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Veröffentliche Beiträge von “CBG Redaktion”

attac

CBG Redaktion

21. Oktober 2014

Entzug der Gemeinnützigkeit von attac

„Angriff auf die demokratische Kultur“

Das Frankfurter Finanzamt hat dem globalisierungskritischen Netzwerk „attac“ die Gemeinnützigkeit entzogen. Dies hat weit reichende Folgen, vor allem für die steuerliche Absetzbarkeit von Spenden.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) sieht in der Entscheidung einen Angriff auf die demokratische Kultur insgesamt. Philipp Mimkes vom Vorstand der CBG: „Attac hat frühzeitig vor den Exzessen der Finanzwirtschaft gewarnt – hätte die Politik hierauf gehört, wären uns die milliardenschweren „Rettungspakete“ für Banken und Investoren wohl erspart geblieben. Die attac-Forderung nach einer Finanztransaktions-Steuer wird heute auch von der Bundesregierung erhoben. Und mit den attac-Sommerakademien und -Workshops wurden Tausende Menschen im ganzen Land erreicht. Mehr Gemeinnützigkeit ist kaum möglich.“

In Deutschland werden zwar alle parteinahen Stiftungen und sogar neoliberale Thinktanks wie die Bertelsmann-Stiftung als gemeinnützig anerkannt. Bei zivilgesellschaftlichen Organisationen stellen sich die Finanzämter jedoch immer häufiger quer. Einige Fälle aus jüngster Zeit:
=> Das Finanzamt Hamburg moniert, dass die Umweltschützer vom BUND eine Kampagne für den Rückkauf der privatisierten Hamburger Energieversorger unterstützt haben.
=> In Baden-Württemberg wurde der Informationsstelle Militarisierung (IMI) jahrelang die Gemeinnützigkeit vorenthalten.
=> Seit zwei Jahren wehrt sich der Frauenverband Courage gegen den Entzug seiner Gemeinnützigkeit durch das Finanzamt Wuppertal.
=> Der Berliner Verein „kolko – Menschenrechte für Kolumbien“ erhielt 2010 Post vom Finanzamt, in der der Entzug der Gemeinnützigkeit angedroht wurde. Darin hieß es: „Unter Entwicklungszusammenarbeit versteht man alle Maßnahmen, die dazu dienen, die Entwicklungsländer wirtschaftlich zu fördern und sie hierdurch dem Stande der Industriestaaten näher zu bringen beziehungsweise sie in deren wirtschaftliche Ordnung einzugliedern.“
Das bedeutet nicht weniger, als dass Menschenrechtsgruppen den Kapitalismus verbreiten sollen, um ihre Förderfähigkeit zu behalten.
=> Nicht zuletzt wird der Coordination gegen BAYER-Gefahren seit 30 Jahren die Gemeinnützigkeit verweigert, obwohl sich das Netzwerk umfassend mit den Auswirkungen der Tätigkeit eines Global Players auf das Gemeinwohl befasst.

Offenkundig werden die Finanzbehörden als Waffe benutzt, um missliebige politische Strömungen und Organisationen zu behindern und in ihren finanziellen Möglichkeiten einzuschränken. Kapitalinteressen werden mit immer neuen Milliarden aus Steuergroschen bedient, gemeinnützige konzern- und gesellschaftskritische Arbeit erhält keinerlei finanzielle Förderung und wird durch den Entzug der steuerlichen Gemeinnützigkeit bedroht.

Attac hat bundesweit knapp 30.000 Mitglieder und ist seit 2000 in Deutschland aktiv. Das Netzwerk setzt sich unter anderem für die Streichung von Schulden armer Länder sowie für die Besteuerung des Reichtums überall in der Welt ein. Aktuell bietet attac eine Plattform für die Proteste gegen das Freihandelsabkommen TTIP; auch in diesem Fall sind viele der von attac vertretenen Argumente mittlerweile Gemeingut und werden bis hin zur Bundesregierung vertreten.

Kinderarbeit

CBG Redaktion

17. Oktober 2014

Friedensnobelpreis

Coordination gratuliert Kailash Satyarthi

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) gratuliert Kailash Satyarthi, dem langjährigen Vorsitzenden des Global March Against Child Labour, zum Friedensnobelpreis. In einem Glückwunschschreiben brachte die CBG ihre Hoffnung zum Ausdruck, dass die Auszeichnung zu weiteren Fortschritten im Kampf gegen die Kinderarbeit führt.

Im Jahr 2003 hatte die Coordination gegen BAYER-Gefahren in Kooperation mit dem Global March Against Child Labour und dem India Committee of the Netherlands die Studie Kinderarbeit im indischen Baumwollanbau - die Rolle multinationaler Saatgut-Konzerne veröffentlicht. Diese wies nach, dass internationale Saatgutfirmen wie Monsanto, BAYER, Unilever und Syngenta von Kinderarbeit in ihrer schlimmsten Form profitierten.

Die sehr arbeitsintensive Produktion von Baumwoll-Saatgut in Südindien erfolgte meist durch kleine Zuliefer-Betriebe, die zwar nominell unabhängig, jedoch durch Qualitätsvorgaben und Lieferverträge an die Konzerne gebunden sind. Die hauptsächlich im Bundesstaat Andhra Pradesh gelegenen Farmbetriebe beschäftigten damals Zehntausende Kinder - überwiegend Mädchen zwischen 6 und 14 Jahren.

Lange Zeit leugneten die Konzerne die Probleme oder schoben die Verantwortung auf ihre Zulieferer. Erst als der öffentliche Druck zu groß wurde und als Investoren wie der norwegische Staatsfonds Druck machten, reagierte BAYER. Die Löhne im Saatgut-Anbau stiegen, bei den Zulieferern sank der Anteil von Kindern unter 14 Jahren deutlich. Dieser Erfolg war nur durch Druck von außen zu erreichen, denn in Indien war das Problem seit langem bekannt gewesen, aber erst die Schlagzeilen in Deutschland und den USA brachten ein Einlenken des Konzerns.

Eine Studie von 2013 zeigt, dass die Verbesserungen von Dauer sind. In dem Report werden die Zustände bei der Firma Nunhems, einer 100-prozentigen BAYER-Tochter, untersucht. Die Kinderarbeit bei den Zulieferern von Nunhems ist demnach auf fast null gesunken.

Die Zusammenarbeit von Gruppen aus vier Ländern ist somit ein gelungenes Beispiel für eine „Globalisierung von unten“. Allerdings zeigen Studien auch, dass noch längst nicht alle Missstände im indischen Saatgut-Anbau behoben sind, z.B. werden oftmals Löhne unter dem Mindestlohn gezahlt.

Kampagne Kinderarbeit im indischen Baumwoll-Anbau

[Yasmin] Antibaby-Pillen

CBG Redaktion

ARD Panorama, 16. Oktober 2014

TV-Beitrag zu gefährlichen Antibabypillen

Die ARD berichtet heute in der Sendung „Panorama“ über die erhöhten Thrombose-Risiken neuerer Antibaby-Pillen wie Yasmin oder Yasminelle. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren und Selbsthilfegruppen fordern seit langem ein Verbot von Pillen der sogenannten 3. und 4. Generation.

In dem Beitrag kommt eine junge Frau, Julia Meiners, zu Wort: „Die Ärzte haben mir gesagt, dass ich Glück habe, weil ich ein starkes Herz hatte“, sagt sie. Ansonsten hätte sie die beidseitige Lungenembolie, ausgelöst durch eine Thrombose, wohl nicht überlebt. Julia war gesund, Nichtraucherin, hat Sport gemacht. Die Ärzte kommen zu dem Schluss, dass der „einzige Risikofaktor die Einnahme der Antibaby-Pille“ war.

Wie knapp sieben Millionen Frauen in Deutschland hat Frau Meiners zur Verhütung die Pille genommen. Sie hatte die Packungsbeilage zwar gelesen und wusste, dass die Pille das Risiko für eine Thrombose erhöht. Was sie nicht wusste: Die modernen Mikro-Pillen mit dem Wirkstoff Drospirenon haben im Vergleich zu älteren Pillen ein doppelt so hohes Thromboserisiko. Zweieinhalb Jahre hat sie die Pille Yasminelle von Bayer/Jenapharm genommen. Statistisch bekommen laut Europäischer Arzneimittelagentur, die für Risikobewertungsverfahren zuständig ist, zwischen neun und zwölf von 10.000 Frauen eine Thrombose, ausgelöst durch die modernen Pillen mit dem Wirkstoff Drospirenon. Das sind hochgerechnet auf die fast 7 Millionen Anwenderinnen jährlich mehrere tausend Frauen.

Seit Einführung der Drospirenon-haltigen Pillen im Jahr 2000 sind 28 Todesfälle beim Bundesinstitut für Arzneimittel gemeldet worden, die in Zusammenhang mit den Pillen gebracht werden. Bayer betont, auf das bekannte Risiko so schnell wie möglich hingewiesen zu haben, bewertet das Nutzen-Risiko-Verhältnis seiner Pillen aber immer noch positiv.

Die Unterschiede der Pillen Generationen
Bei älteren Mikro-Pillen mit dem Wirkstoff Levornogestrel, die bereits seit den 80er Jahren auf dem Markt sind, besteht ein geringeres Risiko: Bei fünf bis sieben von 10.000 Frauen kann eine Thrombose auftreten. Deshalb rät das Bundesinstitut für Arzneimittel Gynäkologen, zunächst die Pille mit dem niedrigeren Risiko zu verschreiben und gut über Thrombose-Erkrankungen aufzuklären. Erst wenn sich bei einer Patientin herausstellen sollte, dass sie die Pille mit Levornogestrel nicht verträgt, sollten Frauenärzte neuere Pillen verschreiben, wenn das Thromboserisiko bei der Frau gering ist.

Werbung richtet sich an junge Frauen
In Deutschland werden die neueren Pillen von den Pharma-Herstellern besonders beworben: Pubertätspickel verschwinden schneller, es gebe nur eine geringe Gewichtszunahme, die Haare sollen schöner werden. Dass deutsche Frauenärzte immer noch vor allem moderne Pillen verschreiben, ist für den Gesunheitsökonomen und Pharmakologen Prof. Gerd Glaeske schlicht „skandalös“. „Da es Pillen mit geringerem Risiko gibt, sollten diese auch verschrieben werden“, so Glaeske. Schließlich bekämen meist junge, gesunde Frauen dieses Medikament.

Andere Länder haben strengere Regeln
In anderen europäischen Ländern wie Frankreich werden die neueren Pillen von der Krankenkasse nicht mehr bezahlt. In Großbritannien, den Benelux-Ländern, Dänemark und Norwegen warnen die Gesundheitsbehörden vor Drospirenon-haltigen Pillen.
Deutsche Gynäkologen sehen eine besondere Dringlichkeit offenbar nicht. Prof. Bettina Toth von der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe ist der Meinung, dass das Thema “im Verhältnis zu den Risiken überbewertet wird". Eine Leitlinie für Frauenärzte zu dem Thema will der Verband erst bis Ende 2016 ausarbeiten.

alle Infos zur Kampagne

[BlackRock] Die Macht im Hause BAYER

CBG Redaktion

Die Ultra-Reichen übernehmen die Führung

Wer meint, Marijn Dekkers hätte bei BAYER das Sagen, der irrt. Dekkers ist der „Angestellte“ und tanzt - wie alle seine Kollegen im Vorstand und die Mehrheit der Aufsichtsräte - nach der Pfeife der Besitzer, der AktionärInnen. Und da haben sich die Gewichte heimlich still und leise in den letzten Jahren mächtig verschoben. Eine Handvoll Ultra-Reicher gibt heute vor, was im Konzern zu geschehen hat.

von Axel Köhler-Schnura, Vorstandsmitglied Coordination gegen BAYER-Gefahren

Schon jedes Schulkind weiß: Geld ist Macht. Im Volksmund heißt es: „Wer zahlt, bestimmt die Musik“. Entsprechend bedeutsam ist, was sich in der Welt des Geldes tut: eine extrem kleine Gruppe Ultra-Reicher hat die Macht übernommen. Ihre Vermögen wachsen immer unvorstellbarer. Auf Kosten der arbeitenden Menschen und der Armen. Armut, Hunger und Elend nehmen nämlich ebenso unvorstellbar zu, was aber hier nicht das Thema ist.

Eine OXFAM-Studie, vorgelegt zum Weltwirtschaftsgipfel 2014 in Davos im Januar dieses Jahres, stellt fest:

=> 85 Ultra-Ultra-Reiche besitzen ein Vermögen von ca. 1,7 Billionen US-Dollar. Eine Billion sind 1.000 Milliarden - 1 Milliarde sind 1.000 Millionen. Das ist ebenso viel wie das Vermögen der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung, die immerhin ca. 3,6 Milliarden Menschen ausmacht.
=> 1.426 Ultra-Reiche besitzen zusammen 5,4 Billionen US-Dollar. Zum Vergleich: der Haushalt der US-Regierung für 2015 umfasst 3,9 Billionen US-Dollar, der Haushalt der Bundesregierung 2014 knapp 0,4 Billionen US-Dollar.
=> Ein Prozent der Weltbevölkerung, ca. 72 Mio Super-Reiche, besitzen mit unvorstellbaren 110 Billionen US-Dollar die Hälfte des gesamten Weltvermögens.

Vermögen besteht unter anderem aus Aktien. Wenn also die Ultra- und Super-Reichen „die Hälfte des Weltvermögens“ besitzen, dann besitzen sie - grob gesprochen natürlich - auch die Hälfte aller Aktien. Und das ist der Hintergrund, wenn die renommierte Frankfurter Allgemeine Zeitung am 25. August 2014 erschrocken feststellt: „Wohin der Anleger blickt, da ist BLACKROCK.“

Wer ist BLACKROCK? Ein Konstrukt, hinter dem sich die Ultra- und Superreichen mit ihrem Aktienvermögen verstecken, damit sie nicht namentlich in die Schlagzeilen geraten. Es kommt nämlich ausgesprochen blöde, wenn sie, die sich gerne als „Großspender“ und „Wohltäter“ geben, plötzlich im gleichen Atemzug mit Arbeitsplatzvernichtung, Kriegstreiberei, Ausbeutung von Natur und Mensch, Hunger, Menschenrechtsverletzungen usw. genannt werden, dem Stoff, aus dem ihre Profite sprudeln.

Und BAYER? Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (1) schreibt in der jüngsten Ausgabe des Magazins Stichwort BAYER (2): „270.000 AktionärInnen halten etwa 827 Millionen Aktien. (...) Die meisten Aktien hält BLACKROCK“.

Nun kann man sagen: Was geht mich das an?! Das aber wäre ausgesprochen dumm. Nicht nur für die KollegInnen bei BAYER, sondern - so banal es klingt - für alle. Denn BLACKROCK bestimmt unser Schicksal. Um die Profite der Ultra-Reichen zu sichern, hat BLACKROCK nicht nur dominierende Aktienpakete an allen Großkonzernen der Welt, sondern bestimmt z.B. als „Berater“ die Politik der Europäischen Zentralbank. Und hält natürlich auch bestimmende Anteile an den großen Rating-Agenturen, die wir ja nun alle auch schon kennen: Sie bestimmen mit ihren „Ratings“ über Wohl und Wehe ganzer Staaten und leisteten z.B. der Spekulation gegen Griechenland Vorschub.

Und dann kommt die CAPITAL GROUP. Ein weiteres Konstrukt der Ultra-Reichen. Es hält 16 Prozent an BAYER. Und wer rechnen kann, stellt fest: das sind zusammen 46 Prozent, also bereits knapp die Hälfte aller Aktien. So hat sich heimlich still und leise die Macht bei BAYER von ehemals mehreren hunderttausend AktionärInnen auf eine Handvoll ultra-reicher „Investoren“ verlagert.

Und hier schließt sich der Kreis: Wer zahlt, bestimmt die Musik. Entsprechend klärt sich auch das Rätsel, weshalb MATERIAL SCIENCE nun den Geiern vorgeworfen wird, obwohl Marijn Dekkers bis zuletzt beteuerte, dass der Bereich im Konzern bleibt: Die BLACKROCK-/CAPITAL-Profite gieren nach mehr, da muss Dekkers MATERIAL SCIENCE zum Abschuss freigeben, ob er will oder nicht. Die BAYER-Aktie explodierte jedenfalls direkt von ca. 106 auf ca. 114 Euro. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

(1) Coordination gegen BAYER-Gefahren, siehe www.CBGnetwork.org
(2) Stichwort BAYER erscheint seit 1983 vierteljährlich, siehe www.stichwort-bayer.de

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[BlackRock] STICHWORT BAYER 04/2014

CBG Redaktion

Erratum: Die Finanzaufsicht Bafin hat am 20. März 2015 gegen BlackRock ein Bußgeld von 3,25 Millionen Euro verhängt – die bislang höchste Summe überhaupt. Hintergrund sind Verstöße gegen das Wertpapierhandelsgesetz. Blackrock-Konzerngesellschaften hätten Mitteilungen über gehaltene Stimmrechtsanteile und Finanzinstrumente inhaltlich nicht richtig abgegeben.
Dies führte auch zu Problemen in der Berichterstattung der Coordination gegen BAYER-Gefahren. Die CBG hatte in dem Artikel „BLACKROCK beherrscht BAYER“ den Aktien-Anteil des Finanzinvestors am Leverkusener Multi auf 30 Prozent beziffert (Stand Sommer 2014). Dazu hatte die CBG die einzelnen Anteile, welche BLACKROCK-Tochterunternehmen wie BLACKROCK GROUP LIMITED, BR JERSEY INTERNATIONAL HOLDINGS oder BLACKROCK INTERNATIONAL HOLDINGS am Konzern halten, addiert. Diese Rechnung ist aber unzulässig, da es sich bei den Gesellschaften NICHT um eigenständige Einheiten handelt. Obwohl die Tochterfirmen in verschiedenen Ländern angesiedelt sind, führen sie nach Angaben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) oftmals dieselben Aktienpakete in ihren Beständen.
Diese doppelte Buchführung erschließt sich aus den Angaben zu den Besitzverhältnissen, zu welchen der Gesetzgeber die Finanzdienstleister zwingt, nicht. Dies führte offenbar auch zu der o.g. Strafzahlung. Diese Intransparenz macht es sogar den Unternehmen selbst schwer zu eruieren, wem sie zu welchem Teil eigentlich gehören. Sie erheben diese Zahlen nur an bestimmten Stichtagen.
Die Coordination wurde durch die Blackrock-Mitteilungen zu falschen Schlüssen verleitet, so dass sie die Zahlen nun korrigiert: Der Blackrock-Anteil an BAYER beträgt aktuell (Stand: März 2015) 6,2 Prozent. Die CBG fordert eine gesetzliche Regelung, wonach börsennotierte Unternehmen online alle Anteilseigner mit einem Besitz oberhalb von einem Prozent nennen müssen.

BLACKROCK beherrscht BAYER

BAYERs Aktionärsstruktur hat sich in den Zeiten des forcierten Finanzkapitalismus stark verändert. Rund 80 Prozent der Anteile befinden sich in ausländischem Besitz. Die meisten Papiere hält der Finanzinvestor BLACKROCK.

Von Jan Pehrke

Fast 827 Millionen Aktien hat der Leverkusener Multi auf sein Grundkapital von 2,1 Milliarden Euro ausgegeben. Es verteilt sich aktuell auf 270.000 AktionärInnen – 1972 zählte der Geschäftsbericht noch 480.000 auf. Zudem gibt es unter ihnen eine klare Hierarchie. PrivatanlegerInnen halten nur rund elf Prozent der Papiere, den Rest kauften Großanleger, die ihren Sitz zumeist im Ausland haben. 78,1 Prozent der Anteilsscheine liegen nicht in bundesdeutschen Depots, stattdessen befinden sich allein 29 Prozent in US-amerikanischem oder kanadischem und rund 17 Prozent in englischem oder irischem Besitz.

Die meisten Aktien erwarb der Finanzinvestor BLACKROCK. Auf rund 30 Prozent beläuft sich der Anteil des 1988 gegründeten US-amerikanischen Vermögensverwalters am BAYER-Grundkapital. Damit es nicht so auffällt, hat er den Kuchen in zumeist ca. 5-Prozent großen Stücken auf Unter-Gesellschaften wie BLACKROCK GROUP LIMITED, BR JERSEY INTERNATIONAL HOLDINGS oder BLACKROCK INTERNATIONAL HOLDINGS verteilt. Auf eine vergleichbar hohe Prozentzahl kommt BLACKROCK bei DAIMLER, ALLIANZ und BASF. Auch an anderen DAX-Unternehmen ist die Gesellschaft noch beteiligt. Ihre US-amerikanischen Investitionen erstrecken sich unter anderem auf APPLE, MICROSOFT, GENERAL ELECTRIC und GOOGLE sowie die beiden Rating-Agenturen STANDARD & POOR’S und MOODY’S.

Damit entwickelte BLACKROCK sich zum größten Vermögensverwaltungskonzern der Erde. Über rund 4,3 Billionen Dollar an Einlagen – das Zehnfache des Staatshaushalts der Bundesrepublik – gebietet er und sieht sich dabei verpflichtet, „für unsere Kunden Lösungen zu entwickeln, die kontinuierlich höhere Erträge erzielen“. Zu den Klienten zählen Superreiche, arabische Staatsfonds, Pensionsfonds wie DANICA PENSION, Wohltätigkeitsstiftungen wie der Tuition Trust oder der Monument Trust. Darüber hinaus betreut der Finanzinvestor die Pensionskassen von privaten Unternehmen wie dem Wasserversorger SEVERN TRENT oder von staatlichen Institutionen wie dem „Sacramento County Employees’ Retirement System“. In der Bundesrepublik ist BLACKROCK unter anderem für Spar- und Genossenschaftsbanken tätig. Zudem haben Kunden wie die US-amerikanische Notenbank oder die irische Zentralbank dem Global Player für Kapital in Höhe von rund zehn Billionen Dollar das Risiko-Management anvertraut.

10 Milliarden Dollar betrug der Umsatz 2013. Damit davon ein erklecklicher Reingewinn übrig bleibt, hat das Unternehmen seinen Hauptsitz im US-amerikanischen Steuer-Paradies Delaware. Es spart jedoch auch anderswo Abgaben, beispielsweise auf Jersey oder den Kaiman-Inseln. Allein dort haben 70 Investment-Gesellschaften von BLACKROCK Briefkästen.

Wäre die Studie der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich von 2011 über das weltbeherrschende Netzwerk der 147 einflussreichsten Unternehmen „The Network of Global Corporate Control“ in diesem Jahr erschienen, so belegte der Finanzinvestor darin einen der vordersten Plätze. Nicht nur seine Größe brächte ihn in eine solche Position, auch in das von den Autoren beschriebene geschlossene System gegenseitiger Kontrolle würde er perfekt passen. Zu drei Vierteln gehört der Vermögensverwalter den drei Geldhäusern MERRILL LYNCH, BARCLAYS und PNC FINANCIAL SERVICES, an denen er jedoch ebenfalls erhebliche Anteile besitzt. Solche Überkreuz-Beteiligungen gibt es zudem noch mit SWISS RE, GENERAL ELECTRIC, KKR und weiteren Unternehmen, so dass der ideelle Gesamtkapitalist mit diesem exklusiven Club der 147 eine erschreckend reale Gestalt annimmt.

Und in diesen Tagen ist er ein Gesamtfinanzkapitalist. 48 der 50 größten Konzerne der ETH-Liste gehören der Finanzwelt an; nur WAL-MART und die CHINA PETROCHEMICAL GROUP gehen anderen Geschäften nach. Auf Platz zwei firmiert die CAPITAL GROUP, mit 16 Prozent zweitgrößter Investor beim Leverkusener Multi; BAYERs Nr. 3, die rund zehn Prozent des Kapitals haltende Bank MORGAN STANLEY, nimmt in der Aufstellung den 21. Rang ein. Finanzprodukte stellen also gegenwärtig die Ware der Wahl dar, die Umsätze an den Börsen übertreffen diejenigen der „Realwirtschaft“ bei weitem, ebenso wie die Profite.

Eine globalisierte Rentier-Ökonomie hat sich herausgebildet. Und der Leverkusener Multi hat das Seine dazu getan. 1999 wechselte nämlich mit Heribert Zitzelsberger der Finanzchef des Konzerns in die Politik und übernahm im Finanzministerium den Posten des Staatssekretärs. „Wir haben unseren besten Steuer-Mann nach Bonn abgegeben“, erklärte der damalige Vorstandsvorsitzende Manfred Schneider und fuhr fort: „Ich hoffe, dass er so von BAYER infiltriert worden ist, dass er (...) die richtigen Wege einleiten wird.“ Und die Hoffnung trog nicht. Zitzelsberger brachte nicht nur eine Unternehmenssteuer„reform“ auf den Weg, sondern trieb auch die Entflechtung der Deutschland AG voran1. Er bereitete ein Gesetz mit vor, das den Konzernen die Veräußerung von Unternehmensteilen ermöglichte, ohne dafür Steuern zahlen zu müssen. Flugs darauf setzte ein großer Verkaufsboom ein. Die DEUTSCHE BANK trennte sich etwa in großem Unfang von ihren Beteiligungen an HOLZMANN, MANNESMANN und anderen Firmen, um mit den Erlösen im Ausland auf Einkaufstour zu gehen. Der Leverkusener Multi debütierte im Lauf dieser Entwicklung 2002 an die US-Börse – von der er sich inzwischen allerdings wieder zurückgezogen hat. Und im Gegenzug kamen dann BLACKROCK & Co. ins Land. Durch den Globalisierungsschub stieg dann auch der Anteil von BAYER-Aktien in ausländischem Besitz kontinuierlich an. Betrug er 2005 39 Prozent, so erhöhte er sich bis dato auf 78,1 Prozent.

Der Pharma-Riese stellte sich beizeiten auf den Strukturwandel ein. Früh schon hat er eine Abteilung für „Investor Relations“ eingerichtet. Die Arbeitsplatz-Beschreibung lautet wie folgt: „Im Umgang mit Analysten, Investoren und Rating-Agenturen wollen wir zur Börsenwert-Steigerung des Unternehmens und zu einem angemessenen Kredit-Standing beitragen. Ein umfassender Informationsaustausch zwischen dem Unternehmen und der Financial Community steht dabei im Mittelpunkt.“ Zu diesem Behufe lädt das Ressort die Investoren regelmäßig zu Treffen mit dem BAYER-Chef Marijn Dekkers ein, stattet ihnen im Zuge so genannter Roadshows rund um den Globus Hausbesuche ab und bittet quartalsmäßig zu Telefon-Konferenzen.

Auf diesen Konferenzen müssen der Vorstandsvorsitzende und die Leiter der Pharma-, Agro- und Kunststoffsparten dann den ExpertInnen von MORGAN STANLEY, JP MORGAN und anderen Finanzhäusern Rede und Antwort stehen und Auskunft über Produktionsverzögerungen, schlechte Verkaufszahlen von Medikamenten, die Auswirkungen von niedrigen Lebensmittelpreisen auf das Pestizid-Geschäft oder anvisierte Veräußerungen von Unternehmensteilen geben. Und selbstverständlich mag BLACKROCK ebenfalls nicht auf solche Kontaktaufnahmen verzichten. „Wir nehmen die Verantwortung für unsere Kunden wahr, indem wir direkt mit dem Management sprechen“, hält Deutschland-Chef Dirk Klee fest. Und es braucht auch nicht bei Worten zu bleiben. Mit seinen hohen Kapital-Anteilen verfügt der Finanzinvestor nämlich über eine Sperrminorität und kann bestimmte Hauptversammlungsentscheidungen blockieren.

Sich bei solchen „Investor Relations“ zu BLACKROCK & Co. als beziehungsfähig zu erweisen, gehört mittlerweile zum Anforderungsprofil für Führungskräfte. Der Leverkusener Multi passte sich dieser Notwendigkeit erstmals 2002 an. In diesem Jahr gelangte mit Werner Wenning, der heute dem Aufsichtsrat vorsteht, erstmals ein Zahlenprofi auf den Chef-Sessel – zuvor hatten dort nur Chemiker Platz genommen. „Als ausgewiesener Finanz-Fachmann besitzt er hohe Akzeptanz auf den internationalen Kapitalmärkten“, strichen die „Investor Relators“ dann auch gleich bei seiner Amtseinführung heraus. Wennings Vorgänger Manfred Schneider hatte mit den Finanzinvestoren und Pensionsfonds-VertreterInnen, die sich zunehmend in die Geschäftspolitik einmischten, noch so seine liebe Not. Aber Wenning hat den Konzern bereits vor seinem Karrieresprung konsequent auf deren Bedürfnisse ausgerichtet. So führte er beispielsweise schon früh das Wertmanagement ein, die strikte Ausrichtung jeder Unternehmenshandlung und jedes/r Beschäftigten auf die Steigerung des Aktienkurses. Als Vorstandsvorsitzender bestand eine seiner ersten Amtshandlungen darin, aus BAYER eine Holding zu machen, um „Werttreiber und Wertvernichter noch leichter identifizieren zu können“. Und mit der Chemie-Sparte hatte er bald auch schon einen „Minderleister“ identifiziert. Im Jahr 2003 trennte sich das Unternehmen von diesem Geschäft und gab damit dem Druck des Kapitalmarkts, sich auf seine Kern-Kompetenzen zu konzentrieren, nach, dem Manfred Schneider noch lange widerstanden hatte.

BLACKROCK steht in dem Ruf, sich nicht in solche Entscheidungsprozesse einzumischen. Es dürfte den Finanzinvestor auch schlicht überfordern, das Tagesgeschäft aller Global Player steuern zu wollen, von denen er Aktien besitzt. Stattdessen trennt sich der Vermögensverwalter schlicht von Beteiligungen, wenn ihm der Kurs eines Unternehmens missfällt. Aber der Konzern kann auch anders. So sitzt mit Sue Wagner eine der MitgründerInnen BLACKROCKs im Verwaltungsrat von APPLE. Wagner & Co. führen sogar Prozesse gegen „ihre“ Firmen. Beispielsweise verklagten sie die DEUTSCHE BANK wegen ihrer Verluste mit Hypotheken-Anleihen. Die CAPITAL GROUP als BAYERs zweitgrößter Anteilseigner geht noch rabiater vor. So hintertrieb sie 2005 in Tateinheit mit einem Hedge Fonds die Pläne der DEUTSCHEN BÖRSE AG zur Übernahme der Londoner Börse und sorgte für die Ablösung des Vorstandsvorsitzenden Werner Seifert.

BLACKROCK gibt sich nicht mit einem solchen Kleinklein ab. In seiner Anlage-Strategie lässt das Unternehmen sich von seinem Super-Computer „Aladdin“ leiten. Eine „ultimative Risikobewertungsmaschine“, nennt Jens Berger von den Nachdenkseiten das Netzwerk aus 5.000 Rechnern, dem „eine in Algorithmen geschmiedete betriebswirtschaftliche Logik“ implementiert ist, darauf geeicht, den größtmöglichen finanziellen Nutzen beim kleinstmöglichen Gefährdungspotenzial zu bestimmen.

Auf diese Rechenkünste greift auch die Politik gerne zurück. BLACKROCK-Boss Laurence Fink gilt als „der mächtigste Mann der Wall Street“. Laut Handelsblatt hat der Konzern „beste Verbindungen zur US-Regierung“, nicht zuletzt dank vieler Ehemaliger in den eigenen Reihen. Auffällig stark stieg der Einfluss des Moguls nach Ausbruch der Finanzkrise. Der Vermögensverwalter war an der Sanierung bzw. Abwicklung der Unternehmen BEAR STEARNS, AIG, CITIGROUP, FANNIE MAE sowie FREDDIE MAC beteiligt und strich dafür hohe Summen ein. Allein für die Dienste bei BEAR STEARNS und AIG zahlte die Obama-Administration 180 Millionen Dollar. Darüber hinaus hielt Fink von 2011 bis Mitte 2012 ständig mit dem damaligen Finanzminister Timothy Geithner Kontakt. 49 Telefonate mit dem BLACKROCK-Chef verzeichnete Geithners Notizbuch. Das „zeigt, wie Regierungen sich nach der Finanzkrise an den Asset Manager als einen vertrauenswürdigen Berater wendeten“, konstatiert die Financial Times.

Besonders heiß liefen die Drähte im Juli 2011, als wegen der immensen Rettungspakete für die Banken die Zahlungsunfähigkeit des US-Staates drohte und nur eine Anhebung der Schuldengrenze einen Ausweg bot, dem sich die RepublikanerInnen aber zunächst verweigerten. Während der schwierigen Verhandlungen musste Geithner mögliche Reaktionen der Schuldenmärkte abschätzen und zog dafür Fink zurate. Dafür erfuhr dieser auch umgehend von dem erzielten Kompromiss. Nur den Notenbank-Chef Ben Bernanke informierte der Finanzminister eher. Den Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, zählt Laurence Fink sogar zu seinen Freunden. Darum erwies er dem ehemaligen Manager von GOLDMAN SACHS auch einen „Freundschaftsdienst“ und sah im Auftrag der spanischen, irischen und griechischen Regierungen bei den verschuldeten Banken der Länder nach dem Rechten.

Auch den Handel mit Asset Backed Securities (ABS) darf der US-amerikanische Finanzmogul für seinen alten Kumpel wieder in Schwung bringen. Die EZB will den angeschlagenen Banken im Südosten Europas nämlich solche in Wertpapiere verpackte Schuld-Forderungen abkaufen, die wegen ihres erheblichen Ausfallrisikos nicht unwesentlich zur Finanzkrise beigetragen haben. Das soll den Geldhäusern dann auf Kostern der SteuerzahlerInnen zu besseren Bilanzen verhelfen und auf diesem Wege e Kreditvergabe an die Privatwirtschaft ankurbeln.

BLACKROCK verdient also glänzend am Crash und muss sich auch vor den legislativen Lehren aus dem Desaster nicht fürchten. Durch intensiven Lobby-Einsatz gelang es Fink und Konsorten, den Dodd-Frank-Act, der mehr Transparenz und Regulierung auf den Finanzmärkten schaffen wollte, in entscheidenden Punkten abzuschwächen.

So steht der Finanzkapitalismus heutzutage stärker denn je dar. Dessen Anfänge hatte der sozialdemokratische Theoretiker Rudolf Hilferding bereits 1910 beschrieben. Die Herausbildung von Monopolen und die Entstehung von Aktiengesellschaften mit angestellten ManagerInnen statt mit EigentümerInnen, auf deren Geschäftspolitik die Banken maßgeblichen Einfluss hatten, galt ihm als Zäsur. „Ein immer größerer Teil des in der Industrie verwendeten Kapitals ist Finanzkapital, Kapital in der Verfügung von Banken und in der Verwendung der Industriellen“, schrieb er. In seinen Augen lag die Kontrolle über die gesellschaftliche Produktion in den Händen einer Oligarchie. Und Hilferding verknüpfte eine Hoffnung damit: „Die vergesellschaftende Funktion des Finanzkapitals erleichtert die Überwindung des Kapitalismus außerordentlich.“ Die ProletarierInnen bräuchten nur noch den Staat zu erobern und sich des Finanzkapitals zu bemächtigen, um sofort die Verfügung über die wichtigsten Produktionszweige zu erhalten, so Hilferding. Später allerdings wurde er milder und hat „diesen geräuschvollen Machtwechsel von Klassen in einen harmonischen Regierungswechsel von Parteien uminterpretiert“, wie Guenther Sandleben in „Das Finanzkapital“ schreibt. So blieb die Eroberung aus, und alles geht weiter seinen finanzkapitalistischen Gang, der nur einen Modus kennt: schneller. Darum hat sich auch Konzern-Chef Marijn Dekkers für die letzten beiden Jahre seiner Amtszeit bloß eines vorgenommen: „den Firmenwert von BAYER weiter zu steigern“. Und als geeignetes Mittel hierzu erscheint ihm der Verkauf der Kunststoff-Sparte. BLACKROCK & Co. dürften maßgeblich zur Entscheidungsfindung beigetragen haben.

(1) Werner Rügemer; Deutschland-AG aufgekauft; junge welt 19.3.13

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[Interview Bhopal] STICHWORT BAYER 04/2014

CBG Redaktion

30 Jahre Bhopal

„Es wird immer schlimmer“

Am 3. Dezember 2014 jährt sich der Tag der Katastrophe von Bhopal zum dreißigsten Mal. In einem Pestizid-Werk von UNION CARBIDE explodierten damals 25 bis 40 Tonnen der Chemikalie Methylisocyanat und bildeten eine Gaswolke, die sich über das Fabrik-Gelände und das anliegende Elendsviertel legte. Allein die sogenannte „Nacht des Massakers“ forderte 8.000 Menschenleben. Insgesamt starben etwa 20.000 InderInnen. Und noch immer fordert das Desaster Opfer, denn Sanierungsarbeiten fanden nicht statt. Anabel Schnura, Tochter von CBG-Vorstand Axel Köhler-Schnura, hat in einer Bhopaler Klinik ein dreimonatiges Praktikum absolviert und gibt Auskunft über die aktuelle Situation vor Ort.

Wo genau hast Du dein Praktikum gemacht?
Anabel Schnura: In Bhopal, in der „Sambhavna Trust Clinic“, die die Opfer von UNION CARBIDE behandelt. Sie betreut aber nicht nur die Leute vor Ort, sondern kämpft auch immer noch dafür, dass etwas passiert und die Schuldigen zur Verantwortung gezogen werden.

Die Klinik ist nur für die Bhopal-Opfer?
Ja, 29.000 sind dort registriert.

Es kommen immer noch neue dazu?
Ja, dadurch, dass es sich in den Genen festgesetzt hat und dass das Grundwasser verseucht ist. Heute sind es die Nachfolge-Generationen, die Probleme haben. Es sind größtenteils Atem-Probleme, Lungen-Probleme. Es gibt aber auch Fälle von Krebs und Blindheit.

Wie sah deine Arbeit konkret aus?
Wir haben mit den Health Workern zusammengearbeitet. Sie sind immer in die umliegenden Communities und Slums gegangen, um Aufklärungsarbeit zu machen für die Menschen vor Ort, die es nicht schaffen, in die Klinik zu kommen. Sie warnten sie unter anderem davor, das Wasser zu trinken und malten ihnen aus, was dann passieren kann: Hautausschläge und anderes.

Es gab nie Bestrebungen, die Böden zu reinigen und das Gelände insgesamt zu sanieren?
Nein, es sieht dort seit 30 Jahren noch genauso aus wie in der Nacht selber. Da wurde nichts gereinigt, da stehen immer noch die Chloroform-Flaschen herum, und direkt daneben die Slums. Und jetzt im Mai waren Wahlen, da durfte niemand das Gelände betreten, weil es immer noch zur Diskussion steht, was da jetzt passieren soll.

UNION CARBIDE hat auch nichts gemacht?
Das Unternehmen hat kleine Schadenersatz-Zahlungen geleistet, aber wirklich geschehen ist nichts. 2001 wurde UNION CARBIDE dann verkauft. Es gehört jetzt zu DOW CHEMICAL, und die sagen: „Wir haben damit nichts mehr zu tun.“ Weil deshalb die Chemikalien immer noch ins Grundwasser sickern, ist es verseucht. Und die Leute trinken das, denn Wassertanks gibt es nicht viele. Die waschen sich damit, die reinigen ihre Lebensmittel damit, alles.

Dann ist es ja eine unendliche Geschichte
Ja. In der Nacht selber und unmittelbar danach sind etwa 20.000 Menschen gestorben, und jetzt sind es 100.000, die betroffen sind. Es wird immer schlimmer. 2007 haben zwei Wissenschaftler eine Studie gemacht, um zu prüfen, welche Ausmaße die Kontaminierung des Bodens und des Grundwassers hat. Und wir haben das mit einem einfachen Kupferdraht-Test ein bisschen fortgeführt, wo man nur sehen kann, das ist kontaminiert oder nicht, den Umfang jedoch nicht bestimmen kann. Dass das Gebiet direkt drumrum verseucht ist, das ist klar, aber wir sollten jetzt prüfen, inwieweit das Gebiet noch größer geworden ist. Das hat zwar nicht so gut geklappt, weil reiner Kupferdraht schwer zu bekommen war, aber grundsätzlich ist das mittlerweile so ein großes Gebiet ... das verbreitet sich immer mehr.

Es wird auch nicht gesagt: Wenn wir schon nicht sanieren können, dann quartieren wir wenigstens die Bewohner um?
Bhopal hat 1,8 Millionen Einwohner. Da sind so viele Menschen auf so kleinem Raum, die kann man nicht mal eben umsiedeln. Bhopal ist durch Seen getrennt. Es gibt einmal die alte Stadt und einmal die neue Stadt. Die Explosion hat sich in der alten Stadt, dem Slum-Gebiet, ereignet. Die Leute, die dort leben, können es sich nicht leisten, dort wegzuziehen. Die Leute von der anderen Seite hingegen sagen, wir haben damit nichts zu tun, das ist deren Sache. Sie trauen sich gar nicht auf die Seite, wo sich die Explosion ereignet hat, weil dort die Kriminalität stärker ist und Armut herrscht. Und bei ihnen wird alles neu gebaut und schön gemacht.

Die Fabrik war wirklich mittendrin?
Ja, wir haben 500 Meter Luftlinie von dem alten Fabrik-Gelände gelebt. Wir haben es uns auch angeguckt. Es ist einfach eine riesige Ruine, mit einem Zaun drumrum, der aber überall Löcher hat. Und unmittelbar in der Nähe des Zauns wohnen dann die Leute in ihren Wellblechhütten. Sie bauen da auch ihre Lebensmittel an, und die sind natürlich auch alle verseucht. Viele Leute sind sehr unwissend. Wir haben einen älteren Mann kennen gelernt, der hat auf der anderen Seite von Bhopal gewohnt, war aber politisch interessiert und kannte auch die Geschichte von Bhopal. Er ging aber trotzdem jeden Tag in dem See, der verseucht ist, schwimmen, wo wir gesagt haben: Um Gottes Willen, das würden wir niemals tun!“. Sie machen alle auch ein bisschen die Augen zu und angeln dort ihren Fisch. Wir haben auch einmal Fisch dort gegessen, und wurden dann von einem Arzt gesehen und haben direkt einen auf den Deckel bekommen, wie wir denn den Fisch essen könnten!

Gibt es keine Parteien, die sagen, wenn wir an die Macht kommen, dann machen wir etwas?
Doch, die gibt es schon, aber die sind sehr klein. Die Frau des Klinik-Leiters ist in der AAP, der „Partei der kleinen Leute“. Die setzt sich dafür ein, dass Sanierungsarbeiten beginnen.

Und wie war es bei der letzten Wahl im Frühjahr?
Die AAP hat ein paar Prozent bekommen. Das ist nichts gewesen.
Wenn eine Partei in Bhopal sagt: „Wir wollen, dass hier endlich mal etwas geschieht“, dann könnte man doch eigentlich denken, dass sie Stimmen bekommt.
Die Leute in den Slums haben kaum Bildung, während die gebildeten Leute auf der anderen Seite die Augen verschließen und sagen: „Wir haben damit nichts zu tun, wir wohnen hier, wo es sicher ist“. Und da kommt dann so ein Modi und erzählt den Bauern: „Ich bring euch Strom und Wasser.“ Und dann glauben die das. Der ist im Fernsehen, der ist überall zu sehen, der macht tolle Plakate. Was soll ich da so eine kleine Frau wählen, die da mit dem Besen in der Hand steht und sagt: „Ich kämpfe für eure Rechte“, wo auf der anderen Seite jemand ist, der Geld hat und sagt: „Ich bring euch Strom und Wasser.“

Wird der 30. Jahrestag etwas an der Situation ändern?
Die Klinik hat schon vor, wieder große Aktionen zu machen. Sie hoffen, dass da mal was passiert. Aber ob sich etwas tut, weiß kein Mensch. Es bleibt auch abzuwarten, inwieweit die Behörden politische Betätigungen zulassen werden.

Vor fünf Jahren zum 25. Jahrestag fand eine große Rundreise der Bhopal-Initiative statt. Sie machten auch an den BAYER-Standorten in Leverkusen und im US-amerikanischen Institute Station, weil die dortige Fertigungsstätte ursprünglich UNION CARBIDE gehörte und das Schwester-Werk zur Fertigungsstätte in Bhopal war. Bei einer Explosion im Jahr 2008 wäre es dann auch fast zu einer ähnlichen Katastrophe gekommen.
Ja, sie haben schon mehrere Rundreisen unternommen, sie haben auch durch die USA schon mal eine Tour gemacht.

Du hast in dem Archiv der Klinik auch Material der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gefunden?
Ja, ich habe dort Veröffentlichungen der CBG entdeckt (1). Ich habe Sathyu, den Leiter der Klinik, auch darauf angesprochen, aber er hat es leider nicht richtig verstanden und erst ein paar Tage vor meiner Abfahrt realisiert, dass ich die Tochter von Axel bin und die Coordination unterstütze. Da ist bei ihm erst der Groschen gefallen: „Ooh, ich habe so viel Respekt vor der Arbeit, die die machen.“ Und er hat mir dann noch den CBG-Newsletter gezeigt, den er immer bekommt: „Hier, guck mal!“

(1) Es handelte sich dabei um ein Exemplar der Broschüre „Menschenrechts-Charta gegen Industrie-Gefahren“ und das Manuskript der Rede, die Axel Köhler-Schnura 1994 auf dem Bhopal-Tribunal gehalten hatte. Es wurde anlässlich des 10. Jahrestages vom „Permanent People’s Tribunal“, der Nachfolge-Einrichtung des Russell-Tribunals, abgehalten. Zum Abschluss präsentierten die TeilnehmerInnen den Entwurf der „Charter of Health, Safety and Environmental Rights of Workers and Communities“. Die CBG hat dann auch an der Endfassung mitgewirkt und den Text 1996 zweisprachig unter dem Titel „Menschenrechts-Charta gegen Industrie-Gefahren“ veröffentlicht.

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[Betaferon] STICHWORT BAYER 04/2014

CBG Redaktion

BAYERs BETAFERON

Große Kosten, kleiner Nutzen

Das „Multiple Sklerose“-Präparat BETAFERON gehört zu den umsatzträchtigsten BAYER-Medikamenten, obwohl Studien ihm größere Nebenwirkungen als Wirkungen bescheinigen. Vor der jüngsten hat das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ erst im August diesen Jahres gewarnt: Nierenerkrankungen mit Todesfolge kann das Gentech-Präparat hervorrufen.

Von Jan Pehrke

Am 19. August 2014 sah sich das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) gezwungen, „sicherheitsrelevante Informationen“ zu BETAFERON und anderen Interferon-beta-Präparaten zu veröffentlichen. Die Behörde hatte nämlich von der „Europäischen Arzneimittelagentur“ Informationen über schwerwiegende Nierenleiden nach dem Spritzen der Mittel erhalten. „Während der Behandlung der Multiplen Sklerose mit Interferon-beta-Arzneimitteln wurden Fälle von thrombotischer Mikroangiopathie (TMA), einschließlich Fällen mit Todesfolge, berichtet“, heißt es in dem „Rote Hand Brief“. Vor Schädigungen der Nieren durch das nephrotische Syndrom warnt das BfArM ebenfalls. Beide Nebenwirkungen können noch Jahre nach der ersten BETAFERON-Injektion auftreten, so das Bundesinstitut.

Über eine solche Fallgeschichte informierte die „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“ bereits 2008. Eine Frau nahm vier Wochen nach Beginn der BETAFERON-Therapie um sechs Kilogramm zu. Sie klagte auch über Übelkeit und Erbrechen und vermochte nur noch geringe Mengen Urin auszuscheiden. Zwei Tage später kam die 38-Jährige ins Krankenhaus. Diagnose: akutes Nierenversagen. Für die Patientin ging es glimpflich aus. Die MedizinerInnen setzen sofort das BETAFERON ab, ordneten eine Dialyse an und nahmen einen Blutplasma-Austausch vor. So gelang es ihnen schließlich, die Nierenfunktionen wiederherzustellen.
Mit Nierenschädigungen erschöpfen sich die Gegen-Anzeigen des Gentech-Präparats allerdings bei Weitem nicht. 186 Meldungen über „unerwünschte Arznei-Effekte“ hat das BfArM allein im Jahr 2013 erhalten.

Auf der Haben-Seite kann BETAFERON dagegen nicht viel verbuchen. „Die Vorstellungen zur Wirkung von Interferonen basieren auf Vermutungen“, hält eine Broschüre der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf (UKE) zur PatientInnen-Information fest (1). Angetreten, das Immunsystem von MS-Kranken zu regulieren und die Entzündungen zu lindern, sieht die Erfolgsbilanz des Mittels mager aus. So ist es dem MS-Ratgeber des UKE zufolge nur bei 16 Prozent der frisch Erkrankten imstande, einen zweiten Schub zu verhindern, bei fünf von sechs PatientInnen hingegen zeigt es keinen Nutzen. Bei einer schon chronifizierten, aber immer noch schubförmig verlaufenden MS schlägt es bloß in vierzehn Prozent der Fälle an. Das Fortschreiten der Erkrankung kann das BAYER-Mittel dann lediglich bei zehn Prozent der Betroffenen beeinflussen. Nur „einen geringen Effekt auf die Zunahme der Beeinträchtigung“, bescheinigt die UKE-Publikation der Arznei deshalb. Es steht nicht einmal fest, ob eine frühzeitige Gabe des Pharmazeutikums überhaupt den Verlauf der Gesundheitsstörung beeinflusst. Und bei einer von Beginn an manifesten Multiplen Sklerose ohne Schübe hilft BETAFERON so wenig wie andere Arzneien. „Bei der primär chronischen MS gibt es zur Zeit keine überzeugenden Therapie-Konzepte“, konstatieren die Hamburger MedizinerInnen. Zu einem ähnlich kritischen Befund gelangt die Cochrane Collaboration, die 44 Studien zu MS-Therapeutika ausgewertet hat. Angesichts der häufigen Nebenwirkungen stellt das Netzwerk von ÄrztInnen, WissenschaftlerInnen und PatientInnen-VertreterInnen zu BETAFERON und anderen Präparaten dieser Medikamenten-Gruppe fest: „Das Kosten/Nutzen-Verhältnis könnte ungünstig sein.“

Viele Betroffene kommen zu einem ähnlichen Resultat. Nach einer Untersuchung von Emilio Portaccio brachen binnen vier Jahren 46 Prozent von ihnen die Behandlung mit BETAFERON oder anderen Interferonen ab. Die Konzerne wissen um diese hohe Quote und bieten deshalb Therapie-Begleitungen an. Der Leverkusener Multi beispielsweise versucht seine KundInnen mit dem BETAPLUS-Programm bei der Stange zu halten, „das individuelle Service-Angebote, telefonische und schriftliche Beratung und kompetente Betreuung durch geschultes Personal beinhaltet“.

Trotz all dieser Unbill steht BAYER in Treue fest zu seinem Präparat. „Interferon-beta-1b (BETAFERON) ist seit 25 Jahren auf dem Markt und immer noch top“, behauptet das Unternehmen und zählt es zu seinen „Meilensteinen“. Was den Profit angeht, stimmt das auch. Mit über einer Milliarde Euro Umsatz nimmt die Arznei unter den pharmazeutischen Bestsellern des Leverkusener Multis den zweiten Rang ein. Nur das Blutpräparat KOGENATE macht noch mehr Gewinn. Das liegt vor allem am hohen Preis – ca. 16.000 Euro pro Jahr – des MS-Präparats. Dieser orientierte sich bei der Markteinführung nämlich an den damals noch hohen Herstellungskosten für Interferone. Und seither stellt das die Messlatte dar, obwohl die Substanzen heute billig zu produzieren sind. BAYER hat die Fabrikation inzwischen nicht nur in Europa, sondern auch in den USA ganz ausgegliedert. 2011 legte der Konzern die Anlage im US-amerikanischen Emeryville still, vernichtete 540 Arbeitsplätze und schloss mit BOEHRINGER einen Lohnfertigungsvertrag ab.

Aber wie gelingt es dem Pillen-Riesen, mit einem umstrittenen Mittel so viel Geld einzunehmen? Ganz einfach: Indem er nach Kräften die medizinische Landschaft pflegt. Dem großen „Vermarktungsinteresse pharmazeutischer Firmen im Indikationsgebiet MS“ folgend, das der von der Krankenkasse Barmer GEK herausgegebene „Arzneimittelreport 2014“ den Konzernen attestiert, hat BAYER beste Beziehungen zu MedizinerInnen, Fachgesellschaften und PatientInnen aufgebaut. So fanden sich 21 der insgesamt 24 Ärzte, welche die Behandlungsleitlinie für Multiple Sklerose erstellt haben, schon einmal auf der Lohnliste des Leverkusener Multis und erhielten Schecks für Vorträge, BeraterInnen- bzw. GutachterInnen-Tätigkeiten oder Forschungsvorhaben. Gut angelegtes Geld, lautet das Fazit der Leitlinie doch: „Die mittlerweile über 20-jährige Erfahrung mit den rekombinanten Beta-Interferonen in der Behandlung der MS belegen deren gutes Nutzen/Risiko-Profil in der Basis-Therapie.“

Die MS-Selbsthilfegruppen bindet der Leverkusener Multi derweil durch Spenden an sich. Und mit der „Deutschen Multiplen Sklerose Gesellschaft“ (DMSG) besteht dank umfangreicher Investitionen ebenfalls bestes Einvernehmen. Über 55.000 Euro ließ BAYER der DMSG und seinen Landesverbänden 2013 zukommen. Insbesondere auf den Vorsitzenden des Ärztlichen Beirates, Prof. Dr. Reinhard Hohlfeld, kann der Global Player sich verlassen, diente der Leiter des Instituts für Klinische Neuro-Immunologie an der Münchner „Ludwig- Maximilians-Universität“ dem Unternehmen doch schon als wissenschaftlicher Berater. Auch Forschungsgelder erhielt der Professor, der ebenfalls an den Leitlinien mitwirkte und noch dazu als Mitherausgeber mehrerer MS-Fachzeitschriften fungiert, bereits von dem Pharma-Riesen. Seine Vorstandskollegen Ralf Gold, Peter Rieckmann und Heinz Wiendl sind gleichfalls ziemlich beste BAYER-Freunde – und Leitlinien-Autoren.
Da wundert es dann nicht weiter, dass der Verband nur leitlinientreue MS-Zentren zertifiziert und den Interferonen trotz der neuen Warnung des „Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte“ vor Nierenschädigungen weiterhin die Treue hält. „Insgesamt ergibt sich trotz dieser Meldungen keine Änderung der Nutzen/Risiko-Bewertung von Interferon-beta-Präparaten, deren Sicherheitsprofil über mehr als 20 Jahre der breiten Anwendung bei der Multiplen Sklerose gut bekannt ist. Die aktuelle Information des BfArM allein gibt daher keinen Anlass, eine wirksame und gut vertragene Interferon-Therapie abzubrechen“, erklärt die DMSG.

Der Arzt Dr. Wolfgang Weihe rügte schon 2006 im Deutschen Ärzteblatt die alles andere als zarten Bande der DMSG im Allgemeinen, seiner ÄrztInnen im Besonderen sowie der Leitlinien-MedizinerInnen zur Industrie und meldete Zweifel an der Uneigennützigkeit ihrer BETAFERON-Vorliebe an. Das Imperium schlug sofort zurück. Die DMSG reichte eine Unterlassungsklage ein, der das Landgericht Hamburg auch stattgab. Mit solchen Mitteln gelingt es der Phalanx aus Industrie, Fachgesellschaften und willigen MedizinerInnen, Einvernehmen herzustellen. Darum wagt es auch kaum jemand aus der Zunft, eine konträre Meinung zu äußern. Es existiert auch keine unabhängige Patienten-Vereinigung, die ein Gegengewicht bilden könnte. Die DMSG gibt sich zwar den Anstrich einer dem Selbsthilfe-Prinzip verpflichteten PatientInnen-Organisation, ist in Wirklichkeit aber eine mit BAYER & Co. eng verflochtene ÄrztInnen-Organisation.
Nicht genug damit, sich Einfluss auf diese Fachgesellschaft und die MS-Behandlungsrichtlinien gesichert zu haben, nimmt sich der Leverkusener Multi die ÄrztInnen auch noch im Einzelnen vor. In den Praxen sorgt die Konzern-Armada der Pharma-DrückerInnen dafür, dass BETAFERON vermehrt auf dem Rezeptblock landet. Die so genannten Beobachtungsstudien tragen ebenfalls ihren Teil dazu bei. Aus wissenschaftlicher Sicht haben diese keinerlei Wert, denn die MedizinerInnen müssen gegen ein Honorar von bis zu 1.000 Euro nur einen kleinen Fragebogen ausfüllen, aus betriebswirtschaftlicher Sicht jedoch einen hohen. In Wahrheit verfolgen die „Studien“ nämlich nur den Zweck, die Kranken auf das getestete Präparat umzustellen.

Entsprechend hoch ist der BETAFERON-Warenumschlag in den Sprechzimmern. Die anderen Hersteller können sich auch nicht beklagen. „Am meisten ärgert mich, wenn Druck ausgeübt wird auf Betroffene“, sagte die Krebs-Medizinerin und MS-Patientin Jutta Scheiderbauer in der TV-Sendung Nano: „Wenn Sie zum Arzt gehen und ein Beratungsgespräch möchten und Sie werden nicht adäquat aufgeklärt über die Unsicherheiten des Nutzens und nicht adäquat über die Nebenwirkungen, die über das hinausgehen, was man so allgemein im Internet findet (...) Ich habe es auch am eigenen Leib erlebt, dass es mein Leben mehr beeinträchtigt hat als die MS.“ Zu diesen negativen Erfahrungen trug nicht zuletzt BETAFERON bei. Kurz nach der ersten Spritze bekam die Frau Gliederschmerzen, Schüttelfrost und andere Grippe-Symptome. Das flaute binnen drei, vier Monaten ab, und drei Jahre hatte Jutta Scheiderbauer Ruhe. Dann tauchten wieder Probleme auf: Frieren, Verstopfung, temporäre Spastiken, Schmerz-Attacken und Schläfrigkeit. Als dann noch vergrößerte Lymphknoten im Bauchraum diagnostiziert wurden, zog ihr Neurologe die Reißleine und setzte das Medikament ab. Auch andere Arzneien nimmt die Onkologin nicht mehr. Trotzdem hat sie seit drei Jahren keinen Schub mehr bekommen.

BAYER jedoch setzt unverdrossen weiter auf den lukrativen Geschäftszweig. Dem Leverkusener Multi wachsen seit jüngster Zeit sogar noch von einem weiteren MS-Medikament Einnahmen zu, das auch nicht so ganz ohne ist: LEMTRADA (SWB 1/14). Der seit 2006 zum Pharma-Riesen gehörende SCHERING-Konzern hatte die Lizenz für den Wirkstoff Alemtuzumab 1999 von GENZYME erworben und ihn zur einer Arznei zur Behandlung der Blutkrebs-Art „chronisch-lymphatische Leukämie“ (CLL) weiterentwickelt. Als besonders lukratives Geschäft erwies sich das jedoch nicht. Darum gab der Leverkusener Multi 2009 die Rechte an GENZYME zurück und handelte dafür im Gegenzug Lizenz-Zahlungen aus. Und die fließen jetzt. Alemtuzumab erhielt nämlich eine Zulassung für die Indikation „Multiple Sklerose“. Um es für einen um den Faktor 40 höheren Preis als bisher anbieten zu können, was LEMTRADA 29.000 Mal teurer als Gold macht, gab GENZYME das Anwendungsgebiet CLL auf. Eine Operation, die Wellen von Empörung hervorrief. „Der Stakeholder-Value wird hier in bisher nicht dagewesener Weise vor das Patienten-Wohl gesetzt“, erboste sich etwa Torsten Hoppe-Tichy, Präsident des „Bundesverbands Deutscher Krankenhausapotheker“. Noch dazu entspricht das Präparat nicht gerade dem Goldstandard der MS-Therapie. Darum verweigerte die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA dem Medikament auch die Zulassung. Mit Autoimmun-Krankheiten, Nierenschäden, Krebs, Infektionen, Schilddrüsen-Beschwerden und Infusionsnebenwirkungen wie Bluthochdruck, Kopf- oder Brustschmerzen war ihr die Liste der Gegenanzeigen einfach zu lang. Ihr europäisches Pendant, die EMA, hatte hingegen keine Bedenken. Sie erteilte dem Pharmazeutikum die Genehmigung, und BETAFERON kann sich nun über standesgemäßen Zuwachs freuen.

(1) Immuntherapien der Multiplen Sklerose 2008; www.gesundheit.uni-hamburg.de

Job-Streichungen in Emeryville
Auch über sein im November 2010 beschlossenes Rationalisierungsprogramm hinaus vernichtet der Leverkusener Multi noch Arbeitsplätze. So stellt er die Fertigung des Multiple-Sklerose-Wirkstoffs Betaferon im US-amerikanischen Emeryville ein. Künftig übernimmt BOEHRINGER für BAYER die Herstellung. Die meisten der 540 Beschäftigten verlieren durch diese Maßnahme ihren Job. Damit bleibt der Konzern seiner Devise treu, bevorzugt Produktionen zu schließen, in denen sich Betriebsgruppen von Gewerkschaften konstituieren wollen. In Emeryville hatte das Unternehmen die Gründung hintertrieben, indem es mit Stellen-Streichungen drohte und die Beschäftigten-VertreterInnen als „Schmarotzer“ diffamierte, die es nur auf die Beiträge der Belegschaftsangehörigen abgesehen hätten.

[MaterialScience] STICHWORT BAYER 04/2014

CBG Redaktion

BAYER trennt sich von Kunststoff-Sparte

Der Ausverkauf

Mitte September 2014 hat der Leverkusener Multi angekündigt, sich von seiner Kunststoff-Sparte trennen zu wollen und damit dem Druck der Finanzmärkte stattgegeben.

Von Jan Pehrke

Immer wieder hatten Finanzinvestoren in den letzten Jahren von BAYER den Verkauf der Kunststoff-Sparte gefordert. Bisher hatte sich der Multi dem Druck nicht gebeugt. Noch im Juli hatte der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers in einem Interview betont: „Das Beste ist, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen.“ Aber jetzt hat der Konzern den Traditionsbruch doch vollzogen. Er kündigte an, BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) als selbstständige Einheit an die Börse zu bringen. Damit sind alle Opfer umsonst, die der Global Player den Beschäftigten in der Vergangenheit abverlangt hatte, um die angeblich schlechten Geschäftszahlen zu verbessern und die Sparte im Unternehmen zu halten. So hatte er über 2.000 Arbeitsplätze bei BMS vernichtet, Werke geschlossen, unter Tarif entlohnt, Effizienz-Programme gestartet und Bonus-Zahlungen gestrichen. Und nun droht das, was bereits bei anderen Ausgliederungen zu beobachten war: weitere Job-Streichungen, Lohnkürzungen und andere Rationalisierungsmaßnahmen. Entsprechend frustriert äußern sich die GewerkschaftsvertreterInnen: „Die durch uns kritisierte Abkehr von der Drei-Säulen-Strategie ist durch die Arbeitnehmer-Vertreter im Aufsichtsrat, trotz intensivster Beratungen, nicht zu verhindern gewesen.“ Sonst hätte das Management keine finanziellen Mittel mehr bereitgestellt, womit der Bereich eine äußerst kritische Entwicklung genommen hätte, erläutern die Delegierten. Ein klarer Fall von Erpressung also. Peter Hausmann von der IG BCE bringt die Sorgen Belegschaft auf den Punkt: „Es besteht die Gefahr, dass es künftig ausschließlich um Gewinn-Margen gehen wird.“

Aber die Entscheidung hat nicht nur soziale Folgen. Philipp Mimkes vom Vorstand der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) befürchtet auch Konsequenzen für die Anlagensicherheit: „Die künftigen Besitzer werden versucht sein, die Kosten für Wartung, Personal und Feuerwehr weiter abzusenken. Dies führt automatisch zu höheren Störfallrisiken. BAYER muss sicherstellen, dass die Betriebssicherheit durch den Verkauf nicht verringert wird.“

Nach Ansicht der CBG ist es auch denkbar, dass die Sparte in den nächsten Jahren parzelliert und in Teilen weiterverkauft wird – so wie bei der BAYER-Ausgliederung LANXESS geschehen. Im Fall eines größeren Störfalls hätte dies Konsequenzen für AnwohnerInnen und Belegschaft, da kleinere Unternehmen in geringerem Umfang haften.

Unter dem Dach der BMS befinden sich zahlreiche hochgefährliche Anlagen, zum Beispiel die Produktion von Polyurethan, bei der große Mengen toxischer Stoffe wie Chlor, Ammoniak, Kohlenmonoxid sowie das ehemalige Kampfgas Phosgen eingesetzt werden. Seit Jahrzehnten in der Kritik steht auch der hormonaktive Kunststoff Bisphenol A, der trotz Warnungen von ToxikologInnen in Lebensmittelverpackungen, Trinkflaschen, Kassenbons und Zahnfüllungen zum Einsatz kommt.

Konsequenzen hat der Schritt auch für die umstrittene CO-Pipeline zwischen Dormagen und Krefeld, die gegenwärtig wegen Gerichtsbeschlüssen auf Eis liegt. Sollte die Pipeline jemals in Betrieb gehen, so wäre völlig unklar, von wem sie in zehn oder zwanzig Jahren betrieben wird. Auch das Sicherheitsniveau und die maximale Haftung stünden in den Sternen.

Das alles aber kümmert weder die Chef-Etage noch die Finanzmärkte. Am Tag der Bekanntgabe der Entscheidung erklomm die BAYER-Aktie ein Allzeit-Hoch.

[GenSoja] STICHWORT BAYER 04/2014

CBG Redaktion

Neue Gen-Frucht

Soja made by BAYER

2015 bringt BAYER in den USA unter dem Namen CREDENZ eine neue Gensoja-Pflanze auf den Markt.

Von Philipp Mimkes

„Wir erfinden die Soja-Bohne nicht neu – aber warten sie, wir tun es doch“ – mit diesem Werbespruch preist der Leverkusener Multi seine neue Genfrucht CREDENZ an. Der Konzern vermarktet das Produkt in zwei Variationen, einmal mit einer Resistenz gegen das Pestizid Glyphosat und einmal mit einer gegen Glufosinat. Zu einem späteren Zeitpunkt sollen Sorten folgen, die zusätzlich gegen HPPD-Herbizide tolerant sind. Die LandwirtInnen können dann mehrere Pestizide sprühen, ohne die Nutzpflanze zu schädigen.
Bei dem ursprünglich von MONSANTO entwickelten und unter dem Namen ROUNDUP vermarkteten Glyphosat handelt es sich um das weltweit meistverkaufte Agrogift. Es ist seit 30 Jahren im Einsatz, trotz seiner Schadensbilanz. Glyphosat-haltige Pestizide stehen im Verdacht, Fehlbildungen hervorzurufen, das Erbgut zu schädigen und Krankheiten wie Alzheimer, Diabetes und Krebs zu begünstigen. Da das Patent abgelaufen ist, bieten mittlerweile auch BAYER und andere Firmen den Wirkstoff an.
Viele Wildpflanzen sind inzwischen resistent gegen Glyphosat; in den USA haben sich sogar schon „Super-Unkräuter“ gebildet, gegen die kein Kraut gewachsen ist. Neue Mittel entwickeln die Konzerne nämlich kaum noch – eine Folge der oligopolistischen Strukturen auf dem Agro-Markt. Der Leverkusener Multi streitet diesen Zusammenhang auch gar nicht ab. „Seit über 25 Jahren hat die weltweite Pflanzenschutz-Industrie kein wirtschaftlich bedeutendes Herbizid mit neuem Wirkmechanismus mehr für Flächenkulturen entwickelt und auf den Markt gebracht – unter anderem eine Folge der Konsolidierung der Industrie, die mit einer deutlichen Reduktion der Forschungsaufwendungen für neue Herbizide einherging“, konstatiert der BAYER-Forscher Dr. Hermann Stübler (SWB 1/14).
Darum können die Unternehmen auf die zunehmende Gefährdung ihrer Genpflanzen durch die Wirkungslosigkeit der auf sie abgestimmten Agro-Chemikalien nur mit einer Kombinationstherapie reagieren: Sie machen ihre Genkonstrukte gleich gegen mehrere der handelsüblichen Substanzen resistent und gewähren sich dazu gegenseitig Zugriff auf ihre Patente. Alter Wein in neuen Schläuchen lautet das Gebot der Stunde. Bei CREDENZ greift BAYER dafür neben Glyphosat auf das Herbizid Glufosinat zurück. Es ist bereits seit 1984 auf dem Markt und noch gefährlicher als das MONSANTO-Gift, weshalb es in der EU auch bis 2017 vom Markt verschwinden soll. Dies hindert den Global Player jedoch nicht daran, weiter auf dieses Produkt zu setzen und gegenwärtig im US-Bundesstaat Alabama eine große neue Glufosinat-Fabrik zu bauen.
Die Risiken und Nebenwirkungen von CREDENZ beschränken sich jedoch nicht allein auf den Gesundheitsbereich. Mit der Laborfrucht reiht sich der Leverkusener Multi in die Lieferkette der globalen Fleischindustrie ein, die vor allem in Südamerika für verbrannte Erde sorgt. Der großen Nachfrage nach eiweißhaltigem Futter von Seiten der Massentierhalter in Europa und den USA geschuldet, überziehen riesige Soja-Monokulturen die Länder. Dem Flächenfraß fallen dann kleinbäuerliche Betriebe, Wälder und Brachflächen zum Opfer, was massive soziale und ökologische Folgen hat.

[CO-Pipeline] STICHWORT BAYER 04/2014

CBG Redaktion

Ermutigendes OVG-Urteil

CO-Pipeline in schlechter Verfassung

Eine herbe Niederlage musste der BAYER-Konzern am 28. August vor dem Oberverwaltungsgericht Münster einstecken. Die Richter bezeichneten die Genehmigung der umstrittenen Kohlenmonoxid-Pipeline zwischen Dormagen und Krefeld als verfassungswidrig. Nun geht der Fall nach Karlsruhe.

Von Philipp Mimkes

Freude, verhaltener Jubel - aber auch der Wille zum Weiterkämpfen: So ließ sich die Stimmung im Gerichtssaal nach der Urteilsverkündung zusammenfassen. Das Oberverwaltungsgericht in Münster hatte soeben das Pipeline-Gesetz aus dem Jahr 2006 als „Verstoß gegen das Grundgesetz“ bezeichnet. „Wir sind der Überzeugung, dass §1 des Gesetzes verfassungswidrig ist“, so der Vorsitzende Richter Dirk Lechtermann. Deshalb verwies er den Fall an das Karlsruher Verfassungsgericht. Zumindest in den nächsten Jahren wird das hochgiftige Gas somit nicht fließen. Und sollten die Karlsruher RichterInnen der Argumentation des OVG folgen, so droht der umstrittenen Leitung zwischen den Werken Krefeld und Dormagen gar das endgültige Aus.

Lex BAYER
Der nordrhein-westfälische Landtag hatte BAYER den Bau der Rohrleitung durch ein eigenes Gesetz ermöglicht. Um die Enteignungen entlang der 66 km langen Trasse zu rechtfertigen, nobilitierte das Paragraphen-Werk die Pipeline. Sie diene „dem Wohl der Allgemeinheit“, stand dort zu lesen. Zur Begründung heißt es schwammig, das Röhrenwerk werde „die wirtschaftliche Struktur der Chemie-Industrie und der mittelständischen Kunststoff verarbeitenden Unternehmen stärken und damit Arbeitsplätze sichern“. Dies rechtfertige die notwendigen Enteignungen. Konkrete Angaben zu Investitionen, höherem Steueraufkommen oder neuen Arbeitsplätzen machten jedoch weder das Land noch der Konzern.
Hierzu fand das Gericht deutliche Worte: „Die Pipeline stellt ein privatnütziges Vorhaben dar, durch das das Wohl der Allgemeinheit allenfalls mittelbar gefördert wird. Deshalb muss sich das Rohrleitungsgesetz an den hohen Anforderungen messen lassen, die das Grundgesetz für eine Enteignung zu Gunsten privater Unternehmen enthält.“ Nach Auffassung des Gerichts hätten die Vorteile für das Gemeinwohl detailliert aufgelistet werden müssen. Auch hätte die Firma BAYER Garantien dafür abgeben müssen, dass die Ziele auch erreicht werden. Beides sei nicht geschehen.
Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) bezeichnet das Urteil daher als Lektion in Sachen Demokratie: „Das Pipeline-Gesetz konnte nur durch den großen Einfluss des Konzerns auf die Landespolitik zustande kommen. Einmal mehr zeigt sich, dass die Macht von BAYER eine Gefahr für die Demokratie darstellt.“

Endgültiger Stopp gefordert
Denn weit entfernt davon, das „Wohl der Allgemeinheit“ zu fördern, ist die Pipeline vielmehr allgemeingefährlich. Wegen der hohen Giftigkeit von Kohlenmonoxid (CO) haben Polizei, Feuerwehr und medizinische Dienste erklärt, dass sie die Sicherheit der Bevölkerung bei einem Unfall nicht gewährleisten können. Auch die betroffenen Kommunen lehnen die Pipeline ab. Thomas Hendele, Landrat im Kreis Mettmann: „Mit der Entscheidung des OVG Münster sind wir dem Ziel, die Inbetriebnahme der CO-Pipeline endgültig zu verhindern, ein Stück näher gekommen. Wir danken vor allem den kreativen und unermüdlich kämpfenden Bürgerinitiativen“.
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN fordert, dass Gefahrstoffe wie CO, Chlor oder Ammoniak – wenn überhaupt - ortsnah produziert und verarbeitet werden. Ein Transport durch dicht besiedelte Gebiete ist nicht zu verantworten und auch nicht notwendig. Ein jüngst vorgestelltes Gutachten der NRW-Landesregierung zeigt, dass BAYER ebenso gut in Krefeld eine neue CO-Produktion aufbauen und auf den Betrieb der Pipeline verzichten kann.
Unterstützung erhält die CBG vom Pipeline-Experten Dipl. Ing. Bernhard Wening, der seit mehr als zwanzig Jahren als Sachverständiger für Gasanlagen tätig ist: „Eine hundertprozentige Gewährleistung der dauerhaften Dichtheit kann für eine solche Leitung nicht garantiert werden. Technisches Versagen, Schäden durch Bau- oder Landwirtschaftsmaschinen, auch mögliche Sabotagen stellen reale Gefährdungsrisiken dar. Die Annahme, ein gefährlicher Gasaustritt sei absolut auszuschließen, widerspricht wissenschaftlichen Erkenntnissen und der praktischen Betriebserfahrung.“
Wie gefährlich der Umgang mit Kohlenmonoxid ist, zeigt der Unfall im Brunsbütteler BAYER-Werk im September 2013. Nach einer Freisetzung von CO schwebten nach Angaben der Polizei zwei Beschäftigte in Lebensgefahr und konnten erst im letzten Moment gerettet werden. Zu den Ursachen des Unfalls macht BAYER bis heute keine Angaben.

Zu früh zum Feiern
Zur Enttäuschung der Umweltverbände monierte das Gericht diese hohen Risiken nicht, sondern lediglich die notwendigen Enteignungen. Sollten diese doch noch für rechtmäßig erklärt werden, so droht weiterhin eine Betriebsgenehmigung. Für Uwe Friedrich vom Vorstand der CBG ist das Glas denn auch nur halb voll: „Wir begrüßen, dass sich das Gericht unserer langjährigen Argumentation anschließt, wonach betriebliche Profite nicht mit dem Allgemeinwohl gleichzusetzen sind. Dies ist ein wichtiger Etappensieg.“ Gleichwohl kritisiert Friedrich, dass das OVG die tödlichen Gefahren bei einem Austritt von Kohlenmonoxid nicht ausreichend berücksichtigt hat. „Die Richtlinien zum Bau von Pipelines sind nicht für Gefahrstoffe wie Kohlenmonoxid gemacht worden. Unter Berücksichtigung der hohen Risiken hätte das OVG das Verfahren endgültig stoppen müssen“, so Friedrich weiter. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN wird die Kampagne gegen die Pipeline daher fortführen.

Infos zur Kampagne

[Baytril] STICHWORT BAYER 04/2014

CBG Redaktion

Ein Must in der Mast:

BAYERs BAYTRIL

In bundesdeutschen Tierställen kommen große Mengen Antibiotika zum Einsatz, die auch in der Humanmedizin Verwendung finden, was die Bildung resistenter Keime weiter begünstigt. Bei der kritischen Klasse der Fluorchinolone, die BAYER in Apotheken als AVALOX und CIPROBAY und im Veterinärbereich als BAYTRIL vertreibt, stieg die abgegebene Menge im vergangenen Jahr bei insgesamt rückläufigen Zahlen auf 13 Tonnen.

Von Philipp Mimkes

In der Intensiv-Tierhaltung kommen rund 40 Mal mehr Antibiotika zum Einsatz als in deutschen Krankenhäusern, und sieben Mal mehr als in der Humanmedizin insgesamt. Zunehmender Beliebtheit in der Zuchtbranche erfreuen sich die auch in BAYERs BAYTRIL enthaltenen Fluorchinolone. Im vergangenen Jahr wurden in der Tiermast 13 Tonnen Fluorchinolone verabreicht, nach 10 Tonnen im Jahr zuvor und 8 Tonnen im Jahr 2011. Das geht aus Daten hervor, die das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ veröffentlicht hat. Die Menge der Cephalosporine blieb dagegen mit sechs Tonnen konstant.
Beide Substanzklassen gelten als Reserve-Antibiotika. Sie finden bei PatientInnen mit schweren Krankheiten Verwendung, wenn normale Antibiotika nicht mehr anschlagen. Ein starker Einsatz dieser Medikamente in Ställen führt dazu, dass die Krankheitserreger Resistenzen gegen die Mittel bilden.

Während immer mehr Fluorchinolone in den Ställen landeten, ging die Anzahl der Verschreibungen weniger gefährlicherer Bakterizide 2013 zurück. An TierärztInnen abgegeben wurden 1.452 Tonnen und damit 167 Tonnen weniger als 2012, wie die amtlichen Daten in einer Information für den Bundestag zeigen. Im Jahr 2011 waren es noch 1706 Tonnen gewesen.

Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN fordert seit langem ein Verbot der Gabe besonders wichtiger Reserve-Antibiotika in der Tiermast. Uwe Friedrich, CBG-Vorstandsmitglied: „Wir brauchen eine antibiotika-freie Tierzucht. Letztlich ist dies nur möglich, wenn das System der tierquälerischen Mast, das den exzessiven Einsatz von Bakteriziden erst notwendig macht, durch eine bäuerliche und ökologische Landwirtschaft ersetzt wird“.
Auch der BUND FÜR UMWELT UND NATURSCHUTZ DEUTSCHLAND (BUND) verlangt ein strengeres Arzneimittelgesetz. „Reserve-Antibiotika haben in Massentierhaltungen nichts verloren und müssen verboten werden“, so Agrarexpertin Reinhild Benning.

Seit 2011 sind Pharmaindustrie und Großhändler verpflichtet zu melden, welche Mengen bestimmter Arzneimittel sie an TierärztInnen abgeben. Ein Großteil der Antibiotika geht dabei seit Jahren an Landkreise in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, in denen es viele große Mastanlagen gibt. Nach einer Studie der Hochschule Hannover, der Uni Leipzig und des „Bundesinstituts für Risikobewertung“ aus dem Jahr 2011 erhalten Hühner innerhalb ihrer 39-tägigen Mast in einem durchschnittlichen Betrieb an zehn Tagen Antibiotika. Ein Mastschwein wird in seinen 115 Tagen Lebenszeit an 4,2 Tagen mit Antibiotika behandelt. Wie viel BAYTRIL die Tiere genau bekommen, ist unbekannt. BAYER hält die Verkaufszahlen für das Mittel seit einigen Jahren geheim. Die letzten Angaben machte das Unternehmen 2012 auf der Hauptversammlung. Erst auf mehrmalige Nachfrage Kritischer AktionärInnen hin hatte der Vorstandsvorsitzende dort die Verkaufszahlen für 2011 genannt: 166 Millionen Euro. Der Absatz dürfte inzwischen aber noch gestiegen sein und den Konzern auch in diesem Jahr zufriedenstellen, obwohl in der Bundesrepublik seit Juli die „Tierarzneimittel-Mitteilungsdurchführungsverordnung“ gilt. Diese sieht nämlich lediglich strengere Dokumentationspflichten vor, lässt die krankmachenden Strukturen der Massentierhaltung jedoch unangetastet.

[Editorial] STICHWORT BAYER 04/2014

CBG Redaktion

Liebe Leserinnen und Leser,

Ende 2013 hat die Europäische Kommission insgesamt vier Pestizide wegen ihrer Beteiligung am weltweiten Bienensterben mit befristeten Teilverboten belegt. Darunter befinden sich mit den Wirkstoffen Imidacloprid und Clothianidin, beides Insektengifte aus der Gruppe der sogenannten Neonicotinoide, auch zwei Produkte von BAYER. Grundlage war die wissenschaftliche Bewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA, die ansonsten für ihre Nähe zur Industrie und ihren unkritischen Umgang mit Umweltrisiken verschrien ist. In diesem Fall hat die Empfehlung der Behörde den betroffenen Konzernen aber richtig wehgetan: BAYER, SYNGENTA und BASF verdienen Millionen mit ihren Agrargiften, insbesondere den „modernen“, hochwirksamen Substanzen. Die nun verhängten, zunächst für gerade einmal zwei Jahre gültigen, Anwendungsbeschränkungen kosten also bares Geld. Kaum verwunderlich, dass sich die betroffenen Konzerne damit nur ungern abfinden. Dividende zählt mehr als die Zukunft der Landwirtschaft: Mit dem Überleben von Bienen, anderen Bestäubungsinsekten und der Funktionsfähigkeit stabiler Agrar-Ökosysteme steht viel mehr auf dem Spiel als „nur“ das Überleben einzelner Arten. Der Schaden, den Pestizide anrichten können, ist kolossal: Eine Vielzahl von Kulturpflanzen ist auf die Hilfe von Insekten bei der Bestäubung ihrer Blüten angewiesen – ohne sie findet keine Fruchtbildung statt. Die Ernte fällt in Menge und Qualität schlechter aus.

Die für Bienen gefährlichen Wirkungen vieler Pestizide wurden lange unterschätzt, da nur die akute Giftigkeit geprüft wurde. Doch die Wirkungen sind subtiler: Die Gifte stören Entwicklung, Verhalten sowie Orientierungsvermögen und erhöhen die Krankheitsanfälligkeit. Im Zusammenwirken mit anderen Faktoren, etwa einem reduzierten Nahrungsangebot, extremen Wetterbedingungen oder Parasiten und Krankheiten, können
Bienenvölker kollabieren.

Dabei haben die Bienen noch Glück: Nur sie haben überhaupt eine Lobby, auf andere Insekten wird bei der Bewertung und Anwendung von Agrargiften keinerlei Rücksicht genommen. Und auch andere Tiergruppen sind betroffen: Unlängst wurde festgestellt, dass das BAYER-Gift Imidacloprid Vogelbestände dezimiert. Dies ist vermutlich nicht auf eine direkte Vergiftung zurückzuführen, sondern auf ein verringertes Nahrungsangebot.

Der Einsatz von Giften wie den Neonicotinoiden gefährdet also nicht nur Bienen, sondern allgemein die Biodiversität. Dabei ist Vielfalt in Natur und Kulturlandschaft bei weitem nicht nur ein Wert an sich. Von ihr hängen ökologische Regelungsfunktionen ab, die von unschätzbarem Wert sind: Sogenannte „kostenlose Ökosystemdienstleistungen“, etwa die natürliche Schädlingskontrolle durch Nützlinge, werden nur in einer intakten Umwelt erbracht. Leider ist mit ihnen kaum Geld zu verdienen, Chemie lässt sich hingegen verkaufen.

Und was macht die Industrie? BAYER hat die Europäische Kommission wegen der Verbote verklagt. Das Verfahren wird wohl kaum zeitnah zu einem Ergebnis führen und dient den Konzernen (BASF und SYNGENTA haben ebenfalls Klage eingereicht) wohl auch mehr als ein unmissverständliches Zeichen an die Politik: Ökologische Kollateralschäden dürfen ein lange Zeit wenig in Frage gestelltes Geschäftsmodell nicht kaputtmachen. Mitte April haben wir von GREENPEACE BAYER an die Verantwortung des Unternehmens erinnert und den direkt Betroffenen eine Stimme gegeben: Auf einem Fotobanner an der Konzern-Zentrale forderten Bienen von BAYER „Stop killing us“. Anlass waren Funde von Agrargiften in Pollenproben aus ganz Europa. An der Firmenpolitik hat sich jedoch nichts geändert; von BAYER ist kein Umdenken zu erwarten. Bleibt zu hoffen, dass die EU-Verantwortlichen sich nicht beeindrucken lassen von den Drohgebärden der Industrie – und die einzig richtigen Schlüsse ziehen: Dem Schutz von Landwirtschaft, Bienen und Umwelt Vorrang vor Konzern-Interessen zu geben und die Verbote ohne Ausnahmen und zeitliche Beschränkungen zu verhängen.

Dr. Dirk Zimmermann ist Landwirtschaftsexperte bei GREENPEACE

[Ticker] STICHWORT BAYER 04/2014 – TICKER

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Erfolgreiche Jahrestagung
2014 fand die Jahrestagung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zum Thema „No Taxes – Die Steuerflucht großer Konzerne“ in einem etwas anderen Rahmen als gewohnt statt. Der Coordination war es nämlich gelungen, Sahra Wagenknecht von der Partei „Die Linke“ als Gastrednerin zu gewinnen, weshalb die CBG die Veranstaltung in den Bürgersaal der Düsseldorfer Arcaden verlegte. Und die Bundestagsabgeordnete enttäuschte die Erwartungen der 160 BesucherInnen nicht. Imposant schilderte sie die ganz legalen Steuertricks der Global Player, denen es gelingt, sich vornehmlich durch interne Geschäfte mit Waren, Krediten und Lizenzen so arm zu rechnen, dass – wie im Fall von IKEA – für den Fiskus gerade mal fünf Prozent vom Gewinn übrig bleiben. Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der CBG skizzierte im Anschluss den größeren politischen Rahmen, der dieses Treiben überhaupt erst ermöglicht, und illustrierte schließlich am konkreten Beispiel „BAYER“ die gängigen Steuervermeidungsstrategien wie etwa diejenige, die BAYERs Finanz-Vorstand Werner Baumann „eine veränderte regionale Ergebnis-Verteilung“ nennt. Nach den Vorträgen entwickelte sich dann noch eine lebhafte Diskussion, so dass die BesucherInnen am Ende angeregt, ein bisschen klüger und hoffentlich motiviert zu einem Engagement gegen die Machenschaften von BAYER & Co. ihre Heimreise antraten.

CBG-Vortrag in Tutzing
Im August 2014 hatte die „Politische Akademie Tutzing“ die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zu einem Vortrag eingeladen. CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes referierte im Rahmen des Seminars „Werte-Bildung im Chemie-Unterricht“ vor größtenteils promovierten ChemikerInnen zum Thema „Bewertung der Risiken der chemischen Industrie“. Über drei Stunden berichtete Mimkes über die Gefährdungspotenziale bei BAYER & Co. Aber auch danach erlahmte das Interesse nicht, so dass sich im Anschluss an den Beitrag noch eine intensive Diskussion entspann. Die Seminar-Leitung freute sich über den ganzen Input und bot der Coordination an, sie bei passender Gelegenheit wieder nach Tutzing zu holen.

Nobelpreis für Kailash Satyarthi
In diesem Jahr erhielt Kailash Satyarthi, der langjährige Vorsitzende des GLOBAL MARCH AGAINST CHILD LABOUR, für sein Engagement gegen die Kinderarbeit den Friedensnobelpreis. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) lernte den Inder 2003 durch eine Kooperation kennen. Sie gab in diesem Jahr gemeinsam mit dem GLOBAL MARCH und dem INDIA COMMITTEE OF THE NETHERLANDS eine Studie heraus, welche unter anderem das große Ausmaß von Kinderarbeit auf den Feldern eines Zulieferers von BAYER CROPSCIENCE dokumentierte. Auch den Offenen Brief an den damaligen BAYER-Chef Werner Wenning mit der Forderung, diese Praxis nicht länger zu dulden, unterschrieb die indische Initiative mit. So trug sie mit dazu bei, durch politischen Druck eine deutliche Verbesserung der Situation zu erreichen. Deshalb freute sich die CBG sehr über die Stockholmer Entscheidung und sandte Kailash Satyarthi herzliche Glückwünsche.

BUKO-Veranstaltung zu Uganda
Die BUKO Pharma Kampagne hat eine neue Studie zur Geschäftspraxis der drei Pharma-Riesen BAYER, BOEHRINGER und BAXTER in Uganda herausgegeben. Im Spätsommer 2014 kam mit Denis Kibira ein Mitwirkender an der Untersuchung aus Afrika nach Deutschland, um persönlich ein Bild von der Situation vor Ort zu geben. Am 6. September machte der Apotheker und Geschäftsführer der Initiative COALITION FOR HEALTH PROMOTION AND SOCIAL DEVELOPMENT in der Kölner Alten Feuerwache Station, und die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) trat aus gegebenem Anlass als Mitveranstalter auf. Von BAYER wusste Kibira nur wenig Gutes zu berichten. Der Leverkusener Multi bietet für die in Uganda am weitesten verbreiteten Gesundheitsstörungen kaum Arzneien an, weil er sich in Forschung & Entwicklung lieber auf die mehr Rendite versprechenden Mittel gegen westliche Zivilisationskrankheiten konzentriert. Zudem vermarktet der Konzern in dem Land viele umstrittene und deshalb als irrational eingestufte Pharmazeutika: 21 von 49 Medikamenten fallen unter diese Kategorie. Zu den als unentbehrlich erachteten Mitteln des Global Players hingegen hat die Bevölkerung wegen der hohen Preise kaum Zugang; sie finden sich zumeist nur in Privatkliniken und Privat-Apotheken.

ESSURE-Kampagne zeigt Wirkung
Bei ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, handelt es sich um eine kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich die Eileiter verschließen. Allzu oft jedoch bleibt die Spirale nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Nebenwirkungen Darum zieht ESSURE viel Kritik auf sich. So hat in den USA die Aktivistin Erin Brockovich, die durch einen Hollywood-Film über ihr Umwelt-Engagement zu großer Popularität gelangte, eine Kampagne gegen das Medizin-Produkt initiiert. Ihre Landsmännin Michelle Garcia setzte das Thema sogar auf die Tagesordnung der letzten Hauptversammlung des Leverkusener Multis. Auch im Internet verbreitet sich der Protest. Die FACEBOOK-Gruppe „Essure Problems“ hat aktuell über 11.000 Mitglieder. Das alles zeigt Wirkung – die Umsätze entwickeln sich nicht so wie erhofft. Die genauen Zahlen wollte der Konzern dem Internet-Portal Fierce Medical Devices wohlweislich nicht nennen. Selbst bei der Investoren-Konferenz im Juli 2014 musste das Unternehmen eingestehen: „Es gibt ein paar Klagen in den sozialen Medien, aber die Dinge bessern sich.“

Protest gegen „Food Partnership“
Die bundesdeutsche Entwicklungshilfe-Politik setzt auf Kooperationen mit der Privatwirtschaft. So hat das „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) mit dem Leverkusener Multi, BASF, SYNGENTA und ca. 30 weiteren Konzernen die „German Food Partnership“ (GFP) gegründet (SWB 4/13). Staatliche Mittel fließen unter anderem in zwei Projekte mit BAYER-Beteiligung, die „Better Rice Initiative in Asia“ (BRIA) und die „Competitive African Rice Initiative“ (CARE). Diese dienen dem Agro-Riesen als Vehikel, um seinen nach einer agro-industriellen Produktionsweise verlangenden, nicht zur Wiederaussaat geeigneten Hybrid-Reis zu vermarkten. Am 15. Oktober 2014, dem Welternährungstag, protestierten die Initiativen OXFAM und FIAN gegen die GFP. Um die fatalen Auswirkungen des Joint Ventures zu illustrieren, ließen die Organisationen Doubles von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Entwicklungshilfe-Minister Gerd Müller mit einer Riesen-Kugel, auf der die Namen von BAYER, BASF und MONSANTO prangten, Kleinbauern und Kleinbäuerinnen wegkegeln. „Mehr als die Hälfte aller weltweit Hungernden sind Kleinbäuerinnen und -bauern. Mit ihnen sollte die Bundesregierung gezielt zusammenarbeiten. Konzerne mit Steuergeldern zu fördern, ob direkt oder indirekt, macht niemanden satt außer die Konzerne selbst“, so David Hachfeld von OXFAM.

Mehr unabhängige Arznei-Forschung!
Der an der Universität Mainz tätige Mediziner Peter Galle hat in der Faz die zu große Abhängigkeit seiner Zunft von BAYER & Co. beklagt. So sei das Mitwirken von ÄrztInnen bei Arznei-Tests „von Abhängigkeiten und Vorbedingungen belastet, die einer objektiven Wissensvermehrung im Wege stehen können“, schreibt Galle und nennt als Beispiel die „Anpassung des Studien-Designs auf eine Effekt-Maximierung“. Zudem verhindert die Ausrichtung der Konzerne auf profitable Medikamente seiner Meinung nach die Entwicklung von Präparaten für kleinere PatientInnen-Gruppen. Angesichts der zu geringen Ausstattung der Universitätskliniken und zu kleiner Fördersummen der „Deutschen Forschungsgemeinschaft“ fordert er die Politik zu mehr Investitionen in unabhängige Pharma-Forschung auf. Und auch den Pillen-Riesen verlangt er einen Obolus zu dieser ab.

DUOGYNON: Kritik an BAYER
Der hormonelle Schwangerschaftstest DUOGYNON der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING hat ab den 1950er Jahren zu tausenden Todgeburten geführt. Darüber hinaus kamen unzählige Kinder mit schweren Missbildungen zur Welt. Der Lehrer Andre Sommer forderte den Leverkusener Multi deshalb stellvertretend für andere Betroffene auf, ihm Einblick in die DUOGYNON-Akten zu gewähren. So wollte er feststellen, welche Kenntnis der Konzern von der verheerenden Wirkung des Mittels hatte, um dann Schadensersatz-Ansprüche prüfen zu können. Der Pharma-Riese weigerte sich allerdings, und auch per Klage erreichte Sommer keine Öffnung der Archive. Der Leiter des „Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte“, Walter Schwerdtfeger, kritisiert die Haltung des Unternehmens. Auf die Frage der WirtschaftsWoche: „Ist es nachvollziehbar, dass BAYER die Akten zu einem Hormon-Präparat nicht herausrückt, das etliche Patienten geschädigt haben soll?“, gibt der Biologe eine klare Antwort. „Es dürfte für BAYER schwer werden, die Akten dauerhaft zurückzuhalten. Grundsätzlich müssen die Unternehmen anerkennen, dass die Öffentlichkeit einen Anspruch auf solche Daten hat“, so Schwerdtfeger.

KAPITAL & ARBEIT

BAYER stößt Kunststoff-Sparte ab
Jahrelang hatten die Finanzmärkte den Leverkusener Multi mit der Forderung konfrontiert, sich von seiner Kunststoff-Sparte BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) zu trennen und auch konkrete Maßnahmen ergriffen, um den Konzern zum Verkauf zu bewegen. So belegten sie Aktien von Mischkonzernen wie BAYER mit einem Konglomeratsabschlag. Aber erst jetzt, da der Einfluss von Finanzinvestoren wie BLACKROCK auf den Global Player so groß ist wie nie, gab er dem Druck nach und kündigte an, BMS an die Börse bringen zu wollen (siehe SWB 4/14). Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE versuchte, dagegen vorzugehen, musste sich aber geschlagen geben. „Die durch uns kritisierte Abkehr von der Drei-Säulen-Strategie ist durch die Arbeitnehmer-Vertreter im Aufsichtsrat, trotz intensivster Beratungen, nicht zu verhindern gewesen“, erklärten die GewerkschaftsvertreterInnen. Das Management hatte angekündigt, den Bereich sonst finanziell auszuhungern. Ein klarer Fall von Erpressung also. Dabei hatte die Belegschaft in der Vergangenheit viele Opfer gebracht, um das Geschäftsfeld im Unternehmensverbund halten zu können. Über 2.000 Beschäftigte verloren ihren Arbeitsplatz, der Rest musste eine untertarifliche Bezahlung, das Streichen von Bonus-Zahlungen und immer neue Rationalisierungsprogramme über sich ergehen lassen. Alles umsonst, wie sich jetzt herausstellt.

BLACKROCK schreibt BAYER & Co.
BLACKROCK ist der weltweit größte Finanzinvestor und besitzt von fast allen Global Playern Aktien (siehe SWB 4/14). An BAYER hält er rund 30 Prozent der Geschäftsanteile. Seine Einfluss macht BLACKROCK-Chef Laurence Fink unter anderem durch an die Vorstandschefs „seiner“ Unternehmen adressierte Briefe geltend. Im März 2014 erhielten der Leverkusener Multi und die anderen Konzerne ein Schreiben, in dem Fink gnädigerweise konzedierte, auf schnelles Geld durch kurzfristrige Anlage-Strategien verzichten zu wollen. Aktien-Rückkäufe und Verschuldungen zwecks Dividenden-Erhöhungen anstelle von Investitionen in die Zukunft seien deshalb nicht in seinem Sinne, bedeutete der US-Amerikaner den ManagerInnen. Im Gegenzug verlangte er von den Bossen aber, ihm für eine mehr auf längerfristiges Wachstum angelegte Firmen-Politik gut ausgearbeitete Business-Pläne mit überprüfbaren Zielvorgaben vorzulegen, „um das geduldige Kapital anzuziehen, das sie haben wollen“.

4,83 Millionen für Dekkers
Im Geschäftsjahr 2013 strich BAYER-Chef Marijn Dekkers ein Salär von 4,83 Millionen Euro ein. Dazu kommen noch Pensionszusagen in Höhe von 677.000 Euro. Seine drei Vorstandskollegen verdienten zusammen 8,7 Millionen Euro und ein „Ruhegeld“ von 594.000 Euro.

BAYER kann nicht forschen
„BAYER ist ein Innovationsunternehmen von Weltrang“ tönte der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers 2013 auf der Hauptversammlung des Konzerns. Tatsächlich aber hat das Unternehmen mit der Forschung so seine liebe Mühe. „Wir sind gut in der Entwicklung, aber nicht so gut in der Forschung“, gesteht Forschungsvorstand Kemal Malik ein. Darum arbeitet der Global Player seit einigen Jahren verstärkt mit Hochschulen und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen zusammen. 2012 existierten allein im Pharma-Bereich 326 solcher Kooperationen.

Ein Kind der Großchemie
Seit Januar 2014 hat Frank Löllgen den Vorsitz des Nordrhein-Bezirkes der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) inne und ist damit auch für BAYER zuständig. Löllgen kennt den Leverkusener Multi sehr gut. Er hat dort eine Ausbildung zum Chemie-Laboranten gemacht und seinen Förderer, den heutigen IG-BCE-Vorsitzenden Michael Vassiliadis, kennengelernt. Eine besonders kritische Haltung hat der 52-Jährige zum Global Player nicht. Zu seiner 2011 erfolgten Berufung zum Leverkusener Bezirksleiter der Chemie-Gewerkschaft sagt er rückblickend: „Ich bin ein Kind der Großchemie. Dieses Gebiet mit BAYER zu übernehmen, war eine Auszeichnung.“

Betriebsrat muss putzen
Zwischen der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) und alternativen Gewerkschaftsgruppen wie dem BELEGSCHAFTSTEAM gab es in der Vergangenheit öfters Konflikte. „Wir brauchen in der Opposition keine Opposition“, meinte etwa der heutige Betriebsratsvorsitzende des Leverkusener BAYER-Werkes, Oliver Zühlke, als das BELEGSCHAFTSTEAM und die KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN FÜR EINE DURCHSCHAUBARE BETRIEBSRATSARBEIT bei den Betriebsratswahlen 2010 einer Personen- statt Gruppenliste nicht zustimmen mochten, weil die Organisationen befürchteten, dabei ihre Kenntlichkeit zu verlieren. Diese Animositäten könnten jetzt zu einer Auseinandersetzung beigetragen haben, die bis vor das Arbeitsgericht ging. Ein BELEGSCHAFTSTEAM-Betriebsratsmitglied hatte dort gegen BAYER und den Betriebsrat geklagt, weil er nach der Wahl seinen Status als freigestellter Beschäftigten-Vertreter verloren hatte und trotz 40-jähriger Betriebszugehörigkeit plötzlich „als bestbezahlte Putzfrau bei BAYER“ arbeiten musste. Zühlke gab zwar formale Fehler bei der Personalausschuss-Entscheidung auf Aberkennung der Freistellung zu, erklärte sie aber trotzdem für rechtmäßig. Die Richterin forderte die drei Parteien auf, eine außergerichtliche Einigung bei einem Streitschlichtungsgremium zu suchen.

IG BCE vs. VAA
In der Chemie-Industrie wächst der Anteil der Beschäftigten mit hohen Bildungsabschlüssen, während der Anteil der weniger gut qualifizierten Betriebsangehörigen sinkt. Deshalb machen sich die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) und der „Verband angestellter Akademiker und leitender Angestellter in der chemischen Industrie“ (VAA) zunehmend Konkurrenz. Die IG BCE versucht, in die Domäne des eher rechts von ihr stehenden VAA einzudringen. So machte sich ihr Vorsitzender Michael Vassiliadis jüngst die sonst vornehmlich in bürgerlichen Kreisen kursierende Forderung nach Abschaffung der kalten Progression, also des möglichen Auffressens einer Lohn-Erhöhung durch eine steuerliche Mehrbelastung, zu Eigen, was ihm allerdings Kritik von vielen GewerkschaftskollegInnen eintrug. DGB-Chef und BAYER-Aufsichtsrat Reiner Hoffmann trägt diese Strategie jedoch mit und betont: „Wir wollen nicht mehr nur mit Mindestlohn und Prekariat identifiziert werden.“ Der VAA indes hat es auch nicht mehr nur auf Belegschaftsmitglieder aus den Top-Etagen abgesehen und sammelt eifrig Betriebsratssitze. So haben VAAlerInnen an den BAYER-Standorten Berlin, Frankfurt und Bergkamen Mandate errungen. Vasiliadis kritisierte das Vorgehen des Verbandes in einem Brief an VAA-Hauptgeschäftsführer Gerhard Kronisch scharf. „Für uns ist irritierend, in welchem Umfang der VAA mit eigenen Listen bei den zurückliegenden Betriebsratswahlen außerhalb seiner Stamm-Klientel angetreten ist“, ereiferte er sich.

ERSTE & DRITTE WELT

Bienenkiller in kleinen Dosen
BAYERs Insektizid THUNDER enthält den für das weltweite Bienensterben mitverantwortlichen Wirkstoff Imidacloprid. In Afrika will der Konzern dieses Mittel jetzt für weniger als einen Dollar auch in Mini-Packungen anbieten, um sich den Markt für Kleinbauern und -bäuerinnen besser zu erschließen. Für die bedrohte Insekten-Art bedeutet das nichts Gutes.

IG FARBEN & HEUTE

Gedenkort für Euthanasie-Opfer
Die vom Leverkusener Multi mitgegründeten IG FARBEN haben nicht nur das Zyklon B für die Vergasung der Juden im „Dritten Reich“ geliefert. Der Mörder-Konzern hatte auch für die Euthanasie, der mehr als 100.000 behinderte oder psychisch kranke Menschen zum Opfer fielen, den passenden Rohstoff im Angebot. Er stellte für die „Aktion T4“ – benannt nach der Berliner Adresse des Planungszentrums für den Massenmord, das sich in der Tiergartenstr. 4 befand – das Kohlenmonoxid zur Verfügung. Im November 2011 entschied der Bundestag, in würdigerer Form als bisher an die „Aktion T4“-Toten zu erinnern und einen Gedenk- und Informationsort an der Tiergartenstraße zu errichten. Am 2. September 2014 fand die feierliche Eröffnung im Beisein des Berliner Bürgermeisters Klaus Wowereit und der Kulturstaatsministerin Monika Grütters statt.

Platz nach Norbert Wollheim benannt
Im Jahr 2001 ging das Frankfurter IG-FARBEN-Haus in den Besitz der „Johann Wolfgang von Goethe-Universität“ über. Seit dieser Zeit traten Studierende und Lehrende dafür ein, die mahnende Erinnerung an den von BAYER mitgegründeten Mörderkonzern wachzuhalten, indem die Hochschule den ehemaligen IG-Zwangsarbeiter Norbert Wollheim ehrt. Die Leitung wehrte sich aber erfolgreich dagegen, den zentralen Platz auf dem Gelände nach dem Mann zu benennen, der durch seinen 1951 begonnenen Musterprozess Entschädigungszahlungen für die SklavenarbeiterInnen den Weg ebnete. Stattdessen errichtete sie mit dem „Norbert Wollheim Memorial“ eine Gedenkstätte für ihn (siehe SWB 1/09). Die Studenten und Studentilannen erhielten ihre Forderung jedoch aufrecht und gaben der Alma Mater etwa 2009 im Zuge des damaligen Bildungsstreits symbolisch den Namen „Norbert Wollheim Universität“. Und ihre Beharrlichkeit zahlte sich aus. Überlebenden-Gruppen, das „Fritz-Bauer-Institut“ und die „Jewish Claim Conference schlossen sich den Studierenden an, und 2014 gab die Universitätsleitung schließlich nach: Sie entschied sich, als Adresse fortan nicht mehr „Grüneburg-Platz 1“, sondern „Norbert-Wollheim-Platz 1“ zu führen.

POLITIK & EINFLUSS

TTIP: BAYER antichambriert
Bei den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen der EU mit den USA diktieren die Multis den PolitikerInnen die Agenda. Allein von Anfang 2012 bis April 2013 fanden 130 Treffen der VerhandlerInnen mit Konzern-VertreterInnen oder Unternehmensverbänden in Sachen „TTIP“ statt. Diejenigen Lobby-Organisationen, denen BAYER angehört, sprachen nach Recherchen des CORPORATE EUROPE OBSERVATORY besonders oft vor. „Business Europe“, der europäische Chemie-Verband CEFIC, der „US Chamber of Commerce“ und der „Bundesverband der deutschen Industrie“ – diese Lobby-Vereinigungen hatten die meisten Gesprächstermine mit der „Generaldirektion Handel“ der EU. Dabei dürften auch solche „Handelshemmnisse“ auf der Tagesordnung gestanden haben, die dem Leverkusener Multi besonders im Wege stehen wie etwa strenge Sicherheitsauflagen für Genpflanzen, Pestizide und andere Chemikalien.

BAYER sponsert RepublikanerInnen
Im Jahr der Wahlen zum US-Kongress spendete BAYER bis zum Oktober 2014 über 325.000 Dollar an PolitikerInnen. RepublikanerInnen, die für das Repräsentantenhaus kandidierten, erhielten 158.000 Dollar vom Konzern, ihre demokratischen KonkurrentInnen 55.000 Dollar. Republikanische SenatsaspirantInnen bedachte der Pharma-Riese mit 53.000 Dollar, ihre demokratischen Pendants mit 33.000 Dollar.

Auf der Bilderberg-Gästeliste
Bei der jährlich stattfindenden Bilderberg-Konferenz handelt es sich um eine Zusammenkunft hochrangiger PolitikerInnen und WirtschaftsmanagerInnen aus den Industrie-Nationen. 1980 stand der damalige BAYER-Chef Herbert Grunewald auf der Gästeliste und 2004 das ehemalige BAYER-Aufsichtsratsmitglied Jürgen Weber.

Gentech-Kampagne in Argentinien
Argentinien ist das Land mit der weltweit drittgrößten Anbaufläche für Genpflanzen. Um das Reservoir noch ein wenig besser ausschöpfen zu können, ist ein neues Gesetz in Planung, „das von der Industrie entwickelt und vom Landwirtschaftsminister akzeptiert wurde“, wie das „U.S. Department of Agriculture“ mit bemerkenswerter Offenheit festhält. BAYER und den anderen in der „Argentine Seed Association“ organisierten Unternehmen geht es dabei vordringlich darum, die Zulassungsverfahren zu beschleunigen. Umweltgruppen haben jedoch eine Kampagne gegen das Vorhaben organisiert. Darum sah sich der US-amerikanische „Foreign Agriculture Service“ (FAS), der vor Ort in Buenos Aires ein Büro unterhält, gezwungen, ebenfalls Aktivitäten zu entfalten. Unter anderem plant der FAS PR-Maßnahmen für die Risiko-Technologie wie Workshops, Konferenzen mit argentinischen MinisterInnen, WissenschaftlerInnen und Medien-VertreterInnen sowie Kooperationen mit Universitäten und VerbraucherInnen-Organisationen.

BAYER-freundliche EEG-„Reform“
Immer wieder hatten BAYER & Co. in der Vergangenheit über die hohen Strom-Kosten geklagt, die ihnen das „Erneuerbare-Energien-Gesetzes“ (EEG) durch die Förderung von Windkraft & Co. angeblich beschert. Dabei gewährte das Paragraphen-Werk energie-intensiven Betrieben großzügige Rabatte, für welche die Privathaushalte aufzukommen hatten. Für diese stieg die Strom-Rechnung seit 2008 um 38 Prozent, während diejenige der Konzerne in dem Zeitraum sogar um ein Prozent niedriger ausfiel. Die ungleiche Lasten-Verteilung brachte das ganze EEG in Verruf, weshalb schon Schwarz-Gelb eine „Reform“ begann, welche die Große Koalition unter der Ägide von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) dann abschloss. Der Vize-Kanzler drosselte den Ausbau der Erneuerbaren Energien und schaffte es gleichzeitig, die von Brüssel als unerlaubte Subventionen angesehenen Industrie-Privilegien größtenteils beizubehalten. Nur ein kleines Entgegenkommen forderte er dafür von den Unternehmen. Der Sozialdemokrat plante, ihnen auch für die Energie, die sie in ihren eigenen Kraftwerken produzieren, einen Beitrag zur Ökostrom-Förderung abzuverlangen. Aber sofort brach ein Sturm der Entrüstung los. Der Leverkusener Multi, der fast 60 Prozent seines Energie-Bedarfs selber deckt, warnte: „Unsere KWK (Kraft/Wärme-Koppelung, Anm. SWB)-Anlagen würden sich, sollten diese Pläne umgesetzt werden, nicht mehr wirtschaftlich betreiben lassen, sowohl die bestehenden als auch die neuen.“ Pflichtschuldig machte sich Gabriel sogleich ans „Nachbessern“. Das Gesetz, das am 1. August 2014 in Kraft trat, lässt – vorerst bis 2017 – Altanlagen verschont und macht nur neu errichtete abgabepflichtig, wobei es BAYER & Co. dafür aber noch Ausgleichszahlungen gewährt. Sogar die Faz musste sich über diese Zugeständnisse wundern: „Noch vor Wochen hätte niemand damit gerechnet, dass Betriebe bei der Ökosteuer-Reform fast ungeschoren davonkommen.“

Ordnungsruf von Dekkers
BAYER-Chef Marijn Dekkers hat mal wieder das angeblich innovationsfeindliche Klima in der Bundesrepublik kritisiert. „Unsere industrielle Basis beginnt zu bröckeln“, warnte er in der Faz. Zu geringe Forschungsausgaben, zu hohe Energie-Kosten, zu wenig naturwissenschaftlicher Unterricht in den Schulen und eine angeblich nicht immer sachgerechte Bewertung neuer Produkte durch die Politik – all das gefährdet seiner Meinung nach die Zukunft des Standortes Deutschland.

Ordnungsruf von Wenning
Kaum ein Monat vergeht ohne ein Lamento des Leverkusener Multis über die hohen Energie-Kosten (s. o.), obwohl die Politik dem Unternehmen viel niedrigere Tarife als den Privathaushalten beschert hat. Der BAYER-Aufsichtsratschef Werner Wenning ging jetzt sogar so weit, eine neue Hartz-Runde zu fordern, um die angeblich so horrenden Strom-Rechnungen der Konzerne volkswirtschaftlich zu kompensieren. „Ich mache mir große Sorgen, dass wir bald an einem Punkt angelangt sind, wo wir eine Agenda 2025 brauchen, also harte Einschnitte, damit wir im internationalen Wettbewerb nicht zurückfallen“, so Wenning.

Blesner weiht BAYER-Center ein
Im September 2014 reiste Peter Bleser, Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, nach China, um „neue Export-Möglichkeiten für deutsche Agrar-Produkte auszuloten“. Während seines Aufenthalts weihte er gemeinsam mit dem stellvertretenden chinesischen Landwirtschaftsminister Niu Dun auch ein BAYER-Schulungscenter in der Nähe von Nanking ein, in dem der Leverkusener Multi bei den FarmerInnen künftig für sein Saatgut und seine Pestizide werben will. „Ich sehe in dem neuen Informationszentrum eine große Chance, das vorhandene Fachwissen über eine erfolgreiche und nachhaltige Erzeugung an die chinesische Landwirte weiterzugeben“, sagte Bleser zur Eröffnung.

Duin spricht Grußwort
Zu der Veranstaltung „Standpunkt am Standort: Motor und Partner für Innovation – Pharma-Industrie in NRW“, welche die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE am 31.10.2014 in Monheim mit dem von BAYER gegründeten „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller“ und der Biotech-Firma UCB co-managte, sprach der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) ein Grußwort.

Gabriel für BAYER & Co. in China
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) betätigte sich im April 2014 auf seiner China-Reise als Chef-Lobbyist von BAYER & Co. So forderte er seine Gesprächspartner in Peking auf, den Unternehmen einen besseren Rechtsrahmen im Allgemeinen und einen besseren Patentschutz im Besonderen zu gewähren. Auch bei den Ausschreibungen mahnte er Veränderungen im Sinne bundesdeutscher Firmen an. Zudem stufte er den Technologie-Transfer als Zugangsvoraussetzung für den chinesischen Markt ebenso sehr als Handelshemmnis ein wie die in manchen Branchen bestehende Auflage für ausländische Konzerne, mit einheimischen Partnern Joint Ventures eingehen zu müssen.

Neues Gesetz für IT-Sicherheit
Der Leverkusener Multi registriert des öfteren Attacken auf sein Computer-Netz. 2012 etwa gab es einen Hacker-Angriff aus China mit dem Ziel, Industrie-Spionage zu betreiben. Zuvor schon musste er sich des Computer-Virus’ Stuxnet erwehren. Auch die politische HackerInnen-Gruppe „Anonymus“ störte schon die digitalen Betriebsabläufe. Anderen Konzernen ergeht es ähnlich. Deshalb plant die Bundesregierung ein IT-Sicherheitsgesetz. Sie will eine Meldepflicht für die Opfer von Cybercrimes einführen und dem Bundeskriminalamt mehr Kompetenzen verleihen. Zudem plant die Große Koalition, die entsprechenden Abteilungen von BKA, Verfassungsschutz und „Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik“ mit mehr Personal auszustatten.

Dekkers neuer VCI-Präsident
BAYER-Chef Marijn Dekkers ist neuer Vorsitzender des „Verbandes der Chemischen Industrie“ (VCI). Im September 2014 hat er das Amt für die nächsten zwei Jahre übernommen.

Dekkers reist nach Russland
BAYER & Co. machten vor der Ukraine-Krise gute Geschäfte in Russland. Auf 750 Millionen Euro belief sich 2013 der Umsatz des Leverkusener Multis, wozu vor allem die Pharma-Sparte beitrug. Weil der Konzern auf dem Pillen-Markt mit jährlichen Steigerungsraten von acht bis neun Prozent und bis 2017 mit Gesamterträgen auf dem russischen Markt in Höhe von 1,3 Milliarden Euro rechnete, baute er seine Präsenz in dem Land stark aus. Die Diskussion um Wirtschaftssanktionen im Frühjahr 2014 alarmierte das Unternehmen deshalb. „Ich hoffe, dass die Situation diplomatisch gelöst werden kann“, ließ sich der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers damals vernehmen. Seine Hoffnung erfüllte sich nicht, die Strafmaßnahmen kamen. Ob er jetzt auch zu den Firmen-Bossen gehört, die Angela Merkel laut Spiegel mittels ständiger Anrufe drängen, für eine Lockerung der Handelsbeschränkungen einzutreten, ist nicht bekannt. Auf jeden Fall gehörte Dekkers aber der Wirtschaftsdelegation an, die im Oktober 2014 auf Einladung des russischen Premierministers Dmitri Medwedew zu einer Zusammenkunft ausländischer Investoren geflogen war. Das Kanzleramt war über diese Reise-Diplomatie not amused. „Was wir am wenigsten brauchen, ist eine Nebenaußenpolitik der Konzerne“, so ein Berliner Spitzen-Beamter.

Eine neue „Lex BAYER“
Über die marode Leverkusener Autobahn-Brücke dürfen keine schweren LKWs mehr fahren. Zum BAYER-Gelände müssen sie deshalb einen Umweg von ca. 20 Kilometern in Kauf nehmen. Ernst Grigat, bei der 60-prozentigen BAYER-Tochter CURRENTA für die Chem-„Parks“ in Leverkusen und Dormagen verantwortlich, verfällt aus diesem Grund schon in Weltuntergangsstimmung. „Wenn nicht schnellstmöglich Abhilfe geschaffen wird, fürchten wir, dass die Industrie verlagert wird. Damit ist das langsame Sterben der chemischen Industrie in Deutschland vorprogrammiert.“ Und die apokalyptischen Töne zeigen Wirkung. Der nordrhein-westfälische Bauminister Michael Groschek (SPD) kündigte einen Neubau an. Und damit alles ganz schnell geht, will der Sozialdemokrat sogar das Fernstraßen-Gesetz ändern und durch eine sogenannte „Lex Leverkusen“ den BürgerInnen-Willen außen vor halten. Nach den Plänen des Politikers sollen etwaige Einsprüche in die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts fallen und damit nur noch über eine Instanz gehen. Einen Zeitgewinn von bis zu anderthalb Jahren verspricht sich der Minister davon. „Wir können es uns nicht leisten, durch Klagewellen das Risiko einer Vollsperrung einzugehen“, so Groschek.

Kritik an EU-Aktienrechtreform
Die EU plant in einer neuen Richtlinie umfangreiche Aktienrechtsveränderungen. Sie will künftig die AktionärInnen alle drei Jahre über die ManagerInnen-Gehälter abstimmen lassen und dabei die Verhältnismäßigkeit in Bezug auf die sonst in den Unternehmen gezahlten Entgelte gewahrt wissen. Zudem beabsichtigt Brüssel, den AnteilseignerInnen ein Mitsprache-Recht zu verschaffen, wenn ein Konzern mit seinen eigenen Teil-Gesellschaften oder seinen GroßaktionärInnen Geschäfte abzuschließen gedenkt. Darüber hinaus sieht der Entwurf vor, Pensionsfonds und anderen institutionellen Anleger ebenso zu mehr Transparenz zu verpflichten wie die manchmal von ihnen angeheuerten StimmrechtsberaterInnen. Erwartungsgemäß laufen BAYER & Co. Sturm gegen das Vorhaben.

Juncker rudert zurück
Der Leverkusener Multi betrachtet Medikamente als ganz normale Wirtschaftsgüter. Dem wollte der neue EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker folgen. Beim Zuschnitt der neuen Kommissionen plante er, dem Gesundheitskommissar die Zuständigkeit für die Zulassung von Arzneien und Medizinprodukten zu entziehen und den Bereich unter die Verantwortung der neuen Industrie-Kommissarin Elzbieta Bienkowska zu stellen. Erst nach massiven Protesten ließ der Luxemburger von seinem Vorhaben ab. Dagegen gelang es ihm, das bisher eigenständige Klima-Ressort aufzulösen und es mit dem Energie-Ressort zu verbinden – schlechte Aussichten also für eine engagierte Politik zur Reduzierung des Kohlendioxid-Ausstoßes.

PROPAGANDA & MEDIEN

COLOSS betet Bienen gesund
Der Leverkusener Multi weigert sich weiterhin beharrlich, die Mitverantwortung seiner Pestizide GAUCHO und PONCHO am weltweiten Bienensterben einzuräumen. Ja, der Konzern weigert sich sogar, den Fakt als solchen anzuerkennen. „Europäische Honigbienen sind gesünder, als in vielen Medienberichten behauptet“, vermeldete das Unternehmen jüngst und berief sich dabei auf „das unabhängige Honigbienen-Forschungsnetzwerk COLOSS“. Mit der Unabhängigkeit des Forschungskolosses ist es allerdings nicht so weit her. Er zählt BAYER nämlich zu seinen „Event Partnern“ und scheint unter Wissenschaft auch primär Krisen-Kommunikation zu verstehen. So befasste sich eine „training school“, an welcher auch Manuel Trischler vom „Bee Care Center“ des Pharma-Riesen teilnahm, hauptsächlich mit der Frage, wie angeblich unangemessenen Beiträgen von ForscherInnen zum Bienensterben zu begegnen sei. Das der Universität Bern angegliederte Institut machte bei den Unternehmen Defizite im PR-Bereich aus und empfahl ihnen Nachhilfe-Stunden in Öffentlichkeitsarbeit.

Bienen-Kümmerer BAYER
Der Leverkusener Multi steht wegen seiner bienenschädigenden Pestizide GAUCHO und PONCHO, welche die EU bis vorerst 2015 aus dem Verkehr gezogen hat, in der Kritik. Darum verstärkt der Konzern seine PR-Aktivitäten (s. o.) Wo das Unternehmen nicht schlicht versucht, die Fakten abzustreiten, da inszeniert es sich als Bienenkümmerer. Der Global Player fördert nicht nur das Anlegen von Ackerrand-Streifen mit pollen-reichen Blütenpflanzen sowie von Bienenweiden und gründet „Bee Care Center“, sondern unterstützt auch Forschungsvorhaben zum Erhalt der Bienengesundheit. So spendet er der kanadischen „University of Guelph“ 750.000 Dollar für den Aufbau eines Insekten-Gesundheitszentrums.

Neue Gentech-Kampagne
Im Februar 2014 haben BAYER & Co. eine neue PR-Kampagne für die grüne Gentechnik gestartet. „Growing Voices“ lautet der Markenname der Unternehmung, denn sie will den „lauter werdenden Stimmen, die ein Umdenken der EU in puncto ‚Gen-Pflanzen’ anmahnen“, Ausdruck verleihen. Die Auftakt-Veranstaltung fand im Brüsseler Hotel „Renaissance“ statt und brachte „Gesundes Essen – die unerzählte Geschichte der Gen-Pflanzen“ zu Gehör. Den „Science Fiction“-Stoff führten sich unter anderem damalige Angehörige der Europäischen Kommission und des EU-Parlaments, EU-BeamtInnen, UmweltpolitikerInnen, EmissärInnen von Forschungseinrichtungen – und natürlich Abgesandte der Agro-Multis zu Gemüte. Allein von BAYER waren neun VertreterInnen anwesend.

Wissenschaftliche Gentech-PR
Mit vereinten Kräften wollen die „Bill & Melinda Gates Foundation“ und BAYER, MONSANTO & Co. die Gentechnik-Debatte „entpolarisieren“. Zu diesem Behufe hat die Stiftung der Cornell Universität nicht weniger als 5,6 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt. Als Partner der PR-Kampagne mit wissenschaftlichem Antlitz namens „Alliance for Science“ fungiert der vom Leverkusener Multi und anderen Agro-Riesen unterstützte Lobby-Verein „International Service for the Acquisition of Agri-biotech Applications“ (ISAAA).

Gentech-Studie: CRIIGEN steigt aus
Im Juli 2013 hat das französische Gesundheitsministerium eine Studie über Gentech-Risiken in Auftrag gegeben. Ihr ist allerdings ein „Dialog-Forum“ angeschlossen, in dem VertreterInnen von BAYER, MONSANTO und LIMAGRAIN sitzen. Darum hat die unabhängige Wissenschaftsorganisation CRIIGEN ihren Ausstieg aus dem Projekt verkündet. „Wir können nicht mit Leuten zusammenarbeiten, die Lobbying-Taktiken benutzen, um ihre Produkte zu vermarkten und deren Akzeptanz zu erhöhen, ohne jene genauer zu untersuchen und ohne Transparenz walten zu lassen“, heißt es in der Begründung.

BAYER sponsert den „Weltthrombose-Tag“
Die „International Society on Thrombosis and Haemostasis“ hat den 13. Oktober zum „Weltthrombose-Tag“ erklärt, um stärker auf die mit den Blutgefäß-Verschlüssen einhergehenden Lebensgefahren aufmerksam zu machen. Der Leverkusener Multi gehört zu den Sponsoren der Veranstaltung, womit der Bock zum Gärtner wird. Thrombo-Embolien gehören nämlich zu den häufigsten Nebenwirkungen seiner Verhütungspillen aus der YASMIN-Familie. Allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA registrierte bisher 190 Sterbefälle.

BAYER erklärt Nebenwirkungen
XARELTO, YASMIN, BETAFERON, MIRENA, ESSURE – die Liste der BAYER-Medikamente, die wegen ihrer Risiken und Nebenwirkungen in der Kritik stehen, wird immer länger. Das bleibt auch in der Belegschaft nicht unbemerkt, weshalb sich der Leverkusener Multi in seiner Beschäftigten-Zeitung direkt gezwungen sah, auf die Problematik einzugehen. Da der Konzern es auch als Aufgabe seiner Angestellten erachtet, „zu Themen Stellung zu nehmen, die in der Gesellschaft kontrovers diskutiert werden“, will direkt ihnen künftig in einer Serie Argumente für solche Gelegenheiten an die Hand geben. Nach dem Motto „Jedes Ding hat zwei Seiten“ erklärt der Leverkusener Multi Nebenwirkungen erst einmal zu einer Naturgegebenheit. Aber natürlich hat er nach eigenen Aussage im Sinne seiner Mission „Science For A Better Life“ ein Interesse daran, diese in – natürlich ganz unabhängigen – Studien aufzuspüren und setzt angeblich auch seinen halben Forschungsetat dafür ein. Fortbildungsveranstaltungen für MedizinerInnen und Hotlines dienen ebenfalls bloß diesem Zweck – die Märchenstunde will gar kein Ende nehmen.

BAYER kauft Museum
Am Standort Lubbock hat der Leverkusener Multi das „American Museum of Agriculture“ in Beschlag genommen. Es benannte sich zu Ehren des neuen Sponsors nicht nur in „BAYER Museum of Agriculture“ um, sondern veränderte auch den Charakter seiner Dauerausstellung. Die Schau widmet sich jetzt nicht mehr so stark der Geschichte der Landwirtschaft und verlagert den Schwerpunkt stattdessen auf die Zukunft. Zur Freude des Konzern-Sprechers Lee Rivenbark illustrieren viele Exponate den BAYER-Slogan „Science for A Better Life“. Und das ganze Haus gilt ihm nun als „Leuchtturm für Wissenschaft und Innovation auf dem Gebiet ‚Landwirtschaft’“, denn: „Innovation ist das, worum es BAYER geht“.

TIERE & ARZNEIEN

Mehr BAYTRIL in den Tierställen
Der massenhafte Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung führt zur Entwicklung resistenter Krankheitserreger. Gelangen diese in den menschlichen Organismus, so können MedizinerInnen oftmals nichts mehr gegen die Keime ausrichten. Im Fall von BAYERs BAYTRIL ist diese Gefahr besonders groß. Der Leverkusener Multi bietet nämlich für den Humanmedizin-Bereich mit CIPROBAY ebenfalls ein Medikament aus der Gruppe der Fluorchinolone an, das sogar den Status eines Reserve-Antibiotikas für besonders schwierig zu behandelnde Infektionen besitzt. Und die Gefährdung nimmt zu: 2013 stieg – bei insgesamt fallenden Zahlen (1.452 gegenüber 1.619 Tonnen) – die Menge der verschriebenen Fluorchinolone von zehn auf 13 Tonnen (siehe auch SWB 4/14). Und was wie eine kleine Umschichtung bei insgesamt rückläufiger Tendenz anmutet, bedeutet wegen unterschiedlicher Dosierungsvorschriften in Wirklichkeit jedoch eine Ausweitung der Antibiotika-Zone. Während eine Tonne des Alt-Antibiotikums Tetracyclin gerade einmal für 39.000 Mastschweine langt, vermögen die LandwirtInnen mit einer Tonne BAYTRIL nämlich 2,2 Millionen Tiere zu versorgen! Das Verbraucherschutzministerium verschleiert diesen Tatbestand allerdings bewusst und verkauft „Gesamtmenge im Jahr 2013 weiter gesunken“ als Erfolgsmeldung.

TIERE & VERSUCHE

Zweifel an Tierversuchen
172.287 Tierversuche hat der Leverkusener Multi 2013 durchgeführt bzw. durchführen lassen – 1.690 mehr als 2012. Eine neue Studie der WissenschaftlerInnen Pandora Pound und Michael B. Bracken bewertet die Sinnhaftigkeit solcher Tests kritisch. Angesichts hunderter am „Tier-Modell“ erprobter Medikamente, die am „Mensch-Modell“ versagten, zweifelt ihre im British Medical Journal veröffentlichte Untersuchung die Übertragbarkeit der Ergebnisse an. Zudem bescheinigt die Expertise den mit Ratten, Mäusen und anderen Lebewesen unternommenen Experimenten eine mangelhafte Qualität, was die ProbandInnen der nachfolgenden klinischen Prüfungen unnötigen Risiken aussetze. „Die aktuelle Studie zeigt erneut, dass der von manchen Kreisen gebetsmühlenartig behauptete Nutzen von Tierversuchen keinerlei Fundament hat“, konstatiert Silke Bitz von ÄRZTE GEGEN TIERVERSUCHE.

DRUGS & PILLS

USA: Alarmierende XARELTO-Zahlen
Auch in den Vereinigten Staaten wächst die Besorgnis über die Risiken und Nebenwirkungen, die von BAYERs neuem Gerinnungshemmer XARELTO ausgehen. 680 Meldungen über unerwünschte Effekte des Präparats mit dem Wirkstoff Rivaroxaban erhielt die Gesundheitsbehörde FDA allein im ersten Quartal 2013 – 152 mehr als zu dem Konkurrenz-Medikament PRADAXA.

Nierenerkrankungen durch BETAFERON
BAYERs „Multiple Sklerose“-Präparat BETAFERON kann Nierenschädigungen hervorrufen. Eine entsprechende Warnung veröffentlichte das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) im August 2014 (siehe auch SWB 4/14). Damit erschöpfen sich die Gegen-Anzeigen des Gentech-Präparats allerdings bei Weitem nicht. 186 Meldungen über „unerwünschte Arznei-Effekte“ hat das BfArM allein im Jahr 2013 erhalten. Dazu zählen unter anderem temporäre Spastiken, Schmerz-Attacken, Verstopfung und Müdigkeit. Und im Gegensatz zu den Nebenwirkungen bleiben die Wirkungen des Mittels spärlich. Dem MS-Ratgeber der „Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf“ zufolge sind BETAFERON und andere Substanzen auf Interferon-Basis nur bei 16 Prozent der frisch Erkrankten imstande, einen zweiten Schub zu verhindern, bei fünf von sechs PatientInnen hingegen zeigen sie keinen Nutzen.

ASPIRIN gegen Krebs?

Immer wieder erscheinen Studien, die BAYERs ASPIRIN eine vorbeugende Wirkung gegen Krebs bescheinigen. Diese weisen jedoch meist Mängel auf. Entweder können die WissenschaftlerInnen sich nur auf äußerst beschränktes Daten-Material stützen oder sie haben Kontakte zum BAYER-Konzern. Dies ist auch bei der Arbeit von Jack Cuzick und seinem Team der Fall, die zahlreiche Untersuchungen zum Thema ausgewertet haben und dem „Tausendsassa“ einen prophylaktischen Effekt bescheinigen. Cuzick gehört nämlich zum Beraterstab des Pharma-Riesen, und auch viele seiner MitarbeiterInnen standen oder stehen noch auf der Gehaltsliste des Unternehmens.

BAYERs Endometriose-Coup
Bei der Endometriose handelt es sich um eine gutartige Wucherung der Gebärmutter-Schleimhaut. Besonders während des Monatszyklusses verursacht das sich außerhalb der Gebärmutter-Höhle befindliche Gewebe Schmerzen. Zu deren Behandlung haben Frauen-ÄrztInnen früher die Verhütungspillen VALETTE oder CHLORMADINON der BAYER-Tochter JENAPHARM verschrieben. 2010 aber brachte der Leverkusener Multi mit VISANNE ein speziell für diese Krankheit zugelassenes Präparat auf den Markt. Die Produktion der beiden anderen Mittel stellte er ein, damit sie der Neuheit keine Konkurrenz machen – das Unternehmen verlangt für VISANNE nämlich rund das Fünffache des Preises von CHLORMADINON. Den höheren Kosten entspricht noch nicht einmal keine höhere Wirksamkeit. Die Arznei konzentriert sich lediglich auf die Symptom-Linderung. Zudem basiert die Zulassung auf einer dünnen Daten-Lage, die Kohorte bei der Sicherheitsanalyse umfasste nur 300 Frauen. Darum betrachten das industrie-unabhängige arznei-telegramm und das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ VISANNE auch bloß als Mittel der 2. Wahl. Ähnlich wie bei VISANNE war der Pharma-Riese in Tateinheit mit SANOFI jüngst auch im Fall von Alemtuzumab vorgegangen. Als die Konzerne die Zulassung für die Indikation „Multiple Sklerose“ erhielten, zogen sie die Arznei umgehend als Mittel zur Behandlung der chronisch-lymphatischen Leukämie“ vom Markt zurück, weil das neue Anwendungsgebiet mehr Profite verspricht (SWB 1/14).

Frankreich: MELIANE-Umsatz sinkt
2006 hatte die Französin Marion Larat nach der Einnahme des BAYER-Verhütungsmittels MELIANE einen Schlaganfall erlitten. Sechs Jahre später entschloss sie sich, den Pharma-Riesen auf Schadensersatz zu verklagen. Das damit verbundene Medien-Echo machte die Öffentlichkeit erstmals auf die mit den Kontrazeptiva der dritten und vierten Generation verbundenen Risiken aufmerksam. Die damalige Gesundheitsministerin Marisol Touraine reagierte umgehend. Sie wies die Krankenkassen an, die Kosten für MELIANE & Co. nicht mehr zu übernehmen. Und das zunehmend kritische Klima hatte Folgen: Bis Ende 2013 büßten die Mittel 60 Prozent ihres Umsatzes ein.

Kein NEXAVAR bei Brustkrebs
BAYERs NEXAVAR mit dem Wirkstoff Sorafenib hat bislang eine Zulassung bei den Indikationen „fortgeschrittener Nierenkrebs“ und „fortgeschrittener Leberkrebs“. Der Leverkusener Multi setzt jedoch alles daran, das Anwendungsspektrum zu erweitern. Ein Versuch, das Mittel zusammen mit Capecitabin bei solchen Patientinnen mit fortgeschrittenen Brustkrebs-Arten zur Anwendung zu bringen, bei denen andere Medikamente versagt hatten, scheiterte jetzt allerdings. „Wir sind enttäuscht, dass die Studie keine Verbesserung des progressionsfreien Überlebens bei Patienten mit fortgeschrittenem Brustkrebs zeigen konnte“, sagte der BAYER-Manager Jörg Möller. Zuvor war schon ein anderer Ansatz zur Therapie von Brustkrebs ohne Erfolg geblieben. Auch bei einer bestimmten Art von Leber-, bei Haut- und Bauchspeicheldrüsenkrebs hatte NEXAVAR bereits versagt.

NICE nicht nice zu XOFIGO
Das britische „National Institute for Health and Care Excellence“ (NICE) hat eine Kosten/Nutzen-Analyse von BAYERs Strahlentherapie-Medikament XOFIGO (siehe auch PRODUKTION & SICHERHEIT) durchgeführt und der Arznei kein gutes Zeugnis ausgestellt. Deshalb finanziert der „National Health Service“ die Behandlung mit dem Pharmazeutikum nicht, das bei der Prostatakrebs-Art CRPC zum Einsatz kommt, wenn eine Hormon-Behandlung erfolglos geblieben ist und sich zudem noch Metastasen im Knochen gebildet haben. Der Leverkusener Multi habe zu dem Mittel keine Dokumente vorgelegt, die seine Überlegenheit gegenüber vergleichbaren Arznei-Therapien demonstrieren könnten, so die Behörde. „Wir müssen zuversichtlich sein, dass die Vorteile die beträchtlichen Kosten rechtfertigen“, sagte NICE-Chef Andrew Dillon angesichts des Preises von 30.000 Euro für eine einzige Anwendung des Präparats, das den PatientInnen bei den Klinischen Tests nur zu einem ca. drei Monate längeren Leben verhalf.

Weitere Zulassungen für ADEMPAS
Bei der Arznei ADEMPAS handelt es sich um ein Mittel zur Behandlung der beiden Lungenhochdruck-Krankheiten CTEPH und PAH. Der Wirkstoff Riociguat soll in der Lunge die Bildung eines Enzyms stimulieren, das für eine Erweiterung der Blutgefäße sorgt und so die Sauerstoff-Aufnahme verbessert. Nachdem BAYER in den USA bereits die Zulassung für das Medikament erhalten hat, erteilte dem Präparat nun auch die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA grünes Licht. Japan hat bisher nur eine Genehmigung für das Anwendungsgebiet „CTEPH“ erteilt, ein Antrag für die Indikation „PAH“ ist noch in Bearbeitung. Wie üblich, hat der Leverkusener Multi jedoch noch viele weitere Therapie-Felder wie z. B. „die Nieren-Protektion und die Herz-Insuffizienz“ im Auge und will Millionen mit ADEMPAS machen. Das industrie-unabhängige Fach-Magazin Arzneimittelbrief hingegen kann die Euphorie des Pharma-Riesen nicht ganz teilen. Obwohl es sich bei Riociguat um eine „innovative Substanz“ handle, deren therapeutischer Mechanismus „neu und interessant“ erscheine, seien die in der Literatur beschriebenen Effekte nur „marginal“, dämpft die Publikation die Erwartungen, die BAYER nicht zuletzt durch das Öffnen der „Marketing-Schleuse“ geschürt habe.

Test the East
Die Pillen-Riesen lagern immer mehr Arznei-Tests in ärmere Länder aus. Dort winken günstigere Preise, ein großes Reservoir an ProbandInnen und eine mangelhafte Aufsicht. Die Folge: Immer wieder kommt es zu Todesfällen. So starben 2011 in Indien 20 Menschen bei Erprobungen von BAYER-Medikamenten. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN machte diesen Skandal öffentlich, und der Leverkusener Multi reagierte – er schaute sich nach anderen Nationen um. Neben China hat es ihm momentan besonders Russland angetan. 90 – teils noch laufende, teils schon abgeschlossene – Medikamenten-Erprobungen des Global Players in dem Staat weist die Datenbank „ClinicalTrials“ aus. Das CLINICIAL TRIALS CENTER oder andere Auftragsfirmen prüften für den Konzern dort unter anderem die Spirale MIRENA, das Krebsmittel NEXAVAR, den Gerinnungshemmer XARELTO und das „Multiple Sklerose“-Präparat BETAFERON. Nach einem Bericht der Zeit bietet das Land unschlagbare Standort-Vorteile. ProbandInnen bemühen sich selbstständig um eine Teilnahme an den Tests, weil ihnen die Medikamente sonst nicht zur Verfügung stehen, und bleiben auch bei der Stange. Dass ihnen das Recht zusteht, einen Medikamenten-Versuch abzubrechen, erfahren sie oft nicht, und eine Ethik-Kommission, welche über alles wacht, existiert ebenfalls nur selten. „Die besteht in Russland häufig nur auf dem Papier“, sagt Alexander Globenko vom CLINICIAL TRIALS CENTER und berichtet zudem von MedizinerInnen, die Nebenwirkungen nicht protokollieren. Sogar die Existenz von Phantom-Studien mit erfundenen TeilnehmerInnen räumt er ein. Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) weiß um diese Zustände. „Auffällig glatt“ erscheinen einer BfArM-Mitarbeiterin laut Zeit die Ergebnisse bisweilen. Selbst der von BAYER gegründete „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ hält die russischen Verhältnisse der Zeitung zufolge für besorgniserregend. Das dürfte den Leverkusener Multi jedoch vorerst nicht von seinem Tun abhalten.

Zweifelhafte Testosteron-Studie
Mit großer Anstrengung arbeitet der Leverkusener Multi daran, die „Männergesundheit“ als neues Geschäftsfeld zu etablieren und seinen Potenzpillen und Hormon-Präparaten neue und nur selten zweckdienliche Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. Zu diesem Behufe hat der Pharma-Riese die Krankheit „Testosteron-Mangel“ erfunden und sie zu „männlichen Wechseljahresstörungen“ erhoben, um NEBIDO und andere Hormone an den Mann bringen zu können. Die passenden Studien liefert BAYER dazu auch. So präsentierte der Pharma-Riese in Sofia auf einem medizinischen Kongress zum Thema „Fettleibigkeit“ eine Untersuchung, wonach eine Testosteronersatz-Therapie zu Gewichtsverlusten inklusive besserer Blutzucker- und Blutdruck-Werte führt. Allerdings hält die Expertise wissenschaftlichen Kriterien kaum stand: Sie stützt sich auf gerade einmal 46 Probanden. Richtige Studien kommen zu ganz anderen Ergebnissen. So fand eine ForscherInnen-Gruppe um Jared L. Moss von der Universität Knoxville heraus, dass die Testosteron-Spritzen die Zeugungsfähigkeit beeinträchtigen. Zudem beobachteten die WissenschaftlerInnen Schrumpfungen des Hodengewebes und Samenzellen-Missbildungen. Damit fügten sie der langen Liste von Risiken und Nebenwirkungen der Mittel wie Herzinfarkt, Prostata-Krebs, Harntrakt-Schädigungen, Brust-Wachstum, Bluthochdruck, Ödeme, Blutverdickung und Leberschäden noch einige weitere Einträge hinzu.

Arznei-Ausgaben steigen um 3,2 Prozent
Im Jahr 2013 erhöhten sich die Ausgaben der Krankenkassen für Medikamente im Vergleich zu 2012 um 3,2 Prozent auf 32,1 Milliarden Euro. Das geht aus den Zahlen des „Arzneiverordnungsreports 2014“ hervor. Der Herausgeber, der Pharmakologe Ulrich Schwabe, macht dafür die hohen Preise für Pharmazeutika im Allgemeinen und für patentgeschützte Medikamente im Besonderen verantwortlich. Der Leverkusener Multi hat daran einen gehörigen Anteil. So verlangt er für sein nicht eben wirkungsvolles Krebsmittel NEXAVAR über 58.000 Euro im Jahr. Eigentlich sollte das Arzneimittel-Neuverordnungsgesetz (AMNOG) von 2011 hier Abhilfe schaffen, denn nach diesem Paragrafen-Werk müssen die Pharma-Firmen mit ihren Arzneien ein Verfahren durchlaufen, das Kosten und Nutzen der Präparate bewertet, und sich anschließend mit den Krankenkassen auf einen Erstattungsbetrag einigen. Jährliche Einsparungen in Höhe von zwei Milliarden Euro erwarteten die PolitikerInnen von der Regelung. Die Hoffnung trog jedoch; 2013 wurden es lediglich 150 Millionen Euro. Die schwarz-gelbe Koalition war nämlich von ihren Plänen abgerückt, alle Medikamente einer Revision zu unterziehen und beschränkte sich auf neue Präparate. Zudem fallen die Abschläge äußerst mager aus. Für BAYERs Gentech-Präparat EYLEA zur Behandlung der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – betrugen sie trotz des Prüfurteils „Kein Zusatznutzen“ gerade mal 7,6 Prozent. Von 1.136 auf 1.050 Euro hatte der Pharma-Riese den Apotheken-Verkaufspreis zu senken.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

CDU und SPD verharmlosen GAUCHO
BAYERs Pestizide GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Wirkstoff: Clothianidin) sind mitverantwortlich für das weltweite Bienensterben. Deshalb hat die EU ihnen 2013 für vorerst zwei Jahre die Zulassung entzogen. Die Bundesregierung jedoch verharmlost die Gefahr dieser zur Gruppe der Neonicotinoide zählenden Ackergifte. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen bezweifelt sie die Aussagekraft der meisten Untersuchungen zur Gefährlichkeit dieser Mittel und beruft sich dabei auf das bundeseigene Julius-Kühn-Institut. So bezeichnen Merkel & Co. etwa das Studien-Design als mangelhaft. Zudem zweifeln sie die Übertragbarkeit der Labor-Ergebnisse auf Freiland-Bedingungen an. Darum hält die Große Koalition es im Einklang mit BAYER & Co. auch für richtig, sich bei der Suche nach den Ursachen für die Dezimierung der Bienenvölker weiter hauptsächlich auf die Varroa-Milbe zu konzentrieren.

GAUCHO-Alternative SIVANTO?
Ab 2015 will BAYER das Pestizid Flupyradifuron (Produktname: SIVANTO) als Alternative zu Imidacloprid (GAUCHO) vermarkten, dem die EU wegen seiner bienenschädigenden Wirkung 2013 für vorerst zwei Jahre die Zulassung entzogen hat. Flupyradifuron gehört zwar nicht wie Imidacloprid zur Gruppe der Neonicotinoide, sondern zu den Butenoliden, es ähnelt den Neonicotinoiden aber in seiner Funktionsweise. Wie diese wirkt das Flupyradifuron systemisch, also gegen eine Vielzahl von Schadinsekten, und wie diese blockiert es bei den Tieren die Reiz-Weiterleitung an den Nervenbahnen. Deshalb bestehen Zweifel daran, ob der Stoff wirklich so „bienenfreundlich“ ist, wie der Leverkusener Multi behauptet.

Brasilien: Verbot von GLYPHOS?
Wie El Salvador (siehe Ticker 3/14) plant nun auch Brasilien das Verbot von besonders gesundheitsschädlichen Pestiziden. Auf der Schwarzen Liste befinden sich mit Parathion-Methyl und Glyphosat auch zwei Wirkstoffe, die BAYER im Angebot hat. Parathion-Methyl kommt in ME 605 Spritzpulver zum Einsatz, und Glyphosat in GLYPHOS und USTINEX G. Zudem verkauft der Leverkusener Multi Glyphosat noch in Kombination mit CREDENZ und anderen gegen das Ackergift immun gemachten Genpflanzen.

Protest gegen Öko-Verordnung der EU
Die EU plant, strengere Pestizid-Grenzwerte für den ökologischen Landbau zu erlassen. Die betreffenden LandwirtInnen wenden sich allerdings gegen die Regelung. Da durch angrenzende Felder von Bauern und Bäuerinnen, die mit konventionellen Methoden arbeiten, auch Chemikalien auf ihre Äcker gelangen, fürchten sie, die neuen Limits nicht einhalten zu können.

BAYER erwirbt Herbizide
Der Leverkusener Multi hat von DUPONT Herbizide erworben, die im „Land-Management“, also nicht auf Äckern, sondern in Wäldern, auf Weide-Flächen, Industrie-Arealen oder Bahn-Gleisen zum Einsatz kommen (siehe auch PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE). Rund 30 Anti-Unkrautmittel umfasst das DUPONT-Sortiment. Dazu gehören Produkte wie PERSPECTIVE (Wirkstoffe: Aminocyclopyrachlor und Chlorsulfuron), ESPLANADE (Wirkstoff: Indaziflam), STREAMLINE (Wirkstoffe: Aminocyclopyrachlor und Metsulfuronmethyl), ESCORT (Wirkstoff: Metsulfuronmethyl) und Oust (Wirkstoff: Sulfometuronmethyl).

PFLANZEN & SAATEN

BAYER kauft GRANAR
BAYER hat das Sojasaatgut-Geschäft des paraguayischen Unternehmens GRANAR erworben (siehe auch IMPERIUM & WELTMACHT).

Feldversuche mit Zuckerrübe
Der Leverkusener Multi und KWS kündigen Feldversuche mit einer gemeinsam entwickelten Zuckerrüben-Art an, deren Erbgut eine natürliche und durch Züchtung verstärkte Enzym-Veränderung aufweist. Auf diese Weise übersteht die Labor-Frucht eine Behandlung mit solchen Anti-Unkrautmitteln, welche die Acetolactat-Synthese stören, unbeschadet. Allerdings überstehen auch immer mehr Wildpflanzen die Behandlung mit diesen so genannten ALS-Hemmern wie BAYERs ATTRIBUT (Wirkstoff: Propoxycarbazone) unbeschadet, weshalb die neue Rübe schon bald ziemlich alt aussehen könnte.

GENE & KLONE

Immer mehr Bt-Resistenzen
BAYER & Co. bauen in ihre Laborfrüchte gern das Gift-Gen des Bacillus thuringiensis (Bt) ein, um Schadinsekten zu töten. Der Leverkusener Multi setzt besonders bei SURPASS und anderen Baumwoll-Pflanzen auf den Bazillus. Die Schadinsekten können sich jedoch immer besser auf ihn einstellen. In einer von Juliano Ricardo Farias und seinem Team durchgeführten Untersuchung gelang es dem Heerwurm schon binnen dreier Jahre, eine Resistenz gegen den Bt herauszubilden. Zudem trotzen vielerorts bereits der Baumwollkapselbohrer, die Baumwollkapseleule, die Kohlschabe, die Aschgraue Höckereule, der Eulenfalter und die „Busseola fusca“-Raupe der Substanz.

Import-Zulassung für Gentech-Mais?
Die EU-Gremien befinden zur Zeit über eine Import-Zulassung für BAYERs Gentech-Mais T25. Die Lebensmittelbehörde EFSA hat der Laborfrucht bereits eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt, obwohl sie gentechnisch auf eine Behandlung mit dem gesundheitsgefährdenden Pestizid Glufosinat geeicht ist. Darum konnte sich das „Standing Committee on the Food Chain and Animal Health“ auch nicht auf ein positives Votums einigen. Zweimal kam es zum Patt, wobei die Bundesrepublik sich jeweils der Stimme enthielt. Jetzt obliegt der Europäischen Kommission die Entscheidung. Die Pflanze reiste derweil schon mal illegal ein. 2011 entdeckte das niedersächsische Umweltministerium bei einer Untersuchung Spuren von T25 in konventionellem Mais-Saatgut aus Ungarn.

Kennzeichnungspflicht in Vermont
Seit einiger Zeit gibt es in US-amerikanischen Bundesstaaten Initiativen zur Einführung einer Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Lebensmittel. BAYER & Co. investieren viel Geld, um diese Vorhaben zu Fall zu bringen und können leider schon Erfolge verbuchen. In Washington und Kalifornien scheiterte ein BürgerInnen-Begehren bereits. In Vermont allerdings muss die Gentech-Industrie Farbe bekennen. Der Bundesstaat erließ ein Kennzeichnungsgesetz, das jedoch einige Lücken aufweist, wie KritikerInnen monieren. Maine und Connecticut taten es Vermont gleich, wollen das Paragrafen-Werk jedoch erst in Kraft setzen, wenn mindestens vier weitere Staaten folgen.

Stammzellen: Der Hype ist vorbei
„Die Möglichkeiten sind grenzenlos“, schwärmte im Jahr 2001 BAYERs damaliger Chef-Pharmazeut Wolfgang Hartwig über die Stammzellen. Aus ihnen wollten die GenforscherInnen des Konzerns zahlreiche Zelltypen oder Gewebe-Arten entwickeln. 2008 haben sie in Japan ein Patent (siehe Ticker 3/08) für eine Technik zur Produktion von „Induzierten Pluripotenten Stammzellen“ (IPS) angemeldet, eine Stammzellen-Art, welche die ForscherInnen durch eine „Rückprogrammierung“ normaler Körperzellen erzeugen, was die Abtötung von Embryos erspart. Aber die Möglichkeiten dieser Gentechnik sind rasch an Grenzen gestoßen. Deshalb hat sich Ernüchterung eingestellt. „BAYER ist auf dem Gebiet der Stammzell-Forschung derzeit nicht aktiv“, heißt es jetzt lapidar. Thomas Eschenhagen, der Direktor des Instituts für Experimentelle Pharmakologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, bezeichnet den Wirbel um die Stammzellen im Nachhinein als Beispiel für „kurzfristige Sensationsforschung“. „Die waren vor 15 Jahren der große Hype. Alle sind auf diese Welle aufgesprungen, aber viele dieser Versprechen haben sich als falsch oder übertrieben herausgestellt. Also ist die Forscher-Karawane weitergezogen“, sagte er in einem taz-Interview. Eschenhagen hingegen forscht weiter an der Herstellung von künstlichem Herz-Gewebe aus Stammzellen.

Neue EYLEA-Zulassung
Wann immer die Aufsichtsbehörden einer Arznei des Leverkusener Multis für ein bestimmtes Anwendungsgebiet die Genehmigung erteilen, versucht dieser, grünes Licht für weitere Indikationen zu erhalten. So verfährt er auch im Falle des Gentech-Augenpräparats EYLEA. Zunächst nur zur Behandlung der altersbedingten feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – zugelassen, können es MedizinerInnen seit einiger Zeit auch zur Behandlung der Folgen eines Zentralvenen-Verschlusses der Netzhaut verschreiben. Und jetzt dürfen sie es zusätzlich zur Therapie der von der Zuckerkrankheit hervorgerufenen Makula-Degeneration einsetzen. Zudem stimmten die japanischen Aufsichtsbehörden bereits einer Verwendung bei der „choroidalen Neovaskularisation“, einer Gewebe-Wucherung am Seh-Organ, zu. Als Augen-Allheilmittel kommt der gemeinsam mit der Firma REGENERON entwickelte EYLEA-Wirkstoff Aflibercept aber nicht in Betracht. In den Tests, die zur ersten Zulassung führten, demonstrierte er nämlich lediglich seine Nicht-Unterlegenheit gegenüber Ranibizumab. Überdies traten während der Erprobungen zahlreiche Nebenwirkungen wie Bindehaut-Blutungen, grauer Star, Augenschmerzen, Glaskörper-Trübungen und Erhöhung des Augeninnendrucks auf.

EYLEA: Es geht auch billiger
Nach einer Untersuchung der Cochrane Collaboration, einem Netzwerk von ÄrztInnen, WissenschaftlerInnen und PatientInnen-VertreterInnen, wirkt das ROCHE-Krebsmedikament AVASTIN genauso gut zur Behandlung der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – wie ROCHEs LUCENTIS und BAYERs Gentech-Präparat EYLEA. Es hat nur einen Nachteil: Es ist zu billig, weshalb der Schweizer Konzern sich nicht selbst Konkurrenz machen will. Während eine Injektion mit LUCENTIS 900 Euro kostet und eine mit BAYERs Gentech-Präparat 1.050 Euro, schlägt AVASTIN nur mit 30 Euro zu Buche.

Hämophilie-Gentherapie
Das Unternehmen DIMENSION THERAPEUTICS entwickelt für BAYER eine neue Methode zur Behandlung der Bluter-Krankheit Hämophilie A. Dabei wollen die WissenschaftlerInnen ein Gen, das den Gerinnungsfaktor VIII produziert, direkt in die Leber einführen. Bis zu 240 Millionen Dollar an Zahlungen hat die US-amerikanische Biotech-Firma zu erwarten, sollte es ihr gelingen, das Verfahren bis zur Marktreife zu entwickeln.

WASSER, BODEN & LUFT

GAUCHO & Co. belasten Gewässer
Die Bundesländer überprüfen die Belastung der Gewässer mit BAYERs bienenschädlichen (siehe PESTIZIDE und HAUSHALTSGIFTE) Pestizid-Wirkstoffen Imidacloprid (GAUCHO) und Clothianidin (PONCHO) nicht systematisch. Es liegen nur Stichproben vor. Diese geben jedoch Anlass zur Sorge, denn sowohl Clothianidin als auch Imidacloprid überschritten teilweise die Grenzwerte. Besonders Imidacloprid tat sich dabei hervor. „Das deutet darauf hin, dass Imidacloprid ein für die Erfüllung der Anforderungen der EU-Wasserrahmen-Richtlinie relevanter Schadstoff in Oberflächen-Gewässern ist“, hält die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen zu GAUCHO & Co. fest.

Lubbock: BAYER & Co. in der Kritik
Im texanischen Bezirk Lubbock befinden sich neben dem Leverkusener Multi noch viele andere Chemie-Unternehmen. 390 Tonnen teils hochgefährlicher Stoffe lagern auf den Firmen-Arealen, oft in bedenklicher Nähe zu Siedlungen. Als es im Mai vergangenen Jahres auf dem BAYER-Gelände zu einem Austritt von Chlorwasserstoff kam, mussten deshalb die EinwohnerInnen eines ganzen Stadtteils von Guadalupe ihre Häuser verlassen. Besonders der geringe Abstand der Fabriken zu Schulen beunruhigt die LubbockerInnen. So liegen nach einer Studie des „Center for Effective Government“ 27 Bildungseinrichtungen mit insgesamt 9.500 SchülerInnen im „Einzugsgebiet“ von BAYER & Co. Die BürgerInnen verlangten aus diesem Grund genauere Information über die Substanzen, aber die Verantwortlichen des Regierungsbezirkes verweigerten die Auskunft.

Das Aus für Mikroplastik?
BAYER & Co. drängen mit ihrer Plaste & Elaste auf den Kosmetika-Markt. So finden sich in Zahnpasten, Dusch-Peelings und Kontaktlinsen-Reinigern viele Kunststoff-Produkte. Der Leverkusener Multi produziert beispielsweise Polyurethane zur Verstärkung der Haftkraft von Wimperntusche und Make-Ups. Diese Mikroplastik-Teilchen können nicht nur Gesundheitsstörungen verursachen, sondern auch die Umwelt schädigen, denn sie passieren die Kläranlagen unbehelligt. In den Gewässern bilden die Substanzen dann den besten Nährboden für andere Giftstoffe und potenzieren so ihre Gefährlichkeit noch einm

[30 Jahre Bhopal] STICHWORT BAYER 04/2014

CBG Redaktion

30 Jahre Bhopal

Die endlose Katastrophe

Am 3. Dezember 1984 ereignete sich im indischen Bhopal die bisher größte Chemie-Katastrophe der Menschheitsgeschichte. Ein Tank mit Methylisocyanat explodierte, und eine riesige Giftwolke legte sich über die Stadt. Tausende fielen ihr gleich zum Opfer; Zehntausende erlagen den Spätfolgen. Und noch immer geht das Sterben weiter, denn eine Sanierung des Geländes unterblieb. Bhopal ist also alles andere als ein abgeschlossenes Kapitel, noch dazu können jederzeit neue hinzukommen, wie zuletzt der Fall „Fukushima“ gezeigt hat. Gelernt haben BAYER & Co. aus dem Super-GAU nämlich nichts: Die Konzerne ordnen die Sicherheit weiterhin rücksichtslos dem Profitstreben unter.

Von Jan Pehrke

Wann immer es heutzutage zu einer verheerenden Explosion auf einem Fabrik-Gelände kommt und die Menschen nach einem Gradmesser des Schreckens suchen, fällt das Wort „Bhopal“. Die Menschen, welche die Katastrophe am 3. Dezember 1984 selber miterlebten, hatten auch das Bedürfnis, Vergleiche zu finden, um das Unfassbare ein wenig fasslicher zu machen und assoziierten noch Apokalyptischeres. „Ich dachte, eine Chemie-Bombe wäre hochgegangen, irgendjemand hatte das irgendwann schon einmal gesehen, Hiroshima ... plötzlich war es real“, so beschrieb der Inder Ashay Chitre die Ereignisse. Und es dauerte nicht lange, bis er die Auswirkungen am eigenen Leib spürte: „Irgendetwas Unsichtbares gelangte in den Raum. Meine Augen begannen zu brennen und zu tränen. Ich brauchte Luft ...“
Von Quatl-ki-raat – der Nacht des Massakers – sprachen die InderInnen später. Wie viele Personen ihr direkt zum Opfer fielen, darüber gehen die Angaben auseinander. Die Schätzungen reichen von 3.500 bis 15.000 Toten binnen der ersten drei Tage – offizielle Zahlen wurden nie erhoben. Die Spätfolgen rafften noch einmal mindestens 20.000 Menschen dahin. Und das Sterben geht weiter. Weil nie eine Sanierung des Firmengeländes stattgefunden hat, gelangen nach wie vor gefährliche Substanzen in Boden und Grundwasser und vergiften die BewohnerInnen des unmittelbar an das Areal angrenzenden Armenviertels. Vor allem an Atemwegserkrankungen, aber auch an Krebs oder bis zur Blindheit führenden Sehstörungen leiden sie. Diese AnwohnerInnen haben Bhopal mittlerweile in den Genen und geben die Schädigungen auch an ihre Kinder weiter. So perpetuiert sich das Desaster von Generation zu Generation.
Seinen Anfang nahm es in einem Pestizid-Werk des US-Unternehmens UNION CARBIDE CORPORATION. Wasser sickerte in einen mit der Chemikalie Methylisocyanat (MIC) gefüllten Tank ein und löste eine chemische Reaktion aus. Dabei erhöhte Kohlendioxid den Innendruck so stark, dass das Behältnis explodierte. 25 bis 40 Tonnen MIC und andere Reaktionsprodukte bildeten eine Giftwolke, die sich über das Elendsquartier legte.
BAYER als Hersteller von MIC besaß umfassende Informationen über die Wirkung der Substanz auf den menschlichen Organismus. Deshalb forderten die indischen Behörden den Chemie-Multi auf, den HelferInnen dieses Wissen zur Verfügung zu stellen, um Menschenleben zu retten. Aber der Konzern blockte ab. Er schickte zwar ExpertInnen nach Bhopal, betrachtete das Katastrophengebiet aber lediglich als riesiges Freiland-Labor für eigene Studien. Ashay Chitre empörte sich über solche ForscherInnen: „Ich bin zu vielen Ärzten und Wissenschaftlern gegangen, und jeder wollte seine Hand auf mich legen, weil ich ein Opfer bin, nicht aber, weil er mir helfen wollte. Das Opfer als Versuchskaninchen“.

Katastrophe mit Ansage
Um höhere Gewalt handelte es sich bei der Methylisocyanat-Freisetzung nicht. „Es war eine Katastrophe mit Ansage“, sagt mit T. R. Chouhan einer, der es wissen muss: Er hat nämlich als Ingenieur in der Fabrik gearbeitet. Ihm zufolge hat die Anlage von Beginn an nicht den gängigen Schutz-Anforderungen entsprochen. Und als der Absatz der MIC-Pestizide zurückging und sogar eine Schließung des Werkes auf der Tagesordnung stand, fuhr der Konzern die Präventionsmaßnahmen sogar noch weiter zurück – Sicherheit nach Geschäftslage also.
Die von Chouhan, der sich heute für die Bhopal-Opfer engagiert, und anderen erstellte Mängelliste umfasst unzählige Punkte. UNION CARBIDE entließ Personal, vernachlässigte die Sicherheitsausbildung und verlängerte die Wartungsintervalle. Reparaturbedürftige Edelstahl-Teile ersetzte das Unternehmen kurzerhand durch solche aus einfachem Stahl. Zudem verwendete es minderwertiges MIC und überfüllte die Tanks, was beides die fatale chemische Reaktion noch zusätzlich anheizte. Natronlaugen-Wäscher und Gasfackel - Vorrichtungen, die im Falle eines Falles austretendes Gas neutralisieren sollten – waren zum Zeitpunkt der Katastrophe abgeschaltet oder nicht funktionstüchtig. Auch das separate Kühlsystem war nicht betriebsbereit.
Nach dem Super-GAU stand dann die gesamte Chemie-Produktion auf dem Prüfstand. UNION CARBIDE musste sich beispielsweise sofort drängende Fragen zum Bhopal-Schwesterwerk im US-amerikanischen Institute gefallen lassen. Das Unternehmen beschwichtigte umgehend. Die beiden Anlagen seien nicht zu vergleichen, weil es am US-Standort automatisierte Kontrollen, Chloroform- statt Wasserkühlung, für reines MIC sorgende Zwischentanks und besser ausgebildetes Personal gebe, erklärte die US-Firma. Dass der Konzern dabei so en passant zugab, eine Politik der doppelten Standards zu betreiben – schon bei der Entscheidung, in Bhopal eine Fertigungsstätte aufzubauen, hatten die niedrigeren Sicherheitsanforderungen eine wesentliche Rolle gespielt – nahm er als kleineres Übel billigend in Kauf. Aber auch der Leverkusener Multi sah sich in Sachen MIC-Herstellung zu einer Stellungnahme gezwungen. „Die BAYER AG verwendet ein völlig anderes Produktionsverfahren“, verlautete aus der Konzern-Zentrale. Als „vertrauensbildende Maßnahme“ verschickte er zusätzlich „Fakten zur Produktion von Methylisocyanat“ an über 200 Zeitungen, Zeitschriften, Agenturen und TV-Sender. Das Bundesumweltministerium ließ sich durch solche und andere propagandistische Manöver der Branche nicht so leicht überzeugen. Es schätzte die Gefahrenlage bei den Unternehmen – zumindest intern – anders ein. „Chemie-Anlagen mit einem Gefahren-Potenzial wie in Bhopal gibt es in der Bundesrepublik zu Hunderten“, zitierte das Magazin Natur aus einem vertraulichen Papier der Behörde.

Die Aktionen der CBG
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) meldete ebenfalls gleich erhebliche Zweifel an den Beteuerungen der Big Player an. Gegründet nach einem verheerenden Salzsäure-Unfall in Wuppertal, wusste die Initiative nur zu gut um die „BAYER-Gefahren“, die von einer profitgetriebenen Chemie-Produktion ausgehen. Darum startete die CBG umgehend Initiativen. Vorständler Axel Köhler-Schnura nahm beispielsweise Mitte Dezember 1984 an einer Pressekonferenz mehrerer Organisationen zu „Bhopal ist überall“ teil, wo er BAYER zufolge „Falschmeldungen zur MIC-Produktion“ verbreitete, was nicht ohne Folgen blieb. „Am 13. Dezember übernahm die Abgeordnete der ‚Grünen‘, Antje Vollmer, fast wörtlich die Köhler-Falschmeldung in einer ‚Aktuellen Stunde‘ des Bundestages“, beklagte sich der Konzern. Zum ersten Jahrestag der Explosion hielt die CBG dann Mahnwachen vor den BAYER-Werken ab.
Und auch in den folgenden Jahren vergaß die Coordination Bhopal nicht. So hat sie 1994 gemeinsam mit dem BUND in Köln die Konferenz „Bhopal - 10 Jahre danach“ abgehalten. Außerdem veröffentlichte das Netzwerk zusammen mit dem BUND und dem PESTICIDES TRUST den Aufruf „Bhopal mahnt“, den rund 300 Organisationen und Einzelpersonen unterzeichneten. „Schluss mit der einzig den Profiten verpflichteten Sicherheitslüge der Chemie-Konzerne“ lautete eine der Forderungen. Zudem verlangten die Gruppen die Stilllegung besonders gefährlicher Werke, den Stopp der doppelten Standards sowie mehr Transparenz und eine größere Unterstützung der Opfer der Katastrophe.
Im selben Jahr reiste Axel Köhler-Schnura auch zu den Verhandlungen des „Permanent Peoples` Tribunal“ nach London. Dieser unabhängige internationale Gerichtshof hatte sich als Nachfolge-Gremium des Russell-Tribunals seit 1991 mit Bhopal beschäftigt und die von der Industrie-Produktion ausgehenden Gefährdungen generell zum Thema gemacht. Zur „Beweisaufnahme“ konnte die Coordination viel beitragen. „Die CBG ist Zeugin einer endlosen Kette von Fällen, in denen BAYER-Gefahren Menschen und Umwelt den Tod brachten durch Unfälle, normale tägliche Produktion, Abfälle und nicht zuletzt durch chemische und biologische Waffen“, konstatierte der Aktivist in seiner Rede und nannte als damals aktuelles Beispiel die HIV-verseuchten Blutprodukte des Leverkusener Multis. Aus solchen von Köhler-Schnura und anderen vorgetragenen Kapital-Verbrechen zog das „Permanent Peoples` Tribunal“ dann einen Schluss: Es gilt, den Schutz vor Industrie-Gefahren als ein Menschenrecht zu verankern. Und so präsentierten die JuristInnen zum Ende der Konferenz den Entwurf einer entsprechenden Charta.
Die Coordination beteiligte sich anschließend auch an der Ausarbeitung und brachte die Endfassung 1996 unter dem Titel „Menschenrechte und Industrie-Gefahren“ zweisprachig heraus. 39 Artikel umfasste die Charta schließlich. Unter anderem proklamierte die Schrift das Recht auf ein gefahrenfreies Arbeits- und Lebensumfeld, das Recht, Unternehmen für ihre Geschäftspolitik zur Verantwortung zu ziehen, das Recht zur Durchsetzung von Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften sowie das Recht auf Ablehnung gefährlicher Produktionsanlagen.

Bhopal/Institute
Fünf Jahre später musste sich die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN dann noch direkter mit Bhopal und den Folgen auseinandersetzen, denn das Schwester-Werk der in Indien hochgegangenen Produktionsanlage gelangte in den Besitz BAYERs. Nun hatte es zwar gleich nach der Chemie-Katastrophe geheißen, die MIC-Produktion in Institute laufe ganz anders ab und in Teilen stimmte das sogar, aber die Fertigungsstätte wies noch genug gefährliche Familien-Ähnlichkeiten auf. Allein zwischen 1979 und 1984 traten 190 Leckagen auf; 28 Mal gelangte dabei MIC ins Freie. Zum größten Knall kommt es am 28. August 2008. Zwei Menschenleben forderte er. Von „Schockwellen wie bei einem Erdbeben“ sprachen AugenzeugInnen. „Die Explosion in dem BAYER-Werk war besonders beunruhigend, weil ein mehrere Tonnen wiegender Rückstandsbehälter 15 Meter durch das Werk flog und praktisch alles auf seinem Weg zerstörte. Hätte dieses Geschoss den MIC-Tank getroffen, hätten die Konsequenzen das Desaster in Bhopal 1984 in den Schatten stellen können“, hieß es später in einem Untersuchungsbericht des US-Kongresses.
Nicht umsonst hat deshalb die „International Campaign for Justice in Bhopal“, 2009 auf ihrer Bustour zum Gedenken an „25 Jahre Bhopal“, nicht nur am BAYER-Stammsitz Leverkusen, sondern auch in Institute Station gemacht. Und für die AktivistInnen aus Indien war es eine ganz besondere Begegnung. „Das war einer unserer seltenen Stopps in den USA, wo wir einen anderen betroffenen Ort besuchten. Es war sehr bewegend und schockierend zu sehen, dass aus dem Bhopal-Desaster nicht gelernt wurde (...) Festzustellen, wie dicht die Fabrik an die Wohnsiedlungen heranreicht, hat uns alle sehr deprimiert“, sagte Rachna Dhingra damals in einem SWB-Interview.

Kostenfaktor Sicherheit
Aber nicht nur über Institute weht der Geist von Bhopal. Die Unfallliste, welche die Coordination seit Anfang der 1990er Jahre systematisch führt, wächst Jahr um Jahr. Allein für 2013 weist sie zehn Einträge auf. Am US-amerikanischen Standort Muskegon und in Wuppertal trat Methanol aus, in Kansas Ammoniak und in Krefeld Salzsäure. Im indischen Vapi gelangte underdessen Chlorwasserstoff ins Freie. Zweimal lief der Flüssigklebstoff DESMODUR aus; ebenfalls zweimal floss auf Seetransporten das Kunststoff-Vorprodukt Polyol ins Meer. Und auf dem Gelände des chinesischen BAYER-Standorts Chengdu schließlich entzündete sich ein Behälter, der mit der gesundheitsschädlichen Chemikalie Isoamylacetat gefüllt war.
Eine Aussicht auf Besserung gibt es nicht. Der Konzern betrachtet die Störfälle einfach als Risiken und Nebenwirkungen der Betriebsabläufe. Sicherheit ist für ihn immer nur relativ – eine von der Profit-Kalkulation abhängige Variable. Wenn der neueste Stand der Technik zu viel kostet, dann greift das Unternehmen zur billigeren Variante. Verbesserungen traten deshalb bisher nur ein, wenn Druck von Seiten der Öffentlichkeit kam. So wollte der Leverkusener Multi selbst nach der Schreckensnacht vom 28. August 2008 die Methylisocyanat-Herstellung in Institute nicht einstellen. Erst eine Klage der Initiative „People concerned about MIC“ führte zum Produktionsstopp.
Exemplarisch zeigt sich diese Abwehrhaltung bei der Konzipierung von neuen Projekten. Vehement weigerte BAYER sich, die jüngst in Dormagen errichtete TDI-Anlage mit einer Beton-Ummantelung zu schützen und den Abstand zu Wohnsiedlungen und Verkehrseinrichtungen zu vergrößern, obwohl im Fertigungsprozess das gefährliche Giftgas Phosgen zur Anwendung kommt. Nur dank des Engagements der Coordination und anderer Initiativen machten die Behörden dem Global Player dann wenigstens zur Auflage, Detektoren aufzustellen, die bei einem Gas-Austritt anschlagen, und an der S-Bahn-Station „Dormagen BAYER-Werk“ einen Schutzraum einzurichten. Am Skandalösesten zeigt sich die Ignoranz des Pharma-Riesen gegenüber Sicherheitsbedenken jedoch bei der Kohlenmonoxid-Pipeline. Trotz massiver Proteste, Verfassungsbedenken des Münsteraner Oberlandesgerichtes (siehe Seite 6/7) und einfach zu realisierenden Alternativen hält er unverdrossen daran fest, ein tödliches Gas auf einer Strecke von 66 km quer durch Nordrhein-Westfalen leiten zu wollen.
Wenn die Geschichte von Bhopal nicht nur eine von Bhopal ist, „sondern eine von Unternehmen, die von Gier und Profiten getrieben sind und diese über das Leben von Menschen und die Umwelt stellen“, wie die Aktivistin Rachna Dhingra meint, dann ist BAYER unverbrüchlich Teil dieser Geschichte. Und dann kann sich diese Geschichte, solange die Rendite-Jagd fortbesteht, auch jederzeit wiederholen. Die vorerst letzte Lektion dieser Art hat Fukushima erteilt.

Essure

CBG Redaktion

Presse Information vom 1. Oktober 2014

umstrittenes Sterilisations-Produkt ESSURE

USA: Klage gegen BAYER eingereicht

In den USA berichten mindestens 7.000 Frauen über schwere Nebenwirkungen des Sterilisations-Produkts ESSURE, darunter Blutungen, chronische Schmerzen, Uterus-Perforationen, Hautausschläge und Allergien. Mehrere Betroffene mussten sich die Gebärmutter entfernen lassen. Auch kam es zu einer Reihe ungewollter Schwangerschaften.

In Philadelphia hat eine Geschädigte Klage gegen BAYER eingereicht. In der Klageschrift heißt es unter anderem, dass BAYER falsche Angaben zur Wirksamkeit des Präparats gemacht habe und damit die Bestimmungen der US-Aufsichtsbehörde FDA verletze. Hierdurch sei die von der FDA erteilte vorläufige Zulassung hinfällig. Die vollständige Klageschrift findet sich unter http://www.cbgnetwork.org/downloads/Essure_Charge_Philadelphia.pdf.

ESSURE wird direkt in die Eileiter implantiert. Kunststoff-Fasern sorgen für ein starkes Wachstum des Bindegewebes, wodurch die Eileiter verschlossen werden. Der BAYER-Konzern hatte das Produkt im vergangenen Jahr von der Firma Conceptus übernommen.

Michelle Garcia, eine Geschädigte aus Florida, brachte das Thema auf die Tagesordnung der jüngsten BAYER-Hauptversammlung in Köln. Die Facebook-Gruppe „ESSURE Problems“ hat mittlerweile über 10.000 Mitglieder. Auch die bekannte Umweltaktivistin Erin Brockovich unterstützt die Kampagne.

Das alles zeigt Wirkung – die Umsätze entwickeln sich nicht so wie erhofft. Die genauen Zahlen will der Konzern zwar auf Nachfrage nicht nennen. Bei einer Investoren-Konferenz im Juli 2014 musste das Unternehmen aber Probleme eingestehen: „Es gibt ein paar Klagen in den sozialen Medien, aber die Dinge bessern sich.“ Weitere Verfahren gegen BAYER richten sich gegen erhöhte Thrombose-Gefahren der Antibabypille Yaz/Yasmin sowie gegen Blutungsrisiken des Gerinnungshemmers Xarelto.

Verkauf BMS

CBG Redaktion

Presse Information vom 18. September

„Schlechte Aktien für die Belegschaft“

BAYER verkauft Kunststoff-Sparte / extrem gefährliche Anlagen betroffen / Absenkung der Anlagensicherheit befürchtet

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) befürchtet durch den heute angekündigten Verkauf von Bayer MaterialScience negative Auswirkungen für die Belegschaft sowie eine Absenkung der Betriebssicherheit. Jan Pehrke vom Vorstand der CBG: „Der BAYER-Vorstand stellt das Wohl der Mitarbeiter hinter die Wünsche der Finanzmärkte. Die großen Opfer der Belegschaft in den letzten Jahren waren damit umsonst. Wir befürchten eine weitere Vernichtung von Arbeitsplätzen sowie eine Absenkung der Löhne, wie bei vielen anderen Ausgliederungen zu beobachten“.

Immer wieder hatten Finanzinvestoren in den letzten Jahren von BAYER den Verkauf der Kunststoff-Sparte gefordert. Bisher hatte sich der Multi dem Druck nicht gebeugt. Noch im Juli hatte der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers in einem Interview betont: „Das Beste ist, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen.“ Der jetzt vollzogene Traditionsbruch wird die Standorte des Konzerns vor massive Probleme stellen. Die Gewerkschaftsvertreter müssten den Plänen bei der heutigen Aufsichtsratssitzung daher die Zustimmung verweigern, so Jan Pehrke.

Philipp Mimkes vom Vorstand der CBG befürchtet Konsequenzen für die Anlagensicherheit: „Die künftigen Besitzer werden versucht sein, die Kosten für Wartung, Personal und Feuerwehr weiter abzusenken. Dies führt automatisch zu höheren Störfallrisiken. Da Bayer MaterialScience einige der – nach Atomkraftwerken – gefährlichsten Industrieanlagen in Deutschland betreibt, ist dies für die Öffentlichkeit von größtem Interesse. BAYER muss sicherstellen, dass die Betriebssicherheit durch den Verkauf nicht verringert wird.“

Nach Ansicht der CBG ist es auch denkbar, dass die Sparte in den nächsten Jahren parzelliert und in Teilen weiterverkauft wird – so wie bei der BAYER-Ausgliederung Lanxess geschehen. Im Fall eines größeren Störfalls hätte dies Konsequenzen für Anwohner/innen und Belegschaft, da kleinere Unternehmen in geringerem Umfang haften.

Unter dem Dach von MaterialScience befinden sich zahlreiche hochgefährliche Anlagen, zum Beispiel die Produktion von Polyurethan, bei der große Mengen toxischer Stoffe wie Chlor, Ammoniak, Kohlenmonoxid sowie das ehemalige Kampfgas Phosgen eingesetzt werden. Seit Jahrzehnten in der Kritik steht auch der hormonaktive Kunststoff Bisphenol A, der trotz Warnungen von Toxikologen in Lebensmittelverpackungen, Trinkflaschen, Kassenbons und Zahnfüllungen zum Einsatz kommt.

Konsequenzen hat der Schritt auch für die umstrittene CO-Pipeline zwischen Dormagen und Krefeld, die gegenwärtig wegen Gerichtsbeschlüssen auf Eis liegt. „Sollte die Pipeline jemals in Betrieb gehen, so wäre völlig unklar, von wem sie in zehn oder zwanzig Jahren betrieben wird. Auch das Sicherheitsniveau und die maximale Haftung stünden in den Sternen – ein Argument mehr, dieses unselige Projekt endlich aufzugeben“, so Mimkes weiter.

BAYER hatte den Beschäftigten der Kunststoff-Sparte in den vergangenen Jahren zahlreiche Zugeständnisse abverlangt, um die angeblich schlechten Geschäftszahlen zu verbessern und die Sparte im Unternehmen zu halten. BAYER hatte über 2.000 Arbeitsplätze bei MaterialScience vernichtet, Werke geschlossen, unter Tarif entlohnt, Effizienz-Programme gestartet und Bonus-Zahlungen gestrichen.

Unlautere Werbung

CBG Redaktion

Presse Information vom 17. September 2014

BAYER: US Regierung verlangt erneute Strafzahlung

Unlautere Werbeaussagen für Darm-Präparat

Die amerikanische Regierung wirft dem Pharmaunternehmen BAYER vor, unbewiesene Werbeversprechen zu seinem Darm-Präparat Philipps´ Colon Health zu verbreiten. In einem am Bezirksgericht New Jersey eingereichten Antrag verlangt das Justizministerium eine tägliche Strafzahlung von 25.000 Dollar. Hiermit solle ein „anhaltender Schaden für die Verbraucher“ gestoppt werden.

BAYER hatte mehrere Millionen Dollar in eine Print- und TV-Kampagne für das frei erhältliche Produkt gesteckt. Darin behauptet der Konzern, das im Jahr 2008 eingeführte Präparat schütze vor Verstopfungen, Blähungen, Durchfall und Völlegefühl. Nach Ansicht der Behörden liegen hierfür keine wissenschaftliche Nachweise vor.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Ob bei Potenz-, Schmerz- oder Nahrungsergänzungsmitteln, immer wieder setzt BAYER auf unlautere Werbemethoden. Der Konzern gefährdet dadurch wissentlich die Gesundheit der Patientinnen und Patienten“. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert ein allgemeines Werbeverbot für Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel.

Im Jahr 2007 hatte die US-Regierung gegen BAYER eine Rekord-Strafe von 3,2 Millionen Dollar für ungerechtfertigte Werbeaussagen zu Diätpillen aus der ONE A DAY-Serie verhängt. BAYER hatte sich daraufhin verpflichten müssen, weitere unbegründete Werbeversprechen über freiverkäufliche Mittel zu unterlassen. Wörtlich heißt es nun in der 37-seitigen Klageschrift: „Nach Schätzung der Vereinigten Staaten haben die Verbraucher mehrere hundert Millionen Dollar für dieses Produkt ausgegeben. Aufgrund der umfassenden und ungerechtfertigten Aussagen zur Wirksamkeit des Produkts, die gegen die gerichtliche Anordnung aus dem Jahr 2007 verstoßen, sollten die Verbraucher entschädigt werden.“ Stuart F. Delery, Sprecher des Ministeriums, ergänzt: „Das Justizministerium wird nicht tolerieren, dass Unternehmen einen unfairen Vorteil gegenüber der Konkurrenz erlangen, indem sie ungerechtfertigte Werbeaussagen tätigen.“

In den USA vertreibt BAYER unter dem Markennamen ONE-A-DAY zahlreiche Nahrungsergänzungspräparate ohne jeglichen Wirksamkeitsnachweis. Nach Angaben des Konzerns sollen die Präparate das Herz und die Immunabwehr stärken, die Sehfähigkeit steigern und dem Körper zu mehr Energie verhelfen. Dank solcher Versprechungen machte BAYER im vergangenen Geschäftsjahr einen Umsatz von über einer Milliarde Euro mit Nahrungsergänzungsmitteln.

weitere Informationen:
=> US government: bogus claims over Bayer colon supplement
=> Diätpillen: Millionen-Buße wegen unlauterer Werbung
=> Marketing für Nahrungsergänzungsmittel verantwortungslos
=> unlautere Werbung für Aspirin

[Hochschulgesetz] Hochschulgesetz NRW

CBG Redaktion

Presse Info vom 12. September 2014
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Neues NRW-Hochschulgesetz: Kooperationen mit der Industrie bleiben im Geheimen

Unternehmen bestellen Studien, engagieren Professor und gründen Institute, die in ihrem Auftrag forschen. Trotz anders lautender Versprechen belässt die NRW-Landesregierung die Kooperation von Hochschulen mit der Industrie im Dunkeln.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) kritisiert das Einknicken der NRW-Landesregierung vor den Drohungen der Wirtschaftsverbände. Auch künftig wird nach dem gestern beschlossenen „Hochschulzukunftsgesetz“ die Zusammenarbeit von Universitäten mit der Industrie im Geheimen stattfinden.

Der ursprüngliche Entwurf des Gesetzes hatte vorgesehen, zumindest die Inhalte, den finanziellen Umfang und die an den Drittmittelprojekten beteiligten Akteure vorab offenzulegen. Die Landesregierung gab jedoch dem Druck der Industrie nach und schwächte den entsprechenden Passus entscheidend ab: Die Öffentlichkeit wird nun erst im Nachhinein informiert. Art und Umfang der Offenlegung bleiben dabei im Ermessen von Hochschulen und Unternehmen; zudem kann eine Unterrichtung der Öffentlichkeit ganz unterbleiben, wenn angebliche Betriebsgeheimnisse in Gefahr sind.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Das Gesetz bekräftigt das Primat wirtschaftlicher Interessen gegenüber einer dem Allgemeinwohl verpflichteten Forschung.“ Mimkes kritisiert, dass die Öffentlichkeit erst nach Beendigung einer Kooperation informiert werden soll. Hierdurch werde eine Diskussion über die Ausrichtung universitärer Forschung verhindert: „Öffentliche Einrichtungen, die aus Steuergeldern finanziert werden, müssen sich dieser Debatte stellen – und zwar nicht erst, wenn bereits Fakten geschaffen wurden. Die Firmen werden darauf drängen, den Großteil aller relevanten Informationen als „Betriebsgeheimnisse“ zu deklarieren“. Mimkes kritisiert, dass die Regierung ihr Versprechen gebrochen habe, für mehr Transparenz zu sorgen. Der Gesetzesentwurf ist online abrufbar (zu den Transparenzregeln siehe §72).

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hatte auf Offenlegung des im Jahr 2008 geschlossenen Kooperationsvertrags zwischen der Uniklinik Köln und der BAYER HealthCare AG geklagt, da sie eine Ausrichtung der pharmakologischen Forschung nach rein wirtschaftlichen Kriterien befürchtet. Der Landesbeauftragte für Informationsfreiheit hatte den Vertrag geprüft und einer Einsichtnahme zugestimmt. BAYER und Uni Köln hatten sich über das Votum jedoch hinweggesetzt. Das Verfahren ist gegenwärtig beim Oberverwaltungsgericht in Münster anhängig.

Wie eng Uni Köln und der BAYER-Konzern kooperieren, wird auch an einer Personalie deutlich: Leiter des Hochschulrats ist Richard Pott, der mehr als zehn Jahre lang Vorstandsmitglied von BAYER war.

Hochschulzukunftsgesetz (HZG NRW), Drucksache 16/6694

§ 71 a
Transparenz bei der Forschung mit Mitteln Dritter

(1) Das Rektorat informiert die Öffentlichkeit in geeigneter Weise über abgeschlossene Forschungsvorhaben nach § 71 Absatz 1.
(2) Hinsichtlich des Schutzes personenbezogener Daten gelten die §§ 9 und 10 des Informationsfreiheitsgesetzes entsprechend.
(3) Eine Information nach Absatz 1 findet nicht statt, soweit durch die Übermittlung der Information ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart wird und dadurch die Gefahr des Eintritts eines wirtschaftlichen Schadens entsteht. Der oder dem Dritten ist vorher Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten für Entwicklungsvorhaben und Vorhaben zur Förderung des Wissenstransfers entsprechend.
(5) Die Aufgabe und Befugnis der Hochschulen, die Öffentlichkeit über die Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterrichten, bleibt ansonsten unberührt.

weitere Informationen zur Kampagne

[Carl Duisberg] Dortmund: Stadtarchiv plädiert für Umbenennung der Carl-Duisberg-Straße

CBG Redaktion

ehem. BAYER-Direktor verantwortlich für Giftgas-Einsatz und Zwangsarbeit / Umbenennungen auch in Wuppertal, Frankfurt und Leverkusen gefordert

Presse Info, 11. Sept. -- Das Dortmunder Stadtarchiv schlägt die Umbenennung von sechs Straßen vor, deren Namensgeber historisch belastet sind. Neben den nationalsozialistischen Schriftstellern Karl Wagenfeld und Friedrich Castelle findet sich auch der frühere BAYER-Generaldirektor Carl Duisberg auf der Liste. Der städtische Ausschuss für Anregungen und Beschwerden befürwortete die Empfehlungen in seiner Sitzung am Dienstag.

Jan Pehrke, Vorstandsmitglied der Coordination gegen BAYER-Gefahren, begrüßt das Votum: „Carl Duisberg war der geistige Vater der IG FARBEN und ging für Profite buchstäblich über Leichen. Wegen seiner Mitverantwortung für Gaskrieg, Zwangsarbeit und die enge Zusammenarbeit mit dem Nazi-Regime taugt er nicht als Vorbild für künftige Generationen. Auch die noch verbleibenden Carl-Duisberg-Straßen im Land sowie das Duisberg-Gymnasium in Wuppertal sollten nun umbenannt werden“.

Wörtlich heißt es in der Stellungnahme des Archivs: „In der Bewertung der Person Carl Duisbergs durch das Stadtarchiv wurden durchaus auch die bis heute positiv zu wertenden Aspekte in seiner Lebensleistung berücksichtigt. Nichtsdestotrotz empfiehlt das Stadtarchiv, bei der Abwägung aller Aspekte des Lebens von Carl Duisberg, eine Umbenennung.“

Zur Begründung schreibt das Stadtarchiv: „Während des Ersten Weltkriegs wurde unter seinem Vorsitz Giftgas für den Kriegseinsatz produziert. (…) Duisberg gehörte zu den führenden deutschen Industriellen, die während des Krieges die - auch nach dem damals geltenden internationalen Kriegsrecht illegale - Deportation belgischer Zivilisten zur Zwangsarbeit nach Deutschland durchsetzten. (…) Carl Duisberg war aktives Mitglied im antisemitischen Alldeutschen Verband. Als Patriarch lehnte er bis zu seinem Tod Gewerkschaften entschieden ab. Er war von Beginn an Gegner der Weimarer Demokratie.“

Die Überprüfung aller Dortmunder Straßennamen geht auf einen Antrag des früheren Ratsmitglieds Richard Kelber zurück. Über die Änderungen der Straßennamen entscheiden nun abschließend die zuständigen Bezirksvertretungen. Betroffen wären zwischen 63 Anwohner/innen in der Castellestraße und 129 in der Stehrstraße. Die Umbenennung der Carl-Duisberg-Straße ist am einfachsten, da sie nur einen einzigen Anlieger hat – ausgerechnet das Carl Duisberg Centrum, das zudem am Ende des Monats schließt.

Zum 150. Geburtstag von Carl Duisberg vor drei Jahren hatten sich unter anderem in Wuppertal, Leverkusen, Frankfurt und Marburg Initiativen gebildet, um Straßen, Schulen und Wohnheime, die den Namen des ehemaligen BAYER-Generaldirektors tragen, umzubenennen. Auch ein Entzug der Leverkusener Ehrenbürgerwürde war gefordert worden. In Frankfurt läuft das Umbenennungsverfahren der Duisbergstraße noch; in Marburg führte das Engagement immerhin dazu, am dortigen Carl-Duisberg-Haus eine Plakette mit einer „Kritischen Würdigung“ anzubringen.

weitere Informationen
=> vollständige Stellungnahme des Stadtarchivs
=> Kampagne zu Carl Duisberg
=> Ruhr Nachrichten: „Belastete Namenspaten“

Die Empfehlung des Dortmunder Stadtarchivs im Wortlaut (Auszug):

4. Carl-Duisberg-Straße (Stadtbezirk Innenstadt West) / benannt 1974

Namengeber: Friedrich Carl Duisberg
geb 29.09.1861 in Barmen (heute Wuppertal)
† 19.03.1935 in Leverkusen
Chemiker und Industrieller, Vorstandsvorsitzender

Während des Ersten Weltkriegs wurde unter seinem Vorsitz Giftgas für den Kriegseinsatz produziert. In Leverkusen wurde u. a. Phosgen produziert, ein Giftgas, das in einem Lehrbuch folgendermaßen beschrieben wird: „Der Atem wird immer kürzer und stoßweiser, bis schließlich der Tod durch Ersticken eintritt. Das volle Bewusstsein bleibt auch bei dem schwersten Verlauf bis zum letzten Augenblick erhalten. Der Phosgentod ist also als ein ganz allmähliches Ertrinken im eigenen Blutserum aufzufassen.“
Duisberg gehörte auch - zusammen mit Walther Rathenau und Hugo Stinnes - zu den führenden deutschen Industriellen, die während des Krieges die - auch nach den damals geltenden internationalen Kriegrecht illegale - Deportation belgischer Zivilisten zur Zwangsarbeit nach Deutschland durchsetzten. Zudem war er maßgeblich an der Ausarbeitung des sogenannten „Hindenburg-Programms“ beteiligt, dem Wirtschafts- und Rüstungsprogramm der Dritten Obersten Heeresleitung von 1916, das die Fokussierung der gesamten Wirtschaft auf die Rüstungsproduktion vorsah.
Carl Duisberg war aktives Mitglied im antisemitischen Alldeutschen Verband. Als Patriarch lehnte er bis zu seinem Tod Gewerkschaften entschieden ab. Er war von Beginn an Gegner der Weimarer Demokratie.
In der Bewertung der Person Carl Duisbergs durch das Stadtarchiv wurden durchaus auch die bis heute positiv zu wertenden Aspekte in seiner Lebensleistung berücksichtigt.
Nichtsdestotrotz empfiehlt das Stadtarchiv, bei der Abwägung aller Aspekte des Lebens von Carl Duisberg, eine Umbenennung.
In Leverkusen und Wuppertal gibt es seit vielen Jahren politische Debatten über die Person Carl Duisbergs.