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Veröffentliche Beiträge von “CBG Redaktion”

[Verkauf BMS] STICHWORT BAYER 01/2015

CBG Redaktion

BAYER stößt Plaste-Geschäft ab

Die Chemie stimmt nicht mehr

2013 hatte BAYER noch mit pompösen Feierlichkeiten seinen 150. Geburtstag begangen. Fast auf den Tag genau ein Jahr später legt der Konzern seine Chemie-Geschichte ad acta: Er gibt bekannt, sich von seiner Kunststoff-Sparte trennen zu wollen. Damit beugt der Leverkusener Multi sich dem Drängen der Finanzinvestoren, die einen solchen Schritt seit Langem gefordert haben, und setzt 16.800 Beschäftigte einer ungewissen Zukunft aus.

BAYERs Wurzeln liegen in der Chemie. Seinen Anfang nahm das Unternehmen 1863 mit der Fertigung von synthetischen Farben. Nach und nach kamen dann Arzneimittel, Kunststoffe, Kunstfasern, Pestizide sowie andere Produkte dazu und stellten den Konzern auf vier Säulen: Chemie, Kunststoffe, Pharma und Landwirtschaft. Diese trugen mehr als hundert Jahre. Aber ab den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts geriet die Struktur unter Druck. Der Neoliberalismus und die in seinem Zuge erstarkten Finanzmärkte gaben die Parole „Konzentration auf das Kerngeschäft“ aus. Nach dieser Ideologie sollten die Konzerne den Schwerpunkt auf solche Bereiche legen, in denen sie zu den Top-Anbietern auf dem Weltmarkt gehörten, und den Rest abstoßen. Um den Forderungen Nachdruck zu verschaffen, straften die großen Investoren Zuwiderhandlungen von BAYER & Co. mit einem „Konglomeratsabschlag“. Diesen nahm die Aktien-Gesellschaft lange Zeit in Kauf. Das 4-Säulen-Modell mit seiner komplexen Konstruktion schützte sie nämlich vor feindlichen Übernahmen. Zudem erlaubte es dem Global Player, Schwächephasen einer Sparte mit guten Erträgen bei anderen auszugleichen. Das, was die BörsianerInnen verächtlich „Quersubventionierung“ nannten, half ihm beispielsweise, die Krise um den Cholesterinsenker LIPOBAY zu überstehen, dessen todbringende Nebenwirkungen den Multi zu Schadensersatz-Zahlungen in Milliarden-Höhe zwangen.

BAYER wird zur Holding
Dennoch schwächte der Pharma-GAU das Unternehmen, das sich gerade auf einen Börsengang an der Wall Street vorbereitete, so sehr, dass es den Märkten Entgegenkommen signalisierte – zunächst nur formal. Der Konzern verlieh sich im Jahr 2002 eine Holding-Struktur und spaltete sich in vier voneinander völlig unabhängige Aktien-Gesellschaften auf, was die Loslösung der einzelnen Sparten bedeutend erleichterte. Einen „Umbruch, tief greifender als jeder andere in der BAYER-Geschichte“ nannte der heutige Aufsichtsratsvorsitzende Werner Wenning damals diesen Schritt. Er frohlockte, das Unternehmen werde dadurch „Werttreiber und Wertvernichter noch leichter identifizieren können“ und verkündete unheilvoll: „BAYER wird in der Lage sein, schneller die Konsequenzen daraus zu ziehen.“
Entsprechend positiv reagierte der Aktienmarkt – und entsprechend besorgt zeigten sich Belegschaft und Gewerkschaft. Für sie unterminierte die neue Gesellschaftsform die Tragfähigkeit der Säulen „Chemie“, „Kunststoffe“, „Pharma“ und „Landwirtschaft“. Darüber hinaus sahen sie durch die Vierteilung ihren Einfluss schwinden. Nur zähneknirschend gaben die VertreterInnen der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE im Aufsichtsrat deshalb ihr Placet. Die Zustimmung habe man sich nur durch teure Zugeständnisse abringen lassen, verteidigte sich der damalige Gesamtbetriebsratsvorsitzende Erhard Gipperich und zählte die Übernahme des beschäftigungssichernden Standort-Vertrags durch die AGs, die Schaffung von Standort-Betriebsräten und die Beibehaltung des Gesamtbetriebsrats zu den Verhandlungserfolgen. Der zu dem Zeitpunkt das Amt des IG-BCE-Vorsitzenden innehabende Hubertus Schmoldt kündigte darüber hinaus eine spezielle Tarif-Regelung für die neue Holding an. „Auch das gibt Sicherheit, dass BAYER nicht den Weg der früheren HOECHST beschreitet und sich nach völliger Aufspaltung nur auf den Pharma-Bereich konzentriert“, meinte er.

Die erste Säule fällt
Schon ein Jahr später trieb der Leverkusener Multi dann vermeintliche Wertvernichter auf: Er gab wegen angeblich zu geringer Renditen die Trennung von der Chemie-Abteilung und von Teilen der Kunststoff-Sparte bekannt. Ein Fünftel des Unternehmens stellte der Konzern damit zur Disposition. Nachdem er vorher schon die Geschäftsfelder „Anorganische Chemie“, „Titandioxid“, „Silikon“, „Ingenieur-Keramik“ und „Textil-Farben“ abgestoßen hatte, verabschiedete der Global Player sich nun von diversen Kunststoffen sowie von den Faser-, Leder-, Textil- und Papier-Chemikalien.
Die AktionärInnen jublilierten. Nach den entsprechenden Presse-Meldungen stieg die Aktie um acht Prozent. An den Standorten löste die Nachricht indes einen Schock aus. In Leverkusen gingen BAYER-Beschäftigte sogar auf die Straße und forderten den Erhalt der Chemie-Sparte. Die IG BCE segnete das Vorhaben jedoch – mit dem inzwischen schon habituell gewordenen Zähneknirschen – ab. „Das Herz sagt nein, der Kopf sagt ja”, so Erhard Gipperich. „Hätten wir uns verweigert, wäre es nach 2004 zu Entlassungen gekommen – im großen Stil”, meinte er, abermals auf Konzessionen von Seiten BAYERs verweisend wie etwa die Zusage, die „Standortsicherungsvereinbarung” bis Ende 2007 zu verlängern. Während der inzwischen zum Vorstandsvorsitzenden aufgestiegene Werner Wenning bekundete, der Konzern werde sich künftig „ohne Wenn und Aber” auf Pharma, Landwirtschaft und hochwertige Kunststoff-Materialien stützen, zog die Abspaltung unter dem Namen „LANXESS“ an die Börse. Dort spaltete der als BAYERs „Reste-Rampe“ titulierte Neuling kräftig weiter ab, um die Rendite-Vorgaben des Aktienmarktes erfüllen zu können – und kämpft aktuell mit enormen Schwierigkeiten.

BMS fällt
Der Aderlass ging unterdessen weiter. Dem Manager Magazin zufolge hatte der Leverkusener Multi schon 2007 nach einem Käufer für BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) Ausschau gehalten, aber die Finanzkrise stoppte die Versuche. Zwei Jahre später machten dann Meldungen über Verhandlungen mit der INTERNATIONAL PETROLIUM INVESTMENT COMPANY (IPIC) die Runde. Aber erst der neue BAYER-Chef Marijn Dekkers sollte die Sache schließlich unter Dach und Fach bringen. Schon als die Konzern-Oberen sich auf die Suche nach einem neuen Vorstandsvorsitzenden machten, gehörte ein „Track Record im Portfolio-Management“, also Erfahrung im Kaufen von Firmen und Verkaufen von Betriebsteilen, zum Anforderungsprofil. Und über diese verfügte Dekkers nicht zu knapp. Bei seinem früheren Arbeitgeber hatte er 45 Firmensparten veräußert, die Hälfte der 130 Fabriken dicht gemacht und 5.000 von 13.000 Arbeitsplätzen vernichtet, ehe er FISHER SCIENTIFIC erwarb und damit die Beschäftigtenzahl auf 35.000 erhöhte. Auf solche „Talente“ setzte der Kapitalmarkt. „Von Wennings designiertem Nachfolger Marijn Dekkers erhoffen sich viele Analysten, dass sich der erste nicht im Konzern aufgewachsene Vorstandschef möglichst schnell vom ungeliebten Kunststoff-Geschäft trennt“, hielt der Der Platow-Brief zur Amtseinführung fest. Und das Handelsblatt formulierte ähnliche Erwartungen. Vorerst jedoch hielt der Holländer sich bedeckt. „Für Aussagen ist es viel zu früh“, konstatierte er und nannte als sein Credo: „Evolution statt Revolution“.
Aber im September 2014 gab es dann doch die Revolution, nachdem es vorher schon zu einigen Aufstandsversuchen in Sachen „BMS“ gekommen war. Auch die Übernahme des Geschäfts mit nicht rezeptpflichtigen Arzneien von MERCK & Co. stellt sich im Nachhinein als anti-evolutionäre Tat dar. Durch diese verschoben sich nämlich die Risikoausgleichsmechanismen weg von den drei Säulen zu einer einzigen Sparte hin. Fußpflege-Mittel, Sonnencremes, Allergie- und Magen/Darm-Arzneien sowie Pharmazeutika gegen Erkältungen und Hautkrankheiten werfen zwar keine exorbitanten Profite ab, bescheren dem Konzern aber kontinuierliche Einkünfte und sorgen so für ein gutes Polster, falls einmal eine aussichtsreiche Pharma-Entwicklung floppt.
Eine nicht unwesentliche Rolle bei dem Entschluss, sich BAYER MATERIAL SCIENCE zu entledigen, dürfte der immer größer werdende Einfluss der Finanzinvestoren gespielt haben – aktuell besitzt allein BLACKROCK rund 30 Prozent der BAYER-Aktien (siehe SWB 4/14). Aufspaltung ist nämlich das liebste Spiel der Branche, auch die Mitbewerber DOW CHEMICAL und DUPONT drängen Hedge Funds und andere Akteure momentan, Unternehmensteile zu veräußern. Und so hieß es schließlich: „BAYER will sich in Zukunft ausschließlich auf die Life-Science-Geschäfte HealthCare und CropScience konzentrieren und MaterialScience als eigenständiges Unternehmen an die Börse bringen.“ Bei einem guten Angebot mochten die ManagerInnen einen Verkauf jedoch auch nicht ausschließen.
Was die Rheinische Post „Das Ende einer BAYER-Ära“ nannte, war für Marijn Dekkers lediglich „eine Frage der Investitionspolitik“. Der Süddeutschen Zeitung sagte er: „Wir müssen entscheiden, wofür wir bei BAYER künftig Geld ausgeben wollen (...) Da die Bereiche Gesundheit und Agrarwirtschaft höhere Renditen erwirtschaften, würden wir unsere Ressourcen vor allem dort konzentrieren.“ Er gab dabei sogar noch vor, nicht bloß schnöde Profit-Interessen zu verfolgen, vielmehr auch für BMS nur das Beste zu wollen. Weil die Sparte bei BAYER zu kurz komme, sei es besser, ihr „einen eigenen Zugang zum Kapitalmarkt zu verschaffen“, meinte der Große Vorsitzende. Und im offiziellen Konzern-Statement lässt er sich mit den Worten vernehmen: „Wir sind davon überzeugt, dass MaterialScience die Selbstständigkeit nutzen wird, um die erreichte Stärke noch besser, schneller und flexibler einsetzen zu können.“
Die wirtschaftsfreundliche Presse sprach indes Tacheles. Vom „Abwurf der bisherigen Gift-Pille Chemie“ kündete die Faz, dabei mit ihrer Metaphorik keinesfalls auf die Risiken und Nebenwirkungen von Plaste & Elaste anspielen wollend, sondern lediglich auf die angebliche Ertragsschwäche des Bereichs. Der Aktionär konstatierte derweil trocken: „Last abgestreift“. Und seine Klientel teilte die Einschätzung. Am Tag der Bekanntgabe der Abwicklung erklomm die BAYER-Aktie ein Allzeit-Hoch. „Nun wird das Kind verstoßen – und die Aktionäre applaudieren“, kommentierte die Westdeutsche Zeitung: „Deren Votum ist für den Konzernlenker wichtiger als die Klage der Gewerkschaft, dass die Arbeitnehmer der Kunststoff-Sparte doch zum Weltruhm von BAYER beigetragen hätten.“ In der Börsen-Arithmetik gewann das BAYER-Ganze nach der Devise „Weniger ist mehr“ durch die Subtraktion seiner Teile: Der Konzern stieg im September 2014 zum wertvollsten DAX-Unternehmen auf.
Entsprechend niedergedrückt reagierten Beschäftigte und GewerkschaftlerInnen. „Bei Pharma wird eine Rendite von 30 Prozent erreicht. Wir schaffen zehn Prozent. Aber das reicht dem Vorstand nicht mehr“, so die Uerdinger Betriebsratsvorsitzende Petra Kohnen. „Viele von uns arbeiten in der dritten Generation im Konzern. Nicht als BAYER-Beschäftiger in Rente zu gehen, fällt schwer“, fasste sie die Stimmung unter der Belegschaft zusammen. Immer wieder hatten die ArbeiterInnen und Angestellten an den Kunststoff-Standorten Opfer erbracht, um die angeblich schlechten Geschäftszahlen zu verbessern und die Sparte im Unternehmen zu halten. Sie hatten in den letzten Jahren die Vernichtung von über 2.000 Arbeitsplätzen, Werksschließungen, untertarifliche Bezahlung, Effizienz-Programme und die Streichung von Boni erduldet – und jetzt stellt sich heraus: Das alles war umsonst. Im Aufsichtsrat hatten sich die GewerkschaftsvertreterInnen lange gegen den Plan der BAYER-Oberen gestemmt, mussten letztendlich aber klein beigeben: „Die durch uns kritisierte Abkehr von der Drei-Säulen-Strategie ist durch die Arbeitnehmer-Vertreter im Aufsichtsrat, trotz intensivster Beratungen, nicht zu verhindern gewesen.“ Sonst hätte das Management keine finanziellen Mittel mehr bereitgestellt, womit der Bereich eine äußerst kritische Entwicklung genommen hätte, erläuterten die Delegierten.

Absehbare Reaktionen
Abermals jedoch machte die IG BCE gute Miene zum bösen Spiel. Wie üblich verwies die Gewerkschaft dabei auf dem Global Player abgetrotzte Konzessionen wie die Regelungen der neuen Gesamtbetriebsvereinbarung (GBV), die eine Arbeitsplatz-Garantie für die BMS-Beschäftigten bis 2020 – also auch noch für die ersten Jahre der Post-BAYER-Zeit – vorsehen. „Die Trennung von MaterialScience ist ein tiefgreifender Einschnitt für die Kolleginnen und Kollegen. Mit dieser Vereinbarung ist es uns jedoch gelungen, eine gute Basis für die Zukunftssicherung der Arbeitsplätze in beiden Gesellschaften zu schaffen“, stellte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Thomas de Win fest. Allerdings gilt diese Übereinkunft nur für die rund 6.500 KollegInnen in den deutschen Werken. Das Schicksal der 10.000 anderen Belegschaftsmitglieder in den über die ganze Welt verstreuten Niederlassungen war nicht Gegenstand der Gespräche. Darum erheben nun auch diese entsprechende Ansprüche. So erklärte Levi Sollie, Vertrauensmann der belgischen Gewerkschaft ALGEMEEN BELGISCH VAKVERBOND (ABVV) bei BAYER MATERIALSCIENCE in Antwerpen: „Die Gewerkschaften fordern eine Jobgarantie, so wie sie die deutsche Belegschaft erhalten hat. BAYER hat die Verantwortung, unsere Löhne und Arbeitsbedingungen für die kommenden Jahre zu garantieren. Im März 2015 wird das Antwerpener BAYER-Werk seinen 50. Geburtstag begehen - den meisten Arbeitern ist aber nicht nach Feiern zu Mute. Worauf wir jetzt zählen, ist ein Abkommen zur Sicherung der Arbeitsplätze“. Darüber gab es zwar erste Verhandlungen, aber dieselben Konditionen wie ihren deutschen KollegInnen wollte der Multi den AntwerpenerInnen nicht zugestehen. So sollte etwa die Arbeitsplatz-Garantie bloß bis 2017 gelten.
Boomende Börsen, betretene Beschäftige, zähneknirschende Zustimmung von Seiten der Gewerkschaft – um das übliche chemische Reaktionsschema bei den Abspaltungsprozessen zu komplettieren, fehlte jetzt eigentlich nur noch die Bestandsgarantie für die verbliebenen Säulen, und auch die folgte umgehend. Mittelfristig stehe eine Trennung vom Pestizid-Geschäft nicht zur Debatte. Es werde auch in fünf Jahren auf jeden Fall noch zu BAYER gehören, gab Dekkers dem Handelsblatt zu Protokoll. In einem anderen Interview kündigte er sogar eine engere Zusammenarbeit der ForscherInnen aus beiden Sparten an. Ob aber die eher vage Klammer „Life Science“ zwei so unterschiedliche Sphären wirklich auf Dauer zusammenhalten kann, bleibt abzuwarten. Die Börsen-Zeitung sieht die Landwirtschaftsabteilung jedenfalls schon auf dem besten Wege, den Staffelstab des „Wertvernichters“ von BMS zu übernehmen: „In diese Position wird in einem Life-Science-Konzern auch das Pflanzenschutz-Geschäft geraten, das zudem zyklisch ist.“ Auf alle Fälle steht der Leverkusener Multi nun vor einem Umstrukturierungsprozess, denn für das, was von dem Konglomerat übrig geblieben ist, braucht es kein Holding-Konstrukt mehr. „Wir werden uns die Organisation ansehen“, sagt der Vorstandsvorsitzende deshalb auch.
Zunächst einmal ist der Konzern jedoch vollauf mit der Abwicklung von BMS beschäftigt. Trotz formaler Eigenständigkeit gestaltet sich die Loslösung nämlich gar nicht so einfach, weil es doch noch viele Verbindungen zu den anderen Unternehmenstöchtern und der Muttergesellschaft gibt. So unterhält MaterialScience zum Chem„park“-Betreiber CURRENTA, einem Gemeinschaftsunternehmen von BAYER und LANXESS, Geschäftsbeziehungen. Auch arbeiten die Dienstleister BAYER BUSINESS SERVICES und BAYER TECHNOLOGY SERVICES für die Kunststoff-Abteilung. Ebenso gilt es, die Vermögenswerte auseinanderzudividieren – und die Schulden. LANXESS hatte der Global Player nämlich damals zum Abschied noch Belastungen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro mit auf den Weg gegeben, was dort für ernstliche Verstimmung sorgte.
Die alte BMS-Mannschaft wollte der Vorstand aus verständlichen Gründen nicht mit den Trennungsaufgaben betrauen. So nimmt jetzt Klaus Schäfer die Position des bisherigen Produktionschefs Tony Van Osselaer ein, der in Rente ging, und auch den Posten des Finanz-Vorstandes besetzte BAYER um. Mit Frank Lutz füllt ihn jetzt ein Mann aus, der auf Erfahrungen bei der DEUTSCHEN BANK und bei GOLDMAN SACHS verweisen kann. Diese beiden Finanzhäuser sind es dann auch, welche den Weg der Plaste & Elaste-Sparte in die Selbstständigkeit vorbereiten. BAYER favorisiert dabei einen regulären Börsengang. Der Konzern-Mutter würde ihr verstoßenes Kind auf diese Weise nämlich einen großen Batzen Geld einbringen. Sollte das Klima an den Aktienmärkten jedoch nicht genügend Erlöse versprechen, so hätte der Konzern noch die Alternative, genauso wie bei der Abspaltung von LANXESS zu verfahren und den bisherigen AktionärInnen des Unternehmens in einem sogenannten Spin-Off Papiere des ausgemusterten Firmenteils zu schenken. „BAYER hätte dann keine Erlöse, dafür müsste die Kunststoff-Sparte erhebliche Teile der Konzern-Schulden tragen“, hält das manager-magazin fest.
Begehrlichkeiten haben aber auch schon Beteiligungsgesellschaften angemeldet. Die Private-Equity-Multis ADVENT, CARLYLE, CINVEN, CVC und KKR haben Ende Oktober 2014 die Gründung eines Konsortiums angekündigt, um MaterialScience zu erwerben. „Kein Kommentar“ – hieß es dazu aus Leverkusen. Die für die Linkspartei im Bundestag sitzende Sahra Wagenknecht warnt den Leverkusener Multi eindringlich davor, auf eine solche Offerte einzugehen. „Beim Börsengang müssen alle Möglichkeiten genutzt werden, damit eine Übernahme des Tochter-Unternehmens durch Zockerbuden so unwahrscheinlich wie möglich wird. Schon 2006 hatte die BAYER AG mit HC STARCK ein Tochter-Unternehmen direkt den Heuschrecken überlassen. Das Ergebnis für die Beschäftigten waren rücksichtloser Stellenabbau und schlechtere Arbeitsbedingungen.“
Aber von moralischen Erwägungen lässt BAYER sich nicht leiten. Sonst hätte der Konzern BMS gar nicht erst zur Disposition gestellt und damit rund 17.000 Beschäftigte einer ungewissen Zukunft ausgesetzt. Das Unternehmen orientiert sich nur am Profit-Prinzip und an den Rendite-Erwartungen von Aktionären wie BLACKROCK, hinter denen Pensionsfonds und Superreiche stehen. Und ein solches Wohlverhalten belohnt die Börse. Sie machte den Global Player nach Bekanntgabe der Trennung von der Plaste-Abteilung nicht nur zum wertvollsten bundesdeutschen Konzern, sie sieht sogar noch Luft nach oben. So gab jüngst die BAADER BANK eine Kauf-Empfehlung ab, weil die Entflechtungsarbeiten so zügig vorankämen. Damit nicht genug, krönte das Manager Magazin den BAYER-Filetierer Marijn Dekkers für seine Schandtat zu schlechter Letzt auch noch zum „Manager des Jahres“. Von Jan Pehrke

[Testamente] STICHWORT BAYER 01/2015

CBG Redaktion

Bleibendes schaffen mit Testamenten

Den Stab weiterreichen

Von Zeit zu Zeit wird die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN in Testamenten bedacht oder bekommt Vermächtnisse überschrieben. Die ErblasserInnen fühlten sich der Coordination in ihrem Leben auf eine besondere Weise verbunden, kämpften mit ihr für eine gerechtere Welt ohne machtvolle Konzerne und wollten Sorge tragen, dass etwas davon auch über den eigenen Tod hinaus weitergetragen wird. Mitglieder, die geerbt haben, übertragen der CBG ebenfalls gelegentlich kleinere oder umfangreichere Teile des Nachlasses, was eine große Hilfe für die Arbeit des Netzwerkes darstellt.

Von Jan Pehrke

Als W. (

  • ) eine größere Erbschaft gemacht hatte, wollte er davon nichts für sich. Er entschloss sich vielmehr, die Summe einer der Initiativen, die er seit Längerem unterstützte, zur Verfügung zu stellen. Dabei entschied sich der gelernte Chemiker für die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG). Nach seinen Worten gab zweierlei den Ausschlag: „die konsequent ‚radikale’ konzern- und (trotz des eng gefassten Namens ‚umfassend’) system-kritische Haltung einerseits, und andererseits meine Bevorzugung relativ ‚kleiner’, aber im Verhältnis zur Größe hochaktiver Organisationen“. Ihn überzeugte letztlich, dass die Coordination sich „Change“ und nicht „Charity“ auf die Fahnen geschrieben hat, also für eine grundsätzliche Änderung der politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen eintritt statt Almosen zu verteilen oder sich einzelnen, eng umrissenen Projekten zu widmen.

Nach W.s tut „Change“ bei BAYER & Co. nämlich bitter not. Zu der Erkenntnis gelangte W. aus eigener Erfahrung, denn er kennt die Chemie-Industrie von innen – und war auch für ein Innenleben vorgesehen. Schon sein Vater arbeitete als Chemiker, der Junge wuchs kaum einen Kilometer von dem Werk entfernt auf, und zeigte auch schon bald ein reges Interesse für Atome, Moleküle und Ionen. So studierte er das Fach „und zwar aus echtem Interesse/Faszination“. Er kam zwar schon als Schüler zu der Erkenntnis, „dass ‚unser’ System die Umwelt zerstört und den Ast absägt, auf dem die Menschheit sitzt“ und betätigte sich im Umweltschutz, aber erst Semesterferien-Jobs in der Schwefelsäure-Produktion einer Fabrik sorgten für einen endgültigen Bewusstseinswandel. Die praktische Erfahrung ließ bei ihm die Erkenntnis wachsen: „Industrie = Umweltmord“ und brachte ihn zur COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN.

Zugleich änderte W. sein Leben von Grund auf und wurde zu einem „Konsumverweigerer aus Gewissensgründen“, der „weggeben“ und „umFAIRteilen“ bereichernder findet als „ausgeben“. Und angesichts einer alarmierenden Weltlage – „es war schon vor ein paar Jährchen 5 vor 12“ – kam er zu dem Schluss: „Bei der CBG ist das Geld (von allen mir bekannten Möglichkeiten) am besten investiert (in die Zukunft der Umwelt und der Menschheit).“

Was ist mit nun dem Erbe von W. geschehen? Die CBG leidet bereits seit mehr als 20 Jahren darunter, dass ihre Ende der 1980er Jahre erstellte EDV-Datenbank vollkommen überholt ist. Wir haben gebibbert und gebangt, ob sie überhaupt den Jahrtausendwechsel übersteht. Ein Crash wäre das „Aus“ gewesen. Für eine Neuprogrammierung fehlte das Geld. Bei mehr als einer Million Stammdatensätze und zig Millionen zusätzlichen Datensätzen ist das ein anspruchsvolles Projekt. Das lässt sich nicht mal eben so nebenher finanzieren. Mit dem Erbe wurde es möglich. Und so hat sich der Erblasser in die Geschichte der CBG eingeschrieben.

Auch A.

  • und S.# bedachten die Coordination. Sie hatten einen Teil des Nachlasses einer an Krebs verstorbenen Freundin zu betreuen, die Mitglied und Förderin der CBG war. Als Pharmazeutin, die der Schul-Medizin gleichwohl kritisch gegenüberstand, hatte sie ihren Weg zum Netzwerk gefunden, betätigte sich darüber hinaus aber auch noch bei anderen Gruppen wie z. B. ATTAC. An Brustkrebs erkrankt, machte sie sich unter anderem für die Anerkennung alternativer Behandlungsmethoden stark und schreckte dabei nicht einmal vor einer Klage gegen die Krankenkasse zurück. Diese „Vita activa“ brachte die beiden Frauen dazu, der CBG einen Betrag aus dem Nachlass zu überantworten: „Wir dachten, das passt genau zu ihrem Lebensweg, zu der politischen Arbeit, die sie gemacht hat, zu ihrer eigenen Betroffenheit und zu ihrem Einsatz für ihre Rechte als Patientin.“

Menschen, die nicht anderen anheimstellen mögen, was mit ihrem Erbe geschehen soll, treffen schon beizeiten Vorsorge. Diese Personen haben die Stärke gefunden, sich ihrem eigenen Tod zu stellen, was nicht jedem gelingt, denn der Tod stellt in unserer Zeit ein großes Tabu dar. Er passt nicht in einen Staat mit einem Wirtschaftssystem, das auf ein ständiges „mehr“, auf Akkumulation angelegt ist und sich ins Unendliche träumt.
Deshalb verdrängt die Gesellschaft alles, was mit dem Sterben zu tun hat, und legt Friedhöfe beispielsweise bevorzugt an den Rändern der Städte an. Einige empfinden das jedoch als einen falschen Weg, der auch zu einem falschen Leben führt.

Vielleicht hat sich der eine oder andere von ihnen dabei auch von dem Schweizer Autoren und globalisierungskritischem Aktivisten Jean Ziegler leiten lassen, der das Sterben in seinem Buch „Die Lebenden und der Tod“ als unverbrüchlich zum Erden-Dasein dazugehörig bestimmt hat. Ziegler zufolge verleiht erst der Tod dem Menschen durch das Aufzeigen seiner eigenen Grenze ein Bewusstsein von sich selbst und trägt ihm nur eines auf: „Jeden Tag – durch Gedanken, Taten und Träume – so viel Glück für sich und die anderen, so viel Sinn zu erschaffen, dass, am Ende des Lebens, dieses Leben seiner eigenen Negativität so viel Sinn wie möglich entgegenzusetzen vermag.“ Den Menschen nun, welche die Coordination darüber informiert haben, sie in ihrem Testament bedacht oder ihr ein Vermächtnis zugeeignet zu haben, war es wichtig, auch über ihren eigenen Tod hinaus noch Sinn stiften zu können und haben dafür in der CBG den geeigneten Adressaten gesehen.

Dass Testamente, die das gesamte Erbe umfassen, oder Vermächtnisse, die sich auf Teile des Nachlasses beschränken können, geschrieben werden, hat aber auch noch eine andere Bedeutung. Insbesondere in den Fällen, in denen es keine gesetzlichen Erben gibt. Dann nämlich fällt nach den gesetzlichen Bestimmungen die gesamte Hinterlassenschaft an den Staat. Bereits mehrfach mussten wir erleben, dass dies bei MäzenatInnen der Coordination geschah, obwohl die ErblasserInnen vorhatten, die CBG mit einem Vermächtnis bzw. einer Erbschaft zu bedenken. Eine Notaufnahme in ein Krankenhaus vermag da bereits einen Strich durch die Rechnung zu machen: Auf einer Intensiv-Station lässt sich kein Testament mehr erstellen. Die eigenen Vorstellungen sind dann unwiederbringlich verloren.

Dabei ist eine solche Verfügung nicht in Stein gemeißelt. Ein Testament kann jederzeit widerrufen werden, wenn sich die Lebensumstände ändern – zum Negativen etwa durch eine schwere Krankheit oder auch zum Positiven durch unverhofften Familien-Zuwachs, dem man für später etwas mitgeben möchte. Für solche oder auch andere Fragen, die Erbschaften, Testamente, Vermächtnisse oder Schenkungen betreffen, vermittelt die Coordination gerne eine kostenlose juristische Erstberatung. Zudem hat die CBG einen Leitfaden mit Informationen zu Erbschaften erstellt. Auch steht sie natürlich jederzeit für persönliche und vor allem vertrauliche Gespräche zum Thema bereit. Dabei ist der Rahmen stets unverbindlich. Die CBG erwartet bei einer ersten Kontakt-Aufnahme keine definitiven Entscheidungen. Aus Erfahrung weiß sie, wie viele Schritte bis zu einem Entschluss nötig sind, jemandem wirklich ein Testament und ein Vermächtnis zuzueignen. So geht es manchmal bei einem solchen Austausch nur um die Schwierigkeiten, die es aller vernünftigen Einsichten und gefasster Entschlüsse zum Trotz bereiten kann, sich durch das Abfassen eines Testaments mit seinem eigenen Tod konfrontiert zu sehen.

Durch diese Angebote gewährleistet die CBG, dass Interessierte schließlich wohlüberlegt unter den verschiedenen Alternativen die für sie beste Möglichkeit auswählen können, um den Stab weiterzureichen und damit nachfolgenden Generationen in ihrem Engagement für eine Welt, die nicht mehr vom Profitstreben der Konzerne geprägt ist, etwas mitzugeben.

  • der vollständige Name ist der Redaktion bekannt

[Carl Duisberg] STICHWORT BAYER 01/2015

CBG Redaktion

Erfolg der CBG-Kampagne

Dortmund ohne Duisberg

Zum 150. Geburtstag von Carl Duisberg im Jahr 2011 forderte die CBG die Umbenennung der nach dem langjährigen BAYER-Generaldirektor benannten Straßen und Schulen. Der Chemiker tauge wegen seiner Verantwortung für Gaskrieg und Zwangsarbeit nicht als Vorbild für künftige Generationen, so die Coordination. Nun trug die Kampagne Früchte: Die Dortmunder Carl-Duisberg-Straße wird umbenannt, auch in anderen Städten laufen entsprechende Anträge.

Am Ende ging es schnell: eine große Mehrheit aus SPD, Grünen, Linken und Piraten stimmte für die Umbenennung der Dortmunder Carl-Duisberg-Straße. Künftig wird sie „Kleine Löwenstraße“ heißen. Auch die CDU gab ihren ursprünglichen Widerstand auf, stimmte jedoch für eine Umbenennung in „Heiliger Weg“. Ein Brief des BAYER-Konzerns, der die Namensänderung in letzter Minute verhindern sollte, fand keine Berücksichtigung.
Damit kam Ende November 2014 ein Verfahren zum Abschluss, das mit einem Aufruf der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN drei Jahre zuvor begonnen hatte: Zum 150. Geburtstag des ehemaligen BAYER-Generaldirektors forderte die CBG eine Umbenennung der nach Duisberg benannten Straßen (so in Bonn, Krefeld, Frankfurt, Dormagen, Wuppertal und Leverkusen), der gemeinnützigen Carl-Duisberg-Centren und des Wuppertaler Carl-Duisberg-Gymnasiums. Auch die Leverkusener Ehrenbürgerwürde solle aberkannt werden, verlangte die Coordination.
Der ehemalige Dortmunder Ratsherr Richard Kelber nahm dies zum Anlass, einen Bürgerantrag zur Umbenennung der örtlichen Carl-Duisberg-Straße zu stellen. Zunächst wurde der Antrag immer wieder vertagt. Dann sollte er in geheimer Sitzung beraten werden – angeblich um die Persönlichkeitsrechte (!) des 1935 verstorbenen Duisbergs zu schützen. Aufgrund öffentlicher Kritik trat die zuständige Bezirksvertretung schließlich die Flucht nach vorne an: In einem gemeinsamen Antrag forderten SPD, Grüne und CDU das Stadtarchiv auf, alle Dortmunder Straßen zu untersuchen und eine Liste untragbarer Namens-Paten vorzulegen.

Umfangreiche Prüfung
Um die weit über tausend Straßen durchzugehen, benötigte das Stadtarchiv weitere 18 Monate. Schließlich legte es im September 2014 eine Aufstellung mit sechs Namen vor, die „man sich als weltoffene Stadt nicht leisten kann“, so Archiv-Leiter Dr. Stefan Mühlhofer. In der Liste finden sich nationalsozialistische Schriftsteller wie Karl Wagenfeld und Friedrich Castelle sowie der Konteradmiral Maximilian von Spee.
Zum ehemaligen BAYER-Chef heißt es in der Stellungnahme: „In der Bewertung der Person Carl Duisbergs durch das Stadtarchiv wurden durchaus auch die bis heute positiv zu wertenden Aspekte in seiner Lebensleistung berücksichtigt. Nichtsdestotrotz empfiehlt das Stadtarchiv, bei der Abwägung aller Aspekte des Lebens von Carl Duisberg, eine Umbenennung.“
Zur Begründung schreiben die Historiker: „Während des Ersten Weltkriegs wurde unter seinem Vorsitz Giftgas für den Kriegseinsatz produziert. (…) Duisberg gehörte zu den führenden deutschen Industriellen, die während des Krieges die - auch nach dem damals geltenden internationalen Kriegsrecht illegale - Deportation belgischer Zivilisten zur Zwangsarbeit nach Deutschland durchsetzten. (…) Als Patriarch lehnte er bis zu seinem Tod Gewerkschaften entschieden ab. Er war von Beginn an Gegner der Weimarer Demokratie.“
Jan Pehrke vom Vorstand der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN begrüßt die Entscheidung: „Carl Duisberg, der geistige Vater der IG FARBEN, ging für Profite buchstäblich über Leichen. Er war nicht nur ein ‚Kind seiner Zeit’, sondern trug entscheidend zu den mörderischen Entwicklungen im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts bei. Auch die noch verbleibenden Carl-Duisberg-Straßen sollten daher umbenannt werden.“

BAYER rüstet auf
Schon um 1900 hatte Carl Duisberg rücksichtslos die Vermarktung von Heroin als angeblich harmlosem Hustenmittel betrieben. Als Wissenschaftler das Suchtpotenzial von Heroin anprangerten, äußerte Duisberg – zu diesem Zeitpunkt Prokurist bei BAYER –, man müsse die „Gegner mundtot schlagen“. Obwohl sich rasch die Gefahr der Abhängigkeit herausstellte, ließ Duisberg den gewinnbringenden Verkauf mehr als ein Jahrzehnt lang fortführen.
Zu Beginn des ersten Weltkriegs griff die deutsche Chemie-Industrie, mit Carl Duisberg und BASF-Chef Carl Bosch an der Spitze, erstmals in die Weltgeschichte ein. Die eilig errichteten Anlagen zur Ammoniak-Synthese ermöglichten dem von den Weltmärkten abgeschnittenen Deutschen Reich erst die Produktion von Sprengstoffen und Schießpulver und damit die weitere Kriegsführung.
Von 1914 an entwickelte Duisberg gemeinsam mit dem späteren Nobelpreisträger Fritz Haber Giftgase wie „Grünkreuz“ und „Senfgas“, testete diese persönlich auf Truppenübungsplätzen und verlangte vehement ihren Einsatz. So schrieb Duisberg an die Oberste Heeresleitung: „Dieses Chlorkohlenoxyd ist das gemeinste Zeug, das ich kenne. ... Ich kann deshalb nur noch einmal dringend empfehlen, die Gelegenheit dieses Krieges nicht vorübergehen zu lassen, ohne auch die Hexa-Granate zu prüfen“. Duisberg und Haber verstießen damit wissentlich gegen die Haager Landkriegsordnung.
Auch forderte der BAYER-Generaldirektor mit dem Ausspruch „Öffnen Sie das große Menschenbassin Belgien" den Einsatz von Zwangsarbeitern. Das Reichsamt des Inneren griff den Vorschlag auf und ließ rund 60.000 Belgier deportieren, was international zu Protesten führte. Rund 12.000 Verschleppte starben.
Carl Duisberg engagierte sich in der vom antisemitischen „Alldeutschen Verband“ gesteuerten Kriegszielbewegung und forderte die Annexion des besetzten Belgien und von Nordfrankreich, etwas später auch „deutschen Lebensraum“ in Polen und Russland. Zudem befürwortete er den uneingeschränkten U-Boot-Krieg und lehnte Friedensverhandlungen vehement ab. 1917 trat er in die rechtsextreme „Deutsche Vaterlandspartei“ ein.
Durch die Lieferungen an das Militär stieg der Profit in ungeahnte Höhen. Entsprechend jubelte der BAYER-Chef im Juli 1915: „Sähen Sie jetzt einmal, wie es hier in Leverkusen aussieht, wie die ganze Fabrik umgekrempelt und umorganisiert ist, wie wir fast nichts mehr als Kriegslieferungen ausführen (...), so würden Sie Ihre helle Freude haben.“
Diese Rüstungsgeschäfte brachten Duisberg zum Kriegsende auf die Auslieferungslisten der Alliierten. Da er eine Anklage als Kriegsverbrecher fürchtete, floh er in die neutrale Schweiz. Wegen seiner guten Verbindungen – auch in die USA – wurde er jedoch nicht weiter belangt.
In den 20er Jahren erfüllte sich schließlich Duisbergs Lebenstraum, der Zusammenschluss der deutschen Chemie-Industrie zur IG FARBEN, deren Aufsichtsratsvorsitzender er dann auch wurde. Der BAYER-Generaldirektor haderte mit der Demokratie von Weimar und organisierte Spenden an konservative und nationale Parteien, spätestens seit 1930 auch an die NSDAP. 1931 verlangte er in einer Rede vor der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf die Schaffung eines „europäischen Wirtschaftsblocks von Bordeaux bis Odessa“ unter deutscher Dominanz. Von den Nationalsozialisten erhielten die IG FARBEN im Gegenzug für ihre Millionen-Spenden noch vor der so genannten „Machtergreifung“ Absatzgarantien für synthetischen Treibstoff und Kautschuk. In der Folgezeit kooperierte kein Unternehmen so eng mit dem Dritten Reich wie das Chemie-Kartell.

Kampagne geht weiter
BAYER setzt unbeirrt auf seinen einstigen Lenker. So veröffentlichte der Konzern zum 150. Geburtstag Duisbergs im September 2011 eine wahre Eloge. Von Duisbergs „Ziel, die Lebensqualität der Menschen zu verbessern“ ist darin ebenso die Rede wie von seinem angeblichen sozialen Engagement sowie seiner Rolle als „Kunstliebhaber und –förderer“.
In der BAYER-Hauptversammlung im vergangenen April betrieb Marijn Dekkers dann reinsten Geschichtsrevisionismus. Auf einen Gegenantrag der CBG antwortete der Vorstandsvorsitzende, dass BAYER die Rolle von Duisberg im Ersten Weltkrieg umfassend aufgearbeitet habe. Dann dozierte Dekkers: „Die historischen Verdienste Carl Duisbergs sind weithin anerkannt. Er ließ Wohnungen für die Arbeiter bauen, verringerte deren wöchentliche Arbeitszeit, er führte soziale Versicherungssysteme ein und setzte sich für den Umweltschutz ein, lange bevor es gesetzliche Regelungen dazu gab“. Ein Hohn nicht nur angesichts von Duisbergs Widerwillen gegen Abwasser-Reinigung, die er als „Vergeudung von Nationalkapital“ ansah.
Für die Kampagne der CBG gibt es derweil in vielen Städten Unterstützung. In Marburg konnte eine ehemalige Chemie-Studentin erreichen, dass am dortigen Duisberg-Studentenwohnheim eine Plakette mit einer kritischen Würdigung angebracht wurde. In Frankfurt wurden rund um die Duisbergstraße Flugblätter verteilt, zudem kam – wie auch in Lüdenscheid – ein Antrag zur Namensänderung auf den Weg. Der Leverkusener Stadtrat befasste sich ebenfalls mit dem Thema, lehnte eine Umbenennung – wohl mit Rücksichtnahme auf den größten Steuerzahler – jedoch ab. Offiziell wurde die Absage mit Verweis auf die hohen Kosten begründet.
Jan Pehrke abschließend: „Carl Duisberg war ein überzeugter Nationalist, eine herrschsüchtiger Patriarch und ein erbitterter Feind der Gewerkschaften. Man kann Duisberg nur als ‚verbrecherisches Genie’ bezeichnen, das die Moral Zeit seines Lebens dem Geschäftssinn unterordnete.“ Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN wird die Kampagne daher fortführen. Als nächster Schritt ist ein Gegenantrag zur Hauptversammlung des Konzerns im Mai geplant. Von Philipp Mimkes

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[Editorial] STICHWORT BAYER 01/2015

CBG Redaktion

Liebe Leserinnen und Leser,

unlängst hat das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ die neuesten Zahlen zur Antibiotikaabgabe in der Tiermedizin vorgelegt. Was zunächst wie eine gute Neuigkeit klingt, nämlich: „Gesamtmenge im Jahr 2013 weiter gesunken - geringe, aber zunehmende Abgabe von Antibiotika der jüngeren Generation“, birgt in Wirklichkeit eine alarmierende Nachricht: Seit Beginn der Datenerhebungen ist der Verbrauch der für die Humanmedizin besonders wichtigen Reserveantibiotika in der Tiermedizin sprunghaft angestiegen. Bei den Cephalosporinen der 3. Generation stieg die Abgabe innerhalb von zwei Jahren um bis zu 25 Prozent, bei den Fluorchinolonen, zu denen unter anderem BAYERs BAYTRIL gehört, sogar um bis zu 60 Prozent. Zusätzliche Brisanz erhalten diese Daten, wenn man berücksichtigt, dass diese Antibiotika der jüngeren Generation wesentlich geringer dosiert werden - bis zu einem Faktor 70 pro Therapie-Zyklus !
Wegen dieser Entwicklung hat sich im Juni diesen Jahres in Hannover die „Ärzteinitiative gegen Massentierhaltung“ gegründet. Sie sieht ihre Aufgabe darin, VerbraucherInnen und PatientInnen zu informieren, damit Ihnen die Folgen der Massentierhaltung stärker bewusst werden. In der Verantwortung für die Gesundheit unserer PatientInnen treten wir für einen sinnvollen Einsatz von Antibiotika in der Human- und Tiermedizin ein und wenden uns daher gegen den systemimmanenten Einsatz von Antibiotika in der agrar-industriellen Tierhaltung mit ihren Gefahren für Menschen und Umwelt.
Die Ärzte und das Pflegepersonal in Praxen und Kliniken führen einen oft aussichtslosen Kampf gegen Infektionen mit antibiotikaresistenten Erregern. MRSA und ESBL-bildende Keime sind Bakterien, die gegen konventionelle antibiotische Therapien resistent sind. Das Auftreten von MRSA hat sich seit 1992 verzehnfacht. Vorsichtige Schätzungen sprechen von 132.000 MRSA-Nachweisen pro Jahr in Deutschland und etwa 25.000 Todesfällen an antibiotikaresistenten Keimen pro Jahr in der EU. Nur besonders spektakuläre Fälle wie der ESBL-Tod von mehreren Frühgeborenen auf einer Station oder die EHEC/HUS-Epidemie finden Niederschlag in der Presse.
Die betroffenen PatientInnen müssen unter großem Aufwand in den Kliniken isoliert werden. Die manchmal noch wirksamen sogenannten Reserveantibiotika sollte man besser „ausrangierte Antibiotika“ nennen, da deren Anwendung wegen ihres Nebenwirkungspotentials früher z. T. aufgegeben wurde. Innovative Antibiotika fehlen, ihre Entwicklung verspricht keine großen Profite für BAYER & Co.
In den Gegenden mit einer hohen Dichte von Massentierställen im Nordwesten Deutschlands lässt sich nachweisen, daß eine zunehmende Anzahl von MRSA-Keimen aus der Nutztierhaltung stammt. Diese Keime (life-stock-associated oder LA-MRSA) machen nach einer Untersuchung der Uniklinik Münster 30 Prozent der MRSA aus. Hochrisiko-PatientInnen sind LandwirtInnen und ihre Angestellten, Schlachthof-Personal und TierärztInnen. LandwirtInnen, die konventionelle Schweinezucht betreiben, sind zu 50-86 Prozent Träger dieser Keime, TierärztInnen bis zu 100 Prozent.
Als ersten Schritt verlangt die Ärzteinitiative deshalb, unverzichtbare Antibiotikaklassen wie Fluorchinolone und Cephalosporine unverzüglich für den exklusiven Einsatz in der Humanmedizin zu reservieren. Zudem fordern wir eine bessere Kontrolle des Antibiotika-Einsatzes und mehr Gelder für die Erforschung von Infektionen mit multiresistenten Erregern. Darüber hinaus treten wir dafür ein, statt der industriellen Landwirtschaft die tiergerechte Haltung in bäuerlichen Betrieben zu fördern.

Dr. rer. nat. Peter Sauer für die ÄRZTE-INITIATIVE GEGEN MASSENTIERHALTUNG

[Ticker] STICHWORT BAYER 01/2015 – TICKER

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Umbenennungskampagne erfolgreich
Am 29. September 2011 jährte sich der Geburtstag des langjährigen BAYER-Generaldirektors Carl Duisberg zum 150. Mal. Um die medialen Ständchen für den Mann zu konterkarieren, der im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas und die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen war und später einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörderkonzerns IG FARBEN hatte, rief die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Kampagne ins Leben. Sie mahnte anlässlich des Jahrestags die Umbenennung von Straßen, Schulen und anderen Einrichtungen an, die Duisbergs Namen tragen. Viele AktivistInnen ließen sich davon anregen und trugen die Forderung in die zuständigen Kommunal-Vertretungen. In Dortmund hatte das jetzt Erfolg (siehe auch SWB 1/15). Eine große Mehrheit aus SPD, Grünen, Linken und Piraten stimmte dafür, die Carl-Duisberg-Straße in „Kleine Löwenstraße“ umzutaufen. Und auch Lüdenscheid möchte Duisberg nicht mehr ehren und suchte sich für einen Weg einen neuen Namenspatron. In anderen Orten, wie in Frankfurt, Dormagen, Bonn, Krefeld, Wuppertal, und Maxdorf/Ludwigshafen läuft die Kampagne unterdessen weiter.

Kampagne für Patent-Gesetz
Mit Patenten auf Pharmazeutika sichern sich BAYER & Co. Monopol-Profite. Dieses Vorgehen macht die Arzneien besonders für Menschen in Armutsregionen unerschwinglich. Viele Länder versuchen allerdings, ihrer Bevölkerung trotzdem den Zugang zu den benötigten Medikamenten zu sichern. So berief sich Südafrika im Jahr 2001 auf einen Ausnahme-Paragrafen des internationalen TRIPS-Patentschutzabkommens und führte Nachahmer-Präparate von AIDS-Medikamenten ein, was BAYER und 40 weitere Pharma-Riesen zu einer Klage veranlasste. 2008 beschloss der Staat deshalb, die Praxis durch ein Patent-Gesetz gerichtsfest zu machen. Zu einer Verabschiedung des Paragrafen-Werkes kam es jedoch noch nicht. Extrem-Lobbying von BAYER & Co. hat das bis jetzt verhindern können – allein der US-amerikanische Pillenhersteller-Verband PhRMA steckte 450.000 Dollar in eine PR-Kampagne gegen den Plan. (Ticker 2/14). Es gibt aber auch Gegenkräfte: Die AIDS-Initiative TREATMENT ACTION CAMPAIGN versammelte 50.000 Organisationen und Einzelpersonen hinter sich, um für das Gesetz – unter anderem durch einen Offenen Brief an den südafrikanischen Ministerpräsidenten Jacob Zuma – zu werben.

KAPITAL & ARBEIT

Plischke bald im Aufsichtsrat?
Lange Zeit war es für die Vorstandsvorsitzenden von BAYER & Co. Usus, nach ihrer Amtperiode als Firmenlenker den Posten des Aufsichtsratschefs zu übernehmen. 2009 hat die damalige Große Koalition diesem Automatismus jedoch einen Riegel vorgeschoben. Nach Ansicht von CDU und SPD standen die internen Lösungen einer wirklichen Kontrolle der Geschäftspolitik im Wege. Deshalb erlegten sie den wechselwilligen ManagerInnen eine zwei-jährige Karenzzeit auf. Äußerst widerwillig saß diese Werner Wenning ab, ehe er als Aufsichtsratsvorsitzender zum Leverkusener Multi zurückkehrte. Und jetzt richtet sich auch der 2014 pensionierte ehemalige Forschungsvorstand Wolfgang Plischke in der Warteschleife auf ein Comeback beim Pillen-Riesen ein. „Der Leverkusener Pharma-Konzern möchte auf seine Expertise und langjährigen internationalen Erfahrungen nicht verzichten“, vermeldet die Faz. Zu dieser „Expertise“ hatte es unter anderem gehört, trotz interner Warnungen so lange es nur irgend ging an dem Cholesterinsenker LIPOBAY festzuhalten, welcher dann schließlich bis zu seinem von den Behörden erzwungenen Vertriebsstopp über 100 Menschen den Tod brachte.

Multifunktionär Wenning
Mit seinem Posten als BAYER-Aufsichtsratschef fühlt sich Werner Wenning noch längst nicht ausgelastet. Dieselbe Position bekleidet er bei E.ON, und bei SIEMENS rückte er jüngst zum Aufsichtsratsvize vor. Einfache Mandate nimmt er zudem in den Kontrollgremien der DEUTSCHEN BANK und der Versicherungsgesellschaft TALANX wahr. Darüber hinaus hat Wenning Sitze in den Gesellschafter-Ausschüssen von HENKEL und FREUDENBERG.

ERSTE & DRITTE WELT

Afrika im Fokus
Auf der Suche nach Absatz-Gebieten hat der Leverkusener Multi einen neuen Kontinent entdeckt. „2014 steht eine Afrika-Strategie hoch oben auf der Agenda“, bekundete der Konzern unlängst (Ticker 3/14). Machte das Unternehmen dort 2012 einen Umsatz von 711 Millionen Euro, so erwartet es bis 2018 eine Steigerung auf über eine Milliarde Euro. In einzelnen Staaten rechnet es sogar mit einem Plus von über 30 Prozent. Die meisten Hoffnungen ruhen dabei auf dem Pharma-Sektor, der bereits jetzt für die größten BAYER-Einnahmen in Afrika sorgt. „Schon im vergangenen Jahrzehnt haben sich die Pro-Kopf-Ausgaben für Gesundheit in Afrika mehr als verdoppelt“, frohlockt der Pillen-Produzent. Vor allem mit Diabetika, Anti-Infektiva und Verhütungsmitteln macht er dort Geschäfte. Bei den Kontrazeptiva darf er dabei sogar auf die tatkräftige Unterstützung durch Entwicklungshilfe-Programme zur Familien-Planung bzw. Bevölkerungspolitik zählen. „Wir haben ein einzigartiges Portfolio, und unsere Mission ‚BAYER: Science For A Better Life’ steht für genau das, was Afrika braucht“, meint der Konzern. Die BUKO PHARMA-KAMPAGNE kommt da zu einer ganz anderen Einschätzung. Die Initiative untersuchte das Gebaren von BAYER & Co. in Uganda, das als beispielhaft auch für die Unternehmenspolitiken in anderen Ländern des Kontinents gelten kann, und stellt dem Konzern ein denkbar schlechtes Zeugnis aus. So vermarktet dieser dort viele umstrittene und deshalb als irrational eingestufte Pharmazeutika: 21 von 49 Medikamenten fallen unter diese Kategorie. Zu den als unentbehrlich erachteten Mitteln des Global Players hingegen hat die Bevölkerung wegen der hohen Preise kaum Zugang; sie finden sich zumeist nur in Privatkliniken und Privat-Apotheken. Darüber hinaus bietet der Multi in dem Staat für die am weitesten verbreiteten Gesundheitsstörungen kaum Arzneien an, weil er sich in Forschung & Entwicklung lieber auf die mehr Rendite versprechenden Mittel gegen westliche Zivilisationskrankheiten konzentriert. Ähnlich verhalten sich die anderen großen Pharma-Hersteller. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO leiden rund eine Milliarde Menschen an Plagen wie Ebola, Tuberkulose, Flussblindheit oder Bilharziose, gegen die Big Pharma kein Mittel weiß.

Kein Moxifloxacin bei TBC
Die Pharma-Multis haben die ärmeren Staaten nicht in ihrer Kundendatei. Deshalb müssen öffentliche oder private Institutionen einspringen, um Medikamenten-Entwicklungen für Krankheiten zu fördern, die besonders häufig in sogenannten Entwicklungsländern auftreten. Eine solche Organisation ist die „Global Alliance for TB-Drug-Development“. Bill Gates, die Rockefeller Foundation, die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA und diverse andere Vereinigungen finanzieren im Rahmen des Verbundes die Suche nach neuen Tuberkulose-Behandlungsmethoden. So fließt auch Geld für die Erprobung einer Kombinationstherapie von Tbc-Arzneien mit BAYERs Antibiotikum AVALOX; speziell für diesen Forschungsansatz hatte die Stiftung von Bill und Melinda Gates im Frühjahr 2006 noch einmal 100 Millionen Dollar locker gemacht. Das Präparat sollte die Genesung beschleunigen, auf diese Weise die Bildung Antibiotika-resistenter Bakterienstämme eindämmen und so die Überlebenschancen der PatientInnen erhöhen. Dies schaffte das Mittel jedoch nicht: Die verkürzte Therapie wirkte sich negativ auf den Heilungsprozess aus und führte häufiger zu Rückfällen.

Indien weniger im Fokus
Die Pillen-Riesen lagern immer mehr Arznei-Erprobungen in ärmere Länder aus. Besondern in Indien finden BAYER & Co. günstige Standort-Bedingungen vor. Dort locken günstigere Preise, ein großes Reservoir an ProbandInnen und fehlende Kontrollen. Die Risiken und Nebenwirkungen sind dementsprechend hoch. Allein von 2007 bis 2011 kamen 158 TeilnehmerInnen an klinischen Prüfungen mit BAYER-Präparaten ums Leben. Das bewog die indischen Behörden, strengere Regeln einzuführen. So machten sie es den Pharma-Riesen zur Pflicht, für alle etwaigen Gesundheitsstörungen ihrer ProbandInnen aufzukommen. Der Leverkusener Multi reagierte prompt: Er stornierte schon angesetzte Versuche mit seinem Gerinnungshemmer XARELTO.

BAYER’S TONIC in Indien
In ärmeren Regionen können die Menschen sich oft keinen MedizinerInnen-Besuch leisten. Die Pharma-Riesen reagieren darauf, indem sie ominöse Allheilmittel auf den Markt werfen. So vertreibt der Leverkusener Multi in „Entwicklungsländern“ etwa BAYER’S TONIC mit den Ingredienzien Leber-Extrakt, Hefe, Zucker und Alkohol als Stärkungsmittel. In Indien bewarb der Multi das Produkt ungeachtet seines Alkohol-Gehaltes von rund zehn Prozent speziell für Kinder. Erst nach Protesten von Gesundheitsinitiativen sah das Unternehmen davon ab und druckte ein Warnhinweis auf die Packung. Trotzdem empfehlen es ApothekerInnen aus alter Gewohnheit immer noch für diese Altersgruppe, wie Testkäufe der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gezeigt haben. Und das Versprechen, das Präparat ohne Alkohol herzustellen, hat der Konzern bis heute nicht eingelöst.

KONZERN & VERGANGENHEIT

Eine kleine BAYER-Buße
BAYER war bereits an den Vorbereitungen zum Ersten Weltkrieg beteiligt und avancierte später zum wichtigsten Lieferanten chemischer Waffen. Generaldirektor Carl Duisberg fischte auch im „Menschenbassin Belgien“ nach ZwangsarbeiterInnen und formulierte die Kriegsziele mit. Der fatalen Rolle, die der Leverkusener Multi bei dem Waffengang spielte, stellte er sich im Gedenkjahr 2014 allerdings nicht. Bei der letzten Hauptversammlung vom CBGler Axel Köhler-Schnura mit der Kritik an Duisbergs Kriegsverbrechen konfrontiert, antwortete Unternehmenschef Marijn Dekkers: „Die historischen Verdienste Carl Duisbergs sind weithin anerkannt. Er ließ Wohnungen für die Arbeiter bauen, verringerte deren wöchentliche Arbeitszeit, er führte soziale Versicherungssysteme ein und setzte sich für den Umweltschutz ein, lange bevor es gesetzliche Regelungen dazu gab.“ Später im Jahr aber kam es doch noch zu einer kleinen Geste der Reue von Seiten des Global Players. Am Volkstrauertag beteiligten sich Christian Zöller und Iris Müller-Florath von der 60-prozentigen BAYER-Tochter CURRENTA an einem Rundgang zu den Erinnerungsorten des Ersten Weltkriegs in Leverkusen, zu denen auch das Tor 4 des Chem„parks“ zählt. Dort hielt Zöller, der bei dem Unternehmen für den „Politik- und Bürgerdialog“ zuständig ist, eine Ansprache zur historischen Verantwortung des Konzerns. Als „Krieg der Chemiker“ bezeichnete Zöller darin den Ersten Weltkrieg und berichtete dann von BAYERs Chemiewaffen-Produktion.

KAPITAL & ARBEIT

Selbstbedienung im Ideen-Pool
Bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit betont der Leverkusener Multi die Unverzichtbarkeit des Schutzes des geistigen Eigentums. An den Ideen seiner Beschäftigten vergreift der Konzern sich jedoch ganz unverblümt. So erklärt der Pharma-Riese frank und frei, dank der Verbesserungsvorschläge der Beschäftigten aus dem „BAYER Ideen-Pool“ bereits im ersten Jahr der Umsetzung über vier Millionen Euro eingespart zu haben. An Prämien zahlte er indessen nur rund 1,3 Millionen Euro aus.

Neue „Innovationsplattform“
Nicht nur qua Ideen-Pool (s. o.) beutet BAYER das Potenzial seiner Beschäftigten aus. Seit Mai 2014 betreibt der Leverkusener Multi eine sogenannte Innovationsplattform mit Namen „WeSolve“, auf der er die Belegschaft mit konkreten Fragestellungen konfrontiert. „Wie könnte eine Technologie aussehen, um Schädlingsbefall aus der Ferne zu erkennen?“, will der Konzern da beispielsweise von seinen Belegschaftsangehörigen wissen. Mit der Resonanz auf diese Maßnahme zur Abschöpfung von Wissen zeigt sich das Unternehmen angesichts von bisher 800 Beiträgen zufrieden. „Das Feedback ist sehr positiv“, lässt „Global Program Manager“ Puneet Kumar Srivastava verlauten.

POLITIK & EINFLUSS

„Lex BAYER“ verabschiedet
Über die marode Leverkusener Autobahn-Brücke, zu derem beklagenswerten Zustand BAYERs immenser Liefer-Verkehr nicht wenig beigetragen hat, dürfen keine schweren LKWs mehr fahren. Zum Gelände des Chemie-Multis müssen sie deshalb einen Umweg von ca. 20 Kilometern in Kauf nehmen. Ernst Grigat, bei der 60-prozentigen BAYER-Tochter CURRENTA für die Chem-„Parks“ in Leverkusen und Dormagen verantwortlich, verfällt aus diesem Grund schon in Weltuntergangsstimmung. „Wenn nicht schnellstmöglich Abhilfe geschaffen wird, fürchten wir, dass die Industrie verlagert wird. Damit ist das langsame Sterben der chemischen Industrie in Deutschland vorprogrammiert.“ Und die apokalyptischen Töne zeigen Wirkung. Grigat bekommt eine neue Brücke, und damit alles ganz schnell gehen kann, änderte die Bundesregierung Ende März 2015 sogar das Bundesfernstraßen-Gesetz. Dieses erschwert es den BürgerInnen nämlich, gegen die Planungen vorzugehen, indem es kurzen Prozess macht: Etwaige Einsprüche dürfen nur noch über eine Instanz gehen. Der nordrhein-westfälische Bauminister Michael Groschek (SPD) verspricht sich davon einen Zeitgewinn von bis zu anderthalb Jahren. Ein Problem mit der Beschneidung der BürgerInnen-Rechte hat er nicht. Als wichtiger erachtet es der Sozialdemokrat, dass der Neubau steht, bevor die Rheinbrücke gar nicht mehr befahrbar ist. „Wir können es uns nicht leisten, durch Klagewellen das Risiko einer Vollsperrung einzugehen“, so Groschek. Sogar die zwischen der Brücke und dem Kreuz Leverkusen geplante acht-spurige Stelzen-Autobahn fällt unter die „Lex BAYER“, was die Stadtverwaltung an BAYERs Stammsitz erboste. „Im Leverkusener Rathaus herrscht Entsetzen über die Pläne“, vermeldete der Leverkusener Anzeiger. Es spreche überhaupt nichts dafür, die Klagerechte der Bürger in Sachen „Stelzen-Autobahn“ einzuschränken, gab das Blatt die Worte von Bau-Dezernentin Andrea Deppe wieder.

Groschek erhält Wunschliste
Der Leverkusener Multi trägt dank ganz legaler Steuertricks zwar kaum noch etwas zur Finanzierung des Gemeinwesens bei, dafür wachsen aber die Begehrlichkeiten. So sieht er den Staat nicht nur beim Bau neuer Brücken in der Pflicht (s. o.), ganz allgemein fordert der Konzern mehr Anstrengungen im Bereich „Infrastruktur“. Deshalb überreichte der Branchen-Verband „ChemCologne“ dem nordrhein-westfälischen Bauminister Michael Groschek schon im letzten Jahr eine Wunschliste in Form der Studie „Chemie-Logistik im Rheinland“. Aber nicht nur neue Bau-Maßnahmen mahnen BAYER & Co. darin an, sie beanspruchen auch ein Mitsprache-Recht bei den Projekten. „Für eine funktionierende Chemie-Logistik ist es wichtig, dass bei der Verkehrsinfrastruktur-Planung die besonderen Bedürfnisse der chemischen Industrie (Gefahrgut-Transport) berücksichtigt werden“, schreiben die Unternehmen Groschek ins Stammbuch.

Kraft weiht TDI-Anlage mit ein
Am 9. Dezember 2014 weihte der Leverkusener Multi in Dormagen seine neue Kunststoff-Anlage ein. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und andere Verbände hatten sich im Vorfeld gegen das Projekt ausgesprochen und ihre Kritik auf einem Erörterungstermin im Herbst 2011 vorgetragen. Die Coordination stieß sich vor allem am großen Ressourcen-Verbrauch der Fertigungsstätte und am avisierten Gebrauch des gefährlichen Giftgases Phosgen als Zwischenprodukt, ohne Schutzmaßnahmen durch eine Beton-Ummantelung der Produktionsstätte zu treffen. Darüber hinaus monierte sie den zu geringen Sicherheitsabstand zu Wohnsiedlungen und Verkehrseinrichtungen. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft gab all dem hingegen bei der feierlichen Eröffnung ihren landesmütterlichen Segen. Sie bescheinigte dem Global Player, mit der TDI-Produktion ein Signal für den Umweltschutz zu setzen. Und obwohl der Konzern gerade einmal drei Monate vorher die Trennung von seiner Plaste-Sparte bekanntgegeben hatte, weil sie seinen Rendite-Vorstellungen nicht mehr entsprach, stimmte für die Sozialdemokratin die Chemie. „Die Investition macht die Leistungsstärke des BAYER-Standortes deutlich. Es ist aber auch ein wichtiges Zeichen für die internationale Wettbewerbsfähigkeit Nordrhein-Westfalens als attraktiver Chemie-Standort“, bekundete sie.

Schöning im VFA-Vorstand
Klaus Schöning, Leiter von BAYER HEALTHCARE, hat einen Posten im Vorstand des von BAYER gegründeten „Verbandes der forschenden Arzneimittel-Hersteller errungen. Als einer der größten bundesdeutschen Arznei-Produzenten hat der Multi Schöning zufolge eine Art natürliches Recht auf einen solchen Sitz: „Daraus ergibt sich auch unser Anspruch, Verbandsarbeit aktiv mitzugestalten.“ Besonders aktiv will der Manager den Dialog mit Bundestagsabgeordneten und anderen wichtigen EntscheiderInnen in Berlin vorantreiben. „Diese Gespräche sind wichtig, um den Wert der Arzneimittelbranche und insbesondere unserer innovativen Medikamente für die Politik, Gesellschaft und Wirtschaft deutlich zu machen“, so der Healthcare-Chef.

Regierung startet Pharma-Dialog
Im September 2014 hat die Bundesregierung den „Pharma-Dialog“ ins Leben gerufen. In einer konzertierten Aktion wollen das Gesundheits-, Wirtschafts- und das Forschungsministerium den Pillen-Produzenten bessere Rahmenbedingungen verschaffen. „Erklärtes Ziel des Dialogs ist die Stärkung des Pharma-Standortes Deutschland“, freut sich der Leverkusener Multi. Schon zwei Monate nach dem Start der Initiative durfte der Global Player Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) zum Antrittsbesuch begrüßen und sich von ihm loben lassen: Als einen der „innovativsten Wirtschaftszweige unseres Landes“ bezeichnete Gröhe die Arznei-Branche. BAYER-Chef Marijn Dekkers möchte dafür allerdings mehr Anerkennung und kündigte an, diese bei den Pharma-Dialogen auch einzufordern. „Wenn uns Politik und Gesellschaft unterstützen, können wir weiterhin in Deutschland forschen, innovative Arzneimittel für die ganze Welt entwickeln und im globalen Wettbewerb vorne mitspielen“, sagte er mit einem kaum verhohlenen drohenden Unterton. Der Vorsitzende des von BAYER gegründeten „Verbandes der forschenden Arzneimittel-Hersteller“, Hagen Pfundner, hat derweil schon einen Akteur ausgemacht, der angeblich einen Keil zwischen Politik und Pharma-Konzerne treibt: die Krankenkassen. Durch ihre Dominanz bei den Preisverhandlungen für neue Medikamente würden sich „Politik und Industrie voneinander entfernen“, meint der Lobbyist. Aber er weiß Abhilfe. WissenschaftlerInnen sollen an den Gesprächen teilnehmen und den Einfluss von DAK & Co. reduzieren, rät Pfundner.

Kritik am AMNOG
Die PolitikerInnen erwarteten vom 2011 eingeführten Arzneimittel-Neuverordnungsgesetz (AMNOG) Einsparungen bei den Medikamenten-Ausgaben von bis zu zwei Milliarden Euro. Die Kosten/Nutzen-Bewertung von bereits zugelassenen Pillen sollte nämlich die Spreu vom Weizen trennen und die Pharma-Riesen bei Minderleistern oder 08/15-Produkten zu finanziellen Zugeständnissen zwingen. Die mit dem Paragrafen-Werk verbundene Hoffnung trog jedoch, nicht zuletzt, weil die schwarz-gelbe Koalition auf Druck der Pharma-Lobby von ihren Plänen abgerückt war, alle Arzneien einer Revision zu unterziehen und sich stattdessen auf neue Präparate beschränkte. BAYER & Co. reicht dies jedoch nicht. Sie fordern einen weiteren AMNOG-Rückbau. So stößt sich Frank Schöning von BAYER VITAL an dem, was das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWIG) unter Zusatznutzen versteht. „Wenn kein Zusatznutzen festgestellt wird, bedeutet das nicht automatisch, dass ein Produkt keinen Zusatznutzen hat“, sagte er bei einem vom Leverkusener Multi anberaumten Presse-Gespräch und warf dem IQWIG vor, „patienten-relevante Endpunkte“ bei ihren Untersuchungen nicht in ausreichendem Maß zu berücksichtigen. Der BAYER-Manager hätte nämlich schon gerne einen Zusatznutzen für ein Produkt ausgewiesen bekommen, wenn es nicht mehr dreimal, sondern nur noch zweimal am Tag eingenommen werden muss. Hilfestellung leistete Schöning bei dem Termin die Geschäftsführerin des von BAYER gegründeten „Verbandes der forschenden Arzneimittel-Industrie“, Birgit Fischer. „Es besteht der Verdacht, dass es einzig und allein um die Reduzierung der Preise geht“, mit diesen Worten kritisierte die Lobbyistin das Bewertungsverfahren.

Mehr Gentech-Importe gefordert
Die europäischen Dachverbände der Futtermittel- und Fleisch-Industrie sowie der LandwirtInnen fordern die EU auf, mehr Importgenehmigungen für Gen-Pflanzen von BAYER, MONSANTO & Co. zu erteilen. Wenn nicht mehr Ackerblüten wie BAYERs T25-Mais oder die beiden Baumwoll-Arten T304-40 und LL25xGHB614 auf den Markt kommen und eingeführte Sorten konventioneller Art keine Spuren dieser Laborfrüchte enthalten dürfen, ist nach dem Horror-Szenario der Lobby-Organisationen die Nahrungsmittel-Sicherheit gefährdet.

Obamas Klima-Plan gefährdet
Die Obama-Administration bereitet einen „Clean Power Plan“ vor. Dieser will den Energie-Erzeugern vorschreiben, die Kohlendioxid-Emissionen bis 2020 um 20 Prozent und bis 2030 um 30 Prozent zu verringern. BAYER & Co. laufen Sturm gegen das Vorhaben, weil sie höhere Strom-Preise befürchten. Der Industrie-Verband „Chamber of Commerce“ legte umgehend eine Studie vor, um Stimmung gegen die Gesetzes-Initiative zu machen. 290 Milliarden Dollar müssten die VerbraucherInnen infolge des Obama-Projekts bis 2030 mehr für Energie zahlen, rechnete der Lobby-Club vor. Und auch die in Diensten der Konzerne stehende JuristInnen-Vereinigung „American Legislative Exchange Council“ (ALEC) entfaltete sogleich Aktivitäten. In mehr als 12 Bundesstaaten schrieb die Organisation, welcher der Leverkusener Multi seit 1992 angehört, für republikanische PolitikerInnen Eingaben gegen den „Clean Power Plan“.

PROPAGANDA & MEDIEN

Marken-Pflege bei Facebook
„BAYER duldet keine Gesetzes-Verstöße bei der Vermarktung seiner Produkte. Verantwortungsvolles Marketing steht auch für ethisch-moralische Grundsätze“, heißt es in einem Nachhaltigkeitsbericht des Leverkusener Multis. Dennoch überschreitet er immer wieder die Grenzen des Erlaubten. So hat der Konzern die österreichische PR-Agentur Mhoch3 engagiert, um „Online-Reputationsmanagement“ zu betreiben und mittels gefaketer Postings Produkte des Unternehmens auf Facebook und in Foren anzupreisen (siehe auch SWB 1/15). In krudem Stil, der für Authentizität bürgen soll, ist auf chefkoch.de dann beispielsweise „Benny was hast du deiner katze letzt endlich gegeben damit die Flöhe verschwinden? Wir behandeln immer mitn Spot On von Bayer namens Advantage- kennst du das?...wünsch Euch viel Glück“ zu lesen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN geht gegen diese Werbe-Praxis von BAYER gerichtlich vor und hat Strafanzeige gestellt.

Greenwashing mit Merkel
Um sich trotz immensen Schadstoff-Ausstoßes als Umweltengel präsentieren zu können, unterstützt BAYER einige Naturschutzprojekte. Dabei erhielt der Konzern jetzt auch Schützenhilfe von der Bundeskanzlerin persönlich. Angela Merkel machte 2014 auf ihrem Weg nach Australien zum G20-Gipfel einen kurzen Stopp in Neuseeland und besuchte dort auch das vom Leverkusener Multi gesponserte „Motutapu Restoration Trust“-Projekt, das sich gefährdeter Vogel-Arten annimmt. „Das war eine hervorragende Gelegenheit, Angela Merkel zu zeigen, wie wir uns als Unternehmen für das Gemeinwohl einsetzen“, freute sich BAYERs Neuseeland-Chef Holger Detje.

Redwashing mit „Philos“-Preis
Blutern widmet BAYER besondere Aufmerksamkeit, gilt es doch, vergessen zu machen, dass in den 80er Jahren Tausende Hämophile an HIV-verseuchten Blutprodukten des Konzerns starben, weil das Unternehmen seine Präparate aus Kostengründen keiner Hitze-Behandlung unterzogen hatte. Deshalb erhalten die Bluter-Verbände viele Zuwendungen. Zu diesen zählt auch der „Philos“-Preis, mit dem der Pharma-Riese besondere Projekte auszeichnet. Im Februar 2015 überreichte er der „Interessensgemeinschaft Hämophiler“ für ihr Wochenend-Seminar „Hämophilie im Alter“ einen Scheck in Höhe von 10.000 Euro.

PR mit Präventionskampagne
Immer wieder führt der Leverkusener Multi Präventionskampagnen durch, die nur vordergründig der gesundheitlichen Aufklärung und der körperlichen Fitness dienen. Jüngstes Beispiel: Die gemeinsam mit der „Deutschen Schlaganfall-Hilfe“ und der „Deutsche Sporthochschule Köln“ initiierte Aktion „Rote Karte dem Schlaganfall“. Diese hat vielmehr nur den Zweck, ADALAT und XARELTO als Mittel zur Schlaganfall-Prophylaxe zu bewerben und die Beziehungen zu den Kooperationspartnern zu vertiefen.

BAYER sucht den Diabetes-Star
Der Leverkusener Multi möchte Diabetes-Kranke schon möglichst früh binden und so den Absatz seines umstrittenen Diabetikums GLUCOBAY und seiner Blutzucker-Messgeräte erhöhen. Zu diesem Behufe ruft er zum „‚Fine Stars’-Modelcasting 2015“ auf. Dieses sucht nach Kindern und Jugendlichen mit Diabetes, die sich von ihrer Krankheit „nicht unterkriegen lassen und voll im Leben stehen“. Die GewinnerInnen dürfen dem Konzern dann als Diabetes-„BotschafterInnen“ dienen. Den Namen verdankt die Casting-Show der Giraffe Fine aus dem Kölner Zoo, für welche der Pharma-Riese 2008 werbewirksam eine Patenschaft übernommen hatte.

BAYER sponsert „Weltverhütungstag“
„Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar“, sagte einst der ehemalige US-Präsident Lyndon B. Johnson über seine Vorstellung von „Entwicklungshilfe“. Zur großen Befriedigung des Leverkusener Multis erfreut sich diese Ansicht selbst heute noch großer Beliebtheit, denn sie eröffnet den Verhütungsmitteln des Konzerns gute Absatzchancen in den ärmeren Ländern. Darum ist der Pharma-Riese auch der Hauptsponsor des „Weltverhütungstages“, der 2014 sogar einen Aktionsplan verabschiedet hat, um BAYERs Produkt-Palette vorzustellen bzw. „den Bedarf nach korrekten, objektiven und leicht verfügbaren Informationen zum Thema Verhütung“ zu stillen.

Keine Angst vor Fortbildungskodex
Die „Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittel-Industrie“ (FSA) hat einen neuen Transparenz-Kodex zum Umgang mit ÄrztInnen verabschiedet. Dieser schreibt die Veröffentlichung von finanziellen Zuwendungen oder geldwerten Leistungen vor, welche BAYER & Co. MedizinerInnen gerne für Fortbildungen, Beratungsleistungen und wissenschaftlich unsinnige Beobachtungsstudien, welche nur der Einstellung der PatientInnen auf das jeweilige Konzern-Präparat dienen, angedeihen lassen. Mit „nachteiligen nennenswerten Auswirkungen“ der Initiative rechnet der Pharma-Riese allerdings nicht. DoktorInnen, die keine „individuelle Transparenz“ wünschen, müssen nämlich nicht mit der Publizierung ihres Namens rechnen, da der Kodex viele Ausnahme-Regelungen vorsieht. Und dem Beispiel einiger Unternehmen, die MedizinerInnen für Vorträge künftig nicht mehr bezahlen wollen, mag der Global Player auch nicht folgen. „Bei Einhaltung der Transparenz-Regeln im Kodex spricht aus unserer Sicht nichts gegen eine angemessene Honorierung von ärztlichen Leistungen“, meint der Konzern.

Der Konzern als Kümmerer
Während der Konzern de facto immer unsozialer wird, indem er Arbeitsplätze vernichtet und Arbeitsbedingungen verschärft, macht seine PR-Abteilung seit einiger Zeit verstärkt auf „sozial“. Zu diesem Behufe initiierte sie 2007 die „BAYER Cares Foundation“, die Projekte in der Nähe der Konzern-Standorte fördert. 2014 unterstützte die Stiftung unter anderem das „Junge Ensemble“ des Theas-Theaters in Bergisch-Gladbach, ein Ferien-Angebot des Bistums Magdeburg für sozial benachteiligte Kinder, den Jugendmigrationsdienst Wolfen und den Europa-Jugendbauernhof Deetz.

DRUGS & PILLS

Kein NEXAVAR bei Leberkrebs
BAYERs NEXAVAR mit dem Wirkstoff Sorafenib ist bislang zur Behandlung von fortgeschrittenem Nierenkrebs, fortgeschrittenem Leberkrebs und einer bestimmten Art von Schilddrüsenkrebs, bei der zuvor eine Bestrahlung mit radioaktivem Jod keine Fortschritte erzielte, zugelassen. Der Leverkusener Multi setzt jedoch alles daran, das Anwendungsspektrum zu erweitern. So versuchte er jüngst, das gemeinsam mit dem Unternehmen ONYX entwickelte Medikament bei solchen Leberkrebs-PatientInnen zur Anwendung zu bringen, denen die ÄrztInnen alle Geschwüre entfernt hatten. Aber die entsprechenden Tests erbrachten kein positives Ergebnis. Zuvor war bereits eine andere Leberkrebs-Erprobung gescheitert, und auch bei Brust, Lungen-, Haut- und Bauchspeicheldrüsenkrebs konnte NEXAVAR keine Therapie-Erfolge erzielen. Der Pillen-Riese bleibt aber beharrlich. „Obwohl wir vom Ausgang der Studie enttäuscht sind, wollen wir weiterhin das Potenzial des Wirkstoffes in allen Stadien von Leberkrebs untersuchen“, so der Pharma-Entwicklungschef Jörg Möller.

ESSURE 2.0
Bei ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, handelt es sich um eine kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich nach etwa drei Monaten die Eileiter verschließen. Allzu oft jedoch bleibt die Spirale nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Nebenwirkungen. Darum zieht ESSURE viel Kritik auf sich, und das dürfte sich in nächster Zeit auch nicht ändern. Der Leverkusener Multi arbeitet zwar gerade an einer Weiterentwicklung des Medizin-Produktes, aber um eine Veränderung des Risiko-Profils geht es ihm dabei nicht. Dem Konzern ist es vielmehr um eine schnellere Wirkung zu tun: Er will den Prozess beschleunigen, der die Einleiter-Zugänge versperrt. Entsprechende klinische Tests laufen bereits.

Ein bisschen Gender-Medizin
Die Schulmedizin begreift den Körper als Maschine, und Maschinen haben kein Geschlecht. Entsprechend stellen die Pharma-Konzerne für Männer und Frauen dieselben Medikamente her. Dabei differieren die Krankheiten und Krankheitsverläufe zum Teil sehr. So machen sich etwa die Symptome für einen Herzinfarkt bei weiblichen Personen anders als bei männlichen Personen bemerkbar. Jetzt will auch der Leverkusener Multi dem kleinen pharmakologischen Unterschied mehr Aufmerksamkeit widmen. Ein gemeinsam mit der Berliner Charité unternommenes Forschungsprojekt hat zu dem Sinneswandel geführt.

Neue XOFIGO-Studie
Der Leverkusener Multi sucht nach einer neuen Anwendungsmöglichkeit für sein gemeinsam mit dem norwegischen Unternehmen ALGETA entwickeltes Medikament XOFIGO. Bisher hat das Präparat eine Zulassung bei der Prostatakrebs-Art CRPC, wenn eine Hormon-Behandlung erfolglos geblieben ist und sich zudem noch Metastasen im Knochen gebildet haben. Dann soll eine radioaktive Bestrahlung mit dem Wirkstoff Radium-223-Dichlorid das Wachstum der Tumor-Zellen hemmen. Und jetzt testet der Pharma-Riese das Mittel in Kombination mit den Pharmazeutika Abirateron-acetat und Prednison bei Patienten, die sich noch keiner Chemo-Therapie unterzogen haben. Das Produkt vermag allerdings schon in seinem angestammten Gebiet nicht recht zu überzeugen. Bei den Klinischen Tests verlängerte es die Lebensdauer der Krebs-Kranken um noch nicht einmal drei Monate. In England übernimmt deshalb der dortige „National Health Service“ die XOFIGO-Behandlungskosten nicht.

Tests mit Prostata-Arznei
BAYER entwickelt gemeinsam mit dem finnischen Unternehmen ORION ein Medikament für Prostatakrebs-Patienten, die zwar noch keine Metastasen haben, aber erhöhte, nicht auf eine Behandlung mit Testosteron-Blockern reagierende PSA-Werte. Das Präparat soll die Arbeit des Androgen-Rezeptors stören und so die Bildung von Testosteron hemmen, welches das Tumor-Wachstum befördert. Die entsprechenden Tests der Phase III haben im Herbst 2014 begonnen.

Neue ADEMPAS-Studie
Bei der Arznei ADEMPAS handelt es sich um ein Mittel zur Behandlung der beiden Lungenhochdruck-Krankheiten CTEPH und PAH. Der Wirkstoff Riociguat soll in der Lunge die Bildung eines Enzyms stimulieren, das für eine Erweiterung der Blutgefäße sorgt und so die Sauerstoff-Aufnahme verbessert. Da der Leverkusener Multi aus Profit-Gründen ständig nach neuen Anwendungsmöglichkeiten für seine Arzneien sucht, will er das Präparat jetzt auch bei solchen CTEPH-PatientInnen einsetzen, bei denen eine Behandlung mit PDE-E-Hemmern keinen Erfolg gezeigt hat. Entsprechende Studien mit dem Mittel, dessen Wirkung der industrie-unabhängige Arzneibrief als „marginal“ bezeichnet, laufen zurzeit.

ALEVE doch nicht Klassenbester
Entzündungshemmende Schmerzmittel wie BAYERs ALEVE (Wirksubstanz: Naproxen) steigern bei längerer Einnahme das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall oder andere Herz-Kreislauf-Krankheiten mit möglicher Todesfolge deutlich. Einige neuere Studien hatten allerdings das Gefährdungspotenzial von ALEVE geringer als das der anderen Präparate eingeschätzt. Die US-Gesundheitsbehörde kündigte daraufhin an, dem Leverkusener Multi zu gestatten, dieses auf den Packungen zu vermerken, sollte sich der Befund bestätigen. Dies tat er allerdings nicht. Der FDA-Beratungsausschuss überprüfte die Untersuchungsergebnisse und konnte keine gravierenden Unterschiede zwischen den Mitteln feststellen.

Zulassung für Verhütungspflaster
Die Europäische Arzneimittel-Behörde EMA hat einem Verhütungspflaster von BAYER die Zulassung erteilt. Das Produkt enthält 0,55 mg des Hormons Ethinylestradiol und 2,1 mg des Hormons Gestoden. Damit überschreiten die Konzentrationen diejenigen von Kontrazeptiva in Pillen-Form. Dem Leverkusener Multi zufolge stellt das jedoch keine Gefahr dar, da die Wirkstoffe peu à peu über die Woche verteilt in den Organismus gelangen. Studien bescheinigen den Pflastern im Allgemeinen dagegen ein höheres Gefährdungspotenzial als anderen Verhütungsmethoden. Bei Vergleichsuntersuchungen mit Pillen und Vaginal-Ringen zeigten sie ein schlechteres Risiko-Profil.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Bienensterben auf Obama-Agenda
Der US-Präsident Barak Obama hat eine landesweite Strategie gegen das Bienensterben angekündigt. „Das Problem ist ernst und stellt eine bedeutende Herausforderung dar, die im Interesse der Nachhaltigkeit unserer Nahrungsmittel-Produktion in Angriff genommen werden muss“, heißt es in dem „Presidential Memorandum“. Zu dem Maßnahmen-Katalog gehört auch, den Anteil zu untersuchen, den Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie die BAYER-Mittel PONCHO und GAUCHO an dem Verenden der Tiere haben. Vielen Initiativen geht der Schritt der Regierung indes nicht weit genug. Der US-amerikanische Ableger des PESTIZID AKTIONS-NETZWERKES (PAN) und mehr als 125 weitere Gruppen appellierten an Obama, es seinen europäischen Kollegen gleichzutun und die gefährlichen Mittel umgehend aus dem Verkehr zu ziehen.

FENOMENAL nicht phänomenal
BAYERs vor einiger Zeit auf den Markt gebrachtes Antipilzmittel FENOMENAL (Wirkstoffe: Fosetyl und Fenamidone) ist alles andere als phänomenal. Das für Erdbeeren, Zierpflanzen und Ziergehölze bestimmte Pestizid hatte erhebliche Schwierigkeiten, seine Zulassung zu erhalten. So urteilte das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel-Sicherheit“ (BVL) zunächst: „Für die Erdbeer-Indikationen konnte die hinreichende Wirksamkeit nicht belegt werden.“ Die vorgelegten Unterlagen schätzte das BVL als mangelhaft und unvollständig ein. Bei eigenen Labor-Untersuchungen ermittelte es deutlich höhere Rückstandswerte als der Leverkusener Multi. Auch bei der Abbau-Zeit kamen die WissenschaftlerInnen auf andere Zahlen als der Konzern. Zudem bemängelte das Amt zu alte Sicherheitsdatenblätter und das Fehlen von Material aus bundesdeutschen Feldversuchen zur Rückstandsbewertung. Das Risiko, dass sich die Rote Wurzelfäule und andere Pilz-Arten bald auf die Wirkstoffe einstellen und Resistenzen herausbilden könnten, schätzte es „beim Fosetyl gering, beim Fenamidone hingegen hoch“ ein. Überdies hatte der Agro-Riese dem Bundesamt zufolge eine viel zu hohe Dosierung empfohlen. Erst durch das Nachreichen von Dokumenten hat der Global Player dann grünes Licht für fast alle der beantragten Anwendungsgebiete erhalten.

Neues Reis-Herbizid
„Mit der Entdeckung der herbiziden Wirkung bestimmter Sulfonylharnstoff-Verbindungen (...) erfolgte ein Quantensprung in der chemischen Unkrautbekämpfung“, hielt noch 2012 eine vom staatlichen Julius-Kühn-Forschungsinstitut für Kulturpflanzen veranstaltete Konferenz fest, an der auch ein Vertreter des Leverkusener Multis teilnahm. Inzwischen ist der Ruhm der 1985 auf Sulfonylharnstoff-Basis eingeführten Stoffe allerdings verblasst. So trotzen etwa auf den Reisfeldern immer mehr Wildpflanzen den BAYER-Mitteln RAFT (Wirkstoff: Oxadiargyl), TOPSTAR (Oxadiargyl), SUNRICE (Ethoxysulfuron), WHIP SUPER (Fenoxaprop-p-ethyl) und RICESTAR (Fenoxaprop-p-ethyl). Doch der Agro-Riese will nun Abhilfe schaffen und vermarktet für Reis-Kulturen mit COUNCIL COMPLETE ein neues Produkt. In Südkorea schon zugelassen, erwartet der Konzern in Kürze weitere Genehmigungen in asiatischen Ländern für das Mittel mit den Ingredienzien Triafamone und Tefuryltrione. „Tefuryltrione bekämpft sehr effektiv Unkräuter, die gegen Herbizide aus der chemischen Klasse der Sulfonylharnstoffe resistent sind und sich auf den südkoreanischen Reisfeldern zunehmend ausbreiten“, verspricht der Konzern.

BAYER erforscht Resistenzen
Die oligopol-artigen Strukturen auf dem Agro-Markt schwächen die Innovationskräfte der Branche immens (SWB 1/14). So haben BAYER & Co. seit Dekaden kein neues Anti-Unkrautmittel mehr entwickelt. Die Folge: Schon 238 Wildpflanzen-Arten sind immun gegen die gängigen Chemie-Cocktails geworden. Der Leverkusener Multi räumt das sogar selber ein. „Seit über 25 Jahren hat die weltweite Pflanzenschutz-Industrie kein wirtschaftlich bedeutendes Herbizid mit neuem Wirkmechanismus mehr für Flächenkulturen entwickelt und auf den Markt gebracht – unter anderem eine Folge der Konsolidierung der Industrie, die mit einer deutlichen Reduktion der Forschungsaufwendungen für neue Herbizide einherging“, sagt der BAYER-Forscher Dr. Hermann Stübler. Jetzt will der Global Player seine Anstrengungen in dem Bereich jedoch intensivieren. Er eröffnet in Frankfurt ein Kompetenz-Zentrum für Unkraut-Resistenzen mit 12 Beschäftigen. Bis diese neue Mittel entwickelt haben, dürften allerdings noch einige Jährchen ins Land ziehen, wenn es ihnen denn überhaupt gelingt.

Bio boomt
Die Absatz-Chancen für Pestizide auf biologischer Basis vergrößern sich. ExpertInnen sagen für das Jahr 2020 ein Markt-Potenzial von drei Milliarden Dollar voraus. Darum baut BAYER mit Produkten wie dem Anti-Wurmmittel BIBACT und dem Anti-Pilzmittel CONTANS, dessen komplette Vertriebsrechte für Europa der Konzern sich im Oktober 2014 gesichert hat, das „Bio“-Segment zielstrebig aus. Auch in Forschung & Entwicklung investiert der Agro-Riese. So stehen am Standort West Sacramento schon 100.000 Bakterien-Stämme als Pflanzenschutz-Versuchsobjekte zur Verfügung. Der Leverkusener Multi hebt als Vorteile der Bio-Methode die sehr spezifische und deshalb Resistenz-Bildungen verhindernde Wirkungsweise sowie die flexiblen Einsatzmöglichkeiten bis zum Tag der Ernte hervor. Er will deshalb jedoch seinen Agrogift-Schrank nicht gleich entsorgen; „best of both worlds“ lautet die Devise. „Wir setzen auf integrierte Angebote für Nutzpflanzen. Also auf die Auswahl des passenden Saatguts und die beste Kombination aus chemischen und biologischen Produkten“, so BAYER-Manager Ashish Malik.

Pestizid-Gegnerin angegriffen
Die massive Ausweitung des Soja-Anbaus in Südamerika führt zu einer entsprechenden Ausweitung der Pestizid-Ausbringung – und zu einer Ausweitung der Gesundheitsschädigungen. Im argentinischen Ituzaingó etwa kommt ein Drittel der Neugeborenen mit Missbildungen zu Welt; bei 80 Prozent der BewohnerInnen wiesen WissenschaftlerInnen Rückstände von Agrochemikalien im Blut nach. Viele Wirkstoffe, die auch in BAYER-Mitteln enthalten sind, haben daran einen Anteil, so etwa Glyphosate (GLYPHOS, USTINEX G), und Chlorpyrifos (BLATTANEX, PROFICID und RIDDER). Aber die Betroffenen setzen sich zur Wehr und gründen Initiativen wie die „Mütter von Ituzaingó“. Damit setzen sie sich jedoch Gefahren aus. So wurde die Aktivistin Sofia Gatica überfallen, und als Grund kommt für sie nur ihr aktuelles Engagement gegen eine Saatgut-Aufbereitungsanlage von MONSANTO in Frage.

Mehr Pestizide in Afrika
Auf der Suche nach Absatz-Gebieten ist der Leverkusener Multi in Afrika fündig geworden. Nicht nur mehr Pharmazeutika (siehe ERSTE & DRITTE WELT), sondern auch mehr Pestizide möchte BAYER auf dem Kontinent absetzen – bis 2020 strebt der Agro-Riese eine Umsatz-Verdoppelung an. Deshalb baut er seine Präsenz vor Ort aus. In Angola, der Elfenbeinküste, Nigeria und Tansania will er demnächst Repräsentanzen eröffnen.

PFLANZEN & SAATEN

Neuer Hybrid-Reis mit KAIIMA
BAYER hat eine Zusammenarbeit mit dem israelischen Unternehmen KAIIMA AGRITECH vereinbart, um neue hybride, also nicht zur Wiederaussaat geeignete Reis-Sorten zu kreieren. Dabei kommt die von KAIIMA entwickelte, ohne Gentech-Verfahren auskommende EP-Technologie zum Einsatz, die den Pflanzen zu mehr Robustheit verhelfen soll, indem sie ihren Chromosomen-Satz vervielfacht.

Neuer Hybrid-Raps in Kanada
Der Leverkusener Multi hat in Kanada eine neue Art seines hybriden, also nicht zur Wiederaussaat geeigneten Raps’ der INVIGOR-Produktreihe herausgebracht, den er in Kombination mit seinem Ultragift Glufosinat vermarktet. Die Sorte soll den LandwirtInnen BAYER zufolge eine spätere und deshalb ertragreichere Ernte ermöglichen, weil sie über besonders stabile, dem Regen trotzende Schoten verfügt.

Neuer Weizen in Osteuropa
Im Saatgut-Geschäft des Agro-Riesen bildet Weizen, die am meisten verbreitete Kulturpflanze der Welt, einen Schwerpunkt. Sieben Zuchtstationen unterhält BAYER mittlerweile; zudem kooperiert das Unternehmen mit vielen Weizenforschungsinstituten. Bis 2020 will der Konzern 1,5 Milliarden Euro in Züchtungsprogramme investieren. Spätestens dann soll auch die erste hybride, also nicht zur Wiederaussaat geeignete und deshalb mehr Ertrag versprechende Sorte auf den Markt kommen. Und eine selbstentwickelte konventionelle Weizen-Art bietet der Global Player schon ab diesem Jahr an, vorerst allerdings nur in Osteuropa.

GENE & KLONE

BAYER-Raps kreuzt aus
Die Schweiz erlaubt keinen Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen. Trotzdem entdeckten WissenschaftlerInnen dort Spuren von MS8, RF3 und MS8xRF3 – drei Sorten des BAYER-Genraps’ der INVIGOR-Produktlinie. Die ExpertInnen vermuten, dass die gegen das Ultra-Gift Glufosinat resistente Laborfrucht über den Baseler Rheinhafen mit einer Weizenlieferung aus Kanada in das Land gelangte. Demnach wäre dort ein guter Teil der Weizen-Ernte kontaminiert.

Verunreinigungen durch STARLINK
Zu den Erblasten, die BAYER 2001 mit dem Kauf von AVENTIS CROPSCIENCE übernahm, gehörte der Gen-Mais STARLINK. Dieser hatte ein Jahr zuvor für den ersten großen Gentechnik-Skandal in der Geschichte gesorgt. Obwohl nur in den USA und auch da lediglich als Futtermittel zugelassen, wies die Initiative GENETICALLY ENGINEERED FOOD ALERT (GEFA) Spuren der Laborfrucht in rund 300 Lebensmitteln nach. Allein der Lebensmittel-Konzern KRAFT musste daraufhin 2,5 Mio. Packungen Maismehl-Chips zurückrufen. AVENTIS blieb damals nichts anderes übrig, als die Gen-Pflanze vom Markt zu nehmen. Trotzdem treibt diese immer noch ihr Unwesen. So tauchte STARLINK Ende 2013 in saudi-arabischen Lebensmitteln auf.

Super-Pflanzen, Super-Unkräuter
Die gentechnische Veränderung beschleunigt das Wachstum von Ackerfrüchten. Wenn diese auskreuzen und ihre Eigenschaften auf Unkräuter übertragen, wie es häufig geschieht, gedeihen diese ebenfalls üppiger. Das hat ein US-amerikanisches WissenschaftlerInnen-Team um Allison Snow herausgefunden und in dem Fachjournal New Phytologist publiziert.

Immer mehr Bt-Resistenzen
BAYER & Co. bauen in ihre Laborfrüchte gern das Gift-Gen des Bacillus thuringiensis (Bt) ein, um Schadinsekten zu töten. Der Leverkusener Multi setzt besonders bei SURPASS und anderen Baumwoll-Pflanzen auf den Bazillus. Baumwollkapselbohrer & Co. können sich jedoch immer besser auf ihn einstellen, fünf von 13 Insekten-Arten kann er kaum mehr etwas anhaben. Zu diesem Befund kamen WissenschaftlerInnen des französischen Forschungsinstituts CIRAD und der „University of Arizona“ nach einer Auswertung entsprechender Studien. Brasilianische ForscherInnen von der Universität São Paulo um Juliano Ricardo Farias bestätigten die Resultate. Diese Situation zwingt die LandwirtInnen dazu, zusätzliche Insektizide einzusetzen. Die Behauptung von BAYER & Co., die Gentechnik würde den Pestizid-Verbrauch senken, erweist sich also wieder einmal als falsch.

Indien: Versuche mit Bt-Reis
Die Gentechnik ist in Indien sehr umstritten. Als einzige Laborfrucht darf auf den Äckern bisher die mit dem Insekten-Gift des Bacillus thuringiensis (Bt) bestückte Baumwolle blühen. Vor allem zwischen Landwirtschafts- und Umweltministerium gab es immer wieder Auseinandersetzungen um die Risikotechnologie. Im Dezember 2013 musste jedoch die gentech-kritische Umweltministerin Jayanthi Natarajan ihren Rücktritt erklären. Seither hat sich das umweltpolitische Klima im Land geändert. Die Aufsichtsbehörde GEAC gab grünes Licht für rund 200 Feldversuche mit gentechnisch manipulierten Pflanzen, darunter auch für solche mit Bt-Reis aus dem Hause BAYER. Die Lobby-Organisation ABLE-AG, welcher der Leverkusener Multi, MONSANTO und andere Agro-Riese angehören, bedankte sich in einem Schreiben umgehend für das Entgegenkommen. Das letzte Wort in der Sache ist allerdings noch nicht gesprochen. Dem Obersten Gerichtshof des Landes liegt nämlich immer noch der Antrag zur Entscheidung vor, ein zehnjähriges Moratorium für Freisetzungsversuche zu verhängen.

Mehr Gentech mit CELLECTIS
Der Leverkusener Multi baut seine Kooperation mit dem US-Unternehmen CELLECTIS PLANT SCIENCE auf dem Gebiet der Gentechnik aus. CELLECTIS entwickelt für den Konzern neue Raps-Sorten und gewährt ihm Zugang zu neuen Technologien. Von diesen erwartet sich die BAYER-Forscherin Catherine Feuillet viel: „Sie ermöglichen so präzise Modifikationen des Genoms oder der Gene, dass Veränderungen des gesamten Pflanzen-Genoms vermieden werden.“

Neue Gentech-Baumwolle
In den USA bietet BAYER seit Neuestem sein Baumwoll-Saatgut der FIBERMAX-Produktreihe mit einer kombinierten Insektizid- und Herbizid-Resistenz an. Die Pflanzen trotzen sowohl Glyphosat als auch dem Antiunkraut-Mittel Glufosinat, weshalb die LandwirtInnen die entsprechenden Pestizide gleich im Doppelpack ausbringen können. Und die haben es in sich: Glyphosat steht im Verdacht, das Erbgut zu schädigen und Krankheiten wie Alzheimer, Diabetes und Krebs zu befördern. Glufosinat wirkt ebenfalls reproduktionstoxisch. Zudem ist es imstande, Missbildungen bei Föten zu verursachen, Verhaltensstörungen hervorzurufen und die Entwicklung des Gehirns zu beeinträchtigen. Wegen dieser Risiken und Nebenwirkung muss die Substanz in Europa bis September 2017 vom Markt verschwinden.

Suche nach Signalstoffen
Der Leverkusener Multi hat mit TARGENOMIX, einer Ausgründung des „Max-Planck-Instituts für molekulare Pflanzenphysiologie“ eine Forschungskooperation vereinbart, um die Wirkungsweise von bestimmten Signalstoffen zu ergründen, die für das Gedeihen der Ackerfrüchte wichtig sind. Auf Basis dieser Erkenntnisse hofft der Agro-Riese dann, „innovative Lösungsansätze für den Pflanzenschutz und die Pflanzen-Gesundheit“ gewinnen zu können.

Wieder kein EYLEA-Zusatznutzen
BAYERs zur Therapie der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – zugelassene Augen-Arznei EYLEA (Ticker 2/12) erschließt nicht gerade medizinisches Neuland. In den klinischen Prüfungen gelang es dem Gentech-Medikament mit dem Wirkstoff Aflibercept nicht, das NOVARTIS-Präparat LUCENTIS zu übertrumpfen, was der Leverkusener Multi auch selbst einräumen musste. Laut Konzern zeigte das Pharmazeutikum in Tests lediglich „eine vergleichbare Wirkung (‚Nicht-Unterlegenheit’) gegenüber der Behandlung mit LUCENTIS“. Das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWIG) mag ebenfalls partout keinen Zusatznutzen zu erkennen. Nachdem es schon bei der eigentlichen Makula-Degeneration keinen durch EYLEA bewirkten Therapie-Fortschritt festmachen konnte, gelang ihr das für das Anwendungsgebiet „diabetisches Makula-Ödem“ ebenso wenig. Der Pharma-Riese hat gegen die Entscheidung Einspruch eingelegt.

KOGENATE-Allergien
Gleich zwei Studien bescheinigten BAYERs Blutgerinnungspräparat KOGENATE und dem ebenfalls vom Leverkusener Multi entwickelten, seit geraumer Zeit aber von BEHRING vertriebenem Mittel HEXILATE NEXGEN eine mangelhafte Wirkung. Neue, vorher nicht behandelte Bluter-Patienten reagieren auf diese beiden Gentech-Mittel der zweiten Generation öfter allergisch als auf Blutprodukte der dritten Generation, so der Befund. Für den Bluter-Weltverband „World Federation of Hemophilia“ legt dieses Ergebnis nahe, die Pharmazeutika Menschen mit frisch diagnostizierter Hämophilie lieber nicht zu verschreiben. Die Organisation forderte daher die US-Gesundheitsbehörde FDA auf, die Daten umgehend zu überprüfen. Das europäische FDA-Pendant EMA wies indes BAYER und BEHRING an, auf dem Beipackzettel auf das erhöhte Risiko von Immun-Reaktionen hinzuweisen. Zudem kündigte die Behörde eine Überprüfung der in der Fachzeitschrift Blood veröffentlichten Expertisen an.

Neues KOGENATE
In den 1980er Jahren starben Tausende Hämophile an HIV-verseuchten Blutpräparaten BAYERs, weil das Unternehmen die Pharmazeutika aus Kostengründen keiner Hitze-Behandlung unterzogen hatte, obwohl das verarbeitete Blut auch von Risiko-Gruppen stammte. Ende des Jahrzehnts brachte der Leverkusener Multi dann mit KOGENATE ein Produkt heraus, bei dem gentechnisch manipulierte Zellen das Plasma vervielfältigen, weshalb der Bedarf an Spenderblut drastisch sank. Und nun hat der Konzern für die KOGENATE-Version BAY 81-8973 die Vermarktungsgenehmigung erhalten, die gar keine menschlichen Blut-Bestandteile mehr enthält. Mit Risiken behaftet ist die Arznei dennoch, denn rund ein Drittel der Patienten mit Blutgerinnungsstörungen bildet Antikörper gegen die Mittel heraus und reagiert allergisch auf sie (s. o.). Darüber hinaus will der Leverkusener Multi noch in diesem Jahr den Zulassungsantrag für eine KOGENATE-Variante stellen, bei der sich nur die Darreichungsform ändert. Das Präparat hält sich länger im Körper, weshalb eine Infusion pro Woche reicht.

Engere Kooperation mit VENTANA
Der Leverkusener Multi weitet die Zusammenarbeit mit VENTANA auf dem Gebiet der Krebsforschung aus. Die ROCHE-Tochter soll für BAYER künftig Tests entwickeln, mit denen der Pharma-Riese kontrollieren kann, ob und wie die von ihm entwickelten Antikörper auf Tumor-Zellen wirken.

WASSER, BODEN & LUFT

PCB unter Tage
Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören zu den giftigsten Hervorbringungen der Chlorchemie (SWB 1/14). Die vor allem von BAYER und MONSANTO in Umlauf gebrachten gefährlichen „Alleskönner“ kamen bis zu ihrem vollständigen Verbot 1989 in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben, Ölen, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz – und stellen immer noch ein beträchtliches Risiko dar. So schlummern in alten Bergwerksstollen bis zu 10.000 Tonnen PCB. Unter Tage war die Substanz als derjenige Bestandteil von Hydraulik-Ölen in Verwendung, der für die schwere Entflammbarkeit sorgte. Von den 1985 in der Bundesrepublik verkauften 72.000 Tonnen landete mehr als ein Sechstel im Bergbau. „Wir sind mit dem Zeug umgegangen, als wäre es Milch“, zitiert der Spiegel einen Bergmann. Dementsprechend leiden viele seiner KollegInnen heute an den Spätfolgen und zeigen Vergiftungssymptome wie Haut-, Nieren- und Leberschäden. Als gefährlichen Sondermüll behandelten die Konzerne die Giftbrühe damals nicht. Die RAG beispielsweise vermag für gerade einmal zwei Prozent der zwischen 1979 und 1984 in den Saarbergwerken genutzten Öle Entsorgungsnachweise vorzuweisen. Die Altlasten lagern in Fässern und anderen Behältern, die nicht selten Leckagen aufweisen. Im Erdreich und in den Abwässern der Zechen finden sich ebenfalls PCB-Spuren. Damit nicht genug, könnten die Polychlorierten Biphenyle schon bald ans Tageslicht gelangen. Die RAG will sich nämlich das kostspielige Abpumpen des Grubenwassers sparen und hat deshalb bereits einige Maschinen abgestellt. Deshalb droht das Wasser die Stollen zu fluten, das PCB auszuspülen und ins Grundwasser, in Flüsse und Bäche weiterzuleiten. „Da tickt eine ökologische Zeitbombe“, so Steffen Potel vom BUND. Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat jetzt erst einmal ein Gutachten über die Gefahren in Auftrag gegeben und die RAG angewiesen, keine weiteren Schächte unter Wasser zu setzen, bis das Ergebnis der Studie vorliegt.

Altlast in Krefeld
In Krefeld schlummert unter der 1980 errichteten Siedlung an der Mauritzstraße eine Altlast. In Stichproben-Untersuchungen wiesen GutachterInnen unter anderem Arsen, Blei, Chrom und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAKs) nach. Wegen der hohen Konzentration riet ein Immunologe einem Anwohner sogar, seinen Keller nicht ohne Schutzmaske zu betreten. Der Grund und Boden, auf dem die Häuser entstanden, gehörte der BAYER-Immobiliengesellschaft. Vor Baubeginn hatte sie die Vertiefungen des Areals mit Material aus der nahe gelegenen städtischen Mülldeponie aufgeschüttet, die nicht zuletzt der Chemie-Multi nutzte. „Auch BAYER hat dort abgekippt. Ich habe es als Kind selbst gesehen“, erinnert sich Heike Hoffmann, die Vorsitzende des Bürgervereins Uerdingen. Nach Erschließung des Geländes parzellierte die Konzern-Tochter es und verkaufte nach und nach die einzelnen Grundstücke. Allzu schnell wuchsen die Häuser jedoch nicht. So kam es 1979 und dann noch einmal 1985 zu Unterbrechungen der Arbeiten. „Rita Thiele von den Grünen hat damals für einen Baustopp gesorgt. Wegen der Altlasten im Boden. Dann gab es eine Unbedenklichkeitsbescheinigung von der Stadt und von BAYER“, so der ebenfalls auf verseuchtem Grund und Boden lebende BAYER-Pensioniär Volkmar Sander. Um das Erdreich genauer zu untersuchen, finanziert das Land Nordrhein-Westfalen jetzt den größten Teil einer umfangreichen, 140.000 Euro teuren Studie – den Leverkusener Multi nimmt es dazu nicht in Haftung. Unterdessen melden sich bei den AnwohnerInnen schon Immobilien-SpekulantInnen, die ihre Chance wittern. „Ich habe gehört, dass Sie auf einem Drecksberg sitzen“ – mit diesen Worten wollte ein windiger Geschäftsmann dem ehemaligen BAYER-Werker Eduard Jansen schon sein Haus für den Schnäppchen-Preis von 60.000 Euro abkaufen.

Glyphosat in der Umwelt
Der Pestizid-Wirkstoff Glyphosat kommt hauptsächlich in Kombination mit MONSANTOs Gen-Pflanzen zum Einsatz. Aber auch die Laborfrüchte des Leverkusener Multis verfügen über eingebaute Resistenzen gegen die Substanz. Zudem enthalten BAYERs Ackergifte GLYPHOS und USTINEX G den Stoff. US-amerikanische WissenschaftlerInnen haben jetzt in einer großen Studie untersucht, inwieweit Glyphosat die Umwelt belastet. Das Ergebnis ist alarmierend: In zahlreichen Boden- und Wasserproben wiesen die ForscherInnen die Agro-Chemikalie nach.

GIFTIG, ÄTZEND, EXPLOSIV

BAYER braucht mehr Bisphenol
Das in BAYERs Bitterfelder Chemie-„Park“ ansässige japanische Unternehmen HI-BIS GmbH will die Bisphenol-Produktion verdoppeln und hat deshalb eine neue Fertigungsanlage errichtet. Es kommt damit der steigenden Nachfrage von Seiten des Leverkusener Multis nach, der nicht nur einen 10-Prozent-Anteil an HI-BIS hält, sondern auch als alleiniger Abnehmer der Chemikalie fungiert. Er benötigt sie als Vorprodukt für seinen Kunststoff APEC, der vornehmlich in der Medizin-, Licht- und Elektrotechnik und bei Haushaltsgeräten Verwendung findet. Problematisch ist der Einsatz von Bisphenol, wenn die menschliche Haut in Kontakt mit der Chemikalie kommt, wie das etwa bei Verpackungen für medizinische Geräte der Fall ist. Die Substanz ähnelt in ihrem chemischen Aufbau nämlich Hormonen, was den menschlichen Stoffwechsel durcheinanderbringen und zu Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie zu Herz- und Lebererkrankungen führen kann.

Schärfere Bisphenol-Grenzwerte
Die „Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit“ (EFSA) hat das Gesundheitsrisiko neu untersucht, das von der auch von BAYER verwendeten und in Umlauf gebrachten Industrie-Chemikalie Bisphenol A (s. o.) ausgeht. Sie ermittelte mögliche Beeinträchtigungen der Funktionen von Leber, Nieren sowie Brustdrüsen und empfahl eine Absenkung der noch tolerierbaren täglichen Aufnahmemenge von 50 Mikrogramm um den Faktor 10 auf fünf Mikrogramm. Weil Hinweise auf weitere Gesundheitsgefährdungen durch den Stoff vorliegen, will sie diesen Grenzwert als vorläufigen verstanden wissen. Nach Ansicht des Leverkusener Multi hingegen sind „keine schädlichen Wirkungen nachgewiesen“ bzw. besteht „lediglich ein geringes Gesundheitsrisiko“. „Obwohl es gar keinen Beweis für eine toxische Wirkung“ gebe, hätte die EFSA ihre Entscheidung „in einer äußerst konservativen Herangehensweise“ und „ausschließlich aus Gründen des vorsorgenden Gesundheitsschutzes“ getroffen, moniert der Multi. Die Aussagekraft der Niedrigdosen-Studien, auf welche sich die Behörde bei ihrem Votum stützte, zweifelt der Konzern an. „Niedrigdosis-Effekte sind unter Toxikologen heftig umstritten“, befindet er.

PRODUKTION & SICHERHEIT

Neues Brandschutz-Konzept
Metall-Alkyle wie Triethylalumninium (TEA) oder Trimethylaluminium (TMA) entzünden sich bei Kontakt mit Luft oder Wasser sofort. Tritt der Ernstfall ein, kann deshalb nur Trockenlöschpulver oder Sand zum Einsatz kommen, was die Arbeit der Feuerwehr sehr erschwert. Bei BAYER liegt der letzte große Knall etwas mehr als fünf Jahre zurück. In dem Bergkamener Werk kam es am 5.9.09 zu einer großen Explosion und zwei kleineren Folge-Detonationen. Ausgelöst hatte die Kettenreaktion eine defekte Pumpe, die Metallalkyl-Reste aus einem Container absaugen sollte. Vier Beschäftigte erlitten damals einen Schock und mussten sich einer ärztlichen Behandlung unterziehen. Dass ihnen nicht mehr passiert ist, rechneten Sachverständige später einem „unheimlichen Glück“ zu. Nun will der Leverkusener Multi mehr Sicherheitsvorkehrungen in puncto „Metall-Alkyle“ treffen. Er hat für diese Stoffe, die als Katalysatoren oder zur Beschichtung von Kunststoffe dienen, ein neues Brandschutz-Konzept entwickelt. Um Leckagen zu vermeiden, empfiehlt der Verfasser der Handreichung, der BAYER-Ingenieur Armin Heyn, unter anderem die Lagerung in doppelwandigen Tanks aus Carbon-Stahl. Überdies hält er bei Teilen der Rohrleitungen ständige Schweißnaht-Überprüfungen für unabdingbar. Darüber hinaus sollten die Pipelines über vor Rost schützende Edelstahl-Halter verfügen. Auch dürften nur hermetisch dichte Pumpen zum Einsatz kommen. Zur Gewährleistung des Brandschutzes rät das Konzept-Papier dazu, die Tanks auf Betonsockel zu stellen, was im Falle eines Falles vor einer Unterfeuerung schützt. Zudem schlägt es die Errichtung von Brandschutzwänden zwischen den einzelnen Metallakyl-Behältnissen und eine Raumluft-Überwachung vor.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Brand in Knapsack
Am 21.10.14 kam es in einer Pestizid-Anlage von BAYER zu einem Brand. Der Stoff Methylphosphin trat aus und entzündete sich sofort. Über Kunststoff-Leitungen und Ummantelungen verbreitete sich das Feuer. Eine übelriechende Rauchwolke zog über die nahegelegenen Wohngebiete. Die Feuerwehr schloss eine Gefahr für die Bevölkerung trotzdem umgehend aus, was die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN kritisierte. „Man kann nach einem solchen Vorfall nicht einfach Entwarnung geben. Niemand kennt die genaue Zusammensetzung der Brandgase, der Oxidationsprodukte und den Anteil an nicht verbranntem Methylphosphin. Von daher lassen sich langfristige Gesundheitsschäden der Anwohner nicht mit Sicherheit ausschließen“, erklärte die Coordination.

Natronlauge tritt aus
Am 21.12.14 entwichen aus einer Rohrleitungsanlage des Dormagener BAYER-Werk rund drei Kubikmeter einer 32-prozentigen Natronlauge. Als Ursache für den Austritt der stark ätzend wirkenden Substanz gibt der Leverkusener Multi eine defekte Dichtung an.

Kohlenmonoxid tritt aus
Im Antwerpener BAYER-Werk zerbarst am 16.9.14 ein Teil der Dichtung eines Wärmetauschers. Aus dem Leck treten mit den heißen Prozessgas-Strömen auch rund 150 Kilogramm Kohlenmonoxid aus. Der Leverkusener Multi musste die Anlage mit Stickstoff spülen, um das Entweichen noch größerer Stoffmengen zu verhindern.

2014: Sechs Transport-Unfälle
Für das Jahr 2014 verzeichnet BAYERs Geschäftsbericht sechs Transport-Unfälle. Am 6. Januar geriet in Brasilien ein LKW in einen Unfall und verlor 1.300 Kilogramm MDI-Kunststoff. Am 27.3. entweicht aus einem vom Brunsbütteler Werk kommenden Tankwagen der Kunststoff TDI. Am 13.5 trat in den USA aus einem Laster nach einem Zusammenstoß mit einem PKW Container-Heizflüssigkeit aus. Am 31. Juli starb in den USA ein LKW-Fahrer, als sein Fahrzeug von der Straße abkam und gegen einen Baum prallte. Dabei schleuderte die komplette Ladung Makrolon in einen Graben. Am 6.8. rann in den USA aus einem Transport-Fahrzeug Salzsäure, was eine mehrstündige Straßen-Sperrung nach sich zog. Und am 23.8 kam es in Indien zu einem Unfall, in dessen Folge 8.500 Kilo Polyol ins Freie geriet, das mit Sand und Absorptionsmitteln gebunden werden musste.

2014: Acht Lade-Unfälle
Für das Jahr 2014 verzeichnet BAYERs Geschäftsbericht acht Unfälle, die sich beim Be-, Ent- oder Umladen von Stoffen ereigneten. Am 10.4 liefen in einem US-amerikanischen Werk des Leverkusener Multis aus einem noch unter Druck stehenden Versorgungsschlauch 100 Liter einer Flüssigkeit aus. Am 6.6. trat in Pittsburgh bei der Einlagerung von Propylenoxid eine Leckage auf, aus der die krebserregende und das Erbgut schädigende Flüssigkeit entwich. Am 26.6 ereignete sich am südafrikanischen Standort Nigel beim Umfüllen einer Chemikalie eine Explosion geringeren Grades, eine sogenannten Verpuffung. Am 28.8. kippte in Australien auf einem Container-Ladedock ein Fass mit dem Kunststoff-Produkt Desmodur um und schlug leck; 250 Liter des Stoffes rannen heraus. Am 18.9. wurde im Hafen von Marseille ein Polyol-Container beschädigt, 24 Tonnen der Substanz drangen nach draußen. Am 7.10 gelangten beim Entladen eines Bisphenol-Containers ein bis zwei Kubikmeter der Chemikalie ins Freie. Am 21.11. riss in einer US-amerikanischen Niederlassung der Entlade-Schlauch eines Kunststoff-Behältnisses, woraufhin 190 Liter hinausflossen. Am 15.12. ereignete sich auf dem Gelände einer US-Fabrik des Leverkusener Multis ein Zwischenfall. Beim Umladen des Kunststoffes TDA kam es an einer Pumpendichtung zu einem Defekt, und 150 Liter des Produktes strömten aus.

STANDORTE & PRODUKTION

Mehr Jobs, weniger Steuern?
Wuppertal, Standort von BAYERs Pharma-Produktion, erwägt, die Unternehmen mit Steuer-Anreizen zur Schaffung von Arbeitsplätzen zu bewegen. Das Konzeptpapier „Wuppertal 2025“ sieht vor, den Gewerbesteuer-Satz von 490 auf 475 Prozentpunkte zu senken, falls die Firmen es schaffen, 5.000 neue Jobs einzurichten. Die „Industrie- und Handelskammer“ (IHK) zeigt sich allerdings nur wenig begeistert von der Idee. Ihrer Ansicht nach müsste vielmehr die Stadt in Vorleistung treten. „Sie sollte ein elementares Interesse daran haben, im Wettbewerb der Kommunen untereinander eine gute Position einzunehmen, was den Standort betrifft – und ohne Konditionen günstige Rahmenbedingungen anbieten“, so IHK-Geschäftsführer Uwe Mensch.

Mehr Salzsäure aus Wuppertal
BAYER erweitert am Standort Wuppertal eine Anlage, welche die bei der Kunststoff-Produktion anfallende Salzsäure aufbereitet, zwischenlagert und transportfertig macht.

Leerstand in Brunsbüttel
Die vielen Verkäufe von Teilgesellschaften haben den Flächenbedarf des Leverkusener Multis beträchtlich schrumpfen lassen. Um die Areale trotzdem auszunutzen,

Strafanzeige

CBG Redaktion

Für Nachfragen: die Staatsanwaltschaft Köln hat das Verfahren eröffnet, Aktenzeichen: 117 UJs 1/15

Presse Information vom 22. Dezember 2014

BAYER: unlautere Medikamenten-Werbung in sozialen Medien

Coordination gegen BAYER-Gefahren reicht Strafanzeige ein

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) hat heute bei der Staatsanwaltschaft Köln Strafanzeige eingereicht. Die CBG wirft dem BAYER-Konzern vor, unlautere Medikamenten-Werbung in sozialen Netzwerken zu betreiben.

Nach Recherchen des Magazins DATUM hat die österreichische PR-Agentur Mhoch3 über Jahre hinweg hunderttausende Postings in Onlineforen platziert. Dutzende Belegschaftsangehörige schufen hierfür Hunderte falscher Identitäten und machten im Netz Schleichwerbung für Autos, Fotoapparate, Glücksspiele oder neue CDs. Der BAYER-Konzern beauftragte Werbung für das Flohmittel Advantix und die Hormonspirale Mirena, obwohl Reklame für verschreibungspflichtige Präparate nur in Fachzeitschriften erlaubt ist.

Philipp Mimkes vom Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Wir dürfen nicht zulassen, dass Pharmahersteller wie BAYER die Risiken von Medikamenten verharmlosen und schamlos die öffentliche Diskussion manipulieren. Wenn eine einzelne Agentur jährlich hunderttausend Postings schalten kann, müssen wir davon ausgehen, dass ein großer Teil der online-Kommentare gefälscht ist. Gesetzgeber und Gerichte müssen die systematische Unterwanderung des internets daher dringend stoppen.“

Rechtsanwalt Sven Forst, der die Anzeige im Auftrag der CBG verfasst hat, ergänzt: „Wenn die Vorwürfe zutreffen, ist zu prüfen, ob dadurch Straftatbestände oder Ordnungswidrigkeitentatbestände erfüllt wurden. So könnten beispielsweise Verstöße gegen das Heilmittelwerbegesetz vorliegen.“

Obwohl für Mirena Berichte über teils schwerwiegende Nebenwirkungen vorliegen, veröffentlichte die Agentur Postings im Tonfall hilfsbereiter Freundinnen: „also ich hab mir vor einem jahr die hormonspirale mirena einsetzen lassen und ich muss sagen, dass ich sehr zufrieden damit bin. hatte am anfang angst vor dem einsezten, doch das war halb so schlimm“ oder: „Ich habe mir die Mirena einsetzen lassen, ist ebenfalls eine hormonspirale und damit hatte mein Frauenarzt sehr gute Erfahrungen bereits gemacht (…) – das kann ich voll empfehlen“. Die Rechtschreibfehler sollten Authentizität suggerieren.

Die gefakten Kommentare finden sich auf Plattformen wie YouTube, Facebook, GuteFrage.net sowie Nachrichtenseiten wie Spiegel.de und Focus.de. In den Postings ist keinerlei Hinweis auf die PR-Agentur oder deren Auftraggeber zu finden. Zur Aufgabe der Agentur gehörte es auch, Einträge bei wikipedia zu frisieren.

Der BAYER-Konzern gibt pro Jahr rund zehn Milliarden Euro für Werbung und Vertrieb aus. Hierunter fällt der gesamte Graubereich des Pharma-Marketings: Medikamenten-Proben für Praxen und Krankenhäuser; Anwendungs-Studien, deren Ergebnisse meist in der Schublade verschwinden; Finanzierung von Fortbildungen und Ärzte-Kongressen; die Arbeit tausender Pharma-ReferentInnen; Spenden an medizinische Fachgesellschaften und Lobbyverbände etc. Eine Aufschlüsselung der gewaltigen Marketing-Ausgaben lehnt der Konzern ab.

In den vergangenen Jahren verlagerte BAYER immer mehr Marketing-Aktivitäten in das Internet. So betreibt das Leverkusener Unternehmen eigene Webseiten wie pille.com oder testosteron.de, die es als „Informationsangebote“ tarnt. Auch hierdurch soll das Werbeverbot für Medikamente umgangen werden.

weitere Informationen:
=> Artikel „Die Netzflüsterer“: http://www.datum.at/artikel/die-netzfluesterer
=> BAYER verschleiert Marketing-Ausgaben
=> Pharmamarketing bei BAYER
=> Social Marketing bei BAYER
=> Informationen zu Mirena

Xarelto

CBG Redaktion

Das Darmstädter Echo berichtet heute über Leberschäden durch den Gerinnungshemmer Xarelto. Anders als in dem Text dargestellt, treten solche Schädigungen häufig auf. So erhielt die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) in den ersten zehn Monaten des Jahres 2013 rund 320 diesbezügliche Meldungen. Sieben tödliche Verläufe waren darunter und 26 Fälle von Leberversagen.

Schwere Schäden nach Tablettengabe

Nach der Einnahme von „Xarelto“ erlitt Cevriye Yilmaz ein Leberversagen – Klage gegen Hausarzt

18. Dezember 2014 -- Wenn sich Cevriye Yilmaz Fotos von ihrem Klinikaufenthalt anschaut, ist sie immer noch geschockt. „Ich bin froh, dass ich noch lebe“, sagt die 39 Jahre alte Darmstädterin. Tagelang hat sie im Koma gelegen wegen akuten Leberversagens, mit den Folgeschäden an Leber und Lunge kämpft sie bis heute: Die Einzelhandelskauffrau ist zu 60 Prozent behindert und muss mit ihrem Sohn von einer Erwerbsminderungsrente leben.
Wer die Hauptschuld an ihrer Misere trägt, ist für die Darmstädterin klar: ihr Hausarzt. Er habe ihr ein relativ neues Medikament verschrieben und, so klagt sie, nach dem Einsetzen schwerwiegender Nebenwirkungen nicht angemessen reagiert. „Er hat mich zerstört, meine Gesundheit, meine Psyche, meine Zukunft.“
Yilmaz' Rückblick: Nach einer Knieoperation Anfang 2013 bot ihr der langjähriger Hausarzt statt der üblichen Thrombose-Spritzen das Blutverdünnungsmittel „Xarelto“ in Tablettenform an. „Über die Nebenwirkungen klärte er mich nicht auf“, betont die Patientin, das könne eine sie begleitende Freundin bezeugen. „Da ich schon einige Jahre seine Patientin war, vertraute ich ihm.“

Bauchschmerzen und Übelkeit
Dann ging es ihr sehr schlecht: Sie fühlte sich schwach, litt unter Bauchschmerzen, Übelkeit. Mehrmals suchte sie ihren Hausarzt auf, der ihr etwas gegen die Übelkeit verschrieb. Doch ihr Zustand verschlechterte sich weiter – auch, nachdem sie in Absprache mit ihm „Xarelto“ nach einigen Tagen absetzte.
Am 18. Februar 2013 suchte sie ein letztes Mal seine Praxis auf. Er habe sie nur abgetastet und gesagt, sie habe eine Darmblutung und solle ein Abführmittel gegen die Verstopfung nehmen. Dann müsse es besser werden.
„Es war leider nicht so“, sagt Yilmaz. Als sie am Tag danach in der Praxis anrief, habe der Arzt ihr nur ausrichten lassen, sie solle weiter abführen. Sechs Tage später fand sie sich mit akutem Leberversagen im Krankenhaus wieder, wo sie zwei Monate lang bleiben musste.
Cevriye Yilmaz ist sich sicher, dass „Xarelto“ sie krank gemacht hat. Dabei stützt sie sich auf mehrere Krankenhausberichte, die einen Zusammenhang mit der Einnahme des Bayer-Medikaments als denkbar erklären. Dass das Mittel besondere Risiken birgt, ist bekannt (dazu „Hintergrund“).
Doch wie ihr Hausarzt betont, gibt es bislang keinen einzigen dokumentierten Fall von Leberversagen in Verbindung mit „Xarelto“. Die wenigsten Patienten hätten Probleme damit. Also verschreibt er es weiterhin, wie er dem ECHO mitteilt. Er räumt ein, dass er im angespannten Praxisalltag über alle Risiken gar nicht aufklären könne und stattdessen auf den Beipackzettel verweise.
Doch Yilmaz wirft ihm auch nicht in erster Linie vor, dass er ihr „Xarelto“ verschrieben hat. „Ich werfe ihm vor, dass er nicht rechtzeitig reagiert hat.“ Er hätte weitere Schritte einleiten müssen, als sich ihr Zustand zunehmend verschlechterte. Die Situation sei nicht so bedenklich gewesen, dass andere Schritte hätten eingeleitet werden müssen, sagt der Hausarzt.
Cevriye Yilmaz hat sich unter anderem an die Gutachter- und Schlichtungsstelle der Landesärztekammer Hessen gewandt, doch Recht bekam sie nur bedingt. Zwar betonen die Gutachter, der Verordner dieses Präparats müsse besondere Vorsicht walten lassen und über Risiken aufklären. Ein erhöhtes Risiko zur Leberschädigung durch „Xarelto“ sei aber nicht bekannt.
Eine Darmblutung allerdings, so räumen die Gutachter ein, hätte als hochgefährliches Ereignis eine sofortige Einweisung notwendig gemacht. Doch glauben sie den Angaben des Hausarztes, er habe nie von einer solchen gesprochen. Yilmaz aber bleibt dabei, dass sie dafür eine Zeugin habe.
Wiegt das Wort des Arztes mehr? Die Landesärztekammer teilt auf ECHO-Anfrage mit: Wenn Aussage gegen Aussage steht, gilt, was in der ärztlichen Dokumentation steht.
„In dubio pro Kammermitglied“, kommentiert das Yilmaz‘ Anwalt Thomas Löw, den sie mit der Sache betraut hat. Auch für ihn ist klar: Der Hausarzt hat sie weder ausreichend aufgeklärt noch untersucht, als es zu Komplikationen kam. „Aber wir können nicht nachweisen, dass es ,Xarelto‘ allein war.“ Es sei kein weiterer Fall mit entsprechendem Beschwerdebild bekannt.
Cevriye Yilmaz ruft deswegen andere Patienten mit ähnlichen Erfahrungen auf, sich zu melden. „Ich kämpfe um mein Recht.“ Aber eines ist ihr mindestens genau so wichtig: „Dass mit mehr Achtsamkeit vorgegangen wird, wenn Ärzte Medikamente verschreiben.“ Schließlich gehe es um Menschenleben.

Xarelto: Umstrittenes Blutverdünnungsmittel von Bayer mit besonderen Risiken

Das Blutverdünnungsmittel Xarelto des Pharmakonzerns Bayer ist seit 2008 auf dem Markt und nicht unumstritten. So berichteten voriges Jahr Medien über zunehmende Meldungen unerwünschter Nebenwirkungen und Todesfälle im Zusammenhang mit der Einnahme des Präparats beim zuständigen „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM). Dort seien allein 2012 insgesamt 750 Verdachtsfälle registriert worden, darunter 58 Todesfälle – Tendenz steigend.

BfArM-Pressesprecher Maik Pommer bestätigt das auf ECHO-Anfrage. Doch müsse man diese Zahlen in Zusammenhang damit sehen, dass auch die Verordnungen rasant nach oben geschnellt seien. Während heute 30 mal mehr Patienten Xarelto einnähmen, habe sich die Zahl der Verdachtsmeldungen verdoppelt.

Er betont, ein Zusammenhang zwischen dem Medikament und Todesfällen sei nicht nachweisbar. Dennoch gingen von Xarelto besondere Risiken aus, die in der Vergangenheit von Ärzten teils nicht ausreichend beachtet und kommuniziert worden seien. Deswegen hat das Bundesinstitut vorigen September eine Extra-Information an Ärzte ausgegeben. Darin wird unterstrichen, dass es ein erhöhtes Blutungsrisiko gibt – auch deshalb, weil es im Gegensatz zu vergleichbaren anderen Präparaten wie Marcumar dafür noch kein Gegenmittel gibt.

Warum wird so ein risikoträchtiger Wirkstoff überhaupt zugelassen? „Wenn ein Arzneimittel ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis hat, muss es zugelassen werden“, erläutert Pommer. Nebenwirkungen gebe es immer, auch bei anderen vergleichbaren Mitteln.

„Marcumar ist sicher nicht ideal, auch da gibt es Todesfälle“, befindet Philipp Mimkes vom Netzwerk „Coordination gegen Bayer-Gefahren“. Doch im Gegensatz zu Xarelto seien etwaige Blutungen da stoppbar.

Überhaupt sei einiges dubios in Zusammenhang mit der Einführung des neuen Wirkstoffs: Studien des Herstellers seien mangelhaft und manipuliert worden, weswegen das Mittel in den USA nicht zugelassen sei. Gleichzeitig fahre Bayer eine aggressive Marketingstrategie und bedränge Ärzte. „Die Verschreibungszahlen gehen in die Hunderttausende.“ So zählt Xarelto längst zu den Kassenschlagern des Pharmariesen Bayer.

ausführliche Informationen zu Xarelto

[Antwerpen] Ausgliederung MaterialScience

CBG Redaktion

Presse Information vom 12. Dezember 2014

Ausgliederung von BAYER MaterialScience:

Belegschaft in Antwerpen fordert Gleichbehandlung

Die Belegschaft von BAYER MaterialScience im belgischen Antwerpen fordert eine Gleichstellung mit den deutschen Beschäftigten. Die von der Gewerkschaft ausgehandelte Arbeitsplatz-Garantie bis 2020 gilt bislang nur für die deutschen Mitarbeiter/innen. Deswegen beteiligen sich die Antwerpener Mitarbeiter an den landesweiten Streiks am 15. Dezember.

Fotos von Streikposten am BAYER-Werk Antwerpen am 15. Dez.

Die im Oktober beschlossene Ausgliederung der Kunststoff-Sparte BAYER MaterialScience (BMS) droht zu Lasten der ausländischen Beschäftigten zu gehen. Die von der IG BCE ausgehandelte fünfjährige Arbeitsplatzgarantie gilt bislang nur für die deutschen Standorte.

In Antwerpen, einem der größten ausländischen BMS-Standorte, wurden die jüngsten Verhandlungen ohne Ergebnis abgebrochen. Levi Sollie, Vertrauensmann der Gewerkschaft Algemeen Belgisch Vakverbond (ABVV): „Wir fordern eine Jobgarantie, so wie sie die deutsche Belegschaft erhalten hat. In den zwölfstündigen Gesprächen mit der Werksleitung wurde uns jedoch kein ernsthaftes Angebot unterbreitet. Zwar wollte BAYER einen Bestand der Arbeitsplätze bis 2020 zusichern, allerdings hätte die Vereinbarung einen ´Solidarbeitrag der Belegschaft` beinhalten sollen. Auch hätte die Vereinbarung nicht für die Mitarbeiter der Verwaltung – immerhin 200 der 840 Mitarbeiter – gegolten.“ Die Belegschaft wird sich daher an dem landesweiten Streik am Montag beteiligen.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) befürchtet eine Parzellierung von BAYER MaterialScience, die Vernichtung von Arbeitsplätzen und eine Absenkung der Löhne - so wie bei der Ausgliederungen der Chemie-Sparte Lanxess geschehen. Die CBG fordert den BAYER-Vorstand auf, die Kunststoffsparte nur an einen Investor zu verkaufen, der den Bestand der Arbeitsplätze weltweit garantiert.

Material Science hatte stets in der Gewinnzone gelegen, dennoch forderten Investoren seit Jahren eine Abspaltung. Um die Kunststoff-Sparte im Unternehmen zu halten, waren der Belegschaft in den vergangenen Jahren zahlreiche Zugeständnisse abverlangt worden. So hatte BAYER mittels mehrerer „Effizienz-Programme“ über 2.000 Arbeitsplätze vernichtet, Werke geschlossen und Bonus-Zahlungen gestrichen.

Levi Sollie abschließend: „BAYER hat die Verantwortung, unsere Löhne und Arbeitsbedingungen für die kommenden Jahre zu garantieren. Im März 2015 wird das Antwerpener BAYER-Werk seinen 50. Geburtstag begehen - den meisten Arbeitern ist aber nicht nach Feiern zu Mute.“

Patente

CBG Redaktion

Presse Info vom 12. Dezember 2014

Indien: Supreme Court weist Patentklage von BAYER ab

Urteil macht Weg für bezahlbare Medikamente frei / weltweite Signalwirkung / Indien „Apotheke der Armen“

Die Firma BAYER hat im Patentstreit um das Krebsmittels Nexavar eine letztinstanzliche Niederlage erlitten. Der Oberste Gerichtshof in Delhi bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen und ließ eine Zwangslizenz für den Generikahersteller Natco Pharma in Kraft. BAYER hatte das Präparat zum Vielfachen eines indischen Jahreslohns angeboten und dadurch rund 98% der Betroffenen von einer Behandlung ausgeschlossen.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren begrüßt das Urteil: „Große Pharmahersteller können mit Hilfe von Patenten wahre Mondpreise verlangen. Die öffentliche Gesundheitsvorsorge muss jedoch Vorrang haben gegenüber monopolistischen Profiten der Produzenten. Denn für Patienten in armen Ländern sind Patente oftmals eine Frage von Leben und Tod.“

Bis in die 70er Jahre hatten auch westliche Länder Patente auf Medikamente nur teilweise akzeptiert, um die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung zu sichern. „Da Indien der weltweit wichtigste Lieferant für günstige Pharmazeutika ist, hätte ein Erfolg von BAYER schwerwiegende Folgen für die Gesundheitsversorgung in ärmeren Ländern gehabt. Die Rechtfertigung der Industrie, nur mit hohen Einnahmen ließe sich die Entwicklung neuer Präparate finanzieren, geht dabei an der Realität vorbei: Mehr als doppelt so viel wie für die Forschung geben BAYER und Co. für Werbung und Marketing aus“, so Mimkes weiter.

Einen seltenen – und verstörenden - Einblick in die Denkweise der Pharmaindustrie hatte Marijn Dekkers, Vorstandsvorsitzender von BAYER, auf einer Podiumsdiskussion im Dezember 2013 gewährt: „Wir haben dieses Medikament nicht für den indischen Markt entwickelt, um ehrlich zu sein. Wir haben es für Patienten im Westen entwickelt, die es sich leisten können“. Natco Pharma verkauft das Medikament in Indien nun zu einem um 97 Prozent niedrigeren Preis. Natco zahlt dafür eine Lizenzgebühr in Höhe von sechs Prozent der Verkaufserlöse an BAYER.

Gesundheitsinitiativen aus Indien und Deutschland, darunter Health Action International, das indische Peoples Health Movement, Ärzte ohne Grenzen, die Coordination gegen BAYER-Gefahren, die BUKO Pharma-Kampagne, der Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte und medico international, hatten BAYER wiederholt aufgefordert, die Klage zurückzuziehen. Vertreter der Initiativen hatten auch mehrfach Gegenanträge zur BAYER-Hauptversammlung eingereicht.

ausführliche Informationen zur Kampagne

Lobbyismus

CBG Redaktion

11. Dezember 2014

BAYER: Glühwein für Mitarbeiter im Bundestag

CBG kritisiert Lobbyismus / Flugblätter verteilt

Heute organisierte BAYER für die MitarbeiterInnen der Abgeordneten im Bundestag einen Weihnachtsempfang mit Live-Musik. Unterstützer der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) nutzten den Termin, um ein Flugblatt zum Lobbyismus des Konzerns bezüglich des Freihandelsabkommens TTIP zu verteilen. BAYER will mit Hilfe von TTIP die Grenzwerte für Pestizide und gentechnisch manipuliertes Saatgut aufweichen.

Allein in Berlin treiben rund 5.000 Lobbyisten ihr Unwesen. Kein Wunder, dass bei Klimaschutz, Massentierhaltung oder Bankenregulierung fast ausschließlich die Interessen der Industrie berücksichtigt werden.

In der Veranstaltung selbst fiel kein einziger kritischer Satz, nicht einmal zur Firmengeschichte. Auf die Frage der CBG-Unterstützer, wo denn das Geld für das kulturelle Engagement herkomme - dieses ginge wohl auf Kosten von Natur und Gesellschaft, zum Beispiel indem sich der Konzern für TTIP oder lasche Pestizidstandards einsetze – ging der Referent nicht ein. Heute solle es nur um die Kultur gehen…

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GenRaps

CBG Redaktion

11. Dezember 2014, Informationsdienst Gentechnik

Gentechnik-Raps von Bayer in der Schweiz entdeckt

Dass in der Schweiz Gentechnik-Raps wächst, der beim Transport verloren gegangen ist, ist schon länger bekannt. Nun wurden die Fundorte erneut untersucht: dabei wurde nicht nur festgestellt, dass sich der Monsanto-Raps GT73 weiter ausbreitet. Erstmals, so die Experten, sei auch in Kanada und den USA angebauter Raps des Bayer-Konzerns entdeckt worden.
Neben GT73, der bereits 2011 auf dem Gelände des Rheinhafens in Basel gefunden worden war, nun aber auch an einem weiteren Ort festgestellt wurde, haben die Mitarbeiter des Biosicherheitslabors des Kantons Basel-Stadt verwilderte Gentechnik-Rapspflanzen der Linien MS8, RF3 und der Kombination MS8xRF3 ausgemacht. Diese stammen von Bayer Cropscience, das Saatgut wird unter dem Namen „InVigor“ auf dem nordamerikanischen Markt verkauft. Mittels Gentechnik wurden sie immun gegen das Spritzmittel Glufosinat („Liberty“) gemacht, das in der EU wegen Gesundheitsrisiken nur noch sehr eingeschränkt genutzt werden darf.
Die Experten nahmen letztes Jahr mehrere Proben und untersuchten diese im Labor auf Merkmale der gentechnischen Veränderungen. Die Ergebnisse veröffentlichten sie im Fachjournal Plos One. Zwar gebe es keine Hinweise darauf, dass das künstlich eingebrachte Genmaterial auf natürliche Verwandte wie die Wilde Rauke übergesprungen ist. Bei zwei nicht-genmodifizierten Rapspflanzen sei das aber passiert – ihre Samen enthielten die spezifischen Gen-Sequenzen des Monsanto-Rapses GT73.
In der Schweiz wurde bislang kein Gentechnik-Raps angebaut oder im Land verarbeitet. Die Rohware aus Übersee wird jedoch am Rhein von Schiffen auf Güterzüge oder LKW umgeladen – dabei können Samenkörner verloren gehen, insbesondere beim besonders leichten Raps. Das aber nicht nur beim Import von Raps, der anschließend in andere europäische Länder transportiert wird. Die Mitarbeiter des Biosicherheitslabors halten es für „wahrscheinlich“, dass der Gentech-Raps über Weizenlieferungen eingeschleppt wurde. Denn die Schweiz habe zwischen 2010 und 2012 fast 250.000 Tonnen Getreide aus Kanada bezogen. Auf den dortigen Äckern folge Weizen häufig auf Raps – und Raps ist in Kanada fast immer gentechnisch verändert. Übrig gebliebene Rapspflanzen können dann die Weizenernte kontaminieren. Diese Annahme müsse aber noch bestätigt werden, heißt es.

[Luedenscheid] Carl Duisberg

CBG Redaktion

Presse Info vom 9. Dezember

Duisbergweg in Lüdenscheid wird umbenannt

ehem. BAYER-Chef für Zwangsarbeit und Giftgas verantwortlich

Die Stadt Lüdenscheid hat beschlossen, eine nach dem ehemaligen BAYER-Generaldirektor Carl Duisberg benannte Straße umzubenennen. In der gestrigen Sitzung des Stadtrats stimmten alle Fraktionen einem entsprechenden Antrag zu (die einzige Gegenstimme kam vom Vertreter der NPD). Erst vor zwei Wochen war in Dortmund die Umbenennung der dortigen Carl-Duisberg-Straße beschlossen worden.

Das Lüdenscheider Stadtarchiv hatte zur Sitzung einen Bericht zum Leben Duisbergs vorgelegt. Hierin heißt es unter anderem:

=> Während des Ersten Weltkriegs wurde unter Duisbergs Vorsitz bei Bayer Giftgas für den Kriegseinsatz produziert. Abfallprodukte der Chemischen Industrie, die mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten kämpfte, dienten als Rohstoffe. In Leverkusen war das u. a. Phosgen, ein Gas, das besonders grausam wirkt.

=> Duisberg gehörte zu den führenden deutschen Industriellen, die während des Krieges die gewaltsame Deportation belgischer Zivilisten zur Zwangsarbeit nach Deutschland durchsetzten. Dieses Vorgehen stellte auch nach damaliger Rechtsauffassung eindeutig einen Bruch des Kriegs- und Völkerrechtes dar

=> Duisberg hatte beste Kontakte zur OHL und war maßgeblich an der Ausarbeitung des sogenannten „Hindenburg-Programms“ beteiligt, dem Wirtschafts- und Rüstungsprogramm der Dritten OHL von 1916, das die Fokussierung der gesamten Wirtschaft auf die Rüstungsproduktion vorsah.

=> Die Einführung der 8h-Schicht für die Arbeiter der Bayer AG und die Einführung von Sozialversorgungssystemen (zunächst v.a. für die Verwaltungsmitarbeiter und Ingenieure der Firma), die ebenfalls als Verdienste angeführt werden, hatten jedoch weniger mit Duisbergs Wohlwollen gegenüber seinen Angestellten und Arbeitern zu tun, als vielmehr mit seinem Bestreben, den Einfluss der Gewerkschaften zu eliminieren, die er Zeit seines Lebens rigoros ablehnte.

=> Seine grundsätzlich positive Haltung zur Politik der Nationalsozialisten – spätestens seit Übernahme der Macht durch diese – wird deutlich aus einem Brief an den Kölner OB Dr. Günter Riesen vom 16.10.1933, zwei Jahre vor seinem Tod:
„Zeit meines Lebens habe ich dem Führerprinzip gehuldigt und mich stets zu dem Grundsatz bekannt ‚Geführt muss werden’ und so hoffe und wünsche ich, dass unter der zielbewussten Führung unserer bewährten Kämpen Hindenburg und Hitler unsereneue Regierung innen- und außenpolitisch von Erfolg zu Erfolg schreitet und es ihr glücken möge, durch straffe und unentwegte Schulung unseres Nachwuchses die Kräfte heranzuziehen und auszusondern, die durch Höchstleistungen (…) unter Beweis stellen, dass sie ein Anrecht auf Führerschaft besitzen. Nur auf diesem Wege wird unser geliebtes Vaterland den ihm gebührenden Platz an der Sonne unter den Nationen wieder erlangen und die unserem Volke durch Verleumdung und Lüge genommene Achtung unter den Kulturvölkern wieder erzwingen.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert, die noch verbleibenden Carl-Duisberg-Straßen, unter anderem in Frankfurt, Bonn, Krefeld, Leverkusen und Dormagen, sowie das Wuppertaler Duisberg-Gymnasium nun umzubenennen.

=> Weitere Infos zur Kampagne

=> Die vollständige Stellungnahme des Stadtarchivs

4. Dezember 2014, Meinerzhagener Zeitung

Der „Duisbergweg“ soll aus dem Stadtbild verschwinden

Lüdenscheid - Der Straßenname „Duisbergweg“ soll aus dem Stadtbild verschwinden. Die politische Mehrheit dafür ist vorhanden. Am Montag steht das Thema auf der Tagesordnung des Rats (17 Uhr, Ratssaal).

Die Initiative geht zurück auf eine Antrag der Alternative für Lüdenscheid. Die Ampel-Mehrheit im Rat aus SPD, Grünen und FDP trage die Überlegung mit, sagte gestern für die SPD Fraktionschef Jens Voß nach Abstimmung auch mit den Ampelpartnern.
Für die Neubenennung der Straße zwischen Liebig- und Humboldtstraße sollten die Anwohner gebeten werden, entsprechende Vorschläge zu machen. Ein solchen Auftrag werde die SPD an die Verwaltung geben. „Bei einem solchen Verfahren sollte man die Anwohner einbeziehen“, so Voß. Im vorderen Teil der Straße liegen Eigentumswohnungen. Größere Anlieger, die sich dann ebenfalls auf eine Adressänderung einstellen müssten, sind die Agentur für Arbeit und die Arbeiterwohfahrt samt Kita und Mehrgenerationenhaus.

„Gemeinstes Zeug, das ich kenne“
Der Entscheidung zugrunde liegt eine historische Einordnung des Namensgebers Friedrich Carl Duisberg (geb. 29.9.1861 in Barmen, † 19.3.1935 Leverkusen) durch das Stadtarchiv. Duisbergs Wirken zeige durchaus positive Facetten. „Ohne Duisberg würden (Bayer) Werk und Stadt Leverkusen heute so nicht existieren“, bescheinigt ihm Stadtarchivar Tim Begler. Doch der Spitzenmanager der Chemiebranche zeichnet ebenso verantwortlich für die Produktion von Giftgas, für dessen Herstellung Abfallprodukte aus der Produktion verwendet werden konnten, unter anderem das grausam wirkende Phosgen. Duisberg setzte sich bei der Heeresleitung direkt für die Erprobung des Kampfstoffs ein („...das gemeinste Zeug, das ich kenne...“) und dafür, „die Gelegenheit dieses Krieges nicht vorübergehen zu lassen“.

CDU: Hinweis auf belgische Garnison
„Wir würden uns nicht verschließen“, macht auch CDU-Fraktionschef Oliver Fröhling im Rat angesichts der gestrebten Namensänderung deutlich. Aus den Reihen der Fraktion gebe es bereits auch Ideen zur Benennung der Straße. Die könnte nach dem belgischen König Baudouin benannt werden in Erinnerung an das deutsch-belgische Miteinander zur Zeit des in Lüdenscheid stationierten Militärs. Auch ein Standortkommandeur könnte Namensgeber sein, so die Überlegung. Von Florian Hesse

ausführliche Infos zu Duisberg

TDI Dormagen

CBG Redaktion

Presse Information vom 9. Dezember 2014

Neue TDI-Anlage: Umweltverbände bekräftigen Kritik

Der Bund für Umwelt und Naturschutz NRW und die Coordination gegen BAYER-Gefahren erneuern ihre Kritik an der TDI-Produktion in Dormagen. Die Anlage wird heute im Beisein von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und BAYER-Chef Marijn Dekkers eröffnet.

In Dormagen wird heute eine Anlage zur Produktion von Toluylen-Diisocyanat (TDI) mit einer Jahreskapazität von 300.000 Tonnen eröffnet. Die Chemikalie dient als Vorprodukt für Polyurethan-Weichschäume, die zum Beispiel in Autositzen und Matratzen verwendet werden.

Hierzu erklärt Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG): „Die TDI-Produktion ist ein Sinnbild für den Irrweg der Chlorchemie: Bei der Herstellung kommen hochtoxische Stoffe wie Phosgen und Kohlenmonoxid zum Einsatz, auch sind die Verfahren extrem energieaufwendig. Da die Stoffe nicht verrotten, landen sie mittelfristig auf Deponien oder als Plastikmüll im Meer. Wir benötigen dringend einen Umstieg auf erneuerbare Rohstoffe, biologisch abbaubare Endprodukte und eine ressourcen-schonende Wirtschaft“.

Angelika Horster vom nordrhein-westfälischen Landesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND NRW) ergänzt: „Das Credo der Industrie lautet Wachstum. Dieses Wachstum geht stets mit zusätzlichen Emissionen und Ressourcenverbrauch einher. So auch in diesem Fall: die geringe Effizienzsteigerung wird durch die erhöhte Produktionsmenge weit in den Schatten gestellt.“

Die neue Anlage ist stark klimaschädigend, pro Tonne TDI entstehen etwa fünf Tonnen CO2. Im Erörterungstermin hatte sich der Konzern geweigert, für das Projekt eine detaillierte Ressourcen- und Energiebilanz vorzulegen. Zudem kommen in der Anlage pro Jahr rund 360.000 Tonnen des ehemaligen Giftgases Phosgen zum Einsatz. Zwar wird die TDI-Anlage erstmals mit einer Einhausung versehen, womit der Konzern einer jahrzehntelangen Forderung der Umweltbewegung nachkommt. Jedoch ist die Schutzwirkung der geplanten Blechhülle nicht vergleichbar mit der von den Verbänden geforderten gasdichten Betonkuppel, wie diese auch von anderen Herstellern für notwendig gehalten und gebaut wird.

In der Vergangenheit kam es in der TDI-Produktion von BAYER wiederholt zu schweren Unfällen. Dennoch hat BAYER kein Szenario eines Austritts großer Mengen Phosgen oder TDI vorgelegt. Hierzu Philipp Mimkes: „Die Störfälle im amerikanischen BAYER-Werk Institute oder bei INEOS in Dormagen zeigen, dass sich Unfälle nicht an vorhersehbare Abläufe halten. Auch für unwahrscheinliche Szenarien muss daher Vorsorge getroffen werden“.

BUND und CBG bemängeln zudem, dass die Anlage nur 300m vom S-Bahnhof Bayerwerk entfernt liegt, obwohl die Störfallkommission für den Einsatz von Phosgen einen Sicherheitsabstand von 1.500m empfiehlt. Die Verbände hatten sich mit Einwendungen gegen eine Genehmigung der Anlage gewandt. Auch hatten sie eine EU-Beschwerde gegen die Subventionierung des Projekts durch die staatliche KfW-Bank eingereicht.

weitere Informationen:
=> die Einwendungen der Umweltverbände
=> gelagerte Chemikalien im ChemiePark Dormagen

Kinderarbeit

CBG Redaktion

Presse Information vom 8. Dezember 2014

SYNGENTA, BAYER, MONSANTO profitierten von Kinderarbeit

Friedensnobelpreis für Kailash Satyarthi

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren und die deutsche Sektion des Global March against Child Labour beglückwünschen Kailash Satyarthi zum Friedensnobelpreis. Die Initiativen kooperierten mit Satyarthi bei der Bekämpfung von Kinderarbeit im indischen Baumwollsaat-Anbau. Hiervon hatten auch westliche Saatgut-Produzenten profitiert. Durch eine gemeinsame Kampagne konnte die Zahl beschäftigter Kinder drastisch reduziert werden.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren und die deutsche Sektion des Global March against Child Labour gratulieren ihrem langjährigen Kooperationspartner Kailash Satyarthi zum Friedensnobelpreis.

Rainer Kruse vom Global March: „Kailash Satyarthi ist ein rastloser Arbeiter und Dickbrettbohrer. Im Hinblick auf sein Lebenswerk sind 80.000 befreite Kinder sicherlich tiefgestapelt. Ich weiß noch sehr genau, wie ich ihm das erste Mal begegnete – schon nach einer halben Stunde begann er, Pläne zu schmieden. Ich habe es stets als Privileg empfunden, diesem so herzlichen, Kindern spürbar zugewandten Charismatiker, der in der Tradition großer indischer Vorgänger Großes wagt, unterstützen zu können. Ohne ihn wären wir nie so weit gekommen.“

Kailash Satyarthi ist langjähriger Vorsitzenden des Global March Against Child Labour. Im Jahr 2003 hatte die Coordination gegen BAYER-Gefahren gemeinsam mit der deutschen Sektion des Global March, der indischen MV Foundation sowie dem India Committee of the Netherlands die Studie „Kinderarbeit im indischen Baumwollanbau - die Rolle multinationaler Saatgut-Konzerne“ veröffentlicht. Diese wies nach, dass internationale Saatgutfirmen wie MONSANTO, BAYER, UNILEVER und SYNGENTA von Kinderarbeit in ihrer schlimmsten Form profitierten.

Die sehr arbeitsintensive Produktion von Baumwoll-Saatgut in Südindien erfolgte durch kleine Zulieferer, die zwar nominell unabhängig, jedoch durch Qualitätsvorgaben und Lieferverträge an die Konzerne gebunden sind. Die hauptsächlich im Bundesstaat Andhra Pradesh gelegenen Farmbetriebe beschäftigten damals Zehntausende Kinder, überwiegend Mädchen zwischen 6 und 14 Jahren. Immer wieder kam es zu Vergiftungen durch Agrochemikalien.

Lange Zeit leugneten die Unternehmen die Probleme oder schoben die Verantwortung auf ihre Zulieferer. Die Initiativen reichten daher eine Beschwerde gegen den BAYER-Konzern wegen des Verstoßes gegen die OECD-Richtlinien ein. Erst als der öffentliche Druck zu groß wurde und als Investoren wie der norwegische Staatsfonds Druck machten, reagierte BAYER. Die Löhne im Saatgut-Anbau stiegen, Kontrollen wurden eingeführt, und bei den Zulieferern sank der Anteil von Kindern unter 14 Jahren deutlich.

Eine Studie von 2013 zeigt, dass die Verbesserungen von Dauer sind. In dem Report werden die Zustände bei der Firma Nunhems, einer 100-prozentigen BAYER-Tochter, untersucht. Die Kinderarbeit bei den Zulieferern von Nunhems ist demnach auf fast Null gesunken.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Reagiert hat BAYER damals nicht aus ethischen Gründen, sondern um weiteren Schaden für das Image zu vermeiden. Dieser Erfolg war jedoch nur durch Druck von außen zu erreichen, denn in Indien selbst war das Problem seit Jahren bekannt gewesen. Die Zusammenarbeit von Initiativen aus vier Ländern ist somit ein gelungenes Beispiel einer „Globalisierung von unten“. Wir hoffen, dass die Auszeichnung für Malala Yousafzay und Kailash Satyarthi nun zu weiteren Fortschritten im Kampf gegen die Kinderarbeit führt“.

ausführliche Informationen zur Kampagne

Carl Duisberg

CBG Redaktion

Presse Information vom 27. November 2014

Dortmund: Carl-Duisberg-Straße wird umbenannt

BAYER-Generaldirektor verantwortlich für Giftgas-Einsatz und Zwangsarbeit / Umbenennung auch in Wuppertal, Frankfurt, Bonn und Leverkusen gefordert

Die Dortmunder Carl-Duisberg-Straße wird in Kleine Löwenstraße umbenannt. Die Bezirksvertretung Innenstadt-West folgte damit am gestrigen Abend einer Empfehlung des Dortmunder Stadtarchivs. Keine der Fraktionen stimmte gegen eine Namensänderung.

Jan Pehrke, Vorstandsmitglied der Coordination gegen BAYER-Gefahren, begrüßt das Votum: „Carl Duisberg, der geistige Vater der IG FARBEN, ging für Profite buchstäblich über Leichen. Wegen seiner Mitverantwortung für Gaskrieg, Zwangsarbeit und die enge Zusammenarbeit mit dem Nazi-Regime taugt er nicht als Vorbild für künftige Generationen. Auch die noch verbleibenden Carl-Duisberg-Straßen, unter anderem in Frankfurt, Bonn, Krefeld, Leverkusen und Dormagen, sowie das Wuppertaler Duisberg-Gymnasium sollten nun umbenannt werden.“

Das Dortmunder Stadtarchiv hatte die Umbenennung von sechs Straßen mit historisch belasteten Namensgebern vorgeschlagen. In der Bewertung von Duisberg schrieb das Stadtarchiv: „Während des Ersten Weltkriegs wurde unter seinem Vorsitz Giftgas für den Kriegseinsatz produziert. (…) Duisberg gehörte zu den führenden deutschen Industriellen, die während des Krieges die - auch nach dem damals geltenden internationalen Kriegsrecht illegale - Deportation belgischer Zivilisten zur Zwangsarbeit nach Deutschland durchsetzten.“ Die Überprüfung aller Dortmunder Straßennamen ging auf einen Antrag des früheren Ratsmitglieds Richard Kelber sowie eine Kampagne der Coordination gegen BAYER-Gefahren zurück.

Zum 150. Geburtstag von Carl Duisberg vor drei Jahren hatten sich unter anderem in Wuppertal, Leverkusen, Frankfurt und Marburg Initiativen gebildet, um Straßen, Schulen und Wohnheime, die den Namen des ehemaligen BAYER-Generaldirektors tragen, umzubenennen. Auch ein Entzug der Leverkusener Ehrenbürgerwürde war gefordert worden. In Frankfurt läuft ein Umbenennungsverfahren der dortigen Duisbergstraße; in Marburg führte das Engagement dazu, am dortigen Carl-Duisberg-Haus eine Plakette mit einer „Kritischen Würdigung“ anzubringen.

Einige Stationen aus Duisbergs Leben:

=> Schon 1900 hatte Carl Duisberg rücksichtslos die Vermarktung von Heroin als angeblich harmlosem Hustenmittel betrieben. Als Wissenschaftler das Suchtpotenzial von Heroin anprangerten, äußerte Duisberg - zu diesem Zeitpunkt Prokurist bei BAYER -, man müsse die „Gegner mundtot schlagen“. Obwohl sich rasch die Gefahr der Abhängigkeit herausstellte, ließ Duisberg den gewinnbringenden Verkauf mehr als ein Jahrzehnt lang fortführen.

=> Im 1. Weltkrieg entwickelte Carl Duisberg gemeinsam mit Fritz Haber Giftgase wie „Grünkreuz“ und „Senfgas“, testete diese persönlich auf Truppenübungsplätzen und verlangte vehement ihren Einsatz. So heißt es in einem Brief Duisbergs an die Oberste Heeresleitung: „Dieses Chlorkohlenoxyd ist das gemeinste Zeug, das ich kenne. ... Ich kann deshalb nur noch einmal dringend empfehlen, die Gelegenheit dieses Krieges nicht vorübergehen zu lassen, ohne auch die Hexa-Granate zu prüfen“. Duisberg und Haber verstießen damit wissentlich gegen die Haager Landkriegsordnung.

=> Duisberg engagierte sich in der vom antisemitischen „Alldeutschen Verband“ gesteuerten Kriegszielbewegung. Er forderte die Annexion des besetzten Belgien und von Nordfrankreich, etwas später auch „deutschen Lebensraum“ in Polen und Russland. Besonders auffällig ist Duisbergs Hass auf das „englische Krämervolk“, das man notfalls völkerrechtswidrig - wie er selbst einräumte - aus der Luft bombardieren sollte.

=> Im Herbst 1916 beklagte Duisberg den Mangel an Arbeitskräften und forderte mit dem Ausspruch „Öffnen Sie das große Menschenbassin Belgien" den Einsatz von Zwangsarbeitern. Das Reichsamt des Inneren griff den Vorschlag auf und ließ rund 60.000 Belgier deportieren, was international zu Protesten führte. Rund 12.000 Verschleppte starben. Die Deportation gilt als Vorläufer des ungleich größeren Zwangsarbeiter-Programms im 2. Weltkrieg.

=> Duisberg forderte den uneingeschränkten U-Boot-Krieg, Friedensverhandlungen lehnte er vehement ab. 1917 trat er in die Deutsche Vaterlandspartei ein. Der Historiker Hans Ulrich Wehler nennt diese Partei eine „rechtsextreme Massenorganisation mit deutlich präfaschistischen Zügen“. Ihre Parolen waren, so Wehler, „eine „giftige Fusion“ aus Antisemitismus, Radikalnationalismus, Expansionismus und Reformblockade. Zum Kriegsende befand sich Duisberg auf den Auslieferungslisten der Alliierten. Da er eine Anklage als Kriegsverbrecher fürchtete, floh er in die neutrale Schweiz.

=> Während der Weimarer Republik organisierte Duisberg, inzwischen Aufsichtsratsvorsitzender der IG FARBEN, Spenden an nationalistische Parteien, ab 1930 auch an die NSDAP. Im Gegenzug für ihre Millionen-Spenden erhielt die IG FARBEN von den Nationalsozialisten Absatzgarantien für synthetischen Treibstoff und Kautschuk. Kein anderes Unternehmen kollaborierte in der Folgezeit so eng mit dem Dritten Reich wie die IG FARBEN.

Philipp Mimkes vom Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren kommt zu dem Ergebnis: „Aus unserer Sicht muss Duisberg als verbrecherisches Genie bezeichnet werden. Duisberg war nicht nur ein `Kind seiner Zeit´, sondern trug entscheidend zu den mörderischen Entwicklungen im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts bei. Daher sollten auch in anderen betroffenen Städten die politischen Instanzen und die Bürgerschaft aktiv werden.“

ausführliche Informationen zum Leben von Carl Duisberg

Störfall Institute

CBG Redaktion

26. November 2014

Tödlicher Störfall im BAYER-Werk Institute (USA)

Roman „Valley at Risk“ erschienen

Kampagne der CBG, Buch Valley at Risk

In den USA ist ein Roman über den tödlichen Störfall im BAYER-Werk Institute erschienen. Das Buch „Valley at Risk“ beschreibt den Hergang der Katastrophe, die Verschleierungs-Versuche des Konzerns, den Kampf von Anwohner/innen und Umweltschützern gegen die anhaltende Bedrohung sowie weitere Skandale aus der BAYER-Historie.

Im August 2008 kam es in der Pestizidproduktion im amerikanischen Institute zu einer folgenschweren Explosion. Die Flammen schlugen rund 50 Meter in den Himmel, die Detonation war in einem Umkreis von 15 km zu spüren. Zwei Arbeiter verloren ihr Leben. Der US-Kongress kam in einer Untersuchung zu dem Ergebnis, dass nur glückliche Umstände eine Katastrophe vergleichbar mit der in Bhopal verhindert hätten.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) und örtliche Initiativen hatten zuvor jahrelang vor den Risiken der Fabrik gewarnt. Institute war das letzte Werk in den USA, in dem die Bhopal-Chemikalie Methylisocyanat (MIC) in großen Mengen produziert und gelagert wurde. Nach dem Störfall kooperierte die CBG mit der US-Aufsichtsbehörde Chemical Safety Board (CSB) bei der Aufklärung der Unglücksursachen.

Der Untersuchungsbericht des US-Kongresses kam zu dem Urteil: „Durch die Explosion flog ein mehrere Tonnen wiegender Rückstandsbehälter 15 Meter durch das Werk und zerstörte praktisch alles auf seinem Weg. Hätte dieses Geschoss den MIC-Tank getroffen, hätten die Konsequenzen das Desaster in Bhopal 1984 in den Schatten stellen können.“

BAYER hatte nach dem Störfall versucht, Bürgerinitiativen und kritische Journalist/innen in der Öffentlichkeit zu diskreditieren. Der US-Kongress urteilte hierzu: „BAYER beteiligte sich an einer Geheimhaltungskampagne. Die Firma hat den Sicherheitskräften entscheidende Informationen vorenthalten, hat den Ermittlern der Bundesbehörden nur eingeschränkten Zugang zu Informationen gewährt, hat die Arbeit von Medien und Bürgerinitiativen unterminiert und hat die Öffentlichkeit unrichtig und irreführend informiert.“

Dr. Dwight Harshbarger, Autor von „Valley at Risk“: „Ich verfolge die Arbeit der Coordination gegen BAYER-Gefahren seit der Explosion bei Bayer CropScience im Jahr 2008. Ich schätze Ihren Beitrag zur Sichtbarmachung der Geschäftstätigkeit von BAYER - die sonst wohl im Verborgenen bleiben würde - außerordentlich.“

Philipp Mimkes vom Vorstand der CBG: „Der Roman zeigt eindrucksvoll, welche Risiken Konzerne wie BAYER auf der Jagd nach Profiten in Kauf nehmen und dabei die Öffentlichkeit täuschen und belügen. Zum Schutz der Bevölkerung fordern wir grundsätzlich, dass die chemische Industrie auf den großtechnischen Einsatz tödlicher Chemikalien wie MIC und Phosgen verzichtet.“

Xarelto

CBG Redaktion

Presse Info vom 26. November 2014

Xarelto: Kritik an Zulassung zur Behandlung des Koronarsyndroms

Stellungnahme der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren kritisiert die Zulassung des Gerinnungshemmers Xarelto zur Behandlung des Akuten Koronarsyndroms (ACS). Die US-Gesundheitsbehörde FDA hatte in der von BAYER vorgelegten Zulassungsstudie ATLAS ACS schwere Mängel gefunden: Unvollständigkeit und mangelnde Qualität der Primärdaten; fehlende Bestätigung der Ergebnisse durch andere Studiendaten; zu geringes Signifikanzniveau etc.

Die ATLAS ACS war die einzige Studie, die eine (und auch nur sehr geringfügige) Verbesserung der Überlebensrate von ACS-PatientInnen festgestellt hatte. Einzel-Studien werden für eine Zulassung in der Regel nur dann verwendet, wenn die vorliegenden Daten von hoher Güte sind. Dies war im vorliegenden Fall in keiner Weise gegeben. Die FDA hatte Anfang des Jahres daher eine Zulassung zur Behandlung des Akuten Koronarsyndroms verweigert.

Auch die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft sieht die Zulassung kritisch: „In der entsprechenden Zulassungsstudie senkte der Faktor-Xa-Inhibitor Rivaroxaban in Kombination mit ASS oder mit ASS plus Clopidogrel oder Ticlopidin nach einem ACS die kardiovaskuläre Mortalität. Die Häufigkeit von Myokardinfarkten oder Schlaganfällen wurde jedoch nicht gesenkt. Gleichzeitig erhöhte Rivaroxaban das Blutungsrisiko einschließlich intrazerebraler Blutungen, allerdings nicht die Häufigkeit tödlicher Blutungen. Der Studie werden schwere methodische Mängel vorgeworfen, weshalb diese Indikation von der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA nicht zugelassen wurde. Darüber hinaus fehlen direkte Vergleiche zu Prasugrel und vor allem zu Ticagrelor. ACS-Studien mit dem Thrombininhibitor Dabigatran und dem Faktor-Xa-Inhibitor Apixaban zeigten ein negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis. Vor diesem Hintergrund ist der Zusatznutzen von Rivaroxaban in der Indi-kation ACS derzeit zumindest fraglich.“

„Die Behörden müssen dringend die Nebenwirkungsrate von neuen Gerinnungshemmern wie Xarelto oder Pradaxa mit den Risiken älterer Präparate vergleichen. Es ist zu befürchten, dass durch gigantisches Marketing Medikamente mit erhöhtem Risiko-Profil in den Markt gedrückt werden. Nach heutigem Kenntnisstand lässt sich eine flächendeckende Umstellung der Patientinnen und Patienten auf Xarelto nicht rechtfertigen“, so Philipp Mimkes vom Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) angesichts von 133 Meldungen an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte über Todesfälle mit Xarelto allein 2013.

Schon bei den Genehmigungsprozessen zu den Indikationen „Thrombose-Prophylaxe nach dem Einsetzen künstlicher Hüft- oder Kniegelenke“ und „Schlaganfall- und Embolie-Prophylaxe bei PatientInnen mit Vorhofflimmern“ hatte es in den Vereinigten Staaten Probleme gegeben. Die Aufsichtsbehörden warfen dem Konzern unter anderem vor, die ProbandInnen, die in der Vergleichsgruppe das Präparat Warfarin einnahmen (verwandt mit Marcumar), nicht richtig mit dem Medikament eingestellt zu haben.

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[CO-Pipeline] CO-Pipeline stoppen!

CBG Redaktion

Leverkusener Anzeiger, 25. November 2014

Unterschriften gegen die CO-Pipeline

Die Gegner der CO-Pipeline in Leverkusen gehen jetzt auf die Straße. Die Initiative hat eine Unterschriftensammlung gestartet. Innerhalb der ersten eineinhalb Stunden haben sie schon 147 Unterstützer gefunden.

Die Gegner klagen – und hoffen, dass jetzt Bewegung ins Verfahren kommt. Bis Monatsende müssten sich die Bayer-Anwälte äußern, sagt Gottfried Schweitzer. Er steht an der Spitze der Kämpfer gegen die Kohlenmonoxid-Pipeline von Dormagen nach Leverkusen. Am Samstag begann die Initiative mit einer Unterschriftensammlung. Am Rialto-Boulevard verteilten die Pipeline-Gegner eine 16 Seiten starke Dokumentation und warben um Spenden.
Binnen eineinhalb Stunden hätten sich 147 Menschen der Forderung angeschlossen, die CO-Leitung sofort stillzulegen, hieß es. Die Leverkusener Pipeline-Gegner versuchen derzeit, mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht den Betrieb zu stoppen.
Ursprünglich hatte Schweitzer der Bezirksregierung Fehler bei der Betriebsgenehmigung für die Leitung nachweisen wollen. Das Rohr ist fast 50 Jahre alt und diente ursprünglich dem Transport des wesentlich harmloseren Gases Kohlendioxid. Die Bezirksregierung lehnte als Aufsichtsbehörde einen Betriebsstopp ab, räumte Schweitzer aber die Möglichkeit ein, gegen diesen Bescheid zu klagen. Der ließ sich nicht zweimal bitten; inzwischen ist der Bayer-Konzern zum Verfahren beigeladen. Wann es zur Verhandlung kommt, ist derzeit aber nicht abzusehen.
Unterdessen läuft das Genehmigungsverfahren für einen neuen Düker. Insbesondere an der Rhein-Unterführung für die Rohre gibt es Rostprobleme, weshalb Currenta als Betreiber der Pipeline unter anderem das Kohlenmonoxid in ein Parallelrohr umgeleitet hat. (tk)

Infos zur CO-Kampagne

Glufosinat

CBG Redaktion

Presse Information vom 14. November 2014

Höchst: BAYER CropScience erhöht Produktionsmengen von Pestiziden

„Profit auf Kosten von Landbevölkerung und Landarbeitern“

Die Firma Bayer CropScience hat gestern angekündigt, am Standort Höchst die Produktion des Herbizids Glufosinat zu verdoppeln. Jährlich sollen demnächst 16.000 Tonnen hergestellt werden. BAYER bietet das Herbizid unter den Markennamen BASTA und LIBERTY in Kombination mit gentechnisch verändertem Saatgut an, u. a. Raps, Reis, Zuckerrüben, Mais, Soja und Baumwolle.

Glufosinat kann Missbildungen bei Föten verursachen und ist als reproduktionstoxisch klassifiziert. Studien zufolge beeinträchtigt der Wirkstoff die Entwicklung des menschlichen Gehirns und ruft Verhaltensstörungen hervor. Der Wirkstoff gehört zu den rund 20 Pestiziden, die von der EU wegen ihrer hohen Gefahren für Landwirte und Verbraucher/innen aus dem Verkehr gezogen werden sollen.

Trotz der seit langem bekannten Risiken erhöht BAYER Jahr für Jahr die Produktionsmenge, vor allem für den Export nach Nord- und Südamerika. In Hürth bei Köln wurde der Glufosinat-Ausstoß im vergangenen Jahr erweitert, im US-Bundesstaat Alabama baut der Konzern momentan gar eine neue Produktionsanlage auf. Nach Aussage des Höchster Werksleiters, Frank Zurmühlen, bestehe große Nachfrage nach Glufosinat, da viele Unkräuter Resistenzen gegen das Konkurrenzprodukt „Glyphosat“ entwickelt hätten.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) hingegen fordert einen weltweiten Verkaufsstopp – sowohl für Glufosinat als auch für Saatgut, dessen Einsatz mit Glufosinat gekoppelt ist. „Der Teufelskreis, in dem der Einsatz von immer mehr Pestiziden zur Entstehung von immer mehr resistenten Unkräutern führt, die dann mit noch mehr Agrochemikalien bekämpft werden, muss endlich durchbrochen werden“, so Philipp Mimkes vom Vorstand der CBG.

Nach Aussage von Mimkes ist die Ausweitung der Glufosinatproduktion unverantwortlich und ein klassischer Fall von doppelten Sicherheits-Standards: „Es ist zynisch, im Ausland eine Anbautechnik zu forcieren, die mit der Verwendung eines hochgiftigen und bei uns demnächst verbotenen Pestizids verknüpft ist. Das Schicksal der Landarbeiterinnen und Landarbeiter in Lateinamerika oder Asien ist dem Konzern augenscheinlich gleichgültig.“

In vielen Schwellen- und Entwicklungsländern explodierte der Verbrauch gefährlicher Agrochemikalien in den vergangenen Jahren. Allein in Argentinien und Indien hat sich die eingesetzte Menge seit 2004 mehr als verdoppelt. Durch den massiven Pestizideinsatz steigen Fehlgeburten und Krebsraten.

Anders als von den Lobbyisten stets behauptet, dient der Anbau von Gen-Pflanzen nicht der Lösung des Hungerproblems – im Gegenteil. BAYER, SYNGENTA und MONSANTO richten sich bei der Einführung von genverändertem Saatgut weitgehend nach den Bedürfnissen der globalen Fleisch-Industrie. Denn rund 80 Prozent der gentechnisch veränderten Pflanzen werden als Tierfutter verwendet. Die eingesetzten Gen-Pflanzen sind weder dürreresistent noch ertragreicher. Durch ihren Anbau auf immer größeren Flächen wird die Produktion von Lebensmitteln zurückgedrängt, wodurch sich die Versorgung der lokalen Bevölkerung erschwert.

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