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Veröffentliche Beiträge in “Presse-Infos”

Jan Pehrke
Chefredakteur SWB
+49 178 3359268
presse@cbgnetwork.org

Pressestimmen: Die Arbeit der Coordination im Spiegel der Medien.

[HV Lanxess] Lanxess

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 16. Juni 2005

Hauptversammlung der Lanxess AG: Entlastung verweigert

„Ausgliederung geht zu Lasten von Belegschaft und Umwelt“

Anlässlich der heutigen Hauptversammlung der Lanxess AG in Düsseldorf monieren Kritiker den Sparkurs des neuen Unternehmens. Dieser gehe zu Lasten von Belegschaft und Sicherheit. Axel Köhler-Schnura von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Die Chemie-Produktion bei BAYER war keinesfalls defizitär - sie genügte nur nicht den Profitzielen der Kapitaleigner. Die Zeche für die Ausgliederung zahlt nun die Belegschaft“. Lanxess kündigte Anfang Juni an, knapp 1000 Arbeitsplätze zu vernichten und die Gehälter zu kürzen. Das Lanxess-Werk in Dormagen soll größtenteils geschlossen, der Bereich Kunstfasern zudem verkauft werden. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) fordert, Vorstand und Aufsichtsrat wegen der unsozialen Geschäftspolitik nicht zu entlasten.

Auch die Sicherheitslage in den teilweise hochgefährlichen Werken hat sich durch die Ausgliederung nicht erhöht - im Gegenteil. Im spanischen Murcia brannte ein Werk fast vollständig ab, die Produktion ruht seitdem. Im Leverkusener Werk gab es im Januar einen Großbrand. Unter besonderer Kritik steht auch die Lanxess-Fabrik im südafrikanischen Durban, in deren Nähe hochgefährliches Chrom im Grundwasser gefunden wurde - Lanxess musste für die Sanierung eine Rückstellung von 40 Millionen Euro bilden. Die CBG fordert, die zurückgestellten Gelder für eine gründliche Dekontamination des Geländes und eine Entschädigung aller Vergiftungsopfer zu verwenden.

Proteste gibt es zudem gegen die hohe Zahl von Störfällen im Lanxess-Werk Addyston/USA. Dort war mehrfach das krebserregende Acrylnitril ausgetreten. Ruth Breech von Ohio Citizen Action, einem Umweltverband mit 100.000 Mitgliedern: „Das Werk befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft von einem Kindergarten und einer Grundschule. Allein im letzten halben Jahr gab es 16 Unfälle, neun Mal traten giftige Chemikalien aus.“ Ohio Citizen Action fordert anlässlich der Lanxess-Hauptversammlung eine Entlassung der Werksleitung von Addyston und ein sofortiges Ende der Vergiftung der Nachbarschaft des Werks.

Philipp Mimkes von der CBG ergänzt: „Die Vernachlässigung von Gesundheit und Umwelt zugunsten von Konzernprofiten hat bei BAYER und Lanxess System. Durch die angekündigten weiteren Sparmaßnahmen wird die Sicherheitslage in den Lanxess-Werken noch prekärer. Die Produktion gefährlicher Stoffe wie Acrylnitril oder Phosgen hat nichts in der Nähe von Wohngebieten zu suchen“.

Hauptversammlung

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 29. April 2005

Proteste auf der heutigen BAYER-Hauptversammlung in Köln

„Vorstand muss Entlastung verweigert werden“

Kritiker des BAYER-Konzerns attackieren auf der heutigen Hauptversammlung in Köln die Geschäftspolitik des Unternehmens. Im Mittelpunkt der Proteste stehen die Arbeitsplatzvernichtung bei BAYER, umweltschädliche Chemikalien, illegale Kartellbildung sowie Kinderarbeit bei Zulieferern des Unternehmens.

Daniela Rosche vom europäischen Netzwerk Women in Europe for a Common Future bemängelt den anhaltenden Widerstand der deutschen Industrie gegen eine verbesserte EU-Chemikaliengesetzgebung (REACH): „Ist ihnen die Gesundheit ihrer Familie, ihrer Arbeitnehmer und der nachkommenden Generationen wirklich egal? Warum sonst setzen sie sich in Brüssel für Veränderungen am REACH-Vorschlag ein, die ihnen und uns allen nur Nachteile bringen, da sie keinerlei Beitrag zum Gesundheitsschutz leisten werden?“, so Rosche an die Adresse des BAYER-Vorstands.

Jan Pehrke von der Coordination gegen BAYER-Gefahren kritisiert den anhaltenden Abbau von Arbeitsplätzen bei gleichzeitiger Erhöhung der Vorstandsbezüge: „Die vier Vorstandsmitglieder strichen im vergangenen Geschäftsjahr gut zwei Millionen Euro mehr ein als 2003, allein BAYER-Boss Werner Wenning genehmigte sich eine Lohnerhöhung von 48 Prozent. Gleichzeitig vernichtete der Konzern an den deutschen Standorten 2.400 Arbeitsplätze. Dieses Jahr fallen weitere 750 Stellen weg.“

In seinen Gegenanträgen weist der Verein auch darauf hin, dass sich BAYER seit Jahren an illegalen Kartellen beteiligt. „Allein im vergangenen Jahr wurde BAYER vier Mal bei Preisabsprachen erwischt, die Strafzahlungen liegen bei über 100 Millionen Dollar. Seit Jahren ändert sich nichts an dieser Praxis, Kontrollmechanismen oder auch nur ein Unrechtsbewußtsein scheinen im BAYER-Vorstand nicht zu existieren“, so Pehrke weiter.

Ein weiterer Kritikpunkt in der Versammlung: Mehr als 1.500 Kinder arbeiteten im abgelaufenen Geschäftsjahr für indische Zulieferer des BAYER-Tochterunternehmens ProAgro. Auf öffentlichen Druck hin räumte das Unternehmen die Mißstände ein und legte in dieser Woche einen Aktionsplan vor. „Wir freuen uns gemeinsam mit unseren indischen Partnern, dass BAYER jetzt mit neuen Plänen auf die Proteste reagiert“ sagt Udo Schlüter, Geschäftsführer des Eine Welt Netz NRW: „Es kommt zukünftig darauf an, dass BAYER seine Versprechen ernsthaft umsetzt und dass die Ursachen für Kinderarbeit beseitigt werden.“

An den Protesten beteiligen sich auch Imker, da das BAYER-Pestizid Imidacloprid für das großflächige Bienensterben in Europa mitverantwortlich ist. Die Kritiker fordern wegen der Fülle von Problemen, die durch die Geschäftspolitik von BAYER verursacht werden, die Nicht-Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat (siehe den Gegenantrag im vollen Wortlaut).

Dhünnaue

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 15. April 2005

„Kein Feigenblatt auf der Dhünnaue“

Proteste zur morgigen Eröffnung der Landesgartenschau in Leverkusen

Anlässlich der morgigen Eröffnung der Landesgartenschau in Leverkusen üben Umweltorganisationen scharfe Kritik an dem „Feigenblatt auf der Dhünnaue“. Unter dem Gelände der LaGa liegen mehrere hunderttausend Tonnen Giftmüll aus dem BAYER-Werk Leverkusen, darunter hochgefährliche Schwermetalle und Chlorverbindungen. Mehrere Gruppen werden morgen am „Eingang Mitte“ der Landesgartenschau protestieren. Ab 14 Uhr spielen Jugendliche mit der BUNDjugend NRW Straßentheater und greifen in einem selbst erarbeiteten Stück die Problematik der Giftmülldeponie auf.

Uwe Friedrich von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Mit Hilfe der Landesgartenschau soll vergessen gemacht werden, dass der BAYER-Konzern über Jahrzehnte hinweg die Gefahren der Dhünnaue - der größten bewohnten Giftmülldeponie Europas - verharmlost hat. Die Deponie vergiftete das Grundwasser und schädigte die Gesundheit zahlreicher Anwohner. Nur teilweise abgesichert soll nun im wahrsten Sinne des Wortes Gras über den Skandal wachsen.“

Dirk Jansen, Geschäftsleiter des Bund für Umwelt und Naturschutz NRW, ergänzt: „Ich halte es für bedenklich, dass eine Altlast von BAYER zur Kaschierung des Skandals in ein Vorzeigeprojekt veredelt wird - und das auch noch mit öffentlichen Geldern.“

Von einer nachhaltigen Sicherung der Deponie kann nicht gesprochen werden: Das verseuchte Erdreich wurde weder abgetragen noch vollständig umschlossen. Teile des Geländes wurden nur mit einer oberflächlichen Abdeckung versehen. Nach unten ist die Müllkippe weiterhin offen, daher müssen stündlich 750 Kubikmeter verseuchtes Wasser abgepumpt und gereinigt werden. „Bei Hochwasser können noch immer Gifte ausgespült werden und in den Rhein gelangen“, so Uwe Friedrich weiter.

Auf der Dhünnaue wurden in den 50er Jahren 300 Wohneinheiten, eine Schule, ein Altersheim und ein Kindergarten errichtet. Medizinische Gutachten zeigten bei hunderten von Anwohnern Veränderungen des Blutbilds. In der Hauptschule Adolfsstraße, die am Rand des Geländes lag, traten laut SPIEGEL 15 Krebserkrankungen und fünf Todesfälle auf - viel mehr, als statistisch zu erwarten wäre (s. Artikel unten). Die Gesamtzahl der Opfer ist jedoch unbekannt. Weder BAYER noch die Stadt Leverkusen erfassten die Erkrankungen im Umfeld der Deponie systematisch.

In einem Gutachten hatte das „Landesamt für Abfall und Wasser“ schon 1987 festgestellt: „Die untersuchten Boden-Eluate zeigen eine mehr oder weniger hohe, teilweise extreme Belastung des Bodens mit Schadstoffen. Die Schadstoffe sind bereits so weit in den Untergrund eingedrungen, dass auch das Grundwasser davon betroffen ist. Dieser Umstand ist äußerst bedenklich, vor allem im Hinblick auf eine mögliche Gefahr für das Trinkwasser (...) Eine Kontamination z. B. spielender Kinder oder weidendem Vieh ist nicht auszuschließen“.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) fordert eine vollständige Sicherung des Geländes auf Kosten des BAYER-Konzerns sowie einen Gedenkstein für die Opfer der Dhünnaue auf dem Gelände der Landesgartenschau. Uwe Friedrich von der CBG: „Der Premium Sponsor BAYER darf die Geschichte der Dhünnaue nicht umschreiben. Die Landesgartenschau hat nur dann eine Berechtigung, wenn sie die Gefährdung von Umwelt und Bevölkerung durch die Chemie-Industrie umfassend thematisiert.“

„DER SPIEGEL“ 13/1992, S. 80 bis 85

Bitterfeld am Rhein

Leverkusen erlebt einen beispiellosen Chemieskandal. Bei Menschen, die auf einer Giftmüllkippe leben, häufen sich Krebserkrankungen.

Von 1968 bis 1987 hatte Bernward Prinz an der Gemeinschaftshauptschule im Leverkusener Stadtteil Wiesdorf unterrichtet. Als Werkkunstlehrer musste Prinz häufig in die Abstellräume im Keller, und da, erinnert sich der Pädagoge, „stank es schon mal“. Vor zwei Jahren, Prinz war als Konrektor an eine Kölner Schule gewechselt, spürte der 49jährige Schluckbeschwerden. Der sechste Arzt, den Prinz aufsuchte, stellte eine deprimierende Diagnose: „Tonsillen-Karzinom“, ein Krebs der Mandeln. Fünf schwere Operationen hat der Pädagoge seither durchlitten, nun erwartet er seine Zwangspensionierung.

Edwald Möller war Hausmeister an der Wiesdorfer Schule. Im Keller des Gebäudes trocknete er in seinen 20 Dienstjahren nach Rhein-Hochwassern „Pfützen mit Farben, so schillernd wie ein Regenbogen“. Hin und wieder fand der Pedell „bunte Ausblühungen hinter abbröckelndem Putz“. Im Jahr 1989, lange nach seiner Pensionierung, klagte der damals 70jährige über Schlaflosigkeit und Schweißausbrüche. Ärzte teilten dem Kranken mit, er leide an „chronisch-lymphatischer Leukämie“, einem Blutkrebs.

Der Ort, an dem Möller und Prinz jeweils 20 Jahre lang wirkten, lässt sich unwirtlicher kaum denken: Eine Aschenbahnlänge trennt die 1960 errichtete Schule an der Wiesdorfer Adolfsstraße vom dröhnenden Lärm der Autobahn Al im Norden. Im Westen schmiegen sich die Schulgebäude und ein benachbarter Kindergarten eng an den Autobahnzubringer Westring. Von Süden her grüßen die qualmenden Schlote des Chemieweltkonzerns Bayer (165000 Beschäftigte, über 40 Milliarden Mark Jahressumsatz).

An Abgase und Autolärm hatten sich die Anrainer der sogenannten Dhünnaue in Leverkusen wohl oder übel gewöhnen müssen. Einen Schock aber löste bei vielen die Mitteilung aus, dass sie gleichsam auf einer gigantischen Müllkippe hocken: einer Deponie von 68 Hektar, auf der die Bayer AG zwischen den zwanziger Jahren und 1963 Schutt, Produktionsrückstände und andere giftigen Chemiemüll abgeladen hatte.

Wie in einem „Fortsetzungsdrama ohne Ende“, sagt Marianne Hurten, Grünen-Abgeordnete im Düsseldorfer Landtag, komme nun, nach und nach, die Wahrheit ans Licht.

Die Grünen-Politikerin, zugleich Betriebsrätin der Bayer-Werke, vergleicht die Dhünnaue mit der meistverseuchten Chemieregion im deutschen Osten: „Die Bitterfelder haben ihren Silbersee“, sagt sie, „in der Farbenstadt Leverkusen war alles etwas bunter - eben eine Farbkloake“.

Bereits im Mai 1989 hatte die „Beratende Ingenieursgesellschaft Dr.-Ing. Björnsen“ in einem Gutachten für die Stadt Leverkusen gefordert, die Dhünnaue südlich der Al „unverzüglich“ zu sichern und zu versiegeln: „Geeignete Maßnahmen“ seien von Nöten, um „die Kontaktmöglichkeit Mensch-Boden zu unterbinden“.

Auf dem bislang untersuchten Areal dürfe „keine landwirtschaftliche und gärtnerische Nutzung des Bodens“ mehr erfolgen. Die Altlast solle „nicht mehr als Lebensraum für Pflanzen und Tiere genutzt werden“.

Was die Bayer AG einst - im Einvernehmen mit der von ihr finanziell weitgehend abhängigen Stadt Leverkusen - alles in die Dhünnaue gekippt hat, ist heute nur noch zu erahnen. Bislang wurden lediglich Proben aus dem 25 Hektar umfassenden Gebiet südlich der Al und westlich der Schule Adolfsstraße entnommen. Allein hier hat der Chemiekonzern rund drei Millionen Tonnen Müll abgeladen.
Womöglich, warnte bereits der Düsseldorfer FDP-Landtagsabgeordnete Hans-Joachim Kühl nach Gesprächen mit Bayer-Beschäftigten, sei das „Gefährdungspotential“ der Dhünnaue-Deponie größer als die Bedrohung durch die Gifte „in der Erde von Bitterfeld“. Diese Befürchtung hätten ihm Mitarbeiter der Umweltschutzabteilung von Bayer anvertraut.

Die vom Ingenieurbüro Björnsen ausgewerteten Boden- und Wasserproben stützen das Szenario von einem Bitterfeld am Rhein: „Im Oberboden“ der Deponie fanden sich „auffällig hohe Konzentrationen“ von Schwermetallen und giftigen organischen Verbindungen wie Chlorbenzole, Chlortoluole und polychlorierte Biphenyle.
Der „eigentliche Deponiekörper“ ist sogar „mit einem erweiterten Spektrum an Schadstoffen und in deutlich höheren Konzentrationen belastet“; die giftigen Schwermetalle Chrom und Blei finden sich in schier unglaublichen Konzentrationen (22 beziehungsweise 34 Gramm je Kilogramm - g/kg), für Chlorbenzole wurden Werte bis zu 45 g/kg gemessen.

Das Grundwasser ist im gesamten Untersuchungsbereich durch deponiebürtige Stoffe deutlich belastet; „Kratzproben von Kellerfußböden in den Häusern der Siedlung Rheinallee belegen, dass die Deponie ihr Gift gleichsam ausschwitzt - nachgewiesen wurden Blei (21 g/kg), Chrom (20 g/ kg) und eine ganze Palette giftiger organischer Verbindungen.

Die Luft nahe dem Boden “außerhalb bebauter Flächen„ weist “relative Konzentrationen„ von Schadstoffen wie Benzol auf; im Laub von Pflanzen wurden “erhöhte Gehalte„ an Schwermetallen wie Blei, Chrom, Arsen und Cadmium entdeckt. “Mehr als 20„ der 57 in den Proben nachgewiesenen “Stoffe bzw. Stoffgruppen„ gelten als “kanzerogenverdächtig„ oder sind sogar “nachgewiesenermaßen krebserregend„.

Vollends zum Skandal wird der Fall Dhünnaue durch den Umstand, dass, allen Warnungen zum Trotz, noch immer 106 Familien auf der Giftmüllkippe zwischen Rhein und Al leben - in Häusern, die zwischen 1952 und 1953 errichtet wurden.
Und: Nach wie vor unterrichten Lehrer ihre Schüler an der Gemeinschaftshauptschule Adolfsstraße, tummeln sich Pennäler auf dem Schulhof, bringen Eltern ihre Kinder in den benachbarten Kindergarten. Den Betroffenen, so beschwichtigte noch vor vier Wochen der SPD-Landtagsabgeordnete Ludgerus Hovest, sei durch das “Verbreiten von Horrorgemälden„ nicht geholfen.

Nötig, so der SPD-Politiker, sei vielmehr die “Analyse des Problems, das Aufzeigen von Lösungen und deren Umsetzung„. Die “Altlast Dhünnaue„, bestätigte SPD-Umweltminister Klaus Matthiesen die Sicht des Genossen Hovest, sei “ein hochkomplexer und schwieriger Fall, zu dem es bundesweit bisher kaum eine Parallele gibt„.

Ruchbar wurde der Umweltskandal 1987, als für einen Teil der Dhünnaue zu Planungszwecken eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorgenommen wurde. Damals waren, unter anderem in Kellerräumen der Schule, alarmierende Konzentrationen von Giften wie Xylol entdeckt worden.

Was seither geschah, liest sich wie eine Chronik des Versagens: Die Stadt reagierte auf die Xylol-Funde von 1987 lediglich mit ein paar Empfehlungen -die Gartennutzung müsse eingeschränkt werden, Kinder dürften nicht mehr auf den Wiesen der Dhünnaue spielen, unbefestigte Wege und Freiflächen wurden mit einem “Begehungsverbot„ (Ordnungsstrafe: 200 Mark) belegt.

Im Februar 1988 bekannte sich Bayer zu seinen Altlasten und gelobte, sich an der Sanierung der Deponie zu beteiligen. Einen Monat später verlangten Leverkusener Ärzte, die Bewohner der Deponie aus medizinischen Gründen umgehend umzusiedeln. Juni desselben Jahres begann der medizinische Gutachter Hans Joachim Einbrodt mit der Untersuchung von 828 Betroffenen. Im Februar 1989 wurden Kinder aus der Adolfsstraße erneut überprüft.

Ergebnis: 25 Prozent der Probanden von 1988 wiesen “auffällige Befunde„ des Blutbildes auf. Bei 16 Prozent der untersuchten Schüler fanden sich Veränderungen am Blutbild. Eine “akute„ Gefährdung der Betroffenen vermochte der Gutachter zwar nicht zu erkennen, er riet gleichwohl dazu, die Schule zu schließen. Denn über eine mögliche “chronische Gefährdung der Probanden„, so Einbrodt, könne er keine Aussagen machen.

Im Februar 1990 mahnte schließlich auch das Gesundheitsamt die Politiker, “die Einrichtung Schule und Kindergarten aus Vorsorgegründen„ zu verlegen - doch wieder geschah nichts.

Den meisten Lehrern und Schülern der Adolfsstraße dämmerte erst später, in welchem Maße ihre Gesundheit womöglich durch die Giftmülldeponie bedroht wird. Letztes Jahr, so erinnert sich Barbara Ulbricht, Lehrerin der Schule Adolfsstraße, sei ein kranker Kollege von der Schulaufsicht angerufen worden: Er möge sich doch, wurde dem Pädagogen mitgeteilt, “mal vom Amtsarzt untersuchen lassen„.

Im Dezember letzten Jahres schließlich erfuhren die Lehrkräfte, dass es an ihrer Schule in den letzten 15 Jahren insgesamt 15 Krebserkrankungen gegeben habe, darunter fünf mit tödlichem Ausgang - weit mehr, als statistisch zu erwarten gewesen wäre. Und jetzt erst, so bestätigte die Staatsanwaltschaft Köln, wird “in Sachen Schule Adolfsstraße„ wegen des Verdachts der Gesundheits- und Körperverletzung ermittelt.

“Patentrezepte„, beschwichtigt nun die Stadt Leverkusen die verbitterten Bewohner und Anrainer der Giftdeponie am Rhein, habe es “für die Dhünnaue leider nicht gegeben„. Immerhin, lobten die Kommunalverwalter ihr eigenes Engagement, seien von den 259 Familien der Siedlung Rheinallee “heute 156 versorgt„ mit neuem Wohnraum; Ende dieses Monats “sollen es 189 sein„. Bis zum Oktober, verspricht die Stadt, werde “das Kapitel „neue Wohnungen“ abgeschlossen„ sein.
Ein anderes Kapitel des Skandals ist noch nicht einmal angegangen worden: Zwei Tage vor Weihnachten 1989 hatte die Firma Bayer, festtäglich gestimmt, versprochen, das Gelände mit ihrer Müll-Altlast mittels einer Spundwand abzusichern - geschätzte Kosten: 150 Millionen Mark.

Doch bis zum heutigen Tag ist nicht eine einzige Stahlplanke von der versprochenen Spundwand eingerammt worden. Dabei warnen Experten, dass Deponiegifte schon bei mittlerem Rheinwasserstand mit dem Grundwasser ins Landesinnere geschwemmt und bei ablaufendem Rheinwasser in den Strom gesogen werden.

Insgesamt zehn Verträge sind bislang zwischen der Bayer AG und der Stadt Leverkusen abgeschlossen worden. Dieser von der Stadt so genannte “partnerschaftliche„ Weg wurde eingeschlagen, weil es, wie Minister Matthiesen erläutert, “wegen der Unklarheit der Rechtslage nicht erfolgversprechend erschien„, gegen den Konzern mit “Ordnungsverfügungen vorzugehen„.
Zu den Betroffenen, die unter dem Hickhack leiden, zählen auch die Bewohner eines Altenheimes am Rande der Deponie. “Über den Fortbestand des Altenwohnheims„, so die Stadt, werde “in nächster Zeit in Abstimmung zwischen allen Beteiligten" eine Entscheidung gefällt.

Vor den Alten sind die Haustiere evakuiert worden: Der Verein für Deutsche Schäferhunde e.V., der das Gebiet der Deponie lange Zeit als Klub- und Übungsgelände nutzte, hat das giftbelastete Areal bereits verlassen.

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USA

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 6. April 2005

größte Hersteller: Bayer, Dow, GE Plastics

USA: Verbot von Bisphenol A in Babyflaschen gefordert

Die kalifornische Abgeordnete Wilma Chan fordert in einem Gesetzesentwurf ein Verbot der Chemikalie Bisphenol A in allen Produkten, mit denen Kleinkinder in Kontakt kommen. Chan ist Vorsitzende des Gesundheits-Ausschuss des kalifornischen Parlaments, vor zwei Jahren setzte sie bereits ein Verbot giftiger Flammschutzmittel durch.

“Die meisten Eltern wären sicherlich schockiert, wenn sie erführen, dass Plastik-Babyflaschen die Gesundheit ihrer Kinder schädigen können. Wenn man sich die wissenschaftlichen Untersuchungen ansieht, gibt es keinen Zweifel, dass diese Chemikalien in Babyprodukten verboten werden müssen“, so Wilma Chan.

Bisphenol A (BPA) wird bei der Herstellung von Plastikflaschen, der Innenbeschichtung von Konservendosen, in Lebensmittel-Verpackungen und in Zahnfüllungen eingesetzt. Die hormonellen Risiken der Chemikalie sind seit Jahrzehnten bekannt. Säuglinge, deren Hormonsystem noch nicht ausgereift ist, sind besonders gefährdet - Unfruchtbarkeit, Fehlbildungen und verfrühte sexuelle Reife können die Folge einer Exposition sein. Neue Studien zeigen, dass schon die Aufnahme geringster Dosen BPA die Entwicklung des Gehirns behindert. Untersuchungen ergaben zudem, dass BPA aus Babyflaschen, besonders nach längerem Gebrauch, in die Nahrung austritt.

Prof. Jürgen Rochlitz, Mitglied der Deutschen Störfallkommission und Beirat der Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V.: „Bisphenol A und andere hormonaktive Substanzen haben in Produkten des täglichen Bedarfs absolut nichts verloren.“ Philipp Mimkes vom Vorstand des Vereins ergänzt: „Seit Jahrzehnten ist die hormonelle Wirkung von Bisphenol A bekannt – trotzdem verharmlost der größte deutsche Hersteller, der Leverkusener Bayer-Konzern, beharrlich die Risiken und verhindert durch politische Einflussnahme ein Verbot risikoreicher Anwendungen. Wir fordern ein sofortiges Verbot in allen Produkten, die mit Nahrungsmitteln in Kontakt kommen“. Auch das Umweltbundesamt möchte die Verwendung von Bisphenol A einschränken - kann sich jedoch nicht gegen die Wirtschaftslobby durchsetzen. In Japan hingegen wurde die Verwendung von Bisphenol A in Babyflaschen vom Gesundheitsministerium stark reglementiert.

In den USA werden jährlich über eine Million Tonnen BPA produziert, in Europa rund 700.000 to. Die größten Produzenten sind Bayer, Dow Chemicals und GE Plastics. Bayer produziert die Chemikalie in Baytown/USA, Uerdingen und Antwerpen. In den vergangenen Jahren hat Bayer neue BPA-Fabriken in Thailand und China eröffnet.

Lesen Sie zu dem geplanten Verbot in Kalifornien einen aktuellen Artikel des San Francisco Chronicle: http://sfgate.com/cgi-bin/article.cgi?f=/c/a/2005/03/31/BAGIOC13FM1.DTL

Lanxess

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 23. Februar 2005

Lanxess-Werk in Addyston/USA: Anwohner protestieren gegen Störfälle und Luftverschmutzung

Amerikanische Umweltverbände protestieren gegen Emissionen des Chemiewerks Addyston im Bundesstaat Ohio. In der Fabrik wurden in den letzten neun Jahren 63 Unfälle mit giftigen Chemikalien gezählt. Auch im „Normalbetrieb“ emittiert das Werk hohe Mengen Schwefeldioxid, Stickoxide, Kohlenmonoxid und Feinstäube - pro Jahr mehr als 700 Tonnen. Die Kunststoff-Fabrik wurde 1996 von der BAYER Corporation übernommen. Nach der Ausgliederung der Chemie-Sparte des Konzerns im vergangenen Herbst gehört es nun zur Lanxess AG.

Die Proteste in Addyston kulminierten, als Lanxess im Dezember einräumen musste, dass bei einer Störung im Oktober eine halbe Tonne Acrylnitril ausgetreten war. Obwohl zur selben Zeit in unmittelbarer Nähe ein Volksfest mit hunderten von Besuchern stattfand, wurde die Öffentlichkeit erst Wochen später informiert. Acrylnitril ist krebserzeugend und kann die Lungen- und Nervenfunktion schädigen. Im Dezember traten bei einem weiteren Störfall erneut 700 Pfund der Chemikalie aus. Eine großräumige Untersuchung der Gesundheit der Bevölkerung fand erneut nicht statt.

Ruth Breech von Ohio Citizen Action, einem Umweltverband mit mehr als 100.000 Mitgliedern: „Das Werk befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft von einem Kindergarten und einer Grundschule. Allein im letzten halben Jahr gab es 16 Unfälle, neun Mal traten giftige Chemikalien aus.“ Breech fordert die Firma auf, die Kontamination der Umgebung zu stoppen und die Kommunikation mit der Nachbarschaft zu verbessern. Mitglieder des Verbands sandten rund 11.000 Briefe an das Unternehmen und forderten ein Ende der Verschmutzung von Luft und Wasser. Auch die US-Umweltbehörde EPA nahm eine Untersuchung des Werks vor.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Die Vernachlässigung von Gesundheit und Umwelt zugunsten von Konzernprofiten hat bei BAYER und LanXess System. Durch die angekündigten Sparmaßnahmen wird die Sicherheitslage in den Lanxess-Werken voraussichtlich noch prekärer. Die Produktion gefährlicher Stoffe wie Acrylnitril oder Phosgen hat nichts in der Nähe von Wohngebieten zu suchen“. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert einen Ausstieg aus der Chlorchemie. Der Verein hat in den vergangenen 25 Jahren eine endlose Liste von Unfällen und Beinahe-Katastrophen bei Bayer dokumentiert.

Ruth Breech, Ohio Citizen Action: rbreech@ohiocitizen.org, www.ohiocitizen.org

Glufosinat

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 12. Januar 2005

Studienergebnisse aus Japan zu Glufosinat:

BAYER-Pestizid gefährdet kindliche Entwicklung

Japanische Wissenschaftler warnen vor Risiken des von der Firma BAYER vertriebenen Pestizids Glufosinat. Dr. Yoichiro Kuroda vom Tokyo Metropolitan Institute for Neuroscience kommt in der Fachzeitschrift Kagaku zu dem Ergebnis, dass Glufosinat die Entwicklung des menschlichen Gehirns beeinträchtigen und Verhaltensstörungen hervorrufen kann.

„Wem die Gesundheit von Kindern am Herzen liegt, der sollte mit diesen Agrochemikalien sehr vorsichtig sein“, warnt Dr. Kuroda. „Das menschliche Gehirn ist während seiner Entwicklung sehr empfindlich. Die Chemische Industrie hat diese Risiken bislang nicht beachtet“. Kuroda leitet die von der japanischen Regierung finanzierte Untersuchung Effects of Endocrine Disrupters on the Developing Brain (Auswirkungen hormoneller Störungen auf die Entwicklung des Gehirns).

Glufosinat wird seit den 80er Jahren im Obst-, Wein-, Getreide- und Gemüsebau eingesetzt und gehört in Europa und den USA zu den meistverwendeten Herbiziden. Der Wirkstoff ist in den BAYER-Produkten Liberty und Basta enthalten, im vergangenen Jahr setzte BAYER hiermit knapp 200 Millionen Euro um. Das Unkrautbekämpfungsmittel wird von BAYER auch in Kombination mit gentechnisch verändertem Saatgut (Raps, Mais, Reis, Zuckerrüben) angeboten.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert den Konzern auf, die toxischen Analysen aller Chemikalien und Pestizide offen zu legen: „Es kann nicht angehen, dass Chemikalien über Jahrzehnte verkauft werden, ohne dass die Öffentlichkeit deren Risiken kennt. Das Beispiel Glufosinat zeigt, dass die Unternehmen notfalls gezwungen werden müssen, alle Substanzen auf Gesundheitsrisiken hin zu untersuchen und die Forschungsergebnisse frei zugänglich zu machen“.

Erst vor wenigen Monaten hatte BAYER eine juristische Schlappe erlitten, als die Firma den Umweltverband Friends of the Earth daran hindern wollte, Studienergebnisse über Risiken von Glufosinat zu veröffentlichen.

Weltweit ist BAYER der zweitgrößte Pestizid-Herstellern. Im Sortiment befinden sich auch extrem gefährliche Wirkstoffe wie Parathion, Monocrotophos, Fenamiphos und Aldicarb.

Abgeordnetenbezüge

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 6. Januar 2005

Offener Brief an den BAYER- Vorstandsvorsitzenden

Seit den 20er Jahren gibt es enge Beziehungen des BAYER- Konzerns zu Politikern und Abgeordneten. So wechselte der Leiter der Steuer- Abteilung des Unternehmens, Heribert Zitzelsberger, als Staatssekretär in das Finanzministerium und war dort maßgeblich für die Unternehmens- Steuerreform verantwortlich. Die BAYER-Justitiarin Cornelia Yzer wurde zunächst Bundestags-Abgeordnete und dann Staatssekretärin im Gesundheitsministerium. Zahlreiche Mitarbeiter des Konzerns wurden Abgeordnete und sogar Minister.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren nahm dies zum Anlass, den folgenden Brief an das Unternehmen zu senden:

Sehr geehrter Herr Wenning,

im Rahmen der Berichterstattung über geschäftliche Beziehungen von Industrie-Unternehmen und Abgeordneten möchten wir Ihnen die folgenden Fragen stellen:

* Welche Bundestags-, Europa- und Landtags-Abgeordnete haben in den letzten zehn Jahren ein Gehalt oder unregelmäßige Zuwendungen vom BAYER-Konzern bezogen? In welcher Höhe und für welche Tätigkeit?
* Welche der gegenwärtigen Bundestags-, Europa- und Landtags-Abgeordneten sind für die Dauer ihres Mandats vom BAYER-Konzern freigestellt worden?
* Welche ihrer Mitarbeiter haben Mandate in kommunalen Parlamenten? Erhalten diese Mitarbeiter einen Zeitausgleich oder eine zusätzliche finanzielle Unterstützung?
* Haben Sie Mitarbeiter für staatliche Einrichtungen (Behörden, Forschungseinrichtungen, Universitäten, etc) abbestellt?

Wir bitten um eine zeitnahe Beantwortung.
Mit freundlichen Grüßen,

Philipp Mimkes
Axel Köhler-Schnura
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Südafrika

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 21. Dezember 2004

Durban/Südafrika: hochgiftiges Chrom im Grundwasser

BAYER-Tochter bildet 40 Mio Euro Rückstellung

Die Lanxess AG, in die der BAYER-Konzern kürzlich seine Chemie-Sparte ausgegliedert hat, bildet für die Sanierung eines Werksgeländes in Südafrika eine Rückstellung von 40 Mio Euro. Die Stadtverwaltung von Durban hatte zuvor rund um das Werk Merebank hochgefährliche Chromverbindungen gefunden. Den Anwohnern wurde dringend empfohlen, das Wasser aus angrenzenden Brunnen weder zum Kochen noch zum Trinken zu verwenden. Lokale Umweltgruppen befürchten jedoch, dass es bereits zu Vergiftungsfällen gekommen ist.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Die Chrom-Fabrik in Durban hat durch die Vielzahl von Vergiftungsfällen traurige Berühmtheit erlangt. Die von Lanxess zurückgestellten Gelder müssen dafür verwandt werden, das Gelände gründlich zu dekontaminieren und alle Vergiftungsopfer angemessen zu entschädigen - gegebenenfalls muss BAYER hierfür weiteres Geld bereitstellen.“

BAYER hatte die Firma Chrome Chemicals 1968 übernommen und dort bis Anfang der Neunziger Jahre hochgiftige Chromverbindungen hergestellt. Wegen mangelhafter Sicherheits-Einrichtungen war es in dem Betrieb zu einer großen Zahl von Vergiftungsfällen gekommen - selbst die Apartheids-Regierung hatte in einem Bericht Sicherheitsmängel und Gesundheitsprobleme der Arbeiter moniert. Ein Drittel der Belegschaft erlitt schwere Gesundheitsschäden, mindestens zehn Arbeiter starben.

Nach Protesten südafrikanischer Gewerkschaften sowie der Coordination gegen BAYER-Gefahren hatte BAYER 1991 die Produktion eingestellt und einen Großteil der Beschäftigten entlassen. Eine Kompensation der betroffenen Arbeiter sowie der Hinterbliebenen lehnt die Firma bis heute ab. Mitte der Neunziger Jahre wurde in Merebank die Produktion chromhaltiger Ledergerbstoffe aufgenommen.

BAYER gehört zu den weltweit größten Chrom-Produzenten. Die Verarbeitung der hochgefährlichen Verbindungen wurde vor einigen Jahren in Deutschland und Brasilien eingestellt und in Südafrika gebündelt. Im Nordwesten des Landes betreibt BAYER zudem eine eigene Chrom-Mine.

Hauptversammlung

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 17. November 2004

BAYER-Hauptversammlung in Essen:

Kritiker lehnen Ausgliederung der Chemie-Sparte ab

Kritische Aktionäre wenden sich auf der heutigen Hauptversammlung der BAYER AG in Essen gegen die Abspaltung der Chemie-Sparte des Konzerns. Die Kritiker befürchten, dass bei der neuen Firma Lanxess der Verlust Tausender Arbeitsplätze droht - durch die Übertragung von Milliarden-Schulden auf Lanxess saniere sich BAYER auf Kosten der Belegschaft. Die Aufspaltung bringe zudem keinerlei Vorteile für den Umwelt- und Verbraucherschutz.

Axel Köhler-Schnura von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Mit der Ausgründung von Lanxess findet eine gigantische Bereicherung der Altaktionäre von BAYER statt. Sie bekommen auf 10 Aktien je eine neue geschenkt, insgesamt immerhin 73 Millionen Stück. Die Extra-Profite gehen wieder einmal auf Kosten der Belegschaft - alles natürlich korrekt nach dem Buchstaben des Gesetzes, aber skrupellos gegenüber den arbeitenden Menschen.“ Selbst Heiner Geisler, ehemaliger Generalsekretär der CDU stellt in einem aktuellen Beitrag zu Shareholder-Value und kapitalistischer Wirtschaftsorganisation in der „Zeit“ fest, dass offenkundig „die Gier nach Geld die Hirne zerfrisst“.

Lanxess-Vorstandsmitglied Ulrich Koemm urteilte kürzlich, dass „30 Prozent der Geschäfte von Lanxess keine strategisch haltbare Position, keine Top-Position“ haben, und kündigte Schließungen und Verkäufe an. Wegen des hohen Schuldenstands werden die Beschäftigten von Lanxess dauerhaft unter Druck gesetzt, Kosteneinsparungen durch Mehrarbeit und Lohnverzicht hinzunehmen. Auch die Möglichkeit der Belegschaft, auf den Kurs des Unternehmens Einfluss auszuüben, ist langfristig gefährdet: bei Aufsplitterung in immer kleinere Einheiten fällt die tarifliche Mitbestimmung weg.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren kritisiert zudem, dass Lanxess gefährliche Chemikalien wie Weichmacher, Phosgen und Chlorbenzole produziert. Der Verein fordert einen langfristigen Erhalt aller Arbeitsplätze sowie den Ausstieg aus der Chlorchemie. In der Hauptversammlung sprechen Vertreter des Vereins und fordern eine Ablehnung der Ausgliederung.

Lobbying

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 25. Oktober 2004

Über 50 Organisationen aus ganz Europa:

Offener Brief an EU-Kommission: „Einfluss von Konzernen begrenzen“

In einem Offenen Brief an José Manuel Barroso fordern über 50 Organisationen aus ganz Europa, darunter Greenpeace Europe, Attac und der BUND, den „exzessiven Einfluss industrieller Lobbygruppen auf die EU-Politik einzuschränken“. Die Unterzeichner schlagen vor, alle Wirtschaftsbeziehungen der an den Gesetzgebungsverfahren der EU beteiligten Personen offen zu legen. Für EU-Kommissare, die in die Industrie wechseln wollen, solle eine Sperrfrist gelten. Lobbyorganisationen und PR-Firmen müssen nach US-Vorbild verpflichtet werden, regelmäßig Berichte über ihre Tätigkeit, ihr Budget und ihre Klienten zu veröffentlichen und im Internet zugänglich zu machen. Schließlich müsse der priviligierte Zugang von Lobbyorganisationen wie European Roundtable, European Services Forum oder Trans-Atlantic Business Dialogue zur EU-Kommission beendet werden.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren, die zu den Unterzeichnern gehört: „Immer öfter setzen sich Partikularinteressen einzelner Industriezweige gegenüber dem Allgemeinwohl durch – dies ist mit demokratischen Prinzipien nicht zu vereinbaren. So wurde auf Druck der deutschen Chemie-Industrie die ursprünglich ambitionierte Reform der EU-Chemikaliengesetzgebung vollkommen verwässert. Vorschläge von Umwelt- und Verbraucherschützern hingegen wurden bei der Überarbeitung des Gesetzespakets fast völlig ignoriert.“

Allein in Brüssel arbeiten 15.000 Lobbyisten, die zum größten Teil auf der Lohnliste von Unternehmen und Lobbyverbänden stehen. Häufig treten sie als „Experten“ oder „Verbraucherschützer“ auf, ohne Kontakte zu PR Firmen, Konzernen oder wirtschaftlichen Interessensgruppen offen zu legen. Verbesserungen der Sozial-, Umwelt- und Verbraucherschutz-Gesetzgebung werden hierdurch regelmäßig geschwächt oder blockiert. Aktuell in der Kritik ist der Fall des Bromine Science and Environmental Forum (BSEF), das sich vehement gegen eine Regulierung gefährlicher Flammschutzmittel einsetzt,. Erst Recherchen von Umweltgruppen deckten auf, dass sich hinter dem BSEF eine von der Chemie-Industrie finanzierte PR-Firma verbirgt.

Der Offene Brief im Original: www.corporateeurope.org/barroso.html

Phenylpropanolamin

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 15. Oktober 2004

400.000 Dollar Schadensersatz / 1.150 Prozesse anhängig

US-Gericht: „BAYER stellte gefährliches Pharmaprodukt her“

Ein Gericht im texanischen El Paso hat die Bayer AG gestern zu 400.000 Dollar Schadensersatz verurteilt. Der 33-jährige Miguel Valverde hatte vor sechs Jahren einen Schlaganfall erlitten, nachdem er drei Tage das Erkältungsmittel Alka-Seltzer Plus eingenommen hatte. Die Geschworenen stellten fest, dass Bayer ein „mangelhaftes, gefährliches Pharmaprodukt“ vertrieben hatte, obwohl ungefährliche Alternativprodukte verfügbar waren. Gegen Bayer sind 1.150 weitere Klagen anhängig. Ein weiterer PPA-Produzent, Chattem Incorporation, hatte kürzlich in einem Vergleich 76 Millionen Dollar gezahlt.

Alka Seltzer enthielt bis 2000 den Inhaltsstoff Phenylpropanolamin (PPA), der das Risiko eines so genannten hämorrhagischen Schlaganfalls um das Anderthalb- bis Dreifache steigen lässt. Beim Schlucken von Diät-Pillen nimmt die Gefahr sogar um das Fünfzehnfache zu. Dies belegten rund 30 Fallstudien, die seit 1979 in medizinischen Fachzeitschriften erschienen waren. Auch in einem Memo der Firma Sandoz hieß es 1984, dass „PPA das Risiko von Bluthochdruck und Schlaganfällen erhöht“. Etwa 200-500 Patienten pro Jahr starben an den Nebenwirkungen.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Die Pharma-Industrie kannte die Risiken von PPA seit Jahrzehnten. Die Unternehmen hielten ihre eigenen Studien zurück, um die Umsätze PPA-haltiger Medikamente von mehreren Hundert Millionen Dollar pro Jahr nicht zu gefährden. Hunderte Menschen mussten diese Strategie mit dem Leben bezahlen.“ Die Los Angeles Times enthüllte kürzlich firmeninterne Dokumente, wonach Bayer nach der Veröffentlichung einer großen Studie zu PPA-Risiken im Jahr 1999 einen „PPA Crisis Action Plan“ entwickelt hatte, um die Studien-Ergebnisse mit Hilfe einer „grobschlächtigen PR-Kampagne“ anzuzweifeln und den „Verkaufs-Stopp zu verzögern“. Hierdurch wurde das Verbot von PPA um 13 Monate verzögert - ursprünglich wollten die Unternehmen den Verkauf sogar erst nach der „Erkältungs-Saison“ im Winter 2000/2001 einstellen. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert daher eine strafrechtliche Verfolgung der Verantwortlichen bei Bayer.

Lanxess

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 12. Oktober 2004

Kritische Aktionäre reichen Gegenantrag zur BAYER-Hauptversammlung ein

Belegschaft „verraten und verkauft“

Kritische Aktionäre wenden sich gegen die Abspaltung der Lanxess AG vom BAYER-Konzern, da diese „einseitig zu Lasten der Belegschaft“ geht. Die Kritiker reichten heute einen Gegenantrag zur BAYER-Hauptversammlung am 17. November ein, in der über die Trennung entschieden werden soll.

Axel Köhler-Schnura von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „BAYER überträgt auf Lanxess Schulden in Milliardenhöhe. Die Beschäftigten werden dauerhaft genötigt, Kosteneinsparungen durch Mehrarbeit und Lohnverzicht hinzunehmen. Tausenden Beschäftigten droht der Abstieg in prekäre Beschäftigung oder Arbeitslosigkeit.“

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren kritisiert zudem, dass Lanxess gefährliche Chemikalien wie Weichmacher, Phosgen und Chlorbenzole produziert. Der Verein fordert einen langfristigen Erhalt aller Arbeitsplätze sowie den Ausstieg aus der Chlorchemie. Axel Köhler-Schnura kündigt für die Hauptversammlung Gegenaktionen an.

Im folgenden dokumentieren wir den Wortlaut des Gegenantrags. Für Rückfragen und weitere Informationen stehen wir gerne zu Verfügung.

BAYER AG
Gebäude Q 26 (Rechtsabteilung)
Kaiser Wilhelm Allee
51368 Leverkusen

Sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit zeigen wir an, dass wir den Vorschlägen des Vorstands und des Aufsichtsrates widersprechen und die anderen Aktionäre veranlassen werden, für den folgenden Gegenantrag zu stimmen.

Gegenantrag: Der Abspaltungs- und Übernahmevertrag zwischen der Bayer AG und der Lanxess Aktiengesellschaft wird abgelehnt.

Begründung: Die Ausgliederung von Lanxess geht einseitig zu Lasten der Belegschaft. Langfristig droht der Verlust Tausender Arbeitsplätze. Die Abspaltung bringt zudem keinerlei Vorteile für den Umwelt- und Verbraucherschutz.
Lanxess-Vorstandsmitglied Ulrich Koemm urteilt, dass „30 Prozent der Geschäfte von Lanxess keine strategisch haltbare Position, keine Top-Position“ haben, und kündigt Schließungen und Verkäufe an. Außerdem überträgt Bayer auf Lanxess Schulden in Milliardenhöhe. Hierdurch werden die Beschäftigten dauerhaft unter Druck gesetzt, Kosteneinsparungen durch Mehrarbeit und Lohnverzicht hinzunehmen.
Tausenden Beschäftigten droht der Abstieg in prekäre Beschäftigung oder Arbeitslosigkeit. Da die Arbeit in vielen Fällen nicht wegfällt, muss die verbleibende Belegschaft diese miterledigen - der hohe Arbeitsdruck auf die Belegschaft steigt weiter an. Neueingestellte MitarbeiterInnen werden tariflich schlechter gestellt.
Auch die Möglichkeit der Belegschaft, auf den Kurs des Unternehmens Einfluss auszuüben, ist langfristig gefährdet: bei Aufsplitterung in immer kleinere Einheiten fällt die tarifliche Mitbestimmung weg. Dementsprechend schlecht ist die Stimmung bei der Lanxess-Belegschaft: „ausgespuckt“, „verraten und verkauft“ oder „der gesammelte Restschrott von Bayer“ lauten aktuelle Kommentare aus dem Werk.
Auch der Umwelt- und Verbraucherschutz kommt durch die Ausgliederung keinen Schritt voran. Hormonaktive bzw. hochtoxische Produkte wie Weichmacher, Phosgen, Chlorbenzole, Isocyanate und Nitrotoluole werden weiterhin produziert.
Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert den Ausstieg aus der Chlorchemie und einen ökologischen Umbau des gesamten Bayer-Konzerns. Weitere Informationen finden sich unter: www.CBGnetwork.de .

Für den Vorstand der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN e.V.

Philipp Mimkes
Axel Köhler-Schnura

Indien

CBG Redaktion

gemeinsame Pressemitteilung vom 11. Oktober 2004

Coordination gegen BAYER-Gefahren
Germanwatch
Global March against Child Labour (deutsche Sektion)

OECD-Beschwerde gegen Bayer wegen Kinderarbeit in Indien

Aktuelle Untersuchung: Kinder sterben auf indischen Baumwollfeldern an Pestizidvergiftungen

Berlin/Köln, 11.10.2004: Zulieferer des Leverkusener Bayer-Konzerns beschäftigen bei der Produktion von Baumwollsaatgut im indischen Bundesstaat Andhra Pradesh gegenwärtig rund 1.500 Kinder unter 15 Jahren. Bei drei weiteren internationalen Unternehmen - Advanta, Emergent Genetics und Monsanto - werden weitere 10.725 Fälle von Kinderarbeit gezählt. Dies ist das Ergebnis einer Studie, die von den Nichtregierungsorganisationen Germanwatch, Coordination gegen Bayer-Gefahren und Global March Against Child Labour (deutsche Sektion) heute in Deutschland veröffentlicht wurde. Die Organisationen reichen heute im Bundeswirtschaftsministerium eine Beschwerde gegen Bayer wegen Verstoßes gegen die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen ein.

Die von einem indischen Wissenschaftler durchgeführte Untersuchung beschreibt detailliert, dass es sich in Andhra Pradesh um Kinderarbeit der schlimmsten Form handelt: Die Kinder gehen nicht zur Schule, arbeiten bis zu 14 Stunden täglich, verdienen weniger als 50 Cent am Tag und tragen schwerste Gesundheitsschäden davon. Mindestens drei Kinder im Alter von 8, 12 und 13 Jahren sind in den letzten Monaten an Pestizidvergiftungen auf den Feldern gestorben. Siebzig Prozent der Kinder werden in sogenannter Schuldknechtschaft beschäftigt. Die Eltern bekommen im Voraus einen Kredit, den die Kinder dann inklusive Wucherzinsen abarbeiten müssen - in vielen Fällen mehrere Jahre lang. Andere Kinder werden von den Baumwollfarmern in den umliegenden Dörfern gekauft und von ihren Familien getrennt; sie müssen in ärmlichen Hütten bei den Feldern leben.

„Schon seit letztem Jahr versuchen wir, im Dialog mit der indischen Bayer-Tochter ProAgro das Problem der Kinderarbeit bei ihren Zulieferern zu lösen, leider ohne Erfolg. Deshalb wollen wir jetzt mit der OECD-Beschwerde den Druck auf das Unternehmen erhöhen und auch die staatliche Ebene in Deutschland einbeziehen“, so Cornelia Heydenreich von Germanwatch. Rainer Kruse von der deutschen Sektion des Global March Against Child Labour drängt auf unverzügliches Handeln: „Die Gesundheit und das Leben der Kinder darf nicht länger aufs Spiel gesetzt werden. Und sie müssen wieder in die Schule gehen können. Jede weitere Arbeitssaison schädigt eine neue Generation von Kindern.“

Philipp Mimkes von der Coordination gegen Bayer-Gefahren betont: „Dem Unternehmen sind die Zustände bei seinen Zulieferern seit Jahren bekannt. Es wäre für Bayer ein Leichtes gewesen, mit Hilfe höherer Abnahmepreise und strikter Kontrollen das Problem Kinderarbeit bei seinen Zulieferern zu lösen. Doch trotz öffentlicher Ankündigungen hat sich kaum etwas getan.“

Insgesamt sind in der indischen Baumwollproduktion mehr als Hunderttausend Kinder tätig. Shanta Sinha, die Generalsekretärin der indischen MV-Stiftung, die vor Ort gegen Kinderarbeit kämpft, nennt als deren Hauptursache die unfairen Vertragsbedingungen, die Konzerne wie Bayer den Baumwollfarmern aufzwängen. Die Preise, die ihnen von den Konzernen gezahlt werden, seien so niedrig, dass sie billige Kinderarbeiter in Schuldknechtschaft anstellen müssten. „Deshalb ist eine unserer Hauptforderungen, dass faire Verträge mit den Farmern geschlossen und bessere Preise gezahlt werden, damit die Ausbeutung der Kinder endlich aufhört!“

Die sechs Forderungen von Germanwatch, der Coordination gegen Bayer-Gefahren, der deutschen Sektion des Global March against Child Labour, der indischen MV-Stiftung, des Indien Komitees der Niederlande, des International Labor Rights Fund (USA), von Amnesty International Niederlande, von FNV Mondiaal (Niederlande), Hivos (Niederlande) und Novib/Oxfam Niederlande lauten:

1. Sofortige Umsetzung eines Aktionsplans, um Kinderarbeit in der indischen Baumwollindustrie abzuschaffen und um zu garantieren, dass jedes Kind zur Schule geht. Dies sollte in enger Kooperation mit Organisationen der Zivilgesellschaft und der Regierung erfolgen;
2. Zahlung fairer Preise an die Baumwollfarmer, damit sie erwachsene Arbeiter anstellen und diesen wenigstens den offiziellen Mindestlohn zahlen können, sowie gleiche Löhne für Männer und Frauen;
3. Abschaffung aller Formen von Schuldknechtschaft in der Baumwollsaatgutproduktion in Indien,
4. Schutzanzüge und -ausrüstung für die Arbeit mit Pestiziden sowie Trainingskurse für Farmer zur sicheren Handhabe von Pestiziden;
5. Die Rechte der Arbeiter zur Bildung von Gewerkschaften und zu gemeinsamen Tarifverhandlungen müssen respektiert werden;
6. Die Umsetzung dieser Forderungen muss öffentlich dargelegt und von unabhängigen Beobachtern überprüft werden.

Der neue Bericht „Kinderarbeit in der Baumwollsaatgutproduktion in Andhra Pradesh: Neueste Entwicklungen“ sowie ein zweiter ebenso aktueller Bericht zur Situation in den Nachbarstaaten Gujarat und Karnataka kann auf Englisch im Internet unter www.germanwatch.org runtergeladen werden. Hier finden Sie auch eine ins Deutsche übersetzte Stellungnahme der indischen MV-Stiftung zur Rolle der multinationalen Konzerne in Andhra Pradesh und weitere Dokumente zum Thema. Die OECD-Beschwerde und alle weiteren Materialien senden wir gerne zu.

Weitere Informationen und Interviews:
* Germanwatch, Cornelia Heydenreich, Tel: 030 - 28 88 35 64, Fax: 030 - 28 88 35 61, heydenreich@germanwatch.org, www.germanwatch.org
* Coordination gegen Bayer-Gefahren, Philipp Mimkes, Tel: 0211-333 911, Fax: 0211-333 940, info@cbgnetwork.org, www.CBGnetwork.org
* Global March Against Child Labour (deutsche Sektion), Rainer Kruse, Tel/Fax: 0711 - 467381, kruse@globalmarch.de, www.globalmarch.org

OECD-Beschwerde

CBG Redaktion

gem. Pressemitteilung vom 11. Oktober 2004

Coordination gegen BAYER-Gefahren
Germanwatch
Global March against Child Labour (deutsche Sektion)

OECD-Beschwerde gegen Bayer wegen Kinderarbeit in Indien

Aktuelle Untersuchung: Kinder sterben auf indischen Baumwollfeldern an Pestizidvergiftungen

Berlin/Köln, 11.10.2004: Zulieferer des Leverkusener Bayer-Konzerns beschäftigen bei der Produktion von Baumwollsaatgut im indischen Bundesstaat Andhra Pradesh gegenwärtig rund 1.500 Kinder unter 15 Jahren. Bei drei weiteren internationalen Unternehmen - Advanta, Emergent Genetics und Monsanto - werden weitere 10.725 Fälle von Kinderarbeit gezählt. Dies ist das Ergebnis einer Studie, die von den Nichtregierungsorganisationen Germanwatch, Coordination gegen Bayer-Gefahren und Global March Against Child Labour (deutsche Sektion) heute in Deutschland veröffentlicht wurde. Die Organisationen reichen heute im Bundeswirtschaftsministerium eine Beschwerde gegen Bayer wegen Verstoßes gegen die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen ein.

Die von einem indischen Wissenschaftler durchgeführte Untersuchung beschreibt detailliert, dass es sich in Andhra Pradesh um Kinderarbeit der schlimmsten Form handelt: Die Kinder gehen nicht zur Schule, arbeiten bis zu 14 Stunden täglich, verdienen weniger als 50 Cent am Tag und tragen schwerste Gesundheitsschäden davon. Mindestens drei Kinder im Alter von 8, 12 und 13 Jahren sind in den letzten Monaten an Pestizidvergiftungen auf den Feldern gestorben. Siebzig Prozent der Kinder werden in sogenannter Schuldknechtschaft beschäftigt. Die Eltern bekommen im Voraus einen Kredit, den die Kinder dann inklusive Wucherzinsen abarbeiten müssen - in vielen Fällen mehrere Jahre lang. Andere Kinder werden von den Baumwollfarmern in den umliegenden Dörfern gekauft und von ihren Familien getrennt; sie müssen in ärmlichen Hütten bei den Feldern leben.

„Schon seit letztem Jahr versuchen wir, im Dialog mit der indischen Bayer-Tochter ProAgro das Problem der Kinderarbeit bei ihren Zulieferern zu lösen, leider ohne Erfolg. Deshalb wollen wir jetzt mit der OECD-Beschwerde den Druck auf das Unternehmen erhöhen und auch die staatliche Ebene in Deutschland einbeziehen“, so Cornelia Heydenreich von Germanwatch. Rainer Kruse von der deutschen Sektion des Global March Against Child Labour drängt auf unverzügliches Handeln: „Die Gesundheit und das Leben der Kinder darf nicht länger aufs Spiel gesetzt werden. Und sie müssen wieder in die Schule gehen können. Jede weitere Arbeitssaison schädigt eine neue Generation von Kindern.“

Philipp Mimkes von der Coordination gegen Bayer-Gefahren betont: „Dem Unternehmen sind die Zustände bei seinen Zulieferern seit Jahren bekannt. Es wäre für Bayer ein Leichtes gewesen, mit Hilfe höherer Abnahmepreise und strikter Kontrollen das Problem Kinderarbeit bei seinen Zulieferern zu lösen. Doch trotz öffentlicher Ankündigungen hat sich kaum etwas getan.“

Insgesamt sind in der indischen Baumwollproduktion mehr als Hunderttausend Kinder tätig. Shanta Sinha, die Generalsekretärin der indischen MV-Stiftung, die vor Ort gegen Kinderarbeit kämpft, nennt als deren Hauptursache die unfairen Vertragsbedingungen, die Konzerne wie Bayer den Baumwollfarmern aufzwängen. Die Preise, die ihnen von den Konzernen gezahlt werden, seien so niedrig, dass sie billige Kinderarbeiter in Schuldknechtschaft anstellen müssten. „Deshalb ist eine unserer Hauptforderungen, dass faire Verträge mit den Farmern geschlossen und bessere Preise gezahlt werden, damit die Ausbeutung der Kinder endlich aufhört!“

Die sechs Forderungen von Germanwatch, der Coordination gegen Bayer-Gefahren, der deutschen Sektion des Global March against Child Labour, der indischen MV-Stiftung, des Indien Komitees der Niederlande, des International Labor Rights Fund (USA), von Amnesty International Niederlande, von FNV Mondiaal (Niederlande), Hivos (Niederlande) und Novib/Oxfam Niederlande lauten:

1. Sofortige Umsetzung eines Aktionsplans, um Kinderarbeit in der indischen Baumwollindustrie abzuschaffen und um zu garantieren, dass jedes Kind zur Schule geht. Dies sollte in enger Kooperation mit Organisationen der Zivilgesellschaft und der Regierung erfolgen;
2. Zahlung fairer Preise an die Baumwollfarmer, damit sie erwachsene Arbeiter anstellen und diesen wenigstens den offiziellen Mindestlohn zahlen können, sowie gleiche Löhne für Männer und Frauen;
3. Abschaffung aller Formen von Schuldknechtschaft in der Baumwollsaatgutproduktion in Indien,
4. Schutzanzüge und -ausrüstung für die Arbeit mit Pestiziden sowie Trainingskurse für Farmer zur sicheren Handhabe von Pestiziden;
5. Die Rechte der Arbeiter zur Bildung von Gewerkschaften und zu gemeinsamen Tarifverhandlungen müssen respektiert werden;
6. Die Umsetzung dieser Forderungen muss öffentlich dargelegt und von unabhängigen Beobachtern überprüft werden.

Der neue Bericht „Kinderarbeit in der Baumwollsaatgutproduktion in Andhra Pradesh: Neueste Entwicklungen“ sowie ein zweiter ebenso aktueller Bericht zur Situation in den Nachbarstaaten Gujarat und Karnataka kann auf Englisch im Internet unter www.germanwatch.org runtergeladen werden. Hier finden Sie auch eine ins Deutsche übersetzte Stellungnahme der indischen MV-Stiftung zur Rolle der multinationalen Konzerne in Andhra Pradesh und weitere Dokumente zum Thema. Die OECD-Beschwerde und alle weiteren Materialien senden wir gerne zu.

Weitere Informationen und Interviews:
* Germanwatch, Cornelia Heydenreich, Tel: 030 - 28 88 35 64, Fax: 030 - 28 88 35 61, heydenreich@germanwatch.org, www.germanwatch.org
* Coordination gegen Bayer-Gefahren, Philipp Mimkes, Tel: 0211-333 911, Fax: 0211-333 940, info@cbgnetwork.org, www.CBGnetwork.org
* Global March Against Child Labour (deutsche Sektion), Rainer Kruse, Tel/Fax: 0711 - 467381, kruse@globalmarch.de, www.globalmarch.org

Indien

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 1. Oktober 2004

Aktivisten ketten sich an BAYER-Zentrale fest / Protest bis in die Nacht

„BAYER vergiftet unsere Nahrung“

Greenpeace-Aktivisten haben gestern bis in die Nacht vor der indischen BAYER-Zentrale in Bombay gegen umstrittene Gentechnik-Experimente des Konzerns protestiert. Sechs Demonstranten ketteten sich elf Stunden lang an das Eingangstor des Gebäudes fest und hielten ein Transparent mit der Aufschrift „Bayer vergiftet unsere Nahrung“ hoch. Greenpeace verlangt Informationen über Versuche der indischen BAYER-Tochter ProAgro mit genmanipulierten Gemüsesorten wie Kohl und Blumenkohl.

Die Blockade wurde erst beendet, als BAYER in ein Treffen und die Herausgabe von Versuchsergebnissen einwilligte.

Die Proteste richten sich gegen die Verwendung des Allergie-erzeugenden Gens Cry9C, das in menschlicher Nahrung nicht eingesetzt werden darf. Divya Raghunandan von Greenpeace India: „In Anbetracht der großen Gesundheitsrisiken des Cry9C-Gens sorgen wir uns um die Auswirkungen für Verbraucher und Landwirte. Wir fordern BAYER auf, alle Versuche mit dieser Gen-Veränderung einzustellen und alle bisherigen Forschungsergebnisse offen zu legen.“

Das Cry9C-Gen stand vor vier Jahren im Mittelpunkt des bislang größten Skandal der grünen Gentechnik: die Firma Aventis hatte in den USA Schäden in dreistelliger Millionenhöhe begleichen müssen, nachdem genmanipulierter Mais der Sorte „Starlink“ in Nahrungsmitteln gefunden worden war. Starlink war nur als Tierfutter zugelassen. Aventis CropScience wurde daraufhin von der Firma BAYER übernommen, die seitdem weltweit zweitgrößter Anbieter von Gen-Saatgut ist.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „BAYER scheint Indien als seinen dreckigen Hinterhof zu erachten. Der Konzern vertreibt dort Pestizide wie Monocrotophos, die für eine große Zahl tödlicher Vergiftungen verantwortlich sind und die in Europa längst verboten sind. Im vergangenen Jahr mussten Sprecher der BAYER-Tochter ProAgro einräumen, dass bei Zulieferern des Unternehmens in großem Maße Kinderarbeit eingesetzt wird. Und nun wird auch noch bekannt, dass Saatgut von Lebensmitteln mit einem Allergie-auslösenden Gen ausgestattet werden.“ Mimkes fordert BAYER auf, alle gentechnischen Freisetzungsversuche in Indien einzustellen und sämtliche Pestizide der Gefahrenklasse I vom Markt zu nehmen.

Gerne senden wir Fotos von den Protesten zu

Pestizide

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 30. September 2004

„Uralt-Pestizid Lindan sofort vom Markt nehmen“

US-Umweltverbände schreiben Offenen Brief an BAYER

Die amerikanischen Umweltverbände Pesticide Action Network, Natural Resources Defense Council und Physicians for Social Responsibility haben den BAYER-Konzern in einem Offenen Brief aufgefordert, das Insektizid Lindan umgehend vom Markt zu nehmen. BAYER hatte kürzlich die Firma GUSTAFSON übernommen, die Lindan als Saatgut- Behandlungsmittel für mehrere Getreidesorten anbietet. Anlass des Briefs ist das heutige Treffen der Regierungen Kanadas, Mexikos und der USA in Montreal, in dem über ein Verbot des Agrogifts beraten wird.

Das hochgiftige und karzinogene Lindan schädigt die Leber und das Nervensystem und reichert sich im Fettgewebe an. Lindan verbreitet sich über die Atmosphäre und die Ozeane weltweit und findet sich insbesondere in der Arktis - zu den am höchsten belasteten Personen gehören ausgerechnet Eskimos. In der EU ist das schwer abbaubare Pestizid, das bereits 1945 auf den Markt kam, seit Mitte 2001 nicht mehr zugelassen. Lindan gehört zudem zu den Chemikalien, deren internationaler Handel im Rahmen des Prior Informed Consent (PIC) stark eingeschränkt wurde.

Insgesamt 58 Organisationen aus ganz Amerika unterstützen die Forderung nach einem Lindan-Verbot. Kristin Schafer vom Pesticide Action Network aus San Francisco: „Der Einsatz von Lindan stellt eindeutig eine Gefahr für die menschliche Gesundheit und die Umwelt dar.“

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren weist darauf hin, dass BAYER bis zum Verbot von Lindan zu den weltweit größten Produzenten des Ultragifts gehörte: „Es ist eine traurige Ironie, dass sich Lindan nun wieder im BAYER-Sortiment befindet. Jahrzehntelang haben lindanhaltige Holzschutzmittel wie XYLAMON und XYLADECOR die Gesundheit Tausender Menschen ruiniert. Wider besseren Wissens bezeichnete BAYER damals die Verwendung von Lindan als ungefährlich - sogar in Innenräumen.“ Mimkes fordert einen sofortigen Produktions-Stopp sowie eine Entschädigung aller Personen, die durch Lindan und PCP vergiftet wurden.

Gerne senden wir den Offenen Brief im Wortlaut sowie weitere Informationen zu

Bluter

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 29. September 2004

Video Wie BAYER AIDS nach Asien importierte

Im WDR Fernsehen läuft heute der Film „Tödlicher Ausverkauf - Wie AIDS nach Asien kam“ von Egmont R. Koch. Darin wird aufgezeigt, wie eine Tochterfirma des BAYER-Konzerns Blutkonserven nach Asien exportierte, obwohl diese mit HIV belastet waren und in den USA nicht mehr verkauft werden durften.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren kämpft seit den 80er Jahren für eine Entschädigung der Betroffenen und eine Bestrafung der verantwortlichen Manager. Im Folgenden dokumentieren wir Teile des Sende-Manuskripts.

„Tödlicher Ausverkauf“

San Francisco/Kalifornien war 1985 Schauplatz eines Medikamenten- Skandals, der selbst Contergan weit in den Schatten stellt. Erst heute, zwei Jahrzehnte später, legen geheime Firmenunterlagen das ganze Ausmaß offen; erst jetzt haben die Überlebenden eine Chance, gegen die Verantwortlichen vorzugehen.

Cutter Laboratories, eine hundertprozentige Tochterfirma des Pharmakonzerns Bayer AG, betrieb damals in ganz Amerika Blutspende-Stationen, um aus dem so gewonnenen Blutplasma Medikamente herzustellen. Als sich AIDS auszubreiten begann, gelangte das tödliche Virus sehr schnell auch in diese Medikamente.

Ein Montagmorgen, Anfang Mai 1985. Rushhour auf der Bay-Bridge. Ein Exportmanager von Cutter auf dem Weg zu seinemBüro. Er steht unter Druck. Seit Monaten schon. Seine Vorgesetzten verlangen, dass er die mit AIDS verseuchten Medikamente nach Asien verkauft.

Hongkong. Während der Tag in San Francisco gerade begonnen hat, neigt er sich in Asien bereits dem Ende zu. Im Stadtteil Wanchai hat Cutters Vertriebsfirma ihr Büro, im Caltex-House. Zu nächtlicher Stunde telefoniert Abteilungsleiter Raymond Ho mit dem Cutter-Headquarter. Er verlangt, dass die Patienten in Hongkong sofort das neue AIDS-sichere Produkt erhalten. Doch er wird abgewimmelt. Wieder einmal. Der Chinese ist empört, dass er nun schon seit Monaten Cutters „Koate“ in Hongkong verkaufen muss, obwohl dies fast sicher mit HIV-Viren verseucht ist.

In San Francisco diktiert der Exportmanager sofort nach dem Telefonat einen Vermerk:

„Am Montagmorgen, um 1.00 Uhr nachts Hongkong-Zeit, erhielt ich einen Anruf von Raymond Ho. Raymond war ungehalten...Einige Ärzte, die aus den Vereinigten Staaten nach Hongkong zurückgekehrt sind, behaupten, ...dass Cutter offenbar überschüssige Lagerbestände mit AIDS verseuchter, alter „Koate“-Präparate in die Entwicklungsländer verscherbelt... ...Es scheint, dass es keine Märkte mehr in Asien gibt, auf denen wir nennenswerte Mengen absetzen können.“

Rückblick: San Francisco, Juli 1983. Viele Amerikaner lassen sich in diesen Jahren regelmäßig Blutplasma abnehmen. Für wenige Dollar. Blutspenden gehört in den USA zum sozialen Netz. Ein bequemer Nebenjob für Geringverdiener, eine Überlebenschance für Arbeits- und Obdachlose. Das große Geld machen Pharmafirmen wie die Bayer-Tochter Cutter. Sie spalten das gelbe Blutplasma in seine Bestandteile, gewinnen daraus Medikamente. Die müssen sich Bluter-Kranke regelmäßig injizieren, weil ihrem Blut die natürliche Fähigkeit zur Gerinnung fehlt. Mit dem therapeutische Fortschritt für die Patienten ist der Bedarf an Rohstoff - gespendetem Blutplasma - erheblich gestiegen. Bluterkranke Kinder wie Jacky in Taipeh sollen davon profitieren. Dessen Mutter will ihm damals die teure medikamentöse Behandlung unbedingt ermöglichen. Obwohl zunächst keine Krankenkasse dafür aufkommt.

Im Herbst 1983 bricht in San Francisco, wo viele Spendestationen für Blutplasma in den Drogen- und Schwulenvierteln wie dem „Mission District“ angesiedelt sind, eine Katastrophe über die Blutindustrie herein: AIDS. Längst hat sich die tödliche Immunschwäche ihren Weg von infizierten Spendern zu den ahnungslosen Bluter-Patienten gebahnt. Als Monate später das HIV-Virus entdeckt wird, rechnet Cutter intern längst mit dem Schlimmsten: einer AIDS-Seuche unter Blutern in der ganzen Welt. Da Zehntausende von Einzelspenden vor der Weiterverarbeitung zu den Medikamenten zusammengeschüttet werden, können bereits einzelne HIV-Infizierte ganze Plasma-Bottiche verseuchen. Doch Cutter spielt auf Zeit. Wie die gesamte Branche. Thomas Drees war damals Präsident eines Konkurrenzunternehmens von Cutter. Er kehrte der Blut-Industrie den Rücken, weil sie die vorhersehbare Katastrophe herunterspielte, um ihre Umsätze nicht zu gefährden.

O-Ton Thomas C. Drees, ehemaliger Präsident „Alpha Therapeutics“:

„Wenn sie diesen Stoff in den Blutkreislauf des Patienten bringen, dieses Virus, das ihn auf zwanzig verschiedene, schreckliche Weisen umbringen kann, durch schlimme Hautveränderungen, durch ein kaputtes Immunsystem, Tuberkulose, Krebs, wie kann man da einfach behaupten, das sei kein Problem? Allen war klar, dieses Virus ist gefährlich! Es wird unsere Patienten umbringen. Und zu hoffen, alles werde vorübergehen, war verrückt!“

Bei Cutter vor den Toren von San Francisco vergeht nach der Entdeckung des AIDS-Virus im April 1984 ein geschlagenes halbes Jahr, ohne dass durchgreifende Maßnahmen gegen die Gefahren ergriffen werden. Dabei liegt längst die Behörden-Zulassung für eine neue Generation des Medikaments „Koate“ vor. Durch eine simple Erhitzung des Präparats können Viren abgetötet werden, wahrscheinlich auch die AIDS-Erreger. Dennoch zögert die Bayer-Tochter mit der Einführung des neuen, hitzebehandelten Produkts „Koate HT“.

Wissenschaftler im amerikanischen Seuchen-Zentrum „Centerfor Disease Control“ (CDC) in Atlanta entdecken im Oktober 1984 in unzähligen Proben des Bluter-Medikaments HIV-Viren - dank eines gerade entwickelten Testverfahrens. Nach Erhitzung der Präparate allerdings, so heißt es in einer Studie des CDC, die „in Zusammenarbeit mit Cutter“ vorgenommen worden sei, habe man hinterher „keine Viren mehr feststellen“ können. Ein eindeutiger Befund.

Im November 1984 tagt in San Francisco Cutters BCC-Komitee, in dem regelmäßig Vermarktungsstrategien festgelegt werden. Die Bayer-Tochter liefert zwar inzwischen das neue „Koate HT“ aus. Doch dann kommt es laut Protokoll zu einem folgenschweren Beschluss:

„Wir haben übermäßige Bestände des alten Produkts auf Lager. Es muß deshalb geprüft werden, ob mehr von diesem Produkt verkauft werden kann.“

Hongkong, November 1984. Zwei Wochen, nachdem Cutters Entscheidungsgremium beschlossen hat, die Lagerbestände der alten AIDS-verseuchten Medikamente nicht zu vernichten, sondern zu verkaufen, geht bei der Vertriebsfirma im Caltex House ein Fernschreiben aus San Francisco ein. Herzlichen Dank „für Ihr Interesse an dem hitzebehandelten Präparat“, heißt es da. Allerdings könne Hongkong das neue „Koate HT“ vorläufig nicht bekommen. Sorry... „..we must use up stocks...“

...„Wir müssen Lagerbestände aufbrauchen...“

Thomas Drees, der ehemalige Boss in der Blutindustrie, kann kaum glauben, was er in Cutters Telex liest. O-Ton Thomas C. Drees:

„Die Cutter-Verantwortlichen suchten offensichtlich einen Weg, die nicht-hitzebehandelten Präparate loszuwerden. Das ist unglaublich. Sie verkauften dieses Zeug nach Hongkong, als sei es gut genug für die Chinesen. Das ist schrecklich! Es gibt dafür keine Rechtfertigung! Man kann nicht sagen, weil wir feste Lieferverträge auf der Basis des billigeren, alten Präparats haben und jetzt das neue Produkt teurer wird, müssen wir euch leider Gift liefern!“

Interne Dokumente, die beweisen, dass Cutter-Verantwortliche damals entschieden, die mit HIV-Viren verseuchten Präparate zu verkaufen statt sie zu vernichten, sind erst vor kurzer Zeit entdeckt worden. O-Ton Lexi J. Hazam, Rechtsanwältin:

„Sie versteckten ihre Akten, verhinderten damit, dass die Geschichte aufgedeckt wird. Die kamen erst unlängst im Rahmen eines Prozesses ans Licht. Wir arbeiteten die Dokumente durch und stellten fest, dass Cutter das alte Präparat sogar eine Zeitlang weiter produzierte, obwohl sie

längst eine Zulassung für das neue besaßen. Der Grund: Sie hatten „fixed-price contracts“, Festpreise für das alte Produkt verabredet und wollten davon profitieren.“

Seit März 1984 laufen bei Cutter zwei Produktionen parallel: die des hitzebehandelten und dadurch AIDS-sicheren „Koate HT“ und die des nicht-erhitzten, gefährlichen Präparats. Dessen Herstellung wird zwar Ende 1984 gestoppt. Doch nur die Patienten in den USA und in Europa kommen in den Genuss des neuen Produkts. Die gefährlichen Chargen gehen nach Asien.

Intern erhalten sie eine spezielle Nummer: „659“. Die Cutter-Verantwortlichen setzen darauf, dass sich das tödliche Risiko ihres Medikaments „Koate“ noch nicht bis zu den Kunden in Fernost herumgesprochen hat.

San Francisco, Februar 1985. Inzwischen gibt es bei Cutter Lieferschwierigkeiten mit dem neuen „Koate HT“, wegen eines Großauftrags aus Kanada. Einer der Vertriebsleute verweist auf die in Hongkong und Taiwan sehr niedrigen Erlöse. Es sei deshalb zweckmäßig, Kanada zu beliefern und dafür die Umstellung in Asien weiter hinauszuzögern. Für Fernost bleibe von Mai bis Juli nur das alte, nicht-erhitzte Medikament. Eine erhebliche Menge sei man dort bereits losgeworden. Die Verkaufsabteilung werde versuchen, mehr abzusetzen.

„Das BCC-Komitee wird die Sache genau im Auge behalten und......nur dann verlangen, Präparate abzuschreiben, wenn alle anderen Optionen geklärt wurden.“

O-Ton Lexi J. Hazam, Rechtsanwältin:

„Sie bewerteten ihren Profit höher als die Gesundheit und das Leben ihrer Patienten!“

Laut Protokoll waren informiert: Jack Ryan, Präsident. Er lehnt jeden Kommentar ab.

Willi Ewald, deutscher Verkaufsmanager: kein Kommentar!

Karl Fischer, deutscher Abteilungsleiter: kein Kommentar!

Pete DeHart, Vertriebsmanager: kein Kommentar!

Wilhelm Schaeffler, deutscher Vorstand: kein Kommentar!

Merrill Boyce, Assistent des Vorstands...

Merrill Boyce ist nach mehr als einem Dutzend Absagen der erste ehemalige Cutter-Manager, der zu einem Interview bereit ist - auf dem Balkon seines Hauses, mit Blick auf San Francisco.

O-Ton Merrill T. Boyce, ehemaliger Cutter-Manager:

„Ich erinnere mich nicht an eine solche Diskussion, unsichere Präparate irgendwo hin abzuschieben. Ich erinnere mich, dass wir Medikamente zurückgerufen haben. Die Leute unseres damaligen Komitees halte ich für absolut integer. Hinter ihrer Entscheidung muss die Annahme gestanden haben, dass die Produkte sicher sind, unabhängig davon, ob sie erhitzt waren oder nicht.“

Ein Kloster, 30 Kilometer außerhalb von Taipeh. Yuan Tsai kommt regelmäßig hierher, um das Grab seines Sohnes Honda zu besuchen, und um im Tempel für dessen Seele zu beten. Yuan und seine Familie leben nach den Regeln strenggläubiger Buddhisten.

Honda Tsai war, als er 1996 an AIDS starb, ein bekannter Künstler in Taiwan. Nach der Diagnose, dass er sich als Bluter durch verseuchte Medikamente von Cutter aus Kalifornien infiziert hatte, zog sich Honda in sich zurück, wurde depressiv. Dieses Selbstbildnis entstand kurz vor seinem Tod.

Hongkong, Mai 1985. Seit einem halben Jahr werden die Patienten inzwischen mit Medikamenten versorgt, die wegen der AIDS-Verseuchung in Europa und in den Vereinigten Staaten längst verboten sind.

Cutters Vertriebsfirma im Caltex House ist empört. Deren Chef wurde bereits ins Gesundheitsministerium von Hongkong zitiert, musste sich fragen lassen, ob die Chinesen in den Augen der Amerikaner Menschen zweiter Klasse seien. Doch wieder geht ein abwiegelndes Fernschreiben aus San Francisco ein:

„...be assured...it is the same fine product we have supplied for years...“

...„Seien Sie versichert, es ist dasselbe feine Produkt, das wir seit Jahren liefern...“

O-Ton Thomas C. Drees:

„Ich erinnere mich, dieses Fernschreiben in den Cutter- Dokumenten gelesen zu haben, in dem es heißt, wir haben zwar nichts von dem neuen, erhitzten Produkt für euch übrig, aber wir haben dieses immer noch blendende Präparat, das so sicher ist. Ich bin überrascht, dass die Vertriebsfirma in Hongkong so dumm war, das Argument immer wieder zu akzeptieren, über dieses angeblich so gute alte Präparat, das die Patienten umbringen würde.“

Im Mai 1985 eskaliert der Streit zwischen Hongkong und San Francisco. Inzwischen hat sich Cutters Exportpolitik herumgesprochen. Patienten gehen auf die Barrikaden, Ärzte sind empört, Journalisten beginnen mit Recherchen. Cutters Exportmanager hält das in einem Vermerk fest.

O-Ton Diktat:

„Die Kontroverse könnte zu Schlagzeilen auf der Titelseite der South China Morning Post führen... Reporter verlangen Auskunft, warum Hongkongs Patienten nicht das hitzebehandelte Produkt bekommen...Noch halten sich die Ärzte die feindliche Presse mit Verzögerungstaktiken vom Hals...“

O-Ton Merrill T. Boyce, ehemaliger Cutter-Manager:

„Haben Sie den Vermerk?“

Autor: „Ja!“

„Kann ich ihn sehen?“

O-Ton Diktat: „Wir haben den Universitäts-Ärzten... 350 Flaschen des neuen, hitzebehandelten „Koates“ besorgt... ... für jene Patienten, die am lautesten jammern.“

O-Ton Merrill T. Boyce/ehemaliger Cutter-Manager:

„Ich denke, dass so eine Entscheidung komplexer ist als das, was Sie da herauslesen. Allerdings, sollte sich herausstellen, dass wir damals schon mit absoluter Sicherheit wussten, dass die alten Präparate infektiös waren, dann wäre es tatsächlich eine schlechte Entscheidung gewesen.“

Taipeh, Juli 1985, wieder zwei Monate später. Während der Vertrieb des nicht-hitzebehandelten „Koate“ in Hongkong zwischenzeitlich wegen drohender Presse-Veröffentlichungen gestoppt wurde, erhalten die bluterkranken Kinder in Taiwan weiterhin das alte Produkt. Im fernen San Francisco sind die Lager immer noch voll.

Auch in Cutters Vertriebsfirma in Taipeh herrscht Alarmstimmung. Sie kontrolliert 80 Prozent des taiwanesischen Marktes. Auf der Insel sind die ersten HIV-Infektionen überhaupt diagnostiziert worden. Ausgerechnet bei Blutern! Bei ihren Kunden! Wurde AIDS durch „Koate“ nach Taiwan eingeschleppt?

Bei Cutter vor den Toren von San Francisco macht man sich mehr Sorgen um die Verkaufszahlen: „Die asiatischen Ärzte sind vorsichtig geworden... „Koate“-Umsätze in Taiwan sind im Keller. Wir werden hitzebehandeltes „Koate“ brauchen, um Umsätze zurück zu gewinnen“

O-Ton Wun-Fu, Medikamenten-Opfer:

„Wir hatten direkten Kontakt mit dem Importeur, der uns die Medikamente verkaufte, die dann im Krankenhaus von den Ärzten gespritzt wurden. Wir hätten sicherlich eine Zeitlang anders behandelt werden können. Aber uns hat damals niemand gewarnt, weder die Firma, noch die Ärzte.“

Wun-Fu lebt seit 20 Jahren mit der Infektion, aber erst seit einem Jahr ist AIDS bei ihm massiv ausgebrochen. Von den damals infizierten Blutern in Taiwan sind inzwischen mehr als zwei Drittel gestorben.

Zwanzig Jahre nach Cutters Entscheidung, AIDS-verseuchte Medikamente nach Asien zu verkaufen, sieht sich John Hink erstmals mit den Opfern konfrontiert.

O-Ton John H. Hink, ehemaliger Cutter-Manager:

„Es tut mir Leid, dass das passiert ist! Aber ich denke auch, dass ich nicht in der Lage bin, zu erklären, dass Entscheidungen, die damals getroffen wurden, an denen ich beteiligt gewesen sein mag oder auch nicht....

...nicht alle Entscheidungen haben sich inzwischen als richtig herausgestellt. Keiner von uns ist unfehlbar!....Die Art, wie Sie Fragen stellen, gibt dem Ganzen sicherlich einen Anstrich, wie: Verdammt, hätten wir das Zeug damals weggeschmissen, hätten diese Menschen wahrscheinlich nicht die Krankheit bekommen...“

Tokio, August 1985, wieder ein Monat später. Auch in Japan geht der Verkauf der verseuchten Präparate weiter. Cutter Japan hat noch riesige Bestände auf Lager. Dabei würde die Arzneimittelbehörde in Tokio dem neuen, AIDS-sicheren Produkt lieber heute als morgen eine Zulassung erteilen.

O-Ton Diktat:

„Wenn die Zulassung noch im August kommt, werden wir...potentiell nicht mehr verkäufliche Präparate...auf Lager haben. ...Cutter Japan könnte versuchen,...die Zulassung des neuen Produkts hinauszuzögern...“

O-Ton Thomas C. Drees: „Klar versuchten sie, das hinauszuzögern, denn so konnten sie hoffen, wir werden das alte Zeug los, das wir noch haben!‘“

O-Ton John H. Hink, ehemaliger Cutter-Manager:

„Ich weiß...ich war nicht...Ich bin sicher, dass ich damals in diesen Vermerk der Geschäftsleitung nicht eingeweiht wurde! Ich fühle mich nicht wohl, wenn ich das höre! Was ich gemacht hätte, wenn ich damals davon erfahren hätte? ...Ich vermute, ich hätte gesagt, das ist ihre Angelegenheit, nicht meine.“

O-Ton Merrill T. Boyce, ehemaliger Cutter-Manager:

„Sie sprechen von Schuld, aber ich frage mich, ob eine Firma Schuld haben kann. Sicherlich gibt es eine Verantwortung für Entscheidungen, die getroffen wurden und dafür, dass es unzulässige Entscheidungen waren. Und diese Verantwortung muß die Firma tragen.“

Autor: „Wäre es, nach 20 Jahren, nicht auch eine Pflicht für die damals verantwortlichen Personen, um Verzeihung zu bitten?“

Merrill T. Boyce: „Ich denke...sicherlich...also...dieser Weg ist oft schwer zu beschreiten, ... aber wenn es das ist, was die Opfer und ihre Familien erwarten...Alles was zu tun ist, um ihre ünsche zu befriedigen, sollte wahrscheinlich getan werden.“

O-Ton Jacky:

„Ich denke, sie sollten sich auch entschuldigen. Und bestraft werden! Andererseits: Wenn sie ins Gefängnis gehen, werde ich dadurch auch nicht wieder gesund.“

O-Ton Menn:

„Die Pharmafirma muss vor Gericht gestellt werden! Sie hat das Medikament verkauft, obwohl sie wusste, dass es mit AIDS verseucht ist. Nur wegen des Profits! Das ist doch Mord!“

O-Ton Wun-Fu:

„Natürlich müssen wir vor Gericht kämpfen, damit die ganze Wahrheit ans Licht kommt. Das dauert natürlich. Und ich frage mich, ob sie vielleicht auf eine „biologische Lösung“ spekulieren, also dass ich den Tag vielleicht gar nicht mehr erleben werde.“

O-Ton Charles A. Kozak, Rechtsanwalt:

„Wir haben in den Dokumenten sehen können, dass Bayer gleich zu Anfang der AIDS-Katastrophe jemanden herüberschickte, um die Strategie festzulegen. Und die entschieden dann, dass, obwohl wahrscheinlich innerhalb von ein, zwei Jahren 5.000 Bluter an AIDS erkranken würden, Cutter die Präparate weiter vermarkten solle.“

Auf dem ehemaligen Cutter-Gelände produziert die Bayer AG heute gentechnologische Medikamente. Die Deutschen in der Cutter Führungsetage wussten damals genau, was sie taten. Das belegt ein internes Fernschreiben des Headquarters in San Francisco. Im November 1984, zur selben Zeit, als die Exportabteilung Hongkong wissen ließ,...

„...we must use up stocks“

...“Wir müssen die Lagerbestände des alten Präparats aufbrauchen...“

...warnte der deutsche Vertriebsmanager Willi Ewald einen australischen Kunden vor eben diesem Produkt...

„...angesichts der Gefahren, die nicht-erhitzte Präparate für Bluter bedeuten könnten.“

Jede weitere Verwendung, so Hinks Kollege Ewald...

„...cannot be justified“

...„kann nicht gerechtfertigt werden!“

O-Ton John H. Hink, ehemaliger Cutter-Manager:

„Als die Umstellung kam auf das neue, erhitzte Produkt und der Boss eine Entscheidung verlangte, was mit den Lagerbeständen des alten Produkts gemacht werden soll, wurde entschieden, anstatt sie wegzuschmeissen, wollen wir sie lieber in andere Länder verkaufen...

...Und das führte dann zum Verlust von Menschenleben und zu Gesundheitsschäden.

..Ich denke, ich habe Fehler gemacht...ich denke, ich hätte Dinge besser machen können...und, ich denke, unter diesen Umständen, wenn man die Folgen sieht, bin ich froh, jetzt darüber reden zu können.“

Bis Ende 1985 wurden durch den „tödlichen Ausverkauf“ mehrere hundert Patienten in Asien mit AIDS infiziert. Die genaue Zahl der Opfer ist nicht bekannt, ebenso wenig die Zahl der Überlebenden. Cutter erzielte etwa vier Millionen Dollar aus dem Export der verseuchten Präparate.

Die Bayer AG lehnt jede Stellungnahme zu den konkreten Vorwürfen dieses Filmes ab. Das Unternehmen teilt lediglich mit, man empfinde „größtes Mitgefühl“ mit den Opfern, bestreite aber „jegliches Fehlverhalten bei der Herstellung und Vermarktung dieser Produkte“.

Hinweis: Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar, insbesondere darf er weder vervielfältigt, verbreitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden.

Demo Köln

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 13. September 2004

Coordination gegen BAYER-Gefahren demonstriert in Köln gegen ABIC 2004

„Gentechnik-Industrie verspricht das Blaue vom Himmel“

In Köln beginnt heute die Agricultural Biotechnology International Conference (ABIC 2004), die nach eigenen Angaben zu den „weltweit wichtigsten Gentechnik-Konferenzen“ zählt. Neben Wissenschaftlern und Politikern nehmen die 20 größten Agrar- und Nahrungsmittelmultis der Welt teil, darunter Monsanto, Nestlé, Bayer CropScience, Syngenta und BASF.

Umweltgruppen aus ganz Deutschland, darunter Greenpeace, attac und der BUND, demonstrieren heute gegen die Konferenz. Die Aktivisten errichten vor den Kölner Messehallen einen 8 m hohen Maiskolben und pflanzen ein symbolisches Versuchsfeld. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) kritisiert unter dem Slogan „Leben made by BAYER“ das Gentechnik-Engagement des BAYER-Konzerns.

Axel Köhler-Schnura, Vorstand der CBG: „BAYER ist in Europa Marktführer für Gen-Saatgut und drängt mit gentechnisch verändertem Mais, Soja, Reis, Baumwolle und Raps auf den Markt. Ausschließlich aus Profitgründen - mit unabsehbaren Folgen für die Umwelt und die Landwirte in den Ländern des Südens.“

„Die Konzerne versprechen auf der ABIC das Blaue vom Himmel: die Gentechnik soll das Welthunger-Problem lösen und den Verbrauch von Agrogiften verringern. Dabei ist Hunger ein Verteilungsproblem - durch Monokulturen und teures Gentech-Saatgut werden die Probleme noch verschärft. Und gentechnisch veränderte Pflanzen brauchen auf lange Sicht nicht weniger, sondern mehr Pestizide“, so Köhler-Schnura weiter. Die CBG begleitet das Unternehmen BAYER seit 25 Jahren kritisch.

BAYER hat bei der EU eine Importgenehmigung für gentechnisch veränderten Reis beantragt. Millionen Bauern in den Ländern des Südens, die bislang durch Tausch und Eigenzüchtungen ihr Saatgut selbst produzieren, drohen dadurch in Abhängigkeit von multinationalen Konzernen zu geraten oder ihre Existenz zu verlieren. Lokal angepasste Reissorten würden bei einer Zulassung durch Gentech-Sorten verdrängt, was zu erhöhtem Schädlingsaufkommen, verstärktem Einsatz von Pestiziden und einer Verringerung der Artenvielfalt führt. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert die Bundesregierung auf, bei der EU auf eine Ablehnung der Importzulassung für Gen-Reis zu drängen.

Die Zulassung von gentechnisch verändertem Saatgut läuft schleppender an als von der Industrie erwartet: Belgien wies die Zulassung von genmanipuliertem Raps von BAYER zurück. In England wurde die Zulassung von Gen-Mais von BAYER ebenfalls abgelehnt.

Gerne senden wir Fotos von der Aktion in Köln zu

Kanada

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 9. September 2004

Kanada: BAYER erhält Verwarnung von Umweltministerium

Umwelt-Ministerin: „Unternehmen halten sich nicht an Gesetze“

Das Umweltministerium der kanadischen Provinz Ontario hat in zwölf Chemie-Werken Verstöße gegen die Umwelt-Gesetzgebung des Landes festgestellt. Vier der bemängelten Anlagen gehören zum BAYER- Konzern. Im vergangenen Jahr waren aus mehreren Werken giftige Chemikalien ausgetreten, woraufhin das Ministerium intensive Kontrollen angeordnet hatte.

Umweltministerin Leona Dombrowsky übt scharfe Kritik am Verhalten der Chemie-Industrie: „Einige dieser Unternehmen halten sich nicht an die Gesetze. Wir werden jedoch unmissverständlich klar machen, dass wir keine Verschmutzung unserer Gewässer dulden. Es handelt sich um ein sehr ernstzunehmendes Verfahren.“ Den BAYER-Werken am Standort Sarnia waren mehrere Verstöße nachgewiesen worden, darunter Falschdeklaration von Giftmüll, fehlende Zulassung risikoreicher Anlagen und ungenehmigter Umbau einer Abwasseranlage.

Das Ministerium verfügt über ein Team von Spezialisten, das eigens zur Überwachung der Umweltgesetze eingerichtet wurde und das bereits 3.000 Kontrollen risikoreicher Anlagen durchgeführt hat. Im „Chemie- Gürtel“ von Sarnia wurden seit Februar 32 Fabriken kontrolliert. Ministerin Dombrowsky ordnete eine Reihe von Nachrüstungen bemängelter Anlagen an.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Es nötigt Respekt ab, wie die kanadische Regierung die Einhaltung ihrer Umweltgesetzgebung durchsetzt. In Deutschland ist eine solch gründliche Untersuchung von Industrie-Anlagen undenkbar - weder der politische Wille noch das hierfür notwendige Personal wäre vorhanden.“ Mimkes kritisiert jedoch, dass gegen die verantwortlichen Unternehmen keine Strafen verhängt wurden.

In den vergangenen zwölf Monaten war der durch Sarnia fließende St. Clair River dreimal mit giftigen Chemikalien kontaminiert worden. Umliegende Gemeinden mussten die Wasser-Entnahme aus dem Fluss unterbrechen und die Wasserversorgung vorübergehend einstellen.

Pressemitteilung des Umweltministeriums Ontario: www.ene.gov.on.ca/envision/news/2004/090101.htm

England

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 10. August 2004

England: Klage von BAYER gegen Umweltschützer gescheitert

„Schlag gegen Geheimnistuerei der Konzerne“

Juristische Drohversuche des BAYER-Konzerns gegenüber dem britischen Umweltverband Friends of the Earth (FOE) sind gescheitert. Das Unternehmen versuchte FOE daran zu hindern, Studienergebnisse über Risiken des Pestizids Glufosinat zu veröffentlichen. Obwohl die Untersuchungen in mehreren Ländern frei zugänglich sind, wollte der Konzern bei Zuwiderhandlung hohe Strafzahlungen erzwingen.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: “Wir verurteilen die aggressiven Einschüchterungsversuche von BAYER gegenüber Umwelt-Organisationen. Mit der Macht starker Rechtsabteilungen wird immer wieder verhindert, dass Informationen über Gesundheitsrisiken in die Öffentlichkeit gelangen. Friends of the Earth hat einen Erfolg für die gesamte Umweltbewegung errungen.“ Die Coordination gegen BAYER-Gefahren, die das Unternehmen seit mehr als 25 Jahren überwacht, war selbst mehrfach Opfer juristischer Attacken des BAYER-Konzerns.

Da Glufosinat zu den meistverwendeten Herbiziden in Europa gehört, hatte Friends of the Earth im Jahr 2000 die britische Umweltbehörde Pesticides Safety Directorate aufgefordert, die Studienergebnisse zu veröffentlichen. BAYER ging gerichtlich gegen die Weitergabe der Daten vor. Doch der Umweltverband kontaktierte parallel amerikanische und skandinavische Ministerien. Schweden und Dänemark sandten die Untersuchungsergebnisse umstandslos zu. „Wir wollten zeigen, dass BAYER diese Daten fälschlich als „top secret“ bezeichnet und der Öffentlichkeit vorenthält, obwohl sie in anderen Ländern frei zugänglich sind“, so Phil Michels von FOE.

Nun holte BAYER die juristische Keule heraus und klagte mit dem Ziel, FOE daran zu hindern, den Besitz der Untersuchungen und ihre Herkunft öffentlich zu machen. Zudem sollte der Umweltverband sich verpflichten, keine weiteren Studien von ausländischen Behörden anzufordern. Selbst die bloße Nennung der Studien-Titel wollte BAYER unter Strafe stellen lassen.

Der Umweltverband bewies Durchhaltevermögen und widersetzte sich den Einschüchterungen – mit Erfolg. BAYER musste sich verpflichten, FOE in vergleichbaren Fällen nicht mehr zu verklagen. „Die Konzern- verantwortlichen dachten, dass wir allein wegen der Verfahrenskosten den Schwanz einziehen würden“, so Phil Michels. „Dies ist ein wichtiges Signal gegenüber dem „Big Business“, dass man uns nicht zum Schweigen bringen kann.“ Tony Jupiter, Direktor von Friends of the Earth, ergänzt: „Unsere Nahrung wird Tag für Tag mit diesen Substanzen behandelt. Die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, welche Risiken von Chemikalien ausgehen, die wir über das Essen, das Wasser und die Luft aufnehmen“. Friends of the Earth schaltete eine website frei, über die die ”Geheim-Studien” angefordert werden können. (http://www.foe.co.uk/campaigns/real_food/news/2004/june/bayer/how_to_obtain.html)

BAYER gehört zu den größten Pestizid-Herstellern der Welt; im Sortiment befinden sich extrem gefährliche Wirkstoffe wie Parathion, Monocrotophos, Fenamiphos und Aldicarb. Der Wirkstoff Glufosinat wird im Obst-, Wein-, Getreide- und Gemüsebau eingesetzt und wird von BAYER auch in Kombination mit gentechnisch verändertem Saatgut (Raps, Mais, Reis, Zuckerrüben) angeboten.