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Veröffentliche Beiträge von “CBG Redaktion”

[Berocca] Nahrungsergänzungsmittel

CBG Redaktion

Presse Info vom 9. September 2014
Coordination gegen BAYER-Gefahren

CBG fordert generelles Verbot von Pharmawerbung

„BAYER-Marketing für Nahrungsergänzungsmittel verantwortungslos“

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) bezeichnet die Werbekampagne für das Multivitamin-Präparat BEROCCA als verantwortungslos, da es keine seriösen Studien über dessen Wirksamkeit gibt. Auch könnten Überdosierungen der Pillen, die eine obskure Mischung aus Vitamin B, Vitamin C, Folsäure, Zink und Magnesium enthalten, zu Gesundheitsschäden führen. Zur Markteinführung in den USA schaltete der BAYER-Konzern jüngst einen Werbeclip mit dem Schauspieler Joel McHale.

Angepriesen wird BEROCCA insbesondere als Mittel gegen Beschwerden nach Alkoholkonsum. Wissenschaftliche Studien hingegen kommen zu dem Ergebnis, dass es keine wirksamen Mittel gegen den „Kater“ gibt. In Deutschland bewirbt der Konzern das Präparat mit Versprechen wie „Vordenker müssen auf Zack sein. Berocca Performance unterstützt Dich dabei“.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) fordert ein allgemeines Werbeverbot für Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel – sowohl in Fachzeitschriften als auch in freiverkäuflichen Medien. Philipp Mimkes vom Vorstand der CBG: „Wirksame Medikamente werden sich immer durchsetzen, hierfür sorgen Studien, Fachzeitschriften und die medizinische Praxis. Werbung ist für den medizinischen Fortschritt nicht notwendig - im Gegenteil: Durch das allgegenwärtige Marketing werden unnötige und sogar gefährliche Präparate auf den Markt gedrückt“. Nach Ansicht von Mimkes gehört die Information über Medikamente in die Hände unabhängiger Wissenschaftler/innen und Behörden, nicht jedoch in die profitgetriebener Firmen. Durch ein Werbeverbot könnten zudem die Medikamentenpreise deutlich sinken, da die Pharmaindustrie bis zu 40 % ihres Umsatzes in das Marketing steckt.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) stellt klar, dass eine ausgewogene Ernährung für die Zufuhr aller wichtigen Nährstoffe ausreicht. Ergänzungspräparate sollten nur eingenommen werden, wenn tatsächlich ein Mangel vorliegt. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) betont, dass sich die Folgen von ungesunder Ernährung nicht durch Nahrungsergänzungsmittel ausgleichen lassen. Zudem können Überdosierungen zu Gesundheitsschäden führen. So steht eine zu hohe Zufuhr von Vitamin C im Verdacht, die Bildung von Nierensteinen zu verursachen.

BAYER führt als Beleg für die angebliche Wirksamkeit von BEROCCA eine selbst finanzierte Studie an, bei der auch Mitarbeiter des Unternehmens mitwirkten. Sogar diese Auftragsstudie konnte lediglich bei einigen Rechenaufgaben eine verbesserte Leistungsfähigkeit feststellen - weitere Tests zeigten keinerlei Unterschiede. Die Autoren weisen selbst auf die mangelhafte Aussagekraft ihrer Ergebnisse hin.

In Deutschland liegt der jährliche Umsatz mit Nahrungsergänzungsmitteln bei rund 900 Millionen Euro. Das Geschäft mit den Produkten unterliegt kaum gesetzlichen Vorschriften. Klinische Studien über die Wirksamkeit und mögliche Risiken müssen die Hersteller vor der Vermarktung nicht durchführen.

In den USA vertreibt BAYER unter dem Markennamen ONE-A-DAY zahlreiche Nahrungsergänzungspräparate ohne jeglichen Wirksamkeitsnachweis. Nach Angaben des Konzerns sollen die Präparate das Herz und die Immunabwehr stärken, den Augen gut tun und dem Körper zu mehr Energie verhelfen. Dank solcher Versprechungen finden Nahrungsergänzungsmittel aus dem Hause BAYER reißenden Absatz: im Geschäftsjahr 2013 machte das Unternehmen damit einen Umsatz von über einer Milliarde Euro. Wegen irreführender Werbeaussagen hatte der Konzern wiederholt Strafzahlungen leisten müssen.

siehe auch:
=> wirkungsloses „Stärkungsmittel“ BAYER´S TONIC in Indien verkauft
=> unlautere Werbung für Aspirin

[CO-Pipeline] CO-Pipeline stoppen!

CBG Redaktion

Presse Info vom 28. August

OVG: CO-Pipeline verfassungswidrig

Großer Erfolg – aber Wachsamkeit weiter nötig

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren bezeichnet den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster zur CO-Leitung als großen Erfolg für Bürgerinitiativen, Kläger und Anwohner/innen. Die CBG führt die Proteste jedoch fort, da der BAYER-Konzern das Projekt weiter verfolgt.

Philipp Mimkes vom Vorstand der CBG: „Wir begrüßen, dass sich das Gericht unserer langjährigen Argumentation anschließt, wonach betriebliche Profite nicht mit dem Allgemeinwohl gleichzusetzen sind und die Genehmigung der CO-Pipeline daher nicht verfassungskonform ist. Dies ist ein wichtiger Etappensieg.“ Gleichwohl kritisiert Mimkes, dass das OVG die tödlichen Gefahren bei einem Austritt von Kohlenmonoxid nicht ausreichend berücksichtigt hat. „Die Richtlinien zum Bau von Pipelines sind nicht für Gefahrstoffe wie Kohlenmonoxid gemacht worden. Unter Berücksichtigung der hohen Risiken hätte das Gericht das Verfahren endgültig stoppen müssen“, so Mimkes weiter.

Der Fall wird nun vor dem Verfassungsgericht verhandelt. Sollte sich das Karlsruher Gericht der Argumentation des OVG nicht anschließen, so droht weiterhin der Betrieb der Pipeline.

Polizei, Feuerwehr und medizinische Dienste haben erklärt, dass sie die Sicherheit der Bevölkerung bei einem Unfall nicht gewährleisten können. Auch die betroffenen Kommunen lehnen die CO-Pipeline ab. Das Regierungspräsidium Düsseldorf musste einräumen, dass „zu Kohlenmonoxidfernleitungen keine umfänglichen Erfahrungsberichte existieren, da es sie weltweit kaum gibt“.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert, dass Gefahrstoffe wie CO, Chlor oder Ammoniak – wenn überhaupt - ortsnah produziert und verarbeitet werden. Ein Transport durch dicht besiedelte Gebiete ist nicht zu verantworten und auch nicht notwendig. Das jüngste Gutachten der NRW-Landesregierung zeigt, dass BAYER ebenso gut in Krefeld eine neue CO-Produktion aufbauen und auf den Betrieb der Pipeline verzichten kann.

Auszug aus dem Urteil des OVG Münster:

Das Oberverwaltungsgericht sieht in dem Rohrleitungsgesetz einen Verstoß gegen das durch Art. 14 des Grundgesetzes geschützte Grundrecht der Kläger auf Eigentum. Zur Begründung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt: Die Pipeline stelle im Ausgangspunkt ein privatnütziges Vorhaben dar, durch das das Wohl der Allgemeinheit allenfalls mittelbar gefördert werden könne. Deshalb müsse sich das Rohrleitungsgesetz an den hohen Anforderungen messen lassen, die das Grundgesetz für eine Enteignung zu Gunsten privater Unternehmen enthalte. Der Gesetzgeber habe zwar einen weiten Einschätzungsspielraum, müsse aber den Enteignungszweck hinreichend bestimmt festlegen und den Enteignungsbegünstigten ausreichend an diesen Enteignungszweck binden. Beides sei durch das Rohrleitungsgesetz nicht geschehen.
Da über die Vereinbarkeit des Rohrleitungsgesetzes mit den Grundrechten der Kläger allein das Bundesverfassungsgericht abschließend entscheiden kann, hat der Senat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht diese Frage zur Entscheidung vorgelegt.
Die Entscheidung ist unanfechtbar.

Neues Deutschland: Pipeline-Streit erneut vor Gericht

Leverkusener Anzeiger, 28.08.2014

Pipeline rechtfertigt Enteignung nicht

Die gesetzliche Grundlage für die Kohlenmonoxid-Pipeline der Bayer AG ist laut Oberverwaltungsgericht verfassungswidrig. Das Verfahren ist ausgesetzt. Nun muss das Bundesverfassungsgericht entscheiden.
Eine herbe Niederlage muss der Bayer-Konzern einstecken. Das Oberverwaltungsgericht in Münster hat am Donnerstag das Pipeline-Gesetz für verfassungswidrig erklärt. Es war im März 2006 vom Landtag verabschiedet worden und ermöglichte Bayer den Bau der Kohlenmonoxid-Pipeline zwischen den Werken in Krefeld-Uerdingen und Dormagen.
Dafür mussten Grundstücksbesitzer enteignet werden. Um dies zu rechtfertigen, wurde die Leitung für die hochgiftige Substanz in Paragraf 1 des Gesetzes als „dem Wohl der Allgemeinheit“ dienlich bezeichnet. Ob das in Ordnung ist, musste der 20. Senat des Oberverwaltungsgerichts entscheiden, nachdem Anwohner geklagt hatten. Die Münsteraner Richter machten deutlich, dass sie in dem Pipeline-Gesetz einen Verstoß gegen Artikel 14 des Grundgesetzes sehen. Er beschreibt das Grundrecht auf Eigentum.
Für die Richter ist die Bayer-Pipeline jedoch zunächst einmal ein privates Projekt mit dem „das Wohl der Allgemeinheit allenfalls mittelbar gefördert werden“ könne. Deshalb müsse sich das eigens für die Bayer-Pipeline erlassene Rohrleitungsgesetz „an den hohen Anforderungen messen lassen, die das Grundgesetz für eine Enteignung zugunsten privater Unternehmen enthalte“. Der Zweck der Enteignung müsse „hinreichend bestimmt“ festgelegt werden – und der Nutznießer müsse ausreichend an den Zweck gebunden werden: „Beides ist durch das Rohrleitungsgesetz nicht geschehen.“ Das letzte Wort hat das Oberverwaltungsgericht in dieser Sache allerdings nicht: Demnächst wird sich das Bundesverfassungsgericht mit dem NRW-Pipelinegesetz und der Frage befassen, ob der von Bayer ins Feld geführte Nutzen des Rohstoffverbunds zwischen zweien seiner Werke tatsächlich dem Allgemeinwohl dient.
Bayer äußerte sich zunächst recht unbestimmt zu der Prozess-Niederlage. „Wir werden die schriftliche Begründung des Gerichts abwarten, sie in Ruhe analysieren und bewerten“, so Gabriel Harnier, der Bayers Kunststoff-Teilkonzern Material Science vertritt. „Die heutige Entscheidung ist sicherlich nicht unser Wunschergebnis“, weil sie die Inbetriebnahme der Pipeline nochmals erheblich verzögere. Positiv sei immerhin, dass die Münsteraner Richter „keine grundlegenden Bedenken“ hinsichtlich Sicherheit und Trasse der Leitung geäußert hätten. Obwohl sie zwei linksrheinische Werke verbindet, verläuft sie fast komplett rechtsrheinisch, unterquert den Strom also zweimal.
Bayers Vorstandschef Marijn Dekkers hatte sich in der Vergangenheit kritisch zur Verzögerung des Pipeline-Projekts geäußert und angemahnt, dass man sich auf ein Gesetz verlassen können muss. Von Thomas Käding

Pipeline-Gesetz ist verfassungswidrig

29.08.2014, WAZ --Für die Inbetriebnahme der umstrittene CO-Pipeline zwischen den Bayer-Werken Uerdingen und Dormagen wird es weitere jahrelange Verzögerungen geben. Das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) äußerte am Donnerstag erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Rohrleitungsgesetztes, das dem Projekt das Gemeinwohl bescheinigte und die Enteignung von privaten Grundstücken für den Bau der Leitung erst ermöglicht hatte. Der 20. OVG-Senat überwies das Gesetz an das Bundesverfassungsgericht. Bis zur Entscheidung in Karlsruhe wurde das Verfahren vor dem OVG ausgesetzt.
„Es kommt maßgeblich darauf an, ob der erste Satz im Rohrleitungsgesetz verfassungsgemäß ist“, begründete der Vorsitzende Richter Dirk Lechtermann den Beschluss. „Errichtung und Betrieb einer Rohrleitungsanlage . . . für die Durchleitung von Kohlenmonoxid . . . zwischen Dormagen und Uerdingen dienen dem Wohl der Allgemeinheit gemäß Artikel 14 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes“, heißt es im Gesetz. Damit habe es sich der NRW-Landtag zu einfach gemacht, glaubt der Senat. Der Bayer-Konzern sei zweifelsohne nicht zum Nutzen der Allgemeinheit tätig, deshalb erfordere die Enteignung von Privateigentum eine wesentlich konkretere Begründung.
„Wir sind der Überzeugung, dass der § 1 des Gesetzes verfassungswidrig ist“, betonte Richter Lechtermann. Die Entscheidung darüber obliegt aber allein den Karlsruher Bundesrichtern. Kippen die Verfassungsrichter das Gesetz, wäre damit auch dem Planfeststellungsbeschluss (die Baugenehmigung) für die Pipeline die rechtliche Grundlage entzogen – durch die Leitung, die im Duisburger Süden quer durch Wohngebiete verläuft, dürfte das giftige Gas wohl niemals transportiert werden.
„Wenn das Gesetz wirksam wäre, würde das für die Planrechtfertigung reichen“, machte der Senat ebenfalls deutlich. In der mündlichen Verhandlung hatten die Richter zuvor erklärt, dass sie weder fundamentale Sicherheitsbedenken haben, noch die Wahl der 65,7 Kilometer langen rechtsrheinischen Trasse grundsätzlich infrage stellen würden. Auch mögliche Fehler im Planfeststellungsbeschluss hält das OVG für heilbar.
„Das ist nicht unser Wunschergebnis, die Entscheidung bedeutet für unser Projekt erneut erheblichen Zeitverlust“, sagte Gabriel Harnier, Leiter der Rechtsabteilung von Bayer Material Science (BMS) nach der Verhandlung. „Positiv ist für uns aber, dass der Senat weder bei der Trassenwahl, noch bei der Sicherheit Bedenken geäußert hat.“
„Hocherfreut“ verließ Erich Hennen, Sprecher der Duisburger „COntra-Pipeline“-Initiative, den Gerichtsaal. „Das ist eine Ohrfeige für die Politik. Wir sind sicher, dass beim Bundesverfassungsgericht das Gesetz gekippt wird.“

[CO-Pipeline stoppen!] CO-Pipeline: Verhandlung am Oberverwaltungsgericht Münster

CBG Redaktion

„Dauerhafte Sicherheit nicht gewährleistet“

Presse Info, 25. August -- Ab Donnerstag verhandelt das Oberverwaltungsgericht Münster die Klage von vier Anwohnern gegen die Genehmigung der umstrittenen Kohlenmonoxidleitung zwischen den BAYER-Werken Dormagen und Krefeld-Uerdingen.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) fordert, dem Projekt die Zulassung zu entziehen. Die notwendigen Enteignungen waren im Planfeststellungsbeschluss mit „Vorteilen für das Allgemeinwohl“ gerechtfertigt worden. Tatsächlich gibt es diese Vorteile nicht, da die Leitung lediglich für eine bessere Auslastung der Anlagen in Dormagen und Krefeld sorgen soll. Geringere Kosten für ein Unternehmen sind jedoch nicht identisch mit dem Allgemeinwohl. Da der Planfeststellungsbeschluss auf falschen Annahmen beruht, ist die Rechtmäßigkeit der Enteignungen hinfällig.

Philipp Mimkes vom Vorstand der CBG: „Die CO-Leitung stellt einen Präzedenzfall dar, denn Gefahrstoffe wie Kohlenmonoxid, Chlor oder Phosgen wurden über Jahrzehnte hinweg nur in gut gesicherten Werken eingesetzt. Giftige Gase müssen – wenn überhaupt - ortsnah produziert und verarbeitet werden. Ein Transport durch dicht besiedelte Gebiete ist nicht zu verantworten und auch nicht notwendig: das jüngste Gutachten der Landesregierung belegt, dass der Konzern ebenso gut in Krefeld eine neue CO-Produktion aufbauen könnte.“

Nach Aussage des Pipeline-Experten Dipl. Ing. Bernhard Wening, der seit mehr als zwanzig Jahren als Sachverständiger für Gasanlagen tätig ist, „kann die dauerhafte Dichtheit einer Gasleitung in der Praxis nicht zu 100 % gewährleistet werden“. Wegen der Giftigkeit von Kohlenmonoxid lehnt Wening daher den Betrieb der Leitung ab (siehe Interview).

Schäden bis hin zum Vollbruch der Leitung sind durch Erdbeben, Bauarbeiten, Flugzeugabstürze, Bomben aus dem 2. Weltkrieg oder terroristische Anschläge denkbar. Ein Gutachten des Kreises Mettmann kam zu dem Ergebnis, dass im Fall einer Beschädigung mehr als 140.000 Personen akut gefährdet wären.

Polizei, Feuerwehr und medizinische Dienste haben erklärt, dass sie die Sicherheit der Bevölkerung bei einem Unfall nicht gewährleisten können. Auch die betroffenen Kommunen lehnen eine Inbetriebnahme ausnahmslos ab. Das Regierungspräsidium Düsseldorf musste einräumen, dass „zu Kohlenmonoxidfernleitungen keine umfänglichen Erfahrungsberichte existieren, da es sie weltweit kaum gibt“.

Zudem existiert der ursprünglich von BAYER behauptete CO-Überschuss in Dormagen nicht mehr, im Gegenteil: die Errichtung der neuen TDI-Anlage in Dormagen führt dazu, dass dort eine weitere Anlage zur CO-Herstellung errichtet werden muss.

Wie gefährlich der Umgang mit Kohlenmonoxid ist, zeigt der Unfall im Brunsbütteler BAYER-Werk am 25. September 2013: nach einer Freisetzung von CO schwebten nach Angaben der Polizei zwei Mitarbeiter in Lebensgefahr. Zu den Ursachen des Unfalls macht BAYER bis heute keine Angaben.

alle Informationen zur Kampagne hier.

Die öffentliche Verhandlung im Berufungsverfahren gegen die Genehmigung der Pipeline beginnt am 28. August im Hauptgebäude des Oberverwaltungsgerichts Münster, Aegidiikirchplatz 5, Sitzungssaal I ab 10.00 Uhr. Aktenzeichen: 20 A 1923-11

TICKER

CBG Redaktion

22. August 2014

Kurzmeldungen TICKER jetzt online

Dem Magazin Stichwort BAYER liegt seit 25 Jahren die aus Kurzmeldungen bestehende Beilage TICKER bei. Jeweils auf 16 Seiten berichtet der TICKER alles Neue rund um BAYER und erfüllt damit eine wichtige Dokumentationsaufgabe.

Dem aktuellen Heft lag der TICKER erstmals nicht bei. Verantwortlich hierfür sind die anhaltenden Finanzprobleme der Coordination gegen BAYER-Gefahren. Durch verringerte Druck- und Versandkosten konnte ein vierstelliger Betrag eingespart werden. Dies ist jedoch ein großer Verlust.

Die Redaktion hat den TICKER jedoch wie immer verfasst und macht diesen nun zumindest online verfügbar, entweder im Layout als pdf-Datei oder als einfacher Text.

Wir setzen alles daran, dass der TICKER bald auch wieder gedruckt erscheinen kann.

Auch wenn Stichwort BAYER weitgehend ehrenamtlich erstellt wird: konzernkritischer Journalismus kostet Geld. Eine Deckung allein über die Abo-Gebühren ist nicht möglich. Auch lukrative Anzeigen bleiben uns verwehrt. Dass sich der Einsatz lohnt, zeigen zum Beispiel die aktuellen Berichte zu unseren Kampagnen in der ZEIT und bei Spiegel Online.

Stichwort BAYER kann nur mit Hilfe bezahlter Abos fortbestehen. Ein Abonnement können sie hier einrichten.

Multiple Sklerose

CBG Redaktion

21. August 2014

Refib (Merck), Betaferon (Bayer)

MS-Präparate können Nierenschäden hervorrufen

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) warnt, dass mehrere gebräuchliche Medikamente gegen Multiple Sklerose die Gefahr erhöhen könnten, an zwei gefährlichen Nierenleiden zu erkranken. Unter Anwendung von Beta-Interferonen kann es demnach zu thrombotischen Mikroangiopathien (TMA) mit Todesfolge sowie einem nephrotischen Syndrom kommen. Ein kausaler Zusammenhang sei nicht auszuschließen.

Betroffen sind alle fünf in Deutschland zur MS-Therapie zugelassenen Interferon-Präparate, im einzelnen Interferon beta-1a (Avonex von Biogen Idec und Rebif von Merck Serono), Interferon beta-1b (Betaferon von Bayer und Extavia von Novartis) sowie Peginterferon beta-1a (Plegridy von Biogen Idec).

Betaferon war 2013 mit weltweiten Verkaufserlösen von 1,04 Milliarden Euro das zweitumsatzstärkste Medikament der Bayer-Pharmasparte. Rebif war im vergangenen Jahr mit 1,86 Milliarden Euro Umsatz sogar die Top-Arznei von Merck.

TMA und nephrotisches Syndrom können mehrere Wochen bis Jahre nach Behandlungsbeginn mit Beta-Interferonen auftreten. Bei einer TMA kommt es zu Bluthochdruck, Fieber und schweren Störungen des Nierengewebes. Beim nephrotischen Syndrom arbeiten die Nieren der Betroffenen nur noch eingeschränkt. Zu den frühen Anzeichen zählen Ödeme und eine übermäßige Ausscheidung von Eiweiß über den Urin.

Uganda

CBG Redaktion

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren ist Mitorganisator der folgenden Veranstaltung:

Arm und vergessen

Veranstaltung zur Gesundheitssituation in Uganda

Samstag, 6. September, Alte Feuerwache, Köln
Veranstalter: BUKO Pharma-Kampagne

Straßentheater Schluck & weg

spielt am 6. September, 17.00-20.00 Uhr im Innenhof der Alten Feuerwache

Schwarzer Humor, schräge Dialoge, verrückte Kostüme und dahinter eine brisante politische Botschaft: Das sind seit drei Jahrzehnten die Markenzeichen von Schluck & weg. Die politische Straßentheater¬gruppe der BUKO Pharma-Kampagne macht Missstände in der globalen Arzneimittelversorgung publik. Jedes Jahr geht Schluck & weg mit einem neuen Stück auf Tournee, diesmal zur Gesundheitsversorgung in Uganda. Jeweils nach den rund 20-minütigen Auftritten ist Gelegenheit zum Gespräch mit den SchauspielerInnen. Die ZuschauerInnen können sich auch an einem Info-Stand über die aktuellen Hintergründe des Stücks informieren.

Vortrag: Uganda – ein vernachlässigter Markt?

am 6. September 2014, 20.00 Uhr, Alte Feuerwache (Melchiorstr. 3), Raum 1

Über ein Jahr lang hat die BUKO Pharma-Kampagne gemeinsam mit der ugandischen Coalition for Health Promotion and Social Development (HEPS) das Geschäftsverhalten internationaler Arzneimittel¬firmen in Uganda untersucht. Das erschütternde Resümee: Uganda ist ein vergessener Markt und die Versorgung mit lebenswichtigen Arzneimitteln ist mangelhaft. Große Markenfirmen ziehen sich aus dem Land zurück, weil die Gewinnspanne zu niedrig ist. Wirkstoffgleiche Generika existieren aber zum Teil nicht oder sind in den öffentlichen Einrichtungen nicht verfügbar. Für die betroffenen PatientInnen ist das häufig ein Todesurteil.
Denis Kibira, Apotheker, Public Health Experte und Geschäftsführer von HEPS Uganda wird die Ergebnisse der Studie vorstellen und über die Gesundheitssituation in seinem Heimatland berichten. Jörg Schaaber, Soziologe, Gesundheitswissenschaftler und Mitarbeiter der BUKO Pharma-Kampagne spannt den Bogen nach Deutschland: Wie können wir in Deutschland Einfluss nehmen auf Globalisierungsprozesse und deren negative Auswirkungen im Gesundheitsbereich?

Kontakt und Info: Claudia Jenkes, BUKO Pharma-Kampagne, cj@bukopharma.de, www.bukopharma.de

Mitveranstalter: Coordination gegen BAYER-Gefahren, www.CBGnetwork.org

Die Veranstaltungen werden unterstützt von der Stiftung Umwelt und Entwicklung NRW

[Ticker] STICHWORT BAYER

CBG Redaktion

STICHWORT BAYER:

Konzernkritischen Journalismus retten!

Stichwort BAYER (SWB) ist die einzige Zeitschrift, die kontinuierlich über die Schattenseiten eines globalen Multis berichtet. Und das seit 30 Jahren!

Im Juli ist die Ausgabe 3/2014 erschienen - allerdings erstmals ohne die Beilage TICKER. Der TICKER vermeldet jeweils auf 16 Seiten alles Neue rund um BAYER und erfüllt damit eine wichtige Dokumentationsaufgabe.

Das ist ein schmerzlicher Verlust, gerade in unserem Jubiläumsjahr. Doch leider geht es nicht anders. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren muss weiterhin ein beträchtliches Defizit abtragen, da die Spenden durch Sozialabbau und Wirtschaftskrise stark gesunken sind.

Zwar konnte Dank unserer Rettungskampagne ein Gutteil der jährlichen Deckungslücke von 150.000 Euro gestopft werden. Aber die letzten 39.000 Euro wollen einfach nicht zusammenkommen. Auch Kostensteigerungen, etwa beim Porto, machen uns immer wieder einen Strich durch die Rechnung.

Bitte helfen Sie uns, die Arbeit fortzuführen:
=> werden Sie Mitglied im SWB-Förderkreis
=> werden Sie Fördermitglied (mtl. ab fünf Euro)
=> leisten Sie eine einmalige Spende

Auch wenn Stichwort BAYER weitgehend ehrenamtlich erstellt wird: konzernkritischer Journalismus kostet Geld. Eine Deckung allein über die Abo-Gebühren ist nicht möglich. Auch lukrative Anzeigen bleiben uns verwehrt.
Dass sich der Einsatz lohnt, zeigen zum Beispiel die aktuellen Berichte zu unseren Kampagnen in der ZEIT und bei Spiegel Online.

Wir bedanken uns für Ihre Unterstützung.

Jan Pehrke
Redakteur von Stichwort BAYER

Antibiotika

CBG Redaktion

7. August 2014

BAYTRIL von BAYER

Tiermast: Einsatz von immer mehr umstrittenen Antibiotika

In der Tierhaltung in Deutschland werden immer mehr umstrittene Antibiotika eingesetzt, die auch für Menschen wichtig sind. Bei der kritischen Klasse der Fluorchinolone stieg die abgegebene Menge im vergangenen Jahr auf 13 Tonnen. Der BAYER-Konzern vertreibt Fluorchinolone sowohl für Nutztiere (BAYTRIL) als auch für die Humanmedizin (AVALOX; CIPROBAY). Hierdurch wird die Bildung resistenter Keime weiter begünstigt.

Im vergangenen Jahr wurden in der Tiermast 13 Tonnen Fluorchinolone eingesetzt, nach 10 Tonnen im Jahr zuvor und 8 Tonnen im Jahr 2011. Das geht aus Daten hervor, die das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit veröffentlicht hat.
Fluorchinolone gelten als Reserve-Antibiotika und werden bei Menschen für schwere Krankheitsfälle verwendet, wenn normale Antibiotika nicht mehr anschlagen. Auch 2,5 Tonnen Cephalosporine werden in der Tierhaltung eingesetzt.
Beide Substanzklassen werden in der Humanmedizin bei schweren Bakterienerkrankungen verabreicht. Ein starker Einsatz dieser Medikamente in Ställen führt dazu, dass die Krankheitserreger Resistenzen gegen die Substanzen bilden.

CBG fordert Verbot von Reserve-Antibiotika in Tiermast
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN fordert seit langem ein Verbot für den Einsatz der besonders wichtigen Reserve-Antibiotika in der Tiermast. Philipp Mimkes, Geschäftsführer der CBG: „Wir brauchen eine antibiotika-freie Tierzucht. Letztlich ist dies nur möglich, wenn das System der quälerischen Massentierhaltung, die den exzessiven Einsatz von Bakteriziden erst notwendig macht, durch eine bäuerliche und ökologische Landwirtschaft ersetzt wird“.
Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (Bund) verlangt ein strengeres Arzneimittelgesetz. „Reserve-Antibiotika haben in Massentierhaltungen nichts verloren und müssen verboten werden“, sagte Agrarexperte Reinhild Benning.
Die Antibiotika-Abgabe weniger gefährlicher Bakterizide ging 2013 zurück. An Tierärzte verteilt wurden 1.452 Tonnen und damit 167 Tonnen weniger als 2012, wie die amtlichen Daten in einer Information für den Bundestag zeigen. Im Jahr 2011 waren es noch 1706 Tonnen gewesen.

Baytril: Verkaufszahlen geheim
Seit 2011 müssen Pharmaindustrie und Großhändler melden, welche Mengen bestimmter Arzneimittel sie an Tierärzte abgeben. Ein Großteil der Antibiotika geht dabei seit Jahren in Kreise in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, in denen es viele große Mastanlagen gibt.
Nach einer Studie der Hochschule Hannover, der Uni Leipzig und des Bundesinstituts für Risikobewertung aus dem Jahr 2011 erhalten Hähnchen innerhalb ihrer 39-tägigen Mast in einem durchschnittlichen Betrieb an zehn Tagen Antibiotika. Ein Mastschwein wird in seinen 115 Tagen Lebenszeit an 4,2 Tagen mit Antibiotika behandelt.
Der BAYER-Konzern hält die Verkaufszahlen für BAYTRIL seit einigen Jahren geheim. Erst auf mehrmalige Nachfrage Kritischer Aktionäre hatte der Vorstandsvorsitzende die Verkaufszahlen für 2011 genannt: 166 Millionen Euro. Neuere Zahlen liegen nicht vor. Insgesamt werden in der Intensiv-Tierhaltung rund 40 Mal mehr Antibiotika eingesetzt als in deutschen Krankenhäusern, und sieben Mal mehr als in der Humanmedizin insgesamt.

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Uni Kooperationen

CBG Redaktion

17. Juli 2014

NRW: Universitäten am Tropf der Wirtschaft

In der heutigen Ausgabe der tageszeitung erschien ein Interview mit der nordrhein-westfälischen Wissenschaftsministerin Svenja Schulze zur geplanten Überarbeitung des Hochschulgesetzes NRW. Unter anderem geht es in dem Gespräch um die Geheimkooperation zwischen der Uniklinik Köln und der Bayer HealthCare AG.

Die Ministerin verteidigt ihre Pläne, Kooperationen zwischen Universitäten und Unternehmen nur in Teilen und erst nach Beendigung der jeweiligen Zusammenarbeit bekannt zu geben. Unter anderem äußert sie: „Eine Veröffentlichung zu Beginn ist nicht für alle Projekte sinnvoll“ und „Drei Jahre lang, während wir am Gesetz gearbeitet haben, hat keine zivilgesellschaftliche Gruppierung Transparenz zum Thema gemacht“.

Hierzu erklärt Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG): „Bei allem Respekt: die Aussagen von Ministerin Schulze sind eine Frechheit. Wissenschaftler, Asten, Gewerkschafter und Gruppen wie attac oder die CBG haben in Dutzenden von Stellungnahmen Transparenz gefordert, um den Einfluss der Industrie auf die universitäre Forschung einzudämmen. Vor zwei Jahren hat sich das Verwaltungsgericht Köln mit unserem Antrag auf Einsichtnahme in den Kooperationsvertrag zwischen Bayer und Uni Köln beschäftigt. Das Verfahren ist der Ministerin wohlbekannt: sogar der Informationsfreiheitsbeauftragte des Landes NRW unterstützt unsere Forderung nach einer Offenlegung!“. Der Fall ist gegenwärtig beim OVG Münster anhängig.

Mimkes verurteilt zudem die Pläne, etwaige Kooperationen erst nach ihrem Abschluss bekannt zu geben: „Der Gesetzentwurf bekräftigt das Primat wirtschaftlicher Interessen gegenüber einer Forschung, die dem Allgemeinwohl verpflichtet ist. Wenn die Öffentlichkeit erst nach Beendigung einer Kooperation informiert wird, kann keine Diskussion über die Ausrichtung universitärer Forschung stattfinden. Öffentliche Einrichtungen, die aus Steuergeldern finanziert werden, müssen sich dieser Debatte stellen – und zwar nicht erst, wenn bereits Fakten geschaffen wurden!“. Mimkes fordert bindende Regeln zu Art und Umfang der Offenlegung, andernfalls würden die Firmen alle relevanten Informationen als „Betriebsgeheimnisse“ deklarieren.

weitere Informationen zur Kampagne

taz, 17. Juli 2014

NRW-Wissenschaftministerin über Unis

„Hochschulen sollen autonom bleiben“

Es hagelt Kritik am neuen Hochschulgesetz in NRW. Die Wissenschaftsministerin erklärt, warum Geheimverträge mit Firmen und eine Asten-Finanzaufsicht sinnvoll sind.

taz: Frau Schulze, sind Sie ein Kontrollfreak?
Svenja Schulze: Überhaupt nicht. Ich kann sehr gut Ziele setzen und Leute selber machen lassen.

Ihre Kritiker werfen Ihnen das Gegenteil vor: mit dem neuen Hochschulgesetz wollten Sie die Hochschulen an die Kandare nehmen. Wieso schätzen die Sie so falsch ein?
Die schwarz-gelbe Vorgängerregierung in Nordrhein-Westfalen ist bei den Hochschulen weiter gegangen als alle anderen Bundesländer. Die Hochschulen wurden in Körperschaften öffentlichen Rechts umgewandelt und abgekoppelt von der öffentlichen Verwaltung. Es gibt nur noch eine Rechtsaufsicht.

Und deshalb machen Sie die Hochschulen gleich zu Unterbehörden Ihres Ministeriums?
Auf keinen Fall.

Aber Sie wollen wieder Verwaltungsvorschriften einführen, genannt Rahmenvorgaben.
So etwas ist auch in den anderen Bundesländern üblich.

Außerdem eine Landesentwicklungsplanung.
Die ist notwendig. Das Parlament genehmigt Geld, ist aber ansonsten außen vor. Wir wollen das Parlament in die Hochschulentwicklung mit einbeziehen. Das jetzige Gesetz geht davon aus: Wenn jede Hochschule für sich plant, kommt am Ende das Landesinteresse raus. Kommt es aber nicht automatisch.

Nicht?
Nein. Nehmen Sie die Studiengänge für angehende Berufsschullehrerinnen und -lehrer: Die Tatsache des Lehrkräftemangels in den technischen Fächern der Berufsschulen führt eben nicht zwangsläufig dazu, dass die Hochschulen für dieses Fach werben. Da muss man also gemeinsam vorgehen.

Braucht man dafür gleich ein Hochschulgesetz? Es reicht doch, wenn Sie mit den Hochschulen Vereinbarungen treffen.
Solche Entwicklungen kriegen wir mitunter zu spät mit, und Vereinbarungen zu schließen ist nicht so einfach. Beispielsweise wenn es darum geht, dass die Hochschulen die Abbrecherquoten senken.

Vielleicht liegt es ja am Geld!? Die Landesrektorenkonferenz argumentiert, dass die Hochschulen in NRW bundesweit am schlechtesten ausgestattet sind. Die Folge: Viele Veranstaltungen sind überfüllt, in manche Kurse kommt man als Studierender gar nicht rein. Das motiviert nicht zum Studieren.
In manchen technischen Fächern bricht knapp die Hälfte der Studierenden das Studium ab. Wer da nur mit Geld argumentiert, macht es sich zu einfach. Es gibt ja sogar Hochschulen, die damit kokettieren, dass bei ihnen so wenige durchkommen. Das werden wir uns auf Dauer nicht leisten können. Wir fangen im Kindergarten an, für technische Fächer zu begeistern, und verlieren dann an den Hochschulen in den ersten Semestern die Leute, die wir bis dahin gebracht haben. Gute Studienberatung, eine passgenaue Studieneingangsphase und die Begleitung der Studierenden in den unterschiedlichen Phasen des Studiums sind wichtig für den Studienerfolg. Da müssen die Hochschulen jetzt ran.

Gibt es nicht eine generelle Fehlsteuerung an den Unis? Die Lehre ist zweitrangig, Geld bringt nur die Forschung.
Stimmt. Die Lehre ist unterbewertet. Wir wollen mit dem Hochschulzukunftsgesetz dagegen angehen.

Wie?
Wir schaffen neue Möglichkeiten für Teilzeitstudiengänge und sorgen dafür, dass Leistungen anderer Hochschulen anerkannt werden.

Im Gesetzentwurf steht zum Thema Teilzeitstudium: Die Hochschulen „können“, „sollen“, „prüfen“. Sehr verbindlich ist das nicht.
Den einen regeln wir zu viel, den anderen zu wenig. Die Hochschulen sollen ja autonom bleiben.

Was die Kooperationen von Unis mit Unternehmen angeht, haben Sie einen Rückzieher gemacht. Projekte werden jetzt erst nach Beendigung öffentlich gemacht werden. Warum sind Sie eingeknickt?
Wir haben inhaltlich nichts verändert. Wir haben diesen Punkt nur präzisiert.

Sie berufen sich auf das sehr restriktive Informationsfreiheitsgesetz in NRW. In Brandenburg könnten Geheimverträge wie der zwischen Bayer Health Care und der Uni Köln veröffentlicht werden. Warum nicht auch in Nordrhein-Westfalen?
Nun hat Brandenburg eine etwas andere Forschungslandschaft. Aber auch wir wollen Transparenz über Forschungsvorhaben sicherstellen.

Das tun Sie aber nicht. Wir werden auch künftig nicht wissen, was im Vertrag zwischen Bayer und der Uni Köln steht.
98 Prozent der universitären Forschung werden öffentlich finanziert.

Wieso gelten für die restlichen 2 Prozent nicht die gleichen Transparenzregeln wie für öffentlich geförderte Projekte?
Auch das wollen wir transparent machen. Aber wir können Unternehmen nicht gleich zu Beginn abschrecken, indem wir sie zwingen zu verraten, woran sie gerade forschen. Dann würden sie woanders hingehen.

Ehrlich? Sobald Name, Laufzeit und die Höhe der Förderung veröffentlicht werden, wird Bayer aus Leverkusen nicht mehr in NRW forschen lassen?
Eine Veröffentlichung zu Beginn ist nicht für alle Projekte sinnvoll. Nehmen wir ein Unternehmen, das im Bereich Klebstoffe arbeitet: das will nicht, dass die Konkurrenz sofort erfährt, welche neuen Bereiche es erforschen lässt. Also sagen wir: Veröffentlichung ja, aber nach Abschluss.

Wenn es keine Rolle mehr spielt.
Natürlich spielt es dann noch eine Rolle. Das ist der richtige Mittelweg, um Forschung zu halten.

Es gibt aber auch ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit zu erfahren, wo die Freiheit der Forschung durch wirtschaftliche Interessen gefährdet sein könnte.
Sie sind jetzt der Meinung, es gäbe zu wenig Transparenz. 99,9 Prozent der Kritik zielen aber darauf ab, dass unsere Änderungen zu weit gehen.

Wir sind aber die 0,1 Prozent. Gemeinsam mit Gruppen wie Attac und dem Asta der Uni Köln.
Drei Jahre lang, während wir am Gesetz gearbeitet haben, hat keine zivilgesellschaftliche Gruppierung Transparenz zum Thema gemacht. Attac saß auf der Tribüne, und jetzt kommen sie runter und verteilen Haltungsnoten. Was wir mit dem Gesetz erreichen, ist eine Menge.

Ist es nicht merkwürdig, dass Sie ein Gesetz machen und alle (!) sind dagegen: nicht nur die Rektoren, sondern auch die Gewerkschaften und die Grünen.
Wir haben das Gesetz mit unserem Koalitionspartner, den Grünen, zusammen gemacht. Und die Gewerkschaften finden den Entwurf insgesamt richtig: was den Rahmenkodex für gute Beschäftigungsbedingungen anbelangt etwa. Natürlich ist das am Ende auch ein Prozess des Aushandelns.

Wie groß ist der öffentliche Druck auf Sie?
Wie erwartet hoch.

Enttäuschung herrscht auch, weil Sie die Hochschulräte schonen. Im Wahlkampf hieß es noch: Wir werden die Hochschulräte abschaffen. Aber: sie bleiben.
Auch das ist ein Schritt auf die Kritiker zu.

Sie haben die Hochschulräte sogar gestärkt.
Gestärkt?

Sie können jederzeit die Wirtschaftsangelegenheiten einsehen, wählen weiterhin die Hochschulleitung …
… aber nicht mehr allein, sondern gemeinsam mit dem Senat. Die Hochschulräte haben jetzt eine andere Aufgabe. Sie prüfen die Wirtschaftsangelegenheiten. Das ist doch sinnvoll, sie übernehmen die Aufsicht vor Ort.

Werden sich die Rektoren von den Hochschulräten weiterhin Gehaltssteigerungen um bis zu 50 Prozent genehmigen lassen können?
Ich beteilige mich nicht an einer Empörung über die Gehaltsstrukturen. Der harte Wettbewerb um die besten Köpfe spiegelt sich auch hier. Die Entwicklung der Gehälter der Rektoren und Kanzler ist rechtmäßig zustande gekommen. Trotzdem wird sich zukünftig etwas ändern. Das wird so nicht bleiben. Das Land ist künftig wieder Dienstvorgesetzter, nicht mehr der Hochschulrat.

Schrumpfen dann auch die Gehälter der Rektoren?
Nein. Die Rektoren verdienen von ihrem Grundgehalt her jetzt nicht viel mehr, als sie als Professoren verdient hätten. Und wir werden sie nicht schlechter bezahlen, sonst kriegen wir keine guten Leute.

Was meinen Sie dann damit: So wird es nicht bleiben?
Die Verhandlungen werden anders laufen.

Werden die Funktionsleistungsbezüge öffentlich?
Das wollen wir, ja.

Die Asten meckern, dass Sie ihnen eine Fachkraft für Finanzen an die Seite stellen wollen, die sie obendrein selbst bezahlen sollen.
Es gab ja ein paar spektakuläre Fälle von Partys, die nicht richtig abgerechnet wurden. Der Landesrechnungshof hat vorgeschlagen, einen Beauftragten des Rektorats in den Asta zu setzen, der die Geschäfte finanziell begleitet und prüft. Die Asten haben aber gemeint, bitte setzt uns da nicht jemanden aus der Hochschule in unser Büro, lasst uns das lieber selbst finanzieren.

Wie hätte Ihnen das denn gefallen, als Sie noch Asta-Vorsitzende in Bochum waren?
Also, wir hatten damals eine Sekretärin mit sehr viel Erfahrung in solchen buchungstechnischen Fragen im Asta.

Aber nach Ihrem Gesetz wäre diese heute nicht geeignet.
Ja, aber ich glaube, dass es sinnvoll ist, wenn man mit Anfang zwanzig einen Millionenetat verwaltet, dass man jemand an der Seite hat, der sich mit solchen Fragen auskennt.

Sie wären dankbar gewesen?
Ich hätte es wahrscheinlich auch nicht toll gefunden, aber eingesehen, dass es sinnvoll ist. Viele würden sich wundern, wie komplex eine solche Prüfung ist.

In der ganzen Debatte schon mal an Rückzug gedacht?
Nein, mir war vollkommen klar, das wird keine einfache Geschichte. Aber wenn man in die Küche geht, dann weiß man, es kann auch heiß werden.

Die ZEIT

CBG Redaktion

17. Juli 2014

Die ZEIT: Kritik an Sterilisationsprodukt Essure von BAYER

In der heutigen Ausgabe der ZEIT wird auf Seite 19/20 die Kritik von Erin Brockovich an dem Sterilisationsprodukt „Essure“ dargestellt. Auch die Rede in der BAYER-Hauptversammlung von Michelle Garcia, die auf Einladung der Coordination gegen BAYER-Gefahren nach Deutschland gereist war, wird dokumentiert. In einigen Tagen erscheint der Artikel online.

Weitere Infos, u.a. ein Interview mit Brockovich, finden sich hier.

Kolumbien

CBG Redaktion

Nachtrag: ein BAYER-Mitarbeiter ist seinen Verletzungen erlegen

Presse Info vom 4. Juli 2014
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Versuchs-Station für Pestizide

BAYER: drei Verletzte nach Explosion in Kolumbien

Bei einem Feuer in einer kolumbianischen Versuchs-Station von BAYER sind gestern drei Personen verletzt worden. Anwohner berichten von einer Explosion und weit sichtbaren Flammen. Die Verletzten werden in einem nahe gelegenen Krankenhaus behandelt.

Nach Angaben der Feuerwehr ging der Notruf gegen 16.30 Uhr ein. Der Brand habe sich an einem Tanklastwagen ereignet. Die genauen Ursachen werden gegenwärtig untersucht.

Die Versuchs-Station „La Tupia“, in der Pestizide für den lateinamerikanischen Markt untersucht werden, befindet sich nahe der kolumbianischen Großstadt Cali. An der Niederlassung von BAYER in Cali hatte es wiederholt Proteste gegen Pestizide und Gentechnik-Saatgut gegeben. In dem südamerikanischen Land kam es immer wieder zu Vergiftungen durch BAYER-Pestizide, unter anderem im Blumen-Anbau.

weitere Informationen:
=> Artikel in El País
=> Protest an BAYER-Niederlassung in Cali
=> Aufstellung „Störfälle bei BAYER“

Duogynon

CBG Redaktion

Presse Info vom 3. Juli 2014

mögliche Fehlbildungen durch Hormonpräparat Primodos/Duogynon

9. Juli: Gespräch mit englischem Premierminister

Britische Opfer des hormonalen Schwangerschafts-Tests Primodos fordern eine offizielle Untersuchung der Ursachen ihrer Behinderungen. Der britische Premierminister David Cameron hat sich der Sache angenommen und wird sich am 9. Juli mit der Abgeordneten Yasmin Qureshi treffen, welche die Interessen der britischen Betroffenen vertritt. Mitte Juni hatten zwanzig Parlamentarier an einer Anhörung im Unterhaus teilgenommen, in der die Geschädigten ihre Leidensgeschichten schilderten.

Das Hormonpräparat, in Deutschland unter dem Namen Duogynon auf dem Markt, war in den 60er und 70er Jahren als Schwangerschafts-Test vermarktet worden, obwohl frühzeitig Hinweise auf mögliche Fehlbildungen vorlagen. Hersteller war die Firma Schering, die heute zum BAYER-Konzern gehört.

Andre Sommer, Sprecher der deutschen Geschädigten: „Wir brauchen endlich Klarheit. Auch in Deutschland benötigen wir eine umfassende Untersuchung. Hierbei müssen auch alle firmeninternen Studien berücksichtigt werden!“. Das Unternehmen weigert sich bislang, seine Unterlagen zu Duogynon offenzulegen. „BAYER konnte sich nur durch Verjährung aus der Affäre ziehen. Dies ist moralisch verwerflich und eine Schande für diesen Konzern!„, so Sommer weiter. Auch der zuständige Richter am Berliner Landgericht, Dr. Holger Matthiessen, hatte das Unternehmen mit den Worten “Ein Weltkonzern wie BAYER sollte den Dialog suchen, da kann ich Sie nur ermahnen!“ aufgefordert, auf die Betroffenen zuzugehen.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren ergänzt: „Bei Fragen der öffentlichen Gesundheit müssen Betriebsgeheimnisse zurück stehen. Notfalls muss der Konzern gezwungen werden, seine Archive zu öffnen.“

Duogynon steht im Verdacht, Embryos geschädigt und dadurch Geburtsfehler wie verstümmelte Gliedmaßen, Gaumenspalten sowie Herz- und Nierenleiden verursacht zu haben. Selbst Mitarbeiter von Schering hatten bereits im November 1967 die eigene Firmenleitung gewarnt (s. SPIEGEL-Artikel): „Die offenkundige Korrelation zwischen der Zunahme von Missbildungen und dem Verkauf des Schwangerschaftstests erscheint ziemlich alarmierend.“ 1969 forderte die britische Behörde Committee on Safety of Drugs von Schering die Herausgabe der Duogynon-Labordaten. Nach Auswertung der Unterlagen wurde auf den Schachteln eine Warnung angebracht, wonach das Präparat wegen des Risikos von Fehlbildungen nicht in der Schwangerschaft eingenommen werden dürfe. Sowohl in Großbritannien als auch in Deutschland wurde das Präparat jedoch noch jahrelang als Schwangerschafts-Test eingesetzt.

SPIEGEL: Duogynon-Opfer planen neue Klage / Premier Cameron schaltet sich ein

weitere Informationen:
=> Prime Minister to meet with Bolton MP over pregnancy drug claims
=> Kampagne Duogynon
=> website der Betroffenen

[HV Bericht] STICHWORT BAYER 03/2014

CBG Redaktion

HV: BAYER auf Rückzug

Verkehrte Welt

Schlechter hätte die diesjährige Hauptversammlung für BAYER nicht laufen können. Der Leverkusener Multi musste auf Geheiß des Kölner Verwaltungsgerichts die „Bannmeile“ um die Messehalle herum aufheben, so dass die Demonstrantinnen den AktionärInnen wieder näherkommen konnten. Damit nicht genug, sprachen dann im Saal selber mit 26 Konzern-KritikerInnen auch noch so viele Gegen-RednerInnen wie niemals zuvor und degradierten die Kapital-VertreterInnen damit zu einer kleinen radikalen Minderheit. Entsprechend missgelaunt präsentierte sich das Unternehmen. Von den ausländischen SprecherInnen erbat sich der nur Wirtschaftsenglisch verstehende Global Player Rede-Beiträge in deutscher Sprache und schaltete ihnen bei Zuwiderhandlungen einfach das Mikrofon ab.

Von Jan Pehrke

Die fleißigen Hände von BAYER hatten schon am Tag vor der Hauptversammlung damit begonnen, die Kölner Messehalle weiträumig mit einem Kordon von Schutzgittern abzuschirmen. Um sich die Konzern-KritikerInnen vom Leib zu halten, hatte der Leverkusener Multi nämlich wie im Vorjahr von der Messe-Gesellschaft den Vorplatz gleich mitgemietet, weshalb er meinte, das Hausrecht beanspruchen zu können und dabei in der Kölner Polizei einen freundlichen Helfer fand. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN ging dagegen per einstweiliger Verfügung gerichtlich vor und bekam Recht zugesprochen. „Die Antragsteller können die Gewährleistung der angemeldeten Kundgebung seitens des Antraggegners beanspruchen, denn diese fällt – entgegen der vom Antragsgegner vertretenen Auffassung – unter die Versammlungsfreiheit nach Art. 8 Absatz 1 GG“, urteilte das Kölner Verwaltungsgericht. „Orte der allgemeinen Kommunikation“ haben politischen Aktionen zugänglich zu bleiben, urteilten die RichterInnen mit Bezug auf das so genannte FRAPORT-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das 2011 die Abschottung des Frankfurter Flughafens für unrechtmäßig erklärt hatte.
So mussten dann die fleißigen Hände ihr Tagwerk wieder abtragen und den Platz der „allgemeinen Kommunikation“ öffnen. Und die fand am 29. April reichlich statt. Eine bunte Schar von ca. 150 Personen hatte sich schon am frühen Morgen vor den Messehallen eingefunden. Geschädigte der BAYER-Spirale MIRENA zogen mit einem furchterregend großen Exemplar des Pessars vor den Eingang. Eine Gruppe von Frauen, denen die Kontrazeptiva des Konzerns zugesetzt hatten, trugen rote T-Shirts mit ihren Krankengeschichten. „Erfolgsbilanz ‚Die Pille’: Ricarda (23) Lungenembolie“, konnten die AktionärInnen darauf etwa lesen. Auch Leidtragende des Schwangerschaftstests DUOGYNON kamen wieder nach Köln. Zu ihnen gesellten sich darüber hinaus noch GREENPEACE-AnhängerInnen, GegnerInnen der Kohlenmonoxid-Pipeline, ImkerInnen, die Kölner Lichtbrigade und natürlich Mitglieder der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN mit all ihren Transparenten und Flugblättern.
Und im Saal selber setzte sich die konzern-kritische Kommunikation beinahe übergangslos fort. „Mit Marc Tüngler und Joachim Kregel hatten nur zwei Aktionärsvertreter Gelegenheit, die Leistung des Vorstands aus Sicht der Anteilseigner zu kommentieren. Die Noten fielen hervorragend aus, aber schon nach 20 Minuten ging es nur noch um weniger angenehme Dinge als die Steigerung des Aktienkurses, eine höhere Dividende und gute Aussichten für den BAYER-Konzern“, hieß es in dem „BAYER-Kritiker geben Ton an“ überschriebenen Hauptversammlungsartikel des Leverkusener Anzeigers. Sage und schreibe 26 Gegen-RednerInnen meldeten sich nach Tüngler und Kregel zu Wort – so viel wie noch nie. Kein Weg war ihnen dafür zu beschwerlich, bis aus Australien und Indien kamen sie in die Kölner Messehalle.
Die Kontrazeptiva-Geschädigte Marion Larat reiste aus dem französischen Bordeaux an. In ihrem Heimatland just zur „Frau des Jahres“ gekürt, weil sie mit ihrer Klage gegen BAYER und der Gründung der Selbsthilfegruppe AVEP die von MELIANE (Wirkstoffe: Gestoden und Ethinylestradiol) und anderen Verhütungsmitteln ausgehende Gefahr einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht hat, konfrontierte sie den Leverkusener Multi zum ersten Mal direkt mit ihrem Schicksal. „Ich bin hier, stehe Ihnen gegenüber, halbseitig gelähmt, mit einer Sprachstörung und als Epileptikerin als Folge eines Schlaganfalls, der mich vor 8 Jahren niedergestreckt hat. Zum Glück habe ich überlebt und ich bin hierher gekommen, um Ihnen von meinem Leiden und meiner Wut zu erzählen“, so begann ihre von Ricarda Popert in Deutsch vorgetragene Rede. Dann berichtete sie von dem Vorfall, der sie – 18-jährig und frisch verliebt – aus ihrem bisherigen Leben riss und sie zu einer Schwerbehinderten machte, die keinen Beruf mehr auszuüben vermag und auf eine klägliche staatliche Unterstützung von 700 Euro im Monat angewiesen ist. „Also sagen Sie mir, Herr Dr. Dekkers, wie viel verdienen Sie im Monat? Ihre Verurteilung würde Ihren Nachfolger ermutigen, nicht mehr mit kriminellen Strategien zu arbeiten“, wandte sie sich direkt an den BAYER-Chef. Aber Marion Larat sprach auch über ihre erfolgreichen Bemühungen, dem Pharma-Riesen bei der Vermarktung der Pillen der 3. Und 4. Generation, die ein viel höheres Risiko-Profil aufweisen als ältere Verhütungsmittel, das Handwerk zu legen. Der Gang vor Gericht und die Kampagne von AVEP hat nämlich nicht nur zu vielen Publikationen über MELIANE & Co. geführt, sondern auch die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA auf den Plan gerufen und die französischen Krankenkassen zu einer Streichung der Kostenübernahme veranlasst – mit schmerzlichen Folgen für das Unternehmen. „Sehr geehrte Aktionäre, ich bin stolz, Ihnen sagen zu können, dass wir Leben gerettet haben und zwar auf Kosten Ihrer Profite!“ konstatierte Larat, die noch zwei Tage vor der Hauptversammlung wieder einen epileptischen Anfall bekommen hatte. Am Schluss ihres Vortrags forderte sie die Aktien-HalterInnen auf, dem Konzern für seine Politik das Vertrauen zu entziehen und stattdessen für die Gegenanträge der Coordination zu stimmen. „Während einer Sekunde, stellen Sie sich vor, dass ich Ihre Tochter bin“, mit diesem Appell versuchte die Französin sie zu „Nein“-Stimmen zu bewegen. In seiner Antwort schaffte es Marijn Dekkers dann nicht einmal, sich zu der sonst üblichen routinierten Betroffenheitsgeste durchzuringen. Er schaltete stattdessen übergangslos in den Ignoranz-Modus. „Gesundheitsbehörden, externe und unabhängige Experten und BAYER-Wissenschaftler haben die verfügbaren wissenschaftlichen Daten der Gesundheitsbehörden sorgfältig bewertet. Demnach sind Drospirinon-haltige Produkte sicher und zuverlässig. Sie haben ein positives Nutzen/Risiko-Profil bei indikationsgemäßer Verwendung“, hielt er fest.
Das neueste Produkt aus der Sparte „Frauengesundheit“, das 2013 vom US-amerikanischen Pharma-Unternehmen CONCEPTUS erworbene Sterilisationspräparat ESSURE, stand an diesem Tag dank Michelle Garcia, die mit einer weiteren Geschädigten extra aus den USA angereist war, ebenfalls auf der Tagesordnung. Die kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen, dass es die Eileiter verschließt, kann nämlich erhebliche Gesundheitsprobleme verursachen. Und diese brachten BAYER schon im Vorfeld der Hauptversammlung in die Schlagzeilen, weil sich in den USA die Verbraucherschützerin Erin Brockovich, bekannt geworden durch den ihr gewidmeten Hollywood-Film mit Julia Roberts in der Hauptrolle, der Sache angenommen hat. Sie unterstützt die Kampagne der Geschädigten und redete der BAYER-Chefetage vorab ins Gewissen: „Meine Botschaft an den Vorstand und die Aktionäre lautet: Hören Sie den Frauen aufmerksam zu, weil Sie von ihnen erfahren können, was mit diesem Produkt schief läuft. Dies ist eine Gelegenheit für das Unternehmen, eine richtige Entscheidung zur treffen und das Vertrauen der Öffentlichkeit zu gewinnen.“
Michelle Garcia hatte dann wirklich einiges zu erzählen. „Ich bin ein ESSURE-Opfer, eine ESSURE-Überlebende und spreche hier für Tausende“, erklärte sie und konfrontierte die AktionärInnen mit ihrer eigenen Krankengeschichte. Bei ihr war die Spirale abgebrochen, und ein spitzes Ende hatte eine Eileiter-Wand durchstoßen, was zu einer inneren Blutung führte. „Ich könnte tot sein, ich sollte tot sein“, konstatierte Garcia trocken. Anschließend führte sie ähnliche Fälle an und zählte eine ganze Liste von Nebenwirkungen auf, die von Beckenboden-Schmerz bis zu chronischen Entzündungen reichte. Deshalb fand Garcia klare Worte: „Ich stehe hier vor ihnen mit einer einfachen, aber starken Botschaft: ESSURE ist gefährlich, und ESSURE gehört nicht auf den Markt.“ Aber Marijn Dekkers wollte darauf nicht hören und reagierte nach Plan. Nach der Betroffenheitsgeste – „Lassen Sie mich zunächst feststellen, dass wir großes Mitgefühl für Patienten haben, die unsere Produkte anwenden und von ernstlichen gesundheitlichen Beschwerden berichten, unabhängig von der Ursache dieser Beschwerden“ – folgte die Heraushebung des positiven Nutzen/Risiko-Profils des Mittels und die schnöde Feststellung, es sei eben nicht jedes Verhütungsmittel für jede Frau geeignet.
Aber es ging noch ignoranter. Obwohl sich die BAYER-Aktien zu 72 Prozent in ausländischem Besitz befinden, und der Konzern sich nicht nur mit Leit-Maximen wie „Responsible Care“ gerne international gibt, um sich als „Global Player“ auszuweisen, wollte er auf seinem AktionärInnen-Meeting keine in englischer Sprache gehaltene Wort-Meldung dulden, weil „auf einer deutschen Hauptversammlung deutsch gesprochen wird“. So durfte die Australierin Jennifer Lloyd nicht über das BAYER-Präparat TRASYLOL sprechen. Als sie ansetzte zu schildern, wie ihr Vater 1978 durch das in einem Melbourner Krankenhaus verabreichte und damals offiziell noch gar nicht zugelassene Medikament drei Herzinfarkte erlitt und schließlich starb, schaltete der Aufsichtsratsvorsitzende ihr einfach das Mikrofon ab. Jennifer Lloyd geriet außer sich. Sie schrie in Richtung Vorstand, aber es erfolgte keine Reaktion. Deshalb stieg sie vom Rednerpult herab und rannte vor die Bühne, auf der Wenning und Dekkers umringt von ihren Vorstands- und AufsichtsratskollegInnen thronten. Jetzt konnte die junge Frau ihnen das, was sie angetrieben hatte, den strapaziösen Flug auf sich zu nehmen, direkt ins Gesicht sagen: dass TRASYLOL ihren Vater getötet hat. Lange schaute die Security sich das nicht an. Sie rückte der Frau immer näher, aber das Eingreifen der Coordination verhindert Schlimmeres. Und schließlich gelang es sogar, Lloyd doch noch zu ermöglichen, ihr Anliegen vorzutragen. Die ursprünglich als nächste Rednerin vorgesehene Anne Isakowitsch von der Initiative SOME OF US, die sich eigentlich dem Bienensterben widmen wollte, lud Lloyd zu sich auf das Redner-Pult und stellte sich als Übersetzerin in den Dienst der Australierin. „Konzern-Arroganz“ pur nannte der CBGler Axel Köhler-Schnura das Gebaren BAYERs in seinem Beitrag später, und der Spiegel befand: „Eigentlich könnte die BAYER AG, die sonst gern mit dem Motto ‚Science for a better life’ wirbt, derartiger Kritik gegenüber toleranter sein.“
Aber die RednerInnen-Liste mit denjenigen, welche die verheerenden Folgen der „Science for a better life“ am eigenen Leib erfahren haben und damit so etwas wie eine verkörperte Konzern-Kritik darstellen, war noch länger. Auch zum hormonellen Schwangerschaftstest DUOGYNON/PRIMODOS und der Spirale MIRENA musste sich der Vorstand erschütternde Krankenberichte anhören. An CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes war es dann, die ganze (Profit-)Logik darzulegen, die solche Risiken und Nebenwirkungen systematisch produziert. Er begann seine „Bittere Pillen“-Suada mit den Blutprodukten, die mit HIV-Erregern infiziert waren, weil der Konzern sich aus Kostengründen Tests und Sterilisationsverfahren ersparte. Dann rief Mimkes den Skandal um den Cholesterin-Senker LIPOBAY in Erinnerung, dessen Überlegenheit gegenüber Konkurrenz-Produkten der Multi mit einer so hohen Cerivastatin-Dosis demonstrieren wollte, dass die Nebenwirkungen die Wirkungen in den Schatten stellten – Resultat: über 100 Tote bis zum Verbot. Und schließlich kam der Diplom-Physiker auf XARELTO, den neuen Gerinnungshemmer aus dem Hause BAYER, zu sprechen. Obwohl er sich in Tests den herkömmlichen Mitteln gegenüber nicht überlegen zeigte und ÄrztInnen-Organisationen wegen seines Gefährdungspotenzials von dem Produkt abraten, presst das Unternehmen die Arznei mit einem gigantischen Marketing-Aufwand in den Markt. Zu 133 Meldungen über Todesfälle und 1.400 über schwere Nebenwirkungen beim „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ hat das allein im letzten Jahr geführt. „Wir befürchten, dass XARELTO (...) der nächste Pharma-GAU von BAYER wird“, schloss der CBGler deshalb seine Ausführungen.
Damit war das Kapitel „Pharma“ des „Schwarzbuchs BAYER“ aber noch nicht geschlossen. Auch zu den Arznei-Patenten, Tierversuchen und den Medikamenten-Tests in Armutsregionen gab es Reden. Und die weiteren Einträge wie „Bienensterben“, „Kohlenmonoxid-Leitung“, „Gentechnik“, „Kriegsverbrechen im Ersten Weltkrieg“ und „klimaschädliche Energie-Versorgung“ kamen den AktionärInnen ebenfalls zu Gehör. Bis zum Abend dauerte die „Vorlesung“, nicht einmal kleine Verschnaufspausen mit zahlen-bewehrten Erfolgsgeschichten aus dem „Geschäftsbericht 2013“ waren ihnen vergönnt. Während sich die „Kritischen“ in früheren Jahren wie Fremdkörper inmitten von Kapital-LaudatorInnen fühlten, hatten sie nun ein Heimspiel. Der Gen-Gigant überließ ihnen kampflos das Feld. Vor der Halle hatte er die BAYER-Fahnen eingeholt, damit sie nicht den passenden Hintergrund für Fotos von den Protestaktionen bilden können, und drinnen hatte er den Konzern-KritikerInnen einen beträchtlichen Teil des Saals freigeräumt.
Am Ende des Tages gelang es nicht einmal der Abstimmung so ganz, die verkehrte Welt wieder gerade zu rücken. Die Ergebnisse lagen zwar für die ersten drei Tagesordnungspunkte „Gewinn-Verwendung“, „Entlastung des Vorstands“ und „Entlastung des Aufsichtsrats“ immer noch bei über 96 Prozent, aber auch hier fanden Erosionsprozesse statt. So wurden bei TOP 1 rund 1,2 Millionen Stimmen für den CBG-Gegenantrag, beim TOP 2 ca. 8,9 Millionen und beim TOP 3 sogar über 10 Millionen gezählt, mehr als doppelt so viele wie bei der letzten HV. Die meiste Zustimmung erlangte dabei ein Antrag, der sich gegen die Wahl des Gentechnik-Strippenziehers Ernst-Ludwig Winnacker in den Aufsichtsrat wendete. Fast 12 Millionen oder 3,09 Prozent votierten dagegen.
Und sogar bei seiner eigenen Berichterstattung über die Hauptversammlung musste der Leverkusener Multi die Realität anerkennen und sich mit den Gegen-Reden beschäftigen – andere gab es ja schlicht kaum noch. Nur dass in dieser Version der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers dann alle Fragen der KritikerInnen zur vollsten Zufriedenheit beantworten konnte. Spannend bleibt jetzt, wie der Konzern das alles verdaut und welche Schlussfolgerungen er daraus für die nächste HV zieht.

alle Infos zur HV

[Merck] STICHWORT BAYER 03/2014

CBG Redaktion

Noch mehr „Consumer Care“

BAYER kauft ein

Der Leverkusener Multi hat für 10,4 Milliarden Euro die Sparte des Pharma-Riesen MERCK mit nicht rezeptpflichtigen Produkten gekauft. Der Erwerb dieses so genannten „Over-the-Counter“-Geschäfts gehört zu den teuersten Akquisitionen der Unternehmensgeschichte. Der Konzern verfolgt damit das Ziel, seine Position als einer der weltgrößten Anbieter in diesem Markt-Segment auszubauen.

Es ist einer der teuersten Deals der Unternehmensgeschichte, nur für den Berliner Pharma-Konzern SCHERING legte BAYER einst mehr hin: Für 10,4 Milliarden Euro erstand der Leverkusener Multi vom US-Unternehmen MERCK die Sparte mit den nicht verschreibungspflichtigen Produkten. Damit schlägt der Konzern seinem „Consumer Care“-Segment unter anderem Fußpflege-Mittel der „Dr. Scholl’s“-Serie, Sonnencremes, Allergie- und Magen/Darm-Arzneien sowie Pharmazeutika gegen Erkältungen und Hautkrankheiten zu. Als Gegengeschäft beteiligt sich MERCK mit 800 Millionen Euro an der Weiterentwicklung und Vermarktung des Lungenhochdruck-Medikaments ADEMPAS und erkauft sich die Umsatz-Beteiligung mit erfolgsabhängigen Prämien, die noch einmal dieselbe Höhe erreichen können.
„Diese Akquisition ist ein bedeutender Meilenstein auf unserem Weg zur angestrebten globalen Marktführerschaft im attraktiven Geschäft mit rezeptfreien Arzneimitteln“, jubiliert der BAYER-Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers. Seinen Ausgangspunkt nahm dieser Weg 2004 mit dem Erwerb der entsprechenden Abteilung von ROCHE. Seither baut der Global Player diesen so genannten „Over-the-Counter“-Bereich gezielt aus. Hatte die Aktiengesellschaft 2012 noch vergeblich um SCHIFF geworben, so legte sie sich im letzten Jahr STEIGERWALD und Anfang des Jahres die chinesische Firma DIHON zu. Und nach der MERCK-Transaktion erreicht der Pillen-Riese in dem 200 Milliarden Dollar schweren OTC-Markt nun schon auf zwei Gebieten die weltweite Spitzenposition, bei den Haut- und den Magen/Darm-Erkrankungen. Im Segment „Gesundheitsstörungen der oberen Atemwege“ erklimmt der Arznei-Hersteller Platz 2, den er im Nahrungsergänzungsmittel-Sektor schon länger hält.
„Führende Produktmarken“ aus dem Hause MERCK sind es nach Ansicht des Chefs von BAYER HEALTH CARE, Olivier Brandicourt, vor allem, die dem Unternehmen zu diesem Aufstieg verhelfen. Die Fußpflege-Erzeugnisse von DR. SCHOLL’S erlangen dabei den größten Bekanntheitsgrad. Noch einträglicher erweist sich jedoch das Anti-Allergikum CLARITIN, das 2013 einen Umsatz von 576 Millionen Euro erzielte. Ingesamt nahm die Sparte im letzten Jahr rund 1,5 Milliarden Euro ein; BAYER kam mit ASPIRIN & Co. auf 5,4 Milliarden. Mit den nunmehr ca. acht Milliarden einbringenden Geschäften hat der Leverkusener Multi jetzt nur noch das OTC-Gemeinschaftsunternehmen von GLAXOSMITHKLINE und NOVARTIS vor sich.
Auch in den Top 10 der Pharma-Giganten steigt er weiter auf. Durch den abermaligen Ausbau der Pillen-Abteilung gerät das Kunststoff-Ressort, das zuletzt nur noch zehn Prozent zum bereinigten Gewinn beitrug, noch mehr an den Rand. Deshalb tauchten sofort Fragen nach einem etwaigen Verkauf auf. Aber Dekkers trat dem entgegen. „Wir betrachten es als ein Zeichen unserer wirtschaftlichen Stärke (...), dass wir einen solchen Zukauf machen können, ohne unser Portfolio zu ändern“, erklärte der BAYER-Chef in einem Interview mit der Faz.
Die Synergie-Effekte, die der Pillenproduzent durch den MERCK-Deal ab 2017 verbuchen kann, taxierte er gegenüber dieser Zeitung auf 400 Millionen Dollar. Dazu dürften auch die Arbeitsplatz-Vernichtungen beitragen, die durch den Abbau von Parallelstrukturen anfallen. Den Zugewinn für die AktionärInnen hat der Niederländer ebenfalls schon ausgerechnet. Ein um zwei Prozent höheres Ergebnis pro Aktie kündigt er an. Die Städte mit Niederlassungen des Konzerns müssen sich dagegen schon einmal auf sinkende Einnahmen gefasst machen. „BAYER rechnet ab dem ersten Jahr nach dem Vollzug mit signifikanten Steuer-Einsparungen“, verlautbart der Gen-Gigant.
Auch sonst hat die Allgemeinheit nichts von der Transaktion. Was sich betriebswirtschaftlich als lohnend erweisen mag, macht gesamtwirtschaftlich keinen Sinn, da die Milliarden nicht dem Aufbau neuer Produktionskapazitäten, sondern nur dem Kauf schon vorhandener Anlagen dienen und die damit verbundene Zusammenführung von Betriebsteilen sogar noch Arbeitsplätze kostet, statt welche zu schaffen. Nicht zuletzt die von ForscherInnen. Und so sinkt mit der Anzahl von Firmen und WissenschaftlerInnen auch die Innovationskraft der ganzen Branche. Der Agro-Markt, den das von BAYER, MONSANTO, SYNGENTA & Co. gebildete Oligopol beherrscht, stellt das mit seiner Handvoll Gen-Pflanzen und seinen immer wirkungsloser werdenden Pestiziden eindrucksvoll unter Beweis (siehe SWB 1/14).
Konservativ statt innovativ ist aber schon die Transaktion an sich. Mit Hühneraugen-Pflastern, Antiallergika und Mitteln gegen Verstopfung will der Leverkusener Multi sich nämlich mehr stabile Einnahmen verschaffen und sich so besser gegen die Unwägbarkeiten des Geschäfts mit neuen Medikamenten wappnen. Hier locken dank des Patentschutzes zwar Extra-Profite, es lauern aber auch größere Risiken. Forschung und Entwicklung bringen nicht immer Blockbuster hervor und verschlingen doch viel Geld. Zudem sieht sich der Pillen-Riese immer wieder mit kostenträchtigen Gerichtsverfahren wegen der gesundheitschädlichen Wirkungen seiner Medikamente konfrontiert. Und schließlich zeigen sich selbst die Gesundheitssysteme der westlichen Industriestaaten oft nicht mehr gewillt, astronomische Preise für Arzneien zu zahlen.
Der sich gern als „Innovationsunternehmen von Weltrang“ bezeichnende Konzern folgt mit der jüngsten Kauf-Entscheidung überdies nur dem Herdentrieb. Bei den Global Playern im Allgemeinen und den Medikamenten-Herstellern im Besonderen grassiert nämlich wieder einmal die Fusionitis. Einen Monat vor der MERCK-Aquisition haben GLAXOSMITHKLINE und NOVARTIS ihre OTC-Aktivitäten gebündelt und ihre Onkologie- und Impfmittel-Sparten getauscht. Zuvor schon übernahm das Biotech-Unternehmen AMGEN seinen Konkurrenten ONYX und der Medizintechnik-Produzent ZIMMER die Firma BIOMET, während PFIZER bisher trotz einer 77-Milliarden-Euro-Offerte vergeblich um ASTRAZENECA buhlte. Seit Anfang des Jahres haben BAYER & Co. schon Übernahmen im Wert von weit über einer Billion Dollar angekündigt. Grund für das Shopping-Fieber: BAYER & Co. verfügen zur Zeit über reichlich Rücklagen, da sie in den letzten Jahren Profite en masse eingestrichen und die Aktien-Kurse ein hohes Niveau erreicht haben. Darüber hinaus winken dank der niedrigen Zinsen günstige Refinanzierungsbedingungen.
Darum können sie tief in die Tasche greifen – zu tief, wie manche BeobachterInnen meinen. „Der Kaufpreis ist überhöht. BAYER zahlt das Siebenfache des Umsatzes der MERCK-Sparte. Üblich ist in der Branche, das Zwei- bis Dreifache zu zahlen“, sagt etwa Christoph Schöndube von INDEPENDENT RESEARCH. Also ungefähr so viel, wie der Leverkusener Multi jüngst von BOSTON SCIENTIFIC für seine zur Behandlung von Gefäßkrankheiten dienenden Medizingeräte verlangte. Aber der Konzern, der sich bei MERCK zunächst mehrerer Mitbieter erwehren musste, schließlich aber als einziger bereit war, die geforderte Summe aufzubringen, ist da kein Einzelfall. „Das Niveau ist allgemein sehr hoch“, konstatiert Marcus Brennecke vom Finanzinvestoren EQT. Und sein Kollege Thomas von Koch findet sogar noch drastischere Worte: „Wir haben ganz klar eine Inflation von Vermögenswerten“.
Darum mahnt die Faz bereits, die Börse sollte „die aktuelle Welle von Fusionen und Übernahmen als ein Warnzeichen verstehen“. Von „einer in die Jahre gekommenen Hausse“ spricht das Blatt. Und tatsächlich gingen Fusionswellen in die Geschichte verdächtig oft Wirtschaftseinbrüchen voraus: Ihre letzten Höhepunkte erreichten jene 2007 kurz vor der Finanzkrise und 2000 unmittelbar vor dem Platzen der Dotcom-Blase.
Von Jan Pehrke

[Dialog] STICHWORT BAYER 03/2014

CBG Redaktion

Kein Dialog mit der CBG

BAYERs Rückzieher

Ein für den 14. Mai geplantes Treffen zwischen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und dem Leiter der Kommunikationsabteilung von BAYER ist nicht zustande gekommen. Knackpunkt war, dass der Konzern einer Teilnahme von Journalisten zunächst zustimmte, die Zusage später jedoch wieder zurücknahm. Die CBG ist weiter an Gesprächen interessiert, besteht dabei aber auf Transparenz. Entsprechende Grundsätze hat der Verein schon in den 80er Jahren beschlossen.

„Mein Name ist Herbert Heitmann, und ich bin seit dem 1. September 2013 für die weltweite Kommunikation, die Beziehungen zu Regierungen und Nicht-Regierungsorganisationen der BAYER AG zuständig. Mit Interesse habe ich ihre Webseiten und Publikationen gelesen und würde mich gerne mit Ihnen austauschen. Dabei ist mir besonders daran gelegen, zu erfahren, was ihre Ziele sind, und ob bzw. wie wir gegebenenfalls zusammenarbeiten können.“ So lautete kurz und knapp das erste Gesprächsangebot des Konzerns, das die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN seit ihrer Gründung im Jahr 1978 erhalten hat.
Der Vereinsvorstand antwortete, dass die CBG für ernst gemeinte Gespräche natürlich zu Verfügung stünde. Das Treffen solle der Lösung aktueller Probleme dienen, zum Beispiel in Hinblick auf gefährliche Medikamente oder den Ausstoß von Treibhausgasen. Auch sei Transparenz unabdingbar: Da die Geschäftstätigkeit von BAYER von großer Bedeutung für die Allgemeinheit ist, kämen vertrauliche „Kamingespräche“ nicht in Frage. Die CBG machte eine Aufzeichnung des Gesprächs, eine Teilnahme von Journalisten und einen neutralen Gesprächsort zur Bedingung. Alternativ sei auch eine Podiumsdiskussion möglich.
Herbert Heitmann antwortete: „Da ich zu dem stehe, was ich sage, gibt es keinen Grund, dies im Stillen oder Geheimen zu tun, weshalb Sie zu einem solchen ersten Kennenlernen gerne andere hinzuladen können“. Auch die Aufzeichnung des Gesprächs stelle kein Problem dar. Die Coordination schlug einen Termin vor und buchte einen geeigneten Raum.
Kurz darauf rückte der PR-Chef von seiner vorherigen Zusage wieder ab („möchte ich bei unserem ersten Gespräch auf die Begleitung durch Journalisten auf Ihrer wie meiner Seite verzichten“). Das lang vorbereitete Treffen platzte. Damit der Vorgang für die Öffentlichkeit nachvollziehbar ist, stellte die CBG den vollständigen Briefwechsel unter CBGnetwork.org online.

Strategiepapier des BDI
Gespräche von NGOs mit Unternehmen sind in mehrfacher Hinsicht problematisch. Auch wenn die Treffen noch so harmlos daherkommen („Runder Tisch“, „Meinungsaustausch“ etc.), begegnen sich niemals gleichberechtigte Partner. Die Unternehmen sitzen mit ihren Strukturen und Ressourcen stets am längeren Hebel.
Grundsätzlich muss bedacht werden, dass Konzerne den betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten folgen müssen. Bereits im ersten Semester eines BWL-Studiums wird das Grundgesetz betrieblicher Zweckverfolgung gelehrt: Gewinn-Maximierung. Alles andere ist nur Mittel zum Zweck. Umweltschutz und sozialer Fortschritt müssen immer gegen den betrieblichen Gewinn-Zwang verteidigt und durchgesetzt werden. Entsprechend sind die Motive von Unternehmensvertretern zu werten. Sie nehmen an Gesprächen nicht teil, um tatsächlich den Umweltschutz oder soziale Rechte zu befördern, sondern um den Gewinnerwirtschaftungsprozess zu optimieren, den sie durch NGO-Arbeit gestört sehen.
Gespräche können daher im Einzelfall Chancen bieten, sie bergen jedoch auch eine Reihe von Risiken. So kann der Konzern mit seiner „Dialogbereitschaft“ punkten und damit öffentlichen Druck verringern – selbst wenn er sich inhaltlich gar nicht bewegt. Das Unternehmen erhält Einblick in die Funktionsweise kritischer Gruppen und kann sich leichter auf deren Kampagnen einstellen. Im schlimmsten Fall lassen sich konzernkritische Organisationen auseinanderdividieren in „vernünftige“, mit denen ein Dialog möglich ist, und „radikale“, deren Forderungen angeblich indiskutabel sind.
Dass solche Bedenken gerechtfertigt sind, zeigt ein internes Strategiepapier des „Bundesverbands der Deutschen Industrie“ (BDI), das der CBG vor einigen Jahren zugespielt wurde. In dem Diskussionspapier „Nichtregierungsorganisationen - Herausforderung für die Wirtschaftsverbände” beklagt der BDI den großen Einfluss unabhängiger Organisationen auf die öffentliche Meinung. Sorge bereitet den Industrielobbyist/innen, dass NGOs nicht nur die klassischen Problemfelder Umwelt und Menschenrechte beackern, sondern auch zu wirtschaftsrelevanten Themen wie Internationaler Handel, Produktionsbedingungen oder Auslandsinvestitionen Stellung beziehen.
Der BDI bildete daher eine Arbeitsgruppe, die Informationen über Mitgliedschaft, Finanzierung und innere Struktur der wichtigsten NGOs sammelt und Strategien im Umgang mit den unliebsamen KritikerInnen erstellt. Im Konfliktfall empfiehlt der BDI die Strategie des Dialogs. Hiermit könne „Expertise abgeschöpft” und den KritikerInnen der Wind aus den Segeln genommen werden. Auch wäre es auf diese Weise „ohne Aufgabe des eigenen Standpunktes“ möglich, das Potenzial des Gegners abzuschätzen und Konfliktsituationen zu vermeiden. Es biete sich „die Chance für verbesserte Interessen-Durchsetzung gegenüber der Politik und Image-Gewinn in der Öffentlichkeit”.
Die Sorge, als Feigenblatt missbraucht zu werden, ist also berechtigt und muss bei möglichen Gesprächen mitbedacht werden.

Dialogkriterien
Bereits in den 80er Jahren hat die Mitgliederversammlung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN Kriterien für etwaige Gespräche mit BAYER beschlossen. Hierin heißt es, dass die CBG „Gespräche mit BAYER als wesentliches Instrument zur Durchsetzung ihrer Ziele“ betrachtet und daher Treffen mit dem Konzern auf allen Ebenen anstrebt. Um Unabhängigkeit und Transparenz zu gewährleisten, wurden hierfür eine Reihe von Bedingungen beschlossen, unter anderem:
1. an einem Treffen nehmen mindestens zwei VertreterInnen des Vereins teil; die CBG legt ihre Teilnehmer in eigener Verantwortung fest. Eine Negativ-Auslese durch BAYER findet nicht statt.
2. die CBG nimmt kein Geld von der Gegenseite an, auch nicht für Reisekosten.
3. Öffentlichkeit muss stets gewährleistet sein. Die VertreterInnen der Coordination haben daher das Recht der Weitergabe von Gesprächsinformationen. Ebenso können sie Dritte zu den Gesprächen hinzuziehen, insbesondere Journalisten.

Einschüchterung von KritikerInnen
Axel Köhler-Schnura, Gründungsmitglied der Coordination, nahm so zu der Absage Stellung: „Wir stehen weiterhin für ein Treffen zu Verfügung. Es ist sehr bedauerlich, dass BAYER zunächst unseren Vorschlägen folgte, dann die Zusage jedoch zurückzog - nur weil Journalisten an dem Gespräch teilnehmen sollten.“ Zugleich erinnert Köhler-Schnura daran, dass KritikerInnen des Konzerns in den vergangenen Jahrzehnten größter Repression ausgesetzt waren: „Seit wir uns im Jahr 1978 anlässlich der großen Unfälle in den BAYER-Werken Wuppertal und Dormagen als Bürgerinitiative gründeten, mussten wir durchgängig feststellen, dass Probleme nicht ausgeräumt, sondern mit Propaganda-Milliarden und Heerscharen von Anwälten schöngeredet wurden“.
So leitete der Konzern mehrfach juristische Schritte gegen die CBG ein. 1988 zwang er den Verein, wegen angeblicher Verwechslungsgefahr den ursprünglichen Namen „BAYER-Coordination“ aufzugeben. Angesichts sechsstelliger Streitwerte musste sich die CBG ebenso fügen wie im Jahr 2001, als das Unternehmen gerichtlich gegen die website www.BayerWatch.org vorging.

Drohung gegen BUND
Eine für die CBG existenzbedrohende Auseinandersetzung begann 1987: Wegen eines Flugblatts forderte BAYER unter Androhung „von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten bzw. einer Geldstrafe von bis zu DM 500.000“ eine Unterlassungserklärung. Die CBG ließ es auf einen Prozess ankommen - und der Mut zum Risiko zahlte sich aus: nach einem fünfjährigen Prozess-Marathon hob das Bundesverfassungsgericht unter dem damaligen Vorsitzenden Roman Herzog alle vorangegangenen Urteile auf und gab der CBG Recht. Der Erfolg wurde in den Medien und unter Juristen viel beachtet, dennoch blieb der Verein auf Kosten von über 150.000 Mark sitzen.
Dass es bei BAYER jedoch keinen neuen Umgang mit Kritik gibt, zeigt die jüngste Abmahnung gegen den BUND. Die Freiburger Gruppe des Umweltverbands hatte die Pestizide PONCHO und GAUCHO als „bienengefährlich“ bezeichnet. Obwohl die Wirkstoffe tatsächlich wegen ihrer Gefahr für Bienen jüngst verboten wurden, verlangte BAYER unter Androhung einer Vertragsstrafe von 10.000 Euro eine Löschung des Artikels. Der BUND machte den Vorgang öffentlich: „Unser kleiner Regionalverband muss mit jedem Cent rechnen, um seine Arbeit leisten zu können, und dennoch müssen wir der Macht der großen Konzerne standhalten und dürfen uns nicht verbiegen lassen“.

Gespräch weiter möglich
Ob das Treffen mit BAYER zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt wird, ist derzeit unklar. Doch auch wenn die CBG weiter an einem Austausch interessiert ist, wäre es unrealistisch, hiervon relevante Fortschritte zu erwarten. Entscheidend für den Konzern ist letztlich der Profit, und nicht der good will einzelner Beschäftigter (sofern dieser überhaupt vorhanden ist).
Auch würden die Investoren keine Änderung der Geschäftspolitik dulden, wenn diese zu verringerten Renditen führte. Belegt wird dies durch die jüngste Hauptversammlung, in der der Vorstand die geschilderten Probleme ausnahmslos leugnete. Der PR-Chef, der in der Hierarchie zwei Stufen unter dem Vorstand steht, kann sich über solche Vorgaben nicht hinwegsetzen. Zumal Herbert Heitmann selbst einräumt, dass es ihm nicht um die Behebung von Problemfällen, sondern um die Außendarstellung geht („mein Auftrag ist es, die Kommunikation von Bayer weiter zu verbessern“).
AktivistInnen können sich im Einzelfall auf Gespräche mit Unternehmen einlassen, sollten sich jedoch der damit verbundenen Risiken bewusst sein. Entscheidend für den Erfolg konzernkritischer Kampagnen ist letztlich der öffentliche Druck, den NGOs oder Bürgerinitiativen aufbauen können. Dieser darf durch eine Einbindung in Dialog-Programme nicht aufs Spiel gesetzt werden. Von Philipp Mimkes

siehe auch:
=> Hintergründe zum Gesprächsangebot von BAYER
=> der vollständige Briefwechsel zwischen Heitmann und CBG
=> Grundsätze der CBG für einen Dialog mit BAYER
=> die tageszeitung: „Glasnost beim Chemieriesen“

[1. Weltkrieg] STICHWORT BAYER 03/2014

CBG Redaktion

Die Chemie im Ersten Weltkrieg

BAYER an vorderster Front

Für BAYER begann der Erste Weltkrieg nicht erst am 1. August 1914. Der Konzern war bereits an den Vorbereitungen beteiligt und avancierte nicht nur zum wichtigsten Lieferanten chemischer Waffen, sondern fischte auch im „Menschenbassin Belgien“ nach ZwangsarbeiterInnen und formulierte die Kriegsziele mit. Von all dem will der Leverkusener Multi heute nichts mehr wissen.

Von Jan Pehrke

Mit seinem Geschichtsbild befindet sich der BAYER-Konzern ganz auf der Höhe der Zeit, denn mit Schlafwandlern kennt er sich aus. Schon lange vor dem Erscheinen des geschichtsvergessenen Bestsellers von Christopher Clark über den Ersten Weltkrieg machte der Pharma-Riese Somnambulismus 1914 auch bei der Chemie-Industrie aus. „Sie wurde in einen Krieg hineingerissen, auf den sie nicht vorbereitet war und den sie nicht vorhergesehen hatte“, konstatiert die 1988 erschienene Firmen-Chronik „Meilensteine“. Sie zitiert eine Äußerung des damaligen Generaldirektors Carl Duisberg, wonach BAYER & Co. im allgemeinen Taumel der Kriegsbegeisterung „von schweren Depressionen befallen, kopfschüttelnd beiseite gestanden“ hätten, weil sie „eine schwere Beeinträchtigung unserer geschäftlichen Tätigkeit“ fürchteten. Standhaft lehnte Duisberg die Produktion des kriegswichtigen synthetischen Kautschuks ab, behauptet das Werk. Auch Sprengstoff wollte die Aktien-Gesellschaft laut „Meilensteine“ zunächst nicht herstellen; nur widerwillig fügte sie sich schließlich und rührte die explosiven Gemische doch an. Zwar entwickelte sich das Unternehmen bald zum größten deutschen Produzenten, aber immer nur zwangsverpflichtet: „Auf Verlangen der militärischen Führung wurden auch die Granaten bei BAYER gefüllt.“ Und ebenfalls nur auf Verlangen machte sich angeblich eine unter anderem mit Duisberg besetzte Kommission auf die Suche nach tödlichen Chemie-Waffen. Das mögen dann selbst die Autoren nicht mehr tolerieren. „Es ist aus heutiger Sicht schwer nachvollziehbar, dass die Kommission nach besten Kräften versuchte, den Auftrag zu erfüllen“, halten sie fest. Eine aktive Rolle, die über eine solche Dienstbeflissenheit hinausgeht, spielte der Leverkusener Multi nach dem Dafürhalten der Konzerngeschichtsschreiber jedoch nie.

Dabei wäre der Erste Weltkrieg ohne eine solche aktive Rolle der Unternehmen gar nicht führbar gewesen. Was Thurman Arnolds von der Anti-Trust-Division des US-amerikanischen Justizministeriums über den Zweiten Weltkrieg sagte: „Dies ist ein Kampf zwischen den Armeen der Industrie, nicht zwischen den Armeen der Militärs“ (1), das hätte er auch schon über 1914/18 sagen können. Für einen Krieg brauchen die Kontrahenten nämlich ausreichend Munition, Transportmittel, Rohstoffe und Lebensmittel, und all das bekommen sie ohne eine leistungsfähige Industrie nicht. Deshalb nahmen die Konzerne schon frühzeitig an den Vorbereitungen zum Waffengang teil. Da das Deutsche Reich sich bereits vor 1914 von wichtigen Rohstoff-Lieferungen abgeschnitten fühlte und im Kriegsfall mit einer noch einmal verschärften Versorgungssituation rechnete, kam BAYER & Co. vor allem die Aufgabe zu, auf chemischem Weg Ersatzstoffe zu produzieren.

Im Mittelpunkt der Anstrengungen stand dabei der Salpeter, der gleich in zweifacher Hinsicht kriegswichtig ist. Nicht nur die Lebensmittel-Produktion hängt von der Chemikalie ab, weil sie ein wichtiger Grundstoff der Düngemittel-Fertigung ist, sondern auch die Sprengstoff-Herstellung. Darum machten sich die Chemie-Multis bereits ab 1904 im Zuge der Marokko-Krise, als die imperialen Auseinandersetzungen zwischen dem Deutschen Reich und Frankreich um das Land hochkochten, an Versuche, die Substanz auf synthetischem Wege zu gewinnen. So errichtete BAYER 1906 eine erste Versuchsanlage. Durchsetzen konnte sich aber schließlich das Haber/Bosch-Verfahren. Carl Bosch war es dann schließlich auch, welcher der Obersten Heeresleitung in Tateinheit mit Carl Duisberg zu Beginn des Krieges zusicherte, diesen Stoff immer in ausreichenden Mengen zur Verfügung zu stellen; als „Salpeter-Versprechen“ ging das in die Geschichtsbücher ein.

Bei einer anderen strategisch wichtigen Substanz, dem vor allem bei der Reifen-Produktion unabkömmlichen Kautschuk, erreichten hingegen die Farben-Fabriken BAYER (FFB) eine wichtige Wegmarke. Es gelang ihnen 1909 erstmals, eine synthetische Variante aus Steinkohle-Derivaten zu fertigen. Duisberg erkannte die Relevanz und ließ 1912 den Mobilmachungsstatus der Leitenden Angestellten erfassen, um im Kriegsfall eine reibungslose Produktion gewährleisten zu können. Letztendlich vermochte der Kunststoff sich jedoch nicht gegen die natürliche Konkurrenz durchsetzen, denn weil die Anzahl der Kautschuk-Plantagen zunahm, fielen die Weltmarkt-Preise drastisch. Auch technisch war das Produkt noch nicht ausgereift. Nicht einmal der Werbe-Coup, den kaiserlichen Automobil-Park mit Kunstgummi-Reifen made in Leverkusen auszustatten, brachte das Geschäft in Schwung, so dass BAYER die Herstellung aufgab. Und als das Innenamt sich im zweiten Kriegsmonat dann wegen einer Wiederaufnahme der Fabrikation an den Konzern wandte, sah dieser sich außer Stande, die Hebel so schnell wieder umzulegen.

Aber auch administrativ war der Chemie-Riese in die militärischen Planungen einbezogen. So saß Carl Duisberg in der „Kommission zur Prüfung der Rüstungslieferungen“, die im November 1913 ihre Arbeit aufnahm. Große Aktivitäten entfaltete das Gremium allerdings nicht. Der BAYER-Generaldirektor glaubte nämlich tatsächlich nicht an einen Krieg. Besser gesagt: Er wollte nicht an einen Krieg glauben. Der Leverkusener Multi war für einen solchen nämlich nicht gerüstet. Die Farben-Fabriken hatten im Gegensatz zur Konkurrenz kaum Rohstoff-Vorräte angelegt und auch keine Maßnahmen dafür getroffen, im Ernstfall die Export-Abhängigkeit kompensieren zu können. Vor allem aber fehlten Produkte für den Militär-Markt. „Nach dem Kautschuk-Debakel hatten die FFB kaum noch Kriegsoptionen“, stellt der Historiker Timo Baumann in seiner Doktorarbeit „Giftgas und Salpeter“ fest (2). Als den unter den großen Chemie-Unternehmen am schlechtesten auf den Krieg vorbereiteten Konzern bezeichnet der Geschichtswissenschaftler BAYER. Allein aus diesem Grund fehlte dem Herrn Generaldirektor der Tatendrang. „Duisberg blieb nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass die Wirtschaft (...) so wichtig genommen wurde, dass ein unablässiges Zurückweisen von Krieg dessen Wahrscheinlichkeit senkte“, urteilt Baumann (3).

Deshalb war er dann auch „von schweren Depressionen befallen“, als der Krieg im August 1914 ausbrach. Aber es sollte schnell Besserung eintreten, denn der Konzern kam schließlich doch noch zu seiner „Kriegsoption“: Chemie-Waffen. Schon in den ersten Wochen der Kämpfe erschienen der Armee-Führung die verwendeten Waffen nämlich nicht durchschlagskräftig genug. Die Oberste Heeresleitung prüfte gemeinsam mit dem Chemiker Walther Nernst Möglichkeiten zur Erhöhung der Geschoß-Wirksamkeit. Und da Duisberg während seiner Zeit in der Rüstungskommission gute Beziehungen zu den Militärs aufgebaut hatte und Nernst überdies persönlich kannte, wandten diese sich bei der praktischen Umsetzung an ihn. Der BAYER-Generaldirektor erkannte sogleich die Chance, die sich ihm bot, und drückte aufs Tempo. „Ich bin seit Ende Oktober 1914 zusammen mit Nernst, der (...) der Obersten Heeresleitung zugeteilt ist, auf dem Wahner Schießplatz tätig gewesen, chemische Reizgeschosse zu machen“, schrieb er in einem Brief (4). Schon bald danach konnte der Konzern liefern: Mit dem Reizstoff Dianisidin hatte BAYER die erste chemische Waffe für die deutschen Truppen entwickelt.

Dabei handelte es sich noch nicht um ein Gift. Die Substanz wirkte „nur“ kurzzeitig auf die Schleimhäute ein. Die Armee wollte den Feind mit ihrer Hilfe überraschen und dann sofort unter Beschuss nehmen, um ihn aus gehaltenen Häusern, von Gehöften oder engeren Ortschaften zu vertreiben. Aber bei solchen begrenzten Wirkungen blieb es nicht. „Es ist uns jedoch auch die Frage vorgelegt worden, wie man es aufgrund unserer jetzt gemachten Erfahrungen anstellen müsste, wenn man eine vollkommene Vergiftung des Gegners auf chemischen Wege durchführen wollte“, berichtete Duisberg als führender Industrieller der „Beobachtungs- und Prüfungskommission für Sprengungs- und Schießversuche“ – und hatte auch bald eine Antwort parat: Blausäure (5).

Die Büchse der Pandora war also geöffnet, zumal sich Dianisidin an der Front nicht bewährte. Zum ersten Mal bei Neuve-Chapelle in der Nähe von Ypern der Sprengmunition beigemischt, bemerkten die französischen Soldaten die chemische Wirkung der 3.000 verfeuerten Granaten gar nicht. „Versuche mit neuen Geschossen“ beschäftigten Duisberg im Herbst 1914 nach eigenem Bekunden täglich, und das „schon seit Wochen“. Besonders der sich abzeichnende Stellungskrieg, in dem die Parteien sich aneinander festbissen, ohne dass eine Seite größere Geländegewinne erzielen konnte, trieb die Forschung an. Um die Patt-Situation zu beenden, galt es nämlich, „die große, schwierige Frage der Verpestung der Schützengräben mit chemischen Substanzen der Lösung näherzubringen“, wie der BAYER-Generaldirektor Krupp von Bohlen mitteilte (6). Die Entwicklung solcher Kampfgase gelang dem Leverkusener Multi auch, und nicht nur das. „So habe ich unsere Fabrik zu Kriegslieferungen umorganisiert, mache Sprengstoffe aller Art, fülle Granaten und bin außerdem persönlich mit Nernst zusammen mit Versuchen beschäftigt, Spezialgeschosse anzufertigen“, vermeldete Carl Duisberg stolz (7). „Das gemeinste Zeug“8 war dabei, und sogar zur Namensgebung durfte der Konzern manchmal beitragen. „Lost“ hieß ein Senfgas zu Ehren des BAYER-Forschers Wilhelm Lommel und seines Kooperationspartners Wilhelm Steinkopf vom „Kaiser-Wilhelm-Institut für physikalische Chemie und Elektrochemie“.

Nur die Chlorgas-Wolke, die am 22. April 1915 in Ypern erstmals zum Einsatz kam und 800 bis 1.400 Menschenleben forderte, stammte nicht aus Leverkusen. Fritz Haber und die Wissenschaftler vom Kaiser-Wilhelm-Institut haben diese Waffe entwickelt, die zum Synonym für die Grausamkeit des Chemie-Krieges wurde. Sie durchlief ihre Testphase zwar in Köln-Wahn, und Duisburg versuchte auch, auf ihre Fertigung Einfluss zu nehmen, aber letztendlich betrachtete er das Chlor-Gebräu als Konkurrenz-Produkt. Zynisch und hintersinnig schrieb er von den „‚chlorreichen Siegen’ von Ypern, denen aber leider weitere (...) nicht gefolgt sind“, um so Reklame für die Offensiv-Waffen aus seinem eigenen Chemiebaukasten zu machen (9). Und tatsächlich konnte die Wolke die BAYER-Hervorbringungen nicht vom Markt drängen. Die erprobte Leverkusener „Science for Death“ erwies sich letztendlich als überlegen. „Die unter den großen Chemie-Unternehmen auf den Krieg am schlechtesten vorbereiteten Farben-Fabriken BAYER setzten am meisten Forschungskapazität für neue chemische Kampfstoffe ein“, schreibt Timo Baumann (10) und hält fest: „Den von BAYER nun im Winter 1914/15 gewonnenen Vorsprung in der Entwicklung neuer chemischer Kampfstoffe konnten die Farbwerke HOECHST bis Kriegsende nicht mehr aufholen. (11)“

„Pioniertaten“ gelangen dem Konzern aber auch noch auf anderen Kriegsfeldern. So nutzte Carl Duisberg seine hervorgehobene Stellung bei der Umsetzung des Hindenburg-Programmes der Obersten Heeresleitung, das die Kriegswirtschaft 1916 noch einmal ankurbeln sollte, um zu versuchen, ein ZwangsarbeiterInnen-System zu etablieren. Was die „Meilensteine“ beschönigend als Anwerbung von ArbeiterInnen aus den besetzten Gebieten beschreiben, nahm seinen Anfang laut Duisberg folgendermaßen12: „Es war so: Als wir bei der Übernahme des großen Hindenburg-Programmes Mangel an Arbeitern aller Art hatten (...), erfuhr ich zufällig bei einem Vortrag, den ich bei der 4. Armee hielt, von dem Chef des Stabes, dass er mit Leichtigkeit aus dem ihm unterstellten Teile Flanderns 60.000 bis 80.000 Arbeiter abgeben könne.“ Fortan machte er Druck. „Öffnen Sie das große Menschenbassin Belgien“, appellierte er an die Heeresführung und erhielt dann auch den Zugriff. Aber obwohl die Planungen zügig vorangingen und schon im erschreckenden Ausmaß das ZwangsarbeiterInnen-Regime der Nazis vorwegnahmen – unter anderem sprachen Duisberg & Co. bereits von „Konzentrationslagern“ – scheiterte die erfolgreiche Umsetzung schließlich an organisatorischen Problemen.

Stand Duisberg dem Krieg zu Beginn skeptisch gegenüber und verfolgte zunächst auch mit BAYERs Chemiewaffen-Arsenal den Zweck, den Waffengang zu einem möglichst frühen Ende zu führen, um das Exportgeschäft nicht weiter zu gefährden, so trat er später für die bedingungslose Ausweitung ein. Er machte sich für den unbeschränkten U-Boot-Krieg stark und forderte die völkerrechtswidrige Bombardierung Englands. Zudem setzte er sich für die Annexion von Belgien und Nordfrankreich ein und wollte Gebiete in Polen und Russland für neuen „deutschen Lebensraum“ in Beschlag nehmen. Die Anbahnung von Friedensverhandlungen durch den Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg trachtete der Generaldirektor deshalb zu verhindern. Gemeinsam mit der Militär-Kaste verlangte er erfolgreich dessen Absetzung und mehr Einfluss für die Armee-Führung: „Wir sind ganz auf Krieg und Gewalt eingestellt (...) Denn jetzt ist ‚Politik’ gleich Krieg und Krieg gleich ‚Politik’“ (14).

Es solle „die Chemie die ihr in der modernen Kriegsführung zukommende Rolle spielen“, hatte Duisberg einmal dekretiert (15). Dank seiner Hilfe hat sie das dann auch tatsächlich getan. Mit schrecklichen Folgen. BAYER will von all dem heute nichts mehr wissen. Auf der letzten Hauptversammlung bestritt der Pharma-Riese die Vorwürfe der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, sich diesem Thema nicht zu stellen. Der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers scheute Axel Köhler-Schnura gegenüber nicht einmal vor Geschichtsrevisionismus zurück. „Auch die wissenschaftlichen Publikationen kommen zu anderen Schlüssen als den, die Sie hier vorgetragen haben. Die historischen Verdienste Carl Duisbergs sind weithin anerkannt. Er ließ Wohnungen für die Arbeiter bauen, verringerte deren wöchentliche Arbeitszeit, er führte soziale Versicherungssysteme ein und setzte sich für den Umweltschutz ein, lange bevor es gesetzliche Regelungen dazu gab.“ Und ebenso geschichtsvergessen präsentierte sich der Global Player auch 2013, im Jahr seines 150. Geburtstages: Über sein Wirken im Ersten Weltkrieg viel ebenso wenig ein Wort wie über seine Unterstützung des Nazi-Regimes.

Anmerkungen
1 Bernd Greiner, Die Morgenthau-Legende; Hamburg 1995; S. 34
2 Timo Baumann, Giftgas und Salpeter; Düsseldorf 2011; S. 168
3 ebenda, S. 168
4 ebenda, S. 259, Anm. 233
5 ebenda, S. 259
6 ebenda, S. 292
7 ebenda, S. 321
8 ebenda, S. 342
9 ebenda, S. 389
10 ebenda, S. 735
11 ebenda, S. 736
12 Jens Thiel, „Menschenbassin Belgien“; Essen 2007; S. 110
13 ebenda, S. 111
14 Otto Köhler, ... und heute die ganze Welt; S. 119
15 Baumann, S. 334

[Ticker] STICHWORT BAYER 03/2014 – TICKER

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CBG beim „March against MONSANTO“
Auch 2014 fand in vielen Städten der Welt wieder ein „March against MONSANTO“ statt. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) beteiligte sich am 24. Mai in Düsseldorf an den Protesten. Der Leverkusener Multi unterhält nämlich schon lange gute Geschäftsbeziehungen zu dem Gen-Giganten, wie CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes in seiner Kundgebungsrede erläuterte. So gründeten beide Konzerne in den 1960er Jahren das Gemeinschaftsunternehmen MOBAY, das unter anderem das berühmt-berüchtigte AGENT ORANGE herstellte. Zudem gewähren sich die Global Player gegenseitig Zugriff auf die Technologien, mit denen sie Genpflanzen immun gegen bestimmte Pestizide machen, um ihre Laborfrüchte durch Mehrfach-Resistenzen besser gegen Schadinsekten wappnen zu können. „Insofern ist der heutige ‚March against MONSANTO’ ebenso ein ‚March against BAYER’“, hielt Mimkes fest und vergaß mit BASF und SYNGENTA auch die anderen Mitglieder des Agro-Oligopols nicht.

NRW-Anfrage zu PCB
Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören zu den giftigsten Hervorbringungen der Chlorchemie (SWB 1/14). Die vor allem von BAYER und MONSANTO in Umlauf gebrachten gefährlichen „Alleskönner“ kamen bis zu ihrem vollständigen Verbot 1989 in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz – und stellen immer noch ein beträchtliches Risiko dar. Deshalb finden quer durch die Republik aufwendige Sanierungen von Universitäten und Schulen statt. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hatte zur Situation im Bund gemeinsam mit der Partei „Die Linke“ eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt (Ticker 2/14). Um den Stand der Dinge in Nordrhein-Westfalen zu erfahren, kooperierte die CBG mit den „Piraten“. Aber die Landesregierung in Düsseldorf zeigte sich auch nicht auskunftsfreudiger als die Große Koalition in Berlin. Sie wollte weder die Zahl der PCB-Vergifteten angeben noch die bisherigen Kosten der Renovierungsarbeiten beziffern. Auch sehen SPD und Grüne BAYER nicht in der Pflicht: „Zum Zeitpunkt der Abnahme der Bauvorhaben entsprachen die Ausführung und die Verwendung der Baumaterialien dem damaligen gesetzlichen Rahmen sowie den seinerzeit anerkannten Regeln der Technik. Für Schritte gegen die damaligen Hersteller von PCB-Produkten gibt es deshalb keine Veranlassung.“

Protest gegen NRW-Hochschulgesetz
Das von der rot-grünen NRW-Landesregierung geplante Hochschulzukunftsgesetz hatte ursprünglich Regelungen vorgesehen, die mehr Licht ins Dunkel von solchen Kooperationsverträgen bringen sollten, wie BAYER sie mit der Kölner Universitätsklinik abgeschlossen hat. Aber Kraft & Co. gaben dem Druck der Industrie nach und schwächten den entsprechenden Passus ab. Nach dem Willen der PolitikerInnen müssen die Partner nun erst nach dem Ende der Projekte Einblick in die Verträge gewähren. Auch bleibt es ihnen überlassen, wie viel sie preisgeben wollen. Darum unterstützte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN die Protest-Aktion von Studierenden-Organisationen und DGB-Jugend, die am 18. Juni anlässlich einer ExpertInnen-Anhörung zur Gesetzes-Novelle vor dem Düsseldorfer Landtag stattfand. Zudem hatte die CBG in der Sache schon Mitte März 2014 gemeinsam mit ATTAC, dem FREIEN ZUSAMMENSCHLUSS VON STUDENTINNENSCHAFTEN und anderen Gruppen einen Offenen Brief an Hannelore Kraft geschrieben.

Kritik auf BAYERs FACEBOOK-Seite
Der Leverkusener Multi muss sich auf seiner FACEBOOK-Seite ziemlich viel Kritik anhören. „Schade, dass eine so traditionsreiche Firma komplett auf die Natur und Umwelt pfeift. Hauptsache Gewinn, Gewinn und ... Gewinn“ heißt es da beispielsweise oder: „Nur noch Profite ohne Rücksicht auf die Umwelt und die Menschen. Macht endlich bezahlbare Medikamente“. Auch zu dem Prozess, den der Konzern zusammen mit SYNGENTA gegen die EU wegen des vorübergehenden Verbots von bienenschädigenden Pestiziden angestrengt hat, gibt es bissige Kommentare: „BAYER verklagt Europa, weil es ausnahmsweise einmal das Richtige tut und die Bienen schützen will. Unglaublich.“

Umbenennung von Duisberg-Straßen
Am 29. September 2011 jährte sich der Geburtstag des langjährigen BAYER-Generaldirektors Carl Duisberg zum 150. Mal. Um die medialen Ständchen für den Mann zu konterkarieren, der im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas und die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen war und später einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörderkonzerns IG FARBEN hatte, rief die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Kampagne ins Leben. Sie mahnte anlässlich des Jahrestags die Umbenennung von Straßen, Schulen und anderen Einrichtungen an, die Duisbergs Namen tragen. Viele AktivistInnen ließen sich davon anregen und trugen die Forderung in ihren Städten vor. Leverkusen und Marburg lehnten das Begehr allerdings ab, in Dortmund und Frankfurt schweben die Verfahren noch.

KAPITAL & ARBEIT

BMS wickelt Standort Darmstadt ab
Im Rahmen des neuesten Rationalisierungsprogramms, das die Vernichtung von 700 Arbeitsplätzen vorsieht, reduziert BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) die Produktion von Kunststoff-Platten aus Polycarbonat. So beendet die Konzern-Sparte die Fertigung in Darmstadt und streicht damit 90 Stellen. Sie bekundet zwar, die Belegschaftsangehörigen nach Möglichkeit anderweitig im Unternehmen beschäftigen zu wollen, aber für alle dürfte sich kaum etwas finden. Darüber hinaus macht BMS den Standort in Peking dicht und plant, die in Australien und Neuseeland gelegenen Fertigungsstätten für LASERLITE-Platten abzustoßen.

Weniger Stimmen für Durchschaubare
Bei der letzten Betriebsratswahl am BAYER-Stammsitz Leverkusen verloren zwei der drei unabhängigen Gewerkschaftsgruppen innerhalb der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE an Boden. Die KOLLEGEN UND KOLLEGINNEN FÜR EINE DURCHSCHAUBARE BETRIEBSRATSARBEIT büßten zwei Mandate ein und kamen nur noch auf drei Sitze. Die BASISBETRIEBSRÄTE mussten ebenfalls zwei von fünf Sitzen abgeben, nur das BELEGSCHAFTSTEAM konnte sich um einen Sitz steigern und verfügt nun über drei. Die restlichen der 37 Sitze holte die IG BCE. Die Wahlbeteiligung betrug 55,2 Prozent und ging damit um 3,8 Prozent zurück.

ERSTE & DRITTE WELT

Entwicklungshilfe für BAYER

  • 1


Die bundesdeutsche Entwicklungshilfe-Politik setzt auf Kooperationen mit der Privatwirtschaft. So hat das „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) mit BAYER, BASF, SYNGENTA und ca. 30 weiteren Konzernen die „German Food Partnership“ (GFP) gegründet (SWB 4/13). Staatliche Mittel fließen unter anderem in die Projekte „Better Rice Initiative in Asia“ (BRIA) und „Competitive African Rice Initiative“ (CARE), in deren Rahmen der Leverkusener Multi die Vermarktung von hybridem, also nicht zur Wiederaussaat geeigneten Reis vorantreibt. Bis zu einem Drittel der Kosten buttert das BMZ dazu: 5,27 Millionen Euro. Das teilte die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen mit. Maßnahmen, die verhindern, dass Schulungen von FarmerInnen zu reinen Werbeveranstaltungen der Agro-Riesen gerieren, hat sie kaum getroffen. „Bei durch Firmen-Personal durchgeführten Trainings agieren die Trainer als Vertreter des Projektes und nicht unter Firmen-Branding“, erklärt die Große Koalition, wobei „firmen-spezifische ‚Solutions’ lediglich als eine mögliche Option dargestellt werden“. Auch geht aus den Angaben der Großen Koalition hervor, wie spärlich BRIA, CARE & Co. die Bevölkerung vor Ort in ihre Planungen einbeziehen.

Entwicklungshilfe für BAYER

  • 2


Parallel zur „German Food Partnership“ (s. o.) hat das „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) mit BAYER, anderen Unternehmen und dem Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) jetzt auch die „German Healthcare Partnership“ (GHP) ins Leben gerufen. „Die GHP kombiniert die Kompetenzen und Ressourcen des privaten Sektors mit denen der Entwicklungszusammenarbeit“, heißt es auf der Website frank und frei. Zum Ziel hat die „strategische Allianz“ sich gesetzt, „den Zugang zu qualitativ hochwertigen Gesundheitsleistungen in Entwicklungsländern und in aufstrebenden Märkten zu verbessern“. Und besonders auf diese aufstrebenden Märkte ist passenderweise auch BAYERs Afrika-Strategie ausgerichtet (siehe DRUGS & PILLS). Im Rahmen der GHP erhofft sich der Leverkusener Multi vor allem Entwicklungshilfe für seine Kontrazeptiva zur Familienplanung bzw. Bevölkerungskontrolle. Aber auch andere Absatzgebiete hat die GHP noch im Blick. So kümmert sie sich beispielsweise um „Business Opportunities in Healthcare in China“. Zudem hielt sie gemeinsam mit dem BDI und der „Kreditanstalt für Wiederaufbau“ schon Konferenzen zu Ausfuhr-Krediten und Hermes-Bürgschaften ab. Sogar Verweise auf die vom BDI zur letzten Bundestagswahl erhobenen Forderungen nach besseren Risikoabsicherungsinstrumenten „insbesondere für den Krankenhaus-Systemexport“ finden sich auf den Seiten. Da wundert es kaum noch, dass als Repräsentant der „Public Private Partnership“ der BDI-Hauptgeschäftsführer Markus Kerber fungiert.

Konzern-Verbrechen leicht gemacht
Der Leverkusener Multi hat in seiner Geschichte vielfach gegen Menschenrechte verstoßen. Er benutzte Menschen aus der „Dritten Welt“ ohne deren Wissen als Versuchskaninchen für neue Pharma-Produkte, übte Druck auf GewerkschaftlerInnen aus und bediente sich der Kinderarbeit. Um solche Rechtsverstöße der Global Player besser ahnden zu können, hat der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen vor einiger Zeit „Guiding Principles on Business and Human Rights“ verabschiedet. Die EU hat ihre Mitgliedsstaaten daraufhin angehalten, eigene Aktionspläne zu erstellen. Während Länder wie die Niederlande schon ihre Gesetze geändert und Beschwerdestellen eingerichtet haben, tat die Bundesrepublik bisher nichts dergleichen. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen bekundete die Bundesregierung nun aber ihren Willen, die Regelung umzusetzen. Viel zu befürchten haben die Konzerne indes nicht. Um etwa der Kinderarbeit bei Subunternehmern Einhalt zu gebieten, derer sich BAYER CROPSCIENCE lange bediente (Ticker berichtete mehrfach) schweben der Großen Koalition nur „Dialogformate“ und die Unterstützung von Trainingsprogrammen vor. Haftungsregelungen plant sie auch nicht, da „es sich bei Subunternehmen begrifflich um rechtlich selbstständige Unternehmen handelt, auf die ein anderes Unternehmen keinen gesellschaftsrechtlichen Einfluss ausüben kann“. SPD und CDU setzen generell darauf, „dass die Unternehmen freiwillig und aus eigener Verantwortung gesellschaftliche Verantwortung übernehmen“ und lehnen es daher auch ab, die Klage-Möglichkeiten wegen Verstößen gegen die Leitlinien des Industrieländer-Zusammenschlusses OECD zu verbessern. Dabei bestände gerade hier dringender Reformbedarf, denn bei der für solche Verfahren eingerichteten „Nationalen Kontaktstelle“, die bezeichnenderweise im Referat für Außenwirtschaftsförderung angesiedelt ist, handelt es sich um ein stumpfes Instrument. Keiner der beiden Fälle, welche die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN in der Vergangenheit dort vorbrachte – Repressionen BAYERs gegen Gewerkschaftler und Kinderarbeit bei BAYER-Zulieferern – hatte für den Leverkusener Multi irgendwelche Konsequenzen.

IG FARBEN & HEUTE

Bomben auf Leuna
Ohne die IG FARBEN hätte das „Dritte Reich“ keinen Krieg führen können. Der von BAYER mitgegründete Konzern produzierte unter anderem Waffen, Bomben und Benzin. Trotzdem zögerten die Westalliierten lange, Angriffe auf die Fabriken zu fliegen. Erst im Mai 1944 bombardierten sie die Leuna-Werke. Die USA, England und Frankreich fürchteten nach Stalingrad nämlich einen Vormarsch der Sowjetunion und bauten deshalb auf nationalsozialistische Schützenhilfe. „Es war durchaus im alliierten Interesse, dass die Wehrmacht in den folgenden zwölf Monaten über genügend Kampfkraft verfügte, um die Rote Armee auf dem Weg nach Westen zu bremsen und zu verschleißen“, mit diesen Worten zitiert Otto Köhler in seinem Artikel „Die Schlacht von Leuna“ Rolf-Dieter Möller vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt Potsdam. Erst im Vorfeld der – von Stalin schon viel eher geforderten – Normandie-Invasion sollte die Kriegsmaschinerie der Nazis nach dem Willen der Alliierten ins Stocken geraten. Die Landung an der Küste Frankreichs begann knapp dreieinhalb Wochen, nachdem die US-Armee mit 800 Bombern Leuna attackiert hatte.

POLITIK & EINFLUSS

Grenzwert-Lockerungen via TTIP
Durch das Freihandelsabkommen der EU mit den USA droht eine Aufweichung der Pestizid- und Gentechnik-Gesetzgebung. BAYER & Co. investieren Unsummen in entsprechende Lobby-Aktivitäten. So fordert der US-amerikanische Agrarindustrie-Verband „Croplife“ im Zuge der Verhandlungen von Brüssel etwa, das bis Ende 2015 geltende Verbot der bienenschädigenden BAYER-Ackergifte PONCHO und GAUCHO aufzuheben und generell die Grenzwert-Regelungen zu lockern. Eine „moderne Risiko-Bewertung“ soll es stattdessen richten. Zudem streiten die Agro-Riesen dafür, nach US-amerikanischen Gepflogenheiten künftig Gentech-Rückstände in Lebensmitteln zu tolerieren und Kennzeichnungspflichten abzuschaffen. „BAYER und BASF handeln auf den Märkten in den USA und wollen nun in dem geheimen Handelsabkommen zwischen den USA und der EU das erreichen, was ihre Lobbyisten in Europa nicht geschafft haben“, kritisiert Jaydee Hanson vom CENTER FOR FOOD AND SAFETY.

USA: Mehr Energiespar-Subventionen?
BAYER unterstützt gemeinsam mit anderen im US-amerikanischen BDI-Pendant „U.S. Chamber of Commerce“ organisierten Unternehmen einen Gesetzes-Vorschlag, der gleichzeitig zu mehr Energie-Ersparnis und zu mehr Wettbewerbsfähigkeit führen soll. Der „Energy Savings and Industrial Competitiveness Act“ stellt den Konzernen nämlich Millionen-Subventionen in Aussicht, wofür diese allerdings andere Worte finden. Das Vorhaben ist geeignet, „Hindernisse beim Investieren in existierende Energie-Effizienz-Technologien abzubauen“, heißt es bei der „U. S. Chamber“. Einstweilen bleiben die Hindernisse jedoch noch bestehen, denn im Senat fand sich für das Paragrafen-Werk nicht die erforderliche Mehrheit. Das endgültige Aus bedeutet das allerdings noch nicht.

BAYER erpresst Subventionen
In den USA gelang es dem Leverkusener Multi zum wiederholten Mal, Gemeinden mit Abwanderungsplänen so unter Druck zu setzen, dass diese dem Konzern Subventionen gewähren. So stellte St. Joseph dem Unternehmen Mittel für eine Betriebserweiterung zur Verfügung, um es in der Stadt zu halten. „Die Gefahr war sehr real“, sagt der Stadtverwaltungsmitarbeiter Clint Thompson zu BAYERs Umzug-Gelüsten und nennt die milde Gabe ein „Joberhaltungsprogramm“. Dabei hatte der Global Player, als er dort im Jahr 2012 die Veterinär-Sparte des israelischen Pharma-Riesen TEVA übernahm, umgehend ein Rationalisierungsprogramm beschlossen, das am Standort die Vernichtung von 60 der 180 Arbeitsplätze vorsieht.

PhRMA fordert Strafen für Indien
Im März 2012 hat das „Indian Patent Office“ BAYERs Patent an dem Krebs-Medikament NEXAVAR aufgehoben und dem einheimischen Generika-Hersteller NATCO PHARMA eine Zwangslizenz zur Herstellung einer preisgünstigen Version erteilt (Ticker 2/12). Die Behörde berief sich dabei auf einen Ausnahme-Paragraphen des internationalen Patentabkommens TRIPS und begründete ihre Entscheidung damit, dass der Pharma-Riese es versäumt habe, den Preis für das Medikament (monatlich 4.200 Euro) auf eine für indische PatientInnen bezahlbare Höhe herabzusetzen. Die Entscheidung hat Big Pharma in helle Aufregung versetzt und umgehend zu politischen Interventionen bei der Obama-Administration, dem US-amerikanischen Patentamt und beim Kongress veranlasst (Ticker 4/12). Und im Mai 2014 forderte der Industrie-Verband „Pharmaceutical Research and Manufacturers of America“ (PhRMA) die US-Regierung sogar auf, Indien auf die Liste der patentrechtlichen Schurkenstaaten zu setzen und Sanktionen gegen das Land zu beschließen.

BAYER kontrolliert sich selbst
Stillen bekommt Babys generell besser als Flaschen-Nahrung. Für Säuglinge in der „Dritten Welt“ bestehen darüber hinaus besondere Risiken. Da ihre Mütter aus Kostengründen oft zu wenig Milchpulver verwenden, leiden die Babys unter Mangelerscheinungen. In den armen Ländern erhöht sich durch diese Ernährungsform zudem das Infektionsrisiko, da zum Anrühren der Mixturen oft kein sauberes Wasser zur Verfügung steht. Darum erlauben viele Länder Werbung für Baby-Nahrung gar nicht oder nur unter strengen Auflagen, was BAYER und andere Konzerne 2006 schon zu einem Prozess gegen die philippinische Regierung bewogen hatte (Ticker 3/06). In Australien begutachtete lange eine unabhängige Monitoring-Gruppe die Reklame-Aktionen der Konzerne. Im Jahr 2010 rügte sie den Leverkusener Multi, weil dieser in einer Kampagne gegen eine mit dem Staat getroffene Vereinbarung verstoßen hatte, wonach die Hersteller darauf verzichten, ihre Erzeugnisse als dem Stillen gegenüber überlegen darzustellen. „NOVALAC-Mittel können helfen, das Schreien zu reduzieren und den Schlaf zu befördern und machen die Kinder zufrieden und die Eltern entspannter“, hatte der Pharma-Riese in der Werbung behauptet. So etwas dürfte dem Global Player bald wieder etwas leichter über die Lippen kommen. Australien hat nämlich das unabhängige Kontrollgremium abgeschafft und überlässt es in Zukunft der Industrie selber, sich auf die Finger zu schauen.

Nationale Anbau-Verbote
Bislang hat die Europäische Union zentral über die Zulassung von Genpflanzen entschieden. Brüssel plant jedoch, es ihren Mitgliedsländern künftig selber zu überlassen, ob sie die Labor-Kreationen wollen oder nicht. Nach der alten Regelung hatten es wegen vieler Gegenstimmen gerade einmal vier Sorten auf die EU-Felder geschafft. In der Hoffnung, künftig mit gentech-freundlichen Staaten besser ins Geschäft zu kommen, stritten BAYER & Co. deshalb heftig für die neue Lösung. Und ihr Lobby-Verband EuropaBio konnte seinen Einfluss bei der Umorientierung, die bereits in einen Gesetzes-Entwurf mündete, nicht zu knapp geltend machen. „Wie servil diese Lobby-Wünsche des Verbandes EuropaBio umgesetzt wurden, ist erschreckend“, sagt etwa der grüne Bundestagsabgeordnete Harald Ebner. So müssen die Staaten erst einmal bei den Konzernen anklopfen und anfragen, ob die Unternehmen nicht vielleicht freiwillig von einer Vermarktung ablassen wollen. Und wenn diese die Bitte abschlagen, haben die Nationen gute – und vor allem gerichtsfeste – Gründe vorzulegen. Als besonders gut erwies sich bisher der Draht der Agro-Riesen zur britischen Regierung. EuropaBio hat Cameron & Co. sogar Tipps gegeben, wie die neue Gentech-Politik am besten zu verkaufen ist. Der Lobby-Club riet dazu, „der Botschaft einen starken ökologischen (aber natürlich auch innovationsfreundlichen und ökonomischen) Dreh zu geben. Die PolitikerInnen antworteten: „Wir würden das Wort ‚Schwerpunkt’ dem ‚Dreh’ vorziehen“, hatten aber grundsätzlich keine Einwände. Es stehen also blühende Gen-Landschaften zu erwarten, womit auch die Gefahr der Kontamination herkömmlicher Ackerfrüchte steigt. Darum optiert EuropaBio in dem Konzept-Papier „A new strategy for GM issues“ für einen „package deal“ und will die Renationalisierung des Zulassungsprozesses mit einer Aufhebung des Rückstandsverbotes in Lebensmitteln und Saatgut verknüpfen. Ob das Europäische Parlament den Einflüsterungen folgt und einer solchen Paket-Lösung zustimmt, dürften die nächsten Monate zeigen.

Agrar-Subventionen für Bauer BAYER
Die EU bedenkt den Leverkusener Multi seit geraumer Zeit üppig mit Agrar-Subventionen. Fast 180.000 Euro strich der Konzern 2013 ein. Das Geld dürfte hauptsächlich BAYERs Laarcher Hof in Monheim eingestrichen haben, der als klassischer Ackerbau-Betrieb firmiert, obwohl er nur eine Versuchsküche für die Pestizide des Konzerns ist.

PROPAGANDA & MEDIEN

Presserat-Beschwerde scheitert
Im September 2013 hatte der Spiegel kritisch über BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO berichtet und dabei auch auf Material der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN zurückgegriffen. Das Blatt sprach mit Geschädigten und ExpertInnen, veröffentlichte die hohen Zahlen des „Bundesinstitut für Medizinprodukte und Arzneimittel“ über Todesfälle und schwere Nebenwirkungen und informierte über die aufwendige Kampagne zur Vermarktung des Mittels. Dem Leverkusener Multi passte das natürlich gar nicht. Er schaltete den Presserat ein und reichte eine Beschwerde gegen den Spiegel-Artikel ein. Der zuständige Ausschuss lehnte diese jedoch ab. Nach Ansicht des Gremiums hatte das Magazin weder unangemessen über medizinische Sachverhalte berichtet noch die journalistische Sorgfaltspflicht verletzt.

274.000 Euro für Selbsthilfegruppen
BAYER sponsert Selbsthilfegruppen und PatientInnen-Organisationen in hohem Maße. Über 274.000 Euro verteilte der Leverkusener Multi 2013 allein an die bundesrepublikanischen Verbände. Aber natürlich nicht an alle. Zuwendungen erhalten hauptsächlich diejenigen, die der Konzern mit entsprechenden Medikamenten beglücken kann: Diabetes-, Krebs-, Bluter-, Augen- und Lungenkrankheiten- sowie Multiple-Sklerose-Vereinigungen. Und das ist gut angelegtes Geld: „Wenn Firmen zehn Prozent mehr in Selbsthilfegruppen investieren, wächst ihr Umsatz um ein Prozent im Jahr“, hat der als Gesundheitsökonom an der Universität Bremen lehrende Dr. Gerd Glaeske einmal errechnet.

BAYER: Wir wollen nur informieren
Die NDR-Sendung „Profit auf Rezept“ dokumentierte umfassend, mit welchen Methoden die Pillen-Riesen ihre Medikamente vermarkten. BAYER & Co. schenken ÄrztInnen mit Werbung angereicherte Praxis-Software, veranlassen diese durch großzügig vergütete „Anwendungsbeobachtungen“, die PatientInnen auf bestimmte Arzneien einzustellen und versorgen Krankenhäuser kostenlos mit Pharmazeutika, um die Mittel dann anschließend auf die Rezeptblöcke der nachbehandelnden ÄrztInnen zu bekommen. Der Leverkusener Multi tat sich in der Reportage besonders als Sponsor eines verlockenderweise auf Sylt stattfindenden Anästhesie-Kongresses hervor, auf dem er kräftig die Werbe-Trommel für seinen umstrittenen neuen Gerinnungshemmer XARELTO rührte. Folglich sah sich der Pharma-Gigant durch den Bericht dann auch zu einer Stellungnahme gezwungen. „Die NDR-Reportage „Profit auf Rezept“ impliziert, dass viele Ärzte bestechlich sind und die Pharma-Industrie mit unlauteren Methoden ihre neuen Arzneimittel vermarktet“, konstatiert das Unternehmen. Und das sei natürlich nicht der Fall. BAYER mache nur „lautere Werbung mit produkt-bezogenen Informationen“, damit die DoktorInnen die Pillen auch bestimmungsgemäß einsetzen könnten. Anwendungsbeobachtungen erfüllen dem Global Player zufolge ebenfalls einen wichtigen Zweck, da sie angeblich „sicherheitsrelevante Erkenntnisse“ zu Tage fördern. Darüber hinaus verwahrte er sich gegen Kritik an XARELTO, wie sie in dem Feature der Vorsitzende der „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“, Wolf-Dieter Ludwig, geäußert hatte. Der Konzern verwies stattdessen auf positive Bewertungen etwa von der „Deutschen Gesellschaft für Neurologie“ (DGN). Unerwähnt ließ die Aktien-Gesellschaft dabei allerdings, dass sie zu den Sponsoren der „Deutschen Gesellschaft für Multiple Sklerose“ gehört (s. o.), die im Beirat der DGN sitzt

BAYERs Kongress-Sponsoring
Es gibt kaum einen MedizinerInnen-Kongress, den der Leverkusener Multi nicht sponsert. 2014 „unterstützte“ er nach Informationen der Initiative BIOSKOP beispielsweise die NeurologInnen-Tagung in Marburg, den Berliner Diabetes-Kongress, den Berliner Krebs-Kongress, den „Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin“ in Wiesbaden und die Jahrestagung der „Deutschen Gesellschaft für Kardiologie“. Und oftmals belässt es der Pharma-Riese zu diesen Gelegenheiten nicht bei Ausstellungsständen, sondern hält auch noch Symposien ab (siehe auch RECHT & UNBILLIG).

BAYER sponsert Arzneipreis-Studie
Die „UCL School of Pharmacy“ hat festgestellt, dass die Innovationskraft der Pillen-Riesen gefährdet ist, wenn diese nicht mehr Geld für ihre Erzeugnisse bekommen. Erkenntnisfördernd hat sich dabei die Finanzierung der Studie durch BAYER und NOVARTIS ausgewirkt. ÄRZTE OHNE GRENZEN kritisierten die „Reichtum macht erfinderisch“-These der UCL hingegen scharf und werteten sie als Teil einer breiter angelegten Kampagne für höhere Arznei-Preise. Die Organisation warf den Konzernen vor, trotz immenser Profite bei der Entwicklung wichtiger Medikamente, wie z. B. neuer Antibiotika, zu versagen und forderte die Unternehmen auf, ihre Geschäftspraxis zu ändern. „Es ist dringend nötig, dass BAYER, NOVARTIS und die Industrie als Ganzes Innovationsmodelle entwickeln, die neue Pharmazeutika für alle erschwinglich hält“, so die Sprecherin Katy Athersuch.

BAYER zeichnet Bluter-Film aus
Im Rahmen seiner image-fördernden Sponsoring-Aktivitäten finanziert der Leverkusener Multi auch den „Deutschen Hörfilm-Preis“ des „Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes“. Im März 2014 hat dieser nun ausgerechnet ein Werk ausgezeichnet, in dem der Pharma-Riese selber eine nicht gerade kleine Rolle spielt. „Blutgeld“ handelt nämlich von dem AIDS-Skandal, den HIV-verseuchte Blutprodukte von BAYER und anderen Konzerne in den 1980er Jahren ausgelöst haben, weil die Unternehmen die Präparate aus Kostengründen keiner sterilisierenden Hitze-Behandlung unterzogen hatten. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN protestierte scharf gegen das soziale Marketing des Global Players: „Wie pervers ist das denn? Das Leben Tausender Bluter hätte gerettet werden können, wenn die Verantwortlichen bei BAYER damals rechtzeitig gehandelt hätten. Und heute werden die Opfer dazu missbraucht, dem Konzern durch ‚mildtätige Gaben’ ein menschliches Antlitz zu verleihen.“

Fortbildung von JournalistInnen
Krebs-Medikamente gehören zu den lukrativsten Pharma-Präparaten BAYERs. Darum ist dem Konzern an einer guten Presse gelegen. Um eine solche zu bekommen, unterstützt er Fortbildungsmaßnahmen für JournalistInnen. So stellte er der US-amerikanischen „National Press Foundation“ Geld zur Durchführung eines Programmes zur Verfügung, das SchreiberInnen im Dezember 2014 vier Tage lang die „Cancer Issues 2014“ nahebringen will.

Keine milde Reis-Gabe
Seit einiger Zeit vermarktet BAYER seinen hybriden, also nicht zur Wiederaussaat geeigneten Reis massiv und erhält sogar „Entwicklungshilfe“ (siehe ERSTE & DRITTE WELT). Um seine Produkte auf die Felder zu bringen, hat er Kooperationen mit staatlichen Stellen in Indonesien, Brasilien, Burma, China, Thailand, Vietnam und auf den Philippinen vereinbart. Und auch die Schäden, die der Taifun „Yolanda“ Anfang des Jahres in Südostasien angerichtet hat, nutzte der Leverkusener Multi zu Werbe-Zwecken. So spendete er 1.000 FarmerInnen insgesamt 20 Tonnen der Sorte ARIZE. Ob diese damit glücklich werden, steht allerdings dahin. So klagten etwa indonesische LandwirtInnen über ARIZE, weil er hohe Produktionskosten verursacht, schlecht schmeckt und anfälliger gegenüber Schadinsekten ist. Zudem ist der Hybrid-Reis auf die Bedürfnisse der industriellen Landwirtschaft zugeschnitten, weshalb die Initiative ALLIANCE OF AGRARIAN REFORM MOVEMENT bereits vor einem Bauernsterben warnte.

BAYER sammelt Unterschriften
Viele chemische Substanzen ähneln in ihrem Aufbau Hormonen und wirken auch vergleichbar. Darum können sie den menschlichen Hormonhaushalt stören und so den Organismus schädigen. Die Europäische Union arbeitet gerade an einer Schwarzen Liste solcher Stoffe. Da viele von ihnen in Pestiziden zum Einsatz kommen, fürchtet der Leverkusener Multi um seine Produktpalette. Zudem beklagt er „die völlig überzogenen Registrierungsanforderungen“ der EU im Allgemeinen und das von ihr vorübergehend verhängte Verbot der bienenschädigenden BAYER-Ackergifte PONCHO und GAUCHO im Besonderen. Der Konzern hat deshalb eine Kampagne ins Leben gerufen. Er warnt bei einer Fortführung der gegenwärtigen Pestizid-Politik nicht nur vor Betriebsverlagerungen und Arbeitsplatzverlusten in der Chemie-Branche, sondern auch vor einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der bundesdeutschen Landwirtschaft. Viele Bauern und Bäuerinnen vermochte das Unternehmen schon zu mobilisieren; 13.000 Unterschriften sammelte der Agro-Riese unter ihnen. „Die Bauernschaft ist aufgewacht“, bekundete der Deutschland-Chef von BAYER CROPSCIENCE, der passenderweise auch dem „Industrieverband Agrar“ vorsitzt, bei der Übergabe der Unterschriften-Listen an den Bauernverbandspräsidenten Joachim Rukwied. Und der bedankte sich artig beim Global Player: „Der Einsatz von BAYER bei dieser Aktion ist in der Branche vorbildhaft (...) Gegenüber den Gremien in Brüssel können wir ein eindeutiges Signal für den Pflanzenschutz setzen.“

BAYER bei der Fußball-WM
BAYER nutzte die Fußball-WM in Brasilien als Werbe-Auftritt für „Chemie im Alltag“. „Transparente MAKROLON-Massivplatten sorgen (...) dafür, dass die 70.000 Zuschauer im künftigen Estádio Nacional in der Hauptstadt Brasilia geschützt vor Sonne und Regen verfolgen können“, vermeldete der Konzern. In der heimatlichen „Bayarena“ musste der Hausherr eine ältere Version dieser Platten jedoch wegen Brandgefahr für teures Geld auswechseln. Aber nicht nur im „Estadio Nacional“ steckt Chemie made in Leverkusen. Auch im WM-Ball, in den Fußballschuhen und in der „Wäsche mit Kompressionsfunktion, die wie eine zweite Haut am Körper sitzt“, treibt sie ihr Unwesen.

Bienenweiden made by BAYER
Obwohl die hauseigenen Pestizide nun auch schon die hauseigenen Bienen dahingerafft haben (siehe PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE), leugnet der Leverkusener Multi immer noch beharrlich den Zusammenhang zwischen der Verwendung von Agro-Giften und dem Bienensterben. Stattdessen inszeniert sich der Konzern als Bienenkümmerer. Zu seinen „Bee Care“-Aktivitäten gehört neben dem Anlegen von Ackerrand-Streifen mit pollen-reichen Blütenpflanzen in einem Feldversuch (Ticker 4/13) auch die Unterstützung von Bienenweiden. „Allein in Deutschland und Österreich stellt BAYER im Rahmen des Projektes ‚Blühende Wege’ fast 30 Gemeinden und Städten das Saatgut kostenlos zur Verfügung“, verkündet das Unternehmen.

Extrem-Lobbyismus auf Hawaii
Auf Hawaii haben einige Regierungsbezirke strenge Auflagen zum Pestizid-Gebrauch erlassen. Darüber hinaus haben sie die Aussaat von Gen-Pflanzen verboten oder planen einen entsprechenden Bann. In eine Kampagne gegen diese Regelung steckten BAYER, MONSANTO & Co. 50.000 Dollar. Dabei bedienten die Konzerne sich auch ihrer Jura-Fabrik ALEC, die PolitikerInnen Paragrafen-Werke frei Haus liefert (Ticker 4/12). Für den besonderen Zweck hatte sie ein „Modell-Gesetz“ im Angebot, das es Bundesstaaten erlaubt, auf niedrigeren Ebenen erlassene Bestimmungen wieder aufzuheben. Auch die am 9. August auf der Insel anstehende Wahl ließen sich die Unternehmen viel kosten. Ihnen wohl gesonnene Kandidaten erhielten jeweils 5-stellige Beträge. Aber nicht nur auf Hawaii steigt die Zahl der Gentechnik-GegnerInnen. Zwei Bezirke des Bundesstaates Oregon votierten ebenfalls gegen die Laborfrüchte. In Jackson County erreichte eine von FarmerInnen initiierte Petition eine Stimmen-Mehrheit, obwohl die Multis wieder ein ALEC-Gesetz gegen das Ansinnen aufgeboten und rund 450.000 Dollar in Gegenpropaganda (BAYER-Anteil: 22.000 Dollar) investiert hatten. Und im Anschluss daran gelang es auch LandwirtInnen in Josephine County, ein entsprechendes Begehr durchzusetzen.

Der Konzern als Kümmerer
Während der Konzern de facto immer unsozialer wird, indem er Arbeitsplätze vernichtet und Arbeitsbedingungen verschärft, macht seine PR-Abteilung seit einiger Zeit verstärkt auf „sozial“. Zu diesem Behufe initiierte sie 2007 die „BAYER Cares Foundation“, die Projekte in der Nähe der Konzern-Standorte fördert. 2013 unterstützte die Stiftung unter anderem die Bergkamener Down-Syndrom-Initiative, die in Wuppertal ansässige Ökumenische Telefon-Seelsorge, den Krefelder Mitmach-Bauernhof und den Verband der Funkamateure Moers. Über die Herbert-Grünewald-Stiftung gingen zudem Gelder an eine Schwimmgruppe für Menschen mit geistiger Behinderung, an den deutschen Gehörlosen-Sportverband sowie an das Inklusion beherzigende Fußball-Team einer Essener Hilfseinrichtung. Und den ASPIRIN-Sozialpreis des Jahres erhielt das Forschungszentrum Borstel für ihr Konzept zur Tuberkulose-Aufklärung.

TIERE & ARZNEIEN

Harmloses Tierarznei-Gesetz
Der massenhafte Einsatz von Antibiotika in der Massenzucht fördert die massenhafte Entwicklung resistenter Erreger. In den menschlichen Organismus gelangt, können diese Krankheiten auslösen, gegen welche die human-medizinischen Pendants der Mittel dann nicht mehr wirken. 2012 lag die Gesamtmenge der verabreichten Pharmazeutika dieser Medikamenten-Gruppe bei 1.619 Tonnen. Der Anteil der Fluorchinolone, zu denen BAYERs BAYTRIL zählt, nahm dabei gegenüber dem Vorjahr um zwei auf zehn Tonnen zu. Die Politik hatte zwar eine Gesetzes-Verschärfung angekündigt, um den Verbrauch zu verringern, es blieb jedoch bei kosmetischen Maßnahmen. So sieht die neue „Tierarzneimittel-Mitteilungsdurchführungsverordnung“ lediglich ausgeweitete Dokumentationspflichten vor. Auf diese Weise hofft das Bundeslandwirtschaftsministerium LandwirtInnen, die sich besonders freigiebig im Umgang mit BAYTRIL & Co. zeigen, herausfiltern und zur Einsicht bringen zu können. An den Strukturen der Massentierhaltung aber will die Große Koalition nichts ändern. Zudem gilt das neue Paragrafen-Werk nur für Unternehmen mit mehr als 250 Mastschweinen und mehr als 1.000 Masthühnern bzw. -puten.

TIERE & VERSUCHE

Mehr Tierversuche
Im Geschäftsjahr 2013 hat der Leverkusener Multi mehr Tierversuche durchgeführt als 2012. Während der Konzern selber seine Experimente herunterfuhr und in den Laboren „nur“ noch 142.084 Ratten, Mäuse und andere Lebewesen traktierte (2013: 147.315), vergab er mehr Tests an externe Dienstleister, und dementsprechend stieg dort die Versuchstier-Zahl von 23.282 auf 30.203.

DRUGS & PILLS

Neuer YASMIN-Beipackzettel
Von Verhütungsmitteln der dritten Generation wie BAYERs YASMIN mit dem Wirkstoff Drospirenon geht ein höheres Thromboembolie-Risiko aus als von älteren Präparaten. Allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA registrierte im Zusammenhang mit YASMIN bereits 190 Sterbefälle. Die Europäische Arzneimittel-Behörde EMA hat die Präparate deshalb überprüft. Trotz ihrer Gefährlichkeit sieht die Einrichtung allerdings keine Veranlassung, die Mittel zu verbieten. Sie hat bloß veranlasst, auf den Beipackzetteln deutlicher vor den möglichen Nebenwirkungen zu warnen. Zudem kündigte die EMA eine Studie zum Gefährdungspotenzial des Inhaltsstoffs Chlormadinon an, der unter anderem in BAYERs ENRIQA enthalten ist. Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) beließ es jedoch nicht dabei, den Durchführungsbeschluss der EU umzusetzen: Es sprach sich ausdrücklich für die Verschreibung von älteren, risiko-ärmeren Kontrazeptiva mit dem Wirkstoff Levonorgestrel aus.

TRASYLOL: Vor Zulassung in Gebrauch?
Im November 2007 musste der Leverkusener Multi das Medikament TRASYLOL, das MedizinerInnen bei OPs zur Blutstillung einsetzten, wegen der Nebenwirkung „Tod“ vom Markt nehmen. Mehrere Studien hatten die Gefährlichkeit des Medikamentes belegt. So analysierte der Harvard-Professor Alexander Walker die Unterlagen von 78.000 Krankenhaus-PatientInnen und konstatierte im Falle einer Behandlung mit der Arznei eine erhöhte Sterblichkeitsrate sowie ein größeres Risiko für Nierenversagen, Schlaganfälle und Herz-Erkrankungen. Die EU hob das Verbot 2012 jedoch wieder auf, und der Leverkusener Multi verkaufte das Medikament an das schwedische Unternehmen NORDIC. Aber der Pharma-Riese kann die Verantwortung für die Risiken und Nebenwirkungen des Pharmazeutikums nicht so einfach abschütteln. Auf der BAYER-Hauptversammlung Ende April 2014 konfrontierte die Australierin Jennifer Lloyd den Konzern mit dem Vorwurf, den Tod ihres Vaters verschuldet zu haben. Nachdem er 1978 in einem Melbourner Hospital TRASYLOL erhalten hatte, erlitt er eine Serie von Herzinfarkten und verstarb schließlich. Noch dazu war das laut Jennifer Lloyd zu einem Zeitpunkt, da das Mittel in dem Land noch gar keine offizielle Zulassung besaß. Auf eine Erklärung zu dem frühen Gebrauch oder gar auf ein Schuldeingeständnis wartete die junge Frau in Köln jedoch vergebens.

NEXAVAR-Studie scheitert
BAYERs NEXAVAR mit dem Wirkstoff Sorafenib hat bislang eine Zulassung bei den Indikationen „fortgeschrittener Nierenkrebs“ und „fortgeschrittener Leberkrebs“. Der Leverkusener Multi setzt jedoch alles daran, das Anwendungsspektrum zu verbreitern. Ein Versuch mit dem Medikament zur ergänzenden Behandlung von solchen Leberkrebs-PatientInnen, denen die MedizinerInnen alle erkennbaren Tumor-Teile herausoperiert hatten, scheiterte allerdings: Die Arznei hat die Zeit bis zum Ausbruch neuer Karzinome nicht hinauszögern können. Vorher hatte NEXAVAR schon bei Haut-, Brust- und Bauchspeicheldrüsenkrebs versagt.

ASPIRIN verhindert keine Infarkte
Der Einsatz von ASPIRIN bei chirurgischen Eingriffen kann das Risiko von Herzinfarkten nicht vermindern. Stattdessen steigt für die PatientInnen die Gefahr, Blutungen zu erleiden. Das ergab eine Studie, die das „Population Health Research Institute“ der „McMaster University“ durchführte.

FDA: Kein ASPIRIN gegen Infarkte
Seit Jahren versucht der Leverkusener Multi nun schon, seinen „Tausendsassa“ ASPIRIN trotz eher durchwachsener Bilanz (s. o.) als Mittel zur Herzinfarkt-Prophylaxe zu etablieren. Bei Menschen, die vorbelastet sind, hat der Konzern dafür schon grünes Licht bekommen. Jetzt wollte er aber das Indikationsgebiet ausweiten und von der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA die Genehmigung dafür erhalten, das Medikament auch Gesunden zur Vorbeugung von Infarkten andienen zu können. Das lehnte die Behörde allerdings ab. „Nach einer sorgfältigen Überprüfung klinischer Studien kam die FDA zu dem Schluss, dass aus den Daten keine Empfehlung ableitbar ist, ASPIRIN Menschen zu verabreichen, die noch keinen Herzinfarkt oder Gehirnschlag erlitten und keine Herz/Kreislauf-Probleme haben“, sagte Dr. Robert Temple. Bei dieser Gruppe übersteige das Risiko von inneren Blutungen den Nutzen, so der Forschungsdirektor der Behörde.

ASPIRIN COMPLEX hilft nicht
Der Spiegel hat Peter Sawicki, den ehemaligen Direktor des „Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ gebeten, verschiedene Erkältungsmittel zu bewerten. BAYERs ASPIRIN COMPLEX mit den Inhaltsstoffen Acetylsalicylsäure und Pseudoephedrin-Hydrochlorid schneidet dabei nicht gut ab. Seine schleimhaut-abschwellende Wirkung lässt laut Sawicki zu wünschen übrig. Zudem leuchtet ihm nicht ein, warum ein Beutel des Mittels neunmal teurer ist als eine ASPIRIN-Tablette. Die „Stiftung Warentest“ kommt zu einem ähnlichen Urteil: „Eine nicht sinnvolle Kombination.“ Der Leverkusener Multi widerspricht da natürlich. Vom Spiegel zu einer Stellungnahme aufgefordert, verweist er auf positive Studien-Ergebnisse und betont, die Preise von ASPIRIN pur und ASPIRIN-COMPLEX seien nicht vergleichbar.

ASPIRIN bei Darmkrebs?
Nach zwei neueren Studien kann ASPIRIN bei bestimmten Menschen das Darmkrebs-Risiko reduzieren. Bei Personen mit einer größeren Menge des Enzyms 15-PGDH im Darm vermag der „Tausendsassa“ das Gefährdungspotenzial herabzusenken. Das berichteten – allerdings anhand relativ weniger Fälle – US-WissenschaftlerInnen in der Fachzeitschrift Science Translational Medicine. Zu einem ähnlichen Ergebnis waren vorher schon britische ForscherInnen gekommen (Ticker 4/09). Sie rieten aber trotzdem von einer vorbeugenden Einnahme ab, da die Wirksubstanz schwere Nebenwirkungen wie Magenbluten hat.

Leberschäden durch XARELTO
Zu den häufigsten Nebenwirkungen von BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO zählen Blutungen. Aber auch Leberschädigungen treten oft auf. So erhielt die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA in den ersten zehn Monaten des Jahres 2013 320 diesbezügliche Meldungen von ÄrztInnen. Sieben tödliche Verläufe waren darunter und 26 Fälle von Leberversagen. „In der entsprechenden Fachinformation (...) findet man dazu keine deutliche Warnung“, kritisiert der Arzneimittelreport der Krankenkasse Barmer GEK. Der Leverkusener Multi weist dort lediglich darauf hin, dass PatientInnen mit Leber-Erkrankungen das Medikament nicht nehmen sollten.

XARELTO macht die Kassen arm
BAYERs umstrittener Gerinnungshemmer XARELTO (s. o.) gehörte 2013 zu den umsatzträchtigsten patentgeschützten Arzneimitteln in der Bundesrepublik. Mit Erlösen von 949 Millionen Euro – fast 200 Prozent mehr als 2012 – musste das Präparat mit dem Wirkstoff Rivaroxaban nur den beiden Rheuma-Mitteln HUMIRA und ENBREL den Vortritt lassen. Das Konkurrenz-Präparat PRADAXA mit dem Wirkstoff Dabigatran kam mit 86 Millionen Euro nicht annähernd in solche Regionen. Die Krankenkasse Barmer GEK, die nur für fünf Arzneien mehr ausgab als für das BAYER-Produkt und fast ein Prozent ihres Medikamenten-Etats in das Mittel investieren musste, schreibt dies bloß dem immensem Reklame-Aufwand des Konzerns zu. „Da Dabigatran länger auf dem Markt erhältlich ist und früher eine Zulassungserweiterung als Rivaroxaban bekommen hatte und da bis heute keine pharmakologischen Vorteile oder gravierenden Unterschiede zwischen den beiden Wirkstoffen belegt wurden, kann diese extreme Steigerung bei Rivaroxaban nur durch Marketing- und Werbemaßnahmen zustande gekommen sein“, heißt es im „Arzneimittelreport 2014“.

Vitamin-Pillen helfen nicht
Der Leverkusener Multi preist seine ONE-A-DAY-Vitaminpräparate als wahre Wunderpillen an. Nach Angaben des Konzerns sollen sie gleichzeitig das Herz und die Immunabwehr stärken, den Augen gut tun und dem Körper zu mehr Energie verhelfen. Dank solcher Versprechungen finden diese Produkte und andere Nahrungsergänzungsmittel aus dem Hause BAYER reißenden Absatz. Im Geschäftsjahr 2013 machte das Unternehmen damit einen Umsatz von über einer Milliarde Euro. Das medizinische Urteil über die zusätzlich zur Nahrung eingenommenen Substanzen fällt allerdings verheerend aus. So kam ein ForscherInnen-Team der „Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health“ um Dr. Eliseo Guallar zu dem Schluss: „Wir glauben, dass es klar ist, dass Vitamine nicht helfen.“ Da ONE-A-DAY & Co. unter Umständen sogar noch negative Wirkungen entfalten können, forderte Guallar die VerbraucherInnen unmissverständlich auf, die Stoffe nicht mehr zu kaufen.

Schwanger trotz ESSURE
ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, hat unter anderem Nebenwirkungen wie Blutungen, Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und kann Allergien auslösen. Die kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass es die Eileiter verschließt, verrichtet zudem ihren Dienst nicht zuverlässig. Die Wahrscheinlichkeit, trotz ESSURE schwanger zu werden, liegt bei 9,6 Prozent. Das ergab eine Studie der „Yale School of Medicine“ unter Leitung von Aileen Gariepy.

BAYERs Afrika-Agenda
Seit einiger Zeit haben die Global Player auf der Suche nach neuen Absatz-Gebieten die „Low-income Markets“ entdeckt (siehe auch SWB 4/13). Nach einer vom „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) herausgegebenen – und vom Pillen-Riesen SANOFI gesponserten – Expertise haben diese nämlich ein Volumen von bis zu 160 Milliarden Dollar. Deshalb heißt es bei BAYER: „2014 steht eine Afrika-Strategie hoch oben auf der Agenda.“ Momentan setzt die Pharma-Sparte auf dem Kontinent 650 Millionen Euro um. Der Konzern erwartet durch eine anwachsende Mittelklasse jedoch deutlich bessere Zahlen, besonders in Kenia, Tansania, Kamerun, Nigeria, der Elfenbeinküste und Südafrika. Als Türöffner für die Ausweitung des Export-Geschäfts fungieren dabei oft staatliche Hilfsorganisationen. So hat der Leverkusener Chemie-Multi in Äthiopien mit der US-amerikanischen Entwicklungshilfe-Behörde USAID ein „innovatives Geschäftsmodell“ entwickelt. Die „Contraceptive Security Initiative“ sieht vor, Frauen „mit mittlerem Einkommen in vorerst elf subsaharischen Entwicklungsländern Zugang zu bezahlbaren oralen Kontrazeptiva“ zu verschaffen. Das Unternehmen stellt dafür die Pillen bereit, und die USAID zahlt für die Erstellung und Verbreitung von Informationsmaterial zu den Mitteln. „Einen neuen strategischen Ansatz und einen innovativen Weg zur Erschließung der Märkte in Entwicklungsländern“ nennt der Pharma-Riese das Ganze.

BAYER kauft PatientInnen-Daten
Wissen ist Macht – darum interessiert sich BAYER sehr für PatientInnen-Daten. Bei der englischen Gesundheitsbehörde NHS erwarb der Leverkusener Multi Material, „um die Größe des britischen Marktes für Gebärmutter-Wucherungen zu erkunden“ und mit diesem Wissen „den Marketingstrategie-Prozess zu füttern“. Auch andere Firmen beteiligten sich am Großeinkauf, was auf der Insel einen großen Skandal auslöste. Der Pharma-Riese hat aber noch andere Informationsquellen. So ist er in der Bundesrepublik Kunde bei der Firma PHARMAFACT, welche die Rezepte der Krankenkassen auswertet. Darum weiß der Konzern ganz genau, wie das Geschäft mit seinen Arzneien so läuft und wie er seine Pharma-DrückerInnen präparieren muss. Manchmal weiß er es sogar genauer, als die Polizei erlaubt. PHARMAFACT gab nämlich bis 2012 widerrechtlich nicht nur anonymisierte Unterlagen heraus, sondern auch solche mit Namen von MedizinerInnen, so dass BAYER & Co. ganz genaue Informationen über die Verschreibungsgepflogenheiten in den einzelnen Praxen hatten. „Die Unterlagen, die uns in Auszügen zugespielt wurden, scheinen valide zu sein. Sie könnten einen der größten Daten-Skandale der Bundesrepublik im Medizinbereich aufdecken“, so das „Unabhängige Datenschutzzentrum Schleswig-Holstein“ damals.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Tod durch Endosulfan
In Argentinien starb ein Junge durch eine Vergiftung mit dem eigentlich verbotenen Pestizid Endosulfan, das auf einer nahe der Wohnung der Familie gelegenen Tomaten-Plantage zum Einsatz kam. Gegen ihren Besitzer, der den früher auch in BAYER-Produkten wie MALIX, PHASER und THIODAN enthaltenden Wirkstoff ausbringen ließ, läuft in der Sache jetzt ein Strafverfahren.

Pestizide in Pollen
Ackergifte haben einen großen Anteil am weltweiten Bienensterben. Da wundert es nicht, dass GREENPEACE die Agro-Chemikalien auch in von den Bienen gesammelten Pollen aufspüren konnte. In 72 von 107 Proben fanden sich Pestizid-Rückstände. Unter den drei am häufigsten nachgewiesenen Wirkstoffen fanden sich zwei, die auch in BAYER-Mitteln enthalten sind: Chlorpyrifos (BLATTANEX, PROFICID und RIDDER) und Thiacloprid (CALIPSO, PROTEUS). Aber es waren auch noch andere vom Leverkusener Multi verwendete Substanzen im Blütenstaub enthalten wie Fenhexamid (TELDOR), Spiroxamine (PROSPER) und Trifloxystrobin (NATIVO, CORONET).

Pestizide in Zuchtblumen
GREENPEACE hat Zierpflanzen aus Garten-Centern und Baumärkten nach Pestizid-Rückständen untersucht. In 84 der 86 Proben wurde die Organisation fündig. Und am häufigsten führte die Spur nach Leverkusen: „In Anbetracht aller nachgewiesenen Pestizide kann der größte Produzent als BAYER CROPSCIENCE identifiziert werden, der sechs von 18 nachgewiesenen Pestizide produziert“, Am häufigsten stießen die WissenschaftlerInnen dabei auf die besonders für Bienen gefährlichen Neonicotinoide GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin), deren Gebrauch die EU vorerst stark eingeschränkt hat. In 43 bzw. sieben Prozent der untersuchten Blumen trieben diese Substanzen ihr Unwesen.

Pestizide im Salat
In der NDR-Sendung markt untersuchten JournalistInnen, wie viel Pestizid-Rückstände sich auf einem Blattsalat finden lassen. Sie behandelten einen Kopf mit dem BAYER-Insektizid CALYPSO und gaben ihn anschließend in ein Labor. Die WissenschaftlerInnen wiesen sechs Milligramm des Wirkstoffes Thiacloprid pro Kilo in der Probe nach – vier Milligramm mehr, als der Gesetzgeber erlaubt. Die Redaktion konfrontierte dann den Leverkusener Multi mit dem Ergebnis. Und der konnte sich das alles nur mit einer falschen Versuchsanordnung erklären: „Wir schließen aus dem von ihnen angegebenen sehr hohen Wert von sechs Milligramm pro Kilogramm, dass entweder die empfohlende Aufwandmenge überschritten worden ist oder die Analyse unmittelbar nach der Anwendung erfolgte.“ Da schloss der Konzern aber falsch: Das Fernseh-Team hatte sich genau an die Packungsanweisung gehalten und den Salat auch erst nach Ablauf einer bestimmten Zeit zur Untersuchung gebracht.

Bienensterben comes home
Nun konnte der BAYER-Konzern die Wirkung seiner Pestizide auf das Leben der Bienen einmal aus erster Hand erleben. Von dem Bienensterben mit einer Million toten Tieren, zu dem es Ende März 2014 in Leverkusen kam, waren nämlich auch eigene Bestände betroffen. Und als Ursache stellten die Behörden zweifelsfrei BAYERs Pestizid-Wirkstoff Clothianidin fest, dessen Zulassung für bestimmte Anwendungen wegen seiner bienenschädigenden Effekte eigentlich noch bis zum Dezember 2015 ruht. Von der Varroa-Milbe, welche der Agro-Riese selber immer gerne für die Dezimierung der Gattung verantwortlich macht, war dagegen weit und breit nichts zu sehen. Aus welcher Quelle das Agro-Gift stammte, vermochten die Behörden in einer nachfolgenden Untersuchung allerdings nicht mehr zu ermitteln.

Neue Bienensterben-Studien
Die beiden BAYER-Pestizide PONCHO und GAUCHO gehören zur Gruppe der Neonicotinoide. Wegen ihrer Schädlichkeit für Bienen hat die EU sie 2013 für vorerst zwei Jahre aus dem Verkehr gezogen. Diverse neue Studien belegen nun, wie richtig die Entscheidung war. Ein WissenschaftlerInnen-Team der Harvard University um Chensheng Lu setzte 12 Bienenvölker Neonicotinoiden aus und ließ sechs verschont. Den Sommer über passierte nichts, aber im Winter verwaisten sechs der mit den Pestiziden traktierten Bienenstöcke – für die ForscherInnen ein klares Zeichen für die Langzeitfolgen von PONCHO & Co. Zu einem ähnlichen Befund kommt die internationale WissenschaftlerInnen-Gruppe „Task Force on Systemic Pesticides“. Sie analysierte 150 Neonicotinoid-Studien und das Fazit lautete: Die Stoffe haben verheerende Auswirkungen nicht nur auf Bienen, sondern auch auf andere Insekten, Würmer und Vögel. Da die Chemikalien also den ganzen Naturkreislauf stören, fordert die Task Force ein weltweites Verbot der Substanz-Klasse. Caspar Hallmann von der niederländischen Radboud-Universität konnte die Schäden teilweise sogar genau beziffern. Nach seiner Untersuchung geht die Vogel-Population bei einer GAUCHO-Konzentration im Oberflächen-Gewässer von mehr als 20 Billionstel Gramm pro Liter um jährlich 3,5 Prozent zurück, weil das Gift den Tieren ihre Nahrungsgrundlagen raubt.

UBA für sparsamen Glyphosat-Gebrauch
Das Anti-Unkrautmittel Glyphosat kommt hauptsächlich in Kombination mit MONSANTO-Genpflanzen der „ROUND UP“-Baureihe zum Einsatz, aber auch in BAYER-Pestiziden wie GLYPHOS oder USTINEX. Zudem will der Multi es künftig gemeinsam mit der Gensoja-Sorte „FG 72“ sowie seinen genmanipulierten Baumwoll-Arten „GHB 614“, „GHB119“ und T304-40 vermarkten. Obwohl mehrere Studien Spuren des Giftstoffes im menschlichen Organismus gefunden hatten, stellte das „Bundesinstitut für Risiko-Bewertung“ (BfR) der Substanz eine Unbedenklichkeitsbescheinigung aus. Das Umweltbundesamt (UBA) plädiert hingegen für eine sparsame Verwendung des Mittels, denn es trägt nach Ansicht des UBA-Chemieexperten Klaus Günter Steinhäuser wesentlich zur Reduzierung der Artenvielfalt bei.

Glyphosat-Gebrauch eingeschränkt
Der Pestizid-Wirkstoff Glyphosat steht im Verdacht, Fehlbildungen hervorzurufen, das Erbgut zu schädigen und Krankheiten wie Alzheimer, Diabetes und Krebs zu befördern. Das Verbraucherschutzministerium hat deshalb eine Ausbringungsbeschränkung für den auch in BAYER-Produkten vorkommenden (s. o.) Stoff erlassen. Es erlaubt die „Spätanwendung in Getreide“ nur noch auf Teilflächen. Dem Bundesrat geht das allerdings nicht weit genug. Die Länderkammer fordert ein umfassendes Verbot des Einsatzes der Substanz bei der Reife-Beschleunigung und darüber hinaus noch einen Glyphosat-Bann für den Haus- und Gartenbereich.

El Salvador bannt BAYER-Pestizide
Von 2007 bis 2011 gingen den Behörden in El Salvador 8.159 Meldungen über Pestizid-Vergiftungen ein. Darum zog das Land die Notbremse und verbot 53 Wirkstoffe. Der Bann betrifft auch viele Substanzen, die in BAYER-Mitteln Verwendungen finden wie etwa Endosulfan (MALIX, PHASER, THIODAN), Glyphosat (GLYPHOS, USTINEX G), Chlorpyrifos (BLATTANEX, PROFICID und RIDDER), Parathion-Methyl (ME 605 Spritzpulver) und Methamidophos (TAMARON). Kurz darauf verweigerten die USA die Freigabe von schon bewilligten Entwicklungshilfe-Geldern, weshalb nicht wenige UmweltaktivistInnen darin eine von BAYER & Co. veranlasste Strafaktion der Obama-Administration sehen.

Teilverbot für MESUROL
Das BAYER-Pestizid MESUROL darf nicht mehr als Mittel gegen Schnecken zum Einsatz kommen. Wegen der extremen Giftigkeit des Inhaltsstoffs Methiocarb hat die EU dem Produkt für diesen Anwendungsbereich die Zulassung entzogen.

BAYER goes bio

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Der Leverkusener Multi setzt in letzter Zeit vermehrt auf „bio“, da sich Schadinsekten und Unkräuter immer besser auf die handelsüblichen Pestizide einstellen. So kaufte er jetzt das argentinische Unternehmen BIAGRO, das biologische Saatgutbehandlungsmittel auf der Basis von Mikro-Organismen und Pilzen sowie Mittel zur Stärkung des Pflanzen-Wachstums produziert.

BAYER goes bio

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Der Global Player will die Produktion von Pestiziden auf biologischer Basis erhöhen. Um mehr Chargen seines Anti-Wurmmittels BIBACT und seines Anti-Pilzmittels CONTANS herstellen zu können, baut er seine Fertigungsstätte in Wismar aus. Auch die Forschungsaktivitäten am Standort plant der Leverkusener Multi zu erweitern. Noch machen BIBACT & Co. allerdings nur einen Bruchteil der Produktpalette von BAYER AGROSCIENCE aus.

GENE & KLONE

Die Gentech-Ökonomie
In ihrer Werbung für die Gentechnologie versprechen die Agro-Riesen gerne das Grüne vom Himmel bzw. der Erde. So sollen die Laborfrüchte nicht weniger als das Welthunger-Problem lösen helfen. Im Alltagsgeschäft hört sich das alles weit profaner an. In einem Patentantrag für ein gentechnisches Verfahren redet BAYER Klartext. „Transgene Pflanzen werden vor allem eingesetzt, um das Produktionspotenzial der jeweiligen Pflanzen-Sorte bei möglichst geringem Einsatz von Produktionsmitteln möglichst günstig zu nutzen“, heißt es dort ungeschminkt.

Neues Gentech-Soja
In den USA bringt BAYER 2015 die Genlabor-Frucht CREDENZ heraus und vermeint damit laut eigener Werbeaussage, die Sojabohne neu erfunden zu haben. Der Konzern vermarktet das Produkt in zwei Variationen, einmal mit einer Resistenz gegen das Pestizid Glyphosat und einmal mit einer gegen Glufosinat. Das ursprünglich von MONSANTO entwickelte Glyphosat ist seit 30 Jahren im Einsatz und steht im Verdacht, Fehlbildungen hervorzurufen, das Erbgut zu schädigen und Krankheiten wie Alzheimer, Diabetes und Krebs zu befördern. Da viele Wildpflanzen dem Mittel inzwischen trotzen, hofft der Leverkusener Multi mit seinem noch gefährlicheren und deshalb in der EU nur noch bis 2017 zugelassenen Glufosinat in die Lücke vorstoßen zu können. Es dürfte jedoch nur eine Frage der Zeit sein, wann sich auch hier ein Gewöhnungseffekt einstellt.

Importgenehmigung für SYNT0H2
BAYER und SYNGENTA haben für ihr Gensoja SYNT0H2, das nicht nur gegen BAYERs Ultragift Glufosinat sondern auch gegen den Pestizid-Wirkstoff Mesotrione von SYNGENTA resistent ist, von den australischen Behörden eine Importgenehmigung erhalten.

Kein geringerer Pestizid-Verbrauch
Das US-amerikanische Landwirtschaftsunternehmen hat auf der Basis von Daten aus dem Jahr 2010 untersucht, ob die Einführung gentechnisch veränderter Pflanzen zu einer Reduzierung des Pestizid-Verbrauchs geführt hat, wie BAYER & Co. es in ihren Produkteinführungskampagnen versprochen hatten. Das Ergebnis fällt wenig erfreulich für die Agro-Riesen aus. Bei den Herbiziden gingen zwar am Anfang die ausgebrachten Mengen tatsächlich zurück, in den letzten Jahren stiegen sie jedoch wieder. Die Unkräuter können sich nämlich immer besser auf die Gifte einstellen, welche die Konzerne im Kombipack mit den gegen die Produkte immunen Labor-Pflanzen vermarkten. Bei den Insektiziden notierte der Report hingegen einen nachhaltigeren Rückgang, aber hier dürfte das dicke Ende, da sich Baumwoll-Kapselwurm & Co. an die Agrochemikalien gewöhnen, erst noch bevorstehen. Zudem geht die Reduzierung nicht auf die Gentechnik zurück. Auch in der konventionell betriebenen Landwirtschaft landeten weniger chemische Keulen auf den Feldern.

WASSER, BODEN & LUFT

BAYERs Energie-Mix
Der Strom, den der Leverkusener Multi an seinen Standorten selbst erzeugt, speist sich zu rund zwei Dritteln aus Erdgas und zu einem Drittel aus der besonders klimaschädigenden Kohle. Wie es um die Zusammensetzung der zugekauften Energie bestellt ist, machte der Konzern bisher nie öffentlich. Deshalb fragte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auf der letzten Hauptversammlung im April 1014 nach. Das Unternehmen gab an, das übliche Großhandelsangebot zu beziehen und nannte folgende Zahlen für den Mix: 25,6 Prozent Braunkohle, 23,9 Prozent Erneuerbare Energien, 19,6 Prozent Steinkohle, 14,4 Prozent Atomenergie und 10,5 Prozent Erdgas.

„Dream Production“ geht in Serie
Der Leverkusener Multi entwickelte gemeinsam mit RWE und der „Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen“ ein Verfahren, um Kohlendioxid als Rohstoff zur Kunststoff-Herstellung zu nutzen (Ticker 1/10). Nach erfolgreicher Erprobung der „Dream Production“ errichtet BAYER nun in Dormagen für 15 Millionen Euro eine kleine Fertigungsstätte. Sie soll jährlich 5.000 Tonnen Polyole für die Polyurethan-Herstellung liefern. Der Pharma-Riese feiert diese Innovation als eine Großtat zur Rettung des Klimas. ExpertInnen beurteilen solche Versuche skeptischer. „Die stoffliche Nutzung kann keine riesigen Mengen binden, weil wir einfach viel, viel mehr Kohlendioxid freisetzen“, sagt etwa der Chemie-Ingenieur Arno Behr von der „Technischen Universität Dortmund“. Und selbst bei der günstigsten Hochrechnung fallen die Ergebnisse bescheiden aus. Sollten wirklich einmal weltweit alle Kunststoffe nach dem neuen Verfahren hergestellt werden, so wären gerade einmal 178 Millionen Tonnen Kohlendioxid gebunden – 0,6 Prozent der jährlichen Emissionen. Darüber hinaus fällt bei der „Dream Production“ selber nicht wenig CO2 ab, da energie-aufwendige Abtrennungs-, Reinigungs- und Verflüssigungsprozesse nötig sind, ehe aus den Rauchgasen der Kohlekraftwerke ein Rohstoff für die Chemie-Industrie entsteht.

Noch mehr „Dream Production“?
Ein großangelegtes Forschungsprojekt will nach Möglichkeiten suchen, um aus Kohlendioxid und anderen bei der Stahl-Produktion entstehenden Prozess-Gasen chemische Grundstoffe zu gewinnen. Neben dem Leverkusener Multi, der die Erfahrungen mit seiner „Dream Production“ (s. o.) einzubringen gedenkt, sind unter anderem THYSSENKRUPP, SIEMENS, BASF, RWE, die Universitäten Bochum und Duisburg sowie die Fraunhofer- und die Max-Planck-Gesellschaft an dem Vorhaben beteiligt.

Brückenbau auf Deponie-Gelände
Die Deponie Dhünnaue diente BAYER von 1923 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs als Giftmüll-Schlucker. Danach ließ der Leverkusener Multi nicht nur Gras über die Sache wachsen, sondern auch 220 Wohneinheiten sowie eine Schule, einen Kindergarten und ein Altersheim. Die Folge: Allein in der Hauptschule am Rand des Geländes traten 15 Krebserkrankungen und fünf Todesfälle auf. Die notwendigen Sanierungsmaßnahmen begannen erst in den 1990er Jahren. Der Konzern trug das verseuchte Erdreich jedoch keineswegs ab und umschloss es auch nicht vollständig. Lediglich zum Rhein hin sicherte er die Altlast mit Spundwänden ab. Deshalb ist es erforderlich, stündlich 750 Kubikmeter verseuchtes Wasser abzupumpen und zu reinigen – über Jahrhunderte hinweg. Und deshalb müssen jetzt auch die Sondierungsarbeiten zum Bau einer Autobahn-Brücke auf dem Areal äußerst vorsichtig verlaufen. Jedes Bohrloch birgt bis zu zwei Tonnen Sondermüll, was die Beschäftigten dazu nötigt, einen Ganzkörperschutz zu tragen. Auch besteht die Gefahr, dass die im Erdreich schlummernden Chemikalien die Brücken-Fundamente angreifen. „Man muss genau erkunden, welche Stoffe da vorhanden sind“, so Manfred Curbach von der Technischen Universität Dresden. Und Sven Sieberth vom Landesbetrieb Straßenbau NRW sieht ebenfalls Schwierigkeiten: „Also es könnte sein, wenn man Bereiche freilegt, dass das Material, was im Moment standfest ist, und tragfähig ist, dass es durch Witterungseinflüsse wie Regen dann aufweicht und keinen tragfähigen Untergrund hinterlässt. Also das Worst Case Scenario wäre dann, dass man (...) im schlimmsten Fall eine Betonplatte über die Deponie legen müsste, also im Prinzip wie ein Brückenbauwerk. Aber das wollen wir nicht hoffen, weil das würde zu immensen Mehrkosten (...) führen.“ Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hatte schon bei Beginn der Arbeiten gefordert, den Leverkusener Multi an der Finanzierung zu beteiligen. Aber das lehnt das Land Nordrhein-Westfalen ab, da es der Bauträger sei, der in die bestehende Situation eingreife. Auch an die Aufstellung eines Mahnmales denkt Rot-Grün nicht. „Ich bitte um Verständnis, dass ich hinsichtlich Ihres Wunsches nach einem Gedenkstein für mögliche Opfer der seinerzeit betriebenen Deponie zuständigkeitshalber nicht tätig werden kann“, diese Antwort erhielt ein CBG-Aktivist aus dem Verkehrsministerium auf eine entsprechende Anfrage.

NANO & CO.

BAYER verkauft auch Nano-Patente
Vollmundig hatte das „Erfinder-Unternehmen“ BAYER 2003 die Nano-Technik gepriesen. Mit einem Marktvolumen von 200 Milliarden Euro rechnete der Konzern. Zehn Jahre später verkündete er seinen Ausstieg (Ticker 3/13), da „bahnbrechende Anwendungen für den Massenmarkt“ nicht in Sicht seien. Und 2014 beendete der Leverkusener Multi das Kapitel endgültig. Der Global Player verkaufte die Patente für die ehemalige „Zukunftstechnologie“ an die Bayreuther Firma FUTURE CARBON.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Explosion in Kolumbien
Auf dem Gelände des BAYER-Werk nahe der kolumbischen Stadt Cali kam es am 3. Juli 2014 zu einer Explosion. Drei Menschen zogen sich dabei Verletzungen zu und mussten zur Behandlung in ein Krankenhaus.

Aus undichtem Salzstock fließt Öl
Aus Kochsalz wird Sole gewonnen, ein wichtiger Grundstoff der Kunststoff-Produktion. Darum hält der Leverkusener Multi zehn Prozent der Geschäftsanteile an dem Förder-Unternehmen SGW. Dieses hat die beim Salz-Abbau entstehenden Hohlräume an Energie-Konzerne vermietet, die dort unterirdische Öl- und Gasreservoirs unterhalten. Im Münsterland bildete sich in einer 217 Meter unter der Erdoberfläche liegenden Rohrleitung eines Stollens ein Leck. Unmengen von Öl drangen daraus an die Oberfläche und überzogen große Areale mit einem schmutzigen Film. 10 Kühe, die das Gemisch tranken, mussten TierärztInnen einschläfern. 35.000 Tonnen Öl pumpten die Hilfskräfte ab und 1.000 Tonnen verseuchtes Erdreich entsorgten sie. Die SGW hatte schon zwei Monate vor dem Austritt einen Druckabfall in den Speichern bemerkt, aber keine entscheidenden Schritte in die Wege geleitet. Claudia Baitinger vom BUND erklärte zu der Umweltkatastrophe: „Ohne die unersättliche Gier nach Sole, die von den NRW-Chemiefirmen SOLVAY, BAYER und VESTOLIT/EVONIK hauptsächlich für die Herstellung des umweltproblematischen Kunststoffes PVC seit Jahrzehnten gebraucht wird, hätte es die Begehrlichkeiten, in den entstandenen Hohlräumen unter einem der ökologisch wertvollsten Naturschutz- und FFH-Gebiete NRWs riesige Öl- und Gasspeicher anzulegen, nicht gegeben. Bereits vo

[Editorial] STICHWORT BAYER 03/2014

CBG Redaktion

Liebe Leserinnen und Leser,

das Stichwort BAYER, das Sie gerade in den Händen halten, hat nicht den gewohnten Umfang. Der Ticker fehlt. Das ist gerade jetzt, wo es doch eigentlich „30 Jahre SWB“ zu feiern gilt, ein schmerzlicher Verlust, denn die Beilage vermeldet Quartal um Quartal mit dem Anspruch auf Vollständigkeit alles Neue rund um BAYER und erfüllt damit eine wichtige Dokumentationsaufgabe.

Aber es geht nicht anders. Die CBG sieht sich zu dem Schritt gezwungen, weil sie immer noch ein beträchtliches Defizit abzutragen hat. In seiner ganzen Dimension tat es sich im Jahr 2011 auf. Sozialabbau und Wirtschaftskrise hatten die Spenden-Einnahmen stark sinken lassen. Und da die CBG keine Gelder aus staatlichen oder kirchlichen Quellen erhält – das ist der Preis für ihre konsequent konzern-kritische Ausrichtung – schrumpfte der Etat auf die Höhe der Budgets von Mitte der 1990er Jahre. Der Vorstand der Coordination rief deshalb eine Rettungskampagne ins Leben, die auch ein beträchtliches Echo fand. Die CBG erfuhr ein großes Maß an Solidarität und Unterstützung. Darum gelang es, einen Gutteil der jährlichen Deckungslücke von 150.000 Euro zu stopfen. Aber es reicht nicht ganz, um das Defizit komplett abzutragen.

Die letzten 39.000 Euro wollen einfach nicht zusammenkommen. Immer wenn wir es dank größerer Spenden, neuer Fördermitgliedschaften und GarantInnen fast geschafft zu haben wähnten, mussten wir Rückschläge verkraften. Zwei Garantinnen verstarben, und eine langjährige Weggefährtin konnte uns aus privaten Gründen nicht länger unter die Arme greifen Auch machten uns immer wieder Kosten-Steigerungen, etwa bei den Post-Dienstleistungen, einen Strich durch die Rechnung. Darum hat die Coordination von Anfang an nicht nur auf eine Verbreiterung ihrer Finanzierungsbasis gesetzt, sondern auch Einsparungen vorgenommen. So hat sie schon vor zwei Jahren den Flugblatt-Versand eingestellt, wohl wissend, damit die Kampagnen zu ihren jeweiligen Schwerpunkt-Themen zu schwächen. Und jetzt ist es bedauerlicherweise am Stichwort BAYER, einen Beitrag zur Konsolidierung zu leisten.

Der Ticker wird zunächst nur noch online erscheinen, vermag damit aber zumindest seiner Archiv-Funktion als Chronik der laufenden BAYER-Ereignisse weiter nachzukommen. Das letzte Wort über sein materielles Ende ist jedoch noch nicht gesprochen. Noch läuft die Rettungskampagne, und die CBG sammelt gerade ihre Kräfte, um zu einem Endspurt anzusetzen. Es liegt also durchaus im Bereich des Möglichen, dass der Ticker doch noch einmal in der altbewährten Papier-Form wiederaufersteht.

Und Sie, liebe Leserinnen und Leser, haben die Möglichkeit, dazu beizutragen. Zunächst einmal durch das Naheliegenste: Stärken Sie doch Stichwort BAYER den Rücken, indem Sie die Zeitschrift abonnieren oder dem Förderkreis beitreten! Oder machen sie im Familien- oder Freundeskreis Werbung für das SWB!

Sie können aber auch das „Mutterhaus“ stützen, indem Sie eine Fördermitgliedschaft eingehen und so dabei helfen, die Rettungskampagne zu einem erfolgreichen Ende zu führen. Die Aktion hat uns bereits 313 neue FörderInnen eingetragen, aber wir bräuchten noch 87 weitere, um die Coordination zu stabilisieren. Und über Spenden oder Darlehen würden wir uns natürlich ebenfalls freuen.

Jetzt aber genug der Bitten und Klagen. Trotz aller Widrigkeiten haben wir uns auch dieses Mal wieder bemüht, ein anständiges Heft zusammenzustellen. Und auch wenn es vielleicht kein ganz ungetrübtes Lese-Vergnügen wird, wünsche ich ihnen doch eine anregende Lektüre. In der Hoffnung, bald wieder imstande zu sein, ihnen das Stichwort BAYER vollständig zu präsentieren, verbleibt

Jan Pehrke
Redakteur von Stichwort BAYER

[Pestizide] STICHWORT BAYER 03/2014

CBG Redaktion

Behörde macht BAYER-Werbung

Die Landwirtschaftskammer empfiehlt

Integrierter oder biologischer Pflanzenschutz sind für die Landwirtschaftskammer NRW Fremdworte. Sie empfiehlt in ihren Veröffentlichungen bevorzugt chemische Keulen – und besonders bevorzugt solche aus dem Hause BAYER. Auf kritische Nachfragen antwortet die Behörde ausweichend.

Von Sylvia Schmidt

„Der Pflanzenschutzdienst berät heute in allen Fragen des Pflanzenschutzes und der Pflanzenschutztechnik. Schwerpunkte sind der integrierte und der biologische Pflanzenschutz. Hierdurch leisten wir einen aktiven Beitrag zum Schutz der Verbraucher und der Umwelt. Auf Grund des hohen Qualitätsstandards unserer Arbeit wurden uns die Zertifikate „Gute Laborpraxis„ und „Gute Experimentelle Praxis“ zuerkannt.“ – so die eigene Aussage dieses Dienstes.
Die Landwirtschaftskammer NRW stellt auf ihrer Website Informationen bereit, wie etwa die „Pflanzenschutz-Themen der letzten Monate“ im Bereich Gemüsebau. Eine Stichprobe für März/April 2012 ergab einen eindeutigen Schwerpunkt der chemischen Bekämpfung von Schadinsekten und Pilzerkrankungen, obwohl der integrierte Anbau eine Brücke von konventionellen zu biologischen Methoden ist. Berücksichtigt werden muss hierbei, dass die Landwirtschaftskammern grundsätzlich Hinweise zur fachgerechten Anwendung chemischer Mittel geben müssen. Ihre Informationen suggerieren jedoch in den hier genannten Fällen, dass es gar keinen biologischen Weg gibt. Dieser ist für alle im Folgenden erwähnten Schadinsekten und Pflanzenkrankheiten dokumentiert, andernfalls hätte der Ökolandbau schon längst einpacken müssen; zu seinen Methoden zählen etwa der Erhalt der Bodenfruchtbarkeit als Basis für gesunde, widerstandsfähige Pflanzen oder das Anlegen von Mischkulturen von Pflanzen, die sich erfahrungsgemäß gegenseitig schützen.
Die LWK NRW nennt in den „Pflanzenschutz-Themen“ vom April 2012 u. a. das Präparat FLORAMITE 240 SC gegen Spinnmilben, ein Mittel von der Firma SPIESS-URANIA CHEMICALS GmbH in Hamburg, Gesellschafter ist MITSUI & Co. Deutschland. Nur wenige Absätze weiter steht im Informationspapier, laut Mitteilung der Firma BASF sei das Insektizid PERFEKTION in Kohlrabi und Schnittlauch genehmigt (gegen die Kleine Kohlfliege, Lauchminier- und Zwiebelfliege). Es geht im Text weiter mit KARATE ZEON gegen beißende und saugende Insekten an diversen Gemüsesorten und Kräutern. Die Suche nach dem Mittel führt direkt zur Website von SYNGENTA. In der Ausgabe vom März 2012 werden kurz Bedingungen angesprochen, die Pilzerkrankungen wie Grauschimmel fördern, dann folgen Produktnamen, hier ohne Hinweis auf die Herstellerfirma, wie ROVRAL WG (BASF), SIGNUM (BASF) oder TELDOR (BAYER). Gegen weitere Erkrankungen empfiehlt die Publikation dann SCORE (SYNGENTA) oder BASAGRAN (BASF).
Dass Produktnamen immer wieder zu denselben Konzernen führen, hängt natürlich mit Marktstrukturen zusammen. Das nächste Beispiel zeigt aber, dass Ausgewogenheit an Informationen bewusst versäumt wird. Ein Artikel desselben Pflanzenschutzdienstes, „Schädlinge an Kübelpflanzen“, bezieht sich zwar speziell auf Zierpflanzen, zählt aber Schadinsekten-Arten auf, die man im Gemüse- und Kräuteranbau genauso kennt. Die Landwirtschaftskammer informiert hier nicht näher über die Schadinsekten, auch nicht über Bedingungen, die sie fördern, Jahreszeiten, in denen mit ihnen zu rechnen ist, oder Pflanzenteile, die sie bevorzugt „angreifen“. Der Pflanzenschutzdienst empfiehlt KübelpflanzenbesitzerInnen beim Auftreten bestimmter Schadinsekten (diverse Lausarten, Spinnmilben, Weiße Fliege) einfach Agrochemie. Gleich 6 mal rät der Dienst zu BAYER-Produkten, unter anderem mit von der Partie das Zierpflanzen-Spray LIZETAN, die Combistäbchen LIZETAN NEU, das BAYER GARTEN SPINNMILBENSPRAY PLUS und Bayer Garten Bio-Schädlingsfrei Neem. Zudem preist die LWK Mittel der Firmen SCOTTS, COMPO und CHEMINOVA an. Andere Unternehmen, die biologische Pflanzenschutzmittel (auch auf Neem-Basis!) herstellen, wurden gar nicht genannt, obwohl es sie gibt.
Mails mit kritischem Hinweis auf diese Häufung des Namens BAYER, geschrieben an die LWK selbst sowie an den „Verbraucherlotsen“ (des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung in Bonn), zeigten folgende Wirkung: „Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat bezüglich der geschilderten Vorgänge keinerlei Zuständigkeiten oder Befugnisse“, teilte der „Verbraucherlotse“ mit. Dabei hält das das Landwirtschaftskammergesetz in §23 (Fn 14) 1 zur Aufsicht über die LWK NRW eindeutig fest: „Die Landwirtschaftskammer unterliegt der Aufsicht des Ministeriums (Aufsichtsbehörde).“
Die Antwortmail aus Düsseldorf (Referat II A 5 „Pflanzenproduktion, Gartenbau“ im Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen) wies darauf unterdessen hin, es seien in dem Artikel nicht nur Präparate der Firma BAYER genannt worden, sondern „BAYER, CELAFLOR, CHEMINOVA und COMPO“. Dazu ist jedoch anzumerken, dass SCOTT’S CELAFLOR MONSANTOs ROUNDUP für den Hobbygarten vertreibt, CHEMINOVA Vereinbarungen mit BAYER CROPSCIENCE geschlossen, bzw. Produkte übernommen hat wie auch von SYNGENTA, und seit 2000 gibt es laut Unternehmens-Historie zudem ein Joint Venture mit DOW AGROSCIENCE. Und COMPO? Kooperiert „seit 2005 intensiv mit SYNGENTA“.
Der Referatsleiter wies den Vorwurf der Werbung für BAYER zurück und erklärte unter anderem, die „vermissten biologischen Maßnahmen“ würden „nach Erfahrung des Pflanzenschutzdienstes“ nicht ausreichen, das „zweimal erwähnte Produkt BAYER GARTEN BIO-SCHÄDLINGSFREI NEEM“ gehöre zu den biologischen Präparaten. Die Mail befasste sich dann mit den in der kritischen Rückfrage erwähnten Kräuterjauchen, diese seien kein Pflanzenschutzmittel im rechtlichen Sinne, ihr Wirkungsgrad sei häufig viel zu gering, Wirkung auf Nützlinge sei nicht bekannt, und „phytotoxische Eigenschaften“ könnten nicht ausgeschlossen werden. „Als Pflanzenschutzmittel zugelassene Präparate sind dagegen umfassend geprüft worden.“
Die Antwort aus dem Ministerium in Düsseldorf legt damit nahe, eine aus nicht zulassungspflichtigen Bestandteilen Wasser und Kräutern (z. B. Brennesseln) durch simples Stehenlassen hergestellte Jauche könne ernste Schäden hervorrufen und sei nicht hinreichend geprüft (s. dazu Fachliteratur zum biologischen Anbau). Es folgt in der Mail ein juristischer Vermerk, im Haus- und Kleingarten dürften nur zugelassene und gekennzeichnete Pflanzenschutzmittel angewendet werden, die eigene Herstellung sei nicht gestattet. Dass hier versucht wird, Unsicherheit zu bewirken und auch mittels leiser Drohung die Anwendung biologischer Mittel als illegal hinzustellen, sah das Ministerium nicht so. Eine „leise Drohung“ könne man in der Wiedergabe der Rechtslage nicht erkennen, teilte es dazu schriftlich per Post mit.