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Veröffentliche Beiträge von “CBG Redaktion”

[Baysanto] EU genehmigt Übernahme

CBG Redaktion

Die Entscheidung über BAYERs MONSANTO-Deal rückt näher

EU genehmigt Übernahme

Am 21. März 2018 hat die Europäische Union BAYERs Antrag auf Übernahme von MONSANTO genehmigt. Brüssel sieht durch die Bereitschaft des Leverkusener Multis, sich von einigen Geschäftssparten zu trennen, die Gefahren eines solchen Mega-Deals gebannt. Trotzdem kann der Leverkusener Multi die Sektkorken noch nicht knallen lassen, denn es stehen noch einige Entscheidungen aus. Und die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN wird gemeinsam mit ihren Bündnis-Partnern bis zuletzt weiter gegen Baysanto streiten.

Von Jan Pehrke

„Wir haben die Übernahme von MONSANTO durch BAYER genehmigt, weil unsere wettbewerbsrechtlichen Bedenken durch die von den Unternehmen vorgelegten Verpflichtungszusagen, die einen Umfang von weit über sechs Mrd. Euro haben, vollständig ausgeräumt werden“, das erklärte die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager zur Begründung der Zustimmung. Ein positives Votum Brüssels hatte sich schon länger abgezeichnet. Zwar zögerte die Generaldirektion Wettbewerb das Ende der Prüf-Phase mehrfach hinaus, aber einen Anlass zur Hoffnung gab das nicht unbedingt. „Wenn eine Entscheidung verschoben wird, hat das oft damit zu tun, dass wir mehr Zeit brauchen, um uns anzuschauen, was das Unternehmen uns für Angebote macht, um unsere Bedenken aus dem Weg zu räumen“, erklärte Vestager nämlich.

Ein erstes solches Angebot hatte BAYER im Herbst 2017 gemacht. Der Leverkusener Multi zeigte sich willens, ein Paket mit seinen gen-manipulierten Raps-, Soja- und Baumwoll-Pflanzen der „LIBERTY LINK“-Baureihe samt dem dazugehörigen Pestizid Glufosinat sowie einige weitere Ackerfrüchte an die BASF zu veräußern. Ein weiteres Zugeständnis unterbreitete der Global Player im Februar 2018. Da stellte er seine Gemüsesaatgut-Tochter NUNHEMS zur Disposition. Zudem verkündete der Konzern Konzessionen im Bereich der digitalen Landwirtschaft. So beabsichtigt BAYER, der BASF eine Exklusiv-Lizenz zur Nutzung dieser „Zukunftstechnologie“ einzuräumen. Ganz trennen mochte sich der Agro-Riese von Produkten dieser Abteilung jedoch nicht, da er mit der Bereithaltung von Tools zur daten-gestützten Bodenbewirtschaftung zu einer Art GOOGLE der Äcker aufzusteigen gedenkt.

Die Wettbewerbskommissarin akzeptierte all das jedoch, obwohl ihre KollegInnen einige der Posten schon zur Makulatur haben werden lassen. Die Europäische Union hat nämlich die Zulassung von Glufosinat wegen dessen erbgut-schädigenden Eigenschaften nicht verlängert, weshalb es die ihm von Margrethe Vestager zugedachte Rolle „eines Konkurrenz-Produkts für das MONSANTO-Produkt Glyphosat“ gar nicht mehr zu spielen vermag.

So erreicht Baysanto dann trotz der Auflagen im Pestizid-Bereich einen Markt-Anteil von mehr als 20 Prozent und beim konventionellen Saatgut einen Markt-Anteil von ca. 30 Prozent. Beim gen-manipulierten Saatgut beträgt dieser sogar 90 Prozent. Diese dominierende Stellung bedroht die Landwirtschaft, da die LandwirtInnen mit höheren Preisen rechnen müssen und überdies weniger Auswahl haben. Auch die VerbraucherInnen können beim Einkauf nicht mehr zwischen so vielen Sorten wählen, wenn der Leverkusener Multi mit seinem Vorhaben wirklich zum Ziel kommen sollte. Daran stört sich die EU-Kommission offensichtlich nicht. Mit ihrem Genehmigungsbescheid hat sie dem von vier Konzernen gebildeten und von BAYER unangefochten angeführten Oligopol im Landwirtschaftssektor ihren amtlichen Segen erteilt.

Aber die Übernahme hat noch weitere Folgen, welche Vestager & Co. gar nicht erst in den Blick nahmen, weil sie ihre Perspektive allein auf das Wettbewerbsrecht verengten und selbst da nicht so genau hinsahen. Die Beschäftigten sehen sich Arbeitsplatz-Vernichtungen durch die bei solchen Gelegenheiten immer viel beschworenen Synergie-Effekte gegenüber. Und schließlich stehen den Standort-Städten im Fall des Falles finanzielle Einbußen ins Haus, denn BAYER pflegt seine Shopping-Touren immer von der Unternehmenssteuer abzusetzen.

Mit der EU haben jetzt mehr als die Hälfte der 30 involvierten Kartellbehörden dem Deal ihre Zustimmung erteilt. Einige tun sich zum Glück jedoch noch schwer. So verlangte die russische Föderale Antimonopol-Behörde FAS von BAYER im November 2017 mehr als nur eine kleine Fasten-Kur, ehe das Schlucken von MONSANTO beginnen kann. Sie machte dem Konzern zur Bedingung, den FarmerInnen des Landes Zugang zu den Züchtungstechnologien und zu den Angeboten der digitalen Landwirtschaft zu verschaffen. „Sie haben so große Datenmengen, dass von unserem landwirtschaftlichen Sektor nach einem Zusammenschluss nicht mehr viel übrig sein wird“, sagte FAS-Chef Igor Artemjev zur Begründung. Bis Ende Februar gab die Behörde dem Global Player Zeit, darüber nachzusinnen. Weil es für das Unternehmen hier um das Eingemachte ging, reichte ihm diese Zeit nicht. Deshalb strengte BAYER eine Verfahrensklage an – verbunden mit der Drohung, notfalls eben auf den russischen Markt zu verzichten. Wenig später verlängerte die FAS die Prüfrist, und im März 2018 kam es auch zu einer Annäherung in Sachen „digitale Landwirtschaft“.

Die FAS-Forderungen wiederum hatten in den Vereinigten Staaten Besorgnis hervorgerufen. Sollte es Artemjev & Co. wirklich gelingen, Baysanto einen Technologie-Transfer aufzunötigen, geriete Wissen über avancierte Methoden der Nahrungsmittel-Produktion in russische Hände, warnten BeobachterInnen. Sie sahen dadurch die nationale Sicherheit der USA gefährdet und äußerten im Nachhinein Zweifel an der Entscheidung des „Ausschusses zur Überprüfung ausländischer Investitionen“, der so etwas nicht vorhergesehen hatte und das BAYER-Vorhaben im Dezember 2017 bedenkenlos passieren ließ. Auch sonst hakt es in den USA. Das Justizministerium verlangt deutlich mehr Verkäufe vom Leverkusener Multi als die bisher angekündigten, was Baumanns Zeitplan ein weiteres Mal durcheinanderzubringen droht.

PR in eigener Sache
Durch die sich in die Länge ziehenden Verfahren sahen sich die BAYER-Bosse zu verstärkten diplomatischen Anstrengungen gezwungen. So traf der Vorstandsvorsitzende Werner Baumann im Januar 2018 bereits zum zweiten Mal Donald Trump, um gut Wetter für die MONSANTO-Akquise zu machen. Der Konzern-Chef gehörte zu den 14 UnternehmenslenkerInnen, die beim Davoser Weltwirtschaftsforum mit dem US-Präsidenten speisten. Sich so ehrfürchtig und beflissen wie ein Klosterschüler vor dem Papst gebährdend, stellte Baumann sich ihm bei Tisch als Vertreter desjenigen Unternehmens vor, das ASPIRIN produziert. Anschließend versuchte er, Trump mit der Ankündigung von großen Investitionen in den USA für den Coup zu erwärmen. Milliarden-Beträge stellte Baumann in Aussicht, falls es zu der MONSANTO-Übernahme käme. „Das ist wirklich gut“, lobte Trump.

In ähnlicher Weise umwarben Joe Kaeser von SIEMENS und die anderen Firmen-Vorstände den Präsidenten. „Deutsche Konzern-Chefs huldigen Trump“, überschrieb die Faz deshalb ihren Artikel zum Meeting. BAYERs Aufsichtsratsvorsitzender Werner Wenning fand da überhaupt nichts daran und attestierte Werner Baumann, einen guten Job gemacht zu haben. Kaum weniger verwunderliche Ansichten tat Werner Wenning zum Objekt von BAYERs Begierde kund. „MONSANTO macht als Biotech-Unternehmen das, was die Natur und der Mensch seit Jahrhunderten vormachen – Saatgut weiterentwickeln und verbessern“, meint er. Und natürlich bloß aus Sorge um die Ärmsten der Armen will der Leverkusener Multi mit dem Erwerb der US-Gesellschaft dem Vorbild „Natur“ noch ein wenig intensiver nacheifern. „Nur weil Europa noch kein Ernährungsproblem hat, verschwindet das Ernährungsproblem ja nicht. Hier vergessen viele, dass weltweit etwa 800 Millionen Menschen hungern“, gerierte sich der Manager als Mahner. Werner Baumann wollte da nicht zurückstehen und präsentierte sich auf der Bilanz-Pressekonferenz Ende Februar 2018 als Mutter Teresa in Nadelstreifen: „Wir können mit MONSANTO noch besser dazu beitragen, die Ernährung der Weltbevölkerung zu sichern“.

Die wahren Motive hingegen nannte er bei einer Veranstaltung der Schmalenbach-Gesellschaft in Düsseldorf. Dort führte der BAYER-Chef aus, anfangs wäre die gesamte Führungsriege gegen die Transaktion gewesen. Erst das veränderte Lagebild im Landwirtschaftsgeschäft durch CHEMCHINAs SYNGENTA-Kauf hätte zu einem Umdenken geführt. „Deren Folgen für die langfristige Position BAYERs im Agrochemie-Sektor habe ihn letztlich dazu bewogen, die MONSANTO-Übernahme in Erwägung zu ziehen“, mit diesen Worten gibt das zur Faz-Gruppe gehörende Portal Finance Baumanns Einlassungen wieder.

Der Konzern sah sich also ganz profan im Monopoly-Spiel der Branche in Zugzwang und hob nach der Devise „Die Letzten werden die Ersten sein“ nun dazu an, sich an die Spitze der Bewegung zu setzen und innerhalb des Agro-Oligopols die Führungsposition anzustreben.

Proteste halten an
Dagegen haben aber zahlreiche AktivistInnen aus der ganzen Welt etwas. Deshalb reißt auch in diesem Jahr der Protest gegen das avisierte Milliarden-Geschäft nicht ab. „Dämmen Sie die Markt-Konzentration von Großunternehmen ein, weil diese die Verwirklichung des Rechts auf Nahrung und eine positive ländliche Entwicklung bedroht“, lautete etwa eine der zentralen Forderungen der „Wir haben es satt“-Demonstration, zu der am 20. Januar 2018 über 30.000 Menschen nach Berlin gereist waren. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) setzte das Thema dort ebenfalls auf die Agenda. „Stopp BAYER/MONSANTO“ war der Aufruf überschrieben, den CBG-AktivistInnen auf der ganzen Route zwischen Hauptbahnhof und Brandenburger Tor verteilten.

Am 31. Januar 2018 konfrontierte das von der Coordination initiierte „Stopp BAYER/MONSANTO!“-Bündnis den Leverkusener Multi direkt mit der Kritik. An dem Tag wollte MONSANTO auf seiner Hauptversammlung in den Vereinigten Staaten nämlich weitere Vorbereitungen zur Elefanten-Hochzeit treffen. Das nahmen die rund 40 ProtestlerInnen von ATTAC, FIAN, der ÖkolandwirtInnen-Vereinigung IFOAM, der linken Karnevalstruppe PAPPNASEN ROT-SCHWARZ und der CBG zum Anlass, der BAYER-Zentrale einen Besuch abzustatten und dem Konzern schon mal seine Braut zu präsentieren. Aus Sicherheitsgründen war dazu ein Feuerwehr-Einsatz nötig, denn die Auserkorene hatte gleich ihre Mit-Gift dabei: den kleinen „Glypho-Satan“ und andere nicht ganz ungefährliche Dinge. Auch der Trauzeuge stellte sich bereits vor. Für diesen Posten hatte sich Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) in Brüssel durch seine Zustimmung zur Glyphosat-Zulassungsverlängerung qualifiziert, die dem Paar in spe die Aussicht auf eine noch praller gefüllte Familien-Kasse eröffnete. Dezent im Hintergrund hielt sich in Leverkusen hingegen der vom ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Friedrich Merz vertretene Heiratsvermittler BLACKROCK, der die Partnerschaft mit eingefädelt hatte.

Dank der PAPPNASEN ROT-SCHWARZ konnte das Bündnis sogar den Kölner Rosenmontagszug als Forum nutzen. Die alternative Karnevalstruppe hatte für ihren „Zoch vor dem Zoch“ nämlich das offizielle Motto „Mer Kölsche danze us der Reih“ in „Mer klääve nit am Wachstumswaahn, mer danze us der Reih“ umgestrickt, und da passte BAYERs MONSANTO-Operation wunderbar rein. Ein Symptom für den Wachstumswahn ist diese Idee von Baumann & Co. nämlich fürwahr. An dem Tag hatten aber nicht nur das Horror-Brautpaar und ihr „Glypho-Satan“ ihren Auftritt, sondern auch das BAYSANTO-Monster, „Mad Scientists“ und die Bienen-Leichen, die ihren Weg pflasterten. So vor den ZuschauerInnen an der Strecke vorbeiparadierend, wurden die Polit-Jecken von einer der Tribünen gar als „Protest-Zug aus Leverkusen“ begrüßt, obwohl in ihren Reihen auch noch andere böse Buben wie z. B. der Klima-Killer RWE ihr Unwesen trieben.
Das Versagen der Behörden bei der Beaufsichtigung des bunten Treibens von BAYER & Co. trieb die Initiative „Konzernmacht beschränken“ zum Handeln. Das Bundeskartellamt, dessen VertreterInnen in Brüssel über Fusionen und Unternehmensaufkäufe mitentscheiden, habe bisher kaum Transaktionen verhindert, monierte das Bündnis, obwohl dies gerade im Fall des MONSANTO-Deals bitter Not täte. „Bei einer Genehmigung der Übernahme von MONSANTO durch die deutsche BAYER AG würden in Zukunft nur drei Konzerne 60 Prozent des weltweit verkauften Saatguts sowie 70 Prozent des globalen Pestizid-Marktes kontrollieren“, warnten die AktivistInnen. Darum lud sich „Konzernmacht beschränken“ am 22. Februar 2018 selbst zum 60. Geburtstag des Bundeskartellamts ein und brachte den zahnlosen WettbewerbshüterInnen als Geschenk einen neuen Satz Kau-Werkzeuge mit. „Wir sind heute hier, weil wir dem Bundeskartellamt in Zukunft mehr Biss wünschen wollen“, erklärte Jutta Sundermann. Ob sie und ihre MitstreiterInnen damit Erfolg haben werden und die WettbewerbshüterInnen in Zukunft wirklich kraftvoller zubeißen, steht allerdings sehr in Frage.

Die ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT und FRIENDS OF THE EARTH richteten bei ihren Protesten das Augenmerk besonders auf die beängstigende Entwicklung den Sektor der digitalen Landwirtschaft betreffend, die bei einem Vollzug des Kaufes droht. Die Organisationen warnen eindringlich vor einer Monopol-Stellung des Leverkusener Multi auf dem Gebiet dieser Technologie, die auf einer Vernetzung von Daten über das Wetter, die Boden-Beschaffenheit und das Schadinsekten-Aufkommen mit Landmaschinen, die Pestizide ausbringen oder die Felder bewässern, beruht. „BAYER-MONSANTO würde zum größten Akteur im Bereich der Daten-Plattformen und Daten-Sammlung. Dies birgt für Bauern und Bäuerinnen ähnliche Risiken und Probleme, wie sie bereits durch Daten-Plattformen wie GOOGLE, AMAZON und FACEBOOK entstanden sind“, hält FRIENDS OF THE EARTH fest.

Auf internationaler Ebene tut sich ebenfalls eine Menge. So hat die bekannte Gentechnik-Gegnerin Vandana Shiva eine dutzende Seiten umfassende Eingabe an die indische Kartell-Behörde verfasst, die dazu auffordert, dem BAYER-Vorhaben die Zu-stimmung zu verweigern. Zur Begründung führt Shiva vor allem die bisherigen Geschäftspraktiken MONSANTOS an, die in dem Land eine Spur der Verwüstung hinterlassen haben. An erster Stelle nennt Shiva die vielen Selbsttötungen von LandwirtInnen in den Regionen, in denen die Bt-Baumwolle des US-Unternehmens wächst. Wegen zu schlechter Ernten im Verhältnis zu den hohen Lizenz-Gebühren haben sich dort bereits hunderttausende FarmerInnen umgebracht. Die Gebühren verlangt der US-amerikanische Agro-Riese, obwohl er in Indien gar kein Patent auf das Bt-Saatgut selber, sondern nur auf die Herstellungsweise hält, empört sich die Autorin. Die indische Regierung reagierte auf den Wucher beim Lizenz-Verkauf mit einem staatlich verordneten Preis-Limit, wogegen der US-Multi umgehend klagte – und dafür die Unterstützung von BAYER erhielt. Im Bund mit den Leverkusenern potenzieren sich die Risiken und Nebenwirkungen einer solchen Unternehmenspolitik der Inderin zufolge noch einmal. „Mit der Fusion werden BAYER und MONSANTO ihre dominante Position ausbauen und das nutzen, um fortgesetzt Gesetze und Regeln des Landes zu brechen und die staatlichen Institutionen zu unterminieren, die Indiens Interessen schützen“, prophezeit die Wissenschaftlerin.

Zudem beschuldigt sie den bundesdeutschen Agrar-Riesen, den indischen Behörden gegenüber falsche Angaben zu den Auswirkungen der Transaktion – wie z. B. über das zu erwartende Ausmaß der Beherrschung des Baumwoll-Marktes – gemacht zu haben. Auch kritisiert Vandana Shiva beide Unternehmen für ihre Praxis, fortwährend kleinere Saatgut-Firmen aufzukaufen oder mit unfairen Verträgen an sich zu binden. „Angesichts der weitreichenden Konsequenzen (...) für den Wettbewerb, für das Wohlergehen der Farmer, die Gesundheit der Verbraucher und für die Demokratie steht die Akquisition von MONSANTO durch BAYER nicht im Einklang mit dem Wettbewerbsrecht und sollte nicht erlaubt werden“, schließt Shiva ihre Ausführungen.

Am französischen BAYER-Standort Lyon hat derweil die Initiative ALTERNATIBA Rhône mit einer spektakulären Aktion gegen die „Hochzeit des Todes“ protestiert. Sie veranstaltete Anfang März 2018 ein Die-in, um die Gesundheitsgefahren plastisch darzustellen, die von dem agro-industriellen Komplex ausgehen, den der Konzern durch die Einverleibung seines US-Konkurrenten noch einmal ein wenig komplexer gestalten will. Und die Ackergifte made in Leverkusen leisteten an dem Tag ganze Arbeit: Vor einer zentralen Metro-Station der Stadt lagen nicht nur Menschen darnieder, sondern auch Tiere und Pflanzen – einige AktivistInnen hatten sich nämlich Flora und Fauna anverwandelt.

In den Vereinigten Staaten reißt der Widerstand gegen das BAYER-Vorhaben ebenfalls nicht ab. So haben in jüngster Zeit unter anderem die „Texas Corn Producers“, die „Farm and Ranch Freedom Alliance“, die Milchvieh haltenden Öko-LandwirtInnen von der „Northeast Organic Dairy Producers Alliance“ und einige PolitikerInnen wie etwa die für die Partei der Demokraten im US-Senat sitzende Elizabeth Warren ihrer Besorgnis über den Deal Ausdruck verliehen. Einer Umfrage zufolge fürchten sich 93,7 Prozent der befragten US-amerikanischen LandwirtInnen vor den Folgen der Transaktion.

Die BAYER-Reaktionen
BAYER reagiert auf diese Kritik mit Verleumdungskampagnen und Drohungen. Der Konzern spricht der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und den vielen anderen Initiativen, die sich gegen die Übernahme wenden, schlicht die Lauterkeit ihrer Motive ab und wirft ihnen vor, kommerzielle Interessen zu verfolgen. „Wir erleben, dass die emotionale Aufbereitung von Ängsten die Debatte prägt, oft mehr als die Vermittlung von Fakten. Das lehnen wir insbesondere dann ab, wenn Angst als Geschäftsmodell benutzt und damit zum eigenen Vorteil geschürt wird“, hält der neueste Geschäftsbericht der Gesellschaft fest.
Andererseits spürt das Unternehmen ganz genau, dass der Rückhalt für die Transaktion nicht einmal betriebsintern besonders groß ist. Die Stimmungslage gleich nach Bekanntwerden von BAYERs MONSANTO-Aspirationen fasste ein Beschäftigter in dem WDR-Film „Die Saat der Gier“ zusammen: „Die Kollegen waren entsetzt, weil es eben genau dieser Partner ist, der da gekauft werden soll. Das Besondere: Dass das für alle für mich erkennbaren Hierarchie-Ebenen so war.“ Darum kam von der Geschäftsleitung über das Intranet die Anweisung: „Vermeiden Sie Spekulationen und Kommentare zu der Übernahme oder den möglichen Auswirkungen sowohl gegenüber Ihren Kollegen als auch gegenüber externen Personen. Das umfasst auch die sozialen Medien.“ Zu Recht konstatiert da der interviewte Belegschaftsangehörige: „Viele haben das als Maulkorb empfunden.“ Den löste der Global Player zwar bald wieder, aber nur, um den KollegInnen die seiner Meinung nach passenden Textbausteine in den Mund zu legen. „Argumente für die Hosentasche“ überschrieb er die Sprachregelungen für die ArbeiterInnen und Angestellten. Auf die Frage „Was hälst Du von dem Deal?“ etwa gibt er die Antwort vor: „Der Zusammenschluss von BAYER und MONSANTO erhöht unsere Innovationskraft und führt damit zu breiterer Auswahl, höherer Qualität und Ernährungssicherheit.“
Und BAYERs Wahlverwandter fackelte im Umgang mit seinen KritikerInnen nicht lange und zog gleich vor Gericht. MONSANTO verklagte die US-Organisation AVAAZ auf Herausgabe aller E-Mails und internen Dokumente zum Thema „Glyphosat“; sogar die Mail-Adressen der Mitglieder verlangt der Konzern. Aber die Initiative gibt sich kämpferisch: „MONSANTO mag unbegrenzte Ressourcen haben, um andere einzuschüchtern, aber die AVAAZ-Gemeinschaft vereint die Kraft von Millionen von Menschen, und unsere Mitglieder haben keine Angst.“
Die kennt auch die CBG nicht. Sie hat schon bei der letzten BAYER-Hauptversammlung allen Versuchen des Konzerns getrotzt, den Protest kleinzuhalten und arbeitet mit ihren Bündnis-Partnern weiter daran, die Übernahme zu stoppen. Die Planungen für Aktionen zur nächsten AktionärInnen-Versammlung des Konzerns am 25. Mai haben schon begonnen. ⎜

[Xarelto] BAYERs medizinische Mietmäuler pushen XARELTO

CBG Redaktion

ÄrztInnen unter Einfluss

BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO hat sich zu einem Milliarden-Seller entwickelt, obwohl die „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“ wegen der Risiken und Nebenwirkungen von dem Präparat abrät. Wie konnte das passieren?

Von Dr. med. Niklas Schurig

Die „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“ hat erneut festgestellt, dass die neuen Gerinnungshemmer bzw. Antikoagulantien (NOAK) nur Mittel der zweiten Wahl bei Vorhofflimmern sind (1). Dennoch werden immer mehr PatientInnen neu von Vitamin-K-Antagonisten (VKA) wie Phenprocoumon auf BAYERs XARELTO (Wirkstoff: Rivaroxaban) und andere Präparate dieser Medikamenten-Gruppe um- und eingestellt. Die Ursachen hierfür liegen in der minutiös geplanten Vermarktungsstrategie, die auch durch finanzielle Zuwendungen für ÄrztInnen in Deutschland erkauft wurde und wird. Die Einflussnahme durch BAYER soll an drei Beispielen verdeutlicht werden: CME-Fortbildungen (CME = Continuing Medical Education, Anm. SWB), europäische und deutsche Leitlinien.

Fortbildungen
Eines von vielen Beispielen für interessenkonflikt-behaftete Fortbildungskurse, die von den Ärztekammern unkritisch mit CME-Punkten zertifiziert werden, kann man aktuell hier bewundern und auch noch absolvieren: www.cme-kurs.de (2): „Triple-Therapie mit NOAK – Praxis und Studienlage.“ Autor ist Professor Christoph Bode aus Freiburg. Das Handout (3) endet mit dem nicht direkt verständlichen Schlusssatz: „Experten wie der Amerikaner Dr. Deepak Bhatt empfehlen, dass die Therapie mit Rivaroxaban in den klinischen Alltag integriert werden sollte.“ Auch die CME-Testat-Fragen sind dementsprechend gestrickt. Vitamin-K-Antagonisten (VKAs) werden abgewertet: „Die klassische Triple-Therapie mit Warfarin-ASS-Clopidogrel führt zu einem 3,7-fachen BlutungsRisikoanstieg.“ XAREL-TO wird dagegen auf fragwürdige Weise aufgewertet: „Im Rahmen einer Post-hoc-Analyse konnte eine verringerte Mortalitäts- oder Rehospitalisierungsrate (Mortalität = Sterblichkeit, Anm. SWB) in beiden Rivaroxaban-Studienarmen vs. VKA dargestellt werden.“
Diese Aussagen dürfen in Zweifel gezogen werden. Klarer wird der einseitig werbende Inhalt des Handouts (und des Vortrags), wenn man sich die Interessenkonflikte ansieht: Professor Bode arbeitet nämlich für BAYER und bekam für den Vortrag 12.000 Euro. Die Ärztekammer Rheinland-Pfalz hatte dagegen nichts einzuwenden und zertifizierte diese recht offensichtliche XARELTO-Werbung mit 2 CME-Punkten.

Geleitete Leitlinien
Die europäische Leitlinie zum Vorhofflimmern der „European Society of Cardiology“ (ESC), die den Einsatz von NOAKs als Mittel der ersten Wahl empfiehlt, tut dies vielleicht auch deshalb, weil 15 von 17 AutorInnen der Leitlinien-Gruppe Interessenkonflikte haben (4). Darunter befinden sich allein sechs, welche Geschäftsbeziehungen direkt zu BAYER unterhalten (5).Ob die Methoden der Studienbewertung von den Interessenkonflikten beeinträchtigt wurden oder ob es abgeleitete Konsequenzen wie z. B. Enthaltungsregeln gibt, legt die ESC nicht dar (6). Somit hat diese Leitlinie eine deutlich schlechtere Qualität als ihre deutschen Pendants, ist aber in Europa leider die Referenz-Leitlinie.

Da die ESC-Leitlinie für Deutschland diesen Maßstab-Charakter hat, wurde auch hierzulande der bislang verwendete Schlaganfall-Risiko-Score CHADS2 durch den neuen CHADS2VASC-Score ersetzt. Diese Scores geben das Schlaganfall-Risiko bei PatientInnen mit Vorhofflimmern an und werden zur Klärung der Notwendigkeit einer (oft lebenslangen) Blutverdünnung eingesetzt. Durch den Wechsel zu diesem neuen Score benötigten statt 60 Prozent nun über Nacht 85 Prozent der PatientInnen mit Vorhofflimmern eine Blutverdünnung. So wurden durch die Score-Änderung 2012 und die Indikationsausweitung Hundertausende zu potenziellen XARELTO-PatientInnen (1).

Die Deutsche Leitlinie zur Schlaganfall-Prophylaxe wurde ebenfalls von BAYER beeinflusst und unter grober Missachtung des Reglements durch bezahlte AutorInnen in Richtung XARELTO „verbogen“. Im Leitlinienreport (7) heißt es dazu: „Alle Mitglieder der Leitliniengruppe gaben an, dass keine bedeutsamen Interessenkonflikte sie an der Teilnahme an dem Leitlinienvorhaben hindern würden (…) Die Evaluation aller Erklärungen wurde abschließend auf der zweiten Konsensuskonferenz diskutiert, mit dem Ergebnis, dass keine Interessenkonflikte vorlagen, die einen Ausschluss aus der Leitlinien-Gruppe nach sich gezogen hätten. Falls ein stimmberechtigtes Mitglied aufgrund von Interessen-Konflikten bei der Konsentierung der Empfehlungen (d. h. beim Einigungsprozess über die Empfehlungen, Anm. SWB) einzelner Schlüsselfragen nicht unbefangen abstimmen konnte, bestand die Auflage, dass sich der- bzw. diejenige bei dieser Abstimmung enthalten würde.“

Am Beispiel der Empfehlung 13.10 zum Einsatz von Antikoagulantien wird aber deutlich, dass diese Abstinenz bei Befangenheit nicht konsequent eingehalten wurde. Die Empfehlung lautet: „Die neuen Antikoagulantien (d. h. Dabigatran, Rivaroxaban und Apixaban) stellen eine Alternative zu den Vitamin-K-Antagonisten dar und sollten aufgrund des günstigeren Nutzen-Risiko-Profils zur Anwendung kommen. (Empfehlungsgrad B).“ Laut Leitlinienreport wurde die Empfehlung mit 10 zu 9 Stimmen in der Stichwahl ausgesprochen. Von den 23 stimmberechtigten Mit-gliedern der Leitlinien-Gruppe gaben 10 an, Berater-Verträge mit den Herstellern der neuen oralen Antikoagulantien zu haben. Sechs weitere waren über Vortragshonorare mit den Produzenten dieser Medikamente verbunden. Von diesen 16 Befangenen enthielten sich jedoch bei der Abstimmung nur sechs, in der Stichwahl nur noch vier. Dabei unterhielten 19 von insgesamt 35 Leitlinien-AutorInnen Geschäftsbeziehungen zu BAYER (8).

Fazit
Diese gezielte Ausnutzung von Grauzonen bei der CME-Zertifizierung und bei den Leitlinien-Reglements gehört leider immer noch zu den Standard-Werkzeugen der Pharma-Firmen bei der Vermarktung ihrer Produkte. Dies ist lange bekannt. Wir ÄrztInnen stehen in der Verantwortung, dies zu ändern. Den Druck auf Landesärztekammern bei industrie-beeinflussten CME-Vorträgen können nur wir erhöhen. „Schlechte“ Leitlinien kommen meist von „schlechten“ Fachgesellschaften und es liegt an uns, die industrie-freundlichen Fachgesellschaften und ihre Leitlinienarbeit von innen heraus zu ändern. ⎜

Dr. med. Niklas Schurig ist Hausarzt in Rastatt, Vorstandsmitglied bei MEZIS e. V. und arbeitet bei leitlinienwatch.de sowie der AG CME mit.
Interessenkonflikte: keine weiteren
(1) AKDÄ (2016) Leitfaden „Orale Antikoagulation bei nicht valvulärem Vorhofflimmern“ https:www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/LF/OAKVHF/index.html Zugriff: 31.1.2018 https:www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/LF/index.html
(2) cme kurs (2017) Triple-Therapie mit NOAK – Praxis und Studienlage
https:www.cme-kurs.de/kurse/triple-therapie-mit-noak-praxis-und-studienlage/


(3) C Bode (2017) Triple-Therapie mit NOAKs Praxis und Studienlage
https:
www.cme-kurs.de/cdn2/pdf/Handout_Triple-Therapie-mit-NOAK.pdf Zugriff: 31.1.2018
(4) Kirchhoff P, Benussi S, Benussi D et al (2016) ESC Guidelines for the management of atrial fibrillation developed in collaboration with EACTS, European Heart Journal; 37; 38, pp 2893–2962 7.10. 2016
ESC-Leitlinie zum Management des Vorhofflimmerns (ESC Guidelines for the management of atrial fibrillation) https:academic.oup.com/eurheartj/article/37/38/2893/2334964 Zugriff: 31.1.2018www.escardio.org
(5) Ahlsson A, Atar D, Benussi D et al (2016) Interessenkonflikterklärungen https:
www.escardio.org/static_file/Escardio/Guidelines/DOI/DOI_Summary_2016_AFIB.pdf Zugriff: 31.1.2018
(6) Leitlinienwatch (2017) https:www.leitlinienwatch.de/esc-leitlinie-zum-management-des-vorhofflimmerns-esc-guidelines-for-the-management-of-atrial-fibrillation/ Zugriff: 31.1.2018
(7) AWMF Leitlinienreport S3-Leitlinien – Teil 1 Sekundärprophylaxe ischämischer Schlaganfall und transitorische ischämische Attacke
http:
www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/030-133m_S3_Sekun%C3%A4rprophylaxe_isch%C3%A4mischer_Schlaganfall_2015-02.pdf Zugriff: 31.1.2018
(8) neurologyfirst.de Zugriff: 31.1.2018

[Gen-Soja] EU genehmigt BAYER-Gensoja mit dreifacher Herbizid-Resistenz

CBG Redaktion

Gentech-Gefahr hoch 3

Die EU-Kommission hat Ende 2017 Import-Zulassungen für neue Gentechnik-Sojabohnen der Firma BAYER erteilt. Dabei handelt es sich um die Ernte von gentechnisch veränderten Soja-Pflanzen, die erstmals nicht nur gegen ein oder zwei Herbizide resistent sind, sondern jeweils gleich eine dreifache Resistenz aufweisen. Die „Balance Bean“-Soja von BAYER ist immun gegenüber Glyphosat, Glufosinat und Isoxaflutol. Bei dem Genehmigungsverfahren ließ die Europäische Union allerdings viele Risiken und Nebenwirkungen, die von diesen neuen Ackerfrüchten ausgehen können, außer Acht.

Von Christoph Then, TESTBIOTECH

Die Gentech-Geschäftsidee

BAYER setzt ähnlich wie Monsanto auf den Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen, die gegen Herbizide resistent gemacht sind. Die Geschäftsidee ist einfach: So können patentiertes Saatgut und Unkrautvernichtungsmittel im Doppelpack verkauft werden.

Die speziellen Herbizide (wie z. B. Glyphosat), gegen die die Pflanzen resistent sind und die dann beim Anbau zur Anwendung kommen, werden auch komplementäre Herbizide genannt. Die Gentechnik macht es möglich, dass die Pflanzen diese „Giftdusche“ überleben. Gleichzeitig entstehen in den Pflanzen aber neue Stoffwechselprodukte und Herbizidrückstände, die Risiken für die VerbraucherInnen mit sich bringen.

Hauptanbauländer dieser Pflanzen sind Argentinien, Brasilien und die USA. Seit über 20 Jahren wird dort insbesondere Gentechnik-Soja angebaut, die gegen Glyphosat resistent gemacht wurde. Dieses Spritzmittel ist seit geraumer Zeit in die Kritik geraten. Zum einen, weil es von einem internationalen Expertengremium der WHO als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft wird. Zum anderen wird die biologische Vielfalt durch den weitverbreiteten Einsatz des Mittels geschädigt.

Mittlerweile haben sich mehrere Unkrautarten an den massenhaften Einsatz von Glyphosat angepasst und sind jetzt ihrerseits resistent. Diese resistenten Unkräuter sind ein zunehmendes Problem in den Anbauländern der Gentechnik-Pflanzen. Sie führen unter anderem zu steigenden Pestizidmengen und zu einer weiteren „Aufrüstung“ der Gentechnik-Pflanzen: In Pflanzen wie Soja und Mais werden zunehmend Gen-Konstrukte eingebaut, die diese gleich gegen mehrere Herbizide immun machen sollen, um Resistenz-Bildungen durch mehr Variabilität beim Einsatz der Mittel vorbeugen zu können.

BAYERs neue Gensoja
Der BAYER-Konzern hat in diesem Zusammenhang die Gentechnik-Soja FG72 entwickelt („Balance Bean“). Diese Soja ist nicht nur resistent gegenüber dem Einsatz von Glyphosat. Auch Herbizide wie Isoxaflutol, welche die Wild-Pflanzen ausbleichen und absterben lassen (sogenannte HPPD-Hemmer), können ein-ge-setzt werden. In einer Erweiterung dieses Geschäftsmodells hat BAYER die Sojabohnen jetzt mit anderen Gentechnik-Varianten gekreuzt, um sie zusätzlich gegenüber Glufosinat resistent zu machen. Glufosinat ist unter Markennamen wie Liberty oder Basta bekannt geworden. Im Resultat ist diese Soja (Kürzel: FG72 x A5547-127) jetzt mit einer Dreifachresistenz gegenüber Herbiziden ausgestattet. Die genannten Herbizide sind als gesundheitsschädlich klassifiziert oder stehen diesbezüglich unter Verdacht:

– die gesundheitsschädliche Wirkung von Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ ist strittig
– Glufosinat ist von der EFSA offiziell als reproduktionstoxisch eingestuft und in der EU ab August 2019 verboten
– Isoxaflutol ist offiziell als „möglicherweise krebserregend“ eingestuft

Ihre Ernte soll zum Zweck der Verarbeitung in Lebens- und Futtermitteln ebenfalls in die EU importiert werden. Die Soja wurde Ende 2017 von der EU-Kommission für den Import zugelassen. Zusammen mit einer ähnlichen Gentechnik-Soja der Firma DOW war dies die erste EU-Genehmigung für gentechnisch veränderte Sojabohnen mit einer dreifachen Resistenz gegenüber Herbiziden.

Die für die Importzulassung notwendigen Antragsdokumente hat Testbiotech im Detail geprüft und dabei festgestellt, dass es erhebliche Mängel bei der Risikobewertung der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA gibt.

Kein Praxis-Test
Ein wichtiger Aspekt bei der Risikobewertung von Gentechnik-Pflanzen, die gegen bestimmte Herbizide resistent gemacht worden sind, ist die Dosierung der Herbizide und die Anzahl der in den Feldversuchen durchgeführten Spritzungen. Davon hängt nicht nur die Rückstandsbelastung der Ernte und deren mögliche Auswirkungen auf die Gesundheit ab, auch die Zusammensetzung der Pflanzeninhaltsstoffe kann dadurch beeinflusst werden.
Aus den Antragsdokumenten geht aber hervor, dass die von BAYER angewandten Dosierungen im Versuchsanbau erheblich geringer waren, als dies unter Praxisbedingungen zu erwarten ist: In Feldversuchen verwendete BAYER nur etwa ein Kilogramm Glyphosat pro Hektar oder weniger.
In der landwirtschaftlichen Praxis dagegen werden zwei, drei oder sogar acht Kilogramm pro Hektar empfohlen. Auch die Dosierung eines anderen Komplementärherbizids (Glufosinat) lag wesentlich niedriger als in der landwirtschaftlichen Praxis üblich.

Nach Ansicht der EU-Kommission sind die Risiken der Gentechnik-Pflanzen unabhängig von der Anwendung der Herbizide zu bewerten, gegen die sie resistent gemacht sind. Testbiotech weist diese Darstellung als unangemessen und irreführend zurück. Auch die Prüfvorschriften der EU schreiben vor, dass die Pflanzen für die Risikoprüfung mit den entsprechenden Herbiziden behandelt werden müssen. Werden diese Tests aber nicht unter realistischen Bedingungen durchgeführt, ist die Risikoprüfung wertlos.

Werden bei Versuchen wesentlich weniger Herbizide eingesetzt, als dies in der Praxis üblich ist, beeinflusst dies nicht nur die Menge der jeweiligen Rückstände. In Abhängigkeit von der Menge der Spritzmittel können sich auch die Inhaltsstoffe der Pflanzen verändern und so beispielsweise Allergien oder die Wirkung pflanzlicher Östrogene verstärkt werden. Diese Risiken wurden weder nach dem Gentechnikrecht noch nach dem Pestizidrecht geprüft. BAYER führte auch keine Fütterungsstudien durch, um die gesundheitlichen Risiken der Soja zu untersuchen.

Fehlende Daten
Grundsätzlich ist zu erwarten, dass die komplementären Herbizide auch Rückstände in den Pflanzen bzw. der Ernte zurücklassen. Die Art der Rückstände und Abbaustoffe ist dabei abhängig von der Pflanzensorte, dem eingebauten Gen-Konstrukt sowie der Menge und der Häufigkeit der Anwendungen.
Am besten erforscht sind die Rückstände von Glyphosat. Hier entsteht insbesondere der Abbaustoff AMPA (Aminomethylphosphonsäure). Dieser wird als ähnlich giftig wie Glyphosat eingeschätzt. Die Menge an AMPA (und anderen Abbaustoffen), die in den Pflanzen gebildet wird, kann je nach Gentechnik-Konstrukt unterschiedlich sein. Zudem können auch andere Abbauprodukte entstehen. Für die Risikoabschätzung von FG72 wäre es notwendig zu wissen, wie hoch die Konzentration der jeweiligen Glyphosat-Rückstände bei verschiedenen Anwendungen (einfache oder mehrfache Anwendung, niedrige oder hohe Dosierung) tatsächlich ist. Entsprechende Daten wurden aber nicht vorgelegt.
Bei der Anwendung von Isoxaflutol, das als „möglicherweise krebserregend“ klassifiziert ist, entstehen neue Abbaustoffe, die bisher in den Sojabohnen nicht vorhanden waren. Nach Ansicht der EFSA können die gesundheitlichen Risiken dieser Stoffe nicht bewertet werden, da die notwendigen Daten fehlen. Die EU-Behörde sieht sich deswegen außerstande, Grenzwerte für Höchstmengen festzulegen, wie dies gesetzlich vorgeschrieben ist (Verordnung 396/2005).
Keine Daten scheint es auch darüber zu geben, welche Abbaustoffe in welcher Konzentration bei der Anwendung von Glufosinat an herbizidresistenten Sojabohnen zu erwarten sind. Soweit Testbiotech bekannt ist, liegen dazu keine Publikationen und keine offiziellen Bewertungen vor. Glufosinat wird offiziell als reproduktionstoxisch eingestuft.

Kombinationswirkungen?
Schließlich müssen mögliche kombinatorische Effekte bewertet werden. Die kombinatorischen Wirkungen von Rückständen können die Toxizität der einzelnen Substanzen bei weitem übersteigen. Da jedoch eine spezifische Kombination von komplementären Herbiziden auf die Pflanzen angewendet werden kann, wäre es relativ einfach, kombinatorische Effekte zu bestimmen. Bislang wurden solche Untersuchungen aber nicht durchgeführt. Die EU-Kommission hat lediglich eingeräumt, dass kombinatorische Effekte untersucht werden müssten.
Neben den Wirkstoffen enthalten kommerzielle Herbizidmischungen wie Roundup (Glyphosat) weitere Zusätze sowie als Wirkungsverstärker zum Einsatz kommende Netzmittel. Diese Substanzen können dazu führen, dass eine Herbizidmischung wesentlich giftiger ist als der eigentliche Wirkstoff. In mehreren Ländern der EU wurde deswegen bereits der Einsatz von besonders problematischen Zusatzstoffen wie Tallowaminen eingeschränkt oder verboten, in den Anbauländern der Gentechnik-Pflanzen dagegen nicht. Diese Stoffe werden aber bei der Zulassungsprüfung gentechnisch veränderter Pflanzen für den Import bisher außer Acht gelassen. Entsprechende Lücken in der Risikobewertung werden sogar von der EU-Kommission zugegeben.

Auch die Europäische Lebensmittelbehörde (EFSA) stellt fest, dass hier weitere Untersuchungen nötig sind und es derzeit nicht möglich ist, die gesundheitlichen Risiken der Rückstände der Spritzmittelmischungen, die in den Anbauländern eingesetzt werden, zu bewerten. Wie aktuelle Dokumente zeigen, die von Monsanto in den USA veröffentlicht werden mussten, wissen auch dort die Behörden nicht im Detail, was den Spritzmitteln jeweils zugesetzt wird bzw. welche Rückstände in der Ernte zu erwarten sind.

Weitere Gesundheitsrisiken
Durch den veränderten Stoffwechsel in den Gentechnik-Pflanzen kommt es zu weiteren spezifischen Risiken:

– Durch die neu eingeführten Stoffwechselwege können die Inhaltsstoffe der Pflanzen ungewollt verändert werden. Gerade bei Soja ist dies relevant, weil es in den Bohnen natürlicherweise eine hohe Konzentration an pflanzlichen Östrogenen und Allergenen gibt, deren Konzentration steigen kann. Die jeweiligen Veränderungen können davon abhängen, welche Herbizide in welcher Dosierung eingesetzt werden. Tatsächlich zeigen verschiedene Untersuchungen, dass die Anwendung des Herbizids in Abhängigkeit von der Dosis signifikante Veränderungen in den Inhaltsstoffen der Sojabohnen verursachen kann. Diesen Fragen geht die EFSA bisher nicht nach.

– Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass auch spezielle Wechselwirkungen zwischen den Rückständen der Herbizide und pflanzlichen Inhaltsstoffen möglich sind. Dabei ist insbesondere an die natürlicherweise in den Pflanzen vorkommenden Allergene und Östrogene zu denken. Deren gesundheitliche Risiken können durch Interaktion mit diversen Wirkstoffen, Zusatzstoffen oder Abbaustoffen der Herbizide verstärkt werden. So zeigten sich beispielsweise Störungen des Hormonsystems, wenn an junge Ratten Sojamilch in Kombination mit Glyphosat verfüttert wurde. Entsprechende Publikationen wurden von der EFSA ignoriert.

– Es muss zudem berücksichtigt werden, dass sich die ständige Belastung mit diesen Rückständen über Umwege auch auf die Gesundheit auswirken kann: Die Rückstände können beispielsweise zu Veränderungen in der Darmflora von Mensch und Tier führen, wodurch möglicherweise die Entstehung von Krankheiten begünstigt wird. Es ist bekannt, dass die Anwendung von Glyphosat zu einer veränderten Zusammensetzung der mikrobiellen Bodenflora führen kann. Zudem hat Glyphosat auch eine antibiotische Wirkung gegenüber bestimmten Bakterien wie E. coli. Dass es bei einer permanenten Zufuhr von Glyphosat auch zu Veränderungen der Darmflora bei Menschen kommen kann, erscheint daher naheliegend. Diese Risiken werden im Rahmen der EU-Zulassung nicht berücksichtigt.

Schlussfolgerungen
Wie die Analyse von Testbiotech zeigt, werden die speziellen Risiken der Anwendung von Herbiziden bei Gentechnik-Pflanzen derzeit weder von der Gentechnik-Zulassungsprüfung noch von der Pestizid-Gesetzgebung abgedeckt. Diese Regelungslücke betrifft die Mehrzahl der bisherigen Zulassungen: Über 50 der bis August 2017 in der EU für den Import zugelassenen rund 60 Gentechnik-Pflanzen sind gegenüber mindestens einem Herbizid resistent gemacht.
Entscheidende Daten über die Veränderung der Inhaltsstoffe der Pflanzen fehlen ebenso wie die zu Rückständen der Herbizide. Zudem werden zentrale Fragen der Risikoabschätzung, wie die nach möglichen Wechselwirkungen und kombinatorischen Effekten, völlig außer Acht gelassen. Die für den Import zugelassenen Pflanzen können deswegen nicht als sicher angesehen werden. Es besteht vielmehr das Risiko, dass der Verzehr der Sojabohnen negative Auswirkungen auf die Gesundheit hat.

Die aktuelle Zulassungspraxis steht im Widerspruch zur Gentechnik-Gesetzgebung der EU. Die Verordnung 1829/2003 sieht vor, dass gentechnisch veränderte Pflanzen nur dann für den Import zugelassen werden dürfen, wenn sie insgesamt als sicher bewertet worden sind. Wenn diese Pflanzen mit einer Kombination möglicherweise gesundheitsgefährdender Rückstände belastet sind, weil sie per Gentechnik gegen Herbizide resistent gemacht wurden, muss dies vor einer Zulassung selbstverständlich untersucht werden.
Vor diesem Hintergrund sollten keine weiteren Gentechnik-Pflanzen mehr für den Import zugelassen werden, die gegen Glyphosat oder andere Herbizide resistent gemacht wurden, bis umfassende Untersuchungen der gesundheitlichen Risiken der entsprechenden Rückstände vorliegen. Dabei müssen Gentechnik-Zulassungsprüfung und Pestizid-Recht verknüpft werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass keine Risiken übersehen werden. Dazu gehören insbesondere folgende Voraussetzungen:

– Bewertung aller Wirkstoffrückstände unter Berücksichtigung der verschiedenen relevanten Praxisbedingungen (z. B. Dosierung und Häufigkeit der Herbizidanwendung)
– Bewertung aller relevanten Wirkstoffe, Zusatzstoffe und deren Rückstände
– Untersuchung kombinatorischer Effekte der eingesetzten Herbizide
– Untersuchung der Veränderungen der Pflanzeninhaltsstoffe unter Berücksichtigung verschiedener Dosierungen der Herbizide
– Untersuchung von möglichen Wechselwirkungen zwischen den Herbiziden und den Pflanzeninhaltsstoffen
– Untersuchung der Langzeiteffekte des Verzehrs der Gentechnik-Sojabohnen unter Berücksichtigung von möglichen Wirkungen auf das Hormonsystem, die Reproduktion und das Mikrobiom (Darmflora) von Mensch und Tier ⎜

Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) lehnt Tierversuche ab. Ihrer Ansicht nach braucht es sie nicht, um die Gefährlichkeit eines Stoffes zu prüfen. Darum setzt sich die Coordination bereits seit Langem dafür ein, dass bei BAYER und anderswo mehr Alternativ-Verfahren zum Einsatz kommen.

[FDA rügt BAYER] Gravierende Mängel in der Pharma-Produktion

CBG Redaktion

BAYER erhält Rüge

Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hat bei einer Betriebsinspektion von BAYERs Leverkusener Pharma-Anlagen „signifikante Verstöße gegen die gute Herstellungspraxis“ festgestellt.

Von Jan Pehrke

Im Februar 2017 hat die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA BAYERs Pillen-Fabrikation in Leverkusen inspiziert und dabei schwerwiegende Mängel festgestellt. Die KontrolleurInnen forderten den Konzern anschließend auf, diese umgehend zu beheben. Da der Global Player dem nicht nachkam, sandte die „Food and Drug Administration“ ihm im November 2017 einen „Warning Letter“ zu und machte die Defizite öffentlich.

Von „signifikanten Verstößen gegen die gute Herstellungspraxis (CGMP)“ spricht die „Food and Drug Administration“ in dem Schreiben. Gleich bei der Produktion von vier Medikamenten – ADALAT OROS, ASPIRIN CARDIO, AVELOX und LEVITRA – deckten die BetriebsprüferInnen Verfehlungen auf.

Der Pharma-Riese hat etwa verschiedene Medikamente in einem Raum gefertigt, ohne die benutzte Ausrüstung und die Arbeitsflächen nach den jeweiligen Durchläufen gründlich zu säubern. Das hatte Verunreinigungen von Medikamenten zur Folge. So fanden sich in dem blutdruck-senkenden Nifedipin (Markenname ADALAT) Rückstände des Wirkstoffs Sorafenib, den BAYER eigentlich zur Behandlung von Krebs vertreibt. Die Behörden reagierten prompt und forderten den Konzern und die von ihm mit der Substanz belieferten Unternehmen zu einem Rückruf der entsprechenden Präparate auf.

Überdies kontrollierte der Multi der FDA zufolge die Stabilität der Zusammensetzung seiner Pharmazeutika nicht ausreichend. Die Mess-Geräte ließen ihrer Ansicht nach viel zu große Schwankungsbreiten zu. Auch die Toleranz-Grenzen der Apparaturen zur automatisierten Qualitätskontrolle legte der Global Player zu großzügig fest, damit sich der Ausschuss in Grenzen hielt. Darüber hinaus hat er nicht angemessen auf Probleme mit undichten Medikamenten-Packungen reagiert. Obwohl die Aufsichtsbehörden ihn schon gezwungen hatten, Chargen zurückzurufen, weil die Tabletten feucht zu werden drohten, zeigte das Unternehmen nur wenig Engagement bei der Fehler-Suche. „Ihre Firma hat es nicht geschafft, eine ordentlich arbeitende Qualitätskontrolle-Abteilung aufzubauen“, resümiert die US-Einrichtung in ihrem Schreiben.

„Die Zustände, die die FDA in der Pharma-Produktion von BAYER aufgedeckt hat, sind skandalös. Bei der Profit-Jagd vernachlässigt der Konzern seine Sorgfaltspflichten massiv und setzt damit die Gesundheit der PatientInnen aufs Spiel“, konstatierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) in ihrer Presse-Erklärung.
Zu allem Übel zeigte sich der Pillen-Riese auch noch als Wiederholungstäter. Bereits 2009 stieß die FDA bei einer Inspektion des Bergkamener Werkes auf unreine Pharma-Stoffe und solche, die in ihrem pharmakologischen Aufbau erhebliche Unregelmäßigkeiten aufwiesen. Und schon damals machte sie Defizite bei der Reinigung und Wartung der Produktionseinrichtungen aus. Bundesdeutsche Aufsichtsbehörden schauen da offenbar nicht so genau hin – von ihnen erhielt der Leverkusener Multi noch nie einen Blauen Brief.

[Gift für Äcker] BAYER-Pestizide wie GAUCHO schädigen nicht nur Bienen

CBG Redaktion

Gift für Äcker

Dass es den Bienen nicht gut geht, war in den letzten Jahren häufig zu lesen. Einer der hauptverdächtigen Ursachen: Insektizide der Stoffklasse „Neonikotinoide“ wie etwa die BAYER-Wirkstoffe Imidacloprid und Clothianidin sowie SYNGENTAs Thiamethoxam. Doch während man sich allseits um die fliegenden Helferlein sorgt, findet ein Raum kaum Beachtung: Der Boden. Denn der größte Teil der Gifte bleibt dort, wo sich normalerweise eine riesige Zahl von Insekten und anderen wirbellosen Tieren und Mikroorganismen um die Bodenfruchtbarkeit kümmert. Die reagieren meist ebenfalls negativ auf die Gifte. Und das hat negative Folgen, auch für die LandwirtInnen. Denn Studien weisen darauf hin, dass Insektizide den Nährstoff-Kreislauf so stark unterdrücken, dass sogar die Erträge leiden können.

Von Sebastian Tilch

„1:0 für die Bienen“ verkündete Martin Häusling, agrar- und umweltpolitischer Sprecher der Fraktion der Grünen im Europäischen Parlament. Der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments hatte am 22. Juni 2017 mit großer Mehrheit den Vorschlag der EU-Kommission bestätigt, die drei als besonders bienengefährlich geltenden Insektizide aus der Gruppe der Neonikotinoide vollständig zu verbieten und einen Gegenvorstoß der Konservativen damit abgeschmettert. Und das 2:0 kam Ende Februar 2018. Da hatte die Europäische Behörde für Lebensmittel-Sicherheit (EFSA) ihre Risiko-Bewertung der Mittel vorgelegt und festgehalten: „Die meisten Anwendungen neonicotinoider Pestizide stellen ein Risiko für Wild- und Honigbienen dar.“ Aber geschlagen gab sich der Leverkusener Multi damit noch nicht: „BAYER ist mit den Ergebnissen der Risikobewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittel-Sicherheit (EFSA) für die Wirkstoffe Imidacloprid und Clothianidin grundsätzlich nicht einverstanden.“ Ob die EU sich dem Votum beugt und die Ackergifte endgültig aus dem Verkehr zieht oder sich auch für eine Verlängerung der Lebenszeit dieser Pestizide wieder willige PolitikerInnen finden lassen, wie es im Fall von Glyphosat mit Christian Schmidt (CSU) der Fall war, bleibt abzuwarten.

Bereits seit 2013 besteht ein EU-weites Verbot für die Verwendung der drei meistverwendeten Neonikotinoide Imidacloprid, Clothianidin und Thiamethoxam. Allerdings nicht flächendeckend, sondern nur für Kulturpflanzen, die von Bienen angeflogen werden, sowie für Mais und Sommergetreide. Ausgenommen sind et-wa Wintergetreide und Zuckerrüben, aber auch Gewächshaus-Kulturen. Die direkte Blattbehandlung ist nur zulässig, sofern sie nach der Blüte stattfindet.

Die Begründung des Verbotes lautet „akute Gefährdung von Bienen“. Der Ausfall dieser Insekten hat Konsequenzen, da diese maßgeblich für die Bestäubung vieler Feldfrüchte und Obstplantagen und damit für die Nahrungssicherheit notwendig sind. So hängen Erntemenge und Qualität von über drei Vierteln der weltweit meist genutzten Nahrungspflanzen voll oder zu einem gewissen Grad von Tier-Bestäubung ab, schreibt der Weltbiodiversitätsrat IPBES.

Seit Anfang der 1990er Jahre werden Neonikotinoide in der Landwirtschaft und in Gärten gegen Schadinsekten wie Blattläuse, Käfer, Mottenschildläuse und Kleinschmetterlinge eingesetzt. Inzwischen sind sie die meistverwendete Insektizid-Gruppe weltweit. Größter Hersteller ist der BAYER-Konzern mit so klangvollen Produktnamen wie CALYPSO (Thiacloprid), ADMIRE bzw. CONFIDOR und GAUCHO (Imidacloprid), oder PONCHO (Clothianidin). Hauptsächlich wird das Gift in Form von Saatgut-Beize angewendet, von wo aus es systemisch in alle Pflanzenteile übergeht - auch in Nektar und Pollen.

Neonikotinoide stören das Nervensystem verschiedener Organismen, vor allem Insekten, indem sie an den Nikotinischen Acetylcholinrezeptor (nAChR) binden und so eine neutrale Reizübertragung behindern. Neonikotinoide sind enorm potent, einige sind bis zu 10.000 Mal giftiger für Bienen als das berüchtigte Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT), das in der EU seit Jahrzehnten verboten ist.

Doch das Gift wirkt nicht spezifisch auf die Schadinsekten. Zwar belegten die Hersteller in Versuchen immer wieder, dass die im Freiland anzutreffenden Konzentrationen in der Regel nicht tödlich für Honigbienen sind, inzwischen ist jedoch klar, dass sie zumindest subletal wirken, also nicht direkt tödlich sind, aber dennoch die Tiere nachhaltig schädigen (1). So hatten die WissenschaftlerInnen unter anderem herausgefunden, dass Honigbienen durch Neonicotinoide auf ihren Flügen die Orientierung verlieren und nicht in den Stock zurückkehren bzw. beim Schwänzeltanz falsche Informationen zu Futterquellen weitergeben. Auch schwächten die Toxine das Immunsystem von Honigbienen und förderten die Ausbreitung von Krankheiten und Parasiten wie etwa der Varroa-Milbe. Dies könne ganze Bienenvölker gefährden, so die ForscherInnen.

80 % weniger Insekten
„Um die Honigbiene mache ich mir gar nicht so große Sorgen“, sagt dagegen Professor Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ). Diese zeigten sich im Verhältnis zu anderen Nichtziel-Arten deutlich weniger empfindlich gegenüber Neonikotinoiden (2). Außerdem würden sie als domestizierte Art ja vom Menschen gehegt und gepflegt. Für die Bestäubung mindestens genauso wichtig hätten sich die vielen anderen Bienenarten gezeigt. So gibt es in Deutschland allein rund 550 verschiedene Wildbienen. Weltweit sind es sogar 20.000. Dazu kommen Schmetterlinge, Fliegen, Käfer usw. Deren Zahl schrumpft derzeit dramatisch, warnte der „Entomologische Verein Krefeld“ vergangenes Jahr. Vergleiche der Bestände in den 1990er Jahren mit den heutigen hatten einen Rückgang von rund 80 Prozent, vor allem von Schmetterlingen, Bienen und Schwebfliegen, ergeben. Als Ursache nennen die AutorInnen unter anderem auch Neonikotinoide.

Nun dürfte der Mehrheit der deutschen LandwirtInnen das Bestäuber-Sterben höchstens ein müdes Schulterzucken abringen. Zumindest aus wirtschaftlicher Sicht, denn lediglich 2,5 Prozent ihrer Erträge hängen laut Weltbiodiversitätsrat IPBES von Bestäubern ab. Dennoch beschränken sich die Kampagnen der Neonikotinoid-GegnerInnen auf die Rettung der Honigbiene. Dabei fällt ein ganzer Lebensraum unter den Tisch, der für die hiesige Ernährungswirtschaft vermutlich noch bedeutender sein dürfte: Der Boden.
So werden laut Silva et al. (3) bei gebeiztem Saatgut nur 1,6 Prozent der Neonikotinoide von der Pflanze aufgenommen. Über 98 Prozent bleiben im Boden und reichern sich dort an. Rückstände davon lassen sich noch bis zu drei Jahre nach der Anwendung nachweisen. Ein Effekt, der von den konventionell arbeitenden LandwirtInnen durchaus geschätzt wird, wirkt er doch längerfristig lästigen Schadinsekten entgegen, die sich an die Pflanzen-Wurzeln heranmachen. Doch indem GAUCHO & Co. den Fraß einiger weniger Organismen verhindern, machen sie auch viele weitere Arten zunichte, deren Leistungen für eine natürliche Bodenfruchtbarkeit nötig sind.

Der Boden wimmelt von Insekten, Milben, Asseln, Würmern und anderen Arten-Gruppen, die den LandwirtInnen buchstäblich den Boden bereiten. Regenwürmer und Ameisen transportieren abgestorbenes Material in verschiedene Erdschichten, lockern dabei die Erde auf und machen sie aufnahmefähig für Luft und Wasser. Tausendfüßler, Asseln und Milben zerkleinern totes Pflanzen-Material. Vor allem aber Mikroorganismen wie Pilze und Bakterien bauen das tote Material ab und überführen die Nährstoffe in einen mineralischen Zustand. Pro Hektar werden auf diese Weise bis zu 15 Tonnen organische Substanz umgewandelt. So entsteht Humus, der den Pflanzen die Nährstoffe zur Verfügung stellt.
„Ohne Bodenorganismen wären die Böden überhaupt nicht ertragfähig“, sagt Hubert Höfer, Bodenökologe am Staatlichen Museum für Naturkunde in Karlsruhe (4). Die Nährstoffe, die durch die Ernte einem landwirtschaftlichen System entnommen werden, könnten durch Düngung ersetzt werden. Ob und wie lange sie aber den Pflanzen zur Verfügung stehen, entschieden die von Bodenorganismen geschaffenen und erhaltenen Strukturen wie Poren, Ton- und Humusgehalt.

Ökosystem Boden leidet
Da Ziel- und Nichtziel-Organismen sehr ähnliche physiologische Eigenschaften besitzen, ist es wenig verwunderlich, dass Neonikotinoide auch im Boden viele „Unschuldige“ treffen. Zumal die Bewohner hier den Giften mitunter wesentlich direkter und vor allem dauerhafter ausgesetzt sind. „Neonikotinoide werden im Zulassungsverfahren der EU wie alle Pflanzenschutzmittel auf repräsentative Arten aller relevanten Lebensgemeinschaften getestet, seien es Vögel, Kleinsäuger, Nichtziel-Arthropoden, Nichtziel-Pflanzen, Wasserlebewesen und auch Bodenorganismen“, meint Prof. Dr. Christoph Schäfers vom „Fraunhofer Institut für Molekularbiologie und Angewandte Ökologie“. Bei Unsicherheiten oder besonderen Bedenken bezüglich des Wirkmechanismus‘ oder der Anwendungsweise würden weitere Tests bis hin zu Empfindlichkeitsverteilungen zahlreicher Nicht-Standardarten oder Freilandstudien durchgeführt.

Rund 400 Publikationen zu den Auswirkungen von Neonikotinoiden gab es 2012 laut eines Überblicks von Thiel et al. (5), der weitaus größte Teil davon hat die Gesundheit von Menschen und anderen Säugetieren im Blick. Lediglich rund drei Prozent der Studien betrachten Insekten, und hier dominiert wieder die Honigbiene das Feld. Zu Bodenorganismen finden sich in der Literatur einige Daten zur mittleren tödlichen Dosis, Reproduktionsentwicklung und Verhalten. Manche dieser Untersuchungen widmen sich den Regenwürmern. Mit bis zu 80 Prozent der gesamten tierischen Biomasse im Boden sind sie die wohl bedeutendsten Gestalter dieses Lebensraums, zumindest in unseren Breiten. Die neurologischen Prozesse der Regenwürmer laufen ähnlich ab wie die der Insekten und sprechen deshalb ebenfalls auf GAUCHO & Co. an. Imidacloprid, das als die toxischste Substanz unter den Neonikotinoiden gilt (6), heftet sich gerade an feuchte, mit organischen Stoffen angereicherte Bodenkrume an, die Regenwürmer so lieben. Wang et al. (7) schätzen das Mortalitätsrisiko durch Körperkontakt für Regenwürmer um mindestens zehn Mal höher ein als durch orale Aufnahme.
Dass die effektive Konzentration im Boden die letale Dosis erreicht, ist bei Regenwürmern allerdings eher unwahrscheinlich. Die AutorInnen weisen jedoch auf ein klares Risiko für subletale Effekte hin. Schon geringe Konzentrationen im Boden von 0,1 bis 0,5 ppm (Anteile pro Million, Anm. SWB) riefen bei Würmern Gewichtsverlust und Verhaltensveränderungen hervor. Realistische Konzentrationen seien zwischen 0,3 und 0,7 ppm. Die WissenschafterInnen verweisen darauf, dass diese Effekte Auswirkungen auf die wichtigen Funktionen der Würmer im Boden haben könnten. Vor allem fehlten Kenntnisse zu Langzeitwirkungen, da die Stoffe zum Teil lange im Boden nachweisbar seien.
Auch Ameisen krempeln den Boden gehörig um. Sie gehören wie die Bienen zu den Hautflüglern, und entsprechend wirken die Nervengifte auch bei ihnen. Zwar verloren sie in Versuchen von Thiel und Köhler (8) nicht wie Honigbienen die Orientierung, allerdings änderte eine der untersuchten Arten ihr Verhalten auf fatale Weise. So steigerte Imidacloprid die Aggressivität einer eigentlich untergeordneten Art. Die Arbeiterinnen attackierten wesentlich öfter Vertreterinnen einer anderen Art, mit der sie sonst friedlich koexistieren. Dies senkte die individuelle Überlebenswahrscheinlichkeit um über 60 Prozent, was längerfristig das Volk benachteiligen dürfte.

Eine zentrale Rolle im natürlichen Nährstoff-Haushalt spielen Springschwänze (Collembola) – zwischen 0,1 und 17 Millimeter große Insekten, die sich von totem Pflanzenmaterial, Pilzen und Bakterien ernähren. Sie erhöhen die Zersetzungsgeschwindigkeit von Laub um bis zu 30 Prozent (9), unterstützen die Umwandlung von Nährstoffen in aufnehmbare Formen und beeinflussen dadurch auch entscheidend das Pflanzenwachstum (10). Genau diese Artengruppe zeigte sich in verschiedenen Studien als besonders empfindlich gegenüber Neonikotinoiden. Eine dreijähriger Versuch von Peck (11) mit Imidacloprid belegte den Rückgang diverser Gliedertiere, einschließlich Springschwänzen, um 54 bis 62 Prozent. Imidacloprid war dabei zehn Mal giftiger als Thiacloprid.

Weniger Wachstum
Doch was bedeuten die negativen Auswirkungen auf die Bodenorganismen nun für das Ökosystem Boden? Dies ist bisher so gut wie nicht untersucht worden. Einige Studien-AutorInnen vermuten hier entsprechende Auswirkungen auf Funktionen wie Bodenauflockerung und Nährstoffverfügbarmachung, also Leistungen, die wesentlich das Wachstum der Pflanzen beeinflussen.

Eisenhauer et al. (12) beobachteten in einem Freilandversuch mit Chlorpyrifos (das nicht den Neonikotinoiden angehört, aber ebenfalls systemisch wirkt), dass Graspflanzen unter dem Einfluss des Insektizids weniger gut wuchsen als in der Kontrolle. Unter den untersuchten Boden-Tierarten waren Springschwänze die am stärksten dezimierte Gruppe. Insbesondere deren Ausfall und die damit unterbundene Mineralisierung und Verfügbarkeit von Nährstoffen seien vermutlich für das geringere Wachstum verantwortlich, schlossen die Autoren. Das Ergebnis zeige, wie wichtig eine intakte Artengemeinschaft im Boden für das Pflanzenwachstum sei und dass der Wegfall von Nützlingen die Vorteile von Insektiziden mindestens neutralisieren könne, so ihr Resümee.

Insektizide haben aber alle verschiedene Eigenschaften, weshalb man ein solches Ergebnis nicht einfach verallgemeinern könne, meint Christoph Schäfers. Hier bedürfe es stoffspezifischer Untersuchungen. „Sollte ein negativer Effekt auf das Pflanzenwachstum allerdings auch bei Neonikotinoiden zu beobachten sein, wäre dies ein wichtiger Grund, die Auswirkungen auf die Bodenfunktionen in das Zulassungsverfahren einzubeziehen“, meint er. Seines Wissens würde das Pflanzenwachstum unter Insektizid-Einfluss im Gegensatz zu dem unter Herbizid-Einfluss im Prüfverfahren bisher jedoch nicht untersucht.

Mindestens zehn Prozent Mehrertrag stellen die Hersteller der Neonikotinoide den LandwirtInnen in Aussicht – ein Versprechen, das offenbar nicht grundsätzlich einzuhalten sein dürfte. Im Gegenteil: Vermutlich hätte ein vollständiges Verbot von Insektiziden wie Neonikotinoiden kaum Ertragseinbußen zur Folge. Dies lässt auch das Ergebnis einer aktuellen, groß angelegten Studie (13) vermuten, die knapp tausend französische Bauernhöfe auf die Effektivität ihres Insektizid-Einsatzes überprüft hat. Im Schnitt könnten 42 Prozent davon eingespart werden – ganz ohne Ertragsverluste, rechnen die Autor-Innen vor.
Natürlich geht es aber auch nicht nur um die Erträge hier und heute. Unsere Böden müssen auch noch viele weitere Generationen ernähren. Doch deren Qualität sinkt. Durch die Intensiv-Bewirtschaftung gehen laut Bundesverband Boden e. V. in Deutschland pro Hektar und Jahr etwa 20 Tonnen fruchtbaren Bodens verloren, vor allem durch Wind- und Wasserabtrag. Durchschnittlich maximal eine Tonne Humus pro Hektar können jedoch jährlich neu gebildet werden – wenn die Bodenorganismen ihre Arbeit machen dürfen (14).

„Wir vergiften Insekten mit Insektiziden und wundern uns, dass die Vergiftungen wirken“, fasst Peter Neumann, Professor für Bienengesundheit an der Universität Bern, die Situation zusammen. Dass politisch noch immer über die negativen Wirkungen diskutiert würde, ärgert ihn. Neonikotinoide seien unspezifische Insektizide, die Insekten töten oder zumindest gravierende subletale Effekte hätten, was inzwischen hundertfach wissenschaftlich belegt worden sei.
Entsprechend sieht Europa-Parlamentarier Martin Häusling in dem nun von der Kommission vorgeschlagenen Totalverbot von Imidacloprid, Thiamethoxam und Clothianidin lediglich einen Anfang. Denn es sind weitere Stoffe wie Thiacloprid und Acetamiprid auf dem Markt. Außerdem warte die Industrie auf die EU-Zulassung ihrer Weiterentwicklungen wie Cyantraniliprol, Flupyradifuron und Sulfoxaflor mit dem gleichen Wirkmechanismus. Laut der EU-Risikobewertungsbehörde EFSA könnten auch für diese Substanzen Risiken für Bestäuber und andere Gliederfüßer nicht ausgeschlossen werden. Was man tatsächlich bräuchte, sei eine konsequente Anwendung des Vorsorge-Prinzips und somit ein Totalverbot für die gesamte Stoffklasse der Neonikotinoide. Dies sei auch im Interesse der Landwirtschaft selbst, die auf Bestäuber und andere Nützlinge angewiesen sei, so Häusling.

„So funktioniert aber das Zulassungsverfahren von Pflanzenschutzmitteln nicht“, sagt Christoph Schäfers. Im Gegensatz zur EU-Chemikaliengesetzgebung würden im Pflanzenschutz nur bestimmte Anwendungen zugelassen. Im Extremfall könne die Zulassung wieder zurückgenommen werden, wenn Gefahr im Verzuge sei. „Ein komplettes Verbot ist nur möglich, wenn der betreffende Stoff Eigenschaften mitbringt, die eine Risikobewertung unmöglich machen, wie etwa eine sehr hohe Lebensdauer, die Anreicherung im Körper, krebserzeugende, erbgut- oder fruchtschädigende Wirkungen oder wenn nachgewiesen werden kann, dass hormon-ähnliche Wirkungen Populationen bestimmter Organismen gefährden.“ So bliebe kein anderer Weg, als jede neue Neonikotinoid-Substanz durch das aufwändige Zulassungsverfahren zu schleusen. Das sei aus seiner Sicht im Übrigen wesentlich besser als sein Ruf.

Allerdings sollten Zulassungsverfahren auch die Frage nach der generellen Sinnhaftigkeit einer Pflanzenschutz-Maßnahme beantworten können - also nicht nur, ob eine Substanz auf die Zielarten wirkt, sondern auch, ob sie am Ende wirklich zu einem Netto-Ertragszuwachs führt. Dazu ist die Einbeziehung sämtlicher relevanter Ökosystem-Funktionen notwendig, auch die der Bodenlebewesen. Das ist aufwändig, aber bei der Reichweite der ökologischen Konsequenzen nur legitim.
Einstweilen gilt es erst einmal abzuwarten, wie Brüssel auf die von der EFSA vorgelegte Risikobewertung für Imidacloprid, Clothianidin und Thiacloprid reagiert.
Doch selbst wenn sämtliche Neonikotinoid-Anwendungen untersagt würden: Ein Verbot ist immer nur so gut wie seine Umsetzung. Das bisherige Teilverbot jedenfalls brachte der Insektenwelt bisher recht wenig. „Sowohl Absatz- als auch Einsatzmengen von Neonikotinoiden sind trotz EU-Verbot nahezu gleich geblieben, da von den Mitgliedstaaten immer wieder großzügig Ausnahmegenehmigungen beantragt und von der Kommission genehmigt wurden“, sagt Häusling. ⎜

Sebastian Tilch ist Diplom-Biologe und arbeitet am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) als Pressereferent und Online-Redakteur des „Netzwerk-Forums zur Biodiversitätsforschung Deutschland“
(NeFo), das diesen Text auch als erstes veröffentlichte.

(1) Simon-Delso, N.; Amaral-Rogers, V.; Belzunces, L. P.; Bonmatin, J. M.; Chagnon, M.; Downs, C.: Systemic insecticides (neonicotinoids and fipronil): trends, uses, mode of action and metabolites. In: Environ Sci Pollut Res 22 (1), S. 5–34. DOI: 10.1007/s11356-014-3470-y
(2) Rundlöf, Maj; Andersson, Georg K. S.; Bommarco, Riccardo; Fries, Ingemar; Hederström, Veronica; Herbertsson, Lina (2015): Seed coating with a neonicotinoid insecticide negatively affects wild bees. In: Nature 521 (7550), S. 77–80. DOI: 10.1038/nature14420
(3) Lima E Silva, Cláudia de; Brennan, Nicola; Brouwer, Jitske M.; Commandeur, Daniël; Verweij, Rudo A.; van Gestel, Cornelis A. M. (2017): Comparative toxicity of imidacloprid and thiacloprid to different species of soil invertebrates. In: Ecotoxicology (London, England) 26 (4), S. 555–564. DOI: 10.1007/s10646-017-1790-7
(4) www.biodiversity.de/schnittstellen/produkte/interviews/experten/uns-fehlen-flachendeckend-verlassliche-daten-bodentieren
(5) Thiel, Sarina; Köhler, Heinz-R.: A sublethal imidacloprid concentration alters foraging and competition behaviour of ants. In: Ecotoxicology 25 (4), S. 814–823. DOI: 10.1007/s10646-016-1638-6
(6) Alves, Paulo Roger L.; Cardoso, Elke J. B. N.; Martines, Alexandre M.; Sousa, José Paulo; Pasini, Amarildo (2013): Earthworm ecotoxicological assessments of pesticides used to treat seeds under tropical conditions. In: Chemosphere 90 (11), S. 2674–2682. DOI: 0.1016/j.chemosphere.2012.11.046
(7) zit. n. Pisa, L. W.; Amaral-Rogers, V.; Belzunces, L. P.; Bonmatin, J. M.; Downs, C. A.; Goulson, D.: Effects of neonicotinoids and fipronil on non-target invertebrates. In: Environ Sci Pollut Res 22 (1), S. 68–102. DOI: 10.1007/s11356-014-3471-x
(8) Thiel, Sarina; Köhler, Heinz-R.: A sublethal imidacloprid concentration alters foraging and competition behaviour of ants. In: Ecotoxicology 25 (4), S. 814–823. DOI: 10.1007/s10646-016-1638-6
(9) A‘Bear, A. Donald; Boddy, Lynne; Hefin Jones, T. (2012): Impacts of elevated temperature on the growth and functioning of decomposer fungi are influenced by grazing collembola. In: Glob Change Biol 18 (6), S. 1823–1832. DOI: 10.1111/j.1365-2486.2012.02637.x
(10) Filser, Juliane; Faber, Jack H.; Tiunov, Alexei V.; Brussaard, Lijbert; Frouz, Jan; Deyn, Gerlinde (2016): Soil fauna. Key to new carbon models. In: SOIL 2 (4), S. 565–582. DOI: 10.5194/soil-2-565-2016
(11) zit. n. Pisa, L. W.; Amaral-Rogers, V.; Belzunces, L. P.; Bonmatin, J. M.; Downs, C. A.; Goulson, D.: Effects of neonicotinoids and fipronil on non-target invertebrates. In: Environ Sci Pollut Res 22 (1), S. 68–102. DOI: 10.1007/s11356-014-3471-x
(12) Eisenhauer, Nico; Sabais, Alexander C.W.; Schonert, Felix; Scheu, Stefan (2010): Soil arthropods beneficially rather than detrimentally impact plant performance in experimental grassland systems of different diversity. In: Soil Biology and Biochemistry 42 (9), S. 1418–1424. DOI: 10.1016/j.soilbio.2010.05.001
(13) Lechenet M, Dessaint F, Py G, Makowski D, Munier-Jolain N (2017): Reducing pesticide use while preserving crop productivity and profitability on arable farms. In: Nature Plants; Mar 1; 3:17008. Doi: 10.1038/nplants.2017.8
(14) Blume, Hans-Peter; Horn, Rainer; Thiele-Bruhn, Sören (2011): Handbuch des Bodenschutzes. Bodenökologie und -belastung : vorbeugende und abwehrende Schutzmassnahmen. 4., vollständig überarbeitete Aufl. Weinheim: WILEY-VCH

Ticker 2/18

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CBG auf „Wir haben es satt“-Demo!
Mit über 30.000 Menschen hatte die diesjährige „Wir haben es satt“-Demonstration weit mehr Zulauf als die von 2017. Die TeilnehmerInnen, die am 20. Januar 2018 nach Berlin kamen, unterstrichen damit noch einmal die Dringlichkeit einer Landwende. Sie traten für eine Landwirtschaft ein, die ohne Glyphosat & Co., Massentierhaltung, Antibiotika wie BAYERs BAYTRIL, Insektensterben, Land-Konzentration, Export-Orientierung und – last but not least – BAYSANTO auskommt. „Wir wollen, dass Demokratie sich gegen Konzern-Macht durchsetzt, weltweit“, hieß es in der Erklärung der Veranstalter. „Dämmen Sie die Markt-Konzentration von Großunternehmen ein, weil diese die Verwirklichung des Rechts auf Nahrung und eine positive ländliche Entwicklung bedroht“, forderten sie deshalb von den PolitikerInnen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) setzte dieses Thema in Berlin ebenfalls auf die Tagesordnung. „Stopp BAYER/MONSANTO“ war der Aufruf überschrieben, den CBG-AktivistInnen auf der ganzen Demo-Strecke verteilten.

CBG beim Kölner Rosenmontagszug
Die alternative Kölner Karnevalstruppe „Pappnasen Rot-Schwarz“ hatte für ihren diesjährigen Rosenmontagsbeitrag das offizielle Motto „Mer Kölsche danze us der Reih“ in „Mer klääve nit am Wachstumswaahn, mer danze us der Reih“ umgestrickt. Sich traditionell als „Zoch vor dem Zoch“ an die Spitze des närrischen Treibens setzend, dichteten sie auch das jecke Liedgut ein wenig um. „D’r Kappetalismus/Dä hätt ene Voll-Schuss/Einer fängk zu wachse aan/bis jeder mitmuss“, inthronierten die rund 80 Alternativ-KarnevalistInnen unter anderem. Und da der BAYER-Konzern ebenfalls ganz dolle von dem Wachstumsvirus befallen ist, wie sein MONSANTO-Übernahmeplan zeigt, durften er und seine Auserwählte bei dem Umzug so wenig fehlen wie AktivistInnen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN. Als „Hochzeit des Todes“ hatte das Horror-Brautpaar seinen Auftritt, ihren kleinen „Glypho-Satan“ im Kinderwagen vor sich her schiebend. Hinter ihnen folgten das BAYSANTO-Monster, „Mad Scientists“ und die Bienen-Leichen, die ihren Weg pflasterten. So vor den ZuschauerInnen an der Strecke vorbeiparadierend, wurden die Pappnasen von einer Tribüne aus sogar schon als „Protest-Zug aus Leverkusen“ begrüßt, obwohl in ihren Reihen auch noch andere Konzerne wie z. B. der Klima-Killer RWE ihr Unwesen trieben.

Proteste vor BAYER-Zentrale
Am 31. Januar 2017 wollte das US-Unternehmen MONSANTO auf seiner Hauptversammlung weitere Vorbereitungen zur Elefanten-Hochzeit mit BAYER treffen. Das von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN initiierte „Stopp BAYER/MONSANTO!“-Bündnis nahm dies zum Anlass, dem Multi vor seiner Leverkusener Zentrale schon einmal die Braut zu präsentieren. Aus Sicherheitsgründen war dazu ein Feuerwehr-Einsatz nötig, denn die Auserkorene hatte gleich ihre Mit-Gift dabei: das laut WHO „wahrscheinlich krebserregende“ Glyphosat, das berühmt-berüchtigte Agent Orange und das Baumwoll-Saatgut, das in Indien so viele LandwirtInnen in den Tod treibt. Für BAYER trübt das die Anziehungskraft jedoch nicht. Im Gegenteil: Der Global Player erkennt darin eine Wahlverwandtschaft, steht es mit seinem Lebenswandel doch ebenfalls nicht zum Besten. Die rund 40 AktivistInnen – unter anderem von ATTAC, FIAN, der ÖkolandwirtInnen-Vereinigung IFOAM und von den PAPPNASEN ROTSCHWARZ – verwiesen darauf symbolisch, indem sie vor der Konzern-Zentrale die letzte Biene zu Grabe trugen, niedergestreckt durch Pestizide des deutschen Agro-Konzerns. Auch der Trauzeuge stellte sich bereits vor. Für diesen Posten hatte sich Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) in Brüssel durch seine Zustimmung zur Glyphosat-Zulassungsverlängerung qualifiziert, die dem Paar in spe die Aussicht auf eine noch praller gefüllte Familien-Kasse eröffnete. Dezent im Hintergrund hielt sich hingegen der vom ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Friedrich Merz vertretene Heiratsvermittler BLACKROCK, der die Partnerschaft mit eingefädelt hatte. Der Hausbesuch, mit dem das Bündnis die diesjährigen Aktionen gegen die von BAYER geplante MONSANTO-Übernahme einleitete, fand breite Resonanz bei Medien und Beschäftigten und vermittelte Zuversicht für den weiteren Verlauf der Kampagne.

Die-In gegen Baysanto
Am 3.3.18 hat die Initiative ALTERNATIBA Rhône am französischen BAYER-Standort Lyon mit einer spektakulären Aktion gegen die von BAYER geplante MONSANTO-Übernahme protestiert. Die Organisation veranstaltete Anfang März 2018 ein Die-in, um die Gesundheitsgefahren plastisch darzustellen, die von dem agro-industriellen Komplex ausgehen, den der Konzern durch die Einverleibung seines US-Konkurrenten noch einmal ein wenig komplexer gestalten will. Und die Ackergifte der beiden Unternehmen leisteten an dem Tag ganze Arbeit: Vor einer zentralen Metro-Station der Stadt lagen nicht nur Menschen darnieder, sondern auch Tiere und Pflanzen – einige AktivistInnen hatten sich nämlich Flora und Fauna anverwandelt.

Warnung vor Bio-Kunststoffen
Die Konzerne stellen Kunststoffe zunehmend aus pflanzlichen Rohstoffen her. So entwickelt die BAYER-Tochter COVESTRO, an welcher der Konzern direkt 14,2 Prozent der Aktien hält und sein Pensionsfonds 8,9 Prozent, etwa Lackhärter mit Biomasse-Anteilen. Zudem forscht die Gesellschaft an vielen anderen Plaste-Produkten auf der Basis von Celluse, Milchsäure oder Zucker. „Die Umweltverträglichkeit wird zur Markt-Erfordernis“, so begründet das Unternehmen den Versuch, Alternativen zur Petrochemie zu finden. Mit der Umweltverträglichkeit der sogenannten Bioplastics ist es allerdings so eine Sache. Aufgrund ihrer komplexen Struktur bauen sie sich in der Natur nur äußerst langsam ab und setzen dabei zu allem Überfluss auch noch das klima-schädliche Gas Methan frei. Das Recycling bereitet wegen ihrer chemischen Zusammensetzung ebenfalls Schwierigkeiten. Da die Bio-Kunststoffe trotzdem unter dem Öko-Label firmieren und so einen Konsum ohne Reue befeuern, sehen FRIENDS OF THE EARTH EUROPE und andere Initiativen die neuen Kunststoffe eher als Teil des Problems denn als Teil der Lösung an. Priorität hat für die Gruppen nach wie vor eine Gebrauchsreduktion von Plastik. Eine solche Strategie forderten sie auch von der Europäischen Union ein. Überdies verlangten sie von Brüssel, den Umgang mit den Bioplastics zu regulieren. Konkret treten die Umweltschützer-Innen für Maßnahmen ein, welche für eine bessere Recycling-Fähigkeit der Materialen sorgen, Nachhaltigkeitskriterien für sie entwickeln und COVESTRO & Co. irreführende Öko-Werbung mit den Stoffen untersagen.

KAPITAL & ARBEIT

Neues Gesetz zur Lohn-Transparenz
Im letzten Jahr hat der deutsche Bundestag das „Gesetz zur Förderung der Entgelt-Transparenz zwischen Frauen und Männern“ verabschiedet. Es soll helfen, die bestehende Ungleichheit in der Bezahlung der beiden Geschlechter zu mildern. So verpflichtet das Paragrafen-Werk die Unternehmen, Berichte über Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von Männern und Frauen im Allgemeinen und über Maßnahmen zur Herstellung der Entgelt-Gleichheit im Besonderen zu erstellen. Beim Leverkusener Multi hatte der Betriebsrat in der Vergangenheit bei einigen Tochter-Gesellschaften des Konzerns eine Befragung durchgeführt und Gehaltsdifferenzen von 0,7 bis 1,8 Prozent festgestellt. Nach Angaben der stellvertretenden BAYER-Betriebsratsvorsitzenden Roswitha Süsselbeck hat der Konzern auf die Erhebung reagiert und die Löhne angeglichen. Wäre die überdurchschnittlich oft von Frauen ausgeübte und in der Regel schlechter bezahlte Teilzeit-Arbeit mit in die Untersuchung eingeflossen, hätten sich höchstwahrscheinlich weitaus größere Unterschiede ergeben.

ERSTE & DRITTE WELT

Entwicklungshilfe zur Selbsthilfe
Seit einiger Zeit haben die Global Player auf der Suche nach neuen Absatz-Gebieten die „Low-income Markets“ entdeckt (siehe auch SWB 4/13). So entwickelte der Leverkusener Multi bereits 2013 eine „Afrika-Strategie“. Bei der Umsetzung geriert sich der Agro-Riese gerne als Entwicklungshelfer. „BAYER kooperiert mit der gemeinnützigen Organisation ‚Fair Planet’ und wird Teil des Projekts ‚Bridging the Seed Gap’ in Äthiopien. Ziel des Projekts ist es, neue Anbau-Möglichkeiten für Kleinbauern zu schaffen“, vermeldete der Konzern etwa Anfang 2016. Nur handelt es sich leider bei „Fair Planet“ um einen Verband, der sein Geld von BAYER, SYNGENTA, LIMAGRAIN & Co. erhält. Und so sehen die Programme auch aus. Die „Anbau-Möglichkeiten für Kleinbauern“ beschränken sich auf Tomaten, Paprika und Zwiebeln made by BAYER. Zudem handelt es sich um hybride, also nicht zur Wiederaussaat geeignete Sorten. Diese nur für den einmaligen Gebrauch bestimmten Arten, deren Preis trotzdem den von konventionellem Saatgut übersteigt, können die FarmerInnen zunächst kostenlos testen. Anschließend müssen sie für die Produkte allerdings die Werbetrommel rühren. „Sie sollen dann weiteren Landwirten in den Dörfern und Regionen die Vorteile dieses Saatguts demonstrieren“, so lautet der Business-Plan des Konzerns. Und der ging bis jetzt offenbar auf. Im Juli 2017 setzten der Global Player und „Fair Planet“ ihre Zusammenarbeit fort.

POLITIK & EINFLUSS

Mehr Innovation, weniger Vorsorge
Die Europäische Union legt bei der Beurteilung möglicher Gesundheitsgefährdungen durch chemische und andere Stoffe das Vorsorge-Prinzip zugrunde. Sie kann theoretisch also schon reagieren, wenn negative Effekte von Substanzen für Mensch, Tier und Umwelt nicht auszuschließen sind, und nicht erst bei zweifelsfreien wissenschaftlichen Belegen für eine solche Wirkung. Die Industrie opponiert schon seit Jahren gegen diese Herangehensweise. So schrieb der damalige BAYER-Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers in der Angelegenheit gemeinsam mit anderen Konzern-Lenkern bereits 2013 einen Offenen Brief an die EU-Kommission. Darin traten die Bosse dafür ein, dem Vorsorge-Prinzip ein Innovationsprinzip zur Seite zu stellen. Ein Gleichgewicht zwischen Gesundheitsschutz und Innovationsförderung sollte Brüssel nach Meinung der Vorstandschefs anstreben, denn: „Innovationen sind per definitionem mit Risiken verbunden.“ Und nun wiederholte der Dekkers-Nachfolger Werner Baumann diese Forderung und verlangte, dass „alle neuen Gesetze auf ihre Folgen für die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft sinnvoll überprüft werden müssen“. Scheinheilig stellte er seinen Vorschlag als Ergänzung und nicht etwa als Unterminierung des Vorsorge-Prinzips dar.

Zahmer Aktionsplan
Der Leverkusener Multi hat in seiner Geschichte vielfach gegen Menschenrechte verstoßen. So nutzte er etwa Menschen aus der „Dritten Welt“ ohne deren Wissen als Versuchskaninchen für neue Pharma-Produkte, übte massiven Druck auf GewerkschaftlerInnen aus und griff auf Kinderarbeit zurück. Um solche Rechtsverstöße – entweder von den Global Playern selbst begangen oder aber von den Vertragsfirmen ihrer Lieferketten – besser ahnden zu können, hat der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen vor einiger Zeit „Guiding Principles on Business and Human Rights“ verabschiedet. Die EU hat ihre Mitgliedsstaaten daraufhin angehalten, eigene Aktionspläne zu erstellen. Die vorletzte Große Koalition tat das mit einiger Verspätung: Ihr Nationaler Aktionsplan (NAP) trat erst 2017 in Kraft. Viel zu befürchten haben die Konzerne von ihm auch nicht – ihr Extrem-Lobbyismus zeigte Wirkung. SPD und CDU blieben ihren Ankündigungen treu und setzen lediglich auf „Dialogformate“ und die Unterstützung von Trainingsprogrammen. Haftungsregeln sieht der Plan hingegen nicht vor, da „es sich bei Subunternehmen begrifflich um rechtlich selbstständige Unternehmen handelt, auf die ein anderes Unternehmen keinen gesellschaftsrechtlichen Einfluss ausüben kann“. Die Parteien lehnen es zudem ab, die Klage-Möglichkeiten wegen Verstößen gegen die Leitlinien des Industrieländer-Zusammenschlusses OECD zu verbessern und möchten lieber, „dass die Unternehmen freiwillig und aus eigener Verantwortung gesellschaftliche Verantwortung übernehmen“, wie es 2014 in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage von BÜNDNIS 90/Die Grünen hieß. Bis zum Jahr 2020 haben BAYER & Co. nun Zeit, um ihre Wertschöpfungsketten hinsichtlich etwaiger Menschenrechtsverletzungen zu kontrollieren und Bericht zu erstatten. Erst danach folgen – eventuell – „weitergehende Schritte“. „Falls die wirksame und umfassende Überprüfung des NAP 2020 zu dem Ergebnis kommt, dass die freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen nicht ausreicht, werden wir national gesetzlich tätig und uns für eine EU-weite Regelung einsetzen“, hält der Koalitionsvertrag fest.

BAYER droht May wg. Brexit
Großbritannien stellt für den Leverkusener Multi einen wichtigen Export-Markt dar. Darum war er über den Brexit not amused. Der Chef von BAYERs England-Geschäft, Alexander Moscho, sorgt sich hauptsächlich darum, künftig mehr Schwierigkeiten bei der Besetzung von Top-Positionen zu haben. Zudem befürchtet er, mit Arzneien und Pestiziden nicht mehr so schnell auf den britischen Markt kommen zu können, wenn London künftig EU-Genehmigungen nicht mehr anerkennt und stattdessen eigene Zulassungsbehörden aufbaut. Deshalb baut Moscho, den die mit dem Brexit verbundenen Probleme nach eigenem Bekunden 30 Prozent seiner Arbeitszeit kosten, in Gesprächen mit den politisch Verantwortlichen Druck auf. „Wir teilten der Regierung auch mit, dass unsere Diskussion mit der Konzern-Zentrale sich in letzter Zeit verändert haben. Wenn wir früher über Investitionen redeten, geht es heute eher darum, den Status Quo zu sichern“, sagte er in einem Interview mit the pharmaletter. „Eine subtile psychologische Veränderung“ nannte der Manager das und drohte eine Fortsetzung dieser Entwicklung an, „wenn es der Regierung nicht gelingt, auf einige Schlüsselfragen rund um den Brexit klärende Antworten zu geben“.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYERs „Big Data“-Marketing
Der Leverkusener Multi greift beim Marketing zunehmend auf Big Data zurück. So nutzt seine Veterinär-Sparte die Dienste der Firma CONSUMER ORBIT, um ihre Angebote passgenau auf bestimmte VerbraucherInnen-Gruppen zuzuschneiden. Zusammen mit den eigenen Informationen kommt der Konzern so auf 63 Billionen Daten. Und das versetzt ihn in die Lage, „ein Modell zu entwickeln, das uns zeigt, wie unsere Kunden aussehen, wer unsere Produkte nutzt und was für Gewohnheiten diese Personen haben“, preist Marketing-Leiter Doug Yoder die neuen Werbe-Möglichkeiten.

BAYER unterstützt ASA-Initiative
Wenn medizinische Fachgesellschaften sich Krankheiten widmen, für die BAYER vermeintlich die passenden Arzneien im Angebot hat, können sie immer mit Schecks aus Leverkusen rechnen. Schließlich gilt es für den Konzern, die pharmazeutische Landschaft zu pflegen. So unterstützt der Pillen-Riese auch die „Together to end stroke“-Initiative der „American Stroke Association“ (ASA) und der „American Heart Association“ (AHA), die über die Prävention und Behandlung von Schlag- und Herzanfällen informieren will. Allerdings setzt das Unternehmen bei solchen Kampagnen naturgemäß eigene Schwerpunkte. Nach ein paar Hinweisen über die prophylaktische Wirkung von Sport und gesundem Essen kommt schon der Rat: „Fragen Sie Ihren Doktor nach einer Behandlung mit ASPIRIN.“ Schließlich vermarktet der Global Player seinen Tausendsassa schon seit Längerem auch zur Vorbeugung von Schlag- und Herzanfällen.

DRUGS & PILLS

Liefer-Engpass bei ASPIRIN i. V.
Big Pharma unterwirft seine Produktion immer strengeren Profit-Kriterien. So stellt BAYER viele Wirkstoffe gar nicht mehr selber her, sondern gliedert die Fertigung aus, gerne auch in „Entwicklungsländer“, wo billige Arbeitskräfte und fehlende Umweltauflagen locken (SWB 4/17). Weil so oft genug nur noch ein einziges Unternehmen die Herstellung einer weltweit nachgefragten Substanz verantwortet, gefährdet dieses Produktionsregime die Versorgungssicherheit. Das zeigte sich jetzt im Fall von ASPIRIN i. V. Bereits zum zweiten Mal innerhalb von zwölf Monaten kann der Pillen-Riese dieses Pharmazeutikum, das NotärztInnen bei Herzinfarkten verwenden und ansonsten bei hohem Fieber und starken Schmerzen zum Einsatz kommt, entweder gar nicht oder nur „in einer angepassten Menge“ liefern. „Ursache des Problems sind qualitätsbedingte Ausfälle bei einem Lohn-Unternehmer in Frankreich, der ASPIRIN i. V. für BAYER herstellt“, teilte der Global Player mit. Er bekundet nun, fieberhaft an einer Lösung zu arbeiten. Schnelle Abhilfe verspricht er indessen nicht: „Das wird noch einige Monate dauern.“

Liefer-Engpass bei PHYTODOLOR
Immer wieder kommt es bei BAYER-Medikamenten zu Liefer-Engpässen (s. o.). Besonders häufig treten diese bei Heilmitteln auf pflanzlicher Basis, den sogenannten Phytopharmaka, auf. So mussten die Apotheken im letzten Jahr lange auf das Rheuma-Präparat PHYTODOLOR verzichten. Nach Angaben des Konzerns haperte es bei der Arznei, die wegen ihres Alkohol-Gehaltes in der Kritik steht, mit der Qualität des Goldruten-, Eschenrinde- und Zitterpappelrinde-Krautes. Zuvor hatten die PatientInnen bereits lange vergeblich auf das zur Behandlung von leichten bis mittelschweren Depressionen zur Anwendung kommende Johanneskraut-Mittel LAIF warten müssen (Ticker 3/16).

Neue LAIF-Rezeptur
Das Johanneskraut-Präparat LAIF bereitete BAYER in letzter Zeit viel Kummer. So traten Liefer-Engpässe wegen mangelhafter Qualität des Rohstoffes auf (s. o.). Ob diese in Zusammenhang mit zu hohen Rückständen von gesundheitsschädlichen Pyrrolizidin-Alkaloiden standen, mochte der Leverkusener Multi damals lieber nicht sagen. Darüber hinaus quollen die feuchtigkeitsempfindlichen Tabletten oft auf. Dagegen hat der Konzern jetzt mit einer neuen Formulierung Abhilfe geschaffen, die einen Eindruck davon vermittelt, wie viel Chemie doch in einem Heilmittel auf pflanzlicher Basis so stecken kann. Der Pharma-Riese fügte der Rezeptur Hyprolose, Hypromellose, mikrokristalline Cellulose, mittelkettige Triglyceride, Sterarinsäure und vorverkleisterte Stärke zu und strich dafür Carboxyethylstärke-Natrium, Eudragit E100 und Natriumhydrogen-Carbonat.

BAYER will Phyto-Sparte ausbauen
Ungeachtet der vielen Schwierigkeiten mit Arzneimitteln auf pflanzlicher Basis (s. o.) will BAYER diese Sparte ausbauen. Zu diesem Behufe hat der Konzern in Darmstadt ein Kompetenz-Zentrum eingerichtet. Er hält die große Nachfrage nach LAIF, IBEROGAST & Co. nämlich für einen nachhaltigen Trend und hofft auf wachsende Renditen in diesem Bereich.

ALKA-SELTZER-Rückruf Nr. 2
Im August 2017 musste BAYER in den USA wegen fehlerhafter Verpackungen einen Rückruf bestimmter ALKA-SELTZER-Produkte starten. Es traten undichte Stellen auf, und die Tabletten drohten feucht zu werden. Im März 2018 erfolgte der „Volontary Recall“ von bestimmten „ALKA-SELTZER PLUS“-Chargen dann, weil die vorne auf den Packungen des Schmerz- und Erkältungsmittels aufgeführten Inhaltsstoffe nicht den auf der Rückseite angegebenen entsprachen. Dies könnte KonsumentInnen, die allergisch auf bestimmte Wirkstoffe reagieren, zur Einnahme der Präparate verleiten und deshalb „ernsthafte gesundheitliche Konsequenzen“ haben, warnte die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA.

85.367 XARELTO-Nebenwirkungen
Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA erreichen immer mehr Meldungen über schwerwiegende Nebenwirkungen, die im Zusammenhang mit der Einnahme von BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO stehen. Bisher hat die Institution bis zum 1.3.18 insgesamt 85.367 Kranken-Akten erhalten. Allein im Februar 2018 gingen bei der Agentur über 1.500 Berichte über unerwünschte Pharma-Effekte ein.

XARELTO: schwankende Gerinnungswerte
In den Klinischen Prüfungen zeigte sich BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO dem altgedienten Marcumar nicht überlegen. Deshalb wirbt der Leverkusener Multi mit den praktischen Vorteilen der Arznei aus der Gruppe der Antikoagulantien wie dem Wegfall der regelmäßigen Blutgerinnungsmessung. Aber selbst damit ist es bei dem Medikament nicht weit her. „Wir sehen häufig bei Patienten, die neue Antikoagulantien einnehmen, dass sie trotzdem derangierte Blutwerte haben“, sagt etwa die Berliner Unfall-Chirugin Hanna Neumann. Ein Wissenschaftler des Pharma-Riesen selber räumte gegenüber dem Handelsblatt ein, dass die Gerinnungswerte unter XARELTO eine erhebliche Schwankungsbreite aufweisen – dementierte diese Aussage jedoch gleich wieder (siehe SWB 2/16). Durch diese Eigenschaft des Mittels steigt die Gefahr plötzlich auftretender, lebensgefährlicher Blutungen enorm – zumal für das Präparat bisher kein blutstillendes Gegenmittel existiert, obwohl der Konzern ein solches Antidot immer wieder ankündigt. Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde will nun im Mai 2018 über die Zulassung eines entsprechenden Produkts entscheiden, die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA erst im nächsten Jahr.

Haarausfall unter XARELTO
Die Liste der unerwünschten Arznei-Effekte von BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO wird immer länger. Zu den gefährlichsten zählen Blutungen, die allzu oft einen tödlichen Ausgang nehmen. Aber auch Leber-Schädigungen, Haut- und Blutkrankheiten kann der Milliarden-Seller auslösen. Und unlängst kam noch eine neue Nebenwirkung hinzu, die nicht auf dem Beipackzettel vermerkt ist: Haarausfall. Entsprechende Verdachtsmeldungen dazu gingen bei der Weltgesundheitsorganisation WHO ein.

Neue XARELTO-Studie
Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hat das Sicherheitsprofil von BAYERs gefährlichem Gerinnungshemmer XARELTO (Wirkstoff: Rivaroxaban) mit dem von Marcumar (Warfarin) bei PatientInnen mit Vorhof-Flimmern miteinander verglichen. Nach dieser Studie, die auf Daten von 115.000 PatientInnen basierte, besteht unter XARELTO ein höheres Risiko, Blutungen im Magen/Darm-Trakt zu erleiden, während das Risiko, Blutungen im Gehirn oder sogar einen Hirnschlag zu erleiden, unter Warfarin größer ist.

Patent-Verlängerung für XARELTO
Erhalten die Konzerne für neue Entwicklungen ein Patent, so gewährt ihnen das eine Monopol-Stellung in dem betreffenden Markt. Das garantiert den Unternehmen Extra-Profite über viele Jahre hinweg. Und wenn es sich bei den Innovationen um Arzneien oder Pestizide handelt, sieht es sogar noch ein bisschen besser aus. Mit Pharmazeutika und Ackergiften können die Multis nämlich noch mal in die Verlängerung gehen. Sie brauchen für sie lediglich „ergänzende Schutz-Zertifikate“ zu beantragen. Und genau das hat BAYER im Fall von XARELTO getan. So gelang es dem Leverkusener Multi dann, die Schutzfrist für den gefährlichen Gerinnungshemmer (s. o.), die eigentlich im Dezember 2020 ausgelaufen wäre, bis auf den 28. August 2024 auszuweiten.

Wieder Test mit ADEMPAS
Wenn eine von BAYER entwickelte Arznei für eine bestimmte Indikation eine Genehmigung erhalten hat, versucht sich der Konzern umgehend an einer Erweiterung der Anwendungszone. So ging er auch beim zur Behandlung der beiden Lungenhochdruck-Krankheiten CTEPH und PAH zugelassenen Pharmazeutikum ADEMPAS (Wirkstoff: Riociguat) vor, obwohl das Fach-Magazin Arzneimittelbrief die therapeutischen Effekte des Mittels schon bei diesen Gesundheitsstörungen als nur „marginal“ bewertet. Momentan führt der Pharma-Riese gemeinsam mit dem Unternehmen MERCK eine klinische Erprobung bei solchen PAH-PatientInnen durch, die nicht auf die Arznei-Stoffe Sildenafil und Tadalafil ansprechen. Kindern mit Lungenhochdruck will er das Produkt ebenfalls angedeihen lassen. Zudem testet der Global Player ADEMPAS gerade als Medikament gegen die Autoimmun-Krankheit „Systemische Sklerose“. Und damit nicht genug, beabsichtigt er, das Präparat bei Herz-Insuffizienz und Schädigungen der Niere in Anschlag zu bringen.

May zieht DUOGYNON-Bericht zurück
Ein hormoneller Schwangerschaftstest der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING hat ab den 1950er Jahren zu tausenden Totgeburten geführt. Darüber hinaus kamen durch das unter den Namen DUOGYNON und PRIMODOS vertriebene Medizinprodukt bis zum Vermarktungsstopp Anfang der 1980er Jahre unzählige Kinder mit schweren Missbildungen zur Welt. Geschädigte oder deren Eltern fordern den Leverkusener Multi auf seinen AktionärInnen-Versammlungen seit Jahren dazu auf, die Verantwortung dafür zu übernehmen, bislang allerdings vergeblich. In England konnten sie jedoch die Politik mobilisieren. Das britische Parlament gab im Oktober 2015 eine Untersuchung zum Fall „Primodos“ in Auftrag. Der Abschluss-Bericht bestritt aber einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Test und den Gesundheitsschädigungen. Allerdings weist die Expertise zahlreiche Unstimmigkeiten auf. So berücksichtigt sie beispielsweise nicht alle bisher zugänglichen Dokumente zu dem Medizin-Skandal. Aus diesen Gründen zog die britische Premierministerin Theresa May den Report vorerst zurück und ordnete eine Überprüfung seines Befundes an.

EU will Kosten/Nutzen-Prüfung ändern
Das Arzneimittel-Neuverordnungsgesetz (AMNOG) von 2011 schreibt für neue Medikamente eine Kosten/Nutzen-Prüfung vor. Diese führt der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) von MedizinerInnen, Krankenhäusern und Krankenkassen durch. Bescheinigt dieses Gremium dem zu begutachtenden Pharmazeutikum dann eine Überlegenheit gegenüber den bisherigen Mitteln, so können die Hersteller anschließend mit DAK & Co. einen Preis aushandeln. Fällt das G-BA-Votum dagegen negativ aus, müssen die Pillen-Produzenten Preisabschläge in Kauf nehmen. Zu solch einem Urteil kamen die ExpertInnen z. B. bei BAYERs Krebs-Präparat STIVARGA, woraufhin der Leverkusener Multi auf die Vermarktung des Produktes in der Bundesrepublik verzichtete. Dementsprechend kritisch steht nicht nur der Leverkusener Multi, sondern die gesamte Branche diesem Instrument zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen gegenüber. Und entsprechend positiv beurteilen die Pharma-Riesen die Pläne der EU, Brüssel die Zuständigkeit für den Arznei-Check zu übertragen. Johann-Magnus von Stackelberg vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) reagiert dagegen alarmiert: „Wir befürchten die Absenkung der hohen Standards, die wir in Deutschland für die Bewertung von neuen Medikamenten haben.“ Die PolitikerInnen teilen diese Sorgen und weisen das Ansinnen der Europäischen Union, sich zum Wohl von BAYER & Co. in die Gesundheitspolitik der einzelnen Mitgliedsländer einzumischen, zurück: Am 22.3.18 erteilte der Bundestag der EU-Kommission einstimmig eine sogenannte Subsidiaritätsrüge.

Kooperation mit DELSITECH
Medikamente für Augen-Krankheiten zählen zum Kerngeschäft von BAYERs Pharma-Sparte. Darum bemüht sich der Konzern stets, das Segment auszuweiten. Zu diesem Behufe hat er jetzt einen Kooperationsvertrag mit dem Unternehmen DELSITECH geschlossen. Die finnische Firma forscht an medizinisch unproblematischen Träger-Stoffen für die eigentlichen Wirk-Substanzen. Nach der nun getroffenen Vereinbarung übernimmt der Leverkusener Multi die Entwicklungskosten für ein entsprechendes Projekt. Zudem verpflichtet er sich, abhängig von DELSITECHs Fortschritten bei dem Vorhaben, zu weiteren Zahlungen.

Kooperation mit T2
BAYER hat einen Kooperationsvertrag mit der Firma T2 BIOSYSTEMS geschlossen. Die Vereinbarung gewährt dem Leverkusener Multi Zugang zu einer Magnetresonanz-Technologie zur Bestimmung der Blut-Gerinnung.

Kooperation mit LEICA
Die personalisierte Medizin, also die Entwicklung einer passgenauen, auf die jeweiligen Bedürfnisse der PatientInnen ausgerichteten Therapie-Form, erfüllt die in sie gesteckten Erwartungen bisher nicht. „Die Sache ist komplizierter als gedacht“, räumte BAYERs Pharma-Forscher Jörg Müller einmal ein. Insbesondere fehlen Kenntnisse darüber, was sich in den Körpern der einzelnen Kranken auf molekularer Ebene konkret abspielt. Aufschluss darüber versprechen bestimmte Tests zu geben. Darum hat BAYER das Unternehmen LEICA beauftragt, einen solchen auf Basis von Gewebe-Proben zu entwickeln. „Die personalisierte Medizin hat dann Aussicht auf Erfolg, wenn wir mit hochwertigen diagnostischen Tests genau die Patienten-Populationen bestimmen können, die mit größter Wahrscheinlichkeit von der Therapie profitieren werden“, so Jonathan Roy von LEICA. Auch das Hildener Unternehmen Qiagen entwickelt solche Analyse-Verfahren für den Leverkusener Multi.

AGRO & CHEMIE

Aus für Glufosinat
Jahrzehntelang hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN für ein Verbot des erbgut-schädigenden BAYER-Pestizides Glufosinat gestritten. Jetzt kann sie endlich den Erfolg verbuchen: Die EU lässt den Wirkstoff, den der Leverkusener Multi unter anderem unter den Produkt-Namen LIBERTY und BASTA vermarktet, auf ihrem Territorium nicht länger zu. Der Agro-Riese zog seinen Antrag auf Verlängerung der Genehmigung Ende 2017 zurück und begründete dies mit „anhaltenden regulatorischen Unwägbarkeiten innerhalb der EU“. Noch bis zum 1. August 2019 dürfen die LandwirtInnen das Mittel verwenden, dann ist Schluss. Frankreich hatte das Ackergift zuvor schon mit einem Bann belegt und ihm eine Gnadenfrist bis zum 24.10.18 eingeräumt.

Kommt das GAUCHO-Verbot?
Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin) haben einen wesentlichen Anteil am weltweiten Bienensterben, weshalb die EU einige dieser Agrochemikalien schon mit einem vorläufigen Verkaufsbann für wichtige Kulturen belegt hat. Jetzt rückt die Entscheidung über ein endgültiges Verbot näher. Ende Februar 2018 nämlich legte die Europäische Behörde für Lebensmittel-Sicherheit (EFSA) ihre Risiko-Bewertung der Mittel vor und hielt fest: „Die meisten Anwendungen neonicotinoider Pestizide stellen ein Risiko für Wild- und Honigbienen dar.“ Die Stellungnahme des Leverkusener Multis dazu kam postwendend und fiel erwartungsgemäß aus: „BAYER ist mit den Ergebnissen der Risikobewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittel-Sicherheit (EFSA) für die Wirkstoffe Imidacloprid und Clothianidin grundsätzlich nicht einverstanden.“ Aber die EU-Kommission ließ sich davon nicht beirren und präsentierte dem Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel am 22.3.18 einen Vorschlag zum Stopp von GAUCHO & Co. Zu einer Abstimmung kam es jedoch nicht. Einige Länder sahen noch Diskussionsbedarf, darunter wohl auch Deutschland. Die Bundesregierung hat nämlich in dieser Sache keine eindeutige Position – trotz ihres Bekenntnisses aus dem Koalitionsvertrag: „Dabei liegt uns der Schutz der Bienen besonders am Herzen“. Wie schon im Fall von Glyphosat gehen zwischen Umwelt- und Landwirtschaftsressort die Meinungen auseinander. Dabei hat nach Informationen des Web-Portals EURACTIV im Klöckner-Ministerium nicht zuletzt das Extrem-Lobbying der Zuckerrüben-Industrie meinungsbildend gewirkt, die auf Ausnahme-Regelungen für ihre Ackerfrucht pocht.

GAUCHO & Co.: Teilverbot greift nicht
Seit 2014 gilt innerhalb der Europäischen Union ein Teilverbot für bestimmte Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide. Brüssel hat den LandwirtInnen die Ausbringung der BAYER-Wirkstoffe Imidacloprid und Clothianidin sowie der SYNGENTA-Substanz Thiamethoxam auf bestimmten Kulturen untersagt. Das hatte jedoch kaum Auswirkungen auf die Neonicotinoid-Verkäufe insgesamt. Beliefen sich diese im Jahr vor der EU-Entscheidung auf 200 Tonnen, so stiegen die Zahlen zwölf Monate später auf 207 Tonnen an und erreichten 2015 noch 203 Tonnen. Die großzügigen Ausnahme-Regeln und ein ausreichendes Angebot an legalen Neonicotinoiden machen das möglich. Darum fordert die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN ein Komplett-Verbot dieser Substanzen für alle Anwendungen.

Kein Mittel gegen Citrus Greening
Gegen immer mehr Pflanzen-Krankheiten können die Pestizide von BAYER & Co. nichts mehr ausrichten. Und bei dem Versuch, Abhilfe zu schaffen, können und wollen die Konzerne sich auch nicht mehr allein auf die eigenen Forschungsabteilungen verlassen. Nicht zuletzt aus Kosten-Gründen kooperieren sie lieber mit öffentlichen Einrichtungen. So sucht BAYER etwa zusammen mit dem „Internationalen Forschungs- und Entwicklungsfonds“ (INREF) nach Mitteln gegen den aggressiven Pilz „Tropical Race 4“ (TH4), der Bananen befällt (Ticker 2/17). In Sachen „Citrus Greening“, eine vom Bakterium Candidatus liberibacter bei Zitronen und Orangen ausgelöste Grün-Färbung, arbeitet der Leverkusener Multi ebenfalls mit anderen Institutionen zusammen. Gemeinsam mit der „Citrus Research and Development Foundation“, die unter anderem von PEPSICO und COCA COLA Geld erhält, forscht er hier nach Lösungen.

Tröpfchenweise weniger Pestizide?
Mittlerweile räumt der Leverkusener Multi selber ein, dass die industriell betriebene Landwirtschaft der Umwelt schadet und obendrein enorme Mengen Wasser verbraucht. Der Konzern versucht sogar, Lösungen zu finden, „mit denen wir die Umwelt-Auswirkungen der Landwirtschaft weiter reduzieren und natürliche Ressourcen einsparen“. Und er glaubt auch schon, eine solche gefunden zu haben. Darum kooperiert der Global Player mit dem israelischen Unternehmen NETAFILM, das die „DripByDrip“-Technologie entwickelt hat. Mittels dieser gelangen die Pestizide Tropfen für Tropfen direkt zu den Pflanzen-Wurzeln, was BAYER zufolge die Ausbring-Mengen und den Wasser-Einsatz reduziert. Über das Versuchsstadium ist dieser Ansatz bisher allerdings nicht hinausgekommen.

Fungizid-Kooperation mit SUMITOMO
Der Leverkusener Multi will seine eigenen Mittel gegen Pilz-Krankheiten von Pflanzen mit einem neuen Produkt des japanischen Chemie-Unternehmens SUMITOMO CHEMICAL mischen und daraus ein Ackergift für Soja-Kulturen entwickeln. Eine entsprechende Vereinbarung unterzeichneten die beiden Konzerne im Sommer 2017.

Neues Insektizid für Grünflächen
Seit einiger Zeit nimmt BAYERs Sparte für Agro-Chemie in den USA den „ornamentals market“ stärker in den Blick und bietet gezielt Pestizide für den Einsatz in Gewächshäusern, Gartencentern und auf großen Grünflächen wie etwa Golf-Plätzen an. Nun hat der Leverkusener Multi mit ALTUS auch ein neues Insektizid für diese Anwendungen herausgebracht. Der Konzern selber bezeichnet den Wirkstoff Flupyradifuron als nicht bienen-gefährdend. Daran bestehen jedoch erhebliche Zweifel. Die Chemikalie gehört zwar nicht wie die wegen ihrer Bienenschädlichkeit von der EU mit einem vorläufigen Bann belegten BAYER-Substanzen Imidacloprid und Clothianidin zur Gruppe der Neonicotinoide, sie ähnelt diesen jedoch in ihrer Funktionsweise.

PFLANZEN & SAATEN

Zuckerrüben-Lizenz vergeben
BAYER hat im Jahr 2015 zusammen mit KWS eine Zuckerrüben-Art entwickelt, deren Erbgut eine natürliche und durch Züchtung verstärkte Enzym-Veränderung aufweist. Auf diese Weise übersteht die Labor-Frucht eine Behandlung mit solchen Anti-Unkrautmitteln, welche die Acetolactat-Synthese stören, unbeschadet. Allerdings überstehen auch immer mehr Wildpflanzen die Behandlung mit diesen so genannten ALS-Hemmern unbeschadet. Deshalb könnte die neue Rübe, wenn sie 2019 gemeinsam mit dem auf die Pflanze abgestimmten Herbizid CONVISO (Wirkstoffe: Foramsulfuron und Thiencarbazone-methyl) auf den Markt kommt, schon bald ziemlich alt aussehen. Nichtsdestotrotz gelang es BAYER und KWS, mit der belgischen Firma SESVANDERHAVE ins Geschäft zu kommen. Die beiden Unternehmen verkauften dem auf Zuckerrüben-Saatgut spezialisierten Betrieb eine Lizenz für das „CONVISO SMART“-Anbausystem. „Wir möchten so viele Züchter wie möglich für diese Technologie gewinnen. Wenn große Saatgut-Anbieter zusammenarbeiten, um diese Technologie voranzubringen, werden viele Landwirte von ihren Vorteilen profitieren können“, meint der Leverkusener Multi.

GENE & KLONE

Fragwürdige Soja-Zulassung
Ende 2017 hat die EU BAYERs Gen-Soja der Marke BALANCE eine Import-Genehmigung erteilt. Bei der Prüfung des Antrags hat Brüssel es allerdings nicht allzu genau genommen, wie Recherchen der Initiative TESTBIOTEST ergaben. Die Europäische Union erteilte der Labor-Frucht nämlich eine Einfuhr-Erlaubnis, obwohl der Leverkusener Multi die dafür erforderlichen Tests nicht ordnungsgemäß durchgeführt hat. So setzte der Konzern bei den Versuchen mit der Soja, die gegen die Ackergifte Glyphosat, Glufosinat und Isoxaflutol resistent ist, nur ein Kilogramm Glyphosat pro Hektar statt der sonst in der Praxis üblichen vier bis acht Kilogramm ein. Zudem fand bloß eine einmalige Spritzung statt. In den KundInnen-Empfehlungen von BAYER und MONSANTO werden dagegen zwei bis drei Durchgänge vorgeschlagen. Überdies hat der Leverkusener Multi – angeachtet der vielen Hinweise auf Erkrankungen von Tieren nach dem Verzehr von Soja mit Glyphosat-Rückständen – keine Fütterungsstudien unternommen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) kritisierte die Entscheidung der Europäischen Union deshalb scharf. „In der Öffentlichkeit betont BAYER immer wieder die Ungefährlichkeit von Glyphosat, das die Krebsagentur der WHO als ‚wahrscheinlich krebserregend’ eingestuft hat. Bei seinen Testreihen traute das Unternehmen aber offenbar seinen eigenen Worten nicht und ging auf Nummer Sicher“, hieß es in ihrer Presseerklärung.

Moratorium für BAYERs Gen-Senf
2002 hatte BAYER erstmals versucht, in Indien die Genehmigung zum Anbau des gen-manipulierten Senfs DMH 11 zu erhalten. Aber die zuständige Behörde lehnte den Antrag ab. Die Feldversuche hätten, anders als vom Leverkusener Multi behauptet, keinen Nachweis über Ertragssteigerungen durch die Erbgut-Veränderung erbracht, lautete die Begründung. Mehr als zehn Jahre später starteten der Professor Deepak Pental und sein Team von der „University of Delhi“ einen erneuten Anlauf zur Zulassung der Pflanze, die gegen das vom Leverkusener Multi hergestellte, erbgut-schädigende Pestizid Glufosinat resistent ist. Als „BAYERs Trojanisches Pferd“ bezeichneten Zeitungen Pental daraufhin. Und die Gentechnik-Kritikerin Vandana Shiva verlangte vom indischen Ministerpräsidenten Narendra Modi in einem Offenen Brief, auf eine Offenlegung aller Vereinbarungen des Genforschers mit BAYER und anderen Konzernen zu dringen. Auch andere AktivistInnen und Gruppen opponierten gegen DMH 11. Nicht zuletzt dieser öffentliche Druck hat das „Genetic Engineering Appraisal Committee“ (GEAC) schließlich dazu bewogen, vorerst kein grünes Licht für den Senf zu geben und stattdessen weitere Forschungsarbeiten anzumahnen.

WASSER, BODEN & LUFT

Spatenstich zur Dhünnaue-Öffnung
Am 11. Oktober 2017 hatte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zwei Klagen gegen die Erweiterung der Autobahn A1 und den Bau einer neuen Rhein-Brücke abgewiesen (Ticker 1/18). Damit machte es dem „Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen“ den Weg frei, im Rahmen der Bau-Maßnahmen BAYERs ehemalige Dhünnaue-Giftmülldeponie wieder zu öffnen. Der Spatenstich zu dem risiko-reichen Manöver erfolgte am 14.12.17 im Beisein des nordrhein-westfälischen Verkehrsministers Hendrik Wüst (CDU). An Ort und Stelle konnte der symbolische Akt allerdings nicht stattfinden, denn da standen schon DemonstrantInnen. Gezwungenermaßen erfolgte er deshalb in einem Zelt. Dieses war allerdings nicht schall-isoliert, weshalb ein Trillerpfeifen-Konzert und ein lauthals skandiertes „Kein Eingriff in die Deponie“ in die Ohren der geladenen Gäste drang und die feierlichen Reden draußen bleiben mussten.

BAYER entsorgt sich selbst
Dem Leverkusener Multi ist das Kunststück gelungen, mit seinem eigenen Müll ein Geschäft zu machen. Seine Tochter-Gesellschaft CURRENTA, an welcher der Konzern 60 Prozent der Anteile hält, sicherte sich nämlich den Auftrag, all das kontaminierte Erdreich zu entsorgen, das seit dem 14.12.17 bei der Öffnung seiner alten Dhünnaue-Deponie anfällt. An diesem Tag nämlich hat der „Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen“ trotz massiver Proteste der LeverkusenerInnen damit begonnen, im Zuge des Baus der neuen Rhein-Brücke und der Erweiterung der Autobahn A1 BAYERs Gift-Grab teilweise wieder auszuheben.

Dhünnaue-Experte warnt
Der Ingenieur, der jahrelang als Projekt-Leiter für die Abdichtung von BAYERs alter Dhünnaue-Deponie verantwortlich war, hat im Leverkusener Anzeiger eindringlich vor den Gefahren der Öffnung des Gift-Grabes im Zuge der Brücken- und Autobahnausbau-Arbeiten (s. o.) gewarnt. „Wenn Sie mich fragen: Sie sollen die Finger davon lassen“, rät der lieber anonym bleiben wollende Mann dem „Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen“. Er fürchtet, der Eingriff könne die hochkomplexe unterirdische Sicherheitsarchitektur aus Trenn- und Drainage-Schichten, Erde und Folien zerstören und die bösen Geister der toxischen Abfälle von Quecksilber über Arsen und Chrom bis hin zu Blei wieder zum Leben erwecken. Schon die Probe-Bohrungen zur Erkundung des Bodens hält der ehemalige Projekt-Leiter der Sanierung für ein riskantes Unternehmen. „Haben sie den Bohrer etwa einfach mit Gewalt durch die Folie hindurchgestoßen?“, fragt er alarmiert. Auch den Plan, die Bohrlöcher lediglich mit Ton-Granulat wieder zu verschließen, lehnt der Experte ab: „Aber einfach nur Ton genügte uns damals nicht als Dicht-Material.“ Aus all diesen Gründen schließt er sich der „Tunnel statt Stelze“-Fraktion an und meint: „Ein langer Tunnel unter dem Rhein wäre ein schönes Leuchtturm-Projekt für die Bau-Branche geworden.“

Kein Notfall-Plan
Die Öffnung von BAYERs alter Dhünnaue-Deponie im Zuge der Arbeiten an der neuen Rheinbrücke und an der Autobahn A1 ist mit vielen Risiken verbunden. Deshalb hat die im Leverkusener Rat vertretene Bürgerliste die Erstellung eines Notfall-Plans eingefordert. Das Stadt-Parlament lehnte dies aber ebenso ab wie die Bezirksregierung Köln. Das Gift-Grab falle nicht unter die Störfall-Verordnung, dekretierte letztere. „Somit ist aus Sicht der nicht-polizeilichen Gefahrenabwehr kein externer Notfallplan erforderlich“, antwortete die Behörde der Bürgerliste. Jetzt bleibt nur noch die Hoffnung, dass ein solches „Worst Case Scenario“ über den Gerichtsweg kommt, denn die Wählergemeinschaft hat in der Sache Klage bei der Staatsanwaltschaft Köln eingereicht.

RAG untersucht Bergleute auf PCB
Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören zu den giftigsten Hervorbringungen der Chlorchemie (SWB 1/14). Die vor allem von BAYER und MONSANTO in Umlauf gebrachten gefährlichen „Alleskönner“ kamen bis zu ihrem vollständigen Verbot 1989 in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben, Ölen, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz – und stellen immer noch ein beträchtliches Gesundheitsrisiko dar. Von den 1985 in der Bundesrepublik verkauften 72.000 Tonnen landete mehr als ein Sechstel im Bergbau, wo die schweren Gerätschaften viel Hydraulik-Öl brauchten. „Wir sind mit dem Zeug umgegangen, als wäre es Milch“, zitiert der Spiegel einen Bergmann. Dementsprechend leiden viele seiner KollegInnen heute an den Spätfolgen und zeigen Vergiftungssymptome wie Haut-, Nieren- und Leberschäden. Der Bergbau-Konzern RAG hat jetzt angekündigt, 200 Kumpel der Jahrgänge 1947 bis 1968 auf PCB-induzierte Krankheiten hin untersuchen zu lassen, wiegelte aber im gleichen Atemzug schon ab. Anlass zur Besorgnis wegen aufgetretener Erkrankungen gebe es bisher nicht, erklärte das Unternehmen wider besseren Wissens.

Neue Trinkwasser-Richtlinie der EU
Der Leverkusener Chemie-Multi trägt durch seine Herstellungsprozesse und viele seiner Produkte massiv zur Verschmutzung der Gewässer bei (siehe auch SWB 1/18). Einigen Substanzen droht jetzt die neue Trinkwasser-Richtlinie der Europäischen Union das Leben schwerer zu machen. So sieht der im Winter 2018 vorgelegte Entwurf schärfere Grenzwerte für Blei und Chrom vor. Zudem will Brüssel erstmals Kontrollen für Plastik-Teilchen und hormonell wirksame Stoffe wie BAYERs Industrie-Chemikalie Bisphenol A und den Arznei-Wirkstoff Beta-Estradiol (enthalten in ANGELIQ, einem Mittel gegen Wechseljahres-Beschwerden) vorschreiben. Da kommt also viel Lobby-Arbeit auf den Global Player zu.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

Kein Bisphenol-Verbot in der EU
Viele Chemikalien enthalten Wirkstoffe, die in ihrem chemischen Aufbau Hormonen ähneln. Zu diesen endokrinen Disruptoren zählt im BAYER-Sortiment unter anderem Bisphenol A (BPA). Rund eine Millionen Tonnen dieses Stoffes, der z. B. in Lebensmittel-Verpackungen Verwendung findet, stellt der Leverkusener Multi jährlich her. Vom menschlichen Körper aufgenommen, kann das Bisphenol Fehlsteuerungen im Organismus auslösen und zu Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen führen. Die EU hat deshalb bereits die Verwendung in Babyflaschen untersagt. Zudem verkündete Brüssel für 2019 das BPA-Aus in Thermo-Papieren wie etwa Kassenzetteln und erließ schärfere Grenzwerte. Aber nach einer Expertise der Europäischen Chemikalien-Agentur gab es zusätzlichen Handlungsbedarf. Die ECHA stufte das Bisphenol A nämlich als „besonders besorgniserregende Substanz“ ein, die „ernsthafte Gesundheitsauswirkungen“ habe, wobei die Effekt „dauerhaft und irreversibel“ seien. Einige EU-ParlamentarierInnen wie der Grünen-Politiker Martin Häusling forderten deshalb ein Total-Verbot für Anwendungen im Nahrungsmittel-Bereich. Dazu kam es allerdings nicht. Die Mehrheit der Abgeordneten stimmte im Januar 2018 einem Vorschlag der EU-Kommission zu, die eine nochmalige Absenkung der Grenzwerte für Rückstände in Lebensmitteln um den Faktor 12 (von 0,6 Milligramm pro Kilogramm auf 0,05 Milligramm) vorsieht und den BPA-Bann auf Schnabel-Tassen für Kinder erweitert. Dem Extrem-Lobbying von BAYER & Co. in Brüssel ist es offenbar gelungen, das Schlimmste zu verhindern.

Bisphenol-Kombinationswirkungen
Die Gefährlichkeit der Chemikalie Bisphenol A (s. o.) kann sich potenzieren, wenn die Substanz in Kontakt mit anderen Stoffen kommt. Das ergab eine Studie von Pierre Gaudriault und anderen WissenschaftlerInnen, die in der Fach-Zeitschrift Environ Health Perspect erschienen ist. Demnach stört das Bisphenol den Testosteron-Stoffwechsel 10 Mal so stark, wenn es nicht allein, sondern in Kombination mit weiteren Substanzen wie etwa Pharma-Wirkstoffen oder Acker-Giften auftritt.

Neue EU-Richtlinie zum Arbeitsschutz
Die Europäische Union hat ihre „Richtlinie 2004/37/EG“ verändert, die den Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch krebserregende und erbgut-schädigende Stoffe regelt. Elf Substanzen bezog Brüssel zusätzlich in die Direktive ein und legte Belastungslimits für sie fest. Unter anderem handelt es sich dabei um Acrylamid, Hydrazin, Bromethylen und 1,3-Butadien. Für Vinylchlorid-Monomer und Hartholz-Stäube verschärfte die EU überdies die Grenzwerte. Neun Jahre hat es bis zur Verabschiedung der Regelung durch das Europäische Parlament gedauert – nicht zuletzt „dank“ der Interventionen von BAYER und anderen Unternehmen. Aber den LobbyistInnen der Konzerne gelang es nicht nur, den legislativen Prozess immer wieder zu verzögern, sie erreichten auch bedeutende Änderungen. So gelang es ihnen beispielsweise, die Neuaufnahmen zu begrenzen. Ursprünglich standen neben Acrylamid bis zu 49 weitere Stoffe auf der Liste. Die Strategie der Multis: Das Anzweifeln von Studien und der Verweis auf die EU-Maxime der „Better regulation“, die vorsieht, bei allen neuen Initiativen die Auswirkungen auf die Wirtschaft mit zu berücksichtigen. Allerdings könnte sich die Regelungszone der Richtlinie doch noch ausweiten. Es steht nämlich ein EU-Vorschlag zur Aufnahme von sieben weiteren Substanzen zur Diskussion.

PRODUKTION & SICHERHEIT

Mängel in der Pillen-Produktion
Bei einer Betriebsinspektion von BAYERs Leverkusener Pharma-Anlagen hat die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA gravierende Mängel festgestellt (siehe auch SWB 2/18), die ein Gesundheitsrisiko für die PatientInnen darstellen. Sowohl die Produktion von ADALAT als auch die von ASPIRIN CARDIO, AVELOX und LEVITRA beanstandeten die PrüferInnen. Von „signifikanten Verstößen gegen die gute Herstellungspraxis (CGMP)“ spricht die „Food and Drug Administration“. Unter anderem hat der Pillen-Riese verschiedene Medikamente in einem Raum gefertigt, ohne die benutzte Ausrüstung und die Arbeitsflächen nach den jeweiligen Durchläufen gründlich zu säubern, was zu Verunreinigungen von Medikamenten führte. Überdies kontrollierte der Multi der FDA zufolge die Stabilität der Zusammensetzung seiner Pharmazeutika nicht ausreichend. Die Mess-Geräte ließen ihrer Ansicht nach viel zu große Schwankungsbreiten zu. Die Apparaturen zur automatisierten Qualitätskontrolle stellte der Global Player ebenfalls so ein, dass sich der Ausschuss in Grenzen hielt. Zudem hat er nicht angemessen auf Probleme mit undichten Medikamenten-Packungen reagiert. „Ihre Firma hat es nicht geschafft, eine ordentlich arbeitende Qualitätskontrolle-Abteilung aufzubauen“, resümiert die FDA in ihrem „Warning Letter“. Nun muss der Pharma-Gigant die Fertigung umfassend neu organisieren, will er den Zugang zum US-Markt nicht verlieren. Ein normaler Betrieb ist in dieser Zeit nicht möglich, weshalb BAYER große finanzielle Einbußen erleidet. Die „Liefer-Ausfälle durch Korrektur-Maßnahmen in der Produktion“, wie der der Vorstandsvorsitzende Werner Baumann das auf der Bilanz-Pressekonferenz im Februar 2018 ausdrückte, kosten das Unternehmen rund 300 Millionen Euro.

STANDORT & PRODUKTION

BAYER baut Standort Basel aus
Der Leverkusener Multi baut den Baseler Hauptsitz seiner Sparte „Consumer Health“ aus, in der er die Geschäfte mit den in den Apotheken ohne Rezept erhältlichen Pharmazeutika wie ASPIRIN, BEPANTHEN und ALKA-SELTZER bündelt, aus. 20 Millionen Franken investiert der Konzern am Standort. Zudem kündigte er die Schaffung von 100 Arbeitsplätzen an.

IMPERIUM & WELTMARKT

EU genehmigt MONSANTO-Deal
Am 21. März 2018 hat die Europäische Union BAYERs Antrag auf Übernahme von MONSANTO genehmigt. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) verurteilte diese Entscheidung auf Schärfste. „Mit ihrem Genehmigungsbescheid hat die EU ohne Not einem Oligopol im Landwirtschaftssektor mit BAYER an der Spitze ihren amtlichen Segen erteilt. Fortan trägt sie Mitverantwortung für die von dem Quartett verantworteten Geschäftspraktiken“, hieß es in ihrer Presseerklärung. Die von Brüssel gemachten Auflagen ändern an der neuen Markt-Macht des Leverkusener Multis kaum etwas. Auch mit den von der Generaldirektion Wettbewerb verlangten Verkäufen von Unternehmensteilen erreicht der Konzern im Pestizid-Bereich noch einen Markt-Anteil von mehr als 20 Prozent und beim konventionellen Saatgut einen Markt-Anteil von ca. 30 Prozent. Beim gen-manipulierten Saatgut beträgt dieser sogar 90 Prozent. Diese dominierende Stellung bedroht die Landwirtschaft, da die LandwirtInnen mit höheren Preisen rechnen müssen und überdies weniger Auswahl haben. Auch die VerbraucherInnen können beim Einkauf nicht mehr zwischen so vielen Sorten wählen, wenn der Leverkusener Multi mit seinem Vorhaben wirklich zum Ziel kommen sollte. Und der Mega-Deal hätte noch weitere Folgen. So sehen sich die Beschäftigten mit Arbeitsplatz-Vernichtungen durch die bei solchen Gelegenheiten immer viel beschworenen Synergie-Effekte konfrontiert. Und schließlich stehen den Standort-Städten im Fall des Falles finanzielle Einbußen ins Haus, denn BAYER pflegt seine Shopping-Touren immer von der Unternehmenssteuer abzusetzen. Bisher haben allerdings noch längst nicht alle Kartell-Behörden ihr Prüf-Ergebnis bekannt gegeben. Nicht zuletzt darum wird die CBG ihre Kampagne gegen das Milliarden-Geschäft mit unverminderter Kraft fortsetzen.

Pharma-Standort Russland
Im Jahr 2011 hat die russische Regierung eine „Pharma 2020“-Strategie entwickelt. Ziel des Programmes ist es, die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung zu verbessern und die Entwicklung einer heimischen Pharma-Industrie voranzubringen. Von diesem Zeitpunkt an konnten die Global Player der Branche ihre Medikamente nur noch in dem Staat vertreiben, wenn sie dort auch selber produzierten und/oder sich vor Ort Partner suchten. Und das machte der Leverkusener Multi dann auch. „Lokale Fertigung ist ein strategischer Schritt vorwärts in der Entwicklung des Unternehmens, der BAYERs Unterstützung der ‚Pharma 2020’-Strategie bekräftigt“, verkündete der Russland-Chef des Konzerns, Niels Hessmann. So ging der Pillen-Riese etwa eine Partnerschaft mit MEDSINTEZ zur Fertigung des Antibiotikums AVELOX ein. Den umstrittenen Gerinnungshemmer XARELTO und seine Röntgenkontrast-Mittel GADOVIST, MAGNEVIST und ULTRAVIST stellt er mittlerweile in Kooperation mit POLYSAN her. Und Krebs-Mittel will die Aktien-Gesellschaft bald ebenfalls in dem Land selber zusammenbrauen.

ÖKONOMIE & PROFIT

BAYER verkauft COVESTRO-Aktien
Im Jahr 2015 gab BAYER die Trennung von seinem Kunststoff-Geschäft bekannt. Unter dem Namen COVESTRO brachte er es an die Börse. Seither reduzierte der Konzern seine Anteile an der ehemaligen Unternehmenssparte peu à peu. Der letzte Verkauf fand im Januar 2018 statt. Der Konzern veräußerte in jenem Monat weitere 10,4 Prozent der Papiere und strich dafür 1,8 Milliarden Euro ein. Momentan hält der Agro-Riese selbst noch 14,2 Prozent des COVESTRO-Kapitals und sein Pensionsfonds weitere 8,9 Prozent. Der Global Player will seine Aktien möglichst schnell losschlagen, weil er für die MONSANTO-Übernahme Geld braucht. Täte der Konzern dies nicht, könnte er nur schwer die Kreditwürdigkeit erhalten, weil die Rating-Agenturen seine Bonität herabstufen würden.

BAYSANTO & MONBAYER

Ernte-Ausfälle durch Dicamba
Das Ackergift Dicamba findet in den USA hauptsächlich in Kombination mit Genpflanzen von MONSANTO, BASF und DUPONT Verwendung, die gegen das Mittel resistent sind. Aber auch der Leverkusener Multi setzt auf die Agro-Chemikalie, die in den Vereinigten Staaten jetzt massive Ernte-Schäden verursacht hat. Sie bleibt nämlich nach dem Ausbringen nicht einfach an Ort und Stelle, sondern verflüchtigt sich. Und vom Winde verweht machte die Substanz sich auf die Reise von den gegen das Mittel resistenten Genpflanzen hin zu den konventionellen Ackerfrüchten, die nicht gegen den Stoff gewappnet waren und deshalb eingingen. Auf einer Fläche von 1,25 Millionen Hektar starben Pflanzen durch das Pestizid ab, das die Konzerne in Ermangelung neuer Herbizid-Wirkstoffe in ihren Labors wieder aus der Mottenkiste geholt hatten. Die Bundesstaaten Arkansas und Missouri verhängten deshalb Sprüh-Verbote. MONSANTO zog dagegen sofort – allerdings vergeblich – vor Gericht und landete in der Sache selber auf der Anklagebank: Geschädigte FarmerInnen reichten nämlich eine Sammelklage gegen das Unternehmen ein. Auch gegen BASF und DUPONT leiteten die Bauern und Bäuerinnen juristische Schritte ein.

RECHT & UNBILLIG

IBEROGAST: BAYER verklagt BfArM
Auch Medikamente auf pflanzlicher Basis wie BAYERs Magenmittel IBEROGAST, das 2013 mit dem Kauf von STEIGERWALD in die Produkt-Palette des Pharma-Riesen gelangte, können es in sich haben. So schädigt der IBEROGAST-Inhaltsstoff Schöllkraut die Leber. Arzneien mit einer hohen Schöllkraut-Konzentration hat das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) deshalb schon aus dem Verkehr gezogen. Vom Leverkusener Multi verlangte es, diese Nebenwirkung auf dem Beipackzettel zu vermerken. Der Konzern lehnte es aber ab, dieser Aufforderung nachzukommen. Für ihn ist die „hohe Sicherheit“ des Präparates „durch eigene Daten vollständig belegt“. Darum zeigt er sich auch nicht bereit, den Widerspruch zurückzunehmen, den STEIGERWALD vor zehn Jahren gegen die Anordnung eingelegt hatte. Und selbst nach dem Scheitern dieses Widerspruchs zeigt das Unternehmen keine Einsicht. „Das Nutzen/Risiko-Profil zu IBEROGAST bleibt unverändert positiv“, behauptet der Global Player in schon aus unzähligen Hauptversammlungen bekannten Worten – und ließ Taten folgen. Er klagte gegen den Stufenplan-Bescheid des BfArMs zur Änderung der Packungsbeilage. Dabei käme das Präparat auch ohne Schöllkraut aus, worauf unlängst der Pharmakologe Gerd Glaeske mit Verweis zwei Studien (Rösch et al. 2002; Madisch et al. 2004) hinwies. Die Weigerung des Pillen-Riesen, vor den möglichen Leberschäden zu warnen, stieß auf massive Kritik. „Dass der Hersteller BAYER das nicht in seine Packungsbeilage aufnimmt und auf seinem Internet-Auftritt im Zusammenhang mit der Einnahme von IBEROGAST während der Schwangerschaft die angeblich ‚gute Verträglichkeit’ des ‚rein pflanzlichen’ Arzneimittels betont, ist ein Skandal!“, meinte etwa die Gesundheitspolitikerin Kordula Schulz-Asche von Bündnis 90/Die Grünen.

XARELTO-Urteil aufgehoben
BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO mit dem Wirkstoff Rivaroxaban hat gefährliche Nebenwirkungen – im Jahr 2016 gingen allein beim „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) 117 Meldungen über Todesfälle ein. In den USA ziehen deshalb immer mehr Geschädigte bzw. deren Hinterbliebene vor Gericht. Mittlerweile liegen dort 20.500 Klagen vor (Stand: Oktober 2017), und auch in Kanada bahnen sich juristische Auseinandersetzungen an. Nachdem der Leverkusener Multi die ersten vier Prozesse für sich entscheiden konnte, verlor er im Dezember 2017 den fünften. Der „Philadelphia State Court“ gab einer Frau recht, die reklamierte, durch XARELTO schwerwiegende Blutungen erlitten zu haben, und verurteilte den Pharma-Riesen zu einer Strafzahlung in Höhe von 28 Millionen Dollar. Der Konzern ging allerdings in Berufung und konnte sich durchsetzen: Im Januar 2018 hob ein Richter das Urteil wieder auf.

Patent-Streit mit DOW
Bereits seit Langem tobt zwischen dem Leverkusener Multi und DOW CHEMICAL ein Rechtsstreit um bestimmte Gentechnik-Patente. Im Jahr 1992 hatte eine inzwischen vom US-Unternehmen geschluckte Firma vom bundesdeutschen Konzern das Recht erworben, Pflanzen mit Resistenz-Genen gegen das BAYER-Pestizid Glufosinat bestücken zu dürfen. 2007 dann stellte DOW der Firma MS Technologies Sublizenzen zur Nutzung der fünf Patente aus. 2012 ging BAYER dagegen gerichtlich vor und kündigte die Vereinbarung mit der US-amerikanischen Aktien-Gesellschaft. Der bundesdeutsche Agro-Riese brachte den Fall vor das Schiedsgericht der Internationalen Handelskammer (ICC) und bekam 455 Millionen Dollar zugesprochen. DOW CHEMICAL focht das Urteil vor heimischen Gerichten an, scheiterte aber bisher schon dreimal. Zuletzt lehnte der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten, der U.S. Supreme Court, die Klage des Agro-Riesen ab.

Patent-Streit mit TEVA
Der Leverkusener Multi gehen routinemäßig gegen Pharma-Hersteller vor, die nach Ablauf der Patent-Frist von BAYER-Pillen erschwinglichere Nachahmer-Produkte auf den Markt bringen wollen. So hofft der Konzern sich die lästige Billig-Konkurrenz möglichst lange vom Leibe halten zu können. Deshalb leitete er auch gegen das Unternehmen TEVA, das eine Generika-Version von STAXYN – der Schmelztabletten-Form der Potenz-Pille LEVITRA – vorbereitet, juristische Schritte wegen Verletzung des geistigen Eigentums ein. Der TEVA-Anwalt William Jay bezeichnete dieses Vorgehen als den „Standard-Versuch eines Pharmazeutika-Herstellers, um die Patentlaufzeit eines profitablen Marken-Produkts zu verlängern“. Die RichterInnen sahen das offenbar ähnlich: Sie wiesen die Klage des bundesdeutschen Global Players ab.

Kritik an STIVARGA-Patent
Erhalten die Konzerne für neue Pharmazeutika ein Patent, so garantiert ihnen das eine Monopol-Stellung und entsprechende Extra-Profite. Andere Firmen dürfen so lange nicht mit dem entsprechenden Wirkstoff experimentieren, bis die Schutzrechte abgelaufen sind. Das behindert den wissenschaftlichen Fortschritt immens. Genau das kritisierte jetzt Dr. David Tran von dem Biotech-Startup FUSTIBAL. Die Firma arbeitet an der Weiterentwicklung gängiger Krebs-Mittel etwa durch die Nano-Technologie und hätte das gerne auch mit BAYERs STIVARGA getan. Aber zu diesem Präparat bleibt der Firma der Zugang versperrt. BAYER kann auf dessen Wirk-Substanz Regorafenib nämlich noch geistiges Eigentum reklamieren, obwohl diese nur ein einziges kleines Fluor-Atom von dem Inhaltsstoff NEXAVARs – dem anderen Tumor-Therapeutikum des Leverkusener Multis – unterscheidet. „Wir glauben, dass das in Rede stehende Patent ungültig ist und den Forschungsgeist behindert“, sagt Tran. Deshalb beantragte er beim „Patent Trial and Appeal Board“ (PTAB) eine Überprüfung des Anspruchs. Dieses Begehr hat das Gremium jedoch abgelehnt.

[Stets zu Diensten] Eine gute Wahl für BAYER

CBG Redaktion

Auch die neue Bundesregierung pflegt die ökonomische Landschaft. Sie stellt die „Wettbewerbsfähigkeit unseres Wirtschaftsstandorts“ vor den Schutz von Mensch, Tier und Umwelt und räumt den Konzernen auch sonst den Weg zur gnadenlosen Profit-Jagd frei. Nicht umsonst halten die BAYER-ManagerInnen große Stücke auf Angela Merkel.

Von Jan Pehrke

„Frau Merkel macht seit vielen Jahren gute Arbeit“, das antwortete BAYER-Chef Werner Baumann der Bild-Zeitung auf die Frage, ob eine 4. Kanzlerschaft gut für die Wirtschaft wäre. Und der Aufsichtsratsvorsitzende Werner Wenning pflichtet ihm bei: „Ich sehe im Moment keine Alternative zu ihr.“ Warum sollten die beiden Manager auch mit der CDU-Politikerin hadern? Unter allen bisher von ihr geführten Regierungen hat der Leverkusener Multi schalten und walten können, wie er wollte – und glänzende Geschäfte gemacht.

Prima Klima für BAYER
Das neue Regierungsprogramm setzt diese Politik nicht nur fort, sondern hält zusätzlich noch einige Schmankerl für den Konzern bereit. So haben sich CDU und SPD von dem Ziel verabschiedet, die Kohlendioxid-Emissionen bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent gegenüber dem Wert von 1990 zu senken, und damit den Offenbarungseid in der Klima-Politik geleistet. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hatte vor dieser Entwicklung schon seit Längerem gewarnt und angemahnt, die Wirtschaft stärker in die Pflicht zu nehmen. „Die Bundesrepublik droht ihre selbstgesteckten Klimaschutz-Ziele zu verfehlen. Das liegt nicht zuletzt an der Industrie, die kaum einen Beitrag zur Kohlendioxid-Reduktion leistet“, hieß es 2017 in der Presseerklärung der Coordination zur Bonner Weltklima-Konferenz.

Eine große Rolle bei der Suspendierung der CO2-Minderung spielte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). „Wir brauchen im Bund eine Politik, die auch den energie-intensiven Industrie-Sparten Stahl, Aluminium, Chemie, Glas und Papier einen zukunftssicheren Standort in Deutschland bietet“, hatte der getönt. Die Klagen von BAYER & Co. über angeblich zu hohe Strom-Preise fanden in ihm einen geeigneten Resonanzkörper. „Das Erneuerbare-Energien-Gesetz und die Subventionen für regenerative Energien sind heute für viele Unternehmen fast ein größeres Problem (sic) als die Personalkosten“, meinte der Christdemokrat. Am Ende hatte Laschet Erfolg mit der Panikmache. „Bei dem Herzensthema von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) gab es früh eine Einigung. Das nationale Klima-Ziel für 2020 wurde gekippt, nun gelten die im Pariser Abkommen genannten Ziele für 2030“, schrieb die Rheinische Post zu den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag.

Die Große Koalition benötigt die zusätzlichen zehn Jahre, weil sie sich entschlossen hat, die Energiewende zu schaffen, „ohne die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Industrie-Standortes Deutschland zu gefährden“. Aus Rücksichtnahme auf die Befindlichkeiten der Industrie hat sie sich vorgenommen, bei der Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen „Kos-ten-Effizienz und Verhältnismäßigkeit zu gewährleisten“. „Offenbar sind hier die Sondierer willens, die Realität anzuerkennen“, lobte der „Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) umgehend. Auch die Androhungen von BAYER & Co., wegen vermeintlich zu hoher Strom-Rechnungen zu Klimaschutz-Flüchtlingen zu werden und Produktionsstätten in andere Länder zu verlagern, haben bei CDU und SPD sichtlich verfangen. Es gelte, eine solche „Carbon Leakage“ zu verhindern, halten die Parteien fest. Darum fehlt in dem Koalitionsvertrag jede verbindliche Aussage zu einer Reform des EU-Emissionshandels, der in seiner jetzigen Form überhaupt nicht funktioniert. Weil die Lizenzen zum Ausstoß von Kohlendioxid zum Schnäppchen-Preis zu haben sind, fehlt den Unternehmen jeglicher Anreiz, ihre Emissionen zu drosseln. Aber trotzdem visiert die GroKo keine konkreten Maßnahmen an. „Den EU-Emissionshandel wollen wir als Leitinstrument weiter stärken“, heißt es lediglich. Und den Kohleausstieg schieben Merkel & Co. auch auf die lange Bank. Sie gründen erst einmal eine Kommission, die dazu Genaueres ausarbeiten soll. Folgerichtig verkündete der bisher im Wirtschaftsministerium für diesen Politik-Bereich zuständige Staatssekretär Rainer Baake seinen Rücktritt. Da die Koalitionsvereinbarung „in den Bereichen Energiewende und Klimaschutz eine herbe Enttäuschung“ sei, bat er um seine Entlassungspapiere.

Aber nicht nur um den Klimaschutz braucht sich der Leverkusener Multi bei seiner Rendite-Jagd nicht groß zu kümmern, auch den Schutz von Mensch, Tier und Umwelt kann er weiter außer Acht lassen. Die GroßkoalitionärInnen bekennen zwar: „Wir wollen für unsere Kinder und Enkelkinder eine intakte Natur bewahren“, konkrete Maßnahmen folgen dem jedoch kaum. Im Pestizid-Bereich etwa plant die neue Bundesregierung, sich bis zur Mitte der Legislatur-Periode Zeit zu lassen, um eine Ackerbau-Strategie „für u. a. umwelt- und naturverträgliche Anwendungen von Pflanzenschutzmitteln“ auszuarbeiten. Die Umsetzung erfolgt dann laut Koalitionsvertrag „gemeinsam mit der Landwirtschaft“ und ist von Förder-Maßnahmen zum Insektenschutz begleitet. „Dabei liegt uns der Schutz der Bienen besonders am Herzen“, erklären die PolitikerInnen. Aber selbst durch diesen kleinen Ausflug in ihre Gefühlswelt gewinnt ihre Agenda nicht an Überzeugungskraft. Konkret zeigt sich das am Beispiel von Glyphosat, dem von der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuften Ackergift-Wirkstoff. Statt einen Sofort-Ausstieg zu beschließen, einigte sich die Große Koalition auf eine „Minderungsstrategie“, die lediglich „so schnell wie möglich“ ohne das Mittel auskommen will. Darum steht zu befürchten, dass CDU und SPD Glyphosat hierzulande im Herbst 2018 erst einmal eine neue Zulassung erteilen. Und zu allem Überfluss nehmen sich Merkel & Co. auch noch einem alten BAYER-Wunsch an und beschleunigen die Genehmigungsverfahren für Pestizide, auf dass noch mehr ungenügend auf ihre Risiken und Nebenwirkungen untersuchte Produkte die Äcker heimsuchen.

Das Ziel, „Wasser und Böden besser zu schützen“, verfolgen Christ- und SozialdemokratInnen ähnlich ambitionslos: „Im Dialog mit der Landwirtschaft werden wir auf eine gewässer-schonende Bewirtschaftung hinwirken.“ Und in Sachen „Arzneimittelrückstände im Wasser“ soll es eine Öffentlichkeitskampagne richten. Die AnwenderInnen und Hersteller der wasser-belastenden Produkte an den Kosten für die Aufbereitung der lebenswichtigen Ressource zu beteiligen, schwebt den Parteien hingegen nicht (mehr) vor. Der entsprechende Passus flog wieder aus dem Koalitionsvertrag. Jetzt steht dort lediglich zu lesen: „Die Abwasserabgaben-Regelung wollen wir mit dem Ziel der Reduzierung von Gewässer-Verunreinigungen weiterentwickeln.“ Zu zahlen haben das dann die VerbraucherInnen, fürchtet der „Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft“ (BDEW). „Der jetzige Vorschlag wälzt die Kosten für eine vierte Reinigungsstufe auf die Verbraucherinnen und Verbraucher ab, obwohl sie nicht die Verursacher der Gewässer-Verunreinigungen sind“, erklärte der BDEW. „Ökonomie vor Ökologie“, so überschrieb Der Spiegel seinen Artikel über die avisierte Umweltpolitik der Großen Koalition passenderweise.

Spahns Spendierlaune
BAYERs Pharma-Sparte darf mit dem GroKo-Programm ebenfalls zufrieden sein. Eine Reduzierung der ständig steigenden Pillen-Preise nehmen sich CDU und SPD nämlich nicht vor, obwohl vor allem die Krankenkassen hier ein Einschreiten gefordert hatten. Besonders bei neu zugelassenen Arzneien sahen sie Handlungsbedarf, weil BAYER & Co. hier ein Jahr lang ihren Rendite-Phantasien freien Lauf lassen können, ehe die mit AOK & Co. ausgehandelten Preise greifen. Der frisch ins Amt gekommene Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der sich durch Lobby-Tätigkeiten im Pharma-Bereich für den Job qualifiziert hat, sieht sogar noch Luft nach oben. „Die Preise für neue Arzneimittel müssen so sein, dass es sich lohnt, für echte Innovationen, für wirklichen Fortschritt, etwa bei Demenz, zu forschen“, meint er.

Von rechtlicher Seite her droht den Pillen-Profiten auch kein Unbill. Sammelklagen wie in den USA, die den Leverkusener Multi dort schon zu Milliarden-Zahlungen an Geschädigte seiner Pharmazeutika LIPOBAY und YASMIN zwangen, finden keinen Eingang ins Bürgerliche Gesetzbuch. Dem BDI, der vor einem enorm hohen volkswirtschaftlichen Schaden durch dieses Rechtsinstitut gewarnt hatte und es mit großen Missbrauchsrisiken behaftet sieht, gelang es mal wieder, sich durchzusetzen. Lediglich eine Musterfeststellungsklage beabsichtigen Merkel & Co. einzuführen. Diese beschränkt die Klage-Befugnis wohlweislich auf bestimmte, nicht näher beschriebene Einrichtungen, „um eine ausufernde Klage-Industrie zu vermeiden“, denn: „Bewährte wirtschaftliche Strukturen sollen nicht zerschlagen werden.“

Von einem anderen juristischen Mittel bleibt BAYER ebenfalls verschont. Hatte es in dem Koalitionsvertrag von 2013 geheißen: „Wir prüfen ein Unternehmensstrafrecht für internationale Konzerne“, so liegt das Ergebnis fünf Jahre später nun vor. Die GroßkoalitionärInnen haben sich gegen ein solches Instrument entschieden. Ein bisschen ungemütlicher dürfte es für die Multis aber trotzdem werden. Die neue Bundesregierung will nämlich sicherstellen, „dass bei Wirtschaftskriminalität grundsätzlich auch die von Fehlverhalten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern profitierenden Unternehmen stärker sanktioniert werden“, und eine solche Strafverfolgung nicht länger in das Ermessen der zuständigen Behörde stellen. Überdies haben CDU und SPD vor, die bisherige Bußgeld-Obergrenze von zehn Millionen Euro anzuheben.

An die Steuerspar-Modelle von BAYER & Co. traut sich die Regierungskoalition hingegen nicht heran. Nur die bisher nach unten offene Abgaben-Skala beabsichtigt sie, mit Mindest-Sätzen ein wenig zu begrenzen. Viel mehr Eigeninitiative entwickelt die Merkel-Riege jedoch nicht. Sie bekundet lediglich ihre Solidarität mit Vorhaben auf EU- und OECD-Ebene: „Wir unterstützen ausdrücklich alle Bemühungen für eine gerechte Besteuerung großer Konzerne.“ Derartigen Lippenbekenntnissen könnten jedoch schon bald Taten in die andere Richtung folgen. Die Bundesregierung gedenkt nämlich, „eine Antwort auf internationale Veränderungen und Herausforderungen, nicht zuletzt in den USA“, zu geben. Entsprechenden Druck hatte vorher der BDI ausgeübt und mit Blick auf Donald Trumps massive Senkungen der Tarife „strukturelle Steuerreformen“ angemahnt, um „wettbewerbsfähig zu bleiben“. Der CDUler Fritz Güntzler weiß diese Aufgabe bei Finanzminister Olaf Scholz in guten Händen, erinnerte er sich doch in einem Gespräch mit der Faz noch an die maßgeblich vom ehemaligen BAYER-Finanzchef Heribert Zitzelsberger gestaltete und den Multis Milliarden-Entlastungen eintragende Unternehmenssteuerreform des Jahres 2000. „Jetzt erkenne man den großen Plan, warum die Union das Finanzministerium an die SPD abgegeben habe, scherzte er“, so gibt die Zeitung seine Worte wieder.
Der BAYER-Stammsitz Leverkusen hat sich bis heute nicht von diesem Paragrafen-Werk erholt. Die Kommune musste dem „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ beitreten und steht aktuell unter der Finanzaufsicht des Kölner Regierungspräsidenten. Der die Stadt im Bundestag vertretende Karl Lauterbach (SPD) verteidigte den Koalitionsvertrag trotzdem. Gerade für die Beschäftigten würde er durch Veränderungen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts viel bringen. Besonders hob der Politiker dabei Erleichterungen für ArbeiterInnen und Angestellte hervor, die durch Kettenverträge gezwungen sind, sich bei einem Unternehmen von Befristung zu Befristung zu hangeln. „Das ist besonders bei den BAYER-Töchtern hier in Leverkusen der Fall“, meinte Lauterbach und kündigte ein Verbot dieser Praxis durch die Große Koalition an. Ob CDU und SPD da liefern und die Belegschaftsangehörigen des Multis davon wirklich profitieren, bleibt allerdings abzuwarten. Verpflichtet zeigt sich der Koalitionsvertrag im Wesentlichem nämlich nur einem: den Profit-Interessen von BAYER & Co. ⎜

[FDA rügt BAYER] US-Gesundheitsbehörde FDA rügt Leverkusener Multi

CBG Redaktion

Schwere Mängel in BAYERs Pharma-Produktion

Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hat bei einer Betriebsinspektion von BAYERs Leverkusener Pharma-Anlagen gravierende Mängel festgestellt. Sowohl die Produktion von ADALAT als auch die von ASPIRIN CARDIO, AVELOX und LEVITRA beanstandeten die PrüferInnen. Von „signifikanten Verstößen gegen die gute Herstellungspraxis (CGMP)“ spricht die „Food and Drug Administration“. Und weil der Konzern der FDA gegenüber keine plausiblen Erklärungen für die Defizite fand, sandte sie BAYER einen „Warning Letter“ mit der abermaligen Aufforderung zu, die Missstände zu erläutern.

Unter anderem hat der Pharma-Riese verschiedene Medikamente in einem Raum produziert, ohne die benutzte Ausrüstung und die Arbeitsflächen nach den jeweiligen Durchläufen gründlich zu säubern. Das hatte Verunreinigungen von Medikamenten zur Folge. In dem blutdruck-senkenden Nifedipin (Markenname ADALAT) fanden sich Rückstände des Wirkstoffs Sorafenib, den BAYER eigentlich zur Behandlung von Krebs vertreibt. Darum mussten sowohl der Konzern selber als auch weitere von ihm mit der Substanz belieferte Unternehmen Rückrufe der entsprechenden Präparate starten.

Überdies kontrollierte der Multi der FDA zufolge die Stabilität der Zusammensetzung seiner Pharmazeutika nicht ausreichend. Die Mess-Geräte ließen ihrer Ansicht nach viel zu große Schwankungsbreiten zu. Die Apparaturen zur automatisierten Qualitätskontrolle stellte der Global Player ebenfalls so ein, dass sich der Ausschuss in Grenzen hielt. Zudem hat er nicht angemessen auf Probleme mit undichten Medikamenten-Packungen reagiert. Obwohl die Aufsichtsbehörden ihn schon gezwungen hatten, Chargen zurückzurufen, weil die Tabletten feucht zu werden drohten, zeigte das Unternehmen nur wenig Engagement bei der Fehler-Suche. „Ihre Firma hat es nicht geschafft, eine ordentlich arbeitende Qualitätskontrolle-Abteilung aufzubauen“, resümiert die US-Einrichtung in ihrem Schreiben.

„Die Zustände, die die FDA in der Pharma-Produktion von BAYER aufgedeckt hat, sind skandalös. Bei der Profit-Jagd vernachlässigt der Konzern seine Sorgfaltspflichten massiv und setzt so die Gesundheit der PatientInnen aufs Spiel“, hält Jens Wegener von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) fest. Und die zuständigen Stellen in der Bundesrepublik hätten sich zu fragen, warum erst InspektorInnen aus den USA kommen müssten, um ein solches Unwesen zu bemerken, meint der CBG-Geschäftsführer.

Bei der FDA steht der Leverkusener Multi nicht das erste Mal in der Kritik. Schon 2009 stieß die Behörde bei einer Inspektion des Bergkamener Werkes auf unreine Pharma-Stoffe und solche, die in ihrem pharmakologischen Aufbau erhebliche Unregelmäßigkeiten aufwiesen. Zudem machte sie bereits damals Nachlässigkeiten bei der Reinigung und Wartung der Produktionseinrichtungen aus. Im Jahr 2000 spürten FDA-KontrolleurInnen sogar Bakterien in BAYERs Blut-Präparat KOGENATE auf. Und in den 1980er Jahren befand sich in diesem Produkt noch etwas viel Schlimmeres: der HIV-Erreger. Aus Kosten-Gründen nämlich hatte der Konzern sich lange erfolgreich gegen Virus-Inaktivierungsverfahren gesperrt.

[Bayer und Trump] Alte Freunde zusammen

CBG Redaktion

BAYER und Trump

„Thank you very much“, das waren am 25. Januar in Davos die Worte von US-Präsident Donald Trump an die Adresse des BAYER-Vorstandsvorsitzenden Werner Baumann . Zuvor hatte der BAYER-Manager den umstrittenen Präsidenten mit dem Versprechen umgarnt , im Zuge der Monsanto-Übernahme mehrere Milliarden Dollar in den USA zu investieren.

Das Treffen in Davos war nicht die erste Unterstützung, die Trump durch den Chemiemulti erhält. Auf die Verbindungen zwischen dem Präsidenten und dem Konzern hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) bereits in der Vergangenheit hingewiesen.

So flossen schon im Wahlkampf rund 80 % der BAYER-Spenden an das Wahlkampfteam von Donald Trump. 433 000 US-Dollar investierte der Konzern. Er versprach sich von dieser Investition eine Senkung der Unternehmersteuer in den USA sowie eine Einschränkung von Umwelt-Auflagen. Heute können wir festhalten, dass sich diese Investition gerechnet hat. Die neue Steuerreform, die die Trump-Administration verabschiedet hat, dürfte BAYER entgegenkommen und mit ein Grund dafür sein, dass Baumann in Davos versprach, zukünftig in den USA mehr zu investieren. Und dass Trump alle warnenden Zeichen einer Klimakatastrophe ignoriert, dürfte spätestens seit dem Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen klar sein.

Schon am 11. Januar 2017 hatte die BAYER-Führung dem US-Präsidenten versprochen , in Zukunft nicht nur in den USA zu investieren, sondern auch zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Diese ungebrochene Unterstützung von Trump und seiner Politik macht klar, dass die CBG mit ihre Aussage nach dem Sieg von Donald Trump recht hatte, dass „Der Sieg Trumps auch ein Sieg für BAYER“ wäre.

Die Anbiederung an Trump zeigt, dass der BAYER-Konzern seine Profitinteressen mit allen Mitteln umsetzen will. Dabei scheut er nicht einmal davor zurück, die Nähe eines Präsidenten zu suchen, der sich immer wieder rassistischer Ressentiments bedient und der den Klimawandel leugnet. „Science for a better Life“ wird zur Farce, wenn man einen Mann wie Donald Trump unterstützt.
„Der BAYER-Konzern ist immer wieder vorne mit dabei, wenn es darum geht, reaktionäre, rassistische, ja sogar faschistische Machthaber zu sponsern. BAYER hat nachweislich nichts aus seinen Verbrechen im ‚Dritten Reich’ gelernt“, so CBG-Geschäftsführer Jens Wegener.

[BAYER manipuliert] BAYER manipuliert Gensoja-Test

CBG Redaktion

Pestizid-Einsatz erfolgte nicht unter Praxis-Bedingungen

Der gentechnik-kritische Verein Testbiotech wirft BAYER vor, Gensoja-Zulassungstests nicht ordnungsgemäß durchgeführt zu haben. Der Initiative zufolge hat das Unternehmen bei den Untersuchungen zur Erlangung einer EU-weiten Import-Genehmigung für die Pflanze „Balance Bean“ den Pestizid-Einsatz gedrosselt und Brüssel so über die möglichen Gesundheitsgefahren der Labor-Frucht getäuscht. So setzte der Konzern bei den Versuchen mit der Soja, die gegen die Ackergifte Glyphosat, Glufosinat und Isoxaflutol resistent ist, nur ein Kilogramm Glyphosat pro Hektar statt der sonst in der Praxis üblichen vier bis acht Kilogramm ein. Zudem fand bloß eine einmalige Spritzung statt. In den KundInnen-Empfehlungen von BAYER und MONSANTO werden dagegen zwei bis drei Spritzungen vorgeschlagen. Überdies hat der Leverkusener Multi keine Fütterungsstudien unternommen, obwohl Gentech-Soja in der Tierzucht massenhaft zum Einsatz kommt und es viele Hinweise über Gesundheitsschäden wie z. B. Durchfall-Erkrankungen durch Glyphosat-Rückstände gibt.

„In der Öffentlichkeit betont BAYER immer wieder die Ungefährlichkeit von Glyphosat, das die Krebsagentur der WHO als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft hat. Bei seinen Testreihen traute das Unternehmen aber offenbar seinen eigenen Worten nicht und ging auf Nummer Sicher“, kritisiert der CBG-Geschäftsführer Jens Wegener von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG). Die Ergebnisse der Testbiotech-Recherche legen laut Wegener den Verdacht nahe, dass der Konzern tricksen musste, da er einen für seine Profite gefährlichen Befund befürchtete.

Die Coordination fordert die EU nun auf, die Zulassungsprüfung unverzüglich zu stoppen und neue Versuche mit angemesseneren Ackergift-Dosen anzuordnen. Darüber hinaus muss sie BAYERs frühere Gentech-Genehmigungsverfahren neu sichten und die dabei eingereichten Studien einer Nachkontrolle unterziehen. „Auf Basis der jetzigen Daten darf die Europäische Kommission „Balance Bean“ auf keinen Fall genehmigen“, hält Jan Pehrke vom Vorstand der CBG fest. Auch gilt es, das jetzige Prozedere generell auf den Prüfstand zu stellen. „Die EU fällt ihre Entscheidungen immer auf der Basis von Studien, welche die Konzerne selbst gemacht haben. Das öffnet der Manipulationsmöglichkeiten Tür und Tor. Es führt deshalb kein Weg daran vorbei, in Zukunft unabhängige Institute mit einer solchen Aufgabe zu betrauen“, so Pehrke abschließend.

[Seehaus-Arnold] Hauptversammlung 2018

CBG Redaktion
Annette Seehaus-Arnold (Vizepräsidentin des Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbundes): Bienensterben Sehr geehrter Vorstand, sehr geehrter Aufsichtsrat, sehr geehrte Damen und Herren, mein Name ist Annette Seehaus-Arnold. Ich spreche als Aktionärin, Imkerin und Kreisvorsitzende der Imker Rhön-Grabfeld und Vizepräsidentin des Deutschen Berufs und Erwerbsimkerbundes. Sehr geehrter Herr Baumann: Ich habe einige Fragen: 2013 kam es zum Teilverbot einiger bienengefährlicher Neonicotiniode. Können Sie erklären, warum es Ihnen nicht gelungen ist, Studien vorzulegen, mit denen Sie gegenüber der Europäische Zulassungsbehörde EFSA den Nachweis der Sicherheit Ihrer Produkte für Honigbienen, Hummeln und Solitärbienen hätten erbringen können? Nach Angaben der EU-Kommission war man gezwungen, ein vollständiges Verbot der Neonicotinoide im Freiland vorzuschlagen, nachdem selbst die von der Industrie vorgelegten Studien inakzeptable Risiken für die Bienen aufgezeigt hatten. Wie erklären Sie sich, dass es Ihnen nicht gelungen ist, eine Mehrheit der Mitgliedsstaaten von Ihrer Position zu überzeugen? Der Vorschlag der Kommission fand am 27. April diesen Jahres gleich im ersten Anlauf die notwendige Mehrheit. Wie erklären Sie sich, dass Ihre Klage gegen das Teilverbot der Neonicotinoide vor dem Europäischen Gerichtshof so vollständig gescheitert ist, dass im Urteil vom 17. Mai diesen Jahres das Gericht Ihnen sogar die Verfahrenskosten der Kommission und von unseren Imkerverbänden als Streithelfer auferlegt hat? Könnte Ihr Scheitern auf allen Ebenen (Zulassungsbehörde, Kommission, Mitgliedsstaaten und EuGH) vielleicht etwas damit zu tun haben, dass sich der chemische Pflanzenschutz nun endgültig als der falsche Ansatz herausgestellt hat? Die Hauptherausforderung im Pflanzenschutz ist, den Schadorganismus selektiv ohne Beeinträchtigung von Bestäubern, Nützlingen und der Biodiversität im Ökosystem unter die Schadschwelle zu bringen. Auch eine Belastung der Endprodukte durch die angewendeten Mittel soll vermieden werden, um den Verbraucher zu schützen. Chemische Wirkstoffe sind grundsätzlich NICHT sehr gut darin, selektiv zu sein, weil in der Biologie alles mit allem verwandt ist. Im Gegensatz dazu ist Digital-Technik extrem gut darin, die geforderte Selektivität zu leisten. Weil die gestellten Aufgaben besser und mit höherer gesellschaftlicher Akzeptanz erledigt werden, wird der digitale Pflanzenschutz den chemischen Pflanzenschutz weitgehend ersetzen - genauso wie die Nasschemie in der Fotografie inzwischen fast vollständig durch Digitaltechnik ersetzt worden ist. Herr Baumann: Wie ist Bayer auf die bereits laufende Disruption des Pflanzenschutzgeschäftes durch Digitaltechnik vorbereitet? Die Wettbewerbshüter in den USA und in der EU haben ebenfalls erkannt, dass der Digitalen Landwirtschaft die Zukunft gehört und dass hier Wettbewerb besonders wichtig sein wird. Aufgrund der mit dem Kauf von Monsanto verbundenen Auflagen haben Sie ihre Digitalsparte an BASF verkaufen müssen. Als Berufsimker haben wir das Engagement von Bayer im Bereich des digitalen Pflanzenschutzes tatkräftig unterstützt, weil wir darin eine Chance sehen, den Landwirten deutlich bienenfreundlichere Lösungen anzubieten und das unsägliche Volumengeschäft mit Pestiziden überflüssig zu machen. Herr Baumann, teilen Sie unsere Einschätzung der Zukunft des Pflanzenschutzsektors? Wie unterscheiden sich die Lösungen, die Bayer mit dem Kauf von Monsanto erworben hat, von denen, die Sie an BASF verkaufen mussten hinsichtlich der Verringerung der negativen Auswirkungen auf unsere Bienen beim Pflanzenschutz? Herr Baumann, welchen Umsatzrückgang und somit Gewinnrückgang erwarten Sie in den nächsten Jahren bei den Pestiziden durch die wesentlich gezieltere Anwendung durch den digitalen Pflanzenschutzes, die den Wegfall anderer Verfahren ermöglicht? Chemischer Pflanzenschutz gilt als besonders risikobehaftet und ist daher mit langwierigen und teuren Zulassungsverfahren verbunden. Der Einsatz von leichten autonomen Agrarrobotern, wie z. B. von Ecorobotics, hat keine vergleichbaren Zulassungshürden und ist damit zu geringeren Entwicklungskosten wesentlich schneller als Lösung für den Landwirt verfügbar. Herr Baumann, wie schätzen Sie das Risiko ein, dass neu entwickelte chemische Wirkstoffe noch im Regulierungsverfahren feststecken, wenn zahlreiche digitale Alternativen bereits am Markt verfügbar sind? Herr Baumann, wie schätzen Sie das Risiko für Ihre Aktionäre ein, dass mit dem digitalen Pflanzenschutz andere Anbieter, wie z. B. John Deere mit „See and Spray„ oder Bosch mit DeepField Robotics sich ein großes Stück aus dem Kuchen „Pflanzenschutz“ herausschneiden werden, den bisher verschiedene Chemiehersteller unter sich aufgeteilt haben? Für wann erwarten Sie vor diesem Hintergrund eine Rückgang des Produktionsvolumens von Herbiziden, Insektiziden und Fungiziden? Sind Sie darauf vorbereitet? Herr Baumann, als Berufsimker haben wir in Brüssel einen Vorschlag für ein neues Regulierungsverfahren für Pflanzenschutzmittel für die Digitale Landwirtschaft eingebracht. An dem vom Europäischen Berufsimkerverband initiierten Workshop haben Mitarbeiter aller großen Pflanzenschutzmittelhersteller teilgenommen. Ist dem Vorstand diese Initiative bekannt und werden Sie den Ansatz auch nach dem Kauf von Monsanto und dem Verkauf Ihrer Digitalsparte an BASF unterstützen? Haben Sie mit dem Verkauf der Digitalsparte an BASF evtl. ein unkalkulierbar großes Risiko in Kauf genommen? Haben Sie damit evtl. eine zukunftsfähige Sparte an die Konkurrenz verschenkt? Und damit zukünftige Wachstumschancen und selbstverständlich auch die entsprechenden Gewinne zugunsten einer veralteten Technik, und zwar dem chemischen Pflanzenschutz? Die Honigbienen sind nur ein Teil der Insektenwelt. Ihre Bedeutung für unseren Wohlstand wird wohl auch von BAYER nicht in Frage gestellt. Nur als Teil einer bienenfreundlichen Landwirtschaft wird Bayer eine Zukunft haben. Meine Damen und Herren Aktionäre, Sie haben es in der Hand, wie die Entwicklung weitergeht. Oder ist es nicht an der Zeit, die Aktivitäten von Bayer Cropscience in ökologisch sinnvolle, nachhaltige Forschung, besser noch in Landwirtschaft 4.0 zu lenken? Anstatt an fragwürdigen Neonics und neuen Pestiziden festzuhalten? Sind intelligente Lösungen nicht weitaus sinnvoller als chemische Keulen? Wollen Sie, sehr geehrter Vorstand und Aufsichtsrat, weiterhin an alten Techniken festhalten und dann den Anschluss verpassen? Können Sie sich auf Dauer das „Bienenkiller-Image“ noch leisten? Können Sie das verantworten? Und, selbst wenn Sie nur an's Geld denken: Wollen Sie so enden, wie die Aktionäre von Kodak? Deshalb an alle Aktionäre: Zeigen Sie Flagge und stimmen Sie gegen eine Entlastung des Vorstandes, wenn er darauf keine befriedigenden Antworten hat. Vielen Dank.

[Die BAYER-Papers] Junk Science for better lies

CBG Redaktion

Die Multis können sogar die Wissenschaft ins Postfaktische überführen, wenn ihnen die von den ForscherInnen in Studien ermittelten Resultate nicht passen. Mit welchen Mitteln BAYER und SYNGENTA dies bei einer Untersuchung zur Bienengefährlichkeit von Pestiziden versucht haben, enthüllte jetzt die Initiative BUGLIFE, die sich über das britische Informationsfreiheitsgesetz Zugang zu konzern-internen Dokumenten verschafft hatte.

Von Jan Pehrke

Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide stehen seit Langem im Verdacht, einen wesentlichen Anteil am weltweiten Bienensterben zu haben. Im Jahr 2013 reagierte die Europäische Union dann endlich. Sie entzog BAYERs Saatgutbehandlungsmitteln GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin) sowie der SYNGENTA-Substanz Thiamethoxam vorläufig die Zulassung. Die beiden Unternehmen liefen Sturm gegen die Entscheidung. Sie reichten Klage ein und gaben, um mehr Beweise für die Unschuld ihrer Produkte zur Hand zu haben, beim britischen „Center for Ecology and Hydrology“ (CEH) für drei Millionen Dollar eine Studie in Auftrag.
Die ForscherInnen wollten dabei allerdings nicht nur Honigbienen in den Blick nehmen, sondern auch Wildbienen. Das lehnten die Agro-Riesen allerdings aus Kosten-Gründen ab. Deshalb suchte sich das Institut dafür mit dem „National Environment Research Council“ (NERC) einen anderen Sponsor. Mit diesem erweiterten Rahmen machte sich das CEH dann ans Werk. Seine Untersuchungen erstreckten sich auf 33, insgesamt 2.000 Hektar große Ackerflächen in Deutschland, Großbritannien und Ungarn. Und obwohl sich BAYER und SYNGENTA die Forschungsreinrichtung im Vorfeld vermutlich ganz genau angeschaut haben, fielen die vom Center erhobenen Ergebnisse nicht so ganz im Sinne der Konzerne aus. In Ungarn verringerten sich die Bienen-Bestände nahe eines mit PONCHO behandelten Raps-Feldes um 24 Prozent, während Thiamethoxam keine Effekte auf die Insekten hatte. In Großbritannien stellten sich die Verhältnisse ähnlich dar. In Deutschland hingegen beobachteten die WissenschaftlerInnen kaum Auswirkungen. Sie führten dies darauf zurück, dass neben den mit den Agrochemikalien malträtierten Äckern noch viele Wildpflanzen blühten, die den Bienen als Ausweichquartier dienen konnten.
Der Grad der Schädigung der Populationen korrelierte dabei mit der Menge der Pestizid-Rückstände in den Bienenstöcken. Dort wies das CEH sogar noch das seit 2013 mit einem weitgehenden Ausbring-Verbot belegte Imidacloprid nach. Die Neonicotinoide können sich offenbar länger als gedacht in der Umwelt halten und so auch auf Wildblumen übergreifen, welche die Bienen zum Sammeln von Nektar und Pollen nutzen, schlossen die ForscherInnen.
Nach einem Freispruch erster Klasse schien das alles nicht auszusehen. Darum wollten BAYER und SYNGENTA die Studie ein wenig „aufhübschen“. Als Instrument hierzu hatten sie sich die erhobenen Daten auserkoren. In dutzenden Mails verlangten die Konzerne vom CEH die Herausgabe der Zahlen-Kolonnen zu den Wildbienen-Untersuchungen – die zu den Honigbienen-Experimenten hatten sie als alleinige Geldgeber schon. „Wir glauben, als Mitbesitzer (sic) haben wir Anspruch auf einen grenzenlosen, vollständigen und schnellen Zugang zu allen Daten und Informationen, einschließlich – aber nicht nur – zu den Daten, die Rohdaten genannt werden“, schrieb BAYER an das Institut. Und in einer weiteren Mail sprach ein Beschäftigter des Leverkusener Multis den WissenschaftlerInnen ins Gewissen: „Ich bin sicher, Sie verstehen, dass meine Kollegen immer noch perplex sind, dass ihnen als Mitbesitzer der Rohdaten immer noch der Zugang verwehrt wird, was unsere eigene Analyse vor der Publikation praktisch unmöglich macht.“

Als Laie erscheint einem dieses Ansinnen nicht ganz verständlich: Woher rührt dieses Interesse an den Daten, was gibt es an denen denn schon zu rütteln, stehen sie doch wie nichts anderes für die wissenschaftliche Objektivität? Aber für BAYER und SYNGENTA tun sie das mitnichten. Die beiden Global Player halten sich an die Vorsilbe „roh“ und betrachten Roh-Daten lediglich als Rohstoff, als Ausgangsmaterial, das noch viele Gestaltungsoptionen bereithält. Und einen Ansatzpunkt dafür hatte die CEH-Forscherin Rosemary Hails nach Ansicht des Leverkusener Multis selbst geliefert. „Während des Meetings, das Sie am 13. Oktober im CEH abhielten, diskutieren Sie mit meinen Kollegen Name im Dokument geschwärzt, Anm. SWB mögliche alternative statistische Ansätze und Methoden, um die in der Studie generierten Daten besser zu verstehen“, rief er der Wissenschaftlerin ins Gedächtnis. Auf solche „Verständnis-Hilfen“ wartete der Pillen-Produzent jetzt. Der Einfachheit halber schlug er dem CEH auch gleich selber eine Reihe „alternativer Methoden und Ansätze“ vor. Als Mittel der Wahl dazu dienten ihm die „Co-Variablen“. Diese erschienen BAYER hervorragend geeignet, um die Kausal-Beziehung zwischen den Pestiziden und dem Bienensterben zu lockern und das Augenmerk auf andere Faktoren zu lenken. „Wir vermissen einige wichtige Co-Variable“, hieß es deshalb in einer Mail. Als solche brachte der Konzern etwa „Wetter-Daten, die das Verhalten der Bienen beeinflusst haben könnten“ ins Spiel. Insbesondere von der Kraft der Sonne erwartete die Aktien-Gesellschaft einiges, weshalb sie für ein „sunshine only“-Modell plädierte. Auch agro-chemikalische Vorschädigungen der Bienen hätte sie gerne mit den neuen Zahlen verrechnet. Der Leverkusener Multi machte sich sogar selbst ans Forschungswerk. Er rekonstruierte mit einigem Zeitaufwand die Roh-Daten der Wildbienen-Testreihen und führte zusätzliche „statistische Analysen“ durch. Und diese Mühe lohnte sich seiner Ansicht nach. Von „interessanten Funden“ kündete er dem CEH. Dieses hatte in seinem Bericht zwar schon viele Veränderungen vorgenommen, wie BAYER lobte, aber leider kein Feedback zu den Fernstudien aus Leverkusen gegeben, „was überraschend ist“.
Das Center verweigerte sich auch den Vorschlägen, mehr Co-Variable einzubeziehen: „Unserer Meinung nach sind Sonnenschein und Vorschädigungen beliebige Faktoren.“ Es blieb bei seinem Ansatz und verbat sich jegliche Einmischungsversuche. „Ich würde gerne wissen, was wir ihrer Meinung nach hätten tun sollen. Wenn Du negative Resultate bei den Schlüssel-Parametern findest – die Anzahl der Bienen in den Bienenstöcken, die Anzahl der Bienen, die den Winter überlebt – wie sollten wir das ihrer Meinung nach präsentieren? Wie sollten wir das in einer unvoreingenommenen Weise interpretieren“, fragt der Forscher Ben Woodcock. Richtiggehend erbost zeigt er sich über das Verhalten von BAYER und SYNGENTA: „Mich schockt, wie sie ohne mit der Wimper zu zucken statistisch fehlerhafte (...) Studien veröffentlichen können, die keine Effekte ausweisen und dann jede Studie, die negative Effekte dokumentiert, als statistisch fehlerhaft und nicht repräsentativ in Stücke reißen.“ Seiner Meinung nach waren die beiden Konzerne nur darauf fixiert, das Ergebnis zu erhalten, das sie auch erhalten wollten. Wirklich gewundert hat den Wissenschaftler das nicht. „Ehrlich gesagt war ich nicht überrascht davon, dass sie nicht glücklich waren“, so Woodcock. Und er wusste auch, warum: „Hier sind massive wirtschaftliche Interessen im Spiel.“

Diesen getrotzt zu haben, verlangt Respekt. Und das umso mehr, als der Email-Verkehr offenbart, was für einen Druck die Agrar-Riesen ausgeübt haben. Zugleich dokumentiert der Schriftwechsel, wie wenig Rechte die WissenschaftlerInnen bei der Auftragsforschung eigentlich besitzen. So steht es dem jeweiligen Auftraggeber zu, auf die erhobenen Daten Besitzansprüche anzumelden und damit anzustellen, was er will – Möglichkeiten bzw. Co-Variable dazu gibt es offenbar mehr als genug. Auch haben die Konzerne das Recht, auf eine „abgestimmte Kommunikationsstrategie“ zu dringen, um die Resultate besser zu verkaufen. Nur der Standhaftigkeit der CEH-ForscherInnen sowie ihrem Glück, mit dem „National Environment Research Council“ noch einen Co-Sponsor gefunden zu haben, ist es zu verdanken, dass die Strategie von BAYER und SYNGENTA diesmal nicht aufging – und obendrein dank BUGLIFE auch noch an die Öffentlichkeit geriet. Wie viel Fake Science die Konzerne mit diesen Methoden aber bereits produzieren haben, mag mensch sich gar nicht vorstellen.
Und die Räder standen nicht lange still. Nach der Schlappe mit dem „Center for Ecology and Hydrology“ wandten sich die beiden Agro-Riesen an die kanadische „University of Guelph“. Von der bekommen sie dank großzügiger Pflege ihrer wissenschaftlichen Landschaft – BAYER etwa spendete üppig, stiftete einen Lehrstuhl und gab den Aufbau eines 750.000 Dollar schweren Insekten-Gesundheitszentrums in Auftrag – nämlich immer, was sie wollen. Auch dieses Mal enttäuschte die Universität, die dem Leverkusener Multi auf ihrem Forschungsgelände sogar ein eigenes Büro eingerichtet hat, ihre Auftraggeber nicht. Zwei ihrer Forscher analysierten 170 Neonicotinoid-Studien und gaben umgehend Entwarnung: „Die Anwendung von Neonicotinoiden gemäß den Prinzipien guter landwirtschaftlicher Praxis setzt Honigbienen keinem Risiko aus.“

HERVORHEBUNGEN:

Nach einem Freispruch erster Klasse schien das alles nicht auszusehen. Darum wollten BAYER und SYNGENTA die Studie ein wenig „aufhübschen“

„Mich schockt, wie sie ohne mit der Wimper zu zucken statistisch fehlerhafte (...) Studien veröffentlichen können, die keine Effekte ausweisen und dann jede Studie, die negative Effekte dokumentiert, als statistisch fehlerhaft und nicht repräsentativ in Stücke reißen.“

[BaySanto] Ein schwieriges Geschäft

CBG Redaktion

BAYERs MONSANTO-Deal verzögert sich weiter

Die EU-Kommission hat Mitte November 2017 ihre Entscheidung über die Genehmigung von BAYERs MONSANTO-Übernahme auf den 5. März 2018 verschoben. Dass der Leverkusener Multi sich im Zuge der Transaktion von Teilen seines Agro-Geschäfts trennen will und mit der BASF sogar schon einen Käufer gefunden hat, konnte das Verfahren offensichtlich nicht beschleunigen. Zu groß bleiben die Bedenken. Auch LandwirtInnen-Verbände, Umwelt-Gruppen und VerbraucherInnenschutz-Gruppen machen weiterhin gegen den Deal mobil.

Von Jan Pehrke

Ende August 2017 hatte die EU eine vertiefte Prüfung von BAYERs Antrag zur Genehmigung der MONSANTO-Übernahme angekündigt. Rund vier Monate, bis zum 7. Januar 2018, sollte sie dauern. Mit einem Kurz-Check mochte sich die zuständige Generaldirektion Wettbewerb unter Leitung von Margrethe Vestager nicht zufriedengeben. Es bestanden nämlich „vorläufige Bedenken“ gegen den Deal.
Konkret bezogen sich diese auf eine zu große Dominanz bei den Anti-Unkrautmitteln, falls das berühmt-berüchtigte Glyphosat und das nur wenig ungefährlichere Glufosinat unter einem Konzern-Dach angeboten werden sollten. Gleiches gilt der Kommission zufolge für die Gen-Pflanzen der Marken ROUND UP und LIBERTY, welche die beiden Unternehmen in Kombination mit diesen Ackergiften vermarkten. Bei den Substanzen, zu denen ImkerInnen greifen können, wenn Varroa-Milben ihre Bienenstöcke befallen haben, sahen Vestager & Co. ebenfalls Handlungsbedarf. Überdies befürchtete die Wettbewerbsdirektion nach der Zusammenlegung der Sparten im Geschäftsfeld „Konventionelles Saatgut“ eine zu umfassende Markt-Beherrschung bei Raps, Baumwolle, Weizen und einigen Gemüse-Sorten. Und auch im Segment der digitalen Landwirtschaft droht nach Ansicht der EU eine zu starke Vormachtstellung.
BAYER hatte also einige Hausaufgaben zu erledigen. Der Konzern, der den Deal ursprünglich bis Ende 2017 unter Dach und Fach zu haben plante, musste deshalb Mitte September sogar selbst eine Fristverlängerung bis zum 22. Januar 2018 beantragen. Einen Monat später präsentierte der Global Player dann die Früchte seiner Arbeit: Er gab bekannt, Teile seines Agro-Sortiments für 5,9 Milliarden Euro an die BASF abgeben zu wollen. In der entsprechenden Presse-Mitteilung kündigte das Unternehmen an, sich von seinen gen-manipulierten Raps-, Soja- und Baumwoll-Pflanzen der „LIBERTY LINK“-Baureihe zu trennen. Auch das auf diese Labor-Kreationen abgestimmte Herbizid Glufosinat, das die EU wegen seiner Gesundheitsschädlichkeit 2018 aus dem Verkehr ziehen will, beabsichtigt der Leverkusener Multi zu veräußern. Darüber hinaus stehen unter anderem noch hybride, also nicht zur Wiederaussaat geeignete und konventionell gezüchtete Ackerfrüchte zur Disposition.
„Wir schrumpfen uns gesund“ – dieses Signal beabsichtigte der Leverkusener Multi damit gen Brüssel zu senden. In Wahrheit handelte es sich jedoch bloß um ein Bauernopfer. Die Transaktion umfasst nämlich nur einen Umsatz von rund 1,5 Milliarden Dollar. Von vornherein hatte die Aktien-Gesellschaft damit gerechnet, im Zuge der Übernahme Geschäfte dieser Dimension abgeben zu müssen. Groß ins Gewicht fallen sie nicht. Die summierten Bilanz-Daten von 2016 zugrunde gelegt, lägen die Agro-Sektionen von BAYER und MONSANTO auch ohne diese 1,5 Milliarden Dollar noch mit weitem Abstand vor SYNGENTA/CHEMCHINA, DUPONT/DOW und BASF. „Der Deal mit BASF ändert an der dominanten Stellung, die BAYER nach dem Schlucken von MONSANTO im Bereich „Landwirtschaft“ einnehmen würde, gar nichts“, stellte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) aus diesem Grund in ihrer Presseerklärung fest.
Grundlegend ändert der Verkauf allerdings die Lage für die Arbeiter und Angestellten. Den rund 1.800 Belegschaftsangehörigen des Konzerns, die wechseln müssen, steht nämlich eine ungewisse Zukunft bevor. BASF-Chef Kurt Bock betont zwar: „Bei dieser Akquisition geht es nicht darum, in erster Linie Kosten rauszunehmen und die Anzahl der Mitarbeiter zu reduzieren“, aber was die ManagerInnen in zweiter Linie so vorhaben, reicht auch. Der Ludwigshafener Chemie-Riese will lediglich denjenigen BAYER-Beschäftigten, die einen unbefristeten Vertrag haben, ihren Arbeitsplatz garantieren. Und im Kleingedruckten schränkt er das sogar noch ein. Nur für mindestens drei Jahre und „zu vergleichbaren Konditionen“, heißt es dort. „Wir haben von Anfang an vor Arbeitsplatz-Vernichtungen und Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen durch die MONSANTO-Übernahme gewarnt und fühlen uns jetzt bestätigt“, konstatierte die CBG deshalb in ihrer-Presseerklärung.
Überdies gelang es dem Global Player mit diesem Schritt nicht wie erhofft, die Kommission zu überzeugen. Diese blieb bei ihren „vorläufigen Bedenken“ und verschob ihre Entscheidung im November auf den 5. März 2018. „Unzureichende Antworten“ von BAYER auf Informationsersuche zu den möglichen Auswirkungen des Deals gab die Generaldirektion Wettbewerb der CBG gegenüber als Grund an. Darüber hinaus teilte Direktion BAYER kurz vor Weihnachten 2017 unmissverständlich mit, der Verkauf von Teilen des Agro-Sortiments an BASF reiche nicht, um die Sorgen vor einer markt-beherrschenden Stellung des Konzerns nach dem Schlucken von MONSANTO zu zerstreuen. Die Prüfung ginge in eine „unvorstellbare Tiefe“, zeigte sich der Vorstandsvorsitzende Werner Baumann sichtlich genervt. Von vier Millionen Dokumenten, die das Unternehmen den Behörden schon übersandt habe, sprach er. Dabei interessierten diese sich besonders für Unterlagen, die in die Zukunft weisen. Margrethe Vestager und ihr Team wollen nämlich auch der mehr als berechtigten Frage nachgehen, ob durch die Inkorporation MONSANTOs die Innovationskraft der gesamten Branche leidet. „Dieser Ansatz ist neu“, klagt Baumann. Der Manager rechnet deshalb nicht nur mit insgesamt hohen Auflagen, sondern überdies damit, sich von Forschungskapazitäten trennen zu müssen. Aber lohnen tut sich das alles für ihn trotzdem, denn es locken exorbitante Profit-Aussichten. „Wir haben am Ende eine Transaktion, die von der Wertschaffung deutlich attraktiver ist als alles, was ich in Pharma und OTC (rezeptfreie Arzneien, Anm. SWB) gesehen habe“, so der BAYER-Chef.
Aber nicht nur die EU, auch Brasilien ging in die Verlängerung. Als zweitgrößter Agrar-Exporteur der Welt hat das Land nämlich ein besonderes Interesse, die heimische Landwirtschaft vor den negativen Folgen der Konzentrationsprozesse in dem Marktsegment zu schützen. Von der US-amerikanischen Wettbewerbsbehörde gab es hingegen noch keine Signale. In den Vereinigten Staaten gelang es dem Leverkusener Multi bisher lediglich, vor dem dortigen Ausschuss zur Überprüfung ausländischer Investitionen zu bestehen: Der CFIUS sah die Interessen nationaler Sicherheit durch die Transaktion nicht gefährdet.
Die Europäische Union macht es dem Leverkusener Multi zweifellos schwerer als gedacht, aber lange nicht schwer genug. Die Direktion Wettbewerb nimmt nämlich längst nicht alle Risiken und Nebenwirkungen der Übernahme in den Blick. Eine Studie des „University College London“, die im Auftrag von FRIENDS OF THE EARTH EUROPE, dem CORPORATE EUROPE OBSERVATORY, SumOfUS und anderen Organisationen entstand, wirft ihr dann auch eine zu enge Perspektive vor. Die Autoren Ioannis Lianos und Dmitry Katalevsky verlangen, nicht bloß auf die potenziellen Folgen der Operation für die Preis-Entwicklung, den Produktionsausstoß und die Innovationskraft zu schauen, sondern auf „die ganzen sozialen Kosten solcher Transaktionen“. Zu diesen Kosten zählen sie beispielsweise den Umweltschutz, den zu achten Brüssel eigentlich der Artikel 11 des „Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union“ verpflichtet. Auch die Artenvielfalt, zu deren Erhalt sich die EU in mehreren internationalen Abkommen bekannte, gehört für Lianos und Katalevsky dazu.
Die CBG hatte Mitte Februar 2017 in ihrem gemeinsam mit BROT FÜR ALLE verfassten und von MULTIWATCH, dem SEEDS ACTION NETWORK, dem PESTIZID-AKTIONS-NETZWERK und anderen Bündnispartnern unterzeichneten Offenen Brief an Margrethe Vestager noch andere mögliche Effekte des Mega-Deals genannt, die eigentlich in dessen Prüfung einfließen müssten. So warnten die Organisationen in dem Schreiben vor den Auswirkungen auf die Arbeitsplätze und die Unternehmenssteuer-Einnahmen der Standort-Städte. Darüber hinaus bezeichneten sie die zunehmende Konzentration auf dem Agro-Sektor als eine Gefahr für die demokratische Gestaltung der zukünftigen weltweiten Landwirtschaft. Zudem forderten die Gruppen die Generaldirektion Wettbewerb auf, die Rolle großer Finanzinvestoren wie BLACKROCK bei solchen Transaktionen zu untersuchen. Aber Vestager lehnte dies alles ab: „Auch wenn diese Bedenken sehr wichtig sind, bilden sie nicht die Grundlage für das Fusionskontroll-Verfahren“, antwortete die Dänin den AbsenderInnen. Und der bei der Wettbewerbskommission direkt für die Übernahmen und Fusionen zuständige Thomas Deisenhofer präzisierte später gegenüber der CBG noch einmal: „Die Rolle der Kommission bei der Prüfung von Fusionen beschränkt sich auf die Untersuchung der Auswirkungen der Fusionen auf die betroffenen Märkte.“
Darum wäre es fatal, in Sachen „MONSANTO“ auf die EU zu zählen. Nur politischer Druck kann den Mega-Deal verhindern. Und solche Aktivitäten gibt es zum Glück reichlich. Bereits über eine Million Unterschriften haben ACTION AID, AVAAZ, das CENTER FOR FOOD SAFETY und zehn andere Initiativen gegen die von BAYER geplante Übernahme gesammelt. In den USA machen derweil die NATIONAL FAMILY FARM COALITION, die VerbraucherInnenschutz-Organisation CONSUMER FEDERATION OF AMERICA und Tierzucht-Verbände gegen das Milliarden-Geschäft mobil. Hierzulande tut sich selbstverständlich auch einiges, dafür sorgen die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, ihre Bündnis-Partner und zahlreiche andere Gruppen. Als nächste größere Aktion findet am 20. Januar 2018 in Berlin die von MEINE LANDWIRTSCHAFT organisierte „Wir haben es satt“-Demonstration statt. Sie steht diesmal – aus gegebenem Anlass – unter dem Motto „Der Agrar-Industrie die Stirn bieten“.

HERVORHEBUNGEN:

„Wir schrumpfen uns gesund“ – dieses Signal beabsichtigte der Leverkusener Multi mit dem BASF-Deal gen Brüssel zu senden. In Wahrheit handelte es sich jedoch bloß um ein Bauernopfer.

Die EU blieb bei ihren „vorläufigen Bedenken“ und verschob ihre Entscheidung über die Genehmigung der MONSANTO-Übernahme auf den 5. März 2018.

Die Europäische Union macht es dem Leverkusener Multi zweifellos schwerer als gedacht, aber lange nicht schwer genug.

[Wasserschaden] Ein gefährlicher Cocktail

CBG Redaktion

Das aquatische Nachleben der Produkte von BAYER & Co.

In den Gewässern finden sich Rückstände von vielen Stoffen, die Mensch, Tier und Umwelt gefährden. Eine besonders hohe Belastung geht von dem zweiten Leben aus, das Pestizide, Human- und Veterinär-Arzneien unter Wasser führen. Als großer Produzent dieser Substanzen trägt BAYER maßgeblich dazu bei.

Von Susanne Smolka, Susan Haffmans (PESTIZID AKTIONS-NETZWERK) und SWB-Red.

Nahezu die Hälfte aller Süßgewässer in der Europäischen Union sind mit organischen Schadstoffen belastet. Das hat nicht nur schädliche Auswirkungen auf die Artenvielfalt, sondern auch auf die „Serviceleistungen“ der aquatischen Ökosysteme für uns Menschen, wie die Verfügbarkeit von sauberem, unbelasteten Trinkwasser, landwirtschaftlicher Bewässerung und Lebensmitteln. Die Befunde stammen von einer Untersuchung, bei der 4.000 Stellen in 91 Flusseinzugsgebieten beprobt und die mittleren und maximalen Konzentrationen von insgesamt 223 Chemikalien ausgewertet wurden. An rund 14 Prozent der Probe-Entnahmestellen wurde der Richtwert für das akute Risiko überschritten und an 42 Prozent der Wert für das chronisches Risiko. Für die potentiellen akuten Schädigungen waren fast ausschließlich Pestizide verantwortlich. Die WissenschaftlerInnen der Studie stellen fest, dass nicht nur die Belastungssituation mit Gewässer-Schadstoffen in der EU unterschätzt wird, sondern auch der „toxische Druck“, der durch Schadstoff-Gemische auf den Ökosystemen lastet.

Pestizide & Biozide
Das renommierte „Helmholtz Zentrum für Umweltforschung“ hatte mit Blick auf die Pestizid-Belastungen bereits vorher Alarm geschlagen. Die WissenschaftlerInnen kritisieren, dass im Rahmen der Wirkstoff- und Produktzulassungen die realen Risiken von Misch-Expositionen außer Acht gelassen und deshalb die schädlichen Auswirkungen von Pestizid-Gemischen auf Gewässer-Ökosysteme unterschätzt werden.
Mit Blick auf die amtliche Gewässer-Überwachung von Pestiziden gibt es aber noch mehr Baustellen. Beispielsweise geht aus dem Gewässer-Zustandsbericht des Umweltbundesamtes von 2017 hervor, dass von den 61 unter Beobachtung stehenden Pestiziden bei 15 eine Überwachung gar nicht möglich ist, weil die festgelegten Umweltqualitätsnomen (UQN) so niedrig sind, dass sie unterhalb der analytischen Bestimmungsgrenzen liegen. Es erhalten also umweltgefährliche Pestizide Zulassungen, obwohl klar ist, dass den zuständigen Überwachungsbehörden keine adäquaten und bezahlbaren analytischen Methoden zu ihrem Nachweis zur Verfügung stehen.
Ein weiteres großes Problem ist das Fehlen eines systematischen Gewässer-Monitorings von Bioziden in Deutschland. Biozide sind Pestizide, die außerhalb des Pflanzenschutzes eingesetzt werden. Dazu zählen z. B. Haushaltsinsektizide, Rattengifte, Holzschutzmittel, Fassadenschutzfarben oder sog. Antifoulings gegen den Bewuchs von Boots- und Schiffsrümpfen, aber auch Desinfektionsmittel und antibakterielle Reinigungsprodukte (s. VerbraucherInnen-Informationen des Umweltbundesamtes unter: www.biozid.info). Allein in Deutschland sind über 40.000 Biozid-Produkte mit insgesamt rund 260 unterschiedlichen Wirkstoffen gemeldet. Zum Vergleich: Im Pflanzenschutzbereich sind derzeit 1.465 Mittel (Handelsnamen) mit 270 Pestizid-Wirkstoffe zugelassen. Rund 60 Wirkstoffe werden gleichzeitig als Pestizid und als Biozid verwendet.
Bei diesen vielfältigen Verwendungen gibt es vielfältige Eintragspfade in Gewässer. Die Substanzen werden z. B. direkt aus den Antifoulingfarben von Sportbooten in die Gewässer freigesetzt, gelangen über die Regen-Kanalisation aus Fassaden-Anstrichen oder via Abwässer der Haushalte über die Kläranlagen in die Gewässer. Darüber kann sich dann über den Weg der Ufer-Filtration die Verbreitung in das oberflächen-nahe Grundwasser fortsetzen. Das Umweltbundesamt hat mittlerweile Empfehlungen für eine systematische Umwelt-Überwachung von Bioziden veröffentlicht. Verantwortlich für die Umsetzung sind aber die Bundesländer. Ob und im welchem Umfang die Landesbehörden diese Überwachungslücke schließen oder zumindest verkleinern werden, bleibt bislang ungewiss.
Insgesamt werden zurzeit viele potentiell gewässer-relevante Stoffe gar nicht oder nur unzureichend in der Gewässer-Überwachung berücksichtigt, und insofern bleibt der Kenntnisstand über Gewässer-Belastungen begrenzt. Außerdem orientieren sich die Regelungen der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) an großen Fluss-Einzugsgebieten mit Flächen von über 10 km². Kleingewässer sind aber ökologisch sehr bedeutsame Gebiete und in Agrarlandschaften wichtige Refugien für Vögel, Amphibien sowie für Nützlings- und Bestäuberinsekten. Wissenschaftliche Untersuchungen weisen für diese Räume erhebliche Belastungssituationen nach, besonders in Agrarlandschaften. Beispielsweise zeigten Kleingewässer in Schleswig-Holstein bei rund 55 Prozent der Proben Mehrfach-Belastungen mit bis zu 36 Pestiziden pro Gewässerprobe. Zumindest sind in Bezug auf diese Gefährdungssituation mittlerweile Initiativen gestartet worden, um zukünftig ein Kleingewässer-Monitoring zu etablieren.
Abgesehen von diesen vielen Lücken und Defiziten der Gewässer-Überwachung – was zeigen die verfügbaren Befunde? Die Umwelt-Ziele der Wasserrahmenrichtlinie für den chemischen Zustand der Oberflächengewässer werden in Deutschland nicht erreicht. Ein Grund sind offensichtlich unzureichend wirksame Maßnahmen, um den Eintrag von gefährlichen und besonders gefährlichen Stoffen zu reduzieren.
Bei der Überwachung der Umweltqualitätsnormen gemäß WRRL im Zeitraum von 2013 bis 2015 zeigten sich (abgesehen von den genannten 15 nicht meßbaren Wirkstoffen) Überschreitungen bei 16 Pestiziden/Bioziden. Darunter waren BAYER-Pestizide wie das Neonicotinoid Imidacloprid sowie die Herbizide 2,4-D, Diuron, Mecoprop und Flufenacet.
Die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser hat eine Auswahl an Pestiziden genauer unter die Lupe genommen, die nicht oder nur unzureichend im Rahmen des üblichen amtlichen Monitorings beprobt werden. In Bezug auf das Schutzgut Trinkwasser zeigt sich, dass das – unter anderem auch vom Leverkusener Multi vertriebene – umstrittene Totalherbizid Glyphosat und sein Abbauprodukt AMPA bundesweit an über 40 Prozent der untersuchten Mess-Stellen in Oberflächen-Gewässern in Konzentrationen oberhalb des Trinkwasser-Grenzwertes von 0,1 Mikrogramm pro Liter nachzuweisen sind. Glyphosat kontaminiert aber schon längst das Grundwasser, die wichtigste Trinkwasser-Ressource in Deutschland. Der Wirkstoff zählt zu den TOP 20 der Pestizide, die am häufigsten den Trinkwasser-Grenzwert überschreiten. Weitere BAYER-Pestizide auf der unrühmlichen TOP 20-Liste sind Mecoprop, Terbutylazin und Lenacil.

Human-Arzneien
Aber nicht nur die Pestizide und Biozide der Konzerne belasten das Wasser stark. Die von ihnen produzierten Medikamente strapazieren es ebenfalls. Chemisch äußerst stabil konstruiert, damit der Organismus sie nicht frühzeitig zersetzt und sie auch ihren Bestimmungsort im Körper erreichen, kann der Stoffwechsel die Arzneien nur zu 20 bis 30 Prozent verarbeiten. So gelangen Rückstände von ihnen über die menschlichen Ausscheidungen in die Gewässer, denn auch die Klärwerke können sie nicht knacken. Und ein Übriges tun per Toiletten-Spülung entsorgte Pharmazeutika, Krankenhaus-Abwässer sowie Einleitungen von Pillen-Produzenten.
Da kommt dann so einiges zusammen. WissenschaftlerInnen wiesen schon 192 Arzneien bzw. deren Abbau-Produkte – die sogenannten Metaboliten - in bundesdeutschen Gewässern nach. 131 dieser Stoffe gelten als umwelt-relevant, und für nicht wenige von ihnen haben die ForscherInnen bedenkliche Konzentrationen gemessen, so z. B. für das Hormon Ethinylestradiol, den Inhaltsstoff von BAYERs Kontrazeptivum MELIANE und weiteren Verhütungsmitteln.
Andere Pharmazeutika des Global Players finden sich ebenfalls häufig in den Flüssen wieder. Auf der Liste der 16 Stoffe, die sich der Studie „Pharmaceuticals in the environment“10 zufolge in den Gewässern aller Erdteile aufspüren lassen, stehen mit Naproxen (Wirkstoff des Schmerzmittels ALEVE), Ciprofloxacin (Wirkstoff des Antibiotikums CIPROBAY) und Acetylsalicylsäure (Wirkstoff von ASPIRIN) drei Substanzen, die auch der Leverkusener Multi vermarktet. Damit nicht genug, machten Untersuchungen zudem Telmisartan (Wirkstoff des Bluthochdruck-Präparats KINZAL) sowie Gadolinium, den Inhaltsstoff der Röntgen-Kontrastmittel GADOVIST, PRIMOVIST und MAGNEVIST, im Wasser aus.
Welche Risiken und Nebenwirkungen von dem zweiten Leben der Pillen bzw. deren Metaboliten ausgehen, haben WissenschaftlerInnen noch nicht systematisch erforscht. Nur für einige Medikamente liegen Befunde vor. Die hormonellen Wirkstoffe von Verhütungsmitteln wie MELIANE etwa können das Hormon-System von Fischen stören und Verweiblichungsprozesse einleiten, welche die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen und so für einen Rückgang der Populationen sorgen. Das zu den Schwermetallen zählende Gadolinium löst diese Prozesse ebenfalls aus und schädigt überdies das Nervensystem von Wasser-Lebewesen. Bestimmte Psychopharmaka wie Oxazepam, unter anderem von HEXAL vermarktet, haben wiederum negative Effekte auf Flussbarsche. Sie werden aktiver, und ihr Sozialverhalten ändert sich: Die Tiere zeigen sich ihrem Schwarm gegenüber rücksichtsloser. Zudem agieren sie weniger vorsichtig. Diese Wirkung ruft bei ihnen auch DIAZEPAM hervor – eine unter anderem von RATIOPHARM produzierte Arznei zur Behandlung von psychischen Krankheiten, Epilepsie und Schlafstörungen. Und das Schmerzmittel VOLTAREN mit seinem Inhaltsstoff Diclofenac, das beispielsweise NOVARTIS vertreibt, greift Nieren, Leber und Kiemen der Fische an.
Folgen ganz anderer Art haben BAYERs CIPROBAY und andere Antibiotika. Ihr hoher Gehalt im Wasser bringt bakterielle Krankheitserreger dazu, sich auf die Wirkstoffe einzustellen und Resistenzen herauszubilden. Gelangen diese Keime dann in den menschlichen Organismus, können sie Gesundheitsstörungen auslösen, gegen die kein Kraut mehr gewachsen ist. Besonders in der Nähe von Kläranlagen haben ForscherInnen solche multi-resistenten Bazillen schon entdeckt.
Hierzulande stellt sich die Situation aber noch vergleichsweise harmlos dar. Viel schlimmere Verhältnisse herrschen in China und Indien. Diese beiden Länder bilden die ersten Glieder der Lieferkette der globalisierten Arzneimittel-Herstellung (siehe auch SWB 3/17). Hier entstehen die Grundstoffe für die meisten gängigen Präparate von Big Pharma, denn als Standort-Vorteile winken niedrige Kosten und geringe Umweltauflagen. Dementsprechend unsäglich stellen sich die Produktionsbedingungen dar. Kaum oder gar nicht aufbereitet gelangen die Abwässer aus den Fabriken in die Umwelt. Im Falle von Ciprofloxacin und anderen Antibiotika-Wirkstoffen führt das zu Konzentrationen im Wasser von bis zu 31.000 Mikrogramm pro Liter.

Tier-Arzneien
Aber nicht nur Antibiotika aus der Humanmedizin, sondern auch solche aus dem Veterinär-Bereich belasten die Gewässer. Rund 600 Arzneimittel-Wirkstoffe sind als Tierarzneimittel zugelassen. In der Veterinärmedizin werden vor allem Antibiotika gegen bakterielle Infektionen und Antiparasitika, aber auch Entzündungshemmer und hormonell wirksame Substanzen beispielsweise zur Brunft-Steuerung eingesetzt. Die verabreichten Wirkstoffe gelangen hauptsächlich mit der Gülle, aber auch über Hofabflüsse oder mit der Stallabluft auf die Böden und von dort in die Gewässer. Aus Labor-Untersuchungen ist bekannt, dass beispielsweise das als Antiparasitikum eingesetzte Deltamethrin Zuckmücken-Larven im Sediment abtöten kann.
Aufgrund fehlender Monitoring-Daten auch für Veterinär-Arzneien ist eine deutschlandweite einheitliche Darstellung der Belastungssituation von Oberflächen-Gewässern und für das Grundwasser nicht möglich. Im Schnitt der letzten fünf Jahre wurden per anno rund 1.200 Tonnen antibiotischer Wirkstoffe jährlich in deutschen Tierställen eingesetzt. Seit Erfassung der Abgabemengen im Jahr 2011 sind die Mengen um mehr als 50 Prozent zurückgegangen11.
Auch wenn nicht alle Tierantibiotika in der Erhebung erfasst werden, ist dies eine gute Nachricht, denn was nicht eingesetzt wird, kann auch nicht in die Gewässer gelangen. Allerdings sagt die Zahl noch nichts über einen sparsameren Umgang mit den Pharmazeutika in den Ställen aus. Mit Mitteln wie dem Antibiotika BAYTRIL können wesentlich mehr Tiere behandelt werden als mit Mitteln aus den herkömmlichen Antibiotika-Klassen. Eine Tonne BAYTRIL reicht beispielsweise für die Behandlung von über zwei Millionen Mastschweinen aus, die gleiche Menge an Tetrazyklin würde gerade einmal für 39.000 Schweine reichen. Ob heute tatsächlich weniger Tiere mit Antibiotika behandelt werden als vor fünf Jahren, lässt sich also anhand der reinen Tonnagen nicht eindeutig sagen. Sicher ist: In Regionen mit hoher Viehdichte sind nicht nur die Menschen stärker mit resistenten Keimen aus der Tierhaltung belastet, sondern auch die Umwelt.
Bedenklich ist zudem aus Sicht eines vorsorgenden Umwelt- und Gesundheitsschutzes, dass im gleichen Zeitraum gut 13 Prozent mehr Fluorchinolone und knapp 10 Prozent mehr Cephalosporine der 3. Generation an TierhalterInnen abgegeben wurden, also Arzneimittel, die nach Einstufung der Weltgesundheitsorganisation zu den letzten noch wirksamen Mitteln gehören, wenn es um lebensbedrohliche Infektionen bei Menschen geht, und die zum Erhalt der Wirksamkeit für den Menschen nach Ansicht der WHO nicht bei Nutztieren eingesetzt werden sollten. Denn der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung fördert nachweislich die Ausbreitung von Resistenzen. Auch das BAYER-Produkt BAYTRIL mit dem Wirkstoff Enrofloxacin gehört zur Klasse der Fluorchinolone und damit zu den Reserveantibiotika und wird Geflügel, Rindern, Schafen und Schweinen verabreicht.
Antibiotika wie die Fluorchinolone oder die in großen Mengen eingesetzten Tetracycline binden sich überdies an Boden-Partikel. Tetracycline bewirken in Böden eine erhöhte Selektion antibiotika-resistenter Bodenbakterien und führen zu einer Verschiebung in der Zusammensetzung der Boden-Mikroflora. Der Fluorchinolon-Wirkstoff Enrofloxacin hemmt das Wachstum von Grünalgen, Wasserlinsen und Cyonobakterien. In der Veterinär-Medizin zum Einsatz kommende hormonell wirksame Arzneimittel stören wie ihre humanmedizinischen Counterparts selbst in sehr geringen Konzentrationen die Fortpflanzungsfähigkeit von Fischen und können Amphibien schädigen. Von den in deutschen Oberflächengewässern in Konzentrationen oberhalb von 0,1 μg/l nachgewiesenen Arzneimittel-Wirkstoffen befinden sich vier Tierarzneimittel-Wirkstoffe: Sulfadimidin, Sulfamethoxazol, Erythromycin und Trimethoprim. Auch im Grundwasser konnten bereits Arzneimittel aufgespürt werden12. Zu den nachgewiesenen Veterinär-Antibiotika zählen Sulfonamide (Sulfamethoxazol und Sulfamethazin (synonym: Sulfadimidin) sowie Tetracycline (Tetracyclin, Chlortetracyclin, Oxytetracyclin), Trimethroprim und Tylosin. Noch sind die gemessenen Konzentrationen gering und die Funde selten. Dennoch ist es alarmierend, dass Antibiotika überhaupt in unserem Grundwasser zu finden sind. Wir brauchen unser Grundwasser nicht nur als Reservoir für Trinkwasser. Grundwasserkörper sind besonders empfindliche Lebensräume.

Forderungen
Handlungsbedarf, um den Gewässerschutz zu verbessern, sowohl auf Ebene der Gewässerüberwachung als auch hinsichtlich der Risiko-Bewertung und des Risiko-Managements von Pestiziden, Bioziden oder von Tier- und Humanarzneimittel besteht in mehrfacher Hinsicht. Es ist beispielsweise nicht nachvollziehbar, dass Zulassungen erfolgen, obwohl Umweltbelastungen des Wirkstoffes gar nicht überwacht werden können, da eine entsprechend feine Analytik fehlt oder eine Überwachung gar nicht systematisch vorgesehen ist. Die großen Kenntnislücken zur Anwendung und zur Gewässer-Belastung von Bioziden müssen schnellstens geschlossen werden. Darüber hinaus sollten grundsätzlich Maßnahmen zur Reduzierung des Einsatzes von potenziell umweltgefährlichen Stoffen ausgebaut werden, denn die realen Risiken von Stoff-Gemischen werden nicht oder nur unzureichend in der Stoff-Regulierung berücksichtigt. So sollten beispielsweise Alternativen und Innovationen für einen nicht-chemischen Pflanzenschutz und ein nicht-chemisches Schadinsekten-Management viel stärker gefördert werden. Damit einhergehend sollte die Bevölkerung besser über Möglichkeiten zum Verzicht auf Pestizide in Haus- und Kleingärten oder zum Verzicht von biozid-haltigen Anstrichen oder Haushaltsprodukten informiert werden.
Zudem stehen die Firmen in der Pflicht, sich an den Kosten der Trinkwasser-Aufbereitung zu beteiligen. Dies gilt auch für die Produzenten von Pharma-Produkten. Eine entsprechende Forderung hat der Umweltausschuss des Bundesrates bereits im März 2016 gestellt. Auch der „Verband Kommunaler Unternehmen“ (VKU) erwartet das von den Konzernen. „Die Hersteller müssen die Auswirkungen auf Umwelt und Gewässer überwachen und gemeinsam Verantwortung übernehmen“, so die Hauptgeschäftsführerin Katherina Reiche. Bisher haben sich die Pillen-Riesen diesem Anliegen allerdings strikt verweigert. Der von BAYER mitgegründete „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VfA) etwa spielt das Problem herunter und will von einer Bringschuld nichts wissen. Dem Geschäftsführer Siegfried Throm zufolge machen Arznei-Stoffe nur „einen geringen Prozentsatz der ingesamt im Abwasser gefundenden Mikro-Verunreinigungen aus. Schon deshalb wäre es unberechtigt, Geldforderungen speziell an die Pharma-Industrie zu stellen“, meint er.
Sodann haben sich die Unternehmen nach dem Kodex der „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ zu richten, der sie dazu anhält, entlang ihrer gesamten Zuliefer-Kette „um eine Verbesserung ihrer Umwelt-Ergebnisse“ bemüht zu sein.
Überdies kommen BAYER & Co. nicht umhin, eine nachhaltige Pharmazie zu entwickeln, die das Übel an der Wurzel packt und schädliche Rückstände erst gar nicht entstehen lässt. Dafür ist es nach Ansicht des Chemie-Professors Klaus Kümmerer nötig, dass die Pillen-Produzenten sich von einem ihrer ehernen Grundsätze verabschieden. „Wenn ein Wirkstoff am Markt erfolgreich sein soll, dann muss er stabil sein“ – dieses Axiom hinterfragt der Wissenschaftler. „Das ist (...) nur Marketing und aus chemischer Sicht nicht unbedingt sinnvoll“, urteilt er. Der Forscher, der an der Lüneburger Leuphana-Universität lehrt, schlägt stattdessen vor, Arzneien zu schaffen, die im Magen mit anderen Substanzen reagieren und sich in der Umwelt dann zu Kohlenstoff und Wasser umwandeln.
Der Gesetzgeber schließlich ist gehalten, die Umweltverträglichkeit von Medikamenten zu einem Zulassungskriterium zu machen und das Wasserrecht zu verschärfen. Auch sollte er das in den Apotheken 2009 abgeschaffte Rückgabe-System für nicht aufgebrauchte Medikamente wieder einführen. Und die EU hat endlich ihre schon seit September 2015 ausstehende Strategie zum Schutz des Wassers vor Pharmazeutika zu verabschieden.
Das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) plädiert darüber hinaus dafür, Grenzwerte/Schwellenwerte bzw. Umweltqualitätsnormen sowohl für Tier- als auch für Human-Arzneimittel-Rückstände in Gewässern einzuführen. Für Pestizide und Biozide gibt es diese seit Langem. Zudem müssten Arzneimittel-Verunreinigungen mithilfe der Mess-Programme der Wasserrahmen-Richtlinie (WRRL) systematisch erfasst werden. Neben den Antibiotika, die schon aufgrund ihrer großen Anwendungsmengen umwelt-relevant sind und den hormonellen Wirkstoffen, die bereits in sehr geringen Konzentrationen in ökologische Prozesse und Organismen eingreifen können, sind diejenigen Arzneistoffe besonders umwelt-problematisch, bei denen langfristige Auswirkungen erwartet werden, wie bei Substanzen, die als langlebig (persistent), bioakkumulierbar und toxisch eingestuft sind, sogenannte PBT-Substanzen wie z. B. BAYERs CYDECTIN-Antiparasitika mit dem Wirkstoff Moxidectin.
Parallel hierzu sind Vorkehrungen zur Minimierung von Tierarzneimittel-Einträgen in die Umwelt zu treffen. Sie sollten an der „Quelle“ ansetzen, also dort, wo Krankheiten vermieden werden können: Durch verbesserte Tierhaltung und Tierzucht.
Mit all diesen Maßnahmen wäre zumindest ein kleiner Schritt getan, um das für den Menschen lebenswichtige Element „Wasser“ vor den gröbsten Belastungen zu schützen.

Anmerkungen

Malaj, E. et al. (2014). Organic chemicals jeopardize the health of freshwater ecosystems on the continental scale. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 111(26): 9549–54. DOI:10.1073/pnas.1321082111
Helmholtz Zentrum für Umweltforschung, UFZ (2013): Pestizide reduzieren die Artenvielfalt in Gewässern deutlich. Momentane Risikobewertung schützt nicht ausreichend. Pressemitteilung vom 17. Juni 2013: http:www.ufz.de/index.php?de=35329
Umweltbundesamt, UBA (2017): Gewässer in Deutschland: Zustand und Bewertung. http:
www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1968/publikationen/170829_uba_fachbroschure_wasse_rwirtschaft_mit_anderung_bf.pdf
Sachverständigenrat für Umweltfragen, SRU (2016): Umweltgutachten 2016 - Impulse für eine integrative Umweltpolitik, Kapitel 6: Verbesserter Schutz der Biodiversität vor Pestiziden: https:www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/01_Umweltgutachten/2016_Umweltgutachten_HD.html
Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, BVL (2017): Meldungen gemäß § 64 Pflanzenschutzgesetz für das Jahr 2016: http:
www.bvl.bund.de
Umweltbundesamt, UBA (2017): Sind Biozideinträge in die Umwelt von besorgniserregendem Ausmaß? Empfehlungen des Umweltbundesamtes für eine Vorgehensweise zur Untersuchung der Umweltbelastung durch Biozide. UBA-Texte 15/2017: http:www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1410/publikationen/2017-02-27_texte_2017-15_biozideintraege.pdf
Ulrich, U. et al. (2015): Datenlage zur Belastung der Kleingewässer durch Pestizide in Deutschland: ein Statusbericht. In: Hydrologie und Wasserwirtschaft 59 (5). S. 227-238
Müller A. (2014): Themenschwerpunkt Gewässermonitoring/ -schutz. Vortrag im Forum NAP, 03.-04. Dezember 2014, Alexandra Müller, UBA IV 1.3 / Pflanzenschutzmittel: https:
www.nap-pflanzenschutz.defileadmin/user_upload/_imported/fileadmin/SITE_MASTER/content/Dokumente/Grundlagen/Forum/2014/13_2_Praesentation_TOP_9_UBA_Mueller_02.pdf
LAWA (2016): Mikroschadstoffe in Gewässern: http:
www.lawa.de/documents/Uml24-2016_20160126_LAWA_Bericht_Mikroschadstoffe_in_Gewaessern_final_761.pdf
10 Tim aus der Beek et. al. (2016): Pharmaceuticals in the environment – Global Occurences and perspectives. Environmental Toxicology and Chemistry; Volume 35, Issue 4
11 BVL (2017): Vergleich der Abgabemengen der Wirkstoffklassen 2011 bis 2016. https:www.bvl.bund.de/SharedDocs/Bilder/09_Presse/Download_Bilddateien_Presse_Hintergrundinformation/20170911_Tabelle_Antibiotika_Abgabemenge2016_Print.html?nn=1401276
12 PAN (2017): Antibiotikafunde im Grundwasser. Studie unterstützt Forderung nach Einführung eines Grenzwertes für Arzneimittel http:
www .pan-germany.org/download/pestizid-brief/PB2_2016_Antibiotika%20im%20GW_2016_FIN.pdf






[Klima-Killer] Klima-Killer BAYER

CBG Redaktion

CBG protestiert bei Bonner Klima-Konferenz

Aus gegebenem Anlass nahm die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN im November 2017 an den Protesten rund um die Bonner Weltklima-Konferenz teil.

Von Jan Pehrke

Die Chemie-Branche im Allgemeinen und der BAYER-Konzern im Besonderen zählen zu den größten industriellen Klima-Killern. Mit ihren massiven Kohlendioxid-Emissionen tragen die Konzerne maßgeblich dazu bei, dass die Bundesrepublik ihre selbstgesteckten Klimaschutz-Ziele zu verfehlen droht. Darum zog auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) im Herbst 2017 nach Bonn, um sich an den Protesten rund um die Weltklima-Konferenz der Vereinten Nationen zu beteiligen. In seiner Rede auf der Abschluss-Kundgebung der „Schluss mit dem faulen Zauber“-Demonstration am 11. November eröffnete CBG-Geschäftsführer Jens Wegener einen tiefen Blick in das Klimasünden-Register des Leverkusener Multis. 9,87 Millionen Tonnen Kohlendioxid hat er Wegener zufolge 2016 ausgestoßen –160.000 Tonnen mehr als 2015!!! Auch über einen längeren Zeitraum betrachtet zeichnet sich deutlich ein negativer Trend ab: 2006 betrug der Wert noch 9,38 Millionen Tonnen CO2.
Überdies setzt das Unternehmen immer noch stark auf die besonders klima-schädliche Kohle, wie der CBGler in Bonn kritisierte. 32,6 Prozent betrug 2016 ihr Anteil am Energie-Mix des Global Players beim selbsterzeugten Strom, beim zugekauften dürfte er noch höher liegen. Der Konzern hält an der Steinzeit-Technologie fest, weil der Preis stimmt – alles andere interessiert ihn nicht. Dementsprechend lehnt er alle Versuche einer ehrgeizigen Klimaschutz-Politik als zu kostspielig ab. „Die Energie-Wende ist der größte Einschnitt in die Wertschöpfung der deutschen Industrie, den es je gegeben hat“, klagt etwa BAYERs Aufsichtsratsvorsitzender Werner Wenning. Darum versuchte die Aktien-Gesellschaft in Tateinheit mit anderen Unternehmen auch, Maßnahmen wie den Emissionshandel, das Erneuerbare-Energie-Gesetz oder den Klimaschutz-Plan so gut es ging aufzuweichen – mit Erfolg. Als die PolitikerInnen sich beispielsweise daranmachen wollten, den Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten zu einer teureren Angelegenheit für die Industrie zu machen, um der Erd-Erwärmung wirksamer Einhalt zu gebieten, brach ein Sturm der Entrüstung los. Angela Merkel zeigte sich dem nicht gewachsen und musste resigniert feststellen, eine Neuregelung sei „gegen die geballte deutsche Wirtschaft“ nicht durchsetzbar. Unlängst hat die EU hier zwar eine Reform auf den Weg gebracht, aber ohne Ausnahme-Regelungen für energie-intensive Branchen ging auch das nicht über die politische Bühne. Immer wieder verfangen nämlich die Drohungen der Wirtschaft, bei Entscheidungen wider ihre Profit-Interessen das Weite zu suchen. So warnte z. B. der ehemalige BAYER-Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers: „Ansonsten kann sich ein globales Unternehmen wie BAYER überlegen, seine Produktion in Länder mit niedrigeren Energiekosten zu verlegen“. Und jüngst drängte der beim Konzern für „Environment & Sustainability“ zuständige Wolfgang Große Entrup: „Angesichts explodierender Kosten ist eine marktwirtschaftliche und europäische Neuausrichtung der Energie- und Klimapolitik zwingend notwendig.“ Mit einem entsprechenden Vorschlag wartete der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI) just zur Bonner Weltklima-Konferenz auf: „Die Chemie-Industrie regt an, dass künftige Kosten der Energie-Wende vom Bundeshaushalt übernommen werden.“

[40 Jahre CBG] Das Interview zum runden Geburtstag

CBG Redaktion

In diesem Jahr kann die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) ihr 40-jähriges Bestehen feiern. Mit einem ganz frischen Blick auf die Geschichte der Coordination befragt der neue CBG-Geschäftsführer Jens Wegener im Stichwort BAYER das Gründungsmitglied Axel Köhler-Schnura und den 1997 dazugestoßenen Jan Pehrke zu den Anfängen, den ersten Erfolgen, den Gegen-Reaktionen BAYERs, dem Standhalten und den neuen Herausforderungen, vor denen das Netzwerk steht. Aus gegebenem Anlass musste das Interview nur leider am Krankenlager von CBG-Urgestein Köhler-Schnura stattfinden, der schon seit Juni 2017 an einem ebenso komplizierten wie schmerzhaften Oberschenkel-Bruch laboriert (siehe auch Kasten).

Jens: Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN feiert dieses Jahr ihr 40-jähriges Bestehen. Ihre Gründung geht auf zwei große Unfälle bei BAYER im Jahr 1978 zurück. Wie genau ist es denn passiert, dass daraus ein so großes Netzwerk entstanden ist?

Axel: Die zwei Beinahe-Katastrophen ereigneten sich in Wuppertal. Dort gründete sich BAYER im vorletzten Jahrhundert, und das Werk steht mitten in der Stadt. Deswegen sind Unfälle in einem solchen Werk auch besonders gefährlich. Und dass die zwei Unfälle auch noch kurz hintereinander passiert sind, hat dazu geführt, dass sich eine Bürgerinitiative gegründet hat. Unfälle gibt es jeden Tag irgendwo in Deutschland in irgendeinem Industrie-Werk, und sie sorgen auch einige Tage für Aufregung, aber wenn dann erst mal wieder Ruhe einkehrt und das dann anschließend wieder zehn Jahre gut geht, dann passiert halt nichts. Aber in Wuppertal ist im Abstand von wenigen Wochen ein zweiter Unfall eingetreten, und dadurch sind die Leute wach geworden. Ich selbst gehörte zu den Menschen, die damals zu einer Bürgerversammlung aufgerufen hatten. Wir haben eine Gaststätte gesucht, da haben vielleicht 100 Leute reingepasst, aber es kamen fast 1.000. Sie standen dann vor der Gaststätte, und die Polizei musste sogar die Straße absperren und den Verkehr aufhalten für dieses Treffen. Die AnwohnerInnen waren wirklich auf den Barrikaden durch diese kurz aufeinanderfolgenden zwei Unfälle. Hätte es nur den ersten gegeben, kann man heute rückblickend sagen, gäbe es vielleicht gar keine COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN. Dann hätte das alles in der lokalen Presse Wellen geschlagen, und es hätte viele Leserbriefe gegeben und vielleicht einiges mehr, aber dann wäre es wieder verplätschert.

Jan: Es waren aber glaube ich auch nicht nur die Unfälle selber, sondern auch die Reaktionen von BAYER auf die Unfälle, die zu der Empörung führten.

Axel: Nein, es waren erst mal nur die Unfälle. Wobei dann, als die Bürgerinitiative zu arbeiten begonnen hat, sich der Ärger über den Konzern schon gesteigert hat, weil BAYER mit verharmlosenden Falschmeldungen reagiert hat. Beim ersten Unfall hatte es auch bereits solche Falschmeldungen gegeben, und das hat auch da zu Unmut geführt, aber so richtig den Protest beflügelt hat natürlich dann, was nach dem zweiten Unfall passiert ist. Da hat nämlich die Bürgerinitiative schon gearbeitet. Sie konnte so immer direkt reagieren und dem Protest in der Öffentlichkeit auch Stimme und Kraft verleihen. Und verharmlost hat der Konzern nicht zu knapp, z. B. anfangs bei den Angaben über das ausgetretene Gift. Die Menge hat sich binnen drei Wochen von einigen Gramm auf hunderte von Kilogramm erhöht.

Jens: Es ist ja immer wieder so: Es passiert etwas, aber gleich darauf kommt die Meldung: Es besteht keinerlei Gefahr, obwohl es eigentlich gar nicht möglich ist, diese Aussagen zu einem solchen Zeitpunkt zu treffen. Gelang es euch, das in Wuppertal durchkreuzen, indem ihr recherchiert habt und dann mit konkreten Fakten an die Leute herangegangen seid? War das ein wichtiger Impuls dafür, dass die Leute gesagt haben: Wir müssen längerfristig etwas gegen BAYER unternehmen?

Axel: Nein, das war alles viel simpler. Da war erst einmal so die allgemeine Empörung, die Angst. Man hat gesehen, wie die Vögel tot vom Himmel fallen; man hat gesehen, wie die Balkon-Pflanzen und die Straßenbäume ihre Blätter abgeworfen haben; man hat beim ersten Unfall gesehen, wie die ganzen Fensterscheiben und Tür-Stöcke barsten in einem Umkreis von 500 bis 1.000 Metern rund ums Werk. Da hat es ausgesehen wie nach einem Bomben-Angriff. Das haben die Leute gesehen. Aber sie wussten nicht, was das bedeutet, woher das kommt, warum das so ist und ob sich das morgen wiederholen kann. Also so ein ganz diffuses Angst-Gefühl. Man hat plötzlich gemerkt: Hoppla, da ist eine Gefahr, und ich bin betroffen. Deswegen ging es der Bürgerinitiative zuerst einmal darum, rauszukriegen, was überhaupt los war. Also, wir haben keine Fakten gehabt, gar nichts. Wir haben gerade mal gewusst, dass das Wort „BAYER“ aus fünf Buchstaben besteht und nicht mehr und nicht weniger. Und jetzt haben wir angefangen: Was heißt das überhaupt, diese fünf Buchstaben? Da ist eine Werksmauer, und was passiert dahinter? So hat das angefangen.

Jan: Was sind das überhaupt für Gifte? Was ist eine Pestizid-Produktion, wie ist die aufgebaut? Was lauern da für Gefahren? All das wusste damals keiner, es waren alles Laien mehr oder weniger.

Axel: Voll die Laien, keine Ahnung von nichts. So hat das angefangen, und das hat auch zu den Antworten geführt: Das und das ist ausgetreten, aber in einer ganz kleinen Menge. Als wir dann diese Information hatten, haben wir uns erst mal mit dem Stoff auseinandergesetzt, mit der Menge. Dann ergaben sich plötzlich Widersprüche, und BAYER musste ständig nachbessern, weil das alles nicht gepasst hat. Schließlich wurde man immer sachkundiger und ist praktisch erschrocken, dass man eine Straßenbreite getrennt von einer Produktion lebt, die Atomkraftwerkscharakter hat. Das hat dann dazu geführt, dass die Initiative sich stabilisiert und weitergearbeitet hat und letztendlich so etwas wie die Coordination dabei herausgekommen ist.

Jens: Ihr habt da rausgefunden: Wir müssen den Konzern genauer beobachten, wir müssen überall dort mehr recherchieren, wo BAYER zum Schaden von Mensch, Tier und Umwelt agiert. Eine Baustelle war da die Nordsee.

Axel: Du meinst die Proteste gegen die Dünnsäure-Verklappung in der Nordsee – das war fünf Jahre später. So schnell ging das alles nicht. Man hat erst einmal herausgefunden, dass das ein gefährliches Werk war und hat auch die gesamte Komplexität nach ein, zwei Jahren noch nicht so richtig überblickt. Was aber passierte: Ein Jahr später hat sich ein noch viel gefährlicherer und größerer Unfall ereignet, in Dormagen, das ist 30, 40 Kilometer von Wuppertal entfernt. Verschiedene Sachen erfolgten dann. Wir haben erst einmal festgestellt, dass BAYER dort genauso verharmlost und genau dieselben dummen Sprüche bringt, um die Bürger einzulullen und Nebelkerzen zu werfen. Und wir haben festgestellt, dass die Bürger dort genauso beunruhigt waren oder sogar noch sehr viel mehr als bei uns in Wuppertal, weil das tatsächlich tödliche Gifte waren, die da ausgetreten sind. In einem Gebiet von 300 Quadratkilometern wurde Katastrophen-Alarm ausgelöst. Da wir jetzt schon praktisch seit anderthalb Jahren dabei waren, haben wir sofort Kontakt aufgenommen mit den Bürgern und den Journalisten. Und das war ein Quantensprung, in jeder Hinsicht. Bei uns ist die Erkenntnis gewachsen: Oh, BAYER-Werke gibt es also nicht nur in Wuppertal. Das war uns vorher gar nicht so klar, weil wir so beschäftigt waren mit den beiden Unfällen, dass wir Konzern-Strukturen und all das gar nicht gesehen haben. Und über diesen Gedanken sind wir dann auch zum Gesamt-Konzern gekommen – und noch mal ein paar Jahre später zur Nordsee.
Das Zweite war, dass wir den Leuten in Dormagen unsere Erfahrungen, die wir in Wuppertal gemacht haben, vermitteln konnten. Darum hatte der Protest dort von Anfang an eine ganz andere Qualität und entsprechend viel Resonanz. Und da haben wir auch unsere erste Auseinandersetzung mit BAYER direkt gehabt. Der WDR kam für eine Sendung über den Unfall nach Dormagen, die live im Radio übertragen wurde: Vor Ort. Es war jemand von BAYER da, der Bürgermeister, Vertreter der Feuerwehr plus etwa 1.000 Bürger. Aber BAYER ist baden gegangen, in einer verheerenden Art und Weise, weil wir dort aus unseren Wuppertaler Erfahrungen schöpfen konnten und gewappnet waren. Die BAYER-Vertreter wurden ausgebuht und ausgelacht. Das war die Situation, und das alles live über den Sender. Das war die erste große Niederlage, und die hat auch direkt dazu geführt, dass die „Vor Ort“-Sendungen von diesem Zeitpunkt an nicht mehr live gemacht wurden. Und von dieser Sendung gibt es beim WDR nicht einmal mehr Kopien.

Jens: Wenn ein Konzern merkt, dass sich da etwas organisiert, dann versucht er natürlich auch, das zu bekämpfen. Was ist euch da denn so entgegengeschlagen in den ersten Jahren?

Axel: BAYER war in keinster Weise darauf vorbereitet, dass es da jetzt eine Bürgerinitiative gab, die länger besteht als nur zwei Wochen, also eine Kontinuität über die Zeit hinweg zeigt und überdies auch räumlich hinausgreift. Der Konzern hat da relativ hilflos herumoperiert. Mit Falschmeldungen, mit Verleumdungen und mit dem allgemeinen Programm: den Werkschutz in Stellung bringen, mal gucken, was sind das überhaupt für Leute ... das war es dann erst mal. In der Folgezeit, als wir schon systematisch Kontakt zu allen BAYER-Standorten in der Bundesrepublik aufgebaut hatten und regelmäßig die Probleme vor Ort thematisierten, kam die erste große Gegenmaßnahme, die speziell mit unserer Arbeit zu tun hatte. BAYER gab die Nachbarschaftszeitung BAYER direkt heraus. Damit hat der Konzern versucht, der wachsenden BAYER-kritischen Stimmung an den Standorten entgegenzuwirken.
Dann haben sie direkt draufgesattelt und Veranstaltungen gemacht, haben sogar BAYER-Gebäude zugänglich gemacht und als Bürgerzentren ausgewiesen. Dort haben sie den Kontakt zur Bevölkerung gesucht und versucht, sich mit uns auseinanderzusetzen, aber nicht direkt. Nach dieser „Vor Ort“-Sendung hat sich BAYER uns bis auf den heutigen Tag nie mehr direkt gestellt. Wenn dem Konzern etwa bekannt wurde, dass einer von uns bei einer Diskussion mit auf dem Podium sitzt, sagte er alles ab. Bis zum heutigen Tag war das damals in Dormagen das letzte öffentliche Zusammentreffen von BAYER-Vertretern mit Coordinationsvertretern. Aber indirekt hat der Konzern durch diese Nachbarschaftszeitungen, über diese Bürgerzentren versucht, auf uns zu reagieren.
Aber auch da haben sie direkt eine Niederlage erlitten, da wir durch Kontakte in das Werk hinein genau wussten, wann diese Zeitung erscheinen sollte. Und einen Tag vorher verteilten wir dann flächendeckend an allen Standorten den vier-seitigen Flyer „Direkt von BAYER – direkt in den Müll“. Das war die zweite große Niederlage, die BAYER erlitten hat, denn damit hatte der Konzern auch nicht gerechnet, dass wir den Charakter dieses Propaganda-Blattes enthüllen.

Jan: Später hat BAYER dann schon härtere Geschütze aufgefahren. Der Konzern hat den Werkschutz gegen uns in Stellung gebracht. Er hat ihn mit DKP-Fahnen ausstaffiert und zu unseren Hauptversammlungsaktionen beordert, um den Protest als DKP-gesteuert darzustellen. Und in den 1980er Jahren hat BAYER uns einen großen Prozess angehängt, der wirklich an unsere finanzielle Substanz ging. Sie haben sich ein Flugblatt von uns vorgenommen, eine Passage rausgepickt, wo wir dem Konzern vorwerfen, in seiner grenzenlosen Jagd nach Profiten demokratische Prinzipien zu verletzen, Kritiker unter Druck zu setzen und sich politischen Einfluss zu erkaufen und uns wegen Verleumdung angeklagt. Und der Streitwert war, ich weiß nicht, wie hoch war der Streitwert, Axel?

Axel: Der Streitwert war nicht das Entscheidende. Sie haben wegen Verleumdung geklagt, und wir sind verurteilt worden. Der Richter hat sich dann sogar noch angemaßt anzuordnen, dass wir die inkriminierte Passage nicht mehr wiederholen dürfen und dass wir jedes Mal, wenn sie irgendwo erscheint, eine Strafe zahlen müssen von 5.000 DM. Da die ganze Prozess-Berichterstattung logischerweise das inkriminierte Zitat gebracht hat, mussten wir für jeden Artikel 5.000 DM Strafe zahlen. Das hat natürlich zu hohen Strafen geführt, und der Prozess selbst hat auch noch mal eine Menge Geld gekostet. Das hat sich insgesamt auf einen Betrag von 400.000 Euro summiert. Wir sind dann vor das Bundesverfassungsgericht gezogen. Es hat alle Urteile revidiert, und wir haben auch alle Strafgelder zurückbekommen, aber die Prozess-Kosten nicht. Allein das Rechtsgutachten – vor dem Bundesverfassungsgericht kann man nicht bloß mit einer Klage-Schrift argumentieren, man braucht ein Rechtsgutachten – hat uns 100.000 DM gekostet.

Jan: Roman Herzog, der später Bundespräsident geworden ist, hatte damals den Vorsitz und in seiner Urteilsbegründung von dem hohen Gut der Meinungsfreiheit gesprochen, das es zu schützen gelte.

Axel: Wäre das Urteil nicht durch das Bundesverfassungsgericht revidiert worden, dann würden die Zeitungen heute alle ganz anders aussehen. Der Richter, der in der 2. Instanz das Urteil gesprochen hat, riet dem BAYER-Konzern sogar, uns nicht nur zivilrechtlich, sondern auch noch strafrechtlich zu belangen. Wenn er dann der Vorsitzende Richter wäre, hat er wörtlich gesagt, würde er mich für drei Jahre ins Gefängnis stecken. Das zeigt, wie drakonisch dieses Urteil war, und welche Auswirkungen es auf die bundesdeutsche Presselandschaft gehabt hätte. Darum war der Zuschauer-Raum auch voll mit Medien-Vertretern. Da saßen die ganzen Justiziare von Gruner & Jahr, vom Westdeutschen Rundfunk und haben sehr genau zur Kenntnis genommen, wie da die Urteile gefällt worden sind. Das Urteil ist schließlich zu der juristischen Grundlage für jede demokratische Berichterstattung in der Bundesrepublik geworden und gehört inzwischen zum Curriculum der Journalisten-Ausbildung. BAYER hat also von Beginn an immer wieder Niederlagen erlitten, die schon schmerzhaft waren. Das waren so Erfolge, die wir nebenbei erzielt haben, das waren jetzt noch nicht mal so direkte Erfolge wie der,
die Dünnsaure-Verklappung in der Nordsee zu stoppen.

Jens: Zu den größten direkten Erfolgen der CBG gehört die Verhinderung des Baus eines Pestizid-Werkes in Australien. Wie hat sich das genau abgespielt?

Axel: Es war Mitte der 80er Jahre, da gab es noch keinen Email-Verkehr. Da haben wir ein Fax bekommen von Leuten aus einem kleinen Dorf in Australien: Der BAYER-Konzern hätte in der Nähe des Dorfes, das in einem Wattenmeer-Naturschutzgebiet liegt, angefangen, ein Pestizid-Werk zu bauen. Sie wären zutiefst beunruhigt, wüssten aber nicht so genau, was es mit einem solchen Werk auf sich hat und was sie machen sollten. Wir haben die Menschen dann erst einmal über Pestizid-Werke informiert, haben im Austausch herausgefunden, was BAYER genau dort produzieren will und dann Material zu den Stoffen geliefert. Das hat die Leute qualifiziert, ihrerseits Pressevertreter und Vertreter von Umwelt-Organisationen sachgerecht zu informieren. Und wir haben gleichzeitig hier Alarm geschlagen, denn es ist ja immer eine unserer Hauptaufgaben, dass wir Proteste, die woanders entstehen, nicht nur dort austragen, sondern auch immer direkt bei BAYER in Leverkusen.
Nach einiger Zeit kam dann noch heraus, dass BAYER von dem australischen Bundesstaat tatsächlich die Genehmigung hatte, dieses Pestizid-Werk mitten ins Naturschutzgebiet im Wattenmeer zu bauen. Das hat noch weiter zur Skandalisierung des Ganzen beigetragen und dazu geführt, dass eine Konfrontation mit BAYER und dem Bundesstaat entstanden ist und es wenig später übergesprungen ist auf das ganze Land. So ist die Regierung unter Druck geraten und hat in ihrer Not eine Volksabstimmung über das BAYER-Werk angesetzt. Jetzt haben noch ganz andere Gruppen in die gesellschaftliche Diskussion eingegriffen, die Parteien, die Gewerkschaften und die Kirchen. Praktisch ist es zu einer wirklichen nationalen Diskussion darüber gekommen, ob der BAYER-Konzern in dem Wattenmeer ein Pestizid-Werk bauen darf oder nicht. Und die Bevölkerung war der Meinung: BAYER darf da kein Werk bauen. Das war ein gigantischer Sieg. Und wir haben dann hinterher auch dutzende von Dankesbriefen bekommen von Parteien, Gewerkschaften, Umweltverbänden, Kirchen, die sich bei uns persönlich bedankt haben für die großartige Unterstützung in dieser Auseinandersetzung.

Jens: Der BAYER-Konzern hat enorme Möglichkeiten, um seinen Standpunkten in der Öffentlichkeit Geltung zu verschaffen, aber die CBG bringt auch ein eigenes Magazin heraus, in dem sie eine Gegenposition dazu bezieht, das Stichwort BAYER. Wie schafft es die Coordination in einer Zeit, da viele Printmedien über Schwierigkeiten klagen, regelmäßig ein solches Magazin herauszubringen?

Jan: Es sind unsere Mitglieder, die uns dabei unterstützen. Und es war uns von Anfang an klar, dass wir ein publizistisches Organ brauchen, in dem wir darstellen, was wir gemacht haben, die Aktionen durcharbeiten, aber auch durch die Recherchen der Redaktion neue Anregungen für unsere Arbeit erhalten. Nur in unseren großen Krisen stand es mal in Frage, das Stichwort BAYER aufzugeben, aber im Allgemeinen haben wir es immer als sehr wichtig empfunden.

Axel: Jan hat ja schon gesagt: die Mitglieder. Ich würde noch hinzufügen: und die SpenderInnen. Das muss man nämlich wirklich einmal laut und deutlich sagen: Die Mitglieder und Spenderinnen sind unser A und O, denn die Coordination erhält keinerlei institutionelle Förderung. Es gibt keinen Geldgeber, der die Coordination regelmäßig finanziert. Das heißt, wir müssen alles durch Spenden und Förderbeiträge aufbringen – auch das Geld für das Stichwort BAYER. So eine Zeitschrift kostet nämlich: das Layout, der Druck, die Postzustellung ... Über den Preis von 30 Euro für das Jahres-Abonnement ist das nicht zu finanzieren. Es ist ein hoher fünfstelliger Betrag, den wir aufbringen müssen. Und da ist es ein großer Erfolg, dass die Zeitschrift erscheint, und dass sie auch wirklich schon seit Anfang der 80er Jahre erscheint. Das zeigt, dass es möglich ist, eine Zeitschrift herauszubringen, die dauerhaft und mit einer steigenden Auflage einen Konzern unter Kritik stellt mit all den Informationen, die über andere Konzerne nirgends zu lesen sind. Spätere Generationen werden sich darüber freuen. Der BAYER-Konzern ist meines Wissens der einzige Konzern in der ganzen Welt, der in dieser Weise umfangreich dokumentiert ist. Wie es ja auch im Ganzen keinen Konzern gibt, der sich schon so lange mit so etwas wie der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN herumschlagen muss.

Jens: Und der Konzern muss sich seit 1983 auch auf seinen Aktionärsversammlungen mit der Coordination herumschlagen ...

Jan: Ja, meine Vorgänger haben irgendwann entdeckt, dass man Zugang zu den Hauptversammlungen hat, wenn man eine Aktie kauft und das die Möglichkeit eröffnet, Konzern-Kritik direkt in der Höhle des Löwen zu betreiben. Man hat da den Vorstand direkt vor sich und kann ihn direkt damit konfrontieren, was alles so falsch läuft im Unternehmen. Das Pestizid-Werk in Australien z. B. – das haben wir auch da zur Sprache gebracht. Und der Vorstand muss uns aufgrund des Aktien-Rechts auf unsere Fragen auch Antworten geben. Er bemüht sich natürlich nach Kräften, möglichst ausweichende Antworten zu geben, aber manchmal ergeben sich da auch ganz interessante Momente.

Axel: Der BAYER-Konzern hat ja seit der WDR-Sendung in Dormagen zu dem Groß-Unfall nie wieder ein öffentliches Aufeinandertreffen zugelassen von BAYER-Vertretern und Coordinationsvertretern. Und genau deshalb sind wir dann zur Hauptversammlung gegangen. Wir haben gesagt: Wenn die nicht mit uns reden, kommen wir eben zu den Hauptversammlungen und reden mit ihnen.

Jens: Wenn man sich das alles so anhört, wie viel die CBG so macht, dann fragt man sich natürlich: Wie finanziert man das, vor allem unter dem Aspekt, dass der CBG der Anspruch auf Gemeinnützigkeit verweigert wurde?

Axel: Die Verweigerung der Gemeinnützigkeit, was bedeutet, dass Spenden an uns also nicht von der Steuer absetzbar sind, war 1983, in der Frühzeit der Gründung, eine der Maßnahmen, uns das Leben schwer zu machen. In den Akten schrieb der damalige Polizeipräsident von Wuppertal: Diese Organisation darf niemals die Gemeinnützigkeit kriegen. Dabei war klar, dass das ein von BAYER gesteuerter Akt war, weil der Konzern in Wuppertal die ganze Stadt dominiert – an allen Standorten dominiert er die Politik vor Ort. Und auf Landes- und Bundesebene tut er das genauso wie auf internationaler Ebene. Wir haben trotzdem 13 Jahre lang mit steuerrechtlichen und anderen juristischen Mitteln versucht, die Gemeinnützigkeit zu bekommen, aber es ist uns nicht gelungen. Unterstützung haben wir jedoch trotzdem erhalten. Die Leute entscheiden sich und sagen: Ich finde es richtig, Konzern-Kritik zu unterstützen oder eben nicht. Und da spielt es dann nicht die entscheidende Rolle, ob sie dafür eine steuerwirksame Spenden-Quittung bekommen oder nicht. Geld an eine Organisation wie die CBG zu geben, ist eine bewusste Entscheidung, das geschieht nicht einfach aus einem karitativen Impuls heraus.

Jan: Es gab auch gerade wegen der fehlenden Gemeinnützigkeit Solidarisierungseffekte bei den Leuten. Sie wissen eben, dass wir besonders auf Unterstützung angewiesen sind, weil wir keine großen anderen Möglichkeiten haben, unsere Arbeit zu finanzieren, etwa durch institutionelle Förderung oder durch großartige Anträge bei der EU.

Axel: Darum ist eigentlich der größte Erfolg in der Geschichte der Coordination, dass wir über 40 Jahre hinweg sicherstellen konnten, dass die Arbeit der Coordination immer finanziert wurde. Und das ist nicht nur ein finanzieller Erfolg, sondern auch ein politischer Erfolg, weil hinter der Unterstützung immer bewusste Entscheidungen stehen. Es wird tatsächlich wahrgenommen, dass diese Arbeit wichtig ist und dass sie erfolgreich ist.

Jens: Aktuell steht natürlich auch viel Arbeit an, und da ist vor allem die von BAYER geplante MONSANTO-Übernahme zu nennen.

Axel: So etwas wie die MONSANTO-Übernahme haben wir seit Bestehen der Coordination noch nicht erlebt. Seit der Zerschlagung der von BAYER mitgegründeten IG FARBEN nach 1945 hat der Konzern nicht mehr versucht, ein Monopol zu errichten. BAYER galt lange als Konzern, der eine wesentliche Mitschuld an den beiden Weltkriegen trägt und musste vorsichtig agieren, um sich überhaupt wieder im Wirtschaftsbereich zu etablieren.

Jan: In den USA durfte BAYER lange Zeit gar nicht unter dem eigenen Namen auftreten. Erst 1994 gelang es dem damaligen Vorstandsvorsitzenden Manfred Schneider, die bereits im Ersten Weltkrieg von den Amerikanern als „Feindvermögen“ konfizierten Namensrechte zurückzukaufen.

Axel: Aber jetzt setzt der Konzern mit der MONSANTO-Übernahme erstmals wieder – zwar nur in einem Teilbereich – dazu an, ein Monopol zu errichten. Und deswegen halte ich die MONSANTO-Übernahme für das einschneidenste Ereignis überhaupt in der bisherigen CBG-Geschichte. Sollte der Deal zustandekommen, wäre das für die Coordination eine riesige Herausforderung. Wir müssten uns einarbeiten in die MONSANTO-Produkte, die MONSANTO-Standorte und unser Netzwerk ausweiten, zwar keine Übernahme machen wie BAYER, aber unsere Aktivitäten mit dem weltweiten MONSANTO-Protest zusammenführen und tragfähige internationale Kooperationen herstellen. Wir sind jedoch gewappnet. Seit anderthalb Jahren schon haben wir einen internationalen Aufruf, und wir haben 2016 das MONSANTO-Tribunal in Den Haag als Startpunkt für den Aufbau dieses gemeinsamen antikapitalistischen Widerstandsnetzwerkes genommen.

Kasten
Ohne Ihre Hilfe geht es nicht.
Gegen einen internationalen Konzern anzutreten, kostet Geld. Viel Geld. Deswegen braucht die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN Ihre Hilfe. Darum: Schenken Sie uns zum Geburtstag Ihre Fördermitgliedschaft. Oder erhöhen Sie Ihren Beitrag, wenn Sie schon Fördermitglied sind. Natürlich wissen wir, dass das bei vielen nicht geht. Fühlen Sie sich deshalb also nicht bedrängt. Aber machen Sie sich bitte einmal fünf Minuten Gedanken darüber, was es finanziell bedeutet, einem Multi 40 Jahre lang die Stirn zu bieten? Woher soll das Geld für dieses harte Auseinandersetzung kommen? Zumal der CBG aufgrund ihrer konsequent konzern-kritischen Haltung die Gemeinnützigkeit vorenthalten bleibt und sie auch keine institutionelle Förderung erhält.
Zudem geht die Coordination geschwächt in ihr Jubiläumsjahr. Der bei der CBG für die Finanzen zuständige Axel Köhler-Schnura hat sich einen komplizierten Oberschenkel-Bruch zugezogen und kann deshalb schon seit Juni lange nicht mehr mit voller Kraft arbeiten, was sich auch auf die Ertragslage des Netzwerks auswirkt.
Deshalb: Falls Sie Mitglied werden oder Ihren Beitrag erhöhen können, tun Sie das bitte. Ohne Ihre Hilfe geht es nicht!

[Land & Wirtschaft] CBG-Jahrestagung 2017

CBG Redaktion

Die diesjährige Jahrestagung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN widmete sich dem agro-industriellen Komplex und den Alternativen, die es zum Geschäftsmodell von BAYER & Co gibt.

Von Jan Pehrke

2016 hatte sich die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) auf ihrer Jahrestagung aus gegebenem Anlass mit BAYERs Vorhaben, MONSANTO schlucken zu wollen, befasst. In diesem Jahr nahm sie sich nun vor, den gesamten agro-industriellen Komplex, der durch die momentan geplanten Übernahmen und Fusionen in diesem Sektor noch komplexer zu werden droht, einmal genauer zu durchleuchten. Aber auch die Beschäftigung mit den Alternativen zu den Praktiken der Global Player sollte nicht zu kurz kommen.
Zu Beginn sprach Benjamin Luig vom Südafrika-Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung über „Konzern-Macht im globalen Agrar- und Ernährungssystem“. Dabei blieb er nicht bei den Geschäften von BAYER & Co. stehen, sondern nahm zusätzlich noch andere Markt-Segmente in den Blick: die Düngemittel, den Landmaschinen-Sektor, die Lebensmittel-Ketten und den Nahrungsmittel-Zwischenhandel. In diesen Bereichen hat es Luig zufolge während der letzten Jahre ebenfalls eine massive Konzentrationswelle gegeben, wie im Falle des Agrarchemie-Monopolys maßgeblich getrieben von Großanlegern wie Warren Buffett. Und hinter den Konzernen, die dort die Top-Positionen einnehmen, steht teilweise noch mehr Kapital-Kraft als hinter BAYER & Co., hielt der Wirtschaftshistoriker fest. So machte etwa das Familien-Unternehmen CARGILL, das unter anderem im Zwischenhandel mit Ackerfrüchten und Vieh tätig ist, im Jahr 2016 mehr als doppelt so viel Umsatz wie der Leverkusener Multi.
Am Beispiel Südafrika verdeutlichte der Referent die fatalen Auswirkungen dieser Entwicklung. Das von MONSANTO, BAYER, SYNGENTA, DOWDUPONT und BASF gebildete Oligopol für Pestizide und Saatgut lässt die Preise für diese Inputs stetig steigen. Weitergeben können die Bauern und Bäuerinnen diese Kosten nur begrenzt, denn auf dem Gebiet des Zwischenhandels gibt es ebenfalls nicht viele Akteure. CARGILL besitzt hier ein Quasi-Monopol und hat entsprechend viel Nachfrage-Macht. In dieser Zwickmühle gefangen, treibt es Benjamin Luig zufolge viele landwirtschaftliche Betriebe immer tiefer in die Verschuldung.
Auch Roman Herre von der Menschenrechtsorganisation FIAN zog eine negative Bilanz der Agro-Industrialisierung mit ihrem „Think Big“-Imperativ. Hatte BAYER-Chef Werner Baumann den jüngsten Größenwahn der Branche mit der Dringlichkeit begründet, eine stetig wachsende Weltbevölkerung mit Nahrungsmitteln versorgen zu müssen, so führte der FIAN-Aktivist dieses Argument überzeugend ad absurdum. Nach Herres Ansicht besteht nämlich kein Grund für eine Demographie-Panik: Zwar lebten im Jahr 2013 2,3 Mal mehr Menschen auf der Erde als 1960, aber die Lebensmittel-Produktion habe damit mehr als Schritt gehalten. Sie stieg im selben Zeitraum um den Faktor 3,2. Sogar ein Land wie Indien produziert Überschüsse, weist jedoch trotzdem eine immense Zahl an Hungernden auf – für Herre ein klarer Fall von Markt-Versagen. Aber nicht nur bei den indischen Bedürftigen kommt ein Großteil der landwirtschaftlichen Güter gar nicht an. Weniger als die Hälfte der globalen Ernten lande auf den Tellern, der Rest finde sich in den Trögen der Tiermast-Anlagen oder in den Tanks der Kraftfahrzeuge wieder, rechnete der studierte Geograf vor.
Bereits die in den 1960er Jahren ins Werk gesetzte „grüne Revolution“ hatte eine Lösung des Hunger-Problems mit Hilfe neuer Agro-Technologien versprochen. Aber ihre Verheißungen erfüllten sich nicht. Auf den Philippinen beispielsweise brachte sie vielmehr viele Bauern und Bäuerinnen in Not, so Herre. Geködert von anfangs hoch subventionierten Pestiziden und anderen Gütern, stiegen sie um. Als aber die im Rahmen der Produkteinführungskampagne gewährten Vergünstigungen ausliefen, reichte der Ertrag ihrer Felder nicht, um die Markt-Preise für die Inputs zu zahlen. Die FarmerInnen gerieten so in die Schulden-Falle. Darum drehten dort ForscherInnen zusammen mit den LandwirtInnen in einem Projekt die Uhren zurück: Sie entwickelten ein kleinteiligeres Reisanbau-Modell ohne Hochertragssorten und Pestizid-Einsatz – das zero-chem-farming – und erzielten damit einen beeindruckenden Erfolg. Die Input-Kosten sanken, und trotzdem hatten die Bauern und Bäuerinnen noch eine reichere Ernte als ihre KollegInnen, welche die teureren hybriden, also nicht zur Wiederaussaat geeigneten Arten verwendeten.
Mit Bernd Schmitz trat anschließend jemand ans Mikrofon, der als Praktiker an den von Roman Herre vorgestellten „Alternativen zum industriellen Ernährungssystem“ arbeitet. Aus einer alten Bauernfamilie stammend, die seit mehreren Generationen einen Hof im Hanftal bei Königswinter bewirtschaftet, entschloss er sich im Jahr 2006 zu der Umstellung auf eine ökologische Produktion. Veranlasst dazu haben ihn zwei Dinge: Das Förderprogramm unter der damaligen Landwirtschaftsministerin Renate Künast von Bündnis 90/Die Grünen und die Invasion der gentechnisch veränderten Futterpflanzen, der er entkommen wollte. Jetzt sehen seine Kühe wieder Land und fressen wie von alters her Gras statt der Eiweiß-Bomben aus Soja. Und sogar Hörner dürfen sie wieder haben, auch wenn Schmitz dafür die Stall-Fläche vergrößern musste, um der Verletzungsgefahr bei Rangkämpfen vorzubeugen. „Helden der Arbeit“ sind seine Tiere jetzt zwar nicht mehr, denn sie geben nur noch 6.500 Liter Milch im Jahr statt wie früher 9.000, aber betriebswirtschaftlich geht die Rechnung trotzdem auf. Schmitz kann sich jetzt nämlich das teure Turbo-Futter und die TierärztInnen-Flatrate – sonst obligatorisch in der Milchproduktion – sparen.
Überdies baut der derzeitige NRW-Vorsitzende der „Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft“ noch Kleegras, Winterweizen und andere Ackerfrüchte unter Beachtung der Fruchtfolge an, d. h. er sät jedes Jahr etwas anderes aus, um die Böden zu schonen. Auch pflanzt der Bauer nicht dicht an dicht wie in der konventionellen Landwirtschaft üblich. So kann auch mal der Wind über das Feld wehen und Pilz-Sporen vertreiben, was dem Einsatz von Pestiziden vorbeugt.
Mit solchen chemischen Keulen sucht BAYER die Welt schon mehr als hundert Jahre heim. Damit nicht genug, finden sich noch viele andere, nicht weniger gefährliche Produkte für LandwirtInnen im Angebot des Unternehmens. Jens Wegener von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gab in seinem Referat einen historischen Überblick über die weit verzweigten Aktivitäten des Leverkusener Multis im Agrar-Bereich. Bereits 1892 bringt dieser mit Antinonnin das erste Insektizid auf chemischer Basis heraus. Ein folgenschwerer Schritt, denn solche Gifte entwickelten sich nicht nur zur Landplage, sie erwiesen sich auch als kriegsverwendungsfähig, wie der CBGler erläuterte. Nur eine kleine Abweichung in der Formel, und schon entstanden während des Zweiten Weltkriegs in den BAYER-Laboren aus einer Agro-Chemikalie Nervengase wie Tabun oder Sarin. Das allein führt schon das ganze Ausmaß der Zerstörungskraft dieser Substanzen vor Augen. Von hunderttausenden Todesfällen jährlich durch Vergiftungen berichtete der Geschäftsführer der Coordination. Dem Global Player aber reichte diese eine Risiko-Technologie noch nicht. Auch mit gen-manipuliertem Saatgut experimentierte er früh. Und nun setzt das Unternehmen an, der mit Abstand größte Agro-Konzern der Welt zu werden.
Ob aber die Übernahme MONSANTOs gelingt, steht dahin. Die Aktien-Gesellschaft gebietet nämlich seit fast vierzig Jahren nicht mehr allein über ihr Schicksal, konstatierte der CBGler – und das nicht nur wegen neuer Anteilseigner wie BLACKROCK. Seit 1978 redet auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN ein Wörtchen mit. So wie die Coordination zurzeit massiv gegen den MONSANTO-Deal mobil macht, hat sie in der Vergangenheit bereits zahlreiche – und oft genug auch erfolgreiche – Kampagnen gegen die Risiken und Nebenwirkungen einer profit-orientierten Geschäftspolitik durchgeführt. Der CBG gelang es nach Wegeners Worten beispielsweise, in Indien die Kinderarbeit bei den Zulieferern der BAYER-Tochter PROAGRO zu stoppen. Zuvor hatten sich bis zu 2.000 Kinder im Alter von sechs bis vierzehn Jahren zwölf Stunden am Tag für 50 Cent im Baumwoll-Anbau verdingen müssen. Auch schaffte es die Coordination in Kooperation mit Partnern vor Ort, 1987 den Bau eines gefährlichen Pestizid-Werkes in Australien zu verhindern.
Selbst der Leverkusener Multi kann die Folgen der CBG-Arbeit für ihn nicht ganz in Abrede stellen, auch wenn er es mit aller Kraft versucht. Jens Wegener zitierte dazu den heutigen Aufsichtsratsvorsitzenden Werner Wenning, der 2013 in einer Fernseh-Dokumentation zu „150 Jahre BAYER“ sagte: „Die Fragen des Umweltschutzes, die Fragen des Klimaschutzes haben in den letzten Jahren eine erhebliche Bedeutung bekommen, und es war unsere Pflicht, dass wir uns mit diesen Dingen noch intensiver auseinandersetzen. Sicherlich hat einiges, was von unseren externen Kritikern gekommen ist, bestimmte Abläufe auch noch mal beschleunigt.“
Und so zeigte die Jahrestagung denn, dass eine andere Landwirtschaft und noch so einiges mehr möglich ist. Damit gab sie der „Stop BAYER/MONSANTO“-Kampagne zusätzlichen Auftrieb, die 2018 – dem 40. Jahr des Bestehens der CBG – in eine neue Runde gehen wird.

HERVORHEBUNGEN:

Zu Beginn sprach Benjamin Luig vom Südafrika-Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung über „Konzern-Macht im globalen Agrar- und Ernährungssystem“. Dabei blieb er nicht bei den Geschäften von BAYER & Co. stehen, sondern nahm zusätzlich noch andere Markt-Segmente in den Blick: die Düngemittel, den Landmaschinen-Sektor, die Lebensmittel-Ketten und den Nahrungsmittel-Zwischenhandel.

Hatte BAYER-Chef Werner Baumann den jüngsten Größenwahn der Branche mit der Dringlichkeit begründet, eine stetig wachsende Weltbevölkerung mit Nahrungsmitteln versorgen zu müssen, so führte der FIAN-Aktivist Roman Herre dieses Argument überzeugend ad absurdum.

Selbst der Leverkusener Multi kann die Folgen der CBG-Arbeit für ihn nicht ganz in Abrede stellen, auch wenn er es mit aller Kraft versucht.

Die Akte „Glyphosat“

CBG Redaktion

Am 27. November 2017 verlängerte die EU die Zulassung des gesundheitsgefährdenden Pestizid-Wirkstoffs Glyphosat um weitere fünf Jahre. Den Ausschlag dafür gab das positive Votum Deutschlands. Die Absprachen der Großen Koalition brechend, räumte Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) MONSANTO und BAYER den Weg für weitere Geschäfte mit dem umstrittenen Produkt frei. Im Vorfeld hatten unzählige Initiativen die PolitikerInnen davon zu überzeugen versucht, das Mittel aus dem Verkehr zu ziehen. Dazu zählte auch der Offene Brief, den Dr. Gottfried Arnold, Kinderarzt im Ruhestand, geschrieben hatte. Stichwort BAYER dokumentiert das Schriftstück, das wichtige Argumente gegen das Herbizid zusammenträgt, denn geschlossen ist die Akte „Glyphosat“ noch nicht. Vorerst gilt es jetzt, für Verbote auf nationaler Ebene zu streiten.

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
sehr geehrte Frau Umweltministerin Hendricks,
sehr geehrter Herr Agrarminister Schmidt,
sehr geehrter Herr Schulz, sehr geehrter Herr Lindner,
sehr geehrte Frau Göring-Eckart, sehr geehrter Herr Özdemir,
sehr geehrte Frau Kipping, sehr geehrter Herr Riexinger,

als mitdenkende und um Demokratie bemühte Bürger und Fachleute wenden wir uns an Sie mit der entschieden vorgetragenen Bitte, die anstehende Entscheidung über die Fortsetzung der Zulassung des Unkrautvernichters Glyphosat unter besonderer Berücksichtigung des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung zu treffen. Glyphosat ist nach unserer wissenschaftlich begründeten Meinung gesundheitsschädlich und umweltgiftig.
Die chemische Industrie der Pestizid-Hersteller hat – sicher nicht ohne Grund - das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), das dem deutschen Landwirtschaftsminister untersteht, als Berichterstatter für die Glyphosat-Bewertung ausgewählt. Die dahinter zu vermutende Nähe der Agrarchemie-Produzenten zum BfR (1) hat offenbar die Glyphosat-Bewertung (2) beeinflusst. Anders können wir uns nicht erklären, wie ein so großer Unterschied zwischen der Beurteilung der Wissenschaft mit ihren Gift-, Hormon-, Umweltforschern und den Behörden zustande kommen kann.
Insbesondere ist für uns nicht nachvollziehbar, wieso die folgenden Fakten von der Behörde, die für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung vor industriell produzierten Chemikalien federführend zuständig ist, nicht anerkannt werden:
1. die wissenschaftliche Betrachtung aller Komponenten des jeweiligen Glyphosat-Produktes
2. die Anreicherung von Glyphosat oder Resten von Glyphosat-Produkten im Menschen und in der Umwelt (Akkumulation)
3. die Hormon-Schädigung durch den Unkraut-Vernichter
4. die erbgut-schädigende Wirkung von Glyphosat (Mutagenität)
5. die mögliche Krebserzeugung (Kanzerogenität).

1. Die Inhaltsstoffe
Im wissenschaftlichen Bereich gibt es nicht den geringsten Zweifel daran, dass man bei der Beurteilung der Giftigkeit, der gesundheitlichen oder Umwelt-Risiken alle Komponenten eines Gemisches oder Produktes betrachten muss. Dass bei glyphosat-basierten Herbiziden (GBH) anders verfahren werden soll, ist eine absolute Ausnahme und mit wissenschaftlichen Kriterien nicht vereinbar. Insofern muss man die Beschränkung der Überprüfung bei der Zulassung von glyphosat-haltigen Pestiziden auf die „aktive“ Substanz (Glyphosat) und die Nichtberücksichtigung der z. T. giftigeren Zusatzstoffe (3) Netzmittel als Entgegenkommen von Politikern und Behörden an die Pestizid-Hersteller werten. Eine Fülle von Arbeiten hat nachgewiesen, dass viele GBH giftiger sind als Glyphosat allein, das als Bewertungsgrundlage ausgewählt wurde. Schließlich können Hersteller so zu sehr viel geringeren Kosten verschiedene Produkte auf den Markt bringen. Mit Gesundheitsschutz für die Bevölkerung hat das allerdings nichts zu tun. In diesem Sinne werden alle glyphosat-basierten Herbizide von den beurteilenden Behörden BfR, EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) und ECHA (Europäische Chemikalien-Agentur) ... wissenschaftlich nicht korrekt beurteilt, wenn sie sich auf Glyphosat allein beziehen.

2. Die GBH-Anreicherung
In den letzten 20 – 30 Jahren hat sich Glyphosat zu dem am häufigsten angewendeten Pestizid weltweit entwickelt. Es ist global verteilt worden in der Umwelt, angekommen in Luft und Regen, in den Böden, auf dem Getreide, im Oberflächenwasser (in der Ostsee oberhalb des Grenzwertes) und im Grundwasser. Dadurch ist der Unkrautvernichter über unsere Nahrung in kleinen, aber gesundheitlich bedeutungsvollen Mengen in den menschlichen Körper gelangt und hat sich dort in fast allen Organen verteilt. Daten über die Verteilung und Anreicherung im menschlichen Organismus und seinen Organen haben weder die Glyphosat-Hersteller vorgelegt, (...) noch der Berichterstatter BfR – das ist eine nicht hinnehmbare Wissenslücke für die Bewertung des Pestizids!
Dies ist jedoch auch ein schwerwiegendes Versäumnis, da auf diese Weise keine Beobachtung stattfinden konnte, ob und wie sich der Anstieg in verschiedenen Körper-Bestandteilen entwickelt hat. Die Behörden, insbesondere das Agrarministerium und das BfR, hätten mit einer frühzeitigen Erhebung eine mögliche Anreicherung in der Anfangsphase kontrollieren müssen, um zu überprüfen, ob die Aussage der Hersteller, es gäbe bei Glyphosat und AMPA (das Abbauprodukt Aminomethylphosphonsäure) keine Akkumulation, korrekt ist. Nach 15 Jahren Zulassung in Deutschland ist Glyphosat in Lebensmitteln, Futtermitteln, Tieren und Menschen so weit verteilt, dass man bei keiner Kontrollgruppe für statistische Vergleiche eine Nullbelastung (kein Glyphosat) voraussetzen darf. Dieses Problem wurde bei Tier-Fütterversuchen erstmals von der französischen Arbeitsgruppe von Prof. Seralini dargelegt, die nachwies, dass bei Untersuchungen von Umweltchemikalien wie z. B. Glyphosat systematische Fehler dann auftreten können, wenn Futter und Trinkwasser der Tiere nicht auch auf solche „versteckten“ Produkte untersucht werden.
Bei neugeborenen Schweinen, die im Alter von einem Tag wegen Fehlbildungen verstarben oder getötet werden mussten, wurde Glyphosat in praktisch allen Organen gefunden. Diese und andere Untersuchungen an verschiedenen Tierarten zeigen, dass Glyphosat die bedeutungsvolle Blut-Hirn-Schranke passiert. Beim Menschen gibt es hierzu keine Untersuchungen, obwohl bei Ratten Hirnschädigungen durch Pestizid-Gemische mit u. a. Glyphosat nachgewiesen wurden – ebenfalls eine bedenkliche Wissenslücke.
Als Hinweis auf eine unkritische Einstellung des Agrarministeriums und des BfR gegenüber den Pestizid-Herstellern kann man bei wohlwollender Interpretation die Tatsache werten, dass alle der nachfolgend zusammengefassten Untersuchungen zu Glyphosat-Vorkommen im menschlichen Körper nicht von der zuständigen Behörde (Ausnahme: Umweltbundesamt) veranlasst wurden, sondern von Bürgern, Umweltorganisationen oder Bundestagsabgeordneten der Grünen. Eher handelt es sich aber doch um eine juristisch zu bewertende Vernachlässigung des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung (...)
2015 entdeckte Frau Prof. Krüger (Auftrag: Grüne) erstmals in Deutschland in allen 16 Muttermilch-Proben Glyphosat, während das BfR 2016 in keiner von 114 Frauenmilch-Proben Glyphosat fand. Allerdings belegen die glyphosat-freien Ergebnisse der Muttermilch-Untersuchungen des BfR und der USA (MONSANTO) keineswegs, dass in diesen Proben kein Glyphosat enthalten war, sondern lediglich, dass die Untersuchungsmethode ungenauer war als die mit positiven Ergebnissen. Statt also aus Vorsorge-Gründen im genaueren Bereich der Mess-Ergebnisse von Frau Prof. Krüger zu suchen, gab das BfR Gelder für eine Untersuchung mit einer ungenaueren Methode aus, nur um vorzugeben, es sei „kein Glyphosat in der Muttermilch“ zu finden. Unten wird ausgeführt, warum dieser niedrige, vom BfR nicht erfasste Mess-Bereich aus medizinischen Gründen wichtig ist (→ 3. Hormonschädigung).
Dass Glyphosat die Plazenta (Mutterkuchen) passieren kann, ist lange bekannt. Warum bisher das Nabelschnur-Blut von Neugeborenen nur in einer kleinen kanadischen Studie untersucht wurde, scheint wie ein Akt des bewussten Wegguckens. Wenn man als Behörde eine Beurteilung über ein global verteiltes, erbgut-schädigendes und wahrscheinlich krebs-erzeugendes Produkt/Gemisch abgeben soll, ist die Prüfung der Frage nach der Wirkung auf ungeborene Kinder zwingend erforderlich. Diese schwerwiegende Wissenslücke ist erstmals seit April 2017 durch eine thailändische Studie teilweise reduziert worden. Erstaunlicherweise sind die Glyphosat-Werte in der deutschen Muttermilch ähnlich hoch wie die Blutwerte der thailändischen Neugeborenen. Völlig unbekannt ist aber, welche Auswirkungen diese auf die Gehirn- (fehlende Blut-Hirn-Schranke!) und Gesamt-Entwicklung des Kindes in der Schwangerschaft und damit auf das spätere Erwachsenenalter haben.
Ein Vergleich von Glyphosat-Werten bei Neugeborenen mit angeborenen Fehlbildungen ist nirgendwo zu finden, obwohl in Südamerika in den GBH-Anwendungsgebieten eine Zunahme von Wirbelsäulen-Fehlbildungen mit „offenem Rücken“ (meist mit angeborener Querschnittslähmung) und vermehrtes Auftreten von Krebs bei Kindern berichtet wurde.
Die wichtigen Auswertungen von Frau Prof. Krüger einer von Bürgern initiierten und bezahlten Urin-Untersuchung („Urinale 2015“) ergaben nicht nur, dass 99,6 % der Urin-Proben Glyphosat enthielten, sondern auch, dass die höchsten Glyphosat-Belastungen in der jüngsten Altersgruppe (0 - 9 Jahre) 4 vorkamen! Das BfR bleibt – bei aller berechtigten Kritik an der Studie – die Antwort auf dieses wichtige Problem schuldig. Stattdessen versucht das BfR, mit einer scheinbar wissenschaftlichen Berechnung anhand der selbst erstellten ADI-Werte (Acceptable Daily Intake = erlaubte tägliche Aufnahme) die Tatsachen zu verniedlichen (s. u.). Ungleich bedeutungsvoller ist doch die damit abgeblockte Frage, ob die aufgenommene Glyphosat-Menge im Urin einen negativen Effekt auf die Gesundheit hat und welche Ursache und welche Auswirkungen diese Höchstwerte bei den Kindern (5) für ihre Nierenfunktion (6) langfristig haben. Hier treten Wissenslücken bei den Abbau-Wegen von Glyphosat zutage: Eine einzige Untersuchung legt die Vermutung nahe, die Halbwertszeit könnte im Gegensatz zur Ratte mit 33 Std. beim Menschen 3 - 4 Std. dauern; über Verteilung oder Anreicherung in bestimmten Organen gibt es keine Informationen. Außerdem wurde das von Prof. Krüger angesprochene Problem auch in einer kürzlich erschienenen dänischen Studie mit verblüffend ähnlichen Messwerten beobachtet, die ebenfalls belegen, dass der Urin von Schulkindern im Alter von 6 -11 Jahren signifikant stärker mit Glyphosat belastet ist als der ihrer Mütter.
Die fehlende Erklärung für dieses mehrfach beobachtete und für die Entwicklung der Kinder möglicherweise bedeutungsvolle Phänomen wiegt schwer. Denn bisher ist in mindestens 8 Staaten (7) bevorzugt bei jungen Agrar-Arbeitern ein unerklärtes Nierenversagen (CKDu = chronische Nierenerkrankung unbekannter Ursache) aufgetreten, wahrscheinlich durch das Zusammenwirken von Glyphosat und Schwermetallen (8). In Sri Lanka sind ca. 20.000 Menschen daran verstorben, so dass Sri Lanka und El Salvador glyphosat-basierte Herbizide verboten haben.

3. Die Hormonschädigung
Studien an Zellkulturen zeigen, wie wenig Roundup (GBH von MONSANTO) in wie kurzer Zeit ausreicht, um eine hormonelle Wirkung zu erzielen. Beachtenswert ist auch, dass die geringen Glyphosat-Mengen in deutscher Muttermilch (Krüger, 2015) und im Blut thailändischer Neugeborener in einem Größenordnungsbereich liegen, der Studien zufolge genügt, um ein Wachstum hormon-abhängiger Brustkrebszellen auszulösen.
Bei Tier-Studien überrascht, dass so viele Arbeiten im Bereich oder sogar unterhalb des „No Observed Adverse Effect Levels“ (NOAEL) – unter dem angeblich keine schädlichen Nebenwirkungen gefunden werden – gesundheitsschädigende Auswirkungen auf das Zwischenhirn, die Hirnanhang-Drüse und sehr viele Hormon-Drüsen der getesteten Ratten hatten! Der Widerspruch löst sich für die Verbraucher auch nicht auf durch den Hinweis, dass sich der NOAEL-Wert auf reines Glyphosat bezieht, denn Verbraucher sind den Produkten ausgesetzt. Reines Glyphosat gibt es nur im Labor.
Diese Beispiele sind aber auch ein Beleg für die wissenschaftliche Unvollkommenheit der Grenzwert-Erstellung von ADI- und NOAEL-Werten, die aus wenigen Mess-Werten auf einen „Null-Wirkungs-Bereich“ zurückschließt, dabei aber wesentliche Wirkungen im Niedrigdosis-Bereich und die oft U- oder V-förmigen, nicht-monotonen Dosis-Antwort-Kurven hormonell wirksamer Substanzen nicht berücksichtigt (d. h. hier stimmt der Grundsatz „Die Dosis macht das Gift“ nicht, Anm. SWB).
Außerdem wird in diesen Beispielen nur die Wirkung einer einzelnen Substanz (Glyphosat) oder eines Gemisches (GBH) in diesen unvollkommenen wissenschaftlichen Blick genommen. Es gibt fast keine exakten wissenschaftlichen Untersuchungen zur Kombinationswirkung etwa aller hormon-artig, z. B. östrogen-artig wirkenden Chemikalien in unserer Lebenswelt: Persistente, also schwer abbaubare Fremd-Östrogene aus PCB-, Dioxin-, DDT- und Flammschutzmittel-Rückständen sowie weniger persistente hormonschädigende Substanzen aus Plastik-Weichmachern, Kosmetika und Pestiziden wie Glyphosat.
Besonders zu beachten ist bei den Tierversuchen, zu welchem Zeitpunkt die GBH-Einwirkung erfolgte (Schwangerschaft, um die Geburt herum, im Erwachsenenalter) und in welchem Alter die Ergebnisse festgestellt wurden: So zeigen Dallegrave (9), Romano (10) und de Souza (11) dauerhafte Auswirkungen von GBH, das in der Schwangerschaft und um die Geburt herum verabreicht wurde, auf das gesamte Erwachsenenalter!
Auch beim Menschen gibt es deutliche Hinweise darauf, dass östrogen-artige Fremdhormone in der Schwangerschaft bei Jungen Hodenhochstand, Fehlmündung der Harnröhrenöffnung (Hypospadie), bei erwachsenen Männern zu beeinträchtigter Fruchtbarkeit und evtl. Hodenkrebs führen können. Ob das ebenfalls östrogen-artig wirkende Glyphosat bzw. GBH eine solche Wirkung hat oder unterstützt, ist bisher nicht untersucht worden, obwohl es naheliegend ist. Entsprechend muss bei Mädchen/Frauen darüber nachgedacht werden, ob eine erhöhte Menge von Östrogenen in der Frühschwangerschaft eine Ursache für die bisher ungeklärte erhebliche Zunahme (12) von Brustkrebs in Deutschland/weltweit ist. Zwar gibt es nach mehr als 30 Jahren wissenschaftlicher Beobachtung jetzt den Nachweis, dass DDT in der Schwangerschaft Brustkrebs bei erwachsenen Frauen fördert, für Glyphosat oder GBH gibt es keine Untersuchungen, sondern nur drängende offene Fragen.

4. Die Erbgut-Schädigung
Ein möglicher Mechanismus der Krebs-Entstehung durch Glyphosat ist die (...) Erbgutschädigung, die an Zellkulturen im „Reagenzglas“ (in vitro) oder an lebenden menschlichen Zellen (in vivo: weiße Blutkörperchen, Wangenschleimhaut) untersucht wurde. Obwohl fast alle unabhängigen Wissenschaftler, incl. der Krebsforscher der WHO (IARC), die gentoxische Wirkung von Glyphosat/GBH für eindeutig nachgewiesen halten an Pflanzen, Tieren und Menschen, bewerten das BfR und die ECHA in ihrer abschließenden Beurteilung Glyphosat als „nicht mutagen“. Dabei wurde u. a. von Clausing (13) darauf hingewiesen, dass die mit dem Ames-Test gelieferten Gegenbeweise deshalb nicht zählen, weil Glyphosat ein Breitband-Antibiotikum (S.18ff von 70) ist und dadurch Bakterien abgetötet werden können, an denen die Erbgut-Schädigung geprüft werden sollte. Auch diese Fakten streitet das BfR immer noch ab, um gegen die Mutagenität von Glyphosat argumentieren zu können.

5. Die Kanzerogenität

Die Krebsforscher der WHO (IARC) haben in ihrer zusammenfassenden Beurteilung von Glyphosat hervorgehoben ((http:monographs.iarc.fr/ENG/Monographs/vol112/mono112-10.pdf), dass:
1. Glyphosat erbgutschädigend (mutagen, gentoxisch: S.78) ist
2. Glyphosat bei Tieren eindeutig krebserzeugend (kanzerogen: S.78) ist
3. Glyphosat nach den WHO-Kriterien wahrscheinlich krebserzeugend beim Menschen (S.78) ist.

Der IARC zählt als mögliche Mechanismen, wie Glyphosat krebsauslösend wirkt, die Erbgutschädigung und den oxidativen Stress auf ((Stoffwechsel-Schädigungen z. B. durch freie Radikale, Anm. SWB).
Der unabhängige Toxikologe Dr. Peter Clausing hat seit Jahren die Diskussion über Glyphosat kritisch verfolgt, war u. a. als Experte beim MONSANTO-Tribunal (2016) und als Beobachter anwesend bei der Verhandlung der Europäischen Chemikalien-Agentur (ECHA), die die letzte Beurteilung zu Glyphosat (14) abgeben musste vor der jetzt anstehenden Entscheidung über eine weitere Zulassung. In seinem detaillierten und präzise begründeten Artikel führt Clausing aus, warum er – wie auch der ehemalige Direktor des „US National Center for Environmental Health“ und der „US Agency for Toxic Substances and Disease Registry“, Prof. Christopher Portier (15) – Glyphosat als krebserzeugend ansehen im Sinne der 1 B-Klassifikation der EU (...): Nach der EU-Verordnung EG 1272/2008 genügen 2 voneinander unabhängige Tier-Studien mit Krebs-Befunden, um eine Substanz als krebserzeugend einzuordnen, für Glyphosat liegen aber bereits (...) 7 Studien mit positiven Krebsbefunden vor.
Ferner ist nach der Pestizid-Verordnung der EU von 2009 die Zulassung nicht gesetzes-konform wegen seiner „schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen“, auf die hier in ausreichendem Maße hingewiesen wurde.
Eine Zunahme von Krebs-Erkrankungen hat sich in den letzten 20 – 30 Jahren deutlich gezeigt u. a. bei:

a) Brustkrebs bei Frauen um 13 % in Deutschland zwischen 2003 u. 2013 (16). Ursachen für den Anstieg von ca. 1 % pro Jahr werden mehr in Umweltfaktoren gesehen, zumal Migrantinnen aus Japan mit seltenerem Brustkrebs-Vorkommen nach Umsiedlung in die USA sich innerhalb von wenigen Generationen angleichen.
b) Prostatakrebs: rückläufig in Deutschland um 14 % zwischen 2003 u. 2013 (siehe Anm. 16, Bericht zum Krebsgeschehen, S. 40); in Großbritannien seit den frühen 1990ern: + 44%, zwischen 2003 und 2014: + 6 %
c) Hodenkrebs: siehe dort Diagramm Fig. 2.2, S. 59 (=87/289) Nord-EU und weltweit: siehe dort Fig. 4
d) „Lymphdrüsenkrebs“ (18)
bei Frauen: + 7 % in Deutschland zwischen 2003 u. 2013 (dort S. 44);
bei Männern: +10 %
Werte zum Non-Hodgkin-Lymphom in Großbritannien liefern genaue Zahlen zu dem in epidemiologischen Studien bei Menschen (19) im Zusammenhang mit Glyphosat aufgetretenem „Lymphdrüsenkrebs“: + 39% seit den frühen 1990er Jahren.

6. Abschließende Überlegung und Forderungen

Entgegen den Ankündigungen der Hersteller bzw. Anbieter wie BASF, MONSANTO und BAYER haben sich Glyphosat bzw. GBH in der unbelebten Natur, in Tieren und Menschen in erheblichen Mengen angesammelt infolge eines ungebremsten weltweiten Einsatzes zur scheinbar kostengünstigen (20) Arbeitserleichterung in der Agrarwirtschaft. Die in Abhängigkeit geratene Landwirtschaft nimmt weiter die Pflanzen-Fruchtbarkeit negativ beeinflussende Unkrautvernichter hin und muss für steigende Pestizid-Mengen zahlen, denn eine Resistenz-Entwicklung ist längst eingetreten.
Der Gesellschaft sind dadurch aber nicht nur scheinbar kostengünstige Nahrungsmittel angeboten worden, sondern es sind bisher nicht komplett erfasste Kosten entstanden durch den erheblichen Rückgang der Artenvielfalt (Nahrungskette Insekten-Vögel), die Pestizid-Beseitigung aus unserer Umwelt (Bsp. Wasser) und eine nicht hinreichend zugeordnete Zunahme von Krankheitskosten (...)
Die Zunahme von Erkrankungen in den letzten 20 – 30 Jahren ist lautlos erfolgt. Politiker und Behörden haben versäumt, Forschungsgelder bereitzustellen, um den Zusammenhang zwischen der erbgutschädigenden, hormon-artigen Wirkung der am häufigsten angewendeten Pestizide (GBH) und der Zunahme von Erkrankungen hersteller-unabhängig wissenschaftlich zu überprüfen.

Dabei liegen für diesen Zeitraum z. T. Zahlen vor für einen Anstieg von

1. Krebserkrankungen: s. o.

2. chronischem Nierenversagen mit Dialyse-Pflichtigkeit um ca. 50 % zwischen 1996 und 2006
(s. o. Glyphosat-Verbot Sri Lanka u. El Salvador)

3. Angeborenen Fehlbildungen (mindestens über die hormon-artige Wirkung):
a) Hodenhochstand: S. 61 (=89/289) in der EU und weltweit (21)
b) Hypospadie (Fehlmündung der männl. Harnröhrenöffnung): S. 29 (=37/93) ff (22)
c) Beeinträchtigungen von Fruchtbarkeit/Samenqualität: Fig. 1 u. 2. (23)

Auch wenn eine genaue mengenmäßige Zuordnung nicht bis ins Detail geklärt ist, kann ein genereller ursächlicher Zusammenhang zwischen diesen Erkrankungen und Glyphosat nicht abgestritten werden aufgrund folgender Hinweise:

1. der Nachweis aus Zellkulturen und Tierversuchen von vielfältigen Auswirkungen von Glyphosat/GBH auf unterschiedliche Hormonsysteme:

a) Nebennieren-Hypophysen-Achse mit Cortisol und ACTH
b) Geschlechtshormone Östrogen, Progesteron, Testosteron und deren übergeordnete Regulatoren (Gonadotropine)
c) Schilddrüsenhormone und TSH (übergeordnetes Schilddrüsen-Hormon)

2. diese glyphosat-bedingten Hormon-Störungen haben bei Tieren, obwohl nur zeitweise in der Schwangerschaft, um die Geburt herum oder in der Stillzeit angewendet, zu lebenslangen, irreversiblen gesundheitlichen Problemen oder Erkrankungen im späteren bzw. Erwachsenenalter geführt:

a) vorzeitiger Pubertätsbeginn im Jugendalter der Tiere
b) verändertes Sexualverhalten bei erwachsenen Tieren
c) verminderte Spermien-Zahl und vermehrt fehlgebildete Spermien
d) Störung der Schilddrüsen-Regulation

3. zusätzlich zu gutartigen Tumoren wurde durch Glyphosat/GBH eine Förderung folgender Krebsarten bei Mäusen und/oder Ratten nachgewiesen:

a) „Lymphdrüsen-Krebs“ (maligne Lymphome) – mehrere Studien (24), (25), (26), (27)
b) Blutgefäß-Krebs (Hämangiosarkom) – mehrere Studien( 28), ( 29)
c) Bauchspeicheldrüsen-Krebs (30)
d) Nieren-Krebs (31)

4.Wissenschaftler aus dem medizinischen und naturwissenschaftlichen Bereich haben wiederholt auf den Zusammenhang hingewiesen zwischen Krankheiten

a) und Glyphosat/GBH: Portier (32), Benbrook (s. a. Projekt) (33), Myers (34)
b) und hormonschädigende Substanzen:

Endocrine Society (35): weltweite Vereinigung der Hormonwissenschaftler
Figo: Weltverband der Gynäkologen u. Geburtshelfer (36)
TENDR 2016 (37), 2017 (38): Projekt von Kinderärzten u. Toxikologen zum Schutz der körperlichen und geistigen Entwicklung von Kindern (USA) vor Umweltchemikalien.

FORDERUNGEN:
1. Anwendung des geltenden EU-Rechtes, das den Gefährdungsgedanken (globales Glyphosat-Vorkommen, Gefährlichkeit der Substanz) und das Vorsorgeprinzip ausdrücklich hervorhebt:

a) nach der Chemikalien-Verordnung von 2008 und der Pestizid-Verordnung von 2009 muss Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend beim Menschen, basierend auf Tierversuchen (Kategorie 1B der Krebsgefährdung) eingeordnet werden und wegen genügender Evidenz (bösartige Tumore „in mindestens 2 voneinander unabhängigen validen Tier-Studien“ Article 3.6.2.2.3.b eingeordnet und dementsprechend verboten werden. Entsprechendes gilt wegen der Giftigkeit (Toxizität) auch nach Anhang II der Pestizid-Verordnung, 3.7.2.3. (S.43/50)
b) für die Erbgutschädigung (Mutagenität) und die
c) Fortpflanzungsschädlichkeit (Reproduktionstoxizität)

2. Umstrukturierung oder Abschaffung einer Behörde (BfR), die wie im Falle von Glyphosat jahrelang im Einvernehmen mit den Pestizidherstellern (u. a. BAYER, MONSANTO), aber im Widerspruch zu unabhängigen Wissenschaftlern und entgegen ihrem Auftrag die Menschen in der EU den Gesundheitsgefahren durch eine erbgut-schädigende, hormon-schädigende, krebs-erregende Substanz aussetzt. Dabei ist sie nicht in der Lage, einen Interessenkonflikt zu erkennen und zu kontrollieren.

3. Die Einführung einer standardmäßigen Nach-Beobachtung
a) zur Frage der Verteilung in der Umwelt
b) zur Giftigkeit, incl. Krebs-Erzeugung zu bestimmten Zeiten nach der ersten Zulassung durch unabhängige Wissenschaftler zu Lasten der Hersteller, die bis dahin eine Menge Gewinne erzielt haben.

4. Wie in unserer Gesellschaft bei jeder wissenschaftlichen Arbeit üblich, muss es auch in Zukunft für Firmen- oder Behördenmitarbeiter verbindlich sein, Pressemitteilungen, Anordnungen oder sonstige Schriftsätze als Einzelperson oder als Team mit den Unterschriften aller Verantwortlichen zu versehen.

5. Geheime oder unveröffentlichte Zulassungsstudien (siehe Fußnoten 24-31) darf es in Zukunft nicht mehr geben.

Aus den genannten Gründen muss die Zulassung für glyphosat-basierte Herbizide mit sofortiger Wirkung beendet werden.

Mit freundlichem Gruß
Dr. Gottfried Arnold, Kinderarzt Es besteht kein Interessenkonflikt.

ANMERKUNGEN

(1) Ein kleiner Ausschnitt mit wortwörtlichem Vergleich ist veröffentlicht beim Umwelt-Institut München.
(2) Burtscher-Schaden, H., Die Akte Glyphosat - Wie Konzerne die Schwächen des Systems nutzen und damit unsere Gesundheit gefährden. Kremayr & Scheriau, Wien, 2017. http:
www.kremayr-scheriau.at/bucher-e-books/die-akte-glyphosat-918
(3) Mit dem Hinweis auf das „Betriebsgeheimnis“ dürfen Pestizid-Produzenten nach deutschem und EU-Recht bestimmte Zusatzstoffe aus der Deklarationspflicht herausnehmen.
(4) 1.58 ng/mL = Mittelwert von Glyphosat im Urin der Kinder unter 9 Jahre = ca. 16 x höher als oberer Grenzwert für Glyphosat im Trinkwasser
(5) Besonders drängend erscheint diese Frage innerhalb der EU für portugiesische Kinder zu sein, wenn man die Spitzenwerte im Urin in Portugal betrachtet
(6) In Deutschland ist chronisches Nierenversagen (Nieren-Insuffizienz) zwischen 1996 und 2006 um ca. 50 % gestiegen.
(7) Sri Lanka, Indien, El Salvador, Costa Rica, Nicaragua, Ägypten, Tunesien, Bulgarien
(8) Über die Chelat-Bildung, wodurch auch die Halbwertszeit stark verlängert werden kann, haben sowohl Krüger:
Einfluss von Glyphosat und AMPA auf Boden, Pflanzen, Tiere
(https:www.naturland.de/images/Erzeuger/Fachthemen/Fachveranstaltungen/Pflanzenbau/2015/Sigoelveranstaltung/EinflussvonGlyphosatundAMPAaufBodenPflanzenTiereProfemDrMonikaKrueger.pdf) 14ff und Samsel und Seneff: Gyphosate, pathways to modern diseases IV: cancer and related pathologies (www.researchgate.net) als auch Burtscher-Schaden (Die Akte Glyphosat, S.26) sich geäußert
(9) Pre- and postnatal toxicity of the commerical glyphosate formulation in Wistar rats, Dallegrave, Eliane et. al.; Archives of Toxicology. Archiv für Toxikologie; Heidelberg Vol. 81, Iss. 9, (Sep. 2007: 665-73)
(10) Glyphosate impairs male offspring reproductive development by disrupting gonadotropin expression, Romano MA et. al.; Archives of Toxicology, 2012 April; 86 (4): 663-73
(11) Perinatal exposure to glyphosate-based herbicide alters the thyrotrophic axis and causes thyroid hormone homeostasis imbalance in male rats, de Souza JS et. al.; Toxicology; 2017 Feb 15; 377: 25-37
(12) Anstieg von Brustkrebs bei Frauen zwischen 2003 und 2013 um 13 %: Bericht zum Krebsgeschehen in Deutschland 2016 (S. 36 =38 von 274: „aktueller Trend“ 1,3 %/Jahr)
http:
edoc.rki.de/documents/rki_fv/renGkGzAqwKc2/PDF/28oaKVmif0wDk.pdf
(13) Glyphosat und Krebs: Systematischer Regelbruch durch die Behörden, Peter Clausing; www.pan-germany.org
(14) ECHA, Rapporteur appointed by RAC: Christine Bjørge, Opinion of the Committee for Risk Assessment on a Dossier proposing harmonised Classification and Labelling at EU Level/glyphosate (ISO), 15 March 2017. https:echa.europa.eu/documents/10162/2d3a87cc-5ca1-31d6-8967-9f124f1ab7ae
(15) Portier, C. J., Letter to Jean Claude Juncker, President of the European Commission
28 May 2017. http:
www.gmwatch.org/files/Letter_Juncker_28_May_2017.pdf
(16) Bericht zum Krebsgeschehen in Deutschland 2016; S.36, Tabelle links oben, aktueller Trend
http:edoc.rki.de/documents/rki_fv/renGkGzAqwKc2/PDF/28oaKVmif0wDk.pdf
(17) State of the science of endocrine disrupting chemicals – 2012, www.who.int
(18) Ein genauer Vergleich zu dem von der WHO in Zusammenhang mit Glyphosat als Ursache gebrachten Non-Hodgkin-Lymphom ist leider für Deutschland nicht möglich
(19) Non-Hodgkin lymphoma and occupational exposure to agricultural pestizide chemical groups and active ingredients, Shinasi L.; Leon ME; International Journal of Environmental Research and Public Health; 2014 Apr. 23; 11 (4): 4449-527. Siehe dort u. a. Table 5: der Wert von 0 % belegt eine hohe Konsistenz für einen Zusammenhang zwischen NHL-Subtyp B-Zell-Lymphom und Glyphosat.
(20) Die tatsächlichen Kosten müssten mindestens die Beseitigung von Glyphosat/GBH aus der Umwelt, die beeinträchtigte Bodenfruchtbarkeit, die ökologischen Schäden und Krankheitskosten durch die Gesundheitsschädigung berücksichtigen. Für hormonschädigende Substanzen in der EU hat Trasande eine Berechnung vorgelegt: Estimating Burden and Disease Costs of Exposure to Endocrine-Disrupting Chemicals in the European Union; The Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism; 2015 April; 100 (4): 1245-1255
(21) State of the science of endocrine disrupting chemicals – 2012, S. 61(=89/289); www.who.int
(22)Endocrine disrupters and child health;
http:
apps.who.int/iris/bitstream/10665/75342/1/9789241503761_eng.pdf
(23)Male Reproductive Disorders and Fertility Trends: Influence of Environment and Genetic Susceptibility, Niels E. Skakkebaek et. al.; Physiological Reviews; Jan 2016; S. 55-97
(24) Atkinson, D., Unpublished Study, 1983
(25) Sugimoto, Unpublished Study, 1997
(26) Carcinogenicity Study with Glyphosate Technical in Swiss Albino Mice, Kumar, D.; Toxicology Department Rallis Research Centre, Rallis India Limited, Unpublished, 2001
(27) Wood, B., Unpublished, 2009
(28) Atkinson, D., 1983
(29) Sugimoto, Y., 1997
(30) A lifetime feeding study of glyphosate (Roundup technical) in rats, Lankas, G., Unpublished report, Bio/Dynamics, Inc., East Millstone, 1981
(31) A chronic feeding study of glyphosate (Roundup technical) in mice, Knezevich AL et al.; Unpublished Report, Bio/Dynamics, Inc., East Millstone, 1983
(32) Differences in the carcinogenic evaluation of glyphosate between the International Agency for Research on Cancer (IARC) and the European Food Safety Authority (EFSA), Christopher J Portier et. al.; Journal of Epidemiology and Community Health; 2016 Aug; 70 (8): 741-745
(33) Trends in glyphosate herbicide use in the United States and globally, Charles M. Benbrook; Environment Science Europe; (2016) 28:3
(34) Concerns over use of glyphosate-based herbicides and risks associated with exposures: a consensus statement, John Peterson Myers et. al.; Environmental Health (2016) 15: 19
(35) EDC-2: The Endocrine Society’s Second Scientific Statement on Endocrine-Disrupting Chemicals, A. C. Gore et. al.; Endocrine Reviews; (2015) Dec 36 (6)
(36) International Federation of Gynecology and Obstetrics opinon on reproductive health impacts of exposure to toxic environmental chemicals, Gian Carlo Di Renzo et. al.; International Journal of Gynecology & Obstetrics; Volume 131, Issue 3 (2015) Dec 219-225
(37) Project TENDR: Targeting Environmental Neuro-Developmental Risk. The TENDR Consensus Statement; Environ Health Perspect; DOI: 10.1289/EHP358
(38) Targeting Environmental Neurodevelopmental Risks to Protect Children, Deborah Hirtz et. al.; Pediatrics; Feb 2017, Volume 139/Issue 2

KASTEN

Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) lehnt Tierversuche ab. Auch im Fall von Glyphosat haben diese sich als unzuverlässig erwiesen. Hätten die verantwortlichen Fachgremien sich bei der Beurteilung des Antiunkraut-Mittels auf epidemologische Studien gestützt, so wäre der Beweis für die Gefährlichkeit des Stoffes eindeutig ausgefallen. Nicht zuletzt wegen ihrer zweifelhaften Aussagekraft stellt sich die CBG gegen Experimente am „Tier-Modell“und setzt sich stattdessen für Alternativen wie etwa Tests mit menschlichen Zell-Kulturen ein.