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Veröffentliche Beiträge von “CBG Redaktion”

Vision Stadt 21

CBG Redaktion

Coordination gegen BAYER-Gefahren
Presse-Info vom 17. Dezember 2007

Architektur-Wettbewerb „Vom BAYER-Werk zum Chemiepark“:

Preisgekrönter Entwurf von Coordination gegen BAYER-Gefahren inspiriert

„Von ihrem Büro im obersten Stockwerk hat die Coordination gegen BAYER-Gefahren einen buchstäblichen Überblick über das BAYER-Werk, überwindet gleichsam die umgebende Mauer und symbolisiert ihre Überwacher-Funktion“

Das hatte sich BAYER-Chef Werner Wenning anders vorgestellt: Sieger des vom BDI initiierten Wettbewerbs zum „BAYER-Werk der Zukunft“ wurde ausgerechnet der Entwurf der französischen Architekten Guillaume Tripoteau und Gael Hémon, die bei der Erstellung ihres Plans eng mit der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) kooperiert hatten. Zu allem Überfluss musste Wenning auch noch €10.000 locker machen und den Preis persönlich übergeben. Dabei gelang es dem BAYER-Chef offenbar nur bedingt, gute Miene zu machen. „Ich bin mir nicht sicher, ob Werner Wenning damit glücklich war“, so Preisträger Tripoteau. Tatsächlich wurde die Ausstellung der beiden Sieger-Entwürfe im „BAYER-Kommunikationszentrum“ nach nur zwei Wochen wieder abgebaut.

Der preisgekrönte Entwurf Cubiquitol 27mg greift das Beziehungsgeflecht von BAYER-Werk, Stadt Leverkusen und CBG auf. Ziel der Architekten ist es, „die Stadt nicht als eine starre Konstruktion zu betrachten, sondern als eine allgemeine Bewegung, die nicht zum Stillstand kommt, dank der politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Kräfte sowie der Kräfte des Umweltschutzes“. Die „Kräfte des Umweltschutzes“ nehmen denn auch einen wichtigen Platz in dem Entwurf ein: Auf der Leverkusener BAYER-Zentrale prangt weithin sichtbar das Logo der Coordination gegen BAYER-Gefahren, dort wird auch das Büro des Verbands angesiedelt: „Von ihrem Büro im obersten Stockwerk hat die Coordination gegen BAYER-Gefahren einen buchstäblichen Überblick über das BAYER-Werk, überwindet gleichsam die umgebende Mauer und symbolisiert ihre Überwacher-Funktion“, heißt es im Entwurf.

Im Niemandsland zwischen Werk und Stadt sollen zudem 30 Container aufgestellt werden, die „mit leuchtenden Farben und alarmierenden Bildern bemalt werden und die eine kritische Ausstellung über die Unternehmensgeschichte von BAYER enthalten“. In unbenutzten Werkshallen wird die Modellstadt AlterCite entstehen - der dort entstehenden Kommune sollen sich auch „wirtschaftliche Opfer des Bayer-Konzerns“, also entlassene Mitarbeiter, anschließen.

Der BAYER-Vertreter in der Jury stimmte zwar gegen den Entwurf, konnte sich aber nicht gegen das Votum der Fachpreisrichter - einer Riege von Architekten, Hochschullehrern und dem Künstler Mischa Kuball - durchsetzen. „Ein radikaler, visionärer und richtungsweisender Beitrag“, urteilte die Jury, „der sich mit dem Ort in allen seinen gesellschaftlichen, städtebaulichen und ökonomischen Dimensionen auseinandersetzt“.

Jan Pehrke von der CBG: „Da wollte sich BAYER den Chemiepark von jungen Architekten ein wenig offener gestalten lassen und hat sich gleich die Coordination als neuen Nachbarn eingefangen. Da dürfte der Multi den jetzigen Leerstand bevorzugen, visionäre Entwürfe hin oder her.“ Zwar versicherte BAYER-Chef Wenning bei der Preisverleihung, „wir werden sicherlich auch Anregungen aufnehmen und prüfen“ – für´s erste aber muss die Coordination gegen BAYER-Gefahren wohl den Umzugswagen nicht bestellen.

Fotos: http://www.CBGnetwork.de/2295.html,
der vollständige Entwurf: http://cubiquitol.neuf.fr/0.html
die Ausschreibung des BDI: http://www.vision-stadt21.de/ANFANG-lev.htm

[Krefeld] Klima-Killer verhindern!

CBG Redaktion

NRZ, 14.12.2007, Tobias Bolsmann

Entscheidung: Kraftvoll gegen Steinkohle-Kraftwerk

Der Krefelder Rat beschließt nach dreieinhalbstündiger, teilweise hitziger Diskussion die Änderung der Bebauungspläne - und erteilt damit den Trianel- und Bayer-Plänen einen herben Dämpfer.

Um 21.27 Uhr stand es fest: Die Pläne von Bayer und Trianel für ein Steinkohlekraftwerk im Chemiepark Uerdingen haben einen herben Dämpfer erhalten. Der Krefelder Rat beschloss gestern eine Änderung der entsprechenden Bebaungspläne (wir berichteten).
In geheimer Abstimmung votierten von 60 anwesenden Ratsmitgliedern 39 für den Antrag von CDU und Grünen, 21 dagegen (was die Vermutung zulässt, dass selbst einige Sozialdemokraten für den Antrag votierten).
Vorausgegangen waren dreieinhalb Stunden leidenschaftlicher Diskussionen, in deren Verlauf die Kontrahenten teilweise heftig aneinander gerieten. So warf die SPD den Christdemokraten vor, eine Milliarden-Investition parteitaktischen Überlegungen geopfert zu haben. Durch die Änderung des Bebauungsplans könne ein Steinkohlekraftwerk totgeprüft werden.
Die Christdemokraten konterten, dass die Politik bei der Entscheidung nicht nur die Interessen von Bayer zu berücksichtigen habe, sondern auch die der Bürger. Nur mit der Änderung des Bebauungsplans könne man rechtliche Vorgaben machen.
Die Grünen knöpften sich den Bayer-Brief vor, den vor der Entscheidung alle Ratsmitglieder erhalten hatten und hielten jedem der dort genannten zehn Punkte ihre eigene Sicht der Dinge entgegen.
Hoch zufrieden zeigten sich Herbert Mommertz und Ulrich Grubert, die seit fast einem Jahr in der Bürgerinitiative „Saubere Luft“ gegen das Steinkohlekraftwerk kämpfen. „Die Kuh ist vom Eis“, freuten sie sich im Gespräch mit der Redaktion.
Allerdings bedeute die Entscheidung kein komplettes Aus für Steinkohle, so der Krefelder Stadtsprecher Timo Bauermeister, sie sei lediglich eine weitere Hürde. Das Genehmigungsverfahren laufe weiter, baurechtlich sei die Änderung des Bebauungsplans noch keine definitive Entscheidung. Am Ende habe wieder der Rat zu entscheiden.

BUND NRW, 14.12.2007

Krefeld zeigt Umweltminister Gabriel wie Klimaschutz funktioniert

Mehrheit im Stadtrat verhindert geplantes Kohlekraftwerk - immer noch 27 neue Kraftwerke in Deutschland geplant - BUND fordert Neubauverbot

Der nordrhein-westfälische Landesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) begrüßt die Entscheidung der Stadt Krefeld, kein neues Kohlekraftwerk auf ihrem Gemeindegebiet zuzulassen. Damit war der Protest vor Ort erfolgreich, die noch junge Klimaschutzbewegung hat ein weiteres Kohlekraftwerk verhindert.
„Dies ist das richtige Zeichen an die Klimakonferenz in Bali: die Menschen in Deutschland und viele Politiker vor Ort haben verstanden, dass Klimaschutz und neue Kohlekraftwerke nicht zusammengehen“, so der BUND-Landesvorsitzende Paul Kröfges. Bei der Bundesregierung und Umweltminister Gabriel sei diese Botschaft aber noch nicht angekommen. Gabriel hatte sich in Krefeld persönlich für das klimaschädliche Kraftwerk eingesetzt und auf einen Sonderparteitag die örtliche SPD auf seinen Pro-Kohle-Kurs gebracht. Bei der gestrigen geheimen Wahl müssen allerdings auch SPD-Vertreter gegen das Kraftwerk gestimmt haben.
„Es ist gut, dass sich Gabriel und die SPD in Krefeld mit ihrem klimaschädlichen Kurs nicht durchgesetzt haben“, so Kröfges. Nach Köln, Querschied, Bremen, Bielefeld und Ensdorf wurde damit jetzt schon das sechste geplante Kohlekraftwerk verhindert. „Dieser Erfolg zeigt, dass Kohlekraftwerke vor Ort verhindert werden können, dies wird den Protesten von Umweltschützern an vielen weiteren Orten Auftrieb geben“, so Kröfges.
Aber die Neubauwelle von neuen Kohlekraftwerken ist damit nicht lange nicht gestoppt. In Deutschland sind noch 27 Kohlekraftwerke in Planung, über 20 davon sind bereits im Genehmigungsverfahren. „Umweltminister Gabriel muss sich endlich für ein Neubauverbot von Kohlekraftwerken einsetzen statt das Problem weiter klein zu reden. Sonst werden die klimaschädlichen Kraftwerke alle Anstrengungen, Deutschlands CO2-Ausstoss drastisch zu reduzieren, zunichte machen.“

HCB

CBG Redaktion

Düsseldorf, 14. Dezember 2007

MINISTERIUM FÜR UMWELT UND NATURSCHUTZ, LANDWIRTSCHAFT UND VERBRAUCHERSCHUTZ DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN

Widersprüche gegen HCB-Entscheidung zurückgewiesen

In Abstimmung mit dem nordrhein-westfälischen Umweltminister Eckhard Uhlenberg weisen die Bezirksregierungen Düsseldorf, Köln und Münster die Widersprüche gegen das Importverbot Hexachlorbenzol-haltiger Abfälle aus Australien zurück.

Die Bezirksregierungen Düsseldorf, Köln und Münster haben heute die Widersprüche der australischen Firma Orica gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Import Hexachlorbenzol-haltiger Abfälle aus Australien nach Nordrhein-Westfalen zurückgewiesen. „Aus meiner Sicht und nach Einschätzung unserer Fachleute waren die von den Rechtsanwälten der Firma vorgetragenen Argumente nicht geeignet, unsere ablehnende Position zu erschüttern“, begründete Umweltminister Eckhard Uhlenberg die Entscheidung.

Orica hatte im Dezember 2006 beantragt, insgesamt 22.000 Tonnen dieser Abfälle nach Deutschland einzuführen und etwa die Hälfte davon in den Sonderabfallverbrennungsanlagen Dormagen, Herten und Leverkusen zu entsorgen.

In Abstimmung mit dem Landesumweltministerium hatten die Bezirksregierungen die Importgenehmigungen im Juni 2007 versagt, da die australische Regierung entgegen internationalem Recht nicht überzeugend nachweisen konnte, dass Australien als bedeutender Industriestaat nicht selbst in der Lage ist, eigene Entsorgungskapazitäten für diese Abfälle vorzuhalten. Orica hat nun die Möglichkeit gegen die Ablehnung der Importgenehmigung Klage vor den Verwaltungsgerichten zu erheben.

s. auch unsere Kampagne zum Thema

Klima-Killer

CBG Redaktion

Presse Information vom 12. Dezember 2007

Niederrheinischer Umweltschutzverein
Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) NRW
Coordination gegen BAYER-Gefahren
Bürgerinitiative Saubere Luft e.V.
Bürgerverein Mündelheim 1988 e.V.

Kohlekraftwerk: Kundgebung zur morgigen Ratssitzung

„Dreckschleuder verhindern“ / Kohlekraftwerke auch in anderen BAYER-Chemieparks geplant

Der Niederrheinische Umweltschutzverein, die Bürgerinitiative Saubere Luft, die Coordination gegen BAYER-Gefahren, der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) NRW, die Grünen Krefeld und Duisburg sowie der Bürgerverein Mündelheim kündigen eine Demonstration zur morgigen Sitzung des Krefelder Stadtrats an. Die Umweltverbände fordern die Ratsfraktionen auf, den Bau des von den Firmen TRIANEL und BAYER geplanten Kohlekraftwerks wegen massiver Umweltauswirkungen abzulehnen. Das Kraftwerk würde jährlich 4,4 Mio Tonnen CO2, jeweils 4.000 to Stickoxide und Schwefeldioxid sowie große Mengen Feinstaub ausstoßen.

In den vergangenen Wochen wurde bekannt, dass auch in den BAYER-Chemieparks in Brunsbüttel und Antwerpen neue Steinkohlekraftwerke geplant sind. Wegen des niedrigen Wirkungsgrads würde jeweils die Hälfte der dort verfeuerten Kohle ungenutzt verpuffen. Nach Ansicht der Umweltverbände konterkarieren die geplanten Kohlekraftwerke das vollmundige Versprechen von BAYER, „im Klimaschutz neue Maßstäbe“ setzen zu wollen.

Die Krefelder CDU und die Grünen hatten in der vergangenen Woche beschlossen, den Bebauungsplan für das Chemieparkgelände zu ändern und damit den Bau eines Steinkohlekraftwerks mit einer Leistung von 850 Megawatt zu verhindern. Der Beschluss soll morgen im Krefelder Stadtrat umgesetzt werden. Auch die Krefelder SPD hatte sich ursprünglich aus Gründen des Klimaschutzes gegen das Projekt ausgesprochen, war jedoch unter dem Einfluss der Gewerkschaft IG BCE eingeknickt und hatte ihren Beschluss auf einem Sonderparteitag revidiert.

Ulrich Grubert vom Niederrheinischen Umweltschutzverein (NUV): „Wir müssen jetzt an die Zukunft unserer Kinder denken - und an die Luft, die wir selbst atmen. Wer es mit dem Umweltschutz wirklich ernst meint, der muss klimaschädigende Kohlekraftwerke abschalten - und nicht zusätzliche Klima-Killer bauen. Wir fordern weiter ein kleines, dem Chemiepark von Bayer angemessenes und erheblich umweltfreundlicheres Gaskraftwerk mit Kraft-Wärmekopplung. Daher appellieren wir an jeden Bürgerb sich der massiven bundesweiten Klimabewegung anzuschliessen und morgen um 16.30 Uhr am Seidenweberhaus in Krefeld gemeinsam die Ablehnung eines neuen Kohlekraftwerkes zu bekunden.“ Grubert ist aus Protest gegen das Kohlekraftwerk bereits zweimal in einen Hungerstreik getreten, zuletzt fünf Wochen lang. Außerdem haben zusätzlich 11 Bürgerinnen und Bürger eine mehrmonatige Hungerstreik-Kette gebildet und sich ausschließlich von Wasser und Tee ernährt.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG): „Der Öffentlichkeit gegenüber feiert sich BAYER mit angeblichen Milliardeninvestitionen in den Klimaschutz als Umweltengel, vollzieht aber gleichzeitig eine Energiewende in die Steinkohle-Steinzeit. Wir fordern BAYER auf, die Zusammenarbeit mit schmutzigen Energie-Zulieferern zu beenden.“ Die CBG hatte aufgedeckt, dass die Behauptung von BAYER, den Ausstoß von Treibhausgasen bereits um 70% gesenkt zu haben, größtenteils auf Ausgliederungen von Unternehmensteilen und auf erhöhtem Fremdbezug von Energie basierte – also nur auf dem Papier stattfand. Die irreführende Behauptung wurde von BAYER daraufhin fallengelassen.

Angelika Horster vom BUND NRW: „Wir brauchen eine neue industrielle Revolution. Eine Revolution weg von der Dinosauriertechnologie der klimaschädigenden Kohlekraftwerke und hin zu einer effizienten, klimafreundlichen und menschenverträglichen Energiestruktur auf Basis der Erneuerbaren Energien. Als erstes benötigen wir hierfür ein Moratorium für den Bau neuer Klimakiller-Kraftwerke.“

Herbert Mommertz von der Bürgerinitiative Saubere Luft: „Unsere Region ist schon belastet genug. Wer will hier denn noch wohnen bleiben, wenn noch eine Dreckschleuder dazu kommt. Was will man uns, unseren Kindern und Enkeln noch alles zumuten?“

Claudia Leiße, Bezirksvertreterin und Regionalrätin der Grünen: „Nachdem der Regionalrat Düsseldorf mehrheitlich beschlossen hat, alle Gewerbe- und Industriegebiete als mögliche Standorte für weitere Kraftwerke zu öffnen, wird es schwer werden, die Entwicklung der Energieversorgung in NRW zu steuern. Die Kommunen sind nun ganz auf sich gestellt und der Druck wird enorm wachsen. Ich drücke Krefeld die Daumen, dass der Widerstand hält.“

Klaus-Dieter Drechsler, Vorsitzender des Bürgerverein Mündelheim 1988 e.V.: „Es wird höchste Zeit umzudenken, uns nicht immer nur von wirtschaftspolitischen Interessen leiten zu lassen, sondern deutlich mehr die Erhaltung unseres Lebensraumes bei allen Entscheidungen in den Vordergrund zu stellen! Nur so erhalten wir langfristig eine gesunde und lebenswerte Umwelt. Ich wünsche uns, dass sich diese Einsicht mehr und mehr durchsetzt - auch jetzt in Krefeld.“

Demonstration: 13. Dezember, 16.30 Uhr, Seidenweberhaus Krefeld

weitere Informationen:
www.uerdinger-kohlekraftwerk.de/
www.bund-nrw.de/trianel_krefeld.htm

[Köhler Schnura] Gründer CBG

CBG Redaktion

Presse Information vom 7. Dezember 2007

Gründer der Coordination gegen BAYER-Gefahren

Axel Köhler-Schnura für Talcid-Preis für Bürgerengagement nominiert

Axel Köhler-Schnura, Gründer der konzernkritischen Coordination gegen BAYER-Gefahren, wurde für den Talcid-Preis für Bürgerengagement nominiert. Der Förderpreis soll „Projekte auszeichnen, die zum Gemeinwohl beitragen und damit den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken“. Der Preis wird von der Bayer Vital GmbH sowie der Stiftung Bürger für Bürger gestiftet. Köhler-Schnura hat angekündigt, das etwaige Preisgeld für BAYER-kritische Kampagnen einzusetzen.

In der Nominierung heißt es: „Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hat es sich zur Aufgabe gemacht, die vom BAYER-Konzern ausgehenden Risiken weltweit zu dokumentieren und durch öffentlichen Druck soweit wie möglich abzustellen. Axel Köhler-Schnura hat den Verband, der weltweit mit 10.000 Partnern in mehr als 40 Ländern kooperiert, 1978 gegründet und hat in den vergangenen 30 Jahren zahlreiche Verstöße des Konzerns gegen Gesetze und Selbstverpflichtungserklärungen publik gemacht. Gemeinsam mit den Betroffenen setzt er sich für sichere Produkte und Produktionsbedingungen bei BAYER, für Umweltschutz und finanzielle Wiedergutmachung von Geschädigten ein.“

Axel Köhler-Schnura ist zudem Mitgründer des Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU), des Pestizid Aktions-Netzwerks (PAN), des Dachverbands Kritischer Aktionäre sowie der Stiftung ethecon.

In einem bundesweit beachteten Prozess verteidigte Axel Köhler-Schnura das Recht auf freie Meinungsäußerung gegen den Zugriff großer Unternehmen. Das Urteil in dem sechsjährigen Verfahren sprach das Bundesverfassungsgericht 1992 unter dem damaligen Vorsitzenden Roman Herzog. Roman Herzog ist Schirmherr der Stiftung Bürger für Bürger, die den Förderpreis vergibt.

DER SPIEGEL: Darf dem Bayer-Konzern grenzenlose Profitgier vorgeworfen werden? Das Verfassungsgericht sagt ja

[Müll] Müllverbrennung

CBG Redaktion

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren unterstützt den Widerstand gegen die geplante Müllverbrennungsanlage auf dem Gelände von Bayer Brunsbüttel und ruft zu Einwendungen auf. Einwendungen können bis zum 3. Januar eingereicht werden. Anbei ein Muster-Text:

Einwendung gegen das „Industrieheizkraftwerk“ auf dem Gelände der Bayer AG

Durch die geplante Müllverbrennungsanlage werde ich in meinem Recht auf körperliche Unversehrtheit verletzt.
Über den Kamin werden große Mengen an Staub, Schwermetallen, aromatischen Kohlenwasserstoffen bis hin zu Dioxinen und Furanen freigesetzt. Sie werden eingeatmet und gelangen über die Nahrungskette (Garten, landwirtschaftliche Produkte) in den Körper. Sie verursachen Krebs, Allergien, Asthma, Herz-Kreislauf-Beschwerden, schädigen die Atemwegsorgane, das Immunsystem, das Nervensystem und das ungeborene Kind im Mutterleib.
Die Effektivität der Rückhaltesysteme ist weit unterhalb der best verfügbaren Technik. Es ist skandalös, dass sich der Bayer Konzern, der auch Arzneimittel verkauft, von einer derart gesundheitsschädlichen Anlage mit Wärme beliefern lassen will. Wärme, die von den geplanten Kohlekraftwerken ungenutzt in die Elbe geleitet wird.
Für die Müllverbrennungsanlage besteht kein Bedarf. Sie wird nicht für die Entsorgung norddeutschen Mülls benötigt. Sie wird Müll aus dem Ausland verbrennen.
Besonders gefährliche Umweltgifte werden bei Störfällen frei: Brand im Müllbunker, Freisetzen von Ammoniak, Platzen der Filterschläuche, unvollständige Verbrennung.
Die vorgesehene Kontrolle des angelieferten „Brennstoffs“ ist unzureichend.
Die Messung der frei werdenden Schadstoffe muss, so weit wie technisch möglich, kontinuierlich erfolgen; insbesondere von Quecksilber und Dioxinen.
Die Messung der Vorbelastung ist äußerst lückenhaft, die Wetterdaten unzutreffend, das Ausbreitungsmodell fehlerbehaftet, der zusätzliche LKW-Verkehr erheblich.
Weitere Einwendungen behalte ich mir vor. Es ist dringend erwünscht, eine ganz persönliche Einwendung zu schreiben.
Als Ansprechpartner für die Behörde benenne ich (falls nötig) K. Hinrichsen, Dorfstr. 15, 25576 Brokdorf. Die ausgefüllten Listen spätestens bis zum 31.12. 2007 zurück an K. Hinrichsen.

Name, Vorname Anschrift leserliche Unterschrift

[Krefeld] Klimakiller

CBG Redaktion

5. Dezember 2007, Rheinische Post

CDU Krefeld: Nein zum Kraftwerk

Die Christdemokraten wollen die Bebauungspläne so ändern, dass das geplante Steinkohlekraftwerk nicht mehr gebaut werden kann. Mit dem Koalitionspartner FDP ist das nicht abgesprochen. Der ist verärgert.

Der Planungsausschuss soll heute einen Dringlichkeitsantrag der CDU beschließen. Darin wird der Bau eines Steinkohlekraftwerks mit einer Leistung von 850 Megawatt (MW) abgelehnt. Solch ein Kraftwerk sei „mit den städtebaulichen Zielsetzungen der Stadt Krefeld, insbesondere der Begrenzung der Feinstaubbelastung, nicht in Einklang zu bringen“, heißt es in dem Antrag, der der RP vorliegt. Darüber hinaus soll geprüft werden, ab welcher Größe Kraftwerke die Entwicklung des Hafens durch Feinstaubbelastungen beeinträchtigen.
Uerdingens Bezirksbürgermeister Elmar Jakubowski (CDU) zeigte sich gestern erfreut über diesen Antrag. „Das Nein zu einem Kraftwerk in dieser Größe ist endgültig“, sagte er. Ein Problem für Bayer sieht er nicht. „Was Bayer braucht, soll Bayer auch haben.“ Aber ein Kohlekraftwerk bringe Belastungen und Emmissionen. Davon habe Krefeld durch die Müllverbrennungsanlage, die A 57 und den Eisernen Rhein schon genug. Krefeld könne eine Verdoppelung seines CO2-Ausstoßes nicht hinnehmen. Die Stadt wolle die Hafenentwicklung vorantreiben. Wenn durch ein Kraftwerk die Feinstaubbelastung im Hafen weiter ansteige, sei damit das Wachstum des Hafens gehemmt.
Hintergrund des CDU-Antrags ist eine Änderung des Genehmigungsverfahrens für Kraftwerke, die der Regionalrat morgen beschließen wird. Nach dieser Änderung muss ein Kraftwerk nicht mehr explizit vom Regionalrat genehmigt werden, sondern kann prinzipiell in jedem Gewerbegebiet errichtet werden.
SPD-Fraktionschef Ulrich Hahnen äußerte heftige Kritik an dem Antrag der CDU. „Dieser Antrag steht in der Reihe der Entscheidungen, möglichst nichts am Wirtschaftsstandort Krefeld zu tun.“ Die wirtschaftliche Entwicklung am Standort stagniere seit Jahren. Die CDU beabsichtige offensichtlich nicht, den Wirtschaftsstandort Krefeld weiterzuentwickeln.
Die SPD habe sich mit ihren Anträgen für ein Kraftwerk ausgesprochen, gleichzeitig dem Erbauer Trianel und dem Bayer-Werk deutliche Vorgaben gemacht. „Damit wären Ökologie und Ökonomie in Einklang gebracht“. Die Entscheidung der CDU sei ökologisch nicht sinnvoll. Denn CO2-Ausstoß sei ein globales Problem. Bei einem Kraftwerk auf dem Bayer-Gelände werde durch die gleichzeitige Nutzung des Dampfes die Energie effiziente genutzt als an anderen Standorten.

Nicht mit FDP geredet.
Die CDU braucht im Rat einen Partner, um eine Mehrheit für ihren Antrag zu bekommen. Salomonisch formulierte Jakubowski: „Diejenigen, die unsere Befürchtungen zum Kraftwerk teilen, werden zur Erkenntnis kommen, dass unser Antrag vernünftig ist. Ich bin überzeugt, dass es viele vernünftige Leute im Rat gibt.“ Mit der FDP hatte die CDU gestern nicht geredet. VON DIETER HILLA

weitere Infos zu den Protesten gegen das geplante Kraftwerk

5. Dezember 2007, Westdeutsche Zeitung

Aus für das Kraftwerk ist so gut wie besiegelt

Entscheidung: Die CDU zementiert das Nein zum Milliardenprojekt und will schon Mittwochabend Fakten schaffen.

Krefeld. Das Aus für das Steinkohlekraftwerk in Uerdingen ist offenbar besiegelt. Die CDU hat gestern entschieden, den Trianel-Plänen für das Milliardenprojekt am Uerdinger Chemiepark nicht zuzustimmen. Nachdem die Partei in den vergangenen Wochen intern Für und Wider einer 750-Megawatt-Anlage intensiv diskutiert hatte, will sie jetzt blitzschnell Fakten schaffen: Schon für die heutige Sitzung des Planungsausschusses ist ein Dringlichkeitsantrag vorgelegt worden, durch den ein Groß-Kraftwerk am Bayer-Areal künftig komplett ausgeschlossen werden soll.
Wie der CDU-Ratsherr und Uerdinger Bezirksvorsteher Elmar Jakubowski gestern Abend gegenüber der WZ erklärte, soll der Planungsausschuss heute zwei Bebauungspläne ändern. Diese gelten für das Gebiet, auf dem Trianel und Bayer das 750-Megawatt-Kraftwerk bauen wollen. Die Investoren hatten eigentlich darauf gesetzt, dass eine Änderung zu ihren Gunsten erfolgt. Das Gegenteil soll nun der Fall sein: Nach Angaben Jakubowskis ist Ziel, die Bebauungspläne an den Beschluss des Hauptausschusses vom 8.März anzupassen. Da hatten sich die Politiker mit deutlicher Mehrheit - außer der FDP - gegen den Bau des Steinkohlekraftwerks ausgesprochen.
Lediglich die SPD legte seither eine Kehrtwende hin. Aber selbst gemeinsam mit der FDP findet sich keine Mehrheit für das 750-Megawatt-Projekt, das Bayer als wichtigen Faktor für die Sicherung des Standorts in Uerdingen bezeichnet. Auch der Landtag hatte sich zuletzt mit deutlicher Mehrheit für den Bau ausgesprochen.

Signal an den Regionalrat, der morgen entscheidet
Dass die CDU so plötzlich Druck macht und bereits heute einen Beschluss haben will, hat vor allem einen Grund: Morgen tagt der Regionalrat in Düsseldorf, der Kraftwerksbauten in Industriegebieten grundsätzlich möglich machen will. Dadurch fiele eine erste Hürde für die Pläne in Uerdingen. Die Stadt hält bei alledem aber das Zepter weiter in der Hand. Egal, wie die Entscheidung in Düsseldorf also ausfallen sollte: Ohne Krefelder Zustimmung sind die Pläne nicht zu realisieren. Eine Entscheidung des Planungsausschusses zu diesem Zeitpunkt dürfte deshalb vor allem als Signal zu verstehen sein. Gleichwohl wird das Nein, wenn auch der Stadtrat zustimmt, damit endgültig zementiert. Es sei denn, die Bebauungspläne werden irgendwann erneut geändert.
Jakubowski führt zur Begründung der CDU-Entscheidung vor allem in der Vergangenheit vorgetragene Bedenken an: Zusätzliche Schadstoffe in einer ohnehin stark belasteten Region und den Klimakiller CO2. „Die Wirtschaftlichkeit kann nicht alles sein. Es darf nicht nur um Geld gehen, sondern auch um die Menschen und die Umwelt.“ Ein kleines Kraftwerk, möglicherweise mit Gas betrieben, will er nicht grundsätzlich ausschließen. Er bestätigte, dass hier auch über ein 200-Megawatt-Kraftwerk gesprochen werde, das die Bedürfnisse von Bayer abdecken könnte. Der Konzern hatte aber eine kleine Lösung ebenso wie Trianel aus wirtschaftlichen Gründen abgelehnt.
Von Mirko Braunheim

[Kartelle] Preisabsprachen

CBG Redaktion

Presse Info, 5. Dezember 2007
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Kautschuk-Kartell von BAYER, Dow, ENI, DuPont

Preisabsprachen: Strafrechtliche Konsequenzen gefordert

Erneut hat der BAYER-Konzern die Beteiligung an einem langjährigen Preiskartell zugegeben. Gemeinsam mit den Firmen ENI, DuPont, Dow, DuPont, Denka und Tosoh hat das Leverkusener Unternehmen von 1993 bis 2002 Liefermengen und Preise für Chloropren-Kautschuk abgestimmt. Chloropren ist ein synthetischer Kunststoff, der zur Herstellung von Kabeln, Schläuchen, Kondomen und Schuhsohlen verwendet wird.

Die EU-Kommission verhängte Strafen von insgesamt 243,2 Mio Euro. BAYER als Wiederholungstäter hätte eigentlich eine Buße von 200 Mio Euro erhalten. Die Firma blieb wegen einer Kronzeugenregelung jedoch straffrei.

„Es geht bei diesen Preis-Kartellen um Summen in dreistelliger Millionenhöhe. Es ist undenkbar, dass Entscheidungen in dieser Größenordnung ohne Wissen des Vorstands getroffen werden. Der Vorstandsvorsitzende und sein Vorgänger müssen persönlich in Haftung genommen werden. Erst wenn die verantwortlichen Manager Gefängnisstrafen fürchten müssen, kann von einem abschreckenden Effekt ausgegangen werden“, so Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG). Aus juristischer Sicht handelt es sich bei den Kartell-Strafen bloß um Bußgelder für Ordnungswidrigkeiten. Die CBG fordert die Politik daher auf, entsprechende Straftatbestände für Vorstandsmitglieder von Konzernen und ein allgemeines Unternehmensstrafrecht zu schaffen.

Nach Einschätzung der Coordination gegen BAYER-Gefahren bleibt die Mehrzahl illegaler Preisabsprachen unentdeckt. „Die Zeche zahlen Verbraucher und Steuerzahler“, so Mimkes weiter. „Es ist nicht einzusehen, dass die Verantwortlichen für Millionen-Betrügereien nicht strafrechtlich belangt werden.“ Die CBG stellte im vergangenen Jahr Strafanzeige gegen die Vorsitzenden von Vorstand und Aufsichtsrat des BAYER-Konzerns. Die Staatsanwaltschaft Köln hatte die Aufnahme eines Ermittlungsverfahrens jedoch mit teilweise absurden Begründungen abgelehnt. So hieß es in dem Ablehnungs-Bescheid, „es ist in Anbetracht des Umstandes, dass viele namhafte Unternehmen an den Absprachen beteiligt waren davon auszugehen, dass diese Vereinbarungen lediglich (!) in der Absicht einer sicheren Gewinnmaximierung getroffen wurden.“

Eberhard Reinecke, Anwalt der CBG: „Es handelt sich bei den aufgeflogenen Kartellen nicht um Ausrutscher, sondern um systematische Geschäftspolitik. Daher kann die Argumentation der Staatsanwaltschaft Köln nur als merkwürdig bezeichnet werden. Große Unternehmen werden hierdurch zu illegalen Handlungen geradezu ermutigt.“

weitere Kartelle mit BAYER-Beteiligung
Absprache von Aspirin-Preisen

Von 1996 bis 2001 sprach der Leverkusener Konzern mit den Konkurrenten Flexsys und Crompton die Preise für Kautschuk-Chemikalien ab. Die EU-Kommission verhängte ein Bußgeld von 58,88 Mio Euro, in den USA zahlte BAYER zusätzlich 66 Mio Dollar

Im Herbst 2004 wurde BAYER in den USA zu einer Strafe von 33 Mio Dollar verurteilt. Zwischen 1998 und 2002 hatte sich der Konzern an einem Kartell für Polyole beteiligt

ebenfalls im Herbst 2004 wurde BAYER zu einer Strafe von 4,7 Mio Dollar verurteilt; hierbei ging es um Preisabsprachen beim Verkauf von Acrylonitril;

im Oktober 2005 wurde Bayer in Portugal und Brasilien zu Kartellstrafen verurteilt. In beiden Fällen ging es um Pharmazeutika. Die Strafe in Portugal betrug rund 5 Mio Euro, die Laufzeit des Kartells dort war 2001-2004 Infos zu dem Fall in Brasilien

in den USA hat BAYER über Jahre hinweg bei Lieferungen an die staatlichen Gesundheitsprogramme „Medicare“ und „Medicaid“ falsche Preise gemeldet. BAYER zahlte die Rekord-Strafe von 257 Mio Dollar

in Italien hat Bayer mit Konkurrenzfirmen die Preise für Diabetes-Tests abgesprochen. Bayer und vier weitere Unternehmen wurden 2003 zu Strafen von insg. 30 Mio verurteilt. Das Kartell lief von 1996 bis 2001 (www.cbgnetwork.de/1209.html)

1997 wurde die damalige BAYER-Tochter Haarmann+Reimer zu 50 Mio Dollar Strafe verurteilt, hinzu kamen Klagen von geschädigten Firmen. H+R hatte von 1991 bis 1995 den Preis für Zitronensäure mit Konkurrenten abgestimmt

Bereits in den 80er Jahren beteiligte sich BAYER an einem europaweiten Kartell für den Kunststoff Polyethylen. Preise und Quoten der Kartell-Teilnehmer wurden vorab exakt abgestimmt.

Lesen Sie auch die Anzeige gegen BAYER im Wortlaut

[Lobbycontrol] Meinungsfreiheit

CBG Redaktion

Gerhard Schröder hat den Verband LobbyControl abmahnen lassen. In einem ähnlichen Fall entschied das Bundesverfassungsgericht zugunsten der Coordination gegen BAYER-Gefahren, daher dürfte auch LobbyControl nichts zu befürchten haben. Das vollständige Urteil sowie ein Artikel des SPIEGEL finden sich hier.

04.12.2007 Indymedia

Schröder mahnt lobbycontrol ab

Ex-Kanzler Gerhard Schröder hat das Internetblog lobbycontrol.de mit einer Konstennote von 1200 Euro abmahnen lassen. Dies hatte eine Studie zu den heutigen Tätigkeiten des ehemaligen rot-grünen Kabinetts veröffentlicht.

In der sog. „Drehtür-Studie“ wurde von einer Beratertätigkeit Schröders für das chinesische Außenministerium berichtet. Diese Information basiert auf einer Information des Nachrichtenmagazins Spiegel.
Da der Spiegel aber wohl nicht ganz Schröders Kragenweite ist, hat er LobbyControl in der Abmahnung mit weiteren juristischen Schritten gedroht.

LobbyControl schreibt dazu: „Das Absurde daran ist, dass wir Schröder im Vorfeld der Studie angefragt hatten, welche Berater-Tätigkeiten er ausübt. In der Anfrage war die vermeintliche Beratertätigkeit für das chinesische Außenministerium explizit erwähnt. ... Er hätte diesen Punkt also einfach im Vorfeld klären können, verweigerte jedoch jegliche Angabe – um danach mit dem Anwalt zu drohen, der dafür 1200 Euro Abmahngebühren fordert (die wir nicht zahlen wollen…).“

Das Bundesverfassungsgericht hat im Fall „Bayer-Aktionäre“ einen ähnlichen Fall bereits aufgegriffen und eindeutig zu Gunsten des Veröffentlichers entschieden. Es machte deutlich, dass „die Anforderungen an die Darlegungspflicht überspannt (werden), wenn jemand, der eine herabsetzende Behauptung über Dritte aufstellt, die nicht seinem eigenen Erfahrungsbereich entstammt und seine eigenen Überprüfungsmöglichkeiten übersteigt, sich zur Begründung seiner Behauptung nicht auf unwidersprochene Pressemitteilungen beziehen darf.“
Um so mehr ist davon auszugehen, dass Ex-Kanzler Schröder hier wohl nur den Urheber der Studie mit Repressionen belegen möchte.

[Antwerpen] Klima GAU

CBG Redaktion

Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) NRW
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Presse Information vom 29. November 2007

geplantes Kohlekraftwerk von E.ON in Antwerpen

„Kein Export von Klima-Killern!“

Der NRW-Landesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND NRW) und die Coordination gegen BAYER-Gefahren kritisieren die heute bekannt gegebene Absicht des Energie-Riesen E.ON, in Antwerpen ein neues Steinkohlekraftwerk zu bauen. Das Kraftwerk mit einer Leistung von 1100 MW soll auf dem dortigen Werksgelände des BAYER-Konzerns gebaut werden. Das Leverkusener Chemie-Unternehmen würde auch zu den Abnehmern des erzeugten Stroms gehören.

Dirk Jansen vom BUND: „Bei der Kohleverstromung wird pro erzeugter Kilowattstunde mehr Kohlendioxid ausgestoßen als bei jedem anderen Energieträger. Wir lehnen es ab, dass nordrhein-westfälische Unternehmen wie E.ON solche unzeitgemäßen Kraftwerke nun auch noch exportieren.“ Der Wirkungsgrad des geplanten Kraftwerks läge bei nur 46 Prozent, mehr als die Hälfte der verfeuerten Kohle würde ungenutzt verpuffen.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG): „Erneut will sich der BAYER-Konzern am Bau eines Klima-Killers beteiligen. Damit konterkariert das Unternehmen sein vollmundiges Versprechen, „im Klimaschutz neue Maßstäbe“ setzen zu wollen. Wie will BAYER zum Klimaschutz beitragen, wenn das Unternehmen bei seinen Zulieferern auf Steinzeit-Technologie setzt?“ In Krefeld-Uerdingen plant BAYER gemeinsam mit der Firma TRIANEL den Bau eines umstrittenen Steinkohlekraftwerks. Das Kraftwerk, das auf dem BAYER-Werksgelände in Krefeld gebaut und von der BAYER-Tochter BIS betrieben werden soll, würde jährlich 4,4 Millionen Tonnen Kohlendioxid und jeweils 4000 Tonnen Schwefeldioxid und Stickoxide emittieren. Wie auch in Antwerpen soll das Kraftwerk mit Kohle aus Übersee befeuert werden.

BUND und CBG bezeichnen die Aussage von E.ON, das neue Kraftwerk spare 25 Prozent CO2-Emissionen, als irreführend, da im Gegenzug keine alten Kraftwerke abgeschaltet würden. Tatsächlich würden etwa 6 Millionen Tonnen CO2 zusätzlich emittiert, bei einer Lebensdauer des Kraftwerks von 40 – 60 Jahren bis weit in die zweite Hälfte des Jahrhunderts hinein.

BUND und CBG rufen zur Teilnahme an der Klima-Demonstration am 8. Dezember in Grevenbroich-Neurath auf.

Klima Aktionstag am 8. Dezember: www.die-klima-allianz.de

BUND-Pressesprecher: Dirk Jansen, Telefon: 0211 - 302005-22, Fax: -26, www.bund-nrw.de

Weitere Informationen zu Klima-Emissionen von BAYER

IG Farben

CBG Redaktion

26. November 2007 / junge Welt

Plumpe-Wissenschaft

Wie willige Professoren in der „Gesellschaft für Unternehmensgeschichte“ ihre Corporate identity fanden und was sie heute zwischen zehn und achtzehn Uhr bei der Bayer AG in Leverkusen treiben
Von Otto Köhler

Man muß auch irren können. Ich jedenfalls kann. Gründlich. Ich habe über Professor Dr. Werner Plumpe vor achtzehn Tagen hier an diesem Ort (jW v. 8.11.2007) etwas geschrieben, was mit Sicherheit nicht stimmt, ja einer Verleumdung gleichkommt. Doch davon später.

Heute morgen wird er erst einmal durch die - wie denn sonst - Kaiser-Wilhelm-Allee zum Kommunikationszentrum der Bayer AG in Leverkusen kommen und dort um 11.15 Uhr den Jubiläumsvortrag halten und am Nachmittag um 16.30 die Diskussion moderieren. Das Bayer-Archiv wird 100, ach was: „100 Jahre Corporate History & Archives. Bayer - eine spannende Geschichte“. So heißt die Tagung des eingetragenen Vereins „Gesellschaft für Unternehmensgeschichte“, dessen Vorstandsmitglied Plumpe ist und dessen „Wissenschaftlichen Beirat“ er sogar als Vorstandsvorsitzender anführt, als CEO, wie man heute korrekt sagt.

Unternehmensgeschichte, nein „Corporate History“, wie diese Tagung es nennt, und das ist die viel plausiblere Bezeichnung, also diese Art von Wissenschaft findet seit drei Jahrzehnten in der „Gesellschaft für Unternehmensgeschichte“ ihre Heimat. Sie wurde am 10. Juni 1976 - mit dem allerhöchsten Segen und der nachdrücklichen Forderung von Hermann Josef Abs, dem großen alten Ackermann der Deutschen Bank im Krieg und Nachkrieg - als Kampforganisation gegen politisch falsche Geschichtsdeutungen gegründet. Sie sollte der „Gegenpol“ sein zur „marxistisch orientierten Betriebsgeschichte der DDR“ und „zu ideologisch befrachteten Historikern in West-Deutschland“. Mit der Gründung der „Gesellschaft für Unternehmensgeschichte“ wurde - das verriet zu ihrem 20jährigen Jubiläum einer ihrer umtriebigsten Funktionäre, der damalige FAZ-Mitherausgeber Jürgen Jeske - „die Unternehmensgeschichte gewissermaßen privatisiert“.

Inzwischen sind die falsch orientierten Historiker aus dem Osten längst abgewickelt und die befrachteten Historiker im Westen weitgehend vereinnahmt. Und da andererseits auch - wie man ein Jahr später auf einer Tagung nahezu fröhlich versicherte - die Unternehmer gestorben sind, die in der NS-Zeit tätig waren, und auch die von ihnen beeinflußten Nachfolger meist schon pensioniert wurden, konnte man sich endlich mit Schwung des leidigen Themas annehmen.

Vereinsziel: Weißwäscherei
Diese Tagung, Titel „Unternehmen im Nationalsozialismus“, wagte die „Gesellschaft für Unternehmensgeschichte“ im Sommer 1997. Das Ambiente war gut gewählt. Man traf sich im Poelzig-Bau, wie die Gesellschaft schamhaft die IG-Farben-Festung an der Frankfurter Grüneburg nannte. Dort also, von wo der „Rat der Götter“ (interne Eigenbezeichnung für die IG-Farben-Spitze) seine Beihilfe leistete, um den Führer auf den rechten Weg zu bringen (jW v. 19.11.2007). Der zweite Gesamtleiter der Tagung, Professor Manfred Pohl, festangestellter Historiker der Deutschen Bank - er war, das fügte sich so, Schatzmeister der „Gesellschaft für Unternehmensgeschichte“ -, hatte dafür gesorgt, daß das Arbeitspult des Hermann Josef Abs herbeigeschafft wurde, damit die freie Rede der eingeladenen Historiker vom richtigen Standpunkt aus erschalle.

Doch bei Henry A. Turner, dem wohlgeratenen Historiker von der Yale University, hätte es des Abs-Pultes nicht bedurft. Er wußte damals schon lange, was richtig ist, und verstand es vorzüglich, sein eigentlich entlarvendes Wissen über die Unternehmer im Dritten Reich so zu trimmen, daß irgendwie ein Widerstand gegen Hitler dabei rauskam. Oder wenigstens ein Zustand der vergewaltigten Unschuld. Nur einige seien in die Verbrechen des Regimes „verwickelt“ worden.

Turners Einführungsvortrag zur Tagung geriet zum Freispruch für das deutsche Unternehmertum. Es habe bei den Ereignissen, die Hitler zur Macht brachten, keine nennenswerte Rolle gespielt. Die Unternehmer seien allenfalls Mitläufer gewesen. Denn ihnen sei es nun einmal so gegangen wie allen anderen Berufsgruppen auch: Sie wurden - da muß man sie schon bedauern - „immer tiefer in den moralischen Sumpf des Dritten Reiches gezogen“. Aber, so erfreute Turner seine Zuhörer, auch bei ihm in den USA habe es nun einmal die ethische Maxime „My country, right or wrong“ gegeben. Und da wäre es „anachronistisch“, würde man die deutschen Unternehmer nachträglich mit „Maßstäben von heute“ richten. Nicht jeder habe nun einmal das Glück gehabt, so beendete Turner seinen Vortrag mit dem Zitat eines Industriellen, „durch vier jüdische Großeltern“ davor „geschützt“ zu sein, „in die Sünden des Nationalsozialismus“ hineinzuschliddern. Diese Juden, mußte das Unternehmerpublikum sich da sagen, haben es doch immer verstanden, sich Vorteile zu verschaffen.

Henry James von der Princeton University, der gerade als Herausgeber eines als „kritisch“ angekündigten Bandes über die „Deutsche Bank“ hervorgetreten war, hatte am Abs-Pult einen festen Stand. Zwar war an die Handakten von Hermann Josef Abs, die die Deutsche Bank nach der siegreichen Wende aus den Archiven der DDR reprivatisierte und in ihre Frankfurter Verliese schaffte, nicht heranzukommen. Doch das Abs-Pult vermittelte dem Historiker aus Princeton das richtige Feeling. Er räumte ein, daß die Banken bei der Arisierung jüdischen Vermögens „schwere moralische Schuld“ auf sich geladen hätten - die Deutsche Bank etwa sei an der Arisierung von 330 Unternehmen beteiligt gewesen. Undankbar aber dürfen die Juden trotzdem nicht sein - es war ein echter Service. Denn, so James: „Hätten die Banken nicht in Deutschland den Verkauf von Vermögenswerten vermittelt, wäre es für die Opfer nationalsozialistischer Verfolgung noch schwieriger gewesen, wenigstens den sehr dürftigen Anteil zu retten, den sie nach den staatlichen Bestimmungen behalten und ins Ausland transferieren durften.“

Ein Jahr später, 1998, wurde es trotzdem für die deutschen Unternehmen ungemütlich. Tagungsleiter Jeske veröffentlichte in seinem Blatt den Leitartikel „Die Unternehmen, die Schuld und das Geld“, in dem er die „Rechtsauffassung“ für durchgesetzt erklärte, daß „die Betriebe im Auftrag der Gefangenenverwaltung“ handelten. Die Nazischergen hätten sie gezwungen, Sklavenarbeiter zu beschäftigen. Der FAZ-Mann von der „Gesellschaft für Unternehmensforschung“ schrie nach „Rechtsfrieden“, nach dem „Schutz vor neuerlichen Klagen mit Hilfe der amerikanischen Regierung“. Und er beteuerte: „Die heutigen Unternehmen verdanken ihren ›Reichtum‹, auf den man so gern verweist, in erster Linie der Aufbauleistung nach dem Krieg und nicht der Zwangsarbeit.“

Jeskes Vereinskollege Manfred Pohl, der Chef des Historischen Instituts der Deutschen Bank, wußte in der FAZ von Unternehmern zu berichten, die gerade in den USA waren, daß „ihnen ein ziemlich kalter Wind entgegenbläst“, von „Anzeigenkampagnen“ der Opferanwälte, die „durchaus Wirkung gezeigt haben“. Man müsse befürchten, „daß verschiedene amerikanische Staaten, wie Kalifornien das ja teilweise schon gemacht habe, Gesetze auf den Weg bringen, die das Ganze noch verschärfen werden“.

Jetzt sollte der Jude büßen, der bekanntlich immer noch hinter allem steckt: „Es könnte natürlich in Deutschland eine neue Welle von Antisemitismus entstehen“, drohte Manfred Pohl, der für die Finanzierung der „Gesellschaft für Unternehmensforschung“ sorgte. Drei Tage später echote die Welt-Schlagzeile aus der Hauptstadt der Berliner Republik: „Die antisemitische Stimmung in Deutschland wächst.“ Konnten die Unternehmer etwas dazu, daß diese Juden unter den Zwangsarbeitern dem Mordprogramm „Vernichtung durch Arbeit“ nicht zum Opfer fielen? Daß sie immer noch leben? Und jetzt wollen sie auch noch Geld.

Es half alles nichts. Die deutsche Industrie konnte sich nicht länger aus der Affäre ziehen, ohne einen gewaltigen Einbruch ihres Exports in die USA zu riskieren. Plötzlich gab es „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“, jene Stiftung, der es gelang, die Zwangsarbeiter mit einem Almosen abzuspeisen. Doch die „Gesellschaft für Unternehmensforschung“ muß sich auch heute noch ihrem Gesellschaftsziel widmen: der Weißwäscherei.

Kollegen unter sich
Es ist inzwischen 11.15 Uhr, heute, am 26. November 2007, im Bayer-Kommunikationszentrum zu Leverkusen. Professor Werner Plumpe - sein Titel ist echt, er hat einen richtige Lehrstuhl an der Johann Wolfgang Goethe-Universität, und ich komme gleich zu meinem unverzeihlichen Irrtum - Professor Plumpe schreitet zum Rednerpult und spricht über „Carl Duisberg und das moderne Unternehmen“. Was er sagt, weiß ich noch nicht, wohl aber weiß ich sehr genau, was er nicht sagen wird. Und hoffe trotzdem, daß er mich darin widerlegt.

Plumpe wird nicht über Carl Duisbergs Leidenschaft für Kriegsprofite reden, die wir schon kennen (jW v. 8.11.2007) und die er als die „tiefsten Geheimnisse unserer Privatwirtschaft“ gewahrt wissen wollte. Plumpe wird nicht über den Gaskrieg im Ersten Weltkrieg sprechen, den Duisberg zusammen mit dem späteren Chemienobelpreisträger Fritz Haber initiiert hat. Aus Patriotismus und weil man mit den Chemieabfällen der Bayer-Fabriken etwas Nützliches anfangen mußte. Bei den Gas-Versuchen kam Duisberg selbst zu Schaden und hat das zum Dauerschaden seiner späteren Opfer überlebt.

Plumpe wird auch nicht über Duisbergs aggressives Expansionsprogramm sprechen, wie der Bayer-Chef 1931 „das europäische Problem von der Südostecke aus aufgerollt“ sehen wollte und dazu ein klares Programm verkündete: „Erst ein geschlossener Wirtschaftsblock von Bordeaux bis Odessa wird Europa das wirtschaftliche Rückgrat geben, dessen es zu seiner Behauptung in der Welt bedarf.“

Zehn Jahre später war der damalige Außenminister Joachim von Ribbentrop mit Hilfe der Wehrmacht stark engagiert bei der Verwirklichung dieses Programms und freute sich - etwas zu früh -, daß „der gesamte bisher neutrale Balkan sich im Lager der Ordnung“ befinde. Tatsächlich hat erst die „rot-grüne“ Regierung mit ihrer Bundeswehr entscheidende Schritte zur Verwirklichung des Duisberg-Programms getan, worüber Professor Plumpe heute gewiß nicht sprechen wird.

Aber vielleicht tut er es doch, und ich sollte ihm nicht schon wieder Unrecht tun. Ja, hier muß ich in aller Form Professor Werner Plumpe von der Johann Wolfgang Goethe-Universität um Entschuldigung bitten. Ich habe in dieser Zeitung behauptet (jW v. 8.11.2007), daß es ihn „betrüben“ könnte, wenn man ihn verwechselte mit Gottfried Plumpe von der Universität Bayer-Leverkusen (die hat ihn jahrelang „Professor“ genannt). Für meine Unterstellung gibt es, wie mich einer seiner Aufsätze, den ich vorher nicht gelesen hatte, überzeugte, nicht den geringsten Anlaß. Werner Plumpe hält Gottfried Plumpe für seinesgleichen. Der Frankfurter Professor betrachtet den „Professor“ als einen ganz normalen Wissenschaftskollegen, der schon gar nicht „die Sorte Literatur“ verfaßt, die „Bedenken in vielen Unternehmen gegenüber einer sogenannten kritischen Öffentlichkeit bestätigen“. Er hält ihn für einen ganz normalen Unternehmenshistoriker seiner Art.
„Auf meinen Antrag und ...“

Und das kommt so. Duisbergs Nachfolger als Vorsitzender des Aufsichtsrats der IG Farben wurde Carl Krauch, der IG-Farben-Mann, der schon im Ersten Weltkrieg mit Hilfe von Zwangsarbeitern in Leuna die Großanlage für die notleidende Munitionsproduktion auf zwangsenteignetem Bauernland aus dem Boden stampfte.

Wir sind aber jetzt bei Carl Krauch im Zweiten Weltkrieg. Professor Werner Plumpe schreibt: „Wie weit etwa der Einsatz von Zwangs- und Sklavenarbeit eigeninitiativ veranlaßt wurde, ist selbst im Fall des IG-Werkes in Monowitz umstritten.“ Und verweist dazu auf Gottfried Plumpes Buch über die IG Farben.

Aber da ist nichts umstritten. In seinem Buch behauptet Gottfried Plumpe, Carl Krauch habe im Nürnberger Prozeß verneint, jemals die Zurverfügungstellung von Zwangsarbeitern für das Werk in Auschwitz beantragt zu haben. Gottfried Plumpe: Es gebe „keine gegenlautende Aussagen oder Dokumente“. Doch das Dokument für Krauchs Antrag auf Zwangsarbeiter steht in seinem eigenen Buch. Es ist der prozeßbekannte Brief, den Krauch am 4. März 1941 an seinen für Auschwitz zuständigen Vorstandskollegen, den Giftgasexperten Otto Ambros, richtete: „Auf meinen Antrag und auf Weisung des Herrn Reichsmarschalls“ habe der Reichsführer SS unter dem 26. Februar angeordnet, daß der Aufbau des Werkes in Auschwitz „durch die Gefangenen aus dem Konzentrationslager in jedem nur möglichem Umfange zu unterstützen sei“.

„Umstritten“, wie Plumpe, Werner, behauptet wird der Einsatz von KZ-Häftlingen erst, weil Plumpe, Gottfried, die ersten vier Wörter des Briefes („Auf meinen Antrag und...“) in seinem Buch streicht und so den Einsatz von Zwangarbeitern in eine Idee des Reichsmarschalls Hermann Göring umfälscht. Er unterschlägt die vier Wörter des Satzanfangs, damit er behaupten kann, es gebe kein Dokument, in dem Krauch Zwangsarbeiter beantragt. Diese ist auch Gegenstand einer Auseinandersetzung zwischen Peter Hayes und Gottfried Plumpe. In einer Fußnote nennt Werner Plumpe sogar die entsprechenden Artikel. Aber hat er sie gelesen? Kaum, wie sonst könnte der Frankfurter Gelehrte in eben dieser Fußnote scheinbar neutral behaupten: „eine Eigeninitiative bei der Beschäftigung von Zwangsarbeitern“ sei nicht dokumentiert.

Ich muß also Werner Plumpe um Verzeihung bitten, daß ich unterstellte, er wolle mit dem Zitat-Fälscher Gottfried Plumpe nichts zu tun haben. Das ist falsch. Der Vorsitzende des „Wissenschaftlichen Beirats“ der „Gesellschaft für Unternehmensforschung“ solidarisiert sich offensichtlich mit Gottfried Plumpes tollkühner Zitattechnik.

Lob des Privateigentums
Doch der Plumpe mit dem echten Professorentitel zeigt auch sonst Mut im Umgang mit der Geschichte. Zusammen mit dem BASF-Federhalter Werner Abelshauser (jW v. 18.9.2007) gab er 2003 einen Sammelband heraus: „Wirtschaftsordnung, Staat und Unternehmen. Neue Forschungen zur Wirtschaftsgeschichte des Nationalsozialismus“. Ausgerechnet eine Festschrift für den kritischen Wirtschaftshistoriker Dietmar Petzina, die der so wirklich nicht verdient hat. In seinem Beitrag legt Werner Plumpe sein Glaubensbekenntnis zum Thema „Unternehmen im Nationalsozialismus“ ab - dort steht auch die Gottfried-Plumpe-Fußnote. Sein Bekenntnis hebt an mit einer feierlichen Verdammung der „englischen Salon-Marxisten und deutschen Emigranten“ und ihrer bösen Nachrede, „imperialistische Profitgier und Revolutionsangst“ hätten die große Industrie dazu gebracht, „auf die tyrannische Diktatur Hitlers und seinen Kriegskurs zu setzen“. Schlimmer noch: „Eine eigentümliche Allianz aus Marxisten und Liberalen, aus Sozialdemokraten und Vertretern der Frankfurter Schule“ habe „in den Nürnberger Nachfolgeprozessen die folgerichtige Konsequenz des Verhaltens der großen Firmen vor 1945“ gesehen.

Plumpe anathematisiert solche Thesen voller Mut, vielleicht sogar Übermut. Er sagt: „(...) das Kriegsende und die Besetzung Deutschlands“ hätte „das Karriereaus“ für „die Masse“ belasteter Unternehmer bedeutet. Und daran änderten auch „prominente Gegenbeispiele“ nichts, die „in der gegenwärtigen ›vergangenheitspolitischen‹ Inszenierung gleichwohl prominent herausgestellt“ würden. Dafür nennt er als Beispiel den von dem Historiker Norbert Frei herausgegebenen Sammelband „Karrieren im Zwielicht. Hitlers Eliten nach 1945“.

Professor Plumpe nennt kein einziges Beispiel für dieses „Karriereaus“ der belasteten Unternehmer. Und er erwähnt auch nicht, daß die rechtmäßig verurteilten Kriegsverbrecher aus der Industrie lange vor Verbüßung ihrer Strafen aus ihren Gefängnissen freigesetzt wurden. Und schon gar nicht, daß etwa Friedrich Flick, der dort auch viel zu kurz einsaß, unter seinen Kriegsverbrecherkollegen die Karrierechancen für die bundesdeutsche Zukunft verteilte. So etwas ist für die Corporate History, wie sie in Plumpes Verein betrieben wird, ohne Belang.

Allerdings gibt Plumpe zu: „Ein eigenständiges nationalsozialistisches Wirtschaftssystem, etwa im Sinne einer Planwirtschaft, Kommandowirtschaft, Befehlswirtschaft, Zentralverwaltungswirtschaft etc. existierte nicht. Der Nationalsozialismus respektierte grundsätzlich das Privateigentum und die Entscheidungsautonomie privater Unternehmer, wohl wissend, daß eine ›Verstaatlichung‹ großer Teile der Wirtschaft unweigerlich mit Effizienzverlusten verbunden sein würde.“

Nebenbei: Da hätte sich die bekannte zweite deutsche Diktatur, die DDR, eine Scheibe von abschneiden können, dann bestünde sie heute noch weiter und hätte nach ihrem auch noch friedlichen Ende nicht die Enteignung und Zerschlagung ihrer Wirtschaft hinnehmen müssen. Aber die Kommunisten hatten nichts, aber auch gar nichts aus ihrem Verbot 1933 gelernt, nicht einmal den Respekt vor dem Privateigentum der Konzerne.

Kapital und Nazis
Die Industrie hat jedoch irgendwie dazu beigetragen, daß den Nazis die Macht im Staat übertragen wurde? Professor Plumpe weiß von nichts, vielmehr: „(...) so wissen wir, daß führende Industrielle der chemischen und der elektrotechnischen Industrie keineswegs mit dem Nationalsozialismus liebäugelten.“ Von liebäugeln kann in der Tat keine Rede sein. Sie nutzten die Nazis und mußten sich dann auch von ihnen benutzen lassen.

Beispiel Chemie: Die IG Farben setzte nicht aus Liebe auf Hitler. Sie setzte auf ihn aus existentieller Not - nur er konnte sie noch aus der großen Krise erlösen, die ihr die verlustreiche Benzinsynthese aus Kohle eingebracht hatte (jW v. 8.11.2007).

Beispiel Elektrotechnik: Bei Siemens schätzte man nicht den „plebejischen“ Charakter der NSDAP, erkannte aber sehr wohl, wie nützlich deren Führer war: „Hitler hat seine wirklichen Anhänger zu starker Disziplin erzogen, um revolutionäre Bewegungen des Kommunismus zu verhindern“, verkündete Konzernchef Carl Friedrich von Siemens schon 1931 ganz offen in einer Rede vor US-Industriellen. Und im Freundeskreis Reichsführer SS, bei Heinrich Himmler, der alles Nötige für die Vernichtung des Kommunismus veranlaßte, traf man sich. Zuallererst die Vertreter von Chemie und Elektrotechnik. Das war ein geschäftiges Do, ut des (Ich gebe, damit Du gibst), bei dem die Industrie gewiß nicht zu kurz kam.

Plumpe will nicht sagen, daß die Industriellen Parteigänger der Nazis waren. Er will aber auch nicht sagen, daß sie vor ihnen kapitulierten. Er will nur sagen, daß alles so sein mußte, wie es war und dazu greift er sich den 1920 verstorbenen Soziologen Max Weber. Wozu? Um die Industrie zu verteidigen? Oder will uns Werner Plumpe klammheimlich andeuten - ich fürchte, ich verleumde ihn schon wieder -, daß es zwischen Großunternehmern und Faschismus eine ganz natürliche Kooperation gibt?

Ich weiß es nicht. Aber ich möchte schon wissen, warum und zu welchem Ende Plumpe in seiner Abhandlung über „Unternehmer im Nationalsozialismus“ Max Weber so zitiert: „Die Versachlichung der Wirtschaft auf der Basis der Marktvergesellschaftung folgt durchweg ihren eigenen Gesetzlichkeiten, deren Nichtbeachtung die Folge des ökonomischen Mißerfolgs, auf die Dauer des ökonomischen Untergangs nach sich zieht. Rationale ökonomische Vergesellschaftung ist immer Versachlichung in diesem Sinn, und einen Kosmos sachlich rationalen Gesellschaftshandelns kann man nicht durch karitative Anforderungen an konkrete Personen beherrschen. Der versachlichte Kosmos des Kapitalismus bietet dafür gar keine Stätte. An ihm scheitern die Anforderungen der religiösem Karitas nicht nur, wie überall im einzelnen.“

Das heißt, wenn man dies - wie Plumpe - auf das Thema „Unternehmer und Nationalsozialismus“ anwendet und eine unverblümte Ausdrucksweise nicht scheut: Für die Wirtschaft gibt es nicht besseres als einen ordentlichen Faschismus ohne Moral; der von Hitler hatte sich leider letztlich als etwas unordentlich erwiesen. Auschwitz aber, wo die IG Farben ihr mächtiges Bollwerk gegen den Osten errichtet hatte, war mit seinem Vergasungsbetrieb für die nicht mehr verwertbare Arbeitskraft rational, und von irgendwelcher caritas unbefleckt. Der versachlichte Kosmos des Kapitalismus schlechthin. Doch so etwas will Professor Plumpe nicht sagen. Zumindest sollte er sich in seinem Freundeskreis nie dabei erwischen lassen.

21.11.2007 / jW

Historikergott Hippokrates

Bisher galt der antike Grieche als Bezugsperson für Ärzte - jetzt dient er den Auftragsgeschichtsschreibern von Banken und Industrie als Eidhelfer für ihre heilende Forschung
Von Otto Köhler

In alle Häuser, in die ich komme, werde ich zum Nutzen der Kranken hineingehen, frei von jedem bewußten Unrecht und jeder Übeltat.
Was ich bei der Behandlung oder auch außerhalb meiner Praxis im Umgang mit Menschen sehe und höre, das man nicht weiterreden darf, werde ich verschweigen und als Geheimnis bewahren.
Wenn ich diesen Eid erfülle und nicht breche, so sei mir beschieden, in meinem Leben und in meiner Kunst voranzukommen, indem ich Ansehen bei allen Menschen für alle Zeit gewinne; wenn ich ihn aber übertrete und breche, so geschehe mir das Gegenteil.

Der Bielefelder kann auch mal Recht haben: Hans-Ulrich Wehler lobt gegen seine industrieexkulpatorische Veranlagung (siehe jW v. 3.8.2007) das neue Standardwerk „Ökonomie der Zerstörung“ des britischen Historikers Adam Tooze, für den das deutsche Großunternehmertum der „willfährige Partner“ Hitlers ist. Der vielerseits angesehene Oberhistoriker zählt die Tooze-Studie zur „Spitzengruppe außergewöhnlicher Forschungs- und Interpretationsleistungen“; bisher habe die westdeutsche Zeitgeschichte so etwas nicht hervorgebracht.

Richtig. Nur Tooze muß natürlich auch auf die Forschungen anderer in Ost - insbesondere „Die Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft“ von Dietrich Eichholtz - und West aufbauen. Dabei erwiesen sich manche der Westquellen, auf die sich Tooze beruft, als unzuverlässig: wie der US-amerikanische Historiker Peter Hayes (jW v. 27.8.2007), wie der Bielefelder Kollege und BASF-Federhalter Werner Abelshauser (jW v. 18.9.2007) und wie der in Bielefeld mit einer Habilitation geadelte ehemalige Bayer-Mann „Professor“ Gottfried Plumpe (jW v. 8.11.2007).

Unabhängige Wissenschaft
Da muß der Arzt helfen. Und das kommt so: Tooze ignoriert einen wichtigen Hinweis aus dem eigenen Land, den er eigentlich zur Kenntnis hätte nehmen müssen - eine Nachricht über die angesehenen Geschichtsprofessoren, die sich für beachtliche Summen von deutschen Unternehmen anheuern lassen, damit sie deren Geschichte erforschen.

Nicht bei uns, wohl aber im Times Literary Supplement, entstand eine heftige Debatte über jene Historiker, die sich in Deutschland als Auftragswissenschaftler betätigen. Und die mit deren Bekenntnis zur Heilkunst endete. „Ist es korrekt“, so eröffnete 1999 Michael Pinto-Duschinsky, Professor an der Brunel University in West London, die Diskussion, „wenn Historiker sich von Unternehmen, Banken oder Regierungsstellen bezahlen lassen, deren frühere Aktivitäten Gegenstand ihrer Forschung sind?“

Er sah ein besonderes „ethisches Problem“ in der in Deutschland üblichen Praxis, daß die Unternehmen es selbst sind, die Kommissionen „unabhängiger“ Historiker „auswählen, bezahlen und ihnen exklusiven Zutritt in ihre Archive gewähren“. Und er fordert deshalb für die akademische Gemeinschaft einen Verhaltenskodex. Zumindest müßten die Bedingungen offengelegt werden, unter denen die Forschungskommissionen antreten, einschließlich der finanziellen Arrangements, die getroffen wurden. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, nicht jedoch für die Historikerkommission der Deutschen Bank.

Drei ihrer Mitglieder - Lothar Gall, Gerald D. Feldman und Harold James - fanden in einem Leserbrief Pinto-Duschinskys Kommentar im Times Literary Supplement „unhelpfull“. Gemeinsam erklärten sie, historische Forschung sei nun einmal zeitaufwendig und kostspielig, man müsse oft eine Fülle von Material von allen möglichen Seiten zusammensuchen. Da sei es doch hochwillkommen, wenn einige Unternehmen bereit seien, solche Untersuchungen zu finanzieren. Die Universitätsprofessoren fragten, warum Historiker anders behandelt werden sollten als jeder andere Anbieter von berufsmäßigen Diensten. Ärzte etwa, darauf insistierten die Gelehrten, erstellten doch auch nicht eine rosigere Diagnose, nur weil sie für ihre Bemühungen ein Honorar bekommen. Und sie beklagten sich, daß Pinto-Duschinsky „unsere Unabhängigkeit in Anführungszeichen setzt“. Er unterstelle wohl, daß „wir, die wir auf diesem Feld arbeiten, korrumpiert seien durch das Honorar, das wir für unsere Dienste bekommen“. In Wirklichkeit gehe es doch vor allem darum, Zugang zu den Unternehmensarchiven zu erhalten.

Allerdings, als die drei besagten Mitunterzeichner dieses Briefes 1995 an der Festschrift zum 125jährigen Bestehen der Deutschen Bank beteiligt waren, ging ihr Verlag - C. H. Beck in München - davon aus, daß die Autoren „Zugang zu allen Archivalien“ der Deutschen Bank hätten. „Selten hat wohl ein großes Unternehmen so angesehene Wissenschaftler für die Darstellung seiner Geschichte gewonnen, und nie zuvor dürfte den Autoren das Quellenmaterial mit solcher Großzügigkeit zur Verfügung gestellt worden sein - zum Nutzen des Lesers.“ Der Leser, und alle anderen Deutschen, wird denn auch gleich im Vorwort des damaligen Vorstandsvorsitzenden Hilmar „Peanuts“ Kopper, in Haftung genommen für alles, was diese Bank seit ihrer Schöpfung verbrochen hat: „Die Deutsche Bank ist, mit Höhen und Tiefen, den Weg gegangen, den die Deutschen gegangen sind seit 1870, der Zeit der Reichsgründung.“

Doch mit dem vom Beck-Verlag behaupteten Zugang zu „allen Archivalien“ war es nichts. Der inzwischen verstorbene Gerald D. Feldman gestand in seiner Einleitung, daß die Akten nur insoweit vorbehaltlos zur Verfügung gestellt wurden, als es keine Vorbehalte gab. Er formulierte das so: „Die wissenschaftlichen Beiträge in diesem Buch basieren auf den uneingeschränkt zur Verfügung gestellten Quellen in der Deutschen Bank (...) - soweit ihre Benutzung nicht durch die Rechte lebender Personen oder testamentarische Verfügungen eingeschränkt war.“

Privatisierung der Geschichte
Und genau dieser eingeschränkt uneingeschränkte Zugang ist das Problem. Es gab keinen Zugang zu den wichtigen Handakten von Hermann Josef Abs, der neben seiner Arisierungstätigkeit für die Deutsche Bank auch Aufsichtsratsmitglied der IG Farben und damit auch von IG Auschwitz war.

Für einen vertrauenswürdigen Mann hat sich das inzwischen geändert. Lothar Gall, der das besondere Vertrauen der Deutschen Bank genießt, erhielt für eine Abs-Biographie Einsicht in dessen Handakten. Und er hat in jener der Deutschen Bank nicht unverbundenen Zeitschrift für Unternehmensforschung einen eindrucksvollen Nachweis seines Könnens unter dem Titel „A man for all seasons? Hermann Josef Abs im Dritten Reich“ geliefert. „War er gar“, fragt Gall dort mutig, „an einer der Entscheidungen - etwa zum Einsatz von KZ-Häftlingen - konkret beteiligt?“ Wie denn! Gall vermochte in den ihm zugänglichen Akten kein Dokument zu finden, und so schrieb er: „Was er gewußt, was er geahnt haben könnte, wird nicht mehr zu ermitteln sein.“

Was Abs aber gewußt haben muß, das könnte, wenn er nur gewollt hätte, Gall längst ermittelt haben. Es steht in Akten, die schon öffentlich verhandelt wurden, als Gall noch zur Schule ging, beim Nürnberger IG-Farben-Prozeß zwischen 1947 und 1948. Auch Pinto-Duschinsky verweist darauf, daß in den dort vorgelegten Akten die Anwesenheit von Abs bei den IG-Farben-Aufsichtsratssitzungen vermerkt ist, in denen über die Beschäftigung von Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen gesprochen wurde.

Drei Jahre nach seiner Einleitung zum Gemeinschaftswerk über die Deutsche Bank veröffentlichte Gerald D. Feldman ebenfalls im C.H.-Beck-Verlag ein auftragswissenschaftliches Werk über einen der brutalsten Industriemagnaten der ausgehenden Kaiserzeit und der beginnenden Weimarer Republik: „Hugo Stinnes. Biographie eines Industriellen. 1870-1924“. Im Vorwort rühmt Feldman die Enkelin und ihre Familie, die ihm „unschätzbares Quellenmaterial zur Verfügung gestellt“ habe. Er schreibt: „Der persönliche Zuspruch und die wunderbare Gastfreundschaft, die meine Frau und ich von ihnen erfuhren, und die vielen genußreichen Tage und Abende, die sie und ihr Bruder Dieter uns bereiteten, haben unsere wissenschaftlichen Mühen um eine persönliche und freudvolle Dimension bereichert und werden unvergeßlich bleiben.“

Franziska Augstein, die Feldmans persönliche Integrität nicht bezweifelt, schrieb 2001 in der Süddeutschen Zeitung nach Erscheinen seines ebenfalls auftragswissenschaftlichen Werkes über den Versicherungkonzern Allianz: „Es ist die Krux mit der von den Unternehmen selbst finanzierten Unternehmensgeschichten, daß der Leser sich stets unwillkürlich fragen muß, ob die Autoren ihre Unabhängigkeit kompromittiert haben könnten.“ Franziska Augstein fragt, „was aus der Unternehmensgeschichte werden soll, wenn es dahin kommt, daß die Firmen ihre Archive künftig nur noch jenen Forschern öffnen, die sie selbst ausgesucht haben“. Und sie fragt schon kaum noch, sie weiß: „was aus der akademischen Geschichtsforschung wird, wenn sie sich an die Privatisierung ihrer Disziplin gewöhnt“.

Ja, Privatisierung der Geschichte. Als um die Jahrtausendwende die deutschen Konzerne endlich in Rechtfertigungsnotstand geraten waren, als Wirtschaftsboykott aus den USA drohte, weil sie ihre Zwangsarbeiter immer noch nicht entschädigt hatten, da wurde Hilfe gebraucht. Es ging, so US-Anwalt Ed Urbach im weltweit ausgestrahlten Programm der BBC, um „Unternehmensgewinne im Werte von mindestens 150 Milliarden Mark“, die deutsche Firmen durch den Einsatz der Zwangsarbeiter gemacht hatten. Und so konnte Feldman - in Norbert Freis Sammelband „Geschichte vor Gericht“ - anscheinend ahnungslos wahrnehmen, daß „eine Firma nach der anderen“ den Historikern ihre Archive öffnet und „ihnen gleichzeitig sogar beachtliche Mittel und Hilfen zur Verfügung“ stellt. Er fand das toll: „Es braucht nicht eigens erwähnt zu werden, wie sehr es schmeichelt, daß zur Abwechslung einmal auch Historiker gebraucht werden, und wie willkommen uns die Honorare für unsere Dienste sind.“

Und Feldman fand es „absurd zu behaupten, daß ernsthafte Historiker für ihre Leistungen nicht ebenso wie die Angehörigen anderer Berufe bezahlt werden sollten, die als Sachverständige vor Gericht tätig sind oder ihr Fachwissen Regierungsbehörden und privaten Organisationen anbieten.“ Entscheidend sei doch nur, so Feldman, daß „wir als Geschichtswissenschaftler vorgehen, unsere Unabhängigkeit so weit wie möglich wahren“. So weit wie möglich unabhängig. Insbesondere dann, wenn sie mit Ehefrau an vielen genußreichen Tagen und Abenden die wunderbare Gastfreundschaft der Auftraggeber erfahren. Gerade bei solchen Gelegenheiten vermag ein unabhängiger und kritischer Historiker einzusehen, wo Geschichtsschreibung Sinn macht und wo nicht. Feldman: „Es ist Unsinn, die Banken deswegen für die Zwangsarbeit verantwortlich zu machen, weil sie in den Aufsichtsräten von Firmen saßen, die Zwangsarbeiter einsetzten.“ Denn nach geschichtlicher Erfahrung kann und darf nur der Aufsichtsrat sein, der nichts sieht.

3,8 Millionen Mark für Mommsen
Während die Auftragshistoriker der Deutschen Bank Pinto-Duschinskys Vorwürfe in ihrer gemeinsamen Entgegnung im Times Literary Supplement lediglich „unhelpfull“ nannten, stufte Hans Mommsen, den Pinto-Duschinsky wegen seines voluminösen Volkswagenauftragswerks ebenfalls attackiert hatte, in einem eigenen Leserbrief dessen Vorhaltungen sogar „extremly unhelpfull“ ein.

Ein unverständlicher Tadel. Tatsächlich hatte Pinto-Duschinsky niemals die Absicht geäußert, den Auftragsforschern helfen zu wollen. Mommsen klagte, nein, er beklagte in seinem Brief: Die „Unterstellung“, die von ihm geleitete Forschungsgruppe über Volkswagen im Dritten Reich sei „durch die Tatsache kompromittiert, daß sie von VW bezahlt“ werde, sei „gänzlich irreführend“ und „überhaupt nicht substantiiert“. Und zweitens sei die Behauptung, daß sein Forschungsprojekt den Zugang zu den VW-Archiven blockiert hätte und damit auch Entschädigungszahlungen an die VW-Zwangsarbeiter, nicht im geringsten bewiesen.

Von wegen. Die VW-Konzernspitze, die Mommsen 1987 beauftragte, hatte den Historiker dazu benutzt, um die Forderungen ihrer Zwangsarbeiter erst einmal abzuwenden - im September 1991 erklärte mir der VW-Pressesprecher: Mommsen müsse erst zu Ende forschen, bevor man über eine Entschädigung für die Zwangsarbeiter reden könne.

Einen Monat später, bei einer Pressekonferenz in Wolfsburg, äußerte sich Mommsen schon ziemlich klar zum leidigen Problem einer Entschädigung der VW-Zwangsarbeiter: Wie soll man überhaupt feststellen, wer wirklich entschädigungsberechtigt sei? Sicher, das gestand er in diesem Zusammenhang ein, man war auch auf alte Krankenakten gestoßen, denen man Angaben über die Zwangsarbeiter hätte entnehmen können. Doch Mommsen: „Wir haben das aufgeschlossen, und wir haben das wieder zugeschlossen.“ Diese Akten zu prüfen, sei Aufgabe des Werkarchivs. Und überhaupt werde man durch „pauschale Abstandszahlungen“ an die Häftlinge der Sache nicht gerecht, da würde in der Bürokratie zuviel Geld hängenbleiben, und das führe zu einem - was immer er damit meinte - „unkontrollierten Schleppersystem“. Und zu „sekundären Korruptionserscheinungen“. Nicht im VW-Konzern, wo es so etwas nicht gibt, sondern unter dessen ehemaligen Zwangsarbeitern.

Besser sei doch, so plädierte der unabhängige Forscher Mommsen, die „überindividuelle Hilfe“, wie sie VW damals zugesagt hatte: zwölf Millionen Mark für Jugendbegegnungsstätten - die Zahlung der unterschlagenen Löhne hätte mit Zins und Zinseszins Milliarden gekostet. Mommsens eigener Forschungsetat betrug damals nach Angaben aus Wolfsburg 3,8 Millionen, fast ein Drittel der geplanten überindividuellen Entschädigung.

Als Mommsen und seine Mitarbeiter nach großen Schwierigkeiten Ende 1996 endlich zum richtigen Ende geforscht hatten und das Ergebnis „Das Volkswagenwerk und seine Arbeiter im Dritten Reich“ auf einer Pressekonferenz in Bonn vorlegten, war von einer Entschädigung dieser „Arbeiter“ durch VW nicht die Rede. Ausgerechnet der SPD-Politiker Hans Koschnik durfte eine Einleitung zum Mommsen-Opus abzeichnen, die eingestandenerweise zu zwei Dritteln von Mommsen und einem VW-Direktor vorformuliert worden war. Dort heißt es: „Ohne die Vorgänge während des Krieges zu bagatellisieren, gelangt die heutige Volkswagen AG zu der Entscheidung, auf eine individuelle Entschädigung für ehemalige Zwangsarbeiter, Häftlinge und Kriegsgefangene im allgemeinen zu verzichten.“

Zwei Jahre nach diesem großzügigen VW-Verzicht auf Zahlung der VW-Lohnschulden bei den Zwangsarbeitern, stand Mommsen düpiert da. VW entschloß sich jetzt doch, individuelle Entschädigungen zu zahlen - aus Angst vor Klagen im Exportland USA. Vergebens aber war die Investition in Mommsens zehnjährige Forschungstätigkeit für VW nicht. Einen Großteil der möglichen Empfänger von Entschädigungen hat der für VW so mildtätige Tod ereilt.

„Alle Druckmittel auspielen“
Zum vorläufigen Abschluß der Diskussion im Times Literary Supplement verlangte Pinto-Duschinsky von den Konzernen, die sich Auftragsforscher halten: „Wenn sie wirklich über ihre Aktivitäten im Krieg auspacken wollen, dann müssen diese Unternehmen zuallererst ihre Archive der Öffentlichkeit öffnen, bevor sie einzelne ausgewählte Historiker finanzieren.“ Der Wissenschaft sei nun einmal schlecht gedient, wenn einzelne Historiker von den deutschen Unternehmen gesponsert werden, die auf der Anklagebank sitzen. Doch da konterte Mommsen tief gekränkt, Pinto-Duschinsky habe „meine wissenschaftliche Glaubwürdigkeit untergraben“.

Die hatte er freilich - aber das kam erst später heraus - schon zu Beginn seiner Karriere verloren, als es um den Reichstagsbrand ging. Er hatte damals in einem Aufsatz, die von Rudolf Augstein im Spiegel beschworene Legende von der Unschuld der Nazis am Reichstagsbrand zunächst bezweifelt. Dann aber hatte das Institut für Zeitgeschichte, bei dem er angestellt war, Probleme mit dem Gutachten seines externen Mitarbeiters Hans Schneider, der allzu deutlich die Hintergründe der Spiegel-Serie über den Reichstagsbrand beschrieb. Mommsen mußte seinerseits ein Gutachten schreiben, warum das Institut für Zeitgeschichte Schneiders Untersuchungen nicht veröffentlichen könne. Er kam zu dem Ergebnis, daß das Institut „formell nicht in der Lage sei, von dem mit Schneider geschlossenen Vertrag zurückzutreten“. Insbesondere könne man Schneider juristisch nicht hindern, seine Forschungsergebnisse anderswo zu veröffentlichen. „Da aber aus allgemeinpolitischen Gründen eine derartige Publikation unerwünscht scheint“, empfahl Mommsen, „rasch und energisch alle Druckmittel, die in unmittelbarer Verfügung des Instituts stehen, auch da, wo sie einer endgültigen juristischen Prüfung nicht standhalten, auszuspielen“.

Da Schneider beamteter Studienrat in Baden-Württemberg war, regte Mommsen an, „über Stuttgart zu arbeiten“, wo der Nazi Kurt Georg Kiesinger damals Ministerpräsident und Hitlers erfolgreicher Marinerichter Hans Filbinger Innenminister war. Schneider wurde zum Schweigen gebracht und Mommsen veröffentlichte in den Vierteljahresheften für Zeitgeschichte eine Darstellung des Reichstagsbrands, die widerrief, was er selbst vorher geschrieben hatte, und die - vielfach nachgedruckt - von Augstein als wissenschaftliche Bestätigung seiner Unschuldslegende bejubelt wurde.

Als er sehr viel später nach den „allgemeinpolitischen Gründen“ für seinen Sinneswechsel befragt wurde, wehrte Hans Mommsen ab, wie er das heute noch wissen solle. Wissenschaftliche Unabhängigkeit - ja, was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Auch den konkreten Vorwürfen Pinto-Duschinskys zu seiner VW-Auftragsforschung entzog sich Mommsen - mit einem kuriosem Standortargument: er könne nicht sehen, daß das Times Literary Supplement ein geeignetes Podium sei, um „Details“ zu diskutieren.

Es ging um den vieldiskutierten Rühen-Fall. Im Werks-Lager Rühen hatte das Volkswagenwerk mit Hilfe des Werksarztes und SS-Hauptsturmführers Dr. Hans Körbel die Säuglinge seiner Zwangsarbeiterinnen durch Hungerkost letal entsorgt. Für Mommsen in seiner VW-Auftragsarbeit ein Problem eines „damals noch nicht hinreichend bekannten Hospitalismus“. Der sei auch dadurch entstanden, daß der SS-Arzt „völlig überlastet“ gewesen sei. „Eine Personalisierung dieses Problems“, versicherte Mommsen, führe „in die Irre“. Er plädierte - für etwas anderes wurde er nicht honoriert - auf „Tragödie“.

Ernst nehmen muß man diese „unabhängigen“ Historiker, die von ihren Untersuchungsgegenständen honoriert wurden und die ihr Tun mit dem eines normalerweise vom Patienten honorierten Arztes gleichsetzen - mutmaßlich sind sie privat versichert. Zumindest dem Schöngeist Lothar Gall dürfte der uralte Eid des Hippokrates nicht unbekannt sein. Der schreibt dem Arzt vor, niemals zum Nachteil des Patienten tätig zu werden. Und natürlich hat der Arzt, der sich dem hippokratischen Eid verpflichtet fühlt, gegenüber der Öffentlichkeit auch eine Schweigepflicht - insbesondere, wenn sie im Interesse des Patienten geboten ist.
Otto Köhler erhielt dieses Jahr den Kurt-Tucholsky-Preis

08.11.2007, junge Welt

... wirst du was in Bielefeld

Adam Tooze holt sich für seine Wirtschaftsgeschichte wieder einen schlechten Berater aus der deutschen Historikerszene. Gottfried Plumpe will den kriegsfördernden Einsatz von Bayer AG und IG Farben verschleiern - aber das Haus Bayer weiß keinen Dank
Von Otto Köhler

Was bisher geschah: Der britische Historiker Adam Tooze schrieb das vorzügliche Buch „Ökonomie der Zerstörung“ über die enge Kooperation der deutschen Industrie mit Hitler. Das entlockte dem Bielefelder Historiker Hans-Ulrich Wehler eine begeisterte Rezension („außergewöhnliche Forschungs- und Interpretationsleistung“), die er sich nicht erlauben durfte, weil er just zuvor im Fall des linken italienischen Altphilologen Luciano Canfora dekretiert hatte, der „Mythos“, Hitler sei mit Unterstützung durch die deutsche Großwirtschaft ins Reichskanzleramt eingezogen, sei „endgültig zerstört“.

Tooze wiederum verläßt sich - trotz seines richtigen Urteils über die deutsche Großindustrie - oft auf Unternehmenshistoriker, die wie der IG-Farben-Forscher Peter Hayes (siehe jW v. 27.8.2007) oder der Bielefelder BASF-Federhalter Werner Abelshauser (siehe jW v. 18.9.2007) groß im Erfinden von mildernden Umständen für Hitlers Wirtschaftsleute sind. Und die - wie Wehler voller Anerkennung über die Werke seines Bielefelder Kollegen Abelshauser urteilt - „zum Kernbestand einer deutschen ›New Business History‹“ gehören.

Geschichtsschreiber der Bayer AG
Der dritte Mann, den Tooze als wichtige Quelle benutzt, ist auch ein Produkt Bielefelder Geschichtswissenschaftspolitik: Gottfried Plumpe, bis vor kurzem Bayer-Vorstandsmitglied und Professor gar. Tooze hat immerhin gemerkt, daß Plumpes Wissenschaft „problematischer“ ist als die von ihm geschätzten Werke von Hayes und Abelshauser.

Aber zum Opfer gefallen ist er Plumpe gleichwohl. Etwa, wenn er ihm - mit den entsprechenden Folgerungen - abnimmt, das Treffen zwischen Hitler und der Interessengemeinschaft Farben habe erst „im Herbst 1932, unmittelbar nach dem spektakulären Erfolg der Nationalsozialisten bei den Juliwahlen“ stattgefunden. Und nicht schon im Juni. Die IG habe „mit dieser Aktion letztlich nichts anderes getan, als sich nach allen Seiten abzusichern“ (Tooze, S. 146 f.).

Doch Plumpe, mit dem Tooze diese Behauptung belegt, ist eine trübe Quelle. Ich lernte ihn auf der Frankfurter Buchmesse 1986 flüchtig beim Verlagsempfang für Bernhard Sinkels IG-Farben-Film „Väter und Söhne“ kennen. Der damals noch junge Mann - er hatte die IG-Chronologie im Anhang zu Sinkels Filmbuch verfaßt - rasselte Daten, Fakten, Zahlen aus der IG-Geschichte mit verblüffender Präzision herunter.

Offiziell war er seit 1987 in der Konzernverwaltung des IG-Nachfolgers Bayer AG tätig und beteiligte sich maßgebend an der 1988 erschienenen Bayer-Jubiläumsfestschrift „Meilensteine“. Gleichwohl konnte er sich im selben Jahr an der Geschichtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bielefeld mit einer Arbeit über „Die IG-Farbenindustrie AG: Wirtschaft, Technik und Politik 1904-1945“ habilitieren, die 1990 bei der Duncker & Humblot GmbH in Westberlin als Buch erschien. Ein solcher Zusammenhang zwischen dem Werk, das der Autor schreibt, und dem Werk, in dem er verdient, mag in der Buchproduktion nicht ungewöhnlich sein. Es ist aber schwer vorstellbar, daß - zumindest damals - eine Universität, die Wert auf ihren Ruf legt, eine solche Habilitationsarbeit zuläßt. Unabhängiges wissenschaftliches Urteil ist dort nicht mehr möglich, wo es in die vom Untersuchungsgegenstand geführte eigene Personalakte eingehen kann. Doch an der Universität Bielefeld war das möglich.

Das Rendezvous mit Hitler
Das schon erwähnte Geheimtreffen von 1932 zwischen Hitler und zwei Abgesandten der IG Farben, bei dessen Schilderung und Wertung sich Tooze auf Plumpe verläßt, wäre womöglich geheim geblieben. Doch im Nürnberger IG-Farben-Prozeß in den Jahren 1947/48 (siehe jW v. 13.8.2007) tauchte der Entwurf für die 1941 geplante Festschrift „Leuna - 25 Jahre im Kampf um Deutschlands Freiheit“ auf, in der sich einer der IG-Farben-Abgesandten, Heinrich Bütefisch, des Treffens mit dem Führer rühmte. Es habe Hitler die „beruhigende Gewißheit“ vermittelt, Deutschland könne dank der IG „in der Treibstoffversorgung für die Luftwaffe und die wichtigsten Teile der übrigen Wehrmacht (...) von fremder Zufuhr unabhängig“ sein.

Das Geheimtreffen war eine wichtige Station in der Geschichte der IG Farben. Denn es ging um die Fortführung der Benzinhydrierung aus Kohle, eine IG-Erfindung in Leuna, die dem Konzern schwerste Verluste bereitete. Man hatte sich verspekuliert: Die IG rechnete in den zwanziger Jahren mit dem Versiegen der Ölquellen und wollte mit der synthetischen Produktion von Benzin aus Kohle Riesengewinne machen. Doch der Benzinpreis auf dem Weltmarkt sank und sank, zuletzt auf 5,6 Pfennige pro Liter, die IG aber konnte den Preis für ihr synthetisches Benzin aus den neu geschaffenen Hydrieranlagen in Leuna nicht unter 20 Pfennig herunterbringen. Der Konzern geriet in eine Krise, und es gab Krach in der Interessengemeinschaft. Aufsichtsratsvorsitzender Carl Duisberg plädierte für die sofortige Einstellung der Benzinproduktion; Vorstandsvorsitzender Carl Bosch und sein engster Mitarbeiter Carl Krauch wollten unbedingt weitermachen. Bosch schickte seinen Vertrauten Heinrich Gattineau zusammen mit dem Direktor des Hydrierwerkes in Leuna, Heinrich Bütefisch, zu Hitler nach München.

Hitler sah sofort ein, daß der „deutsche Treibstoff“ subventioniert werden mußte - „selbst unter Opfern“. Denn die Unabhängigkeit vom Welterdölmarkt war, das wußte er, kriegswichtig. „Die technische Durchführung muß ich Ihnen überlassen. Dafür sind Sie da“, sprach der Führer zu den IG-Vertretern und fügte hinzu: „Unser Weg aber deckt sich.“ Bütefisch: „Dieses Ergebnis der Unterredung mit dem Führer bedeutete für Leuna damals eine große Stütze. Jetzt konnte die Hydrierung bedenkenlos durchgehalten werden. (...) Die führenden Leute der IG-Farben-Industrie faßten nunmehr den entscheidenden Entschluß, den Betrieb in Leuna auch unter Opfern aufrechtzuerhalten.“

Tatsächlich beschloß die IG-Führung unmittelbar nach dem Juni-Treff mit Hitler - im Juli 1932, wie Bütefisch wiederholt bestätigt - die Benzinhydrierung weiterzuführen. Nach der Machtübergabe, im Dezember 1933, unterzeichnete Bosch zusammen mit seinem späteren Nachfolger Hermann Schmitz, den Hitler gerade in die NSDAP-Reichstagsfraktion aufgenommen hatte, den Benzinvertrag, der die IG aller Sorgen enthob. Noch 1986 - in der Chronologie zu Bernhard Sinkels Filmbuch „Väter und Söhne“ - schrieb auch Gottfried Plumpe auf Seite 435 korrekt: „Die Weiterführung der verlustreichen Hydrierarbeiten wird in der I.G. zunehmend umstritten: Nach harten Auseinandersetzungen wird im Juli 1932 die Fortführung der Arbeiten, wenn auch auf verringertem Niveau, beschlossen (...).“

Wenige Wochen nach Erscheinen der Plumpe-Chronologie legte ich mein IG-Farben-Buch vor, in dem ich anhand von Hitlers Itinerarium - ein vom Institut für Zeitgeschichte geführtes Tagebuch für Hitler - nachweisen konnte, wann der Besuch beim Führer stattgefunden haben mußte. Es gab unterschiedliche Angaben, ob das Treffen im Juni 1932 stattfand, wie Bütefisch 1941 diktierte, oder im November, wie sein Begleiter, der auch sonst bei Datierungen unzuverlässige Gattineau in Nürnberg aussagte. Auch die Historiker, soweit sie sich überhaupt für dieses historische Treffen interessierten, übernahmen mal die eine, mal die andere Angabe, ohne sie beweisen zu können. Denn keiner kam auf die Idee, die über das Treffen gemachten Angaben - im Wahlkampf, einen Tag zuvor hatte Hitler in München gesprochen - mit Hitlers Itinerarium zu vergleichen: Da bleibt als einziger Termin für die Zusammenkunft Hitler/IG Farben im Jahr 1932 der 25. Juni.

Doch da reagierte Plumpe schnell. Den Termin von Juli 1932 für die IG-Farben-Entscheidung zur Fortführung der schwer defizitären Benzinsynthese erwähnte er nicht mehr. Plötzlich schrieb er in seiner Bielefelder Habilitationsschrift - ohne eine Begründung für den Sinneswandel zu liefern: „Die entscheidende Sitzung des Zentral-Ausschusses, auf der über die Weiterführung der Mineralölsynthese beschlossen werden sollte, fand am 21. und 22. Dezember 1931 im Leunawerk statt.“

Und, doppelt hält besser: „Endgültig legte sich die I.G. dann am 18.6.1932 auf die Weiterführung der Mineralölsynthese fest.“ Also nicht nach, sondern genau eine Woche vor dem Treffen mit Hitler am 25. Juni 1932, das Plumpe nun wiederum in den November verlegte.

Auch sonst sichert Plumpe das Treffen ab. Die IG hielt den Kontakt geheim? Na bitte, der beste Beweis, wie unwichtig er war! Plumpe: „Seine politische Bedeutung ist gering, da der I.G. offensichtlich daran gelegen war, die Angelegenheit so diskret wie möglich abzuwickeln, um nicht in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, es gebe wichtige Kontakte des Unternehmens zur NSDAP.“

Den Krieg gerettet
So wie die IG Farben im Juni 1932 mit dem Benzinpakt den Weg in den Zweiten Weltkrieg bahnte, so wurde auch der Erste Weltkrieg dank der IG-Vorläufer BASF und Bayer gerettet, als er vorzeitig zu enden drohte. Deutschland hätte nämlich 1915 kapitulieren müssen, schlicht aus Munitionsmangel. Die deutschen Militärs hatten nämlich bei ihren umfangreichen Kriegsvorbereitungen und Aggressionsplänen einen entscheidenden Punkt übersehen. Zur Produktion von Munition brauchte man damals noch Salpeter aus Chile. Die Einfuhr aber wurde von der englischen Flotte blockiert. Im Frühjahr 1915 wären die letzten Vorräte zu Ende gegangen. Deutschland hätte rechtzeitig vorher den Frieden suchen müssen - nein dürfen - unter damals noch günstigen Bedingungen. Millionen von Menschen hätten überlebt.

Doch die BASF hielt den deutschen Krieg am Leben. Sie hatte, um die Menschheit vor dem Hungertod zu bewahren, das Haber-Bosch-Verfahren entwickelt, das es erlaubte, aus der Luft, aus Stickstoff, Kunstdünger zu entwickeln. Im September 1913 wurde in Oppau die erste Produktionsstätte angefahren. Ein Jahr später - im Oktober 1914 machte die BASF dem Kriegsministerium das berühmte Salpeterversprechen - wurde das Haber-Bosch-Verfahren von der Düngererzeugung auf Munitionsherstellung umgestellt, um die soeben gerettete Menschheit jetzt zu Tode zu bringen. Damit begann, so drückt es Plumpe formvollendet aus, „das Engagement der Farbstoffindustrie für die deutsche Rüstungsproduktion“. Für den Autor eine Problemlösung: „Damit war das Salpeterproblem in Deutschland gelöst, die Munitionsproduktion konnte aufrechterhalten und ausgebaut werden, der Krieg weitergehen.“ Das war eine begrüßenswerte Entwicklung. Denn, so Plumpe: „Unter den gegebenen Bedingungen der deutschen Kriegswirtschaft war der weitere Ausbau der Stickstoffgewinnung sowohl aus militärischen Gründen als auch zur Sicherung der Nahrungsmittelversorgung dringend geboten.“

Das alles ist wissenschaftlich haltbar. Plumpe geht nun einmal von den Bedingungen der Kriegswirtschaft aus. Über das Faktum - die Interessengemeinschaft hat den Krieg gerettet - besteht Einigkeit. Plumpe ausdrücklich: „Mit ihrem Engagement für die deutsche Kriegswirtschaft trug die deutsche Farbstoffindustrie in erheblichem Maße dazu bei, die weitere Kriegführung überhaupt zu ermöglichen.“ Dem Mann, der in seiner Einleitung bemerkenswerte „Thesen zum Verständnis unternehmerischen Handelns“ aufstellt - „Ertragsmaximierung“ ist „prinzipielles Ziel“ -, muß es auch erlaubt sein, kriegswirtschaftlich zu denken - ohne Rücksicht auf die Leichenberge, über die er dabei zu klettern hat.

Heilige Kriegsprofite
Mitglieder einer communitas scientiae - das wissen wir schon von Plumpes Kollegen Wehler - können DDR-Historiker nicht sein. Sobald Plumpe in einer Fußnote auf so einen traf, sonderte er in einer allergischen Reaktion Schnellurteile ab wie „dubios“, „spekulativ“, „unseriös“, „parteimarxistisch“; kurz: Es „erübrigt sich daher, näher auf die entsprechenden Thesen einzugehen“.

Solch ein Fall ist Hellmuth Weber, der 1966 in der inzwischen abgewickelten Deutschen Akademie der Wissenschaften eine Untersuchung über „Deutsche Kriegspolitik 1916-1918“ publizierte. Es geht um das Hindenburg-Programm von 1916 zur totalen Kriegführung und zur Verdoppelung der für die Farbenindustrie so lukrativen Munitionsproduktion. Das wurde über den Generalstabsobersten Max Bauer maßgeblich von Bayer-Chef Carl Duisberg beeinflußt - was Plumpe energisch bestreitet. Plumpe beruft sich dabei auf eine solch klare Quelle wie „Meine Kriegserinnerungen“ des Hindenburg-Vize Erich von Ludendorff. Und auf einen Brief, den Duisberg am 10. September 1916 seinem Vertrauten, dem Obersten Bauer in der Obersten Heeresleitung, geschrieben hatte. Plumpe: „Weber, der den ganzen Brief nicht kennt, stellt Spekulationen über seinen Inhalt an, die als Musterbeispiel für ideologische Deduktionen gelten können. Der Brief zeigt, daß sie falsch sind.“

Plumpe, der kein einziges wörtliches Zitat aus dem Brief bietet, verließ sich offensichtlich darauf, daß der Duisberg-Brief nur bei ihm im Bayer-Archiv liege. Sein Pech - da liegt vermutlich der Durchschlag. Denn das Original ist im Bundesarchiv allgemein zugänglich: im Nachlaß Bauer. Und kein Brief ist so geeignet wie dieser, um das zu zeigen, was Plumpe ideologische Spekulationen nennt - wüste und wilde Spekulationen sogar müßte sie Plumpe von seinem speziellen Standpunkt im Bayer-Konzern nennen.

Duisberg freut sich in diesem Brief, daß wieder, wie schon 1914, der „Munitionsmangel (...) uns zusammenführte und uns nicht nur menschlich näher brachte, sondern auch praktisch in die Speichen des Kriegsrades eingreifen ließ“. Und er ist keineswegs - wie Plumpe behauptet - überrascht über die geforderte Verdoppelung der Munitionsproduktion. Umgekehrt, er und sein Kollege Gustav Krupp wollten das Hindenburg-Programm noch übertreffen. Und so beschwert er sich bei Bauer über das Kriegsministerium: „(...) wir wurden gebremst, wenn wir uns weiter betätigen wollten, wir wurden verärgert und in die Schranken des bureaukratischen, geschäftsordnungsmäßigen Betriebes zurückgewiesen, wir wurden geschimpft und gescholten, wenn wir uns rührten und regten und aus dem gewohnten Gleise heraustraten. Anstelle dankbarer Anerkennung, wie wir sie erwarten konnten, und wie sie zeitweise auch gewährt wurde, trat die übliche, nie Lob, aber wohl Tadel zeigende Amtsmiene, trat Krittelei und Nörgelei und von der Reichstagsmehrheit gewünschte Knauserei.“

Besonders heilig waren Duisberg, aber nicht nur ihm, die Kriegsprofite. Dem in einem Schreiben des Kriegsministeriums geäußerten Begehren, die an Rüstungsaufträgen wild verdienende Industrie solle sich in die Bücher gucken lassen, begegnete er mit verständlicher Wut. Auf dieses Verlangen gebe es, schrieb Duisberg im Brief an Bauer, „keine Antwort als die von der gesamten Industrie beschlossene Ablehnung dieses Eindringens in die tiefsten Geheimnisse unserer Privatwirtschaft, um entweder die Schwachen, Ängstlichen und nicht auf der Höhe ihrer Leistungsfähigkeit Stehenden zu falschen Mitteilungen zu veranlassen oder den Tüchtigen, Starken und Aufrichtigen aus den Einzelheiten ihrer Preisaufstellung einen Strick zu drehen“. Duisbergs Brief, dessen wahren Inhalt Plumpe kennt und unterschlägt, hatte Erfolg: Zwei Monate später wurde der von ihm angeklagte Kriegsminister Adolf Wild von Hohenborn entlassen, der Bayer-Profit am Krieg blieb unangetastet.

Gegenseitiges Einvernehmen
Das Bayer-Archiv, aus dessen ihm zugänglichen Schätzen Gottfried Plumpe auf solche Weise seine Habilitationsschrift mit viel Takt und Diskretion gebastelt hatte, feiert schon bald, am 26. November, mit einer Tagung der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte e.V. in Leverkusen sein 100jähriges Jubiläum. Den Festvortrag „Carl Duisberg und das moderne Unternehmen“ hält Professor Plumpe. Professor Werner Plumpe von der J.W. Goethe-Universität Frankfurt, den es betrüben könnte, wenn man ihn verwechselte. Und nicht ein Duisberg-Spezialist wie der Bayer-Professor Gottfried Plumpe - den gibt es seit dem Frühjahr trotz einer steilen Karriere im Hause des Chemieunternehmens nicht mehr.

1987 trat er in die Konzernverwaltung ein, wurde Leiter der Öffentlichkeitsarbeit, stieg, nachdem es ihm gelungen war, sich aus dem Archiv seines Arbeitgebers über seinen Arbeitgeber in Bielefeld zu habilitieren, in den Konzernstab „Unternehmenspolitik“ ein und wurde Referent des Vorstandsvorsitzenden. 1996 berief ihn laut manager magazin die - nach dem Gründer des Metro-Konzerns benannte - Otto-Beisheim-Universität in Vallendar bei Koblenz zum Honorarprofessor. 1999 wurde er Leiter der Konzernplanung und des Controlling. 2002 sollte Plumpe laut manager magazin im Bayer-Vorstand das Finanzressort von Werner Wenning, der Vorstandsvorsitzender wurde, übernehmen. Doch dann ging es bergab. 2003 wurde der Professor (der Titel stand in jeder Presseverlautbarung) als Aufsichtratsvorsitzender der Bayer Restaurant + Service GmbH eine Art Frühstücksdirektor, der neue Firmenkasinos eröffnete oder nach Brasilien reiste. Jetzt, im Frühjahr, kam das Aus. Bayer teilte mit, daß Gottfried Plumpe - diesmal ohne Professor, in Vallendar ist er auch nicht mehr tätig - das Unternehmen „im gegenseitigen Einvernehmen“ verlassen hat. Wo er verblieben ist, wie er zum Titel „Professor“ kam, darüber weiß Andrea Knebel von der Bayer-Presseabteilung „Unternehmenspolitik“ nicht bescheid, sagt sie, und der Plumpe-Assistent, der das wissen könnte, sei mit ihm ausgeschieden. Günter Forneck, Leiter der Presseabteilung, der zunächst mutmaßt, Plumpe sei Professor in Vallendar, sagt, sein Ausscheiden habe nichts mit dem Professorentitel zu tun. Der Grund müsse „nicht unbedingt ein Fehlverhalten“ sein.

Das ist dieselbe Begründung, mit der sich soeben die Bertelsmann-Stiftung von ihrem langjährigem Vorstandsmitglied Professor Werner Weidenfeld trennte, nachdem die Staatsanwaltschaft wegen Betrugsverdacht Hausdurchsuchungen in seinen beiden Wohnsitzen veranstaltete.

Spiegel online veranstaltet davon unabhängig zur Zeit ein Quiz über bestimmte Formulierungen - Codes - in der Zeugnissprache und fragt: „Was bedeutet: ›Wir haben uns im gegenseitigen Einvernehmen getrennt.‹“ Einzig richtige Antwort: „Dem Arbeitnehmer mußte das Ausscheiden nahegelegt werden, sonst wäre er gekündigt worden.“ Unbedenklich für den weiteren Berufsweg sei übrigens nur die Formulierung: „Herr (...) verläßt das Unternehmen auf eigenen Wunsch.“ Herr Plumpe hat nach den Bayer-Mitteilungen einen solchen Wunsch nicht geäußert.

Das ist grober Undank. Plumpe hat sich - wie das Tooze-Buch beweist - gerade auch im Bereich der Geschichtswissenschaft unbezahlbare Verdienste um Bayer (samt IG Farben) erworben. Und jetzt setzt man ihn, dem noch eine ganz große Karriere bei Bayer zu winken schien, ganz einfach vor die Tür. Obwohl er doch zuvor seine Aufgaben als Unternehmenshistoriker mit äußerster Gewißheit jederzeit zur vollsten Zufriedenheit der Bayer AG ausgeführt hat. Und nur durch die bestechende Großzügigkeit der Fakultät für Geschichtswissenschaften der Universität Bielefeld sich damit habilitieren konnte.

Die Universität Bielefeld hat damit eine große Verantwortung übernommen. Wenn schon der Konzern, für dessen Ruf sich Plumpe aufgeopfert hat, wenn schon die Beisheim-Universität, bei der er Honorarprofessor war, wenn also beide nichts mehr von ihm wissen wollen, dann gibt es - Freiheit der Wissenschaft! - nur noch eins: Die im Austeilen von Lehrbefähigungen so tolerante Geschichtswissenschaftliche Fakultät muß ihn sofort als lehrfähigen Professor einstellen - nach ihrem Motto: Und wirst du nichts auf dieser Welt, dann wirst du was in Bielefeld. Den dafür erforderlichen Hippokratischen Eid hat Plumpe mutmaßlich auch schon abgelegt. Was der mit Historikern zu tun haben könnte, darüber demnächst mehr.

Nachtrag
Otto Köhler konnte in seinem Beitrag nicht mehr rechtzeitig vor Drucklegung eine Auskunft der Otto-Beisheim-Hochschule in Vallendar übermitteln. Danach war Gottfried Plumpe lediglich Lehrbeauftragter an der Wirtschaftshochschule und nicht Honorarprofessor, wie Köhler das manager magazin (3.12.2001) zitiert. Bei der Bayer AG wiederum, die bis zu seinem Ausscheiden Plumpe in Pressemitteilungen als „Professor“ titulierte, weiß man nicht, wo sonst als in Vallendar Plumpe Professor gewesen sein könnte. (jW)

[Krefeld] Kohlekraftwerk Krefeld

CBG Redaktion

Westdeutsche Allgemeine, 26.11.2007

Das Wackersdorf der Kohle

Essen. Im saarländischen Ensdorf sprechen die Bürger gegen den Bau eines 2,2 Milliarden Euro teuren Steinkohlekraftwerks aus. RWE-Chef Großmann zeigt sich enttäuscht.

So viel Rückenwind hatten die Grünen, der Bund für Umwelt und Naturschutz und andere Umwelt-Organisationen wohl seit dem Widerstand gegen die Atomenergie nicht. Zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate bringt der Widerstand der Bevölkerung ein milliardenschweres Großkraftwerk auf Steinkohlebasis ins Wanken. Nach dem massiven Widerstand in Krefeld, wo der geplante Bau eine Steinkohleblocks des Aachener Unternehmens Trianel in der Schwebe hängt, hat eine Bürgerbefragung im saarländischen Ensdorf ein 2,2 Milliarden Euro teures RWE-Kraftwerk zu Fall gebracht. „Das ist das Wackersdorf der Steinkohle“, heißt es bereits in der Branche.

Industriepolitik contra Klimaschutz
In der Tat: Die anhaltende Debatte um Klimaschutz und den Klimakiller Kohlendioxid bringt das Volk in Wallung. Und macht die Stadträte unabhängig von ihrer politischen Couleur reihenweise zu Umfallern. In Krefeld etwa, wo Trianel mit einer Milliarden-Investition den Standort Bayer-Uerdingen mit Strom versorgen will, begrüßten die Fraktionen aus SPD und CDU anfangs dieses industriepolitisch doch so wichtige Projekt - bis sich Bürgerinitiativen dagegen aussprachen und Ärzte auf die hohe Lungenkrebsrate in Krefeld verwiesen. Die Trianel-Gruppe, die als Wettbewerber der großen vier Konzerne RWE, Eon, Vattenfall und EnBW antritt, versucht nun in Diskussionsrunden die Parteien und Umweltorganisationen von dem Vorhaben zu überzeugen.
Und nun Ensdorf. „Wir bedauern außerordentlich, dass wir dieses wichtige Projekt nicht realisieren können“, sagt RWE-Chef Jürgen Großmann. „Unser Land braucht aber neue, hochmoderne und saubere Kraftwerke um die Preise zu stabilisieren und den Klimaschutz zu verstärken.“

Grüne: „Konzerne haben Glaubwürdigkeitslücke“
Der Grünen-Fraktionsvize im NRW-Landtag, Reiner Priggen, äußerte hingegen großes Verständnis für die Bürgerbewegungen. Die Konzerne hätten „eine Glaubwürdigkeitslücke, weil sie wie RWE ihre Zusagen nicht einhalten, die alten Blöcke abzuschalten.“ Zwar erkenne auch er die Logik an, dass neue, im Wirkungsrad effizientere Kraftwerke der Umwelt letztlich mehr bringen. Allerdings würden die Konzerne Strom ständig über Bedarf und für den Export produzieren.
„Mir ist es lieber, der Strom wird in Deutschland produziert, wo das Augenmerk auf den Klimaschutz und die Effizienz der Kraftwerke viel höher ist als anderswo in Europa“, sagt Manuel Frondel, Energie-Experte beim Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung in Essen. Schließlich sei der Klimaschutz ein weltweites Problem. Die Bürgervoten nannte er „eine Überreaktion in der derzeitigen Klima-Wandel-Weltuntergangsstimmung“.

RWE zieht Antrag zurück
RWE wird nun den Genehmigungsantrag in Ensdorf zurückziehen, nachdem knapp 4000 von rund 5300 Abstimmungsberechtigten der Gemeinde das Vorhaben mit 70 Prozent abgelehnt hatten.
Die Stimme des Volkes hat gesprochen. Damit droht der Steinkohle nun ein Stigma fast so wie der Atomenergie. Kanzlerin Angela Merkel, die sich mit ambitionierten Klimaschutzzielen innenpolitisch profiliert, warnt bereits vor einer Diskriminierung der Kohle. „Im Stadtrat gegen Kohlekraftwerke zu sein und zuhause die Stand-by-Schaltung anzulassen, geht nicht“, meinte sie jüngst auf dem Steinkohletag in Essen.
Thomas Wels

[Greenwashing] „Eine neue Welle des Grünfärbens“

CBG Redaktion

LobbyControl stellt Studie zu Greenwash in Zeiten des Klimawandels vor.

Studie online unter http://www.lobbycontrol.de/download/greenwash-studie.pdf

Köln, 26.November 2007. LobbyControl präsentierte heute eine Kurzstudie über „Greenwash in Zeiten des Klimawandels“. Die Studie zeigt eine neue Welle des Grünfärbens: praktisch alle großen Energieversorger und Ölkonzerne haben im Jahr 2007 umfangreiche grüne Imagewerbung betrieben. „Die ökologischen Leistungen der Unternehmen werden dabei systematisch übertrieben und positiv verzerrt dargestellt“, so Ulrich Müller von LobbyControl. „Diese Art der Imagewerbung ist eine gezielte Desinformation der Bürgerinnen und Bürger – selbst wenn nicht jedes ökologische Projekt von vornherein als Greenwash gesehen werden sollte.“

Die Studie untersucht einzelne einzelne Greenwash-Kampagnen des Jahres 2007 und wirft einen Blick in die Werkzeugkiste des Grünfärbens. Zu den PR-Instrumenten gehören auch die öffentlichskeitswirksam inszenierte Partnerschaft mit Umweltorganisationen. Der Chemiekonzern Bayer etwa kooperiert mit der Umweltorganisation der Vereinten Nationen (UNEP) und will sich damit „grün“ und verantwortungsbewusst präsentieren.

Fazit der Studie Greenwash in Zeiten des Klimawandels

Seit der Ankunft der Klimadebatte im gesellschaftlichen Mainstream erleben wir eine neue Welle des Grünwaschens. Unternehmen blähen ihr Umweltengagement auf und versuchen über Greenwash-Methoden, den Druck für schärfere Klimaschutzmaßnahmen zu reduzieren oder sich Klimaschutzprojekte zumindest zu weiten Teilen von der öffentlichen Hand finanzieren zu lassen. Praktisch alle großen Energieversorger und Ölkonzerne haben dieses Jahr in Deutschland versucht, sich ein grünes Image zu verschaffen.

Bei allen Unterschieden in der konkreten Gestaltung der Greenwash-Kampagnen gibt es durchaus wiederkehrende Elemente (siehe Kasten auf der nächsten Seite). Insgesamt wird die Unternehmensrealität extrem einseitig und verzerrt dargestellt. Da werden einzelne relative Effizienzgewinne betont, selbst wenn die gesamten Treibhausgas-Emissionen ansteigen, z.B. durch mehr Flüge oder neue Kraftwerke. Einzelne Modellprojekte werden als Lösung angepriesen, selbst wenn ihre Umsetzung in ferner Zukunft liegt und fraglich ist, wie bei „CO2-freien“ Kohlekraftwerken oder Gezeitenkraftwerken. An einzelnen Punkten gibt es sicher ökologische Verbesserungen, über die man diskutieren kann: Sind das erste, aber wegweisende Schritte oder nur zögerliche, unzureichende Maßnahmen unter dem öffentlichen und politischen Druck, mit denen die Unternehmen zugleich ihr Kerngeschäft schützen wollen? Nicht jedes ökologische Projekt sollte
von vornherein als Greenwash gesehen werden.

Allerdings ist klar, dass die Imagewerbung der Unternehmen gerade nicht auf eine sachliche Debatte hin ausgerichtet ist, sondern als Beruhigungspille dient. Die Öffentlichkeit soll beruhigt werden – Bürgerinnen und Bürger sollen nicht selbst aktiv werden, sondern die betreffenden Unternehmen oder Branchen in Ruhe agieren lassen.48 Jeder in Anzeigen beworbenen Investition in neue Energiequellen steht ein Vielfaches an Investitionen in fossile Rohstoffe und entsprechende Kraftwerke gegenüber – die wohlweislich in den Anzeigen nicht erwähnt werden. Die beschriebenen Imagekampagnen der Unternehmen sind klar als Grünfärberei einzustufen und in ihrer Einseitigkeit, der selektiven Auswahl an Fakten und Verzerrung letztlich nicht anders zu bewerten als Desinformation.

Die jeweiligen Ziele der Imagepflege können sich durchaus unterscheiden. Greenwash ist ein taktisches Instrument, das in verschiedene Unternehmensstrategien eingebettet sein kann. Deshalb sollte man sich im Umgang mit grünfärberischen Kampagnen bewusst machen, welche Ziele damit konkret verbunden sind (z.B. die alten Atommeiler weiterlaufen lassen zu dürfen oder Klimaschutzvorgaben für Fluglinien zu verhindern). Denn so lassen sich die Irreführungsstrategien besser durchkreuzen.

Typische Kennzeichen von Greenwash:
* Selektive Darstellung der Realität: Fakten werden nicht in den Gesamtkontext gestellt. Eigene ökologische oder soziale Modellprojekte werden überbetont, die negativen Auswirkungen des regulären Kerngeschäft häufig ausgeblendet.
* Übernahme von ökologischer Sprache: Greenwash versucht, den erwarteten öffentlichen Ansprüchen rhetorisch gerecht zu werden, indem Begriffe wie „Nachhaltigkeit“ übernommen werden. Die Begriffe werden meist abstrakt oder weitgehend sinnentleert benutzt.
* Eine „grüne“ und positive Bildsprache: Bäume, grüne Landschaften, blauer Himmel, die Sonne – all das wird gerne verwendet.
* Hervorheben der eigenen Verantwortung: Unternehmen stilisieren sich selbst zum Umweltschützer, betonen, dass sie sich kümmern, dass sie an Lösungen arbeiten und das Problem im Griff haben. Sie wollen verantwortungsbewusst erscheinen – vor allem aber wollen sie eine Einmischung von außen und verbindliche Vorgaben durch die Politik verhindern.
* Betonung technischer Lösungen: Technische Entwicklungen werden als Lösung angepriesen - selbst wo diese unsicher sind (z.B. CO2-Abscheidung bei Kraftwerken) oder bei weitem nicht ausreichen (siehe Lufthansa). Die politischen und gesellschaftlichen Dimensionen und Konflikte werden ausgeblendet. Das Anpreisen technischer Lösungen soll den Druck für weitergehende, strukturelle Veränderungen mindern. Technische Lösungen kommen zudem in der Regel aus den Unternehmen selbst, damit behalten die Unternehmen die Kontrolle über die Veränderungsprozesse.
* Ausblenden der realen politischen Debatten: In den meisten Grünfärbe-Kampagnen werden die aktuellen politischen Konflikte ausgeblendet, auf die die Kampagnen zielen. Die Öffentlichkeit soll nicht anfangen darüber nachzudenken, ob der Flugverkehr in den Emissionshandel einbezogen werden soll. Sie sollen das Gefühl bekommen, dass die Luftfahrtindustrie den Klimaschutz aus eigenem Antrieb heraus in den Griff bekommt.

Umgang mit Greenwash
Die wichtigste Reaktion auf die jüngste Welle von Greenwash-Kampagnen sollte sein, sich dem trügerischen Schein nicht hinzugeben, dass Unternehmen und Wirtschaftsverbände die Umweltprobleme und insbesondere den Klimawandel aus eigenem Antrieb angehen. Sie tun dies auf öffentlichen und politischen Druck hin – und versuchen zugleich mit „grünen“ Kampagnen, den Druck abzufedern.
Genaues und kritisches Hinsehen ist deshalb der erste Baustein im Umgang mit Grünfärberei.
Greenwash-Kampagnen sollten zuerst den Impuls auslösen: Warum gibt diese Anzeigen, diese Aktivitäten gerade jetzt? Welche Konflikte gibt es um das Unternehmen, die Branche? Welche politischen Veränderungen sollen möglicherweise verhindert werden? Sie sollten ein Aufruf sein, sich selbst ergänzende, kritische Informationen zu besorgen. Manchmal reicht dazu schon ein Blick in die aktuelle Berichterstattung der Massenmedien. Ansonsten hilft oft das Internet weiter. Über Suchmaschinen lassen sich schnell kritische Berichte über viele Unternehmen oder Branchen finden. Informationsquellen können unter anderem kritische Nachhaltigkeitsberichte oder Studien sein, die von NGOs oder kritischen Aktionärsgruppen herausgebeben werden. In Deutschland können die im Netzwerk für Unternehmensverantwortung CorA zusammengeschlossenen Organisationen eine erste Anlaufstation sein (www.cora-netz.de). International gibt es einige Organisationen und Webseiten, die einen Besuch lohnen, u.a. Corpwatch (www.corpwatch.org), das Business & Human Rights Resource Center (www.business-humanrights.org) oder der Multinational Monitor
(www.multinationalmonitor.org).

Kritische Leitfragen bei Greenwash-Kampagnen
Oder: Wie erkennt man Grünfärberei?
* Aufs Ganze schauen: Die Ernsthaftigkeit der Worte/Anzeigen etc. erkennt man am tatsächlichen Handeln im Gesamtunternehmen. Zahlen und angepriesene Modellprojekte in den Gesamtkontext stellen. Gerade beim Klimawandel prüfen: werden bei Behauptungen über Emissionsreduzierungen relative oder absolute Zahlen angeben? Wie ist das Verhältnis von Investitionen in Erneuerbare Energien oder Energiesparmaßnahmen zu den gesamten Investitionen? usw.
* Welche Mitgliedschaften in Lobbyorganisationen und Verbänden liegen vor? Welche Politik verfolgen etwa die Dachverbände? Soweit bekannt oder transparent: Welche Institutionen werden von dem Unternehmen gefördert?
* Welche politischen Positionspapiere werden veröffentlicht? Decken sich deren Positionen mit dem öffentlich kommunizierten Umweltbewusstsein?
* Gibt es Leichen im Keller? Umweltunfälle etc.?
* Welche Informationen gibt das Unternehmen heraus?
* Wie wird mit Kritikern umgegangen?
* Wie agiert das Unternehmen international, wie hat es im Zeitverlauf reagiert?
Ist das Verhalten stimmig oder werden hier schöne Dinge behauptet, während in anderen Ländern umweltschädigende Praktiken weiter gehen?

Wer Greenwash-Kampagnen zum Anlass nimmt, um sich alternative Informationen zu besorgen, hat bereits den ersten wesentlichen Schritt getan, um die Strategie hinter der Grünfärberei zu durchkreuzen. Man kann aber auch weitergehen und sich aktiv gegen Greenwash-Kampagnen wehren - hier ein paar Anregungen:

1) Im Falle von irreführenden Anzeigen kann man sich beschweren. Leider sind die rechtlichen Bedingungen gegen irreführende Werbung vorzugehen in Deutschland beschränkt. Das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) enthält zwar einen Paragraphen gegen irreführende Werbung. Allerdings sind die Klagemöglichkeiten begrenzt: Verbraucherorganisationen können klagen, aber nicht Einzelpersonen oder Umweltorganisationen. Zudem muss die irreführende Werbung nach bislang geltender Rechtsprechung einen Produktbezug haben, was bei vielen Greenwash-Anzeigen nur indirekt gegeben ist. Einzelpersonen können nur beim Deutschen Werberat (www.werberat.de) Beschwerden einlegen, einem freiwilligen Gremium der Selbstkontrolle. Der Werberat kann eine öffentliche Rüge aussprechen, dies geschieht aber nur selten. Häufiger kommt vor, dass die betroffenen Unternehmen im Laufe des Beschwerdeverfahrens die Anzeigen selbst zurückziehen.
2006 behandelte der Werberat 229 Anzeigen, Plakate und Spots: Es wurden nur zwei öffentliche Rügen ausgesprochen, in 59 Fällen zogen Unternehmen die Werbung zurück, in zwei weiteren Fällen wurde sie inhaltlich geändert.50 Insgesamt zeigt sich, dass der Werberat als freiwilliges Gremium ein sehr schwaches Instrument ist. Er ist selbst ein Instrument der Werbewirtschaft, um sich gegen weitergehende gesellschaftliche Kritik und stärkere rechtliche Vorgaben zu wehren. Das zeigt sich auch im Jahrbuch 2007 und der dort formulierten Kritik an Vorstößen der EU für striktere Regeln für Werbung.51 Dennoch kann es sich lohnen, mit Beschwerden häufiger deutlich zu machen, dass irreführende Greenwash-Kampagnen als solche wahrgenommen werden und auf Kritik stoßen.
2) Eine zweite Gegenstrategie ist es, Greenwash öffentlich anzuprangern und Gegenöffentlichkeit zu schaffen. LobbyControl verleiht z.B. 2007 mit europäischen Partnern den Worst EU Greenwash Award, einen Negativpreis für das schlimmste Grünfärben in der EU (siehe www.worstlobby.eu). Eine andere Möglichkeit ist es Greenwash-Anzeigen zu verfremden und zu verdrehen und so gegen sich selbst zu drehen (Adbusting). Das Greenpeace-Magazin nutzt dafür beispielsweise immer die Rückseite seines Umschlags.

Weitere Informationen und Links findet man u.a. bei den kanadischen Adbusters (www.adbusters.org) oder in Literatur und Internet unter dem Stichwort „Kommunikationsguerilla“. Außerdem ist es wichtig, vor Ort Aufklärungsarbeit über Grünfärberei zu betreiben –insbesondere, wenn Unternehmen versuchen, andere gesellschaftliche Akteure in ihre PR-Kampagnen einzubinden. Ein Beispiel dafür ist die Arbeit des BUND Oberrhein zu Greenwash in der Region, unter anderem der Tarnorganisation „Au fil du Rhin“.52

3) Nicht zuletzt kann man sich in die politische Auseinandersetzung einklinken – also aktiv werden für das, was die Grünfärberei verhindern soll.

4) Darüber hinaus ist es langfristig wichtig, auch die Rolle der Medien kritisch in den Blick zu nehmen und die Medien in eine Debatte über ihre Anzeigenpolitik zu verwickeln. Wie lässt es sich mit ihrem Selbstverständnis vereinbaren, dass sie über großflächige Anzeigenkampagnen oder Fernsehspots Träger von Desinformation werden? Ist jede Anzeige in Ordnung, egal wie verzerrend sie ist, wenn sie nur Geld in die Kasse spült?

Diese Kurzstudie kann nur erste Anregungen bieten. Werden Sie aktiv gegen Greenwash und retten Sie Ihren Kopf, bevor er Ihnen grün gewaschen wird!

[Demo Duisburg] Kohlenmonoxid Pipeline

CBG Redaktion

23. November 2007, Rheinische Post

Duisburg: Schweigemarsch der Gegner

400 Menschen demonstrierten Mittwochabend gegen den Bau der CO-Pipeline. Zum Auftakt hatten die evangelische und katholische Kirche zu einem ökumenischen Gottesdienst eingeladen.

Ein Abend im Zeichen des Kreuzes: Zusammen mit der katholischen Kirche Herz Jesu in Serm und der evangelischen Auferstehungskirche in Ungelsheim hatte die Bürgerinitiative „COntra Pipeline“ zu einen ökumenischen Gottesdienst mit Schweigemarsch entlang der Pipeline-Trasse aufgerufen. Die Auferstehungskirche war zum Auftakt der Veranstaltung gut gefüllt. Pfarrer Thomas Herwig appellierte an die persönliche Verantwortung von Politikern und Konzernen, gestand aber zum Buß- und Bettag auch eigene Versäumnisse ein. „Wir haben das Kleingedruckte nicht aufmerksam genug gelesen und sind erst aktiv geworden, als uns die Angst gepackt hat.“
Dem folgenden halbstündigem Schweigemarsch mit Fackeln gab Pfarrer Herwig danach in seinen Gedanken zu Römer 2, 1-11, die Worte „Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht“ mit auf dem Weg. In der katholischen Kirche Herz Jesu in Serm fand Pfarrer Bernfried Ludwig ähnlich starke Worte wie sein evangelischer Kollege. In seiner bildhaften Ansprache mahnte er zur Erhaltung der Schöpfung und erinnerte an die Verantwortung des Einzelnen. „Großindustriellen, Politikern, den Kapitalisten und Ganoven bedeutet die Schöpfung nichts, Hauptsache die Kohle stimmt.“
Der Bau einer unterirdischen Kohlenmonoxid-Pipeline (CO) durch den Bayer-Konzern sei „menschenverachtend“, schloss sich Andrea Gutsfeld von der Initiative Contra-Pipeline an. An diesen wollen auch Tochter Benbdida Petra und Mutter Renate Schedler teilnehmen. „Aufgeben? Wenn es nötig ist, gehen wir bis zum Bundesverfassungsgericht!“ Unterstützt in ihrem Anliegen werden die Betroffenen von der Stadt. Oberbürgermeister Adolf Sauerland war in Ungelsheim anwesend und Stadtdirektor Dr. Peter Greulich versprach in der Herz Jesu Kirche die Unterstützung der Stadt.
„Wir bezweifeln die Aussagen des vorliegenden Gutachtens, auf dem der Planfeststellungsbeschluss beruht.“ Das TÜV-Gutachten werde nun von einem Gutachter der Stadt Duisburg überprüft. „An der Aussage, dass die Pipeline so sicher wie Pipelines in den Niederlanden ist, müssen wir erhebliche Zweifel anbringen.“ Es sei nicht verantwortbar, die Grundstücke seitens der Stadt aus der Hand zu geben. Diese Position stütze ein Mandat der Stadt. Ein Abend im Zeichen des Kreuzes im doppelten Sinne. An der Bushaltestelle „Kirche Serm“ kann man ein Kreuz sehen, jedoch nicht das der Kirche. Über dem nahen Werkgelände strahlt das Bayer-Kreuz. Still ist es. VON STEFAN OSSENBERG

NRZ, 19.11.2007

Pipeline: Retter sind nicht gerüstet

NOTFALL. Bei einem Bruch der CO-Leitung müssen Bewohner sich selbst in Sicherheit bringen.

Bei einem Bruch der umstrittenen Kohlenmonoxid-Pipeline der Bayer AG kann die Feuerwehr nicht rechtzeitig alle gefährdeten Bewohner retten. Dies geht aus einer Antwort des Dezernenten Hans-Georg Lohe im gestrigen Ausschuss für öffentliche Einrichtungen hervor. Die Grünen hatten nach dem Katastrophenschutz gefragt. In den ersten Minuten, die über Tod oder Leben entscheiden können, sind die Menschen mehr oder weniger auf sich allein gestellt.
Die Feuerwehr weist darauf hin, dass eine „nur beschränkte Möglichkeit besteht, größere Personenzahlen zeitnah zu warnen und rechtzeitig in Sicherheit zu bringen.“ Der Grund: Für einen derartigen Großeinsatz stehen im Norden, Osten und Süden innerhalb kürzester Zeit nicht genügend Feuerwehrmänner zur Verfügung. In Hubbelrath sind einige Wohnhäuser nur zehn bis 15 Meter von der geplanten CO-Leitung entfernt, in Wittlaer und Angermund 200 Meter. Im Süden verläuft die Pipeline in Monheim bis auf 150 Meter zur Stadtgrenze.
Sollte die Leitung an einer Stelle regelrecht brechen, strömt innerhalb von 15 bis 30 Minuten sämtliches Kohlenmonoxid aus dem beschädigten Rohr aus. Zwar gibt es Absperrschieber, aber nur im Zehn-Kilometer-Abstand. Eine „abschließende Aussage zu dem genauen Ausmaß der betroffenen Stadtgebiete“ kann noch nicht gemacht werden, gibt Lohe zu bedenken.
Die Feuerwehr hält es für dringend erforderlich, bei einem Störfall die in der Nähe wohnenden Menschen sofort über Sirenen und Radio-Durchsagen zu alarmieren, damit die Bürger in das nächstgelegene Haus flüchten können und Türen und Fenster geschlossen halten. In einer solchen Situation bieten Gebäude den einzigen Schutz. Kohlenmonoxid ist geruchlos und ab einer bestimmten Konzentration tödlich. Wer zuviel CO eingeatmet hat, muss in der Druckkammer behandelt werden. „Die Kapazitäten sind allerdings beschränkt“, erklärte Feuerwehr-Chef Peter Albers. MICHAEL MÜCKE

[Wenning] Kohlenmonoxid Pipeline

CBG Redaktion

Pressemitteilung, 22. November 2007

Bürgerinitiative „Bau-Stopp der Bayer-Pipeline“
Keine Risiko-Leitung zwischen Dormagen und Uerdingen

Stand der Unterschriften am 22.11.07: 73.900

Gerechte Auszeichnung von Werner Wenning?

Pipeline-Projekt lässt keine Management-Qualitäten erkennen

Die Bürgerinitiative Bau-Stopp der Bayer-Pipeline zeigt sich erstaunt über die Auszeichnung von Werner Wenning, Vorstandsvorsitzender der BAYER AG, mit dem Titel „Manager des Jahres“ des Manager-Magazins.
Das Projekt Kohlenmonoxid-Pipeline zwischen den Chemieparks Dormagen und Krefeld-Uerdingen offenbart eine Reihe von Management-Fehlern.
Neben zahlreichen Bau-Pannen musste Bayer zuletzt einräumen, das Wetter bei seiner Planung nicht bedacht zu haben und nun nicht wie geplant Ende des Jahres mit dem Betrieb der Leitung starten zu können.
Auch der Kommunikationskultur des Bayer-Vorstands mangelt es an Vorbild-Charakter. Werner Wenning beantwortet Briefe mit Fragen nach seiner persönlichen Verantwortung erst gar nicht selbst.
Bedenklich ist schließlich auch die Auslagerung von Kosten und Risiken:
Während sich der Konzern von der 67 km langen Leitung größere Versorgungssicherheit und damit optimierte Betriebsabläufe sowie höhere Renditen verspricht und damit alle Vorteile einstreicht, werden die Lasten des Projekts der Allgemeinheit aufgebürdet.
Die Wertverluste an Privatimmobilien in unmittelbarer Nähe der Trasse werden vom Verband Haus und Grund auf 5 bis 10 % beziffert. Bei 28.000 betroffenen Häusern allein im Kreis Mettmann ergibt dies einen volkswirtschaftlichen Schaden von bis zu 550 Millionen Euro.
Die gesundheitlichen Hauptrisiken tragen die fast 200.000 Anwohner der Pipeline, die im Gegensatz zu den Arbeitern in den Chemieparks über keinerlei Selbstschutz- und Frühwarneinrichtungen verfügen.
Die Hauptlast der akuten Schadensabwehr obliegt den örtlichen Feuerwehren, die über Steuergelder finanziert werden.
Dieter Donner, Pressekoordinator der Bürgerinitiativen: „Erfolgreich managen heißt auch sozial verantwortlich agieren. Was Herr Wenning mit diesem Projekt vorhat, ist leichtfertig und fahrlässig. Darüber können auch öffentlichkeits-wirksam präsentierte Umwelt- und Sozialkampagnen des Bayer-Konzerns nicht hinwegtäuschen. Auch der zu solchen Anlässen als Pate auftretende NRW-Ministerpräsident verstärkt den faden Beigeschmack nur noch mehr.“

Pestizide im Garten

CBG Redaktion

PAN Germany Presse-Information
Hamburg, 21.11.2007

Kein ausreichender Schutz der biologischen Vielfalt bei der Zulassung von Pestiziden im Haus- und Kleingarten

Die Liste der im Haus- und Kleingarten zugelassenen Pestiziden zeigt: Im Haus- und Kleingarten sind Gifte im Einsatz, die für die Umwelt gefährlich sein können.

Der Verlust an biologischer Vielfalt schreitet fort. Der Rückgang von Arten ist besorgniserregend. Dies ist jedoch bisher nicht ausreichend bei der Novellierung und Umsetzung der Pestizidgesetzgebung berücksichtigt. Dies betrifft unter anderem den Haus- und Gartenbereich.
Hier muss bei der Zulassung von Pestiziden endlich der Schutz der Biodiversität wirksamer berücksichtigt werden. Die Liste der zugelassenen Pestizide für den Haus und Kleingartenbereich zeigt deutlich: Der Schutz der biologischen Vielfalt ist bei der Zulassung von Pestiziden für Haus und Garten noch nicht angekommen. Carina Weber Programm-Geschäftsführerin von PAN: „Die Gesetzgeber auf nationaler und europäischer Ebene müssen hier endlich Verantwortung übernehmen. Mittel mit negativen Auswirkungen auf den Naturhaushalt, die von Laien eingesetzt werden, müssen aus der Zulassung herausgenommen werden.“

Dipl. Ing. agr. Susan Haffmans von PAN: „Im Haus- und Kleingarten werden Pestizide eingesetzt, die sowohl für Wasserlebewesen wie auch z.B. für nützliche Insekten gefährlich sind“.

So ist beispielsweise das „BAYER GARTEN Gartenspray“ gegen Insekten als bienengefährlich und schädigend für Populationen relevanter Nutzorganismen eingestuft. Darüber hinaus ist es giftig für Algen, Fische und Fischnährtiere. Der „Bahr Unkrautvernichter mit Rasendünger“ ist schädlich für Wasserorganismen und kann laut Gefahrenbezeichnung in Gewässern längerfristig schädliche Wirkung haben. Zudem ist er als giftig für höhere Wasserpflanzen eingestuft. Und das „Austrieb-Spritzmittel Weißöl“ der Firma W. Neudorff wird als schädigend für Nützlinge wie die Florfliege und als schwachschädigend gegenüber Marienkäfern eingestuft. Darüber hinaus ist es sehr giftig für Wasserorganismen und auch hier wird auf mögliche längerfristige schädliche Wirkungen in Gewässern hingewiesen.

Federführend verantwortlich für die Zulassung von Pestiziden für den Einsatz im Haus und Garten in Deutschland ist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Das BVL kann jedoch nur im Rahmen der EU-Pestizidgesetzgebung handeln, deshalb müssen die Vorgaben in Brüssel verbessert werden. Die Bundesregierung muss hier ihren Einfluss stärker zum Schutz der Biodiversität geltend machen.

Weitere Informationen:
Susan Haffmans, Tel. 040-399 19 10-25,
E-Mail: susan.haffmans@pan-germany.org

Klima-Emissionen

CBG Redaktion

Coordination gegen BAYER-Gefahren
Presse-Info vom 19. November 2007

Zum heute vorgestellten “Bayer Climate Program”:

“Kritische Bereiche erneut ausgeklammert”

Der BAYER-Konzern hat heute sein neues Klima-Programm vorgestellt. In den Reden des Vorstandsvorsitzenden Werner Wenning sowie des Vorstandsmitglieds Wolfgang Plischke wurden jedoch erneut wichtige Problembereiche ausgespart.

So plant BAYER gemeinsam mit der Firma TRIANEL den Bau eines umstrittenen Steinkohlekraftwerks. Das Kraftwerk, das auf dem BAYER-Werksgelände in Krefeld gebaut und von der BAYER-Tochter BIS betrieben werden soll, würde jährlich 4,4 Millionen Tonnen Kohlendioxid und jeweils 4000 Tonnen Schwefeldioxid und Stickoxide emittieren. Da das Kraftwerk mit Kohle aus Südamerika und Australien befeuert werden soll, kämen die Emissionen beim Transport hinzu.

Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG): „Eine Pressekonferenz zum Thema Klimaschutz, zu der Journalisten aus aller Welt eingeflogen werden, macht keinen Sinn, wenn das in Sachen Klimaschutz problematischste Projekt des Unternehmens mit keinem Wort erwähnt wird. Was ist das Gerede von „Klima-Check“ und „holistischem Ansatz“ wert, wenn dadurch der Einsatz einer solchen Dinosaurier-Technologie nicht verhindert wird? Das Steinkohlekraftwerk würde Klima und Umwelt mindestens bis zur Mitte des Jahrhunderts schwer belasten.“

Die CBG fordert den Konzern zudem auf, das Wirrwarr bei den Angaben zu CO2-Emissionen aufzulösen: Im vergangenen Jahr hieß es in Verlautbarungen des Konzerns „Bayer hat die Emissionen der Treibhausgase seit Beginn der 90er Jahe weltweit um über 70 Prozent reduziert“. Noch am 30. August diesen Jahres äußerte Wenning: „Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die direkten Treibhausgas-Emissionen bis 2010 um 50 Prozent im Vergleich zum Ausgangsjahr 1990 zu reduzieren. 46 Prozent haben wir bereits erreicht.“ Heute hieß es in der Rede von Werner Wenning: „So haben wir zwischen 1990 und 2006 die weltweiten absoluten Treibhausgas-Emissionen des Bayer-Konzerns in der heutigen Portfolio-Struktur erheblich reduziert - um insgesamt 36 Prozent“.

Philipp Mimkes: „Erst nach einer Kampagne der Coordination gegen BAYER-Gefahren war BAYER bereit, die Emissionen der Energie-Zulieferer in seiner Klima-Bilanz zu berücksichtigen und das Ammenmärchen von der 70-Prozent-Reduktion zu begraben. Noch immer ist jedoch eine vollständige Bewertung des CO2-Ausstoßes von BAYER kaum möglich, da der Konzern ständig unterschiedliche Zahlen vorlegt. Wir fordern BAYER auf, absolute Emissions-Zahlen für alle Werke, Tochterfirmen und Energiezulieferer zu veröffentlichen - auch rückwirkend.“

Weitere Informationen zu Klima-Emissionen von BAYER

Entlassungen

CBG Redaktion

Presse Information vom 9. November 2007
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Kunststoff-Produktion von BAYER: Rationalisierung trotz Rekordgewinn

„Rechtfertigung für gefährliche CO-Pipeline hinfällig“

Trotz eines prognostizierten Rekord-Gewinns im laufenden Jahr will der BAYER-Konzern in der Kunststoffproduktion ein Zehntel aller Arbeitsplätze wegrationalisieren. Die Tochterfirma BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) hat in den ersten neun Monaten des Jahres einen Gewinn von 843 Mio Euro erzielt, der Gesamt-Konzern erlöste sogar einen Profit von 3,5 Milliarden Euro. Dennoch sollen von den 15.000 Stellen von BMS allein in Deutschland rund 500 vernichtet werden.

Dies wirft ein bezeichnendes Licht auf die Argumentation der BAYER AG im Zusammenhang mit dem Bau der umstrittenen Kohlenmonoxid-Leitung von Dormagen nach Krefeld-Uerdingen. Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG): „Der BAYER-Konzern rechtfertigt den Bau der CO-Pipeline mit der damit angeblich verbundenen Arbeitsplatz-Sicherung in der Kunststoffproduktion. Die selbe Begründung wurde auch für das Enteignungs-Gesetz, die sogenannte „Lex Bayer“, herangezogen. Angesichts der nun angekündigten Vernichtung hunderter Arbeitsplätze entpuppen sich diese Versprechen als hohles Gerede. Damit entfällt auch die Rechtsgrundlage für das Enteignungs-Gesetz!“ Nach Auffassung der CBG liegen dem Bau der hochgefährlichen Leitung ausschließlich privatwirtschaftliche Interesse zu Grunde. Enteignungen lassen sich aber nur durch Vorteile für das Allgemeinwohl rechtfertigen.

Axel Köhler-Schnura von der CBG ergänzt: „BAYER hat mit der angekündigten Vernichtung weiterer 1.500 Arbeitsplätze endgültig die Solidarität mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aufgekündigt. Angesichts von Umsatzrenditen über 20% sind die von BAYER angekündigten Ausgliederungen und Entlassungen durch nichts zu rechtfertigen.“

In Krefeld-Uerdingen setzt BAYER für die Kohlenmonoxid-Produktion eine veraltete und energieintensive Technik ein. Im vergangenen November musste die Anlage nach einem Brand wochenlang stillgelegt werden. Die CBG fordert den Bau einer modernen CO-Produktionsanlage in Uerdingen - hierdurch ließe sich zum einen der Ausstoß von Treibhausgasen verringern, zum anderen könnten der Bau der Pipeline und die Gefährdung der Anwohner gänzlich verhindert werden.

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[Subventionen] Agrarsubventionen

CBG Redaktion

8.11. 2007 Lausitzer Rundschau

Hohe EU-Subventionen für Agrarkonzerne

Von Agrarsubventionen profitieren besonders häufig große Agrarkonzerne und Güter.
Zitat: „Dem Chemiegiganten Bayer zahlte die EU für den Anbau von Zuckerrüben und Getreide auf seinem Versuchsgut Laacher Hof pro Jahr bis zu knapp 100 000 Euro. Der Unilever-Konzern nahm danach über seine inzwischen verkaufte Tochter Iglo seit 2004 rund 700 000 Euro ein.“

Euparen

CBG Redaktion

Schwäbische Zeitung, 06.11.2007

Bayer-Pestizid im Trinkwasser: Arzt schlägt Alarm

RAVENSBURG Sorgen um das Trinkwasser im Schussental macht sich der Ravensburger Arzt Dr. Friedhelm Struben. Die Belastung des Wassers durch Pflanzenschutzmittel aus der Landwirtschaft sei nicht so harmlos wie zunächst angenommen. In einem offenen Brief hat er sich jetzt an Kommunalpolitiker gewandt.
Wie berichtet, war das Pflanzenschutzmittel „Euparen“ wegen des Abbauproduktes Dimethylsulfamid von der Firma Bayer im Februar 2007 nach 20 Jahren Einsatz im Obst- und Weinanbau vom Markt genommen worden. Grund: Bei der Behandlung mit Ozon entsteht das erbgutschädigende und krebserregende NDMA (Nitroso-Dimethylamin). Und Ozon wird von manchen Wasserwerken für die Trinkwasseraufbereitung verwendet.
Überall im Land ist daraufhin das Trinkwasser auf Rückstände des Pflanzenschutzmittels untersucht worden. In Ravensburg – vor allem in den südlichen und westlichen Ortschaften Taldorf, Eschach und Schmalegg, wo viel Obst angebaut wird – ist der Grenzwert von 0,0001 Milligramm pro Liter etwa um das Vierfache überschritten worden. In Weingarten blieben die Messwerte unter dem Grenzwert. Da aber die Technischen Werke Schussental ihr Wasser nicht mit Ozon behandeln, wurde die Belastung vom Kreisgesundheitsamt als ungefährlich eingestuft und eine Ausnahmegenehmigung für die weitere Abgabe von Trinkwasser bis zum 30. April 2010 erteilt.

Offener Brief an Fraktionen
Das hält Dr. Friedhelm Struben, Facharzt für Frauenheilkunde, Geburtshilfe und für Psychosomatische Medizin, für „nicht zumutbar“. Die giftige krebserregende Verbindung könne seinen Informationen nach bei allen Oxidationsvorgängen an Dimethylsulfamid entstehen, nicht nur durch die Beigabe von Ozon. „Es kann also nicht mit hinreichender Sicherheit so einfach behauptet werden, dass eine gesundheitliche Gefährdung über dieses Trinkwasser nicht besteht“, schreibt Struben in einem offenen Brief an die Fraktionsvorsitzenden aller Parteien im Ravensburger Gemeinderat. Man könne nicht „einfach zur Tagesordnung übergehen“ und diese Gefährdung banalisieren und beschönigen, meint der Arzt. Im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“ konkretisierte er seine Bedenken: „Wasser ist ein Grundnahrungsmittel. Ich kann doch die Grenzwerte nicht einfach am grünen Tisch ändern, weil es so am bequemsten ist.“ Nicht einmal Abkochen würde helfen, da es sich bei dem Fungizid (Pilzabtötungsmittel) im Wasser ja nicht um Keime handele. Seinen Patienten empfiehlt Struben, möglichst Mineralwasser zu verwenden.
Dr. Andreas Thiel-Böhm, Geschäftsführer der Technischen Werke Schussental (TWS), sieht hingegen keine Gefahr. Das von den TWS an vielen Brunnen im Osten von Ravensburg und Weingarten geförderte Trinkwasser sei so rein, dass überhaupt kein chemisches Verfahren zur Trinkwasseraufbereitung verwendet werden müsse. Weder Ozon noch sonst etwas. Mikrobiologische Keime würden allein durch UV-Licht abgetötet. Zu einer Oxidation komme es dabei nicht, folglich könne sich auch nicht das gefährliche NDMA bilden.

UV-Licht reicht aus
„Wenn Trinkwasser ohnehin schon klar ist und keinen weiten Weg zum Verbraucher zurücklegen muss, reicht die UV-Licht-Bestrahlung“, erklärt Thiel-Böhm. Anders sehe das zum Beispiel am Bodensee aus, dessen Wasser bis in den Stuttgarter Raum gepumpt wird, bevor es jemand trinkt. Das Wasser aus den Brunnen der Region sei jedoch so gut, dass es kaum noch aufbereitet werden müsse.
Kann man die Qualität des Wassers in Ravensburg trotzdem noch steigern, um jegliches Restrisiko auszuschließen? Theoretisch schon, meint Thiel-Böhm. Wollte man die seiner Ansicht nach ungefährlichen Rückstände des Pflanzenschutzmittels herausholen, müsste man jedoch enorm kostspielige Anlagen bauen. Etwa Aktivkohlefilter. Das würde aber dann das Trinkwasser mindestens um 25 bis 50 Prozent verteuern. „Wir sprechen hier von 50 Cent pro Kubikmeter.“
Seine Sicht der Dinge teilt man beim Ravensburger Landratsamt, das als Gesundheitsbehörde die Ausnahme-Erlaubnis für die Abgabe des belasteten Wassers gegeben hat. Dort habe man sich wiederum beim Bundesamt für Risikoabschätzung rückversichert. Franz Hirth, Pressesprecher des Landratsamtes: „Wir wissen nur, dass die Belastung dort, wo Obst angebaut wurde – von der Erdbeere bis zum Apfel – höher ist. Ansonsten wissen wir noch relativ wenig über den Stoff.“ Es sei zum Beispiel noch unklar, ob die Werte sinken oder steigen würden. „In ein, zwei Jahren wissen wir mehr. Jetzt haben wir keine neuen Erkenntnisse.“

Daten & Fakten
Das Pflanzenschutzmittel „Euparen“ der Firma Bayer wurde 20 Jahre lang eingesetzt. Anwendung fand es besonders im Obst- und Weinanbau gegen Pilzbefall. Im Herbst des vergangenen Jahres hat die Firma bei einer Eigenuntersuchung von „Euparen“ erstmals das Entstehen des Abbauproduktes Dimethylsulfamid festgestellt und dem Bundesamt für Verbraucherschutz mitgeteilt. Seit Februar ist die Verwendung von „Euparen“ durch das Amt untersagt. Der Stoff Dimethylsulfamid soll gesundheitlich unbedenklich sein. Wenn allerdings Trinkwasser mit Ozon aufbereitet wird, entstehen krebserregende Nitrosamine, Nitroso-Dimethylamin (NDMA).
Annette Vincenz