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Veröffentliche Beiträge von “CBG Redaktion”

Peter Clausing (Pestizid Aktions-Netzwerk e. V. )

CBG Redaktion

Sehr geehrte Damen und Herren Aktionärinnen und Aktionäre, sehr geehrte Mitglieder des Vorstands und Aufsichtsrats.

Mein Name ist Peter Clausing vom Pestizid Aktions-Netzwerk e. V. und ich spreche als Bevollmächtigter der Coordination gegen Bayer-Gefahren. Ich bin promovierter Toxikologe und bin vertraut mit den Eigenschaften jenes Abbauprodukts von Pestiziden, über das ich heute sprechen werde. Es geht um Triflouracetat, oder kurz TFA, ein Abbauprodukt sogenannter PFAS-Pestizide, von denen Bayer Präparate von insgesamt 7 Wirkstoffen in seinem Portfolio hat. Konkret geht es um Diflufenican, Flufenacet, Fluopicolid, Fluopyram, Isoxaflutol, Tembotrion und Trifloxystrobin. 

TFA ist eine so genannte Ewigkeitschemikalie und zugleich ein Stoff, der eine Gefahr für das ungeborene Leben darstellt, wobei laut Behördenunterlagen Augenmissbildungen im Vordergrund stehen. Beim zurzeit laufenden REACH-Verfahren wurde TFA von den Behörden als reproduktionstoxische Substanz der Kategorie 1B vorgeschlagen. 

Auch wenn es noch andere Emissionsquellen für TFA gibt, sind PFAS-Pestizide die vorherrschende Quelle für die Kontamination von Grund- und Trinkwasser mit TFA. Laut Europäischer Chemikalien-Agentur werden in der EU pro Jahr knapp 5.500 Tonnen PFAS-Pestizide ausgebracht. Und aus dem Bericht des Umweltbundesamts von 2023 geht hervor, dass in Deutschland das Potenzial besteht, dass durch die ausgebrachten PFAS-Pestizide jährlich bis zu 521 Tonnen TFA gebildet werden. TFA ist, wie gesagt, eine so genannte Ewigkeitschemikalie. Mit anderen Worten, jedes Jahr gelangen in Deutschland bis zu 521 weitere Tonnen TFA in die Umwelt. Das erklärt den steilen Anstieg der Belastung, der über die letzten 15 Jahre zum Beispiel in Wein festgestellt wurde, denn TFA in Wein ist nichts anderes als ein Abbild der beim Anbau herrschenden Umweltbelastung. Um dieser flächendeckenden Kontamination von Oberflächen- und Grundwasser einzudämmen, sollten PFAS-Pestizide umgehend aus dem Verkehr gezogen werden. 

Ich habe deshalb folgende Fragen:

  1. Wie hoch ist der Anteil des Bayer-Konzerns an den nach offizieller Schätzung knapp 5.500 Tonnen PFAS-Wirkstoffen, die jährlich in der EU ausgebracht werden?
  2. Für welche dieser Wirkstoffe – also für Diflufenican, Flufenacet, Fluopicolid, Fluopyram, Isoxaflutol, Tembotrion und Trifloxystrobin – hat die Unternehmensleitung die Absicht auf einen Antrag auf Wiedergenehmigung zu verzichten?
  3. Im positiven Fall, d. h. bei Verzicht auf Wiedergenehmigung: Ist das Unternehmen auch bereit, auf den Export von Präparaten mit diesen Wirkstoffen bzw. von diesen Wirkstoffen selbst zu verzichten? Wenn ja, welche und ab wann?

Vor diesem Hintergrund fordere ich die Aktionär:innen auf, Vorstand und Aufsichtsrat nicht zu entlasten und stattdessen für die Gegenanträge der Coordination gegen BAYER-Gefahren zu stimmen!“

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Der Doppelpack

CBG Redaktion

Auch im Jahr 2025 sah sich BAYER auf der Hauptversammlung wieder mit Konzernkritik im virtuellen und im realen Raum konfrontiert.

Von Peer Clausen

Am 25. April fand die Aktionärsversammlung des BAYER-Konzerns statt – wiederum virtuell. Dieses digitale Format, das im Windschatten der Corona-Pandemie eingeführt und einfach beibehalten wurde, stößt auf massive Ablehnung. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und der DACHVERBAND KRITISCHE AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE sehen in ihm einen bequemen Weg, sich nicht länger direkt mit Konzern-Kritik konfrontieren zu müssen. Aber auch unorganisierte AktionärInnen stoßen sich an den Online-Hauptversammlungen. Sie geißeln diese als undemokratisches Kosteneinsparungsmodell und stellen auch die hohen technischen Hürden heraus, die gerade ältere Personen oft nicht überwinden könnten.

Die Kundgebung

Die CBG aber hielt dagegen und organisierte Protest in Präsenz. Ab 9 Uhr morgens standen Aktivistinnen und Aktivisten vor der BAYER-Zentrale auf der Kaiser-Wilhelm-Allee in Leverkusen, während AnzugträgerInnen auffällig unauffällig Fotos von ihnen machten. Von derart billigen Einschüchterungsstrategien ließen die ProtestlerInnen sich jedoch nicht einschüchtern, sie kennen die Chose ja schon einige Jahre.

Die KonzernkritikerInnen nahmen den ganzen Vorplatz in Beschlag – Belagerungszustand. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) war mit zwei Treckern vorgefahren, deren Schaufeln sie zu Transparenthaltern umfunktioniert hatten. „Patente und Gentechnik stoppen“ und „Unser Saatgut ist in Gefahr – Neue Gentechnik und Patente stoppen“ war darauf zu lesen. Die beiden Banner der Coordination thematisierten die Risiken und Nebenwirkungen von Pestiziden und globalem Handel. „Parkinson für die Bauern – Profite für BAYER & Co. und „Welt in (Liefer-)ketten – BAYER muss haften!“ stand auf ihnen. Sogar Dreidimensionales bot die CBG auf: eine riesige Weltkugel im Würgegriff des Global Players.

All das und noch viel mehr fand sich auch in den Wortbeiträgen wieder, die Sibylle Arians und ihre Schwester Maria musikalisch umrahmten. Annemarie Volling von der AbL referierte über die Saatgutstrategie des Agro-Riesen und die Patentierungen, die Kleinbauern und -bäuerinnen in dessen Abhängigkeit treiben. „Vor allem die großen Konzerne wie BAYER oder CORTEVA sind die Treiber und melden immer mehr Patente auf Pflanzen und Tiere an“, erläuterte sie und malte ein beängstigendes Bild von der Macht des Agro-Business. „2018 hat BAYER MONSANTO für 60 Mrd. US-Dollar aufgekauft und ist damit zum größten Saatgutkonzern geworden. Die AbL war die einzige landwirtschaftliche Organisation, die bei dieser Mega-Fusion Widerspruch eingelegt hat.“, machte sie noch mal auf die relativ singuläre Position der AbL unter den landwirtschaftlichen Vertretungen aufmerksam. 

Brigitte Hincha-Weisel, Vorstandsmitglied der CBG, zeigte am Beispiel der Frage der Lieferketten, die ein thematischer Schwerpunkt der diesjährigen CBG-Aktivitäten zur HV waren, dass BAYER für die Steigerung der Profite die systematische Verletzung von Menschenrechten, Sozial-, Gesundheits- und Arbeitsschutzstandards in Kauf zu nehmen bereit ist. Lars-Ulla Krajewski von der CBG sprach zu Parkinson als Berufskrankheit bei LandwirtInnen und Uwe Friedrichs zu PFAS-Pestiziden. Rolf Brombach nahm sich in einem Schnelldurchlauf BAYER im Ganzen vor und Bernward Geier sorgte für das nötige Kontrastprogramm: Er widmete sich der ökologischen Landwirtschaft als Alternative zum von BAYER & Co. forcierten agro-industriellen Modell.

Die virtuelle HV

Jan Pehrke von der Coordination verlängerte den Protest dann in die Online-Hauptversammlung hinein, die bis zu 2.600 Menschen an ihren Monitoren verfolgten. „Heute Morgen fand vor der BAYER-Zentrale in Leverkusen eine Kundgebung der Coordination gegen BAYER-Gefahren statt, an der Landwirte, Gentechnik-Gegner und Pestizid-Kritiker teilnahmen. Und einige Themen, die die Aktivisten auf die Tagesordnung setzten, möchte auch ich jetzt ansprechen wie z. B. BAYERs prekäre Lieferketten“, sagte er. So verwies Pehrke auf eine Saatgutanlage in Sambia, deren Zuliefer-Betriebe 15.000 SaisonarbeiterInnen beschäftigen. „Wie will BAYER bei diesen 15.000 beschäftigten Saisonarbeitern sicherstellen, dass da keine Kinder dabei sind?“, fragte er.

IG FARBEN & heute

Hans van Scharen vom Corporate Europe Observatory sprach über den Extrem-Lobbyismus des Global Players in den USA für Gesetze, die Glyphosat Straffreiheit gewähren (inklusive der Teilnahme an der Amtseinführung Donald Trumps). Er holte dafür aber weiter aus: „Doch ich möchte zunächst der Vergangenheit eine Stimme geben, weit über Ihre Quartalszahlen hinausgehend, weil die Geschichte beeinflusst, wer wir sind und wie wir heute handeln. Mein Großvater Karel van Scharen wurde 1942 von den Nazis aus Antwerpen, Belgien, nach Auschwitz deportiert, um dort Zwangsarbeit in den Fabriken der IG FARBEN zu verrichten, einem Konzern, der aus drei deutschen Chemieunternehmen bestand, einer davon BAYER, und der offiziell erst vor 22 Jahren aufgelöst wurde.“ 

Aus solchen historischen Ereignissen gelte es zu lernen, aber eben diese Prüfung hat der Leverkusener Multi van Scharen zufolge nicht bestanden. „Leider sehen wir heute, wie BAYER als großes europäisches Unternehmen sich einer neuen und schockierenden Diktatur anbiedert, die sich direkt vor unseren Augen entwickelt: der von Donald Trump in Washington. Sie mögen diese Vergleiche vielleicht für unangemessen halten, aber ich bin nicht der Einzige. Der Vizepräsident der USA, Al Gore, hat gestern dasselbe getan“, so van Scharen.

Um die „undemokratischen Bemühungen von BAYER, Gesetze abzuändern, die dazu bestimmt waren, die Völker und den Planeten schützen“ zu konterkarieren, hat das Corporate Europe Observatory einen offenen Brief initiiert, den über 100 Organisationen aus der ganzen Welt unterzeichnet haben. Klar ist: Unterschriften allein werden den Kurs des BAYER-Konzerns nicht ändern, doch sind sie ein wichtiges Zeichen für Widerstand gegen die rücksichtslose Durchsetzung seiner Profitinteressen. 

Immer wieder Pestizide 

Einen Schwerpunkt der weiteren Beiträge bildete das Pestizid-Geschäft des Chemieriesen. Dabei gelang es der CBG sogar, den AktionärInnen eine Stimme aus dem fernen Afrika zu Gehör zu bringen. Harun Warui von der Heinrich-Böll-Stiftung in Nairobi kritisierte den Export von innerhalb der EU wegen ihres Gefährdungspotenzials nicht (mehr) zugelassenen Ackergiften. Seit Neuestem geht Kenia gegen diese doppelten Standards vor. So hat das Land laut Warui Ende des letzten Jahres acht als „Highly Hazardous Pesticides“ (HHPs) klassifizierte Ackergifte – darunter auch BAYERs Thiacloprid – aus dem Verkehr gezogen. Diesen Schritt begrüßte er als Maßnahme zur Unterstützung der Kleinbauern und -bäuerinnen, die den Großteil der afrikanischen landwirtschaftlichen ErzeugerInnen stellen. Damit gehe Kenia einen Schritt, den bereits zahlreiche andere Staaten gegangen seien, was Ausdruck einer grundsätzlichen Umkehr sei. Angesichts der mit zweierlei Maß messenden Geschäftspraxis stellte er BAYERs Leitmaxime in Frage: „Was bedeutet ‚Science For A Better Life‘, wenn es nur selektiv Anwendung findet, abhängig von der Geografie, dem regulatorischen Umfeld und dem Wachsamkeitsgrad der Öffentlichkeit?“ 

Gleich mehrere RednerInnen sprachen zu „Parkinson durch Pestizide“, das bei LandwirtInnen seit dem letzten Jahr als Berufskrankheit anerkannt ist. „Mit bestem Wissen und Gewissen haben die Bäuerinnen und Bauern die betreffenden Pestizide entsprechend der Angaben der Hersteller und Zulassungsbehörden zur gesundheitlichen Sicherheit angewendet. Ein Hinweis auf mögliche Gefahren für eine Parkinson-Krankheit hat es nicht gegeben, und heute findet man diesen immer noch nicht“, warf AbL-Vizegeschäftsführer Bernd Schmitz dem Agro-Riesen vor. Die Berufsgenossenschaft der LandwirtInnen belasten die erwarteten Behandlungskosten enorm, weshalb sie die Beträge drastisch erhöht hat. Für Schmitz ein unhaltbarer Zustand: „Bauern und Bäuerinnen kommen heute allein für die Kosten von Parkinson als Berufskrankheit mit ihren Beiträgen zur Berufsgenossenschaft auf. Pharma-Konzerne haben ihre Gewinne eingestrichen, entziehen sich aber jetzt ihrer Verantwortung für die Folgen. Ich fordere BAYER hiermit auf, sich mit einem Fonds an den Folge-Kosten für eine berufliche Pestizid-Exposition und der Entstehung der Parkinson-Erkrankung zu beteiligen.“

Jan Pehrke verlangte angesichts des von der „Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau“ geschätzten Parkinson-Mehrbedarfs von 270 Millionen Euro pro Jahr ebenfalls eine Kostenbeteiligung. Hans van Scharen befasste sich indessen grundsätzlicher mit dem Nervenleiden, das sich rasant ausbreitet. In den letzten 20 Jahren haben sich die Parkinson-Zahlen mehr als verdoppelt und übertreffen damit Schlaganfälle und Multiple Sklerose, so der CEO-Aktivist. Zur Erklärung der Ursachen dafür zitierte er den Wissenschaftler und Neurologen Bas Bloem: „Parkinson war bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts eine sehr seltene Krankheit. Mit der landwirtschaftlichen Revolution, der chemischen Revolution und dem explosionsartigen Anstieg des Pestizideinsatzes begannen die Erkrankungsraten zu steigen.” Angesichts dessen konnte van Scharen es nur als zynisch empfinden, dass der Leverkusener Multi sich auch noch als Heilsbringer in der Sache inszeniert, weil seine Pharma-Abteilung an Behandlungsmethoden für Parkinson forscht. 

Nicole van Gemert von der niederländischen FOODWATCH-Sektion machte da gleich einen praktischen Therapie-Vorschlag: „Ich schätze die Bemühungen von BAYER, ein Heilmittel für Parkinson zu finden, aber könnten Sie dieses Geld nicht einsparen, wenn Sie die Produktion von Glyphosat einstellen würden?“ Aus der Perspektive einer Organisation, die für ein gesundes Essen streitet, widmete sie sich den Pestiziden im Allgemeinen und den doppelten Standards im Besonderen, landen die hierzulande nicht (mehr) genehmigten, in ferne Länder exportierten Ackergifte über Lebensmittelimporte doch wieder auf den hiesigen Tellern. 

Dr. Gottfried Arnold sprach von der Warte eines ehemaligen Kinderarztes aus und schilderte die Gefahren, die ErdenbürgerInnen in spe schon im Mutterleib drohen. „Die erste Pestizid-Dosis, die ungeborene Kinder in dieser frühen und empfindlichen Phase abbekommen, nennen Kinderkrebs-Ärzte den ‚1. Schlag‘“, erläuterte er. Der 2. Schlag folge dann draußen in der Welt durch die Schadstoff-Expositionen in der Luft, so Arnold. Am häufigsten entwickeln die Neugeborenen ihm zufolge eine Leukämie. Dazu zitierte er eine Studie von WissenschaftlerInnen, die in diesem Zusammenhang von einer „vermeidbaren Erkrankung“ sprechen, weil die Entstehungsgeschichte so klar vor Augen liegt und Handlungsoptionen eröffnet.

Peter Clausing, promovierter Toxikologe vom PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN), beschäftigte sich mit denjenigen Pestiziden, die Mensch, Tier und Umwelt besonders zusetzen, weil sie zu den Ewigkeitschemikalien zählen. Allein sieben, die bei ihrer Zersetzung den PFAS-Stoff Tetraflouracetat (TFA) bilden, hat BAYER im Programm. „Auch wenn es noch andere Emissionsquellen für TFA gibt, sind PFAS-Pestizide die vorherrschende Quelle für die Kontamination von Grund- und Trinkwasser mit TFA. Laut Europäischer Chemikalien-Agentur werden in der EU pro Jahr knapp 5.500 Tonnen PFAS-Pestizide ausgebracht. Und aus dem Bericht des Umweltbundesamts von 2023 geht hervor, dass in Deutschland das Potenzial besteht, dass durch die ausgebrachten PFAS-Pestizide jährlich bis zu 521 Tonnen TFA gebildet werden“, führte er aus. „Wie hoch ist der Anteil des BAYER-Konzerns an den nach offizieller Schätzung knapp 5.000 Tonnen PFAS-Wirkstoffen, die jährlich in der EU ausgebracht werden?“, wollte er unter anderem vom Vorstand wissen.

Gentechnik & Co.

Judith Düesberg vom Gen-ethischen Netzwerk widmete sich der neuesten Schöpfung aus den BAYER-Laboren: einem Hybrid aus Pestizid und Gentechnik auf der Basis von doppelsträngiger Ribonukleinsäure (dsRNA). Damit bestückt, sollen die Mittel dem Maiswurzelbohrer zu Leibe rücken.  Die Molekül-Kette zieht nämlich Enzyme im Magen des Insekts an und spaltet diese in siRNA auf, was dann ein für das Tier überlebenswichtiges Protein blockiert. Als Alternative zur Agro-Chemie preisen die Konzerne diese Entwicklung an, Düesberg aber äußerte Zweifel am Sicherheitsprofil der Technologie, die in einem Gen-Mais des Global Players bereits zur Anwendung kommt. Zu einem anderen erst jüngst erschlossenen Anwendungsgebiet der Gentechnik, der Kreation von Boden-Bakterien, stellten sich ihr ebenfalls drängende Fragen. Das nicht zuletzt deshalb, weil sich die Versprechungen, die BAYER & Co. bei der Einführung der ersten Gentech-Pflanzen gemacht haben – wie zum Beispiel eine Reduktion der Giftspritzereien auf den Feldern durch passgenau auf die Ackerfrüchte abgestimmte Pestizide – nicht erfüllt haben. 

Damit blieb an diesem Tag keine Gentech-Hervorbringung BAYERs unter dem Radar der AktivistInnen, denn zuvor schon hatte Bernd Schmitz sich in seiner Rede der Gentechnik 2.0 angenommen und den Umgang des Leverkusener Multis mit dieser Risiko-Technologie scharf kritisiert. „[I]n der Debatte um die Anwendung der neuen Gentechnik CRISPR-Cas bei Saatgut lehnt BAYER jede Haftung und Verantwortung ab. Auch eine Rückverfolgbarkeit und eine durchgehende Kennzeichnung in der Lebensmittel-Kette wird von Ihrem Konzern bekämpft. Das ist alles andere, als Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen!“, konstatierte er.

CO2 & Co.

Auch der Klimawandel kam zur Sprache, trägt der Leverkusener Multi doch mit einem Treibhausgas-Ausstoß von rund drei Millionen Tonnen pro Jahr nicht unwesentlich dazu bei. „Wie stark die Extremwetter in Zukunft noch zunehmen werden, ist abhängig von den Entscheidungen, die heute in den Chefetagen der Unternehmen wie der BAYER AG getroffen werden. Werden die planetaren Grenzen weiterhin negiert und nicht eingepreist, werden sich die Krisen in absehbarer Zukunft überschlagen“, prophezeite Alice Werner von den Leverkusener PARENTS FOR FUTURE. Darum erkundigte sie sich danach, was der Global Player tut, um so schnell wie möglich aus der fossilen Energie-Gewinnung auszusteigen. Auch zu weiteren Maßnahmen zur Eindämmung der Erderwärmung erbat sie Informationen. Eigentlich wollte sich die Aktiengesellschaft auf der Hauptversammlung dazu groß in Szene setzen und ihren Klimaplan zur Abstimmung stellen. Aber das verschwand schnell wieder von der Tagesordnung – Mächtige AktionärInnen hatten interveniert. „Ich hätte jetzt gerne die Namen der Großinvestoren erfahren, die ihr Veto eingelegt haben“, bat Jan Pehrke deshalb. 

Mit Günter Wulf ergriff schließlich ein ehemaliges Heimkind das Wort, das in Kinder- und Jugendpsychiatrien als Versuchskaninchen für Arzneien von BAYER und anderen Firmen herhalten musste. „Bei jahrelangen Misshandlungen und unter 8-jähriger Dauermedikation, bei der die Pharma-Unternehmen unvorstellbar hohe Gewinne einstreichen konnten, da ihnen ja ‚günstige Probanden‘ für ihre Medikamententests zur Verfügung standen, nämlich wir Heim- und Psychiatrie-Kinder, bin ich heute dankbar dafür, dass ich diese medikamentöse Vergewaltigung, die überhaupt keinen therapeutischen Nutzen hatte, tatsächlich überstanden habe, wenngleich Nervenschäden nicht ausblieben“, berichtete er.

Von 1964 bis 1972 war Wulf dieser Tortur ausgesetzt. Erst mit dem neuen Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Schleswig-Hesterberg – Hermann Meyerhoff, der Vater des bekannten Schauspielers und Autors Joachim Meyerhoff – endeten seine Qualen. Darum forderte Günter Wulf den Leverkusener Multi auf, Verantwortung zu übernehmen.

Nur Ausflüchte von BAYER

Das lehnte das Unternehmen jedoch ab. „Herr Wulf – Sie hatten gefragt, wann sich die BAYER AG dazu bereiterklärt, für die an Heimkindern angeblich begangene Körperverletzung einzustehen“, hob Pharma-Chef Stefan Oelrich in seiner Antwort an, um Günter Wulf dann zu bescheiden: „Die Forderung nach einer finanziellen Beteiligung lehnen wir ab, da wir weder für die Zustände in den damaligen Heimen noch für die Handlungen der Mitarbeiter Verantwortung übernehmen können.“ Die Untersuchungen selbst wurden damals „auf der Grundlage der damals geltenden rechtlichen und ethischen Rahmenbedingungen und unter den Voraussetzungen der entsprechenden Indikationsstellung durchgeführt“, behauptete Oelrich. Und überdies wurden Kinder und Jugendliche nur „in geringem Umfang eingebunden“ und das auch nur, „wenn der medizinische Bedarf oder die Indikationsstellung gegeben war“, wiegelte er weiter ab.

Auch wollte das Unternehmen nicht damit rausrücken, welche Großinvestoren genau darauf gedrungen hatten, den Klimaplan nicht zur Abstimmung zu stellen. BAYER-Chef Anderson äußerte sich nur ganz allgemein dazu. „Die Entscheidung, die Abstimmung über ein ‚Say on Climate‘ nicht zur Abstimmung zu stellen, wurde auf der Basis einer gründlichen Analyse der Erwartungen unserer Investoren getroffen“, erläuterte er. Diese hätten dem Vorstand „aufgrund ihrer internen Diskussionen signalisiert, dass der momentane Zeitpunkt für einen ‚Say on Climate‘ nicht der richtige ist“, so der Ober-BAYER weiter. Aber heute ist nicht alle Tage. „Wir prüfen das Thema weiterhin“, versuchte Anderson Trost zu spenden.

Judith Düesberg erhielt ebenfalls keine Antwort auf ihre Frage, wie viel Geld BAYER in die Entwicklung von gentechnisch veränderten Mikroorganismen steckt – Geschäftsgeheimnis. Auch zur Erforschung der Risiken von RNAI-Pestiziden hielt sich das Unternehmen bedeckt. Nur Lobby-Aktivitäten bezüglich deren Regulierung räumte es ein, prägen doch „Gesetzgebung und Politik die Rahmenbedingungen unseres Geschäfts“. „Als global agierendes Unternehmen haben wir die gesamtgesellschaftliche Verantwortung, aktiv unsere Fähigkeiten und Kenntnisse zur Verfügung zu stellen und politische Entscheidungsprozesse zu begleiten“, meinte BAYERs Agrar-Chef Rodrigo Santos. „Deshalb haben wir zu diesem Themen-Komplex zahlreiche Gespräche unter anderem mit der EU-Kommission und dem europäischen Parlament geführt“, führte er aus. Und natürlich pflegt der Global Player die politische Landschaft nicht nur in Brüssel. „Selbstverständlich tauschen wir uns auch mit der US-Regierung über den Nutzen unserer Produkte aus“, erklärte Finanz-Vorstand Wolfgang Nickl: „Tragfähige Beziehungen zu Regierungen überall sind für uns sehr wichtig, das ist unabhängig von bestimmten Personen.“ 

Am Vorstandsvorsitzenden Bill Anderson war es dann dieses Mal, die Wahlkampf-Spenden des Konzerns an Trump herunterzuspielen und als reine Privatangelegenheiten der Beschäftigten darzustellen. Er bekannte sich bei der Gelegenheit beherzt zu den Geschäften in den USA, trotz der Schadensersatz-Prozesse in Sachen „Glyphosat“ und „PCB“. „Wir arbeiten mit Hochdruck daran, diese Hindernisse aus dem Weg zu räumen und BAYER wieder auf einen profitablen Wachstumskurs zu bringen. Dabei machen wir sehr gute Fortschritte, es ist aber auch noch sehr viel zu tun.“ 

Auf die Zollpolitik der Trump-Admini-stration versucht sich der Agro-Riese derweil einzustellen. „Wir beobachten die Entwicklungen in den USA fortwährend genau und analysieren die potenziellen Auswirkungen auf unsere Lieferketten, Kunden und auch unsere Geschäftsbeziehungen“, sagte Finanz-Vorstand Wolfgang Nickl. Ein ganzes Netzwerk von ExpertInnen-Teams hat der Leverkusener Multi darauf angesetzt. „Diese Aktivitäten verstärken unsere ohnehin bestehende kontinuierliche Arbeit, die geopolitische Widerstandsfähigkeit unserer Gesellschaft und unserer Geschäfte zu stärken z. B. durch ein vielfältiges Beschaffungsnetzwerk oder das Management von Lagerbeständen“, so Nickl. 

Genauere Angaben darüber, wie BAYER mit dem Druck von Trump & Co. auf die Konzerne umgeht, ihre Programme für Vielfalt, Gleichberechtigung und Diversität einzustellen, machte die Vorstandsriege nicht. Unter anderem Jan Pehrke hatte darüber Auskünfte verlangt. Er zitierte dazu Statements von ehemaligen Beschäftigten, die sich um Angehörige von Minderheiten innerhalb der Belegschaft sorgten und aus dieser Perspektive die Teilnahme Bill Anderson und BAYERs US-Chef Sebastian Guth an der Amtseinführung Trumps kritisiert hatten. Personalvorständin Heike Prinz flüchtete sich zunächst in Allgemeinplätze. „Wir setzen uns weiterhin für Vielfalt ein“, bekundete sie. Die konkreteren Ausführungen ließen daran jedoch großen Zweifel aufkommen. „Dieses Versprechen setzen wir unter Einhaltung aller jeweils geltenden staatlichen Gesetze und Vorschriften um“, erläuterte Prinz. Die rechtliche Situation in den USA sei weiterhin in Bewegung und BAYER in Habacht-Stellung. „Wir beobachten die sich in den USA entwickelnde Situation sehr aufmerksam, um die möglichen Auswirkungen auf unser Geschäft besser einschätzen zu können. Dabei handeln wir proaktiv, um unser Unternehmen voranzubringen und gleichzeitig unseren Werten treu zu bleiben“, so die Managerin.

Wie schlecht es um diese Werte bestellt ist, zeigte der von Jan Pehrke zur Sprache gebrachte Lieferkettenbericht, der zahlreiche Verstöße gegen soziale und ethische Standards ausweist. Genauere Auskunft zum dort dokumentierten Fall von Kinderarbeit verweigerte der Leverkusener Multi. Ein neues Einfallstor für die Ausbeutung von Minderjährigen könnte BAYERs neue Maissaatgut-Anlage in Sambia darstellen, denn nach Angaben des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen ist die Landwirtschaft ein Hot Spot von Kinderarbeit. Und bei der Fertigungsstätte in Kabwe ist das Risiko besonders groß. Die Vertragsfirmen, die für diese Fabrik das Saatgut vermehren, beschäftigen nämlich nicht weniger als 15.000 Saisonkräfte. Der Agro-Riese aber sieht da keine Gefahr. Die Zulieferer wären an BAYERs Human Rights Policy gebunden, die sich wiederum an den allgemeinen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der Vereinten Nationen orientiert, versicherte Rodrigo Santos Jan Pehrke: „Zudem gelten die arbeitsrechtlichen Bedingungen in Sambia“. Etwas konkreter fielen die anderen Antworten zu diesem Thema aus. Die Behinderungen gewerkschaftlicher Betätigung fanden in Mexiko und in Indien statt. In dem lateinamerikanischen Land verzögerte sich die Umsetzung von Bestimmungen zur Versammlungsfreiheit, und in dem südostasiatischen Land behinderte eine Vertragsfirma von BAYER die Gründung eines Betriebsrats. Der Lohnraub wiederum ereignete sich in China, Indien und Saudi-Arabien. Es handelte sich in allen elf Fällen um verspätete Bezahlung, erklärte Aufsichtsratschef Norbert Winkeljohann.

Der Pestizid-Komplex

Die Risiken und Nebenwirkungen der BAYER-Pestizide verleugnete Agrar-Chef Rodrigo Santos samt und sonders. Die Ewigkeitschemikalie TFA als Abbau-Stoff von Ackergiften – kein Problem! „Nach den Ergebnissen der jüngsten wissenschaftlichen Studien zu TFA – einschließlich relevanter Überwachungsdaten – ist es wichtig zu sagen: Es gibt keine Hinweise für ein Risiko für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt, das mit der ordnungsgemäßen Verwendung unserer Produkte verbunden ist“, meinte er. Für Parkinson gilt das ihm zufolge natürlich auch. „Die Entstehung des Parkinson-Syndroms ist komplex und in der medizinischen Forschung nicht vollständig geklärt“, eröffnete er Bernd Schmitz von der AbL, klar ist nur das: „Im Rahmen der Zulassungs- und Wiederzulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel überprüfen und bewerten die Zulassungsbehörden umfangreiche Daten aus Studien (…) Keine Zulassungsprüfung kam jemals zu dem Schluss, dass die Verwendung eines unserer registrierten Produkte oder Wirkstoffe mit der Parkinson-Krankheit in Zusammenhang steht.“ 

Selbst innerhalb der Europäischen Union nicht (mehr) zugelassenen, von BAYER aber weiter in andere Länder exportierte Mitteln stellte der Brasilianer eine Unbedenklichkeitserklärung aus, die der Konzern in ganz ähnlicher Form bereits bei der Hauptversammlung von 2023 zur Anwendung brachte. „Allein die Tatsache, dass ein Pflanzenschutzmittel nicht in der EU zugelassen ist, sagt nichts über seine Sicherheit aus. Auch viele andere Zulassungsbehörden aus der ganzen Welt verfügen über robuste und hochentwickelte Regulierungssysteme zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt“, erklärte der Agrar-Manager. BAYER hat sich da kurzerhand ganz eigene Regeln zugelegt. Nach „Das Unternehmen vertreibt keine Pestizide, die nicht in mindestens einem OECD-Staat eine Genehmigung haben“ ein Komma setzen und schreiben: „und meint damit den Gleichbehandlungsansprüchen zu genügen.“ Seinen Leit-Slogan „Science For A Better Life“ wollte es dann auch keineswegs nur selektiv verstanden wissen. „Unsere Strategie bezüglich der Landwirte steht im Einklang mit den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen und wird in unsere regionale Wirtschaftsstrategie eingegliedert“, versicherte Santos Harun Warui. Aber es gebe nun einmal spezifische lokale Bedürfnisse, meinte er nach der Devise „andere Länder, andere Sitten“.

Die Antworten fielen also wieder einmal dürftig aus. Es gab von Seiten des Managements kein ernsthaftes Interesse, sich mit den von den AktivistInnen vorgebrachten Problematiken auseinanderzusetzen. Darum lautete das Resümee des CBG-Vorstandsmitglieds Jan Pehrke: „Die Themen-Komplexe, die ich und die anderen Konzern-Kritiker bisher angesprochen haben, zeigen, dass BAYER ohne Rücksicht auf Verluste für Mensch, Tier und Umwelt den Profiten nachjagt. Um dem in Zukunft Einhalt zu gebieten, muss der Konzern unter gesellschaftliche Kontrolle gestellt werden.“ ⎜

Die Reden

CBG Redaktion

=> Peter Clausing (Pestizid Aktions-Netzwerk) zum Thema „PFAS“

=> Nicole van Gemert (Foodwatch Holland) zum Thema „Pestizide“

=> Günter Wulf (Verein ehemaliger Heimkinder Schleswig-Holstein) zum Thema „Medikamentenversuche“

=> Jan Pehrke (CBG) zu den Themen „Lieferketten“, „Parkinson“ und „Trump“

=> Gottfried Arnold (CBG) zum Thema „Pestizide“

=> Hans Van Scharen (Corporate Europe Observatory) zum Thema „Glyphosat-Lobbying in den USA“

=> Alice Werner (Parents for Future/Leverkusen) zum Thema „Klimawandel“

=> Judith Düesberg (Gen-ethisches Netzwerk) zum Thema „Biotechnologien in der Landwirtschaft

=> Harun Warui (Heinrich-Böll-Stiftung Kenia) zum Thema „Doppelte Pestizid-Standards“

Pressestimmen

CBG Redaktion

Ein Glyphosat-Rückzug wäre wohl im Sinne des Vereins Coordination gegen BAYER-Gefahren, der mit Gegenanträgen zur Hauptversammlung die Kapitalerhöhung und weitere Beschlüsse verhindern will. So ist die CBG etwa gegen ein neues Mandat, auch künftig virtuelle Hauptversammlungen durchzuführen.

ftd.de

Die Hauptversammlung fand in diesem Jahr erneut digital statt. Dafür musste sich das Unternehmen deutliche Kritik von den Aktionären anhören. Die Unternehmensspitze ziehe sich in den „bequemen Elfenbeinturm“ zurück und verschanze sich im virtuellen Raum, hieß es.

tagesschau.de

ISS (Stimmrechtberater Anm. SWB) indes empfiehlt, sich gegen die Möglichkeit zur Abhaltung rein virtueller Hauptversammlungen auszusprechen. Den diversen Gegenanträgen dürfte dagegen keine Bedeutung zukommen.

Börsen-Zeitung

Die Hauptversammlung wird auch von über 100 NGOs angeheizt, die BAYER vorwerfen, Lobbyarbeit zu betreiben, um das Recht der Amerikaner, Pestizidhersteller zu verklagen, einzuschränken und die Kampagne als „Strategie der verbrannten Erde” brandmarken.

Politico

Draußen hatten sich Kritiker postiert, viele aus dem Netzwerk der „Coordination gegen BAYER-Gefahren“, deren Vertreter später das Wort ergriffen. Auf der Straße ging es um Glyphosat und viele andere Themen, die mit BAYER in Verbindung stehen. Ein aufgepumpter Globus machte deutlich, dass der Konzern weltweit arbeitet – und weltweit Verantwortung trägt.

Kölner Stadt-Anzeiger

Es ist ein Ritual: Die meisten der Gegenanträge, mit denen sich die Aktionäre am kommenden Freitag auseinander- setzen müssen, stammen von der „Coordination gegen BAYER-Gefahren“ (…) Die Gegenanträge der „Coordination“ zeigten „die etwas andere BAYER-Bilanz“, sagt Brigitte Hincha-Weisel aus dem CBG-Vorstand. Themen sind zum Beispiel die prekären Lieferketten, die Pestizid-Nebenwirkung „Parkinson“ und das besondere Gefährdungspotenzial von PFAS-haltigen Ackergiften. Auch den Plan einer Kapital-Erhöhung, mit dem sich der Bayer-Vorstand ein Polster für die Glyphosat-Entschädigungsverfahren und „andere Maßnahmen im Zusammenhang mit einer weitgehenden Eindämmung von Klage-Verfahren in den USA“ verschaffen will, lehnen die organisierten BAYER-Kritiker ab. Ihrer Ansicht nach gibt es nur eine Möglichkeit, die Rechtsstreitigkeiten in Sachen Glyphosat zu beenden: die Vermarktung des Herbizids zu beenden. Ein weiterer Gegenantrag thematisiert BAYER s Weigerung, Verantwortung für die bis in die 1970er Jahre hinein an Heimkindern durchgeführten Arznei-Tests zu übernehmen.

Kölner Stadt-Anzeiger

Vor der kommenden Hauptversammlung will außerdem die Organisation Corporate Europe Observatory einen offenen Brief an die Anteilseigner veröffentlichen. Darin werden die Bestrebungen des Konzerns angeprangert, in den USA Gesetze zu lancieren, die Glyphosat Straffreiheit verschaffen sollen. 

Kölner Stadt-Anzeiger

Vor der BAYER-Zentrale in Leverkusen formiert sich heute ein Protest, der auf die Online-Hauptversammlung des Unternehmens aufmerksam machen soll. Die Organisatoren fordern unter anderem die Einstellung der Produktion von umstrittenen Pestiziden wie Glyphosat.

it boltwise

Vor der BAYER-Zentrale in Leverkusen ist heute eine Kundgebung geplant, denn: BAYER hat heute seine Hauptversammlung. Diese findet zwar online statt, der Protest soll aber für Aufmerksamkeit sorgen. Unter anderem sollen Trecker vor der Hauptzentrale neben dem BAYER-Casino für Aufmerksamkeit sorgen.

Radio Leverkusen

Gegen eine Entlastung stimmten zahlreiche VertreterInnen kritischer Aktionäre und zivilgesellschaftlicher Gruppen. Sie thematisierten in ihren Beiträgen auf der Hauptversammlung den Abbau von 7.000 Arbeitsplätzen ebenso wie die Pestizid-Nebenwirkung Parkinson und das besondere Gefährdungspotenzial von Ackergiften, deren Abbauprodukte zu den fluorhaltigen Ewigkeitschemikalien (PFAS) gehören. Denn auch die produziert BAYER, etwa das Fungizid Fluopyram. Die ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT forderte für mit neuen gentechnischen Verfahren (NGT) veränderte Pflanzen, an denen auch BAYER arbeitet, „einen Haftungsfonds, aus dem dann für Schäden bei Gesundheit, Umwelt oder wirtschaftlichen Schäden gezahlt wird, entsprechend des Verursacherprinzips“.

Informationsdienst Gentechnik

Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hat das Thema Parkinson und damit die Verantwortung von BAYER als einem der größten Hersteller von Pestiziden weltweit bei der BAYER-Hauptversammlung vorgebracht. AbL-Geschäftsführer Bernd Schmitz konnte als Vertreter für die kritischen Aktionäre dort sprechen.

unabhängige bauernstimme

Die BAYER-Hauptversammlung 2025

CBG Redaktion

Am 25. April fand die BAYER-Hauptversammlung statt. Obwohl der Global Player wieder ohne Not das Online-Format wählte, fand Konzern-Kritik nicht nur im virtuellen Raum, sondern auch im realen Raum statt: Die Coordination gegen BAYER-Gefahren zog vor die Unternehmenszentrale in Leverkusen, um dort eine Kundgebung abzuhalten.

=> Die Presseerklärungen

=> Die Kundgebung

=> der offene Brief

=> Die Online-Hauptversammlung

=> Die Reden

=> Die Gegenanträge

=> Das Pressecho

Die Stiftung GEKKO und die Stiftung Menschenwürde und Arbeitswelt unterstützten die Aktionen.

CBG beteiligt sich an EU-Konsultation

CBG Redaktion

Die EU-Kommission aktualisiert regelmäßig ihre Verordnung über die Aus- und Einfuhr gefährlicher Chemikalien, um bestimmte Stoffe zu streichen oder neu hinzufügen. Bei diesem Prozess ist eine öffentliche Beteiligung vorgesehen. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) nutzte das, um eine Erweiterung des Regelwerks einzufordern. Sie mahnte an, diese um einen Passus zu ergänzen, der die Ausfuhr von solchen Pestiziden verbieten, die innerhalb der EU nicht (mehr) zugelassen sind.


Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) fordert die EU-Kommission auf, bei der Überarbeitung der Verordnung Nr. 649/2012 über die Aus- und Einfuhr gefährlicher Chemikalien nicht nur den Export von persistenten organischen Schadstoffen zu untersagen. Sie drängt stattdessen darauf, den Export von Pestiziden, die innerhalb der EU wegen ihrer Gefährlichkeit nicht (mehr) zugelassen sind, ebenfalls zu verbieten. Die EU-Kommission selbst hat sich im Jahr 2020 dazu verpflichtet, „sicherzustellen, dass in der EU verbotene gefährliche Chemikalien nicht für den Export hergestellt werden“ und muss das jetzt auch in praktische Politik münden lassen. 

Eigentlich sollten für die Ausfuhr von Agro-Chemikalien noch strengere Regeln gelten als für das Inverkehrbringen in den Mitgliedsstaaten. In vielen Teilen der Welt gibt es nämlich weniger scharfe Bestimmungen zum Umgang mit den Mitteln, was die Menschen zusätzlichen Gefahren aussetzt.

Kooperationspartner der Coordination gegen BAYER aus Lateinamerika oder Afrika berichten immer wieder über die verheerenden Auswirkungen von innerhalb der EU nicht erlaubten BAYER-Pestiziden in ihren Ländern. Im Jahr 2024 haben einige von ihnen deshalb eine Beschwerde gegen BAYER bei der OECD eingereicht. Und noch auf der letzten Hauptversammlung des Konzerns im April 2025 hat der Kenianer Harun Warui von der Heinrich-Böll-Stiftung in Nairobi die doppelten Standards, die der Agro-Riese in Sachen „Pestizide“ praktiziert, scharf kritisiert und BAYERs Unternehmensdevise hinterfragt. „Was bedeutet ‚Science For A Better Life‘, wenn es nur selektiv Anwendung findet, abhängig von der Geografie, dem regulatorischen Umfeld und dem Wachsamkeitsgrad der Öffentlichkeit“, wollt er vom Vorstand wissen. 

Überdies sind nicht einmal die EU-BürgerInnen vor den Risiken und Nebenwirkungen der Substanzen gefeit, solange die Produktion noch andauert, denn es gelangen Rückstände des Herstellungsprozesses in die Umwelt. Der Leverkusener Chem„park“ beispielsweise leitet Woche für Woche rund ein Kilogramm des innerhalb der EU verbotenen Pestizids Cyproconazol in den Rhein, der als Trinkwasser-Reservoir dient. Auch Imidacloprid-Reste finden sich immer wieder in dem Fluss.

Aus all diesen Gründen appellieren wir an die EU-Kommission, nicht länger mit zweierlei Maß zu messen und sich stattdessen am kategorischen Imperativ von Immanuel Kant zu orientieren: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die Du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“

Ticker Beilage zu Stichwort Bayer 2/25

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CBG bei „Wir haben es satt“

Wie jedes Jahr im Januar fuhr die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auch 2025 wieder nach Berlin zu den „Wir haben Agrarindustrie satt“-Protesten, um gemeinsam mit VertreterInnen der bäuerlichen Landwirtschaft, Umweltinitiativen und VerbraucherInnenverbänden für eine Agrar-Wende auf die Straße zu gehen. 

Dieses Mal war die Coordination auch organisatorisch eingebunden. Sie bildete einen der Hot Spots entlang der Route, an denen der Protest direkt adressiert wurde und es jeweils eine Antwort auf die Frage gab, wer eigentlich vom gegenwärtigen agro-industriellen Modell profitiert, das Mensch, Tier und Umwelt so zusetzt. Bei der CBG lautete sie naturgemäß: BAYER & Co. Sie stand mit dem Demo-Banner „Wer profitiert vom Handel mit gesundheitsschädlichen Pestiziden?“ aus gegebenem Anlass an der Friedrichstraße. In unmittelbarer Nähe befinden sich nämlich die Berlin-Dependancen vom „Verband der Chemischen Industrie“ und vom „Industrieverband Agrar“. 

Auf ihrem eigenen Transparent wurde die Coordination dann konkreter. „Parkinson für die Bauern – Profite für BAYER & Co.“ stand darauf zu lesen. Sie protestierte damit dagegen, dass die Nervenkrankheit zwar seit letztem Jahr als Berufskrankheit für Landwirt-Innen anerkannt ist, diese aber selbst für die Behandlungskosten aufkommen sollen und nicht etwa die Ackergifte-Hersteller. Die Krankenversicherungsbeiträge der Bauern und Bäuerinnen steigen aus diesem Grund um satte 20 Prozent. 

Auf einem Workshop zum Thema im Haus der „Heinrich Böll“-Stiftung, zu dem auch die CBG einen kurzen Input beisteuerte, nannte ein Vertreter der „Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau“ bereits eine exakte Summe für den zusätzlichen finanziellen Aufwand: unglaubliche 270 Millionen Euro pro Jahr! Ein Beispiel für die gesellschaftlichen Kosten, die als Nebenwirkung der gnadenlosen Profit-Jagd der Konzerne entstehen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN wird deshalb weiterhin dafür kämpfen, dem Verursacherprinzip Geltung zu verschaffen und die Chemie-Multis für die Parkinson-Therapien zahlen zu lassen.

CBG beim Klimastreik

Der Januar 2025 war der wärmste seit Aufzeichnungsbeginn. Trotzdem hat die Politik das Klima-Thema zur Freude der Konzerne mehr oder weniger ad acta gelegt. Dementsprechend liegt Deutschlands CO2-Minderungsziel für 2030 in weiter Ferne, wie der ExpertInnen-Rat für Klimafragen jüngst feststellte. Auch die Industrie liefert nicht. Dafür wäre eine fast dreimal so hohe Minderungsrate pro Jahr nötig wie die gegenwärtige, so der Rat. Aber die Unternehmen investieren kaum in sauberere Anlagen zur Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen (THG). „Der Abbau des fossilen bzw. energie-intensiven Kapitalstocks geht nur langsam voran“, konstatiert der Rat. Der BAYER-Konzern bildet da keine Ausnahme. Er kam im Jahr 2024 wieder auf Kohlendioxid-Emissionen von rund drei Millionen Tonnen. Grund genug für die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG), sich erneut am Klimastreik zu beteiligen. Sie ging am 14. Februar in Düsseldorf mit auf die Straße, um die Klima-Politik wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Rund 600 Menschen nahmen dort an der Demonstration teil. Bundesweit erstreckte sich der Klimastreik auf über 150 Orte. 130.000 Menschen konnte er mobilisieren. 

CBG beim Saatgut-Festival #1

Auch in diesem Jahr war die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) wieder mit einem Infostand beim Kölner Saatgut-Festival dabei. Am 22.02.25 hatten der Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt e. V., das Netzwerk Gemeinschaftsgärten Köln, der Ernährungsrat Köln und die VHS Köln in das VHS-Studienhaus am Neumarkt eingeladen. Die Info- und Verkaufsstände verteilten sich auf mehrere Etagen und wurden von den BesucherInnen mit großem Interesse angenommen. Ein Schwerpunkt der Veranstaltung lag auf dem Tausch oder Kauf von Saatgut.

Aber auch zahlreiche NGOs boten die Möglichkeit, sich umfassend zu informieren und auszutauschen. Gemeinsam in einem Raum mit den AktivistInnen von Greenpeace und dem Team der Verbraucherzentrale NRW konnte die Coordination Auskunft über ihre Aktivitäten rund um den BAYER-Konzern geben, was gut angenommen wurde. 

Dabei kamen die CBGlerInnen mehrfach mit Menschen ins Gespräch, die der festen Überzeugung waren, dass das skandalöse Pestizid Glyphosat mittlerweile verboten sei, und entsetzt darüber waren, von der Coordination zu erfahren, dass Glyphosat in der EU noch bis mindestens Dezember 2033 verwendet werden darf. Da leistete die CBG also wieder wichtige Aufklärungsarbeit.

CBG beim Saatgut-Festival #2

Nach dem Kölner nahm die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) auch am Düsseldorfer Saatgut-Festival teil. Am 8. März 2025 legte sie an ihrem Stand Informationsmaterial zu Gentechnik, Pestiziden und den CBG-Aktivitäten gegen den BAYER-Konzern, das größte Agrar-Unternehmen der Welt, aus. Zudem sammelte die Coordination Unterschriften gegen das Ansinnen der EU, Genscheren und andere neue Gentechniken von Risiko-Prüfungen und Kennzeichnungspflichten auszunehmen. Dabei ergaben sich viele ergiebige Gespräche mit den BesucherInnen.

Ex-Heimkinder: CBG fragt nach Fonds

In den 1950er und 1960er Jahren haben BAYER, MERCK & Co. Psychopharmaka und andere Medikamente an Heimkindern testen lassen, ohne dass Einverständnis-Erklärungen zu den Erprobungen vorlagen. An den Folgen leiden die ehemaligen Versuchskaninchen teilweise bis heute. Der Verein der ehemaligen Heimkinder Schleswig-Holstein fordert deshalb die Pharma-Riesen und Kirchen sowie staatliche Stellen als Träger der Einrichtungen seit Jahren zu Entschädigungen auf. 

Die schwarz-grüne schleswig-holsteinische Landesregierung bekundete in ihrem Koalitionsvertrag zwar: „Wir werden in unserer Arbeit dem erfahrenen Leid und Unrecht früherer Heimkinder weiterhin Aufmerksamkeit widmen“, wollte aber die Einrichtung einer Landesstiftung, an der sich alle für das Leid und Unrecht Verantwortlichen – also auch die Pillen-Unternehmen – beteiligen, lediglich „prüfen“. 

Im Herbst 2022 erkundigte sich die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) einmal, wie weit diese Prüfung inzwischen gediehen ist. Nicht allzu weit – so die Antwort aus dem Sozialministerium. Es verwies auf Einmal-Zahlungen an jene Betroffene, die vor Ablauf der Frist keine Anträge bei der „Stiftung Anerkennung und Hilfe“ oder dem „Fonds Heimerziehung“ gestellt hatten, meldete aber keine Fortschritte in Sachen „Fonds“. Stattdessen räumte sie Schwierigkeiten dabei ein, „die Finanzmittel einer rechtlich selbstständigen Vermögensmasse zuzuführen und ggf. auch weiteren Verantwortungsträgern die Möglichkeit einer finanziellen Beteiligung zu bieten“. Das setze nämlich „ausführliche Gespräche mit verschiedenen Akteurinnen und Akteuren voraus“. Im Januar 2024 hakte die CBG dann noch einmal nach. „Die Prüfung der Errichtung einer Stiftung ist noch nicht abgeschlossen“, hieß es aus Kiel: „Derzeit konzentriert sich das Land darauf, selbst zu prüfen, inwieweit Betroffene (…) über die einmalige Unterstützungsleistung in Höhe von 9.000 Euro und der ergänzenden Rentenersatz-Leistung hinaus unterstützt werden können.“ Erst danach will es „auf weitere Verantwortungsträger zugehen, um deren Beteiligung zu erreichen“. 

Im Januar 2025 wandte sich die Coordination nun erneut an die Landesregierung, um den aktuellen Stand abzufragen. Und jetzt endlich kam Klartext aus Kiel: „Von dem Vorhaben zur Einrichtung einer Stiftung wurde im Austausch mit den Betroffenen-Vereinen zum gegenwärtigen Zeitpunkt Abstand genommen.“ Der Politik gelang es nämlich nicht, BAYER & Co. mit ins Boot zu holen. Deshalb entfällt der Daseinsgrund für eine Stiftung, denn diese macht nach Meinung des Ministeriums nur Sinn, „wenn die neben dem Land weiteren Verantwortungsträger bereit wären, ebenfalls finanzielle Mittel einzubringen“. „Angesichts des aktuell nicht erkennbaren Interesses der übrigen Verantwortungsträger an einer finanziellen Beteiligung an weiteren Unterstützungsleistungen“ will die Landesregierung sich jetzt auf „Möglichkeiten innerhalb des Landeshaushalts“ konzentrieren. Aktuell spricht sie mit den Fraktionen der anderen Parteien und den Betroffenen-Verbänden darüber.

Veranstaltung zu Arznei-Tests

Am 13. März 2025 widmete sich die schleswig-holsteinische Landesregierung dem Leid, das ehemalige Heimkinder von den 1950er bis weit in die 1970er Jahre hinein durch Medikamentenversuche von BAYER & Co. erfahren haben. Sie lud zu der Veranstaltung „Anerkennen, Aufarbeiten, Zukunft gestalten“. Im Plenarsaal des Landtags berichteten Betroffene von ihren Erfahrungen, WissenschaftlerInnen der Universität Lübeck präsentierten neue Forschungsergebnisse zu den Arznei-Tests. Den größten Raum aber nahm die Aufarbeitung der schrecklichen Geschehnisse ein. Vertreterinnen des Sozialministeriums sprachen über die Verantwortung des Landes Schleswig-Holstein. Über die Verantwortung der evangelischen Kirche referierte die Bischöfin Nora Steen; über die der katholischen Kirche der Generalvikar Pater Sascha-Philipp Geißler. Nur der Platz der Pharma-Industrie blieb unbesetzt. „Wir haben in der letzten Legislaturperiode das Gesprächsformat ‚Gespräch der Verantwortungsträger‘ ein- bzw. durchgeführt, bei dem wir unermüdlich versucht haben, die Pharmaverbände mit an den Tisch zu bekommen“, antwortete das Sozialministerium der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) auf die Frage nach den Gründen: „Wir haben hier ganz überwiegend die Resonanz bekommen, dass die Übernahme von Verantwortung durchgängig negiert wurde. Insofern wurden diejenigen Verantwortungsträger angefragt, mit denen wir in Gesprächen sind und die sich ihrer Verantwortung stellen.“ Die Coordination kritisierte das scharf: „Der BAYER-Konzern hat Heimkinder jahrzehntelang als Versuchskaninchen für Psychopharmaka, Neuroleptika und andere Mittel benutzt. Nach den Testreihen belieferte er dann die Einrichtungen mit riesigen ‚Anstaltspackungen‘ zur Ruhigstellung der Kinder und Jugendlichen. Viele von ihnen leiden bis heute unter den Folgen der Medikamenten-Gaben. Der Leverkusener Multi aber verdiente Millionen damit. Und jetzt will er sich der Verantwortung nicht stellen. Dieses Verhalten ist erbärmlich“, hieß es in ihrer Presseerklärung.

Widerstand gegen Lex BAYER

Der BAYER-Konzern schreibt seine Niederlagen vor US-Gerichten in Sachen „Glyphosat“ „fehlgeleitete(n) staatliche(n) Regulierungsbemühungen“ zu. Mit Verweis auf diese Bestimmungen erfolgten in den Schadensersatz-Prozessen nämlich immer wieder Verurteilungen wegen versäumter Warnungen vor den Risiken und Nebenwirkungen des Mittels. BAYERs VerteidigerInnen führten zur Entlastung regelmäßig die US-amerikanische Umweltbehörde EPA an, die das Pestizid nicht als krebserregend einstuft; sie konnten sich damit allerdings nicht durchsetzen. 

Wegen solcher Entscheidungen lanciert der Agro-Riese in den einzelnen Bundesstaaten nun Gesetze, die die EPA-Bewertung als bindend für alle Gerichte der Vereinigten Staaten erklären (siehe auch SWB 4/24). In Iowa präsentierte der BAYER-Konzern den „Cancer Gag Act“ gleich selbst. Sein Lobbyist Craig Mischo stellte das Paragrafen-Werk in einem Unterausschuss des dortigen Repräsentantenhauses gemeinsam mit Brad Epperly von der Beratungsfirma CWL vor. In Georgia verbuchte der Leverkusener Multi nun schon einen Erfolg; die Lex BAYER kam durch.

Aber gegen den Global Player formiert sich auch Widerstand. Ein Bündnis aus Initiativen, dem unter anderem FOOD & WATER WATCH, IOWA CITIZENS FOR COMMUNITY IMPROVEMENT, PROGRESS IOWA, das PESTICIDE ACTION & AGROECOLOGY NETWORK und der IOWA ENVIRONMENT COUNCIL angehören, machen gegen BAYERs Gesetzes-Maschinerie mobil.

Kritik am „Agent Orange“-Urteil

Im August 2024 wies ein Pariser Berufungsgericht die Klage der franko-vietnamesischen „Agent Orange“-Geschädigten Tran To Nga gegen die BAYER-Tochter MONSANTO und dreizehn weitere Hersteller des zur Chemie-Waffe umfunktionierten Herbizids ab. Die RichterInnen billigten den Firmen einen Immunitätsstatus zu, weil sie im Auftrag eines souveränen Landes handelten. Dabei waren die Unternehmen alles andere als reine Befehlsempfänger. MONSANTO beispielsweise stand mit dem Pentagon bereits seit 1950 im regen Austausch über die Kriegsverwendungsfähigkeit der Basis-Chemikalie von Agent Orange. 

Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und zahlreiche weitere Organisationen kritisierten das Urteil dann auch. Sogar die vietnamesische Regierung schaltete sich ein. „Vietnam bedauert das Urteil des Pariser Berufungsgerichts und hat seine Haltung in dieser Angelegenheit wiederholt zum Ausdruck gebracht. Obwohl der Krieg beendet ist, haben seine schwerwiegenden Folgen weiterhin tiefgreifende Auswirkungen auf unser Land und unsere Bevölkerung, einschließlich der langfristigen und schwerwiegenden Folgen von AO/Dioxin“, hieß es aus Hanoi.

Big Brother Lauterbach

Die Initiative DIGITALCOURAGE hat Karl Lauterbach mit dem „BigBrotherAward“ im Bereich „Gesundheit“ ausgezeichnet. Sie würdigte damit dessen Bemühungen darum, BAYER & Co. allen Datenschutz-Bedenken zum Trotz Zugang zu sensiblen Gesundheitsdaten zu erschließen. Dabei hatte DIGITALCOURAGE nicht nur die elektronische PatientInnen-Akte im Sinn (siehe SWB 4/24), sondern auch das Gesundheitsdatennutzungsgesetz – die nationale Umsetzung des „Europäischen Raums für Gesundheitsdaten“ (siehe DRUGS & PILLS) – sowie die Fortführung der Arbeit am Forschungsdaten-Zentrum (FDZ). 

Sogar den ganz Großen will der SPD-Politiker die sogenannte Sekundärnutzung erlauben: „Wir sind im Gespräch mit META, mit OPEN AI, mit GOOGLE, alle sind daran interessiert, ihre Sprachmodelle für diesen Datensatz zu nutzen.“ „Bei Spahn waren Pharma-Konzerne vom FDZ noch ausgeschlossen. Unter Lauterbach erhalten sie nun umfassend Zugang“, kritisierte Thilo Weichert von der DEUTSCHEN VEREINIGUNG FÜR DATENSCHUTZ in seiner Laudatio. Bürokratische Hürden stehen dem kaum im Weg. Über entsprechende Anträge entscheidet kein unabhängiges Gremium, sondern das dem Gesundheitsministerium unterstellte „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“.

Uni benennt Hörsaal um

Lange hatte eine Angestellte der Frankfurter Universitätsklinik für die Umbenennung eines Hörsaals gekämpft, der nach Dr. Franz Volhard benannt ist. Und jetzt ist es endlich vollbracht. Die Uni-Leitung entschied in ihrem Sinne. Das Engagement der Frau begann nach der Lektüre eines Artikels der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) über Volhard, der 2019 in der jungen Welt erschien. Dadurch erfuhr sie nämlich viel und nur wenig Ehrenhaftes über den Mediziner. So sagte dieser im Nürnberger ÄrztInnen-Prozess zugunsten von Wilhelm Beiglböck aus, der im KZ Dachau Menschenversuche mit Roma und Sinti unternommen hatte. Damit nicht genug, schrieb Volhard auch noch ein Entlastungsgutachten für Werner Catel, der sich wegen vier Todesfällen bei seinen 1945 ff. durchgeführten Versuchen mit BAYERs Tuberkulose-Arznei TB 698 in der Heilanstalt Mammolshöhe vor staatlichen Stellen verantworten musste. 

KAPITAL & ARBEIT

Stellenstreichungen: BAYER in Top 10

Mit seinem Rationalisierungsprogramm DSO schaffte es der BAYER-Konzern in die Top 10 der größten deutschen Arbeitsplatzvernichter. Die Streichung von 3.000 Stellen im Jahr 2024 brachten ihm in der Rangliste den 6. Platz ein. An der Spitze steht VW. Bei dem Auto-Multi fallen 35.000 Jobs weg.

Mangelware Tarifverträge

Nur in 52 Prozent der BAYER-Gesellschaften waren 2023 die Rechte der Beschäftigten in Tarifverträgen oder betrieblichen Vereinbarungen niedergelegt. 2021 galt das noch für 54 Prozent und 2022 für 53 Prozent. Nach Regionen aufgeschlüsselt, stellt sich die Lage so da: Europa/Nahost/Afrika: 79 Prozent der Niederlassungen mit verankerten Regelungen; Nordamerika: ein Prozent, Asien/Pazifik: 46 Prozent und Lateinamerika 52 Prozent. 

Schlechtes Betriebsklima

Gleich nach seinem Amtsantritt als Vorstandsvorsitzender im Juni 2023 hat Bill Anderson dem Konzern ein neues Organisationsmodell namens „Dynamic Shared Ownership“ (DSO) verordnet. Hinter so nebulösen Umschreibungen wie „Bürokratie beseitigen“, „Strukturen verschlanken“ oder „Entscheidungsprozesse beschleunigen“ verbirgt sich ein knallhartes Arbeitsplatzvernichtungsprogramm. Mehr als 7.000 Beschäftigte, die überwiegend in leitenden Positionen arbeiteten, fielen ihm schon zum Opfer. Insgesamt beziffert BAYER das Einspar-Potenzial durch die Rationalisierungen ab 2026 auf zwei Milliarden Euro pro Jahr.

Entsprechend schlecht ist das Betriebsklima. „So mies war die Stimmung noch nie“, vertraute ein Pharma-Manager Jürgen Salz von der Wirtschaftswoche an. Der Journalist hat die Implementierung des DSO – „ein Experiment, wie es die europäische Wirtschaft noch nicht gesehen hat“ – ein Jahr lang begleitet. „In vertraulichen Gesprächen berichten fast alle Mitarbeiter von großer Unsicherheit“, notiert er. Ordnungsgemäß zitiert der Journalist jedoch auch zufriedene Belegschaftsangehörige. Zudem vermeldet er einige Erfolge durch das mittlerweile zu rund 80 Prozent umgesetzte System wie angeblich schnellere Medikamenten-Einführungen. Einen neuen Milliarden-Seller hat es dem Leverkusener Multi bisher allerdings nicht beschert. 

BAYERs Krokodilstränen

7.000 Arbeitsplätze hat BAYERs Rationalisierungsprogramm – bzw. das neue Organisationsmodell „Dynamic Shared Ownership“ – bisher gekostet, und ein Ende ist nicht abzusehen. „Manche Mitarbeiter sind erschüttert. Sie arbeiten seit mehr als 30 Jahren bei BAYER – und müssen nun gehen“, konstatiert die Rheinische Post und fragt die Personalvorständin Heike Prinz: „Was sagen Sie denen?“ „Ich kann diese Gefühle gut verstehen“, antwortet Prinz und berichtet von nicht ganz einfachen Terminen in der Personalabteilung: „Manche Gespräche sind natürlich emotional“. Aber dann hat es sich auch mit den Krokodilstränen. „Ich kenne viele Kolleginnen und Kollegen, die diese Veränderung auch als Chance begreifen. Denn wir bieten durchaus attraktive Abfindungen. Auch helfen wir intensiv bei der Suche nach einer neuen Stelle und einer neuen persönlichen Perspektive“, so die Managerin.

Betriebsbedingte Kündigungen?

Im letzten Jahr verlängerten BAYER und der Betriebsrat die Standortsicherungsvereinbarung, die betriebsbedingte Kündigungen ausschließt, bis Ende 2026. Auf die Frage der Rheinischen Post, ob der Leverkusener Multi danach bei seinem Arbeitsplatzvernichtungsprogramm auch auf dieses Mittel zurückgreifen will, hält Personalvorständin Heike Prinz sich bedeckt. „Unser Ziel ist es weiter, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Sie sind ab 2027 theoretisch möglich – aber weiterhin nur als letztes Mittel“, so Prinz.

Aktienkurs drückt Renten

Viele BAYER-Beschäftigte halten Belegschaftsaktien, deren Erwerb zur Alterssicherung der Konzern ihnen durch die Gewährung von Sonderkonditionen schmackhaft gemacht hat. Der Wert der Papiere fiel jedoch nach BAYERs Übernahme von MONSANTO und den nachfolgenden Schadensersatz-Prozessen in Sachen Glyphosat rapide. Vom früheren Höchststand von 140 Euro stürzten sie auf gegenwärtig rund 20 Euro ab. „Mitarbeiter-Aktien sind nur ein Teil der Altersversorgung, aber klar: Der Kursverlust trifft auch die Mitarbeiter hart – finanziell und emotional“, räumt Personalvorständin Heike Prinz gegenüber der Rheinischen Post ein. Und ob ihre Versicherung: „Wir tun alles, damit BAYER wieder zu alter Stärke zurückfindet“ die Stimmung aufhellen kann, bleibt einstweilen auch offen. 

Keine Krankmeldung per Telefon

BAYERs Personalvorständin Heike Prinz hat sich in einem Interview mit der Rheinischen Post gegen die Krankmeldung per Telefon ausgesprochen. „Der Staat sollte aus meiner Sicht die telefonische Krankmeldung wieder kippen. Sie war in der Pandemie ein gutes Instrument, das wir jetzt nicht mehr brauchen“, so Prinz. „Auch Ideen wie die Vier-Tage-Woche oder bezahlte Null-Bock-Tage führen angesichts der wirtschaftlichen Lage in die falsche Richtung“, meint sie.

IG BCE hat digitales Zugangsrecht

Der Trend zum Homeoffice sorgt für eine Vereinzelung der Belegschaftsangehörigen und wirkt sich negativ auf die Mobilisierungsfähigkeit der Gewerkschaften aus. Da bleibt oft nur der Kontakt per Email. Dazu brauchen die Beschäftigten-VertreterInnen aber das Zugangsrecht zu den dienstlichen Adressen der Mitglieder. Die IG BERGBAU, CHEMIE und ENERGIE hat sich dieses für den Chemie-Bereich per Tarifvertrag zusichern lassen. 

In anderen Branchen sieht es aber schlechter aus. ADIDAS beispielsweise verwehrte der IG BCE den Zugang, und ein Gericht gab dem Unternehmen Rückendeckung. Es schmetterte die Klage der Gewerkschaft ab. 

Auch eine politische Regelung im Rahmen des Bundestariftreue-Gesetzes kam nicht zustande – die FDP blockierte das ganze Paragrafen-Werk.

KONZERN & VERGANGENHEIT

Demokratie-Zerstörer I.G. FARBEN

Die von BAYER mitgegründeten I.G. FARBEN zählten nicht nur zu den Stützen des NS-Regimes, sie hatten dem Faschismus schon in der Weimarer Republik den Weg bereitetet. Das zeigen zwei neue Bücher: „Schicksalsstunden einer Demokratie“ von Volker Ullrich und „Die Entscheidung“ von Jens Bisky. Die I.G. arbeitete nämlich kräftig an einer zentralen Weichenstellung in Richtung „Diktatur“ mit: der am 27. März 1930 erfolgten Ablösung der Großen Koalition aus SPD, DDP, Zentrum, BVP und DVP, der als Reichskanzler der Sozialdemokrat Hermann Müller vorstand. „Danach sollte es keine auf eine parlamentarische Mehrheit gestützte Regierung mehr geben. Es begann die Auflösung der Weimarer Republik“, konstatiert Ullrich mit Blick auf die Präsidialkabinette unter Brüning, Papen und Schleicher und deren zunehmend auf den Notverordnungsparagrafen der Weimarer Verfassung gestützte Amtsführungen. 

Die I.G. und ihr Aufsichtsratschef Carl Duisberg, von 1925 bis 1931 auch Vorsitzender des „Reichsverbandes der Deutschen Industrie“ (RDI), wollten nämlich eine (noch) stärker an den Interessen des Kapitals ausgerichtete Politik. Dementsprechend forderte der RDI in einer Denkschrift Sozialkürzungen und Steuererleichterungen für Unternehmen. „Wir kommen nicht darum herum, dass wir eine grundsätzliche Änderung, ein Herumwerfen des ganzen Systems haben müssen“, erklärte Duisberg. Zu diesem Behufe überredete er den I.G.-Mann in der Regierung Müller, den Finanzminister Paul Moldenhauer, zurückzutreten und lockte ihn mit der Aussicht, er würde darüber „durchaus nicht das Vertrauen der Wirtschaft“ verlieren. Moldenhauer tat wie geheißen, und Müller stürzte. Die Wirtschaft aber sah sich noch lange nicht am Ziel. Sie setzte die Nachfolger des Sozialdemokraten ähnlich unter Druck, was Regierung nach Regierung zu Fall brachte und dann am 30. Januar 1933 schließlich mit der Ernennung Hitlers zum Reichkanzler durch Hindenburg endete. Und bereits am 20. Februar sicherten die I.G. FARBEN und andere Firmen der NSDAP für die Wahl am 5. März drei Millionen Reichsmark Wahlkampf-Hilfe zu.

„Das Ziel war offensichtlich, die SPD aus der Regierung zu verbannen und einen Umbau der parlamentarischen Demokratie in ein autoritäres System voranzutreiben“, schreibt Volker Ullrich über den Wendepunkt in der Geschichte von Weimar. Bisky schließt sich diesem Urteil an und schreibt von „Unternehmer(n) und Wirtschaftslobbyisten, die mit Spar-Forderungen und Angriffen auf das Tarifrecht so viel zur Zerrüttung der Republik beigetragen hatten“.

BITS & BYTES

Wem gehört die ePA?

Seit Anfang dieses Jahres gilt jetzt die Regelung, dass alle PatientInnen, die nicht explizit widersprechen, eine Elektronische PatientInnenakte (ePA) angelegt bekommen (siehe SWB 4/24). Bei den Diskussionen um die ePA, die breit und zahlreich waren, blieb ein Thema jedoch zumeist ausgespart, nämlich wer eigentlich an der EPA mitverdient. Das wären beispielsweise IBM und RISE, die die Server-Infrastruktur für die Gematik stellen, die wiederum die Verwaltung der ePA übernimmt. Und natürlich BAYER & Co. Die Pillen-Riesen können es gar nicht abwarten, den Datenschatz zu heben. Der vom Leverkusener Multi gegründete „Verband Forschender Arzneimittelhersteller“ (VFA) möchte die Auswertungen sogar nutzen, um bei den Preisverhandlungen mit dem Spitzenverband der Krankenkassen besser gegenhalten zu können. 

Die Risiken und Nebenwirkungen der ePA interessiert die Industrie dagegen herzlich wenig. Dabei gibt es laut dem Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie noch 21 Schwachstellen bei der Datensicherheit, vier davon gravierend. 

Raub von BAYERs PatientInnen-Daten

PatientInnen-Daten sind für BAYER & Co. ein wichtiger Rohstoff. So nutzen sie zum Beispiel Zahlen über die Verbreitung von Krankheiten und die Häufigkeit bestimmter Arznei-Verordnungen bei der Planung von Forschungsvorhaben. In den USA sammelt die LASH GROUP solche Informationen von den Pillen-Riesen, bereitet sie auf und stellt ihnen wieder zur Verfügung. Allerdings interessieren sich auch andere dafür. Im Mai 2024 verschafften sich HackerInnen Zugriff auf die Computer der zum Arznei-Großhändler CENCORA gehörenden Firma und stahlen Daten von BAYER, NOVARTIS, GLAXOSMITHKLINE und zahlreichen anderen Multis. Die Dateien enthielten detaillierte Personen-Angaben von Namen und Alter über Wohnort und Krankheitsdiagnosen bis hin zu Arznei-Verordnungen. Ähnliche virtuelle Einbrüche gab es in den USA bei JOHNSON & JOHNSON und CHANGE HEALTHCARE. 

KI-Musterschüler BAYER

Der TONOMUS GLOBAL CENTER FOR DIGITAL AND AI TRANSFORMATION analysierte die 200 größten Unternehmen der Welt im Hinblick auf ihre Erfolge, Künstliche Intelligenz in ihre Geschäftsprozesse zu integrieren. Der BAYER-Konzern nahm dabei gemeinsam mit ACCENTURE, VISA und der DEUTSCHEN TELEKOM die Top-Position ein. Zu dem Spitzenplatz kam der Leverkusener Multi durch eine umfassende Nutzung von KI bei der Produkt-Einwicklung, der Herstellung und dem Lieferketten-Management. Auch die hohen Investitionen in die neue Technologie und Kooperationen mit GOOGLE CLOUD, SALUS OPTIMA und anderen Firmen trugen zu der guten Platzierung bei.

Kooperation mit TETRASCIENCE

Der BAYER-Konzern hat eine Zusammenarbeit mit dem KI-Spezialisten TETRASCIENCE vereinbart. „Wir freuen uns, mit TETRASCIENCE auf unserem Weg der digitalen Transformation zusammenzuarbeiten und Innovationen voranzutreiben. Indem wir den Wert unserer wissenschaftlichen Daten maximieren und fortschrittliche Datenmanagement- und Data-Science-Lösungen nutzen, können wir neue Erkenntnisse und Möglichkeiten für bahnbrechende Innovationen freisetzen“, erklärte BAYERs Data-Manager Oliver Hesse zu dem Deal. 

EU-Daten für BAYER & Co.

Hierzulande wollen die Pharma-Riesen die elektronische PatientInnen-Akte nutzen, um Zugang zu Informationen für ihre Arznei-Entwicklungen zu bekommen. Den EU-weiten Zugriff bereitet Brüssel mit dem „Europäischen Raum für Gesundheitsdaten“ (EHDS) vor. „Ein EU-weiter Markt für elektronische Patientendaten-Systeme mit denselben Standards und Spezifikationen wird der Industrie zugutekommen“, verspricht die Europäische Union. Darum sollen BAYER & Co. „die Möglichkeit haben, Zugang zu Daten für die Sekundärnutzung zu beantragen und über die Zugangsstellen für Gesundheitsdaten eine Genehmigung für diesen Zugang gemäß der Vorschriften des EHDS zu erhalten“, so die Kommission.

BAYERs KI lernt „föderiert“

„BAYER steht bei der Entwicklung von Arzneimitteln und der Verbesserung der Aussagekraft medizinischer Diagnosen mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz vor einem Dilemma“, meldet finanzen.at: „Um die dafür eingesetzten Algorithmen zu trainieren, benötigt der Pharma-Gigant möglichst Zugang zu großen Mengen an Patienten-Daten und anderen sensiblen Informationen. Allerdings ist der Zugang häufig nicht zugänglich, oder BAYER läuft Gefahr, Europas strikte Richtlinien beim Datenschutz zu verletzen.“

Doch es gibt eine Lösung, die GOOGLEs ALPHABET erdacht hat: „Föderiertes Lernen“. Bei diesem Daten-Föderalismus müssen die Informationen nicht zentral zusammengeführt werden. Sie bleiben, wo sie sind, und die KI lernt jeweils lokal. Aber weil überall die gleichen Modell-Parameter zur Anwendung kommen, gelingt eine „kollaborative Schulung“ über mehrere Geräte oder Server hinweg.

Das erste Projekt des Leverkusener Multis nach diesem Prinzip läuft unter der Ägide des Start-ups Owkin. Dieses koordiniert den Austausch der Substanz-Datenbanken von zehn Pharma-Multis, damit die jeweiligen KI-Systeme voneinander lernen können. 

Radiologie: KI-Kooperation mit GOOGLE

BAYER hat gemeinsam mit GOOGLE eine KI-Plattform für RadiologInnen entwickelt, die die in den Praxen anfallenden Bilddaten analysiert und so angeblich das Stellen von Diagnosen vereinfacht. „Angesichts der langen Erfahrungen von BAYER in der Radiologie mit jahrzehntelangen Beiträgen zur Innovation in diesem Bereich und durch die Zusammenarbeit mit GOOGLE CLOUD werden wir Organisationen im Gesundheitsbereich dabei helfen können, die wachsenden Datenmengen in wertvolle und aussagekräftige Erkenntnisse umzuwandeln“, verspricht der Leverkusener Multi. Bei der Aufbereitung der eigenen Daten zum „Radiology Data Lake“ arbeitete der Konzern mit dem Computertechnologie-Giganten NVIDIA zusammen, der dabei sein Tool zum „Förderierten Lernen“ (s. o.), das „CLARA FEDERATED LEARNING, zur Anwendung brachte.

E.L.Y. für LandwirtInnen

Bereits Anfang 2023 registrierte BAYER die ersten Erfolge von ChatGPT. Davon inspiriert entwickelte der Leverkusener Multi gemeinsam mit MICROSOFT als seinem langjährigen Partner in digitalen Angelegenheiten (siehe Ticker 1/22) ein speziell auf Fragen der Landwirtschaft zugeschnittenes Tool: E.L.Y. (Expert Language for You). Der Chatbot, den der Global Player über die Plattform „Azure AI Foundry“ vermarktet,  hält angeblich Antworten auf alles, was Bauern und Bäuerinnen so bewegt, bereit. Die Profite aus der „digitalen Wertschöpfung“ muss der Agro-Riese sich allerdings mit MICROSOFT teilen.

POLITIK & EINFLUSS

Anderson bei Trumps Amtseinführung

BAYER-Chef Bill Anderson nahm an der Amtseinführung von Donald Trump teil. Während die Chefs von Henkel, SAP, Siemens, Lufthansa, Deutsche Telekom, RWE und DHL es vorzogen, der Veranstaltung fernzubleiben, legte Anderson offenbar als einziger Wert auf persönliche Anwesenheit. Von keinem weiteren seiner KollegInnen vermeldete die Presse im Vorfeld entsprechende Pläne. „Bill Anderson nimmt über mehrere Wochen diverse Termine in Washington wahr und wird auch die Amtseinführung besuchen“, verlautete aus der Firmen-Zentrale.

Der Leverkusener Multi will den Fall „Glyphosat“ – noch immer stehen rund 67.000 Entschädigungsklagen zur Entscheidung an – nunmehr politisch lösen und setzt dabei auf Trump. Mit 122.000 Dollar hatte er die Republikaner im Wahlkampf unterstützt und zeigte sich mit dem Ausgang zufrieden. Von einem Umfeld, dass dem Fortschritt förderlich ist, sprach Anderson. „Und wir erwarten, diesen Fortschritt 2025 zu sehen“, erklärte er. 

Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN kritisierte seine Anwesenheit bei der Inauguration Trumps massiv. „BAYER ist offenbar bereit, alles zu tun, um die Glyphosat-Krise zu beenden, ohne Rücksicht auf politische Verluste“, hieß es in ihrer Presseerklärung.

BAYER will Arzneigesetz ändern

Der von BAYER gegründete „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VFA) will einen anderen Regelungsrahmen für Medikamente. Er mahnt eine Änderung des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes (AMNOG) von 2011 unter der Prämisse an, es fortan als Standort-Faktor zu begreifen. So fordert der VFA etwa bessere Preise für neue Pharmazeutika mit gar keinem oder nur geringen Zusatznutzen: „Ist in den Beschlüssen der frühen Nutzen-Bewertung festgestellt worden, dass ein Versorgungsbedarf besteht und ein Arzneimittel einen wichtigen Beitrag zu seiner Abdeckung leistet, so ist die notwendige Flexibilität für die Vereinbarung eines Erstattungsbeitrags nach § 130b SBG V zu ermöglichen.“ 

Auch bei den für die Zulassung eines Mittels relevanten Studien gibt es nach Ansicht des Verbandes noch Luft nach unten. „Besondere Therapie-Situationen, für die Studien höchster Evidenz-Stufe unmöglich oder unangemessen sind, bedürfen daher einer Sonderstellung im AMNOG-Verfahren“, meint der Verband.

DRUGS & PILLS

YAZ-Rückruf in Südafrika

BAYER musste in Südafrika Chargen seines Verhütungsmittels YAZ zurückrufen. „Die fehlerhaften Packungen enthalten nur vier statt 24 Hormontabletten und bieten nicht die erwartete empfängnisverhütende Wirkung“, meldete der Konzern in dem „Urgent Medicine Recall“.

Immer wieder STIVARGA-Nebenwirkungen

BAYERs Krebsmedikament STIVARGA mit dem Wirkstoff Regorafenib kommt als Mittel zweiter Wahl zur Behandlung von fortgeschrittenem Darmkrebs sowie zur Therapie von GIST – einer bestimmten Art von Verdauungstrakt-Tumoren – zur Anwendung. Dabei treten immer wieder unbekannte Nebenwirkungen auf, die die Aufsichtsbehörden auf den Plan rufen. Momentan prüft die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA Hinweise auf die Herausbildung des Nephrotischen Syndroms – einer Nierenschädigung – durch STIVARGA. Ein weiteres Signal-Verfahren haben Meldungen über Fälle von thrombotischer Mikroangiopathie unter STIVARGA ausgelöst. Dabei handelt es sich um eine Erkrankung, bei der es zu Blutgerinnseln in den kleinsten Blutgefäßen kommt. Dies kann zu massiven Durchblutungsstörungen und in der Folge zum Tod der PatientInnen führen. 

NIMOTOP-Wechselwirkungen

BAYERs Calcium-Antagonist NIMOTOP (Wirkstoff: Nimodipin) stärkt die Gefäße und kommt laut Konzern „zur Behandlung von hirnorganisch bedingten Leistungsstörungen im Alter mit deutlichen Beschwerden wie Gedächtnis-, Antriebs- und Konzentrationsstörungen sowie Stimmungsschwankungen“ zum Einsatz. In ihren aktuellen Risiko-Informationen warnt das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ vor Wechselwirkungen von nimodipin-haltigen Präparaten mit bestimmten Mitteln gegen Pilzinfektionen, den Azol-Antimykotika. Die gleichzeitige Einnahme kann den Nimodipin-Spiegel im Blut erhöhen und zu einer Unterversorgung einzelner Organe oder des ganzen Körpers mit Sauerstoff führen (Hypoxie), wovor auch schon der Beipackzettel von NIMOTOP warnt.

XARELTO-Wechselwirkungen

Wenn BAYERs Blutgerinnungshemmer XARELTO zusammen mit solchen Antidepressiva eingenommen wird, die als Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) wirken, erhöht sich das Blutungsrisiko. Die SSRI-Präparate blockieren nämlich das Enzym CYP3A4, das eine wichtige Rolle beim Abbau von Arznei-Stoffen spielt. Arbeitet dieses Enzym nicht ordnungsgemäß, steigt der XARELTO-Spiegel im Blut und damit auch die Gefahr von Blutungen.

EU-Zulassung für Acoramidis

Der von dem US-amerikanischen Pharma-Unternehmen BRIDGEBIO neu entwickelte Wirkstoff Acoramidis kommt bei der seltenen Krankheit ATTR-CM (Transthyretin-Amyloidose mit Kardiomyopathie) zum Einsatz, die im fortgeschrittenen Stadium den Herzmuskel schädigen kann. Anfang April 2024 erwarb der BAYER-Konzern von der Firma die Vertriebsrechte für Europa. Rund sechs Monate später empfahl die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA der EU-Kommission die Zulassung. 

Anschluss-Verwendungen für Elinzanetant

BAYER & Co. ist es gelungen, die Wechseljahre zu einer Krankheit zu erklären. KritikerInnen bezeichnen das als „die Medikalisierung körperlicher Umbruchphasen im Leben von Frauen“. Der Leverkusener Multi aber erschließt diesen Markt unverdrossen. So hat er im Jahr 2020 die Biotech-Firma KANDY gekauft, die ein ohne Hormone auskommendes Mittel gegen Wechseljahres-Beschwerden in der Pipeline hatte: Elinzanetant. Der Leverkusener Multi will das Pharmazeutikum nun gegen Hitzewallungen einsetzen und hat einen entsprechenden Zulassungsantrag gestellt. Zudem strebt er Zweitverwertungen an. Da Hitzewallungen auch als Begleiterscheinung von Hormontherapien zur Brustkrebs-Behandlung auftreten, sieht der Pharma-Riese hier eine Anschluss-Verwendung für das Medikament und unternimmt entsprechende Arznei-Tests. Auch einen Einsatz bei Schlafstörungen strebt er an.

Beitragserhöhung wg. Arznei-Preisen

Zum Jahreswechsel haben DAK, AOK & Co. ihre Zusatzbeiträge um durchschnittlich 2,9 Prozent erhöht. Neben Mehrkosten für die Krankenhaus-Versorgung geben die Krankenkassen als zweiten Grund für die Entscheidung die gestiegenen Medikamenten-Preise an. „[D]ie Arzneimittel-Ausgaben explodieren“, klagte Doris Pfeiffer, die Vorstandsvorsitzende des Spitzenverbands der deutschen Krankenkassen in der Rheinischen Post

Im Jahr 2023 legten sie um 1,1 Milliarden auf 54 Milliarden Euro zu. 53 Prozent der Summe entfallen dabei auf patent-geschützte Präparate, obwohl diese nur einen kleinen Teil der Versorgung ausmachen. „Dort sind wir den Erpressungen der Pharma-Industrie ausgeliefert, die praktisch jeden Preis verlangen kann“, konstatiert Jens Baas von der „Techniker Krankenkasse“. So beliefen sich etwa die Kosten für eine Jahrestherapie mit BAYERs Lungenhochdruck-Präparat Adempas (Wirkstoff: Riociguat) auf mehr als 18.000 Euro.

Deal mit CYTOKINETICS

Einst galt Deutschland als Apotheke der Welt. Das ist aber schon lange her. Heute konzentrieren sich die Pharma-Konzerne auf wenige, besonders lukrative Indikationsgebiete. Bei BAYER blieben nur noch „Krebs“, „Herz/Kreislauf-Erkrankungen“, „Neurologie“, „seltene Krankheiten“ und „Immunologie“ übrig. Das Segment „Herz/Kreislauf-Erkrankungen“ stärkt der Leverkusener Multi jetzt durch einen Deal mit CYTOKINETICS. Er hat mit dem US-amerikanischen Biotech-Unternehmen einen Vertrag zur exklusiven Vermarktung des Wirkstoffs Aficamten in Japan abgeschlossen. 

Die Substanz ist zur Behandlung einer zumeist genetisch bedingten Herzmuskel-Erkrankung vorgesehen, der obstruktiven und nicht obstruktiven hypertrophen Kardiomyopatie (HCM). CYTOKINETICS hat einen Zulassungsantrag bei der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA gestellt und will das in Kürze auch bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA tun. 

AGRO & CHEMIE

HHPs: BAYER vs. PAN

Mitte Dezember 2024 hat das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) eine aktualisierte Liste der hochgefährlichen Pestizide vorgelegt. Zu diesen Highly Hazardous Pesticides (HHP) zählt es solche, die „akut extrem giftig sind, Krebs verursachen, die Fruchtbarkeit schädigen oder Kinder im Mutterleib schädigen können oder die unter Anwendungsbedingungen schwerwiegende Gesundheits- und Umweltschäden bewirken“. 

Unter den 358 Agro-Chemikalien, die diese Kriterien erfüllen, befinden sich auch viele BAYER-Produkte. Darum zeigte sich der Leverkusener Multi not amused. Er kritisiert die Form der Klassifizierung, die PAN wählte, als „eine dogmatische Herangehensweise“ und widerspricht „mit Nachdruck der Methodik hinter der so genannten Highly Hazardous Pesticides-Liste (HHP) von PAN“. Besonders Glyphosat möchte der Agro-Riese nicht als HHP bezeichnet wissen und wähnt sich dabei „von Zulassungsbehörden auf der ganzen Welt stark unterstützt“.

GENE & KLONE

Polen schlägt Gentech-Kompromiss vor

Mitte Juli 2023 hat die Europäische Union einen Vorschlag für eine neue Verordnung präsentiert, die das Ziel hat, den neuen genomischen Techniken (NGT) den Weg auf die Äcker zu erleichtern. Sie gab damit dem Lobby-Druck der Agro-Riesen nach, die „sehr aktiv“ (O-Ton BAYER) Lobby-Arbeit für die Deregulierungen gemacht haben. 

Künftig will die EU-Kommission Pflanzen, denen die Unternehmen mit Genscheren wie CRISPR/Cas oder TALEN keine Gene artfremder Organismen verpasst haben, wie in der Natur vorkommende oder mit Hilfe konventioneller Verfahren gezüchtete Gewächse behandeln und von Risiko-Prüfungen ausnehmen. In diese Kategorie NGT1 fallen über 90 Prozent der Schnippel-Produkte. Ein Copyright beanspruchen BAYER & Co. aber trotzdem, denn ausreichend Profite garantiert nur die Patentierbarkeit. Auch Kennzeichnungspflichten sollen entfallen, was den VerbraucherInnen die Wahlfreiheit im Supermarkt nehmen würde. Die Kategorie NGT2 gilt hingegen für solche Laborfrüchte, an denen die Konzerne mehr als 20-mal herumgeschraubt haben. Nur dafür möchte die Kommission noch die alten Gentechnik-Bestimmungen angewendet wissen (SWB 4/23). 

Allerdings hatte sich innerhalb der EU viel Widerstand gegen die Regelung erhoben. Eine qualifizierte Mehrheit dafür kam deshalb lange nicht zustande. Im Januar 2025 aber präsentierte Polen, das in der ersten Hälfte des Jahres 2025 die Ratspräsidentschaft innehat, einen Kompromiss-Vorschlag. Dieser widmete sich vor allem der besonders umstrittenen Patent-Frage und sah eine Informations- und Kennzeichnungspflicht für patentiertes oder zum Patent angemeldetes NGT1-Saatgut vor. Zudem gestand er den einzelnen Mitgliedsländern das Recht zu, den Anbau der Labor-Pflanzen zu verweigern (Opt-out). 

Gentech-kritische Initiativen übten Kritik. „[E]in schwacher Vorschlag“, befand etwa TESTBIOTECH. Das hinderte Polen aber nicht daran, ihn weiter abzuschwächen. In der Mitte Februar präsentierten Vorlage Nr. 3 blieb nur noch die Informationspflicht übrig. Die Kennzeichnungspflicht fiel ebenso weg wie die Opt-out-Möglichkeit. „Auch der dritte polnische Vorschlag löst die Patent-Problematik nicht, stattdessen ist er noch schwammiger geworden“, konstatierte die ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT. 

Trotzdem oder gerade deshalb hat er im Ausschuss der ständigen VertreterInnen der EU-Mitgliedsstaaten eine qualifizierte Mehrheit bekommen und muss jetzt nur die Trilog-Verhandlungen zwischen EU-Kommission, Europäischem Rat und EU-Parlament überstehen.

Neues Patent-Gutachten

Die neuen genomischen Techniken (NGT), die mit Genscheren wie CRISPR/Cas oder TALEN operieren, haben für BAYER & Co. nur dann eine Geschäftsgrundlage, wenn sie auf die mit deren Hilfe entstandenen Pflanzen Patente erheben dürfen. Der „Deutsche Bauernverband“ und der „Bundesverband deutscher Pflanzenzüchter“ (BDP) fürchten sich vor solchen Schutzrechten. Sie sehen dadurch den uneingeschränkten Zugang zu biologischem Material und damit auch Züchtungsfortschritte massiv gefährdet. „Die Schutzsysteme für das geistige Eigentum in der Pflanzenzüchtung müssen in den Blick genommen und eine schnelle, rechtsverbindliche Lösung geschaffen werden, nach der biologisches Material, das auch in der Natur vorkommen oder entstehen könnte, nicht patentiert werden kann“, fordert BDP-Geschäftsführer Dr. Carl-Stephan Schäfer deshalb. Und Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied mahnt ebenfalls: „Es darf nicht zu Patenten auf Pflanzen kommen.“

Rückendeckung erhalten die beiden jetzt von einem neuen Rechtsgutachten, das der grüne Bundestagsabgeordnete Karl Bär bei Dr. Axel Metzger von der Berliner Humboldt-Universität in Auftrag gegeben hat. Demnach gibt das Europäische Patentabkommen der EU die Möglichkeit, patentierte NGT-Pflanzen von den geplanten Lockerungen wie dem Wegfall von Kennzeichnungspflicht und Risiko-Prüfungen (s. o.) auszunehmen.

WASSER, BODEN & LUFT

Wasserverschmutzung in Mexiko

Innerhalb einer 4.000 Quadratkilometer großen Industrie-Region in Mexiko, die sich über die Bundesstaaten Tlaxcala und Puebla erstreckt, gibt es eine Enklave namens Nueva Alemania bzw. New Germany. Dort befinden sich Ansiedlungen deutscher Multis mit Adressen wie Hamburgo, Munich oder Berlín. Mexikanische und internationale Initiativen machen diese Konzerne für die Verunreinigung des Atoyac-Flusses und viele weitere Umweltschäden verantwortlich. „Die Umweltverschmutzung durch transnationale Unternehmen wie Volkswagen, Bayer, Basf und ThYssen-Krupp hinterlässt ihre Spuren auf dem Land und in den Körpern der Menschen. Mehrere toxikologische Studien zeigen, dass in Gemeinden wie Villa Alta, Tepetitla, Santa Apolonia, Teacalco, Ixtacuixtla und San Rafael Tenanyécac die Zahl der Fälle von Krebs, Nierenversagen, Erbgut-Schäden, Bioakkumulation [die Anreicherung von Chemikalien im Körper] und Fehlgeburten viel höher ist als im nationalen Durchschnitt“, halten die Gruppen fest. 

Der Leverkusener Multi, der in Tlaxcala Antipilzmittel auf biologischer Basis für die Landwirtschaft herstellt, weist die Vorwürfe zurück. „[E]s werden vor Ort keine chemischen Produkte produziert“, erklärt der Konzern. Er würde sein Abwasser einer Vorbehandlung unterziehen, und die Behörden hätten bei ihren Inspektionen noch nie etwas zu beanstanden gehabt, so der Agro-Riese. „Der Standort erfüllt alle geltenden Vorschriften und die weltweiten internationalen Standards des Unternehmens“, hält der Global Player abschließend fest.

Enormer Wasserbedarf

Der Wasserbedarf des BAYER-Konzerns blieb mit 53 Millionen Kubikmetern auch im Jahr 2024 enorm hoch. Überdies stellt der Leverkusener Multi hohe Qualitätsansprüche und greift bevorzugt auf Grundwasser zu. 20,9 Millionen Kubikmeter entnahm er. Dazu kamen noch 9,6 Millionen Kubikmeter Oberflächen-Wasser und 3,4 Millionen Kubikmeter Trinkwasser. 

In früheren Nachhaltigkeitsberichten führte der Leverkusener Multi noch auf, wie viel Wasser er in Gebieten bezieht, die zu den wasserarmen Regionen zählen, 2023 waren das drei Millionen Kubikmeter, aber in der neuesten Ausgabe fehlen solche Angaben.

Den größten Durst hatte mit 44 Millionen Kubikmetern seine Agrar-Sparte. Die Pharma-Abteilung bezog sechs Millionen Kubikmeter und „Consumer Health“ zwei Millionen Kubikmeter. Die kostbare Ressource nutzt der Global Player hauptsächlich als Kühlwasser und zur Bewässerung von Versuchsfeldern. 

32 Millionen m3 Abwasser

Von den 53 Millionen Kubikmetern Wasser, die bei BAYER viele Nutzungen durchlaufen und dafür auch diverse Mal wieder aufbereitet werden, blieben 2024 32 Millionen Kubikmeter Abwasser übrig. 2023 waren es 33 Millionen Kubikmeter.

Mehr Schadstoff-Einleitungen

Die Schadstoff-Einleitungen BAYERs in die Gewässer erhöhten sich 2024 gegenüber dem Vorjahr durchgängig. So leitete der Konzern 430 Tonnen Phosphor ein (2023: 300 Tonnen). Auch die Belastungen mit Stickstoffen (390 Tonnen gegenüber 320 Tonnen), Schwermetallen (30 Tonnen gegenüber 26 Tonnen), gebundenen organischen Kohlenstoffen, sogenannte TOCs, (2.000 Tonnen gegenüber 1.500 Tonnen) und Anorganischen Salzen (175.900 Tonnen gegenüber 164.400 Tonnen) nahmen zu.

Nein zum Trainingszentrum

Der Trainingscampus von BAYER 04 Leverkusen muss dem Ausbau der Autobahn A1 weichen. Bereits seit Längerem sucht der Club deshalb einen neuen Standort. Ein Gelände in Langenfeld schied dabei eigentlich schon aus, weil es in einem 22 Hektar großen Wasserschutzgebiet liegt. Aber das Areal kam auf Wiedervorlage – als frischgebackener deutscher Fußballmeister hatte die Werkself gegenüber der Bezirksregierung als Genehmigungsbehörde nämlich einen besseren Stand. 

Das Ansinnen stieß jedoch auf Kritik. „Die gesamte Anlage – immerhin 13 Fußball-Plätze plus Internat plus sämtliche Anlagen, die zur Sache dazugehören, Parkplätze und Parkhäuser – alles steht direkt neben unseren Brunnen und fließt sofort unseren Brunnen zu“, gab der Langenfelder Bürgermeister Frank Schneider (CDU) zu bedenken. Und Rudolf Gärtner vom Verbandswasserwerk Langenfeld-Monheim hatte vor allem wegen der Risiken und Nebenwirkungen der Rasenpflege mit Dünger und Pestiziden Befürchtungen: „Das ist ein ehemaliges Rheinbett, hier sind Sande und Kiese unter der Oberfläche, und in diesen Sanden und Kiesen fließt eben Grundwasser sehr schnell. Insofern sind Schadstoffe, die von oben nach unten durchsickern, auch sehr schnell im Grundwasser drin.“ Der zusätzliche Wasserverbrauch durch ein Trainingsgelände an dieser Stelle macht ihm ebenfalls Sorgen. Schließlich stellte sich auch der Langenfelder Stadtrat mit einer Resolution gegen das Projekt.

Das machte auf die Bezirksregierung Düsseldorf offensichtlich Eindruck. Sie verweigerte dem Vorhaben die Genehmigung, weil es dadurch zu Verunreinigungen des Grundwassers kommen könnte. Der BAYER-Konzern erwägt nun, das Trainingszentrum in unmittelbarer Nähe seiner Monheimer Cropscience-Zentrale zu errichten.

Grünstrom-Deal mit CURRENTA

Beim selbsterzeugten Strom setzt BAYER immer noch hauptsächlich auf klimaschädliche fossile Energieträger. Nur beim zugekauften Strom tut sich ein bisschen etwas. So schloss der Konzern einen Vertrag mit den Wuppertaler Stadtwerken über die Belieferung der Standorte Darmstadt, Weimar, Bitterfeld, Bergkamen, Berlin und Wuppertal mit Wind- und Solarstrom in einem Umfang von 120 GWh ab (Ticker 4/24). Und eine entsprechende Vereinbarung mit der CURRENTA für Leverkusen, Dormagen und Monheim umfasst jetzt sogar 180 GWh.

STANDORTE & PRODUKTION

Neues Lager in Bergkamen

Die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg haben die Verwundbarkeit der Lieferketten von BAYER & Co. aufgezeigt. Die Global Player seien „Opfer ihrer eigenen Entscheidungen geworden, bei denen sie sich nur an Kosten-Effizienz orientierten“, konstatierte die „Stiftung Wissenschaft und Politik“ in ihrer Studie „Die neue Geopolitik der Lieferketten“. Deshalb steht seit geraumer Zeit „sicherer Handel“ und „Lieferketten-Souveränität“ auf der Tagesordnung. „Just-in-Case“ statt „Just-in-Time“ lautet die Devise. 

Also investieren die Konzerne in Vorratshaltung. Der Leverkusener Multi etwa errichtet zurzeit gemeinsam mit DHL SUPPLY CHAIN das „Kombinierte Lager Bergkamen“ für die dortige Arznei-Produktion sowie für diejenige in Wuppertal. 15.000 Qua-dratmeter für 25.000 Paletten mit festen und flüssigen Rohstoffen, Zwischenprodukten und Wirkstoffen stehen ab 2026 zur Verfügung. 

Aber DHL baut nicht nur mit, der Post-Tochter als „Kontraktlogistik-Dienstleister“ gehört das Ganze auch. „Im Rahmen eines Leasing-Modells wird BAYER das Lager nach dessen Fertigstellung mit eigenen Mitarbeitenden betreiben“, verlautet aus Leverkusen.

BAYER verkauft Kunst

Der BAYER-Konzern verkauft einen großen Teil seiner Kunstsammlung. Den Grundstein zu dieser hatte einst der Generaldirektor Carl Duisburg gelegt. Das Bilder-Reservoir galt ihm als Standortfaktor. Die Aussicht, am Arbeitsplatz Werke von berühmten KünstlerInnen hängen zu haben, sollte mit dazu beitragen, Fachkräfte in die eher schnöde Stadt zu locken. 

Aber in Zeiten von Homeoffice und Großraumbüros hat es die Kunst am Konzern schwer. „In den vergangenen Jahren hat sich die Art und Weise, wie und wo in Unternehmen gearbeitet wird, stark verändert“, sagt die Pressesprecherin des Auktionshauses, bei dem die Werke im Juni unter den Hammer kommen. 

Überdies üben viele der alten Schinken auf eine neue Generation von ManagerInnen keine große Anziehungskraft mehr aus. „Ein Stillleben von Max Beckmann wirkt heute nicht mehr mutig, überrascht nicht mehr“, so BAYERs Kunstbeauftragte Andrea Peters. Jetzt setzt der Agro-Riese auf junge Kunst für junge Beschäftigte und verlagert den Schwerpunkt seiner Kulturförderung ansonsten mehr auf die Musik und die darstellenden Künste. 

Der Schuldentilgung dient die ganze Sache aber nicht. Dafür bräuchte es Milliarden statt Millionen.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Stoffaustritt in Wuppertal

In BAYERs Wuppertaler Pharma-Forschungszentrum ereignete sich am 7. Februar 2025 ein Störfall. Eine Chemikalie trat aus. Drei Beschäftigte klagten daraufhin über Atembeschwerden, Schwindel und Kopfschmerzen; 13 weitere Personen „wurden vorsorglich beobachtet“, teilte der Konzern mit. Ansonsten wiegelte er wie gewohnt ab: „Es bestand zu keiner Zeit Gefahr für Anwohner und die Öffentlichkeit.“

Kesselalarm in Berkeley

Am BAYER-Sitz Berkeley kam es in der Nacht zum 9. Dezember 2024 wieder einmal zu Funktionsstörungen in einem Kessel zur Dampf-Erzeugung. Wie bereits am 28. März 2023 musste das Werk deshalb einen Sirenen-Alarm auslösen, der die Anwohner-Innen aufschreckte. Die Verantwortlichen beschwichtigten aber in der üblichen Manier: Es habe zu keiner Zeit ein Risiko für die Bevölkerung bestanden.

Die Pharma-Industrie nutzt Dampf unter anderem zur Sterilisation, zur Reinigung, zur Trocknung von Arzneien und zur Energieversorgung.

EU verwarnt Deutschland

Deutschland vernachlässigt es nach Meinung der EU, ausreichend Vorsorge zur Verhinderung von Störfällen in Industrie-Anlagen zu treffen. Trotz mehrfacher Aufforderungen hat die Politik die Seveso-Richtlinie von 2012 „zur Beherrschung schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen“ immer noch nicht vollständig umgesetzt. Mitte Dezember 2024 forderte Brüssel die Ampelkoalition deshalb nochmals auf, die nationalen Rechtsvorschriften „vollständig mit dem EU-Recht in Einklang zu bringen“ und machte Druck: „Andernfalls kann die Kommission beschließen, den Gerichtshof der Europäischen Union anzurufen.“ 

An der Verschleppung haben auch BAYER & Co. einen Anteil. So meldete der „Verband der Chemischen Industrie“ etwa noch Gesprächsbedarf bei der von der Bundesregierung avisierten Art der Umsetzung des Artikels 15 der Richtlinie an, der bei der Ansiedlung neuer Betriebe oder größerer Umbauten öffentliche Konsultationen und eine Öffentlichkeitsbeteiligung am Entscheidungsverfahren vorsieht. Als „zu bürokratisch und nicht angemessen“ beurteilt der VCI die vorgesehenen Maßnahmen und befindet: „Das deutsche Planungs- und Genehmigungsrecht mit den Vorgaben zur Öffentlichkeitsbeteiligung hat sich bewährt.“

RECHT & UNBILLIG

Rechtsgutachten zu Patenten

BAYER & Co. melden immer mehr Patente selbst auf solche Pflanzen an, die nicht mit Hilfe der Gentechnik, sondern mittels konventioneller Verfahren entstanden sind. So erhielt der Leverkusener Multi jüngst das Schutzrecht für einen Brokkoli, der durch eine Kreuzung mit einer wilden Art aus Sizilien entstand und dadurch mehr gesundheitsfördernde Bitterstoffe enthält (Ticker 1/24). 

Solche Patente schränken ZüchterInnen massiv ein. Sie müssen aufwendig prüfen, ob sie eventuell das Copyright der Großkonzerne verletzen und allzu oft auch teure Lizenzen erwerben, wenn sie ihre Arbeit fortsetzen wollen. Die Politik hat aber die Möglichkeit, ihren Status zu stärken. Das zeigt ein Rechtsgutachten, das der grüne Bundestagsabgeordnete Karl Bär bei Dr. Axel Metzger von der Berliner Humboldt-Universität in Auftrag gegeben hat (siehe auch GENE & KLONE). Die EU kann beispielsweise die europäische Biopatent-Richtlinie ändern und Patente auf Gene oder Eigenschaften, die in der Natur vorkommen, verbieten oder festlegen, dass die Schutzrechte nur für das Verfahren, nicht aber für die Eigenschaft selbst gelten. Zudem hätten die nationalen Parlamente und Gerichte Metzger zufolge das Recht, die Preise für Lizenz-Gebühren festzulegen.

Rechtsgutachten zur NGT-Haftung

Die EU-Kommission plant, die Auflagen für die neuen genomischen Techniken (NGT) zu senken. Sie will Pflanzen, denen BAYER & Co. mit Genscheren wie CRISPR/Cas oder TALEN keine Gene artfremder Organismen verpasst haben, wie in der Natur vorkommende oder mit Hilfe konventioneller Verfahren gezüchtete Gewächse behandeln und von Risiko-Prüfungen und Kennzeichnungspflichten ausnehmen (siehe GENE & KLONE). Das Haftungsrisiko hätten dann die Lebensmittel-Hersteller zu tragen, wie ein vom „Verband Lebensmittel ohne Gentechnik“ bei der Kanzlei GGSC in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten ergab. 

„Die Gentechnik-Pläne der EU-Kommission sind nicht etwa ‚wirtschaftsfreundlich‘, wie oft behauptet, In Wahrheit verschiebt die Kommission Kosten und Risiken höchst unfair von einem Wirtschaftsbereich auf einen anderen. Das ist völlig untragbar und kann zu einem großen Problem für die gesamte EU-Lebensmittelbranche, nicht nur den Bio- und den ‚Ohne Gentechnik‘-Sektor werden“, konstatiert der GGSC-Jurist Dr. Georg Buchholz.

DUH-Klage in Sachen „Flufenacet“

Der Pestizid-Wirkstoff Flufenacet, der unter anderem in den BAYER-Produkten ARTIST, ASPECT, BAKATA und BANDUR FORTE enthalten ist, hat es in sich. Das Ackergift, das im Jahr 2023 mit 683 Tonnen zu den meistverkauftesten Mitteln in Deutschland zählte, gehört zu den hormonschädigenden Substanzen, den sogenannten Endokrinen Disruptoren (EDC). Zudem entsteht bei seiner Zersetzung der PFAS-Stoff Trifluoressigsäure (TFA) als Metabolit. Und das ist nicht nur ein PFAS, sondern das PFAS. In fast jedem Gewässer findet sich diese Ewigkeitschemikalie. „Derzeit sind die TFA-Konzentrationen um Größenordnungen höher als die von anderen PFAS – und um Größenordnungen höher als die von anderen Pestiziden und Pestizid-Metaboliten“, konstatieren Hans Peter H. Arp und seine MitautorInnen in der Studie „The Global Threat from the irreversible Accumulation of Trifluoroacetic Acid (TFA)“. Der Leverkusener Multi selbst hat die Trifluoressigsäure bei der von der Chemikalien-Verordnung REACH vorgeschriebenen Gefahrenbewertung als „vermutlich reproduktionstoxisch beim Menschen“ bezeichnet. Öffentlich aber behauptet er, „dass es keine Hinweise auf ein Risiko für die menschliche Gesundheit oder für die Umwelt gibt“. 

Nicht umsonst hat das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ (BVL) im Oktober 2024 den Widerruf der Zulassung von Flufenacet angekündigt. Im März 2025 zog die EU nach.

Geschehen ist hierzulande allerdings noch nichts. Deshalb zog die DEUTSCHE UMWELTHILFE jetzt vor Gericht. Zudem erreichte sie eine Beiladung zu dem Eilrechtsschutz-Verfahren, mit dem BAYER sich gegen ein vorzeitiges Flufenacet-Aus wappnen will.  „Es ist ein Skandal, dass das BVL nach der Ankündigung im Herbst zum Widerruf sämtlicher Flufenacet-Zulassungen einfach untätig bleibt (…) Einmal mehr zeigt sich, wie die Interessen der Pestizid-Konzerne über den Schutz der Bürgerinnen und Bürger gestellt werden“, so DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch zur Begründung der Klage. 

BAYER klagt in Sachen „XARELTO“

Das Patent für BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO lief im April 2024 aus und damit auch die Lizenz zum Gelddrucken: Allein im Jahr 2023 sorgte die Arznei für einen Umsatz von über vier Milliarden Euro. Für einige Dosierungsarten gelang es dem Leverkusener Multi mit Hilfe seiner WinkeladvokatInnen allerdings, eine Verlängerung der Schutzrechte durchzusetzen. Nicht jedoch für XARELTO in Kapselform. 

Trotzdem klagte der Pharma-Riese gegen eine Listung dieser Darreichungsart in der Datenbank der „Informationsstelle für Arznei-Spezifitäten“ (IFA), ohne die kein Unternehmen ein Nachahmer-Präparat mit dem gleichen Wirkstoff auf den Markt bringen darf. Das hatte zunächst auch Erfolg. Aber im Dezember 2024 hob das Bayerische Oberlandesgericht das Urteil des Landesgerichts München auf und erklärte die vom Global Player erwirkte einstweilige Verfügung für ungültig. 

Daneben laufen mehrere gerichtliche Auseinandersetzungen mit Firmen, die Generika-Versionen von XARELTO anbieten wollen. Gegen STADA und ALIUD erwirkte der Leverkusener Multi einstweilige Verfügungen, die ein Münchner Gericht im Februar 2025 bestätigte. Gegen ZENTIVA und GLENMARK kam er damit vorerst auch durch. Weitere Prozesse finden im europäischen Ausland statt. In Österreich, den Niederlanden, Schweden und Belgien endeten sie zugunsten von BAYER, in England und Österreich verlor der Konzern. Aber endgültige Urteile ergingen bisher noch nicht.

Glyphosat-Klage in Australien

Glyphosat steht schon lange im Verdacht, das Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) – eine bestimmte Form des Lungenkrebses – zu verursachen. Ein Gericht in Australien entschied jedoch im Fall „McNickle“, dass die wissenschaftlichen Datenlage keinen Zusammenhang zwischen Glyphosat-Einsatz und NHL belege. In der Folge dieser Entscheidung gab auch der Kläger im Fall „Fenton“ auf und stellte einen Antrag auf Einstellung des Verfahrens gegen die BAYER-Tochter MONSANTO, dem das Gericht zustimmte. Damit fand das letzte offene australische Verfahren in Sachen „Glyphosat“, das dort unter dem Markennamen „Roundup“ vertrieben wird, sein Ende. Das verwundert nicht groß. Im Vergleich mit den USA gelten die australischen Gerichte als, vorsichtig ausgedrückt, zögerlicher, wenn es darum geht, Multis zu verurteilen.

Börsenfreude über Verurteilung

BAYER wurde Mitte Januar 2025 von einem US-amerikanischen Gericht zur Zahlung von 100 Millionen Dollar Schadenersatz wegen der Folgen von PCB verurteilt – eine Chemikalie, die unter anderem von der jetzigen BAYER-Tochter Monsanto produziert und bis in die 1980er Jahre massenhaft in Gebäuden, Isoliermassen, Kondensatoren von Lampen und vielem mehr verbaut wurde. PCBs zählen dabei zum „Dreckigen Dutzend“, einer Gruppe von besonders gefährlichen Stoffen und verursachen vor allem Schäden im Nervensystem, aber auch weitere Folgekrankheiten. 

Ironischerweise sorgt die Verurteilung von BAYER jedoch für Freude bei den AktionärInnen. Der Wert der Aktie steigt – ganz anders, als es bei vormaligen Verurteilungen gelaufen ist. Der Grund dafür ist so zynisch wie einfach: Mit dem Urteil wurden die Ansprüche von elf weiteren KlägerInnen abgewiesen, was andere Geschädigte davon abhalten könnte, ihr Recht zu suchen.

Von den ursprünglich in Rede stehenden vier Milliarden Dollar Schadenersatz blieben jetzt nur noch 100 Millionen, und davon bekommen die Betroffenen nur 25 Millionen. Bei dem Rest handelt es sich um Strafzahlungen, die an den Bundesstaat Washington gehen. Dessen Recht, diese sogenannten punitive damages zu erheben, zweifelt der Leverkusener Multi jedoch gerade juristisch vor dem Obersten Gerichtshof des Bundesstaates an. Gewänne der Konzern, müsste er bei verlorenen Glyphosat-Prozessen künftig viel weniger zahlen. 

Bisher kamen dem Global Player seine gefährlichen Stoffe nämlich bereits öfter teuer zu stehen: So endeten die Verfahren von 2.500 Kommunen in den USA wegen Gewässerverunreinigungen durch PCB mit einem 650 Mio. US-Dollar teuren Vergleich. Seattle selbst machte diesen Vergleich 2022 nicht mit und erhielt 2024 nochmal 160 Millionen US-Dollar im Kampf gegen die PCB-Verunreinigung. Und auch Sammelklagen wie die des Sky Valley Education Center (im Umkreis von Seattle) endeten mit Zahlungen von mehreren hundert Millionen. 

Die Rechtsstreitigkeiten um die MONSANTO-Altlasten sorgen also für erhebliche Verunsicherungen an den Börsen. Es bleibt einstweilen abzuwarten, ob sich die BAYER-AktionärInnen sich über die jüngste Entscheidung nicht vielleicht zu früh gefreut haben. 

Eine gute Wahl für BAYER

CBG Redaktion

Eine Große Koalition für die Konzerne

Die Regierung wechselt, die Ziele bleiben gleich: Es geht auch nach der Wahl in der deutschen Politik vor allem um Wirtschaftsinteressen und deren für die Großindustrie bestmögliche Durchsetzung in Zeiten des angespannten internationalen Kräfteverhältnisses. IndustrievertreterInnen schreiben bereits einen Wunschzettel nach dem anderen an die neue Regierung – und da ist auch BAYER nicht weit. 

Von Bernd Tabuch

Die äußerst unpopuläre Ampel-Regierung wurde im Rahmen der vorgezogenen Bundestagswahlen ordentlich abgestraft, klare Wahlgewinner sind (überraschenderweise) DIE LINKE und (unüberraschender- und bedauerlicherweise) die CDU und die AfD. Die Zeichen stehen deutlich auf „Große Koalition“; ein großer Politikwechsel wird wohl ausbleiben. Das kommt einigen Damen und Herren aber ausgesprochen gelegen, die schon fleißig dabei sind, ihre Wunschzettel an die kommende Regierung zu verfassen. Die Rede ist natürlich von den VertreterInnen der Wirtschaftsinteressen, die unter Überschriften wie „Ein neues Betriebssystem für Deutschland“ ein „Programm für die neue Zeit“ entwerfen wollen. Dieser FAZ-Artikel z. b., in dem „wettbewerbsfähige Energiepreise“, „Sicherheit stärken – strategisch und europäisch“ oder „Unternehmenssteuern senken, Investitionen erleichtern“ gefordert wird, stammt vom SIEMENS-Chef Roland Busch.

Damit haben Busch und Konsorten bei Friedrich Merz, dem Kanzler in spe, gute Karten. Den vielbeschriebenen „Drehtüreffekt“ verkörpernd, war er nicht nur Aufsichtsratschef des deutschen BLACKROCK-Ablegers, sondern auch Unternehmensanwalt bei der Kanzlei „Mayer Brown“. „Merz nutzte seine engen Kontakte zur deutschen Wirtschaft, um Mandanten zu gewinnen: Er managte bedeutende Klienten, vor allem DAX-Konzerne“, sagt sein früherer Kollege John. P. Schmitz, den der designierte Kanzler einst bei einem Dinner der BAYER AG kennengelernt hatte. Hauptsächlich küm-merte Friedrich Merz sich allerdings um die rechtlichen Angelegenheiten des Chemie-Multis BASF, der „Mayer Brown“ immer noch die Treue hält. Aktuell arbeiten die JuristInnen für ihn in Brüssel daran, ein PFAS-Verbot abzuwenden.

Obwohl BASF und BAYER auf einigen Gebieten in Konkurrenz zueinanderstehen, verfolgen sie als Kapitalfraktion in der Bundesrepublik doch gleiche Interessen, die wiederum mit denen der Hightech-Industrien Überschneidungen aufweisen, besonders in der Frage der Energiepreise. Da hört es aber längst nicht auf. So nutzte die Arbeit„geber“-Bundesvereinigung BDA, der auch BAYER angehört, ebenfalls die FAZ, um ihre Begehrlichkeiten zu adressieren. Eine Senkung der Sozialbeiträge mahnte die Vereinigung an. Das klingt erst mal positiv, die Unterüberschrift jedoch zeigt schon an, wohin es gehen soll: „Länger arbeiten und eine effizient gesteuerte Gesundheitsversorgung“. Oder, noch konkreter: „höheres Renteneintrittsalter und geringere jährliche Rentenerhöhungen; zugleich Einschränkungen der freien Arztwahl für gesetzlich Krankenversicherte, jedenfalls im Standardtarif.“ Davon erhofft die BDA sich eine Senkung der „Lohnnebenkosten“, also des Sozialbeitrags, den die Konzerne zu zahlen haben. 

Auch in Sachen „Gesundheitssystem“ hört Merz die Signale der Industrie. So trat er zuletzt dafür ein, die Höhe der Krankenkassen-Beiträge an die Nutzung der elektronischen Patientenakten zu koppeln. Auf diese Weise möchte er für ihre flächendeckende Verbreitung sorgen und ihren Wert für BAYER & Co. steigern, die es gar nicht abwarten können, die „Daten-Schätze“ zu heben.

Trotz der Möglichkeit, derartige Wunschlisten zu schreiben, spricht der Präsident des „Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Peter Leibinger, von „miserabler“ Stimmung im Land. Darum rief er auch Ende Januar zu „Demonstrationen“ für die Wirtschaft auf. Dieser „Wirtschaftswarntag“, bei denen die deutsche Kapitalseite vor allem für niedrigere Energiepreise und „Bürokratie-Abbau“ demonstrierte, ist eine eigenartige Form von Demonstration – als hätte die Ampel nicht schon vorzugsweise im Sinne der Industrie regiert. Da sich jedoch die liberalen Integrationsmechanismen der Ampel abzunutzen scheinen, schlägt der BDI nun einen anderen Ton an. Fordernder ist er und eindeutiger in der Begründung: Niedrigere Energiepreise heißt staatliche Zuschüsse auf die Preise der Energiemonopolisten. Daran haben vor allem BASF, BAYER und andere Firmen aus der energie-intensiven Chemiebranche, aber auch die Unternehmen aus der deutschen Leitindustrie, dem Automobilsektor, ein massives Interesse. 

Konkret äußert sich Heike Prinz, Personalvorständin der BAYER-AG, im Interview mit der Rheinischen Post dazu – und belässt es nicht dabei: „Die Energiekosten müssen runter, Genehmigungsverfahren müssen schnell werden, die Infrastruktur muss saniert und das Bildungssystem muss besser werden. Die neue Regierung steht vor großen Aufgaben.“ 

Darum verlangt EVONIK-Chef Christian Kullmann auch frank und frei ein „Sofortprogramm für die ersten 100 Tage“ – hier steht ebenfalls wieder der Industriestrompreis im Mittelpunkt, denn: „Ein Blick auf die chemische Industrie zeigt einen Abschwung, der in seiner Tiefe und Dauer beispiellos ist.“ Subventionen für „Kohlenstoff-Management“-Verfahren – vorgeblich der Umwelt zuliebe – hätte der Manager, der auch der unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier stehenden und von der Fritz-Thyssen-Stiftung unterstützten „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“ angehört, ebenfalls gerne. Zur Begründung seiner Ansprüche bemüht Kullmann sich redlich, die Chemieindustrie ins rechte Licht zu rücken, und stellt sie als „Grundlage für Deutschlands wirtschaftliche Stärke“ dar.

Monolithisch ist die Kapitalseite in ihrer Bewertung einer zu erwartenden CDU-Regierung jedoch nicht. So äußern einige ManagerInnen Befürchtungen, dass Merz` harter Kurs gegenüber der Volksrepublik China den wichtigen Handelspartner vergraulen könnte. Entsprechend kurz angebunden gab sich die „deutsche Handelskammer“ in Beijing zur Wahl. Sie sprach lediglich davon, dass nun eine größere Klarheit des Wahlergebnisses abzusehen sei, was sie erfreue. Im Interesse der deutschen Chemie-Industrie wäre ein solcher Wechsel in der Außenwirtschaftspolitik nicht. Sie hat im Reich der Mitte fast ebenso hohe Investitionen getätigt wie VW & Co. ManagerInnen von BAYER und BASF durften deshalb noch auf keiner KanzlerInnen-Reise nach Peking fehlen.

Zur Amtseinführung von Donald Trump reiste BAYER-Chef Bill Anderson dagegen alleine. Aus der Riege seiner deutschen KollegInnen mochte ihn keine/r begleiten, und PolitikerInnen auch nicht. Aber der Leverkusener Multi setzt auf ihn (siehe S. 22 f.). Die CDU macht sich mittlerweile allerdings schon Gedanken über eine Verbesserung der Beziehungen zu dem großen Bruder. „Ideal wäre, wenn sich die 30 oder 50 Manager aus Deutschland, die beste Kontakte in die USA haben, miteinander und mit der Politik abstimmen würden. Die Initiative dazu sollte von der Politik, am besten dem Kanzleramt ausgehen“, so äußerte sich Jens Spahn. Und an Trump-Landsmann Bill Anderson dürfte der Ex-Gesundheitsminister, der in der kommenden Regierung vielleicht eine wichtige Rolle spielen wird, nicht als letztes gedacht haben. 

Insgesamt scheint es da nicht zu schaden, dass die ehemalige grüne Baerbock-Referentin Britta Jacobs, die 2023 zu BAYER wechselte und den Konzern bis September 2024 unter anderem zu Fragen der Chinapolitik und geopolitischen Entwicklungen beriet, nicht in den Bundestag gekommen ist. PolitikerInnen zur Durchsetzung der Interessen von BAYER & Co. wie sie scheint es in diesem Land genug zu geben. Im vom Webportal Telepolis veröffentlichten Sondierungspapier von CDU und SPD heißt es unter anderem: „Es wird ein Sondervermögen Infrastruktur Bund/Länder/Kommunen geschaffen, das mit einem Volumen von 500 Milliarden Euro ausgestattet wird und eine Laufzeit von 10 Jahren hat. […] Dies umfasst insbesondere Zivil- und Bevölkerungsschutz, Verkehrs- Infrastruktur, Krankenhaus-Investitionen, Investitionen in die Energieinfrastruktur, in die Bildungs-, Betreuungs- und Wissenschaftsinfrastruktur, in Forschung und Entwicklung und Digitalisierung.“ 

Die Forderungen nach einem Industriestrompreis, „Bürokratie-Abbau“ und Freihandel haben die GroßkoalitionärInnen natürlich ebenfalls aufgenommen. Die Chemie darf sich also trotz der Kriegskredite in Milliarden-Höhe auf einiges an Geschenken freuen. Zahlen dürfen das dann andere. ⎜

Die v-Fluence-Leaks

CBG Redaktion

Bespitzelung von AktivistInnen

Das Public-Relations-Unternehmen v-Fluence sammelte Daten über konzernkritische AktivistInnen, WissenschaftlerInnen und InfluencerInnen. Darüber hinaus organisierte es eine Plattform für gemeinschaftliche Angriffe der Chemielobby auf Konferenzen und weitere Veranstaltungen, die Kritik an den Geschäftspraktiken von BAYER & Co. äußerten. Nun wurden durch die beiden Webportale The New Lede und Lighthouse Reports eine ganze Reihe von Dokumenten geleakt. Was steht drin, und wo hat BAYER seine Hände mit im Spiel? 

Von Bernd Tabuch

„Wir werden fast immer als die Bösewichter in solchen Szenarios dargestellt“, so zitiert die britische Zeitung The Guardian Jay Byrne aus einer Rede, die er 2016 auf einer Industriekonferenz gehalten hat. Leicht hat es der ehemalige Clinton-Vertraute und MONSANTO-Kommunikationschef dieser Tage tatsächlich nicht: Das von ihm gegründete „Public relations“-Unternehmen V-FLUENCE sieht sich harter Kritik ausgesetzt. Grund dafür sind geleakte E-Mails und Dokumente, die beweisen, dass durch V-FLUENCE und das von der Firma gegründete Social Network „Bonus Eventus“ (Latein für „glücklicher Ausgang“) Informationen über Aktivist-Innen der konzernkritischen Bewegung, UN-MitarbeiterInnen und viele mehr gesammelt und Mitgliedern zugänglich gemacht wurden. Die Nachrichtendienst-Leistungen umfassten beispielsweise Details zu Ehe und Familie, Privatadressen, Telefonnummern und Hobbys. Doch nicht nur das – über das Netzwerk wurden auch gemeinsame Strategien für die „Öffentlichkeitsarbeit“ entwickelt. 

Zu den Mitgliedern des Netzwerks zählten US-RegierungsmitarbeiterInnen, ManagerInnen agrochemischer Großkonzerne und LobbyistInnen. Der Guardian geht von über 1.000 Mitgliedern aus. Die The New Lede-Journalistin Carey Gillam, die federführend an der Enthüllung der Vorgänge rund um V-FLUENCE beteiligt war, bestätigte auf Nachfrage der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, dass sich auch mehrere BAYER-ManagerInnen auf der Verteilerlliste von „Bonus Eventus“ befunden haben. Ein Artikel zu den Enthüllungen fasste das Vorgehen von V-FLUENCE wie folgt zusammen: „Das Profiling war Teil des Versuchs, Pestizidgefahren runterzuspielen, GegnerInnen zu diskreditieren und das internationale Vertragswesen zu unterlaufen […]“. 

Zudem bahnte V-FLUENCE für die Branche Kontakte mit der Politik an. So organisierte die Firma etwa eine Zusammenkunft von BAYER- und SYNGENTA-RepräsentantInnen sowie anderen Branchen-VertreterInnen mit US-amerikanischen Handelsbeauftragten, „um die Pestizid-Handelspolitik für das Jahr 2018 zu erörtern“. 

Tatort Nairobi

Ein besonders reges Interesse hegte V-FLUENCE offensichtlich für Afrika, wo die Agentur vermittels des USAid-Programms unter dem Vorwand der Entwicklungshilfe kräftig die Werbetrommel für die Pestizidproduzenten zu rühren versuchte. Jedoch ist der gesamte Kontinent nicht nur politisch tief gespalten, sondern auch teilweise dem Zugriff der westlichen Agro-Riesen entzogen, wodurch sich die Ausdrucksformen der Einflussnahme deutlich verschärften. Als 2019 eine Konferenz des „World Food Preservation Center“ in Kenia anberaumt war, gingen deshalb bei „Bonus Eventus“ die Alarmglocken an. So warnte Margaret Karembu, Chefin der afrikanischen Sektion der Gentech-Organisation „International Service for the Acquisition of Agri-biotech Applications“ über das Netzwerk, auf dieser Konferenz würden Gilles-Éric Seralini und Hans Herren sprechen, bekannt durch seine Glyphosat-Studien der eine, als Mitgründer des MONSANTO-Tribunals der andere.

Zu den EmpfängerInnen der Mail gehörten neben Beschäftigten des US-Departments für Landwirtschaft auch die BAYER-ManagerInnen Godwin Lemgo, der inzwischen bei der „Bill and Melinda Gates Foundation“ angeheuert hat, und Jimmy Kiberu, BAYERs Mann in Kenia. Kiberu teilte die Einschätzung Karembus und mahnte: „Obgleich wir vielleicht nicht ihre langfristigen Pläne und Strategien kennen, dürfen wir nicht ihre Fähigkeit unterschätzen, Unruhe zu stiften und Zweifel zu säen, was in diesen schwierigen Zeiten Auswirkungen auf einflussreiche Personen und die Politik haben könnte.“ Darum schlug er umgehend ein Treffen zur Planung von Gegenstrategien vor. 

Kurz darauf zogen sich zahlreiche SponsorInnen wie z. B. Afrikanische Entwicklungsbank aus der Organisation der Konferenz zurück, worüber auch Byrne eifrig in seinem Netzwerk „informierte“. Er bestritt jedoch jegliche Einmischung in diese Entwicklung. Das US-Departement für Landwirtschaft und USAid enthielten sich jeweils einer Stellungnahme. Der veröffentlichte Mailverkehr beweist dennoch mindestens, dass sich hier Funktionär-Innen der Agroriesen und ihrer Interessensvertretungen mit US-Regierungsbehörden absprachen und offensichtlich mindestens teilweise in der ein oder anderen Form gegen die Konferenz aktiv wurden. Auch die Lighthouse Reports schildern dieses Vorgehen: „Wir erhielten einen Hinweis, dass die US-Regierung in einen Versuch involviert sei, eine wissenschaftliche Konferenz in Nairobi, Kenia, zu sabotieren, die nachhaltige Lösungen für Pestizidprobleme vorstellen sollte.“ Die Diskreditierung von Seralini und Herren als „unwissenschaftliche“ WissenschaftlerInnen, die in den Mails betrieben wird, gemahnt außerdem an die von MONSANTO initiierte Kampagne gegen Seralinis Studien zu Genmais.

Der MONSANTO-Vertrag

Gleichfalls interessant sind die geleakten Details aus dem 2014 geschlossenen Vertrag zwischen V-FLUENCE und dem seit 2018 zu BAYER gehörendem MONSANTO-Konzern. Sie vermitteln nämlich einen plastischen Eindruck davon, wie Unternehmen versuchen, sich in der Öffentlichkeit ein positiveres Image zu geben. So heißt es wörtlich im Anhang I des Vertrags unter dem Titel „Work Plan“: „V-FLUENCE wird mit bestehenden akademischen und verwandten NGO-Netzwerken zusammenarbeiten, um ein hochrangiges, glaubwürdiges akademisches öffentliches Engagement in wissenschaftlichen Fragen zu fördern, um ein besseres Verständnis für die Landwirtschaft und genetisch veränderte (transgene) Nutzpflanzen zu erreichen.“ Auch Kommunikationstrainings standen auf dem Programm, um eine „effektive Zusammenarbeit mit der Presse, bei öffentlichen Veranstaltungen und über soziale Medienkanäle zu fördern“. So wollte die Agentur MONSANTO schließlich „ermöglichen, sich in den entsprechenden öffentlichen Dialogen stärker zu engagieren, sichtbar zu werden und Einfluss zu nehmen“.

So offen kann mensch das beschreiben. Was hinter diesen Maßnahmen zur Kommunikationsförderung steckt, dürfte niemanden überraschen. V-Fluence tritt hier als bevorzugtes PR-Unternehmen der Agrochemie auf. Das lässt sich offensichtlich auch die US-amerikanische „Entwicklungshilfe“ einiges kosten – über 400.000 US-Dollar flossen zwischen 2013 und 2019 an die „Public-Relations“-ExpertInnen von V-FLUENCE. Darunter lief natürlich nicht nur reine Öffentlichkeitsarbeit, sondern eben auch die gezielte Desinformation über Risiken von Pestiziden und Gentechniken, wie aus den Recherchen von Lighthouse Reports hervorgeht. 

Bei ihren Nachrichtendienstleistungen könnten Byrne & Co. auch die allgemeinen Datenschutzrichtlinien der EU verletzt haben – V-FLUENCE beauftragte zuletzt eine Anwaltskanzlei, um sich hier rechtlich abzusichern. Für Wendy Wagner, Professorin für Rechtswissenschaften an der Universität von Texas, stellen sich durchaus juristische Fragen. „Ich bin mit der von Unternehmen initiierten Schikanierung von Wissenschaftlern, die unliebsame Forschungsergebnisse vorlegen, durchaus vertraut, und manchmal werden dabei auch persönliche Informationen über die Wissenschaftler ausgegraben, um ihre Arbeit weniger glaubwürdig erscheinen zu lassen“, sagte Wagner. „Aber ich bin noch nicht auf die Verwendung größerer Datenbanken gestoßen, in denen persönliche Daten von zahlreichen Kritikern eines Unternehmens (einschließlich unabhängiger Wissenschaftler und Journalisten) gespeichert werden. Es ist schwer, die Relevanz von persönlichen Details zu erkennen, wenn sie nicht zur Schikanierung verwendet werden.“

Die MONSANTO-Listen

In Europa wurde so etwas aber schon aktenkundig, im Jahr 2019, und wieder war MONSANTO mit dabei. Die sogenannten MONSANTO-Listen machten Schlagzeilen. Die PR-Agentur FLEISHMAN HILLARD hatte für das US-Unternehmen im Vorfeld der für 2017 anstehenden Entscheidung der EU über eine Zulassungsverlängerung für Glyphosat eine ausführliche Kartierung der politischen Landschaften der Mitgliedsstaaten erstellt. Allein zu Frankreich legte die Agentur ein Dossier mit Namen von 200 JournalistInnen, PolitikerInnen, Verbands- und NGO-VertreterInnen sowie WissenschaftlerInnen mitsamt Kontakt-Daten und Hobbys für ihren Auftraggeber an. Minutiös verzeichnete sie die Haltung der Betreffenden zu Themen wie „Landwirtschaft“, „Ernährung“, „Gentechnik“, „Umwelt“, „Gesundheit“ und „Pestizide“. Die Glaubwürdigkeit der Personen, ihren Einfluss und ihre Haltung zu MONSANTO bewertete FLEISHMAN dabei mit Noten von „0“ bis „5“. Diese detaillierten Profile dienten dann als Ansatzpunkte, um passgenau „Vertrauen zu MONSANTO aufzubauen“. 

Der Leverkusener Multi entschuldigte sich damals bei den Betroffenen und erklärte: „Dies ist nicht die Art, wie BAYER den Dialog mit unterschiedlichen Interessensgruppen und der Gesellschaft suchen würde.“ Offenbar aber doch, wie jetzt der V-FLUENCE-Skandal zeigt.

Die Firma will jetzt ihre Richtlinien ein bisschen überarbeiten, „um künftige Fehlinterpretationen unseres Arbeitsprodukts zu vermeiden.“ Darüber hinaus hat sie das Profiling eingestellt und zudem ihre Mitglieder vor den investigativen Recherchen gewarnt, die rund um das bedenkliche Netzwerk stattfinden. Auch Stellen musste der Nachrichtendienstleister streichen. Schuld auch hier wieder, so Byrne, die AktivistInnen, die „ (…) unsere MitarbeiterInnen, PartnerInnen und KlientInnen mit Drohungen und Falschdarstellungen“ belästigten. So uneinsichtig gibt sich der v-FLUENCE-Chef ebenfalls bezüglich der Offenlegungen. Er spricht von einer „Schmierkampagne“ und „Falschdarstel-lungen“, die von „keinen Fakten oder Beweisen“ gestützt seien. Einige tausend Seiten Dokumente sprechen da jedenfalls eine andere Sprache.  ⎜ 

BAYERs prekäre Lieferketten

CBG Redaktion

Kinderarbeit, Arbeitsschutz-Mängel, Umweltschädigungen

BAYERs Lieferketten-Bericht offenbart ein Bild des Schreckens. Zahlreiche Meldungen über Verstöße gegen Menschenrechte sowie Sozial- und Umweltstandards führt er auf. Aber politischen Druck in der Causa muss der Konzern weniger denn je fürchten. Brüssel will die europäische Lieferketten-Richtlinie aushöhlen, und die CDU hat in ihrem Wahlprogramm angekündigt: „Das deutsche Lieferketten-Gesetz schaffen wir ab.“

Von Jan Pehrke

Kinderarbeit, Behinderung gewerkschaftlicher Tätigkeit, Arbeitsschutz-Verletzungen, gesundheitsgefährdende Arbeitsbedingungen, Lohnraub, Diskriminierung am Arbeitsplatz, Umweltschädigungen – die Liste der Vergehen bei den Lieferanten von BAYER umfasst eine Fülle unterschiedlicher Tatbestände und ist lang. Zahlreiche Meldungen über Verletzungen von Menschenrechten sowie Sozial- und Umweltbestimmungen erhielt der Konzern. 

61 Beschwerden über die Missachtung von Arbeitsschutz und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren betrafen Zulieferer und 64 galten seinem eigenen Geschäftsbereich. Das geht aus dem vom deutschen Lieferkettensorgfaltspflichten-Gesetz vorgeschriebenen Bericht des Agro-Riesen für das Jahr 2023 hervor, der Antworten auf einen umfangreichen Fragenkatalog enthält. 

Insgesamt registrierte BAYER 1.345 Meldungen. Kein anderes Unternehmen wartet mit einer so hohen Zahl auf. Adidas etwa führt „nur“ 207 an, SAP 142, VW 104, BASF vier und Siemens drei. Das dürfte allerdings weniger an deren saubereren Lieferketten als vielmehr an unsaubererer Berichterstattung liegen. So erklärte Lothar Harings von der Kanzlei Graf von Westfalen, der die vorliegenden Reports untersucht hat, gegenüber dem Handelsblatt: „Unsere Analyse zeigt ganz klar, dass die Unternehmen ‚menschenrechtliches oder umweltrechtliches Risiko‘ unterschiedlich auslegen.“

Kinderarbeit

Der BAYER-Konzern hat offensichtlich genauer hingesehen und einen zugänglichen Beschwerde-Mechanismus, was nicht gegen ihn verwendet werden sollte. Details zu den einzelnen Vorkommnissen braucht er im Lieferkettenbericht allerdings nicht anzugeben. Später bekundete der Leverkusener Multi, bei einem Großteil der 1.345 Meldungen hätte es sich lediglich um solche zum Thema „IT-Sicherheit“ gehandelt. 

Nur zum Punkt „Verbot von Kinderarbeit“ finden sich in dem Report genauere Informationen. Auf die Frage: „Um welches konkrete Risiko geht es?“ antwortet das Unternehmen: „Kinderarbeit in der Saatgut-Lieferkette“ und nennt Bangladesch, Indien und die Philippinen als mögliche Tatorte. BAYER hat einen Fall dingfest gemacht. Die Dunkelziffer dürfe allerdings höher liegen, zumal der Konzern hier in der Vergangenheit bereits öfter auffällig wurde. 

So brachte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) 2003 gemeinsam mit der deutschen Sektion des GLOBAL MARCH AGAINST CHILD LABOUR flächendeckende Kinderarbeit in der indischen Baumwollsaatgut-Produktion an die Öffentlichkeit, indem sie eine Studie des indischen Instituts „Glocal Research and Consultancy Services“ übersetzten. Der Autor Dr. Davuluri Venkateswarlu untersuchte darin die Herstellung hybriden Baumwoll-Saatguts im Bundesstaat Andhra Pradesh. Dabei handelt es sich um nicht fortpflanzungsfähige Saaten, deren Fertigung sehr arbeitsintensiv ist, weil bei jedem Keim der eigene Samen entfernt und der fremde Samen aufgetragen werden muss. Um Kosten zu sparen, griffen die Farm-Betriebe deshalb bevorzugt auf Kinder, zumeist Mädchen im Alter von 6-14 Jahren, zurück und banden sie oft auch noch in Schuldknechtschaft an sich. Zehntausende arbeiteten zwölf Stunden am Tag bei den Zulieferern von MONSANTO, UNILEVER, SYNGENTA, ADVANTA und der BAYER-Tochter PROAGRO. In mittelbaren BAYER-Diensten standen dabei 2.000 Kinder.

„Es macht wütend, dass Konzerne wie BAYER nicht einmal vor der Ausbeutung von Kindern Halt machen. Schuldknechtschaft – also Kinder in Sklavenarbeit – für goldene Bilanzen! Für die Agrokonzerne wäre es ein Leichtes, durch Zahlung angemessener Abnahmepreise, konsequente Kontrollen und vertragliche Bedingungen dafür zu sorgen, dass arbeitslose Erwachsene zu menschenwürdigen Löhnen die Arbeit der Kinder übernehmen. Aber: Das würde ja die Profite schmälern“, erklärte Axel Köhler-Schnura damals. 

Der Global Player stritt erst einmal alles ab. Dann gelobte er leiseweinend Besserung und leitete einige Maßnahmen in die Wege. Aber das Problem blieb virulent. Im Jahr 2010 gab der Agro-Riese die Zahl der KinderarbeiterInnen im Saatgut-Bereich mit 105 an. Eine wirkliche Besserung trat erst 2021 ein – da verkaufte die Aktien-Gesellschaft ihre indische Saatgut-Sparte nämlich.

Die Pharma-Lieferketten

2017 deckte die Coordination dann auf, was für skandalöse Zustände bei den ersten Gliedern von BAYERs Pharma-Lieferketten herrschen, die der Pharma-Riese im Zuge der Globalisierung nach Asien verlegt hatte, weil dort niedrigere Kosten und geringere Umwelt- und Sozialstandards lockten. 

Im indischen Hyderabad etwa leiten viele Firmen, die Grund- oder Zwischenstoffe für Big Pharma herstellen, ihre Produktionsrückstände ungereinigt oder nur marginal aufbereitet in die Gewässer ein. Darum türmen sich auf manchen Flüssen weiße Schäume bis zu einer Höhe von neun Metern auf. Andere Emissionen aus den Fabriken verfärben das Wasser gelb, rot oder braun. Und am Grund mancher Seen setzt sich tiefschwarzes, teeriges Sediment ab.

Als besonders gesundheitsgefährdend erweisen sich dabei die Antibiotika-Reste. Durch die hohen Dosen von Ciprofloxacin (Wirksubstanz von BAYERs CIPROBAY) und anderen Substanzen gewöhnen sich die Krankheitserreger nämlich an die Stoffe und bilden Resistenzen heraus. 2014 stieß ein ForscherInnen-Team in einem See unweit der Pharma-Fabriken auf 81 Gen-Typen von Bakterien, gegen die kein einziges Antibiotikum-Kraut mehr gewachsen war. Sie tummelten sich dort in einer Konzen-tration, welche diejenige in einem schwedischen See, der als Vergleichsmaßstab diente, um das 7.000-Fache überstieg. Und das alles bleibt nicht ohne Folgen: 2013 starben in Indien 58.000 Babys, weil sie mit solchen Keimen infiziert waren.

Die Regulierung

Die weltweiten Produktionsnetzwerke anderer Branchen sorgten für ähnliche Verwerfungen. Darum erkannten die Vereinten Nationen im Jahr 2011 Handlungsbedarf und hielten ihre Mitgliedsländer dazu an, Maßnahmen gegen solche Risiken und Nebenwirkungen der Globalisierung zu ergreifen. Die zu diesem Zeitpunkt regierende Große Koalition sah dabei zunächst davon ab, übermäßigen Druck auf die Konzerne auszuüben und setzte auf Freiwilligkeit. Sie hob 2016 den Nationalen Aktionsplan (NAP) aus der Taufe und machte sich daran, erst einmal ein Lagebild zu erstellen. Dazu starteten CDU und SPD eine Umfrage unter den Betrieben und erbaten Informationen darüber, ob – und wenn ja – in welcher Form sie entlang ihrer weltumspannenden Lieferketten die Einhaltung der Menschenrechte gewährleisten. 2020 wiederholten die Parteien das Ganze. Der Befunde fielen jeweils ernüchternd aus. Nur ein Bruchteil der angeschriebenen Firmen antwortete überhaupt, und von diesen genügte beim sogenannten Supply Chain Management kaum eines den sozialen und ökologischen Anforderungen. „Das Ergebnis zeigt eindeutig: Freiwilligkeit führt nicht zum Ziel“, resümierte der damalige Entwicklungshilfe-Minister Gerd Müller (CSU) und konstatierte: „Wir brauchen einen gesetzlichen Rahmen“. Und den bereitete die Politik dann auch vor, was die Industrie-VertreterInnen in Panik versetzte. „Hier wird eine faktische Unmöglichkeit von den Unternehmen verlangt: Sie sollen persönlich für etwas haften, was sie persönlich in unserer globalisierten Welt gar nicht beeinflussen können“, echauffierte sich die „Bundesvereinigung der Arbeitgeber-Verbände“ (BDA) umgehend. In der Folge taten die LobbyistInnen der Industrie alles, um das Schlimmste zu verhindern. Sie mahnten eine Beschränkung des Paragrafen-Werks auf direkte Zulieferer an und lehnten eine Haftungsregelung vehement ab. Mit Erfolg: Im Lieferkettensorgfaltspflichten-Gesetz, das 2023 in Kraft trat, fehlt beides. Zudem müssen BAYER & Co. etwaige Mängel nicht abstellen. „Unternehmen werden nicht zur Garantie eines Erfolges verpflichtet“, hält die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ fest. Die Konzerne sind „im Rahmen des konkret Machbaren und Angemessenen“ lediglich gehalten, sich zu bemühen: „Von keinem Unternehmen darf etwas rechtlich und tatsächlich Unmögliches verlangt werden.“ Die europäische Lieferketten-Richtlinie von 2024 sieht dagegen härtere Bestimmungen vor. Sie enthält eine Haftungsregelung und bezieht auch indirekte Zulieferer mit ein.

Die Deregulierung

Ursprünglich sollte die Implementierung in deutsches Recht bis 2026 erfolgen. Aber daraus wird nichts. Noch vor Vollendung des mühsamen Prozesses der Regulation beginnt schon wieder die Deregulation. In dem Omnibus-Paket stellt die EU die Lieferketten-Richtlinie gemeinsam mit der Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung und der Taxonomie-Verordnung, die finanzmarkt-relevante Kriterien für ein „Green Economy“-Label festlegt, zur Disposition. Sie begründet das mit dem „neuen und schwierigen Kontext“ und verweist dabei auf den Ukraine-Krieg, die dadurch gestiegenen Energiepreise und zunehmende Handelsspannungen. 

Dadurch gerät ihr zufolge nicht nur die Ökonomie unter Druck, sondern gleich das große Ganze: „Die Fähigkeit der Union, ihre Werte zu bewahren und zu schützen, hängt unter anderem von der Fähigkeit ihrer Wirtschaft ab, sich in einem instabilen und manchmal feindseligen geopolitischen Umfeld anzupassen und zu konkurrieren.“  Zum „Polarstern“ ihrer zweiten Amtszeit hat Ursula von der Leyen deshalb die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit auserkoren. Und da erweist sich nicht nur die Lieferketten-Richtlinie als Störfaktor. „Deshalb hat die Kommission bei einigen EU-Vorschriften Anpassungen vorgenommen, mit denen das Wachstum gefördert und für eine kosteneffizientere Verwirklichung der politischen Ziele der EU gesorgt werden soll“, erklärte die Europäische Kommission in einem Q&A zu ihren Plänen.

Den Grundstein dafür – und nicht nur dafür – legte der von Mario Draghi verfasste Report zur Zukunft der Wettbewerbsfähigkeit der EU. Die Lieferketten-Richtlinie und die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung kamen in dem 2-bändigen, über 600 Seiten starken Kompendium nicht eben gut weg. Der ehemalige GOLDMAN-SACHS-Banker und Präsident der Europäischen Zentralbank bezeichnete diese als „große Quelle regulatorischer Bürden“ mahnte eine Vereinfachung an. 

Und die EU tat wie geheißen. So erklärte etwa der neue EU-Energiekommissar Dan Jørgensen bei seiner Amtseinführung nur halb scherzhaft: „Ich musste auf den Draghi-Bericht schwören.“ In der „Erklärung von Budapest zum Neuen Deal für die Europäische Wettbewerbsfähigkeit“ vom November 2024 versprach Brüssel „die Einleitung eines revolutionären Vereinfachungsprozesses, der für einen klaren, einfachen und intelligenten Regelungsrahmen für Unternehmen sorgt und den Verwaltungs-, Regulierungs- und Meldeaufwand (…) drastisch verringert“. Ende Januar 2025 konkretisierte die Europäische Union ihre Pläne. In einem „Kompass für Wettbewerbsfähigkeit“ stellte Brüssel „weitreichende Vereinfachungen“ der Lieferketten-Richtlinie, der Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung und der finanzmarkt-relevanten Kriterien für ein „Green Economy“-Label in Aussicht. „Wir können nicht erwarten, dass wir weltweit konkurrieren können, während wir uns gleichzeitig mit unnötigen Beschränkungen und Einschränkungen überfrachten“, erklärte der EU-Kommissar Valdis Dombrovskis zur Begründung. 

Extrem-Lobbyismus

Natürlich kam ihm diese Einsicht ebenso selbst wie seinen KommissionskollegInnen. Die Industrie hat den neuen Kurs der EU wesentlich mitbestimmt. Schon auf den Draghi-Report nahm sie Einfluss. So gehört BAYER zur langen Liste der Konzerne, die Input gaben und dafür vom Italiener gewürdigt werden. „Ich bin folgenden Personen und Organisationen dankbar, die in Meetings konsultiert wurden oder schriftliche Eingaben machten“ – danach beginnt eine lange Aufzählung der europäischen Multis von AIRBUS bis ZF. Gegen die „Bürokratie-Monster“ haben BAYER & Co. natürlich auch einen immensen Lobby-Druck entfaltet. EmissärInnen des Leverkusener Multis etwa sprachen am 2. Dezember 2024 persönlich in Brüssel vor. Sie trafen auf Michael Hager aus dem Kabinett von Dombrovskis. Auf der Tagesordnung stand laut Transparenz-Register „Vereinfachung“. Im selben Monat präsentierte die „Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände“ (BDA) der Europäischen Union „Vorschläge für eine Reduzierung von Auflagen“. Den Geltungsbereich der Lieferketten-Richtlinie etwa wollte der BDA auf Betriebe mit mehr als 5.000 Beschäftigten begrenzt wissen. Zudem verlangte er, die Berichtspflicht auf direkte Zulieferer zu beschränken und bei Verstößen nicht länger eine einklagbare Haftungspflicht vorzusehen. Der „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI) ging darüber noch hinaus. In einem gemeinsam mit den italienischen und französischen Industrieverbänden MEDEF und CONFINDUSTRIA verfassten Positionspapier forderte er eine Klausel zur „maximalen Harmonisierung“ ein, die es den Regierungen der Mitgliedsstaaten verbietet, die Regelungen bei der Umsetzung in nationales Recht zu verschärfen. „Bürokratie-Abbau bedeutet Wachstumschancen zum Nulltarif“, erklärte der BDI in seiner Pressemitteilung zu den Verordnungen und nahm die EU in die Pflicht. „Die Europäische Kommission muss mit dem angekündigten Omnibus nicht nur die Berichtspflichten abbauen, sondern auch die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen, das EU-Lieferkettengesetz sowie die Taxonomie-Verordnung substanziell ändern. Weitere Entlastungsinitiativen müssen folgen“, hieß es in dem Statement.

Im Dienste der Industrie

Dabei gelang es den Unternehmen wieder einmal, die deutschen PolitikerInnen in Dienst zu nehmen. So drangen die Noch-Minister Volker Wissing, Jörg Kukies, Robert Habeck und Hubertus Heil am 17. Dezember 2024 in einem Brief an die EU darauf, die Deadline für die Übertragung der Nachhaltigkeitsrichtlinie in nationales Recht um zwei Jahre zu verschieben. Überdies setzten sie sich dafür ein, die Berichtspflichten auszudünnen, um „unnötige Belastungen für die Unternehmen zu vermeiden und den Unternehmen die Möglichkeit zu geben, ihre Ressourcen zum Nutzen von nachhaltigem Wachstum und Innovation in der EU einzusetzen“. Gleiches galt in ihren Augen für die Taxonomie-Richtlinie.

Die Lieferketten-Richtlinie bezogen sie in ihre Kritik allerdings nicht mit ein – anders als Olaf Scholz. In seinem Schreiben an Ursula von der Leyen lobte er die Kommissionspräsidentin dafür, „den Abbau von Bürokratie zu den zentralen Schwerpunkten Ihrer neuen Amtszeit machen zu wollen“ und sagt auch gleich, warum. „Die deutsche Wirtschaft hat hier zu Recht weiteren dringenden Handlungsbedarf angezeigt, insbesondere hinsichtlich der Belastungen im Rahmen der Nachhaltigkeitsrichtlinie (CSRD), der EU-Taxonomie und der Europäischen Lieferketten-Richtlinie (CSDDD)“, hält er fest.

Und die EU deckte den Bedarf. Ende Februar 2025 präsentierte sie die Omnibus-Verordnungen, die Hand an alle drei Regelungen legten. Die Lieferketten-Richtlinie schreibt BAYER & Co. jetzt bloß noch vor, die Einhaltung von Sozial-, Umwelt- und Menschenrechtsstandards bei ihren direkten Zulieferern zu kontrollieren, und das auch nur alle fünf Jahre. Die Regelung der Haftungsfrage fällt nun ins Belieben der Mitgliedsländer – also vorzugsweise weg. Auch müssen die Unternehmen sich nach der Aufdeckung von Missständen nicht mehr zwingend von ihren Vertragsfirmen trennen. Damit nicht genug, können sich die EU-Staaten die Richtlinie jetzt mit der Umsetzung in nationales Recht Zeit bis 2028 lassen. 

Zunächst einmal müssen da noch das EU-Parlament und der Europäische Rat zustimmen. Trotzdem zeigten sich die Konzerne erst einmal zufrieden. „Es ist gut, dass die EU-Kommission die Umsetzung der Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung und des EU-Lieferkettengesetzes temporär aussetzen will, damit keine Belastungen entstehen“, erklärte der BDI. Der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI) schloss sich in seiner „Mehr wirtschaftliche Freiheit wagen“ überschriebenen Presseerklärung an: „Dass die EU-Kommission mit ‚Omnibus-Verfahren‘ Bürokratie abbauen will, ist aus VCI-Sicht sehr erfreulich.“ Und die FAZ hielt fest: „Mehr ‚Kettensäge’ ist unter den Brüsseler Randbedingungen nicht möglich.“

Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN kritisierte die Aufweichungen dagegen scharf. „Kinderarbeit, Druck auf GewerkschaftlerInnen, Lohnraub, Ungleichbehandlung von Mann und Frau, mangelhafter Arbeitsschutz und Umweltverschmutzung – auf all das will Brüssel jetzt nicht mehr so genau blicken, weil es angeblich den Wirtschaftsstandort Europa gefährdet. Das ist ein Skandal“, hieß es in ihrer Presseerklärung. 

Der BUND protestierte ebenfalls: „Erst im vergangenen Jahr haben die EU-Institutionen in einem demokratischen Verfahren die EU-Lieferkettenrichtlinie beschlossen. Dass die EU-Kommission sie nun in einem noch nie dagewesenen Schnelldurchlauf bis zur Bedeutungslosigkeit verwässern will, ist skandalös.“ Und der Betriebswirtschaftsprofessor Patrick Velte von der Lüneburger Leuphana-Universität konstatierte: Diese Omnibus-Pläne der EU-Kommission führen zu einer Aushöhlung der CSRD, CSDDD und der Taxonomie-Verordnung und gefährden das Gelingen des Green-Deal-Projekts sowie das Ziel einer klima-neutralen Wirtschaft bis 2050.“ Auch dem deutschen Lieferketten-Sorgfaltspflichtengesetz droht Ungemach. Noch-Wirtschaftsminister Robert Habeck kündigte Anfang Oktober 2024 auf dem Unternehmertag des deutschen Außenhandelsverbandes BGA an, ihm in Milei-Manier zu Leibe rücken zu wollen. Er erachtete es als notwendig, „die Kettensäge anzuwerfen und das ganze Ding wegzubolzen“. Dabei hatte sich seine Partei in ihrem Programm zur Bundestagswahl 2021 noch für „eine Ausweitung der erfassten Unternehmen, aber auch eine Erweiterung der umweltbezogenen Sorgfaltspflichten“ ausgesprochen. Olaf Scholz störte sich ebenso wenig am SPD-Programm, das es noch als einen großen Erfolg gefeiert hatte, „dass ein nationales Lieferketten-Gesetz auf den Weg gebracht werden konnte“ und sich damit noch nicht einmal zufriedengeben wollte: „Wir werden es konsequent weiterentwickeln.“ Im Oktober 2024 sagte er auf dem Arbeitgebertag zu dem Paragrafen-Werk: „Das haben wir ja gesagt, das kommt weg.“ Eine Überarbeitung des Gesetzes ließen die beiden Politiker ihren großen Worten zwar nicht mehr folgen, aber Habeck setzte zumindest die Berichtspflicht für die deutschen Unternehmen bis zur Implementierung der europäischen Lieferketten-Richtlinie in deutsches Recht aus.

Dagegen steht zu befürchten, dass CDU und CSU sich an ihre Wahlversprechen halten. „Das deutsche Lieferketten-Gesetz schaffen wir ab“, heißt es in ihrem Programm unter dem Punkt „Belastungen sofort stoppen“ kurz und knapp. Aber die Coordination wird alles daransetzen, die Abbruch-Arbeiten auf nationaler und europäischer Ebene zu verhindern. ⎜

BAYERs Trump-Deal

CBG Redaktion

Bessere Zeiten für Glyphosat

BAYER hatte den Republikanern im Wahlkampf 122.000 Dollar gespendet. Diese Investition scheint sich bereits jetzt auszuzahlen, denn der Leverkusener Multi verbucht deutliche Fortschritte bei seinem Vorhaben, Straffreiheit für Glyphosat zu erwirken. Und Trump & Co. zeigen sich auch sonst erkenntlich.

Von Jan Pehrke

BAYER machte mal wieder die Ausnahme: Als einziger Vorstandsvorsitzende eines deutschen DAX-Unternehmens wohnte Bill Anderson der Amtseinführung von Donald Trump bei. „Die USA sind mit einem Umsatz-Anteil von über 30 Prozent mit Abstand unser größter Markt. Entsprechen wichtig ist es, mit der Politik im Gespräch zu sein“, mit diesen Worten rechtfertigte Personalvorständin Heike Prinz das Vorgehen ihres Vorgesetzen. Und auch die „Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapier-Besitz“ (DSW) hatte nichts gegen die rechtsoffene Konzern-Politik in den USA einzuwenden: „Wenn es die Chance gibt, die Glyphosat-Klagewelle zu stoppen, dann mit Trump“, hielt DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler fest. Sogar der IG-BCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis gab seinen Segen: „Es ist eine gute Idee, dass BAYER Zugang zu der neuen Administration hat.“

Zu allem Überfluss kam Anderson nicht allein zu der feierlichen Zeremonie. US-Chef Sebastian Guth begleitete ihn. Auf dem Portal LinkedIn konnte der sich gar nicht einkriegen vor Begeisterung. „Heute habe ich zum ersten Mal persönlich an der Amtseinführung eines US-Präsidenten teilgenommen. Während der Ansprache von Präsident Trump habe ich vor allem über eine Zeile nachgedacht. ‚Das Unmögliche ist das, was wir am besten können‘“, postete er. Dem folgte dann ein Bekenntnis. Guth machte sich bereit, „meinen Teil dazu beizutragen, mit der Trump-Administration zusammenzuarbeiten, um das Unmögliche für alle Amerikaner möglich zu machen“.

Damit handelte er sich einige böse Kommentare ein. „Wie kann ein politisch ungebundenes Unternehmen die Wahl eines Präsidenten feiern, der in vielerlei Hinsicht wirklich schlecht für alle Nationen ist. Schauen Sie sich an, was er in den letzten drei Wochen getan hat. Ehrlich gesagt sollte sich BAYER schämen, wenn ein hochrangiger Unternehmensvertreter solche Aussagen macht“, schrieb ein einst beim Leverkusener Multi Beschäftigter. Ein weiterer Ex machte sich vor allem Sorgen um die Belegschaftsangehörigen, die Minderheiten angehören. „Ich frage mich, wie sich all dies auf die Kollegen aus der LGBTQ-Gemeinschaft, die Einwanderer und all die Communities auswirkt, die Präsident Trump ins Visier nimmt. Bitte unterstützen Sie sie“, bat er Guth. 

Der Ehemalige hatte dabei vor allem die Programme für Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion – Diversity, Equity, Inclusion (DEI) – im Sinn, dessen Einstellung Trump angeordnet hat. Etliche Firmen fügten sich dem schon.  NOVARTIS, ROCHE, GSK, DELOITTE, KPMG, UBS, META und AMAZON etwa schredderten ihre DEIs ab oder veränderten sie stark. BAYER wartet einstweilen ab. „Die rechtliche Situation in den USA ist weiterhin in Bewegung. Wir beobachten sie sehr aufmerksam, um zu prüfen, inwieweit sie sich auf unser Geschäft auswirken könnte. Wir unternehmen die erforderlichen Schritte, um geschäftlich weiterhin erfolgreich zu sein und gleichzeitig unseren Werten treu zu bleiben“, erklärte der Konzern.

Das erste Unmögliche, das in den Trump-Zeiten ein wenig möglicher zu werden droht, ist die Straffreiheit für Glyphosat. Direkt nach der Wahl gefragt, ob der Sieg der Republikaner sich positiv auf den Fall auswirken könne, bejahte Anderson. „Ich bin mir nicht sicher, ob das einen direkten Einfluss auf die laufenden Verfahren hat“, antwortete er zuerst noch etwas zögerlich, um dann nach längeren Ausführungen zu resümieren: Darum denken wir, dass das Umfeld dem Fortschritt förderlich ist. Und wir erwarten, diesen Fortschritt 2025 zu sehen.“

Die Erwartungen trogen nicht. Die kostspieligen Bemühungen des Konzerns, die Einstufung von Glyphosat als nicht krebserregend durch die staatliche Umweltbehörde EPA als bindend für alle Gerichte erklären zu lassen, beginnen sich auszuzahlen. So winkte der Bundesstaat Georgia ein entsprechendes Paragrafen-Werk durch. Die Geschworenen eines dortigen Gerichts ließen sich dafür einstweilen jedoch nicht beeindrucken. Sie verurteilten BAYER im März 2025 erstinstanzlich zu einer Zahlung von 2,1 Milliarden Dollar.

Auf zentralstaatlicher Ebene treibt der Konzern indessen den „Agricultural Labeling Uniformity Act“ voran, der es untergeordneten politischen Einheiten verbietet, ohne EPA-Autorisierung Warnhinweise auf Pestizid-Verpackungen anzuordnen. Und auch das bleibt nicht ohne Wirkung. Bereits am Tag des Amtsantritts von Trump leitete die EPA unter ihrem neuen Chef Lee Zeldin erste Schritte ein, um das US-amerikanische Pestizid-Gesetz FIFRA, das Bundesstaaten und Kommunen zu eigenständigem Handeln ermächtigt, zu ändern. Als unsicherer Kantonist bei der Glyphosat-Resozialisierung gilt nur noch Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr., der in der Vergangenheit stets vor dem Herbizid warnte und es als „Gift“ bezeichnete. 

Aber Zeldin hielt noch mehr Wohltaten bereit. Mitte März 2025 legte er Hand an 31 Umweltgesetze. „Heute ist der größte Tag der Deregulierung, den unsere Nation je erlebt hat. Wir stoßen einen Dolch ins Herz der Klima-Religion“, tönte er und gab die CO2- und Methan-Emissionen frei. Auch der Stickoxid- und Quecksilber-Ausstoß in die Luft darf wieder steigen. Ähnliches Ungemach droht dem Wasser. Damit nicht genug, wollen die Republikaner die ganze Forschungsabteilung der Umweltbehörde abwickeln.

Eine Senkung der Unternehmenssteuern hatte Trump den Konzernen schon vor der Wahl in Aussicht gestellt. Zusätzlich Luft nach unten verschaffte ihm die Aufkündigung des „Global Tax Deals“, der Vereinbarung der OECD-Staaten über eine Mindestbesteuerung. Sogar Bestechung im Ausland will er den US-amerikanischen Unternehmen und den multinationalen Konzernen wieder erlauben, wenn‘s dem Profitmachen dient. 

Und vor den Importzöllen braucht BAYER auch keine Angst zu haben. Die meisten Produkte aus der Agrar-Sparte und der „Consumer Health“-Sektion stellt der Leverkusener Multi vor Ort her. Nur bei Pharma verhält sich das ein wenig anders. Die Prostatakrebs-Arznei Nubeqa etwa, mit der der Global Player 2024 einen Umsatz von 1,5 Milliarden Euro machte, kommt aus einem finnischen Werk. „Wenn es also Zölle zwischen der EU und den USA gäbe, wäre das wahrscheinlich etwas, womit wir etwas mehr zu kämpfen hätten“, sagte Bill Anderson in einem Gespräch mit InvestorInnen. Die Wohltaten, die Trump & Co. ansonsten für den Konzern bereithalten, wiegen das allerdings dicke auf. ⎜

Die CBG bei „Wir haben Agrarindustrie satt“

CBG Redaktion

Protest gegen BAYER & Co.

Auch in diesem Januar zog es die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN wieder nach Berlin, um gemeinsam mit VertreterInnen der bäuerlichen Landwirtschaft, Umwelt-Initiativen sowie VerbraucherInnen-Verbänden auf die Straße zu gehen und eine Agrar-Wende zu fordern. Sie selbst legte dabei den Schwerpunkt auf die gesundheitlichen Risiken und Nebenwirkungen von Pestiziden im Allgemeinen und Parkinson im Besonderen.

Von Jan Pehrke

„Wer profitiert hier eigentlich?“ – unter dieser Leitfrage standen die diesjährigen „Wir haben Agrarindustrie satt“-Proteste in Berlin. Die LandwirtInnen sind es nicht, denn sie sind die schwächsten Glieder der Nahrungsmittel-Lieferkette und erhalten für ihre Erzeugnisse keine fairen Preise. Und die VerbraucherInnen sind es auch nicht. Für gesunde Ernährung steht die in den Supermärkten erhältliche Massenware aus deutschen und anderen Landen nämlich nicht gerade. Die Kühe, Rinder, Schweine und Hühner, die ihr kurzes Leben in der Massentierhaltung fristen, zählen schon gar nicht dazu. Und für die Umwelt stellt das gegenwärtige agro-industrielle Modell ebenfalls eine große Belastung dar. Sie ächzt unter den Pestizid-Rückständen, Düngemittel-Einträgen und den Kohlendioxid-Emissionen der Landwirtschaft.

Aber es profitieren dennoch so einige, und die wurden entlang der Demonstrationsroute dann auch aufgespürt. So postierte sich die CHRISTLICHE INITIATIVE ROMERO mit dem Transparent „Wer profitiert von steigenden Lebensmittel-Preisen?“ vor einer ALDI-Filiale. Die Antwort auf „Wer profitiert von industrieller Landwirtschaft?“ hielt der Jugendblock mit seinem Standort beim „Deutschen Bauernverband“ parat. Und auch zur Klärung der Fragen nach den Profiteuren von verfehlter Agrar-Politik, von Ackerland in Investoren-Hand, von Tierfabriken und gepanschtem Honig fanden sich an dem Tag die richtigen Adressen.

Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) erwartete die Demonstrierenden in der Nähe des „Verbandes der Chemischen Industrie“ und des „Industrieverbandes Agrar“, denn sie fragte auf ihrem Banner „Wer profitiert vom Handel mit gesundheitsschädlichen Pestiziden?“. Auf einem weiteren Transparent wurde die Coordination konkreter. „Parkinson für die Bauern – Profite für BAYER & Co.“ stand darauf zu lesen. 

Das erregte die Aufmerksamkeit einer Frau. Sie berichtete von einem Fall in ihrer Familie. Ihr Vater, ein Bauer, ist betroffen. Immer wieder habe sie ihn vor den Agro-Chemikalien gewarnt, klagte sie. Durch das CBG-Banner fühlte sie sich jetzt bestätigt und machte ein Foto davon, um es dem Vater zu zeigen.

Er teilt sein Schicksal mit Tausenden seiner KollegInnen. Nicht umsonst wurde Parkinson deshalb im letzten Jahr – endlich – als Berufskrankheit bei LandwirtInnen anerkannt. Die damit verbundenen finanziellen Lasten tragen allerdings allein die Bauern und Bäuerinnen: Ihre Berufsgenossenschaft hat die Beiträge um satte 20 Prozent erhöht. Die Agro-Riesen hingegen bleiben ungeschoren. Die Coordination forderte darum in Berlin, dem Verursacher-Prinzip Geltung zu verschaffen und die Konzerne zur Kasse zu bitten.

Der Workshop

Auf ihre Anregung hin widmete sich auch das Begleitprogramm von „Wir haben Agrarindustrie satt“ dem Thema. Nach der Demo fand bei der Heinrich-Böll-Stiftung ein Workshop zu „Parkinson als Berufskrankheit von LandwirtInnen“ statt. Der Toxikologe Peter Clausing vom PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) gab einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand und zitierte eine Studie, die 53 von 288 untersuchten Pestiziden bescheinigte, Parkinson auslösen zu können. Bei den Zulassungsverfahren spiele das allerdings keine Rolle, kritisierte Clausing.  BAYER & Co. müssten keine neurotoxikologischen Studien vorlegen. Die EU verbucht das in den Genehmigungsbescheiden einfach als „Daten-Lücke“. Wie der Autor dieses Artikels in seinem Beitrag berichtete, hatten im Fall von Glyphosat WissenschaftlerInnen in der medizinischen Fachzeitschrift The Lancet eindringlich an die EU appelliert, das Herbizid wegen der von ihm ausgehenden Parkinson-Gefahr aus dem Verkehr zu ziehen, allerdings vergeblich. Dabei ist diese „Nebenwirkung“ ihm zufolge bereits seit Langem bekannt. Die CBG berichtete erstmals 1999 über entsprechende Veröffentlichungen. Pehrke bezeichnete es deshalb als Skandal, dass BAYER & Co. den Tatbestand immer noch leugnen. Sie schwadronieren stattdessen von einem komplexen und in der Medizin angeblich noch nicht vollständig geklärten Krankheitsgeschehen und wollen höchstens Korrelationen nicht aber Kausalbezüge erkennen, so der CBGler.

Jörg Heinel von der IG BAU, die rund 800.000 abhängig Beschäftigte aus den Bereichen Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Gartenbau und Floristik vertritt, sprach von bisher 3.100 Fällen unter LandwirtInnen und LandarbeiterInnen. Die Anerkennungsquote liegt laut Heinel bei – ungewöhnlich hohen – 90 Prozent. Allerdings können SaisonarbeiterInnen keine Anträge stellen, obwohl gerade sie viel mit Pestiziden umgehen – die Berufskrankheitsregelung gilt nämlich nur für „qualifizierte“ Kräfte. Auf 27.000 Euro pro Betroffenem bezifferte der Gewerkschaftler, der auch dem Vorstand der „Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau“ (SVLFG) angehört, die Behandlungskosten. Die Gesamt-Summe setzte ein SVLFG-Kollege von Heinel auf unglaubliche 270 Millionen Euro an.

Da stellt sich natürlich die Frage nach der Beteiligung von BAYER & Co. von selbst. Der Workshop diskutierte hier etwa die Möglichkeit der Einführung einer Pestizid-Steuer, die es in Dänemark schon gibt. Vom Klage-Weg riet der Vertreter der SVLFG nach schlechten Erfahrungen eher ab. Auch wenn er wie alle TeilnehmerInnen die Anerkennung von „Parkinson“ als Berufkrankheit bei LandwirtInnen begrüßte, sah er noch viele Schwierigkeiten bei der praktischen Umsetzung: „Die Schlacht ist noch lange nicht geschlagen.“

Wertschöpfung & -schätzung

Auch mit der auf der Demonstration aufgeworfenen – und vor den Toren von ALDI beantworteten – Frage „Wer profitiert von steigenden Lebensmittel-Preisen?“ beschäftigten sich Veranstaltungen im Begleitprogramm vertiefend. Sie vermaßen das Spannungsfeld zwischen Wertschöpfung und Wertschätzung und suchten nach Möglichkeiten, beides zusammenbringen. „Faire Erzeuger-Preise“ lautete hier das Stichwort. Bei dem Preis-Anstieg im Lebensmittel-Sektor, den Lisa Völkel vom „Bundesverband der Verbraucherzentralen“ auf über 34 Prozent seit 2020 taxierte, sollte das doch eigentlich drin sein, mag mensch meinen. Aber weit gefehlt, das Geld stecken sich andere ein. 

Das, was Molkereien und Lebensmittel-Ketten zahlen, decke noch nicht einmal seine Produktionskosten, klagte der Milchbauer Elmar Hannen vom „Bundesverband Deutscher Milchviehhalter“ auf dem Podium. Er müsse sogar in Vorleistung treten und seine ganze Milch bei einer Molkerei abliefern, ohne den Preis zu erfahren. Gezahlt wird erst nachher – nach Kassenlage. Die Oligopole in der nachgelagerten Lieferkette – es gibt nur noch acht große Molkereien und mit ALDI, LIDL, EDEKA und REWE vier große Lebensmittelhändler – spielen da ihre ganze Macht aus.

Etwas ins Wanken geriet diese nach den vorletzten Bauernprotesten, die im Herbst 2019 stattfanden. Die Molkereien und Lebensmittel-Konzerne mussten sich bewegen und boten den LandwirtInnen Gespräche an. Der Agrar-Dialog Milch verlief jedoch im Sande. Der „Deutsche Bauernverband“ nahm erst gar nicht teil. Die dort organisierten Großbauern und -bäuerinnen haben kein gesondertes Interesse an fairen Preisen und Wertschätzung. Sie können gut damit leben, dass die Subventionen aus Brüssel das Geld zuschießen, das von ALDI & Co. nicht kommt. Zudem fürchten die Milchbarone, durch faire Preise ihre Konkurrenzfähigkeit auf den Weltmärkten zu verlieren. Aber nicht nur deshalb kam der Dialog nicht voran. Er war gezwungen, im Ungefähren zu verharren, denn Zahlen durften nicht auf den Tisch. Die hätten nämlich einen Verdacht auf Preisabsprachen geweckt und das Kartellamt auf den Plan gerufen. Darum gingen die Milchbauern und -bäuerinnen in Verhandlungen mit nur jeweils einer Molkerei und einem Lebensmittel-Konzern, Naarmann und REWE. Und dabei kam auch etwas heraus: die von der REWE-Tochter PENNY bei der Markteinführung zu 1,29 Euro angebotene „faire Milch“. In ihre Kalkulationskosten flossen Posten wie Tierwohl-Maßnahmen, Verzicht auf Gentech-Futter, Förderung von Familienbetrieben und eine langjährige, Planungssicherheit gewährende Vertragsdauer ein. Das kann jedoch nicht die Lösung sein, auch wenn es jetzt schon mehr solcher Drei-Parteien-Verträge, z. B. für Fleisch, gibt. Nicht zuletzt, weil auch diese Waren sich am Markt bewähren oder zumindest einen PR-Mehrwert abwerfen müssen. Von Letzterem konnte die REWE-Vertreterin auf dem Podium, die für „Public Affairs“ zuständige Managerin Emilie Bourgoin, an dem Tag schon so einiges einfahren.

Scholz blockt

Schon weiter geht da der Vorschlag der EU-Kommission, Molkereien nach Artikel 148 der Gemeinsamen Markt-Organisation zu Verträgen mit den LandwirtInnen zu verpflichten, die Vereinbarungen über den Preis der Milch, die Liefermenge und die Qualität enthalten. Im Januar 2025 forderten die ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT, der Bund deutscher Milchviehhalter, der BUND und zahlreiche andere Verbände Bundeskanzler Olaf Scholz in einem offenen Brief auf, sich bei Sitzung des Europäischen Agrarrates Ende des Monats dafür einzusetzen und „von extremen Bedenken und Zurückhaltung geprägte Positionierung“ zu dieser Frage aufzugeben. Das tat Scholz jedoch nicht. Er wirkte hingegen tatkräftig daran mit, den Vorschlag auf die lange Bank einer EU-internen Folgeabschätzung zu schieben. Rückendeckung erhielt der Sozialdemokrat dafür vom Bundesrat. Die Länderkammer forderte die Bundesregierung auf, in Brüssel gegen das Vorhaben zu stimmen.

Auch zu einer Lösung auf nationaler Ebene und einer entsprechenden Änderung der „Verordnung zur Stärkung der Organisationen und Lieferketten im Agrarbereich“ kam es nicht, obwohl Landwirtschaftsminister Cem Özdemir dafür eintrat. 

Lisa Völkel plädierte überdies für die Einrichtung einer Preisbeobachtungsstelle, um herauszufinden, bei welchen Gliedern der Lieferkette das Geld hängenbleibt. Martin Häusling, Öko-Bauer und agrar-politischer Sprecher im EU-Parlament, hielt das nicht für nötig. Nach seinem Dafürhalten reichen da Alltagsbeobachtungen völlig aus. So riet er, sich einmal die Liste der reichsten Deutschen anzuschauen. Darunter wären nämlich viele, die in der Lebensmittelbranche zu ihren Millionen gekommen wären wie etwa die ALDI-Brüder oder der LIDL-Gründer. 

Das Webportal agrarheute zählt unter Berufung auf das Manager Magazin dazu noch die Familien Oetker, Claas (Landmaschinen) und Haub (ehemalige Besitzer von NETTO, PLUS und KAISER), den Molkerei-Besitzer Theo Müller und den Fleisch-Produzenten Tönnies auf. Fazit von agrarheute: „An der Landwirtschaft ist mehr zu verdienen als in der Landwirtschaft“. 

Und das trifft natürlich auch auf BAYER, BASF & Co. zu. Darum liegt hier der Ansatzpunkt, um eine Situation zu ändern, in der die Lebensmittel-Produzenten nicht kostendeckend arbeiten und die Lebensmittel-KonsumentInnen sich immer mehr Produkte kaum noch leisten können. Völkel verwies auf eine Umfrage der Verbraucherzentralen, wonach sich 29 Prozent der Befragten in anderen Bereichen einschränken, um genug Geld für ihre Ernährung zu haben.

Kritik an BAYER & Co.

Global gesehen stellt sich die Lage noch prekärer dar, wie Morgan Ody vom internationalen Agrar-Bündnis LA VIA CAMPESINA auf der Auftakt-Kundgebung anprangerte: „733 Millionen Menschen leiden weltweit an Hunger, während die Profite der multinationalen Unternehmen der Agrarindustrie in die Höhe gehen.“ Auch Quammar Abbas vom PAKISTAN KISSAN RABITA COMMITTEE kritisierte das Treiben von Big Agro. „In Pakistan und im gesamten globalen Süden erleben wir aus erster Hand das systematische Vordringen von Konzern-Interessen in die Landwirtschaft. Deutsche Unternehmen wie BAYER und BASF sind dabei führend. Sie setzen auf gentechnisch veränderte Organismen, Hybridsaatgut und Agrochemikalien und kriminalisieren die jahrhundertealten Traditionen des Schützens und Tauschens von Saatgut!“, so Abbas.

Eine Agrar-Wende – und zwar weltweit – ist also dringender denn je. Aber die Entwicklung geht in die andere Richtung. In Europa etwa haben die Proteste der LandwirtInnen im Wesentlichen nur dazu geführt, alte Umweltauflagen aufzuweichen und neue gar nicht erst in Kraft treten zu lassen. Andere Forderungen, die das vorherrschende Produktionssystem in Frage stellen wie die nach einem Ende der Bodenspekulation oder nach einer Stärkung der kleineren Höfe gegenüber den Agrar-Fabriken, blieben unerfüllt. 

Umso wichtiger war es, in Berlin den Protest gegen dieses Rollback zum Ausdruck zu bringen und zu demonstrieren, wie viele Menschen das gegenwärtige, Mensch, Tier und Natur schädigende agro-industrielle Modell ablehnen. ⎜

Glyphosat-Entschädigungsprozess in Frankreich

CBG Redaktion

Théo Grataloup vs. BAYER

Presse-Information vom 29.07.25

Am Donnerstag dieser Woche verkündet ein französisches Gericht das Urteil in einem Glyphosat-Entschädigungsprozess gegen den BAYER-Konzern. Die RichterInnen des „Tribunal judiciaire de Vienne“ entscheiden darüber, ob die schwerwiegenden Gesundheitsschäden des 17-jährigen Théo Grataloup auf das Herbizid zurückgehen.

„In diesem Kampf geht es nicht nur um mich“, erklärt der Jugendliche. „Ich repräsentiere alle Menschen mit Fehlbildungen“, sagt er und hofft, dass ein Urteil zu seinen Gunsten einen Präzedenz-Fall schafft und anderen Betroffenen schneller zu ihrem Recht verhilft. 

Théo Grataloup kam mit zahlreichen Anomalien zur Welt. So war etwa seine Speiseröhre mit der Luftröhre verwachsen. Auch der Kehlkopf wies Deformationen auf; Stimmbänder fehlten ganz. Bis heute musste er über 50 Operationen über sich ergehen lassen.

Unterstützung erhält die Familie Grataloup vom französischen Fonds für die Geschädigten von Pestiziden. 

Der „fonds d’indemnisation des victimes de pesticides“, der sich unter anderem aus Abgaben der Hersteller finanziert, erkannte Glyphosat als Ursache der Leiden von Théo Grataloup an und zahlt monatlich eine Entschädigung von 1.000 Euro. 

Der Leverkusener Multi hingegen streitet den Tatbestand ab. Es gebe „keinen kausalen Zusammenhang“ zwischen Glyphosat und den Gebrechen des jungen Franzosen, behauptete der BAYER-Anwalt Jean-Daniel Bretzner in dem Verfahren. Fruchtschädigende Effekte des Pestizids stritt er schlicht ab, obwohl die Agrochemikalie Studien zufolge für einen Retinsäure-Überschuss sorgt, was die Embryonal-Entwicklung erwiesenermaßen negativ beeinflusst.

„‚Es gibt keinen kausalen Zusammenhang‘ – mit diesem Textbaustein operiert der BAYER-Konzern stets, wenn seine Pharma- oder Agrarprodukte im Mittelpunkt von Klagen stehen. Niemals räumt er irgendwelche Risiken und Nebenwirkungen ein. Es bleibt nur zu hoffen, dass das Gericht am Donnerstag der Wahrheit zu ihrem Recht verhilft“, so Brigitte Hincha-Weisel vom Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG).

Immer neue Giftfrachten der Chemie-Industrie

CBG Redaktion

Erhöhte PFAS- und Pestizidwerte im Rhein

Presse-Information vom 14.07.25

Nach Recherchen des BUND gelangen vom Leverkusener Chem„park“ aus große Mengen an Pestiziden und PFAS-Substanzen in den Rhein. Die PFAS-Rückstände überschritten den Orientierungswert zeitweise um das 50-Fache. Auch die Konzentrationen der Ackergifte Prothioconazol, Imidacloprid und Cyproconazol erreichten bedenkliche Höhen. Bei Imidacloprid und Cyproconazol handelt es sich noch dazu um Stoffe, denen die EU wegen ihres Gefährdungspotenzials die Genehmigung entzogen hat.

„Seit mehr als 150 Jahren benutzt die Chemie-Industrie den Rhein nun schon als das, was sie Anfang des 20. Jahrhunderts einmal „Opferstrecke“ genannt hat. Und die staatlichen Stellen haben dem offenbar wenig entgegenzusetzen“, kritisiert Brigitte Hincha-Weisel von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG).

Prothioconazol und Imidacloprid stellt der BAYER-Konzern am Standort Dormagen her. Pestizide, die zu den PFAS zählen wie Flufenacet und Fluopyram, produziert er dort ebenfalls. Daher liegt die Vermutung nahe, dass zumindest ein Teil der Giftfrachten von dort stammt, zumal es zwischen Dormagen und Leverkusen einen lebhaften Müll-Tourismus – bzw. einen „wechselseitigen Entsorgungsverbund“ – gibt.

Nach Angaben der Bezirksregierung Köln stellt der Chem„park“-Betreiber Currenta zurzeit Recherchen über die Herkunft der Stoffe an. „Der Bereich, aus dem der Eintrag resultierte, konnte eingegrenzt, aber kein Verursacher ausgemacht werden“, erklärte die Behörde gegenüber dem WDR. „Das wirft Fragen auf. Nach der Explosion vom Juli 2021, die sieben Menschenleben kostete, hatte die Currenta nämlich zugesichert, künftig über alle im Entsorgungszentrum eingehenden Produktionsrückstände genau Buch zu führen, um eine Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten. Entweder hält sich das Unternehmen nicht daran oder aber es will einfach nur keine Namen nennen. Beides ist nicht zu akzeptieren“, hält Hincha-Weisel fest. 

Dass innerhalb der Europäischen Union nicht mehr genehmigte Pestizid-Wirkstoffe hierzulande weiterhin in die Umwelt gelangen, zeigt, wie wichtig es wäre, auch die Ausfuhr in Länder außerhalb der EU zu verbieten. In Sachen „PFAS“ besteht ebenfalls akuter Handlungsbedarf, denn die Nebenwirkungen reichen von Krebs und Diabetes über Herz/Kreislauf-Erkrankungen bis hin zu Schädigungen des Embryos im Mutterleib. Aber BAYER & Co. wenden sich mit aller Lobby-Macht gegen Regulierungen. „Die Politik darf sich dem Druck nicht beugen. Sie muss aus den Erfahrungen mit Asbest, DDT und PCB lernen und reagieren, bevor es zu spät ist“, fordert die CBG-Aktivistin deshalb abschließend.

Keine neuen Steuergeschenke für BAYER & Co.!

CBG Redaktion

Presse-Information vom 10.07.25

CBG kritisiert „Investitionsbooster“

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) wendet sich gegen die massiven Steuererleichterungen für die Konzerne, die am Freitag auf der Bundesratssitzung zur Abstimmung stehen. „Diese Entlastung führt zu einer großen Belastung der Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden – und damit auch der BürgerInnen“, kritisiert Brigitte Hincha-Weisel vom Vorstand der CBG. 

Das „Gesetz für ein steuerliches Investitionssofortprogramm zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland“ sieht eine Reduzierung der Körperschaftssteuer um fünf Prozent und die Erweiterung der Abschreibungsmöglichkeiten vor. Nach Berechnungen von ver.di entgehen der öffentlichen Hand dadurch Einnahmen von bis zu 48,5 Milliarden Euro.

Dem „Wirtschaftsweisen“ Achim Truger zufolge schränkt das den Handlungsspielraum des Staates in unangemessener Weise ein. „Die Wirtschaftslobby war laut und bekommt nun wieder, was sie möchte. 2001 und 2008 wurden die Steuern auf Unternehmensgewinne bereits deutlich reduziert. Jetzt erleben wir eine weitere Runde im Steuersenkungsspiel. Mit weniger Steuern werden sich die Herausforderungen nicht bewältigen lassen“, warnte der Wirtschaftswissenschaftler in einem „taz“-Interview. 

Der Vater der Unternehmenssteuer-„Reform“ von 2001 war BAYERs ehemaliger Finanzchef Heribert Zitzelsberger. Mit den Worten: „Wir haben mit Herrn Zitzelsberger unseren besten Mann entsandt und gehen davon aus, dass er in unserem Sinn tätig wird“, kommentierte der damalige Vorstandsvorsitzende Manfred Schneider den Wechsel des Leiters der Steuer-Abteilung in die Politik. Und dieser erfüllte alle Erwartungen. „Keinem der Berliner Großkopfeten hat die deutsche Großindustrie so viel Wohltaten zu verdanken wie Heribert Zitzelsberger“, konstatierte die „Berliner Zeitung“ im Jahr 2002.

„Schon jetzt zahlen die Unternehmen viel zu wenig und nutzen jede Gelegenheit, die sich ihnen bietet, um sich vor Abgaben zu drücken“, betont Hincha-Weisel. Der BAYER-Konzern beispielsweise zahlte 2024 bei einem Umsatz von 46,6 Milliarden Euro und einem bereinigten Ergebnis von 10,1 Milliarden Euro in Deutschland nach eigenen Angaben nur 31,6 Millionen Euro an Gewerbesteuern. Er nutzt nämlich die hiesigen Steuer-Oasen Schönefeld und Monheim exzessiv für das, was der frühere Vorstandsvorsitzende Werner Baumann einmal „eine veränderte regionale Ergebnis-Verteilung“ genannt hat. 

So hat der Leverkusener Multi in Monheim seine Patent-Abteilung angesiedelt. Dorthin müssen die Tochter-Gesellschaften für die Nutzung von geistigem Eigentum oder Marken-Rechten Geld überweisen. Diese Ausgaben machen sie dann an ihren Standorten steuermindernd geltend, während sie in Monheim als Einnahmen finanzamtstechnisch kaum ins Gewicht fallen. 

Das gleiche Spiel betreibt die Aktien-Gesellschaft bei der konzern-internen Vergabe von Krediten mit ihren Niederlassungen im Nachbarland Holland, welches das „Tax Justice Network“ zu den zehn größten Steuer-Paradiesen auf der Welt zählt. Wie bei den Patenten und Namensrechten schmälern die für die Kredite zu zahlenden Zinsen anderswo die zu versteuernde Gewinn-Summe, während diese sich in den Niederlanden entsprechend erhöht, was aber dank der dort geltenden niedrigen Tarife nicht zu größeren Abgabe-Belastungen führt. „Solche internen Geschäfte sind völlig fiktiv und sollten nicht länger dazu benutzt werden können, sich vor den Steuerbehörden arm zu rechnen“, fordert Hincha-Weisel.

Auch der im Juni veröffentlichte OECD-Wirtschaftsbericht zu Deutschland spricht sich gegen eine Absenkung der Unternehmenssteuern aus. „Im Steuermix liegt das Gewicht stark auf der Arbeitsbesteuerung. Der Beitrag, den Steuern auf Grundeigentum, auf Kapitaleinkünfte und Unternehmensgewinne sowie auf den Verbrauch zum Gesamtsteueraufkommen leisten, ist hingegen deutlich geringer als in anderen OECD-Ländern“, heißt es in dem Report. Bei den Unternehmenssteuern liegt er mit sechs Prozent vom Gesamtsteueraufkommen genau um die Hälfte unter dem Durchschnittswert von zwölf Prozent. Darum plädiert die OECD dafür, den Faktor „Arbeit“ nicht mehr so stark zu besteuern. „Würden statt der Arbeitsbesteuerung die Steuern auf Unternehmensgewinne gesenkt, wäre der Effekt auf das BIP-Wachstum geringer“, merkt der Report an. 

EU-Mercosur-Abkommen stoppen!

CBG Redaktion

Presse-Information vom 23.06.25

Aktion in Berlin

Unter dem Motto „Giftigen Handel verhindern – EU-Mercosur-Abkommen stoppen!“ veranstalten Organisationen des Netzwerks Gerechter Welthandel eine öffentlichkeitswirksame Auftaktaktion zum Start einer europaweiten Kampagne gegen das geplante Handelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten. Weitere Aktionen finden in Brüssel und Wien statt. In Berlin wird das Motto in einem starken Aktionsbild visualisiert, gut geeignet für Foto- und Filmaufnahmen.

Wann: Dienstag, 24.06.2025, 11:00 Uhr
Wo: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Invalidenstraße 48, Berlin  

Anlass für die Kampagne ist die Ankündigung der Europäischen Kommission, das fertige Abkommen noch vor Monatsende an die Regierungen der Mitgliedsländer zu übermitteln. Das Abkommen soll im September dem Rat der Europäischen Union zur Ratifizierung vorgelegt werden. Zudem findet am 24. Juni eine öffentliche Anhörung des Handelsausschusses des EU-Parlaments zum Abkommen statt.  

„Höchste Zeit, auf dieses giftige Abkommen und seine Folgen für Mensch und Umwelt aufmerksam zu machen”, sagt Jan Pehrke von der Coordination gegen BAYER-Gefahren.  
„Das EU-Mercosur Abkommen ist Gift für unser Klima, denn es treibt den Handel mit klimaschädlichen Gütern wie Rindfleisch und Autos an; zudem beschleunigt der zunehmende Warentransport zu See, Luft und Straße die Klimakrise”, so Hanni Gramann, Handelsexpertin von Attac.  

„Das EU-Mercosur-Abkommen ist eine Gefahr für Biodiversität und Menschenrechte. Es erleichtert den Handel mit hochgefährlichen Pestiziden – auf Kosten von Mensch und Natur im Mercosur-Raum. Mit diesen Mitteln behandelte Früchte landen später auf europäischen Tellern – darunter auch solche, die bei uns längst verboten sind, weil sie nachweislich die Gesundheit gefährden“, erklärt Ludwig Essig, Koordinator des Netzwerks gerechter Welthandel und Referent für Handelspolitik am Umweltinstitut München.  

„Das EU-Mercosur-Abkommen ist Gift für einen gerechten und ausgewogenen Handel. Wir importieren aus dem Mercosur über 80 % landwirtschaftliche Produkte und Rohstoffe, während unsere Exporte fast ausschließlich verarbeitete Industrieprodukte sind. Mit diesem ungerechten Handel, der seinen Ursprung in der Kolonialzeit hat und durch das Abkommen vertieft wird, muss Schluss sein”, fordert Bettina Müller, Referentin für Handels- und Investitionspolitik bei PowerShift e. V.  

In den nächsten Wochen und Monaten folgen viele weitere Aktionen, um die Ratifizierung des EU-Mercosur-Abkommens zu verhindern – in Deutschland, in der EU und in Südamerika.    

https://power-shift.de/aktiv-werden-gegen-eu-mercosur

Neue Studie: Glyphosat verursacht Leukämie

CBG Redaktion

CBG fordert Vermarktungsstopp

Presse-Information vom 17.06.25

Nach einer neuen Langzeit-Studie kann Glyphosat Leukämie hervorrufen. Den WissenschaftlerInnen zufolge reichen dafür schon Dosen, die die EU bei der letzten Zulassungsverlängerung noch als unbedenklich eingestuft hatte. Auch für andere Krebsarten machte die Untersuchung, die am 12. Juni in der Fachzeitschrift „Environmental Health“ erschien, ein erhöhtes Risiko aus. „Die Ergebnisse unterstreichen das tumor-auslösende Potenzial von Glyphosat und glyphosat-haltigen Produkten (…) Diese neuen Erkenntnisse müssen von den Aufsichtsbehörden weltweit sorgfältig geprüft werden“, so der beteiligte Forscher Dr. Alberto Mantovani. 

Bei der „Global Glyphosate Study“ handelt es sich um die bisher umfassendste toxikologische Untersuchung zu Glyphosat. Koordiniert vom italienischen Ramazzini-Institut unter Leitung von Dr. Daniele Mandrioli, beteiligten sich unter anderem die Icahn School of Medicine, die George Mason University, die University of California, die Universität von Kopenhagen, das Boston College, die Universität von Bologna und das nationale Gesundheitsinstitut von Italien.

Die AutorInnen hatten die Europäische Union bereits im Zuge des Glyphosat-Verfahrens von 2023 über ihre alarmierenden Befunde informiert. Damals reagierte die Staatengemeinschaft nicht. Jetzt erklärte die EU gegenüber der Tageszeitung „taz“, die Studie ihrer Chemikalien-Agentur ECHA sowie der Lebensmittelbehörde EFSA vorzulegen und – sollten diese die Resultate bestätigen – sofort zu handeln. Dann „wird die Kommission unverzüglich tätig, um die Zulassung zu ändern oder zu widerrufen“, hieß es aus Brüssel.

Die in den Niederlanden für die Pestizid-Zulassung zuständige Einrichtung CTGB hat ebenfalls schon eine Begutachtung der Untersuchung angekündigt und dafür die Rückendeckung des Bauernverbandes LTO erhalten. „Sollte ihre Analyse ergeben, dass die Forschungsergebnisse korrekt sind und tatsächlich ein erhöhtes Krebsrisiko für Menschen und Tiere besteht, ist es für uns glasklar, dass die Zulassung von Glyphosat mit sofortiger Wirkung widerrufen werden sollte“, erklärte die Organisation. Der Deutsche Bauernverband hat sich bisher nicht geäußert. 

Der BAYER-Konzern bestritt die Seriosität der wissenschaftlichen Arbeit und bescheinigte ihr stattdessen „signifikante methodische Mängel“. Er konnte der „taz“ aber selbst auf Nachfrage hin keine Belege dafür liefern. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) sieht sich indessen durch die neue Veröffentlichung in ihrer Forderung nach einem sofortigen Glyphosat-Stopp bestätigt.

„Erneut haben WissenschaftlerInnen Glyphosat bescheinigt, Krebs verursachen zu können. Es bedarf jetzt keiner neuen Beweise – und keiner weiteren quälerischen Tierversuche – mehr, um zu einer Gefahren-Einschätzung zu kommen. Das Herbizid muss sofort vom Markt“, verlangt Brigitte Hincha-Weisel von der CBG.