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Veröffentliche Beiträge von “CBG Redaktion”

[Duogynon] Duogynon / Primodos

CBG Redaktion

Die tageszeitung, 4. Juli 2012

Klage gegen Bayer Schering Pharma AG

Lebenslängliche Beweise

Duogynon galt als harmloser Schwangerschaftstest – bis missgebildete Kinder geboren wurden. Ein Betroffener klagt gegen Bayer Schering. Er hat überzeugende Beweise.von Heike Haarhoff

Wenn André Sommer heute heimkehrt nach Pfronten, wird es Pfannkuchen geben. Hannes, sein zweijähriger Sohn, liebt Pfannkuchen. Und deswegen hat der Opa gesagt, dass sie heute, an seinem 61. Geburtstag, Pfannkuchen essen. Ein strahlend klarer Tag im Allgäu, auf den Bergen schmilzt der letzte Schnee, und wenn es windstill bleibt, dann können sie vielleicht sogar alle zusammen draußen sitzen, und die Oma, Lydia Sommer, 58 Jahre alt, wird auch dabei sein.
André Sommer, der 36 Jahre alt ist, und sein Vater Herbert werden sie heraustragen aus ihrem Bett im Wohnzimmer. In dem liegt sie seit elf Jahren, abwesend, regungslos, künstlich ernährt. Aber selbstständig atmend. Ob und wie viel Bewusstsein sie hat, vermag niemand zu sagen. Vor elf Jahren, an ihrem 47. Geburtstag, hatte Lydia Sommer einen Herzinfarkt. Seither schwebt sie in einem Zustand, der ihre Familie mal hoffen, mal verzweifeln lässt, und den Ärzte als Wachkoma bezeichnen.
„Ich würde etwas darum geben, noch einmal mit ihr reden zu können“, sagt André Sommer. Ihr sagen zu können, dass er jetzt ganz nah dran ist. Dass er anhand neu aufgetauchter Dokumente vielleicht doch wird nachweisen können, was er ihr versprochen hat: Dass sie wirklich keine Schuld trifft an den Missbildungen, mit denen er 1976 geboren wurde: der Penis verkümmert, die Blase außen am Bauch angewachsen.
Die Schuldfrage müsse bei anderen überprüft werden, sagt André Sommer: Bei der Berliner Pharmafirma Schering, die bis weit in die siebziger Jahre hinein in Deutschland ein Medikament verkauft hatte, das auch André Sommers Mutter 1975, gerade schwanger geworden, geschluckt hatte: Duogynon, eine Gestagen-Östrogen-Kombination, eingesetzt als Mittel bei ausgebliebener Monatsblutung. Aber eben auch als vermeintlich harmloser Schwangerschaftstest. Und das, obwohl Schering möglicherweise bereits seit Ende der sechziger Jahre Kenntnis darüber hatte, dass Duogynon fruchtschädigend wirken konnte.
Das legen jetzt öffentlich gewordene Dokumente aus den sechziger Jahren aus Großbritannien nahe, wo Duogynon unter dem Namen Primodos verkauft wurde. Jahrzehntelang lebten hunderte Familien und ihre Kinder, die an Gaumenspalten, Herzfehlern und deformierten Extremitäten litten, mit einem Verdacht, für den sie jedoch keine Beweise hatten. Jetzt aber haben Behörden Akten freigegeben, sind Sperrfristen abgelaufen, haben Zeugen sich erinnert und ihre Archive durchwühlt. Zumindest in Großbritannien.

Mehr als nur ein Zufall
Und André Sommer hält einige dieser Dokumente in den Händen, in beglaubigter Übersetzung und wie einen Schatz: Vertrauliche Schriftwechsel zwischen Mitarbeitern von Schering Chemicals Limited, dem britischen Schering-Ableger, und der dortigen damaligen Arzneimittelbehörde Committee on Safety of Drugs, Warnhinweise von Ärzten, Berichte über Tierversuche, Studien. Alle mit dem einen Tenor: Die vielen Babys mit Fehlbildungen nach der Einnahme von Primodos während der Frühschwangerschaft – sie waren mehr als ein Zufall.
Wenn aber Schering England informiert war, warum dann nicht auch Schering Deutschland? Warum blieb Duogynon hier auf dem Markt? Warum enthielt nicht einmal die Packungsbeilage Warnhinweise?
Deswegen zieht André Sommer, der als Grundschullehrer im bayerischen Pfronten arbeitet, an diesem Donnerstag erneut vor das Landgericht Berlin – als Kläger gegen die Bayer Schering Pharma AG. Sie ist die Nachfolgerin von Schering. Sie will er haftbar machen für den ihm entstandenen Schaden: Für dreizehn Operationen wegen des Urin-Stomas, des künstlichen Harnausgangs am Bauch, von dem keiner weiß, wie lange er hält. Für mehrere Eingriffe zur Rekonstruktion seiner Genitalien. Für gelockerte Zähne aufgrund starker Antibiotikagaben. André Sommer sagt: „Für mich ist das lebenslänglich und nichts, das verjährt.“
Wer sich an die Bayer Schering Pharma AG wendet und wissen möchte, was dem Mutterkonzern in Deutschland wann über Duogynon bekannt war, ob die Schriftstücke aus England der deutschen Firmenleitung damals vorlagen und ob es möglich wäre, diese Fragen anhand des Firmenarchivs zu recherchieren, erhält per E-Mail eine Standardantwort: „Nachdem Ende der 60er Jahre Bedenken gegen die Sicherheit von Duogynon geäußert wurden, wurde Duogynon erneut zahlreichen Prüfungen im In- und Ausland unterzogen.
Es folgte ein ausführlicher wissenschaftlicher Diskurs mit unabhängigen Experten und Fachorganisationen mit dem Ergebnis, dass es keinen Nachweis für einen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Duogynon und dem Auftreten der seinerzeit aufgetretenen Missbildungen gibt. Es sind keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse bekannt, die die Gültigkeit der damaligen Bewertung in Frage stellen würden.“

Angst vor einer Klagewelle
Keine Angaben dazu, wer diese unabhängigen Experten und Fachorganisationen sein sollen. Keine Herausgabe der vermeintlichen Nachweise. Keine Veröffentlichung der angeblich vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnisse. Bayer Schering macht dicht. Zu groß sei die Angst vor einer Klagewelle, mutmaßt André Sommers Berliner Rechtsanwalt Jörg Heynemann: Schätzungen von Betroffeneninitiativen zufolge geht die Zahl der Duogynon-Geschädigten weltweit in die Tausende.
Im ersten Prozess vor eineinhalb Jahren war der Konzern durchaus erfolgreich mit seiner Taktik, zu mauern, zu schweigen, abzulehnen. Damals entschied das Landgericht Berlin, etwaige Auskunftsansprüche von André Sommer seien verjährt. Die inhaltliche Frage, ob Duogynon fruchtschädigend wirken konnte oder nicht und seit wann Schering hierüber informiert war, blieb dabei auf der Strecke.
Und jetzt die neuen Dokumente. Es ist die Kinderärztin Isabel Gal vom Queen Mary’s Hospital for Children in Carshalton, Surrey, der das Leid ihrer kleinen Patienten keine Ruhe lässt. 1967 veröffentlicht Gal in der Fachzeitschrift Nature eine Studie: Mütter missgebildeter Kinder haben zu einem überdurchschnittlich hohen Prozentsatz hormonelle Schwangerschaftstests vorgenommen. Die Arzneimittelbehörde reagiert.
In einem als „vertraulich“ klassifizierten Schreiben vom 11. Dezember 1967 an die „sehr geehrte Frau Dr. Gal“ schreibt der Senior Medical Officer, W. H. W. Inman, „dass die Hersteller nun aktive Maßnahmen ergreifen, um dem Verdacht auf eine teratologische Missbildungen verursachende, d. Red. Wirkung nachzugehen“. Am College of General Practitioners in Schottland würden mehr als 10.000 Schwangerschaften verfolgt. „Ich persönlich vertrete dieselbe Einstellung zum Nutzen von Schwangerschaftstests wie Sie“, schreibt Inman an Gal und fährt fort: „Ich halte sie offen gestanden nicht für zweckmäßig genug im Vergleich mit anderen (biologischen) Methoden, um auch nur den geringsten Hinweis auf eine Teratogenizität zu rechtfertigen.“

Erneute Warnung
Mit dieser Einschätzung ist der Mann von der Londoner Aufsichtsbehörde nicht allein. Am 17. Februar 1969 bekommt Inman Post. Der Absender ist N. M. B. Dean, Pharmaceutical Division, Schering Chemicals Limited. Der Schering-Mitarbeiter Dean warnt vor dem Schering-Medikament: „Im Rahmen der Outcome of Pregnancy Study des Royal College of General Practitioners haben wir speziell das Ergebnis der Schwangerschaft immer dann untersucht, wenn bestimmte spezifische Medikamente verabreicht worden waren. … Auf den ersten Blick scheint es jedoch, dass die 10% Aborte nach Primodos wahrscheinlich nicht dem Zufall geschuldet sind. Hinsichtlich der 4 verzeichneten Anomalien handelt es sich bei zweien um Gaumenspalten. … Angesichts dieser, wenn auch vorläufigen Ergebnisse, sollte man nach meiner persönlichen Meinung Primodos zurückziehen bzw. nicht weiter verwenden.“
Der Druck auf Schering wächst. Die Firma pariert auf ihre Art – mit der bewusst versuchten Diskreditierung kritischer Wissenschaftler und deren Publikationen im Medical Letter. Im August 1969 zirkuliert bei Schering ein internes Papier, eine Art Argumentationshilfe für einen Konzern in Bedrängnis: „Die vorliegende Analyse verfolgt den Zweck, andere als im Medical Letter zitierte Nachweise vorzulegen, was nahe legt, dass die im Medical Letter gezogenen Schlussfolgerungen anfechtbar und möglicherweise vollkommen irrig sind.“
1970 ist Schluss. Die britischen Behörden ziehen die Reißleine. Primodos darf nicht mehr als Schwangerschaftstest angewendet werden. In Deutschland dagegen passiert bis zur Marktrücknahme 1981 nichts.
Treuwidrigkeit wegen gezielter Täuschung der Öffentlichkeit seit den siebziger Jahren, so heißt der Vorwurf im Juristendeutsch. Bejaht ihn das Landgericht und gibt damit André Sommers zivilrechtliche Haftungsklage statt, dann hat Sommer einen Wunsch: Dies seiner Mutter zu sagen. Und Gehör bei ihr zu finden.

[Duogynon] Duogynon / Primodos

CBG Redaktion

Presse Information vom 3. Juli 2012
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Fehlbildungen durch Duogynon: Prozess gegen BAYER

Tausende Geschädigte durch hormonelle Schwangerschafts-Tests / Risiken frühzeitig bekannt

Prozessbeginn: 5. Juli, 13 Uhr
Ort: Landgericht Berlin, Tegeler Weg 17-21, Raum I/100 Altbau
Aktenzeichen: 1 O 60/11

Am Donnerstag beginnt am Landgericht Berlin der Prozess von Geschädigten des hormonalen Schwangerschaftstests Duogynon gegen die Bayer Pharma AG. Der Einsatz des Präparats führte in den 60er und 70er Jahren zu schweren Fehlbildungen. Stellvertretend für Tausende von Geschädigten hat der Grundschul-Lehrer Andre Sommer nun eine Haftungs-Klage eingereicht.

Andre Sommer wörtlich: „Es geht uns um Aufklärung und Gewissheit. Bayer sollte endlich alle Unterlagen zu Duogynon offen legen. Es kann nicht sein, dass sich der Konzern weiterhin auf Verjährung beruft und jede Aufklärung verweigert - dies ist eine Verhöhnung der mutmaßlichen Duogynon-Opfer.“

Nach Ansicht von Jörg Heynemann, dem Anwalt von Sommer, hat Bayer das Recht verwirkt, sich auf Verjährung zu berufen, weil Schering auch unredliche Mittel nutzte, um die schädigende Wirkweise von Duogynon zu vertuschen. Hierfür hat Heynemann mehrere Beweismittel angeboten und einen ehemaligen Schering-Mitarbeiter als Zeugen benannt.

Schering gehört seit 2006 zum Bayer-Konzern. Kürzlich aufgetauchte Dokumente belegen, dass dem Unternehmen Schering die Risiken des Präparats, darunter Herzfehler, fehlende Gliedmaßen, Gaumenspalten und Nierenschäden, frühzeitig bekannt waren. Heute Abend wird auch das TV-Magazin Frontal 21 über den Fall berichten.

Unterstützt werden die Betroffenen von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG). Auf Einladung der CBG haben Geschädigte in der BAYER-Hauptversammlung mehrfach eine Entschuldigung des Konzerns gefordert. Philipp Mimkes vom Vorstand des Netzwerks: „Die Betroffenen leiden täglich unter den Mißbildungen und müssen ständig ärztlich behandelt werden. Es ist sittenwidrig, dass sich Bayer mit dem Argument der Verjährung aus der Verantwortung stehlen will. Wir fordern gesetzliche Regelungen, die eine Verjährung bei dauerhaften Schädigungen durch Medikamente ausschließen!“. Mimkes erinnert daran, dass Schering den betroffenen Eltern in den 70er Jahren ein Vergleichsangebot unterbreitete – unter der Bedingung, dass diese ihre öffentliche Kritik unterließen.

Mitarbeiter von Schering hatten frühzeitig vor den Risiken von Duogynon gewarnt. So schrieb ein für Schering arbeitender Wissenschaftler im November 1967 an die Firmenleitung: „Die offenkundige Korrelation zwischen der Zunahme geborener Missbildungen und dem Verkauf des Schwangerschaftstests erscheint ziemlich alarmierend.“ 1969 forderte die britische Behörde Committee on Safety of Drugs von Schering die Herausgabe der Labordaten bezüglich Duogynon. Nach Auswertung der Unterlagen wurde auf den Schachteln eine Warnung angebracht, wonach das Präparat wegen des Risikos von Fehlbildungen nicht in der Schwangerschaft eingenommen werden dürfe. Schering strich daraufhin in Großbritannien die Indikation Schwangerschaftstest, nicht jedoch in Deutschland.

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[Duogynon] Duogynon / Primodos

CBG Redaktion

Der Tagesspiegel, 2. Juli 2012

Wahrheit verjährt nicht

Vor über 30 Jahren kam Duogynon auf den Markt, und Frauen gebaren missgebildete Kinder. Der Bayer-Konzern sieht keinen Zusammenhang, das belegten Studien. Sehen darf die niemand.

Gisela Clerc hält ihre Zettel fest in der Hand. Sie hat Zeitungsartikel ausgedruckt und zusammengeklebt, zu Hause, in Kulmbach bei Bayreuth. Die Zettel erzählen das Drama ihres Lebens, deshalb will sie die an diesem Freitag verteilen. Doch wo sie steht, auf der Wiese vor der Messe in Köln, kommt niemand vorbei, dem sie die Zettel in die Hand drücken könnte. Gisela Clerc steht auf der falschen Seite des Zauns.
Die mehr als 3000 Besucher, die mit Bussen zur Hauptversammlung des Chemie- und Pharmakonzerns Bayer anreisen, diejenigen also, denen sie die Zettel geben will, steigen auf der anderen Seite des Zauns aus. Es sind die Aktionäre, die ein kleines Stück des Unternehmens besitzen, denen Bayer deshalb Rechenschaft schuldig ist.
Gisela Clerc will auch Rechenschaft.
Auf der falschen Seite des Zauns sind sie zu fünft an diesem Frühlingstag, ein versprengtes Grüppchen in rot-weißen, selbst bedruckten T-Shirts. „Duogynon?! Wir sind nicht verjährt!“ steht darauf. Duogynon hieß ein Hormonpräparat, das der von der Bayer AG übernommene Berliner Pharmakonzern Schering von 1950 bis Ende der 70er Jahre als Schwangerschaftstest und gegen Menstruationsstörungen verkaufte. Clerc und ihre Mitstreiter nahmen das Mittel und brachten dann Kinder zur Welt, die Wasserköpfe haben, verkrüppelte Arme und Beine oder Löcher im Herzen wie bei Gisela Clercs Tochter. Ein zweiter Contergan-Skandal, so sehen sie das. Bayer bestreitet jeden Zusammenhang und hält sich ansonsten bedeckt. Unterlagen zu dem Fall gibt der Konzern nicht raus und wehrt sich vor Gericht gegen Offenlegungswünsche, weshalb am kommenden Donnerstag ein neuerliches Verfahren dazu vorm Berliner Landgericht beginnt.
Um Einsicht in die Akten will auch Gisela Clerc an jenem Frühlingstag in Köln bitten. Sie wird die Redezeit einer kritischen Aktionärsvereinigung nutzen, um zu den Aktionären und dem Vorstand von Bayer zu reden, und hinter ihr wird das Bayer-Logo „Science for a better Life“ leuchten. Es wird sich wie ein grausiger Kommentar zu ihrer Geschichte ausnehmen. Einer Geschichte, die, wie es aussieht, ohne zufriedenstellendes Ende wird auskommen müssen.
Aber noch steht sie jenseits des Zauns auf der Wiese. Ihre Zettel, für die sie keinen Abnehmer findet, steckt sie wieder weg. Ein Bus fährt vorbei. Nun greift Clerc zu einem Transparent und hebt es in die Höhe. Die Aktionäre, die vorbeigefahren werden, sollen es sehen. „Duogynon-Opfer klagen an!“, steht dort geschrieben. Der Bus zieht vorbei, und sie lässt das Transparent sinken.
„Jeder Handwerker, der einen Fehler macht, muss dafür geradestehen“, sagt sie. „Aber die Konzerne, die haben so eine Macht.“
Als sie 1969 die zwei kleinen Pillen aus dem Hause Schering schluckt, ist Clerc natürlich nicht klar, dass sie sich einmal mit dieser Macht wird messen müssen. Ihr Frauenarzt hat ihr Duogynon verschrieben. Das Mittel mit den weiblichen Sexualhormonen Progesteron und Östradiol löst bei Frauen, die nicht schwanger sind, eine Blutung aus. Auch Gisela Clerc hat einen Blutsturz. Doch gut sechs Monate später kommt ihre Tochter zur Welt.
Als sie ihr nur vier Pfund schweres Kind nach zwei Tagen zum ersten Mal sehen darf, wird es beatmet und durch die Nase ernährt. Ein Teil des kleinen Fingers fehlt ihr, die Herzwand hat Löcher, zwei Klappen funktionieren nur eingeschränkt, eine Hauptschlagader ist verengt, das linke Ohr ist fast taub, auf einem Auge kann sie kaum sehen.
Clerc nennt das Mädchen Birgit und zieht es allein groß, denn die Ehe geht in die Brüche. Sie arbeitet nachts in einer Stickerei, tagsüber pflegt sie ihr Kind. „Ich war immer müde“, sagt sie über die Zeit damals. Im „Stern“ liest sie 1978 über einen möglichen Zusammenhang zwischen Duogynon und Fehlbildungen bei Kindern. Sie nimmt Kontakt zu anderen Müttern auf, die Duogynon genommen haben und behinderte Kinder zur Welt brachten.
Damals lernte sie auch die Eltern von André Sommer kennen, der mit verkümmerten Genitalien und einer außen liegenden Blase zur Welt kam. 13 Mal wurde er seither operiert, das letzte Mal im Jahr 2005. André Sommer ist heute 36, Familienvater und Grundschullehrer. Man sieht ihm seine Behinderung nicht an. Er ist derjenige, der die Geschädigten organisieren will. Mehr als 300 Menschen haben sich in den vergangenen Jahren an André Sommer gewandt und ihre Fälle geschildert: Er bekam 133 Meldungen zu skelettalen Missbildungen, 62 Meldungen zu Organen und weiteren inneren Schäden, 55 Meldungen zu urologischen Schäden, 47 Meldungen zu Todesfällen, 18 Meldungen zu Gehirnschädigungen. Er ist auch derjenige, der die Klagen gegen den großen Pharma- und Chemiekonzern vorantreibt. Beim ersten Prozess im November 2010 vor der Zivilkammer des Berliner Landgerichts sagte er: „Ich möchte das abschließen, ich möchte Gewissheit.“
Es war so einfach, eigentlich. Sommer wollte Auskunft darüber, warum Schering das Präparat in Großbritannien schon 1970 nicht mehr als Schwangerschaftstest anbot, diese Indikation in Deutschland aber erst 1978 von der Packung entfernte. Auskunft über Studien, die beweisen sollen, dass es keinen Zusammenhang zwischen Duogynon und den Missbildungen gibt. Und er verlor.
Bayer muss keine Auskunft geben. Sämtliche Ansprüche seien 2005, also 30 Jahre nach der Einnahme von Duogynon durch Sommers Mutter, verjährt, entschied das Berliner Landgericht. Sommers Interesse an einer Offenlegung der Unterlagen zu dem Mittel sei „menschlich verständlich“, aber nach dem Gesetz nicht durchsetzbar. Auch Sommers Berufung wird 2011 vom Bundesgerichtshof abgewiesen. Nun wird das Verfahren vor dem Berliner Landgericht neu aufgerollt. Diesmal geht es um Schadenersatz und Schmerzensgeld. Doch Sommer sagt, es sei nur ein weiterer Versuch, die Einsicht in die Unterlagen zu erzwingen.
Einige der Unterlagen, um die es ihm geht, sind gut 30 Jahre alt. Anfang der 80er Jahre hatte eine Frau Anzeige wegen Körperverletzung gegen Schering erstattet. Auch sie hatte Duogynon genommen und 1975 einen Sohn mit einem missgebildeten Arm zur Welt gebracht. Das Ermittlungsverfahren wurde 1982 eingestellt, seitdem sind die Akten unter Verschluss.
Zu Recht, darauf besteht der Konzern. „Die Staatsanwaltschaft hat alle Unterlagen geprüft und die Ermittlungen eingestellt“, sagt Friederike Lorenzen, Sprecherin der Schering-Nachfolgerin Bayer Pharma, am Telefon in ihrem Büro in der Müllerstraße im Norden Berlins.
Warum Bayer die Akten nicht einfach offenlegt? „Ich weiß es nicht“, sagt Lorenzen. „Aber wir verhalten uns gesetzeskonform.“ Außerdem gelte, dass es „keine Kausalität zwischen der Einnahme des Mittels Duogynon und den angeborenen Fehlbildungen“ gebe. Etliche Studien aus den 70er Jahren hätten das gezeigt, neue Erkenntnisse gebe es nicht.
Bald aber soll es neue Erkenntnisse geben. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte BfArM beauftragte jüngst das Universitätklinikum Charité, sich mit dem Hormonmittel zu beschäftigen. Die Behörde ist für die Arzneimittelsicherheit in Deutschland zuständig, bei ihr gehen Spontanmeldungen zu Nebenwirkungen und Todesfällen ein, die möglicherweise mit einem Medikament zusammenhängen könnten.
Der Kinderarzt Christof Schaefer, der am Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Charité arbeitet, wertet derzeit die Fälle aus – ein äußerst schwieriges Projekt. Es fehlen viele Angaben, exakte Daten, die er brauchen würde, um einen Zusammenhang zwischen Duogynon und den Fehlbildungen zu ermitteln. „Eine hundertprozentige Wahrheit werden wir so viele Jahre später nicht mehr herausfinden können“, sagt Schaefer. Dass Bayer die Unterlagen nicht freigeben will, versteht er nicht. Das nähre den Verdacht, dass etwas nicht stimme.
So sehen das auch Gisela Clerc, André Sommer und die anderen. Für Gisela Clerc kommt das Verhalten von Bayer einem Schuldeingeständnis gleich. „Wenn ich die Unterlagen sehen könnte, wäre sofort alles vorbei, dann würde ich kein Gericht mehr bemühen“, sagt sie und fragt: „Was sind das für Menschen, die solche Entscheidungen treffen?“
In Köln ist es Nachmittag geworden, 16 Uhr, und die meisten der mehr als 3000 Aktionäre sind bereits gegangen, da ist die Redezeit von Gisela Clerc gekommen. Sie wirkt klein auf der großen Bühne am Ende der abgedunkelten Messehalle. Schräg neben ihr sitzen ebenfalls auf der Bühne die Vorstände und Aufsichtsräte um den Vorstandvorsitzenden Marijn E. Dekkers. Sie sitzen da in ihren dunklen Anzügen nebeneinander und bilden eine lange Reihe. Manager, die quer über die Welt die Konzernmilliarden verwalten und vermehren. Sie müssen bleiben, bis auch der letzte Aktionär gesprochen hat.
Gisela Clerc trägt ihr selbst bedrucktes T-Shirt und eine graue Jeans, die Scheinwerfer sind auf ihr Rednerpult gerichtet. Clerc sagt zu den leeren Stuhlreihen vor sich: „Wir alle wollen Gewissheit darüber haben, was in den Duogynon-Unterlagen über Missbildungen steht.“ Dann wendet sie den Kopf zu den Männern in den Anzügen und bittet, den Geschädigten die Unterlagen zukommen zu lassen.
Nach ihr betritt Silke Ehrenberg die Bühne. Sie wurde mit verkümmerten Händen geboren. In denen liegt nun ihr Redezettel, den sie für ihren Auftritt in Köln vorbereitet hat. Ehrenberg blickt hinüber zu Dekkers, als sie sagt, wie es ist, „wenn es wieder mal anfängt zu regnen und ich nicht in der Lage bin, einen Regenschirm zu halten oder meine Kapuze aufzusetzen“. Ehrenberg spricht langsam und tonlos. Bayer müsse seine Haltung überdenken, sagt sie. „Ich stehe hier heute vor Ihnen und lebe damit. Von Verjährung keine Spur.“
Dekkers antwortet, auch langsam und tonlos, äußert sein Bedauern über das Schicksal der Frauen. Es gebe keinen Nachweis für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Duogynon und den diskutierten embryonalen Fehlbildungen, das hätten „umfangreiche medizinische und toxikologische Gutachten ergeben“. Das ist das, was Gisela Clerc, Silke Ehrenberg und die anderen immer hören. Es gibt ihnen keine Antwort.
Drei Frauen sprechen an diesem Freitagnachmittag in Köln über Duogynon. Es sind drei Betroffene von mehr als 300. Dann ist die Redezeit, die ihnen die kritische Aktionärsvereinigung überließ, vorbei und auch die Hauptversammlung wird für beendet erklärt. Die Vorstände und Aufsichtsräte verschwinden in ihrer riesigen Bayer-Welt. Und diejenigen, die zurückbleiben, tun dies wieder mal mit dem Gefühl, an einer Macht abgeprallt zu sein.
Und sie bleiben zurück mit ihren Fragen nach dem Warum. von Jahel Mielke

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[Ticker] STICHWORT BAYER 03/2012 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

BAYER occupied
Aus Protest gegen die Vermarktung bienengefährlicher Agrochemikalien (siehe auch PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE) haben OCCUPY OAKLAND, das PESTICIDE-ACTION-NETWORK und andere Gruppen den Eingang des BAYER-Werkes im US-amerikanischen Berkeley besetzt und ein „bee-in at BAYER“ abgehalten.

Neonicotinoide-Verbot gefordert
Ein großer spanischer Landwirtschaftsverband hat sich mit einem Appell an die Regierung gewandt, Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie die BAYER-Wirkstoffe Clothianidin und Imidacloprid zu verbieten, da diese schon Millionen von Bienenvölkern den Tod gebracht haben.

CBG reicht EU-Beschwerde ein
Die Anlage zur Produktion des Kunststoffes TDI, die BAYER in Dormagen plant, entspricht nicht dem neuesten Stand der Technik. So will der Multi die Fertigungsstätte nur mit Blech statt mit Beton ummanteln. Zudem verzichtet der Konzern auf den Einbau einer Schutzwand, die bei einer Explosion mit nachfolgendem Phosgen-Austritt neutralisierendes Ammoniak freisetzen könnte. Auch der hohe Ressourcen-Einsatz, das Fehlen von „Worst Case“-Szenarien sowie die Verwendung hochgefährlicher Zwischenprodukte wie Phosgen stoßen auf Kritik. Für das Bundesumweltministerium hat die Fertigungsstätte dennoch „Vorbild-Charakter“, weshalb es die „Kreditanstalt für Wiederaufbau“ (KfW) anwies, dem Pharma-Riesen einen zinsgünstigen Kredit in Höhe von 150 Millionen Euro zu gewähren. Eine eigenständige Prüfung hat die bundeseigene Institution nicht durchgeführt, ihr reichte die Genehmigung der Anlage als Grundlage für die Entscheidung, gegen welche die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gemeinsam mit dem BUND bei der EU eine Beschwerde wegen unrechtmäßiger Subventionierung eingereicht hat.

BUND kritisiert Bisphenol-Grenzwert
BAYER ist mit einer Jahresproduktion von ca. einer Million Tonnen einer der größten Produzenten der Industrie-Chemikalie Bisphenol A. Drei Prozent davon finden in Lebensmittel-Verpackungen wie etwa Konservendosen Verwendung. Da die Substanz Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen hervorzurufen vermag, hatte die EU im März 2011 ihre Verwendung in Babyflaschen untersagt (Ticker 1/12), sonst aber keine weiteren Schritte unternommen. Die Behörden verweisen bei ihren Unterlassungshandlungen stets auf die eingehaltenen Grenzwerte. Genau das hat der BUND nun kritisiert. „Dem Konzept, mit den klassischen Methoden der Toxikologie einen sicheren Schwellenwert festlegen zu können, liegt eine These zugrunde, die widerlegt ist“, heißt es in einer Broschüre zum Thema. Das von der Leber nicht unschädlich gemachte und in den Blutkreislauf geratene Bisphenol verhält sich nämlich wie ein Hormon – und da helfen dann keine Limits mehr. „Hormone wirken viel komplexer. Vielleicht gibt es beim menschlichen Fötus eine ganz bestimmte Phase, in der Bisphenol A eine Weiche im Entwicklungsprozess verstellt. Wenn man dieses Zeitfenster in Tierversuchen nicht richtig erfasst, kann man natürlich keine Auswirkungen sehen“, führt der BUND-Experte Heribert Wefers aus.

Onkologe kritisiert Innovationsstau
Der Leverkusener Multi preist stets seine segensreichen Arznei-Neuentwicklungen. MedizinerInnen dagegen beurteilen die Erfindungskraft der Branche deutlich skeptischer. „Wir sehen Innovationen sehr viel seltener als die Pharma-Konzerne“, sagt etwa der Krebs-Spezialist Wolf-Dieter Ludwig. Besonders auf seinem eigenen Fachgebiet erblickt er kaum Neues am Horizont: „Was in den letzten Jahren erreicht worden ist, steht in keinem Verhältnis zu den Jahrestherapie-Kosten von bis zu 70.000 Euro.“ Unter dieses Verdikt fällt auch BAYERs NEXAVAR, denn Ludwig lässt nur ein Medikament wirklich gelten: ein Hautkrebs-Therapeutikum von BRISTOL MYERS-SQUIBB.

ProfessorInnen warnen vor Einflussnahme
Einen Kooperationsvertrag, wie ihn BAYER mit der Kölner Universität vereinbart hat, schließen immer mehr Bildungseinrichtungen mit Unternehmen ab. Darum hat der „Deutsche Hochschulverband“ jetzt vor der Gefahr sachfremder Einflüsse auf die Wissenschaft durch Industriegelder gewarnt. Die Tendenz, Drittmittel zum „Fetisch und zur Währung des Wissenschaftsbetriebs“ zu machen, gefährde die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Forschung, erklärte die Organisation. Zudem forderte sie, die Öffentlichkeit gezielt über die Bedingungen der Zusammenarbeit zu informieren. Das sollten sich der Leverkusener Multi und die Kölner Hochschule zu Herzen nehmen, denn sie weigern sich strikt, die entsprechenden Dokumente offenzulegen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hat deshalb bereits die Gerichte eingeschaltet.

KAPITAL & ARBEIT

Drei Prozent mehr Geld
Im Mai 2012 einigten sich die Tarif-Parteien in der Chemie-Industrie auf eine Entgelt-Erhöhung von 4,5 Prozent für die nächsten 19 Monate. Auf das Jahr gerechnet ergibt das eine Steigerung von ca. drei Prozent. Im letzten Jahr hatte es mit 4,1 Prozent für 15 Monate noch ein besseres Ergebnis gegeben. Zudem gelang es BAYER & Co., ihre Forderung nach mehr Flexibilisierung durchzusetzen. Die Betriebe dürfen jetzt um bis zu 2,5 Stunden von der 37,5 Stunden betragenden Wochenarbeitszeit abweichen.

IG BCE segnet Rationalisierungen ab
BAYER hat den Bereich „Rechnungswesen“ einem umfangreichen Rationalisierungsprogramm unterzogen (Ticker 2/12). So verlegte der Multi Teile der Rechnungslegung wie etwa die Kunden- und Lieferantenbuchhaltung von Leverkusen nach Asien und Osteuropa. Und die Kunststoff-Sparte BAYER MATERIAL SCIENCE etablierte eine gemeinsame Controlling-Plattform für alle Standorte und legte Planungszyklen und Kostenstellen zusammen. Die Gewerkschaft betrieb dabei Co-Management und lobte dementsprechend das Endresultat. „Die Konzernbetriebsvereinbarung zum Projekt ‚GAC 2015’ ist ein positives Signal“, urteilte Reiner Hoffmann von der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE). Der Landesbezirksleiter der Chemie-Gewerkschaft und BAYER-Aufsichtsrat gab sich damit zufrieden, dass der Konzern die Maßnahme „sozialverträglich“ gestaltete.

BAYER zahlt mehr Bonus
Der Leverkusener Multi hat den Druck auf seine Belegschaft in den letzten Jahren kontinuierlich verschärft. So kostet das aktuelle Rationalisierungsprogramm 4.500 Arbeitsplätze. Als eine Art Schmerzensgeld zahlt der Konzern den Beschäftigten nun einen erhöhten Bonus. Der Konzern schüttet 600 Millionen Euro aus. Zwischen 80 und 140 Prozent ihres Durchschnittsentgelts erhalten die BAYER-WerkerInnen als Prämie. Sie orientiert sich allerdings am Erfolg der einzelnen Geschäftsbereiche. Am meisten Geld bekommen die Angestellten der Landwirtschaftssparte BAYER CROPSCIENCE, am wenigsten diejenigen des Kunststoffbereiches BAYER MATERIAL SCIENCE.

4,4 Millionen Euro für Dekkers
BAYER-Chef Marijn Dekkers hat im Geschäftsjahr 2011 4.418.000 Millionen Euro verdient. Zum Vergleich: Sein Vorgänger Werner Wenning strich 2009 in seinem letzten vollen Dienstjahr „bloß“ 3.570.000 Millionen Euro ein.

Aufsichtsrat muss Aktien kaufen
Der Leverkusener Multi bindet die Bezahlung seines Aufsichtsrats stärker an den Konzern-Erfolg. Er macht es den Mitgliedern des Gremiums nämlich zur Auflage, 25 Prozent ihrer festen Bezüge in BAYER-Aktien zu investieren. „So lassen sich wirksam und nachhaltig die Unternehmensinteressen in der Vergütung von Aufsichtsratsmitgliedern verankern“, jubiliert die Unternehmensberatung HOSTETTLER, KRAMARSCH & PARTNER. Von einer Kontrolle der Geschäftspolitik durch den Aufsichtsrat dürfte dann noch weniger die Rede sein.

Beschäftigte denken, BAYER kassiert
Die Verbesserungsvorschläge von Belegschaftsangehörigen rechnen sich für BAYER weit mehr als für die Kreativen selber. 2011 brachte die Realisierung der MitarbeiterInnen-Ideen dem Leverkusener Multi nämlich einen Rationalisierungsgewinn von 5,4 Millionen Euro ein. Den ErfinderInnen zahlte er für den Zugriff auf ihr geistiges Eigentum, von dem der Konzern über ein langen Zeitraum hinweg profitieren dürfte, aber nur einmalig 1,7 Millionen Euro an Prämien aus.

Käufer für Diabetes-Messgeräte gesucht
Der Leverkusener Multi will sein Geschäft mit Diagnostika-Produkten aufgeben und sucht deshalb auch einen Interessenten für seine Sparte mit Blutzucker-Messgeräten. Obwohl der Konzern damit viele Arbeitsplätze zur Disposition stellt, dürften die Proteste im Falle einer Transaktion gering ausfallen. „Diabetes Care sitzt in den USA, wo BAYER bei einem Verkauf keinen großen Widerstand der Gewerkschaft befürchten muss“, schreibt die Financial Times Deutschland.

BAYER verkauft Alzheimer-Diagnostikum
Im Rahmen der Abwicklung der Diagnostika-Sparte (s. o.) veräußert der Leverkusener Multi auch ein in der Entwicklung befindliches Alzheimer-Diagnostikum, an dem er 2008 die Rechte von der Universität Nagasaki erworben hatte. Käufer ist das indische Unternehmen PIRAMAL IMAGING.

Outsourcing von Arzneitests

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In der Öffentlichkeit pflegt der Leverkusener Multi mit großem Engagement das Bild eines forschenden Unternehmens. In Wirklichkeit aber findet in den Laboren des Unternehmens immer weniger wissenschaftliche Arbeit statt. So plant der Pharma-Riese jetzt, die Arzneitests der Phase I, bei denen die PharmazeutInnen die Medikamente an Gesunden ausprobieren, outzusourcen und damit 25 Arbeitsplätze innerhalb des Konzerns zu vernichten. BAYER begründet diesen Schritt mit der schwankenden Auslastung der ProbandInnen-Station in Wuppertal.

Outsourcing von Arzneitests

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Bei Arzneitests der Phasen II bis IV, bei denen die PharmazeutInnen die Medikamente an größeren Gruppen von Kranken ausprobieren, hat der Leverkusener Multi schon öfters mit externen Dienstleistern kooperiert. Jetzt systematisiert er diese Zusammenarbeit. Der Pharma-Riese hat mit dem US-Unternehmen COVANCE einen langfristigen Vertrag geschlossen. Er strebt damit „eine weitere Optimierung von Betriebsabläufen sowie der Effizienz und Qualität klinischer Studien an“. Zu erwarten ist jedoch vielmehr, dass die weitere Rationalisierung von Arznei-Erprobungen zu noch mehr Opfern als in der Vergangenheit führt. Zwischen 2007 und 2010 starben allein in Indien 138 Menschen bei Tests von BAYER-Präparaten, und in der Bundesrepublik mussten 2010 20 Menschen ihr Leben lassen.

BAYER verkauft Fabrik in Norwich
Im Rahmen seines Rationalisierungsprogramms verkauft der Leverkusener Multi seine Pestizid-Fabrik im englischen Norwich an die Beteiligungsgesellschaft AURELIUS und stellt damit 310 Arbeitsplätze im Konzern zur Disposition. Die Fertigungsstätte bleibt dem Agro-Riesen jedoch verbunden. Sie steigt in die Vertragsfertigung für den Konzern ein, will aber auch noch andere Unternehmen beliefern.

Der Weg des Titandioxids
Der Leverkusener Multi trennte sich im Zuge der „Konzentration auf das Kerngeschäft“ peu à peu von seiner Titandioxid-Produktion. 1998 überführte er die Uerdinger Fabrik in ein gemeinsam mit KERR-MCGEE betriebenes Joint Venture. 2001 übernahm das US-amerikanische Unternehmen das Geschäft ganz. 2006 dann gliederte es selber den Bereich in eine eigenständige Gesellschaft aus, die 2009 Insolvenz anmelden musste. Und 2012 verkaufte der Insolvenzverwalter die inzwischen CRENOX heißende Firma an BAYERs einstmaligen Konkurrenten SACHTLEBEN. Mit den Nachwirkungen der Titandioxid-Herstellung in Uerdingen haben die Behörden jedoch immer noch zu kämpfen. Sie arbeiten nämlich schon seit vielen Jahren an der Sanierung der Deponie in Rheinberg, in der lange Zeit die Produktionsrückstände von BAYER und SACHTLEBEN landeten (TICKER 2/11).

Pensionskasse wird teuer
Die BAYER-Pensionskasse nimmt schon seit längerem keine neuen Mitglieder mehr auf. Alle Belegschaftsangehörigen, die nach 2005 zum Konzern kamen, mussten zur Rheinischen Pensionskasse gehen. Darum verschlechtert sich das Verhältnis von EinzahlerInnen und Anspruchsberechtigten. Eine Erhöhung der Lebenserwartung und nicht ausreichend lukrative Geldanlagen trugen ein Übriges zur Unterfinanzierung bei. So hat jüngst etwa eine Untersuchung der BANK OF AMERICA MERRILL LYNCH die Pensionsrückstellungen des Konzerns in Höhe von 7,8 Milliarden Euro als unzureichend bezeichnet. Deshalb hat der Leverkusener Multi den Firmen-Beitrag von 300 auf 400 Prozent des Beschäftigten-Beitrages erhöht. Das hat allerdings auch Konsequenzen für die BAYER-WerkerInnen. Ab einem Jahres-Entgelt von 34.000 Euro müssen sie nämlich Steuern auf den Unternehmensanteil zahlen. Und diese können sich je nach Gehalt auf bis zu 710 Euro im Jahr belaufen.

ERSTE & DRITTE WELT

BAYER gründet Rohstoffallianz
Bereits seit einiger Zeit treibt BAYER & Co. die angespannte Situation auf den Rohstoff-Märkten um. Die Konzerne starteten deshalb bereits diverse Initiativen und verstärkten den Druck auf die Politik (SWB 1/10). Nun jedoch erreicht ihr Engagement eine neue Qualität. BAYER, BOSCH, THYSSENKRUPP und sieben weitere Unternehmen gründeten im April 2012 die RA ROHSTOFFALLIANZ. Geschäftszweck der GmbH: „Die Sicherung der Versorgung der Gesellschafter mit kritischen Rohstoffen“. Fürs Erste haben es die Firmen dabei auf Seltene Erden, Kokskohle, Graphit und Wolfram abgesehen. Dazu wollen sie sich an Minen beteiligen und selber Vorkommen erschließen (siehe auch SWB 3/12).

Arzneitests in Kolumbien
Die Pharma-Multis verlegen immer mehr Medikamentenversuche in arme Länder. Dort locken ein großes Reservoir an ProbandInnen, unschlagbare Preise, schnelle Verfahren und eine mangelhafte Aufsicht (SWB 2-3/10). Entsprechend hoch ist das Risiko für die ProbandInnen: Allein in Indien starben zwischen 2007 und 2010 138 Menschen während der Tests mit BAYER-Arzneien. In Südamerika hat der Pharma-Riese Kolumbien zu einem Zentrum für die Pillen-Erprobungen erkoren. „In den vergangenen zwei Jahren hat BAYER/Kolumbien acht Millionen Euro in die wissenschaftliche Forschung investiert und zahlreiche Studien an 280 Forschungszentren in Kolumbien durchgeführt – insbesondere in den Bereichen Herz/Kreislauf-Erkrankungen, Krebs-Erkrankungen und Hämophilie“, heißt es in der Propaganda-Postille BAYER direkt.

Mega-Gewerkschaftsfusion
Die drei großen Gewerkschaftsweltverbände der Sparten Metall, Chemie & Bergbau und Textil schließen sich zusammen. „Gewerkschaftsmacht aufbauen durch eine Organisierung entlang der Lieferkette; ein mächtiges Gegengewicht zu den transnationen Konzernen schaffen“, heißt die Devise. Die Fusion stößt allerdings auch auf Kritik, weil sie „top down“ erfolgte und die Mitglieder nicht einbezog. Zudem trauen viele der neuer Organisation nicht zu, mehr zu sein als die Summe ihrer Teile, die sich bisher kaum als globale Gegenmacht in Szene setzen konnten – oder wollten.

IG FARBEN & HEUTE

Gedenkort für Euthanasie-Opfer
Die vom Leverkusener Multi mitgegründeten IG FARBEN haben nicht nur das Zyklon B für die Vergasung der Juden im „Dritten Reich“ geliefert. Der Mörder-Konzern hatte auch für die Euthanasie, der mehr als 100.000 behinderte oder psychisch kranke Menschen zum Opfer fielen, den passenden Rohstoff im Angebot. Sie stellte für die „Aktion T4“ – benannt nach der Berliner Adresse des Planungszentrums für den Massenmord, das sich in der Tiergartenstr. 4 befand – das heute wieder durch BAYERs umstrittenes Pipeline-Projekt ins Gerede gekommene Kohlenmonoxid zur Verfügung. Im November 2011 entschied der Bundestag, in würdigerer Form als bisher an die Toten zu erinnern. Er beschloss, an der Tiergartenstraße eine Gedenktafel anzubringen und ein Denkmal aufzustellen. Darüber hinaus ist ein Dokumentationszentrum geplant.

POLITIK & EINFLUSS

Kabinett-Sitzung bei BAYER
Ein Ereignis mit Symbol-Wert: Am 21. Februar 2012 verlegte die am 6. Mai nicht wiedergewählte Landesregierung von Schleswig-Holstein ihre Kabinett-Sitzung ins Brunsbütteler BAYER-Werk. An dem Schwerpunktthema „Netzausbau“ hatte der Chemie-Multi auch ein besonders Interesse, klagt er doch trotz großzügiger Rabatte (siehe ÖKONOMIE & PROFIT) nicht erst seit der beschlossenen Energiewende über zu hohe Strom-Kosten. Dieses Lamento hat sich wohl auch der EU-Energiekommissar Günther Oettinger anhören müssen, der zu dem Termin extra aus Brüssel angereist war. Nach dem Zusammentreffen mit dem inzwischen abgewählten Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen und seinen MinisterInnen und StaatssekretärInnen aß er nämlich mit dem damaligen BAYER-Werksleiter Volker Weintritt zu Mittag.

Birgitta Wolff in Gatersleben
BAYER errichtet im Biotech„park“ Gatersleben ein Europäisches Weizenzucht-Zentrum (siehe auch FORSCHUNG & LEHRE). Es soll besonders ertragreiche und widerstandsfähige Sorten hervorbringen und die globalen Zucht-Aktivitäten des Agro-Riesen auf diesem Gebiet koordinieren. Prominentester Gast bei der feierlichen Eröffnung der Einrichtung war die sachsen-anhaltinische Ministerin für Wissenschaft und Wirtschaft, Birgitta Wolff (CDU). „Die Eröffnung des Europäischen Weizenzucht-Zentrums in Gatersleben ist ein deutliches Bekenntnis der BAYER AG zum Biotechnologie-Standort Sachsen-Anhalt (...) Dabei haben wir eine klassische „Win-Win“-Situation. So bietet der Biotech„park“Gatersleben die optimale Infrastruktur für BAYER. Gleichzeitig wird das „Leibniz-Institut für Pflanzen-Genetik und Kulturpflanzen-Forschung durch einen intensiven personellen Austausch vom neuen Weizenzucht-Zentrum profitieren“, freute sich die Ministerin.

Energiewende-Streit im BDI
Die Energiewende entzweit den „Bundesverband der deutschen Industrie“; „regelrechte Glaubenskriege“ machte die WirtschaftsWoche aus. Während einige ManagerInnen, sogar solche aus der viel Strom benötigenden Chemiebranche wie Axel Heitmann von der BAYER-Abspaltung LANXESS, dem neuen energie-politischen Kurs positiv gegenüberstehen, zählt der Leverkusener Multi zur Beton-Fraktion. Im August 2010 gehörte der damalige Vorstands- und baldige Aufsichtsratsvorsitzende Werner Wenning zu den UnterzeichnerInnen des „Energiepolitischen Appells“, der die Bundesregierung – zunächst erfolgreich – zur Laufzeit-Verlängerung der AKWs aufforderte. Und sein Nachfolger Marijn Dekkers drohte angesichts der angeblich mit dem Ausstieg aus der Atomkraft verbundenen Mehrkosten schon mit Abwanderung. „Die Energie-Preise werden weiter steigen, dabei haben wir bereits heute die höchsten in der EU. Es ist wichtig, dass wir im Vergleich mit anderen Ländern wettbewerbsfähig bleiben. Ansonsten kann sich ein globales Unternehmen wie BAYER überlegen, seine Produktionen in Länder mit niedrigeren Energie-Kosten zu verlagern“, sagte er letztes Jahr in einem Interview.

EU-Effizienzrichtlinie aufgeweicht
Die EU-Länder haben sich zum Ziel gesetzt, bis zum 2020 Energie-Einsparungen in Höhe von 20 Prozent vorzunehmen. Um das zu erreichen, wollte Brüssel den Mitgliedsstaaten in einer Effizienz-Richtlinie verbindliche Reduzierungsauflagen machen. So wollte das Paragraphen-Werk die Mitgliedsländer zwingen, den Stromverbrauch jedes Jahr um 1,5 Prozent zu senken. Bei BAYER & Co. rief das einen Sturm der Entrüstung hervor. „Starre Vorgaben widersprechen jeglicher unternehmerischer Realität“, erklärte Markus Kerber vom „Bundesverband der deutschen Industrie“. Der ehemalige Umweltminister Norbert Röttgen unterstützte dagegen den Brüsseler Vorstoß, Wirtschaftsminister Philipp Rösler lehnte ihn jedoch vehement ab. Nach dem Rücktritt Röttgens konnte die Bundesregierung dann unumwunden die Position von BAYER & Co. vertreten und Obstruktionspolitik in Brüssel betreiben. Auf diesen Wege gelang es ihr dann auch, die Vorlage zu verwässern. Nun braucht kein Staat mehr verbindliche Strombremsen einzuführen. Auch eine kreative Buchführung ist nun erlaubt. Unternehmen, die wie BAYER am Emissionshandel mit CO2-Verschmutzungszertifikaten teilnehmen, müssen nicht ihren ganzen Energie-Verbrauch in die Endabrechnung einfließen lassen. Der Lobbyverband VIK, bei dem Günter Hilken von der BAYER-Tochtergesellschaft CURRENTA in der Geschäftsführung sitzt, protestierte trotz der ganzen „Nachbesserungen“ gegen die geplante Richtlinie.

Der BDI will es bilateral

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Um die ganz großen Globalisierungsvorhaben steht es nicht gut. Das Multilaterale Investitionsabkommen (MAI) landete Ende der 1990er Jahre auf dem Müllhaufen der Geschichte, und die Liberalisierungsbestrebungen der Welthandelsorganisation WTO im Rahmen der Doha-Runde kommen wegen der Vetos der Entwicklungsländer ebenfalls nicht voran. Darum forderte der „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI) als Lobby-Organisation von BAYER & Co. den Abschluss von EU-Abkommen mit einzelnen Staaten. Die Politik stand dem Ansinnen zunächst skeptisch gegenüber, lenkte jedoch ein. „Wir wurden da hineingedrängt von der Wirtschaft und dem BDI“, sagt Bernd Pfaffenbach. Dem früheren Staatssekretär im Wirtschaftsministerium zufolge fürchtete der Verband, gegenüber der internationalen Konkurrenz ins Hintertreffen zu geraten und machte Druck: „Wenn alle Wettbewerber sich da Vorteile verschaffen, können wir darauf nicht verzichten.“ Und das mussten sie dann auch nicht. Zudem gelang es den Unternehmen, die Agenda der Verhandlungen entscheidend mitzubestimmen. Dementsprechend profitierten sie von den Ergebnissen. Strengere Patent-Regime, freiere Marktzugänge, mehr Investitionsschutz, Gleichbehandlung mit inländischen Unternehmen und verbesserter Zugriff auf Rohstoffe - fast kein Wunsch blieb unerfüllt (siehe auch SWB 2/11).

Der BDI will es bilateral

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Seit geraumer Zeit setzen die bundesdeutschen und europäischen Lobby-Organisationen der Konzerne wegen der stockenden internationalen Freihandelsabkommen auf bilaterale Lösungen (s. o.), wobei sie sich mit ihren US-amerikanischen Pendants einig wissen. So forderten europäische und US-amerikanische Wirtschaftsverbände im Vorfeld des G8-Treffens, das im Mai 2012 in Camp Davis stattfand, unisono den Abbau transatlantischer Handelshemmnisse wie Zölle, Import-Quoten oder Klauseln zur Begünstigung einheimischer Unternehmen.

VFA gegen Zwangsrabatt
Nach dem seit 2011 gültigen „Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittel-Marktes“ müssen BAYER & Co. den Krankenkassen für neue Medikamente einen Hersteller-Rabatt von 16 Prozent einräumen. Darüber hatte sich BAYER-Chef Marijn Dekkers auf der Bilanz-Pressekonferenz im Februar 2012 bitterlich beklagt und angesichts der Überschüsse von DAK & Co. eine Abschaffung der Regelung gefordert. Der vom Leverkusener Multi gegründete „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VFA) schloss sich unmittelbar darauf an (Ticker 1/12). Ende März 2012 erneuerte die Lobby-Organisation nun ihre Kritik. „Wenn wir keine stichhaltige Begründung erhalten, müssen wir uns Gehör verschaffen“, tönte der Vorstandsvorsitzende Hagen Pfundner und drohte mit einer Klage der Pharma-Multis gegen die Regelung. Und selbstverständlich fehlte die Warnung vor einem Verlust von Arbeitsplätzen nicht.

Treffen mit Westerwelle
Das aufstrebende Schwellenland Brasilien gehört mit zu den wichtigsten Auslandsmärkten BAYERs und anderer bundesdeutscher Konzerne. Deshalb nimmt es in der Außenwirtschaftspolitik der Bundesregierung ebenfalls eine besondere Rolle ein. Und zu dieser gehörte die Einrichtung eines „Deutschen Wissenschafts- und Innovationshauses“ in São Paulo. Prominentester Gast bei der von BAYER gesponserten Einweihungsfeier war Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP), der im Verlauf seiner Brasilien-Reise auch mit BAYER-Landessprecher Theo van der Loo zusammentraf.

Treffen mit kolumbianischem Präsident
100 Jahre betreibt BAYER bereits Geschäfte in Kolumbien (siehe auch ERSTE & DRITTE WELT und PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE). Zum „feierlichen“ Jubiläum reiste der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers in das Land und traf dort unter anderem mit dem Staatspräsidenten Juan Manuel Santos und den MinisterInnen Juan Camilo Restrepo und Beatriz Londoño zu einem Gespräch zusammen.

Finanzämter fördern Forschung nicht
Bereits seit langem fordert BAYER die steuerliche Absetzbarkeit von Forschungsaufwändungen. Die Bundesregierung kündigte im Koalitionsvertrag auch ein entsprechendes Gesetzes-Vorhaben an, jetzt allerdings verschob sie das Projekt erst einmal. „Wir haben vereinbart, dass wir die steuerliche Forschungsförderung im Rahmen eines haushalts- und steuerpolitischen Gesamtkonzeptes entscheiden wollen“, erklärte Klaus-Peter Flosbach, der finanzpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Neuer Mann für die Unternehmenssteuer
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat den Sozialdemokraten Albert Peters als Abteilungsleiter für Steuerpolitik entlassen. Er ersetzte ihn durch den Christdemokraten Michael Sell. Dessen erste Aufgabe: die Reform der Unternehmensbesteuerung. Ein solches Gesetzesvorhaben wollte Schäuble offensichtlich doch lieber in Parteihand wissen.

EU reguliert Derivate-Markt
Der Leverkusener Multi nutzt die seit der Finanzkrise in Misskredit geratenen Derivate – eine Art Wette auf Preissteigerungen oder -senkungen von Rohstoffen, Aktien, Währungen, Zinsen oder aber von Derivaten selber – hauptsächlich zur Absicherung seiner globalen Transaktionen. Darum hat er seine LobbyistInnen in Brüssel vehement gegen Regulierungen auf diesem Sektor in Stellung gebracht. So ganz konnten diese politische Maßnahmen allerdings nicht verhindern. So will die EU für die OTC-Derivate (außerbörslich gehandelte Papiere) ein Melderegister einführen und für den Handel künftig eine Unterlegung mit Eigenkapital fordern.

PROPAGANDA & MEDIEN

Schwerpunkt TV-Werbung
Der Leverkusener Multi gibt 80 Prozent seines Reklame-Budgets für TV-Werbung aus. An Printmedien lässt sein Interesse dagegen nach – der Konzern investiert lieber ins Internet. „Analog zur ständig wachsenden Nutzerschaft des Mediums und der sich weiterentwickelnden Hardware wird auch die Bedeutung als Werbeträger weiter zunehmen“, prognostiziert BAYERs Marketing-Manager Nils Rohrsen.

BAYER digitalisiert Report
Der Leverkusener Multi ersetzt sein Print-Magazin Report durch das Digital-Format BAYER Magazin. Mit interaktiven Texten, Foto-Galerien, Filmen und Info-Grafiken will der Konzern „neue Ebenen des Storytellings“ erklimmen. So hofft er, seine Zielgruppe – KundInnen, LieferantInnen, AktionärInnen, AnalystInnen und interessierte Öffentlichkeit – besser an das Unternehmen zu binden und mehr jüngere Leute zu erreichen. Ob er das schafft, bleibt die Frage. Die eigentliche Story ändert sich nämlich allen neuen Storytelling-Ebenen zum Trotz nicht und ist relativ schnell erzählt: Alles ist gut.

VFA plant Charme-Offensive
Der Wechsel an der Spitze des von BAYER gegründeten „Verbandes der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VFA) von Cornelia Yzer zu Birgit Fischer ist auch mit programmatischen Veränderungen verbunden. Die Lobby-Organisation setzt jetzt mehr auf Kooperation. „Die Herausforderungen im Gesundheitsbereich sind so groß, dass sie sich nur gemeinsam lösen lassen“, heißt es in der neuen Programmschrift. Zudem bekennt sich der VFA zu Transparenz & Nachhaltigkeit und gibt sich diskussionsfreudig: „Dennoch werden wir in der Gesellschaft auch kritisch gesehen. Wir stellen uns dieser Kritik, denn wir haben gute Argumente.“ Die immer ohne Rücksicht auf Verluste Industrie-Interessen verfechtende Cornelia Yzer hatte 2010 das neue Arzneimittelgesetz nicht nach den Wünschen der Konzerne ausrichten können und musste deshalb ihren Posten räumen. Von der Charme-Offensive erhoffen sich BAYER & Co. nun mehr politische Erfolge.

Neuer Hämophilie-Preis
Blutern gilt die besondere Aufmerksamkeit BAYERs, gilt es doch, vergessen zu machen, dass in den 90er Jahren Tausende Hämophile an HIV-verseuchten Blutprodukten des Konzerns starben, weil das Unternehmen sein Präparat KOGENATE aus Kostengründen keiner Hitze-Behandlung unterzogen hatte. Von den 57 Millionen Euro, die der Leverkusener Multi 2010 für „wohltätige Zwecke“ ausgab, erhielten Hämophilie-Organisationen mit 5,5 Millionen Euro fast zehn Prozent. Und jetzt stiftet der Pharma-Riese zur Besänftigung der Zielgruppe auch noch den „Philos“-Preis für Projekte, „die dabei helfen, die alltäglichen Herausforderungen im Leben mit der Bluterkrankheit zu meistern“.

Auszeichnung für die „Dream Production“
BAYER gehörte 2006 zu den Sponsoren der Kampagne „Land der Ideen“, welche die Fußball-Weltmeisterschaft dazu nutzte, um für den Industrie-Standort zu werben. Der PR-Betrieb hat die Ball-Treterei sogar überlebt und veranstaltet noch den Wettbewerb „365 Orte im Land der Ideen“. Jetzt haben die InitiatorInnen schon zum zweiten Mal einen „BAYER-Ort der Ideen“ ausgezeichnet – sie wissen offenbar, was sie ihren Geldgebern schuldig sind. Nach dem Kommunikationszentrum „Baykomm“ traf es nun die Pilotanlage, die den Einsatz von Kohlendioxid als Rohstoff zur Kunststoff-Herstellung erprobt. Der Pharma-Riese feiert dieses gemeinsam mit RWE und der „Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen“ betriebene Projekt „Dream Production“ als eine Großaktion zur Rettung des Klimas. ExpertInnen beurteilen solche Versuche skeptischer. „Die stoffliche Nutzung kann keine riesigen Mengen binden, weil wir einfach viel, viel mehr Kohlendioxid freisetzen“, sagt etwa der Chemie-Ingenieur Arno Behr von der „Technischen Universität Dortmund“ (Ticker 1/10). Und als der BAYER-Manager Peter Vanacker in einem Interview gefragt wurde, wieviel CO2 die „Dream Production“ dem Recycling denn nun zuführe, gab er sich dann auch recht kleinlaut: „Genaue Zahlen möchten wir nicht veröffentlichen“.

Schul-Kooperation in Holland
Nicht nur in der Bundesrepublik, auch in Holland macht BAYER Schule. Der Leverkusener Multi kündigte eine Bildungsinitiative in den Niederlanden an, um SchülerInnen die Pflanzenzucht näher zu bringen. Passenderweise gab der Konzern diesen Entschluss gemeinsam mit dem Präsidenten der Universität Wageningen anlässlich der Einweihung des erweiterten Gemüsezucht-Zentrums in Leudal bekannt (siehe auch PFLANZEN & SAATEN). Und Hochschulleiter Dr. Aalt Dijkhuizen ließ dann auch an Sinn und Zweck der Übung keinen Zweifel: „Die florierende Gemüse-Industrie ist auf den Ideenreichtum der jungen Menschen angewiesen. Wir hoffen, dass dieses Projekt bei den Schülern die Begeisterung für die Pflanzenzüchtung weckt.“

LandwirtInnen bei BAYER
Um die Beziehungen zu seinen Pestizid-KundInnen zu pflegen, lädt der Leverkusener Multi immer wieder LandwirtInnen zu Betriebsbesichtigungen ein. So besuchte im Frühjahr 2012 der „Landwirtschaftliche Ortsverein Hoxfeld/Rhedebrügge“ den BAYER-Standort Monheim.

BAYER umwirbt ImkerInnen
Für den Leverkusener Multi haben nicht die haus-eigenen Pestizide das millionenfache Bienensterben verursacht, die Verantwortung dafür trägt nach Ansicht des Konzerns vielmehr die böse Varroa-Milbe. Und gegen diese hält das Unternehmen mit dem Pyrethroid BAYVAROL (Wirkstoff: Flumethrin) zufälligerweise auch gleich das passende Gegenmittel bereit. Um die „frohe Kunde“ zu verbreiten, hat der Agro-Riese in Mexiko die staatlichen Beauftragten für Imkerei als Werbeträger entdeckt. Er stattet sie mit Schutzkleidung aus, auf welcher der BAYVAROL-Schriftzug prangt. Der Unterrichtsqualität scheint das nicht unbedingt zu bekommen. Einem Beobachter zufolge lässt das Lehrpersonal die giftigen Pyrethroid-Streifen nämlich zu lange in den Bienenstöcken, weshalb sich die Chemikalie später im Honig wiederfinden könnte. Zudem steht die Gefahr von Resistenz-Bildungen – die Milben stellen sich zunehmend auf das BAYVAROL ein – nicht auf dem Stundenplan.

BAYER-Mann an Hochschule
Immer wieder gerne nutzen BAYER-WissenschaftlerInnen das Forum, das ihnen Universitäten von Zeit zu Zeit bieten. So hielt der Pharma-Forscher Walter Hübsch an der Hochschule Aalen einen Vortrag über Struktur-Elemente in der medizinischen Chemie.

PatientInnen-Betreuung im Internet
Wer unter Lungenhochdruck leidet und den Begriff googlet, landet bei www.lungenhochdruck.de – und damit bei BAYER. Der Leverkusener Multi betreibt die Webseite zur KundInnen-Bindung und hält dort Informationen für PatientInnen bereit, welche die MedizinerInnen auf sein Präparat ILOPROST eingestellt haben. Es gibt eine persönliche Beratung durch Krankenschwestern oder ArzthelferInnen und Links zu Selbsthilfegruppen. Sogar Medikamenten-Proben verschickt der Pharma-Riese über das Werbe-Portal.

TIERE & VERSUCHE

Mehr Tierversuche
Die Zahl der Tierversuche bei BAYER stieg von 192.412 im Jahr 2010 auf 199.636 im Jahr 2011. Während in den eigenen Laboren des Leverkusener Multis mit 168.825 weniger Kreaturen verendeten als 2010, wo noch 171.627 bei klinischen Erprobungen starben, erhöhte sich Menge der Versuchskaninchen, die bei vom Konzern beauftragten externen Dienstleistern ihr Leben ließen, von 19.785 auf 30.811.

TIERE & ARZNEIEN

Massentierhaltungsarznei BAYTRIL
Die Massentierhaltung kommt ohne massenhaft verordnete Medikamente nicht aus und verursacht so Probleme en masse. Krankheitserreger bilden beispielsweise Resistenzen gegen Antibiotika aus und können – über Hautkontakt oder den Nahrungsmittel-Kreislauf in den menschlichen Organismus gelangt – Gesundheitsstörungen auslösen, gegen die kein Kraut mehr gewachsen ist. BAYERs BAYTRIL hat daran einen gehörigen Anteil. Zum Gesamtumsatz mit dem Mittel von 166 Millionen Euro im Jahr 2010 trug die industrielle Fleischproduktion in den Ställen fast ein Drittel bei: 118 Millionen Euro.

DRUGS & PILLS

Pillen-Preise steigen wieder
Das 2010 erlassene „Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittel-Marktes“ hat die Pillen-Preise bis zum Jahr 2013 auf dem Stand von August 2009 eingefroren und den Hersteller-Rabatt für neue Medikamente von sechs auf 16 Prozent erhöht. Darum mussten die Krankenkassen im letzten Jahr zum ersten Mal nach langer Zeit nicht über Mehrausgaben für Pharmazeutika klagen. Inzwischen scheinen sich die Pharma-Riesen aber auf die veränderten Bedingungen eingestellt zu haben. Im ersten Quartal 2012 stiegen die Pillen-Kosten für DAK & Co. um 4,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Einen Hauptanteil daran dürften extrem teure, aber nicht unbedingt empfehlenswerte Arznei-Novitäten wie BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO (s. u.) haben.

Pillen-Preise unter Verschluss
Mit dem „Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittel-Marktes“ (s.o.) hat der Gesetzgeber auch eine Kosten/Nutzen-Bewertung für neue Medikamente eingeführt. Bei positivem Votum schließen sich Preis-Verhandlungen der Pharma-Produzenten mit den Krankenkassen an. BAYER & Co. drängen dabei darauf, die Zahlen unter Verschluss halten zu können. Und die Bundesregierung will ihnen den Wunsch nach Geheimhaltung auch erfüllen, wogegen die Opposition protestiert. „Auf eines ist bei Schwarz-Gelb immerhin Verlass: Forderungen der Industrie-Lobby werden stets konsequent umgesetzt“, kritisierte Claudia Roth von den Grünen.

NICE empfiehlt XARELTO
Das britische „National Institute for Health and Clinical Excellence“ (NICE), das Kosten und Nutzen neuer Arzneimittel bewertet, hat BAYERs Blutgerinnungshemmer XARELTO nach einigem Zögern nun doch die Absolution erteilt. Zunächst hatte sich die Einrichtung mit den von BAYER zur Verfügung gestellten Daten über die Therapie-Erfolge für die Anwendungsgebiete „Thrombosen“ und „Schlaganfall-Vorbeugung bei PatientInnen mit Vorhofflimmern“ nicht zufriedengegeben und aussagekräftigere Informationen verlangt (Ticker 2/12). Diese scheinen das NICE überzeugt zu haben, weshalb die Krankenkassen nun den Preis für die XARELTO-Gaben zahlen müssen.

Immer mehr XARELTO-Indikationen
Die Gesundheitsbehörden taten sich stets schwer, Genehmigungen für BAYERs Blutgerinnungshemmer XARELTO zu erteilen. So zögerte die US-amerikanische FDA lange, ehe sie ihr Einverständnis für die Verwendung zur Vorbeugung von Schlaganfällen und von Thrombosen bei schweren orthopädischen Operationen gab, weil bei den Klinischen Tests Nebenwirkungen wie Gefäß-Verschlüsse, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden auftraten. Trotzdem versucht der Leverkusener Multi beständig, das XARELTO-Anwendungsspektrum zu erweitern. Nach Zulassungsanträgen für den prophylaktischen Einsatz zur Verhinderung von Blutgerinnseln in der Herzkranz-Arterie (Ticker 2/12) ersucht BAYER nun auch um grünes Licht in Europa und den USA für die Vermarktung der Substanz zur Nachbehandlung von Thrombose-PatientInnen und zur Lungenembolie-Therapie. Darüber hinaus laufen im Moment Studien zur Vermeidung von Thrombosen bei Hüft- oder Kniegelenksersatzoperationen.

Blutungen durch XARELTO
Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) hat 306 Meldungen über Blutungen nach dem Einsatz von BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO erhalten. Das ergab eine Anfrage der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN. Dabei legt die Behörde Wert auf die Feststellung, dass es sich um Verdachtsfälle handelt.

XARELTO-Rabattvertrag mit der AOK
BAYERs umstrittener Blutgerinnungshemmer XARELTO (s. o.) hat einen stolzen Preis. 30 Tabletten kosten über 100 Euro – weit mehr als vergleichbare Präparate. Um das Medikament trotzdem in den Markt zu drücken, hat der Leverkusener Multi mit der AOK Rheinland/Hamburg einen Rabattvertrag abgeschlossen. Auch für die „Multiple Sklerose“-Arznei BETAFERON existiert eine entsprechende Vereinbarung mit der Krankenkasse.

Mehr YASMIN-Warnhinweise
Im Dezember 2011 entschied sich die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA in einem knappen Votum dafür, BAYERs Verhütungsmittel aus der YASMIN-Familie trotz der Nebenwirkung „Thromboembolie“ auf dem Markt zu lassen (Ticker 1/12). Im Frühjahr 2012 verpflichtete die Institution den Leverkusener Multi aber wenigstens, auf den Packungen auf das erhöhte Thromboembolie-Risiko hinzuweisen.

ASPIRIN gegen Krebs?
Der britische Forscher Peter M. Rothwell hatte bereits im letzten Jahr eine Untersuchung veröffentlicht, wonach ASPIRIN das Krebs-Risiko senke. Wer das Präparat fünf Jahre lang täglich schluckte, reduzierte das Sterberisiko um 21 Prozent, so der Wissenschaftler. Rothwell hatte allerdings ein ganz anderes Studien-Ziel. Der Forscher wollte den Einfluss des „Tausendsassas“ auf Herz/Kreislauferkrankungen ermitteln, weshalb der Mediziner nicht auf Daten zum individuellen Krebsrisiko der PatientInnen zurückgreifen konnte. Zudem reicht eine Nachbeobachtungsphase von vier Jahren nicht aus, um eine Tumor-Gefährdung auszuschließen, wie andere ÄrztInnen kritisierten (Ticker 2/11). Aber Rothwell ließ nicht locker. Jetzt wertete er 51 Studien aus und fand seine Ergebnisse bestätigt. Zwei Untersuchungen, die zu ganz anderen Befunden kamen, „übersah“ er jedoch. Vielleicht haben seine Verbindungen zu BAYER sein Seh-Vermögen getrübt. Er erforscht im Auftrag des Pharma-Riesen nämlich noch andere angebliche ASPIRIN-Segnungen.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Neues Pestizidgesetz
Die Bundesregierung hat die neue Pestizid-Richtlinie der EU in nationales Recht überführt. Das Gesetz bringt einige Verbesserungen wie das Verbot des Spritzens aus der Luft und Anwendungsbeschränkungen beispielsweise für Schulhöfe, weist jedoch auch gravierende Mängel auf. So gibt es keine erhöhten Auflagen für den Hausgebrauch von Agrochemikalien. „Beispiel hierfür ist das „BAYER GARTEN“- Rosenschädlingsspray, das neben dem bienengefährlichen Wirkstoff Imidacloprid den hochgefährlichen Wirkstoff Methiocarb enthält“, kritisiert das PESTIZID-AKTIONS-NETZWERK (PAN). Die Initiative wirft der Regierungskoalition zudem vor, keine strengeren Export-Vorschriften erlassen zu haben, weshalb hierzulande verbotene Ackergifte immer noch ihren Weg in andere Länder finden können. Darüber hinaus fällt das Paragraphen-Werk den Pestizid-ExpertInnen zufolge in mehreren Punkten hinter die EU-Richtlinie zurück. Es schreibt nämlich weder die Einrichtung von Pufferzonen zum Schutz der Gewässer vor noch die Verwendung von Substanzen geringerer Giftigkeit in Gebieten mit gefährdeter Flora und Fauna. Und eine besondere Regelung zu den Saatgut-Beizmitteln wie BAYERs CONFIDOR, die für ein millionenfaches Bienensterben verantwortlich sind, fehlt laut PAN ebenfalls.

64 hochgefährliche Pestizide
Das PESTIZID-AKTIONS-NETZWERK (PAN) hat die Produktpalette der drei Agro-Riesen BASF, BAYER und SYNGENTA daraufhin untersucht, wie viele nach wissenschaftlichen Standards hochgefährliche Pestizide sich im Angebot befinden. Beim Leverkusener Multi stieß die Initiative auf 64 Agrochemikalien, die wegen ihrer Langzeit-Wirkung, ihrer Umweltgiftigkeit oder ihrer akuten Toxizität in diese Kategorie gehören. Besonders die ärmeren Länder kommen „in den Genuss“ dieser Mittel. 15 der inkriminierten Wirkstoffe verkauft der Leverkusener Multi ausschließlich in Afrika, Asien und Lateinamerika, und 11 dieser 15 Ackergifte darf er in Europa auch gar nicht mehr anbieten. Wegen dieses Besorgnis erregenden Ergebnisses unterstützt die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN die PAN-Kampagne „Rote Karte für SYNGENTA, BAYER und BASF“.

Giftige Blumenpracht
Nach den Niederlanden ist Kolumbien der weltweit größte Exporteur von Schnittblumen. „Für BAYER CROPSCIENCE ist Kolumbien damit etwas besonderes. Allein sieben Mitarbeiter sind ausschließlich für die Kunden in der Blumen-Industrie unterwegs“, heißt es in der konzern-eigenen Propaganda-Postille BAYER direkt. Der Leverkusener Multi, der mit seinen Agro-Chemikalien die Position des Marktführers in dem südamerikanischen Land innehat, entwickelt sogar Pestizide speziell für die Pflanzungen wie etwa LUNA „gegen die bei Blumenzüchtern gefürchtete Grauschimmel-Fäule“. Die ArbeiterInnen, die auf den Plantagen für einen kargen Lohn malochen müssen, fürchten sich dagegen weniger vor der Grauschimmel-Fäule und anderen Pflanzen-Krankheiten als vielmehr vor LUNA und anderen Gegenmitteln. Immer wieder kommt es zu Vergiftungen; eine Schutzkleidung tragen nur die wenigsten. Auch sonst dürfen die Beschäftigten ihre Rechte nicht wahrnehmen: Eine Gewerkschaftsmitgliedschaft gilt als Kündigungsgrund.

Chlorpyrifos schädigt Gehirne
Der Pestizid-Wirkstoff Chlorpyrifos kann die Entwicklung von Embryos im Mutterleib stören und bei den Kindern später Gehirnschäden verursachen. Das haben ForscherInnen der New Yorker Columbia-Universität herausgefunden. „Unsere Ergebnisse sind Besorgnis erregend“, schreiben Virginia Rauh und ihr Team in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences. Das Ackergift, das in den BAYER-Produkten BLATTANEX, PROFICID und RIDDER enthalten ist, lässt schon in geringsten Dosen die Großhirnrinde schrumpfen und wirkt auf Regionen ein, welche die Emotionen, die Impuls-Kontrolle, die Aufmerksamkeit und die sozialen Beziehungen steuern. Auch die geschlechtstypischen Prägungen des Gehirns verändert die Agrochemikalie. Als Konsequenz aus ihren Befunden fordern die WissenschaftlerInnen eine Erhöhung der Grenzwerte für Chlorpyrifos.

Immer mehr Bixafen-Resistenzen
Kaum hatte BAYER den Fungizid-Wirkstoff Bixafen auf den Markt gebracht, da hatten sich schon die ersten Pilz-Arten an die Mittel mit den Produkt-Namen AVIATOR, XPRO und ZANTARA gewöhnt. Als „mittel bis hoch“ stuft das wissenschaftliche Komitee der Agro-Riesen das Resistenz-Risiko mittlerweile ein und rät dazu, das Pestizid höchstens zweimal pro Saison auszubringen. Der Leverkusener Multi gibt diese Empfehlung zwar weiter, hält aber fest: „Für eine nachhaltige Resistenz-Strategie zum Erhalt der Wirksamkeit der Carboxamide – zu dieser Gruppe gehört Bixafen – sind die Fungizide mit XPRO-Technologie sehr gut konzipiert.“ Der Konzern will sich nämlich das Geschäft nicht vermiesen lassen. Schließlich plant er, noch in diesem Jahr ein weiteres Carboxamid auf den Markt zu bringen.

Bienensterben in Kanada
Auch in Kanada kam es zu einem Bienensterben. WissenschaftlerInnen untersuchten daraufhin 37 tote Tiere und wiesen bei 28 von ihnen Spuren des BAYER-Pestizidwirkstoffs Clothianidin nach.

Bienengefährliche Topseller
Die Insektizide GAUCHO und CONFIDOR mit dem Wirkstoff Imidacloprid, die schon Millionen von Bienenvölkern den Tod brachten, zählen mit einem Jahresumsatz von jeweils 400 Millionen Euro zu den Topsellern mit Pestizid-Sortiment von BAYER. Nur das Fungizid NATIVO brachte mit 500 Millionen noch mehr ein.

SANTANA: wieder Ausnahmegenehmigung
BAYERs Pestizide mit dem Wirkstoff Clothianidin gehörten mit zu den Agro-Chemikalien, die im Jahr 2008 ein
massives Bienensterben verursacht hatten. Deshalb verboten viele Länder das Insektizid. Hierzulande entschieden die Behörden, die Zulassung für Mais-Kulturen einstweilen ruhen zu lassen. Allzulange ruhte diese allerdings nicht. Immer wieder entdeckte das dem Landwirtschaftsministerium unterstehende „Julius-Koch-Institut“ Notfall-Situationen, die einen Griff nach dem Wirkstoff angeblich unumgänglich machten. Auch in diesem Jahr tat es das – in Form des Drahtwurms war Gefahr im Verzug. So erteilte das Institut bereits zum dritten Mal eine Ausnahmegenehmigung für das Clothianidin-Granulat SANTANA. Das PESTIZID-AKTIONS-NETZWERK (PAN) kritisierte die Entscheidung: „Unter dem Deckmantel der Notfall-Situation werden Jahr für Jahr Ausnahmen für verbotene Pestizide genehmigt. Hier wird den ökonomischen Interessen Einzelner Vorrang vor Umwelt- und Naturschutz eingeräumt.“ PAN zufolge werden solche Ausnahmen immer mehr zur Regel. Von 59 auf 310 stieg ihre Zahl europa-weit binnen der letzten vier Jahre.

Neue Clothianidin-Studie
In Österreich dürfen die LandwirtInnen BAYERs Pestizid-Wirkstoff Clothianidin (enthalten in den Produkten PONCHO, PROSPER und SANTANA) noch auf ihren Maisfeldern einsetzen. Andere Länder wie z. B. die Bundesrepublik haben den Stoff wegen seiner Bienengefährlichkeit hingegen verboten, gewähren jedoch Ausnahmegenehmigungen (s. o.). Die österreichischen Behörden haben jedoch eine Studie zu Risiken und Nebenwirkungen der Chemikalie in Auftrag gegeben, die der Leverkusener Multi mitfinanziert hat. Das Ergebnis fiel für den Agro-Riesen wenig schmeichelhaft aus. Clothianidin sei „regional“ für das Verenden von Bienenvölkern verantwortlich, befanden die ForscherInnen. Wirkliche Konsequenzen wie ein Bann des Mittels will die Alpenrepublik jedoch nicht ziehen, sie plant lediglich etwas strengere Auflagen.

Neue Imidacloprid-Studie
Eine neue Studie der Universität von Stirling bestätigt einmal mehr die bienenschädigende Wirkung von BAYERs Pestizid-Wirkstoff Imidacloprid, das der Agro-Riese z. B. unter Produktnamen wie ADMIRE, CONFIDOR, EVIDENCE und PROVADO vermarktet. Hatte der Leverkusener Multi die Ergebnisse bisheriger Untersuchungen immer mit Verweis darauf angezweifelt, dass diese in Laboren und nicht unter freiem Himmel stattgefunden haben, so kann er dieses Argument nun nicht mehr anbringen. Professor David Goulson und sein Team haben nämlich einen Feldversuch unternommen und auch dabei eine Reduzierung der Zahl der Bienenköniginnen um 85 Prozent durch die Effekte von CONFIDOR & Co. festgestellt.

Geschäfte mit dem Bienensterben
Einer Unzahl von Studien zum Trotz (s. o.) haben für den Leverkusener Multi keineswegs die haus-eigenen Pestizide das millionenfache Bienensterben verursacht, die Verantwortung dafür trägt dem Konzern zufolge vielmehr die böse Varroa-Milbe. Dabei wird höchstens umgekehrt ein Schuh daraus: Weil die Agrochemikalien die Tiere so schwächen, können sie eine Angriffsfläche für die Parasiten bilden. Aber der Global Player wehrt sich nicht nur gegen diese Einsicht, um die Vermarktungschancen für CONFIDOR & Co. nicht zu gefährden. Er hat noch einen zweiten Grund dafür. Mit dem Pyrethroid (Wirkstoff: Flumethrin), das er unter dem Slogan „Gesunde Bienen“ feilbietet, hält er nämlich angeblich das passende Gegenmittel zum Milben-Befall bereit. So sind die armen Bienen den BAYER-Giften sinnloserweise gleich doppelt ausgeliefert, und der Leverkusener Multi schlägt sogar noch aus den Folgen seiner rücksichtslosen Geschäftspolitik Profit. Die Milben indessen stellen sich bereits auf BAYVAROL ein und bilden Resistenzen aus.

PFLANZEN & SAATEN

Neue pestizid-tolerante Zuckerrübe
Die KWS SAAT hat für den Leverkusener Multi eine Zuckerrübe entwickelt, die gegen das BAYER-Herbizid BETANAL resistent ist. Deshalb können die LandwirtInnen das Mittel in Kombination mit der Pflanze, mit deren baldiger Zulassung der Agro-Riese rechnet, in rauen Mengen gegen Unkrautwuchs verwenden. Die Züchtung erfolgte auf konventionellem Weg über die Auswahl einer Pflanze als Ausgangsmaterial, deren Erbgut angeblich über eine Enzym-Veränderung verfügt, die für den schnellen Abbau der Agrochemikalie sorgt.

Mehr Gemüsezucht in Leudal
Der Leverkusener Multi hat sein Gemüsezucht-Zentrum im niederländischen Leudal ausgebaut. Die zur Verfügung stehende Fläche wuchs fast um das Dreifache. Mit dieser Investition verstärkt der Konzern sein Engagement auf diesem Sektor weiter. Neben einer zweiten Forschungs- und Entwicklungseinrichtung, die in den USA angesiedelt ist, unterhält er noch 26 Gemüsezucht-Stationen sowie zwei Dienstleistungszentren.

GENE & KLONE

Neue Krebsmittel-Anforderungen?
Krebsmedikamente sind teuer, helfen zumeist wenig und haben allzu oft nur ein eingeschränktes Anwendungsgebiet. So verlängert BAYERs NEXAVAR, das auf einen Monatspreis von 4.200 Euro kommt, das Leben der PatientInnen gerade einmal um zwei bis drei Monate. Da sich neue Pharmazeutika seit der Arzneimittelgesetz-Novelle von 2011 einer Kosten/Nutzen-Bewertung stellen müssen, könnte die Luft für die Mittel bald dünner werden. Es existieren nämlich Pläne, von ihnen eine deutlich höhere Wirksamkeit zu verlangen, wenn die Krankenkassen weiter im vollen Umfang für sie aufkommen sollen. Das stößt beim von BAYER gegründeten „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VFA) erwartungsgemäß auf Kritik. „Wenn man diese Hürde schon vor zehn Jahren gesetzt hätte, dann hätte es keinen Fortschritt in der Krebs-Behandlung gegeben“, erklärte der Vorstandsvorsitzende Hagen Pfundner.

Neues KOGENATE
Das einzig neue bei neuen BAYER-Medikamenten ist oft die Darreichungsform. So entwickelt der Leverkusener Multi zur Zeit eine Variante seines gentechnisch hergestellten Bluterpräparats KOGENATE, die sich länger im Blut hält, weshalb die Patienten es nicht mehr so oft injizieren müssen. Einen entsprechenden Versuch hatte der Konzern 2010 schon einmal wegen Erfolglosigkeit eingestellt. Für den zweiten Anlauf, der auch zum Ziel hat, mit einem KOGENATE 2.0 dem drohenden Auslaufen des Patentschutzes zuvorzukommen, hat das Unternehmen gerade erste Tests durchgeführt.

AMGEN entwickelt Antikörper
Das bundesdeutsche Biotech-Unternehmen AMGEN entwickelt für den Leverkusener Multi einen weiteren Antikörper zur Zerstörung von Krebszellen. Bislang haben Medikamente auf Basis von Antikörpern die in sie gesetzten Erwartungen allerdings nicht erfüllen können. So schafft es BAYERs NEXAVAR kaum, die Lebenserwartung der PatientInnen länger als ein paar Wochen zu erhöhen, kostet aber Unsummen (SWB 4/10).

Geburtsschäden durch Glyphosat
Das Anti-Unkrautmittel Glyphosat, das hauptsächlich in Kombination mit MONSANTO-Genpflanzen der „ROUND UP“-Baureihe, aber auch zusammen mit BAYER-Produkten wie der Baumwolle „GHB 614“ zum Einsatz kommt, kann zu Geburtsschäden führen. Dem „Bundesamt für Verbraucherschutz“ liegen die entsprechenden Untersuchungen vor. Es bewertet die in den Dokumenten aufgeführten Missbildungen jedoch nicht als statistisch relevant und verlängerte die Zulassung bis 2015 (Ticker 2/12). Die WissenschaftlerInnen der Studie „Round Up and birth defects: Is the public kept in dark?“ kritisierten diese Haltung scharf.

Glyphosat in Lebensmitteln
Das schleswig-holsteinische Landwirtschaftsministerium wies Spuren des Pestizid-Wirkstoffs Glyphosat, der hauptsächlich in Kombination mit MONSANTO-Genpflanzen der „ROUND UP“-Baureihe, aber auch mit BAYER-Produkten wie der Baumwolle „GHB 614“ zum Einsatz kommt, in Import-Linsen und Haferflocken nach. Dies setzt die VerbraucherInnen Gesundheitsgefährdungen aus, denn die Agro-Chemikalie kann Embryos schädigen (s. o.) und ist darüber hinaus mit zahlreichen weiteren Risiken und Nebenwirkungen behaftet.

BAYER-Raps kreuzt aus
Gentechnisch manipulierter BAYER-Raps wandelt mal wieder auf Freiersfüßen. US-ForscherInnen untersuchten wild wachsenden Raps und stießen in 288 von 634 Proben neben Spuren von Gentech-Pflanzen made by MONSANTO auch auf solche, die von den LIBERTYLINK-Produkten des Leverkusener Multis herrühren. Mit solchen Raps-Auskreuzungen machte der Konzern schon mehrfach Schlagzeilen. 2002 griff Gen-Raps von einem bundesdeutschen Versuchsfeld auf andere Ackergründe über. 2005 fanden sich Spuren der Labor-Früchte in konventionell erzeugter australischer und biologisch angebauter kanadischer Ware. Und 2007 kontaminierte das BAYER-Kreuzblütengewächs Saatgut eines Produzenten aus Deutschland.

BAYER kauft Soja-Züchtungen
Der Leverkusener Multi hat PROSOY GENETICS, die Sojazucht-Sparte des Unternehmens THOMSON AGRONOMICS, gekauft. „Mit der Übernahme erweitert BAYER seine Möglichkeiten bei der Züchtung von Sojabohnen“, erklärte der Konzern. Vor allem von dem PROSOY-Forschungsprogramm mit herbizid- und insektizid-resistenten Gen-Pflanzen verspricht der Agro-Riese sich viel. Zudem sieht er durch den Erwerb der Firma aus dem Mittleren Westen der USA die in der Region die Vermarktungschancen für seine Soja-Kreationen der LIBERTYLINK-Baureihe steigen.

Bt tötet nicht nur Schadinsekten
Das Gift-Bakterium Bacillus thuringiensis (Bt), mit dem BAYER und andere Agro-Riesen ihre Gen-Pflanzen bestückt haben, tötet nicht nur Schadinsekten, sondern auch andere Tiere wie z. B. Marienkäfer. Dies ergab ein Fütterungsversuch mit Bt-haltigen Mehlmotten-Eiern, den Angelika Hilbeck mit weiteren ForscherInnen der ETH Zürich durchgeführt hat.

WASSER, BODEN & LUFT

Großzügiger Strom-Rabatt
BAYER gehört zu den energie-intensiven Unternehmen. Und der Konzern hat auch keinen Anreiz, seinen Strom-Bedarf zu senken. Der Staat gewährt den Großverbrauchern nämlich großzügige Rabatte, die auf die Rechnung der übrigen KundInnen aufgeschlagen werden. Eine von GREENPEACE in Auftrag gegebene Studie bezifferte die Vergünstigungen auf neun Milliarden Euro pro Jahr.

Bergkamen stinkt zum Himmel
Bereits seit Jahren klagen die AnwohnerInnen des Bergkamener BAYER-Werkes über Geruchsbelästigungen. Die 2008 eingeleiteten Umbau-Maßnahmen haben bislang keine Abhilfe schaffen können. Aus immer neuen Quellen dringt Gestank nach außen. Ende Juli 2011 sorgte eine defekte Pumpe für schlechte Luft. Wenige Tage später flossen unvorhergesehen saure und basische Abwässer zusammen, was übel aufstieß (Ticker 4/11). Und dann kam es zu einem Angriff auf die Riech-Organe, für den der Konzern lange keine Erklärung hatte. Seit Neuestem vermutet er den Klärschlamm und die Ablagerungen in den Auffangbecken für die Betriebsabwässer als Ursache. Mitte März 2012 begannen deshalb die Sanierungsarbeiten. Unterdessen versucht das Unternehmen die BergkamenerInnen zu beruhigen: „Nach derzeitigem Erkenntnisstand geht von den Emissionen keine Gefahr für Mensch und Natur aus“.

Altlast in Hauxton
Im englischen Hauxton nahe Cambridge hinterließ der Global Player nach der Schließung eines Pestizid-Werkes verbrannte Erde: jede Menge Altlasten im Boden und im Grundwasser (Ticker berichtete mehrfach). Der Investor HARROW ESTATES will auf dem Areal trotzdem Häuser errichten. Zu einer Sanierung erklärte er sich erst nach massivem Druck bereit und wählte dementsprechend die billigste Variante. Die AnwohnerInnen klagten schon während der Aushub-Arbeiten über Kopfschmerzen, Rachen-Entzündungen und Atemnot. Und auch nach Abschluss der Maßnahmen änderte sich die Gefahrenlage nicht grundlegend. „Erhöhte Konzentrationen“ gleich mehrerer Pestizide maß die zuständige Umweltbehörde in einem nahe gelegenen Fluss. „Deshalb sollte das Gelände unter keinen Umständen bebaut werden“, meint der Umweltaktivist Robin Page.

CO & CO.

PPP-Planänderungsverfahren
BAYER ist beim Bau der umstrittenen Kohlenmonoxid-Pipeline, welche die Standorte Dormagen und Krefeld miteinander verbinden soll, in 66 Fällen von den Planvorgaben abgewichen (Ticker 1/09). So verwendete der Leverkusener Multi zur Abschirmung der Rohre nur eine 60 cm breite Geogrid-Matte statt einer 80 cm langen, verlegte mancherorts nur 5,6 mm starke Rohre statt solche mit einer Wandstärke von 6,3 mm und änderte auch den Trassenverlauf. Darum musste BAYER nach dem Willen der Bezirksregierung Düsseldorf einen Planänderungsantrag stellen. Prüfen will die Behörde diesen allerdings nicht selber, sie sucht dafür per Ausschreibung einen externen Dienstleister – die im Zuge des Neoliberalismus populär gewordenen Public-Private-Partnerships (PPP) greifen nun also auch bei Genehmigungsverfahren um sich. Erich Hennen von der Initiative CONTRA PIPELINE wendet sich nicht nur aus diesem Grund gegen das Prozedere. Da das Düsseldorfer Verwaltungsgericht im letzten Jahr den gesamten Planfeststellungsbeschluss wegen der mangelnden Vorkehrungen für die Erdbebensicherheit für rechtswidrig erklärt hatte, tritt er dafür ein, wieder ganz von vorn zu beginnen. „Wenn der ursprüngliche Beschluss nicht rechtens ist, nützen keine Nachbesserungen. Es muss ein neuer Planfeststellungsbeschluss her“, so Hennen.

Wutkapitalist Dekkers
BAYER-Chef Marijn Dekkers hadert mit den Zeitläuften. Die Industrie müsse die Erfahrung machen, dass „aufgeklärte Wohlstandsbürger beschlossene Projekte in Frage stellen – und stoppen“, jammerte er angesichts der Diskussionen um das Kohlekraftwerk von EON und BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline. Und ihm schwindet langsam der Glaube an die Inbetriebnahme des Röhren-Werks. „Ich weiß nicht, ob die Pipeline jemals ans Netz gehen wird, wir werden sehen“, sagte er vor der „Wirtschaftspublizistischen Vereinigung“ in Düsseldorf. Der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel von den Grünen gab die Kritik postwendend zurück. NRW sei Industrieland Nr. 1 und werde es auch bleiben, „aber nur, wenn auch die Wirtschaft akzeptiert, dass die Zeit der Blankoschecks bei der Realisierung von Industrie-Projekten vorbei ist“, stellte er fest und warf EON und BAYER „gravierende handwerkliche Fehler“ bei der Vorbereitung der Projekte vor. „BAYER sollte sich hier selber an die Nase packen, solide Arbeit machen und nicht immer neue Stellenabbau-Runden und Verlagerungen ins Ausland ankündigen“, so Remmel.

NANO & CO.

Erörterungstermin in Sachen „Nano“
Die Nanotechnologie lässt Werkstoffe auf winzig kleine Größen schrumpfen. Dabei entwickeln BAYERs BAYTUBES und andere Nano-Produkte jedoch unbekannte und nicht selten gefährliche Eigenschaften. Genau dies stand dann auch bei dem Erörterungstermin zum Genehmigungsantrag der Firma H. C. STARCK, die ihre BAYTUBES-Herstellung von einem Versuchsbetrieb auf Normalproduktion umstellen und darüber hinaus ausweiten will (siehe auch RECHT & UNBILLIG), auf der Tagesordnung. Bei der Anhörung stritten die BAYER-Vertreter die Gefährlichkeit der Winzlinge rundweg ab. Sie seien weder giftig noch umweltschädlich und reicherten sich auch nicht im menschlichen Organismus an, versuchte etwa Jacques Ragot zu beruhigen. „Nano bezeichnet eine Größenangabe und ist keine gefährliche Eigenschaft“, so der Chemiker, es gebe zwar Hinweise auf eine Lungenkrebs-Gefahr durch Nano-Teilchen, aber die seien mit den BAYTUBES nicht zu vergleichen. Leider kommen die von BAYER selber herausgegebenen Sicherheitsdatenblätter da zu ganz anderen Schlüssen. Als Claudia Baitinger vom BUND und Barbara Dohmen von der Initiative LEBENSWERTER HOCHRHEIN dies thematisierten, legten die Konzern-Emissäre plötzlich ganz neue, noch nicht einmal der Genehmigungsbehörde bekannte Dokumente vor. Diese konnten allerdings ebenfalls nicht überzeugen. Das Regierungspräsidium blieb misstrauisch und gab erst einmal ein Arbeitsschutz-Gutachten in Auftrag, um sich „bei Fragen der Toxikologie nicht allein auf die Angaben der Firma BAYER verlassen zu müssen“.

Gutes Nano, schlechtes Nano
Der „Sachverständigenrat für Umweltfragen“ kommt in seinem Sondergutachten „Vorsorgestrategien für Nano-Materialien“ zu einer durchaus kritischen Bewertung der neuen Technologie. Von BAYERs BAYTUBES gehen nach Meinung der ExpertInnen jedoch keine gravierenderen Gesundheitsgefahren aus: „Kleine Fasern und nichtstarre Fasern, zum Beispiel BAYTUBES, haben mutmaßlich keine asbestartige Wirkung, sondern ähneln in ihrer Wirkung eher granulären biopersistenten Stäuben.“ Nur die langen und starren Partikel hätten ein größeres Gefährdungspotenzial, so die WissenschaftlerInnen. Ihr Urteil stützt sich allerdings ausschließlich auf Forschungsarbeiten vom Leverkusener Multi selber, und nicht einmal diese stellen dem Produkt einen Persilschein aus. Es greift auch nach Meinung der Konzern-WissenschaftlerInnen die Lungen an, aber als Arbeitsschutzmaßnahme reicht ihnen zufolge ein Grenzwert von 0,05 mg pro Kubikmeter Raumluft aus. Unterdessen macht das Votum des Sachverständigenrates Karriere. Überall, wo die BAYTUBES-Risiken zur Debatte stehen wie jetzt im Zuge des Genehmigungsverfahrens für eine Fertigungsstätte dieser Kohlenstoff-Röhrchen (s. o.), da zitieren JournalistInnen die Einschätzung des Gremiums – natürlich ohne die BAYER-Quelle der Erkenntnis zu nennen.

VCI gegen strengere Auflagen
Die Nanotechnologie lässt Werkstoffe auf winzig kleine Größen schrumpfen. Dabei entwickeln die Erzeugnisse wie BAYERs BAYTUBES-Kohlenstoffröhrchen jedoch oftmals unbekannte und nicht selten gefährliche Eigenschaften. Aus Gründen des vorsorglichen Gesundheitsschutzes hat der „Sachverständigenrat für Umweltfragen“ (s. o.) deshalb Verschärfungen im Chemikalien- und Umweltrecht gefordert. Der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI) lehnt das jedoch ab. „Diese Vorschläge halten wir angesichts der vorhandenen Datenlage für überzogen. Sie würden die Innovationspotenziale, die die Nanotechnologie bietet, unnötig beeinträchtigen“, erklärte die Lobby-Organisation von BAYER & Co. Auch gegen eine Begriffsdefinition, die alle Partikel zwischen einem Milliardstel Meter und hundert Milliardstel Metern unter „Nano“ subsummiert, wandte sich der VCI. Damit mache man de facto alle Alltagsprodukte zu Nanoprodukten, kritisierte der Verband.

Noch mehr Nano-Risiken
Die Liste der möglichen Risiken und Nebenwirkungen durch die Nano-Technologie wird immer länger. Auf einem internationalen Kongress in Würzburg, der im Mai 2011 stattfand, betonten die WissenschaftlerInnen vor allem die Gesundheitsgefährdungen, die durch die Eigenschaft der Partikel ausgelöst werden, sich an Moleküle heften oder in die DNA eindringen zu können. Dies erhöht nämlich die Gefahr der Entstehung von Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson, Creutzfeldt-Jakob, Diabetes, Arteriosklerose, Herz/Kreislauf-Schädigungen oder Krebs.

Dekkers gibt Nano-Entwarnung
Konzern-Chef Marijn Dekkers fürchtet sich vor gar nichts. Im Selbstversuch schaufelt der Holländer Gen-Gemüse in sich hinein, die bundesdeutsche Reaktion auf die Atom-Katastrophe von Fukushima bezeichnete er in einem Interview als überzogen und für BAYERs Kohlenmonoxid-Leitung von Dormagen nach Krefeld verbürgt er sich auch. Da ist ihm natürlich vor den winzig kleinen Nano-Teilchen ebenfalls nicht bange. Wider besseren Wissens versichert er sich dabei sogar des Beistandes der ForscherInnen-Gemeinschaft. „Aber obwohl es keine wissenschaftliche Nachweise dafür gibt, dass Nano-Materialien zu Schädigungen von Umwelt und Gesundheit führen, sehen einige Interessensgruppen auch hier vor allem potenzielle Risiken“, kritisiert der Manager in der Börsen-Zeitung.

UNFÄLLE & KASTASTROPHEN

Schwelbrand in Monheim
Am 13. März 2012 kam es in einem Monheimer Gebäude von BAYER CROPSCIENCE zu einem Schwelbrand mit starker Rauchentwicklung, weil sich Isoliermaterial entzündet hatte. Die Feuerwehr vermutet einen technischen Defekt als Ursache.

Abwasser trat aus
Am 13. Mai 2012 kam es auf dem Gelände von BAYERs Krefelder Chemie„park“ zu einem Unfall. Durch einen Defekt in einer Hebe-Anlage trat ungereinigtes Abwasser aus. Dies überforderte offenbar die Werksfeuerwehr. Beim ihrem Einsatz musste die Berufsfeuerwehr der Stadt helfen.

BAYER ruft Hormon zurück
Der Leverkusener Mul

[Editorial] STICHWORT BAYER 03/2012

CBG Redaktion

Liebe Leserinnen und Leser,

in meiner Amtszeit als Präsident des Deutschen Patent- und Markenamts (2001 bis 2008) ist es uns gelungen, Kooperationen mit wichtigen Schwellenländern wie China, Brasilien und Indien aus- und aufzubauen. Ein Beitrag, dort dem Schutz des geistigen Eigentums größere Geltung zu verschaffen! Der Vorteil liegt auf beiden Seiten: Bei der innovativen Industrie wie BAYER, die High-Tech-Produkte in diese Länder exportiert oder bereits vor Ort erzeugt – wie auch bei der einheimischen Industrie, deren industrielle Basis z. B. durch die Herstellung von Generika (durch Lizenzen oder nach Ablauf des Schutzes) gestärkt wird. Alle drei genannten Länder sind gute Beispiele dafür.

Die in der Süddeutschen Zeitung aufgestellte Behauptung, dass „in Indien ein Pillen-Patent für BAYER nichts mehr wert ist“, kann nur auf Unkenntnis der internationalen Abkommen und der Situation in Indien beruhen. Wäre sie richtig, würde Indien sofort von der Welthandelsorganisation „angeklagt“ werden. Nach dem so genannten TRIPS-Übereinkommen, das auch von Indien unterzeichnet worden ist, können Zwangslizenzen für das jeweilige Land - also nicht weltweit - erteilt werden, wenn sie im Interesse des Gesundheitswesens eines Landes sind. Auch § 24 des deutschen Patentgesetzes erlaubt die Erteilung von Zwangslizenzen, wenn „das öffentliche Interesse die Erteilung einer Zwangslizenz gebietet“ (siehe auch Art. 14 Grundgesetz). Dies ist zweifellos bei einem Krebsmittel wie BAYERs NEXAVAR der Fall, das künftig in Indien statt 6.000 Euro pro Monat nur knapp 200 Euro kosten wird. Denn nicht einmal ein Prozent der indischen Bevölkerung kann sich Medikamente von 72.000 Euro im Jahr leisten. Eine Behandlung mit diesem Medikament wäre daher praktisch nicht möglich.

Auch kann das Argument nicht greifen, der indische Staat tue zu wenig, um die Gesundheit der Menschen zu verbessern. Sind wir jetzt diejenigen, die sagen, was der indische Staat erst leisten muss, bevor er eine Zwangslizenz zu Lasten eines deutschen Unternehmens erteilt? Ein Blick in die jüngere Geschichte zeigt, dass Staaten wie die USA nicht gezögert haben, Medikamente zu niedrigeren Preisen zu erhalten. Als es 2001 in den USA zu einer Anschlagserie mit Anthrax (Milzbranderreger) kam und die Firma BAYER das Gegenmittel CIPROBAY auf dem Markt hatte, wurde sie von den US-Behörden gezwungen, das Mittel um ca. 50 Prozent billiger abzugeben. Auch diese hatten Zwangslizenzen angedroht, obwohl sich die Fachwelt einig war, dass die USA den Marktpreis unschwer hätte bezahlen können.

Es sollte nicht der Eindruck erweckt werden, dass die indische Generika-Industrie mit Hilfe dieser Zwangslizenz die Weltmärkte erobert. Den berechtigten Interessen der deutschen Industrie stehen berechtigte Intereressen der Schwellenländer gegenüber. Das sollten wir nicht aus den Augen verlieren.

Prof. Dr. Jürgen Schade war Präsident des Deutschen Patent- und Markenamts, Richter am Bundespatentgericht und Mitglied des Bayerischen Landtags

[Pestizide] STICHWORT BAYER 03/2012

CBG Redaktion

Hochgefährliche Pestizide

BAYERs Giftschrank

Das PESTIZID-AKTIONS-NETZWERK (PAN) hat die Produktpalette der drei Agro-Multis BASF, BAYER und SYNGENTA daraufhin untersucht, wie viele nach wissenschaftlichen Standards hochgefährliche Pestizide sich im Angebot befinden und in welchen Teil der Welt die Hersteller diese jeweils vermarkten. Die Recherche zeigt, mit welchem Gefährdungspotenzial das Pestizid-Portfolio der Konzerne behaftet ist und dass dringender Handlungsbedarf besteht. PAN hat deshalb die Kampagne „Rote Karte für SYNGENTA, BAYER und BASF“ ins Leben gerufen. Stichwort BAYER dokumentiert den Teil der Untersuchung, der dem Leverkusener Multi gewidmet ist.

Vom PESTIZID-AKTIONS-NETZWERK (PAN)

Die Recherche von PAN Germany ergab, dass auf den zehn analysierten BAYER-Websites 64 Pestizid-Wirkstoffe angeboten werden, die auf der Liste hochgefährlicher Pestizide von PAN International stehen. Von diesen Agrochemikalien gehen damit beträchtliche Gefahren aus. Im Einzelnen sind es in Ländern des globalen Su&

  • 776;dens mit oft problematischen Anwendungsbedingungen nach Kontinenten unterschieden in Afrika 37 hochgefährliche Pestizide, in Asien 25 hochgefährliche Pestizide und in Lateinamerika 31 hochgefährliche Pestizid-Wirkstoffe, die durch PAN Germany auf dortigen BAYER-Websites identifiziert wurden.

Ein Vergleich der in Deutschland auf der Website von BAYER CROPSCIENCE angebotenen Wirkstoffe mit den auf BAYER-Websites in Afrika, Asien und Lateinamerika angebotenen Wirkstoffen ergab, dass das Unternehmen in Afrika, Asien oder in Lateinamerika 15 Wirkstoffe verkauft, die es auf der deutschen Website nicht offeriert. Im Einzelnen handelt es sich um die 15 in Tabelle 6 dargestellten Wirkstoffe. Von diesen 15 hochgefährlichen Wirkstoffen sind 11 Wirkstoffe in Deutschland nicht zugelassen. Der herbizide Wirkstoff Diuron wurde 2010 aus Deutschland exportiert, wo sein Einsatz nicht mehr gestattet war. Diuron ist sehr kritisch zubetrachten, da es wahrscheinlich krebserregend ist, negative Wirkungen auf das Hormonsystem haben kann und bei einer Abweichung von strikten Nutzungsvorgaben Risiken fu&

  • 776;r die AnwenderInnen, für Wasserlebewesen und für Wildpflanzen zu erwarten sind. Die Analyse des toxikologischen Profils der auf den zehn BAYER-Websites angebotenen 64 hochgefährlichen Pestizide ergab Folgendes: 12 Wirkstoffe sind bezüglich ihrer akuten Toxizität hochgefährlich (Gruppe 1) 47 Wirkstoffe sind bezüglich ihrer Langzeitwirkungen hochgefährlich (Gruppe 2) 28 Wirkstoffe sind bezüglich ihrer Umweltgiftigkeit hochgefährlich (Gruppe 3). 3 Wirkstoffe wurden wegen ihrer schädlichen Wirkungen in eine internationale Konvention – Montrealer Protokoll und/oder Rotterdamer Konvention und/oder Stockholmer Konvention – aufgenommen (Gruppe 4) Die Summe der Nennungen ergibt mehr als 64, weil Wirkstoffe Kriterien in mehr als einer Gruppe erfüllen können (z. B. hohe akute Toxizität und gleichzeitig umweltgefährlich). Von den 64 identifizierten hochgefährlichen BAYER-Pestiziden befinden sich 22 Wirkstoffe in mehr als einer Gruppe.

Wie aus Tabelle 7 ersichtlich, sind die Wirkstoffe Carbofuran, Aldicarb und Methamidophos in mehr als zwei Gruppen aufgeführt und deshalb besonders problematisch. Der insektizide Wirkstoff Carbofuran ist akut extrem gefährlich, ist sehr giftig beim Einatmen, hat das Potenzial, das Hormonsystem zu schädigen und ist umweltschädlich (bienengefährlich). Zudem wurde er aufgrund seiner Gefährlichkeit in die Rotterdamer Konvention aufgenommen, in der Anforderungen fu&

  • 776;r den internationalen Handel mit gefährlichen Chemikalien festgeschrieben sind. BAYER bietet dieses hochgefährliche Pestizid in Indonesien und Südafrika zum Kauf an, also in zwei Ländern, in denen Pestizide oft unsachgemäß verwendet werden.

Aldicarb & Co.
Der Wirkstoff Aldicarb ist ein Insektizid und Akarizid (wirksam gegen Milben und Zecken). Er ist akut extrem gefährlich, beim Einatmen sehr giftig, bienengefährlich und hat das Potenzial, das Hormonsystem zu schädigen. 2011 wurde er deshalb in die Rotterdamer Konvention aufgenommen. 2011 teilte BAYER PAN Germany auf schriftlichem Wege mit, dass BAYER die Produktion von Aldicarb (Handelsname: TEMIC) 2010 beendet hat und die weitere Vermarktung bis spätestens 2012 einstellen wird. BAYER räumte jedoch ein, dass Produkte mit Aldicarb noch in vielen Ländern registriert sind und dieses Mittel daher erst nach einer gewissen Zeit vom Markt verschwinden. Im Schreiben an PAN ging BAYER davon aus, dass sämtliche Restbestände vermutlich weitgehend noch 2011 vollständig abverkauft sein wu&

  • 776;rden. Auf Nachfrage von PAN erklärte BAYER, Aldicarb-Produkte zurückzunehmen, falls jemand sie zurückgeben möchte. Dass BAYER noch im Juni/Juli 2011 Aldicarb in vier Ländern zum Kauf anbot, legt die Annahme nahe, dass die Einstellung der Produktion wohl eher nicht geschieht, um Vergiftungen zu vermeiden, sondern weil der Konzern massiv zu diesem Schritt massiv gedrängt wurde.

Der Wirkstoff Methamidophos ist ein Insektizid und Akarizid. Er ist akut hochgefährlich, beim Einatmen sehr giftig, bienenschädigend und wurde aufgrund seiner Gefährlichkeit in die Rotterdamer Konvention aufgenommen. In Su&

  • 776;dafrika wurde dokumentiert, dass Methamidophos enthaltende Pestizide auf der Straße verkauft werden, sogar durch Kinder (1).

erhebliche Gefahren
Eine Analyse der geografischen Verteilung der Vermarktung der BAYER-Pestizide zeigt, dass die einzelnen Substanzen in unterschiedlich vielen Ländern zum Verkauf stehen. Von jenen Pestiziden, die in der PAN-Liste hochgefährlicher Pestizide in zwei Wirkungsgruppen genannt sind, fallen Deltamethrin und Tebuconazol auf, da BAYER beide in neun und damit in den meisten Ländern anbietet, gefolgt von Iprovalicarb und Thiodicarb (6 Länder) sowie Beta-Cyfluthrin/Cyfluthrin, Carbaryl und Prochloraz, die jeweils in fu&

  • 776;nf Ländern angeboten werden. Deltamethrin kann das Hormonsystem schädigen und ist hochgefährlich für Bienen. Tebuconazol ist möglicherweise krebserregend und in Wassersedimenten sehr langlebig. Iprovalicarb ist wahrscheinlich krebserregend und sehr langlebig in Wassersedimenten. Thiodicarb ist wahrscheinlich krebserregend und hochgefährlich für Bienen. Beta-cyfluthrin/Cyfluthrin ist akut hochgefährlich (WHO Ib), sehr giftig beim Einatmen und hochgefährlich für Bienen. Prochloraz ist möglicherweise krebserregend, kann das Hormonsystem schädigen, ist sehr langlebig im Wasser und sehr langlebig in Wassersedimenten.

Auf den analysierten Websites von BAYER CROPSCIENCE identifizierte PAN Germany drei Wirkstoffe, die fu&

  • 776;r Säuglinge und Kleinkinder sehr problematisch sind: Ethoprophos, Fipronil und Disulfoton. Der Wirkstoff Disulfoton ist in der EU für landwirtschaftliche Erzeugnisse, die zur Herstellung von Getreide-Beikost und anderer Beikost für Säuglinge und Kleinkinder verwendet werden, verboten. Für Ethoprophos-Rückstände und für Fipronil-Rückstände in Getreidebeikost und andere Beikost für Säuglinge und Kleinkinder hat die EU besonders strenge Grenzwerte festgesetzt (Tabelle 8). BAYER kündigte 1995 an, Produkte der WHO-Toxizitätsklasse 1 schrittweise durch Präparate mit geringerer Giftigkeit zu ersetzen. Die WHO berücksichtigt jedoch Langzeitwirkungen nicht ausreichend. Die Recherche ergab, dass BAYER auf den untersuchten Websites 47 hochgefährliche Pestizide zum Kauf anbietet, die aufgrund ihrer Langzeiteffekte gefährliche Eigenschaften aufweisen. Wenn BAYER demnächst dann nur akut hochgefährliche Insektizide vom Markt nimmt und zudem die von hochgefährlichen Pestiziden ausgehenden Langzeitwirkungen nicht berücksichtigt, werden auch zukünftig erhebliche Gefahren vom Pestizid-Angebot des Multis ausgehen.

1 Andrea Rother, Poisonings in South Africa from super strength street pesticides, in Pesticides News 90 (2010)

[HV Bericht] STICHWORT BAYER 03/2012

CBG Redaktion

HV-Jubiläum der CBG

BAYER schafft Bannmeile

Zu ihrem 30-jährigen Hauptversammlungsjubiläum bot die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) so viele Konzern-KritikerInnen auf wie nie zuvor. Der Leverkusener Multi wappnete sich dagegen, indem er den Eingangsbereich der Kölner Messehallen weiträumig abschirmte. So ersparte er seinen AnteilseignerInnen die Konfrontation mit Medikamenten-Geschädigten, Bienenzüchtern, TierschützerInnen und anderen AktivistInnen. Im Saal selber gab es dann allerdings kein Entrinnen mehr: Die GegenrednerInnen dominierten das Aktionärs-Treffen.

Vor Beginn der BAYER-Hauptversammlungen in den Kölner Messehallen bot sich Jahr für Jahr das gleiche Bild: Die den Bussen entstiegenen AktionärInnen mussten sich den Weg in die heiligen Hallen des Profits durch einen Kordon von Konzern-Kritikern bahnen, die sie mit Transparenten, Flugblättern und politischen Aktionen empfingen. Das wollte der Leverkusener Multi ihnen dieses Mal ersparen. Er zog einen weiträumigen Bannkreis um den Eingangsbereich und chauffierte seine AnteilseignerInnen auf diese Weise unbehelligt von den ProtestlerInnen bis vor die Tür.

Allzu lange konnte der Leverkusener Multi sie allerdings nicht abschirmen, denn im Saal selber machten ihnen mit 20 GegenrednerInnen mehr Kritische Aktionärinnen und Aktionäre denn je ihre Aufwartung. Besonders die leibhaftige Konfrontation mit den Opfern, welche die gnadenlose Jagd nach Profit zwangsläufig produziert, dürfte den Aktien-Haltern einiges Unwohlsein bereitet haben. So berichtete etwa Monika Thinschmidt über ihre Qualen nach dem Einsetzen von BAYERs Hormonspirale MIRENA. „Die kommenden fünfeinhalb Monate sollten mich bis dato prägen. Meine Beschwerden waren: nächtliche Schweißausbrüche, Herzrasen, Unruhe, Schlaflosigkeit, permanente Bauchkrämpfe und Oberbauchschmerzen.“ Zudem klagte sie über Brustknoten, eine Eierstock-Zyste als Tumorvorstufe, Libido-Verlust und eine verfrühte Menopause. Und damit ist sie beileibe nicht die Einzige. Die Frau zitierte eine Untersuchung des Frauengesundheitszentrums Graz, wonach 96 Prozent der Teilnehmerinnen Gegenanzeigen schilderten, über die sich die bunten Werbe-Broschüren ausschwiegen. „Sie bringen also ein unsicheres Produkt auf den Markt, informieren falsch, unzureichend und zu spät (...) Sie gefährden damit die Gesundheit von vielen Millionen Frauen weltweit. Sie streichen die Profite ein und sind nach meiner Einschätzung deshalb auch haftbar“, resümierte Thinschmidt.

Auch Geschädigte des hormonellen Schwangerschaftstests DUOGYNON, den die heute zu BAYER gehörende Firma SCHERING bis Mitte der 1970er Jahre hinein vermarktete, gingen ans Mikrofon. „Ich wurde im Juni 1976 mit einer Schädigung an beiden Armen geboren“, legte Silke Ehrenberg dar und erzählte von ihrem Martyrium mit Krankengymnastik ab dem Alter von sechs Wochen, häufigen Operationen und Folge-Erkrankungen. Hinzu traten noch die seelischen Schmerzen: „Ich bin anders, und das bekam ich ständig und überall zu spüren.“ Es war ein langer Prozess, bis die 36-Jährige sich so annehmen konnte, wie sie ist. Und er ist noch immer nicht abgeschlossen. „Dies heute und hier ist für mich ein weiterer Schritt, zu mir zu stehen. Zu sagen: Ich lebe mit einer Behinderung“, betonte sie deshalb. Immer wieder trieb die 36-Jährige die Frage um, woher ihre Behinderung rühre. Auf die Antwort stieß sie erst vor zweieinhalb Jahren. Da wurde sie auf Andre Sommer aufmerksam, den Gründer einer Initiative DUOGYNON-Geschädigter, der im letzten Jahr auf der Hauptversammlung gesprochen hatte und schon lange mit der CBG kooperiert. Seither kennt sie die Ursache ihrer Leiden. Die Erzieherin will aber ebenso wie Sommer mehr wissen und fordert BAYER zur Offenlegung interner Dokumente über den Zusammenhang von DUOGYNON und den Fehlbildungen auf. Ein Gericht in Berlin wies diesen Anspruch jedoch zurück. „Die Aussage, die Angelegenheit DUOGYNON sei verjährt, ist ein Schlag ins Gesicht aller Betroffenen. Ich stehe hier heute vor ihnen und lebe damit. Von Verjährung keine Spur“, so Ehrenberg.

Auch die extra aus England angereiste Valerie Williams, deren Sohn durch den in ihrer Heimat unter dem Namen PRIMODOS angebotenen Schwangerschaftstest stark gehandicapt zur Welt kam, verlangte den Zugang zum Firmen-Archiv. Die bislang bekannt gewordenen Unterlagen belegen nämlich eindeutig: Der SCHERING-Konzern wusste, was er tat. „1969 schrieb SCHERING, heute BAYER SCHERING, dem Britischen Ausschuss für Sicherheit und Medizin, dass PRIMODOS wegen der hohen Rate von Fehlgeburten bei einer Studie mit Ratten zurückgezogen würde“, referierte Williams und fragte dann: „Welche Gründe hatten Sie, PRIMODOS weiter herzustellen?“ Die Antwort darauf gab Gisela Clerc, ebenfalls Mutter eines DUOGYNON-Opfers. Finanzielle Erwägungen ließen ihrer Ansicht nach das Unternehmen an dem Produkt festhalten. DUOGYNON habe BAYER „viel Geld, den Kindern viel Schmerz und den Eltern viel Leid“ gebracht, fasste sie den Fall zusammen.

BAYER-Chef Marijn Dekkers zeigte sich ungerührt von den Leidensgeschichten und holte die Textbausteine von der letzten Hauptversammlung wieder hervor. „Wir haben schon mehrfach betont, dass wir ihr Schicksal bedauern und dass wir die Suche nach den Ursachen verstehen“, antwortete er den DUOGYNON-Geschädigten, um dann unmissverständlich die Konzern-Sicht darzulegen, wonach es keinen Zusammenhang zwischen dem Schwangerschaftstest und den Fehlbildungen gebe. Zur Hormonspirale MIRENA stand er gleichfalls in Treue fest. Sie werde seit 22 Jahren von 20 Millionen zufriedener Frauen angewendet und weise kein erhöhtes Brustkrebsrisiko auf, so Dekkers. Auch die Gefahr, eine Eileiter-Schwangerschaft zu erleiden, sei verschwindend gering, führte er weiter aus. „Es kann (...) jede Arznei unerwünschte Nebenwirkungen haben“, räumte der Vorstandsvorsitzende dann zwar ein, aber die seien ja auf dem Beipackzettel aufgeführt, womit er den Konzern – geschützt vor juristischen Ansprüchen – auf der sicheren Seite wähnte.

Die Verhütungsmittel des Pharma-Riesen mit dem Wirkstoff Drospirenon, die zahlreiche, zum teil tödlich verlaufende Thrombo-Embolien verursacht hatten, verteidigte der Ober-BAYER ebenfalls. „Wir sind vom Risiko-Profil Drospirenons überzeugt“, hielt er dem Rechtsanwalt Martin Jensch entgegen, der im Namen der betroffenen Frauen der SELBSTHILFEGRUPPE DROSPIRENON-GESCHÄDIGTER gesprochen hatte. Nicht einmal die nunmehr ausdrücklich auf das Risiko „Embolie“ aufmerksam machenden Warnhinweise auf den Packungen und die Zahlungen von 142 Millionen Dollar an US-amerikanischen Klägerinnen galten ihm als Schuld-Eingeständnis. Und einen Imperativ, ähnlich mit bundesdeutschen Geschädigten umzugehen, wollte er daraus schon einmal gar nicht ableiten. Die Zahlungen seien der Besonderheit des Rechtssystems in den USA geschuldet, erklärte Dekkers.

Diese Besonderheit lenkte sogar die Aufmerksamkeit der sonst nur auf ihre Dividende fixierten AktionärInnen-Vertreter einmal auf die Nebenwirkungen der Konzern-Präparate. „Das ist kein Gerinnsel, das ist ein Risiko“, konstatierte Hans-Martin Buhlmann von der „Vereinigung institutioneller Privatanleger“. Und sein Kollege Marc Tüngler von der „Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz“ fragte in Anspielung auf den unseligen BAYER-Cholesterinsenker, der das Leben von mehr als hundert Menschen gekostet hatte und den Konzern zu Schadensersatz-Zahlungen in Höhe von über einer Milliarde Dollar zwang: „Ist das LIPOBAY II?“

Das Geschäft mit den Pillen rief jedoch noch mehr GegenrednerInnen auf den Plan. Philipp Frisch von ÄRZTE OHNE GRENZEN befasste sich mit BAYERs Pharma-Patenten, die dem Konzern Monopol-Einnahmen sichern und Menschen in den ärmeren Ländern den Zugang zu einer erschwinglichen Versorgung mit Pharmazeutika versperren. So kostet das Krebspräparat NEXAVAR in Indien 5.500 Dollar pro Monat, weshalb Frisch die Entscheidung der indischen Regierung begrüßte, den Schutz des geistigen Eigentums für das Mittel unter Berufung auf den Ausnahme-Paragraphen im TRIPS-Handelsabkommen aufzuheben und eine Zwangslizenz zu erteilen. Der Verfasser dieser Zeilen wandte sich ebenfalls dem südasiatischen Land zu und machte auf den Skandal aufmerksam, dass dort von 2007 bis 2010 138 Menschen während der Klinischen Tests von Medikamenten des Global Players starben. Die Tierärztin Dr. Christine Esch von PETA DEUTSCHLAND schließlich widmete sich dem Leid der Tiere, die in den Arznei-Laboren des Unternehmens oder seiner Vertragspartner ihr Leben lassen, noch dazu, ohne valide Erkenntnisse zu produzieren, wie die vielen unerwünschten Pillen-Folgen zeigen.

Aber nicht nur der Pharmazeutika-Entwickung fallen Kreaturen zum Opfer, auch die Agrochemikalien des Leverkusener Multis fordern ihren Tribut. Sie sorgten in den vergangenen Jahren für das Verenden von Millionen Bienenvölkern. Deshalb sind ImkerInnen bereits seit langem Stammgäste auf der Hauptversammlung. „Der Mais kommt, die Bienen gehen“, so beschrieb Christoph Koch vom DEUTSCHEN BERUFS- UND ERWERBSIMKERBUNDES die fatale Wirkung der auf den Feldern nicht nur dieser Ackerfrüchte eingesetzten BAYER-Produkte. Sein Kollege Holger Nettler bezeichnete das Mantra des Konzerns, bei sachgemäßer Anwendung seiner Pestizide und Saatgut-Beizen träten keine Beeinträchtigungen der Bienen auf, als „Augenwischerei“. Dem schloss sich Roland Netter an, sich dabei auf eigene Erfahrungen berufend. Er nahm nämlich an dem Projekt „Melissa“ teil, das die Effekte der Pestizide auf Bienen unter Berücksichtigung aller Schutzmaßnahmen untersuchte. Ergebnis: Die gemessenen Ackergift-Werte lagen sogar noch über denen des fatalen, von BAYER als „Unfall“ bezeichneten Bienensterbens in Baden-Württemberg 2008. Darum schloss sich Roland Netter dem Vorstoß der CBG an, Vorstand und Aufsichtsrat auch wegen des Bienensterbens nicht zu entlasten: „Wir Imker aus Österreich unterstützen den Gegenantrag der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN.“ Der BAYER-Chef ließ sich jedoch von alldem nicht beeindrucken und sprach GAUCHO & Co. von jedem Verdacht frei. „Die Gründe für den in einigen Ländern beobachteten Rückgang der Bienenvölker sind vielschichtig. Die Hypothese, dass Saatgut-Beizungen dazu gehören, wird durch eine Reihe von wissenschaftlichen Untersuchungen widerlegt“, antwortete er den Imkern.

Ähnlich ignorant zeigte sich Marijn Dekkers den Konzern-KritikerInnen gegenüber, die weitere Risiken und Nebenwirkungen der Profit-Jagd auf die Tagesordnung setzten. Dieter Donner von STOPP-BAYER-CO-PIPELINE und Dr. Gottfried Arnold von ÄRZTE GEGEN DIE CO-PIPELINE warnten einmal mehr vor der Inbetriebnahme der Kohlenmonoxid-Leitung von Dormagen nach Krefeld, Friedhelm Meyer von SOLIDARISCHE KIRCHE zeigte die Problematik der in vielen Alltagsgegenständen auftauchenden Industrie-Chemikalie Bisphenol A auf und Claudia Baitinger vom BUND beschäftigte sich mit der neuesten Gefahren-Quelle aus dem Hause BAYER, der Nano-Technik. CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes schließlich vervollständigte die Liste, indem er das Gefährdungspotenzial von Tier-Antibiotika, des Gerinnungshemmers XARELTO und des LIBERTYLINK-Genreises darstellte. Zudem verlangte er abermals Auskunft über die Marketing-Ausgaben und den vom Unternehmen mit der Universität Köln geschlossenen Kooperationsvertrag.

Der CBGler Axel Köhler-Schnura schließlich ergänzte dieses neue „Schwarzbuch BAYER“ aus gegebenem Anlass um die historische Dimension. Er beging im Kölner Messe-Saal nämlich nicht nur das 30-jährige Betriebsjubiläum der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auf den Hauptversammlungen des Konzerns, sondern verabschiedete auch den Aufsichtsrats- und ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Manfred Schneider. Während jedoch dessen Aufsichtsratskollege Paul Achleitner Schneider als „BAYER-Urgestein“ titulierte, das immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort und ein „höchst aktiver Lotse für das Unternehmen“ gewesen sei, sah der Rückblick Köhler-Schnuras etwas anders aus. „Herr Schneider und ich, wir stehen auf verschiedenen Seiten, wir spielen in verschiedenen Mannschaften. Sie, Herr Schneider, sagen: ‚Wir sind auf Profit aus. Das ist unser Job.’ Ich sage, um in Ihrer Wortwahl zu bleiben: ‚Ich bin auf demokratische Konzern-Kontrolle aus. Das ist mein Job.’ Und dann stellte er die Negativ-Bilanz von dessen Amtszeit vor. Der Aktivist erinnerte noch einmal an den LIPOBAY-Skandal, die Farce um die Entschädigungen der ZwangsarbeiterInnen der von BAYER mitgegründeten IG FARBEN, das gebrochene Versprechen, bis zum Jahr 2000 sämtliche hochgefährlichen Pestizide der Klasse I vom Markt zu nehmen und den Coup, mit Heribert Zitzelsberger den Steuer-Chef des Konzerns ins Finanzministerium einzuschleusen. Das alles kam dann in dem „Geschenk“ zum Ausdruck, das der Diplom-Kaufmann dem Manager abschließend darbot: ein schwarzes Holzkreuz. „Es ist eines der Kreuze, das wir in den letzten 35 Jahren bei vielen unserer Protest-Aktionen zum Gedenken an die vielen Opfer der BAYER-Produkte und der Vernichtung der tausenden von Arbeitsplätzen bei BAYER eingesetzt haben“, erläuterte Axel Köhler-Schnura, „Möge es Ihnen Erinnerung und Mahnung zugleich sein.“ Doch der Konzern verweigerte die Annahme. Er sah darin einen Missbrauch christlicher Symbole. Auch mit dem Redebeitrag des CBG-Vorstandsmitglieds mochte das Unternehmen sich nicht so recht anfreunden. „Wir spielen nicht nur in unterschiedlichen Mannschaften, wir sind auch in unterschiedlichen Ligen. Wir stehen unverbrüchlich zur parlamentarischen Demokratie und zur sozialen Marktwirtschaft. Wir wissen, dass Sie da ganz andere Ansichten haben“, beschied ihm Dekkers.

Wie unverbrüchlich der Multi zu demokratischen Werten steht, das hatte am Morgen die Einrichtung der Bannmeile gezeigt und im Laufe des Tages die Ignoranz, die er den – die überwältigende Mehrheit der RednerInnen stellenden – KritikerInnen entgegenbrachte. Entsprechend schlecht für den Chemie-Riesen fiel deshalb das Urteil der Presse aus. „Zwischen Jubel und Tribunal“ überschrieb etwa die Westdeutsche Zeitung ihren Bericht, „Noch mehr Ärger mit der Pille“ titelte der Tagesspiegel, „Kleinkrieg mit den Kritikern“ der Kölner Stadtanzeiger und „Die Störenfriede“ die Frankfurter Rundschau. Von Jan Pehrke

[HV Reden] STICHWORT BAYER 03/2012

CBG Redaktion

Das HV-Tribunal

„Übernehmen Sie Verantwortung!“

Konzern-Kritik in Großaufnahme: Von A wie Antibaby-Pillen bis Z wie Zwangslizenzen reichte die Agenda der Konzern-KritikerInnen auf der diesjährigen BAYER-Hauptversammlung.

Wie immer bei den BAYER-Hauptversammlungen stand am Anfang das Wort des Großen Vorsitzenden. Dieses Mal aber öffnete sich gleich nach dem Routine-Programm mit den Reden von Marijn Dekkers, dem Aufsichtsratschef Manfred Schneider und den Vertretern der AktionärInnen-Vereinigungen der Reigen der Konzern-Kritik, der fortan auch kaum noch unterbrochen werden sollte. Christoph Koch vom DEUTSCHEN BERUFS- UND ERWERBSIMKERBUND legte dar, welche verheerende Wirkung die BAYER-Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide auf die Bienenvölker haben. Bereits zum vierten Mal Gegenredner auf dem AktienhalterInnen-Treffen, informierte er die Versammlung über neue Studien, wonach die zumeist als Saatgut-Beize eingesetzten Mittel den Tieren schon in den geringsten Dosen schaden – und das bis in die zweite und dritte Generation. Deshalb haben Koch zufolge einige Länder GAUCHO & Co. bereits die Zulassung für bestimmte Anwendungen entzogen. „Die Beweise werden immer erdrückender für Sie und letztlich für den Konzern als Ganzes!“, stellte der Bienenzüchter fest und appellierte an den Vorstandsvorsitzenden: „Schwenken Sie um, bevor es zu spät ist, Herr Dekkers!“
Das verlangten auch seine Kollegen Holger Netzel und Roland Netter – und 563.475 weitere Personen. „Diese Menschen haben in den vergangenen 24 Stunden eine Petition unterzeichnet, die Sie, sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre, auffordert, durch Ihr verantwortungsvolles Handeln dem Bienensterben weltweit ein Ende zu bereiten“, berichtete Stephanie Brancaforte vom Kampagnen-Netzwerk AVAAZ. Aber es nützte alles nichts, obwohl der BAYER-Chef den Befund selber nicht in Frage stellte. Auch nach Dekkers Einschätzung haben 300.000 von einer Million Bienenvölkern den letzten Winter nicht überlebt. Doch nannte Dekkers dafür einen anderen Grund: „Die Arbeitsgemeinschaft der deutschen Institute für Bienenforschung hat wie zahlreiche weitere Wissenschaftlergruppen ausdrücklich dokumentiert, dass der Hauptfeind für die Gesundheit der Bienenvölker in vielen Regionen der Welt die Varroa-Milbe ist.“ Die Pestizide würden zwar akute Wirkungen hervorrufen, dank moderner Anwendungstechniken bliebe eine Belastung der Bienen jedoch weitgehend aus, so der Vorstandsvorsitzende.
Eine Belastung stellte in seinen Augen auch die Industrie-Chemikalie Bisphenol A nicht dar, die der Leverkusener Multi als einer der weltgrößten Produzenten in einer Menge von ca. 1,2 Millionen Tonnen pro Jahr fabriziert. Unfruchtbarkeit, Fehlbildungen und verfrühte sexuelle Reife – zu diesen zuvor von Friedhelm Meyer aufgezählten Risiken und Nebenwirkungen der vor allem in Lebensmittel-Verpackungen, Kunststoff-Geschirr, Kassen-Quittungen und Zahnfüllungen Verwendung findenden, hormonell wirkenden Substanz schwieg der Ober-BAYER sich aus. Auch dem Appell des Vertreters der SOLIDARISCHEN KIRCHE IM RHEINLAND, das aus dem 1. Weltkrieg als Giftgas berühmt-berüchtigt gewordene Giftgas Phosgen als Bisphenol-Vorprodukt zu substituieren, mochte er nicht folgen. „Phosgen ist und bleibt ein unverzichtbarer Grundstoff für Kunststoff“, antwortete Dekkers dem Pfarrer im Ruhestand, der das Thema „Bisphenol“ zusammen mit seiner Gruppe auch auf die Agenda des letzten Evangelischen Kirchentags in Dresden gesetzt hatte.

Rohrkrepierer Pipeline
Ebenfalls als unverzichtbar erachtet der Vorstandsvorsitzende die von Dormagen nach Krefeld führende Kohlenmonoxid-Pipeline. Nur steht das dem Wunsch von 110.000 BürgerInnen entgegen, wie Dieter Donner von der Initiative STOPP-BAYER-CO-PIPELINE ausführte. So viele Menschen haben nämlich die Petition gegen das Projekt unterschrieben. Einspruch hatte im letzten Jahr laut Donner auch das Düsseldorfer Verwaltungsgericht erhoben. Für „rechtswidrig und nicht vollziehbar“ hielt der Richter den Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung zur Errichtung der Giftgas-Leitung, weil er die Erdbeben-Sicherheit nicht gewährleistet sah. Und sogar der Leverkusener Multi selber liefert Argumente gegen den Bau. Hatte er in der Vergangenheit stets betont, es gebe am Standort Dormagen CO-Überkapazitäten, die eine Ableitung nach Krefeld dringend erforderlich mache, so entsteht dort jetzt mit der neuen Kunststoff-Produktion sogar ein Gas-Mehrbedarf, so der Aktivist. „Also schicken Sie die CO-Pipeline in die Wüste“, forderte er Marijn Dekkers auf.
Dem schloss sich Dr. Gottfried Arnold von ÄRZTE GEGEN DIE CO-PIPELINE an. Er erhob aus medizinischer Sicht schwerwiegende Einwände gegen die Verbundleitung. Die Trasse verläuft Arnold zufolge nämlich an Wohngebieten, Schulen und Kindergärten „im dichtest besiedelten Landkreis Deutschlands“ vorbei. Deshalb ist im Falle eines Rohrbruchs eine angemessene ärztliche Versorgung nicht zu gewährleisten, zumal für eine fachgerechte Behandlung einzig die Sauerstoff-Überdruckkammer in Düsseldorf zur Verfügung steht, die gerade einmal über zwei Plätze verfügt. „Dies alles ist uns als Ärzten nur zu bewusst, und wir sehen daher die CO-Pipeline als unverantwortliches Hochrisiko-Projekt an“, resümierte Arnold.
Dekkers focht das alles nicht an. BAYER hätte „große Sicherungsanstrengungen“ unternommen, versicherte er und strich noch einmal die Unerlässlichkeit des Projekts nicht nur für den Konzern, sondern für die ganze verarbeitende Industrie und gar den Standort NRW im Allgemeinen heraus. Damit nicht genug, nutze die Pipeline nicht nur der Ökonomie, auch ökologisch sei das Vorhaben, so Dekkers. Produzierte das Unternehmen das Kohlenmonoxid in Krefeld vor Ort mit einem Steam-Reformer, würden nämlich CO2-Emissionen entstehen, behauptete er scheinheilig. Warum der Bau trotz dieser Segnungen auf so viel Ablehnung stößt, kann der Niederländer folglich nicht verstehen, um so weniger, als der Global Player doch „von Beginn an einen intensiven Dialog“ mit den KritikerInnen gesucht habe.

Rechtsfreie BAYER-Räume
Was der BAYER-Chef wirklich über diese denkt, tat er fünf Wochen vor der Hauptversammlung in Düsseldorf vor der „Wirtschaftspublizistischen Vereinigung“ kund. Dort hatte er die GegnerInnen der Pipeline, des Kraftwerks Datteln und des „Stuttgart 21“-Projekts abschätzig als „aufgeklärte Wohlstandsbürger“ bezeichnet, die „beschlossene Projekte in Frage stellen“ und so einer standort-gefährdenden Technologie-Feindlichkeit Vorschub leisteten. Das veranlasste Claudia Baitinger vom BUND in Bezug auf den „Schwarzbau“ Datteln zu einer Richtigstellung: Nicht die „Wohlstandsbürger“ seien es, welche die Planungssicherheit gefährdeten, dafür sorge vielmehr die Politik selber mit ihren wirtschaftsfreundlichen Beschleunigungsgesetzen und Teilerrichtungsgenehmigungen. Und der Leverkusener Multi selber hilft der Umweltschützerin zufolge kräftig mit, rechtsfreie Räume zu schaffen. „Die Fragen nach Recht und Rechtssicherheit sind auch in einem Genehmigungsverfahren zu stellen, das von der ehemaligen BAYER-Tochterfirma H. C. STARCK in Laufenburg im Auftrag von BAYER zu Beginn diesen Jahres in Gang gesetzt wurde“, so Baitinger. Dort lief nämlich die Produktion der BAYTUBES-Nanoröhrchen bereits geschlagene sechs Jahre im Versuchsbetrieb, ehe sich der Betreiber bemüßigt fühlte, einen Antrag auf eine offizielle behördliche Zulassung zu stellen. Das wiegt nach Ansicht der ehemaligen Lehrerin umso schwerer, als von den auf winzig kleine Formate geschrumpften Kohlenstoffen eine Gesundheitsgefahr ausgeht. Während des Verfahrens dann zeigte sich der Konzern nicht verantwortungsvoller. So reichte er kurzerhand völlig neue Dokumente ein, als die vorgelegten Sicherheitsdatenblätter zu Unsicherheitsfaktoren mutierten. „Wenn sich nunmehr die dringlich herbeigesehnte Genehmigung in Laufenburg verzögert, weil das Freiburger Regierungspräsidium dem Braten offenbar nicht so richtig traut und sich noch ein Arbeitsschutzgutachten von unabhängiger Seite anfertigen lässt (...), so hat die Verzögerung nichts mit dem Widerstand ‚aufgeklärter Wohlstandsbürger’ zu tun, sondern schlicht mit einem unentschuldbaren Versäumnis des Antragstellers, der Firma BAYER“, resümierte Claudia Baitinger.
Unentschuldbare Versäumnisse mit tödlichem Ausgang thematisierte der Verfasser dieser Zeilen. Er setzte das Thema „Medikamenten-Versuche in Indien“ aus gegebenem Anlass wieder auf die Tagesordnung. Hatte der Redakteur von Stichwort BAYER 2010 vom Unternehmen Auskunft über die Zahl der bei den Klinischen Tests Gestorbenen und Geschädigten erbeten und zur Antwort erhalten, kein einziger Proband habe Gesundheitsstörungen erlitten, so konnte er den Vorstand nun der Falschaussage überführen. Der CBGler zitierte eine Untersuchung der indischen Regierung, wonach zwischen 2007 und 2010 138 Menschen bei den Arznei-Prüfungen von BAYER ihr Leben gelassen haben. Dekkers jedoch bestritt den Zusammenhang von Pharmazeutika-Nebenwirkungen und Tod. Da es sich bei den Testpersonen um zum Teil sehr kranke Risiko-PatientInnen handle, sei „die Mortalität grundsätzlich hoch“.
BAYERs Pharma-Sparte betrachtet Indien „als Ressource“. Als Absatz-Markt interessiert das Land den Multi wegen der geringen Kaufkraft der Bevölkerung hingegen bedeutend weniger. Deshalb bietet er beispielsweise sein Krebspräparat NEXAVAR nicht in ausreichenden Mengen und noch dazu mit 4.200 Euro pro Monat völlig überteuert an. Die Regierung hat daraus die Konsequenz gezogen, sich auf eine Schutz-Klausel im Patent-Abkommen TRIPS zu berufen und eine Zwangslizenz zu erteilen. Philipp Frisch von ÄRZTE OHNE GRENZEN begrüßte diese Entscheidung, das Patentrecht außer Kraft zu setzen und sah darin „ein wichtiges Signal“. „Damit hat die Behörde klar gemacht, dass Patentmonopole kein Freifahrtschein für überteuerte Preise sind“, erläuterte Frisch.
Marijn Dekkers möchte dieses Signal jedoch lieber überhören: „Sicher steht das indische Gesundheitssystem vor besonderen Herausforderungen, aber das hat nichts mit Patenten zu tun.“ Mit der Erteilung von Zwangslizenzen werde das Problem nicht gelöst, so der BAYER-Chef. Seiner Ansicht nach dient die Privatisierung von Wissen sogar dem öffentlichen Interesse, weil nur die Monopol-Gewinne Investitionen in Forschung & Entwicklung ermöglichten. Und den „besonderen Herausforderungen“ will der Pharma-Multi allein mit milden Gaben wie Hilfsprogrammen, die den Armen den Zugang zu Arzneimitteln erleichtern, begegnen. Ansonsten soll alles beim Alten bleiben. Deshalb kündigte Dekkers an, gegen das Votum des indischen Patentgerichtes Berufung einzulegen, was dann kurz nach der Hauptversammlung auch geschah.

BAYER bleibt stur
In Sachen „Tierversuche“ strebt der Agro-Riese ebenfalls keine Änderungen an. Christine Esch von PETA, die im letzten Jahr über Misshandlungen von Hunden und Katzen in BAYERs Auftragslabor PLRS berichtet hatte, fragte nach, welche Konsequenzen der Konzern aus den Vorfällen gezogen hat. „Da die Kontrollmechanismen ja im Fall des PLRS-Labores offensichtlich versagt haben: In welcher Weise wurden die Kontrollmodalitäten seitdem abgeändert?“, wollte die Tierärztin wissen. Aber Dekkers drückte sich um eine Antwort herum und sprach lediglich allgemein von der Verantwortung für das Tier als Mitgeschöpf. Arznei-Tests mit den Kreaturen hält der Chemiker bis auf Weiteres für unverzichtbar. Kaum tröstlich wirkten da seine Worte: „Das schließt die intensive Suche nach anderen Methoden nicht aus.“ Gefunden hat das Unternehmen dabei nämlich noch nie etwas. Und so hat BAYER die Tierversuche denn auch nicht drastisch reduziert, wie der Vorstandsvorsitzende Esch gegenüber behauptete, ihre Zahl stieg vielmehr von 192.412 im Jahr 2010 auf 199.636 im Jahr 2011.
Auch Philipp Mimkes von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) widmete sich dem Leid der Tiere. Er thematisierte die massenhafte Verwendung von BAYER-Antibiotika in der Massentierhaltung und nahm dabei auf eine Studie des Landes Nordrhein-Westfalen Bezug, derzufolge 90 Prozent aller Hühner in der „Genuss“ der Mittel kommen. Mit schwerwiegenden Folgen, wie der Physiker schilderte, denn durch die Dauergaben entwickeln die Krankheitserreger Resistenzen. Gelangen die Keime dann durch den Nahrungskreislauf in den menschlichen Organismus, können sie Gesundheitsstörungen auslösen, gegen die kein Kraut mehr gewachsen ist. Dazu fiel Marijn Dekkers nicht viel ein. „Wenn Tiere erkranken, müssen sie behandelt werden, egal, wie sie gehalten werden“, meinte der Vorstandsvorsitzende und stritt im Übrigen einen großflächigen Einsatz des BAYER-Mittels BAYTRIL ab.
Die Antibiotika-Problematik machte jedoch nur einen Teil der Sammelklage aus, die der CBG-Geschäftsführer mit seinem Überblick über die gesamten BAYER-Aktivitäten schon fast traditionell in den Hauptversammlungen vorträgt. So befasste er sich außerdem noch mit dem Blutungen auslösenden Gerinnungshemmer XARELTO, dem sich immer wieder in konventionellen Handelssorten wiederfindenden Genreis der Marke LIBERTYLINK und den 64 hochgefährlichen Pestizide, welche das PESTIZID-AKTIONS-NETZWERK in den Beständen des Agro-Riesen identifiziert hat. Zudem setzte Mimkes die astronomischen Marketing-Ausgaben in Höhe von neun Milliarden Euro und die zahlreichen Forschungskooperationen mit Universitäten auf die Agenda. Und auch da konnte der Leverkusener Multi zu seiner Verteidigung nicht allzu viel vorbringen.

Konzernkritik + x
Zu allem Überfluss musste der Konzern sich darüber hinaus noch mit Gegen-RednerInnen auseinandersetzen, die sich nicht von vornherein den „Kritischen AktionärInnen“ zurechneten. Ramona Pisal vom DEUTSCHEN JURISTINNENBUND zeichnete ein trostloses Bild vom Stand der Gleichberechtigung bei BAYER, auf das keine einzige Vorstandsfrau und lediglich drei weibliche Aufsichtsratsmitglieder passen. Und Klaus Hebert-Okon von der alternativen Gewerkschaftsgruppe BELEGSCHAFTSTEAM rechnete der Hauptversammlung einmal haarklein vor, welche Einschnitte die Beschäftigten, denen Dekkers in seiner Rede für ihren Beitrag zum Erfolg des Unternehmens einen routinierten Dank abstattete, in der letzten Zeit hinzunehmen hatten. Einsparungen beim Bonus, Wegfall von Leistungen bei Dienstjubiläen, Maßnahmen zur Flexibilisierung der Arbeitszeit, Überarbeitung der Entgeltgruppen-Struktur, Wegfall von Leistungen für Neueingestellte, Wegfall der Kontoführungsgebühr, Kürzung von 3 Urlaubstagen für WechselschichtlerInnen und der Ausschluss der CURRENTA-Belegschaft aus der Standortsicherungsvereinbarung standen auf seiner langen Liste. Dann nahm Hebert-Okon, der auch Bezirksvorsitzender der Gewerkschaft VER.DI im Rhein-Wupper-Kreis ist, sich der KollegInnen der jüngst ausgegliederten IT-Sparte von BAYER BUSINESS SERVICES (BBS) an. Er fragte, ob der Vorstandsvorsitzende diese Belegschaftsangehörigen ebenfalls in seinen Dank eingeschlossen hatte und was BAYER zu deren Absicherung zu tun gedenkt. Darauf blieb Dekkers jedoch eine Antwort schuldig. Er ließ sich lediglich die allgemein gehaltene Zusicherung entlocken, für die nicht mehr zum Unternehmen gehörenden Beschäftigten hätte der Multi Übergangsregelungen vereinbart.
So viel Kritik wie auf dieser Hauptversammlung hatte sich der Gen-Gigant noch niemals anhören müssen. Irgendwann wusste sich der Versammlungsleiter Manfred Schneider dann nicht mehr anders zu helfen, als die Redezeit auf fünf Minuten zu begrenzen. Aber auch diese Maßnahme schützte den Konzern nicht davor, die ur-kapitalistische Institution der AktionärInnen-Versammlung zu einer Anklagebank für eine nur der Profitjagd verpflichtete Geschäftspolitik umfunktioniert zu sehen.
Von Jan Pehrke

[Rohstoffe] STICHWORT BAYER 03/2012

CBG Redaktion

Zugriff auf Ressourcen

Die Rohstoffallianzen von BAYER und Co.

Bereits seit einiger Zeit treibt BAYER & Co. die angespannte Situation auf den Rohstoff-Märkten um. Die Konzerne starteten deshalb diverse Initiativen und verstärkten den Druck auf die Politik. Nun jedoch erreicht ihr Engagement eine neue Qualität. BAYER, BOSCH, THYSSENKRUPP und sieben weitere Unternehmen gründeten im April 2012 die RA ROHSTOFFALLIANZ GmbH, um die Versorgung mit den dringend benötigten Ressourcen selber in die Hand zu nehmen.

Noch in den 1990er Jahren war BAYER ein gewichtiger Rohstoff-Förderer. Der Leverkusener Multi gehörte zu den weltweit führenden Anbietern von Flußspat, bei der Gewinnung von Chromit nahm er Rang vier ein, bei Zirkon Rang 11 und bei Titan Rang 16. Aber zum Ende der Dekade hin begann der Konzern sich im Zuge der „Konzentration auf das Kerngeschäft“ von immer mehr Minen oder Minen-Beteilungen zu trennen. Und 2004 stieß der Global Player mit der Ausgliederung des Chemie-Geschäfts, das fortan selbstständig unter dem Namen LANXESS firmierte, auch die Chromerz-Gruben in Südafrika ab.

Andere bundesdeutsche Unternehmen handelten ähnlich. Aber bald schon bereuten BAYER & Co. diesen Schritt, denn die Lage auf den Rohstoff-Märkten verschärfte sich. Zur Neige gehende Vorkommen, immer schwierigere Erschließungen, Monopol-Bildungen und mehr Nachfrage-Druck von Seiten aufstrebender Länder wie China sorgten für ansteigende Preise. Der „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI) schlug Alarm und veranstaltete 2005 seinen ersten Rohstoff-Kongress, an dem auch der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder teilnahm. Auf dem zweiten im Jahr 2007 bezeichnete seine Nachfolgerin Angela Merkel die Ressourcen-Sicherung für die bundesdeutschen Firmen dann bereits als „nationales Interesse“. Den Grund dafür nannte sie an anderer Stelle: „In der Praxis erleben wir sehr oft, dass andere Länder schneller sind.“ Um aufzuholen, sicherte der Koalitionsvertrag den Konzernen Beistand bei ihren imperialistischen Bestrebungen zu. „Der Zugang zu Rohstoffen und deren verlässliche Verfügbarkeit sind für die deutsche Industrie mit ihren Produkten der Hoch- und Spitzentechnologie von besonderer Bedeutung und unverzichtbare Ziele der Außenwirtschaftspolitik“, heißt es in dem Dokument.

Diese Hilfe gewährt die Bundesregierung der Industrie auch bei deren neuestem Projekt, der RA ROHSTOFFALLIANZ GmbH. Dem Geschäftszweck des Unternehmens: „Die Sicherung der Versorgung der Gesellschafter mit kritischen Rohstoffen“ wollen BAYER, THYSSENKRUPP, EVONIK und die anderen sieben Gründer laut Handelsregister-Eintrag nämlich „unter enger Einbindung der Rohstoffpolitik der Bundesrepublik Deutschland“ nachgehen.

Fürs Erste haben es die Konzerne dabei auf Seltene Erden, Kokskohle, Graphit und Wolfram abgesehen. Der Leverkusener Multi hat zwar selber keinen gesteigerten Bedarf an solchen und anderen Spezial-Rohstoffen, wohl aber seine Geschäftspartner. Besonders bei Firmen, die auf dem Gebiet der Zukunftstechnologien tätig sind, besteht ein hohe Nachfrage nach solchen Substanzen. Und wenn jene etwa für ihre Elektrofahrzeug-Akkus kein Lithium oder Kobalt mehr bekommen, keine Seltenen Erden für ihre Windkraftanlagen und kein Gallium für ihre Dünnschicht-Photovoltaik, dann steht es auch schlecht um den avisierten Absatz von BAYTUBES-Nanoröhrchen für die neuartigen Auto-Batterien und von Kunststoffen für Rotorblätter oder Sonnenkollektoren. Da es solchen Kunden überdies an der kritischen Masse für eine solch gewichtige Unternehmung wie die Ressourcen-Sicherung fehlt, erscheint das Mitwirken eines Global Players wie BAYER an der Allianz fast zwangsläufig.

Politische Flankierung
Zur Beschaffung der Schätze will sich diese – gestützt auf die Expertise der „Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe“ – an Minen beteiligen und selber Vorkommen erschließen. Die Kosten dafür tragen zu einem großen Teil die Gesellschafter. Später einmal soll ein milliardenschwerer Fonds mit Sitz in einer Steueroase zusätzliches Geld abwerfen. Aber auch auf Projekt-Finanzierungen durch die „Kreditanstalt für Wiederaufbau“, Fördermittel des Bundes für Industrie-Ansiedlungen in „Entwicklungsländern“ sowie staatliche Kredite und Garantien zählt die Rohstoffallianz.

„Flankierung durch die Politik“ erwarten BAYER & Co. darüber hinaus in Form des Abschlusses von Rohstoff-Partnerschaften. Und da hat die Bundesregierung bereits geliefert. Im Oktober 2011 besuchte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Mongolei und sprach dort Klartext: „Unser Interesse liegt natürlich darin, dass wir hier auch Rohstoffe ausbeuten können.“ Sie erfüllte ihre Mission schließlich mit der Unterzeichnung eines Abkommens, das privilegierten Zugang zu Bodenschätzen verspricht. Mit Kasachstan hat die Bundesregierung ebenfalls eine entsprechende Vereinbarung getroffen. Weitere plant sie mit Sambia, Südafrika, Namibia, Chile und Peru.

In vielen dieser Länder findet die Ausbeutung der Rohstoffe unter katastrophalen politischen, sozialen und ökologischen Bedingungen statt. Wenn der Ressourcen-Abbau nicht gleich in den Händen von PolitikerInnen oder Militärs liegt, kontrollieren ihn oft Oligarchen oder multinationale Konzerne, die kaum Steuern zahlen. Zudem ist kaum ein anderer Geschäftszweig so korruptionsanfällig. Vom „Rohstofffluch“ sprechen deshalb viele ExpertInnen. In Peru bekommen diesen vor allem LandwirtInnen zu spüren, denn die von den Minen ausgehenden Umweltverschmutzungen verunreinigen ihre Ackerböden. Deshalb führen sie immer wieder Protestaktionen durch, bei denen die Polizei hart durchgreift. Ende Mai 2012 erschossen die Ordnungskräfte zwei DemonstrantInnen, und die Regierung verhängte den Ausnahmezustand. In Kasachstan streikten im letzten Jahr Tausende Öl-Arbeiter sieben Monate lang für höhere Löhne, ehe die Sicherheitskräfte des autoritär regierten Staates den Ausstand brutal beendeten. Bilanz nach öffentlichen Angaben: 15 Tote und über 100 Verletzte; MenschenrechtlerInnen sprechen dagegen von mehr als 70 Toten und 500 Verletzten. Ein Gericht verurteilte später fünf Polizisten zu Haftstrafen bis zu sieben Jahren. Auch drei Öl-Manager musste wegen Unterschlagung ins Gefängnis. Dem Verhältnis zur Bundesrepublik tut das alles keinen Abbruch. „Die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Kasachstan entwickeln sich gut“, konstatiert das Auswärtige Amt.

Der Wettlauf um die Ressourcen lässt jedoch noch Skrupel ganz anderer Art in den Hintergrund treten: die vor militärischen Mitteln. So verpflichtet sich die Bundeswehr in den „verteidigungspolitischen Richtlinien“ von 1992 auf die „Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen auf aller Welt“. Und sie kommt diesem Auftrag schon nach und verteidigt etwa am Hindukusch den Zugriff auf Bodenschätze. Nicht umsonst hatte der ehemalige Verteidigungsminister 2010 beim Managertreffen im schweizerischen Davos vor Unternehmensleitern von BAYER und anderen Konzernen betont, das Thema „Afghanistan“ müsse man auch im energie-politischen Kontext sehen.

Chrom am Kap
Da wundert es nicht, dass der Leverkusener Multi seine eigene Rohstoff-Politik ebenfalls ohne Rücksicht auf Verluste verfolgt. So bezog seine Tochter-Gesellschaft HC STARCK, die er 2007 an zwei Finanzinvestoren verkauft hat, bis 2002 jahrelang Tantal aus dem vom Bürgerkrieg zerrissenen Kongo, obwohl das Metall den verfeindeten Gruppen zur Finanzierung der Waffengänge diente. Und so wenig der Konzern sich von der brasilianischen Militärdiktatur beim Betreiben seiner Minen stören ließ, so wenig hielt ihn in Südafrika das Apartheidsregime von der Förderung und Weiterverarbeitung von Chrom ab. In den 1980er Jahren kam es dort in einer Niederlassung wegen mangelhafter Sicherheits-Vorkehrungen zu einer großen Zahl von Vergiftungsfällen. Ein Drittel der Belegschaft erlitt bleibende Gesundheitsschäden, mindestens acht Arbeiter starben an Lungenkrebs, zwei weitere an Tuberkulose. Und 2004 gelangten aus einem Chrom-verarbeitenden Werk, das inzwischen in den Besitz von LANXESS übergegangen war, krebserregende Rückstände des Metalls ins Grundwasser, weshalb die Behörden die Bevölkerung eindringlich davor warnen mussten, Wasser aus den angrenzenden Brunnen zum Trinken oder Kochen zu verwenden.

Die EU plant, wenigstens einen Teil dieser Rohstoffgeschäftsrisiken zu vermindern. Sie will die Unternehmen zwingen, ihre Zahlungen im Handel mit den Ressourcen offenzulegen. Aber die Bundesregierung opponiert vehement gegen den Vorstoß. Darum sah sich selbst der ehemalige BP-Chef John Browne bemüßigt, von Merkel & Co. eine konstruktivere Position beim Kampf gegen die Korruption im Rohstoff-Sektor einzufordern.

Die Rohstoffallianz, zu der inzwischen noch weitere Firmen gestoßen sind, dürfte sich hingegen über diesen nochmaligen Flankenschutz freuen. Ihr Geschäftsführer Dierk Paskert sondiert derzeit die Lage. Er stellte das Unternehmen im bodenschatz-reichen Kanada vor, traf auf der „Resource and Mining Conference“ in Frankfurt unter anderem mit Vertretern aus Afrika zusammen, nahm an der „Africa Business Week“ und der Veranstaltung „The Global Resource Nexus: The Struggles for Land, Energy, Food, Water and Minerals” teil. Im nächsten Jahr schließlich will Paskert erste Abschlüsse präsentieren. Von Jan Pehrke

Pestizide

CBG Redaktion

29. Juni 2012

Aktion der Coordination gegen BAYER-Gefahren

Umfrage zu Pestiziden in deutschen Supermärkten

Häufig finden sich gefährliche Pestizide in Produkten deutscher Supermärkte. Besonders Paprika, Trauben und Salat sind belastet, weniger bedenklich sind meist Bananen, Kiwis und Kartoffeln. Bei Testkäufen von Greenpeace vor einigen Jahren schnitten die Unternehmen Kaisers/Tengelmann, Edeka und REWE besonders schlecht ab, teilweise war dort jede dritte Probe mit gefährlichen Agrochemikalien belastet.

Die meisten Unternehmen unternahmen Schritte, die Belastung zu senken. Frei von Schadstoffen sind aber weiterhin nur Bioprodukte.

Zu den Pestiziden, die bei den Untersuchungen von Greenpeace gefunden wurden, zählen auch Produkte von BAYER, dem weltweit zweitgrößten Pestizidhersteller; zum Beispiel Imazalil, das in gespritzten Zitrusfrüchten zu finden ist, als akut giftig gilt und vermutlich Krebs auslösen und das Erbgut schädigen kann. Auch das Spritzmittel Amitrol von BAYER, das hormonelle Störungen hervorrufen kann und im Anbau von Äpfel, Birnen und Wein verwendet wird sowie das Fungizid Procymidon wurden mehrfach nachgewiesen.

Mitglieder der Coordination gegen BAYER-Gefahren nahmen die bislang bekannten Pestizid-Funde zum Anlass, die wichtigsten Anbieter nach den Schutzmaßnahmen für die VerbraucherInnen zu fragen. Folgende Fragen wurden an fünfzehn Supermarkt-Ketten gerichtet:

1. Ist Ihnen der Pestizid-Verhaltenskodex der Welternährungsorganisation FAO bekannt?
2. Welches sind Ihrer Kenntnis nach die giftigsten Schädlingsvernichtungsmittel? Welches die häufigst gebrauchten?
3. Wie reagieren Sie auf Untersuchungen der von Ihnen verkauften Lebensmittel? Beeinflussen diese Ihre Vertriebsentscheidungen?
4. Aus welchen Regionen werden Ihnen belastete Produkte angeboten? Welche Lebensmittel sind am höchsten belastet?
5. Wie überwachen Sie das Angebot in Ihren Filialen?
6. Mussten Sie in der Vergangenheit belastete Produkte aus dem Sortiment nehmen?

Der Brief schließt mit dem Appell: „Nehmen Sie Ihre Einflussmöglichkeit wahr, die Pestizid-Nachfrage zu verringern und dadurch Vergiftungen von Verbrauchern, Landarbeitern und der Umwelt zu reduzieren“.

Acht der fünfzehn angeschriebenen Supermarkt-Ketten antworteten. Auf die konkreten Fragen wurde teilweise sehr allgemein geantwortet. Die meisten Unternehmen können die Diskussion jedoch nicht mehr ganz ignorieren.

Vorbildlich ist einzig die Position der Firma tegut, die sämtliche Rückstände eliminieren will. Alle anderen Firmen bekennen sich nicht zum ökologisch notwendigen Ziel einer pestizidfreien Produktion. Immerhin setzen sich einige Ketten zum Ziel, die gesetzlichen Grenzwerte deutlich zu unterschreiten.

Wir dokumentieren im Folgenden die vollständigen Antworten:

Aldi Einkauf GmbH (bei Aldi-Produkten waren in der aktuellsten Untersuchung von Greenpeace vergleichsweise wenig Pestizide gefunden worden)

Vorbildlich ist das Schreiben von tegut. Die Bio-Kette bekennt sich zum FAO Kodex und schließt zahlreiche Pestizide generell aus (viele davon aus dem Bayer-Sortiment, z.B. Endosulfan, Ethoprophos, Monocrotophos, Aldicarb, etc).

Ein besonders kurzer Brief kommt von der Kette NORMA

Eine nichtssagende Antwort kam zunächst von der Kette REWE. Auf Nachfrage erhielten wir dann eine ausführliche Antwort.

Lidl war in der ersten Untersuchung von Greenpeace wegen der hohen Pestizidbelastung seiner Produkte noch auf dem letzten Platz gelandet. Wegen der negativen Berichterstattung verbesserte die Firma die Rückstandskontrollen, so dass sie in der nächsten Studie weit verbessert abschnitt. Immerhin bekennt sich Lidl zu dem Ziel, eine maximale Belastung von 66% unter den gesetzlich erlaubten Höchstwerten anzustreben, das Limit also nur zu einem Drittel auszuschöpfen (Kaisers und Aldi geben das weniger ambitionierte Ziel an, 30% unter den gesetzlichen Höchstwerten liegen zu wollen).

Auch Kaufland bekennt sich zu dem relativ ambitionierten Ziel, nur eine Belastung von einem Drittel des gesetzlich Erlaubten zuzulassen.

Der Brief von Kaisers´s Tengelmann

Und abschließend das Schreiben der Firma Bünting.

[Betfair] Sponsoring

CBG Redaktion

28. Juni 2012

Sponsor von Bayer 04 Leverkusen:

Nach dem Rekord-Pleitier nun die Pokerfirma

Jahrelang ließ sich das Fußball-Team von Bayer 04 Leverkusen von dem Pleite-Unternehmen TelDaFax sponsern. Auch nachdem den Verantwortlichen bei Bayer 04 die Schieflage von TelDaFax bekannt wurde, kassierte Bayer noch Millionen. Rund 700.000 Geschädigte gucken in die Röhre: http://www.cbgnetwork.org/4014.html

Jetzt hat Bayer 04 einen neuen seriösen Sponsor: das Poker-Unternehmen Betfair. Und wie schon bei TelDaFax agiert Rudi Völler als „Markenbotschafter“.

Sportwetten sind heutzutage ein Milliarden-Geschäft. Hiervon bleibt der Fußball natürlich nicht unbeeinflusst. Besonders zum Saison-Ende gibt es in vielen Ländern Absprachen und Bestechungsgelder – auch in Deutschland. Hoyzer, Gigi Buffon und die Sapina-Brüder lassen grüßen.

Schade, dass ein einstiger Sympathieträger wie Völler, der seit Jahren ausgesorgt hat, so etwas nötig hat. Der DFB und die deutschen Fußball-Vereine sollten konsequent gegen Wettbetrug und Bestechung vorgehen. Stattdessen nimmt Bayer 04 nun ausgerechnet Geld von einem Wett-Unternehmen an.

Hier geht´s zur Meldung von Betfair:

Juni 27, 2012
Betfair neuer Partner von Bayer 04 Leverkusen
Als Sponsor der Kieler Woche ist Betfair zum ersten Mal in der deutschen Sportwelt offiziell aufgetreten. Seit Montag ist Betfair nun auch offizieller Premium-Partner von Bayer 04 Leverkusen. Sportdirektor Rudi Völler wird als Markenbotschafter Betfair vertreten.
Nach dem FC Barcelona und Manchester United wird Betfair nun auch in der deutschen Bundesliga aktiv. Zwei Jahre wird man den gemeinsamen Weg beschreiten, es gibt eine Option für ein drittes Jahr. Neben Banden- und Stadionwerbung wird es zahlreiche gemeinsame Werbeaktionen geben. Rudi Völler, Sportdirektor von Bayer Leverkusen, wird auch als Markenbotschafter von Betfair agieren.

[Bienensterben] Mexiko

CBG Redaktion

13. Juni 2012

Mexiko: Bayer sponsort staatliche Imker-Beauftragte

Die staatlichen Bieneninstitute in Deutschland sind chronisch unterfinanziert und sind daher von Aufträgen der Pestizidhersteller abhängig. Auch im Ausland gibt es solche Abhängigkeiten.

So berichtet uns aktuell ein Berater für Bienenzucht aus Mexiko, dass staatliche Lehrbeauftragte für Imkerei von BAYER mit kostenloser Schutzkleidung versorgt werden. Das Foto vom März 2012 zeigt einen von der Regierung von Jalisco angestellten Tierarzt, der drei Imkergruppen mit einigen Dutzend Mitgliedern betreut.

Auf der Schutzkleidung wird das Produkt BAYVAROL beworben, ein Varroacid. Offenbar wird nicht die korrekte Anwendung praktiziert: entgegen den Anwendungsvorschriften befanden sich in vielen Bienenkästen noch eine Woche vor Erntebeginn BAYVAROL-Streifen in den Bienenvölkern. Den Lehrbeauftragten wird zudem nicht vermittelt, dass das Produkt nach mehrmaliger Anwendung zur Resistenzbildung bei den Varroamilben führt, wie dies z.B. in Südeuropa beobachtet wurde.

alle Infos zur Kampagne Bienensterben

[EU Beschwerde] TDI Dormagen

CBG Redaktion

Presse Information vom 12. Juni 2012

Staatliche Förderung durch KfW-Kredit:

EU-Beschwerde gegen Subvention für Dormagener TDI-Anlage

Die BUND-Regionalgruppe Düsseldorf sowie die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) haben bei der EU-Kommission eine Beschwerde wegen öffentlicher Subventionen für die umstrittene TDI-Anlage in Dormagen eingereicht. Beide Gruppen hatten bereits im Genehmigungsverfahren Einwendungen eingereicht und ihre Kritik im Erörterungstermin dargelegt.

Die Firma BAYER erhält für den Bau der Produktionsanlage von der staatlichen KfW-Bank einen zinsgünstigen Kredit in Höhe von 150 Mio Euro. Begründet wird dies mit angeblichen Einsparungen von Energie und Einsatzstoffen. Eine solche Einsparung ist für BUND und CBG jedoch nach Prüfung der Antragsunterlagen nicht nachvollziehbar, da sich das Unternehmen geweigert hat, konkrete Aussagen zum absoluten Energieverbrauch zu machen.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Gegen den Bau der TDI-Anlage gibt es große Bedenken. Wir kritisieren insbesondere den hohen Ressourcen-Einsatz, das Fehlen von worst case-Szenarien sowie die Verwendung hochgefährlicher Zwischenprodukte wie Phosgen. Wir können daher nicht nachvollziehen, warum das Projekt nun noch mit einem zinsgünstigen staatlichen Kredit gefördert werden soll.“ Die KfW-Bank hatte trotz Nachfrage nicht dargelegt, worauf sich die Entscheidung gründet, das Projekt zu fördern. In der begünstigten Kreditvergabe sehen die Umweltverbände eine Bevorzugung der Firma BAYER gegenüber anderen Unternehmen, weswegen sich die Beschwerde an die Generaldirektion Wettbewerb der EU-Kommision richtet.

In der Dormagener TDI-Produktion sollen als Zwischenprodukt jährlich rund 360.000 Tonnen Phosgen eingesetzt werden. Die Chemikalie wurde im 1. Weltkrieg als Kampfgas verwendet. Die Anlage soll in einem Abstand von weniger als 300m zur nächsten Werksgrenze errichtet werden, obwohl die Kommission für Anlagensicherheit für den Einsatz von Phosgen einen Abstand von 1.500m zu bewohnten Gebieten festgelegt hat. Gegen die Genehmigung des Antrags von BAYER hatten die Umweltverbände BUND, Nabu und CBG sowie die Grünen und rund 60 Einzelpersonen Einwendungen eingereicht.

weitere Informationen:
=> Die Beschwerde im Wortlaut
=> Die Einwendungen von CBG und BUND

TDI Dormagen

CBG Redaktion

An die Europäische Kommission
Generaldirektion Wettbewerb
Registratur Staatliche Beihilfen
1049 Brüssel, Belgien

und die

Europäische Kommission
z.Hd. der Generalsekretärin
B-1049 Brüssel
Belgien

betr. geplante TDI Anlage der Firma Bayer, Dormagen Umweltstandard und geplante Finanzierung durch die staatliche KfW-Bank

Hier möglicher Verstoß gegen
=> Wettbewerbsrecht (Article 107 of the Treaty on the Functioning of the European Union (TFEU)
=> IED-Rl 230/75/EU
=> Seveso-Rl 96/82/EG
=> Emissionshandels- Rl 2003/87/EG
=> Umwelthaftungs-Rl 2004/35/EG

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Firma BAYER hat die Genehmigung nach BImschG §4,10ff für die Errichtung und Betrieb einer TDI-Anlage im Chemiepark Dormagen beantragt. Ein Vorbescheid wurde bereits erteilt. (s. Anlage 1)

Die Firma erhält nun einen Kredit in Höhe von 150 Mio Euro (s. Anlage 2) durch die staatliche KfW-Bank für dieses Vorhaben. Begründet wird dies mit angeblichen Einsparungen von Energie und Einsatzstoffen.

Wir erheben hiermit Beschwerde gegen die Kreditvergabe aus öffentlichen Mitteln und das Vorhaben mit Bezug auf die o.g. Richtlinien aus folgenden Gründen:

a) Die Energieeinsparung ist für uns nach Einsichtnahme in die Antragsunterlagen und Teinahme am Erörterungstermin (s. Anlage 3) nicht nachvollziehbar, da die Firma sich geweigert hat, konkrete Aussagen zum gesamten Energieverbrauch aller Energieträger zu machen. Sie macht lediglich Angaben zum Gasverbrauch, nicht zur eingesetzten Strommenge z.B. aus fossilen Energieträgern.

b) Prozentuale Angaben zur Energieeinsparung (hier angeblich 60%) und Lösungsmittelreduzierung (hier angeblich 80%) sind ohne Vergleichsgrößen aus der bestehenden Anlage nicht beweiskräftig, insbesondere wenn diese nur über ca. 26,5% ( 80.000 t/a) der Kapazität der Neuanlage (300.000 t/a) verfügt. Verbesserungen des technischen Standards als Begründung für die staatliche Beihilfe sind somit anzuzweifeln.

c) Die Firma verwies bei Zweifeln zur Funktionsfähigkeit der geplanten Anlage auf die Produktion an ihrem chinesischen Standort, gab aber keine Daten dazu heraus. Somit sind diese Aussagen nicht zur Ersatzrechtfertigung heranzuziehen.

d) Die beantragte Anlage stellt nur eine Teilanlage im Sinne der IED-Richtlinie (Artikel 3,3.) dar. Wesentliche Anlagenbereiche, die im technischen Zusammenhang (z.B. über Rohrverbindungen ) mit der TDI-Produktion stehen (CO-Anlage, Lagerbereich, Kälteanlage und Abwasserbehandlung“HCl-Anlage“) und ohne die dieser Teil der TDI-Produktion nicht betrieben werden kann, sind jedoch in andere Genehmigungsverfahren bzw. an andere Betreiber ausgelagert worden. (s.a. Anlage 5) Dies macht eine Beurteilung der Gesamtauswirkungen dieser Produktion auf die Emissionen und die Umweltverschmutzung sowie die Erhebung der tatsächlichen Zusatzbelastung durch die Gesamtanlage unmöglich und suggeriert durch diese Auslassung eine Verbesserung. Zwar werden einige Umweltauswirkungen dieser ausgelagerten Anlagenteile in einer gemeinsamen Umweltverträglichkeitsprüfung behandelt, jedoch sind die den Schlussfolgerungen zugrunde liegenden Angaben allgemein, nicht nachvollziehbar und unverbindlich, da es dazu noch keine bindenden Antragsunterlagen gibt. (insbesondere CO-Anlage).

Die Aufsplittung einer Gesamtanlage in Teilanlagen und Verlagerung auf mehrere Antragsteller widerspricht dem Anspruch der integrierten Anlagenbeurteilung und –Genehmigung und unterläuft somit die IED-Richtlinie in der Betrachtung der Gesamtauswirkungen einer . Die Splittung (demnächst bis zu einzelnen Schornstein?) stellt auch eine Wettbewerbsverzerrung dar, da ein an anderen Standorten angewandtes integriertes Vorgehen (s. Anlage 4) ggfs. zu mehr Auflagen führen kann bzw. die Genehmigungsfähigkeit in Frage stellen kann. Dabei wäre selbst lt. Bayer der Bau der zusätzlichen Kälteeinheit und die zusätzliche CO-Produktion ohne die TDI-Anlage nicht notwendig.

e) Die Auslagerung der erheblichen Energieverbräuche und Emissionen aus den Anlagenteilen zur CO- und Kälteproduktion sowie zur HCl- Behandlungen führen auch zur mangelnden Berücksichtigung bei den Treibhausgasemissionen (s.z.B. Anlage 3,S:14/15 ). Auch dies führt zu Wettbewerbsverzerrungen.

f) Die Abstände zu den umliegenden , gefährlichen Anlagen waren zum Zeitpunkt der Erörterung teilweise noch nicht bekannt, da - wie oben angeführt - noch gar nicht alle zugehörigen Anlagenteile (HCl-Anlage, VBD-Lager, CO-Anlage, Kälteanlage) vorhanden sind (s.Anlage 3,S.42) und auch ihre genaue Lage, konkreten Kapazitäten sowie technische Verfahren sowie Emissionsumfang und Gefährdungspotentaial noch nicht feststehen. So ist die Einhaltung der Abstände gemäß Seveso-Richtlinie noch ungeklärt. Das Gutachten, welches die Bezirksregierung hat erstellen lassen, ist bisher nicht veröffentlicht worden.
Der Standort für die geplante Anlage ist ca. 250 m von der öffentlichen Bahnstrecke entfernt. Das sog. Sicherheitskonzept, mit dem der Verzicht auf Betonumhüllung, Ammoniakwand und ausreichende Abstände zu umliegenden Anlagen und Wohnbebauung gerechtfertigt wird, reicht unseres Erachtens anch nicht aus, um im Freisetzungsfalle Umwelt und Gesundheit zu schützen.

g) Weder in den Antragsunterlagen noch in der Erörterung sind konkrete Aussagen zur Höhe der Umwelthaftung gemacht worden. Dies erhöht um so mehr die Unsicherheit für den beantragten Kredit.

h) Die beantragte Kreditfinanzierung durch die staatliche KfW-Bank läßt Zweifel an der Kreditwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit der Firma Bayer aufkommen. Angesichts der erheblichen Gewinne, die diese Firma ihren Aktionären ausschütten kann, stellt sich die Frage, ob diese Ausschüttung rechtmäßig ist, wenn anderseits nicht genügend Rücklagen und Kapital für die Anlagenplanung vorhanden ist.

i) Es steht zu befürchten, dass durch die unzureichende Planung die beantragten Mittel für die Anlage nicht ausreichen und zusätzliche Kredite benötigt werden, will man das dann bereits verbaute Geld nicht abschreiben. Dies führt dazu, dass hier unrechtmäßige Subventionierung einer äußerst fragwürdigen Anlagenplanung erfolgt, die so an anderen Standorten Europas weder erlaubt noch wegen der fehlenden staatlichen Unterstützungsmöglichkeit vorhanden wäre.

j) Sollte sich zudem die aus dem Prozess resultierende, erhebliche Menge 30% Salzsäure nicht wie beabsichtigt vermarktbar sein, würde dies zu zusätzlichen Kosten der Behandlung und Entsorgung führen. Es ist unklar, ob der resultierende Gewinn dann ausreicht, die Kreditsumme abzutragen.

Diese Beschwerde ergeht direkt an Sie, weil
a) unsere Argumente und Fragen im Erörterungstermin nur unzureichend beantwortet wurden (s. Anlage 3) und auch die wenigen nachgelieferten Unterlagen hier zu keiner Beantwortung führen.

b) jede höhere Instanz in Deutschland nach unseren Erfahrungen bei Genehmigungsverfahren im Chemiebereich die Entscheidung der zuständigen Behörde nicht rückgängig macht, da ansonsten die Industrie mit hohen Schadensersatzklagen droht.

c) unsere Korrespondenz mit der Bank keine ausreichende Beantwortung brachte. (s. Anlage 6)

d) die Innovationsvorsprünge, die u.a. die deutsche Chemieindustrie gerne anführt, für uns in den Genehmigungsverfahren nicht nachvollziehbar ist, weil regelmäßig mit kleinen Ressourceneinsparpotentialen erhebliche Kapazitätserweiterungen einhergehen, die die absoluten Emissionen weiter erhöhen.

Wir bitten Sie um neutrale und unabhängige Prüfung unserer Beschwerde

Mit freundlichem Gruß

Diplom-Kaufmann Dieter Donner
BUND-Regionalgruppe Düsseldorf im Landesverband NRW
Humboldtstraße 64, D40723 Hilden
Tel. +49210365030 Fax. +492103336491
Mail. dieter.donner@bund.net

Philipp Mimkes
Geschäftsführer Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V.
Kirchweg 65, D 50858 Köln

[Weizenzentrum] Saatgut

CBG Redaktion

6. Juni 2012

Kommentar von Jörg Bergstedt (Projektwerkstatt Saasen) zur heutigen Eröffnung des Europäischen Weizenzuchtzentrums der Firma Bayer CropScience im Biotechpark Gatersleben

Hinter der Fassade der Kleinen stehen die Großen!

Es ist das immer gleiche Spiel in der Agrogentechnik: Dubiose Kleinfirmen, getarnt als Bioparks, Gründerzentren oder nur als kleine Firmen im Auftrag von Universitäten, Forschungsfirmen usw. geführt, sammeln Fördermittel des Staates, Patente und Know-How, um dieses schließlich geräuschlos in die großen Konzerne zu übergeben. Das geschah schon vor vielen Jahren in Potsdam mit den Max-Planck-Ausgliederungen Metanomics und Plantec, die heute BASF und Bayer gehören. Es setzte sich fort in Gatersleben, wo Staat, regionale Wirtschaftsförderung, das Land Sachsen-Anhalt und die katholische Kirche zwei Bioparks und darüber den Aufbau von Kleinfirmen förderten. In direkter Nachbarschaft zum wichtigsten Weizenforschungs- und Saatguterhaltungszentrum der Republik wurde an gentechnischen Veränderungen gebastelt und dieses auch auf Feldern ausgebracht.

Aus dem einen Park wurde zu großen Teilen die Firma SunGene, die heute BASF gehört und dort eines der wenigen verbliebenen Felder mit gv-Pflanzen betreibt. Aus dem anderen entsteht nun also das Weizenzentrum von Bayer. Damit triumphiert erneut die ewig gleiche Masche: Pseudo-Innovationsförderung mästet dubiose Kleinfirmen - und wenn der Boden bestellt ist und diese durch ausbleibende Steuermillionen ihre Tätigkeit einstellen, werden sie in die großen Konzerne überführt. Die müssen einfach ruhig abwarten und dann, wenn die von ihnen mit durchgesetzte Förderung industrienaher Forschung erntereif ist, zugreifen. In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch der Firma Bayer zum neuen Erfolg der wirkungsvollen Instrumentalisierung staatlicher Zuarbeit für eigene Zwecke. Möge es der letzte sein.

Pestizide

CBG Redaktion

Presse Information vom 5. Juni 2012
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Welt-Umwelttag: Aktion gegen hochgefährliche Pestizide

BASF, Bayer und Syngenta die Rote Karte zeigen!

Anlässlich des heutigen Welt-Umwelttags unterstützt die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) die internationale Kampagne gegen die Vermarktung hochgefährlicher Pestizide. Die CBG ruft zu Unterschriften und Protestaktionen auf.

Allein die drei größten Pestizid-Konzerne BASF, Bayer und Syngenta, die fast die Hälfte des Pestizid-Weltmarkts kontrollieren, vermarkten jeweils mehr als fünfzig hochgefährliche Wirkstoffe, die u.a. Krebs auslösen, Nervenschäden und Unfruchtbarkeit verursachen, das Hormonsystem schädigen oder die Biodiversität gefährden können. Die Kampagne „Pestizid-Konzernen die rote Karte zeigen“ wurde vom Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN) initiiert.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Die Anwendung von Pestiziden wie Paraquat, Carbofuran oder Glufosinat führt zu schweren Gesundheits- und Umweltschäden und muss umgehend gestoppt werden. Dabei darf man nicht auf den guten Willen der Anbieter hoffen: zahlreiche Wirkstoffe befinden sich trotz einer Vielzahl von Vergiftungsfällen weiter auf dem Markt.“ Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt die Zahl der jährlichen Pestizidvergiftungen auf 3 bis 25 Millionen. Rund 99% aller Pestizid-Vergiftungen treten dabei in den Ländern des Südens auf.

Die Firma Bayer CropScience ist mit einem Weltmarktanteil von rund 20 % der zweitgrößte Pestizidhersteller der Welt. Erst im vergangenen Herbst hatte der Konzern angekündigt, die Wirkstoffe der WHO-Gefahrenklasse I bis Ende 2012 vom Markt zu nehmen. Das ursprüngliche Versprechen, den Verkauf bis zum Jahr 2000 zu beenden, war gebrochen worden. „Hätte Bayer die ursprüngliche Ankündigung eingehalten, hätten Tausende von Vergiftungsfällen verhindert werden können!“, so Philipp Mimkes weiter.

Kampagne mit Unterschrift unterstützen: http://action.pan-germany.org/deu/ aktionsmail.html

Hintergrundinformationen:
=> PAN-Studie „Hochgefährliche Pestizide von BASF, Bayer und Syngenta“
=> Kampagne „Bienensterben durch Pestizide“: www.cbgnetwork.org/2556.html
=> BAYER nimmt tödliche Pestizide vom Markt
=> Gefahren von Glufosinat

Jahrestagung 2012: Occupy BAYER. Geschichte und Perspektive von Konzern- und Globalisierungskritik

CBG Redaktion

jetzt Plätze sichern:

Jahrestagung der Coordination gegen BAYER-Gefahren

Datum: Samstag, 3. November, 9.30 – 18 Uhr
Ort: Umweltzentrum Düsseldorf, Merowinger Str. 88
Eintritt: frei (Spenden erbeten)

Am 3. November findet im Düsseldorfer Umweltzentrum die Jahrestagung der Coordination gegen BAYER-Gefahren statt. Unter dem Titel „Occupy BAYER. Geschichte und Perspektive von Konzern- und Globalisierungskritik“ beschäftigen wir uns mit den Wurzeln von Protest-Bewegungen in Deutschland. Zudem wollen wir die Perspektiven von „Occupy“ und anderen sozialen Bewegungen in Zeiten der Finanzkrise diskutieren.

[Duogynon] Duogynon / Primodos

CBG Redaktion

30. Mai 2012

Duogynon: Unterlagen neu aufgetaucht

Schering: Risiken frühzeitig bekannt

Britische Opfer des hormonellen Schwangerschafts-Tests Duogynon haben Unterlagen britischer Behörden aus den 60er Jahren kopiert, die nach Ablauf der Geheimhaltungs-Frist nun einsehbar sind. Diese belegen, dass die Firma Schering schon damals mit dem staatlichen „Committee on Safety of Drugs“ wegen der Risiken von Duogynon (englischer Markenname: Primodos) in Kontakt stand. Ein Mitarbeiter von Schering kam in dem Briefwechsel zu dem Ergebnis:

„Angesichts dieser, wenn auch vorläufigen, Ergebnisse sollte man nach meiner persönlichen Meinung - da es jedenfalls keinen sehr stichhaltigen medizinischen Grund für den Einsatz derartiger Hormonpräparate gibt - Primodos zurückziehen bzw. nicht weiter verwenden.„

Ähnlich äußerte sich Dr. W. Inman, der Leiter des „Committee on Safety of Drugs“ über den Nutzen hormonaler Schwangerschaftstests: “I do not think they are sufficiently useful (...) to justify even the slightest risk of teratogenicity (Risiko von Fehlbildungen)".

Interessant ist auch ein Brief der franz. Firma Roussell an die britischen Behörden aus dem Jahr 1969. Darin ist von einer Studie mit 9.822 Schwangerschaften die Rede, die eine erhöhte Rate von Fehlgeburten ergeben hatte. Im selben Brief schreibt Roussell, dass die Firma ihr Hormon-Präparat Amenorone vom Markt genommen hat.

Deutsche Duogynon-Geschädigte haben die wichtigsten Unterlagen nun in deutscher Übersetzung online gestellt: http://www.duogynonopfer.de/fileadmin/duogynonopfer/dokumente/neue_engl_unterlagen.pdf

alle Materialien zur Kampagne

Die Übersetzung des Briefs von Schering an die Behörden im Volltext:

SCHERING CHEMICALS LIMITED
Pharmaceutical Division

W. H. W. Inman Esq., M.A., M.B., B.Chir.
Senior Medical Officer
Committee on Safety of Drugs
Queen Anne’s Mansions
Queen Anne’s Gate
LONDON, SW1 17. Februar 1969

Sehr geehrter Dr. Inman,

vielleicht erinnern Sie sich an unser Gespräch von vor etwa zwölf Monaten, in dem es um die Zahlen von Dr. Gal ging und darum, dass hormonelle Schwangerschaftstests (einschließlich Primodos) möglicherweise unter Verdacht stehen, fetale Anomalien zu verursachen.

Seither haben wir verschiedene Untersuchungsstränge verfolgt, doch waren Studien an Ratten mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, da das Primodos Kombinationspräparat, das der Ratte im Frühstadium der Schwangerschaft verabreicht wird, FSH unterdrückt und dadurch störend in die Implantation eingreift.

Da sich der Neuroporus der Ratte bis zum 11. Graviditätstag schließt und die Implantation nicht bis zum 7. Tag erfolgt, ist eine mit dem Primodos Kombinationspräparat in den vier Tagen gesammelte Evidenz nur von sehr begrenztem Wert. Wir führen jedoch gegenwärtig eine ähnliche Studie an Pavianen durch, über deren Fortgang uns aber bisher noch keine Berichte vorliegen.

In der Hoffnung, dass die Studie des Royal College of General Practitioners zur medikamentösen Anamnese von Frauen während der Schwangerschaft mehr Informationen erbringt, stehe ich in regem Austausch mit Dr. Kuenssberg, der mir vorläufige Daten zur Verfügung stellen konnte, nachdem er die ihm vorliegenden statistischen Angaben von Hand gesichtet hatte. Ich lege diesem Schreiben eine Kopie davon zu Ihrer Information bei und würde mich über einen Kommentar von Ihnen freuen. Sie werden feststellen, dass es drei Anomalien in der Primodos-Gruppe gibt, eine davon betrifft Mongolismus und scheidet damit aus, bei den beiden anderen handelt es sich um eine Gaumenspalte und eine kongenitale Hüftluxation.

Bei einer ersten Prüfung sieht es so aus, als sei die Inzidenz der Anomalien in der Primodos-Gruppe geringer als die der Gesamtstudie, aber zweifellos wird eine weitergehende statistische Analyse ein realistischeres Bild ergeben.

Bezüglich der ziemlich hohen Inzidenz der Aborte in der Primodos-Gruppe meine ich, sollte man berücksichtigen, dass Frauen, die ihren Arzt aufgrund eines derartigen Tests aufsuchen, oft hoffen, dass sie nicht schwanger sind, und es liegt durchaus im Bereich des Möglichen, dass diese Frauen bereits andere Schritte unternommen haben, um die Schwangerschaft abzubrechen.

Im Rahmen der “Outcome of Pregnancy Study” des Royal College of General Practitioners (Schottland) haben wir auf Anraten von Sir Derrick Dunlop und Professor Emery speziell das Ergebnis der Schwangerschaft (nicht nur hinsichtlich kongenitaler Anomalien, dem Hauptzweck dieser Studie) immer dann untersucht, wenn bestimmte spezifische Medikamente verabreicht worden waren. Zu diesen Medikamenten gehörten auch hormonelle Schwangerschaftstests.

Auf Bitte von Dr. Kuenssberg hatten wir uns vordringlich letztere Gruppe angesehen, bevor die übrigen Daten analysiert wurden. Die Ergebnisse dieser Analyse sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst (siehe pdf-Dokument, S. 8).

Dabei ist Folgende hervorzuheben: a) Es handelt sich hier lediglich um vorläufige Zahlen. b) Aus Zeitgründen erfolgte keine statistische Analyse der Primodos-Zahlen.

Auf den ersten Blick scheint es jedoch, dass - im Vergleich mit anderen, wenngleich vom pharmakologischen Gehalt sehr ähnlichen Präparaten (Norlestrin ist, bis auf die Dosierung, von derselben Beschaffenheit) die 10 % Aborte nach Primodos wahrscheinlich nicht dem Zufall geschuldet sind. Hinsichtlich der 4 verzeichneten Anomalien handelt es bei zweien (eine nach Primodos und eine nach Secrodyl) um Gaumenspalten. Da uns die Gesamtzahlen zur Inzidenz von Gaumenspalten nicht vorliegen, lassen sich keine Schlüsse aus diesem Ergebnis ziehen, das auch zufällig zustande gekommen sein könnte. Die anderen beiden Anomalien, beide nach Primodos, waren 1 angeborene Hüftluxation und 1 Mongolismus.

Angesichts dieser, wenn auch vorläufigen, Ergebnisse sollte man nach meiner persönlichen Meinung - da es (und so sehe ich das) jedenfalls keinen sehr stichhaltigen medizinischen Grund für den Einsatz derartiger Hormonpräparate gibt - Primodos zurückziehen bzw. nicht weiter verwenden. Bezüglich der anderen Präparate würde ich mich aufgrund des geringen Zahlenmaterials mit einer Meinung zurückhalten.

N.M.B. DEAN

Beirat

CBG Redaktion

25. Mai 2012

wissenschaftlicher Beirat der Coordination gegen BAYER-Gefahren

Dr. Angela Spelsberg neu im Beirat

Wir freuen uns, Dr. Angela Spelsberg neu in unserem wissenschaftlichen Beirat begrüßen zu dürfen. Frau Spelsberg ist ärztliche Leiterin des Tumorzentrums Aachen sowie Vorstandsmitglied von Transparency International. Ihr Augenmerk gilt besonders der Einflussnahme der Pharma-Industrie im Gesundheitswesen. Zu diesem Thema hat sie aktuell einen Artikel für unser Magazin „Stichwort BAYER“ verfasst. Auch in die CBG-Kampagne zur Kooperation von Universitäten mit der Industrie hat sie sich wiederholt eingebracht. Wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit!

Weitere Mitglieder des Beirats sind u.a. Prof. Jürgen Rochlitz (Mitglied der Kommission für Anlagensicherheit), der Sozialwissenschaftler Prof. Rainer Roth sowie die Bundestagsabgeordnete Eva Bulling-Schröter.