotanlage zur Wiedergewinnung von Kochsalz aus Prozess-Abwässern in Betrieb. Allerdings trägt er die Kosten dafür nicht allein. Der Bund subventionierte das Recycling-Projekt mit 738.000 Euro.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

Härtere Zeiten für Bisphenol
BAYER ist mit einer Jahresproduktion von ca. einer Million Tonnen einer der größten Produzenten der Industrie-Chemikalie Bisphenol A. Drei Prozent davon finden in Lebensmittel-Verpackungen wie etwa Konservendosen Verwendung, und das bringt Gesundheitsrisiken mit sich. Die Substanz ähnelt in ihrem chemischen Aufbau nämlich Hormonen, was Auswirkungen auf den menschlichen Stoffwechsel hat und zu Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen führen kann. Deshalb steht der Stoff seit Jahren in der Kritik. Die EU, die im März 2011 bereits seine Verwendung in Babyflaschen untersagt hatte, erhöhte unlängst die Grenzwerte (Ticker 1/15). Frankreich ging noch weiter. Der Staat erließ einen kompletten Bann für Bisphenol in Nahrungsmittel-Behältnissen. Das wiederum nahm der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel (Bündnis 90/Grüne) zum Anlass, strengere Maßnahmen auch hierzulande zu fordern: „Das ist ein deutliches Zeichen. Frankreich hat mit diesem Verbot den richtigen ersten Schritt getan. Deutschland muss nun folgen.“ Gemeinsam mit seinen KollegInnen aus Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein startete er deshalb auf der Bundeskonferenz der Landesumweltschutz-MinisterInnen eine entsprechende Gesetzes-Initiative.

Bisphenol in Zahn-Füllungen
Die gefährliche Chemikalie Bisphenol A treibt nicht nur in Lebensmittel-Verpackungen ihr Unwesen (s. o.), sondern auch in Zahn-Füllungen. Zudem finden sie in Zahn-Klebern und -Versieglern Verwendung. „Trotz sorgfältigster Verarbeitung können diese Substanzen im Mund freigesetzt werden“, warnt die Umweltzahnmedizinerin Dr. Hiltrud Boeger.

PLASTE & ELASTE

BMS entwickelt neuen Kunststoff
Die Chemie-Unternehmen nutzen zunehmend Biomasse zur Kunststoff-Fertigung. Als Ausgangsstoffe für die Erdöl-Alternative dienen unter anderem Milchsäure und Zucker. Mit Pentamethylen-Diisocyanat (PDI) hat auch BAYER MATERIALSCIENCE (BMS) ein solches Produkt entwickelt. „Die Umweltverträglichkeit wird zur Markt-Erfordernis“, so begründete die vor der Loslösung vom Konzern stehende Sparte diesen Schritt. Bedenken, die Nutzung der Äcker als Rohstoff-Reservoir für die Plaste-Produktion könnte den Anbau von Pflanzen für die Lebensmittel-Herstellung beeinträchtigen, weist BMS zurück. Die Biomasse-Gewinnung erfolge „ohne direkte Konkurrenz zur Nahrungsmittel-Produktion“, beteuert die Teil-Gesellschaft.

STANDORTE & PRODUKTION

Duisberg-Park noch ohne Statuen
Im Januar 2012 hatten MetalldiebInnen den Leverkusener Carl-Duisberg-Park heimgesucht und mehrere Skulpturen aus der Sammlung des ehemaligen BAYER-Generaldirektors Carl Duisberg (siehe auch AKTION & KRITIK) entwendet. Dankenswerterweise sackten sie dabei auch einige Werke des Nazi-Künstlers Fritz Klimsch ein, der unter anderem Büsten von Ludendorff und Hitler anfertigte und von Goebbels das Attribut „der reifste unter unseren Plastikern“ verliehen bekam. Nach dem Raub baute der Pharma-Riese die noch im Park verbliebenen Kunstwerke ab. Er kündigte an, ein Sicherheitskonzept zu erarbeiten und die Hervorbringungen von Klimsch & Konsorten dann wieder öffentlich zu präsentieren. Ursprünglich sollte dies schon 2013 der Fall sein. Dann verschob der Konzern die Sache auf 2015, und inzwischen nennt er gar kein Datum mehr.

Planungsstau wg. Chemie-„Parks“
Die Notwendigkeit, ihre EinwohnerInnen vor den Gefahren zu schützen, die von BAYERs Chemie-„Parks“ ausgehen, stellt die Standort-Städte vor zunehmende Probleme. Die Seveso-Richtlinie der EU schreibt nämlich einen ausreichenden Abstand zwischen Industrie-Anlagen und anderen Gebäuden vor. In Leverkusen, wo der Pharma-Riese vor zwei Jahren auch selber seinen Plan begraben musste, in unmittelbarer Nähe des Werksgeländes einen Kindergarten zu errichten, liegen aus diesem Grund derzeit Pläne brach, den Süden Wiesdorfs zu entwickeln. Die Kommune hat erst einmal ein Seveso-Gutachten in Auftrag gegeben, um die Realisierungschancen zu evaluieren. Das tat auch Dormagen, obwohl die – nicht zuletzt wegen magerer Gewerbesteuer-Zahlungen von BAYER – darbenden Kommune dafür einiges Geld investieren musste. „Das fällt uns in der gegenwärtigen Haushaltslage nicht leicht. Ohne das Gutachten könnten wir aber anstehende Baugenehmigungen nicht erteilen und hätten einen Stillstand in der Stadtentwicklung“, erklärte Bürgermeister Erik Lierenfeld (SPD). Bis zum Ende des Jahres erste Zwischenergebnisse vorliegen, müssen Projekte in Dormagen-Mitte, Horrem, Hackenbroich, Rheinfeld und auf dem Areal der ehemaligen Zuckerfabrik mindestens noch auf ihre Ausführung warten. Und in Monheim steht derweil das Vorhaben der Stadt, die Rheinauen nach ökologischen Kriterien umzugestalten und besser für den Tourismus zu erschließen, auf dem Prüfstand.

Instandhaltung mit BILFINGER
Am Standort Frankfurt übernimmt der Bau-Konzern BILFINGER weiterhin die Instandhaltung und Wartung der Produktionsanlagen von BAYER CROPSCIENCE. Auch für Umbauten bleibt er die nächsten drei Jahre zuständig. Einen entsprechenden, 40 Millionen Euro schweren Vertrag schlossen die beiden Unternehmen im Januar 2015.

JENAPHARM verkauft Pharma-„Park“
Der Leverkusener Multi stutzte seine Tochter-Firma JENAPHARM Stück für Stück. 2006 schloss er die Forschungs- und Ende 2011 die Entwicklungsabteilung. 2013 schließlich wanderte die Logistik in die BAYER-Zentrale ab. Durch diesen Schrumpfungsprozess gab es im Jenaer Pharma-„Park“ immer mehr Leerstände. Und da die Geschäftsleitung die Suche nach Mietern und das gesamte Immobilien-Management nicht mehr selber übernehmen wollte, verkaufte sie das Gelände an das Unternehmen INFRAREAL, das in Marburg bereits das Grundstück des Arznei-Herstellers BEHRING erworben hatte.

VOTIVO-Grundstoff aus Bergkamen
Die Bergkamener Niederlassung des Leverkusener Multis, die bisher nur pharmazeutische Produkte herstellte, fertigt jetzt auch den Grundstoff für BAYERs Bio-Pestizid VOTIVO. In einer Anlage des Werkes wird der Bakterienstamm „Bacillus firmus“ herangezüchtet, der Mais-Pflanzen vor Fadenwürmern schützen soll. Die Weiterverarbeitung findet allerdings in Leverkusen statt und die Endproduktion in einer französischen Konzern-Niederlassung, so dass in dem nordrhein-westfälischen Werk keine neuen Arbeitsplätze entstehen.

Mehr Propamocarb aus Hürth
BAYER hat am Pestizid-Produktionsstandort Hürth, wo sich im Oktober 2014 ein Brand ereignete (Ticker 4/14), eine neue Anlage zur Fertigung von Propamocarb in Betrieb genommen. Mit ihr will der Leverkusener Multi die Herstellungsmenge der Substanz, die er unter dem Namen VOLARE vertreibt, verdoppeln. Für Mensch, Tier und Umwelt ist das keine gute Nachricht. Das Mittel wirkt nämlich hormon-ähnlich. Es kann deshalb den menschlichen Organismus aus dem Gleichgewicht bringen und zu Krebs, Stoffwechsel-Störungen, Unfruchtbarkeit und neurologischen Erkrankungen führen.

Brunsbüttel im Abwind
Der Leverkusener Multi betreibt in Brunsbüttel eine Kunststoff-Produktion. Frank Nägele, der Wirtschaftsstaatssekretär der rot-grünen Landesregierung in Schleswig-Holstein, zeichnete jetzt ein düsteres Bild der wirtschaftlichen Zukunft der Stadt und machte dafür nicht zuletzt die Geschäftspolitik des Global Players verantwortlich. „Das Industrie-Gebiet Brunsbüttel hat seinen Zenit überschritten“, sagte er bei einer Veranstaltung zum möglichen Ausbau des Hafens. Als Gründe nannte der Sozialdemokrat neben der Stilllegung der CHEMISCHEN FABRIK BRUNSBÜTTEL (CFB), in der unter anderem Teile von BAYERs einstiger Textilfarben-Produktion aufgegangen waren, auch die Entscheidung des Leverkusener Multis, sich von seiner Kunststoff-Sparte zu trennen. „Allein schon der Name ‚BAYER’ wird damit als Zugpferd fehlen“, so Nägele.

IMPERIUM & WELTMARKT

Veterinär-Sparte vor Verkauf?
In der Tierarznei-Branche hat ein Konzentrationsprozess eingesetzt, der BAYER unter Druck setzt. „Das lässt uns vor allem auf die Frage blicken, bis zu welchem Grad kritische Größe wichtig für die Tiermedizin ist“, sagte Konzern-Chef Marijn Dekkers und kündigte an, die Sparte auf den Prüfstand zu stellen. Unterdessen hat der Pharma-Riese sich schon von einigen Pharmazeutika für Pferde getrennt. Zudem machte er ein Werk im US-amerikanischen St. Joseph dicht (siehe auch POLITIK & EINFLUSS) und führt mit DVM und EXPERT CARE lediglich zwei der dort hergestellten Produkt-Reihen weiter. Plänen, die Veterinär-Abteilung zu vergrößern, erteilte Dekkers indes im Herbst 2014 bei einer Telefon-Konferenz mit Investoren eine Absage.

Mehr Ackergifte für China
Der Leverkusener Multi will mehr von der Industrialisierung der chinesischen Landwirtschaft profitieren (siehe Ticker 1/15) und kündigte an, bis zum Jahr 2020 mehr als 20 neue Produkte in dem Land herauszubringen und seine Belegschaft zu erweitern.

RECHT & UNBILLIG

LIZETAN-Klage: BUND siegt
BAYER-Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide haben einen großen Anteil am weltweiten Bienensterben. Die Ackergifte GAUCHO und PONCHO hat die EU deshalb bereits vorerst aus dem Verkehr gezogen. Andere Mittel wie etwa SCHÄDLINGSFREI CALYPSO und ZIERPFLANZENSPRAY LIZETAN vertreibt der Agro-Riese hingegen weiter; und er bezeichnet die beiden Produkte mit dem Wirkstoff Thiacloprid sogar als „nicht bienengefährlich“. Als eine Irreführung der VerbraucherInnen stellte der BUND das dar, was der Leverkusener Multi nicht auf sich sitzen lassen wollte: Er verklagte die Organisation. Das Düsseldorfer Landgericht gab der Initiative jedoch Recht. Die Richterin sah in der BUND-Kritik eine Aussage, die „als Meinungsäußerung einen erhöhten Schutz genießt“. „Wir freuen uns über diesen Erfolg. Das ist ein Sieg für die Bienen und für die Meinungsfreiheit“, kommentierte der BUND-Pestizidexperte Thomas Brückmann. Der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger forderte derweil politische Konsequenzen: „Die Bienengefährlichkeit der BAYER-Produkte mit dem Neonicotinoid-Wirkstoff Thiacloprid ist belegt. BAYER muss sie umgehend vom Markt nehmen.“. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hatte den BUND bei dieser juristischen Auseinandersetzung unterstützt und sich an Protestaktionen zu den Prozess-Terminen vor dem Düsseldorfer Landgericht beteiligt.

CBG-Klage wg. Schleichwerbung
„BAYER duldet keine Gesetzes-Verstöße bei der Vermarktung seiner Produkte. Verantwortungsvolles Marketing steht auch für ethisch-moralische Grundsätze“, heißt es in einem Nachhaltigkeitsbericht des Leverkusener Multis. Dennoch überschreitet er immer wieder die Grenzen des Erlaubten. Beispielsweise hat die österreichische Konzern-Tochter die PR-Agentur Mhoch3 engagiert, um „Online-Reputationsmanagement“ zu betreiben und im Netz mittels gefaketer Postings Anti-Flohmittel für Katzen und andere Produkte des Unternehmens anzupreisen (siehe auch SWB 1/15). Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) entschloss sich, gegen diese Werbe-Praxis von BAYER gerichtlich vorzugehen und Anzeige zu erstatten. Die Staatsanwaltschaft beabsichtigt jedoch, das Verfahren einzustellen. Das Heilmittel-Werbegesetz verbiete es zwar, „eine aus fachkundigen Kreisen vorgegebene objektive Informationsvermittlung vorzutäuschen“, aber im vorliegenden Fall hätten ja Laien gehandelt, weshalb das Paragrafen-Werk nicht greife, so die JuristInnen zur Begründung. Zudem handle es sich um eine ausländische Firma, für die bundesdeutsches Recht nicht gelte, meinten die StaatsanwältInnen, obwohl sich die Gesellschaft zu 100 Prozent in BAYER-Besitz befindet und weisungsgebunden ist. Die Coordination will eine Ablehnung der Klage deshalb nicht akzeptieren und hat Beschwerde beim Generalstaatsanwalt eingelegt.

IPPNW-Beschwerde wg. Schleichwerbung
Die Organisation INTERNATIONALE ÄRZTE FÜR DIE VERHÜTUNG DES ATOMSKRIEGS (IPPNW) hat BAYERs Schleichwerbung im Netz mittels gefaketer Postings zur Hormon-Spirale MIRENA und anderen Produkten (s. o.) zum Anlass genommen, bei der „Freiwilligen Selbstkontrolle der Arzneimittel-Industrie“ eine formelle Beschwerde einzureichen. Das Gremium akzeptierte diese jedoch nicht. Zunächst verwies es wie die Kölner Staatsanwaltschaft wegen des Firmensitzes „Österreich“ auf Nichtzuständigkeit, und als der IPPNW dieses Argument mit Verweis auf die genauen Besitzverhältnisse entkräftete, lehnte das vermeintliche Selbstkontroll-Organ die Eingabe einfach mit der Begründung „Verjährung“ ab.

NEXAVAR-Prozess

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2012 erlaubte das Indian Patent Office (IPO) dem Generika-Hersteller NATCO PHARMA, eine preisgünstige Version von BAYERs patent-geschütztem Krebs-Medikament NEXAVAR herauszubringen. Das IPO begründete die Ausstellung einer Zwangslizenz damit, dass der Pharma-Riese es versäumt habe, den Preis für das Medikament (monatlich 4.200 Euro) auf eine für indische PatientInnen bezahlbare Höhe herabzusetzen. Zudem habe der Konzern die Arznei den Kranken nicht in ausreichender Menge zur Verfügung gestellt. Das räumte BAYER auch unumwunden ein. „Wir haben diese Arznei nicht für Inder entwickelt (...) Wir haben sie für westliche PatientInnen entwickelt, die sie sich auch leisten können“, so der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers. Trotzdem versuchte der Leverkusener Multi alles, um das IPO-Votum rückgängig zu machen. Er konnte sich aber bisher nicht durchsetzen. So schmetterte der Mumbai High Court im Juli 2014 seine Patentverletzungsklage ab, und auch im Berufungsverfahren vier Monate später scheiterte das Unternehmen. Wie der Global Player auf das Urteil reagieren wird, ließ ein Sprecher der Aktien-Gesellschaft noch offen.

NEXAVAR-Prozess

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Neben dem Patent-Streit, der in Indien um BAYERs Krebs-Medikament NEXAVAR tobt (s. o

[Ticker] STICHWORT BAYER 01/2015 – TICKER

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Umbenennungskampagne erfolgreich
Am 29. September 2011 jährte sich der Geburtstag des langjährigen BAYER-Generaldirektors Carl Duisberg zum 150. Mal. Um die medialen Ständchen für den Mann zu konterkarieren, der im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas und die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen war und später einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörderkonzerns IG FARBEN hatte, rief die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Kampagne ins Leben. Sie mahnte anlässlich des Jahrestags die Umbenennung von Straßen, Schulen und anderen Einrichtungen an, die Duisbergs Namen tragen. Viele AktivistInnen ließen sich davon anregen und trugen die Forderung in die zuständigen Kommunal-Vertretungen. In Dortmund hatte das jetzt Erfolg (siehe auch SWB 1/15). Eine große Mehrheit aus SPD, Grünen, Linken und Piraten stimmte dafür, die Carl-Duisberg-Straße in „Kleine Löwenstraße“ umzutaufen. Und auch Lüdenscheid möchte Duisberg nicht mehr ehren und suchte sich für einen Weg einen neuen Namenspatron. In anderen Orten, wie in Frankfurt, Dormagen, Bonn, Krefeld, Wuppertal, und Maxdorf/Ludwigshafen läuft die Kampagne unterdessen weiter.

Kampagne für Patent-Gesetz
Mit Patenten auf Pharmazeutika sichern sich BAYER & Co. Monopol-Profite. Dieses Vorgehen macht die Arzneien besonders für Menschen in Armutsregionen unerschwinglich. Viele Länder versuchen allerdings, ihrer Bevölkerung trotzdem den Zugang zu den benötigten Medikamenten zu sichern. So berief sich Südafrika im Jahr 2001 auf einen Ausnahme-Paragrafen des internationalen TRIPS-Patentschutzabkommens und führte Nachahmer-Präparate von AIDS-Medikamenten ein, was BAYER und 40 weitere Pharma-Riesen zu einer Klage veranlasste. 2008 beschloss der Staat deshalb, die Praxis durch ein Patent-Gesetz gerichtsfest zu machen. Zu einer Verabschiedung des Paragrafen-Werkes kam es jedoch noch nicht. Extrem-Lobbying von BAYER & Co. hat das bis jetzt verhindern können – allein der US-amerikanische Pillenhersteller-Verband PhRMA steckte 450.000 Dollar in eine PR-Kampagne gegen den Plan. (Ticker 2/14). Es gibt aber auch Gegenkräfte: Die AIDS-Initiative TREATMENT ACTION CAMPAIGN versammelte 50.000 Organisationen und Einzelpersonen hinter sich, um für das Gesetz – unter anderem durch einen Offenen Brief an den südafrikanischen Ministerpräsidenten Jacob Zuma – zu werben.

KAPITAL & ARBEIT

Plischke bald im Aufsichtsrat?
Lange Zeit war es für die Vorstandsvorsitzenden von BAYER & Co. Usus, nach ihrer Amtperiode als Firmenlenker den Posten des Aufsichtsratschefs zu übernehmen. 2009 hat die damalige Große Koalition diesem Automatismus jedoch einen Riegel vorgeschoben. Nach Ansicht von CDU und SPD standen die internen Lösungen einer wirklichen Kontrolle der Geschäftspolitik im Wege. Deshalb erlegten sie den wechselwilligen ManagerInnen eine zwei-jährige Karenzzeit auf. Äußerst widerwillig saß diese Werner Wenning ab, ehe er als Aufsichtsratsvorsitzender zum Leverkusener Multi zurückkehrte. Und jetzt richtet sich auch der 2014 pensionierte ehemalige Forschungsvorstand Wolfgang Plischke in der Warteschleife auf ein Comeback beim Pillen-Riesen ein. „Der Leverkusener Pharma-Konzern möchte auf seine Expertise und langjährigen internationalen Erfahrungen nicht verzichten“, vermeldet die Faz. Zu dieser „Expertise“ hatte es unter anderem gehört, trotz interner Warnungen so lange es nur irgend ging an dem Cholesterinsenker LIPOBAY festzuhalten, welcher dann schließlich bis zu seinem von den Behörden erzwungenen Vertriebsstopp über 100 Menschen den Tod brachte.

Multifunktionär Wenning
Mit seinem Posten als BAYER-Aufsichtsratschef fühlt sich Werner Wenning noch längst nicht ausgelastet. Dieselbe Position bekleidet er bei E.ON, und bei SIEMENS rückte er jüngst zum Aufsichtsratsvize vor. Einfache Mandate nimmt er zudem in den Kontrollgremien der DEUTSCHEN BANK und der Versicherungsgesellschaft TALANX wahr. Darüber hinaus hat Wenning Sitze in den Gesellschafter-Ausschüssen von HENKEL und FREUDENBERG.

ERSTE & DRITTE WELT

Afrika im Fokus
Auf der Suche nach Absatz-Gebieten hat der Leverkusener Multi einen neuen Kontinent entdeckt. „2014 steht eine Afrika-Strategie hoch oben auf der Agenda“, bekundete der Konzern unlängst (Ticker 3/14). Machte das Unternehmen dort 2012 einen Umsatz von 711 Millionen Euro, so erwartet es bis 2018 eine Steigerung auf über eine Milliarde Euro. In einzelnen Staaten rechnet es sogar mit einem Plus von über 30 Prozent. Die meisten Hoffnungen ruhen dabei auf dem Pharma-Sektor, der bereits jetzt für die größten BAYER-Einnahmen in Afrika sorgt. „Schon im vergangenen Jahrzehnt haben sich die Pro-Kopf-Ausgaben für Gesundheit in Afrika mehr als verdoppelt“, frohlockt der Pillen-Produzent. Vor allem mit Diabetika, Anti-Infektiva und Verhütungsmitteln macht er dort Geschäfte. Bei den Kontrazeptiva darf er dabei sogar auf die tatkräftige Unterstützung durch Entwicklungshilfe-Programme zur Familien-Planung bzw. Bevölkerungspolitik zählen. „Wir haben ein einzigartiges Portfolio, und unsere Mission ‚BAYER: Science For A Better Life’ steht für genau das, was Afrika braucht“, meint der Konzern. Die BUKO PHARMA-KAMPAGNE kommt da zu einer ganz anderen Einschätzung. Die Initiative untersuchte das Gebaren von BAYER & Co. in Uganda, das als beispielhaft auch für die Unternehmenspolitiken in anderen Ländern des Kontinents gelten kann, und stellt dem Konzern ein denkbar schlechtes Zeugnis aus. So vermarktet dieser dort viele umstrittene und deshalb als irrational eingestufte Pharmazeutika: 21 von 49 Medikamenten fallen unter diese Kategorie. Zu den als unentbehrlich erachteten Mitteln des Global Players hingegen hat die Bevölkerung wegen der hohen Preise kaum Zugang; sie finden sich zumeist nur in Privatkliniken und Privat-Apotheken. Darüber hinaus bietet der Multi in dem Staat für die am weitesten verbreiteten Gesundheitsstörungen kaum Arzneien an, weil er sich in Forschung & Entwicklung lieber auf die mehr Rendite versprechenden Mittel gegen westliche Zivilisationskrankheiten konzentriert. Ähnlich verhalten sich die anderen großen Pharma-Hersteller. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO leiden rund eine Milliarde Menschen an Plagen wie Ebola, Tuberkulose, Flussblindheit oder Bilharziose, gegen die Big Pharma kein Mittel weiß.

Kein Moxifloxacin bei TBC
Die Pharma-Multis haben die ärmeren Staaten nicht in ihrer Kundendatei. Deshalb müssen öffentliche oder private Institutionen einspringen, um Medikamenten-Entwicklungen für Krankheiten zu fördern, die besonders häufig in sogenannten Entwicklungsländern auftreten. Eine solche Organisation ist die „Global Alliance for TB-Drug-Development“. Bill Gates, die Rockefeller Foundation, die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA und diverse andere Vereinigungen finanzieren im Rahmen des Verbundes die Suche nach neuen Tuberkulose-Behandlungsmethoden. So fließt auch Geld für die Erprobung einer Kombinationstherapie von Tbc-Arzneien mit BAYERs Antibiotikum AVALOX; speziell für diesen Forschungsansatz hatte die Stiftung von Bill und Melinda Gates im Frühjahr 2006 noch einmal 100 Millionen Dollar locker gemacht. Das Präparat sollte die Genesung beschleunigen, auf diese Weise die Bildung Antibiotika-resistenter Bakterienstämme eindämmen und so die Überlebenschancen der PatientInnen erhöhen. Dies schaffte das Mittel jedoch nicht: Die verkürzte Therapie wirkte sich negativ auf den Heilungsprozess aus und führte häufiger zu Rückfällen.

Indien weniger im Fokus
Die Pillen-Riesen lagern immer mehr Arznei-Erprobungen in ärmere Länder aus. Besondern in Indien finden BAYER & Co. günstige Standort-Bedingungen vor. Dort locken günstigere Preise, ein großes Reservoir an ProbandInnen und fehlende Kontrollen. Die Risiken und Nebenwirkungen sind dementsprechend hoch. Allein von 2007 bis 2011 kamen 158 TeilnehmerInnen an klinischen Prüfungen mit BAYER-Präparaten ums Leben. Das bewog die indischen Behörden, strengere Regeln einzuführen. So machten sie es den Pharma-Riesen zur Pflicht, für alle etwaigen Gesundheitsstörungen ihrer ProbandInnen aufzukommen. Der Leverkusener Multi reagierte prompt: Er stornierte schon angesetzte Versuche mit seinem Gerinnungshemmer XARELTO.

BAYER’S TONIC in Indien
In ärmeren Regionen können die Menschen sich oft keinen MedizinerInnen-Besuch leisten. Die Pharma-Riesen reagieren darauf, indem sie ominöse Allheilmittel auf den Markt werfen. So vertreibt der Leverkusener Multi in „Entwicklungsländern“ etwa BAYER’S TONIC mit den Ingredienzien Leber-Extrakt, Hefe, Zucker und Alkohol als Stärkungsmittel. In Indien bewarb der Multi das Produkt ungeachtet seines Alkohol-Gehaltes von rund zehn Prozent speziell für Kinder. Erst nach Protesten von Gesundheitsinitiativen sah das Unternehmen davon ab und druckte ein Warnhinweis auf die Packung. Trotzdem empfehlen es ApothekerInnen aus alter Gewohnheit immer noch für diese Altersgruppe, wie Testkäufe der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gezeigt haben. Und das Versprechen, das Präparat ohne Alkohol herzustellen, hat der Konzern bis heute nicht eingelöst.

KONZERN & VERGANGENHEIT

Eine kleine BAYER-Buße
BAYER war bereits an den Vorbereitungen zum Ersten Weltkrieg beteiligt und avancierte später zum wichtigsten Lieferanten chemischer Waffen. Generaldirektor Carl Duisberg fischte auch im „Menschenbassin Belgien“ nach ZwangsarbeiterInnen und formulierte die Kriegsziele mit. Der fatalen Rolle, die der Leverkusener Multi bei dem Waffengang spielte, stellte er sich im Gedenkjahr 2014 allerdings nicht. Bei der letzten Hauptversammlung vom CBGler Axel Köhler-Schnura mit der Kritik an Duisbergs Kriegsverbrechen konfrontiert, antwortete Unternehmenschef Marijn Dekkers: „Die historischen Verdienste Carl Duisbergs sind weithin anerkannt. Er ließ Wohnungen für die Arbeiter bauen, verringerte deren wöchentliche Arbeitszeit, er führte soziale Versicherungssysteme ein und setzte sich für den Umweltschutz ein, lange bevor es gesetzliche Regelungen dazu gab.“ Später im Jahr aber kam es doch noch zu einer kleinen Geste der Reue von Seiten des Global Players. Am Volkstrauertag beteiligten sich Christian Zöller und Iris Müller-Florath von der 60-prozentigen BAYER-Tochter CURRENTA an einem Rundgang zu den Erinnerungsorten des Ersten Weltkriegs in Leverkusen, zu denen auch das Tor 4 des Chem„parks“ zählt. Dort hielt Zöller, der bei dem Unternehmen für den „Politik- und Bürgerdialog“ zuständig ist, eine Ansprache zur historischen Verantwortung des Konzerns. Als „Krieg der Chemiker“ bezeichnete Zöller darin den Ersten Weltkrieg und berichtete dann von BAYERs Chemiewaffen-Produktion.

KAPITAL & ARBEIT

Selbstbedienung im Ideen-Pool
Bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit betont der Leverkusener Multi die Unverzichtbarkeit des Schutzes des geistigen Eigentums. An den Ideen seiner Beschäftigten vergreift der Konzern sich jedoch ganz unverblümt. So erklärt der Pharma-Riese frank und frei, dank der Verbesserungsvorschläge der Beschäftigten aus dem „BAYER Ideen-Pool“ bereits im ersten Jahr der Umsetzung über vier Millionen Euro eingespart zu haben. An Prämien zahlte er indessen nur rund 1,3 Millionen Euro aus.

Neue „Innovationsplattform“
Nicht nur qua Ideen-Pool (s. o.) beutet BAYER das Potenzial seiner Beschäftigten aus. Seit Mai 2014 betreibt der Leverkusener Multi eine sogenannte Innovationsplattform mit Namen „WeSolve“, auf der er die Belegschaft mit konkreten Fragestellungen konfrontiert. „Wie könnte eine Technologie aussehen, um Schädlingsbefall aus der Ferne zu erkennen?“, will der Konzern da beispielsweise von seinen Belegschaftsangehörigen wissen. Mit der Resonanz auf diese Maßnahme zur Abschöpfung von Wissen zeigt sich das Unternehmen angesichts von bisher 800 Beiträgen zufrieden. „Das Feedback ist sehr positiv“, lässt „Global Program Manager“ Puneet Kumar Srivastava verlauten.

POLITIK & EINFLUSS

„Lex BAYER“ verabschiedet
Über die marode Leverkusener Autobahn-Brücke, zu derem beklagenswerten Zustand BAYERs immenser Liefer-Verkehr nicht wenig beigetragen hat, dürfen keine schweren LKWs mehr fahren. Zum Gelände des Chemie-Multis müssen sie deshalb einen Umweg von ca. 20 Kilometern in Kauf nehmen. Ernst Grigat, bei der 60-prozentigen BAYER-Tochter CURRENTA für die Chem-„Parks“ in Leverkusen und Dormagen verantwortlich, verfällt aus diesem Grund schon in Weltuntergangsstimmung. „Wenn nicht schnellstmöglich Abhilfe geschaffen wird, fürchten wir, dass die Industrie verlagert wird. Damit ist das langsame Sterben der chemischen Industrie in Deutschland vorprogrammiert.“ Und die apokalyptischen Töne zeigen Wirkung. Grigat bekommt eine neue Brücke, und damit alles ganz schnell gehen kann, änderte die Bundesregierung Ende März 2015 sogar das Bundesfernstraßen-Gesetz. Dieses erschwert es den BürgerInnen nämlich, gegen die Planungen vorzugehen, indem es kurzen Prozess macht: Etwaige Einsprüche dürfen nur noch über eine Instanz gehen. Der nordrhein-westfälische Bauminister Michael Groschek (SPD) verspricht sich davon einen Zeitgewinn von bis zu anderthalb Jahren. Ein Problem mit der Beschneidung der BürgerInnen-Rechte hat er nicht. Als wichtiger erachtet es der Sozialdemokrat, dass der Neubau steht, bevor die Rheinbrücke gar nicht mehr befahrbar ist. „Wir können es uns nicht leisten, durch Klagewellen das Risiko einer Vollsperrung einzugehen“, so Groschek. Sogar die zwischen der Brücke und dem Kreuz Leverkusen geplante acht-spurige Stelzen-Autobahn fällt unter die „Lex BAYER“, was die Stadtverwaltung an BAYERs Stammsitz erboste. „Im Leverkusener Rathaus herrscht Entsetzen über die Pläne“, vermeldete der Leverkusener Anzeiger. Es spreche überhaupt nichts dafür, die Klagerechte der Bürger in Sachen „Stelzen-Autobahn“ einzuschränken, gab das Blatt die Worte von Bau-Dezernentin Andrea Deppe wieder.

Groschek erhält Wunschliste
Der Leverkusener Multi trägt dank ganz legaler Steuertricks zwar kaum noch etwas zur Finanzierung des Gemeinwesens bei, dafür wachsen aber die Begehrlichkeiten. So sieht er den Staat nicht nur beim Bau neuer Brücken in der Pflicht (s. o.), ganz allgemein fordert der Konzern mehr Anstrengungen im Bereich „Infrastruktur“. Deshalb überreichte der Branchen-Verband „ChemCologne“ dem nordrhein-westfälischen Bauminister Michael Groschek schon im letzten Jahr eine Wunschliste in Form der Studie „Chemie-Logistik im Rheinland“. Aber nicht nur neue Bau-Maßnahmen mahnen BAYER & Co. darin an, sie beanspruchen auch ein Mitsprache-Recht bei den Projekten. „Für eine funktionierende Chemie-Logistik ist es wichtig, dass bei der Verkehrsinfrastruktur-Planung die besonderen Bedürfnisse der chemischen Industrie (Gefahrgut-Transport) berücksichtigt werden“, schreiben die Unternehmen Groschek ins Stammbuch.

Kraft weiht TDI-Anlage mit ein
Am 9. Dezember 2014 weihte der Leverkusener Multi in Dormagen seine neue Kunststoff-Anlage ein. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und andere Verbände hatten sich im Vorfeld gegen das Projekt ausgesprochen und ihre Kritik auf einem Erörterungstermin im Herbst 2011 vorgetragen. Die Coordination stieß sich vor allem am großen Ressourcen-Verbrauch der Fertigungsstätte und am avisierten Gebrauch des gefährlichen Giftgases Phosgen als Zwischenprodukt, ohne Schutzmaßnahmen durch eine Beton-Ummantelung der Produktionsstätte zu treffen. Darüber hinaus monierte sie den zu geringen Sicherheitsabstand zu Wohnsiedlungen und Verkehrseinrichtungen. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft gab all dem hingegen bei der feierlichen Eröffnung ihren landesmütterlichen Segen. Sie bescheinigte dem Global Player, mit der TDI-Produktion ein Signal für den Umweltschutz zu setzen. Und obwohl der Konzern gerade einmal drei Monate vorher die Trennung von seiner Plaste-Sparte bekanntgegeben hatte, weil sie seinen Rendite-Vorstellungen nicht mehr entsprach, stimmte für die Sozialdemokratin die Chemie. „Die Investition macht die Leistungsstärke des BAYER-Standortes deutlich. Es ist aber auch ein wichtiges Zeichen für die internationale Wettbewerbsfähigkeit Nordrhein-Westfalens als attraktiver Chemie-Standort“, bekundete sie.

Schöning im VFA-Vorstand
Klaus Schöning, Leiter von BAYER HEALTHCARE, hat einen Posten im Vorstand des von BAYER gegründeten „Verbandes der forschenden Arzneimittel-Hersteller errungen. Als einer der größten bundesdeutschen Arznei-Produzenten hat der Multi Schöning zufolge eine Art natürliches Recht auf einen solchen Sitz: „Daraus ergibt sich auch unser Anspruch, Verbandsarbeit aktiv mitzugestalten.“ Besonders aktiv will der Manager den Dialog mit Bundestagsabgeordneten und anderen wichtigen EntscheiderInnen in Berlin vorantreiben. „Diese Gespräche sind wichtig, um den Wert der Arzneimittelbranche und insbesondere unserer innovativen Medikamente für die Politik, Gesellschaft und Wirtschaft deutlich zu machen“, so der Healthcare-Chef.

Regierung startet Pharma-Dialog
Im September 2014 hat die Bundesregierung den „Pharma-Dialog“ ins Leben gerufen. In einer konzertierten Aktion wollen das Gesundheits-, Wirtschafts- und das Forschungsministerium den Pillen-Produzenten bessere Rahmenbedingungen verschaffen. „Erklärtes Ziel des Dialogs ist die Stärkung des Pharma-Standortes Deutschland“, freut sich der Leverkusener Multi. Schon zwei Monate nach dem Start der Initiative durfte der Global Player Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) zum Antrittsbesuch begrüßen und sich von ihm loben lassen: Als einen der „innovativsten Wirtschaftszweige unseres Landes“ bezeichnete Gröhe die Arznei-Branche. BAYER-Chef Marijn Dekkers möchte dafür allerdings mehr Anerkennung und kündigte an, diese bei den Pharma-Dialogen auch einzufordern. „Wenn uns Politik und Gesellschaft unterstützen, können wir weiterhin in Deutschland forschen, innovative Arzneimittel für die ganze Welt entwickeln und im globalen Wettbewerb vorne mitspielen“, sagte er mit einem kaum verhohlenen drohenden Unterton. Der Vorsitzende des von BAYER gegründeten „Verbandes der forschenden Arzneimittel-Hersteller“, Hagen Pfundner, hat derweil schon einen Akteur ausgemacht, der angeblich einen Keil zwischen Politik und Pharma-Konzerne treibt: die Krankenkassen. Durch ihre Dominanz bei den Preisverhandlungen für neue Medikamente würden sich „Politik und Industrie voneinander entfernen“, meint der Lobbyist. Aber er weiß Abhilfe. WissenschaftlerInnen sollen an den Gesprächen teilnehmen und den Einfluss von DAK & Co. reduzieren, rät Pfundner.

Kritik am AMNOG
Die PolitikerInnen erwarteten vom 2011 eingeführten Arzneimittel-Neuverordnungsgesetz (AMNOG) Einsparungen bei den Medikamenten-Ausgaben von bis zu zwei Milliarden Euro. Die Kosten/Nutzen-Bewertung von bereits zugelassenen Pillen sollte nämlich die Spreu vom Weizen trennen und die Pharma-Riesen bei Minderleistern oder 08/15-Produkten zu finanziellen Zugeständnissen zwingen. Die mit dem Paragrafen-Werk verbundene Hoffnung trog jedoch, nicht zuletzt, weil die schwarz-gelbe Koalition auf Druck der Pharma-Lobby von ihren Plänen abgerückt war, alle Arzneien einer Revision zu unterziehen und sich stattdessen auf neue Präparate beschränkte. BAYER & Co. reicht dies jedoch nicht. Sie fordern einen weiteren AMNOG-Rückbau. So stößt sich Frank Schöning von BAYER VITAL an dem, was das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWIG) unter Zusatznutzen versteht. „Wenn kein Zusatznutzen festgestellt wird, bedeutet das nicht automatisch, dass ein Produkt keinen Zusatznutzen hat“, sagte er bei einem vom Leverkusener Multi anberaumten Presse-Gespräch und warf dem IQWIG vor, „patienten-relevante Endpunkte“ bei ihren Untersuchungen nicht in ausreichendem Maß zu berücksichtigen. Der BAYER-Manager hätte nämlich schon gerne einen Zusatznutzen für ein Produkt ausgewiesen bekommen, wenn es nicht mehr dreimal, sondern nur noch zweimal am Tag eingenommen werden muss. Hilfestellung leistete Schöning bei dem Termin die Geschäftsführerin des von BAYER gegründeten „Verbandes der forschenden Arzneimittel-Industrie“, Birgit Fischer. „Es besteht der Verdacht, dass es einzig und allein um die Reduzierung der Preise geht“, mit diesen Worten kritisierte die Lobbyistin das Bewertungsverfahren.

Mehr Gentech-Importe gefordert
Die europäischen Dachverbände der Futtermittel- und Fleisch-Industrie sowie der LandwirtInnen fordern die EU auf, mehr Importgenehmigungen für Gen-Pflanzen von BAYER, MONSANTO & Co. zu erteilen. Wenn nicht mehr Ackerblüten wie BAYERs T25-Mais oder die beiden Baumwoll-Arten T304-40 und LL25xGHB614 auf den Markt kommen und eingeführte Sorten konventioneller Art keine Spuren dieser Laborfrüchte enthalten dürfen, ist nach dem Horror-Szenario der Lobby-Organisationen die Nahrungsmittel-Sicherheit gefährdet.

Obamas Klima-Plan gefährdet
Die Obama-Administration bereitet einen „Clean Power Plan“ vor. Dieser will den Energie-Erzeugern vorschreiben, die Kohlendioxid-Emissionen bis 2020 um 20 Prozent und bis 2030 um 30 Prozent zu verringern. BAYER & Co. laufen Sturm gegen das Vorhaben, weil sie höhere Strom-Preise befürchten. Der Industrie-Verband „Chamber of Commerce“ legte umgehend eine Studie vor, um Stimmung gegen die Gesetzes-Initiative zu machen. 290 Milliarden Dollar müssten die VerbraucherInnen infolge des Obama-Projekts bis 2030 mehr für Energie zahlen, rechnete der Lobby-Club vor. Und auch die in Diensten der Konzerne stehende JuristInnen-Vereinigung „American Legislative Exchange Council“ (ALEC) entfaltete sogleich Aktivitäten. In mehr als 12 Bundesstaaten schrieb die Organisation, welcher der Leverkusener Multi seit 1992 angehört, für republikanische PolitikerInnen Eingaben gegen den „Clean Power Plan“.

PROPAGANDA & MEDIEN

Marken-Pflege bei Facebook
„BAYER duldet keine Gesetzes-Verstöße bei der Vermarktung seiner Produkte. Verantwortungsvolles Marketing steht auch für ethisch-moralische Grundsätze“, heißt es in einem Nachhaltigkeitsbericht des Leverkusener Multis. Dennoch überschreitet er immer wieder die Grenzen des Erlaubten. So hat der Konzern die österreichische PR-Agentur Mhoch3 engagiert, um „Online-Reputationsmanagement“ zu betreiben und mittels gefaketer Postings Produkte des Unternehmens auf Facebook und in Foren anzupreisen (siehe auch SWB 1/15). In krudem Stil, der für Authentizität bürgen soll, ist auf chefkoch.de dann beispielsweise „Benny was hast du deiner katze letzt endlich gegeben damit die Flöhe verschwinden? Wir behandeln immer mitn Spot On von Bayer namens Advantage- kennst du das?...wünsch Euch viel Glück“ zu lesen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN geht gegen diese Werbe-Praxis von BAYER gerichtlich vor und hat Strafanzeige gestellt.

Greenwashing mit Merkel
Um sich trotz immensen Schadstoff-Ausstoßes als Umweltengel präsentieren zu können, unterstützt BAYER einige Naturschutzprojekte. Dabei erhielt der Konzern jetzt auch Schützenhilfe von der Bundeskanzlerin persönlich. Angela Merkel machte 2014 auf ihrem Weg nach Australien zum G20-Gipfel einen kurzen Stopp in Neuseeland und besuchte dort auch das vom Leverkusener Multi gesponserte „Motutapu Restoration Trust“-Projekt, das sich gefährdeter Vogel-Arten annimmt. „Das war eine hervorragende Gelegenheit, Angela Merkel zu zeigen, wie wir uns als Unternehmen für das Gemeinwohl einsetzen“, freute sich BAYERs Neuseeland-Chef Holger Detje.

Redwashing mit „Philos“-Preis
Blutern widmet BAYER besondere Aufmerksamkeit, gilt es doch, vergessen zu machen, dass in den 80er Jahren Tausende Hämophile an HIV-verseuchten Blutprodukten des Konzerns starben, weil das Unternehmen seine Präparate aus Kostengründen keiner Hitze-Behandlung unterzogen hatte. Deshalb erhalten die Bluter-Verbände viele Zuwendungen. Zu diesen zählt auch der „Philos“-Preis, mit dem der Pharma-Riese besondere Projekte auszeichnet. Im Februar 2015 überreichte er der „Interessensgemeinschaft Hämophiler“ für ihr Wochenend-Seminar „Hämophilie im Alter“ einen Scheck in Höhe von 10.000 Euro.

PR mit Präventionskampagne
Immer wieder führt der Leverkusener Multi Präventionskampagnen durch, die nur vordergründig der gesundheitlichen Aufklärung und der körperlichen Fitness dienen. Jüngstes Beispiel: Die gemeinsam mit der „Deutschen Schlaganfall-Hilfe“ und der „Deutsche Sporthochschule Köln“ initiierte Aktion „Rote Karte dem Schlaganfall“. Diese hat vielmehr nur den Zweck, ADALAT und XARELTO als Mittel zur Schlaganfall-Prophylaxe zu bewerben und die Beziehungen zu den Kooperationspartnern zu vertiefen.

BAYER sucht den Diabetes-Star
Der Leverkusener Multi möchte Diabetes-Kranke schon möglichst früh binden und so den Absatz seines umstrittenen Diabetikums GLUCOBAY und seiner Blutzucker-Messgeräte erhöhen. Zu diesem Behufe ruft er zum „‚Fine Stars’-Modelcasting 2015“ auf. Dieses sucht nach Kindern und Jugendlichen mit Diabetes, die sich von ihrer Krankheit „nicht unterkriegen lassen und voll im Leben stehen“. Die GewinnerInnen dürfen dem Konzern dann als Diabetes-„BotschafterInnen“ dienen. Den Namen verdankt die Casting-Show der Giraffe Fine aus dem Kölner Zoo, für welche der Pharma-Riese 2008 werbewirksam eine Patenschaft übernommen hatte.

BAYER sponsert „Weltverhütungstag“
„Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar“, sagte einst der ehemalige US-Präsident Lyndon B. Johnson über seine Vorstellung von „Entwicklungshilfe“. Zur großen Befriedigung des Leverkusener Multis erfreut sich diese Ansicht selbst heute noch großer Beliebtheit, denn sie eröffnet den Verhütungsmitteln des Konzerns gute Absatzchancen in den ärmeren Ländern. Darum ist der Pharma-Riese auch der Hauptsponsor des „Weltverhütungstages“, der 2014 sogar einen Aktionsplan verabschiedet hat, um BAYERs Produkt-Palette vorzustellen bzw. „den Bedarf nach korrekten, objektiven und leicht verfügbaren Informationen zum Thema Verhütung“ zu stillen.

Keine Angst vor Fortbildungskodex
Die „Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittel-Industrie“ (FSA) hat einen neuen Transparenz-Kodex zum Umgang mit ÄrztInnen verabschiedet. Dieser schreibt die Veröffentlichung von finanziellen Zuwendungen oder geldwerten Leistungen vor, welche BAYER & Co. MedizinerInnen gerne für Fortbildungen, Beratungsleistungen und wissenschaftlich unsinnige Beobachtungsstudien, welche nur der Einstellung der PatientInnen auf das jeweilige Konzern-Präparat dienen, angedeihen lassen. Mit „nachteiligen nennenswerten Auswirkungen“ der Initiative rechnet der Pharma-Riese allerdings nicht. DoktorInnen, die keine „individuelle Transparenz“ wünschen, müssen nämlich nicht mit der Publizierung ihres Namens rechnen, da der Kodex viele Ausnahme-Regelungen vorsieht. Und dem Beispiel einiger Unternehmen, die MedizinerInnen für Vorträge künftig nicht mehr bezahlen wollen, mag der Global Player auch nicht folgen. „Bei Einhaltung der Transparenz-Regeln im Kodex spricht aus unserer Sicht nichts gegen eine angemessene Honorierung von ärztlichen Leistungen“, meint der Konzern.

Der Konzern als Kümmerer
Während der Konzern de facto immer unsozialer wird, indem er Arbeitsplätze vernichtet und Arbeitsbedingungen verschärft, macht seine PR-Abteilung seit einiger Zeit verstärkt auf „sozial“. Zu diesem Behufe initiierte sie 2007 die „BAYER Cares Foundation“, die Projekte in der Nähe der Konzern-Standorte fördert. 2014 unterstützte die Stiftung unter anderem das „Junge Ensemble“ des Theas-Theaters in Bergisch-Gladbach, ein Ferien-Angebot des Bistums Magdeburg für sozial benachteiligte Kinder, den Jugendmigrationsdienst Wolfen und den Europa-Jugendbauernhof Deetz.

DRUGS & PILLS

Kein NEXAVAR bei Leberkrebs
BAYERs NEXAVAR mit dem Wirkstoff Sorafenib ist bislang zur Behandlung von fortgeschrittenem Nierenkrebs, fortgeschrittenem Leberkrebs und einer bestimmten Art von Schilddrüsenkrebs, bei der zuvor eine Bestrahlung mit radioaktivem Jod keine Fortschritte erzielte, zugelassen. Der Leverkusener Multi setzt jedoch alles daran, das Anwendungsspektrum zu erweitern. So versuchte er jüngst, das gemeinsam mit dem Unternehmen ONYX entwickelte Medikament bei solchen Leberkrebs-PatientInnen zur Anwendung zu bringen, denen die ÄrztInnen alle Geschwüre entfernt hatten. Aber die entsprechenden Tests erbrachten kein positives Ergebnis. Zuvor war bereits eine andere Leberkrebs-Erprobung gescheitert, und auch bei Brust, Lungen-, Haut- und Bauchspeicheldrüsenkrebs konnte NEXAVAR keine Therapie-Erfolge erzielen. Der Pillen-Riese bleibt aber beharrlich. „Obwohl wir vom Ausgang der Studie enttäuscht sind, wollen wir weiterhin das Potenzial des Wirkstoffes in allen Stadien von Leberkrebs untersuchen“, so der Pharma-Entwicklungschef Jörg Möller.

ESSURE 2.0
Bei ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, handelt es sich um eine kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich nach etwa drei Monaten die Eileiter verschließen. Allzu oft jedoch bleibt die Spirale nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Nebenwirkungen. Darum zieht ESSURE viel Kritik auf sich, und das dürfte sich in nächster Zeit auch nicht ändern. Der Leverkusener Multi arbeitet zwar gerade an einer Weiterentwicklung des Medizin-Produktes, aber um eine Veränderung des Risiko-Profils geht es ihm dabei nicht. Dem Konzern ist es vielmehr um eine schnellere Wirkung zu tun: Er will den Prozess beschleunigen, der die Einleiter-Zugänge versperrt. Entsprechende klinische Tests laufen bereits.

Ein bisschen Gender-Medizin
Die Schulmedizin begreift den Körper als Maschine, und Maschinen haben kein Geschlecht. Entsprechend stellen die Pharma-Konzerne für Männer und Frauen dieselben Medikamente her. Dabei differieren die Krankheiten und Krankheitsverläufe zum Teil sehr. So machen sich etwa die Symptome für einen Herzinfarkt bei weiblichen Personen anders als bei männlichen Personen bemerkbar. Jetzt will auch der Leverkusener Multi dem kleinen pharmakologischen Unterschied mehr Aufmerksamkeit widmen. Ein gemeinsam mit der Berliner Charité unternommenes Forschungsprojekt hat zu dem Sinneswandel geführt.

Neue XOFIGO-Studie
Der Leverkusener Multi sucht nach einer neuen Anwendungsmöglichkeit für sein gemeinsam mit dem norwegischen Unternehmen ALGETA entwickeltes Medikament XOFIGO. Bisher hat das Präparat eine Zulassung bei der Prostatakrebs-Art CRPC, wenn eine Hormon-Behandlung erfolglos geblieben ist und sich zudem noch Metastasen im Knochen gebildet haben. Dann soll eine radioaktive Bestrahlung mit dem Wirkstoff Radium-223-Dichlorid das Wachstum der Tumor-Zellen hemmen. Und jetzt testet der Pharma-Riese das Mittel in Kombination mit den Pharmazeutika Abirateron-acetat und Prednison bei Patienten, die sich noch keiner Chemo-Therapie unterzogen haben. Das Produkt vermag allerdings schon in seinem angestammten Gebiet nicht recht zu überzeugen. Bei den Klinischen Tests verlängerte es die Lebensdauer der Krebs-Kranken um noch nicht einmal drei Monate. In England übernimmt deshalb der dortige „National Health Service“ die XOFIGO-Behandlungskosten nicht.

Tests mit Prostata-Arznei
BAYER entwickelt gemeinsam mit dem finnischen Unternehmen ORION ein Medikament für Prostatakrebs-Patienten, die zwar noch keine Metastasen haben, aber erhöhte, nicht auf eine Behandlung mit Testosteron-Blockern reagierende PSA-Werte. Das Präparat soll die Arbeit des Androgen-Rezeptors stören und so die Bildung von Testosteron hemmen, welches das Tumor-Wachstum befördert. Die entsprechenden Tests der Phase III haben im Herbst 2014 begonnen.

Neue ADEMPAS-Studie
Bei der Arznei ADEMPAS handelt es sich um ein Mittel zur Behandlung der beiden Lungenhochdruck-Krankheiten CTEPH und PAH. Der Wirkstoff Riociguat soll in der Lunge die Bildung eines Enzyms stimulieren, das für eine Erweiterung der Blutgefäße sorgt und so die Sauerstoff-Aufnahme verbessert. Da der Leverkusener Multi aus Profit-Gründen ständig nach neuen Anwendungsmöglichkeiten für seine Arzneien sucht, will er das Präparat jetzt auch bei solchen CTEPH-PatientInnen einsetzen, bei denen eine Behandlung mit PDE-E-Hemmern keinen Erfolg gezeigt hat. Entsprechende Studien mit dem Mittel, dessen Wirkung der industrie-unabhängige Arzneibrief als „marginal“ bezeichnet, laufen zurzeit.

ALEVE doch nicht Klassenbester
Entzündungshemmende Schmerzmittel wie BAYERs ALEVE (Wirksubstanz: Naproxen) steigern bei längerer Einnahme das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall oder andere Herz-Kreislauf-Krankheiten mit möglicher Todesfolge deutlich. Einige neuere Studien hatten allerdings das Gefährdungspotenzial von ALEVE geringer als das der anderen Präparate eingeschätzt. Die US-Gesundheitsbehörde kündigte daraufhin an, dem Leverkusener Multi zu gestatten, dieses auf den Packungen zu vermerken, sollte sich der Befund bestätigen. Dies tat er allerdings nicht. Der FDA-Beratungsausschuss überprüfte die Untersuchungsergebnisse und konnte keine gravierenden Unterschiede zwischen den Mitteln feststellen.

Zulassung für Verhütungspflaster
Die Europäische Arzneimittel-Behörde EMA hat einem Verhütungspflaster von BAYER die Zulassung erteilt. Das Produkt enthält 0,55 mg des Hormons Ethinylestradiol und 2,1 mg des Hormons Gestoden. Damit überschreiten die Konzentrationen diejenigen von Kontrazeptiva in Pillen-Form. Dem Leverkusener Multi zufolge stellt das jedoch keine Gefahr dar, da die Wirkstoffe peu à peu über die Woche verteilt in den Organismus gelangen. Studien bescheinigen den Pflastern im Allgemeinen dagegen ein höheres Gefährdungspotenzial als anderen Verhütungsmethoden. Bei Vergleichsuntersuchungen mit Pillen und Vaginal-Ringen zeigten sie ein schlechteres Risiko-Profil.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Bienensterben auf Obama-Agenda
Der US-Präsident Barak Obama hat eine landesweite Strategie gegen das Bienensterben angekündigt. „Das Problem ist ernst und stellt eine bedeutende Herausforderung dar, die im Interesse der Nachhaltigkeit unserer Nahrungsmittel-Produktion in Angriff genommen werden muss“, heißt es in dem „Presidential Memorandum“. Zu dem Maßnahmen-Katalog gehört auch, den Anteil zu untersuchen, den Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie die BAYER-Mittel PONCHO und GAUCHO an dem Verenden der Tiere haben. Vielen Initiativen geht der Schritt der Regierung indes nicht weit genug. Der US-amerikanische Ableger des PESTIZID AKTIONS-NETZWERKES (PAN) und mehr als 125 weitere Gruppen appellierten an Obama, es seinen europäischen Kollegen gleichzutun und die gefährlichen Mittel umgehend aus dem Verkehr zu ziehen.

FENOMENAL nicht phänomenal
BAYERs vor einiger Zeit auf den Markt gebrachtes Antipilzmittel FENOMENAL (Wirkstoffe: Fosetyl und Fenamidone) ist alles andere als phänomenal. Das für Erdbeeren, Zierpflanzen und Ziergehölze bestimmte Pestizid hatte erhebliche Schwierigkeiten, seine Zulassung zu erhalten. So urteilte das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel-Sicherheit“ (BVL) zunächst: „Für die Erdbeer-Indikationen konnte die hinreichende Wirksamkeit nicht belegt werden.“ Die vorgelegten Unterlagen schätzte das BVL als mangelhaft und unvollständig ein. Bei eigenen Labor-Untersuchungen ermittelte es deutlich höhere Rückstandswerte als der Leverkusener Multi. Auch bei der Abbau-Zeit kamen die WissenschaftlerInnen auf andere Zahlen als der Konzern. Zudem bemängelte das Amt zu alte Sicherheitsdatenblätter und das Fehlen von Material aus bundesdeutschen Feldversuchen zur Rückstandsbewertung. Das Risiko, dass sich die Rote Wurzelfäule und andere Pilz-Arten bald auf die Wirkstoffe einstellen und Resistenzen herausbilden könnten, schätzte es „beim Fosetyl gering, beim Fenamidone hingegen hoch“ ein. Überdies hatte der Agro-Riese dem Bundesamt zufolge eine viel zu hohe Dosierung empfohlen. Erst durch das Nachreichen von Dokumenten hat der Global Player dann grünes Licht für fast alle der beantragten Anwendungsgebiete erhalten.

Neues Reis-Herbizid
„Mit der Entdeckung der herbiziden Wirkung bestimmter Sulfonylharnstoff-Verbindungen (...) erfolgte ein Quantensprung in der chemischen Unkrautbekämpfung“, hielt noch 2012 eine vom staatlichen Julius-Kühn-Forschungsinstitut für Kulturpflanzen veranstaltete Konferenz fest, an der auch ein Vertreter des Leverkusener Multis teilnahm. Inzwischen ist der Ruhm der 1985 auf Sulfonylharnstoff-Basis eingeführten Stoffe allerdings verblasst. So trotzen etwa auf den Reisfeldern immer mehr Wildpflanzen den BAYER-Mitteln RAFT (Wirkstoff: Oxadiargyl), TOPSTAR (Oxadiargyl), SUNRICE (Ethoxysulfuron), WHIP SUPER (Fenoxaprop-p-ethyl) und RICESTAR (Fenoxaprop-p-ethyl). Doch der Agro-Riese will nun Abhilfe schaffen und vermarktet für Reis-Kulturen mit COUNCIL COMPLETE ein neues Produkt. In Südkorea schon zugelassen, erwartet der Konzern in Kürze weitere Genehmigungen in asiatischen Ländern für das Mittel mit den Ingredienzien Triafamone und Tefuryltrione. „Tefuryltrione bekämpft sehr effektiv Unkräuter, die gegen Herbizide aus der chemischen Klasse der Sulfonylharnstoffe resistent sind und sich auf den südkoreanischen Reisfeldern zunehmend ausbreiten“, verspricht der Konzern.

BAYER erforscht Resistenzen
Die oligopol-artigen Strukturen auf dem Agro-Markt schwächen die Innovationskräfte der Branche immens (SWB 1/14). So haben BAYER & Co. seit Dekaden kein neues Anti-Unkrautmittel mehr entwickelt. Die Folge: Schon 238 Wildpflanzen-Arten sind immun gegen die gängigen Chemie-Cocktails geworden. Der Leverkusener Multi räumt das sogar selber ein. „Seit über 25 Jahren hat die weltweite Pflanzenschutz-Industrie kein wirtschaftlich bedeutendes Herbizid mit neuem Wirkmechanismus mehr für Flächenkulturen entwickelt und auf den Markt gebracht – unter anderem eine Folge der Konsolidierung der Industrie, die mit einer deutlichen Reduktion der Forschungsaufwendungen für neue Herbizide einherging“, sagt der BAYER-Forscher Dr. Hermann Stübler. Jetzt will der Global Player seine Anstrengungen in dem Bereich jedoch intensivieren. Er eröffnet in Frankfurt ein Kompetenz-Zentrum für Unkraut-Resistenzen mit 12 Beschäftigen. Bis diese neue Mittel entwickelt haben, dürften allerdings noch einige Jährchen ins Land ziehen, wenn es ihnen denn überhaupt gelingt.

Bio boomt
Die Absatz-Chancen für Pestizide auf biologischer Basis vergrößern sich. ExpertInnen sagen für das Jahr 2020 ein Markt-Potenzial von drei Milliarden Dollar voraus. Darum baut BAYER mit Produkten wie dem Anti-Wurmmittel BIBACT und dem Anti-Pilzmittel CONTANS, dessen komplette Vertriebsrechte für Europa der Konzern sich im Oktober 2014 gesichert hat, das „Bio“-Segment zielstrebig aus. Auch in Forschung & Entwicklung investiert der Agro-Riese. So stehen am Standort West Sacramento schon 100.000 Bakterien-Stämme als Pflanzenschutz-Versuchsobjekte zur Verfügung. Der Leverkusener Multi hebt als Vorteile der Bio-Methode die sehr spezifische und deshalb Resistenz-Bildungen verhindernde Wirkungsweise sowie die flexiblen Einsatzmöglichkeiten bis zum Tag der Ernte hervor. Er will deshalb jedoch seinen Agrogift-Schrank nicht gleich entsorgen; „best of both worlds“ lautet die Devise. „Wir setzen auf integrierte Angebote für Nutzpflanzen. Also auf die Auswahl des passenden Saatguts und die beste Kombination aus chemischen und biologischen Produkten“, so BAYER-Manager Ashish Malik.

Pestizid-Gegnerin angegriffen
Die massive Ausweitung des Soja-Anbaus in Südamerika führt zu einer entsprechenden Ausweitung der Pestizid-Ausbringung – und zu einer Ausweitung der Gesundheitsschädigungen. Im argentinischen Ituzaingó etwa kommt ein Drittel der Neugeborenen mit Missbildungen zu Welt; bei 80 Prozent der BewohnerInnen wiesen WissenschaftlerInnen Rückstände von Agrochemikalien im Blut nach. Viele Wirkstoffe, die auch in BAYER-Mitteln enthalten sind, haben daran einen Anteil, so etwa Glyphosate (GLYPHOS, USTINEX G), und Chlorpyrifos (BLATTANEX, PROFICID und RIDDER). Aber die Betroffenen setzen sich zur Wehr und gründen Initiativen wie die „Mütter von Ituzaingó“. Damit setzen sie sich jedoch Gefahren aus. So wurde die Aktivistin Sofia Gatica überfallen, und als Grund kommt für sie nur ihr aktuelles Engagement gegen eine Saatgut-Aufbereitungsanlage von MONSANTO in Frage.

Mehr Pestizide in Afrika
Auf der Suche nach Absatz-Gebieten ist der Leverkusener Multi in Afrika fündig geworden. Nicht nur mehr Pharmazeutika (siehe ERSTE & DRITTE WELT), sondern auch mehr Pestizide möchte BAYER auf dem Kontinent absetzen – bis 2020 strebt der Agro-Riese eine Umsatz-Verdoppelung an. Deshalb baut er seine Präsenz vor Ort aus. In Angola, der Elfenbeinküste, Nigeria und Tansania will er demnächst Repräsentanzen eröffnen.

PFLANZEN & SAATEN

Neuer Hybrid-Reis mit KAIIMA
BAYER hat eine Zusammenarbeit mit dem israelischen Unternehmen KAIIMA AGRITECH vereinbart, um neue hybride, also nicht zur Wiederaussaat geeignete Reis-Sorten zu kreieren. Dabei kommt die von KAIIMA entwickelte, ohne Gentech-Verfahren auskommende EP-Technologie zum Einsatz, die den Pflanzen zu mehr Robustheit verhelfen soll, indem sie ihren Chromosomen-Satz vervielfacht.

Neuer Hybrid-Raps in Kanada
Der Leverkusener Multi hat in Kanada eine neue Art seines hybriden, also nicht zur Wiederaussaat geeigneten Raps’ der INVIGOR-Produktreihe herausgebracht, den er in Kombination mit seinem Ultragift Glufosinat vermarktet. Die Sorte soll den LandwirtInnen BAYER zufolge eine spätere und deshalb ertragreichere Ernte ermöglichen, weil sie über besonders stabile, dem Regen trotzende Schoten verfügt.

Neuer Weizen in Osteuropa
Im Saatgut-Geschäft des Agro-Riesen bildet Weizen, die am meisten verbreitete Kulturpflanze der Welt, einen Schwerpunkt. Sieben Zuchtstationen unterhält BAYER mittlerweile; zudem kooperiert das Unternehmen mit vielen Weizenforschungsinstituten. Bis 2020 will der Konzern 1,5 Milliarden Euro in Züchtungsprogramme investieren. Spätestens dann soll auch die erste hybride, also nicht zur Wiederaussaat geeignete und deshalb mehr Ertrag versprechende Sorte auf den Markt kommen. Und eine selbstentwickelte konventionelle Weizen-Art bietet der Global Player schon ab diesem Jahr an, vorerst allerdings nur in Osteuropa.

GENE & KLONE

BAYER-Raps kreuzt aus
Die Schweiz erlaubt keinen Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen. Trotzdem entdeckten WissenschaftlerInnen dort Spuren von MS8, RF3 und MS8xRF3 – drei Sorten des BAYER-Genraps’ der INVIGOR-Produktlinie. Die ExpertInnen vermuten, dass die gegen das Ultra-Gift Glufosinat resistente Laborfrucht über den Baseler Rheinhafen mit einer Weizenlieferung aus Kanada in das Land gelangte. Demnach wäre dort ein guter Teil der Weizen-Ernte kontaminiert.

Verunreinigungen durch STARLINK
Zu den Erblasten, die BAYER 2001 mit dem Kauf von AVENTIS CROPSCIENCE übernahm, gehörte der Gen-Mais STARLINK. Dieser hatte ein Jahr zuvor für den ersten großen Gentechnik-Skandal in der Geschichte gesorgt. Obwohl nur in den USA und auch da lediglich als Futtermittel zugelassen, wies die Initiative GENETICALLY ENGINEERED FOOD ALERT (GEFA) Spuren der Laborfrucht in rund 300 Lebensmitteln nach. Allein der Lebensmittel-Konzern KRAFT musste daraufhin 2,5 Mio. Packungen Maismehl-Chips zurückrufen. AVENTIS blieb damals nichts anderes übrig, als die Gen-Pflanze vom Markt zu nehmen. Trotzdem treibt diese immer noch ihr Unwesen. So tauchte STARLINK Ende 2013 in saudi-arabischen Lebensmitteln auf.

Super-Pflanzen, Super-Unkräuter
Die gentechnische Veränderung beschleunigt das Wachstum von Ackerfrüchten. Wenn diese auskreuzen und ihre Eigenschaften auf Unkräuter übertragen, wie es häufig geschieht, gedeihen diese ebenfalls üppiger. Das hat ein US-amerikanisches WissenschaftlerInnen-Team um Allison Snow herausgefunden und in dem Fachjournal New Phytologist publiziert.

Immer mehr Bt-Resistenzen
BAYER & Co. bauen in ihre Laborfrüchte gern das Gift-Gen des Bacillus thuringiensis (Bt) ein, um Schadinsekten zu töten. Der Leverkusener Multi setzt besonders bei SURPASS und anderen Baumwoll-Pflanzen auf den Bazillus. Baumwollkapselbohrer & Co. können sich jedoch immer besser auf ihn einstellen, fünf von 13 Insekten-Arten kann er kaum mehr etwas anhaben. Zu diesem Befund kamen WissenschaftlerInnen des französischen Forschungsinstituts CIRAD und der „University of Arizona“ nach einer Auswertung entsprechender Studien. Brasilianische ForscherInnen von der Universität São Paulo um Juliano Ricardo Farias bestätigten die Resultate. Diese Situation zwingt die LandwirtInnen dazu, zusätzliche Insektizide einzusetzen. Die Behauptung von BAYER & Co., die Gentechnik würde den Pestizid-Verbrauch senken, erweist sich also wieder einmal als falsch.

Indien: Versuche mit Bt-Reis
Die Gentechnik ist in Indien sehr umstritten. Als einzige Laborfrucht darf auf den Äckern bisher die mit dem Insekten-Gift des Bacillus thuringiensis (Bt) bestückte Baumwolle blühen. Vor allem zwischen Landwirtschafts- und Umweltministerium gab es immer wieder Auseinandersetzungen um die Risikotechnologie. Im Dezember 2013 musste jedoch die gentech-kritische Umweltministerin Jayanthi Natarajan ihren Rücktritt erklären. Seither hat sich das umweltpolitische Klima im Land geändert. Die Aufsichtsbehörde GEAC gab grünes Licht für rund 200 Feldversuche mit gentechnisch manipulierten Pflanzen, darunter auch für solche mit Bt-Reis aus dem Hause BAYER. Die Lobby-Organisation ABLE-AG, welcher der Leverkusener Multi, MONSANTO und andere Agro-Riese angehören, bedankte sich in einem Schreiben umgehend für das Entgegenkommen. Das letzte Wort in der Sache ist allerdings noch nicht gesprochen. Dem Obersten Gerichtshof des Landes liegt nämlich immer noch der Antrag zur Entscheidung vor, ein zehnjähriges Moratorium für Freisetzungsversuche zu verhängen.

Mehr Gentech mit CELLECTIS
Der Leverkusener Multi baut seine Kooperation mit dem US-Unternehmen CELLECTIS PLANT SCIENCE auf dem Gebiet der Gentechnik aus. CELLECTIS entwickelt für den Konzern neue Raps-Sorten und gewährt ihm Zugang zu neuen Technologien. Von diesen erwartet sich die BAYER-Forscherin Catherine Feuillet viel: „Sie ermöglichen so präzise Modifikationen des Genoms oder der Gene, dass Veränderungen des gesamten Pflanzen-Genoms vermieden werden.“

Neue Gentech-Baumwolle
In den USA bietet BAYER seit Neuestem sein Baumwoll-Saatgut der FIBERMAX-Produktreihe mit einer kombinierten Insektizid- und Herbizid-Resistenz an. Die Pflanzen trotzen sowohl Glyphosat als auch dem Antiunkraut-Mittel Glufosinat, weshalb die LandwirtInnen die entsprechenden Pestizide gleich im Doppelpack ausbringen können. Und die haben es in sich: Glyphosat steht im Verdacht, das Erbgut zu schädigen und Krankheiten wie Alzheimer, Diabetes und Krebs zu befördern. Glufosinat wirkt ebenfalls reproduktionstoxisch. Zudem ist es imstande, Missbildungen bei Föten zu verursachen, Verhaltensstörungen hervorzurufen und die Entwicklung des Gehirns zu beeinträchtigen. Wegen dieser Risiken und Nebenwirkung muss die Substanz in Europa bis September 2017 vom Markt verschwinden.

Suche nach Signalstoffen
Der Leverkusener Multi hat mit TARGENOMIX, einer Ausgründung des „Max-Planck-Instituts für molekulare Pflanzenphysiologie“ eine Forschungskooperation vereinbart, um die Wirkungsweise von bestimmten Signalstoffen zu ergründen, die für das Gedeihen der Ackerfrüchte wichtig sind. Auf Basis dieser Erkenntnisse hofft der Agro-Riese dann, „innovative Lösungsansätze für den Pflanzenschutz und die Pflanzen-Gesundheit“ gewinnen zu können.

Wieder kein EYLEA-Zusatznutzen
BAYERs zur Therapie der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – zugelassene Augen-Arznei EYLEA (Ticker 2/12) erschließt nicht gerade medizinisches Neuland. In den klinischen Prüfungen gelang es dem Gentech-Medikament mit dem Wirkstoff Aflibercept nicht, das NOVARTIS-Präparat LUCENTIS zu übertrumpfen, was der Leverkusener Multi auch selbst einräumen musste. Laut Konzern zeigte das Pharmazeutikum in Tests lediglich „eine vergleichbare Wirkung (‚Nicht-Unterlegenheit’) gegenüber der Behandlung mit LUCENTIS“. Das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWIG) mag ebenfalls partout keinen Zusatznutzen zu erkennen. Nachdem es schon bei der eigentlichen Makula-Degeneration keinen durch EYLEA bewirkten Therapie-Fortschritt festmachen konnte, gelang ihr das für das Anwendungsgebiet „diabetisches Makula-Ödem“ ebenso wenig. Der Pharma-Riese hat gegen die Entscheidung Einspruch eingelegt.

KOGENATE-Allergien
Gleich zwei Studien bescheinigten BAYERs Blutgerinnungspräparat KOGENATE und dem ebenfalls vom Leverkusener Multi entwickelten, seit geraumer Zeit aber von BEHRING vertriebenem Mittel HEXILATE NEXGEN eine mangelhafte Wirkung. Neue, vorher nicht behandelte Bluter-Patienten reagieren auf diese beiden Gentech-Mittel der zweiten Generation öfter allergisch als auf Blutprodukte der dritten Generation, so der Befund. Für den Bluter-Weltverband „World Federation of Hemophilia“ legt dieses Ergebnis nahe, die Pharmazeutika Menschen mit frisch diagnostizierter Hämophilie lieber nicht zu verschreiben. Die Organisation forderte daher die US-Gesundheitsbehörde FDA auf, die Daten umgehend zu überprüfen. Das europäische FDA-Pendant EMA wies indes BAYER und BEHRING an, auf dem Beipackzettel auf das erhöhte Risiko von Immun-Reaktionen hinzuweisen. Zudem kündigte die Behörde eine Überprüfung der in der Fachzeitschrift Blood veröffentlichten Expertisen an.

Neues KOGENATE
In den 1980er Jahren starben Tausende Hämophile an HIV-verseuchten Blutpräparaten BAYERs, weil das Unternehmen die Pharmazeutika aus Kostengründen keiner Hitze-Behandlung unterzogen hatte, obwohl das verarbeitete Blut auch von Risiko-Gruppen stammte. Ende des Jahrzehnts brachte der Leverkusener Multi dann mit KOGENATE ein Produkt heraus, bei dem gentechnisch manipulierte Zellen das Plasma vervielfältigen, weshalb der Bedarf an Spenderblut drastisch sank. Und nun hat der Konzern für die KOGENATE-Version BAY 81-8973 die Vermarktungsgenehmigung erhalten, die gar keine menschlichen Blut-Bestandteile mehr enthält. Mit Risiken behaftet ist die Arznei dennoch, denn rund ein Drittel der Patienten mit Blutgerinnungsstörungen bildet Antikörper gegen die Mittel heraus und reagiert allergisch auf sie (s. o.). Darüber hinaus will der Leverkusener Multi noch in diesem Jahr den Zulassungsantrag für eine KOGENATE-Variante stellen, bei der sich nur die Darreichungsform ändert. Das Präparat hält sich länger im Körper, weshalb eine Infusion pro Woche reicht.

Engere Kooperation mit VENTANA
Der Leverkusener Multi weitet die Zusammenarbeit mit VENTANA auf dem Gebiet der Krebsforschung aus. Die ROCHE-Tochter soll für BAYER künftig Tests entwickeln, mit denen der Pharma-Riese kontrollieren kann, ob und wie die von ihm entwickelten Antikörper auf Tumor-Zellen wirken.

WASSER, BODEN & LUFT

PCB unter Tage
Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören zu den giftigsten Hervorbringungen der Chlorchemie (SWB 1/14). Die vor allem von BAYER und MONSANTO in Umlauf gebrachten gefährlichen „Alleskönner“ kamen bis zu ihrem vollständigen Verbot 1989 in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben, Ölen, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz – und stellen immer noch ein beträchtliches Risiko dar. So schlummern in alten Bergwerksstollen bis zu 10.000 Tonnen PCB. Unter Tage war die Substanz als derjenige Bestandteil von Hydraulik-Ölen in Verwendung, der für die schwere Entflammbarkeit sorgte. Von den 1985 in der Bundesrepublik verkauften 72.000 Tonnen landete mehr als ein Sechstel im Bergbau. „Wir sind mit dem Zeug umgegangen, als wäre es Milch“, zitiert der Spiegel einen Bergmann. Dementsprechend leiden viele seiner KollegInnen heute an den Spätfolgen und zeigen Vergiftungssymptome wie Haut-, Nieren- und Leberschäden. Als gefährlichen Sondermüll behandelten die Konzerne die Giftbrühe damals nicht. Die RAG beispielsweise vermag für gerade einmal zwei Prozent der zwischen 1979 und 1984 in den Saarbergwerken genutzten Öle Entsorgungsnachweise vorzuweisen. Die Altlasten lagern in Fässern und anderen Behältern, die nicht selten Leckagen aufweisen. Im Erdreich und in den Abwässern der Zechen finden sich ebenfalls PCB-Spuren. Damit nicht genug, könnten die Polychlorierten Biphenyle schon bald ans Tageslicht gelangen. Die RAG will sich nämlich das kostspielige Abpumpen des Grubenwassers sparen und hat deshalb bereits einige Maschinen abgestellt. Deshalb droht das Wasser die Stollen zu fluten, das PCB auszuspülen und ins Grundwasser, in Flüsse und Bäche weiterzuleiten. „Da tickt eine ökologische Zeitbombe“, so Steffen Potel vom BUND. Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat jetzt erst einmal ein Gutachten über die Gefahren in Auftrag gegeben und die RAG angewiesen, keine weiteren Schächte unter Wasser zu setzen, bis das Ergebnis der Studie vorliegt.

Altlast in Krefeld
In Krefeld schlummert unter der 1980 errichteten Siedlung an der Mauritzstraße eine Altlast. In Stichproben-Untersuchungen wiesen GutachterInnen unter anderem Arsen, Blei, Chrom und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAKs) nach. Wegen der hohen Konzentration riet ein Immunologe einem Anwohner sogar, seinen Keller nicht ohne Schutzmaske zu betreten. Der Grund und Boden, auf dem die Häuser entstanden, gehörte der BAYER-Immobiliengesellschaft. Vor Baubeginn hatte sie die Vertiefungen des Areals mit Material aus der nahe gelegenen städtischen Mülldeponie aufgeschüttet, die nicht zuletzt der Chemie-Multi nutzte. „Auch BAYER hat dort abgekippt. Ich habe es als Kind selbst gesehen“, erinnert sich Heike Hoffmann, die Vorsitzende des Bürgervereins Uerdingen. Nach Erschließung des Geländes parzellierte die Konzern-Tochter es und verkaufte nach und nach die einzelnen Grundstücke. Allzu schnell wuchsen die Häuser jedoch nicht. So kam es 1979 und dann noch einmal 1985 zu Unterbrechungen der Arbeiten. „Rita Thiele von den Grünen hat damals für einen Baustopp gesorgt. Wegen der Altlasten im Boden. Dann gab es eine Unbedenklichkeitsbescheinigung von der Stadt und von BAYER“, so der ebenfalls auf verseuchtem Grund und Boden lebende BAYER-Pensioniär Volkmar Sander. Um das Erdreich genauer zu untersuchen, finanziert das Land Nordrhein-Westfalen jetzt den größten Teil einer umfangreichen, 140.000 Euro teuren Studie – den Leverkusener Multi nimmt es dazu nicht in Haftung. Unterdessen melden sich bei den AnwohnerInnen schon Immobilien-SpekulantInnen, die ihre Chance wittern. „Ich habe gehört, dass Sie auf einem Drecksberg sitzen“ – mit diesen Worten wollte ein windiger Geschäftsmann dem ehemaligen BAYER-Werker Eduard Jansen schon sein Haus für den Schnäppchen-Preis von 60.000 Euro abkaufen.

Glyphosat in der Umwelt
Der Pestizid-Wirkstoff Glyphosat kommt hauptsächlich in Kombination mit MONSANTOs Gen-Pflanzen zum Einsatz. Aber auch die Laborfrüchte des Leverkusener Multis verfügen über eingebaute Resistenzen gegen die Substanz. Zudem enthalten BAYERs Ackergifte GLYPHOS und USTINEX G den Stoff. US-amerikanische WissenschaftlerInnen haben jetzt in einer großen Studie untersucht, inwieweit Glyphosat die Umwelt belastet. Das Ergebnis ist alarmierend: In zahlreichen Boden- und Wasserproben wiesen die ForscherInnen die Agro-Chemikalie nach.

GIFTIG, ÄTZEND, EXPLOSIV

BAYER braucht mehr Bisphenol
Das in BAYERs Bitterfelder Chemie-„Park“ ansässige japanische Unternehmen HI-BIS GmbH will die Bisphenol-Produktion verdoppeln und hat deshalb eine neue Fertigungsanlage errichtet. Es kommt damit der steigenden Nachfrage von Seiten des Leverkusener Multis nach, der nicht nur einen 10-Prozent-Anteil an HI-BIS hält, sondern auch als alleiniger Abnehmer der Chemikalie fungiert. Er benötigt sie als Vorprodukt für seinen Kunststoff APEC, der vornehmlich in der Medizin-, Licht- und Elektrotechnik und bei Haushaltsgeräten Verwendung findet. Problematisch ist der Einsatz von Bisphenol, wenn die menschliche Haut in Kontakt mit der Chemikalie kommt, wie das etwa bei Verpackungen für medizinische Geräte der Fall ist. Die Substanz ähnelt in ihrem chemischen Aufbau nämlich Hormonen, was den menschlichen Stoffwechsel durcheinanderbringen und zu Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie zu Herz- und Lebererkrankungen führen kann.

Schärfere Bisphenol-Grenzwerte
Die „Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit“ (EFSA) hat das Gesundheitsrisiko neu untersucht, das von der auch von BAYER verwendeten und in Umlauf gebrachten Industrie-Chemikalie Bisphenol A (s. o.) ausgeht. Sie ermittelte mögliche Beeinträchtigungen der Funktionen von Leber, Nieren sowie Brustdrüsen und empfahl eine Absenkung der noch tolerierbaren täglichen Aufnahmemenge von 50 Mikrogramm um den Faktor 10 auf fünf Mikrogramm. Weil Hinweise auf weitere Gesundheitsgefährdungen durch den Stoff vorliegen, will sie diesen Grenzwert als vorläufigen verstanden wissen. Nach Ansicht des Leverkusener Multi hingegen sind „keine schädlichen Wirkungen nachgewiesen“ bzw. besteht „lediglich ein geringes Gesundheitsrisiko“. „Obwohl es gar keinen Beweis für eine toxische Wirkung“ gebe, hätte die EFSA ihre Entscheidung „in einer äußerst konservativen Herangehensweise“ und „ausschließlich aus Gründen des vorsorgenden Gesundheitsschutzes“ getroffen, moniert der Multi. Die Aussagekraft der Niedrigdosen-Studien, auf welche sich die Behörde bei ihrem Votum stützte, zweifelt der Konzern an. „Niedrigdosis-Effekte sind unter Toxikologen heftig umstritten“, befindet er.

PRODUKTION & SICHERHEIT

Neues Brandschutz-Konzept
Metall-Alkyle wie Triethylalumninium (TEA) oder Trimethylaluminium (TMA) entzünden sich bei Kontakt mit Luft oder Wasser sofort. Tritt der Ernstfall ein, kann deshalb nur Trockenlöschpulver oder Sand zum Einsatz kommen, was die Arbeit der Feuerwehr sehr erschwert. Bei BAYER liegt der letzte große Knall etwas mehr als fünf Jahre zurück. In dem Bergkamener Werk kam es am 5.9.09 zu einer großen Explosion und zwei kleineren Folge-Detonationen. Ausgelöst hatte die Kettenreaktion eine defekte Pumpe, die Metallalkyl-Reste aus einem Container absaugen sollte. Vier Beschäftigte erlitten damals einen Schock und mussten sich einer ärztlichen Behandlung unterziehen. Dass ihnen nicht mehr passiert ist, rechneten Sachverständige später einem „unheimlichen Glück“ zu. Nun will der Leverkusener Multi mehr Sicherheitsvorkehrungen in puncto „Metall-Alkyle“ treffen. Er hat für diese Stoffe, die als Katalysatoren oder zur Beschichtung von Kunststoffe dienen, ein neues Brandschutz-Konzept entwickelt. Um Leckagen zu vermeiden, empfiehlt der Verfasser der Handreichung, der BAYER-Ingenieur Armin Heyn, unter anderem die Lagerung in doppelwandigen Tanks aus Carbon-Stahl. Überdies hält er bei Teilen der Rohrleitungen ständige Schweißnaht-Überprüfungen für unabdingbar. Darüber hinaus sollten die Pipelines über vor Rost schützende Edelstahl-Halter verfügen. Auch dürften nur hermetisch dichte Pumpen zum Einsatz kommen. Zur Gewährleistung des Brandschutzes rät das Konzept-Papier dazu, die Tanks auf Betonsockel zu stellen, was im Falle eines Falles vor einer Unterfeuerung schützt. Zudem schlägt es die Errichtung von Brandschutzwänden zwischen den einzelnen Metallakyl-Behältnissen und eine Raumluft-Überwachung vor.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Brand in Knapsack
Am 21.10.14 kam es in einer Pestizid-Anlage von BAYER zu einem Brand. Der Stoff Methylphosphin trat aus und entzündete sich sofort. Über Kunststoff-Leitungen und Ummantelungen verbreitete sich das Feuer. Eine übelriechende Rauchwolke zog über die nahegelegenen Wohngebiete. Die Feuerwehr schloss eine Gefahr für die Bevölkerung trotzdem umgehend aus, was die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN kritisierte. „Man kann nach einem solchen Vorfall nicht einfach Entwarnung geben. Niemand kennt die genaue Zusammensetzung der Brandgase, der Oxidationsprodukte und den Anteil an nicht verbranntem Methylphosphin. Von daher lassen sich langfristige Gesundheitsschäden der Anwohner nicht mit Sicherheit ausschließen“, erklärte die Coordination.

Natronlauge tritt aus
Am 21.12.14 entwichen aus einer Rohrleitungsanlage des Dormagener BAYER-Werk rund drei Kubikmeter einer 32-prozentigen Natronlauge. Als Ursache für den Austritt der stark ätzend wirkenden Substanz gibt der Leverkusener Multi eine defekte Dichtung an.

Kohlenmonoxid tritt aus
Im Antwerpener BAYER-Werk zerbarst am 16.9.14 ein Teil der Dichtung eines Wärmetauschers. Aus dem Leck treten mit den heißen Prozessgas-Strömen auch rund 150 Kilogramm Kohlenmonoxid aus. Der Leverkusener Multi musste die Anlage mit Stickstoff spülen, um das Entweichen noch größerer Stoffmengen zu verhindern.

2014: Sechs Transport-Unfälle
Für das Jahr 2014 verzeichnet BAYERs Geschäftsbericht sechs Transport-Unfälle. Am 6. Januar geriet in Brasilien ein LKW in einen Unfall und verlor 1.300 Kilogramm MDI-Kunststoff. Am 27.3. entweicht aus einem vom Brunsbütteler Werk kommenden Tankwagen der Kunststoff TDI. Am 13.5 trat in den USA aus einem Laster nach einem Zusammenstoß mit einem PKW Container-Heizflüssigkeit aus. Am 31. Juli starb in den USA ein LKW-Fahrer, als sein Fahrzeug von der Straße abkam und gegen einen Baum prallte. Dabei schleuderte die komplette Ladung Makrolon in einen Graben. Am 6.8. rann in den USA aus einem Transport-Fahrzeug Salzsäure, was eine mehrstündige Straßen-Sperrung nach sich zog. Und am 23.8 kam es in Indien zu einem Unfall, in dessen Folge 8.500 Kilo Polyol ins Freie geriet, das mit Sand und Absorptionsmitteln gebunden werden musste.

2014: Acht Lade-Unfälle
Für das Jahr 2014 verzeichnet BAYERs Geschäftsbericht acht Unfälle, die sich beim Be-, Ent- oder Umladen von Stoffen ereigneten. Am 10.4 liefen in einem US-amerikanischen Werk des Leverkusener Multis aus einem noch unter Druck stehenden Versorgungsschlauch 100 Liter einer Flüssigkeit aus. Am 6.6. trat in Pittsburgh bei der Einlagerung von Propylenoxid eine Leckage auf, aus der die krebserregende und das Erbgut schädigende Flüssigkeit entwich. Am 26.6 ereignete sich am südafrikanischen Standort Nigel beim Umfüllen einer Chemikalie eine Explosion geringeren Grades, eine sogenannten Verpuffung. Am 28.8. kippte in Australien auf einem Container-Ladedock ein Fass mit dem Kunststoff-Produkt Desmodur um und schlug leck; 250 Liter des Stoffes rannen heraus. Am 18.9. wurde im Hafen von Marseille ein Polyol-Container beschädigt, 24 Tonnen der Substanz drangen nach draußen. Am 7.10 gelangten beim Entladen eines Bisphenol-Containers ein bis zwei Kubikmeter der Chemikalie ins Freie. Am 21.11. riss in einer US-amerikanischen Niederlassung der Entlade-Schlauch eines Kunststoff-Behältnisses, woraufhin 190 Liter hinausflossen. Am 15.12. ereignete sich auf dem Gelände einer US-Fabrik des Leverkusener Multis ein Zwischenfall. Beim Umladen des Kunststoffes TDA kam es an einer Pumpendichtung zu einem Defekt, und 150 Liter des Produktes strömten aus.

STANDORTE & PRODUKTION

Mehr Jobs, weniger Steuern?
Wuppertal, Standort von BAYERs Pharma-Produktion, erwägt, die Unternehmen mit Steuer-Anreizen zur Schaffung von Arbeitsplätzen zu bewegen. Das Konzeptpapier „Wuppertal 2025“ sieht vor, den Gewerbesteuer-Satz von 490 auf 475 Prozentpunkte zu senken, falls die Firmen es schaffen, 5.000 neue Jobs einzurichten. Die „Industrie- und Handelskammer“ (IHK) zeigt sich allerdings nur wenig begeistert von der Idee. Ihrer Ansicht nach müsste vielmehr die Stadt in Vorleistung treten. „Sie sollte ein elementares Interesse daran haben, im Wettbewerb der Kommunen untereinander eine gute Position einzunehmen, was den Standort betrifft – und ohne Konditionen günstige Rahmenbedingungen anbieten“, so IHK-Geschäftsführer Uwe Mensch.

Mehr Salzsäure aus Wuppertal
BAYER erweitert am Standort Wuppertal eine Anlage, welche die bei der Kunststoff-Produktion anfallende Salzsäure aufbereitet, zwischenlagert und transportfertig macht.

Leerstand in Brunsbüttel
Die vielen Verkäufe von Teilgesellschaften haben den Flächenbedarf des Leverkusener Multis beträchtlich schrumpfen lassen. Um die Areale trotzdem auszunutzen,

[Ticker] STICHWORT BAYER 03/2014 – TICKER

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CBG beim „March against MONSANTO“
Auch 2014 fand in vielen Städten der Welt wieder ein „March against MONSANTO“ statt. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) beteiligte sich am 24. Mai in Düsseldorf an den Protesten. Der Leverkusener Multi unterhält nämlich schon lange gute Geschäftsbeziehungen zu dem Gen-Giganten, wie CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes in seiner Kundgebungsrede erläuterte. So gründeten beide Konzerne in den 1960er Jahren das Gemeinschaftsunternehmen MOBAY, das unter anderem das berühmt-berüchtigte AGENT ORANGE herstellte. Zudem gewähren sich die Global Player gegenseitig Zugriff auf die Technologien, mit denen sie Genpflanzen immun gegen bestimmte Pestizide machen, um ihre Laborfrüchte durch Mehrfach-Resistenzen besser gegen Schadinsekten wappnen zu können. „Insofern ist der heutige ‚March against MONSANTO’ ebenso ein ‚March against BAYER’“, hielt Mimkes fest und vergaß mit BASF und SYNGENTA auch die anderen Mitglieder des Agro-Oligopols nicht.

NRW-Anfrage zu PCB
Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören zu den giftigsten Hervorbringungen der Chlorchemie (SWB 1/14). Die vor allem von BAYER und MONSANTO in Umlauf gebrachten gefährlichen „Alleskönner“ kamen bis zu ihrem vollständigen Verbot 1989 in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz – und stellen immer noch ein beträchtliches Risiko dar. Deshalb finden quer durch die Republik aufwendige Sanierungen von Universitäten und Schulen statt. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hatte zur Situation im Bund gemeinsam mit der Partei „Die Linke“ eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt (Ticker 2/14). Um den Stand der Dinge in Nordrhein-Westfalen zu erfahren, kooperierte die CBG mit den „Piraten“. Aber die Landesregierung in Düsseldorf zeigte sich auch nicht auskunftsfreudiger als die Große Koalition in Berlin. Sie wollte weder die Zahl der PCB-Vergifteten angeben noch die bisherigen Kosten der Renovierungsarbeiten beziffern. Auch sehen SPD und Grüne BAYER nicht in der Pflicht: „Zum Zeitpunkt der Abnahme der Bauvorhaben entsprachen die Ausführung und die Verwendung der Baumaterialien dem damaligen gesetzlichen Rahmen sowie den seinerzeit anerkannten Regeln der Technik. Für Schritte gegen die damaligen Hersteller von PCB-Produkten gibt es deshalb keine Veranlassung.“

Protest gegen NRW-Hochschulgesetz
Das von der rot-grünen NRW-Landesregierung geplante Hochschulzukunftsgesetz hatte ursprünglich Regelungen vorgesehen, die mehr Licht ins Dunkel von solchen Kooperationsverträgen bringen sollten, wie BAYER sie mit der Kölner Universitätsklinik abgeschlossen hat. Aber Kraft & Co. gaben dem Druck der Industrie nach und schwächten den entsprechenden Passus ab. Nach dem Willen der PolitikerInnen müssen die Partner nun erst nach dem Ende der Projekte Einblick in die Verträge gewähren. Auch bleibt es ihnen überlassen, wie viel sie preisgeben wollen. Darum unterstützte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN die Protest-Aktion von Studierenden-Organisationen und DGB-Jugend, die am 18. Juni anlässlich einer ExpertInnen-Anhörung zur Gesetzes-Novelle vor dem Düsseldorfer Landtag stattfand. Zudem hatte die CBG in der Sache schon Mitte März 2014 gemeinsam mit ATTAC, dem FREIEN ZUSAMMENSCHLUSS VON STUDENTINNENSCHAFTEN und anderen Gruppen einen Offenen Brief an Hannelore Kraft geschrieben.

Kritik auf BAYERs FACEBOOK-Seite
Der Leverkusener Multi muss sich auf seiner FACEBOOK-Seite ziemlich viel Kritik anhören. „Schade, dass eine so traditionsreiche Firma komplett auf die Natur und Umwelt pfeift. Hauptsache Gewinn, Gewinn und ... Gewinn“ heißt es da beispielsweise oder: „Nur noch Profite ohne Rücksicht auf die Umwelt und die Menschen. Macht endlich bezahlbare Medikamente“. Auch zu dem Prozess, den der Konzern zusammen mit SYNGENTA gegen die EU wegen des vorübergehenden Verbots von bienenschädigenden Pestiziden angestrengt hat, gibt es bissige Kommentare: „BAYER verklagt Europa, weil es ausnahmsweise einmal das Richtige tut und die Bienen schützen will. Unglaublich.“

Umbenennung von Duisberg-Straßen
Am 29. September 2011 jährte sich der Geburtstag des langjährigen BAYER-Generaldirektors Carl Duisberg zum 150. Mal. Um die medialen Ständchen für den Mann zu konterkarieren, der im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas und die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen war und später einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörderkonzerns IG FARBEN hatte, rief die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Kampagne ins Leben. Sie mahnte anlässlich des Jahrestags die Umbenennung von Straßen, Schulen und anderen Einrichtungen an, die Duisbergs Namen tragen. Viele AktivistInnen ließen sich davon anregen und trugen die Forderung in ihren Städten vor. Leverkusen und Marburg lehnten das Begehr allerdings ab, in Dortmund und Frankfurt schweben die Verfahren noch.

KAPITAL & ARBEIT

BMS wickelt Standort Darmstadt ab
Im Rahmen des neuesten Rationalisierungsprogramms, das die Vernichtung von 700 Arbeitsplätzen vorsieht, reduziert BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) die Produktion von Kunststoff-Platten aus Polycarbonat. So beendet die Konzern-Sparte die Fertigung in Darmstadt und streicht damit 90 Stellen. Sie bekundet zwar, die Belegschaftsangehörigen nach Möglichkeit anderweitig im Unternehmen beschäftigen zu wollen, aber für alle dürfte sich kaum etwas finden. Darüber hinaus macht BMS den Standort in Peking dicht und plant, die in Australien und Neuseeland gelegenen Fertigungsstätten für LASERLITE-Platten abzustoßen.

Weniger Stimmen für Durchschaubare
Bei der letzten Betriebsratswahl am BAYER-Stammsitz Leverkusen verloren zwei der drei unabhängigen Gewerkschaftsgruppen innerhalb der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE an Boden. Die KOLLEGEN UND KOLLEGINNEN FÜR EINE DURCHSCHAUBARE BETRIEBSRATSARBEIT büßten zwei Mandate ein und kamen nur noch auf drei Sitze. Die BASISBETRIEBSRÄTE mussten ebenfalls zwei von fünf Sitzen abgeben, nur das BELEGSCHAFTSTEAM konnte sich um einen Sitz steigern und verfügt nun über drei. Die restlichen der 37 Sitze holte die IG BCE. Die Wahlbeteiligung betrug 55,2 Prozent und ging damit um 3,8 Prozent zurück.

ERSTE & DRITTE WELT

Entwicklungshilfe für BAYER

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Die bundesdeutsche Entwicklungshilfe-Politik setzt auf Kooperationen mit der Privatwirtschaft. So hat das „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) mit BAYER, BASF, SYNGENTA und ca. 30 weiteren Konzernen die „German Food Partnership“ (GFP) gegründet (SWB 4/13). Staatliche Mittel fließen unter anderem in die Projekte „Better Rice Initiative in Asia“ (BRIA) und „Competitive African Rice Initiative“ (CARE), in deren Rahmen der Leverkusener Multi die Vermarktung von hybridem, also nicht zur Wiederaussaat geeigneten Reis vorantreibt. Bis zu einem Drittel der Kosten buttert das BMZ dazu: 5,27 Millionen Euro. Das teilte die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen mit. Maßnahmen, die verhindern, dass Schulungen von FarmerInnen zu reinen Werbeveranstaltungen der Agro-Riesen gerieren, hat sie kaum getroffen. „Bei durch Firmen-Personal durchgeführten Trainings agieren die Trainer als Vertreter des Projektes und nicht unter Firmen-Branding“, erklärt die Große Koalition, wobei „firmen-spezifische ‚Solutions’ lediglich als eine mögliche Option dargestellt werden“. Auch geht aus den Angaben der Großen Koalition hervor, wie spärlich BRIA, CARE & Co. die Bevölkerung vor Ort in ihre Planungen einbeziehen.

Entwicklungshilfe für BAYER

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Parallel zur „German Food Partnership“ (s. o.) hat das „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) mit BAYER, anderen Unternehmen und dem Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) jetzt auch die „German Healthcare Partnership“ (GHP) ins Leben gerufen. „Die GHP kombiniert die Kompetenzen und Ressourcen des privaten Sektors mit denen der Entwicklungszusammenarbeit“, heißt es auf der Website frank und frei. Zum Ziel hat die „strategische Allianz“ sich gesetzt, „den Zugang zu qualitativ hochwertigen Gesundheitsleistungen in Entwicklungsländern und in aufstrebenden Märkten zu verbessern“. Und besonders auf diese aufstrebenden Märkte ist passenderweise auch BAYERs Afrika-Strategie ausgerichtet (siehe DRUGS & PILLS). Im Rahmen der GHP erhofft sich der Leverkusener Multi vor allem Entwicklungshilfe für seine Kontrazeptiva zur Familienplanung bzw. Bevölkerungskontrolle. Aber auch andere Absatzgebiete hat die GHP noch im Blick. So kümmert sie sich beispielsweise um „Business Opportunities in Healthcare in China“. Zudem hielt sie gemeinsam mit dem BDI und der „Kreditanstalt für Wiederaufbau“ schon Konferenzen zu Ausfuhr-Krediten und Hermes-Bürgschaften ab. Sogar Verweise auf die vom BDI zur letzten Bundestagswahl erhobenen Forderungen nach besseren Risikoabsicherungsinstrumenten „insbesondere für den Krankenhaus-Systemexport“ finden sich auf den Seiten. Da wundert es kaum noch, dass als Repräsentant der „Public Private Partnership“ der BDI-Hauptgeschäftsführer Markus Kerber fungiert.

Konzern-Verbrechen leicht gemacht
Der Leverkusener Multi hat in seiner Geschichte vielfach gegen Menschenrechte verstoßen. Er benutzte Menschen aus der „Dritten Welt“ ohne deren Wissen als Versuchskaninchen für neue Pharma-Produkte, übte Druck auf GewerkschaftlerInnen aus und bediente sich der Kinderarbeit. Um solche Rechtsverstöße der Global Player besser ahnden zu können, hat der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen vor einiger Zeit „Guiding Principles on Business and Human Rights“ verabschiedet. Die EU hat ihre Mitgliedsstaaten daraufhin angehalten, eigene Aktionspläne zu erstellen. Während Länder wie die Niederlande schon ihre Gesetze geändert und Beschwerdestellen eingerichtet haben, tat die Bundesrepublik bisher nichts dergleichen. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen bekundete die Bundesregierung nun aber ihren Willen, die Regelung umzusetzen. Viel zu befürchten haben die Konzerne indes nicht. Um etwa der Kinderarbeit bei Subunternehmern Einhalt zu gebieten, derer sich BAYER CROPSCIENCE lange bediente (Ticker berichtete mehrfach) schweben der Großen Koalition nur „Dialogformate“ und die Unterstützung von Trainingsprogrammen vor. Haftungsregelungen plant sie auch nicht, da „es sich bei Subunternehmen begrifflich um rechtlich selbstständige Unternehmen handelt, auf die ein anderes Unternehmen keinen gesellschaftsrechtlichen Einfluss ausüben kann“. SPD und CDU setzen generell darauf, „dass die Unternehmen freiwillig und aus eigener Verantwortung gesellschaftliche Verantwortung übernehmen“ und lehnen es daher auch ab, die Klage-Möglichkeiten wegen Verstößen gegen die Leitlinien des Industrieländer-Zusammenschlusses OECD zu verbessern. Dabei bestände gerade hier dringender Reformbedarf, denn bei der für solche Verfahren eingerichteten „Nationalen Kontaktstelle“, die bezeichnenderweise im Referat für Außenwirtschaftsförderung angesiedelt ist, handelt es sich um ein stumpfes Instrument. Keiner der beiden Fälle, welche die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN in der Vergangenheit dort vorbrachte – Repressionen BAYERs gegen Gewerkschaftler und Kinderarbeit bei BAYER-Zulieferern – hatte für den Leverkusener Multi irgendwelche Konsequenzen.

IG FARBEN & HEUTE

Bomben auf Leuna
Ohne die IG FARBEN hätte das „Dritte Reich“ keinen Krieg führen können. Der von BAYER mitgegründete Konzern produzierte unter anderem Waffen, Bomben und Benzin. Trotzdem zögerten die Westalliierten lange, Angriffe auf die Fabriken zu fliegen. Erst im Mai 1944 bombardierten sie die Leuna-Werke. Die USA, England und Frankreich fürchteten nach Stalingrad nämlich einen Vormarsch der Sowjetunion und bauten deshalb auf nationalsozialistische Schützenhilfe. „Es war durchaus im alliierten Interesse, dass die Wehrmacht in den folgenden zwölf Monaten über genügend Kampfkraft verfügte, um die Rote Armee auf dem Weg nach Westen zu bremsen und zu verschleißen“, mit diesen Worten zitiert Otto Köhler in seinem Artikel „Die Schlacht von Leuna“ Rolf-Dieter Möller vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt Potsdam. Erst im Vorfeld der – von Stalin schon viel eher geforderten – Normandie-Invasion sollte die Kriegsmaschinerie der Nazis nach dem Willen der Alliierten ins Stocken geraten. Die Landung an der Küste Frankreichs begann knapp dreieinhalb Wochen, nachdem die US-Armee mit 800 Bombern Leuna attackiert hatte.

POLITIK & EINFLUSS

Grenzwert-Lockerungen via TTIP
Durch das Freihandelsabkommen der EU mit den USA droht eine Aufweichung der Pestizid- und Gentechnik-Gesetzgebung. BAYER & Co. investieren Unsummen in entsprechende Lobby-Aktivitäten. So fordert der US-amerikanische Agrarindustrie-Verband „Croplife“ im Zuge der Verhandlungen von Brüssel etwa, das bis Ende 2015 geltende Verbot der bienenschädigenden BAYER-Ackergifte PONCHO und GAUCHO aufzuheben und generell die Grenzwert-Regelungen zu lockern. Eine „moderne Risiko-Bewertung“ soll es stattdessen richten. Zudem streiten die Agro-Riesen dafür, nach US-amerikanischen Gepflogenheiten künftig Gentech-Rückstände in Lebensmitteln zu tolerieren und Kennzeichnungspflichten abzuschaffen. „BAYER und BASF handeln auf den Märkten in den USA und wollen nun in dem geheimen Handelsabkommen zwischen den USA und der EU das erreichen, was ihre Lobbyisten in Europa nicht geschafft haben“, kritisiert Jaydee Hanson vom CENTER FOR FOOD AND SAFETY.

USA: Mehr Energiespar-Subventionen?
BAYER unterstützt gemeinsam mit anderen im US-amerikanischen BDI-Pendant „U.S. Chamber of Commerce“ organisierten Unternehmen einen Gesetzes-Vorschlag, der gleichzeitig zu mehr Energie-Ersparnis und zu mehr Wettbewerbsfähigkeit führen soll. Der „Energy Savings and Industrial Competitiveness Act“ stellt den Konzernen nämlich Millionen-Subventionen in Aussicht, wofür diese allerdings andere Worte finden. Das Vorhaben ist geeignet, „Hindernisse beim Investieren in existierende Energie-Effizienz-Technologien abzubauen“, heißt es bei der „U. S. Chamber“. Einstweilen bleiben die Hindernisse jedoch noch bestehen, denn im Senat fand sich für das Paragrafen-Werk nicht die erforderliche Mehrheit. Das endgültige Aus bedeutet das allerdings noch nicht.

BAYER erpresst Subventionen
In den USA gelang es dem Leverkusener Multi zum wiederholten Mal, Gemeinden mit Abwanderungsplänen so unter Druck zu setzen, dass diese dem Konzern Subventionen gewähren. So stellte St. Joseph dem Unternehmen Mittel für eine Betriebserweiterung zur Verfügung, um es in der Stadt zu halten. „Die Gefahr war sehr real“, sagt der Stadtverwaltungsmitarbeiter Clint Thompson zu BAYERs Umzug-Gelüsten und nennt die milde Gabe ein „Joberhaltungsprogramm“. Dabei hatte der Global Player, als er dort im Jahr 2012 die Veterinär-Sparte des israelischen Pharma-Riesen TEVA übernahm, umgehend ein Rationalisierungsprogramm beschlossen, das am Standort die Vernichtung von 60 der 180 Arbeitsplätze vorsieht.

PhRMA fordert Strafen für Indien
Im März 2012 hat das „Indian Patent Office“ BAYERs Patent an dem Krebs-Medikament NEXAVAR aufgehoben und dem einheimischen Generika-Hersteller NATCO PHARMA eine Zwangslizenz zur Herstellung einer preisgünstigen Version erteilt (Ticker 2/12). Die Behörde berief sich dabei auf einen Ausnahme-Paragraphen des internationalen Patentabkommens TRIPS und begründete ihre Entscheidung damit, dass der Pharma-Riese es versäumt habe, den Preis für das Medikament (monatlich 4.200 Euro) auf eine für indische PatientInnen bezahlbare Höhe herabzusetzen. Die Entscheidung hat Big Pharma in helle Aufregung versetzt und umgehend zu politischen Interventionen bei der Obama-Administration, dem US-amerikanischen Patentamt und beim Kongress veranlasst (Ticker 4/12). Und im Mai 2014 forderte der Industrie-Verband „Pharmaceutical Research and Manufacturers of America“ (PhRMA) die US-Regierung sogar auf, Indien auf die Liste der patentrechtlichen Schurkenstaaten zu setzen und Sanktionen gegen das Land zu beschließen.

BAYER kontrolliert sich selbst
Stillen bekommt Babys generell besser als Flaschen-Nahrung. Für Säuglinge in der „Dritten Welt“ bestehen darüber hinaus besondere Risiken. Da ihre Mütter aus Kostengründen oft zu wenig Milchpulver verwenden, leiden die Babys unter Mangelerscheinungen. In den armen Ländern erhöht sich durch diese Ernährungsform zudem das Infektionsrisiko, da zum Anrühren der Mixturen oft kein sauberes Wasser zur Verfügung steht. Darum erlauben viele Länder Werbung für Baby-Nahrung gar nicht oder nur unter strengen Auflagen, was BAYER und andere Konzerne 2006 schon zu einem Prozess gegen die philippinische Regierung bewogen hatte (Ticker 3/06). In Australien begutachtete lange eine unabhängige Monitoring-Gruppe die Reklame-Aktionen der Konzerne. Im Jahr 2010 rügte sie den Leverkusener Multi, weil dieser in einer Kampagne gegen eine mit dem Staat getroffene Vereinbarung verstoßen hatte, wonach die Hersteller darauf verzichten, ihre Erzeugnisse als dem Stillen gegenüber überlegen darzustellen. „NOVALAC-Mittel können helfen, das Schreien zu reduzieren und den Schlaf zu befördern und machen die Kinder zufrieden und die Eltern entspannter“, hatte der Pharma-Riese in der Werbung behauptet. So etwas dürfte dem Global Player bald wieder etwas leichter über die Lippen kommen. Australien hat nämlich das unabhängige Kontrollgremium abgeschafft und überlässt es in Zukunft der Industrie selber, sich auf die Finger zu schauen.

Nationale Anbau-Verbote
Bislang hat die Europäische Union zentral über die Zulassung von Genpflanzen entschieden. Brüssel plant jedoch, es ihren Mitgliedsländern künftig selber zu überlassen, ob sie die Labor-Kreationen wollen oder nicht. Nach der alten Regelung hatten es wegen vieler Gegenstimmen gerade einmal vier Sorten auf die EU-Felder geschafft. In der Hoffnung, künftig mit gentech-freundlichen Staaten besser ins Geschäft zu kommen, stritten BAYER & Co. deshalb heftig für die neue Lösung. Und ihr Lobby-Verband EuropaBio konnte seinen Einfluss bei der Umorientierung, die bereits in einen Gesetzes-Entwurf mündete, nicht zu knapp geltend machen. „Wie servil diese Lobby-Wünsche des Verbandes EuropaBio umgesetzt wurden, ist erschreckend“, sagt etwa der grüne Bundestagsabgeordnete Harald Ebner. So müssen die Staaten erst einmal bei den Konzernen anklopfen und anfragen, ob die Unternehmen nicht vielleicht freiwillig von einer Vermarktung ablassen wollen. Und wenn diese die Bitte abschlagen, haben die Nationen gute – und vor allem gerichtsfeste – Gründe vorzulegen. Als besonders gut erwies sich bisher der Draht der Agro-Riesen zur britischen Regierung. EuropaBio hat Cameron & Co. sogar Tipps gegeben, wie die neue Gentech-Politik am besten zu verkaufen ist. Der Lobby-Club riet dazu, „der Botschaft einen starken ökologischen (aber natürlich auch innovationsfreundlichen und ökonomischen) Dreh zu geben. Die PolitikerInnen antworteten: „Wir würden das Wort ‚Schwerpunkt’ dem ‚Dreh’ vorziehen“, hatten aber grundsätzlich keine Einwände. Es stehen also blühende Gen-Landschaften zu erwarten, womit auch die Gefahr der Kontamination herkömmlicher Ackerfrüchte steigt. Darum optiert EuropaBio in dem Konzept-Papier „A new strategy for GM issues“ für einen „package deal“ und will die Renationalisierung des Zulassungsprozesses mit einer Aufhebung des Rückstandsverbotes in Lebensmitteln und Saatgut verknüpfen. Ob das Europäische Parlament den Einflüsterungen folgt und einer solchen Paket-Lösung zustimmt, dürften die nächsten Monate zeigen.

Agrar-Subventionen für Bauer BAYER
Die EU bedenkt den Leverkusener Multi seit geraumer Zeit üppig mit Agrar-Subventionen. Fast 180.000 Euro strich der Konzern 2013 ein. Das Geld dürfte hauptsächlich BAYERs Laarcher Hof in Monheim eingestrichen haben, der als klassischer Ackerbau-Betrieb firmiert, obwohl er nur eine Versuchsküche für die Pestizide des Konzerns ist.

PROPAGANDA & MEDIEN

Presserat-Beschwerde scheitert
Im September 2013 hatte der Spiegel kritisch über BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO berichtet und dabei auch auf Material der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN zurückgegriffen. Das Blatt sprach mit Geschädigten und ExpertInnen, veröffentlichte die hohen Zahlen des „Bundesinstitut für Medizinprodukte und Arzneimittel“ über Todesfälle und schwere Nebenwirkungen und informierte über die aufwendige Kampagne zur Vermarktung des Mittels. Dem Leverkusener Multi passte das natürlich gar nicht. Er schaltete den Presserat ein und reichte eine Beschwerde gegen den Spiegel-Artikel ein. Der zuständige Ausschuss lehnte diese jedoch ab. Nach Ansicht des Gremiums hatte das Magazin weder unangemessen über medizinische Sachverhalte berichtet noch die journalistische Sorgfaltspflicht verletzt.

274.000 Euro für Selbsthilfegruppen
BAYER sponsert Selbsthilfegruppen und PatientInnen-Organisationen in hohem Maße. Über 274.000 Euro verteilte der Leverkusener Multi 2013 allein an die bundesrepublikanischen Verbände. Aber natürlich nicht an alle. Zuwendungen erhalten hauptsächlich diejenigen, die der Konzern mit entsprechenden Medikamenten beglücken kann: Diabetes-, Krebs-, Bluter-, Augen- und Lungenkrankheiten- sowie Multiple-Sklerose-Vereinigungen. Und das ist gut angelegtes Geld: „Wenn Firmen zehn Prozent mehr in Selbsthilfegruppen investieren, wächst ihr Umsatz um ein Prozent im Jahr“, hat der als Gesundheitsökonom an der Universität Bremen lehrende Dr. Gerd Glaeske einmal errechnet.

BAYER: Wir wollen nur informieren
Die NDR-Sendung „Profit auf Rezept“ dokumentierte umfassend, mit welchen Methoden die Pillen-Riesen ihre Medikamente vermarkten. BAYER & Co. schenken ÄrztInnen mit Werbung angereicherte Praxis-Software, veranlassen diese durch großzügig vergütete „Anwendungsbeobachtungen“, die PatientInnen auf bestimmte Arzneien einzustellen und versorgen Krankenhäuser kostenlos mit Pharmazeutika, um die Mittel dann anschließend auf die Rezeptblöcke der nachbehandelnden ÄrztInnen zu bekommen. Der Leverkusener Multi tat sich in der Reportage besonders als Sponsor eines verlockenderweise auf Sylt stattfindenden Anästhesie-Kongresses hervor, auf dem er kräftig die Werbe-Trommel für seinen umstrittenen neuen Gerinnungshemmer XARELTO rührte. Folglich sah sich der Pharma-Gigant durch den Bericht dann auch zu einer Stellungnahme gezwungen. „Die NDR-Reportage „Profit auf Rezept“ impliziert, dass viele Ärzte bestechlich sind und die Pharma-Industrie mit unlauteren Methoden ihre neuen Arzneimittel vermarktet“, konstatiert das Unternehmen. Und das sei natürlich nicht der Fall. BAYER mache nur „lautere Werbung mit produkt-bezogenen Informationen“, damit die DoktorInnen die Pillen auch bestimmungsgemäß einsetzen könnten. Anwendungsbeobachtungen erfüllen dem Global Player zufolge ebenfalls einen wichtigen Zweck, da sie angeblich „sicherheitsrelevante Erkenntnisse“ zu Tage fördern. Darüber hinaus verwahrte er sich gegen Kritik an XARELTO, wie sie in dem Feature der Vorsitzende der „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“, Wolf-Dieter Ludwig, geäußert hatte. Der Konzern verwies stattdessen auf positive Bewertungen etwa von der „Deutschen Gesellschaft für Neurologie“ (DGN). Unerwähnt ließ die Aktien-Gesellschaft dabei allerdings, dass sie zu den Sponsoren der „Deutschen Gesellschaft für Multiple Sklerose“ gehört (s. o.), die im Beirat der DGN sitzt

BAYERs Kongress-Sponsoring
Es gibt kaum einen MedizinerInnen-Kongress, den der Leverkusener Multi nicht sponsert. 2014 „unterstützte“ er nach Informationen der Initiative BIOSKOP beispielsweise die NeurologInnen-Tagung in Marburg, den Berliner Diabetes-Kongress, den Berliner Krebs-Kongress, den „Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin“ in Wiesbaden und die Jahrestagung der „Deutschen Gesellschaft für Kardiologie“. Und oftmals belässt es der Pharma-Riese zu diesen Gelegenheiten nicht bei Ausstellungsständen, sondern hält auch noch Symposien ab (siehe auch RECHT & UNBILLIG).

BAYER sponsert Arzneipreis-Studie
Die „UCL School of Pharmacy“ hat festgestellt, dass die Innovationskraft der Pillen-Riesen gefährdet ist, wenn diese nicht mehr Geld für ihre Erzeugnisse bekommen. Erkenntnisfördernd hat sich dabei die Finanzierung der Studie durch BAYER und NOVARTIS ausgewirkt. ÄRZTE OHNE GRENZEN kritisierten die „Reichtum macht erfinderisch“-These der UCL hingegen scharf und werteten sie als Teil einer breiter angelegten Kampagne für höhere Arznei-Preise. Die Organisation warf den Konzernen vor, trotz immenser Profite bei der Entwicklung wichtiger Medikamente, wie z. B. neuer Antibiotika, zu versagen und forderte die Unternehmen auf, ihre Geschäftspraxis zu ändern. „Es ist dringend nötig, dass BAYER, NOVARTIS und die Industrie als Ganzes Innovationsmodelle entwickeln, die neue Pharmazeutika für alle erschwinglich hält“, so die Sprecherin Katy Athersuch.

BAYER zeichnet Bluter-Film aus
Im Rahmen seiner image-fördernden Sponsoring-Aktivitäten finanziert der Leverkusener Multi auch den „Deutschen Hörfilm-Preis“ des „Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes“. Im März 2014 hat dieser nun ausgerechnet ein Werk ausgezeichnet, in dem der Pharma-Riese selber eine nicht gerade kleine Rolle spielt. „Blutgeld“ handelt nämlich von dem AIDS-Skandal, den HIV-verseuchte Blutprodukte von BAYER und anderen Konzerne in den 1980er Jahren ausgelöst haben, weil die Unternehmen die Präparate aus Kostengründen keiner sterilisierenden Hitze-Behandlung unterzogen hatten. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN protestierte scharf gegen das soziale Marketing des Global Players: „Wie pervers ist das denn? Das Leben Tausender Bluter hätte gerettet werden können, wenn die Verantwortlichen bei BAYER damals rechtzeitig gehandelt hätten. Und heute werden die Opfer dazu missbraucht, dem Konzern durch ‚mildtätige Gaben’ ein menschliches Antlitz zu verleihen.“

Fortbildung von JournalistInnen
Krebs-Medikamente gehören zu den lukrativsten Pharma-Präparaten BAYERs. Darum ist dem Konzern an einer guten Presse gelegen. Um eine solche zu bekommen, unterstützt er Fortbildungsmaßnahmen für JournalistInnen. So stellte er der US-amerikanischen „National Press Foundation“ Geld zur Durchführung eines Programmes zur Verfügung, das SchreiberInnen im Dezember 2014 vier Tage lang die „Cancer Issues 2014“ nahebringen will.

Keine milde Reis-Gabe
Seit einiger Zeit vermarktet BAYER seinen hybriden, also nicht zur Wiederaussaat geeigneten Reis massiv und erhält sogar „Entwicklungshilfe“ (siehe ERSTE & DRITTE WELT). Um seine Produkte auf die Felder zu bringen, hat er Kooperationen mit staatlichen Stellen in Indonesien, Brasilien, Burma, China, Thailand, Vietnam und auf den Philippinen vereinbart. Und auch die Schäden, die der Taifun „Yolanda“ Anfang des Jahres in Südostasien angerichtet hat, nutzte der Leverkusener Multi zu Werbe-Zwecken. So spendete er 1.000 FarmerInnen insgesamt 20 Tonnen der Sorte ARIZE. Ob diese damit glücklich werden, steht allerdings dahin. So klagten etwa indonesische LandwirtInnen über ARIZE, weil er hohe Produktionskosten verursacht, schlecht schmeckt und anfälliger gegenüber Schadinsekten ist. Zudem ist der Hybrid-Reis auf die Bedürfnisse der industriellen Landwirtschaft zugeschnitten, weshalb die Initiative ALLIANCE OF AGRARIAN REFORM MOVEMENT bereits vor einem Bauernsterben warnte.

BAYER sammelt Unterschriften
Viele chemische Substanzen ähneln in ihrem Aufbau Hormonen und wirken auch vergleichbar. Darum können sie den menschlichen Hormonhaushalt stören und so den Organismus schädigen. Die Europäische Union arbeitet gerade an einer Schwarzen Liste solcher Stoffe. Da viele von ihnen in Pestiziden zum Einsatz kommen, fürchtet der Leverkusener Multi um seine Produktpalette. Zudem beklagt er „die völlig überzogenen Registrierungsanforderungen“ der EU im Allgemeinen und das von ihr vorübergehend verhängte Verbot der bienenschädigenden BAYER-Ackergifte PONCHO und GAUCHO im Besonderen. Der Konzern hat deshalb eine Kampagne ins Leben gerufen. Er warnt bei einer Fortführung der gegenwärtigen Pestizid-Politik nicht nur vor Betriebsverlagerungen und Arbeitsplatzverlusten in der Chemie-Branche, sondern auch vor einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der bundesdeutschen Landwirtschaft. Viele Bauern und Bäuerinnen vermochte das Unternehmen schon zu mobilisieren; 13.000 Unterschriften sammelte der Agro-Riese unter ihnen. „Die Bauernschaft ist aufgewacht“, bekundete der Deutschland-Chef von BAYER CROPSCIENCE, der passenderweise auch dem „Industrieverband Agrar“ vorsitzt, bei der Übergabe der Unterschriften-Listen an den Bauernverbandspräsidenten Joachim Rukwied. Und der bedankte sich artig beim Global Player: „Der Einsatz von BAYER bei dieser Aktion ist in der Branche vorbildhaft (...) Gegenüber den Gremien in Brüssel können wir ein eindeutiges Signal für den Pflanzenschutz setzen.“

BAYER bei der Fußball-WM
BAYER nutzte die Fußball-WM in Brasilien als Werbe-Auftritt für „Chemie im Alltag“. „Transparente MAKROLON-Massivplatten sorgen (...) dafür, dass die 70.000 Zuschauer im künftigen Estádio Nacional in der Hauptstadt Brasilia geschützt vor Sonne und Regen verfolgen können“, vermeldete der Konzern. In der heimatlichen „Bayarena“ musste der Hausherr eine ältere Version dieser Platten jedoch wegen Brandgefahr für teures Geld auswechseln. Aber nicht nur im „Estadio Nacional“ steckt Chemie made in Leverkusen. Auch im WM-Ball, in den Fußballschuhen und in der „Wäsche mit Kompressionsfunktion, die wie eine zweite Haut am Körper sitzt“, treibt sie ihr Unwesen.

Bienenweiden made by BAYER
Obwohl die hauseigenen Pestizide nun auch schon die hauseigenen Bienen dahingerafft haben (siehe PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE), leugnet der Leverkusener Multi immer noch beharrlich den Zusammenhang zwischen der Verwendung von Agro-Giften und dem Bienensterben. Stattdessen inszeniert sich der Konzern als Bienenkümmerer. Zu seinen „Bee Care“-Aktivitäten gehört neben dem Anlegen von Ackerrand-Streifen mit pollen-reichen Blütenpflanzen in einem Feldversuch (Ticker 4/13) auch die Unterstützung von Bienenweiden. „Allein in Deutschland und Österreich stellt BAYER im Rahmen des Projektes ‚Blühende Wege’ fast 30 Gemeinden und Städten das Saatgut kostenlos zur Verfügung“, verkündet das Unternehmen.

Extrem-Lobbyismus auf Hawaii
Auf Hawaii haben einige Regierungsbezirke strenge Auflagen zum Pestizid-Gebrauch erlassen. Darüber hinaus haben sie die Aussaat von Gen-Pflanzen verboten oder planen einen entsprechenden Bann. In eine Kampagne gegen diese Regelung steckten BAYER, MONSANTO & Co. 50.000 Dollar. Dabei bedienten die Konzerne sich auch ihrer Jura-Fabrik ALEC, die PolitikerInnen Paragrafen-Werke frei Haus liefert (Ticker 4/12). Für den besonderen Zweck hatte sie ein „Modell-Gesetz“ im Angebot, das es Bundesstaaten erlaubt, auf niedrigeren Ebenen erlassene Bestimmungen wieder aufzuheben. Auch die am 9. August auf der Insel anstehende Wahl ließen sich die Unternehmen viel kosten. Ihnen wohl gesonnene Kandidaten erhielten jeweils 5-stellige Beträge. Aber nicht nur auf Hawaii steigt die Zahl der Gentechnik-GegnerInnen. Zwei Bezirke des Bundesstaates Oregon votierten ebenfalls gegen die Laborfrüchte. In Jackson County erreichte eine von FarmerInnen initiierte Petition eine Stimmen-Mehrheit, obwohl die Multis wieder ein ALEC-Gesetz gegen das Ansinnen aufgeboten und rund 450.000 Dollar in Gegenpropaganda (BAYER-Anteil: 22.000 Dollar) investiert hatten. Und im Anschluss daran gelang es auch LandwirtInnen in Josephine County, ein entsprechendes Begehr durchzusetzen.

Der Konzern als Kümmerer
Während der Konzern de facto immer unsozialer wird, indem er Arbeitsplätze vernichtet und Arbeitsbedingungen verschärft, macht seine PR-Abteilung seit einiger Zeit verstärkt auf „sozial“. Zu diesem Behufe initiierte sie 2007 die „BAYER Cares Foundation“, die Projekte in der Nähe der Konzern-Standorte fördert. 2013 unterstützte die Stiftung unter anderem die Bergkamener Down-Syndrom-Initiative, die in Wuppertal ansässige Ökumenische Telefon-Seelsorge, den Krefelder Mitmach-Bauernhof und den Verband der Funkamateure Moers. Über die Herbert-Grünewald-Stiftung gingen zudem Gelder an eine Schwimmgruppe für Menschen mit geistiger Behinderung, an den deutschen Gehörlosen-Sportverband sowie an das Inklusion beherzigende Fußball-Team einer Essener Hilfseinrichtung. Und den ASPIRIN-Sozialpreis des Jahres erhielt das Forschungszentrum Borstel für ihr Konzept zur Tuberkulose-Aufklärung.

TIERE & ARZNEIEN

Harmloses Tierarznei-Gesetz
Der massenhafte Einsatz von Antibiotika in der Massenzucht fördert die massenhafte Entwicklung resistenter Erreger. In den menschlichen Organismus gelangt, können diese Krankheiten auslösen, gegen welche die human-medizinischen Pendants der Mittel dann nicht mehr wirken. 2012 lag die Gesamtmenge der verabreichten Pharmazeutika dieser Medikamenten-Gruppe bei 1.619 Tonnen. Der Anteil der Fluorchinolone, zu denen BAYERs BAYTRIL zählt, nahm dabei gegenüber dem Vorjahr um zwei auf zehn Tonnen zu. Die Politik hatte zwar eine Gesetzes-Verschärfung angekündigt, um den Verbrauch zu verringern, es blieb jedoch bei kosmetischen Maßnahmen. So sieht die neue „Tierarzneimittel-Mitteilungsdurchführungsverordnung“ lediglich ausgeweitete Dokumentationspflichten vor. Auf diese Weise hofft das Bundeslandwirtschaftsministerium LandwirtInnen, die sich besonders freigiebig im Umgang mit BAYTRIL & Co. zeigen, herausfiltern und zur Einsicht bringen zu können. An den Strukturen der Massentierhaltung aber will die Große Koalition nichts ändern. Zudem gilt das neue Paragrafen-Werk nur für Unternehmen mit mehr als 250 Mastschweinen und mehr als 1.000 Masthühnern bzw. -puten.

TIERE & VERSUCHE

Mehr Tierversuche
Im Geschäftsjahr 2013 hat der Leverkusener Multi mehr Tierversuche durchgeführt als 2012. Während der Konzern selber seine Experimente herunterfuhr und in den Laboren „nur“ noch 142.084 Ratten, Mäuse und andere Lebewesen traktierte (2013: 147.315), vergab er mehr Tests an externe Dienstleister, und dementsprechend stieg dort die Versuchstier-Zahl von 23.282 auf 30.203.

DRUGS & PILLS

Neuer YASMIN-Beipackzettel
Von Verhütungsmitteln der dritten Generation wie BAYERs YASMIN mit dem Wirkstoff Drospirenon geht ein höheres Thromboembolie-Risiko aus als von älteren Präparaten. Allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA registrierte im Zusammenhang mit YASMIN bereits 190 Sterbefälle. Die Europäische Arzneimittel-Behörde EMA hat die Präparate deshalb überprüft. Trotz ihrer Gefährlichkeit sieht die Einrichtung allerdings keine Veranlassung, die Mittel zu verbieten. Sie hat bloß veranlasst, auf den Beipackzetteln deutlicher vor den möglichen Nebenwirkungen zu warnen. Zudem kündigte die EMA eine Studie zum Gefährdungspotenzial des Inhaltsstoffs Chlormadinon an, der unter anderem in BAYERs ENRIQA enthalten ist. Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) beließ es jedoch nicht dabei, den Durchführungsbeschluss der EU umzusetzen: Es sprach sich ausdrücklich für die Verschreibung von älteren, risiko-ärmeren Kontrazeptiva mit dem Wirkstoff Levonorgestrel aus.

TRASYLOL: Vor Zulassung in Gebrauch?
Im November 2007 musste der Leverkusener Multi das Medikament TRASYLOL, das MedizinerInnen bei OPs zur Blutstillung einsetzten, wegen der Nebenwirkung „Tod“ vom Markt nehmen. Mehrere Studien hatten die Gefährlichkeit des Medikamentes belegt. So analysierte der Harvard-Professor Alexander Walker die Unterlagen von 78.000 Krankenhaus-PatientInnen und konstatierte im Falle einer Behandlung mit der Arznei eine erhöhte Sterblichkeitsrate sowie ein größeres Risiko für Nierenversagen, Schlaganfälle und Herz-Erkrankungen. Die EU hob das Verbot 2012 jedoch wieder auf, und der Leverkusener Multi verkaufte das Medikament an das schwedische Unternehmen NORDIC. Aber der Pharma-Riese kann die Verantwortung für die Risiken und Nebenwirkungen des Pharmazeutikums nicht so einfach abschütteln. Auf der BAYER-Hauptversammlung Ende April 2014 konfrontierte die Australierin Jennifer Lloyd den Konzern mit dem Vorwurf, den Tod ihres Vaters verschuldet zu haben. Nachdem er 1978 in einem Melbourner Hospital TRASYLOL erhalten hatte, erlitt er eine Serie von Herzinfarkten und verstarb schließlich. Noch dazu war das laut Jennifer Lloyd zu einem Zeitpunkt, da das Mittel in dem Land noch gar keine offizielle Zulassung besaß. Auf eine Erklärung zu dem frühen Gebrauch oder gar auf ein Schuldeingeständnis wartete die junge Frau in Köln jedoch vergebens.

NEXAVAR-Studie scheitert
BAYERs NEXAVAR mit dem Wirkstoff Sorafenib hat bislang eine Zulassung bei den Indikationen „fortgeschrittener Nierenkrebs“ und „fortgeschrittener Leberkrebs“. Der Leverkusener Multi setzt jedoch alles daran, das Anwendungsspektrum zu verbreitern. Ein Versuch mit dem Medikament zur ergänzenden Behandlung von solchen Leberkrebs-PatientInnen, denen die MedizinerInnen alle erkennbaren Tumor-Teile herausoperiert hatten, scheiterte allerdings: Die Arznei hat die Zeit bis zum Ausbruch neuer Karzinome nicht hinauszögern können. Vorher hatte NEXAVAR schon bei Haut-, Brust- und Bauchspeicheldrüsenkrebs versagt.

ASPIRIN verhindert keine Infarkte
Der Einsatz von ASPIRIN bei chirurgischen Eingriffen kann das Risiko von Herzinfarkten nicht vermindern. Stattdessen steigt für die PatientInnen die Gefahr, Blutungen zu erleiden. Das ergab eine Studie, die das „Population Health Research Institute“ der „McMaster University“ durchführte.

FDA: Kein ASPIRIN gegen Infarkte
Seit Jahren versucht der Leverkusener Multi nun schon, seinen „Tausendsassa“ ASPIRIN trotz eher durchwachsener Bilanz (s. o.) als Mittel zur Herzinfarkt-Prophylaxe zu etablieren. Bei Menschen, die vorbelastet sind, hat der Konzern dafür schon grünes Licht bekommen. Jetzt wollte er aber das Indikationsgebiet ausweiten und von der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA die Genehmigung dafür erhalten, das Medikament auch Gesunden zur Vorbeugung von Infarkten andienen zu können. Das lehnte die Behörde allerdings ab. „Nach einer sorgfältigen Überprüfung klinischer Studien kam die FDA zu dem Schluss, dass aus den Daten keine Empfehlung ableitbar ist, ASPIRIN Menschen zu verabreichen, die noch keinen Herzinfarkt oder Gehirnschlag erlitten und keine Herz/Kreislauf-Probleme haben“, sagte Dr. Robert Temple. Bei dieser Gruppe übersteige das Risiko von inneren Blutungen den Nutzen, so der Forschungsdirektor der Behörde.

ASPIRIN COMPLEX hilft nicht
Der Spiegel hat Peter Sawicki, den ehemaligen Direktor des „Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ gebeten, verschiedene Erkältungsmittel zu bewerten. BAYERs ASPIRIN COMPLEX mit den Inhaltsstoffen Acetylsalicylsäure und Pseudoephedrin-Hydrochlorid schneidet dabei nicht gut ab. Seine schleimhaut-abschwellende Wirkung lässt laut Sawicki zu wünschen übrig. Zudem leuchtet ihm nicht ein, warum ein Beutel des Mittels neunmal teurer ist als eine ASPIRIN-Tablette. Die „Stiftung Warentest“ kommt zu einem ähnlichen Urteil: „Eine nicht sinnvolle Kombination.“ Der Leverkusener Multi widerspricht da natürlich. Vom Spiegel zu einer Stellungnahme aufgefordert, verweist er auf positive Studien-Ergebnisse und betont, die Preise von ASPIRIN pur und ASPIRIN-COMPLEX seien nicht vergleichbar.

ASPIRIN bei Darmkrebs?
Nach zwei neueren Studien kann ASPIRIN bei bestimmten Menschen das Darmkrebs-Risiko reduzieren. Bei Personen mit einer größeren Menge des Enzyms 15-PGDH im Darm vermag der „Tausendsassa“ das Gefährdungspotenzial herabzusenken. Das berichteten – allerdings anhand relativ weniger Fälle – US-WissenschaftlerInnen in der Fachzeitschrift Science Translational Medicine. Zu einem ähnlichen Ergebnis waren vorher schon britische ForscherInnen gekommen (Ticker 4/09). Sie rieten aber trotzdem von einer vorbeugenden Einnahme ab, da die Wirksubstanz schwere Nebenwirkungen wie Magenbluten hat.

Leberschäden durch XARELTO
Zu den häufigsten Nebenwirkungen von BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO zählen Blutungen. Aber auch Leberschädigungen treten oft auf. So erhielt die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA in den ersten zehn Monaten des Jahres 2013 320 diesbezügliche Meldungen von ÄrztInnen. Sieben tödliche Verläufe waren darunter und 26 Fälle von Leberversagen. „In der entsprechenden Fachinformation (...) findet man dazu keine deutliche Warnung“, kritisiert der Arzneimittelreport der Krankenkasse Barmer GEK. Der Leverkusener Multi weist dort lediglich darauf hin, dass PatientInnen mit Leber-Erkrankungen das Medikament nicht nehmen sollten.

XARELTO macht die Kassen arm
BAYERs umstrittener Gerinnungshemmer XARELTO (s. o.) gehörte 2013 zu den umsatzträchtigsten patentgeschützten Arzneimitteln in der Bundesrepublik. Mit Erlösen von 949 Millionen Euro – fast 200 Prozent mehr als 2012 – musste das Präparat mit dem Wirkstoff Rivaroxaban nur den beiden Rheuma-Mitteln HUMIRA und ENBREL den Vortritt lassen. Das Konkurrenz-Präparat PRADAXA mit dem Wirkstoff Dabigatran kam mit 86 Millionen Euro nicht annähernd in solche Regionen. Die Krankenkasse Barmer GEK, die nur für fünf Arzneien mehr ausgab als für das BAYER-Produkt und fast ein Prozent ihres Medikamenten-Etats in das Mittel investieren musste, schreibt dies bloß dem immensem Reklame-Aufwand des Konzerns zu. „Da Dabigatran länger auf dem Markt erhältlich ist und früher eine Zulassungserweiterung als Rivaroxaban bekommen hatte und da bis heute keine pharmakologischen Vorteile oder gravierenden Unterschiede zwischen den beiden Wirkstoffen belegt wurden, kann diese extreme Steigerung bei Rivaroxaban nur durch Marketing- und Werbemaßnahmen zustande gekommen sein“, heißt es im „Arzneimittelreport 2014“.

Vitamin-Pillen helfen nicht
Der Leverkusener Multi preist seine ONE-A-DAY-Vitaminpräparate als wahre Wunderpillen an. Nach Angaben des Konzerns sollen sie gleichzeitig das Herz und die Immunabwehr stärken, den Augen gut tun und dem Körper zu mehr Energie verhelfen. Dank solcher Versprechungen finden diese Produkte und andere Nahrungsergänzungsmittel aus dem Hause BAYER reißenden Absatz. Im Geschäftsjahr 2013 machte das Unternehmen damit einen Umsatz von über einer Milliarde Euro. Das medizinische Urteil über die zusätzlich zur Nahrung eingenommenen Substanzen fällt allerdings verheerend aus. So kam ein ForscherInnen-Team der „Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health“ um Dr. Eliseo Guallar zu dem Schluss: „Wir glauben, dass es klar ist, dass Vitamine nicht helfen.“ Da ONE-A-DAY & Co. unter Umständen sogar noch negative Wirkungen entfalten können, forderte Guallar die VerbraucherInnen unmissverständlich auf, die Stoffe nicht mehr zu kaufen.

Schwanger trotz ESSURE
ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, hat unter anderem Nebenwirkungen wie Blutungen, Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und kann Allergien auslösen. Die kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass es die Eileiter verschließt, verrichtet zudem ihren Dienst nicht zuverlässig. Die Wahrscheinlichkeit, trotz ESSURE schwanger zu werden, liegt bei 9,6 Prozent. Das ergab eine Studie der „Yale School of Medicine“ unter Leitung von Aileen Gariepy.

BAYERs Afrika-Agenda
Seit einiger Zeit haben die Global Player auf der Suche nach neuen Absatz-Gebieten die „Low-income Markets“ entdeckt (siehe auch SWB 4/13). Nach einer vom „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) herausgegebenen – und vom Pillen-Riesen SANOFI gesponserten – Expertise haben diese nämlich ein Volumen von bis zu 160 Milliarden Dollar. Deshalb heißt es bei BAYER: „2014 steht eine Afrika-Strategie hoch oben auf der Agenda.“ Momentan setzt die Pharma-Sparte auf dem Kontinent 650 Millionen Euro um. Der Konzern erwartet durch eine anwachsende Mittelklasse jedoch deutlich bessere Zahlen, besonders in Kenia, Tansania, Kamerun, Nigeria, der Elfenbeinküste und Südafrika. Als Türöffner für die Ausweitung des Export-Geschäfts fungieren dabei oft staatliche Hilfsorganisationen. So hat der Leverkusener Chemie-Multi in Äthiopien mit der US-amerikanischen Entwicklungshilfe-Behörde USAID ein „innovatives Geschäftsmodell“ entwickelt. Die „Contraceptive Security Initiative“ sieht vor, Frauen „mit mittlerem Einkommen in vorerst elf subsaharischen Entwicklungsländern Zugang zu bezahlbaren oralen Kontrazeptiva“ zu verschaffen. Das Unternehmen stellt dafür die Pillen bereit, und die USAID zahlt für die Erstellung und Verbreitung von Informationsmaterial zu den Mitteln. „Einen neuen strategischen Ansatz und einen innovativen Weg zur Erschließung der Märkte in Entwicklungsländern“ nennt der Pharma-Riese das Ganze.

BAYER kauft PatientInnen-Daten
Wissen ist Macht – darum interessiert sich BAYER sehr für PatientInnen-Daten. Bei der englischen Gesundheitsbehörde NHS erwarb der Leverkusener Multi Material, „um die Größe des britischen Marktes für Gebärmutter-Wucherungen zu erkunden“ und mit diesem Wissen „den Marketingstrategie-Prozess zu füttern“. Auch andere Firmen beteiligten sich am Großeinkauf, was auf der Insel einen großen Skandal auslöste. Der Pharma-Riese hat aber noch andere Informationsquellen. So ist er in der Bundesrepublik Kunde bei der Firma PHARMAFACT, welche die Rezepte der Krankenkassen auswertet. Darum weiß der Konzern ganz genau, wie das Geschäft mit seinen Arzneien so läuft und wie er seine Pharma-DrückerInnen präparieren muss. Manchmal weiß er es sogar genauer, als die Polizei erlaubt. PHARMAFACT gab nämlich bis 2012 widerrechtlich nicht nur anonymisierte Unterlagen heraus, sondern auch solche mit Namen von MedizinerInnen, so dass BAYER & Co. ganz genaue Informationen über die Verschreibungsgepflogenheiten in den einzelnen Praxen hatten. „Die Unterlagen, die uns in Auszügen zugespielt wurden, scheinen valide zu sein. Sie könnten einen der größten Daten-Skandale der Bundesrepublik im Medizinbereich aufdecken“, so das „Unabhängige Datenschutzzentrum Schleswig-Holstein“ damals.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Tod durch Endosulfan
In Argentinien starb ein Junge durch eine Vergiftung mit dem eigentlich verbotenen Pestizid Endosulfan, das auf einer nahe der Wohnung der Familie gelegenen Tomaten-Plantage zum Einsatz kam. Gegen ihren Besitzer, der den früher auch in BAYER-Produkten wie MALIX, PHASER und THIODAN enthaltenden Wirkstoff ausbringen ließ, läuft in der Sache jetzt ein Strafverfahren.

Pestizide in Pollen
Ackergifte haben einen großen Anteil am weltweiten Bienensterben. Da wundert es nicht, dass GREENPEACE die Agro-Chemikalien auch in von den Bienen gesammelten Pollen aufspüren konnte. In 72 von 107 Proben fanden sich Pestizid-Rückstände. Unter den drei am häufigsten nachgewiesenen Wirkstoffen fanden sich zwei, die auch in BAYER-Mitteln enthalten sind: Chlorpyrifos (BLATTANEX, PROFICID und RIDDER) und Thiacloprid (CALIPSO, PROTEUS). Aber es waren auch noch andere vom Leverkusener Multi verwendete Substanzen im Blütenstaub enthalten wie Fenhexamid (TELDOR), Spiroxamine (PROSPER) und Trifloxystrobin (NATIVO, CORONET).

Pestizide in Zuchtblumen
GREENPEACE hat Zierpflanzen aus Garten-Centern und Baumärkten nach Pestizid-Rückständen untersucht. In 84 der 86 Proben wurde die Organisation fündig. Und am häufigsten führte die Spur nach Leverkusen: „In Anbetracht aller nachgewiesenen Pestizide kann der größte Produzent als BAYER CROPSCIENCE identifiziert werden, der sechs von 18 nachgewiesenen Pestizide produziert“, Am häufigsten stießen die WissenschaftlerInnen dabei auf die besonders für Bienen gefährlichen Neonicotinoide GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin), deren Gebrauch die EU vorerst stark eingeschränkt hat. In 43 bzw. sieben Prozent der untersuchten Blumen trieben diese Substanzen ihr Unwesen.

Pestizide im Salat
In der NDR-Sendung markt untersuchten JournalistInnen, wie viel Pestizid-Rückstände sich auf einem Blattsalat finden lassen. Sie behandelten einen Kopf mit dem BAYER-Insektizid CALYPSO und gaben ihn anschließend in ein Labor. Die WissenschaftlerInnen wiesen sechs Milligramm des Wirkstoffes Thiacloprid pro Kilo in der Probe nach – vier Milligramm mehr, als der Gesetzgeber erlaubt. Die Redaktion konfrontierte dann den Leverkusener Multi mit dem Ergebnis. Und der konnte sich das alles nur mit einer falschen Versuchsanordnung erklären: „Wir schließen aus dem von ihnen angegebenen sehr hohen Wert von sechs Milligramm pro Kilogramm, dass entweder die empfohlende Aufwandmenge überschritten worden ist oder die Analyse unmittelbar nach der Anwendung erfolgte.“ Da schloss der Konzern aber falsch: Das Fernseh-Team hatte sich genau an die Packungsanweisung gehalten und den Salat auch erst nach Ablauf einer bestimmten Zeit zur Untersuchung gebracht.

Bienensterben comes home
Nun konnte der BAYER-Konzern die Wirkung seiner Pestizide auf das Leben der Bienen einmal aus erster Hand erleben. Von dem Bienensterben mit einer Million toten Tieren, zu dem es Ende März 2014 in Leverkusen kam, waren nämlich auch eigene Bestände betroffen. Und als Ursache stellten die Behörden zweifelsfrei BAYERs Pestizid-Wirkstoff Clothianidin fest, dessen Zulassung für bestimmte Anwendungen wegen seiner bienenschädigenden Effekte eigentlich noch bis zum Dezember 2015 ruht. Von der Varroa-Milbe, welche der Agro-Riese selber immer gerne für die Dezimierung der Gattung verantwortlich macht, war dagegen weit und breit nichts zu sehen. Aus welcher Quelle das Agro-Gift stammte, vermochten die Behörden in einer nachfolgenden Untersuchung allerdings nicht mehr zu ermitteln.

Neue Bienensterben-Studien
Die beiden BAYER-Pestizide PONCHO und GAUCHO gehören zur Gruppe der Neonicotinoide. Wegen ihrer Schädlichkeit für Bienen hat die EU sie 2013 für vorerst zwei Jahre aus dem Verkehr gezogen. Diverse neue Studien belegen nun, wie richtig die Entscheidung war. Ein WissenschaftlerInnen-Team der Harvard University um Chensheng Lu setzte 12 Bienenvölker Neonicotinoiden aus und ließ sechs verschont. Den Sommer über passierte nichts, aber im Winter verwaisten sechs der mit den Pestiziden traktierten Bienenstöcke – für die ForscherInnen ein klares Zeichen für die Langzeitfolgen von PONCHO & Co. Zu einem ähnlichen Befund kommt die internationale WissenschaftlerInnen-Gruppe „Task Force on Systemic Pesticides“. Sie analysierte 150 Neonicotinoid-Studien und das Fazit lautete: Die Stoffe haben verheerende Auswirkungen nicht nur auf Bienen, sondern auch auf andere Insekten, Würmer und Vögel. Da die Chemikalien also den ganzen Naturkreislauf stören, fordert die Task Force ein weltweites Verbot der Substanz-Klasse. Caspar Hallmann von der niederländischen Radboud-Universität konnte die Schäden teilweise sogar genau beziffern. Nach seiner Untersuchung geht die Vogel-Population bei einer GAUCHO-Konzentration im Oberflächen-Gewässer von mehr als 20 Billionstel Gramm pro Liter um jährlich 3,5 Prozent zurück, weil das Gift den Tieren ihre Nahrungsgrundlagen raubt.

UBA für sparsamen Glyphosat-Gebrauch
Das Anti-Unkrautmittel Glyphosat kommt hauptsächlich in Kombination mit MONSANTO-Genpflanzen der „ROUND UP“-Baureihe zum Einsatz, aber auch in BAYER-Pestiziden wie GLYPHOS oder USTINEX. Zudem will der Multi es künftig gemeinsam mit der Gensoja-Sorte „FG 72“ sowie seinen genmanipulierten Baumwoll-Arten „GHB 614“, „GHB119“ und T304-40 vermarkten. Obwohl mehrere Studien Spuren des Giftstoffes im menschlichen Organismus gefunden hatten, stellte das „Bundesinstitut für Risiko-Bewertung“ (BfR) der Substanz eine Unbedenklichkeitsbescheinigung aus. Das Umweltbundesamt (UBA) plädiert hingegen für eine sparsame Verwendung des Mittels, denn es trägt nach Ansicht des UBA-Chemieexperten Klaus Günter Steinhäuser wesentlich zur Reduzierung der Artenvielfalt bei.

Glyphosat-Gebrauch eingeschränkt
Der Pestizid-Wirkstoff Glyphosat steht im Verdacht, Fehlbildungen hervorzurufen, das Erbgut zu schädigen und Krankheiten wie Alzheimer, Diabetes und Krebs zu befördern. Das Verbraucherschutzministerium hat deshalb eine Ausbringungsbeschränkung für den auch in BAYER-Produkten vorkommenden (s. o.) Stoff erlassen. Es erlaubt die „Spätanwendung in Getreide“ nur noch auf Teilflächen. Dem Bundesrat geht das allerdings nicht weit genug. Die Länderkammer fordert ein umfassendes Verbot des Einsatzes der Substanz bei der Reife-Beschleunigung und darüber hinaus noch einen Glyphosat-Bann für den Haus- und Gartenbereich.

El Salvador bannt BAYER-Pestizide
Von 2007 bis 2011 gingen den Behörden in El Salvador 8.159 Meldungen über Pestizid-Vergiftungen ein. Darum zog das Land die Notbremse und verbot 53 Wirkstoffe. Der Bann betrifft auch viele Substanzen, die in BAYER-Mitteln Verwendungen finden wie etwa Endosulfan (MALIX, PHASER, THIODAN), Glyphosat (GLYPHOS, USTINEX G), Chlorpyrifos (BLATTANEX, PROFICID und RIDDER), Parathion-Methyl (ME 605 Spritzpulver) und Methamidophos (TAMARON). Kurz darauf verweigerten die USA die Freigabe von schon bewilligten Entwicklungshilfe-Geldern, weshalb nicht wenige UmweltaktivistInnen darin eine von BAYER & Co. veranlasste Strafaktion der Obama-Administration sehen.

Teilverbot für MESUROL
Das BAYER-Pestizid MESUROL darf nicht mehr als Mittel gegen Schnecken zum Einsatz kommen. Wegen der extremen Giftigkeit des Inhaltsstoffs Methiocarb hat die EU dem Produkt für diesen Anwendungsbereich die Zulassung entzogen.

BAYER goes bio

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Der Leverkusener Multi setzt in letzter Zeit vermehrt auf „bio“, da sich Schadinsekten und Unkräuter immer besser auf die handelsüblichen Pestizide einstellen. So kaufte er jetzt das argentinische Unternehmen BIAGRO, das biologische Saatgutbehandlungsmittel auf der Basis von Mikro-Organismen und Pilzen sowie Mittel zur Stärkung des Pflanzen-Wachstums produziert.

BAYER goes bio

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Der Global Player will die Produktion von Pestiziden auf biologischer Basis erhöhen. Um mehr Chargen seines Anti-Wurmmittels BIBACT und seines Anti-Pilzmittels CONTANS herstellen zu können, baut er seine Fertigungsstätte in Wismar aus. Auch die Forschungsaktivitäten am Standort plant der Leverkusener Multi zu erweitern. Noch machen BIBACT & Co. allerdings nur einen Bruchteil der Produktpalette von BAYER AGROSCIENCE aus.

GENE & KLONE

Die Gentech-Ökonomie
In ihrer Werbung für die Gentechnologie versprechen die Agro-Riesen gerne das Grüne vom Himmel bzw. der Erde. So sollen die Laborfrüchte nicht weniger als das Welthunger-Problem lösen helfen. Im Alltagsgeschäft hört sich das alles weit profaner an. In einem Patentantrag für ein gentechnisches Verfahren redet BAYER Klartext. „Transgene Pflanzen werden vor allem eingesetzt, um das Produktionspotenzial der jeweiligen Pflanzen-Sorte bei möglichst geringem Einsatz von Produktionsmitteln möglichst günstig zu nutzen“, heißt es dort ungeschminkt.

Neues Gentech-Soja
In den USA bringt BAYER 2015 die Genlabor-Frucht CREDENZ heraus und vermeint damit laut eigener Werbeaussage, die Sojabohne neu erfunden zu haben. Der Konzern vermarktet das Produkt in zwei Variationen, einmal mit einer Resistenz gegen das Pestizid Glyphosat und einmal mit einer gegen Glufosinat. Das ursprünglich von MONSANTO entwickelte Glyphosat ist seit 30 Jahren im Einsatz und steht im Verdacht, Fehlbildungen hervorzurufen, das Erbgut zu schädigen und Krankheiten wie Alzheimer, Diabetes und Krebs zu befördern. Da viele Wildpflanzen dem Mittel inzwischen trotzen, hofft der Leverkusener Multi mit seinem noch gefährlicheren und deshalb in der EU nur noch bis 2017 zugelassenen Glufosinat in die Lücke vorstoßen zu können. Es dürfte jedoch nur eine Frage der Zeit sein, wann sich auch hier ein Gewöhnungseffekt einstellt.

Importgenehmigung für SYNT0H2
BAYER und SYNGENTA haben für ihr Gensoja SYNT0H2, das nicht nur gegen BAYERs Ultragift Glufosinat sondern auch gegen den Pestizid-Wirkstoff Mesotrione von SYNGENTA resistent ist, von den australischen Behörden eine Importgenehmigung erhalten.

Kein geringerer Pestizid-Verbrauch
Das US-amerikanische Landwirtschaftsunternehmen hat auf der Basis von Daten aus dem Jahr 2010 untersucht, ob die Einführung gentechnisch veränderter Pflanzen zu einer Reduzierung des Pestizid-Verbrauchs geführt hat, wie BAYER & Co. es in ihren Produkteinführungskampagnen versprochen hatten. Das Ergebnis fällt wenig erfreulich für die Agro-Riesen aus. Bei den Herbiziden gingen zwar am Anfang die ausgebrachten Mengen tatsächlich zurück, in den letzten Jahren stiegen sie jedoch wieder. Die Unkräuter können sich nämlich immer besser auf die Gifte einstellen, welche die Konzerne im Kombipack mit den gegen die Produkte immunen Labor-Pflanzen vermarkten. Bei den Insektiziden notierte der Report hingegen einen nachhaltigeren Rückgang, aber hier dürfte das dicke Ende, da sich Baumwoll-Kapselwurm & Co. an die Agrochemikalien gewöhnen, erst noch bevorstehen. Zudem geht die Reduzierung nicht auf die Gentechnik zurück. Auch in der konventionell betriebenen Landwirtschaft landeten weniger chemische Keulen auf den Feldern.

WASSER, BODEN & LUFT

BAYERs Energie-Mix
Der Strom, den der Leverkusener Multi an seinen Standorten selbst erzeugt, speist sich zu rund zwei Dritteln aus Erdgas und zu einem Drittel aus der besonders klimaschädigenden Kohle. Wie es um die Zusammensetzung der zugekauften Energie bestellt ist, machte der Konzern bisher nie öffentlich. Deshalb fragte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auf der letzten Hauptversammlung im April 1014 nach. Das Unternehmen gab an, das übliche Großhandelsangebot zu beziehen und nannte folgende Zahlen für den Mix: 25,6 Prozent Braunkohle, 23,9 Prozent Erneuerbare Energien, 19,6 Prozent Steinkohle, 14,4 Prozent Atomenergie und 10,5 Prozent Erdgas.

„Dream Production“ geht in Serie
Der Leverkusener Multi entwickelte gemeinsam mit RWE und der „Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen“ ein Verfahren, um Kohlendioxid als Rohstoff zur Kunststoff-Herstellung zu nutzen (Ticker 1/10). Nach erfolgreicher Erprobung der „Dream Production“ errichtet BAYER nun in Dormagen für 15 Millionen Euro eine kleine Fertigungsstätte. Sie soll jährlich 5.000 Tonnen Polyole für die Polyurethan-Herstellung liefern. Der Pharma-Riese feiert diese Innovation als eine Großtat zur Rettung des Klimas. ExpertInnen beurteilen solche Versuche skeptischer. „Die stoffliche Nutzung kann keine riesigen Mengen binden, weil wir einfach viel, viel mehr Kohlendioxid freisetzen“, sagt etwa der Chemie-Ingenieur Arno Behr von der „Technischen Universität Dortmund“. Und selbst bei der günstigsten Hochrechnung fallen die Ergebnisse bescheiden aus. Sollten wirklich einmal weltweit alle Kunststoffe nach dem neuen Verfahren hergestellt werden, so wären gerade einmal 178 Millionen Tonnen Kohlendioxid gebunden – 0,6 Prozent der jährlichen Emissionen. Darüber hinaus fällt bei der „Dream Production“ selber nicht wenig CO2 ab, da energie-aufwendige Abtrennungs-, Reinigungs- und Verflüssigungsprozesse nötig sind, ehe aus den Rauchgasen der Kohlekraftwerke ein Rohstoff für die Chemie-Industrie entsteht.

Noch mehr „Dream Production“?
Ein großangelegtes Forschungsprojekt will nach Möglichkeiten suchen, um aus Kohlendioxid und anderen bei der Stahl-Produktion entstehenden Prozess-Gasen chemische Grundstoffe zu gewinnen. Neben dem Leverkusener Multi, der die Erfahrungen mit seiner „Dream Production“ (s. o.) einzubringen gedenkt, sind unter anderem THYSSENKRUPP, SIEMENS, BASF, RWE, die Universitäten Bochum und Duisburg sowie die Fraunhofer- und die Max-Planck-Gesellschaft an dem Vorhaben beteiligt.

Brückenbau auf Deponie-Gelände
Die Deponie Dhünnaue diente BAYER von 1923 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs als Giftmüll-Schlucker. Danach ließ der Leverkusener Multi nicht nur Gras über die Sache wachsen, sondern auch 220 Wohneinheiten sowie eine Schule, einen Kindergarten und ein Altersheim. Die Folge: Allein in der Hauptschule am Rand des Geländes traten 15 Krebserkrankungen und fünf Todesfälle auf. Die notwendigen Sanierungsmaßnahmen begannen erst in den 1990er Jahren. Der Konzern trug das verseuchte Erdreich jedoch keineswegs ab und umschloss es auch nicht vollständig. Lediglich zum Rhein hin sicherte er die Altlast mit Spundwänden ab. Deshalb ist es erforderlich, stündlich 750 Kubikmeter verseuchtes Wasser abzupumpen und zu reinigen – über Jahrhunderte hinweg. Und deshalb müssen jetzt auch die Sondierungsarbeiten zum Bau einer Autobahn-Brücke auf dem Areal äußerst vorsichtig verlaufen. Jedes Bohrloch birgt bis zu zwei Tonnen Sondermüll, was die Beschäftigten dazu nötigt, einen Ganzkörperschutz zu tragen. Auch besteht die Gefahr, dass die im Erdreich schlummernden Chemikalien die Brücken-Fundamente angreifen. „Man muss genau erkunden, welche Stoffe da vorhanden sind“, so Manfred Curbach von der Technischen Universität Dresden. Und Sven Sieberth vom Landesbetrieb Straßenbau NRW sieht ebenfalls Schwierigkeiten: „Also es könnte sein, wenn man Bereiche freilegt, dass das Material, was im Moment standfest ist, und tragfähig ist, dass es durch Witterungseinflüsse wie Regen dann aufweicht und keinen tragfähigen Untergrund hinterlässt. Also das Worst Case Scenario wäre dann, dass man (...) im schlimmsten Fall eine Betonplatte über die Deponie legen müsste, also im Prinzip wie ein Brückenbauwerk. Aber das wollen wir nicht hoffen, weil das würde zu immensen Mehrkosten (...) führen.“ Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hatte schon bei Beginn der Arbeiten gefordert, den Leverkusener Multi an der Finanzierung zu beteiligen. Aber das lehnt das Land Nordrhein-Westfalen ab, da es der Bauträger sei, der in die bestehende Situation eingreife. Auch an die Aufstellung eines Mahnmales denkt Rot-Grün nicht. „Ich bitte um Verständnis, dass ich hinsichtlich Ihres Wunsches nach einem Gedenkstein für mögliche Opfer der seinerzeit betriebenen Deponie zuständigkeitshalber nicht tätig werden kann“, diese Antwort erhielt ein CBG-Aktivist aus dem Verkehrsministerium auf eine entsprechende Anfrage.

NANO & CO.

BAYER verkauft auch Nano-Patente
Vollmundig hatte das „Erfinder-Unternehmen“ BAYER 2003 die Nano-Technik gepriesen. Mit einem Marktvolumen von 200 Milliarden Euro rechnete der Konzern. Zehn Jahre später verkündete er seinen Ausstieg (Ticker 3/13), da „bahnbrechende Anwendungen für den Massenmarkt“ nicht in Sicht seien. Und 2014 beendete der Leverkusener Multi das Kapitel endgültig. Der Global Player verkaufte die Patente für die ehemalige „Zukunftstechnologie“ an die Bayreuther Firma FUTURE CARBON.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Explosion in Kolumbien
Auf dem Gelände des BAYER-Werk nahe der kolumbischen Stadt Cali kam es am 3. Juli 2014 zu einer Explosion. Drei Menschen zogen sich dabei Verletzungen zu und mussten zur Behandlung in ein Krankenhaus.

Aus undichtem Salzstock fließt Öl
Aus Kochsalz wird Sole gewonnen, ein wichtiger Grundstoff der Kunststoff-Produktion. Darum hält der Leverkusener Multi zehn Prozent der Geschäftsanteile an dem Förder-Unternehmen SGW. Dieses hat die beim Salz-Abbau entstehenden Hohlräume an Energie-Konzerne vermietet, die dort unterirdische Öl- und Gasreservoirs unterhalten. Im Münsterland bildete sich in einer 217 Meter unter der Erdoberfläche liegenden Rohrleitung eines Stollens ein Leck. Unmengen von Öl drangen daraus an die Oberfläche und überzogen große Areale mit einem schmutzigen Film. 10 Kühe, die das Gemisch tranken, mussten TierärztInnen einschläfern. 35.000 Tonnen Öl pumpten die Hilfskräfte ab und 1.000 Tonnen verseuchtes Erdreich entsorgten sie. Die SGW hatte schon zwei Monate vor dem Austritt einen Druckabfall in den Speichern bemerkt, aber keine entscheidenden Schritte in die Wege geleitet. Claudia Baitinger vom BUND erklärte zu der Umweltkatastrophe: „Ohne die unersättliche Gier nach Sole, die von den NRW-Chemiefirmen SOLVAY, BAYER und VESTOLIT/EVONIK hauptsächlich für die Herstellung des umweltproblematischen Kunststoffes PVC seit Jahrzehnten gebraucht wird, hätte es die Begehrlichkeiten, in den entstandenen Hohlräumen unter einem der ökologisch wertvollsten Naturschutz- und FFH-Gebiete NRWs riesige Öl- und Gasspeicher anzulegen, nicht gegeben. Bereits vo

[HV Reden] STICHWORT BAYER 02/2014

CBG Redaktion

Viele Fragen und keine Antworten

Konzernkritik x 26

Die HV-Gesamtschau: 26 Gegen-RednerInnen traten am 29. April 2014 vor die AktionärInnen. Sie brachten Themen wie Pharma-Patente, Arznei-Nebenwirkungen, Medikamenten-Tests, Tierversuche, Bienensterben, gefährliche Chemikalien, Gentechnik, die Kohlenmonoxid-Pipeline, Klimasünden und die Konzern-Vergangenheit auf die Tagesordnung und setzten BAYER mit ihren Fragen gehörig unter Druck. Entsprechend schwer tat sich der Konzern mit den Antworten.

Von Jan Pehrke

Der Unternehmensteil, welcher bei BAYER am meisten zur goldenen Geschäftsbilanz beiträgt, ist gleichzeitig auch derjenige, welcher die größte Schadensbilanz aufweist: Der Pharma-Bereich. Und dass dazwischen ein Zusammenhang besteht, machten auch bei der diesjährigen Hauptversammlung wieder zahlreiche GegenrednerInnen deutlich. Zusätzlich zu den Pillen-Geschädigten, die von weither nach Köln angereist waren, kamen auch viele ihrer deutschen Leidensgenossinnen nach Köln. So traten Felicitas Rohrer und Kathrin Weigele gleich in Begleitung von sechs Mitstreiterinnen von der Initiative RISIKO-PILLE ans Rednerpult, um vor den AktionärInnen eine wahre „Chronique scandaleuse“ der Verhütungsmittel der dritten und vierten Generation auszubreiten.

Bittere Pillen
Diese begann den beiden Frauen zufolge schon mit kritischen Stimmen zur Markteinführung im Jahr 2000, setzte sich dann mit unzähligen warnenden Studien und den ersten Klagen fort und ist heute mit 28 Toten allein in der Bundesrepublik, unzähligen Prozessen und hohen Schadensersatz-Zahlungen noch längst nicht beendet. Aber all das prallte an BAYER-Chef Marijn Dekkers ab. „Ich möchte auch in diesem Jahr betonen: Wir stehen hinter unseren oralen Kontrazeptiva“, entgegnete der Vorstandsvorsitzende Rohrer und Weigele.
Aber nicht nur orale Kontrazeptiva, auch andere Verhütungsmittel des Leverkusener Multis haben es in sich. Von den Risiken und Nebenwirkungen der Hormon-Spirale MIRENA legte eine Geschädigte aus Berlin Zeugnis ab: „Die meisten klagen über Haarausfall, Akne, Zysten, Gewichtszunahme, Libido-Verlust, Depression und Panikattacken.
Gemeinsam ist vielen dieser MIRENA-Betroffenen, dass sie jahrelang unter vielen Nebenwirkungen gelitten und einen regelrechten Ärzte-Marathon hinter sich gebracht haben. Dabei hieß die Ursache ihrer Beschwerden ganz einfach: MIRENA. Herr Dr. Dekkers, was sagen Sie diesen Frauen? Dass sie einfach Pech hatten?“ Er sagte ihnen etwas anderes, aber ebenso wenig Sachdienliches. „In Zusammenarbeit mit den Behörden werden die wissenschaftlichen Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit von MIRENA fortlaufend kontrolliert und bewertet. Danach gibt es keinen Zweifel am positiven Nutzen/Risiko-Profil dieses Produktes“, so der Niederländer. Und dann bemerkte er noch achselzuckend, es sei eben nicht jedes Mittel für jede Frau geeignet.
Definitiv für gar keine Frau geeignet war der hormonelle Schwangerschaftstest DUOGYNON bzw. PRIMODOS. Das Produkt der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING hat ab den 1950er Jahren zu tausenden Todgeburten geführt. Darüber hinaus kamen bis zum Vermarktungsstopp in den 1970er Jahren unzählige Kinder mit schweren Missbildungen zur Welt. „Können Sie sich vorstellen, was es bedeutet, ihr Kind mit von PRIMODOS verursachten Schmerzen und Jahre andauernden Krankheiten aufwachsen zu sehen“, fragte deshalb die Engländerin Valerie Williams die AktionärInnen in ihrer Rede, deren Übersetzung Peter Noquet vortrug. Für das Leid, welches das Unternehmen ihrem Sohn und ihr zugefügt hat, verlangte die Rentnerin eine Entschuldigung. Zudem erhob sie Anspruch auf Schmerzensgeld.
Andre Sommer formulierte ebenfalls Forderungen. „Stellen Sie sich endlich Gesprächen. Lassen Sie uns das Thema endlich beenden!“, appellierte er an den Vorstand. Der Lehrer, der sich als PRIMODOS-Spätfolge noch im letzten Jahr einer Magen-Operation unterziehen musste, prozessierte sogar schon gegen BAYER. Aber das Landgericht Berlin hatte seine Klage auf Herausgabe von PRIMODOS-Dokumenten abgewiesen. „Verjährt“ lautete das Urteil von 2012, das Sommer nicht akzeptieren kann. „Glauben Sie, dass meine Grunderkrankung für mich jemals verjährt?“, wollte er von den Managern wissen und erinnerte diese noch einmal an die Richter-Worte: Es gibt einen Unterschied zwischen Recht und Moral. Ein Weltkonzern wie BAYER sollte den Dialog suchen, da kann ich Sie nur ermahnen!“
Für diesen Dialog setzte sich auch Peter Noquet ein, den das Schicksal von Valerie Williams dazu bewogen hatte, noch eine eigene Rede zum Thema „Schwangerschaftstests“ zu halten. Er erinnerte Marijn Dekkers an den Firmen-Slogan „Responsible Care“ und fragte Vorstand und Aufsichtsrat, ob darin nicht auch eine Verpflichtung läge, den Geschädigten zu helfen, wenn sich ein Medikament als gefährlich erwiesen hätte. Margret-Rose Pyka vermochte ebenfalls nicht mehr länger tatenlos mit ansehen, wie BAYER Valerie Williams und andere Betroffene Jahr für Jahr erneut abkanzelt und schritt deshalb zum Mikrofon. Sie bezeichnete es als verantwortungslos, trotz früher Warnhinweise lange an den gesundheitsgefährdenden Arzneien festgehalten zu haben und alle Informationen zu den Hormon-Präparaten unter Verschluss zu halten. „Wann bitten Sie um Verzeihung, dass Sie das Vertrauen, das Ihre Firma so groß gemacht hat, missbrauchen“, fragte Sie Marijn Dekkers zum Abschluss. Doch zu einer solchen Geste war der Holländer nicht bereit. Er drückte nur kurz sein Bedauern über das persönliche Schicksal der Betroffenen aus, um dann ungerührt die Textbausteine zur Entlastung des Schwangerschaftstests aneinanderzureihen.
All die auf der Hauptversammlung inkriminierten Medikamente von DUOGYNON bis YASMIN haben vor ihrer Zulassung Tierversuche durchlaufen. Für Silke Bitz von ÄRZTE GEGEN TIERVERSUCHE ließ das nur eine Schlussfolgerung zu: „Wie ein neues Medikament beim Menschen wirkt, lässt sich also auf der Grundlage von Tierversuchen nicht mit der nötigen Sicherheit feststellen.“ Als konkretes Beispiel erwähnte sie BAYERs Cholesterin-Senker LIPOBAY, auf dessen fatale Nebenwirkung „Muskelzerfall“ es am „Tiermodell“ keinerlei Hinweise gegeben hatte. Nicht nur aus moralischen, sondern auch aus wissenschaftlichen Gründen plädierte die Diplom-Biologin deshalb für Alternativen wie Forschungen mit menschlichen Zellsystemen, Biochips oder Computer-Simulationen. Davon wollte der BAYER-Chef allerdings nichts wissen. „Zum Nachweis der Unbedenklichkeit und Wirksamkeit von Arzneimitteln und anderen chemischen Verbindungen sind Tierversuche nach wie vor wissenschaftlich notwendig“, meinte er, um dann zu konzedieren: „Das schließt die intensive Suche nach anderen Methoden natürlich nicht aus.“ Ergebnisse hat dieses Bemühen, das der Konzern sich seit Jahre zugutehält, allerdings noch nicht gezeitigt. Im Geschäftsjahr 2013 lag die Zahl der Tierversuche des Multis unverändert hoch bei rund 170.000.
Bei der Entwicklung von Medikamenten kommt nach den Tierversuchen die Erprobung am Menschen. Und auch hier geht das Unternehmen wenig zimperlich vor. Mit Vorliebe verlegt er die Arznei-Tests nämlich in ärmere Länder wie Indien. Dort locken ein großes Reservoir an armen und deshalb auf Geld angewiesenen ProbandInnen, unschlagbare Preise und ein löchriges Kontrollsystem. Die Folgen führte die indische Journalistin Ruhi Kandhari der Hauptversammlung vor Augen: Zwischen 2007 und 2012 starben 2.374 Menschen für die Pharma-Industrie, davon allein 146 für BAYERs neuen Gerinnungshemmer XARELTO. Das wären alles alte und kranke Hochrisiko-Patienten gewesen, gab Dekkers Kandhari wider besseren Wissens zur Antwort, ein Zusammenhang mit dem Präparat bestehe nicht, denn: „Untersuchungen am Menschen werden bei BAYER nach strengen wissenschaftlichen und ethischen Grundsätzen durchgeführt. Das gilt weltweit für alle Länder.“ Zu diesen Grundsätzen gehörte es für den Pharma-Riesen offenbar auch, ExpertInnen bei der Abfassung von XARELTO-Gutachten die Hand zu führen. Nach dem von Kandhari zitierten Bericht einer Untersuchungskommission waren es nämlich „fast identische Kopien“. Aber Dekkers stritt die „Schreibhilfe“ einfach ab: „Unser Unternehmen hat keinen Einfluss auf die Auswahl dieser Experten oder deren Einschätzungen.“
Mit BAYERs Pharmageschäftspraxis in Indien beschäftigte sich auch Philipp Frisch von ÄRZTE OHNE GRENZEN. Weil der Global Player dort für eine Therapie mit seinem Krebs-Präparat NEXAVAR monatlich 4.200 Euro berechnen wollte, hob ein indisches Gericht das Patent auf und erlaubte einer anderen Firma, eine preisgünstige Nachahmer-Version des Mittels herzustellen. Der Konzern ging juristisch gegen die Entscheidung vor, und im Rahmen dieses Rechtsstreits rechtfertigte der Ober-BAYER die Preis-Politik des Unternehmens. „Wir haben dieses Produkt nicht für den indischen Markt entwickelt (...) Wir haben es für westliche Patienten entwickelt, die es sich auch leisten können“, sagte er. Frisch kritisierte diese Äußerung scharf: „Dekkers‘ Zitat fasst alles zusammen, was heute im globalen Gesundheitsbereich falsch läuft: Medikamente nur für Reiche, Forschung soll durch Monopolversprechen und Patente angereizt werden.“ Der BAYER-Chef jedoch rechtfertigte seine Aussage. Die Entwicklung von Krebs-Medikamenten sei nun mal leider sehr teuer, führte er aus und erläuterte: „Dabei ist es offensichtlich, dass wir dieses Geld in den reicheren westlichen Ländern verdienen müssen, die gut entwickelte Krankenversicherungssysteme haben.“ Und gut entwickelte Gesetze zum „Schutz des geistigen Eigentums“, welche die Monopol-Gewinne garantieren. „Wenn aber der Patentschutz in Frage gestellt wird, kann das Geschäftsmodell nicht mehr funktionieren“, meinte Dekkers deshalb. Wenn jedoch dieses Geschäftsmodell funktioniert, dafür aber die Versorgung ärmerer Länder mit Medikamenten in Frage steht, wie es zur Zeit der Fall ist, dann helfen dem Holländer zufolge nur milde Gaben in Form von speziellen Arznei-Zugangsprogrammen.

Sterben wie die Bienen
Großen Raum auf der Hauptversammlung nahm auch das Thema „Bienensterben“ ein. Gleich vier RednerInnen widmeten sich dieser Nebenwirkung der BAYER-Pestizide PONCHO und GAUCHO aus der Gruppe der Neonicotinoide. „Es gibt keine Zukunft ohne Bienen“, hielt Anne Isakowitsch von der Initiative SumOfUs fest und erläuterte den Grund: „Jeder dritte Bissen Essen, den wir zu uns nehmen, hängt von der Arbeit von Bienen ab. Das weltweite Bienensterben gefährdet unser Überleben und das unserer Kinder.“ Eigentlich müsste ein Konzern, der sich zur Nachhaltigkeit bekennt und wirtschaftliches Wachstum mit ökologischer und gesellschaftlicher Verantwortung in Einklang bringen will, diese Entwicklung stoppen“, meinte die Aktivistin, was BAYER aber nicht tue. „Im Fall der bienentötenden Pestizide scheint Profit ganz klar wichtiger zu sein als diese Prinzipien“, konstatierte Isakowitsch, die nicht nur redete, sondern auch handelte. Sie übergab dem Vorstand eine Petition mit 600.000 Unterschriften zum Vermarktungsstopp von PONCHO & Co. GREENPEACE verband ebenfalls Wort und Tat. Hatte die Umwelt-Organisation Mitte April noch vor der Konzern-Zentrale gegen die Ackergifte des Multis protestiert und ein riesiges Transparent vom Vordach heruntergelassen, auf dem die Bienen selber fordern: „Stop killing us“, so erläuterte Dirk Zimmermann den AktionärInnen noch einmal genau die Motive für die Aktion. Die Initiative hatte nämlich jüngst eine Untersuchung über die Agro-Chemikalien durchgeführt und damit dem Belastungsmaterial noch weiteren Stoff hinzufügt. „Wir haben festgestellt, dass Pollen, der Bienen und ihrer Brut direkt als Nahrung dient, zum Teil mit bedenklichen Pestizid-Cocktails belastet war“, so Zimmermann.
BAYER hingegen gibt als Erklärung für das Massensterben stets die Varroa-Milbe und unprofessionelles Verhalten der BienenzüchterInnen an. Deshalb fragte Roger Dammé von der Europäischen ImkerInnen-Vereinigung BEE LIFE den Vorstand: „Wenn Imker und Bienenkrankheiten die Hauptschuldigen am Bienensterben sein sollen: Wie bitte erklären Sie sich dann den gleichzeitigen Rückgang von Schmetterlingen und anderen bestäubenden Insekten?“ Darüber hinaus wies Dammé auf Forschungen des „EU-Referenzlabors zur Bienengesundheit“ hin, die ebenfalls Parasiten-Befall als alleinige Ursache ausschlossen. Mit den mahnenden Worten: „Die Gesundheit der Honigbienen und anderer Insekten ist das Thermometer einer nachhaltigen Landwirtschaft. Im Moment steht das Thermometer auf Fieber.
Die aktuelle Ausrichtung des BAYER-Konzerns ist ein Teil des Problems“ beendete er seine Ausführungen.
Sogar die EU hat den Agro-Riesen als einen Teil des Problems ausgemacht und im Dezember 2013 die Ausbringung der Neonicotinoide auf bestimmten Kulturen für zunächst zwei Jahre untersagt. Aber BAYER zeigte sich weiter uneinsichtig. In Tateinheit mit SYNGENTA ging der Global Player gerichtlich gegen die Entscheidung vor. Wie Zimmermann, Isakowitsch und Dammé erboste diese Reaktion auch Christoph Koch vom deutschen „Berufs- und Erwerbsimkerbundes“ maßlos. „Was wollen Sie damit bezwecken?“ fragte er Dekkers & Co. und warnte: „Das wird ein Nachspiel geben von einer Dimension, wie es der Konzern in Fragen des Bienenschutzes noch nicht erlebt hat!“ Doch der Vorstandsvorsitzende legitimierte das Vorgehen gegenüber den kritischen AktionärInnen. Weil der Leverkusener Multi durch das vorübergehende Verbot die Rechtssicherheit von Pestizid-Zulassungen zur Disposition gestellt sah, habe er den Rechtsweg bestritten, so Dekkers. Und auch in der Sache zeigte er sich uneinsichtig. Alle möglichen Ursachen nannte der BAYER-Chef für das Bienensterben, die durch die Varroa-Milbe ausgelösten Gesundheitsstörungen, Umwelt- und Klima-Einflüsse und die Struktur-Veränderungen in der Landwirtschaft, nur eine nicht: die Neonicotinoide. „Die praktische Erfahrung sowie die wissenschaftliche Daten-Lage zeigen, dass sie keine negativen Auswirkungen auf die Entwicklung von Bienenvölkern haben, wenn die Produkte verantwortungsvoll und vorschriftsmäßig eingesetzt werden“, antwortete er den Gegen-RednerInnen.

Diese Produkte und die Genpflanzen im Angebot haben BAYER CROPSCIENCE zu einem der weltgrößten Agro-Unternehmen aufsteigen lassen. Konkurrenz herrscht in dem Segment kaum. BAYER, MONSANTO, SYNGENTA, DUPONT und DOW kommen sich nicht groß ins Gehege und verfolgen eine gemeinsame Politik, wie Olivia Tawiah darlegte. „Das Ziel dieses Oligopols ist ganz eindeutig, den Markt unter sich aufzuteilen, Preise und politische Rahmenbedingungen zu diktieren und letztlich die Ernährungsgrundlagen der Menschheit zu kontrollieren“, stellte die in der „Transition Town“-Bewegung aktive Frau fest und machte die Patente als zentrales Mittel zu diesem Zweck aus. Nicht weniger als 206 hält der Leverkusener Multi auf Mais, Weizen, Reis, Gerste, Baumwolle, Soja und sogar auf genmanipulierte Bäume, informierte die Düsseldorferin und wunderte sich: „Patente haben für mich immer etwas zu tun gehabt mit Erfindungen, die Menschen mit ihrer Phantasie und ihrem Wissen entwickelt haben und sind eng verknüpft mit dem Begriff der Originalität.
Patente auf Lebewesen jeglicher Art, die die Natur hervorbringt, gehören nach meinem Empfinden nicht dazu.
Die Natur ist lange vor BAYER und allen anderen Chemie-Konzernen entstanden.“ Noch mehr wunderte sie, dass es trotz all dieser Patente beim Global Player mit gegen Glufosinat und Glyphosat resistenten sowie mit dem Bacillus thuringiensis bestückten Pflanzen nur zwei Gentech-Varianten gibt, die noch dazu massive Risiken und Nebenwirkungen aufweisen. „Wegen der Gefahren für Mensch und Umwelt müssten Glufosinat und Glyphosat nach Ansicht von Umweltschützern sofort vom Markt genommen werden.
Darüber hinaus sind beide Techniken wegen der zunehmenden Resistenzbildung allenfalls noch ein paar Jahre wirksam und daher kaum zukunftstauglich“, ließ Tawiah wissen. Da gab sich auch Marijn Dekkers ratlos: „Schaderreger haben stets das Potenzial zu Resistenz-Bildung gegen Pflanzenschutzmittel (...) Es ist eine evolutionäre Eigenschaft der Lebewesen und dient ihrer Arterhaltung.“

CO & Co.
Unabdingbar für BAYERs Arterhaltung ist für ihn die Kohlenmonoxid-Pipeline, deren Gefahren-Potenzial gleich mehrere Redner aufbrachte. Als würden die bisher auf den Hauptversammlungen geäußerten Vorbehalte gegen die von Krefeld nach Dormagen verlaufende Giftgas-Leitung noch nicht ausreichen, trug Dieter Donner von der Initiative STOPP-CO-PIPELINE neue Argumente vor. Er setzte die Aktien-HalterInnen von dem Gutachten des „Bielefelder Instituts für Umweltanalyse“ in Kenntnis, wonach es eine - sogar um 60 Prozent kostengünstigere – technische Alternative zum Röhrenverbund gibt. Desweiteren informierte er über eklatante Mängel bei der vom Global Player schon lange betriebenen CO-Pipeline zwischen Leverkusen und Dormagen, die der Bezirksregierung 2007 bei ihrer Baugenehmigung für die neue Verbindung als „Referenz-Leitung“ diente. „Rostige Schwindsucht“ hat diese laut Donner befallen. An einigen Stellen hat die Korrosion die Rohrwände schon fast bis zur Hälfte durchdrungen, bekundete er.
Der Kinderarzt im Ruhestand Gottfried Arnold, der unter seinen KollegInnen 460 Unterschriften gegen das BAYER-Projekt gesammelt hat, problematisierte vor allem die mangelhaften Sicherheitsvorkehrungen. So beanstandete er die unzureichenden Vorrichtungen zur Erkennung von Lecks und wies auf die Nicht-Existenz eines mit allen AkteurInnen abgestimmten Alarm- und Gefahrenabwehrplanes hin. Zudem führte der Mediziner plastisch vor Augen, wie wenig die Feuerwehr im Falle eines GAUs ausrichten könnte, da das Kohlenmonoxid seine giftige Wirkung in Sekundenschnelle entfaltet und es überdies gar keine ausreichenden Behandlungsmöglichkeiten gibt. Gerade einmal zwei Plätze in einer Sauerstoff-Überdruckkammer mit 24-Stunden-Dienst hält die Universität Düsseldorf laut Arnold für ganz Nordrhein-Westfalen bereit.
Rainer Kalbe von STOPP-CO-PIPELINE schließlich sah der Rohrleitung durch die neue Kunststoff-Anlage in Dormagen die Geschäftsgrundlage entzogen. Da die Produktionsstätte CO für die Fertigung benötigt, gibt es am Standort nämlich gar keinen Überschuss mehr, der nach Krefeld geleitet werden müsste, womit BAYER das Projekt einst begründet hatte. Ein Grund mehr für Kalbe, die Pipeline auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen: „Denn da gehört sie auch hin und nicht in die Vorgärten.“ Eine starre Fixierung auf Profit-Maximierung warf der Aktivist dem Unternehmen vor und prophezeite: „So wird der Konzern keine Zukunft haben.“ Er müsse vielmehr endlich einsehen, dass er mit den Menschen leben müsse und nicht gegen sie, mahnte Kalbe.
Dazu machte der Pharma-Riese allerdings keine Anstalten. Marijn Dekkers ignorierte alle Einwände gegen die Giftgas-Leitung. Auch wenn in Dormagen kein zusätzliches Kohlenmonoxid mehr anfalle und der Standort Krefeld/Uerdingen überdies selber CO erzeuge, bleibe das Röhren-Werk unverzichtbar, so der Ober-BAYER. Nur auf diese Weise könne nämlich die Niederlassung am Niederrhein in die CO-Verbundstruktur einbezogen werden, was allein die Versorgungssicherheit garantiere, erklärte der Vorstandsvorsitzende. Dieses nicht berücksichtigt zu haben, warf er auch dem von Dieter Donner zitierten Gutachten vor. Es hatte für Dekkers jedoch noch weitere Mängel; den größten Kritikpunkt stellten dabei die Umstände seines Entstehens dar. „Schon bei der Ankündigung, dass es durch das Umweltministerium in Auftrag gegeben wird, hatte BAYER deutlich gemacht, dass das Unternehmen es nicht für erforderlich hält“, ließ der Niederländer den Saal wissen. Und Risiken gingen von der Pipeline schon mal gar keine aus: „Wir haben ein Sicherheitskonzept entwickelt, das Maßstäbe setzt“. Das Rost ansetzende Sicherheitskonzept der zwischen Leverkusen und Dormagen schon betriebenen Kohlenmonoxid-Leitung verteidigte er ebenfalls. Der Korrosionsschutz sei gewährleistet, alles werde ständig kontrolliert und Leckagen oder andere Störungen wären seit der Inbetriebnahme im Jahr 2002 nicht aufgetreten, vermeldete Marijn Dekkers. Zur Beglaubigung berief er sich auf den TÜV. Dass dieser bei Untersuchungen jedoch schon auf „gravierende externe Materialverluste“ gestoßen war, verschwieg der BAYER-Boss dezent.
Einen weiteren gefährlichen Stoff setzte Helmut Röscheisen, der Generalsekretär des DEUTSCHEN NATURSCHUTZRINGS, auf die Tagesordnung: PCB. Die polychlorierten Biphenyle können das Nerven-, Immun- und Hormonsystem schädigen und Krebs erzeugen – und sie können das eine ganze Weile tun. Da PCB ein Abkömmling der Chlorchemie und entsprechend stabil sind, halten sie sich sehr lange in der Umwelt. Aus diesem Grund sorgt die Substanz trotz des bereits 1989 erfolgten Verbotes immer noch für Gesundheitsgefährdungen. BAYER hat daran nach Meinung von Helmut Röscheisen einen großen Anteil. Der Leverkusener Multi gehörte neben MONSANTO nämlich zu den Hauptproduzenten dieser Chemikalie. Allein 20.000 Tonnen PCB für Fugenverdichtungsmassen hat er nach Angabe des Naturschützers produziert, und diese gasen – verbaut in Schulen, Universitäten und Kindergärten – fleißig aus. Darum stellte er dem Vorstand nur eine einfache Frage: „Ist die BAYER AG bereit, für eine Inventarisierung und Beseitigung der PCB-Belastungen im Baubereich finanzielle Mittel bereitzustellen?“
Dazu war der Konzern nicht bereit. „Die Sanierung belasteter Gebäude liegt nicht in unserer Verantwortung“, antwortete Marijn Dekkers Helmut Röscheisen. Mit der Einstellung der Produktion schon vor dem gesetzlichen PCB-Verbot in Deutschland im Jahr 1989 sei der Multi „seiner Verantwortung für die Sicherheit von Mensch und Umwelt gerecht geworden“, vermeinte der große Vorsitzende.
Auch Verantwortung für das Klima zeigt das Unternehmen nach Ansicht des BAYER-Chefs, obwohl die nackten Zahlen dem widersprechen, wie der Verfasser dieses Textes in seiner Rede skizzierte. So hat der Agro-Riese 2013 mehr klima-schädigendes Kohlendioxid ausgestoßen als 2012. Auf sage und schreibe 8,36 Millionen Tonnen beläuft sich der Wert, was vor allem dem hohen Kohle-Anteil am Energie-Mix geschuldet ist. Während dieser sich auf fast ein Drittel beläuft, kommen die Erneuerbaren Energien nicht über 0,7 Prozent hinaus. Auf die konkrete Frage Jan Pehrkes, ob der Konzern daran denke, die Kohle-Verstromung zu reduzieren, antwortete der Vorstandsvorsitzende ausweichend: „Generell sind wir daran interessiert, den Energie-Verbrauch so gering wie möglich zu halten und idealerweise zu senken, sowohl aus ökologischen als auch aus ökonomischen Gründen.“
Und in puncto „Erneuerbaren Energien“ generalisierte er ebenfalls. „Generell ist es unser Ziel, den Anteil regenerierbarer Energie an unserer Strom-Versorgung langfristig zu erhöhen. Ob und in welchem Ausmaß uns das gelingt, ist allerdings abhängig von der Verfügbarkeit dieser Energien und der Entwicklung unseres Energiebedarfs“, so Dekkers.
Während Pehrke und die anderen Gegen-RednerInnen dem Leverkusener Multi die Schadensbilanz für 2013 vorlegten, ging CBG-Vorstand Axel Köhler-Schnura im Gedenkjahr 2014 weit zurück in die Vergangenheit, um am Beispiel von BAYERs Wirken im Ersten Weltkrieg die Kontinuität der Kapital-Verbrechen deutlich zu machen. So bejubelte der damalige Generaldirektor Carl Duisberg Köhler-Schnura zufolge den Waffengang, weil dieser die Geschäfte antrieb. Mit den Worten: „Sähen Sie jetzt einmal, (...) wie wir fast nichts mehr als Kriegslieferungen ausführen (...), so würden Sie Ihre helle Freude haben“, zitierte er Duisberg. Das über Deutschland verhängte Embargo verhinderte Einfuhren aus dem Ausland und verhalf dem Chemie-Multi so zu einer privilegierten Stellung. Auch zu billigen Arbeitskräfte kam der Konzern ab 1916. Er legte schon im Ersten Weltkrieg das Fundament für das erst im Zweiten Weltkrieg in aller Brutalität exekutierte ZwangsarbeiterInnen-System und ließ 60.000 BelgierInnen nach Deutschland verbringen. Wegen solcher „Standort-Vorteile“ setzte BAYER alles daran, den Krieg zu forcieren. Und er trug wesentlich mit dazu bei, ihm die bis dahin schrecklichste Waffe zu liefern: das Kampfgas. „Weshalb entzieht sich BAYER der Auseinandersetzung mit seiner Verantwortung in diesem Zusammenhang?“, fragte Kohler-Schnura deshalb. Aber er stieß beim Vorstand nur auf taube Ohren. Dekkers bekundete zunächst, BAYER habe Duisbergs Rolle im Ersten Weltkrieg umfassend aufgearbeitet, um dann übelsten Geschichtsrevisionismus zu treiben und eine Ehrenrettung des ehemaligen Generaldirektors vorzunehmen. „Die historischen Verdienste Carl Duisbergs sind weithin anerkannt. Er ließ Wohnungen für die Arbeiter bauen, verringerte deren wöchentliche Arbeitszeit, er führte soziale Versicherungssysteme ein und setzte sich für den Umweltschutz ein, lange bevor es gesetzliche Regelungen dazu gab“, dozierte er.

Damit erreichte die BAYER-Ignoranz an diesem Tag ihren traurigen Höhepunkt. Er werden wohl noch mehr AktivistInnen und Gegen-RednerInnen nötig sein, damit der Global Player eines Besseren belehrt wird. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN arbeitet bereits daran.

[TICKER] STICHWORT BAYER 02/2014 – TICKER

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Marion Larat „Frau des Jahres“
Marion Larat ist in Frankreich wegen ihres Engagements gegen den Leverkusener Multi zur „Frau des Jahres“ gewählt worden. Larat hatte 2006 durch das BAYER-Verhütungsmittel MELIANE (Wirkstoffe: Gestoden und Ethinylestradiol) einen Gehirnschlag erlitten und entschloss sich 2012 als erste Frau in ihrem Land, eine Klage gegen den Pharma-Riesen anzustrengen. Das ermunterte viele Geschädigte, es ihr gleichzutun und löste eine Diskussion über die Gefährlichkeit der Pillen aus. Als Konsequenz daraus wies die Gesundheitsministerin Marisol Touraine die Krankenkassen an, die Kosten für MELIANE und andere Verhütungspillen der 3. und 4. Generation nicht mehr zu übernehmen.

CBG-Anfrage zu PCB
Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören zu den giftigsten Hervorbringungen der Chlorchemie (SWB 1/14). Die vor allem von BAYER und MONSANTO in Umlauf gebrachten gefährlichen „Alleskönner“ kamen bis zu ihrem vollständigen Verbot 1989 in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz – und stellen immer noch ein beträchlichtes Risiko dar. Deshalb finden quer durch die Republik aufwendige Sanierungen von Universitäten und Schulen statt. Um einen detaillierten PCB-Schadensbericht zu erhalten, hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gemeinsam mit der Partei „Die Linke“ eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt. Die Antworten fielen allerdings dürftig aus. So behauptet die Große Koalition etwa wider besseren Wissens: „In den letzten zehn Jahren sind keine PCB-Vergiftungsfälle und Todesfälle gemeldet worden.“ Eine genaue Kenntnis über den Umfang der PCB-Kontaminationen öffentlicher Gebäude habe sie auch nicht, weil die Verantwortung für die Einrichtungen teilweise in Länderhoheit läge. Und mit Absichten, ihren Informationsstand zu erhöhen, trägt sich die Regierungskoalition nicht. Eine Untersuchungspflicht sei nicht geplant, heißt es in der Bundestagsdrucksache 18/178. Da wundert es nicht weiter, dass SPD und CDU es ablehnen, BAYER & Co. an den Sanierungskosten zu beteiligen, wie es in der PCB-Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft von 1976 einmal vorgesehen war, ehe jene dem Lobbyismus zum Opfer fiel. „Gemäß dem Verursacherprinzip sind die Kosten für die Beseitigung von PCB (...) zu tragen von den Besitzern (...) und/oder den früheren Besitzern oder dem Hersteller von PCB“, hieß es dort unmissverständlich.

USA: Kritik an GAUCHO & Co. wächst
Im Frühjahr 2013 hatte die von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) mitinitiierte Kampagne für das Verbot der bienengefährlichen BAYER-Pestizide GAUCHO und PONCHO endlich Erfolg: Die EU verkündete einen zunächst auf zwei Jahre befristeten Bann für die wichtigsten Anwendungsbereiche. Und jetzt wird die Luft für die beiden zur Gruppe der Neonicotinoide gehörenden Ackergifte auch in den USA dünner. Ende März 2014 fand ein zweitägiges Hearing des US-Kongresses zu GAUCHO & Co. statt, und begleitend dazu initiierte die Umweltgruppe FRIENDS OF THE EARTH eine Veranstaltung mit ImkerInnen und anderen KritikerInnen der Substanzen. BAYER sah sich deshalb zu einer PR-Offensive veranlasst. Der Leverkusener Multi zog durch mehrere Universitätsstädte und setzte sich als großer Bienen-Kümmerer in Szene, was AktivistInnen allerdings nicht unwidersprochen ließen.

Gentech-Kennzeichnung: Neuer Anlauf
In Kalifornien fand Ende 2012 ein BürgerInnen-Begehren zur Kennzeichnungspflicht von Lebensmitteln, die Gentech-Ausgangsstoffe enthalten, statt. Mit 46,9 zu 53,1 Prozent der Stimmen scheiterte es knapp, nicht zuletzt, weil die Konzerne 25 Millionen Dollar – BAYER-Anteil: zwei Millionen – in eine Gegen-Kampagne investierten. Jetzt gibt es jedoch einen neuen Anlauf. Die Demokratin Noreen Evans brachte eine abgespeckte Version der Vorlage in den kalifornischen Senat ein.

Kein „Public Eye Award“ für BAYER
Die Global Player halten jeweils zu Beginn des neuen Jahres in Davos ihr Klassentreffen ab. Die Schweizer Initiativen ERKLÄRUNG VON BERN und PRO NATURE nutzen die Gelegenheit stets, um als Spielverderber aufzutreten und dem Unternehmen mit den fragwürdigsten Geschäftspraktiken den „Public Eye Award“ zu verleihen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN nommierte den Leverkusener Multi wegen der Vermarktung bienenschädigender Pestizide. Der Konzern musste sich am Ende jedoch GAZPROM und GAP geschlagen geben und landete gemeinsam mit BASF und SYNGENTA nur auf dem zweiten Platz.

BAYERs Nutzen/Risiko-Rechnung
Bei der diesjährigen Bilanzpressekonferenz konnte BAYER mal wieder einen Rekord-Gewinn annoncieren (s. u.). Dennoch haderte der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers mit der Welt. Seiner Meinung nach honoriert diese den Beitrag des Konzerns zur öffentlichen Gesundheit nicht in ausreichendem Maße. Das Molekül, die Erfindung, das Medikament werde zu wenig wertgeschätzt, lamentierte er laut Rheinischer Post und kritisierte zudem die seiner Meinung nach übertriebene Furcht der Gesellschaft vor Innovationen. In ihrem Kommentar machte die Zeitung dann richtigerweise auf den blinden Fleck in der Argumentation Dekkers’ aufmerksam. „Wenn er aber beklagt, dass bei den Menschen zu oft die Angst vor neuen Verfahren und Produkten im Vordergrund stehe und weniger der Nutzen, so muss auch gefragt werden, wie beides verteilt ist. Beispiel Kohlenmonoxid-Pipeline zwischen Uerdingen und Dormagen: Wer trägt den Nutzen, und wer trägt das Risiko“, fragte der Journalist Peter Kurz.

KAPITAL & ARBEIT

BAYER macht mehr Gewinn
Auf 40,15 Milliarden Euro erhöhte sich BAYERs Umsatz im Geschäftsjahr 2013 (2012: 39,7 Milliarden). Der Gewinn vor Steuern stieg von 3,9 auf 4,9 Milliarden Euro.

Vorstand
kostet 24,7 Millionen
Der Vorstand des Leverkusener Multis kann sich mal wieder über ein sattes Gehaltsplus freuen. Die Bezüge der vier Mitglieder stiegen im Geschäftsjahr 2013 von 12,9 auf 13,5 Millionen Euro. Allein BAYER-Chef Marijn Dekkers erhält davon 4,8 Millionen Euro. Dazu kommen noch Pensionszusagen, aktien-basierte Vergütungsanteile und andere Kleinigkeiten, weshalb das Quartett insgesamt mit 24,7 Millionen Euro zu Buche schlägt (2012: 20,9 Millionen)

Tarifverträge immer noch Mangelware
Weltweit hat der Leverkusener Multi nur mit knapp der Hälfte seiner Beschäftigten Tarifverträge abgeschlossen, und gegenüber 2012 haben sich die Zahlen kaum verändert. Nur in der Asien/Pazifik-Region ist mit 24 Prozent (2012: 15) ein Anstieg zu verzeichnen. In Europa bestehen solche Vereinbarungen mit 88 Prozent der Belegschaftsangehörigen (2012: 87), in Lateinamerika beträgt die Quote 45 Prozent (2012: 46) und Schlusslicht bleiben die Vereinigten Staaten mit nach wie vor fünf Prozent.

Tarifrunde 2014
In der Tarifrunde 2014 einigten sich der Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) und die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE auf eine Entgelt-Erhöhung von 3,7 Prozent für die nächsten 14 Monate. Auf das Jahr gerechnet macht das jedoch bloß 3,16 Prozent aus. Zudem haben Unternehmen in wirtschaftlich schwieriger Lage die Möglichkeit, die Umsetzung des Tarifabschlusses um zwei Monate zu verzögern. Verlangt hatte die IG BCE 5,5 Prozent für 12 Monate. Auch mit einer anderen Forderung konnte die Gewerkschaft sich nicht durchsetzen. Sie wollte von BAYER & Co. nach dem Vorbild der Metall-Unternehmen die bindende Zusage, alle Auszubildenden zu übernehmen. Das lehnte die BAVC aber ab. BAYER & Co. erklärten sich lediglich zu einem größeren Ausbildungsplatz-Angebot bereit. Sie mochten nicht einmal zugestehen, den „Auserwählten“ wenigstens unbefristete Verträge anzubieten. Übrig blieb eine freiwillige Selbstverpflichtung, wonach eine „unbefristete Einstellung zum Normalfall“ werden soll.

BAYERs Zweiklassen-Gesellschaft
In BAYERs Belegschaft gibt es eine Zweiklassen-Gesellschaft, bestehend aus dem Dienstleistungs- und dem Produktionsbereich. Der Leverkusener Multi hat nämlich vor einigen Jahren die Öffnungsklauseln der Tarifvereinbarungen genutzt, um bei seinen Service-Gesellschaften aus den Flächentarifverträgen auszusteigen und eigene Haustarife abzuschließen. Bei BAYER TECHNOLOGY SERVICES (BTS) und bei BAYER BUSINESS SERVICES (BBS) führte der Konzern die 40-Stunden-Woche – ohne Lohnausgleich – wieder ein. Bei der BBS-Personaldienstleistungstochter BDS kürzte er derweil die Jahresprämie und legte sie auf die gesamten zwölf Monate um. Einige dieser Regelungen nahm der Pharma-Riese inzwischen wieder zurück. Die BTSlerInnen arbeiten jetzt wieder 37,5 Stunden und die BBSlerInnen auch, diese verdienen aber immer noch 3,3 Prozent weniger als ihre KollegInnen aus den Sparten Gesundheit, Kunststoffe oder Landwirtschaft. Darum fordern die KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN FÜR EINE DURCHSCHAUBARE BETRIEBSRATSARBEIT, eine alternative Gewerkschaftsgruppe im Leverkusener Werk: „Das Ziel muss sein, für die Beschäftigten aller BAYER-Gesellschaften wieder die Gültigkeit des Flächentarifvertrages wiederherzustellen.“

Burnout bei BAYER
3,6 Prozent aller Beschäftigten der bundesdeutschen BAYER-Niederlassungen leiden am Burnout-Syndrom, ebenso viele wie bei HENKEL und THYSSEN. Bei E.ON waren es sogar 5,1 Prozent. Das ergab eine 2012 veröffentlichte Schätzung der ASKLEPIOS-Kliniken auf Basis der stationär behandelten PatientInnen. Die Psychologin Rosemarie Bender nennt als Grund für die vielen psychisch Erkrankten bei den Unternehmen Arbeitdruck, ständige Erreichbarkeit und unklare Aufgabenverteilung. Thomas Kley von der Bochumer Ruhr-Universität macht dagegen vor allem die ständigen Umstrukturierungen für die hohen Fallzahlen verantwortlich.

LANXESS in Schwierigkeiten
Im Zuge der „Konzentration auf das Kerngeschäft“ hat BAYER viele Unternehmensteile abgestoßen. Eine aussichtsreiche Zukunft erwartete die Abteilungen nicht. Entweder gingen sie Pleite, schrumpften empfindlich oder wurden von anderen Konzernen geschluckt. Nur LANXESS schien ein besseres Schicksal zu ereilen. Obwohl nur mit BAYERs Reste-Rampe – dem Standardchemikalien-Geschäft – gestartet, begab sich die Firma auf Expansionskurs und schaffte sogar den Aufstieg in den DAX. Nun aber erfolgt doch der Absturz. Das Unternehmen weist für 2013 einen Verlust von 139 Millionen Euro aus, vernichtet 1.000 Arbeitsplätze und schasst den Vorstandsvorsitzenden Axel Heitmann. Wilkommen also im Club von DYSTAR, DYNEVO, TANATEX, KRONOS TITAN und AGFA!

BMS verkauft Harz-Produktion
BAYER MATERIAL SCIENCE stieß das Geschäft mit Polyester-Pulverharzen und flüssigen Polyester-Harzen ab und verkaufte es für 45 Millionen Dollar an das US-Unternehmen STEPAN.

Schließung von Nera Montoro?
BAYER MATERIAL SCIENCE stellt die Kunststoff-Herstellung im italienischen Nera Montoro und damit 60 Arbeitsplätze zur Disposition. Eine entsprechende Fertigungsstätte in Frankfurt produziere kostengünstiger, argumentiert der Konzern. Er hebt dabei besonders die mit 12 Cent im Vergleich zu 16 Cent pro Kilogramm Plaste günstigeren Energie-Preise hervor. Hierzulande beklagt der Global Player sich hingegen bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit über die angeblich zu hohe Stromrechnung.

Fixt Arbeit„geber“-Beträge
Die schwarze-gelbe Regierungskoalition hatte die Krankenkassen-Versicherungsbeiträge auf 8,2 Prozent für die Belegschaftsangehörigen und 7,3 Prozent für die Unternehmen erhöht. Die GroKo setzt den Ausstieg aus dem solidarisch finanzierten Gesundheitssystem jetzt fort. Sie schrieb den Arbeit„geber“-Anteil auf 7,3 Prozent fest, während der Beschäftigten-Anteil sich erhöhen darf. Und mit einem solchen Anstieg rechnen CDU und SPD auch: Intern haben sie schon einmal eine Schmerzgrenze festgelegt, bis zu der die Krankenkassen ungestraft gehen können.

ERSTE & DRITTE WELT

Dekkers sagt die Wahrheit
Das passiert auch nicht alle Tage: Manager-Mund tut Wahrheit kund! Das Kunststück gelang jetzt BAYER-Chef Marijn Dekkers. Er plauderte frank und frei aus, dass es dem Leverkusener Multi bei der Forschung nach Pharmazeutika nicht darum geht, die Menschheit von den Plagen schlimmer Krankheiten zu befreien, sondern schlicht darum, Geld zu machen. „Wir haben diese Arznei nicht für Inder entwickelt (...) Wir haben sie für westliche PatientInnen entwickelt, die sie sich auch leisten können“, sagte er über das Krebsmittel NEXAVAR, das gerade Gegenstand eines Rechtsstreits zwischen dem Pharma-Riesen und dem indischen Staat ist. BAYER ficht nämlich die Entscheidung der dortigen Patent-Behörde an, der Firma NATCO PHARMA erlaubt zu haben, eine preisgünstige Nachahmer-Version des patent-geschützten Pharmazeutikums herzustellen, weil sich PatientInnen in dem Land das 4.200 Euro pro Monat kostende Medikament sonst nicht leisten können.

USA kämpft um „NEXAVAR“-Patent
Die Entscheidung eines indischen Patentgerichtes, sich auf einen Paragrafen des Patentabkommen TRIPS zu berufen und der Firma NATCO PHARMA eine Zwangslizenz zur Produktion einer Generika-Version von BAYERs Krebsmittel NEXAVAR zu erteilen (s. o.), hat die US-amerikanische Regierung zu diversen Aktivitäten veranlasst. Bereits 2012 sicherte ein hochrangiges Mitglied der Obama-Administration dem Leverkusener Multi zu, in dieser Sache Druck auf die indische Regierung auszuüben. Im Kongress unterstützten auch die Republikaner diesen Kurs. Ihr Abgeordneter Bob Goodlatte drohte in der Debatte sogar damit, den Fall vor das Schiedsgericht der Welthandelsorganisation WTO zu bringen (Ticker 4/12). Mitte Dezember 2013 initiierte das US-Parlament unterdessen eine Anhörung zu der Frage. Neben einem Vertreter des Leverkusener Multis kamen dort allerdings auch KritikerInnen des Patent-Regimes das Wort. Und im März 2014 appellierten US-PolitikerInnen schließlich erneut an das Land, die Entscheidung rückgängig zu machen. Der indische Handelsminister Anand Sharma wies das Anliegen umgehend zurück. Was Indien getan habe, wäre eine Option, die allen Staaten offenstehe, so Sharma. Die Vereinigten Staaten akzeptieren diesen Standpunkt allerdings nicht und erwägen Sanktionen gegen den südasiatischen Staat.

KONZERN & VERGANGENHEIT

BAYER im Drogen-Museum
Ab 1898 vermarktete BAYER Heroin als Arznei. Der Leverkusener Multi bewarb die Droge als Therapeutikum für eine breite Palette von Krankheiten wie Husten, Multiple Sklerose, Asthma, Magenkrebs, Epilepsie und Schizophrenie. Sogar bei Darmkoliken von Säuglingen empfahl der Konzern das Produkt. Als KritikerInnen die Sicherheit des Stoffes in Frage stellten, forderte der damalige Generaldirektor Carl Duisberg, die Querulanten „mundtot zu schlagen“. Und obwohl schon bald kein Zweifel mehr am Suchtpotenzial bestand, führte das Unternehmen den gewinnbringenden Verkauf über Jahrzehnte hinweg fort. Darum fand der Dealer BAYER jetzt auch Eingang in das Drogen-Museum, das die auf Rauschgift-Kriminalität spezialisierte US-Strafverfolgungsbehörde DEA in Arlington eröffnete. Die BesucherInnen können dort etwa eine Werbe-Anzeige des Pharma-Riesen wie bestaunen, auf der eine treusorgende Mutter ihrer Tochter die Droge löffelweise als Medizin gegen Husten verabreicht.

POLITIK & EINFLUSS

Üppige Parteispenden des VCI

Der Leverkusener Multi spendet in der Bundesrepublik nicht selber an politische Parteien, weil das den Eindruck direkt gekaufter Entscheidungen erwecken könnte. Er überlässt den Job lieber dem „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI). Die jüngst veröffentlichten Rechenschaftsberichte von CDU, SPD, FDP und Grünen weisen für das Jahr 2012 üppige Zuwendungen von Seiten des Lobby-Clubs aus. Die ChristdemokratInnen bekamen 44.000 Euro, die SozialdemokratInnen 34.000 und die FDP 24.500 Euro. Bündnis 90/Die Grünen – seit 2011 vom VCI mitbedacht – strichen 12.500 Euro ein. Nur „Die Linke“ erhielt kein Geld.

Akzeptanz-Beschaffer Garrelt Duin
Der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) reist unermüdlich durch die Lande, um das dank ihrer umstrittenen Infrastruktur-Projekte und umweltgefährdenden Produktionsanlagen angeschlagene Image der Konzerne aufzuhübschen. Mitte Februar 2013 machte er am BAYER-Standort Dormagen Station. Im Kreiskulturzentrum hielt der Sozialdemokrat eine Rede zum Thema „Nachhaltigkeit und Akzeptanz von Industrie und Wirtschaft“.

GroKo will Akzeptanz schaffen
Die Große Koalition dient sich BAYER & Co. als PR-Agentur an. Da Deutschland „seine starke wirtschaftliche Rolle einer besonders leistungsfähigen Industrie“ verdanke, das „öffentliche Bewusstsein für die Bedeutung“ der Konzerne aber abnehme, wie der Koalitionsvertrag konstatiert, planen SPD und CDU Gegenmaßnahmen. „Wir werden deshalb einen Dialog über die Rolle und das Selbstverständnis sowie die gesellschaftliche Akzeptanz einer zukunftsorientierten Industrie anstoßen“, drohen sie an.

BAYER & Co. gegen Hochschulreform
Im Jahr 2008 ging BAYER mit der Kölner Hochschule eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Pharma-Forschung ein. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und andere Initiativen befürchteten eine Ausrichtung der Arznei-Forschung auf Konzern-Interessen. Deshalb forderten die Organisationen eine Offenlegung des Vertrages. Die Universität verweigerte das jedoch, weshalb die CBG die Hochschule im Mai 2011 verklagte. In ihrem neuen Hochschulzukunftsgesetz will die rot-grüne Landesregierung bei solchen Kooperationen jetzt für ein bisschen mehr Transparenz sorgen. „Das Präsidium informiert die Öffentlichkeit in geeigneter Weise über Forschungsvorhaben (...), insbesondere über deren Themen, den Umfang der Mittel Dritter sowie über die Person des jeweiligen Dritten“, heißt es im Paragraf 71 des ReferentInnen-Entwurfs. Und sofort brach ein Sturm der Entrüstung los. „Sollte der Entwurf Gesetz werden, wird das nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der nordrhein-westfälischen Hochschulen (...), sondern auch den Wirtschaftsstandort NRW erheblich schwächen“, warnt der BDI. Die nordrhein-westfälischen Hochschulratsvorsitzenden, unter ihnen der dieses Amt an der Universität Köln bekleidende, 2013 aus dem BAYER-Vorstand ausgeschiedene Richard Pott, pflichteten bei. „Die Regelungen des § 71a sind von tiefem Misstrauen gegen Drittmittel-Einwerbung geprägt“, konstatieren sie und halten fest: „Themenscharfe Veröffentlichung von Drittmittel-Einwerbungen und -aufträgen führt zu Nachteilen im akademischen Wettbewerb.“ Die Zusammenarbeit von Universität und Industrie, die ihrer Meinung nach ein wesentlicher Baustein für Innovation und wirtschaftlichen Erfolg ist, sehen die Räte durch das Gesetzesvorhaben „auf das Empfindlichste“ gestört. Den Studierenden der Kölner Hochschule, dessen Rektor Axel Freimuth zu den vehementesten KritikerInnen des Paragrafen-Werkes gehört, geht die Landesregierung indes nicht weit genug. „Eine Transparenz bei den Drittmitteln zu schaffen, ist eines der höchsten Anliegen, die derzeit in der Studierendenschaft vorliegen. Leider werden aber auch mit dieser Regelung allein die Verträge noch nicht veröffentlicht“, bedauert der ASTA. Der ARBEITSKREIS ZIVILKLAUSEL DER UNIVERSITÄT KÖLN moniert zudem, dass für die Landesregierung die Offenlegungspflicht dort an Grenzen stößt, wo die Konzerne Geschäftsgeheimnisse gelten machen, wie es BAYER derzeit im Rechtsstreit mit der CBG tut. Da sich dieser Passus nur im Kleingedruckten des ReferentInnen-Entwurfs fand, hat Wissenschaftsministerin Svenja Schulze ihn den Konzernen zuliebe noch einmal präzisiert. Demnach können Unternehmen und Universitäten die Auskunft verweigern, wenn „ein Betriebsgeheimnis offenbart wird und dadurch die Gefahr eines wirtschaftlichen Schadens entsteht“. Allerdings gilt das nicht, „wenn die Allgemeinheit ein überwiegendes Interesse an der Gewährung der Information hat, und der Schaden nur geringfügig wäre“. Zudem sicherte Schulze den Kooperationspartnern noch zu, Details zu ihrer Zusammenarbeit erst nach Abschluss des jeweiligen Projekts bekanntgeben zu müssen.

Umweltministerium zweifelt am TTIP
Bei den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit den USA diktieren BAYER & Co. den PolitikerInnen die Agenda. Allein von Anfang 2012 bis April 2013 fanden 130 Treffen der EU-Bevollmächtigten mit Konzern-VertreterInnen oder Unternehmensverbänden statt. Für Mensch, Tier und Umwelt bedeutet das nichts Gutes. Das Umweltministerium warnt bereits vor den Folgen des Vertragswerks. „Bei TTIP bestehen grundsätzliche Gefahren aus umweltpolitischer Sicht“. Die Ministerin Barbara Hendricks (SPD) und ihre MitarbeiterInnen fürchten eine Senkung von Umwelt- und VerbraucherInnenschutz-Standards und eine Abkehr vom Vorsorge-Prinzip. Als Beispiele nennt das interne Papier die Zulassung von Chemikalien, Pestiziden und gen-manipulierten Pflanzen.

Remmel will Kohleausstiegsgesetz
Die Kohle-Verstromung, die bei BAYER ein Drittel des Energiemixes ausmacht, ist maßgeblich für den Klimawandel verantwortlich. Darum plant der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel von den Grünen ein Kohleausstiegsgesetz. „Der mittelfristige Ausstieg aus der klima-schädlichen Kohleverstromung ist somit ein zentraler Eckpfeiler einer Energie-Versorgung, die mit den im Klimaschutzgesetz verankerten CO2-Reduktionszielen im Einklang steht“, heißt es in dem Papier einer Arbeitsgruppe. Ob der Minister sich mit seinem Vorhaben durchsetzen kann, erscheint jedoch fraglich. Der Koalitionspartner SPD hat nämlich schon einmal Widerspruch angemeldet. So sagte Wirtschaftsminister Garrelt Duin: „Wenn man aus der Atomkraft 2022 aussteigt, kann man nicht 2040 aus der Kohle aussteigen, ohne massive Gefährdung der Versorgungssicherheit.“

BAYER-Aufsichtsrat leitet DGB
Der für die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE im BAYER-Aufsichtsrat sitzende Reiner Hoffmann wird neuer Vorsitzender des DEUTSCHEN GEWERKSCHAFTSBUNDES. Damit dürfte auch der Einfluss der traditionell konservativen und auf „Co-Management“ setzenden Einzelgewerkschaft innerhalb des DGB wachsen.

Gentechnik: Druck auf China
Ein Großteil der chinesischen Bevölkerung steht der Gentechnik skeptisch gegenüber. Deshalb hat die Regierung bisher den Anbau von Labor-Früchten nicht genehmigt. Und auch beim Import von Pflanzen mit verändertem Erbgut zeigt sich das Land zunehmend restriktiver. Seit im letzten Jahr an den Häfen eine Ladung Soja anlandete, das mit SYNGENTAs in dem Staat nicht zugelassenen Produkt AGRISURE VIPTERA kontaminiert war, ließen die Behörden ein Fünftel der Lieferungen wieder zurückgehen. Zudem nimmt sich das Reich der Mitte viel Zeit für Genehmigungsverfahren. BAYER & Co. kritisierten dieses Verhalten jetzt scharf. Chinas Umgang mit der Technologie sei „allzu politisch“, „intransparent“ und „unkalkulierbar“, monierte die Konzern-Vereinigung „American Chamber of Commerce“.

PROPAGANDA & MEDIEN

Kampagne gegen Patent-Gesetz
Mit Patenten auf Pharmazeutika sichern sich BAYER & Co. Monopol-Profite. Das macht die Arzneien besonders für Menschen in Armutsregionen unerschwinglich. Doch immer mehr Länder versuchen, ihrer Bevölkerung trotzdem den Zugang zu den benötigten Arzneien zu sichern. So hat etwa das „Indian Patent Office“ BAYERs Patent an dem Krebs-Medikament NEXAVAR aufgehoben und dem einheimischen Generika-Hersteller NATCO PHARMA eine Zwangslizenz zur Herstellung einer preisgünstigen Version erteilt (Ticker 2/12), wobei es sich auf einen Ausnahme-Paragraphen des internationalen Patentabkommens TRIPS berief. Und jetzt plant auch Südafrika, den Schutz des geistigen Eigentums patientInnen-gerechter zu gestalten. Das wollen die Pharma-Multis allerdings verhindern. Der US-amerikanische Pillenhersteller-Verband PhRMA engagierte für 450.000 Dollar eine PR-Agentur, um eine Kampagne gegen das Vorhaben zu starten. Wie aus einem internen Papier hervorgeht, besteht die Strategie von PUBLIC AFFAIRS ENGAGEMENT darin, negative wirtschaftliche Folgen der Reform auszumalen. „Stimmen innerhalb und außerhalb Südafrika mobilisieren, welche die Botschaft aussenden, dass die neue Patent-Politik Investitionen verhindert und so das ökonomische und soziale Wohlergehen bedroht“, schlägt das Dokument unter anderem vor. Es gibt auch detaillierte Empfehlungen zum Umgang mit den Argumenten von KritikerInnen, wie etwa die, vor allem keine Debatte über die Arznei-Preise aufkommen zu lassen. Der südafrikanische Gesundheitsminister, der Mediziner Aaron Motsoaledi, nannte das Konzept einen Plan „satanischen Ausmaßes“, das versuche, einen „Genozid“ vorzubereiten.

Kampagne gegen Vorsorge-Prinzip
„Wichtig ist vor allem, dass in der Gesellschaft ein Klima vorherrscht, Neuem aufgeschlossen gegenüberzustehen. Wir dürfen uns nicht damit abfinden, dass die Menschen aus Angst vor Risiken die Chancen gar nicht erst wahrnehmen wollen“, diesen Sermon predigt BAYER-Chef Marijn Dekkers bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit. Im Oktober 2013 fand er sogar Partner dafür. Gemeinsam mit den Bossen von SYNGENTA, NOVARTIS, DOW CHEMICAL, HENKEL und anderen Unternehmen setzte er in der Sache einen Offenen Brief an die EU-Kommission auf. In dem Schreiben drückten Dekkers & Co. ihre tiefe Besorgnis über die Art und Weise aus, wie die Europäische Union mit dem Gefährdungspotenzial von Neuentwicklungen umgeht. „Innovationen sind per definitionem mit Risiken verbunden“, halten die Konzern-Lenker fest. Deshalb fordern sie Brüssel auf, bei Genehmigungsverfahren nicht mehr bloß das Vorsorge-Prinzip, sondern auch das „Innovationsprinzip“ zu berücksichtigen.

IVA übt sich in Pestizid-Panikmache
Im Jahr 2009 verabschiedete die Europäische Union eine Pestizid-Verordnung mit dem Ziel, bis 2011 besonders gefährliche Ackergifte aus dem Verkehr zu ziehen. Auf der Schwarzen Liste befanden sich mit Glufosinat, Carbendazim, Mancozeb, Tebuconazole, Bifenthrin und Thiacloprid unter anderem sechs Wirkstoffe, die auch in BAYER-Mitteln enthalten sind. Aber die EU hatte Erbarmen mit dem Leverkusener Multi und den anderen Agrar-Riesen. Sie verlängerte den Mitteln 2011 die Galgenfrist bis Ende 2017. Die Konzerne nutzten die Zeit jedoch nicht, um Alternativ-Produkte zu entwickeln. Stattdessen betreibt der „Industrieverband Agrar“ nun Panikmache. „Landwirten gehen bald die Mittel aus“, warnte er Mitte Januar 2014 in einer Presse-Mitteilung und konstatierte: „Das System steuert auf den Kollaps zu.“

TIERE & ARZNEIEN

PAN kritisiert Tierarznei-Rückstände
BAYER und andere Pharma-Konzerne liefern massenhaft Arzneien an die MassentierhalterInnen. Ein nicht geringer Teil dieser Mittel gelangt über die Ausscheidungen von Schwein & Co. in die Umwelt und belastet Böden und Gewässer. Das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) sieht deshalb Handlungsbedarf. Es fordert, die Zulassungsverfahren für die Veterinär-Produkte um eine Umweltprüfung zu ergänzen und besonders schädliche Stoffe nicht länger zu genehmigen. Zudem verlangt PAN, die Verkaufs- und Rückstandsmengen systematisch zu erfassen – und nicht zuletzt, auf eine artgerechtere, weniger auf Pharmazeutika setzende Fleisch-Produktion umzusteigen.

DRUGS & PILLS

Noch mehr XARELTO-Tote
Die Zahl der durch BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO verursachten Todesfälle stieg im letzten Jahr von 58 auf 133. Das ergab eine Anfrage der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN beim „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM). Zudem gingen 2013 bei der Behörde 1.399 Meldungen über schwere Nebenwirkungen ein. Ein alarmierender Befund, denn längst nicht alle MedizinerInnen informieren die zuständigen Stellen über beobachtete Nebenwirkungen. Das Bundesinstitut sieht jedoch keinen Grund zur Besorgnis. Es erklärt die Entwicklung mit der Zunahme der Verschreibungen und bemerkt zu den 133 Toten: „Diese Zahl bedeutet aber nicht zwingend, dass eine oder mehrere der beschriebenen Nebenwirkungen unmittelbar ursächlich für den tödlichen Verlauf waren.“

Kein XARELTO für ACS
Der Leverkusener Multi scheiterte auch beim dritten Versuch, in den USA eine Zulassung für seinen Gerinnungshemmer XARELTO zur Behandlung der Herzkrankheit ACS zu erhalten. Die Gesundheitsbehörde hatte die Genehmigung immer wieder herausgezögert und dabei auf die Unterschlagung von drei Todesfällen, den Ausschluss unerwünschter ProbandInnen sowie fehlende Informationen über den Gesundheitszustand der TeilnehmerInnen nach Ende der klinischen Prüfungen verwiesen. Sie forderte stattdessen neues Zahlen-Material an. Dieses lieferten der Pharma-Riese und sein US-amerikanischer Partner JOHNSON & JOHNSON dann zwar auch, aber nach Ansicht der FDA-ExpertInnen reichten die Unterlagen nicht aus, um die Bedenken hinsichtlich lebensgefährlicher Blutungen zu zerstreuen. „Die Therapie hat Vor- und Nachteile, und in diesem Kontext kommt der Qualität der Daten eine besondere Bedeutung zu“, so begründete das Gremiumsmitglied Steven Nissen im Januar 2014 die Entscheidung, keine Genehmigungsempfehlung auszusprechen. Und die Behörde richtete sich danach: Vier Wochen später sagte sie endgültig „Nein“.

Asthma durch ASPIRIN
ASPIRIN und andere Schmerzmittel können bei PatientInnen, die an Nasen-Erkrankungen wie Polypen oder angeschwollenen Schleimhäuten leiden, Asthma-Anfälle und andere Unverträglichkeitsreaktionen auslösen. MedizinerInnen sprechen dabei vom Analgetika-Asthma-Syndrom oder auch einfach nur von Schmerzmittel-Asthma.

Schlank durch ASPIRIN?
Nach einer Studie des Mediziners Simon Hawley von der schottischen „University of Dundee“ kann ASPIRIN die Fettverbrennung forcieren und so das Abnehmen befördern. Allerdings sind dazu hohe Dosen nötig, was wegen der ASPIRIN-Nebenwirkung „Blutungen“ große Risiken birgt.

Comeback für DIANE
In Deutschland und Frankreich hat BAYERs Hormon-Präparat DIANE 35 nur eine Zulassung als Arznei zur Behandlung von Haut-Krankheiten. Im Nachbarland haben jedoch mehr als 300.000 Frauen die Pille mit den Wirkstoffen Ethinylestradiol und Cyproteronacetat auch zur Verhütung eingenommen – was dem Leverkusener Multi nur schwerlich entgangen sein dürfte. Vier der Nutzerinnen bezahlten das mit ihrem Leben: Das Mittel hatte todbringende Thrombosen ausgelöst. Nach Bekanntwerden der Fälle zog die staatliche Arznei-Aufsicht ANSM das Pharmazeutikum aus dem Verkehr und forderte die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA auf, die Sicherheit von DIANE zu überprüfen. Obwohl die Einrichtung dem Produkt ein positives Nutzen/Risiko-Profil bescheinigte, wollte die ANSM es nicht wieder freigeben. Mitte Januar 2014 kam es aber doch zu einer Einigung mit dem Leverkusener Multi, weshalb dieser die Pille im Nachbarland nun wieder auf den Markt bringen darf.

FDA gibt ESSURE-Entwarnung
2013 hat BAYER das US-amerikanische Pharma-Unternehmen CONCEPTUS erworben und mit ihm das Medizin-Produkt ESSURE. Dabei handelt es sich um ein ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, dessen Entwicklung die „Bill & Melinda Gates Stiftung“ in der Erwartung gefördert hat, es in seinen Familienplanungsprogrammen für „Entwicklungsländer“ einsetzen zu können. Implantieren MedizinerInnen der Frau die kleine Spirale, wofür keine Vollnarkose nötig ist, so sorgen Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes, dass es die Eileiter verschließt. Allerdings gehen von dem Präparat beträchtliche Gesundheitsgefahren aus. Im Oktober 2013 erhielt die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA sogar einen Bericht über einen mutmaßlich von ESSURE ausgelösten Todesfall. Insgesamt gingen bei der Einrichtung bis Oktober 2013 943 Meldungen über schwere Nebenwirkungen ein. Blutungen, Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien gehörten dazu, manche Frauen mussten sich sogar die Gebärmutter entfernen lassen. Wegen dieser Risiken und Nebenwirkungen haben sich in den Vereinigten Staaten schon Selbsthilfegruppen gegründet. Zudem hat die Aktivistin Erin Brockovich, die durch einen Hollywood-Film über ihr Umwelt-Engagement zu großer Popularität gelangte, eine Kampagne initiiert. Dieser öffentliche Druck hat die FDA jetzt zu einer Überprüfung des Gefährdungspotenzials von ESSURE veranlasst. Die Gesundheitsbehörde sieht allerdings keinen Anlass zur Beunruhigung. Sie wertete die noch von CONCEPTUS durchgeführte Post-Zulassungsuntersuchung aus und kam zu dem Ergebnis: „Die Studie weist nicht auf neue Sicherheitsprobleme oder eine Häufung der schon bekannten Probleme hin.“ Der Leverkusener Multi kann die Spirale also unbeschwert weiter vermarkten und sich über die Gewinne freuen. Allein im Zeitraum von Juni bis Ende Dezember 2013 setzte er damit 74 Millionen Euro um.

BAYER verkauft KYTHERA
Der Leverkusener Multi hatte gemeinsam mit dem Unternehmen KYTHERA eine Substanz entwickelt, die – unter die Haut gespritzt – kleinere Fettpolster am Kinn auflösen soll. Der Zulassungsantrag für das Lifestyle-Präparat mit der vorläufigen Bezeichnung ATX-101 liegt der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA schon vor. Im März 2014 gab BAYER die Vertriebsrechte jedoch an KYTHERA zurück. Er erhielt dafür Firmen-Anteile im Wert von 33 Millionen Dollar sowie einen Schuldschein in Höhe von 51 Millionen Dollar. Zudem hat sich der Pharma-Riese eine Beteiligung an dem zu erwartenden Umsatz zusichern lassen. „Unsere Beteiligung an KYTERA zeigt, dass wir weiterhin an das Potenzial von ATX-101 glauben“, betont Konzern-Managerin Erica Mann. Andere warnen indessen vor dem Medikament. Der Pharmazeut Gerd Glaeske etwa befürchtet, die zerstörten Fettzellen könnten im Körper umherwandern, zusammenklumpen und Gefäß-Verschlüsse oder Schlaganfälle verursachen. Zudem prophezeit er Hautschäden an den behandelten Stellen.

BAYER kauft ALGETA
Der Leverkusener Multi hat für 2,1 Milliarden Euro das Unternehmen ALGETA erworben. Damit besitzt der Pharma-Riese nunmehr die alleinigen Rechte an dem von ALGETA entwickelten Strahlentherapie-Medikament XOFIGO, die er sich zuvor im Rahmen eines Kooperationsvertrages noch mit dem norwegischen Konzern teilen musste. Die in den USA und Europa bereits zugelassene Arznei kommt bei der Prostatakrebs-Art CRPC zum Einsatz, wenn eine Hormon-Behandlung erfolglos geblieben ist und sich zudem noch Metastasen im Knochen gebildet haben. Dann soll eine radioaktive Bestrahlung mit dem Wirkstoff Radium-223-Dichlorid das Wachstum der Tumor-Zellen hemmen. Bei den Klinischen Tests verhalf das den PatientInnen jedoch nur zu einem noch nicht einmal drei Monate längeren Leben. BAYER-Chef Marijn Dekkers setzt trotzdem große Hoffnungen in das Strahlentherapeutikum: „Wir sind absolut überzeugt vom Potenzial dieses Medikamentes.“ Der Holländer sieht durch den Zukauf die Onkologie-Sparte gestärkt, die zu den gewinnträchtigsten im Pillen-Bereich zählt. Auf dem globalen Pharma-Markt sorgten Krebsmedikamente 2012 mit 61,6 Milliarden Dollar für den höchsten Umsatz.

BAYER kauft DIHON
Der Leverkusener Multi hat das chinesische Unternehmen DIHON erworben, das freiverkäufliche Medizinprodukte herstellt, darunter Mittel gegen Hautkrankheiten und Arzneien auf pflanzlicher Basis. Die Gesellschaft erwirtschaftete 2012 mit 2.400 Beschäftigten einen Umsatz von 123 Millionen Euro und hat unter anderem in Tansania, Nigeria, Vietnam, Myanmar und Kambodscha Niederlassungen. Zu den bekanntesten DIHON-Produkten zählen SKINEAL zur Behandlung von Pilz-Infektionen der Haut und HAICUEAL, das bei Schuppen und anderen Kopfhaut-Problemen Verwendung findet. Der Pharma-Riese will mit der Akquisition jedoch nicht nur sein Angebot mit nicht rezeptpflichtigen Produkten erweitern. „Gleichermaßen wichtig ist für uns hierbei der Einstieg in das Gebiet der traditionellen chinesischen Medizin“, betont der „BAYER HEALTH CARE“-Vorsitzende Dr. Olivier Brandicourt. Dieses Gebiet hat nämlich bei den freiverkäuflichen Pharmazeutika einen Marktanteil von 50 Prozent, und dafür weicht der Global Player auch gerne mal vom schulmedizinischen Pfad ab. Aus ähnlichem Kalkül hat er vor kurzem das Naturheilmittel-Unternehmen STEIGERWALD erstanden. Und jetzt hofft Brandicourt auf Synergie-Effekte: „Wir gehen davon aus, dass sich durch eine Kombination des kürzlich von STEIGERWALD erworbenen Geschäfts mit der Expertise und dem pflanzlichen (...) Portfolio von DIHON ein zusätzlicher Nutzen für beide Bereiche erzielen lässt.“

Kooperation mit dem „Broad Institute“
BAYER hat mit dem in Cambridge ansässigen „Broad Institute“ eine Zusammenarbeit vereinbart. Die beiden Partner wollen gemeinsam Krebs-Medikamente entwickeln, die gezielt auf die Erbanlagen von Tumorzellen einwirken.

Kooperation mit INCEPTION
Augen-Arzneien gehören zum Kerngeschäft von BAYERs Pharma-Sparte. So machte er mit dem Gentech-Präparat EYLEA zur Behandlung der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – 2013 einen Umsatz in Höhe von 473 Millionen Euro. Darum will der Leverkusener Multi nun weitere Medikamente für dieses Therapiefeld auf den Markt bringen. Allerdings sourct er die Entwicklung aus: Er beauftragte das Unternehmen INCEPTION SCIENCES mit den entsprechenden Arbeiten.

Weniger Rabatt und Nutzenbewertung
Im Jahr 2011 hatte die damalige Bundesregierung eine Kosten/Nutzen-Bewertung von neuen Medikamenten und ein Preis-Moratorium eingeführt. So wollte sie die Pillen-Ausgaben auf ein vernünftiges Maß zurückführen. Bis die Regelung Ergebnisse zeitigt, sollten BAYER & Co. – befristet bis Anfang 2014 – auf Arznei-Innovationen nicht mehr wie bisher sechs, sondern 16 Prozent Rabatt gewähren. Doch das Instrument des Pharmazeutika-TÜVs verfehlte das Einspar-Ziel von mehr als einer Milliarde Euro mit bisher 120 Millionen deutlich. Darum will die Große Koalition den Rabatt nun auf sieben Prozent festlegen und sich weitere Erhöhungen vorbehalten. Der von BAYER gegründete „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VFA) rechnet 2014 wegen des Auslaufens der 16-Prozent-Zwischenlösung mit einem Geldsegen für die Branche. Eine Gewinn-Steigerung von 4,7 Prozent auf 40 Milliarden Euro prophezeit er, während die Krankenkassen Mehraufwendungen in Höhe von zwei Milliarden Euro erwarten. Trotzdem verzichten SPD und CDU auch noch darauf, die Kosten/Nutzen-Bewertung auf die alten Pillen auszuweiten und gaben damit einer Forderung des Leverkusener Multis und anderer Pharma-Riesen nach. Die „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“ (AkdÄ) kritisierte das scharf. „Die Nutzenbewertung für bereits auf dem Markt befindliche Arzneimittel ist für eine qualitativ hochwertige und wirtschaftliche Arzneimittel-Versorgung unentbehrlich“, so der Vorsitzende Wolf-Dieter Ludwig.

Verschärfte Kosten/Nutzen-Bewertung?
Die Kosten/Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln hat bisher nicht die gewünschten Einsparungen erbracht (s. o.) Darum plant die Große Koalition Änderungen. Künftig soll die Schiedsstelle auch festlegen, was ein Medikament höchstens kosten darf, und nicht mehr wie bisher nur die Höhe des Abschlags. Die alte Regelung hatte für BAYER & Co. den Vorteil, den Listenpreis einer Arznei nicht zu tangieren, der beispielsweise bestimmt, wieviel der Leverkusener Multi im Ausland für seine Pharmazeutika verlangen kann. Darum reagierten die Pharma-Riesen scharf. Der von BAYER gegründete „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VFA) nannte das Vorhaben einen Eingriff von „fundamentaler ordnungspolitischer Bedeutung“.

FDA in der Kritik
ForscherInnen der „Yale University“ haben die Arzneimittel-Zulassungspraxis der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA untersucht und dabei gravierende Mängel festgestellt. Obwohl die Einrichtung laut Statut eigentlich zwei Studien zur Bedingung einer Genehmigung macht, gibt sie sich in einem Drittel der Fälle mit nur einer Untersuchung zufrieden, monierten die WissenschaftlerInnen. Zudem kritisierten die MedizinerInnen, dass die Tests, selbst wenn es sich um Medikamente für chronisch Kranke handelte, zum überwiegenden Teil nur ein halbes Jahr dauerten und sich die Hälfte der Erprobungen gar nicht dem Krankheitssymptom selbst, sondern einer abgeleiteten Größe wie etwa dem Blutwert widmeten.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Schärfere GAUCHO-Grenzwerte
Das BAYER-Pestizid GAUCHO steht seit Jahren wegen seiner bienenschädigenden Wirkung in der Kritik. Im Frühjahr 2013 entschloss sich die EU deshalb endlich, die Ausbringung auf solchen Pflanzen, deren Pollen Bienen zur Nahrung dienen, für zunächst zwei Jahre zu verbieten. Das zur Gruppe der Neonicotinoide gehörende Ackergift mit dem Wirkstoff Imidacloprid birgt jedoch noch andere Gefahren. So kann es einer neuen japanischen Studie zufolge durch seine nikotin-ähnliche Wirkung die Entwicklung des Embryos im Mutterleib stören und Schädigungen an seinem Nervensystem hervorrufen. Die „Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit“ (EFSA) reagierte für ihre Verhältnisse ungewöhnlich schnell und riet zu schärferen Grenzwerten für imidacloprid- und acetamiprid-haltige Produkte. BAYER zeigte sich verschnupft: „Wir sind überrascht, dass die EFSA hauptsächlich auf der Basis von simplen Zellkultur-Experimenten empfahl, eine Veränderung der Imidacloprid-Zulassung vorzunehmen.“

PFLANZEN & SAATEN

Saatgut-Markt: BAYER Nr. 9
Die zehn größten Saatgut-Unternehmen der Welt beherrschen nach der von den Grünen im Europa-Parlament in Auftrag gegebenen Studie „Concentration of Market Power in the EU Seed Market“ mehr als die Hälfte des globalen Geschäfts. Sie kommen insgesamt auf einen Marktanteil von 62 Prozent. BAYER belegt in dieser Rangliste mit einem Wert von 2,2 Prozent den neunten Platz. Auf EU-Ebene hat der Leverkusener Multi vor allem im Tomaten-Bereich eine starke Stellung. Gemeinsam mit MONSANTO, SYNGENTA, LIMAGRAIN und RIJKZWAAN kontrolliert der Konzern 45 Prozent des Handels mit der Gemüse-Art.

Keine neue Saatgut-Verordnung
Anfang Mai 2013 hatte die EU-Kommission einen Entwurf für eine neue Saatgut-Verordnung präsentiert. Dieser stärkt die Position von Industrie-Saatgut. So gestattet die Vorlage BAYER & Co., die Qualitätskontrolle für ihre Produkte selber zu übernehmen. Zudem macht sie es alten und lokalen Sorten schwerer, einen Marktzugang zu erhalten, was die Artenvielfalt bedroht. Aber gegen diese Pläne formierte sich Widerstand, der Erfolg zeigte. Im März 2014 lehnte das EU-Parlament das Vorhaben ab und brachte es damit zum Scheitern.

GENE & KLONE

1507-Mais vor der Zulassung
In der EU steht der Genmais 1507 vor der Zulassung. Nachdem sich bei einer Sitzung der EU-UmweltministerInnen – auch wegen der Enthaltung der Bundesregierung – keine ausreichende Mehrheit für eine Ablehnung gefunden hatte, entschloss sich EU-Kommission, die Laborfrucht von PIONEER und DOW AGROSCIENCES für den Anbau zuzulassen. Diese enthält den „Bacillus thuringiensis“ (Bt) in einer Gift-Konzentration, welche diejenige von MONSANTOs 810-Mais um das 350fache übersteigt. Zudem verfügt die Pflanze über eine Resistenz gegen die BAYER-Agrochemikalie Glufosinat, deren Tage in Europa allerdings gezählt sind. Nicht nur deshalb reagierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN mit Unverständnis auf das Votum der Europäischen Union. „Es ist vollkommen unverständlich, warum die EU eine Genpflanze mit einer eingebauten Resistenz gegen ein Pestizid zulassen will, das wegen seiner Gefährlichkeit bereits in drei Jahren vom Markt verschwinden soll.“ Zu den zahlreichen KritikerInnen der Entscheidung zählte auch das „Bundesamt für Naturschutz“. „Mit dem aktuellen Vorschlag der Kommission vom 6. November 2013 würde 1507-Mais ohne ausreichende Risiko-Prüfung sowie ohne ausreichendes Risiko-Management und Monitoring zugelassen“, hält die Behörde fest. Wie wichtig ein solcher Sicherheitscheck gewesen wäre, zeigt sich unter anderem daran, dass die Sorte sich klammheimlich schon auf hiesige Äcker geschlichen hat: Das niedersächsische Landesumweltamt hat 2013 in konventionellen Mais-Kulturen 1507-Spuren gefunden. Auch von Erfahrungen aus der Praxis hat sich die EU bei ihrer Entscheidung nicht groß irritieren lassen, sonst hätte sie das Gewächs wohl kaum genehmigt. In Brasilien etwa haben sich die Schadinsekten nämlich bereits an das Gen-Konstrukt gewöhnt, weshalb die LandwirtInnen trotz Erhöhung der Chemie-Dosis mit Ernte-Ausfällen kämpfen. Ob der Mais wirklich die bundesdeutschen Felder heimsuchen wird, steht allerdings noch in Frage: Gegenwärtig berät die Europäische Union über eine Richtlinie, die es den Mitgliedsländern gestattet, selbstständig über den Anbau von 1507 & Co. zu entscheiden.

Gentests in Indien
In Indien hat sich die gen-manipulierte Baumwolle durchgesetzt. Auf dreiviertel aller Felder wachsen meist von MONSANTO produzierte Laborfrüchte. Aber auch BAYER drängt in den Markt. So führt der Leverkusener Multi in dem südasiatischen Staat derzeit zwei Freisetzungsversuche durch. Er testet dort die glyphosat-resistente und zusätzlich noch mit dem für Insekten tödlichen Bacillus thuringiensis (Bt) bestückte Sorte GHB119 und das glufosinat-resistente und Bt-bewehrte Produkt T304-40.

Vermarktung von Gentech-Raps
BAYER hat 2013 mit der Vermarktung des Gentech-Raps’ „IH 50 RR“ in Australien begonnen. Die Laborfrucht auf Basis der von MONSANTO entwickelten „ROUNDUP READY“-Technologie ist mit einer Resistenz gegen das Herbizid Glyphosat ausgestattet.

EYLEA: kein Zusatznutzen
BAYERs zur Therapie der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – zugelassene Augen-Arznei EYLEA (Ticker 2/12) erschließt nicht gerade medizinisches Neuland. In den klinischen Prüfungen gelang es dem Gentech-Medikament nicht, das NOVARTIS-Präparat LUCENTIS zu übertrumpfen, was der Leverkusener Multi auch selbst einräumen musste. Laut Konzern zeigte das Pharmazeutikum in Tests lediglich „eine vergleichbare Wirkung (‚Nicht-Unterlegenheit’) gegenüber der Behandlung mit LUCENTIS“. Das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWIG) erkannte im Januar 2014 ebenfalls keinen Zusatznutzen. Deshalb ist der Pharma-Riese jetzt gezwungen, sich bei der Preisgestaltung an den altbewährten Mitteln zu orientieren.

EYLEA-Forschungskooperationen
473 Millionen Euro Umsatz hat BAYER im Geschäftsjahr 2013 mit seinem Augen-Präparat EYLEA gemacht. Darum setzt der Leverkusener Multi trotz nicht gerade berauschender Heilungserfolge (s. o.) des gentechnisch hergestellten Medikaments weiter auf dieses Therapiefeld. So vereinbarte er nicht nur mit INCEPTION SCIENCES (siehe DRUGS & PILLS), sondern auch mit REGENERON eine Kooperation. Das US-Unternehmen entwickelt für den Pharma-Riesen einen Antikörper, der in Kombination mit EYLEA zum Einsatz kommen soll.

WASSER, BODEN & LUFT

CO2-Emissionen steigen
Im Geschäftsjahr 2013 sind bei BAYER die klima-schädigenden Kohlendioxid-Emissionen abermals gestiegen. Sie erhöhten sich von 8,36 auf 8,37 Millionen Tonnen.

Weniger ODS- und VOC-Ausstoß
Nicht nur Kohlendioxid wirkt klima-schädigend. Das tun auch andere, unter dem Begriff „Ozone Depleting Substances“ (ODS) subsummierte Stoffe. Deren Ausstoß verringerte sich bei BAYER im Geschäftsjahr 2013 ebenso wie derjenige der flüchtigen organischen Substanzen (VOC), weil sich auf der Dauerbaustelle am indischen Standort Vapi, der für ein Gutteil dieser Emissionen sorgt, endlich etwas zu tun scheint. Die Werte reduzierten sich von 16,3 auf 15,7 bzw. von 2,60 auf 2,27 Tonnen.

Etwas weniger Luftverschmutzung
Im Geschäftsjahr 2013 bliesen die BAYER-Schlote mit 900 Tonnen 100 Tonnen Kohlenmonoxid weniger in die Luft als 2012. Der Schwefeloxid-Ausstoß verringerte sich von 3.100 auf 2.500 Tonnen, und der Stickstoff-Ausstoß ging von 1.900 auf 1.300 Tonnen zurück. Die Feinstaub-Emissionen verharrten dagegen bei 200 Tonnen.

Konstant hohe Wasser-Belastung
BAYERs Einleitungen von Schadstoffen in Gewässer verharrten 2012 auf konstant hohem Niveau. Die Emissionen von organisch gebundenem Kohlenstoff legten von 1.420 auf 1.530 Tonnen zu, diejenigen von Stickstoff bewegten sich weiter um die 700 Tonnen. Die Schwermetall- und Phosphor-Frachten reduzierten sich dagegen etwas, sie senkten sich von 9,8 auf 9,1 Tonnen bzw. von 150 auf 110 Tonnen ab. Auch mussten die Flüsse nicht mehr ganz so viel anorganische Salze aufnehmen. Das Volumen schrumpfte von 1.048.000 auf 946.000 Tonnen.

Wasser-Schadstoff PCB
2008 hat die EU eine Schwarze Liste mit 33 Stoffen veröffentlicht, die eine besonders große Belastung für die Gewässer darstellen und die Mitgliedsstaaten aufgefordert, bis zum Jahr 2021 Vorschläge zur Reduzierung der Einträge vorzulegen. Im letzten Jahr ergänzte Brüssel die Aufstellung um elf Substanzen. Unter ihnen befinden sich auch die vom Leverkusener Multi bis zu ihrem endgültigen Verbot 1989 massenhaft hergestellten Polychlorierten Biphenyle (siehe AKTION & KRITIK). Das PCB befindet sich damit in der schlechten Gesellschaft der anderen von der Europäischen Union inkriminierten Wasserverschmutzer made by BAYER wie Chlorpyrifos, Dichlormethan, Diuron, Endosulfan, Fluoranthen, Hexachlorcyclohexan, Blei, Quecksilber, Nickel, Nonylphenol, Trichlormethan und Trifluralin.

Sanierungsmaßnahmen in Hagerstown
Bis Mitte der 1980er Jahre haben BAYER und andere Chemie-Multis ihre Pestizid-Wirkstoffe im US-amerikanischen Hagerstown zu fertigen Produkten weiterverarbeiten lassen. Die Veredelungsprozesse führten zu massiven Verunreinigungen des Bodens, des Grundwassers und der nahe gelegenen Oberflächen-Gewässer. Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA fand unter anderem Spuren der Ackergifte DDT, Lindan, Dieldrin und Aldrin sowie Blei und Arsen. Auf ca. 250.000 Dollar schätzt sie die Aufwändungen für die Sanierung der Schäden. An diesen Kosten müssen sich außer dem Leverkusener Multi noch 15 weitere Firmen beteiligen.

Brückenbau auf Deponie-Gelände
Die Deponie Dhünnaue diente BAYER von 1923 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs als Giftmüll-Schlucker. Danach ließ der Leverkusener Multi nicht nur Gras über die Sache wachsen, sondern auch 220 Wohneinheiten sowie eine Schule, einen Kindergarten und ein Altersheim. Die Folge: Allein in der Hauptschule am Rand des Geländes traten 15 Krebserkrankungen und fünf Todesfälle auf. Die notwendigen Sanierungsmaßnahmen begannen erst in den 1990er Jahren. Der Konzern trug das verseuchte Erdreich jedoch keineswegs ab und umschloss es auch nicht vollständig. Lediglich zum Rhein hin sicherte er die Altlast mit Spundwänden ab. Deshalb ist es erforderlich, stündlich 750 Kubikmeter verseuchtes Wasser abzupumpen und zu reinigen – über Jahrhunderte hinweg. Und deshalb müssen jetzt auch die Sondierungsarbeiten zum Bau einer Autobahn-Brücke auf dem Areal äußerst vorsichtig verlaufen. Jedes Bohrloch birgt bis zu zwei Tonnen Sondermüll, was die Beschäftigten dazu nötigt, einen Ganzkörperschutz zu tragen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) fordert eine vollständige Sicherung des Geländes auf Kosten des Global Players, die Übernahme aller Folgekosten sowie einen Gedenkstein für die Opfer. „Die entstehenden Mehrkosten beim Bau der Autobahn müssen von BAYER getragen werden. Umwelt und Anlieger haben jahrzehntelang unter der Gift-Belastung gelitten. Der Öffentlichkeit dürfen nicht noch weitere Folgekosten entstehen“, so Philipp Mimkes vom Vorstand der CBG.
Gas-Kraftwerk in Leverkusen
Wie in Krefeld plante BAYER auch in Leverkusen ursprünglich ein Kohlekraftwerk. Und wie in Krefeld entschied sich der Chemie-Multi nach massivem Protest gegen den Bau der klima-schädigenden Dreckschleuder und stattdessen für ein Gas- und Dampfkraftwerk. Während er die Entscheidung in Krefeld 2013 aber erst einmal widerrief und sich zwei Jahre Bedenkzeit einräumte, gibt es am Stammsitz nach ebenfalls langem Hin und Her nun eine Vorentscheidung. Der Betreiber REPOWER hat im März 2014 einen Vorvertrag für die Anlage geschlossen, die den Chemie-„Park“ mit 570 Megawatt Strom pro Stunde versorgen soll.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

Schärferer Bisphenol-Grenzwert?
BAYER ist mit einer Jahresproduktion von ca. einer Million Tonnen einer der größten Produzenten der Industrie-Chemikalie Bisphenol A. Drei Prozent davon finden in Lebensmittel-Verpackungen wie etwa Konservendosen Verwendung. Die Substanz ähnelt in ihrem chemischen Aufbau Hormonen, was Auswirkungen auf den menschlichen Stoffwechsel hat und zu Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen führen kann. Deshalb steht der Stoff seit Jahren in der Kritik. Die EU, die im März 2011 bereits seine Verwendung in Babyflaschen untersagt hatte (Ticker 1/12), plant jetzt eine Verschärfung des Grenzwertes. Sie will eine Belastung nur noch bis zu fünf Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht tolerieren (bisher 50 Mikrogramm). Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) begrüßt dieses Vorhaben, fordert jedoch weitere Maßnahmen. „Dies ist ein Schritt in die richtige Richtung. Nun muss ein Bisphenol A-Verbot in Trinkflaschen, Spielzeug und Lebensmittel-Verpackungen folgen. Hormonaktive Substanzen haben in Produkten des täglichen Bedarfs absolut nichts verloren! Die Leugnung der Risiken durch BAYER, DOW und Co. darf nicht weiter zur Gefährdung der Verbraucher führen“, heißt es in der CBG-Presseerklärung.

Greift Bisphenol A die Zähne an?
Trotz guter Zahnpflege breitet sich unter Kindern eine neue Krankheit aus. Ihre Zähne haben wegen einer unzureichenden Mineralisation nicht genügend Festigkeit und zersetzen sich langsam. „Molar-Incisor-Hypomineralisation“ (MIH) nennen MedizinerInnen diese Gesundheitsstörung, von der ca. 10 Prozent der SchülerInnen betroffen sind. Als Auslöser von MIH haben WissenschaftlerInnen die von BAYER in rauen Mengen hergestellte Industrie-Chemikalie Bisphenol A (s. o.) in Verdacht, die etwa bei der Produktion von Plastik-Flaschen und anderen Lebensmittel-Verpackungen zum Einsatz kommt. In Tierversuchen störte sie nämlich die Mineralisation der Zähne von Ratten. Der Mediziner Dr. Norbert Krämer von der Gießener Poliklinik für Kinder-Zahnheilkunde rät deshalb zur Vorsicht: „Das Trinken aus der Plastikflasche würde ich abstellen.“ Auch empfiehlt er, auf Lebensmittel zu verzichten, deren Hüllen Bisphenol-Anteile aufweisen.

CO & CO.

Marode Alt-Pipeline
Nicht nur die zwischen den BAYER-Werken Dormagen und Krefeld verlegte Kohlenmonoxid-Pipeline wirft Sicherheitsfragen auf. Auch die in den 1960er Jahren zwischen Dormagen und Leverkusen gebaute Leitung, die der Leverkusener Multi seit 2001 für den Transport von CO nutzt, ohne von der Bezirksregierung dafür mit einem neuen Genehmigungsverfahren oder schärferen Auflagen behelligt worden zu sein, hat gravierende Mängel. Das musste die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN nach Einsichtnahme in die Behörden-Bescheide und Untersuchungsberichte feststellen. Besonders dort, wo die Pipeline den Rhein unterquert, zeigen sich Korrosionsschäden, also Abnutzungserscheinungen an den Bau-Bestandteilen. So treten an diesem Rhein-Düker nach einem Bericht des TÜV Rheinland „gravierende externe Materialverluste“ auf, weswegen jener „nicht dem Stand der Technik“ entspreche. Damit nicht genug, beträgt die mittlere Verlegungstiefe des Röhren-Werks nur ein Meter, und kein Warnband (Geogrid) weist auf seine Existenz hin. Der Leverkusener Multi sieht jedoch keinen Grund zur Beunruhigung: „Die Leitung wird sicher betrieben, ständig überwacht und regelmäßig kontrolliert.“ Kritik an der Alt-Pipeline weist er zurück und bezeichnet diese als „Stimmungsmache von Industriegegnern aus dem Lager der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN“. Den Bau eines neuen Dükers plant der Konzern aber trotzdem – so ganz sicher scheint er sich betreffs der Sicherheitslage also nicht zu sein. Die Bezirksregierung Köln plant ebenfalls Maßnahmen: Sie hat eine Sonderprüfung angekündigt. Und die nordrhein-westfälische Landesregierung versucht auf Bundesebene ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das die Betreiber von Rohrleitungen zwingt, diese ständig dem jeweiligen Stand der Technik anzupassen. Bisher sträubt sich die Bundesregierung jedoch gegen ein solches Paragrafen-Werk.

Unrentable Neu-Pipeline
Die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hatte ein Gutachten in Auftrag gegeben, das untersuchen sollte, ob die Pipeline für BAYER die einzige Möglichkeit darstellte, das Werk in Uerdingen mit Kohlenmonoxid zu versorgen. Die Expertise des „Bielefelder Instituts für Umweltanalyse“ beantwortet die Frage eindeutig mit „Nein“ und betrachtet die Errichtung sogar als die teurere Lösung. „Zusammenfassend stellte somit die technisch zur Verfügung stehende Alternative der CO-Erzeugung vor Ort in Uerdingen zum Zeitpunkt der Entscheidungsfindung für den Bau und Betrieb der CO-Pipeline aus Sicht der wettbewerbsfähigen CO-Kosten die kostengünstigere Alternative dar“, befindet die Untersuchung. Hat sich der Konzern also einfach verrechnet? Erich Hennen von der Duisburger Initiative CONTRA PIPELINE mag daran nicht glauben. Er vermutet, das Unternehmen habe das Röhrenwerk gar nicht zur Durchleitung, sondern zur Speicherung von Kohlenmonoxid konstruiert. Dem Aktivisten zufolge wurde es als „längster Gasometer der Welt“ konzipiert, auf den die Werke beliebig – etwa bei Versorgungsstörungen – zurückgreifen können, weshalb auch Entnahme-Möglichkeiten an beiden Enden der Leitung bestehen.

Anhörung vor dem OVG Münster
Das Gutachten des „Bielefelder Instituts für Umweltanalyse“ zu den Pipeline-Alternativen (s. o.) besitzt auch für den Prozess Relevanz, der vor dem Münsteraner Oberverwaltungsgericht (OVG) anhängig ist. Dort rechtfertigt BAYER nämlich die im Zuge der Baumaßnahmen vorgenommenen Enteignungen mit dem Argument, die Rohrleitung sei für den Wirtschaftsstandort unerlässlich und diene daher dem Allgemeinwohl. Bei der Anhörung, die vom 15. bis 19. Februar stattfand, spielte die Expertise zwar noch keine Rolle, aber auch so konnte sich der zum „Allgemeinwohl“ um seinen Grund und Boden gebrachte Landwirt Heinz-Josef Mohr in seinem Rechtsempfinden bestätigt sehen. Der Senat habe erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Enteignung seines Mandaten geäußert, resümierte der Rechtsanwalt Dr. Jochen Heide laut Rheinischer Post: „Für uns läuft es in die richtige Richtung.“

PLASTE & ELASTE

Maue Kunststoff-Sparte
BAYERs Kunststoff-Sparte verliert gegenüber den Bereichen „Gesundheit“ und „Landwirtschaft“ immer mehr an Bedeutung. Machte ihr Anteil am Umsatz im Geschäftsjahr 2013 noch rund 30 Prozent aus, so schrumpfte ihr Beitrag zum bereinigten Gewinn auf bloße zehn Prozent. Das dürfte die ohnehin schon gefährdete Stellung von BAYER MATERIAL SCIENCE innerhalb des Unternehmens noch ein Stückchen unsicherer machen.

PRODUKTION & SICHERHEIT

Mehr Arbeitsunfälle in Europa
Die Zahl der Arbeitsunfälle bei BAYER blieb im Geschäftsjahr 2013 gegenüber 2012 relativ konstant. Es gab wie im Vorjahres-Zeitraum zwei Tote zu beklagen. Statistisch gesehen kam es über den Zeitraum von 200.000 Arbeitsstunden zu 0,47 Ereignissen (2012: 0,49). Während der Wert in den Regionen Nordamerika, Asien/Pazifik und Lateinamerika sank, erhöhte er sich in Europa von 0,21 auf 0,72 – mehr als eine Verdreifachung! Eine Erklärung hat der Leverkusener Multi dafür nicht. „Der ungewöhnlich starke Anstieg der (...) Unfall-Quote in Europa wird derzeit intensiv untersucht“, heißt es im Geschäftsbericht lediglich.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Doppelt so viele Störfälle
Die Zahl der Störfälle in BAYER-Werken hat sich im Geschäftsjahr 2013 von fünf auf zehn verdoppelt. Dazu kommen noch fünf Vorfälle, die dem Leverkusener Multi aus unerfindlichen Gründen nicht als „Umweltereignisse“ gelten sowie ein – von dem Konzern offenbar vergessener – Ammoniak-Austritt am US-Standort Muskegon.

Methanol-Austritt in Muskegon
Am 28.2.13 kam es auf dem Gelände des US-amerikanischen BAYER-Standorts Muskegon zu einem Zwischenfall. Während der Wartung einer Anlage trat gasförmiges Methanol aus.

Methanol-Austritt in Wuppertal
Aus einer Produktionsanlage von BAYER HEALTH CARE in Wuppertal traten am 10.3.13 ca. 600 Liter Methanol aus.

Chlorwasserstoff-Austritt in Vapi
Am 13.3.13 brach auf dem BAYER-Firmenareal im indischen Vapi eine Kunststoff-Pipeline. Daraufhin gelangten 20 Kubikmeter einer Flüssigkeit, die Chlorwasserstoff enthielt, ins Freie.

DESMODUR läuft aus

  • 1


Am 4.4.13 beschädigte am BAYER-Standort Knoxville (Tennessee) ein Gabelstabler beim Verladen einen mit dem Flüssigklebstoff DESMODUR befüllten Behälter, weshalb 225 Liter der Substanz ausliefen, die krebserregend wirken, die Atemorgane schädigen, die Haut angreifen und Asthma auslösen kann.

DESMODUR läuft aus

  • 2


Am 17.7.13 kam es während eines Lade-Vorgangs abermals zu einem Zwischenfall mit dem Flüssigklebstoff DESMODUR. Ein Transport-Fahrzeug beschädigte ein mit der Substanz gefülltes Fass. Daraufhin liefen 200 Liter des Stoffes aus.

Polyol gelangt ins Meer
Auf einem Seetransport von Brasilien nach Argentinien kam es am 9.4.13 beim Reinigen eines Tanks zu einem Zwischenfall, in dessen Folge 35 Tonnen von BAYERs Kunststoff-Vorprodukt Polyol ins Meer flossen.

Polyol trat aus
Während eines Seetransportes nach Hongkong schlug am 3.12.13 ein mit dem Kunststoff-Vorprodukt Polyol befüllter Container Leck. Über 1.000 Kilogramm der Substanz traten aus.

Ammoniak-Austritt in Kansas
Auf dem Areal des BAYER-Standorts Kansas City traten am 11.5.13 790 Kilogramm Ammoniak aus. Als Ursache des Störfalls gab der Leverkusener Multi einen defekten Dichtungsring am Überdruck-Ventil an.

Salzsäure-Austritt in Krefeld
Im Krefelder BAYER-Werk trat am 19.6.13 aus einer Leitung, die zwei Tanklager miteinander verbindet, wegen eines defekten Restentleerungshahnes Salzsäure aus. Zur Menge machte der Leverkusener Multi keine Angaben.

Isoamylacetat entzündet sich
Durch Funkenflug, der von Schweißarbeiten herrührte, entzündete sich am 25.12.13 auf dem Gelände des chinesischen BAYER-Standorts Chengdu ein Behälter, der mit der gesundheitsschädlichen Chemikalie Isoamylacetat gefüllt war.

Sechs LKW-Unfälle
Im Geschäftsjahr 2013 verunglückten sechs mit BAYER-Stoffen beladene LKWs, wodurch fast immer Chemikalien ins Freie gelangten.

CO-Unfall wg. undichter Sicherung
Am 25. September 2013 kam es im Brunsbütteler BAYER-Werk zu einer Freisetzung von Kohlenmonoxid. Zwei Beschäftigte wurden bewusstlos aufgefunden, drei weitere atmeten das Giftgas ein (siehe Ticker 1/14). Als Ursache des Unglücks gibt der Leverkusener Multi in seinem Geschäftsbericht eine undichte Unterdruck-Sicherung an.

STANDORTE & PRODUKTION

Leverkusen darbt
Die Stadt, in der einer der 100 größten Konzerne der Welt seinen Stammsitz hat, darbt. Mehrere Jahre lang musste Leverkusen mit Nothaushalten über die Runden kommen, weil BAYER weniger Gewerbesteuern überwies – und manchmal wie 1999, 2001, 2003 und 2004 – auch gar keine. So viel wie der Konzern 1990 noch aufbrachte – 123 Millionen Euro – nimmt der Kämmerer Rainer Häusler heute nicht einmal mehr von allen Unternehmen zusammen ein: 2013 belief sich das Gewerbesteuer-Aufkommen auf ca. 70 Millionen Euro. Häusler grollt dem Pharma-Riesen dennoch nicht. „BAYER hat uns dominiert, und die Stadt hat stark davon profitiert. Die Nachteile sind die Sprünge in der Gewerbe -Entwicklung.“ Für diese Sprünge sorgte vor allem die Unternehmenssteuer„reform“ des Jahres 2000, die BAYERs ehemaliger Steuer-Chef Heribert Zitzelsberger als Staatssekretär im Finanzministerium maßgeblich mitgeprägt hat. Aber auch die „Konzentration auf das Kerngeschäft“, in deren Folge sich der Global Player von Unternehmensteilen trennte, brachte der Stadtkasse Verluste, weil diese Abspaltungen entweder eingingen oder Leverkusen verließen, wie es aktuell auch LANXESS plant.

KOGENATE aus Deutschland
Der Leverkusener Multi stellt das Bluter-Präparat KOGENATE bisher ausschließlich im US-amerikanischen Berkeley her. Für die Weiterentwicklungen, die sich in der Abschlussphase der klinischen Tests befinden, will der Konzern jedoch nicht dort 500 Millionen Euro in neue Produktionskapazitäten investieren und 500 zusätzliche Arbeitsplätze schaffen, sondern in Wuppertal und Leverkusen. Das Investitionsklima in Berkeley sieht der Konzern offenbar als nicht allzu günstig an, handelt es sich doch um einen der wenigen BAYER-Standorte in den USA mit einer gewerkschaftlich organisierten Belegschaft.

IMPERIUM & WELTMARKT

Malik neu im Vorstand
Der Leverkusener Multi hat Kemal Malik neu in den Vorstand berufen. Er tritt die Nachfolge von Wolfgang Plischke an, der in Pension geht, und übern

[PCB] STICHWORT BAYER 01/2014

CBG Redaktion

Chemische Zeitbomben

BAYERs PCB-Altlast

Weltweit produzierten die Chemie-Multis rund 1,3 Millionen Tonnen Polychlorierte Biphenyle. Die giftigen „Alleskönner“ kamen bis zu ihrem Verbot in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz. Die Entsorgung dauert Jahrzehnte und kostet Milliarden. Die Hersteller, vor allem MONSANTO und BAYER, wälzen die Kosten auf die Allgemeinheit ab. Erste Versuche, die Firmen für ihr toxisches Erbe haftbar zu machen, scheiterten.

Von Philipp Mimkes

Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören zu den giftigsten Hervorbringungen der Chlorchemie. Darum zählt die Substanzklasse, deren Chlorgehalt je nach Hersteller und Produkt zwischen 20 und 60 Prozent lag, auch zu dem berühmt-berüchtigen „dreckigen Dutzend“ der gesundheitsschädlichsten Gefahrstoffe. Sie können das menschliche Hormonsystem, das Nervensystem und das Immunsystem schädigen, die Schilddrüse, Leber und Nieren angreifen und zu Unfruchtbarkeit führen (Fußnote 1). Die Weltgesundheitsorganisation hat die Substanzklasse jüngst in die Liste krebserzeugender Stoffe der Kategorie 1 hochgestuft (2).
Chemisch mit Dioxinen verwandt, handelt es sich bei PCB nämlich um äußerst stabile und deshalb nur schwer abbaubare Verbindungen, die zudem eine hohe Mobilität aufweisen. Darum finden sie sich nahezu überall in der Natur - in der Tiefsee ebenso wie in der Arktis. Traurige Berühmtheit erlangten kanadische Eskimos, die unter einer PCB-Konzentration leiden, die der von Opfern großer Chemie-Unglücke vergleichbar ist – in einer Weltgegend, in der die Substanzen nie großtechnisch eingesetzt wurden. Darüber hinaus besitzen sie eine hohe Fettlöslichkeit und reichern sich daher in der Nahrungskette an.
Polychlorierte Biphenyle wurden seit 1929 großtechnisch hergestellt. Wegen ihrer speziellen elektrischen Eigenschaften und ihrer Nichtbrennbarkeit fanden sie zunächst Einsatz in Transformatoren und Kondensatoren. Darüber hinaus verwendete man PCB als Weichmacher in Fugendichtungsmassen, aber auch in Farben, Lacken, Klebstoffen und als Flammschutzmittel in Deckenplatten (3).
Weltweit produzierten die Chemie-Multis bis 1989 rund 1,3 Millionen Tonnen PCB. Rund die Hälfte stammt aus den Fabriken des US-Konzerns MONSANTO. Die deutsche BAYER AG, welche die Fertigung bereits 1930 aufgenommen hatte, liegt mit 160.000 Tonnen – rund 12 Prozent der Gesamtproduktion – auf dem zweiten Platz. Es folgen russische und französische Hersteller (4). Die wichtigsten Handelsnamen von PCB waren Aroclor (MONSANTO), Clophen und Elanol (BAYER) sowie Pyralene von der französischen Firma PRODELEC.

Später Produktions-Stopp
Das weltweit erste Verbot „offener“ Anwendungen, etwa in Dichtungsmassen, Farben und Kunststoffen, hatte die schwedische Regierung bereits 1972 verhängt. Deutschland folgte 1978. Der Einsatz in vorgeblich „geschlossenen“ Systemen wie Hydraulik-Ölen und Transformatoren blieb jedoch gestattet. Schlimmer noch: Als die USA, bis dahin der größte Anbieter, 1977 die Herstellung und Verwendung von PCB vollständig verboten, sprang die BAYER AG in die Bresche und steigerte ihre jährliche Produktion von 6.000 auf 7.500 Tonnen. Erst 1983 stellte der Leverkusener Multi als letzte westliche Firma die Herstellung ein.
Ein Verbot auch der „geschlossenen“ Anwendungen folgte in Deutschland erst 1989. Seitdem geht die PCB-Belastung zwar zurück, doch nach Angaben des Umweltbundesamts nimmt die Bevölkerung noch immer bedenkliche Mengen über die Nahrung auf. Auch die Luftbelastung ist oftmals beträchtlich; die höchsten Werte in Deutschland werden in Nordrhein-Westfalen gemessen, wo die größten Produktionsstätten lagen.
Erst durch die Stockholmer Konvention von 2001 wurde die Verwendung von PCB weltweit untersagt. Ziel des Abkommens ist eine vollständige Eliminierung aus technischen Anwendungen sowie eine umweltgerechte Entsorgung bis 2028.

Risiken verheimlicht
Schon in den späten 1930er Jahren wusste die Firma MONSANTO von den Gesundheits-Risiken. ArbeiterInnen in einer New Yorker Fabrik, die mit PCB in Berührung gekommen waren, litten an Chlorakne und Leberschäden, zum Teil mit tödlichem Ausgang (5). Der Umweltmediziner Cecil Drinker von der Harvard Universität wurde mit der Untersuchung beauftragt. Auf einer Konferenz, an der auch Vertreter von MONSANTO teilnahmen, wies Drinker 1937 erstmals auf die Gefahren hin (6). Der Vermarktung von PCB tat dies jedoch keinen Abbruch.
Dreißig Jahre später warnte der schwedische Chemiker Sören Jensen vor der Anreicherung von PCB in der Umwelt (7). Durch Zufall hatte Jensen in schwedischen Seeadlern hohe PCB-Konzentrationen entdeckt und daraufhin in weiteren Tierarten starke Belastungen nachgewiesen. Als Medien das Thema aufgriffen, reagierte MONSANTO mit einer Gegenkampagne. Ein eigens gegründetes Komitee sollte, so wörtlich, „den Vertrieb von und die Einkünfte durch Aroclor sicherstellen, ohne das Image der Firma zu beschädigen.“ Firmeninterne Papiere hielten zudem fest, dass „das Problem die gesamten USA, Kanada und Teile Europas, besonders Großbritannien und Schweden betrifft ... und andere Regionen Europas, Asiens und Lateinamerikas werden sicher bald folgen. Die Kontamination ist bereits in den entlegensten Regionen der Erde nachgewiesen.“
1968 beseitigte der sogenannte Yusho-Vorfall in Japan die letzten Zweifel an den gravierenden gesundheitsschädigenden Wirkungen: 1.800 Menschen nahmen infolge eines Lecks in einer Wärmetauscheranlage PCB-verseuchtes Reisöl auf. Sie wurden von der „Yusho“-Krankheit befallen, deren Symptome schwerer Hautauschlag, Verfärbung der Lippen und Nägel sowie geschwollene Gelenke waren. Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich 1979 in Taiwan („Yucheng“). Eine Langzeitstudie zeigte, dass die Kinder von während der Schwangerschaft kontaminierten Müttern eine erhöhte Sterblichkeitsrate und schwere Geistes- und Verhaltensstörungen aufwiesen (8). Außerdem war die Leberkrebs-Rate bei den Opfern fünfzehn Mal so hoch wie bei einer Kontrollgruppe.

Endlager Mensch
Der Chemiker Roland Weber, Experte für langlebige organische Schadstoffe („Persistent Organic Pollutants“ oder POPs), weist darauf hin, dass große Teile der Weltproduktion langfristig in der Umwelt und damit auch in der Nahrungskette landen (9). So befinden sich mehr als die Hälfte der in den 1960er und 70er Jahren in Fugenmassen und Farbanstrichen verwendeten PCB bis heute in den Gebäuden. Die Ausgasungen führen zu einer permanenten Belastung der Luft – gerade in öffentlichen Gebäuden wie Kindergärten, Schulen und Universitäten. Und auch aus vorgeblich „geschlossenen“ Anwendungen landeten 30-50 Prozent der PCB auf Deponien oder gelangten direkt in die Umwelt (10).
Wegen der Stabilität von PCB und aufgrund ihrer hohen Fettlöslichkeit kommt es zu einer Anreicherung in der Nahrungskette. So können PCB aus Deponien oder über das Abwasser in Flüsse und von dort ins Meer gelangen, wo sie von Algen aufgenommen werden. Die zweite Stufe in der Nahrungskette besteht aus Kleinkrebsen, Larven und Würmern. Von diesem tierischen Plankton ernähren sich wiederum viele Fischarten. Glieder am Ende von Nahrungsketten, zum Beispiel Raubtiere, Fische oder auch der Mensch, sind daher um mehrere Potenzen höher belastet als die Umwelt. Die größten Giftmengen nimmt die Bevölkerung über Milchprodukte auf, gefolgt von Fleisch und Fisch (11). Einige fettreiche Fischarten, zum Beispiel Aale, sind so stark belastet, dass in Deutschland vom Verzehr generell abgeraten werden muss.
Selbst in scheinbar unberührter Natur reichern sich PCB an und gelangen in den Körper von Mensch und Tier. Bei einer Studie, die 140 Schafslebern aus sechs Bundesländern untersuchte, überschritten 131 den zulässigen EU-Höchstgehalt (12) für Dioxine und dioxin-ähnliche PCB. Vermutet wird daher eine deutschlandweit hohe Grundbelastung. Das „Bundesinstitut für Risikobewertung“ empfiehlt deshalb, den Verzehr von Schafsleber generell zu vermeiden.
Die Eintragspfade von PCB in Rindfleisch und der Zusammenhang mit Kontaminationen in der Umwelt wurden Anfang 2013 eigens auf einem Fachgespräch in Bonn beim Umweltministerium thematisiert (13). Auch der Bund für ökologische Landwirtschaft hat dem Thema jüngst ein Fachgespräch gewidmet (14).
Beim Menschen werden PCB besonders im Fettgewebe und in der Muttermilch nachgewiesen. Bei gestillten Säuglingen kann die Aufnahme um den Faktor 50 bis 100 über der von Erwachsenen liegen (15). ToxikologInnen fanden Hinweise darauf, dass insbesondere die Belastung im Mutterleib neurologische Schäden verursachen kann, die zu Aufmerksamkeitsdefizit-Syndromen (ADS) und unterdurchschnittlichen Intelligenz-Quotienten führen (16). Umwelt-MedizinerInnen bezeichnen jedes 20. Kind als hoch belastet. Zwar ging die PCB-Konzentration in der Muttermilch in den vergangenen 20 Jahren um etwa 75 Prozent zurück, dennoch wird es wohl noch mehr als 100 Jahre dauern, bis die Aufnahme von Dioxin und PCB durch die Muttermilch unter der von der Weltgesundheitsorganisation maximal tolerierten Tagesdosis (TDI-Wert) liegt (17).

Toxisches Erbe
Rund drei Millionen Tonnen PCB-kontaminiertes Öl und PCB-belastete Geräte haben sich allein in den Ländern angesammelt, die 2001 die Stockholmer Konvention unterzeichnet hatten. Die Kosten für Verpackung, Transport und Zerstörung betragen pro Tonne zwischen 2.000 und 5.000 Dollar, was Ausgaben von bis zu 15 Milliarden Dollar bedeutet.
Nicht nur die Entsorgung von PCB-Ölen verursacht jedoch Kosten. So wurden allein in Deutschland rund 20.000 Tonnen PCB in Fugendichtungen verbaut, vor allem in öffentlichen Einrichtungen. Meist handelt es sich um Gebäude, die zwischen 1960 und 1975 errichtet wurden. Allein 10.000 Schulen, also fast jede vierte, gelten als kontaminiert. Genaue Zahlen liegen nicht vor, da bislang keine Inventarisierungs- und Beseitigungspflicht besteht.
Die Sanierungsdringlichkeit wird in Deutschland anhand der PCB-Konzentration in der Raumluft beurteilt. Raumluftmessungen schreibt der Gesetzgeber nicht vor, in zahlreichen öffentlichen Gebäuden erfolgten sie jedoch bereits. Die deutsche PCB-Richtlinie von 1994 erklärt den Aufenthalt in Gebäuden für tolerabel, wenn die Luftkonzentration unter einem Wert von 3 millionstel Gramm pro Kubikmeter (3 µg PCB/m3) liegt. Dieser Wert ist jedoch überholt: Er berechnet sich aus dem 1983 vom damaligen Bundesgesundheitsamt festgelegten Grenzwert von einem Millionstel Gramm PCB pro kg Körpergewicht und Tag. Aufgrund neuer toxikologischer Erkenntnisse hat die WHO jedoch 2003 einen fünfzigmal niedrigeren Richtwert festgelegt (18), ohne dass die deutsche PCB-Richtlinie entsprechend angepasst wurde.
Eine Untersuchung des Umweltbundesamtes zeigt, dass selbst die bestehenden schwachen Limits häufig überschritten werden (19). In einigen Fällen waren LehrerInnen und SchülerInnen einer Giftkonzentration ausgesetzt, bei der Fabrikarbeiter Schutzanzüge und Atemschutz tragen müssten. Manche Gebäude sind so hoch mit PCB belastet, dass sie nicht saniert werden können. Aufsehen erregte zum Beispiel der Abriss der Nürnberger Georg-Ledebour-Schule, der allein fünf Millionen Euro kostete (hinzu kamen knapp 30 Mio. für den Neubau). An der Ruhr-Universität Bochum fiel im September 2013 die Entscheidung, zwei ingenieurwissenschaftliche Gebäude aufgrund der PCB-Belastung abzureißen und neu zu errichten. Allein für dieses Projekt fallen laut Presseberichten Kosten in dreistelliger Millionenhöhe an (20).

Die Allgemeinheit zahlt
Eine Pflicht, Gebäude auf PCB zu untersuchen, gibt es bislang nicht. PCB-Messungen finden häufig erst dann statt, wenn sich Gesundheitsbeschwerden und Todesfälle häufen. Meist kommt es dabei zu großen Zeitverzögerungen: Geschädigte warnen, Selbsthilfegruppen oder Elterninitiativen fordern Sanierungen und eine Absenkung der Grenzwerte, während Gutachter die Belastung herunterrechnen, Entwarnung geben und zum Putzen und Lüften auffordern. Allenfalls nach jahrelangen Diskussionen erfolgt dann eine Sanierung.
Ein erster Schritt zur Vermeidung weiterer gesundheitlicher Schäden wäre eine Aufstellung einer Liste mit allen belasteten Gebäuden sowie Vorschriften zum Umgang mit PCB-haltiger Bausubstanz. Schweden, das ein derartiges Kataster aufgebaut hat, könnte hierfür als Vorbild dienen. Klar ist jedoch: Allein in Deutschland gehen die Entsorgungskosten in die Milliarden. Und so oder so gibt es keine risikolose Beseitigung. Die meist verwendete Technologie zur Zerstörung von PCB ist die Verbrennung in Sondermüllverbrennungsanlagen. Und damit gelangen sie zurück zum Urheber: die Firma BAYER betreibt solche Öfen und verdient auf diese Weise gleich doppelt an seinen gesundheitsgefährdenden Produkten. Die hochgiftigen Filterstäube führen jedoch zu einem neuen Entsorgungsproblem. Zudem können sich bei unsachgemäßen Verbrennungen von PCB, zum Beispiel in Hausmüllverbrennungsanlagen, die noch gefährlicheren Dioxine bilden.
Des Weiteren existieren in Deutschland mehrere Untertagedeponien, in denen tausende Tonnen kontaminierter Transformatoren und Kondensatoren lagern. Wegen ihrer hohen Persistenz muss über Jahrhunderte sichergestellt werden, dass die Chemikalien nicht austreten. PCB-haltiger Bauschutt landet meist auf Deponien, wird aber auch im Straßenbau eingesetzt und landet dadurch zu großen Teilen in der Umwelt. Schätzungen zufolge ist rund die Hälfte der hergestellten PCB letztlich in Wasser, Boden oder Luft emittiert.
Auch die Kosten der Kontamination von Lebensmitteln mit PCB beziehungsweise aus PCB entstandenen Dioxinen werden auf die Allgemeinheit abgewälzt. Allein der durch den Eintrag von 25 Litern PCB in Futterfett verursachte PCB/Dioxin-Lebensmittelskandal in Belgien verursachte eine Milliarde Euro an direkten und drei Milliarden Euro an indirekten Kosten (21). Die irische PCB/Dioxin-Schweinefleischkrise wurde ebenfalls durch den Einsatz von PCB-kontaminierten Ölen bei der Futtermittel-Trocknung verursacht und kostete die staatlichen Stellen etwa 100 Millionen Euro (22).

Industrie-Haftung gefordert
Jüngst beschäftigte sich eine Fachtagung des Deutschen Naturschutzrings mit den Lehren aus dem PCB-Desaster (23). Jochen Flasbarth, Präsident des Umweltbundesamtes, kritisierte insbesondere die Rolle der Hersteller: „Die Industrie hat Informationen, dass PCB beim Menschen und der Umwelt zu Schäden führen können, weitgehend unter Verschluss gehalten und ignoriert. Das „PCB-Vermächtnis“, dem wir heute gegenüberstehen, hätte uns vielleicht erspart bleiben können.“ Flasbarth greift auch die einst von der Industrie propagierte Differenzierung in offene und geschlossene Systeme an: „Es hilft nichts, sich bei der Regulierung auf offene Verwendungen zu beschränken. Die Industrie rechnete bei geschlossenen Verwendungen, zum Beispiel in Transformatoren, oft mit einer Null-Exposition. Doch spätestens die Entsorgung derartiger technischer Geräte oder auch des kontaminierten Bauschutts stellt uns vor fast unlösbare Probleme.“
Uwe Lahl, Chemie-Professor an der Technischen Universität Darmstadt, stellte in der Konferenz fest: „Selbst ein Land wie Deutschland - mit strenger Gesetzgebung, ausgefeilter Abfallwirtschaft, guter Analytik und funktionierendem Vollzug - kann problematische Chemikalien wie etwa PCB auch nach 30 Jahren nicht angemessen handhaben. Wie sollen das dann Entwicklungsländer schaffen?“ Zur Vermeidung künftiger Umweltdesaster fordert Lahl eine Umkehrung der Beweislast: „Chemikalien, die im Verdacht stehen, gesundheitsschädlich zu wirken, müssen verboten werden. Es sei denn, die Industrie kann diesen Verdacht nachweislich entkräften.“
Der Präsident des Deutschen Naturschutzrings, Hartmut Vogtmann, mahnte eine kompromisslose Anwendung des Verursacherprinzips an. Die Industrie, die maßgeblich für die hohe Belastung mit PCB verantwortlich sei und die von dem jahrzehntelangen Verkauf profitierte, müsse für die Folgekosten aufkommen. Steigende Gesundheitskosten und Aufwendungen für die Beseitigung von Altlasten sollten nicht die SteuerzahlerInnen zu tragen haben.
Diese Position deckt sich mit derjenigen der langjährigen Kampagne der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG). Jan Pehrke vom CBG-Vorstand: „Produkte von BAYER sind für einen Großteil der PCB-Belastung in Deutschland verantwortlich. Das Unternehmen hat mit den Stoffen Milliarden umgesetzt und muss nun für seine toxische Hinterlassenschaft haftbar gemacht werden!“. Vertreter der CBG hatten erstmals 1983 in der Hauptversammlung der BAYER AG eine Sanierung von PCB-Altlasten auf Kosten des Konzerns gefordert. Bei Boden-Messungen in Deutschland wird meist das von BAYER produzierte Clophen A50/A60 gefunden.

Gift im Hafen
Ein Beispiel für die bislang gescheiterten Versuche, die Hersteller für ihre giftige Hinterlassenschaft haftbar zu machen, ist die Reinigung des Hafenbeckens von Oslo.
Große Teile der norwegischen Küste sind mit PCB verseucht, vor allem durch Rückstände von Schiffsfarben. In Teilen Norwegens musste daher der Verzehr von Meeresfrüchten verboten werden. Chemische Nachweisverfahren zeigen, dass rund die Hälfte der in norwegischen Gewässern gefundenen Gefahrstoffe aus der Produktion von BAYER stammt (24).
Eine Sanierung des 100 km langen Oslo-Fjords, der am stärksten betroffen ist, würde Milliarden kosten. In einem ersten Schritt wurde von 2006 bis 2011 der Hafen der Hauptstadt Oslo gereinigt. Über Jahre hinweg versuchte die Kommune, BAYER und zwei weiteren Produzenten zu einer Beteiligung an den Kosten zu bewegen (25). Von den Ausgaben in Höhe von rund 26 Millionen Euro sollten die Produzenten 7 Millionen tragen, BAYER entsprechend des Marktanteils rund 3,5 Millionen.
Tom Erik Økland vom Umweltverband Norges Naturvernforbund reiste im Jahr 2002 eigens zur BAYER-Hauptversammlung nach Köln und richtete sich dort direkt an den Vorstand: „Die Kontaminierung weiter Teile der norwegischen Küste und die Vergiftung hunderter Werftarbeiter hätten verhindert werden können, wenn BAYER rechtzeitig vor den Risiken von PCB gewarnt hätte.“ Der damalige Vorstandsvorsitzende Werner Wenning bestritt jedoch jegliche Verantwortung und lehnte eine Kostenbeteiligung ab.
Mehr als die Zahlung an sich fürchtete der Konzern einen Präzedenzfall. Dieser sollte unbedingt verhindert werden, weswegen das Unternehmen eine große Schar von AnwältInnen und LobbyistInnen nach Norwegen entsandte. Selbst vor persönlichen Einschüchterungen schreckte BAYER nicht zurück. Schließlich knickte der von der Hafenbehörde engagierte Anwalt ein, die Stadt verzichtete auf ein Klageverfahren. Obwohl BAYER eindeutig als PCB-Lieferant für die belasteten Schiffsfarben feststand, scheiterte somit der Versuch, die Verursacher haftbar zu machen. Einmal mehr wurden die Gewinne über sechs Jahrzehnte hinweg privatisiert, die Folgeschäden trägt die Allgemeinheit.

Fußnoten:
1 Polychlorinated Biphenyls: Human Health Aspects; www.inchem.org/documents/cicads/cicads/cicad55.htm
2 Lauby-Secretan B et al: “Carcinogenicity of polychlorinated biphenyls and polybrominated biphenyls”, Lancet Oncol. (2013)
3 Klaus Goßler, Thomas Höhlein: „Recherche über das Vorkommen von polychlorierten Biphenylen in Baumaterialien“, Landesgewerbeanstalt Bayern (1991)
4 Knut Breivik: “Towards a global historical emission inventory for selected PCB congeners — A mass balance approach”, Science of the Total Environment, (2007)
5 European Environmental Agency: “Late lessons from early warnings: the precautionary principle 1896-2000” (2002)
6 Drinker, C. K.: ”The problem of possible systemic effects from certain chlorinated hydrocarbons”, Journal of Industrial Hygiene and Toxicology, Vol. 19 (1937)
7 Jensen, S., Johnels, A. G., Olsson, M. and Otterlind, G.: “DDT and PCB in marine animals from Swedish waters’, Nature Vol. 224 (1969)
8 Hsu CC et al: “Behavioral development of Yucheng children as compared to their matched controls”, Organohalogen Compounds 14 (1993) und Yoshimura, T.: “Yusho in Japan”, Industrial health, 41 (2003)
9 Roland Weber: PCB, Dioxin & Co - von der Quelle bis in den Mensch (www.dnr.de/downloads/vortrag-dr.-roland-weber--pcb-dioxin-und-co---.pdf)
10 Detzel A. et al. (1998) „Ermittlung von Emissionen und Minderungsmaßnahmen für persistente organische Schadstoffe in der Bundesrepublik Deutschland“, UBA-Texte 74/98
11 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, und Reaktorsicherheit: „Umweltschutz - Standbein der Lebensmittelsicherheit – Dioxin- und PCB-Einträge vermeiden“ (2013)
12 Basler A: „Evaluierung des Forschungsbedarfs zur Ursachenaufklärung der Kontamination bestimmter Lebensmittel mit Dioxinen und PCB“, Umweltbundesamt UFOPLAN (2009) http:www.dioxindb.de/dokumente/Endbericht-16-10-09.pdf
13 UBA. Eintragspfade von PCB in Rindfleisch. http:
www.umweltbundesamt.de/service/termine/eintragspfade-von-pcb-in-rindfleisch
14 BÖLW-Fachgespräch „Vermeidung von PCB- und Dioxin-Einträgen in tierischen Lebensmitteln“ http:www.boelw.de/dioxin2013.html
15 Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): „Vorgeschlagene EU-Höchstgehalte für nicht dioxin-ähnliche polychlorierte Biphenyle sind noch immer zu hoch“ (2008)
16 Gerhard Winneke, Jens Walkowiak: „Polychlorierte Biphenyle und geschlechtsgebundene kognitive Funktionen bei Kindern im Einschulalter“ (2002) und Sagiv, S. K., et al: „Neuropsychological measures of attention and impulse control among 8-year-old children exposed prenatally to organochlorines“, Environmental health perspectives (2012)
17 Die WHO empfiehlt wegen der Vorteile des Stillens dennoch eine 6-monatige Stillzeit
18 http:
www.who.int/ipcs/publications/cicad/en/cicad55.pdf
19 Dr. Hansjörg Kieper ,Hans-Joachim Hemminghaus: "Untersuchungen zur PCB-Belastung der Luft in Innenräumen unter Einschluss der Verbindungen, für die toxisch besonders bedeutsame TEQ-Werte ermittelt worden sind“, UBA Forschungsbericht (2005)
20 WAZ vom 1.10.2013: „Uni Bochum reißt Gebäude ab und baut sie formgleich wieder auf“
21 Fiedler H, Hutzinger O et al: “Evaluation of the Occurrence of PCDD/PCDF and POPs in Wastes and Their Potential to Enter the Foodchain”, Study on behalf of the European Commission (2000)
http:ec.europa.eu/environment/dioxin/pdf/001_ubt_final.pdf
22 http:
en.wikipedia.org/wiki/2008_Irish_pork_crisis
23 Seminar „30 Jahre PCB - Management – was ist (noch) zu tun?“ am 20. August 2013 in Berlin
24 Per-Erik Schulze und Tom Erik Økland: „Gift im Hafen, Gift im Fisch, Gift im Menschen“ waterkant 1/2003
25 Bayer, Solutia, Kanegafuchi Asked to Pay for Oslo PCB Cleanup, Chemical Week, March 28, 2001

[BAYER HV 2014] Hauptversammlung 2014

CBG Redaktion

Am 29. April fand in den Kölner Messehallen die Hauptversammlung der BAYER AG statt. Auch in diesem Jahr stand die Hauptversammlungen im Zeichen heftiger Proteste.

Hier finden Sie die Reden der Kritischen Aktionäre

Lesen Sie einen Aktionsbericht und weitere Berichte

Fotos vom Protest gegen gefährliche Antibaby-Pillen, weitere Aktionsbilder hier und hier

Erfolg: VerwGericht Köln stärkt Demonstrationsrecht / Kundgebung zur HV ohne Einschränkungen

Medienberichte
=> Die ZEIT: Bericht zur BAYER-Hauptversammlung
=> SPIEGEL: Erin Brockovich fordert ESSURE-Verbot
=> TV-Bericht des WDR
=> Lev. Anzeiger: Gute Zahlen und jede Menge Vorwürfe
=> Frankfurter Rundschau und Kölner Stadt-Anzeiger berichten über Kritik an „Essure“
=> Rheinische Post: Vorberichte zu HV-Protesten
=> Kehler Zeitung: Protest gegen Antibabypillen von BAYER

Presse Infos
=> DNR und CBG fordern Haftung von PCB-Herstellern
=> Ärzte ohne Grenzen kritisiert Konzern-Chef Dekkers
=> Erin Brockovich fordert Verkaufs-Stopp für ESSURE
=> Bienenkiller: 635.000 Petitionen an BAYER-Vorstand
=> Protest gegen gefährliche Antibabypillen / Reden von Geschädigten aus Deutschland und Frankreich
=> 100 Jahre 1. Weltkrieg: „BAYER muss Mitverantwortung für Kriegsgräuel anerkennen“
=> BAYER-HV: Protest gegen CO-Pipeline
=> BAYER soll auf tierversuchsfreie Forschung umsteigen
=> „Notfalls über Leichen“: Presse Info zur Verabschiedung des Vorstandsmitglieds Wolfgang Plischke

Gegenanträge
=> Gegenantrag zu PCB-Vergiftungen
=> Gegenantrag zur CO-Pipeline
=> CBG reicht Gegenantrag zu GenPatenten ein
=> Gegenantrag zur gefährlichen Pharmaprodukten
=> Bienensterben, Asbest, Pharma-Marketing: weitere Gegenanträge eingereicht
=> Wahl zum Aufsichtsrat: CBG schlägt unabhängige Kandidatin vor

Das Flugblatt für die Aktionäre

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[Jubiläum SWB] STICHWORT BAYER 01/2014

CBG Redaktion

30 Jahre SWB

BAYERs Schatten

Seit nunmehr 30 Jahren schon muss sich BAYER einer publizistischen Gegenmacht erwehren: Im Dezember 1983 brachte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN mit dem rundbrief den Vorläufer des heutigen Stichwort BAYER auf den Weg. Vom Äußeren her kaum wiederzuerkennen, zeigt sich auf der inhaltlichen Ebene eine bemerkenswerte Kontinuität. Themen der ersten Ausgabe wie Störfälle, gefährliche Chemikalien, Wasserverschmutzung und gesundheitsgefährdende Arzneitests beschäftigen die Redaktion nämlich noch immer. Es hat sich also allen Beteuerungen zum Trotz nicht viel getan beim Leverkusener Multi – einer der vielen Erkenntnisgewinne der Langzeitbeobachtung.

Der BAYER-Konzern investiert nicht nur sehr viel Geld in seine Geschäftstätigkeit, er gibt auch Unsummen dafür aus, diese Geschäftstätigkeit in einem möglichst guten Licht erscheinen zu lassen. 500 Angestellte beschäftigt das Unternehmen mittlerweile in seiner PR-Abteilung. Der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) war deshalb schon bald nach ihrer Gründung klar, dass es gilt, dieser Öffentlichkeitsarbeit eine Gegenöffentlichkeitsarbeit entgegenzusetzen. Also beschloss das Netzwerk, ein eigenes Organ zu entwickeln. Und im Dezember 1983 war es dann soweit. Die erste Ausgabe des rundbriefs erschien. „Klein und bescheiden ist er zwar, der erste rundbrief. Aber oho!“, schrieb CBG-Urgestein Axel Köhler-Schnura zur Premiere, „denn nichts fürchten die Verantwortlichen bei BAYER mehr als die Wahrheit. Und die wird im rundbrief zu lesen sein.“
Auf spärliche acht Seiten brachte es die Ausgabe damals, alles mit der Schreibmaschine geschrieben und einzig mit ein paar Karikaturen zur Auflockerung der Textblöcke versehen. Im Erscheinungsbild hat sich inzwischen so manches getan. Nach und nach fanden Fotos Eingang ins Heft, und ab 1987 wartete es mit einem richtigen Titelbild auf. Allgemein nahm das Layout immer professionellere Formen an. Im neuen Jahrtausend kam dann sogar noch Farbe ins Spiel. Peu à peu fanden sich auch die Elemente zusammen, die heute fester Bestandteil des Magazins sind: der „O-Ton BAYER“, die „Angespitzt“-Zeichnung, die Meinungsrubrik und der Name „Stichwort BAYER“. Vor 1985 hieß die Zeitschrift noch „BAYER-Kurier“. Doch diesen Namen machte der CBG die Zeitung Bayernkurier streitig. Die CSU-Postille aus München sah eine Verwechslungsgefahr mit ihrem Blatt gegeben und drohte bei Weiterverwendung des Titels mit einem teuren – Streitwert: 50.000 DM – Prozess, und da die Coordination das Risiko nicht eingehen wollte, musste sie sich geschlagen geben und das Kind anders nennen.
Inhaltlich zeigt sich hingegen eine bemerkenswerte Kontinuität. Die Themen des ersten Heftes wie Störfälle, Wasserverschmutzung, chemische Kampfstoffe, giftige Substanzen und gesundheitsgefährdende Arznei-Tests treiben die Redaktion noch immer um. So beschäftigt sich ein Artikel der vorliegenden Ausgabe mit den polychlorierten Biphenylen (PCB), einer chemischen Verbindung, deren Gefährlichkeit schon den ersten rundbrief alarmierte. Von Anfang an einen breiten Raum nimmt die Berichterstattung über die CBG-Aktionen zu den BAYER-Hauptversammlungen ein. Das Stichwort BAYER (SWB) druckt Reportagen über die Proteste vor den Kölner Messehallen sowie den Ablauf der AktionärInnen-Treffen und veröffentlicht die Reden der Konzern-KritikerInnen. Und selbstverständlich widmet sich das Magazin auch den anderen Baustellen der Coordination stets in aller Ausführlichkeit.
Aber das Stichwort BAYER spiegelt die Arbeit der CBG nicht nur wider, oft genug regt es Aktivitäten durch die Erträge seiner umfangreichen Recherchen auch erst an. Beispielsweise bot ein Text über die Zusammenarbeit des Leverkusener Multis mit zahlreichen Universitäten die Grundlage für die Transparenz-Initiative der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, die eine Offenlegung des mit der Kölner Universität geschlossenen Forschungskooperationsvertrages verlangt und eine breite Resonanz gefunden hat. Zu den Kampagnen gegen den Blutverdünner XARELTO und die Verhütungsmittel der YASMIN-Gruppe gaben SWB-Texte ebenfalls den ersten Anstoß.
Eine große Aufgabe sieht das Magazin auch darin, die Sprechblasen, die BAYERs PR-Abteilung regelmäßig absondert, zum Platzen zu bringen. Die von den ÖffentlichkeitsarbeiterInnen am Schreibtisch entworfene schöne neue Welt der „Chemie-Parks“ mit ihren „Pflanzenschutzmittel“-Anlagen, ihrem „thermischen Recycling“ und der „Entsorgung“ von Produktionsrückständen, deren nachhaltige Idylle nur ab und zu einmal ein „Umweltereignis“ trüben kann, dekonstruiert das Stichwort BAYER permanent als eine Risikogesellschaft mit Pestizid-Fabriken inklusive Giftstoff-Verbrennung oder -Verklappung und Explosionen am laufenden Meter.
Der BAYER-Strategie, ihren Produkten durch eingekaufte WissenschaftlerInnen höhere Weihen zu verschaffen, arbeitet das SWB ebenfalls entgegen. Es hat Kontakte zu kritischen ForscherInnen aufgebaut, die den „Mietmäulern“ des Leverkusener Multis bei Bedarf ihre geballte Kompetenz entgegensetzen können. Im Redaktionsalltag sind über Recherchen, Nachdruck-Anfragen und die AutorInnen-Suche zudem vielfältige Verbindungen zu Initiativen oder EinzelkämpferInnen entstanden, weshalb das Stichwort im Netzwerk auch eine wichtige bündnispolitische Funktion erfüllt.
Die Zeitschrift vermag bei all solchen Bemühungen auf einem soliden Fundament aufzubauen. Über einen Ausschnittdienst erhält sie alle Artikel zugesandt, die in den bundesdeutschen Medien zum Global Player erschienen sind. Veröffentlichungen der Auslandspresse sammelt die Redaktion selber. Darüber hinaus bekommen die Redakteure häufiger BAYER-Interna von Whistleblowern zugespielt. Deshalb steht ihnen ein fast lückenloses Netz an Informationen zur Verfügung. Durch deren systematische Auswertung hat sich ein beeindruckendes Archiv aufgebaut, das über einen langen Zeitraum hinweg detailliert die Geschäftstätigkeit eines der größten Konzerne der Welt und deren unschöne Begleiterscheinungen dokumentiert.
Weltweit sucht das seinesgleichen und erweist seinen Nutzen Tag für Tag neu. Ereignet sich in einem Werk des Unternehmens eine Explosion, so ist das SWB imstande, gleich eine ganze Störfall-Liste zu präsentieren, die bis ins Jahr 1917 zurückreicht. Melden die Agenturen eine Preisabsprache des Leverkusener Multis mit anderen Konzernen, so hat das Stichwort gleich eine Aufstellung mit ähnlichen Kartell-Fällen parat. Und wenn eine Pille des Unternehmens wegen ihrer Risiken und Nebenwirkungen Schlagzeilen macht, so vermag das Stichwort auf der Stelle das Pharma-GAUs gewidmete Kapitel des „Schwarzbuchs BAYER“ zu präsentieren. Auf diese Weise vermittelt sich – bald auch lückenlos online, denn zum 30. SWB-Geburtstag gehen alle Ausgaben ins Netz – das Bild eines Global Players, der sich nicht hier und da mal einen Fehltritt leistet, sondern systematisch Mensch, Tier und Umwelt gefährdet, weil für ihn nur das zählt, was der frühere BAYER-Chef Manfred Schneider einmal mit den Worten ausdrückte: „Wir sind auf Profit aus. Das ist unser Job.“
Dank dieser Güte der Informationen greifen JournalistInnen bei ihren Recherchen häufig auf SWB-Material zurück wie zuletzt der Spiegel in seinem Beitrag über BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO. Auch erreichen das Stichwort BAYER immer wieder Gesuche um Nachdruck-Genehmigungen. Eine solche Wertschätzung macht es dem Magazin leicht, namhafte AutorInnen zu gewinnen: Jutta Ditfurth, Dorothee Sölle, Sven Giegold und Vandana Shiva haben schon für das SWB geschrieben. Außerdem legten bekannte Karikaturisten wie Berndt A. Skott, Kostas Koufogiorgos oder Carlos Latuff für das CBG-Organ Hand an. Bei den LeserInnen findet es ebenfalls viel Anklang. Schon rundbrief Nr. 2 durfte verkünden: „Der erste rundbrief hat zu unserer Freude ein riesiges Interesse gefunden. Täglich trudeln Abonnement-Bestellungen und Anfragen bei uns ein.“
Diese positive Resonanz blieb dem Magazin über die Jahre erhalten. Trotzdem plagen die SchreiberInnen auch immer wieder Selbstzweifel. „Betrachten die CBG-Mitglieder das Heft lediglich als Beigabe oder messen sie ihm einen eigenständigen Wert zu?“, „Wie intensiv lesen sie das Stichwort BAYER?“, „Wo liegen mögliche Schwachpunkte?“ – so lauteten einige der Fragen, die sich die Redaktion Ende 1999 stellte. Um Antworten zur „Leser/Blatt-Bindung“ zu erhalten, führte es unter den SWB-BezieherInnen eine Umfrage durch. Das Ergebnis schaffte es dann, die meisten Zweifel auszuräumen. „Stichwort BAYER mit großer Akzeptanz“, lautete das Resumee des damals hauptverantwortlichen Redakteurs Hubert Ostendorf. „SWB ist klasse, weiter so!“, „gut lesbar“ und „verständlich und sehr informativ“ hieß es unter anderem in den Zuschriften. Die einzelnen Rubriken und die Gesamtgestaltung des Heftes bekamen ebenfalls gute Noten. Nur vereinzelnd gab es Kritik wie „zu wenig abwechslungsreich“, „manchmal Quellen etwas genauer angeben“ oder „es wird viel Insiderwissen vorausgesetzt“. Hubert, der als gelernter Zeitungsmann mit großer Verve versucht hatte, das SWB zu professionalisieren und journalistischer zu machen, ohne ihm die politische Stoßrichtung zu nehmen, konnte seine Arbeit durch dieses Feedback bestätigt finden. Entsprechend erhöhte sich die Auflage stetig. Aktuell beträgt sie 6.200 Hefte. Die Zahl der AbonnentInnen stieg ebenfalls, auf 5.400 schraubte sie sich im Laufe der Jahre.
Allerdings bedeutete es von Anfang an einen ziemlichen Kraftakt, um zu diesen Resultaten zu kommen, denn es hängt weit mehr daran, als nur Artikel zu schreiben. Es gilt darüber hinaus Fotos zu machen, Karikaturen zu zeichnen und Anzeigen zu akquirieren. Und anschließend will das alles zusammen mit den Texten in Form gebracht und druckfertig gemacht werden. Verwaltungsaufgaben fallen ebenfalls reichlich an. Die AbonnentInnen-Datenbank erfordert Pflege, der Vertrieb läuft nicht von alleine, und ohne Werbung geht es auch nicht. Obwohl bei alldem viele fleißige Hände größtenteils ehrenamtlich mittun, verschlingt die Produktion ziemlich viel Geld. Die Abos allein bringen das nicht wieder herein; zudem bleibt dem Stichwort BAYER der Zugang zu lukrativen Werbeanzeigen – normalerweise Haupteinnahme-Quelle von Zeitschriften – verschlossen.
So also muss die CBG die Zeitschrift mittragen. Nur manchmal schulterten die „Stiftung Menschenwürde und Arbeitswelt“, der Ökofonds oder die Grünen diese Last mit.
Darum ist die Geschichte des Blattes verbunden mit Aufrufen, Förderabos zu zeichnen, unter Bekannten AbonnentInnen zu werben oder auch einfach nur Reklame für die Zeitschrift zu machen. Und Menschen, denen das Heft so am Herzen liegt, dass sie sich in besonderer Weise für die Arbeit der Redaktion engagieren möchten, fordert das SchreiberInnen-Team auf, dem „Stichwort BAYER“-Förderkreis beizutreten. Durch neue Förderer den Rücken gestärkt zu bekommen, wäre deshalb das schönste Geburtstagsgeschenk. Damit das Heft weiterhin das sein kann, als das es mein Vorgänger Hubert Ostendorf 1993 zum 10-jährigen Jubiläum bezeichnet hat: „ein Instrument wirksamer Kritik, wie es der Konzern in seiner über 125-jährigen Geschichte noch nicht gesehen hat“.
Von Jan Pehrke

[Ticker] STICHWORT BAYER 01/2014 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CBG bei Pipeline-Anhörung
Der Leverkusener Multi hatte während der Verlegung der zwischen Krefeld und Dormagen verlaufenden Kohlenmonoxid-Pipeline zahlreiche „Plananpassungen“ vorgenommen. Deshalb ordnete die Bezirksregierung Düsseldorf ein erneutes Genehmigungsverfahren mit BürgerInnen-Beteiligung an. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gehörte zu den 24.000 EinwänderInnen gegen das Projekt und nahm deshalb am 5. November 2013 in der Essener Gruga-Halle auch am Erörterungstermin teil. Schon vor Beginn der Veranstaltung protestierte die CBG mit ihrem Sensenmann gegen die Giftgas-Leitung. In der Anhörung selber drang sie darauf, im Rahmen der Prüfung des BAYER-Antrags auch den jüngsten Kohlenmonoxid-Unfall, der sich Ende September 2013 im Brunsbütteler Werk des Konzerns ereignet hatte (siehe UNFÄLLE & KATASTROPHEN), zu untersuchen. Die Bezirksregierung lehnte das allerdings ab. Und bezeichnenderweise scheute sie sich nicht, als Verfahrensachverständigen mit Christian Engel genau denselben TÜV-Gutachter zu verpflichten, der für den Global Player schon drei Entlastungsexpertisen in Sachen „Pipeline“ angefertigt hatte. Die CBG forderte seine Ablösung. „Ein Gutachter, der mehrfach im Auftrag von BAYER die Sicherheit der Pipeline beschworen hat, ist eindeutig befangen. Die Bezirksregierung muss für ein solch wichtiges Verfahren dringend einen unabhängigen Sachverständigen auswählen!“, hieß es in der entsprechenden Pressemitteilung.

Grüne wollen Sammelklagen
In den USA können Geschädigte von Industrie-Produkten gemeinsam vor Gericht ziehen und in Sammelklagen Entschädigungen erstreiten. Milliarden Dollar haben den Leverkusener Multi die GAUs um den Cholesterin-Senker LIPOBAY, die Verhütungsmittel der YASMIN-Reihe und den sich plötzlich wundersam überall verbreitenden „LL601“-Genreis deshalb schon gekostet. Aus diesem Grund versuchen die Brüsseler LobbyistInnen des Konzerns auch die Einführung eines solchen Rechtsinstituts auf europäischer Ebene zu verhindern – bisher mit Erfolg. Und hierzulande droht dem Unternehmen vorerst ebenfalls keine Gefahr. Bündnis 90/Die Grünen brachten Anfang Juni 2013 den „Entwurf eines Gesetzes über die Einführung von Gruppenverfahrens“ in den Bundestag ein, erreichten für den Vorschlag allerdings nicht die erforderliche Mehrheit.

Preis für Holzgifte-AktivistInnen
BAYERs Tochter-Firma DESOWAG hat bis Mitte der 1980er Jahre das „Holzschutzmittel” XYLADECOR produziert, das rund 200.000 Menschen vergiftete. Erst als die Geschädigten gegen den Konzern und andere Hersteller vor Gericht zogen und damit das bislang größte Umwelt-Strafverfahren in der Geschichte der Bundesrepublik initiierten, trennte sich der Leverkusener Multi von der DESOWAG. Zu den Klägern zählten damals auch Helga und Volker Zapke, die in ihrer Eigenschaft als Gründer der INTERESSENSGEMEINSCHAFT HOLZSCHUTZMITTEL-GESCHÄDIGTER viel mit der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN kooperiert haben. Jetzt erfuhr das Ehepaar eine späte Ehrung für ihr Engagement. Es wurde mit dem „Bundespreis Verbraucherschutz 2013“ ausgezeichnet. Die Coordination gratuliert!

MELIANE-Geschädigte schreibt Buch
Das BAYER-Verhütungsmittel MELIANE (Wirkstoffe: Gestoden und Ethinylestradiol) hatte bei der Französin Marion Larat 2006 einen Gehirnschlag ausgelöst. Neun Operationen musste die Frau seither über sich ergehen lassen; immer wieder erleidet sie epileptische Anfälle. Ende 2012 hat die junge Frau einen Schadensersatz-Prozess gegen den Pharma-Riesen angestrengt, der ein großes Medien-Echo ausgelöst hat. Larat hat nicht nur Dutzende von Briefen und Anrufen erhalten, sondern auch Nachahmer gefunden. 80 Klagen haben die Gerichte bis Mitte Februar registriert, darunter mehr als die Hälfte gegen BAYER. Nun hat die Französin ein Buch über ihre Leidenszeit geschrieben. „Die Pille ist bitter“ lautet der Titel.

NGOs treffen sich mit BAYER & Co.
Das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) hatte Anfang 2012 eine Kampagne gestartet, die BAYER, BASF und SYNGENTA zum Verkaufsstopp hochgefährlicher Pestizide aufforderte. Im Rahmen der Aktion bat die Organisation die Konzerne auch um ein Gespräch über dieses Thema. Im Juni 2013 kam es zu einem Treffen. Auf Seiten der Initiativen nahmen neben AktivistInnen von PAN noch VertreterInnen der BerufsimkerInnen, vom ÖKOLOGISCHEN ÄRZTEBUND, von TERRE DES HOMMES, vom Umweltinstitut München und vom WWF teil. Auf Seiten der Firmen waren Emissäre aller drei Agro-Riesen dabei; BAYER schickte den „Public & Governmental Affairs“-Manager Dr. Michael Schneider. Vorab verabredeten die TeilnehmerInnen, nicht grundsätzlich über die Vor- und Nachteile von Pestiziden zu sprechen und ebenfalls nicht über bestimmte gesundheitsgefährdende Produkte. Stattdessen erörterte die Runde Kriterien zur Definition besonders gefährlicher Ackergifte und Optionen für einen schrittweisen Ausstieg aus diesem Segment. Dabei traten einige Differenzen zu Tage. PAN wollte die von einem bestimmten Wirkstoff ausgehende Gefahr zur Grundlage der Beurteilung machen, BAYER & Co. lehnten das jedoch ab. Sie wiesen eine Klassifizierung auf Basis von Inhaltsstoffen zurück, da die LandwirtInnen diese nur in verdünnter Form ausbringen. Auch den Gefahren-Ansatz akzeptierten die Manager nicht. Sie plädierten stattdessen für das Prinzip der Risikoabschätzung, nach dem sich auch die staatlichen Behörden richteten. „Eine Verständigung zwischen den Vertretern der Unternehmen und der NGOs auf Maßnahmen für die Beendigung der Vermarktung von Pestizid-Wirkstoffen, die von PAN als hochgefährlich eingestuft werden, konnte deshalb nicht erreicht werden“, vermerkt das öffentlich zugängliche Protokoll. Die Initativen begrüßten jedoch die Entscheidung der beteiligten Unternehmen, alle Agro-Chemikalien der beiden höchsten Toxizitätsklassen vom Markt genommen zu haben. Der Leverkusener Multi tat sich damit allerdings sehr schwer. Schon im Jahr 2000 hatte er diesen Schritt auf der Hauptversammlung angekündigt, lange Jahre aber keine Taten folgen lassen.

Proteste gegen Saatgut-Messe
Ende Oktober 2013 fand in Amsterdam die Saatgut-Messe „CropWorld“ statt. Ungestört konnten BAYER, MONSANTO & Co. sich in ihrer Welt der Laborfrüchte allerdings nicht aufhalten. 150 DemonstrantInnen bevölkerten diese zusätzlich und machten den Multis mit Losungen wie „Reclaim the Seeds“ ihre Aufwartung. Auch ein Kooperationspartner der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) war vor Ort und mischte sich mit einem „Gegen BAYER“-Transparent unter die ProtestlerInnen.

ZDF zeigt Bluter-Film
In den 1990er Jahren starben Tausende Bluter an HIV-verseuchten Blutprodukten von BAYER, weil der Pillen-Riese sein Präparat KOGENATE aus Kostengründen keiner sterilisierenden Hitze-Behandlung unterzogen hatte. Im Oktober 2013 widmete sich der ZDF-Fernsehfilm „Blutgeld“ noch einmal dem Thema. Sein Produzent Michael Souvignier hatte vorher schon ein Werk über den Contergan-Skandal auf den Weg gebracht und im Anschluss daran eine Klage von dem Hersteller GRÜNENTHAL erhalten. Darum war er diesmal vorsichtiger. „Da befürchte ich schon allein deshalb juristisch nichts, weil wir bei aller gründlichen Recherche mit Anonymisierungen arbeiten“, sagte Souvignier der Faz. So bleibt der Leverkusener Multi in „Blutgeld“ ungenannt. An der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) war es deshalb, in begleitenden Presse-Veröffentlichungen auf die Verursacher des Pharma-GAUs hinzuweisen. Zudem machte die Coordination auf die erbärmliche soziale Lage der Überlebenden aufmerksam, welche der bis heute nur unzureichend gelösten Frage des Schadensersatzes geschuldet ist, und forderte den Global Player auf, mehr Verantwortung zu übernehmen. Darüber hinaus hat die CBG in Kooperation mit der Internet-Plattform change.org in den Bundestag eine Petition für angemessene Entschädigungen der Bluter eingebracht.

Kritik an Uni-Vertrag
Dr. Peter Tinnemann imprägniert an der Berliner Charité Medizin-StudentInnen gegen den Einfluss der Pharma-Industrie und besucht im Rahmen seiner Seminare mit den angehenden DoktorInnen auch Veranstaltungen von Pharma-ReferentInnen. „Weder die Studierenden noch die Ärzte noch die Patienten erkennen die Gefährdung“, meint Tinnemann. Und auch die Kooperation von BAYER mit der Universität Köln auf dem Gebiet der Arznei-Entwicklungen (Ticker berichtete mehrfach) kritisiert er scharf: „Wenn aber diese Verträge nicht öffentlich sind, wie kann man dann auch nur einem Wissenschaftler an der Uni Köln trauen?“

„Public Eye Award“ für BAYER?
Die Global Player halten jeweils zu Beginn des neuen Jahres in Davos ihr Klassentreffen ab. Die Schweizer Initiativen ERKLÄRUNG VON BERN und PRO NATURE nutzen die Gelegenheit, um als Spielverderber aufzutreten und dem Unternehmen mit den fragwürdigsten Geschäftspraktiken den „Public Eye Award“ zu verleihen. BAYER zählt dabei wieder einmal zu den heißesten Anwärtern für die „Auszeichnung“. Dieses Mal führten die Risiken und Nebenwirkungen seiner Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide, die mitverantwortlich für ein massenhaftes Bienensterben zeichnen, zu der zweifelhaften Ehre. Der „Europäische Imkerverband“ nominierte den Leverkusener Multi gemeinsam mit BASF und SYNGENTA für den Negativ-Preis.

Jahrestagung 2013
2013 widmete sich die Jahrestagung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) aus gegebenem Anlass dem Thema „150 Jahre BAYER – Ausbeutung, Umweltzerstörung, Kriegstreiberei“. Der Historiker Stephan Stracke vom VEREIN ZUR ERFORSCHUNG DER SOZIALEN BEWEGUNGEN IM WUPPERTAL“ beschäftigte sich mit der Rolle, die der ehemalige BAYER-Generaldirektor Carl Duisburg als Giftgas-Pionier und Rohstoff-Beschaffer im Ersten Weltkrieg gespielt hat. CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes schlug das dunkelste Kapitel der Unternehmenshistorie auf und gab einen Abriss über die von BAYER mitgegründeten IG FARBEN, die nicht nur entscheidend an den Kriegsvorbereitungen der Nazis mitwirkte, sondern in Auschwitz auch ein firmen-eigenes KZ unterhielt und insgesamt etwa 300.000 ZwangsarbeiterInnen „vernutzte“. Professor Jürgen Rochlitz, Chemiker und ehemaliger Bundesabgeordneter der Grünen, stellte die ökologische Kehrseite von „150 Jahre BAYER“ dar. Er legte dabei den Schwerpunkt auf die Polychlorierten Biphenylen (PCB), eine ganz besonders gefährliche Ausgeburt der Chlorchemie, deren bis 1983 erlaubte Verwendung in öffentlichen Gebäuden heute noch milliarden-hohe Sanierungskosten verursacht. An CBG-Vorstand Axel Köhler-Schnura war es dann, die Quintessenz aus den Vorträgen zu ziehen und die Grundzüge der BAYER-Geschichte herauszuarbeiten, als deren zentralen Movens er das Profit-Prinzip identifizierte. Abermals ergab sich eine lebhafte Diskussion, nach der sich die wieder einmal zahlreichen BesucherInnen angeregt auf die Heimreise machten.

KAPITAL & ARBEIT

Wenning mächtigster Aufsichtsrat
Die „Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz“ (DSW) bestimmte BAYERs Aufsichtsratschef Werner Wenning gemeinsam mit Ulrich Lehner zum mächtigsten Mann der Deutschland AG. Wenning sitzt nämlich auch dem E.ON-Aufsichtsrat vor und gehört den Kontroll-Gremien von SIEMENS und HENKEL an.

ManagerInnen-Gehälter ohne Grenzen
Unter den Beschäftigten der DAX-Konzerne gibt es nach einer Studie der „Hans Böckler Stiftung“ enorme Einkommensunterschiede. Bei BAYER lagen die Bezüge der Vorstände 2011 um das 40-fache über den Durchschnittsentgelten der Belegschaft. 2005 gaben sie sich mit dem Faktor 33 noch etwas bescheidener. Und an dieser großen Spreizung dürfte sich beim Leverkusener Multi so schnell auch nichts ändern. Im Jahr 2009 hatte eine Vertreterin des DACHVERBANDES DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE die Vorstandsriege auf der Hauptversammlung gefragt, ob sie bereit wäre, sich mit einem Gehalt zu begnügen, das „nur“ 20 Mal so hoch läge wie das der NormalverdienerInnen des Pharma-Riesen. Sie erhielt eine schnöde Abfuhr. BAYERs damaliger Aufsichtsratsvorsitzender Manfred Schneider sprach sich vehement gegen solche „statistischen Grenzen“ aus.

Stellen-Streichungen bei JENAPHARM
Der Umsatz von BAYERs Vertriebsgesellschaft JENAPHARM, die unter anderem Kontrazeptiva, Potenzmittel und Haut-Arzneien unter die Leute bringt, sank 2012 im Vergleich zum Vorjahr hauptsächlich wegen der verschärften Konkurrenz von Nachahmer-Präparaten auf dem Verhütungsmittel-Markt um 16,7 Millionen auf 140,7 Millionen Euro. Die Geschäftsleitung reagierte darauf mit Arbeitsplatzvernichtung. Sie gab den Bereich „Logistik“ an die Leverkusener Zentrale ab und führt das Gebäude-Management nicht länger in Eigenregie durch.

Subventionierte Rationalisierung
Im Rahmen des seit 2010 laufenden Effizienz-Programms, das 4.500 Arbeitsplätze zur Disposition stellt, ergriff der Leverkusener Multi auch in den USA Maßnahmen. In New Jersey kündigte er an, seine drei über den Bundesstaat verstreut liegenden Pharma-Standorte zusammenlegen zu wollen und drohte damit, den Distrikt New York als neuen Standort zu wählen. Die LandespolitikerInnen gingen auf die Erpressung ein und zahlten dem Leverkusener Multi eine Halte-Prämie. Sie subventionierten den Bau des neuen Hauptquartiers in Hanover mit über 36 Millionen Dollar. So macht das Rationalisieren Spaß.

ERSTE & DRITTE WELT

Entwicklungshilfe für BAYER
Die bundesdeutsche Entwicklungshilfe-Politik setzt auf Kooperationen mit der Privatwirtschaft. So hat das „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) mit BAYER, BASF, SYNGENTA und ca. 30 weiteren Konzernen die „German Food Partnership“ (GFP) gegründet (SWB 4/13). Staatliche Mittel fließen unter anderem in das Projekt „Better Rice Initiative in Asia“ (BRIA), das den Leverkusener Multi bei der Vermarktung von hybridem, also nicht zur Wiederaussaat geeigneten Reis auf den Philippinen unterstützt. Für Familienbetriebe lohnt sich eine solche Investition oft nicht, weshalb das RICE WATCH AND ACTION NETWORK das Vorhaben auch kritisiert, aber den Agro-Riesen schert das wenig. Eine „Grüne Revolution wird man nicht mit Kleinbauern machen“, sagt der Konzern-Manager Hans-Joachim Wegfahrt: „Wir brauchen eine Konsolidierung“. Und am eigentlichen Sinn der Übung lässt er ebenfalls keinen Zweifel. „Unser Business ist nun mal der Verkauf von Pflanzenschutzmitteln und Saatgut“, so Wegfahrt, das Ganze sei „keine Charity-Veranstaltung“.

BAYER will mehr
Der Leverkusener Multi bekommt viel Entwicklungshilfe, um seine Produkte auch in ärmeren Ländern vermarkten zu können (s. o.). Dem Konzern reicht das aber noch nicht. Auf dem von ihm in Neu-Delhi veranstalteten „Rice Future Forum“, an dem unter anderem VertreterInnen der „Bill & Melinda Gates Foundation“, der bundeseigenen Entwicklungshilfe-Agentur „Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit“ (GIZ), des „International Rice Research Institutes“ und des Lebensmittel-Unternehmens KELLOGG teilnahmen, forderte er deshalb mehr Subventionen ein. So mahnte Hartmut van Lengerich vom Unternehmensbereich „Global Strategy für Getreide, Reis und Ölsaaten“ dort „die Unterstützung von „Public-Private-Partnerschaften zur Erforschung, Entwicklung, Vermarktung und Förderung neuer Lösungen“ an.

„Entwicklungshelfer“ BAYER
Mit freundlicher Unterstützung der „Bill & Melinda Gates Foundation“ und der bundeseigenen Entwicklungshilfe-Agentur „Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit“ (GIZ) plant der Leverkusener Multi, sich in Bangladesh als „Entwicklungshelfer“ zu betätigen. „BAYER CROPSCIENCE und die GIZ werden in Bangladesh zusammenarbeiten, um die Aufnahme von Eisen und Zink, sowie gegebenenfalls von Kalzium, Folsäure, Vitamin A und Vitamin B6 mit der Nahrung zu verbessern“, erklärte der Agro-Riese. Entsprechende „Einsatzstoffe“ und eine Schulung der FarmerInnen in „nährstoff-sensitiven landwirtschaftlichen Praktiken“ sollen’s richten. Es handelt sich also wieder einmal um kaum mehr als eine Produkteinführungskampagne für neue Waren, die sich die Bangladesher Bauern und Bäuerinnen wegen des hohen Abgabe-Preises kaum werden leisten können. Und damit das alles nicht ans Licht der Öffentlichkeit tritt, nimmt an der konzertierten Aktion mit MCCANN HEALTH auch „ein weltweit agierender Kommunikationsspezialist für Awareness-Kampagnen“ teil.

KONZERN & VERGANGENHEIT

Duisbergs Strafregister
BAYERs langjähriger Generaldirektor Carl Duisberg war im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas sowie die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen und hatte später einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörder-Konzerns IG FARBEN. Und die Erbarmungslosigkeit, mit der er im Geschäftsleben auf Profit-Jagd ging, zeigte sich auch im Alltag. „Das Strafregister Duisbergs ist nicht lang, aber erheblich“, urteilt der von BAYER mit einer Biographie des Firmen-Lenkers beauftragte Historiker Werner Plumpe. Vor allem Autounfälle mit tödlichem Ausgang füllen die Akten, da Duisberg seinen Chauffeur unablässig zu einem Fahren mit erhöhter Geschwindigkeit anhielt, ohne auf andere VerkehrsteilnehmerInnen Rücksicht zu nehmen.

IG FARBEN & HEUTE

Uni vergibt Hörlein-Preis
Zahlreichen BAYER-Managern, die schwere Schuld auf sich geladen haben, wird heute noch ein ehrendes Gedenken bewahrt. Nach dem ehemaligen Generaldirektor Carl Duisberg, der im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas und die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen war und später einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörder-Konzerns IG FARBEN hatte, haben viele Städte Straßen und Schulen getauft. Der Leverkusen Multi selber hat eine Auszeichnung im Medizin-Bereich nach Kurt Hansen benannt, der bereits 1931 in die NSDAP eingetreten war, und bei den IG FARBEN den Posten des Leiters der kriegswichtigen „Zentralstelle für Rohstoffbeschaffung“ inne hatte. Und die „Gesellschaft der Freunde und Förderer der Universität Düsseldorf“ vergibt alle fünf Jahre einen „Heinrich-Hörlein-Preis“, womit sie ihre Wertschätzung für einen Kriegsverbrecher ausdrückt. Hörlein beaufsichtigte als Leiter des Wuppertaler BAYER-Werks nämlich die Entwicklung der Giftgase Tabun, Sarin und Soman. Zudem saß er im Aufsichtsrat der „Deutschen Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung“ (DEGESCH), die das Zyklon B für die Gaskammern lieferte, und war Wehrwirtschaftsführer.

POLITIK & EINFLUSS

TTIP: BAYER & Co. verhandeln mit
Bei den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen der EU mit den USA diktieren BAYER & Co. den PolitikerInnen die Agenda. Allein von Anfang 2012 bis April 2013 fanden 130 Treffen der VerhandlerInnen mit Konzern-VertreterInnen oder Unternehmensverbänden statt. Selbstverständlich verschafften sich auch die Organisationen, denen BAYER angehört wie der „Verband der chemischen Industrie“, „Business Europe“, der „Bundesverband der deutschen Industrie“ und der „Transatlantic Business Dialogue“, ausreichend Gehör. Unter anderem fordern diese und andere Lobby-Organisationen, die strengeren europäischen Vorgaben bei den Pestizid-Grenzwerten, der Zulassung neuer Medikamente und bei der Gentechnik als „Handelshemmnisse“ einzustufen und abzuwickeln.

Extrem-Lobbyismus in China
Die chinesische Regierung strich die Chemikalie TDI von der Liste hochgefährlicher Chemikalien. „Vorausgegangen war dieser Änderung ein intensives Lobbying von BAYER MATERIALSCIENCE“, so der Text des im Intranet des Konzerns veröffentlichten Bekennerschreibens. Als einen „Meilenstein für die gesamte Polyurethan-Industrie“ feierte das Unternehmen dort den Coup, weil er die Kosten für Transport und Lagerung der Stoffe senkt und die Arbeitsschutz-Anforderungen reduziert. Wenig später hielt es der Global Player dann aber doch für angebrachter, die Spuren zu verwischen, und ersetzte den Begriff „Lobbying“ durch „Informationsaustausch“.

ALEC schreibt Gesetze
Das „American Legislative Exchange Council“ (ALEC) ist eine von den Global Playern gesponserte JuristInnen-Vereinigung. Sie fungiert als Bindeglied zwischen der Wirtschaft und den Republikanern und fertigt für diese Gesetzes-Entwürfe an. Der Leverkusener Multi gehört der Organisation seit 1992 an, „um unsere Unternehmenspositionen in den politischen Meinungsbildungsprozess einzubringen“, wie Konzern-Sprecher Günter Forneck sagt, und ist in wichtigen Gremien vertreten (Ticker 2/12). Nach einer vom CENTER FOR MEDIA AND DEMOCRACY veröffentlichten Untersuchung hat ALEC von Januar bis August 2013 fast 1.000 „Unternehmenspositionen“ von BAYER & Co. in den Gesetzgebungsprozess eingebracht. Unter anderem standen die Beschneidung von Gewerkschaftsrechten, Lohnreduzierungen, Absenkungen von Arbeitsstandards, und die Erschwerung der Strafverfolgung von Konzernen auf der ALEC-Agenda.

Keine Kennzeichnung in Washington
Im US-Bundesstaat Washington scheiterte Anfang November 2013 ein BürgerInnen-Begehren zur Kennzeichnungspflicht von Lebensmitteln, die Gentech-Ausgangsstoffe enthalten, knapp mit 45 zu 55 Prozent der Stimmen. Das Geld, das BAYER und andere Konzerne in eine Gegen-Kampagne investiert hatten, zahlte sich damit aus. Allein der Leverkusener Multi brachte fast 600.000 Dollar auf. Insgesamt war den Unternehmen ihre Aktion 17 Millionen Dollar wert. Zuvor hatten sie mit ihren großen finanziellen Mitteln schon eine entsprechende Transparenz-Initiative in Kalifornien scheitern lassen.

BAYER für offenere Gentech-Worte
Der BAYER-Manager Mathias Kremer hat auf einer Tagung der Kölner „Industrie- und Handelskammer“ eine offenere Diskussion in Sachen „Gentechnik“ eingefordert und das Festhalten an starren Glaubensgrundsätzen beanstandet. KritikerInnen der Risikotechnologie denunzierte Kremer, der bei BAYER CROPSCIENCE den Bereich „Strategie“ leitet, auf der Tagung als rückwärtsgewandte RomantikerInnen, welche die traditionelle Landwirtschaft nostalgisch verklärten und nur ein „Ventil für Unbehagen in einer immer komplexeren Welt“ suchten.

VFA umgarnt NGOs
Der von BAYER gegründete „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ unternimmt Anstrengungen, ein „Deutsches Netzwerk gegen vernachlässigte tropische Armutskrankheiten“ zu gründen und dabei auch Initiativen einzubinden. Die BUKO PHARMA-KAMPAGNE hat sich gegen ein solches Vorhaben ausgesprochen. „Der Industrie-Verband VFA möchte nun offenbar Punkte in der deutschen Öffentlichkeit gewinnen und vom positiven Image zivilgesellschaftlicher Gruppen profitieren (...) Außerdem erscheint das Ganze als ein Versuch, kritische Stimmen einzubinden und mehr Einfluss auf die Debatte zu bekommen“, hält die Organisation fest. Viel Substanz hat der Ansatz von BAYER & Co. ihrer Meinung nach auch nicht. Allein mit Arzneimittel-Spenden und vereinzelten Hilfsprogrammen sei es nicht getan, so der BUKO. Er verwies stattdessen auf die Eckpunkte zu einem Gesamtkonzept, das verschiedene im Bereich der Entwicklungspolitik arbeitende Gruppen gemeinsam erstellt haben. Darin fordern diese unter anderem neue Rahmenbedingungen für die Arzneimittel-Forschung mit einer Abkehr von den starren Patent-Regelungen, mit uneingeschränktem Zugang zu Test-Resultaten, öffentlicher Finanzierung und mit einem Verzicht darauf, die Entwicklungskosten komplett einzupreisen, weil das die Medikamente für die meisten Menschen in der südlichen Hemisphäre unerschwinglich macht.

Duin bei BAYER
Schon zum dritten Mal in diesem Jahr schaute der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Garrelt Duin beim Chemie-Multi vorbei; Auftritte beim „Verband der chemischen Industrie“ kommen noch erschwerend dazu. Im Oktober 2013 nahm der SPD-Politiker an der vom Unternehmensverband „ChemCologne“ veranstalteten Podiumsdiskussion zum Thema „Chemie-Standort NRW – wohin geht die Reise“ teil, die in BAYERs Kommunikationszentrum BayKom stattfand.

Löhrmann beim VCI
Der „Verband der chemischen Industrie“ veranstaltet sogar ganze LehrerInnen-Kongresse, um BAYER & Co. Schule machen zu lassen. Und die PolitikerInnen geben dazu auch noch ihren Segen. So sprach die nordrhein-westfälische Bildungsministerin Sylvia Löhrmann von den Grünen Anfang Dezember 2013 zu Beginn der Veranstaltung der NRW-Sektion des VCI ein Grußwort.

PROPAGANDA & MEDIEN

YASMIN: BAYER schreibt ÄrztInnen
BAYERs Kontrazeptiva aus der YASMIN-Familie haben allein in den USA bereits 190 Todesopfer gefordert. Dazu kommen noch zahllose Geschädigte in aller Welt. In der Schweiz hat das Schicksal von Céline Pfleger, die nach der Einnahme der BAYER-Pillen eine Lungenembolie erlitt und nun schwerbehindert ist, besondere Aufmerksamkeit erregt. Diese stieg mit der Urteilsverkündung in dem Schadensersatz-Prozess, den die Familie der jungen Frau gegen den Pharma-Riesen angestrengt hat, noch einmal zusätzlich an. Daraufhin hat der Leverkusener Multi an schweizer GynäkologInnen sowie Kinder- und JugendärztInnen flächendeckend Briefe verschickt, um Schadensbegrenzung zu betreiben. „Das Nutzen/Risiko-Profil moderner, niedrig dosierter, kombinierter hormoneller Verhütungspräparate wie YASMIN ist auf Basis der Bewertung aller vorliegenden wissenschaftlichen Daten bei verschreibungsgemäßer Anwendung positiv“, schreibt der Global Player darin wider besseren Wissens. Kein Wort findet er dagegen zu dem erhöhten Risiko, das vielen Studien zufolge gerade von Pillen der jüngeren Generation wie YASMIN ausgeht. So recht verfangen wollte die PR-Maßnahme allerdings nicht. So hat etwa eine von der Zeitung Tagesanzeiger befragte Medizinerin das Schreiben „als Rechtfertigung von BAYER wahrgenommen“, für die sie „wenig Interesse“ habe.

Zehn Milliarden Vertriebskosten
Seit Jahren wachsen BAYERs Vertriebskosten an. 2012 legten sie im Vergleich zu 2011 um 11,5 Prozent auf fast zehn Milliarden Euro zu. „Der Anstieg ist im Wesentlichen auf höhere Vertriebskosten bei HEALTHCARE zurückzuführen, die vor allem aus der Vermarktung unserer neuen Produkte resultierten“, heißt es im Geschäftsbericht. Vor allem schlagen hier die Aufwendungen des Leverkusener Multis für seinen Gerinnungshemmer XARELTO zu Buche. Aber die Investitionen zahlen sich aus. Obwohl das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) bis Ende August 2013 bereits 72 Meldungen über Todesfälle und 968 über schwere Nebenwirkungen vorliegen hatte und sowohl Fachmagazine wie auch die „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“ von dem Mittel abraten, ziehen die Umsätze an. Im 3. Quartal 2013 steigerten sie sich gegenüber dem 3. Quartal 2012 um 220 Prozent auf 259 Millionen Euro.

BAYER wenig auskunftsfreudig
Das Fachblatt PRmagazin hat die Auskunftsfreudigkeit der Presse-Abteilungen der Pharma-Riesen getestet. Es schickte den Unternehmen Fragen zu den aktuellen Vorgängen in China. Dort überprüfen die Behörden 60 Konzerne wg. Korruptionsverdachts, weshalb BAYER-Chef Marijn Dekkers nicht ganz wohl in seiner Haut ist: „Ich werde meine Hand nicht ins Feuer legen.“ Die ÖffentlichkeitsarbeiterInnen des Konzerns waren zwar schnell erreichbar, aber nachdem sie das Auskunftsbegehr zu den Vorgängen im Reich der Mitte per Mail erhalten hatten, tat sich nichts mehr. „Nach dem Erstkontakt herrscht Schweigen im Walde“, resümierte die Zeitschrift. Für Qualität und Umfang der Informationen blieben da nur noch null Punkte übrig.

Greenwashing mit der UNEP
Im Rahmen seiner Greenwashing-Aktivitäten kooperiert der Leverkusener Multi auch mit der UNEP, dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen. Bei seinem neuesten PR-Coup schlägt der Konzern sogar drei Fliegen mit einer Klappe. Er kann sich nicht nur als Umweltengel, sondern auch als sozialer Wohltäter präsentieren und darüber hinaus noch politische Verbindungen knüpfen. Seine koreanischen „UmweltbotschaftlerInnen“ entwickelten nämlich ein Umweltspiel, von dem BAYER dann in Zusammenarbeit mit der Umweltbehörde der Stadt Seoul 1.200 Exemplare an Wohlfahrtseinrichtungen für Kinder verteilte.

Lange Nacht der Industrie
Der Leverkusener Multi sieht sich bei all seinen großen Projekten wie etwa Kunststoff-Anlagen oder der Kohlenmonoxid-Pipeline mit massivem Widerstand konfrontiert. Anderen Konzernen geht es bei ihren Vorhaben ähnlich. Deshalb haben die Konzerne beschlossen, mehr für ihr Image zu tun. Zu diesen PR-Kampagnen gehört auch die „Lange Nacht der Industrie“, in der die Unternehmen Führungen veranstalten und die BesucherInnen vom segenreichen Trachten der Firmen zu überzeugen versuchen. Als williger Helfer des durchsichtigen Manövers gab sich in diesem Jahr die Rheinische Post her. Sie widmete der Veranstaltung eine eigene Beilage und stellte sich BAYER als Lautsprecher zur Verfügung. So pries die Zeitung die Wohltaten der Pestizide und bescheinigte dem Leverkusener Chemie-„Park“ einen sorgsamen Umgang mit den Risiken und Nebenwirkungen der Produktion: „Dabei hat Sicherheit oberste Priorität.“

BAYER sponsert „Heart Walk“
Gute Verbindungen zu medizinischen Vereinigungen und PatientInnen-Verbänden spielen für den Leverkusener Multi eine wichtige Rolle bei der Vermarktung seiner Arzneien. Deshalb gibt er viel Geld für die Unterstützung dieser Organisationen aus. So hat die „American Heart Association“ (AHA) bisher schon eine Million Dollar vom Pharma-Riesen erhalten. Und beim diesjährigen „Heart Walk“, dem zentralen Fundraising-Vehikel der AHA, trat der Global Player als Hauptsponsor auf.

BAYER sponsert „Weltverhütungstag“
„Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar“, sagte einst der ehemalige US-Präsident Lyndon B. Johnson über seine Vorstellung von „Entwicklungshilfe“. Zur großen Befriedigung des Leverkusener Multis erfreut sich diese Ansicht sogar heute noch großer Beliebtheit, denn sie ermöglicht den Verhütungsmitteln des Konzerns gute Absatzchancen in den ärmeren Ländern. Darum gehörte er auch 2013 wieder zu den Sponsoren des „Weltverhütungstages“, der sich nach eigenem Bekunden „auf eine Vision für eine Welt, in der jede Schwangerschaft gewollt ist, konzentriert“, in Wahrheit jedoch auf Bevölkerungskontrolle aus ist.

BAYER sponsert ACSH
Das „American Council on Science and Health“ (ACSH) beschreibt sich selbst als eine unabhängige Organisation, die sich in umwelt- und gesundheitspolitische Debatten einschaltet, um unqualifizierten und unwissenschaftlichen Beiträgen entgegenzuwirken. Diese „Aufklärungsarbeit“ führte sie dazu, sowohl dem Fracking als auch bestimmten Pestiziden und der von BAYER massenhaft hergestellten Chemikalie Bisphenol A Unbedenklichkeitsbescheinigungen auszustellen. Wie weit es mit der Unabhängigkeit des ACSH bestellt ist, enthüllten jetzt jedoch der Zeitschrift Mother Jones zugespielte Dokumente. Von COCA-COLA über MONSANTO und PROCTER AND GAMBLE bis zu CHEVRON unterstützte das Who’s Who der Multis das Council. BAYER steuerte im zweiten Halbjahr 2012 30.000 Dollar zum Etat bei.

Neuer Spendenshop für „Die Arche“
BAYERs BEPANTHEN-Kinderförderung lässt seit einiger Zeit von der Universität Bielefeld für gutes Geld Pseudo-Studien erstellen, die kaum wissenschaftlichen Kriterien entsprechen. 2013 widmete sich die Untersuchung der Hochschule dem Thema „Gewalt“ und kam zu dem Ergebnis, dass 25 Prozent der Kinder von ihren Eltern geschlagen werden. Da die Kinderförderung zur Förderung des sozialen Images des Multis seit längerem das Kinder- und Jugendwerk „Die Arche“ unterstützt, das dem evangelikalen Verband „Deutsche Evangelische Allianz“ angehört, beraumte sie dort ein Konflikt-Training an. Im Rahmen dieser Veranstaltung entstanden auch Bilder, die der Konzern jetzt in einem extra eingerichteten Online-Spendenshop zu Gunsten der Arche verkauft.

TIERE & ARZNEIEN

Weniger Antibiotika, mehr BAYTRIL
Der massenhafte Einsatz von Antibiotika in der Massenzucht fördert die massenhafte Entwicklung resistenter Erreger. In den menschlichen Organismus gelangt, können diese Krankheiten auslösen, gegen die Antibiotika dann nicht mehr wirken. 2012 sank zwar die Gesamtmenge der verabreichten Mittel gegenüber dem Vorjahr um 87 auf 1.619 Tonnen, der Anteil der Fluorchinolone, zu denen BAYERs BAYTRIL zählt, nahm jedoch um zwei auf zehn Tonnen zu. Und dazwischen besteht ein Zusammenhang, denn Fluorchinolone sind im Gegensatz zu den Alt-Stoffen auch in kleineren Dosen hochwirksam. Als Substanz, die in der Humanmedizin den Status eines Reserve-Antibiotikums inne hat und nur bei der Behandlung schwererer Fälle zum Einsatz kommt, hat sich sein Gebrauch in der Veterinärmedizin nämlich noch nicht abgenutzt. Deshalb weist der Rückgang der Zahlen mitnichten auf einen zurückhaltenderen Umgang mit den Medikamenten hin. Zudem erhöhen die Fluorchinole durch die Praxis des „Dual Use“ – das Apotheken-Pendant zu BAYTRIL heißt CIPROBAY – die Gefahr noch, die von nicht mehr behandelbaren Infektionen ausgeht.

TIERE & VERSUCHE

Weniger Tierversuche
Im Geschäftsjahr 2012 sank die Zahl der Tierversuche bei BAYER um 12 Prozent von 168.825 auf 147.315. Auch in den Laboren der Auftragsforschungsstätten starben nicht mehr so viele Ratten, Mäuse & Co. Der Leverkusener Multi vermochte allerdings nicht abschließend zu sagen, ob diese Reduzierung wirklich dem Willen geschuldet war, den Kreaturen Qualen zu ersparen, oder einfach nur dadurch zu Stande kam, dass er weniger Test-Projekte durchführte.

DRUGS & PILLS

YASMIN & Co.: alarmierende Zahlen
Die französische Arzneimittelbehörde ANSM hat alarmierende Zahlen über die Risiken und Nebenwirkungen von Verhütungsmitteln vorgelegt. Demnach verursachen die Kontrazeptiva jedes Jahr seit 2000 über 2.500 Thromboembolien, wovon jeweils 20 einen tödlichen Verlauf nehmen. Den größten Anteil daran haben mit 1.751 Embolien und 14 Sterbefällen Pillen der dritten und vierten Generation wie BAYERs Produkte aus der YASMIN-Familie. Die für die französischen Grünen im Europa-Parlament sitzende Michèle Rivasi geht sogar von noch mehr Toten aus und spricht von der „Spitze des Eisbergs eines kommenden Skandals in Europa“. Die sozialistische Gesundheitsministerin Marisol Touraine setzt sich deshalb für strengere Verschreibungsrichtlinien ein. Unterdessen haben die VerbraucherInnen schon Vorsorge getroffen: Der Absatz von YASMIN & Co. sank von Dezember 2012 bis August 2013 im Vergleich zu dem von Dezember 2011 bis August 2012 um 36,6 Prozent.

Tod durch ESSURE?
Seit der Leverkusener Multi 2013 das US-amerikanische Pharma-Unternehmen CONCEPTUS aufgekauft hat, führt er in seinem Sortiment mit ESSURE auch ein ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation. Setzen MedizinerInnen der Frau die kleine Spirale ein, wofür keine Vollnarkose nötig ist, so sorgen Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes, dass es die Eileiter verschließt. Allerdings gehen von dem Mittel beträchtliche Gesundheitsgefahren aus. Im Oktober 2013 erhielt die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA sogar einen Bericht über einen mutmaßlich von ESSURE ausgelösten Todesfall. Insgesamt gingen bei der FDA seit 2004 über 850 Meldungen über schwere Nebenwirkungen ein. Blutungen, Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien gehörten dazu, manche Frauen mussten sich sogar die Gebärmutter entfernen lassen. In den USA will deshalb die durch einen Hollywood-Film bekannt gewordene Aktivistin Erin Brockovich, die 1993 den Multi PACIFIC GAS AND ELECTRIC wegen Grundwasser-Verschmutzung verklagte, nun gegen BAYER vor Gericht ziehen. Eine Kampagne gegen das Präparat hat sie schon im Oktober 2013 gestartet. „Wenn so viele über Nebenwirkungen berichten, nehmen Sie es vom Markt!“, appellierte sie in Sachen „ESSURE“ an den Pharma-Riesen: „Es funktioniert nicht. Die Frauen wurden in die Irre geführt. Sie fühlen sich betrogen.“

FDA zweifelt an LEMTRADA
Die Europäische Arzneimittelagentur EMA hat 2013 den Wirkstoff Alemtuzumab für die Indikation „Multiple Sklerose“ zugelassen. SANOFI und der an den Umsätzen beteiligte BAYER-Konzern zogen die Arznei daraufhin als Mittel zur Behandlung einer Leukämie-Art zurück, weil das neue Anwendungsgebiet mehr Profite verspricht (SWB 1/14). Das US-amerikanische EMA-Pendant FDA hat dem unter dem Namen LEMTRADA vermarkteten Präparat dagegen noch keine Genehmigung erteilt. Einen entsprechenden Antrag wies die Behörde im September 2012 zurück. Sie stieg durch das präsentierte Zahlenmaterial nicht durch und forderte SANOFI und BAYER deshalb auf, die Daten verständlicher aufzubereiten. Und im November 2013 meldete ein BeraterInnen-Gremium der Einrichtung ernsthafte Bedenken an. „Die Gabe von Alemtuzumab ist mit ernsthaften Risiken verbunden, welche den Nutzen übersteigen könnten“, hielt es fest. Unter anderem warnten die Wissenschaftlerinnen vor Autoimmun-Krankheiten wie ITP, Nierenschäden, Krebs, Infektionen, Schilddrüsen-Beschwerden und Infusionsnebenwirkungen wie Bluthochdruck, Kopf- oder Brustschmerzen. Und hierzulande meldet das industrie-unabhängige Fachmagazin arznei-telegramm Bedenken an. Nicht nur die vielen unerwünschten Arznei-Effekte, sondern auch die fehlenden Studien zu den Langzeitwirkungen und -nebenwirkungen machen die Publikation skeptisch. „Wir sehen eine Indikation für das extrem teure Alemtuzumab derzeit nur im Einzelfall als letzte Reserve“, lautet ihr Resümee.

EMA zweifelt nicht an YASMIN
Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA hat eine Risiko-Bewertung von Verhütungsmitteln vorgenommen und dabei keine großen Unterschiede zwischen den Pillen der 1., 2. und 3. Generation feststellen können. Dieses Votum widerspricht sämtlichen neueren Studien, welche die von Kontrazeptiva der 3. Generation wie etwa BAYERs YASMIN ausgehenden Gefahren deutlich höher einschätzen als diejenigen, mit denen Käuferinnen älterer Präparate rechnen müssen. Das industrie-unabhängige arznei-telegramm kritisiert die Entscheidung deshalb scharf und hält fest: „Aus Gründen des vorbeugenden Verbraucherschutzes halten wir es für überfällig, endlich die risikoärmeren Kombinationen als Mittel der ersten Wahl einzustufen und die riskanteren Kontrazeptiva als Mittel der Reserve.“

XARELTO unter Beobachtung
Die Europäische Arzneimittelagentur EMA hat BAYERs neuen Gerinnungshemmer XARELTO unter verstärkte Beobachtung gestellt. Eine Post-Zulassungsstudie überprüft das Sicherheitsprofil der Arznei, zu der dem „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) bis Ende August 2013 bereits 72 Meldungen über Todesfälle und 968 über schwere Nebenwirkungen vorlagen.

EYLEA unter Beobachtung
Auch BAYERs Gentech-Augenpräparat EYLEA stellt die Europäische Arzneimittelagentur EMA unter verstärkte Beobachtung. Sie überprüft das zur Therapie der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – zugelassene Mittel genauer, da es sich bei seiner Wirk-Substanz Aflibercept um einen neuen Inhaltsstoff handelt, über den bisher noch kaum Informationen vorliegen.

„Fett weg“-Spritze kommt
BAYER beabsichtigt, verstärkt von der steigenden Nachfrage nach Lifestyle-Präparaten zu profitieren. So entwickelte der Leverkusener Multi gemeinsam mit dem Unternehmen KYTHERA eine Substanz, die – unter die Haut gespritzt – kleinere Fettpolster am Kinn auflösen soll. Im September 2013 hat der Konzern nun eine EU-weite Zulassung für die Substanz beantragt, mit der er einen Jahresumsatz von 250 Millionen Euro machen will. Der Pharmazeut Gerd Glaeske warnt indessen vor der Neuentwicklung. Er befürchtet, die zerstörten Fettzellen könnten im Körper umherwandern, zusammenklumpen und Gefäß-Verschlüsse oder Schlaganfälle verursachen. Zudem prophezeit er Hautschäden an den behandelten Stellen.

US-Zulassung für ADEMPAS
BAYER hat in den USA die Zulassung für ein Mittel zur Behandlung der beiden Lungenhochdruck-Krankheiten CTEPH und PAH erhalten. Die Arznei mit dem Wirkstoff Riociguat soll in der Lunge ein Enzym stimulieren, das für eine Erweiterung der Blutgefäße sorgt und so die Sauerstoff-Aufnahme verbessert. Der Leverkusener Multi erwartet von ADEMPAS einen Umsatz von 500 Millionen Euro im Jahr.

Pillen-Verkauf an MOBERG
Der Leverkusener Multi hat drei rezeptfreie Produkte aus seinem Sortiment an einen Mitbewerber verkauft. Das schwedische Pharma-Unternehmen MOBERG erwarb für 4,8 Millionen Dollar die Haut-Arznei DOMEBORO, das Schmerzmittel VANQUISH und das Eisen-Präparat FERGON.

VFA gegen Test-Transparenz
Die EU bereitet eine Verordnung vor, welche die Pharma-Hersteller zur Veröffentlichung von Arznei-Tests zwingt. Den Pillen-Riesen gehen die Pläne jedoch zu weit. „Nicht okay ist es in bestimmten Fällen, wenn die Europäische Arzneimittelbehörde EMA mehrere tausend Seiten an Rohdaten herausgibt“, sagt etwa Siegfried Throm vom „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“. Der Geschäftsführer der von BAYER gegründeten Organisation will nur Fachleuten umfassenden Einblick gewähren. „Es darf eben auch nicht sein, dass Gruppen mit wenig Sachverstand Daten interpretieren. Da kommen dann so Schlagzeilen heraus wie ‚Blutdrucksenker verursachen Krebs’ – das ist schief und lässt sich für die Konzerne nur schwerlich korrigieren“, so Throm.

Brustkrebs durch ADALAT & Co.
Schlagzeilen wie „‚Blutdrucksenker verursachen Krebs“ (s. o.) sind keinesfalls so schief, wie BAYER behauptet. Nach einer Untersuchung des „Fred Hutchinson Cancer Research Center“ steigern nämlich Kalzium-Antagonisten wie BAYERs Bluthochdruck-Mittel ADALAT und BAYMYCARD das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken. Das ergaben Interviews, die das Institut mit 2.851 weiblichen Personen im Alter von 55 bis 74 Jahren führte. Der Anteil der Frauen, die Kalzium-Antagonisten einnahmen, war in der Brustkrebs-Gruppe doppelt so hoch wie in der Kontrollgruppe.

Kooperation mit Broad Institute
Der Leverkusener Multi hat mit dem Broad Institute eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Krebs-Forschung vereinbart. Als Ziel der Kooperation mit der Forschungseinrichtung, an der WissenschaftlerInnen vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) und aus Harvard arbeiten, formulierte BAYER, binnen fünf Jahren drei neue Wirkstoffe entdecken zu wollen. Bei der Suche danach gewähren sich die Partner gegenseitig Zugriff auf ihre Technologie-Plattformen, Werkstoff-Bibliotheken und Daten.

Resistente Krebszellen
Die Pharma-Riesen haben in der Vergangenheit große Hoffnungen auf Mittel geschürt, die Krebs dauerhaft zu heilen vermögen. Vollmundig berichteten sie etwa davon, Ausschalter für Tumor-Zellen gefunden zu haben. Die Erwartungen haben sich jedoch nicht erfüllt. BAYERs NEXAVAR gelingt es beispielsweise bloß, die Lebenserwartung der PatientInnen um ein paar Wochen zu verlängern. Unter anderem liegt das daran, dass die Krebszellen sich auf die Arzneien einstellen und mutieren. Darum ändern einige Wissenschaftler wie Stuart Schreiber von dem mit dem Leverkusener Multi kooperierenden Broad Institute (s. o.) jetzt ihre Strategie und arbeiten an Therapien, bei denen mehrere Inhaltsstoffe gleichzeitig zum Einsatz kommen. Bescheidenheit haben sie ihre früheren Erfahrungen jedoch nicht gelehrt. So verkündet Schreiber: „Theoretisch sollten wir mit neuen Wirkstoff-Kombinationen Krebs zumindest dauerhaft in Schach halten können.“

Transparenz-Kodex verabschiedet
Der europäische Pharma-Verband EFPIA hat einen Transparenz-Kodex verabschiedet. Demnach verpflichten sich BAYER, SANOFI & Co., ihre Zuwendungen an MedizinerInnen, Krankenhäuser, Fachgesellschaften und andere Akteure des Gesundheitswesens offenzulegen. Allerdings haben sie dazu noch bis 2016 Zeit. Zudem steht sehr in Zweifel, ob der Leverkusener Multi bis dahin seine Position radikal ändert und wirklich umfassende Angaben macht. Gegenwärtig weigert er sich nämlich auf seinen Hauptversammlungen noch strikt, den mittlerweile fast zehn Milliarden Euro umfassenden Bilanz-Posten „Vertriebskosten“ genauer aufzuschlüsseln. Trotz beharrlicher Nachfragen erhält die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN keinerlei Informationen über die Ausgaben des Konzerns für Medikamenten-Proben, MedizinerInnen-Fortbildung, ÄrztInnen-Betreuung, Kongresse und Lobby-Verbände.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Null Problemo mit Glyphosat
Das Anti-Unkrautmittel Glyphosat kommt hauptsächlich in Kombination mit MONSANTO-Genpflanzen der „ROUND UP“-Baureihe zum Einsatz, aber auch in BAYER-Pestiziden wie GLYPHOS oder USTINEX. Zudem will der Multi es künftig gemeinsam mit der Gensoja-Sorte „FG 72“ sowie seinen genmanipulierten Baumwoll-Arten „GHB 614“, „GHB119“ und T304-40 vermarkten, die er alle drei zur Zeit noch in Freisetzungsversuchen testet. In jüngster Zeit haben mehrere Studien Spuren des Giftstoffes im menschlichen Organismus gefunden. So hat einer Untersuchung des BUND zufolge fast die Hälfte der europäischen GroßstadtbewohnerInnen Glyphosat im Körper. Für das Bundesinstitut für Risiko-Bewertung (BfR) ist das allerdings kein Grund zur Beunruhigung. Die „Werte liegen weit unterhalb eines gesundheitlich bedenklichen Bereichs“, urteilt das BfR. Die Behörde tritt sogar für laschere Grenzwerte ein. „Die neuen toxikologischen Daten würden es erlauben, den ADI-Wert für die akzeptable Tagesdosis von 0,3 Miligramm pro Kilogramm Körpergewicht auf 0,5 hochzusetzen“, so BfR-Sprecher Jürgen Thier-Kundke zur taz. Diese Einschätzungen wundern allerdings nicht weiter, denn das Amt war an der EU-Zulassung der Agro-Chemikalie beteiligt. Zudem haben einige BfR-WissenschaftlerInnen enge Kontakte zu BAYER & Co.

Gefährlicher Glyphosat-Zusatzstoff
MONSANTOs Anti-Unkrautmittel Glyphosat, das auch in BAYER-Pestiziden enthalten ist und zudem in Kombination mit Gen-Pflanzen des Leverkusener Multis angeboten wird, enthält in einigen Formulierungen auch den Zusatzstoff Tallowamin. Diese aus Aklylaminen bestehende Substanz, die für eine bessere Haftung des Herbizids an den gegen diesen Stoff resistenten Laborfrüchten sorgt, hat eine hochgiftige Wirkung. So starben bei einem Fütterungsversuch mit 1.000 mg am Tag 50 Prozent der untersuchten Tiere. Darum hat die schwarz-gelbe Koalition 2010 ein Verbot dieser Produkte veranlasst. „Wenn ein Antragsteller nachweisen kann, dass die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen auch mit Tallowaminen erfüllt sind“, wie CDU und FDP in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ festhalten, dann dürfen BAYER & Co. die Agro-Chemikalien allerdings weitervertreiben. Und im Rest der Welt treiben die Tallowamine ohnehin weiter völlig unbehelligt ihr Unwesen.

PFLANZEN & SAATEN

Subventionen für Eiweiß-Pflanzen
Im Jahr 2012 importierten die Massentier-HalterInnen ca. 4,5 Millionen Tonnen Futtermittel wie beispielsweise Soja. Bereits seit einiger Zeit aber arbeitet die bundesdeutsche Politik daran, den heimischen Markt für Pflanzen mit hohem Eiweiß-Gehalt zu stärken. So entwickelte sie 2011 eine Eiweißpflanzen-Strategie und fördert entsprechende Forschungsvorhaben von BAYER & Co. mit drei Millionen Euro. Einziger Vorteil der Subventionsorgie: Wenn es den Agro-Riesen gelingt, genug Erbsen oder Ackerbohnen aus deutschen Landen für den neuen Verwendungszweck zu einem angemessenen Preis zu kultivieren, dann müssen die ZüchterInnen den armen Kreaturen in ihren Ställen nicht mehr so viel südamerikanisches Gentech-Soja aus den Laboren von BAYER oder MONSANTO zum Fraß vorwerfen.

Neue Weizen-Lizenz
Der Leverkusener Multi baut sein Geschäft mit Weizen – der am häufigsten angebauten Kulturpflanze der Welt – weiter kontinuierlich aus. So erwarb er von PERFORMANCE PLANTS die Rechte an einer Technologie, die der Ackerfrucht helfen soll, Trockenheit zu trotzen. Für Baumwolle hatte der Leverkusener Multi entsprechende Lizenzen bereits 2009 und 2011 von dem US-amerikanischen Unternehmen erworben.

GENE & KLONE

EFSA winkt Gen-Baumwolle durch
Im Verfahren um eine Einfuhr-Genehmigung für BAYERs genmanipulierte Baumwoll-Sorte „T 304-40“ hatte die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA der Laborfrucht bescheinigt, so „sicher und nahrhaft“ wie konventionelle Arten zu sein. Die Initiative TESTBIOTECH teilt dieses Votum über die Pflanze nicht, die mit dem Gift-Gen des Bacillus thuringiensis (Bt) und einer Resistenz gegen den gesundheitsgefährdenden Herbizid-Wirkstoff Glufosinat bestückt ist. „Ein neuer Tiefpunkt“ in der Geschichte der EFSA-Risikobewertungen sei diese Beurteilung, so die Organisation, denn die EFSA hätte zwar das in den BAYER-Dokumenten beschriebene Studien-Design zu Verträglichkeitsprüfungen bemängelt, aber keine neuen Daten angefordert. Auch sei die Behörde den Schwankungen in der Absonderung der Bt-Mengen nicht weiter nachgegangen, moniert TESTBIOTECH. Ob sich die EU-Gremien in ihrer Entscheidung von diesen Einwänden beeinflussen lassen, dürfte sich binnen der nächsten 12 Monate zeigen.

EU winkt SMARTSTAX durch
Im November 2013 hat die EU MONSANTOs Genmais-Sorte SMARTSTAX die Import-Zulassung zur Verwendung in Futter- und Lebensmitteln erteilt. Die Laborfrucht ist mit sechs Bt-Toxinen gegen den Maiszünsler und andere Insekten sowie mit Resistenzen gegen zwei Pestizide ausgestattet. Bei einem der Ackergifte handelt es sich um BAYERs berühmt-berüchtigtes Glufosinat, dessen EU-Genehmigung wegen seiner Gefährlichkeit 2017 ausläuft. Doch nicht nur das stößt auf Kritik. Die Initiative TESTBIOTECH moniert fehlende Untersuchungen zu den chemischen Reaktionen zwischen den Bt-Toxinen und den Anti-Unkrautmitteln; auch lägen keine Nachweise zur Umweltverträglichkeit vor. „Der Import dieser Pflanzen hat keinerlei Vorteile für Landwirte, Verbraucher oder die Tiergesundheit in der EU. Im Gegenteil, es gibt berechtigte Zweifel an der Sicherheit dieser Pflanzen, die einen ganzen Gift-Cocktail enthalten“, konstatiert die Organisation.

Gen-Raps jetzt auch in Lebensmitteln
In Ölen und Futtermitteln dürfen sich BAYERs drei Genraps-Sorten Ms8, Rf3 und Ms8 x Rf3 mit Genehmigung der EU schon länger tummeln. Und jetzt erlaubte Brüssel auch die Verwendung der gentechnisch steril gemachten und gegen das gesundheitsgefährdende Spritzmittel Glufosinat immunisierten Laborfrüchte in Lebensmitteln. Die Initiative TESTBIOTECH spricht sich gegen eine solche Zulassung aus, weil die Antragsunterlagen nur unzureichende Informationen über die möglicherweise gesundheits- und umweltschädlichen Risiken und Nebenwirkungen des Raps gegeben hätten.

Gen-Raps ist überall
1996 erhielt BAYER die Erlaubnis, in der Europäischen Union Gen-Raps der Sorten Ms1 x Rf1, Ms1 x Rf2 und Topas zur Saatgut-Produktion auszusäen. Ein großflächiger Anbau fand jedoch bis 2007 – dem Jahr, bis zu dem die Genehmigung galt – nie statt. Trotzdem fanden sich auch nach Ablauf der Zulassung noch reichlich Spuren der Laborfrucht in konventionellem Raps. Darum kam die EU-Kommission dem Leverkusener Multi netterweise entgegen und ließ für fünf weitere Jahre Kontaminationen von bis zu 0,9 Prozent zu. 2012 schließlich verlängerte Brüssel diese Ausnahmeregelung noch einmal. Die EU begründete diese Entscheidung mit der „Biologie“ des BAYER-Raps’, die es ihm in Verbindung mit bestimmten Ernte-Praktiken leider ermöglicht, lange in der Natur zu überwintern. „Gentechnisch veränderter Raps außer Kontrolle“ nennt die Initiative TESTBIOTECH deshalb ihre Kurzstudie zum Thema, in dem Topas & Co. nur als ein Beispiel unter vielen firmieren.

BAYER kauft argentinische Soja-Firma
Auf der nördlichen Hemisphäre stößt der Expansionsdrang der Agro-Riesen mittlerweile an Grenzen (siehe auch SWB 1/14). Darum kaufen sie derzeit vor allem in Asien und Südamerika zu. So hat BAYER die argentinische Soja-Firma FN SEMILLAS erworben, deren Angebot sowohl gentechnisch verändertes als auch konventionelles Saatgut umfasst. Die Gen-Saaten der FN-Reihe verfügen dabei hauptsächlich über Resistenzen gegen die Pestizide LIGATE von DUPONT und MANCHA OJO von RANA. „Mit dieser Akquisition erhalten wir Zugang zu hochwertigem genetischen Material für die Entwicklung neuer Sorten und Pflanzen-Eigenschaften“, konstatiert BAYER CROPSCIENCEs Lateinamerika-Boss Marc Reichardt. Zudem ermöglicht sie dem Leverkusener Multi, in den lokalen Saatgut-Markt einzusteigen. Allerdings müssen die Kartell-Behörden dem Deal noch zustimmen.

Neue Antikörper-Kooperation
Der Leverkusener Multi hat mit SEATTLE GENETICS eine Zusammenarbeit bei der Entwicklung von Antikörpern zur Krebs-Behandlung vereinbart. Er überweist dem US-amerikanischen Unternehmen 20 Millionen Dollar für weitere Forschungen und stellt ihm Erfolgsprämien von bis zu 500 Millionen Dollar in Aussicht.

Gentests von SYSMEX
Der Leverkusener Multi baut sein Geschäft mit Krebs-Therapien weiter aus. Zu diesem Zweck lässt er von SYSMEX INOSTICS spezielle DNA-Tests entwickeln, die während der Behandlung Aufschluss über den Verlauf der Krankheit geben. Einen Vertrag über ähnliche Diagnostika-Produkte hatte BAYER zuvor bereits mit dem Unternehmen QIAGEN geschlossen.

WASSER, BODEN & LUFT

Krefeld: Vorerst kein Gaskraftwerk
Ursprünglich wollte BAYER auf dem Gelände des Krefelder Chemie-„Parks“ gemeinsam mit dem Stadtwerke-Verbund TRIANEL ein Kohlekraftwerk errichten. Dies stieß jedoch wegen des dann zu erwartenden hohen Ausstoßes von klima-schädlichem Kohlendioxid auf so massive Kritik, dass die Partner von ihren Plänen abrückten und den Bau eines Gaskraftwerks ankündigten. Sie ließen sich allerdings ein Hintertürchen offen. So erklärte der Global Player: „Ob dieses Projekt wirtschaftlich umsetzbar ist, wird sich im Laufe der Projekt-Entwicklung zeigen.“ Und im Sommer 2013 sahen sich SkeptikerInnen bestätigt. Die beiden Unternehmen verschoben das Vorhaben um mindestens drei Jahre. Ihre endgültige Entscheidung machen der Pharma-Riese und TRIANEL von der Energie-Politik der Großen Koalition abhängig. Konkret fordern sie eine staatliche Subventionierung der Kraft-Wärme-Kopplung, eine Befreiung von der EEG-Umlage und ein „Strommarkt-Design, das Anreize für die Investition in konventionelle Kraftwerke setzt“. Untätig bleibt der Leverkusener Multi dennoch nicht. Er treibt jetzt eine „kleine Lösung“ voran, um die Strom-Versorgung sicherzustellen und modernisiert seine alten Kesselanlagen.

Keine nachwachsenen Rohstoffe
Die Ratingagentur OEKOM RESEARCH hat die Bemühungen von Unternehmen zur nachhaltigen Beschaffung nachwachsener Rohstoffe untersucht und auf einer Skala von 0 bis 100 bewertet. BAYER schnitt dabei mit null Punkten denkbar schlecht ab.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

Lösemittel mit weniger VOC
Lackrohstoffe enthalten Lösemittel, die flüchtige organische Verbindungen, so genannte VOC, freisetzen. Diese Gase können krebserregend und erbgut-verändernd wirken sowie die Fortpflanzungsfähigkeit einschränken. BAYER hat jetzt mit BAYHYDROL zwar einen Lack entwickelt, in dem sich nur noch zwei statt früher fünf Prozent VOC tummeln, das macht jedoch immer noch ca. 30 Gramm pro Liter aus.

CO & CO.

Klage gegen alte CO-Pipeline
Der Leverkusener Multi hat bereits eine Kohlenmonoxid-Pipeline in Betrieb. Seit 2002 darf er das Giftgas nämlich von Dormagen nach Leverkusen in einer zehn Kilometer langen Leitung transportieren. Und das alles unter noch prekäreren Sicherheitsbedingungen als bei dem jetzt zwischen Dormagen und Krefeld fertiggestellten, aber immer noch seiner Genehmigung harrenden Röhren-Werk. Die Bezirksregierung Köln hat BAYER damals nämlich einfach erlaubt, eine 1968 für den Transport von Kohlendioxid errichtete Verbindung umzuwidmen und für CO zu benutzen. Dem Global Player zufolge entspricht diese aber gleichwohl dem „Stand der Technik“. Gottfried Schweitzer allerdings zweifelt das an. Er forderte den Global Player auf, die Pipeline stillzulegen. Als das Unternehmen dem nicht nachkam, verklagte der Leverkusener den Pharma-Riesen, „weil er wissentlich über elf Jahre hinweg mit dem Betreiben der oben genannten Pipeline das Leben zehntausender Menschen gefährdet hat“, wie es in seinem Brief an die Staatsanwaltschaft heißt. Auch gegen die Bezirksregierung Köln als verantwortliche Genehmigungsbehörde zog Schweitzer vor Gericht.

CBG will Infos über alte Pipeline
Auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat in Sachen „Alt-Pipeline“ (s. o.) Aktivitäten entfaltet. Sie verlangt genauere Informationen über die damalige Genehmigung und hat die Bezirksregierung Köln aufgefordert, der Coordination die entsprechenden Dokumente wie den Genehmigungsbescheid, Änderungsbescheide über die neue Nutzung des Röhrenwerks als Kohlenmonoxid-Leitung, TÜV-Gutachten und Stellungnahmen zum Arbeitsschutz zukommen zu lassen.

Neues Pipeline-Mahnmal
Die Stadt Hilden hat aus Protest gegen BAYERs von Krefeld nach Dormagen verlaufende Kohlenmonoxid-Pipeline in unmittelbarer Nähe der Trasse ein Mahnmal errichtet. Am 13. September 2013 enthüllte der Bürgermeister Horst Thiele (SPD) das Werk, für dessen Errichtung die Ratsfraktionen aller Parteien gestimmt hatten.

PLASTE & ELASTE

Mehr Kunststoff-Profite?
Im September 2013 hatte der Leverkusener Multi seinem Kunststoff-Bereich BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) Rationalisierungsmaßnahmen verordnet, weil dieser mit 9,5 Prozent Rendite unter dem Klassenziel von 18 Prozent geblieben war, und 700 Jobs zur Disposition gestellt (Ticker 4/13). Zwei Monate später sieht Sparten-Chef Patrick Thomas wieder bessere Möglichkeiten, die Vorgaben zu erreichen: „Wir sehen eine positive Preis-Entwicklung in der nächsten Zeit.“ Auch steige in Asien die Nachfrage, so der Manager. Trotzdem blickt die Abteilung weiter einer unsicheren Zukunft im Konzern-Verbund entgegen, zumal der Vorstand gerade Interesse an zwei teuren Arznei-Akquisitionen bekundet hat, die sich durch einen Verkauf von BMS leichter finanzieren ließen.

PRODUKTION & SICHERHEIT

Duisburg: Neues Sirenen-Warnsystem
Im Herbst 2013 hat die Stadt Duisburg ein neues Sirenen-Warnsystem in Betrieb genommen. Den Anlass dazu bot BAYER. Der Chemie-Multi nutzt im benachbarten Krefeld nämlich das gefährliche Giftgas Phosgen als Vorprodukt bei der Kunststoff-Herstellung. Deshalb forderte das UMWELTFORUM DUISBURG schon 2005 Katastrophenschutz-Maßnahmen von der Stadt ein, die sie mit erheblicher Verzögerung nun auch umsetzte. Der Leverkusener Multi beteiligte sich mit 75.000 Euro an den Kosten.

OSHA kontrolliert BAYER nicht mehr
Die US-Arbeitsschutzbehörde „Occupational Safety and Health Administration“ (OSHA) kontrolliert die BAYER-Produktionsstätten nicht mehr regelmäßig. Die Teilnahme am „Volontary Protection Program“ (VPR) erspart dem Leverkusener Multi die Inspektionen. Das CENTER FOR PUBLIC INTEGRITY kritisiert diese Ausnahme-Regelungen, in deren Genuss über 2.400 Unternehmen kommen, mit Verweis auf deren Sündenregister. So führt die Initiative etwa die „signifikante(n) Mängel der Sicherheitsabläufe“ an, welche die OSHA bei der Untersuchung der Explosion am US-amerikanischen BAYER-Standort Institute, die 2008 zwei Todesopfer gefordert hatte, feststellte. Daraufhin hatte die Behörde den Konzern vorübergehend aus dem VPR-Programm suspendiert, heute bescheinigt sie ihm jedoch „gute Führung“. Der Agro-Riese habe die Probleme gelöst und ein ernsthaftes Bemühen demonstriert, seine Beschäftigten zu schützen, betont der OSHA-Sprecher William A. Burke gegenüber dem CENTER FOR PUBLIC INTEGRITY.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

CO-Unfall in Brunsbüttel
Am 25. September 2013 kam es im Brunsbütteler BAYER-Werk zu einer Freisetzung von Kohlenmonoxid. Zwei Beschäftigte wurden bewusstlos aufgefunden, drei weitere atmeten das Giftgas ein. Nach Angaben der Polizei schwebten zwei Betroffene in Lebensgefahr, ein Arbeiter musste reanimiert werden. Nach telefonischer Auskunft des ermittelnden Polizeibeamten erfolgte die Hilfe im allerletzten Moment. Vom Leverkusener Multi gibt es bis zum heutigen Tag keinerlei Informationen zu den Hintergründen des Zwischenfalls. Da dieses „Umweltereignis“ nach Ansicht der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) für die Entscheidung über die Erlaubnis der Inbetriebnahme von BAYERs von Krefeld nach Dormagen verlaufende Kohlenmonoxid-Pipeline von Belang ist, schrieb sie gemeinsam mit dem Kinderarzt Dr. Gottfried Arnold einen Offenen Brief an die Bezirksregierung Düsseldorf. „Nach unserer Auffassung hat die Öffentlichkeit ein Anrecht darauf, umfassend über den Vorgang informiert zu werden. Auch sollten die Ermittlungsergebnisse sowie die daraus gezogenen Konsequenzen in das laufende Genehmigungsverfahren mit aufgenommen werden. Wir möchten Sie daher bitten, die Staatsanwaltschaft Itzehoe um Amtshilfe zu bitten und die Öffentlichkeit entsprechend zu informieren“, hieß es darin unter anderem. Darüber hinaus hatte die CBG den Brunsbütteler Unfall auf die Tagesordnung des Pipeline-Erörterungstermins gesetzt (siehe AKTION & KRITIK).

Explosion in Mexiko
Am 23. Oktober 2013 kam es in einem nahe der mexikanischen Stadt Orizaba gelegenen BAYER-Werk zu einer schweren Explosion, bei der ein Beschäftigter starb. Ein weiterer Belegschaftsangehöriger erlitt gravierende Verbrennungen. Die Druckwelle hatte eine solche Heftigkeit, dass sie in einem Radius von einem halben Kilometer Schäden verursacht hat.

Lösemittel treten aus
Am 11. November 2013 kam es in Wuppertal nahe des Bahnhofs Steinbeck zu einem Chemie-Unfall. Aus einem Kesselwaggon von BAYER trat ein Lösemittel-Gemisch aus. Das machte einen Großeinsatz der Feuerwehr mitsamt Sperrung des Bahnverkehrs in Richtung Köln erforderlich.

STANDORTE & PRODUKTION

Neue ESSURE-Fabrik in Costa Rica
Trotz schwerwiegender Nebenwirkungen (siehe DRUGS & PILLS) laufen die Geschäfte mit dem Sterilisationsmittel ESSURE gut. Um die Nachfrage stillen zu können, baut BAYER in Costa Rica eine neue Produktionsstätte auf. Als Standort hat der Leverkusener Multi die Industriezone in Aurora de Heridia auserkoren.

Ausbau des Russland-Geschäfts
Während der Leverkusener Multi hierzulande Arbeitsplätze vernichtet, baut er anderswo seine Geschäfte aus. So will er in Russland expandieren und 800 neue Stellen einrichten, um dort seinen Umsatz bis 2017 um 80 Prozent auf 1,3 Milliarden Euro zu steigern.

IMPERIUM & WELTMARKT

Indische Dreckschleuder verkauft
BAYERs Pestizid-Fabriken an den indischen Standorten Vapi und Ankleshwar gehören zu den größten Dreckschleudern des Konzerns. Lange Zeit sorgten sie quasi im Alleingang für einen Großteil des Jahresausstoßes an flüchtigen organischen Substanzen (VOC) und klimaschädigenden Substanzen jenseits von Kohlendioxid. Der Leverkusener Multi versprach auf Hauptversammlungen stets Sanierungen, zögerte diese aber immer hinaus. Erst 2012 tat sich in Vapi etwas. In Sachen „Ankleshwar“, wo sich 2010 wegen mangelnder Sicherheitsvorkehrungen sogar eine Explosion mit einem Todesopfer ereignet hatte, versprach der Multi bis 2015 Maßnahmen. Das ist ihm jetzt jedoch offensichtlich zu mühsam. Der Konzern entschloss sich stattdessen, die Niederlassung zu verkaufen. Jetzt darf sie die Umweltbilanz von DECCAN FINE CHEMICALS belasten.

BAYER-Pharma verlässt Kolumbien
„Seit 100 Jahren hat BAYER an die Zukunft Kolumbiens geglaubt und in sie investiert. Das werden wir auch in Zukunft tun“, so feierte der Konzern-Manager Frank Dietrich im letzten Jahr den runden Geburtstag der Unternehmensniederlassung in dem Andenstaat, zum dem sogar der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers angereist war. 2013 sind die Worte Dietrichs nur noch Schall und Rauch. Aus Rentabilitätsgründen zieht der Leverkusener Multi seine gesamte Pharma-Produktion aus dem Land ab und verlegt sie nach Mexiko und Guatemala.

Zukäufe in Brasilien
Auf der nördlichen Hemisphäre stößt der Expansionsdrang der Agro-Riesen mittlerweile an Grenzen (siehe auch SWB 1/14). Darum verstärken sie sich derzeit vor allem in Asien und Südamerika. So hat BAYER in Argentinien die Soja-Firma FN SEMILLAS erworben (siehe auch GENE & KLONE). Auch in Brasilien akquirierte der Leverkusener Multi Saatgut-Unternehmen, um seine Sammlung mit Erbmaterial der Soja-Pflanze zu erweitern, welche als Grundstock für die Entwicklung neuer konventioneller und gentechnisch veränderter Sorten dient. Er kaufte dort 2013 die Unternehmen WEHRTEC und MELHORAMENTO AGROPASTORIL auf, bereits zwei Jahre vorher hatte der Agro-Riese SOYTECH übernommen. Überdies erweiterte der Konzern seine Zusammenarbeit mit dem Weizenzüchter BIOTRIGO.

BAYER verkauft BINOTAL
Der BAYER-Konzern hat das Antibiotikum BINOTAL aus seinem

[Ticker] STICHWORT BAYER 02/2013 TICKER

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Prozess wg. Uni-Vertrag
Im Jahr 2008 ging BAYER mit der Kölner Hochschule eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Pharma-Forschung ein. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und andere Initiativen befürchteten eine Ausrichtung der Arznei-Forschung auf Profit, eine Entwicklung von Präparaten ohne therapeutischen Mehrwert, eine Verheimlichung negativer Studienergebnisse und einen Zugriff des Konzerns auf geistiges Eigentum der Hochschul-WissenschaftlerInnen. Deshalb forderten die Organisationen eine Offenlegung des Vertrages und fanden dafür auch die Unterstützung des NRW-Datenschutzbeauftragten. Die Universität verweigerte das jedoch, weshalb die CBG die Hochschule im Mai 2011 verklagte. Anfang Dezember 2012 fand nun der erste Prozess-Termin statt. Ohne die Kooperationsvereinbarung selber gelesen zu haben und sich über das Votum des Datenschutzbeauftragten hinwegsetzend, lehnte der Richter das Begehr der Coordination ab. Das nordrhein-westfälische Informationsfreiheitsgesetz sehe im Gegensatz zu denen der meisten anderen Bundesländer Auskunftsbeschränkungen für den Bereich „Forschung und Wissenschaft“ vor, hieß es zur Begründung. Doch die CBG akzeptierte das Urteil nicht und ging in Berufung.

Kleine Anfrage mit der Piratenpartei
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) führt einen Prozess, um Informationen über das zwischen BAYER und der Universität Köln geschlossene Forschungsabkommen zu erhalten (s. o.). Der Landesdatenschutzbeauftragte hatte das Begehr unterstützt, das Kölner Verwaltungsgericht lehnte es allerdings ab, auf Ausnahmetatbestände für Forschung und Wissenschaft im nordrhein-westfälischen Informationsfreiheitsgesetz verweisend (s. o.) Um jetzt die Position von SPD und Grünen zu dem Kasus in Erfahrung zu bringen, kooperierte die Coordination mit der Piratenpartei NRW und half bei der Abfassung einer Kleinen Anfrage zum Thema. „Warum hat die Landesregierung keine Anstrengungen unternommen, das Votum ihres Landesbeauftragten umzusetzen?“ und „Hält die Landesregierung eine Überarbeitung des Ausnahmetatbestands zu Forschungseinrichtungen und Hochschulen für sinnvoll, damit dieser nicht weiter dazu dient, der interessierten Öffentlichkeit Informationen zu Kooperationsverträgen zwischen Universitäten und Industrie-Unternehmen zu verwehren?“ wollen die PiratInnen darin unter anderem von Kraft & Co. wissen.

50 Einwendungen in Brunsbüttel
BAYER will am Standort Brunsbüttel die Produktion des Kunststoff-Zwischenprodukts MDI erweitern. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) lehnt das Vorhaben ab. Nach Ansicht der Coordination berücksichtigt das Projekt die Möglichkeit eines Austrittes großer Mengen des Giftgases Phosgen nicht in ausreichendem Maße. So will das Unternehmen die Anlage zwar mit einer Einhausung schützen, womit es einer langjährigen Forderung der Umweltverbände nachkommt, diese aber nicht aus Beton, sondern nur aus Blechplatten errichten. Zudem verzichtet der Konzern auf eine sogenannte Ammoniak-Wand als zweites Sicherheitssystem und hält bei den Planungen den Mindestabstand zu bewohnten Gebieten nicht ein. Die CBG hat beim schleswig-holsteinischen „Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume“ deshalb Einspruch gegen den Bau eingelegt und befindet sich damit in guter Gesellschaft. Insgesamt 50 Einwendungen gingen bei der Behörde ein. Mit den AktivistInnen vor Ort arbeitet die Coordination zusammen und gibt unter anderem ihre Erfahrungen aus den Auseinandersetzungen um die neue TDI-Anlage in Dormagen (siehe SWB 2/13) weiter.

Demonstration gegen PONCHO
Das BAYER-Pestizid PONCHO mit dem Wirkstoff Clothianidin ist für das weltweite Bienensterben mitverantwortlich (siehe auch PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE). Darum haben im November 2012 US-amerikanische BienenzüchterInnen und UmweltaktivistInnen vor der Umweltbehörde EPA demonstriert und ein Verbot des Ackergiftes gefordert.

Dortmund: Duisbergstraße weg?
Immer noch sind in der Bundesrepublik zahlreiche Straßen nach BAYERs langjährigem Generaldirektor Carl Duisberg benannt, der im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas und die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen war und später einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörder-Konzerns IG FARBEN hatte. Aber seit einiger Zeit findet die Forderung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) nach Tilgung des Namens immer mehr AnhängerInnen. So liegt nun auch in Dortmund ein BürgerInnen-Antrag auf Umbenennung einer Straße vor. Die CDU wollte die Diskussion darüber in der Bezirksvertretung unter Ausschluss der Öffentlichkeit führen, um die Persönlichkeitsrechte des längst Verstorbenen zu schützen, kam damit aber nicht durch. Die Partei stimmte dann allerdings dem Vorhaben zu, das Thema grundsätzlicher anzugehen. Sie einigte sich mit den Grünen und der SPD darauf, alle Straßennamen im Bezirk auf den Prüfstand zu stellen und historisch belastete auszutauschen.

Neue Kunststoffe braucht die Welt
Der Chemie-Professor Dr. Uwe Lahl von der TU Darmstadt hat bei einer Bundestagsanhörung eine Wende in der Chemie-Produktion gefordert. Ohne einen Verzicht auf fossile Kohlenstoffe als Basis der Herstellungsprozesse von BAYER & Co. ist Lahl zufolge eine Reduzierung der klima-schädigenden Kohlendioxid-Emissionen nicht zu erreichen. Unter der Devise „Neue Kunststoffe braucht die Welt“ plädierte der Abfalltechnik-Experte stattdessen für den Einsatz von Biomasse als Rohstoff und befürwortete auch entsprechende staatliche Vorgaben. Solche Eingriffe lehnt Gerd Romanowski vom „Verband der Chemischen Industrie“ allerdings kategorisch ab. Der „Ordnungsrahmen der sozialen Marktwirtschaft“ genügt seiner Ansicht nach als Leitlinie für ein nachhaltiges Wirtschaften.

Umweltverbände kritisieren Pestizid-Plan
Die Bundesregierung hat den „Nationalen Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln“ (NAP) überarbeitet. Nach Ansicht der Umweltverbände entspricht der neue Plan jedoch nicht den Erfordernissen. Das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK, BUND, NABU und GREENPEACE kritisieren in einer gemeinsamen Stellungnahme den Abschied von dem Ziel, den Gebrauch der Pestizide von BAYER & Co. zu reduzieren und seine Ersetzung durch die Empfehlung an die LandwirtInnen, nicht „vom notwendigen Maß“ abzuweichen. „Das ‚notwendige Maß’ wird der Umwelt wenig helfen“, halten die Organisationen fest. Im Einzelnen monieren die Verbände fehlende Anstrengungen zum Erhalt der Artenvielfalt im Allgemeinen und zum Schutz der Bienen vor den Agro-Chemikalien (siehe PESTIZIDE und HAUSHALTSGIFTE) im Besonderen. Zudem vernachlässigt der NAP nach Ansicht der Initiativen die Lebensmittelsicherheit, indem er Maßnahmen zur Eindämmung der Pestizid-Kombinationswirkungen unterlässt. Darüber hinaus fordern PAN & Co. eine konsequentere Förderung des Ökolandbaus und ein Kontrollprogramm zum Schutz von acker-nahen Kleinstgewässern vor den Gift-Einträgen.

Pestizid-Protest auf der Documenta
Die massive Ausweitung des Soja-Anbaus in Südamerika führt zu einer entsprechenden Ausweitung der Pestizid-Ausbringung – und zu einer Ausweitung der Gesundheitsschädigungen (siehe auch Ticker 2/07). Seit dem Soja-Boom der späten 90er Jahre steigen in den Dörfern nahe der Felder die Fälle von Krebs und anderen Krankheiten massiv an. Im argentinischen Ituzaingó etwa kommt ein Drittel der Neugeborenen mit Missbildungen zu Welt; bei 80 Prozent der BewohnerInnen wiesen WissenschaftlerInnen Rückstände von Agrochemikalien im Blut nach. Viele Wirkstoffe, die auch in BAYER-Mitteln enthalten sind, haben daran einen Anteil, so etwa Glyphosate (GLYPHOS, USTINEX G), Chlorpyrifos (BLATTANEX, PROFICID und RIDDER), Endosulfan (MALIX, PHASER, THIODAN), Methamidophos (TAMARON) und Monocrotophos (BILPHOS). Aber die Betroffenen setzen sich zur Wehr. So haben sich etwa in Ituzaingó, wo Endosulfan sogar das Trinkwasser verseucht, Frauen zu den „Mothers of Ituzaingó“ zusammengeschlossen. Die Initiative schrieb zahlreiche Petitionen an die Regierung und forderte Untersuchungen ein. Und im letzten Jahr besuchte sie die Documenta-Kunstausstellung in Kassel, um ihren Forderungen im Heimatland BAYERs Ausdruck zu verleihen.

Mehr Bisphenol-Maßnahmen gefordert
Im März 2011 hatte die EU die Verwendung der Chemikalie Bisphenol, zu deren Hauptproduzenten BAYER mit einer Jahresproduktion von rund einer Million Tonnen zählt, in Babyflaschen untersagt. Brüssel begründete dies mit den Risiken und Nebenwirkungen der Substanz wie Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Leber-Erkrankungen. Ende letzten Jahres weitete Frankreich die Reglementierungen aus. Der Staat beschloss einen Bisphenol-Bann für den gesamten Nahrungsmittel-Sektor, der 2015 in Kraft treten soll (Ticker 1/13). Der BUND forderte nun, es dem Nachbarland gleichzutun. „Das Verbot für Baby-Fläschchen war ein guter erster Schritt, aber er reicht nicht“, so die BUND-Aktivistin Sarah Häuser.

BAYTRIL: Aigner antwortet der CBG
1.734 Tonnen Antibiotika landeten nach Angaben der Bundesregierung 2011 in den Tier-Ställen. Mittel aus der Gruppe der Fluorchinolone, zu denen BAYERs BAYTRIL zählt, waren mit acht Tonnen dabei. Der massenhafte Einsatz dieser Mittel in der Massenzucht fördert die massenhafte Entwicklung resistenter Erreger. In den menschlichen Organismus gelangt, können diese Krankheiten auslösen, gegen die Antibiotika dann nicht mehr wirken. Bis zu 15.000 Menschen sterben in der Bundesrepublik an solche Infektionen. Bei BAYERs BAYTRIL ist diese Gefahr besonders groß, denn CIPROBAY, sein Pendant für die Humanmedizin, entstammt ebenfalls aus der Gruppe der Fluorchinolone und hat sogar den Status eines Reserve-Präparats für besonders schwierig zu behandelnde Fälle inne. Wegen dieser bedrohlichen Lage sandte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) einen Offenen Brief an die Adresse von Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner. Die Coordination forderte die CSU-Politikerin darin auf, den Gebrauch von BAYTRIL in der Massentierhaltung zu verbieten und daran zu arbeiten, mittelfristig alle Antibiotika aus den Zuchtbetrieben zu verbannen. Darauf wollte Aigner sich jedoch nicht einlassen. Sie stritt in ihrem Antwort-Schreiben den Zusammenhang zwischen den 15.000 Toten und der Verwendung von BAYTRIL & Co. in den Mast-Anlagen ebenso ab wie den drastischen Anstieg der Gaben und den generellen Status von Fluorchinolonen als Reserve-Antibiotikum. Die Ministerin versicherte ansonsten aber, das Problem erkannt zu haben und verwies in diesem Zusammenhang auf die entsprechenden Passagen im Entwurf zum „16. Gesetz zur Änderung des Arzneimittel-Gesetzes“ (16. AMG-Novelle). Darin sieht der Gesetzgeber unter anderem die Etablierung eines Registrier- und Kontrollsystems vor. Zudem sollen sich die Massentier-HalterInnen künftig an bestimmten Richtmengen orientieren. „Ich bin mir sicher, dass die 16. AMG-Novelle einen deutlichen Beitrag zur Senkung der Antibiotika-Mengen in der Tierhaltung führen wird“, heißt es in dem Brief deshalb. Andere, die von der Bundesregierung drastischere Schritte verlangt hatten wie etwa der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel, sind sich da jedoch nicht so sicher.

CBG: Hepatitis nicht unvermeidbar
In den 1970er und 1980er Jahren hatten sich weltweit Tausende Hämophile durch Blutplasma-Produkte von BAYER und anderen Herstellern mit HIV oder Hepatitis C infiziert. Während der Leverkusener Multi den Geschädigten in anderen Ländern hohe Summen an Schmerzensgeld zahlen musste, kam er in der Bundesrepublik glimpflich davon. AIDS-kranke Bluter erhielten Unterstützung von einer Stiftung, zu deren Kapital der Pharma-Riese lediglich neun Millionen Euro beisteuerte. Hepatits-C-Patienten gingen sogar ganz leer aus, denn der damaligen Bundesregierung gelang es nicht, BAYER & Co. zu einem Entgegenkommen zu bewegen. Offiziell hieß es jedoch, die Situation der an Hepatits leidenden Bluter sei nicht mit der an AIDS leidenden zu vergleichen, daher sei die Ungleichbehandlung legitim. Daran halten CDU und FDP noch heute fest, obwohl sich die Therapie-Möglichkeiten für AIDS-PatientInnen inzwischen stark verbessert haben. Das geht aus ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ hervor. Darin bezeichnen CDU und FDP die erfolgten Hepatitis-Infektionen zudem als „ein unvermeidbares Ereignis“, ungeachtet der Tatsache, dass es bereits ab 1981 ein Präparat zur Deaktivierung der Viren gab – zu dessen flächendeckendem Einsatz die Aufsichtsbehörden sich jedoch nicht entschließen konnten. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und die Geschädigten-Initiative ROBIN BLOOD kritisierten deshalb die Position der Bundesregierung. „Der Bundestags-Untersuchungsausschuss ‚HIV-Infektionen durch Blut und Blutprodukte’ (Bundestagsdrucksache 12/8591) kam zu dem Ergebnis, dass ab Ende 1982 nahezu alle Infektionen hätten verhindert werden können. Es ist nicht hinnehmbar, wenn Behörden und Industrie nun versuchen, die Geschichte umzuschreiben“, so CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes in der Presseerklärung. Und Andreas Bemeleit von ROBIN BLOOD pflichtete ihm bei: „Die pharmazeutischen Unternehmen haben aus reiner Profitgier unzählige Infektionen billigend in Kauf genommen. Die Bundesregierung hat seinerzeit ihre Aufsichtspflicht verletzt und sich zum Handlanger der Industrie gemacht. Der hilflos anmutende Verweis auf eine angebliche Schicksalhaftigkeit der Ereignisse zeigt, dass die Bundesregierung nicht gewillt ist, Verantwortung zu übernehmen und nicht fähig ist, ihre Positionen gegenüber der pharmazeutischen Industrie durchzusetzen.”

KAPITAL & ARBEIT

Machtzuwachs für Dekkers
In diesem Jahr geht der BAYER-Arbeitsdirektor Richard Pott in den Ruhestand und scheidet deshalb auch aus dem Vorstand aus. Die Nachfolge-Regelung – den Posten des 59-Jährigen erhält Michael Koenig – nutzte der Leverkusener Multi gleich zu einer Neuverteilung der Aufgaben in dem Gremium. So übernimmt der Ober-BAYER Marijn Dekkers zusätzlich den bisher von Pott betreuten Arbeitsbereich „Konzern-Strategie“ und erhält dadurch noch mehr Einfluss auf das Unternehmen.

Kein Weltbetriebsrat
Zwischen den Beschäftigten der inner- und außereuropäischen Niederlassungen macht der Leverkusener Multi große Unterschiede. So beklagte der kolumbianische Gewerkschaftler Guillermo Correa Montoya unlängst: „Ein anderes Beispiel ist die BAYER AG. Die hat eine Firmengeschichte von mehr als hundert Jahren in Kolumbien, aber weder im Werk Barranquilla noch in jenem in Cali gibt es eine Gewerkschaft. Das ist kein Zufall.“ Ein Weg hin zu mehr Gleichbehandlung bestände in der Einrichtung eines Weltbetriebsrats, wie ihn DAIMLER und VOLKSWAGEN bereits ins Leben gerufen haben. Aber beim Konzern gibt es derzeit keine solchen Bestrebungen.

Frauen bei Gehalt benachteiligt
Wenn sich bei BAYER Frauen für Führungspositionen bewerben, fordern sie nach Angaben der stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden im Leverkusener Werk, Roswitha Süßelbeck, in der Regel weniger Geld als ihre männlichen Pendants. Und den Konzern freut diese Bescheidenheit. Oftmals musste deshalb der Betriebsrat intervenieren, um den Anspruch auf gleiches Geld für gleiche Arbeit durchzusetzen.

Weniger soziales Engagement
In unruhigeren Zeiten hat der Leverkusener Multi eine rege Sozialpolitik betrieben, damit die Beschäftigten nicht auf dumme Gedanken kommen. Seit einiger Zeit hält der Konzern das nicht mehr für nötig. So schloss er Bibliotheken, Schwimmbäder sowie das werkseigene Kaufhaus und fuhr die finanzielle Unterstützung von Sportvereinen drastisch zurück. Der lokale Kaninchenzüchter-Verein könne heute strategisch nicht mehr begründet werden, erklärte Dirk Frenzel, BAYERs Mann für Gesellschaftspolitik und Umwelt, bei einem Vortrag den Gesinnungswandel und gab offen zu: „Es ist weniger geworden.“ Da mussten die ZuhörerInnen ihm zustimmen. „Unsere Mutter BAYER existiert nicht mehr“, stellte etwa ein ehemaliger Beschäftiger des Global Players fest.

Manager, wechsel-dich
ManagerInnen ist es egal, was sie wo machen, nur ein Schritt auf der Karriere-Leiter muss es sein. Deshalb herrscht zur Zeit ein Kommen und Gehen in BAYERs Führungsetage. Pharma-Boss Jörg Reinhardt, der 2010 von NOVARTIS zum Leverkusener Multi gewechselt war, weil er bei seinem alten Arbeitgeber den begehrten Chef-Posten nicht ergattern konnte, hatte beim zweiten Anlauf mehr Glück und kehrt deshalb in die Schweiz zurück. Und die ebenfalls erst 2010 als Leiterin von BAYER CROPSCIENCE in die Dienste des Multis getretene Sandra Peterson war noch schneller wieder weg, um ihre Karriere beim US-Unternehmen JOHNSON & JOHNSON fortzusetzen.

ERSTE & DRITTE WELT

NEXAVAR-Urteil zeigt Wirkung
Im September 2012 erlaubte ein indisches Patent-Gericht der Firma NATCO PHARMA, eine preisgünstige Nachahmer-Version des patent-geschützten BAYER-Krebsmittels NEXAVAR herzustellen. Es begründete seine Entscheidung damit, dass der Pharma-Riese es versäumt habe, den Preis für das Medikament (monatlich 4.200 Euro) auf eine für indische PatientInnen bezahlbare Höhe herabzusetzen. Nun zeigt die Entscheidung Wirkung. Immer mehr Pillen-Produzenten wenden sich von ihrer bisherigen Verkaufspolitik in den Schwellenländern ab. Sie gestatten Dritt-Firmen die Herstellung billigerer Versionen oder bringen sogar selber welche heraus. Der Leverkusener Multi hatte sich derweil schon im Vorfeld der Auseinandersetzung um NEXAVAR dazu durchgerungen, das Mittel bedürftigen InderInnen kostengünstiger zur Verfügung zu stellen. Solche „Good Will“-Aktionen ersetzen allerdings keine umfassenden Regelungen zu einer besseren Versorgung der Menschen in der „Dritten Welt“ mit dringend benötigten Medikamenten.

IG FARBEN & HEUTE

Preis nach Nazi benannt
BAYER vergibt eine Reihe von Auszeichnungen im Medizin-Bereich, um Kontakte zu WissenschaftlerInnen, Universitäten und anderen Forschungsstätten zu vertiefen, darunter auch den mit 75.000 Euro dotierten „Familie-Hansen-Preis“. Zur Ehre gereicht dieser den ForscherInnen jedoch kaum, denn der Stifter Kurt Hansen hat eine braune Vergangenheit. Er trat bereits im Jahr 1931 in die NSDAP ein und nahm bei dem von BAYER mitgegründeten Mörder-Konzern IG FARBEN den Posten des Leiters der kriegswichtigen „Zentralstelle für Rohstoffbeschaffung“ ein. Wegen seiner Mitverantwortung für Kriegsverbrechen internierten die Alliierten Kurt Hansen deshalb gleich nach dem Krieg. Beim Leverkusener Multi konnte er seine Karriere dann aber bald schon wieder fortsetzen. Von 1961 bis 1974 war Hansen Vorstandsvorsitzender des Chemie-Multis, später saß der Manager dem Aufsichtsrat vor. Das Unternehmen machte ihn sogar zum Ehrenvorsitzenden. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) verurteilt diesen unkritischen Umgang mit der Konzern-Historie forderte den Global Player auf, den Preis umzubenennen.

POLITIK & EINFLUSS

BAYER-Manager sitzt Euro Chlor vor
Der Leverkusener Multi steht weiterhin in Treue fest zur Chlor-Chemie, obwohl Chlor-Verbindungen wegen ihrer Langlebigkeit zu den gefährlichsten Substanzen überhaupt gehören. In einer Menge von 1,3 Millionen Tonnen pro Jahr produziert der Konzern das Gas aus der Gruppe der Halogene. Damit zählt er zu den größten Herstellern in Europa – und hat entsprechenden Einfluss. So wählte Euro Chlor, der europäische Verband der Chlor-Fabrikanten, den BAYER-Manager Andreas Amling zu ihrem neuen Vorsitzenden.

Regierung gegen Steuer-Transparenz
Multinational agierenden Konzernen wie BAYER bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, die unterschiedlichen Steuer-Gesetze der Länder auszunutzen, um Gewinne da anfallen zu lassen, wo die niedrigste Abgaben-Last lockt. So betreiben sie mit ihren Tochter-Unternehmen etwa einen internen Lizenz-Handel oder leihen sich von ihnen Geld und ziehen die anfallenden Zins-Zahlungen dann in der Bundesrepublik von ihren Gewinnen ab. Unterschiedlichen Schätzungen zufolgen entgehen dem Fiskus durch solche „Verschiebe-Bahnhöfe“ Beträge zwischen 60 und 190 Milliarden Euro. Die EU will den Unternehmen solche Kostensenkungsstrategien jetzt erschweren. Deshalb plant sie, BAYER & Co. zu einer Offenlegung ihrer Steuerzahlungen zwingen. Die Bundesregierung aber vertritt die Interessen der Multis und blockiert den Vorstoß.

Weniger Strom-Subventionen?
Mit der Ökosteuer wollte Rot-Grün 1999 Industrie und Privathaushalte durch eine Erhöhung der Energiekosten zu umweltschonenderem Verhalten anregen. Bei BAYER & Co. bleibt diese Lenkungswirkung allerdings aus, denn die Regierung Schröder gewährte den energie-intensiven Branchen wie der Chemie-, Bergbau-, Stahl- und Eisen-Industrie großzügige Ausnahmen, welche die gemeinen Strom-KundInnen per Umlage finanzieren. 2011 waren diese „milden Gaben“ 4,3 Milliarden Euro wert. Allein der „Spitzenausgleich“ erspart den Konzernen jährlich 2,3 Milliarden Euro – die dritthöchste in der Bundesrepublik gewährte Subvention. Die Chemie-Industrie ist da mit einer Milliarde Euro dabei. Jetzt will die Bundesregierung diese Zuwendungen allerdings um ca. 700 Millionen Euro kürzen. So plant sie, den Kreis der für den Strom-Ablass in Frage kommenden Unternehmen zu beschränken, die Firmen an den Netzkosten zu beteiligen und auch die Energie-Erzeugung durch eigene Kraftwerke abgabepflichtig zu machen. Aber Betriebe, die sich der Weltmarkt-Konkurrenz stellen müssen wie der Leverkusener Pharma-Riese, beabsichtigt die CDU/FDP-Koalition zu schonen. Trotzdem protestieren die Multis vehement gegen das Vorhaben, wobei die Gewerkschaft IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE sie unterstützt. Und am Stammsitz BAYERs in Nordrhein-Westfalen setzen sich die Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (s. u.) für die Stromfresser ein. „Wer jetzt fordert, die energie-intensive Industrie stärker zu belasten, ist auf dem Holzweg“, so Duin.

Duin hält Rede beim VCI
Im Oktober 2012 stellte der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI) in Essen seine emphatisch „Studie“ benannte 20-Seiten-Schrift „Die deutsche Chemische Industrie 2030“ vor. Sie skizziert dabei unter den Überschriften „innovationsfreundliches Umfeld“ und „zerrissene Wertschöpfungsketten“ zwei unterschiedliche Entwicklungsmöglichkeiten. Die Letztere entwirft dabei eine düstere Version von einer dank der bösen Energiewende darniederliegenden Chemie-Branche und verfolgt ganz gegenwärtige Zwecke: Es soll PolitikerInnen zu einer noch industrie-freundlicheren Haltung verleiten. Bei dem nordrhein-westfälischen Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) bleiben da freilich kaum noch Wünsche offen: Er steuerte zu dem durchsichtigen Manöver des VCI die Festrede bei.

Duin bei „Zukunft durch Industrie“
Die Lobby-Vereinigung „Zukunft durch Industrie“, die BAYER zu ihren Mitgliedern zählt, will nach eigenem Bekunden „das Industrie-Verständnis in der Bevölkerung erhöhen“. Dem nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) scheint das ebenfalls ein wichtiges Anliegen zu sein. Er übernahm nämlich nicht nur die Schirmherrschaft des Zukunftsworkshops „Die Energiewende, ihre Folge-Wirkungen und Gestaltungsnotwendigkeiten“, sondern hielt – im freundlicherweise von der Düsseldorfer Bezirksregierung zur Verfügung gestellten – Plenarsaal auch die Eröffnungsrede.

Enquete-Kommission „Chemie“
Die nordrhein-westfälischen Grünen haben die Einrichtung einer Enquete-Kommission beantragt, die sich der „Zukunft der chemischen Industrie in Nordrhein-Westfalen im Hinblick auf nachhaltige Rohstoff-Basen, Produkte und Produktionsverfahren“ widmen soll. Konkret stehen etwa Alternativen zum Öl, neue Speicher-Technologien und Werkstoffe sowie Verfahren zur Nachahmung umweltschonender natürlicher Prozesse auf der Agenda. Zugleich bekennt sich die Partei aber eindeutig zum Chemie-Standort NRW: „25 Prozent aller Arbeitsplätze in der chemischen Industrie in Deutschland befinden sich in NRW. Der Erhalt und die Zukunftsfestigkeit unserer industriellen Kerne, die uns besser als viele andere durch diese Krise gebracht haben, erhält damit eine herausragende Bedeutung für Nordrhein-Westfalen“. Sylvia Löhrmann & Co. wollen offensichtlich Ökonomie und Ökologie miteinander versöhnen. Ob das aber gelingen kann, daran bestehen ernste Zweifel.

Lütkes bei BAYER
Anfang Dezember 2012 weihte BAYER in Wuppertal das Technikum „Zellbiologie“ ein, in dem der Pharma-Multi biologische Wirkstoffe für klinische Tests herstellen will. Als Ehrengast konnte der Leverkusener Multi neben dem Wuppertaler Bürgermeister Peter Jung (CDU) auch die Präsidentin der Bezirksregierung Düsseldorf, Anne Lütkes (Grüne), begrüßen. Und vielleicht blieb ja für BAYER-Chef Marijn Dekkers ein wenig Zeit, um die Politikerin in Sachen „Kohlenmonoxid-Pipeline“ ins Gebet zu nehmen, denn es ist an der Behörde, das Röhren-Werk zu genehmigen.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER kauft Störfall-Bilder
Bilder von Chemie-GAUs machen sich gar nicht gut in der Presse. Darum hat der Leverkusener Multi die Rechte an den Fotos von der Explosion am US-amerikanischen Standort Institute, in deren Folge im August 2008 zwei Beschäftigte starben, aufgekauft, um sie aus dem Verkehr zu ziehen.

Neues Nachbarschaftsbüro
Um BAYERs Image steht es nicht zum Besten. Der zwischen Dormagen und Krefeld geplanten Kohlenmonoxid-Pipeline schlägt viel Gegenwind entgegen und auch gegen neue Anlagen gibt es regelmäßig Einsprüche. Dagegen will der Konzern jetzt etwas tun und investiert in Öffentlichkeitsarbeit. So richtet er in Krefeld ein Nachbarschaftsbüro ein und bestallt Mario Bernards zum Leiter für „Politik- und Bürger-Dialog“.

BAYERs Pharma-Strategie in China
Eine neue Studie der BOSTON CONSULTING GROUP sieht das meiste Entwicklungspotential auf dem chinesischen Pharma-Markt in den ländlichen Regionen mit seinen Krankenhäusern und Gesundheitszentren. BAYER hat sich schon seit längerer Zeit darauf eingestellt. So unterhält der Pharma-Riese in den Hospitälern und Beratungseinrichtungen eigene „Health Houses“, die kostenlose MedizinerInnen-Besuche und Informationen zu Krankheiten wie Diabetes anbieten, um die Medikamente des Leverkusener Multis unters Volk bringen zu können. Über 400 solcher Häuser betreibt der Konzern mittlerweile. Zudem bietet er im Rahmen seines „Go West“-Programms abseits der Mega-Cities Fortbildungskurse für ÄrztInnen an (Ticker 1/13).

UmweltbotschafterInnen bei BAYER
Im Rahmen der Kooperation mit dem Umweltprogramm der UN, die ein zentrales Element innerhalb der Greenwashing-Aktivitäten BAYERs darstellt, lud der Multi 50 junge UmweltbotschafterInnen aus 19 Schwellen- und Entwicklungsländern zu Workshops, Diskussionen und Exkursionen nach Leverkusen ein. Anschließend sollen die EmissärInnen dann daheim von den vorbildlichen Umweltschutz-Praktiken des Pharma-Multis künden. Das dürfte ihnen jedoch schwer fallen – nicht nur im Hinblick auf den Ausstoß von klima-schädigendem Kohlendioxid, der sich dem neuesten Nachhaltigkeitsbericht zufolge auf 8,15 Millionen Tonnen im Jahr beläuft.

BAYERs Rotationskampagne
Immer mehr Unkräuter bilden Resistenzen gegen das Pestizid ROUND UP mit dem Wirkstoff Glyphosat aus, das der Hersteller MONSANTO bevorzugt in Kombination mit seinen gegen diese Substanz immunen Genpflanzen verkauft (siehe auch PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE). Schon seit geraumer Zeit versucht BAYER davon zu profitieren. So rief der Leverkusener Multi die Kampagne „Respect the Rotation“ ins Leben, die Lokaltermine auf von Wildpflanzen heimgesuchten ROUND-UP-Feldern ansetzt und eingekaufte AgrarwissenschaftlerInnen auftreten lässt. Diese raten den FarmerInnen dort dann zu mehr Flexiblität bei der Verwendung der Laborfrüchte und der dazugehörigen Agrochemikalien im Allgemeinen und zur LIBERTY-LINK-Serie des Leverkusener Multis im Besonderen.

Kooperation mit Web-Apotheke
Das dürfte den stationären Pharma-Handel aber gar nicht erfreuen: Der Leverkusener Multi arbeitet mit dem Internet-Unternehmen EASYAPOTHEKE zusammen, das in größeren Städten auch Filialen betreibt. Die beiden Kooperationspartner werben auf Großplakaten gemeinsam für BAYERs Sodbrennen-Arznei RENNIE. Zu den Risiken und Nebenwirkungen dieses Präparates gehören die Schädigung des Knochenbaus und die Förderung von Lungenentzündungen, weshalb WissenschaftlerInnen die viel zu häufige Verwendung von RENNIE und anderen Mitteln dieser Medikamenten-Gruppe kritisieren.

Medien-Preis für BAYER
„Ausgerechnet der BAYER-Konzern hat nach eigenen Angaben eine Auszeichnung für ein positives Medien-Image bekommen“, wunderte sich die Neue Ruhr Zeitung angesichts der vielen Negativ-Schlagzeilen zu der zwischen Dormagen und Krefeld geplanten Kohlenmonoxid-Pipeline. Aber diese Berichte gehörten offenbar nicht zu den 19.230 Beiträgen über DAX-Unternehmen, welche die MEDIA TENOR INTERNATIONAL AG auswertete und zur Verleihung des Preises an den Leverkusener Multi bewogen. Der Geschäftsbericht und Artikel über die angebliche Innovationskraft des Konzerns gaben stattdessen den Ausschlag für die Entscheidung.

BAYER investiert in Schulen
Der Leverkusener Multi fördert Schulen über die „BAYER Science & Education Foundation“, denn dieses Stiftungsmodell erlaubt nebenher auch noch Steuer-Ersparnisse. Bei der Sponsoring-Maßnahme bilden nicht von ungefähr die naturwissenschaftlichen Bereiche einen Schwerpunkt. „Ich muss gestehen, wir fördern die Schulen nicht ganz uneigennützig. Wir sehen das als langfristige Investition“, so Stiftungsvorstand Thimo V. Schmitt-Lord. Ca. 500.000 Euro verteilt der Konzern Jahr für Jahr an Schulen in der Nähe seiner Standorte. So erhielt die Dormagener Realschule Hackenbroich unter anderem 5.000 Euro für das Projekt „Genetik schüler-orientiert“, das Gymnasium Brunsbüttel bekam gar 19.500 Euro zur Ausstattung eines Gen-Labors, die Monheimer Lise-Meitner-Realschule konnte 4.000 Euro für die Unterrichtseinheit „Nanotechnologie in Theorie und Praxis“ entgegennehmen und derselbe Betrag für dasselbe Thema floss dem Michael-Ende-Gymnasium in St. Tönis zu. Darüber hinaus vergibt der Pharma-Riese gemeinsam mit der Westdeutschen Zeitung auch noch den „Wuppertaler Schulpreis“ und mit dem Solinger Tageblatt den „Solinger Schulpreis“.

Erstes Baylab in Mexiko
An seinen bundesdeutschen Standorten unterhält der Leverkusener Multi bereits vier SchülerInnen-Labore. Im letzten Jahr hat der Konzern nun sein erstes Baylab außerhalb Deutschlands eingerichtet. Es steht im Kindermuseum von Mexiko-Stadt. Was der Global Player dort mit den Kleinen vorhat, spricht er ganz offen aus: „Das Baylab ermöglicht ihnen, die Faszination für Wissenschaft spielerisch zu erfahren und hautnah zu erleben, was unsere Mission ‚BAYER: Science For A Better Life’ bedeutet“. Wegen solcher Lehrpläne urteilte die Wirtschaftswoche einmal über die pädagogischen Bemühungen des Unternehmens: „Hier grenzt sinnvolle Lernhilfe an Lobbyismus.“

Der Konzern als Kümmerer
Während der Konzern de facto immer unsozialer wird, indem er Arbeitsplätze vernichtet und Arbeitsbedingungen verschärft, macht seine PR-Abteilung seit einiger Zeit verstärkt auf „sozial“. Zu diesem Behufe initiierte sie 2007 die „BAYER Cares Foundation“, die Projekte in der Nähe der Konzern-Standorte fördert. 2012 unterstützte die Stiftung unter anderem die Dormagener „Elterninitiative diabetischer Kinder“, ein Musical der „Initiative Down-Syndrom“, einen Fahrrad-Reparaturkurs in Leverkusen, eine Freilichtbühne in Werne, die Gründung der Pfadfinder-Gruppe „Novaesium“ und den Ausbau einer Schule in Guatemala.

BAYERs Gemüse-Forum
Der Leverkusener Multi baut sein Geschäft mit Gemüse-Saaten immer weiter aus und versucht, in der Nahrungsmittel-Wertschöpfungskette eine Schlüsselposition einzunehmen. Zu diesem Zweck organisiert er „Food Chain Partnerships“ zwischen LandwirtInnen, Verarbeitern, Im- und Export-Unternehmen sowie dem Handel. Im Dezember 2012 lud der Konzern all diese Akteure nach Monheim zum „Vegetable Future Forum“ ein und konnte als Gäste unter anderem VertreterInnen von NESTLE, METRO, SAP und RABOBANK begrüßen.

TIERE & ARZNEIEN

Noch mehr BAYTRIL
1.734 Tonnen Antibiotika landeten nach Angaben der Bundesregierung 2011 in den Tier-Ställen. Der massenhafte Einsatz dieser Mittel in der Massenzucht fördert die Entwicklung resistenter Erreger. In den menschlichen Organismus gelangt, können diese Krankheiten auslösen, gegen die Antibiotika dann nicht mehr wirken. Bei BAYERs BAYTRIL ist diese Gefahr besonders groß, denn CIPROBAY, sein Pendant für die Humanmedizin, entstammt ebenfalls aus der Gruppe der Fluorchinolone und hat sogar den Status eines Reserve-Präparats für besonders schwierig mit Antibiotika zu behandelnde Infektionen inne. Einen Umsatz von 166 Millionen Euro machte der Leverkusener Multi mit dem Präparat im vorvergangenen Jahr, 118 Millionen Euro davon mit MassentierhalterInnen. Heuer dürften es noch mehr werden, denn der Leverkusener Multi wirft immer mehr BAYTRIL-Variationen auf den Markt. Nachdem er 2012 in Europa die Zulassung für BAYTRIL MAX FOR PIGS erhalten hat, genehmigten die US-Behörden jetzt BAYTRIL 100 zur Behandlung von Atemwegserkrankungen bei Rindern und Kühen.

BAYTRIL-Resistenzen nehmen zu
In der Tiermast nehmen Resistenz-Bildungen gegen Antibiotika auf Fluorchinolone-Basis wie BAYERs BAYTRIL zu. „Diese sind bei Masthähnchen und Puten weit verbreitet, bei Rindern und Schweinen sind die Resistenz-Raten deutlich geringer“, antwortete die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen. Damit steigt auch die Gefahr der Übertragung von unbehandelbaren Krankheitskeimen auf den Menschen. Und im Fall von BAYTRIL ist dieses Risiko besonders hoch. Der Leverkusener Multi bietet nämlich für den Humanmedizin-Bereich mit CIPROBAY ebenfalls ein Medikament aus der Gruppe der Fluorchinole an, das sogar den Status eines Reserve-Antibiotikas für besonders schwierig zu behandelnde Infektionen besitzt. Konkrete Maßnahmen zur Einschränkung des Gebrauchs von Mitteln wie BAYTRIL in den Ställen wollen CDU und FDP trotzdem nicht vornehmen.

DRUGS & PILLS

58 XARELTO-Tote
Anfang des Jahres richtete die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Anfrage an das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM), um etwas über die Risiken und Nebenwirkungen von BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO zu erfahren (siehe auch SWB 2/13). Die Antwort war schockierend: 58 Meldungen über Todesfälle und 750 über schwere Nebenwirkungen wie Blutungen hatte das BfArM allein 2012 erhalten. Das Institut betont jedoch, dass „ein Kausalzusammenhang im Einzelfall nicht sicher belegt ist“ und bewertet das Risiko/Nutzen-Potenzial des Mittels weiterhin als „positiv“. Das Fachmagazin arznei-telegramm und die „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“ raten indes von dem Präparat ab.

FDA will weitere XARELTO-Daten
In den USA verzögert sich die Zulassung von BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO zur Nachbehandlung von Blutgerinnseln in der Herzkranz-Arterie weiter (siehe auch SWB 2/13). Bereits im Februar 2012 hatte die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA in einem „Complete Response Letter“ Aufklärung über Todesfälle verlangt, die in den eingereichten Studien nicht dokumentiert sind, statt die Arznei zuzulassen. Anfang März 2013 stellte sie dem Konzern nun einen weiteren Brief mit der Aufforderung zu, fehlende Daten zum Sicherheitsprofil nachzureichen.

Neuer XARELTO-Test
BAYER lässt nicht locker. Obwohl der Gerinnungshemmer XARELTO viele Risiken und Nebenwirkungen hat (s. o.), testet das Unternehmen das Präparat für immer mehr Anwendungsgebiete. So begannen im März 2013 Phase-III-Studien mit XARELTO als Mittel zur Behandlung von Herzinsuffizienz bei gleichzeitig bestehender koronaler Herzkrankheit.

ONE-A-DAY-Pille schützt Herz nicht
Der Leverkusener Multi schreibt seinen Vitamin-Präparaten aus der ONE-A-DAY-Serie neben anderen medizinischen Wohltaten auch eine herz-stärkende Wirkung zu. Eine Studie der „Harvard Medical School“ mit den Vitaminen C und B sowie Beta-Carotin und einer Multivitamin-Kombination, an der 15.000 Männer teilnahmen, hat diese Aussage nun aber widerlegt. In der Vitamin-Gruppe traten der „Physicians Health Study II“ zufolge über einen Zeitraum von elf Jahren nicht weniger Herzinfarkte auf als in der Placebo-Gruppe. Zuvor hatten bereits andere Untersuchungen die Heil-Wirkungen der Produkte widerlegt. So wiesen finnische WissenschaftlerInnen sogar lungenkrebs-fördernde Effekte von Beta-Carotin nach, während ihre US-Kollegen bei ProbandInnen, die Beta-Carotin in Kombination mit Vitamin A eingenommen hatten, neben erhöhten Raten von Lungenkrebs auch solche von Herz/Kreislauf-Erkrankungen feststellten. Und nach einer 2011 im Journal of the American Medical Association veröffentlichten Expertise steigert Vitamin E das Risiko, Prostata-Krebs zu bekommen.

Netzhaut-Ablösungen durch CIPROBAY
Die Einnahme des BAYER-Präparats CIPROBAY und anderer Antibiotika auf Fluorchinolone-Basis kann zu Netzhaut-Ablösungen führen. Zu diesem Ergebnis kam eine ForscherInnen-Gruppe unter Leitung des Pharmazeuten Dr. Mahyar Etminan. Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA sieht trotzdem keinen Anlass, die Fach-Informationen für MedizinerInnen zu aktualisieren. Sie will die Mittel zunächst nur unter verstärkte Beobachtung stellen und erst handeln, wenn weitere Untersuchungen den Befund bestätigen sollten.

Zuviel ANTRA im Einsatz
Krankenhaus-PatientInnen, die an Nieren-Erkrankungen, Gerinnungsstörungen oder an einer Blutvergiftung leiden, erhalten zum Schutz vor Blutungen der Magenschleimhaut oft Protonenpumpen-Inhibitoren wie BAYERs ANTRA mit dem Wirkstoff Omeprazol. Nach einer Untersuchung der Harvard University erfolgen die präventiven Gaben allerdings zu häufig. Nur bei 13 Prozent der Kranken mit einem erhöhten Blutungsrisiko mache die Einnahme Sinn, so die Wissenschaftler. Die Mittel haben nämlich beträchtliche Nebenwirkungen. Sie unterbinden die Magensäure-Produktion fast komplett, was nicht nur Bakterien ein gedeihlicheres Klima beschert und so den Ausbruch von Infektionen fördert, sondern auch die Kalzium-Gewinnung aus der Nahrung stört und auf diese Weise die Gefahr von Knochenbrüchen erhöht. Wegen solcher Gegenanzeigen warnen bundesrepublikanische MedizinerInnen bereits seit langem vor einem zu sorglosen Umgang mit den Präparaten, die hauptsächlich bei der Behandlung von Sodbrennen zum Einsatz kommen. Allerdings fruchteten ihre Warnungen nicht – seit einiger Zeit sind diese Medikamente nicht einmal mehr verschreibungspflichtig. Und nicht zuletzt deshalb verfünffachte sich der Verbrauch in den letzten zehn Jahren.

Neue Hormon-Spirale
BAYER bringt eine neue Hormon-Spirale mit dem Produkt-Namen JAYDESS bzw. SKYLA auf den Markt, die mit Levonorgestrel denselben Wirkstoff wie MIRENA hat, aber nicht mehr so einen großen Umfang hat. Als häufige oder sehr häufige Nebenwirkungen des Mittels zählt der Leverkusener Multi unter anderem Übelkeit, Unterleibs- und Kopfschmerzen, Schwindel, Durchfall und Menstruationsstörungen auf. Damit befindet JAYDESS sich ebenfalls in guter Gesellschaft mit MIRENA, unter deren Risiken und Nebenwirkungen mehr als jede zehnte Anwenderin leidet. 45.000 Meldungen über unerwünschte Arznei-Effekte hat allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA schon erhalten. Erste Schadensersatz-Klagen beschäftigen bereits die Gerichte (siehe RECHT & UNBILLIG).

Frankreich verbietet DIANE
In Frankreich durften Frauen BAYERs Hormon-Präparat DIANE anders als hierzulande auch zur Schwangerschaftsverhütung einsetzen. Nach dem Bekanntwerden von vier Sterbefällen verbot die Aufsichtsbehörde ANSM das Mittel jedoch (siehe auch SWB 2/13). Auch die Niederlande sahen Handlungsbedarf. Mit Verweis auf zehn Tote hat das „Dutch Medicines Evaluation Board“ ÄrztInnen geraten, die Pille neuen PatientInnen nicht mehr zu verschreiben. Darüber hinaus wird die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA sich mit dem Fall „DIANE“ beschäftigen.

Schlechte Noten für ASPIRIN COFFEIN
Die Stiftung Warentest hat Mittel gegen Regelschmerzen getestet und BAYERs ASPIRIN COFFEIN dabei mit „ungenügend“ bewertet. Grund für die schlechte Note war der Koffein-Zusatz. Dieser könne dazu führen, dass die Patientinnen die Arznei länger als nötig einnehmen, befanden die TesterInnen und gaben eine „6“.

Neues Lungenhochdruck-Mittel
BAYER hat einen Zulassungsantrag für eine Arznei zur Behandlung von Lungenhochdruck gestellt. Der Wirkstoff Riociguat soll in der Lunge ein Enzym stimulieren, das für eine Erweiterung der Blutgefäße sorgt und so die Sauerstoff-Aufnahme verbessert. Der Leverkusener Multi erwartet von dem Mittel einen Umsatz von 500 Millionen Euro im Jahr.

ALPHARADIN-Zulassung beantragt
Krebsmedikamente sind teuer, helfen zumeist wenig und haben allzuoft nur ein eingeschränktes Anwendungsgebiet. So auch das vom Leverkusener Multi gemeinsam mit dem norwegischen Unternehmen ALGETA entwickelte ALPHARADIN. Es ist zum Einsatz bei der Prostatakrebs-Art CRPC bestimmt, wenn eine Hormon-Behandlung erfolglos geblieben ist und sich zudem noch Metastasen im Knochen gebildet haben. Dann soll eine radioaktive Bestrahlung mit dem Wirkstoff Radium-223-Dichlorid das Wachstum der Tumor-Zellen hemmen. Bei den Klinischen Tests verhalf es Männern jedoch nur zu einem noch nicht einmal drei Monate längeren Leben. Trotzdem hat BAYER für das Medikament nun die Zulassung beantragt.

DHG hilft bei ProbandInnen-Suche
Bluter-Verbände beschenkt BAYER reichlich, gilt es doch, vergessen zu machen, dass in den 90er Jahren Tausende Bluter an HIV-verseuchten Blutprodukten des Konzerns starben, weil das Unternehmen sein Präparat KOGENATE aus Kostengründen keiner Hitze-Behandlung unterzogen hatte. So spendete der Leverkusener Multi im vorletzten Jahr der „Deutschen Hämophilie-Gesellschaft zur Bekämpfung von Blutungskrankheiten“ (DHG) 20.000 Euro. Zudem nutzt der Konzern die DHG, um ProbandInnen für Arznei-Tests zu rekrutieren. „Liebes DHL-Mitglied, viele Hämophile leiden immer wieder unter Schmerzen (...) Daher ist die Verbesserung der Schmerz-Therapie für Hämophile ein wichtiges Anliegen“ – mit diesem Schreiben forderte die Gesellschaft ihre Mitglieder auf, an einem Medikamenten-Versuch teilzunehmen. Sie hielt es dabei noch nicht einmal für nötig, BAYERs Namen zu nennen.

Mehr Transparenz in den USA
In den USA müssen BAYER & Co. bald alle Zuwendungen an MedizinerInnen oder Kliniken der Behörde „Centers for Medicare and Medicaid“ melden, welche die Angaben dann im Internet veröffentlicht. Unter den „Physician Payment Sunshine Act“ fallen unter anderem Beratungshonorare, Bewirtungen, Geschenke, Spenden, Forschungsaufträge, Reise-Finanzierungen und das Sponsoring von Forschungsaktivitäten. Bei Verstößen gegen die Auflagen sieht das Gesetz Strafen von bis zu einer Million Dollar vor. Um sich hierzulande das Schicksal einer solchen Verordnung zu ersparen, gehen die Pharma-Riesen in die Offensive und kündigen eine freiwillige Selbstverpflichtung zu mehr Transparenz im Gesundheitswesen an.

326 Pharma-Kooperationen
„Heutzutage kann kein Unternehmen den Anspruch mehr haben, alles alleine erreichen zu können“, sagte BAYER-Vorstand Wolfgang Plischke im November 2012 auf dem Presseforum „BAYER Innovations-Perspektive 2012“ zur Begründung dafür, immer mehr Forschungsaktivitäten ganz oder teilweise auszugliedern. Nach Plischkes Angaben hat allein die Pharma-Abteilung des Leverkusener Multis momentan schon 326 Kooperationsvereinbarungen mit Universitäten, Instituten oder anderen Firmen abgeschlossen.

BAYER & Co. sabotierten AMNOG
Nach dem Arzneimittel-Neuverordnungsgesetz müssen die Pharma-Firmen mit ihren neuen Arzneien ein Verfahren durchlaufen, das Kosten und Nutzen der Präparate bewertet, und sich anschließend – wenn das Präparat nicht durchfällt – mit den Krankenkassen auf einen Erstattungsbetrag einigen. Diesen wollen BAYER & Co. jetzt aber im Falle eines Falles nicht angeben. Sie haben stattdessen vor, der „Informationsstelle für Arznei-Spezialitäten“ (IFA) ihre Wunsch-Kalkulation zu melden und die Differenz zur verhandelten Summe als Rabatt zu deklarieren. Damit bliebe dann die erstgenannte Zahl auf der IFA-Liste die Referenz-Größe, an der sich andere Länder bei der Festlegung ihrer Pillen-Preise orientieren. Die GesundheitspolitikerInnen reagierten erbost auf das Vorhaben. So kritisierte Jens Spahn, der gesundheitspolitische Sprecher der CDU: „Ich kann der Pharma-Industrie nur empfehlen, nicht – wie anscheinend geplant – aktiv gegen die Rechtsauffassung des Gesundheitsministers zu agieren. Das wäre ein Affront, der nicht ohne Folgen bleiben kann.“

Mehr Pillen in Russland
Der Leverkusener Multi will sein Pharma-Geschäft in Russland ausbauen und hat zu diesem Zweck einen Kooperationsvertrag mit dem einheimischen MEDSINTEZ-Konzern geschlossen. Die beiden Unternehmen beabsichtigen, auf dem Gebiet der diagnostischen Bildgebung sowie der Infektionen und der neurologischen Krankheiten zusammenzuarbeiten. Auch eine gemeinsame Vermarktung von Produkten streben die Multis an. „Die lokale Produktion unserer Präparate wird unsere Geschäftsentwicklung in diesem Wachstumsmarkt vorantreiben“, erklärte Pharma-Manager Andreas Fibig zu dem Deal.

Neue Krebs-Therapie?
Der Leverkusener Multi will wieder mal auf dem besten Wege sein, eine Krebs-Therapie auf Knopfdruck zu entwickeln. BAYERs Kooperationspartner vom „Deutschen Krebsforschungszentrum“ und vom Universitätsklinikum haben nämlich ein Enzym entdeckt, das eine große Rolle bei der Entstehung von Tumoren spielt. Und jetzt gilt es nur noch, einen Wirkstoff zu finden, der das Eiweiß HDAC11 blockiert, und schon ist der Krebs besiegt, frohlockt der Pharma-Multi. In der Praxis jedoch helfen die Mittel, die der Konzern bisher auf dieser Basis produziert hat, recht wenig. So verlängert BAYERs NEXAVAR das Leben der PatientInnen gerade einmal um zwei bis drei Monate und mutet ihnen dabei zudem noch starke Nebenwirkungen zu.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

EFSA: GAUCHO bienengefährlich
Zahlreiche Studien belegen die Bienengefährlichkeit von Pestizid-Wirkstoffen auf Neonicotinoide-Basis wie Imidacloprid (enthalten in BAYERs GAUCHO) und Clothianidin (PONCHO). Nun hat sich auch die Europäische Behörde für Lebensmittel-Sicherheit (EFSA) der Sache angenommen. Sie untersuchte Imidacloprid und Clothianidin gemeinsam mit der SYNGENTA-Substanz Thiamethoxam und bestätigte die bisherigen Resultate. „Die EFSA-Wissenschaftler haben etliche Risiken für Bienen durch drei Neonicotinoid-Insektizide ermittelt“, hieß es in einer Presse-Mitteilung. Die Europäische Kommission kündigte daraufhin an, über ein zunächst zweijähriges Verbot zu beraten. Der Leverkusener Multi aber zeigt sich immer noch beratungsresistent. Eine „allzu konservative Auslegung des Vorsorge-Prinzips“ warf er Brüssel vor. Dem Spiegel erklärte der Konzern derweil, das Bienensterben sei durch eine Vielzahl von Faktoren bedingt und hielt fest, ein Bann der Mittel müsse „auf eindeutigen wissenschaftlichen Nachweisen“ basieren. Und nach Meinung von BAYERs europäischem Interessensverband ECPA hat die EFSA eben diese Nachweise nicht erbringen können, da sie nicht alle vorliegenden Studien mit in ihr Urteil einbezogen habe. Ob es aber tatsächlich zu einem Moratorium kommt, bleibt zweifelhaft, denn „Die Vertreter der EU-Staaten reagierten nach Angaben eines EU-Diplomaten verhalten auf die Vorschläge der Kommission“ wie dpa berichtete.

Hormonell wirksame Pestizide
Viele Pestizide wirken wie Hormone. Deshalb können sie den menschlichen Organismus aus dem Gleichgewicht bringen und zu Krebs, Stoffwechsel-Störungen, Unfruchtbarkeit und neurologischen Erkrankungen führen. Das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) hat jetzt eine Broschüre zu dem Thema veröffentlicht und in ihr auch die am häufigsten in Salat, Gurken und Tomaten nachgewiesenen Ackergifte mit solchen Nebenwirkungen aufgeführt. Unter ihnen befanden sich auch zahlreiche Substanzen aus dem Sortiment des Leverkusener Multis wie Propamocarb (enthalten in der Agro-Chemikalie VOLARE), Deltamethrin (K-OBIOL und PROTEUS), Bifenthrin (ALLECTUS), Cyproconazol (ALLO) und Pyrimethanil (CLARINET, FLINT STAR, MYSTIC, MYTHOS, SCALA, SIGANEX, VISION und WALABI).

Pestizide in Trauben
Das Chemische und Veterinär-Untersuchungsamt Stuttgart hat Tafeltrauben nach Pestizid-Rückständen untersucht. In 92 Prozent der einheimischen Früchte hat es Rückstände gleich von mehreren Agro-Chemikalien gefunden. Darunter waren auch viele Wirkstoffe, die in BAYER-Produkten ihr Unwesen treiben. Mit Spiroxamin (enthalten in INPUT) spürten die WissenschaftlerInnen überdies eine Substanz auf, die hierzulande gar keine Zulassungen für Tafeltrauben-Kulturen hat. Und bei Proben aus der Türkei überschritten Carbendazim (enthalten in DEROSAL) und Chlorthalonil (enthalten in BAYERs PRONTO PLUS BRAVO-PACK) sogar die zulässigen Grenzwerte.

EU überprüft Chlorpyrifos
Der Pestizid-Wirkstoff Chlorpyrifos, enthalten unter anderem in den BAYER-Produkten BLATTANEX, PROFICID und RIDDER, gehört zur Gruppe der Organophosphate und ist deshalb besonders gefährlich. So kann er neueren Untersuchungen zufolge die Entwicklung von Embryos im Mutterleib stören und bei den Kindern später Gehirnschäden verursachen. Die EU-Kommission hat sich jetzt entschlossen, die Substanz einem Prüfverfahren zu unterziehen, obwohl diese noch eine Zulassung besitzt, was ein absolutes Novum darstellt.

Immer mehr Herbizid-Resistenzen
Immer mehr Unkräuter widerstehen den Herbiziden der Agro-Riesen, weshalb die FarmerInnen immer höhere Dosen Agro-Chemie ausbringen müssen. Warum das so ist, darüber sprach BAYERs oberster Herbizid-Forscher Dr. Hermann Stübler Ende November 2012 auf einem Symposion des Leverkusener Multis ganz offen. Die Industrie habe seit über 25 Jahren kein neues Anti-Unkrautmittel mehr entwickelt, unter anderem weil sich auf dem Markt oligopolistische Strukturen verfestigt hätten und es deshalb immer weniger Forschung auf diesem Gebiet gebe. In die Bresche springen sollen nach Ansicht der Symposionsteilnehmer jetzt staatliche Wissenschaftseinrichtungen. So schlug der Leiter des Max-Planck-Institutes für molekulare Physiologie, Dr. Lothar Willmitzer, vor, seine Einrichtung könnte in Zukunft gemeinsam mit BAYER & Co. nach neuen Wirksubstanzen fahnden.

Neue Herbizid-Kooperation
Da die handelsüblichen Herbizide immer mehr Resistenzen ausbilden (s. o.), vereinbarte BAYER eine Forschungskooperation mit MENDEL BIOTECHNOLOGY, um neue Wirkstoffe auf der Basis von pflanzen-eigenen Genregulations-Mechanismen zu entwickeln.

LIBERTY-Verkauf boomt
2012 hat das warme Wetter in den USA zu früheren Spritzrunden mit dem MONSANTO-Herbizid ROUND-UP
geführt und noch mehr Wildpflanzen gegen die Substanz immun gemacht (s. o.). Darum landete eine erhöhte Dosis Agro-Chemie auf den Feldern. Die FarmerInnen griffen nämlich vermehrt zu BAYERs Anti-Unkrautmittel LIBERTY, dessen Wirkstoff Glufosinat die EU wegen seiner Gefährlichkeit bereits verboten hat, und bescherten dem Leverkusener Multi so blendende Absatz-Zahlen.

Mehr Glufosinat aus Knapsack
Immer mehr Unkräuter bilden Resistenzen gegen das MONSANTO-Herbizid ROUND-UP aus (s. o.). Das steigert die Markt-Chancen von BAYERs LIBERTY, das der Konzern bevorzugt in Kombination mit gentechnisch gegen das Mittel immun gemachten Pflanzen verkauft. Darum will der Leverkusener Multi in Knapsack bei Köln nun die Produktion des Wirkstoffes Glufosinat steigern, obwohl dieser wegen seiner Gefährlichkeit EU-weit seine Zulassung verloren hat. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) protestierte gegen die Entscheidung. „Es ist unverantwortlich, im Ausland eine Anbautechnik zu forcieren, die mit der Verwendung eines hochgiftigen und bei uns verbotenen Pestizids verknüpft ist. Das Schicksal der Landarbeiterinnen und Landarbeiter in Lateinamerika oder Asien ist dem Konzern augenscheinlich gleichgültig!“, heißt es in der Presseerklärung der Coordination.

Brasilien verbietet Aldicarb
Das BAYER-Pestizid Aldicarb, vermarktet unter dem Namen TEMIK, gehört als Organophosphat zur Gefahrenklasse 1a - und damit zur höchsten. Die EU hat das Ackergift deshalb schon im Jahr 2007 aus dem Verkehr gezogen, wogegen der Leverkusener Multi sich mit Händen und Füßen gewehrt hatte. Im Herbst 2012 verhängte nun auch Brasilien ein Verbot. In den USA sind die Tage der Agro-Chemikalie ebenfalls gezählt. Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA gewährt dem Mittel jedoch noch eine Gnadenfrist bis Ende 2014.

PFLANZEN & SAATEN

Nr. 6 im Saatgut-Geschäft
Seit einiger Zeit baut BAYER das Geschäft mit Saatgut aus. 820 Millionen Euro setzte der Leverkusener Multi 2011 in diesem Segment um. Damit nahm er unter den globalen Top-Produzenten die Position sechs ein.

GENE & KLONE

Neue EYLEA-Indikationen gesucht
Gerade erst hat der Leverkusener Multi die Zulassung für sein gemeinsam mit der Firma REGENERON entwickeltes Gentech-Augenpräparat EYLEA zur Behandlung der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – erhalten, da schaut er sich schon nach neuen Anwendungsgebieten um. Der Pharma-Riese stellte einen Antrag auf Genehmigung des Präparates zur Therapie von solchen Flüssigkeitsansammlungen in der Makula-Region des Auges, die nach einem Zentralvenen-Verschluss an der Netzhaut auftreten.

BAYER & Co. behindern Forschung
Die Patente, welche die Agro-Multis auf ihre Genpflanzen halten, gewähren ihnen weitgehende Rechte. So hat BAYER etwa durch das geistige Eigentum an der Sojabohne A5547-127 das Monopol auf die Untersuchungen von unvorhergesehenen Auskreuzungen dieser Labor-Frucht. Unabhängige WissenschaftlerInnen bleibt dagegen der Zugang zu dem Soja, Mais und Raps der Gen-Giganten versperrt. „Legal kann zu vielen kritischen Fragen keine wirklich unabhängige Forschung durchgeführt werden“, klagten deshalb ExpertInnen 2009 bei einer Anhörung der US-Regierung. Auf EU-Ebene stellt sich das nicht anders dar. Im vorletzten Jahr sah sich der damalige Verbraucherschutz-Kommissar John Dalli aus diesem Grund gezwungen, die Konzerne zu bitten, ForscherInnen ihre gen-manipulierten Arten zur Verfügung zu stellen, damit jene die Möglichkeit haben, selber Tests mit ihnen durchzuführen. Auf ein solches Goodwill ist die Europäische Union angewiesen, denn ein juristischer Anspruch auf eine Bereitstellung von A5547-127 und anderen Gen-Konstrukten besteht nicht.

WASSER, BODEN & LUFT

Gadolinium verunreinigt Gewässer
Nach einer Studie der Bremer „Jacobs University“ verunreinigt Gadolinium den Rhein. Der Wissenschaftler Prof. Dr. Michael Bau ermittelte von dem in BAYERs Röntgen-Kontrastmitteln GADOVIST und MAGNEVIST enthaltenen Stoff Konzentrationen, die mehr als das Zehnfache über den natürlichen lagen. „Erhöhte Gehalte an Gadolinium sind mittlerweile überall in der entwickelten Welt in Flüssen und vereinzelt auch im Trinkwasser zu finden“, hält Bau fest und forderte die Einführung eines Monitoring-Systems für diese zu den Seltenen Erden gehörende Substanz. Und dieses wäre umso nötiger, als der Stoff mit erheblichen Risiken und Nebenwirkungen behaftet ist (Ticker 3/11). So kann Gadolinium bei Nierenkranken ein unkontrolliertes Wachstum des Bindegewebes mit Todesfolge auslösen. Mit 230 Klagen von Opfern oder deren Angehörigen sah sich der Pharma-Riese deshalb bereits konfrontiert; aktuell laufen noch 40 Prozesse (Stand: 12.2.13). Auch die Aufsichtsbehörden haben das Gefährdungspotenzial bereits erkannt. So hat die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA jüngst strengere Auflagen für den Gebrauch von GADOVIST & Co. erlassen.

Diuron verunreinigt Gewässer
Der Pestizid-Wirkstoff Diuron, den BAYER seit einiger Zeit in Deutschland nicht mehr vertreibt, verunreinigt in Tateinheit mit anderen Substanzen immer noch die Ruhr. „Die Belastung der Ruhr mit Mikro-Schadstoffen ist ein ernstes Thema“, sagt deshalb der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel von den Grünen und kündigt politische Schritte an. An knapp zwei Prozent der Meßstellen überschritt Diuron die Grenzwerte.

Neue EU-Emissionsrichtlinie
Die neue Richtlinie der EU zu Industrie-Emissionen bleibt in ihren Vorschriften teilweise weit hinter den Standards auf anderen Kontinenten zurück. Während BAYER & Co. etwa in den USA nur drei Mikrogramm Quecksilber pro Kubikmeter Abluft ausstoßen dürfen, legt die Europäische Union einen Grenzwert von zehn Mikrogramm fest. Und bei Stickoxiden, von denen die Schlote der Industrie nun bereits schon seit 12 Jahren kontinuierlich höhere Mengen produzieren – BAYERs Wert für 2011: 3.700 Tonnen – wäre technisch längst weit weniger Belastung möglich, als Brüssel erlaubt. Darum forderten die Grünen und die Linkspartei, bei der Umsetzung der Direktive in nationales Recht schärfere Limits für Quecksilber und Stickoxide festzusetzen. Die SPD trat derweil dafür ein, die Umwelt-Auflagen für Müllmitverbrennungsanlagen, wie sie auch der Leverkusener Multi betreibt (SWB 3/11), denen für herkömmliche Müllverbrennungsanlagen anzugleichen, während sich Fachleute für härtere Auflagen Feinstaub und Ammoniak betreffend starkmachen. Die Regierungskoalition lehnte die Vorstöße jedoch ab.

BAYER-Chemie in Kosmetika
BAYER & Co. drängen mit ihrer Plaste & Elaste auf den Kosmetika-Markt. So finden sich in Zahnpasten, Dusch-Peelings und Kontaktlinsen-Reinigern viele Kunststoff-Produkte. Der Leverkusener Multi produziert beispielsweise Polyurethane zur Verstärkung der Haftkraft von Wimperntusche und Make-Ups. Diese Substanzen können nicht nur Gesundheitsstörungen verursachen, sondern auch die Umwelt schädigen, denn sie passieren die Kläranlagen unbehelligt. CDU und FDP wollen dem vorerst nicht Einhalt gebieten. „Die Bundesregierung sieht derzeit keinen Bedarf, weitergehende gesetzliche Regelungen zu treffen“, heißt es in der Antwort auf eine kleine Anfrage der Grünen. Merkel & Co. stellen lediglich vage Maßnahmen im Rahmen der EU-Meeresstrategie-Richtlinie in Aussicht.

Schon wieder eine Altlast
Unter dem Pflaster des ehemaligen BAYER-Autohofs in Leverkusen schlummern vermutlich giftige Abfälle aus der Frühzeit des Konzerns, denn das Kataster-Amt der Stadt weist das Areal als Altlasten-Verdachtsfläche aus. Der Vergessenheit entrissen wurde die chemische Zeitbombe, als die Kommune einen neuen Standort für ihre Feuerwehr suchte. Dafür hatte sie nämlich das Areal des Unternehmens in die engere Wahl genommen und genauere Erkundigungen über das Grundstück eingezogen. Die Feuerwehrleute reagierten alarmiert auf die Informationen und lehnen den Autohof als neue Heimstatt ab. „Wer garantiert, dass wir keine Spätfolgen erleiden, wenn wir auf verseuchtem Boden unseren Dienst verrichten“, fragte einer von ihnen in einem Brief, der dem Leverkusener Anzeiger zuging.

DEROSAL verunreinigt Gewässer
Der BUND, der NABU und andere Initiativen haben Kleingewässer in Brandenburg auf Pestizid-Rückstände untersucht und erhebliche Verunreinigungen festgestellt. Unter den nachgewiesenen Ackergiften befand sich auch Carbendazim, das in dem BAYER-Produkt DEROSAL enthalten ist und wegen seiner hohen Halbwertzeit eine große Umweltgefahr darstellt. „Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass eine unzulässig hohe Schadstoff-Belastung der Gewässer die Regel ist. Die Vorschriften zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln sind folglich in hohem Maße unzureichend“, resümierte die Toxikologin Dr. Anita Schwaier vom Verein ZUKUNFT BIOSPHÄRE UND LEBENSRAUM.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

PCB-Grenzwerte waren zu hoch
Der Sonderkommission des Berliner Senats zur Prüfung gefährlicher Arbeitsstoffe zufolge galten in der Bundesrepublik lange Zeit zu lasche Werte für die „Maximale Arbeitsplatz-Konzentration“ (MAK) von Polychlorierten Biphenylen (PCB). Die ExpertInnen schlugen deshalb eine „drastische Absenkung des MAK-Wertes für höherchlorierte (...) Biphenyle von 0,1 auf 0,003 mg/m3“ vor. BAYER zählte lange zu den Hauptherstellern von PCB, die unter anderem als Weichmacher in Kunststoffen, Kühlmittel und Isoliermaterial Verwendung fanden. 1983 verbot der Gesetzgeber die Substanz. Aber die gesundheitsschädlichen Wirkungen der Substanz wie etwa Krebs machen sich nicht nur deshalb immer noch bemerkbar, weil sie zu den chemisch äußerst stabilen und sich in der Umwelt entsprechend langsam abbauenden Chlor-Verbindungen gehört und noch in zahlreichen alten Gebäuden steckt. Es kommen auch noch neue Belastungen hinzu, beispielsweise durch die PCB-Verbrennung in den Müll-Öfen des Leverkusener Multis.

Schlechte Noten für Körperlotion
Die „Stiftung Warentest“ hat BAYERs BEPANTHOL-Körperlotion mit „ungenügend“ bewertet, da sie bedenkliche Inhaltsstoffe wie potenziell krebserregende PEG-Derivate, giftige halogen-organische Verbindungen und andere gesundheitsschädliche Stoffe wie Paraffine und Silikone enthält.

NANO & CO.

Nano-Anlage genehmigt
Die Auftragsfertigung der Kohlenstoff-Nanoröhrchen mit dem Produktnamen BAYTUBES führt für den Leverkusener Multi seine ehemalige Tochterfirma H. C. STARCK in Laufenburg aus. Bislang betreibt das Unternehmen die Anlage nur im Test-Modus, es stellte beim Regierungspräsidium Freiburg jedoch einen Antrag auf einen Normalbetrieb nebst einer Kapazitätserweiterung von 30 auf 75 Tonnen im Jahr. Da die Nano-Technologie Werkstoffe auf winzig kleine Größen schrumpfen lässt, wodurch diese unbekannte und nicht selten gefährliche Eigenschaften entwickeln, erhob nicht nur die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN Einspruch gegen das Projekt. 61 Einwendungen gingen bei den Behörden ein. Das Regierungspräsidium schenkte den KritikerInnen jedoch keinen Glauben. Es folgte lieber den Ansichten des von H. C. STARCK angeheuerten Gutachters Helmut Greim, der BAYER bereits im Holzgifte-Prozess gute Dienste erwiesen hatte, und erteilte die Zulassung für den ersten Großversuch mit der Nano-Fertigung im „Multimillionen-Maßstab“ (O-Ton BAYER). Der BUND verurteilte die Entscheidung, während die in Baden-Württemberg jüngst zu Regierungsehren gekommenen Grünen sie guthießen. An der Genehmigung gebe es nichts zu bemängeln, schließlich hätten mehrere Gutachten erwiesen, dass die Produktion keine Gefahr darstelle, verlautete den Stuttgarter Nachrichten zufolge aus dem Landesumweltministerium.

CO & CO.

Lkw-Unfall an Pipeline-Strecke
Mitte Januar 2013 prallte auf der Erkrather Neandertal-Brücke ein Lkw gegen die Leitplanke. Ein Stahl-Seil verhinderte gerade noch, dass der Laster in die Tiefe stürzte. So fiel nur ein Teil der Ladung hinab – dorthin, wo knapp zwei Meter unter dem Boden BAYERs umstrittene Kohlenmonoxid-Pipeline verläuft. Wäre sie schon in Betrieb und auch der Lastkraftwagen von der Brücke gekippt, hätte es einen Super-GAU geben können. Darum reagierte die Bezirksregierung Düsseldorf prompt: „Auch dieser Lkw-Unfall wird von der Bezirksregierung nochmals in die Sicherheitsprüfung einbezogen.“ Der Leverkusener Multi hingegen bestritt ein solches Risiko und verwies auf ein Gutachten des Unternehmens TÜV, für welches auf Brücken „nach den bisherigen Prüfungen eine Gefährdung nicht gegeben“ sei. Erich Hennen von der Initiative CONTRA PIPELINE macht derweil sogar noch weiter Gefahrenpunkte an Verkehrsnetzen aus wie etwa bei Mündelheim, wo die Giftgas-Leitung die B 288 kreuzt.

Hohe Pipeline-Folgekosten?
Für Erkrath hat der Bau von BAYERs zwischen Krefeld und Dormagen verlaufender Kohlenmonoxid-Pipeline hohe Folgekosten. Bürgermeister Arno Werner nannte in dem Zusammenhang vor allem nötig gewordene Veränderungen bei der Feuerwehr wie die Einstellung von mehr Personal, die Verbesserung der technischen Ausstattung und den Bau einer neuen Wache. Allein letzteres wird nach seinen Angaben ca. 13 Millionen Euro verschlingen. Der Anti-Pipeline-Aktivist Uwe Koopmann wollte es genauer wissen und hakte bei der Feuerwehr nach. Diese dementierte allerdings die Angaben Werners. „Die Planungen der Feuerwehr stehen in keinem Zusammenhang mit der CO-Pipeline“, heißt es in dem Antwort-Schreiben.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

ULTRAVIST-Rückruf
BAYER musste eine Rückruf-Aktion für sein Röntgen-Kontrastmittel ULTRAVIST starten, weil einige Chargen Verunreinigungen aufwiesen.

STANDORTE & PRODUKTION

Dormagener TDI-Anlage genehmigt
Ende Dezember 2012 erteilte die Bezirksregierung Köln BAYER di

[Ticker] STICHWORT BAYER 03/2011 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

TESTBIOTECH kritisiert EFSA
Der Verein TESTBIOTECH hat Kritik an der Art und Weise, wie die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA die Risiken der Laborfrüchte von BAYER & Co. beurteilt, geübt. So unterlässt es die EFSA, die unlängst durch ihre Verfilzung mit den Gen-Giganten für Schlagzeilen sorgte (Ticker 2/11), die Wechselwirkung zwischen dem Erbgut der Pflanze, dem eingebauten Gen und der Umwelt zu untersuchen. Auch fehlen der Behörde klare Kriterien für ein Negativ-Urteil, monierte die Initiative.

CBG verlangt Phosgen-Verzicht
Der Leverkusener Multi will in Brunsbüttel und Krefeld seine Polycarbonat-Produktion erweitern, dabei aber weiterhin das gefährliche Vorprodukt Phosgen verwenden, obwohl es bereits seit langem Alternativ-Verfahren gibt. Dagegen hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gemeinsam mit dem BUND FÜR UMWELT UND NATURSCHUTZ protestiert. „Die Phosgen-Chemie gehört nach Atomkraftwerken zu den risiko-reichsten Technologien in Deutschland. Fukushima zeigt, dass das Undenkbare möglich ist! Das Risiko, jährlich Hunderttausende Tonnen eines Giftgases zu produzieren, ist schlichtweg zu hoch - zumal es Alternativen gibt. Wir fordern, dass neue Werke nach dem neuesten Stand der Technik gebaut werden müssen“, heißt es in der Presseerklärung.

Leserbrief zu Phosgen-Produktion
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hatte in Presse-Erklärungen die von BAYER in Brunsbüttel und Krefeld geplante Ausweitung der Polyurethan-Produktion kritisiert, weil der Leverkusener Multi dabei weiterhin auf ein Verfahren mit dem Giftgas Phosgen setzt, obwohl Alternativen bestehen (s. o.). Daran knüpfte eine Leserin der Brunsbütteler Zeitung an. Sie schrieb dem Blatt: „Ich frage mich, ob der Brunsbütteler Bevölkerung eigentlich bekannt ist, was BAYER dort plant und welche Auswirkungen das hochgiftige Phosgen-Gas haben kann. Dieses Gas - im 1. Weltkrieg als Kampfgas genutzt - ist für den Menschen schon in geringsten Dosen tödlich! Es ist bekannt, dass von BAYER in Brunsbüttel viele oder sehr viele Arbeitsplätze abhängen und daher evtl. niemand so recht wagt, etwas dagegen zu sagen. Aber eventuell toten - vielleicht vielen toten - Menschen nützen irgendwelche Arbeitsplätze dann auch nichts mehr“.

CBG-Leserbrief an die SZ
Der BAYER seit langen Jahren besonders zugetane Journalist Stefan Weber von der Süddeutschen Zeitung verfasste für die Serie „Starke Marken“ eine halbseitige ASPIRIN-Eloge, ohne sich weiter den Risiken und Nebenwirkungen des „Tausendsassas“ zu widmen. Das tat dann die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN in einem Leserbrief. „Der Wirkstoff greift tief in den biochemischen Haushalt des Körpers ein und kann u. a. Blutungen im Magen-Darm-Trakt und Magengeschwüre verursachen. Trotzdem versucht die BAYER AG das Präparat als ‚Wunderpille‘ zu vermarkten - zum Beispiel mit der website WonderDrug.com. Von den Gefahren findet sich in der Werbung kein Wort. Dabei sterben in den USA mehr Menschen an ASPIRIN-Nebenwirkungen als beispielsweise an HIV oder Verkehrsunfällen“, heißt es in der Zuschrift.

Proteste vor Brüsseler BAYER-Büro
Die TeilnehmerInnen der „Europäischen Saatguttage“, die Mitte April 2011 in Brüssel stattfanden, haben auch vor BAYERs Brüsseler Niederlassung demonstriert. Der Leverkusener Multi gehört nämlich zu den Hauptprofiteuren der von der EU geplanten Novelle des Saatgutrechts, will diese den LandwirtInnen doch untersagen, selber Saatgut in Verkehr zu bringen und so das Monopol der Agro-Riesen zementieren. Noch dazu sollen wichtige Prüfungen künftig in den Händen von BAYER & Co. oder in denen der von Industrie-VertreterInnen durchsetzten „Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit“ liegen (siehe auch Ticker 2/11). Zum Zeichen des Protestes gegen das Projekt haben die AktivistInnen den Europa-ParlamentarierInnen außerdem 51.416 Unterschriften übergeben.

KAPITAL & ARBEIT

Pharma-Fusion unter Gleichen?
Mit schöner Regelmäßigkeit stellt BAYER-Chef Marijn Dekkers Unternehmensteile zur Disposition. Hatte er im März 2011 die Bereitschaft erkennen lassen, die Kunststoff-Sparte zu veräußern, falls der Konzern Geld für eine Akquisition benötige, so zeigte er sich zwei Monate später gegenüber Veränderungen im Pharma-Bereich aufgeschlossen. „Wir würden möglicherweise einen Zusammenschluss unter Gleichen in der Healthcare-Sparte erwägen“, sagte er nicht irgendwo, sondern bei einem Besuch der Finanzagentur BLOOMBERG in New York. Bei einem solchen Joint-Venture wäre es leichter, die Prämie für die AktionärInnen zurückzuverdienen als bei Übernahmen, führte der Holländer laut Financial Times Deutschland aus. Allerdings stellt sich bei Deals dieser Art oftmals keine echte Parität ein. Einer der Partner ist nicht selten ein wenig gleicher als der andere.

„Pharma-Campus“ schrumpft
Als der Leverkusener Multi 2006 SCHERING übernahm, stellte er den Beschäftigten Vorteile aus dem Zusammenschluss in Aussicht. Die Realität sah jedoch anders aus. 1.000 Belegschaftsangehörige mussten sofort gehen. Mit dem neuen BAYER-Chef Marijn Dekkers brachen dann noch härtere Zeiten an. Er tilgte den Namen und unterstellte die Pillen-Schmiede direkt dem Kommando des Pharma-Chefs Jörg Reinhardt. Auch von dem Job-Abbau, den Dekkers kurz nach seinem Amtsantritt ankündigte, sind die BerlinerInnen in besonders hohem Ausmaß betroffen. Das alles „kann man nicht als Erfüllung der Zusage werten“, warf eine Angestellte dem Vorstandsvorsitzenden auf der Hauptversammlung im April 2011 deshalb vor. Sie fragte den Holländer ebenfalls nach der Zukunft der hochtrabenden „Pharma-Campus“-Pläne, in die nicht zuletzt der Senat der Hauptstadt große Hoffnungen steckt, weil er sich davon eine Sogwirkung auf andere Unternehmen verspricht. Der Ober-BAYER drückte sich um eine klare Antwort. Aber zwei Wochen später wurde der Konzern deutlicher. Er präsentierte eine deutlich abgespeckte Version des Masterplans; der Bau eines Hochhauses steht jetzt nicht mehr zur Debatte.

BAYER gliedert BBS aus
Der Leverkusener Multi gliedert Teile seiner IT-Sparte BAYER BUSINESS SERVICES aus; künftig übernimmt eine SIEMENS-Tochter die Dienstleistungen. Durch diese Maßnahme vernichtet BAYER im Konzern-Verbund die Arbeitsplätze von 260 Belegschaftsangehörigen und 290 LeiharbeiterInnen. Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE kritisierte diesen Schritt deshalb scharf. „Offensichtlich verstehen die Arbeitgeber unter Wettbewerbsfähigkeit nur die Maximierung betriebswirtschaftlicher Kennziffern, mit denen sie die Finanzmärkte begeistern wollen“, so Reiner Hoffmann, Landesbezirksleiter der Gewerkschaft.

Job-Streichungen in Emeryville
Auch über sein im November 2010 beschlossenes Rationalisierungsprogramm hinaus vernichtet der Leverkusener Multi noch Arbeitsplätze. So stellt er die Fertigung des Multiple-Sklerose-Wirkstoffs Betaferon im US-amerikanischen Emeryville ein. Künftig übernimmt BOEHRINGER für BAYER die Herstellung. Die meisten der 540 Beschäftigten verlieren durch diese Maßnahme ihren Job. Damit bleibt der Konzern seiner Devise treu, bevorzugt Produktionen zu schließen, in denen sich Betriebsgruppen von Gewerkschaften konstituieren wollen. In Emeryville hatte das Unternehmen die Gründung hintertrieben, indem es mit Stellen-Streichungen drohte und die Beschäftigten-VertreterInnen als „Schmarotzer“ diffamierte, die es nur auf die Beiträge der Belegschaftsangehörigen abgesehen hätten.

Job-Streichungen in Leverkusen
Auch am Stammsitz Leverkusen streicht BAYER Stellen. Nach Informationen der Gewerkschaften will der Konzern 61 Arbeitsplätze in den der Geschäftsführung zuarbeitenden Corporate Centern vernichten.

Fabrik-Verkauf in Norwich
Im Rahmen seines Rationalisierungsprogramms will sich BAYER von seiner Pestizid-Fabrik im englischen Norwich trennen und stellt damit 280 Arbeitsplätze im Konzern zur Disposition. Der Leverkusener Multi, der 2010 noch elf Millionen Pfund in den Standort investiert hatte, sucht Werksleiter Tim Green zufolge einen Interessenten für die Produktionsanlagen. Er dürfte allerdings selbst kaum daran glauben, auch einen zu finden, denn als Käufer kämen nur vier, fünf Konzerne aus dem exklusiven Club des Agrochemie-Oligopols in Betracht - und nach Neuerwerbungen steht denen im Moment nicht der Sinn. Es besteht also die Gefahr, dass von Norwich nur eine Mensch, Tier und Umwelt schädigende Altlast übrig bleibt, wofür die Fertigungsstätte in Hauxton nahe Cambridge ein warnendes Beispiel abgibt (Ticker 2/10).

4,1 Prozent mehr Lohn
Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE hat sich mit dem „Arbeitgeberverband Chemie“ auf eine Lohnerhöhung in Höhe von 4,1 Prozent geeinigt. Nach Berechnungen der KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN FÜR EINE DURCHSCHAUBARE BETRIEBSRATSARBEIT, eine alternative Gewerkschaftsgruppe im Leverkusener Werk, bleiben davon inflationsbereinigt zwei Prozent übrig. Auszubildende erhalten nach dem neuen Tarifvertrag, der eine Laufzeit von 15 Monaten hat, 35 Euro mehr. „Das Ergebnis ist weder überragend, noch ist es schlecht, es bewegt sich in einer Größenordnung, die man im Allgemeinen als moderat bezeichnen kann“, resümieren die Durchschaubaren das Ergebnis. Ihrer Ansicht nach fehlten auf der Verhandlungsagenda die Themen „gleicher Lohn für LeiharbeiterInnen“ und „Festgeld-Erhöhung“, also das Streiten für die Anhebung des Tarifs um einen bestimmten Betrag, was mehr Verteilungsgerechtigkeit verspricht. Von einem prozentualen Zuwachs profitieren die oberen Einkommensgruppen nämlich mehr als die unteren.

Zehn Millionen für den Vorstand
Der Vorstand des Leverkusener Multis darf sich über üppige Bezüge freuen. Mehr als zehn Millionen Euro strich die Riege im Geschäftsjahr 2010 ein - über eine Million Euro mehr als 2009. Allein BAYER-Chef Marijn Dekkers erhielt fast vier Millionen Euro. Erstmals orientiert sich die Hälfte der variablen Vergütung an der Entwicklung der BAYER-Aktie während eines Zeitraums von drei Jahren, aber gnädigerweise hat der Konzern zweien seiner Vorstände für die „System-Umstellung“ noch einen Aufschlag von fünf Prozent gewährt.

BAYER zahlt Ex-Manager Entschädigung
BAYERs Top-ManagerInnen können mit einer Lohnfortzahlung im Ausscheidungsfall rechnen. Weil die Führungskräfte nicht direkt vom Leverkusener Multi zur Konkurrenz wechseln dürfen, erhalten sie dafür beim Abschied eine Art Schmerzensgeld. So zahlte der Global Player seinem im April 2010 ausgeschiedenen Finanz-Vorstand Klaus Kühn laut Geschäftsbericht 765.000 Euro „als Entschädigung für dieses Wettbewerbsverbot“.

BAYER gliedert Werksschutz aus
BAYER CROPSCIENCE hat am Stammsitz Monheim den Werksschutz ausgegliedert. Fortan übernehmen - wie bereits im Brunsbütteler BAYER-Werk - Beschäftigte des Sicherheitsunternehmens VSU diese Aufgabe. „Damit leisten wir einen Beitrag zur Verbesserung der Kosten-Situation an den rheinischen und niederrheinischen BAYER-Standorten“, so die Landwirtschaftssparte zur Begründung des Schrittes. Betriebsrat und Chemie-Gewerkschaft kritisieren die Maßnahme scharf. „Wir schätzen, dass die immerhin über eine formale Ausbildung verfügenden künftigen Werksschützer einen Stundenlohn zwischen zwölf und dreizehn Euro erhalten. Das liegt deutlich unter der niedrigsten Lohnstufe, in die zum Beispiel Produktionshelfer in der Chemischen Industrie eingestuft werden“, moniert der Betriebsratsvorsitzende Oliver Zühlke. Von „Lohndumping in stark sensiblen Tätigkeitsfeldern“ spricht er deshalb. Die 17 bisherigen WerksschützerInnen erhalten nach BAYER-Angaben andere Job-Angebote im Konzern.

Wenning EON-Aufsichtsratschef
Der ehemalige BAYER-Chef Werner Wenning wäre nach seiner Amtszeit am liebsten bruchlos Aufsichtsratsvorsitzender beim Leverkusener Multi geworden. Das erlauben jedoch die Gesetze nicht mehr. Also trainiert er bis zur Rückkehr an die alte Wirkungsstätte schon einmal bei anderen Konzernen. So leitet er seit 2010 den EON-Aufsichtsrat und sitzt bei der DEUTSCHEN BANK, HDI und TALANX in den Kontrollgremien. Darüber hinaus gehört er den Gesellschafter-Ausschüssen von HENKEL und BAYER Leverkusen an und ist Vize-Präsident des „Verbandes der Chemischen Industrie“.

Neues Projekt der BASIS-BETRIEBSRÄTE
Mitglieder der BASIS-BETRIEBSRÄTE, einer alternativen Gewerkschaftsgruppe im Leverkusener BAYER-Werk, haben das Projekt „Wechselwirkung LEV“ ins Leben gerufen. Es hat sich zum Ziel gesetzt, ein gemeinsamer Anlaufpunkt für Erwerbslose, prekär Arbeitende und regulär Beschäftigte in der Stadt zu werden. „Alle Leute, die unbequem sind, die raus sind aus dem Chemie-„Park“ oder in sonstiger Weise nicht der Gewerkschaft angepasst sind“, sollen dort nach den Worten des Mitinitiators Nikolaus Roth zusammenkommen. Auch der Zersplitterung der BAYER-Belegschaft, die sich inzwischen auf die unterschiedlichsten Tochter-Gesellschaften mit den unterschiedlichsten Arbeitsbedingungen verteilt und so die oppositionelle Betriebsratsarbeit erschwert, will Roth durch die „Wechselwirkung LEV“ entgegenwirken.

ERSTE & DRITTE WELT

Immer mehr Menschenversuche
BAYER & Co. gehen in immer früheren Test-Phasen dazu über, Medikamente an Menschen zu erproben. Die Pharma-Riesen wollen schneller belastbare Informationen über die Praxis-Tauglichkeit einer neuen Arznei erhalten und so Entwicklungskosten sparen. Als Reservoir für die Versuchsreihen dienen vornehmlich die Länder der „Dritten Welt“. Dort locken ein großes Reservoir an ProbandInnen, unschlagbare Preise, schnelle Verfahren und eine mangelhafte Aufsicht (SWB 2-3/10). Zu einem der beliebtesten Staaten für dieses Geschäft hat sich mittlerweile Indien entwickelt. BAYER lässt dort unter anderem das Multiple-Sklerose-Medikament BETAFERON, die Hautgeschwür-Arznei IMPAVIDO sowie vier Krebs-Präparate großflächig erproben.

Klagerecht für BAYER & Co.
Die Europäische Union schließt fleißig Freihandelsabkommen ab (SWB 2/11). Die Verträge mit Kolumbien, Peru und Südkorea sind schon unterschrieben, ein Abschluss mit Indien steht noch in diesem Jahr an. BAYER & Co. haben die Agenda der EU bei den Verhandlungen entscheidend mitbestimmt und profitieren entsprechend von den Ergebnissen wie strengere Patent-Regeln, freiere Marktzugänge, mehr Investitionsschutz, Gleichbehandlung mit inländischen Unternehmen und verbesserte Zugriffe auf Rohstoffe. Und jetzt geht die EU noch einen Schritt weiter. Sie räumt den Konzernen bei bilateralen Investitionsabkommen ein Klagerecht gegen Umwelt- und Sozialgesetze der Vertragspartner ein. „Diese Investitionsabkommen hebeln die Demokratie aus. Konzerne haben dadurch häufig mehr Rechte als Regierungen. Sie sind eine Gefahr für jede ökologische und soziale Politik und das öffentliche Interesse“, kritisiert deshalb Roland Süß von ATTAC.

POLITIK & EINFLUSS

Üppige Parteispenden des VCI
Der Leverkusener Multi spendet in der Bundesrepublik nicht selber an politische Parteien, um den Eindruck direkt gekaufter Entscheidungen zu vermeiden. Er überlässt diesen Job dem „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI). Die jüngst veröffentlichen Rechenschaftsberichte von CDU, SPD und FDP weisen für das Wahlkampf-Jahr 2009 üppige Zuwändungen von Seiten des Lobby-Clubs aus. Die ChristdemokratInnen bekamen 228.000 Euro, die Liberalen 118.000 Euro und die SozialdemokratInnen 56.000. Bündnis 90/Die Grünen und „Die Linke“ erhielten nichts.

Dekkers bei Merkel
Kaum hatte Marijn Dekkers beim Leverkusener Multi den Chef-Sessel übernommen, da machte er auch schon seinen Antrittsbesuch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Visite „diente dem gegenseitigen Kennenlernen, aber auch bereits der ersten Diskussion wichtiger politischer und wirtschaftlicher Fragen“, hielt BAYERs Propaganda-Postille direkt fest.

Yu Zhengsheng bei BAYER
Im April 2011 besuchte Yu Zhengsheng, der Parteisekretär von Shanghai, BAYERs Konzern-Zentrale in Leverkusen und sprach mit dem Vorstandsvorsitzenden Marijn Dekkers und anderen Managern über die Bauvorhaben des Global Players in China.

Krüger im Wissenschaftsministerium
Obwohl Nano-Teilchen eine asbest-ähnliche Wirkung entfalten können, hat die nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerin Svenja Schulze die neue Technologie zur Chef-Sache erklärt und fördert Forschung & Entwicklung in diesem Bereich mit 50 Millionen Euro bis 2050. Da bleiben wiederholte Treffen mit BAYER-ManagerInnen nicht aus. So lud sie im Mai 2011 den „Expertenkreis Nano-Technologie zu einem „Runden Tisch“ ins Wissenschaftsministerium ein, dem auch Péter Krüger von BAYER MATERIAL SCIENCE angehört. Zum Sinn und Zweck des Meetings erklärte dieser: „Die Nanotechnologie gehört zu den Zukunftsthemen schlechthin. Es wird erwartet, dass im Jahr 2015 die Eigenschaften von 15 bis 20 Prozent der weltweit produzierten Güter wesentlich durch Nano-Technologie bestimmt sein werden. Dabei liegt es auf der Hand, dass echte Entwicklungsoptionen über die Grenzen von rein technologischen und ökonomischen Aspekten hinaus gedacht werden müssen.“

SPDlerInnen bei BAYER
Im Januar besuchten hochrangige nordrhein-westfälische SPD-Landespolitiker das Bergkamener BAYER-Werk. Der Fraktionsvorsitzende Norbert Römer, der wirtschaftspolitische Sprecher Thomas Eiskirch und der Wahlkreis-Abgeordnete Rüdiger Weiß lobten trotz eines Kohlendioxid-Ausstoßes von acht Millionen Tonnen im Geschäftsjahr 2009 die Umweltschutz-Anstrengungen des Leverkusener Multis und versicherten dem Konzern ihren Beistand bei so umstrittenen Projekten wie der Kohlenmonoxid-Pipeline und Kohlekraftwerken. „Speziell forschungsorientierte Unternehmen geben vielfach positive Impulse für die gesamte Gesellschaft. Deshalb braucht die Politik gerade dort starke Partner“, so Römer.

Weiter Druck auf Remmel
Die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hatte bei ihrem Amtsantritt 2010 unter anderem ein Klimaschutz-Gesetz angekündigt - angesichts eines NRW-Anteiles an den bundesweiten Kohlendioxid-Emissionen von 33 Prozent eine überfällige Maßnahme. Nach einem ersten Entwurf nimmt sich Rot-Grün vor, den CO2-Ausstoß im Land bis 2020 um 25 Prozent und bis 2050 um 80 bis 90 Prozent zu senken. Ein Klimaschutzplan soll regeln, wieviel jede Branche noch emittieren darf und auch als Maßstab für die Bewilligung neuer Anlagen dienen. Sofort nach Bekanntwerden der Pläne brach ein Sturm der Entrüstung los (Ticker 2/11), der sich auch nicht mehr legte. So gab „Unternehmer NRW“, der Interessensverband von BAYER & Co., ein Gutachten in Auftrag, das in dem Paragraphen-Werk einen Verstoß gegen die Verfassung sah. Die politischen Interventionen verfehlen ihren Einfluss auf die SozialdemokratInnen nicht. Deren wirtschaftspolitischer Sprecher Thomas Eiskirch, gern gesehener Gast bei BAYER (s. o.), erklärte bereits: „Ein Klimaschutzziel von 80 bis 90 Prozent gibt es so im Gesetz nicht“. Das Vorhaben dürfte den Landtag also kaum ohne „Nachbesserungen“ passieren.

Voigtsberger bei BAYER
Der NRW-Wirtschaftsminister Harry Voigtsberger (SPD) besuchte die Zusammenkunft des nordrhein-westfälischen Chemie-Verbundes „ChemCologne“ im Leverkusener Baykomm und hielt dort einen Vortrag zum Thema „Bedeutung und Zukunft der Chemie-Industrie in NRW“.

Birgit Fischer neue VFA-Chefin
Die frühere BAYER-Angestellte Cornelia Yzer musste den GeschäftsführerInnen-Posten beim „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller (VFA), den der Leverkusener Multi mitgegründet hat, räumen (Ticker 2/11). Die Pharma-Riesen werfen ihr vor, die im Zuge des „Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittel-Marktes“ (AMNOG) beschlossene Erhöhung des Krankenkassen-Rabattes für neue Medikamente ebenso wenig verhindert zu haben wie ein Ende der Preisfindung nach Gutsherren-Art und eine Kosten/Nutzen-Bewertung für Medikamente. Ihr folgt die frühere SPD-Gesundheitsministerin von Nordrhein-Westfalen, Birgit Fischer, nach, die das AMNOG in ihrer früheren Position als Chefin der BARMER-Krankenkasse noch als zu industrie-freundlich kritisiert hatte. BAYER-Vorstand Wolfgang Plischke erklärte in seiner Funktion als VFA-Vorsitzender die überraschende Personalie mit der Notwendigkeit, den Dialog mit allen AkteurInnen der Gesundheitsbranche zu intensivieren. Der CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn vermutet indes ganz andere Motive hinter der Verpflichtung Fischers: „Da wettet ein Verband 30 Monate vor der Bundestagswahl gegen die amtierende Regierung auf einen Wechsel“.

Große Entrup „econsense“-Boss
Wolfgang Große Entrup ist der Umweltpolitiker des Leverkusener Multis. Er steht dem BAYER-Stab „Politik und Umwelt“ vor und leitet die Umweltkommission beim CDU-Wirtschaftsrat, den industrie-hörige ChristdemokratInnen in den 1960er Jahren präventiv aus Angst vor einem Linksschwenk Konrad Adenauers gegründet hatten. Seit kurzem hat Große Entrup noch einen Posten inne. Er hat den Chefsessel bei „econsense“ eingenommen, einer auf anti-ökologisches Lobbying spezialisierten Ausgründung des „Bundesverbandes der deutschen Industrie“.

Thomas sitzt „Plastics Europe“ vor
Patrick Thomas, der Chef von BAYER MATERIAL SCIENCE, hat den Vorsitz des Verbandes „Plastics Europe“ übernommen, der die Interessen der Kunststoff-Hersteller auf europäischer Ebene vertritt.

Agrar-Subventionen für Bauer BAYER
Die EU bedenkt den Leverkusener Multi seit geraumer Zeit üppig mit Agrar-Subventionen. 183.000 Euro strich der Konzern im letzten Jahr ein. Das Geld dürfte wie ehedem BAYERs Laarcher Hof in Monheim bekommen haben, der als klassischer Ackerbau-Betrieb firmiert, obwohl er nur eine Versuchsküche für die Pestizide des Konzerns ist.

BAYERs Griechenland-Geschäfte
Von dem Geld im zweistelligen Millionen-Bereich, das griechische Hospitäler ihm schuldeten, musste der Leverkusener Multi jüngst rund 20 Prozent abschreiben. Trotzdem will der Konzern auf diesen Markt auch künftig nicht verzichten, darum lässt er seinen KundInnen ab 2010 ein Jahr Zeit, ihre Rechnungen zu begleichen.
Andere bundesdeutsche Unternehmen warten ebenfalls auf Überweisungen aus dem südosteuropäischen Land, weshalb BAYER & Co. natürlich ein vitales Interesse an den Zahlungsfähigkeit gewährleistenden Milliarden-Krediten haben.

Politikbrief mit Prominenten
„Mit dem BAYER-Politikbrief ‚Beitrag‘ bringen wir unsere Expertise in die politische Debatte in Deutschland ein“, so charakterisiert der Leverkusener Multi Sinn und Zweck seiner Publikation, die sich an „politische Entscheider auf Bundes- und Landesebene sowie Wissenschaft, Wirtschaft und Medien“ wendet. Eine weitere Funktion der Veröffentlichung ist es, Personen mit einflussreichen Posten als AutorInnen zu gewinnen. So schreibt im neuesten Politikbrief mit Namen „re:source“ Achim Steiner vom Umweltprogramm der UN, dessen offizieller Partner BAYER ist, über den Klimagipfel von Kopenhagen. Hans-Jörg Bullinger, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft prophezeit: „In der Krise erneuert sich die Wirtschaft“ und Michael Vassiliadis von der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE unterbreitet den Lösungsvorschlag: „Mit Forschung und Sozialpartnerschaft aus der Krise“.

PROPAGANDA & MEDIEN

5,5 Mio. an Hämophilie-Verbände
Bluter-Verbände beschenkt BAYER reichlich, gilt es doch, vergessen zu machen, dass in den 90er Jahren Tausende Bluter an HIV-verseuchten Blutprodukten des Konzerns starben, weil das Unternehmen sein Präparat KOGENATE aus Kostengründen keiner Hitze-Behandlung unterzogen hatte. Von den 57 Millionen Euro, die der Leverkusener Multi 2010 für „wohltätige Zwecke“ ausgab, erhielten Hämophilie-Organisationen fast zehn Prozent: 5,5 Millionen Euro, wie BAYER-Chef Marijn Dekkers auf der Hauptversammlung im April 2011 bekannt gab.

Kraft zeichnet Baykomm aus
BAYER gehörte 2006 zu den Sponsoren der Kampagne „Land der Ideen“, welche die Fußball-Weltmeisterschaft dazu nutzte, um für den Industrie-Standort zu werben. Der PR-Betrieb hat die Ball-Treterei sogar überlebt und veranstaltet zum Beispiel noch den Wettbewerb „365 Orte im Land der Ideen“. Als einen dieser Orte haben die InitiatorInnen nun mit dem Baykomm das Kommunikationszentrum des Leverkusener Multis ausgezeichnet - sie wissen offenbar, was sie ihren Geldgebern schuldig sind. Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft überreichte die Auszeichnung und pries das Propaganda-Forum des Konzerns dafür, „Besucher jeglichen Alters mit Wissenschaft und Forschung vertraut zu machen“.

Dekkers kritisiert Sicherheitsdenken
BAYER-Chef Marijn Dekkers kritisiert das angeblich übertriebene Sicherheitsdenken in der Bundesrepublik. Die Reaktion auf die Atom-Katastrophe in Japan hält er für überzogen, und eine andere Risiko-Kultur, wie sie der BOSCH-Vorstandsvorsitzende Franz Fehrenbach gefordert hat, braucht es für die Chemie seiner Meinung nach nicht. Die Branche habe ihre Lektion seit Seveso und Bhopal gelernt, meint der Holländer - trotz der Großexplosion in BAYERs Bhopal-Referenzwerk Institute vom August 2008. Nur etwas kleinlaut räumte Dekkers ein: „Aber auch für uns gilt: Ein Restrisiko lässt sich leider niemals ganz ausschließen“. In der Gentechnik hat der Konzern damit schon Bekanntschaft machen müssen. Im Jahr 2006 suchte gentechnisch veränderter Langkorn-Reis des Gen-Giganten weltweit die Supermärkte heim. Trotzdem bekennt sich der Ober-BAYER weiterhin wacker zu dieser Technologie. „Weltweit haben Menschen inzwischen mehr als zwei Billionen Mahlzeiten mit gentechnisch veränderten Produkten verzehrt, ohne dass sie irgendwelche Schäden erlitten hätten“, so der Manager.

Dekkers für Forschungsförderung
Hatte schon der frühere BAYER-Chef Werner Wenning bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit für eine steuerliche Absetzbarkeit von Forschungsausgaben geworben, so erweist sich Marijn Dekkers als würdiger Nachfolger. In einem Handelsblatt-Beitrag forderte er die Politik angesichts der andernorts schon lange üblichen Forschungsförderung zum Handeln auf und sparte selbst mit Drohungen nicht: „Es liegt auf der Hand, dass solche Unterschiede auch bei Standort-Entscheidungen den Ausschlag geben können“. Umgekehrt wird für ihn kein Schuh draus: Dem Vorstoß der Bundesregierung, innerhalb der EU für einen Subventionsabbau auf diesem Sektor zu werben, kann Dekkers nichts abgewinnen.

BAYER „bester Apotheken-Partner“
Die Pharma-DrückerInnen des Leverkusener Multis leisten in den Pharmazien ganze Arbeit. Das sehen jedenfalls die ApothekerInnen so, die sich an der Umfrage des Branchenblattes PharmaRundschau beteiligten. Sie zeigten sich mit der persönlichen Betreuung durch die Außendienst-MitarbeiterInnen, dem Service und der Leistungsfähigkeit des Konzerns zufrieden und wählten den Pillen-Riesen in den Kategorien „Schmerzmittel“ und „Antipilzmittel“ zum „besten Apotheken-Partner“. Zweite Plätze gab es jeweils beim DiabetikerInnen-Bedarf, bei der Wund- und Brandversorgung sowie bei den Grippe- und Magen/Darmmitteln. Ein Grund für den innigen Bund dürften die hohen Preise der BAYER-Mittel sein, die den PharmazeutInnen hohe Margen versprechen. Im Fall von ASPIRIN hatten 11.000 von 21.000 bundesdeutschen Apotheken im Jahr 2007 sogar Kartell-Absprachen mit dem Pharma-Riesen getroffen und sich dazu verpflichtet, keine Billig-Angebote zu machen, wenn der Hersteller ihnen dafür im Gegenzug großzügige Rabatte gewährt. Darüber hinaus pflegt der Global Player die pharmazeutische Landschaft auch noch mit einem Schulungs- und Forschungszentrum.

BAYER VITAL stockt Werbeetat auf
BAYER VITAL, die für rezeptfreie Arzneien zuständige Abteilung des Leverkusener Multis, hat 2010 nach Angaben des Fachmagazins Healthcare Marketing allein in der Bundesrepublik mit 54,39 Millionen Euro bedeutend mehr für Reklame ausgegeben als im Vorjahr. Nur KLOSTERFRAU investierte mehr. TV-Werbung und Anzeigen in Publikumszeitschriften schluckten dabei den Löwen-Anteil des Etats, aber immerhin schon sieben Prozent der Aufwändungen flossen in den Online-Bereich.

GynäkologInnen preisen YASMIN
BAYER sponsert die kanadische GynäkologInnen-Gesellschaft großzügig. Zum Dank dafür griffen die MedizinerInnen beim Verfassen einer Aufklärungsschrift über Verhütungsmittel auf Werbematerial des Leverkusener Multis zurück. Sie übernahmen einzelne Passagen sogar wortwörtlich und priesen YASMIN & Co. als Mittel gegen Akne und Migräne. Über die Embolie-Gefahr, die von den Mitteln ausgeht - allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA registrierte in den letzten zehn Jahren 190 Sterbefälle - fand sich natürlich nichts in der Broschüre.

US-Star preist BEYAZ
Trotz zahlreicher Todesfälle setzt BAYER weiter auf Kontrazeptiva aus der YASMIN-Familie. Weil für die Präparate der Patentschutz ausläuft, bringt der Leverkusener Multi nun Varianten mit geringfügigen Abweichungen auf den Markt. So hat er in den USA für BEYAZ die Zulassung erhalten, das zusätzlich zu dem berühmt-berüchtigten YAZ-Wirkstoff Drospirenon noch Vitamine aus dem B-Komplex enthält, um einer angeblichen Unterversorgung bei späteren Schwangerschaften und daraus resultierenden Geburtsfehlern vorzubeugen. Für die Produkteinführungskampagne in den USA hat der Konzern die Schauspielerin und Moderatorin Vanessa Minnillo verpflichtet.

LoveGent wirbt für LEVITRA
Mit einem „Emag für den Gentleman 2.0“ wirbt BAYER im Internet für seine Potenz-Pille LEVITRA. Einschlägige Artikel auf LoveGent zu den Themen „Die schnelle Nummer“, „Männerspielzeug“ oder „Prostitution“ und der eingekaufte „Experten“-Rat von Prof. Dr. Frank Sommer sollen den Kundenstamm für sein Lifestyle-Präparat erweitern. Angaben zu den Risiken und Nebenwirkungen des Präparats wie temporärer Gedächtnisverlust, zeitweilige oder dauerhafte Hörschäden, Sehstörungen bis zum Sehverlust, Schwindel, Höhenangst, Kopfschmerzen, Nasenschleimhaut-Entzündungen, Grippe-Symptome sowie Gesichtsrötungen finden sich deshalb auf der Website nicht.

Etikettenschwindel mit „Was ist was“
Der vom Leverkusener Multi mitgegründete „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller“ nutzt die Popularität der Kindersachbuch-Reihe „Was ist was“, um Reklame für die Pharma-Riesen zu machen. „Was ist was - Wie entsteht ein Medikament?“ heißt das Machwerk ohne Risiken und Nebenwirkungen. In einer Auflage von 30.000 Exemplaren gedruckt, wollen BAYER & Co. damit vor allem Schulklassen beglücken; im offiziellen Buchhandel vertreibt es der TESSLOFF-Verlag nicht. „Die Pharma-Industrie ist sehr stark daran interessiert, eine wissensneutrale Marke wie ‚Was ist was‘ zu nutzen“, sagt die Verlagssprecherin zu dem Deal, der dem Haus durchaus „Bauchschmerzen“ bereitet habe.

Mehr Marketing, weniger Forschung
Aller Lippenbekenntnisse zur Wichtigkeit der Forschung zum Trotz erhöht der Leverkusener Multi die entsprechenden Ausgaben 2011 nicht. Er friert sie stattdessen bei 3,1 Milliarden Euro ein. Zudem nimmt der Konzern auch noch Umschichtungen im Etat vor und knappst mehr Geld für das Marketing ab. „Die neuen Produkte müssen schließlich auch verkauft werden“, so BAYER-Chef Marijn Dekkers. Die Westdeutsche Zeitung beschleichen da böse Ahnungen. „Bei der intensiveren Vermarktung von Medikamenten will er einen weiteren Schwerpunkt setzen. Das riecht nach Mauscheleien zwischen Pharma-Firmen, Ärzten und Apothekern. Davon sollte Dekkers lieber die Finger lassen“, schreibt das Blatt.

Mehr Arzneien für „Nutztiere“
„Während wir in der Vergangenheit den Hobbytieren größere Priorität eingeräumt haben, verstärken wir seit einigen Jahren wieder deutlich unser Engagement im Nutztier-Bereich“, sagt BAYERs Tiergesundheitschef Thomas Steffens. Zu diesem Behufe hat der Leverkusener Multi eine „Nutztier-Akademie“ gegründet mit Fortbildungsveranstaltungen für TierärztInnen und LandwirtInnen, ein neues Web-Portal aufgebaut und zu dem Podiumsgespräch „Gesunde Tiere, gesunde Lebensmittel“ mit „80 Meinungsbildnern aus Politik, Wissenschaft, Verbänden und Medien“ geladen.

Noch mehr „Global Compact“
Mit BAYER, DAIMLER/CHRYSLER, SHELL und 47 anderen Global Playern unterzeichnete der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan Ende Juli 2000 in New York den „Global Compact“, eine unverbindliche Vereinbarung zur Umsetzung internationaler Menschenrechts-, Sozial- und Umweltstandards (Ticker 4/00). Im Gegenzug berechtigt die Unterschrift BAYER & Co., mit dem UN-Emblem für Konzern-Produkte zu werben und so „Bluewashing“ zu betreiben. Mehrmals kritisierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN die Zusammenarbeit des „Global Compact“ mit BAYER, aber die Organisation stieß sich weder an Kinderarbeit bei den indischen Zulieferern des Multis noch an seinem Katastrophen-Management nach der Explosion im Instituter Werk. Und weil eine so verstandene Nachhaltigkeit den Unternehmen richtig Spaß macht, beschlossen sie auf ihrem jährlichen Klassentreffen beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos eine Ausweitung ihrer Nichtaktivitäten und starteten im Beisein von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon die Initiative LEAD.

BMZ fördert Kontrazeptiva-Absatz
„Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar“, sagte einst der ehemalige US-Präsident Lyndon B. Johnson über seine Vorstellung von „Entwicklungshilfe“. Zur großen Befriedigung BAYERs erfreut sich diese Ansicht auch heute noch großer Beliebtheit, die „gigantischen Fruchtbarkeitsmärkte“ in den armen Ländern versprechen nämlich gute Absatzchancen für die Verhütungsmittel des Konzerns. Um die Geschäftsaussichten für YASMIN & Co. noch ein wenig zu verbessern, sponsert das Unternehmen seit geraumer Zeit die „Deutsche Stiftung Weltbevölkerung“. Diese öffnet im politischen Berlin nämlich Türen. So hat der Pharma-Riese gemeinsam mit der Stiftung einen parlamentarischen Abend veranstaltet, an dem Gudrun Kopp (FDP), parlamentarische Staatssekretärin im Entwicklungshilfe-Ministerium, teilnahm. Und die Liberale brachte gleich die frohe Kunde mit, dass die Regierungskoalition 400 Millionen Euro „vor allem für Vorhaben zur Förderung der Familienplanung und Frauengesundheit“ bereitstellen will. Internationale Geld-Töpfe kann das Unternehmen ebenfalls anzapfen: Die UN bestellte jüngst Pillen für 25 Millionen Dollar beim Pharma-Riesen (Ticker 4/10).

Deutschland-Stipendium mit BAYER
Die PolitikerInnen flankierten die Einführung von Studien-Gebühren mit der Versicherung, gemeinsam mit der Wirtschaft Modelle zur Studien-Förderung zu entwickeln. Löhnen dürfen die Studierenden zwar mittlerweile, wenn auch einige Bundesländer das Bezahlsystem wieder abgeschafft haben, aber mit dem Studier-Sponsoring hapert es noch gewaltig. So kommen an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität gerade einmal 70 von 42.790 Immatrikulierten in den Genuss des so genannten Deutschlandstipendiums. Mit dieser Private-Public-Partnership zwischen Bundesforschungsministerium und Wirtschaftsunternehmen wollte Ministerin Annette Schavan eine „neue Ära der Stipendienkultur“ begründen, viel mehr als eine PR-Maßnahme für die ihre Portokasse öffnenden Konzerne sprang allerdings nicht dabei heraus. Mit gerade einmal 9.000 Euro engagiert sich BAYER in München. Eine „subventionierte Werbekampagne“ nennt das Webportal telepolis das Deutschland-Stipendium deshalb.

Neue „Pro Industrie“-Kampagne
Die massenhafte Kritik an Großprojekten wie der Kohlenmonoxid-Pipeline und Kohlekraftwerken hat den Leverkusener Multi dazu bewogen, eine Gegen-Kampagne zu starten. Der Konzern gehört zu den Mitinitiatoren der „Knechtstedener Erklärung“, die dem schlechten Image von BAYER & Co. im Raum Neuss/Dormagen entgegentreten will. „Die Akzeptanz in der Bevölkerung für unsere Industrie zu stärken und auszubauen, stellt das gemeinsame Ziel aller Beteiligten dar, damit unser Wohlstand auch in Zukunft erhalten werden kann“, heißt es in dem Papier.

TIERE & ARZNEIEN

Bakterien im Fleisch
Die in der Massentierhaltung massenhaft verwendeten Antibiotika von BAYER & Co. lassen immer mehr Krankheitserreger immun gegen die Mittel werden. Darum breiten sich Bakterien-Stämme im Fleisch stark aus. In den USA fanden ForscherInnen Ableger des Staphylococcus aureus in fast der Hälfte aller Proben. In Holland stießen WissenschaftlerInnen in 40 Prozent der Ställe auf Infektionsträger. Besonders in Schweinen siedelten sie sich gerne an; 80 Prozent der Tiere beherbergten Keime. Auslauf fanden diese dann allzu oft im Organismus von LandwirtInnen und Stallpersonal. Aber auch über die Nahrungskette können sie in den menschlichen Körper gelangen. Und es fällt immer schwerer, Staphylococcus & Co. dort unschädlich zu machen, denn die Antibiotika-Wirkstoffe aus der Human-Medizin haben für sie schon in den Tierfabriken ihren Schrecken verloren.

BAYCOX für Schafe
Die Behörden haben BAYCOX, BAYERs Mittel zur Therapie der von Parasiten ausgelösten Krankheit Kokzidiose, jetzt auch zur Behandlung von Schafen zugelassen. Laut Aussage des Konzerns genügt das Schlucken einer einzigen Dosis, „um die Kokzidiose erfolgreich zu bekämpfen und wirtschaftliche Schäden zu beschränken“.

Forschung an Altem
Forschung bei BAYER hat nicht unbedingt den Zweck, Neues zu entwickeln. Wenn der Ablauf der Patent-Laufzeit von Arzneien und damit Konkurrenz von Nachahmer-Präparaten droht, bemüht sich der Leverkusener Multi stets mit großem Aufwand, kleine Veränderungen in der Rezeptur oder der Verabreichungsform vorzunehmen, um erneut den lukrativen Schutz des geistigen Eigentums reklamieren zu können. „Schon heute geben wir rund ein Drittel unseres Forschungs- und Entwicklungsbudgets dafür aus, unser bestehendes Sortiment zu verteidigen“, sagt BAYERs Tiergesundheitschef Thomas Steffens.

DRUGS & PILLS

Todesfälle durch CIPROBAY
BAYERs Antibiotikum CIPROBAY mit dem Wirkstoff Moxifloxacin, der zur Gruppe der Fluorchinolone gehört, kann tödlich wirken. Die US-Gesundheitsbehörde FDA registrierte in den letzten zehn Jahren 1.000 Sterbefälle und 14.000 schwere Nebenwirkungen durch Arzneien aus dieser Medikamenten-Gruppe. Ihr englisches Pendant weist von Januar 2000 bis März 2011 46 Tode aus. Am häufigsten treten Gesundheitsschäden im Bereich der Sehnen, Knorpel, Muskeln und Knochen auf. Auch Störungen des Zentralen Nervensystems, die sich in Psychosen, Angst-Attacken, Verwirrtheitszuständen, Schlaflosigkeit oder anderen psychiatrischen Krankheitsbildern manifestieren, beobachten die MedizinerInnen. Darüber hinaus sind CIPROBAY & Co. für Herzinfarkte, Unterzuckerungen, Hepatitis, Autoimmun-Krankheiten, Leber- oder Nierenversagen und andere Organ-Schädigungen verantwortlich. In den USA musste der Leverkusener Multi deshalb bereits im Jahr 2008 Warnhinweise auf den Packungen anbringen.

Neue Studien bestätigen YASMIN-Risiko
Gleich zwei neue Studien aus Neuseeland und den USA haben BAYERs Verhütungsmittel YASMIN und anderen drospirenon-haltigen Pillen ein erhöhtes Thrombose-Risiko bescheinigt und damit die Ergebnisse älterer Untersuchungen bestätigt. Bis um den Faktor drei steigt unter YASMIN im Vergleich zu älteren Präparaten die Wahrscheinlichkeit, sich einen Venen-Verschluss zuzuziehen, so die WissenschaftlerInnen, die nur die Daten von Frauen ohne Vorerkrankungen und Belastungsfaktoren wie Übergewicht ausgewertet haben. Der Leverkusener Multi bescheinigt ihrer Arbeit trotzdem „bedeutende Mängel“.

Neuer YASMIN-Beipackzettel
Alles, was vom YASMIN-Skandal mit seinen über 190 Toten allein in den USA übrig bleibt, ist ein neuer Beipackzettel. Nachdem das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfARM) von BAYER verlangt hatte, in den Packungsbeilagen auf eine erhöhte Thrombose-Gefahr hinzuweisen, was der Pharma-Riese nach Informationen der SELBSTHILFEGRUPPE DROSPIRENON-GESCHÄDIGTER immer noch nicht umgesetzt hat, erhob nun auch die „Europäische Arzneimittelagentur“ (EMA) eine entsprechende Forderung. Die Auswertung zweier neuer Studien zu den Risiken und Nebenwirkungen (s. o.) von YASMIN & Co. hatte die Behörde dazu veranlasst.

XARELTO verursacht Blutungen
BAYERs ganze Hoffnungen in der Pharma-Sparte ruhen auf dem Medikament XARELTO (Wirkstoff: Rivaroxaban), das bisher EU-weit zur Thrombose-Vorbeugung bei schweren orthopädischen Operationen zugelassen ist. Wenn das Mittel zusätzlich noch Genehmigungen als allgemeines Therapeutikum gegen Venen-Thrombosen und als Mittel zur Schlaganfall-Prophylaxe bekommt, dann rechnet der Leverkusener Multi mit einem jährlichen Umsatz von mehr als zwei Milliarden Euro. Die Testergebnisse eröffnen allerdings keine allzu rosigen Zukunftsaussichten. Im Vergleich zur Thrombose-Standardmedikation schnitt das Mittel in puncto „Wirksamkeit“ nicht besser ab. Weniger Nebenwirkungen hatte es auch nicht. Einziger Vorteil: XARELTO „hat das Potenzial, für den Patienten angenehmer zu sein“ (O-Ton BAYER), weil es als Tablette verfügbar ist und nicht gespritzt werden muss. Schlaganfälle vermied das Präparat ebenfalls nicht häufiger als das Mittel der Wahl Warfarin, was dem BOEHRINGER-Konkurrenzprodukt PRADAXA sehr wohl gelang. Bei Hospital-PatientInnen mit internistischen Erkrankungen verursachte die Arznei mehr Blutungen als die Vergleichssubstanz Enoxaparin, weshalb der Pharma-Riese selbst einräumen musste: „kein konsistent positives Nutzen-Risiko-Profil“. Das Unternehmen will sich aber noch einmal über die Studien-Daten der KrankenhäuslerInnen beugen und die PatientInnen-Gruppen herausfiltern, bei denen XARELTO gut anschlug - um daraus doch noch einen neuen Absatzmarkt zu generieren.

Erica Mann leitet „Consumer Care“
Die Südafrikanerin Erica L. Mann leitet künftig BAYERs Gesundheitssparte „Consumer Care“, die Abteilung für rezeptfreie Medikamente. Mann kann sowohl auf einen Studienabschluss in Chemie als auch auf ein Diplom in Marketing-Management verweisen - eine Traumkombination für den Multi. Auch ihr Engagement bei Lobby-Organisationen wie dem südafrikanischen Verband der Pharma-Hersteller PMA oder dem „Internationalen Verband der Babynahrungs-Produzenten“ dürfte sie für höhere Aufgaben beim Pillen-Riesen empfohlen haben.

USA: GADOVIST-Zulassung erhalten
Der Leverkusener Multi hat für sein Röntgen-Kontrastmittel GADOVIST eine Zulassung in den USA erhalten. MedizinerInnen dürfen das Präparat künftig bei Magnetresonanz-Tomographien des zentralen Nervensystems einsetzen, obwohl die Anwendung mit Risiken behaftet ist. GADOVIST enthält nämlich - wie auch das andere BAYER-Kontrastmittel MAGNEVIST - Gadolinium, das bei Nierenkranken ein unkontrolliertes Wachstum des Bindegewebes mit Todesfolge auslösen kann. Mit 230 Klagen von Opfern oder deren Angehörigen (Stand: 1.2.11) sieht der Pharma-Riese sich deshalb konfrontiert. Auch die Aufsichtsbehörden haben das Gefährdungspotenzial bereits erkannt. So hat die Europäische Arzneimittel-Agentur EMEA jüngst strengere Auflagen für den Gebrauch solcher Medizinprodukte erlassen.

Pharma-Paradies Bundesrepublik
Während eine kleine Packung ASPIRIN in Griechenland nicht einmal einen Euro kostet, müssen VerbraucherInnen hierzulande dafür mehr als fünf Euro zahlen. „Der Hersteller BAYER orientiert sich an dem, was der Verbraucher bereit ist, dafür auszugeben - und schöpft natürlich das Maximum ab“, kritisiert der Gesundheitsökonom Gerd Glaeske die Preis-Politik des Pharma-Riesen, die sich nicht bloß auf seine Schmerzmittel beschränkt.

BAYERs Gesundheitsreform-Kosten
Noch immer erreicht kaum ein Wirtschaftszweig die Traum-Renditen der Pharma-Branche. Aber weltweit wird die Luft ein bisschen dünner, weil immer mehr Regierungen die Extra-Profite etwas beschneiden. Auf der Hauptversammlung im April 2011 bezifferte BAYER-Chef Marijn Dekkers die Verluste durch solche Maßnahmen im abgelaufenen Geschäftsjahr hierzulande auf 11 Millionen Euro und weltweit auf 165 Millionen. Für das laufende Jahr rechnet er mit Einbußen von 30 bzw. 300 Millionen Euro.

BAYER entwickelt Fett-Spritze
Der Leverkusener Multi will ein neues Lifestyle-Präparat auf den Markt bringen. Seine Tochtergesellschaft INTENDIS hat mit dem Unternehmen KYTHERA einen Vertrag zur Entwicklung einer Substanz geschlossen, die - unter die Haut gespritzt - kleinere Fettpolster auflösen soll.

Forschungskosten hochgerechnet
800 Millionen Dollar kostet die Entwicklung eines neuen Medikamentes laut Angaben der Pharma-Riesen. Diese Zahl, die das industrie-nahe „Tufts Center for the Study of Drug Development“ ermittelte, rechtfertigt nach Ansicht von BAYER & Co. die in der Branche üblichen hohen Umsatz-Renditen. Sie hat nur einen Schönheitsfehler: Sie stimmt nicht. Die US-ForscherInnen Rebecca Warburton und Donald Light haben einmal nachgerechnet und kommen nur auf 43,4 Millionen Dollar - eine um das 18fache niedrigere Summe. Das Tufts Center hat nämlich nur den eher seltenen Fall einer von der Grundlagen-Forschung bis zur Zulassung komplett von Big Pharma allein bewältigten Entwicklung zugrunde gelegt, mit einer viel zu hohen Zahl von Medikamenten-TesterInnen operiert und zu viele Test-Flops eingepreist. Und dann addierte das Institut auf den ermittelten Wert als „fiktive Kapitalkosten“ auch noch das hinzu, was die eingesetzten Millionen eingebracht hätten, wenn die Konzerne sie an der Börse investiert hätten statt in Arzneien.

Mehr Pharma-Kooperationen
Entgegen vollmundiger Bekundungen zur Stellung der Forschung im Unternehmen will BAYER-Chef Marijn Dekkers vermehrt Leistungen von außen zukaufen. „Wir wollen uns stärker als Partner für Pharma-Firmen positionieren, die ein Präparat in der späten Phase der klinischen Entwicklungen haben“, sagte er der Zeitschrift Capital.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Endosulfan-Verbot in Argentinien?
Jahrelang hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) den Leverkusener Multi aufgefordert, den in der Bundesrepublik schon längst verbotenen, besonders gefährlichen Pestizid-Wirkstoff Endosulfan auch in anderen Ländern nicht mehr zu vertreiben. Im vorletzten Jahr erklärte sich der Konzern endlich dazu bereit (SWB 3/09), nicht ohne jedoch noch einmal einen aggressiven Schlussverkauf zu veranstalten (siehe auch SWB 1/11). Jetzt aber scheinen die Stunden des Ultragifts endgültig gezählt. Die „Stockholmer Konvention“ hat sich nach harten Verhandlungen dazu durchgerungen, seinen 133 Mitgliedsstaaten eine Beschlussvorlage für einen weltweiten Bann vorzulegen. Und Argentinien hat bereits reagiert: Das Parlament muss sich mit einem Verbotsantrag beschäftigen.

Pestizide greifen Gehirn an
In einer Langzeitstudie haben französische WissenschaftlerInnen die Auswirkungen der Pestizide von BAYER & Co. auf neuronale Prozesse untersucht. Das Ergebnis ist schockierend: Bei dem Teil der 614 ProbandInnen, der über einen längeren Zeitraum hinweg Agro-Giften ausgesetzt war, ließen Gedächtnis- und Konzentrationsfähigkeit deutlich stärker nach als bei den in gesünderer Umgebung arbeitenden VersuchsteilnehmerInnen. „Frappierend“ nannte die Forscherin Isabelle Baldi diesen Befund.

EU lässt Carbendazim wieder zu
Im Jahr 2009 hatte die Europäische Union eine strengere Pestizid-Verordnung verabschiedet. Ab dem 14.6.11 sollten mit Glufosinat, Carbendazim, Mancozeb, Tebuconazole, Bifenthrin und Thiacloprid unter anderem sechs Wirkstoffe, die auch in BAYER-Mitteln enthalten sind, wegen ihrer besonderen Gefährlichkeit keine Zulassung mehr erhalten. Für Carbendazim, das der Leverkusener Multi unter dem Produktnamen DEROSAL vermarktet, macht Brüssel jetzt jedoch eine Ausnahme. Kurz vor Ablauf der Frist gewährte die EU-Kommission dem Ackergift eine Zulassungsverlängerung. Es gäbe „annehmbare Anwendungen“, erklärte sie und berief sich dabei ausgerechnet auf Studien der Agro-Riesen sowie auf eine Expertise der von Industrie-VertreterInnen durchsetzten „Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit“ (siehe auch TICKER 2/11).

GENE & KLONE

USA: BAYER kontrolliert sich selbst
In den USA dürfen BAYER & Co. die Umweltverträglichkeitsprüfungen für ihre Genpflanzen künftig selber durchführen. Das Landwirtschaftsministerium hat das zunächst auf zwei Jahre befristete Pilot-Projekt gestartet, weil es die Selbstkontrolle für „schneller, effizienter und kostengünstiger“ hält. Nur gar keine Tests wären noch ökonomischer.

Bt im menschlichen Körper
BAYER & Co. haben in viele ihrer Pflanzen-Arten mittels gentechnischer Verfahren den Bacillus thuringiensis (Bt) eingeschleust, um Schadinsekten abzutöten. Das Gift bleibt jedoch nicht in den Laborfrüchten. So wiesen ForscherInnen Rückstände im menschlichen Körper und sogar im Leib von Ungeborenen nach. Die Behauptung der Industrie, der Bazillus würde durch die Magensäfte zersetzt, entpuppte sich damit als Mär.

Genreis-Kooperation mit BASF
Der Genreis-Skandal von 2006 - damals tauchte eine nicht zugelassene Art weltweit in Supermarkt-Packungen von UNCLE BEN & Co. auf - hält BAYER nicht davon ab, weiterhin auf dieses Produkt zu setzen. Ende 2010 gab er eine Kooperation mit BASF bekannt. Die beiden Konzerne wollen aus BAYERs hybrider, also nicht für die Wiederaussaat geeigneter Sorte ARIZE und ertragssteigernden Genen made by BASF eine neue Reis-Pflanze kreieren.

Kooperation mit DUPONT
Schadinsekten gewöhnen sich zunehmend an die Pestizide, welche die Hersteller im Kombipack mit ihren gegen diese Wirkstoffe resistenten Genpflanzen verkaufen. Deshalb gehen BAYER & Co. nach der Devise „Doppelt hält besser“ immer mehr dazu über, ihre Sorten gleich gegen mehrere Agrochemikalien immun zu machen und gewähren sich gegenseitig Zugriff auf ihre Technologien. Nach Lizenzabkommen mit MONSANTO, SYNGENTA und DOW AGRO SCIENCES hat der Agro-Riese nun schon den zweiten Vertrag mit DUPONT geschlossen. Nach dieser Vereinbarung kann der zu PIONEER HI-BRED gehörende Konzern künftig BAYERs gegen das Herbizid Glufosinat resistente LIBERTY-LINK-Kreation nutzen und der Leverkusener Multi im Gegenzug bestimmte Raps-Zuchten von DUPONT.

Kooperation mit SYNGENTA
Nicht nur Schadinsekten (s. o.), sondern auch Unkräuter gewöhnen sich immer schneller an das Pestizid-Einerlei, mit dem die LandwirtInnen ihre Genpflanzen bearbeiten müssen. Darum strebt der Leverkusener Multi auf diesem Gebiet ebenfalls Kooperationen an. So will er mit SYNGENTA eine Soja-Art entwickeln, die gleichzeitig gegen die BAYER-Herbizide BALANCE (Wirkstoff: Isoxaflutole) und LAUDIS (Wirkstoffe: Isoxadifen-ethyl und Tembotrione) sowie gegen das SYNGENTA-Mittel CALLISTO immun ist. Mit dem neuen Präparat rechnen sich die beiden Agro-Riesen nun Chancen bei LandwirtInnen aus, „die zunehmend mit Problemen durch resistentes Unkraut konfrontiert sind“.

Gen-Baumwolle nicht zugelassen
Die AgrarministerInnen der Europäischen Union konnten sich nicht darauf verständigen, BAYERs gegen das Anti-Unkrautmittel Glyphosate resistenter Gentech-Baumwolle „GHB 614“ eine Import-Genehmigung zu erteilen. Eine endgültige Entscheidung fällt nun die EU-Kommission.

PFLANZEN & SAATEN

BAYER kauft HORNBECK
Der Leverkusener Multi hat das US-amerikanische Saatgut-Unternehmen HORNBECK erworben. Der Konzern stärkt damit nach eigener Aussage vor allem das Geschäft mit Soja-Bohnen weiter, denn HORNBECK hatte für diese Ackerfrucht ein eigenes Zuchtprogramm entwickelt.

Neues Saatgut-Labor in Singapur
Der Leverkusener Multi baut sein Saatgut-Geschäft kontinuierlich aus (s. o.). Im Zuge dieser Strategie hat er jetzt in Singapur ein neues Saatgut-Forschungslabor eröffnet. In dem 20 Millionen Euro teuren Bau will der Konzern an neuen Sorten basteln, die Schadinsekten sowie anderem Unbill besser trotzen, einen höheren Nährwert haben und sich leichter lagern und verarbeiten lassen.

WASSER, BODEN & LUFT

Genpflanzen-Gift im Wasser
Haben die LandwirtInnen ihre Mais-Felder abgeerntet, so landen viele Reste wie Stängel, Blätter oder Kolben in den Flüssen. Handelt es sich dabei um Gen-Mais, der mit dem Gift des Bacillus thuringiensis (Bt) bestückt ist, wie etwa BAYERs Sorte T25, dann kommt dabei auf die Gewässer viel Unbill zu. US-WissenschaftlerInnen untersuchten Wasser in der Nähe der Mais-Äcker und wiesen in 23 Prozent aller Proben die Bt-Substanz nach.

CO2 als Rohstoff?
Im Februar 2011 nahm BAYER eine Pilotanlage in Betrieb, die den Einsatz von Kohlendioxid als Rohstoff zur Kunststoff-Herstellung erprobt. Der Pharma-Riese feiert dieses gemeinsam mit RWE und der „Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen“ betriebene Projekt „Dream Production“ als eine Großaktion zur Rettung des Klimas. ExpertInnen beurteilen solche Versuche skeptischer. „Die stoffliche Nutzung kann keine riesigen Mengen binden, weil wir einfach viel, viel mehr Kohlendioxid freisetzen“, sagt etwa der Chemie-Ingenieur Arno Behr von der „Technischen Universität Dortmund“ (Ticker 1/10). Als der BAYER-Manager Peter Vanacker in einem Interview gefragt wurde, wieviel CO2 die „Dream Production“ dem Recycling denn zuführe, gab er sich dann auch kleinlaut: „Genaue Zahlen möchten wir nicht veröffentlichen“.

Neue Abwasser-Behandlungsanlage
Die größere Auslastung des Bergkamener BAYER-Werkes seit 2004 hat auch das Volumen der Produktionsrückstände erhöht. Das machte den Ausbau der Abwasser-Behandlungsanlage unvermeidlich. Nach Angaben des Konzerns wäscht sie so rein, dass das Unternehmen das Wasser anschließend direkt in die Lippe einleiten kann. Auch vor Lecks sollen die Becken durch die Verwendung massiverer Werkstoffe wie Beton und mehr Kontrollmöglichkeiten besser geschützt sein.

Quecksilber-Ausstoß: 11,5 kg
Seit einiger Zeit führt der Leverkusener Multi in seinen Nachhaltigkeitsberichten den Quecksilber-Ausstoß nicht mehr an und macht nur noch Angaben zu den Schwermetall-Emissionen insgesamt. Auf der Hauptversammlung im April 2011 nach den konkreten Zahlen gefragt, gab BAYER-Chef Marijn Dekkers die Menge des in die Gewässer eingeleiteten Ultragiftes mit 11,5 Kilogramm an.

PCB is coming home
BAYER gehörte lange zu den Hauptherstellern von Polychlorierten Biphenylen (PCB), einer Krebs erregenden Chlorverbindung. Erst 1983 hat der Konzern die Produktion des Ultragiftes eingestellt, das unter anderem als Weichmacher in Kunststoffen, Kühlmittel und Isoliermaterial Verwendung fand. Aber die gesundheitsschädlichen Folgen der Chemikalie machen sich immer noch bemerkbar. So ergab eine Untersuchung von Beschäftigten der Dortmunder Entsorgungsfirma ENVIO eine hochgradige PCB-Kontamination. 95 Prozent der Belegschaft wiesen Konzentrationen im Blut auf, die bis zum 25.000fachen über dem zulässigen Grenzwert lagen. Das ENVIO-PCB landete schließlich wieder beim Absender - in den Verbrennungsöfen des Leverkusener Multis, wie BAYER-Chef Marijn Dekkers auf der Hauptversammlung im April 2011 der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN bestätigte.

BAYER will mehr Müll verheizen
Der mehrheitlich BAYER gehörende Chemie„park“-Betreiber CURRENTA möchte am Standort Krefeld die Preise für die Energie-Gewinnung senken und plant deshalb, 16.000 Tonnen Müll anstelle von Steinkohle zu verheizen. Was das Unternehmen als Recycling-Maßnahme zur Schonung der Umwelt verkauft, erweckt den Zorn der städtischen Grünen. „Die von CURRENTA großmundig propagierte Linie, mit der Erhöhung der Müllverbrennung werde die Energie-Erzeugung im Unternehmen umweltfreundlicher, entbehrt bei genauem Hinsehen jeder Grundlage“, kritisiert der Ratsherr Rolf Rundmund angesichts des erhöhten Schadstoff-Ausstoßes durch die Reste-Verwertung.

Altlast in Newburgh
Von den 1950er bis 1970er Jahren lud die STAUFFER CHEMICAL COMPANY auf einer städtischen Deponie nahe Newburgh Fässer mit Polychlorierten Biphenylen, Chrom, Blei und anderen Giftstoffen ab. Lange schon halten viele Behältnisse den Chemikalien nicht mehr stand. Durch Lecks gelangten die Substanzen in den Boden. Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA wies BAYER und DUPONT als Nachfolger von STAUFFER an, die Müllhalde zu sanieren. Anderthalb Jahre werden die Arbeiten mindestens in Anspruch nehmen.

NANO & CO.

Nano-Kooperation mit HYPERION
Nano-Teilchen können eine asbest-ähnliche Wirkung entfalten, zu den Zellkernen vordringen oder die Blut/Hirn-Schranke überwinden. Trotz dieser Risiken und Nebenwirkungen setzt der Leverkusener Multi auf die Technologie und geht auf internationaler Ebene Kooperationen ein, um seine BAYTUBES-Röhrchen auf den Weltmarkt zu bringen. So hat der Global Player eine Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen Unternehmen HYPERION vereinbart. Da große Industrie-Zweige wie die Fahrzeug- und Flugzeug-Branche sich zu BAYERs Leidwesen den neuen Materialien gegenüber noch wenig aufgeschlossen zeigen (Ticker 2/11), will der Konzern mit seinem US-amerikanischen Partner nun künftig selber Produkte auf Basis von Nano-Röhrchen entwickeln, um mit den Prototypen das Geschäft anzukurbeln.

Nano-Teilchen töten Wasserflöhe
Immer mehr Alltagsprodukte enthalten Nano-Partikel, also mikroskopisch kleine Stoff-Komponenten. So befinden sich in Sonnenmilch Nano-Teilchen aus Titandioxid. Und diese Winzlinge können Mikro-Organismen schaden, deren Entwicklungsprozess noch nicht abgeschlossen ist. Das haben ForscherInnen des Institutes für Umweltwissenschaften der Universität Koblenz-Landau festgestellt. Sie gaben die Sonnenmilch ins Wasser und beobachteten, wie Wasserflöhe darauf reagieren. Das Ergebnis: „90 Prozent der Tiere starben“, so Studienleiter Ralf Schulz. Das Titandioxid setzte sich auf der Chinin-Hülle der Flöhe fest und verhinderte ihre Häutung. Welche Wirkung die in den Naturkreislauf eingespeisten Kleinstteilchen von BAYER & Co. auf andere Lebenwesen und Pflanzen haben, vermochten die WissenschaftlerInnen nicht zu sagen. „Hier besteht noch ein enormer Forschungsbedarf“, meint Schulz.

CO & CO.



Gericht stoppt CO-Pipeline
Das Düsseldorfer Verwaltungsgericht hat am 25. Mai 2011 die Inbetriebnahme von BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline wegen ihrer mangelnden Erdbeben-Sicherheit untersagt. Es erklärte den Planfeststellungsbeschluss zu der zwischen Dormagen und Krefeld verlaufenden Kohlenmonoxid-Pipeline für „rechtswidrig und vorerst nicht vollziehbar“. Die Anti-Pipeline-Initiativen werteten das Urteil als „Etappen-Sieg“. Am Ziel wähnen sie sich aber noch nicht. Die JuristInnen haben nämlich die Rechtmäßigkeit der Enteignungen entlang des Streckenverlaufes bestätigt, welche die staatlichen Stellen mit den höheren, dem Allgemeinwohl dienenden Zwecken des Leitungsverbundes begründet hatten. Zudem haben sie den Streckenverlauf trotz bestehender Alternativen abgesegnet und sich auch nicht an den teilweise schon rostenden Bau-Teilen gestört. Darum wollen die Anwohner, die gegen ihre Zwangsenteignung geklagt hatten, das Urteil nicht akzeptieren und in Berufung gehen.

PLASTE & ELASTE

Unsichere BMS-Zukunft
Obwohl BAYER-Chef Marijn Dekkers sich bei seinem Amtsantritt zur Kunststoff-Abteilung BAYER MATERIAL SCIENCE bekannt hatte, bleiben selbst führende ManagerInnen skeptisch. „Ich glaube nicht, dass ich meine Rente noch unter dem Namen BAYER beziehe“, vertraute eine führende BMS-Kraft der Financial Times Deutschland schon im letzten Herbst an. Dabei hatte Dekkers da noch gar keine Zweifel an seiner Treue zu „Plaste & Elaste“ aufkommen lassen. „Wenn aber für eine sehr große Akquisition ein bedeutender Geldbetrag aufgebracht werden muss, so wären wir bei dieser extremen Option bereit, eine Sparte zu veräußern“ - dieses Statement gab der Vorstandsvorsitzende erst ein paar Monate später ab.

Öl-Kosten steigen
Erdöl stellt für die Chemie-Konzerne die mit Abstand wichtigste Rohstoff-Quelle dar. Der Leverkusener Multi braucht das „Schwarze Gold“ vor allem für seine Kunststoff-Produktion. Die zunehmende Knappheit der Ressource und die Entwicklungen in Nordafrika haben zu einem kräftigen Preisanstieg geführt, dessen Folgen der Pharma-Riese genau beziffern kann: Steigen die Kosten für einen Barrel Öl um zehn Dollar, so schlägt das beim Global Player mit einer Mehrbelastung von 200 Millionen Euro zu Buche.

PRODUKTION & SICHERHEIT

Berufskrankheiten 2010: 13 Fälle
Seit langem macht der Leverkusener Multi in seinen Nachhaltigkeitsberichten keine Angaben mehr zu den von den Berufsgenossenschaften anerkannten Berufskrankheiten. Die letzten Informationen dazu stammen aus dem Jahr 2000. Damals waren es 130 Erkrankungen, die meisten von Asbest oder Lärm-Exposition ausgelöst. Auf der Hauptversammlung im April 2011 nach den aktuellen Zahlen gefragt, führte BAYER-Chef Marijn Dekkers drei Fälle in der Bundesrepublik und zehn im Rest der Welt an. So wenige dürften es jedoch kaum sein.

STANDORTE & PRODUKTION

Weniger Geld für Sport und Kultur
Im Zuge seines im November 2010 beschlossenen Rationalisierungsprogramms, das 4.500 Arbeitsplätze vernichtet (siehe auch SWB 2/11), will BAYER nach Informationen der Gewerkschaft IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE auch sein Sport- und Kultursponsoring reduzieren.

BAYER investiert in Wuppertal
Der Leverkusener Multi investiert 2011 in seinen Standort Wuppertal 95 Millionen Euro. Das Geld fließt in neue Forschungs- und Produktionsanlagen, ein Blockheizkraft-Werk und den Ausbau bereits existierender Fertigungsstätten. Die teuerste Einzelinvestition stellt mit einem Volumen von 35 Millionen Euro die Errichtung des Technikums „Zellbiologie“ dar, in dem der Pharma-Multi biologische Wirkstoffe für klinische Tests herstellen will.

BAYER baut in Dormagen
Der Chemie-Multi errichtet in Dormagen ein Technikum zur Erprobung neuer Verfahrensweisen bei der Produktion der Kunststoffe Toluylendiisocyanat (TDI) und Diphenylmethandiisocyanate (MDI). Alternativen zur ultra-gefährlichen Basis-Substanz Phosgen (siehe AKTION & KRITIK) sucht der Leverkusener Multi allerdings nicht.

Leverkusen in Finanznot
Im Frühjahr verkündete BAYER den größten Umsatz in der Firmen-Geschichte. An der Stadt Leverkusen geht dieser Geldregen allerdings vorbei. Sie muss einen Gewerbesteuer-Rückgang von über zehn Millionen Euro auf 72 Millionen Euro hinnehmen und sieht sich zu einem umfassenden Sparprogramm gezwungen.

Kooperation mit Duisburger Hafen
BAYERs Chemie-„Park“ in Uerdingen und die Duisburger Hafengesellschaft DUISPORT haben eine Zusammenarbeit vereinbart. Der Leverkusener Multi will künftig 50 Prozent der Kapazität des Container-Terminals nutzen, den DUISPORT in Hohenbudberg baut, und so mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene verlagern.

Neue Anlage in Ankleshwar
BAYER hat im indischen Ankleshwar eine neue Fertigungsstätte zur Produktion von Polyisocyanaten in Betrieb genommen, die als Basismaterial zur Herstellung von Lacken, Kleb- und Dichtstoffen dienen. Mit mehr als 5.000 Anlagen gehört die Stadt zu den größten Chemie-Clustern in ganz Asien. Das indische „Central Pollution Control Board“ stuft Ankleshwar deshalb als giftigste Region des ganzen Landes ein. Der Leverkusener Multi trägt nicht wenig dazu bei. Er betreibt an dem Ort nämlich auch noch sieben Pestizid-Fabriken. In einer von ihnen brach im letzten Jahr ein Feuer aus, was einen Ingenieur das Leben kostete (Ticker 2/10). Welches Sicherheitsrisiko diese Produktion darstellt, war schon vorher bekannt. So hatte das Umweltministerium der Region Gujarat bereits seit längerem eine Stilllegung gefordert.

IMPERIUM & WELTMACHT

Hilken neuer CURRENTA-Leiter
Günter Hilken hat von Klaus Schäfer die Leitung des Chemie„park“-Betreibers CURRENTA übernommen, der in Besitz des Leverkusener Multis und seiner Chemie-Abspaltung LANXESS ist.

BAYER übernimmt HORNBECK
BAYER hat das US-amerikanische Saatgut-Unternehmen HORNBECK gekauft (siehe auch PFLANZEN & SAATEN).

Chinas Fünfjahresplan lockt
China will mit seinem neuen Fünfjahresplan den Lebensstandard seiner Bevölkerung weiter anheben, um sozialen Unruhen vorzubeugen. Der Staat hat sich unter anderem die Erhöhung der Mindestlöhne, die Angleichung der Unterschiede zwischen Stadt und Land sowie Investitionen in den Umweltschutz vorgenommen. Und der Leverkusener Multi findet Gefallen an dieser Planwirtschaft. „Ob beim Ausbau der Infrastruktur oder der umweltfreundlichen Energie-Versorgung - BAYER hat die passenden Angebote“, frohlockt China-Chef Michael König.

ÖKONOMIE & PROFIT

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Steuerlast sinkt kontinuierlich
BAYER zahlt immer weniger Abgaben. Beliefen sich die Ertragssteuern zwischen 1997 und 2000 noch auf rund eine Milliarde Euro, so zahlte der Konzern für das Geschäftsjahr 2009 bloß noch 511 Millionen Euro und für 2010 gar nur noch 411 Millionen Euro. Dazwischen lag der Wechsel von BA

[Ticker] STICHWORT BAYER 02/2011 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Kritik an Nano-Grenzwerten
Nano-Partikel, wie sie bei der Produktion von BAYERs Nanotubes anfallen, können über die Atemwege in den menschlichen Organismus gelangen und dort einen ähnlichen Schaden anrichten wie früher Asbest-Fasern. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und der BUND haben deshalb den beim Konzern geltenden Grenzwert von 0,05 mg pro Kubikmeter Raumluft als zu hoch kritisiert. Dabei erfuhren die Verbände Unterstützung vom renommierten Arbeitsmediziner Prof. Dr. Rainer Frentzel-Beyme. „Der von der Firma BAYER empfohlene Grenzwert ist angesichts des Fehlens epidemiologischer Daten als völlig willkürlich anzusehen. Die vom NRW-Umweltministerium vorgelegte Empfehlung ist daher als realitätsfern und industriefreundlich abzulehnen“, erklärte Frentzel-Beyme.

Windeler will andere Arznei-Studien
Der neue Leiter des „Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWIG), Jürgen Windeler, hat sich gegen die gängige Methode, bei Arznei-Tests die neuen Mittel mit Placebos zu vergleichen, gewandt. Nach Ansicht Windelers müssten sich die Innovationen von BAYER & Co. vielmehr der Konkurrenz der bisher etablierten Pillen stellen. „Wenn es Standard-Methoden gibt, ist es sinnvoll, ein neues Verfahren gegen die Standard-Methode zu untersuchen, sich für den Zusatznutzen zu interessieren. Da tun sich natürlich Anbieter schwer, wenn es bei diesen Standard-Therapien um unmittelbare Konkurrenz-Produkte einer anderen Firma geht“, sagte er dem Deutschen Ärzteblatt. Von den unlängst eingeführten Nutzenbewertungen für Medikamente verlangte er, wirklich belastbare Fakten über die Verbesserung der Lebensqualität und das Sinken der Sterblichkeitsrate zu liefern, statt den Wirksamkeitsnachweis einfach nur über Laborwerte zu führen. Auch die bei BAYER sehr beliebten Anwendungsuntersuchungen dürften nicht in die Beurteilung einfließen. Diese Beobachtungsstudien, bei denen die Pharma-Multis ÄrztInnen Geld für das Ausfüllen eines kleinen Fragebogens bezahlen, das in Wirklichkeit als Prämie für Neuverordnungen des Medikaments dient, hält Windeler für reine Werbeveranstaltungen. „Anwendungsbeobachtungen sind Marketing und für die Nutzenbewertung nicht brauchbar“, so der IQWIG-Chef.

BUKO kritisiert BAYER-Werbung
Der Pharma-Brief Spezial „Schöne neue Pharmawelt“ der BUKO PHARMA-KAMPAGNE widmet sich den kruden Marketing-Methoden der Pillen-Multis und kritisiert in diesem Zusammenhang auch BAYERs Testosteronpillen-Reklame. Die Website www.testosteron.de wirbt dem BUKO zufolge bei Männern ab 40 für Hormon-Präparate als Allheilmittel gegen nachlassende Libido, Müdigkeit und Unkonzentriertheit, obwohl die Wirksamkeit nicht belegt und die Langzeitrisiken nicht systematisch erforscht sind. Die Seite www.get-back-on-track.com betreibt der Leverkusener Multi dagegen nicht mehr. Ob das an der Kritik der Zeitschrift Gute Pillen - schlechte Pillen lag oder am Einschreiten der Aufsichtsbehörden, vermochten die Pharma-KritikerInnen nicht zu sagen, nur dass der Konzern unter der Adresse www.devultaenlajugada.com (Zurück ins Spiel) Lateinamerikanern in den besten Jahren immer noch mit ähnlichen Methoden einzureden versucht, an Testosteron-Mangel zu leiden. Wie unverantwortlich ein solches Vorgehen ist, zeigte sich vor kurzem in den USA. Dort mussten WissenschaftlerInnen eine Testosteron-Studie abbrechen, weil Probanden Herz/Kreislauf-Probleme bekommen hatten und eine Testperson sogar an einem Herzinfarkt gestorben war (SWB 1/11).

Verlängerte Werkbank Bitterfeld
Der Leverkusener Multi hält seine Bitterfelder, Jenaer und Weimarer Werke für einen Teil der blühenden Pharma-Landschaft in den neuen Bundesländern. Für Karl-Heinz Paqué, Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Magdeburg, stellt die Niederlassung aber nur eine verlängerte Werkbank BAYERs dar, von der keine Innovationskraft ausgeht. „Natürlich sind viele Industrie-Ansiedlungen zunächst einmal nicht mehr als moderne Produktionsstätten für Standardisiertes. Der BAYER-Konzern lässt im Osten ASPIRIN herstellen. An neuen Pharma-Produkten geforscht wird aber in Leverkusen“, mit diesen Worten kritisierte der Forscher die nicht nur vom Pharma-Riesen praktizierte ost-westliche Arbeitsteilung.

Tierversuch statt Tiermodell
Eine Leserbrief-Schreiberin kritisierte den verharmlosenden Ausdruck „Tiermodell“, mit dem der Leverkusener Multi Tierversuche umschreibt. „Die weitaus unpassendere Wortwahl liegt in dem Begriff ‚Tiermodelle‘, der in der Aussage des Pharma-Konzerns BAYER zitiert wird - BAYER vermeidet es eindeutig, die Forschungen als das zu bezeichnen, was sie sind, nämlich Tierversuche“, heißt es in der Zuschrift an die Braunschweiger Zeitung.

NABU-Kritik an Bienenmonitoring
Im Jahr 2004 startete ein Projekt zur Untersuchung des Bienensterbens, getragen zur einen Hälfte von BAYER und anderen Pestizid-Herstellern und zur anderen von Bundeswirtschaftsministerium, Bieneninstituten und ImkerInnen-Verbänden. Bei der Zusammensetzung der Beteiligten wenig überraschend, stellte der 2011 erschienene Abschlussbericht des „Deutschen Bienenmonitorings“ die Varroa-Milbe als Hauptursache der Dezimierung der Völker dar und nicht etwa Agrochemikalien. Dazu waren allerdings einige wissenschaftliche Verrenkungen nötig, wie die Umweltinitiativen NABU und BUND kritisieren. „Das gegenwärtig in der Bundesrepublik durchgeführte Bienenmonitoring ist nicht in der Lage, die wahren Ursachen des Bienensterbens aufzudecken. Zu wenige Bienenvölker wurden für die Untersuchungen ausgewählt, die Anwendung von Pestiziden auf den anliegenden Feldern wird erst gar nicht untersucht und die statistischen Methoden sind wissenschaftlich zweifelhaft. Das ist schlechte Wissenschaft“, so NABU-Vizepräsident Christian Unselt.

KAPITAL & ARBEIT

Sparprogramm: neue Details
BAYER hat neue Details der im November 2010 annoncierten Rationalisierungsmaßnahme bekannt gegeben, die 4.500 Beschäftigte ihre Jobs kostet (siehe auch SWB 2/11). Unter den 700 Stellen-Streichungen in der bundesrepublikanischen Pharma-Sparte hat die SCHERING-Belegschaft am meisten zu leiden. Sie muss die Vernichtung von 500 Arbeitsplätzen verkraften. BAYERs US-amerikanische Pillen-Sparte steht ebenfalls vor gravierenden Einschnitten. So stehen bei MEDRAD, der Tochterfirma für Medizinprodukte, 60 bis 70 Jobs zur Disposition. Zudem plant der Multi an der Ostküste ein neues Pharma-Zentrum, was die Existenz der anderen sechs Standorte in der Region bedroht. Der US-Ableger von BAYER CROPSCIENCE entsorgt derweil 300 Arbeitsplätze und schreckt dabei nicht einmal vor Werksschließungen zurück. Unter anderem macht er die Pestizid-Anlage in Woodbine (Georgia) dicht.

CGZP keine Gewerkschaft
Der Leverkusener Multi beschäftigt hunderte von LeiharbeiterInnen. Teilweise arbeiteten diese nach dem von der „Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen“ (CGZP) abgeschlossenen Tarifvertrag zu einem Gotteslohn von 5,20 Euro brutto (SWB 4/08). Der DEUTSCHE GEWERKSCHAFTSBUND hält diese Gewerkschaft mangels Masse organisierter LeiharbeiterInnen allerdings für nicht tariffähig und zog vor Gericht. Anfang Januar 2011 gaben die RichterInnen dem DGB Recht und erkannten der CGZP den Gewerkschaftsstatus ab. Die CGZP-LeiharbeiterInnen bei BAYER haben deshalb ab sofort Anspruch auf Bezahlung nach dem normalen Chemie-Tarif. Die Verleihfirmen müssen derweil Sozialbeiträge nachzahlen, und sollte es einige Unternehmen inzwischen nicht mehr geben, steht der Pharma-Riese als Entleiher in der Pflicht.

Nur noch 904 Lehrlinge
Die Zahl der beim Global Player eine Lehre beginnenden Jugendlichen ist in den letzten 20 Jahren kontinuierlich zurückgegangen. Gab es 1990 in den Werken der BAYER AG noch 1.600 Neue, so reduzierte der Konzern ihre Anzahl bis 2010 auf 930. Zudem sind ein Drittel nur Lehrlinge zweiter Klasse: 152 Personen nehmen an dem Starthilfe-Programm teil, das nur auf eine künftige Lehre vorbereitet, und 156 bildet der Leverkusener Multi über Bedarf und damit ohne Berufsaussichten beim Unternehmen im Rahmen der „Ausbildungsinitiative Rheinland“ aus. Der Pharma-Riese hingegen vermag in den Zahlen keinen Abwärtstrend zu erkennen: „Bei BAYER bleibt die Zahl der Ausbildungsplätze auf einem konstant hohen Niveau“.

Ja zu Beistandskassen-Kürzungen
Die Mitglieder-Versammlung der BAYER-Beistandskasse hat den 2007 irregulär gefassten Kürzungsbeschlüssen (Ticker 2/10) - an der Sitzung hatten nur 26 der 90.000 Versicherten teilgenommen - nachträglich zugestimmt. Der Vorstand darf jetzt ganz legal die Gewinnzuschläge streichen und stattdessen ein Bonus-Sterbegeld ausschütten, was die bisher durchschnittlich ausgezahlte Summe von 6.000 Euro um bis zu 2.000 Euro reduzieren kann. 504 Anwesende akzeptierten die Begründung des Vorstandes, die schwindenden Einnahmen wegen der Überalterung der Mitglieder würden eine andere Lösung nicht zulassen; 57 stimmten gegen den Vorschlag.

Neuer Betriebskindergarten
Nicht nur in Monheim (Ticker 1/10), sondern auch in Leverkusen errichtet der Chemie-Multi eine neue Betreuungseinrichtung für Kinder. Sinn der Übung ist „Mitarbeiter an das Unternehmens zu binden. Und wir wollen bei potenziellen Bewerbern punkten“, wie Personalchef Richard Pott erläutert, der dann auch höchstselbst dem Kindergarten vorstehen wird. Als Betreiber fungiert, wie seit 1999 bei allen BAYER-Kindergärten, das „Deutsche Rote Kreuz“, womit der Konzern sich das Zahlen des Chemie-Tarifs erspart. Trotzdem droht das Haus eine BAYER-Brutstätte zu werden. Im „Haus der kleinen Forscher“ sollen die Kleinen schon einmal fleißig experimentieren, und für die Globalisierung werden sie ebenfalls schon frühzeitig fit gemacht: Zweimal pro Woche bekommen sie Englisch-Unterricht. Das Angebot an Plätzen steigt durch den Bau im Carl-Duisberg-Park kaum, denn gleichzeitig schließen die Horte am Kurtekottenweg und an der Carl-Rumpff-Straße. Zudem fällt damit auch ein Betreuungsangebot für GrundschülerInnen weg.

Keine Jobs für Bachelors
Die Studienreform mit ihren Bachelor- und Master-Abschlüssen geht nicht zuletzt auf Forderungen der Industrie zurück. Mit einer „Bachelor-Welcome-Erklärung“ verpflichteten BAYER und andere Konzerne sich deshalb, auch für die entsprechenden Arbeitsplätze zu sorgen. Nach einer Untersuchung der Universität des Saarlandes haben sie das jedoch nicht getan. Gerade einmal sechs Prozent der Stellenangebote für Bachelors entsprechen den Erwartungen, welche die Firmen geweckt haben. „Der unmittelbare Karrierestart als Bachelor bleibt ebenso ein Traum, wie das Versprechen der Unternehmen unerfüllt bleibt, einen gezielten Direkteinstieg als Willkommensgeschenk für Bachelors anzubieten“, kritisiert Studien-Leiter Christian Scholz.

ERSTE & DRITTE WELT

Indien: 462 Arzneitest-Tote
Die Pharma-Multis verlegen immer mehr Medikamentenversuche in arme Länder. Dort locken ein großes Reservoir an ProbandInnen, unschlagbare Preise, schnelle Verfahren und eine mangelhafte Aufsicht (SWB 2-3/10). Zu einem der beliebtesten Staaten für dieses Geschäft hat sich mittlerweile Indien entwickelt. BAYER lässt dort unter anderem das Multiple-Sklerose-Medikament BETAFERON, die Hautgeschwür-Arznei IMPAVIDO sowie vier Krebs-Präparate großflächig erproben. Wie lebensgefährlich die Arbeit der Versuchskaninchen ist, machen Zahlen des indischen Gesundheitsministeriums deutlich: Allein im ersten Halbjahr 2010 starben 462 Personen bei den Arznei-Tests. Die Regierung, welche die Entwicklung des Landes zu einem Versuchslabor für Big Pharma bislang nach Kräften gefördert hat, kündigte zwar strengere Auflagen an, Gesetzeskraft haben die entsprechenden Regelungen aber bisher nicht erlangt. Die Aufsichtsbehörde DCGI hat jedoch die Modalitäten der Arznei-Erprobungen geändert. So müssen die Unternehmen, welche im Auftrag von BAYER & Co. Pillen testen, für eventuelle Zwischenfälle nun auch selber die Verantwortung übernehmen.

Biopirat BAYER
„Unser Plan: Weltweit als Spezialist für natürliche Inhaltsstoffe aus tropischen Pflanzen zu gelten, die in Arzneien, Kosmetika und Beauty-Produkten Anwendung finden“ - diese Unternehmensphilosophie verkündet die französische BAYER-Tochter SERDEX auf ihrer Homepage (siehe auch SWB 2/11). Um den Plan zu erfüllen, hat die Firma bereits 2.000 Tropen-Pflanzen gesammelt, analysiert und ihrer Substanz-Bibliothek zugeführt. Als „das Resultat vieler Jahre Forschungsarbeit in Ostafrika und besonders Madagaskar“ bezeichnet der Betrieb seine „Ethno-Botanik“-Kollektion stolz. Bei seinen Expeditionen hat SERDEX unter anderem aus dem asiatischen Wassernabel, der Vernonia-Pflanze und chinesischem Ginseng lukrative Vorprodukte gemacht, mit denen sie unter anderem die Kosmetik- und Gesundheitsindustrie beliefert.

POLITIK & EINFLUSS

Lascheres Pestizid-Gesetz?
Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner beabsichtigt, die Zulassungsbedingungen für Pestizide in der Bundesrepublik aufzuweichen. Sie plant in einem Gesetz-Entwurf, Agro-Chemikalien den Zugang zu einem vereinfachten Verfahren zu gewähren, wenn diese in einem anderen EU-Land bereits genehmigt sind. Zudem will die CSU-Politikerin dem Bundesumweltamt das Vetorecht nehmen, von dem die Behörde bislang nicht wenig Gebrauch gemacht hat. Im Jahr 2010 hatte diese bei 32 von 150 Anträgen, die das Aigner-Mininsterium bereits durchgewinkt hatte, massive Einwände geltend gemacht und bestimmte Anwendungen abgelehnt. Florian Schöne vom NATURSCHUTZBUND DEUTSCHLAND kritisiert das Vorhaben deshalb scharf: „Die Gefahr ist, dass in Zukunft das hohe deutsche Verbraucherschutz-Niveau ganz erheblich verwässert wird, indem Altwirkstoffe aus anderen Mitgliedsstaaten, die also in hohem Maße toxisch oder krebserregend oder anderweitig gefährlich sind, plötzlich auch auf dem deutschen Markt zugelassen werden“.

Gegenwind für Remmel
Die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hatte bei ihrem Amtsantritt 2010 unter anderem ein Klimaschutz-Gesetz angekündigt - angesichts eines NRW-Anteiles an den bundesweiten Kohlendioxid-Emissionen von 33 Prozent eine überfällige Maßnahme. Nach einem ersten Entwurf nimmt sich Rot-Grün vor, den CO2-Ausstoß im Land bis 2020 um 25 Prozent und bis 2050 um 80 bis 90 Prozent zu senken. Ein Klimaschutzplan soll regeln, wieviel jede Branche noch emittieren darf und auch als Maßstab für die Bewilligung neuer Anlagen dienen. Sofort nach Bekanntwerden der Pläne brach ein Sturm der Entrüstung los. Der grüne Umweltminister Johannes Remmel wurde als „Klima-Taliban“ tituliert, und BAYER & Co. sahen einmal mehr den Industrie-Standort NRW in Gefahr. Das blieb nicht ohne Wirkung. Die SPD erklärte umgehend, dem Umweltministerium keinen Einfluss auf Genehmigungsverfahren gestatten zu wollen. „Es wird ein abgestimmtes Vorgehen gegen diesen Vorstoß geben“, verlautete aus dem Wirtschaftsministerium.

Wirtschaftsrat gegen Windkraft & Co.
Der Wirtschaftsrat der CDU, bei dem Wolfgang Große Entrup genauso wie bei BAYER für die Umweltpolitik zuständig ist, hat Studien kritisiert, welche die Komplett-Umstellung der bundesdeutschen Stromversorgung auf regenerative Energien bis zum Jahr 2050 für möglich halten. Die damit angeblich verbundenen hohen Kosten seien ein „massiver Wettbewerbsnachteil“ für die Wirtschaft, warnte der Rat und sprach sich einmal mehr für Kohle und Kernkraft als Alternativen aus.

Yzer abgesägt
BAYER & Co. haben ihre Chef-Lobbyistin vor die Tür gesetzt. Die frühere BAYER-Angestellte Cornelia Yzer verlässt den vom Leverkusener Multi mitgegründeten „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller (VFA) zum 1. Juni 2011. Die Pharma-Riesen werfen ihrer Interessensvertreterin vor, ihre Interessen nicht genügend in das „Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittel-Marktes“ (AMNOG) eingebracht zu haben. Ein Einfrieren der Arznei-Preise auf dem Stand von August 2009 bis zum Jahr 2013, eine Erhöhung des Krankenkassen-Rabattes für neue Medikamente von sechs auf 16 Prozent, ein Ende des Preisfindung nach Gutsherren-Art und eine Kosten/Nutzen-Bewertung für Medikamente - das alles hätte nach Ansicht der Unternehmen nicht sein müssen. „Yzer hat einen Fehler nach dem anderen gemacht. Es war unvorstellbar, dass sie das AMNOG überlebt“, zitiert Spiegel Online einen Insider.

EFSA in ILSI-Hand
Von der Unterwanderung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA durch VertreterInnen des „International Life Science Institute“ (ILSI), das unter anderem BAYER, MONSANTO und COCA COLA finanzieren, sickern immer mehr Details durch. Neben der inzwischen zurückgetretenen Verwaltungsratschefin Diána Bánáti standen oder stehen immer noch das Verwaltungsratsmitglied Milan Kovac, Raymon Boobis von der Pestizid-Abteilung, Harry Kuiper von der Gentechnik-Abteilung, Gijs Kleter aus dem Prüfungsausschuss und Laurence Castle aus dem Bisphenol-A-Gremium mit dem ILSI in Verbindung. Und zu allem Übel leisten andere Industrie-Verbände den ILSIlerInnen noch Gesellschaft. So saß auch Susan Barlow vom Europäischen Chemie-Verband CEFIC mit Castle in der Bisphenol-Runde, die verharmlosende Risiko-Analysen veröffentlichte.

Aquino bei BAYER
Im Rahmen seiner Greenwashing-Aktivitäten kooperiert der Leverkusener Multi auch mit der UNEP, dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen. So führt er beispielsweise gemeinsam mit der UNEP Wettbewerbe durch und prämiert Umweltideen. Auf den Philippinen zeichnete der Konzern ein Umweltradio und ein mobiles Puppentheater, das ökologische Themen auf die Bühnenbretter bringt, aus. Und zur Feier des Tages erschien sogar der philippinische Präsident Benigno S. Aquino III.

Svenja Schulze bei BAYER
In ihrer kurzen Amtszeit hat es die nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerin Svenja Schulze schon auf drei Begegnungen mit BAYER-Managern gebracht. Bei der Dortmunder Nano-Konferenz traf sie auf Raul Pires (siehe NANO & CO.). Anfang Oktober 2010 besichtigte die SPD-Politikerin die Bauarbeiten zum Forschungszentrum INVITE, das der Leverkusener Multi mit der Technischen Universität Dortmund und mit freundlicher Unterstützung des Konjunkturpaketes II errichtet. Und im Februar 2011 nahm sie an der feierlichen Inbetriebnahme einer Pilotanlage teil, die ein Kohlendioxid-Recycling im Rahmen der Kunststoff-Fertigung erprobt. Der Pharma-Riese feiert dieses gemeinsam mit RWE und der „Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen“ betriebene Projekt „Dream Production“ als eine Großaktion zur Rettung des Klimas. Allerdings kann die Plaste-Produktion nicht einmal einen Bruchteil der acht Millionen Tonnen CO2 aufnehmen, die der Konzern jährlich ausstößt. Deshalb beurteilt die Fachwelt solche Vorstöße auch skeptisch. „Die stoffliche Nutzung kann keine riesigen Mengen binden, weil wir einfach viel, viel mehr Kohlendioxid freisetzen“, sagt etwa der Chemie-Ingenieur Arno Behr von der „Technischen Universität Dortmund“ (Ticker 1/10).

Löhrmann bei BAYER
Mitte Februar 2011 besuchte die nordrhein-westfälische Schulministerin Sylvia Löhrmann den Leverkusener Multi. Die Grünen-Politikerin wohnte einer Qualifizierungsrunde für die Chemie-Olympiade bei und zeigte sich angetan. „In einer Welt, in der Wissen immer mehr eine zentrale Ressource darstellt, verdienen Leistungen, wie die heute von den Schülerinnen und Schülern gezeigten, ein ganz großes Lob. Ich freue mich sehr darüber, dass die BAYER-Stiftung hier so vorbildlich aktiv ist und die Jugendlichen fördert“, erklärte Löhrmann.

„Unternehmenspreis 2010“ für BAYER
Das Land Nordrhein-Westfalen findet nichts dabei, wenn SchülerInnen Chemie in den Laboren der BAYER AG lernen. Im Gegenteil: 2007 rief es sogar die Aktion „Wir wollen: Wirtschaft für Schule in NRW“ ins Leben. In deren Rahmen verleiht die jeweilige Landesregierung alljährlich einen Unternehmenspreis. 2010 erhielt ihn der Leverkusener Multi für sein „besonders innovatives und überregionales Engagement“. „Der intensive Kontakt zu Unternehmen in der Region“ ist für die grüne Schulministerin Sylvia Löhrmann sogar ein wichtiger Bestandteil der Bildungsgerechtigkeit.

Kein Lobbyregister
Die Initiative LOBBYCONTROL hatte in den Petitionsausschuss des Bundestages den Vorschlag zur Einführung eines LobbyistInnen-Registers eingebracht. Die Gruppe wollte so ein kleine Bresche in den Lobby-Dschungel schlagen. Aber obwohl mehr als 8.700 Menschen die Forderung unterstützen und die EU eine solche Liste bereits eingeführt hat, lehnte die Bundesregierung das Begehr ab. Die EmissärInnen von BAYER & Co. dürfen ihrer Einflussarbeit also weiterhin ganz ungestört nachgehen.

PROPAGANDA & MEDIEN

Kampagne gegen MIC-GegnerInnen
Nach dem Störfall im Werk Institute, bei dem im August 2008 zwei Beschäftigte starben, hatte BAYER die PR-Firma ANN GREEN COMMUNICATIONS mit dem medialen Krisen-Management beauftragt. Ein Teil der Strategie des Unternehmens bestand dann darin, langjährige KritikerInnen der Produktion von Methylisocyanat (MIC) wie die Bürgerinitiative PEOPLE CONCERNED ABOUT MIC oder den Journalisten Ken Ward von der Lokalzeitung The Charleston Gazette zu diskreditieren. „Wir sollten versuchen, die PEOPLE CONCERNED ABOUT MIC zu marginalisieren und als irrelevant erscheinen zu lassen. Dies sollte gerade in der aktuell schwierigen ökonomischen Situation möglich sein, in der Arbeitsplätze so viel zählen“, heißt es in einem Strategie-Papier, das auch Maßnahmen gegen The Charleston Gazette vorsah. Als der Leverkusener Multi sich zu einem baldigen MIC-Produktionsstopp bereit erklären musste und sich mit - letztlich erfolgreichen (siehe PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE) - Forderungen zu einem sofortigen Ende der Fertigung konfrontiert sah, lief die Schmutzkampagne nach dem Drehbuch der PR-Fachleute auf Hochtouren an. Ken Ward etwa wurde persönlich dafür angegriffen, „verantwortlich für Entlassungen“ zu sein. Zudem ließ der Konzern in großen Zeitungsanzeigen die Belegschaft sprechen und Klage führen, dass in „ökonomisch schweren Zeiten eine kleine Gruppe lautstarker Anwohner“ Stimmungsmache gegen MIC betreibe. An einem Autokorso zum Erhalt der Produktion nahmen jedoch nur ein paar Dutzend Menschen teil.

SCHERING heißt jetzt BAYER
Als der Leverkusener Multi im Jahr 2006 das Berliner Pharma-Unternehmen SCHERING schluckte, ließ er den Namen unangetastet, um die Beschäftigten nicht mit „Herr im Haus“-Gesten zu düpieren. Die Sparte firmierte fortan unter „BAYER SCHERING PHARMA“. Unter dem neuen BAYER-Chef Marijn Dekkers ist für solche Sentimentalitäten kein Platz mehr. Er läutete das endgültige Ende der Ära SCHERING an, um das Auftreten des Konzerns zu vereinheitlichen: „Wir haben unser Portfolio gründlich analysiert und dabei festgestellt, dass die Vielfalt der Marken im BAYER-Konzern zu einer Verwässerung der Dachmarke geführt hat“.

BAYER ehrt Medizin-Journalisten
Die Prozesse der Opfer von SCHERINGs Schwangerschaftstest DUOGYNON und die Leiden der Geschädigten von BAYERs Verhütungsmittel YASMIN fanden eine breite Medien-Resonanz. Aber es gibt auch noch Medizin-BerichterstatterInnen, die nicht über die Pharma-GAUs der Pillen-Multis informieren. Für sie hat der Leverkusener Multi den Europäischen Journalistenpreis ins Leben gerufen. Die letzten Auszeichnungen erhielten Martin Thür für einen TV-Beitrag über Doping und Hellmuth Nordwig für eine Hörfunk-Sendung zum Thema „Medikamenten-Fälschungen“.

BAYER schreibt an Rundfunkrat
Dem Leverkusener Multi berichtete der WDR-Hörfunk zu kritisch über „50 Jahre Pille“ im Allgemeinen und das BAYER-Verhütungsmittel YASMIN im Besonderen. Folglich setzte er gleich einen an den Rundfunkrat und den Hörfunk-Direktor adressierten Beschwerde-Brief auf.

Testosteron-Beratungsmobil
Mit großer Anstrengung arbeitet der Leverkusener Multi daran, die „Männergesundheit“ als neues Geschäftsfeld zu etablieren und seinen Potenzpillen und Hormon-Präparaten neue und nur selten zweckdienliche Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. So hat er die Krankheit „Testosteron-Mangel“ erfunden, um seine Hormon-Pillen an den Mann zu bringen. Zu diesem Behufe schickt BAYER jetzt ein Testosteron-Beratungsmobil auf Reisen. Mit an Bord: Der eingekaufte „Experte“ Dr. Falk Ochsendorf, ein Dermatologe mit Zusatzausbildung in Männerheilkunde. Und Ochsendorf sagt, wofür der Konzern ihn bezahlt. Der Mediziner will sogar von einer lebensverlängernden Wirkung von NEBIDO und TESTOGEL wissen. Von Nebenwirkungen wie Herzinfarkt, Prostata-Krebs, Harntrakt-Schädigungen oder Brust-Wachstum schweigt er hingegen.

Web 2.0 als Werbe-Plattform
Der Leverkusener Multi war 2010 Gastgeber der Konferenz „Digital Pharma Europe“ und demonstrierte damit sein verstärktes Interesse am Web 2.0 als Werbe-Plattform. „Social Media bietet die Chance eines direkten Dialogs und echter Interaktion. Web 2.0 eröffnet einen Zugangskanal zu Ärzten, medizinischen Fachkräften und Patienten, sofern wir mit ihnen in ein direktes Gespräch eintreten können, um uns als vertrauenswürdiger und offener Partner zu etablieren“, schwärmte der BAYER-Manager Andreas Fibig im Blatt Healthcare Marketing über die neuen Möglichkeiten im Netz.

LandwirtInnen bei BAYER
Um die Beziehungen zu seinen Pestizid-KundInnen zu pflegen, lädt der Leverkusener Multi auch immer wieder LandwirtInnen zu Betriebsbesichtungen ein. So besuchte im letzten Sommer eine BäuerInnen-Vereinigung aus Westfalen den BAYER-Standort Monheim.

Fahrradtour für JournalistInnen
Der breite Widerstand gegen die Kohlenmonoxid-Pipeline und das auf dem Krefelder BAYER-Gelände geplante Kohlekraftwerk haben den Chemie-Multi alarmiert. Nun versucht er die Skepsis gegenüber seinen neuen Projekten abzubauen und startet eine Medien-Offensive. So lud er im Sommer 2010 mehr als 30 JournalistInnen zu einer Besichtigungstour ein. Chemie„park“-Leiter Ernst Grigat führte durch das Leverkusener Werksgelände und demonstrierte den ReporterInnen, wieviel Augenmerk der Konzern doch auf die Sicherheit legt. Luftmesswagen, ein üppig ausgestatteter „Gerätewagen Gefahrgut“, den Ernstfall testende Explosionssimulierer, Sprengräume zur exakten Analyse gefährlicher chemischer Stoffe und Gütertransport-Kontrollen - all das durften die ReporterInnen in Augenschein nehmen. Und die Überzeugungsarbeit fruchtete. „Die Sicherheit steht über allem“, überschrieb der Leverkusener Anzeiger seinen Artikel zum Thema. Die lange Unfallliste 2010 mit ihren Verletzten und Schadstoff-Austritten spricht da eine andere Sprache.

Hormon-Kampagne lanciert
Anfang März 2011 kündigte eine australische Supermarkt-Kette an, künftig kein Fleisch von Rindern mehr zu verkaufen, welche ihre HalterInnen mit Wachstumshormonen behandelt haben. Bald darauf erschien in der Tageszeitung eine ganzseitige Anzeige, auf der 35 WissenschaftlerInnen dieses Vorgehen als „schlecht für die Umwelt, schlecht für die Menschen und schlecht für die Tiere“ kritisierten. Aus eigenen Stücken taten sie das jedoch nicht. „Animal Health Alliance“, der Industrie-Verband von BAYER & Co., bezahlte die Kampagne.

Der Konzern als Kümmerer
Während der Konzern intern immer unsozialer wird, Arbeitsplätze vernichtet und Arbeitsbedingungen verschärft, macht seine PR-Abteilung seit einiger Zeit verstärkt auf „sozial“. Zu diesem Behufe initiierte sie 2007 die „BAYER Cares Foundation“. 2010 gab es unter anderem Geld für Heimkinder in Uruguay, die Renovierung eines Schulgebäudes in Guatemala, Führungen durch das Römerlager in Oberaden, Armenspeisungen in Frankreich, Hausaufgabenhilfe in Wiesdorf, Lebensmittel-Herstellung in Togo, die „Leverkusener Tafel“, eine Physik AG in Leverkusen, ein Aufklärungsprojekt der Türkischen Jugend in Dormagen und die „Stiftung gegen Gewalt an Schulen“. Darüber hinaus soll der ASPIRIN-Sozialpreis das Bild vom barmherzigen Samariter BAYER in die Welt tragen. 2010 hat der Leverkusener Multi die Auszeichnung an das „Trauerhaus“ verliehen, das Kinder betreut, die Mutter oder Vater verloren haben.

BAYER fördert Schulen
Der Leverkusener Multi fördert Schulen über die „BAYER Science & Education Foundation“, denn dieses Stiftungsmodell erlaubt nebenher auch noch Steuer-Ersparnisse. Bei der Sponsoring-Maßnahme bilden die naturwissenschaftlichen Bereiche einen Schwerpunkt, „denn ein Land, das wie Deutschland über keine reichen Bodenschätze verfügt, ist in seiner wirtschaftlichen Entwicklung vordringlich auf die geistige Kreativität angewiesen“, so BAYERs Oberkommunikator Michael Schade zur nicht gerade uneigennützigen Motivation der Bildungsoffensive des Unternehmens. Im Jahr 2010 verteilte der Konzern den Etat von 500.000 Euro unter anderem auf das Albert-Einstein-Gymnasium in Rumeln, das Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld, die Kölner Gemeinschaftsgrundschule An den Kaulen, ein Biotechnologie-Projekt am Gymnasium Brunsbüttel, eine Gesamtschule in Wuppertal und eine Grundschule in Babelsberg. Darüber hinaus vergab die Foundation Stipendien.

Betriebsame SchülerInnen-Labore
Vier SchülerInnen-Labore unterhält der Leverkusener Multi mittlerweile. „Wir wollen jungen Menschen die Faszination Naturwissenschaften frühzeitig näher bringen“, erklärt BAYER-Vorstand Wolfgang Plischke den Sinn der Übung. Weniger Faszinierendes wie etwa die Risiken und Nebenwirkungen der Gentechnologie steht daher nicht auf dem Lehrplan. Stattdessen untersuchen die ElevInnen das Erbgut von Raps, entwickeln ein Computermaus-Gehäuse, wohnen der Produktion von Agro-Sprit bei oder experimentieren mit Bakterien.

„Duales Lernen“
Die Konzerne erobern mehr und mehr die Klassenräume. So haben BAYER & Co. in Berlin mit dem Senat einen Ausbildungsvertrag geschlossen. Er sieht vor, die städtische Wirtschaft eng an die vor der Berufswahl stehenden SchülerInnen heranzuführen. Praktika und Betriebserkundungen sollen ein „Duales Lernen“ ermöglichen und den Unternehmen passgenaue Lehrlinge liefern. „Es ist richtig, die Wirtschaft mit den Schulen im Bereich der Berufsorientierung eng zu vernetzen. Davon erhoffen wir uns, dass mehr Schüler als heute die Schule ausbildungsreif verlassen“, sagte Christoph von Knobelsdorff von der Industrie- und Handelskammer zum Sinn der Übung.

TIERE & ARZNEIEN

Trennung von Veterinär-Sparte?
Der neue BAYER-Chef Marijn Dekkers kennt kein Pardon. Erst kündigte er die Vernichtung von 4.500 Arbeitsplätzen an, dann stellte er die Zukunft der Kunststoff-Sparte in Frage und jetzt ist auch die Veterinär-Abteilung dran. Hier stelle sich die Frage, ob das BAYER-Geschäft mit einem Umsatz von rund einer Milliarde Euro nach der Fusionswelle unter den Konkurrenten nicht zu klein sei, so Dekkers‘ Worte laut Associated Press. Eine Entscheidung in der Sache kündigte der Holländer bis spätestens März 2012 an.

Schlechte Noten für Flohmittel
Ökotest hat BAYERs Antiflohmittel für Hunde und Katzen schlecht bewertet, weil sie Nervengifte enthalten. ADVANTAGE, ADVOCATE und das BOLFO-Zeckenhalsband erhielten ein „ausreichend“; BOLFO-Puder, -Spray und -Shampoo bekamen die Note „mangelhaft“.

Kau-Tabletten für Tiere
BAYER hat von der US-amerikanischen Firma PIEDMONT PHARMACEUTICALS die Lizenz für ein Verfahren erworben, das es ermöglicht, Arzneimittel für Tiere in Form von Kau-Tabletten zu entwickeln.

Milben-Mittel gekauft
Die BAYER-Insektizide PONCHO und GAUCHO mit dem Wirkstoff Imidacloprid haben Millionen Bienen den Tod gebracht. Der Leverkusener Multi streitet das jedoch ab und macht stattdessen die Varoa-Milbe verantwortlich. Jetzt will der Konzern mit dieser Diagnose auch noch Geld verdienen: Er kaufte von dem britischen Unternehmen EXOSECT ein Produkt, das gegen die Insekten-Art vorgeht.

DRUGS & PILLS

Tod durch YASMINELLE
BAYERs Verhütungsmittel aus der YASMIN-Produktfamilie bringen immer mehr Menschen den Tod. Anfang Februar 2011 starb eine Österreicherin an den Folgen einer Embolie. Obwohl sie den Blutgefäß-Verschluss in einem Krankenhaus erlitt, konnten die ÄrztInnen sie nicht retten. Wie viele andere junge Frauen hatte die 21-Jährige sich YASMINELLE verschreiben lassen, um ihr Gewicht zu reduzieren. Allein in den USA verloren in den letzten Jahren mindestens 140 Frauen durch YASMIN und 50 durch YAZ ihr Leben.

Neue YAZ-Version
BAYERs Verhütungsmittel der YASMIN-Produktfamilie sehen sich wachsender Konkurrenz durch Nachahmer-Produkte gegenüber. Also entwickelt der Leverkusener Multi leicht abgeänderte Versionen, um länger von den patent-geschützten Höchstpreisen profitieren zu können. YAZ mit Vitamin B ist bereits zugelassen; für eine Version, die es erlaubt, die Regelblutungen zu steuern und die Zahl der Menstruationstage zu reduzieren, hat der Konzern gerade einen Genehmigungsantrag gestellt. Eines bleibt jedoch immer gleich: Das im Vergleich zu Pillen früherer Generationen erhöhte Thromboembolie-Risiko, das allein in den USA bislang zu 190 Toten geführt hat.

Hoffnungen auf XARELTO
BAYERs ganze Hoffnungen in der Pharma-Sparte ruhen auf dem Medikament XARELTO (Wirkstoff: Rivaroxaban), das bisher EU-weit zur Thrombose-Vorbeugung bei schweren orthopädischen Operationen zugelassen ist. Wenn das Mittel zusätzlich noch Genehmigungen als allgemeines Therapeutikum gegen Venen-Thrombosen und als Mittel zur Schlaganfall-Prophylaxe bekommt, dann rechnet der Leverkusener Multi mit einem jährlichen Umsatz von mehr als zwei Milliarden Euro. Nach Ansicht von Finanz-AnalystInnen spiegelt sich diese Erwartung schon im Aktien-Kurs wider und macht 10 bis 20 Prozent des Börsenwertes aus. Die Testergebnisse eröffnen allerdings keine allzu rosigen Zukunftsaussichten. Im Vergleich zur Thrombose-Standardmedikation schnitt das Mittel in puncto „Wirksamkeit“ nicht besser ab. Weniger Nebenwirkungen hatte es auch nicht. Einziger Vorteil: XARELTO „hat das Potenzial, für den Patienten angenehmer zu sein“ (O-Ton BAYER), weil es als Tablette verfügbar ist und nicht gespritzt werden muss. Schlaganfälle vermied das Präparat ebenfalls nicht häufiger als das Mittel der Wahl Warfarin, was dem BOEHRINGER-Konkurrenzprodukt PRADAXA sehr wohl gelang. Die deutlichsten Unterschiede zeigten sich im Preis. Warfarin kostet in den USA 25 Cent, XARELTO will BAYER hingegen für sechs Dollar pro Tablette auf den Markt bringen. Die Zulassungsanträge hat der Global Player im Januar 2011 bei der europäischen Arzneimittelbehörde gestellt. Die USA hingegen tun sich einstweilen noch mit dem XARELTO-Einsatz bei OPs schwer. Die zuständigen Stellen zögern mit der Zusage, weil von der Arznei ein erhöhtes Risiko für Gefäß-Verschlüsse, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden ausgeht und seine Langzeitwirkung nicht geklärt ist.

Neue MAGNEVIST-Auflagen
Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMEA hat neue Auflagen für den Gebrauch von Gadolinium-haltigen Röntgen-Kontrastmitteln wie BAYERs MAGNEVIST erlassen. Da die Medizinprodukte bei Nierenkranken eine Fibrose auslösen können, ein mitunter lebensbedrohliches unkontrolliertes Wachstum des Bindegewebes, müssen die MedizinerInnen vor der Anwendung von MAGNEVIST & Co. nun bei ihren PatientInnen die Nierenfunktionen überprüfen. Darüber hinaus riet die EMEA zu einer möglichst niedrigen Dosierung und untersagte, die Untersuchung binnen einer Woche zu wiederholen. Zuvor hatte bereits die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA ähnliche Anweisungen gegeben, denn auch in den Vereinigten Staaten häuften sich die Meldungen über Zwischenfälle. Allein der Leverkusener Multi sieht sich bereits mit über 300 Klagen von Opfern oder deren Angehörigen konfrontiert.

USA: GADOVIST-Zulassung beantragt
BAYER hat für sein Röntgen-Kontrastmittel GADOVIST eine Zulassung in den USA beantragt. Das für die Magnetresonanz-Tomographie des zentralen Nervensystems bestimmte Produkt enthält wie MAGNEVIST Gadolinium und dürfte deshalb auch dasselbe Risiko-Profil haben: Es kann bei Nierenkranken zu einem unkontrollierten Wachstum des Bindegewebes mit Todesfolge führen (s. o.).

ASPIRIN gegen Krebs?
Nach der Untersuchung eines Forscherteams um Peter M. Rothwell von der Universität Oxford vermindert die Einnahme des ASPIRIN-Wirkstoffes Acetylsalicylsäure das Krebsrisiko. Wer das Präparat fünf Jahre lang täglich schluckte, reduzierte das Sterberisiko um 21 Prozent, so der Wissenschaftler. Er hatte allerdings ein ganz anderes Studien-Ziel. Rothwell wollte den Einfluss des „Tausendsassas“ auf Herz/Kreislauferkrankungen ermitteln, weshalb der Mediziner nicht auf Daten zum individuellen Krebsrisiko der PatientInnen zurückgreifen konnte. Zudem reicht eine Nachbeobachtungsphase von vier Jahren nicht aus, um eine Tumor-Gefährdung auszuschließen, wie andere ÄrztInnen kritisierten. Darüber hinaus sprechen die Resultate aus dem Untersuchungsschwerpunkt gegen seine Empfehlung, ASPIRIN zu Präventionszwecken einzusetzen. So sehr nämlich die Krebs-Gefahr sank, so sehr stieg die Wahrscheinlichkeit, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden. Der Nebenwirkung „Blutungen“ sind die ÄrztInnen sicherheitshalber erst gar nicht nachgegangen. Auch bestätigen andere Studien den Befund von Rothwell nicht. Weder die „Nurses‘ Health Study“ noch die „Iowa Women’s Health Study“ oder die Untersuchung der „American Cancer Society“ bestätigen die Oxforder Ergebnisse. Das nährt den Verdacht, dass Rothwells Beziehungen zu BAYER seine Objektivität beeinflusst haben, führt der Professor für den Leverkusener Multi doch gerade eine andere ASPIRIN-Forschungsarbeit durch. Und sein Teamkollege Tom W. Meade erhielt ebenfalls schon Schecks vom Pharma-Riesen.

Zulassung für Marijuana-Spray
In Großbritannien hat BAYER die Zulassung für das Marijuana-Spray SATIVEX erhalten, dessen Vertriebsrechte der Konzern vom Hersteller GW PHARMAZEUTICALS erworben hatte. Das für Multiple-Sklerose-PatientInnen bestimmte Mittel soll Begleiterscheinungen der Krankheit wie Spastiken, Inkontinenz und Schmerzen lindern.

Fünf Pillen in zehn Jahren
In den letzten zehn Jahren schafften es gerade mal fünf neue Medikamenten-Entwicklungen von BAYER in die US-amerikanischen Apotheken, obwohl der Konzern für Forschung & Entwicklung in dieser Dekade 16,8 Milliarden Dollar ausgab.

Wehrmedizin an Kölner Uni
Die Kölner Universität, mit deren medizinischer Fakultät BAYER im Jahr 2008 eine Zusammenarbeit vereinbart hat, betreibt auch Wehrmedizin. Zu diesem Zweck arbeitet die Hochschule mit zwei Einrichtungen der Bundeswehr zusammen, dem „Institut für Pharmakologie und Toxikologie“ und dem „Institut für Mikrobiologie“. Diese Institutionen testen unter anderem die Auswirkungen von biologischen und chemischen Waffen wie Milzbrand-Erregern und Senfgas und entwickeln Behandlungsmethoden. Die Studierenden der Universität kritisieren diese Kooperation und sprechen sich für die Aufnahme einer Zivilklausel in die Grundordnung der Bildungseinrichtung aus, die Forschung zu militärischen Zwecken untersagt.

Comeback für die Männer-Pille?
Im Jahr 2002 stellte BAYER die Forschung an der Pille für den Mann ein, welche die Weltgesundheitsorganisation WHO mit über einer Million Dollar gesponsert hatte. Weil der Konzern der Einrichtung etwas schuldig war, überließ er ihr aber das haus-eigene Testosteron-Präparat NEBIDO für Versuchsreihen, nicht ohne sich dafür die Zusicherung auszubedingen, Einblick in die Studien-Unterlagen nehmen zu können. Im Erfolgsfall wäre der Pharma-Riese damit wieder am Drücker. Auch an der Universität Münster laufen entsprechende Tests mit dem BAYER-Mittel, das der Konzern bisher als Therapeutikum gegen die selbst erfundene Krankheit „Testosteron-Mangel“ vermarktet und das zahlreiche Nebenwirkungen hat. Herzinfarkt, Prostata-Krebs, Harntrakt-Schädigungen und Brust-Wachstum gehören dazu.

Griechenland zahlt mit Anleihen
Das überschuldete Griechenland kann seit geraumer Zeit die Arznei-Rechnungen seiner Krankenhäuser nicht mehr begleichen. Der Leverkusener Multi beklagt Außenstände im zweistelligen Millionen-Bereich, weshalb BAYERs einstiger Pillen-Chef Arthur Higgens in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des europäischen Pharma-Verbandes EFPIA in der Vergangenheit bereits Gespräche mit der griechischen Regierung führte. Jetzt zeichnet sich eine Lösung ab. Der Staat wies seine Spitäler an, die Rechnungen mit zinslosen Anleihen zu begleichen. Für die Pillen-Riesen bedeutet das ein Verlust-Geschäft: Sie müssen durchschnittlich ein Fünftel ihrer Forderungen abschreiben.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Bienensterben: UN alarmiert
Die UN hat im März 2011 einen alarmierenden Bericht über die Globalisierung des Bienensterbens vorgelegt, das bis nach Asien und Afrika reicht. Weil „von den 100 Nutzpflanzen, die 90 Prozent der Nahrungsmittel weltweit beisteuern, mehr als 70 durch Bienen bestäubt werden“, wie der Leiter des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, Achim Steiner, ausführt, bedroht das Verschwinden der Populationen mittlerweile auch die Ernährungssicherheit. Neben zerstörten Lebensräumen und Viren macht die UN für das beängstigende Phänomen vor allem Pestizide verantwortlich - und namentlich die von BAYER. „Verschiedene Studien haben die Giftigkeit von Chemikalien wie Imidacloprid (Wirkstoff von BAYERs GAUCHO), Clothianidin (Wirkstoff von BAYERs PONCHO), Thiamethoxam und verwandten Inhaltsstoffen für Tiere nachgewiesen“, heißt es in dem Report.

Aus für Methylisocyanat (MIC)
Anfang des Jahres konnte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) einmal die Früchte ihrer Arbeit ernten: Am 11. Januar 2011 gab der Leverkusener Multi bekannt, am US-Standort Institute die Produktion und Lagerung des Bhopal-Stoffes Methylisocyanat (MIC) und des Giftgases Phosgen einstellen zu wollen (siehe auch SWB 2/11). Eine entsprechende Forderung hatte die CBG nicht nur auf den BAYER-Hauptversammlungen immer wieder erhoben. Noch kurz vor der schrecklichen Explosion im August 2008, bei der zwei Arbeiter ihr Leben verloren und beinahe ein MIC-Behälter in die Luft geflogen wäre, hatte die Coordination vor den Sicherheitsrisiken der Anlage gewarnt. Als „unbegründet“ wies das Unternehmen das zurück. Es musste erst der Ernstfall eintreten, um den Global Player mit anderthalb Jahren Verzögerung zur Vernunft zu bringen. Aber es bleibt noch etwas zu tun, denn BAYER will die Fertigung nicht gleich beenden. Die CBG, die während der Kampagne immer eng mit der vor Ort tätigen Initiative PEOPLE CONCERNED ABOUT MIC (PCMIC) kooperierte, unterstützt deshalb den Versuch der US-amerikanischen AktivistInnen, vor Gericht einen sofortigen MIC-Herstellungsstopp zu erreichen. Am 25. Februar 2011 erzielten sie einen ersten juristischen Erfolg. Ein Richter untersagte dem Leverkusener Multi vorläufig, die gefährliche Chemikalie noch 18 Monate weiterzuproduzieren. Und drei Wochen später verkündete BAYER das endgültige Ende von MIC.

Weltweites Aus für Endosulfan?
Jahrelang hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) den Leverkusener Multi aufgefordert, den in der Bundesrepublik schon längst verbotenen, besonders gefährlichen Pestizid-Wirkstoff Endosulfan auch in anderen Ländern nicht mehr zu vertreiben. Im vorletzten Jahr erklärte sich der Konzern endlich dazu bereit (SWB 3/09), nicht ohne jedoch noch einmal einen aggressiven Schlussverkauf zu veranstalten (siehe auch SWB 1/11). Jetzt aber scheinen die Stunden des Ultragifts endgültig gezählt. Die „Stockholmer Konvention“ hat sich nach harten Verhandlungen dazu durchgerungen, seinen 133 Mitgliedsstaaten eine Beschlussvorlage für ein weltweites Verbot vorzulegen.

Pestizide gefährden Artenvielfalt
Das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) kritisiert die Gefährdung der Artenvielfalt durch Pestizide. Die Agro-Chemikalien wirken nämlich nicht nur gegen die so genannten Zielorganismen, sondern gegen so gut wie alles, was kreucht, fleucht oder wächst. In der konventionellen Landwirtschaft haben die Gifte nur noch Erbarmen mit zwei bis neun „Ackerbegleit-Pflanzen“, und das Verschwinden der übrigen hat wiederum Auswirkungen auf die Fauna. Carbofuran, dessen Produktionsstopp der Leverkusener Multi vor anderthalb Jahren angekündigt hat, tötete sogar schon Adler. Und gelangen Wirkstoffe wie das auch in BAYER-Mitteln enthaltene Glyphosat in Gewässer, so ändert das ihre mikrobiologische Zusammensetzung und nimmt damit Lebewesen ihre Futterquellen. Als Konsequenz aus diesem Anschlag auf die Biodiversität fordert PAN unter anderem mehr Ökoanbau, Pufferzonen zu Gewässern und strengere Zulassungsbedingungen.

GAUCHO auf Ross-Kastanien
Das BAYER-Insektizid GAUCHO mit dem Wirkstoff Imidacloprid hat Millionen Bienen den Tod gebracht. Trotzdem kam Imidacloprid nach einer langen Kontroverse in der Stadt Bonn zum Einsatz, um gegen die Rosskastanien anfallende Miniermotte vorzugehen. Und dann wirkte das Pestizid noch nicht einmal.

BBKA beendet Kooperation
Obwohl die BAYER-Pestizide GAUCHO und PONCHO sowie andere Agro-Chemikalien den Tod von Millionen Bienen verursachten, hat der britische ImkerInnenverband „British Beekeepers Association“ (BBKA) ihnen das Prädikat „bienenfreundlich“ verliehen. Für diesen Persilschein zahlten ihm die Konzerne 17.500 Pfund. Auf Druck seiner Mitglieder, die den Verlust unzähliger Völker durch GAUCHO & Co. zu beklagen haben, musste der Verband die lukrative Kooperation im Herbst 2010 allerdings beenden.

PONCHO-Verbot gefordert
Als BAYER in den USA eine Erweiterung der Zulassung für sein Pestizid PONCHO beantragte, führte die US-Umweltbehörde EPA eigene Tests durch. Die Ergebnisse unterschieden sich markant von denen der Studien, die der Leverkusener Multi zur Erlangung der Genehmigung vorgelegt hatte. Daraufhin guckten sich die ForscherInnen die BAYER-Untersuchung noch einmal genauer an und entdeckten frappierende Mängel. Vor allem der Teil, mit dem der Konzern dem Mittel das Etikett „bienenverträglich“ verschaffen wollte, verstieß gegen wissenschaftliche Standards. Die EPA-ExpertInnen hielten dagegen fest: „Toxizitätsstudien mit Honigbienen zeigen, dass Clothianidin hoch toxisch ist“. Im letzten Herbst gelangte das Dokument mit dem harschen Urteil in die Öffentlichkeit, und sofort forderten das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN), BEYOND PESTICIDES und mehrere ImkerInnen-Verbände ein PONCHO-Verbot, wie es in der Bundesrepublik und einigen anderen europäischen Ländern für die Ausbringung auf bestimmten Kulturpflanzen bereits gilt.

Mit TEMIC gegen Löwen
In Afrika vergiften Wilderer Raubtiere und Raubvögel unter anderem mit dem BAYER-Pestizid TEMIC und tragen so zum Aussterben der Arten bei.

TEMIC vergiftet 14 Menschen
Im US-amerikanischen Lee County kamen 13 Jäger und ein 11-jähriger Junge ins Krankenhaus, weil sie nach einem Kontakt mit dem BAYER-Pestizid TEMIC (Wirkstoff: Aldicarb) an Vergiftungserscheinungen litten. Ihr Gesundheitszustand stabilisierte sich bald, aber vier ihrer Hunde starben durch die Agrochemikalie, die der Leverkusener Multi wegen seiner Gefährlichkeit nur noch bis 2014 vermarkten will.

Vogelsterben durch GAUCHO & Co.
Insektizide wie BAYERs GAUCHO, das zur Gruppe der Neonicotinoide gehört, töten nicht nur Schadinsekten und Bienen. Sie sorgen auch für eine Dezimierung der Vogelbestände: Unmittelbar, indem die Pestizide Amsel, Fink und Star vergiften, und mittelbar, indem sie ihnen die Insekten als Nahrungsgrundlage rauben. So nahm in Großbritannien die Population der Haussperlinge seit 1977 um 68 Prozent ab. Die Anzahl der Schwalben sank seit 1994 um 41 Prozent und die der Stare um 26 Prozent. Der holländische Toxikologe Henk Tennekes tritt deshalb für ein Verbot von GAUCHO & Co. ein. „Neonicotinoide wirken wie Krebs verursachende Chemikalien, für die es keine die Sicherheit garantierenden Grenzwerte geben kann“, so der Wissenschaftler.

Missbildungen durch Glyphosat
Der Pestizid-Wirkstoff Glyphosat, der hauptsächlich in MONSANTOs ROUND UP, aber auch in BAYER-Mitteln enthalten ist, hat bei Neugeborenen in Argentinien, die in der Nähe von Soja-Feldern zur Welt kamen, zu Missbildungen geführt. Daraufhin untersuchten WissenschaftlerInnen die Wirkungsweise und fanden heraus, dass die Agro-Chemikalie schon bei Konzentrationen von zwei Milligramm pro Kilogramm Nahrungsmittel Schäden verursachen kann. In der EU liegt der Soja-Grenzwert bei 20 Milligramm pro Kilogramm.

Neues Reis-Fungizid
In Japan hat BAYER die Zulassung für das Fungizid ROUTINE (Wirkstoff: Isotianil) erhalten, das für einen Einsatz im Reis-Anbau bestimmt ist.

Verringerung des Sortiments
Der Leverkusener Multi führt 98 Pestizide in seinem Sortiment und kündigte an, diese Zahl zu verringern. 21 Agrochemikalien will BAYER in den nächsten vier Jahren ausmustern - sei es durch die Einstellung der Produktion oder durch Verkauf - und sieben neue Mittel auf den Markt bringen.

Verkauf von Ultra-Giften
Im Rahmen der Verkleinerung seines Pestizid-Sortiments (s. o.) entledigt sich der Leverkusener Multi seiner beiden Ultra-Gifte NEMACUR und MOCAP. Besonders NEMACUR war in der Vergangenheit für zahlreiche Vergiftungen verantwortlich. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) kritisierte diesen Schritt. „BAYER hätte die Produktion längst einstellen müssen, statt diese Ultra-Gifte jetzt noch profitabel zu verramschen“, heißt es in der Presse-Erklärung der CBG zum Thema.

GENE & KLONE

Mehr Gentech im Futter
Bislang durften Futtermittel-Importe in die EU-Länder keinerlei Spuren von Gentech-Pflanzen aufweisen. Ende Februar 2011 hat die Europäische Union die Regelung allerdings gekippt und einen Höchstwert von 0,1 Prozent festgelegt. Sogar innerhalb des Staatenbundes noch nicht einmal zugelassene Sorten dürfen nun die Grenzen passieren. Brüssel beugte sich damit dem Druck der Landwirtschaftsverbände und Agro-Multis. Diese malten ein Horror-Szenario mit Versorgungsengpässen und Preissteigerungen aus, falls die EU nicht „Ja“ zu „ein bisschen Gentech“ im Tierfutter sagt. Obwohl die LobbyistInnen Beweise dafür schuldig blieben, konnten sie sich durchsetzen. „Die heutige Entscheidung verstößt einmal mehr gegen das Vorsorge-Prinzip. Gen-Pflanzen, die nicht für den menschlichen Verzehr getestet wurden, haben nichts in unserer Nahrungsmittelkette zu suchen“, kritisierte Stephanie Töwe von GREENPEACE die Entscheidung.

EVOGENE sucht nach Weizen-Genen
Der Leverkusener Multi hat für 12 Millionen Dollar 5,5 Prozent des israelischen Biotech-Unternehmens EVOGENE erworben. Zudem beauftragte der Konzern EVOGENE mit der Suche nach Genen, die für Weizen bessere Erträge, ein besseres Wachstum oder eine erhöhte Widerstandsfähigkeit versprechen. Nach entsprechendem Reis-Erbgut fahnden die Israelis für BAYER schon seit längerem.

Keine Gentechnik in NRW
Das Land Nordrhein-Westfalen, Stammsitz des Leverkusener Multis, gehört seit diesem Jahr zu dem Netzwerk europäischer Regionen, die auf Gentechnik verzichten. Der Düsseldorfer Landtag stimmte im Januar 2011 einem entsprechenden Antrag der SPD zu.

Nutzlose Genom-Entschlüsselung
Vor zehn Jahren gelang die Entschlüsselung des menschlichen Genoms, und die ForscherInnen weckten große Erwartungen hinsichtlich des damit verbundenen medizinischen Fortschritts. Diese haben sich allerdings nicht erfüllt. „Daten, überall Daten, aber kein einziges Produkt“, beklagt sich etwa ein Unternehmenssprecher. Auch für den damaligen Projektleiter und heutigen Chef des US-amerikanischen „National Institute of Health“, Francis S. Collins, hatte die Kartographierung des Erbguts bislang keinen direkten Einfluss auf die Gesundheit der meisten Menschen, weshalb Harold Varmus, der Direktor des Nationalen Krebsforschungsinstituts der USA, schlicht resümiert: „Das Genom fördert die Wissenschaft, nicht die Medizin“.

PFLANZEN, SAATEN & DÜNGER

BAYER experimentiert mit Düngern
BAYER CROPSCIENCE testet neuen Dünger. Der Konzern experimentiert derzeit in Voiswinkel nahe Bergisch-Gladbach mit unterschiedlichen Kali/Phosphat-Kombinationen.

NUNHEMS wächst und wächst
BAYERs Saatgut-Tochter NUNHEMS expandiert beständig. Nachdem sie im US-amerikanischen Parma für 15 Millionen Dollar ihr Werk ausbaute und im spanischen Cartagena ein Forschungszentrum eröffnete, erweitert das Unternehmen nun auch seine Kapazitäten in Monheim. Die Labore wachsen um das Dreifache, um DNA-Analysen, zellbiologischen Experimenten und der molekularen Züchtung, die auf Erbgut-Untersuchungen, nicht aber auf Gen-Transfers basiert, mehr Platz zu bieten.

WASSER, BODEN & LUFT

Wassercent wieder da
Der Durst von BAYER ist enorm. Allein am Standort Leverkusen verbraucht der Multi jährlich 130 Millionen Kubikmeter. Um diese Gelüste ein wenig zu zügeln, hatte die rot-grüne Landesregierung 2004 den Wassercent eingeführt. Die Konzerne liefen Sturm gegen diese Regelung, weshalb Schwarz-Gelb sie nach dem Machtwechsel 2005 zum Auslaufmodell machte. Die Neuauflage von Rot-Grün revidierte das jedoch wieder und erhöhte die Abgabe sogar noch leicht. Erwartungsgemäß empörte sich BAYER zugleich über diese „vollkommen unnötige Sonderlast“ und nannte sie eine Gefahr für den Industriestandort NRW und die internationale Wettbewerbsfähigkeit.

MAGNEVIST im Berliner Grundwasser
Gadolinium-haltige Röntgen-Kontrastmittel wie BAYERs MAGNEVIST (siehe auch DRUGS & PILLS) fanden sich im Berliner Grundwasser wieder. Das Medizinprodukt kann bei Nierenkranken eine Fibrose auslösen, ein mitunter lebensbedrohliches unkontrolliertes Wachstum des Bindegewebes, weshalb europäische und US-amerikanische Aufsichtsbehörden unlängst strengere Auflagen für die Anwendung erlassen haben.

Deponie-Sicherung in Rheinberg
Noch voraussichtlich bis Ende 2012 wird die Sicherung der Deponie Rheinberg dauern, in der 40.000 Tonnen Rückstände aus der von BAYER bis 2002 betriebenen Titandioxid-Produktion schlummern. ArbeiterInnen ziehen in die Giftmüll-Halde eine Tonschicht ein und verlegen ein Drainage-System, um eine Verunreinigung des Grundwassers zu verhindern. Zum Abschluss decken sie das Chemie-Grab mit riesigen Gewebe-Planen ab. Anschließend soll dann Gras über die ganze Sache wachsen. Eine wirkliche Sanierung der Deponie mit einer Entfernung des verseuchten Erdreiches kam aus Kostengründen nicht in Betracht, und auf die Idee, vom Leverkusener Multi eine Kostenbeteiligung zu verlangen, verfielen die verantwortlichen PolitikerInnen nicht. Ähnliche Maßnahmen zur Mumifizierung von Konzern-Altlasten waren jüngst auch in Wuppertal und in Wolfenbüttel erfolgt.

Gas statt Kohle?
Der Stadtwerkeverbund TRIANEL überprüft seine umstrittenen Pläne, auf dem Gelände von BAYERs Chemie„park“ in Krefeld ein Kohlekraftwerk mit einem Kohlendioxid-Ausstoß von jährlich ca. 4,4 Millionen Tonnen zu errichten. Stattdessen diskutiert er den Bau eines Gas/Dampf-Kraftwerks. Dabei spielen allerdings nicht nur ökologische Erwägungen wie die bessere Energie-Effizienz dieser Alternative und ihre Möglichkeit, flexibler auf die stark schwankenden Einspeisungen regenerativ erzeugten Stroms zu reagieren, eine Rolle, sondern auch die Verlängerung der AKW-Laufzeiten. Die dadurch zusätzlich auf den Markt kommenden Strommengen machen die Dreckschleudern nämlich unnötig und den Betrieb unwirtschaftlich. Sollte die Bundesregierung ihre Atompolitik infolge der Ereignisse in Japan allerdings grundlegend ändern, ständen die Aktien für ein Kohlekraftwerk wieder besser.

Mehr Müllverbrennung
Im Jahr 2009 hat der Leverkusener Multi 914.000 Tonnen Abfall produziert. Aber in seinen Müllverbrennungsanlagen entsorgt der Konzern nicht nur eigene Hinterlassenschaften. Der Pharma-Riese ist vor einiger Zeit auch in das lukrative Geschäft mit dem Müll eingestiegen und übernimmt Fremdaufträge. Für das alles reichen die vorhandenen Öfen nicht mehr aus. Deshalb will der Global Player die Kapazität seiner Leverkusener Anlage erweitern und hat einen entsprechenden Antrag gestellt. Infolgedessen darf sich die Stadt bald wohl über noch mehr Feinstaub, Schwefeldioxid, Hydrogenchlorid, Chlorwasserstoff, Stickoxide, Fluorkohlenwasserstoffe, Cadmium, Thallium und Quecksilber in Wasser, Boden und Luft freuen.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

BPA in Babyflaschen verboten
BAYER ist einer der größten Produzenten der Industrie-Chemikalie Bisphenol A, die unter anderem in Baby-Flaschen und Konservendosen Verwendung findet und zu Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen führen kann (siehe SWB 4/10). Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, die seit Jahren für ein Verbot der Substanz eintritt, konnte nun einen Erfolg erringen: Zum 1. März 2011 untersagte die EU Bisphenol A in Babyflaschen. Die CBG fordert nun weitere Schritte: „Bisphenol A muss endlich aus allen Produkten des täglichen Bedarfs verschwinden. Hormonaktive Substanzen haben in Produkten wie Trinkflaschen, Spielzeug und Konservendosen nichts verloren! Die Leugnung der Risiken durch die Hersteller darf nicht zur weiteren Gefährdung der Verbraucherinnen und Verbraucher führen“, so Philipp Mimkes vom Vorstand der Coordination.

PCB-Nachwirkungen
BAYER gehörte lange zu den Hauptherstellern von Polychlorierten Biphenylen (PCB), einer Krebs erregenden Chlorverbindung. Erst 1983 hat der Konzern die Produktion des Ultragiftes eingestellt, das unter anderem als Weichmacher in Kunststoffen, Kühlmittel und Isoliermaterial Verwendung fand. Aber die gesundheitsschädlichen Folgen der Chemikalie machen sich immer noch bemerkbar. So ergab eine Untersuchung von Beschäftigten der Dortmunder Entsorgungsfirma ENVIO eine hochgradige PCB-Kontamination. 95 Prozent der Belegschaft wiesen Konzentrationen im Blut auf, die bis zum 25.000fachen über dem zulässigen Grenzwert lagen. Und der ENVIO-Konzern, der das PCB-belastete Material zurück zum Absender brachte und in BAYER-Verbrennungsöfen entsorgte, ist kein Einzelfall. Auch bei REMONDIS, der Firma RICHTER sowie bei der Entsorgungsgesellschaft des Regionalverbandes Ruhrgebiet ergaben Überprüfungen unzulässig hohe PCB-Werte.

Erste REACH-Etappe absolviert
Verhindern konnten BAYER & Co. die Ende 2006 verabschiedete, REACH genannte Chemikalien-Richtlinie der EU nicht, die Unternehmen erreichten jedoch wichtige Aufweichungen. So müssen die Konzerne nicht alle ihre Chemikalien auf gesundheitsgefährdende Wirkungen hin untersuchen, sondern nur noch 30.000. Der Leverkusener Multi hat jetzt die erste Auflage von REACH erfüllt und für seine 125 Stoffe, deren Jahresproduktion über 1.000 Tonnen liegt, Unterlagen erstellt.

Phosgen-Produktion steigt
BAYER will am Standort Brunsbüttel mehr Polyurethan-Kunststoff herstellen und plant deshalb eine Kapazitätserweiterung des Werkes. Mit der Erhöhung des Produktionsvolumens steigt auch die Menge des für den Fertigungsprozess benötigten Phosgens, eines der gefährlichsten Giftgase überhaupt. Es gibt zwar bereits Möglichkeiten, Polyurethane ohne Phosgen zu fabrizieren, aber der Leverkusener Multi ignoriert diese Alternativen. Darum kritisiert die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN das Vorhaben des Unternehmens. „Wir fordern den Konzern auf, die technisch machbare Produktion von Polyurethan ohne Phosgen zur Serienreife zu bringen. Vorher sollten keine neuen Anlagen genehmigt werden, denn bei einer Lebensdauer der Anlagen von 30-35 Jahren würde diese gefährliche Produktionsweise sonst für Jahrzehnte festgeschrieben!“

NANO & CO.

50 Millionen für die Nano-Technik
Nordrhein-Westfalen fördert die Nano-Technologie trotz ihrer Risiken massiv. Darum gehört das Bundesland neben der Wirtschaftsförderung Dortmund und „NanoMikro + Werkstoffe.NRW“ auch zu den Mitveranstaltern der „Nano-Konferenz“, die nun bereits zum dritten Mal in Dortmund stattfand. Über die dort von NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze in Aussicht gestellten Fördermittel von 50 Millionen Euro bis 2050 dürfte sich BAYERs Tagungsteilnehmer Raul Pires sehr gefreut haben.

Nano-Absatz stockt
Der Leverkusener Multi klagt über den mangelnden Absatz seiner CNT-Röhrchen aus Nano-Material namens BAYTUBES. Um die Zukunft der Zukunftstechnologie scheint es also nicht allzu gut bestellt zu sein. Hatte bereits die Bezirksregierung auf eine Anfrage der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN zur kommerziellen Nutzung erklärt, BAYER hätte noch keinen entsprechenden Antrag gestellt, weil „der Markt CNT-Material mit anderen Eigenschaften benötigt“, so bestätigt nun auch der Konzern selber die Schwierigkeiten. „Die klassischen Anwender wie Fahrzeug- oder Flugzeug-Industrie sind sehr konservativ, was neue Materialien betrifft“, klagte der Manager Raul Pires. Deshalb hat das Unternehmen einen Strategie-Wechsel vorgenommen: Es will künftig nicht bloß das Nano-Pulver, sondern gleich ganze Komponenten zur Weiterverarbeitung anbieten.

BAYER forscht an Nano-Pille
BAYER forscht gemeinsam mit der Aachener „Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule“ an einer Nano-Verhütungspille. Die WissenschaftlerInnen wollen ein Hormon-Depot im Körper anlegen, das sich in einer Nano-Gelschicht befindet und den Wirkstoff regelmäßig abgibt.

Nano-Poren zum Kühlen
Der Leverkusener Multi will von den skandalträchtigen Produktions- und Vertriebsmethoden der Nahrungsmittel-Industrie profitieren. „Da der Weg von Lebensmitteln zum Verbraucher immer länger wird“, entwickelt BAYER einen Hartschaum aus Kunststoff, dessen Dämmleistung Nano-Poren verbessern sollen.

Nano-Kooperation mit TOYOTA
Nano-Teilchen können eine asbest-ähnliche Wirkung entfalten, zu den Zellkernen vordringen oder die Blut/Hirn-Schranke überwinden. Trotz dieser Risiken und Nebenwirkungen setzt der Leverkusener Multi auf die Technologie und organisiert den weltweiten Vertrieb seiner Produkte. So vermarktet das japanische Unternehmen TOYOTA BAYERs Nano-Röhrchen mit dem Produktnamen „BAYTUBES“ im asiatischen Raum.

AGRO & SPRIT

Agro-Sprit aus Holz und Stroh?
Der Leverkusener Multi forscht gemeinsam mit der Universität Gießen, dem Unternehmen EVONIC und der Fraunhofer-Gesellschaft daran, aus Stroh und Holz Agro-Sprit zu gewinnen. Zu diesem Zweck soll Ende 2012 in Sachsen-Anhalt eine Cellulose-Raffinerie entstehen.

Mehr Öl im Raps
Der Agrosprit-Boom nimmt immer mehr Ackerflächen in Anspruch und verdrängt so die Kulturpflanzen von den Feldern, weshalb die Preise für Nahrungsmittel steigen. Daran stört sich der Leverkusener Multi jedoch nicht. Er stellt sich stattdessen auf den Markt ein und kreiert Pflanzen, die sich besonders gut im Tank machen. So entwickelt er gemeinsam mit dem chinesischen „Oil Crops Research Institute“ eine Raps-Sorte, die viel Öl enthält. Im Zuckerrohr-Bereich läuft ein entsprechendes Projekt mit dem brasilianischen „Zentrum für Zuckerrohr-Technologie“. Und bereits im Angebot hat der Multi den öl-reichen Gentech-Raps INVIGOR.

CO & CO.

Wieder Erdabsenkungen
Immer wieder kommt es entlang der Trasse von BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline zu Erdabsenkungen. In Erkrath und rund um Ratingen bildeten sich teilweise 80cm tiefe Krater. Der Bauherr WINGAS nennt die während der Bauarbeiten ausgehobene und wieder verfüllte Erde als Ursache für die Löcher, weil der Boden durch diesen Prozess an Festigkeit verliere. Der Leverkusener Multi hält das erneute Desaster für „einen normalen Vorgang beim Pipeline-Bau“ und „unbedenklich“. Die Bezirksregierung hingegen hat eine Untersuchung der Vorgänge angekündigt, um mögliche Sicherheitsrisiken für den Betrieb der Giftgas-Leitung aufzuspüren.

Mangelhafte Abdichtungen
Entlang der Strecke von BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline ragt an der Bundesstraße 8 nahe des Landhauses Milser eine Messstation völlig ungeschützt aus dem Erdreich. Nach Ansicht von Erich Hennen, Sprecher der Duisburger BÜRGERINITIATIVE CONTRA PIPELINE, kann es dadurch zu Rost- oder anderen Korrosionsschäden kommen. Die mangelhafte Abdichtung der Enden des die Pipeline umgebenden Mantelrohres an gleicher Stelle kritisiert Hennen ebenfalls und fordert aus Sicherheitsgründen einen Aushub der Rohrleitung vom Landhaus bis zur Haltestelle Kesselberg.

Signalstörungen
Ein „klares Signal für den Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen“ wollten CDU und FDP Mitte November 2010 im Düsseldorfer Landtag hören. In ihrem Antrag forderten sie ein Bekenntnis zum Dattelner Kohlekraftwerk und zu BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline ein. Aber das bekamen sie nicht nur von SPD, Grünen und Linkspartei nicht, auch vier Mettmanner Abgeordnete aus den eigenen Reihen blieben stumm.

CO-Verhandlung im Mai
Vom 23. bis zum 27. Mai 2011 verhandelt das Düsseldorfer Verwaltungsgericht

[Ticker 4 2009] STICHWORT BAYER 04/2009 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Jahrestagung 2009
Am 7. November 2009 fand die Jahrestagung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zum Thema „Haste mal ‘ne Billion? - Konzerne, Kapitalismus und die Krise“ statt. Zum Auftakt sprach Professor Rainer Roth vom RHEIN-MAIN-BÜNDNIS GEGEN SOZIALABBAU UND BILLIGLÖHNE über die Ursache der Krise. Das Problem einer lukrativen Kapitalverwertung hat seiner Ansicht nach zu Überproduktion und „Nachfrage-Doping“ mittels Verschuldung geführt und den Wirtschaftsorganismus schließlich kollabieren lassen. „Entwarnung“ konnte Roth deshalb noch lange nicht geben. Pedram Shahyar vom ATTAC-Koordinierungskreis arbeitete die Frage auf, warum die Linke nicht stärker von der Krise profitiert hat. Die „Globalisierung“ der Neoliberalismus-Kritik, das Vertrauen auf das Krisenmanagement der Eliten, die Rückkehr des Korporatismus von Gewerkschaften und Unternehmen, eine zu flache Krisen-Interpretation und eine Fixierung der Betroffenen auf ihr eigenes Schicksal im Zuge drohenden Job-Verlustes nannte er als Gründe. Im Anschluss daran machte Shahyar Vorschläge für eine neue linke Krisen-Politik. „Verstärkte Suche nach Alternativen“, „Deglobalisierung“, „Eigentumsfrage“ und „Gesundschrumpfung der Wirtschaft“ lauteten hier die Stichwörter. Jan Pehrke (CBG) schließlich zeichnete den Verlauf der Krise am Beispiel BAYER nach und konnte so den im Laufe des Tages erörterten, manchmal recht komplexen wirtschaftlichen Zusammenhängen Anschaulichkeit verleihen. Fast 50 TeilnehmerInnen lockte die Veranstaltung an - so viele BesucherInnen hatte eine Jahrestagung der CBG bisher noch nie. Offensichtlich bestand ein großes Interesse daran, ein Jahr nach Ausbruch der Krise eine erste Bestandsaufnahme vorzunehmen und über die Perspektiven antikapitalistischer Interventionen zu diskutieren.

Antwerpener Beschäftigte protestieren
Der Leverkusener Multi erpresst die Belegschaft des Antwerpener Werks und droht mit einer Schließung, falls die Beschäftigten nicht einer Lohnkürzung zustimmen (siehe KAPITAL & ARBEIT). Diese wollen sich darauf jedoch nicht einlassen. Deshalb nahmen die AntwerpenerInnen nicht nur an einer Großdemonstration in Brüssel teil, die unter Druck stehende Belegschaften vieler belgischer Werke zusammenführte, sondern ergriffen dort auch das Wort. Levi Sollie, der Vertrauensmann der Gewerkschaft Algemeen Belgisch Vakverbond (ABVV), sprach auf der Kundgebung über die Situation am belgischen BAYER-Standort.

Klima-Protest vor BAYER-Zentrale
Zum Auftakt der Weltklimakonferenz in Kopenhagen hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) am 7. Dezember 2009 gemeinsam mit Vertretern vom NIEDERRHEINISCHEN UMWELTSCHUTZVEREIN und von der Linkspartei eine Mahnwache vor der Leverkusener BAYER-Zentrale abgehalten, um auf die Klima-Sünden des Konzerns hinzuweisen. So leitet der Pharma-Riese jährlich bis zu acht Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre und trägt auf diese Weise zum Treibhauseffekt bei. Und von einem Umdenken ist bei dem Unternehmen nichts zu spüren. Es setzt weiter auf klimaschädigende Müll- und Steinkohlekraftwerke. Darum wollte die CBG BAYER auch einen Offenen Brief übergeben, der zu einer Energie-Wende aufruft, aber dazu kam es nicht. Der Multi verweigerte die Annahme.

CEFIC für Klima-Negativpreis nominiert
LOBBYCONTROL hat den „Verband der Europäischen Chemischen Industrie“ (CEFIC) für den Negativpreis „Angry Mermaid Award“ nominiert. Die Initiative hält den Verband für würdig, die in Anspielung auf die Kopenhagener Klimakonferenz „Die aufgebrachte Meerjungfrau“ getaufte Auszeichnung zu erhalten, weil er sich durch besonders destruktive Lobbyarbeit gegen Klimaschutz-Maßnahmen hervortat. So gelang es der CEFIC LOBBYCONTROL zufolge etwa, der chemischen Industrie kostenträchtige Folgen des Handels mit Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten zu ersparen, weshalb Investitionen in ökologischere Verfahren unterblieben. Aber schlussendlich musste sich die CEFIC dem noch schlimmeren Finger MONSANTO geschlagen geben.

Pipeline-Protest vor Ständehaus
Am 23. November 2009 war BAYER-Chef Werner Wenning Stargast des Düsseldorfer Ständehaus-Treffs in den Räumen der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen. Aber der von Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo moderierte Plausch mit dem Konzern-Lenker vor Promis wie Gabriele Henkel, Heiner Kamps, Rudi Altig und Heide Rosendahl konnte nicht ungestört ablaufen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und andere Gegner der vom Leverkusener Multi geplanten Kohlenmonoxid-Pipeline hielten nämlich eine Mahnwache vor dem Gebäude ab. Die Veranstalter taten dabei alles, den Protest zu erschweren. Als Tagesmieter des Ständehauses reklamierten sie das Hausrecht für sich und drängten die AktivistInnen mit Hilfe von Polizei und privatem Sicherheitsdienst an den äußersten Rand der Auffahrt, um Wenning & Co. den Abend nicht allzu sehr zu verderben. Di Lorenzo kam beim Talk jedoch nicht darum herum, die Sache aufzugreifen. „Wenning ging offensiv mit dem Thema um“, vermeldete die Rheinische Post anschließend, „Er ist fest von der absoluten Sicherheit der Leitung überzeugt, aber er weiß auch, dass keiner ausschließen kann, dass irgendein Unfall passiert“.

PRIMODOS-Anfrage
In den 50er Jahren hatte die jetzige BAYER-Tochter SCHERING den Schwangerschaftstest PRIMODOS (auch DUOGYNON) auf den Markt gebracht, der bei Neugeborenen zu Herzfehlern, Fehlbildungen an Händen und Füßen sowie zu Gaumenspalten führte. Auf der diesjährigen Hauptversammlung des Leverkusener Multis haben die Opfer des Hormon-Präparates eine Entschädigung gefordert; zudem sind Klagen in Vorbereitung (siehe RECHT & UNBILLIG). Im Juli hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) dem Gesundheitsministerium zum Fall „PRIMODOS“ einen Brief geschrieben. Die CBG wollte wissen, warum die Betroffenen bis heute keine Unterstützung erhalten und welche Unterlagen im Archiv noch zu dem Pharma-GAU existieren. Zudem fragte die Coordination, ob es bezüglich der Entschädigungsfrage Kontakte zum Pharma-Riesen und zu den Behörden in Großbritannien gibt, wo das Thema ebenfalls auf der Tagesordnung steht. Darüber hinaus erbat sie eine Stellungnahme zur Weigerung des Global Players, die Geschädigten abzufinden. Diese mochte das Gesundheitsministerium in seiner Antwort nicht abgeben. Es habe in der Sache weder Verbindung zu BAYER noch zur britischen Regierung aufgenommen und hätte auch keine Akten zu dem Fall mehr, hieß es in dem Schreiben weiter. „Zu Ihrer Frage, warum die Betroffenen keine Unterstützung erhalten haben, lassen sich daher nur Vermutungen aufgrund von nicht validen Informationen anstellen. Es scheint damals aber wohl eine gewisse Unsicherheit in der Kausalitätsbewertung zwischen den aufgetretenen Missbildungen und der Verabreichung des entsprechenden Medikamentes gegeben zu haben“, so das Ministerium.

Die „Global Compact“-Beschwerde
1999 haben sich BAYER und andere Multis am Rande des Davoser Weltwirtschaftsforums im „Global Compact“ dazu bekannt, soziale, ökologische und menschenrechtliche Standards einzuhalten. Nach Meinung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat der Leverkusener Multi mit der Beinah-Katastrophe in Institute und seiner Reaktion darauf gegen die Regularien des an die UN angebundenen Industrie-Zusammenschlusses verstoßen. Der Konzern hatte im Vorfeld lange bekannte Sicherheitsmängel nicht behoben, defekte Detektoren nicht repariert und Warnsysteme deaktiviert. Nach der Explosion informierte er zudem die Öffentlichkeit unter Berufung auf die Antiterror-Gesetze nur spärlich (siehe SWB 2/09). Die CBG hat die UN deshalb in einem Offenen Brief aufgefordert, den Agro-Riesen aus dem „Global Compact“ auszuschließen. Die Antwort traf umgehend ein. Der „Global Compact“ legte dar, dass er über keinerlei Mandat verfügt, die Einhaltung seiner Prinzipien zu kontrollieren und gegebenenfalls Sanktionen auszusprechen. Nur einen Dialog moderieren könne er. Das tat er dann auch, indem er BAYER zu einer Stellungnahme aufforderte. Nach einigem Briefverkehr mit dem Leverkusener Multi und der CBG teilte die Organisation mit, sie habe die Beschwerde nun an die bundesdeutsche Dependance weiterverwiesen. Die Coordination erklärte sich damit nicht einverstanden. Sie dringt darauf, den Fall statutengemäß im Leitungsgremium zu verhandeln, und legte Protest ein.

180.000 Unterschriften gegen LL62
Im Jahr 2006 hat BAYERs Genreis LL601 für den größten Gen-GAU der Nuller-Jahre gesorgt: Trotz fehlender Zulassung tauchte er in den handelsüblichen Supermarkt-Sorten auf. Das hält den Leverkusener Multi jedoch nicht davon ab, weiter auf die Risiko-Technologie zu setzen. So liegt der EU bereits seit längerem ein Antrag zur Importgenehmigung von LL62-Reis vor. GREENPEACE hat dagegen mobil gemacht und der EU-Gesundheitskommissarin Anroulla Vassiliou, die demnächst das Bildungsressort übernimmt, im Oktober 2009 180.000 Unterschriften gegen eine Einfuhr-Lizenz übergeben.

Kritik an Beobachtungsstudien
Die „Kassenärztliche Bundesvereinigung“ (KBV) hat die Beobachtungsstudien angeprangert, mittels derer BAYER & Co. ihre Medikamente in Arztpraxen testen lassen. Aus wissenschaftlicher Sicht sind diese Anwendungsuntersuchungen, bei denen die ÄrztInnen nur einen kleinen Fragebogen ausfüllen müssen, kaum ergiebig, moniert die KBV, aus finanzieller Sicht allerdings schon - sowohl für die Konzerne als auch für die DoktorInnen. In Wahrheit verfolgen die Expertisen nämlich den Zweck, die PatientInnen auf das getestete Präparat - zumeist ein neues und deshalb besonders teures - umzustellen, und genau dafür zahlen die Unternehmen dann auch bis zu 1.000 Euro. Als „Fangprämien“ bezeichnete Leonard Hansen von der „Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein“ deshalb die Honorare, und der KBV-Vorstand Carl-Heinz Müller lässt keinen Zweifel an den Motiven von Big Pharma: „Das Ziel einer schnelleren Umsatzsteigerung ist sicher nicht von der Hand zu weisen“. Der Leverkusener Multi verfolgte dieses Ziel unter anderem mit Beobachtungsstudien zu BETAFERON. Kritik an dieser Praxis wies der Konzern immer wieder zurück. So verteidigte BAYER-Vorstand Wolfgang Plischke das Vorgehen der Pillen-Produzenten im Jahr 2008 mit den Worten: „Ich halte Anwendungsbeobachtungen allerdings für sinnvoll, da sie uns Langzeitdaten über die Wirkung von Medikamenten in die Hand geben, die wir aus den Zulassungsstudien nicht bekommen“.

Mediziner kritisiert Krebsmedikamente
Im Pharma-Geschäft versprechen Krebs-Arzneien die höchsten Gewinne. ExpertInnen erwarten für die nächsten Jahre einen 66 Milliarden Dollar schweren Absatzmarkt. Mit den Heilsversprechen der Pillenriesen - BAYER etwa preist NEXAVAR als einen „Meilenstein im Kampf gegen Krebs“ an - ist es nach Ansicht des Krebs-Spezialisten W.-D. Ludwig allerdings nicht so weit her. Nach Meinung des Mediziners, der an der HELIOS-Klinik in Berlin-Buch arbeitet und den Vorsitz der „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“ innehat, sorgt vor allem eine kreative Gestaltung der klinischen Tests für den guten Leumund der Mittel. So bestimmen die Untersuchungen als Ziel der Therapie nicht etwa das Überleben der PatientInnen und dauern auch gar nicht so lange, um den Gesundheitszustand der ProbandInnen über einen angemessenen Zeitraum hinweg verfolgen zu können. Ihnen reicht es als positiver Befund aus, wenn sich das Leiden erst einmal nicht verschlimmert oder der Körper überhaupt in irgendeiner Weise auf den Pharma-Stoff anspricht, was noch überhaupt nichts über eine Beeinflussung des Krankheitsverlaufs aussagt. Da es noch kaum wirksame Krebs-Arzneien gibt, müssen die Konzerne zudem keine großen Vergleichsstudien finanzieren. Das alles erleichtert „erfolgreiche Erprobungen“ natürlich ungemein. Ludwig forderte als Konsequenz aus dieser Art von Studien mehr unabhängige Arzneimittel-Untersuchungen.

Einspruch gegen BVL-Bescheid
Im letzten Jahr hat BAYERs Saatgut-Beizmittel PONCHO ein verheerendes Bienensterben ausgelöst. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hegte den Verdacht, dass der Agro-Riese diese „Nebenwirkung“ bei den Genehmigungsbehörden heruntergespielt hat und verlangte in einem Offenen Brief an das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ (BVL) die Herausgabe der Zulassungsunterlagen. Die Behörde gab dem Begehr zwar trotz BAYER-Widerstand statt, erlaubte jedoch nur eine kurze Einsichtnahme bei einem Lokaltermin. Dagegen legte die CBG Widerspruch ein, weil so zu wenig Zeit für die Überprüfung der Dokumente bleibt.

Frankfurter Uni umbenannt
Im Jahr 2001 ging das Frankfurter IG-FARBEN-Haus in den Besitz der „Johann Wolfgang von Goethe-Universität“ über. Seit dieser Zeit traten Studierende und Lehrende dafür ein, die mahnende Erinnerung an den von BAYER mitgegründeten Mörderkonzern wachzuhalten, indem die Hochschule den ehemaligen IG-Zwangsarbeiter Norbert Wollheim ehrt. Die Leitung wehrte sich aber erfolgreich dagegen, einen Platz auf dem Gelände nach dem Mann zu benennen, der durch seinen 1951 begonnenen Musterprozess Entschädigungszahlungen für die SklavenarbeiterInnen ermöglichte. Stattdessen errichtete sie mit dem „Norbert Wollheim Memorial“ eine Gedenkstätte für ihn (siehe SWB 1/09). Im Zuge des Bildungsstreiks jedoch knüpften Studierende an die alte Idee an. Sie besetzten das Casino-Gebäude und benannten die Alma Mater symbolisch in „Norbert Wollheim Universität“ um.

Kritik an EU-Pharmapolitik
Die EU betrachtet Medikamente nicht als Bestandteil des Gesundheitswesens, sondern als Wirtschaftsgut. Deshalb untersteht das Arzneimittelrecht ebenso wie die für Pillen-Zulassungen zuständige „Europäische Arzneimittelbehörde“ dem Industrie- und nicht dem Gesundheitskommissar. An dieser Politik hat jetzt der gesundheitspolitische Sprecher der Europäischen Volkspartei, der Christdemokrat Peter Liese, scharfe Kritik geübt.

KAPITAL & ARBEIT

Neue Standortsicherungsvereinbarung
BAYER hat mit dem Gesamtbetriebsrat eine neue Standortsicherungsvereinbarung abgeschlossen (siehe auch STANDORTE & PRODUKTION). Wie schon bei dem Vorgänger-Vertrag ließ sich der Leverkusener Multi das Zugeständnis, fünf Jahre auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten, teuer abkaufen. So müssen die Beschäftigten jetzt ihre Arbeitszeit noch stärker den Konjunktur-Schwankungen anpassen und sogar Ortswechsel in Kauf nehmen. Bei der Sparte BAYER TECHNOLOGY SERVICES haben sie zudem eine Stunde länger zu arbeiten, ohne dafür mehr Lohn zu bekommen. „Zu bemerken ist, dass in vielen Punkten wieder einer zeitlich begrenzten Zusage des Arbeitgebers dauerhaft abgegebene Besitzstände der ArbeitnehmerInnen gegenüberstehen“, kommentieren die KOLLEGEN UND KOLLEGINNEN FÜR EINE DURCHSCHAUBARE BETRIEBSRATSARBEIT, eine alternative Gewerkschaftsgruppe im Leverkusener BAYER-Werk, das Ergebnis der Verhandlungen.

Kürzerarbeit wieder aufgehoben
Im Zuge der Wirtschaftskrise hatte BAYER in der Kunststoff-Sparte die Arbeitszeit ohne Lohnausgleich um 6,7 Prozent gekürzt und weitere Maßnahmen durchgeführt, was dem Leverkusener Multi Kosten in zweistelliger Millionenhöhe ersparte. Anfang November 2009 hat der Konzern die Kürzerarbeit-Regelung wieder aufgehoben - „eine derzeit verbesserte Auftragslage“ bewog das Unternehmen zu diesem Schritt.

Antwerpen: BAYER droht mit Schließung
Am Standort Antwerpen erpresst BAYER die Belegschaft. Der Leverkusener Multi droht mit einem Aus für die Kunststoff-Produktion, wenn die Beschäftigten nicht auf zehn Prozent ihres Lohn verzichten. Die beiden Gewerkschaften Algemeen Belgisch Vakverbond (ABVV) und ACV Energie-Chemie wollen das nicht mitmachen. „Die Vertrauensleute im Antwerpener Werk werden keiner sozialen Demontage zustimmen, wir werden weder zu Lohnsenkungen noch zu Arbeitszeitverlängerungen ‚Ja‘ sagen“, kündigt ABVV-Vertrauensmann Levi Sollie an und verweist auf den 190-Millionen-Euro-Gewinn der Niederlassung. Einer Standort-Konkurrenz mit Krefeld verweigert sich die Gewerkschaft ebenfalls: „Auch werden wir nicht zulassen, dass wir gegen die Kollegen im BAYER-Werk Uerdingen ausgespielt werden“. Der Pharma-Riese musste die staatliche Schiedskommission anrufen, weil es mit den Belegschaftsvertretern zu keiner Einigung kam. Eine Entscheidung des Gremiums steht noch aus.

Gerüchte über BMS-Verkauf
Im November 2009 tauchten Gerüchte über einen von BAYER beabsichtigten Verkauf der Kunststoff-Sparte BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) auf. Die INTERNATIONAL PETROLIUM INVESTMENT COMPANY (IPIC) mit Sitz in Abu Dhabi hatte Verhandlungen mit dem Pharma-Riesen bestätigt. Der Leverkusener Multi hielt sich dagegen bedeckt: „Marktgerüchte kommentieren wir grundsätzlich nicht“. Wenig später dementierte IPIC-Direktor Khadem Al Qubaisi die von dem Informationsdienst Chemical Industry News & Intelligence in Umlauf gebrachte Meldung. Es sei bei den Gesprächen mit BAYER nicht um einen Verkauf, sondern um ein geplantes Joint Venture in Abu Dhabi gegangen. Wie dem auch sei - Wirtschafts- und Finanzkreise machen jedenfalls weiter Verkaufsdruck. So schrieb beispielsweise das Handelsblatt unlängst angesichts wieder etwas besserer BMS-Geschäftszahlen: „Der Pharma- und Chemiekonzern kann sich wieder über seine Kunststoffe freuen. Zeit, an einen Verkauf zu denken“.

USA: BAYER gegen Gewerkschaftsgesetz
In den Vereinigten Staaten versucht der Leverkusener Multi mit aller Macht, die Gewerkschaften aus dem Konzern herauszuhalten. Immer wenn sich irgendwo die Gründung einer Beschäftigten-Vertretung anzubahnen droht, trommelt das Unternehmen die Belegschaft zusammen und warnt vor Arbeitsplatzvernichtungen, sollten sich im Werk Betriebsgruppen bilden. Folglich gibt es nur an drei von 50 BAYER-Standorten in den USA Gewerkschaften. Die Regierung Obama hat sich jetzt vorgenommen, den Organisationen den Rücken zu stärken und sie besser vor Repressionen zu schützen. Aber BAYER & Co. investieren Millionen, um das Gesetzesvorhaben zu verhindern.

IG BCE für Unternehmenssteuerreform
Der neue IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis will den industriefreundlichen Kurs seines Vorgängers Hubertus Schmoldt fortsetzen (siehe auch SWB 4/09) und demonstrierte dies auch gleich eindrucksvoll, indem er sich von dem DGB-Vorschlag distanzierte, in Zeiten der Krise den Übergang zwischen Arbeitslosengeld und Hartz IV finanziell weicher zu gestalten. Er überraschte auf dem Chemiegewerkschaftskongress in Hannover allerdings mit einer Forderung zur Reform der Unternehmensbesteuerung. So verlangte Vassiliadis, die Höhe der Körperschaftssteuer nach der Eigenkapitalrendite zu bemessen und so besonders rücksichtslose Profit-Jäger abzustrafen. „Wenn eine extreme Rendite nur mit einer sehr aggressiven Strategie erreicht werden kann, erst dann beginnt ein höherer Steuersatz“, so sein Vorschlag. Zudem möchte der Gewerkschaftler die Krisenverursacher stärker zur Verantwortung ziehen und machte sich für eine KurzarbeiterInnen-Abgabe des Bankensektors stark.

Merkel lobt die IG BCE
Bundeskanzlerin Angela Merkel trat auf dem Bundeskongress der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) auf und konnte gar nicht mehr aufhören, die Verdienste der Gewerkschaft um das Co-Management zu rühmen. Laut Frankfurter Rundschau gelang es der Politikerin, die IG BCE „innerhalb einer halben Stunde gefühlte 30 Mal zu loben und sich abwechselnd ‚herzlich‘, ‚freundlich‘ oder ‚besonders‘ zu bedanken“. In puncto Gentechnik standen ihr Vassiliadis & Co. sogar näher als die CDU-GenossInnen. Die „Zukunftsgewandtheit“ der GewerkschaftlerInnen stände auch den eigenen Parteikreisen gut zu Gesicht, vermerkte Merkel.

Betriebskrankenkassen-Fusionitis
Mitte 2007 schloss sich BAYERs Betriebskrankenkasse mit der FORTISNOVA BKK zur PRONOVA BKK zusammen. Zum Jahreswechsel fusioniert diese wiederum mit den Kassen FORD & RHEINLAND und GOETZE & PARTNER, „um unsere Position im Gesundheitsmarkt langfristig zu stärken“, wie aus der Zentrale verlautete. Name, Filialnetz und MitarbeiterInnen-Zahl bleiben erhalten, und mit über 500.000 Versicherten zählt die PRONOVA BBK nunmehr zu den 30 größten Krankenkassen der Bundesrepublik. Besonders aggressive Verhandlungen mit BAYER um Arznei-Preise dürften von ihr jedoch nicht zu erwarten sein.

ERSTE & DRITTE WELT

Afrika kommt zu BAYER
Afrika nimmt für BAYER & Co. vor allem wegen seiner Rohstoff-Vorkommen, um die ein Wettlauf mit China entbrannt ist, eine immer größere Bedeutung ein. Aus diesem Grund versuchen die Konzerne eine African Connection aufzubauen, indem sie Kontakte zu späteren Eliten aufbauen. Diesem Behufe dient das Programm „Afrika kommt“, in dessen Rahmen BAYER und weitere Unternehmen junge Spitzenkräfte des Kontinents mit freundlicher Unterstützung des Auswärtigen Amtes in der Bundesrepublik „weiterqualifizieren“. Die Koordination übernimmt dabei die seit langem mit dem Leverkusener Multi verbundene Agentur „Inwent“. 1921 vom damaligen BAYER-Generaldirektor Carl Duisberg gegründet, hörte sie lange auch auf seinen Namen. Erst im Jahr 2002 legte die Einrichtung die Bezeichnung „Carl-Duisberg-Gesellschaft“ ab.

Venezuela hebt BAYER-Patent auf
Patente auf Medikamente verschaffen den Herstellern Monopol-Gewinne und verhindern eine preisgünstige Arzneiversorgung, was vor allem in den Ländern der Dritten Welt verheerende Folgen hat. In Venezuela wollten Pillen-Produzenten deshalb eine Nachahmer-Version von BAYERs Antibiotikum-Wirkstoff Moxifloxacin auf den Markt bringen. Der Leverkusener Multi klagte, die venezolanische Behörde SAPI prüfte - und stieß auf Unregelmäßigkeiten in der Patentschrift. Deshalb hob sie den Schutz des geistigen Eigentums für Moxifloxacin auf. Das Handelsministerium unterstützte den Schritt und erklärte, dass „Aktionen wie die von BAYER sich gegen das Recht auf Gesundheit richten und auf die Errichtung eines Industrie-Monopols zielen, ohne auf die Bedürfnisse des Volkes Rücksicht zu nehmen“. Auch Ecuador hat Maßnahmen angekündigt, um die Verfügbarkeit von Medikamenten zu verbessern. Die Regierung will die Patente von 2.000 Präparaten für ungültig erklären.

IG FARBEN & HEUTE

100 Jahre Synthese-Kautschuk
Mit großen Artikeln feierte die Presse den hundertsten Geburtstag von Synthese-Kautschuk, das der BAYER-Forscher Fritz Hofmann entwickelt hatte. In den netten Ständchen fehlten allerdings Passagen darüber, welche wichtige Rolle dieser Stoff bei den Kriegsvorbereitungen der Nazis spielte. Er machte das Verbrecherregime nämlich unabhängig von Rohstoff-Importen aus dem Ausland und verschaffte den von BAYER mitgegründeten IG FARBEN so eine profitable Führungsposition bei den wirtschaftlichen Planungen zu den Waffengängen.

IG FARBEN an „Aktion T4“ beteiligt
Die vom Leverkusener Multi mitgegründeten IG FARBEN haben nicht nur das Zyklon B für die Vergasung der Juden im „Dritten Reich“ geliefert. Der Mörderkonzern hat auch für die „Aktion T4“ genannte Euthanasie, der mehr als 100.000 behinderte oder psychisch kranke Menschen zum Opfer fielen, den passenden Rohstoff bereitgestellt: das heute wieder durch BAYERs umstrittenes Pipeline-Projekt ins Gerede gekommene Kohlenmonoxid.

IG FARBEN besaß Zeitungsanteile
Der von BAYER mitgegründete Mörderkonzern IG FARBEN war nicht auf wohlmeinende Presseberichte angewiesen - er hielt sich selbst eine Zeitung. 1929 erwarb das Unternehmen 35 Prozent der liberalen Frankfurter Zeitung und 1930 weitere 14 Prozent. Mit diesem Besitzerwechsel ging auch eine Veränderung des politischen Kurses einher. So musste unter anderem der bekannte Publizist Siegfried Kracauer gehen. Ob sich der Leverkusener Multi nach dem Krieg auch an der Neugründung des Blattes unter dem Namen Frankfurter Allgemeine Zeitung beteiligte, steht nicht fest.

  • KONZERN & VERGANGENHEIT

ASPIRIN und die Grippewelle von 1918
Im Jahr 1918 raffte die Spanische Grippe über 50 Millionen Menschen auf der Welt dahin. Nach Ansicht der Medizinerin Dr. Karen M. Starko könnten viele Sterbefälle jedoch nicht durch die Krankheit, sondern durch das Heilmittel ASPIRIN ausgelöst worden sein. BAYERs „Tausendsassa“ kam bei der Behandlung der Infizierten nämlich in einer doppelt so hohen Dosis wie heute zum Einsatz, und den Autopsien zufolge kommt der Virus als Todesursache oftmals nicht in Frage. So wiesen zahlreiche Tote kaum Lungenschädigungen auf. Deshalb konnten MedizinerInnen sich die große Mengen blutiger Flüssigkeit in den Atemorganen bisher nicht erklären - Starko aber schon: Blutungen sind eine bekannte Nebenwirkung von ASPIRIN.

POLITIK & EINFLUSS

Lobby-Register ohne CEFIC
Die CEFIC, der europäische Lobbyverband der Chemie-Unternehmen, hat 170 Beschäftigte und einen Etat von ca. 47 Millionen Euro. Die Organisation kann jedoch auch ganz bescheiden auftreten. Im neu geschaffenen Lobby-Register der EU bezifferte sie die jährlichen Kosten für ihr Antichambrieren auf schlappe 50.000 Euro. Die Umweltgruppe FRIENDS OF THE EARTH wollte daran nicht glauben und witterte eine Irreführung der Behörden. Die EU-Kommission rechnete nach und gab der Initiative Recht. Daraufhin flog die CEFIC aus dem Register. Aber seit dem Herbst 2009 ist der Verband wieder drin, weil er sich zu kapitalistischem Realismus entschlossen hatte: Der Lobbyclub korrigierte seine Zahlen um das 80-fache nach oben und fand sich mit vier Millionen Euro plötzlich auf Platz sechs der finanzkräftigsten Einflussnehmer wieder.

BAYER in Kopenhagen
Über zahlreiche Lobbyorganisationen hat BAYER in Kopenhagen substanzielle Beschlüsse zur Rettung des Klimas zu verhindern versucht. „Croplife“ bemühte sich, verbindliche Auflagen zur Kohlendioxid-Reduzierung in der Landwirtschaft abzuwenden. Der „Bundesverband der Deutschen Industrie“ (BDI) erklärte: „Wir sind nicht mehr länger das Problem, wir sind Teil der Lösung“ und lud unter dem Titel „Business for Climate Protection“ zu einer Podiumsdiskussion, an der auch Bundesumweltminister Norbert Röttgen teilnahm. „3C - Combat Climate Change“ betrieb derweil Werbung für die Kohlendioxid-Abspaltung - und damit für Kohlekraftwerke; das „International Chamber of Commerce“ und das „World Business Council for Sustainable Development“ unterstützten „3C“ dabei nach Kräften. Das tat auch „Business Europe“. Zudem hatte der Verband bereits im Oktober eine Konferenz zum Thema „Zwischen der Wirtschafts- und der Klimakrise - ist Kopenhagen der Ausweg?“ abgehalten, die unliebsamen Besuch von UmweltaktivistInnen erhielt. Darüber hinaus präsentierte „BusinessEurope“ EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso mit der „Copenhagen Scorecard“ eine Wunschliste in Sachen „Klimapolitik“. So sollte die Europäische Union Entwicklungsländer wie China in Dänemark zu verbindlichen Reduktionszielen drängen - und in heimischen Gefilden mehr auf „freiwillige Selbstverpflichtungen“ setzen.

„Croplife“ gegen US-Klimagesetze
„Croplife“, der US-amerikanische Verband von BAYER und anderen Agro-Multis, versucht, Obamas Klimaschutz-Agenda zu Fall zu bringen. Zu diesem Behufe hat die Organisation die Lobby-Agentur ALPINE GROUP engagiert, die in Washington über beste Kontakte verfügt.

Wenning beim Wirtschaftsgipfel
Die Kreditklemme gehört für den Leverkusener Multi zu den unangenehmsten Folgen der Wirtschaftskrise. „In der Größenordnung von zehn Milliarden Euro dürfte eine Akquisition für die meisten derzeit nicht mehr finanzierbar sein“, mit diesen Worten beklagte sich BAYER-Chef Werner Wenning in der Faz über die Beschränkung der Einkaufsmöglichkeiten. Deshalb drängte er bereits auf dem ersten Krisengipfel, zu dem Bundeskanzlerin Angela Merkel gerufen hatte, auf eine Lösung des Problems. Auch bei der trauten Runde, die sich am 2. Dezember 2009 im Kanzleramt diesem Thema widmete, saß Wenning wieder mit dabei, flankiert unter anderem von Josef Ackermann, Dieter Hundt vom Arbeitgeberverband und Michael Vassiliadis von der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE.

BAYER unterzeichnet NRW-Pakt
Die nordrhein-westfälische Landesregierung tut alles dafür, BAYER & Co. in politische Entscheidungen einzubinden. So rief sie beispielsweise den „Dialog Wirtschaft und Umwelt“ ins Leben. Im November 2009 haben Rüttgers & Co. jetzt mit BAYER und anderen Unternehmen einen Pakt geschlossen, denn „die Distanz zwischen Wirtschaft und Politik verhindert Wachstum“. Diese Entfremdung - „Die Wirtschaft hat vielfach geglaubt, ohne die Politik auszukommen. Die Politik hat sich an einer Manager- und Unternehmerschelte beteiligt“ - wollen Bosse und CDU/FDP-Koalition mittels Spitzentreffen schnellstmöglich aufheben. Nicht zuletzt BAYERs umstrittenes Pipeline-Projekt dürfte die konzertierte Aktion nötig gemacht haben.

BAYER & Co. sponsern den Staat
Die Konzerne unterstützten die Regierungstätigkeit im großen Umfang finanziell. Das geht auch aus dem 3. Zweijahresbericht über Sponsoring-Leistungen hervor, den das „Bundesministerium des Inneren“ im Mai 2009 veröffentlichte. Geld- und Sachleistungen in einer Größenordnung von fast 80 Millionen Euro brachten die Unternehmen in den Jahren 2007 und 2008 auf. BAYER befand sich natürlich ebenfalls unter den „edlen Spendern“. Der Leverkusener Multi stiftete für das Sommerfest von Bundespräsident Horst Köhler Sachleistungen im Wert von 30.000 Euro. Für den Empfang zum „Tag der Deutschen Einheit“ machte der Konzern 33.170 Euro locker und für das Kunstprojekt „inform“ 50.000 Euro.

„World Environment Day“ in Pittsburgh
Als „Bluewashing“ kritisieren die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und andere Initiativen die Strategie der Konzerne, sich durch Kooperationen mit den Vereinten Nationen ein gutes Image zu verschaffen. BAYER tut dies hauptsächlich durch ein Sponsoring der UNEP, des Umweltprogramms der UN. So richtete das Unternehmen 2007 in Leverkusen eine Konferenz mit 150 jungen UmweltschützerInnen aus aller Welt aus. Im Oktober 2009 gelang dem Multi erneut ein Coup. Er setzte für 2010 mit Pittsburgh den Standort seines US-amerikanischen Hauptquartiers als Gastgeber-Stadt des „World Environment Day“ durch. Dort hofft sich der Chemie-Riese dann wieder einmal als Öko-Engel präsentieren zu können.

BDI treibt Gesundheitspolitik
Im November 2009 präsentierte der „Bundesverband der Deutschen Industrie“ (BDI) sein „gesundheitswirtschaftliches Innovationskonzept“. Die Organisation sprach sich darin für eine Abkehr vom paritätisch finanzierten Gesundheitswesen aus und trat stattdessen für „transparente, lohnunabhängige Prämien“ ein. Zudem wiederholte sie die alte BAYER-Forderung nach einer steuerlichen Absetzbarkeit von Forschungskosten. Auch „zentralistische Eingriffe in die Preisbildung“ von Medikamenten verbat sich der BDI. Darüber hinaus sollten die Krankenkassen unbesehen die Kosten für jede neu auf den Markt kommende Arznei übernehmen. Natürlich durfte in dem Papier auch eine Kritik am „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ nicht fehlen, das Kosten/Nutzen-Analysen von Arzneimitteln durchführt und dabei nach Meinung von BAYER & Co. allzu oft zu negativen Ergebnisse kommt. Aber mit einer weiteren Loslösung vom Solidarprinzip hat das „gesundheitswirtschaftliche Innovationskonzept“ den Konzernen zufolge nichts zu tun, „ohne Wenn und Aber“ sprachen sie sich gegen eine Zwei-Klassen-Medizin aus.

Verheugen kämpft gegen Werbeverbot
Das Pillengeschäft könnte noch mehr Profite abwerfen, wenn die Hersteller für verschreibungspflichtige Medikamente werben dürften. Deshalb versuchen BAYER & Co. seit geraumer Zeit, das EU-Reklameverbot zu Fall zu bringen. Den Industrie-Kommissar der EU, Günter Verheugen, haben sie dafür als Bündnispartner gewonnen. Trotzdem liegt sein Gesetzesvorschlag vorerst auf Eis, weil viele ParlamentarierInnen eine Kosten-Explosion durch eine aggressive Reklame für teure Arzneien befürchten. Der SPD-Politiker versuchte daher kurz vor Ende seiner Amtszeit noch, Medikamenten-Fälschungen als Argument dafür anzuführen, den Pharma-Riesen mehr Raum für das zuzubilligen, was sie „Informationen“ nennen.

PROPAGANDA & MEDIEN

Klima-Manager Wenning?
Aus unerfindlichen Gründen ließ der Berliner Tagesspiegel in seiner Reihe „Die Klima-Manager“ auch BAYER-Chef Werner Wenning zu Wort kommen. Der gibt sich zunächst reumütig: „Die Industrie ist Teil des Problems“, nimmt dann aber flugs für sich in Anspruch, zur Lösung beitragen zu können. Gemeint ist allerdings lediglich ein Klimakrisen-Management aus dem Ackergiftschrank des Multis. So können Wenning zufolge bestimmte Pestizide den Pflanzen helfen, mit den Folgen des Klimawandels wie etwa Trockenheit umzugehen. Eine „zweite grüne Revolution“ nennt der Vorstandsvorsitzende das unbescheiden. Alleine machen will er sie jedoch nicht. „Die öffentlichen Ausgaben für Agrarforschung und landwirtschaftliche Infrastruktur reichen dafür noch nicht aus“, meint er und fordert frech Subventionen.

BAYER sponsert Klima-SkeptikerInnen
Der Leverkusener Multi bläst jährlich 7,6 Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Luft und setzt weiter auf klimaschädigende Kohle- und Müllkraftwerke. Darum hat er auch ein großes Interesse daran, das Problem „Klimawandel“ zu verharmlosen und unterstützt Denkfabriken, die diesen Job für das Kapital erledigen. So gehört der Konzern zu den Sponsoren des „Science Media Centers“ und des „Institute of Ideas“, das sich daneben auch gut auf Pro-Gentech-PR versteht.

Greenwashing zum G20-Gipfel
Der diesjährige G20-Gipfel der weltgrößten Industrieländer fand in Pittsburgh statt, dem Sitz von BAYERs US-amerikanischem Hauptquartier. Der Leverkusener Multi legte sich daher mächtig ins Zeug, um sich trotz seines jährlichen Kohlendioxid-Ausstoßes von 7,6 Millionen Tonnen als Umweltengel zu präsentieren und begrüßte die Staatenlenker mit großen „Welcome“-Bannern.

BAYER lädt zum Gynäkologie-Kongress
Der Leverkusener Multi hat mit QLAIRA ein neues Verhütungsmittel kreiert. Um dieses auch auf die Rezeptblöcke zu bringen, lud er 700 FrauenärztInnen ins Berliner Hotel Andel‘s zu dem Kongress „GynSights“ ein. Prof. Dr. Alfred O. Mueck und Dr. Anneliese Schwenkhagen gestalteten den Werbeblock für die Antibabypille, der nur von einigen Workshops zu gynäkologischen Themen unterbrochen wurde. Zu allem Übel firmiert das Ganze auch noch unter „Weiterbildungsmaßnahme“. „Diese Fortbildung haben wir bei der zuständigen Ärztekammer zur Zertifizierung eingereicht“ lässt BAYER die ÄrztInnen-Schar auf der Einladung wissen.

Werbekosten: vier Milliarden Dollar
Nach eigenen Angaben belaufen sich die jährlichen Marketing-Kosten von BAYER auf vier Milliarden Dollar. Allein in den USA investiert der Konzern 840 Millionen Dollar.

VI gibt TransGen-Trägerschaft auf
Die „Verbraucher Initiative“ (VI) ist mehr eine Konzern-Initiative. So hat sie sich ihr Gentechnik-Informationsportal TransGen von BAYER und anderen Gen-Giganten bezahlen lassen, was nicht ohne Einfluss auf die Berichterstattung blieb. Im November 2009 gab die VI nun endlich die Trägerschaft auf. Das Propaganda-Portal existiert jedoch weiterhin.

Standort-Kampagne in Leverkusen
BAYER spielt seinem Stammsitz Leverkusen seit längerer Zeit übel mit. Das Werk schrumpft und schrumpft und damit auch die Zahl der Arbeitsplätze, die Gewerbesteuer fließt nur noch spärlich und die vielbeschworene BAYER-Familie wird dysfunktionaler und dysfunktionaler. Was tun Konzerne in einem solchen Fall? Sie starten eine Image-Kampagne, die Eintracht beschwört. Und so heißt es nun: „Leverkusen und BAYER. Ein starkes Team“. Anzeigen beschwören den „Heimvorteil Leverkusen“, auf einer extra eingerichteten Internet-Seite betreibt der Multi Lokalpolitik und ein Fotowettbewerb zum Thema ist ebenfalls in Planung.

DRUGS & PILLS

Wieder eine YAZ-Tote
Im September 2009 erlitt eine 21-jährige Schweizerin nach der Einnahme von BAYERs Verhütungsmittel YAZ eine Lungenembolie und starb. Obwohl das Embolie-Risiko bei den Drospirenon-haltigen Kontrazeptiva wie YAZ um das 1,75fache höher liegt als bei den älteren Präparaten der 2. Generation, sah die zuständige Aufsichtsbehörde „Swissmedic“ auch nach dem neuerlichen tragischen Fall keine Veranlassung, die Pillen der YASMIN-Produktfamilie vom Markt zu nehmen. Das Heilmittel-Institut rät den MedizinerInnen lediglich zur Vorsicht. So sollen diese beim Verschreiben YASMIN & Co. auf die Gefahren aufmerksam machen; nur bei Frauen mit Hautleiden legte die Einrichtung den Einsatz der Mittel nahe. Zudem verlangt „Swissmedic“ eine Änderung des Beipackzettels - und mehr Folgen als eine andere Packungsbeilage dürfte der Pharma-GAU auch in der Bundesrepublik nicht haben.

Antibiotika nicht lukrativ
Antibiotika wie BAYERs CIPROBAY wirken gegen immer mehr Krankheitserreger nicht mehr. Das stört den Leverkusener Chemie-Multi aber kaum. Er gehört nicht zu den wenigen Pharma-Riesen, die nach Alternativen forschen. Antibiotika zählen nämlich nicht gerade zu den Kassenschlagern auf dem Pillen-Markt. Die MedizinerInnen verschreiben sie nur für wenige Tage, und neue Mittel haben die ÄrztInnen für besonders schwierige Fälle zurückzuhalten. „Medikamente, die Patienten über viele Jahre einnehmen müssen, sind viel lukrativer“, so Petra Gastmeier vom „Institut für Hygiene“ der Berliner Charité.

Senkt ASPIRIN das Darmkrebs-Risiko?
Nach einer neuen britischen Studie senkt ASPIRIN das Darmkrebs-Risiko. Die WissenschaftlerInnen warnen trotzdem vor einer vorbeugenden Einnahme des „Tausendsassas“, da er schwere Nebenwirkungen wie Magenbluten hat. Frühere Untersuchungen belegten einen Effekt von ASPIRIN nur auf eine bestimmte Art von Darm-Tumoren, weshalb die ForscherInnen ebenfalls von einer Gabe des Medikamentes zur Prophylaxe abrieten. Die einzige bisher durchgeführte Langzeitstudie sprach dem Mittel sogar jeden Nutzen bei der Darmkrebs-Prävention ab.

Keine Infarkt-Prävention mit ASPIRIN
BAYER vermarktet ASPIRIN mit großem Aufwand auch als Mittel zur Herzinfarkt-Prävention. Eine neue, im Drugs and Therapeutics Bulletin veröffentlichte Studie hat jetzt den Nutzen untersucht und kam zu einem negativen Ergebnis. Bei gesunden Menschen beugt der Tausendsassa einem Herzinfarkt nicht vor, während er das Risiko verdoppelt, innere Blutungen zu erleiden.

Brasilien: Kinder-ASPIRIN vom Markt
In Ländern der Dritten Welt vermarktet der Leverkusener Multi ASPIRIN als Allheilmittel und bietet es auch in einer Version für Kinder an, obwohl es gerade für Jüngere gravierende Risiken und Nebenwirkungen hat. So kann es bei Kindern mit Fiebererkrankungen das Reye-Syndrom auslösen, eine lebensbedrohliche Erkrankung der Leber und des Gehirns. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN fordert BAYER deshalb seit Jahren auf, das Präparat vom Markt zu nehmen. Endlich hat der Konzern nun einen ersten Schritt gemacht und für Brasilien einen Verkaufsstopp verkündet.

FDA prüft MAGNEVIST
BAYERs Röntgen-Kontrastmittel MAGNEVIST hat bei vielen Nierenkranken eine nephrogene systemische Fibrose, ein lebensgefährliches unkontrolliertes Wachstum des Bindegewebes, ausgelöst, weshalb den Gerichten bereits über 200 Klagen von Opfern oder deren Angehörigen vorliegen (Ticker 2/09). Jetzt schreitet auch die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA ein. Ein Ausschuss beschäftigt sich mit den Risiken von MAGNEVIST und anderen Kontrastmitteln. Allzu viel Unbill hat der Leverkusener Multi jedoch nicht zu erwarten. Es dürfte mit einer Veränderung der Anwendungsempfehlungen getan sein.

Hormon-Therapie weiter geduldet
Für BAYER machen typische Wechseljahresbeschwerden wie Hitzewallungen und Schweißausbrüche eine Hormon-Therapie unausweichlich. Auch kosmetische Gründe lassen dem Konzern zufolge einen Pharma-Einsatz angeraten erscheinen: Sie machen angeblich die Haut straffer. Zudem nutzt das Unternehmen die Angst als Verkaufsargument. Angeblich beugen Hormone der Osteoporose vor und wirken präventiv gegen Demenz. Nach Untersuchungen ist das Gegenteil der Fall: Hormone steigern sogar das Risiko, an Demenz zu erkranken. „Ein riesiges, unkontrolliertes Experiment mit den Frauen“ nennt das arznei-telegramm deshalb das „Menopausen-Management“. Darüber hinaus schädigen Hormon-Therapien nach einer in der Fachzeitschrift Proceedings veröffentlichten Studie das Gehör. Und trotz all dieser Befunde rät die „Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe“ auch in ihren jüngst veröffentlichten Leitlinien noch immer nicht von den Produkten ab.

LEVITRA & Co. sprengen Rentenkassen
In Brasilien heiraten immer mehr Männer um bis zu 30 Jahre jüngere Frauen, was die Sozialkassen sprengt, weil es den Staat überfordert, mehr als 15 Jahre lang Witwen-Renten auszuzahlen. BeobachterInnen führen diese Änderung im Paarungsverhalten auf den massenhaften Konsum von VIAGRA, BAYERs LEVITRA und anderen Potenzmitteln zurück und sprechen vom „VIAGRA-Effekt“.

LEVITRA als Schmelztablette
BAYER machte mit der Potenzpille LEVITRA im Geschäftsjahr 2008 einen Umsatz von 341 Millionen Euro. Das reicht dem Leverkusener Multi offenbar nicht. Er plant nämlich, das Präparat auch als Schmerztablette auf den Markt zu bringen, weil zur Einnahme dann kein Wasser mehr nötig ist, und hat einen entsprechenden Antrag gestellt. Sollten die Zulassungsbehörden ihn genehmigen, dann kommen bald wohl noch mehr Männer in den Genuss der zahlreichen Nebenwirkungen des Mittels. Temporärer Gedächtnisverlust, zeitweilige oder dauerhafte Hörschäden, Sehstörungen bis zum Sehverlust, Schwindel, Höhenangst, Kopfschmerzen, Nasenschleimhaut-Entzündungen, Grippe-Symptome sowie Gesichtsrötungen zählen dazu.

BAYER kauft Krebsmittel
Der Leverkusener Multi hat sich von dem norwegischen Pharma-Unternehmen ALGETA die Vermarktungsrechte an einem Krebs-Therapeutikum gesichert. Das sich momentan in der letzten Phase der klinischen Erprobung befindende Mittel soll angeblich Krebszellen mittels Alpha-Strahlung zerstören und dabei das gesunde Gewebe schonender behandeln als vergleichbare Produkte.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Bienensterben global
Im vorletzten Jahr hat BAYERs Saatgut-Beizmittel PONCHO in Süddeutschland ein verheerendes Bienensterben ausgelöst. Deshalb dürfen die LandwirtInnen das Produkt in der Bundesrepublik vorerst auf Maisfeldern nicht mehr ausbringen. Frankreich hat die Ausbringung von bestimmten Pestiziden wie dem vom Leverkusener Multi hergestellten GAUCHO bereits seit längerem streng reglementiert, während Italien das Mittel ganz verboten hat. In Staaten, die keine Maßnahmen getroffen haben, setzt sich indessen das Bienensterben fort. Aktuell haben ImkerInnen in Polen und Argentinien große Verluste zu beklagen.

Gepanschte Pestizide
In Brasilien hat der Leverkusener Multi seine Pestizide nach ganz eigenen Rezepten zusammengebraut und ohne Genehmigung gefährliche Mixturen angerührt (siehe auch SWB 4/09). Das stellte die brasilianische Gesundheitsbehörde „Agência Nacional de Vigilância Sanitária“ (Anvisa) bei einer Inspektion des BAYER-Werks in Belford Roxo fest. Sie ordnete daraufhin einen vorläufigen Verkaufs- und Produktions-Stopp für zwölf Ackergifte an. Auch mit einer Strafe in Höhe von 1,5 Millionen Real (rund 580.000 Euro) muss der Konzern rechnen.

Pestizide in Kräutern und Gewürzen
GREENPEACE hat Kräuter und Gewürze nach Pestizid-Rückständen untersucht und wies in einem Viertel der 37 Proben Spuren nach. Auch Wirkstoffe, die in BAYER-Produkten enthalten sind, waren mit von der Partie. Unter anderem stießen die WissenschaftlerInnen auf Chlorpyrifos, Imidacloprid, Methomyl, Thiabendazol und das hierzulande längst verbotene Methamidophos.

OBERON schädigt Orchideen
In Neuseeland hat das BAYER-Pestizid OBERON die Ernten von Orchideen-ZüchterInnen zerstört (siehe auch SWB 4/09). Der Leverkusener Multi musste das Ackergift nach dem Flurschaden aus dem Verkehr ziehen; inzwischen hat er jedoch eine Wiederzulassung für Tomaten- und Paprika-Kulturen erreicht. Rund 20 Prozent der Erträge hat das Insektizid auf dem Gewissen; der Einnahme-Verlust für die ZüchterInnen beträgt vier Millionen neuseeländische Dollar. Der Konzern hat den Betroffenen eine Entschädigung angeboten, aber mehr als die Hälfte lehnte ab. Viele der Orchideen-PflanzerInnen mussten nach dem GAU nämlich ihr Geschäft aufgeben, weil es zu lange dauern würde, die Blumen wieder in derselben Art zu kultivieren. Der Züchter Paul Hulshof hat aus Protest gegen das Zerstörungswerk des Agro-Multis eine LKW-Ladung kaputter Orchideen vor der neuseeländischen BAYER-Zentrale in Glenfield ausgekippt.

Tomaten-Rückruf wg. VOLARE
In Italien hat sich BAYERs Antipilzmittel VOLARE (Inhaltsstoffe: Propamocarb-Hydrochlorid und Fluopicolid) auf Tomatenfeldern vorzeitig zersetzt und einen üblen Chlorgeruch verströmt. Die Behörden mussten deshalb eine große Tomaten-Rückrufaktion starten.

Soja-Boom treibt Pestizid-Verbrauch
Im brasilianischen Bundesstaat Matto Grosso hat sich die Soja-Anbaufläche von 1998 bis 2008 verdreifacht. Dementsprechend wächst der Pestizid-Verbrauch. Neben Paraquat und Duquat kommt dabei auch das in Europa seit langem verbotene Endosulfan zum Einsatz, das zur Produktpalette von BAYER gehörte. Nach Aussage des Universitätsprofessors Wanderlei Antonio Pignati haben die Ackergifte die Kranken-Raten massiv steigen lassen. Allein in Sorriso, „der Hauptstadt des Soja“, haben die Krebserkrankungen und Missbildungen seit dem Boom um das Fünffache zugenommen. Auch Lungenkrankheiten und Allergien treten vermehrt auf. Zu allem Unglück nutzen die Soja-Barone die Agro-Chemikalien sogar dazu, um Kleinbauern und -bäuerinnen zu vertreiben, indem sie die Dörfer regelrecht mit Endosulfan & Co. einnebeln.

Pestizide fördern Dengue-Fieber
In Südamerika breitet sich das Dengue-Fieber immer stärker aus. Die eigentlich seit den 50er Jahren als eingedämmt geltende Krankheit hat sich inzwischen zu einer regelrechten Epidemie entwickelt. In Bolivien starben 2009 bereits 20 Menschen, in Brasilien 38. In diesen beiden Ländern und Argentinien erkrankten bisher insgesamt 68.000 Menschen. Der Agronom Alberto Lapolla führt den Anstieg der Zahlen neben dem Klimawandel, welcher den Moskitos als Überträgern bessere Lebensbedingungen bietet, auf den mit der Ausweitung des Soja-Anbaus einhergehenden exzessiven Pestizid-Einsatz zurück. Agrochemikalien wie Glyphosat, das nicht nur in MONSANTOs ROUNDUP, sondern auch in den BAYER-Produkten GLYPHOS, KEEPER und USTINEX enthalten ist, vergiften Lapolla zufolge nämlich Fische, Frösche, Kröten und andere natürliche Feinde der Moskitos. „Wir können ohne Übertreibung feststellen, dass die Amphibien in den Sojaanbau-Gebieten der Vergangenheit angehören. Sie wurden von den Pestiziden vernichtet, die bei der Aussaat verwendet werden“, so Lapolla.

Pestizide erhöhen Parkinson-Risiko
Pestizide haben Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem, darum befördern sie viele Krankheiten. Besonders Menschen, die täglich mit Agrochemikalien umgehen, gefährden ihre Gesundheit. So erhöhen Ackergifte das Risiko, an Parkinson zu erkranken, beträchtlich. Permethrin, das unter anderem in BAYERs Insektenmittel COOPEX und der gegen Flöhe wirkenden Tier-Arznei ADVANTIX enthalten ist, lässt diese Gefahren um das Dreifache ansteigen. Das wies eine neue, in den Archives of Neurology veröffentlichte Studie nach.

Immer mehr Pestizide
BAYER & Co. produzieren immer mehr Pestizide. Die in der Bundesrepublik hergestellte Wirkstoff-Menge wuchs 2008 im Vergleich zum Vorjahr von 86.733 Tonnen auf 115.756 Tonnen - eine Erhöhung um 33,5 Prozent! Auch der Export nahm zu. Er stieg von 101.565 auf 108.931 Tonnen an.

GENE & KLONE

NEXAVAR bei Schilddrüsenkrebs?
Der Leverkusener Multi versucht unentwegt, das Anwendungsspektrum seiner zur Behandlung von fortgeschrittenem Nieren- und Leberkrebs zugelassenen Gentech-Arznei NEXAVAR zu erweitern. Für die Indikation „Schilddrüsenkrebs“ hat gerade die dritte und letzte Testphase begonnen. Entsprechende Versuche laufen auch zur Therapie von Brust- und fortgeschrittenem Lungenkrebs; bei Haut- und Bauchspeicheldrüsenkrebs versagte das Medikament dagegen.

NEXAVAR wieder zu teuer
Nicht nur der Berliner Krebs-Spezialist W.-D. Ludwig beurteilt den Wert von neuen Krebsmedikamenten kritisch (siehe AKTION & KRITIK). Das britische Pendant zum bundesdeutschen „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“, die Sondergesundheitsbehörde NICE, kommt zum selben Ergebnis. Sie unterzog BAYERs zur Behandlung von Leberkrebs zugelassene Gentech-Arznei NEXAVAR einer Kosten/Nutzen-Analyse und stellte ein schlechtes Zeugnis aus. Deshalb ersetzen die Krankenkassen die Kosten nicht. Zuvor war die NICE schon zum Nierenkrebs-NEXAVAR nicht „nice“ gewesen.

Krebs-Antikörper erreicht Testphase
Das Biotech-Unternehmen MORPHOSYS entwickelt für BAYER einen Antikörper, der ein Molekül ausschalten soll, das eine Rolle bei Krebserkrankungen spielt. Inzwischen sind die Forschungen so weit gediehen, dass die erste Phase der klinischen Tests beginnen kann. Die Konkurrenz hat gegenüber dem Konzern allerdings einen Vorsprung. Der Antikörper des Unternehmens WILEX, der dasselbe Ziel anvisiert wie der des Leverkusener Multis, befindet sich bereits in der Endrunde der Erprobung.

Raps-Genom entschlüsselt
BAYER hat gemeinsam mit der „University of Queensland“, dem Pekinger Genomics-Institut und dem niederländischen Unternehmen KEYGENE das komplette Erbgut der Rapssorte Canola entschlüsselt. Der Leverkusener Multi will die Erkenntnisse zur Beschleunigung seiner Forschungs- und Zuchtprogramme nutzen. So hat der Konzern vor, den Ölgehalt der Pflanzen zu erhöhen. Solchermaßen angereicherter Raps eignet sich besonders gut als Rohstoff für die Agrosprit-Produktion, die immer mehr Ackerflächen in Anspruch nimmt und so die ausreichende Versorgung der Menschen mit Nahrungsmitteln gefährdet.

BAYER kauft neue Gentechnik ein

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Der Leverkusener Multi hat vom US-Unternehmen CHROMATIN die Nutzungsrechte an einer Technologie erworben, die es erlaubt, mehrere Gene auf ein Chromosom zu übertragen. Der Konzern will dieses Verfahren unter anderem bei der Produktion seiner Baumwoll-Pflanzen nutzen.

BAYER kauft neue Gentechnik ein

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Der Leverkusener Multi hat das US-amerikanische Biotech-Unternehmen ATHENIX gekauft. Nach BAYER-Angaben verfügt ATHENIX über eine „umfangreiche Entwicklungsplattform von Pflanzen-Eigenschaften“ zur konventionellen Einzüchtung sowie „über die branchenweit größte Kollektion von so genannten Bt-Genen“, die das Ackerfrüchte-Erbgut mit dem für Insekten tödlichen Bacillus thuringiensis bestücken. Auch gegen Fadenwürmer hat die Firma etwas im Angebot. Zudem hat sie Lizenz-Abkommen mit Konzernen geschlossen, die jährlich 500 Millionen Euro einbringen.

Neues Baumwoll-Forschungszentrum
Baumwolle - gentechnisch manipuliert, konventionell oder mit eingezüchteten Sondereigenschaften - gehört zu den Kerngeschäften BAYERs. Deshalb hat der Agro-Multi jetzt auch im texanischen Lubbock ein neues Zentrum für Baumwollforschung und -züchtung in Betrieb genommen.

WASSER, BODEN & LUFT

PCB-Verbrennung: 15.000 Tonnen
Besonders wegen ihrer langen Halbwertzeit zählen Polychlorierte Biphenyle (PCB) zu den gefährlichsten Chemikalien überhaupt. Obwohl bereits seit 1985 verboten, ist die Substanz, zu deren Hauptanbietern BAYER gehörte, noch nicht aus dem Alltag verschwunden und überdauert beispielsweise als Isoliermaterial in Gebäuden. Und wenn etwa Sanierungsmaßnahmen anstehen, findet das PCB auch seinen Weg zurück zu BAYER und landet in den Sondermüll-Verbrennungsanlagen des Konzerns. Allein der Leverkusener Ofen schluckt jährlich 15.000 Tonnen - und spuckt angeblich kaum PCB-Rückstände aus.

Warnung vor Tabun
Etwa 6.000 Giftgas-Granaten aus dem Zweiten Weltkrieg liegen zweieinhalb Seemeilen vor Helgoland in der Nordsee (Ticker 2/09). Bestückt sind sie mit dem Kampfstoff Tabun, den Gerhard Schrader 1936 im Leverkusener BAYER-Werk entwickelt hatte. Nach Einschätzung der schleswig-holsteinischen Katastrophenschutz-Behörde ist die Substanz durch Seewasser, Druck und Korrosion schon lange aus den Geschützen ins Meer entwichen. Das „Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrologie“ hat deshalb davor gewarnt, in dem Gebiet „grundnahe Fischerei“ zu betreiben. Eine Bergung oder andere Maßnahmen planen die zuständigen Institutionen derzeit nicht.

Wolfenbüttel: Bodensanierung beendet
Im letzten Jahr hat BAYER die Pestizid-Produktion am Standort Wolfenbüttel aufgegeben und ein verseuchtes Werksgelände hinterlassen. Nicht nur 325 Kilogramm Pestizide schlummern im Erdreich, sondern auch 3.000 Kilogramm Benzol sowie Lösungsmittel, Mineralöle und Schlacken. Für den größten Schadstoff-Eintrag hatte 1978 - damals betrieb SCHERING auf dem Gelände eine Chemie-Produktion - eine Explosion gesorgt, denn mit dem Löschwasser versickerte ein ganzer Chemie-Cocktail (Ticker 3/09). Die Sanierung des Grunds gestaltete sich schwierig. Im Laufe der Arbeiten entdeckten die Fachleute noch mehr Schadstoffe und erweiterten ihren Aktionsradius um 200 Quadratmeter. Im November 2009 hatten sie dann auf 1.200 Quadratmetern bis zu einer Tiefe von acht Metern Erde ausgehoben und beendeten ihre Tätigkeit. Die Reinigung des Grundwassers allerdings dürfte noch lange dauern. Der Geologe Jürgen Röhrs veranschlagt dafür 50 Jahre; BAYER will es hingegen in einer Dekade schaffen.

Antwerpen: Stadt gegen Kraftwerk
Der Energie-Riese E.ON will für BAYER am Standort Antwerpen ein Kohlekraftwerk mit einer Leistung von 1.100 Megawatt bauen. Die Stadt hat sich jetzt angesichts der zu erwartenden Kohlendioxid-Emissionen von ca. sechs Millionen Tonnen und des Schadstoff-Ausstoßes gegen das Projekt ausgesprochen. Ein Aus für die Dreckschleuder bedeutet dieses Votum jedoch nicht.

CO2: Darf‘s ein bisschen weniger sein?
7,6 Millionen Tonnen Kohlendioxid hat BAYER im Jahr 2008 produziert. Nun hat der Konzern angekündigt, diese Menge bis zum Jahr 2013 um zehn Prozent reduzieren und die Emissionen mittels eines neuen Verfahrens zu Chlor-Herstellung weiter senken zu wollen. Klimawende sieht anders aus.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

Bisphenol in Schnullern
Die von BAYER massenhaft hergestellte und vor allem in Mineralwasser- und Babyflaschen sowie Konservendosen Verwendung findende Chemikalie Bisphenol A (BPA) wirkt hormon-ähnlich und kann deshalb die Entwicklung des Gehirns, Stoffwechselprozesse und die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen sowie Diabetes und Herz/Kreislauf-Erkrankungen befördern. Eine neue Studie, die der BUND gemeinsam mit GLOBAL 2000 in Auftrag gab, hat nun eine hohe Bisphenol-Konzentration in Schnullern festgestellt. 400 Mikrogramm pro Kilogramm wiesen die WissenschaftlerInnen nach.

Sexualstörungen durch Bisphenol
Das von BAYER massenhaft produzierte Bisphenol A kann nach einer von US-amerikanischen und chinesischen WissenschaftlerInnen gemeinsam durchgeführten Studie das Geschlechtsleben beeinträchtigen. Menschen, die an ihrem Arbeitsplatz mit der Chemikalie in Kontakt kamen, klagten den ForscherInnen zufolge deutlich häufiger über Ejakulationsstörungen, Erektionsprobleme und Unlustgefühle.

Phthalate stören Geschlechtsentwicklung
Phthalate und andere Weichmacher beeinträchtigen die Geschlechtsentwicklung. Da die von BAYER in großen Mengen hergestellten Stoffe hormon-ähnlich wirken, stören sie die Produktion von Testosteron. So beobachteten ForscherInnen bei Kindern zwischen drei und sechs Jahren, die im Mutterleib hohen Weichmacher-Konzentrationen ausgesetzt waren, ein markant unmännlicheres Spielverhalten als bei ihren unbelasteten Altersgenossen.

Modernisierung der Chlorproduktion?
BAYER gehört zu den letzten Chlor-Herstellern, die noch das veraltete Amalgam-Verfahren einsetzen, bei dem das hochgefährliche Schwermetall Quecksilber emittiert wird - mittelständische Betriebe haben ihre Anlagen längst umgerüstet. Nun hat der Chemie-Multi am Standort Krefeld endlich auch Modernisierungsmaßnahmen angekündigt. Allerdings stellte er diese erpresserisch unter Vorbehalt: Nur wenn es ein „Ja“ zur Kohlenmonoxid-Pipeline und zum Kohlekraftwerk gibt, will er die nötigen Investitionen vornehmen.

CO & CO.

Pipeline nicht erdbebensicher
In der Niederrheinische Bucht gibt es nach Aussage des Diplom-Physikers Klaus Lehmann vom „Geologischen Dienst NRW“ eine „moderate Erdbeben-Gefährlichkeit“. Die letzte größere Erderschütterung hatte eine Stärke von 5,9. Sie ging vom niederländischen Roermond aus und war bis Krefeld spürbar. Im Damenbecken des Schwimmbades entstanden Risse, weshalb die Stadt die Badeanstalt schloss. Deshalb muss BAYERs von Dormagen nach Krefeld verlaufende Kohlenmonoxid-Pipeline auch absolut erdbebensicher sein. Dies ist aber nach Einschätzung des „Geologischen Dienstes“ „bislang nicht ausreichend nachgewiesen“. Die Behörde hält in ihrem Gutachten zusätzliche Untersuchungen und Berechnungen für erforderlich, um beispielsweise Bodenrutschungen ausschließen zu können. BAYER weist die Kritik zurück: „Unsere Experten und der TÜV kommen zu anderen Schlussfolgerungen. Daran halten wir uns“.

CDUler fordern Pipeline-Stopp
Vier CDU-Landespolitiker haben in einem Offenen Brief an BAYER-Chef Werner Wenning einen Stopp der umstrittenen Kohlenmonoxid-Pipeline gefordert. „Beenden Sie sofort das Projekt CO-Pipeline. Tödlich giftiges Gas wie CO muss am Entstehungsort verarbeitet werden - in keinem Fall gehört es in eine Leitung, die durch Wohngebiete, Schulgelände und Kindertagesstätten geführt wird“, heißt es in dem Schreiben. Wenning zeigte sich wenig beeindruckt. „Unsere Pipeline erfüllt den höchsten Sicherheitsstandard“, versicherte er wieder einmal. Der BAYER-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Thomas de Win sprang seinem Boss bei, sprach von „platten Vorwürfen“ und warf den PolitikerInnen vor, auf Kosten des Leverkusener Multis Wahlkampf betreiben zu wollen.

Uhlenberg übt Kritik
Die Bezirksregierung Düsseldorf hatte der Firma WINGAS als Bauherr von BAYERs umstrittener Kohlenmonoxid-Pipeline vorgeschrieben, den Boden vor Beginn der Verlegungsarbeiten sorgfältig mit Detektoren nach Fliegerbomben und anderen Kampfmitteln zu durchsuchen. Das Unternehmen kam dieser Aufforderung jedoch nur unvollständig nach (Ticker 3/09). Deshalb geht nun auch der nordrhein-westfälische Umweltminister Eckard Uhlenberg auf Distanz zum Bau. Er habe das Vertrauen in WINGAS verloren, erklärte der CDU-Politiker vor dem Umweltausschuss des Landtages. Ein hoher Beamter des Innenministeriums warf der Firma sogar vor, die Landesregierung belogen zu haben.

Pipeline-Baustelle als Holzlager
In Solingen haben Waldarbeiter die Pipeline-Baustelle als Holzlager benutzt und direkt über der Leitung Pfähle in den Boden gerammt. Da die Pflöcke nicht weit genug in die Erde reichten, hätte keine Gefahr bestanden, die Rohre zu beschädigen, gab die Stadt umgehend Entwarnung. Die Bezirksregierung forderte BAYER zu einer Stellungsnahme auf. Diese gab der Leverkusener Multi auch ab, und Regierungspräsident Jürgen Büssow ließ es dabei bewenden.

Sicherheitsstandards gesenkt
Die Bezirksregierung hat erneut die Sicherheitsstandards von BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline gesenkt. Sie hat die überirdischen Stationen, die bei einem Störfall für eine Absperrung der verschiedenen Leitungsabschnitte sorgen sollen, aus der Explosionsschutzzone gestrichen und damit den bisher 66 Änderungsbescheiden einen weiteren hinzugefügt. Ähnlichkeiten der jetzt gebauten Pipeline mit dem von der Bezirksregierung genehmigten Projekt sind nur noch rein zufällig. „Wieder wurde - ohne öffentliche Beteiligung - ein Standard verändert, der vorher zweieinhalb Jahre Gültigkeit besaß. Das ist keine Petitesse“, kritisierte Dieter Donner als Sprecher der Pipeline-GegnerInnen.

NANO & CO.

Nano-Warnungen vom Umweltbundesamt
Nano leitet sich vom griechischen Wort für Zwerg ab. Die Nanotechnik beschäftigt sich folglich mit der Entwicklung von mikroskopisch kleinen Werkstoffen. Da sich diese durch eine besondere Festigkeit auszeichnen und weitere vorteilhafte Material-Eigenschaften besitzen, erwartet der Leverkusener Multi von der „Zukunftstechnologie“ Millionen-Umsätze. Deshalb errichtet er derzeit die weltgrößte Anlage nur Produktion von Nano-Kohlenstoffröhrchen, den so genannten BAYTUBES. Um mögliche Gesundheitsgefahren schert der Konzern sich nicht weiter - im Gegensatz zum Umweltbundesamt (UBA). Die Behörde hat eine Broschüre zur Nano-Technologie veröffentlicht, die wegen der dort aus der wissenschaftlichen Literatur zusammengestellten Risiken und Nebenwirkungen einigen Wirbel auslöste. So gibt es laut UBA Hinweise auf eine asbest-ähnliche Wirkung von Kohlenstoffröhrchen. Besonders für die Atemwege stellen die Winzlinge eine Bedrohung dar. Die Partikel können aber auch in Organe eindringen, die Blut/Hirn-Schranke überwinden oder zu den Zellkernen vorstoßen - mit bisher noch überhaupt nicht erforschten Folgen. Diese Material-Eigenschaften gefährden desgleichen Tiere und Ökosysteme. Wasserflöhe hat der Kontakt mit Nano-Stoffen nach Beobachtung von WissenschaftlerInnen schon dahingerafft, und für Wasser, Boden und Luft versprechen die Teilchen ebenfalls nichts Gutes. Nach dem unerwartet breiten Medien-Echo musste das Umweltbundesamt zurückrudern und Entwarnung geben. „Man darf nicht nur über die Risiken diskutieren, sondern auch über die Chancen“, meinte Autor Wolfgang Dubbert und stellte segensreiches Nano-Wirken auf den Gebieten des Umwelt- und Gesundheitsschutzes in Aussicht.

STANDORTE & PRODUKTION

Krefeld: Zusagen unter Vorbehalt
Im neuen Standortsicherungsvertrag (siehe auch KAPITAL & ARBEIT) hat BAYER dem Krefelder Werk Bestandschutz gewährt - allerdings unter Vorbehalt. Nur bei einem „Ja“ zur umstrittenen Kohlenmonoxid-Pipeline und zum Kohlekraftwerk erklärt der Leverkusener Multi sich bereit, 200 Millionen Euro zu investieren und Auslastungsgarantien abzugeben.

Monheimer Substanz-Bibliothek erweitert
BAYER hat für ca. fünf Millionen Euro die Substanz-Bibliothek am Standort Monheim erweitert. In dem Hochregal-Lager „archiviert“ der Konzern 2,2 Millionen Chemie-Stoffe, die den Grundstock zur Entwicklung neuer Ackergifte bilden.

IMPERIUM & WELTMARKT

BAYER kauft ATHENIX
Der Leverkusener Multi hat für knapp 250 Millionen Euro das US-amerikanische Biotech-Unternehmen ATHENIX gekauft (siehe auch GENE & KLONE).

Chemie„park“-Kooperation mit China
Die BAYER-Chemie„parks“ in Leverkusen, Dormagen und Krefeld haben ein Kooperationsabkommen mit einem chinesischen Pendant, dem „Nanjing Chemical Industry ‚Park‘“ geschlossen und einen Informationsaustausch, gemeinsame Weiterbildungsaktivitäten sowie eine Überlassung von Beschäftigten vereinbart. Einfädelt hatte den Deal Nordrhein-Westfalens landeseigene Wirtschaftsförderungsgesellschaft NRW.INVEST, weshalb die Verträge auch während der China-Reise von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers unterzeichnet wurden.

ÖKONOMIE & PROFIT

697 Patente angemeldet
Unaufhörlich treibt BAYER die Privatisierung von Wissen mittels Patentierungen voran. Im Jahr 2008 hat der Leverkusener Multi 697 entsprechende Anträge gestellt, die ihm profitträchtige Monopolstellungen sichern sollen.

BAYER & Co. dominieren Wirtschaft
Über drei Millionen umsatzpflichtige Firmen existieren in der Bundesrepublik. 99,7 Prozent davon sind kleine und mittlere Unternehmen, 0,3 Prozent Multis wie BAYER. Allerdings landen 62 Prozent des Umsatzes bei den Global Playern.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Phosgen-Austritt in Dormagen
Am 28.11.2009 trat im Dormagener BAYER-Werk aus einer Pilotanlage Phosgen aus, das extrem giftig ist und im Ersten Weltkrieg als Kampfgas zum Einsatz kam. Zum Schutz zog der Multi eine Dampfwand aus - ebenfalls gesundheitsschädlichem - Ammoniak auf.

Blausäure-Austritt in Institute
Die Pannenserie in Institute hält an. War es an dem US-amerikanischen BAYER-Standort im August letzten Jahres zu einer Explosion gekommen, in deren Folge zwei Beschäftigte starben, so ereignete sich am 24.10.09 ein erneuter Zwischenfall. Aus einer Destillieranlage traten rund sechs Kilogramm Blausäure aus, von der schon geringste Menge ausreichen, um tödlich zu wirken.

RECHT & UNBILLIG

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Genreis-GAU: BAYER muss zahlen
Im Jahr 2006 war gentechnisch veränderter Langkorn-Reis von BAYER weltweit in Supermärkten aufgetaucht, obwohl zu diesem Zeitpunkt n

[Ticker] STICHWORT BAYER 01/2009 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Demo gegen Kraftwerke
In Brunsbüttel sollen drei Kohlekraft- und ein Müllkraftwerk das Atomkraftwerk ersetzen - und das bis auf eine Kohle-Dreckschleuder alles auf dem BAYER-Gelände. „Wie viel Dreck müssen wir noch ertragen“, fragten sich da die AnwohnerInnen und demonstrierten am 14. März gegen die Pläne. 300 Menschen beteiligten sich an der Protestaktion, zu der unter anderem Bürgerinitiativen, der BUND und die Grünen aufgerufen hatten.

Protest gegen Patentklage
BAYER hat die indische Medikamenten-Zulassungsstelle „Drugs Controller General of India“ (DCGI) verklagt, da diese dem einheimischen Unternehmen CIPLA eine Zulassung für das patentgeschützte BAYER-Krebsmedikament NEXAVAR erteilt hatte (siehe auch SWB 1/09). In einer ersten Anhörung in Neu Delhi gelang es dem Leverkusener Multi bereits, die Genehmigung vorerst ruhen zu lassen. Sollte der Konzern abschließend Recht bekommen, so wäre ein Präzedenzfall geschaffen, der die Versorgung der ärmeren Länder mit preiswerten Arzneien generell gefährdet, da Indien weltweit einer der größten Hersteller billiger Nachahmer-Präparate ist. Aus diesem Grund hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gemeinsam mit anderen Initiativen und BündnispartnerInnen vor Ort eine Kampagne gegen das Vorgehen des Pharma-Riesen gestartet.

Initiative kritisiert EPA-Strafe
Schon bevor BAYER 2001 das Werk im US-amerikanischen Institute erwarb, wo sich am 28. August 2008 ein schwerer Störfall ereignete (siehe auch UNFÄLLE & KATASTROPHEN), wurde die Produktionsstätte wegen ihrer Sicherheitsrisiken aktenkundig. Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA stellte so schwerwiegende Mängel wie überhöhte Emissionen, fehlerhafte Emissionsberichte sowie Verstöße gegen Vorschriften im Umgang mit gefährlichen Stoffen fest und forderte den Leverkusener Multi als Rechtsnachfolger zu einer Strafzahlung in Höhe von einer Million Dollar auf. Mit diesem Geld soll der Konzern unter anderem in eine Technologie investieren, welche die massiven Einleitung von Chloroform in den Fluss Kanawha stoppt, und den Katastrophenschutz verbessern. Die ortsansässigen Initiative PEOPLE CONCERNED ABOUT MIC (PCAM) kritisiert den Deal. „Wenn es der primäre Zweck dieser Strafe ist, abschreckend zu wirken, dann war sie wohl nicht hart genug, denn BAYER hat im Zuge der Explosionen im August 2008 einige der Gesetze wieder missachtet“, schrieb die Gruppe an die EPA. Aber die UmweltaktivistInnen halten nicht nur die Strafe von einer Million Dollar für zu gering, sie stoßen sich auch an den Auflagen zu ihrer Verwendung. Nach Ansicht von PCAM-Sprecherin Maya Nye hätte der Multi das Geld zur Finanzierung eines unabhängigen Monitoring-Systems, zur Ausarbeitung eines Katastrophenplans und zur Versorgung der AnwohnerInnen mit Gasmasken ausgeben müssen. Zudem tritt sie für Sanktionen ein, die mit Geld nicht zu bezahlen sind: „Wir hätten es gerne, wenn Verstöße gegen Vorschriften auch zu Fabrikschließungen führen würden, bis es Pläne gibt, wie die Sicherheit und die Gesundheit der Bewohner zu gewährleisten sind“.

Kritik an PONCHO-Wiederzulassung
Im letzten Frühjahr hatte BAYERs Saatgutbehandlungsmittel PONCHO (Wirkstoff: Clothianidin) in Süddeutschland ein großes Bienensterben verursacht. Die Aufsichtsbehörden untersagten daraufhin Anwendungen auf Raps und Mais. Für Raps gab das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ (BVL) allerdings schon im Sommer wieder grünes Licht - was intern auf große Kritik stieß. Wie die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) nach einer Anfrage erfuhr, nahm das Umweltbundesamt (UBA) die Entscheidung des BVL nur „mit äußerstem Befremden“ zur Kenntnis, weil „keine belastbaren Daten“ vorgelegen hätten. „Wir widersprechen ihrer Auffassung nachdrücklich“, hielt das UBA deshalb fest.

ImkerInnen gegen Wirtschaftseinfluss
Der „Deutsche Imkerbund“ und der „Deutsche Berufs- und Erwerbsimkerbund“ haben in einem Offenen Brief den großen Einfluss von BAYER & Co. bei der Erforschung des Bienensterbens und die daraus resultierende ungenügende Untersuchung von Pestiziden als Auslöser kritisiert. Eine „Verflechtung von Wirtschaftsinteressen, Forschung und Behörden“ machten die Verbände fest. Da das Geld für die Studien der Bienen-Institute „gerade im Bereich der Agroindustrie ausnahmslos von Firmen wie BAYER, BASF, SYNGENTA etc. zur Verfügung gestellt“ werde, seien die Ergebnisse nicht objektiv. Im „Deutschen Imkerbund“ hat der Vorstoß zu einer Kontroverse geführt. WissenschaftlerInnen gaben ihren Sitz im Beirat auf, und einige Landesverbände forderten die Abwahl von Präsident Peter Maske. Sogar der große Bruder der Imker-Vereinigung, der „Deutsche Bauernverband“, schaltete sich ein. „Diktion und Inhalt“ des Schreibens kamen diesem „unmöglich“ vor. Offensichtlich eingeschüchtert, zog der Vorstand den Brief zurück und entschuldigte sich bei den Instituten. Die BienenzüchterInnen bestätigten Maske allerdings im Amt. So bleibt Hoffnung auf einen industrie-kritischeren Kurs des ImkerInnenbundes.

Leserbrief zu Kohlekraftwerk
Ein in der Westdeutschen Zeitung veröffentlichter Leserbrief kritisiert die Position der Gewerkschaften zu dem in Krefeld auf dem BAYER-Gelände geplanten Kohlekraftwerk scharf. „Es ist geradezu peinlich, wie sich die Betriebsräte im Chempark von den Führungsspitzen bei BAYER instrumentalisieren lassen, indem 7.000 Arbeitsplätze in Gefahr geredet werden. Kein einziger Arbeitsplatz ist in Gefahr“, schreibt die Leserin. Sie erinnert aus gegebenem Anlass noch einmal an die Umweltsünden der Vergangenheit, die „Hunderte von Toten“ kosteten und verlangt vom Konzern, seine Zusicherungen hinsichtlich der Reduzierung des Schadstoff-Ausstoßes in eine verbindliche vertragliche Form zu gießen.

BUKO kritisiert Pillen-Werbung
Anfang 2008 kritisierte der von der BUKO PHARMA-KAMPAGNE herausgegebene Pharma-Brief die irreführende Werbung des Leverkusener Multis für seine Verhütungspillen. „Durch die Verhütung mit einer solche Pille werden Haut- und Haarprobleme deutlich verbessert bzw. verschwinden vollständig. Selbst junge Mädchen, die (noch) gar kein Verhütungsmittel benötigen, wenden allein aus diesem Grund gerne eine geeignete Pille an“, hieß es etwa auf der Webpage der BAYER-Tochter JENAPHARM für VALETTE, obwohl auf dem entsprechenden Beipackzettel just Akne als Nebenwirkung aufgeführt ist. Und PETIBELLE empfahl das Unternehmen als Mittel der Wahl gegen das „Prämenstruelle Syndrom“, das die Industrie nur zu gerne von einer Befindlichkeitsstörung zu einer Krankheit promovieren würde. Die Pharma-Kampagne wandte sich wg. dieser Werbeaussagen an das „Thüringer Landesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz“ als zuständige Aufsichtsbehörde. Dieses strengte zwar ein Ordnungswidrigkeitsverfahren an, stellte es aber wieder ein. „Im Vergleich sind die Internetseiten der Konkurrenz-Produkte ähnlich aufgebaut“, befanden die VerbraucherschützerInnen. Zudem seien die Seiten inzwischen umgestaltet, behaupteten sie fälschlicherweise. Erst als sich die SWR-Sendung Odysso der Sache annahm, verschwand die VALETTE-Reklame schließlich aus dem Netz. Das Kontrazeptivum YASMIN preist der Leverkusener Multi sogar als Mittel gegen Gebärmutter- und Eierstockkrebs an, während er das erhöhte Risiko von YASMIN-NutzerInnen, an Brust oder Gebärmutterhals-Krebs zu erkranken, verschweigt. Die Bezirksregierung Köln interessierte sich nicht weiter dafür, sie ließ den Buko-Brief unbeantwortet. Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA reagiert auf solche Marketing-Strategien BAYERs dagegen harscher (siehe RECHT & UNBILLIG).

TierversuchsgegnerInnen protestieren
Im Januar 2009 protestierten TierschützerInnen der Initiative SHAC vor den Toren einer britischen BAYER-Niederlassung, weil auch der Pharma-Riese zu den Kunden des Tierversuchsmultis HUNTINGDON LIFE SCIENCES zählt. In Instituten, die im Auftrag des Leverkusener Konzerns forschten, starben im Jahr 2008 1.241 Tiere. In den eigenen Labors des Unternehmens verendeten im gleichen Zeitraum 157.710 Kreaturen (2007: 157.987).

Bisphenol-Verbot in der EU gefordert
Die von BAYER massenhaft hergestellte und vor allem in Mineralwasser- und Babyflaschen sowie Konservendosen Verwendung findende Chemikalie Bisphenol A (BPA) kann Diabetes oder Herz/Kreislauf-Erkrankungen befördern, die Entwicklung des Gehirns, Stoffwechselprozesse und die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen und Chemotherapien erschweren. In Kanada haben die Behörden BPA in Trinkflaschen bereits verboten. Gleiches fordert jetzt eine ins Straßburger EU-Parlament eingebrachte Deklaration.

Paraguay: LandwirtInnen gegen Gensoja
Paraguayische LandwirtInnen besetzten Anfang Oktober 2008 eine mit Gen-Soja kultivierte Anbaufläche, die im Besitz zweier Großgrundbesitzer aus Brasilien ist, und pflanzten auf dem Acker stattdessen Sesam und Manioks an. „Uns blieb keine andere Wahl als die brasilianischen Haciendas zu besetzen, weil das Soja die Waldflächen frisst und für Pestizid-Vergiftungen sorgt“, sagte der FarmerInnen-Sprecher Elvio Benítez. Zudem forderte er den Staatspräsidenten Fernando Lugo auf, in dem Staat, dessen Farmland mehr noch als im übrigen Lateinamerika in den Händen einiger weniger Agrarfürsten ist, endlich mit der versprochenen Landreform zu beginnen.

Proteste gegen Patent-Regelungen
Die Initiative KEIN PATENT AUF LEBEN hat eine Kampagne gegen den Zugriff der großen Konzerne auf das Erbgut von Tieren und Pflanzen gestartet. Sie verfasste einen Protestbrief, der die Justizministerin Brigitte Zypries und die Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner zum Handeln auffordert, und rief Gentechnik-GegnerInnen dazu auf, ihn persönlich zu zeichnen und an die Politikerinnen zu senden. „Vom Saatgut bis zum Schnitzel, vom Mehl bis zur Milch - die Industrie holt zum Generalangriff auf die allen Menschen gemeinsamen Lebensgrundlagen aus. Sie missbraucht das Patentrecht zur Übernahme von Lebensmittelproduktion und Landwirtschaft“, heißt es in dem Schreiben, das gleichwohl Möglichkeiten zu einer politischen Intervention sieht. „Noch können die Weichen gestellt werden“, stellt KEIN PATENT AUF LEBEN fest und mahnt eine Veränderung des bundesdeutschen und europäischen Patentrechts an, um BAYER & Co. in die Schranken zu weisen.

Offener Brief an Hochschule
BAYER hat der Universität von North Carolina einen „Sustainable Development“-Lehrstuhl spendiert. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) protestierte in einem Offenen Brief gegen das Ansinnen, Umweltschutz, so wie ihn BAYER sieht, mit universitären Weihen zu versehen. Die Resonanz in der US-amerikanischen Öffentlichkeit war groß. Die Bildungseinrichtung blieb allerdings bei ihrer Entscheidung. „BAYER CROPSCIENCE (...) war lange Jahre ein wertvoller Partner. Solche Partnerschaften bereichern unser College-Programm und erlauben uns, unseren Studierenden sowie den Bürgern von North Carolina und anderen besser zu dienen“, antwortete der Dekan Johnny C. Wynne der CBG. Wie sie das Programm bereichern, verraten schon die Wörter. So führt die Fakultät die Industrie-Bezeichnung „Life Science“ im Namen und lehrt „Integrierten Pflanzenschutz“, die Agromulti-Version von ökologisch korrektem Pestizid-Gebrauch.

LOBBYCONTROL will Register
Ca. 5.000 LobbyistInnen gehen in der Hauptstadt ihrer Arbeit nach. Der Leverkusener Multi hat in der Hauptstadt nicht nur ein eigenes „Verbindungsbüro“, er kann auch auf die Dienste des von ihm mitgegründeten „Verbandes der Forschenden Arzneimittelhersteller“ und des „Verbandes der Chemischen Industrie“ zählen. Damit zumindest für ein Mindestmaß an Transparenz gesorgt ist, fordert die Initiative LOBBYCONTROL, die auch den etwas anderen Reiseführer „LobbyPlanet Berlin“ herausgegeben hat, ein Register der AntichambriererInnen. Die Grünen, die Linkspartei und die SPD haben bereits ihre Zustimmung signalisiert.

Filmemacherin kritisiert EU-Behörde
Die französische Journalistin und Filmemacherin Marie-Monique Robin, deren Film „MONSANTO - mit Gift und Genen“ viel Aufsehen erregte, hat die für Genehmigungen von Genpflanzen zuständige „Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit“ (EFSA) wegen ihrer Industrie-Abhängigkeit scharf kritisiert. „80 Prozent der Wissenschaftler dort arbeiten für MONSANTO und andere Saatguthersteller wie SYNGENTA oder BAYER CROPSCIENCE. Ich habe mit zwei französischen Abgeordneten gesprochen, die ihren Unmut auch in der Zeitung Le Monde veröffentlicht haben. Sie sagen, der politische Druck, die Zulassung der GVO (gentechnisch veränderte Organismen, Anm. SWB) umzusetzen, sei unerträglich. Da geht es nicht nur um normale Lobbyarbeit, sondern auch um Bestechung und all diese Dinge“.

KAPITAL & ARBEIT

Betriebsbedingte Kündigungen?
Der Kauf des Berliner Pharma-Unternehmens SCHERING bringt BAYER jährlich einen „Synergie-Effekt“ von 800 Millionen Euro. Kleiner Nebeneffekt: Die Vernichtung von 6.000 Stellen. Bis auf 50 Jobs hat der Leverkusener Multi diese Arbeit bereits verrichtet. Und für die noch übrig gebliebenen Posten auf der Streichliste schließt BAYER-Chef Werner Wenning betriebsbedingte Kündigungen nicht aus. „Betriebsbedingte Kündigungen wären lediglich die ultima ratio“, sagte er in einem Interview mit der Zeitung Potsdamer Neueste Nachrichten.

Kritik & Selbstkritik bei BAYER
Bei BAYER dürfen sich die Beschäftigten selbst Zeugnisse ausstellen, allerdings behält der/die Vorgesetzte das letzte Wort. Rund ein Drittel der Belegschaft unterwirft sich dem so genannten Performance-Management. Dabei müssen die Betriebsangehörigen jedes Jahr selbst beurteilen, ob sie es schafften, den Zielvorgaben gerecht zu werden. Dann treten die ChefInnen auf den Plan und gleichen die subjektiven Leistungseinschätzungen mit ihren Eindrücken ab. „Offenes Feedback ist uns wichtig“, heißt es zu dieser Praxis aus dem Konzern.

ManagerInnen-Gehälter kaum begrenzt
Damit die Milliarden-Hilfen für die Wirtschaft nicht allzu viel böses Blut bei den SteuerzahlerInnen hervorrufen, hat die Bundesregierung ein bisschen an den Millionen-Gehältern der ManagerInnen herumgedoktort. Ab sofort müssen sie in einem angemessenen Verhältnis zur Leistung des Vorstands stehen, und über die Festsetzung der Bezüge entscheidet nunmehr der ganze Aufsichtsrat. Aktien-Optionen dürfen Wenning & Co. fortan erst nach vier Jahren einlösen, was zu einem langfristigeren Denken anhalten soll. Auch sind sie dazu angehalten, ihre komplexen Entlohnungsstrukturen der Öffentlichkeit gegenüber transparenter darzustellen. „Wenn man sieht, wie ungeniert sich mancher Vorstand selbst in der Krise noch bedient, dürfen sich die Manager über die harmlosen Beschlüsse des Kabinetts sogar freuen“, kommentierte die Faz.

ERSTE & DRITTE WELT

Forschungsanreize für Tropenkrankheiten
BAYER entwickelt nur Arzneien, die Profit versprechen. Eine Krankheit mag noch so verbreitet sein, wenn die PatientInnen sich keine Behandlung leisten können, interessieren die Pharma-Riesen sich für die Erforschung der Gesundheitsstörung nicht weiter. Darum hat BAYER schon vor Jahrzehnten seine Abteilung für Tropenmedizin aufgelöst. Es müssen schon private und/oder öffentliche Gelder fließen, um den Leverkusener Multi zu neuen Anstrengungen auf diesem Gebiet zu verlocken, wie im Falle der Tuberkulose- und Malaria-Projekte (Ticker berichtete mehrfach) geschehen. Aus diesem Grunde war die ehemalige BAYER-Angestellte Cornelia Yzer, die heute dem vom Leverkusener Multi gegründeten „Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller“ vorsitzt, äußerst angetan von der US-amerikanischen Praxis, die Pillen-Hersteller mit der Aussicht auf schnellere Medikamenten-Zulassungen zum Einstieg in unlukrative Geschäftsfelder zu bewegen. Als „ökonomisch von großem Wert“ bezeichnete Yzer bei einem Fachgespräch im Bundestag die neue US-Regelung und forderte sogleich eine europa-weite Einführung. Ihre Werthaltigkeit steht allerdings im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Qualität. Entgegen ursprünglicher Planungen müssen BAYER & Co. nicht einmal auf den Patentschutz für ihre tropenmedizinischen Neu-Entwicklungen verzichten, damit sie die beschleunigten Verfahren für ihre potenziellen Blockbuster in Anspruch nehmen können. Und besser als die bisherigen Arzneien brauchen die Novitäten auch nicht mehr zu sein.

IG Farbeen

Wollheim-Denkmal errichtet
1951 verklagte der ehemalige IG-FARBEN-Zwangsarbeiter Norbert Wollheim die Nachfolge-Gesellschaft auf Schmerzensgeld. Nach langwierigen Verhandlungen erhielt Wollheim nicht nur in eigener Sache Recht: Die IG FARBEN IN ABWICKLUNG mussten in einem Vergleich 15 Millionen Euro an die Opfer zahlen. Ohne diesen Musterprozess hätte es wahrscheinlich nie Entschädigungen für die SklavenarbeiterInnen der deutschen Industrie gegeben. Deshalb ehrte die Stadt Frankfurt Wollheim im vergangenen Jahr mit einem Memorial (siehe SWB 1/09).

Bundessstiftung verspekuliert sich
Über acht Millionen ZwangsarbeiterInnen gab es während des Dritten Reiches Sklavendienste. Zehntausende von ihnen leisteten Fronarbeit bei den von BAYER mitgegründeten IG FARBEN. Allein in Auschwitz, wo die IG sogar ein firmen-eigenes KZ unterhielt, starben zwischen 23.000 und 25.000 von ihnen. In den 90er Jahren forderten die Überlebenden Entschädigungszahlungen von BAYER & Co. und drohten mit Sammelklagen. Die rot-grüne Bundesregierung sprang den Unternehmen zur Seite, um Imageschäden abzuwenden und langwierige Prozesse zu verhindern. Sie regte die Gründung der Bundesstiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ an, dessen Kapital die Unternehmen noch nicht einmal allein aufzubringen brauchten: die Hälfte kam aus Steuermitteln. Erst nach einem endlosen Gefeilsche mit den Opfer-VertreterInnen um die Entschädigungssummen konnte die Bundesstiftung mit den ersten Zahlungen - symbolische Summen von höchstens 7.500 Euro pro Person - beginnen. Im Juni 2007 schloss sie ihre Arbeit ab. Die Stiftung bleibt jedoch weiter tätig und fördert Geschichtsprojekte, Begegnungsprogramme und Forschungsprojekte. Dies kann die Organisation dieses Jahr allerdings nur in geringerem Umfang tun. Sie legte ihr Vermögen nämlich zu risikoreich an und musste im Zuge der Finanzkrise hohe Summen abschreiben. Deshalb schrumpfte der Jahresetat der Stiftung von neun Millionen Euro auf 7,3 Millionen.

POLITIK & EINFLUSS

BAYERs Außenminister tritt ab
Im Februar 2009 ging der BAYER-Manager Dr. Franz-Josef Berners in den unverdienten Ruhestand. Seinen Ruf als „Außenminister BAYERs“ erwarb sich der langjährige Leiter des Unternehmensbereichs „Regionale Koordinierung“ durch seine Kontrolltätigkeiten bei den vielen ausländischen Tochtergesellschaften des Chemie-Multis. Aber auch Innenpolitik konnte der Betriebswirt. So saß er von 1975 bis 1990 für die CDU im Leverkusener Stadtrat, nahm dort zehn Jahre den Fraktionsvorsitz wahr und „übertrug einiges vom BAYER-Arbeitsstil auf die ehrenamtliche Ratsarbeit“, wie die Rheinische Post befand. Zudem gehörte Franz-Josef Berners dem Bezirksplanungsrat und zwei Jahre lang sogar dem Bundestag an, in den er vermutlich nicht nur den Arbeitsstil, sondern auch die politische Sichtweise des Konzerns einbrachte. Zur Belohnung darf er jetzt noch ein paar einträgliche BAYER-Aufsichtsratspöstchen fern der Heimat behalten. Damit nicht genug, drohte Berners zudem Aktivitäten als Berater an.

Kurth comes home
Dr. Reinhard Kurth war immer ein Mann der Pharma-Industrie. Deshalb bugsierten BAYER & Co. den Leiter des „Robert-Koch-Institutes“ im Jahr 2005 auch auf den Chef-Sessel des „Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfArM). Zum Dank dafür setzte Kurth sich dann für Industrie-VertreterInnen im BfArM-Vorstand und beschleunigte Pillen-Zulassungsverfahren ein. Zudem wollte er die Institution rechtlich unabhängig machen und so in eine „international konkurrenzfähige Zulassungsagentur“ verwandeln. Das ging selbst der CDU zu weit, weshalb der Mediziner 2007 wieder gehen musste. Aber der Leverkusener Multi wusste, was er Reinhard Kurth schuldig war. Der Konzern erkor ihn zum Vorsitzenden der SCHERING-Stiftung, die sich der Förderung des wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchses verschrieben hat.

CO2: BAYER fährt nach Brüssel
Vor einigen Jahren hat die EU den Emissionshandel mit Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten eingeführt. Er sieht vor, BAYER & Co. CO2-Emissionen nur in einem bestimmten Volumen zu gestatten. Alles, was über ein bestimmtes Limit hinausgeht, sollte den Konzernen teuer zu stehen kommen, weil sie dafür Verschmutzungsrechte kaufen müssten. Dazu ist es jedoch dank umfangreicher Lobby-Aktivitäten immer noch nicht gekommen. Für die neueste Variante ihrer Obstruktionspolitik instrumentalisierten die Multis die Wirtschaftskrise und malten einmal mehr das Schreckgespenst von Arbeitsplatz-Vernichtungen an die Wand. Angela Merkel verfiel sogleich in Schockstarre und handelte beim Brüsseler EU-Gipfel kostenlose Verschmutzungsrechte für die bundesdeutschen Chemie- und Stahlunternehmen, die besonders viel CO2 emittieren (BAYER insgesamt ca. 7,5 Millionen Tonnen), aus. Der Leverkusener Multi hat dazu mit einer konzertierten Aktion wichtige Vorarbeit geleistet. Der Werksleiter des Brunsbütteler Werkes, Roland Stegmüller, reiste gemeinsam mit dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff und dem IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE-Vorsitzenden und BAYER-Aufsichtsrat Hubertus Schmoldt nach Brüssel, um auf höchster Ebene Lobby-Arbeit zu betreiben. Wulff betätigte sich dabei am ehrgeizigsten als Bauchredner BAYERs. „Wir wollen mehr Klimaschutz, das ist eine Sache des Überlebens. Aber die energie-intensive Branche muss eine freie Zuteilung der Emissionsrechte bekommen, sonst wandern die Betriebe ab in Länder, in denen es überhaupt keinen Handel mit Emissionsrechten gibt“, warnte der CDU-Politiker.

Merkel bei BAYER
Der Leverkusener Multi war auf dem letzten Bundesparteitag der CDU in Stuttgart mit einem Stand vertreten. An diesem erhielt der Konzern Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Bei den Gesprächen mit der Kanzlerin rückten vor allem die Themen Bildung und Ausbildung in den Mittelpunkt“, vermeldet BAYERs Propaganda-Postille direkt. Der Konzern nutzte die Gelegenheit aber auch, um die Politikerin wegen der aus Brüssel drohenden Verschärfungen der Klimaschutz-Auflagen ins Benimm zu nehmen (s. o.). Darüber hinaus schauten noch zahlreiche andere CDUlerInnen bei BAYER vorbei. Besonderes Interesse zeigte mit Hermann Gröhe, Willi Zylajew und Ruprecht Polenz die Landesgruppe Nordrhein-Westfalen.

EU initiiert Gentech-Geheimkommission
Nach Recherchen des Journalisten Geoffrey Lean von der britischen Tageszeitung Independant hat die EU eine unter Ausschluss der Öffentlichkeit operierende Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, um die Einführung genmanipulierter Nahrungsmittel zu beschleunigen. Zu diesem Zweck plant der Stab, zu deren Treffen die Regierungen der Mitgliedsländer hochrangige MitarbeiterInnen entsandten, unter anderem eine Beschleunigung der Zulassungsverfahren und eine Werbekampagne zur Verbesserung des Images der Risikotechnologie. Dabei soll das immer wieder gerne auch von BAYER gebrauchte Argument zur Anwendung kommen, die Gentechnik wäre nötig, um „das Problem des Welthungers“ zu lösen.

Wowereit bei BAYER
Der Aufkauf SCHERINGS durch den Leverkusener Multi hat bisher fast 6.000 Arbeitsplätze gekostet, nicht einmal betriebsbedingte Kündigungen will BAYER-Chef Werner Wenning bei der Realisierung der „Synergieeffekte“ mehr ausschließen (siehe KAPITAL & ARBEIT). Den Segen von Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit hat der Konzern dazu. „Ich freue mich, dass die Integration so weit fortgeschritten ist. Diese Investition hat sich für alle Beteiligten gelohnt“, sagte der SPD-Politiker bei einem Werksbesuch in Berlin.

SPD nominiert Chemie-Gewerkschaftler
„Ich kann es nur begrüßen, wenn ein Kandidat antritt, der aus der chemischen Industrie kommt. Es wird Zeit, dass endlich jemand die Industriefeindlichkeit, die leider vielfach zu spüren ist, aufbricht“, mit diesen Worten kommentierte der Betriebsratschef des Dormagener BAYER-Werkes, Karl Josef Ellrich, die Bundestagskandidatur seines Gewerkschaftskollegen Hubert Esser für die SPD. Dabei hatte Ellrich besonders den Widerstand gegen BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline im Blick. Ob Esser aber mit seiner zustimmenden Haltung zur CO-Leitung im Wahlkreis Neuss, zu dem auch Dormagen und Grevenbroich gehören, genug Stimmen einsammeln kann, bleibt abzuwarten.

Wenning will mehr Patentschutz
Im Dezember 2008 lud der Leverkusener Multi zu einer „BAYER-Innovationsperspektive“. Der Konzern inszenierte sich vor 130 JournalistInnen als rastlos dem Neuen verpflichteter Multi mit großem Forschungsetat und leitete daraus sogleich Ansprüche ab. „Geistiges Eigentum ist als Grundlage für Innovationen unentbehrlich. Für ein Erfinder-Unternehmen wie BAYER ist ein weltweiter zuverlässiger Schutz des geistigen Eigentums essenziell“, so der Vorstandsvorsitzende Werner Wenning. Zu welchen Verwerfungen diese Haltung führt, zeigt ein von dem Pharma-Riesen angestrengter Patentverletzungsprozess in Indien, der die Versorgung der armen Länder mit billigen Medikamenten gefährden könnte (siehe AKTION & KRITIK).

EU lockert Werbeverbot
Das Pillengeschäft könnte noch mehr Profite abwerfen, wenn die Hersteller für verschreibungspflichtige Medikamente werben dürften. Deshalb versuchen BAYER & Co. seit geraumer Zeit, das EU-Reklameverbot zu Fall zu bringen. „Wir wollen doch nur informieren“, behaupten die Konzerne dreist und haben den Industrie-Kommissar der EU, Günter Verheugen, dafür als Bündnispartner gewonnen. Sein Gesetzesvorschlag, dem das Parlament in Straßburg noch zustimmen muss, erlaubt BAYER & Co. künftig die Ausweitung der Marketingzone. Die BUKO-PHARMA-KAMPAGNE und der Bremer Professor Dr. Gerd Glaeske verurteilen diese Pharmaindustrie-Politik scharf. „Dabei ist seit langem bekannt, dass Institutionen mit einem starken ökonomischen Interesse kaum in der Lage sind, objektiv und ohne ‚Verzerrungen‘ über ihre Produkte zu informieren“, empört sich Glaeske.

BAYER sponsort NRW-Regierung
Die nordrhein-westfälische Landesregierung lässt sich von zahlreichen Unternehmen finanziell unterstützen, unter anderem auch vom Leverkusener Chemie-Multi. So stiftete BAYER dem Familienministerium 6.000 Euro, die der Landeszentrale für politische Bildung als Preisgeld zugute kamen. Zudem sponsorte der Konzern das von der Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen beim Bund ausgerichtete „Fest des Westens“ mit einem Betrag in Höhe von 10.000 Euro.

REACH-Artikel gestrichen
Das REACH genannte Chemikaliengesetz der EU regelt den Umgang mit gefährlichen Stoffen und schreibt BAYER & Co. vor, ihre Stoffe auf gesundheitsgefährdende Wirkungen hin zu untersuchen. Im Rahmen der Umsetzung hat die Bundesregierung jetzt die Bestimmungen für Sicherheitsdatenblätter geändert. Mussten diese früher auch diejenigen Risiken auflisten, die sich bei einer nicht sachgemäßen Anwendungspraxis ergeben, so fällt diese Auflage nun weg. Die Partei DIE LINKE betrachtet das als eine Aufweichung des gesundheitlichen VerbraucherInnenschutzes und verlangte in einer Kleinen Anfrage von der Bundesregierung eine Erklärung. Das Umweltministerium antwortete, das Sicherheitsdatenblatt diene primär der Information beruflicher Verwender und sei nicht unmittelbar für die Risiko-Kommunikation gegenüber dem privaten Endverbraucher vorgesehen. Auf die Frage, ob die nicht bestimmungsgemäße Anwendung giftiger Substanzen nun Folgen haben könnten, welche die Sicherheitsdatenblätter nicht nennen, hieß es: „Die nicht bestimmungsgemäße Verwendung (...) kann - wie auch schon in der Vergangenheit - negative Folgen haben. Eine nicht bestimmungsgemäße Verwendung lässt sich aber auch nicht durch ein noch so aufwändig gestaltetes Sicherheitsdatenblatt ausschließen“.

Umweltgesetz endgültig gescheitert
Im Koalitionsvertrag hatten CDU und SPD vereinbart, die verschiedenen Umweltgesetze in einem Paragraphen-Werk zu bündeln. Die Arbeit kam aber nur mühsam voran, weil BAYER & Co. immer wieder Nachbesserungen anmahnten. „Da sind einige Gemeinheiten drin, die wir als Verschärfung betrachten“ kritisierte etwa der „Deutsche Industrie- und Handelstag“. Anderen WirtschaftsvertreterInnen hingegen ging der Bürokratieabbau bei den Genehmigungsverfahren nicht weit genug, und im Wasserrecht machten die Lobby-Verbände sogar einen Bürokratieaufbau aus, der ihre Anlagen-Planungen durchkreuzen könnte. Als die Kabinettsvorlage im Dezember endlich stand, trat die CSU auf den Plan. Die Partei sah durch neue Interventionsmöglichkeiten des Bundes in Sachen „Umweltschutz“ die Eigentumsrechte der LandwirtInnen verletzt und brachte das Projekt kurzerhand zu Fall. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel will nun zumindest einzelne Seiten des Umweltgesetzbuches in Paragraphenform überführen, da neue EU-Richtlinien etwa zum Gewässerschutz die Bundesregierung zum Handeln zwingen.

BAYER kritisiert Umweltbundesamt
Regelmäßig finden sich in Trauben und anderen Früchten Spuren der Ackergifte von BAYER & Co (siehe PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE). Darüber konnte auch das Umweltbundesamt (UBA) nicht hinwegsehen. In einer Veröffentlichung zur EU-Chemikalienverordnung REACH, welche den Konzernen die Untersuchung ihrer Substanzen auf eine gesundheitsschädliche Wirkung hin vorschreibt, konstatierte das UBA, dass Obst und Gemüse „mit Rückständen von Pestiziden verseucht“ seien. Da bekam BAYER die Seuche. Der Leverkusener Multi protestierte umgehend in einer Stellungnahme: „Diese Behauptung ist in dieser Einseitigkeit falsch und gibt ein völlig falsches Bild der Wirklichkeit“. Es mag dem Unternehmen zufolge zwar gelegentlich eine Verletzung der Grenzwerte vorkommen, aber das „heißt nicht, dass deren Überschreiten ein Risiko für den Verbraucher darstellt“. Diese Richtgröße ist für den unter Realitätsverlust leidenden Agro-Multi nämlich nur ein ungefährer Maßstab für die gute landwirtschaftliche Praxis und noch lange kein Alarmsignal.

PROPAGANDA & MEDIEN

10 Jahre BAYER-Schullabore
Zum unfeierlichen Anlass des 10-jährigen Bestehens der BAYER-Schullabore lud der Leverkusener Multi zu einer Geburtstagsparty ein. Der Unterricht fiel allerdings nicht aus. Der Multi kannte kein Pardon bei dem Bemühen, den SchülerInnen Chemie nach dem Konzern-Lehrplan beizubringen und ließ sie DNA aus einer Zwiebel isolieren, über den Farbwechsel von Rotkohl staunen und per genetischem Fingerabdruck nach bösen Buben fahnden. Mehr als 20.000 Kindern hat der Pharma-Riese so schon auf mehr oder weniger spielerische Weise in seine Welt eingeführt.

„Baylab“ eingeweiht
BAYER CROPSCIENCE hat im November 2008 ein eigenes Schülerlabor in Betrieb genommen. „Wir müssen die Jugendlichen heute schon früh für Naturwissenschaften begeistern, wenn wir nicht schon morgen mit leeren Händen dastehen wollen“, so CROPSCIENCE-Chef Friedrich Berschauer bei der Eröffnung des „Baylabs“. Exkurse über Risiken und Nebenwirkungen von Chemie & Co. würden bei dieser Maßnahme zur Sicherung zukünftiger Profite freilich nur stören. So lernen die PennälerInnen zwar, Biodiesel aus Raps zu gewinnen, welche Folgen der Agrosprit-Boom aber für die Preise der wichtigsten Grundnahrungsmittel hat, steht nicht auf dem Stundenplan.

„Schule und Wirtschaft“ bei BAYER
In Bergkamen hält die Industrie- und Handelskammer regelmäßig Wirtschaftsgespräche ab. Am 26. November 2008 lautete das Thema „Schule und Wirtschaft“. „Dazu hat die Industrie- und Handelskammer sich mit dem BAYER-SCHERING-Werk auch den richtigen Tagungsort ausgesucht“, befand die Westfälische Rundschau und zählte die Bemühungen des Konzerns auf, den SchülerInnen Pädagogik made by BAYER angedeihen zu lassen.

BAYERs Schulspenden
Die Hanauer Otto-Hahn-Schule hat ihren Schwerpunkt auf die Naturwissenschaften gelegt. Und „stets steht dabei der Praxis-Bezug im Fokus“, weiß der Hanauer Anzeiger. Das ist natürlich ganz nach dem Geschmack des Leverkusener Chemie-Multis, weshalb seine Bildungsstiftung der Einrichtung eine Spende in Höhe von 7.500 Euro zukommen ließ. Daneben förderte diese unter anderem noch Schulen in Berlin, Leverkusen, Dormagen, Roselin, Wuppertal, Wülfrath und Essen.

Jugend forscht mit „HannoverGen“
Die Organisation „HannoverGen“, unter anderem alimentiert vom „Fonds der Chemischen Industrie“, hat an den Schulen der niedersächsischen Landeshauptstadt Genlabore eingerichtet, um den SchülerInnen die umstrittene Risikotechnologie näher bringen zu können.

Preis für Klima-Kommunikation
Der Leverkusener Multi arbeitet seit einiger Zeit an seinem Image als Klimaschoner. Für diese PR-Anstrengungen erhielt er jetzt eine Auszeichnung: den vom Handelsblatt und ECON-Verlag verliehenen „ECON Award Unternehmenskommunikation“. Nach Meinung der JurorInnen war BAYERs „strategische Ausrichtung auf das Thema Klimawandel“ Gold wert. In der Realwirtschaft ist diese Ausrichtung allerdings noch nicht angekommen - und wird sie wohl auch nie. Da bläst der Konzern nämlich weiterhin munter 7,5 Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Luft und opponiert gegen strengere Klimaschutz-Auflagen der EU (siehe POLITIK & EINFLUSS).

BAYER-PR im Darmstädter Echo
„Männer, geht zum Arzt!“ - unter dieser Überschrift erlaubte das Darmstädter Echo Dr. Herbert Schäfer von BAYER VITAL, großflächig für das Konzern-Geschäftsfeld „Männergesundheit“ Reklame zu machen. Er wählte dazu den Umweg „Frau“ und präsentierte Umfragen, wonach 27 Prozent der Befragten ihren Partner für wenig gesundheitsbewusst halten, 39 Prozent Übergewicht und 22 Prozent Erschöpfungszustände diagnostizieren und 48 Prozent auf Männermedizin spezialisierte Ärzte für eine gute Sache halten. Auf dem Rezeptblock landen bei diesen vornehmlich die BAYER-Potenzpille LEVITRA und die Testosteron-Präparate des Konzerns, für die der Leverkusener Multi extra die Krankheit „männlicher Testosteronmangel“ erfunden hat. Und damit das alles auch wirklich verfängt, hat Schäfer in dem Propaganda-Artikel „sexuelle Probleme als Schlüssel zur Männergesundheit“ ausgemacht und zum Indikator für Diabetes oder Herz/Kreislauferkrankungen erklärt. Da sollte dann wirklich niemand mehr den Gang zum Männermediziner scheuen, so das Kalkül.

ÄrztInnen-Fortbildung in China
Der Leverkusener Multi kooperiert mit dem chinesischen Gesundheitsministerium, um MedizinerInnen in der Provinz Yunnan fortzubilden. Der Konzern und die Regierung wollen die technischen Fähigkeiten von bis zu 10.000 ÄrztInnen erweitern und die medizinische Versorgung in West- und Mittelchina verbessern. Wobei der Pharma-Riese dabei natürlich hauptsächlich die Verbesserung der Versorgung mit BAYER-Medikamenten im Sinn hat.

TIERE & ARZNEIEN

BAYER schult Zoo-FachhändlerInnen
BAYER bietet für Zoo-FachhändlerInnen kostenlose Fern-Lehrgänge an. Doch die Investition lohnt sich. Auf dem Stundenplan steht nämlich nicht nur Tierheilkunde, die TeilnehmerInnen lernen auch gleich noch dazu, wie sie unter besonderer Berücksichtigung der Veterinärmedizin aus dem Hause BAYER die entsprechenden Verkaufsgespräche zu führen haben und wie sie die Ware durch gute Platzierung im Geschäft und Sonderaktionen besser losschlagen können.

DRUGS & PILLS

BAYER muss vor AVALOX warnen
Die Aufsichtsbehörden haben den Leverkusener Multi aufgefordert, die Liste der Risiken und Nebenwirkungen seines Antibiotikumswirkstoffs Moxifloxacin (enthalten in AVALOX, ACTIMAX und ACTIRA) um Herzrhythmusstörungen bei Frauen und älteren PatientInnen, Muskelerkrankungen und Bewusstseinstrübungen zu erweitern. Deshalb dürfen MedizinerInnen das Mittel bei Sinusitis, bakteriell verursachter Bronchitis und Lungenentzündung künftig nur noch verschreiben, wenn andere Antibiotika keinen Heilungserfolg erzielen.

EU: Zulassung für XARELTO
Die EU-Kommission hat dem BAYER-Medikament XARELTO (Wirkstoff: Rivaroxaban) die Zulassung erteilt. MedizinerInnen dürfen das gerinnungshemmende Präparat künftig bei schweren orthopädischen Operationen einsetzen, um Thrombosen vorzubeugen. Der einzige therapeutische Vorteil von XARELTO gegenüber herkömmlichen Arzneien: Die ÄrztInnen können das Mittel oral verabreichen und müssen es nicht spritzen. Nichtsdestotrotz will der Leverkusener Multi das Anwendungsspektrum verbreitern und das Pharmazeutikum auch zur Behandlung venöser Thrombosen und zur Schlaganfall-Prophylaxe bei PatientInnen mit Vorhofflimmern zum Einsatz bringen.

USA: Keine Zulassung für XARELTO
Während die EU BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO zur Verwendung bei schweren orthopädischen OPs zugelassen hat (s. o.), erteilt die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA vorerst keine Genehmigung. Sie mochte die Orthopädie-PatientInnen keinem erhöhten Risiko von Gefäß-Verschlüssen, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden aussetzen und forderte den Leverkusener Multi auf, zusätzliche Daten über die Langzeit-Wirkungen seines „Highlights“ einzureichen.

EU-Zulassung für YAZ
Im Herbst hat BAYER die europa-weite Zulassung für das woanders schon länger erhältliche Verhütungsmittel YAZ bekommen. Neu ist an der Pille jedoch kaum etwas: Mit Estradiol und Dienogest enthält sie genau dieselben Wirkstoffe wie YASMIN. Lediglich die Dosierung ist eine andere, weshalb die Unterbrechungsphase nicht mehr wie üblich sieben, sondern nur noch vier Tage dauert. Wie üblich vermarktet der Leverkusener Multi auch dieses Kontrazeptivum als Lifestyle-Präparat gegen Kopfschmerzen, Stimmungsschwankungen und Akne. Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA ließ das dem Pharma-Riesen nicht durchgehen und verbot einen entsprechenden Werbespot wegen der Erweckung falscher Heilserwartungen und der Verharmlosung der Nebenwirkungen. „Das ist besonders besorgniserregend, weil einige dieser Risiken erheblich, sogar lebensbedrohlich sind“, urteilte die FDA (siehe auch RECHT & UNBILLIG).

US-Zulassung für PRIMOVIST
Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hat dem BAYER-Kontrastmittel PRIMOVIST (US-Name EOVIST), das bei Computer-Tomographien von der Leber zum Einsatz kommt, die Zulassung erteilt.

LEVITRA nach Prostata-OPs?
Neues aus der Reihe „Medikamente suchen eine Krankheit“: Der Leverkusener Multi hofft auf einen Einsatz seiner Potenzpille LEVITRA (Wirkstoff: Vardenafil) nach Prostatakrebs-Operationen, die oft die Sexualfunktionen beeinträchtigen. Zu diesem Zweck hat der Konzern eine Untersuchung in Auftrag gegeben und auch das gewünschte Resultat erhalten. „Die Ergebnisse zeigen, dass Vardenafil - bei Bedarf eingenommen - die Erektile Dysfunktion kurz nach einer Prostatektomie (Entfernung der Prostata, Anm. Ticker) sofort behandelt“, so der Studienleiter Francesco Montorsi.

Die Pille gegen Myome?
Noch mehr Neues aus der Reihe „Medikamente suchen eine Krankheit“: BAYER will das Hormon Dienogest, einer der beiden Wirkstoffe der Verhütungsmittel YAZ und YASMIN, zur Behandlung der Endometriose einsetzen. Klinische Tests zur Therapie dieser Schleimhautwucherung im Blasen-, Darm- oder Eierstockbereich haben nach Angaben des Konzerns bereits positive Ergebnisse erbracht. Auch für das Hormon Anti-Gestagen erkundet der Leverkusener Multi zusätzliche Anwendungsgebiete. Er testet zurzeit seinen Einsatz bei gutartigen Gebärmutter-Tumoren, so genannten Myomen.

Zusammenarbeit mit MUNDIPHARMA
BAYER kooperiert mit dem Limburger Arznei-Unternehmen MUNDIPHARMA bei der Vermarktung von dessen Blutkrebs-Präparat BENDAMUSTIN.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Neues EU-Pestizidgesetz
Die EU mistet den Giftschrank von BAYER & Co. aus. Nach der neuen Pestizid-Verordnung aus Brüssel müssen - höchstwahrscheinlich - Glufosinat und andere Agrochemie-Wirkstoffe des Leverkusener Multis vom Markt verschwinden, weil sie die menschliche Gesundheit schädigen. Allerdings haben die Lobby-Verbände der Industrie ihre „Mithilfe“ bei der Umsetzung der Richtlinie angeboten, was noch zu Aufweichungen führen könnte (siehe auch SWB 1/09).

Lungenkrebs durch Chlorpyrifos
Das Pestizid Chlorpyrifos, enthalten unter anderem in den BAYER-Produkten BLATTANEX, PROFICID und RIDDER, erhöht das Lungenkrebs-Risiko um das 2,18fache. Dieses Ergebnisse erbrachte eine von Michael C. R. Alavanja geleitete Untersuchung des US-amerikanischen „National Cancer Institutes“. Das Versprühen des Mittels setzt die Atmungsorgane anscheinend einem besonderen Risiko aus. Ein Zusammenhang zwischen der Chlorpyrifos-Anwendung und anderen Krebsarten ergab sich nach der Studie, die auf das Datenmaterial von ca. 55.000 Agrochemie-AnwenderInnen zurückgreifen konnte, nämlich nicht.

Fischsterben durch Endosulfan
An der „Sonnenschein-Küste“ des australischen Bundesstaates Queenlands sterben die Fische in Massen (siehe SWB 1/09). Besonders im Noosa-Fluss gehen die Bestände zurück. Zudem bieten die verbleibenden Tiere oft einen gruseligen Anblick: Sie haben zwei Köpfe oder andere Deformationen. In dringendem Tatverdacht stehen Pestizid-Wirkstoffe wie Endosulfan, das unter anderem in den BAYER-Mitteln MALIX, PHASER und THIODAN enthalten ist, da sie auf den Nussfeldern Queenlands‘ in großen Mengen zum Einsatz kommen.

Peru: Unwissen über Pestizide
Die Vermarktung von Pestiziden in armen Ländern mit einer hohen Quote von AnalphabetInnen führt alljährlich zu Hunderttausenden von Vergiftungen. Trotzdem halten die Hersteller an dieser Praxis fest und verweisen auf ihre Schulungsprogramme zum Umgang mit den Agrochemikalien. Ein solches hatten BAYER & Co. auch 2006 in Peru gestartet. Zwei Jahre später überprüfte „CropLife“, der Weltverband der Pestizid-Produzenten, die Ergebnisse. Sie fielen ernüchternd aus. Von den befragten 160 LandwirtInnen konnten nur 16 Prozent die Angaben auf den Etiketten lesen, lediglich 14 Prozent hatten Kenntnisse über die sachgerechte Reinigung der Agrochemie-Behälter, und bloß 35 Prozent wussten, wie die Produkte zu lagern sind.

180 Lebensmittel-Kontaminationen
Die Aufsichtsbehörden der EU-Länder sind verpflichtet, Brüssel über gefährliche Verunreinigungen von Lebens- und Futtermitteln in Kenntnis zu setzen. Einen nicht geringen Anteil an diesen Kontaminationen haben Pestizide. 180 Meldungen über Agrochemie in der Nahrung erhielt die EU-Kommission im Jahr 2007 - mehr als doppelt so viele wie 2006, was nicht allein auf schärfere Grenzwerte für 20 Ackergifte zurückzuführen ist.

Verbotene Gifte in Obst und Gemüse
Nicht genug damit, dass Pestizide Obst und Gemüse belasten. Neun Prozent der in den Lebensmitteln nachgewiesenen Agrochemikalien sind hierzulande wegen ihrer besonderen Gefährlichkeit sogar verboten. Das ergab eine Auswertung von Daten des „Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“, die GREENPEACE vorgenommen hat. Die Behörde behinderte die Umweltschutzorganisation dabei nach Kräften und gab nur 70 Prozent ihrer Untersuchungsergebnisse frei. Insgesamt 59 Ackergifte, deren Gebrauch in der Bundesrepublik untersagt ist, spürte GREENPEACE auf. Auch von BAYER verwandte Wirkstoffe waren mit von der Partie wie etwa Parathion-Methyl (ME 605 Spritzpulver), Procymidon (SUMISCLEX WG), Propoxur (BAYGON) und Endosulfan (MALIX, PHASER, THIODAN).

Procymidon in Weintrauben
Im November 2008 feierte GREENPEACE ein trauriges Jubiläum: Bereits zum zehnten Mal stieß die Umweltschutz-Organisation bei einem Unternehmen der METRO auf Weintrauben mit erhöhten Pestizid-Rückständen. Die Tafeltrauben hatten mehr als das Doppelte der „Akuten Referenzdosis“ (ARfD) des Agrogiftes Procymidon (unter anderem Wirkstoff des BAYER-Fungizides SUMISCLEX WG) intus. Erschwerend kam dabei noch hinzu, dass das die ARfD und damit die Schwelle zur Gesundheitsgefährdung überschreitende Procymidon gar nicht für den Traubenanbau zugelassen ist. Diesen Tatbestand weist der REAL-Supermarkt allerdings zurück. „In der EU-Verordnung über Höchstwerte für Pestizid-Rückstände wurde für Tafeltrauben ein zulässiger Höchstgehalt (MRL) von 5 mg/kg festgelegt. Die Verwendung von Procymidon auf Tafeltrauben ist somit zulässig“, erklärte der Konzern. Er tat das wider besseren Wissens, denn das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ stellt unmissverständlich fest, Procymidon „ist auf Anwendungen als Fungizid in Gurken in Gewächshäusern (...) und Pflaumen (...) beschränkt“. Zudem erkennt REAL die ARfD nicht als Maßstab für gesundheitlich unbedenkliches Obst und Gemüse an, das Unternehmen richtet sich nur nach den von der EU festgelegten Grenzwerten, die in manchen Fällen von der ARfD abweichen können.

PFLANZEN & SAATEN

BAYER beendet Kooperation mit PLANT
„Das Abkommen gibt BAYER CROPSCIENCE die Möglichkeit, neue Lösungen im Bereich der Saatgutbehandlung zu entwickeln und zu vermarkten“ verkündete BAYER im Januar 2007 anlässlich der vereinbarten Forschungskooperation mit PLANT HEALTH CARE. Knapp zwei Jahre später beendete der Agro-Riese die Zusammenarbeit wieder, weil die in den Labors des US-amerikanischen Unternehmens entstandene Myconate-Technologie unter ihren Möglichkeiten blieb und nicht zu neuen Lösungen im Bereich „Saatgutbehandlungsmittel für Mais-, Soja-, Baumwolle- und Sonnenblumenkulturen“ führte.

GENE & KLONE

USA: LL-Soja kommt
BAYER bringt in den USA 2009 sein gegen das Herbizid LIBERTY resistentes Soja-Saatgut auf den Markt - und hat für die daraus sprießenden Früchte auch schon eine Importgenehmigung von der EU erhalten (Ticker 3/08). Der Leverkusener Multi rechnet mit hohen Umsätzen, da MONSANTOs ROUND-UP-READY-Soja mittlerweile vielen Unkräutern nichts mehr anhaben kann. Mensch und Umwelt dürfen hingegen mit großen Verlusten rechnen, denn der LIBERTY-Wirkstoff Glufosinat sorgte vor drei Jahren für den Genreis-Skandal. Mit LIBERTY bestückte Mais- und Rapssorten kreuzten sich zudem in andere Nutzpflanzen ein. Darüber hinaus liegen die Ernte-Erträge von genmanipuliertem Soja unter denen der konventionell angebauten Arten (Ticker 3/08).

EU: T45-Raps kommt
Die EU-Kommission hat ein Machtwort gesprochen und den Import von BAYERs Genraps T45 genehmigt, nachdem die zuständigen MinisterInnen sich nicht auf eine Zulassung hatten einigen können. Vorbehalte gab es reichlich. Englische WissenschaftlerInnen beobachteten auf Genraps-Feldern ein großes Artensterben, und ihre schwedischen KollegInnen warnten vor der Überlebensfähigkeit der Samen, die auf den Feldern trotz massivem Pestizid-Einsatz bis zu 10 Jahren keimfähig blieben. Zudem gilt der Europäischen Umweltbehörde EEA Genraps wegen der vielen Einkreuzungen in konventionelle Sorten als Hochrisiko-Pflanze. Dieses Verhalten stellt auch den eigentlichen Grund für BAYERs Genehmigungsantrag dar. Der Leverkusener Multi hat zwar den Anbau von T45 gestoppt, aber in seiner aktiven Zeit griff die Pflanze auf so viele andere Raps-Arten über, dass es deren Import gefährdet, wenn sich in ihnen Spuren von nicht-zugelassenem Genraps finden.

Brasilien genehmigt Gen-Baumwolle
Die brasilianischen Behörden haben den Anbau von BAYERs LIBERTY-LINK-Baumwolle - trotz der oben aufgeführenden Risiken und Nebenwirkungen der Produktlinie - genehmigt.

BAYER & Co. wollen laxere Grenzwerte
Solange die Gentechnik in Europa ein massives Akzeptanz-Problem hat, verlegen BAYER & Co. ihren Geschäftsschwerpunkt darauf, ihre Gensaaten in anderen Ländern aufgehen zu lassen und bei der EU Importgenehmigungen für deren Früchte zu beantragen (s. o.). Aber diesem Spiel über Bande mit gentechnisch verändertem Soja oder Mais steht die europäische Rückstandsverordnung im Weg. Diese lässt nämlich keinerlei Spuren nicht zugelassener Labor-Pflanzen in der Nahrung zu. Deshalb betreiben die Gen-Giganten eifrig Lobby-Arbeit für eine Aufhebung der Null-Lösung. Mit ihren Schreckensszenarien, die im Falle von Zuwiderhandlungen deutlich höhere Fleischpreise prophezeien, haben die Konzerne bereits die Brüsseler „Generaldirektion Landwirtschaft“ für ihre Ziele einnehmen können.

Stammzellen-Patentstreit in Japan
Stammzellen sind für BAYER & Co. so etwas wie Ursuppe: Aus ihnen können sich alle möglichen Zelltypen oder Gewebe-Arten entwickeln, behaupten die GenforscherInnen. Im letzten Jahr erhielt der Leverkusener Multi in Japan ein Patent (siehe Ticker 3/08) für eine Technik zur Produktion von „Induzierten Pluripotenten Stammzellen“ (IPS). Bei den IPS handelt es sich um Stammzellen, welche die ForscherInnen durch eine „Rückprogrammierung“ normaler Körperzellen erzeugen. Deshalb müssen die WissenschaftlerInnen bei der Gewinnung keine Embryos töten. Allerdings birgt diese Methode große Risiken, denn die Viren, welche die Zellen als „Gen-Fähren“ zu ihrem Bestimmungsort im Körper bringen, vermögen Krebs auszulösen. In Japan bahnt sich jetzt zudem eine Kontroverse um geistiges Eigentum an. Knapp drei Monate nachdem BAYER die Patenturkunde erhalten hatte, vermeldete die Universität von Kyoto nämlich eine erfolgreiche Herstellung von IPS-Zellen. Sollten diese aber nach Techniken entstanden sein, auf die der Leverkusener Multi die Patente hält, dann könnte es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen kommen. Und dieser birgt nach Meinung von BeobachterInnen die Gefahr, die gesamte Forschungspolitik der japanischen Regierung in diesem Bereich zu gefährden.

BAYER kauft DIREVO-Proteinsparte
Der Leverkusener Multi hat für 210 Millionen Euro die Protein-Forschungsabteilung des Kölner Biotech-Unternehmens DIREVO übernommen. Die DIREVO BIOTECH AG firmiert innerhalb BAYERs künftig als „Kompetenzzentrum für Biologika“ und setzt vom alten Standort aus die Suche nach Proteinen mit medizinischer Wirkung fort.

750 Millionen für Biotechnologie
Biotech-Produkte sorgen bei BAYER CROPSCIENCE bisher für zehn Prozent des Umsatzes. Die Landwirtschaftssparte des Leverkusener Multis will den Anteil jedoch erhöhen und investiert 750 Millionen Euro in entsprechende Forschungsvorhaben. Vor allem durch die Nahrungsmittelkrise - an der BAYER direkt durch sein Agrosprit-Projekt mit der Jatropha-Pflanze und indirekt durch sein maßgeschneidertes, besonders viel Tankfüllung produzierendes Saatgut Mitverantwortung trägt - sieht CROPSCIENCE-Chef Friedrich Berschauer die Chance für die Risikotechnologie steigen. „Ich sehe einen Trend. Aber ich traue mich nicht zu sagen, wann die Akzeptanz da sein wird“, sagte er auf der Jahres-Pressekonferenz der Agro-Abteilung.

BAYER sucht neue BETAFERON-Märkte
Das Gentech-Präparat BETAFERON zur Behandlung der Multiplen Sklerose gehört zu den umsatzträchtigsten in BAYERs Pharma-Sparte. Allerdings läuft das Patent bald aus, weshalb der Leverkusener Multi neue Versionen erprobt. Versuche mit der doppelten Wirkstoffmenge von Interferon-beta-1b musste der Konzern jedoch abbrechen, weil sich keine Therapie-Vorteile ergaben. Momentan erprobt das Unternehmen eine BETAFERON-Variante, die schon in einem frühen Stadium der Krankheit einsetzbar ist. Bisher verzichteten MedizinerInnen in dieser Phase auf das Mittel, weil sie die Bildung von Antikörpern verhindern wollten. Der Pillen-Riese behauptet nun jedoch, die Antikörper beeinflussten den Krankheitsverlauf nicht negativ und vermeldet bei klinischen Tests Behandlungserfolge. Daran dürften so einige Zweifel bestehen.

Sagopilon gegen Krebs?
BAYER testet zurzeit den mittels Gentechnik gewonnenen Wirkstoff Sagopilon als Mittel gegen Krebs. Angeblich überwindet die Substanz den Abwehrmechanismus von Tumor-Zellen und initiiert deren Selbstzerstörung.

WASSER, BODEN & LUFT

Noch mehr Dioxine durch Verbrennungsanlagen?
BAYER betreibt die „Entsorgung“ von Sonderabfällen inzwischen geschäftsmäßig und unterhält dazu in Leverkusen, Brunsbüttel, Krefeld und Dormagen Müllverbrennungsanlagen (MVAs). Diese produzieren allerdings ihrerseits nicht wenig gefährliche Rückstände: chlor-, brom- und fluorhaltige Kohlenwasserstoffe, Chloride, Dioxine, Furane, Kohlendioxid, Quecksilber und Feinstaub. Nach Meinung des Medizin-Professors Dr. Harry Rosin bewegen sich dabei die Schadstoffmengen von Dioxinen und Furanen noch über den Angaben der Betreiber. Diese beiden Stoffe binden sich nämlich an Ruß- und Staubpartikel und sind so von den Analyse-Instrumenten nur schwer aufzuspüren. Zudem berücksichtigt das Bundesimmissionsschutzgesetz in seinen Auflagen bestimmte Dioxin- und Furan-Kombinationen gar nicht. „Dadurch wird ein beachtlicher Teil toxischer MVA-Emissionen unterschlagen“, so Rosin.

Offene Fragen beim Klimacheck
DIE KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE haben BAYER und andere Konzerne zu ihrer Klimapolitik befragt. Dabei blieb der Leverkusener Multi einige Antworten schuldig. Ob der Konzern im Jahr 2008 Kohlendioxid eingespart hat, konnte er nicht sagen: „Wirkungen und Maßnahmen zum Klimaschutz sind langfristig angelegt und müssen deshalb über einen längeren Zeitraum betrachtet werden“. Zudem musste das Unternehmen eingestehen, dass sich nur ein Drittel seiner Standorte Prüfungen nach der internationalen Umweltmanagementnorm ISO 14001 unterwerfen. Und der Ausblick wirkt auch nicht sehr ermutigend, denn eine Reduzierung seiner CO2-Emissionen von derzeit jährlich 7,5 Millionen Tonnen plant der Global Player nicht. „Insgesamt erwartet der BAYER-Konzern bis 2020, seine derzeitigen Treibhausgasemissionen trotz eines mengenmäßigen (Produktions-, Anm. Ticker) Wachstums auf dem derzeitigen Niveau halten zu können“, so BAYER.

Kohlekraftwerk: CDU fällt um
Die Krefelder CDU freundet sich mehr und mehr mit dem in BAYERs Chemie-„Park“ geplanten Kohlekraftwerk an. Während Oberbürgermeister Gregor Kathstede den Bau schon immer befürwortete, sprach sich seine Partei lange dagegen aus. Sie ließ sich dabei aber stets ein Hintertürchen offen. Jetzt hat die CDU dieses weit aufgestoßen: Auf ihrem Parteitag im Dezember stellten die ChristdemokratInnen Bedingungen, unter denen sie ihre Zustimmung zu der Dreckschleuder geben würden. Wenn BAYER den Wirkungsgrad etwas erhöht, zwei alte Kohlekessel abschaltet und die nötige Infrastruktur für die Lagerung und den Transport der Kohle schafft, stimmt die CDU mit „Ja“, so der Beschluss. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN protestierte gemeinsam mit Krefelder Bürgerinitiativen, BUND, NABU und anderen Gruppen gegen diese Entscheidung. „Der Bau eines Kohlekraftwerkes würde einen Rückfall in überkommene Formen der Energie-Umwandlung bedeuten und würde den Kampf gegen den Klimawandel über Jahrzehnte hinweg erheblich schwächen“, heißt es in der Presseerklärung der Verbände.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

BAYER-Chemie in Kosmetika
Der Leverkusener Multi drängt mit seiner Plaste & Elaste auf den Kosmetika-Markt. So will der Konzern mit Polyurethanen (PUR) die Haftkraft von Wimperntusche und Make-Ups verstärken und Haaren mehr Halt verleihen. „Wir wollen uns bis 2015 den Hauptanteil der PUR-Technologie sichern. Als Newcomer muss man in dieser hart umkämpften Branche forsch auftreten“, erläutert Sophie Viala die Strategie von BAYER MATERIAL SCIENCE. Die Kunststoff-Nebenwirkungen wie Krebs, Allergien oder Schädigungen der Atmungsorgane stören bei diesem Business-Plan nicht.

ADHS durch Schadstoffe?
Viele Chemikalien und Schwermetalle wirken auf das Nervensystem ein. Deshalb scheinen diese Stoffe, die BAYER in Massen hergestellt hat oder immer noch herstellt bzw. in die Umwelt emittiert, auch bei der Entstehung der Verhaltensauffälligkeit ADHS eine Rolle zu spielen. Der Pädagoge Ulf Sauerbrey hat in der Zeitschrift umwelt-medizin-gesellschaft entsprechende Forschungsergebnisse zitiert. So weisen in Studien viele Kinder mit dem ADH-Syndrom eine erhöhte Quecksilber-Konzentration im Blut auf, auch gibt es einen Zusammenhang zwischen ihren Mangan-Werten und der Verhaltensauffälligkeit. Die Wirkungen von Pestiziden und Polychlorierten Biphenylen (PCBs) könnten teilweise ebenfalls dem Krankheitsbild entsprechen, so Sauerbrey.

NANO & CO.

BAYER baut Nano-Anlage
Nano leitet sich vom griechischen Wort für Zwerg ab. Die Nanotechnik beschäftigt sich folglich mit der Entwicklung von mikroskopisch kleinen Werkstoffen. Da sich diese durch eine besondere Festigkeit auszeichnen und weitere vorteilhafte Material-Eigenschaften besitzen, erwartet BAYER von der „Zukunftstechnologie“ Millionen-Umsätze. Deshalb errichtet der Konzern neben seiner Laufenburger Pilotanlage zur Produktion der BAYTUBE-Kohlenstoffröhrchen in Leverkusen für 20 Millionen Euro eine weitere Fertigungsstätte. Die bisher weltweit größte Fabrik soll mit 20 Beschäftigten zunächst 200 Tonnen der Röhrchen produzieren, die in Autos, Flugzeugen, Akkus, Brennstoffzellen und Windkraftanlagen Verwendung finden. Ungefährlich ist diese „Zukunftstechnologie“ allerdings nicht. Nach einer Untersuchung der Universität Edinburgh können die Kohlenstoff-Winzlinge das Gewebe schädigen und ähnlich wie in der Vergangenheit Asbest Entzündungen auslösen (siehe Ticker 2/08).

BAYERs Nano-Forschungen
BAYER produzierte bisher unter anderem Duftkapseln, Folien und Eishockeyschläger aus Nano-Materialien. Nun entwickelt der Leverkusener Multi Flüsterschotter für das Gleisbett von Eisenbahnen auf Basis dieser nicht ungefährlichen Technologie (s. o.).

STANDORTE & PRODUKTION

Mehr bittere Pillen aus Bitterfeld
BAYER erweitert in Bitterfeld für neun Millionen Euro die Pillen-Produktion. Da der Leverkusener Multi die ASPIRIN-Produktpalette ständig erweitert und künftig am Standort auch das Schmerzmittel ALEVE herstellen will, waren unter anderem Investitionen in neue Fertigungseinrichtungen und Verpackungsanlagen nötig.

IMPERIUM UND WELTMARKT

Schleicher neuer Bitterfeld-Chef
Christian Schleicher, bisher der brasilianischen Sektion von BAYER HEALTH CARE vorstehend, übernimmt zum 1. Januar 2009 die Geschäftsführung der BAYER BITTERFELD GmbH und löst damit Hans-Joachim Raubach ab, der Standortleiter der Berliner Niederlassung von BAYER SCHERING PHARMA wird.

BAYER kauft DIREVO BIOTECH AG
Pharma-Riesen kaufen derzeit im großen Stil Biotech-Firmen auf. So hat BAYER für 210 Millionen Euro die Protein-Forschungsabteilung des Kölner Biotech-Unternehmens DIREVO übernommen (siehe auch GENE & KLONE).

Neues Forschungszentrum in China
Der Leverkusener Multi plant den Bau eines 100 Millionen Euro teuren Forschungszentrums in Peking, um den Geheimnissen chinesischer Krankheiten besser auf die Spur zu kommen. Dazu will BAYER HEALTH CARE, das im Reich der Mitte der größte Pharma-Anbieter ist, auch mit der Quinghua-Universität kooperieren.

ÖKONOMIE & PROFIT

Wem gehört BAYER?
Die BAYER-Aktien gehören zu 80 Prozent ausländischen und zu 20 Prozent inländischen Investoren. Den größten Batzen am Konzern-Kapital besitzt mit 20 Prozent die US-amerikanische CAPITAL GROUP. Dieser Fonds ist an 18 der 30 DAX-Konzerne beteiligt und bei den ManagerInnen beliebt, da er sich nicht in die laufenden Geschäfte einmischt. Daneben hat der Leverkusener Multi nur noch einen weiteren Großaktionär, das auf einen Anteil von drei Prozent kommende französische Versicherungsunternehmen AXA.

BAYER-Steuerquote: 0,2 Prozent
Wieviel Steuern BAYER wirklich zahlt, steht nicht in den Geschäftsberichten. Diese Zahlen hat aber die Wirtschaftsdatenbank ORBIS - gegen einen Obulus von jährlich 100.000 Euro - parat. Der Schweizer Journalist Hans Weiss nahm im Rahmen der Recherche für sein Buch „Korrupte Medizin“ Einblick in die Dokumente von BAYER SCHERING. Und er traute seinen Augen kaum, denn steuerparadiesischer geht es nicht: Im Geschäftsjahr 2007 betrug die Steuerquote gerade mal 0,2 Prozent des Umsatzes von 4,5 Milliarden Euro.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Chemie-Tank fängt Feuer
Am 24. Dezember 2008 fing in der Pestizid-Produktion am BAYER-Standort Kansas City ein fünfstöckiger Tank Feuer, der 15.000 Liter fasst, aber zum Unglückszeitpunkt nur teilweise mit einem Petroleum-Gemisch befüllt war. 50 Feuerwehrleute waren eine knappe Stunde im Einsatz, um den Brand unter Kontrolle zu bringen und ein Übergreifen auf die benachbarten Fertigungsanlagen zu verhindern.

Jod-Austritt in Wiesdorf
Auf dem Leverkusener BAYER-Gelände kam es am 22. Februar 2009 zu einem Zwischenfall. Aus dem Kamin der Sondermüll-Verbrennungsanlage trat Jod aus und verfärbte den Himmel über Leverkusen-Wiesdorf rot. Wie immer in solchen Fällen wiegelte der Konzern ab: Für die AnwohnerInnen hätte zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr bestanden.

Institute: Aufklärung verweigert
Am BAYER-Standort Institute war es am 28. August 2008 zu einer Explosion gekommen, in deren Folge zwei Beschäftigte starben. Jetzt verweigert der Leverkusener Multi Informationen über das Unglück. Das Unternehmen ließ eine Anhörung des „Chemical Safety Boards“ platzen, das sich vor allem mit den von den Tanks auf dem Gelände ausgehenden Gefahren befassen wollte. Das aber unterlag für den Agro-Multi der Geheimhaltung, wobei er sich auf eine nach dem 11. September erlassene Verordnung zum Schutz von Häfen und Wasserwegen vor Terroranschlägen berief. Dass das BAYER-Areal 500 Kilometer vom Meer entfernt liegt, focht die findigen Konzern-JuristInnen dabei nicht an. „Es ist nicht nachvollziehbar, warum diese Informationen Top Secret sein sollen. Das Verhalten von BAYER passt aber zur bisherigen Linie des Unternehmens, die Anwohner über die Gefahren im Unklaren zu lassen“, kritisierte die Vorsitzende der Bürgerinitiative PEOPLE CONCERNED ABOUT MIC, Maya Nye, die Verweigerungshaltung des Global Players.

RECHT & UNBILLIG

Bienensterben: Verfahren eingestellt
Im letzten Jahr hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) gemeinsam mit geschädigten Imkern bei der Staatsanwaltschaft Freiburg Strafanzeige gegen den Leverkusener Multis wegen des vom Pestizid PONCHO verursachten Bienensterbens gestellt. Im Dezember 2008 wurde das Verfahren eingestellt. Es habe „keine vorsätzliche Sachbeschädigung“ vorgelegen, eine „unglückliche Verkettung mehrerer Umstände“ hätten vielmehr zu dem Massensterben geführt, urteilten die JuristInnen. Die CBG akzeptierte den RichterInnen-Spruch allerdings nicht und ging in die Revision. „Die Freiburger Staatsanwaltschaft hat schlampig und einseitig ermittelt. Der Verdacht, dass die Zulassung von Clothianidin durch die BAYER AG erschlichen wurde, ist nicht entkräftet worden. In der Einstellungsverfügung findet sich kein einziger Hinweis darauf, dass der ermittelnde Staatsanwalt die vorgelegten Studien zur Bienengefährlichkeit des Wirkstoffs überhaupt zur Kenntnis genommen hat“, sagte Anwalt Harro Schultze zur Begründung.

Millionen-Strafe für Vergiftungen
Die Firma PHILIPS SERVICES reinigte für ein BAYER-Werk in Alamaba regelmäßig Pestizid-Tanks. Im Jahr 2006 ereignete sich dabei ein schwerer Zwischenfall. Über das zum Ausspülen der Behälter verwendete Wasser gelangten Reste der Ackergifte Propylmercaptan und Ethoprop ins Freie. In einem Umkreis von 50 Quadratmeilen klagten unmittelbar nach dem Austritt der Chemikalien über 800 Menschen über Kopfschmerzen, Brechreiz, allergische Symptome und Atemprobleme, und einige von ihnen leiden bis heute unter den Gesundheitsstörungen. Die Geschädigten reichten eine Sammelklage ein, und Anfang 2009 gaben die RichterInnen die Entscheidung bekannt. Sie sprachen den Opfern einen Schadensersatz in Höhe von vier Millionen Dollar zu. Der Leverkusener Multi hat dazu allerdings nichts beizutragen, da er nicht zu den Beklagten gehörte.

Institute: BAYER muss zahlen
Die US-amerikanische Arbeitsschutzbehörde OSHA hat die näheren Umstände untersucht, die am 28. August 2008 zu der Explosion im BAYER-Werk Institute führten (siehe auch UNFÄLLE & KATASTROPHEN). Sie stellte dabei unter anderem „mangelhafte Sicherheitssysteme, signifikante Mängel der Notfall-Abläufe und eine fehlerhafte Schulung der Mitarbeiter“ fest. Insgesamt 13 schwere Verstöße gegen Sicherheitsbestimmungen listete die OSHA auf und verhängte dafür eine Strafe in Höhe von 143.000 Dollar.

BAYER verklagt ABBOTT
Der Leverkusener Multi hat das US-Unternehmen ABBOTT verklagt. Der Leverkusener Multi wirft seinem Konkurrenten vor, mit dem Arthritis-Medikament HUMIRA (geschätzter Umsatz für 2008: 4,4 Milliarden Dollar) ein BAYER-Patent von 1997 verletzt zu haben. ABBOTT streitet die Vorwürfe ab.

BAYER verklagt Indien
BAYER hat die indische Medikamenten-Zulassungsstelle „Drugs Controller General of India“ (DCGI) verkla

[Kurzmitteilungen] STICHWORT BAYER 04/2007 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Giftmüll-Kampagne erfolgreich!
Am 15. Juni 2007 konnte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) einen großen Erfolg feiern. Die Landesregierung lehnte den Import australischen Giftmülls ab und vermasselte BAYER und der Stadt Herten so ein lukratives Gechäft: Allein der Leverkusener Multi hätte mit der Verbrennung von 4.500 Tonnen Hexachlorbenzol einen Umsatz von drei Millionen Euro gemacht. „Wir sind nicht dafür da, die Akzeptanzprobleme der australischen Bevölkerung gegenüber Entsorgungslösungen im eigenen Land zu lösen“, begründete Umweltminister Eckhard Uhlenberg die Entscheidung. Diese Einsicht kam dem CDU-Politiker allerdings reichlich spät, und ohne die Kampagne der CBG und ihrer Bündnispartner gegen das hochriskante Unternehmen hätte sie ihn vermutlich niemals ereilt.

Immer mehr Pipeline-Proteste
Der Widerstand gegen die von BAYER zwischen den Standorten Krefeld und Dormagen geplante Kohlenmonoxid-Pipeline wächst immer weiter (siehe auch SWB 3/07). Neben Ratingen, Hilden, Monheim, Erkrath und Mettmann haben sich jüngst auch Hubbelrath und Düsseldorf gegen die Röhrenleitung ausgesprochen. Selbst in dem einst in Treue fest zum Bauvorhaben stehenden Duisburg kippt mittlerweile die Stimmung. Diese Entwicklung bewog schließlich auch die Landes-SPD, das Projekt abzulehnen. Dabei sucht sich der Protest, an dem die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) sich nach Kräften beteiligt, vielfältige Ausdrucksformen. In Duisburg, Erkrath und Hilden gab es Demonstrationen. Mehrere Kommunen, Privatpersonen und eine Bürgerinitiative haben Klagen eingereicht. Innenminister Wolfgang Schäuble und BAYER-Chef Werner Wenning erhielten Offene Briefe. Anti-Pipeline-Gruppen und die Bürgermeister von Monheim, Erkrath, Langenfeld und Hilden organisierten gemeinsam eine Plakat-Aktion. Zudem finden regelmäßig Mahnwachen und Diskussionsveranstaltungen statt, und die initiierte Unterschriftensammlung brachte es bis Anfang September auf 43.000 UnterzeichnerInnen. Einige hat die Angst vor dem geruchslosen Gift aus der Leitung sogar so weit getrieben, auf den Baustellen Gerät zu beschädigen.

Erfolgreiche Greenwashing-Kampagne
Durch die Kooperation mit der UN-Umweltbehörde UNEP versucht sich BAYER ein grünes Image zu verleihen. Die Ausrichtung einer Konferenz in Leverkusen mit 150 jungen UmweltschützerInnen aus aller Welt sollte Ende August 2007 zum Höhepunkt dieser Anstrengungen werden, das aber verhinderte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN. Sie protestierte vor Beginn der Veranstaltung gegen das Greenwashing und machte die Öffentlichkeit auf die zahlreichen Umweltsünden des Konzerns aufmerksam (siehe auch SWB 3/07).

Kinderarbeitsverfahren eingestellt
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hatte gegen BAYER gemeinsam mit anderen Initiativen wg. der Kinderarbeit bei den Zulieferern seiner indischen Saatgut-Tochter PROAGRO Klage bei der OECD eingereicht (Ticker berichtete mehrfach). Obwohl das Problem keineswegs beseitigt ist, und eine neue Studie für die nächste Pflanz-Saison sogar eine erhebliche Ausweitung der Beschäftigung von Minderjährigen prognostiziert hat, hat die bundesdeutsche Kontaktstelle der OECD das Verfahren eingestellt. Die Verantwortlichen gaben sich mit den bisher von dem Leverkusener Multi unternommenen Anstrengungen zufrieden. Und den Rest regelt für sie die vom Konzern abgegebene Selbstverpflichtungserklärung (siehe auch SWB 3/07).

Argentinien: Proteste gegen Feldversuche
Nicht nur Costa Rica (siehe SWB 3/07), auch Argentinien will der Leverkusener Agro-Riese nun als Versuchsfeld für sein Gentech-Saatgut nutzen. In Chacabuco beabsichtigt er sogar, zusätzlich noch neue Pestizide zu testen. Doch die Risiken und Nebenwirkungen riefen UmweltschützerInnen auf den Plan. Am Tag der Eröffnung des Geländes protestierten die AktivistInnen in der Stadt gegen das Freiluftlabor - und konnten sich dabei auch auf Material der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN stützen.

Ärzte-Initiative geehrt
Die ÄRZTE-INITIATIVE GEGEN DAS STEINKOHLEWERK UERDINGEN hat den Umweltpreis von Ökoplus bekommen. Die von dem Fachhandelsverbund für umweltgerechtes Bauen gestiftete und von der Grünen-Politikerin Bärbel Höhn überreichte Auszeichnung nahm Dr. Bernd Kaufmann entgegen. Kaufmann hatte auf Einladung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN bereits auf der letzten BAYER-Hauptversammlung gesprochen und den Chemie-Multi aufgefordert, das Bau-Projekt aufzugeben, weil die von Steinkohlekraftwerken emittierten Schadstoffe zu massiven Gesundheitsgefährdungen führen. Zudem schrieb der Mediziner das Editorial des letzten Stichwort BAYER.

Ärzte-Initiative schreibt Hoppe
Die Bundesärztekammer setzt sich regelmäßig für vorbeugende Gesundheitsmaßnahmen ein. So stritt etwa der Verbandspräsident Jörg-Dietrich Hoppe im letzten Jahr für einen gesetzlich verankerten Nichtraucherschutz. Auf das Feld der Umweltpolitik wollte sich Hoppe allerdings nicht begeben. Die ÄRZTE-INITIATIVE GEGEN DAS STEINKOHLEWERK UERDINGEN hatte ihn in einem Brief aufgefordert, ihr Engagement gegen das auf dem BAYER-Gelände geplante, auch nicht eben wenig Gesundheitsschäden verursachende Steinkohlekraftwerk zu unterstützen, aber da begann für den Oberarzt die Politik. Er könne sich in seiner offiziellen Funktion nicht festlegen, antwortete er seinen Krefelder KollegInnen.

KAPITAL & ARBEIT

BIS: Es kommt noch dicker
Mit der neuen, für die Beschäftigten von BAYER INDUSTRY SERVICES (BIS) geltenden „Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung“ konnte das Management massive Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen durchsetzen (Ticker 2/07). Die Wochenarbeitszeit erhöhte sich - ohne Lohnausgleich - von 37,5 auf 40 Stunden, was eine Gehaltseinbuße von 6,7 Prozent bedeutet. In den kommenden vier Jahren müssen 40 Prozent der Belegschaft zudem weitere 8,3 Prozent ihres Lohnes opfern, indem sie auf Tariferhöhungen - und wenn das nicht reicht - sogar zusätzlich auf ihr Weihnachtsgeld verzichten. Aber dem BIS-Boss Klaus Schäfer reicht das noch nicht. „Die Technischen Dienste und der Werkschutz liegen in den Kosten noch zu hoch“, sagte er in einem Interview. Vorsichtshalber hat BAYER für die „Technischen Dienste“ schon eine Tochtergesellschaft gegründet, was der erste Schritt zu einer Ausgliederung sein könnte.

Neue BIS-Struktur
Die Rationalisierungsmaßnahmen bei BAYER INDUSTRY SERVICES (BIS), die zu Jobstreichungen und einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen führten (SWB 1/07), haben auch zu Umstrukturierungen auf organisatorischer Ebene geführt. So reduzierte das Management die Geschäftsfelder von neun auf fünf.

Arbeitsplatzvernichter Nr. 11
Unter den weltgrößten Arbeitsplatzvernichtern nimmt BAYER mit dem Abbau von 6.100 Stellen den 11. Rang ein. In der nationalen Jobstreich-Hitparade belegt der Leverkusener Multi mit einem Beschäftigungsminus von 1.500 an den bundesdeutschen Standorten den vierten Platz.

LANXESS streicht 70 Jobs
Der Arbeitsplatzvernichtungsmotor bei BAYERs Chemie-Abspaltung LANXESS läuft ohne Unterlass. Im Juli 2007 kündigte das Unternehmen an, bei seiner Tochter RHEINCHEMIE 70 Stellen zu streichen, um so das Einsparziel von jährlich fünf Millionen Euro zu erreichen.

LANXESS verkauft LUSTRAN
BAYERs Chemie-Abspaltung LANXESS spaltet sich unaufhaltsam weiter auf. Gnadenlos stößt der Konzern alle unter dem Renditeziel von fünf Prozent bleibenden Bereiche ab. Ende Juni 2007 kündigte der Vorstandsvorsitzende Axel Heitmann den Verkauf von LUSTRAN POLYMERS an, einer hauptsächlich ABS-Kunststoffe für die Autoindustrie herstellenden Tochtergesellschaft. LANXESS bringt LUSTRAN zunächst in ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem britischen Chemie-Multi INEOS ein, der die Sparte dann nach zwei Jahren komplett übernimmt. Was die erst 2005 im Zuge von Rationalisierungsmaßnahmen um 500 auf nunmehr 1.600 MitarbeiterInnen reduzierte LUSTRAN-Belegschaft um ihre Zukunft fürchten lässt, sorgte an der Börse für eine Kurssteigerung um 2,5 Prozent.

LANXESS will „Hire and Fire“
BAYERs Chemie-Abspaltung LANXESS hat angekündigt, den bis Ende 2007 geltenden Standort-Sicherungsvertrag, der betriebsbedingte Kündigungen ausschließt, nicht mehr verlängern zu wollen. „Eine Fortsetzung der Standortsicherungsvereinbarung in ihrer jetzigen Form ist bei LANXESS nicht denkbar“, verlautete es aus der Chef-Etage am Rande von Verhandlungen mit GewerkschaftsvertreterInnen über die zukünftigen Arbeitsbedingungen, „in diesem Bereich werden wir nicht sehr kompromissbereit sein“. Auf die Beschäftigten dürften deshalb noch schwerere Zeiten zukommen, denn sogar ohne betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen gelang es dem Unternehmen bereits, seit seiner Gründung über 1.000 Arbeitsplätze zu vernichten.

Sparoffensive bei Kunststoffen
Der Leverkusener Multi hat Rationalisierungsmaßnahmen in der Kunststoffsparte angekündigt, um eine angebliche „Profitabilitätslücke zu Mitbewerbern“ zu schließen. Besonders am Standort Brunsbüttel geht die Angst um, da Arbeitsdirektor Tony Van Osselaer prophezeit hatte, mittelfristig werde BAYER eine der drei MDI-Produktionen aufgeben. „Die Programme haben Stellenabbau nicht zentral zum Ziel, sondern Prozess-Optimierung“, äußerte ein Konzern-Sprecher gegenüber der Financial Times Deutschland zu den Plänen. Aber ein bisschen Arbeitsplatzvernichtung muss neben Umstrukturierungen der Verwaltungsabläufe und Optimierungen bei den Stillstandszeiten und Wartungen der Anlagen schon dabei sein, soll das wohl heißen.

7,5 % mehr Umsatz erwartet
Für BAYER & Co. stimmt die Chemie. Ihre Aktien stiegen von Juli 2006 bis Juli 2007 um 45 Prozent, und der bis Ende des Sommers als Vorsitzender des „Verbandes der Chemischen Industrie“ amtierende BAYER-Chef Werner Wenning erwartet für dieses Jahr ein Umsatzplus von 7,5 Prozent. Auf den Arbeitsmarkt hatte der Boom jedoch kaum Auswirkungen: Die Beschäftigtenzahl stieg gegenüber dem Vorjahr nur geringfügig um 0,6 Prozent auf 436.000 Beschäftigte.

BAYER stellt 20 Pharma-Projekte ein
Im Pharma-Bereich betrachtet BAYER nur noch die vier Gebiete „Herz/Kreislauf“, „Krebserkrankungen“, „Frauengesundheit“ und „diagnostische Bildgebung“ als „Kerngeschäfte“. Arznei-Neuentwicklungen, die in dieses Raster nicht hineinpassen, gibt der Konzern auf. So kündigte Pharma-Chef Arthur Higgins das Aus für 20 Forschungsprojekte an, was viele PharmakologInnen um ihre Arbeitsplätze fürchten lässt.

Wenning verdient über 3 Millionen
Was ein Vorstandsvorsitzender eines DAX-Unternehmens genau an Bezügen erhält, ist nicht leicht zu ermitteln, da sich die Vergütung aus mehreren festen und variablen Komponenten zusammensetzt. Die Unternehmensberatung TOWERS PERRIN hat sich einmal die Mühe gemacht und neben der Grundvergütung auch die Tantiemen, Rücklagen für die Altersversorgung und andere Faktoren mit eingerechnet. Prompt fällt für BAYER-Chef Werner Wenning eine Gehaltserhöhung an. Nicht mehr „nur“ 2,65 Millionen Euro verdient er, wie früher gemeldet (Ticker 2/07), sondern 3,3 Millionen. Im Durchschnitt konnten Wenning und seine Manager-KollegInnen im Geschäftjahr 2006 fünf Prozent mehr Geld einstreichen als anno 2005.

ERSTE & DRITTE WELT

Neue Patente für altes AVELOX?
Die Pharmamultis haben die ärmeren Staaten nicht in ihrer Kundendatei. Deshalb müssen öffentliche oder private Institutionen einspringen, um Medikamenten-Entwicklungen für Krankheiten zu fördern, die besonders häufig in Entwicklungsländern auftreten. Eine solche Organisation ist die „Global Alliance for TB-Drug-Development“ (siehe auch Ticker 2/06). Bill Gates, die Rockefeller Foundation, die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA und diverse andere Vereinigungen finanzieren im Rahmen des Verbundes die Suche nach neuen Tuberkulose-Behandlungsmethoden. So fließt auch Geld für die Erprobung einer Kombinationstherapie von Tbc-Arzneien mit BAYERs Antibiotikum AVELOX; speziell für diesen Forschungsansatz hat Bill Gates im Frühjahr 2006 noch einmal 100 Millionen Dollar locker gemacht. Das Präparat soll den Heilungsprozess beschleunigen, die Bildung Antibiotika-resistenter Bakterienstämme eindämmen und so die Überlebenchancen der PatientInnen erhöhen. In der Fachwelt ist das BAYER-Mittel allerdings umstritten. Der „Arzneimittelverordnungsreport ‚97“ zählt Antibiotika mit Wirkstoffen aus der Gruppe der Fluorchinole wie AVELOX aufgrund der vielen Nebenwirkungen zu den „nicht primär empfehlenswerten Substanzen“. Trotzdem bastelt der Pharma-Riese schon kräftig an neuen Vermarktungschancen für das alte AVELOX in neuen Tuberkulose-Schläuche und hat beispielsweise in Indien schon einen Antrag auf Patentschutz gestellt, der dem Medikament eine Hochpreis-Garantie verleihen würde.

POLITIK & EINFLUSS

CEFICs Extrem-Lobbying
In Brüssel treiben rund 15.000 LobbyistInnen ihr Unwesen. Einer ihrer größten Arbeitgeber ist CEFIC, der Europa-Verband der Chemie-Industrie. 140 MitarbeiterInnen beschäftigt die Dependance von BAYER & Co. - zum Vergleich: die Sache der LandwirtInnen vertreten trotz des umfangreichen EU-Agrarhaushalts nur 60 Personen.

Bisphenol-Grenzwerte gelockert
BAYER zählt zu den größten Herstellern der Chemikalie Bisphenol A, die in Alltagsgegenständen wie Mineralwasser- und Babyflaschen sowie Konservendosen enthalten ist. Die Substanz wirkt hormon-ähnlich und stört so die Entwicklung des Gehirns, Stoffwechselprozesse und die Fortpflanzungsfähigkeit. In der Vergangenheit hat Bisphenol A häufig die zulässigen Grenzwerte überschritten, weshalb Anwendungsbeschränkungen drohten. Die Chemie-Multis veranlasste das aber nicht, vorsichtiger mit dem gefährlichen Stoff umzugehen. Im Gegenteil, sie gingen den umgekehrten Weg und übten über ihren Lobby-Verband CEFIC (s. o.) Druck auf Brüssel aus, die Grenzwerte zu lockern. Und die EU tat wie geheißen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) kritisierte dieses willfährige Verhalten scharf. „Statt schwächerer Grenzwerte brauchen wir einen verbesserten Schutz der Bevölkerung. Wir fordern ein sofortiges Verbot von Bisphenol A in allen Produkten, die mit Nahrungsmitteln in Kontakt kommen“, kommentierte die CBG die Entscheidung in einer Presseerklärung.

EU-LobbyistInnen gegen Transparenz
Mit einem Zentralregister will die EU-Kommission den Brüsseler Lobby-Dschungel lichten. Nach dem Willen der AntichambriererInnen in Diensten von BAYER & Co. soll allerdings so einiges im Dunkeln bleiben. So verwehren sie sich vehement dagegen, in Zukunft die Höhe des Honorars für ihre „Beratungstätigkeiten“ offen zu legen. Die Organisation LOBBYCONTROL wertet das als einen Versuch, „das Register zu entkernen und jeglicher Substanz zu entkleiden“.

Lobbykosten: 2 Millionen
In den USA unterliegen LobbyistInnen der Auskunftspflicht. Deshalb weiß die Öffentlichkeit auch, welche Politikfelder BAYER besonders lieb und teuer sind. Im ersten Halbjahr 2007 gab der Konzern insgesamt zwei Millionen Dollar für Lobby-Aktivitäten aus und legte das Geld an, um ein Wörtchen bei Gesetzesvorhaben zur Patentreform, zur Umwelt- und Energiepolitik, zur Arzneisicherheit und zum internationalen Handel mitzureden.

Abwehrbündnis gegen Asien
Im Mai 2007 kam nach Informationen von german-foreign-policy.com der „Transatlantic Business Dialogue“ (TABD) unter der Schirmherrschaft von Angela Merkel in Berlin zusammen. Auf der Tagesordnung des Treffens der mächtigsten Konzernlenker der Welt, an dem auch BAYER-VertreterInnen teilnahmen, stand der neue Ost-West-Konflikt auf den Weltmärkten. Um sich gegen die wachsende Konkurrenz aus Asien zu wappnen, schlossen die ManagerInnen ein „Abwehrbündnis über den Atlantik“, wie es die Financial Times Deutschland nannte. Den größten Schutzwall sollte dabei der Gesundheitsbereich bilden, weil er nach den Worten von David Sampson aus dem US-Wirtschaftsministerium „einen extremen Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit der Länder“ hat. Als Rezepte zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit empfahlen die Bosse eine Senkung der Gesundheitsausgaben, eine Harmonisierung der Arznei-Zulassungen sowie mehr Steuergelder für die Pharma-Forschung. Bundesforschungsministerin Annette Schavan stellte sogleich mehr Mittel dafür in Aussicht, und auch EU-Kommissar Günter Verheugen signalisierte die Bereitschaft, die Abwehrkräfte von BAYER & Co. zu stärken. „Wir brauchen dringend eine starke Pharma- und Medizintechnikindustrie in Europa, um die Kosten unserer Systeme in den Griff zu bekommen“, sagte er auf der TABD-Konferenz.

Schlechtes Klima beim Klima-Gipfel
Beim von Angela Merkel initiierten Klima-Gipfel sorgten BAYER & Co. für ein schlechtes Klima. Mit dem Ansinnen, bis zum Jahr 2020 durch die Steigerung der Energie-Effizienz und Investitionen in Windkraft und andere klimaschonende Verfahren den Kohlendioxid-Ausstoß um 40 Prozent zu senken, nehme die Bundesregierung die „schleichende Deindustrialisierung Deutschlands billigend in Kauf“, polterten die Konzern-Bosse.

Emissionshandel darf nichts kosten
Vor einigen Jahren hat die EU den Emissionshandel mit Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten eingeführt. Er sieht vor, BAYER & Co. CO2-Emissionen nur in einer bestimmten Menge zu gestatten. Alles, was über ein bestimmtes Limit hinausgeht, sollte den Konzernen teuer zu stehen kommen, weil sie dafür Verschmutzungsrechte kaufen müssten. Damit wollte Brüssel Anreize zu Klimaschutz-Maßnahmen schaffen. Diese blieben allerdings weitgehend aus: Die Lizenzen zum CO2-Ausstoß waren so großzügig bemessen und überdies kostenlos, dass die Schornsteine der Industrie weiterhin nach Lust und Laune qualmen konnten. Im Juni 2007 hat die Bundesregierung nun beschlossen, von der Stromindustrie für 10 Prozent dieser Zertifikate Geld zu verlangen. Sofort brach ein Sturm der Entrüstung los. Der „Bundesverband der Deutschen Industrie“ (BDI) sieht durch die neue Regelung das Produzieren in Deutschland bestraft und warnt vor den Folgen für BAYER und andere Massenverbraucher: „Das wird sich auf die Wettbewerbsfähigkeit unserer energie-intensiven Industrie negativ auswirken“.

Wenning will Übernahmeschutz
BAYER-Chef Werner Wenning hat in einem Interview mit der Welt am Sonntag die Einrichtung einer nationalen Kommission gefordert, welche die Aufgabe hat, die bundesdeutschen Unternehmen „in gut begründeten Ausnahmefällen“ vor feindlichen Übernahmen zu schützen. Besonders bei politisch motivierten Investitionen sind nach Meinung des Managers staatliche Abwehrkräfte gefragt. „Wenn Fonds zum Beispiel aus Russland oder China bei ihren Investments im Ausland möglicherweise nationale Interessen der jeweiligen Regierungen verfolgen, können wir das nicht so einfach zulassen“, so Wenning. Bundeskanzlerin Angela Merkel ist zufälligerweise derselben Ansicht und bereitet eine Lösung auf europäischer Ebene vor. Während der Bundesverband der Industrie„ entsprechende Pläne skeptisch beurteilt, stellte sich auch der CDU-Wirtschaftsrat hinter Merkel. Wozu nimmt Wolfgang Große Entrup, der Leiter des BAYER-Stabes “Politik und Umwelt„, dort schließlich auch einen wichtigen Posten ein!?

Wenning will “Waffengleichheit„
Die Sprache der ManagerInnen wird angesichts der sich verschärfenden globalen Konkurrenz zunehmend aggressiver. Von der Welt am Sonntag zu seinen Erwartungen an die PolitikerInnen befragt, antwortete BAYER-Chef Werner Wenning: “Wir brauchen eine Wirtschaftspolitik, die uns im internationalen Kontext Waffengleichheit verschafft„. Anschließend präsentierte er seine Wunschliste und zählte ein innovationsfreundliches Klima im Allgemeinen und mehr Forschungsförderung im Besonderen, niedrigere Energiekosten und Steuersenkungen auf. Den Einwurf des Interviewers, die Unternehmenssteuerreform hätte den Konzernen doch gerade erst niedrigere Tarife eingeräumt, ließ der BAYER-Boss nicht gelten: “Das bringt zuwenig Entlastung„.

Peters im Vorstand der Chemie-Arbeitgeber
Die Mitglieder des Bundesarbeitgeberverbandes Chemie (BAVC) wählten den BAYER-Mann Jan H. Peters und Klaus Hofer von BRAUN MELSUNGEN zu Stellvertretern des Vorsitzenden Eggert Voscherau (BASF).

Higgins neuer EFPIA-Vorsitzender
Der BAYER HEALTHCARE-Chef Arthur J. Higgins steht seit April 2007 dem “Europäischen Dachverband der Pharma-Industrie„ (EFPIA) vor. Er will das Amt vor allem dazu nutzen, schnellere Zulassungsverfahren für Arzneimittel zu erreichen. “Schafft zwei, drei, viele LIPOBAY-GAUs„ scheint also seine Maxime zu sein.

BAYER-Frau oberste Arbeitsschützerin
Nach Meinung von Bundesminister Franz Müntefering wissen ManagerInnen am besten, was Beschäftigten gut tut bzw. schadet. Er machte die Geschäftsführerin der BAYER-Tochter JENAPHARM, Isabel Rothe, zur Präsidentin der “Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin„.

Harte Globalisierungszeiten
Der Vorsitzende des Bundesarbeitgeberverbandes Chemie (BAVC), der BASF-Manager Eggert Voscherau, sieht am Horizont härtere Zeiten aufziehen. Auf der BAVC-Mitgliederversammlung im Juni 2007 sagte er mit Blick auf die gewalttätigen Auseinandersetzungen beim G8-Gipfel in Heiligendamm: “Wir müssen die Herausforderungen des globalisierten Wettbewerbs hier am Standort Deutschland annehmen, wenn wir nicht kostspielige Sozialkonflikte in Kauf nehmen wollen„. Die Chemiebranche ist Voscherau zufolge allerdings gegen solche Verwerfungen dank der mit den Gewerkschaften praktizierten Sozialpartnerschaft gut gewappnet. Die Aushöhlung der Flächentarifverträge seit Anfang der 90er Jahre führte er als Beispiel für die gelungene Zusammenarbeit zwischen Kapital & Arbeit an. “Ich bin überzeugt, dass diese pragmatische Umgangsweise es den Chemie-Sozialpartnern ermöglichen wird, in Zukunft auch komplizierte Probleme im Interesse der Chemie-Branche und ihrer Beschäftigten zu lösen„, so der BAVC-Vorsitzende auf der letzten Mitgliederversammlung der Organisation.

BAYER regiert mit
Wie das TV-Magazin Monitor im vergangenen Jahr enthüllte, arbeiten ca. 100 EmissärInnen von Unternehmen und Verbänden in Ministerien mit (Ticker 4/06). Die Initiative LOBBYCONTROL hat jetzt auf einer Website die genauen Tätigkeitsbereiche der “WirtschaftspolitikerInnen„ aufgelistet. So kümmert sich eine BAYER-Beschäftigte im Umweltministerium um die Forschung auf den Gebieten Umwelt und Gesundheit im Allgemeinen und die Aktionspläne von EU und Weltgesundheitsorganisation zu diesen Themen im Besonderen. Daneben hat sie sich im Referat “Umwelteinwirkungen auf die menschliche Gesundheit„ die Bewertung von Bauprodukten vorgenommen - und dabei denen aus dem Hause BAYER bestimmt keine schlechten Noten erteilt. Was ihre Kollegin derweil im Wirtschaftsministerium so treibt, konnte LOBBYCONTROL bisher nicht ermitteln.

BAYER beim G8-Gipfel
Auf der Tagesordnung des G8-Gipfels in Heiligendamm stand auch die Produkt-Piraterie, mit der die Konzerne so ihre liebe Last haben. Der Leverkusener Multi nutzte das Großkopferten-Treffen deshalb als Produktmesse und stellte im Kühlungsborner Medienzentrum sein Lasergerät PROTEXXION vor, das angeblich genau zwischen Original und Fälschung unterscheiden kann (siehe auch Ticker 2/07).

BAYER & Co. sponsorn den Staat
Die Konzerne haben die Regierungstätigkeit im großen Umfang finanziell unterstützt, wie aus dem 2. Zweijahresbericht über Sponsoring-Leistungen an die Bundesverwaltung hervorgeht, den das “Bundesministerium des Inneren„ Ende Juli 2007 veröffentlichte. Geld- und Sachleistungen in einer Größenordnung von 80 Millionen Euro brachten die Unternehmen in den Jahren 2005 und 2006 auf. BAYER befand sich natürlich auch unter den “edlen Spendern„. Der Leverkusener Multi griff dem Auswärtigen Amt bei der Ausrichtung der “Deutschen Kultur- und Wirtschaftswoche„ im australischen Brisbane mit einer Spende von 6.551 Euro unter die Arme. Zudem unterstützte der Konzern das Sommerfest von Bundespräsident Horst Köhler finanziell und durfte dafür den Park des Schlosses Bellevue als Werbeplattform nutzen.

Wenning im “BerlinBoard„
BAYER-Chef Werner Wenning gehört dem von Klaus Wowereit geleiteten 12köpfigen “BerlinBoard„ an, welches laut Eigenauskunft “Kompetenzen aus unterschiedlichen Feldern für einen positiven Wandel der Stadt bündelt„. Wie nicht anders zu erwarten, wenn Top-Manager wie Wenning, Mathias Döpfner von der AXEL SPRINGER AG und Hartmut Ostrowski von BERTELSMANN ein Päckchen schnüren, wird die Stadt zum Produkt. Der Rat der 12 will eine “Markenstrategie Berlins„ entwickeln und “Anregungen zur strategischen Positionierung„ geben. Eine Marktforschungsstudie hat das BerlinBoard auch schon in Auftrag gegeben und eine Werbekampagne ist gleichfalls geplant.

EU prüft Biokraftstoff-Quotengesetz
Die Bundesregierung hat schon vor einiger Zeit mit dem “Biokraftstoffquoten-Gesetz„ großzügige Ökosteuer-Ausnahmeregelungen für BAYER und andere Großverbraucher von Energie beschlossen (Ticker 1/07). In Kraft ist das neue Paragraphenwerk allerdings noch nicht, da die Genehmigung von Seiten der EU noch aussteht. Diese prüft derzeit, ob es sich bei der geplanten Entlastung nicht um ein gegen die Wettbewerbsregeln der Union verstoßendes Steuergeschenk handelt. Aber Finanzminister Peer Steinbrück rechnet fest damit, dass die Brüsseler Kommission das Projekt abnickt: “Wir sind zuversichtlich, dass sie dies macht„.

Köhler und Rüttgers bei BAYER
In diesem Jahr feierte BAYER “100 Jahre Kulturförderung„. Das Geburtstagskind ist allerdings schon recht schwach auf den Beinen. In den letzten Jahren sparte der Leverkusener Multi kräftig Mittel ein, schloss Werksgalerie und -bibliothek, strich die Unterstützung für Kleinkunst-Veranstaltungen und kürzte die Zuschüsse für den “Kunstverein Galerie-Werkstatt„. Er hält es offenbar nicht mehr für nötig, die Belegschaft mit einer großzügigen “Kulturpolitik„ bei Laune zu halten. Trotzdem konnte der Festakt mit prominenten Gästen wie Bundespräsident Horst Köhler und NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers aufwarten. In seiner Rede sprach letzterer Kultur und kultureller Bildung eine wichtige Rolle im Wirtschaftsleben zu, da zum Geschäftemachen Kreativität nötig sei. BAYER scheint vor allem von Gangsterfilmen gelernt zu haben.

PROPAGANDA & MEDIEN

Eine BAYER-Zensur findet statt
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hat die genaueren Umstände ermittelt, die zum Verkaufstopp des Filmes “100 % Baumwolle„ führten (Ticker 2/07). Der Leverkusener Multi hat dem SWR als mitproduzierendem Sender im Falle einer nochmaligen Ausstrahlung mit einer Klage gedroht, da die Dokumentation falsche Angaben über BAYER-Pestizide mache. Das inkriminierte Ackergift Monocrotophos habe der Konzern in Indien längst vom Markt genommen, so das Unternehmen. Dieser Vorwurf geht ins Leere, denn “100 % Baumwolle„ entstand im Jahr 2003, und der Pharma-Riese kündigte den Verkaufsstopp auf dem Halbkontinent erst Ende 2004 an. Zudem stießen MitarbeiterInnen des EINE WELT NETZES NRW bei Recherchen vor Ort noch 2005 auf die Agrochemikalie. Trotzdem knickte der SWR ein und versprach, das Werk künftig nur noch mit einem Hinweis auf das inzwischen nicht mehr erhältliche Monocrotophos auszustrahlen. Die Filmemacher selber schreckten vor einer rechtlichen Auseinandersetzung offenbar zurück und haben den Vertrieb der DVD inzwischen eingestellt.

Spielerischer Pillen-Konsum
“Spielerisch„ will der Leverkusener Pharma-Multi den Umsatz seines umstrittenen Schmerzmittels ALEVE bei Jugendlichen steigern. Als Teil einer Marketing-Offensive soll das online-Spiel “Aleviator„ diese dazu animieren, “eine online-Verschwörung gegen kritische websites„ zu verhindern - und öfter zu den Pillen zu greifen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat diese Bauernfängerei in einer Presseerklärung angesichts der Risiken und Nebenwirkungen des Präparats scharf verurteilt und BAYERs Einsatz für die freie Meinungsäußerung mit Blick auf das Vorgehen des Konzerns gegen eine kritische Website der CBG als “zynische Verdrehung der Realität„ bezeichnet. Auch die im Rahmen der ALEVE-Kampagne geleisteten Spenden an den US-Umweltverband CONSERVATION FUND kritisierte die Coordination als billigen PR-Trick.

Informieren statt werben?
“Werbung heißt jetzt Information„, mit dieser Umwidmung wollen BAYER & Co. auf EU-Ebene das Reklameverbot für verschreibungspflichtige Medikamente aufweichen, das den Geschäften nicht eben zuträglich ist. Nachdem ein entsprechender Versuch 2003 gescheitert ist, sieht es nun besser aus. “Viele Patientengruppen erkennen die Pharma-Industrie als legitime Quelle von Informationen an„ meint die EU-Kommission, und auch der besonders industrie-freundliche Industrie-Kommissar Günther Verheugen signalisiert Wohlwollen.

BAYER & Co. entdecken den Pharma-Kunden
Auf die Frage, warum es die Pharma-Industrie nicht schafft, sich als eine positive, Nutzen bringende Branche darzustellen, antwortete die Hauptgeschäftsführerin des von BAYER gegründeten “Verbandes der Forschenden Arzneimittelhersteller„ (VFA), Cornelia Yzer: “In weiten Kreisen der Bevölkerung wird es immer noch als unredlich gesehen, mit dem Gut Gesundheit im marktwirtschaftlichen Sinne zu wirtschaften. Dabei ist marktwirtschaftliches Verhalten eine Voraussetzung für den Erfolg der innovativen Pharma-Industrie„. Ganz in diesem Sinne erachtet es die ehemalige BAYER-Angestellte als Fehler, die PatientInnen lange Zeit nicht als Kunden betrachtet und die Marketing-Strategien nur auf die Ärzteschaft ausgerichtet zu haben. Das soll sich jetzt ändern. Die Pillen-Produzenten wollen Robin Hood spielen und sich der armen Kranken annehmen, die angeblich unter den Einsparmaßnahmen der GesundheitspolitikerInnen leiden. Was die Pharma-Lobbyistin in diesem Zusammenhang mit Blick auf das neu gegründete “Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen„ (IQWIG) Rationierung nennt, ist jedoch bloss das Aussortieren von Hochpreismedikamenten ohne Zusatznutzen aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen.

Perfide Milchpulver-Werbung
Muttermilch ist für Babys gesünder als Milchpulver-Mixe. Darum untersagen viele Länder den Unternehmen, für entsprechende Produkte, wie sie z. B. BAYERs Tochtergesellschaft NOVALAC als “infant feeding solutions„ anbietet, zu werben. Die Konzerne versuchen aber mit allen Mitteln, das Verbot zu umgehen. Auf den Philippinen klagen die Multis gegen das entsprechende Paragraphen-Werk. In Australien entziehen sich die Unternehmen dem Gesetz, indem sie ihre Waren als Nahrungsergänzungsmittel anpreisen, die Eisenmangel vorbeugen oder befleißigen sich anderer Täuschungsmanöver. Auf einer Anhörung des australischen Parlamentes zum Thema “Stillen„ verglich der Wissenschaftler Colin Binns die Methoden von BAYER & Co. deshalb mit den skrupellosen Reklame-Strategien der Tabak-Konzerne.

VFA diagnostiziert Pillen-Mangel
ÄrztInnen in der Bundesrepublik sitzt der Rezeptblock so locker wie in kaum einem anderen Land. Deshalb müssen die Krankenkassen Jahr für Jahr mehr Geld für Medikamente ausgeben. Aber den Pharma-Riesen reicht das noch nicht. Ihre Lobbyorganisation, der von BAYER gegründete “Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller„, gab eine Studie zur Arzneimittelversorgung in Auftrag und siehe da: Es existieren große Versorgungslücken, Millionen Menschen darben nach dem Stoff von BAYER & Co..

Keine Einkaufsgemeinschaft für Strom
BAYER & Co. klagen seit Jahren über zu hohe Energiepreise. Im Herbst 2006 schritten die Multis zur Tat und planten Einkaufsgenossenschaften für Strom, um Kosten zu sparen. RWE, ENBW & Co. ließen sich darauf allerdings nicht ein, unterbreiteten den Großverbrauchern lediglich günstigere Angebote. Der Leverkusener Multi reagiert auf die Malaise mit der Beteiligung am Bau von Steinkohle-Kraftwerken (siehe SWB 2/07), ohne Rücksicht auf deren klimaschädigenden Kohlendioxid-Ausstoß zu nehmen.

Noch ‘ne Klima-Erklärung
Mit BAYER, DAIMLER/CHRYSLER, SHELL und 47 anderen Global Playern unterzeichnete der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan Ende Juli 2000 in New York den “Global Compact„, eine unverbindliche Vereinbarung zur Umsetzung internationaler Menschenrechts-, Sozial- und Umweltstandards (Ticker 4/00). Im Gegenzug berechtigt die Unterschrift BAYER & Co., mit dem UN-Emblem zu werben. Darüber hinaus sicherte Kofi Annan den Multis Unterstützung bei ihrer Forderung nach einer weiteren Liberalisierung des Welthandels zu. Bei der jüngsten Konferenz des “Global Compact„, die am 5. und 6. Juli in Genf stattfand, gaben der Leverkusner Multi und die anderen “Global Player„ auch mal wieder eine der vielen ebenso wohlfeilen wie folgenlosen Erklärungen zum Klimaschutz ab, welche die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN mit konkreten Fakten aus BAYERs Kohlendioxid-Bilanz konterkarierte.

Reis-Konferenz gesponsort
BAYER verspricht sich von seinem in der EU bisher nicht zugelassenem, gegen das Herbizid LIBERTY resistenten Gentech-Reis, der sich jüngst aus ungeklärten Gründen in Handelsreis-Sorten wie UNCLE BEN wiederfand und damit einen großen Skandal auslöste, große Umsätze. Deshalb will sich der Leverkusener Multi schon mal die potenziellen Kunden gewogen machen und sponsorte die Konferenz “Reisanbau in nicht-tropischen Ländern„, die in Italien stattfand.

Scrabble-Sponsoring
Der Leverkusener Multi hat in Indien die nationale Scrabble-Meisterschaft finanziell unterstützt.

Greenwashing in Südafrika
Um sich auch in Südafrika das Image eines Umweltengels zu geben, unterstützt BAYER den dort ansässigen Naturschutzverband ENDANGERED WILDLIFE TRUST.

IG FARBEN & HEUTE

ZwangsarbeiterInnen-Entschädigung abgeschlossen
Über acht Millionen ZwangsarbeiterInnen leisteten während des Dritten Reiches Sklavendienste. Zehntausende von ihnen leisteten Fronarbeit bei den von BAYER mitgegründeten IG FARBEN. Allein beim Aufbau des Werkes in Auschwitz starben rund 30.000 von ihnen. In den 90er Jahren forderten die Überlebenden Entschädigungszahlungen von BAYER & Co. und drohten mit Sammelklagen. Die rot-grüne Bundesregierung sprang den Unternehmen zur Seite, um Imageschäden abzuwenden und langwierige Prozesse zu verhindern. Sie regte die Gründung der Bundesstiftung “Erinnerung, Verantwortung und Zukunft„ an, dessen Kapital die Unternehmen noch nicht einmal allein aufzubringen brauchten: die Hälfte kam aus Steuermitteln. Erst nach einem endlosen Gefeilsche mit den Opfer-VertreterInnen um die Entschädigungssummen konnte die Bundesstiftung mit den ersten Zahlungen beginnen. Im Juni 2007 schloss sie ihre Arbeit ab. Aber längst nicht alle ZwangsarbeiterInnen erhielten Geld, nur 1,665 Millionen Anträge akzeptierte die Organisation. Darum wurde am 12. Juni nichts aus der Feierstunde, zu der Bundespräsident Horst Köhler ins Schloss Bellevue geladen hatte. Vor den Toren protestierten nicht entschädigte SklavenarbeiterInnen. Von der Stiftung bleibt jetzt nur noch der Zukunftsfonds. Mit einem Jahresbudget von ca. acht Millionen Euro fördert er Geschichtsprojekte, Begegnungen und vergibt Stipendien. Damit es bei der Aufarbeitung nicht allzu konzern-kritisch zugeht, will die Bundesregierung die Position der Wirtschaft im Vergabe-Gremium stärken. “Das ist ein Schlag ins Gesicht aller NS-Opfer, die auch Opfer des deutschen Großkapitals waren„, kritisiert die Linkspartei-Abgeordnete Ulla Jelpke dieses Vorgehen.

KONZERN & VERGANGENHEIT

Senfgas im Abessinien-Krieg
Das vom BAYER-Forscher Fritz Haber während des Ersten Weltkrieges entwickelte Senfgas erfreute sich bei Diktatoren großer Beliebtheit. Zuletzt verwendete es Saddam Hussein 1987 und 1988 bei seinen Attacken auf kurdische Dörfer, denen Zehntausende Menschen zum Opfer fielen. Den verheerendsten Gebrauch allerdings machte Mussolini 1935 im Abessinien-Krieg, der Historikern heute als “erster faschistischer Vernichtungskrieg„ gilt, von der Chemie-Waffe. Der britische Arzt John Melly erlebte die Massaker als Augenzeuge. “Das ist kein Krieg, es ist auch kein Blutbad, es ist die Folterung wehrloser Männer, Frauen und Kinder mit Bomben und Giftgas„, berichtete der damalige Leiter des Britischen Roten Kreuzes.

Drei Phosgen-Tote vor 1983
Obwohl das im Ersten Weltkrieg als Giftgas eingesetzte Phosgen zu den gefährlichsten chemischen Stoffen zählt,
verwendet BAYER die Substanz nach wie vor als Grundstoff. Im Jahr 2004 versuchte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gemeinsam mit dem BUND vergeblich, eine weitere Ausweitung der Produktion in Krefeld zu verhindern. Die erste begann 1983 und war genauso umstritten. Ein zufällig entdeckter Artikel aus dieser Zeit schildert nicht nur die Auseinandersetzungen, sondern erwähnt auch die Opfer, welche die Herstellung der Substanz unter den BAYER-Beschäftigten bereits gefordert hatte. Drei Männer kamen in der Vergangenheit bei Unfällen mit der Chemikalie ums Leben.

Alte MOBAY-Sünden
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hat anlässlich der neuen Kooperation von BAYER mit MONSANTO auf dem Gebiet der Gentechnik die alten Bande zwischen den beiden Konzernen aufgearbeitet und stieß dabei durch Zufall auch auf das Sündenregister von BAYERs US-amerikanischem Tochter- Unternehmen MOBAY. Der Chemie-Multi hat es 1970 übernommen und bis 1992 in Alleinbesitz gehalten. In dieser Zeit hat sich MOBAY diverser Vergehen schuldig gemacht. 1975 flog eine Kartellabsprache auf, für welche die Firma eine Millionen-Strafe zahlen musste. 1990 erhielt MOBAY eine Sanktion wg. fehlender Warnhinweise auf Pestiziden, die zum Export bestimmt waren. Und 1991 flog ein Im- und Export-Schwindel in großem Ausmaß auf: Falschdeklarationen in 400 Fällen kosteten die BAYER-Tochter 4,75 Millionen Dollar.

Strafe wg. Gift-Importen
Wie der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN erst jetzt bekannt wurde, erlegte die US-Umweltbehörde EPA dem Leverkusener Multi im Jahr 1996 eine 500.000-Dollar-Strafe wg. der illegalen Herstellung und Ausfuhr von “giftigen Substanzen„ auf.

DRUGS & PILLS

Schlaganfälle durch ASPIRIN
BAYER bewirbt ASPIRIN aggressiv als Mittel zur Prophylaxe von Herzinfarkten und Schlaganfällen. Mit Erfolg: Nahmen Anfang der 80er Jahre nur ca. vier Prozent der Schlaganfall-Opfer zur Verhinderung weiterer Gehirnschläge ASPIRIN, so stieg ihre Zahl ab 2000 auf 40 Prozent, weil immer mehr PatientInnen auf die blutverdünnende Wirkung des Medikamentes setzen. Nach einer Studie der Universität Oxford erhöht aber gerade dieser Effekt das Risiko für den hämorrhagischen Schlaganfall, der nicht wie der ischämische durch einen Gefäßverschluss, sondern durch eine Blutung im Gehirn entsteht, denn ASPIRIN regt den Blutfluss an. Deshalb warnen die ForscherInnen, das BAYER-Präparat könne bald den Bluthochdruck als Hauptrisikofaktor für diese Art des Schlaganfalls ablösen. Ungeachtet dessen hat der Leverkusener Multi gerade wieder eine Megastudie zur Untersuchung der vorbeugenden Effekte des “Tausendsassas„ in Auftrag gegeben.

Erneute TRASYLOL-Überprüfung
Eine im New England Journal of Medicine veröffentlichte Studie hatte dem vor allem zur Blutstillung bei Bypass-Operationen verwendeten BAYER-Mittel TRASYLOL lebensgefährliche Nebenwirkungen von Nierenversagen über Schlaganfälle bis hin zu Herzinfarkten attestiert (SWB 1/06). Die US-amerikanische Arzneiaufsicht FDA überprüfte das Medikament daraufhin, entschied sich aber gegen einen Entzug der Zulassung, weil dem Leverkusener Multi eine Irreführung der Behörden gelungen war. Der Pharma-Riese hatte der Institution eine selbst in Auftrag gegebene Untersuchung verschwiegen, die zu alarmierenden Befunden gekommen war, was einen großen Skandal auslöste (siehe SWB 4/06). Inzwischen hat eine weitere Expertise die gesundheitsgefährdenden Effekte der Arznei nachgewiesen. WissenschaftlerInnen der “Ischemia Research and Education Foundation„ stellten ein im Vergleich zur Referenz-Gruppe um zwei Drittel höheres Sterblichkeitsrisiko fest; 21 Prozent der mit TRASYLOL behandelten PatientInnen kamen um. Nicht zuletzt dieses Forschungsergebnis hat die FDA veranlasst, das umstrittene Medikament erneut auf den Prüfstand zu stellen. Aber zu einem Verbot konnte sich die Institution nicht durchringen. Sie forderte den Pharma-Riesen lediglich auf, den Beipackzettel um einige Warnhinweise zu ergänzen und zusätzliche Sicherheitsstudien in Auftrag zu geben.

Bekenntnis zu mehr Transparenz
Nachdem der Skandal um verheimlichte Untersuchungsergebnisse zu TRASYLOL aufflog (s. o.), gelobte BAYER Besserung. Der Konzern kündigte mehr Transparenz an und will seine StudienleiterInnen jetzt zu einer besseren Übermittlung der Erkenntnisse anhalten. “BAYER ist zuversichtlich, dass mit den jetzt vorgenommenen Prozess-Verbesserungen derartige Versäumnisse in Zukunft nicht wieder auftreten können„, gab sich das Unternehmen leutselig.

Weniger Krebs durch weniger Hormone
Für BAYER machen typische Wechseljahresbeschwerden wie Hitzewallungen und Schweißausbrüche einen Pharma-Einsatz der Hormone Estradiol und Drospirenon unausweichlich. Was nach Darstellung des Konzerns “ein ganzheitlich ausgerichteter Therapieansatz, der auf den langfristigen Erhalt der Lebensqualität im Klimakterium zielt„, ist und auf den Namen “Menopause Management„ hört, bezeichnet das arznei-telegramm als “ein riesiges, unkontrolliertes Experiment mit den Frauen„. Oft mit tödlichem Ausgang: Bei vier Millionen Anwenderinnen in der Bundesrepublik schätzt eine Expertise die Zahl der Herzinfarkte und Schlaganfälle auf 3.000 und die Zahl der Thrombosen auf 7.000. Zudem erhöhen die Hormontherapien das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken. MedizinerInnen mussten sogar eine Studie abbrechen, die beabsichtigte, das genauer zu ergründen, weil dieser Zusammenhang schon früh offen zu Tage trat und die ForscherInnen die Frauen nicht länger einer Gesundheitsgefährdung aussetzen wollten. BAYER möchte von dieser “Nebenwirkung„ allerdings nichts wissen, für die es jetzt erneut eindrucksvolle Belege gibt. Gemeinsam mit einem Rückgang der Verordnungen - nahmen im Jahr 1998 noch 16,9 Prozent aller Frauen in den Wechseljahren Hormonpräparate, so waren es 2004 “nur„ noch 10,1 Prozent - sank die Zahl der Brustkrebs-Neuerkrankungen um 10 bis 15 Prozent. “Diese Assoziation ist schon außerordentlich beeindruckcnd„, kommentiert der Lübecker Onkologe Jürgen Dunst. Ob diese auch die “Gynäkologische Fachgesellschaft„ beeindruckt, die in Sachen “Hormone„ bislang wacker zu BAYER & Co. hielt, bleibt abzuwarten.

Neue Sparte “Männergesundheit„
BAYERs Gesundheitsdivision hat die neue Abteilung “Männergesundheit„ eröffnet. Darin fasst der Pharma-Riese das Geschäft mit dem Potenzmittel LEVITRA sowie mit den Testosteron-Präparaten TESTOGEL und NEBIDO zusammen, die sich auch unter SportlerInnen trotz der Nebenwirkung “Krebs„ größerer Beliebtheit erfreuen (siehe SPORT & MEDAILLEN). Wenn es Frauenärzte und die entsprechenden Krankheiten gibt, dann besteht da doch auf der anderen Seite eine Marktlücke, denkt sich der Pharmariese und will sich ein lukratives Geschäftsfeld erschließen, denn “Männergesundheit ist ein Selbstzahlermarkt„, wie die Financial Times Deutschland weiß. Fehlen nur noch die entsprechenden Gesundheitsstörungen, aber die finden sich: BAYER hat bereits “männliche Wechseljahresstörungen„ ausgemacht und hält mit NEBIDO, dessen Name sich nicht zufällig an “Libido„ anlehnt, bereits das passende Produkt parat.

LEVITRA: massive Kombinationswirkungen
Nach US-amerikanischen Studien interagiert BAYERs Potenzmittel LEVITRA massiv mit anderen Medikamenten. Die Kombinationswirkungen mit Antipilzmitteln beispielsweise können zu Bluthochdruck, Augenproblemen und Priapismus, einer schmerzhaften Dauererektion des Penises, führen. Zudem drohen bei Beikonsum von LEVITRA Herzgefäßstörungen. Die US-Gesundheitsbehörde FDA hat deshalb eine Reduzierung der Dosis vorgeschrieben, wenn LEVITRA gemeinsam mit bestimmten anderen Pillen geschluckt wird. Zudem hat die Behörde den Leverkusener Multi veranlasst, den Beipackzettel mit neuen Warnhinweisen zu versehen.

USA: Mangelhafte Arznei-Aufsicht
Der LIPOBAY-Skandal mit seinen über 100 Toten und andere Pharma-GAUs haben in den USA Zweifel an der Arbeit der US-Zulassungsbehörde FDA gesät. Die Institution ging in die Offensive und beauftragte das “Institute of Medicine„ mit einer Untersuchung. Die Expertise deckte viele Mängel auf und empfiehlt zahlreiche Veränderungen. So sollte die FDA nach Meinung der VerfasserInnen selbst Medikamenten-Untersuchungen durchführen, statt sich auf die Ergebnisse von BAYER & Co. zu verlassen und die Analyse der vorhandenen Pillen-Daten verbessern. Zudem treten die WissenschaftlerInnen dafür ein, Pharmazeutika auch nach der Zulassung noch zu kontrollieren und neue Arzneien vorsorglich mit Warnhinweisen zu versehen. Von der Industrie verlangten die WissenschaftlerInnen mehr Transparenz und dachten dabei vermutlich auch an den Leverkusener Multi: Der Pharma-Riese hatte der FDA unlängst negative Studienergebnisse zum Produkt TRASYLOL verschwiegen (Ticker 2/07).

Anti-Aging-Mittel GYNODIAN
BAYER macht mit dem Hormonpräparat GYNODIAN Millionen-Umsätze. In letzter Zeit preisen es Websites trotz der Nebenwirkung “Krebs„ auch als Verjüngungsmittel an. “Damit wird viel Schindluder getrieben„, kritisiert Angela Clausen von der Verbraucherzentrale NRW deshalb das exzessive Schlucken von GYNODIAN & Co..

Aus für ASOPRISNIL
BAYER stellt die Entwicklung des Medikamentes ASOPRISNIL ein, für das der Konzern schon einen Umsatz von über 250 Millionen Euro prognostiziert hatte. Die Arznei sollte zur Behandlung von gutartigen Gebärmutter-Geschwülsten dienen, hatte aber bei der klinischen Erprobung selber zu Wucherungen an der Gebärmutterschleimhaut geführt, die operativ entfernt werden mussten.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Chile: Aus für Methamidophos & Co.?
2005 kamen in Chile 19 Menschen durch Pestizide ums Leben; insgesamt 785 Vergiftungen registrierten die Behörden. Für 97 Fälle - mit Abstand die meisten - war der von BAYER unter dem Namen TAMARON vermarktete Pestizid-Wirkstoff Methamidophos verantwortlich. Diese besorgniserregende Lage hat chilenische Abgeordnete veranlasst, einen Antrag zum Verbot von Agrochemikalien der beiden höchsten Gefährlichkeitsklassen 1a und 1b in den Kongress einzubringen. Wenn das chilenische Parlament wirklich ein entsprechendes Gesetz verabschiedet, würde die Produktpalette, die BAYER in dem südamerikanischen Land gemeinsam mit Geschäftspartnern vertreibt, um Methamidophos (TAMARON), Methamidophos + Cyfluthrin (BAYTHROID), Azinphos Methyl (COTNION), Formetanate HCI (DICARZOL), Methiocarb (MESUROL), und Deltamithrine + Endosulfan (DECISDAN) schrumpfen.

Glyphosate verringert Ernte-Ertrag
Der Pestizid-Wirkstoff Glyphosate, enthalten unter anderem in den BAYER-Mitteln GLYPHOS und USTINEX G, schädigt nicht nur die menschliche Gesundheit, indem er etwa Krebs- und Atemwegserkrankungen auslöst (Ticker 2/07), sondern auch die Ackerflächen. Die Substanz entzieht den Böden die für das Pflanzenwachstum wichtigen Spurenelemente wie Mangan oder Magnesium und sorgt so für Missernten. In Brasilien etwa schrumpfte der Ertrag von Soja-Feldern nach der Glyphosate-Behandlung um 75 Prozent.

GENE & KLONE

BAYER-Raps ist überall
Kaum hat sich die Aufregung um den bis in die Supermärkte vorgedrungenen Genreis LL601 gelegt, da sorgt der Leverkusener Multi für einen neuen Skandal. Die Aufsichtsbehörden entdeckten bei einer Routine-Untersuchung Spuren von BAYERs genmanipulierten Raps-Saaten BASTA und LIBERTY-LINK, die gegen das Herbizid Glufosinat resistent sind, in herkömmlichem Raps-Saatgut des Unternehmens DEUTSCHE SAATVEREDELUNG. Sie ordneten deshalb die Vernichtung der auf einer Fläche von 1.500 Hektar ausgesähten Pflanzen an. Die Verunreinigung weiterer Felder dürfte das allerdings nicht verhindern, weil sich das Saatgut bis zu 15 Jahren im Boden hält und die Pollen kilometerweit fliegen können. Dabei wurde BAYERs erst seit März in der EU zugelassener Gentech-Raps nicht zum ersten Mal auffällig. Auch in Kanada und Australien kontaminierte er bereits andere Saaten.

EFSA: Gen-Soja unbedenklich
BAYER hat bei der EU einen Antrag auf Genehmigung des Importes von Gen-Soja gestellt, das gegen das Herbizid Glufosinat resistent ist. Der wissenschaftliche Beirat der europäischen Lebensmittelbehörde EFSA hat dazu eine positive Stellungnahme abgegeben, da ihm keine Hinweise auf mögliche Gefahren für Umwelt und menschliche Gesundheit vorlagen, wie es aus Brüssel hieß. Nach den Erfahrungen mit dem “baugleichen„ Gen-Mais von BAYER, der schon drei Monate nach seiner Zulassung auf herkömmliches Mais-Saatgut übergriff (s. o.), liegen diese nun vor. Es fragt sich bloß, ob die ExpertInnen darauf reagieren.

Schädigungen durch Gen-Mais
WissenschaftlerInnen haben in der Vergangenheit schon mehrfach die gesundheitsgefährdende Wirkung von Genpflanzen belegt. Einen neuerlichen Tierversuch, bei denen Genmais Leber und Nieren von Ratten schädigte, hätten die ForscherInnen vom “Committee for Independent Research and Genetic Engineering„ sich also sparen können.

Brasilien: umstrittener Gen-Mais
Ein brasilianischer Bundesrichter hat die erst vor kurzem erfolgte Genehmigung von BAYERs Gen-Mais mit eingebauter Resistenz gegen das Herbizid LIBERTY wieder aufgehoben (siehe auch Ticker 2/07). Als Begründung gab er die Schutzbedürftigkeit einheimischer Sorten an. Das letzte Wort über den LL-Mais dürften die Gerichte aber noch nicht gesprochen haben.

Gen-Baumwolle nach Südafrika?
BAYER hat in Südafrika eine Import-Zulassung für eine gen-manipulierte Baumwoll-Art beantragt, die eine eingebaute Resistenz gegenüber dem Herbizid LIBERTY besitzt. Das AFRICAN CENTRE FOR BIOSAFETY hat sich in einem umfangreichen Gutachten gegen eine Genehmigung ausgesprochen. Die WissenschaftlerInnen befürchten negative Folgen für die kleinen BaumwollfarmerInnen, warnen vor Einkreuzungen in konventionelle Sorten und der unkontrollierten Verbreitung des Antibiotikaresistenz-Genes. Zudem weisen die ForscherInnen auf den im Vergleich zu herkömmlicher Baumwolle höheren Gehalt von gesundheitsschädlichem Gossypol und auf den niedrigeren Gehalt von Vitamin E hin, was einen Einsatz als Tierfutter erschwert.

Kein Genreis auf den Philippinen?
GREENPEACE hat auf den Philippinen Einspruch gegen die Zulassung von BAYERs LL62-Genreis erhoben, der in Tateinheit mit der Sorte LL601 einen der größten Gen-GAUs der jüngeren Geschichte ausgelöst hatte. Wegen der von dem Labor-Reis ausgehenden Gefahren für die Umwelt, die Gesundheit, die Biodiversität und die konventionelle Landwirtschaft stellte die Umweltorganisation den Antrag auf ein Moratorium, dem das Gericht auch stattgab. Endgültig ist der Genreis in dem Land damit aber noch nicht vom Tisch.

Kooperation mit MONSANTO
BAYER, MONSANTO, SYNGENTA und einige andere Anbieter beherrschen den Markt für Gentech-Pflanzen. Die Auswahl ist dementsprechend überschaubar, und die Schadinsekten beginnen sich langsam an die Ackerfrüchte mit MONSANTOS Bt-Gift bzw. die Kombipacks mit dem Herbizid Glyphosate oder BAYERs LIBERTY zu gewöhnen. Wohl nicht zuletzt deshalb haben BAYER und MONSANTO einen umfangreichen Technologie-Transfer vereinbart. Der US-amerikanische Agro-Riese darf künftig zum Beispiel BAYERs LL-Resistenzen zusätzlich zum Bt- oder Glyphosate-Gen in seine Raps- oder Soja-Kreationen einbauen und der Leverkusener Multi im Gegenzug auf MONSANTO-Entwicklungen zurückgreifen. So will das Oligopol die Risiken und Nebenwirkungen des Oligopols in Grenzen halten, ob's hilft?

Neue Arzneimittelverordnung der EU
Die EU hat eine Verordnung zu neuartigen Arznei-Therapien verabschiedet. Gentechnik-KritikerInnen wie die grüne Europaabgeordnete Hiltrud Breyer befürchteten im Vorfeld, die neue Regelung könne das bundesdeutsche Stammzellgesetz unterlaufen, das - noch - die Nutzung von nach dem 1.1.2002 gewonnenen Zelllinien verbietet. Diese Ängste erwiesen sich vorerst als unbegründet, da das Paragraphen-Werk den Mitgliedsländern die Entscheidung über die Gewinnung von menschlichen Stammzellen zu medizinischen Zwecken überlässt. BAYER & Co. waren mit dem Abstimmungsergebnis dennoch zufrieden, da es die Grundlage für ein EU-weites Zulassungsverfahren für Gentherapie, Zelltherapie und Gewebezüchtung legt, dessen ethische Standards sich nicht auf dem höchsten Niveau einpendeln dürften. Industriekommissar Günter Verheugen zeigte sich aus gleichen Motiven ebenfalls erfreut. “Die heutige Abstimmung im Parlament ebnet den Weg für eine baldige Verabschiedung der dringend notwendigen Verordnung, die von Patienten und Industrie mit Ungeduld erwartet wird„, so der SPD-Politiker.

Indikationserweiterung für CAMPATH?
Bisher durften MedizinerInnen das von BAYER und GENZYME gemeinsam entwickelte Gentech-Medikament CAMPATH bei der chronisch-lymphatischen Leukämie nur einsetzen, wenn die PatientInnen bereits mit anderen Arzneien vorbehandelt waren oder eine Therapie mit Fludarabin nicht den gewünschten Erfolg erbracht hatte. Jetzt hat der Pharmariese aber eine Zulassung auch für den Ersteinsatz beantragt.

PFLANZEN & SAATEN

BAYER-Tochter übernimmt SEEDEX
Die BAYER-Tochter NUNHEMS hat sich darauf spezializiert, mittels biotechnologischer Methoden im Erbgut von Gemüse nach besonderen Eigenschaften zu fahnden und auf Basis der Funde neue Sorten zu züchten (siehe auch Ticker 2/07). Jetzt hat die Firma den südkoreanischen Saatgut-Anbieter SEEDEX übernommen. Als “Akquisition eines hervorragenden Genpools für Peperoni und Kohl„ bezeichnete der Leverkusener Konzern den Deal, mit dem das Unternehmen seinen Status als Saatgut-Mogul weiter ausbaut.

Reis-Geschäfte mit Diktatoren
BAYER hat in der Vergangenheit nicht davor zurückgeschreckt, Geschäfte mit dem südafrikanischen Apartheidsregime oder Militärdiktaturen in Südamerika zu machen. Deshalb gehört der Leverkusener Chemie-Multi jetzt zu den wenigen Global Playern, die in dem von Generälen regierten Burma noch wirtschaftliche Aktivitäten entfalten. Während die auch nicht gerade zimperlichen Konzerne REEBOK und PEPSI COLA das Land bereits verlassen haben, hat der Agro-Riese es als Absatzmarkt für eine spezielle Reis-Art auserkoren. Im Moment führt der Saaten-Mogul gerade einen Test mit einer hybriden, also sterilen und nicht zur Wiederaussaat bestimmten Sorte durch. BAYER-Manager Harald Printz will die Militärdiktatur damit in die Lage versetzen, auf dem Reis-Markt mit Thailand zu konkurrieren. “Ich weiß nicht, wann der Staat sich öffnen wird. Aber wir sind darauf vorbereitet. Wenn es 20 Jahre dauert, dauert es eben 20 Jahre. Wir haben eine längerfristige Perspektive. Wir glauben, wenn wir Jahr für Jahr weitermachen, haben wir später eine gute Marktposition„, erläutert er die Geschäftspolitik des Unternehmens. Diese hat sogar die bekannte indische Aktivistin Vandana Shiva auf den Plan gerufen. Das Beispiel in ihrem Heimatland vor Augen, warnte sie: “Die multinationalen Konzerne haben den ganzen Sektor für landwirtschaftliche Bedarfsgüter wie Samen und Agrochemikalien übernommen. Wenn diese Unternehmen teure Samen und Pestizide auf den Markt drücken, dann verkaufen sie das auf Kredit-Basis, und diese Kredite können die kleinen LandwirtInnen nicht zurückzahlen. Die Erfahrung, die Indien machen musste, ist ein Zeichen dafür, was Burma vielleicht bevorsteht„, so Shiva. Sie übte auch konkret Kritik an dem Hyprid-Reis, weil er steril ist und die FarmerInnen ihn deshalb nicht jedes Jahr wieder neu aussäen können. Zudem sei er anfälliger für Pflanzenkrankheiten und stelle einen Angriff auf das traditionelle landwirtschaftliche Wissen um die Artenvielfalt des Reises dar. Shiva machte sogar eine Wahlverwandtschaft zwischen BAYER und Burma aus. “Diese Agro- und Biotech-Riesen errichten eine Diktatur. Sie verwandeln sogar Demokratien in Diktaturen. Sie sollten definitiv nicht in Burma sein - sie sollten nirgendwo sein. Sie sollten auch nicht in demokratischen Gesellschaften sein, weil sie freie Gesellschaften wie Indien in eine Diktatur verwandeln, wo nicht mehr die Landwirte selbst, sondern nur die Agro- und Saatgut-Multis entscheiden.„ Aber gerade unter den Bedingungen einer autoritären Regierung fällt es schwer, sich gegen den Wirtschaftsimperialismus der Global Player zur Wehr zu setzen. “Es ist gefährlich, etwas Öffentliches wie eine Demonstration zu machen. Wir müssen eine gute Strategie gegen BAYER haben„, sagt etwa Achmad Yakub von der internationalen Kleinbauern-Organisation VIA CAMPESINA. Er hofft durch Graswurzel-Aktivitäten wie kleine Boykotts etwas erreichen zu können und hat einen flammenden Appell an BAYER gerichtet, sich aus dem Land zurückzuziehen.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

PCBs schädigen das Immunsystem
Polychlorierte Biphenyle (PCB) bauen sich nur sehr langsam ab. Obwohl bereits 1985 verboten, findet sich die gefährliche Industriechemikalie, zu deren Hauptanbietern BAYER zählte, deshalb immer noch in der Umwelt. Besonders Fische weisen einen hohen PCB-Gehalt auf. In die Nahrungskette gelangt, kann die Substanz Gesundheitsstörungen auslösen. So beobachtete eine dänische ForscherInnen-Gruppe um den Mediziner Carsten Heilmann bei Kindern von den Färöer-Inseln, wo Meerestiere ein Grundnahrungsmittel darstellen und die PCB-Werte im Blut um das Zehnfache über dem nordeuropäischen Normalwert liegen, eine Schwächung des Immunsystems, die den Erfolg von Schutzimpfungen gegen Tetanus oder andere Krankheiten gefährdet.

PCBs und Pestizide in Kinderblut
Das Umweltbundesamt untersuchte Blut und Urin von 1.790 Kindern auf Giftstoffe und wurde bei allen fündig. Die bereits 1985 verbotenen Polychlorierten Biphenyle (PCB), zu deren größten Produzenten BAYER gehörte, fanden sich flächendeckend in den Proben. UBA-Präsident Andreas Troge nahm diesen traurigen Befund zum Anlass, ein eindringliches Plädoyer für einen vorbeugenden Gesundheitsschutz zu halten, denn “der Bremsweg ist kolossal lang„. Auch Pestizide tummelten sich nicht zu knapp in den Körpern der Kleinen. Troge vermutet hier vor allem mit Agrochemikalien vergiftete Fruchtsäfte als Ursache.

WASSER, BODEN & LUFT

CO2-Ausstoß erhöht
Mit der anziehenden Konjunktur zieht auch der klima-schädigende Kohlendioxid-Ausstoß an. Das “Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung„ rechnet mit einer Erhöhung von einem Prozent für das Jahr 2007 und nennt als Hauptverantwortliche an erster Stelle die Chemie-Branche. Also dürften auch BAYERs CO2-Emissionen die zuletzt ausgewiesenen 7,5 Millionen Tonnen übersteigen.

Viel Restmüll
BAYER ist nach Selbstauskunft “Feuer und Flamme für schwierige Abfälle„. Allein an den bundesdeutschen Standorten betreibt der Konzern sechs Verbrennungsanlagen und hat aus der “Entsorgung„ ein lukratives Geschäftsfeld gemacht, auch wenn ihm jüngst ein Deal mit australischem Giftmüll durch die Lappen ging (AKTION & KRITIK). Dabei schlucken allein die beiden Öfen in Leverkusen-Bürrig jährlich 360.000 Tonnen Abfall. Für die Umwelt soll das alles kein Problem sein. “Problematische Stoffe werden durch nahezu vollständige Oxidation zerstört„, meint der Leverkusener Multi, und das bisschen Kohlenmonoxid, Schmutzwasser, Asche und Schlacke fällt nicht weiter ins Gewicht. UmweltaktivistInnen machen allerdings eine andere Rechnung auf. Demnach fällt pro Tonne Restmüll 250 Kilogramm Schlacke und 30 Kilogramm Filterstaub aus der Rauchgasreinigung an.

STANDORTE & PRODUKTION

Neue Kunststoff-Anlage
BAYER plant den Bau einer neuen Anlage zur Herstellung von Polymerpolyole-Kunststoffen, einem Vorprodukt für Weichschäume. Ob der Konzern die Fertigungsstätte in Dormagen oder Antwerpen errichten wird, hat er noch nicht entschieden. Wie bereits seit einigen Jahren üblich, spielt der Leverkusener Multi in Frage kommende Standorte gegeneinander aus und initiiert einen Unterbietungswettbewerb für die neue Fertigungsstätte, die angeblich mit 25 Prozent weniger Energie auskommen und dank verbesserter Technologien auch den Anteil der gesundheitsgefährdenden leicht flüchtigen Verbindungen im Endprodukt senken soll.

BAYER VITAL zieht um
Die neben BAYER/SCHERING zweite Gesundheitssparte des Global Players, BAYER VITAL, will im Jahr 2009 ein neues sechsstöckiges Verwaltungsgebäude beziehen, das im Leverkusener Chemiepark an der Stelle des alten AGFA-Hauses entsteht. Die Modalitäten geben einen Einblick in die komplizierten Verhältnisse innerhalb der BAYER-Holding, in der jede Teilgesellschaft selbstständig agiert. Bauherr des Bürokomplexes ist nämlich die BAYER AG, welche die Immobilie an BAYER VITAL und andere Interessenten weitervermietet.

Darmstädter gewinnen Architektur-Preis
Der Schrumpfungsprozess BAYERs hat über die Jahre auf dem Leverkusener Werksgelände ziemliche Lücken entstehen lassen, die auch die Anwerbung von Fremdfirmen im Rahmen des Chemiepark-Konzeptes nicht hat füllen können. Deshalb hat der Konzern eine preiswerte Lösung der Probleme initiiert, die ihm überdies die Planungshoheit gewährt. Er hat seine Beziehungen zur BDI-Unterabteilung “Kulturkreis der deutschen Wirtschaft„ spielen lassen und einen mit 10.000 Euro dotierten Architekturpreis für das Projekt “Leverkusen: vom BAYER-Werk zum Chemiepark„ ausgeschrieben. Im Mai 2007 gab der Multi die Gewinner bekannt. Den ersten Preis errangen die beiden Darmstädter Architekturstudenten Gael Hémon und Guillaume Tripoteau mit ihrem Projekt “Cubiquitol 27mg„.

Mehr Pestizide aus Köln-Hürth
Das BAYER-Werk am Standort Köln-Hürth weitet die Pestizid-Produktion um 50 Prozent aus.

IMPERIUM & WELTMARKT

Aus für Kunststoff-Gemeinschaftsunternehmen
BAYER hat 1998 gemeinsam mit GENERAL ELECTRIC das Unternehmen EXATEC gegründet, um Autoscheiben aus Kunststoff zu produzieren. Jetzt kündigte der Konzern den Ausstieg aus dem Joint Venture an, das 45 MitarbeiterInnen beschäftigte.

Erkältungsmittel-Deal mit TOPSUN
BAYER hat das Geschäft mit Erkältungsmitteln inklusive des Produktionsstandortes Gaitianli in Qidong vom chinesischen Pharma-Unternehmen TOPSUN übernommen und erwartet insbesonders durch das populäre Produkt WHITE & BLACK eine Stärkung seiner Position im wachsenden Landesmarkt für verschreibungsfreie Arzneien.

BAYER-Tochter übernimmt SEEDEX
Die BAYER-Tochter NUNHEMS hat den südkoreanischen Saatgut-Anbieter SEEDEX übernommen (siehe auch PFLANZEN & SAATEN).

Konkurrenz aus dem Nahen Osten
Ölförderländer wie Saudi Arabien, Qatar und die Vereinigten Arabischen Emirate versuchen zunehmend, den wertvollen Rohstoff selbst weiterzuverarbeiten und so ihren Anteil an der Wertschöpfungskette zu erhöhen. Die im Golfkooperationsrat zusammengeschlossenen Staaten wollen bis 2015 ca. 500 Milliarden Dollar in den Ausbau von Förderanlagen und den Aufbau von Chemie-Werken investieren. Damit dürfte für BAYER & Co. eine ernsthafte Konkurrenz erwachsen. Schon jetzt nimmt der saudische Konzern SABIC in der Rangliste der weltgrößten Plaste & Elaste-Unternehmen den sechsten Rang ein.

Global Player Nr. 74: BAYER
Auf der Rangliste der weltweit umsatzkräftigsten Unternehmen verbesserte sich BAYER im Geschäftsjahr 2006 von Platz 75 auf Platz 74. Am heimischen Standort ist der Konzern die Nr. 11.

ÖKONOMIE & PROFIT

Übernahmegerüchte
Mitte August machten Gerüchte die Runde, NOVARTIS habe BAYER als Opfer einer feindlichen Übernahme auserkoren. In der Folge der Spekulationen stieg der Aktienkurs des Leverkusener Multis binnen kurzem um 10 Prozent. Obwohl der Konzern Aufkauf-Gefahren Ernst nimmt und erst jüngst bei einer Investmentbank die Erarbeitung einer Abwehrstrategie in Auftrag gegeben hat, hielten die meisten BeobachterInnen einen solchen Coup von NOVARTIS für eher unwahrscheinlich. Und bisher hat das Schweizer Unternehmen auch noch keine Fakten geschaffen. Warum denn also so viel Rauch um nichts? Die Faz hat dafür zwei Erklärungen: Entweder hat Agro-Riese das Gerücht selbst in die Welt gesetzt, um seinen Börsenwert zu erhöhen, oder aber NOVARTIS lancierte es mit dem Ziel, von anderweitigen Übernahmeplänen abzulenken.

Bye-Bye Wall Street
Mit großem Brimborium hat der Leverkusener Multi im Jahr 2001 die Notierung der BAYER-Aktie an der New Yorker Börse gefeiert. Nun hat der Konzern kleinlaut seinen Abschied von der Wall Street verkündet, was vorher bereits andere bundesdeutsche DAX-Unternehmen wie BASF getan haben. Zu geringes Handelsvolumen, zu hoher finanzieller Aufwand, gab der Pharma-Riese zur Begründung an. BAYER hat vor allem das nach dem ENRON-Skandal eingeführte “Sarbanes-Oxley-Gesetz" zu schaffen gemacht, das für mehr Transparenz sorgen sollte: Die strengen Auflagen zur Informationspflicht drohten immer das eine oder andere schmutzige Geschäf

[Ticker 03/2006] STICHWORT BAYER 03/2006 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

GAUCHO-Kampagne in Kanada
BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO mit dem Wirkstoff Imidacloprid ist für ein Bienensterben in großem Ausmaß verantwortlich und deshalb in Frankreich schon mit Anwendungseinschränkungen belegt. Die COALITION FOR A HEALTHY OTTAWA hat jetzt wegen dieser „Risiken und Nebenwirkungen“ in Kanada eine Kampagne gegen das Pestizid gestartet.

GLOBAL 2000 für GAUCHO-Verbot
Frankreich untersagte im Jahr 2004 die Ausbringung des BAYER-Pestizids GAUCHO mit dem Wirkstoff Imidacloprid auf Sonnenblumen- und Maisfeldern, nachdem eine Studie die Agrochemikalie für den Tod von 90 Milliarden Bienen innerhalb eines Zeitraumes von zehn Jahren verantwortlich gemacht hatte. Auch eine Untersuchung aus Österreich wies die Bienengefährlichkeit des Mittels nach. Deshalb fordert die alpenländische Umweltschutzgruppe GLOBAL 2000 nun ein Verbot des Ackergiftes. „Es ist ein Skandal, dass Imidacloprid in Österreich immer noch eingesetzt wird - und noch dazu legal! Imidacloprid wirkt nachweislich als Nervengift auf Honigbienen“, protestierte Lisa Kernegger im Namen der Initiative.

Kampagne gegen BAYERs Genreis
BAYER hat für den gentechnisch manipulierten Reis LL 601, der in den USA auf herkömmliche Sorten übergriff und deshalb Schlagzeilen machte (siehe GENE & KLONE), in Südafrika eine Importgenehmigung beantragt, obwohl das Land ein Gentech-Moratorium verhängt hat. Die Initiative AFRICAN CENTRE FOR BIOSAFETY fordert eine Ablehnung des BAYER-Begehrs und machte bei den Behörden eine entsprechende Eingabe.

SPD: Mehr ausbilden!
Lehrlinge stellen in bundesdeutschen Firmen durchschnittlich sieben Prozent der Belegschaft. BAYER erreicht diese Quote jedoch nicht und befindet sich damit in der schlechten Gesellschaft der anderen großen börsennotierten Unternehmen. Die SPD hat BAYER & Co. deshalb aufgefordert, mehr Lehrstellen bereitzustellen.

MedizinerInnen gegen Schein-Innovationen
„Die Pharmaindustrie schlägt in ihrer Preispolitik erbarmungslos zu und betreibt gewaltigen Marketingaufwand. Es ist unsere Aufgabe, gegenzusteuern“, sagt Leonhard Hansen, Leiter der „Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein“. Deshalb verpflichtete die Organisation ihre Mitglieder, höchstens noch zu 30 Prozent Originalpräparate zu verschreiben und ansonsten auf Nachahmerprodukte zurückzugreifen. Zudem veröffentlichte sie eine Aufstellung mit teuren Medikamenten, die lediglich alter Wein in neuen Schläuchen sind. Gegen diese „me-too-Liste“ gingen 17 Pharma-Unternehmen gerichtlich vor. Der Leverkusener Multi trägt die Klage nicht mit, obwohl sich unter den von der Kassenärztlichen Vereinigung inkriminierten Scheininnovationen auch sein als Herz/Kreislauf-Mittel eingesetzter Kalzium-Antagonist BAYMYCARD befindet.

EU gegen BAYER & Co.?
Die österreichische Politikerin Maria Rauch-Kallat hat in ihrer Funktion als Vorsitzende des EU-Rates der GesundheitsministerInnen scharfe Kritik an BAYER & Co. geübt. Sie warf den Pillenproduzenten vor, für die EU-weite Kostenexplosion im Gesundheitssektor verantwortlich zu sein und trat für eine Reduzierung des Medikamenten-Angebotes ein. „Es ist unverständlich, dass es die Solidarsysteme der 25 Mitgliedsstaaten bisher nicht schaffen, gemeinsam gegen die Arzneimittelindustrie aufzutreten“, sagte Rauch-Kallat in der Höhle des Löwen, auf einem Kongress des „Europäischen Verbandes der Arzneihersteller“. „Ihr Vorstoß wurde bei der Konferenz in Athen mit Befremden aufgenommen“, hieß es dann auch in der Faz. Ob den Herstellern künftig beim Europäischen Pharma-Forum, das sich mit den Pillen-Preisen beschäftigt, und anderen Gelegenheiten ein schärferer Wind aus Brüssel entgegenweht, wird die Zukunft zeigen.

CBG schreibt Leserbrief
Die englische Zeitung Economist hat BAYER als positives Beispiel im Ringen um die Reduktion von Kohlendioxid-Emissionen gerühmt. Da die 60- bis 70-prozentige CO2-Drosselung des Konzerns aber mitnichten auf Investitionen in den Umweltschutz zurückgeht, sondern auf Betriebsschließungen, Verkäufe von Unternehmensteilen und ein Outsourcing der Energie-Produktion, hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN einen Leserbrief geschrieben, den das Blatt allerdings nicht veröffentlichte.

Oels antwortet Loske
Die Kritik der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) an BAYERs trickreichem Armrechnen in Sachen Kohlendioxid-Ausstoß bewog das grüne Bundestagsmitglied Reinhard Loske, der das Unternehmen wegen der CO2-Senkungen schon mit grünen Weihen versehen hatte, dazu, den Konzern zu einer Stellungnahme aufzufordern. In seinem Antwortschreiben räumte Udo Oels, im Konzern-Vorstand bis vor kurzem noch für Umweltpolitik zuständig, dann auch ein, dass nur die Hälfte der 60- bis 70-prozentigen CO2-Reduzierung auf Umweltschutzmaßnahmen zurückgeht. Wieviel des bei BAYER weniger ausgestoßenen Kohlendioxids auf anderen Klimarechnungen wieder auftaucht, weil der Konzern immer mehr Energie von externen Anbietern bezieht, vermochte Oels nicht zu sagen.

BAYER „rat of the week“
Seit Mitte der 80er Jahre starben Tausende Bluter an AIDS-verseuchten Blutplasma-Produkten von BAYER, weil der Konzern sich aus Profit-Gründen weigerte, die Präparate einer Hitze-Behandlung zu unterziehen. Als die US-Behörden ein solches Verfahren zur Pflicht machten, exportierte der Leverkusener Multi alte Plasma-Chargen, die er keiner solchen Prozedur unterzogen hatte, einfach nach Asien und Südamerika, wo sich dann erneut Menschen infizierten. Für dieses „Kapitalverbrechen“ zeichnete ein US-amerikanischer TV-Sender den Konzern jetzt mit dem wenig schmeichelhaften Titel „rat of the week“ aus.

KAPITAL & ARBEIT

Kansas: 100 Arbeitsplätze weg
Im Rahmen des Rationalisierungsprogramms „project renaissance“ hat BAYER in seinem Pestizidwerk am Standort Kansas 100 der 550 Arbeitsplätze vernichtet.

BIS zum bitteren Ende?
Die BASIS BETRIEBSRÄTE, eine alternative Gewerkschaftsgruppe im Leverkusener BAYER-Werk, zitieren in ihrem September-Flugblatt folgenden Satz aus der Information für BAYER-Führungskräfte: „Bei dem Vorhaben offenbarte Wenning erstmals, wie gut er es versteht, sich bietende Chancen für seine Zwecke zu nutzen. Er entsorgte nicht allein das erlahmte Chemiegeschäft, sondern zugleich 1,5 Milliarden Euro Konzernschulden sowie 40 Prozent an der Servicegesellschaft BIS“. Die Sorgen haben jetzt die Entsorgten. Bei BAYER INDUSTRY SERVICES, an dem BAYERs Chemieabspaltung 40 Prozent der Anteile hält, jagt ein Rationalisierungsprogramm das nächste. Aus dem Unterhalt der Chemieparks und dem Anbieten von Handwerks-, Werksschutz- und Umweltschutzdiensten lässt sich nunmal nicht allzuviel Kapital schlagen. Als neueste Maßnahme schlägt der Leverkusener Multi alle Abteilungen, die direkt Aufgaben für BAYER übernehmen, wieder einzelnen Konzernbereichen zu. So wandert das Postbüro zur Logistik-Sparte CHEMION, das Archiv und der Fortbildungsbereich zu BAYER BUSINESS SERVICES. Die BASIS BETRIEBSRÄTE befürchten Einkommensverluste für die Betroffenen und kritisieren, dass der Leverkusener Multi den Teilgesellschaften kostenträchtige Dienstleistungen aufbürdet, die eigentlich die Holding übernehmen müsste.

SCHERING-MitarbeiterInnen in Angst
Bei der Übernahme von SCHERING kündigte BAYER-Chef Werner Wenning die Vernichtung von 6.000 Arbeitsplätzen an. Er ließ die Beschäftigten aber im Ungewissen darüber, wie das Management sich den Kahlschlag genau vorstellt. Entsprechend verunsichert ist die ehemalige SCHERING-Belegschaft. „Frust und Unmut sind groß. Bei vielen liegen die Nerven blank“, so der Betriebsratsvorsitzende Norbert Deutschmann. Auf einer Betriebsversammlung Ende Juni, an der 2.000 MitarbeiterInnen teilnahmen, forderte er BAYER deshalb auf, endlich Klartext zu sprechen. „Die Mitarbeiter brauchen noch vor den Sommerferien Sicherheit“, forderte er. Aber der Konzern gab sie ihnen nicht. Er schloss noch nicht einmal betriebsbedingte Kündigungen aus.

LANXESS rationalisiert weiter
In jedem Quartal beschließt BAYERs Chemie-Abspaltung LANXESS ein neues Sanierungsprogramm. Das mittlerweile vierte will 50 Millionen Euro einsparen - vor allem bei der Kundenbelieferung und anderen Service-Einheiten. Wenn BAYERs auch für LANXESS gültige „Standortsicherungsvereinbarung“ 2007 ausläuft, soll es in den Bereichen auch zu Arbeitsplatzvernichtung kommen.

LANXESS verkauft Kunststoff-Geschäft
Der Spaltungsprozess von BAYERs Chemie-Abspaltung LANXESS geht munter weiter. Im Mai verkaufte das Unternehmen das Geschäft mit dem Styrol-Kunststoff SAN an BASF. Der Ludwigshafener Konzern übernahm allerdings nur die Produktvorräte, die Lizenzen und die Kundenkartei, nicht aber die Produktionsanlagen und die Beschäftigten, weshalb diese unsicheren Zeiten entgegensehen.

AGFA spaltet sich weiter auf
Die ehemalige BAYER-Tochter AGFA schrumpft immer weiter. Im Jahr 2004 stieß diese die Fotosparte ab, die dann ein Jahr später Pleite ging. Jetzt kündigte die Chefetage eine Aufspaltung: Die Bereiche „Grafik“, „Gesundheit“ und „Materialien“ sollen in Zukunft wie selbstständige Unternehmen agieren. Wie das Beispiel BAYER/LANXESS zeigt, haben solche Operationen nur den einen Zweck, die Sparten leichter abstoßen zu können.

Arbeitsplatzvernichter Nr. 2
In der Hitparade der bundesrepublikanischen Arbeitsplatzvernichter nimmt BAYER mit der im Zuge der SCHERING-Übernahme angekündigten Streichung von 6.000 Jobs den zweiten Rang ein (Stand: Ende Juli). International reicht es damit zu Platz 12.

ERSTE & DRITTE WELT

BAYER in Kuba
BAYER macht auch mit dem kommunistischen Kuba Geschäfte. „Die Kubaner sind im Schnitt das bestausgebildeste Volk Südamerikas“, lobt BAYERs Mann in Havanna, Jürgen Selter. In Bereichen wie „Biotechnologie“ und „medizinische Dienstleistungen“ sieht er das Land bereits als international konkurrenzfähig an. Sollte es nach dem Ende der Castro-Ära zu einer „pragmatischen Öffnung“ kommen, erhofft er sich weitere Wettbewerbsvorteile für den Leverkusener Multi. „Kuba ist ein Zukunftsmarkt“, meint Selter.

Entwicklungshilfe für BAYER & Co.
Seit geraumer Zeit versuchen BAYER & Co., mehr Einfluss auf die Entwicklungshilfe-Politik zu gewinnen. So bestimmten die Konzerne etwa mit, welche Länder hauptsächlich von den Zahlungen profitieren sollten. Die Unternehmen wollen aber auch selber etwas Entwicklungshilfe bekommen. Die „Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft bedauern, dass derzeit nur gerade mal 0,6 Prozent des Entwicklungshilfe-Etats in Programme fließt, an denen die deutsche Wirtschaft beteiligt ist“, meldete die Faz. Zudem forderte die Samariter AG in ihrem Positionspapier, das der Ministerin Heide Wieczorek-Zeul zuging, schon frühzeitig in die Entwicklungsplanungen einbezogen zu werden. „Wir glauben, dass wir als Unternehmen vieles besser machen können als die herkömmliche Entwicklungshilfe, denn sobald unternehmerische Eigenverantwortung im Spiel ist, ist auch der Ehrgeiz da, nachhaltig erfolgreich zu wirtschaften“, sagte der entwicklungspolitische Sprecher der deutschen Wirtschaft, Karl Starzacher.

Weltbank in Diensten von BAYER & Co.
BAYER & Co. haben es geschafft, die Weltbank in den Dienst zu nehmen, um den Globus mit der grünen Gentechnik zu beglücken. Die Finanzinstitution leistet Entwicklungshilfe für genmanipulierte Nutzpflanzen und
hat acht afrikanische Länder dazu gedungen, Baumwolle und andere Laborfrüchte von BAYER & Co. versuchsweise anzubauen.

Merkel gegen Kinderarbeit
Am 12. Juni, dem Welttag gegen Kinderarbeit, setzte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel als beherzte Streiterin für die Rechte von Kindern in Szene. Die Bundesregierung arbeite auf „die weltweite Ächtung und effektive Bekämpfung von Kinderarbeit, nicht nur in ihren schlimmsten Formen, wie Prostitution oder militärischer Einsatz, sondern auch der ausbeuterischen Beschäftigung von Kindern in Wirtschaftsbetrieben“ hin, bekundete sie. Abgesehen von solchen Sonntagsreden hat Angela Merkel allerdings bisher kein Engagement in der Sache gezeigt und etwa dem BAYER-Konzern bzw. dessen indischer Saatguttochter PROAGRO die Leviten gelesen, deren Zulieferer in der letzten Pflanzsaison 500 KinderarbeiterInnen auf ihren Feldern beschäftigten.

Indien verschärft Kinderarbeitsverbot
Indien hat das Kinderarbeitsverbot verschärft. Das Land stellt fortan nicht nicht nur die Beschäftigung von Mädchen und Jungen an gefährlichen Arbeitsplätzen unter Strafe, sondern auch das Vergeben von Jobs in Restaurants oder im Haushalt an Minderjährige. Ob die Regierung allerdings in der Lage sein wird, dem Gesetzeswerk Geltung zu verschaffen, daran zweifeln ExpertInnen. Aufgrund der extemen Armut bleibt vielen Familien nämlich keine andere Wahl, als ihre Sprößlinge arbeiten zu lassen. So dürfte auch die Ausbeutung von Kindern bei den Zulieferern von BAYERs indischer Saatguttochter PROAGRO bis auf weiteres ungeahndet bleiben.

Weiterer Zulieferer für PROAGRO
BAYERs indische Saatguttochter PROAGRO bezieht jetzt nicht nur von Zulieferern in Andra Pradesh, sondern auch von solchen im Bundesstaat Karnataka Saatgut. Ob damit auch die Zahl der bei den Vertraghändlern beschäftigten Kinder steigt, die sich in der vorherigen Pflanzsaison auf 500 belief, bleibt abzuwarten.

GTZ entsorgt BAYER-Müll
Großzügig von internationalen Organisationen gefördert, haben die Agromultis „als Beitrag zur Entwicklungshilfe“ Millionen Tonnen Agrochemikalien an Länder der „Dritten Welt“ geliefert - weit mehr, als die Staaten brauchen konnten. So lagern jetzt weltweit ca. 500.000 Tonnen Alt-Pestizide ungenügend gesichert in irgendwelchen Erdkuhlen oder Verschlägen. Um die Entsorgung der Altlasten von BAYER & Co. kümmern sich wiederum EntwicklungshelferInnen. Allein die bundesdeutsche „Gesellschaft für technische Zusammenarbeit“ (GTZ) hat seit Anfang der 90er Jahre 4.000 Tonnen Chemie in BAYERs homeland zurückgebracht und Sondermüll-Verbrennungsanlagen zugeführt.

POLITIK & EINFLUSS

BDI will andere EU-Politik
Der „Bundesverband der Deutschen Industrie“ (BDI) hat Angela Merkel für die anstehende EU-Ratspräsidentschaft der Bundesrepublik schon mal Hausaufgaben aufgegeben. Nach Informationen von www.german-foreign-policy.com verlangen BAYER & Co. eine EU-Finanzreform, welche die Interessen der bundesdeutschen Konzerne noch besser berücksichtigt. Die Konzerne fordern unter anderem eine Kürzung der Subventionen für die Landwirtschaft. Ihnen zufolge belasten diese den EU-Haushalt über die Maßen und erschweren überdies den Handel mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten, denen an einer Öffnung des europäischen Agrarmarktes gelegen ist. Zudem tritt der Unternehmensverband für eine rasche Einbindung von Ländern wie Bulgarien, Rumänien oder der Türkei ein. Die Multis haben ein „hohes Interesse daran“, das „wirtschaftliche Potenzial der Beziehungen mit allen Nachbarländern (...) weiter zu erschließen“, heißt es in dem BDI-Papier. Auch höhere EU-Investitionen in Bildung und industrie-nahe Forschung mahnen die Kapitalgesellschaften an.

Diplomatische Wirtschaftsförderung
Für Außenminister Walter Steinmeier gehört die Außenwirtschaftsförderung zu den „Kernaufgaben der deutschen Außenpolitik“. Im Auswärtigen Amt kommt der Wirtschaftsabteilung die besondere Aufgabe zu, „der deutschen Wirtschaft den Weg auf die Auslandsmärkte“ zu erleichtern. Zu diesem Behufe brachte sie nach Informationen von www.german-foreign-policy.com am 5. September 2006 zum „Wirtschaftstag“ über 200 bundesdeutsche BotschafterInnen mit 800 VertreterInnen von BAYER & Co. zusammen. In sechs Regionalforen konnten sich die ManagerInnen an dem Tag darüber informieren, wie die Exportchancen in Asien, Afrika, den GUS-Staaten und anderswo so stehen.

Industriefreundliches Gentechnik-Gesetz
Die geplante Veränderung des Gentechnikgesetzes geschieht ganz im Sinne der Gen-Giganten. „Es werden, insbesondere bei der Haftungsregelung, Präzisierungen vorgenommen, mit denen den Befürchtungen der Industrie vor einer nicht gewollten ausweitenden Auslegung Rechnung getragen werden soll“, erklärte die Ministeriumssprecherin Marie-Luise Dittmar dem Internet-Magazin telepolis in aller Offenheit. Nach Protesten der Gentech-Industrie zogen die amtlichen VerbraucherschützerInnen das Konzept für einen von BAYER & Co. getragenen Haftungsfonds zurück, der für Schäden durch Auskreuzungen von Gentech-Pflanzen auf konventionell angebaute aufkommt. An seine Stelle tritt jetzt eine Vereinbarung der Unternehmen mit den Bauernverbänden über eventuelle Ausgleichszahlungen. Zudem gelang es den Konzernen, den justiziablen Grenzwert für Verunreinigungen auf 0,9 Prozent heraufzusetzen. LandwirtInnen nimmt das die Möglichkeit, ihre Produkte als „gentechnikfrei“ zu deklarieren, weil der Lebensmittelhandel dafür höchstens Genspuren in einer Größenordnung von 0,1 bis 0,3 Prozent akzeptiert. Die ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT (ABL) kritisierte die Pläne deshalb scharf: „0,9 Prozent sind nicht akzeptabel, da für Bäuerinnen und Bauern Vermarktungsschäden bereits unter 0,9 Prozent gegeben sind“.

BAYER macht Gentech-Gesetz
In den USA haben einige Gemeinden den Anbau gentechnisch manipulierter Pflanzen untersagt. Das konnten BAYER und die anderen Gentech-Multis nicht auf sich sitzen lassen. Sie brachten einen Gesetzesvorschlag auf den Weg, der Städten und Bezirken solch ein eigenmächtiges Handeln verbietet. Zwölf US-Bundesstaaten nahmen ihn an. Andere lehnten ihn nach Protesten von FarmerInnen, die eine Verunreinigung ihrer Ernten durch Gen-Pflanzen befürchten, ab.

Molnar im ACC-Vorstand
Der Chef von BAYER/USA, Attila Molnar, gehört seit diesem Jahr dem 10-köpfigen Vorstand des „American Chemical Council“ an, dem US-amerikanischen Gegenstück zum bundesdeutschen Lobbyclub „Verband der Chemischen Industrie“.

Schmoldt will stillhalten
Der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE-Vorsitzende und BAYER-Aufsichtsrat Hubertus Schmoldt hat Kritik an dem von den Gewerkschaften geplanten Aktionstag gegen den schwarz-roten Sozialabbau am 21. Oktober geübt. Es sei illusorisch zu glauben, die Gewerkschaften könnten die große Koalition durch Proteste aus den Angeln heben, gibt die Faz seine Worte wieder. Zudem warf er der IG METALL und VERDI vor, Politik zu Gunsten einer rot-roten Koalition zu machen und andere gesellschaftliche Gruppen als Bündnispartner gewinnen zu wollen. „Von der heimlichen Version einer ‚anderen Politik‚ bis zum Verlust der Politikfähigkeit ist es ein kurzer Weg“, so Schmoldt. Mit anderen Worten: Politikfähig ist nur der, der dasselbe will wie das Kapital. Der IG BCE-Chef plädierte einmal mehr für Abwarten und Tee trinken. An der Rente mit 67 und der Lockerung des Kündigungsschutzes gäbe es nichts mehr zu rütteln, allenfalls 2008 oder 2010 könnte die Gewerkschaft die Maßnahmen nochmal auf den Prüfstand stellen.

Schmoldt gegen Mindestlöhne
Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE macht ihrem Ruf, die konservativste Gewerkschaft der Bundesrepublik zu sein, mal wieder alle Ehre. Als einzige Arbeitnehmervertretung stimmte sie im DGB-Bundesvorstand gegen ein Mindestlohn-Konzept. Der IG BCE-Vorsitzender und BAYER-Aufsichtsrat Hubertus Schmoldt warnte, ein Mindestlohn würde zu Betriebsverlagerungen sowie zur Zunahme von Schwarzarbeit und staatlichem Einfluss führen und übernahm damit die Argumente des Unternehmerlagers.

Neue BDI-Forschungsinitiative
Der „Bundesverband der Deutschen Industrie“ (BDI) hat die Initiative „Innovationsstrategien und Wissensmanagement“ ins Leben gerufen. Im Rahmen dieser Vereinigung sollen Unternehmen künftig miteinander kooperieren und so nationale Champions bilden, um den Standort Deutschland gegen Konkurrenz aus dem Ausland zu verteidigen. Als ein Beispiel für dieses Vorgehen nannte Utz Claassen von ENBW als Vorsitzender des Innovationsvereins die Arbeitsgemeinschaft von BAYER, BOEHRINGER-INGELHEIM, MERCK und MERZ zur Erforschung von Krankheiten des Zentralen Nervensystems. Zu den „Innovationsstrategien“ des BDI-Ablegers gehört es dabei auch, den Emissionshandel mit Kohlendioxid abzulehnen und für eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten einzutreten.

Neue Schavan-Forschungsinitiative
In Berlin schießen die Forschungsallianzen zwischen Politik und Wirtschaft aus dem Boden, wobei natürlich gilt: „Keine Feier ohne BAYER“. BAYER-Chef Werner Wenning gehört Angela Merkels Beraterkreis „Rat für Innovation und Wachstum“ an (Ticker 2/06), und Helga Rübsamen-Waigmann, die Leiterin von BAYERs Antiinfektiva-Forschung, sitzt in der „Forschungsunion Wirtschaft-Wissenschaft“. Dieses auf Initiative von Bundesforschungsministerin Andrea Schavan entstandene BeraterInnengremium will für BAYER & Co. den Umschlag von wissenschaftlichen Erkenntnissen in vermarktbare Produkte beschleunigen.

Ökosteuerreform
Ziel der Ökosteuer ist es, über den Strompreis die Gewinnung erneuerbarer Energien zu fördern. Allerdings kostet die Regelung die größten Stromfresser wie die Chemieindustrie dank ihres Extremlobbyismus‘ am wenigsten. Ab Juni 2006 können BAYER & Co. noch mehr sparen. Die rot-schwarze Koalition beschloss eine Entlastung in Höhe von 240 Millionen Euro, die sie künftig bei den Privathaushalten eintreiben will.

Günstiger Emissionshandel
Im Jahr 2005 bliesen die BAYER-Werke 3,9 Millionen Tonnen des klimaschädigenden Kohlendioxids in die Luft. In Technologie zur Reduktion des Ausstoßes braucht der Konzern künftig aber nicht zu investieren. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel hat den Unternehmen im Rahmen des Emissionshandels nämlich großzügige Verschmutzungsrechte eingeräumt. Die bundesdeutsche Wirtschaft, die im Jahr 2005 insgesamt 474 Tonnen CO2 produziert hat, muss ihre Emissionen bis 2007 nur um zwei Millionen Tonnen senken und im Zeitraum von 2008 bis 2012 um 15 Millionen Tonnen. Zudem begünstigt der Nationale Allokationsplan die Industrie gegenüber den Energieerzeugern. Die rot-schwarze Koalition schreibt BAYER & Co. nur eine Kohlendioxid-Minderung von 1,25 Prozent vor. Darüber hinaus weigerte sich Gabriel, die Lizenzen zum CO2-Ausstoß zu versteigern, was die Preise für die Umweltverschmutzung in die Höhe getrieben hätte.

Merkel reduziert Reduktionsziele
Der rot-grüne Umweltminister Jürgen Trittin wollte den Kohlendioxid-Ausstoß in dem Zeitraum von 1990 bis 2020 um 40 Prozent senken, sofern die anderen EU-Länder ihre Emissionen um 30 Prozent reduzieren. Von diesem Ziel hat Bundeskanzlerin Angela Merkel sich nun verabschiedet, weil BAYER & Co. dann beim Emissionshandel mehr für Verschmutzungsrechte ausgeben müssten. Auch eine EU-weite Förderung der Windenergie nach bundesdeutschen Vorbild will sie während ihrer EU-Ratspräsidentschaft verhindern.

Reach: USA & Co. machen Druck
Obwohl der Extremlobbyismus von BAYER & Co. die „Reach“ genannte EU-Regelung, die den Konzernen die Untersuchung von Chemikalien auf ihre gesundheitsgefährdende Wirkung hin vorschreibt, bis zur Unkenntlichkeit abschwächte, lassen die Unternehmen nicht locker. Was ihnen in Brüssel nicht vollständig gelang, soll jetzt via Washington, Rio de Janeiro und Tokio zum Erfolg führen. Die Regierungen der USA, Brasiliens, Japans sowie neun anderer Staaten intervenierten in Sachen „Reach“ bei der Europäischen Union. Sie sehen in dem Chemikaliengesetz eine Behinderung des freien Welthandels und drohen mit einer Klage bei der Welthandelsorganisation WTO. Die Brüsseler JuristInnen schätzen die Erfolgsaussichten eines solchen Vorgehens allerdings als gering ein.

CDUler bei BAYER CROPSCIENCE
Im Juli 2006 besuchten der CDU-Bundestagsabgeordnete Jochen-Konrad Fromme und der CDU-Kreistagsabgeordnete Manfred Koch das Wolfenbütteler Werk von BAYER CROPSCIENCE.

Uhlenberg bei BAYER
Umweltschutz ist für den nordrhein-westfälischen Umweltminister Eckhard Uhlenberg nur das, was BAYER & Co. nutzt. Deshalb ließ der CDU-Politiker es sich auch nicht nehmen, ein Grußwort zur Eröffnung des Symposions „Impulse 2006 - Zukunftsfähiger Umweltschutz mit Tradition“ zu sprechen, das BAYER gemeinsam mit dem Wupperverband zum unfeierlichen Anlass von „40 Jahre Gemeinschaftsklärwerk Leverkusen-Bürrig“ ausrichtete. Eigentlich sollte die Anlage ein so hohes Alter nämlich gar nicht erreichen, da industrielles Abwasser nach einer ganz anderen Aufbereitungstechnologie verlangt als kommunales. Aber dem Leverkusener Multi gelang es durch verschiedene politische Interventionen bei der rot-grünen Vorgängerregierung, eine Ausnahmegenehmigung bis 2011 zu erhalten.

BAYER dialogisiert mit NRW-Regierung
Der nordrhein-westfälische Umweltminister Eckhard Uhlenberg verfolgt einen Schmusekurs gegenüber BAYER & Co. und hat zu diesem Behufe einen „Dialog Wirtschaft und Umwelt“ ins Leben gerufen, bei dem BAYER ein gehöriges Wort mitredet. Den Arbeitskreis „Gewässerschutz“, der gemeinsam mit denen zu Immissionsschutz, Abfall/Bodenschutz und Ressourceneffizienz künftig wohl einen Gutteil der Landesumweltpolitik bestimmen wird, leitet nämlich der BAYER-Mann Frank Andreas Schendel. Uhlenberg machte damit den Bock zum Gärtner, denn allein das Leverkusener Werk verbraucht im Jahr soviel sauberes Wasser wie die Stadt Köln, und wieviel schmutziges Wasser es produziert, verschweigt die Zentrale beharrlich.

NRW dialogisiert mit dem Bund
Die in Umweltfragen eng mit den Konzernen kooperierende NRW-Landesregierung (s. o.) macht auf Bundesebene Druck in Sachen „Gentechnikgesetz“. Das Bundesland kündigte ein Bundesratsinitiative an, um laschere Haftungsregelungen durchzusetzen, wenn Gentechpflanzen auf Felder mit konventionell angebauten Ackerfrüchten übergreifen. Nach Ansicht des „Innovations“ministers Andreas Pinkwart (FDP) schreckt die geplante Lösung vor dem Einstieg in die grüne Gentechnik ab und schadet so dem Forschungsstandort Nordrhein-Westfalen.

BAYER & Co. starten Biotech-Initiative
BAYER & Co. wollen Nordrhein-Westfalen durch eine konzertierte Aktion von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zu einem führenden Biotech-Standort ausbauen. Auf einem Treffen, zu dem der „Verband der Chemischen Industrie“, das Innovationsministerium und verschiedene Biotech-Organisationen des Landes eingeladen hatten, beschlossen die TeilnehmerInnen die Zusammenführung aller Biotechnologie-Aktivitäten NRWs zu einem „Cluster“. Das Sagen bei dem Verbund haben BAYER, DEGUSSA und HENKEL. Diese Unternehmen haben die Aufgabe übernommen, die Forschungsschwerpunkte des „Clusters“ festzulegen, und zwar unter der Maßgabe, möglichst viel Fördergeld aus Brüssel und Berlin abgreifen zu können. Innovationsminister Andreas Pinkwart als Mitveranstalter äußerte sich zufrieden über das Meeting. „Kreativität freisetzen und Kräfte bündeln - dieser Ansatz unserer Innovationspolitik spiegelt sich hier beispielhaft wider“, so der FDP-Politiker.

Winnacker EU-Forschungsratschef
In der Forschungsförderung stellt die EU auf Selbstbedienung um. Sie machte den BAYER-Aufsichtsrat und Gentech-Lobbyisten Ernst-Ludwig Winnacker zum Generalsekretär des neu geschaffenen EU-Forschungsrats, der mit einem Etat von einer Milliarde Euro Projekte subventionieren kann.

BAYER & Co. wollen billigeren Strom
BAYER & Co. leiden unter den hohen Energiepreisen. Nach Angaben des „Verbandes der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft“ (VIK) ist der Preis für eine Megawattstunde seit Anfang 2005 um die Hälfte auf über 50 Euro gestiegen. VIK-Geschäftsführer Alfred Richmann warf dem aus RWE, EON, VATTENFALL und ENBW bestehenden Oligopol vor, die Ressource künstlich zu verknappen. Da es auf dem Markt keine freie Preisbildung gibt, forderte er die Bundesregierung auf, einen Strompool einzurichten, aus dem sich die energie-intensiven Branchen zu günstigeren Konditionen versorgen können.

PROPAGANDA & MEDIEN

PR-Offensive von BAYER & Co.
Die Sorge um ein gutes Image nimmt bei BAYER immer größere Ausmaße an. So präsentierte der Konzern seinen AktionärInnen auf der diesjährigen Hauptversammlung einen Film über die von dem Unternehmen in Zusammenarbeit mit der UN angeblich weltweit verbreiteten Wohltaten. Die homepage des Leverkusener Multis in Thailand schmückt sogar ein Porträt einer „engagierten Vertreterin des Umweltschutzes“, der WORLD WILDLIFE FUND (WWF)-Mitarbeiterin Tatirose Vijitpan, was die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zu einem Offenen Brief an die Organisation veranlasste (SWB 3/06). Hinter solchen Aktionen steckt eine überlegte Strategie. „Für Unternehmen, die Probleme haben, spielt der Kontakt zu Nichtregierungsorganisationen eine Schlüsselrolle“, sagte Richard Edelman dem Spiegel. Sein PR-Unternehmen EDELMAN und die Mitbewerber können sich über mangelnde Aufträge nicht beklagen. So steht die Agentur BURSTON-MARSTELLER, die in der Vergangenheit bereits daran arbeitete, Nicolae Ceausescu, der argentinischen Militärjunta, dem für Bhopal verantwortlichen Unternehmen UNION CARBIDE und dem Konzern EXXON nach dem Tanker-Unglück mit der „EXXON-VALDEZ“ ein besseres Image zu verschaffen, in Diensten des Gentech-Lobbyclubs „EuropaBio“, dem auch BAYER angehört (siehe auch Ticker 4/99). Zudem versorgen EDELMAN und Konsorten die Medien mit Artikeln, die alles andere als unabhängig und überparteilich sind. Nach Schätzungen von ExpertInnen stammen bereits 40 Prozent des Inhalts einer Tageszeitung von PR-Agenturen oder ÖffentlichkeitarbeiterInnen von BAYER & Co. „Statt Propaganda aufzudecken, sind Medien der Kanal für Propaganda geworden“, zitiert der Spiegel John Stauber von der Initiative PR WATCH.

Umweltpreis von BAYER und UN
BAYERs Greenwashing-Aktivitäten im Rahmen der Kooperation mit der UN-Umweltorganisation UNEP treiben immer neue Blüten. In Malaysia verlieh der Konzern gemeinsam mit der UNEP einen Umweltpreis.

Malwettbewerb von BAYER und UN
Nicht einmal Afrika verschont der Leverkusener Multi mit seinen Greenwashing-Aktivitäten. In Kenia veranstaltete er in image-fördernder Kooperation mit der UN-Umweltorganisation UNEP einen Malwettbewerb für Kinder.

VFA kooperiert mit der Bunten
Die Pharmariesen begründen die hohen Arzneimittelpreise gern mit ihren hohen Forschungsaufwändungen, was nicht einmal die halbe Wahrheit ist, da die Konzerne die Vermarktungskosten mit hineinrechnen und oft Universitäten die Grundlagenarbeit machen lassen. Um die PharmakologInnen von BAYER & Co. aber image-fördernd als ebenso heroische wie selbstlose WissenschaftlerInnen in Szene zu setzen, veranstaltet der von BAYER gegründete „Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller“ (VFA) zusammen mit der Bunten einen Fotowettbewerb zum Thema „Bilder der Forschung“.

Unlautere LEVITRA-Werbung

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BAYER lässt nichts unversucht, sein nicht den Umsatzerwartungen entsprechendes Potenzmittel LEVITRA an den Mann zu bringen. In Brasilien hat der Konzern es während der öffentlichen Übertragungen von der Fußball-Weltmeisterschaft umsonst an Zuschauer verteilt. Da das Präparat alles andere als harmlos ist und Gesundheitsstörungen wie Kopfschmerzen, Verdauungsprobleme und Augenschäden bis hin zur Erblindung verursachen kann, untersagten die Gesundheitsbehörden die Aktion und leiteten ein Verfahren wg. unlauterer Werbung ein. Dem Leverkusener Pharmariesen droht nun eine Strafe von bis zu 600.000 Euro.

Unlautere LEVITRA-Werbung

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In Australien versucht der Leverkusener Multi die Marktchancen seines Potenzmittels LEVITRA durch eine „Geld zurück“-Garantie, die MedizinerInnen den Patienten zusammen mit dem Rezept aushändigen, zu verbessern. GesundheitsexpertInnen haben dieses Vorgehen umgehend als „unethisch“ kritisiert, weil BAYER damit den Eindruck erweckt, bei dem Präparat handele es sich um einen ganz normalen Konsumartikel statt um eine Arznei mit Risiken und Nebenwirkungen.

Unlautere LEVITRA-Werbung

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BAYER bereitet die Markteinführung seines Potenzmittels LEVITRA in China vor und hat vorsorglich schon einmal die Hälfte der dortigen Männer zu potenziellen Patienten erklärt: Nach einer von dem Pharmariesen vorgestellten „Studie“ leiden angeblich bis zu 50 Prozent der Chinesen an einer „erektilen Dysfunktion“.

BAYER & Co. kaufen Entlastungsstudie
Die Literatur zur Gefährlichkeit Polychlorierter Biphenyle (PCB) füllt ganze Bibliotheken. Die Chemikalie kann WissenschaftlerInnen zufolge das Nervensystem, die Immunabwehr, Leber und Nieren schädigen sowie zu Unfruchtbarkeit, Missbildungen bei Neugeborenen und Hirnschädigungen bei Kindern führen. Da stieß das Urteil der Fachzeitschrift Arch Toxicol, die entsprechenden Studien zu Entwicklungsstörungen bei Minderjährigen wiesen methodische Mängel auf, in der Fachwelt auf ziemliche Verwunderung. Diese legte sich aber schnell, denn unter dem Artikel hieß es „Wir danken Eurochlor, Brüssel, für die finanzielle Unterstützung“. Der Chemieverband, dem unter anderem auch BAYER angehört, hatte sich also wieder mal eine Meinung gekauft. Besonders pikant: Die Mitverfasserin Beate Ulbrich steht als Giftexpertin in Diensten des „Bundesinstituts für Risikobewertung“.

Makrolon als Marke
BAYER unternimmt verstärkte Anstrengungen, seinen Kunststoff Makrolon zu einer Marke wie etwa „ASPIRIN“ aufzubauen. Deshalb beorderte der Konzern den bisher für die Verkaufspflege des „Tausendsassas“ zuständigen Werbeprofi Jürgen Hohmann in die „Plaste & Elaste“-Abteilung. Auf UVEX-Sportbrillen und auf einigen CDs und DVDs prangt dank seinen Bemühungen jetzt schon ein Makrolon-Siegel. Aber Großabnehmer wie LEGO wollen nicht „untervermieten“ und dulden keine Marke neben sich, weshalb sich Hohmanns Geschäft als schwierig erweisen dürfte.

BAYER übernimmt SCHERING-Stiftung
Mit der Übernahme von SCHERING fiel auch die gleichnamige Stiftung in den Besitz von BAYER, die vor allem KünstlerInnen und junge WissenschaftlerInnen aus den Bereichen „Medizin“ und „Biologie“ gefördert hat. Der Leverkusener Multi kündigte an, die nicht nur uneigennützige Nachwuchspflege in die PR-Aktivitäten des Konzerns zu integrieren und erhöhte zudem das Kapital der Stiftung, die in Zukunft auch das Museum SCHERINGs und Teile der Kunstsammlung des Berliner Pharmariesen betreut, um 10 Millionen Euro.

„BayRad“ läuft weiter
BAYERs Gesundheitsaktionen dienen vornehmlich dem Zweck, Akteure des Gesundheitswesens enger an den Konzern zu binden. Da das bei der „BayRad“-Initiative offenbar gut geklappt hat, setzt der Konzern die 2005 gemeinsam mit der „Deutschen Herzstiftung“ und einigen Krankenkassen ins Leben gerufene Unternehmung, die zum gesundheitsfördernden In-die-Pedale-treten animieren will, auch 2006 fort.

BAYER unterstützt ApfelanbauerInnen
In den USA sponsort BAYER das Jahrestreffen der ApfelanbauerInnen - damit sie auch morgen noch kräftig in BAYER-Gifte beißen können!

BAYER unterstützt ErdnussfarmerInnen
Der Leverkusener Multi tritt als Sponsor des Jahrestreffens der US-amerikanischen ErdnussfarmerInnen auf.

BAYER macht Schule
Der Leverkusener Multi arbeitet seit Jahren beharrlich daran, die naturwissenschaftlichen Fächer in den Schulen zu stärken, um sich geeigneten Nachwuchs heranzuzüchten und Gentechnik & Co. mehr Akzeptanz zu verschaffen. Jüngst hat der Konzern in den USA wieder zwei Initiativen dieser Art gestartet.

DRUGS & PILLS

Nr. 1 in Deutschland
Mit der Übernahme des SCHERING-Konzerns ist BAYER zum größten Pharma-Unternehmen der Bundesrepublik geworden.

LEUKINE floppt bei Morbus Crohn
Den vom jetzt zu BAYER gehörigen SCHERING-Konzern hergestellten Wachstumsfaktor LEUKINE mit dem Wirkstoff Sargramostim verwenden MedizinerInnen in der Chemotherapie von älteren Leukämie-PatientInnen, um die Gefahr von Infektionen zu reduzieren. Der Pharmamulti wollte das Präparat jedoch auch zur Behandlung der Darmkrankheit Morbus Crohn einsetzen, es konnte aber in der Phase III der klinischen Tests keine überzeugenden Resultate erbringen.

Sehnenschäden durch CIPROBAY
BAYERs CIPROBAY und andere Antibiotika auf Fluorchinolon-Basis können Sehnenschäden verursachen. In dem Zeitraum von 1997 bis 2005 meldeten MedizinerInnen der US-Gesundheitsbehörde FDA 262 Fälle von Sehnenrissen. Die Gesundheitsinitiative PUBLIC CITIZEN hatte schon früher auf Risiken und Nebenwirkungen dieser Art aufmerksam gemacht, woraufhin BAYER & Co. entsprechende Hinweise auf den Packungen aufbringen mussten. Da infolge der zunehmenden Verbreitung der Antibiotika die Schadensmeldungen zunehmen, forderte PUBLIC CITIZEN die FDA in einer Petition auf, so genannte „black-box“-Warnungen - Warnungen der höchsten Dringlichkeitsstufe - auszusprechen.

ASPIRIN COMPLEX zu komplex
Der Markt mit freiverkäuflichen Arzneien boomt. Allein von BAYERs als Grippemittel vermarktetem ASPIRIN COMPLEX gehen jährlich 3,7 Millionen Packungen über den Ladentisch. Der Pharmakologe Gerd Glaeske hält die darin enthaltenen Substanzen Ephedrin und Acetylsalicylsäure jedoch nicht für geeignet, auf ein Krankheitsymptom wie Schnupfen einzuwirken.

KOGENATE gestreckt
Das gentechnisch hergestellte Bluterpräparat KOGENATE ist das umsatzstärkste Pharma-Produkt BAYERs. Deshalb baut der Konzern schon einmal für die Zeit vor, da es nicht mehr patentgeschützt ist und ergo auch nicht mehr so hochpreisig vermarktet werden kann. Er testet gerade eine länger wirksame Version, welche für die Bluter die Zahl der Infusionen pro Woche verringert. Erhält der Pharmariese dafür eine Zulassung, geht das Patentspiel wieder von vorn los.

Bittere Korruptionspillen
Im Pillengeschäft von BAYER & Co. läuft es immer noch wie geschmiert. Dabei bedienen sich die Konzerne vielfältiger Methoden zur medizinischen Landschaftspflege. So ist in den Honoraren, die sie ÄrztInnen für Anwendungsbeobachtungen neuer Arzneien zahlen, oftmals schon ein Betrag für die spätere Verordnung enthalten. Zudem müssen die MedizinerInnen, denen die Pillen-Produzenten in Krankenhäusern halbe Stellen finanzieren, ihren Sponsor bei der Aufstellung der Krankenhaus-Arzneimittelliste bedenken. Auch die Entlohnung für Vorträge und Beratung - in den USA bis zu 2000 Dollar am Tag - versteht sich mehr als Investition denn als Aufwandsentschädigung.

Bitterteure Pillen
Die Arzneimittelausgaben der Krankenkassen erreichten im Jahr 2005 einen neuen Höchststand. Sie beliefen sich auf 24,6 Milliarden Euro und stiegen damit gegenüber dem Vorjahr um 17,2 Prozent. BAYER & Co. gelingt es durch medizinische Landschaftspflege immer wieder, MedizinerInnen zum Verschreiben teurer Originalpräparate zu veranlassen, obwohl es billigere Alternativen mit gleicher pharmazeutischer Wirkung gibt. Nach einer Berechnung des Bremer Professors Gerd Glaeske kostet allein das die Kassen bis zu drei Milliarden Euro. Auch zucken die ÄrztInnen nach Ansicht des „Bundesverbandes der Betriebskrankenkassen“ zu oft den Rezeptblock; eine „nicht nachvollziehbare Mengenausweitung“ beobachtete der Verband. Darüber hinaus vergrößert die Absenkung des Zwangsrabattes, den die Konzerne AOK & Co. auf ihre Pillen gewähren müssen, die finanzielle Belastung der Krankenkassen. Diese angespannte Lage hat viele von ihnen bereits dazu bewogen, ihre Beiträge zu erhöhen, obwohl das neue Arzneimittel-Spargesetz (siehe Ticker 1/06) ihre Pillenausgaben im laufenden Jahr um 1,8 Prozent gesenkt hat.

Gekaufte WissenschaftlerInnen
In der Vergangenheit haben medizinische Fachzeitschriften immer wieder Artikel von WissenschaftlerInnen abgedruckt, deren Urteil über Arzneien von ihren Verbindungen zu den Herstellerfirmen getrübt waren. Als Reaktion darauf haben die Journale Statuten erlassen, nach denen die ForscherInnen verpflichtet sind, ihre Beziehungen zur Industrie offen zu legen. Aber die ExpertInnen schweigen sich trotzdem lieber aus. So veröffentlichte ein Team um Dr. Tobias Kurth im Journal of the American Medical Association eine Studie zum Zusammenhang von Migräne und Herzinfarkthäufigkeit bei Frauen, ohne anzugeben, dass die Mitglieder schon in Diensten von Firmen wie BAYER, MCNEIL oder WYETH standen, die als Anbieter von Kopfschmerz- oder Herz/Kreislaufmitteln von der Untersuchung profitieren könnten.

IG FARBEN & HEUTE

Rückgabe von Hagemanns „Kirchner“
Die jüdische Familie Hess schaffte 1933 ihre umfangreiche Gemäldesammlung in die Schweiz, darunter auch das Bild „Straßenszene, Berlin“ von Ernst-Ludwig Kirchner, und emigrierte später. Der Maler stand in Kontakt mit dem sich als Kunstsammler betätigenden IG-FARBEN-Manager Carl Hagemann und wies diesen auf die Transaktion hin. „Wahrscheinlich gehören die Bilder jüd. Leuten, die wegmüssen“, schrieb der Künstler Hagemann 1936. Dieser nahm den Einkauftip dankbar an und erstand die „Straßenszene“ für 3.000 Reichsmark. Nach seinem Tod landete es über einige Umwege im Berliner „Brücke-Museum“. In diesem Jahr forderten die Erben von Alfred Hess das Gemälde zurück, weil der Verkauf nicht freiwillig geschah. Der Senat willigte zähneknirschend ein und schlug das Angebot, es für 15 Millionen Euro zurückzukaufen, aus. Er hatte auch keine andere Möglichkeit. Das „Gesetz zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts, insbesondere aus jüdischem Besitz“ hat nämlich die Beweislast umgekehrt. Es verlangt von den NeubesitzerInnen einen Nachweis darüber, dass die damals gezahlte Summe angemessen war und wirklich in den Händen des Verkäufers gelandet ist - und diesen konnte die Stadt Berlin nicht erbringen. Trotzdem brach ein Sturm der Entrüstung über die Rückgabe los. „Es werde gezielt Raubkunst ausfindig gemacht“, tobte etwa Martin Roth, der Leiter der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Die Zeit hingegen mahnte zur Besonnenheit und riet zum Rückkauf: „Der Staat müsste nur die nötige Summe aufbringen. Und auch die Nachfolger der IG FARBEN dürften sich gern an dieser Form der aktiven Vergangenheitsbewältigung beteiligen“.

GENE & KLONE

Gen-Gau in den USA
BAYERs gentechnisch manipulierter Reis LL 601 hat konventionelle Sorten verunreinigt. Wie das gegen das Antiunkrautmittel LIBERTY LINK resistente und in den USA nicht zugelassene Produkt in den Reis gelangen konnte, ist bislang ungeklärt, da BAYER behauptet, Freisetzungsversuche bereits 2001 beendet zu haben. Der Gen-GAU hat Japan sofort zu einem Einfuhrstopp bewogen. Auch die EU ließ vorerst keinen US-amerikanischen Langkorn-Reis mehr über die Grenzen und will von den Exporteuren künftig ein Unbedenklichkeitszertifikat verlangen. Da der Reispreis sofort in den Keller sank und Absatzmärkte wegzubrechen drohen, haben US-amerikanische LandwirtInnen den Leverkusener Multi auf Schadensersatz verklagt.

LL-62-Reis in Kanada zugelassen
BAYER hat für seinen umstrittenen Genreis LL 62, der die selbe Herbizid-Resistenz besitzt wie der in den USA auf konventionelle Sorten übergesprungene LL 601, in Kanada eine Importgenehmigung erhalten. In Brasilien laufen derzeit Freisetzungsversuche, nach GREENPEACE-Informationen will der Leverkusener Multi auch dort eine Anbau- oder Einfuhrgenehmigung beantragen.

LL-Baumwolle in Australien?
Der Leverkusener Multi hat in Australien einen Antrag auf Zulassung einer Baumwoll-Art beantragt, die gegen das Herbizid LIBERTY LINK resistent ist. Die Regionen im Norden des Landes haben sich gegen eine Genehmigung ausgesprochen, da sie eine Verunreinigung herkömmlicher Ackerpflanzen befürchten. Die Zentralregierung signalisierte hingegen Zustimmung zum BAYER-Antrag.

Neuer Gentech-Multi
Unter Federführung des SAP-Gründers Dietmar Hopp entsteht aus AXARON BIOSCIENCE und LION BIOSCIENCE der Gentech-Multi SYGNIS, an dem auch BAYER beteiligt ist. Vor der Fusion hielt der Leverkusener Multi 5,1 Prozent der SYGNIS-Anteile. Darüber hinaus besitzt der Konzern sieben Prozent der Aktien von LION.

Zulassungserweiterung für BETAFERON
BAYER hat für das Gentech-Medikament BETAFERON, das SCHERING als umsatzstärkstes Mittel mit in die neue Pharma-Ehe einbrachte, von der EU eine Zulassungserweiterung erhalten. Durften Mediziner es früher nur zur Behandlung von Multipler Sklerose in einem fortgeschrittenen Stadium anwenden, so ist jetzt auch ein früherer Einsatz möglich. Nach dieser Entscheidung hofft der Pharmariese auch auf eine entsprechende Genehmigung in den USA.

Mehr Pestizide durch Gentech
Auf lange Sicht senkt der Anbau von Gentech-Pflanzen nicht den Pestizid-Verbrauch. Das ist das Ergebnis einer Studie mit Bt-Baumwolle in China, die Per Pinstrup-Anderson von der Cornell University durchführte. Die Baumwolle mit dem gentechnisch eingebautem Gift vom bacillus thuringiensis konnte sich zwar in den ersten Jahren erfolgreich der Baumwollkapselraupe erwehren, war dem Ansturm anderer Schadinsekten bald aber nicht mehr gewachsen, so dass die LandwirtInnen mit weiteren Pestiziden arbeiten mussten. Das ging ins Geld, weshalb ihr Gewinn nach sieben Jahren um ca. acht Prozent unter denen ihrer KollegInnen lag, die konventionelle Sorten angebaut hatten. Pinstrup-Anderson führt den Gen-Gau allerdings nicht auf die Genpflanzen selber, sondern auf das Fehlen von Pufferzonen mit naturbelassener Baumwolle zurück, in denen das Ausbringen zusätzlicher Agrochemikalien die Insekten-Bestände dezimiert und so die Gentech-Baumwolle vor ihnen verschont. Wie die sich häufenden negeativen Untersuchungsergebnisse zur Pestizid-Reduzierung durch genmanipulierte Pflanzen zeigen, dürfte dies aber nicht die Lösung des Problems sein. Schlechte Geschäftsaussichten also für BAYERs Gentech-Baumwolle FIBERMAX.

Probleme mit Gensoja
MONSANTOs Gentech-Soja, der über eine eingebaute Resistenz gegen das Anti-Unkrautmittel Glyphosate verfügt, macht den LandwirtInnen in Argentinien mittlerweile das Leben schwer. Vielen Wildgräsern kann die Agrochemikalie nichts mehr anhaben, so dass einige Sorten stärker wuchern als je zuvor. Zudem hat der flächendeckende Anbau mit ROUNDUP-READY-Soja die Böden ausgelaugt und ihnen nach einer Studie der Universität Buenos Aires rund eine Million Tonnen Stickstoff und 227.000 Tonnen Phosphor entzogen.

Stotternder Jobmotor
BAYER & Co. preisen die Gentechnik unablässig als Jobmotor. Die „Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie“ kommt auf über 10.000 Stellen allein in der Pflanzenzüchtung und Saatgutproduktion. Der BUND FÜR UMWELT UND NATURSCHUTZ DEUTSCHLAND (BUND) hat diese Angaben einmal überprüfen lassen und ganz andere Zahlen zu Tage gefördert. Nach einer Untersuchung des Wirtschaftswissenschaftlers Thorsten Helmerichs von der Oldenburger Carl-von-Ossietzky-Universität arbeiten bei den Gentech-Unternehmen gerade mal 500 Angestellte in den Laboren.

WASSER, BODEN & LUFT

Neues Schadstoffregister
Die Bundesregierung will 2008 ein nationales Schadstoffregister einrichten, das - öffentlich zugänglich - alle Giftstoffe auflistet, mit denen BAYER & Co. die Umwelt belasten. Für die Metall-, Strom- und Chemieindustrie gilt darüber hinaus die Sonderregelung, jährlich Bericht über die genaue Höhe der Emissionen erstatten zu müssen.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

Chemie macht unfruchtbar

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Nach einer neuen GREENPEACE-Studie beträgt der Anteil der nicht fortpflanzungsfähigen Menschen an der Gesamtbevölkerung der Industrieländer mittlerweile 20 Prozent und hat sich damit seit den 60er Jahren verdoppelt. Die Umweltschutzorganisation macht dafür Chemikalien mitverantwortlich. Viele Substanzen, wie etwa das von BAYER hergestellte Bispenol A, wirken nämlich hormon-ähnlich und beinträchtigen die Spermien-Produktion im Körper des Mannes.

Chemie macht unfruchtbar

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Die in der „Great Lakes“-Region zwischen Kanada und den USA ansässigen Chemie-Unternehmen gefährden die Gesundheit der AnwohnerInnen in einem erheblichen Maße (siehe Ticker 1/06). Allein die nun zu LANXESS gehörende ehemalige BAYER-Niederlassung emittiert jährlich zwei Millionen Kilogramm gefährlicher Stoffe. Viele von ihnen finden sich nach einer Untersuchung der Initiative TOXIC NATION im Blut der Bevölkerung wieder. Die Probe eines 66-jährigen Mannes wies 32 Chemikalien auf, darunter Polychlorierte Biphenyle und Pestizide. Das bleibt nicht ohne Auswirkungen. Viele der Substanzen haben einen hormon-ähnlichen Aufbau und stören deshalb den menschlichen Stoffwechsel, was besonders fatale Auswirkung auf die Fortpflanzungsfähigkeit hat. So haben die chemischen Keulen in Sarnia zu vielen Fehlgeburten geführt und das Verhältnis von weiblichen und männlichen Geburten durcheinander gebracht. Auf einen Jungen kommen mittlerweile zwei Mädchen. Zudem weisen 20 Prozent der Schulkinder Entwicklungsdefizite auf. Auch in der Tierwelt stießen die WissenschaftlerInnen auf Abnormitäten wie Fische mit weiblichen und männlichen Geschlechtsmerkmalen.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Pestizide in Cola
Getränke-Produzenten nutzen Wasser als Rohstoff. In Indien ist es jedoch so stark durch Pestizide verunreinigt, dass auch die Cola nicht mehr sauber bleibt. Das „Centre for Science and Environment“ (CSE) fand in COCA-COLA und PEPSI-COLA Spuren von fünf Agrochemikalien, darunter der unter anderem von BAYER vertriebene Wirkstoff Chlorpyrifos. „Die Ergebnisse waren wirklich schockierend. PEPSI-COLA wies Rückstände auf, die dreißig Mal höher waren als die vom “Bureau of Indian Standards„ genehmigten Werte, bei COCA-COLA liegen sie 27 Mal höher“, so CSE-Direktorin Sunita Narain.

EU: strengere Pestizidpolitik
Die EU plant ein strengeres Vorgehen gegen Pestizide. Die Brüsseler PolitikerInnen wollen die Anwendungen besser kontrollieren, das Ausbringen der Ackergifte per Flugzeug verbieten sowie Sperrbezirke für Pestizide schaffen.

Immer weniger Bienen
Nach einer Studie der Universität Leeds, die das Wissenschaftsmagazin Science veröffentlichte, hat sich die Zahl der Bienen in den letzten 25 Jahren stark reduziert. Das hat auch die Pflanzenwelt Auswirkungen: weniger Bienen, weniger Bestäubungen, weniger Blumen. Um 70 Prozent nahm die Verbreitung von Wildpflanzen allein in Großbritannien während des Untersuchungszeitsraums ab. Der Wissenschaftler Koos Biesmeijer war „schockiert“ über das Ergebnis seiner Forschungen. Eine Ursache für das Verschwinden der Bienen konnte er nicht angeben; GAUCHO und andere bienengefährliche Pestizide dürften aber ihren Teil zu dem Artensterben beigetragen haben.

Comeback für Organophosphate?
Der intensive Rapsanbau und die damit verbundene intensive Anwendung von Pestiziden macht den Rapsglanzkäfer zunehmend immun gegen die Giftdröhnungen. Besonders pyrethroid-haltige Insektizide wie etwa die BAYER-Produkte BAYTHROID und BULLDOCK versagen ihre Dienste. Deshalb hat die Biologische Bundesanstalt eine begrenzte Notzulassung für den Wirkstoff Thiacloprid, enthalten unter anderem in den Konzernmitteln ALANTO, BARIARD, CALYPSO und MONARCA, ausgesprochen. Aber auch eine Wiederzulassung von Ultragiften auf Organophosphat-Basis ist wieder im Gespräch. „Dass man nun wieder auf sie zurückgreift, kann als Offenbarungseid aufgefasst werden“, kommentierte die Faz.

5.000 Vergiftungen in Brasilien
Mit seinem Pestizidverbrauch liegt Brasilien weltweit auf Platz drei. Entsprechend hoch ist die Zahl der Vergiftungen. 5.000 Personen behandeln die MedizinerInnen jährlich. Das „Integrated Toxicological Vigilance Center“ des Gesundheitsministeriums hat die Region Mato Grosso do Sul genauer untersucht. In dem Zeitraum von 1992 bis 2000 gab es dort 1.355 Fälle, 506 Selbsttötungsversuche und 849 Unfälle, von denen 37 tödlich endeten. Die drei am häufigsten beteiligten Ackergift-Wirkstoffe Methamidophos, Carbofuran und Monocrotophos, allesamt den Gefahrenklassen I und II zugehörig, befinden sich auch in der BAYER-Produktpalette. Obwohl die Vereinten Nationen die Konzerne aufgefordert haben, solche Substanzen in der „Dritten Welt“ nicht mehr zu vermarkten, machen die Agromultis dort weiterhin Geschäfte mit ihnen.

785 Vergiftungen in Chile
Im Jahr 2005 kam es in Chile zu 785 Pestizid-Vergiftungen. Für die meisten war der auch von BAYER hergestellte Wirkstoff Methamidophos verantwortlich, für die drittmeisten die sich ebenfalls im Konzern-Angebot befindliche Substanz Chlorpyrifos. Auf den sechsten Platz der Schwarzen Liste gelangte Tetramethrin und auf den achten Azinphos-Methyl.

Pestizide verursachen Krebs
Pestizide und andere Chemikalien können Krebs auslösen. In einem Versuch mit Tumorzellen beobachteten WissenschaftlerInnen, wie eine Agrochemikalie ein zum Krebswachstum beitragendes Gen, ein so genanntes Onkogen, stimulierte.

Pestizidexporte steigen
Die Pestizidexporte bundesdeutscher Unternehmen steigen. Im Geschäftsjahr 2005 führten BAYER & Co. fast 94.000 Tonnen aus, was gegenüber 2004 eine Zunahme von zehn Prozent bedeutet. Davon gehen ca. 9.000 Tonnen nach Südamerika und ca. 3.000 nach Afrika, wo die Menschen aufgrund einer hohen AnalphabetInnenrate und einer ungenügenden Schulung im Umgang mit den Agrochemikalien einem besonders hohen Vergiftungsrisiko ausgesetzt sind.

Viele Suizide mit Pestiziden
Das Schlucken von Pestiziden ist einer Untersuchung der Weltgesundheitsorganisation WHO zufolge weltweit die verbreiteste Methode, sich selbst zu töten. In asiatischen Ländern wie China, Malaysia oder Sri Lanka gehen 60 bis 90 Prozent aller Suizide auf die Einnahme von Agrochemikalien zurück. Die WHO bereitet deshalb einen Aktionsplan vor. Sie will unter anderem das Gesundheitspersonal im Umgang mit Vergiftungen schulen und den Zugriff auf Pestizide erschweren.

BAYER die Nr. 1
Wie schon im Geschäftsjahr 2004 nimmt BAYER auch 2005 mit einem Umsatz von fast sieben Milliarden Dollar unter den weltgrößten Pestizidherstellern die Spitzenposition ein.

STANDORTE & PRODUKTION

Rhein-Anleger arbeitslos
Zwischen BAYERs Leverkusener Schiffsanleger, an dem Lastkähne mit Giftfracht festmachten, und dem für die Boote der KÖLN-DÜSSELDORFER SCHIFFFAHRTSGESELLSCHAFT lag immer ein Sicherheitsabstand. Da die den Leverkusener Multi anlaufenden Schlepper aber immer länger wurden, schmolz die Distanz. Deshalb führte im Jahr 2003 kein Weg an einer Verlegung der Station vorbei (Ticker 1/03). An den Kosten wollte der Konzern sich zunächst nicht beteiligen, erst nach langen Verhandlungen steuerte er 250.000 der erforderlichen 850.000 Euro bei. Jetzt allerdings erweist sich der Umzug als eine Fehlplanung. Am neuen Standort herrscht nämlich eine so starke Strömung, dass die Rheinkommission Wasserfahrzeugen ab 80 Meter Länge das Anlegen untersagte, weshalb die Schiffe ausbleiben.

Ärger mit dem Mieterverein
BAYERs Wohnungsgesellschaft BAYWOGE will Mieten künftig nicht mehr für den abgelaufenen Monat, sondern schon im Voraus kassieren, was den Mieterverein auf den Plan gerufen hat. Eine „Doppelzahlung der Miete muss nicht sein“, kritisiert Geschäftsführer Volker J. Ziaja und sieht im Handeln des Unternehmens einen Verstoß gegen viele der abgeschlossenen Mietverträge.

BAYER macht Portãna dicht
Der Leverkusener Multi schließt am brasilianischen Standort Portãna seine Pestizid-Produktion und konzentriert die Herstellung von Agrochemikalien auf den Standort Belford Roxo, wo er auch ein neues Vertriebszentrum errichtet. Wieviel Arbeitsplätze der Konzern durch diese Zentralisierung vernichtete, teilte er nicht mit.

Anlage in China eingeweiht
Die Lohnkosten in China belaufen sich auf ein Viertel der bundesrepublikanischen. Dieses Faktum und die dortigen Wachstumsraten veranlassen BAYER zu großen Investitionen in dem Land. Anfang September 2006 nahm der Konzern ein Makrolon-Werk in Caojing in Betrieb. Und so soll es weiter gehen. „Wir wollen bis 2009 jährlich eine Großanlage eröffnen“, sagte der Vorstandsvorsitzende Werner Wenning bei der Einweihung. In drei Jahren soll schon ein Neuntel der Kunststoffproduktion aus dem Reich der Mitte kommen. Da auch die Konkurrenz in ähnlichem Tempo baut, besteht die Gefahr von Überkapazitäten. Aber selbst dann werde der Konzern in den kostengünstigen Großanlagen die vorgegebenen Mindestrenditen erzielen, meint Wenning. Die Caojinger Fertigungsstätte kam den Multi aufgrund eines neu entwickelten Produktionsverfahrens für den Kunststoff TDI nämlich 10 bis 20 Prozent billiger als vergleichbare Investitionen; zudem liegt der Energieverbrauch um ein Drittel unter dem älterer Werke. Deshalb sieht es im Falle einer Absatzflaute schlecht für Produktionen im alten Europa aus.

Mehr Lackrohstoffe aus China
BAYER baut die Lackrohstoff-Produktion am Standort Shanghai aus. Künftig will der Konzern dort 50.000 Tonnen pro Jahr herstellen.

IMPERIUM & WELTMARKT

BAYER dominiert SCHERING-Vorstand
Ganz wie erwartet geben BAYER-Vertreter im neuen Vorstand von BAYER-SCHERING den Ton an. Im fünfköpfigen Führungsteam, dessen Leitung Arthur Higgins von BAYER HEALTH CARE übernimmt, finden sich nur zwei SCHERING-Manager. Den ehemaligen SCHERING-Boss Hubertus Erlen fand der Leverkusener Multi mit einem gutdotierten Posten im Aufsichtsrat ab.

Thomas neuer Kunststoffchef
Der Brite Patrick W. Thomas folgt Hagen Noerenberg auf den Posten des Vorsitzenden von BAYER MATERIAL SCIENCE, der Kunststoff-Sparte von BAYER.

Kooperation mit DEUTSCHE POST
Die DEUTSCHE POST übernimmt künftig für BAYER Dienstleistungen auf dem Gebiet der Dokumentenverwaltung. Sie erledigt das Scannen und Auslesen von Rechnungsdaten, den Abgleich mit anderen digitalen Unterlagen und die Archivierung. Ob dem Deal Arbeitsplätze beim Multi selber zum Opfer fallen, teilte der Konzern nicht mit.

Verkauf der Diagnostiksparte
Zur Finanzierung der SCHERING-Übernahme hat der Leverkusener Pharmariese seine Diagnostiksparte für 4,2 Milliarden Euro an SIEMENS verkauft. Nur das Geschäft mit Kontrastmitteln und Blutzuckermessgeräten verbleibt im Unternehmen. Damit vernichtet BAYER innerhalb des Konzerns tausende Arbeitsplätze.

BAYER kauft METRIKA
BAYER hat das US-Unternehmen METRIKA gekauft. Die Firma, die 75 Angestellte hat, stellt ein Gerät zur Bestimmung des Langzeit-Blutzuckerwertes her.

Vietnam lockt
Die bundesdeutsche Außenwirtschaftspolitik hat Vietnam nach Informationen von www.german-foreign-policy.com zu einem ihrer „Schwerpunktländer“ erklärt und bereitet BAYER & Co. das Terrain für eine Expansion. Der Leverkusener Multi hat bereits Projekte auf Lager und plant deshalb gemeinsam mit der vietnamesischen Regierung und anderen Konzernen einen Investitionsworkshop.

Kooperation mit NUFARM
Der BAYER-Konzern liefert seinen Herbizid-Wirkstoff Diflufenican und Produkte auf Basis dieser Substanz zukünftig an den australischen Pestizidhersteller NUFARM, der sein Europa-Geschäft stärken will.

PRODUKTION & SICHERHEIT

Immer mehr Asbest-Tote
Die Zahl der durch Asbest ausgelösten Krebsleiden steigt immer weiter. Dieter Köhler von der „Deutschen Gesellschaft für Pneumomologie“ rechnet binnen der nächsten 15 Jahre mit 110.000 Neu-Erkrankungen. Ein großer Teil der Betroffenen war in der Bau- oder Chemie-Industrie beschäftigt. Der Werkstoff ist in der Bundesrepublik zwar seit 1993 verboten, aber bis er seine gefährliche Wirkung entfaltet, können bis zu 40 Jahre vergehen. Parallel zur Zunahme der Fälle wächst die Verschwiegenheit bei BAYER. Der Leverkusener Pharmariese verheimlicht nämlich die genauen Zahlen. Im vorvorletzten „Sustainable Development“-Bericht hieß es zu den 130 „anerkannten“ Berufskrankheiten des Jahres 2000: „Als Krankheitsauslöser waren bei uns vor allem Expositionen gegen Asbest und Lärm relevant“. Im „Nachhaltigkeitsbericht 2004“ fehlt selbst ein solcher diffuser Hinweis. Zum Thema „Berufskrankheiten“ findet sich dort bloß der Satz: „ ... so liegt die Zahl neuer Anerkennungsfälle derzeit konzern-weit bei etwa 100 pro Jahr“, ohne auf die Art der Gesundheitsschädigungen näher einzugehen. Und mit dem Nachhaltigkeitsbericht von 2005 fehlen gleich sämtliche Angaben zu Berufskrankheiten.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Explosionen in Dormagen
Auf dem Gelände des BAYER-Chemieparks in Dormagen ereignete sich am 3. Juli 2006 ein Störfall. In einem Reaktor zur Produktion des Kunststoffes Polyethylen kam es zu mehreren Explosionen. Acht MitarbeiterInnen wurden dabei verletzt.

Jährlich 340.000 Tote durch Chemikalien
Die Arbeit mit Chemikalien fordert zahlreiche Todesopfer. Nach Angaben der „internationalen Arbeitsorganisation“ (ILO) sterben jährlich 340.000 Menschen durch Vergiftungen. Ein großer Teil der Todesfälle geht auf Pestizide zurück und ereignet sich in Ländern der „Dritten Welt“. Dort tragen viele ArbeiterInnen wg. der großen Hitze keine Schutzkleidung Zudem ist die Analphabetismus-Rate hoch, weshalb ein Großteil der in der Landwirtschaft Beschäftigten die Warnhinweise auf den Agrochemikalien nicht lesen kann. So haben vor einigen Jahren in Benin 30 Beschäftigte das Ausbringen des auch von BAYER hergestellten Pestizidwirkstoffs Endosulfan, enthalten unter anderem in den Produkten MALIX, PHASER und THIODAN, mit ihrem Leben bezahlt.

Gefährliche Pestizid-Entsorgung
Besonders komplizierte Entsorgungsfragen schafft sich der Leverkusener Multi vom Hals, indem er Spezialunternehmen damit beauftragt. So lieferte eine BAYER-Niederlassung aus Alabama regelmäßig Behälter, in denen mit Propylmercaptan ein Bestandteil des Pestizides MOCAP hergestellt wurde, zur Reinigung an die Firma PHILIPS SERVICES. Dies blieb nicht ohne Folgen. In einem Umkreis von 50 Quadratmeilen klagten 250 Menschen über Kopfschmerzen, Brechreiz, allergische Symptome und Atemprobleme. Über drei Wochen hing ein übler Geruch über der ganzen Gegend. Die US-Behörden entzogen PHILIPS SERVICES daraufhin erst einmal die Betriebserlaubnis, die das Unternehmen allerdings wiedererlangen kann, wenn es bestimmte Auflagen erfüllt.

35 Verletzte bei Chlormethylketon-Austritt
Am 24. Mai 2006 ereignete sich im Dormagener BAYER-Werk beim Umfüllen einer von einem LKW gelieferten Chemikalie ein Unfall. Es traten fünf Liter des Pestizid-Vorproduktes Chlormethylketon aus. Der Kontakt mit der Substanz verursachte bei 35 Personen so schwere Gesundheitsstörungen, dass sie sich in ärztliche Behandlung geben mussten.

Zyanid tritt aus
Am 24. Juli 2006 entstand in einem BAYER-Gefahrguttransporter ein Leck, woraus giftiges Zyanid entwich. Der Fahrer stoppte den LKW und fuhr den Parkplatz eines Einkaufszentrums im US-amerikanischen Moundsville an. Die eintreffende Feuerwehr ließ sofort alle dort parkenden Wagen abschleppen; ein Sicherheitsteam pumpte die Chemikalie ab. Wäre eine größere Menge ausgetreten und hätte der Wind ungünstiger gestanden, hätten die Verantwortlichen umfangreiche Evakuierungsmaßnahmen einleiten müssen. So aber gab der Polizei-Chef Entwarnung: „Für niemanden bestand zu irgendeiner Zeit eine Gefahr.“

Mercaptan tritt aus
Sogar in Erdgas steckt Chemie. Der Duftstoff Mercaptan verhilft dem geruchslosen Erdgas zu dem charakteristischen Gasgeruch, damit man eventuelle Ausströmungen riechen kann. Im Wiesdorfer BAYER-Werk ereignete sich allerdings mit Mercaptan ein Störfall. Im Bereich der Erdgasübergabestation trat der Duftstoff aus und verursachte bei acht MitarbeiterInnen Übelkeit und Augenreizungen.

Kontrastmittel-Rückruf
Der von BAYER aufgekaufte Pharmahersteller SCHERING hat sein Röntgenkontrastmittel ULTRAVIST zurückgerufen, da in dem Medizinprodukt kleine Partikel zu Kristallen zusammengklumpt sind, was Arterien verstopfen und so Thrombosen auslösen könnte.

RECHT & UNBILLIG

CBG-Klage abgewiesen
Kurz vor der diesjährigen Hauptversammlung der BAYER AG am 28. April reichte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) bei der Kölner Staatsanwaltschaft eine Klage gegen den Konzern wegen unerlaubter Preisabsprachen ein. Anfang Juni wiesen die RichterInnen sie in der ersten Instanz ab. Sie sahen es nicht als Veruntreuung an, Rückstellungen in Höhe von 275 Millionen Euro für die zu erwartenden Strafen gebildet zu haben - im Gegenteil. „Bei lebensnaher Betrachtung (ist) davon auszugehen, dass ein weltweit agierender Konzern wie die BAYER AG letztlich durch Kartellabsprachen größere Gewinne erzielt, als wenn sie auf solche verzichten würde“, heißt es in der Urteilsbegründung. Das Profitstreben des Leverkusener Multis führt sie sogar noch als mildernden Umstand an: „Es ist in Anbetracht des Umstandes, dass viele namhafte Unternehmen an den Absprachen beteiligt waren, davon auszugehen, dass diese Vereinbarungen lediglich (!) in der Absicht einer sicheren Gewinnmaximierung getroffen wurden.“ Die CBG hat gegen die Entscheidung Beschwerde eingelegt (siehe auch SWB 3/06).

73 Millionen Dollar Kartellstrafe
In einem Verfahren wegen Preisabsprachen beim Kunststoff-Vorprodukt Polyol, in dessen Verlauf BAYER schon einmal 33 Millionen Dollar zahlen musste, erging ein erneuter Strafbefehl. Ein Gericht verurteilte die am Kartell beteiligten Unternehmen, auch die Plastikproduzenten zu entschädigen, denen sie das Polyol überteuert verkauft hatten. Das kostete die Konzerne noch einmal 73

[Ticker 02/2006] STICHWORT BAYER 02/2006 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CBG verklagt BAYER
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat den Leverkusener Chemiemulti wegen seiner zahlreichen illegalen Preisabsprachen verklagt. Da die inzwischen aufgeflogenen Kartelle unmöglich ohne das Wissen der verantwortlichen Konzern-Manager entstanden sein können und sich die Rückstellungen für zu erwartende Strafzahlungen mittlerweile auf 275 Millionen Euro belaufen, sieht die CBG den Tatbestand der Veruntreuung als erfüllt an. „Die Verantwortlichen müssen persönlich in Haftung genommen werden“, forderte CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes in einer Presseerklärung zur Strafanzeige.

Klimaschwindel: Loske schreibt BAYER
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hatte BAYER beim Klimaschwindel ertappt und die vom Konzern stets mit stolzgeschwellter Brust vorgetragene Zahl von 60 Prozent weniger Kohlendioxid auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Wie die CBG nachwies, hatte der Multi die Reduzierung mitnichten durch Investionen in den Umweltschutz erreicht, sondern durch Betriebsschließungen, Verkäufe von Unternehmensteilen und ein Outsourcing der Energie-Produktion. Dies gab auch dem grünen Bundestagsmitglied Reinhard Loske zu denken, der das Unternehmen zuvor für seine Klimapolitik mit grünen Weihen ausgestattet hatte. Er forderte den Vorstand auf, zu den Tricksereien Stellung zu nehmen und kündigte an, sein Lob öffentlich zu widerrufen, sollte BAYER die Vorwürfe nicht entkräften können.

Anfrage wg. Kinderarbeit
Noch immer besteht die Belegschaft bei den Zulieferern von BAYERs indischer Saatgut-Tochter PROAGRO zu 20 Prozent aus Kindern. Darum hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) diesen Skandal in den Deutschen Bundestag eingebracht. Über die LINKSPARTEI stellte sie eine parlamentarische Anfrage zu dem Thema. Die Antwort spricht Bände. „Die Bundesregierung teilt die Auffassung, dass Kinderarbeit eine Menschenrechtsverletzung darstellt“, schreibt Rot-Schwarz, um dann ihre Ohnmacht hinsichtlich des Treibens von BAYER zu bekunden: „Gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen ist freiwillig und daher nicht einklagbar“.

Monitor macht BAYER Beine
Der Bericht des TV-Magazins Monitor über Kinderarbeit bei den Zulieferern von BAYERs indischer Saatguttochter PROAGRO hat dem Konzern Beine gemacht. „BAYER war geschockt über die Monitor-Reportage“, meldete der Anti-Kinderarbeitsaktivist Dr. Davuluri Venkateswarlu der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN aus dem fernen Indien. PROAGRO-ManagerInnen haben ihn unmittelbar nach der Sendung kontaktiert, um mit ihm einen Aktionsplan für die nächste Pflanzsaison auszuarbeiten. Was aus dem Vorhaben wird, bleibt allerdings abzuwarten.

Vorläufiges Aus für Terminator-Technologie
Auf der UN-Konferenz im brasilianischen Curitiba haben BAYER & Co. eine empfindliche Niederlage erlitten. Es ist ihnen nicht gelungen, die DelegiertInnen zu einer Aufhebung des Moratoriums für Terminator-Saatgut zu bewegen. In dieser Technologie, Saaten mittels Gentechnik steril zu machen und so die LandwirtInnen daran zu hindern, sie in der nächsten Pflanzsaison wiederauszusähen, sahen die Agromultis ein wirksames Instrument zu einer Erweiterung der Kontrolle über die Nahrungsmittelkette (SWB 1/06). Aber das auch von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN unterstützte, breit angelegte Aktionsbündnis TERMINATOR-TECHNOLOGIE ÄCHTEN - FREIE SAAT STATT TOTE ERNTE machte ihnen einen Strich durch die Rechnung. „Ohne den massiven politischen Druck für eine Beibehaltung des Moratoriums wäre den Saatgutmultis die Aufhebung gelungen“, meint Roland Röder von der AKTION 3.WELT SAAR. Jetzt versucht die Kampagne, das Terminator-Tabu ins bundesdeutsche Gentechnik-Gesetz einfließen zu lassen.

CBG auf Anti-Gentech-Konferenz
Im April 2006 trafen sich Gentech-GegnerInnen auf Kreta zu einer Konferenz, auf der auch die Arbeit der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) in einem Workshop vorgestellt wurde. Die Resonanz war positiv: „Es war eine gelungene Veranstaltung, viele Menschen wurden über Anti-Gentech-Aktivitäten informiert - und glaubt es mir! - vielen von ihnen war unbekannt, wie tief BAYER da drin steckt“, schrieb einer der Organisatoren der CBG.

GREENPEACE gegen BAYER-Studie
BAYER, BASF und andere Genmultis finanzieren über ihren Verband „CropLife“ ein Institut, dessen Untersuchungen den Geldgebern stets die erwünschten Ergebnisse liefern. So publizierten die WissenschaftlerInnen in Italien eine Untersuchung, welche die Gefahren von Kreuzungen gentechnisch veränderter Pflanzen mit konventionell oder ökologisch angebauten Sorten herunterspielt. Die Initiativen GREENPEACE und LEGAMBIENTE reagierten sofort und korregierten die Aussagen der AuftragsforscherInnen.

Italien: LandwirtInnen gegen Genreis
Der Leverkusener Chemie-Multi hatte bei der EU vor einiger Zeit einen Antrag auf Import-Genehmigung für eine gentechnisch gegen das Anti-Unkrautmittel LIBERTY LINK (Wirkstoff: Glufosinat) resistent gemachte Reis-Sorte gestellt (siehe GENE & KLONE). Der italienische LandwirtInnenverband „Confederazione italiana agricoltori“ hat sich streng dagegen ausgesprochen, diese Erlaubnis zu erteilen.

Protest gegen EU-Forschungspolitik
Die Europäische Kommission greift zur Beglückung von BAYER & Co. mal wieder tief in die Tasche. Die EU will Forschungen im Agrarbereich mit einem Schwerpunkt auf der Gentechnik von 2007 bis 2013 mit 2,5 Milliarden Euro fördern (siehe SWB 4/04), während sie Untersuchungen zum Umwelt- oder VerbraucherInnenschutz kein Geld zur Verfügung stellt. Aus Protest gegen diese Subventionspolitik haben das GENETHISCHE NETZWERK, GREENPEACE und andere Initiativen einen Offenen Brief an Europa- und Bundestagsabgeordnete geschrieben.

BIS-Proteste in Brunsbüttel
Im Herbst 2005 kam es am BAYER-Standort Brunsbüttel zu Protesten von 150 MitarbeiterInnen von BAYER INDUSTRY SERVICES (BIS), weil die Konzernzentrale sich Zeit dabei lässt, die Sparte in die Teilgesellschaft BAYER MATERIAL SCIENCE zu integrieren. Die BIS, die innerhalb des Konzernverbundes die Chemie„parks“ betreibt, steht seit geraumer Zeit wegen angeblich zu schlechter Geschäftszahlen unter Druck (siehe SWB 1/06), und die Beschäftigten sehen sich durch eine Zusammenlegung mit der Kunststoff-Abteilung besser vor einer drohenden Arbeitsplatzvernichtung geschützt. „Wir lassen keinen Keil zwischen BMS und BIS treiben“ und „Schluss mit der Hinhaltetaktik“ schrieben die Belegschaftsangehörigen deshalb auf ihre Demonstrationsschilder. Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE bekommt sogar Rückendeckung vom Werksleiter Roland Stegmüller und will die Fusion notfalls vor Gericht erstreiten.

Proteste in Antwerpen
Im Antwerpener Werk von BAYERs Chemie-Abspaltung LANXESS will die Geschäftsleitung die Beschäftigten zu Mehrarbeit zwingen. In einem Interview schwärmte das Vorstandsmitglied Koemm von chinesischen Verhältnissen mit jährlichen Lohnkosten von 10 - 15.000 Euro für eine 48-Stunden-Woche und klagte insbesonders über die angeblich zu großzügigen Urlaubsregelungen in der belgischen Niederlassung. Die beiden Gewerkschaften ABVV und ACV reagierten sofort. Sie traten mit einem Flugblatt an die Öffentlichkeit und kündigten Widerstand an, falls LANXESS zur Tat schreiten sollte: „Wir werden zum richtigen Zeitpunkt hart reagieren“.

Bisphenol: Land wiegelte ab
Im letzten Jahr machte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN der Öffentlichkeit die Ergebnisse einer neuen Studie zu den hirnschädigenden Wirkungen der von BAYER in großen Mengen hergestellten Chemikalie BISPHENOL A zugängig. Auf der Basis dieser neuen Informationen fragten BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei der Landesregierung Nordrhein-Westfalen an, ob sie Handlungsbedarf sehe. Aber Rüttgers Club wiegelte ab. Die MinisterInnen verwiesen in ihrer Antwort auf eine ältere Studie des „Bundesinstitutes für Risikobewertung“, die der NRW-Regierung zufolge befand, „dass für Säuglinge und Kleinkinder aus der üblichen Verwendung von Polycarbonatflaschen kein gesundheitliches Risiko durch Bisphenol A resultiert“ Zudem stehe es den VerbraucherInnen ja frei, auf diese Flaschen zu verzichten und zu Glas zu greifen. Ansonsten wartet die CDU/FDP-Koalition die Resultate der zur Zeit auf europäischer Ebene vorgenommenen neuen Risiko-Bewertung ab. Das BISPHENOL A kann also in BAYERs Homeland einstweilen unbehelligt weiter seine gefährlichen Kreise ziehen.

CBG schreibt Bluterorganisationen
In den achtziger Jahren hatte BAYER es aus Profit-Gründen unterlassen, seine Blutplasma-Produkte einer keimtötenden Hitze-Behandlung zu unterziehen, um das Risiko einer „AIDS“-Infektion zu senken. Als die US-Gesundheitsbehörde FDA die Einführung des Verfahrens schließlich zur Pflicht machte und den Abverkauf der unbehandelten Chargen verbot, lieferte der Konzern die Altlasten einfach nach Asien. Insgesamt starben durch die Geschäftspraktiken von BAYER & Co. Tausende Bluter an AIDS. Seither versucht der Leverkusener Chemiemulti das Vertrauen der Bluter über eine großzügige Unterstützung der Patienten und ihrer Verbände zurückzugewinnen. So hat das Unternehmen erst jüngst 2,7 Millionen Dollar für Forschungen zur Bluterkrankheit gespendet und mit der US-Organisation „National Hemophilia Foundation“ ein Autorennen zu Gunsten von Blutern veranstaltet. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat den Weltbluterverband „World Federation of Hemophilia“ in einem Offenen Brief deshalb aufgefordert, diese durchsichtige Strategie zu durchkreuzen und die Kooperationen mit dem Leverkusener Multi zu beenden.

GREENPEACE kritisiert Lebensmittelaufsicht
Im Herbst 2005 führte GREENPEACE eine Untersuchung zur Pestizid-Belastung von Obst und Gemüse durch und förderte hohe Giftwerte zu Tage (siehe SWB 1/06). Die Spitzenposition nahm dabei eine Substanz aus dem Hause BAYER ein: FOLICUR fand sich in 8,2 Prozent aller Proben. Das Ergebnis der Studie deutete auf ein eklatantes Versagen der den einzelnen Bundesländern unterstehenden Lebenmittelkontrollbehörden hin. Diesen hat GREENPEACE jetzt genauer auf den Zahn gefühlt und 16 von ihnen wegen zu seltener Überprüfungen und unzureichend ausgestatteter Labore die Note „mangelhaft“ erteilt.

Ärger im Pillenparadies
Nirgendwo auf der Welt verdienen BAYER & Co. mit ihren Pillen so viel Geld wie in den USA. Für die Rheuma-Arznei CELEBREX etwa müssen die US-AmerikanerInnen mit 222 Dollar fast doppelt so viel berappen wie ihre NachbarInnen in Kanada, wo die Pillen nur 135 Dollar kosten. Darum hat der Bürgermeister der Stadt Springfield, die für ihre kommunalen Angestellten eine eigene Krankenversicherung unterhält, die Mitglieder nun aufgefordert, ihre Medikamente per Internet in Kanada zu bestellen. So sparte die Gemeinde drei Millionen Dollar im Jahr und brachte Big Pharma auf die Palme. Die US-Gesundheitsbehörde gab den Pillenriesen dagegen Rückhalt und warnte vor Sicherheitsrisiken. „Das Einzige, was nicht mehr sicher ist, sind die Gewinne der Pharma-Industrie“, entgegnete daraufhin Isaac BenEzera als Sprecher einer SeniorInnen-Initiative und verwies auf die Zahl von jährlich 18.000 Menschen, die sterben müssen, weil sie sich dringend benötigte Medikamente nicht leisten können.

PAN schreibt Gabriel
Das PESTIZID-AKTIONS-NETZWERK (PAN) hat den Umweltminister Sigmar Gabriel und den Landwirtschaftsminister Horst Seehofer in einem Offenen Brief aufgefordert, mit der Umsetzung eines Beschlusses der AgrarministerInnen-Konferenz vom 4. März 2005 zu beginnen, der eine Reduzierung des Einsatzes der Pestizide von BAYER & Co. auf den Äckern um 15 Prozent bis 2015 vorsieht.

VDPP fordert Arznei-Bedarfsprüfung
Der VEREIN DEMOKRATISCHER PHARMAZEUTINNEN UND PHARMAZEUTEN (VDPP) hat gefordert, bei Zulassungsverfahren für Medikamente auch nach dem Kriterium zu entscheiden, ob die neue Arznei wirklich gebraucht werde. Eine solche Bedarfsprüfung als vierte Hürde wäre in den Augen des VDPP-Vorständlers Dr. Thomas Schulz ein wirksames Mittel gegen die Pillen- und Kostenflut im Gesundheitswesen.

Sicherheitsinitiative der ABVV
Am US-amerikanischen BAYER-Standort Baytown ereignete sich am 18.6.2005 ein tödlicher Unfall (Ticker 1/06). Die Arbeitssicherheitsbehörde Osha untersuchte den Fall und stellte massive Verfehlungen BAYERs fest. Sie wies „ernsthafte Verstöße“ gegen die Sicherheitsbestimmungen nach, weshalb eine „hohe Wahrscheinlichkeit eines tödlichen Unfalls oder ernsthafter körperlicher Schäden“ bestanden hätte. Die Berichterstattung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN über diesen Fall nahm die im Antwerpener BAYER-Werk aktive sozialistische Gewerkschaft ABVV zum Anlass, an die Firmenleitung eine Anfrage zur Sicherheitslage in ihrem Werk zu stellen, das mit der Baytowner Produktionsstätte nahezu baugleich ist. Die Antwort aus der Zentrale bezeichneten die ArbeiternehmervertreterInnen als „sehr unklar und nicht zufriedenstellend“.

Greenwashing-Aktivitäten in Vietnam
Auch in Vietnam stellt sich der Leverkusener Chemie-Multi mittlerweile unter Verweis auf seine Kooperationen mit dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen als grüner Musterschüler dar. Die staatliche Nachrichtenagentur des Landes hat sich in diese Greenwashing-Aktivitäten einspannen lassen. Deshalb hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN die Redaktion in einem Brief über das Umweltsündenregister des Konzerns aufgeklärt.

KAPITAL & ARBEIT

Betriebsratswahlen: Erfolge für Linke
Bei den letzten Betriebsratswahlen beim Leverkusener Multi errangen fortschrittliche Gruppen innerhalb der IG BERBBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) zum Teil große Erfolge. Die BELEGSCHAFTSLISTE des Wuppertaler BAYER-Werkes erreichte ihr bisher bestes Ergebnis und verfehlte mit 49,8 Prozent der Stimmen die Betriebsratsmehrheit nur knapp. Bei BAYER INDUSTRY SERVICES erreichten die BASISBETRIEBSRÄTE sieben Sitze und die KOLLEGEN UND KOLLEGINNEN FÜR EINE DURCHSCHAUBARE BETRIEBSRATSARBEIT einen. Die IG BCE kam dort auf 17 Sitze, VERDI auf vier. Im Leverkusener BAYER-Werk errangen die BASISBETRIEBSRÄTE vier Mandate und die DURCHSCHAUBAREN drei, während die IG BCE 28 und VERDI zwei gewann. Der größten Coup gelang alternativen Gewerkschaftsgruppen bei SCHERING. Die Angst vor Arbeitsplatzverlusten im Zuge der Fusion mit BAYER hat einer linken Gruppierung die Mehrheit im Betriebsrat verschafft.

17 % weniger Lohn für PersonalerInnen
Wenn die Konzerne drastische Einsparungen vornehmen, die traurige Botschaft aber nicht persönlich überbringen wollen, heuern sie zumeist externe Beratungsgesellschaften als Briefträger an. So auch BAYER. Der Konzern ließ die Unternehmensberatung HACKETT die Aufwändungen in Verwaltung und Personalwesen prüfen, und siehe da: HACKETT eruierte ein Einsparpotenzial von 200 Millionen Euro durch eine Konzentration der Aufgaben auf einen Standort. „Shared Services Center“ (SSC) heißt das neue Modewort. Vorher von den einzelnen Landesgesellschaften bearbeitete Bereiche wie Lohnabrechnung, Pensionierungsfragen und ähnliches will der Chemie-Multi nun bündeln. Um die Standortfrage für eine solche Ausgründung zu klären, inszenierte er dann schnell noch einen Unterbietungswettbewerb zwischen Barcelona und Leverkusen. Der Stammsitz trug den „Sieg“ davon. 17 Prozent weniger Lohn, die 40-Stunden-Woche und der Wegfall von 100 Stellen - dieses Angebot war nicht zu schlagen. „Unbestreitbar werden mit diesen Regelungen Arbeitsbedingungen für die betroffenen Arbeitsplätze mittel- und langfristig nicht verbessert. Auf der anderen Seite wären diese Arbeitsplätze in Deutschland nicht zu halten gewesen. Das Niveau der Arbeitsbedingungen in dem SSC wird nicht mehr das Niveau der Arbeitsbedingungen bei BAYER sein, aber es ist das Niveau vergleichbarer Arbeitsbedingungen in Deutschland/Leverkusen“, kommentierte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Thomas de Win das Verhandlungsergebnis. Auch in Asien und Nordamerika plant der Konzern jetzt solche Rationalisierungsmaßnahmen in den Personalabteilungen.

Vorstandsgehälter: + 9 Prozent
Die Bezüge von BAYERs Vorstandsriege erhöhten sich 2005 gegenüber dem vorigen Geschäftsjahr um neun Prozent. Würden die Gewerkschaften eine solche Forderung nach Lohnsteigerung stellen, bräche nicht nur in der Konzernzentrale des Pharmariesen ein Sturm der Entrüstung los.

Von BAYER zur IG-BCE-Spitze
Der designierte Nachfolger von Hubertus Schmoldt an der Spitze der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) ist ein BAYER-Mann. Bevor Michael Vassiliadis 1986 in den Apparat der Gewerkschaft wechselte, war er im Dormagener BAYER-Werk als Chemielaborant tätig. Auch unter seiner Ägide dürfte die IG BCE nicht von ihrem Kurs abweichen, den Beschäftigten die von BAYER & Co. auf die Agenda gesetzten Unzumutbarkeiten zumutbar zu machen. So hat Vassiliadis an der Verlängerung der Lebensarbeit an sich nichts auszusetzen. In bester Co-Management-Manier beschäftigt ihn lediglich die Frage, wie die GewerkschaftlerInnnen diesen Rückfall in die Steinzeit der Arbeitsbedingungen vor Ort am besten organisieren können.

Billiglohnland Bundesrepublik
Bei den Lohnstückkosten, also dem Quotienten aus Lohnkosten und Umsatz, nimmt die Bundesrepublik unter den sieben großen Industrieländern den vorletzen Platz ein. Nur in Japan war die Arbeit noch billiger. Dies ergab eine Studie der Volkswirtschaftsabteilung der DEUTSCHEN BANK.

Schmoldt für Kombilöhne
Der Vorsitzende der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE), Hubertus Schmoldt, der auch dem BAYER-Aufsichtsrat angehört, hat sich für die Einführung von Kombilöhnen ausgesprochen. Wie die Unternehmer hält der Gewerkschaftler die Höhe der Gehälter für eine Ursache der Arbeitslosigkeit. Deshalb möchte er Sonderangebote für BAYER & Co. einführen und entwarf ein Kombilohn-Modell. Nach seinen Vorstellungen soll die „Bundesagentur für Arbeit“ künftig für 20 Prozent des Entgeltes von gering Qualifizierten aufkommen und so für die Industrie einen neuen Niedriglohnsektor schaffen.

Das Chemie-Geschäft boomt
Bei der ersten Pressekonferenz in seiner Funktion als Präsident des „Verbandes der Chemischen Industrie“ konnte BAYER-Chef Werner Wenning mit guten Zahlen aufwarten. Die Produktion von BAYER & Co. erhöhte sich um sechs Prozent. Der Umsatz stieg um sieben Prozent, wobei sich das Umsatzwachstum gegenüber den Vorjahren sogar verdoppelte. Trotzdem vernichteten die Chemie-Unternehmen ein Prozent ihrer Arbeitsplätze. Nur noch 440.600 Beschäftigte zählt die Branche. Mit immer weniger Personalkosten erwirtschaften die Firmen also immer exorbitantere Gewinne. Für Wenning dürften sie aber gerne noch etwas exorbitanter sein. Er kritisierte die im Vergleich zu den USA und Großbritannien am Standort Deutschland um ein Drittel höheren Arbeitskosten und die um fünf Prozent niedrigere Umsatzrendite.

Weitere Arbeitsplatzvernichtung bei LANXESS
BAYERs Chemie-Abspaltung LANXESS läutet die dritte Sparrunde ein. Durch die Vernichtung von 250 Arbeitsplätzen - vor allem im Bereich der Herstellung von ABS-Kunststoffen - soll diese ab 2009 50 Millionen Euro erbringen. Dafür will Vorstandschef Axel Heitmann unter anderem eine Niederlassung in Brasilien schließen und Rationalisierungsmaßnahmen am US-Standort Addyston einleiten, wo das LANXESS-Werk zuletzt immer wieder durch Schadstoff-Austritte negative Schlagzeilen machte. Auch den Produktionen in Indien und Thailand drohen Einschnitte. Zur Begründung der Stellenstreichungen verwies Heitmann auf die zu große Anzahl von Geschäftsfeldern, die nicht seinen Rendite-Erwartungen entsprechen. „Immer noch rund 25 Prozent unseres Umsatzes sind nicht profitabel, weitere 30 Prozent sind nicht zufriedenstellend“, so der Verstandsvorsitzende. Es dürfte also noch das Arbeitsplatzabbau-Programm Nr. 4 folgen.

LANXESS-Ausverkauf geht weiter
BAYERs Chemie-Abspaltung LANXESS die Investmentbanken CREDIT SUISSE und LEHMAN BROTHERS beauftragt, Abnehmer für die Sparten „ABS-Kunststoffe“ und „Textilchemikalien“ zu finden. Sollte dies gelingen, würde der Konzern um ein Siebtel seiner Größe schrumpfen.

Dormagen: Werkschutz privatisiert
Der nach Meinung der Konzernleitung zu kostenintensiv arbeitende Chemie„park“-Betreiber BAYER INDUSTRY SERVICES (BIS) beginnt mit der Umsetzung seines Sparprogramms. In Dormagen hat er den Werkschutz an einem Tor bereits einer Fremdfirma übertragen (siehe auch SWB 1/06).

Weniger Verbesserungsvorschläge
Reichten die BAYER-Beschäftigten im Jahr 2004 noch 17.000 Verbesserungsvorschläge ein, so schrumpfte deren Zahl anno 2005 auf 9.600 - eine Nebenwirkung der innerhalb des Konzernverbundes vernichteten Arbeitsplätze. Nur BAYERs Undankbarkeit bleibt konstant. Der Konzern spart durch die Innovationen pro Jahr neun Millionen Euro ein, schüttet an Prämien jedoch nur einmalig 2,4 Millionen aus.

Mehr Sonderzahlungen
Der Leverkusener Chemie-Multi steigerte seinen Gewinn im Geschäftsjahr 2005 um 134 Prozent auf 1,6 Milliarden Euro. Da war dann auch ein höheres Almosen für die Beschäftigten drin: Der Konzern hob die jährlichen Sonderzahlungen um ein Drittel auf 59 Millionen Euro an. Das Unternehmen behielt sich allerdings vor, von dem Betrag 2,3 Prozent einzubehalten. Angeblich soll dieser Obulus dem Erhalt von 1.000 Arbeitsplätzen an den bundesdeutschen Standorten dienen.

ERSTE & DRITTE WELT

Zinnschlacke aus dem Kongo
Der Kongo ist eines der rohstoffreichsten Länder Afrikas. Die BAYER-Tochter HC STARCK hat in der Vergangenheit nicht einmal davor zurückgeschreckt, mit den Bürgerkriegsparteien Handel zu treiben, um in den Besitz von Coltan zu kommen (Ticker berichtete mehrfach). Aber das Interesse HC STARCKs beschränkte sich keinesfalls nur auf dieses seltene Metall. Nach Informationen von german-foreign-policy.com verhandelten FirmenvertreterInnen im Sommer 2003 auch über Zinnschlacke-Lieferungen mit zwielichtigen Geschäftspartnern. Darum begrüßt die BAYER-Gesellschaft selbstverständlich den Einsatz der Bundeswehr im Kongo als Maßnahme zur Herstellung der „Versorgungssicherheit“ mit Coltan & Co. (siehe auch SWB 2/06).

Bill Gates hilft BAYER
Die Pharmamultis haben die ärmeren Staaten nicht in ihrer Kundendatei. Deshalb müssen öffentliche oder private Institutionen einspringen, um Medikamenten-Entwicklungen für Krankheiten zu fördern, die besonders häufig in Entwicklungsländern auftreten. Eine solche Organisation ist die „Global Alliance for TB-Drug-Development“. Bill Gates, die Rockefeller Foundation, die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA und diverse andere Vereinigungen finanzieren im Rahmen des Verbundes die Suche nach neuen Tuberkulose-Behandlungsmethoden. So fließt auch Geld für die Erprobung einer Kombinationstherapie von Tbc-Arzneien mit BAYERs Antibiotikum AVALOX; speziell für diesen Forschungsansatz hat Bill Gates im Frühjahr 2006 noch einmal 100 Millionen Dollar locker gemacht. Das Präparat soll den Heilungsprozess beschleunigen, die Bildung Antibiotika-resistenter Bakterienstämme eindämmen und so die Überlebenschancen der PatientInnen erhöhen. In der Fachwelt ist das BAYER-Mittel allerdings umstritten. Der „Arzneimittelverordnungsreport ‚97“ zählt Antibiotika mit Wirkstoffen aus der Gruppe der Fluorchinole wie AVALOX aufgrund der vielen Nebenwirkungen zu den „nicht primär empfehlenswerten Substanzen“.

IG FARBEN & HEUTE

Britische SARIN-Experimente
1936 entwickelte der IG-FARBEN-Chemiker Gerhard Schrader das Giftgas SARIN, was dann auch im Namen zum Ausdruck kommt: S für Schrader und A für den Giftgas-Abteilungsleiter der von BAYER mitgegründeten IG FARBEN, Otto Ambros. Mit eben diesem Gas führte die britische Armee 1953 Experimente durch. In einer Militärklinik applizierten WissenschaftlerInnen SARIN auf die Haut von fünf Soldaten. Einer von ihnen, Ronald Maddison, starb eine Stunde später. Mehr als fünfzig Jahre nach seinem Tod entschuldigte sich die Regierung bei den Hinterbliebenen Maddisons und zahlte ihnen eine Entschädigung in Höhe von 146.000 Euro.

POLITIK & EINFLUSS

BAYER kooperiert mit dem BKA
Die Sicherheitsabteilungen der Konzerne im Ausland verfügen über mehr Personal als der Außendienst des Bundeskriminalamts. Deshalb sind die Multis nicht selten besser über die ETA in Spanien, das Organisierte Verbrechen in Russland oder islamistische Gefahren im Bilde als das BKA, bei dem viele der jetzigen Sicherheitsbeauftragen von BAYER & Co. ihre Karrieren begannen. Von diesem Wissensvorsprung will die Behörde jetzt profitieren und die Unternehmen im Gegenzug großzügiger mit Informationen versorgen. Zu diesem Behufe trafen sich im April 2006 ca. 70 WirtschaftsvertreterInnen mit den BKAlerInnen. „Es ist eine Tagung, wie es sie in dieser Form und Größenordnung noch nicht gegeben hat“, kommentierte die Hamburger Wochenzeitung Die Zeit den Schulterschluss zwischen den Executives und der Exekutive.

Wenning berät Merkel
BAYER-Chef Werner Wenning hat künftig einen ganz kurzen Dienstweg zu Bundeskanzlerin Angela Merkel. Er gehört mit anderen Top-ManagerInnen dem vom ehemaligen Siemens-Chef Heinrich von Pierer geleiteten „Rat für Innovation und Wachstum“ an. Das Gremium will der Kanzlerin in nächster Zeit „to dos“ in Sachen „grüne Gentechnik“, „Unternehmenssteuerreform“ und „Forschungspolitik“ unterbreiten.

BAYER & Co. kritisieren Umweltpolitik
Der „Bundesverband der deutschen Industrie“ hat in Tateinheit mit der „Deutschen Industrie- und Handelskammer“ (DIHK) eine Kehrtwende in der Umweltpolitik gefordert. Die Lobbyvereine von BAYER & Co. kritisierten unter anderem die Vorschriften zur Luftreinhaltung, zum Deponierungsverbot von organischen Abfällen und zum Handel mit C02-Verschmutzungsrechten. Zudem nehmen die Verbände Anstoß an dem von der Bundesrepublik beschlossenen Kohlendioxid-Reduktionsziel von 40 Prozent bis zum Jahr 2020. „Diese Festlegung ist aus unserer Sicht nicht akzeptabel“, so der DIHK-„Umweltexperte“ Hermann Hüwels.

Großzügige C02-Verschmutzungsrechte
Nach dem Gesetz der EU zum Emissionshandel dürfen BAYER & Co. nur bis zu einem bestimmten Oberwert CO2 ausstoßen, für darüber hinaus gehende Kontingente müssen sie Verschmutzungsrechte hinzukaufen. Dadurch hofften die PolitikerInnen Anreize für Investitionen in umweltschonender Technologie geschaffen zu haben, was die Wirtschaftslobby aber qua Durchsetzung großzügiger Bemessungsgrenzen zu verhindern wusste. In der ersten Runde teilte die Bundesregierung den Konzernen Verschmutzungsrechte zum Nulltarif zu. In der zweiten Zuteilung bekam die Stromwirtschaft nur 85 Prozent der benötigten Kohlendioxid-Zertifikate, die Industrie hingegen 98,5 Prozent. BAYER & Co. müssen also gerade mal Verschmutzungsrechte in der Größenordnung von 1,5 Prozent erwerben oder ihren CO2-Ausstoß entsprechend senken. Als Grund für die schonende Behandlung der Unternehmen gab die Bundesregierung an, deren Wettbewerbsfähigkeit nicht unnötig gefährden zu wollen. Das Erreichen der Klimaschutzziele rückt damit in weite Ferne.

Stromsubvention für BAYER & Co.
Wenn in der Bundesrepublik Branchen wie z. B. die Chemie-Industrie besonders viel Energie und Strom verbrauchen, so belohnt sie der Gesetzgeber. Er ersparte BAYER & Co. den vollen Ökosteuer-Satz und plant jetzt weitere Entlastungen. Die große Koalition will unter anderem die Chemie-, Metall- und Baustoff-Industrie von der Energie- und Stromsteuer befreien. Das Steuergeschenk kostet 20 Millionen im Jahr, und auch die Finanzierung geht zu Lasten der Umwelt. Finanzminister Peer Steinbrück besorgt das Geld nämlich durch eine Kürzung der Biokraftstoff-Förderung.

Zuviel Staat in China
Chinas Wirtschaft boomt. Eine Studie der DEUTSCHEN BANK prognostiziert für die Chemie-Industrie alle zwölf Monate Umsatzsteigerungen von zehn Prozent bis zur Marke „400 Milliarden Dollar“ im Jahr 2015. Aber BAYER und die anderen im Land vertretenen Global Player plagen auch Sorgen. So betätigen sich die in Staatsbesitz befindlichen Chemie-Unternehmen als Aufseher über ihre ausländische Konkurrenz. Zudem ist die Zulassung von neuen Produkten mit hohem bürokratischen Aufwand verbunden. Darum haben BAYER & Co. jetzt über die Europäische Handelskammer die Errichtung einer unabhängigen Regulierungsbehörde und einen Rückzug des chinesischen Staates aus dem Wirtschaftsleben gefordert.

BAYER reist mit Merkel nach China
Wenn ein(e) bundesdeutsche Kanzler(in) eine Reise tut, darf Begleitung von BAYER & Co. nicht fehlen. Die Deutschland AG bestimmte diesmal sogar die Planung des Trips und erreichte eine Vorverlegung des eigentlich erst für den Herbst geplanten Besuches. Den Bossen schien angesichts der Aktiviäten anderer Länder Eile geboten, konnte doch in der Vergangenheit die ausländische Konkurrenz „bei Auftragsvergaben viel häufiger (...) mit einem Regierungsvertreter aus der Heimat punkten“, wie die Bosse beklagten. Auch die Agenda Angela Merkels diktierten die Industrievertreter. So setzten sie der Bundeskanzlerin die immer wieder von chinesischen Unternehmen begangenen Patentverletzungen auf die Tagesordnung. Gegen diese ist der Leverkusener Multi Ende November 2005 sogar gerichtlich vorgegangen. Er verklagte 17 in China ansässige Unternehmen, die BAYERs patentgeschützten Pestizid-Wirkstoff Imidacloprid in Europa vertreiben wollten.

BAYER will Sawicki nicht

Schwarz-Rot plant, zur Begrenzung der steigenden Medikamentenkosten eine „Zweitmeinungspflicht“ einzuführen, nach der ÄrztInnen, die eine neue und daher teurere Arznei verschreiben wollen, dieses nicht ohne den Segen eines zweiten Mediziners bzw. Medizinerin tun können. Zudem soll nach dem Willen der Bundesregierung das Kölner „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWIG) bei ihren Expertisen zu einzelnen Medikamenten künftig das Preis/Leistungsverhältnis stärker in die Bewertung einfließen lassen. Nach längeren Verhandlungen stimmte der von BAYER gegründete „Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller“ dem Vorhaben zu. Im Gegenzug verlangte er aber die Ablösung des IQWIG-Chefs Dr. Peter Sawicki. Aus der Sicht BAYERs wundert das kaum. Sawicki hat sich nämlich in der Vergangenheit immer wieder kritisch über Wirkungen und Nebenwirkungen von BAYER-Arzneien wie GLUCOBAY, ADALAT und TRASYLOL geäußert.

Forschen ohne Haftung
Da haben die LobbyistInnen von BAYER & Co. mal wieder ganze Arbeit geleistet. Bundesforschungsministerin Annette Schavan kündigte an, die GenwerkInnen künftig unbeschwerter forschen zu lassen und ihnen eine Haftung für eventuelle Labor-GAUs zu ersparen. Ein entsprechendes Gesetz ist bereits in Vorbereitung.

EU: Gentech-Gesetz vertagt
Die sonst so regelungswütige EU lässt sich in Sachen „einheitliche Richtlinien für die grüne Gentechnik“ Zeit. Noch immer dürfen die Mitgliedsländer nach eigenem Gusto Lizenzen für Freisetzungsversuche an BAYER & Co. vergeben und Abstandsbestimmungen festlegen, weshalb vor allem Spanien zur Gentech-Spielwiese für die Agromultis mutiert. Als „unfähig“ bezeichnete die grüne EU-Parlamentarierin Hiltrud Breyer die EU-Kommission deshalb. Diese zeigte sich aber von der Kritik unbeeindruckt und sah auch im April 2006 auf einer Gentechnik-Konferenz in Wien keinen erhöhten Handlungsbedarf für eine einheitliche gesetzliche Lösung.

Verheugen gegen Gentechnik-Blockade
BAYER, BASF sowie andere europäische Gengiganten riefen, und EU-Kommissar Günter Verheugen kam und lieferte den Konzernen die gewünschte Rückendeckung in Sachen „grüne Gentechnik“. Auf einem Kongress des Lobbyclubs „EuropaBio“ im September 2005 bezeichnete er die Förderung von Gentech-Entwicklungen als wichtigstes Ziel seiner Amtszeit. „Neue Lösungen für eine nachhaltige Landwirtschaft, höhere Ernteerträge, bessere Futter- und Lebensmittelqualität und erneuerbare Ressourcen“ - dies alles und noch viel mehr hält die Risikotechnologie seiner Meinung nach bereit. Nur noch ein Problem gibt es, die vielen EuropäerInnen, die sich dieser Meinung partout nicht anschließen mögen und Druck auf ihre ParlamentarierInnen ausüben. Genau da will Verheugen jetzt ansetzen. „Wir werden Gespräche mit den Mitgliedsstaaten führen müssen“, kündigte er zur Freude von BAYER & Co. an.

EPA-Bediensteter in Diensten von BAYER & Co.
Ein hochrangiger Angestellter der US-Umweltbehörde EPA hat die Seiten gewechselt und bei einer Rechtsanwaltskanzlei angeheuert, die vorrangig Chemiemultis vertritt. In Sachen „Pestizidversuche an Menschen“ legte James Aidala sich für seine neuen Herren schon einmal mächtig ins Zeug und focht bei einem Meeting mit der Bush-Administration engagiert dafür, BAYER & Co. auch noch zu erlauben, ihre Ackergifte an Kindern zu testen (s. u.).

Pestizidtests an Kindern?
Anfang des Jahres hat die US-Umweltbehörde EPA dem Druck von BAYER & Co. nachgegeben und Menschenversuche mit Pestiziden erlaubt. Die Konzerne spekulieren nämlich darauf, dass die Gifte im Inneren des homo sapiens längst nicht solchen Schaden anrichten, wie vom „Tiermodell“ aus hochgerechnet, und erwarten von den Erprobungen am Menschen eine Lockerung der Grenzwerte. Aber die Lösung geht ihnen noch nicht weit genug. Jean Reimers von BAYER CROPSCIENCE, andere Industrievertreter sowie der Lobbyist James Aidala (s. o.) forderten die Bush-Administration bei einem Meeting im Weißen Haus auf, auch Pestizidtests mit Kindern und schwangeren Frauen zu erlauben.

Emanzipation in Leverkusen?
Diese Klarstellung war anscheinend nötig: „Werner Wenning ist nicht der zweite Bürgermeister von Leverkusen“, betonte Ernst Küchler (SPD) als erster Bürgermeister der Stadt - „und man ahnt, dass es unter den Vorgängern schon mal anders war“, kommentierte die Zeit. Aber der zivilcouragierte OB zerrte an der Leine und wartete gar nicht erst auf das Plazet von BAYER zum geplanten Abriss des ehemaligen Konzern-Kaufhauses sowie des Rathauses. Er fasste sich ein Herz, klopfte selbst beim Oberbayer an und wurde doch tatsächlich mit einem gnädigen „Mach mal“ belohnt. Der erste Schritt in die Selbstständigkeit?

Pinkwart bei BAYER
Anfang Juni 2006 besuchte der NRW-Innovationsminister Andreas Pinkwart das Leverkusener BAYER-Werk, um eine vermeintliche Innovation in Augenschein zu nehmen: den mit Plaste & Elaste made by BAYER verfertigten neuen WM-Ball. Dieser ist jetzt nämlich dank der mittels BAYER-Kunststoffen zu Wege gebrachten Erhöhung der Schichtdicke des Obermaterials noch runder! Nur 1 Prozent fehlt noch zur physikalisch korrekten Kugel. Der Minister kriegte sich kaum wieder ein. „Dieser Ball und die darin steckende Materialforschung ist ein gutes Beispiel für die Innovationskraft des Landes“, lobte er.

MCS darf es nicht geben
Der an multipler Chemikalienunverträglichkeit (MCS) leidende Stefan Reiring kämpft seit langem für seine Rechte und hat es tatsächlich geschafft, dass die Rentenversicherung MCS bei ihm als Krankheit anerkennt. Im Zuge dieser Arbeit hat er minutiös dokumentiert, wie BAYER & Co. versuchen, diese Erkrankung als eine psychisch bedingte abzutun, um ungefährdet weiterhin gesundheitsschädliche Chemikalien produzieren zu können. Als ein Instrument hierfür gilt ihnen die „Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin“, der neben BAYER, BASF, SHELL, WACKER-CHEMIE, zahlreiche andere Konzerne sowie Berufsgenossenschaften und UniversitätsvertreterInnen angehören. Die Gesellschaft produziert dann auch Entlastungsgutachten auf Bestellung, wobei die der Einrichtung verbundenen WissenschaftlerInnen nicht mal vor Fälschungen zurückschrecken, um die Existenz der multiplen Chemikalienunverträglichkeit zu leugnen.

Bushs‘ Gesundheitsreform
Die Wahlkampf-Spenden des Leverkusener Chemie-Multis für George W. Bush in Höhe von 120.000 Dollar zahlen sich aus (siehe auch Ticker 2/03). Der US-Präsident brachte eine für die Pharmariesen äußerst lukrative Gesundheitsreform auf den Weg. Er führte eine Krankenversicherung mit Kopfpauschale ein, welche die MitgliederInnen monatlich 25 Dollar kostet, dazu kommen noch diverse Zuzahlungen. Zu den prominentesten Kritikern des so genannten Prescription Drug Plans zählt der demokratische Senator Edward Kennedy. Er zitierte Berechnungen, nach denen 61 Prozent des Krankenversicherungsgeldes als Profite bei BAYER & Co. landen.

PROPAGANDA & MEDIEN

Werbung für ASPIRIN als Herzmittel
Die herzinfarkt-vorbeugende Wirkung von ASPIRIN ist in der Fachwelt sehr umstritten (siehe auch DRUGS & PILLS). Trotzdem wirbt BAYER in großen Anzeigen für ASPIRIN als Mittel zur Stärkung des Herzens.

Neue VFA-Kampagne
Der von BAYER gegründete „Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller“ (VFA) hat eine neue Kampagne gestartet. Unter dem Motto „Forschung ist die beste Medizin“ wirbt der Lobby-Verein für die ach so innovativen Pharmariesen. Leider ist es mit ihrem Erfindungsreichtum nicht allzu weit her. So verbucht die US-Gesundheitsbehörde FDA nur knapp ein Viertel der 995 seit 1990 in den Vereinigten Staaten neu zugelassenen Medikamente unter der Rubrik „medizinischer Fortschritt“. Bei drei Viertel von ihnen handelt es sich dagegen um Schein-Innovationen, welche bloß die Funktion haben, ökonomische Fortschritte für BAYER & Co. einzuleiten. Zudem haben in sehr vielen Fällen staatliche Forschungseinrichtungen die Grundlage für bislang unbekannte Arznei-Therapien gelegt, und die Kreativität von BAYER & Co. bestand lediglich darin, dieses Wissen einzukaufen.

TIERE & VERSUCHE

Wieder mehr Tierversuche
Seit 1997 steigt die Zahl der Versuchstiere wieder kontinuierlich. Verendeten in jenem Jahr „nur“ 1,5 Millionen Kreaturen in den Laboren von BAYER & Co., so starben 2004 bereits 2,2 Millionen einen grausamen Tod. Tatsächlich dürften es noch eine halbe Million mehr sein, denn neuerdings finden die vor allem in der Grundlagenforschung vorgenommenen Tötungen zu wissenschaftlichen Zwecken keine Aufnahme in die Statistiken mehr.

DRUGS & PILLS

Pillen-Paradies USA
In den USA betragen die Gesundheitskosten 14 Prozent des Bruttosozialproduktes. Einen großen Anteil daran haben die exorbitant hohen Pillenpreise, welche die Vereinigten Staaten zu einem Profit-Paradies von Big Pharma machen. Die Pro-Kopf-Ausgaben für Medikamente belaufen sich auf jährlich 728 Dollar - zum Vergleich: In der Bundesrepublik sind es „nur“ 393 Dollar. Als Folge davon stehen staatliche Einrichtungen wie „Medicaid“, die für sozial Schwache die Arznei-Kosten übernehmen, vor dem Finanzkollaps. Auf 14 Milliarden beläuft sich allein in Florida ihr jährlicher Etat. Die bisherigen Steigerungsraten zugrunde gelegt, müsste der Bundesstaat 2015 bereits 60 Prozent seines gesamten Haushaltes für „Medicaid“ aufwänden.

Patentschutz ist Profitschutz
Über die Apotheken-Theken gehen in der Bundesrepublik zu 53 Prozent Nachahmerpräparate, zu 27 Prozent patentgeschützte Arzneien und zu 20 Prozent Originalmedikamente, deren Patent abgelaufen ist. Aber der Umsatz-Anteil der patentgeschützten Pillen beträgt 61 Prozent. Darum versucht BAYER mittels Scheininnovationen wie etwa CIPROBAY zum Inhalieren die Lizenz zum Gelddrucken möglichst lange zu behalten.

Pillen im Praxistest
Unbedarfte ZeitgenossInnen halten es für den Zweck von Arzneimitteltests, den Risiken und Nebenwirkungen der Präparate auf die Spur zu kommen. Weit gefehlt. Die von BAYER & Co. durchgeführten Untersuchungen sollen vor allem die Wirksamkeit der getesteten Substanz belegen und werden auch so gestaltet. Bei dem so genannten „Studien-Design“ arbeiten die PharmakologInnen mit viel Fingerspitzengefühl daran, gerade so viele Testpersonen zu haben, um den pharmazeutischen Effekt belegen zu können. Sie wissen nämlich genau, dass eine Ausweitung der Testzone auch die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Nebenwirkungen erhöht und so die Zulassung gefährdet. So stellen sich bei 20 bis 25 Prozent aller neu auf den Markt gekommenen Medikamente unerwünschte Arzneieffekte ein, welche die Pharma-ForscherInnen während der klinischen Erprobungen „übersehen“ hatten. Großbritannien hat darauf jetzt reagiert und BAYER & Co. verpflichtet, auf den Packungen der Neuheiten als Warnhinweis ein schwarzes Dreieck anzubringen. Auch erstatten ihnen die Krankenkassen in der „Bewährungszeit“ ebenso wenig den vollen Preis für die Arznei wie sie es in den meisten anderen Ländern tun - die Bundesrepublik bildet da eine unlöbliche Ausnahme.

Pharma-DrückerInnen im Krankenhaus
BAYER & Co. nutzen massiv Krankenhäuser als Startrampen zur Einführung neuer Arzneien. Die Pharma-Riesen gewähren den Kliniken großzügige Rabatte für die Pillen und spekulieren dann darauf, dass die HausärztInnen der PatientInnen die Medikation zu normalen Marktkonditionen fortführen, was diese allzuoft auch tun.

Pharma-DrückerInnen in Praxen
An 170 Tagen im Jahr erhält eine bundesdeutsche MedizinerInnen-Praxis durchschnittlich Besuch von einem der 15.500 Pillen-ReferentInnen in Diensten von BAYER & Co.

ASPIRIN: Kein Herzinfarkt-Schutz
Die vorbeugende Einnahme von ASPIRIN schützt Frauen nicht vor Herzinfarkten. Dies ergab eine Untersuchung mit 40.000 weiblichen Probandinnen, welche ein WissenschaftlerInnen-Team um Paul Ridger von der Harvard Medical School vorgenommen hat. Bei Schlaganfällen stellten die ForscherInnen indes einen geringen prophylaktischen Effekt fest. Die Nebenwirkungen überwogen allerdings die von BAYER eifrig beworbenen Wirkungen: Bei den Testpersonen kam es teilweise zu schweren Blutungen.

Streit um ASPIRIN-Resistenz
In den USA gelang es BAYER mit einem großem Werbe-Aufwand, ASPIRIN als herzinfarkt-vorbeugendes Medikament zu etablieren, obwohl diese Wirkung in der Fachwelt umstritten ist (s. o.). Jetzt aber droht die Kampagne ein Opfer ihres Erfolges zu werden. In den medizinischen Zeitschriften mehren sich die Artikel über eine ASPIRIN-Resistenz. Allerdings haben viele AutorInnen Verbindungen zu Pharma-Konzernen, die ASPIRIN-Tests oder Alternativ-Produkte herstellen. WissenschaftlerInnen mit - nicht immer offen gelegten - Verbindungen zu BAYER wiederum schreiben fleißig Entwarnungsaufsätze, so dass sich die Medienmanipulationen gegenseitig neutralisieren und unbeteiligte BeobachterInnen gar nicht mehr wissen, was nun eigentlich Sache ist.

Asthma durch CIPROBAY & Co.
Mit Antibiotika wie BAYERs CIPROBAY behandelte Kleinkinder tragen ein höheres Risiko, im späteren Leben an Asthma zu erkranken. Dies ergab eine Studie eines WissenschaftlerInnen-Teams unter Leitung von Fawziah Marra, die an der Universität von British Columbia in Vancouver durchgeführt wurde. Marra kritisierte deshalb die gängige Verschreibungspraxis der MedizinerInnen, die sogar Antibiotika-Rezepte ausstellen, wenn CIPROBAY & Co. - wie im Fall von Virus-Infektionen - gar nichts ausrichten können.

Höheres Infarkt-Risiko durch ADALAT
Nach einer bereits 1995 von Dr. Bruce Psaty im Journal of the American Medical Association (JAMA) veröffentlichten Studie senken BAYERs ADALAT und andere zur Bluthochdruck-Behandlung eingesetzte Kalzium-Antagonisten das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko der PatientInnen nicht in dem Maße wie die - weit billigeren - Entwässerungstabletten (Diuretika). Der Hersteller PFIZER reagierte sofort und machte Psatys Universitätsleitung Druck. Auch der Leverkusener Pharmariese entfaltete Aktivitäten. Er ließ einen eingekauften Experten „Arztbriefe“ schreiben, in denen er versuchte, Entwarnung in Sachen „ADALAT“ zu geben. Aber das ging nach hinten los. „PFIZER hat mehr zur Bekanntheit unserer unerwünschten Studie beigetragen, als ich allein es je vermocht hätte. Und BAYER vielleicht auch“, sagte der Mediziner. Die US-Gesundheitsbehörde FDA änderte im Jahr 2003 aufgrund der Erkenntnisse von Psaty ihre Behandlungsrichtlinien für Bluthochdruck und empfahl Diuretika statt Kalzium-Antagonisten. BAYER & Co. interventierten umgehend und hatten nach langer Arbeit 2006 schließlich Erfolg. Die FDA berief 12 ExpertInnen zur Ausarbeitung neuer Therapieregeln, von denen acht Verbindungen zur Pharma-Industrie hatten, unter ihnen William R. Hiatt, der im Auftrag BAYERs die segensreiche Wirkung von ADALAT bei infarktgefährdeten DiabetikerInnen entdeckte. Und so bekam die Behörde, was sie bestellte. „Eine Vielzahl von Arzneien unterschiedlicher Medikamentenklassen, deren einzige Gemeinsamkeit es ist, den Bluthochdruck zu senken, können das Herzinfarktrisiko reduzieren“, stellte das abhängige Gremium fest und rehabilierte ADALAT & Co. damit wieder.

Vitamine senken Cholesterinspiegel nicht
Nach einer an der Universität Köln von Dr. Heiner Berthold durchgeführten Studie ist BAYERs Vitamin-Präparat ONE-A-DAY-CHOLESTEROL PLUS ebenso wenig wie vergleichbare Mittel geeignet, den Cholesterinspiegel zu senken. Die Cholesterin-Werte der pillenschluckenden Testpersonen unterschieden sich von den aus der Plazebogruppe nicht. Damit dokumentierten die WissenschaftlerInnen die Wirkungslosigkeit des ONE-A-DAY-CHOLESTEROL PLUS-Inhaltstoffes Policosanol, eines alkoholischen Zuckerrohr-Exstraktes.

GENE & KLONE

Gentech stillt Hunger nicht
BAYER-ManagerInnen preisen gentechnisch veränderte Pflanzen gerne als Mittel zur Lösung des Hungerproblems an. Dieses Argument findet jedoch immer weniger FürsprecherInnen. So erklärte der Generalsekretär der Welternährungsorganisation FAO, Jacques Diouf, 2005 auf einer Konferenz in Kopenhagen: „Bei dem Ziel, die Halbierung der Zahl der Hunger leidenden Menschen bis 2015 zu erreichen, hat der Einsatz gentechnisch veränderter Organismen keine Priorität“. Dazu wären nach Meinung des Wissenschaftlers Harald Witt vielmehr Maßnahmen wie die Züchtung dürreresistenter Pflanzen, eine Verbesserung der Bewässerung und Investitionen in die Infrastruktur nötig.

Kritik an EU-Lebensmittelbehörde
Die innerhalb der EU für die Genehmigung von Gentech-Pflanzen zuständige Lebensmittelbehörde EFSA sieht sich wachsender Kritik ausgesetzt. Die Institution entscheidet nämlich stets nach der Aktenlage der Konzerne. Ohne eigene Untersuchungen zu Risiken und Nebenwirkungen der Laborfrüchte durchzuführen, bilden alleine die Unterlagen von BAYER & Co. die Grundlage für ihre Urteile, die infolgedessen auch allzu oft positiv ausfallen. Umweltkommissar Stavros Dimas räumte auf einer Konferenz in Wien dann auch Handlungsbedarf ein. „Viele Mitgliedsstaaten fordern, mögliche Langzeiteffekte auf die Umwelt stärker zu berücksichtigen“, so Dimas. Er sicherte deshalb zu, die Arbeitsweise der EFSA zu überprüfen. Aber eine Reform dürfte sich gegenüber der sehr industrie-freundlichen EU-Kommission nur sehr schwer durchsetzen lassen.

Genreis-Sicherheitsstudie fehlt
Der Leverkusener Chemie-Multi hatte bei der EU vor einiger Zeit einen Antrag auf Import-Genehmigung für eine gentechnisch gegen das Anti-Unkrautmittel LIBERTY LINK (Wirkstoff: Glufosinat) resistent gemachte Reis-Sorte gestellt. Die zuständigen Stellen verlangten von BAYER jedoch zusätzliche Sicherheitsstudien. Da der Konzern diese nicht rechtzeitig beibringen konnte, verzögert sich die Entscheidung weiter.

Genreis in Südamerika
In Europa wagte es BAYER gar nicht erst, eine Anbaugenehmigung für genmanipulierten Reis zu beantragen, schon das Verfahren zur Erlaubnis des Genreis-Importes stellt den Konzern vor einige Probleme (s. o.). Deshalb hält das Unternehmen nach Ländern, die das alles nicht so eng sehen (können), Ausschau und versucht jetzt in Südafrika und Brasilien grünes Licht zum Anpflanzen des Labor-Reis' zu bekommen.

Tabakpflanzen gehen in Betrieb
Noch in diesem Jahr will BAYER den Startschuss zur Produktion von Proteinen mit Hilfe von Tabakpflanzen geben. Eine entsprechende Pilotanlage geht 2007 in Betrieb. Als „extrem preisgünstig“ rühmt der Konzern diese Herstellungsart und demonstriert damit einmal mehr, um was es sich bei der Gentechnologie vorrangig handelt: um ein Verfahren zur Kostensenkung.

SCHERINGs Gentech-Erbe
Mit dem Kauf von SCHERING gelangen neben KOGENATE und NEXAVAR mit BETAFERON und LEUKINE weitere Gentech-Medikamente in die Produktpalette von BAYER. Den Wachstumsfaktor LEUKINE mit dem Wirkstoff Sargramostim setzen MedizinerInnen in der Chemotherapie von älteren Leukämie-PatientInnen ein, um die Gefahr von Infektionen zu reduzieren. Bei dem Multiple-Sklerose-Präparat BETAFERON handelt es sich um alten Wein in neuen Schläuchen. Der Wirkstoff Interferon ist nämlich altbekannt, lediglich die Produktionsweise bedient sich gentechnischer Verfahren.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Totgeburten durch Pestizide
In den Gebieten um die mexikanischen Städte Villa Guerrero und Tenancingo, wo es sehr viele kleine BlumenzüchterInnen gibt, kommt es auffallend häufig zu Tot- und Missgeburten. Nach Meinung von WissenschaftlerInnen spielt dabei der Einsatz von hochgiften Pestizidwirkstoffen wie Monocrotophos und Methamidophos, die auch in BAYER-Ackergiften enthalten sind, eine große Rolle. Die zuständigen Behörden haben diese Agrochemikalien schon vor längerer Zeit verboten, aber da die Mittel weniger kosten als neue, bieten Händler sie den ZüchterInnen immer noch an. Aus dem gleichen Grund treibt Monocrotophos auch in Indien noch sein Unwesen (siehe auch SWB 2/06).

Biozidrückstände in Kartoffeln
Auch nach der Ernte bleiben viele Ackerfrüchte nicht vor Pestiziden verschont. Um beispielsweise das Auskeimen von Kartoffeln zu verhindern, behandeln die LandwirtInnen sie mit Chemikalien wie Chlorpropham oder Thiabendazol, wie sie auch BAYER anbietet. Diese Substanzen lassen sich dann auch in den Knollen nachweisen. So hat das Lebensmittelinstitut Oldenburg in 39 Prozent aller untersuchten Proben Rückstände von Chlorpropham gefunden, die aber glücklicherweise alle unter der gesetzlich festgelegten Höchstgrenze lagen.

Chlorpyrifos schädigt den Organismus
Chlorpyrifos, Wirkstoff der BAYER-Insektenmittel BLATTANEX, PROFICID und RIDDER, greift schon in geringsten Dosen das Nervensystem an. Nach einem von J. E. Aldridge und anderen ForscherInnen in der Zeitschrift Environmental Health Perspectives veröffentlichten Aufsatz steigert es den Ausstoß des Botenstoffes Serotonin, was zu Depressionen und Verhaltensstörungen führen kann. Einer in dem Fachorgan Epidemiology publizierten Untersuchung zufolge senkt Chlorpyrifos zudem den Testosteron-Spiegel im Körper und wirkt sich so schädigend auf die Fruchtbarkeit aus. Trotz zahlreicher ähnlicher Befunde über neurotoxologische Risiken und Nebenwirkungen von Chlorpyrifos hat die EU HobbygärtnerInnen und LandwirtInnen die Anwendung des Organophosphates weiterhin erlaubt. Die Zulassung als Haushaltsinsektizid unterzieht Brüssel gerade einer Überprüfung.

Obst und Gemüse voller Pestizide
Die EU fahndete in 60.000 im Jahr 2004 genommenen Lebensmittelproben nach Pestiziden und wurde fast jedes zweite Mal fündig. 47 Prozent des Obstes und Gemüses wiesen Spuren von Agrochemikalien auf - so viel wie nie seit den 1996 begonnenen Tests. Zu allem Unglück tummelten sich in mehr als einem Fünftel der Proben gleich mehrere Ackergifte von BAYER & Co.. „Die Lage ist inzwischen ernst“, kommentierte der GREENPEACE-Chemieexperte Manfred Krautter die Untersuchungsergebnisse, „doch während Chemieindustrie und Landwirte immer mehr Gifte auf Äckern und Obstplantagen spritzen, greifen weder EU-Kommission noch die Verbraucher- und Landwirtschaftsminister der Länder gegen die steigende Giftbelastung ein“.

Sichere Lebensmittel durch BAYER?
„Lebensmittel waren noch nie so sicher wie heute. Damit dies auch so bleibt, hat BAYER CROPSCIENCE (BCS) ein “Food Chain Team„ eingerichtet, das in Zukunft Obst- und Gemüsebauern, Lebensmittelproduzenten, Importeure und Händler weltweit in allen Belangen der Produktionen unterstützen will“, vermeldet das Propagandaorgan BAYER report. Es verhält sich wohl eher so: Die ständigen Meldungen über Pestizid-Rückstände in Lebensmitteln drohen sich mittlerweile geschäftsschädigend auszuwirken, so dass der Konzern sich zumindest zu symbolischen Aktionen zur Herauslösung der Pestizidkette aus der Nahrungskette veranlasst sah.

Bienensterben geht weiter
Die Meldungen über das Sterben von Bienenvölkern, die Agrochemikalien zum Opfer fallen, reißen nicht ab. Im Frühjahr wandten sich ein spanischer und ein serbischer Imker mit der Bitte um Informationen zum BAYER-Pestizid GAUCHO, das in Frankreich wegen seiner bienenschädlichen Wirkung für einige Anwendungen bereits verboten ist, an die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (siehe auch RECHT & UNBILLIG).

WASSER, BODEN & LUFT

Weitere Chrom-Untersuchungen
Das Grundwasser in der Umgebung des im südafrikanischen Durban gelegenen BAYER-Werks ist stark durch Krebs erregende Chrom-Verbindungen belastet (siehe auch SWB 4/04). Auf Druck der Initiative SOUTH DURBAN ENVIRONMENTAL ALLIANCE haben die ManagerInnen der jetzt zu LANXESS gehörenden Niederlassung mit der Sanierung begonnen und einen Austausch der Wasserrohre veranlasst. Aber kooperationswillig zeigt sich die Chefetage nur bedingt. So hat sich LANXESS nicht an die Zusage gehalten, gemeinsam mit den UmweltschützerInnen entnommene Wasserproben auch im Labor zu analysieren.

GIFTIG & ÄTZEND & EXPLOSIV

PCBs beeinflussen weiblichen Zyklus
Polychlorierte Biphenyle (PCB) verändern den Menstruationszyklus. Das haben WissenschaftlerInnen des „National Institute of Health“ herausgefunden. Sie untersuchten 2.300 Frauen und stellten einen Zusammenhang zwischen einer erhöhten PCB-Menge im Blut und einem verlängerten Zyklus fest. Bis zu ihrem Verbot 1985 gehörte der Leverkusener Multi zu den Hauptanbietern der hauptsächlich als Weichmacher, Kühlmittel oder Isoliermaterial verwendeten Substanz, die sich nur äußerst langsam abbaut und deshalb immer noch ihre gesundheitsschädliche Wirkung entfaltet.

Bisphenol bis zum bitteren Ende
Die EU zeigt sich von neueren Untersuchungen zur Gefährlichkeit von Bisphenol A (siehe Ticker 1/06) unbeeindruckt. Nach Ansicht der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit hat Biphenol A, das unter anderem in Innenbeschichtungen von Konservendosen Verwendung findet, weder eine Krebs erregende noch eine Erbgut schädigende Wirkung, wenn die Aufnahmemenge 0,15 Milligramm pro Kilo Körpergewicht nicht übersteigt. BAYER braucht sich um den Absatz der Chemikalie also vorerst keine Sorgen zu machen.

Giftige Gerbstoffe in Schuhen
Nach einer Stichproben-Untersuchung der WDR-Sendung markt befinden sich in vielen Schuhen giftige Chemikalien. Jedes dritte der 20 getesteten Sandalen-Paare wies eine Chrom-(VI)-Konzentration auf, die über dem zulässigen Grenzwert lag. Das Metall kann Allergien und in höheren Konzentrationen auch Krebs auslösen. Den Anfang der Produktionskette von Chrom (VI) fand das TV-Team in einer Gerberei: ein dicker Sack mit BAYERs CHROMOSOL. Dabei handelt es sich um einen Stoff zum Gerben des Leders. Immer wenn nach dem Gerbprozess Chromverbindungen im Leder verbleiben, können sie mit Sauerstoff reagieren, woraus dann die gefährliche Chrom (VI)-Verbindung entsteht.

PLASTE & ELASTE

BAYER investiert 700 Millionen
BAYER MATERIAL SCIENCE will bis 2008 die Summe von 700 Millionen Euro investieren. Einen Großteil der Summe steckt der Teilkonzern in Errichtung bzw. Ausbau von Fertigungsstätten in China. Ein weitere Teil geht ins US-amerikanische Baytown, wo das Unternehmen die gefährliche Chlorchemie vorantreiben will. Der Rest bleibt für den Umbau der MATERIAL SCIENCE-Zentrale in Leverkusen übrig.

NANO & CO.

BAYER entwickelt Nanoröhrchen
Die Nanotechnik arbeitet mit mikroskopisch kleinen Werkstoffen. BAYER hat nach diesem Verfahren jetzt winzige Kohlenstoff-Röhrchen entwickelt, die andere Materialien leitfähiger machen oder elektromagnetisch abschirmen. Aber aus medizinischer Sicht gilt das „small is beautiful“ nicht. UmweltschützerInnen warnen vor der Nanotechnologie, weil bei der Fertigung der feinen Substanzen ebenso feine Stäube entstehen, die alle Filteranlagen passierend in die Luft gelangen - und von dort auch in den menschlichen Organismus, wo sie Atemwegserkrankungen auslösen können. Auch zur Produktsicherheit von Waren mit Nanoteilchen bestehen noch viele Fragen.

BAYER macht bei „Nanocare“ mit
Wer wäre geeigneter, die Gefährlichkeit der Nanotechnologie (s. o.) zu untersuchen, als die Konzerne, die mit dieser viel Geld verdienen wollen, dachte sich die Bundesregierung und unterstützt einen Forschungsverbund von BAYER und anderen Konzernen, Universitäten und Forschungseinrichtungen mit fünf Millionen Euro. 2,6 Millionen gibt die Industrie dazu, damit sie an Ergebnissen auch tatsächlich das bekommt, was sie haben will.

STANDORTE & PRODUKTION

Pipeline für BAYER & Co.
Seit 1998 plant das Land Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit BAYER & Co. ein Pipeline-System zum Transport des Kunststoff-Vorproduktes Propylen, das die Hafenstädte Rotterdam und Antwerpen mit den Chemie-Standorten der Region verbindet. Als ein Zeichen dafür, „dass wir die chemische Grundversorgung erstmals als eine öffentliche Infrastruktur-Aufgabe sehen“, wollte der ehemalige Landesvater Wolfgang Clement das Röhrenwerk verstanden wissen. Im Januar 2006 bewilligte die EU das Vorhaben und sicherte auch finanzielle Unterstützung zu. Zu den Kosten von 200 Millionen Euro steuert Brüssel nicht weniger als 22 Millionen bei, das Land NRW überweist 18,7 Millionen, und für den Rest kommt ein von BAYER & Co. gegründetes Konsortium auf. Wirtschaftsministerin Christa Thoben begründete die angesichts der Kassenlage unerwartete Spendabilität der Landesregierung arbeitsmarktpolitisch: „Das Projekt sichert 10.000 Arbeitsplätze in NRW“, so die CDU-Politikerin.

Aus für Feuerwehr in Wolfenbüttel
Schon seit geraumer Zeit versucht BAYER, die Werksfeuerwehren überall, wo es geht, aufzulösen. Nachdem der Konzern die BrandlöscherInnen in Wuppertal abwickelte (Ticker 1/06), mussten jetzt die Wolfenbütteler KollegInnen dran glauben. Da der Agromulti an diesem Standort die Pestizidwirkstoff-Produktion aufgab, entfiel auch die gesetzliche Pflicht, eine eigene Feuerwehrtruppe zu unterhalten, was das Unternehmen sich nicht zweimal sagen ließ. So sparte es einmal mehr auf Kosten der Sicherheit.

IMPERIUM & WELTMARKT

BAYER verkauft Infektiva-Sparte
Der Leverkusener Multi zählt Medikamente zur Behandlung von Infektionskrankheiten nicht länger zu seinem „Kerngeschäft“ und verkaufte die Sparte an die SANTO HOLDING AG.

BAYER verkauft Impfstoff-Werk
Der Leverkusener Multi hat ein Werk in Köln, das Impfstoffe gegen die Maul- und Klauenseuche herstellte, an AKZO-NOBEL verkauft. Wieviele Arbeitsplätze der Deal kosten wird, teilten die Unternehmen nicht mit.

BAYER big in Japan
Der Leverkusener Multi will in den nächsten zwei Jahren 130 Millionen Euro in Japan investieren, wobei Aufwändungen für die Instandhaltung der Produktionsanlagen und für Informationstechnik den Schwerpunkt bilden.

Chinas Gesundheitsmarkt wächst
Die chinesische Regierung plant, in die medizinische Versorgung zu investieren, das Krankenversicherungssystem auszubauen und privat betriebene Apotheken und Krankenhäuser zuzulassen. Unter den Pharmamultis hat dies eine Goldgräberstimmung ausgelöst. Mit einem Umsatz von 250 Millionen Dollar siebtgrößter Pillenproduzent im Land, erwartet BAYER nun kräftige Ertragssteigerungen. Binnen weniger Jahre will es der Leverkusener Multi in dem Land zudem in die Top 3 der Pillenriesen schaffen.

POLITIK & ÖKONOMIE

BAYER die Nr. 57
In der Rangliste der weltweit größten Industrie-Unternehmen nimmt BAYER Platz 57 ein. In der Bundesrepublik ist der Konzern die Nummer 10.

PRODUKTION & SICHERHEIT

Mehr Krebs in Addyston
In Addyston, dem US-amerikanischen Standort von BAYERs Chemie-Abspaltung LANXESS im Bundesstaat Ohio, gehören Störfalle zum Normalfall. Seit der Leverkusener Multi das Werk 1996 von MONSANTO übernahm, ereigneten sich dort 66 Unfälle. Im Herbst 2004 traten zweimal in kurzen Abständen die Krebs erregenden Chemikalien Acrylonitril und Butadien aus. Nach diesen GAUs hat die US-Umweltbehörde EPA eine Untersuchung über die Häufigkeit von Krebs in Addyston angeordnet. Das Ergebnis war erschreckend. Die Erkrankungsrate lag 76 Prozent über dem Landesdurchschnitt.

EU lehnt Phosgen-Beschwerde ab
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hatte im Jahr 2004 gemeinsam mit dem BUND bei der EU eine Beschwerde zur Erweiterung der Phosgen-Produktion im Uerdinger BAYER-Werk eingereicht. Die Gefährlichkeit des Gases im Allgemeinen und das Fehlen einer Umweltverträglichkeitsprüfung im Besonderen hatten die beiden Initiativen zu diesem Schritt veranlasst. Zwei Jahre später (!) kam nun die Antwort. Weder an der von BAYER über die Phosgen-Produktion verhängten Nachrichtensperre noch an dem ausbleibenden Sicherheitscheck nahm die Europäische Union Anstoß.

RECHT & UNBILLIG

Privatklage wg. Kunststoff-Kartell
Kartelle sind Vereinbarungen von Großkonzernen zu Lasten dritter: der VerbraucherInnen. Sie müssen nämlich die erhöhten Preise, auf die sich die Multis geeinigt haben, zahlen. Aus diesem Grund hat im Mai 2006 die Kanadierin Anne Johnson BAYER, BASF und andere Firmen verklagt. Sie will nicht hinnehmen, wegen der von BAYER & Co. vorgenommenen Preisabsprachen im Kunststoffgeschäft ungebührlich viel für Autositze, Möbel, Hockeyschläger oder Isoliermaterial aus Schaumstoff auf den Tisch gelegt zu haben und verlangt von den Unternehmen eine Entschädigung in Höhe von 15 Millionen Dollar.

CIPROBAY-Freispruch aufgehoben
Im Jahr 1997 hatte BAYER einen Patentstreit mit dem Pharma-Unternehmen BARR beigelegt. Gegen die Zahlung von 400 Millionen Dollar willigte BARR ein, keine CIPROBAY-Nachahmerversion auf den Markt zu bringen, ehe der Patentschutz für das Antibiotikum ausläuft. Betroffene PatientInnen, die sich durch diese Einigung um ein preiswertes CIPROBAY-Generikum gebracht sahen, reichten wegen Verstoßes gegen das Kartellgesetz daraufhin eine Sammelklage ein. Im April 2005 wies ein Bundesgericht diese zurück. Knapp ein Jahr später jedoch hob eine höhere Instanz dieses Urteil auf, weshalb der Rechtsstreit „PatientInnen gegen BAYER“ in die nächste Runde gehen kann.

Süllhöfer gibt nicht auf
Seit nunmehr 35 Jahren prozessiert der Düsseldorfer Heinz Süllhöfer gegen BAYER, weil der Leverkusener Chemie-Multi sich seine Erfindung einer Kunststoffplatten-Maschine widerrechtlich angeeignet hat (Ticker berichtete mehrfach). Mittlerweile haben die juristischen Auseinandersetzungen seine finanziellen Mittel erschöpft. Deshalb beantragte er Prozesskosten-Beihilfe, um weiter für sein Recht streiten zu können. Das Gericht lehnte dieses jedoch ab, weil es bisher nicht zu einer strafrechtlichen Verurteilung von BAYER gekommen ist. Um diese herbeizuführen, reichte Süllhöfer unter Berufung auf einen ähnlich gelagerten Fall wiederum Klage ein, der die RichterInnen wiederum nicht stattgaben. Gegen das Urteil legte der ehemalige Hotelier Beschwerde ein. Eine Antwort steht noch aus.

Frankreich: GAUCHO bleibt verboten
Im Jahr 2004 untersagte der französische Staat die Ausbringung des BAYER-Pestizides GAUCHO auf Maisfeldern, da das Ackergift den Tod tausender Bienenvölker verursacht hatte. Der Leverkusener Multi legte gegen die Entscheidung Widerspruch ein, konnte sich aber nicht durchsetzen. Ende April 2006 bestätigten die zuständigen Stellen das Verbot.

Klage gegen AGFA GEVAERT
Ende 2004 hat die ehemalige BAYER-Tochter AGFA GEVAERT ihre Fotosparte an den Unternehmer Hartmut Emans veräußert. Ein halbes Jahr später war diese pleite. Emans gibt AFGA GEVAERT die Schuld an der Insolvenz und hat den belgischen Konzern vor einem Schiedsgericht auf eine Entschädigung in dreistelliger Millionen-Höhe verklagt. Emans wirft der AGFA-Muttergesellschaft vor, ihm durch den Entzug der Rechte an der Marke „AGFA“ eine erfolgreiche Geschäftspolitik unmöglich gemacht zu haben und ihn bei den Verhandlungen über die Ertragsaussichten von AGFA-PHOTO getäuscht zu haben. Bezifferte das AGFA GEVAERT-Management in dem Verkaufsprospekt die von 2005 bis 2007 zu erwartenden Gewinne auf 446 Millionen, so kam eine interne Vorstandsvorlage auf ein Minus von 477 Millionen. Zudem hat die Geschäftsleitung Einnahmen nicht an AGFA-PHOTO weitergeleitet.

AGFA-Beschäftigte erfolgreich
Auch nach Meinung des Solinger Arbeitsgerichtes ging es bei dem Verkauf von AGFA-PHOTO (s. o.) nicht mit rechten Dingen zu, weshalb noch Ansprüche ehemaliger Beschäftigter gegen die Muttergesellschaft AGFA GEVAERT bestehen. Mit ihrem Urteil gab sie einer Klage einstiger AGFA-PHOTO-WerkInnen statt, die noch ausstehende Zahlungen aus Vorruhestands- oder Altersteilzeit-Vereinbarungen eingeklagt hatten. Nach Meinung ihres Rechtsanwaltes könnte dieses Beispiel Schule machen und die AGFA GEVAERT Millionen kosten.

FORSCHUNG & LEHRE

Pittsburgh: BAYER stiftet Professu

[CO2 Emissionen] STICHWORT BAYER 01/2006

CBG Redaktion

BAYER: weiterhin hohe Treibhausgas-Emissionen

Mogelpackung Klimaschutz

Der BAYER-Konzern untermauert sein vorgebliches Umwelt-Engagement mit seinen Anstrengungen für den Klimaschutz. Das Unternehmen habe „die Emissionen in den vergangenen 15 Jahren weltweit um über 60 Prozent reduziert“ heißt es in den Umweltberichten. Eine genauere Analyse zeigt jedoch, dass die Senkung des CO2-Ausstoßes größtenteils auf den Verkauf einer Unternehmensbeteiligung und den gestiegenen Fremd-Bezug von Energie zurückzuführen ist. Dies schönt die Konzernbilanz, hilft aber dem Klima in keinster Weise. BAYER lenkt davon ab, dass das Unternehmen nach wie vor zu den größten Produzenten von Treibhausgasen in Deutschland gehört und wenig für realen Klimaschutz getan hat.

von Philipp Mimkes und Prof. Jürgen Rochlitz

Seit den 70er Jahren kritisieren UmweltschützerInnen die von dem BAYER-Konzern ausgehenden ökologischen Probleme. Neben den Emissionen in Luft und Wasser, der Abfall-Produktion und dem gewaltigen Verbrauch von Wasser und Energie gefährden langlebige Produkte wie PCB, Pestizide, Weichmacher und Chlororganika die Umwelt.

Um das zwischenzeitlich stark gesunkene Ansehen in der Öffentlichkeit aufzubessern, wurde der Konzern in verschiedenen Bereichen aktiv. So startete BAYER Kooperationen mit „glaubwürdigen Partnern“ wie den Vereinten Nationen, der Weltgesundheitsorganisation, der UN-Umweltbehörde UNEP, Universitäten und medizinischen Einrichtungen. Der Multi wurde Mitglied in „grünen“ Unternehmerverbänden wie dem World Business Council for Sustainable Development, der Business Action for Sustainable Development oder dem Forum Nachhaltige Entwicklung. Spenden von BAYER gehen an WissenschaftlerInnen, karitative Einrichtungen, Selbsthilfegruppen und sogar Umweltverbände. Der Konzern flankiert all diese Aktivitäten mit umfangreicher Öffentlichkeitsarbeit, um besonders solche Bereiche, in denen das Unternehmen in der Kritik steht, positiv zu besetzen.

Die gesamten Ausgaben für solche goodwill-Aktivitäten liegen bei einigen Millionen Euro jährlich und damit im Promillbereich des Konzerngewinns – wobei zu beachten ist, dass BAYER seine Steuerlast in den vergangenen Jahren durch „kreative Buchhaltung“ um Milliardenbeträge gedrückt hat.

Vorreiter beim Klimaschutz?
Nachdem BAYER längere Zeit bei seiner Außendarstellung die Mitwirkung im UN Global Compact in den Vordergrund rückte, wird in den Publikationen des Konzerns seit rund zwei Jahren der „nachhaltige Beitrag zum Klimaschutz“ an erster Stelle genannt. Weder im Geschäftsbericht noch auf der homepage sowie in zahlreichen Pressemitteilungen fehlt der Hinweis auf die „Vorreiterrolle bei der Reduktion der Emissionen, durch die der Konzern sowohl die nationalen als auch die internationalen Zielvorgaben bereits heute übertroffen hat“.

Präzisiert wird dies im Bayer-Nachhaltigkeitsbericht 2004 , wo es heißt: „Konzernweit wurde die direkte Emission klimarelevanter Gase seit 1990 deutlich über 60% reduziert“ – von 15,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent (1992) auf 5,4 Mio Tonnen (2003). Der CO2-Ausstoß sank von 10,1 auf 5,2 Mio Tonnen, darüber hinaus wurde die Emission klimaaktiver Gase (im wesentlichen Lachgas Distickstoffoxid oder N2O) stark reduziert. Damit habe „der Bayer-Konzern das Ziel einer 50-prozentigen Verringerung der direkten Emission von Treibhausgasen von 1990 bis zum Jahre 2010 bereits Ende 2002 übertroffen“. Die Datenerhebung sei zudem „von unabhängigen Gutachtern überprüft und attestiert worden“.

Rechentricks durch Auslagerungen
Bei genauerer Betrachtung der Daten zeigt sich jedoch, dass der Rückgang der Emissionen im wesentlichen auf drei Entwicklungen beruht, von denen nur eine tatsächlich ökologisch relevant ist:

1. Im Jahr 2001 wurde eine 50%-ige Beteiligung an der EC Erdölchemie verkauft. Die Erdölchemie hatte fast ein Viertel der Produktionsmenge des BAYER-Konzerns ausgemacht und war für einen CO2-Ausstoß von 3,1 Mio to pro Jahr verantwortlich. Diese Emissionen wurden also nicht eingespart, sondern nur umgebucht - auf das Konto des neuen Besitzers BP.
2. Der Fremdbezug von Energie ist im Berichtszeitraum stark gestiegen - während BAYER im Jahr 1992 noch 83 Prozent seines Energiebedarfs in Form von Elektrizität und Dampf selbst erzeugte, waren es zehn Jahre später nur noch 58 Prozent. Die restlichen 42 Prozent bezog der Konzern von externen Anbietern, weshalb die bei der Erzeugung anfallenden CO2-Emissionen auch nicht mehr in BAYERs Klimabilanz auftauchen.
3. Noch 1990 emittierte der Konzern jährlich rund 16.000 Tonnen des extrem klimaschädlichen Lachgases. Diese Menge konnte er bis heute um 90% reduzieren.

Nur die von Umweltschützern seit langem geforderte Reduktion des Lachgas-Ausstoßes ist also tatsächlich ökologisch hilfreich. Die Emissionen der Erdölchemie fallen weiterhin an, ebenso die der Energie-Zulieferer. Die von Unternehmens-Sprechern behauptete Verringerung der Emissionen beruht also zum größten Teil auf Umstrukturierungen und veränderter Buchhaltung - was dem Klima zwar nichts nutzt, aber die BAYER-Bilanz besser aussehen lässt.

Kritik auch von Unternehmensberatung
Sogar die – eigentlich konzernfreundlichen – Unternehmensberatungen ARTHUR D. LITTLE und DR. HARDTKE monieren die geschönte Darstellung in ihrer Beurteilung des BAYER-Nachhaltigkeitsberichts: „Zusätzlich zum Energieverbrauch werden auch die CO2-Emissionen berichtet. Allerdings ist diese Information von begrenzter Relevanz, weil Emissionen aus der Produktion extern erzeugter Energie nicht berücksichtigt werden und die berichtete Reduzierung zum Teil aus dem zunehmenden „Out-sourcing“ der eigenen Energieerzeugung resultiert.“

Erst beim näheren Hinsehen erschließt sich also, was BAYER mit dem Ausdruck „direkte Emissionen“ meint. Die für den Klimaschutz einzig relevante Größe – der CO2-Ausstoß in der gesamten Produktionskette – wird nicht angegeben und lässt sich aus den bereitgestellten Daten auch nicht ermitteln. Gegenüber der Presse wird die sprachliche Unterscheidung zwischen „Emissionen“ und „direkten Emissionen“, die den meisten LeserInnen sowieso unklar ist, denn auch häufig fallen gelassen – so spricht Unternehmenssprecher Michael Schade mehrfach von „60% reduzierten Emissionen von Treibhausgasen“ – eine bewusste Irreführung der Öffentlichkeit.

Berechnung tatsächlicher Emissionen
Der absolute Ausstoß von Klimagasen (BAYER-Werke plus Energie-Zulieferer) geht aus dem BAYER Nachhaltigkeitsbericht nicht hervor und lässt sich nur überschlagsmäßig berechnen.

Um die Entwicklung von 1990 bis 2002 näher analysieren zu können, muss zunächst eine vergleichbare Betriebsgröße betrachtet werden, denn der Verkauf des 50%-Anteils an der Erdölchemie hat nichts mit Klimaschutz zu tun. Für die weitere Betrachung lösen wir daher die CO2-Emissionen der Erdölchemie aus dem Zahlenwerk heraus. Nimmt man an, dass der Klima-Ausstoß der Erdölchemie in etwa konstant bei 3,1 Mio Tonnen jährlich blieb, so verringerten sich die CO2-Emissionen des Rest-Konzerns (BAYER minus Erdölchemie) von 1990 bis 2002 von 7,0 auf 5,2 Mio Tonnen.

Für eine ernstzunehmende Darstellung müssen nun noch die Emissionen der Energie-Zulieferer addiert werden. Laut BAYER Nachhaltigkeitsbericht verdoppelte sich der Fremdbezug von Energie von 28 Petajoule 1990 auf 57 Petajoule 2002 (Strom: 25 auf 35 Petajoule, Dampf: 3 auf 22 Petajoule). Dieser Energieverbrauch lässt sich im Prinzip in eine CO2-Bilanz umrechnen, dafür müsste aber der Strommix und der Typ der Lieferkraftwerke (Kohle, Gas, Einsatz von Kraft-Wärme-Kopplung, etc) bekannt sein.

Im Fall relativ klimafreundlicher Erdgaskraftwerke entstehen bei der Herstellung von einem Petajoule elektrischer Energie rund 160.000 Tonnen CO2 . Selbst wenn man den stark gestiegenen Bezug von Dampf vollkommen unberücksichtigt lässt, ergibt sich somit ein Anstieg der CO2-Emissionen der Energie-Zulieferer von 4,0 Mio to (1990) auf 5,6 Mio to (2002). Addiert man diese Zahlen zu den „direkten“ Emissionen, so sieht man, dass der CO2-Ausstoß in der gesamten Zulieferkette des BAYER-Konzerns lediglich von 11,0 Millionen Tonnen (1990) auf 10,8 Millionen Tonnen (2002) fiel.

Diese Rechnung ist wegen der unzureichenden Datenbasis notwendigerweise ungenau. Sollte der von BAYER bezogene Strommix ganz ohne Kohlekraftwerke auskommen (was an den BAYER-Standorten in NRW unwahrscheinlich ist) und stattdessen vermehrt aus Kraft-Wärme-Kopplung stammen, so könnten die Zahlen etwas günstiger liegen. In jedem Fall aber verdeutlicht die Analyse, dass die tatsächliche Klimabilanz von BAYER keineswegs eine Erfolgsgeschichte ist, sondern der CO2-Ausstoß der fortgeführten Betriebsteile auf weiterhin hohem Niveau stagniert und lediglich leicht zurückgegangen ist. Dem Konzern ist vorzuhalten, dass er in seinem immerhin 140-seitigen Nachhaltigkeitsbericht die essentiellen Angaben zu seinen Energie-Zulieferern verschweigt und so eine genaue Berechnung unmöglich macht.

Emissionen bleiben auf höchstem Niveau
Dass es ehrlicher geht, macht ausgerechnet die Konkurrenz aus Ludwigshafen vor. Der größte Chemiekonzern der Welt, die BASF, emittierte 2004 mit 20,7 Mio Tonnen beinahe die doppelte Menge Kohlendioxid. Allerdings hatte es der Chemiegigant nicht nötig, seine Bilanz derart schönzurechnen wie bei BAYER geschehen - die extern bezogene Energie wurde mitberücksichtigt. Im Umweltbericht der BASF heißt es, dass „bei den energiebedingten CO2-Emissionen sowohl die direkten Emissionen der Strom- und Dampferzeugung als auch die indirekten Emissionen durch Import und Export von Strom und Dampf bilanziert werden“.

Es ist instruktiv, die Höhe der Emissionen bei BAYER und BASF mit dem gesamten CO2-Ausstoß in Deutschland zu vergleichen. Dieser beträgt rund 834 Millionen Tonnen jährlich (2004), etwa ein Viertel der europäischen Emissionen. Allein die beiden größten Chemie-Konzerne sind also für knapp 4% der Klimagase in Deutschland verantwortlich, die Chemie bleibt hierzulande nach Strom- und Metallproduktion der Klimaschädiger Nr. 3. Insgesamt kommt die deutsche Industrie auf rund 550 Millionen Tonnen und nimmt in Europa den Spitzenplatz ein. Wirklicher Klimaschutz wäre nur mit einer drastischen Reduktion dieser industriellen Emissionen möglich.

Prima Klima für BAYER
BAYER versteht es trefflich, sich mit der geschönten Klimabilanz in Szene zu setzen. Der Konzern wurde kürzlich in den Climate Leadership Index aufgenommen, den „ersten weltweiten Klimaschutz-Aktienindex“. Auch in den schmucken „Nachhaltigkeits-Fonds“ Sustainability World Index und Dow Jones STOXX Sustainability Index ist der Konzern aufgrund seiner Klimabilanz registriert. Im vergangenen Dezember wurde BAYER im Zuge des Klimagipfels im kanadischen Montreal sogar mit dem „Low Carbon Leaders Award“ ausgezeichnet. Die Presse berichtete ausführlich - stets mit dem Hinweis auf die „um 60 Prozent reduzierten Klima-Emissionen“.

Auch Politik und Behörden übernehmen die Aussagen von BAYER unreflektiert. Die UN-Umweltbehörde UNEP verbreitet die Behauptung der um 60% gesunkenen Treibhausgas-Emissionen ebenso wie die NRW Landesregierung. Den Vogel abgeschossen hat Reinhard Loske, grüner MdB und Mitglied im Umweltausschuss, in einer Rede im Bundestag: „Bevor ich gerade hierher kam, habe ich einen Brief an die Bayer AG geschrieben, der in Montreal ein Preis - der „Low Carbon Leaders Award“ - verliehen wurde. Bayer wurde damit als eines der Unternehmen ausgezeichnet, die sich weltweit am meisten für den Klimaschutz einsetzen. Dazu sage ich nur: Chapeau! Weil mein Wahlkreis in Leverkusen ist, habe ich dem Unternehmen geschrieben; denn ich finde das, was Bayer in diesem Bereich tut, prima.“

Klima-Rollback der Industrie
Welchen Stellenwert die CO2-Minimierung für BAYER tatsächlich besitzt, zeigt ein internes Positionspapier des Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) zum Klimaschutz, das der Deutschen Umwelthilfe im vergangenen Dezember zugespielt wurde . Darin fordert der BDI eine Abkehr vom Kyoto-Protokoll und die Streichung verbindlicher CO2-Reduktionsziele nach US-amerikanischem Vorbild. Sogar der Ausbau von Autobahnen und Flughäfen wird vom BDI als Beitrag zum Klimaschutz bezeichnet.
Interessant ist das Strategiepapier, das nicht zur Veröffentlichung gedacht war, vor allem deshalb, weil es rund 80 Kommentare von BDI-Mitgliedern enthält. Während selbst der Stromversorger E.ON und der „Verband der Mineralölwirtschaft“ die Aufgabe des Kyoto-Prozesses als falsch bezeichnen, begrüßen BAYER und BASF die Initiative uneingeschränkt (BAYER: „Wir stimmen mit den wichtigsten Kernaussagen der Entwurfsfassung des BDI-Positionspapiers überein“; BASF: „Wir begrüßen den Entwurf, weil sich die Industrie schon sehr bald Fragen jeder neuen Bundesregierung stellen muss, aber auch die Industrie bei diesem für sie wichtigen Thema auf jede neue Bundesregierung zugehen sollte“). Die Deutsche Umwelthilfe bezeichnet die Initiative der Industrie, von der sich sogar Kanzlerin Merkel explizit distanzierte, denn auch treffend als „Rauchzeichen aus der klimapolitischen Steinzeit“.

Fazit
Die BAYER AG hat einige Anstrengungen zum Klimaschutz unternommen – diese reduzieren sich aber bei genauer Betrachtung größtenteils auf die Verminderung des Lachgas-Ausstoßes. Die von BAYER publizierten Daten zu CO2-Emissionen werden unredlich präsentiert, zentrale Informationen über die Umweltauswirkungen von fremdbezogener Energie werden der Öffentlichkeit vorenthalten. Die Kernaussage eines um „60% reduzierten Ausstoßes von Klimagasen“ ist unhaltbar.
Um das Klimaziel eines bis 2050 um 80% verminderten CO2-Ausstoßes zu erreichen, muss BAYER substanzielle Schritte zur Minimierung des Energieverbrauchs einleiten. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN fordert den Konzern auf, seinen Nachhaltigkeitsbericht zu korrigieren, vollständige Daten vorzulegen und effektive Schritte für eine reale Reduzierung der CO2-Emissionen einzuleiten. Aus den sogenannten Nachhaltigkeits- und Ethik-Fonds sollte BAYER folgerichtig ausgeschlossen werden.