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Beiträge verschlagwortet als “Xarelto”

Xarelto

CBG Redaktion

der SPIEGEL greift in seiner heutigen Ausgabe die Kampagne der CBG zu Nebenwirkungen des Gerinnungshemmers Xarelto auf. Zahlreiche Medien griffen das Thema auf (s.u.). Eine Kurzversion erschien auch auf Spiegel Online.

9. September 2013, Rheinische Post

Bayer-Medikament Xarelto unter Verdacht

Als Nebenwirkung drohen Blutungen. Ärzte meldeten den Behörden in diesem Jahr 72 Todesfälle.

Das Blutverdünnungsmittel Xarelto ist Bayers großer Hoffnungsträger. Im vergangenen Jahr sorgte es für einen Umsatz von gut 300 Millionen Euro, künftig sollen es zwei Milliarden Euro werden. Doch nun gerät das Medikament immer stärker in die Kritik – wegen möglicher Nebenwirkungen. Die Sorge: Xarelto kann nicht nur das Blut verdünnen, um wie erwünscht Thrombosen (Blutgerinnsel) zu vermeiden, sondern kann auch zu unerwünschten Blutungen führen, die womöglich schwer zu stoppen sind.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte habe für das Jahr 2012 bereits 750 Verdachtsfälle von unerwünschten Nebenwirkungen bei Xarelto registriert, darunter 58 Todesfälle von Patienten, die das Präparat genommen haben, berichtet der „Spiegel“. In diesem Jahr seien dem Bundesinstitut bereits 968 Verdachtsfälle und 72 Todesfälle von Patienten, die Xarelto genommen haben, gemeldet worden. Das bedeute hochgerechnet auf 2013 eine Verdoppelung.
Bayer erklärte, bei diesen Zahlen handele sich um Spontanmeldungen. „Diese liefern keine ausreichende Grundlage für die Ermittlung von Inzidenzraten (Anzahl von Nebenwirkungen in einem bestimmten Zeitraum bei einer genau definierten Anwendergruppe).“ Patientensicherheit habe höchste Priorität, es gebe entsprechende Verschreibungsleitfäden.
Xarelto ist unter anderem zugelassen, um Patienten beim Einsatz künstlicher Hüft- und Kniegelenke vor Thrombosen zu schützen. Möglicherweise wird es von Ärzten aber auch bei Fällen wie Krampfader-Operationen genutzt. Die pharma-kritische Fachzeitschrift „Arznei-Telegramm“ warnt jedoch, Xarelto als Standard-Präparat einzusetzen: Das Bayer-Mittel habe den Nachteil, dass möglicherweise auftretende Blutungen nicht durch ein Gegenmittel gestoppt werden können. Im schlimmsten Fall drohen damit Patienten, zu verbluten, wenn die Blutungen nicht durch andere (etwa chirurgische) Maßnahmen gestoppt werden können.
Das ist bei anderen, bisher verwendeten Blutverdünnungsmittel anders: Für Macumar etwa gibt es ein Gegenmittel, das Ärzte einsetzen können, falls es zu Blutungen kommt. Zudem ist Macumar, für das der Patentschutz abgelaufen ist, viel günstiger als Xarelto. Allerdings müssen Macumar-Patienten aufwendig auf ihre Dosierung eingestellt werden.
Bereits früher stand Bayer wegen seines enormen Marketings-Aufwands für Xarelto in der Kritik. Der Konzern soll Ärzten Musterpackungen unverlangt zugesandt haben und erst an der Haustür eine Bestellung habe unterschreiben lassen.

BLUTUNGEN SCHWER ZU STOPPEN - NOCH KEIN GEGENMITTEL

Wie bei den anderen neuen Gerinnungshemmern Pradaxa von Boehringer Ingelheim und Eliquis von Pfizer und Bristol-Myers Squibb besteht auch bei Xarelto ein Blutungsrisiko. Pradaxa war bereits wegen Todesfällen in die Schlagzeilen geraten. Für die neuen Tabletten gibt es noch kein Gegenmittel, das im Notfall lebensbedrohliche Blutungen schnell stoppen kann. Schon 2011 hatte das einflussreiche „New England Journal of Medicine“ in einem Leitartikel darauf hingewiesen. Inzwischen arbeiten die Unternehmen daran - auch Bayer. Bei dem seit Jahrzehnten als Standardmedikament verwendeten Warfarin kann als Gegenmittel Vitamin K gegeben werden. Allerdings gilt das inzwischen patentfreie Warfarin als schwer dosierbar. Zudem müssen strikte Diätvorschriften eingehalten werden und regelmäßige Bluttests sind notwendig.

In der vergangenen Woche hatte die Arzneibehörde BfArM bemängelt, „dass nicht alle Ärzte die Fachinformation zum Management von Blutungsrisiken gut genug kennen.“ Es bestehe nicht nur bei älteren, sondern auch bei den neuen Gerinnungshemmern „ein signifikantes Risiko“ von schweren Blutungen, auch mit Todesfolge. Verschreibende Ärzte sollten diese Gefahr einzeln prüfen und Angaben zu Dosierung, Gegenanzeigen und Warnhinweise beachten.

Wirtschaftsblatt

Bayer: Xarelto mit Todesfällen in Verbindung gebracht

Magazinbericht. Ausgerechnet das wichtigste Medikament des Pharmakonzerns ist schweren Vorwürfen ausgesetzt. Heuer gab es hunderte Fälle unerwünschter Nebenwirkungen, von denen etliche tödlich endeten.

Frankfurt. Die Berichte über Nebenwirkungen beim Bayer-Blutverdünner Xarelto häufen sich einem Magazinbericht zufolge. In den ersten acht Monaten dieses Jahres seien 968 Fälle unerwünschter Wirkungen mit 72 Todesfällen beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) registriert worden, berichtete „Der Spiegel“. Im gesamten Jahr 2012 seien dagegen 750 Verdachtsberichte unerwünschter Wirkungen, darunter 58 Todesfälle, gemeldet worden. Ein Bayer-Sprecher sagte der Nachrichtenagentur Reuters, dass der Nutzen des Medikaments die Risiken weiterhin überwiege. Beim BfArM war am Sonntag niemand für eine Stellungnahme zu erreichen.
Xarelto ist für Bayer derzeit das wichtigste neue Medikament. In allen Einsatzgebieten zusammengenommen traut der Pharmakonzern dem Mittel jährliche Spitzenumsätze von mehr als zwei Milliarden Euro zu. Allein im zweiten Quartal erlöste Bayer 219 Millionen Euro mit dem Blutverdünner - mehr als dreimal so viel wie noch vor einem Jahr.

Alternative Medikamente schwierig zu handeln
Wie bei allen Gerinnungshemmern besteht auch bei Xarelto ein Blutungsrisiko. Auch das Konkurrenzmedikament Pradaxa von Boehringer Ingelheim war wegen Todesfällen in die Schlagzeilen geraten. Für diese neuen Gerinnungshemmern gibt es noch keine Gegenmittel, die die Wirkung bei lebensbedrohlichen Blutungen schnell umkehren können. Bei dem seit Jahrzehnten als Standardmedikament verwendeten Warfarin zur Vorbeugung von Schlaganfällen leistet dies Vitamin K. Allerdings gilt das inzwischen patentfreie Warfarin als schwer dosierbar. Zudem müssen strikte Diätvorschriften eingehalten werden und regelmäßige Bluttests sind notwendig.
Deshalb werden zunehmend die neuen, teueren Gerinnungshemmer wie Xarelto und Pradaxa verschrieben. Im vergangenen Jahr seien 25,5 Millionen Tagesdosen verordnet worden, nach 700.000 im Jahr 2011, berichtete „Der Spiegel“ unter Verweis auf den neuen Arzneiverordnungs-Report, der am Donnerstag veröffentlicht werden soll. Mit Xarelto „sind wir seit Mai dieses Jahres weltweit Marktführer bei den Thrombosemitteln“, sagte Bayer-Chef Marijn Dekkers der „WirtschaftsWoche“.
Das BfArM bemängelt, „dass nicht alle verordnenden Ärzte die Fachinformation hinsichtlich des Managements von Blutungsrisiken gut genug kennen“, wie es in einem am Freitag veröffentlichten Informationsbrief heißt. Es bestehe auch bei den neuen Gerinnungshemmern „ein signifikantes Risiko“ von schweren Blutungen, auch mit Todesfolge, betonte die Behörde.

Xarelto

CBG Redaktion

Der folgende Hinweis wurde heute vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) versandt

5. September 2013

Information zu den neuen oralen Antikoagulanzien Eliquis®, Pradaxa®, Xarelto®: Beachten Sie Risikofaktoren für Blutungen sowie die Dosierung, Gegenanzeigen, Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, um das Risiko von Blutungen zu verringern

Sehr geehrte Damen und Herren,

Eliquis® (Apixaban), Pradaxa® (Dabigatranetexilat) und Xarelto® (Rivaroxaban) sind orale Antikoagulanzien, die in den letzten Jahren in Indikationen zugelassen wurden, in denen seit Jahrzehnten Vitamin-K-Antagonisten (Warfarin, Phenprocoumon, Acenocoumarol) oder niedermolekulare Heparine gebräuchlich waren. Im Gegensatz zur Anwendung von Vitamin-K-Antagonisten ist die routinemäßige Überwachung der antikoagulatorischen Aktivität bei der Anwendung dieser neuen Präparate nicht notwendig.

Meldungen aus klinischen Studien sowie aus der Anwendung seit Markteinführung haben jedoch gezeigt, dass schwere Blutungsereignisse, auch mit Todesfolge, nicht nur unter Vitamin-K-Antagonisten und niedermolekularen Heparinen auftreten, sondern dass auch bei den neuen oralen Antikoagulanzien ein signifikantes Risiko besteht. Zudem deuten Erfahrungen seit Markteinführung darauf hin, dass nicht alle verordnenden Ärzte die Fachinformation hinsichtlich des Managements von Blutungsrisiken gut genug kennen.

Vor dem oben beschriebenen Hintergrund ist es die Aufgabe der verordnenden Ärzte, das Blutungsrisiko des Patienten individuell zu beurteilen und die Angaben zu osierung, Gegenanzeigen sowie Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung zu beachten. Zwar bestehen bei den Gegenanzeigen Unterschiede zwischen den neuen oralen Antikoagulanzien, die folgenden Gegenanzeigen haben sie jedoch gemeinsam:

•Akute, klinisch relevante Blutungen.
•Läsionen oder klinische Situationen, die als signifikanter Risikofaktor einer schweren Blutung angesehen werden. Dies kann z.B. akute oder kürzlich aufgetretene gastrointestinale Ulzerationen, maligne Neoplasien mit hohem Blutungsrisiko, kürzlich aufgetretene Hirn-oder Rückenmarksverletzungen, kürzlich erfolgte chirurgische ingriffe an Gehirn, Rückenmark oder Augen, kürzlich aufgetretene intrakranielle Blutungen, bekannte oder vermutete Ösophagusvarizen, arteriovenöse Fehlbildungen, askuläre Aneurysmen oder größere intraspinale oder intrazerebrale vaskuläre Anomalien beinhalten.
•Die gleichzeitige Anwendung von anderen Antikoagulanzien z.B. unfraktionierteHeparine, niedermolekulare Heparine (Enoxaparin, Dalteparin etc.), Heparinderivate Fondaparinux etc.), orale Antikoagulanzien (Warfarin etc.), außer bei der Umstellung der Antikoagulationstherapie von diesem oder auf dieses Arzneimittel oder wenn unfraktioniertes Heparin in Dosen gegeben wird, die notwendig sind, um die Durchgängigkeit eines zentralvenösen oder arteriellen Katheters zu erhalten.

Es ist sehr wichtig, die empfohlene Dosierung sowie die Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung zu beachten, um das Blutungsrisiko zu minimieren. Hierzu gehört auch eine sorgfältige Abwägung von Nutzen und Risiken bei Patienten mit Läsionen, in klinischen Situationen, bei Eingriffen und/oder Therapien (z.B. mit nichtsteroidalen Antirheumatika oder Thrombozytenaggregationshemmern), die das Risiko für schwere Blutungen erhöhen. Zusätzlich wird empfohlen, die Patienten während der gesamten Behandlungsdauer hinsichtlich klinischer Zeichen und Symptome von Blutungen zu überwachen, insbesondere Patienten mit erhöhtem Blutungsrisiko.

Vor Einleitung der Behandlung sowie im weiteren Verlauf sollte auch die Nierenfunktion beurteilt werden. Eine Nierenfunktionsstörung kann eine Gegenanzeige darstellen oder Anlass zur Überlegung geben, das Arzneimittel nicht anzuwenden oder seine Dosis zu reduzieren. Näheres hierzu ist der jeweiligen Fachinformation zu entnehmen, da für die drei Arzneimittel unterschiedliche Empfehlungen gelten.

Ein spezifisches Antidot für Eliquis®, Pradaxa® oder Xarelto® ist derzeit nicht verfügbar. Die Fachformationen der einzelnen Arzneimittel enthalten Hinweise zum therapeutischen Vorgehen beim Auftreten von Blutungskomplikationen.

Xarelto

CBG Redaktion

10. Juli 2013

neuer Gerinnungshemmer Xarelto

Akutes Koronarsyndrom: arznei-telegramm rät von Verordnung ab

Die unabhängige Fachzeitschrift arznei-telegramm rät in ihrer aktuellen Ausgabe von einer Verordnung des Gerinnungshemmers Xarelto (Wirkstoff Rivaroxaban) bei akutem Koronarsyndrom (ACS) ab. Nach Auswertung der vorliegenden Studien hätte das Präparat „allenfalls einen marginalen Nutzen“. Gleichzeitig werde das Blutungsrisiko mehr als verdoppelt.

Die Europäische Aufsichtsbehörde (EMA) hat Xarelto im Mai zur Behandlung von ACS-Patienten zugelassen. Die US-Aufsichtsbehörde Food and Drug Administration (FDA) hingegen hatte im vergangenen Jahr schwerwiegende Mängel der von der Firma BAYER vorgelegten Daten festgestellt und bereits zweimal eine Zulassung verweigert. Nach Aussage des arznei-telegramms hätte auch die EMA keine Zulassung für die Behandlung akuter Koronarsyndrome erteilen dürfen, wenn sie ihren eigenen Empfehlungen gefolgt wäre.

Die FDA äußerte zahlreiche Kritikpunkte an der von BAYER finanzierten Studie namens ATLAS ACS: Unvollständigkeit und mangelnde Qualität der Primärdaten; fehlende Bestätigung der Ergebnisse durch andere Studiendaten; divergente Effekte verschiedener Dosierungen auf Herzinfarktrate und Gesamtmortalität; zu geringes Signifikanzniveau.

Die ATLAS ACS war die einzige Studie, die eine (und auch nur sehr geringfügige) Verbesserung der Überlebensrate von ACS-Patienten festgestellt hatte. Einzel-Studien werden jedoch für eine Zulassung in der Regel nur dann verwendet, wenn die vorliegenden Daten von hoher Güte sind. Dies war im vorliegenden Fall in keiner Weise gegeben: das Unternehmen musste gegenüber der FDA einräumen, dass bei über 10% der Patienten das Follow-Up unvollständig war und nicht einmal der Vitalstatus am Studienende bekannt ist. Die Rate fehlender Daten ist damit deutlich höher als die Differenz der Ereignisrate zwischen Xarelto und Plazebo. Zudem ergab eine stichprobenartige Überprüfung der Primärdaten, dass mehrere Todesfälle unter Xarelto nicht erfasst wurden. Darüber hinaus wurden die Daten von drei indischen Zentren – mit ungünstigen Ergebnissen für Xarelto – ohne Begründung von der Analyse ausgeschlossen.

Hinzu kommt, dass das Ergebnis durch Ausschluss unerwünschter Daten - offenbar bewusst - verzerrt wurde: in der von BAYER vorgelegten Studie werden Patienten bei vorzeitigem Studienabbruch nur bis 30 Tage nach Studienbehandlung beobachtet. Da Studienabbrüche aufgrund von Blutungen unter Xarelto häufiger sind als unter Plazebo und da kardiovaskuläre Ereignisse verstärkt nach Blutungen auftreten, führt die Analyse zu einer Überschätzung der angeblich positiven Wirkung.

Das arznei-telegramm kommt zu dem Schluss: „Wie die Zulassungsentscheidung durch die EMA (Europäische Medikamentenaufsicht) zustande kommen konnte, bleibt unklar. Im europäischen Beurteilungsbericht EPAR werden die Bedenken völlig unzureichend berücksichtigt. Nach eigenen Empfehlungen der EMA sollten Zulassungen auf Basis einer Einzelstudie nur dann erfolgen, wenn diese gewisse Minimalanforderungen erfüllt. (…) Bei neuen Behandlungsprinzipien und vorherigen Negativstudien im Therapiegebiet werden explizit mehrere Studien empfohlen. Diesen Anforderungen genügt die ATLAS ACS-Studie in unseren Augen nicht.“ Nach derzeitigem Kenntnisstand sei von einer Verordnung nach Akutem Koronarsyndrom abzuraten.

Schon bei den Genehmigungsprozessen zu den Indikationen „Thrombose-Prophylaxe nach dem Einsetzen künstlicher Hüft- oder Kniegelenke“ und „Schlaganfall- und Embolie-Prophylaxe bei PatientInnen mit Vorhofflimmern“ hatte es in den Vereinigten Staaten Probleme gegeben. Die Aufsichtsbehörden warfen dem Konzern unter anderem vor, die Proband/innen, die in der Vergleichsgruppe das Präparat Warfarin einnahmen (verwandt mit Marcumar), nicht richtig mit dem Medikament eingestellt zu haben.

Wie berechtigt diese Skepsis ist, zeigen die Daten des „Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM), die die Coordination gegen BAYER-Gefahren auf Anfrage erhielt: die Behörde registrierte demnach allein im vorigen Jahr 58 Meldungen über „tödliche Verläufe“ nach der Einnahme von Xarelto und 750 über schwere Nebenwirkungen wie Blutungen.

weitere Informationen zu Xarelto

[HV Reden] STICHWORT BAYER 03/2013

CBG Redaktion

Turbulente Hauptversammlung

BAYER bekommt contra

Und wieder einmal führte die Redner-Liste einer BAYER-Hauptversammlung mehr Konzern-KritikerInnen als FürsprecherInnen. 14 Beiträge von Bienenzüchtern, Pipeline-Gegnern, Medikamenten-Geschädigten und anderen musste der Vorstand über sich ergehen lassen.

Von Jan Pehrke

Diese Geburtstagparty hatte sich der BAYER-Konzern anders vorgestellt: GREENPEACE-AktivistInnen enterten die Hauptversammlung zum 150. Firmen-Jubiläum, stiegen dem Multi aufs Dach und ließen von dort ein riesiges Transparent mit der Aufschrift „Pestizide töten Bienen“ herunter. Den Beweis dafür legten die ImkerInnen dann im Foyer der Kölner Messehallen aus: einen ganzen Teppich verendeter Tiere. Und im Saal verschafften sie sich ebenfalls Gehör. „Heute wissen wir, dass vier Nanogramm, also vier Milliardstel Gramm Clothianidin eine Biene schon schädigen können! Meine Damen und Herrn Aktionäre, demnach hat ein Gramm Clothianidin das Potenzial, 250 Millionen Bienen zu schädigen. Stellen Sie sich das bitte mal vor!“, forderte Christoph Koch vom „Deutschen Berufs- und Erwerbimkerbund“ die AktienhalterInnen auf.
Sein Kollege Markus Bärmann beschrieb derweil den Kahlschlag auf den Feldern durch die Agro-Chemikalien aus der Gruppe der Neonicotinoide, von ihm kurz Neonics genannt. „Vor zehn Jahren noch weckten mich früh in der Morgendämmerung bei meinen Bienen in Wald und Flur das laute, sehr laute Konzert der Singvögel; Bienen und die Fliegen summten mir ins Ohr“, erinnerte sich der Bienenzüchter. Jetzt aber herrscht Funkstille. Und von Rebhühnern, Fasanen und anderen Tieren vernimmt Bärmann ebenfalls keinen Ton mehr. „Wo sind sie geblieben?“, fragte er und hatte darauf nur eine Antwort „Neonics“.

Auch Georg Zimmermann von GREENPEACE schilderte die Domino-Effekte des Pestizid-Einsatzes. „Mit dem dramatischen Bienensterben, das wir vorwiegend in Nordamerika und Europa mit Sorge verfolgen, steht (...) viel mehr auf dem Spiel als die Produktion von Honig. Bienen leisten mit der Bestäubung eines Großteils unserer Kulturpflanzen einen unschätzbaren und vor allem unersetzbaren Beitrag zur Produktion unserer Lebensmittel“, erläuterte Zimmermann. Darum forderte er den Vorstand auf, der an Skandalen so reichen BAYER-Historie nicht auch noch das Kapitel „Das Verschwinden der Bienen“ hinzufügen und die inkriminierten Mittel vom Markt zu nehmen. Da das Unternehmen dies bisher nicht getan und alle Studien zu dem Thema in Zweifel gezogen hat, spricht das Firmen-Motto „Science For A Better Life“ für ihn der Wirklichkeit Hohn. „Es steht in krassem Widerspruch zu BAYERs Unternehmenspolitik. Eindeutige wissenschaftliche Erkenntnisse werden ignoriert und damit ein ‚besseres Leben’ akut gefährdet“, so der GREENPEACEler.

Monika Thinschmidt haderte gleichfalls mit der Konzern-Maxime, die der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers in seiner Eröffnungsrede noch dazu als prägend für die gesamte Geschichte des Multis verstanden wissen wollte: „BAYER entwickelt seit 150 Jahren Moleküle, die die Welt wirklich braucht.“ Die Moleküle, die der Pharma-Riese für die Hormon-Spirale MIRENA entwickelt hat, sorgten bei ihr nämlich für zahlreiche Nebenwirkungen. Und nicht nur bei ihr. Von 45.000 bei der US-Gesundheitsbehörde FDA eingegangenen Beschwerden und von über 65.000 beim Gesundheitsportal e-Health Me registrierten Meldungen über unerwünschte Arznei-Effekte wie Krebs, Blutvergiftungen und Unterleibsinfektionen berichtete Thinschmidt. Für sie ließ das nur einen Schluss übrig: „BAYER – Science For A Horrible Life“.

Die Erfahrung einer solchen Wissenschaft musste Kathrin Weigele am eigenen Leib machen. „Ich habe die Einnahme der Pille YASMIN beinahe mit dem Leben bezahlt. Herz und Lunge waren und sind schwer gezeichnet von den Embolien (...) Lebenslange Folgeschäden und die lebenslange Einnahme von Blutgerinnungsmitteln sind mir geblieben“, teilte die junge Frau von der SELBSTHILFEGRUPPE DROSPIRENON-Geschädigter der Hauptversammlung mit. Wie der Konzern angesichts mehrerer hundert Todesfälle und 13.600 Klagen auf Schmerzensgeld noch von Einzelfällen sprechen könne, wollte sie vom Vorstand wissen und kritisierte die Praxis, sich in den USA auf Zahlungen einzulassen, die Frauen in Europa aber nicht zu entschädigen. Auch die Ignoranz, sich trotz immer neuer Studien weiterhin von den Mitteln überzeugt zu zeigen, empörte Weigele. „Science For A Better Life – nicht für uns Betroffene“, lautete deshalb ihr Resümee.
In Frankreich haben sich die Kontrazeptiva-Geschädigten und ihre Angehörigen ebenfalls zusammengeschlossen. Und einige von der Organisation AVEP nahmen sogar die weite Reise nach Köln auf sich, um den BAYER-Vorstand mit ihrem Leid zu konfrontieren und für ihre Rechte einzutreten. „Wir wollen die Stimmen derjenigen hörbar machen, die gestorben oder schwerwiegend körperlich behindert sind“, hieß es in der Rede von Elisabeth Walton, deren Übersetzung Alexandra Heiden vortrug. Angesichts der in ihrem Heimatland mittlerweile schon über 100 Klagen prophezeite die Französin dem Unternehmen das Scheitern der Politik, Vergleiche mit den Geschädigten anzustreben, sich aber gleichwohl von der Qualität der Präparate überzeugt zu zeigen. „Die Strategie von BAYER wird angesichts der vielen Opfer scheitern. Die Opfer organisieren sich, um eine Firma zu bekämpfen, die vorsätzlich die Risiken ihrer Produkte verschleiert“, so Walton.

Andreas Bemeleit konnte nicht mehr zur Hauptversammlung kommen. Der Bluter, den ein verunreinigtes Blut-Präparat des Konzerns mit Hepatitis C infiziert hat, war zu schwach für eine solche Unternehmung. Darum las Anabel Schnura seinen Text. Darin stellte Bemeleit der Geschäftsbilanz des Global Players eine ganz persönliche Bilanz entgegen. Und so sahen seine Kennzahlen aus: „Wenn ich in den Spiegel schaue, sehe ich den Körper eines 80-Jährigen (...) Von ursprünglich 74 Kilo bin ich auf 57 Kilo abgemagert. Das ergibt einen Gewichtsverlust von 23 Prozent. Seit Januar 1994 erhalte ich monatlich 3.000 DM bzw. 1.533 Euro von der Stiftung ‚Humanitäre Hilfe’.“ Erhöht hat sich dieser Betrag noch nie, weil sich BAYER & Co. weigern, den Fonds mit ausreichenden Mitteln auszustatten. Darum appellierte der Blutprodukt-Geschädigte an den Vorstand, mehr Gelder zur Verfügung zu stellen: „Es ist höchste Zeit, dass ich meiner verlustreichen Lebensbilanz positive Zahlen hinzufügen kann. Nicht um Reichtümer anzuhäufen, sondern um mit den mir zugefügten tödlichen Erkrankungen in Würde altern zu können.“

Aber selbst das war noch nicht alles, was „Science For A Better Life“ allein im Pharma-Bereich an Risiken und Nebenwirkungen produziert hat, weil BAYER nur ein Erkenntnis-Ziel kennt: den Profit. Der Autor dieser Zeilen setzte den neuen Gerinnungshemmer XARELTO auf die Tagesordnung der Hauptversammlung. Obwohl die „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“ und andere ExpertInnen von dem Mittel abraten, drückt der Pillen-Riese das Produkt mit einem riesigen Werbe-Aufwand in den Markt. Die Folgen nannte der CBG-Vorständler in seiner Rede: Allein im letzten Jahr erhielt das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ 58 Meldungen über Todesfälle und 750 Meldungen über schwere Zwischenfälle wie Blutungen nach der Gabe von XARELTO.
Mit der Transparenz von BAYERs Forschung & Entwicklung steht es ebenfalls nicht zum Besten. So hat der Leverkusener Multi einen weitreichenden Kooperationsvertrag mit der Universität Köln auf dem Gebiet der Pharma-Forschung geschlossen, weigert sich aber, die Vereinbarungen publik zu machen. Darum versucht die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) derzeit, auf juristischem Wege eine Veröffentlichung des Dokumentes zu erreichen. Warum TRANSPARENCY INTERNATIONAL (TI) das Vorgehen unterstützt, erläuterte deren Vorständlerin Dr. Angela Spelsberg. „TRANSPARENCY schließt sich der Klage auf Offenlegung an, weil die Gefahr der Abhängigkeit der nach dem Grundgesetz freien Wissenschaft von kommerziellen Interessen nicht ausgeschlossen werden kann“, hielt die ärztliche Leiterin des Tumorzentrums Aachens fest. Warum der Konzern so mauert, konnte die Medizinerin nicht verstehen: „Welche Nachteile befürchtet der BAYER-Vorstand durch die Veröffentlichung des Vertrags?“
Nicht gerade für die Innovationskraft des „Forschungsunternehmens“ spricht auch, wie es seine Strom-Versorgung regelt, denn dabei greift die Aktien-Gesellschaft immer noch auf die Steinzeit-Technologie „Kohlekraft“ zurück. Und das ist nicht nur aus ökologischen Gründen bedenklich, weil diese Energie-Form das Klima schädigt, sondern auch aus sozialen, wie Antje Kleine-Wiskott vom DACHVERBAND DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE darlegte. Der Leverkusener Multi deckt nämlich einen Großteil seines Bedarfs aus Importen, und der Abbau erfolgt in den Herkunftsländern wie Kolumbien oft unter katastrophalen Bedingungen. „Nach offizieller Statistik forderten Grubengas-Explosionen zwischen 2004 und 2010 rund 500 Menschenleben. Viele Minenarbeiter leiden an Staublunge und anderen Berufskrankheiten. Die Bildung von Gewerkschaften wird von den Betreibern der Minen mit allen Mitteln bekämpft“, berichtete Kleine-Wiskott.

Und ebenso wenig entspricht es dem neuesten Stand der Technik, hochgiftiges Kohlenmonoxid mittels einer 67 Kilometer langen Pipeline quer durch Nordrhein-Westfalen zu leiten, anstatt das Gas per Reformer vor Ort zu produzieren. Wie gefährlich dieser Stoff ist, demonstrierte Gottfried Arnold von der Initiative ÄRZTE GEGEN DIE CO-PIPELINE der Hauptversammlung auf anschauliche Weise. Er hatte ein Weinglas und ein Schnapsglas mitgebracht, um deutlich zu machen, in welch geringen Dosen CO bereits wirkt. „Wenn ein gesunder Mensch 30 ml, die Menge eines Schnapsglases, an reinem Kohlenmonoxid einatmet, wird er bewusstlos und damit fluchtunfähig; 130 ml töten einen Menschen. Zum Vergleich: Ein mittlerer Atemzug eines Erwachsenen beträgt 500 ml.“ Und dem Kinderarzt zufolge vermag weder BAYERs Leckerkennungssystem noch der „Allgemeine Gefahrenabwehr-Plan“ einem „Worst Case“ vorbeugen.

Eben darum dauern die BürgerInnen-Proteste entlang der Trasse nunmehr schon seit sechs Jahren an, wie Dieter Donner von der Bürgerinitiative STOPP-BAYER-CO-PIPELINE feststellte. „Mehr als 110.000 Bürgerinnen und Bürger haben sich mit ihrer Unterschrift gegen die Pipeline ausgesprochen. In den Trassen-Kommunen mit ihren 1,5 Millionen Einwohnern hat sich die Lokalpolitik eindeutig gegen dieses Projekt ausgesprochen, und BAYER wird sich jetzt mit 40 Klagen herumschlagen müssen“, zog Donner Bilanz und empfahl Marijn Dekkers: „Also schicken Sie die Pipeline in die Wüste.“

An Philipp Mimkes von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN war es dann, die „150 Years Science For A Better Life“ einer alternativen Geschichtsschreibung zu unterziehen. Der CBG-Geschäftsführer nahm sich das dem Geschäftsbericht beiliegende voluminöse Faltblatt der Zeitleiste von 1863 bis 2013 vor, auf welcher der Konzern „Meilensteine der Unternehmensgeschichte“ eingetragen hat, und füllte die zahlreichen Lücken auf. So entwickelte BAYER fast zeitgleich mit ASPIRIN Heroin und bewarb beide Substanzen auch gemeinsam. Eine dieser Anzeigen zeigte Mimkes den AktionärInnen: Eine treusorgende Mutter verabreicht darauf ihrer Tochter die Droge löffelweise als Medizin gegen Husten. Um Risiken und Nebenwirkungen des auch als Mittel gegen Schmerzen, Depression, Asthma, Magenkrebs und Bronchitis vermarkteten Präparats scherte sich der Pillen-Produzent schon damals nicht, empfahl doch der spätere Generaldirektor Carl Duisburg, alle solche „mundtot zu schlagen“, die an der Sicherheit des Produkts Zweifel anmeldeten. Und eben dieser Duisberg, dessen „bahnbrechende Erfindungen“ die Chronik feiert, war nach den Angaben des CBGlers auch für ganz andere „Innovationen“ verantwortlich. Er betrieb nicht nur Giftgas-Forschung und setzte sich bereits im Ersten Weltkrieg für den Einsatz von ZwangsarbeiterInnen ein, sondern forderte auch die Annexion von „deutschem Lebensraum“ im Osten. Doch dies spart der imposante „Zeitstrahl“ ebenso aus wie die unsägliche Geschichte des von BAYER mitgegründeten Mörderkonzerns IG FARBEN. Und die Verleugnung reicht so weit, dass der Konzern mit dem „Familie-Hansen-Preis“ heute noch eine Auszeichnung vergibt, die nach einem NS-Täter benannt ist: Kurt Hansen war bei den IG FARBEN für die Rohstoff-Beschaffung und damit für die Ausplünderung der von den Faschisten besetzten Länder zuständig. „Auch in ihrer Heimat, Herr Dekkers, den Niederlanden“, hob Mimkes hervor und erwartete gerade deshalb eine Initiative für eine Vergangenheitsbewältigung. „Warum lassen Sie die Unternehmensgeschichte nicht endlich von unabhängigen Historikern untersuchen und ungeschönt darstellen?“, wollte er wissen.

Axel Köhler-Schnura von der CBG sah Dekkers aufgrund seiner Herkunft aus einem Land, das die Nazis 1940 angegriffen hatten, ebenfalls in einer besonderen Verantwortung. „Sie wissen besser als jeder andere hier im Saal, was dieser barbarische Raubkrieg für die Niederlande bedeutete: Unvorstellbares Leid und Elend – Tausende tote Soldaten, zehntausende Hungertote, etwa hunderttausend verschleppte und ermordete niederländische JüdInnen“. Deshalb fragte der Diplom-Kaufmann: „Wie können Sie als Niederländer es mit Ihrem Gewissen vereinbaren, dass anlässlich der Bestandsaufnahmen des Konzerns zu seinem 150-jährigen Bestehen erneut diese Konzern-Verbrechen keinerlei Erwähnung finden?“ Auch andere wie „chemische Waffen“, „aktive Beteiligung am Holocaust“ und „Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen“ fanden Köhler-Schnura zufolge keinen Eingang in die Festschriften – und das kriminelle Business as usual mit Lohndumping, miesen Arbeitsbedingungen, Gesundheitsgefährdung und Plünderung der Ressourcen schon einmal gar nicht.

BAYER-Chef Marijn Dekkers bestritt hingegen einen solchen selektiven Umgang mit der Vergangenheit des Unternehmens. Der Multi hätte „über alle Aspekte der Firmen-Geschichte Auskunft gegeben“ und zudem seine Archive geöffnet. Deshalb „ist der Vorwurf nicht haltbar, wir würden Vorgänge verschweigen“, meinte der Verstandsvorsitzende. Folgerichtig bezichtigte er Philipp Mimkes „einer abenteuerlichen Argumentation“ und arbeitete gleich weiter am Mythos „Duisberg“. Der ehemalige Generaldirektor habe Wohnungen für Arbeiter gebaut, sich für Arbeitszeitverkürzungen eingesetzt und sogar ein Herz für den Umweltschutz gehabt, so Weißwäscher Dekkers.

Die anderen Vorwürfe der Konzern-KritikerInnen ließ er gleichfalls nicht gelten. Zumindest gegenüber den Arznei-Geschädigten bemühte der BAYER-Chef sich jedoch wenigstens um einen verständnisvollen Ton. Wenn PatientInnen durch die Präparate Schädigungen erleiden würden, „macht uns das betroffen“, antwortete der Vorstandsvorsitzende Kathrin Weigele. „Wir können ihren Wunsch nach Aufklärung sehr gut nachvollziehen“, eröffnete er ihr, um dann aber in der Sache hart zu bleiben: „An den Fakten hat sich nichts geändert, wir stehen zu unseren Kontrazeptiva, insbesondere auch zu YASMIN.“ Nicht einmal die Milliarde Dollar, die der Konzern den Geschädigten in den USA zahlte, konnten daran Zweifel säen. Dass der Konzern dort entschädigte, in Europa aber nicht, „beruht auf der Besonderheit des US-Rechtssystems“, erklärte Dekkers, und geschah „ohne Anerkennung einer Haftung“. Nibelungen-Treue bewies er auch den anderen Arzneien gegenüber, deren katastrophale Folgen die Gegen-RednerInnen beschrieben hatten. Stets zeigte der Manager sich vom „positiven Nutzen/Risiko-Profil“ der Pharmazeutika überzeugt.

Und nicht nur von dem der Pillen. Von der Kohlenmonoxid-Pipeline geht nach Dekkers Ansicht ebenfalls keinerlei Bedrohung aus: „Unser Sicherheitskonzept übertrifft die Standards.“ Die Neonicotinoid-Pestizide wie PONCHO und GAUCHO stellen für ihn auch keine Gefahr für Mensch, Tier und Umwelt dar. Die bisherigen Verbote oder Anwendungsbeschränkungen seien nur aus „Vorsorge-Gründen“ erfolgt, so der Ober-BAYER. Genauso wenig Gefährdungspotenzial birgt für ihn der Abbau von Kohle in Ländern wie Kolumbien, von wo der Leverkusener Multi 40.000 Tonnen im Jahr bezieht. Der Konzern würde „intensive Gespräche mit den Lieferanten“ führen und ihnen rechtliche Vorgaben zur Einhaltung sozialer und ökologischer Standards machen, versicherte der Vorstandsvorsitzende Antje Kleine-Wiskott.

Ganz still wurde er beim Thema „Marketing“-Aufwändungen, die sich mittlerweile auf rund zehn Milliarden Euro belaufen. Detailliertere Auskünfte über diesen großen Bilanz-Posten, dem der Geschäftsbericht gerade einmal eine halbe Seite widmet, wollte Marijn Dekkers auch auf der Hauptversammlung nicht geben - Betriebsgeheimnis. „Bitte haben Sie dafür Verständnis“, beschied er dem Autoren dieses Textes. Ähnlich abweisend verhielt er sich gegenüber dem Begehr Angela Spelsbergs, Genaueres über den von dem Unternehmen mit der Universität Köln vereinbarten Kooperationsvertrag zu erfahren: BAYER gebe grundsätzlich keine Auskunft über den Inhalt von Verträgen.

So zeigte der Konzern zu seinem 150-jährigen Jubiläum ein bedenkliches Ausmaß von Altersstarrsinnigkeit. Nicht einmal alle AktionärInnen mochten das mittragen. Vor allem den erschütternden Reden der Pharma-Geschädigten zollten sie Beifall. Und am Ende des Tages weigerten sich viele von ihnen, dem Unternehmen die Absolution zu erteilen. Fast sechs Millionen Aktien stimmten gegen die Entlastung des Aufsichtsrates, was allerdings gerade mal einem Anteil von knapp 2,3 Prozent entspricht, denn die meisten BAYER-Papiere werden von Banken, Versicherungen, Pensionsfonds oder anderen institutionellen Anlegern gehalten.

Damit nicht genug, musste der Multi schon drei Tage nach Köln eine seiner „Innovationen für die Zukunft“ abschreiben. Die Europäische Kommission zeigte sich nämlich vom „positiven Nutzen-Risiko-Profil“ der BAYER-Pestizide PONCHO und GAUCHO ebenso wenig überzeugt wie die ImkerInnen, welche die Bienengefährlichkeit der Mittel bereits seit 2009 auf jedem AktionärInnen-Treffen gegeißelt hatten. Darum untersagte Brüssel deren Ausbringung auf Mais- und Raps-Kulturen für vorerst zwei Jahre. Keine zwei Wochen später verkündete der Konzern dann den Ausstieg aus der bis vor kurzem für ihn noch „völlig neue Möglichkeiten“ eröffnenden Nano-Technologie, deren „Nebenwirkungen“ ebenfalls schon auf der Hauptversammlungsagenda standen. Die Konzern-KritikerInnen scheinen also doch ein weit besseres Gespür für die Welt von morgen zu haben als das „Erfindungsunternehmen“ BAYER.

[Gegenantrag] Hauptversammlung 2013

CBG Redaktion

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hat heute Gegenanträge zu gefährlichen Pharmaprodukten zur BAYER-Hauptversammlung am 26. April in Köln eingereicht. Die Gegenanträge werden auch auf der website des Konzerns veröffentlicht.

Gegenantrag zu TOP 2: Der Vorstand wird nicht entlastet

Der BAYER-Konzern ist für eine Vielzahl von ökologischen und sozialen Problemen verantwortlich. Der Vorstand trägt hierfür die Verantwortung, weswegen ihm die Entlastung zu verweigern ist. Es folgt eine Auswahl aktueller Problemfälle.

Kennzeichnung Gentechnik
BAYER beteiligte sich mit einer Spende in Höhe von 2 Mio. Dollar an einer Kampag-ne amerikanischer Chemie-Unternehmen, mit der eine Initiative zur Deklaration gen-technisch veränderter Lebensmittel gestoppt wurde. Die im Bundesstaat Kalifornien eingebrachte Proposition 37, die eine Kennzeichnungspflicht nach europäischem Vorbild forderte, wurde parallel zur Präsidentschaftswahl am 6. November zur Ab-stimmung gebracht. Die Unternehmen investierten über 40 Millionen Dollar in ihre Werbekampagne - rund zehnmal so viel wie die Befürworter der Initiative.
Dies ist ein klassisches Beispiel für doppelte Standards: in Europa ist die Deklaration von gentechnisch veränderten Inhaltsstoffen selbstverständlich. In den USA hinge-gen soll eine solche Kennzeichnung mit fadenscheinigen Argumenten verhindert werden. Die Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern werden dadurch mit Füßen getreten.

Exorbitantes Marketing
Fast zehn Milliarden Euro gab BAYER im vergangenen Geschäftsjahr für Werbung und Vertrieb aus, mehr als ein Viertel des gesamten Umsatzes. Für Forschung und Entwicklung hingegen wurden lediglich drei Milliarden Euro aufgewendet.
Unter die Vertriebskosten fällt der gesamte Graubereich des Pharma-Marketings: Medikamentenproben, Ärzte-Fortbildungen, Pharmareferenten, Spenden an medizi-nische Fachgesellschaften, Unterstützung von Selbsthilfegruppen, Ausgaben für Lobbyverbände etc.
Trotz dieser gigantischen Summen werden die Aktionäre im Geschäftsbericht mit gerade einmal acht Zeilen abgespeist (siehe Seite 213). Eine aussagekräftige Auf-schlüsselung wurde von BAYER – trotz wiederholter Nachfrage der Coordination ge-gen BAYER-Gefahren - nicht veröffentlicht. Riesige Summen lassen sich auf diese Weise bequem verstecken und einer Kontrolle durch die Aktionäre oder die Öffent-lichkeit entziehen.
Im Geschäftsbericht gibt der Konzern an, die Steigerung der Kosten für Vertrieb und Werbung um über zehn Prozent gehe vornehmlich auf die Einführung neuer Medi-kamente wie Xarelto zurück. Einmal mehr zeigt sich, dass die hohen Medikamenten-preisen nicht durch Forschungskosten, sondern durch das exorbitante Marketing verursacht werden.

Tödliche Pharma-Studien in Indien
Nach Angaben der indischen Regierung sterben jährlich hunderte Probanden bei der Durchführung von Klinischen Studien. Eine Aufstellung des Drugs Controller General of India (DCGI) für 2011 zeigt, dass allein bei Pharma-Tests von Novartis 57 Test-personen starben. Auf der Liste folgen BAYER und Pfizer mit je 20 Todesfällen. Be-reits im Zeitraum von 2007 bis 2010 waren bei Tests von BAYER 138 Inderinnen und Inder ums Leben gekommen, allein vier Personen starben an Nebenwirkungen des umstrittenen Gerinnungshemmers Xarelto. BAYER zahlte den Hinterbliebenen Entschädigungen von lediglich 5.250 Dollar.
Firmen wie Novartis, BAYER und Pfizer setzen das Leben indischer Probanden wis-sentlich aufs Spiel. Recherchen vor Ort zeigen immer wieder, dass die Studienteil-nehmer nicht über die Gefahren der getesteten Medikamente informiert werden – häufig wissen sie nicht einmal, dass sie an einer Studie teilnehmen. Es ist daher heuchlerisch, wenn die Pharmaunternehmen behaupten, in Indien dieselben Stan-dards anzulegen wie in Europa.
Der Grund für die Verlagerung der Tests nach Indien ist - neben den niedrigeren Kosten - vor allem die geringe behördliche Aufsicht. Eine vom indischen Parlament beauftragte Untersuchungskommission stellte jüngst gravierende Mängel bei der Arzneimittel-Aufsichtsbehörde CDSCO fest: „Über Jahrzehnte hinweg hat sie vor allem den Interessen der Pharma-Industrie gedient und darüber die Interessen der Verbraucher vernachlässigt“, resümiert der Bericht. So hat sich die CDSCO in Zulas-sungsverfahren für Medikamente auf Gutachten von Experten verlassen, denen die Medikamenten-Hersteller die Hand geführt haben. Als ein Beispiel nennt die Unter-suchung Xarelto von BAYER mit dem Wirkstoff Rivaroxaban: „Die drei Expertisen für Rivaroxaban (BAYER), eine Arznei zur Blutverflüssigung, sind fast identische Ko-pien.“ Die Gesundheit der Probanden wird wissentlich aufs Spiel gesetzt.
Vor wenigen Wochen wurde BAYER in China zu einer Entschädigung von rund 50.000 Euro an eine Teilnehmerin einer Xarelto-Studie verurteilt. Die Klägerin hatte die Tests nur knapp überlebt.

Gegenantrag zu TOP 3: Der Aufsichtsrat wird nicht entlastet

Der Aufsichtsrat kommt seiner Kontrollfunktion ungenügend nach und soll da-her nicht entlastet werden. Es folgen Beispiele einer verantwortungslosen Konzernpolitik, die vom Aufsichtsrat mitgetragen wird:

Fehlbildungen durch Duogynon
Wegen Kosten in fünfstelliger Höhe müssen die Opfer des hormonalen Schwanger-schafts-Tests Duogynon darauf verzichten, den Prozess gegen die Firma BAYER fortzuführen. BAYER konnte sich nur wegen angeblicher Verjährung aus der Affäre ziehen. Selbst der zuständige Richter am Berliner Landgericht, Dr. Holger Matthies-sen, hatte das Unternehmen mit den Worten "Ein Weltkonzern wie BAYER sollte den Dialog suchen, da kann ich sie nur ermahnen!“ aufgefordert, auf die Betroffenen zuzugehen.
Der Fall Duogynon ist in seiner Dimension nur mit dem Contergan-Skandal ver-gleichbar. Wie bei Contergan wurden mit dem Medikament trotz aller Hinweise auf drohende Fehlbildungen jahrelang Profite gemacht.
Mitarbeiter von Schering hatten frühzeitig vor den Risiken von Duogynon gewarnt. So schrieb ein für Schering arbeitender Wissenschaftler im November 1967 an die Fir-menleitung: „Die offenkundige Korrelation zwischen der Zunahme von Missbildungen und dem Verkauf des Schwangerschaftstests erscheint ziemlich alarmierend.“ 1969 forderte die britische Behörde Committee on Safety of Drugs von Schering die Her-ausgabe der Duogynon-Labordaten. Nach Auswertung der Unterlagen wurde auf den Schachteln eine Warnung angebracht, wonach das Präparat wegen des Risikos von Fehlbildungen nicht in der Schwangerschaft eingenommen werden dürfe. Sche-ring strich daraufhin in Großbritannien die Indikation Schwangerschaftstest, nicht jedoch in Deutschland.
Im Raum steht auch der Vorwurf, dass Schering Anfang der 80er Jahre Wissen-schaftler bestochen hat, damit diese die Unbedenklichkeit von Duogynon bestätigen. Bayer hat dies weder vor Gericht wirksam bestritten noch öffentlich entkräftet. Im jüngsten Prozess war hierzu ein ehemaliger Schering-Mitarbeiter als Zeuge benannt worden.

Gefährliche Antibaby-Pillen
Seit Jahren fordern die Opfer von Antibabypillen wie Yasmin und Yaz ein Verbot aller Pillen mit erhöhtem Risikopotential. BAYER weigert sich beharrlich, auf die Forde-rung einzugehen, obwohl zahlreiche Studien die Gefährlichkeit der Präparate bele-gen.
Im Widerspruch dazu vereinbarte der Konzern mit rund 4.800 Anspruchsstellerinnen in den USA Vergleiche über eine Summe von einer Milliarde US-Dollar. Hinzu kom-men 13.600 Frauen, mit denen noch kein Vergleich geschlossen wurde. Geschädig-te Frauen in europäischen Ländern hingegen gehen bislang vollkommen leer aus.
In der Bilanz 2012 musste BAYER Sonderaufwendungen in Höhe von 1,2 Milliarden Euro für weitere Rechtsstreitigkeiten zurückstellen. Die Summe übersteigt damit den Versicherungsschutz.
Wegen der erhöhten Gefahren werden die Kosten für Yaz und Yasmin in Frankreich künftig nicht mehr erstattet. Die französische Regierung will hierdurch den Absatz der Präparate eindämmen. Außerdem überprüft die europäische Arzneimittelbehör-de EMA auf Antrag von Frankreich die Zulassung der Pillen.
Alle Präparate mit dem Hormon Drospirenon müssen umgehend vom Markt genom-men werden. Eine weitere Zulassung ist nicht zu rechtfertigen. Mit einem freiwilligen Einlenken von BAYER ist jedoch nicht zu rechnen, so lange die Entschädigungen nicht die Gewinne durch den Verkauf übersteigen – eine zynische Rechnung!

Tierversuche
Rund 6 Prozent aller Tierversuche in Deutschland gehen auf das Konto von BAYER. Der Konzern „verbrauchte“ im vergangenen Jahr 147.000 Tiere, hinzu kamen 23.000 Tiere bei externen Auftragsinstituten. BAYER hat wiederholt mit umstrittenen Testla-boren wie Professional Laboratory and Research Services (PLRS) und Huntingdon Life Sciences (HLS) kooperiert, die für tierquälerische Methoden bekannt sind.
Das Beispiel des BAYER-Präparats Lipobay zeigt, dass schwerwiegende Nebenwir-kungen durch Tier-Experimente nicht vorhersehbar sind. BAYER hatte dem Präparat nach zahlreichen Tierversuchen eine “ausgezeichneten Gesamtverträglichkeit” attes-tiert. Dennoch verursachte Lipobay bei über 100 Patienten einen schweren Muskel-zerfall mit Todesfolge.
Tierversuche sind nicht nur gegenüber Tieren, sondern auch gegenüber Menschen unverantwortlich. Sie dienen nicht der Sicherheit von Patienten, sondern in erster Linie der rechtlichen Absicherung der Pharma-Hersteller. Tierbasierte Verfahren sind wissenschaftlich überholt und ethisch nicht länger vertretbar. BAYER ist daher aufge-fordert, seine Pharma-Forschung auf tierversuchsfreie Verfahren umzustellen. Durch Computersimulationen, Tests an Zellkulturen und mit Hilfe von Biochips lässt sich die Verstoffwechslung neuer Wirkstoffe im menschlichen Körper besser darstellen als durch Tierversuche.

Um Mitteilung der Gegenanträge sowie der Begründung darf ich gemäß §§ 125, 126 AktG bitten.

[Ticker] STICHWORT BAYER 02/2013 TICKER

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Prozess wg. Uni-Vertrag
Im Jahr 2008 ging BAYER mit der Kölner Hochschule eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Pharma-Forschung ein. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und andere Initiativen befürchteten eine Ausrichtung der Arznei-Forschung auf Profit, eine Entwicklung von Präparaten ohne therapeutischen Mehrwert, eine Verheimlichung negativer Studienergebnisse und einen Zugriff des Konzerns auf geistiges Eigentum der Hochschul-WissenschaftlerInnen. Deshalb forderten die Organisationen eine Offenlegung des Vertrages und fanden dafür auch die Unterstützung des NRW-Datenschutzbeauftragten. Die Universität verweigerte das jedoch, weshalb die CBG die Hochschule im Mai 2011 verklagte. Anfang Dezember 2012 fand nun der erste Prozess-Termin statt. Ohne die Kooperationsvereinbarung selber gelesen zu haben und sich über das Votum des Datenschutzbeauftragten hinwegsetzend, lehnte der Richter das Begehr der Coordination ab. Das nordrhein-westfälische Informationsfreiheitsgesetz sehe im Gegensatz zu denen der meisten anderen Bundesländer Auskunftsbeschränkungen für den Bereich „Forschung und Wissenschaft“ vor, hieß es zur Begründung. Doch die CBG akzeptierte das Urteil nicht und ging in Berufung.

Kleine Anfrage mit der Piratenpartei
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) führt einen Prozess, um Informationen über das zwischen BAYER und der Universität Köln geschlossene Forschungsabkommen zu erhalten (s. o.). Der Landesdatenschutzbeauftragte hatte das Begehr unterstützt, das Kölner Verwaltungsgericht lehnte es allerdings ab, auf Ausnahmetatbestände für Forschung und Wissenschaft im nordrhein-westfälischen Informationsfreiheitsgesetz verweisend (s. o.) Um jetzt die Position von SPD und Grünen zu dem Kasus in Erfahrung zu bringen, kooperierte die Coordination mit der Piratenpartei NRW und half bei der Abfassung einer Kleinen Anfrage zum Thema. „Warum hat die Landesregierung keine Anstrengungen unternommen, das Votum ihres Landesbeauftragten umzusetzen?“ und „Hält die Landesregierung eine Überarbeitung des Ausnahmetatbestands zu Forschungseinrichtungen und Hochschulen für sinnvoll, damit dieser nicht weiter dazu dient, der interessierten Öffentlichkeit Informationen zu Kooperationsverträgen zwischen Universitäten und Industrie-Unternehmen zu verwehren?“ wollen die PiratInnen darin unter anderem von Kraft & Co. wissen.

50 Einwendungen in Brunsbüttel
BAYER will am Standort Brunsbüttel die Produktion des Kunststoff-Zwischenprodukts MDI erweitern. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) lehnt das Vorhaben ab. Nach Ansicht der Coordination berücksichtigt das Projekt die Möglichkeit eines Austrittes großer Mengen des Giftgases Phosgen nicht in ausreichendem Maße. So will das Unternehmen die Anlage zwar mit einer Einhausung schützen, womit es einer langjährigen Forderung der Umweltverbände nachkommt, diese aber nicht aus Beton, sondern nur aus Blechplatten errichten. Zudem verzichtet der Konzern auf eine sogenannte Ammoniak-Wand als zweites Sicherheitssystem und hält bei den Planungen den Mindestabstand zu bewohnten Gebieten nicht ein. Die CBG hat beim schleswig-holsteinischen „Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume“ deshalb Einspruch gegen den Bau eingelegt und befindet sich damit in guter Gesellschaft. Insgesamt 50 Einwendungen gingen bei der Behörde ein. Mit den AktivistInnen vor Ort arbeitet die Coordination zusammen und gibt unter anderem ihre Erfahrungen aus den Auseinandersetzungen um die neue TDI-Anlage in Dormagen (siehe SWB 2/13) weiter.

Demonstration gegen PONCHO
Das BAYER-Pestizid PONCHO mit dem Wirkstoff Clothianidin ist für das weltweite Bienensterben mitverantwortlich (siehe auch PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE). Darum haben im November 2012 US-amerikanische BienenzüchterInnen und UmweltaktivistInnen vor der Umweltbehörde EPA demonstriert und ein Verbot des Ackergiftes gefordert.

Dortmund: Duisbergstraße weg?
Immer noch sind in der Bundesrepublik zahlreiche Straßen nach BAYERs langjährigem Generaldirektor Carl Duisberg benannt, der im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas und die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen war und später einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörder-Konzerns IG FARBEN hatte. Aber seit einiger Zeit findet die Forderung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) nach Tilgung des Namens immer mehr AnhängerInnen. So liegt nun auch in Dortmund ein BürgerInnen-Antrag auf Umbenennung einer Straße vor. Die CDU wollte die Diskussion darüber in der Bezirksvertretung unter Ausschluss der Öffentlichkeit führen, um die Persönlichkeitsrechte des längst Verstorbenen zu schützen, kam damit aber nicht durch. Die Partei stimmte dann allerdings dem Vorhaben zu, das Thema grundsätzlicher anzugehen. Sie einigte sich mit den Grünen und der SPD darauf, alle Straßennamen im Bezirk auf den Prüfstand zu stellen und historisch belastete auszutauschen.

Neue Kunststoffe braucht die Welt
Der Chemie-Professor Dr. Uwe Lahl von der TU Darmstadt hat bei einer Bundestagsanhörung eine Wende in der Chemie-Produktion gefordert. Ohne einen Verzicht auf fossile Kohlenstoffe als Basis der Herstellungsprozesse von BAYER & Co. ist Lahl zufolge eine Reduzierung der klima-schädigenden Kohlendioxid-Emissionen nicht zu erreichen. Unter der Devise „Neue Kunststoffe braucht die Welt“ plädierte der Abfalltechnik-Experte stattdessen für den Einsatz von Biomasse als Rohstoff und befürwortete auch entsprechende staatliche Vorgaben. Solche Eingriffe lehnt Gerd Romanowski vom „Verband der Chemischen Industrie“ allerdings kategorisch ab. Der „Ordnungsrahmen der sozialen Marktwirtschaft“ genügt seiner Ansicht nach als Leitlinie für ein nachhaltiges Wirtschaften.

Umweltverbände kritisieren Pestizid-Plan
Die Bundesregierung hat den „Nationalen Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln“ (NAP) überarbeitet. Nach Ansicht der Umweltverbände entspricht der neue Plan jedoch nicht den Erfordernissen. Das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK, BUND, NABU und GREENPEACE kritisieren in einer gemeinsamen Stellungnahme den Abschied von dem Ziel, den Gebrauch der Pestizide von BAYER & Co. zu reduzieren und seine Ersetzung durch die Empfehlung an die LandwirtInnen, nicht „vom notwendigen Maß“ abzuweichen. „Das ‚notwendige Maß’ wird der Umwelt wenig helfen“, halten die Organisationen fest. Im Einzelnen monieren die Verbände fehlende Anstrengungen zum Erhalt der Artenvielfalt im Allgemeinen und zum Schutz der Bienen vor den Agro-Chemikalien (siehe PESTIZIDE und HAUSHALTSGIFTE) im Besonderen. Zudem vernachlässigt der NAP nach Ansicht der Initiativen die Lebensmittelsicherheit, indem er Maßnahmen zur Eindämmung der Pestizid-Kombinationswirkungen unterlässt. Darüber hinaus fordern PAN & Co. eine konsequentere Förderung des Ökolandbaus und ein Kontrollprogramm zum Schutz von acker-nahen Kleinstgewässern vor den Gift-Einträgen.

Pestizid-Protest auf der Documenta
Die massive Ausweitung des Soja-Anbaus in Südamerika führt zu einer entsprechenden Ausweitung der Pestizid-Ausbringung – und zu einer Ausweitung der Gesundheitsschädigungen (siehe auch Ticker 2/07). Seit dem Soja-Boom der späten 90er Jahre steigen in den Dörfern nahe der Felder die Fälle von Krebs und anderen Krankheiten massiv an. Im argentinischen Ituzaingó etwa kommt ein Drittel der Neugeborenen mit Missbildungen zu Welt; bei 80 Prozent der BewohnerInnen wiesen WissenschaftlerInnen Rückstände von Agrochemikalien im Blut nach. Viele Wirkstoffe, die auch in BAYER-Mitteln enthalten sind, haben daran einen Anteil, so etwa Glyphosate (GLYPHOS, USTINEX G), Chlorpyrifos (BLATTANEX, PROFICID und RIDDER), Endosulfan (MALIX, PHASER, THIODAN), Methamidophos (TAMARON) und Monocrotophos (BILPHOS). Aber die Betroffenen setzen sich zur Wehr. So haben sich etwa in Ituzaingó, wo Endosulfan sogar das Trinkwasser verseucht, Frauen zu den „Mothers of Ituzaingó“ zusammengeschlossen. Die Initiative schrieb zahlreiche Petitionen an die Regierung und forderte Untersuchungen ein. Und im letzten Jahr besuchte sie die Documenta-Kunstausstellung in Kassel, um ihren Forderungen im Heimatland BAYERs Ausdruck zu verleihen.

Mehr Bisphenol-Maßnahmen gefordert
Im März 2011 hatte die EU die Verwendung der Chemikalie Bisphenol, zu deren Hauptproduzenten BAYER mit einer Jahresproduktion von rund einer Million Tonnen zählt, in Babyflaschen untersagt. Brüssel begründete dies mit den Risiken und Nebenwirkungen der Substanz wie Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Leber-Erkrankungen. Ende letzten Jahres weitete Frankreich die Reglementierungen aus. Der Staat beschloss einen Bisphenol-Bann für den gesamten Nahrungsmittel-Sektor, der 2015 in Kraft treten soll (Ticker 1/13). Der BUND forderte nun, es dem Nachbarland gleichzutun. „Das Verbot für Baby-Fläschchen war ein guter erster Schritt, aber er reicht nicht“, so die BUND-Aktivistin Sarah Häuser.

BAYTRIL: Aigner antwortet der CBG
1.734 Tonnen Antibiotika landeten nach Angaben der Bundesregierung 2011 in den Tier-Ställen. Mittel aus der Gruppe der Fluorchinolone, zu denen BAYERs BAYTRIL zählt, waren mit acht Tonnen dabei. Der massenhafte Einsatz dieser Mittel in der Massenzucht fördert die massenhafte Entwicklung resistenter Erreger. In den menschlichen Organismus gelangt, können diese Krankheiten auslösen, gegen die Antibiotika dann nicht mehr wirken. Bis zu 15.000 Menschen sterben in der Bundesrepublik an solche Infektionen. Bei BAYERs BAYTRIL ist diese Gefahr besonders groß, denn CIPROBAY, sein Pendant für die Humanmedizin, entstammt ebenfalls aus der Gruppe der Fluorchinolone und hat sogar den Status eines Reserve-Präparats für besonders schwierig zu behandelnde Fälle inne. Wegen dieser bedrohlichen Lage sandte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) einen Offenen Brief an die Adresse von Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner. Die Coordination forderte die CSU-Politikerin darin auf, den Gebrauch von BAYTRIL in der Massentierhaltung zu verbieten und daran zu arbeiten, mittelfristig alle Antibiotika aus den Zuchtbetrieben zu verbannen. Darauf wollte Aigner sich jedoch nicht einlassen. Sie stritt in ihrem Antwort-Schreiben den Zusammenhang zwischen den 15.000 Toten und der Verwendung von BAYTRIL & Co. in den Mast-Anlagen ebenso ab wie den drastischen Anstieg der Gaben und den generellen Status von Fluorchinolonen als Reserve-Antibiotikum. Die Ministerin versicherte ansonsten aber, das Problem erkannt zu haben und verwies in diesem Zusammenhang auf die entsprechenden Passagen im Entwurf zum „16. Gesetz zur Änderung des Arzneimittel-Gesetzes“ (16. AMG-Novelle). Darin sieht der Gesetzgeber unter anderem die Etablierung eines Registrier- und Kontrollsystems vor. Zudem sollen sich die Massentier-HalterInnen künftig an bestimmten Richtmengen orientieren. „Ich bin mir sicher, dass die 16. AMG-Novelle einen deutlichen Beitrag zur Senkung der Antibiotika-Mengen in der Tierhaltung führen wird“, heißt es in dem Brief deshalb. Andere, die von der Bundesregierung drastischere Schritte verlangt hatten wie etwa der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel, sind sich da jedoch nicht so sicher.

CBG: Hepatitis nicht unvermeidbar
In den 1970er und 1980er Jahren hatten sich weltweit Tausende Hämophile durch Blutplasma-Produkte von BAYER und anderen Herstellern mit HIV oder Hepatitis C infiziert. Während der Leverkusener Multi den Geschädigten in anderen Ländern hohe Summen an Schmerzensgeld zahlen musste, kam er in der Bundesrepublik glimpflich davon. AIDS-kranke Bluter erhielten Unterstützung von einer Stiftung, zu deren Kapital der Pharma-Riese lediglich neun Millionen Euro beisteuerte. Hepatits-C-Patienten gingen sogar ganz leer aus, denn der damaligen Bundesregierung gelang es nicht, BAYER & Co. zu einem Entgegenkommen zu bewegen. Offiziell hieß es jedoch, die Situation der an Hepatits leidenden Bluter sei nicht mit der an AIDS leidenden zu vergleichen, daher sei die Ungleichbehandlung legitim. Daran halten CDU und FDP noch heute fest, obwohl sich die Therapie-Möglichkeiten für AIDS-PatientInnen inzwischen stark verbessert haben. Das geht aus ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ hervor. Darin bezeichnen CDU und FDP die erfolgten Hepatitis-Infektionen zudem als „ein unvermeidbares Ereignis“, ungeachtet der Tatsache, dass es bereits ab 1981 ein Präparat zur Deaktivierung der Viren gab – zu dessen flächendeckendem Einsatz die Aufsichtsbehörden sich jedoch nicht entschließen konnten. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und die Geschädigten-Initiative ROBIN BLOOD kritisierten deshalb die Position der Bundesregierung. „Der Bundestags-Untersuchungsausschuss ‚HIV-Infektionen durch Blut und Blutprodukte’ (Bundestagsdrucksache 12/8591) kam zu dem Ergebnis, dass ab Ende 1982 nahezu alle Infektionen hätten verhindert werden können. Es ist nicht hinnehmbar, wenn Behörden und Industrie nun versuchen, die Geschichte umzuschreiben“, so CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes in der Presseerklärung. Und Andreas Bemeleit von ROBIN BLOOD pflichtete ihm bei: „Die pharmazeutischen Unternehmen haben aus reiner Profitgier unzählige Infektionen billigend in Kauf genommen. Die Bundesregierung hat seinerzeit ihre Aufsichtspflicht verletzt und sich zum Handlanger der Industrie gemacht. Der hilflos anmutende Verweis auf eine angebliche Schicksalhaftigkeit der Ereignisse zeigt, dass die Bundesregierung nicht gewillt ist, Verantwortung zu übernehmen und nicht fähig ist, ihre Positionen gegenüber der pharmazeutischen Industrie durchzusetzen.”

KAPITAL & ARBEIT

Machtzuwachs für Dekkers
In diesem Jahr geht der BAYER-Arbeitsdirektor Richard Pott in den Ruhestand und scheidet deshalb auch aus dem Vorstand aus. Die Nachfolge-Regelung – den Posten des 59-Jährigen erhält Michael Koenig – nutzte der Leverkusener Multi gleich zu einer Neuverteilung der Aufgaben in dem Gremium. So übernimmt der Ober-BAYER Marijn Dekkers zusätzlich den bisher von Pott betreuten Arbeitsbereich „Konzern-Strategie“ und erhält dadurch noch mehr Einfluss auf das Unternehmen.

Kein Weltbetriebsrat
Zwischen den Beschäftigten der inner- und außereuropäischen Niederlassungen macht der Leverkusener Multi große Unterschiede. So beklagte der kolumbianische Gewerkschaftler Guillermo Correa Montoya unlängst: „Ein anderes Beispiel ist die BAYER AG. Die hat eine Firmengeschichte von mehr als hundert Jahren in Kolumbien, aber weder im Werk Barranquilla noch in jenem in Cali gibt es eine Gewerkschaft. Das ist kein Zufall.“ Ein Weg hin zu mehr Gleichbehandlung bestände in der Einrichtung eines Weltbetriebsrats, wie ihn DAIMLER und VOLKSWAGEN bereits ins Leben gerufen haben. Aber beim Konzern gibt es derzeit keine solchen Bestrebungen.

Frauen bei Gehalt benachteiligt
Wenn sich bei BAYER Frauen für Führungspositionen bewerben, fordern sie nach Angaben der stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden im Leverkusener Werk, Roswitha Süßelbeck, in der Regel weniger Geld als ihre männlichen Pendants. Und den Konzern freut diese Bescheidenheit. Oftmals musste deshalb der Betriebsrat intervenieren, um den Anspruch auf gleiches Geld für gleiche Arbeit durchzusetzen.

Weniger soziales Engagement
In unruhigeren Zeiten hat der Leverkusener Multi eine rege Sozialpolitik betrieben, damit die Beschäftigten nicht auf dumme Gedanken kommen. Seit einiger Zeit hält der Konzern das nicht mehr für nötig. So schloss er Bibliotheken, Schwimmbäder sowie das werkseigene Kaufhaus und fuhr die finanzielle Unterstützung von Sportvereinen drastisch zurück. Der lokale Kaninchenzüchter-Verein könne heute strategisch nicht mehr begründet werden, erklärte Dirk Frenzel, BAYERs Mann für Gesellschaftspolitik und Umwelt, bei einem Vortrag den Gesinnungswandel und gab offen zu: „Es ist weniger geworden.“ Da mussten die ZuhörerInnen ihm zustimmen. „Unsere Mutter BAYER existiert nicht mehr“, stellte etwa ein ehemaliger Beschäftiger des Global Players fest.

Manager, wechsel-dich
ManagerInnen ist es egal, was sie wo machen, nur ein Schritt auf der Karriere-Leiter muss es sein. Deshalb herrscht zur Zeit ein Kommen und Gehen in BAYERs Führungsetage. Pharma-Boss Jörg Reinhardt, der 2010 von NOVARTIS zum Leverkusener Multi gewechselt war, weil er bei seinem alten Arbeitgeber den begehrten Chef-Posten nicht ergattern konnte, hatte beim zweiten Anlauf mehr Glück und kehrt deshalb in die Schweiz zurück. Und die ebenfalls erst 2010 als Leiterin von BAYER CROPSCIENCE in die Dienste des Multis getretene Sandra Peterson war noch schneller wieder weg, um ihre Karriere beim US-Unternehmen JOHNSON & JOHNSON fortzusetzen.

ERSTE & DRITTE WELT

NEXAVAR-Urteil zeigt Wirkung
Im September 2012 erlaubte ein indisches Patent-Gericht der Firma NATCO PHARMA, eine preisgünstige Nachahmer-Version des patent-geschützten BAYER-Krebsmittels NEXAVAR herzustellen. Es begründete seine Entscheidung damit, dass der Pharma-Riese es versäumt habe, den Preis für das Medikament (monatlich 4.200 Euro) auf eine für indische PatientInnen bezahlbare Höhe herabzusetzen. Nun zeigt die Entscheidung Wirkung. Immer mehr Pillen-Produzenten wenden sich von ihrer bisherigen Verkaufspolitik in den Schwellenländern ab. Sie gestatten Dritt-Firmen die Herstellung billigerer Versionen oder bringen sogar selber welche heraus. Der Leverkusener Multi hatte sich derweil schon im Vorfeld der Auseinandersetzung um NEXAVAR dazu durchgerungen, das Mittel bedürftigen InderInnen kostengünstiger zur Verfügung zu stellen. Solche „Good Will“-Aktionen ersetzen allerdings keine umfassenden Regelungen zu einer besseren Versorgung der Menschen in der „Dritten Welt“ mit dringend benötigten Medikamenten.

IG FARBEN & HEUTE

Preis nach Nazi benannt
BAYER vergibt eine Reihe von Auszeichnungen im Medizin-Bereich, um Kontakte zu WissenschaftlerInnen, Universitäten und anderen Forschungsstätten zu vertiefen, darunter auch den mit 75.000 Euro dotierten „Familie-Hansen-Preis“. Zur Ehre gereicht dieser den ForscherInnen jedoch kaum, denn der Stifter Kurt Hansen hat eine braune Vergangenheit. Er trat bereits im Jahr 1931 in die NSDAP ein und nahm bei dem von BAYER mitgegründeten Mörder-Konzern IG FARBEN den Posten des Leiters der kriegswichtigen „Zentralstelle für Rohstoffbeschaffung“ ein. Wegen seiner Mitverantwortung für Kriegsverbrechen internierten die Alliierten Kurt Hansen deshalb gleich nach dem Krieg. Beim Leverkusener Multi konnte er seine Karriere dann aber bald schon wieder fortsetzen. Von 1961 bis 1974 war Hansen Vorstandsvorsitzender des Chemie-Multis, später saß der Manager dem Aufsichtsrat vor. Das Unternehmen machte ihn sogar zum Ehrenvorsitzenden. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) verurteilt diesen unkritischen Umgang mit der Konzern-Historie forderte den Global Player auf, den Preis umzubenennen.

POLITIK & EINFLUSS

BAYER-Manager sitzt Euro Chlor vor
Der Leverkusener Multi steht weiterhin in Treue fest zur Chlor-Chemie, obwohl Chlor-Verbindungen wegen ihrer Langlebigkeit zu den gefährlichsten Substanzen überhaupt gehören. In einer Menge von 1,3 Millionen Tonnen pro Jahr produziert der Konzern das Gas aus der Gruppe der Halogene. Damit zählt er zu den größten Herstellern in Europa – und hat entsprechenden Einfluss. So wählte Euro Chlor, der europäische Verband der Chlor-Fabrikanten, den BAYER-Manager Andreas Amling zu ihrem neuen Vorsitzenden.

Regierung gegen Steuer-Transparenz
Multinational agierenden Konzernen wie BAYER bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, die unterschiedlichen Steuer-Gesetze der Länder auszunutzen, um Gewinne da anfallen zu lassen, wo die niedrigste Abgaben-Last lockt. So betreiben sie mit ihren Tochter-Unternehmen etwa einen internen Lizenz-Handel oder leihen sich von ihnen Geld und ziehen die anfallenden Zins-Zahlungen dann in der Bundesrepublik von ihren Gewinnen ab. Unterschiedlichen Schätzungen zufolgen entgehen dem Fiskus durch solche „Verschiebe-Bahnhöfe“ Beträge zwischen 60 und 190 Milliarden Euro. Die EU will den Unternehmen solche Kostensenkungsstrategien jetzt erschweren. Deshalb plant sie, BAYER & Co. zu einer Offenlegung ihrer Steuerzahlungen zwingen. Die Bundesregierung aber vertritt die Interessen der Multis und blockiert den Vorstoß.

Weniger Strom-Subventionen?
Mit der Ökosteuer wollte Rot-Grün 1999 Industrie und Privathaushalte durch eine Erhöhung der Energiekosten zu umweltschonenderem Verhalten anregen. Bei BAYER & Co. bleibt diese Lenkungswirkung allerdings aus, denn die Regierung Schröder gewährte den energie-intensiven Branchen wie der Chemie-, Bergbau-, Stahl- und Eisen-Industrie großzügige Ausnahmen, welche die gemeinen Strom-KundInnen per Umlage finanzieren. 2011 waren diese „milden Gaben“ 4,3 Milliarden Euro wert. Allein der „Spitzenausgleich“ erspart den Konzernen jährlich 2,3 Milliarden Euro – die dritthöchste in der Bundesrepublik gewährte Subvention. Die Chemie-Industrie ist da mit einer Milliarde Euro dabei. Jetzt will die Bundesregierung diese Zuwendungen allerdings um ca. 700 Millionen Euro kürzen. So plant sie, den Kreis der für den Strom-Ablass in Frage kommenden Unternehmen zu beschränken, die Firmen an den Netzkosten zu beteiligen und auch die Energie-Erzeugung durch eigene Kraftwerke abgabepflichtig zu machen. Aber Betriebe, die sich der Weltmarkt-Konkurrenz stellen müssen wie der Leverkusener Pharma-Riese, beabsichtigt die CDU/FDP-Koalition zu schonen. Trotzdem protestieren die Multis vehement gegen das Vorhaben, wobei die Gewerkschaft IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE sie unterstützt. Und am Stammsitz BAYERs in Nordrhein-Westfalen setzen sich die Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (s. u.) für die Stromfresser ein. „Wer jetzt fordert, die energie-intensive Industrie stärker zu belasten, ist auf dem Holzweg“, so Duin.

Duin hält Rede beim VCI
Im Oktober 2012 stellte der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI) in Essen seine emphatisch „Studie“ benannte 20-Seiten-Schrift „Die deutsche Chemische Industrie 2030“ vor. Sie skizziert dabei unter den Überschriften „innovationsfreundliches Umfeld“ und „zerrissene Wertschöpfungsketten“ zwei unterschiedliche Entwicklungsmöglichkeiten. Die Letztere entwirft dabei eine düstere Version von einer dank der bösen Energiewende darniederliegenden Chemie-Branche und verfolgt ganz gegenwärtige Zwecke: Es soll PolitikerInnen zu einer noch industrie-freundlicheren Haltung verleiten. Bei dem nordrhein-westfälischen Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) bleiben da freilich kaum noch Wünsche offen: Er steuerte zu dem durchsichtigen Manöver des VCI die Festrede bei.

Duin bei „Zukunft durch Industrie“
Die Lobby-Vereinigung „Zukunft durch Industrie“, die BAYER zu ihren Mitgliedern zählt, will nach eigenem Bekunden „das Industrie-Verständnis in der Bevölkerung erhöhen“. Dem nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) scheint das ebenfalls ein wichtiges Anliegen zu sein. Er übernahm nämlich nicht nur die Schirmherrschaft des Zukunftsworkshops „Die Energiewende, ihre Folge-Wirkungen und Gestaltungsnotwendigkeiten“, sondern hielt – im freundlicherweise von der Düsseldorfer Bezirksregierung zur Verfügung gestellten – Plenarsaal auch die Eröffnungsrede.

Enquete-Kommission „Chemie“
Die nordrhein-westfälischen Grünen haben die Einrichtung einer Enquete-Kommission beantragt, die sich der „Zukunft der chemischen Industrie in Nordrhein-Westfalen im Hinblick auf nachhaltige Rohstoff-Basen, Produkte und Produktionsverfahren“ widmen soll. Konkret stehen etwa Alternativen zum Öl, neue Speicher-Technologien und Werkstoffe sowie Verfahren zur Nachahmung umweltschonender natürlicher Prozesse auf der Agenda. Zugleich bekennt sich die Partei aber eindeutig zum Chemie-Standort NRW: „25 Prozent aller Arbeitsplätze in der chemischen Industrie in Deutschland befinden sich in NRW. Der Erhalt und die Zukunftsfestigkeit unserer industriellen Kerne, die uns besser als viele andere durch diese Krise gebracht haben, erhält damit eine herausragende Bedeutung für Nordrhein-Westfalen“. Sylvia Löhrmann & Co. wollen offensichtlich Ökonomie und Ökologie miteinander versöhnen. Ob das aber gelingen kann, daran bestehen ernste Zweifel.

Lütkes bei BAYER
Anfang Dezember 2012 weihte BAYER in Wuppertal das Technikum „Zellbiologie“ ein, in dem der Pharma-Multi biologische Wirkstoffe für klinische Tests herstellen will. Als Ehrengast konnte der Leverkusener Multi neben dem Wuppertaler Bürgermeister Peter Jung (CDU) auch die Präsidentin der Bezirksregierung Düsseldorf, Anne Lütkes (Grüne), begrüßen. Und vielleicht blieb ja für BAYER-Chef Marijn Dekkers ein wenig Zeit, um die Politikerin in Sachen „Kohlenmonoxid-Pipeline“ ins Gebet zu nehmen, denn es ist an der Behörde, das Röhren-Werk zu genehmigen.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER kauft Störfall-Bilder
Bilder von Chemie-GAUs machen sich gar nicht gut in der Presse. Darum hat der Leverkusener Multi die Rechte an den Fotos von der Explosion am US-amerikanischen Standort Institute, in deren Folge im August 2008 zwei Beschäftigte starben, aufgekauft, um sie aus dem Verkehr zu ziehen.

Neues Nachbarschaftsbüro
Um BAYERs Image steht es nicht zum Besten. Der zwischen Dormagen und Krefeld geplanten Kohlenmonoxid-Pipeline schlägt viel Gegenwind entgegen und auch gegen neue Anlagen gibt es regelmäßig Einsprüche. Dagegen will der Konzern jetzt etwas tun und investiert in Öffentlichkeitsarbeit. So richtet er in Krefeld ein Nachbarschaftsbüro ein und bestallt Mario Bernards zum Leiter für „Politik- und Bürger-Dialog“.

BAYERs Pharma-Strategie in China
Eine neue Studie der BOSTON CONSULTING GROUP sieht das meiste Entwicklungspotential auf dem chinesischen Pharma-Markt in den ländlichen Regionen mit seinen Krankenhäusern und Gesundheitszentren. BAYER hat sich schon seit längerer Zeit darauf eingestellt. So unterhält der Pharma-Riese in den Hospitälern und Beratungseinrichtungen eigene „Health Houses“, die kostenlose MedizinerInnen-Besuche und Informationen zu Krankheiten wie Diabetes anbieten, um die Medikamente des Leverkusener Multis unters Volk bringen zu können. Über 400 solcher Häuser betreibt der Konzern mittlerweile. Zudem bietet er im Rahmen seines „Go West“-Programms abseits der Mega-Cities Fortbildungskurse für ÄrztInnen an (Ticker 1/13).

UmweltbotschafterInnen bei BAYER
Im Rahmen der Kooperation mit dem Umweltprogramm der UN, die ein zentrales Element innerhalb der Greenwashing-Aktivitäten BAYERs darstellt, lud der Multi 50 junge UmweltbotschafterInnen aus 19 Schwellen- und Entwicklungsländern zu Workshops, Diskussionen und Exkursionen nach Leverkusen ein. Anschließend sollen die EmissärInnen dann daheim von den vorbildlichen Umweltschutz-Praktiken des Pharma-Multis künden. Das dürfte ihnen jedoch schwer fallen – nicht nur im Hinblick auf den Ausstoß von klima-schädigendem Kohlendioxid, der sich dem neuesten Nachhaltigkeitsbericht zufolge auf 8,15 Millionen Tonnen im Jahr beläuft.

BAYERs Rotationskampagne
Immer mehr Unkräuter bilden Resistenzen gegen das Pestizid ROUND UP mit dem Wirkstoff Glyphosat aus, das der Hersteller MONSANTO bevorzugt in Kombination mit seinen gegen diese Substanz immunen Genpflanzen verkauft (siehe auch PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE). Schon seit geraumer Zeit versucht BAYER davon zu profitieren. So rief der Leverkusener Multi die Kampagne „Respect the Rotation“ ins Leben, die Lokaltermine auf von Wildpflanzen heimgesuchten ROUND-UP-Feldern ansetzt und eingekaufte AgrarwissenschaftlerInnen auftreten lässt. Diese raten den FarmerInnen dort dann zu mehr Flexiblität bei der Verwendung der Laborfrüchte und der dazugehörigen Agrochemikalien im Allgemeinen und zur LIBERTY-LINK-Serie des Leverkusener Multis im Besonderen.

Kooperation mit Web-Apotheke
Das dürfte den stationären Pharma-Handel aber gar nicht erfreuen: Der Leverkusener Multi arbeitet mit dem Internet-Unternehmen EASYAPOTHEKE zusammen, das in größeren Städten auch Filialen betreibt. Die beiden Kooperationspartner werben auf Großplakaten gemeinsam für BAYERs Sodbrennen-Arznei RENNIE. Zu den Risiken und Nebenwirkungen dieses Präparates gehören die Schädigung des Knochenbaus und die Förderung von Lungenentzündungen, weshalb WissenschaftlerInnen die viel zu häufige Verwendung von RENNIE und anderen Mitteln dieser Medikamenten-Gruppe kritisieren.

Medien-Preis für BAYER
„Ausgerechnet der BAYER-Konzern hat nach eigenen Angaben eine Auszeichnung für ein positives Medien-Image bekommen“, wunderte sich die Neue Ruhr Zeitung angesichts der vielen Negativ-Schlagzeilen zu der zwischen Dormagen und Krefeld geplanten Kohlenmonoxid-Pipeline. Aber diese Berichte gehörten offenbar nicht zu den 19.230 Beiträgen über DAX-Unternehmen, welche die MEDIA TENOR INTERNATIONAL AG auswertete und zur Verleihung des Preises an den Leverkusener Multi bewogen. Der Geschäftsbericht und Artikel über die angebliche Innovationskraft des Konzerns gaben stattdessen den Ausschlag für die Entscheidung.

BAYER investiert in Schulen
Der Leverkusener Multi fördert Schulen über die „BAYER Science & Education Foundation“, denn dieses Stiftungsmodell erlaubt nebenher auch noch Steuer-Ersparnisse. Bei der Sponsoring-Maßnahme bilden nicht von ungefähr die naturwissenschaftlichen Bereiche einen Schwerpunkt. „Ich muss gestehen, wir fördern die Schulen nicht ganz uneigennützig. Wir sehen das als langfristige Investition“, so Stiftungsvorstand Thimo V. Schmitt-Lord. Ca. 500.000 Euro verteilt der Konzern Jahr für Jahr an Schulen in der Nähe seiner Standorte. So erhielt die Dormagener Realschule Hackenbroich unter anderem 5.000 Euro für das Projekt „Genetik schüler-orientiert“, das Gymnasium Brunsbüttel bekam gar 19.500 Euro zur Ausstattung eines Gen-Labors, die Monheimer Lise-Meitner-Realschule konnte 4.000 Euro für die Unterrichtseinheit „Nanotechnologie in Theorie und Praxis“ entgegennehmen und derselbe Betrag für dasselbe Thema floss dem Michael-Ende-Gymnasium in St. Tönis zu. Darüber hinaus vergibt der Pharma-Riese gemeinsam mit der Westdeutschen Zeitung auch noch den „Wuppertaler Schulpreis“ und mit dem Solinger Tageblatt den „Solinger Schulpreis“.

Erstes Baylab in Mexiko
An seinen bundesdeutschen Standorten unterhält der Leverkusener Multi bereits vier SchülerInnen-Labore. Im letzten Jahr hat der Konzern nun sein erstes Baylab außerhalb Deutschlands eingerichtet. Es steht im Kindermuseum von Mexiko-Stadt. Was der Global Player dort mit den Kleinen vorhat, spricht er ganz offen aus: „Das Baylab ermöglicht ihnen, die Faszination für Wissenschaft spielerisch zu erfahren und hautnah zu erleben, was unsere Mission ‚BAYER: Science For A Better Life’ bedeutet“. Wegen solcher Lehrpläne urteilte die Wirtschaftswoche einmal über die pädagogischen Bemühungen des Unternehmens: „Hier grenzt sinnvolle Lernhilfe an Lobbyismus.“

Der Konzern als Kümmerer
Während der Konzern de facto immer unsozialer wird, indem er Arbeitsplätze vernichtet und Arbeitsbedingungen verschärft, macht seine PR-Abteilung seit einiger Zeit verstärkt auf „sozial“. Zu diesem Behufe initiierte sie 2007 die „BAYER Cares Foundation“, die Projekte in der Nähe der Konzern-Standorte fördert. 2012 unterstützte die Stiftung unter anderem die Dormagener „Elterninitiative diabetischer Kinder“, ein Musical der „Initiative Down-Syndrom“, einen Fahrrad-Reparaturkurs in Leverkusen, eine Freilichtbühne in Werne, die Gründung der Pfadfinder-Gruppe „Novaesium“ und den Ausbau einer Schule in Guatemala.

BAYERs Gemüse-Forum
Der Leverkusener Multi baut sein Geschäft mit Gemüse-Saaten immer weiter aus und versucht, in der Nahrungsmittel-Wertschöpfungskette eine Schlüsselposition einzunehmen. Zu diesem Zweck organisiert er „Food Chain Partnerships“ zwischen LandwirtInnen, Verarbeitern, Im- und Export-Unternehmen sowie dem Handel. Im Dezember 2012 lud der Konzern all diese Akteure nach Monheim zum „Vegetable Future Forum“ ein und konnte als Gäste unter anderem VertreterInnen von NESTLE, METRO, SAP und RABOBANK begrüßen.

TIERE & ARZNEIEN

Noch mehr BAYTRIL
1.734 Tonnen Antibiotika landeten nach Angaben der Bundesregierung 2011 in den Tier-Ställen. Der massenhafte Einsatz dieser Mittel in der Massenzucht fördert die Entwicklung resistenter Erreger. In den menschlichen Organismus gelangt, können diese Krankheiten auslösen, gegen die Antibiotika dann nicht mehr wirken. Bei BAYERs BAYTRIL ist diese Gefahr besonders groß, denn CIPROBAY, sein Pendant für die Humanmedizin, entstammt ebenfalls aus der Gruppe der Fluorchinolone und hat sogar den Status eines Reserve-Präparats für besonders schwierig mit Antibiotika zu behandelnde Infektionen inne. Einen Umsatz von 166 Millionen Euro machte der Leverkusener Multi mit dem Präparat im vorvergangenen Jahr, 118 Millionen Euro davon mit MassentierhalterInnen. Heuer dürften es noch mehr werden, denn der Leverkusener Multi wirft immer mehr BAYTRIL-Variationen auf den Markt. Nachdem er 2012 in Europa die Zulassung für BAYTRIL MAX FOR PIGS erhalten hat, genehmigten die US-Behörden jetzt BAYTRIL 100 zur Behandlung von Atemwegserkrankungen bei Rindern und Kühen.

BAYTRIL-Resistenzen nehmen zu
In der Tiermast nehmen Resistenz-Bildungen gegen Antibiotika auf Fluorchinolone-Basis wie BAYERs BAYTRIL zu. „Diese sind bei Masthähnchen und Puten weit verbreitet, bei Rindern und Schweinen sind die Resistenz-Raten deutlich geringer“, antwortete die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen. Damit steigt auch die Gefahr der Übertragung von unbehandelbaren Krankheitskeimen auf den Menschen. Und im Fall von BAYTRIL ist dieses Risiko besonders hoch. Der Leverkusener Multi bietet nämlich für den Humanmedizin-Bereich mit CIPROBAY ebenfalls ein Medikament aus der Gruppe der Fluorchinole an, das sogar den Status eines Reserve-Antibiotikas für besonders schwierig zu behandelnde Infektionen besitzt. Konkrete Maßnahmen zur Einschränkung des Gebrauchs von Mitteln wie BAYTRIL in den Ställen wollen CDU und FDP trotzdem nicht vornehmen.

DRUGS & PILLS

58 XARELTO-Tote
Anfang des Jahres richtete die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Anfrage an das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM), um etwas über die Risiken und Nebenwirkungen von BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO zu erfahren (siehe auch SWB 2/13). Die Antwort war schockierend: 58 Meldungen über Todesfälle und 750 über schwere Nebenwirkungen wie Blutungen hatte das BfArM allein 2012 erhalten. Das Institut betont jedoch, dass „ein Kausalzusammenhang im Einzelfall nicht sicher belegt ist“ und bewertet das Risiko/Nutzen-Potenzial des Mittels weiterhin als „positiv“. Das Fachmagazin arznei-telegramm und die „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“ raten indes von dem Präparat ab.

FDA will weitere XARELTO-Daten
In den USA verzögert sich die Zulassung von BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO zur Nachbehandlung von Blutgerinnseln in der Herzkranz-Arterie weiter (siehe auch SWB 2/13). Bereits im Februar 2012 hatte die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA in einem „Complete Response Letter“ Aufklärung über Todesfälle verlangt, die in den eingereichten Studien nicht dokumentiert sind, statt die Arznei zuzulassen. Anfang März 2013 stellte sie dem Konzern nun einen weiteren Brief mit der Aufforderung zu, fehlende Daten zum Sicherheitsprofil nachzureichen.

Neuer XARELTO-Test
BAYER lässt nicht locker. Obwohl der Gerinnungshemmer XARELTO viele Risiken und Nebenwirkungen hat (s. o.), testet das Unternehmen das Präparat für immer mehr Anwendungsgebiete. So begannen im März 2013 Phase-III-Studien mit XARELTO als Mittel zur Behandlung von Herzinsuffizienz bei gleichzeitig bestehender koronaler Herzkrankheit.

ONE-A-DAY-Pille schützt Herz nicht
Der Leverkusener Multi schreibt seinen Vitamin-Präparaten aus der ONE-A-DAY-Serie neben anderen medizinischen Wohltaten auch eine herz-stärkende Wirkung zu. Eine Studie der „Harvard Medical School“ mit den Vitaminen C und B sowie Beta-Carotin und einer Multivitamin-Kombination, an der 15.000 Männer teilnahmen, hat diese Aussage nun aber widerlegt. In der Vitamin-Gruppe traten der „Physicians Health Study II“ zufolge über einen Zeitraum von elf Jahren nicht weniger Herzinfarkte auf als in der Placebo-Gruppe. Zuvor hatten bereits andere Untersuchungen die Heil-Wirkungen der Produkte widerlegt. So wiesen finnische WissenschaftlerInnen sogar lungenkrebs-fördernde Effekte von Beta-Carotin nach, während ihre US-Kollegen bei ProbandInnen, die Beta-Carotin in Kombination mit Vitamin A eingenommen hatten, neben erhöhten Raten von Lungenkrebs auch solche von Herz/Kreislauf-Erkrankungen feststellten. Und nach einer 2011 im Journal of the American Medical Association veröffentlichten Expertise steigert Vitamin E das Risiko, Prostata-Krebs zu bekommen.

Netzhaut-Ablösungen durch CIPROBAY
Die Einnahme des BAYER-Präparats CIPROBAY und anderer Antibiotika auf Fluorchinolone-Basis kann zu Netzhaut-Ablösungen führen. Zu diesem Ergebnis kam eine ForscherInnen-Gruppe unter Leitung des Pharmazeuten Dr. Mahyar Etminan. Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA sieht trotzdem keinen Anlass, die Fach-Informationen für MedizinerInnen zu aktualisieren. Sie will die Mittel zunächst nur unter verstärkte Beobachtung stellen und erst handeln, wenn weitere Untersuchungen den Befund bestätigen sollten.

Zuviel ANTRA im Einsatz
Krankenhaus-PatientInnen, die an Nieren-Erkrankungen, Gerinnungsstörungen oder an einer Blutvergiftung leiden, erhalten zum Schutz vor Blutungen der Magenschleimhaut oft Protonenpumpen-Inhibitoren wie BAYERs ANTRA mit dem Wirkstoff Omeprazol. Nach einer Untersuchung der Harvard University erfolgen die präventiven Gaben allerdings zu häufig. Nur bei 13 Prozent der Kranken mit einem erhöhten Blutungsrisiko mache die Einnahme Sinn, so die Wissenschaftler. Die Mittel haben nämlich beträchtliche Nebenwirkungen. Sie unterbinden die Magensäure-Produktion fast komplett, was nicht nur Bakterien ein gedeihlicheres Klima beschert und so den Ausbruch von Infektionen fördert, sondern auch die Kalzium-Gewinnung aus der Nahrung stört und auf diese Weise die Gefahr von Knochenbrüchen erhöht. Wegen solcher Gegenanzeigen warnen bundesrepublikanische MedizinerInnen bereits seit langem vor einem zu sorglosen Umgang mit den Präparaten, die hauptsächlich bei der Behandlung von Sodbrennen zum Einsatz kommen. Allerdings fruchteten ihre Warnungen nicht – seit einiger Zeit sind diese Medikamente nicht einmal mehr verschreibungspflichtig. Und nicht zuletzt deshalb verfünffachte sich der Verbrauch in den letzten zehn Jahren.

Neue Hormon-Spirale
BAYER bringt eine neue Hormon-Spirale mit dem Produkt-Namen JAYDESS bzw. SKYLA auf den Markt, die mit Levonorgestrel denselben Wirkstoff wie MIRENA hat, aber nicht mehr so einen großen Umfang hat. Als häufige oder sehr häufige Nebenwirkungen des Mittels zählt der Leverkusener Multi unter anderem Übelkeit, Unterleibs- und Kopfschmerzen, Schwindel, Durchfall und Menstruationsstörungen auf. Damit befindet JAYDESS sich ebenfalls in guter Gesellschaft mit MIRENA, unter deren Risiken und Nebenwirkungen mehr als jede zehnte Anwenderin leidet. 45.000 Meldungen über unerwünschte Arznei-Effekte hat allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA schon erhalten. Erste Schadensersatz-Klagen beschäftigen bereits die Gerichte (siehe RECHT & UNBILLIG).

Frankreich verbietet DIANE
In Frankreich durften Frauen BAYERs Hormon-Präparat DIANE anders als hierzulande auch zur Schwangerschaftsverhütung einsetzen. Nach dem Bekanntwerden von vier Sterbefällen verbot die Aufsichtsbehörde ANSM das Mittel jedoch (siehe auch SWB 2/13). Auch die Niederlande sahen Handlungsbedarf. Mit Verweis auf zehn Tote hat das „Dutch Medicines Evaluation Board“ ÄrztInnen geraten, die Pille neuen PatientInnen nicht mehr zu verschreiben. Darüber hinaus wird die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA sich mit dem Fall „DIANE“ beschäftigen.

Schlechte Noten für ASPIRIN COFFEIN
Die Stiftung Warentest hat Mittel gegen Regelschmerzen getestet und BAYERs ASPIRIN COFFEIN dabei mit „ungenügend“ bewertet. Grund für die schlechte Note war der Koffein-Zusatz. Dieser könne dazu führen, dass die Patientinnen die Arznei länger als nötig einnehmen, befanden die TesterInnen und gaben eine „6“.

Neues Lungenhochdruck-Mittel
BAYER hat einen Zulassungsantrag für eine Arznei zur Behandlung von Lungenhochdruck gestellt. Der Wirkstoff Riociguat soll in der Lunge ein Enzym stimulieren, das für eine Erweiterung der Blutgefäße sorgt und so die Sauerstoff-Aufnahme verbessert. Der Leverkusener Multi erwartet von dem Mittel einen Umsatz von 500 Millionen Euro im Jahr.

ALPHARADIN-Zulassung beantragt
Krebsmedikamente sind teuer, helfen zumeist wenig und haben allzuoft nur ein eingeschränktes Anwendungsgebiet. So auch das vom Leverkusener Multi gemeinsam mit dem norwegischen Unternehmen ALGETA entwickelte ALPHARADIN. Es ist zum Einsatz bei der Prostatakrebs-Art CRPC bestimmt, wenn eine Hormon-Behandlung erfolglos geblieben ist und sich zudem noch Metastasen im Knochen gebildet haben. Dann soll eine radioaktive Bestrahlung mit dem Wirkstoff Radium-223-Dichlorid das Wachstum der Tumor-Zellen hemmen. Bei den Klinischen Tests verhalf es Männern jedoch nur zu einem noch nicht einmal drei Monate längeren Leben. Trotzdem hat BAYER für das Medikament nun die Zulassung beantragt.

DHG hilft bei ProbandInnen-Suche
Bluter-Verbände beschenkt BAYER reichlich, gilt es doch, vergessen zu machen, dass in den 90er Jahren Tausende Bluter an HIV-verseuchten Blutprodukten des Konzerns starben, weil das Unternehmen sein Präparat KOGENATE aus Kostengründen keiner Hitze-Behandlung unterzogen hatte. So spendete der Leverkusener Multi im vorletzten Jahr der „Deutschen Hämophilie-Gesellschaft zur Bekämpfung von Blutungskrankheiten“ (DHG) 20.000 Euro. Zudem nutzt der Konzern die DHG, um ProbandInnen für Arznei-Tests zu rekrutieren. „Liebes DHL-Mitglied, viele Hämophile leiden immer wieder unter Schmerzen (...) Daher ist die Verbesserung der Schmerz-Therapie für Hämophile ein wichtiges Anliegen“ – mit diesem Schreiben forderte die Gesellschaft ihre Mitglieder auf, an einem Medikamenten-Versuch teilzunehmen. Sie hielt es dabei noch nicht einmal für nötig, BAYERs Namen zu nennen.

Mehr Transparenz in den USA
In den USA müssen BAYER & Co. bald alle Zuwendungen an MedizinerInnen oder Kliniken der Behörde „Centers for Medicare and Medicaid“ melden, welche die Angaben dann im Internet veröffentlicht. Unter den „Physician Payment Sunshine Act“ fallen unter anderem Beratungshonorare, Bewirtungen, Geschenke, Spenden, Forschungsaufträge, Reise-Finanzierungen und das Sponsoring von Forschungsaktivitäten. Bei Verstößen gegen die Auflagen sieht das Gesetz Strafen von bis zu einer Million Dollar vor. Um sich hierzulande das Schicksal einer solchen Verordnung zu ersparen, gehen die Pharma-Riesen in die Offensive und kündigen eine freiwillige Selbstverpflichtung zu mehr Transparenz im Gesundheitswesen an.

326 Pharma-Kooperationen
„Heutzutage kann kein Unternehmen den Anspruch mehr haben, alles alleine erreichen zu können“, sagte BAYER-Vorstand Wolfgang Plischke im November 2012 auf dem Presseforum „BAYER Innovations-Perspektive 2012“ zur Begründung dafür, immer mehr Forschungsaktivitäten ganz oder teilweise auszugliedern. Nach Plischkes Angaben hat allein die Pharma-Abteilung des Leverkusener Multis momentan schon 326 Kooperationsvereinbarungen mit Universitäten, Instituten oder anderen Firmen abgeschlossen.

BAYER & Co. sabotierten AMNOG
Nach dem Arzneimittel-Neuverordnungsgesetz müssen die Pharma-Firmen mit ihren neuen Arzneien ein Verfahren durchlaufen, das Kosten und Nutzen der Präparate bewertet, und sich anschließend – wenn das Präparat nicht durchfällt – mit den Krankenkassen auf einen Erstattungsbetrag einigen. Diesen wollen BAYER & Co. jetzt aber im Falle eines Falles nicht angeben. Sie haben stattdessen vor, der „Informationsstelle für Arznei-Spezialitäten“ (IFA) ihre Wunsch-Kalkulation zu melden und die Differenz zur verhandelten Summe als Rabatt zu deklarieren. Damit bliebe dann die erstgenannte Zahl auf der IFA-Liste die Referenz-Größe, an der sich andere Länder bei der Festlegung ihrer Pillen-Preise orientieren. Die GesundheitspolitikerInnen reagierten erbost auf das Vorhaben. So kritisierte Jens Spahn, der gesundheitspolitische Sprecher der CDU: „Ich kann der Pharma-Industrie nur empfehlen, nicht – wie anscheinend geplant – aktiv gegen die Rechtsauffassung des Gesundheitsministers zu agieren. Das wäre ein Affront, der nicht ohne Folgen bleiben kann.“

Mehr Pillen in Russland
Der Leverkusener Multi will sein Pharma-Geschäft in Russland ausbauen und hat zu diesem Zweck einen Kooperationsvertrag mit dem einheimischen MEDSINTEZ-Konzern geschlossen. Die beiden Unternehmen beabsichtigen, auf dem Gebiet der diagnostischen Bildgebung sowie der Infektionen und der neurologischen Krankheiten zusammenzuarbeiten. Auch eine gemeinsame Vermarktung von Produkten streben die Multis an. „Die lokale Produktion unserer Präparate wird unsere Geschäftsentwicklung in diesem Wachstumsmarkt vorantreiben“, erklärte Pharma-Manager Andreas Fibig zu dem Deal.

Neue Krebs-Therapie?
Der Leverkusener Multi will wieder mal auf dem besten Wege sein, eine Krebs-Therapie auf Knopfdruck zu entwickeln. BAYERs Kooperationspartner vom „Deutschen Krebsforschungszentrum“ und vom Universitätsklinikum haben nämlich ein Enzym entdeckt, das eine große Rolle bei der Entstehung von Tumoren spielt. Und jetzt gilt es nur noch, einen Wirkstoff zu finden, der das Eiweiß HDAC11 blockiert, und schon ist der Krebs besiegt, frohlockt der Pharma-Multi. In der Praxis jedoch helfen die Mittel, die der Konzern bisher auf dieser Basis produziert hat, recht wenig. So verlängert BAYERs NEXAVAR das Leben der PatientInnen gerade einmal um zwei bis drei Monate und mutet ihnen dabei zudem noch starke Nebenwirkungen zu.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

EFSA: GAUCHO bienengefährlich
Zahlreiche Studien belegen die Bienengefährlichkeit von Pestizid-Wirkstoffen auf Neonicotinoide-Basis wie Imidacloprid (enthalten in BAYERs GAUCHO) und Clothianidin (PONCHO). Nun hat sich auch die Europäische Behörde für Lebensmittel-Sicherheit (EFSA) der Sache angenommen. Sie untersuchte Imidacloprid und Clothianidin gemeinsam mit der SYNGENTA-Substanz Thiamethoxam und bestätigte die bisherigen Resultate. „Die EFSA-Wissenschaftler haben etliche Risiken für Bienen durch drei Neonicotinoid-Insektizide ermittelt“, hieß es in einer Presse-Mitteilung. Die Europäische Kommission kündigte daraufhin an, über ein zunächst zweijähriges Verbot zu beraten. Der Leverkusener Multi aber zeigt sich immer noch beratungsresistent. Eine „allzu konservative Auslegung des Vorsorge-Prinzips“ warf er Brüssel vor. Dem Spiegel erklärte der Konzern derweil, das Bienensterben sei durch eine Vielzahl von Faktoren bedingt und hielt fest, ein Bann der Mittel müsse „auf eindeutigen wissenschaftlichen Nachweisen“ basieren. Und nach Meinung von BAYERs europäischem Interessensverband ECPA hat die EFSA eben diese Nachweise nicht erbringen können, da sie nicht alle vorliegenden Studien mit in ihr Urteil einbezogen habe. Ob es aber tatsächlich zu einem Moratorium kommt, bleibt zweifelhaft, denn „Die Vertreter der EU-Staaten reagierten nach Angaben eines EU-Diplomaten verhalten auf die Vorschläge der Kommission“ wie dpa berichtete.

Hormonell wirksame Pestizide
Viele Pestizide wirken wie Hormone. Deshalb können sie den menschlichen Organismus aus dem Gleichgewicht bringen und zu Krebs, Stoffwechsel-Störungen, Unfruchtbarkeit und neurologischen Erkrankungen führen. Das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) hat jetzt eine Broschüre zu dem Thema veröffentlicht und in ihr auch die am häufigsten in Salat, Gurken und Tomaten nachgewiesenen Ackergifte mit solchen Nebenwirkungen aufgeführt. Unter ihnen befanden sich auch zahlreiche Substanzen aus dem Sortiment des Leverkusener Multis wie Propamocarb (enthalten in der Agro-Chemikalie VOLARE), Deltamethrin (K-OBIOL und PROTEUS), Bifenthrin (ALLECTUS), Cyproconazol (ALLO) und Pyrimethanil (CLARINET, FLINT STAR, MYSTIC, MYTHOS, SCALA, SIGANEX, VISION und WALABI).

Pestizide in Trauben
Das Chemische und Veterinär-Untersuchungsamt Stuttgart hat Tafeltrauben nach Pestizid-Rückständen untersucht. In 92 Prozent der einheimischen Früchte hat es Rückstände gleich von mehreren Agro-Chemikalien gefunden. Darunter waren auch viele Wirkstoffe, die in BAYER-Produkten ihr Unwesen treiben. Mit Spiroxamin (enthalten in INPUT) spürten die WissenschaftlerInnen überdies eine Substanz auf, die hierzulande gar keine Zulassungen für Tafeltrauben-Kulturen hat. Und bei Proben aus der Türkei überschritten Carbendazim (enthalten in DEROSAL) und Chlorthalonil (enthalten in BAYERs PRONTO PLUS BRAVO-PACK) sogar die zulässigen Grenzwerte.

EU überprüft Chlorpyrifos
Der Pestizid-Wirkstoff Chlorpyrifos, enthalten unter anderem in den BAYER-Produkten BLATTANEX, PROFICID und RIDDER, gehört zur Gruppe der Organophosphate und ist deshalb besonders gefährlich. So kann er neueren Untersuchungen zufolge die Entwicklung von Embryos im Mutterleib stören und bei den Kindern später Gehirnschäden verursachen. Die EU-Kommission hat sich jetzt entschlossen, die Substanz einem Prüfverfahren zu unterziehen, obwohl diese noch eine Zulassung besitzt, was ein absolutes Novum darstellt.

Immer mehr Herbizid-Resistenzen
Immer mehr Unkräuter widerstehen den Herbiziden der Agro-Riesen, weshalb die FarmerInnen immer höhere Dosen Agro-Chemie ausbringen müssen. Warum das so ist, darüber sprach BAYERs oberster Herbizid-Forscher Dr. Hermann Stübler Ende November 2012 auf einem Symposion des Leverkusener Multis ganz offen. Die Industrie habe seit über 25 Jahren kein neues Anti-Unkrautmittel mehr entwickelt, unter anderem weil sich auf dem Markt oligopolistische Strukturen verfestigt hätten und es deshalb immer weniger Forschung auf diesem Gebiet gebe. In die Bresche springen sollen nach Ansicht der Symposionsteilnehmer jetzt staatliche Wissenschaftseinrichtungen. So schlug der Leiter des Max-Planck-Institutes für molekulare Physiologie, Dr. Lothar Willmitzer, vor, seine Einrichtung könnte in Zukunft gemeinsam mit BAYER & Co. nach neuen Wirksubstanzen fahnden.

Neue Herbizid-Kooperation
Da die handelsüblichen Herbizide immer mehr Resistenzen ausbilden (s. o.), vereinbarte BAYER eine Forschungskooperation mit MENDEL BIOTECHNOLOGY, um neue Wirkstoffe auf der Basis von pflanzen-eigenen Genregulations-Mechanismen zu entwickeln.

LIBERTY-Verkauf boomt
2012 hat das warme Wetter in den USA zu früheren Spritzrunden mit dem MONSANTO-Herbizid ROUND-UP
geführt und noch mehr Wildpflanzen gegen die Substanz immun gemacht (s. o.). Darum landete eine erhöhte Dosis Agro-Chemie auf den Feldern. Die FarmerInnen griffen nämlich vermehrt zu BAYERs Anti-Unkrautmittel LIBERTY, dessen Wirkstoff Glufosinat die EU wegen seiner Gefährlichkeit bereits verboten hat, und bescherten dem Leverkusener Multi so blendende Absatz-Zahlen.

Mehr Glufosinat aus Knapsack
Immer mehr Unkräuter bilden Resistenzen gegen das MONSANTO-Herbizid ROUND-UP aus (s. o.). Das steigert die Markt-Chancen von BAYERs LIBERTY, das der Konzern bevorzugt in Kombination mit gentechnisch gegen das Mittel immun gemachten Pflanzen verkauft. Darum will der Leverkusener Multi in Knapsack bei Köln nun die Produktion des Wirkstoffes Glufosinat steigern, obwohl dieser wegen seiner Gefährlichkeit EU-weit seine Zulassung verloren hat. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) protestierte gegen die Entscheidung. „Es ist unverantwortlich, im Ausland eine Anbautechnik zu forcieren, die mit der Verwendung eines hochgiftigen und bei uns verbotenen Pestizids verknüpft ist. Das Schicksal der Landarbeiterinnen und Landarbeiter in Lateinamerika oder Asien ist dem Konzern augenscheinlich gleichgültig!“, heißt es in der Presseerklärung der Coordination.

Brasilien verbietet Aldicarb
Das BAYER-Pestizid Aldicarb, vermarktet unter dem Namen TEMIK, gehört als Organophosphat zur Gefahrenklasse 1a - und damit zur höchsten. Die EU hat das Ackergift deshalb schon im Jahr 2007 aus dem Verkehr gezogen, wogegen der Leverkusener Multi sich mit Händen und Füßen gewehrt hatte. Im Herbst 2012 verhängte nun auch Brasilien ein Verbot. In den USA sind die Tage der Agro-Chemikalie ebenfalls gezählt. Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA gewährt dem Mittel jedoch noch eine Gnadenfrist bis Ende 2014.

PFLANZEN & SAATEN

Nr. 6 im Saatgut-Geschäft
Seit einiger Zeit baut BAYER das Geschäft mit Saatgut aus. 820 Millionen Euro setzte der Leverkusener Multi 2011 in diesem Segment um. Damit nahm er unter den globalen Top-Produzenten die Position sechs ein.

GENE & KLONE

Neue EYLEA-Indikationen gesucht
Gerade erst hat der Leverkusener Multi die Zulassung für sein gemeinsam mit der Firma REGENERON entwickeltes Gentech-Augenpräparat EYLEA zur Behandlung der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – erhalten, da schaut er sich schon nach neuen Anwendungsgebieten um. Der Pharma-Riese stellte einen Antrag auf Genehmigung des Präparates zur Therapie von solchen Flüssigkeitsansammlungen in der Makula-Region des Auges, die nach einem Zentralvenen-Verschluss an der Netzhaut auftreten.

BAYER & Co. behindern Forschung
Die Patente, welche die Agro-Multis auf ihre Genpflanzen halten, gewähren ihnen weitgehende Rechte. So hat BAYER etwa durch das geistige Eigentum an der Sojabohne A5547-127 das Monopol auf die Untersuchungen von unvorhergesehenen Auskreuzungen dieser Labor-Frucht. Unabhängige WissenschaftlerInnen bleibt dagegen der Zugang zu dem Soja, Mais und Raps der Gen-Giganten versperrt. „Legal kann zu vielen kritischen Fragen keine wirklich unabhängige Forschung durchgeführt werden“, klagten deshalb ExpertInnen 2009 bei einer Anhörung der US-Regierung. Auf EU-Ebene stellt sich das nicht anders dar. Im vorletzten Jahr sah sich der damalige Verbraucherschutz-Kommissar John Dalli aus diesem Grund gezwungen, die Konzerne zu bitten, ForscherInnen ihre gen-manipulierten Arten zur Verfügung zu stellen, damit jene die Möglichkeit haben, selber Tests mit ihnen durchzuführen. Auf ein solches Goodwill ist die Europäische Union angewiesen, denn ein juristischer Anspruch auf eine Bereitstellung von A5547-127 und anderen Gen-Konstrukten besteht nicht.

WASSER, BODEN & LUFT

Gadolinium verunreinigt Gewässer
Nach einer Studie der Bremer „Jacobs University“ verunreinigt Gadolinium den Rhein. Der Wissenschaftler Prof. Dr. Michael Bau ermittelte von dem in BAYERs Röntgen-Kontrastmitteln GADOVIST und MAGNEVIST enthaltenen Stoff Konzentrationen, die mehr als das Zehnfache über den natürlichen lagen. „Erhöhte Gehalte an Gadolinium sind mittlerweile überall in der entwickelten Welt in Flüssen und vereinzelt auch im Trinkwasser zu finden“, hält Bau fest und forderte die Einführung eines Monitoring-Systems für diese zu den Seltenen Erden gehörende Substanz. Und dieses wäre umso nötiger, als der Stoff mit erheblichen Risiken und Nebenwirkungen behaftet ist (Ticker 3/11). So kann Gadolinium bei Nierenkranken ein unkontrolliertes Wachstum des Bindegewebes mit Todesfolge auslösen. Mit 230 Klagen von Opfern oder deren Angehörigen sah sich der Pharma-Riese deshalb bereits konfrontiert; aktuell laufen noch 40 Prozesse (Stand: 12.2.13). Auch die Aufsichtsbehörden haben das Gefährdungspotenzial bereits erkannt. So hat die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA jüngst strengere Auflagen für den Gebrauch von GADOVIST & Co. erlassen.

Diuron verunreinigt Gewässer
Der Pestizid-Wirkstoff Diuron, den BAYER seit einiger Zeit in Deutschland nicht mehr vertreibt, verunreinigt in Tateinheit mit anderen Substanzen immer noch die Ruhr. „Die Belastung der Ruhr mit Mikro-Schadstoffen ist ein ernstes Thema“, sagt deshalb der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel von den Grünen und kündigt politische Schritte an. An knapp zwei Prozent der Meßstellen überschritt Diuron die Grenzwerte.

Neue EU-Emissionsrichtlinie
Die neue Richtlinie der EU zu Industrie-Emissionen bleibt in ihren Vorschriften teilweise weit hinter den Standards auf anderen Kontinenten zurück. Während BAYER & Co. etwa in den USA nur drei Mikrogramm Quecksilber pro Kubikmeter Abluft ausstoßen dürfen, legt die Europäische Union einen Grenzwert von zehn Mikrogramm fest. Und bei Stickoxiden, von denen die Schlote der Industrie nun bereits schon seit 12 Jahren kontinuierlich höhere Mengen produzieren – BAYERs Wert für 2011: 3.700 Tonnen – wäre technisch längst weit weniger Belastung möglich, als Brüssel erlaubt. Darum forderten die Grünen und die Linkspartei, bei der Umsetzung der Direktive in nationales Recht schärfere Limits für Quecksilber und Stickoxide festzusetzen. Die SPD trat derweil dafür ein, die Umwelt-Auflagen für Müllmitverbrennungsanlagen, wie sie auch der Leverkusener Multi betreibt (SWB 3/11), denen für herkömmliche Müllverbrennungsanlagen anzugleichen, während sich Fachleute für härtere Auflagen Feinstaub und Ammoniak betreffend starkmachen. Die Regierungskoalition lehnte die Vorstöße jedoch ab.

BAYER-Chemie in Kosmetika
BAYER & Co. drängen mit ihrer Plaste & Elaste auf den Kosmetika-Markt. So finden sich in Zahnpasten, Dusch-Peelings und Kontaktlinsen-Reinigern viele Kunststoff-Produkte. Der Leverkusener Multi produziert beispielsweise Polyurethane zur Verstärkung der Haftkraft von Wimperntusche und Make-Ups. Diese Substanzen können nicht nur Gesundheitsstörungen verursachen, sondern auch die Umwelt schädigen, denn sie passieren die Kläranlagen unbehelligt. CDU und FDP wollen dem vorerst nicht Einhalt gebieten. „Die Bundesregierung sieht derzeit keinen Bedarf, weitergehende gesetzliche Regelungen zu treffen“, heißt es in der Antwort auf eine kleine Anfrage der Grünen. Merkel & Co. stellen lediglich vage Maßnahmen im Rahmen der EU-Meeresstrategie-Richtlinie in Aussicht.

Schon wieder eine Altlast
Unter dem Pflaster des ehemaligen BAYER-Autohofs in Leverkusen schlummern vermutlich giftige Abfälle aus der Frühzeit des Konzerns, denn das Kataster-Amt der Stadt weist das Areal als Altlasten-Verdachtsfläche aus. Der Vergessenheit entrissen wurde die chemische Zeitbombe, als die Kommune einen neuen Standort für ihre Feuerwehr suchte. Dafür hatte sie nämlich das Areal des Unternehmens in die engere Wahl genommen und genauere Erkundigungen über das Grundstück eingezogen. Die Feuerwehrleute reagierten alarmiert auf die Informationen und lehnen den Autohof als neue Heimstatt ab. „Wer garantiert, dass wir keine Spätfolgen erleiden, wenn wir auf verseuchtem Boden unseren Dienst verrichten“, fragte einer von ihnen in einem Brief, der dem Leverkusener Anzeiger zuging.

DEROSAL verunreinigt Gewässer
Der BUND, der NABU und andere Initiativen haben Kleingewässer in Brandenburg auf Pestizid-Rückstände untersucht und erhebliche Verunreinigungen festgestellt. Unter den nachgewiesenen Ackergiften befand sich auch Carbendazim, das in dem BAYER-Produkt DEROSAL enthalten ist und wegen seiner hohen Halbwertzeit eine große Umweltgefahr darstellt. „Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass eine unzulässig hohe Schadstoff-Belastung der Gewässer die Regel ist. Die Vorschriften zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln sind folglich in hohem Maße unzureichend“, resümierte die Toxikologin Dr. Anita Schwaier vom Verein ZUKUNFT BIOSPHÄRE UND LEBENSRAUM.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

PCB-Grenzwerte waren zu hoch
Der Sonderkommission des Berliner Senats zur Prüfung gefährlicher Arbeitsstoffe zufolge galten in der Bundesrepublik lange Zeit zu lasche Werte für die „Maximale Arbeitsplatz-Konzentration“ (MAK) von Polychlorierten Biphenylen (PCB). Die ExpertInnen schlugen deshalb eine „drastische Absenkung des MAK-Wertes für höherchlorierte (...) Biphenyle von 0,1 auf 0,003 mg/m3“ vor. BAYER zählte lange zu den Hauptherstellern von PCB, die unter anderem als Weichmacher in Kunststoffen, Kühlmittel und Isoliermaterial Verwendung fanden. 1983 verbot der Gesetzgeber die Substanz. Aber die gesundheitsschädlichen Wirkungen der Substanz wie etwa Krebs machen sich nicht nur deshalb immer noch bemerkbar, weil sie zu den chemisch äußerst stabilen und sich in der Umwelt entsprechend langsam abbauenden Chlor-Verbindungen gehört und noch in zahlreichen alten Gebäuden steckt. Es kommen auch noch neue Belastungen hinzu, beispielsweise durch die PCB-Verbrennung in den Müll-Öfen des Leverkusener Multis.

Schlechte Noten für Körperlotion
Die „Stiftung Warentest“ hat BAYERs BEPANTHOL-Körperlotion mit „ungenügend“ bewertet, da sie bedenkliche Inhaltsstoffe wie potenziell krebserregende PEG-Derivate, giftige halogen-organische Verbindungen und andere gesundheitsschädliche Stoffe wie Paraffine und Silikone enthält.

NANO & CO.

Nano-Anlage genehmigt
Die Auftragsfertigung der Kohlenstoff-Nanoröhrchen mit dem Produktnamen BAYTUBES führt für den Leverkusener Multi seine ehemalige Tochterfirma H. C. STARCK in Laufenburg aus. Bislang betreibt das Unternehmen die Anlage nur im Test-Modus, es stellte beim Regierungspräsidium Freiburg jedoch einen Antrag auf einen Normalbetrieb nebst einer Kapazitätserweiterung von 30 auf 75 Tonnen im Jahr. Da die Nano-Technologie Werkstoffe auf winzig kleine Größen schrumpfen lässt, wodurch diese unbekannte und nicht selten gefährliche Eigenschaften entwickeln, erhob nicht nur die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN Einspruch gegen das Projekt. 61 Einwendungen gingen bei den Behörden ein. Das Regierungspräsidium schenkte den KritikerInnen jedoch keinen Glauben. Es folgte lieber den Ansichten des von H. C. STARCK angeheuerten Gutachters Helmut Greim, der BAYER bereits im Holzgifte-Prozess gute Dienste erwiesen hatte, und erteilte die Zulassung für den ersten Großversuch mit der Nano-Fertigung im „Multimillionen-Maßstab“ (O-Ton BAYER). Der BUND verurteilte die Entscheidung, während die in Baden-Württemberg jüngst zu Regierungsehren gekommenen Grünen sie guthießen. An der Genehmigung gebe es nichts zu bemängeln, schließlich hätten mehrere Gutachten erwiesen, dass die Produktion keine Gefahr darstelle, verlautete den Stuttgarter Nachrichten zufolge aus dem Landesumweltministerium.

CO & CO.

Lkw-Unfall an Pipeline-Strecke
Mitte Januar 2013 prallte auf der Erkrather Neandertal-Brücke ein Lkw gegen die Leitplanke. Ein Stahl-Seil verhinderte gerade noch, dass der Laster in die Tiefe stürzte. So fiel nur ein Teil der Ladung hinab – dorthin, wo knapp zwei Meter unter dem Boden BAYERs umstrittene Kohlenmonoxid-Pipeline verläuft. Wäre sie schon in Betrieb und auch der Lastkraftwagen von der Brücke gekippt, hätte es einen Super-GAU geben können. Darum reagierte die Bezirksregierung Düsseldorf prompt: „Auch dieser Lkw-Unfall wird von der Bezirksregierung nochmals in die Sicherheitsprüfung einbezogen.“ Der Leverkusener Multi hingegen bestritt ein solches Risiko und verwies auf ein Gutachten des Unternehmens TÜV, für welches auf Brücken „nach den bisherigen Prüfungen eine Gefährdung nicht gegeben“ sei. Erich Hennen von der Initiative CONTRA PIPELINE macht derweil sogar noch weiter Gefahrenpunkte an Verkehrsnetzen aus wie etwa bei Mündelheim, wo die Giftgas-Leitung die B 288 kreuzt.

Hohe Pipeline-Folgekosten?
Für Erkrath hat der Bau von BAYERs zwischen Krefeld und Dormagen verlaufender Kohlenmonoxid-Pipeline hohe Folgekosten. Bürgermeister Arno Werner nannte in dem Zusammenhang vor allem nötig gewordene Veränderungen bei der Feuerwehr wie die Einstellung von mehr Personal, die Verbesserung der technischen Ausstattung und den Bau einer neuen Wache. Allein letzteres wird nach seinen Angaben ca. 13 Millionen Euro verschlingen. Der Anti-Pipeline-Aktivist Uwe Koopmann wollte es genauer wissen und hakte bei der Feuerwehr nach. Diese dementierte allerdings die Angaben Werners. „Die Planungen der Feuerwehr stehen in keinem Zusammenhang mit der CO-Pipeline“, heißt es in dem Antwort-Schreiben.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

ULTRAVIST-Rückruf
BAYER musste eine Rückruf-Aktion für sein Röntgen-Kontrastmittel ULTRAVIST starten, weil einige Chargen Verunreinigungen aufwiesen.

STANDORTE & PRODUKTION

Dormagener TDI-Anlage genehmigt
Ende Dezember 2012 erteilte die Bezirksregierung Köln BAYER di

[Xarelto] STICHWORT BAYER 02/2013

CBG Redaktion

Umstrittene BAYER-Arznei

Todesfalle XARELTO

„Eines der wichtigsten Produkte der BAYER-Geschichte“ soll der Gerinnungshemmer XARELTO werden. Einen Umsatz von zwei Milliarden Euro peilt der Leverkusener Multi mit dem Medikament an. Entsprechend aggressiv drückt er das Mittel in den Markt. Die Risiken und Nebenwirkungen dieser Profitgier: Allein im Jahr 2012 registrierte das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) 58 Tote und 750 Meldungen über schwere Nebenwirkungen wie Blutungen nach der Einnahme von XARELTO. Ein alarmierender Befund, auch wenn „ein Kausalzusammenhang im Einzelfall nicht sicher belegt ist“, wie das BfArM betont.

Von Jan Pehrke

„Nach der ersten OP habe ich über zwei Tage XARELTO bekommen. Am dritten Tag erfolgte die zweite OP, also bereits unter Einsatz von XARELTO. Am Folgetag der zweiten OP habe ich dann extreme Nachblutungen an diesem operierten Bein bekommen“ – viele solcher Krankenberichte hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) in der letzten Zeit erhalten. So schrieb etwa eine Kölnerin: „Seit der Umstellung war ich eigentlich nur noch krank, müde und schlapp und hatte Nasenbluten (...) Am 28.10.2012 Not-OP, Luftröhrenschnitt, und kein XARELTO mehr, da ich nun Heparin bekommen habe, und siehe da: Es wurde alles besser.“ Sogar eine Meldung über einen Todesfall erreichte die CBG.
Auch die Medien widmeten sich bereits BAYERs neuem Gerinnungshemmer. „Dann ist meine Mutter im August plötzlich zusammengebrochen“, erzählt eine junge Frau in der WDR-Dokumentation „Die Tricks der Pharma-Industrie“, „Sie hat am ganzen Leib gezittert, Schweißausbrüche, hat gesagt: ‚Ich sehe alles doppelt, dreifach’“. „Hirnblutung“ lautete die Diagnose, mit der Therapie war es dann allerdings schwierig: „Das Problem war, dass die Ärzte erst mal auch nicht wussten, wie sie die Hirnblutung stoppen sollten, weil sie hatte den Gerinnungshemmer XARELTO genommen, und da hatten die Ärzte noch nicht so viel Erfahrung mit, was sie jetzt dagegen tun könnten. Da mussten die Ärzte erst mal googlen.“

58 Todesfälle
Diese Fall-Geschichten haben die Coordination dazu bewogen, beim „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) anzufragen, von wie vielen solcher Schicksale die Behörde Kenntnis hat. Über 800 waren es allein im Jahr 2012. 58 Meldungen über „tödliche Verläufe“ nach der Einnahme von XARELTO und 750 über schwere Nebenwirkungen wie Blutungen erhielt das BfArM. Auch wenn „ein Kausalzusammenhang im Einzelfall nicht sicher belegt ist“, wie das BfArM betont, schockieren diese Zahlen.
Der Leverkusener Multi brachte das Mittel mit dem Wirkstoff Rivaroxaban 2008 erstmals auf den Markt, damals noch für ein sehr kleines Anwendungsgebiet. PatientInnen, denen die ÄrztInnen ein künstliches Knie- oder Hüftgelenk eingesetzt hatten, sollten nach der OP XARELTO zur Blutverdünnung bekommen, um der Gefahr von Thrombo-Embolien vorzubeugen. Nach und nach gelang es dem Pharma-Riesen allerdings, die Indikationen zu erweitern. Mittlerweile liegen auch Zulassungen zur Vorbeugung von Schlaganfällen und Embolien bei Herzkranken mit einem Vorhofflimmern sowie zur Therapie von tiefen Venenthrombosen vor. Darüber hinaus hat BAYER noch beantragt, die Arznei zur Nachbehandlung des Akuten Koronar-Syndroms (ACS), bei dem sich in der Herzkranz-Arterie Blutgerinnsel bilden, zu genehmigen. „Dieses breite Anwendungsspektrum ist der Grund, warum XARELTO unserer Erwartung nach eines der wichtigsten Produkte in der BAYER-Geschichte werden kann“, frohlockt der Pharma-Manager Andreas Fibig. Das Unternehmen will mit seinem neuen Medikament mittelfristig in Europa MARCUMAR (Wirkstoff: Phenprocoumon) und in den USA COUMADIN (Wirkstoff: Warfarin) als Top-Seller im Bereich der Gerinnungshemmer ablösen. Einen Umsatz von zwei Milliarden Euro peilt der Konzern mit dem Mittel an; im Jahr 2012 waren es 322 Millionen – gegenüber 2011 eine Steigerung von fast 275 Prozent.
Nach einem breiten Anwendungsspektrum sah es allerdings anfangs gar nicht aus. Im Gegensatz zur Europäischen Arzneimittelbehörde EMA tat sich ihr US-Pendant FDA schon bei der ersten Zulassung schwer. Wegen des erhöhten Risikos von Gefäß-Verschlüssen, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden sowie ungeklärter Langzeitwirkung hatte sie Anfang 2009 weitere Unterlagen über die Verträglichkeit des Medikamentes angefordert. Und der Leverkusener Multi hatte erhebliche Mühe, diese bereitzustellen und die Arznei-AufseherInnen schließlich gnädig zu stimmen. Bei der Indikation „Schlaganfall-Prävention“ verlief es ähnlich. FDA-MitarbeiterInnen sprachen sich im September 2011 wegen des Herzinfarkt- und Blutungsrisikos sowie des fehlenden Zusatznutzens gegenüber dem zur Gruppe der Cumarine gehörenden Warfarin gegen eine Genehmigung aus, konnten sich innerhalb der Behörde aber nicht durchsetzen. Bei ACS riet ein BeraterInnen-Gremium wiederum von einer Zulassung ab, ob die Leitung ihrer Ansicht folgt, bleibt abzuwarten. Und beim Anwendungsgebiet „Thrombosen“ mochte nicht einmal BAYER selber zu seinem Produkt stehen. Es weise „kein konsistent positives Nutzen-Risiko-Profil“ auf, musste der Global Player nach einem enttäuschend verlaufenden klinischen Test einräumen.

Zweifelhafte Studien
Diese Tests zu den unterschiedlichen Indikationen sind es dann auch, die das frühe – und im Rückblick betrachtet mehr als berechtigte – Misstrauen gegenüber dem Medikament begründen. Die Erprobungen erweisen sich nämlich als nicht gerade geschichtsträchtig. So gelang es der „Rocket“-Studie zur Schlaganfall-Prophylaxe lediglich, die „Nicht-Unterlegenheit“ XARELTOs gegenüber Warfarin zu demonstrieren. Bei der Wirksubstanz Rivaroxaban traten systemische Embolien, Herzinfarkte und Schlaganfälle geringfügig seltener auf als bei Warfarin, schwere Blutungen hingegen häufiger, solche mit Todesfolge waren allerdings signifikant rarer. Aber dieses Ergebnis erreichte das Präparat nur mit fadenscheinigen Methoden. Der Leverkusener Multi hat nämlich den ProbandInnen das Konkurrenz-Produkt nicht ordnungsgemäß verabreicht. Als „wenig aussagekräftig“ bezeichnet das industrie-unabhängige arznei-telegramm die „Rocket“-Untersuchung deshalb. Zusätzlich litt deren Glaubwürdigkeit unter der handverlesenen Auswahl der XARELTO-TesterInnen. Das Unternehmen hat nämlich penibel darauf geachtet, möglichst gesunde Kranke zu engagieren. Von diesen suchten jedoch relativ viele schnell wieder das Weite. Und die gegenüber der Warfarin-Kohorte höhere Quote derer, die wegen Blutungen oder anderer Nebenwirkungen den klinischen Test vorzeitig abbrachen (4,28 zu 3,07 Prozent), verfälschen das Ergebnis zusätzlich.
Auch bei der „Einstein“-Studie zur Akut-Therapie tiefer Venenthrombosen stellten die MedizinerInnen die Warfarin-ProbandInnen nicht richtig ein. Bei der „Atlas“-Untersuchung zur ACS-Nachbehandlung tauchten ebenfalls gravierende Mängel auf. So unterschlug BAYER drei Todesfälle. Sie ereigneten sich in der Gruppe derjenigen 1.294 TeilnehmerInnen, die ihr Einverständnis zurückgezogen und den Test nicht beendet hatten, aber trotzdem unter die Dokumentationspflicht fallen. „Diese drei nicht gezählten Todesfälle könnten nur die Spitze des Eisbergs fehlende Daten betreffend sein (...) Wir wissen nicht, wie viele dieser Todesfälle (und andere Endpunkte der Studie) bei den sieben Prozent der PatientInnen, die ihr Einverständnis widerrufen haben (...), gestrichen, außen vor gehalten oder nicht gezählt worden sind“, sorgte sich die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA. Statt die Arznei zu genehmigen, verlangte sie deshalb in einem „Complete Response Letter“ Aufklärung. Und einen zweiten Brief mit der Aufforderung, fehlende Daten nachzureichen, sandte sie Anfang Februar 2013 ab.
Andere KritikerInnen monierten die abermalig sehr auffällige Zusammenstellung der XARELTO-Testgruppe. In ihr fanden sich nämlich nur wenig ältere Personen, und solche, die eine eingeschränkte Nierenfunktion oder bereits einmal einen Schlaganfall erlitten hatten, schon gar nicht. Die beiden Mediziner Dr. Matthew Roe und Dr. Magnus Ohman meldeten in dem Fachblatt New England Journal of Medicine deshalb Zweifel an, ob die Resultate auch den Praxis-Test bestehen würden.
Zudem hat der Pillen-Gigant viele der Erprobungen über Auftragsunternehmen in armen Ländern wie Indien durchführen lassen (SWB 1/12), wo nur eine mangelhafte Aufsicht existiert und viele Menschen an den Untersuchungen teilnahmen, ohne ihr informiertes Einverständnis gegeben zu haben. „Es ist besonders besorgniserregend, dass es die schlechtesten Warfarin-Therapien bei den ausländischen Firmen gab“, kritisiert deshalb die US-Initiative PUBLIC CITIZEN.
Nicht nur aus diesen Gründen steht selbst noch die „Nicht-Unterlegenheit“ XARELTOs gegenüber Warfarin in Frage. Erschwerend kommt hinzu, dass es zu dem Medikament anders als zu dem Phenprocoumon-Präparat kein Gegenmittel gibt. Wenn MARCUMAR-PatientInnen heftige Blutungen erleiden, können die ÄrztInnen ihnen Vitamin K als Antidot verabreichen. Widerfährt dieses hingegen XARELTO-PatientInnen, wissen sie sich keinen Rat – und hilft auch Google nicht weiter. Erst jetzt, fünf Jahre nach dem ersten Genehmigungsbescheid, schickt BAYER sich an, gemeinsam mit dem US-Unternehmen PORTOLA einen XARELTO-Antagonisten zu entwickeln – bis zur Zulassung dürften allerdings noch ein paar Jahre vergehen.
Deshalb bleiben im direkten Vergleich nur ein paar praktische Vorteile. Wer XARELTO und nicht Warfarin einnimmt, muss weder auf Lebensmittel verzichten, die viel Vitamin K enthalten, noch sich einer ständigen Blutwerte-Kontrolle unterziehen. Aber dafür verlangt der Pharma-Riese einen gepfefferten Preis. Während eine MARCUMAR 22 Cent pro Tagesration kostet, schlägt XARELTO mit 3,26 Euro zu Buche – und vermag so wenigstens in Sachen „Rentabilität“ seine Überlegenheit gegenüber dem Konkurrenten unter Beweis zu stellen.
Darum fällt das Urteil in der Fachwelt auch eindeutig aus. „In der Therapie und Rezidiv-Prophylaxe (Maßnahmen zur Verhinderung des Wiederauftretens einer Krankheit, Anm. SWB) von Thromboembolien sehen wir Rivaroxaban nur bei Kontraindikationen (Unverträglichkeit, Anm. SWB) für Cumarine als Option. Bei Vorhofflimmern ist es unseres Erachtens dritte Wahl nach Cumarinen und Dabigatran (PRADAXA)“, resümiert das arznei-telegramm. Und die „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“ (AkdÄ) hält fest: „Insgesamt ergibt sich aus Sicht der AkdÄ für Patienten in Deutschland, die zur Prophylaxe kardioembolischer Erkrankungen bei Vorhofflimmern mit Vitamin-K-Antagonisten wie Phenprocoumon gut zu behandeln sind, kein Vorteil aus einer Therapie mit Dabigatran oder Rivaroxaban. Ihr Einsatz sollte sich auf Patienten beschränken, für die Vitamin-K-Antagonisten keine Therapie-Option sind.“
Neben den medizinischen Fachgesellschaften wie etwa der „American Heart Association“, die BAYER großzügig fördert, und den auf Anzeigen angewiesenen Publikationen wie der Pharmazeutischen Zeitung hält nur noch das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ zu XARELTO und dem ebenfalls umstrittenen BOEHRINGER-Präparat PRADAXA. Das BfArM „beurteilt das Nutzen/Risiko-Potenzial bei beiden neuen Arzneimitteln als positiv“, antwortete das Institut auf die Frage der Coordination, ob es angesichts der 58 Todesfälle und 750 Meldungen über schwere Nebenwirkungen Handlungsbedarf sehe. Es kann jedoch auch schwerlich anders, denn es war am Zulassungsprozess beteiligt und „hat seine Position in die wissenschaftliche Diskussion im Verfahren eingebracht“.

Gigantisches Marketing
Aber weshalb gelingt es BAYER dann trotzdem, so gute Verkaufszahlen zu erreichen? „Ohne eine große Marketing-Strategie werden Sie ein Medikament mit einem marginalen Nutzen wie beispielsweise XARELTO nie auf dem Markt platzieren können“, erläutert Prof. Dr. med. Wolf-Dieter Ludwig vom AkdÄ in der WDR-Sendung „Die Tricks der Pharma-Industrie“. Darum hat der Pharma-Riese hier schon frühzeitig investiert. „Meine größte Aufgabe als CEO von BAYER ist es, unsere Innovationskraft zu stärken und die Vermarktung unserer Innovationen zu verbessern“, sagte der jetzige Unternehmenschef Marijn Dekkers bereits bei seinem ersten großen öffentlichen Auftritt im Dezember 2010 und dachte dabei vor allem an XARELTO.
Tatsächlich erhöhten sich die Vertriebskosten, unter denen der Konzern auch das Marketing subsummiert, im Geschäftsjahr 2010 gegenüber 2009 um elf Prozent auf 8,8 Milliarden Euro. Mit dem Geld aus dem XARELTO-Etat kaufte er unter anderem Mediziner wie Professor Dr. Rupert Bauersachs vom Klinikum Darmstadt und Professor Dr. Johannes Brachmann vom Klinikum Coburg, die auf „ÄrztInnen-Fortbildungen“ für das Produkt warben und finanzierte Annoncen in Fachzeitschriften. Zur Schulung seiner Pharma-DrückerInnen engagierte die Aktien-Gesellschaft extra eine Event-Agentur, die sich dann auch gleich daranmachte, die Beschäftigten „zu Außendienst-Stars mit einem Verkaufsschlager in der Tasche“ umzupolen. Und für die MedizinerInnen hatte sich der Pillen-Produzent ebenfalls etwas Besonderes ausgedacht. Er sandte ihnen XARELTO-Muster per Post zu. Weil dieses seit Mitte der 1980er Jahre aber eigentlich verboten ist, sofern keine Anforderung vorliegt, ließ der Konzern die ÄrztInnen Empfangsbestätigungen unterschreiben, die ihm als „Just-in-Time“-Antrag für die Proben galten. Das brachte BAYER nicht nur eine Anzeige des arznei-telegramms ein, sondern auch eine Vorladung bei der „Freiwilligen Selbstkontrolle für die Arzneimittel-Industrie“ (FSA). Den Rest des Geldes schluckte dann die Logistik. „Nur 70 Minuten nach dem Erhalt der Zulassung für die Einführung in den EU-Mitgliedsstaaten haben bereits die ersten LKW das BAYER-Gelände in Leverkusen verlassen, um das Medikament in die ersten Länder auszuliefern“, lobt sich das Unternehmen selbst.
Und so dürfte der Umsatz mit dem Gerinnungshemmer ebenso weiter zunehmen wie die Todesfälle und schweren Blutungen, ohne dass die hiesigen Aufsichtsbehörden daran Anstoß nehmen. Nur aus den USA könnte Ungemach drohen. Dort bieten Anwaltskanzleien XARELTO-Geschädigten schon ihre Dienste an.

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[Kleine Anfrage] Tödliche Medikamententests

CBG Redaktion

24. Oktober 2012
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Antwort auf Kleine Anfrage der Linkspartei

Bundesregierung: Ergebnisse unethischer Medikamenten-Studien dürfen nicht verwendet werden

Die Bundesregierung hat heute die Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei zu unethischen Pharma-Studien veröffentlicht. Wörtlich heißt es in der Anfrage: „Pharmakonzerne lassen derzeit alleine in Indien etwa 1 900 Studien mit circa 150 000 Probanden durchführen. Die Anzahl der Todesfälle bei klinischen Studien ist in den vergangenen Jahren beständig gewachsen. Eine Aufstellung des Drugs Controller General of India für 2011 zeigt, dass allein bei Pharmatests von Novartis 57 Testpersonen starben. Auf der Liste folgen Bayer und Pfizer mit je 20 Todesfällen und Bristol-Myers Squibb mit 19.“

In ihrer Antwort führt die Bundesregierung aus, dass die Vorschriften für klinische Prüfungen im deutschen Arzneimittelgesetz und im Gemeinschaftsrecht der EU festgelegt seien. Demnach müssten Antragsteller einer arzneimittelrechtlichen Zulassung versichern, dass außerhalb der EU durchgeführte Studien unter gleichwertigen ethischen Bedingungen wie in der EU durchgeführt worden seien. Verstöße hiergegen würden dazu führen, dass die gewonnenen Daten im Rahmen eines arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens nicht akzeptiert werden.

Recherchen von NGOs und Journalisten haben jedoch immer wieder gezeigt, dass solche ethischen Mindest-Standards nicht eingehalten werden. Beispielsweise wussten Teilnehmer indischer Studien zumeist nicht, dass sie an Medikamenten-Tests teilnahmen. Die Ethik-Kommissionen bestanden meist nur auf dem Papier und nahmen keinerlei Prüfung der Studien und der getesteten Medikamente vor. Den Ethik-Kommissionen waren häufig nicht einmal die Namen der untersuchten Personen bekannt.

Die Kleine Anfrage der Linkspartei war in Kooperation mit der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) erstellt worden. Die CBG fordert seit langem, dass im Ausland durchgeführte Studien konsequent überprüft werden. Bei Verstößen gegen die in der Deklaration von Helsinki formulierten Standards müssten Konsequenzen gezogen werden und die entsprechenden Studien auch nachträglich aus den Zulassungsverfahren verbannt werden. Notfalls müssten auch Zulassungen entzogen werden.

Philipp Mimkes vom Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Pharma-Studien in Ländern des Südens müssen nach denselben Sicherheitsstandards durchgeführt werden wie in Europa oder den USA. Geschädigte und Hinterbliebene müssen die gleichen Entschädigungen erhalten – nur dann werden gefährliche Billig-Studien unattraktiv“. Im Zeitraum von 2007 bis 2011 waren allein in Indien bei Tests von BAYER 158 Menschen ums Leben gekommen, allein vier Personen starben an Nebenwirkungen des umstrittenen Gerinnungshemmers Xarelto. BAYER zahlte den Hinterbliebenen Entschädigungen von lediglich 5.250 Dollar.

=> Die Antwort der Bundesregierung: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/109/1710911.pdf

=> weitere Informationen zur Kampagne der CBG

[Ticker] STICHWORT BAYER TICKER

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CO-Pipeline: CBG erhebt Einspruch
Die von BAYER zwischen Krefeld und Dormagen errichtete Pipeline zur Beförderung von hochgiftigem Kohlenmonoxid entspricht nicht dem Bau, den die Bezirksregierung abgesegnet hatte. Der Leverkusener Multi nahm nämlich „Planungsanpassungen“ vor. So verzichtete er etwa auf ein Warnband, reduzierte die Breite der Abschirmungsmatten von 80 auf 60 cm und verlegte an manchen Stellen nur 5,6 mm statt 6,3 mm dicke Rohre. Für die deshalb notwendig gewordene neue Genehmigung reichte der Konzern sage und schreibe 2.000 Seiten mit Änderungen ein. Neben anderen Initiativen und Einzelpersonen greift auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN in das Verfahren ein und legte der Bezirksregierung eine Einwendung gegen den BAYER-Antrag vor.

CBG fragt, Supermärkte antworten
Die Pestizide von BAYER finden sich immer wieder in dem Obst und Gemüse, das bundesdeutsche Supermarkt-Ketten verkaufen. Mitglieder der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) nahmen das zum Anlass, die fünfzehn wichtigsten Anbieter nach den Schutzmaßnahmen für die VerbraucherInnen zu fragen. Acht davon schrieben zurück. Die Antworten fielen teilweise sehr allgemein aus; die meisten Konzerne können die Diskussion jedoch nicht mehr ganz ignorieren. Vorbildlich ist einzig die Position der Firma TEGUT, die in ihren Waren keinerlei Rückstände duldet. Alle anderen Unternehmen bekennen sich nicht zu einem Sortiment ganz ohne Agro-Chemikalien. Immerhin setzen sich einige Ketten zum Ziel, mit ihren Produkten die gesetzlichen Grenzwerte deutlich zu unterschreiten. So wollen LIDL und KAUFLAND um 66 Prozent unter dem staatlich vorgegebenen Limit bleiben, KAISER’S und ALDI streben eine Marke von 30 Prozent an.

Linke für Forschungsschutz
Die Unternehmen üben immer mehr Einfluss auf die Universitäten aus. Mittlerweile übersteigt der Anteil der Drittmittel an der Forschungsfinanzierung denjenigen der „Erstmittel“. Allein der Leverkusener Multi unterhält über 900 Kooperationen mit Hochschulen. Diese Gemengelage hat die Partei „Die Linke“ dazu bewogen, einen Antrag in den Bundestag einzubringen, der die Bundesregierung auffordert, Maßnahmen zu mehr Transparenz und zum Schutz der Unabhängigkeit der Wissenschaft zu treffen. Anlass dazu gab ihr konkret auch die Zusammenarbeit BAYERs mit der „Universität zu Köln“ (Ticker berichtete mehrfach), weil die beiden Partner Stillschweigen über den Vertrag wahren, was die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN bereits zu einer Klage bewogen hat. „Wie viel Geld an die Hochschule fließt und wie die Zusammenarbeit im Einzelnen geregelt wird, wird geheim gehalten“, kritisieren die Linke-Abgeordneten. Wenig später hat die SPD einen ähnlichen Vorstoß unternommen.

DGB gegen NRW-Hochschulräte
In den Hochschulräten als neuen Aufsichtsgremien der Universitäten sitzen zu einem Drittel VertreterInnen von Unternehmen. Der Leverkusener Multi darf da natürlich nicht fehlen. So ist der Konzern durch sein Vorstandsmitglied Richard Pott beispielsweise im Komitee der Universität Köln vertreten, mit welcher der Konzern auch eine umfassende Forschungskooperation unterhält (SWB 2/09). Der DEUTSCHE GEWERKSCHAFTSBUND (DGB) hat jetzt die Abschaffung der Hochschulräte gefordert. „Die Freiheit der Wissenschaft darf nicht den Zwängen des marktwirtschaftlichen Wettbewerbes unterworfen werden. Sonst bestimmen zunehmend die Wirtschaft und ihre Verbände die Wissenschaft“, heißt es in dem Bundesvorstandsbeschluss „Mehr Demokratie statt ‚unternehmerischer’ Hochschulräte“.

ACT UP kritisiert BAYER
Im März 2012 hat Indien BAYERs Patent an dem Krebs-Medikament NEXAVAR aufgehoben und dem einheimischen Generika-Hersteller NATCO PHARMA eine Zwangslizenz zur Herstellung einer preisgünstigen Version erteilt (Ticker 2/12), um die Versorgung der Bevölkerung mit der Arznei sicherzustellen. Der Leverkusener Multi zog umgehend vor Gericht (siehe auch RECHT & UNBILLIG). Dies stieß – wie ein ähnliches Vorgehen von NOVARTIS – auf Kritik der französischen Initiative ACT UP PARIS, die sich dem Kampf gegen AIDS widmet. Die Organisation sieht in der Entscheidung des indischen Patentamts nämlich eine richtige Maßnahme, die auch im Falle der für viele InderInnen unerschwinglichen, weil patent-geschützten neuen AIDS-Präparate angezeigt wäre. „ACT UP PARIS verurteilt die mörderische Politik von NOVARTIS und BAYER, deren Profit-Streben das Leben von hunderttausenden Kranken aufs Spiel setzt“, heißt es deshalb in einer Erklärung der Gruppe.

YASMIN-Geschädigte fordern Geld
BAYERs drospirenon-haltige Verhütungsmittel aus der YASMIN-Familie können Thromboembolien auslösen, die nicht selten tödlich verlaufen. Allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA registrierte in den letzten zehn Jahren 190 Sterbefälle. 13.530 Geschädigte oder deren Hinterbliebene haben deshalb bisher 12.325 Einzel- oder Sammelklagen gegen den Multi angestrengt. Mit 1.800 von ihnen hat der Konzern bis Mitte Juli 2012 Vergleiche geschlossen und dafür 400 Millionen US-Dollar aufgewendet. Jetzt fordern auch bundesdeutsche YASMIN-Geschädigte ein Entgegenkommen. „Die jüngsten Vergleiche in den USA zeigen, dass BAYER mit dem Rücken zur Wand steht. Von einem angeblichen ‚positiven Nutzen/Risiko-Profil’ der Präparate kann längst nicht mehr gesprochen werden. Es ist jedoch nicht hinnehmbar, dass BAYER eine halbe Milliarde Euro an amerikanische Opfer zahlt, sich aber in Europa weiterhin weigert, Verantwortung für exakt dieselben Pillen zu übernehmen“, so Felicitas Rohrer von der SELBSTHILFEGRUPPE DROSPIRENON-GESCHÄDIGTER in einer Presse-Erklärung. Auf der Hauptversammlung im Frühjahr 2012 hatte sich BAYER-Chef Marijn Dekkers gegen ein solches Begehr verwahrt. Die Zahlungen seien der Besonderheit des Rechtssystems in den USA geschuldet, erklärte er damals.

Duisberg-Straße bleibt
Am 29. September 2011 jährte sich der Geburtstag des langjährigen BAYER-Generaldirektors Carl Duisberg zum 150. Mal. Er war im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas und die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen. Zudem hatte er einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörderkonzerns IG FARBEN. Da dem Ex-Chef des Leverkusener Multis trotz alledem immer noch in Ehren gedacht wird, startete die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Kampagne. Sie forderte anlässlich des Jahrestags die Umbenennung von Straßen und Schulen, die Duisbergs Namen tragen, sowie den Entzug der Leverkusener Ehrenbürgerschaft (siehe auch SWB 1/12). Der Stadtrat des BAYER-Stammsitzes lehnte es jedoch ab, eine neue Bezeichnung für die Carl-Duisberg-Straße zu suchen – wegen der angeblichen Verdienste des Firmen-Patriarchen. Im nordrhein-westfälischen Espelkamp, das Duisbergs in Nürnberg als Kriegsverbrecher verurteilten IG-Kollegen Max Ilgner ein ehrendes Andenken bewahrt, übernahmen AntifaschistInnen 2008 selbst die Initiative. Sie überklebten den Straßennamen und gedachten auf dem Schild stattdessen dem ehemaligen IG-FARBEN-Zwangsarbeiter Eugen Muszynski.

ÄrztInnen wollen mehr Transparenz
Der VEREIN DEMOKRATISCHER ÄRZTINNEN UND ÄRZTE, TRANSPARENCY INTERNATIONAL und andere Initiativen haben in einer gemeinsamen Stellungnahme mehr Transparenz im Gesundheitswesen und eine Beschränkung des Einflusses der Pharma-Riesen gefordert. So treten die Organisationen für eine Offenlegung aller Zuwendungen von BAYER & Co. an MedizinerInnen, Verbände und Hochschulen ein. Zudem verlangen sie ein Verbot der Anwendungsbeobachtungen, bei denen die Pillen-Multis ÄrztInnen Geld für das Ausfüllen eines kleinen Fragebogens bezahlen, das in Wirklichkeit als Prämie für Neuverordnungen des Medikaments dient. Darüber hinaus mahnen die Gruppen eine strengere Handhabung des Heilmittel-Werbegesetzes an, um BAYERs Werbe-Broschüren für das Potenzmittel LEVITRA und andere Reklame-Schriften aus den Praxen zu verbannen.

KAPITAL & ARBEIT

BBS: Rationalisierung geht weiter
Im letzten Jahr hatte der Leverkusener Multi Teile der IT-Abteilung von BAYER BUSINESS SERVICES (BBS) ausgegliedert und damit die Arbeitsplätze von 260 Belegschaftsangehörigen und 290 LeiharbeiterInnen vernichtet. Doch das Rationalisierungsprogramm bei BBS geht weiter. So will die Sparte „Insourcing“ betreiben und nach außen vergebenen Arbeiten wieder selber erledigen. Mehr Personal plant das Unternehmen dafür allerdings nicht einzustellen – im Gegenteil: durch natürliche Fluktuation rechnet es laut Gesamtbetriebsvereinbarung bis Ende 2015 mit ca. 230 Beschäftigten weniger. „Letztendlich steht hier eine Gesamtbetriebsvereinbarung für die Profit-Interessen des Arbeitgebers auf dem Rücken der Mitarbeiter Modell. Die einen (intern) dürfen mehr arbeiten, die anderen (extern) können nicht mehr arbeiten“, so kritisieren die KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN FÜR EINE DURCHSCHAUBARE BETRIEBSRATSARBEIT, eine alternative Gewerkschaftsgruppe im Leverkusener BAYER-Werk, diese Geschäftspolitik.

200 Entlassungen in Institute
Nach der EU hatte 2010 auch die US-amerikanische Umweltbehörde EPA BAYER aufgefordert, die Fabrikation des zur höchsten Gefahrenklasse gehörenden Pestizid-Wirkstoffs Aldicarb einzustellen. Eine Gnadenfrist bis Ende 2014 räumte die Einrichtung dem Agro-Riesen ein. Der Leverkusener Multi trat allerdings in Vorleistung und schloss die EPA-Anordnung mit seinem 4.500 Jobs zur Disposition stellenden Rationalisierungsprogramm kurz. Bereits 2012 legte der Konzern die Aldicarb-Produktionsanlage am US-amerikanischen Standort Institute still und vernichtete damit 200 Arbeitsplätze.

BMS schließt Systemhäuser
Die Kunststoff-Sparte des Leverkusener Multis betreibt weltweit rund 30 Systemhäuser, die dafür sorgen, „dass aus den Polyurethan-Grundprodukten von BAYER maßgeschneiderte Anwendungen werden“ wie etwa Armaturenbretter, Polster für die Möbel-Industrie oder Dämmstoffe. Im Rahmen eines Rationalisierungsprogramms schließt BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) nun allerdings drei dieser Niederlassungen in Italien, Griechenland und in der Tschechischen Republik. In Italien nahmen das die Beschäftigten nicht einfach so hin. Sie streikten einen Tag lang, um gegen die Vernichtung von 50 Arbeitsplätzen zu protestieren.

CURRENTA: IG BCE will 37,5 Stunden
2007 spaltete der Leverkusener Multi BAYER INDUSTRY SERVICES auf. Die technischen Dienste landeten bei TECTRION und die Verantwortung für die Chemie-„Parks“ bei der CURRENTA, an der er 60 Prozent und seine Chemie-Abspaltung LANXESS 40 Prozent der Anteile hält. Zugleich nahm der Konzern gravierende Veränderungen vor. So erhöhte das Unternehmen bei den beiden Gesellschaften die Wochenarbeitszeit – ohne Lohnausgleich – von 37,5 auf 40 Stunden, was eine Gehaltseinbuße von 6,7 Prozent bedeutete. Zudem zwang es Teilen der Belegschaft das Zugeständnis ab, für einen bestimmten Zeitraum auf Lohnsteigerungen zu verzichten. Mit Blick auf die gute Ertragslage verlangt die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE jetzt, die Einschnitte bei CURRENTA und TECTRION zurückzunehmen. „Wir wollen wieder den normalen Flächentarif-Vertrag mit 37,5 Stunden“, erklärte der Betriebsratschef Jörg Feldmann, Beschäftigte erster und zweiter Klasse dürfe es nicht mehr geben. Das BELEGSCHAFTSTEAM, eine alternative Gewerkschaftsgruppe in der IG BCE, schloss sich den Forderungen an. Sollte es nicht zu einer Rückkehr zur Normalität kommen, kündigte deren Betriebsrat Klaus Hebert-Okon an, für den Beitritt der CURRENTA- und TECTRION-Beschäftigten zum Standortsicherungsvertrag einzutreten.

Gleicherer Lohn für gleiche Arbeit
Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) einigte sich mit dem Unternehmensverband der Zeitarbeitsfirmen auf eine Erhöhung der Bezüge für LeiharbeiterInnen. Deren bisheriges Gehalt von 8,13 Euro in der Entgeltgruppe 1 für Un- oder Angelernte soll über einen Zeitraum von neun Monaten in fünf Stufen bis zu einer Summe von 12,20 Euro steigen. Es liegt damit allerdings noch beträchtlich unter dem betreffenden Festangestellten-Tarif der Chemischen Industrie Nordrhein von 14 Euro. Auch gilt die Staffel-Regelung nur für die Entgelt-Gruppen 1 bis 5, nicht aber für die höheren Entgelt-Gruppen 6 bis 9.

Nur noch 909 Lehrlinge
Die Anzahl der Auszubildenden bei BAYER sinkt 2012 gegenüber dem Vorjahr von 924 auf 909. Das ist jedoch gar nichts im Vergleich zur Vergangenheit: Im Jahr 1990 fingen beim Leverkusener Multi noch 1.600 Stifte an. Zudem sind heutzutage rund ein Drittel der Neuen bloß Lehrlinge zweiter Klasse. Entweder nehmen sie am Starthilfe-Programm teil, das lernschwache SchulabgängerInnen lediglich auf eine künftige Lehre vorbereitet, oder sie gehören zu denjenigen, die der Konzern im Rahmen der „Ausbildungsinitiative Rheinland“ über Bedarf überbetrieblich und damit ohne Berufsaussichten beim Unternehmen mitausbildet.

Prozess-Design geht in die USA
BAYERs Kunststoff-Sparte verlegt die Zentrale für das globale Prozess-Design, welches weltweit die Betriebsabläufe mit Hilfe von SAP-Computerprogrammen vereinheitlichen will, in die USA. „Zum ersten Mal in der Historie des Traditionskonzerns beginnt ein unternehmensweites Projekt nicht in Deutschland“, hält die Fachzeitschrift CIO dazu fest. Die US-amerikanischen Beschäftigten signalisierten dem „BAYER MATERIAL SCIENCE“-Chef Patrick Thomas zufolge nämlich die größere Aufgeschlossenheit gegenüber Veränderungen. Und der Leverkusener Multi beabsichtigte, mit der Standort-Wahl „Vereinigte Staaten“ seinerseits ein Zeichen zu setzen. „Wir brauchten ein starkes Symbol für den Change“, erklärte Thomas. Und bei solchen „Changes“ geht es nicht immer sanft zu, wie sein IT-Beauftragter Kurt de Ruwe unter Beweis stellt: „Wenn ich die Denkweise von Menschen ändern möchte, dann muss ich sie auch aus ihrer Komfortzone herausholen.“

BAYWOGE: letzter Akt?
Anfang 2002 hat BAYER die firmen-eigene Wohnungsgesellschaft BAYWOGE mit ihren über 9.600 Wohneinheiten für 500 Millionen Euro an die ESSENER TREUHANDSTELLE (THS) verkauft, an der die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE beteiligt ist. Für die MieterInnen werde sich nichts ändern, betonte der Konzern damals. Dies erweist sich nun als falsch. Inzwischen haben sich die Besitzverhältnisse an dem Immobilien-Paket nämlich geändert, weil sich der Bund aus der THS zurückgezogen und die EVONIK mehr Anteile übernommen hat. Und seit 2012 gibt es mit VIVAWEST nicht nur einen neuen Namen, sondern auch eine neue Geschäftspolitik. Das Unternehmen will sich nämlich von der „Känguruh-Siedlung“ in Leverkusen-Wiesdorf trennen und forderte die MieterInnen in einem Brief auf, ihre Einfamlienhäuser doch zu kaufen und sich bis Ende Oktober zu entscheiden. „Sollte uns bis zu diesem Termin keine verbindliche Kaufzusage vorliegen, behalten wir uns vor, das Objekt anderweitig zu veräußern“, heißt es in dem Schreiben. Das hat die MieterInnen in helle Aufregung versetzt. Deshalb beschwichtigte VIVAWEST: „Niemand müsse befürchten, von einem fremden Erwerber wegen Eigenbedarfs kurzfristig aus dem Haus geklagt zu werden.“ Aber die Ängste bleiben. „Zehn Jahre. So lange hat es also gedauert, bis das letzte BAYER-Biotop austrocknet“, kommentierte der Leverkusener Anzeiger und machte „einen weiteren Traditionsbruch unter dem BAYER-Kreuz“ fest.

ERSTE & DRITTE WELT

Handelsabkommen abgesegnet
Um die ganz großen Globalisierungsvorhaben steht es nicht gut. Das Multilaterale Investitionsabkommen (MAI) landete Ende der 1990er Jahre auf dem Müllhaufen der Geschichte, und die Liberalisierungsbestrebungen der Welthandelsorganisation WTO im Rahmen der Doha-Runde kommen wegen der Vetos der Entwicklungsländer ebenfalls nicht voran. Darum schließt die EU fleißig Freihandelsabkommen mit einzelnen Ländern ab (siehe auch SWB 2/11). So hat der Europäische Rat im Juni 2012 die Verträge mit Peru und Kolumbien offiziell abgesegnet, die sogar noch über die 1994 im Rahmen der Welthandelsrunde in Uruguay beschlossenen Vereinbarungen hinausgehen. Galt in diesen Regelungen ein 20-jähriger Schutz des geistigen Eigentums, so können BAYER & Co. nun in Peru und Kolumbien bedeutend länger Monopol-Profite für ihre Medikamente einstreichen. Die Bearbeitungsdauer der Zulassungsanträge für die Arzneien müssen die beiden Länder nämlich jetzt noch draufrechnen. Auch Zugang zu den Test-Daten der Pillen dürfen sie erst nach fünf Jahren gewähren, weshalb sich die Produktion von Nachahmer-Präparaten verzögert, denn die meisten Generika-Firmen haben nicht das Geld für eigene Klinische Prüfungen. Zudem haben die südamerikanischen Staaten sich verpflichtet, Patent-Verstöße strenger zu verfolgen und zu bestrafen. Hätte Brüssel alle Forderungen gegenüber Peru durchgesetzt, so hätte das die Arzneimittel-Kosten in dem Land jährlich um 459 Millionen Dollar erhöht, wie die Initiative HEALTH ACTION INTERNATIONAL ausgerechnet hat. Aber selbst der erreichte Kompromiss dürfte den Andenstaat etliche Millionen Dollar kosten. Zu den weiteren Leidtragenden des Freihandelsabkommens zählen die Kleinbauern und -bäuerinnen und indigenen Gruppen, denn bereits infolge des Vertrags mit den USA mussten Regenwälder Agrosprit-Plantagen weichen und gefährdeten umweltschädliche Bergbau-Projekte die Ernten.

Indien: mangelhafte Arznei-Aufsicht
Eine vom indischen Parlament beauftragte Untersuchungskommission hat gravierende Mängel bei der Arzneimittel-Aufsichtsbehörde CDSCO festgestellt. „Über Jahrzehnte hinweg hat sie vor allem den Interessen der Pharma-Industrie gedient und darüber die Interessen der VerbraucherInnen vernachlässigt“, resümiert der Bericht. So hat die CDSCO sich beispielsweise in Zulassungsverfahren für Medikamente auf Gutachten von ExpertInnen verlassen, denen die Pillen-Riesen die Hand geführt haben. Als ein Beispiel nennt der Report BAYERs XARELTO mit dem Wirkstoff Rivaroxaban: „Die drei Expertisen (...) für Rivaroxaban (BAYER), eine Arznei zur Blutverflüssigung, sind fast identische Kopien.“

Kostenlose Generika in Indien
Lange hat BAYER Indien als Wachstumsmarkt betrachtet. Jetzt aber macht das Land dem Leverkusener Multi zunehmend Sorgen. Im März 2012 hat es das Konzern-Patent an dem Krebs-Medikament NEXAVAR aufgehoben und dem einheimischen Generika-Hersteller NATCO PHARMA eine Zwangslizenz zur Herstellung einer preisgünstigen Version erteilt (siehe auch AKTION & KRITIK). Und drei Monate später kündigte der Staat eine weitere Maßnahme an, um eine erschwingliche medizinische Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. Die Regierung legte ein 5,4 Milliarden Dollar schweres Gesundheitsprogramm auf, in dessen Rahmen sie den InderInnen kostenlos Nachahmer-Arzneien zur Verfügung stellen und den ÄrztInnen das Verschreiben der teuren patent-geschützten Original-Präparate verbieten will.

Indien: 20 Arzneitest-Tote
Die Pillen-Riesen lagern immer mehr Arznei-Tests in ärmere Länder aus. Dort locken günstigere Preise, ein großes Reservoir an ProbandInnen und eine mangelhafte Aufsicht. Die Folge: Immer wieder kommt es zu Todesfällen. Allein in Indien starben im letzten Jahr 20 Menschen bei Erprobungen von BAYER-Medikamenten. Von 2007 bis 2011 kamen 158 TeilnehmerInnen an klinischen Prüfungen mit Präparaten des Leverkusener Multis ums Leben. Insgesamt gab es in dem Zeitraum 2.038 Test-Tote.

POLITIK & EINFLUSS

250.000 Dollar für die Republikaner
Der Leverkusener Multi gehört traditionell zu den wichtigsten ausländischen Spendern im US-Wahlkampf. Aktuell schlägt sich BAYER - wie in den vergangenen Wahlkämpfen - auf die Seite der Republikaner. Ihre KandidatInnen erhalten 250.000 Dollar – so viel zahlt kein anderes bundesdeutsches Unternehmen. Um es sich mit der Gegenseite nicht ganz zu verscherzen, überweist der Leverkusener Multi den Demokraten 129.000 Dollar. Insgesamt investierte der Konzern bis Ende August 2012 über 473.000 Dollar in den Urnengang. Und es dürfte noch eine erkleckliche Summe dazukommen. Grenzen sind dem Pharma-Riesen dabei keine mehr gesetzt: Im Januar 2010 erklärte das Oberste Gericht der USA die Festsetzung von Parteispenden-Höchstgrenzen für verfassungswidrig.

VCI spendet reichlich
Der Leverkusener Multi spendet aus Image-Gründen nicht selber an politische Parteien. Das übernimmt für ihn der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI). Den 2012 veröffentlichten Zahlen zufolge ließ dieser im Jahr 2010 der CDU 26.000 Euro zukommen, der FDP 20.000 und der SPD 14.000. Die Grünen und „Die Linke“ gingen leer aus.

BAYER sponsert NRW-Fest
Traditionell richtet die nordrhein-westfälische Landesregierung in ihrer Berliner Vertretung einmal pro Jahr ein Fest aus. Und traditionell zählt BAYER mit zu den Finanziers. 5.000 Euro lässt der Leverkusener Multi heuer dafür springen. „Unternehmen machen das, weil sie auf der Feier neue Kontakte knüpfen und wichtige Gespräche führen können“, so erklärt Regierungssprecherin Anja Heil die Freigiebigkeit der Konzerne. Dem Pharma-Riesen bietet sich diesmal unter anderem die Möglichkeit, mit dem NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin wichtige Gespräche zu führen.

Dekkers im GE-Verwaltungsrat
BAYER-Chef Marijn Dekkers zog in den Verwaltungsrat des US-amerikanischen Multis GENERAL ELECTRIC ein, für den der Holländer während der 1980er Jahre bereits einmal in der Forschungsabteilung gearbeitet hatte.

Yzer-Comeback
Im letzten Jahr musste die ehemalige BAYER-Juristin und CDU-Staatssekretärin Cornelia Yzer ihren GeschäftsführerInnen-Posten beim vom Leverkusener Multi gegründeten „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller (VFA) räumen, da ihre Rambo-Politik das den Pillen-Riesen Zugeständnisse abfordernde neue Arzneimittel-Gesetz nicht hatte verhindern können. Yzer blieb jedoch nicht lange arbeitslos. Im September 2012 erhielt sie die Nominierung zur Berliner Wirtschaftssenatorin. Das hatte selbst für konservative Zeitungen wie die Rheinische Post ein Geschmäckle. „Yzer war nicht irgendeine Lobbyistin. Sie stand jahrelang dem VFA und damit einem der aggressivsten Lobby-Verbände vor. Nun soll sie in einer Stadt, in der das Pharma-Unternehmen BAYER SCHERING einer der größten Arbeitgeber ist, Politik für die ganze Wirtschaft machen. Kann das glaubwürdig gelingen?“, fragte sich das Blatt.

Ökosteuer-Ausnahmen verlängert
Mit der Ökosteuer wollte Rot-Grün 1999 Industrie und Privathaushalte durch eine Erhöhung der Energiekosten zu umweltschonenderem Verhalten anregen. Bei BAYER & Co. bleibt diese Lenkungswirkung allerdings aus, denn die Regierung Schröder gewährte den energie-intensiven Branchen wie der Chemie-, Bergbau-, Stahl- und Eisen-Industrie großzügige Ausnahmen. 2011 waren diese 4,3 Milliarden Euro wert. Allein der „Spitzenausgleich“ erspart den Konzernen jährlich 2,3 Milliarden Euro – die dritthöchste in der Bundesrepublik gewährte Subvention. Die Chemie-Industrie ist da mit einer Milliarde Euro dabei. Wieviel die Regelung BAYER selbst einbringt, möchte der Leverkusener Multi nicht verraten – Steuergeheimnis. 2012 läuft der Sonderpassus aus, ursprünglich wollte die EU ihn wegen seiner wettbewerbsverzerrenden Wirkung schon viel früher kippen, aber der damalige Finanzminister Hans Eichel intervenierte erfolgreich in Brüssel. Wolfgang Schäuble sprach in der Sache ebenfalls schon bei der Europäischen Union vor, und so dürfte diese auch diesmal wieder ihr Ja-Wort geben. Bei der zur Verlängerung nötigen „Änderung des Energiesteuer- und des Stromsteuergesetzes“ haben die Konzerne tatkräftig mitgewirkt. „Viele Ihrer Änderungswünsche wurden übernommen“, teilte Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) dem „Bundesverband der deutschen Industrie“ in einer E-Mail mit. Nicht zuletzt deshalb begrüßte der „Verband der chemischen Industrie“ den Kabinettsbeschluss: „Der Spitzenausgleich ist ein notwendiger Bestandteil der Energiewende. Er begrenzt die hohe Mehrbelastung für energie-intensive Unternehmen und ist unentbehrlich, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.“

Mit Obama für das NEXAVAR-Patent
Im März 2012 hat das „Indian Patent Office“ BAYERs Patent an dem Krebs-Medikament NEXAVAR aufgehoben und dem einheimischen Generika-Hersteller NATCO PHARMA eine Zwangslizenz zur Herstellung einer preisgünstigen Version erteilt (Ticker 2/12). Die Behörde berief sich dabei auf einen Ausnahme-Paragraphen des internationalen Patentabkommens TRIPS und begründete ihre Entscheidung damit, dass der Pharma-Riese es versäumt habe, den Preis für das Medikament (monatlich 4.200 Euro) auf eine für indische PatientInnen bezahlbare Höhe herabzusetzen. Das hat Big Pharma in helle Aufregung versetzt. Die Konzerne witterten einen Präzedenz-Fall und starteten Aktivitäten. US-amerikanischen Pillen-Riesen gelang es sogar, den Präsidenten für ihre Ziele einzuspannen. Ein hochrangiges Mitglied der Obama-Administration sicherte den Unternehmen zu, in dieser Sache Druck auf die indische Regierung auszuüben. Der Kongress unterstützte diesen Kurs, nachdem die Leiterin des US-amerikanischen Patentamtes, Teresa Rea, die PolitikerInnen von der Dringlichkeit der Angelegenheit überzeugt hatte. Der republikanische Abgeordnete Bob Goodlatte drohte in der Debatte sogar damit, den Fall vor das Schiedsgericht der Welthandelsorganisation WTO zu bringen. Unterdessen macht das indische Beispiel Schule: China, Thailand, Argentinien und die Philippinen haben ihre Patent-Gesetze um Regelungen erweitert, die eine vereinfachte Vergabe von Lizenzen zum Nachbau patent-geschützter Pharmazeutika ermöglichen.

Personalisierte Medizin ist Hightech
Laien verstehen unter „personalisierter Medizin“ eine passgenaue, auf die jeweiligen Bedürfnisse der PatientInnen ausgerichtete Therapie-Form. Dabei versteckt sich hinter dem Begriff oft nur die schlechte alte Gentechnik mit ihrer Suche nach krankheitsrelevanten Molekülen. Häufig umschreibt der Ausdruck auch bloß die Strategie, aus der Not eine Tugend zu machen. So begann der Leverkusener Multi, als sein Blutverdünner XARELTO bei der Indikation „Thrombose“ in Tests nicht besser als die bisherige Standardmedikation abschnitt, diejenigen ProbandInnen herausfiltern, bei denen es doch anschlug, um es einmal mit einem personalisierten XARELTO zu versuchen (Ticker 1/12). Zu großen Hoffnungen für die Menschen gibt das Forschungsgebiet also kaum Anlass. Trotzdem gelang es Big Pharma, dieses der Bundesregierung schmackhaft zu machen: Sie nahm die individualisierte Medizin in ihre „Hightech-Strategie 2020 für Deutschland“ auf.

PatientInnen als BAYER-LobbyistInnen
BAYER & Co. haben keinen Sitz im „Gemeinsamen Bundesausschuss“ (G-BA), der unter anderem darüber entscheidet, für welche Arzneien die Krankenkassen die Kosten übernehmen müssen. Deshalb wollen die Konzerne wenigstens einen verbesserten Zugriff auf die PatientInnen-VertreterInnen in dem Gremium haben, deren Namen bisher anonym bleiben. Dank ihrer durch viel Geld hergestellten guten Beziehungen zu Selbsthilfe-Gruppen und Verbänden wie dem Diabetiker-Bund hoffen sie nämlich, über die Kranken ihren Einfluss bei den Beratungen zu stärken und in den Besitz von wertvollen Informationen zu gelangen. Aus diesem Grund setzte BAYER HEALTHCARE dieses Thema bei einem Hintergrund-Gespräch mit Bundestagsabgeordneten in Berlin auf die Agenda. Die „Patienten-Beteiligung im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA)“ servierte der Multi zu seinem „Politik-Lunch“. Und die von dem Pharma-Anwalt Christian Dierks gehaltene Tischrede brachte die BAYER-Wünsche deutlich zum Ausdruck: „Um eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung zu legitimieren, muss eine transparente und angemessen legitimierte Patienten-Beteiligung im G-BA geschaffen werden.“

Erleichterte Arznei-Tests
TeilnehmerInnen von Arznei-Tests setzen sich hohen Risiken aus. Allein in der Bundesrepublik kamen von 2007 bis 2011 45 Menschen bei klinischen Prüfungen mit BAYER-Präparaten ums Leben. Trotzdem will die Bundesregierung die Aufsicht „entbürokratisieren“. So sollen die Ethik-Kommissionen, die bisher schon bloß 20 Minuten Zeit zur Begutachtung einer Medikamenten-Prüfung haben, künftig nicht mehr die Qualifikation aller an dem Verfahren beteiligten MedizinerInnen kontrollieren. Auch planen CDU und FDP, die bislang vorgeschriebene ProbandInnen-Versicherung bei „risiko-armen“ Pillen-Versuchen abzuschaffen. Der „Arbeitskreis Medizinischer Ethik-Kommissionen“ hat das Vorhaben scharf kritisiert. Er sieht „die große Gefahr, dass der Schutz der Studien-Teilnehmer nicht mehr im Vordergrund steht“.

BAYER bleibt bei ALEC
Das „American Legislative Exchange Council“ (ALEC) ist eine von den Global Playern gesponserte JuristInnen-Vereinigung, die als Bindeglied zwischen der Wirtschaft und den Republikanern fungiert. Der Leverkusener Multi gehört der Organisation seit 1992 an, „um unsere Unternehmenspositionen in den politischen Meinungsbildungsprozess einzubringen“, wie Konzern-Sprecher Guenter Forneck sagt, und ist in wichtigen Gremien vertreten (Ticker 2/12). Als die republikanischen Politiker James Inhofe, George Nethercutt und Orrin G. Hatch – auch mit Hilfe großzügiger Wahlkampf-Spenden von BAYER – Mandate erlangten, da machten sich die willigen Rechts-ExpertInnen von ALEC gleich daran, ihnen die Entwürfe für Gesetzesinitiativen zum Öko-, Agrar- und Tierrechts„terrorismus“ zu liefern. Und im letzten Jahr gelang es dank ALEC, im Bundesstaat Wisconsin ein Paragrafen-Werk zu verabschieden, das für BAYER & Co. die Standards der Produkthaftung aufweicht und beispielsweise für Pillen-Hersteller die zu zahlenden Entschädigungssummen auf 750.000 Dollar begrenzt. Durch ein von ihnen konzipiertes Notwehrrecht gerieten die Konzern-JuristInnen in den USA nun aber an den Pranger, denn auf eben dieses berief sich George Zimmermann vor Gericht, nachdem er Ende Februar 2012 den unbewaffneten Teenager Trayvon Martin erschossen hatte. COCA COLA, KRAFT und andere Firmen verließen daraufhin den Club. Der Spiegel fragte deshalb an, ob BAYER auch solch einen Schritt plane. „Nein“, antwortete der Gen-Gigant kurz und knapp.

BfR unter Einfluss
Die „Expertenkommission für genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel“ berät das „Bundesinstitut für Risikobewertung“ in Sachen „Lebens- und Futtermittelsicherheit gentechnisch veränderter Organismen und daraus hergestellter Produkte“. Unabhängig agiert sie dabei jedoch nicht, denn nach einer Recherche von TESTBIOTECH haben neun der 13 Mitglieder Verbindungen zur Industrie. So stand etwa die Kommissionsvorsitzende Inge Broer, Biotech-Unternehmerin und Agrobiotechnologie-Professorin, BAYER bei der Anmeldung von Patenten auf Gentech-Pflanzen zur Seite.

Bánáti ganz beim ILSI
Die „Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit“ (EFSA), die unter anderem für die Zulassung von Gen-Pflanzen zuständig ist, steht seit langem in dem Ruf, allzu industrie-freundlich zu sein. So haben viele MitarbeiterInnen Verbindungen zum „International Life Science Institute“ (ILSI), das – finanziert unter anderem von BAYER, MONSANTO und COCA COLA – regelmäßig Entlastungsstudien zu Gen- und Nanotechnik sowie zu anderen umstrittenen Feldern anfertigt. Die Verwaltungsratschefin Diána Bánáti musste deshalb zurücktreten – und trat umgehend einen Vollzeitjob beim ILSI an.

Schneider besucht BAYER
Der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD) besuchte Ende August 2012 BAYERs Dormagener Chemie-„Park“, um die neuen Lehrlinge zu begrüßen und BAYERs Starthilfe-Programm für lernschwache SchulabgängerInnen ohne Ausbildungsplatz zu loben. Mit Kritik an der im Vergleich zum Vorjahr gesunkenden Zahl der Ausbildungsplätze (siehe KAPITAL & ARBEIT) hielt sich Schneider hingegen vornehm zurück.

Lieberknecht besucht BAYER
Ende Juli 2012 besuchte Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht die BAYER WEIMAR GmbH, welche unter anderem die wegen ihrer schweren Nebenwirkungen umstrittenen Verhütungsmittel der YASMIN-Familie produziert (siehe auch RECHT & UNBILLIG). Die CDU-Politikerin nahm daran allerdings keinen Anstoß. Für sie stellte die Fertigungsstätte einen Beweis „Thüringer Leistungsfähigkeit“ dar.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER überprüft Werbe-Etat
Laut Geschäftsbericht lässt der Leverkusener Multi sich Marketing und Vertrieb seiner Produkte rund neun Milliarden Euro kosten. Direkt in die Werbung fließt davon ca. eine Milliarde Euro, einen großen Teil davon frisst die Pillen-Reklame. Große Agenturen wie BBDO oder JWT widmen sich für BAYER der Marken-Pflege. Derzeit überprüft der Pharma-Riese jedoch sämtliche Geschäftsbeziehungen in diesem Bereich, um Einspar-Potenziale auszuloten.

Pillen-Werbung erleichtert
Bislang durften BAYER & Co. auch für nicht verschreibungspflichtige Arzneien nicht uneingeschränkt Reklame machen. So verbot der Gesetzgeber Werbung mit Hilfe von Gutachten, Krankengeschichten und Vorher-/Nachher-Bildern. All das gilt nun nicht mehr. Eine EU-Richtlinie lockerte die Bestimmungen, und die Bundesregierung setzte sie im Juni 2012 in deutsches Recht um. Nur der Bundesrat muss noch zustimmen. Die BUKO PHARMA-KAMPAGNE protestierte gegen die Änderung des Arzneimittel-Gesetzes. Es könne „einem problematischen Schmerzmittel-Konsum Vorschub leisten“, warnt die Initiative mit Blick auf die Nebenwirkungen von ASPIRIN und anderen Analgetika. Auch eine Selbsthilfegruppe von Menschen mit Behinderung und die Bundesärztekammer sprachen sich gegen die „Reform“ aus.

„ONE-A-DAY“-PR mit Sheryl Crow
Promi-unterstütztes Sozialmarketing – so will BAYER in den USA den KundInnen-Stamm für seinen Vitamin-Cocktail ONE-A-DAY erweitern. Der Leverkusener Multi kaufte die Musikerin Sheryl Crow als Schirmherrin einer mildtätigen Aktion ein, in deren Rahmen er von jeder verkauften Packung des Präparats einen bestimmten Betrag an eine Organisation überweist, die Bedürftige mit Lebensmitteln versorgt.

Kampagne für Augen-Arznei
Der neueste Schrei ist BAYERs neue Arznei EYLEA nicht. Das Mittel zur Therapie der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – zeigte nach Angaben des Leverkusener Multis lediglich „eine vergleichbare Wirkung (‚Nicht-Unterlegenheit’) gegenüber der Behandlung mit LUCENTIS“. Um so wichtiger ist daher die Erschließung der Zielgruppe. Da dem Konzern zufolge „diese Krankheit und ihre Symptome noch weitgehend unbekannt“ sind, plant er eine Versorgungsanalyse, aus der später einmal ein „Unterstützungsprogramm“ für die PatientInnen erwachsen soll.

YASMIN hilft nicht mehr gegen Akne
Der Leverkusener Multi bewirbt seine Verhütungsmittel aus der YASMIN-Familie auch als Lifestyle-Präparate zur Behandlung von Akne, obwohl die Mittel viele Nebenwirkungen wie beispielsweise Trombo-Embolien haben, an denen binnen der letzten zehn Jahre allein in den USA 190 Frauen starben. „Die Einnahme mancher Pillen kann Problemen wie fettiger Haut und fettigem Haar entgegenwirken“, verkündete BAYER etwa auf der Website pille.com. Von Spiegel online auf diesen Tatbestand angesprochen, stritt der Konzern alles ab. Die Präparate „werden von uns in Deutschland weder in der Indikation ‚Akne’ noch in anderen dermatologischen Indikationen vermarktet“, behauptete ein Unternehmenssprecher. Zumindest ein wenig wahrer wurde dies nach Erscheinen des Artikels: Dann nahm der Pillen-Riese die betreffende Seite nämlich vom Netz.

Nano-Truck im Baykomm
Die Nanotechnologie lässt Werkstoffe auf winzig kleine Größen schrumpfen. Dabei entwickeln die Erzeugnisse wie BAYERs BAYTUBES-Kohlenstoffröhrchen jedoch oftmals unbekannte und nicht selten gefährliche Eigenschaften. Im Nano-Truck, der im Auftrag des Bundesbildungsministeriums zu Werbe-Zwecken durch die Lande fährt und Ende Mai 2012 beim Multi in Leverkusen Station machte, erfahren die interessierten Laien davon allerdings nichts. Stattdessen zeigen ihnen WissenschaftlerInnen, wie Ketchup dank der Nano-Technik seine klebrigen Eigenschaften verliert.

BAYLABs in der Kritik
Die bundesdeutschen Schulen haben immer weniger Zeit und Geld, um für eine angemessene naturwissenschaftliche Ausbildung zu sorgen. Das nutzen die Konzerne aus. Sie halten immer mehr bestens ausgestattete SchülerInnen-Labore bereit, die ganze chemische Herstellungsprozesse simulieren können oder Gentechnik-Experimente erlauben. Kritik steht jedoch nicht auf dem Lehrplan. „Natürlich bekommen die Schüler dort den Eindruck vermittelt, Gentechnik sei das Nonplusultra, und ohne BAYER und seine Pflanzenschutzmittel würde keine Nutzpflanze auf dieser Welt überleben“, sagte eine Lehrerin der Wirtschaftswoche. Da muss selbst die Journalistin konstatieren: „Hier grenzt sinnvolle Lernhilfe an Lobbyismus.“ Die interviewte Pädagogin versucht der Konzern-Propaganda durch eine gezielte Vorbereitung vorzubeugen. Nach Ansicht der Didaktik-Forscherin Susanne Weßnigk stoßen solche Bemühungen jedoch an ihre Grenzen. Die Wissenschaftlerin befragte SchülerInnen vor und nach dem Besuch des „Baylab Plastics“ zu ihrer Haltung zu den Fächern „Chemie“ und „Physik“ und kam zu dem Ergebnis: „Das Image der beiden Fächer verbesserte sich deutlich.“

UNEP lobt BAYER
Bereits seit langem sponsert BAYER die UNEP, das Umweltprogramm der Vereinten Nationen. Und das lohnt sich für den Leverkusener Multi, denn die Organisation tut viel für die Außenwirkung des die Natur nicht eben wenig belastenden Konzerns. „Die UNEP ist stolz darauf, mit BAYER zusammenzuarbeiten, um zu gewährleisten, dass sich die nächste Generation von Entscheidern in der globalen Umwelt-Diskussion engagiert“, konstatierte die US-amerikanische UNEP-Direktorin Amy Fraenkel anlässlich eines vom Global Player ausgerichteten Malwettbewerbs zum Weltumwelttag.

TIERE & ARZNEIEN

1.734 Tonnen Antibiotika
1.734 Tonnen Antibiotika landeten nach Angaben der Bundesregierung 2011 in den Tier-Ställen. Mittel aus der Gruppe der Fluorchinolone, zu denen BAYERs BAYTRIL zählt, waren mit acht Tonnen dabei. Einen Umsatz von 166 Millionen Euro machte der Leverkusener Multi mit dem Präparat im vergangenen Jahr, 118 Millionen Euro davon mit MassentierhalterInnen. Im Jahr 2005 hatten die Zuchtbetriebe insgesamt „nur“ 784,5 Tonnen Antibiotika gekauft. Die Steigerung um fast 1.000 Tonnen erhöht noch einmal die Gefahr der Entstehung von resistenten Krankheitserregern, die auch die menschliche Gesundheit bedrohen können – wegen der Infektion mit solchen Keimen sterben in der Bundesrepublik jährlich rund 15.000 Menschen. Die Bundesregierung will diese Gefährdung durch ein Gesetz zur Beschränkung des Antibiotika-Einsatzes reduzieren, das allerdings keine drastischen Maßnahmen vorsieht.

BAYER kauft dazu
Da die Massentierhaltung Medikamente en masse braucht (s. o.), stellt sie für BAYER einen lukrativen Markt dar. Darum verstärkte sich der Leverkusener Multi im September 2012 auf diesem Gebiet. Der Konzern kaufte die Veterinär-Sparte des israelischen Pharma-Riesen TEVA. Er entrichtete dafür keine Festsumme, sondern vereinbarte zusätzlich zum Kaufpreis von 60 Millionen Dollar erfolgsabhängige Zahlungen von bis zu 80 Millionen Dollar. Durch den Erwerb erweitert das Unternehmen sein Angebot in den Bereichen „Antiinfektiva“, „Haut-Präparate“, „‚Wellness’-Produkte“ und „Futter-Ergänzungsstoffe“. Ganz neu ins Portfolio rutschen Fortpflanzungshormone.

Deal mit NORBROOK
Der Leverkusener Multi vertreibt künftig Veterinär-Produkte von NORBROOK exklusiv in der Bundesrepublik und in Frankreich. Als Grund für die Kooperation gab der Pharma-Riese an, mit den Parasitiziden, Anti-Infektiva und Pharmalogika des norwegischen Herstellers sein eigenes Angebot ergänzen zu wollen, um „den Kunden umfassende Lösungsansätze anbieten zu können“.

DRUGS & PILLS

Kein XARELTO bei ACS?
Der Leverkusener Multi strebt in den USA eine Zulassung seines Mittels XARELTO zur Nachbehandlung des akuten Koronar-Syndroms (ACS) an. Das Präparat, das von den Behörden bereits grünes Licht für die Indikationen „Schlaganfall- und Thrombose-Prophylaxe“ erhalten hat, soll in Kombination mit einer anderen Therapie der nochmaligen Entstehung von Blutgerinnseln in der Herzkranz-Arterie vorbeugen. Das BeraterInnen-Gremium der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA riet allerdings von einer Genehmigung der Arznei ab. Das hatte es mit Verweis auf die erhöhten Herzinfarkt- und Blutungsrisiken schon beim Anwendungsgebiet „Schlaganfall-Prophylaxe“ getan. Die FDA ließ das Mittel dann allerdings trotzdem zu.
Eine Vorentscheidung ist also noch nicht gefallen.

ASPIRIN COFFEIN ungenügend
Öko-Test prüfte Schmerzmittel auf ihre Wirksamkeit, Verträglichkeit und Gegenanzeigen hin. ASPIRIN COFFEIN erhielt ein „Ungenügend“, da die vom Koffein ausgelöste belebende Wirkung dazu verleitet, das Mittel länger als nötig zu nehmen. Die anderen ASPIRIN- und ALKA-SELTZER-Analgetika bekamen dagegen trotz solcher Risiken und Nebenwirkungen wie Magenbluten unverständlicherweise gute Noten.

ASPIRIN COMPLEX mangelhaft
Öko-Test prüfte Grippe-Präparate auf ihre Wirksamkeit, Verträglichkeit und Gesundheitsrisiken hin. ASPIRIN COMPLEX erhielt die Note „mangelhaft“, weil das Mittel Pseudoephedrin zur Abschwellung der Nasenschleimhaut enthält. Dieser den Amphetaminen verwandte Stoff erhöht nach Meinung der TesterInnen die Gefahr von Nebenwirkungen. Zudem hat er ihnen zufolge einen aufputschenden Effekt, was zu Unruhe, Angst-Gefühlen und Schlafstörungen führen kann.

„Fett weg“-Spritze kommt
Mangels erfolgreicher neuer Arzneien zur Behandlung schwerwiegender Krankheiten will der Leverkusener Multi verstärkt von der steigenden Nachfrage nach Lifestyle-Präparaten profitieren. So entwickelt er gemeinsam mit dem Unternehmen KYTHERA eine Substanz, die – unter die Haut gespritzt – kleinere Fettpolster am Kinn auflösen soll. Im Frühjahr hat BAYER die dritte und letzte Testphase mit der „Fett weg“-Spritze angeblich erfolgreich abgeschlossen. Der Pharmazeut Gerd Glaeske warnt vor der Neuentwicklung. Er befürchtet, die zerstörten Fettzellen könnten im Körper umherwandern, zusammenklumpen und Gefäß-Verschlüsse oder Schlaganfälle verursachen. Zudem prophezeit er Hautschäden an den behandelten Stellen.

TRASYLOL-Teilverkauf
BAYER hat die Vertriebsrechte für die Arznei TRASYLOL, die zur Blutstillung nach Bypass-Operationen zum Einsatz kommt, an das niederländische Unternehmen NORDIC verkauft. Nur in den USA vermarktet der Leverkusener Multi das Mittel weiterhin selber. Der Pharma-Riese musste das Medikament 2007 aus dem Verkehr ziehen, weil Untersuchungen es für tausende Sterbefälle und Nebenwirkungen wie Nierenversagen, Schlaganfälle und Herzerkrankungen verantwortlich gemacht hatten. Erst im Februar 2012 hob die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA das Verbot wieder auf. Nach Ansicht der Behörde wies die so genannte BART-Studie des „Ottawa Hospital Research Institutes“, die im Jahr 2007 den Ausschlag für den Verkaufsstopp gegeben hatte, gravierende Mängel auf, was die ForscherInnen jedoch zurückweisen (Ticker 2/12).

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Mehr Bio-Pestizide
BAYER hat für 425 Millionen Dollar das US-Unternehmen AGRAQUEST gekauft. Es stellt Pestizide auf biologischer Basis her, die etwa mittels Bakterien Pilzbefall vorbeugen. Nach Ansicht der Nachrichtenagentur Reuters reagiert der Leverkusener Multi, der bisher mit VOTIVO nur ein einziges solches Mittel in seinem Sortiment führt, damit auf die hohe Nachfrage von Obst- und GemüseanbauerInnen nach Substanzen, die keine Chemikalien enthalten.

Berufskrankheit „Parkinson“
Pestizide haben Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem. Besonders Menschen, die täglich mit Agrochemikalien umgehen, setzen sich einem Gesundheitsrisiko aus. So erkranken LandwirtInnen häufiger an Parkinson als der Durchschnitt der Bevölkerung. Frankreich hat daraus die Konsequenz gezogen und die Gesundheitsstörung offiziell als Berufskrankheit bei Bauern und Bäuerinnen anerkannt. In der Bundesrepublik ist das vorerst nicht zu erwarten, obwohl die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft schon Anträge bewilligt hat. „Die hier und in Frankreich zugelassenen Pestizide sind unterschiedlich, das Versicherungssystem ist anders“, wiegelt Franz-Josef Heufert von der „Landwirtschaftlichen Sozialversicherung Nordrhein-Westfalen“ ab. Zudem gibt es nach Ansicht Heuferts wie auch des „Bundesinstituts für Risiko-Bewertung“ angeblich keine eindeutigen wissenschaftlichen Beweise für einen Zusammenhang zwischen Ackergiften und Parkinson-Erkrankungen.

Glyphosat im Urin
Das Anti-Unkrautmittel Glyphosat kommt hauptsächlich in Kombination mit MONSANTO-Genpflanzen der „ROUND UP“-Baureihe, aber auch zusammen mit BAYER-Produkten wie der Baumwolle „GHB 614“ zum Einsatz. WissenschaftlerInnen der Universität Leipzig wiesen das Mittel jetzt im menschlichen Urin nach. Da die ProbandInnen beruflich oder privat nicht mit dem Stoff umgingen, vermuten die ForscherInnen Nahrungsmittel als Überträger. Und tatsächlich spürte das schleswig-holsteinische Landwirtschaftsministerium die Substanz, die auch Geburtsschäden auslösen kann, bereits in Import-Linsen und Haferflocken auf (Ticker 3/12).

PFLANZEN & SAATEN

BAYER kauft Melonen-Saatgut
Der Leverkusener Multi baut sein Sortiment mit Gemüse-Saatgut weiter aus und erwirbt vom US-Unternehmen ABBOTT & COBB das Wassermelonen-Geschäft. Mittlerweile verfügt BAYER über 28 Arten und 2.500 Gemüsesaatgut-Sorten und strebt damit für 2012 einen Umsatz von drei Milliarden Euro an.

GENE & KLONE

Schlappen für NEXAVAR
Bereits im Jahr 2008 musste der Leverkusener Multi Tests mit NEXAVAR (Wirkstoff: Sorafenib) bei der Indikation „Lungenkrebs“ abbrechen. Trotzdem unternahm er mit dem Medikament bei der Diagnose „fortgeschrittener Lungenkrebs“ noch ein weiteren Anlauf. Doch dieser Versuch scheiterte im Mai 2012 wenig überraschend. Eine Kombinationstherapie von NEXAVAR und dem „ASTELLAS PHARMA“-Präparat TARCEVA zur Behandlung von fortgeschrittenem Leberkrebs brachte auch nicht das erhoffte Ergebnis. Bei Haut-, Brust- und Bauchspeicheldrüsenkrebs hatte sich die Arznei ebenfalls schon als wirkungslos erwiesen.

BETAFERON hält MS nicht auf
BETAFERON ist BAYERS profitabelste Arznei; allein im ersten Halbjahr 2012 setzte der Pharma-Riese damit über 900 Millionen Euro um. Mit der Wirkung steht es allerdings nicht zum Besten. Das Mittel kann zwar Rückfälle verhindern und Hirn-Schädigungen aufhalten, das Fortschreiten der Krankheit allerdings nicht unterbinden. Zu diesem Ergebnis kam eine Studie der Universitätsklinik Basel unter Leitung von Ludwig Kappos. „Wir fanden keinen Beleg dafür, dass die Gabe von Beta-Interferon zu einer Verzögerung des Fortschreitens der Behinderung bei Patienten mit schubförmiger MS führt“, schreiben Kappos und seine MitarbeiterInnen im Journal of the American Medical Association.

Markt-Rücknahme von MABCAMPATH
Das von BAYER und GENZYME gemeinsam entwickelte Gentech-Medikament MABCAMPATH (Wirkstoff: Alemtuzumab) hat eine Zulassung zur Behandlung einer seltenen Leukämie-Art. Diese PatientInnen stehen jetzt allerdings auf dem Schlauch. Die beiden Konzerne wollen das Mittel nämlich zur Therapie von Multipler Sklerose einsetzen, wo es achtmal so viele Betroffene gibt und entsprechend mehr zu verdienen. Deshalb haben die Unternehmen die Arznei für die bisherige Indikation kurzerhand aus dem Verkehr gezogen. Die Genehmigungsvorschriften würden es nicht erlauben, ein erst in der Klinischen Prüfung befindliches Medikament schon verfügbar zu halten, sagte GENZYME zur Begründung. „Dies ist ein Musterbeispiel für eine unethische Markt-Politik. Der Shareholder-Value wird hier in bisher nicht dagewesener Weise vor das Patienten-Wohl gesetzt“, empörte sich Torsten Hoppe-Tichy vom „Bundesverband Deutscher Krankenhaus-Apotheker. Auch die „Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie“ kritisierte das Vorgehen der Pharma-Riesen scharf.

Verunreinigungen durch LL601-Reis
Im Jahr 2006 war der gentechnisch veränderte Langkorn-Reis „LL601“ von BAYER weltweit in Supermärkten aufgetaucht, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch nirgendwo eine Zulassung für die gegen das hochgefährliche Herbizid Glufosinat (Produktname: LIBERTY) resistente Sorte vorlag. Und Kontaminationen gibt es weiterhin, wie die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ mitteilte. 2008 fand sich LL601 drei Mal in Handelsreis und Heimtier-Produkten und 2010 einmal in Handelsreis. Europa-weit gingen 2008 sieben LL601-Meldungen und eine LL62-Meldung ein, 2010 und 2011 jeweils eine. Insgesamt kam es ab 2008 in der Bundesrepublik zu 105 Fällen von Lebensmittel-, Futtermittel- oder Saatgut-Verunreinigungen durch Gen-Pflanzen, im restlichen Europa zu 242, was eindeutig die Unbeherrschbarkeit der Risiko-Technologie demonstriert.

Patentierte Kontaminationssuche
Nach Recherchen von NO PATENTS ON SEEDS hat das „Europäische Patentamt“ im Jahr 2011 rund 140 Patente auf Pflanzen erteilt. BAYER erhielt davon 22 – nur BASF bekam mehr. Auch das Eigentumsrecht an der gegen das Herbizid Glufosinat resistenten Sojabohne A5574-127 erwarb der Leverkusener Multi. Er darf damit sogar Saatgut exklusiv auf eine Verunreinigung mit dieser Sorte untersuchen. „Das neue Patent könnte nun dazu genutzt werden, unabhängige Kontrollen zu verhindern“, warnt NO PATENTS ON SEEDS.

BAYER entwickelt Gentech-Weizen
Die australische „Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation“ (CSIRO) hat im Labor einen gentechnisch veränderten Weizen entwickelt, der bis zu 30 Prozent mehr Erträge abwerfen soll. Den Zugriff auf diese Technologie will sich nun BAYER sichern. Deshalb ging der Leverkusener Multi mit CSIRO sowie der „Grains Research and Development Cooperation“ (GRDC), welche die Versuche finanziell unterstützt hatte, eine Forschungskooperation ein. So fügte er seinen zahlreichen Weizen-Verbünden (Ticker 3/12) einen weiteren hinzu.

Immer mehr Bt-Resistenzen
BAYER & Co. bauen in ihre Laborfrüchte gern das Gift-Gen des Bacillus thuringiensis (Bt) ein, um Schadinsekten zu töten. Diese können sich jedoch immer besser auf die Substanz einstellen, wie die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ mitteilte. So trotzt beispielsweise in China und Indien die Baumwoll-Kapseleule dem Stoff, in Japan, Malaysia, auf den Philippinen und in den USA die Kohlschabe, in Kanada die Aschgraue Höckereule, in Puerto Rico der Eulenfalter und in Südafrika die „Busseola fusca“-Raupe.

Glufosinat-Verkauf boomt
Im letzten Jahr hat das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ BAYERs Pestizid Glufosinat wegen seiner großen Gefahren für AnwenderInnen und VerbraucherInnen verboten und damit eine Anordnung der Europäischen Union umgesetzt. Außerhalb der EU-Grenzen erfreut sich die gesundheitsgefährdende Substanz aber einer steigenden Beliebtheit. In den USA kommt der Leverkusener Multi mit der Lieferung des Herbizids gar nicht mehr nach, hauptsächlich weil sich das Konkurrenz-Produkt Glyphosat von MONSANTO als zunehmend wirkungslos gegen den Wildwuchs auf den Feldern erweist. Das gleiche Schicksal könnte dem Ackergift, das der Konzern unter dem Namen LIBERTY vermarktet und bevorzugt zusammen mit seinen gegen dieses Mittel resistenten Gen-Pflanzen anbietet, jedoch auch bald blühen. Diese Situation hat DOW AGROSCIENCES schon dazu veranlasst, die Zulassung für ein genmanipulierte Soja-Sorte zu beantragen, die nicht nur gegen Glyphosat und Glufosinat, sondern auch gegen das berühmt-berüchtigte „Agent Orange“-Pestizid 2,4-D immun ist, an dessen Produktion dereinst die BAYER-Tochter MOBAY beteiligt war.

WASSER, BODEN & LUFT

BAYERs PFC-Einleitungen
Perfluorierte Kohlenwasserstoff-Verbindungen (PFC) sind hochgiftige, schwer abbaubare chemische Substanzen. Nach Recherchen des BUND leitet kaum ein Unternehmen eine solche Menge dieser Stoffe in den Rhein wie der Leverkusener Multi. Lange Zeit gelangten per annum sechs Tonnen PFCs made by BAYER in den Rhein. Mittlerweile „beschränkt“ sich der Konzern auf eine Tonne pro Jahr.

Mehr Pestizide in Gewässern
Bei den Zulassungsverfahren für die Pestizide von BAYER & Co. prüfen die Behörden auch, in welchem Maße die Agro-Chemikalien die Gewässer verunreinigen. Mit Hilfe von mathematischen Modellen bestimmen die zuständigen Stellen die voraussichtliche Belastung. Das „Institut für Umweltwissenschaften“ der Universität Koblenz/Landau hat diese Berechungen nun einmal einer genaueren Prüfung unterzogen. Das Ergebnis: Die tatsächliche Verschmutzung mit Chlorpyrifos – enthalten unter anderem in den BAYER-Produkten BLATTANEX, PROFICID und RIDDER – liegt weit höher als die prognostizierte. Professor Dr. Ralf Schulz tritt deshalb für eine grundlegende Revision der Risiko-Bewertung ein und fordert darüber hinaus: „Die Industrie als Zulassungsinhaber muss ihrer Verantwortung für einen vorsorgenden Umweltschutz gerecht werden und sich an einer Ursachen-Aufklärung beteiligen“. Auch an unabhängig gewonnenen Daten zu den Ackergift-Rückständen in den Flüssen fehlt es laut Schulz.

Strengere Auflagen für Anlagen
Die Bundesregierung hat einen Gesetzes-Entwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie für Industrie-Emissionen vorgelegt. Das Paragraphen-Werk schränkt die Möglichkeit zur Überschreitung von Grenzwerten für den Stickoxid- und Schwefeldioxid-Ausstoß ein und schreibt BAYER & Co. vor, bei der Stilllegung von Anlagen für eine Sanierung von Böden und Grundwasser zu sorgen. Zudem erweitert der Gesetzgeber die Informationspflichten der Konzerne.

Mehr Müll in Leverkusen-Bürrig
Neben der von der CURRENTA in Leverkusen-Bürrig betriebenen Sondermüll-Verbrennungsanlage entsteht eine Aufbereitungsanlage für die bei der Abfall-Behandlung übrig bleibenden Ofen-Schlacken. Mit den Planungen dafür betraute die Betreiber-Gesellschaft AVEA dann auch gleich die 60-prozentige BAYER-Tochter, die zudem nach der Fertigstellung des Baus jährlich bis zu 25.000 Tonnen Rostasche aus eigener „Produktion“ anliefern will. Größere Umweltbelastungen schlossen die beiden Unternehmen aus. Der Entstehung giftiger Staubwolken beabsichtigen sie etwa mit Berieselungsvorrichtungen entgegenzuwirken.

Noch mehr Gestank in Bergkamen
Bereits seit Jahren klagen die AnwohnerInnen des Bergkamener BAYER-Werkes über Geruchsbelästigungen, die von der Kläranlage ausgehen. Die 2008 eingeleiteten Umbau-Maßnahmen haben bislang keine Abhilfe schaffen können. Aus immer neuen Quellen dringt Gestank nach außen. Ende Juli 2011 sorgte eine defekte Pumpe für schlechte Luft. Wenige Tage später flossen unvorhergesehen saure und basische Abwässer zusammen, was übel aufstieß (Ticker 4/11). Einem erneuten Angriff auf die Riech-Organe begegnete der Konzern dann mit einer Entfernung des Klärschlamms und der Ablagerungen in den Auffangbecken. Ende Juli 2012 schließlich traten an einigen Leitungen Risse auf, durch die Abwässer sickerten und Duftmarken setzten. BAYER-Sprecher Martin Pape versuchte umgehend abzuwiegeln: „Der Schaden ist im mikrobiologischen Teil der Anlage entstanden. Dieser Teil ist nicht sehr geruchsintensiv.“

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

Giftlager Chemie-„Park“
Im Frühjahr 2011 gelang es der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) erstmals, Angaben über die auf den Werksarealen von BAYER gelagerten gefährlichen Chemikalien zu erhalten – trotz des Umweltinformationsgesetzes hatte der Leverkusener Multi vorher stets erfolgreich blocken können. 2012 stellte die CBG eine zweite Anfrage, diesmal nicht die Lage in Dormagen, sondern in Leverkusen betreffend. Demnach lagert BAYER MATERIAL SCIENCE im Chemie-„Park“ 1.600 Tonnen sehr giftiger, 9.200 Tonnen giftiger Stoffe und 3.400 Tonnen leicht entzündlicher Flüssigkeiten. Allein 42 Tonnen des Giftgases Phosgen befinden sich auf dem Gelände Und dazu kommen noch die Chemikalien-Bestände der 60-prozentigen BAYER-Tochter CURRENTA und des Unternehmens LANXESS. Professor Jürgen Rochlitz, Mitglied des CBG-Beirates und der vom Bundesumweltministerium eingesetzten „Kommission für Anlagensicherheit“, hält die Zahlen für besorgniserregend: „Bei BAYER werden weiterhin in großem Umfang hochgefährliche Chemikalien eingesetzt. Auffällig ist zum Beispiel die beachtliche Menge von Ethylenoxid und Propylenoxid – immerhin Stoffe, die sowohl krebserregend als auch hochentzündlich sind. Auch die großen Mengen krebserzeugender Stoffe stellen ein besonderes Gefährdungspotential dar. Zu fordern ist eine Substitution dieser besonders risikoreichen Chemikalien.“

Triclosan schädigt Muskeln
Triclosan kann die Muskeln schädigen. Der antibakteriell wirkende Stoff, der unter anderem in BAYERs FUNSOL-Spray gegen Fußpilz und -geruch enthalten ist, schränkt nach Forschungen von Isaac Pessah die Funktion zweier zwei Proteine ein, welche für die Kalzium-Versorgung der Muskelzellen sorgen. „Die Behörden sollten daher sehr genau prüfen, ob diese Substanz wirklich weiterhin in Konsum-Produkten verwendet werden darf“, rät der in Davis an der University of California lehrende Wissenschaftler.

Eine Million Chemie-Tote
Einer neue Studie des UN-Umweltprogrammes UNEP zufolge sterben in der „Dritten Welt“ jährlich über eine Million Menschen durch Pestizide oder andere Chemikalien. Damit gehören diese Vergiftungen weltweit zu den fünf häufigsten Todesursachen. Als Gründe für die besorgniserregenden Zahlen nennt der Report die gestiegene Chemie-Produktion in den armen Ländern, laxe Umweltgesetze, mangelnde Aufklärung über die Handhabung der gefährlichen Produkte und das Fehlen von Schutzkleidung. „Eine konzertierte Aktion von Regierungen und Industrie ist nötig, um die wachsenden Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu reduzieren, die durch einen nicht nachhaltigen Umgang mit Chemikalien entstehen“, erklärte die UNEP. Die Institution könnte auf dem kleinen Dienstweg zur Handlung schreiten: BAYER gehört nämlich zu ihren Sponsoren (siehe auch PROPAGANDA & MEDIEN). Der Leverkusener Multi und die anderen bundesdeutschen Chemie-Unternehmen lehnen allerdings eine Mitverantwortung für die eine Million Toten ab. Deutsche Hersteller seien kaum in ärmeren Ländern aktiv, nur 13 Prozent der Exporte gingen nach Asien und bloß 1,7 Prozent nach Afrika, erklärte eine Sprecherin des „Verbandes der Chemischen Industrie“ gegenüber der taz.

BEPANTHOL-Lipstick ungenügend
Öko-Test hat Lippenstifte mit UV-Filtern zum Schutz vor Sonnen-Strahlen untersucht. BAYERs BEPANTHOL LIPSTICK LSF 30 bewertete die Zeitschrift mit „ungenügend“. Für die schlechte Note sorgten hormonell wirksame Inhaltsstoffe wie Ethylhexyl Methoxycinnamate sowie andere gesundheitlich nicht unbedenkliche Substanzen wie Paraffine und Silikon.

NANO & CO.

Explosive Nano-Stäube
Die Nanotechnologie lässt Werkstoffe auf Mikro-Formate schrumpfen. Darum können Nano-Stäube schneller explodieren als andere Stäube, denn mit abnehmender Größe nimmt die Oberfläche im Verhältnis zum Volumen zu, weshalb die Winzlinge rascher oxidieren und entflammen. Ab einer Konzentration von 500 Gramm pro Kubikmeter Luft besteht nach den Angaben von BAYER auf dem Sicherheitsdatenblatt für die Nano-Röhrchen vom Typ BAYTUBES C 70 P oder C 150 P eine Staubexplosionsgefahr.

Greim als Nano-Gutachter
Die Nanotechnologie lässt Werkstoffe auf winzig kleine Größen schrumpfen. Dabei entwickeln BAYERs BAYTUBES und andere Nano-Produkte jedoch unbekannte und nicht selten gefährliche Eigenschaften. Genau dies stand dann auch bei dem Erörterungstermin zum Genehmigungsantrag der Firma H. C. STARCK, die ihre BAYTUBES-Herstellung von einem Versuchsbetrieb auf Normalproduktion umstellen und darüber hinaus ausweiten will, auf der Tagesordnung. Deshalb gab das Regierungspräsidium Freiburg im Laufe des Verfahrens auch ein Arbeitsschutz-Gutachten in Auftrag (Ticker 3/12). Für die Anfertigung hat die Behörde allerdings den Richtigen gefunden: Professor Helmut Greim. Der Toxikologe hat BAYER bereits im Holzgifte-Prozess sowie im Fall des Pestizides Lindan verteidigt und auch sonst allen möglichen Giften von Dioxin bis Pentachlorphenol (PCP) Unbedenklichkeitsbescheinigungen ausgestellt.

CO & CO.

Suche nach Hohlräumen
Die Bezirksregierung sucht noch bis November 2012 Teile des Streckenverlaufs von BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline nach Hohlräumen ab, die sich durch Ausspülungen und Kohlensäure-Verwitterungen in unterirdischem Kalkgestein bilden können. Sollten die PrüferInnen auf solche Bodenverhältnisse stoßen, so bedürfte das laut Pressesprecherin Marielle Erb „gesonderter Vorkehrungen für einen sicheren Leitungsbetrieb“ der Giftgas-Röhre.

PLASTE & ELASTE

Windkraft-Zentrum in Dänemark
BAYERs Kunststoff-Sparte will vom Boom regenerativer Energien profitieren und hat zu diesem Zweck an ihrem dänischen Standort Otterup ein Kompetenz-Zentrum für Windkraft eröffnet. Polycarbonate, Polyurethane, Lacke und Klebstoffe beabsichtigt BAYER MATERIAL SCIENCE den Herstellern der Anlagen zu liefern.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Gas-Austritt in Chemie-„Park“
Bei der auf dem Gelände des Dormagener Chemie-„Parks“ ansässigen Gefahrgut-Spedition HOYER kam es am 10.9.2012 zu einem Unfall. Aus der undichten Leitung einer Behälter-Reinigungsanlage trat Chlorwasserstoff aus. 25 Beschäftigte erlitten Augen- und Atemwegsreizungen, drei von ihnen mussten kurzzeitig ins Krankenhaus. 32 Feuerwehr-Kräfte waren im Einsatz; die Polizei sperrte bis zum Nachmittag alle Straßen rund um das Gelände ab. Seit 1999 operiert HOYER vom Chemie-„Park“ aus, macht für BAYER und weitere Unternehmen Chemikalien und andere Güter „reisefertig“ und transportiert sie. Der Leverkusener Multi nutzte das sogleich dazu, Abfüll-Arbeiten auszugliedern und der Logistik-Firma zu übertragen. Schon damals befürchteten einige BeobachterInnen Schlimmes. „Das Gefährdungspotenzial im Chemie-„Park“ BAYER wächst damit weiter“, so kommentierte etwa die Dormagener Grüne Irene Schnoor die Ansiedlung vor dreizehn Jahren.

STANDORTE & PRODUKTION

Subventionierte Standort-Verlegung
Im Zuge seines 800 Millionen Euro schweren Rationalisierungsprogramms, das 4.500 Arbeitsplätze vernichtet, verlegt BAYER Teile der Rechnungslegung wie etwa die Kunden- und Lieferantenbuchhaltung von Leverkusen nach Asien und Osteuropa (Ticker 2/12). Und dabei kassiert der Leverkusener Multi auch noch Subventionen. So verlockte das Städte-Dreieck Danzig/Sopot/Gdynia den Konzern mit einer Prämie von fast 200.000 Euro, der Region den Vorzug vor anderen möglichen Standorten zu geben.

BAYER nutzt Standort-Wettbewerb
Die Stadt Monheim hat den Standort-Wettbewerb mit einer Senkung des Gewerbesteuer-Hebesatzes auf 300 Prozentpunkte verschärft. Weniger verlangt keine Kommune in Nordrhein-Westfalen. Dies ließ sich BAYER nicht zweimal sagen. Der Multi verlegte seine Patent-Abteilung von Leverkusen nach Monheim, wo er gegenüber seinem Stammsitz 180 Prozentpunkte Gewerbesteuer spart, und vernichtete dabei auch gleich noch 25 der 200 Arbeitsplätze (Ticker 2/12).

Monheim will mehr Sicherheit
Im Februar 2012 erteilte die Bezirksregierung Köln der von BAYER in Dormagen geplanten Kunststoff-Anlage eine Vorgenehmigung, obwohl die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und andere Verbände letztes Jahr in einer Anhörung viele Vorbehalte geäußert hatten. So beanstandeten sie etwa die fehlenden Angaben zur Umweltbelastung, eine mangelhafte Störfall-Vorsorge und eine ungenügende, da nur mit Blech statt mit Beton vorgenommene Ummantelung der Produktionsstätte. Zudem traten die Initiativen für den Einbau einer Schutzwand ein, die bei einer Explosion mit nachfolgendem Phosgen-Austritt neutralisierendes Ammoniak freisetzen könnte, und stellten in Frage, ob der Sicherheitsabstand der Fertigungsstätte zu Wohnsiedlungen ausreicht. Die Bezirksregierung hatte das zum Anlass genommen, ein Chemie-Werk mit einer Betonhülle zu besichtigen, BAYER einen Prüfauftrag zur Abstandsregelung zu erteilen und die Erstellung eines Katastrophen-Planes anzumahnen. Nach Bekanntgabe der Vorgenehmigung forderte auch die Stadt Monheim Nachbesserungen. Sie verlangte die Installierung von Hochleistungssirenen sowie von Mess- und Warn-Einrichtungen am Rheinbogen. „Die Einwände werden bei der abschließenden Genehmigung alle noch einmal rechtlich gewürdigt“, versprach die Kölner Behörde.

IMPERIUM & WELTMARKT

BAYER kauft ARKEMA-Sparte
BAYER hat von dem französischen Konzern ARKEMA die Kunststoffplatten-Sparte mit den entspre

[Pharmatests] Tödliche Medikamententests

CBG Redaktion

Presse Info vom 27. Juli 2012
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Indien: neue Todesfälle bei Medikamenten-Tests

Novartis, BAYER, Pfizer an der Spitze / Probanden kennen Risiken meist nicht

Nach aktuellen Angaben der indischen Regierung starben im vergangenen Jahr 438 Probanden bei der Durchführung von Klinischen Studien. Eine von der Zeitung Business Standard eingesehene Aufstellung des Drugs Controller General of India (DCGI) für 2011 zeigt, dass allein bei Pharma-Tests von Novartis 57 Testpersonen starben. Auf der Liste folgen BAYER und Pfizer mit je 20 Todesfällen und Bristol Mayer Squibb mit 19. Genannt wird auch die US-Firma Quintiles, die jedoch keine eigenen Medikamente herstellt, sondern im Auftrag von Pharma-Unternehmen Studien durchführt.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Novartis, BAYER und Co. setzen das Leben indischer Probanden wissentlich aufs Spiel. Recherchen vor Ort zeigen immer wieder, dass die Studienteilnehmer nicht über die Gefahren der getesteten Medikamente informiert werden – häufig wissen sie nicht einmal, dass sie an einer Studie teilnehmen. Es ist daher heuchlerisch, wenn die Pharmaunternehmen behaupten, in Indien die selben Standards anzulegen wie in Europa!“. Bereits im Zeitraum von 2007 bis 2010 waren bei Tests von BAYER 138 Inderinnen und Inder ums Leben gekommen, allein vier Personen starben an Nebenwirkungen des umstrittenen Gerinnungshemmers Xarelto. BAYER zahlte den Hinterbliebenen Entschädigungen von lediglich 5.250 Dollar.

„Pharma-Studien in Ländern des Südens müssen nach denselben Sicherheitsstandards durchgeführt werden wie in Europa oder den USA. Geschädigte und Hinterbliebene müssen die gleichen Entschädigungen erhalten – nur dann werden gefährliche Billig-Studien unattraktiv“, so Mimkes weiter. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hatte in der jüngsten BAYER-Hauptversammlung eine Aufstellung aller in Indien untersuchten Medikamenten, der beauftragten Subunternehmen sowie der Häufigkeit von Nebenwirkungen und Todesfällen verlangt, jedoch keine Antwort erhalten.

Westliche Unternehmen verlagern immer mehr Medikamenten-Tests in Länder mit großer Armuts-Population. Allein in Indien lassen sie derzeit etwa 1.900 Studien mit 150.000 Probanden durchführen und zahlen hierfür etwa eine halbe Milliarde Euro pro Jahr. Die für die Kontrolle zuständigen Ethik-Kommissionen bestehen oft nur auf dem Papier. Experten halten die offiziellen Zahlen zudem für viel zu niedrig. Dr. Chandra Gulhati von der Fachzeitschrift Medical Specialties, der die Entwicklung seit Jahren dokumentiert: „Es sind viel mehr, weil die meisten Toten gar nicht gemeldet werden. Die Angehörigen wissen nicht, dass die Verstorbenen Teil einer Studie waren. Es wird nicht ermittelt, es finden keine Obduktionen zur Ermittlung der Todesursache statt“.

Eine Reportage von RTL zeigte vor einigen Wochen einmal mehr, dass Merck, BAYER und Boehringer an unethischen Medikamententests in Indien beteiligt sind (hier anschauen).

Eine vom indischen Parlament beauftragte Untersuchungskommission stellte zudem gravierende Mängel bei der Arzneimittel-Aufsichtsbehörde CDSCO fest: „Über Jahrzehnte hinweg hat sie vor allem den Interessen der Pharma-Industrie gedient und darüber die Interessen der VerbraucherInnen vernachlässigt“, resümiert der Bericht. So hat die CDSCO sich beispielsweise in Zulassungsverfahren für Medikamente auf Gutachten von Experten verlassen, denen die Pillen-Riesen die Hand geführt haben. Als ein Beispiel nennt der Report Xarelto von BAYER mit dem Wirkstoff Rivaroxaban: „Die drei Expertisen (...) für Rivaroxaban (BAYER), eine Arznei zur Blutverflüssigung, sind fast identische Kopien.“

alle Informationen zur Kampagne

[HV Bericht] STICHWORT BAYER 03/2012

CBG Redaktion

HV-Jubiläum der CBG

BAYER schafft Bannmeile

Zu ihrem 30-jährigen Hauptversammlungsjubiläum bot die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) so viele Konzern-KritikerInnen auf wie nie zuvor. Der Leverkusener Multi wappnete sich dagegen, indem er den Eingangsbereich der Kölner Messehallen weiträumig abschirmte. So ersparte er seinen AnteilseignerInnen die Konfrontation mit Medikamenten-Geschädigten, Bienenzüchtern, TierschützerInnen und anderen AktivistInnen. Im Saal selber gab es dann allerdings kein Entrinnen mehr: Die GegenrednerInnen dominierten das Aktionärs-Treffen.

Vor Beginn der BAYER-Hauptversammlungen in den Kölner Messehallen bot sich Jahr für Jahr das gleiche Bild: Die den Bussen entstiegenen AktionärInnen mussten sich den Weg in die heiligen Hallen des Profits durch einen Kordon von Konzern-Kritikern bahnen, die sie mit Transparenten, Flugblättern und politischen Aktionen empfingen. Das wollte der Leverkusener Multi ihnen dieses Mal ersparen. Er zog einen weiträumigen Bannkreis um den Eingangsbereich und chauffierte seine AnteilseignerInnen auf diese Weise unbehelligt von den ProtestlerInnen bis vor die Tür.

Allzu lange konnte der Leverkusener Multi sie allerdings nicht abschirmen, denn im Saal selber machten ihnen mit 20 GegenrednerInnen mehr Kritische Aktionärinnen und Aktionäre denn je ihre Aufwartung. Besonders die leibhaftige Konfrontation mit den Opfern, welche die gnadenlose Jagd nach Profit zwangsläufig produziert, dürfte den Aktien-Haltern einiges Unwohlsein bereitet haben. So berichtete etwa Monika Thinschmidt über ihre Qualen nach dem Einsetzen von BAYERs Hormonspirale MIRENA. „Die kommenden fünfeinhalb Monate sollten mich bis dato prägen. Meine Beschwerden waren: nächtliche Schweißausbrüche, Herzrasen, Unruhe, Schlaflosigkeit, permanente Bauchkrämpfe und Oberbauchschmerzen.“ Zudem klagte sie über Brustknoten, eine Eierstock-Zyste als Tumorvorstufe, Libido-Verlust und eine verfrühte Menopause. Und damit ist sie beileibe nicht die Einzige. Die Frau zitierte eine Untersuchung des Frauengesundheitszentrums Graz, wonach 96 Prozent der Teilnehmerinnen Gegenanzeigen schilderten, über die sich die bunten Werbe-Broschüren ausschwiegen. „Sie bringen also ein unsicheres Produkt auf den Markt, informieren falsch, unzureichend und zu spät (...) Sie gefährden damit die Gesundheit von vielen Millionen Frauen weltweit. Sie streichen die Profite ein und sind nach meiner Einschätzung deshalb auch haftbar“, resümierte Thinschmidt.

Auch Geschädigte des hormonellen Schwangerschaftstests DUOGYNON, den die heute zu BAYER gehörende Firma SCHERING bis Mitte der 1970er Jahre hinein vermarktete, gingen ans Mikrofon. „Ich wurde im Juni 1976 mit einer Schädigung an beiden Armen geboren“, legte Silke Ehrenberg dar und erzählte von ihrem Martyrium mit Krankengymnastik ab dem Alter von sechs Wochen, häufigen Operationen und Folge-Erkrankungen. Hinzu traten noch die seelischen Schmerzen: „Ich bin anders, und das bekam ich ständig und überall zu spüren.“ Es war ein langer Prozess, bis die 36-Jährige sich so annehmen konnte, wie sie ist. Und er ist noch immer nicht abgeschlossen. „Dies heute und hier ist für mich ein weiterer Schritt, zu mir zu stehen. Zu sagen: Ich lebe mit einer Behinderung“, betonte sie deshalb. Immer wieder trieb die 36-Jährige die Frage um, woher ihre Behinderung rühre. Auf die Antwort stieß sie erst vor zweieinhalb Jahren. Da wurde sie auf Andre Sommer aufmerksam, den Gründer einer Initiative DUOGYNON-Geschädigter, der im letzten Jahr auf der Hauptversammlung gesprochen hatte und schon lange mit der CBG kooperiert. Seither kennt sie die Ursache ihrer Leiden. Die Erzieherin will aber ebenso wie Sommer mehr wissen und fordert BAYER zur Offenlegung interner Dokumente über den Zusammenhang von DUOGYNON und den Fehlbildungen auf. Ein Gericht in Berlin wies diesen Anspruch jedoch zurück. „Die Aussage, die Angelegenheit DUOGYNON sei verjährt, ist ein Schlag ins Gesicht aller Betroffenen. Ich stehe hier heute vor ihnen und lebe damit. Von Verjährung keine Spur“, so Ehrenberg.

Auch die extra aus England angereiste Valerie Williams, deren Sohn durch den in ihrer Heimat unter dem Namen PRIMODOS angebotenen Schwangerschaftstest stark gehandicapt zur Welt kam, verlangte den Zugang zum Firmen-Archiv. Die bislang bekannt gewordenen Unterlagen belegen nämlich eindeutig: Der SCHERING-Konzern wusste, was er tat. „1969 schrieb SCHERING, heute BAYER SCHERING, dem Britischen Ausschuss für Sicherheit und Medizin, dass PRIMODOS wegen der hohen Rate von Fehlgeburten bei einer Studie mit Ratten zurückgezogen würde“, referierte Williams und fragte dann: „Welche Gründe hatten Sie, PRIMODOS weiter herzustellen?“ Die Antwort darauf gab Gisela Clerc, ebenfalls Mutter eines DUOGYNON-Opfers. Finanzielle Erwägungen ließen ihrer Ansicht nach das Unternehmen an dem Produkt festhalten. DUOGYNON habe BAYER „viel Geld, den Kindern viel Schmerz und den Eltern viel Leid“ gebracht, fasste sie den Fall zusammen.

BAYER-Chef Marijn Dekkers zeigte sich ungerührt von den Leidensgeschichten und holte die Textbausteine von der letzten Hauptversammlung wieder hervor. „Wir haben schon mehrfach betont, dass wir ihr Schicksal bedauern und dass wir die Suche nach den Ursachen verstehen“, antwortete er den DUOGYNON-Geschädigten, um dann unmissverständlich die Konzern-Sicht darzulegen, wonach es keinen Zusammenhang zwischen dem Schwangerschaftstest und den Fehlbildungen gebe. Zur Hormonspirale MIRENA stand er gleichfalls in Treue fest. Sie werde seit 22 Jahren von 20 Millionen zufriedener Frauen angewendet und weise kein erhöhtes Brustkrebsrisiko auf, so Dekkers. Auch die Gefahr, eine Eileiter-Schwangerschaft zu erleiden, sei verschwindend gering, führte er weiter aus. „Es kann (...) jede Arznei unerwünschte Nebenwirkungen haben“, räumte der Vorstandsvorsitzende dann zwar ein, aber die seien ja auf dem Beipackzettel aufgeführt, womit er den Konzern – geschützt vor juristischen Ansprüchen – auf der sicheren Seite wähnte.

Die Verhütungsmittel des Pharma-Riesen mit dem Wirkstoff Drospirenon, die zahlreiche, zum teil tödlich verlaufende Thrombo-Embolien verursacht hatten, verteidigte der Ober-BAYER ebenfalls. „Wir sind vom Risiko-Profil Drospirenons überzeugt“, hielt er dem Rechtsanwalt Martin Jensch entgegen, der im Namen der betroffenen Frauen der SELBSTHILFEGRUPPE DROSPIRENON-GESCHÄDIGTER gesprochen hatte. Nicht einmal die nunmehr ausdrücklich auf das Risiko „Embolie“ aufmerksam machenden Warnhinweise auf den Packungen und die Zahlungen von 142 Millionen Dollar an US-amerikanischen Klägerinnen galten ihm als Schuld-Eingeständnis. Und einen Imperativ, ähnlich mit bundesdeutschen Geschädigten umzugehen, wollte er daraus schon einmal gar nicht ableiten. Die Zahlungen seien der Besonderheit des Rechtssystems in den USA geschuldet, erklärte Dekkers.

Diese Besonderheit lenkte sogar die Aufmerksamkeit der sonst nur auf ihre Dividende fixierten AktionärInnen-Vertreter einmal auf die Nebenwirkungen der Konzern-Präparate. „Das ist kein Gerinnsel, das ist ein Risiko“, konstatierte Hans-Martin Buhlmann von der „Vereinigung institutioneller Privatanleger“. Und sein Kollege Marc Tüngler von der „Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz“ fragte in Anspielung auf den unseligen BAYER-Cholesterinsenker, der das Leben von mehr als hundert Menschen gekostet hatte und den Konzern zu Schadensersatz-Zahlungen in Höhe von über einer Milliarde Dollar zwang: „Ist das LIPOBAY II?“

Das Geschäft mit den Pillen rief jedoch noch mehr GegenrednerInnen auf den Plan. Philipp Frisch von ÄRZTE OHNE GRENZEN befasste sich mit BAYERs Pharma-Patenten, die dem Konzern Monopol-Einnahmen sichern und Menschen in den ärmeren Ländern den Zugang zu einer erschwinglichen Versorgung mit Pharmazeutika versperren. So kostet das Krebspräparat NEXAVAR in Indien 5.500 Dollar pro Monat, weshalb Frisch die Entscheidung der indischen Regierung begrüßte, den Schutz des geistigen Eigentums für das Mittel unter Berufung auf den Ausnahme-Paragraphen im TRIPS-Handelsabkommen aufzuheben und eine Zwangslizenz zu erteilen. Der Verfasser dieser Zeilen wandte sich ebenfalls dem südasiatischen Land zu und machte auf den Skandal aufmerksam, dass dort von 2007 bis 2010 138 Menschen während der Klinischen Tests von Medikamenten des Global Players starben. Die Tierärztin Dr. Christine Esch von PETA DEUTSCHLAND schließlich widmete sich dem Leid der Tiere, die in den Arznei-Laboren des Unternehmens oder seiner Vertragspartner ihr Leben lassen, noch dazu, ohne valide Erkenntnisse zu produzieren, wie die vielen unerwünschten Pillen-Folgen zeigen.

Aber nicht nur der Pharmazeutika-Entwickung fallen Kreaturen zum Opfer, auch die Agrochemikalien des Leverkusener Multis fordern ihren Tribut. Sie sorgten in den vergangenen Jahren für das Verenden von Millionen Bienenvölkern. Deshalb sind ImkerInnen bereits seit langem Stammgäste auf der Hauptversammlung. „Der Mais kommt, die Bienen gehen“, so beschrieb Christoph Koch vom DEUTSCHEN BERUFS- UND ERWERBSIMKERBUNDES die fatale Wirkung der auf den Feldern nicht nur dieser Ackerfrüchte eingesetzten BAYER-Produkte. Sein Kollege Holger Nettler bezeichnete das Mantra des Konzerns, bei sachgemäßer Anwendung seiner Pestizide und Saatgut-Beizen träten keine Beeinträchtigungen der Bienen auf, als „Augenwischerei“. Dem schloss sich Roland Netter an, sich dabei auf eigene Erfahrungen berufend. Er nahm nämlich an dem Projekt „Melissa“ teil, das die Effekte der Pestizide auf Bienen unter Berücksichtigung aller Schutzmaßnahmen untersuchte. Ergebnis: Die gemessenen Ackergift-Werte lagen sogar noch über denen des fatalen, von BAYER als „Unfall“ bezeichneten Bienensterbens in Baden-Württemberg 2008. Darum schloss sich Roland Netter dem Vorstoß der CBG an, Vorstand und Aufsichtsrat auch wegen des Bienensterbens nicht zu entlasten: „Wir Imker aus Österreich unterstützen den Gegenantrag der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN.“ Der BAYER-Chef ließ sich jedoch von alldem nicht beeindrucken und sprach GAUCHO & Co. von jedem Verdacht frei. „Die Gründe für den in einigen Ländern beobachteten Rückgang der Bienenvölker sind vielschichtig. Die Hypothese, dass Saatgut-Beizungen dazu gehören, wird durch eine Reihe von wissenschaftlichen Untersuchungen widerlegt“, antwortete er den Imkern.

Ähnlich ignorant zeigte sich Marijn Dekkers den Konzern-KritikerInnen gegenüber, die weitere Risiken und Nebenwirkungen der Profit-Jagd auf die Tagesordnung setzten. Dieter Donner von STOPP-BAYER-CO-PIPELINE und Dr. Gottfried Arnold von ÄRZTE GEGEN DIE CO-PIPELINE warnten einmal mehr vor der Inbetriebnahme der Kohlenmonoxid-Leitung von Dormagen nach Krefeld, Friedhelm Meyer von SOLIDARISCHE KIRCHE zeigte die Problematik der in vielen Alltagsgegenständen auftauchenden Industrie-Chemikalie Bisphenol A auf und Claudia Baitinger vom BUND beschäftigte sich mit der neuesten Gefahren-Quelle aus dem Hause BAYER, der Nano-Technik. CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes schließlich vervollständigte die Liste, indem er das Gefährdungspotenzial von Tier-Antibiotika, des Gerinnungshemmers XARELTO und des LIBERTYLINK-Genreises darstellte. Zudem verlangte er abermals Auskunft über die Marketing-Ausgaben und den vom Unternehmen mit der Universität Köln geschlossenen Kooperationsvertrag.

Der CBGler Axel Köhler-Schnura schließlich ergänzte dieses neue „Schwarzbuch BAYER“ aus gegebenem Anlass um die historische Dimension. Er beging im Kölner Messe-Saal nämlich nicht nur das 30-jährige Betriebsjubiläum der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auf den Hauptversammlungen des Konzerns, sondern verabschiedete auch den Aufsichtsrats- und ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Manfred Schneider. Während jedoch dessen Aufsichtsratskollege Paul Achleitner Schneider als „BAYER-Urgestein“ titulierte, das immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort und ein „höchst aktiver Lotse für das Unternehmen“ gewesen sei, sah der Rückblick Köhler-Schnuras etwas anders aus. „Herr Schneider und ich, wir stehen auf verschiedenen Seiten, wir spielen in verschiedenen Mannschaften. Sie, Herr Schneider, sagen: ‚Wir sind auf Profit aus. Das ist unser Job.’ Ich sage, um in Ihrer Wortwahl zu bleiben: ‚Ich bin auf demokratische Konzern-Kontrolle aus. Das ist mein Job.’ Und dann stellte er die Negativ-Bilanz von dessen Amtszeit vor. Der Aktivist erinnerte noch einmal an den LIPOBAY-Skandal, die Farce um die Entschädigungen der ZwangsarbeiterInnen der von BAYER mitgegründeten IG FARBEN, das gebrochene Versprechen, bis zum Jahr 2000 sämtliche hochgefährlichen Pestizide der Klasse I vom Markt zu nehmen und den Coup, mit Heribert Zitzelsberger den Steuer-Chef des Konzerns ins Finanzministerium einzuschleusen. Das alles kam dann in dem „Geschenk“ zum Ausdruck, das der Diplom-Kaufmann dem Manager abschließend darbot: ein schwarzes Holzkreuz. „Es ist eines der Kreuze, das wir in den letzten 35 Jahren bei vielen unserer Protest-Aktionen zum Gedenken an die vielen Opfer der BAYER-Produkte und der Vernichtung der tausenden von Arbeitsplätzen bei BAYER eingesetzt haben“, erläuterte Axel Köhler-Schnura, „Möge es Ihnen Erinnerung und Mahnung zugleich sein.“ Doch der Konzern verweigerte die Annahme. Er sah darin einen Missbrauch christlicher Symbole. Auch mit dem Redebeitrag des CBG-Vorstandsmitglieds mochte das Unternehmen sich nicht so recht anfreunden. „Wir spielen nicht nur in unterschiedlichen Mannschaften, wir sind auch in unterschiedlichen Ligen. Wir stehen unverbrüchlich zur parlamentarischen Demokratie und zur sozialen Marktwirtschaft. Wir wissen, dass Sie da ganz andere Ansichten haben“, beschied ihm Dekkers.

Wie unverbrüchlich der Multi zu demokratischen Werten steht, das hatte am Morgen die Einrichtung der Bannmeile gezeigt und im Laufe des Tages die Ignoranz, die er den – die überwältigende Mehrheit der RednerInnen stellenden – KritikerInnen entgegenbrachte. Entsprechend schlecht für den Chemie-Riesen fiel deshalb das Urteil der Presse aus. „Zwischen Jubel und Tribunal“ überschrieb etwa die Westdeutsche Zeitung ihren Bericht, „Noch mehr Ärger mit der Pille“ titelte der Tagesspiegel, „Kleinkrieg mit den Kritikern“ der Kölner Stadtanzeiger und „Die Störenfriede“ die Frankfurter Rundschau. Von Jan Pehrke

[HV Reden] STICHWORT BAYER 03/2012

CBG Redaktion

Das HV-Tribunal

„Übernehmen Sie Verantwortung!“

Konzern-Kritik in Großaufnahme: Von A wie Antibaby-Pillen bis Z wie Zwangslizenzen reichte die Agenda der Konzern-KritikerInnen auf der diesjährigen BAYER-Hauptversammlung.

Wie immer bei den BAYER-Hauptversammlungen stand am Anfang das Wort des Großen Vorsitzenden. Dieses Mal aber öffnete sich gleich nach dem Routine-Programm mit den Reden von Marijn Dekkers, dem Aufsichtsratschef Manfred Schneider und den Vertretern der AktionärInnen-Vereinigungen der Reigen der Konzern-Kritik, der fortan auch kaum noch unterbrochen werden sollte. Christoph Koch vom DEUTSCHEN BERUFS- UND ERWERBSIMKERBUND legte dar, welche verheerende Wirkung die BAYER-Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide auf die Bienenvölker haben. Bereits zum vierten Mal Gegenredner auf dem AktienhalterInnen-Treffen, informierte er die Versammlung über neue Studien, wonach die zumeist als Saatgut-Beize eingesetzten Mittel den Tieren schon in den geringsten Dosen schaden – und das bis in die zweite und dritte Generation. Deshalb haben Koch zufolge einige Länder GAUCHO & Co. bereits die Zulassung für bestimmte Anwendungen entzogen. „Die Beweise werden immer erdrückender für Sie und letztlich für den Konzern als Ganzes!“, stellte der Bienenzüchter fest und appellierte an den Vorstandsvorsitzenden: „Schwenken Sie um, bevor es zu spät ist, Herr Dekkers!“
Das verlangten auch seine Kollegen Holger Netzel und Roland Netter – und 563.475 weitere Personen. „Diese Menschen haben in den vergangenen 24 Stunden eine Petition unterzeichnet, die Sie, sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre, auffordert, durch Ihr verantwortungsvolles Handeln dem Bienensterben weltweit ein Ende zu bereiten“, berichtete Stephanie Brancaforte vom Kampagnen-Netzwerk AVAAZ. Aber es nützte alles nichts, obwohl der BAYER-Chef den Befund selber nicht in Frage stellte. Auch nach Dekkers Einschätzung haben 300.000 von einer Million Bienenvölkern den letzten Winter nicht überlebt. Doch nannte Dekkers dafür einen anderen Grund: „Die Arbeitsgemeinschaft der deutschen Institute für Bienenforschung hat wie zahlreiche weitere Wissenschaftlergruppen ausdrücklich dokumentiert, dass der Hauptfeind für die Gesundheit der Bienenvölker in vielen Regionen der Welt die Varroa-Milbe ist.“ Die Pestizide würden zwar akute Wirkungen hervorrufen, dank moderner Anwendungstechniken bliebe eine Belastung der Bienen jedoch weitgehend aus, so der Vorstandsvorsitzende.
Eine Belastung stellte in seinen Augen auch die Industrie-Chemikalie Bisphenol A nicht dar, die der Leverkusener Multi als einer der weltgrößten Produzenten in einer Menge von ca. 1,2 Millionen Tonnen pro Jahr fabriziert. Unfruchtbarkeit, Fehlbildungen und verfrühte sexuelle Reife – zu diesen zuvor von Friedhelm Meyer aufgezählten Risiken und Nebenwirkungen der vor allem in Lebensmittel-Verpackungen, Kunststoff-Geschirr, Kassen-Quittungen und Zahnfüllungen Verwendung findenden, hormonell wirkenden Substanz schwieg der Ober-BAYER sich aus. Auch dem Appell des Vertreters der SOLIDARISCHEN KIRCHE IM RHEINLAND, das aus dem 1. Weltkrieg als Giftgas berühmt-berüchtigt gewordene Giftgas Phosgen als Bisphenol-Vorprodukt zu substituieren, mochte er nicht folgen. „Phosgen ist und bleibt ein unverzichtbarer Grundstoff für Kunststoff“, antwortete Dekkers dem Pfarrer im Ruhestand, der das Thema „Bisphenol“ zusammen mit seiner Gruppe auch auf die Agenda des letzten Evangelischen Kirchentags in Dresden gesetzt hatte.

Rohrkrepierer Pipeline
Ebenfalls als unverzichtbar erachtet der Vorstandsvorsitzende die von Dormagen nach Krefeld führende Kohlenmonoxid-Pipeline. Nur steht das dem Wunsch von 110.000 BürgerInnen entgegen, wie Dieter Donner von der Initiative STOPP-BAYER-CO-PIPELINE ausführte. So viele Menschen haben nämlich die Petition gegen das Projekt unterschrieben. Einspruch hatte im letzten Jahr laut Donner auch das Düsseldorfer Verwaltungsgericht erhoben. Für „rechtswidrig und nicht vollziehbar“ hielt der Richter den Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung zur Errichtung der Giftgas-Leitung, weil er die Erdbeben-Sicherheit nicht gewährleistet sah. Und sogar der Leverkusener Multi selber liefert Argumente gegen den Bau. Hatte er in der Vergangenheit stets betont, es gebe am Standort Dormagen CO-Überkapazitäten, die eine Ableitung nach Krefeld dringend erforderlich mache, so entsteht dort jetzt mit der neuen Kunststoff-Produktion sogar ein Gas-Mehrbedarf, so der Aktivist. „Also schicken Sie die CO-Pipeline in die Wüste“, forderte er Marijn Dekkers auf.
Dem schloss sich Dr. Gottfried Arnold von ÄRZTE GEGEN DIE CO-PIPELINE an. Er erhob aus medizinischer Sicht schwerwiegende Einwände gegen die Verbundleitung. Die Trasse verläuft Arnold zufolge nämlich an Wohngebieten, Schulen und Kindergärten „im dichtest besiedelten Landkreis Deutschlands“ vorbei. Deshalb ist im Falle eines Rohrbruchs eine angemessene ärztliche Versorgung nicht zu gewährleisten, zumal für eine fachgerechte Behandlung einzig die Sauerstoff-Überdruckkammer in Düsseldorf zur Verfügung steht, die gerade einmal über zwei Plätze verfügt. „Dies alles ist uns als Ärzten nur zu bewusst, und wir sehen daher die CO-Pipeline als unverantwortliches Hochrisiko-Projekt an“, resümierte Arnold.
Dekkers focht das alles nicht an. BAYER hätte „große Sicherungsanstrengungen“ unternommen, versicherte er und strich noch einmal die Unerlässlichkeit des Projekts nicht nur für den Konzern, sondern für die ganze verarbeitende Industrie und gar den Standort NRW im Allgemeinen heraus. Damit nicht genug, nutze die Pipeline nicht nur der Ökonomie, auch ökologisch sei das Vorhaben, so Dekkers. Produzierte das Unternehmen das Kohlenmonoxid in Krefeld vor Ort mit einem Steam-Reformer, würden nämlich CO2-Emissionen entstehen, behauptete er scheinheilig. Warum der Bau trotz dieser Segnungen auf so viel Ablehnung stößt, kann der Niederländer folglich nicht verstehen, um so weniger, als der Global Player doch „von Beginn an einen intensiven Dialog“ mit den KritikerInnen gesucht habe.

Rechtsfreie BAYER-Räume
Was der BAYER-Chef wirklich über diese denkt, tat er fünf Wochen vor der Hauptversammlung in Düsseldorf vor der „Wirtschaftspublizistischen Vereinigung“ kund. Dort hatte er die GegnerInnen der Pipeline, des Kraftwerks Datteln und des „Stuttgart 21“-Projekts abschätzig als „aufgeklärte Wohlstandsbürger“ bezeichnet, die „beschlossene Projekte in Frage stellen“ und so einer standort-gefährdenden Technologie-Feindlichkeit Vorschub leisteten. Das veranlasste Claudia Baitinger vom BUND in Bezug auf den „Schwarzbau“ Datteln zu einer Richtigstellung: Nicht die „Wohlstandsbürger“ seien es, welche die Planungssicherheit gefährdeten, dafür sorge vielmehr die Politik selber mit ihren wirtschaftsfreundlichen Beschleunigungsgesetzen und Teilerrichtungsgenehmigungen. Und der Leverkusener Multi selber hilft der Umweltschützerin zufolge kräftig mit, rechtsfreie Räume zu schaffen. „Die Fragen nach Recht und Rechtssicherheit sind auch in einem Genehmigungsverfahren zu stellen, das von der ehemaligen BAYER-Tochterfirma H. C. STARCK in Laufenburg im Auftrag von BAYER zu Beginn diesen Jahres in Gang gesetzt wurde“, so Baitinger. Dort lief nämlich die Produktion der BAYTUBES-Nanoröhrchen bereits geschlagene sechs Jahre im Versuchsbetrieb, ehe sich der Betreiber bemüßigt fühlte, einen Antrag auf eine offizielle behördliche Zulassung zu stellen. Das wiegt nach Ansicht der ehemaligen Lehrerin umso schwerer, als von den auf winzig kleine Formate geschrumpften Kohlenstoffen eine Gesundheitsgefahr ausgeht. Während des Verfahrens dann zeigte sich der Konzern nicht verantwortungsvoller. So reichte er kurzerhand völlig neue Dokumente ein, als die vorgelegten Sicherheitsdatenblätter zu Unsicherheitsfaktoren mutierten. „Wenn sich nunmehr die dringlich herbeigesehnte Genehmigung in Laufenburg verzögert, weil das Freiburger Regierungspräsidium dem Braten offenbar nicht so richtig traut und sich noch ein Arbeitsschutzgutachten von unabhängiger Seite anfertigen lässt (...), so hat die Verzögerung nichts mit dem Widerstand ‚aufgeklärter Wohlstandsbürger’ zu tun, sondern schlicht mit einem unentschuldbaren Versäumnis des Antragstellers, der Firma BAYER“, resümierte Claudia Baitinger.
Unentschuldbare Versäumnisse mit tödlichem Ausgang thematisierte der Verfasser dieser Zeilen. Er setzte das Thema „Medikamenten-Versuche in Indien“ aus gegebenem Anlass wieder auf die Tagesordnung. Hatte der Redakteur von Stichwort BAYER 2010 vom Unternehmen Auskunft über die Zahl der bei den Klinischen Tests Gestorbenen und Geschädigten erbeten und zur Antwort erhalten, kein einziger Proband habe Gesundheitsstörungen erlitten, so konnte er den Vorstand nun der Falschaussage überführen. Der CBGler zitierte eine Untersuchung der indischen Regierung, wonach zwischen 2007 und 2010 138 Menschen bei den Arznei-Prüfungen von BAYER ihr Leben gelassen haben. Dekkers jedoch bestritt den Zusammenhang von Pharmazeutika-Nebenwirkungen und Tod. Da es sich bei den Testpersonen um zum Teil sehr kranke Risiko-PatientInnen handle, sei „die Mortalität grundsätzlich hoch“.
BAYERs Pharma-Sparte betrachtet Indien „als Ressource“. Als Absatz-Markt interessiert das Land den Multi wegen der geringen Kaufkraft der Bevölkerung hingegen bedeutend weniger. Deshalb bietet er beispielsweise sein Krebspräparat NEXAVAR nicht in ausreichenden Mengen und noch dazu mit 4.200 Euro pro Monat völlig überteuert an. Die Regierung hat daraus die Konsequenz gezogen, sich auf eine Schutz-Klausel im Patent-Abkommen TRIPS zu berufen und eine Zwangslizenz zu erteilen. Philipp Frisch von ÄRZTE OHNE GRENZEN begrüßte diese Entscheidung, das Patentrecht außer Kraft zu setzen und sah darin „ein wichtiges Signal“. „Damit hat die Behörde klar gemacht, dass Patentmonopole kein Freifahrtschein für überteuerte Preise sind“, erläuterte Frisch.
Marijn Dekkers möchte dieses Signal jedoch lieber überhören: „Sicher steht das indische Gesundheitssystem vor besonderen Herausforderungen, aber das hat nichts mit Patenten zu tun.“ Mit der Erteilung von Zwangslizenzen werde das Problem nicht gelöst, so der BAYER-Chef. Seiner Ansicht nach dient die Privatisierung von Wissen sogar dem öffentlichen Interesse, weil nur die Monopol-Gewinne Investitionen in Forschung & Entwicklung ermöglichten. Und den „besonderen Herausforderungen“ will der Pharma-Multi allein mit milden Gaben wie Hilfsprogrammen, die den Armen den Zugang zu Arzneimitteln erleichtern, begegnen. Ansonsten soll alles beim Alten bleiben. Deshalb kündigte Dekkers an, gegen das Votum des indischen Patentgerichtes Berufung einzulegen, was dann kurz nach der Hauptversammlung auch geschah.

BAYER bleibt stur
In Sachen „Tierversuche“ strebt der Agro-Riese ebenfalls keine Änderungen an. Christine Esch von PETA, die im letzten Jahr über Misshandlungen von Hunden und Katzen in BAYERs Auftragslabor PLRS berichtet hatte, fragte nach, welche Konsequenzen der Konzern aus den Vorfällen gezogen hat. „Da die Kontrollmechanismen ja im Fall des PLRS-Labores offensichtlich versagt haben: In welcher Weise wurden die Kontrollmodalitäten seitdem abgeändert?“, wollte die Tierärztin wissen. Aber Dekkers drückte sich um eine Antwort herum und sprach lediglich allgemein von der Verantwortung für das Tier als Mitgeschöpf. Arznei-Tests mit den Kreaturen hält der Chemiker bis auf Weiteres für unverzichtbar. Kaum tröstlich wirkten da seine Worte: „Das schließt die intensive Suche nach anderen Methoden nicht aus.“ Gefunden hat das Unternehmen dabei nämlich noch nie etwas. Und so hat BAYER die Tierversuche denn auch nicht drastisch reduziert, wie der Vorstandsvorsitzende Esch gegenüber behauptete, ihre Zahl stieg vielmehr von 192.412 im Jahr 2010 auf 199.636 im Jahr 2011.
Auch Philipp Mimkes von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) widmete sich dem Leid der Tiere. Er thematisierte die massenhafte Verwendung von BAYER-Antibiotika in der Massentierhaltung und nahm dabei auf eine Studie des Landes Nordrhein-Westfalen Bezug, derzufolge 90 Prozent aller Hühner in der „Genuss“ der Mittel kommen. Mit schwerwiegenden Folgen, wie der Physiker schilderte, denn durch die Dauergaben entwickeln die Krankheitserreger Resistenzen. Gelangen die Keime dann durch den Nahrungskreislauf in den menschlichen Organismus, können sie Gesundheitsstörungen auslösen, gegen die kein Kraut mehr gewachsen ist. Dazu fiel Marijn Dekkers nicht viel ein. „Wenn Tiere erkranken, müssen sie behandelt werden, egal, wie sie gehalten werden“, meinte der Vorstandsvorsitzende und stritt im Übrigen einen großflächigen Einsatz des BAYER-Mittels BAYTRIL ab.
Die Antibiotika-Problematik machte jedoch nur einen Teil der Sammelklage aus, die der CBG-Geschäftsführer mit seinem Überblick über die gesamten BAYER-Aktivitäten schon fast traditionell in den Hauptversammlungen vorträgt. So befasste er sich außerdem noch mit dem Blutungen auslösenden Gerinnungshemmer XARELTO, dem sich immer wieder in konventionellen Handelssorten wiederfindenden Genreis der Marke LIBERTYLINK und den 64 hochgefährlichen Pestizide, welche das PESTIZID-AKTIONS-NETZWERK in den Beständen des Agro-Riesen identifiziert hat. Zudem setzte Mimkes die astronomischen Marketing-Ausgaben in Höhe von neun Milliarden Euro und die zahlreichen Forschungskooperationen mit Universitäten auf die Agenda. Und auch da konnte der Leverkusener Multi zu seiner Verteidigung nicht allzu viel vorbringen.

Konzernkritik + x
Zu allem Überfluss musste der Konzern sich darüber hinaus noch mit Gegen-RednerInnen auseinandersetzen, die sich nicht von vornherein den „Kritischen AktionärInnen“ zurechneten. Ramona Pisal vom DEUTSCHEN JURISTINNENBUND zeichnete ein trostloses Bild vom Stand der Gleichberechtigung bei BAYER, auf das keine einzige Vorstandsfrau und lediglich drei weibliche Aufsichtsratsmitglieder passen. Und Klaus Hebert-Okon von der alternativen Gewerkschaftsgruppe BELEGSCHAFTSTEAM rechnete der Hauptversammlung einmal haarklein vor, welche Einschnitte die Beschäftigten, denen Dekkers in seiner Rede für ihren Beitrag zum Erfolg des Unternehmens einen routinierten Dank abstattete, in der letzten Zeit hinzunehmen hatten. Einsparungen beim Bonus, Wegfall von Leistungen bei Dienstjubiläen, Maßnahmen zur Flexibilisierung der Arbeitszeit, Überarbeitung der Entgeltgruppen-Struktur, Wegfall von Leistungen für Neueingestellte, Wegfall der Kontoführungsgebühr, Kürzung von 3 Urlaubstagen für WechselschichtlerInnen und der Ausschluss der CURRENTA-Belegschaft aus der Standortsicherungsvereinbarung standen auf seiner langen Liste. Dann nahm Hebert-Okon, der auch Bezirksvorsitzender der Gewerkschaft VER.DI im Rhein-Wupper-Kreis ist, sich der KollegInnen der jüngst ausgegliederten IT-Sparte von BAYER BUSINESS SERVICES (BBS) an. Er fragte, ob der Vorstandsvorsitzende diese Belegschaftsangehörigen ebenfalls in seinen Dank eingeschlossen hatte und was BAYER zu deren Absicherung zu tun gedenkt. Darauf blieb Dekkers jedoch eine Antwort schuldig. Er ließ sich lediglich die allgemein gehaltene Zusicherung entlocken, für die nicht mehr zum Unternehmen gehörenden Beschäftigten hätte der Multi Übergangsregelungen vereinbart.
So viel Kritik wie auf dieser Hauptversammlung hatte sich der Gen-Gigant noch niemals anhören müssen. Irgendwann wusste sich der Versammlungsleiter Manfred Schneider dann nicht mehr anders zu helfen, als die Redezeit auf fünf Minuten zu begrenzen. Aber auch diese Maßnahme schützte den Konzern nicht davor, die ur-kapitalistische Institution der AktionärInnen-Versammlung zu einer Anklagebank für eine nur der Profitjagd verpflichtete Geschäftspolitik umfunktioniert zu sehen.
Von Jan Pehrke

[Ticker] STICHWORT BAYER 03/2012 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

BAYER occupied
Aus Protest gegen die Vermarktung bienengefährlicher Agrochemikalien (siehe auch PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE) haben OCCUPY OAKLAND, das PESTICIDE-ACTION-NETWORK und andere Gruppen den Eingang des BAYER-Werkes im US-amerikanischen Berkeley besetzt und ein „bee-in at BAYER“ abgehalten.

Neonicotinoide-Verbot gefordert
Ein großer spanischer Landwirtschaftsverband hat sich mit einem Appell an die Regierung gewandt, Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie die BAYER-Wirkstoffe Clothianidin und Imidacloprid zu verbieten, da diese schon Millionen von Bienenvölkern den Tod gebracht haben.

CBG reicht EU-Beschwerde ein
Die Anlage zur Produktion des Kunststoffes TDI, die BAYER in Dormagen plant, entspricht nicht dem neuesten Stand der Technik. So will der Multi die Fertigungsstätte nur mit Blech statt mit Beton ummanteln. Zudem verzichtet der Konzern auf den Einbau einer Schutzwand, die bei einer Explosion mit nachfolgendem Phosgen-Austritt neutralisierendes Ammoniak freisetzen könnte. Auch der hohe Ressourcen-Einsatz, das Fehlen von „Worst Case“-Szenarien sowie die Verwendung hochgefährlicher Zwischenprodukte wie Phosgen stoßen auf Kritik. Für das Bundesumweltministerium hat die Fertigungsstätte dennoch „Vorbild-Charakter“, weshalb es die „Kreditanstalt für Wiederaufbau“ (KfW) anwies, dem Pharma-Riesen einen zinsgünstigen Kredit in Höhe von 150 Millionen Euro zu gewähren. Eine eigenständige Prüfung hat die bundeseigene Institution nicht durchgeführt, ihr reichte die Genehmigung der Anlage als Grundlage für die Entscheidung, gegen welche die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gemeinsam mit dem BUND bei der EU eine Beschwerde wegen unrechtmäßiger Subventionierung eingereicht hat.

BUND kritisiert Bisphenol-Grenzwert
BAYER ist mit einer Jahresproduktion von ca. einer Million Tonnen einer der größten Produzenten der Industrie-Chemikalie Bisphenol A. Drei Prozent davon finden in Lebensmittel-Verpackungen wie etwa Konservendosen Verwendung. Da die Substanz Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen hervorzurufen vermag, hatte die EU im März 2011 ihre Verwendung in Babyflaschen untersagt (Ticker 1/12), sonst aber keine weiteren Schritte unternommen. Die Behörden verweisen bei ihren Unterlassungshandlungen stets auf die eingehaltenen Grenzwerte. Genau das hat der BUND nun kritisiert. „Dem Konzept, mit den klassischen Methoden der Toxikologie einen sicheren Schwellenwert festlegen zu können, liegt eine These zugrunde, die widerlegt ist“, heißt es in einer Broschüre zum Thema. Das von der Leber nicht unschädlich gemachte und in den Blutkreislauf geratene Bisphenol verhält sich nämlich wie ein Hormon – und da helfen dann keine Limits mehr. „Hormone wirken viel komplexer. Vielleicht gibt es beim menschlichen Fötus eine ganz bestimmte Phase, in der Bisphenol A eine Weiche im Entwicklungsprozess verstellt. Wenn man dieses Zeitfenster in Tierversuchen nicht richtig erfasst, kann man natürlich keine Auswirkungen sehen“, führt der BUND-Experte Heribert Wefers aus.

Onkologe kritisiert Innovationsstau
Der Leverkusener Multi preist stets seine segensreichen Arznei-Neuentwicklungen. MedizinerInnen dagegen beurteilen die Erfindungskraft der Branche deutlich skeptischer. „Wir sehen Innovationen sehr viel seltener als die Pharma-Konzerne“, sagt etwa der Krebs-Spezialist Wolf-Dieter Ludwig. Besonders auf seinem eigenen Fachgebiet erblickt er kaum Neues am Horizont: „Was in den letzten Jahren erreicht worden ist, steht in keinem Verhältnis zu den Jahrestherapie-Kosten von bis zu 70.000 Euro.“ Unter dieses Verdikt fällt auch BAYERs NEXAVAR, denn Ludwig lässt nur ein Medikament wirklich gelten: ein Hautkrebs-Therapeutikum von BRISTOL MYERS-SQUIBB.

ProfessorInnen warnen vor Einflussnahme
Einen Kooperationsvertrag, wie ihn BAYER mit der Kölner Universität vereinbart hat, schließen immer mehr Bildungseinrichtungen mit Unternehmen ab. Darum hat der „Deutsche Hochschulverband“ jetzt vor der Gefahr sachfremder Einflüsse auf die Wissenschaft durch Industriegelder gewarnt. Die Tendenz, Drittmittel zum „Fetisch und zur Währung des Wissenschaftsbetriebs“ zu machen, gefährde die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Forschung, erklärte die Organisation. Zudem forderte sie, die Öffentlichkeit gezielt über die Bedingungen der Zusammenarbeit zu informieren. Das sollten sich der Leverkusener Multi und die Kölner Hochschule zu Herzen nehmen, denn sie weigern sich strikt, die entsprechenden Dokumente offenzulegen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hat deshalb bereits die Gerichte eingeschaltet.

KAPITAL & ARBEIT

Drei Prozent mehr Geld
Im Mai 2012 einigten sich die Tarif-Parteien in der Chemie-Industrie auf eine Entgelt-Erhöhung von 4,5 Prozent für die nächsten 19 Monate. Auf das Jahr gerechnet ergibt das eine Steigerung von ca. drei Prozent. Im letzten Jahr hatte es mit 4,1 Prozent für 15 Monate noch ein besseres Ergebnis gegeben. Zudem gelang es BAYER & Co., ihre Forderung nach mehr Flexibilisierung durchzusetzen. Die Betriebe dürfen jetzt um bis zu 2,5 Stunden von der 37,5 Stunden betragenden Wochenarbeitszeit abweichen.

IG BCE segnet Rationalisierungen ab
BAYER hat den Bereich „Rechnungswesen“ einem umfangreichen Rationalisierungsprogramm unterzogen (Ticker 2/12). So verlegte der Multi Teile der Rechnungslegung wie etwa die Kunden- und Lieferantenbuchhaltung von Leverkusen nach Asien und Osteuropa. Und die Kunststoff-Sparte BAYER MATERIAL SCIENCE etablierte eine gemeinsame Controlling-Plattform für alle Standorte und legte Planungszyklen und Kostenstellen zusammen. Die Gewerkschaft betrieb dabei Co-Management und lobte dementsprechend das Endresultat. „Die Konzernbetriebsvereinbarung zum Projekt ‚GAC 2015’ ist ein positives Signal“, urteilte Reiner Hoffmann von der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE). Der Landesbezirksleiter der Chemie-Gewerkschaft und BAYER-Aufsichtsrat gab sich damit zufrieden, dass der Konzern die Maßnahme „sozialverträglich“ gestaltete.

BAYER zahlt mehr Bonus
Der Leverkusener Multi hat den Druck auf seine Belegschaft in den letzten Jahren kontinuierlich verschärft. So kostet das aktuelle Rationalisierungsprogramm 4.500 Arbeitsplätze. Als eine Art Schmerzensgeld zahlt der Konzern den Beschäftigten nun einen erhöhten Bonus. Der Konzern schüttet 600 Millionen Euro aus. Zwischen 80 und 140 Prozent ihres Durchschnittsentgelts erhalten die BAYER-WerkerInnen als Prämie. Sie orientiert sich allerdings am Erfolg der einzelnen Geschäftsbereiche. Am meisten Geld bekommen die Angestellten der Landwirtschaftssparte BAYER CROPSCIENCE, am wenigsten diejenigen des Kunststoffbereiches BAYER MATERIAL SCIENCE.

4,4 Millionen Euro für Dekkers
BAYER-Chef Marijn Dekkers hat im Geschäftsjahr 2011 4.418.000 Millionen Euro verdient. Zum Vergleich: Sein Vorgänger Werner Wenning strich 2009 in seinem letzten vollen Dienstjahr „bloß“ 3.570.000 Millionen Euro ein.

Aufsichtsrat muss Aktien kaufen
Der Leverkusener Multi bindet die Bezahlung seines Aufsichtsrats stärker an den Konzern-Erfolg. Er macht es den Mitgliedern des Gremiums nämlich zur Auflage, 25 Prozent ihrer festen Bezüge in BAYER-Aktien zu investieren. „So lassen sich wirksam und nachhaltig die Unternehmensinteressen in der Vergütung von Aufsichtsratsmitgliedern verankern“, jubiliert die Unternehmensberatung HOSTETTLER, KRAMARSCH & PARTNER. Von einer Kontrolle der Geschäftspolitik durch den Aufsichtsrat dürfte dann noch weniger die Rede sein.

Beschäftigte denken, BAYER kassiert
Die Verbesserungsvorschläge von Belegschaftsangehörigen rechnen sich für BAYER weit mehr als für die Kreativen selber. 2011 brachte die Realisierung der MitarbeiterInnen-Ideen dem Leverkusener Multi nämlich einen Rationalisierungsgewinn von 5,4 Millionen Euro ein. Den ErfinderInnen zahlte er für den Zugriff auf ihr geistiges Eigentum, von dem der Konzern über ein langen Zeitraum hinweg profitieren dürfte, aber nur einmalig 1,7 Millionen Euro an Prämien aus.

Käufer für Diabetes-Messgeräte gesucht
Der Leverkusener Multi will sein Geschäft mit Diagnostika-Produkten aufgeben und sucht deshalb auch einen Interessenten für seine Sparte mit Blutzucker-Messgeräten. Obwohl der Konzern damit viele Arbeitsplätze zur Disposition stellt, dürften die Proteste im Falle einer Transaktion gering ausfallen. „Diabetes Care sitzt in den USA, wo BAYER bei einem Verkauf keinen großen Widerstand der Gewerkschaft befürchten muss“, schreibt die Financial Times Deutschland.

BAYER verkauft Alzheimer-Diagnostikum
Im Rahmen der Abwicklung der Diagnostika-Sparte (s. o.) veräußert der Leverkusener Multi auch ein in der Entwicklung befindliches Alzheimer-Diagnostikum, an dem er 2008 die Rechte von der Universität Nagasaki erworben hatte. Käufer ist das indische Unternehmen PIRAMAL IMAGING.

Outsourcing von Arzneitests

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In der Öffentlichkeit pflegt der Leverkusener Multi mit großem Engagement das Bild eines forschenden Unternehmens. In Wirklichkeit aber findet in den Laboren des Unternehmens immer weniger wissenschaftliche Arbeit statt. So plant der Pharma-Riese jetzt, die Arzneitests der Phase I, bei denen die PharmazeutInnen die Medikamente an Gesunden ausprobieren, outzusourcen und damit 25 Arbeitsplätze innerhalb des Konzerns zu vernichten. BAYER begründet diesen Schritt mit der schwankenden Auslastung der ProbandInnen-Station in Wuppertal.

Outsourcing von Arzneitests

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Bei Arzneitests der Phasen II bis IV, bei denen die PharmazeutInnen die Medikamente an größeren Gruppen von Kranken ausprobieren, hat der Leverkusener Multi schon öfters mit externen Dienstleistern kooperiert. Jetzt systematisiert er diese Zusammenarbeit. Der Pharma-Riese hat mit dem US-Unternehmen COVANCE einen langfristigen Vertrag geschlossen. Er strebt damit „eine weitere Optimierung von Betriebsabläufen sowie der Effizienz und Qualität klinischer Studien an“. Zu erwarten ist jedoch vielmehr, dass die weitere Rationalisierung von Arznei-Erprobungen zu noch mehr Opfern als in der Vergangenheit führt. Zwischen 2007 und 2010 starben allein in Indien 138 Menschen bei Tests von BAYER-Präparaten, und in der Bundesrepublik mussten 2010 20 Menschen ihr Leben lassen.

BAYER verkauft Fabrik in Norwich
Im Rahmen seines Rationalisierungsprogramms verkauft der Leverkusener Multi seine Pestizid-Fabrik im englischen Norwich an die Beteiligungsgesellschaft AURELIUS und stellt damit 310 Arbeitsplätze im Konzern zur Disposition. Die Fertigungsstätte bleibt dem Agro-Riesen jedoch verbunden. Sie steigt in die Vertragsfertigung für den Konzern ein, will aber auch noch andere Unternehmen beliefern.

Der Weg des Titandioxids
Der Leverkusener Multi trennte sich im Zuge der „Konzentration auf das Kerngeschäft“ peu à peu von seiner Titandioxid-Produktion. 1998 überführte er die Uerdinger Fabrik in ein gemeinsam mit KERR-MCGEE betriebenes Joint Venture. 2001 übernahm das US-amerikanische Unternehmen das Geschäft ganz. 2006 dann gliederte es selber den Bereich in eine eigenständige Gesellschaft aus, die 2009 Insolvenz anmelden musste. Und 2012 verkaufte der Insolvenzverwalter die inzwischen CRENOX heißende Firma an BAYERs einstmaligen Konkurrenten SACHTLEBEN. Mit den Nachwirkungen der Titandioxid-Herstellung in Uerdingen haben die Behörden jedoch immer noch zu kämpfen. Sie arbeiten nämlich schon seit vielen Jahren an der Sanierung der Deponie in Rheinberg, in der lange Zeit die Produktionsrückstände von BAYER und SACHTLEBEN landeten (TICKER 2/11).

Pensionskasse wird teuer
Die BAYER-Pensionskasse nimmt schon seit längerem keine neuen Mitglieder mehr auf. Alle Belegschaftsangehörigen, die nach 2005 zum Konzern kamen, mussten zur Rheinischen Pensionskasse gehen. Darum verschlechtert sich das Verhältnis von EinzahlerInnen und Anspruchsberechtigten. Eine Erhöhung der Lebenserwartung und nicht ausreichend lukrative Geldanlagen trugen ein Übriges zur Unterfinanzierung bei. So hat jüngst etwa eine Untersuchung der BANK OF AMERICA MERRILL LYNCH die Pensionsrückstellungen des Konzerns in Höhe von 7,8 Milliarden Euro als unzureichend bezeichnet. Deshalb hat der Leverkusener Multi den Firmen-Beitrag von 300 auf 400 Prozent des Beschäftigten-Beitrages erhöht. Das hat allerdings auch Konsequenzen für die BAYER-WerkerInnen. Ab einem Jahres-Entgelt von 34.000 Euro müssen sie nämlich Steuern auf den Unternehmensanteil zahlen. Und diese können sich je nach Gehalt auf bis zu 710 Euro im Jahr belaufen.

ERSTE & DRITTE WELT

BAYER gründet Rohstoffallianz
Bereits seit einiger Zeit treibt BAYER & Co. die angespannte Situation auf den Rohstoff-Märkten um. Die Konzerne starteten deshalb bereits diverse Initiativen und verstärkten den Druck auf die Politik (SWB 1/10). Nun jedoch erreicht ihr Engagement eine neue Qualität. BAYER, BOSCH, THYSSENKRUPP und sieben weitere Unternehmen gründeten im April 2012 die RA ROHSTOFFALLIANZ. Geschäftszweck der GmbH: „Die Sicherung der Versorgung der Gesellschafter mit kritischen Rohstoffen“. Fürs Erste haben es die Firmen dabei auf Seltene Erden, Kokskohle, Graphit und Wolfram abgesehen. Dazu wollen sie sich an Minen beteiligen und selber Vorkommen erschließen (siehe auch SWB 3/12).

Arzneitests in Kolumbien
Die Pharma-Multis verlegen immer mehr Medikamentenversuche in arme Länder. Dort locken ein großes Reservoir an ProbandInnen, unschlagbare Preise, schnelle Verfahren und eine mangelhafte Aufsicht (SWB 2-3/10). Entsprechend hoch ist das Risiko für die ProbandInnen: Allein in Indien starben zwischen 2007 und 2010 138 Menschen während der Tests mit BAYER-Arzneien. In Südamerika hat der Pharma-Riese Kolumbien zu einem Zentrum für die Pillen-Erprobungen erkoren. „In den vergangenen zwei Jahren hat BAYER/Kolumbien acht Millionen Euro in die wissenschaftliche Forschung investiert und zahlreiche Studien an 280 Forschungszentren in Kolumbien durchgeführt – insbesondere in den Bereichen Herz/Kreislauf-Erkrankungen, Krebs-Erkrankungen und Hämophilie“, heißt es in der Propaganda-Postille BAYER direkt.

Mega-Gewerkschaftsfusion
Die drei großen Gewerkschaftsweltverbände der Sparten Metall, Chemie & Bergbau und Textil schließen sich zusammen. „Gewerkschaftsmacht aufbauen durch eine Organisierung entlang der Lieferkette; ein mächtiges Gegengewicht zu den transnationen Konzernen schaffen“, heißt die Devise. Die Fusion stößt allerdings auch auf Kritik, weil sie „top down“ erfolgte und die Mitglieder nicht einbezog. Zudem trauen viele der neuer Organisation nicht zu, mehr zu sein als die Summe ihrer Teile, die sich bisher kaum als globale Gegenmacht in Szene setzen konnten – oder wollten.

IG FARBEN & HEUTE

Gedenkort für Euthanasie-Opfer
Die vom Leverkusener Multi mitgegründeten IG FARBEN haben nicht nur das Zyklon B für die Vergasung der Juden im „Dritten Reich“ geliefert. Der Mörder-Konzern hatte auch für die Euthanasie, der mehr als 100.000 behinderte oder psychisch kranke Menschen zum Opfer fielen, den passenden Rohstoff im Angebot. Sie stellte für die „Aktion T4“ – benannt nach der Berliner Adresse des Planungszentrums für den Massenmord, das sich in der Tiergartenstr. 4 befand – das heute wieder durch BAYERs umstrittenes Pipeline-Projekt ins Gerede gekommene Kohlenmonoxid zur Verfügung. Im November 2011 entschied der Bundestag, in würdigerer Form als bisher an die Toten zu erinnern. Er beschloss, an der Tiergartenstraße eine Gedenktafel anzubringen und ein Denkmal aufzustellen. Darüber hinaus ist ein Dokumentationszentrum geplant.

POLITIK & EINFLUSS

Kabinett-Sitzung bei BAYER
Ein Ereignis mit Symbol-Wert: Am 21. Februar 2012 verlegte die am 6. Mai nicht wiedergewählte Landesregierung von Schleswig-Holstein ihre Kabinett-Sitzung ins Brunsbütteler BAYER-Werk. An dem Schwerpunktthema „Netzausbau“ hatte der Chemie-Multi auch ein besonders Interesse, klagt er doch trotz großzügiger Rabatte (siehe ÖKONOMIE & PROFIT) nicht erst seit der beschlossenen Energiewende über zu hohe Strom-Kosten. Dieses Lamento hat sich wohl auch der EU-Energiekommissar Günther Oettinger anhören müssen, der zu dem Termin extra aus Brüssel angereist war. Nach dem Zusammentreffen mit dem inzwischen abgewählten Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen und seinen MinisterInnen und StaatssekretärInnen aß er nämlich mit dem damaligen BAYER-Werksleiter Volker Weintritt zu Mittag.

Birgitta Wolff in Gatersleben
BAYER errichtet im Biotech„park“ Gatersleben ein Europäisches Weizenzucht-Zentrum (siehe auch FORSCHUNG & LEHRE). Es soll besonders ertragreiche und widerstandsfähige Sorten hervorbringen und die globalen Zucht-Aktivitäten des Agro-Riesen auf diesem Gebiet koordinieren. Prominentester Gast bei der feierlichen Eröffnung der Einrichtung war die sachsen-anhaltinische Ministerin für Wissenschaft und Wirtschaft, Birgitta Wolff (CDU). „Die Eröffnung des Europäischen Weizenzucht-Zentrums in Gatersleben ist ein deutliches Bekenntnis der BAYER AG zum Biotechnologie-Standort Sachsen-Anhalt (...) Dabei haben wir eine klassische „Win-Win“-Situation. So bietet der Biotech„park“Gatersleben die optimale Infrastruktur für BAYER. Gleichzeitig wird das „Leibniz-Institut für Pflanzen-Genetik und Kulturpflanzen-Forschung durch einen intensiven personellen Austausch vom neuen Weizenzucht-Zentrum profitieren“, freute sich die Ministerin.

Energiewende-Streit im BDI
Die Energiewende entzweit den „Bundesverband der deutschen Industrie“; „regelrechte Glaubenskriege“ machte die WirtschaftsWoche aus. Während einige ManagerInnen, sogar solche aus der viel Strom benötigenden Chemiebranche wie Axel Heitmann von der BAYER-Abspaltung LANXESS, dem neuen energie-politischen Kurs positiv gegenüberstehen, zählt der Leverkusener Multi zur Beton-Fraktion. Im August 2010 gehörte der damalige Vorstands- und baldige Aufsichtsratsvorsitzende Werner Wenning zu den UnterzeichnerInnen des „Energiepolitischen Appells“, der die Bundesregierung – zunächst erfolgreich – zur Laufzeit-Verlängerung der AKWs aufforderte. Und sein Nachfolger Marijn Dekkers drohte angesichts der angeblich mit dem Ausstieg aus der Atomkraft verbundenen Mehrkosten schon mit Abwanderung. „Die Energie-Preise werden weiter steigen, dabei haben wir bereits heute die höchsten in der EU. Es ist wichtig, dass wir im Vergleich mit anderen Ländern wettbewerbsfähig bleiben. Ansonsten kann sich ein globales Unternehmen wie BAYER überlegen, seine Produktionen in Länder mit niedrigeren Energie-Kosten zu verlagern“, sagte er letztes Jahr in einem Interview.

EU-Effizienzrichtlinie aufgeweicht
Die EU-Länder haben sich zum Ziel gesetzt, bis zum 2020 Energie-Einsparungen in Höhe von 20 Prozent vorzunehmen. Um das zu erreichen, wollte Brüssel den Mitgliedsstaaten in einer Effizienz-Richtlinie verbindliche Reduzierungsauflagen machen. So wollte das Paragraphen-Werk die Mitgliedsländer zwingen, den Stromverbrauch jedes Jahr um 1,5 Prozent zu senken. Bei BAYER & Co. rief das einen Sturm der Entrüstung hervor. „Starre Vorgaben widersprechen jeglicher unternehmerischer Realität“, erklärte Markus Kerber vom „Bundesverband der deutschen Industrie“. Der ehemalige Umweltminister Norbert Röttgen unterstützte dagegen den Brüsseler Vorstoß, Wirtschaftsminister Philipp Rösler lehnte ihn jedoch vehement ab. Nach dem Rücktritt Röttgens konnte die Bundesregierung dann unumwunden die Position von BAYER & Co. vertreten und Obstruktionspolitik in Brüssel betreiben. Auf diesen Wege gelang es ihr dann auch, die Vorlage zu verwässern. Nun braucht kein Staat mehr verbindliche Strombremsen einzuführen. Auch eine kreative Buchführung ist nun erlaubt. Unternehmen, die wie BAYER am Emissionshandel mit CO2-Verschmutzungszertifikaten teilnehmen, müssen nicht ihren ganzen Energie-Verbrauch in die Endabrechnung einfließen lassen. Der Lobbyverband VIK, bei dem Günter Hilken von der BAYER-Tochtergesellschaft CURRENTA in der Geschäftsführung sitzt, protestierte trotz der ganzen „Nachbesserungen“ gegen die geplante Richtlinie.

Der BDI will es bilateral

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Um die ganz großen Globalisierungsvorhaben steht es nicht gut. Das Multilaterale Investitionsabkommen (MAI) landete Ende der 1990er Jahre auf dem Müllhaufen der Geschichte, und die Liberalisierungsbestrebungen der Welthandelsorganisation WTO im Rahmen der Doha-Runde kommen wegen der Vetos der Entwicklungsländer ebenfalls nicht voran. Darum forderte der „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI) als Lobby-Organisation von BAYER & Co. den Abschluss von EU-Abkommen mit einzelnen Staaten. Die Politik stand dem Ansinnen zunächst skeptisch gegenüber, lenkte jedoch ein. „Wir wurden da hineingedrängt von der Wirtschaft und dem BDI“, sagt Bernd Pfaffenbach. Dem früheren Staatssekretär im Wirtschaftsministerium zufolge fürchtete der Verband, gegenüber der internationalen Konkurrenz ins Hintertreffen zu geraten und machte Druck: „Wenn alle Wettbewerber sich da Vorteile verschaffen, können wir darauf nicht verzichten.“ Und das mussten sie dann auch nicht. Zudem gelang es den Unternehmen, die Agenda der Verhandlungen entscheidend mitzubestimmen. Dementsprechend profitierten sie von den Ergebnissen. Strengere Patent-Regime, freiere Marktzugänge, mehr Investitionsschutz, Gleichbehandlung mit inländischen Unternehmen und verbesserter Zugriff auf Rohstoffe - fast kein Wunsch blieb unerfüllt (siehe auch SWB 2/11).

Der BDI will es bilateral

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Seit geraumer Zeit setzen die bundesdeutschen und europäischen Lobby-Organisationen der Konzerne wegen der stockenden internationalen Freihandelsabkommen auf bilaterale Lösungen (s. o.), wobei sie sich mit ihren US-amerikanischen Pendants einig wissen. So forderten europäische und US-amerikanische Wirtschaftsverbände im Vorfeld des G8-Treffens, das im Mai 2012 in Camp Davis stattfand, unisono den Abbau transatlantischer Handelshemmnisse wie Zölle, Import-Quoten oder Klauseln zur Begünstigung einheimischer Unternehmen.

VFA gegen Zwangsrabatt
Nach dem seit 2011 gültigen „Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittel-Marktes“ müssen BAYER & Co. den Krankenkassen für neue Medikamente einen Hersteller-Rabatt von 16 Prozent einräumen. Darüber hatte sich BAYER-Chef Marijn Dekkers auf der Bilanz-Pressekonferenz im Februar 2012 bitterlich beklagt und angesichts der Überschüsse von DAK & Co. eine Abschaffung der Regelung gefordert. Der vom Leverkusener Multi gegründete „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VFA) schloss sich unmittelbar darauf an (Ticker 1/12). Ende März 2012 erneuerte die Lobby-Organisation nun ihre Kritik. „Wenn wir keine stichhaltige Begründung erhalten, müssen wir uns Gehör verschaffen“, tönte der Vorstandsvorsitzende Hagen Pfundner und drohte mit einer Klage der Pharma-Multis gegen die Regelung. Und selbstverständlich fehlte die Warnung vor einem Verlust von Arbeitsplätzen nicht.

Treffen mit Westerwelle
Das aufstrebende Schwellenland Brasilien gehört mit zu den wichtigsten Auslandsmärkten BAYERs und anderer bundesdeutscher Konzerne. Deshalb nimmt es in der Außenwirtschaftspolitik der Bundesregierung ebenfalls eine besondere Rolle ein. Und zu dieser gehörte die Einrichtung eines „Deutschen Wissenschafts- und Innovationshauses“ in São Paulo. Prominentester Gast bei der von BAYER gesponserten Einweihungsfeier war Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP), der im Verlauf seiner Brasilien-Reise auch mit BAYER-Landessprecher Theo van der Loo zusammentraf.

Treffen mit kolumbianischem Präsident
100 Jahre betreibt BAYER bereits Geschäfte in Kolumbien (siehe auch ERSTE & DRITTE WELT und PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE). Zum „feierlichen“ Jubiläum reiste der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers in das Land und traf dort unter anderem mit dem Staatspräsidenten Juan Manuel Santos und den MinisterInnen Juan Camilo Restrepo und Beatriz Londoño zu einem Gespräch zusammen.

Finanzämter fördern Forschung nicht
Bereits seit langem fordert BAYER die steuerliche Absetzbarkeit von Forschungsaufwändungen. Die Bundesregierung kündigte im Koalitionsvertrag auch ein entsprechendes Gesetzes-Vorhaben an, jetzt allerdings verschob sie das Projekt erst einmal. „Wir haben vereinbart, dass wir die steuerliche Forschungsförderung im Rahmen eines haushalts- und steuerpolitischen Gesamtkonzeptes entscheiden wollen“, erklärte Klaus-Peter Flosbach, der finanzpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Neuer Mann für die Unternehmenssteuer
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat den Sozialdemokraten Albert Peters als Abteilungsleiter für Steuerpolitik entlassen. Er ersetzte ihn durch den Christdemokraten Michael Sell. Dessen erste Aufgabe: die Reform der Unternehmensbesteuerung. Ein solches Gesetzesvorhaben wollte Schäuble offensichtlich doch lieber in Parteihand wissen.

EU reguliert Derivate-Markt
Der Leverkusener Multi nutzt die seit der Finanzkrise in Misskredit geratenen Derivate – eine Art Wette auf Preissteigerungen oder -senkungen von Rohstoffen, Aktien, Währungen, Zinsen oder aber von Derivaten selber – hauptsächlich zur Absicherung seiner globalen Transaktionen. Darum hat er seine LobbyistInnen in Brüssel vehement gegen Regulierungen auf diesem Sektor in Stellung gebracht. So ganz konnten diese politische Maßnahmen allerdings nicht verhindern. So will die EU für die OTC-Derivate (außerbörslich gehandelte Papiere) ein Melderegister einführen und für den Handel künftig eine Unterlegung mit Eigenkapital fordern.

PROPAGANDA & MEDIEN

Schwerpunkt TV-Werbung
Der Leverkusener Multi gibt 80 Prozent seines Reklame-Budgets für TV-Werbung aus. An Printmedien lässt sein Interesse dagegen nach – der Konzern investiert lieber ins Internet. „Analog zur ständig wachsenden Nutzerschaft des Mediums und der sich weiterentwickelnden Hardware wird auch die Bedeutung als Werbeträger weiter zunehmen“, prognostiziert BAYERs Marketing-Manager Nils Rohrsen.

BAYER digitalisiert Report
Der Leverkusener Multi ersetzt sein Print-Magazin Report durch das Digital-Format BAYER Magazin. Mit interaktiven Texten, Foto-Galerien, Filmen und Info-Grafiken will der Konzern „neue Ebenen des Storytellings“ erklimmen. So hofft er, seine Zielgruppe – KundInnen, LieferantInnen, AktionärInnen, AnalystInnen und interessierte Öffentlichkeit – besser an das Unternehmen zu binden und mehr jüngere Leute zu erreichen. Ob er das schafft, bleibt die Frage. Die eigentliche Story ändert sich nämlich allen neuen Storytelling-Ebenen zum Trotz nicht und ist relativ schnell erzählt: Alles ist gut.

VFA plant Charme-Offensive
Der Wechsel an der Spitze des von BAYER gegründeten „Verbandes der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VFA) von Cornelia Yzer zu Birgit Fischer ist auch mit programmatischen Veränderungen verbunden. Die Lobby-Organisation setzt jetzt mehr auf Kooperation. „Die Herausforderungen im Gesundheitsbereich sind so groß, dass sie sich nur gemeinsam lösen lassen“, heißt es in der neuen Programmschrift. Zudem bekennt sich der VFA zu Transparenz & Nachhaltigkeit und gibt sich diskussionsfreudig: „Dennoch werden wir in der Gesellschaft auch kritisch gesehen. Wir stellen uns dieser Kritik, denn wir haben gute Argumente.“ Die immer ohne Rücksicht auf Verluste Industrie-Interessen verfechtende Cornelia Yzer hatte 2010 das neue Arzneimittelgesetz nicht nach den Wünschen der Konzerne ausrichten können und musste deshalb ihren Posten räumen. Von der Charme-Offensive erhoffen sich BAYER & Co. nun mehr politische Erfolge.

Neuer Hämophilie-Preis
Blutern gilt die besondere Aufmerksamkeit BAYERs, gilt es doch, vergessen zu machen, dass in den 90er Jahren Tausende Hämophile an HIV-verseuchten Blutprodukten des Konzerns starben, weil das Unternehmen sein Präparat KOGENATE aus Kostengründen keiner Hitze-Behandlung unterzogen hatte. Von den 57 Millionen Euro, die der Leverkusener Multi 2010 für „wohltätige Zwecke“ ausgab, erhielten Hämophilie-Organisationen mit 5,5 Millionen Euro fast zehn Prozent. Und jetzt stiftet der Pharma-Riese zur Besänftigung der Zielgruppe auch noch den „Philos“-Preis für Projekte, „die dabei helfen, die alltäglichen Herausforderungen im Leben mit der Bluterkrankheit zu meistern“.

Auszeichnung für die „Dream Production“
BAYER gehörte 2006 zu den Sponsoren der Kampagne „Land der Ideen“, welche die Fußball-Weltmeisterschaft dazu nutzte, um für den Industrie-Standort zu werben. Der PR-Betrieb hat die Ball-Treterei sogar überlebt und veranstaltet noch den Wettbewerb „365 Orte im Land der Ideen“. Jetzt haben die InitiatorInnen schon zum zweiten Mal einen „BAYER-Ort der Ideen“ ausgezeichnet – sie wissen offenbar, was sie ihren Geldgebern schuldig sind. Nach dem Kommunikationszentrum „Baykomm“ traf es nun die Pilotanlage, die den Einsatz von Kohlendioxid als Rohstoff zur Kunststoff-Herstellung erprobt. Der Pharma-Riese feiert dieses gemeinsam mit RWE und der „Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen“ betriebene Projekt „Dream Production“ als eine Großaktion zur Rettung des Klimas. ExpertInnen beurteilen solche Versuche skeptischer. „Die stoffliche Nutzung kann keine riesigen Mengen binden, weil wir einfach viel, viel mehr Kohlendioxid freisetzen“, sagt etwa der Chemie-Ingenieur Arno Behr von der „Technischen Universität Dortmund“ (Ticker 1/10). Und als der BAYER-Manager Peter Vanacker in einem Interview gefragt wurde, wieviel CO2 die „Dream Production“ dem Recycling denn nun zuführe, gab er sich dann auch recht kleinlaut: „Genaue Zahlen möchten wir nicht veröffentlichen“.

Schul-Kooperation in Holland
Nicht nur in der Bundesrepublik, auch in Holland macht BAYER Schule. Der Leverkusener Multi kündigte eine Bildungsinitiative in den Niederlanden an, um SchülerInnen die Pflanzenzucht näher zu bringen. Passenderweise gab der Konzern diesen Entschluss gemeinsam mit dem Präsidenten der Universität Wageningen anlässlich der Einweihung des erweiterten Gemüsezucht-Zentrums in Leudal bekannt (siehe auch PFLANZEN & SAATEN). Und Hochschulleiter Dr. Aalt Dijkhuizen ließ dann auch an Sinn und Zweck der Übung keinen Zweifel: „Die florierende Gemüse-Industrie ist auf den Ideenreichtum der jungen Menschen angewiesen. Wir hoffen, dass dieses Projekt bei den Schülern die Begeisterung für die Pflanzenzüchtung weckt.“

LandwirtInnen bei BAYER
Um die Beziehungen zu seinen Pestizid-KundInnen zu pflegen, lädt der Leverkusener Multi immer wieder LandwirtInnen zu Betriebsbesichtigungen ein. So besuchte im Frühjahr 2012 der „Landwirtschaftliche Ortsverein Hoxfeld/Rhedebrügge“ den BAYER-Standort Monheim.

BAYER umwirbt ImkerInnen
Für den Leverkusener Multi haben nicht die haus-eigenen Pestizide das millionenfache Bienensterben verursacht, die Verantwortung dafür trägt nach Ansicht des Konzerns vielmehr die böse Varroa-Milbe. Und gegen diese hält das Unternehmen mit dem Pyrethroid BAYVAROL (Wirkstoff: Flumethrin) zufälligerweise auch gleich das passende Gegenmittel bereit. Um die „frohe Kunde“ zu verbreiten, hat der Agro-Riese in Mexiko die staatlichen Beauftragten für Imkerei als Werbeträger entdeckt. Er stattet sie mit Schutzkleidung aus, auf welcher der BAYVAROL-Schriftzug prangt. Der Unterrichtsqualität scheint das nicht unbedingt zu bekommen. Einem Beobachter zufolge lässt das Lehrpersonal die giftigen Pyrethroid-Streifen nämlich zu lange in den Bienenstöcken, weshalb sich die Chemikalie später im Honig wiederfinden könnte. Zudem steht die Gefahr von Resistenz-Bildungen – die Milben stellen sich zunehmend auf das BAYVAROL ein – nicht auf dem Stundenplan.

BAYER-Mann an Hochschule
Immer wieder gerne nutzen BAYER-WissenschaftlerInnen das Forum, das ihnen Universitäten von Zeit zu Zeit bieten. So hielt der Pharma-Forscher Walter Hübsch an der Hochschule Aalen einen Vortrag über Struktur-Elemente in der medizinischen Chemie.

PatientInnen-Betreuung im Internet
Wer unter Lungenhochdruck leidet und den Begriff googlet, landet bei www.lungenhochdruck.de – und damit bei BAYER. Der Leverkusener Multi betreibt die Webseite zur KundInnen-Bindung und hält dort Informationen für PatientInnen bereit, welche die MedizinerInnen auf sein Präparat ILOPROST eingestellt haben. Es gibt eine persönliche Beratung durch Krankenschwestern oder ArzthelferInnen und Links zu Selbsthilfegruppen. Sogar Medikamenten-Proben verschickt der Pharma-Riese über das Werbe-Portal.

TIERE & VERSUCHE

Mehr Tierversuche
Die Zahl der Tierversuche bei BAYER stieg von 192.412 im Jahr 2010 auf 199.636 im Jahr 2011. Während in den eigenen Laboren des Leverkusener Multis mit 168.825 weniger Kreaturen verendeten als 2010, wo noch 171.627 bei klinischen Erprobungen starben, erhöhte sich Menge der Versuchskaninchen, die bei vom Konzern beauftragten externen Dienstleistern ihr Leben ließen, von 19.785 auf 30.811.

TIERE & ARZNEIEN

Massentierhaltungsarznei BAYTRIL
Die Massentierhaltung kommt ohne massenhaft verordnete Medikamente nicht aus und verursacht so Probleme en masse. Krankheitserreger bilden beispielsweise Resistenzen gegen Antibiotika aus und können – über Hautkontakt oder den Nahrungsmittel-Kreislauf in den menschlichen Organismus gelangt – Gesundheitsstörungen auslösen, gegen die kein Kraut mehr gewachsen ist. BAYERs BAYTRIL hat daran einen gehörigen Anteil. Zum Gesamtumsatz mit dem Mittel von 166 Millionen Euro im Jahr 2010 trug die industrielle Fleischproduktion in den Ställen fast ein Drittel bei: 118 Millionen Euro.

DRUGS & PILLS

Pillen-Preise steigen wieder
Das 2010 erlassene „Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittel-Marktes“ hat die Pillen-Preise bis zum Jahr 2013 auf dem Stand von August 2009 eingefroren und den Hersteller-Rabatt für neue Medikamente von sechs auf 16 Prozent erhöht. Darum mussten die Krankenkassen im letzten Jahr zum ersten Mal nach langer Zeit nicht über Mehrausgaben für Pharmazeutika klagen. Inzwischen scheinen sich die Pharma-Riesen aber auf die veränderten Bedingungen eingestellt zu haben. Im ersten Quartal 2012 stiegen die Pillen-Kosten für DAK & Co. um 4,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Einen Hauptanteil daran dürften extrem teure, aber nicht unbedingt empfehlenswerte Arznei-Novitäten wie BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO (s. u.) haben.

Pillen-Preise unter Verschluss
Mit dem „Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittel-Marktes“ (s.o.) hat der Gesetzgeber auch eine Kosten/Nutzen-Bewertung für neue Medikamente eingeführt. Bei positivem Votum schließen sich Preis-Verhandlungen der Pharma-Produzenten mit den Krankenkassen an. BAYER & Co. drängen dabei darauf, die Zahlen unter Verschluss halten zu können. Und die Bundesregierung will ihnen den Wunsch nach Geheimhaltung auch erfüllen, wogegen die Opposition protestiert. „Auf eines ist bei Schwarz-Gelb immerhin Verlass: Forderungen der Industrie-Lobby werden stets konsequent umgesetzt“, kritisierte Claudia Roth von den Grünen.

NICE empfiehlt XARELTO
Das britische „National Institute for Health and Clinical Excellence“ (NICE), das Kosten und Nutzen neuer Arzneimittel bewertet, hat BAYERs Blutgerinnungshemmer XARELTO nach einigem Zögern nun doch die Absolution erteilt. Zunächst hatte sich die Einrichtung mit den von BAYER zur Verfügung gestellten Daten über die Therapie-Erfolge für die Anwendungsgebiete „Thrombosen“ und „Schlaganfall-Vorbeugung bei PatientInnen mit Vorhofflimmern“ nicht zufriedengegeben und aussagekräftigere Informationen verlangt (Ticker 2/12). Diese scheinen das NICE überzeugt zu haben, weshalb die Krankenkassen nun den Preis für die XARELTO-Gaben zahlen müssen.

Immer mehr XARELTO-Indikationen
Die Gesundheitsbehörden taten sich stets schwer, Genehmigungen für BAYERs Blutgerinnungshemmer XARELTO zu erteilen. So zögerte die US-amerikanische FDA lange, ehe sie ihr Einverständnis für die Verwendung zur Vorbeugung von Schlaganfällen und von Thrombosen bei schweren orthopädischen Operationen gab, weil bei den Klinischen Tests Nebenwirkungen wie Gefäß-Verschlüsse, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden auftraten. Trotzdem versucht der Leverkusener Multi beständig, das XARELTO-Anwendungsspektrum zu erweitern. Nach Zulassungsanträgen für den prophylaktischen Einsatz zur Verhinderung von Blutgerinnseln in der Herzkranz-Arterie (Ticker 2/12) ersucht BAYER nun auch um grünes Licht in Europa und den USA für die Vermarktung der Substanz zur Nachbehandlung von Thrombose-PatientInnen und zur Lungenembolie-Therapie. Darüber hinaus laufen im Moment Studien zur Vermeidung von Thrombosen bei Hüft- oder Kniegelenksersatzoperationen.

Blutungen durch XARELTO
Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) hat 306 Meldungen über Blutungen nach dem Einsatz von BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO erhalten. Das ergab eine Anfrage der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN. Dabei legt die Behörde Wert auf die Feststellung, dass es sich um Verdachtsfälle handelt.

XARELTO-Rabattvertrag mit der AOK
BAYERs umstrittener Blutgerinnungshemmer XARELTO (s. o.) hat einen stolzen Preis. 30 Tabletten kosten über 100 Euro – weit mehr als vergleichbare Präparate. Um das Medikament trotzdem in den Markt zu drücken, hat der Leverkusener Multi mit der AOK Rheinland/Hamburg einen Rabattvertrag abgeschlossen. Auch für die „Multiple Sklerose“-Arznei BETAFERON existiert eine entsprechende Vereinbarung mit der Krankenkasse.

Mehr YASMIN-Warnhinweise
Im Dezember 2011 entschied sich die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA in einem knappen Votum dafür, BAYERs Verhütungsmittel aus der YASMIN-Familie trotz der Nebenwirkung „Thromboembolie“ auf dem Markt zu lassen (Ticker 1/12). Im Frühjahr 2012 verpflichtete die Institution den Leverkusener Multi aber wenigstens, auf den Packungen auf das erhöhte Thromboembolie-Risiko hinzuweisen.

ASPIRIN gegen Krebs?
Der britische Forscher Peter M. Rothwell hatte bereits im letzten Jahr eine Untersuchung veröffentlicht, wonach ASPIRIN das Krebs-Risiko senke. Wer das Präparat fünf Jahre lang täglich schluckte, reduzierte das Sterberisiko um 21 Prozent, so der Wissenschaftler. Rothwell hatte allerdings ein ganz anderes Studien-Ziel. Der Forscher wollte den Einfluss des „Tausendsassas“ auf Herz/Kreislauferkrankungen ermitteln, weshalb der Mediziner nicht auf Daten zum individuellen Krebsrisiko der PatientInnen zurückgreifen konnte. Zudem reicht eine Nachbeobachtungsphase von vier Jahren nicht aus, um eine Tumor-Gefährdung auszuschließen, wie andere ÄrztInnen kritisierten (Ticker 2/11). Aber Rothwell ließ nicht locker. Jetzt wertete er 51 Studien aus und fand seine Ergebnisse bestätigt. Zwei Untersuchungen, die zu ganz anderen Befunden kamen, „übersah“ er jedoch. Vielleicht haben seine Verbindungen zu BAYER sein Seh-Vermögen getrübt. Er erforscht im Auftrag des Pharma-Riesen nämlich noch andere angebliche ASPIRIN-Segnungen.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Neues Pestizidgesetz
Die Bundesregierung hat die neue Pestizid-Richtlinie der EU in nationales Recht überführt. Das Gesetz bringt einige Verbesserungen wie das Verbot des Spritzens aus der Luft und Anwendungsbeschränkungen beispielsweise für Schulhöfe, weist jedoch auch gravierende Mängel auf. So gibt es keine erhöhten Auflagen für den Hausgebrauch von Agrochemikalien. „Beispiel hierfür ist das „BAYER GARTEN“- Rosenschädlingsspray, das neben dem bienengefährlichen Wirkstoff Imidacloprid den hochgefährlichen Wirkstoff Methiocarb enthält“, kritisiert das PESTIZID-AKTIONS-NETZWERK (PAN). Die Initiative wirft der Regierungskoalition zudem vor, keine strengeren Export-Vorschriften erlassen zu haben, weshalb hierzulande verbotene Ackergifte immer noch ihren Weg in andere Länder finden können. Darüber hinaus fällt das Paragraphen-Werk den Pestizid-ExpertInnen zufolge in mehreren Punkten hinter die EU-Richtlinie zurück. Es schreibt nämlich weder die Einrichtung von Pufferzonen zum Schutz der Gewässer vor noch die Verwendung von Substanzen geringerer Giftigkeit in Gebieten mit gefährdeter Flora und Fauna. Und eine besondere Regelung zu den Saatgut-Beizmitteln wie BAYERs CONFIDOR, die für ein millionenfaches Bienensterben verantwortlich sind, fehlt laut PAN ebenfalls.

64 hochgefährliche Pestizide
Das PESTIZID-AKTIONS-NETZWERK (PAN) hat die Produktpalette der drei Agro-Riesen BASF, BAYER und SYNGENTA daraufhin untersucht, wie viele nach wissenschaftlichen Standards hochgefährliche Pestizide sich im Angebot befinden. Beim Leverkusener Multi stieß die Initiative auf 64 Agrochemikalien, die wegen ihrer Langzeit-Wirkung, ihrer Umweltgiftigkeit oder ihrer akuten Toxizität in diese Kategorie gehören. Besonders die ärmeren Länder kommen „in den Genuss“ dieser Mittel. 15 der inkriminierten Wirkstoffe verkauft der Leverkusener Multi ausschließlich in Afrika, Asien und Lateinamerika, und 11 dieser 15 Ackergifte darf er in Europa auch gar nicht mehr anbieten. Wegen dieses Besorgnis erregenden Ergebnisses unterstützt die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN die PAN-Kampagne „Rote Karte für SYNGENTA, BAYER und BASF“.

Giftige Blumenpracht
Nach den Niederlanden ist Kolumbien der weltweit größte Exporteur von Schnittblumen. „Für BAYER CROPSCIENCE ist Kolumbien damit etwas besonderes. Allein sieben Mitarbeiter sind ausschließlich für die Kunden in der Blumen-Industrie unterwegs“, heißt es in der konzern-eigenen Propaganda-Postille BAYER direkt. Der Leverkusener Multi, der mit seinen Agro-Chemikalien die Position des Marktführers in dem südamerikanischen Land innehat, entwickelt sogar Pestizide speziell für die Pflanzungen wie etwa LUNA „gegen die bei Blumenzüchtern gefürchtete Grauschimmel-Fäule“. Die ArbeiterInnen, die auf den Plantagen für einen kargen Lohn malochen müssen, fürchten sich dagegen weniger vor der Grauschimmel-Fäule und anderen Pflanzen-Krankheiten als vielmehr vor LUNA und anderen Gegenmitteln. Immer wieder kommt es zu Vergiftungen; eine Schutzkleidung tragen nur die wenigsten. Auch sonst dürfen die Beschäftigten ihre Rechte nicht wahrnehmen: Eine Gewerkschaftsmitgliedschaft gilt als Kündigungsgrund.

Chlorpyrifos schädigt Gehirne
Der Pestizid-Wirkstoff Chlorpyrifos kann die Entwicklung von Embryos im Mutterleib stören und bei den Kindern später Gehirnschäden verursachen. Das haben ForscherInnen der New Yorker Columbia-Universität herausgefunden. „Unsere Ergebnisse sind Besorgnis erregend“, schreiben Virginia Rauh und ihr Team in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences. Das Ackergift, das in den BAYER-Produkten BLATTANEX, PROFICID und RIDDER enthalten ist, lässt schon in geringsten Dosen die Großhirnrinde schrumpfen und wirkt auf Regionen ein, welche die Emotionen, die Impuls-Kontrolle, die Aufmerksamkeit und die sozialen Beziehungen steuern. Auch die geschlechtstypischen Prägungen des Gehirns verändert die Agrochemikalie. Als Konsequenz aus ihren Befunden fordern die WissenschaftlerInnen eine Erhöhung der Grenzwerte für Chlorpyrifos.

Immer mehr Bixafen-Resistenzen
Kaum hatte BAYER den Fungizid-Wirkstoff Bixafen auf den Markt gebracht, da hatten sich schon die ersten Pilz-Arten an die Mittel mit den Produkt-Namen AVIATOR, XPRO und ZANTARA gewöhnt. Als „mittel bis hoch“ stuft das wissenschaftliche Komitee der Agro-Riesen das Resistenz-Risiko mittlerweile ein und rät dazu, das Pestizid höchstens zweimal pro Saison auszubringen. Der Leverkusener Multi gibt diese Empfehlung zwar weiter, hält aber fest: „Für eine nachhaltige Resistenz-Strategie zum Erhalt der Wirksamkeit der Carboxamide – zu dieser Gruppe gehört Bixafen – sind die Fungizide mit XPRO-Technologie sehr gut konzipiert.“ Der Konzern will sich nämlich das Geschäft nicht vermiesen lassen. Schließlich plant er, noch in diesem Jahr ein weiteres Carboxamid auf den Markt zu bringen.

Bienensterben in Kanada
Auch in Kanada kam es zu einem Bienensterben. WissenschaftlerInnen untersuchten daraufhin 37 tote Tiere und wiesen bei 28 von ihnen Spuren des BAYER-Pestizidwirkstoffs Clothianidin nach.

Bienengefährliche Topseller
Die Insektizide GAUCHO und CONFIDOR mit dem Wirkstoff Imidacloprid, die schon Millionen von Bienenvölkern den Tod brachten, zählen mit einem Jahresumsatz von jeweils 400 Millionen Euro zu den Topsellern mit Pestizid-Sortiment von BAYER. Nur das Fungizid NATIVO brachte mit 500 Millionen noch mehr ein.

SANTANA: wieder Ausnahmegenehmigung
BAYERs Pestizide mit dem Wirkstoff Clothianidin gehörten mit zu den Agro-Chemikalien, die im Jahr 2008 ein
massives Bienensterben verursacht hatten. Deshalb verboten viele Länder das Insektizid. Hierzulande entschieden die Behörden, die Zulassung für Mais-Kulturen einstweilen ruhen zu lassen. Allzulange ruhte diese allerdings nicht. Immer wieder entdeckte das dem Landwirtschaftsministerium unterstehende „Julius-Koch-Institut“ Notfall-Situationen, die einen Griff nach dem Wirkstoff angeblich unumgänglich machten. Auch in diesem Jahr tat es das – in Form des Drahtwurms war Gefahr im Verzug. So erteilte das Institut bereits zum dritten Mal eine Ausnahmegenehmigung für das Clothianidin-Granulat SANTANA. Das PESTIZID-AKTIONS-NETZWERK (PAN) kritisierte die Entscheidung: „Unter dem Deckmantel der Notfall-Situation werden Jahr für Jahr Ausnahmen für verbotene Pestizide genehmigt. Hier wird den ökonomischen Interessen Einzelner Vorrang vor Umwelt- und Naturschutz eingeräumt.“ PAN zufolge werden solche Ausnahmen immer mehr zur Regel. Von 59 auf 310 stieg ihre Zahl europa-weit binnen der letzten vier Jahre.

Neue Clothianidin-Studie
In Österreich dürfen die LandwirtInnen BAYERs Pestizid-Wirkstoff Clothianidin (enthalten in den Produkten PONCHO, PROSPER und SANTANA) noch auf ihren Maisfeldern einsetzen. Andere Länder wie z. B. die Bundesrepublik haben den Stoff wegen seiner Bienengefährlichkeit hingegen verboten, gewähren jedoch Ausnahmegenehmigungen (s. o.). Die österreichischen Behörden haben jedoch eine Studie zu Risiken und Nebenwirkungen der Chemikalie in Auftrag gegeben, die der Leverkusener Multi mitfinanziert hat. Das Ergebnis fiel für den Agro-Riesen wenig schmeichelhaft aus. Clothianidin sei „regional“ für das Verenden von Bienenvölkern verantwortlich, befanden die ForscherInnen. Wirkliche Konsequenzen wie ein Bann des Mittels will die Alpenrepublik jedoch nicht ziehen, sie plant lediglich etwas strengere Auflagen.

Neue Imidacloprid-Studie
Eine neue Studie der Universität von Stirling bestätigt einmal mehr die bienenschädigende Wirkung von BAYERs Pestizid-Wirkstoff Imidacloprid, das der Agro-Riese z. B. unter Produktnamen wie ADMIRE, CONFIDOR, EVIDENCE und PROVADO vermarktet. Hatte der Leverkusener Multi die Ergebnisse bisheriger Untersuchungen immer mit Verweis darauf angezweifelt, dass diese in Laboren und nicht unter freiem Himmel stattgefunden haben, so kann er dieses Argument nun nicht mehr anbringen. Professor David Goulson und sein Team haben nämlich einen Feldversuch unternommen und auch dabei eine Reduzierung der Zahl der Bienenköniginnen um 85 Prozent durch die Effekte von CONFIDOR & Co. festgestellt.

Geschäfte mit dem Bienensterben
Einer Unzahl von Studien zum Trotz (s. o.) haben für den Leverkusener Multi keineswegs die haus-eigenen Pestizide das millionenfache Bienensterben verursacht, die Verantwortung dafür trägt dem Konzern zufolge vielmehr die böse Varroa-Milbe. Dabei wird höchstens umgekehrt ein Schuh daraus: Weil die Agrochemikalien die Tiere so schwächen, können sie eine Angriffsfläche für die Parasiten bilden. Aber der Global Player wehrt sich nicht nur gegen diese Einsicht, um die Vermarktungschancen für CONFIDOR & Co. nicht zu gefährden. Er hat noch einen zweiten Grund dafür. Mit dem Pyrethroid (Wirkstoff: Flumethrin), das er unter dem Slogan „Gesunde Bienen“ feilbietet, hält er nämlich angeblich das passende Gegenmittel zum Milben-Befall bereit. So sind die armen Bienen den BAYER-Giften sinnloserweise gleich doppelt ausgeliefert, und der Leverkusener Multi schlägt sogar noch aus den Folgen seiner rücksichtslosen Geschäftspolitik Profit. Die Milben indessen stellen sich bereits auf BAYVAROL ein und bilden Resistenzen aus.

PFLANZEN & SAATEN

Neue pestizid-tolerante Zuckerrübe
Die KWS SAAT hat für den Leverkusener Multi eine Zuckerrübe entwickelt, die gegen das BAYER-Herbizid BETANAL resistent ist. Deshalb können die LandwirtInnen das Mittel in Kombination mit der Pflanze, mit deren baldiger Zulassung der Agro-Riese rechnet, in rauen Mengen gegen Unkrautwuchs verwenden. Die Züchtung erfolgte auf konventionellem Weg über die Auswahl einer Pflanze als Ausgangsmaterial, deren Erbgut angeblich über eine Enzym-Veränderung verfügt, die für den schnellen Abbau der Agrochemikalie sorgt.

Mehr Gemüsezucht in Leudal
Der Leverkusener Multi hat sein Gemüsezucht-Zentrum im niederländischen Leudal ausgebaut. Die zur Verfügung stehende Fläche wuchs fast um das Dreifache. Mit dieser Investition verstärkt der Konzern sein Engagement auf diesem Sektor weiter. Neben einer zweiten Forschungs- und Entwicklungseinrichtung, die in den USA angesiedelt ist, unterhält er noch 26 Gemüsezucht-Stationen sowie zwei Dienstleistungszentren.

GENE & KLONE

Neue Krebsmittel-Anforderungen?
Krebsmedikamente sind teuer, helfen zumeist wenig und haben allzu oft nur ein eingeschränktes Anwendungsgebiet. So verlängert BAYERs NEXAVAR, das auf einen Monatspreis von 4.200 Euro kommt, das Leben der PatientInnen gerade einmal um zwei bis drei Monate. Da sich neue Pharmazeutika seit der Arzneimittelgesetz-Novelle von 2011 einer Kosten/Nutzen-Bewertung stellen müssen, könnte die Luft für die Mittel bald dünner werden. Es existieren nämlich Pläne, von ihnen eine deutlich höhere Wirksamkeit zu verlangen, wenn die Krankenkassen weiter im vollen Umfang für sie aufkommen sollen. Das stößt beim von BAYER gegründeten „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VFA) erwartungsgemäß auf Kritik. „Wenn man diese Hürde schon vor zehn Jahren gesetzt hätte, dann hätte es keinen Fortschritt in der Krebs-Behandlung gegeben“, erklärte der Vorstandsvorsitzende Hagen Pfundner.

Neues KOGENATE
Das einzig neue bei neuen BAYER-Medikamenten ist oft die Darreichungsform. So entwickelt der Leverkusener Multi zur Zeit eine Variante seines gentechnisch hergestellten Bluterpräparats KOGENATE, die sich länger im Blut hält, weshalb die Patienten es nicht mehr so oft injizieren müssen. Einen entsprechenden Versuch hatte der Konzern 2010 schon einmal wegen Erfolglosigkeit eingestellt. Für den zweiten Anlauf, der auch zum Ziel hat, mit einem KOGENATE 2.0 dem drohenden Auslaufen des Patentschutzes zuvorzukommen, hat das Unternehmen gerade erste Tests durchgeführt.

AMGEN entwickelt Antikörper
Das bundesdeutsche Biotech-Unternehmen AMGEN entwickelt für den Leverkusener Multi einen weiteren Antikörper zur Zerstörung von Krebszellen. Bislang haben Medikamente auf Basis von Antikörpern die in sie gesetzten Erwartungen allerdings nicht erfüllen können. So schafft es BAYERs NEXAVAR kaum, die Lebenserwartung der PatientInnen länger als ein paar Wochen zu erhöhen, kostet aber Unsummen (SWB 4/10).

Geburtsschäden durch Glyphosat
Das Anti-Unkrautmittel Glyphosat, das hauptsächlich in Kombination mit MONSANTO-Genpflanzen der „ROUND UP“-Baureihe, aber auch zusammen mit BAYER-Produkten wie der Baumwolle „GHB 614“ zum Einsatz kommt, kann zu Geburtsschäden führen. Dem „Bundesamt für Verbraucherschutz“ liegen die entsprechenden Untersuchungen vor. Es bewertet die in den Dokumenten aufgeführten Missbildungen jedoch nicht als statistisch relevant und verlängerte die Zulassung bis 2015 (Ticker 2/12). Die WissenschaftlerInnen der Studie „Round Up and birth defects: Is the public kept in dark?“ kritisierten diese Haltung scharf.

Glyphosat in Lebensmitteln
Das schleswig-holsteinische Landwirtschaftsministerium wies Spuren des Pestizid-Wirkstoffs Glyphosat, der hauptsächlich in Kombination mit MONSANTO-Genpflanzen der „ROUND UP“-Baureihe, aber auch mit BAYER-Produkten wie der Baumwolle „GHB 614“ zum Einsatz kommt, in Import-Linsen und Haferflocken nach. Dies setzt die VerbraucherInnen Gesundheitsgefährdungen aus, denn die Agro-Chemikalie kann Embryos schädigen (s. o.) und ist darüber hinaus mit zahlreichen weiteren Risiken und Nebenwirkungen behaftet.

BAYER-Raps kreuzt aus
Gentechnisch manipulierter BAYER-Raps wandelt mal wieder auf Freiersfüßen. US-ForscherInnen untersuchten wild wachsenden Raps und stießen in 288 von 634 Proben neben Spuren von Gentech-Pflanzen made by MONSANTO auch auf solche, die von den LIBERTYLINK-Produkten des Leverkusener Multis herrühren. Mit solchen Raps-Auskreuzungen machte der Konzern schon mehrfach Schlagzeilen. 2002 griff Gen-Raps von einem bundesdeutschen Versuchsfeld auf andere Ackergründe über. 2005 fanden sich Spuren der Labor-Früchte in konventionell erzeugter australischer und biologisch angebauter kanadischer Ware. Und 2007 kontaminierte das BAYER-Kreuzblütengewächs Saatgut eines Produzenten aus Deutschland.

BAYER kauft Soja-Züchtungen
Der Leverkusener Multi hat PROSOY GENETICS, die Sojazucht-Sparte des Unternehmens THOMSON AGRONOMICS, gekauft. „Mit der Übernahme erweitert BAYER seine Möglichkeiten bei der Züchtung von Sojabohnen“, erklärte der Konzern. Vor allem von dem PROSOY-Forschungsprogramm mit herbizid- und insektizid-resistenten Gen-Pflanzen verspricht der Agro-Riese sich viel. Zudem sieht er durch den Erwerb der Firma aus dem Mittleren Westen der USA die in der Region die Vermarktungschancen für seine Soja-Kreationen der LIBERTYLINK-Baureihe steigen.

Bt tötet nicht nur Schadinsekten
Das Gift-Bakterium Bacillus thuringiensis (Bt), mit dem BAYER und andere Agro-Riesen ihre Gen-Pflanzen bestückt haben, tötet nicht nur Schadinsekten, sondern auch andere Tiere wie z. B. Marienkäfer. Dies ergab ein Fütterungsversuch mit Bt-haltigen Mehlmotten-Eiern, den Angelika Hilbeck mit weiteren ForscherInnen der ETH Zürich durchgeführt hat.

WASSER, BODEN & LUFT

Großzügiger Strom-Rabatt
BAYER gehört zu den energie-intensiven Unternehmen. Und der Konzern hat auch keinen Anreiz, seinen Strom-Bedarf zu senken. Der Staat gewährt den Großverbrauchern nämlich großzügige Rabatte, die auf die Rechnung der übrigen KundInnen aufgeschlagen werden. Eine von GREENPEACE in Auftrag gegebene Studie bezifferte die Vergünstigungen auf neun Milliarden Euro pro Jahr.

Bergkamen stinkt zum Himmel
Bereits seit Jahren klagen die AnwohnerInnen des Bergkamener BAYER-Werkes über Geruchsbelästigungen. Die 2008 eingeleiteten Umbau-Maßnahmen haben bislang keine Abhilfe schaffen können. Aus immer neuen Quellen dringt Gestank nach außen. Ende Juli 2011 sorgte eine defekte Pumpe für schlechte Luft. Wenige Tage später flossen unvorhergesehen saure und basische Abwässer zusammen, was übel aufstieß (Ticker 4/11). Und dann kam es zu einem Angriff auf die Riech-Organe, für den der Konzern lange keine Erklärung hatte. Seit Neuestem vermutet er den Klärschlamm und die Ablagerungen in den Auffangbecken für die Betriebsabwässer als Ursache. Mitte März 2012 begannen deshalb die Sanierungsarbeiten. Unterdessen versucht das Unternehmen die BergkamenerInnen zu beruhigen: „Nach derzeitigem Erkenntnisstand geht von den Emissionen keine Gefahr für Mensch und Natur aus“.

Altlast in Hauxton
Im englischen Hauxton nahe Cambridge hinterließ der Global Player nach der Schließung eines Pestizid-Werkes verbrannte Erde: jede Menge Altlasten im Boden und im Grundwasser (Ticker berichtete mehrfach). Der Investor HARROW ESTATES will auf dem Areal trotzdem Häuser errichten. Zu einer Sanierung erklärte er sich erst nach massivem Druck bereit und wählte dementsprechend die billigste Variante. Die AnwohnerInnen klagten schon während der Aushub-Arbeiten über Kopfschmerzen, Rachen-Entzündungen und Atemnot. Und auch nach Abschluss der Maßnahmen änderte sich die Gefahrenlage nicht grundlegend. „Erhöhte Konzentrationen“ gleich mehrerer Pestizide maß die zuständige Umweltbehörde in einem nahe gelegenen Fluss. „Deshalb sollte das Gelände unter keinen Umständen bebaut werden“, meint der Umweltaktivist Robin Page.

CO & CO.

PPP-Planänderungsverfahren
BAYER ist beim Bau der umstrittenen Kohlenmonoxid-Pipeline, welche die Standorte Dormagen und Krefeld miteinander verbinden soll, in 66 Fällen von den Planvorgaben abgewichen (Ticker 1/09). So verwendete der Leverkusener Multi zur Abschirmung der Rohre nur eine 60 cm breite Geogrid-Matte statt einer 80 cm langen, verlegte mancherorts nur 5,6 mm starke Rohre statt solche mit einer Wandstärke von 6,3 mm und änderte auch den Trassenverlauf. Darum musste BAYER nach dem Willen der Bezirksregierung Düsseldorf einen Planänderungsantrag stellen. Prüfen will die Behörde diesen allerdings nicht selber, sie sucht dafür per Ausschreibung einen externen Dienstleister – die im Zuge des Neoliberalismus populär gewordenen Public-Private-Partnerships (PPP) greifen nun also auch bei Genehmigungsverfahren um sich. Erich Hennen von der Initiative CONTRA PIPELINE wendet sich nicht nur aus diesem Grund gegen das Prozedere. Da das Düsseldorfer Verwaltungsgericht im letzten Jahr den gesamten Planfeststellungsbeschluss wegen der mangelnden Vorkehrungen für die Erdbebensicherheit für rechtswidrig erklärt hatte, tritt er dafür ein, wieder ganz von vorn zu beginnen. „Wenn der ursprüngliche Beschluss nicht rechtens ist, nützen keine Nachbesserungen. Es muss ein neuer Planfeststellungsbeschluss her“, so Hennen.

Wutkapitalist Dekkers
BAYER-Chef Marijn Dekkers hadert mit den Zeitläuften. Die Industrie müsse die Erfahrung machen, dass „aufgeklärte Wohlstandsbürger beschlossene Projekte in Frage stellen – und stoppen“, jammerte er angesichts der Diskussionen um das Kohlekraftwerk von EON und BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline. Und ihm schwindet langsam der Glaube an die Inbetriebnahme des Röhren-Werks. „Ich weiß nicht, ob die Pipeline jemals ans Netz gehen wird, wir werden sehen“, sagte er vor der „Wirtschaftspublizistischen Vereinigung“ in Düsseldorf. Der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel von den Grünen gab die Kritik postwendend zurück. NRW sei Industrieland Nr. 1 und werde es auch bleiben, „aber nur, wenn auch die Wirtschaft akzeptiert, dass die Zeit der Blankoschecks bei der Realisierung von Industrie-Projekten vorbei ist“, stellte er fest und warf EON und BAYER „gravierende handwerkliche Fehler“ bei der Vorbereitung der Projekte vor. „BAYER sollte sich hier selber an die Nase packen, solide Arbeit machen und nicht immer neue Stellenabbau-Runden und Verlagerungen ins Ausland ankündigen“, so Remmel.

NANO & CO.

Erörterungstermin in Sachen „Nano“
Die Nanotechnologie lässt Werkstoffe auf winzig kleine Größen schrumpfen. Dabei entwickeln BAYERs BAYTUBES und andere Nano-Produkte jedoch unbekannte und nicht selten gefährliche Eigenschaften. Genau dies stand dann auch bei dem Erörterungstermin zum Genehmigungsantrag der Firma H. C. STARCK, die ihre BAYTUBES-Herstellung von einem Versuchsbetrieb auf Normalproduktion umstellen und darüber hinaus ausweiten will (siehe auch RECHT & UNBILLIG), auf der Tagesordnung. Bei der Anhörung stritten die BAYER-Vertreter die Gefährlichkeit der Winzlinge rundweg ab. Sie seien weder giftig noch umweltschädlich und reicherten sich auch nicht im menschlichen Organismus an, versuchte etwa Jacques Ragot zu beruhigen. „Nano bezeichnet eine Größenangabe und ist keine gefährliche Eigenschaft“, so der Chemiker, es gebe zwar Hinweise auf eine Lungenkrebs-Gefahr durch Nano-Teilchen, aber die seien mit den BAYTUBES nicht zu vergleichen. Leider kommen die von BAYER selber herausgegebenen Sicherheitsdatenblätter da zu ganz anderen Schlüssen. Als Claudia Baitinger vom BUND und Barbara Dohmen von der Initiative LEBENSWERTER HOCHRHEIN dies thematisierten, legten die Konzern-Emissäre plötzlich ganz neue, noch nicht einmal der Genehmigungsbehörde bekannte Dokumente vor. Diese konnten allerdings ebenfalls nicht überzeugen. Das Regierungspräsidium blieb misstrauisch und gab erst einmal ein Arbeitsschutz-Gutachten in Auftrag, um sich „bei Fragen der Toxikologie nicht allein auf die Angaben der Firma BAYER verlassen zu müssen“.

Gutes Nano, schlechtes Nano
Der „Sachverständigenrat für Umweltfragen“ kommt in seinem Sondergutachten „Vorsorgestrategien für Nano-Materialien“ zu einer durchaus kritischen Bewertung der neuen Technologie. Von BAYERs BAYTUBES gehen nach Meinung der ExpertInnen jedoch keine gravierenderen Gesundheitsgefahren aus: „Kleine Fasern und nichtstarre Fasern, zum Beispiel BAYTUBES, haben mutmaßlich keine asbestartige Wirkung, sondern ähneln in ihrer Wirkung eher granulären biopersistenten Stäuben.“ Nur die langen und starren Partikel hätten ein größeres Gefährdungspotenzial, so die WissenschaftlerInnen. Ihr Urteil stützt sich allerdings ausschließlich auf Forschungsarbeiten vom Leverkusener Multi selber, und nicht einmal diese stellen dem Produkt einen Persilschein aus. Es greift auch nach Meinung der Konzern-WissenschaftlerInnen die Lungen an, aber als Arbeitsschutzmaßnahme reicht ihnen zufolge ein Grenzwert von 0,05 mg pro Kubikmeter Raumluft aus. Unterdessen macht das Votum des Sachverständigenrates Karriere. Überall, wo die BAYTUBES-Risiken zur Debatte stehen wie jetzt im Zuge des Genehmigungsverfahrens für eine Fertigungsstätte dieser Kohlenstoff-Röhrchen (s. o.), da zitieren JournalistInnen die Einschätzung des Gremiums – natürlich ohne die BAYER-Quelle der Erkenntnis zu nennen.

VCI gegen strengere Auflagen
Die Nanotechnologie lässt Werkstoffe auf winzig kleine Größen schrumpfen. Dabei entwickeln die Erzeugnisse wie BAYERs BAYTUBES-Kohlenstoffröhrchen jedoch oftmals unbekannte und nicht selten gefährliche Eigenschaften. Aus Gründen des vorsorglichen Gesundheitsschutzes hat der „Sachverständigenrat für Umweltfragen“ (s. o.) deshalb Verschärfungen im Chemikalien- und Umweltrecht gefordert. Der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI) lehnt das jedoch ab. „Diese Vorschläge halten wir angesichts der vorhandenen Datenlage für überzogen. Sie würden die Innovationspotenziale, die die Nanotechnologie bietet, unnötig beeinträchtigen“, erklärte die Lobby-Organisation von BAYER & Co. Auch gegen eine Begriffsdefinition, die alle Partikel zwischen einem Milliardstel Meter und hundert Milliardstel Metern unter „Nano“ subsummiert, wandte sich der VCI. Damit mache man de facto alle Alltagsprodukte zu Nanoprodukten, kritisierte der Verband.

Noch mehr Nano-Risiken
Die Liste der möglichen Risiken und Nebenwirkungen durch die Nano-Technologie wird immer länger. Auf einem internationalen Kongress in Würzburg, der im Mai 2011 stattfand, betonten die WissenschaftlerInnen vor allem die Gesundheitsgefährdungen, die durch die Eigenschaft der Partikel ausgelöst werden, sich an Moleküle heften oder in die DNA eindringen zu können. Dies erhöht nämlich die Gefahr der Entstehung von Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson, Creutzfeldt-Jakob, Diabetes, Arteriosklerose, Herz/Kreislauf-Schädigungen oder Krebs.

Dekkers gibt Nano-Entwarnung
Konzern-Chef Marijn Dekkers fürchtet sich vor gar nichts. Im Selbstversuch schaufelt der Holländer Gen-Gemüse in sich hinein, die bundesdeutsche Reaktion auf die Atom-Katastrophe von Fukushima bezeichnete er in einem Interview als überzogen und für BAYERs Kohlenmonoxid-Leitung von Dormagen nach Krefeld verbürgt er sich auch. Da ist ihm natürlich vor den winzig kleinen Nano-Teilchen ebenfalls nicht bange. Wider besseren Wissens versichert er sich dabei sogar des Beistandes der ForscherInnen-Gemeinschaft. „Aber obwohl es keine wissenschaftliche Nachweise dafür gibt, dass Nano-Materialien zu Schädigungen von Umwelt und Gesundheit führen, sehen einige Interessensgruppen auch hier vor allem potenzielle Risiken“, kritisiert der Manager in der Börsen-Zeitung.

UNFÄLLE & KASTASTROPHEN

Schwelbrand in Monheim
Am 13. März 2012 kam es in einem Monheimer Gebäude von BAYER CROPSCIENCE zu einem Schwelbrand mit starker Rauchentwicklung, weil sich Isoliermaterial entzündet hatte. Die Feuerwehr vermutet einen technischen Defekt als Ursache.

Abwasser trat aus
Am 13. Mai 2012 kam es auf dem Gelände von BAYERs Krefelder Chemie„park“ zu einem Unfall. Durch einen Defekt in einer Hebe-Anlage trat ungereinigtes Abwasser aus. Dies überforderte offenbar die Werksfeuerwehr. Beim ihrem Einsatz musste die Berufsfeuerwehr der Stadt helfen.

BAYER ruft Hormon zurück
Der Leverkusener Mul

Yasmin

CBG Redaktion

Der Berliner „Tagesspiegel“ berichtet 2x über die Proteste zur BAYER-Hauptversammlung gegen risikoreiche Antibaby-Pillen von BAYER. alle Infos zur Kampagne

Noch mehr Ärger mit der Pille

Die Aktionäre von Bayer machen sich Sorgen

28. April -- Die Zukunft von Bayer, sie scheint in Berlin zu liegen. In der Hauptstadt sitzt die Pharmatochter des Leverkusener Dax-Unternehmens, und auf ihr ruhen Milliardenhoffnungen. Denn der Umsatz- und Gewinnzuwachs, den der Pharma- und Chemiekonzern für 2013 in Aussicht gestellt hat, soll besonders durch neue Medikamente gelingen. „Dabei ist vor allem die optimale Vermarktung unserer fortgeschrittenen Produktentwicklungen bei Pharma entscheidend“, bekräftigte Konzernchef Marijn Dekkers am Freitag auf der Hauptversammlung in Köln.
Nach mehreren Jahren mit geringem Wachstum in der Pharmasparte sollen vier neue Präparate künftig mehr als fünf Milliarden Euro Umsatz jährlich einbringen. Allein dem Schlaganfallmittel Xarelto, das vor kurzem auf den Markt kam, traut der Konzern Erlöse von mehr als zwei Milliarden Euro pro Jahr zu.
Doch der Erfolg der Pharma-Sparte, die Bayer 2006 durch den Zukauf von Schering massiv stärkte, wird von fast 12 000 Klagen gegen den Konzern in den USA getrübt. Die Betroffenen beklagen Gesundheitsschäden wegen der Antibabypillen der Produktfamilie Yasmin, deren neuartiger Wirkstoff Drospirenon im Verdacht steht, ein höheres Risiko für Thrombosen zu bergen als andere Pillen. Mit 651 Klägerinnen habe sich Bayer auf Vergleiche in Höhe von 107 Millionen Euro geeinigt, sagte Dekkers. Bayer habe nur Vergleichen zugestimmt, bei denen Ansprüche wegen venöser Blutgerinnsel – etwa Lungenembolien – erhoben worden seien. Eine solche Erkrankung werde aber in weniger als der Hälfte der Klagen behauptet. Der Konzern habe „industrieüblichen Versicherungsschutz“, könne aber nicht ausschließen, „dass dieser zur Deckung sämtlicher Kosten nicht ausreichen wird“, sagte Dekkers. Man habe aber „angemessene bilanzielle Rückstellungen" gebildet.
Aktionärsschützer zeigten sich besorgt. „Das ist kein Gerinnsel, das ist ein Risiko“, sagte Hans-Martin Buhlmann von der Vereinigung Institutionelle Privatanleger (VIP) auf der Hauptversammlung mit rund 3000 Aktionären. „Ist das Lipobay 2?“, fragte auch Marc Tüngler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Den Cholesterinsenker hatte Bayer nach etlichen Todesfällen 2001 vom Markt genommen. „Verlässliche Schätzungen zur weiteren Entwicklung der Klagen bei Yasmin und Yaz sind uns nicht möglich“, antwortete Dekkers. Martin Jensch, Anwalt der deutschen Klägerin Felicitas Rohrer, wies erneut auf Studien hin, die den Pillen mit Drospirenon ein bis zu dreifach erhöhtes Thromboserisiko bescheinigen. Diese Studien seien in den Beipackzetteln der Pillen berücksichtigt, sagte Dekkers.
Die jüngsten Spekulationen um ein Interesse von Bayer an der Tiermedizin- Sparte von Pfizer wollte der Konzernchef nicht bestätigen. „Unser Fokus liegt primär auf internem Wachstum.“ Zukäufe im Gesundheitsbereich seien aber nicht ausgeschlossen.
Die Hauptversammlung war die letzte des Aufsichtsratschefs Manfred Schneider. Der 73-Jährige, der seit 46 Jahren für Bayer arbeitet, verlässt Ende September den Konzern. Ihm soll dann an der Spitze des Aufsichtsrats der ehemalige Bayer-Chef Werner Wenning (65) folgen. Das Kontrollgremium wurde am Freitag für fünf Jahre neu gewählt. Dekkers und das Aufsichtsratsmitglied Paul Achleitner dankten Schneider für seine Verdienste. Der Konzernumbau, an dem der Aufsichtsratschef beteiligt war, sei eine „Herkulesaufgabe“ gewesen, sagte Achleitner, die „höchst erfolgreich bewältigt“ wurde. Die aktuellen Zahlen seien dafür der beste Beweis. Jahel Mielke

Die Risiko-Frage

Bayer drohen wegen der Klagen um die Antibaby-Pille hohe Kosten und Protest auf der Hauptversammlung

23. April 2012 - Zwanzig Minuten lang war Felicitas Rohrer klinisch tot – ihr Herz hatte nach einer Lungenembolie versagt. Viereinhalb Stunden operierten die Ärzte und retteten schließlich das Leben der 25-Jährigen. Rohrer hatte keine bekannten Vorerkrankungen, kein Risiko in der Familie. Warum sie so schwer krank wurde, ist für die junge Frau klar. „Bayer hat mein Leben zerstört“, sagt sie. „Dass ich überlebt habe, ist ein Wunder.“
Von Oktober 2008 bis Juli 2009 nahm die junge Frau die Antibaby-Pille Yasminelle des Leverkusener Chemie- und Pharmakonzerns. Mit der Produktfamilie, zu der das Präparat gehört, macht die Berliner Pharmatochter von Bayer einen Umsatz von mehr als einer Milliarde Euro im Jahr. Zugleich brachten die Mittel dem Konzern in den USA bisher mehr als 11 300 Klagen wegen Gesundheitsschäden ein. Denn wegen des neuartigen Wirkstoffs Drospirenon, der in Yasmin, Yaz und Yasminelle steckt, stehen sie imVerdacht, ein höheres Risiko für Thrombosen zu bergen als andere Antibaby-Pillen. Thrombosen sind Blutgerinnsel, die in den Venen entstehen und zu Schlaganfällen und Embolien führen können. Auf der Hauptversammlung von Bayer am Freitag soll es erneut Protest gegen die Präparate geben.
Felicitas Rohrer bekam Anfang 2009 schlechter Luft, fühlte sich schlapp, hatte Schmerzen im Bein. „Ich dachte, das ist der Stress“, sagt sie. Sechs Monate später brach sie zusammen. Heute, knapp drei Jahre später, kämpft sie noch immer mit den Folgen dieses Tages. Vor dem Zusammenbruch hatte Rohrer ihr Studium zur Tierärztin abgeschlossen, nun kann sie ihren Beruf nicht mehr ausüben. Um ihr Leben zu retten, mussten die Ärzte ihr Brustbein durchtrennen. „Ich darf nichts Schweres mehr heben, kann nicht lange stehen“, sagt Rohrer. Dass sie täglich blutverdünnende Mittel einnehmen muss, ist weit mehr als lästig. „Kinder werde ich, solange ich die Mittel schlucke, nicht bekommen können“, sagt sie.
Im vergangenen Jahr entschied die heute 27-Jährige, Bayer zu verklagen. Sie war die erste, die das hierzulande tat. Denn anders als in den USA sind in Deutschland keine Sammelklagen möglich, das Risiko für die Betroffenen ist viel höher. Schmerzensgeld und Schadenersatz will Rohrer, und mittlerweile ist sie nicht mehr die einzige. Als sie 2011 mit ihrem Fall an die Öffentlichkeit ging, lernte sie drei weitere Betroffene kennen, mit ihnen gründete sie eine Selbsthilfegruppe. Eine der Frauen, Kathrin Weigele, geht nun ebenfalls gerichtlich gegen Bayer vor.
Rohrers Anwalt verweist auf die „schädlichen Wirkungen“ von Yasminelle, „die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen“. Drospirenon, so konstatiert der Anwalt, führe im Vergleich zu Pillen der vorherigen Generation zu einem „bis zu doppelten Thromboserisiko“. Bayer verneint dies. „Alle kombinierten oralen Kontrazeptiva von Bayer, auch die mit Drospirenon, haben ein positives Nutzen-Risiko-Profil, wenn sie gemäß ihrer Indikation eingenommen werden“, teilte eine Bayer-Sprecherin auf Anfrage mit. Es gebe keine einheitliche wissenschaftliche Meinung dazu, ob das Risiko bei Drospirenon-Pillen höher sei als bei anderen. Zu Felicitas Rohrers Fall wollte Bayer sich mit Hinweis auf das laufende Verfahren nicht äußern. „Wir bedauern, was Frau Rohrer widerfahren ist“, sagte die Sprecherin.
In den USA gerät Bayer wegen der Klagen nun zunehmend unter Druck. Die Verfahren sind derzeit offiziell ausgesetzt, die Mediation, die der Richter Ende 2011 angeordnet hatte, läuft aber nur noch bis zum 30. April. Mit 170 Klägern hat Bayer nach eigenen Angaben bereits einen Vergleich in unbekannter Höhe geschlossen – ohne Anerkennung einer Haftung. Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete unter Berufung auf Insider jüngst, dass der Konzern sich mit 500 Klägern auf eine Summe von mindestens 110 Millionen Dollar geeinigt habe – pro Fall wären das 220 000 Dollar. „Neben einem Schmerzensgeld steht den Klägern auch ein materieller Schadenersatz zu, wegen Verdienstausfällen, Haushaltsführungsschäden, Fahrt- oder Beerdigungskosten“, sagte Tobias Kiwitt, Rechtsanwalt in der Kanzlei Ciper & Coll.
Bayer bestätigte die Zahlen nicht, einige Analysten reagierten aber alarmiert. Die bisherige Schätzung der Belastung des Konzerns sei zu niedrig, schrieben Experten der Investmentbank JP Morgan. Sie schätzten die Gesamtkosten zur Beilegung aller 11 300 Fälle damit auf über zwei Milliarden Euro. Bayer teilte dazu mit, dass der Konzern „von Fall zu Fall“weiter „die Möglichkeit eines Vergleichs einzelner Rechtsstreitigkeiten in den USA in Betracht ziehen“ werde. Mit zusätzlichen Verfahren sei zu rechnen. Der Konzern sei in „industrieüblichem Umfang gegen Produkthaftungsrisiken versichert“. Abhängig vom weiteren Verlauf der Yasmin- und Yaz-Klagen sei es allerdings möglich, dass der bestehende Versicherungsschutz nicht ausreichen könnte, um sämtliche Verteidigungskosten und etwaige Schadenersatzleistungen vollständig abzudecken, hieß bei Bayer in Berlin.
Die Chancen der Kläger könnten zudem durch die jüngste Verschärfung der Warnhinweise für die drospirenonhaltigen Pillen in den USA gestiegen sein. Vor etwa zwei Wochen passte Bayer den Beipackzettel auf Drängen der US-Gesundheitsbehörde FDA an, nun wird davor gewarnt, dass das Thromboserisiko bei diesen Pillen im Vergleich zu anderen Verhütungsmitteln höher sein könnte. In der EU waren die Warnhinweise für Yaz, Yasminelle und Yasmin, die seit 2001 auf dem Markt sind, schon im vergangenen Jahr verschärft worden.
Wann die Verfahren in den USA wieder aufgenommen werden, ist offen. Auch Felicitas Rohrer wartet auf ihren Prozess. Sie hatte versucht, sich mit Bayer außergerichtlich zu einigen, war damit aber gescheitert. „Ich will Gerechtigkeit“, sagt sie, „und dass Bayer Verantwortung für seine Produkte übernimmt.“ Zwei Mal hat sie bereits auf der Hauptversammlung des Konzerns gesprochen, dieses Mal, am Freitag, wird nur ihr Anwalt auftreten. Rohrer will sich auf ihren Neuanfang konzentrieren, gerade macht sie eine Ausbildung zur Journalistin. „Nochmal auf der Hauptversammlung zu sprechen, dafür fehlt mir gerade die Kraft“, sagt sie. von Jahel Mielke

[Pharmatests] Bayer Hauptversammlung

CBG Redaktion

Presse Information vom 25. April 2012
Coordination gegen BAYER-Gefahren

BAYER: Tödliche Pharma-Studien in Indien

BAYER verlegt immer mehr gefährliche Medikamenten-Versuche in arme Länder. Dort locken ein großes Reservoir an Probanden, niedrige Preise und geringe behördliche Aufsicht. Allein in Indien kam es bei Menschenversuchen von BAYER zu mindestens 138 Todesfällen. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hat einen Gegenantrag zur Hauptversammlung des Konzerns eingereicht und wird am Freitag vor den rund 4.000 Aktionären zum Thema sprechen.

Immer mehr Pharma-Studien werden in Schwellenländer verlagert. Insbesondere Indien ist aufgrund der niedrigen Kosten, der Englischkenntnisse der Bevölkerung, der großen Masse an Probanden und der laxen behördlichen Kontrollen für die Firmen attraktiv.

Derzeit lassen westliche Unternehmen etwa 1.900 Studien mit 150.000 Probanden in Indien durchführen und zahlen hierfür jährlich etwa eine halbe Milliarde Euro. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Geschädigten zu: innerhalb von nur vier Jahren starben mehr als 1.700 Proband/innen. Allein bei den vom BAYER-Konzern in Auftrag gegebenen Studien kamen nach Angaben des indischen Gesundheitsministeriums 138 Versuchspersonen ums Leben - allein vier an Nebenwirkungen des Gerinnungshemmers Xarelto. BAYER hat den Hinterbliebenen Entschädigungen von gerade mal 5.250 Dollar gezahlt.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) fordert Aufklärung über alle Zwischenfälle bei Pharmatests von BAYER. Zur Hauptversammlung des Konzerns am Freitag in Köln hat die CBG einen Gegenantrag eingereicht. Jan Pehrke vom Vorstand der CBG: „Pharma-Studien in Ländern des Südens müssen nach denselben Standards durchgeführt werden wie in Europa oder den USA. Geschädigte und Hinterbliebene müssen die gleichen Entschädigungen erhalten – nur dann werden gefährliche Billig-Studien unattraktiv. Der BAYER-Vorstand trägt die Verantwortung für die gefährliche Praktik, risikoreiche Studien in Schwellenländer zu verlagern. Wir werden daher in der Hauptversammlung eine Nicht-Entlastung des Managements fordern“.

Derzeit beauftragt BAYER in Indien Studien mit der Krebs-Arznei Nexavar, dem Augen-Präparat VEGF, dem Thrombose-Präparat Xarelto und dem Diabetikum Glucobay. Kürzlich abgeschlossen wurden Versuche mit dem Potenzmittel Levitra, der Hormon-Spirale Mirena, dem Bluter-Medikament Kogenate und dem Röntgen-Kontrastmittel Gadovist. Die Testpersonen sind überwiegend extrem arm und analphabetisch; in vielen Fällen werden Einverständniserklärungen von Dritten unterzeichnet. Die wenigsten Probanden wissen, auf welche Gefahren sie sich einlassen. Die für die Kontrolle zuständigen Ethik-Kommissionen bestehen häufig nur auf dem Papier.

Experten halten die offiziellen Zahlen für viel zu niedrig. Dr. Chandra Gulhati von der Fachzeitschrift Medical Specialties, der die Entwicklung seit Jahren dokumentiert: „Es sind viel mehr, weil die meisten Toten gar nicht gemeldet werden. Die Angehörigen wissen nicht, dass die Verstorbenen Teil einer Studie waren. Es wird nicht ermittelt, es finden keine Obduktionen zur Ermittlung der Todesursache statt“. Jan Pehrke ergänzt: „Selbst wenn die offiziellen Daten unvollständig sind, so widerlegt die Aufstellung der indischen Regierung eindeutig die Aussage des ehemaligen BAYER-Chefs Werner Wenning, wonach es bei klinischen Studien zu keinen schweren Zwischenfällen gekommen sei.“

In einem Schreiben an BAYER-Chef Marijn Dekkers hatte die Coordination gegen BAYER-Gefahren kürzlich um Aufklärung gebeten. Das Unternehmen hatte eine Beantwortung abgelehnt.

Auch in weiteren Ländern mit großen Armutspopulationen wie Kolumbien, Pakistan, Moldawien, den Philippinen und China führt BAYER Menschenversuche durch. Sogar in Deutschland werden Todesfälle bei BAYER-Versuchen gemeldet: nach Angaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) starben im Jahr 2010 zwanzig Teilnehmer von Studien des BAYER-Konzerns.

weitere Infos zur BAYER-Hauptversammlung

Xarelto

CBG Redaktion

Presse Information vom 17. April 2012
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Xarelto: unklares Risiko-Profil

Todesfälle bei Xarelto-Studien in Indien / Experten warnen vor breitem Einsatz / Gegenantrag zur BAYER-Hauptversammlung

Die Bedenken bezüglich der Sicherheit des Gerinnungshemmers Xarelto konnten bislang nicht ausgeräumt werden. Bei Studien mit dem Medikament ist es wiederholt zu Todesfällen gekommen. Xarelto wird zudem mit unlauteren Methoden vermarktet. Zu befürchten ist, dass ein risikoreiches und überteuertes Präparat ohne therapeutischen Zusatznutzen in den Markt gedrückt wird.

Anlässlich der heute von BAYER veröffentlichten Studien-Daten (Xamos-Studie) zum Einsatz von Xarelto bei Hüft- oder Kniegelenksersatzoperationen erklärt die Coordination gegen BAYER-Gefahren:

Berater der amerikanischen Aufsichtsbehörde Food and Drug Administration (FDA) kamen erst kürzlich zu dem Ergebnis, dass Xarelto gegenüber dem seit langem verwendeten Gerinnungshemmer Warfarin (in Deutschland: Marcumar) keinen therapeutischen Zusatznutzen bietet. Schlaganfälle kann Xarelto nicht häufiger verhindern als die etablierten und kostengünstigen Mittel. Zudem liegen bislang keine Langzeit-Studien zu den Nebenwirkungen von Xarelto vor. Nach Meinung der FDA-Experten werfen die von BAYER eingereichten Studien insbesondere Fragen zu Herzinfarkt- und Blutungsrisiken auf.

Nach Aussage der FDA-Experten zeigte die von BAYER eingereichte Studie (Rocket-AF) nur deshalb eine vergleichbare Wirksamkeit von Warfarin und Xarelto, da die mit Warfarin behandelten Patienten nicht optimal eingestellt worden waren. Bei größeren orthopädischen Eingriffen hätten Patienten ein hohes Risiko für Thromboembolien. Zudem verursache Xarelto mehr Blutungen als ältere Präparate.

Auch als allgemeines Therapeutikum gegen Venen-Thrombosen möchte BAYER das Präparat einsetzen. Gegenüber bislang verwendeten Medikamenten konnte jedoch auch für diese Anwendung kein Vorteil gezeigt werden. Die sogenannte Magellan-Studie war laut BAYER lediglich darauf ausgelegt, bei mehr als 3.400 teilnehmenden Patienten nachzuweisen, dass Xarelto der Vergleichsmedikation „nicht unterlegen ist“. Selbst nach Aussage von BAYER wies das Präparat jedoch „kein konsistent positives Nutzen-Risiko-Profil“ auf.

Zudem strebt BAYER eine Zulassung zur Nachbehandlung des akuten Koronar-Syndroms (ACS) an. Das Präparat soll in Kombination mit einer anderen Therapie der nochmaligen Entstehung von Blutgerinnseln in den Herzkranz-Arterien vorbeugen. In den Tests zeigten sich allerdings auch deutlich die Risiken der Arznei: so erlitten Xarelto-Proband/innen häufiger schwere Blutungen als die Test-Personen, welche die bisherige Standard-Medikation erhielten.

Jan Pehrke von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Die zahlreichen Meldungen über Gefäß-Verschlüsse, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden lassen eine breite Verwendung von Xarelto nicht ratsam erscheinen. Präparate, die gegenüber älteren Mitteln keinen Vorteil bieten, sollten grundsätzlich nicht zugelassen werden.“ Der Verband hat zum Thema einen Gegenantrag zur BAYER-Hauptversammlung am 27. April eingereicht.

Der Zulassungsprozess von Xarelto gestaltete sich wegen der vielen Nebenwirkungen und der ungeklärten Langzeitwirkung von Beginn an schwierig. In Indien waren mindestens vier Proband/innen bei Xarelto-Studien ums Leben gekommen. BAYER hat den Hinterbliebenen jeweils bloß 5.250 Dollar Entschädigung gezahlt. Xarelto wird daher in den USA mit einem Warnhinweis versehen, wonach Patienten das Medikament nicht ohne ärztliche Rücksprache absetzen sollten, da sonst das Risiko von Schlaganfällen steigt.

Deutliche Unterschiede zeigen sich im Preis: die bisherige Standard-Medikation Warfarin kostet in den USA 25 Cent pro Tablette, Xarelto hingegen soll sechs Dollar kosten.

Zu kritisieren ist auch das Marketing für Xarelto. BAYER versendet in großem Umfang unverlangte Muster an Allgemeinärzte – ein klarer Verstoß gegen das deutsche Arzneimittelgesetz. Das Gesetz verlangt, dass Muster nur auf schriftliche Anforderung verschickt werden dürfen. Die Regelung wird von BAYER umgangen, indem dem Muster ein angeblicher Quittungszettel beiliegt, der sich als Musteranforderung entpuppt.

weitere Informationen:
=> Brief von Public Citizen
=> FDA staff fears over bleeding risk of Bayer/J&J’s rivaroxaban

[Ticker] STICHWORT BAYER 02/2012 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Die CBG in Indien beim PPT
Das seit 1979 bestehende PERMANENT PEOPLES’ TRIBUNAL (PPT) befasste sich im Dezember 2011 mit den katastrophalen Folgen des großflächigen Einsatzes von Agro-Chemikalien. Das Tribunal, das diesmal im indischen Bangalore stattfand, hatte auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eingeladen, um den Fall des von BAYER-Pestiziden wesentlich mitverursachten globalen Bienensterbens darzulegen. CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes schilderte das Ausmaß der Katastrophe in aller Ausführlichkeit – und konnte die Jury überzeugen. Das sechsköpfige Gremium verurteilte in seiner Abschlusserklärung BAYER und die andern fünf Unternehmen, die den Weltmarkt für Pestizide und Saatgut dominieren, wegen schwerster Umwelt- und Gesundheitsschäden. Der ungezügelte Einsatz von Agrogiften verletze das Menschenrecht auf Gesundheit und Leben; Millionen Menschen, vor allem in den Ländern des Südens, würden wissentlich hohen Risiken ausgesetzt, so die RichterInnen (siehe auch SWB 2/12).

BAYER und die Kinderarbeit
Im Jahr 2003 veröffentlichte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Studie zur Kinderarbeit in Indien, die Erschreckendes zu Tage förderte. Allein auf den Feldern von Zulieferern der BAYER-Tochter PROAGRO malochten ca. 2.000 Minderjährige. Die CBG startete daraufhin eine Kampagne. Sie informierte die Medien, schrieb einen Offenen Brief an BAYER, brachte das Thema auf die Hauptversammlung und wandte sich an die OECD. Trotzdem tat sich fünf Jahre lang kaum etwas. Nur ganz allmählich beugte sich der Leverkusener Multi dem öffentlichen Druck und zeigte Initiative, um einen Image-Schaden zu vermeiden. Der Konzern belohnte FarmerInnen, die auf Kinderarbeit verzichteten, gab ihnen Tipps zur besseren Bewirtschaftung der Felder und richtete Schulen ein. So konnte er das Problem weitgehend lösen. Der Agro-Riese stellt das jedoch anders dar. Er sieht sich als Entwicklungshelfer, der jahrelang heldenhaft gegen Windmühlen kämpfte. Und die Financial Times Deutschland kaufte BAYER diese Geschichte ab. Auf zwei Seiten schilderte die Zeitung im Dezember 2011 das Engagement des Unternehmens und ging dabei nur im Kleingedruckten auf seine profanen Beweggründe ein.

Kölner Uni richtet Kommission ein
Vor vier Jahren vereinbarte BAYER mit der Kölner Hochschule eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Pharma-Forschung. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und andere Initiativen befürchteten eine Ausrichtung der Arznei-Forschung auf Profit, eine Entwicklung von Präparaten ohne therapeutischen Mehrwert, eine Verheimlichung negativer Studienergebnisse und einen Zugriff des Konzerns auf geistiges Eigentum der Hochschul-WissenschaftlerInnen. Deshalb forderten die Organisationen eine Offenlegung des Vertrages. Die Universität verweigerte das jedoch, weshalb die CBG die Hochschule im Mai 2011 verklagte. Intern jedoch scheint sich etwas zu regen. So hat die Bildungseinrichtung eine Kommission ins Leben gerufen, die Richtlinien für künftige Kooperationen dieser Art mit Unternehmen erarbeiten soll.

Vorgenehmigung für TDI-Anlage
Auf den Erörterungsterminen für die von BAYER in Dormagen geplante Kunststoff-Anlage hatten die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und andere Verbände Anfang Oktober 2011 viele Vorbehalte geäußert. Sie beanstandeten etwa die fehlenden Angaben zur Umweltbelastung, eine mangelhafte Störfall-Vorsorge und eine ungenügende, da nur mit Blech statt mit Beton vorgenommene Ummantelung der Produktionsstätte. Zudem verlangten die Initiativen den Einbau eines Schutz-Schleiers, der bei einer Explosion mit nachfolgendem Phosgen-Austritt neutralisierendes Ammoniak freisetzen könnte, und stellten in Frage, ob der Sicherheitsabstand der Fertigungsstätte zu Wohnsiedlungen ausreicht. Die Bezirksregierung hat dem Projekt trotzdem eine Vorgenehmigung erteilt. Aber so ganz unbeeindruckt hat sie die Kritik nicht gelassen. So hat die Behörde ein Gutachten zur Abstandsregelung in Auftrag gegeben und eine Exkursion nach Stade unternommen, um ein Chemie-Werk mit einer Betonhülle zu besichtigen. Allerdings führte das alles nicht zu geänderten Bau-Auflagen.

Kreuzweg der Arbeit führt zu BAYER
Die KATHOLISCHE ARBEITNEHMER-BEWEGUNG (KAB) hat Anfang März 2012 in Leverkusen einen „Kreuzweg der Arbeit“ initiiert, um auf das Leiden an den modernen Beschäftigungsverhältnissen aufmerksam zu machen. Sinnigerweise beginnt der Zug an einem Werkstor des Global Players. „Immer mehr Arbeitsplätze wurden in den letzten Jahren abgebaut, natürlich nicht nur bei BAYER. Aber eben das wollten wir darstellen“, so der KAB-Sekretär Wienfried Gather zur Erklärung.

Protest gegen Nano-Produktion
Bislang betreibt der Leverkusener Multi an seinem Stammsitz offiziell nur eine Versuchsanlage zur Nano-Produktion. Auch bei seiner ehemaligen Tochterfirma H. C. STARCK in Laufenburg läuft die Auftragsfertigung der Kohlenstoff-Röhrchen mit dem Produktnamen BAYTUBES nur im Testlauf. Dies soll sich nun ändern. H. C. STARCK hat beim Regierungspräsidium Freiburg einen Antrag auf einen Normalbetrieb nebst einer Kapazitätserweiterung von 30 auf 75 Tonnen im Jahr gestellt (siehe auch SWB 2/12). Die zuständige „Abteilung Umwelt“ hält das für eine reine Formsache. Da „keine schweren, komplexen, irreversiblen oder grenzüberschreitende, erheblich nachteilige Unweltauswirkungen auf den Standort (...) zu erwarten“ seien, will sie auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung verzichten und im Genehmigungsverfahren lediglich immissionsschutzrechtliche Aspekte berücksichtigen sowie eine Erheblichkeitsuntersuchung durchführen. Doch dagegen erhebt sich Protest, denn der Verein LEBENSWERTER HOCHRHEIN und die ÖKOLOGISCHE ÄRZTE-INITIATIVE HOCHRHEIN IM BUND befürchten sehr wohl negative Auswirkungen. Die Nano-Technologie lässt nämlich Werkstoffe auf winzig kleine Größen schrumpfen, wodurch diese unbekannte und nicht selten gefährliche Eigenschaften entwickeln. Deswegen haben die Verbände beim Regierungspräsidium eine Einwendung gegen das Vorhaben eingereicht, die sich die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN zum Vorbild für eine eigene genommen hat, und ihre Kritik am 21. März auch auf einem Erörterungstermin vorgetragen.

Leserbrief zur Sportförder-Kürzung
BAYER zieht sich immer mehr aus der Breitensport-Förderung zurück. So kündigte der Konzern Ende 2011 an, die Unterstützung um einen weiteren „niedrigen einstelligen Millionenbetrag“ zu kürzen und sich mit dem Etat von 13 Millionen Euro „zukünftig auf sechs Großvereine konzentrieren“. Dies führte zu einem erbosten Leserbrief an den Leverkusener Anzeiger. „Für mich zeigt sich in dieser Art der Unternehmensführung die scheußliche Fratze des ungezügelten Kapitalismus“, empört sich der Schreiber.

310 MedizinerInnen warnen vor Pipeline
Im vergangenen Jahr hatte der Hildener Kinderarzt Dr. Gottfried Arnold die Landesregierung in einem Offenen Brief vor den Gefahren der zwischen Dormagen und Krefeld geplanten Kohlenmonoxid-Pipeline gewarnt. Inzwischen haben sich 310 MedizinerInnen seiner Meinung angeschlossen. Auf einer Pressekonferenz hat Arnold, der auch Mitglied der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN ist, vor dem Hintergrund jüngster Unfälle mit Kohlenmonoxid-Vergiftungen nochmals auf die Unmöglichkeit hingewiesen, im Falle eines Falles angemessen zu reagieren. „Die Rettungsmöglichkeiten bei einem Massen-Unfall sind völlig unzureichend“, kritisierte der Arzt angesichts ungenügender Behandlungskapazitäten in der Universitätsklinik Düsseldorf und nur einem Notarzt- und zwei Krankenwagen im Kreis Mettmann.

DIE LINKE gegen NRW-Hochschulräte
In den Hochschulräten als neuen Aufsichtsgremien der Universitäten sitzen zu einem Drittel VertreterInnen von Unternehmen. Der Leverkusener Multi darf da natürlich nicht fehlen. So ist der Konzern durch sein Vorstandsmitglied Richard Pott beispielsweise im Komitee der Universität Köln vertreten, mit welcher der Konzern auch eine umfassende Forschungskooperation unterhält (SWB 2/09). Die Partei DIE LINKE will solche Gepflogenheiten in Nordrhein-Westfalen jetzt unterbinden. Sie hat einen Gesetzes-Entwurf zur Abschaffung der Räte vorbereitet. Eine Mehrheit dürfte dieser jedoch kaum finden, obwohl die jetzige Ministerpräsidentin Hannelore Kraft die durch das „Hochschulfreiheitsgesetz“ geschaffene Einrichtung im Wahlkampf noch als Beispiel für eine „Privatisierung der Hochschulen“ kritisiert hatte.

KAPITAL & ARBEIT

BAYER verlegt Rechnungslegung
Im Zuge seines 800 Millionen Euro schweren Rationalisierungsprogramms, das 4.500 Arbeitsplätze vernichtet, verlegt der Multi Teile der Rechnungslegung wie etwa die Kunden- und Lieferantenbuchhaltung von Leverkusen nach Asien und Osteuropa. Der Abteilung am Stammsitz bleiben dann nur noch Koordinierungsaufgaben, weshalb es dort zu Arbeitsplatz-Vernichtungen kommt.

BMS rationalisiert Rechnungswesen
BAYERs Kunststoff-Sparte BAYER MATERIAL SCIENCE hat seinen Bereich „Rechnungswesen“ einem Rationalisierungsprozess unterzogen. So schuf die Abteilung eine gemeinsame Controlling-Plattform für alle Standorte und legte Planungszyklen und Kostenstellen zusammen. Dadurch reduzierte das Unternehmen in den letzten drei Jahren seine Ausgaben um drei Millionen Euro – zum Leidwesen der Beschäftigten. „Der wesentliche Kostentreiber im Controlling ist das Personal. Der Großteil der Einsparungen beruht auf weggefallenen Personalkosten“, so der für die Umstrukturierungen verantwortliche Manager Axel Steiger-Bagel.

Weniger Jobs in Patent-Abteilung
Bisher beschäftigt der Leverkusener Multi in seiner Patent-Abteilung 200 Personen. Jetzt kündigte er im Zuge seines Rationalisierungsprogramms Umstrukturierungsmaßnahmen an, die 25 Arbeitsplätze vernichten. Der Konzern gründet die Tochter-Gesellschaft BAYER INTELLECTUAL PROPERTY (BIP) und löst die Patent-Sparte in Leverkusen komplett auf. Die Arbeit konzentriert sich so auf Monheim und die beiden neuen Standorte Eschborn und Schönefeld, die das Unternehmen nach eigenen Angaben aus Gründen der Steuer-Ersparnis wählte.

Sparen für die Traumrendite
Im Geschäftsjahr 2011 steigerte BAYERs Pillen-Sparte ihren Gewinn vor Sondereinflüssen um 6,7 Prozent auf 4,7 Milliarden Euro. Der Konzern führt diese Entwicklung neben den besseren Verkaufszahlen für nicht verschreibungspflichtige Arzneien auf „Kostensenkungen bei Pharma“ zurück. In der Tat trifft das Rationalisierungsprogramm des Unternehmens, das die Vernichtung von 4.500 Arbeitsplätzen vorsieht, vor allem den Medizin-Bereich. „Sparen für die Traumrendite“ kommentierte deshalb die Financial Times Deutschland.

Sparen für die AktionärInnen
BAYER will mit seinem Rationalisierungsprogramm, das 4.500 Arbeitsplätze kostet, 800 Millionen Euro sparen.
Die Frankfurter Rundschau fragte deshalb den Vorstandsvorsitzenden Marijn Dekkers: „Warum heben Sie dann die Dividende an, was dieses Jahr allein 120 Millionen Euro kostet?“. Aber der Konzern-Leiter war um eine Antwort nicht verlegen: „Weil die Aktionäre Eigentümer des Unternehmens sind und sie einen Anspruch darauf haben, am Geschäftserfolg des vergangenen Jahres beteiligt zu werden“.

Schlechte Noten für Aufsichtsrat
Der Hochschulprofessor Peter Ruhwedel hat das Wirken der Aufsichtsräte der 30 DAX-Konzerne genauer untersucht und bewertet. BAYER kam dabei mit 59 von 100 möglichen Punkten nur auf den 25. Rang. Das Gremium des Konzerns ließ es sowohl an Sitzungsfleiß als auch an Transparenz fehlen und wies eine zu geringe Frauen- und AusländerInnenquote auf. RWE und LINDE, die anderen beiden Unternehmen, bei denen BAYER-Aufsichtsratschef Manfred Schneider die Rolle des Oberkontrolleurs innehat, erreichten sogar nur die Plätze 29 und 30.

Wennings Comeback
Seit 2010 verbietet das Aktiengesetz den unmittelbaren Wechsel vom Posten des Vorstandsvorsitzenden zu demjenigen des Aufsichtsratsvorsitzenden und schreibt eine 2-jährige Karenzzeit vor. Das Paragraphen-Werk sieht dadurch die Unabhängigkeit des Kontroll-Gremiums besser gewährleistet. Der Leverkusener Multi bekämpfte die Regelung von Beginn an vehement und beabsichtigt jetzt, ihre Folgen für das Unternehmen durch winkeladvokatische Tricks möglichst gering zu halten. Obwohl der ehemalige BAYER-Chef Werner Wenning zum Zeitpunkt der nächsten Hauptversammlung im April 2012 noch nicht zwei Jahre aus dem Amt ist, will ihn der Konzern dort mittels Vorratsbeschluss schon einmal inthronisieren, damit er schon im Herbst auf Manfred Schneider folgen kann und nicht bis 2013 warten muss.

Veränderungen im Aufsichtsrat
Im BAYER-Aufsichtsrat steht ein Wandel an. Es geht nicht nur der bisherige Vorsitzende Manfred Schneider (s. o.), mit Hubertus Schmoldt verlässt auch der ehemalige Vorsitzende der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) das Gremium. Seinen Sitz übernimmt Petra Reinbold-Knape, die Bezirksleiterin der IG BCE für die Region Nordost/Berlin. Der Vertreter der BELEGSCHAFTSLISTE, eine oppositionelle Gruppe innerhalb der Gewerkschaft, wechselt ebenfalls: André Aich ersetzt Michael Schmidt-Kiesling. Desgleichen verändert sich die personelle Zusammensetzung der Kapital-Seite. Sie nominierte als neue KandidatInnen den PROSIEBEN/SAT.1-Vorstand Thomas Ebeling und Sue H. Rataj, obwohl diese zur Zeit der „Deep Water Horizon“-Katastrophe Hauptverantwortliche für das Ölgeschäft von BP war.

IG BCE: kein Ja zum Plaste-Verkauf
Im März 2011 hatte BAYER-Chef Marijn Dekkers die Bereitschaft erkennen lassen, die Kunststoff-Sparte zu veräußern, falls der Konzern Geld für eine Akquisition benötige. Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) kündigte an, einem solchen Beschluss im Aufsichtsrat „mit Sicherheit“ nicht zuzustimmen. „Es wird darum gehen, eine gewisse Grunderdung bei BAYER als weltweit agierender Konzern zu erhalten“, so das IG-BCE-Vorstandsmitglied Peter Hausmann.

Keine Behinderten-Integration
Der Gesetzgeber verpflichtet die Unternehmen seit langem, mindestens fünf Prozent Behinderte zu beschäftigen. Der Leverkusener Multi schafft jedoch nur eine Quote von 4,4 Prozent und muss dafür eine Ausgleichsabgabe in Höhe von 347.000 Euro zahlen.

ERSTE & DRITTE WELT

Zwangslizenz für NEXAVAR-Version
Der indische Generika-Hersteller NATCO PHARMA kann eine preisgünstige Version von BAYERs Krebs-Medikament NEXAVAR herausbringen. Das Indian Patent Office (IPO) hat dem Unternehmen unter Berufung auf einen Paragraphen des internationalen Patentabkommens TRIPS Anfang März 2012 eine Zwangslizenz zur Herstellung des Mittels erteilt. Dafür muss NATCO eine Gebühr von sechs Prozent des Verkaufspreises an den bundesdeutschen Pharma-Riesen zahlen. Die Behörde begründete die Entscheidung damit, dass BAYER es versäumt habe, den Preis für das Medikament (monatlich 4.200 Euro) auf eine für indische PatientInnen bezahlbare Höhe herabzusetzen. Zudem habe der Konzern ihnen die Arznei nicht in ausreichender Menge zur Verfügung gestellt. Von den 8.842 Krebskranken, die das Mittel benötigt hätten, hätten es nur 200 erhalten, so das IPO. Die CBG begrüßt dieses Urteil aus prinzipiellen Gründen, obwohl sie NEXAVAR wegen seiner geringen Heilwirkung – das Präparat verlängert das Leben der PatientInnen nur um wenige Wochen – für kein sinnvolles Therapeutikum hält. Die Wirtschaftspresse hat die Nachricht hingegen in helle Aufregung versetzt. „In Bombay enteignet“, kommentierte etwa die Faz und stellte den ganzen Status Indiens als gelobtes Land der Pharma-Industrie in Frage. BAYER kündigte an, gerichtliche Schritte zu prüfen.

Soja-Anbau kostet ein Leben
In den südamerikanischen Ländern boomt der Soja-Anbau, wovon BAYER als einer der weltgrößten Pestizid-und Saatgut-Anbieter profitiert. Die GroßgrundbesitzerInnen können für die Pflanzungen gar nicht genug Flächen akquirieren und schrecken deshalb nicht einmal vor brutalsten Landnahmen zurück. So engagierten sie Mitte November 2011 in Brasilien sogar Killer, die ein Indigenen-Camp in Mato Grosso do Sul überfielen, einen Menschen töteten und drei Kinder verschleppten, um die UreinwohnerInnen einzuschüchtern und aus dem Gebiet zu vertreiben.

ACTA behindert Generika-Hersteller
Das umstrittene Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) schützt nicht nur das geistige Eigentum der Konzerne im Internet, sondern auch in der realen Welt – mit teilweise verheerenden Auswirkungen. So macht es das Abkommen Herstellern von Nachahmer-Arzneien schwerer, ihr Geschäft zu betreiben, was die Versorgung von Menschen in armen Ländern mit erschwinglichen Medikamenten behindert. Schon in der Vergangenheit hat Big Pharma diesen Firmen durch Patent-Prozesse und andere Mittel immer wieder Schwierigkeiten bereitet. So boten die Konzerne schon mal den Zoll auf, um Lieferungen indischer Generika an den Grenzen zu stoppen, obwohl die Arzneien gar nicht für den europäischen, sondern für den südamerikanischen Markt bestimmt waren. Jetzt haben die Unternehmen ein noch leichteres Spiel, denn ACTA sieht bei angeblichen Verstößen gegen Urheberrechte hohe Strafen für die Produzenten solcher Präparate, Zulieferer und Händler vor. Auch unterscheidet das Paragrafen-Werk nicht trennscharf zwischen Generika und Fälschungen, weshalb laut Sandy Harnisch vom AKTIONSBÜNDNIS GEGEN AIDS die Gefahr besteht, „dass legal hergestellte Generika mit Fälschungen verwechselt und deshalb beschlagnahmt oder sogar vernichtet werden können“.

IG FARBEN & HEUTE

„Berüchtigt“ ohne IG FARBEN
In dem Hitchcock-Film „Berüchtigt“ schmieden deutsche Wissenschaftler nach dem Zweiten Weltkrieg einen Plan, um dem Nationalsozialismus wieder zur Macht zu verhelfen. Den Auftrag dazu erteilte ihnen die IG FARBEN. „Als Teil eines Verbundes, der die deutsche Kriegsmaschine aufgebaut hat“, charakterisiert das Werk den von BAYER mitgegründeten Mörder-Konzern. Jedenfalls im Original. In der bundesdeutschen Version, die 1951 in die Kinos kam, fehlt jeder Hinweis auf den Faschismus im Allgemeinen und die IG FARBEN im Besonderen. In der 1969 ausgestrahlten TV-Fassung durfte es dann immerhin schon Nazis geben, aber die IG FARBEN auch weiterhin nicht.

POLITIK & EINFLUSS

Sechs Millionen Dollar für Lobbying
BAYER hat nach Angaben des US-amerikanischen CENTERS FOR RESPONSIBLE POLITICS im Jahr 2011 6,465 Millionen Dollar für Lobbying-Aktivitäten ausgegeben. Der Konzern lässt beispielsweise gegen den „Ban Poisonous Additives Act“ opponieren, der eine Anwendungsbeschränkung für die Industrie-Chemikalie Bisphenol A vorsieht. Zudem versucht der Leverkusener Multi ein Gesetz zu verhindern, das den Gebrauch von Antibiotika wegen der zunehmenden Resistenzen von Krankheitserregern einschränken will. Auch fühlte er sich berufen, die Kongress-Mitglieder für viel Geld davon zu unterrichten, welche Mühen es angeblich kostet, ein „innovatives“ Medikament auf den Markt zu bringen.

BAYERs US-Spenden
BAYER investiert viel Geld, um die politische Landschaft in den USA zu pflegen. Im Jahr 2010 gab der Konzern dafür 506.000 Dollar aus. Mit 406.000 Dollar unterstützte er US-amerikanische PolitikerInnen, besonders die republikanischen. Sie erhielten 57 Prozent vom Kuchen, die demokratischen dagegen lediglich 41 Prozent. Und im Wahljahr 2012 legt der Pharma-Riese noch einmal mächtig zu. 276.000 Dollar gab er bis zum 31. Januar schon aus. 234.000 davon erhielten Abgeordnete, wobei das Unternehmen Konservative noch deutlicher als 2010 bevorzugte. Sie bekamen 70 Prozent der Summe, Obamas Partei-GenossInnen dagegen nur 30 Prozent.

BAYER als Gesetzgeber

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Das „American Legislative Exchange Council“ (ALEC) ist eine von den Konzernen gesponserte JuristInnen-Vereinigung. Die BAYER-Managerin Sandra Oliver sitzt für den Agro-Riesen in dem ALEC-Beirat, ihr Kollege Mike Birdsong gehört der „Health and Human Services Task Force“ an, und Bill Corley, das ALEC-Mitglied des Jahres 2005 in der Sektion „Privatwirtschaft“, steht im Bundesstaat Arkansas demjenigen Gremium vor, das sich um das legislative Wohlergehen von BAYER & Co. kümmert. Dank ALEC kontrollieren die Multis das ganze legislative Verfahren. Als etwa die republikanischen Politiker James Inhofe, George Nethercutt und Orrin G. Hatch mit Hilfe großzügiger Wahlkampf-Spenden von BAYER Mandate erlangten, da machten sich die willigen JuristInnen von ALEC gleich daran, ihnen die Entwürfe für Gesetzesinitiativen zum Öko-, Agrar- und Tierrechts„terrorismus“ zu liefern. Und im letzten Jahr gelang es dank ALEC, im Bundesstaat Wisconsin ein Paragrafen-Werk zu verabschieden, das für BAYER & Co. die Standards der Produkthaftung aufweicht und beispielsweise für Pillen-Hersteller die im Haftungsfall zu zahlenden Entschädigungssummen auf 750.000 Dollar begrenzt. Verkauft wurde das Ganze dann als Teil eines Programms zur Arbeitsplatz-Beschaffung.

ALEC leugnet Klimawandel
Einen Klimawandel gibt es für das „American Legislative Exchange Council“ (ALEC) nicht. Die von BAYER & Co. gesponserte JuristInnen-Vereinigung opponiert nicht nur gegen jegliche Art von Klimapolitik, sie sieht sogar etwas Gutes in der Aufheizung des Planeten. „Selbst eine substanzielle Erderwärmung ist gut für die Vereinigen Staaten“, meint ALEC. Und auf seinem Jahrestreffen, das BAYER finanziell unterstützt hat, pries der Klassenjustiz-Verband sogar „die Vorzüge von Kohlendioxid“.

Tricks mit Ökosteuer-Ausnahmen
Für BAYER und andere Energie-Großverbraucher hält die Ökosteuer großzügige Ausnahmeregelungen parat (Ticker 3/06), die den Konzernen jährlich ca. fünf Milliarden Euro ersparen. Die EU betrachtet das als eine versteckte Subvention und drängt auf Veränderungen. So will Brüssel die Vergünstigungen an Klimaschutz-Maßnahmen geknüpft wissen. Das allerdings plant ein neuer Gesetzesentwurf aus dem Finanzministerium zu umgehen. Er erhebt nur Energieverbrauchssenkungen zur Vorschrift, welche die Unternehmen ohnehin erbringen müssen.

Zwei Milliarden Euro Steuer-Entlastung
1999 brachte BAYERs ehemaliger Finanzchef Heribert Zitzelsberger die Unternehmenssteuer„reform“ auf den Weg, die dem Bund allein bis zum Jahr 2003 Einnahme-Ausfälle von mehr als 50 Milliarden Euro bescherte. Und seither haben Regierungen aller Couleur sogar immer noch „nachgebessert“. Momentan schnürt die schwarz-gelbe Koalition ein zwei Milliarden teures Geschenk. Ganz wie es sich der „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI) gewünscht hatte, will Wolfgang Schäuble den Konzernen die Verrechnung von Gewinnen und Verlusten zwischen Tochter- und Muttergesellschaften erleichtern. Zudem plant er, die Verlustnutzung wieder zu erlauben, die es den Unternehmen gestattet, die Verluste gekaufter Firmen steuersparend vom eigenen Ertrag abzuziehen.

BAYER gegen Banken-Regulierung
1,85 Millionen lässt sich der Leverkusener Multi seine Lobby-Aktivitäten bei der EU nach eigenen Angaben jährlich kosten. Momentan investiert er viel von dem Geld in den Versuch, eine umfassende Reform des Finanzsektors zu verhindern. Der Konzern befürchtet nämlich steigende Kosten durch eine strengere Regulierung der Derivate – eine Art Wette auf Preissteigerungen oder -senkungen von Rohstoffen, Aktien, Währungen, Zinsen oder aber von Derivaten selber – , die der Chemie-Multi hauptsächlich zur Absicherung seiner globalen Transaktionen nutzt. Zudem graust es ihn vor schärferen Eigenkapital-Vorschriften für Banken, weil das seine Kredit-Konditionen verschlechtern könnte. Darum lässt der Global Player einen Brüsseler Emissär klagen: „Seitens der Realwirtschaft sind wir sehr besorgt über die Verteuerung nicht nur der OTC-Derivate (außerbörslich gehandelte Derivate, Anm. SWB) (...), sondern auch für die Refinanzierung, die aus den geänderten Eigenkapital-Vorschriften resultieren“.

BAYER & Co. gründen Rohstoff-Allianz
Den großen Konzernen drohen schon bald die Rohstoffe auszugehen. Darum haben BAYER, BASF, THYSSENKRUPP und andere Unternehmen Ende Januar 2012 eine „Allianz zur Rohstoff-Sicherung“ gegründet. Um auch in Zukunft die Versorgung der Multis mit Seltenen Erden, Wolfram, Kokskohle und anderen Substanzen zu garantieren, will die Initiative selber Vorkommen erkunden und Abbau-Rechte erwerben.

Arznei-Gremien ohne BAYER?
Die Bundesregierung plant, VertreterInnen der Pharma-Industrie aus wichtigen Arzneimittel-Kommissionen wie dem „Sachverständigen-Ausschuss zur Verschreibungspflicht“ zu verbannen, weil dies „im Hinblick auf die notwendige Unabhängigkeit der Gremien in rein fachspezifischen Fragen erforderlich“ sei. BAYER & Co. haben Einspruch eingelegt und versuchen, diese Veränderung des Arzneimittelgesetzes zu verhindern.

Gröhe bei BAYER
Der CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe besuchte BAYER zu einem „Fachgespräch“. Der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers nutzte den Termin, um ein Klagelied über die Energiewende, die zu höheren Strompreisen führe, anzustimmen und einmal mehr die steuerliche Absetzbarkeit von Forschungsausgaben zu fordern. Einsparungen in Höhe von 20 bis 30 Millionen Euro erhofft sich der Holländer von einer solchen Gesetzes-Änderung.

Voigtsberger bei BAYER
BAYERs Chemie„parks“ liegen dem nordrhein-westfälischen Wirtschaftsminister Harry Voigtsberger (SPD) besonders am Herzen. Nachdem er bereits im November 2011 eine Konferenz zu deren Zukunft veranstaltet hatte (Ticker 1/12), die passenderweise auch gleich beim Leverkusener Multi stattfand, initiierte er Ende Februar 2012 ein Pressegespräch zum Thema – und natürlich wieder am Stammsitz des Konzerns.

Trittin bei BAYER
Schon zu seiner Zeit als Bundesumweltminister besuchte der Grünen-Politiker Jürgen Trittin den Leverkusener Multi. Anfang Dezember 2011 schaute er mal wieder vorbei. Bei den Gesprächen ging es nicht nur um die alten BAYER-Gassenhauer „Energie-Preise“ und „steuerliche Absetzbarkeit von Forschungsausgaben“ (s. o.), sondern zusätzlich auch noch um den Klimaschutz und finanzpolitische Fragen.

Jianmin Xu bei BAYER
Hierzulande lässt es der Leverkusener Multi auf seinen Hauptversammlungen – vorzugsweise bei den Gegenreden des CBG-Vorstandsmitglieds Axel Köhler-Schnura – selten an antikommunistischen Parolen fehlen, andernorts gehören KommunistInnen jedoch zu den geladenen Gästen BAYERs. So wohnte mit Jianmin Xu der Sekretär der Kommunistischen Partei Chinas der Einweihung einer Konzern-Anlage in Shanghai bei.

China: Mitwirkung an Patent-Gesetz
Eines der größten Hindernisse für die wirtschaftliche Aktivität der Global Players in Schwellenländern ist der angeblich mangelhafte Schutz des geistigen Eigentums. Deshalb hat BAYER in China schon „Entwicklungshilfe“ geleistet und an der Shanghaier Tongji-Universität einen Lehrstuhl für Patentrecht gestiftet (Ticker 1/08). Und das Engagement scheint sich auszuzahlen. Das Gesetzemachen gestaltet sich im Reich der Mitte fast schon so „demokratisch“ wie im Westen. So zeigte sich BAYERs oberster Patentschützer in China, Oliver Lutze, froh, im Prozedere zur Vorbereitung eines neuen Paragraphen-Werks zu den intellectual property rights (IPR) gehört zu werden: „Sie schicken den Industrie-Verbänden Entwürfe zu, und wir schicken es mit unseren Statements zurück. Und in manchen Punkten wurden unsere Vorschläge akzeptiert und die Passagen geändert.“

BAYER stellt Hunger-Experten
Im letzten Jahr initiierte der Bundestagsausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz eine öffentliche Anhörung zum Hungerproblem. Unter den geladenen ExpertInnen war auch der BAYER-Manager Dr. Manfred Kern. Und er wusste natürlich auch die Lösung: Eine nachhaltige Intensivierung der Landwirtschaft mit mehr Pestiziden, mehr Saatgut und mehr Gentechnik. Also noch mehr von alledem, was schon seit Jahrzehnten keinen Erfolg bei der Verbesserung der Welternährungslage zeigt und nur die Kassen der Agro-Multis füllt.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER-Kreuz am Jungfrau-Berg
Jetzt müssen sogar schon Berge als Litfaßsäulen für die großen Unternehmen herhalten. So prankte auf dem schweizer Jungfrau-Massiv ein riesiges BAYER-Kreuz. Mit dieser „Bandenwerbung“ finanzierten die Jungfrau-Bahnen zu ihrem 100-jährigen Jubiläum eine Lichtkunst-Aktion von Gerry Hofstetter, der das Schweizerkreuz auf eine Gebirgswand projizierte. Die „Stiftung Landschaftsschutz“ übte Kritik an dem Budenzauber: „Es tut weh zu sehen, wie multinationale Konzerne die grandiose Berglandschaft zur Werbeleinwand degradieren.“ Und auch Katharina Conradin von der Naturschutz-Organisation MOUNTAIN WILDERNESS protestierte: „Ein Berg ist doch kein Werbeobjekt.“

BAYER spendet an Heartland-Institut
Auch BAYER zählt zu den Unterstützern des US-amerikanischen Heartland-Institutes, einer konservativen Lobby-Organisation, die durch die Finanzierung von Klimawandel-LeugnerInnen einige Berühmtheit erlangt hat. Der Leverkusener Multi allerdings benannte einen anderen Verwendungszweck für seine Spende. Er wollte das Geld in Kampagnen gegen die Einführung einer allgemeinen Krankenversicherungspflicht investiert wissen. Das legen interne Unterlagen der Einrichtung nahe, die ein Whistleblower dem Internet-Portal DeSmogBlog zugespielt hat.

KundInnen-Bindung 2.0
Das bundesdeutsche Gesetz erlaubt keine Werbung für verschreibungspflichtige Arzneien. BAYER & Co. streben eine Lockerung an und tun alles dafür, eine entsprechende Lösung auf EU-Ebene zu erreichen (Ticker 1/12). Bis es soweit ist, versuchen die Konzerne, bis an die Grenze des Erlaubten zu „informieren“. Dazu nutzen sie vor allem das Internet. So betreibt BAYER etwa das Portal MS-Gateway, das sich an Multiple-Sklerose-PatientInnen richtet. Es verfügt über einen offenen und einen geschlossenen Bereich, der nur für NutzerInnen des Konzern-Präparats BETASERON bestimmt ist. Einziges Ziel: neue KundInnen zu gewinnen und alte zu halten. Von Veranstaltungshinweisen über die Vermittlung von BeraterInnen und Apps zum Therapie-Management bis zu Foren und „Wellness-Diagrammen“ reicht das Angebot. Es stößt offenbar auf Resonanz: Auf 12.000 Mitglieder kann MS-Gateway zählen.

Eltern berichtet über MIRENA
Mehr als jede zehnte Anwenderin von BAYERs Hormon-Spirale MIRENA leidet unter schweren Nebenwirkungen wie Depressionen, Zyklusstörungen, Gewichtszunahme, Eierstock-Zysten, Unterleibsentzündungen, Schwindel, Übelkeit, starker Haarwuchs, Akne, Hautkrankheiten und Kopfschmerzen Zudem besteht der Verdacht auf Erhöhung des Brustkrebs-Risikos. Diesen unerwünschten Arzneimittel-Folgen widmete sich im Februar 2012 auch die Zeitschrift Eltern. Der Frauenarzt Michael Ludwig zerstreute dann allerdings die Bedenken. Und er hatte guten Grund dazu, der Mediziner steht nämlich seit Jahren immer wieder in Diensten BAYERs. Diese Information enthielt die Zeitschrift ihren LeserInnen jedoch vor. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hat der Redaktion deshalb einen Brief geschrieben, in dem es hieß: „Diese Abhängigkeiten hätten in dem Artikel unbedingt genannt werden müssen. Besser noch wäre es gewesen, ausschließlich unabhängige Frauenärzte zu befragen.“

Winnackers Gentech-Lob in der Zeit
Zeit Online bot dem BAYER-Aufsichtsrat Ernst-Ludwig Winnacker, einem „der einflussreichsten Wissenschaftsmanager und Politik-Berater Europas“, die Gelegenheit, sich ellenlang über die Behinderungen zu verbreiten, mit denen sich die „grüne“ Gentechnik konfrontiert sieht. Sie werde fälschlicherweise für das Artensterben verantwortlich gemacht, klagte er, wo sie doch so dringend für die Ernährung der Menschen rund um den Globus benötigt werde, denn: „Wer den Welthunger nur für ein Verteilungsproblem hält, argumentiert zynisch.“ Aber trotzdem machten die Abstandsregelungen hierzulande Freisetzungsversuche fast unmöglich, so Winnacker. Nur in Sachen „Patente auf Leben“ räumte der Biochemiker Fehler der Konzerne ein. Er selber bekennt sich zu einer kritischen Haltung gegenüber solchen Eigentumstiteln, „weil ihre gelegentlich kompromisslose Durchsetzung nicht in die Kultur der Landwirtschaft passt“ und stellt fest: „Die Patent-Strategien einiger Unternehmen haben zu einem beträchtlichen Vertrauensverlust und Imageschaden geführt.“

BAYER-Land der Ideen
BAYER gehörte 2006 zu den Sponsoren der Kampagne „Land der Ideen“, welche die Fußball-Weltmeisterschaft dazu nutzte, um für den hiesigen Industrie-Standort zu werben. Der PR-Betrieb hat die Ball-Treterei sogar überlebt und veranstaltet alljährlich den Wettbewerb „365 Orte im Land der Ideen“. Selbstredend finden sich darunter immer wieder BAYER-Orte. Im letzten Jahr war es mit dem Baykomm das Kommunikationszentrum des Leverkusener Multis. Und dieses Mal schafften es sogar drei Konzern-Projekte in die Auswahl: das Integrationsprogramm „Einfach Fußball“, der Ideen-Trimmpfad des TSV BAYER 04 Leverkusen und die „Dream Production“ – ein alles anderer als traumhafter Versuch, bei der Kunststoff-Produktion Kohlendioxid zu recyclen (Ticker 4/11).

BAYER investiert in Schulen
Der Leverkusener Multi fördert Schulen über die „BAYER Science & Education Foundation“, denn dieses Stiftungsmodell erlaubt nebenher auch noch Steuer-Ersparnisse. Bei der Sponsoring-Maßnahme bilden nicht von ungefähr die naturwissenschaftlichen Bereiche einen Schwerpunkt. „Ich muss gestehen, wir fördern die Schulen nicht ganz uneigennützig. Wir sehen das als langfristige Investition“, so Stiftungsvorstand Thimo V. Schmitt-Lord.
Im Jahr 2011 verteilte der Konzern 462.000 Euro unter 52 Schulen in der Nähe seiner Standorte. Mit Geld bedachte er unter anderem die Monheimer „Lise-Meitner-Realschule“ für ihr Projekt „Nanotechnologie in Theorie und Praxis“, das „NaturGut Ophoven“ für ihre Lernwerkstatt zum Klimaschutz, das Schulzentrum Steinen für ihre Unterrichtseinheit zu naturwissenschaftlichen Grundgesetzen und die Gemeinschaftshauptschule Neucronenberg für ihren Lern-Parcours.

Das Humboldt-BAYER-Mobil rollt
In Kooperation mit der Berliner Humboldt-Universität betreibt der Leverkusener Multi ein rollendes Labor. Das „Humboldt-BAYER-Mobil“ fährt Schulen in Berlin und im Osten Deutschlands an und arbeitet mehr oder weniger spielerisch den naturwissenschaftlichen Lernplan des Konzerns ab.

BAYER lanciert Nano-Wettbewerb
Der Leverkusener Multi arbeitet eifrig an der Akzeptanz der umstrittenen Nano-Technologie und hat zu diesem Behufe gemeinsam mit dem „Landescluster NanoMikro+Werkstoffe.NRW“ den Wettbewerb „Nano erleben“ gestartet. Dieser fordert SchülerInnen, LehrerInnen und WissenschaftlerInnen auf, „ihre kreativen Ideen in Nanotechnologie-Demonstrationsversuche fließen zu lassen“. Davon erhofft sich dann BAYERs Nano-Beauftragter Peter Krüger „das Potenzial, der Öffentlichkeit zu zeigen, dass Nanotechnologie fundierte und spannende Wissenschaft ist, die wesentlich zu unserer Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit beiträgt“.

Der Konzern als Kümmerer
Während der Konzern intern immer unsozialer wird, indem er Arbeitsplätze vernichtet und Arbeitsbedingungen verschärft, macht seine PR-Abteilung seit einiger Zeit verstärkt auf „sozial“. Zu diesem Behufe initiierte sie 2007 die „BAYER Cares Foundation“, die Projekte in der Nähe der Konzern-Standorte fördert. 2011 verteilte die Stiftung 126.000 Euro. Geld gab es unter anderem für die Ausbildung von jugendlichen StreitschlichterInnen in Dithmarschen, für die Bitterfelder Jugendkunstschule, einen Gnadenhof für Ponys in Leichlingen, eine Leverkusener Schuldenpräventionsinitiative, eine ForscherInnen-Werkstatt in Schochwitz und ein neues Beachvolleyball-Feld in Wollbach. Darüber hinaus soll der ASPIRIN-Sozialpreis das Bild vom barmherzigen Samariter BAYER in die Welt tragen. 2011 hat der Leverkusener Multi die Auszeichnung an eine Organisation verliehen, die brandverletzte Kinder unterstützt.

XARELTO-Muster per Post
Seit Mitte der 1980er Jahre untersagt das Arzneimittelgesetz BAYER & Co. die großflächige Versendung von Arzneimittel-Mustern an MedizinerInnen. Nach dem Paragrafen-Werk dürfen die Konzerne nur zur Tat schreiten, wenn eine Anforderung vorliegt. Der Leverkusener Multi verschickte jedoch trotzdem große Massen seines umstrittenen Blutverdünnungsmittels XARELTO (siehe DRUGS & PILLS), eine Empfangsbestätigung als „Just-in-Time“-Antrag für die Proben wertend. Die unabhängige Fachzeitschrift arznei-telegramm hat BAYER deshalb angezeigt, und auch die „Freiwillige Selbstkontrolle der Pharma-Industrie“ prüft den Fall.

BAYER VITAL wirbt für 54 Millionen
BAYER VITAL, die für rezeptfreie Arzneien zuständige Abteilung des Leverkusener Multis, hat 2011 nach Angaben des „Deutschen Apotheker-Verbandes“ allein in der Bundesrepublik 54,5 Millionen Euro für Reklame ausgegeben. Nur KLOSTERFRAU und BOEHRINGER INGENHEIM investierten mehr.

Podiumsdiskussion mit BAYER und DSW
„Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar“, sagte einst der ehemalige US-Präsident Lyndon B. Johnson über seine Vorstellung von „Entwicklungshilfe“. Zur großen Befriedigung BAYERs erfreut sich diese Ansicht auch heute noch großer Beliebtheit, die „gigantischen Fruchtbarkeitsmärkte“ in den armen Ländern versprechen nämlich gute Absatzchancen für die Verhütungsmittel des Konzerns. Um die Geschäftsaussichten für YASMIN & Co. noch ein wenig zu verbessern, sponsert das Unternehmen seit geraumer Zeit die „Deutsche Stiftung Weltbevölkerung“ (DSW), „denn mit ihren Projekten in Entwicklungsländern hilft die DSW vor allem jungen Menschen, ungewollte Schwangerschaften zu vermeiden und sich vor HIV/Aids zu schützen. Damit nutzt sie die Chancen zur menschenwürdigen Verlangsamung des Weltbevölkerungswachstums und trägt zugleich unmittelbar zur Verbesserung der Lebensverhältnisse vor Ort bei“. Der Leverkusener Multi führt gemeinsam mit der DSW auch regelmäßig einen „Parlamentarischen Abend“ in Berlin durch. Am 24. April 2012 stehen unter anderem die Anwältin und Publizistin Seyran Ates, der kongolesische Botschafter S. E. Kennedy Nyauncho Osinde und die SPD-Bundestagsabgeordnete Karin Roth auf der Gästeliste.

TIERE & ARZNEIEN

ASPIRIN im Stall
BAYERs „Tausendsassa“ ASPIRIN hat sich einen neuen Markt erobert: die Tiere. Da die Massenzucht Hühnern, Puten und anderen Kreaturen unendliche Qualen bereitet, verabreichen ihnen TierärztInnen oft das Schmerzmittel, obwohl seine Anwendung nicht erlaubt ist.

Noch mehr Tierarzneien
Der Leverkusener Multi hat die Veterinärmedizin-Sparte des US-amerikanischen Chemie-Konzerns KMG übernommen. Diese besteht vor allem aus Insektiziden, die Rindern, Schweinen und Geflügel mittels Chemie Fliegen und andere Plagegeister vom Leib halten.

DRUGS & PILLS

TRASYLOL-Comeback
Im Februar 2012 gab die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA bekannt, BAYERs Arznei TRASYLOL wieder zuzulassen. Nach Ansicht der Behörde wies die sogenannte BART-Studie des „Ottawa Hospital Research Institutes“, die im Jahr 2007 den Ausschlag für den Verkaufsstopp gegeben hatte, gravierende Mängel auf. Das Institut wehrt sich gegen diese Vorwürfe. „Die BART-Wissenschaftler stellen fest, dass die Durchführung und Analyse der BART-Untersuchung den höchsten Standards entsprach“, heißt es in der Antwort auf eine Ticker-Nachfrage. Zudem beschwerte sich die Einrichtung darüber, von der EMA nie in der Angelegenheit kontaktiert worden zu sein. Aber selbst wenn die ForscherInnen Fehler gemacht haben sollten – bereits vorher hatten unzählige Expertisen dem Mittel, das zur Blutstillung nach Bypass-Operationen zum Einsatz kam, Gesundheitsgefährdungen bescheinigt. Nicht einmal eine von BAYER selbst in Auftrag gegebene Studie konnte bessere Resultate liefern. Der Harvard-Professor Alexander Walker analysierte für den Konzern die Unterlagen von 78.000 Krankenhaus-PatientInnen und stellte im Falle einer Behandlung mit TRASYLOL eine erhöhte Sterblichkeitsrate, sowie ein größeres Risiko für Nierenversagen, Schlaganfälle und Herzerkrankungen fest. „2.653 Patienten mussten zur Dialyse und 2.613 Patienten starben“, so lautete damals sein eindeutiger Befund, den das Unternehmen den zuständigen Behörden lieber verschwieg.

ASPIRIN-Entlastungsstudie
BAYERs „Tausendsassa“ ASPIRIN gerät mehr und mehr in die Kritik. So schätzt Dr. Friedrich Hagenmüller von der Hamburger Asklepios-Klinik die Zahl der Todesopfer durch die Nebenwirkung „Magenbluten“ allein in der Bundesrepublik pro Jahr auf 1.000 bis 5.000. Der Leverkusener Multi musste also etwas für das ramponierte Image der Arznei tun und gab eine Entlastungsstudie in Auftrag. Und siehe da: Es „wurde deutlich, dass das Jahrhundert-Medikament bei Kurzzeit-Behandlungen von Schmerzen und Fieber ebenso verträglich ist wie andere Schmerzmittel, zum Beispiel IBUPROFEN oder PARACETAMOL“.

Neue YASMIN-Packungsbeilage
Mit Drospirenon-haltigen Verhütungsmitteln wie BAYERs Produkten aus der YASMIN-Familie steigt im Vergleich zu Levonorgestrel-haltigen Kontrazeptiva das Risiko, eine Thromboembolie zu erleiden. Das haben Untersuchungen aus den USA und England nun erneut bestätigt. Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfArM) reagierte und forderte BAYER zu einer nochmaligen Aktualisierung des Beipackzettels auf, um deutlicher vor der Gefahr zu warnen.

LEFAX nur „ausreichend“
Die „Stiftung Warentest“ testete fünf Präparate gegen Blähungen und kam zu wenig überzeugenden Ergebnissen. Vier Präparate, darunter auch BAYERs LEFAX, bekamen die Note „ausreichend“, und ein Mittel erhielt das Prädikat „mangelhaft“.

XARELTO jetzt auch in Europa
Der Leverkusener Multi darf sein Präparat XARELTO jetzt auch in Europa und Japan als Mittel zur Schlaganfall-Vorbeugung bei PatientInnen mit Vorhofflimmern vermarkten. Eine entsprechende Genehmigung hatte vorher schon die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA erteilt. Allerdings tat sie sich mit der Entscheidung schwer. MitarbeiterInnen hatten sich noch Anfang September 2011 gegen die Genehmigung ausgesprochen, weil die von BAYER eingereichten Studien ihrer Meinung nach Fragen zu Herzinfarkt- und Blutungsrisiken aufwarfen. Zudem konnten sie im Vergleich zum bislang gebräuchlichen Wirkstoff Warfarin keinen therapeutischen Zusatznutzen entdecken. Aber die Behörde setzte sich über diese internen Einwände hinweg. Nicht einmal Meldungen über Sterbefälle bei der Klinischen Erprobung des Mittels in Indien (Ticker 1/12) vermochten sie umzustimmen.

Neue XARELTO-Indikation
Der Leverkusener Multi strebt eine Zulassung seines umstrittenen Mittels XARELTO (s. o.) zur Nachbehandlung des akuten Koronar-Syndroms (ACS) an. Das Präparat soll in Kombination mit einer anderen Therapie der nochmaligen Entstehung von Blutgerinnseln in der Herzkranz-Arterie vorbeugen. In den Tests zeigten sich allerdings auch deutlich die Risiken und Nebenwirkungen der Arznei. So erlitten XARELTO-ProbandInnen häufiger schwere Blutungen als die Test-Personen, welche die bisherige Standard-Medikation bekamen.

NICE nicht nice zu XARELTO
Die britische „National Institute for Health and Clinical Excellence“ (NICE), das Kosten und Nutzen neuer Arzneimittel bewertet, hat Zweifel an der Qualität von BAYERs Blutverdünner XARELTO. Da ihm die vom Leverkusener Multi zur Verfügung gestellten Daten für die Anwendungsgebiete „Thrombosen“ und „Schlaganfall-Vorbeugung bei PatientInnen mit Vorhofflimmern“ nicht ausreichten, forderte es vom Pillen-Riesen mehr Informationen an. Auch in Spanien erwartet der Konzern harte Verhandlungen mit den Behörden. Nur in der Bundesrepublik blüht dies dem Unternehmen nicht. Das hiesige Arzneimittel-Gesetz erspart nämlich Präparaten, die für andere Indikationen schon zugelassen sind, wie XARELTO zur Thrombose-Prophylaxe bei schweren orthopädischen OPs, eine solche Prozedur.

Zulassung für Augenmittel
Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hat BAYERs Augen-Arznei VEGF-Trap-Eye genehmigt. Das Mittel zur Therapie der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – erschließt jedoch nicht gerade medizinisches Neuland. Laut Konzern zeigte das Medikament mit dem Produktnamen EYLEA lediglich „eine vergleichbare Wirkung (‚Nicht-Unterlegenheit’) gegenüber der Behandlung mit LUCENTIS“. Nach dem positiven Bescheid strebt das Unternehmen nun auch Zulassungen für andere Krankheitsgebiete an.

Regorafenib-Zulassung beantragt
Krebsmedikamente sind teuer, helfen zumeist wenig und haben allzuoft nur ein eingeschränktes Anwendungsgebiet. So auch der Wirkstoff Regorafenib, für den BAYER 2012 in Europa und den USA die Zulassung beantragen will. Er darf nur bei PatientInnen mit fortgeschrittenem Darmkrebs, bei denen alle sonstigen Therapien versagten, zum Einsatz kommen und zeigte nur äußerst bescheidene Test-Ergebnisse. Die Substanz steigerte die Gesamtüberlebenszeit der ProbandInnen im Vergleich zur Placebo-Gruppe gerade einmal um 1,4 Monate und schenkte ihnen bloß eine um 0,2 Monate längere Zeit ohne weiteres Tumor-Wachstum.

Überdosis CIPROBAY
Immer mehr Krankheitserreger bilden gegen Antibiotika wie BAYERs CIPROBAY Resistenzen aus und lösen so todbringende Gesundheitsstörungen aus (siehe auch SWB 2/12). Trotzdem verordnen MedizinerInnen die Mittel immer noch viel zu häufig. Das ergab eine Studie der Universität Bremen zur Verschreibungspraxis von KinderärztInnen. Obwohl die Präparate nur gegen Bakterien wirken, setzen PädiaterInnen sie der Untersuchung zufolge häufig auch bei Virus-Infektionen wie Erkältungen oder Mittelohr-Entzündungen ein. Und in Schwellenländern wie Indien geben Apotheken CIPROBAY sogar ohne Rezept und Beipackzettel ab.

Muskelschwäche durch CIPROBAY
Antibiotika sorgen nicht nur für resistente Krankheitskeime (s. o.), sie haben auch noch ganz andere Risiken und Nebenwirkungen wie beispielsweise Sehnen-Entzündungen und Sehnenrisse. Health Canada warnt jetzt vor einer neuen Gegenanzeige: BAYERs CIPROBAY und andere Mittel aus der Substanzklasse der Fluorchinolone können die Autoimmun-Krankheit Myasthenia gravis auslösen. Die Medikamente stören das Zusammenspiel zwischen Nerven und Muskeln, indem sie die Aufnahme des Impulse weiterleitenden Neurotransmitters Acetylcholine behindern und führen so zu Lähmungserscheinungen im Bereich der innere Organe, im Bewegungsapparat oder im Gesicht. Deshalb zwang die Behörde den Leverkusener Multi und andere Hersteller, die PatientInnen über diese mögliche Folge der Antibiotika-Einnahme zu informieren.

Neue Preisgestaltung ärgert BAYER
Nach dem 2011 in Kraft getretenen Arzneimittel-Gesetz dürfen die Pharma-Riesen die Preise für ihre neuen Medikamente nicht mehr selber festlegen. Sie sind jetzt Gegenstand von Verhandlungen auf Basis des Zusatznutzens im Vergleich zu älteren Pillen und der in anderen Staaten verlangten Beträge. Die Veröffentlichung der Länder-Referenzliste, auf der sich unter anderem Belgien, Dänemark, Großbritannien, Frankreich und Griechenland befinden, sorgte jetzt für einigen Unmut beim von BAYER gegründeten „Verband forschender Arzneimittel-Hersteller“ (VFA). „Deutschland ist nicht Griechenland. Ein Unterbietungswettbewerb durch Vergleich mit wirtschaftlich schwachen Ländern gefährdet die Einführung von Arzneimittel-Innovationen in Deutschland“, ereiferte sich die VFA-Geschäftsführerin Birgit Fischer.

Zwangsrabatte ärgern BAYER
Nach dem seit 2011 gültigen „Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittel-Marktes“ müssen BAYER & Co. den Krankenkassen für neue Medikamente einen Hersteller-Rabatt von 16 Prozent einräumen. Darüber hat sich BAYER-Chef Marijn Dekkers auf der Bilanz-Pressekonferenz im Februar 2012 bitterlich beklagt und angesichts der diesjährigen Überschüsse von DAK & Co. eine Abschaffung der Regelung gefordert: „Sachliche Gründe für eine Beibehaltung gibt es also nicht.“ Trotzdem ließ sich die Bundesregierung nicht erweichen. Das rief wiederum den von BAYER gegründeten „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ auf den Plan. Er sah „Politisches Kalkül statt faktenbasierter Prüfung“ am Werk und wiederholte Dekkers’ Kritik wortwörtlich: „Sachliche Gründe für eine Beibehaltung gibt es also nicht.“ Die Dienstwege sind eben kurz.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

HEDONAL geht an die Nieren
In El Salvador sorgen Pestizide für massive Gesundheitsprobleme. So leiden in der Küstenregion Bajo Lempa über 20 Prozent der Menschen an Nieren-Erkrankungen. Mauricio Sermeño von der Umweltorganisation UNIDAD ECOLÓGICA SALVADOREÑA macht dafür hauptsächlich zwei Ackergifte verantwortlich: SYNGENTAs GRAMOXON und BAYERs HEDONAL mit dem Wirkstoff 2-4-Dichlorphenoxyessigsäure, der als ein Bestandteil von Agent Orange traurige Berühmtheit erlangte. Nach den Angaben der Organisation gibt es in bestimmten Gebieten des Landes kaum EinwohnerInnen, die nicht einen Verwandten oder Freund durch Nieren­Versagen verloren hätten (siehe auch SWB 2/12).

OXFAM kritisiert FLINT-Sprühungen
Auf den Bananen-Plantagen Ecuadors herrschen einer OXFAM-Studie zufolge unhaltbare Zustände. So müssen die Angestellten dort für einen Hungerlohn arbeiten und auch noch ihre Gesundheit aufs Spiel setzen. Während Flugzeuge Pestizide wie Mancozeb (enthalten unter anderem in BAYERs FLINT) versprühen, dürfen die LandarbeiterInnen die Felder nicht verlassen, obwohl sie bloß in Ausnahmefällen Spezialkleidung tragen. „Wir bekommen die Pestizide ab und können uns nur mit unseren Händen und Bananen-Blättern schützen“, klagt einer von ihnen. Zudem verseuchen die auf dem Luftweg ausgebrachten Ackergifte auch die Umgebung und sorgen so für hohe Krankheitsraten, vor allem unter Kindern. „Sie leiden unter Gehirn-Erkrankungen, Problemen in den Armen und Beinen, Hautausschlag etc.“, so eine Feldarbeiterin.

COCA COLA mit Carbendazim
In Orangensäften des Unternehmens COCA COLA fanden sich Spuren des BAYER-Pestizids Carbendazim. Und der Wirkstoff, den der Leverkusener Multi unter dem Produktnamen DEROSAL vermarktet, hat es in sich. „Giftig für Wasser-Organismen“, „kann das Kind im Mutterleib schädigen“, „kann vererbbare Schäden verursachen“ – so lauten einige Warnhinweise für das Fungizid. Darum sollte die Substanz ursprünglich ebenso wenig wie weitere fünf Agro-Chemikalien des Konzerns eine neue Zulassung von der Europäischen Union erhalten. Aber für Carbendazim machte Brüssel dann kurz vor Ablauf der Frist eine Ausnahme und gewährte eine Verlängerung. Es gäbe „annehmbare Anwendungen“, erklärte die EU-Kommission und berief sich dabei ausgerechnet auf Studien der Agro-Riesen sowie auf eine Expertise der von Industrie-VertreterInnen durchsetzten „Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit“ (siehe auch TICKER 2/11).

Kein Glyphosat-Verbot
Die Liste der Risiken und Nebenwirkungen des von MONSANTO entwickelten Pestizid-Wirkstoffs Glyphosat, den BAYER etwa im Kombi-Pack mit der gegen diese Substanz immun gemachten Baumwollpflanze „GHB 614“ verkauft, ist lang. So stört die Agrochemikalie das Embryo-Wachstum, lässt Soja-Gewächse absterben und Mais verwelken, macht wertvollen Boden-Organismen den Garaus und dezimiert die biologische Vielfalt. Das alles aber reichte der Bundesregierung nicht aus, um den Stoff aus dem Verkehr zu ziehen. Sie lehnte Anfang Februar 2012 einen entsprechenden Antrag der Grünen ab und verlängerte die Zulassung bis 2015.

Verkauf von Ultra-Giften
Der Leverkusener Multi trennt sich im Rahmen der Verkleinerung seines Pestizid-Sortiments weiter von besonders schädlichen Agrochemikalien der Gefahrenklasse I. Nachdem er im letzten Jahr schon NEMACUR und MOCAP verkauft hatte, stößt er nun SEVIN (Wirkstoff: Carbaryl) ab. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) kritisiert diesen Schritt, den der Konzern der Öffentlichkeit gegenüber als Teil seiner Nachhaltigkeitsstrategie verkauft: „BAYER hätte die Produktion längst einstellen müssen, statt diese Ultra-Gifte jetzt noch profitabel zu verramschen“.

GAUCHO befördert Milben-Befall
BAYERs Imidacloprid-haltiges Pestizid GAUCHO sorgte für den Tod von Millionen Bienen. Der Leverkusener Multi streitet diese „Nebenwirkung“ jedoch ab und macht stattdessen die Varroa-Milbe für die Sterbefälle verantwortlich. Eine von einem Bienenforschungsinstitut, das dem US-amerikanischen Landwirtschaftsministerium untersteht, durchgeführte Studie wies jetzt einen Zusammenhang zwischen beiden Phänomen nach. Der Untersuchung zufolge zeigten sich durch GAUCHO & Co. geschwächte Bienen anfälliger für den Befall mit der Milben-Art als gesunde Tiere.

GENE & KLONE

BAYER-Gensoja zugelassen
Nachdem sich weder ein ExpertInnen-Gremium der EU noch ein Berufungsausschuss über die Import-Genehmigung für BAYERs Gensoja der BASTA-Produktreihe und drei weiteren Laborfrüchten einigen konnte, hat die Europäische Kommission ein Machtwort gesprochen und alle Sorten zugelassen. Die COORDINATON GEGEN BAYER-GEFAHREN und andere Initiativen haben immer vor einem solchen Schritt gewarnt. „A5547-127“ ist nämlich durch eine auf gentechnischem Wege eingebaute Resistenz auf den Gebrauch des hochgefährlichen Herbizides LIBERTY mit dem Wirkstoff Glufosinat abgestimmt, dessen Gebrauch die Europäische Union ab 2017 verboten hat. Zudem unterscheidet sich die LIBERTYLINK-Pflanze auf Stoffwechsel-Ebene von seinen konventionellen Ebenbildern, was auf eine genetische Instabilität hindeutet, die eigentlich der Gegenstand eines Stress-Tests hätte sein müssen. Dieser unterblieb jedoch. Auch Daten-Material von Fütterungstests liegt nur sporadisch vor. Das alles macht den Soja des Konzerns zu einem unkalkulierbaren Risiko.

Genbaumwoll-Anbau beantragt
Der Leverkusener Multi hat in Spanien einen Antrag auf eine Anbau-Genehmigung für seine Gentech-Baumwolle „GHB 614“ gestellt, die gegen das gefährliche Anti-Unkrautmittel Glyphosat (siehe auch PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE) resistent ist.

Genraps-Anbau beantragt
BAYER hat in Australien einen Antrag auf eine Anbau-Genehmigung für seine Genraps-Sorte INVIGOR gestellt. Die Pflanze ist nicht nur gegen Glufosinat immun, sondern auch gegen MONSANTOs berühmt-berüchtigten ROUND-UP-READY-Wirkstoff Glyphosat (siehe auch PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE). Schadinsekten gewöhnen sich nämlich zunehmend an die Pestizide, welche die Hersteller im Kombipack mit ihren gegen diese Wirkstoffe resistenten Genpflanzen verkaufen. Ein Lizenzabkommen mit dem US-Unternehmen ermöglichte dem Leverkusener Multi die Entwicklung des Doppelpacks. Die australische Initiative GENEETHICS hat Einspruch gegen das Zulassungsbegehr erhoben und dabei mit der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN zusammengearbeitet.

Pestizide per Gentechnik
BAYER nutzt die Biotechnologie zur Produktion von Pestiziden. So kommen bei der Herstellung des Anti-Unkrautmittels INDAZIFLAM gen-manipulierte Coli-Bakterien zum Einsatz.

PFLANZEN & SAATEN

BAYER kauft Raps-Sparte
BAYER hat die Rapssaatgut-Abteilung des Unternehmens RAPS GbR erworben. Nach Ansicht der BAYER-CROPSSCIENCE-Vorsitzenden Sandra Peterson wird der Kauf „den Eintritt von BAYER CROPSSCIENCE in den europäischen Raps-Markt weiter beschleunigen“. Der Agro-Multi, der in den USA bereits eine führende Stellung im Raps-Geschäft innehat, will noch in diesem Jahr erste Sorten auf den EU-Markt bringen.

WASSER, BODEN & LUFT

Luftverschmutzungskosten: bis zu 169 Mrd.
Die Europäische Umweltagentur EUA hat ausgerechnet, wie hoch die Kosten für die menschliche Gesundheit und die Umwelt sind, welche die Luftverschmutzung verursacht. Sie kam auf staatliche Zahlen: Zwischen 102 und 169 Milliarden Euro bewegt sich der Wert. Dabei richten die 191 größten Betriebe die Hälfte des Gesamtschadens an. Und auf dieser Liste durfte BAYER natürlich nicht fehlen. Sowohl die Werke in Leverkusen als auch die in Krefeld fanden sich auf ihr wieder.

Endgültiges Aus für Kohlekraftwerk
Im letzten Jahr hatte der Leverkusener Multi nach massiven Protesten den Verzicht auf die Errichtung eines klimaschädlichen Kohlekraftwerks in Krefeld bekannt gegeben. Stattdessen plante er gemeinsam mit TRIANEL ein umweltfreundlicheres Gas- und Dampfkraftwerk. Aber so ganz in trockenen Tüchern war das Vorhaben lange nicht. „Ob dieses Projekt wirtschaftlich umsetzbar ist, wird sich im Laufe der Projekt-Entwicklung zeigen“, erklärte der Konzern nämlich. Aber Anfang Februar 2012 machte er die Entscheidung dann endgültig, indem er den Bauantrag für die Dreckschleuder offiziell zurückzog.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

BAYER: „Bisphenol keine Gefahr“
Im März 2011 hatte die EU die Verwendung der Industrie-Chemikalie Bisphenol A in Babyflaschen untersagt, da die Substanz Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen verursachen kann. Der Leverkusener Multi, der zu den größten Produzenten des Stoffes zählt, spielt die Gefahr jedoch immer noch herunter. Eine Studie des BUNDs, der Kindertagesstätten überprüfte und in 92 von 107 Staubproben Bisphenol nachwies, fand er nicht weiter beunruhigend. Bisphenol A sei nicht krebserzeugend und habe keinen Einfluss auf die Fruchtbarkeit, wiegelte Konzernsprecherin Gisela Stropp gegenüber dem Pfälzischen Merkur ab.

CO & CO.

Erdeinbrüche durch Zechen-Schächte?
Immer wieder kommt es entlang der Trasse von BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline zu Erdeinbrüchen. In Erkrath und rund um Ratingen bildeten sich teilweise schon 80 cm tiefe Krater. Stillgelegte Zechen entlang der Trasse könnten diese Gefahr durch die Hohlräume, die von den Schächten herrühren, noch verstärken. 12 solcher Bergbau-Areale hat Erich Hennen von der Initiative STOPP BAYER-CO-PIPELINE ausgemacht, obwohl die Bezirksregierung und das Bergbau-Amt keine Unterlagen herausgaben. „Es wird gemauert, verdeckt, verschwiegen“, kritisierte Hennen.

NANO & CO.

Nano-Kongress in Bayreuth
Anfang Februar 2012 hielt die vom Bundesforschungsministerium geförderte „Innovationsallianz Carbon Nanotubes“, der auch der Leverkusener Multi angehört, ihren vierten Jahreskongress in Bayreuth ab. Von dem Gefährdungspotenzial, das von den Kohlenstoff-Nanoröhrchen (CNT) ausgeht, sprachen die TeilnehmerInnen natürlich nicht, obwohl einige WissenschaftlerInnen es mit demjenigen von Asbest vergleichen. Die Nano-Technologie lässt nämlich Werkstoffe auf winzig kleine Größen schrumpfen, wodurch diese unbekannte und nicht selten gefährliche Eigenschaften entwickeln. BAYER-Manager Peter Krüger focht das nicht an. Er malte die Nano-Zukunft in goldenen Farben: „Unsere Forschungsarbeiten zeigen, dass CNT wichtige Impulse geben können (...) Das sorgt für innovative Produkte, stärkt die Wirtschaft und schafft Arbeitsplätze. Außerdem geben Kohlenstoff-Nanomaterialien wichtige Impulse für mehr Klimaschutz und Ressourcen-Effizienz.“

BAYER eröffnet Nano-Konferenz
Am 21. und 22. März fand in Brüssel die Konferenz „Nano Enhancers for Plastics 2012“ statt. Sie befasste sich mit dem Segen, den die Nanotechnologie angeblich für die Kunststoff-Industrie bereithält. Das Grundsatz-Referent durfte BAYERs Nano-Beauftragter Peter Krüger halten. Und natürlich ließ er es sich nicht nehmen, in seinem Beitrag die Werbetrommel für die BAYTUBES-Kohlenstoffröhrchen des Konzerns zu rühren.

NIOSH für höhere Nano-Grenzwerte
Selbst ist der Multi: BAYER hatte den Grenzwert für die Belastung der Beschäftigten mit Nano-Stäuben eigenmächtig auf 50 Mikrogramm festgesetzt – und die damalige schwarz-gelbe Landesregierung Nordrhein-Westfalens nickte diesen auch ohne Murren ab. Mittlerweile fordern WissenschaftlerInnen viel schärfere Limits. So empfiehlt das US-amerikanische „National Institute for Occupational Safety and Health“ (NIOSH) eine Marke von sieben Mikrogramm pro Kubikmeter Raumluft.

Nanotubes können Erbgut schädigen
Nano-Röhrchen aus Kohlenstoff, wie der Leverkusener Multi sie mit seinen BAYTUBES herstellt, sind imstande, das Erbgut zu schädigen. Das kann dem österreichischen „Institut für Technikfolgen-Abschätzung“ zufolge sowohl durch einen direkten Kontakt mit der DNA als auch durch entzündliche Reaktionen des Körpers geschehen.

Energie-intensive Nano-Herstellung
Die Herstellung von Kohlenstoff-Nanoröhrchen (CNT) wie BAYERs BAYTUBES ist sehr energie-intensiv. Die Produktion von einem Kilogramm Nanotubes verschlingt bis zu 1 Terrajoule, zu deren Erzeugung es ca. 26.550 Liter Erdöl braucht. „Demnach wären CNTs eines der energie-intensivsten Materialien, die uns bekannt sind“, resümiert das österreichische „Institut für Technikfolgen-Abschätzung“.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Gas-Austritt in Tarragona
Am 11. Januar 2012 kam es auf dem Gelände des spanischen BAYER-Standortes Tarragona zu einem Gasaustritt, was einen mehrstündigen Alarm auslöste.

PLASTE & ELASTE

Neues Forschungszentrum
BAYER MATERIAL SCIENCE, die Kunststoff-Sparte des Leverkusener Multis, hat in Dormagen ein neues Forschungszentrum in Betrieb genommen. Es hat die Aufgabe, „die technischen Abläufe bei der Produktion der Isocyanate MDI und TDI sowie der dabei benötigten Vorprodukte weiter zu erforschen und zu optimieren“. Es geht also vornehmlich um Effizienz-Steigerung. Dabei wäre ein ganz anderer Forschungsschwerpunkt wichtig: Der Versuch, bei der Herstellung der Plaste-Produkte ohne das gefährliche Giftgas Phosgen auszukommen.

STANDORTE & PRODUKTION

Chemie-„Park“ als Giftlager
Seit Jahren bemüht sich die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) darum, Angaben über die auf den Werksarealen von BAYER gelagerten gefährlichen Chemikalien zu erhalten. Trotz Umweltinformationsgesetz gelang ihr dies bisher nie – der Leverkusener Multi machte stets Terror-Gefahren geltend. Im Frühjahr 2011 jedoch entsprach die Bezirksregierung erstmals einem Antrag der CBG und teilte Zahlen für den gesamten Dormagener Chemie„park“ mit. Sie geben einigen Anlass zur Sorge. So befinden sich auf dem Gelände 70.000 Tonnen „giftige“ bzw. „sehr giftige“, über 13.000 Tonnen leicht entzündliche und über 65 Tonnen brandfördernde Stoffe. Von den sehr giftigen BAYER-Substanzen erreicht Toluol-diisocyanat (TDI) mit 7.765 Tonnen das größte Volumen. Es folgen Dimethylsulfat mit 51, Phosgen mit 36 und Brom mit zwei Tonnen. Bei den „nur“ giftigen Chemikalien nimmt die Propylenoxid-Menge mit 6.400 Tonnen das beträchtlichste Ausmaß an. Dann kommen Methanol mit 951, Chlor mit 761 und Hydrazin mit 360 Tonnen.

Mehr Pillen aus Weimar
BAYERs Verhütungsmittel aus der YASMIN-Familie haben mehr Nebenwirkungen als andere Kontrazeptiva. So registrierte allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA in den letzten zehn Jahre 190 Sterbefälle nach Thromboembolien. Trotzdem will der Konzern die Produktion von YASMIN und anderen Pillen ausweiten. Darum rief er seine Niederlassungen zu einem internen Standort-Wettbewerb auf, aus dem Weimar als Sieger hervorging. Hier baut der Multi demnächst für 25 Millionen Euro; neue Arbeitsplätze entstehen durch die Investition nicht.

BMS investiert 700 Mio. in Deutschland
BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) kündigte an, bis 2014 ca. 700 Millionen Euro in der Bundesrepublik zu investieren. Zu den Projekten der Kunststoff-Sparte gehört die TDI-Anlage in Dormagen, eine neue Fabrik für Lackrohstoffe in Leverkusen und eine Kapazitätserweiterung in Krefeld. Der Multi feiert das als Bekenntnis zum Standort, obwohl sein finanzielles Engagement in Asien die für Deutschland vorgesehene Summe bei Weitem übersteigt – allein in Shanghai hat sich BMS neue Fertigungsstätten binnen der letzten zehn Jahre 2,1 Milliarden Euro kosten lassen. Viele neue Arbeitsplätze schafft das Unternehmen durch die Bau-Vorhaben auch nicht. So entstehen durch die in Leverkusen geplante Lack-Produktion nach Angaben des Konzerns gerade einmal „bis zu zehn“ neue Jobs.

Keine „Kultur GmbH“ in Leverkusen
Seit der Unternehmenssteuerreform von 2000/2001, die BAYERs ehemaliger Finanzchef Heribert Zitzelsberger in seiner Funktion als Staatssekretär wesentlich mitgeprägt hat, verringerte sich die Abgabenlast des Global Players merklich. Das bescherte den Städten mit BAYER-Standorten große finanzielle Nöte. Darum existierten im chronisch klammen Leverkusen Pläne, das Kulturprogramm des Pharma-Riesen stärker mit demjenigen der Kommune zusammenzuführen. Dazu wird es allerdings nicht kommen. „Wir haben schließlich bemerkt, dass die erhofften Synergie-Effekte bei einer engeren Kooperation doch nicht so groß wären“, so die Kulturpolitikerin Marion Grundmann zu den Motiven für den Entschluss, doch lieber weiter getrennte Wege zu gehen. Der Pharma-Riese, der gern

Xarelto

CBG Redaktion

blitz-a-t (arznei telegramm), 10. Januar 2012

RIVAROXABAN (XARELTO): NEUARTIGE DRÜCKER-METHODE?

Heute kam der Paketbote und gab an, er müsse den Empfang eines Paketes von mir persönlich abzeichnen lassen. Das Päckchen war in der Farbe der berühmten Schokoladenkuh gehalten und sollte laut Aufschrift Neuigkeiten zu Rivaroxaban (XARELTO) enthalten. Der angebliche Quittungszettel entpuppte sich als Musteranforderung, weshalb ich die Annahme verweigerte. Ist ein solches Vorgehen von Seiten der Firma Bayer rechtens?

Dr. med. F. SCHUMACHER (Facharzt für Allgemeinmedizin)
D-90429 Nürnberg
Interessenkonflikt: keiner

Auch ein weiterer Kollege berichtet uns von dieser Methode. Als Mitglied von MEZIS(1) ärgert ihn besonders, dass er erst im Nachhinein bemerkt hat, dass ihm mit dem Päckchen als „Neuigkeit“ ein XARELTO-Muster untergeschoben worden ist. Pharmahersteller dürfen laut Arzneimittelgesetz Muster nur auf schriftliche Anforderung abgeben. Bei der Bayer-Methode liegt diese bis zum Zeitpunkt der Lieferung nicht vor. Eine Muster-„Anforderung” per Quittungszettel bei Lieferung erachten wir als untergeschobene Anforderung, die nicht vom Arzt initiiert wurde. Nach unserer Einschätzung wird hier versucht, die rechtlichen Vorgaben zu unterlaufen. Wir haben den Vorgang bei der zuständigen Landesbehörde angezeigt. Bayer geht allerdings kein besonderes Risiko ein. Allenfalls droht ein Bußgeld, das Firmen hierzulande üblicherweise aus der Portokasse bezahlen können.

(1) MEZIS = Mein Essen zahl ich selbst (http:www.mezis.de)

Redaktion arznei-telegramm

PS Eine Bewertung von Rivaroxaban (XARELTO) in den neu zugelassenen Indikationen Vorhofflimmern sowie Behandlung und Rezidivprophylaxe tiefer Venenthrombosen folgt in Kürze im arznei-telegramm.

A.T.I. Arzneimittelinformation Berlin GmbH
Bergstr. 38 A, Wasserturm, D-12169 Berlin, Fax: +49 30-79 49 02-20
http:
www.arznei-telegramm.de, E-Mail: redaktion@arznei-telegramm.de
Handelsregister: 10570 Amtsgericht Berlin-Charlottenburg
Geschäftsführer: Wolfgang BECKER-BRÜSER

[Pharmatests] STICHWORT BAYER 01/2012

CBG Redaktion

138 BAYER-ProbandInnen sterben

Test the Death

Von 2007 bis 2010 starben in Indien 138 Menschen bei der Klinischen Erprobung von BAYER-Arzneien. Insgesamt kamen bei den Tests von Big Pharma in dem Zeitraum 1.600 ProbandInnen ums Leben. Während die Öffentlichkeit sich alarmiert zeigt, bestreiten die Pillen-Multis in den meisten Fällen den direkten Zusammenhang zwischen Medikament und Tod.

Im letzten Jahr hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) das Thema „Medikamenten-Tests in der ‚Dritten Welt‘“ auf die Tagesordnung der BAYER-Hauptversammlung gesetzt. Sie kritisierte die zunehmende Verlagerung von Arznei-Erprobungen in Staaten, die als „Standortvorteil“ ein unerschöpfliches Reservoir an ProbandInnen, unschlagbare Preise, schnelle Verfahren und eine mangelhafte Aufsicht bieten. Die CBG sah durch diese Bedingungen das Leben der VersuchsteilnehmerInnen gefährdet. Aber der damalige Vorstandsvorsitzende Werner Wenning wiegelte ab. Nicht ein einziges Pharmazeutikum habe je einer Person Schaden zugefügt, antwortete er der Coordination, der Konzern halte sich stets an die Auflagen der Behörden und führe im Übrigen „eigenständige Qualitätskontrollen“ durch.

An dieser Aussage bestanden angesichts der vielen Zwischenfälle bei anderen Arznei-Tests schon damals viele Zweifel. Endgültig als Lüge erwiesen hat sie sich im Mai 2011. In diesem Monat gab das indische Gesundheitsministerium die Zahl der Personen bekannt, die von 2007 bis 2010 während der Erprobung von BAYER-Produkten starben. 138 Menschen überlebten die Prozedur nicht. Insgesamt fanden bei den Pillen-Prüfungen von Big Pharma 1.600 Menschen den Tod. BAYER & Co. meldeten diese Zahlen selber den Aufsichtsbehörden, allerdings ohne damit ein generelles Schuld-Eingeständnis zu verbinden. Ihrer Ansicht nach haben zumeist nicht die Medikamente, sondern Vorerkrankungen wie Krebs zum Ableben der ProbandInnen geführt. Die amtlichen Stellen machen ebenfalls nicht die Pharmazeutika im Allgemeinen verantwortlich. Von den 668 Sterbefällen im Jahr 2010 schreiben sie 22 der direkten Einwirkung der getesteten Substanzen zu; bei einer nicht weiter bezifferten Menge gibt es zumindest Indizien für einen Zusammenhang.

Aber nicht nur deshalb dürfte die wirkliche Zahl der Pharma-Opfer höher sein. Wenn Tests nicht ausdrücklich Krebskranke oder Menschen mit Herz/Kreislauf-Problemen erfordern, schließen die Unternehmen Personen mit Vorbelastungen gezielt aus. Alle TeilnehmerInnen müssen sich vor Beginn der Experimente einem peniblen Gesundheitscheck unterziehen, weil unerkannte oder verschwiegene Krankheiten einen negativen Einfluss auf das Ergebnis haben können. So stehen die Konzerne dann auch eher in Verdacht, zu gesunde als zu kranke ProbandInnen zu verpflichten. Darüber hinaus besteht in Indien keine Pflicht, die Klinischen Prüfungen registrieren zu lassen, was die Aufsicht erschwert - und den Verdacht auf mehr Tote nährt.

Lebensgefährliches XARELTO
Von den für 2010 zweifelsfrei geklärten 22 Todesfällen gehen die meisten auf ein einziges BAYER-Erzeugnis zurück: XARELTO. Vier InderInnen kamen durch die Arznei mit dem Wirkstoff Rivaroxaban um, die der Konzern als Mittel gegen Thrombosen testete. Bloß 5.250 Dollar zahlte der Konzern den Hinterbliebenen jeweils als Entschädigung und lag damit noch über den Beträgen von SANOFI, PFIZER & Co. Diese Summen sowie die Tatsache, dass die Familien der von 2007 bis 2009 Gestorbenen noch überhaupt kein Geld erhalten haben, veranlasste einen Leser der Publikation moneylife zu dem bitteren Kommentar: „Life is very cheap in India“. Andere sprechen von einem neuen Kolonialismus.

Der Zulassungsprozess für XARELTO gestaltet sich wegen der vielen Risiken und Nebenwirkungen seit längerem schwierig. In Europa dürfen MedizinerInnen das Therapeutikum bislang nur zur Thrombose-Vorbeugung nach schweren orthopädischen Operationen einsetzen. Die US-Gesundheitsbehörde FDA tat sich aufgrund von Meldungen über Gefäß-Verschlüsse, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden sowie der ungeklärten Langzeitwirkung sogar bei dieser eingeschränkten Indikation lange Zeit schwer. BAYER aber hat noch Größeres mit dem Pharmazeutikum vor. Das Unternehmen will es als Mittel zur Schlaganfall-Prophylaxe vermarkten, obwohl XARELTO dafür selbst nach eigener Aussage „kein konsistent positives Nutzen-Risiko-Profil“ aufweist. Der Multi erhofft sich Milliarden-Erlöse von der Substanz und der Finanzmarkt ebenfalls - in den gegenwärtigen Kurs der Aktie ist das Blockbuster-Potenzial des Produkts schon eingepreist. Deshalb reagiert sie auch äußerst empfindlich auf jede Negativ-Meldung zu XARELTO. Die letzte gab es im Anfang September 2011: Zeitungen berichteten von hochrangigen FDA-MitarbeiterInnen, die angesichts unerklärter Herzinfarkt- und Blutungsrisiken von einer Genehmigung abrieten. Aber ein paar Wochen später war die Börsen-Welt wieder in Ordnung. Das 12-köpfige BeraterInnen-Gremium der Behörde hatte sich bei zwei Gegenstimmen und einer Enthaltung doch noch zu einer positiven Empfehlung durchgerungen. Die Vorkommnisse in Indien, über welche die CBG die FDA in Kenntnis setzte, führten auch nicht zu einem Umdenken. Der Behörde waren derartige Zwischenfälle bekannt: „Die Ärzte-Information führt Tod als mögliche Nebenwirkung auf, die während der Klinischen Tests mit XARELTO auftrat“. Bei Zulassungen gelte es immer, zwischen Wirksamkeit und Sicherheit eines Medikamentes abzuwägen, antwortete sie der Coordination.

Verstoß gegen Ethik-Regeln
Kritik am bisherigen Vorgehen der FDA in Sachen „XARELTO“ hat die US-Initiative PUBLIC CITIZEN geübt. Sie hat gravierende Mängel bei den Klinischen Prüfungen festgestellt. Bei Vergleichstests mit Warfarin haben die ProbandInnen, welche die Konkurrenz-Substanz bekamen, nicht die optimale Dosis erhalten, moniert die Organisation. „Es ist besonders besorgniserregend, dass es die schlechtesten Warfarin-Therapien bei den ausländischen Firmen gab“, so PUBLIC CITIZEN. Und am besorgniserregendsten war es bei den indischen Test-Unternehmen. Sie versorgten nur 36 Prozent ihrer PatientInnen angemessen mit Warfarin und setzten sie so einer erhöhten Gefahr aus, einen Schlaganfall zu erleiden. Auch haben die ÄrztInnen den TeilnehmerInnen, obwohl Warfarin seine Wirksamkeit erst nach einiger Zeit entfaltet, kein zusätzliches Mittel zur Blutverflüssigung verordnet. Zudem ereigneten sich unmittelbar nach dem Absetzen von XARELTO viele Zwischenfälle, für die BAYER die Erklärung schuldig blieb. Darüber hinaus rügt die Gruppe die Darreichungsform. Die ProbandInnen mussten die ganze Dosis auf einmal einnehmen, was mit höheren Risiken verbunden ist als eine Spreizung. Einzig marketing-technische Erwägungen vermutet PUBLIC CITIZEN hinter dieser Wahl. In einem Brief an die FDA haben die GesundheitsaktivistInnen diese Verstöße gegen medizinische und ethische Standards aufgelistet und die Behörde aufgefordert, die Arznei einstweilen nicht als Mittel zur Schlaganfall-Prophylaxe zuzulassen. Aber es half alles nichts. Am 4. November 2011 gab die Behörde grünes Licht für XARELTO.

MIRENA & Co.
BAYERs Pillen-Abteilung erprobt auf dem Subkontinent jedoch nicht nur XARELTO. „Sie lässt dort bereits sechs neue Medikamente testen. Das bringt deutliche Ersparnisse und ein schnelleres Entwicklungstempo“, berichtete das Handelsblatt vor vier Jahren und resümierte: „Auch als Ressource wird Indien für die Pharma-Sparte interessant“. Inzwischen ist der Staat als Ressource noch interessanter geworden. Momentan laufen Test-Reihen mit der Krebs-Arznei NEXAVAR, dem Augen-Präparat VEGF und dem Bluter-Medikament KOGENATE. Gerade abgeschlossen hat BAYER Versuche mit dem Potenzmittel LEVITRA, dem Diabetikum GLUCOBAY, der Hormon-Spirale MIRENA und den Röntgen-Kontrastmitteln GADOVIST und ULTRAVIST. Und neue ProbandInnen sucht der Konzern für weitere Erprobungen von XARELTO, GLUCOBAY, GADOVIST, KOGENATE, NEXAVAR und VEGF sowie von dem Antibiotikum AVELOX und dem von der BUKO PHARMA-KAMPAGNE als irrational eingestuften Bluthochdruck-Präparat XIRTAM.

Größtenteils handelt es sich dabei um altbekannte Pharmazeutika, für die der Leverkusener Multi bloß neue Verwendungsmöglichkeiten sucht. Ähnlich verhält es sich bei der Konkurrenz. Die wachsende Anzahl von Klinischen Tests rund um den Globus - das US-amerikanische „National Institute of Health“ hat gegenwärtig über 115.000 registriert - entspricht keinesfalls dem wachsenden Erfindungsreichtum von BAYER & Co. Das macht die wachsende Anzahl von Opfern zu einem noch größeren Skandal.

Eine Milliarden-Industrie
Die indische Test-Branche setzte 2010 nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO eine Milliarde Dollar um; rund 2.000 Arznei-Experimente fanden statt. Nachdem das Land 2005 dem Drängen von Big Pharma nach einer Verschärfung des Patentrechts nachgegeben hatte, boomte dieser Wirtschaftszweig kontinuierlich. Die „Contract Reseach Organisations“ (CROs), welche die Versuche zumeist für BAYER & Co. durchführen, haben nichts anderes im Sinn, als ihren Auftraggebern möglichst schnell möglichst gute Resultate zu liefern. Den Anforderungen an eine gute klinische Praxis genügen von den ca. 150 in Indien operierenden CROs gerade einmal 201. Ein Bericht des „National Institute of Medical Statistics“ kritisiert vor allem das Fehlen oder die mangelhafte Arbeit von Ethik-Kommissionen. Die eigentlich vorgeschriebene „informierte Einwilligung“ der ProbandInnen besteht in einem Land mit einer so hohen Analphabetismus-Rate ebenfalls oft nur auf dem Papier. Doch selbst, wenn die TeilnehmerInnen wissen, was sie tun, lässt die Armut ihnen nicht selten keine andere Wahl, als so waghalsige Unternehmungen zu riskieren. Anders als an ihren Stammsitzen geht den Konzernen deshalb der Nachschub nie aus - und sie nutzen dieses Reservoir zu einem Schnäppchen-Preis. Auswärtige Kontrollen haben sie auch nicht zu befürchten. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMEA reist zu gerade mal 40 Inspektionen pro Jahr in fernere Gefilde. Ihr US-amerikanisches Pendant überprüft in diesem Zeitraum nicht einmal ein Prozent der ausländischen Arzneitest-Firmen. Die FDA will ihr Pensum allerdings erhöhen. Der Test-Export bereitet ihr zunehmend Unbehagen, da eine Vielzahl der Versuche nicht den US-Standards entspricht und die gelieferten Datensätze mit den Ergebnissen oft unvollständig und nur schwer zu analysieren sind.

Allzuviel verändern dürfte das in Indien und anderswo allerdings nicht. Trotz solch günstiger Aussichten hadern die Firmen in jüngster Zeit jedoch mit dem Subkontinent. Den Pillen-Riesen geht es dort nicht schnell genug. Während die USA einen Klinischen Test innerhalb eines Monats genehmigen, müssten sie in dem südostasiatischen Staat 12 bis 16 Wochen auf grünes Licht warten, klagen die Hersteller. „Das ist ein großer Zeitverlust, denn die Patent-Uhr für dein Produkt tickt bereits“, so die Vertreterin eines Arznei-Riesen. Auch die Weigerung der Behörden, die für die ProbandInnen besonders gefährlichen Ersterprobungen der Phase I zu gestatten, wenn die entsprechenden Medikamente nicht für den Heimatmarkt vorgesehen sind, passt den Konzernen nicht. Darüber wächst die Kritik an den Versuchen, was bereits zu einer strengeren Reglementierung geführt hat. Darum zieht die Karawane weiter. Im Moment bietet ihr China die meisten Standort-Vorteile. 64 gerade abgeschlossene, noch laufende oder geplante BAYER-Studien im Reich der Mitte verzeichnet das „National Institute of Health“ gegenwärtig - Tendenz steigend.

Der Offene Brief
Die CBG hat die erschreckenden Nachrichten aus Indien zum Anlass genommen, um vom Leverkusener Multi Aufklärung zu fordern. In einem Offenen Brief an den Vorstandsvorsitzenden Marijn Dekkers verlangte die Coordination detaillierte Informationen über die untersuchten Pharmazeutika, die Häufigkeit von Sterbefällen und sonstigen schwerwiegenden Gegenanzeigen und die geleisteten oder nicht geleisteten Entschädigungszahlungen. Darüber hinaus wollte sie wissen, wie das Unternehmen Todesopfer bei Arznei-Prüfungen in Zukunft verhindern will. Die bisherigen Reaktionen BAYERs gleichen denjenigen auf der Hauptversammlung von 2010. Der Multi beteuert, stets nach Recht und Gesetz gehandelt zu haben. Aber anders als vor anderthalb Jahren bekennt er sich jetzt eindeutig zur „Deklaration von Helsinki“, mit welcher der Weltärztebund 1964 weltweit verbindliche ethische Standards für die pharmazeutische Wissenschaft formulierte. Nach ihr haben die ProbandInnen nach Ablauf der Versuche etwa einen Anspruch darauf, die Arzneien weiter zu erhalten - wie das ganze Land. Als bloßes Labor dürfen die Konzerne es der Deklaration zufolge nicht missbrauchen. In ihrer ursprünglichen Fassung lehnte diese sogar die Verwendung von Placebos strikt ab, weil das bedeutet, kranken Menschen ohne ihr Wissen dringend benötigte Medizin vorzuenthalten. Aber die Pharma-Riesen intervenierten und erreichten eine Revision. Es blieb nicht die einzige: Die heute gültige Fassung weicht beträchtlich von der ursprünglichen ab. Wie nicht nur die Toten von Indien zeigen, gelingt es dem Leverkusener Multi trotzdem nicht, ihren Ansprüchen gerecht zu werden. „In der medizinischen Forschung am Menschen muss das Wohlergehen der einzelnen Versuchsperson Vorrang vor allen anderen Interessen haben“ - dieses Gebot gilt für BAYER nicht. Von Jan Pehrke

alle Infos zur Kampagne

Anmerkung

1 J. S. Srivastava; Need for ethical oversight of clinical trials in India; in: Current Science, Vol 99, No. 11

[Ticker] STICHWORT BAYER 01/2012 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Preis für die CBG
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und ihr Gründungsmitglied Axel Köhler-Schnura erhielten am 24. September 2011 den „Henry-Mathews-Preis“ der KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE. In der Laudatio hieß es: „Eine beeindruckende Anzahl von Aktionen hat eure konzernkritische Arbeit begleitet. Zum Beispiel im Jahr 2000, als ihr auf dem jährlich stattfindenden Gedenktag ‚Day of no Pesticides‘ an die Bhopal-Opfer des Giftgasunfalls in Indien 1984 erinnert habt und mit Giftspritzen, Kreuzen und Transparenten vor BAYER aufgetreten seid (...) Neben den Hauptversammlungs-Auftritten und Aktionen begleitet Ihr BAYER mit kritischen Analysen. Daneben unterstützt ihr weltweit Bürgerinitiativen, wenn sie in euer Aufgabenfeld gehören.“ Axel Köhler-Schnura dankte mit den Worten: „Ich wurde geehrt mit dem Henry-Mathews-Preis. Wofür? Für etwas, das doch selbstverständlich ist: Aufzustehen gegen Unrecht und Verbrechen. Und zwar so, wie es einem möglich ist. Dieser Preis steht Unzähligen zu. Und so sehe ich mich stellvertretend für all diese namenlosen Unbekannten, die tagtäglich das Gleiche tun wie ich“.

TDI-Anlage in der Kritik
Auf den von der Bezirksregierung Köln in der ersten Oktober-Woche 2011 einberufenen Erörterungsterminen zur Toluylendiisocyanat-Anlage, die BAYER in Dormagen plant, mussten sich die Konzern-Emissäre viel Kritik anhören (siehe auch SWB 1/12). Die VertreterInnen von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, dem BUND und der DORMAGENER AGENDA 21 beanstandeten die fehlenden Angaben zur Umweltbelastung, eine mangelhafte Störfall-Vorsorge und eine ungenügende, da nur mit Blech statt mit Beton vorgenommene Ummantelung der Produktionsstätte. Zudem verlangten sie den Einbau einer Schutzwand, die bei einer Explosion mit nachfolgendem Phosgen-Austritt neutralisierendes Ammoniak freisetzen könnte. Die Bezirksregierung ließ das nicht unbeeindruckt. Sie dürfte das Projekt aber trotzdem genehmigen und im günstigsten Fall einige Nachbesserungen einfordern.

Duisbergs 150. Geburtstag
Am 29. September 2011 jährte sich der Geburtstag des langjährigen BAYER-Generaldirektors Carl Duisberg zum 150. Mal. Er war im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas und die Ausbeutung von Zwangsarbeitern. Zudem hatte er einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörderkonzerns IG FARBEN. Da dem Ex-Chef des Leverkusener Multis trotz alledem immer noch in Ehren gedacht wird, startete die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Kampagne. Sie forderte anlässlich des Jahrestags die Umbenennung von Straßen und Schulen, die Duisbergs Namen tragen, sowie den Entzug der Leverkusener Ehrenbürgerschaft (siehe auch SWB 1/12).

Kritik an Kölner Universität
Der Politologe Thomas Kliche hat den Kooperationsvertrag der Universität Köln mit BAYER scharf kritisiert und als „korporative Korruption“ bezeichnet. „Forscher mit Geld von Unternehmen finden häufiger die gewünschten Wirkungen und interpretieren ihre Ergebnisse netter zugunsten der Pillen“, sagte Kliche in einem Interview mit der taz. Er monierte auch die immer stärkere Abhängigkeit der Hochschulen von Drittmitteln, weil das die Einrichtungen den Wünschen der Konzerne gegenüber gefügiger mache. Um Transparenz zu gewährleisten, forderte der Wissenschaftler deshalb die Offenlegung der Vereinbarung und ergänzte: „Aber damit kann es nicht getan sein, weil solche Abkommen ja oft bewusst unverfänglich formuliert werden. Auch die Rahmenbedingungen müssen sich ändern. Da könnten interessanterweise Arbeitnehmervertretungen in der Forschung helfen, denn sie stärken die unteren Ebenen gegen den sanften Erwartungsdruck von oben.“

Anfrage zu Kooperationsverträgen
Einen Kooperationsvertrag, wie ihn die Kölner Hochschule mit BAYER vereinbart hat (siehe oben), schließen immer mehr Universitäten mit Wirtschaftsunternehmen ab. Die Partei „Die Linke“ nahm die Zusammenarbeit der Berliner Humboldt-Universität mit der DEUTSCHEN BANK zum Anlass, eine Anfrage an die Bundesregierung zu stellen. Diese sieht die Freiheit von Wissenschaft und Lehre durch solche Partnerschaften allerdings nicht gefährdet. Darum will sie auch keinen Handlungsbedarf erkennen, und zwar gerade im Namen dieser Freiheit. „Die grundgesetzliche garantierte Freiheit von Forschung und Lehre begrenzt die staatliche Einflussmöglichkeit“, so die CDU/FDP-Koalition. Auch an der Geheimhaltungspolitik, wie sie beispielsweise BAYER und die Kölner Uni mit Vehemenz verfechten, stört sie sich nicht. „Angesichts der vielfältigen Formen der Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft sowie der zahlreichen rechtlichen Implikationen, z. B. mit Blick auf den Schutz personenbezogener Daten, den Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen oder den Schutz geistigen Eigentums erachtet die Bundesregierung (...) eine generelle Pflicht zur Veröffentlichung von Kooperationsverträgen als rechtlich bedenklich“, heißt es in der Antwort.

Forscher warnt vor Glyphosat
Gentech-Pflanzen weisen Resistenzen gegenüber bestimmten Pestiziden auf und können auf den Feldern deshalb bis zum Abwinken mit ihnen besprüht werden. Das bekannteste Mittel ist Glyphosat, das hauptsächlich in Kombination mit MONSANTO-Genpflanzen der „ROUND UP“-Baureihe, aber auch mit BAYER-Produkten wie der Baumwolle „GHB 614“ zum Einsatz kommt. Der emeritierte US-Agrarwissenschaftler Don Huber hat den Präsidenten der Europäischen Kommission, Manuel Barroso, jetzt in einem Brief eindringlich vor Glyphosat gewarnt, da es seiner Meinung nach zahlreiche Risiken und Nebenwirkungen hat. So kann es zum Absterben von Soja-Gewächsen und zum Verwelken von Mais führen. Zudem senkt es Huber zufolge die pflanzen-eigenen Widerstandskräfte. Deshalb riet der Forscher der EU, keine Laborfrüchte zuzulassen, die den Gebrauch von Glyphosat nach sich ziehen.

Demo gegen Patente auf Pflanzen
BAYER & Co. betreiben die Privatisierung der Natur nicht nur vermittels der Gentechnik. Sie streben auch immer mehr Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen wie z. B. Brokkoli an. So hat das Europäische Patentamt BAYER unlängst geistiges Eigentum auf eine besser vor Mehltau geschützte Gurke sowie auf eine Ackerfrucht mit erhöhter Stress-Resistenz zugesprochen. Doch gegen das Vorgehen der Konzerne erhebt sich Widerstand. Am 26. Oktober 2011 kam es vor dem Europäischen Patentamt in München zu einer Demonstration gegen den botanischen Imperialismus der Agro-Multis.

Naturland ohne Nano
Die Nanotechnologie lässt Werkstoffe auf winzig kleine Größen schrumpfen. Dabei entwickeln BAYERs BAYTUBES und andere Nano-Produkte jedoch unbekannte und nicht selten gefährliche Eigenschaften. Wegen dieses Risiko-Profils hat sich der Ökoverband „Naturland“ entschieden, keine Lebensmittel, Kosmetika oder Verpackungsmaterialien auf Nano-Basis mit seinem Label zu versehen.

KAPITAL & ARBEIT

Erfolgreicher Arbeitskampf in Berkeley
Das BAYER-Werk in Berkeley gehört zu den wenigen US-Niederlassungen des Konzerns mit einer organisierten Arbeiterschaft. Darum gelang es in harten Tarifverhandlungen, die von Solidaritätsaktionen im ganzen Land begleitet waren, auch, deutliche Verbesserungen für die Beschäftigten zu erreichen. Die Gewerkschaft INTERNATIONAL LONGSHORE AND WAREHOUSE UNION (ILWU) vereinbarte mit der Betriebsleitung eine Entgelt-Steigerung von 3,1 Prozent über einen Zeitraum von vier Jahren, eine Begrenzung der Krankenversicherungskosten auf 18 Prozent des Gehalts sowie eine Sicherung der Arbeitsplätze. Donald Mahon von der ILWU sah den Erfolg als Bestätigung seiner Arbeit. „BAYER macht - so wie viele andere Unternehmen - Milliardenumsätze, aber damit sie den Arbeitern davon einen Teil abgeben, benötigt man gewerkschaftliche Organisation, Proteste sowie Druck von außerhalb und innerhalb der Werke“, so der Aktivist.

„Chemie Ost“ mit Entgelt-Angleichung
Im neuen Tarifvertrag für die ostdeutsche Chemie-Industrie ist es der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE gelungen, eine weitere Angleichung der Entgelte auf das West-Niveau zu erreichen. Gibt es bei den Eingangstarifen für verschiedene FacharbeiterInnen-Gruppen schon länger keine Unterschiede mehr, so soll nun auch die Differenz bei den vorgesehenen Erhöhungsstufen, die aktuell noch acht Prozent beträgt, schrumpfen. Zudem erweitert sich im Osten die Bemessungsgrundlage für die jährlichen Bonus-Zahlungen sukzessive, bis sie 2015 zum West-Wert von 95 Prozent des letzten Bruttogehaltes aufschließt.

IB BCE will Job-Garantie
Der Betriebsrat verhandelt mit der BAYER-Spitze über den Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen bis 2015. „Wegen massiver Umstrukturierungen, Ausgliederungen von Unternehmensteilen und angedrohtem Arbeitsplatz-Abbau benötigen die Beschäftigten klare Perspektiven und dauerhaft gesicherte Arbeit“, erklärte Gesamtbetriebsratschef Thomas de Win von der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE. Allerdings gestalten sich die Gespräche schwierig. Sie werden nicht wie eigentlich vorgesehen zum Jahresende 2011 enden, BAYER-Chef Marijn Dekkers kündigte eine Einigung erst für Mitte 2012 an. De Win indessen reicht die Job-Garantie nicht. Er forderte auch mehr Engagement für die Niederlassungen in der Bundesrepublik: „BAYER muss an allen deutschen Standorten investieren.“.

Lohnangleichung für LeiharbeiterInnen
Der Leverkusener Multi beschäftigt Hunderte von LeiharbeiterInnen. Ihre Lage dürfte sich bald bessern. Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) erzielte mit dem „Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister“ nämlich eine Einigung über eine Lohnangleichung. Nach einem Zeitraum von drei Monaten sollen die ZeitarbeiterInnen sukzessive Zuschläge erhalten, bis ihr Entgelt dem der Stammbelegschaft entspricht, so die Regelung. Auch anderen Leiharbeitgebern will die IG BCE dieses Modell vorschlagen. Es tritt allerdings erst in Kraft, wenn es den anderen DBG-Gewerkschaften ebenfalls gelingt, das „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“-Prinzip durchzusetzen. Einigen von denen geht die Vereinbarung jedoch nicht weit genug. So lehnt etwa VER.DI die Stufenanpassung ab. „Da sich die Höhe des Lohns nach der Entleih-Dauer richtet, würden lediglich die Einkommensunterschiede zwischen Stammbelegschaft und Leiharbeitern zementiert“, konstatiert Jörg Wiedemuth von VERDIs tarifpolitischer Grundsatzabteilung. Zudem nimmt er es der IG BCE übel, den Leiharbeitsvorstoß nicht mit den anderen Gewerkschaften abgesprochen zu haben.

Auflösung der Diagnostika-Sparte
Seit dem 2006 erfolgten Aufkauf von SCHERING hat BAYER viele Arzneien des ehemaligen Berliner Pharma-Riesen ausgemustert. Der Konzern gab sich nämlich nicht dessen mit Umsatz-Erwartungen zufrieden. Während SCHERING neuen Produkten die Vorgabe von 100 Millionen Euro machte, erwartet der Leverkusener Multi 200 bis 300 Millionen. Neuester Coup: Der Konzern will die Sparte mit den ererbten Diagnostika-Produkten auflösen, die er schon länger vernachlässigt, weshalb bereits viele SCHERING-Ehemalige das Unternehmen verlassen haben. Das Geschäft mit den Röntgenkontrastmitteln MAGNEVIST und ULTRAVIST schlägt der Global Player seiner Tochterfirma MEDRAD zu; für sein noch nicht marktreifes Präparat zur Alzheimer-Früherkennung sucht er einen Käufer. Nach Angaben des Pillen-Herstellers stehen mit den avisierten Veränderungen 100 Arbeitsplätze zur Disposition.

Die letzten SCHERING-Mohikaner
Als der Leverkusener Multi 2006 SCHERING übernahm, stellte er den Beschäftigten Vorteile aus dem Zusammenschluss in Aussicht. Die Realität sah jedoch anders aus. 1.000 Belegschaftsangehörige mussten sofort gehen, und viele SCHERING-Präparate stampfte BAYER ein (s. o.). Mit dem neuen BAYER-Chef Marijn Dekkers brachen dann noch härtere Zeiten an. Er tilgte den Namen SCHERING und unterstellte die Pillen-Schmiede direkt dem Kommando des Pharma-Chefs Jörg Reinhardt. Zudem verabschiedete er sich vom Ausbau des Berliner Standortes und ließ die dortigen Beschäftigten besonders hart unter seinem Arbeitsplatzvernichtungsprogramm leiden. Dies alles hatte Konsequenzen. Von den 96 Personen, die bei SCHERING einst in höheren Positionen tätig waren, arbeiten heute nach einer Berechnung des Betriebsrats gerade noch einmal vier für den Global Player, wie die Financial Times Deutschland berichtete.

Das Ende des Standortes Mishawaka
Im Zuge seines Rationalisierungsprogramms, das 4.500 Jobs kostet, strukturiert BAYER auch das Pharma-Geschäft in den USA um. So stehen bei MEDRAD, der Tochter-Firma für Medizin-Produkte, 60 bis 70 Jobs zur Disposition. Zudem plant der Gen-Gigant an der Ostküste ein neues Pharma-Zentrum, was die Existenz der anderen sechs Standorte in der Region bedroht. Eines wickelt der Pharma-Riese bereits ab. Er kündigte an, seine Niederlassung in Mishawaka schließen zu wollen. Die 130 Belegschaftsangehörigen, die dort für SIEMENS Diagnostika-Geräte herstellten, können zum Münchner Unternehmen wechseln. Die restlichen 270 stehen vor einer ungewissen Zukunft. Der Leverkusener Multi machte ihnen zwar ein Weiterbeschäftigungsangebot, das allerdings fiel ziemlich vage aus.

BAYER verkauft VIVERSO
Der Leverkusener Multi hat seine Tochter-Gesellschaft VIVERSO für 75 Millionen Euro an die Firma NUPLEX verkauft. „Damit trennt sich BAYER MATERIAL SCIENCE von dem Geschäft mit bestimmten konventionellen Lackharzen, das nicht mehr zur aktuellen Strategie des Unternehmens passt“, verkündete der Global Player. Er vernichtet damit 165 Arbeitsplätze innerhalb des Konzerns. Die Beschäftigten müssen vorerst jedoch nicht um ihre Jobs fürchten. NUPLEX kündigte an, die komplette Belegschaft übernehmen zu wollen.

JENAPHARM: Nur noch Vertrieb
Bereits 2006 hatte der Leverkusener Multi die Forschungsabteilung seiner Tochter-Gesellschaft JENAPHARM dicht gemacht. Nun wickelt er auch noch die Entwicklungssparte ab und vernichtet so 40 Arbeitsplätze. Künftig kümmern sich die verbleibenenen 200 Beschäftigten nur noch um den Vertrieb von Kontrazeptiva, Testosteron-Präparaten und Mitteln gegen Hautkrankheiten.

DYNEVO am Ende
Im Jahr 2001 hatte BAYER die Werksdruckerei DYNEVO ausgegliedert. In der Folge reduzierte der Multi die Arbeitsplätze von 230 auf 150. Zuletzt wollte er die Gesellschaft an BERTELSMANN verkaufen. Aber die Verhandlungen scheiterten. Deshalb kündigte der Konzern jetzt an, den Betrieb dicht zu machen.

Frauenanteil: 17 Prozent
Aktuell beträgt der Anteil von Frauen in Führungspositionen bei BAYER 17 Prozent. Der Leverkusener Multi hat sich zum Ziel gesetzt, diesen bis zum Jahr 2015 auf 30 Prozent zu steigern. Er will sich dabei allerdings nicht von der Politik auf die Sprünge helfen lassen. Der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers empfindet eine „gesetzliche Quote als nicht zielführend“.

Großverdiener Manfred Schneider
BAYERs Aufsichtsratschef Manfred Schneider bleibt König der Deutschland AG. Er sitzt nämlich nicht nur dem Kontrollgremium des Leverkusener Multis vor, sondern bekleidet diese Position auch bei LINDE und RWE. Einen einfachen Aufsichtsratssitz hat er zudem noch bei der ALLIANZ inne. Dafür streicht er insgesamt 1,1 Millionen Euro ein - so viel wie keiner seiner KollegInnen.

14,7 Millionen für Wenning
Der Leverkusener Multi sorgt für einen angenehmen Ruhestand seines Ex-Chefs Werner Wenning. 14,7 Millionen Euro hält er für dessen Lebensabend bereit - mehr haben nur MERCEDES und VW für ihre Ehemaligen übrig. Und Wennings Nachfolger Marijn Dekkers braucht sich ebenfalls keine Sorgen zu machen. Im letzten Jahr hat der Konzern schon über zwei Millionen Euro für seine Pension zurückgelegt, so viel wie kein anderes Dax-Unternehmen für seinen Vorstandsvorsitzenden.

ERSTE & DRITTE WELT

Indien: 138 Arzneitest-Tote
Von 2007 bis 2010 starben in Indien 138 Menschen bei der Klinischen Erprobung von BAYER-Medikamenten (siehe auch SWB 1/12). Insgesamt kamen bei den Pillen-Prüfungen von Big Pharma in dem Zeitraum 1.600 ProbandInnen ums Leben. Nach Ansicht der Multis haben jedoch zumeist nicht die Medikamente, sondern Vorerkrankungen wie Krebs zum Ableben der ProbandInnen geführt. Die amtlichen Stellen machen ebenfalls nicht die Pharmazeutika im Allgemeinen verantwortlich. Von den 668 Sterbefällen im Jahr 2010 schreiben sie 22 der direkten Einwirkung der getesteten Substanzen zu. Darunter befinden sich fünf BAYER-Opfer, allein vier Tote forderte das Präparat XARELTO. Die Tests mit diesem Blutverdünnungsmittel hatte bereits die US-Gesundheitsorganisation PUBLIC CITIZEN beanstandet, da ProbandInnen, welche die Konkurrenz-Substanz Warfarin bekamen, nicht die optimale Dosis erhielten und sich so einem erhöhten Schlaganfall-Risiko aussetzten. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hat in einem Offenen Brief an BAYER die Praxis des Konzerns scharf kritisiert, immer mehr Tests in ärmere Länder zu verlegen, weil dort unschlagbare Preise, schnellere Verfahren und eine mangelhafte Aufsicht locken, und eine umfassende Aufklärung über die Todesserie gefordert.

Kontrazeptiva-Kampagne in Afrika
Der Leverkusener Multi hat in Afrika eine Vermarktungsinitiative für seine Verhütungsmittel gestartet. Dazu ist er eine Partnerschaft mit der US-amerikanischen Entwicklungsbehörde USAID eingegangen, welche die Kosten für Erstellung und Verbreitung von Informationsmaterial zu den Pillen übernimmt. Die gemeinsame „Contraceptive Security Initiative“ will allen Frauen „mit mittlerem Einkommen in vorerst elf subsaharischen Entwicklungsländern Zugang zu bezahlbaren oralen Kontrazeptiva“ verschaffen. Um die Armen geht es also nicht; und um besonders arme Länder auch nicht. Äthiopien hat BAYER als Ausgangspunkt der Kampagne gewählt, weil die Märkte des Landes relativ gut entwickelt sind und eine hohe Nachfrage nach YASMIN & Co. besteht. „Einen neuen strategischen Ansatz und einen innovativen Weg zur Erschließung der Märkte in Entwicklungsländern“ nennt der Pharma-Riese das Ganze.

Freude über hohe Agrar-Preise
Die durch Finanzmarkt-Spekulationen zusätzlich hochgetriebenen Agrar-Preise bedrohen die Ernährungslage der Menschen in der „Dritten Welt“. Der Leverkusener Multi hingegen freut sich über die Entwicklung, denn die Mehreinnahmen der großen landwirtschaftlichen Betriebe führen zu einem gesteigerten Saatgut- und Pestizidabsatz. „All das deutet auf einen recht positiven Branchenausblick für den Rest des Jahres hin“, sagte BAYER-CROPSCIENCE-Chefin Sandra Peterson deshalb im September 2011.

Unnütze BAYER-Pillen in Indien
Die BUKO-PHARMA-KAMPAGNE hat die Geschäftspolitik BAYERs und anderer Pillen-Multis in Indien untersucht und kam zu einem wenig schmeichelhaften Ergebnis. So bewertete die Initiative von den 39 Präparaten, die der Leverkusener Multi dort in 77 Dosierungs- und Formulierungsarten vertreibt, nur neun als unentbehrlich. 40 sah sie als rational und 28 als irrational an. Aber selbst bei den unentbehrlichen Medikamenten wie RESOCHIN mit dem Wirkstoff Chloroquin hapert es, denn als Malaria-Theapeutikum taugt es wegen vermehrt auftretender Resistenzen nur noch bedingt. Und bei den als rational eingestuften Arzneien bemängelt der BUKO den oft viel zu hohen Preis. Die Liste der irrationalen Pharmazeutika führt mit dem Kontrazeptivum DIANE 35 ein Produkt an, das in der Bundesrepublik seit 1994 keine Zulassung mehr hat, weil es in Verdacht steht, Krebs auszulösen. Wegen der Nebenwirkung „Thrombose“ folgt das Verhütungsmittel YASMIN. Das Diabetikum GLUCOBAY und der Blutdrucksenker XIRTAM finden sich wegen Zweifeln an ihrer Wirksamkeit in dieser Kategorie wieder. Die Vitamin-Trunks wie BAYER‘S TONIC, EDINOL oder SUPRADYN hält der BUKO hingegen nicht nur für völlig nutzlos, sondern auch für gefährlich, denn sie enthalten teilweise Alkohol und belasten darüber hinaus das ohnehin zumeist schmale Budget der Familien unnötig. Zu allem Überfluss greift BAYER bei der Reklame für diese heikle Produkt-Palette dann auch noch zu dubiosen Praktiken. Besonders kritisiert die Pharma-Kampagne die aggressive YASMIN-Vermarktung in indischen Privatkrankenhäusern und die Kontrazeptiva-Schleichwerbung im Internet.

KONZERN & VERGANGENHEIT

Im Verbund mit Autokraten
In welchem Maße die von BAYER mitgegründeten IG FARBEN den Faschismus unterstützt haben, ist allgemein bekannt. Aber auch noch nach 1945 hielt es der Leverkusener Multi mit autoritären Regimes. So vollzog er in Südafrika bereitwillig die Apartheid mit und richtete in seinen Niederlassungen getrennte Kantinen und Toiletten für Weiße und Schwarze ein. Und 1978 klagte ein brasilianischer Gewerkschaftler über die Kollaboration von BAYER & Co. mit dem Militär-Regime: „Aus der Bundesrepublik Deutschland sind da insbesondere VW, DAIMLER-BENZ, MANNESMANN, KRUPP, BAYER, HOECHST, SIEMENS, BASF, VOIGT u. a. zu nennen. Man könnte die Liste beliebig fortsetzen, zu der etwa 50 große westdeutsche Konzerne gehören, die in Brasilien die Privilegien genießen, die ihnen die Militärdiktatur einräumt.“ In Peru verstand sich der Konzern ebenfalls prächtig mit den Generälen, weil diese den Beschäftigten keinerlei Rechte zubilligten. 1977 schrieb deshalb die Gewerkschaft von BAYER INDUSTRIAL S.A. an ihre KollegInnen in der Bundesrepublik einen langen Brief. „Die geheiligten Rechte der Arbeiter werden von den Unternehmern verletzt, d. h. der 8-Stunden-Tag, das Streikrecht, die Vorlage von Lohnforderungen, das Recht auf freie Meinungsäußerung, das Recht, Vollversammlungen durchzuführen und uns politisch zu organisieren. Wir bitten Sie, diese unsere Situation in Ihren Veröffentlichungen zu berücksichtigen und Ihren Protest zu erheben gegen diese Angriffe auf die Arbeiterschaft, gegen die Verfolgung von Sozialkämpfern und Gewerkschaftsführern, die verhaftet wurden und noch im Gefängnis sitzen, die deportiert wurden oder einfach verschwunden sind“, hieß es in dem Schreiben.

Die CUTTER-Impfkatastophe
1955 kam es in den USA zu einem folgenschweren Ereignis. Ein Impfstoff der BAYER-Tochter CUTTER gegen Kinderlähmung löste ebendiese aus, da er einen nicht sachgemäß deaktivierten Erreger enthielt. Neun Menschen starben, über 40.000 entwickelten Polio-Symptome. Als „CUTTER-incident“ ging der Fall in die Geschichtsbücher ein. Ein andere Version des Vakzins forderte in der Bundesrepublik zwei Todesopfer; 48 Menschen infizierten sich.

IG FARBEN & HEUTE

Börse ohne IG FARBEN
Auch nach 1945 bestand die IG FARBEN weiter. Der Zustand „in Auflösung“ hielt jahrzehntelang an. Immer wieder fand sich eine Gelegenheit, um alte Ansprüche wahren oder - etwa nach der Wiedervereinigung - neue formulieren zu können. In den 1990er Jahren hielten sich windige Investoren wie der CDU-Großspender Karl Ehlerding zudem gütlich am noch verbliebenen Grundkapital. Immer wieder vergeblich hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gefordert, die IG FARBEN zu liquidieren und ihr Vermögen an die ZwangsarbeiterInnen auszuzahlen. Das langsame Sterben des Unternehmens läutete jedoch erst die finanzielle Schieflage der Beteiligungsgesellschaft WCM ein, die den von BAYER mitgegründeten Mörderkonzern zwang, Insolvenz zu beantragen. Und nun steht das entsprechende Verfahren vor dem Abschluss, weshalb die Insolvenz-Verwalterin Angelika Wimmer-Amend ein Ende der Börsen-Zulassung der IG FARBEN beantragte.

POLITIK & EINFLUSS

BAYER bespitzelt die CBG
Der Leverkusener Multi lässt die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) bespitzeln. Er beauftragte das Kölner Unternehmen UNICEPTA - nach eigener Aussage die „Nr. 1 in Medienbeobachtung, Issue-Management und Pressearbeit“ - damit, Materialien über die CBG zu sammeln. Beschäftigte mussten sich in den Email-Verteiler der Coordination eintragen und Informationen anfordern. Darüber hinaus wertete die Online-Analyse-Abteilung die Web-Aktivitäten der CBG aus.

Staatssekretär bei „invite“-Einweihung
Helmut Dockter, Staatssekretär im nordrhein-westfälischen Forschungsministerium, wohnte der Eröffnung des Forschungszentrums „invite“ bei, das BAYER gemeinsam mit der Universität Dortmund betreibt. Die zu 70 Prozent aus Mitteln des Konjunkturpakets II finanzierte, 6,5 Millionen Euro teure Einrichtung soll Dockter zufolge helfen, den Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen zu profitablen Produkten zu beschleunigen und so den trotz Konjunktur-Einbruch stabilen bundesdeutschen Industrie-Sektor weiter stärken. „Die Landesregierung will, dass diese Krisenfestigkeit erhalten bleibt“, so der Staatssekretär. Zu den Projekten von „invite“ zählt etwa die Entwicklung einer Produktionsstätte in modularer Form, deren einzelne Komponenten unabhängig voneinander ausgetauscht werden können. Sieben Chemie-Firmen gehören dabei zu den Kooperationspartnern, zahlen tut allerdings die EU. 30 Millionen Euro Fördergelder steuert sie bei.

Voigtsberger bei BAYER
Wo einst nur das BAYER-Werk seinen Sitz hatte, da befinden sich heute Niederlassungen von 38 Unternehmen. Und immer noch ist Platz im Leverkusener Chemie-„Park“ - zuviel Platz. Die Anwerbe-Politik des Konzerns verläuft nämlich nicht allzu erfolgreich, da sich die gesamte Chemie-Branche ähnlich wie der Multi „gesundschrumpft“. Er musste sogar schon mit Floristik-Studios als Mietern vorlieb nehmen. Da diese Klientel andere Bedürfnisse hat, veranstaltete der Global Player vor ein paar Jahren sogar einen Architektur-Wettbewerb zur Umgestaltung des Geländes (SWB 4/07). Jetzt hat sich das nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerium der Problematik angenommen, die sich an den anderen Standorten des Konzerns ähnlich darstellt. Es veranstaltete eine Konferenz zur Zukunft der Chemie-„Parks“. Diese fand Mitte November 2011 passender weise auch gleich am BAYER-Stammsitz statt. Der zuständige Minister Harry Voigtsberger (SPD) sprach dem Global Player in seiner Eröffnungsrede gleich Mut zu. „Chemie-‚Parks‘ haben sich bewährt. Sie werden auch weiterhin ein Zukunftsmodell sein, wenn sie sich den aktuellen Herausforderungen wie Energie-Effizienz sowie nachhaltige Entwicklung stellen“, befand er.

BAYER sponsert Regierung
Auch im jüngsten Sponsoringbericht der CDU/FDP-Koalition ist BAYER wieder prominent vertreten. Mit insgesamt rund 65.000 Euro griff der Konzern den jeweiligen Bundesregierungen von Januar 2009 bis Dezember 2010 unter die Arme. Er sponserte unter anderem Weihnachtskonzerte, Empfänge zum Tag der deutschen Einheit und einen Saatgut-Kongress. Auch die Landesregierungen „unterstützt“ der Leverkusener Multi. So erhielt die „Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen beim Bund“ 8.000 Euro Zuschuss zum „Fest des Westens 2010“.

Dekkers VCI-Vize
Traditionell nehmen BAYER-Chefs Spitzenpositionen beim „Verband der Chemischen Industrie“ ein. Da macht auch der jetzige Vorstandsvorsitzende keine Ausnahme: Marijn Dekkers gehört neuerdings gemeinsam mit seinen Kollegen von MERCK und BASF zum Triumvirat der Vize-Präsidenten.

Dekkers im BDI-Präsidium
Der „Bundesverband der Deutschen Industrie“ (BDI) hat BAYER-Chef Marijn Dekkers in seinen erweiterten Präsidiumskreis gewählt.

Gutes China, schlechtes Deutschland
BAYER-Chef Marijn Dekkers nutzte die Einweihung eines neuen Kunststoffwerkes in Shanghai, um die chinesische Führung zu loben und Kritik am Investitionsklima in der Bundesrepublik zu üben. „Insgesamt hat es die chinesische Regierung bisher immer verstanden, das Wachstum zu managen“, sagte der Vorstandsvorsitzende. Die Bundesrepublik hingegen nutze ihr wirtschaftliches Potenzial nicht, da es Usus sei, „nur noch auf die Vermeidung kleinster Risiken zu pochen“, wie Dekkers im Hinblick auf die umstrittene Kohlenmonoxid-Pipeline formulierte (siehe auch IMPERIUM & WELTMARKT).

Obama stoppt CO2-Vorstoß der EPA
Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA wollte ab 2013 schärfere Kohlendioxid-Grenzwerte erlassen. Das aber verhinderte Barack Obama nach politischem Druck von Seiten der Konzerne. Vorher war es BAYER & Co. mit Verweis auf die schlechte Wirtschaftslage bereits gelungen, den Präsidenten von der Einführung eines Handels mit CO2-Verschmutzungsrechten und sowie von dem Ziel einer ehrgeizigen Emissionsreduktion abzubringen (siehe Ticker 1/10).

BAYER & Co. für Beitragssenkungen
BAYER & Co. fordern eine Senkung der Rentenversicherungsbeiträge. Die „Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände“ tritt für eine stufenweise Reduzierung von 19,9 auf 19,1 Prozent ein. Das brächte der Wirtschaft eine Ersparnis von rund vier Milliarden Euro.

Keine Netzgebühren für BAYER & Co.
Das neue Energiewende-Gesetz befreit BAYER und andere energie-intensive Unternehmen rückwirkend ab Januar 2011 von den Netzgebühren. Es gehe darum, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu fördern und gleichzeitig Industrieland zu bleiben, so begründet Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) laut stern die Subventionsmaßnahme. Zu zahlen haben das die Privathaushalte. Auf sie kommt nach einer Schätzung des „Bundes der Energieverbraucher“ eine Mehrbelastung von jährlich ca. einer Milliarde Euro zu. „Die Industrie massiv zu entlasten und allein die Kleinverbraucher die Zeche zahlen zu lassen, ist eine Dreistigkeit, die bisher ohne Beispiel ist“, protestiert deshalb Holger Krawinkel von der Verbraucherzentrale. Bleibt nur, auf ein Eingreifen der EU zu hoffen. Aber selbst dafür haben die Multis schon vorgesorgt. Sie fordern eine Ausgleichszahlung, falls Brüssel gegen die Ausnahmeregelung vorgehen sollte.

PROPAGANDA & MEDIEN

Die Dekkers-Inthronisierung
In der Fachzeitschrift prmagazin hat BAYERs Kommunikationschef Michael Schade aus dem Nähkästchen geplaudert. Er legte dar, wie umfassend die PR-Abteilung die Presse-Berichte über den neuen Konzern-Leiter Marijn Dekkers gelenkt hat. Als das Unternehmen die Nominierung bekannt gab und erste Artikel auftauchten, die das wenig schmeichelhafte Bild eines rücksichtslosen Sanierers zeichneten, ergriffen Schade & Co. sogleich Maßnahmen und diktierten 40 JournalistInnen eine nettere Story in den Schreibblock. Wenig später stellten sie den Schreiberlingen ihren Schützling bei einem Abendessen exklusiv vor. Das zweite Diner folgte dann kurz vor dem wirklichen Amtswechsel. Dekkers bekam dort die Gelegenheit, die ihm in den Mund gelegten Phrasen „Mehr Innovation, weniger Administration“ und „Evolution statt Revolution“ zu platzieren, die anschließend auch eine weite Verbreitung gefunden haben. Und momentan arbeitet Schade daran, seinem Chef trotz der verkündeten Vernichtung von 4.500 Arbeitsplätzen das Image eines Jobkillers zu nehmen und vermeldet schon erste Erfolge. „Die mediale Platzierung von Herrn Dekkers gelingt immer besser“, sagt er mit Verweis auf ein Interview in der Wirtschaftswoche und einen Beitrag im Handelsblatt. Die Financial Times Deutschland hingegen ließ sich nicht so leicht einspannen. Ihr Journalist Klaus Max Smolka wollte einmal Details über Stellenstreichungen veröffentlichen, die ihm ein BAYER-Beschäftigter zugespielt hatte, und verärgerte damit den Multi nachhaltig. Auch generell „nimmt er wahr, dass der Konzern die Zügel anziehe, um die Berichterstattung zu steuern“, gibt das prmagazin dessen Worte wieder.

Medialer Gen-Gau
Unermüdlich arbeitet EuropaBio daran, die Akzeptanz für die umstrittene Gentechnik zu erhöhen. Und für den Herbst 2011 hatte sich der Lobbyverband von BAYER & Co. einen besonderen Coup ausgedacht: Prominente „Pro-Gentechnik-Botschafter“ sollten für die Risiko-Technologie Reklame machen. Einem internen Papier zufolge hatten sich Bob Geldorf und Kofi Annan bereits „interessiert“ gezeigt. Die Genannten wussten von ihrem Gentech-Glück jedoch noch gar nichts. „Herr Annan ist kein Botschafter für EuropaBio und hat keine Absicht, den Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen zu fördern“, antwortete etwa ein Sprecher des ehemaligen UN-Generalsekretärs der englischen Zeitung The Guardian. Damit ging die PR-Offensive nach hinten los und entwickelte sich für EuropaBio zu einem medialen Gen-GAU.

Medialer Pipeline-GAU
Der Leverkusener Multi blickt neidvoll auf seinen Kölner Nachbarn SHELL. Der Öl-Konzern hatte es geschafft, ein mit der Gefährlichkeit von BAYERs zwischen Dormagen und Krefeld geplanter Kohlenmonoxid-Pipeline vergleichbares Projekt zu realisieren, ohne auf größeren Widerstand aus der Bevölkerung zu stoßen. Darum hat der Pharma-Riese die Leiterin der Abteilung „Corporate Policy and Advocacy“, Denise Rennmann, nebst anderen hochrangigen ManagerInnen zur Fortbildung in die Domstadt geschickt. „Wir haben mitgenommen, dass SHELL da sehr professionell kommuniziert hat“, resümierte BAYER-Sprecher Jochen Klüner. Der Global Player hatte nämlich frühzeitig das Gespräch mit AnwohnerInnen und Naturschutz-Initiativen gesucht, statt wie der Agro-Gigant allein auf Legislative und Judikative zu setzen. Bei ähnlich umstrittenen Vorhaben dürfte BAYER also zukünftig geschickter vorgehen. Darauf müssen sich alle Organisationen einstellen.

BAYERs EU-Lobbying
1,85 Millionen lässt sich der Leverkusener Multi seine Lobby-Aktivitäten bei der EU nach eigenen Angaben jährlich kosten. Was BAYER mit dem Geld so alles veranstaltet, darüber gibt der grüne EU-Abgeordnete Sven Giegold auf seiner Homepage einen kleinen Einblick. Der Parlamentarier dokumentiert dort nämlich sämtliche Annäherungsversuche. Und auf der langen Liste darf der Pharma-Riese natürlich nicht fehlen. So wollte er Giegold eine aus Unternehmenssicht verfasste „Studie“ zu den anstehenden Finanzmarkt-Reformen vorstellen. Der Global Player nutzt nämlich so umstrittene Instrumente wie Derivate - eine Art Wette auf Preissteigerungen oder -senkungen von Rohstoffen, Aktien, Währungen, Zinsen oder aber von Derivaten selber - und hat Angst vor Regulierungen. Zudem befürchtet der Pille-Riese, verschärfte Eigenkapital-Vorschriften für Banken könnten die Kreditvergabe erschweren. Auch die Meinung des Konzerns zum Grünbuch „Angemessene, nachhaltige und sichere europäische Pensions- und Rentensysteme“ sollte sich der Parlamentarier auf BAYERs Wunsch anhören. Und solche Avancen dürfte der Pharma-Riese auch den KollegInnen des Grünen-Politikers immer wieder machen.

EU will Werbeverbot lockern
Unter massivem Lobby-Einsatz versucht BAYER in Tateinheit mit der gesamten Branche seit geraumer Zeit, das EU-weite Werbe-Verbot für Medikamente zu kippen, um unter dem Siegel der „PatientInnen-Information“ mit seinem Milliarden-Etat noch ein wenig mehr Marketing betreiben zu können. Ganz ist ihm das nicht geglückt, denn explizite Reklame erlaubt der Gesetzesvorschlag weiterhin nicht. Dafür legt er den Begriff „Information“ recht weit aus. Darunter fallen beispielsweise auch Patientenschicksale und Krankengeschichten. „Dies wäre eine nachträgliche Legalisierung dessen, was Arzneimittel-Hersteller seit einigen Jahren praktizieren. So existieren z. B. zur Männergesundheit zahlreiche Seiten zum Thema Testosteronmangel oder der so genannten erektilen Dysfunktion, die dann in einem Atemzug auch auf entsprechende Arzneimittel zur Behebung des Mangels verweisen“, kritisiert die BUKO-PHARMAKAMPAGNE mit Verweis auf BAYERs Methoden zur Vermarktung von NEBIDO, TESTOGEL und LEVITRA. Studien, Gutachten und wissenschaftliche Veröffentlichungen gelten ebenfalls nicht als Werbung, weshalb der Pharmakologe Gerd Glaeske schon Böses ahnt. „Es gibt sehr viele Gefälligkeitsgutachten von Wissenschaftlern, die Wünsche der Pharma-Industrie erfüllen“, so der Forscher von der Universität Bremen. Und zu allem Überfluss dürfen MedizinerInnen und ApothekerInnen zudem bald Broschüren der Pillen-Riesen an die PatientInnen verteilen.

BAYER sponsort Weltverhütungstag
„Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar“, sagte einst der ehemalige US-Präsident Lyndon B. Johnson über seine Vorstellung von „Entwicklungshilfe“. Zum Behagen des Leverkusener Multis erfreut sich diese Ansicht sogar heute noch großer Beliebtheit, die „gigantischen Fruchtbarkeitsmärkte“ in den armen Ländern versprechen nämlich gute Absatzchancen für die Verhütungsmittel des Konzerns. Um die Geschäftsaussichten für YASMIN & Co. noch ein wenig zu verbessern, sponsert er darum auch 2011 wieder den Weltverhütungstag, der vor allem Jugendliche ansprechen soll.

BAYER sponsert Studierende
Der Leverkusener Multi umwirbt schon Studierende als zukünftige BAYER-KundInnen. So spendiert er beispielsweise StudentInnen der Tiermedizin Sezierbesteck, damit sie später auch schön seine Veterinär-Arzneien verschreiben.

BAYER will Forschungssubventionen
Unermüdlich fordert der Leverkusener Multi Steuererleichterungen für seine Forschungsanstrengungen. „In Europa fehlt dieses Instrument außer in Deutschland nur noch in Schweden, Solwenien, Rumänien und den baltischen Staaten“, klagte BAYERs Forschungsvorstand Wolfgang Plischke. In dem Interview mit dem Magazin GoingPublic drohte er in seiner damaligen Funktion als Vorstandsvorsitzender des vom Pharma-Riesen gegründeten „Verbandes der Forschenden Arzneimittelhersteller“ bei Nichtgewährung dieser Subvention sogleich mit Abwanderung. „Die Unternehmen können dieses Ungleichgewicht bei ihren Standort-Entscheidungen nicht ignorieren“, so Plischke.

200.000 Euro für Selbsthilfegruppen
BAYER sponsert Selbsthilfegruppen und PatientInnen-Organisationen in hohem Maße. Über 200.000 Euro verteilte der Leverkusener Multi 2010 allein an die bundesrepublikanischen Verbände. Aber natürlich nicht an alle. Zuwendungen erhalten hauptsächlich diejenigen, die der Konzern mit entsprechenden Medikamenten beglücken kann: Diabetes-, Krebs-, Bluter- und Multiple-Sklerose-Vereinigungen. Und das ist gut angelegtes Geld: „Wenn Firmen zehn Prozent mehr in Selbsthilfegruppen investieren, wächst ihr Umsatz um ein Prozent im Jahr“, hat der als Gesundheitsökonom an der Universität Bremen lehrende Dr. Gerd Glaeske einmal errechnet. International greift der Pharma-Riese noch tiefer in die Tasche. So bedachte er die Blutergesellschaften rund um den Globus 2010 mit über fünf Millionen Euro. Aber diese PR-Maßnahme ist auch bitter nötig. In den 1990er Jahren starben nämlich Tausende Bluter an HIV-verseuchten Blutprodukten des Pillen-Herstellers, weil er sein Präparat KOGENATE aus Kostengründen keiner sterilisierenden Hitze-Behandlung unterzogen hatte.

45.000 Euro an Krankenhaus
Im letzten Jahr hat der Leverkusener Multi 45.000 Euro an das Klinikum Bremen-Mitte gespendet, ein weiteres Krankenhaus der Stadt erhielt immerhin noch 5.000 Euro. Auch andere Multis zeigten sich großzügig. Die Gesundheitssenatorin Renate Jürgens-Pieper hätte diese Zahlen am liebsten unter Verschluss gehalten, die Veröffentlichung verdankt sich allein der Beharrlichkeit der HUMANISTISCHEN UNION. Für den Pillen-Multi dürfte sich die Investition lohnen. „Ein Pharma-Unternehmen wie BAYER zahlt das nicht aus gutem Willen zur Förderung eines guten Zwecks, die erwarten eine Gegenleistung“, kommentiert der Pharmakologe Peter Schönhöfer das Sponsoring.

45.000 Euro an „Arche“
BAYERs BEPANTHEN-Kinderförderung unterstützt seit längerem das Kinder- und Jugendwerk „Die Arche“, das dem evangelikalen Verband „Deutsche Evangelische Allianz“ angehört, und investiert damit in das SozialarbeiterInnen-Image des Konzerns. Wie im letzten Jahr honorierte er die Rückgabe einer leeren und den Erwerb einer neuen Packung der BEPANTHEN-Wundsalbe mit einem Euro für „Die Arche“. 45.000 Euro kamen so zusammen. Für die Verbreitung des PR-Coups sorgte als Medienpartner dann das Blatt Frau im Spiegel.

Umweltschutz-Studien bei BAYER
Als „Bluewashing“ kritisieren die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und andere Initiativen die Strategie der Konzerne, sich durch Kooperationen mit den Vereinten Nationen ein gutes Image zu verschaffen. Der Leverkusener Multi tut dies hauptsächlich durch ein Sponsoring der UNEP, des Umweltprogramms der UN. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit besuchten im Herbst 2011 50 Studierende aus Afrika, Asien und Lateinamerika Leverkusen, um ausgerechnet bei BAYER Studien zum Thema „Nachhaltigkeit und Umweltschutz“ zu betreiben.

Pestizid-Entlastungsstudie
BAYER & Co. behagt das schlechte Image ihrer Ackergifte nicht. Deshalb hat ihr „Industrieverband Agrar“ (IVA) bei Professor Harald von Witzke von der Berliner Humboldt-Universität eine Entlastungsstudie bestellt. Und Witzke, der schon häufiger vom Leverkusener Multi und anderen Unternehmen gesponserte Expertisen durchgeführt hatte und auch bereits als Autor des BAYER-Magazins re:source hervortat, lieferte das gewünschte Ergebnis. „Studie belegt Wohlstandsgewinn durch moderne Landwirtschaft“, konnte der IVA vermelden. Die Agrochemikalien schalten Unkraut, Pilze und Schadinsekten aus und bescheren den konventionell arbeitenden LandwirtInnen so eine viel reichere Ernte als den Biobauern und -bäuerinnen, so das Resultat der Forschungsarbeit. Witzke hatte sogar eine Zahl parat: Auf vier Milliarden Euro bezifferte er den Pestizid-Mehrwert. „Diese Studie darf nicht folgenlos bleiben“, forderte IVA-Geschäftsführer Volker Koch-Achelpöhler daraufhin, „... Es wird Zeit, auch jene Risiken klar zu benennen, die durch den Verzicht auf den modernen Pflanzenschutz erwachsen“.

Tag der offenen Tür
Mit dem Image des Leverkusener Multis ist es wegen umstrittener Vorhaben wie der Kohlenmonoxid-Pipeline und anderer Großprojekte nicht zum Besten bestellt. Darum unternimmt er viele Anstrengungen zur Rettung seines Rufes. Eine Gelegenheit dazu bot der „Tag der offenen Tür“, den BAYER und andere Chemie-Konzerne im „Jahr der Chemie“ mit besonders großem Aufwand gestalteten. In Leverkusen schaute sogar der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers persönlich vorbei, um „Chemie zum Anfassen“ zu präsentieren und Lust auf das „BAYER-Wissenschaftsabenteuerland“ zu wecken. Das größte Abenteuer boten dort Sängerinnen, welche die Forschungsphilosophie des Pharma-Riesen in Lied-Form vortrugen. Ansonsten gab es noch Chemie„park“-Führungen, Austellungen, Labor-Experimente, Hüpfburgen, Kakerlaken-Wettrennen, Flohzirkusse und TiermedizinerInnen-Sprechstunden.

TIERE & VERSUCHE

Mehr Tierversuche
Bei BAYER ist die Zahl der Tierversuche im Geschäftsjahr 2010 gegenüber 2009 von 171.251 auf 171.627 gestiegen. 92 Prozent davon unternahm der Leverkusener Multi mit Ratten und Mäusen, fünf Prozent mit Fischen und Vögeln und 0,6 Prozent mit Hunden, Katzen und Affen. Dazu kommen noch die Experimente, die der Konzern von externen Forschungszentren machen lässt. Sie wuchsen besonders stark an und erhöhten sich von 5.793 auf 19.785. „Der Anstieg ist durch die Tatsache zu erklären, dass wir mit einem Nutztier-Projekt in die finale Entwicklungsphase gekommen sind und gesetzlich geforderte Studien durchgeführt haben“, so das Unternehmen zur Begründung.

DRUGS & PILLS

YASMIN bleibt auf dem Markt
Auch in den USA sehen sich BAYERs Verhütungsmittel aus der YASMIN-Familie wegen ihrer Nebenwirkungen zunehmender Kritik ausgesetzt. Neuere Studien weisen ein bis um den Faktor 3,3 erhöhtes Risiko für Thromboembolien aus. 190 Todesfälle binnen der letzten zehn Jahren listet die US-Gesundheitsbehörde FDA auf. Darum hat sie sich Anfang Dezember mit dem Fall „YASMIN“ befasst. Mit 15 zu 11 Stimmen votierten die von der FDA berufenen ExpertInnen knapp dafür, das Mittel auf dem Markt zu lassen. Die Behörde dürfte den Leverkusener Multi nun lediglich auffordern, auf den Verpackungen dringlicher vor den Gesundheitsgefahren zu warnen. Ähnlich defensiv verfuhr bereits das hiesige „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“.

Erweiterte XARELTO-Indikation
Die US-Gesundheitsbehörde FDA hat das BAYER-Präparat XARELTO, bisher zur Thrombose-Vorbeugung nach schweren orthopädischen OPs im Einsatz, jetzt auch als Mittel zur Schlaganfall-Vorbeugung zugelassen. Sie setzte sich damit über viele, auch interne Bedenken hinweg. Eigene MitarbeiterInnen hatten sich noch Anfang September 2011 gegen die Genehmigung ausgesprochen, weil die von BAYER eingereichten Studien ihrer Meinung nach Fragen zu Herzinfarkt- und Blutungsrisiken aufwarfen. Zudem konnten sie im Vergleich zum bislang gebräuchlichen Wirkstoff Warfarin keinen therapeutischen Zusatznutzen entdecken. Aber die FDA setzte sich über diese Einwände hinweg. Nicht einmal Meldungen über Sterbefälle bei der Klinischen Erprobung des Mittels in Indien (siehe ERSTE & DRITTE WELT) konnten sie umstimmen. Der Institution waren derartige Zwischenfälle bekannt, wie sie der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN mitteilte: „Die Ärzte-Information führt Tod als mögliche Nebenwirkung auf, die während der Klinischen Tests mit XARELTO auftrat“. Bei Zulassungen gelte es immer, zwischen Wirksamkeit und Sicherheit eines Medikamentes abzuwägen, so die Behörde weiter. Dank dieser Abwägung zu Gunsten der Wirksamkeit und zu Lasten der Sicherheit kann der Leverkusener Multi mit einem XARELTO-Umsatz von zwei Milliarden Euro rechnen.

ALPHARADIN-Zulassung beantragt
Krebsmedikamente sind teuer, helfen zumeist wenig und haben allzuoft nur ein eingeschränktes Anwendungsgebiet. So auch das vom Leverkusener Multi gemeinsam mit dem norwegischen Unternehmen ALGETA entwickelte ALPHARADIN, das vermittels radioaktiver Strahlung das Wachstum von Prostatatumor-Zellen hemmen soll. Männern, bei denen eine Hormon-Behandlung erfolglos geblieben ist und sich zudem noch Metastasen im Knochen gebildet haben, verhalf es in einem Klinischen Test zu einem noch nicht einmal drei Monate längeren Leben. Trotzdem will BAYER für das Medikament im nächsten Jahr die Zulassung beantragen.

TRASYLOL-Wiederzulassung in Kanada
Im November 2007 musste BAYER das Medikament TRASYLOL, das MedizinerInnen bei OPs zur Blutstillung einsetzten, wegen der Nebenwirkung „Tod“ vom Markt nehmen. Mehrere Studien hatten die Gefährlichkeit des Medikamentes belegt. So analysierte der Harvard-Professor Alexander Walker die Unterlagen von 78.000 Krankenhaus-PatientInnen und konstatierte im Falle einer Behandlung mit TRASYLOL eine erhöhte Sterblichkeitsrate sowie ein größeres Risiko für Nierenversagen, Schlaganfälle und Herzerkrankungen. „2.653 Patienten mussten zur Dialyse und 2.613 Patienten starben“, hieß es in der Expertise. Trotz dieses Befundes hat Kanada der Arznei zur Versorgung von PatientInnen nach Bypass-Operationen eine Wiederzulassung erteilt. „Nach einer sorgsamen Überprüfung kam Health Canada (die staatliche Gesundheitsbehörde, Anm. Ticker) zu dem Schluss, dass der Nutzen von TRASYLOL die Risiken übersteigt“, hieß es zur Begründung. Zahlreiche MedizinerInnen mochten sich diese Meinung nicht anschließen und protestierten gegen die Entscheidung.

Lieber kein ASPIRIN COMPLEX
In unendlichen Variationen bietet der Leverkusener Multi seinen „Tausendsassa“ ASPIRIN mittlerweile an. So gibt es ASPIRIN COMPLEX zur Behandlung von Erkältungssymptomen seit Kurzem auch zum Anrühren mit heißem Wasser. Die unabhängige Fachzeitschrift arznei-telegramm rät von dem Mittel mit der Wirkstoff-Kombination Acetylsalicylsäure und Pseudoephedrin allerdings ab. Vor allem am Nutzen des Amphetamin-Abkömmlings Pseudoephedrin zweifelt das Magazin, weil es gegen eine verstopfte Nase nicht so gut wirkt wie andere Wirkstoffe und zudem noch mehr Nebenwirkungen hat. Als solche zählt die Zeitschrift Angstzustände, Schlaflosigkeit, Halluzinationen, Herzrasen und steigender Blutdruck auf. Sogar ein Herzinfarkt ist der Publikation zufolge belegt.

Keine Packungsbeschränkung für ASPIRIN
Immer mehr Menschen nehmen ASPIRIN ein, was vor allem der BAYER-Werbung geschuldet ist. Dem Konzern gelingt es mit seinen Kampagnen, das Präparat nicht mehr nur als Schmerztablette, sondern auch als Mittel zur Herzinfarkt-Prophylaxe zu vermarkten. Aber mit den Umsätzen (aktuell 776 Millionen Euro), steigen auch die Zwischenfälle. Dr. Friedrich Hagenmüller von der Hamburger Asklepios-Klinik schätzt die Zahl der Todesopfer durch die ASPIRIN-Nebenwirkung „Magenbluten“ allein in der Bundesrepublik auf 1.000 bis 5.000. Da er zudem den Nutzen des „Tausendsassas“ bei der Schmerzbehandlung anzweifelt, setzt er sich für eine Handelsbeschränkung ein. Die forderte das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) ebenfalls. Es trat dafür ein, die rezeptfrei abgegebenen Packungen von ASPIRIN und ähnlichen Produkten so zu verkleinern, dass sie nur noch für vier Tage reichen. Danach sollten die PatientInnen die Medikamente bloß noch auf Rezept bekommen. Dieser Vorschlag konnte vor dem auch mit Pharma-VertreterInnen besetzten „Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht“ allerdings nicht bestehen.

Doping mit ASPIRIN
ASPIRIN erfreut sich auch im Sport-Bereich zunehmender Beliebtheit. Besonders vor strapaziösen Marathonläufe greifen die TeilnehmerInnen gerne zu dem Tausendsassa oder zu anderen Schmerzmitteln. Nach einer Untersuchung des Pharmakologen Dr. Kay Brune nahmen beim Bonn-Marathon 2009 fast zwei Drittel der LäuferInnen ASPIRIN oder ähnliche Präparate ein. Unter der sportlichen Belastung steigt die Gefahr noch einmal stark an, dass die Nebenwirkungen durchschlagen, denn der Körper versorgt während dieser Zeit die für die Entgiftung zuständigen Nieren und den Magen/Darm-Trakt weniger mit Blut als üblicherweise. Die Folge: Nierenschäden und Magengeschwüre. „Manche Sportler müssen sogar unmittelbar nach der sportlichen Höchstleistung operiert werden und verlieren Teile ihrer inneren Organe“, so Brune.

LEGANTO neu auf dem Markt
BAYER bringt das bisher unter dem Namen NEUPRO bekannte Pflaster unter der Bezeichnung LEGANTO neu heraus. Eine entsprechende Kooperation mit dem NEUPRO-Hersteller UCB gab der Leverkusener Multi im Sommer 2011 bekannt. Das mit dem dopamin-ähnlich wirkenden Rotigotin versehene Pflaster ist zur Behandlung des Restless-Legs-Syndroms und zur Therapie von Parkinson im Frühstadium zugelassen. In einem späterem Stadium der Krankheit dürfen es die MedizinerInnen nur gemeinsam mit einem anderen Medikament verwenden. In Tests zeigte sich das Mittel bei dieser Indikation der Substanz Ropinirol unterlegen. Die „European Medicines Agency“ ließ das Medikament, zu dessen Nebenwirkungen Müdigkeit, Schwindel, Kopfschmerz und Übelkeit zählen, aber trotzdem zu.

VFA beklagt sinkende Pillen-Preise
Das 2010 erlassene „Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittel-Marktes“ hat die Pillen-Preise bis zum Jahr 2013 auf dem Stand von August 2009 eingefroren und den Hersteller-Rabatt für neue Medikamente von sechs auf 16 Prozent erhöht. Das hat nach Berechnungen des „Verbandes der Forschenden Arzneimittelhersteller“ (VFA), den BAYER gegründet hat, die Arzneien im Durchschnitt um drei Prozent billiger gemacht, was zu entsprechenden Mindereinnahmen bei den Pharma-Multis geführt hat. Allein das neue Rabatt-Reglement kostet die Konzerne 1,5 Milliarden Euro.

Personalisierte Medizin floppt
Die personalisierte Medizin, also die Entwicklung einer passgenauen, auf die jeweiligen Bedürfnisse der PatientInnen ausgerichteten Therapie-Form, erfüllt die in sie gesteckten Erwartungen nicht. „Die Sache ist komplizierter als gedacht“, räumt BAYERs Pharma-Forscher Jörg Müller ein. Besonders bei Herz/Kreislauf-Erkrankungen hapert es noch. „Kardiologische Erkrankungen sind auf molekularer Ebene viel weniger erforscht, als das bei Krebs-Indikationen der Fall ist“, stellt sein Kollege Helmut Haning fest. Zudem ist „Personalisierte Medizin“ oftmals nur ein Euphemismus für ein dem Großteil der PatientInnen nicht zumutbares Medikament. Wenn eine Arznei in einem Klinischen Test bei der Mehrheit der ProbandInnen keine positiven Effekte zeitigt, picken sich die Pharma-Multis die Minderheit heraus und deklarieren die Pille als maßgeschneidert für ebendiese Gruppe. Das hat auch der Leverkusener Multi vor. Da sein Pharmazeutikum XARELTO bei der Indikation „Thrombose“ in Tests nicht besser als die bisherige Standardmedikation abschnitt, will er sich nun diejenigen TeilnehmerInnen herausfiltern, bei denen es doch anschlug, um wenigstens ein personalisiertes XARELTO für dieses Anwendungsgebiet herausbringen zu können.

Neuer Anlauf für Positivliste?
Viele GesundheitsministerInnen haben sich schon bemüht, die unübersehbare Menge der auf dem Markt befindlichen Arzneimittel durch eine Positivliste zu beschränken. Allesamt scheiterten sie jedoch am Widerstand von BAYER & Co. Jetzt unternehmen CDU und FDP einen neuen Anlauf. Die Parteien wollen parallel zum LandärztInnen-Gesetz einen Modellversuch starten, der die MedizinerInnen auf die Verordnung bestimmter, in einem Katalog festgehaltener Arzneien verpflichtet. Warnungen vor einer „standardisierten Kochbuch-Medizin“ ließen da nicht lange auf sich warten, und allen bisherigen Erfahrungen nach zu urteilen, dürfte das Projekt keine großen Chancen haben.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Endosulfan-Verbot beschlossen
Jahrelang hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) den Leverkusener Multi aufgefordert, den in der Bundesrepublik schon längst verbotenen, besonders gefährlichen Pestizid-Wirkstoff Endosulfan in anderen Ländern ebenfalls nicht mehr zu vertreiben. Im vorletzten Jahr erklärte sich der Konzern endlich dazu bereit (SWB 3/09), nicht ohne jedoch noch einmal einen aggressiven Schlussverkauf zu veranstalten (siehe auch SWB 1/11). Und jetzt darf der Multi auch gar nicht mehr anders: Die 133 der „Stockholmer Konvention“ angeschlossenen Staaten haben sich zu einem weltweiten Bann entschlossen. Allerdings gestalteten sich die Verhandlungen schwierig, und Indien, China und Uganda stimmten der Einigung nur gegen die Gewährung von Ausnahmegenehmigungen zu. Ganz verschwindet das Ultragift damit also nicht.

PFLANZEN & SAATEN

Zugriff auf Hybridreis-Zucht
Ende September 2011 erwarb BAYER Zugriffsrechte auf das Hybridreis-Zuchtprogramm der brasilianischen Firma FAZENDA ANA PAULA. Bei Hybrid-Reis handelt es sich um solche Pflanzen, welche die LandwirtInnen nicht wiederaussäen können, was die Abhängigkeit von den Konzernen steigert (siehe auch SWB 1/10). Darum engagiert sich der Leverkusener Multi auch stark auf diesem Gebiet. Er hat in Ländern wie Indonesien, Brasilien, Burma, China, Thailand, den Philippinen und Vietnam Kooperationen mit den Regierungen vereinbart hat, um ARIZE und andere Sorten durchzusetzen. Bauern und Bäuerinnen haben mit ihnen denkbar schlechte Erfahrungen gemacht. So klagen etwa indonesische FarmerInnen über ARIZE, weil er hohe Produktionskosten verursacht, schlecht schmeckt und anfälliger gegenüber Schadinsekten ist. Da der Agro-Riese das Produkt zudem auf die industrielle Landwirtschaft zugeschnitten hat, warnt die Initiative ALLIANCE OF AGRARIAN REFORM MOVEMENT im Land bereits vor einem Bauernsterben durch ARIZE & Co.

Mehr Bioscience
BAYER entwickelt pro Jahr mehr als 100 neue Pflanzen- und Gemüsesorten. Und es sollen noch mehr werden. Der Konzern kündigte nämlich an, seine Forschungsausgaben in der Sparte „Bioscience“ bis 2015 auf 400 Millionen Euro zu verdoppeln. Und neben neuen Gentech-Arten (siehe GENE & KLONE) will der Agro-Multi mit diesem Geld auch mehr Saatgut und auf konventionellem Wege veränderte Ackerfrüchte entwickeln.

Weizen-Kooperation mit Uni
Der Leverkusener Multi hat mit der US-amerikanischen „South Dakota State University“ eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet „Weizen-Saatgut“ vereinbart. Nach dem Vertrag gewähren sich die Partner gegenseitig den Zugriff auf ihr Zuchtmaterial, was dem Konzern die Möglichkeit eröffnet, neue Sorten zu entwickeln. Das gewachsene Interesse des Global Players an der weltweit am häufigsten angebauten Kulturpflanze belegen auch neuere Kooperationen mit dem französischen Unternehmen RAGT, der australischen Forschungseinrichtung „Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation“ (CSIRO), mit dem israelischen Biotech-Betrieb EVOGENE und der Universität von Nebraska sowie der Erwerb zweier Zuchtprogramme von ukrainischen Gesellschaften. Der erste Weizen made by BAYER ist für das Jahr 2015 angekündigt.

Weizenzucht-Zentrum in Gatersleben
BAYER errichtet im Biotech„park“ Gatersleben ein Europäisches Weizenzucht-Zentrum und verstärkt damit sein Engagement auf diesem Gebiet (s.o.) weiter. Auf dem Gelände, auf dem sich auch das „Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzen-Forschung“ befindet, hat der Multi Großes im Sinn. „Unser Team im Europäischen Weizenzucht-Zentrum wird erstklassige, an europäische Bedingungen angepasste Sorten entwickeln. Mit diesen Sorten und unserem führenden Portfolio an Pflanzenschutz-Produkten werden wir in Zukunft Lösungen für eine nachhaltige Getreide-Produktion von der Aussaat bis zur Ernte anbieten können“, erklärte der Agro-Riese. Ähnliche Zentren wie das in Gatersleben plant er in den USA, in Australien, Asien und Lateinamerika. Und um auch den ganzen Nutzen aus der Wertschöpfungskette „Weizen“ ziehen und die LandwirtInnen in eine größere Abhängigkeit treiben zu können, fordert der Global Player auch für nicht per Gentechnik entwickelte Ackerfrüchte eine Patent-Regelung ein (siehe Ticker 4/11).

GENE & KLONE

BAYER testet Krebsmittel
Das Biotech-Unternehmen MORPHOSYS hat einen Antikörper zur Tumor-Behandlung entdeckt und will ihn gemeinsam mit BAYER bis zur Produktreife entwickeln. Die Klinischen Tests der Phase I haben im Herbst 2011 begonnen. Die bisherigen Erfahrungen machen allerdings skeptisch. Bislang ist es dem Leverkusener Multi noch nie gelungen, ein Krebspräparat auf den Markt zu bringen, welches das Leben der PatientInnen mehr als drei Monate verlängert.

BAYER-Gensoja nicht zugelassen
Ein ExpertInnen-Gremium der EU konnte sich nicht über die Zulassung von BAYERs Gensoja der BASTA-Produktreihe einigen. Deshalb muss sich jetzt eine höhere Instanz mit dem Fall beschäftigen. Die COORDINATON GEGEN BAYER-GEFAHREN tritt schon seit längerem für ein Importverbot ein. Die Pflanze ist nämlich durch eine auf gentechnischem Wege eingebaute Resistenz auf den Gebrauch des hochgefährlichen Herbizides Glufosinat abgestimmt, dessen Gebrauch die Europäische Union ab 2017 verboten hat.

Mehr Gentech-Forschung
BAYER will die Forschungsausgaben im Bereich „Bioscience“ bis zum Jahr 2015 auf 400 Millionen Euro verdoppeln. Da sich die Hälfte der Projekte in dieser Sparte mit der „grünen Gentechnik“ befasst, dürfte deshalb in Zukunft mit mehr Laborfrüchten made by BAYER zu rechnen sein.

Neues Gentech-Verfahren
Durch die Nutzung einer Technologie, die das US-Unternehmen PRECISION BIOSCIENCE entwickelt hat, ist es BAYER-ForscherInnen gelungen, eine neue Erbanlage in eine bereits gen-veränderte Pflanze einzubauen. „Durch die zielgenaue Integration vorteilhafter Pflanzen-Eigenschaften lässt sich die Produktentwicklung vereinfachen und die Zeit bis zur Marktreife verkürzen“, jubiliert der Konzern.

WASSER, BODEN & LUFT

„Map Ta Phut“-Gesetz scheitert vorerst
Im thailändischen Map Ta Phut liegt eine der größten Industriezonen der Welt. Sie sollte noch größer werden, aber den AnwohnerInnen reichten schon die bisherigen Umweltbelastungen. Sie klagten, und 2009 gab ein Gericht ihnen Recht. Es stoppte 76 Bauvorhaben, darunter zwei des Leverkusener Multis, der seine Bisphenol- und seine Polycarbonat-Produktion erweitern wollte (SWB 1/11). Inzwischen ist das Moratorium wieder aufgehoben. Die Regionalregierung versprach jedoch einen besseren Gesundheitsschutz. Eine unabhängige Kommission erarbeitete dann auch einen Gesetzesvorschlag. Der allerdings fand im September 2011 nicht die Gnade der Politik. Sie gab eine Überarbeitung in Auftrag, was die Initiative EASTERN PEOPLE‘S NETWORK zu herber Kritik veranlasste.

Kooperation mit der Müll-Mafia
BAYER und andere bundesdeutsche Unternehmen haben in den 1960er bis 1980er Jahren die Dienste der Mafia in Anspruch genommen, um ihren Giftmüll zu entsorgen. Die Abfälle landeten zunächst in Afrika. Als es dort zu Protesten kam, versenkte die kriminelle Vereinigung die Produktionsreste mitsamt Schiffen einfach auf hoher See. Ca. 30 von ihnen schlummern heute noch auf dem Meeresgrund. „Es war ein weitverzweigtes Netzwerk. Ein internationales Netzwerk, bestehend aus Drecksarbeitern und Saubermännern, bis in höchste politische Ebenen vernetzt, mit Ausläufern auf dem ganzen Erdball“, sagt der Journalist Sandro Mattioli, der gemeinsam mit seinem Kollegen Andrea Palladino über diesen Fall das Buch „Die Müllmafia“ geschrieben hat. Ernsthafte Bemühungen, diesen Skandal aufzudecken, gab es nur in den 1990er Jahren - und der damalige Hauptermittler Natale de Grazia bezahlte das mit seinem Leben.

Dormagen: Aus für Müllkraftwerk
Der Leverkusener Multi hat Planungen für ein Müllkraftwerk in Dormagen aufgegeben, da das zu erwartende Abfall-Volumen nicht ausreicht, um es rentabel betreiben zu können. Auch in Brunsbüttel stocken die Vorbereitungen für einen solchen Ofen, der mehr Schadstoffe produziert als herkömmliche Rückstandsverbrennungsanlagen, weshalb die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN die Bau-Bestrebungen bereits seit längerem kritisiert (siehe SWB 1/08).

BAYER initiiert „CleantechNRW“
Unter Nachhaltigkeit versteht der Leverkusener Multi vor allem Ressourcen-Effizienz. Aber die Umwelt profitiert im Gegensatz zum Unternehmensetat nicht unbedingt von einem sparsamen Umgang mit den Rohstoffen. So lobt sich der Konzern zwar immer wieder selbst dafür, den Energie-Einsatz pro Produktionseinheit heruntergefahren zu haben, schweigt aber lieber über den trotzdem in absoluten Zahlen gestiegenen Kohlendioxid-Ausstoß. Da wundert es nicht, dass sich der auf BAYERs Initiative hin entstandene Verbund „CleantechNRW“ auch diesem Paradigma verschrieben hat. „Ich bin überzeugt, dass CleanTechNRW einen hervorragenden Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit des Standorts NRW leisten kann. Auch, weil es sich mutig und klar zu bestimmten Zukunftsthemen bekennt - wie dem Klimawandel und der Ressourcen-Effizienz“, sagt etwa BAYER-Chef Marijn Dekkers. Neben solchen Projekten will sich das Cluster vor allem der Entwicklung von Batterien für Elektroautos und der Gewinnung von Wasserstoff und Methan aus gasförmigen Abfallstoffen widmen.

BAYER sieht Energiewende skeptisch
Der Leverkusener Multi vermag dem Ausstieg aus der Atomkraft nichts Positives abgewinnen, weil er höhere Energiekosten befürchtet. Auf die Frage des Magazins Process: „Könnte die Energiewende im Hinblick auf eine energie-effiziente Produktion zum Antrieb werden?“ antwortete BAYER-Chef Marijn Dekkers: „Daran glaube ich nicht. Wäre es so, müssten sich alle Mitbewerber um deutsche Standorte reißen, um in den Genuss dieser ‚Antriebskräfte‘ zu kommen.“

Plan B zum Gaskraftwerk
Nach massiven Protesten musste TRIANEL darauf verzichten, auf dem Gelände von BAYERs Chemie„park“ in Krefeld ein klima-schädigendes Kohlekraftwerk zu errichten. Nun plant BAYER gemeinsam mit TRIANEL ein Gas- und Dampfkraftwerk. Aber so ganz in trockenen Tüchern ist das Vorhaben noch nicht. „Ob dieses Projekt wirtschaftlich umsetzbar ist, wird sich im Laufe der Projekt-Entwicklung zeigen“, heißt es von Seiten des Leverkusener Multis. Darum hält er sich auch die Alternative einer „Eigenlösung“ offen und hat bei der Bezirksregierung einen Genehmigungsantrag zum Bau einer gas-betriebenen Kessel-Anlage gestellt.

Emissionshandel ohne Effekt
Vor einigen Jahren hat die EU den Emissionshandel mit Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten eingeführt. Er sieht vor, BAYER & Co. CO2-Emissionen nur in einem bestimmten Volumen zu gestatten. Alles, was über ein bestimmtes Limit hinausgeht, sollte den Konzernen teuer zu stehen kommen. Aber die disziplinarische Wirkung dieser Maßnahme hält sich in Grenzen. Die Unternehmen erhalten nämlich immer noch viel zu viel Gratis-Lizenzen zur Klimaschädigung. 1,97 Milliarden Tonnen Kohlendioxid dürfen sie 2013 ungestraft ausstoßen, nur geringfügig weniger als momentan (2,08 Milliarden Tonnen). So kann der Leverkusener Multi munter seinen CO2-Ausstoß steigern (aktuell 8,5 Millionen Tonnen), „ohne in größerem Umfang Zertifikate zukaufen zu müssen“, wie es im Nachhaltigkeitsbericht heißt.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

BAYER drittgrößter Chlorproduzent
Chlor-Verbindungen gehören zu den gesundheitsschädlichsten und umweltbelastendsten Substanzen überhaupt. Trotzdem unternimmt BAYER kaum Anstrengungen, das Gas als Grundstoff für Chemie-Produkte wie etwa Polyurethan zu ersetzen. So stellen in Europa nur noch DOW CHEMICAL und SOLVAY mehr Chlor her als der Leverkusener Multi. Auf eine Jahres-Kapazitä