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Veröffentliche Beiträge von “CBG Redaktion”

Antibabypillen

CBG Redaktion

21. April 2011, Aargauer Zeitung

Keine Rüge für Schweizer Fernsehen

Beschwerde gegen Sendungen um «Yasmin»-Pille abgewiesen

Das SF-Nachrichtenmagazin «10vor10» hat mit seinen Berichten über mögliche Nebenwirkungen der Antibabypille «Yasmin» das Sachgerechtigkeitsgebot nicht verletzt. Mit dieser Feststellung stützt das Bundesgericht einen Entscheid der Unabhängigen Beschwerdeinstanz (UBI).

Die UBI hatte letzten Sommer eine Beschwerde der «Yasmin»- Herstellerin Bayer (Schweiz) AG gegen die Berichterstattung in der Sendung «10vor10» abgelehnt. Damit mochte sich das Pharmaunternehmen aber nicht abfinden, und es zog den Fall vors Bundesgericht.
Auch hier blitzte die Bayer (Schweiz) AG ab, soweit das Bundesgericht auf die Beschwerde eintrat. Nach dem am Donnerstag veröffentlichten Urteil muss die Firma die Gerichtskosten in Höhe von 3000 Franken übernehmen.
Im Mai 2009 hatte «10vor10» des Schweizer Fernsehens über ein damals 16-jähriges Mädchen berichtet, das nach der Einnahme von «Yasmin» eine Lungenembolie erlitt und seither schwer behindert ist. Von diesem Fall ausgehend, machte das Nachrichtenmagazin in zwei weiteren Sendungen mögliche Nebenwirkungen von Verhütungsmitteln zum Thema.

«Manipulative» Berichte
Bayer (Schweiz) AG kritisierte in der Folge, dass die «manipulativen» Berichte fälschlicherweise den Eindruck erweckten, «Yasmin» sei besonders gefährlich. Das gesetzlich verankerte Sachgerechtigkeitsgebot sei deshalb verletzt worden. Wie die UBI kam das Bundesgericht nun aber zum Schluss, dass dies nicht der Fall war.
In den Sendungen sei nicht behauptet worden, dass «Yasmin» gefährlicher sei als andere Verhütungspillen. Vielmehr sei die Frage aufgeworfen worden, ob dies der Fall sei. Die Beschwerdeführerin habe wiederholt die Gelegenheit gehabt, sich zu den Vorwürfen zu äussern, befanden die Bundesrichter. Im Übrigen habe «10vor10» darauf hingewiesen, dass auch andere Antibabypillen Nebenwirkungen verursachen könnten.

Kritischer Standpunkt erkennbar
Die Bundesrichter räumen zwar ein, dass «10vor10» einzelne Elemente auf tendenziöse Weise hinterfragt habe. Doch auch in diesem Fall sei für das Publikum der anwaltschaftliche, kritische Standpunkt der Sendungen erkennbar gewesen.
«Zusammengefasst ergibt sich, dass die umstrittenen Beiträge als Gesamtes in einzelnen Punkten allenfalls anders und möglicherweise auch besser hätten gestaltet werden können», heisst es in der Urteilsbegründung. Dies genüge jedoch nicht, um ein aufsichtsrechtliches Einschreiten der UBI zu rechtfertigen.

alle Infos zur Kampagne

[Biopiraterie] STICHWORT BAYER 02/2011

CBG Redaktion

Biopirat BAYER: Naturstoffe als billige Ressource

Die Fanggründe des BAYER-Konzerns reichen von China über Kenia und Madagaskar bis in die Untiefen der Weltmeere. Als Beute fährt der Multi hauptsächlich Rohstoffe zur Produktion von Pharmazeutika und Kosmetika ein.

„Unser Plan: Weltweit als Spezialist für natürliche Inhaltsstoffe aus tropischen Pflanzen zu gelten, die in Arzneien, Kosmetika und Beauty-Produkten Anwendung finden“ - diese Unternehmensphilosophie verkündet die französische BAYER-Tochter SERDEX auf ihrer Homepage. Um den Plan zu erfüllen, hat die Firma bereits 2.000 Tropen-Pflanzen gesammelt, analysiert und ihrer Substanz-Bibliothek zugeführt. Als „das Resultat vieler Jahre Forschungsarbeit in Ostafrika und besonders Madagaskar“ bezeichnet der Betrieb seine „Ethno-Botanik“-Kollektion stolz.

In Madagaskar fanden Konzern-Beschäftigte auch den asiatischen Wassernabel, lateinisch: Centella Asiatica, der seit langem in der traditionellen chinesischen und indischen Medizin zum Einsatz kommt. SERDEX hat es allerdings mehr auf die ebenfalls altbekannten hautpflegerischen Wirkungen abgesehen. Und diese entfaltet die Pflanze wie die heilende Effekte nur „in der freien Wildbahn“, weil sie dort ihr Überleben sichern. Eine Nachzucht ist nicht möglich. Darum hat die BAYER-Tochter eine eigene Niederlassung in Morarano. Dort beauftragt sie Subunternehmer mit dem Sammeln des Wassernabels. Anschließend presst SERDEX die Blätter aus und gewinnt aus 140 Kilogramm ein Kilogramm verwertbaren Extraktes. Nach einem Reinigungsprozess und weiteren Bearbeitungsschritten entsteht dann das Endprodukt.

Das trägt zwar noch den Namen des natürlichen Inhaltsstoffs Madecassoside, gehört nun aber offiziell SERDEX. Die Firma hat sich nämlich gleich fünf hautpflegerische Wirkungen der Substanz patentieren lassen und kann sie deshalb entsprechend teuer an Kosmetik-Konzerne wie L‘OREAL verkaufen. Auch auf Ambiaty, ein Extrakt aus der vom Aussterben bedrohten madagassischen Vernonia-Pflanze, hat der BAYER-Ableger Eigentumsrechte geltend gemacht.

Diese privatwirtschaftliche Aneignung des natürlichen Reichtums der Erde bereitet dem Konzern keinerlei Probleme. SERDEX zahle den „marktüblichen Preis“ für die Pflanze, verlautet aus der Zentrale. Damit nicht genug, betätigt sich das Unternehmen nach eigenen Angaben auch noch als Wohltäter und unterstützt vor Ort ein Schulprojekt. Vollmundig bekennt es sich zu „Fair Trade“ und zur „Nachhaltigen Entwicklung“ und ist überzeugt vom positiven Effekt seiner wirtschaftlichen Aktivitäten auf die Umwelt und die Lebensbedingungen der Menschen in Morarano.

Der „African Center for Biosafety“ (ACB) beurteilt das Wirken der Gesellschaft anders. Die Organisation wirft SERDEX vor, einfach eine lang bekannte afrikanische Praxis mit einem Patent belegt zu haben. „Patente können nur für neue Ideen und Innovationen vergeben werden. Uraltes traditionelles Wissen kann niemals patentiert werden. Um der Patent-Gesetzgebung zu genügen, musste das traditionelle Wissen erst arglistig in einen wissenschaftlichen Jargon überführt werden, der es dann als Innovation ausweist“, erklärt die ACB-Leiterin Mariam Mayet. Zudem kritisierte sie die wundersame Preissteigerung von Ambiaty auf dem Weg „out of Africa and back again“. Ein ganzes Jahresgehalt müssten die MadagassInnen für ein bisschen Ambiaty-Creme aufbringen.

Aber nicht nur mit Ambiaty und Madecassoside macht SERDEX gute Geschäfte. Neben der Herstellung von freiverkäuflichen Arzneien vermarktet das Unternehmen zusätzlich noch Substrate aus einer chinesischen Ginseng-Pflanze für kosmetische und medizinische Zwecke. Und die Mutter-Gesellschaft selber betätigt sich ebenfalls mit großem Erfolg als Biopirat. So produziert der Pharma-Riese sein Diabetes-Mittel GLUCOBAY mit Hilfe des Bakterium-Stammes Actinoplanes SE50, den er aus dem kenianischen Ruiru-See gefischt hat. Zu einem Umsatz von 315 Millionen Euro verhalfen die fleißigen Bakterien dem Präparat im Geschäftsjahr 2009.

Der Leverkusener Multi bricht jedoch nicht nur in Afrika zu Expeditionen auf. In China beauftragte er BotanikerInnen vom Kunming-Institut damit, die heimischen Wälder nach verwertbaren Naturstoffen zu durchforsten. Zweimal sind sie schon fündig geworden - die Substanzen befinden sich bereits in der klinischen Erprobung. Und auf der Suche nach kostbaren Rohstoffen begibt sich der Konzern sogar auf Tauchstation: Gemeinsam mit dem Unternehmen MAGELLAN BIOSCIENCE GRUPPE INC. schaut er sich in den Weltmeeren nach Mikroorganismen um, deren Abwehrstoffe sich zur Herstellung neuer Pestizide eignen.

Der Handel mit solchen Substanzen aus genetischen Ressourcen hat eine große wirtschaftliche Bedeutung. 2005 betrug allein der globale Umsatz mit Medikamenten, die aus der Natur-Apotheke stammen, 37,2 Milliarden Dollar. China als das Land mit den reichhaltigsten Vorkommen führte von 1991 bis 2003 jedes Jahr durchschnittlich eine Menge von 150.600 Tonnen an pflanzlichen Rohstoffen für Arzneien aus; der Wert dieser Phytopharmaka-Exporte betrug 266 Millionen Dollar.

Völlig unreguliert dürfen diese Geschäfte seit einiger Zeit nicht mehr ablaufen. Die 1992 auf dem Umweltgipfel von Rio verabschiedete Biodiversitäts-Konvention der UN hat Bestimmungen für den Umgang mit den natürlichen Ressourcen der Menschheit erlassen. „Die Ziele dieses Übereinkommens (...) sind die Erhaltung der biologischen Vielfalt, die nachhaltige Nutzung ihrer Bestandteile und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile“, heißt es in dem Papier. Eine solche „ausgewogene und gerechte Aufteilung“ hat der Leverkusener Multi nie vorgenommen. In dem Patent, das er 1995 auf das GLUCOBAY-Fertigungsverfahren angemeldet hat, hielt er es nicht einmal für nötig, auf die kenianische Herkunft des Actinoplanes-Stammes zu verweisen. Darum werfen Mariam Majet und die weiteren Verfasser der Studie „Out of Africa: Mysteries of Access and Benefit Sharing“ dem Pillen-Hersteller und den anderen Plünderern vor, gegen das Artenschutz-Abkommen verstoßen und „eine totale Respektlosigkeit gegenüber afrikanischen Ressourcen“ an den Tag gelegt zu haben. BAYER weist die Anschuldigungen zurück. „Das Original wird nicht genutzt. Was patentiert wurde, ist das Biotechnologie-Produkt“, erklärte die Unternehmenssprecherin Christina Sehnert.

Hier eine Klärung herbeizuführen, ist die UN-Deklaration wenig geeignet. Sie verfügt nämlich über kein Instrumentarium, um die Einhaltung der Richtlinien zu kontrollieren und gegebenenfalls Sanktionen zu verhängen. Und Big Pharma tut alles dafür, dass das auch so bleibt. Während ihr US-Verband PhRMA sogar tatkräftig dabei mithalf, den damaligen US-Präsidenten George Bush sen. von der Ratifizierung des Abkommens abzuhalten, bekennt sich der von BAYER gegründete „Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller“ hierzulande zwar zur Konvention, versucht aber mit allen Mitteln, ihren unverbindlichen Charakter zu erhalten. Die verschiedenen Bundesregierungen haben BAYER & Co. dabei stets tatkräftig unterstützt. Rot-Grün schickte 2001 sogar einen BAYER-Mann als ihren Experten zu einer Sitzung der Konvention über die biologische Vielfalt. Dort wandte sich der Manager dann strikt gegen eindeutige Regularien, die den Zugang zu den Naturstoffen und die finanziellen Ansprüche der Herkunftsländer festlegen. Das stünde der unternehmerischen Freiheit entgegen, so der Konzern-Vertreter in offizieller Mission, der stattdessen freiwillige Vereinbarungen mit den Staaten als Mittel der Wahl empfahl.

Auf der 10. Rio-Nachfolgekonferenz, die letzten Herbst im japanischen Nagoya stattfand, haben sich dann wieder Vertreter aus Philipp Röslers Gesundheitsministerium und aus der EU-Verwaltung als Sachwalter der Industrie-Interessen betätigt. Sie arbeiteten eifrig daran, den Geltungsbereich des Abkommens zu beschränken. Unter der zahlungspflichtigen „Nutzung von genetischen Ressourcen“ wollten die Unterhändler nur den Gebrauch des kompletten Erbgutes verstanden wissen, nicht aber denjenigen einzelner Moleküle oder anderer Bestandteile, damit BAYER weiterhin sagen kann: „Wir haben das Original nicht genutzt“. Und Krankheitserreger, die sich zur Produktion von Impfstoffen eignen, sollten nach Ansicht dieser Emissäre ebenfalls nicht unter die Nutzungsbestimmungen fallen. Die bundesdeutschen Gesundheitsministranten setzten sich so hartnäckig für eine solche Ausnahme-Regelung ein, dass die gesamten Verhandlungen zu scheitern drohten. Das FORUM UMWELT & ENTWICKLUNG sah sich deshalb sogar zu einem Offenen Brief an Minister Rösler gezwungen. „Hören Sie auf, als Anwalt der Pharma-Industrie den internationalen Umweltschutz zu gefährden! Geben Sie die extreme Definition von Ausnahmefällen für Pathogene in den Nagoya-Verhandlungen auf, mit denen Ihr Ministerium Deutschland und Europa international isoliert hat“, mit diesen Worten forderte das Forum den FDP-Politiker zur Umkehr auf.

Der Appell hat schließlich Wirkung gezeigt. Auch mit der engen Definition von genetischen Ressourcen konnten sich die reichen Staaten nicht durchsetzen. Zudem mussten sie eine Verschärfung des Passus‘ zum finanziellen Ausgleich akzeptieren. Trotzdem ziehen Michael Frein, Mitglied des Forum-Leitungskreises und Referent beim evangelischen Entwicklungsdienst, und der Biodiversitätsexperte Hartmut Meyer keine positive Bilanz. „Die Entwicklungsländer stehen nicht ganz mit leeren Händen dar, das Ergebnis ist jedoch weit von ihren Zielen entfernt und spiegelt sehr viel deutlicher die Interessen der Industrieländer“, schreiben die beiden im Rundbrief des Forums. Das Abschluss-Dokument enthalte zwar einige gute Ansätze, betonte Michael Frein gegenüber Stichwort BAYER, aber ob es wirklich gegen Biopiraterie wirke, sei „abhängig von der Umsetzung“. Und da zeigte sich Frein eher skeptisch, weil Nagoya die Implementierung der Beschlüsse ins Belieben der Unterzeichner-Nationen gestellt hat. BAYERs Beutezüge dürften also einstweilen weitergehen.

Die Biopiraterie-Kampagne wird von der Stiftung Umverteilen! unterstützt

[Carbendazim] Pestizide

CBG Redaktion

taz - 15. April 2011

EU erlaubt gefährliches Ackergift

LANDWIRTSCHAFT Nach den künftigen Regeln der EU darf Carbendazim nicht zugelassen werden. Deshalb genehmigen es die Behörden nun - bevor das neue Recht in Kraft tritt

VON JOST MAURIN

„Giftig für Wasserorganismen“, „Kann das Kind im Mutterleib schädigen“, „Kann vererbbare Schäden verursachen“ - die Warnhinweise des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zu Pestiziden mit dem Wirkstoff Carbendazim klingen beunruhigend. Trotz dieser Gefahren haben die EU-Agrarminister am Donnerstag den Weg dafür frei gemacht, die Chemikalie für weitere dreieinhalb Jahre als Pflanzenschutzmittel zu erlauben.

Die Ressortchefs konnten bei einem Treffen in Luxemburg weder für noch gegen die Zulassung eine genügende Mehrheit erreichen, wie ein EU-Diplomat sagte. Nun muss die Europäische Kommission entscheiden, die sich für die Genehmigung ausgesprochen hatte. Die neue Lizenz für Carbendazim wird voraussichtlich am 1. Juni in Kraft treten.

Dabei gehört die Chemikalie dem Verein Pestizid-Aktionsnetzwerk (PAN) zufolge zu den rund 25 besonders gefährlichen Stoffen, die nach den ab 14. Juni gültigen Regeln der EU keine Genehmigung erhalten dürften - eben weil diese Chemikalien laut Kommission das Erbgut verändern und die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen können.

„Um sich vor den strengeren Regeln zu drücken, schaffen Industrie und Behörden jetzt schnell Tatsachen“, kritisierte PAN-Sprecherin Susanne Smolka. Und Carbendazim könnte nur der Anfang sein: Smolka befürchtet, dass die EU weitere Ausnahmegenehmigungen erteilt, die das neue Recht aushöhlen. Die EU-Kommission bestreitet solche Vorwürfe. In einem Entwurf für die neue Carbendazim-Genehmigung schreibt sie, dass sowohl Deutschland als auch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit „annehmbare Anwendungen“ für den Stoff sähen. Um zu diesem Schluss zu kommen, hätten sie Studien der Chemiebranche ausgewertet.

Allerdings will die Kommission den Einsatz von Carbendazim wie bisher darauf beschränken, Pilzkrankheiten in Getreide, Mais, Rapssamen, Zucker- und Futterrüben zu bekämpfen. Denn nur bei diesen Pflanzen hätten die Behörden die Wirkung untersucht. Die Chemikalie solle auch nicht aus der Luft oder aus tragbaren Spritzen aufs Feld gesprüht werden dürfen. Und Bauern müssten bei der Anwendung Schutzkleidung tragen. Außerdem sollten die EU-Staaten verbieten, Carbendazim-haltige Pestizide in der Nähe etwa von Flüssen oder Seen auszubringen.

Umweltschützer weisen jedoch darauf hin, dass solche Vorschriften in der Praxis immer wieder verletzt werden. PAN-Expertin Smolka hält es auch nicht für nötig, Risiken durch das Pestizid einzugehen. „Es gibt Alternativen“, sagt sie. Die Biolandwirtschaft komme schließlich völlig ohne chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel aus. Vielen Landwirten seien jedoch die Erträge im Ökolandbau zu gering.

Dass es vor allem um Geld geht, bestätigt auch Henning Götzke, Marketingleiter des Pestizidherstellers Stähler. Das niedersächsische Unternehmen kauft Carbendazim von Chemikonzernen wie DuPont oder Bayer als Zutat für Pflanzenschutzmittel.

Auf die Frage, warum seine Firma trotz der vergleichsweise großen Gefährlichkeit an dem Stoff festhalte, antwortet er: „Carbendazim hat einfach eine gute Leistung.“ Pro Hektar seien nur wenige Milliliter nötig. „Das ist ja auch gut für die Umwelt“, sagt Götzke - und billig für die Landwirte.

[Duogynon] Gegenanträge Bayer HV

CBG Redaktion

12. April 2011

Duogynon-Opfer reichen Gegenantrag zur BAYER-Hauptversammlung ein

Die Opfer des hormonalen Schwangerschaftstests Duogynon haben einen Gegenantrag zur BAYER-Hauptversammlung eingereicht. Wörtlich heißt es darin:

Bereits in den 80er Jahren wurde durch Tierversuche nachgewiesen, dass Duogynon fruchtschädigend wirkt. Schering soll laut Auskunft ehemaliger Mitarbeiter selbst entsprechende Tierversuche durchgeführt haben. Die Ergebnisse dieser Tierversuche werden jedoch offensichtlich unter Verschluss gehalten. Die Existenz dieser Tierversuche wurde von Bayer – bisher jedenfalls – nicht bestritten. Über den Pressesprecher des Unternehmens wurde stets verkündet, dass ein Zusammenhang zwischen den Missbildungen der Föten und der Duogynon®-Einnahme der Mütter nicht positiv habe festgestellt werden können. Vor diesem Hintergrund kann man es den betroffenen Geschädigten aber auch der gesamten Öffentlichkeit nicht plausibel machen, warum denn dann das Unternehmen die Akten nicht offenlegt. Es ist bekannt, dass die Frage der Offenlegung der Akten zu Duogynon auch unternehmensintern kontrovers diskutiert wird.

=> Bitte lesen Sie hier den vollständigen Gegenantrag
=> alle Infos zur Hauptversammlung

[Tierversuche] Tierversuche bei BAYER

CBG Redaktion

11. April 2011

Gegenanträge der People for the Ethical Treatment of Animals (Peta) zur Hauptversammlung am 29. April 2011

BAYER Aktiengesellschaft
Gebäude Q 26 (Rechtsabteilung)
Kaiser-Wilhelm-Allee
51368 Leverkusen

Hiermit zeige ich an, dass ich zu den Punkten 2 und 3 der Tagesordnung den Vorschlägen des Vorstands und des Aufsichtsrats widerspreche und die anderen Aktionäre veranlassen werde, für die folgenden Gegenanträge zu stimmen. Um Mitteilung dieser Gegenanträge sowie der Begründungen darf ich gemäß §§ 125, 126 AktG bitten.

Gegenantrag zu TOP 2: Der Vorstand wird nicht entlastet

Begründung: In der Folge einer kürzlich erfolgten Undercover-Recherche in dem in den USA ansässigen Vertragslabor Professional Laboratory and Research Services, Inc. (PLRS), wo Tiere schwer misshandelt wurden und weit über das Maß der beauftragten Tests hinaus litten, gab Bayer zu, PLRS beauftragt zu haben, eine dreimonatige Studie an Hunden während des Zeitraumes der Ermittlung durchzuführen. In einer vom 15. September 2010 datierenden E-Mail schrieben die Vorsitzenden von Bayer Liam Condon1 und Helmut Schäfers2 an eine besorgte Person: „In dem im Video genannten Zeitraum wurde von November 2009 bis Februar 2010 eine drei-monatige Studie an Hunden durchgeführt.“

Die Bayer-Grundsätze zu Tierschutz und Tierversuchen besagen explizit, dass Tiere, die von dem Unternehmen für Experimente verwendet werden, unter Einhaltung von „allen nationalen, zwischenstaatlichen und lokalen Gesetzen und Bestimmungen“3 „unter fachgemäßen Bedingungen“4 gehalten und „respektvoll“5 behandelt werden. Die Grundsätze bestätigen weiterhin: „Es wird nur ausgebildetes und qualifiziertes Personal zur Pflege und Behandlung der Versuchstiere eingesetzt.“6 In dem Absatz zu externen Labors legen die Bayer-Grundsätze zu Tierschutz und Tierversuchen fest: „Mit Tierversuchen, die wir nicht selbst durchführen, beauftragen wir nur solche externen Vertragslabors, deren Arbeit mit unseren Grundsätzen in Einklang steht.“7

Dennoch zeigte Dokumentations- und Videomaterial8 von der Recherche bei PLRS als eindeutige Verstöße gegen die Grundsätze von Bayer, dass:

· kranken und verletzten Tieren regelmäßig tierärztliche Versorgung verweigert wurde;
· ein unzureichend anästhetisierter Hund strampelte, während ein ungelernter Mitarbeiter ihm mit einer Zange einen Zahn zog;
· Katzen in Käfige geworfen wurden;
· Katzen und Hunde mit Hochdruckreinigern, die Bleichmittel, Seife und Wasser enthielten, abgespritzt wurden;
· Mitarbeiter die Tiere obszön beschimpften, während sie die Tiere umherzerrten, schmissen und traten;
· ein Angestellter mehrmals versuchte, die Krallen einer Katze herauszureißen, indem er die Katze gegen einen Gitterzaun drückte, so dass die Katze sich an die Abzäunung krallte, und er die Katze dann von der Abzäunung riss;
· die Räume, in denen die Tiere untergebracht waren, verdreckt und ohrenbetäubend laut waren.

Ein erster Ermittlungsbericht9, der vom US-Landwirtschaftsministerium (USDA) – jener Regierungsbehörde, die dafür zuständig ist, sicherzustellen, dass Mindesttierschutzstandards in US-Laboren eingehalten werden – eingereicht wurde, bestätigt ernsthafte Gesundheitsprobleme bei den Tieren und unterdurchschnittlich schlechte Haltungsbedingungen bei PLRS; eine umfassende Untersuchung läuft zur Zeit noch, das Labor hat mittlerweile geschlossen.

Bayer hat die Möglichkeiten und die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass kein Tier unter mangelnder tierärztlicher Versorgung, schlechter Haltung oder ausgesprochener Misshandlung leidet. Zudem hat Bayer eine ethische und finanzielle Verpflichtung, zu gewährleisten, dass eine minimale Anzahl an Tieren verwendet wird und die bestmögliche Forschung in der Produktentwicklung angewendet wird.4

Der Vorstand trägt die Verantwortung für die oben beschriebenen Missstände und soll daher nicht entlastet werden. Weitere Informationen finden Sie auf der Website der People for the Ethical Treatment of Animals unter www.peta.de.

Gegenantrag zu TOP 3: Der Aufsichtsrat wird nicht entlastet

Begründung: Bayer hat keine globale Selbstverpflichtung ausgesprochen, die Verwendung veralteter Tierversuche für Fälle, wo validierte tierfreie Alternativen vorhanden sind, gänzlich auslaufen zu lassen.

Dutzende moderne tierfreie Testmethoden wurden von zuständigen Behörden in den USA, der Europäischen Union, Japan, Kanada und andernorts auf der Welt validiert. Diese Methoden werden als vollständiger Ersatz für traditionelle, tier-basierte Toxizitätstests anerkannt. Diese Alternativen sind im Allgemeinen schneller, sensitiver, sicherer für den Verbraucher und günstiger als die traditionellen Tierversuche. In den EU-Ländern, in denen Bayer tätig ist, sind Unternehmen vom Gesetz her verpflichtet, diese Alternativ-Testmethoden anstelle von Tierversuchen zu verwenden.

In den traditionellen Tierversuchen, von denen Bayer Gebrauch macht, werden Ratten, Meerschweinchen und Kaninchen rasiert, fixiert und reizende Chemikalien werden auf ihre nackte Haut aufgetragen. Bei einem anderen Versuch werden Kaninchen in speziellen Vorrichtungen fixiert und ihnen werden Chemikalien injiziert. Sie können Auswirkungen von Fieber über Atembeschwerden bis zu Kreislauf- und Organversagen – und sogar einen tödlichen Schock – erleiden. Bei Bayers oralen Toxizitätstests werden Hunde, Mäuse und Ratten dazu gezwungen, gewaltige Mengen einer Testchemikalie zu schlucken. Die Tiere können akute Bauchschmerzen, Durchfall, Krämpfe, Anfälle, Lähmungen und Blutungen aus Nase, Mund und Genitalien durchleiden, bevor sie letztendlich sterben.

Akkurate, humane, tierfreie Methoden stehen zur Verfügung, um diese Tests zu ersetzen. Die globale Einführung von tierfreien Testmethoden, die wissenschaftlich validiert wurden und als für die menschliche Gesundheit relevant erachtet werden, in allen Bayer-Anlagen und Vertragslaboren wird dem Unternehmen dabei helfen, die Verwendung von Mäusen, Ratten, Meerschweinchen, Kaninchen und anderen Tieren in schmerzhaften, veralteten Versuchen zu reduzieren und gleichzeitig die Sicherheit von Bayer-Produkten zu gewährleisten.

Der Aufsichtsrat hat keine ausreichenden Schritte unternommen, den gewaltigen Einsatz von Tieren in schmerzvollen und antiquierten Versuchen durch das Unternehmen zu vermindern, weshalb ihm die Entlastung zu verweigern ist.

Harald Ullmann
PETA Deutschland e.V., Benzstraße 1, 70839 Gerlingen

Fußnoten:
1 Geschäftsführer Bayer Vita GmbH
2 Leiter Unternehmenskommunikation
3 http:www.tierversuche.bayer.de/de/bayer-grundsaetze.aspx
4 Ibid.
5 Ibid.
6 Ibid.
7 Ibid.
8 http:
www.peta.de/plrsstoptierversuche
9 http://acissearch.aphis.usda.gov/LPASearch/faces/pdfpage.jspx?custid=827

Bienensterben

CBG Redaktion

Aufruf und Einladung zur

Imker-Demo in Köln

a n d e r H a u p t v e r s a m m l u n g d e r B A Y E R A G

F r e i t a g 2 9. A p r i l 2 0 1 1

8 bis 12 Uhr · Eingang Nord / Köln-Messe · Mülheimer Straße

BAYER - Gift für Bienen
ist das Motto der Demonstration. Bienen und deren Probleme:
Dem Vorstand der BAYER AG und aber auch den Aktionären, wollen wir ein Zeichen setzen. Das weltweite Bienensterben fördert den Ruf dieses Konzerns nicht. Deshalb sollen die Proteste der Imker das verstärken. Den Aktionären wollen wir deutlich machen – die Verantwortung und Moral kann man nicht am Bankschalter abgeben.

Stopp dem Bienensterben. Systemische Gifte gehören nicht in unser Lebensumfeld.
Wer zahlt den Schaden der Imker und an der Umwelt?

Viele Imker machen bitte mit.
Bitte sendet uns per Email – wer teilnimmt – an: info@berufsimker.de

Bei der Mitgliederversammlung im Januar 2011 in Soltau, haben die Mitglieder des DBIB eine Demonstration in Köln beschlossen. Schluss mit dem Bienensterben. An der Jahresversammlung 2011 der BAYER AG werden die Imker intensiv protestieren.

Imker kommt bitte - in weißer Imker-Kleidung - und Zubehör.

Manfred Hederer, Präsident, DBIB

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Veranstalter: Deutscher Berufs und Erwerbs Imker Bund e.V. (gegr.1928 in Soltau)
Hofstattstrasse 22a • 86919 Utting · info@berufsimker.de   www.berufsimker.de
Fon +49 8806 924 509 · Handy +49 (0) 172 820 64 59 · Fax +49 (0) 88 06 924 972
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Bitte - an alle Freunde der Bienen – kommt zu uns und unterstützt die Imker.

[Bienensterben] Gegenanträge Bayer HV

CBG Redaktion

Presse Info vom 7. April 2011
Coordination gegen BAYER-Gefahren

BAYER-Hauptversammlung am 29. April:

Gegenantrag zu Bienensterben durch BAYER-Pestizide

Die von BAYER hergestellten Pestizide Imidacloprid und Clothianidin sind für Bienensterben in aller Welt mitverantwortlich. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren weist bereits seit den 90er Jahren darauf hin, dass Agrargifte eine große Gefahr für Bienen und Wildinsekten darstellen. Obwohl die Pestizide in mehreren Ländern verboten wurden, stellt BAYER den Verkauf nicht ein. Wegen der verringerten Bestäubung gerät die Ernährungssicherheit weltweit in Gefahr.
Anfang März veröffentlichte die UN-Umweltbehörde UNEP einen Bericht zu Bienensterben in aller Welt. Die BAYER-Pestizide Poncho (Clothianidin) und Gaucho (Imidacloprid) aus der Substanzklasse der Neonicotinoide werden darin als Bedrohung zahlreicher Tiere bezeichnet. Wörtlich heißt es in der Untersuchung: „Systemische Insektizide, die zur Behandlung von Saatgut verwendet werden, wandern von den Wurzeln in die gesamte Pflanze und in die Blüten. Dadurch können bestäubende Insekten chronisch vergiftet werden. Eine Reihe von Studien belegen die hohe Toxizität von Wirkstoffen wie Imidacloprid, Clothianidin und Thiamethoxam für Tiere wie Katzen, Fische, Hasen, Vögel und Regenwürmer. Laboruntersuchungen zeigen, dass diese Chemikalien zu einem Verlust des Orientierungssinnes, einer Beeinträchtigung von Gedächtnis und Gehirnleistung sowie einer erhöhten Sterblichkeit führen“.

Die Wirkung von Clothianidin zeigte sich besonders eindringlich im Frühjahr 2008: Das Insektizid bewirkte in Süddeutschland das größte Bienensterben der vergangenen Jahrzehnte. Die Vergiftung erfolgte über behandeltes Mais-Saatgut und Verwehungen des staubförmigen Wirkstoffes auf benachbarte Äcker. Dennoch werden Poncho und Gaucho in der Landwirtschaft und im Gartenbau weiterhin eingesetzt. In Deutschland gingen dadurch im letzten Jahr etwa ein Viertel bis ein Drittel der Bienenvölker verloren. Zeitgleich verschwanden in vielen Regionen Wildbienen, Schmetterlinge und sonstige Nutzinsekten.
Im vergangenen Herbst gelangte eine interne Bewertung der US-Umweltbehörde EPA in die Öffentlichkeit. Darin werden die von BAYER vorgelegten Studien, die eine Ungefährlichkeit von Clothianidin belegen sollen, als „unzureichend“ bezeichnet. Dem EPA-Memorandum zufolge besteht besonders für Honigbienen ein großes Risiko. Da die in den USA bislang gültige vorläufige Zulassung auf eben diesen Studien beruht, haben amerikanische Umwelt- und Imkerverbände einen Entzug der Zulassung gefordert. Um diese Forderung zu untermauern, wurden 1,2 Millionen Unterschriften gesammelt.

Jüngste Forschungsergebnisse des Toxikologen Dr. Henk Tennekes belegen die Kritik. In dem Buch A disaster in the making weist Dr. Tennekes nach, dass die Langzeitrisiken von Neonicotinoiden weitaus größer sind, als bislang angenommen. Tennekes wörtlich: "Das Risiko von Pestiziden wie Imidacloprid und Thiacloprid wird wahrscheinlich enorm unterschätzt. Die bislang gültigen Grenzwerte wurden weitgehend aus Kurzzeit-Tests abgeleitet, die zudem von der Industrie selbst durchgeführt wurden. Würde man Langzeit-Versuche durchführen, könnten schon bei wesentlich geringeren Konzentrationen verheerende Schäden auftreten. Damit kann erklärt werden, wieso schon geringe Mengen Imidacloprid längerfristig Bienensterben verursachen können“.

Dr. Tennekes fordert ein unverzügliches Verbot der Mittel: „Die Firma BAYER ist verantwortlich für eine drohende Umweltkatastrophe. Ein Verbot neonicotinoider Insektizide ist aus meiner Sicht dringend erforderlich, um weitere Bienen- und Vogelsterben abzuwenden“.

Auch die im vergangenen Sommer von italienischen Wissenschaftlern veröffentlichte Studie The puzzle of honey bee losses kommt zu dem Schluss, dass der Einfluss von Pestiziden für das weltweite Bienensterben unterschätzt wird und dass Forscher, die von der Chemie-Industrie finanziert werden, die Risiken oftmals bewusst ignorieren.

Neonicotinoide können wegen ihrer hohen Persistenz mehrere Jahren im Boden verbleiben. Selbst unbehandelte Pflanzen, auf deren Feldern die Substanzen in den Vorjahren eingesetzt wurden, können die im Boden befindlichen Giftstoffe über die Wurzeln aufnehmen und eine für Bienen gefährliche Konzentration enthalten.

Das Sterben der Bienen hat weitreichende Folgen für die weltweite Ökologie, aber auch für die Welternährungsgrundlagen. Bienen haben zentrale Bedeutung für die Bestäubung zahlreicher Pflanzen. Obwohl BAYER seit vielen Jahren auf die Ursachen hingewiesen wird und weltweit die Proteste Jahr für Jahr zunehmen, handelt der Konzern aus reinen Profitgründen nicht, sondern versucht immer wieder, von seiner Verantwortung abzulenken.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert wegen der Risiken für Bienen einen Verkaufs-Stopp für Gaucho und Poncho. In den hohen Umsatzzahlen von rund 800 Mio Euro ist der Grund zu sehen, weswegen sich BAYER trotz der gravierenden Umweltschäden mit Händen und Füßen gegen weitere Anwendungsverbote wehrt. Der Aufsichtsrat trägt hierfür eine Mitverantwortung.

Weitere Informationen zu Bienensterben

[Kontrazeptiva] Gegenanträge Bayer HV

CBG Redaktion

5. April 2011
Coordination gegen BAYER-Gefahren

BAYER-Hauptversammlung am 29. April

Hiermit zeige ich an, dass ich zu Punkt 2 der Tagesordnung den Vorschlägen des Vorstands und des Aufsichtsrats widerspreche und die anderen Aktionäre veranlassen werde, für den folgenden Gegenantrag zu stimmen.

Gegenantrag zu TOP 2: Der Vorstand wird nicht entlastet

BAYER machte 2010 einen Umsatz von 1,65 Milliarden Euro mit Kontrazeptiva. Dabei werden auch Präparate mit erhöhtem Risikoprofil rücksichtslos vermarktet. Hierdurch kommt es zu vermeidbaren Schädigungen menschlicher Gesundheit und sogar zu Todesfällen. Der Vorstand trägt hierfür die Verantwortung.

Die Einnahme der Antibaby-Pillen Yaz, Yasminelle und Yasmin mit dem Hormon Drospirenon ist gegenüber älteren Mitteln mit deutlich erhöhten Risiken für Frauen und Mädchen verbunden. Immer wieder kommt es zu schweren Gesundheitsschäden wie Thrombosen, Embolien und Schlaganfällen, häufig mit Todesfolge. In den Werbekampagnen von BAYER werden die Risiken mit keinem Wort erwähnt.

Es ist empörend, dass neue Verhütungsmittel gefährlicher sind als alte, nur weil mit Versprechen wie „Gewichtsabnahme“ und „wirkt gegen Akne“ der Umsatz gesteigert werden soll. Noch empörender ist, wie der BAYER-Vorstand auf der letzten Hauptversammlung gegenüber zwei nur knapp dem Tod entronnenen und lebenslang geschädigten Frauen jedwede Verantwortung von sich wies.

Ende Januar starb erneut eine junge Frau, eine 21-jährige Österreicherin, nach Einnahme von Yasminelle. Tragischerweise hatte sie sich die Pille verschreiben lassen, um Gewicht zu verlieren. Das erhöhte Risiko war ihr nicht bekannt. Obwohl Ärzte unmittelbar zur Stelle waren, verstarb sie an einer Embolie.

Neue Daten der US-Aufsichtsbehörden zeigen, dass die Zahl schwerer Nebenwirkungen und Todesfälle weit höher liegt als bislang angenommen. Die Food and Drug Administration (FDA) hat in den vergangenen zehn Jahren rund 10.000 Meldungen zu Antibaby-Pillen gesammelt und diese im vergangenen Sommer erstmals zugänglich gemacht. Allein in den USA starben demnach 190 Frauen nach Einnahme von Yasmin oder Yaz. Aktuell sind allein in den USA rund 7.000 Klagen gegen BAYER anhängig.

Dennoch startete BAYER zum 50. Geburtstag der Pille im vergangenen Herbst ein wahres Marketing-Feuerwerk. Unter anderem wurden eine Wanderausstellung konzipiert, Gala-Veranstaltungen in mehreren Ländern ausgerichtet und eine Facebook-Kampagne gestartet. Erneut werden darin der „Beauty-Effekt“, der „Feel-good-Faktor“ und ein angeblicher „Figur-Bonus“ angepriesen. Ulrich Hagemann, beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte für Arzneimittelsicherheit zuständig, verurteilt diese Praxis: „Wir sehen das kritisch. Die Firmen werben mit den Nebeneffekten, und teilweise ist das grenzwertig falsch“.

Die von BAYER stets zitierte Euras-Studie, die die angebliche Sicherheit von Yasmin belegen soll, wurde von SCHERING - heute Teil von BAYER - selbst in Auftrag gegeben und von einem SCHERING-Mitarbeiter durchgeführt. Unabhängige Wissenschaftler kommen zu ganz anderen Ergebnissen. So zeigen zwei aktuelle Studien, dass drospirenon-haltige Pillen gegenüber älteren Präparaten ein um etwa 80% erhöhtes Thrombose-Risiko verursachen. Das zusätzliche Risiko von Präparaten wie Yasmin ist in keiner Weise zu rechtfertigen, denn ältere Mittel verhüten ebenso zuverlässig.

Nur wenig besser sieht es bei der Hormonspirale Mirena aus. Mehr als jede zehnte Anwenderin leidet unter schweren Nebenwirkungen wie Depressionen, Eierstockzysten, Akne und Migräne. Zudem besteht der Verdacht auf Erhöhung des Brustkrebsrisikos. Die Mirena-Website jedoch nennt nur einen Bruchteil der Risiken - und das unter dem verharmlosenden Begriff „Begleiterscheinungen“. Wegen der mangelhaften Hinweise werden Tausende Frauen falsch behandelt, die Ursachen ihrer Beschwerden bleiben oft jahrelang unentdeckt.

Die Mirena-Lebensdauer gibt BAYER mit fünf Jahren an. Nach einer 2009 in der Fachzeitschrift Gynecological Endocrinology veröffentlichte Studie brechen jedoch bis zu 60 Prozent der Frauen die Anwendung vorzeitig ab. Die Studie zeigt, dass sich im Blutserum der Frauen - entgegen dem Werbespruch „Lokal wirksam, daher gut verträglich“ - vergleichbare Hormonkonzentrationen wie bei Nutzerinnen der Pille befinden.

In den USA initiierte Bayer eine Werbekampagne für Mirena nach dem Muster von Tupper-Partys. Hierbei traten Promotion-Teams in Privatveranstaltungen auf. Die Kampagne wurde von der FDA untersagt. In dem Verbot heißt es, dass das Marketing von BAYER „die Wirksamkeit übertrieben darstellt, unbegründete Behauptungen aufstellt und die Risiken von Mirena bagatellisiert“. Das Werbeversprechen, wonach die Verwendung der Hormonspirale zu einem befriedigenderen Sexualleben führt, lässt sich nach Aussage der FDA nicht belegen - im Gegenteil: mehr als 5 Prozent klagen über Verlust ihrer Libido. Auch für die Aussage, wonach sich Benutzerinnen der Mirena insgesamt „großartig fühlen“, gäbe es keinen wissenschaftlichen Nachweis. Zudem verharmlose das Marketing die häufigen Nebenwirkungen.

BAYER verweigert weiterhin Angaben zur Häufigkeit schwerer Nebenwirkungen von Kontrazeptiva - vorgeblich um „die Kundinnen nicht zu verunsichern“. Tatsächlich sollen die negativen Informationen in der Schublade verschwinden, um den Absatz nicht zu gefährden. Einmal mehr wird deutlich, dass der Konzern für Maximalgewinne bereit ist, rücksichtslos menschliche Gesundheit und menschliches Leben zu opfern. Andernfalls würde er die genannten Mittel sofort vom Markt nehmen.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert eine Offenlegungs-Pflicht aller gemeldeten Nebenwirkungen und aller Anwendungsstudien sowie wirksame Strafen für unlautere Pharma-Werbung. Antibaby-Pillen, deren Einnahme mit einem erhöhten Thrombose- und Embolie-Risiko verbunden ist, müssen verboten werden.

alle Infos zur Kampagne

[Arbeitsplätze] STICHWORT BAYER 02/2011

CBG Redaktion

4.500 Jobs weg

„Das ist eine Riesen-Schweinerei!“

Gleich zu seinem Amtsantritt verordnete der neue Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers BAYER eine Radikalkur: Er kündigte im November 2010 die Vernichtung von 4.500 Arbeitsplätzen an (SWB 1/11). Informationen über die ersten konkreten Eingriffe wie Werksschließungen folgten dann zwei Monate später. Die Belegschaft reagiert erbost auf die „Operation gelungen - Patient tot“-Behandlungsstrategie von Dr. Dekkers.

Von Jan Pehrke

„Für uns war 2010 insgesamt ein gutes Jahr“, konstatierte BAYER-Chef Marijn Dekkers auf der Bilanz-Pressekonferenz des Konzerns am 28. Februar 2011. Mit Stolz vermeldete er den höchsten Umsatz in der ganzen bisherigen Geschichte des Leverkusener Multis: 35 Milliarden Euro. Die weiteren Aussichten stimmten ihn ebenfalls hoffnungsfroh. Für das laufende Geschäftsjahr rechnet der Holländer erneut mit Zuwachs, „und dank unserer starken Produkt-Pipeline sind wir auch für die weitere Zukunft optimistisch“.
Aber warum annoncierte der Vorstandsvorsitzende im Herbst 2010 dann die Vernichtung von 4.500 Arbeitsplätzen? Die Antwort darauf fiel einigermaßen verquast und technokratisch aus. Von „Herausforderungen“ sprach Dekkers, die es nötig machten, konsequenter in das Wachstum und die Innovationskraft des Unternehmens zu investieren. Und an anderer Stelle zu deinvestieren: „Wie im November 2010 kommuniziert, werden wir die erforderlichen finanziellen Mittel durch eine gezielte Umschichtung von Ressourcen freimachen. Unterstützt wird dies durch Effizienz- und Sparmaßnahmen. Hier gilt: Mehr Innovation und weniger Administration“.
Von Innovationen haben auch seine Vorgänger viel geredet, weil die Börsen das gerne hören, aber sie sind nie auf die Idee gekommen, Gelder für „Forschung & Entwicklung“ bei den Arbeitskosten abzuziehen und die beiden Bereiche miteinander zu verrechnen. Umso hanebüchener erscheint diese Begründung, als sich der Forschungsetat gegenüber 2010 gar nicht erhöht und der Rekord-Umsatz Dekkers wahrlich noch andere Finanzierungsmöglichkeiten geboten hätte.
Sich der Fadenscheinigkeit seiner Argumentation bewusst, greift der BAYER-Boss deshalb zur Sicherheit noch auf andere Rechtfertigungen zurück. Auf einer Veranstaltung im Dezember 2010 nannte er schwindende Gewinn-Erwartungen im Pharma-Bereich durch Gesundheitsreformen und die wachsende Konkurrenz, die der Produkt-Palette durch preiswerte Nachahmer-Präparate erwächst, als Gründe für die Schock-Therapie.
Aber plausibler ist auch diese Erklärung nicht. So hält die Financial Times Deutschland die von Dekkers genannten Motive für vorgeschoben und weiß besser, warum Pillen-Produzenten wie BAYER, ROCHE & Co. in letzter Zeit Sparprogramme bekannt gaben: „Die Arznei-Konzerne versuchen so, ihre - enorm hohen - Margen zu halten“.
Zu allem Übel hielt es der neue Ober-BAYER nicht einmal für nötig, den Aufsichtsrat - und also die Beschäftigten-VertreterInnen - vorab über seine Rationalisierungspläne zu informieren, wie es seine Vorgänger stets getan hatten. Erst nach einigen Einflüsterungen ging er einen Schritt auf die Gewerkschaft zu. Er raffte sich zu einer gemeinsamen Erklärung mit dem Gesamtbetriebsrat auf, deren Wert sich allerdings in Grenzen hält. „Inhaltlich ist die Mitteilung im Wesentlichen als Kotau vor der Belegschaft zu verstehen, am Umfang des Sparpakets ändert sich dagegen nichts“, resümiert die Börsen-Zeitung.
Nur zu kleinen Zugeständnissen erklärte sich der Pharma-Riese bereit. Vor den Treffen mit den BetriebsrätInnen hieß es plötzlich, die genannten Zahlen von 4.500 Stellen-Streichungen wären nur die Verhandlungsgrundlage. Auch eine Bereitschaft zur Fortschreibung der „Standortsicherungsvereinbarung“ signalisierte die Chef-Etage. Der Vorstand will die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE), die bisher immer als williger Co-Manager operiert hatte, augenscheinlich nicht desavouieren und am Ende der Gespräche ganz mit leeren Händen dastehen lassen.
Einen ersten Zwischenstand vermeldeten Vorstand und BelegschaftsvertreterInnen im Februar 2011. Wie zu erwarten, konnten die GewerkschaftlerInnen an dem Ausmaß der Stellen-Reduzierungen nichts ändern. Es bleibt bei 1.700 Arbeitsplatzvernichtungen an den bundesdeutschen Standorten - 700 im Pharma-Bereich, 300 in der Agro-Sparte und 700 in den Verwaltungen. Lediglich bei der Ausgestaltung der Streichungen durfte die IG BCE mitreden. So sieht die präsentierte Gesamtbetriebsratsvereinbarung zur „sozialverträglichen Personalanpassung 2011 und 2012“ großzügig bemessene Abfindungen vor und schließt betriebsbedingte Kündigungen aus. Zudem legt das Papier ein Investitionsvolumen für die hiesigen Werke in Höhe von jährlich 550 Millionen Euro fest. Das verkauft der BAYER-Gesamtbetriebsratschef Thomas de Win als „eindeutiges Bekenntnis zum Standort Deutschland“, obwohl der Chemie-Multi allein in den Ausbau seiner Shanghaier Niederlassung mit einer Milliarde Euro fast das Doppelte steckt.
Als erstes müssen sparten-übergreifend die LeiharbeiterInnen und Beschäftigten mit befristeten Verträgen gehen. Innerhalb der einzelnen Abteilungen trifft es die SCHERING-Crew am härtesten. Sie schrumpft um 500 Personen und hat damit die Hauptlast des Job-Abbaus in der Gesundheitssparte zu tragen, obwohl BAYER bei der Übernahme des Berliner Konzerns im Jahr 2006 schon 1.000 Arbeitsplätze abwickelte. Überdies hat der „Mann mit der Brechstange“, wie die Zeitschrift Capital Marijn Dekkers titulierte, der Belegschaft auch noch den Namen „SCHERING“ genommen und sie zu BayeranerInnen gemacht.
Einzelheiten über den Kahlschlag in den Verwaltungen enthielt die Gesamtbetriebsvereinbarung noch nicht. Dekkers‘ Drohung: „Mehr Innovation und weniger Administration“ dürfte jedoch vor allem die Computer-Sparte BAYER BUSINESS SERVICES (BBS) treffen. Der Vorstand lässt gerade von einer Unternehmensberatung prüfen, ob nicht auch externe Dienstleister einen Teil der Aufgaben erledigen könnten. Mindestens 400 Jobs ständen bei einer positiven Antwort, die BAYER zweifelsfrei erwartet, zur Disposition. Und das von der Gewerkschaft in weiser Voraussicht in Auftrag gegebene Alternativ-Gutachten wird es schwer haben, den Vorstand vom Gegenteil zu überzeugen.
Im Ausland, wo der Leverkusener Multi die restlichen 2.800 Jobs wegrationalisieren will, gibt es erst recht kein Pardon. Der US-Ableger von BAYER CROPSCIENCE entsorgt 300 Arbeitsplätze und schreckt dabei nicht einmal vor Werksschließungen zurück. So macht er die Pestizid-Anlage in Woodbine (Georgia) dicht. Auch am Standort Institute nimmt der Konzern Veränderungen vor. Dies hat aber weniger mit Dekkers‘ Spar-Programm als vielmehr mit der umstrittenen Bhopal-Chemikalie MIC zu tun. Einen Produktionsstopp für diese Substanz hatten die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und Initiativen vor Ort immer wieder gefordert, und im Januar 2011 - über zwei Jahr nach einem großen Störfall mit Todesopfern - hatte das Unternehmen endlich ein Einsehen.
BAYERs US-amerikanische Pillen-Sparte hat ebenfalls gravierende Einschnitte zu verkraften. So stehen bei MEDRAD, der Tochter-Firma für Medizin-Produkte, 60 bis 70 Jobs zur Disposition. Zudem plant der Gen-Gigant an der Ostküste ein neues Pharma-Zentrum, was die Existenz der anderen sechs Standorte in der Region bedroht. Trotzdem gelang es dem Konzern, für die Schlankheitskur sogar noch Subventionen in Höhe von fast 40 Millionen Dollar abzugreifen. Ähnliches glückte zuvor schon in Berkeley an der Westküste (SWB 1/11).
Nur der Kunststoff-Bereich bleibt einstweilen von Eingriffen verschont. Dafür stellte ihn Dekkers Anfang März 2011 ganz zur Disposition. Nachdem er sich zuvor immer mehr oder weniger gewunden zu der Abteilung bekannt hatte, erklärte der BAYER-Chef in der Financial Times Deutschland: „Wenn aber für eine sehr große Akquisition ein bedeutender Geldbetrag aufgebracht werden muss, so wären wir bei dieser extremen Option bereit, eine Sparte zu veräußern“. Und dem Bereich „Tiergesundheit“ droht ein ähnliches Schicksal.
Die Börsen feierten Dekkers‘ Maßnahmen-Paket, mit dem er den Schwerpunkt des Unternehmens mehr in die Wachstumsmärkte der Schwellenländer verlegen und dort sogar Arbeitsplätze aufbauen möchte. „BAYER-Aktie profitiert von weltweitem Stellenabbau“,vermeldete die Westfälische Rundschau. Die LANDESBANK BADEN-WÜRTTEMBERG fand das mit dem Vorhaben verbundene Einspar-Volumen von 800 Millionen Euro „beeindruckend“ und lobte: „ein wichtiger Schritt für BAYER“. Wie auch INDEPENDENT RESEARCH und J.P. MORGAN setzte das Geldhaus das Kursziel für die Aktie flugs hoch.
Die Beschäftigten und die BürgerInnen an den Standorten hingegen reagierten empört. „Das ist eine Riesen-Schweinerei“, schimpft etwa ein Leverkusener, während ein BAYER-Beschäftigter stöhnt: „Wir sind doch schon kleingeschrumpft worden“ und sein Kollege ergänzt: „Ein weiterer Abbau geht einfach nicht“. Der Gesamtbetriebsrat nannte den Vorstoß Dekkers‘ „panisch“, „kurzsichtig“ und „völlig überzogen“; die IG BCE bezeichnete ihn als „nicht nachvollziehbar, nicht transparent“. Sogar die eigenen Führungskräfte sind nicht „amused“ über das Vorgehen ihres Chefs. „Es gibt keinen Dialog, keine Vorlaufzeit, man bekommt das vor den Latz geknallt“, klagt ein Manager in der Financial Times Deutschland, und ein anderer bezweifelt den Sinn des Effizienz-Programms: „Das ist ohne Not gekommen“.
Aber es blieb nicht bei Unmutsbekundigungen. Die Belegschaftsangehörigen machten ihrer Wut auch durch Protest-Aktionen Luft. Am BAYER-CROPSCIENCE-Standort Höchst fanden sie sich zu einer Spontan-Demonstration zusammen. Und als Marijn Dekkers auf einer Betriebsversammlung auftrat und dort für die Radikalkur warb, hielten die Beschäftigten rote Karten hoch, um ihre Ablehnung kundzutun. Seine Versicherungen, die Rationalisierungen seien nicht dem Druck der Finanzmärkte geschuldet, sondern strukturellen Defiziten, quittierten sie mit Hohn und Spott. Selbst die IG BCE, die nach ersten starken Worten schnell wieder in ihre Routine verfiel, Zumutungen durch eine sozialverträgliche Ausgestaltung etwas verträglicher zu gestalten, ließ dem Konzern nicht alles durchgehen. So kündigte die Gewerkschaft den Tarifvertrag von BAYER BUSINESS SERVICES, in dem sie 2007 eine Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich und einen Verzicht auf soziale Leistungen als Opfer zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit dargebracht hatte. Mit ihrer Absicht, trotz dieser Zugeständnisse massiv Arbeitsplätze bei BBS zu vernichten, habe der Vorstand der Vereinbarung die Geschäftsgrundlage entzogen, so die IG BCE zur Begründung.
„Dass sich die überwiegende Mehrheit der Beschäftigten - deutlich mehr als 80 Prozent - in einem hohen Maße mit BAYER verbunden fühlt und das Unternehmen insgesamt als attraktiven Arbeitgeber schätzt“, wie der Pillenhersteller laut Geschäftsbericht 2010 in einer Befragung herausgefunden haben will, dürfte ins Reich der Märchen gehören. Ein Konzern, der mit der COMMERZBANK und der DEUTSCHEN BÖRSE zu den einzigen drei DAX-Firmen zählt, die 2011 Arbeitsplätze abbauen und der auf der Weltrangliste der Jobkiller den 12. Platz einnimmt, hat die Loyalität seiner Belegschaft verspielt.

[Editorial] STICHWORT BAYER 02/2011

CBG Redaktion

Liebe Leserinnen und Leser,

zum ersten Mal muss die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) an dieser Stelle in eigener Sache sprechen. Die Umstände verlangen es, denn die Lage ist ernst: Die Existenz der Coordination steht auf dem Spiel. Sozialabbau und Wirtschaftskrise haben die Spenden-Einnahmen stark sinken lassen. Da die CBG keine Gelder aus staatlichen oder kirchlichen Quellen erhält - das ist der Preis für ihre konsequent konzern-kritische Ausrichtung - schrumpfte der Etat deshalb auf die Höhe der Budgets von Mitte der 1990er Jahre. Wegen des allgemeinen Kostenanstiegs bedeutet das einen starken Einschnitt. Darum waren wir bereits gezwungen, schmerzliche Maßnahmen einzuleiten. So haben wir beschlossen, das Büro aufzulösen und das Archiv zu schließen, das gerade auch für die journalistische Arbeit von Stichwort BAYER immer einen unermesslichen Schatz darstellte.

Aber das reicht nicht, um den Fortbestand unseres Netzwerkes dauerhaft zu sichern. Zur Weiterführung unserer Arbeit sind wir in den kommenden Monaten auf massive Unterstützung angewiesen. Darum möchte ich an Sie appellieren, der CBG zu helfen. Dafür gibt es viele Wege. Sie können uns einmalig einen Betrag spenden oder uns kontinuierlich fördern, indem Sie GarantIn werden. Auch eine CBG-Mitgliedschaft oder ein Stichwort-BAYER-Abonnement stärkt uns den Rücken.

Eine bekannte Künstlerin hat unsere Signale schon erhört: Nina Hagen. Die Sängerin wurde durch eine Kampagne, mit der wir Geschädigten des Schwangerschaftstests DUOGYNON zu ihrem Recht verhelfen wollen, auf die CBG aufmerksam. Als sie von unseren Schwierigkeiten erfuhr, erklärte sie sich spontan bereit, eine GarantInnenschaft zu übernehmen. „Es ist mir ein Herzensanliegen, die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN zu unterstützen“, verkündete sie und stellte sich sogar als CBG-Werbeikone zur Verfügung (siehe Seite 36).

Auch andere Reaktionen ermutigen uns. „Ihr macht eine solch immens wichtige, gute und mutige Arbeit!! Das darf nicht an Geldmangel scheitern“, meinte eine Anhängerin und überwies eine Spende. Andere erhöhen freiwillig ihren Mitgliedsbeitrag. Das gibt uns Hoffnung, die Situation zu meistern. In der 33-jährigen Geschichte der Coordination traten immer wieder finanzielle Probleme auf, und bisher gelang es uns immer, sie zu bewältigen. Diesmal aber steht es besonders schlimm. Darum möchte ich Sie eindringlich bitten, uns Beistand zu leisten, denn eine Initiative mit solch einer Erfahrung, Verbindungen weit über Europa hinaus und so vielen Erfolgen darf nicht einfach sterben.

Jan Pehrke ist Redakteur von Stichwort BAYER

[MIC] STICHWORT BAYER 02/2011

CBG Redaktion

CBG-Forderung erfüllt:

Produktionsstopp für Bhopal-Gas

25 Jahre Kampagnenarbeit führten endlich zum Erfolg: BAYER kündigte Mitte Januar an, im US-Werk Institute die Herstellung des Bhopal-Gifts MIC einzustellen.

Von Philipp Mimkes

„Dies ist ein monumentaler Schritt in unserem 25-jährigen Kampf für mehr Sicherheit. MIC ist wirklich das Schlimmste vom Schlimmsten.“ So kommentiert Maya Nye, Sprecherin der Initiative PEOPLE CONCERNED ABOUT MIC (PCAM), die Ankündigung des BAYER-Konzerns, die Produktion der Chemikalie Methyl Isocyanat (MIC) in seinem Werk am Standort Institute nach einer Frist von anderthalb Jahren einzustellen. Zwei hochgefährliche Pestizide, Aldicarb und Carbaryl, zu deren Herstellung MIC verwendet wird, sollen zudem vom Markt genommen werden.
Die Fabrik im US-Bundesstaat West Virginia gehörte einst zur Firma UNION CARBIDE und galt als Zwillings-Werk der Fabrik in Bhopal, wo 1984 ein MIC-Tank explodierte, was zum Tod von etwa 20.000 AnwohnerInnen führte. Über 100.000 Menschen leiden bis heute an den Vergiftungen.

Transatlantische Solidarität
Nach der Katastrophe in Indien hatten sich die Augen der Öffentlichkeit auf die Pestizid-Fabrik in West Virginia gerichtet. Institute blieb der einzige Ort in den USA, in dem bis heute große Mengen MIC produziert und gelagert werden – weit mehr, als in Bhopal damals austraten. Der deutsche BAYER-Konzern übernahm die Fabrik im Jahr 2001. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) kooperiert seitdem eng mit Umweltgruppen aus West Virginia, die eine Beendigung der MIC-Produktion in Institute fordern. Mehrfach hatte die CBG hierzu Gegenanträge zur BAYER-Hauptversammlung eingereicht. Maya Nye bedankt sich denn auch für die Hilfe aus Europa: „Ohne den öffentlichen Druck, den Ihr kontinuierlich auf BAYER ausgeübt habt, wäre diese Entwicklung nicht möglich gewesen. Wir bedanken uns aus tiefstem Herzen für Eure Solidarität!“.
Zuletzt ereignete sich in der Anlage im August 2008 eine schwere Explosion, deren Erschütterungen in einem Umkreis von mehr als zehn Meilen zu spüren waren (SWB berichtete). Zwei Arbeiter verloren ihr Leben. Nur vier Monate zuvor hatte ein Vertreter der Coordination auf der BAYER-Hauptversammlung die mangelhafte Anlagensicherheit in Institute kritisiert. Einen Produktionsstopp für Giftgase wie Phosgen und MIC, wie vom CBGler verlangt, lehnte der BAYER-Vorstand jedoch als „unbegründet“ ab.

220 Arbeitsplätze bedroht
Uwe Friedrich vom Vorstand der CBG: „Wir fordern grundsätzlich, dass die chemische Industrie auf den großtechnischen Einsatz tödlicher Chemikalien wie MIC und Phosgen verzichtet.“ Als unfreiwillig komisch bezeichnet Friedrich die Argumentation von BAYER-VertreterInnen, die den Verkaufsstopp von Aldicarb und Carbaryl mit dem im Jahr 1995 gegebenen Versprechen begründet hatten, Pestizide der obersten Gefahrenklasse vom Markt zu nehmen. Dieses hat sein Verfallsdatum nämlich längst überschritten, sollte es doch schon zur Jahrtausendwende 1999/2000 eingelöst sein.
Angesichts der Rekord-Gewinne in den vergangenen Jahren tritt die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN darüber hinaus dafür ein, dass die 220 von der Einstellung der MIC-Produktion betroffenen Beschäftigten in Institute angemessene Ersatz-Arbeitsplätze erhalten. Auch Maya Nye von den PEOPLE CONCERNED ABOUT MIC solidarisiert sich mit der Belegschaft: „Wir fühlen mit den betroffenen Arbeitern, die ihre Stelle verlieren sollen. Wir müssen aber daran erinnern, dass dies die Folge der Weigerung von BAYER ist, vorauszudenken und in sichere Verfahren zu investieren.“ Nye kritisiert insbesondere die jahrelangen Drohungen von BAYER, Arbeitsplätze zu vernichten: „Dies ist ein übliches Mittel, um Anwohner, Umweltschützer und die Belegschaft auseinanderzudividieren. Wir werden dadurch zu Geiseln von Konzernen gemacht, denen Profite wichtiger sind als die Sicherheit der betroffenen Menschen.“

Untersuchungsbericht
Ebenfalls Mitte Januar legte die Aufsichtsbehörde „Chemical Safety Board“ (CSB) ihren lange angekündigten Abschlussbericht zum jüngsten Störfall vor. Die zeitliche Koinzidenz dürfte dabei kein Zufall sein: Mit der Ankündigung, aus der MIC-Produktion auszusteigen, wollte der Konzern offenbar dem CSB den Wind aus den Segeln nehmen. Der Report der Behörde hat es nämlich in sich: Die Werksleitung hatte demnach im August 2008 auf ein schnelles Wiederanfahren einer umgebauten Anlage gedrängt, damit keine Engpässe bei der Produktion des Pestizids LARVIN entstehen. Hierfür hatten Sicherheitssysteme bewusst außer Kraft gesetzt werden müssen. Die Programmierung der Computer-Steuerung war zu diesem Zeitpunkt noch nicht fertiggestellt, auch die MIC-Messgeräte an der Anlage waren nicht funktionstüchtig.
Dr. Rafael Moure-Eraso, Vorsitzender des CSB, kam daher bei der Vorstellung des 170-seitigen Berichts zu dem Ergebnis: „Der Tod der Arbeiter ist umso tragischer, als er hätte vermieden werden können, wenn BAYER eine angemessene Schulung der Mitarbeiter vorgenommen, eine umfassende Prüfung der Anlagen vor dem Hochfahren vorgeschrieben und eine strikte Einhaltung der Arbeitsabläufe gewährleistet hätte.“
Nur glückliche Umstände verhinderten die Beschädigung eines benachbarten MIC-Tanks. „Ein Austritt signifikanter Mengen MIC hätte tödliche Folgen haben können. Diese Sorge wurde von Anwohnern berechtigerweise seit Jahrzehnten geäußert“, so Dr. Moure-Eraso weiter. Dies ist ein deutlicher Seitenhieb gegen die Werksleitung, die nach dem Störfall vor zwei Jahren versucht hatte, Bürgerinitiativen und kritische Journalisten öffentlich zu diskreditieren.

Strafrechtliche Ermittlungen
Der US-Kongress strengte eine eigene Untersuchung des Störfalls an, die zu folgendem Ergebnis kam: „BAYER beteiligte sich an einer Geheimhaltungskampagne. Die Firma hat den Sicherheitskräften entscheidende Informationen vorenthalten, hat den Ermittlern der Bundesbehörden nur eingeschränkten Zugang zu Informationen gewährt, hat die Arbeit von Medien und Bürgerinitiativen unterminiert und hat die Öffentlichkeit unrichtig und irreführend informiert.“ Weiter hieß es: „Durch die Explosion flog ein mehrere Tonnen wiegender Rückstandsbehälter 15 Meter durch das Werk und zerstörte auf seinem Weg praktisch alles. Hätte dieses Geschoss den MIC-Tank getroffen, hätten die Konsequenzen das Desaster von Bhopal 1984 in den Schatten stellen können.“
Beschlagnahmte Unterlagen zeigten, dass die Firma die Ermittlungen bewusst behindert hatte. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN fordert wegen des vermeidbaren Tods der beiden Mitarbeiter strafrechtliche Ermittlungen gegen die Werksleitung sowie einen endgültigen Verzicht auf alle Pestizide der obersten Gefahrenstufe. Die PCAM-AktivistInnen vor Ort engagieren sich indessen für einen sofortiges Ende der MIC-Herstellung. Sie klagten gegen die Wiederinbetriebnahme der Anlage. Am 25. Februar gab ihnen ein Richter Recht. Er untersagte dem Leverkusener Multi vorläufig, die gefährliche Chemikalie noch 18 Monate weiterzuproduzieren. Und drei Wochen später verkündete BAYER das endgültige Ende von MIC.

[EU] STICHWORT BAYER 02/2011

CBG Redaktion

EU-Handelspolitik nach Konzern-Gusto

„Wir machen das für euch!“

Die Europäische Union schließt fleißig Handelsabkommen ab. Die Verträge mit Kolumbien, Peru und Südkorea sind schon unterschrieben, ein Abschluss mit Indien steht noch in diesem Jahr an. BAYER & Co. haben die Agenda der EU bei den Verhandlungen entscheidend mitbestimmt und profitieren entsprechend von den Ergebnissen. Strengere Patent-Regime, freiere Marktzugänge, mehr Investitionsschutz, Gleichbehandlung mit inländischen Unternehmen und verbesserter Zugriff auf Rohstoffe - fast kein Wunsch blieb unerfüllt. Die ärmeren Länder hingegen müssen mit höheren Preisen für lebenswichtige Güter wie Arzneien, einer Schwächung ihres Agrar-Sektors und weiterem Ungemach rechnen.

von Jan Pehrke

Um die ganz großen Globalisierungsvorhaben steht es nicht gut. Das Multilaterale Investitionsabkommen (MAI) landete Ende der 1990er Jahre auf dem Müllhaufen der Geschichte, und die Liberalisierungsbestrebungen der Welthandelsorganisation WTO im Rahmen der Doha-Runde kommen wegen der Vetos der Entwicklungsländer ebenfalls nicht voran, was in Brüssel für einigen Unmut sorgte. „Die WTO ist eine mittelalterliche Organisation. Man kann Diskussionen zwischen 146 Mitgliedsstaaten nicht so strukturieren und steuern, dass sie zum Konsens führen“, klagte der damalige EU-Handelskommissar Pascal Lamy 2003 nach der ergebnislosen Minister-Konferenz von Cancún. Als Konsequenz daraus treibt die Europäische Union nun bilaterale Handelsabkommen mit einzelnen Nationen oder Staatengruppen voran. Mit Kolumbien, Peru, Südkorea und dem zentralamerikanischen Bund, dem Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras, Nicaragua und Panama angehören, hat sie bereits Verträge abgeschlossen - nur das EU-Parlament muss noch seine Zustimmung geben. Verhandlungen mit Singapur, Kanada, der Ukraine und den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay laufen zurzeit. Mit den 79 afrikanischen, karibischen und pazifischen Staaten, die sich zu dem Verband AKP zusammengeschlossen haben, kam es hingegen nicht zu der Unterzeichnung eines Dokuments, weshalb die EU jetzt Einzelgespräche führt und sich mit zahlreichen Nationen bereits auf Abkommen geeinigt hat.

Die USA, China und andere mächtige Staaten handeln ähnlich. Die Globalisierung unter dem Diktat des Neoliberalismus schreitet also weiterhin unaufhörlich voran, nur fehlen ihr die erkennbaren Wegmarken und zentralen Projekte wie einst das MAI. Darum spielen sich die Geschehnisse oftmals unter der Wahrnehmungsschwelle ab und reizen nicht mehr zu großen Gegenmobilisierungen. Dabei wären diese nötiger denn je, da die bilateralen Verträge oftmals sogar noch über die WTO-Liberalisierungen hinausgehen. Diskussionen mit Einzelstaaten und kleineren Allianzen kann man eben leichter „so strukturieren und steuern, dass sie zum Konsens führen“ - „Teile und herrsche“ heißt die Erfolgsformel.

EU als Sprachrohr
„Gewährleisten, dass wettbewerbsfähige europäische Unternehmen (...) Zugang zu den Weltmärkten erhalten und auf ihnen sicher operieren können, das ist unsere Agenda“, so umschrieb 2006 der damalige EU-Handelskommissar Peter Mandelson die „Global Europe“-Strategie. Das mündete in Verhandlungsziele wie Absenkung von Zollgrenzen, strenger Patentschutz, verbesserter Zugriff auf Rohstoffe, Gleichbehandlung von in- und ausländischen Unternehmen und mehr Investitionsschutz. BAYER & Co. haben nicht nur an der Erstellung dieser Liste einen maßgeblichen Anteil gehabt, sie bestimmten die ganze neue Außenhandelspolitik Brüssels mit. UNICE, der EU-Lobbyverband der Multis, drängte die Union nach dem Abbruch der Cancún-Gespräche, einen Beschluss von 1999 zu verändern und sich bilateralen Handelsabkommen nicht länger zu verschließen. Und die Nachfolge-Organisation BusinessEurope mahnte ein ausgearbeitetes Programm an, das die Kommission mit „Global Europe - competing in the World“ schließlich auch vorlegte.

Die Mitwirkung der Konzerne bei der praktischen Umsetzung war dann nur noch Formsache. So fanden etwa vor Beginn der Verhandlungen mit Indien regelmäßig Treffen zwischen der „Generaldirektion Handel“ und BusinessEurope sowie den Branchenverbänden der Chemie- und Pharma-Industrie statt. Die Direktion schickte der Organisation sogar einen Fragebogen zu, um auch ja alle Wünsche der Multis zu berücksichtigen. Zudem erhielten die Global Player Zugang zu den Indien-Dokumenten der EU. Eine „Politik der offenen Tür“ nannte das der damalige Direktionschef David O‘Sullivan. Ganz weit offen hielt die Tür dabei der Handelsdirektor Thomas Heynisch, was nicht weiter verwundert, denn er stand früher in Diensten des vom Leverkusener Multi gegründeten „Verbandes der Forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VFA). Aber auch die Europäische Kommission selber zeigte sich ehrerbietig. „Wir machen das für euch“, versicherte Peter Mandelson den Unternehmen, weshalb die „European Business Group“ frohlockte: „Wir können die Kommission als unser Sprachrohr benutzen“.

BAYER profitiert
In dieser Funktion hat die Kommission BAYER viele Dienste erwiesen. So darf sich die Pharma-Sparte über Patent-Regelungen in den Abkommen freuen, die weit über die 1994 im Rahmen der Welthandelsrunde in Uruguay beschlossenen Trips-Vereinbarungen hinausgehen. Galt in diesen Verträgen ein 20-jähriger Schutz des geistigen Eigentums, so können die Pillen-Riesen nun in Peru und Kolumbien bedeutend länger Monopol-Profite einstreichen. Die Bearbeitungsdauer der Zulassungsanträge für die Arzneien müssen die beiden Länder nämlich jetzt noch draufrechnen. Auch Zugang zu den Test-Daten der Pillen dürfen sie erst nach fünf Jahren gewähren, weshalb sich die Produktion von Nachahmer-Präparaten verzögert, denn die meisten Generika-Firmen haben nicht das Geld für eigene Klinische Prüfungen. Zudem haben die südamerikanischen Staaten sich verpflichtet, Patent-Verstöße strenger zu verfolgen und zu bestrafen. BAYER & Co. steht es jetzt frei, die Behörden schon bei einem bloßen Verdacht zu einer Beschlagnahme von angeblich widerrechtlich produzierten Arzneien zu veranlassen. Selbst wenn die Medikamente Peru oder Kolumbien nur als Durchgangsstation nutzen und weder im Herkunfts- noch im Bestimmungsland einem Patentschutz unterliegen, hat der Zoll das Recht zuzuschlagen. Innerhalb ihrer eigenen Grenzen praktiziert das die EU schon lange und macht dabei eine reiche Beute. Und zu allem Übel gelten diese Regeln nicht nur für Pillen, sondern in ähnlicher Form auch für Pestizide und Saatgut und finden sich in allen bisher unterzeichneten Freihandelsabkommen wieder.

Bessere Geschäfte mit diesen Gütern garantieren die vereinbarten Senkungen der Einfuhrzölle. Der „Bundesverband der deutschen Industrie“ und der europäische Chemie-Verband CEFIC hatten zwar eine Null-Lösung gefordert, aber die Reduzierung der Tarife um durchschnittlich 80 Prozent dürfte auch für bedeutend mehr Absatz sorgen. Das „Handelshemmnis“ Ausfuhrsteuern tragen die Vereinbarungen ebenfalls ein gutes Stück weit ab, was BAYER & Co. ermöglicht, billiger an Rohstoffe heranzukommen. Sogar ein bisschen MAI ist mit den Vertragsabschlüssen gekommen; der Investitionsschutz wird nur nicht mehr auf multinationaler Ebene, sondern bloß noch auf der bilateralen gewährt. Aber der Effekt ist derselbe: Die Verträge gewähren den Multis eine Gleichbehandlung mit einheimischen Unternehmen und ermöglichen einen ungehemmten Kapitalfluss sowie einen regen Handel zwischen Mutter- und Tochterunternehmen.

Ein schlechter Deal
Entsprechend negative Auswirkungen haben die Freihandelsabkommen für die ärmeren Nationen. Allein unter den EU-Staaten, haben sie nicht mehr die Verhandlungsmacht, die sie zum Leidwesen Pascal Lamys noch in den Welthandelsrunden besaßen. Was dort dank des Drucks der Entwicklungsländer von der Agenda verschwand - die so genannten Singapur-Themen Investitions- und Wettbewerbsregeln, öffentliche Auftragsvergabe sowie Handelserleichterungen - kam bilateral sofort wieder aufs Tapet und, im Sinne von BAYER & Co. ausgestaltet, auch in die Verträge. Deshalb konnte der jetzige EU-Handelskommissar Karel de Gucht nach der Einigung mit Kolumbien und Peru jubilieren, die Ergebnisse würden in Sachen „Marktzugang“ und „Handelsregeln“ die WTO-Bestimmungen weit in den Schatten stellen.

In den Entwicklungs- und Schwellenländern profitiert nur eine Gruppe wirtschaftlicher Akteure von den Abschlüssen: die einheimischen Multis. Wie schon bei den Verhandlungen auf multilateraler Ebene gibt auch bei den Verhandlungen auf bilateraler Ebene die „Internationale des Kapitals“ den Takt vor. So steht BusinessEurope derzeit Seit‘ an Seit‘ mit der „Confederation of Indian Industry“ (CII), um das Freihandelsabkommen mit Indien im Sinne von Big Business zu gestalten.

Der Großteil der Bevölkerung hat hingegen das Nachsehen. Besonders gravierend wirken sich die Handelsvereinbarungen auf die Gesundheitsversorgung aus, denn die verschärften Patentregeln verteuern Medikamente drastisch. Hätte die EU all ihre Forderungen gegenüber Peru durchgesetzt, so hätte das die Arzneimittel-Aufwändungen in dem Land um 459 Millionen Dollar erhöht, wie die Initiative HEALTH ACTION INTERNATIONAL ausgerechnet hat. Aber selbst der erreichte Kompromiss dürfte den Andenstaat hunderte Millionen Dollar kosten. Das bevölkerungsreiche Indien wird mit dieser Summe nicht auskommen. Patent-Bestimmungen wie in Peru und Kolumbien hätten aber nicht nur schlimme Folgen für die einheimische Bevölkerung, sondern für alle Länder des Südens. Indien ist nämlich die „Apotheke der dritten Welt“; die in dem Staat produzierten Nachahmer-Präparate gehen in den ganzen Trikont. Allein ÄRZTE OHNE GRENZEN bezieht 80 Prozent seiner Aids-Medikamente preiswert aus dem südasiatischen Staat und versorgt damit 160.000 Patienten. Darum warnt die Organisation: „Das Abkommen würde dazu führen, dass wichtige Nachahmer-Medikamente in Indien nicht mehr hergestellt werden dürfen“.

Die Verträge schreiben jedoch auch in anderen Bereichen einen strengeren Patentschutz fest. Das von BAYER & Co. reklamierte geistige Eigentum auf Saatgut nimmt den LandwirtInnen das Recht, einen Teil ihrer Erträge aufzusparen und für eine Wiederaussaat zu verwenden. Für diese seit Generationen übliche Praxis können die Multis nun eine Lizenzgebühr verlangen. Bolivien hatte sich entschieden gegen diesen Punkt gewehrt. „Das Leben ist etwas Heiliges, was nicht mit der Europäischen Union verhandelt werden kann“, erklärte Präsident Evo Morales und forderte, die Interessen transnationaler Unternehmen nicht länger über die Bedürfnisse der Bevölkerung und der Umwelt zu stellen. Deshalb befand der damalige bundesdeutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Morales „störe“ den Verhandlungsprozess und war froh, ihn schließlich nicht mehr dabeizuhaben. Die indischen FarmerInnen teilen dagegen den Standpunkt des bolivianischen Staatsoberhauptes. „Die Patent-Forderungen der EU werden das fundamentale Recht der Landwirte beschneiden, Saatgut zu sammeln und zu tauschen und damit zu einem Verlust von Pflanzen-Arten und traditionellem agrikulturellen Wissen beitragen“, kritisierte ihr Koordinationskomitee in einem Offenen Brief an den indischen Premierminister Manmohan Singh.

Die Patent-Ansprüche auf Pestizide stärken die Freihandelsabkommen ebenfalls. Wie die Test-Daten von Arzneien belegen sie auch Patente von Ackergiften mit einer Sperrfrist, was die Produktion von billigeren Nachahmer-Präparaten erschwert. Die indische Regierung zeigte sich schon im Vorfeld entgegenkommend und bereitete eine 3-Jahres-Regel vor, aber das reichte der „European Crop Protection Agency“ (ECPA) nicht. Die Brüsseler Lobby-Organisation von BAYER & Co. lehnte die 2008 ins Parlament eingebrachte „Pesticides Management Bill“ des Parlamentes ab und drängt nun im Zuge der Vertragsverhandlungen auf längere Verschluss-Zeiten. Sollte die ECPA sich durchsetzen, so müssen die LandwirtInnen länger die von BAYER & Co. diktierten Monopol-Preise für neu entwickelte Agro-Chemikalien zahlen.

Bauernsterben
Die FarmerInnen zählen ganz generell zu den Hauptleidtragenden der Abkommen. Die massiven Absenkungen der Zoll-Tarife erlauben es der EU, die Märkte der Entwicklungs- und Schwellenländer mit Milch, Fleisch, Früchten und anderen hoch subventionierten Agrar-Produkten zu überschwemmen, was in den Ländern des Südens die Existenz besonders der kleinen Betriebe gefährdet und den Trend zu einer industriellen Landwirtschaft forciert. „Wir lehnen die Unterzeichnung des Freihandelsabkommens ab, da es schädliche Auswirkungen auf die bäuerlichen Gemeinschaften, Indiens Agrar-Produktion und daraus folgend auf die Ernährungssouveränität und die Souveränität Indiens im Ganzen hat“, heißt es deshalb in dem Protestbrief der Bauern und Bäuerinnen an Premier Singh.

Sein peruanischer Amtskollege Alan García hat sich von solchen Protesten nicht erweichen lassen. Er titulierte die Kleinbauern und -bäuerinnen als Fortschrittsfeinde und machte sich gleich nach der Unterzeichnung des Freihandelsabkommens mit den USA daran, ihre Rechte zu beschneiden. Unter Umgehung des Parlamentes erleichterte er per Dekret die Möglichkeit von Enteignungen und Umwidmungen von Regenwald-Flächen in Äcker, um Investoren, die Bergbau betreiben, Rohstoffe gewinnen oder Agrosprit-Plantagen anlegen wollen, freie Hand zu geben. Die indigenen Gruppen reagierten darauf mit massiven Protesten, welchen die Regierung gewaltsam niederschlug. Im Juni 2009 tötete die Polizei bei der Auflösung einer Straßenblockade Dutzende Menschen und verletzte 200. Immerhin zog García anschließend zwei der so genannten Dschungelgesetze zurück. Der Kontrakt mit der EU erweitert jetzt den Kreis der Interessenten an Perus Bodenschätzen und Biosprit-Äckern noch einmal, was die Lage der LandwirtInnen in den entsprechenden Gebieten weiter verschlechtern dürfte. Im Nachbarland Kolumbien kann es eigentlich nicht mehr viel schlimmer kommen. Nichtsdestotrotz befürchten Menschenrechtsgruppen durch die Vereinbarungen mit der EU aber eine neuerliche Zunahme der Vertreibungen, die seit 1985 4,6 Millionen Menschen ihr Land kosteten, weil das Abkommen die Rechtsposition von Öl-Firmen, Agro-Baronen und Minengesellschaften stärkt.

Andere Wirtschaftszweige haben gleichfalls unter den Agreements zu leiden. So sorgte der Fall der Zollgrenzen nach dem Assoziierungsabkommen mit der EU in Tunesien für einen drastischen Anstieg der Waren-Importe, dem die landeseigene Ökonomie nichts entgegenzusetzen hatte. „Es dürften in den letzten fünf Jahren um die dreißig Prozent der kleinen Betriebe eingegangen sein“, schätzt der Nordafrika-Experte Dr. Werner Ruf. Ähnliches steht Indien bevor. Wenn die Verträge beispielsweise großen Lebensmittelketten wie METRO, CARREFOUR und TESCO eine Geschäftslizenz ausstellen, wird der kleinteilige einheimische Einzelhandel dagegen kaum bestehen können.

Bilateral statt regional
Zudem schwächen die Freihandelsabkommen die regionale Integration und damit eine gemeinsame Entwicklung der armen Länder. Die Europäische Union, selbst eine supranationale Organisation, schreckt nämlich nicht einmal davor zurück, andere Bünde aufzuspalten, um zu Vertragsabschlüssen zu kommen. Als die Verhandlungen mit den 78 AKP-Staaten stockten, ging Brüssel nach der Devise „Going with the willing“ vor und erzielte so vorläufige oder endgültige Übereinkünfte mit Botswana, Mosambik, Kenia, Ruanda, Papua-Neuguinea und über 30 weiteren Ländern.

In Folge der Abmachungen verlagert sich der Warenverkehr mehr und mehr auf die Nord/Süd-Achse, zwischen den AKP-Staaten selber finden weniger Geschäfte statt, da es ihnen bestimmte Klauseln erschweren, untereinander Handelsvereinbarungen zu treffen. Zudem dürfen die Länder sich gegenseitig nur noch beschränkt Vergünstigungen gewähren, es sei denn, sie räumen der EU dieselben Vorteile ein. Nach dem Motto „Du sollst keinen Handelspartner haben neben mir“ macht Brüssel zudem der regionalen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas, der Nigeria, Senegal und 13 weitere westafrikanische Staaten angehören, das Leben schwer. In den derzeit laufenden Verhandlungen mit einzelnen Mitgliedern verlangt Brüssel nämlich, die an den Grenzen erhobene Gemeinschaftsabgabe abzuschaffen, die der Finanzierung der Union dient.

Auch die Andengemeinschaft CAN überstand die Freihandelsabkommen nicht unbeschadet. Hatte die CAN der Vertrag Kolumbiens mit den USA schon die Mitgliedschaft Venezuelas gekostet, so kam es im Laufe der Verhandlungen mit der EU nochmals zu einem Zerwürfnis. Kolumbien, Peru, Ecuador und Bolivien vermochten sich nicht auf ein gemeinsames Vorgehen gegenüber der Europäischen Union zu einigen, weshalb schließlich nur Kolumbien und Peru das Abschluss-Papier unterzeichneten. Agrar-Produkte aus Frankreich, Italien und Deutschland sowie andere Waren finden nun leichter den Weg in diese Länder und diejenigen der Nachbarn umso schwerer, was denen Wirtschaftskraft entzieht. Schon die Handelsvereinbarungen Kolumbiens und Perus mit den Vereinigten Staaten haben die Soja-Exporte Boliviens in die beiden CAN-Staaten empfindlich einbrechen lassen, und durch die Handelsregelungen mit der EU sind nun weitere Verluste zu erwarten.

Zwang statt Dialog
Die Umsetzung der „Teile und herrsche“-Strategie erfolgt ohne Rücksicht auf Verluste. Die Europäische Union erpresst die Unterschriften durch die Drohung, ansonsten Kürzungen bei der Entwicklungshilfe vorzunehmen. Auch die Ankündigung, unbotmäßiges Verhalten mit dem Entzug des Entwicklungsländern gewährten privilegierten Marktzugangs zu bestrafen, dient als Zwangsmittel. Nigerias Weigerung, ein „Economic partnership agreement“ (EPA) zu unterzeichnen, beantwortete Brüssel umgehend mit der Erhebung von Zöllen auf Exporte aus dem Land. Offizielle Begründung: Die Sonderbehandlung widerspricht den WTO-Bestimmungen. Allein die Kakao-Produzenten kostet das jährlich Millionen Euro. Die Ausfuhrsteuern möchte die Union ebenfalls wegverhandeln - ganz wie von BusinessEurope gefordert. „Die EU sollte in Betracht ziehen, die Marktzugangspräferenzen für ein Produkt auszusetzen, wenn ein Land, das Teil der Wertschöpfungskette für dieses Produkt ist, zu marktverzerrenden Maßnahmen greift wie beispielsweise Ausfuhr-Beschränkungen für Rohstoffe“, schreiben BAYER & Co. in ihrer Stellungnahme zu dem Präferenzsystem.

No politics please
Sang- und klanglos verhallte die Bitte des AKP-Handelsbeauftragen Paul Bunduku-Latha an die EU-Delegierten, „ein wenig Flexibilität und Humanität“ zu zeigen. Der Appell der Afrikanischen Union, in den EPAs eine entwicklungspolitische Perspektive zu verankern, blieb ebenfalls unerhört. Und an die Milleniumsziele der UN wie die Reduzierung der Armut wollte die Europäische Union schon gar nicht erinnert werden. Sie hielt sich streng an die Vorgabe von EuroCommerce: „Die Handelspolitik sollte nicht mit Sozial- und Umweltstandards vermischt werden“. Das Kapitel über nachhaltige Entwicklung in den Entwürfen zum Freihandelsabkommen mit Indien betrachtet die Kommission deshalb nur als Formalität - „nötig, um das EU-Parlament zu beruhigen“.

Auch politische Standards werden nicht mit der Handelspolitik vermischt. So erklärte Entwicklungshilfe-Minister Dirk Niebel in einem Interview: „Mit Kolumbien sollten wir ideologiefreier umgehen“. Trotz anhaltender Vertreibung und Morden an GewerkschaftlerInnen und MenschenrechtlerInnen - allein zwischen Juli und Oktober 2010 fanden 30 AktivistInnen den Tod - meint der FDP-Politiker nämlich, in dem Land hätte sich so einiges getan.

Die Art und Weise, wie der Anden-Staat das Freihandelsabkommen mit der EU politisch durchdrückte, scheint Niebel dabei ebenfalls zu übersehen. Um lästige Kritik aus dem Ausland an den Menschenrechtsverletzungen auszuschalten, setzte das Land seinen Sicherheitsdienst DAS unter anderem auf den Menschenrechtsausschuss des EU-Parlaments, HUMAN RIGHTS WATCH und OXFAM an. Im Rahmen der „Operation Europa“ stahlen die AgentInnen Festplatten, setzten die Angehörigen von AktivistInnen mit Drohanrufen unter Druck und brachten Falschmeldungen über Kontakte der Menschenrechtler mit der FARC-Guerilla in Umlauf.

Immerhin nahm die kolumbianische Regierung diese und andere schmutzige Undercover-Aktionen zum Anlass, dem DAS aufzulösen und Untersuchungen anzusetzen. So stieß der Staatsanwalt dann auch auf ein Dokument mit einem Amtshilfe-Ersuchen, das an den Bundesnachrichtendienst gerichtet war. Die Geheimdienstler erbaten darin Auskünfte über Reise-Bewegungen von politisch missliebigen Personen. Ob der BND sich kooperativ zeigte, darüber liegen der Bundesregierung aber leider „keine Erkenntnisse“ vor. Auf eine kleine Anfrage des grünen Bundestagsabgeordneten Christian Ströbele antwortete Cornelia Pieper, FDP-Staatsministerin im Auswärtigen Amt: „Zwischen dem Bundesnachrichtendienst und dem DAS bestehen seit den späten 80er-Jahren Kontakte. Diese haben aber keinerlei Bezug zu den in der Anfrage thematisierten Aktivitäten“.

Ein besonderes Interesse am Erkenntnisgewinn über die „Operation Europa“ hat auch die EU-Kommission nicht. Sie lehnte einen Antrag des Parlaments ab, die Machenschaften des kolumbianischen Sicherheitsdienstes genauer zu erforschen, um das Freihandelsabkommen nicht zu gefährden. Die Europäische Union interessiert nämlich nur eines: „Neue Instrumente suchen, um ökonomisch zu wachsen“, wie es Marianne Gumaelius von der „Generaldirektion Handel“ ausdrückte. Und dafür macht sie in ihrer Handelspolitik BAYER & Co. den Weg frei, nicht nur in Kolumbien und Peru, sondern auch in Zentralamerika, Indien, Südkorea und auf dem afrikanischen Kontinent - koste es, was es wolle.

[Duogynon] STICHWORT BAYER 02/2011

CBG Redaktion

DUOGYNON-Prozess

„Die Menschenwürde verjährt nicht!“

Tausende Kinder erlitten in den 1960er und 70er Jahren schwere Fehlbildungen durch hormonelle Schwangerschaftstests. Die von der seit 2006 zu BAYER gehörenden Firma SCHERING vertriebenen Präparate führten zu Totgeburten, Herzkrankheiten, fehlenden Gliedmaßen, Gaumenspalten und Nierenschäden. Die Betroffenen forderten vor Gericht Akteneinsicht. An der Verhandlung Mitte Januar 2011 in Berlin nahmen zahlreiche Geschädigte teil. Aber der Richter kannte kein Erbarmen und wies die Klage ab. Die Opfer gehen nun in Berufung.

Von Philipp Mimkes

„Wissen Sie, die Menschenwürde verjährt aber nicht!“, ruft die Sängerin Nina Hagen nach der Urteilsverkündung am Berliner Landgericht. Richter Udo Spuhl hatte soeben die Klage mehrerer DUOGYNON-Opfer auf Akteneinsicht wegen angeblicher Verjährung abgewiesen.
Zahlreiche Geschädigte, die zum Teil aus dem Ausland angereist waren, trugen während der Verhandlung T-Shirts mit der Aufschrift: „Wir sind nicht verjährt“. Die Betroffenen, die unter schweren Geburtsfehlern leiden, fordern von BAYER die Herausgabe aller firmeninternen Unterlagen zu dem hormonellen Schwangerschafts-Test DUOGYNON. In einem zweiten Schritt soll eine Schadenersatzklage geführt werden.
Eingereicht hat die Klage der 34-jährige Grundschullehrer Andre Sommer aus dem Allgäu. „Es kann nicht sein, dass uns der BAYER-Konzern die Wahrheit vorenthält und keine Antwort darauf gibt, ob DUOGYNON an den schrecklichen Missbildungen, an Fehlgeburten und dem Tod von Kindern Schuld hatte. Die Auswirkungen auf die Familien waren unbeschreiblich, die Menschen leiden noch heute“, sagt er zur Begründung des Schrittes. Sommer, bei dem sich inzwischen rund 300 Geschädigte gemeldet haben, fordert BAYER auf, endlich die Archive zu öffnen und die Opfer zu entschädigen: „Ab wann wusste SCHERING von den fruchtschädigenden Wirkungen von DUOGYNON? Und warum ließ SCHERING das Medikament trotzdem bis 1980 auf dem Markt?“.
Auch Anwalt Jörg Heynemann ist empört: „BAYER SCHERING arbeitet nachweisbar mit Lügen und Halbwahrheiten. Der Konzern geht auf Tauchstation und versucht die Angelegenheit auszusitzen. Dies darf nicht gelingen!“. Heynemann kündigte nach der Urteilsverkündung an, dass die Betroffenen in Berufung gehen. Man werde das Berliner Kammergericht anrufen und zur Not den Bundesgerichtshof einschalten. „BAYER SCHERING kann bis heute nicht erklären, aus welchem Grund derselbe Konzern in England auf den Packungsbeilagen im Jahr 1970 einen deutlichen Warnhinweis anbrachte und in Deutschland die Indikation erst Jahre später änderte“, so Heynemann weiter. Das Unternehmen habe daher treuwidrig gehandelt. Angesichts zahlreicher Todesopfer könne man sogar von versuchtem Totschlag sprechen - wofür es keine Verjährung gibt. Der Anwalt hatte BAYER einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, wonach der Kläger auf Schadensersatzansprüche verzichte, falls BAYER alle gewünschten Auskünfte erteile. BAYER hatte hierauf nicht reagiert.

Gefahr intern bekannt
In den 1960er und 70er Jahren hatten viele Mütter, deren Kinder mit schweren Fehlbildungen wie Wasserkopf, offenem Bauch, offenem Rücken oder Missbildungen der inneren Organe und Extremitäten geboren wurden, von ihren FrauenärztInnen in der Frühschwangerschaft DUOGYNON verordnet bekommen (Stichwort BAYER berichtete). Es dauerte aber bis zum Jahr 1980, bis SCHERING das Hormonpräparat, das auch bei Menstruationsbeschwerden Anwendung fand, vom Markt nahm.
Eltern, die gesundheitliche Schäden bei ihren neugeborenen Kindern auf die Einnahme von DUOGYNON zurückführten, hatten sich bereits 1978 zusammengeschlossen und Strafanzeige gestellt. Das Verfahren wurde allerdings 1981 eingestellt - mit der Begründung, dass es für Föten keinen Lebensschutz gebe. Die Eltern gaben danach ihren Kampf auf. Detaillierte Statistiken über die verheerenden Folgen des Präparates existieren nicht. Auch deshalb klagen die Betroffenen nun auf Einsicht in die Akten des BAYER-Konzerns, der SCHERING im Jahr 2006 übernommen hat. Wie aufschlussreich das sein kann, demonstrierte jüngst der Spiegel. Das Nachrichtenmagazin veröffentlichte einen Briefwechsel von SCHERING-WissenschaftlerInnen aus den Jahren 1967 bis 1969, in denen sich die britischen und deutsche ForscherInnen über schwere Missbildungen bei Neugeborenen und möglichen Risiken von DUOGYNON austauschten. Während das Medikament daraufhin in Großbritannien nicht mehr als Schwangerschaftstest zum Einsatz kam, blieb in Deutschland alles beim Alten.

Spenden für Prozess
Als Konsequenz aus dem Fall fordert die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) gesetzliche Regelungen, die eine Verjährung bei dauerhaften Schädigungen durch Medikamente generell ausschließen.
Die CBG hatte die DUOGYNON-Kampagne vor zwei Jahren ins Rollen gebracht, unter anderem durch die Einladung von zwei Geschädigten zur BAYER-Hauptversammlung. Zuvor war es um das Präparat fast 30 Jahre lang still: Nachdem die Ansprüche gerichtlich abgewiesen worden waren – ebenfalls in Berlin – fehlte den betroffenen Eltern die Kraft, weiter zu kämpfen. Eine Generation später fordern die Geschädigten nun selbst Aufklärung.
Um ihr Anliegen zu unterstützen, informierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN die Öffentlichkeit, was zu zahlreichen Reportagen führte: Spiegel, stern, Süddeutsche Zeitung, heute journal, Tagesthemen und viele andere Medien berichteten. Auch übernahm die CBG einen Teil der Anwaltskosten. Andre Sommer bedankt sich für die Solidarität: „Die Coordination hat uns DUOGYNON-Opfer von Anfang an maßgeblich unterstützt. Bitte helfen Sie mit einer Spende an das Netzwerk, damit diese wertvolle Arbeit fortgeführt werden kann!“.
Unterstützung erhalten die Geschädigten auch von Nina Hagen: Im Gespräch mit Stichwort BAYER kritisiert die Sängerin: „Ich bin entsetzt über die Ignoranz und Dreistigkeit der verantwortlichen Konzerne gegenüber den leidgeprüften DUOGYNON-Opfern und ihren Eltern! Ich hoffe sehr, dass die deutsche Gerichtsbarkeit letztlich gerecht urteilen wird und dass die Opfer endlich eine Entschuldigung und gerechte Entschädigung bekommen!“. Hagen kündigte an, auch an künftigen Prozessen teilzunehmen.

Das TV-Magazin Klartext führte zum DUOGYNON-Prozess ein Interview mit einem BAYER-Sprecher, der alles andere als Klartext sprach. SWB dokumentiert.

Oliver Renner, BAYER SCHERING PHARMA: „Für die Akteneinsichtnahme hat der Gesetzgeber ja ein Verfahren vorgesehen und genau daran halten wir uns selbstverständlich“.
Klartext: „Das ist Ihr juristischer Anspruch zu sagen: ‚Das ist verjährt, deswegen machen wir es nicht‘. Aber man kann doch auch sagen, dass es so eine Art moralischen Anspruch gibt“.
Renner: „Der Gesetzgeber - wie gesagt - hat das geregelt und genau an dieses Verfahren halten wir uns und wir warten jetzt auf die Entscheidung des Richters“.
Klartext: „Leisten Sie damit nicht auch noch Verschwörungstheorien Vorschub, wenn Sie sagen: ‚Nö, ist verjährt‘ und sich so sehr auf den juristischen Anspruch versteifen?“
Renner: „Der Gesetzgeber, wie gesagt, hat diesen Rechtsweg vorgegeben, an den halten wir uns und wir warten auf die Entscheidung des Richters“.
Klartext: „Also, gibt es da keinen Spielraum eventuell schon allein aus Imagegründen zu sagen: ‚Ok, guckt in die Akten rein, da ist nichts dran‘“.
Renner: „Der Gesetzgeber hat dieses Verfahren vorgesehen, an das wir uns selbstverständlich halten, und der Richter wird das entscheiden und wir warten auf seine Entscheidung“.

[Ticker] STICHWORT BAYER 02/2011 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Kritik an Nano-Grenzwerten
Nano-Partikel, wie sie bei der Produktion von BAYERs Nanotubes anfallen, können über die Atemwege in den menschlichen Organismus gelangen und dort einen ähnlichen Schaden anrichten wie früher Asbest-Fasern. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und der BUND haben deshalb den beim Konzern geltenden Grenzwert von 0,05 mg pro Kubikmeter Raumluft als zu hoch kritisiert. Dabei erfuhren die Verbände Unterstützung vom renommierten Arbeitsmediziner Prof. Dr. Rainer Frentzel-Beyme. „Der von der Firma BAYER empfohlene Grenzwert ist angesichts des Fehlens epidemiologischer Daten als völlig willkürlich anzusehen. Die vom NRW-Umweltministerium vorgelegte Empfehlung ist daher als realitätsfern und industriefreundlich abzulehnen“, erklärte Frentzel-Beyme.

Windeler will andere Arznei-Studien
Der neue Leiter des „Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWIG), Jürgen Windeler, hat sich gegen die gängige Methode, bei Arznei-Tests die neuen Mittel mit Placebos zu vergleichen, gewandt. Nach Ansicht Windelers müssten sich die Innovationen von BAYER & Co. vielmehr der Konkurrenz der bisher etablierten Pillen stellen. „Wenn es Standard-Methoden gibt, ist es sinnvoll, ein neues Verfahren gegen die Standard-Methode zu untersuchen, sich für den Zusatznutzen zu interessieren. Da tun sich natürlich Anbieter schwer, wenn es bei diesen Standard-Therapien um unmittelbare Konkurrenz-Produkte einer anderen Firma geht“, sagte er dem Deutschen Ärzteblatt. Von den unlängst eingeführten Nutzenbewertungen für Medikamente verlangte er, wirklich belastbare Fakten über die Verbesserung der Lebensqualität und das Sinken der Sterblichkeitsrate zu liefern, statt den Wirksamkeitsnachweis einfach nur über Laborwerte zu führen. Auch die bei BAYER sehr beliebten Anwendungsuntersuchungen dürften nicht in die Beurteilung einfließen. Diese Beobachtungsstudien, bei denen die Pharma-Multis ÄrztInnen Geld für das Ausfüllen eines kleinen Fragebogens bezahlen, das in Wirklichkeit als Prämie für Neuverordnungen des Medikaments dient, hält Windeler für reine Werbeveranstaltungen. „Anwendungsbeobachtungen sind Marketing und für die Nutzenbewertung nicht brauchbar“, so der IQWIG-Chef.

BUKO kritisiert BAYER-Werbung
Der Pharma-Brief Spezial „Schöne neue Pharmawelt“ der BUKO PHARMA-KAMPAGNE widmet sich den kruden Marketing-Methoden der Pillen-Multis und kritisiert in diesem Zusammenhang auch BAYERs Testosteronpillen-Reklame. Die Website www.testosteron.de wirbt dem BUKO zufolge bei Männern ab 40 für Hormon-Präparate als Allheilmittel gegen nachlassende Libido, Müdigkeit und Unkonzentriertheit, obwohl die Wirksamkeit nicht belegt und die Langzeitrisiken nicht systematisch erforscht sind. Die Seite www.get-back-on-track.com betreibt der Leverkusener Multi dagegen nicht mehr. Ob das an der Kritik der Zeitschrift Gute Pillen - schlechte Pillen lag oder am Einschreiten der Aufsichtsbehörden, vermochten die Pharma-KritikerInnen nicht zu sagen, nur dass der Konzern unter der Adresse www.devultaenlajugada.com (Zurück ins Spiel) Lateinamerikanern in den besten Jahren immer noch mit ähnlichen Methoden einzureden versucht, an Testosteron-Mangel zu leiden. Wie unverantwortlich ein solches Vorgehen ist, zeigte sich vor kurzem in den USA. Dort mussten WissenschaftlerInnen eine Testosteron-Studie abbrechen, weil Probanden Herz/Kreislauf-Probleme bekommen hatten und eine Testperson sogar an einem Herzinfarkt gestorben war (SWB 1/11).

Verlängerte Werkbank Bitterfeld
Der Leverkusener Multi hält seine Bitterfelder, Jenaer und Weimarer Werke für einen Teil der blühenden Pharma-Landschaft in den neuen Bundesländern. Für Karl-Heinz Paqué, Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Magdeburg, stellt die Niederlassung aber nur eine verlängerte Werkbank BAYERs dar, von der keine Innovationskraft ausgeht. „Natürlich sind viele Industrie-Ansiedlungen zunächst einmal nicht mehr als moderne Produktionsstätten für Standardisiertes. Der BAYER-Konzern lässt im Osten ASPIRIN herstellen. An neuen Pharma-Produkten geforscht wird aber in Leverkusen“, mit diesen Worten kritisierte der Forscher die nicht nur vom Pharma-Riesen praktizierte ost-westliche Arbeitsteilung.

Tierversuch statt Tiermodell
Eine Leserbrief-Schreiberin kritisierte den verharmlosenden Ausdruck „Tiermodell“, mit dem der Leverkusener Multi Tierversuche umschreibt. „Die weitaus unpassendere Wortwahl liegt in dem Begriff ‚Tiermodelle‘, der in der Aussage des Pharma-Konzerns BAYER zitiert wird - BAYER vermeidet es eindeutig, die Forschungen als das zu bezeichnen, was sie sind, nämlich Tierversuche“, heißt es in der Zuschrift an die Braunschweiger Zeitung.

NABU-Kritik an Bienenmonitoring
Im Jahr 2004 startete ein Projekt zur Untersuchung des Bienensterbens, getragen zur einen Hälfte von BAYER und anderen Pestizid-Herstellern und zur anderen von Bundeswirtschaftsministerium, Bieneninstituten und ImkerInnen-Verbänden. Bei der Zusammensetzung der Beteiligten wenig überraschend, stellte der 2011 erschienene Abschlussbericht des „Deutschen Bienenmonitorings“ die Varroa-Milbe als Hauptursache der Dezimierung der Völker dar und nicht etwa Agrochemikalien. Dazu waren allerdings einige wissenschaftliche Verrenkungen nötig, wie die Umweltinitiativen NABU und BUND kritisieren. „Das gegenwärtig in der Bundesrepublik durchgeführte Bienenmonitoring ist nicht in der Lage, die wahren Ursachen des Bienensterbens aufzudecken. Zu wenige Bienenvölker wurden für die Untersuchungen ausgewählt, die Anwendung von Pestiziden auf den anliegenden Feldern wird erst gar nicht untersucht und die statistischen Methoden sind wissenschaftlich zweifelhaft. Das ist schlechte Wissenschaft“, so NABU-Vizepräsident Christian Unselt.

KAPITAL & ARBEIT

Sparprogramm: neue Details
BAYER hat neue Details der im November 2010 annoncierten Rationalisierungsmaßnahme bekannt gegeben, die 4.500 Beschäftigte ihre Jobs kostet (siehe auch SWB 2/11). Unter den 700 Stellen-Streichungen in der bundesrepublikanischen Pharma-Sparte hat die SCHERING-Belegschaft am meisten zu leiden. Sie muss die Vernichtung von 500 Arbeitsplätzen verkraften. BAYERs US-amerikanische Pillen-Sparte steht ebenfalls vor gravierenden Einschnitten. So stehen bei MEDRAD, der Tochterfirma für Medizinprodukte, 60 bis 70 Jobs zur Disposition. Zudem plant der Multi an der Ostküste ein neues Pharma-Zentrum, was die Existenz der anderen sechs Standorte in der Region bedroht. Der US-Ableger von BAYER CROPSCIENCE entsorgt derweil 300 Arbeitsplätze und schreckt dabei nicht einmal vor Werksschließungen zurück. Unter anderem macht er die Pestizid-Anlage in Woodbine (Georgia) dicht.

CGZP keine Gewerkschaft
Der Leverkusener Multi beschäftigt hunderte von LeiharbeiterInnen. Teilweise arbeiteten diese nach dem von der „Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen“ (CGZP) abgeschlossenen Tarifvertrag zu einem Gotteslohn von 5,20 Euro brutto (SWB 4/08). Der DEUTSCHE GEWERKSCHAFTSBUND hält diese Gewerkschaft mangels Masse organisierter LeiharbeiterInnen allerdings für nicht tariffähig und zog vor Gericht. Anfang Januar 2011 gaben die RichterInnen dem DGB Recht und erkannten der CGZP den Gewerkschaftsstatus ab. Die CGZP-LeiharbeiterInnen bei BAYER haben deshalb ab sofort Anspruch auf Bezahlung nach dem normalen Chemie-Tarif. Die Verleihfirmen müssen derweil Sozialbeiträge nachzahlen, und sollte es einige Unternehmen inzwischen nicht mehr geben, steht der Pharma-Riese als Entleiher in der Pflicht.

Nur noch 904 Lehrlinge
Die Zahl der beim Global Player eine Lehre beginnenden Jugendlichen ist in den letzten 20 Jahren kontinuierlich zurückgegangen. Gab es 1990 in den Werken der BAYER AG noch 1.600 Neue, so reduzierte der Konzern ihre Anzahl bis 2010 auf 930. Zudem sind ein Drittel nur Lehrlinge zweiter Klasse: 152 Personen nehmen an dem Starthilfe-Programm teil, das nur auf eine künftige Lehre vorbereitet, und 156 bildet der Leverkusener Multi über Bedarf und damit ohne Berufsaussichten beim Unternehmen im Rahmen der „Ausbildungsinitiative Rheinland“ aus. Der Pharma-Riese hingegen vermag in den Zahlen keinen Abwärtstrend zu erkennen: „Bei BAYER bleibt die Zahl der Ausbildungsplätze auf einem konstant hohen Niveau“.

Ja zu Beistandskassen-Kürzungen
Die Mitglieder-Versammlung der BAYER-Beistandskasse hat den 2007 irregulär gefassten Kürzungsbeschlüssen (Ticker 2/10) - an der Sitzung hatten nur 26 der 90.000 Versicherten teilgenommen - nachträglich zugestimmt. Der Vorstand darf jetzt ganz legal die Gewinnzuschläge streichen und stattdessen ein Bonus-Sterbegeld ausschütten, was die bisher durchschnittlich ausgezahlte Summe von 6.000 Euro um bis zu 2.000 Euro reduzieren kann. 504 Anwesende akzeptierten die Begründung des Vorstandes, die schwindenden Einnahmen wegen der Überalterung der Mitglieder würden eine andere Lösung nicht zulassen; 57 stimmten gegen den Vorschlag.

Neuer Betriebskindergarten
Nicht nur in Monheim (Ticker 1/10), sondern auch in Leverkusen errichtet der Chemie-Multi eine neue Betreuungseinrichtung für Kinder. Sinn der Übung ist „Mitarbeiter an das Unternehmens zu binden. Und wir wollen bei potenziellen Bewerbern punkten“, wie Personalchef Richard Pott erläutert, der dann auch höchstselbst dem Kindergarten vorstehen wird. Als Betreiber fungiert, wie seit 1999 bei allen BAYER-Kindergärten, das „Deutsche Rote Kreuz“, womit der Konzern sich das Zahlen des Chemie-Tarifs erspart. Trotzdem droht das Haus eine BAYER-Brutstätte zu werden. Im „Haus der kleinen Forscher“ sollen die Kleinen schon einmal fleißig experimentieren, und für die Globalisierung werden sie ebenfalls schon frühzeitig fit gemacht: Zweimal pro Woche bekommen sie Englisch-Unterricht. Das Angebot an Plätzen steigt durch den Bau im Carl-Duisberg-Park kaum, denn gleichzeitig schließen die Horte am Kurtekottenweg und an der Carl-Rumpff-Straße. Zudem fällt damit auch ein Betreuungsangebot für GrundschülerInnen weg.

Keine Jobs für Bachelors
Die Studienreform mit ihren Bachelor- und Master-Abschlüssen geht nicht zuletzt auf Forderungen der Industrie zurück. Mit einer „Bachelor-Welcome-Erklärung“ verpflichteten BAYER und andere Konzerne sich deshalb, auch für die entsprechenden Arbeitsplätze zu sorgen. Nach einer Untersuchung der Universität des Saarlandes haben sie das jedoch nicht getan. Gerade einmal sechs Prozent der Stellenangebote für Bachelors entsprechen den Erwartungen, welche die Firmen geweckt haben. „Der unmittelbare Karrierestart als Bachelor bleibt ebenso ein Traum, wie das Versprechen der Unternehmen unerfüllt bleibt, einen gezielten Direkteinstieg als Willkommensgeschenk für Bachelors anzubieten“, kritisiert Studien-Leiter Christian Scholz.

ERSTE & DRITTE WELT

Indien: 462 Arzneitest-Tote
Die Pharma-Multis verlegen immer mehr Medikamentenversuche in arme Länder. Dort locken ein großes Reservoir an ProbandInnen, unschlagbare Preise, schnelle Verfahren und eine mangelhafte Aufsicht (SWB 2-3/10). Zu einem der beliebtesten Staaten für dieses Geschäft hat sich mittlerweile Indien entwickelt. BAYER lässt dort unter anderem das Multiple-Sklerose-Medikament BETAFERON, die Hautgeschwür-Arznei IMPAVIDO sowie vier Krebs-Präparate großflächig erproben. Wie lebensgefährlich die Arbeit der Versuchskaninchen ist, machen Zahlen des indischen Gesundheitsministeriums deutlich: Allein im ersten Halbjahr 2010 starben 462 Personen bei den Arznei-Tests. Die Regierung, welche die Entwicklung des Landes zu einem Versuchslabor für Big Pharma bislang nach Kräften gefördert hat, kündigte zwar strengere Auflagen an, Gesetzeskraft haben die entsprechenden Regelungen aber bisher nicht erlangt. Die Aufsichtsbehörde DCGI hat jedoch die Modalitäten der Arznei-Erprobungen geändert. So müssen die Unternehmen, welche im Auftrag von BAYER & Co. Pillen testen, für eventuelle Zwischenfälle nun auch selber die Verantwortung übernehmen.

Biopirat BAYER
„Unser Plan: Weltweit als Spezialist für natürliche Inhaltsstoffe aus tropischen Pflanzen zu gelten, die in Arzneien, Kosmetika und Beauty-Produkten Anwendung finden“ - diese Unternehmensphilosophie verkündet die französische BAYER-Tochter SERDEX auf ihrer Homepage (siehe auch SWB 2/11). Um den Plan zu erfüllen, hat die Firma bereits 2.000 Tropen-Pflanzen gesammelt, analysiert und ihrer Substanz-Bibliothek zugeführt. Als „das Resultat vieler Jahre Forschungsarbeit in Ostafrika und besonders Madagaskar“ bezeichnet der Betrieb seine „Ethno-Botanik“-Kollektion stolz. Bei seinen Expeditionen hat SERDEX unter anderem aus dem asiatischen Wassernabel, der Vernonia-Pflanze und chinesischem Ginseng lukrative Vorprodukte gemacht, mit denen sie unter anderem die Kosmetik- und Gesundheitsindustrie beliefert.

POLITIK & EINFLUSS

Lascheres Pestizid-Gesetz?
Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner beabsichtigt, die Zulassungsbedingungen für Pestizide in der Bundesrepublik aufzuweichen. Sie plant in einem Gesetz-Entwurf, Agro-Chemikalien den Zugang zu einem vereinfachten Verfahren zu gewähren, wenn diese in einem anderen EU-Land bereits genehmigt sind. Zudem will die CSU-Politikerin dem Bundesumweltamt das Vetorecht nehmen, von dem die Behörde bislang nicht wenig Gebrauch gemacht hat. Im Jahr 2010 hatte diese bei 32 von 150 Anträgen, die das Aigner-Mininsterium bereits durchgewinkt hatte, massive Einwände geltend gemacht und bestimmte Anwendungen abgelehnt. Florian Schöne vom NATURSCHUTZBUND DEUTSCHLAND kritisiert das Vorhaben deshalb scharf: „Die Gefahr ist, dass in Zukunft das hohe deutsche Verbraucherschutz-Niveau ganz erheblich verwässert wird, indem Altwirkstoffe aus anderen Mitgliedsstaaten, die also in hohem Maße toxisch oder krebserregend oder anderweitig gefährlich sind, plötzlich auch auf dem deutschen Markt zugelassen werden“.

Gegenwind für Remmel
Die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hatte bei ihrem Amtsantritt 2010 unter anderem ein Klimaschutz-Gesetz angekündigt - angesichts eines NRW-Anteiles an den bundesweiten Kohlendioxid-Emissionen von 33 Prozent eine überfällige Maßnahme. Nach einem ersten Entwurf nimmt sich Rot-Grün vor, den CO2-Ausstoß im Land bis 2020 um 25 Prozent und bis 2050 um 80 bis 90 Prozent zu senken. Ein Klimaschutzplan soll regeln, wieviel jede Branche noch emittieren darf und auch als Maßstab für die Bewilligung neuer Anlagen dienen. Sofort nach Bekanntwerden der Pläne brach ein Sturm der Entrüstung los. Der grüne Umweltminister Johannes Remmel wurde als „Klima-Taliban“ tituliert, und BAYER & Co. sahen einmal mehr den Industrie-Standort NRW in Gefahr. Das blieb nicht ohne Wirkung. Die SPD erklärte umgehend, dem Umweltministerium keinen Einfluss auf Genehmigungsverfahren gestatten zu wollen. „Es wird ein abgestimmtes Vorgehen gegen diesen Vorstoß geben“, verlautete aus dem Wirtschaftsministerium.

Wirtschaftsrat gegen Windkraft & Co.
Der Wirtschaftsrat der CDU, bei dem Wolfgang Große Entrup genauso wie bei BAYER für die Umweltpolitik zuständig ist, hat Studien kritisiert, welche die Komplett-Umstellung der bundesdeutschen Stromversorgung auf regenerative Energien bis zum Jahr 2050 für möglich halten. Die damit angeblich verbundenen hohen Kosten seien ein „massiver Wettbewerbsnachteil“ für die Wirtschaft, warnte der Rat und sprach sich einmal mehr für Kohle und Kernkraft als Alternativen aus.

Yzer abgesägt
BAYER & Co. haben ihre Chef-Lobbyistin vor die Tür gesetzt. Die frühere BAYER-Angestellte Cornelia Yzer verlässt den vom Leverkusener Multi mitgegründeten „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller (VFA) zum 1. Juni 2011. Die Pharma-Riesen werfen ihrer Interessensvertreterin vor, ihre Interessen nicht genügend in das „Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittel-Marktes“ (AMNOG) eingebracht zu haben. Ein Einfrieren der Arznei-Preise auf dem Stand von August 2009 bis zum Jahr 2013, eine Erhöhung des Krankenkassen-Rabattes für neue Medikamente von sechs auf 16 Prozent, ein Ende des Preisfindung nach Gutsherren-Art und eine Kosten/Nutzen-Bewertung für Medikamente - das alles hätte nach Ansicht der Unternehmen nicht sein müssen. „Yzer hat einen Fehler nach dem anderen gemacht. Es war unvorstellbar, dass sie das AMNOG überlebt“, zitiert Spiegel Online einen Insider.

EFSA in ILSI-Hand
Von der Unterwanderung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA durch VertreterInnen des „International Life Science Institute“ (ILSI), das unter anderem BAYER, MONSANTO und COCA COLA finanzieren, sickern immer mehr Details durch. Neben der inzwischen zurückgetretenen Verwaltungsratschefin Diána Bánáti standen oder stehen immer noch das Verwaltungsratsmitglied Milan Kovac, Raymon Boobis von der Pestizid-Abteilung, Harry Kuiper von der Gentechnik-Abteilung, Gijs Kleter aus dem Prüfungsausschuss und Laurence Castle aus dem Bisphenol-A-Gremium mit dem ILSI in Verbindung. Und zu allem Übel leisten andere Industrie-Verbände den ILSIlerInnen noch Gesellschaft. So saß auch Susan Barlow vom Europäischen Chemie-Verband CEFIC mit Castle in der Bisphenol-Runde, die verharmlosende Risiko-Analysen veröffentlichte.

Aquino bei BAYER
Im Rahmen seiner Greenwashing-Aktivitäten kooperiert der Leverkusener Multi auch mit der UNEP, dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen. So führt er beispielsweise gemeinsam mit der UNEP Wettbewerbe durch und prämiert Umweltideen. Auf den Philippinen zeichnete der Konzern ein Umweltradio und ein mobiles Puppentheater, das ökologische Themen auf die Bühnenbretter bringt, aus. Und zur Feier des Tages erschien sogar der philippinische Präsident Benigno S. Aquino III.

Svenja Schulze bei BAYER
In ihrer kurzen Amtszeit hat es die nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerin Svenja Schulze schon auf drei Begegnungen mit BAYER-Managern gebracht. Bei der Dortmunder Nano-Konferenz traf sie auf Raul Pires (siehe NANO & CO.). Anfang Oktober 2010 besichtigte die SPD-Politikerin die Bauarbeiten zum Forschungszentrum INVITE, das der Leverkusener Multi mit der Technischen Universität Dortmund und mit freundlicher Unterstützung des Konjunkturpaketes II errichtet. Und im Februar 2011 nahm sie an der feierlichen Inbetriebnahme einer Pilotanlage teil, die ein Kohlendioxid-Recycling im Rahmen der Kunststoff-Fertigung erprobt. Der Pharma-Riese feiert dieses gemeinsam mit RWE und der „Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen“ betriebene Projekt „Dream Production“ als eine Großaktion zur Rettung des Klimas. Allerdings kann die Plaste-Produktion nicht einmal einen Bruchteil der acht Millionen Tonnen CO2 aufnehmen, die der Konzern jährlich ausstößt. Deshalb beurteilt die Fachwelt solche Vorstöße auch skeptisch. „Die stoffliche Nutzung kann keine riesigen Mengen binden, weil wir einfach viel, viel mehr Kohlendioxid freisetzen“, sagt etwa der Chemie-Ingenieur Arno Behr von der „Technischen Universität Dortmund“ (Ticker 1/10).

Löhrmann bei BAYER
Mitte Februar 2011 besuchte die nordrhein-westfälische Schulministerin Sylvia Löhrmann den Leverkusener Multi. Die Grünen-Politikerin wohnte einer Qualifizierungsrunde für die Chemie-Olympiade bei und zeigte sich angetan. „In einer Welt, in der Wissen immer mehr eine zentrale Ressource darstellt, verdienen Leistungen, wie die heute von den Schülerinnen und Schülern gezeigten, ein ganz großes Lob. Ich freue mich sehr darüber, dass die BAYER-Stiftung hier so vorbildlich aktiv ist und die Jugendlichen fördert“, erklärte Löhrmann.

„Unternehmenspreis 2010“ für BAYER
Das Land Nordrhein-Westfalen findet nichts dabei, wenn SchülerInnen Chemie in den Laboren der BAYER AG lernen. Im Gegenteil: 2007 rief es sogar die Aktion „Wir wollen: Wirtschaft für Schule in NRW“ ins Leben. In deren Rahmen verleiht die jeweilige Landesregierung alljährlich einen Unternehmenspreis. 2010 erhielt ihn der Leverkusener Multi für sein „besonders innovatives und überregionales Engagement“. „Der intensive Kontakt zu Unternehmen in der Region“ ist für die grüne Schulministerin Sylvia Löhrmann sogar ein wichtiger Bestandteil der Bildungsgerechtigkeit.

Kein Lobbyregister
Die Initiative LOBBYCONTROL hatte in den Petitionsausschuss des Bundestages den Vorschlag zur Einführung eines LobbyistInnen-Registers eingebracht. Die Gruppe wollte so ein kleine Bresche in den Lobby-Dschungel schlagen. Aber obwohl mehr als 8.700 Menschen die Forderung unterstützen und die EU eine solche Liste bereits eingeführt hat, lehnte die Bundesregierung das Begehr ab. Die EmissärInnen von BAYER & Co. dürfen ihrer Einflussarbeit also weiterhin ganz ungestört nachgehen.

PROPAGANDA & MEDIEN

Kampagne gegen MIC-GegnerInnen
Nach dem Störfall im Werk Institute, bei dem im August 2008 zwei Beschäftigte starben, hatte BAYER die PR-Firma ANN GREEN COMMUNICATIONS mit dem medialen Krisen-Management beauftragt. Ein Teil der Strategie des Unternehmens bestand dann darin, langjährige KritikerInnen der Produktion von Methylisocyanat (MIC) wie die Bürgerinitiative PEOPLE CONCERNED ABOUT MIC oder den Journalisten Ken Ward von der Lokalzeitung The Charleston Gazette zu diskreditieren. „Wir sollten versuchen, die PEOPLE CONCERNED ABOUT MIC zu marginalisieren und als irrelevant erscheinen zu lassen. Dies sollte gerade in der aktuell schwierigen ökonomischen Situation möglich sein, in der Arbeitsplätze so viel zählen“, heißt es in einem Strategie-Papier, das auch Maßnahmen gegen The Charleston Gazette vorsah. Als der Leverkusener Multi sich zu einem baldigen MIC-Produktionsstopp bereit erklären musste und sich mit - letztlich erfolgreichen (siehe PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE) - Forderungen zu einem sofortigen Ende der Fertigung konfrontiert sah, lief die Schmutzkampagne nach dem Drehbuch der PR-Fachleute auf Hochtouren an. Ken Ward etwa wurde persönlich dafür angegriffen, „verantwortlich für Entlassungen“ zu sein. Zudem ließ der Konzern in großen Zeitungsanzeigen die Belegschaft sprechen und Klage führen, dass in „ökonomisch schweren Zeiten eine kleine Gruppe lautstarker Anwohner“ Stimmungsmache gegen MIC betreibe. An einem Autokorso zum Erhalt der Produktion nahmen jedoch nur ein paar Dutzend Menschen teil.

SCHERING heißt jetzt BAYER
Als der Leverkusener Multi im Jahr 2006 das Berliner Pharma-Unternehmen SCHERING schluckte, ließ er den Namen unangetastet, um die Beschäftigten nicht mit „Herr im Haus“-Gesten zu düpieren. Die Sparte firmierte fortan unter „BAYER SCHERING PHARMA“. Unter dem neuen BAYER-Chef Marijn Dekkers ist für solche Sentimentalitäten kein Platz mehr. Er läutete das endgültige Ende der Ära SCHERING an, um das Auftreten des Konzerns zu vereinheitlichen: „Wir haben unser Portfolio gründlich analysiert und dabei festgestellt, dass die Vielfalt der Marken im BAYER-Konzern zu einer Verwässerung der Dachmarke geführt hat“.

BAYER ehrt Medizin-Journalisten
Die Prozesse der Opfer von SCHERINGs Schwangerschaftstest DUOGYNON und die Leiden der Geschädigten von BAYERs Verhütungsmittel YASMIN fanden eine breite Medien-Resonanz. Aber es gibt auch noch Medizin-BerichterstatterInnen, die nicht über die Pharma-GAUs der Pillen-Multis informieren. Für sie hat der Leverkusener Multi den Europäischen Journalistenpreis ins Leben gerufen. Die letzten Auszeichnungen erhielten Martin Thür für einen TV-Beitrag über Doping und Hellmuth Nordwig für eine Hörfunk-Sendung zum Thema „Medikamenten-Fälschungen“.

BAYER schreibt an Rundfunkrat
Dem Leverkusener Multi berichtete der WDR-Hörfunk zu kritisch über „50 Jahre Pille“ im Allgemeinen und das BAYER-Verhütungsmittel YASMIN im Besonderen. Folglich setzte er gleich einen an den Rundfunkrat und den Hörfunk-Direktor adressierten Beschwerde-Brief auf.

Testosteron-Beratungsmobil
Mit großer Anstrengung arbeitet der Leverkusener Multi daran, die „Männergesundheit“ als neues Geschäftsfeld zu etablieren und seinen Potenzpillen und Hormon-Präparaten neue und nur selten zweckdienliche Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. So hat er die Krankheit „Testosteron-Mangel“ erfunden, um seine Hormon-Pillen an den Mann zu bringen. Zu diesem Behufe schickt BAYER jetzt ein Testosteron-Beratungsmobil auf Reisen. Mit an Bord: Der eingekaufte „Experte“ Dr. Falk Ochsendorf, ein Dermatologe mit Zusatzausbildung in Männerheilkunde. Und Ochsendorf sagt, wofür der Konzern ihn bezahlt. Der Mediziner will sogar von einer lebensverlängernden Wirkung von NEBIDO und TESTOGEL wissen. Von Nebenwirkungen wie Herzinfarkt, Prostata-Krebs, Harntrakt-Schädigungen oder Brust-Wachstum schweigt er hingegen.

Web 2.0 als Werbe-Plattform
Der Leverkusener Multi war 2010 Gastgeber der Konferenz „Digital Pharma Europe“ und demonstrierte damit sein verstärktes Interesse am Web 2.0 als Werbe-Plattform. „Social Media bietet die Chance eines direkten Dialogs und echter Interaktion. Web 2.0 eröffnet einen Zugangskanal zu Ärzten, medizinischen Fachkräften und Patienten, sofern wir mit ihnen in ein direktes Gespräch eintreten können, um uns als vertrauenswürdiger und offener Partner zu etablieren“, schwärmte der BAYER-Manager Andreas Fibig im Blatt Healthcare Marketing über die neuen Möglichkeiten im Netz.

LandwirtInnen bei BAYER
Um die Beziehungen zu seinen Pestizid-KundInnen zu pflegen, lädt der Leverkusener Multi auch immer wieder LandwirtInnen zu Betriebsbesichtungen ein. So besuchte im letzten Sommer eine BäuerInnen-Vereinigung aus Westfalen den BAYER-Standort Monheim.

Fahrradtour für JournalistInnen
Der breite Widerstand gegen die Kohlenmonoxid-Pipeline und das auf dem Krefelder BAYER-Gelände geplante Kohlekraftwerk haben den Chemie-Multi alarmiert. Nun versucht er die Skepsis gegenüber seinen neuen Projekten abzubauen und startet eine Medien-Offensive. So lud er im Sommer 2010 mehr als 30 JournalistInnen zu einer Besichtigungstour ein. Chemie„park“-Leiter Ernst Grigat führte durch das Leverkusener Werksgelände und demonstrierte den ReporterInnen, wieviel Augenmerk der Konzern doch auf die Sicherheit legt. Luftmesswagen, ein üppig ausgestatteter „Gerätewagen Gefahrgut“, den Ernstfall testende Explosionssimulierer, Sprengräume zur exakten Analyse gefährlicher chemischer Stoffe und Gütertransport-Kontrollen - all das durften die ReporterInnen in Augenschein nehmen. Und die Überzeugungsarbeit fruchtete. „Die Sicherheit steht über allem“, überschrieb der Leverkusener Anzeiger seinen Artikel zum Thema. Die lange Unfallliste 2010 mit ihren Verletzten und Schadstoff-Austritten spricht da eine andere Sprache.

Hormon-Kampagne lanciert
Anfang März 2011 kündigte eine australische Supermarkt-Kette an, künftig kein Fleisch von Rindern mehr zu verkaufen, welche ihre HalterInnen mit Wachstumshormonen behandelt haben. Bald darauf erschien in der Tageszeitung eine ganzseitige Anzeige, auf der 35 WissenschaftlerInnen dieses Vorgehen als „schlecht für die Umwelt, schlecht für die Menschen und schlecht für die Tiere“ kritisierten. Aus eigenen Stücken taten sie das jedoch nicht. „Animal Health Alliance“, der Industrie-Verband von BAYER & Co., bezahlte die Kampagne.

Der Konzern als Kümmerer
Während der Konzern intern immer unsozialer wird, Arbeitsplätze vernichtet und Arbeitsbedingungen verschärft, macht seine PR-Abteilung seit einiger Zeit verstärkt auf „sozial“. Zu diesem Behufe initiierte sie 2007 die „BAYER Cares Foundation“. 2010 gab es unter anderem Geld für Heimkinder in Uruguay, die Renovierung eines Schulgebäudes in Guatemala, Führungen durch das Römerlager in Oberaden, Armenspeisungen in Frankreich, Hausaufgabenhilfe in Wiesdorf, Lebensmittel-Herstellung in Togo, die „Leverkusener Tafel“, eine Physik AG in Leverkusen, ein Aufklärungsprojekt der Türkischen Jugend in Dormagen und die „Stiftung gegen Gewalt an Schulen“. Darüber hinaus soll der ASPIRIN-Sozialpreis das Bild vom barmherzigen Samariter BAYER in die Welt tragen. 2010 hat der Leverkusener Multi die Auszeichnung an das „Trauerhaus“ verliehen, das Kinder betreut, die Mutter oder Vater verloren haben.

BAYER fördert Schulen
Der Leverkusener Multi fördert Schulen über die „BAYER Science & Education Foundation“, denn dieses Stiftungsmodell erlaubt nebenher auch noch Steuer-Ersparnisse. Bei der Sponsoring-Maßnahme bilden die naturwissenschaftlichen Bereiche einen Schwerpunkt, „denn ein Land, das wie Deutschland über keine reichen Bodenschätze verfügt, ist in seiner wirtschaftlichen Entwicklung vordringlich auf die geistige Kreativität angewiesen“, so BAYERs Oberkommunikator Michael Schade zur nicht gerade uneigennützigen Motivation der Bildungsoffensive des Unternehmens. Im Jahr 2010 verteilte der Konzern den Etat von 500.000 Euro unter anderem auf das Albert-Einstein-Gymnasium in Rumeln, das Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld, die Kölner Gemeinschaftsgrundschule An den Kaulen, ein Biotechnologie-Projekt am Gymnasium Brunsbüttel, eine Gesamtschule in Wuppertal und eine Grundschule in Babelsberg. Darüber hinaus vergab die Foundation Stipendien.

Betriebsame SchülerInnen-Labore
Vier SchülerInnen-Labore unterhält der Leverkusener Multi mittlerweile. „Wir wollen jungen Menschen die Faszination Naturwissenschaften frühzeitig näher bringen“, erklärt BAYER-Vorstand Wolfgang Plischke den Sinn der Übung. Weniger Faszinierendes wie etwa die Risiken und Nebenwirkungen der Gentechnologie steht daher nicht auf dem Lehrplan. Stattdessen untersuchen die ElevInnen das Erbgut von Raps, entwickeln ein Computermaus-Gehäuse, wohnen der Produktion von Agro-Sprit bei oder experimentieren mit Bakterien.

„Duales Lernen“
Die Konzerne erobern mehr und mehr die Klassenräume. So haben BAYER & Co. in Berlin mit dem Senat einen Ausbildungsvertrag geschlossen. Er sieht vor, die städtische Wirtschaft eng an die vor der Berufswahl stehenden SchülerInnen heranzuführen. Praktika und Betriebserkundungen sollen ein „Duales Lernen“ ermöglichen und den Unternehmen passgenaue Lehrlinge liefern. „Es ist richtig, die Wirtschaft mit den Schulen im Bereich der Berufsorientierung eng zu vernetzen. Davon erhoffen wir uns, dass mehr Schüler als heute die Schule ausbildungsreif verlassen“, sagte Christoph von Knobelsdorff von der Industrie- und Handelskammer zum Sinn der Übung.

TIERE & ARZNEIEN

Trennung von Veterinär-Sparte?
Der neue BAYER-Chef Marijn Dekkers kennt kein Pardon. Erst kündigte er die Vernichtung von 4.500 Arbeitsplätzen an, dann stellte er die Zukunft der Kunststoff-Sparte in Frage und jetzt ist auch die Veterinär-Abteilung dran. Hier stelle sich die Frage, ob das BAYER-Geschäft mit einem Umsatz von rund einer Milliarde Euro nach der Fusionswelle unter den Konkurrenten nicht zu klein sei, so Dekkers‘ Worte laut Associated Press. Eine Entscheidung in der Sache kündigte der Holländer bis spätestens März 2012 an.

Schlechte Noten für Flohmittel
Ökotest hat BAYERs Antiflohmittel für Hunde und Katzen schlecht bewertet, weil sie Nervengifte enthalten. ADVANTAGE, ADVOCATE und das BOLFO-Zeckenhalsband erhielten ein „ausreichend“; BOLFO-Puder, -Spray und -Shampoo bekamen die Note „mangelhaft“.

Kau-Tabletten für Tiere
BAYER hat von der US-amerikanischen Firma PIEDMONT PHARMACEUTICALS die Lizenz für ein Verfahren erworben, das es ermöglicht, Arzneimittel für Tiere in Form von Kau-Tabletten zu entwickeln.

Milben-Mittel gekauft
Die BAYER-Insektizide PONCHO und GAUCHO mit dem Wirkstoff Imidacloprid haben Millionen Bienen den Tod gebracht. Der Leverkusener Multi streitet das jedoch ab und macht stattdessen die Varoa-Milbe verantwortlich. Jetzt will der Konzern mit dieser Diagnose auch noch Geld verdienen: Er kaufte von dem britischen Unternehmen EXOSECT ein Produkt, das gegen die Insekten-Art vorgeht.

DRUGS & PILLS

Tod durch YASMINELLE
BAYERs Verhütungsmittel aus der YASMIN-Produktfamilie bringen immer mehr Menschen den Tod. Anfang Februar 2011 starb eine Österreicherin an den Folgen einer Embolie. Obwohl sie den Blutgefäß-Verschluss in einem Krankenhaus erlitt, konnten die ÄrztInnen sie nicht retten. Wie viele andere junge Frauen hatte die 21-Jährige sich YASMINELLE verschreiben lassen, um ihr Gewicht zu reduzieren. Allein in den USA verloren in den letzten Jahren mindestens 140 Frauen durch YASMIN und 50 durch YAZ ihr Leben.

Neue YAZ-Version
BAYERs Verhütungsmittel der YASMIN-Produktfamilie sehen sich wachsender Konkurrenz durch Nachahmer-Produkte gegenüber. Also entwickelt der Leverkusener Multi leicht abgeänderte Versionen, um länger von den patent-geschützten Höchstpreisen profitieren zu können. YAZ mit Vitamin B ist bereits zugelassen; für eine Version, die es erlaubt, die Regelblutungen zu steuern und die Zahl der Menstruationstage zu reduzieren, hat der Konzern gerade einen Genehmigungsantrag gestellt. Eines bleibt jedoch immer gleich: Das im Vergleich zu Pillen früherer Generationen erhöhte Thromboembolie-Risiko, das allein in den USA bislang zu 190 Toten geführt hat.

Hoffnungen auf XARELTO
BAYERs ganze Hoffnungen in der Pharma-Sparte ruhen auf dem Medikament XARELTO (Wirkstoff: Rivaroxaban), das bisher EU-weit zur Thrombose-Vorbeugung bei schweren orthopädischen Operationen zugelassen ist. Wenn das Mittel zusätzlich noch Genehmigungen als allgemeines Therapeutikum gegen Venen-Thrombosen und als Mittel zur Schlaganfall-Prophylaxe bekommt, dann rechnet der Leverkusener Multi mit einem jährlichen Umsatz von mehr als zwei Milliarden Euro. Nach Ansicht von Finanz-AnalystInnen spiegelt sich diese Erwartung schon im Aktien-Kurs wider und macht 10 bis 20 Prozent des Börsenwertes aus. Die Testergebnisse eröffnen allerdings keine allzu rosigen Zukunftsaussichten. Im Vergleich zur Thrombose-Standardmedikation schnitt das Mittel in puncto „Wirksamkeit“ nicht besser ab. Weniger Nebenwirkungen hatte es auch nicht. Einziger Vorteil: XARELTO „hat das Potenzial, für den Patienten angenehmer zu sein“ (O-Ton BAYER), weil es als Tablette verfügbar ist und nicht gespritzt werden muss. Schlaganfälle vermied das Präparat ebenfalls nicht häufiger als das Mittel der Wahl Warfarin, was dem BOEHRINGER-Konkurrenzprodukt PRADAXA sehr wohl gelang. Die deutlichsten Unterschiede zeigten sich im Preis. Warfarin kostet in den USA 25 Cent, XARELTO will BAYER hingegen für sechs Dollar pro Tablette auf den Markt bringen. Die Zulassungsanträge hat der Global Player im Januar 2011 bei der europäischen Arzneimittelbehörde gestellt. Die USA hingegen tun sich einstweilen noch mit dem XARELTO-Einsatz bei OPs schwer. Die zuständigen Stellen zögern mit der Zusage, weil von der Arznei ein erhöhtes Risiko für Gefäß-Verschlüsse, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden ausgeht und seine Langzeitwirkung nicht geklärt ist.

Neue MAGNEVIST-Auflagen
Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMEA hat neue Auflagen für den Gebrauch von Gadolinium-haltigen Röntgen-Kontrastmitteln wie BAYERs MAGNEVIST erlassen. Da die Medizinprodukte bei Nierenkranken eine Fibrose auslösen können, ein mitunter lebensbedrohliches unkontrolliertes Wachstum des Bindegewebes, müssen die MedizinerInnen vor der Anwendung von MAGNEVIST & Co. nun bei ihren PatientInnen die Nierenfunktionen überprüfen. Darüber hinaus riet die EMEA zu einer möglichst niedrigen Dosierung und untersagte, die Untersuchung binnen einer Woche zu wiederholen. Zuvor hatte bereits die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA ähnliche Anweisungen gegeben, denn auch in den Vereinigten Staaten häuften sich die Meldungen über Zwischenfälle. Allein der Leverkusener Multi sieht sich bereits mit über 300 Klagen von Opfern oder deren Angehörigen konfrontiert.

USA: GADOVIST-Zulassung beantragt
BAYER hat für sein Röntgen-Kontrastmittel GADOVIST eine Zulassung in den USA beantragt. Das für die Magnetresonanz-Tomographie des zentralen Nervensystems bestimmte Produkt enthält wie MAGNEVIST Gadolinium und dürfte deshalb auch dasselbe Risiko-Profil haben: Es kann bei Nierenkranken zu einem unkontrollierten Wachstum des Bindegewebes mit Todesfolge führen (s. o.).

ASPIRIN gegen Krebs?
Nach der Untersuchung eines Forscherteams um Peter M. Rothwell von der Universität Oxford vermindert die Einnahme des ASPIRIN-Wirkstoffes Acetylsalicylsäure das Krebsrisiko. Wer das Präparat fünf Jahre lang täglich schluckte, reduzierte das Sterberisiko um 21 Prozent, so der Wissenschaftler. Er hatte allerdings ein ganz anderes Studien-Ziel. Rothwell wollte den Einfluss des „Tausendsassas“ auf Herz/Kreislauferkrankungen ermitteln, weshalb der Mediziner nicht auf Daten zum individuellen Krebsrisiko der PatientInnen zurückgreifen konnte. Zudem reicht eine Nachbeobachtungsphase von vier Jahren nicht aus, um eine Tumor-Gefährdung auszuschließen, wie andere ÄrztInnen kritisierten. Darüber hinaus sprechen die Resultate aus dem Untersuchungsschwerpunkt gegen seine Empfehlung, ASPIRIN zu Präventionszwecken einzusetzen. So sehr nämlich die Krebs-Gefahr sank, so sehr stieg die Wahrscheinlichkeit, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden. Der Nebenwirkung „Blutungen“ sind die ÄrztInnen sicherheitshalber erst gar nicht nachgegangen. Auch bestätigen andere Studien den Befund von Rothwell nicht. Weder die „Nurses‘ Health Study“ noch die „Iowa Women’s Health Study“ oder die Untersuchung der „American Cancer Society“ bestätigen die Oxforder Ergebnisse. Das nährt den Verdacht, dass Rothwells Beziehungen zu BAYER seine Objektivität beeinflusst haben, führt der Professor für den Leverkusener Multi doch gerade eine andere ASPIRIN-Forschungsarbeit durch. Und sein Teamkollege Tom W. Meade erhielt ebenfalls schon Schecks vom Pharma-Riesen.

Zulassung für Marijuana-Spray
In Großbritannien hat BAYER die Zulassung für das Marijuana-Spray SATIVEX erhalten, dessen Vertriebsrechte der Konzern vom Hersteller GW PHARMAZEUTICALS erworben hatte. Das für Multiple-Sklerose-PatientInnen bestimmte Mittel soll Begleiterscheinungen der Krankheit wie Spastiken, Inkontinenz und Schmerzen lindern.

Fünf Pillen in zehn Jahren
In den letzten zehn Jahren schafften es gerade mal fünf neue Medikamenten-Entwicklungen von BAYER in die US-amerikanischen Apotheken, obwohl der Konzern für Forschung & Entwicklung in dieser Dekade 16,8 Milliarden Dollar ausgab.

Wehrmedizin an Kölner Uni
Die Kölner Universität, mit deren medizinischer Fakultät BAYER im Jahr 2008 eine Zusammenarbeit vereinbart hat, betreibt auch Wehrmedizin. Zu diesem Zweck arbeitet die Hochschule mit zwei Einrichtungen der Bundeswehr zusammen, dem „Institut für Pharmakologie und Toxikologie“ und dem „Institut für Mikrobiologie“. Diese Institutionen testen unter anderem die Auswirkungen von biologischen und chemischen Waffen wie Milzbrand-Erregern und Senfgas und entwickeln Behandlungsmethoden. Die Studierenden der Universität kritisieren diese Kooperation und sprechen sich für die Aufnahme einer Zivilklausel in die Grundordnung der Bildungseinrichtung aus, die Forschung zu militärischen Zwecken untersagt.

Comeback für die Männer-Pille?
Im Jahr 2002 stellte BAYER die Forschung an der Pille für den Mann ein, welche die Weltgesundheitsorganisation WHO mit über einer Million Dollar gesponsert hatte. Weil der Konzern der Einrichtung etwas schuldig war, überließ er ihr aber das haus-eigene Testosteron-Präparat NEBIDO für Versuchsreihen, nicht ohne sich dafür die Zusicherung auszubedingen, Einblick in die Studien-Unterlagen nehmen zu können. Im Erfolgsfall wäre der Pharma-Riese damit wieder am Drücker. Auch an der Universität Münster laufen entsprechende Tests mit dem BAYER-Mittel, das der Konzern bisher als Therapeutikum gegen die selbst erfundene Krankheit „Testosteron-Mangel“ vermarktet und das zahlreiche Nebenwirkungen hat. Herzinfarkt, Prostata-Krebs, Harntrakt-Schädigungen und Brust-Wachstum gehören dazu.

Griechenland zahlt mit Anleihen
Das überschuldete Griechenland kann seit geraumer Zeit die Arznei-Rechnungen seiner Krankenhäuser nicht mehr begleichen. Der Leverkusener Multi beklagt Außenstände im zweistelligen Millionen-Bereich, weshalb BAYERs einstiger Pillen-Chef Arthur Higgens in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des europäischen Pharma-Verbandes EFPIA in der Vergangenheit bereits Gespräche mit der griechischen Regierung führte. Jetzt zeichnet sich eine Lösung ab. Der Staat wies seine Spitäler an, die Rechnungen mit zinslosen Anleihen zu begleichen. Für die Pillen-Riesen bedeutet das ein Verlust-Geschäft: Sie müssen durchschnittlich ein Fünftel ihrer Forderungen abschreiben.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Bienensterben: UN alarmiert
Die UN hat im März 2011 einen alarmierenden Bericht über die Globalisierung des Bienensterbens vorgelegt, das bis nach Asien und Afrika reicht. Weil „von den 100 Nutzpflanzen, die 90 Prozent der Nahrungsmittel weltweit beisteuern, mehr als 70 durch Bienen bestäubt werden“, wie der Leiter des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, Achim Steiner, ausführt, bedroht das Verschwinden der Populationen mittlerweile auch die Ernährungssicherheit. Neben zerstörten Lebensräumen und Viren macht die UN für das beängstigende Phänomen vor allem Pestizide verantwortlich - und namentlich die von BAYER. „Verschiedene Studien haben die Giftigkeit von Chemikalien wie Imidacloprid (Wirkstoff von BAYERs GAUCHO), Clothianidin (Wirkstoff von BAYERs PONCHO), Thiamethoxam und verwandten Inhaltsstoffen für Tiere nachgewiesen“, heißt es in dem Report.

Aus für Methylisocyanat (MIC)
Anfang des Jahres konnte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) einmal die Früchte ihrer Arbeit ernten: Am 11. Januar 2011 gab der Leverkusener Multi bekannt, am US-Standort Institute die Produktion und Lagerung des Bhopal-Stoffes Methylisocyanat (MIC) und des Giftgases Phosgen einstellen zu wollen (siehe auch SWB 2/11). Eine entsprechende Forderung hatte die CBG nicht nur auf den BAYER-Hauptversammlungen immer wieder erhoben. Noch kurz vor der schrecklichen Explosion im August 2008, bei der zwei Arbeiter ihr Leben verloren und beinahe ein MIC-Behälter in die Luft geflogen wäre, hatte die Coordination vor den Sicherheitsrisiken der Anlage gewarnt. Als „unbegründet“ wies das Unternehmen das zurück. Es musste erst der Ernstfall eintreten, um den Global Player mit anderthalb Jahren Verzögerung zur Vernunft zu bringen. Aber es bleibt noch etwas zu tun, denn BAYER will die Fertigung nicht gleich beenden. Die CBG, die während der Kampagne immer eng mit der vor Ort tätigen Initiative PEOPLE CONCERNED ABOUT MIC (PCMIC) kooperierte, unterstützt deshalb den Versuch der US-amerikanischen AktivistInnen, vor Gericht einen sofortigen MIC-Herstellungsstopp zu erreichen. Am 25. Februar 2011 erzielten sie einen ersten juristischen Erfolg. Ein Richter untersagte dem Leverkusener Multi vorläufig, die gefährliche Chemikalie noch 18 Monate weiterzuproduzieren. Und drei Wochen später verkündete BAYER das endgültige Ende von MIC.

Weltweites Aus für Endosulfan?
Jahrelang hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) den Leverkusener Multi aufgefordert, den in der Bundesrepublik schon längst verbotenen, besonders gefährlichen Pestizid-Wirkstoff Endosulfan auch in anderen Ländern nicht mehr zu vertreiben. Im vorletzten Jahr erklärte sich der Konzern endlich dazu bereit (SWB 3/09), nicht ohne jedoch noch einmal einen aggressiven Schlussverkauf zu veranstalten (siehe auch SWB 1/11). Jetzt aber scheinen die Stunden des Ultragifts endgültig gezählt. Die „Stockholmer Konvention“ hat sich nach harten Verhandlungen dazu durchgerungen, seinen 133 Mitgliedsstaaten eine Beschlussvorlage für ein weltweites Verbot vorzulegen.

Pestizide gefährden Artenvielfalt
Das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) kritisiert die Gefährdung der Artenvielfalt durch Pestizide. Die Agro-Chemikalien wirken nämlich nicht nur gegen die so genannten Zielorganismen, sondern gegen so gut wie alles, was kreucht, fleucht oder wächst. In der konventionellen Landwirtschaft haben die Gifte nur noch Erbarmen mit zwei bis neun „Ackerbegleit-Pflanzen“, und das Verschwinden der übrigen hat wiederum Auswirkungen auf die Fauna. Carbofuran, dessen Produktionsstopp der Leverkusener Multi vor anderthalb Jahren angekündigt hat, tötete sogar schon Adler. Und gelangen Wirkstoffe wie das auch in BAYER-Mitteln enthaltene Glyphosat in Gewässer, so ändert das ihre mikrobiologische Zusammensetzung und nimmt damit Lebewesen ihre Futterquellen. Als Konsequenz aus diesem Anschlag auf die Biodiversität fordert PAN unter anderem mehr Ökoanbau, Pufferzonen zu Gewässern und strengere Zulassungsbedingungen.

GAUCHO auf Ross-Kastanien
Das BAYER-Insektizid GAUCHO mit dem Wirkstoff Imidacloprid hat Millionen Bienen den Tod gebracht. Trotzdem kam Imidacloprid nach einer langen Kontroverse in der Stadt Bonn zum Einsatz, um gegen die Rosskastanien anfallende Miniermotte vorzugehen. Und dann wirkte das Pestizid noch nicht einmal.

BBKA beendet Kooperation
Obwohl die BAYER-Pestizide GAUCHO und PONCHO sowie andere Agro-Chemikalien den Tod von Millionen Bienen verursachten, hat der britische ImkerInnenverband „British Beekeepers Association“ (BBKA) ihnen das Prädikat „bienenfreundlich“ verliehen. Für diesen Persilschein zahlten ihm die Konzerne 17.500 Pfund. Auf Druck seiner Mitglieder, die den Verlust unzähliger Völker durch GAUCHO & Co. zu beklagen haben, musste der Verband die lukrative Kooperation im Herbst 2010 allerdings beenden.

PONCHO-Verbot gefordert
Als BAYER in den USA eine Erweiterung der Zulassung für sein Pestizid PONCHO beantragte, führte die US-Umweltbehörde EPA eigene Tests durch. Die Ergebnisse unterschieden sich markant von denen der Studien, die der Leverkusener Multi zur Erlangung der Genehmigung vorgelegt hatte. Daraufhin guckten sich die ForscherInnen die BAYER-Untersuchung noch einmal genauer an und entdeckten frappierende Mängel. Vor allem der Teil, mit dem der Konzern dem Mittel das Etikett „bienenverträglich“ verschaffen wollte, verstieß gegen wissenschaftliche Standards. Die EPA-ExpertInnen hielten dagegen fest: „Toxizitätsstudien mit Honigbienen zeigen, dass Clothianidin hoch toxisch ist“. Im letzten Herbst gelangte das Dokument mit dem harschen Urteil in die Öffentlichkeit, und sofort forderten das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN), BEYOND PESTICIDES und mehrere ImkerInnen-Verbände ein PONCHO-Verbot, wie es in der Bundesrepublik und einigen anderen europäischen Ländern für die Ausbringung auf bestimmten Kulturpflanzen bereits gilt.

Mit TEMIC gegen Löwen
In Afrika vergiften Wilderer Raubtiere und Raubvögel unter anderem mit dem BAYER-Pestizid TEMIC und tragen so zum Aussterben der Arten bei.

TEMIC vergiftet 14 Menschen
Im US-amerikanischen Lee County kamen 13 Jäger und ein 11-jähriger Junge ins Krankenhaus, weil sie nach einem Kontakt mit dem BAYER-Pestizid TEMIC (Wirkstoff: Aldicarb) an Vergiftungserscheinungen litten. Ihr Gesundheitszustand stabilisierte sich bald, aber vier ihrer Hunde starben durch die Agrochemikalie, die der Leverkusener Multi wegen seiner Gefährlichkeit nur noch bis 2014 vermarkten will.

Vogelsterben durch GAUCHO & Co.
Insektizide wie BAYERs GAUCHO, das zur Gruppe der Neonicotinoide gehört, töten nicht nur Schadinsekten und Bienen. Sie sorgen auch für eine Dezimierung der Vogelbestände: Unmittelbar, indem die Pestizide Amsel, Fink und Star vergiften, und mittelbar, indem sie ihnen die Insekten als Nahrungsgrundlage rauben. So nahm in Großbritannien die Population der Haussperlinge seit 1977 um 68 Prozent ab. Die Anzahl der Schwalben sank seit 1994 um 41 Prozent und die der Stare um 26 Prozent. Der holländische Toxikologe Henk Tennekes tritt deshalb für ein Verbot von GAUCHO & Co. ein. „Neonicotinoide wirken wie Krebs verursachende Chemikalien, für die es keine die Sicherheit garantierenden Grenzwerte geben kann“, so der Wissenschaftler.

Missbildungen durch Glyphosat
Der Pestizid-Wirkstoff Glyphosat, der hauptsächlich in MONSANTOs ROUND UP, aber auch in BAYER-Mitteln enthalten ist, hat bei Neugeborenen in Argentinien, die in der Nähe von Soja-Feldern zur Welt kamen, zu Missbildungen geführt. Daraufhin untersuchten WissenschaftlerInnen die Wirkungsweise und fanden heraus, dass die Agro-Chemikalie schon bei Konzentrationen von zwei Milligramm pro Kilogramm Nahrungsmittel Schäden verursachen kann. In der EU liegt der Soja-Grenzwert bei 20 Milligramm pro Kilogramm.

Neues Reis-Fungizid
In Japan hat BAYER die Zulassung für das Fungizid ROUTINE (Wirkstoff: Isotianil) erhalten, das für einen Einsatz im Reis-Anbau bestimmt ist.

Verringerung des Sortiments
Der Leverkusener Multi führt 98 Pestizide in seinem Sortiment und kündigte an, diese Zahl zu verringern. 21 Agrochemikalien will BAYER in den nächsten vier Jahren ausmustern - sei es durch die Einstellung der Produktion oder durch Verkauf - und sieben neue Mittel auf den Markt bringen.

Verkauf von Ultra-Giften
Im Rahmen der Verkleinerung seines Pestizid-Sortiments (s. o.) entledigt sich der Leverkusener Multi seiner beiden Ultra-Gifte NEMACUR und MOCAP. Besonders NEMACUR war in der Vergangenheit für zahlreiche Vergiftungen verantwortlich. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) kritisierte diesen Schritt. „BAYER hätte die Produktion längst einstellen müssen, statt diese Ultra-Gifte jetzt noch profitabel zu verramschen“, heißt es in der Presse-Erklärung der CBG zum Thema.

GENE & KLONE

Mehr Gentech im Futter
Bislang durften Futtermittel-Importe in die EU-Länder keinerlei Spuren von Gentech-Pflanzen aufweisen. Ende Februar 2011 hat die Europäische Union die Regelung allerdings gekippt und einen Höchstwert von 0,1 Prozent festgelegt. Sogar innerhalb des Staatenbundes noch nicht einmal zugelassene Sorten dürfen nun die Grenzen passieren. Brüssel beugte sich damit dem Druck der Landwirtschaftsverbände und Agro-Multis. Diese malten ein Horror-Szenario mit Versorgungsengpässen und Preissteigerungen aus, falls die EU nicht „Ja“ zu „ein bisschen Gentech“ im Tierfutter sagt. Obwohl die LobbyistInnen Beweise dafür schuldig blieben, konnten sie sich durchsetzen. „Die heutige Entscheidung verstößt einmal mehr gegen das Vorsorge-Prinzip. Gen-Pflanzen, die nicht für den menschlichen Verzehr getestet wurden, haben nichts in unserer Nahrungsmittelkette zu suchen“, kritisierte Stephanie Töwe von GREENPEACE die Entscheidung.

EVOGENE sucht nach Weizen-Genen
Der Leverkusener Multi hat für 12 Millionen Dollar 5,5 Prozent des israelischen Biotech-Unternehmens EVOGENE erworben. Zudem beauftragte der Konzern EVOGENE mit der Suche nach Genen, die für Weizen bessere Erträge, ein besseres Wachstum oder eine erhöhte Widerstandsfähigkeit versprechen. Nach entsprechendem Reis-Erbgut fahnden die Israelis für BAYER schon seit längerem.

Keine Gentechnik in NRW
Das Land Nordrhein-Westfalen, Stammsitz des Leverkusener Multis, gehört seit diesem Jahr zu dem Netzwerk europäischer Regionen, die auf Gentechnik verzichten. Der Düsseldorfer Landtag stimmte im Januar 2011 einem entsprechenden Antrag der SPD zu.

Nutzlose Genom-Entschlüsselung
Vor zehn Jahren gelang die Entschlüsselung des menschlichen Genoms, und die ForscherInnen weckten große Erwartungen hinsichtlich des damit verbundenen medizinischen Fortschritts. Diese haben sich allerdings nicht erfüllt. „Daten, überall Daten, aber kein einziges Produkt“, beklagt sich etwa ein Unternehmenssprecher. Auch für den damaligen Projektleiter und heutigen Chef des US-amerikanischen „National Institute of Health“, Francis S. Collins, hatte die Kartographierung des Erbguts bislang keinen direkten Einfluss auf die Gesundheit der meisten Menschen, weshalb Harold Varmus, der Direktor des Nationalen Krebsforschungsinstituts der USA, schlicht resümiert: „Das Genom fördert die Wissenschaft, nicht die Medizin“.

PFLANZEN, SAATEN & DÜNGER

BAYER experimentiert mit Düngern
BAYER CROPSCIENCE testet neuen Dünger. Der Konzern experimentiert derzeit in Voiswinkel nahe Bergisch-Gladbach mit unterschiedlichen Kali/Phosphat-Kombinationen.

NUNHEMS wächst und wächst
BAYERs Saatgut-Tochter NUNHEMS expandiert beständig. Nachdem sie im US-amerikanischen Parma für 15 Millionen Dollar ihr Werk ausbaute und im spanischen Cartagena ein Forschungszentrum eröffnete, erweitert das Unternehmen nun auch seine Kapazitäten in Monheim. Die Labore wachsen um das Dreifache, um DNA-Analysen, zellbiologischen Experimenten und der molekularen Züchtung, die auf Erbgut-Untersuchungen, nicht aber auf Gen-Transfers basiert, mehr Platz zu bieten.

WASSER, BODEN & LUFT

Wassercent wieder da
Der Durst von BAYER ist enorm. Allein am Standort Leverkusen verbraucht der Multi jährlich 130 Millionen Kubikmeter. Um diese Gelüste ein wenig zu zügeln, hatte die rot-grüne Landesregierung 2004 den Wassercent eingeführt. Die Konzerne liefen Sturm gegen diese Regelung, weshalb Schwarz-Gelb sie nach dem Machtwechsel 2005 zum Auslaufmodell machte. Die Neuauflage von Rot-Grün revidierte das jedoch wieder und erhöhte die Abgabe sogar noch leicht. Erwartungsgemäß empörte sich BAYER zugleich über diese „vollkommen unnötige Sonderlast“ und nannte sie eine Gefahr für den Industriestandort NRW und die internationale Wettbewerbsfähigkeit.

MAGNEVIST im Berliner Grundwasser
Gadolinium-haltige Röntgen-Kontrastmittel wie BAYERs MAGNEVIST (siehe auch DRUGS & PILLS) fanden sich im Berliner Grundwasser wieder. Das Medizinprodukt kann bei Nierenkranken eine Fibrose auslösen, ein mitunter lebensbedrohliches unkontrolliertes Wachstum des Bindegewebes, weshalb europäische und US-amerikanische Aufsichtsbehörden unlängst strengere Auflagen für die Anwendung erlassen haben.

Deponie-Sicherung in Rheinberg
Noch voraussichtlich bis Ende 2012 wird die Sicherung der Deponie Rheinberg dauern, in der 40.000 Tonnen Rückstände aus der von BAYER bis 2002 betriebenen Titandioxid-Produktion schlummern. ArbeiterInnen ziehen in die Giftmüll-Halde eine Tonschicht ein und verlegen ein Drainage-System, um eine Verunreinigung des Grundwassers zu verhindern. Zum Abschluss decken sie das Chemie-Grab mit riesigen Gewebe-Planen ab. Anschließend soll dann Gras über die ganze Sache wachsen. Eine wirkliche Sanierung der Deponie mit einer Entfernung des verseuchten Erdreiches kam aus Kostengründen nicht in Betracht, und auf die Idee, vom Leverkusener Multi eine Kostenbeteiligung zu verlangen, verfielen die verantwortlichen PolitikerInnen nicht. Ähnliche Maßnahmen zur Mumifizierung von Konzern-Altlasten waren jüngst auch in Wuppertal und in Wolfenbüttel erfolgt.

Gas statt Kohle?
Der Stadtwerkeverbund TRIANEL überprüft seine umstrittenen Pläne, auf dem Gelände von BAYERs Chemie„park“ in Krefeld ein Kohlekraftwerk mit einem Kohlendioxid-Ausstoß von jährlich ca. 4,4 Millionen Tonnen zu errichten. Stattdessen diskutiert er den Bau eines Gas/Dampf-Kraftwerks. Dabei spielen allerdings nicht nur ökologische Erwägungen wie die bessere Energie-Effizienz dieser Alternative und ihre Möglichkeit, flexibler auf die stark schwankenden Einspeisungen regenerativ erzeugten Stroms zu reagieren, eine Rolle, sondern auch die Verlängerung der AKW-Laufzeiten. Die dadurch zusätzlich auf den Markt kommenden Strommengen machen die Dreckschleudern nämlich unnötig und den Betrieb unwirtschaftlich. Sollte die Bundesregierung ihre Atompolitik infolge der Ereignisse in Japan allerdings grundlegend ändern, ständen die Aktien für ein Kohlekraftwerk wieder besser.

Mehr Müllverbrennung
Im Jahr 2009 hat der Leverkusener Multi 914.000 Tonnen Abfall produziert. Aber in seinen Müllverbrennungsanlagen entsorgt der Konzern nicht nur eigene Hinterlassenschaften. Der Pharma-Riese ist vor einiger Zeit auch in das lukrative Geschäft mit dem Müll eingestiegen und übernimmt Fremdaufträge. Für das alles reichen die vorhandenen Öfen nicht mehr aus. Deshalb will der Global Player die Kapazität seiner Leverkusener Anlage erweitern und hat einen entsprechenden Antrag gestellt. Infolgedessen darf sich die Stadt bald wohl über noch mehr Feinstaub, Schwefeldioxid, Hydrogenchlorid, Chlorwasserstoff, Stickoxide, Fluorkohlenwasserstoffe, Cadmium, Thallium und Quecksilber in Wasser, Boden und Luft freuen.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

BPA in Babyflaschen verboten
BAYER ist einer der größten Produzenten der Industrie-Chemikalie Bisphenol A, die unter anderem in Baby-Flaschen und Konservendosen Verwendung findet und zu Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen führen kann (siehe SWB 4/10). Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, die seit Jahren für ein Verbot der Substanz eintritt, konnte nun einen Erfolg erringen: Zum 1. März 2011 untersagte die EU Bisphenol A in Babyflaschen. Die CBG fordert nun weitere Schritte: „Bisphenol A muss endlich aus allen Produkten des täglichen Bedarfs verschwinden. Hormonaktive Substanzen haben in Produkten wie Trinkflaschen, Spielzeug und Konservendosen nichts verloren! Die Leugnung der Risiken durch die Hersteller darf nicht zur weiteren Gefährdung der Verbraucherinnen und Verbraucher führen“, so Philipp Mimkes vom Vorstand der Coordination.

PCB-Nachwirkungen
BAYER gehörte lange zu den Hauptherstellern von Polychlorierten Biphenylen (PCB), einer Krebs erregenden Chlorverbindung. Erst 1983 hat der Konzern die Produktion des Ultragiftes eingestellt, das unter anderem als Weichmacher in Kunststoffen, Kühlmittel und Isoliermaterial Verwendung fand. Aber die gesundheitsschädlichen Folgen der Chemikalie machen sich immer noch bemerkbar. So ergab eine Untersuchung von Beschäftigten der Dortmunder Entsorgungsfirma ENVIO eine hochgradige PCB-Kontamination. 95 Prozent der Belegschaft wiesen Konzentrationen im Blut auf, die bis zum 25.000fachen über dem zulässigen Grenzwert lagen. Und der ENVIO-Konzern, der das PCB-belastete Material zurück zum Absender brachte und in BAYER-Verbrennungsöfen entsorgte, ist kein Einzelfall. Auch bei REMONDIS, der Firma RICHTER sowie bei der Entsorgungsgesellschaft des Regionalverbandes Ruhrgebiet ergaben Überprüfungen unzulässig hohe PCB-Werte.

Erste REACH-Etappe absolviert
Verhindern konnten BAYER & Co. die Ende 2006 verabschiedete, REACH genannte Chemikalien-Richtlinie der EU nicht, die Unternehmen erreichten jedoch wichtige Aufweichungen. So müssen die Konzerne nicht alle ihre Chemikalien auf gesundheitsgefährdende Wirkungen hin untersuchen, sondern nur noch 30.000. Der Leverkusener Multi hat jetzt die erste Auflage von REACH erfüllt und für seine 125 Stoffe, deren Jahresproduktion über 1.000 Tonnen liegt, Unterlagen erstellt.

Phosgen-Produktion steigt
BAYER will am Standort Brunsbüttel mehr Polyurethan-Kunststoff herstellen und plant deshalb eine Kapazitätserweiterung des Werkes. Mit der Erhöhung des Produktionsvolumens steigt auch die Menge des für den Fertigungsprozess benötigten Phosgens, eines der gefährlichsten Giftgase überhaupt. Es gibt zwar bereits Möglichkeiten, Polyurethane ohne Phosgen zu fabrizieren, aber der Leverkusener Multi ignoriert diese Alternativen. Darum kritisiert die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN das Vorhaben des Unternehmens. „Wir fordern den Konzern auf, die technisch machbare Produktion von Polyurethan ohne Phosgen zur Serienreife zu bringen. Vorher sollten keine neuen Anlagen genehmigt werden, denn bei einer Lebensdauer der Anlagen von 30-35 Jahren würde diese gefährliche Produktionsweise sonst für Jahrzehnte festgeschrieben!“

NANO & CO.

50 Millionen für die Nano-Technik
Nordrhein-Westfalen fördert die Nano-Technologie trotz ihrer Risiken massiv. Darum gehört das Bundesland neben der Wirtschaftsförderung Dortmund und „NanoMikro + Werkstoffe.NRW“ auch zu den Mitveranstaltern der „Nano-Konferenz“, die nun bereits zum dritten Mal in Dortmund stattfand. Über die dort von NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze in Aussicht gestellten Fördermittel von 50 Millionen Euro bis 2050 dürfte sich BAYERs Tagungsteilnehmer Raul Pires sehr gefreut haben.

Nano-Absatz stockt
Der Leverkusener Multi klagt über den mangelnden Absatz seiner CNT-Röhrchen aus Nano-Material namens BAYTUBES. Um die Zukunft der Zukunftstechnologie scheint es also nicht allzu gut bestellt zu sein. Hatte bereits die Bezirksregierung auf eine Anfrage der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN zur kommerziellen Nutzung erklärt, BAYER hätte noch keinen entsprechenden Antrag gestellt, weil „der Markt CNT-Material mit anderen Eigenschaften benötigt“, so bestätigt nun auch der Konzern selber die Schwierigkeiten. „Die klassischen Anwender wie Fahrzeug- oder Flugzeug-Industrie sind sehr konservativ, was neue Materialien betrifft“, klagte der Manager Raul Pires. Deshalb hat das Unternehmen einen Strategie-Wechsel vorgenommen: Es will künftig nicht bloß das Nano-Pulver, sondern gleich ganze Komponenten zur Weiterverarbeitung anbieten.

BAYER forscht an Nano-Pille
BAYER forscht gemeinsam mit der Aachener „Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule“ an einer Nano-Verhütungspille. Die WissenschaftlerInnen wollen ein Hormon-Depot im Körper anlegen, das sich in einer Nano-Gelschicht befindet und den Wirkstoff regelmäßig abgibt.

Nano-Poren zum Kühlen
Der Leverkusener Multi will von den skandalträchtigen Produktions- und Vertriebsmethoden der Nahrungsmittel-Industrie profitieren. „Da der Weg von Lebensmitteln zum Verbraucher immer länger wird“, entwickelt BAYER einen Hartschaum aus Kunststoff, dessen Dämmleistung Nano-Poren verbessern sollen.

Nano-Kooperation mit TOYOTA
Nano-Teilchen können eine asbest-ähnliche Wirkung entfalten, zu den Zellkernen vordringen oder die Blut/Hirn-Schranke überwinden. Trotz dieser Risiken und Nebenwirkungen setzt der Leverkusener Multi auf die Technologie und organisiert den weltweiten Vertrieb seiner Produkte. So vermarktet das japanische Unternehmen TOYOTA BAYERs Nano-Röhrchen mit dem Produktnamen „BAYTUBES“ im asiatischen Raum.

AGRO & SPRIT

Agro-Sprit aus Holz und Stroh?
Der Leverkusener Multi forscht gemeinsam mit der Universität Gießen, dem Unternehmen EVONIC und der Fraunhofer-Gesellschaft daran, aus Stroh und Holz Agro-Sprit zu gewinnen. Zu diesem Zweck soll Ende 2012 in Sachsen-Anhalt eine Cellulose-Raffinerie entstehen.

Mehr Öl im Raps
Der Agrosprit-Boom nimmt immer mehr Ackerflächen in Anspruch und verdrängt so die Kulturpflanzen von den Feldern, weshalb die Preise für Nahrungsmittel steigen. Daran stört sich der Leverkusener Multi jedoch nicht. Er stellt sich stattdessen auf den Markt ein und kreiert Pflanzen, die sich besonders gut im Tank machen. So entwickelt er gemeinsam mit dem chinesischen „Oil Crops Research Institute“ eine Raps-Sorte, die viel Öl enthält. Im Zuckerrohr-Bereich läuft ein entsprechendes Projekt mit dem brasilianischen „Zentrum für Zuckerrohr-Technologie“. Und bereits im Angebot hat der Multi den öl-reichen Gentech-Raps INVIGOR.

CO & CO.

Wieder Erdabsenkungen
Immer wieder kommt es entlang der Trasse von BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline zu Erdabsenkungen. In Erkrath und rund um Ratingen bildeten sich teilweise 80cm tiefe Krater. Der Bauherr WINGAS nennt die während der Bauarbeiten ausgehobene und wieder verfüllte Erde als Ursache für die Löcher, weil der Boden durch diesen Prozess an Festigkeit verliere. Der Leverkusener Multi hält das erneute Desaster für „einen normalen Vorgang beim Pipeline-Bau“ und „unbedenklich“. Die Bezirksregierung hingegen hat eine Untersuchung der Vorgänge angekündigt, um mögliche Sicherheitsrisiken für den Betrieb der Giftgas-Leitung aufzuspüren.

Mangelhafte Abdichtungen
Entlang der Strecke von BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline ragt an der Bundesstraße 8 nahe des Landhauses Milser eine Messstation völlig ungeschützt aus dem Erdreich. Nach Ansicht von Erich Hennen, Sprecher der Duisburger BÜRGERINITIATIVE CONTRA PIPELINE, kann es dadurch zu Rost- oder anderen Korrosionsschäden kommen. Die mangelhafte Abdichtung der Enden des die Pipeline umgebenden Mantelrohres an gleicher Stelle kritisiert Hennen ebenfalls und fordert aus Sicherheitsgründen einen Aushub der Rohrleitung vom Landhaus bis zur Haltestelle Kesselberg.

Signalstörungen
Ein „klares Signal für den Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen“ wollten CDU und FDP Mitte November 2010 im Düsseldorfer Landtag hören. In ihrem Antrag forderten sie ein Bekenntnis zum Dattelner Kohlekraftwerk und zu BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline ein. Aber das bekamen sie nicht nur von SPD, Grünen und Linkspartei nicht, auch vier Mettmanner Abgeordnete aus den eigenen Reihen blieben stumm.

CO-Verhandlung im Mai
Vom 23. bis zum 27. Mai 2011 verhandelt das Düsseldorfer Verwaltungsgericht

Bisphenol A

CBG Redaktion

Presse Information vom 28. Februar 2011
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Bisphenol A: alle Risiko-Anwendungen verbieten!

Ab morgen EU-Verbot in Babyflaschen / Schäden bei Kleinkindern befürchtet / BAYER AG größter deutscher Produzent

Ab dem 1. März gilt EU-weit ein Verbot der Chemikalie Bisphenol A in Babyflaschen. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren begrüßt die Entscheidung der EU-Kommission, fordert jedoch weitergehende Verbote: „Bisphenol A muss endlich aus allen Produkten des täglichen Bedarfs verschwinden. Hormonaktive Substanzen haben in Produkten wie Trinkflaschen, Spielzeug und Konservendosen nichts verloren! Die Leugnung der Risiken durch die Hersteller darf nicht zur weiteren Gefährdung der Verbraucher führen“, so Philipp Mimkes vom Vorstand der Coordination.

Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass Bisphenol A (BPA) im Körper hormonaktiv wirkt. Schon geringste Dosen können das Nervensystem schädigen und bei Säuglingen zu Entwicklungs-Störungen führen. Zahlreiche Studien bringen die Chemikalie mit Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Krebs, Diabetes und Herzerkrankungen in Verbindung. Das Umweltbundesamt fordert seit Jahren, die Verwendung von Bisphenol A einzuschränken - konnte sich bislang jedoch nicht gegen die Interessen der Industrie durchsetzen.

Der Leverkusener BAYER-Konzern gehört neben den US-Firmen DOW CHEMICALS und HEXION, der saudiarabischen SABIC sowie zwei taiwanesischen Unternehmen zu den größten Herstellern von Bisphenol A. Weltweit wurden 2008 rund 5,2 Millionen Tonnen produziert – zwei Jahre zuvor waren es noch 3,8 Millionen. Allein in Europa wurden 2006 rund 1,5 Millionen Tonnen hergestellt, überwiegend von BAYER.

Die Kunststoff-Hersteller hatten jahrelang durch eigene Studien zu suggerieren versucht, dass ein wissenschaftlicher Konsens zu BPA fehlt. Tatsächlich stellten aber von weltweit rund 170 öffentlich finanzierten Untersuchungen mehr als 150 Studien negative Effekte schon bei niedrigen BPA-Konzentrationen fest. Dagegen kamen alle 13 von der Industrie geförderten Studien zu dem Schluss, Bisphenol A sei eher harmlos. Die jahrelang betriebene Kungelei von Herstellern und Behörden gipfelte in der Entscheidung der EU-Lebensmittelbehörde EFSA vor vier Jahren, den Grenzwert für Bisphenol A zu lockern. Hierbei berief sich die EFSA auf eine unveröffentlichte Studie, die das American Plastics Council in Auftrag gegeben hatte. Dem Lobbyverband gehören 13 Unternehmen an, darunter BASF, BAYER, SHELL und DOW CHEMICALS.

Kanada hatte Bisphenol A schon 2008 als „gefährliche Substanz“ deklariert und als erstes Land eine Verwendung in Babyflaschen untersagt. Dänemark, Schweden und Frankreich verhängten im vergangenen Jahr Verbote für alle Produkte, die mit Kindernahrung in Berührung kommen.

alle Infos zur Kampagne

MIC

CBG Redaktion

die taz greift unsere Kampagne zur MIC-Produktion von Bayer auf. Hier finden Sie alle Hintergründe.

26. Februar 2011, die tageszeitung

Urteil in den USA

Bayer muss auf „Bhopalgas“ verzichten

Ein US-Gericht hat dem Bayer-Konzern die Herstellung von Methylisocyanat erneut untersagt. In Indien führte es 1984 zum Tod tausender Menschen.

WASHINGTON taz | Ein US-Bundesrichter hat dem Bayer-Konzern erneut die Herstellung von Methylisocyanat (MIC), besser bekannt als „Bhopalgas“, per einstweiliger Verfügung untersagt. Joseph Goodwin ordnete am Mittwoch an, dass ein externer Gutachter die Fabrik in West Virgina inspizieren soll. Der Richter reagierte damit auf die Klage von 16 AnwohnerInnen. Sie versuchen seit der Katastrophe im indischen Bhopal, bei der im Dezember 1984 mehrere tausend Menschen ums Leben kamen, die Giftproduktion in Institute in West Virginia loszuwerden.

Die Anwälte von „Bayer CropScience“ haben bis zuletzt versucht, eine Verlängerung der erstmals Anfang Februar verhängten einstweiligen Verfügung zu verhindern. Noch in dieser Woche legten sie dem Richter ein von Bayer CropScience in Auftrag gegebenes Gutachten vor, das belegen soll, dass der Konzern alle Sicherheitsregeln für die Produktion von MIC einhält.

Ganz anders liest sich ein Brief von Rafael Moure-Eraso, Präsident der Aufsichtbehörde Chemical Safety Board. Er schreibt an Lisa Jackson, die Chefin der US-Umweltbehörde EPA, sowie an den Arbeitsschutz OSHA, dass Bayer CropScience lediglich 95 Prozent der Sicherheitsauflagen bei der MIC-Produktion erfülle. Unter anderem fehlten schriftliche Verhaltensregeln und sei die Ausbildung des Personals für den Umgang mit einer neuen MIC-Anlage noch nicht abgeschlossen.

Institute im Kanawha-Tal in West Virginia galt einmal als Chemiezentrum der Welt. Die Fabrik, in der unter anderem MIC hergestellt wird, existiert seit 1947. Und sie hat nacheinander den Großen der Branche gehört: Union Carbide, Rhône-Poulenc und Aventis. Seit 2002 wird sie von Bayer CropScience betrieben. Institute ist weltweit das einzige Bayer-Werk, das MIC produziert. Der deutsche Chemieriese benutzt MIC, um Aldicarb herzustellen, den Wirkstoff des Pestizids Temik. Letzteres wird in den USA unter anderem bei der Kartoffelzucht eingesetzt.

Im August 2008 kam es in dem Werk zu einer Explosion. Dabei kamen zwei Arbeiter ums Leben. Zwar war das MIC-Depot nicht von der Explosion betroffen. Doch die AnwohnerInnen verlangen seither umso stärker ein Ende der MIC-Produktion.
Ein Jahr nach der Explosion entschied Bayer CropScience, seine MIC-Lagerbestände um 80 Prozent zu reduzieren. Nach Umbauarbeiten für die verkleinerte Lagerhaltung sollte die MIC-Produktion in diesem Februar wieder aufgenommen werden. Allerdings nur noch für 18 Monate, wie der Konzern im Januar ankündigte. Bayer CropScience-Sprecher Ray Seneca begründet den für 2012 geplanten Ausstieg aus MIC damit, dass es „modernere Herbizide“ gäbe und dass Bayer CropScience keine Produkte der (toxischen) „WHO+1“- Kategorie mehr herstellen wolle.

Für die Inspekteure der US-Umweltbehörde EPA ist das Werk in Institute ein alter Bekannter. Seit 1982 mussten Bayer bzw. seine Vorgänger mehr als 200.000 Dollar Strafe zahlen und mehr als 1,3 Millionen Dollar für Verfügungen durch die EPA ausgeben. Auch die Umweltbehörde des Bundesstaats West Virginia hat zahlreiche Inspektionen in dem Werk durch geführt.

Am Mittwoch hat Richter Goodwin den Chemieingenieur Sam Mannan zum externen Experten bestimmt. Er soll die „Wahrscheinlichkeit eines Risikos eines Zwischenfalls mit MIC in der Bayer-Anlage“ prüfen. Am 14. März soll der Experte dem Richter empfehlen, ob erneut MIC produziert werden darf oder nicht. Anschließend ist ein öffentliches Hearing geplant.

Investitionsabkommen

CBG Redaktion

23. Februar 2011

CBG unterschreibt Aufruf gegen Investitionsabkommen

Internationale Investitionsabkommen sind eine Bedrohung für soziale und ökologische Errungenschaften! Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hat daher den Aufruf „Für eine gerechte EU-Investitionspolitik“ unterzeichnet.

Die zukünftige internationale Investitionspolitik Europas muss
- in Investitionsabkommen Pflichten für Investoren aufnehmen, insbesondere im Hinblick auf Menschenrechte, Umweltschutz, und Sozialstandards);
- präzise und restriktive Formulierungen hinsichtlich der Rechte von Investoren beinhalten;
- die einseitigen und intransparenten Investor-to-State-Schiedsgerichtsmechanismen abschaffen;
- sicherstellen, dass staatliche Maßnahmen zum Schutz oder zur Förderung öffentlicher Interessen nicht als „indirekte Enteignungen“ von Investitionen angegriffen werden können;
- an sozialen und ökologischen Kriterien ausgerichtet sein.

Laufende Verhandlungen von EU-Mitgliedstaaten zu Bilateralen Investitionsabkommen (BITs) sollten gestoppt werden. Bestehende BITs sollten sorgfältig überprüft und ersetzt werden, um den Prinzipien der zukunftsfähigen Entwicklung, guter Arbeit und sozialer Gerechtigkeit zu entsprechen.

Machen Sie auch mit: http://power-shift.de/?p=290

Preisabsprachen

CBG Redaktion

23. Februar 2011

Kartoffelpreise

Preisabsprachen: Klage in den USA eingereicht

In den USA wurde eine Klage gegen die United Potato Growers of America, die rund 80% aller Kartoffel-Pflanzer vertritt, eingereicht. Die UPGA hat demnach die Kartoffelpreise künstlich hochgehalten und unabhängige Pflanzer bedroht. Die Firma Bayer wird in der Klageschrift als „Co-Conspirator“ genannt und ebenfalls verklagt.

Bayer ist seit 2008 Sponsor der UPGA und hat dem Verband Informationen zu Landwirten zu Verfügung gestellt, die für das Kartell notwendig waren. Mehr Infos: http://bit.ly/ggm9Cs

February 22, 2011
Huge Potato Price Fixing Lawsuit Heats Up

Potato growers belonging to the nation’s largest cooperative are facing a massive lawsuit challenging the organization’s antitrust exemption, which has been in effect since the 1920s. A class action case brought by potato purchasers alleges the United Potato Growers of America (UPGA) has used bribery, threats and coercion against independent growers to convince them to join the cartel.

There is so much money involved in this case that a case management session convened by presiding U.S. District Judge Lynn Winmill in December attracted 27 lawyers in person and another 15 on the phone. The complaint names 20 defendants, including well-known names such as General Mills and Dole. It also lists Bayer CropScience as a co-conspirator.

Once the case goes to trial, plaintiffs plan to argue that the UPGA, producer of 80% of the nation’s potatoes, should not be allowed to operate in this manner, which includes price fixing, because of the immunity it allegedly enjoys under the Capper-Volstead Act of 1922. Capper-Volstead exempted agricultural cooperatives from antitrust legislation—under certain circumstances.

[Portugal] Pharma Korruption

CBG Redaktion

Presse Information vom 14. Februar 2011
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Zur morgigen 100-Jahrfeier von BAYER Portugal:

„Pharma-Korruption endlich bestrafen“

Mit einem Empfang im Lissaboner 5-Sterne Hotel Tivoli feiert die portugiesische BAYER-Niederlassung am morgigen Dienstag ihr 100-jähriges Bestehen. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren fordert die portugiesische Justiz zu diesem Anlass auf, den Konzern für die jahrelang praktizierte Bestechung von Ärzten endlich zur Rechenschaft zu ziehen.

BAYER hatte in Portugal über Jahre hinweg zwischen fünf und zehn Prozent des Umsatzes für schwarze Kassen verwandt, um das Verschreibungsverhalten von Ärzten zu beeinflussen. Zudem führte das Unternehmen in Portugal klinische Tests durch, die bei den Gesundheitsbehörden nicht angemeldet waren und bei denen es zu Todesopfern kam. Durch enge Verbindungen zur Staatsspitze gelang es dem Unternehmen, nur zu kleineren Geldstrafen verurteilt zu werden.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren: „Durch korrupte Praktiken hat BAYER in Portugal öffentliche Kassen geplündert und Patienten geschädigt. Die Vorgänge in Portugal müssen endlich vollständig untersucht werden, die Verantwortlichen müssen bestraft werden. Politik und Justiz dürfen sich von großen Unternehmen nicht an der Nase herumführen lassen!“.

Ins Rollen gebracht wurden die Untersuchungen der portugiesischen Staatsanwaltschaft durch eine Anzeige von Alfredo Pequito, der jahrelang als Pharmareferent für Bayer Portugal gearbeitet hatte. Als Pequito in den 90er Jahren seine Arbeit aufnahm, wurde er von seinen Vorgesetzten darauf aufmerksam gemacht, dass ihm zur „Verkaufsförderung“ hohe Summen zu Verfügung stünden. Hiermit sollten Urlaubsreisen, Elektrogeräte und Geldgeschenke finanziert werden. Auch waren die Pharmareferenten von BAYER dazu angehalten, Dossiers über Ärzte anzufertigen, die u.a. die Zahl der Kinder, Hobbys, die politische Einstellung und sogar sexuelle Vorlieben enthielten. Pequito hatte sich geweigert, die schwarzen Kassen des Konzerns zu nutzen, und war deshalb von BAYER gefeuert worden.

Zum 25. Jubiläum der “Nelkenrevolution” war eine Amnestie verhängt worden, unter die auch die Vergehen der Pharma-Industrie fielen. Der Justizminister, der die Amnestie ausgearbeitet hatte, gehörte zur Kanzlei Jardim, Sampaio und Caldas, die auch BAYER vertrat. Auch Jorge Sampaio, langjähriger Präsident Portugals, ist Teilhaber der Kanzlei.

Auf Alfredo Pequito wurden mehrere Mordanschläge verübt, er steht seitdem unter Polizeischutz. Auf Einladung der Coordination gegen BAYER-Gefahren sprach er vor zwei Jahren in der Hauptversammlung des Unternehmens und forderte vom Vorstand die Offenlegung aller korrupten Praktiken.

Im Jahr 2005 war BAYER zusammen mit Johnson&Johnson und drei weiteren Pharmaunternehmen zu einer Kartellstrafe von 16 Millionen Euro verurteilt worden. Die Firmen hatten die Preise bei der Belieferung von portugiesischen Krankenhäusern künstlich aufgebläht.

Alfredo Pequito steht für Interviews zu Verfügung: pequito.alfredo(at)gmail.com

weitere Informationen:
·Rede von Pequito in der Hauptversammlung
·Artikel des Guardian zu Mordanschlägen auf Pequito
·Artikel der Zeitung Expresso zu tödlichen Pharmatests von Bayer (engl)
·Interview mit Alfredo Pequito
·Kartellstrafe: Portugal regulator fines Bayer, others for price fixing
·Artikel “BAYER-Gate und kein Ende“