Drücke „Enter”, um zum Inhalt zu springen.

Beiträge verschlagwortet als “Bhopal”

[Le Carré] STICHWORT BAYER 04/2005

CBG Redaktion

Carrés „Ewiger Gärtner“ verfilmt

BAYER & Co. als Kino-Bösewichter

Leichen pflastern ihren Weg: Die Leinwand-Adaption von John le Carrés „Der Ewige Gärtner“ deckt die skrupellosen Machenschaften der Pharma-Industrie auf. Als „einen politischen Thriller über von Großunternehmen begangene Verbrechen, Gesetzesüberschreitungen und Manipulation“ beschreibt Hauptdarsteller Ralph Fiennes den Film.

Von Jan Pehrke

Das große „Bhopal mahnt“-Poster aus der Düsseldorfer Geschäftsstelle der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat es jetzt zu Leinwand-Ehren gebracht. Es hängt in dem Berliner Büro der pharma-kritischen Initiative, welche die beiden Hauptfiguren der John-le-Carré-Verfilmung „Der Ewige Gärtner“ mit Informationen über die Pillen-Riesen versorgt. Die Organisation ist hauptsächlich der BUKO-PHARMAKAMPAGNE nachempfunden, aber das Filmteam hat sich auch auf den Webseiten der Coordination kundig gemacht und sie sogar gebeten, Material für die Ausstattung der Produktion zur Verfügung zu stellen. Das bot sich unter anderem deshalb an, weil bei dem im Film sein Unwesen treibenden Konzern „Three Bees“ einige Ähnlichkeiten zum Leverkusener Multi alles andere als zufällig sind. Allzuviele Unternehmen, die gleichzeitig Pillen und Pestizide im Angebot haben, gibt es nämlich nicht ...

Die Berliner Gruppe liefert Tessa und Justin Quayle Hintergrundwissen über das Treiben von BAYER & Co. in den so genannten Entwicklungsländern. Die Polit-Aktivistin Tessa ist ihrem in den diplomatischen Diensten Großbritanniens stehenden Ehemann nach Kenia gefolgt, wo sie mit den dubiosen Geschäftspraktiken des Pharma-Riesen „Three Bees“ konfrontiert wird. Auf dem belebten Markt der Hauptstadt Nairobi tritt das Unternehmen als Samariter auf und bietet kostenlos „Aids“-Tests an - wenn die Menschen sich zur Erprobung des Tbc-Medikamentes „Dypraxa“ bereit erklären. „Kein Pharma-Konzern macht etwas umsonst“, klärt der kenianische Arzt Dr. Bluhm Tessa auf und sagt ihr, womit nicht wenige ProbandInnen zahlen: mit ihrem Leben. Durch ein einfaches Kreuz auf einem „Three Bees“-Formular haben sie unwissentlich ihre Einwilligung gegeben, eine sehr gefährliche Arznei zu testen. „Dypraxa“ hat sich in Labor-Untersuchungen als gesundheitsgefährdend erwiesen, aber der Pharma-Multi hat in das profitträchtige Medikament bereits zu viel investiert, um die Entwicklung abbrechen zu wollen. So nutzt er für die zur Zulassung nötigen Tests die Standort-Vorteile aus, die ihm die korrupten Eliten Kenias mit freundlicher Unterstützung der britischen Diplomatie bieten.

Gutgläubig informiert Tessa das Außenministerium per Brief über die Vorgänge in Kenia. Aber nichts passiert. Erst als sie sich Einblick in das nicht an sie, sondern an einen Kollegen ihres Mannes gerichtete Antwortschreiben verschafft, muss die Frau erfahren, nach welchen Kriterien London solche Eingaben behandelt: „Was Handelsinteressen schadet, wird zerrissen“.

Also setzt Tessa ihre Nachforschungen auf eigene Faust fort, unterstützt nur von Dr. Bluhm und gefüttert von sachdienlichen Hinweisen der Berliner Pharma-KritikerInnen. Sie dringt immer tiefer in den Pharma-Sumpf ein - und kommt schließlich darin um. Wer schon bei der Entwicklung eines Medikamentes über Leichen geht, der scheut auch nicht davor zurück, seine GegnerInnen durch ein „Corporate Killing“ aus dem Weg zu räumen.

Die gedungenen Mörder tarnen das Verbrechen als Eifersuchtsdrama. Justin Quayle jedoch zweifelt an dieser Todesursache, rekonstruiert die letzten Lebenswege seiner Frau und deckt mit dem Mord auch ein bis in höchste Regierungskreise reichendes Pharma-Komplott auf.
Was unbedarften ZuschauerInnen vielleicht wie eine „Räuberpistole“ erscheinen mag, beruht auf Tatsachen. John le Carré hat unter anderem bei der BUKO-PHARMA-KAMPAGNE in Bielefeld lange für sein Buch recherchiert. Darüber hinaus hat das Filmteam bei der Vorbereitung noch zusätzliche Quellen benutzt wie die Channel 4-Dokumentation „Für Medikamente sterben“, die Medikamentenversuche in der „Dritten Welt“ mit tödlichen Nebenwirkungen zum Thema hat.

Der Schriftsteller hat nicht allzu lange gezögert, welchem Industriezweig er die Rolle des „Public Enemy No. 1“ zugedenken sollte.„Ich hätte mir auch den Skandal des mit Zusätzen angereicherten Tabaks vornehmen können ... Ich hätte mir auch die Ölkonzerne vornehmen können ... Aber sowie ich die multinationale pharmazeutische Welt betreten hatte, packte sie mich an der Gurgel und ließ mich nicht wieder los“, sagt John le Carré. Auch für die Hauptdarstellerin Rachel Weisz sind höchstens noch SHELL und Konsorten imstande, es mit der kriminellen Energie von BAYER & Co. aufzunehmen. „Ich glaube, dass man die Pharma-Industrie höchstens noch mit der Öl-Industrie vergleichen kann. Es ist ein gewaltiges Geschäft. Sie verdienen Unmengen von Geld, und doch können sich die Menschen in der „Dritten Welt“ nicht die Medikamente leisten, die ihnen das Leben retten könnten“, so die Schauspielerin.

Und der Regisseur Fernando Meirelles, der für seinen letzten Film „City of God“ für den Oscar nommiert war, hat sogar Erfahrungen mit der Geschäftspolitik von Big Pharma aus eigener Anschauung in das Projekt eingebracht: „Ich komme aus Brasilien. Dort haben wir in den letzten Jahren Generika, also Nachahmerpräparate, hergestellt. Wenn man versucht, billige Versionen patentierter Medikamente herzustellen, dann lernt man sehr schnell, über welch unfassbare Macht die Lobby der Pharma-Industrie verfügt“.

Der Drehbuch-Autor Jeffrey Caine glaubt deshalb auch nicht, dass „Der Ewige Gärtner die Handlungsweisen von BAYER & Co. ändern wird. Er hofft jedoch, mit dem Film zur Aufklärung über das Geschäftsgebaren der Pillenriesen beitragen zu können. Und der Erfolg des Werkes in den USA scheint ihn darin zu bestätigen.

Der Film startet bundesweit am 12. Januar. John le Carrés Buchvorlage „Der Ewige Gärtner“ ist beim Internet-Versand www.j5A.net erhältlich.

[HV Bericht] STICHWORT BAYER 02/2005

CBG Redaktion

KritikerInnen-Erfolge auf BAYER-Hauptversammlung

Das Misstrauensvotum

Der Leverkusener Multi hat im Jahr 2004 wieder einmal prächtige Geschäfte gemacht. BAYER-Chef Werner Wenning und seine Vorstandsriege belohnten sich dafür mit einer kräftigen Aufstockung der Bezüge. Der Aufsichtsrat folgte dem schlechten Beispiel und legte der AktionärInnen-Versammlung einen Antrag auf eine 50-prozentige Lohnerhöhung vor. Auf wessen Kosten der Konzern und seine Manager sich bereicherten, berichteten VertreterInnen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und zahlreicher anderer Initiativen in ihren Gegenreden. Arbeitsplatzvernichtung, Kinderarbeit, Umweltzerstörung, Nichtentschädigung von KZ-Opfern, Missachtung des VerbraucherInnenschutzes - aus diesen Kapiteln des „Schwarzbuch BAYER“ lasen sie den Bossen die Leviten. Mit Erfolg: BesitzerInnen von 26 Millionen BAYER-Aktien verweigerten ihre Zustimmung zur Anhebung der Aufsichtsratsbezüge.

Von Udo Hörster

Stolz präsentierte BAYER-Chef Werner Wenning in seiner Eröffnungsrede zur Hauptversammlung die Konzern-Bilanz. Um vier Prozent auf 30 Milliarden stieg der Umsatz; der Gewinn legte sogar um mehr als 50 Prozent auf über zwei Milliarden zu. Grund genug für den Großen Vorsitzenden, sich sein Salär auf 2,36 Millionen zu verdoppeln und seine drei Vorstandskollegen mit insgesamt zwei Millionen zusätzlich zu bedenken. Da mochte auch der Aufsichtsrat nicht zurückstehen. Er wollte sich von den AktionärInnen eine Erhöhung des Jahresfixums von 40.000 auf 60.000 Euro bewilligen lassen. Die erfolgsabhängigen Prämien mitgerechnet, hätten sie dann per anno ca. 90.000 Euro eingestrichen.
Dem Rest der Belegschaft kam der Geldsegen nicht zugute. Im Gegenteil: Drastische Einsparmaßnahmen auf ihrem Rücken sorgten erst für den exorbitanten Profit. „Unsere Kostenoptimierung betraf natürlich auch die Personalaufwendungen: Wir konnten diese seit 2002 um fast zwei Milliarden reduzieren“, vermeldete Wenning in schamloser Offenheit. Von der Debatte um das rücksichtslose Gebaren der Global Player zeigte er sich trotzdem überrascht. Er wandte sich dagegen, „mit populistischen Vorwürfen und dem Aufwärmen überkommender Klassenkampf-Theorien einen Streit zu entfachen“. Lieber brach er selber eine Fehde mit Rot-Grün vom Zaun. „Hierzulande werden aber Zukunftstechnologien und potenzielle Arbeitsplatzschmieden wie die Biotechnologie nicht gefördert, sondern durch Gesetze und Bürokratie behindert. Denken Sie nur an das Stammzellgesetz oder das Gentechnikgesetz!“, tönte der Vorstandsvorsitzende.
Andrea Will (DKP) sah sich gezwungen, ihm in Sachen „Kapitalismus-Kritik“ Nachhilfe-Unterricht zu erteilen. Sie kritisierte die massive Arbeitsplatzvernichtung und demonstrierte anhand einer neuen Umfrage, wie wenig überkommen eine Auseinandersetzung mit der Profitgier von Big Business ist. Angesichts eines trotz hoher Gewinne unverdrossen fortgeführten Arbeitsplatzabbaus meinten 95 Prozent der Befragten, die Unternehmen müssten eine stärkere soziale Verantwortung zeigen. Aber Werner Wenning gab sich begriffsstutzig und blieb lieber Angehöriger einer kleinen radikalen Minderheit. „Für mich ist die gegenwärtige Diskussion schwer verständlich“, so der Unbelehrbare. Umso besser verstand er sich darauf, den wiederum immer mehr Menschen immer unverständlicher erscheinenden Sermon vom Segen der Angebotspolitik herunterzubeten. Wir „müssen Rahmen setzen, die für die Investoren attraktiv sind“, forderte er, dann würden „auch alle profitieren“.
Alle würden profitieren, das hatte der BAYER-Mann auch im vergangenen Herbst auf der außerordentlichen Hauptversammlung, welche die Abspaltung der Chemie-Sparte besiegelte, den zu dem neu gegründeten Unternehmen LANXESS wechselnden Ex-BayeranerInnen versichert. In Köln war davon nicht mehr die Rede. Unverhohlen verkündete er seinen ShareholderInnen, welch große Deinvestitionsdividende sie eingestrichen haben: „Und auch die Börse hat die Umstrukturierung des Konzerns honoriert. Während der DAX seit Ankündigung unserer strategischen Neuausrichtung im November um 13 Prozent stieg, konnte der Kurs der BAYER-Aktie im gleichen Zeitraum um 26 Prozent zulegen“. Entsprechend schlecht stehen die Aktien für LANXESS und die Beschäftigten. Erst im April hatte Unternehmenschef Axel Heitmann wieder die Schließung von zwei Standorten und die Streichung von 1.200 Stellen bekannt gegeben.
CBG-Vorstand Axel Köhler-Schnura hatte diese Entwicklung schon auf der erwähnten Lanxess-HV im November vorhergesehen. Deshalb warf er Wenning vor, ein doppeltes Spiel gespielt zu haben. „Weshalb erfahren wir die Tatsachen erst nach der HV? Weshalb täuschen Sie?, fragte Köhler-Schnura. Angesichts dieses verantwortungslosen Umgangs mit dem Schicksal der Beschäftigten stellte der CBGler klar: “Es ist nicht Rot-Grün, das Arbeitsplätze vernichtet. Es sind Sie. Nicht Rot-Grün betreibt Klassenkampf, es sind Sie, der Klassenkampf von oben betreibt„.
Darauf fiel dem BAYER-Boss keine Antwort ein. Er flüchtete in antikommunistische Polemik und stöhnte: “Seit mehr als 25 Jahren sind sie uns mit ihrer Agitation schon treu„. Er recycelte in seiner Hilflosigkeit sogar einen Satz, den ihm seine fleißigen SouffleurInnen hinter der Bühne schon im letzten Jahr ins Ohr geflüstert hatten: “Uns trennen Welten - besonders in der Weltanschauung„.

Die unheilvolle Tradition
Wie weit die unheilvolle Tradition menschenverachtender Profitjagd bei BAYER zurückreicht, das bezeugte in Köln Eugen Muszynski mit seiner eigenen Leidensgeschichte. Zu Beginn seiner Rede deutete der Vorsitzende des VERBANDES DER IM KINDESALTER INHAFTIERTEN FRÜHEREN HÄFTLINGE DER NATIONALSOZIALISTISCHEN KONZENTRATIONSLAGER auf das hinter der Bühne prangende BAYER-Zeichen und erklärte: “Vor 62 Jahren habe ich zum ersten Mal dieses Logo gesehen„. Es befand sich auf dem Typhus-Präparat B-1034, das MedizinerInnen im Auftrag des Leverkusener Pharma-Riesen an den Inhaftierten ausprobierten, nachdem sie ihre Opfer mit dem entsprechenden Krankheitserreger infiziert hatten. Zwei Spritzen erhielt der damals 7-Jährige, eine dritte hätte er nach eigenem Bekunden nicht überlebt. Noch jetzt leidet Eugen Muszynski an den Spätfolgen der KZ-Zeit und ist zu 100 Prozent schwerbehindert. Und während seine Peiniger ihre Karrieren in der Nachkriegszeit zumeist rasch fortsetzen konnten, muss er von 600 Euro Rente leben. Da halfen ihm die vom Entschädigungsfonds der deutschen Wirtschaft für sein dreijähriges Martyrium in Auschwitz zugesprochenen 7.500 Euro nicht viel weiter - als blanken Hohn bezeichnet Muszynski diese Summe. Deshalb erkundigte er sich auch im Namen seiner Leidensgenossen, die sich oft in einer ähnlich prekären sozialen Lage befinden: “Was können wir als Opfer erwarten vom Konzern?„. Diese Frage hatte er dem Unternehmen bereits mehrfach in Briefform gestellt und bekam darauf in Köln ebenso wenig eine befriedigende Antwort wie früher.
Weil sich das Grauen der Konzentrationslager nur schwer in Worte fassen lässt, hielt Eugen Muszynski zum Schluss schweigend ein Foto hoch, das vier bis auf die Knochen abgemagerte KZ-Insassen zeigte. Beklommende Stille breitete sich unter den mehr als 4.000 AktionärInnen aus. Ein Fall für die Saal-Regie. Zunächst fuhren die Kameras, welche die RednerInnen filmten und sie im Großformat auf den beiden links und rechts des Podiums angebrachten Videoleinwänden zeigten, noch auf Muszynski zu, um das Foto größer ins Bild zu bekommen. Als den TechnikerInnen aber gewahr wurde, was sich ihnen da vor der Linse an Grauen präsentierte, spielten sie sofort unverfänglichere Aufnahmen ein. Trotzdem dauerte es eine ganze Weile, ehe der Versammlungsleiter Manfred Schneider es wagte, wieder zur Tagesordnung überzugehen. Auch Werner Wenning sah sich später in seiner Antwort auf den Beitrag zunächst gezwungen, zu einem anderen Ton als dem zu greifen, mit dem er sonst die Konzern-KritikerInnen abzufertigen pflegte. “Erlauben Sie mir ein paar persönliche Bemerkungen„, hob er an, “Ich bedauere ihr persönliches Schicksal sehr. Niemand kann ermessen, wie prägend die Erlebnisse gewesen sein mögen„. Nach dieser routiniert-leutselig absolvierten Pflichtübung zeigte der BAYER-Chef aber einen noch unverantwortlicheren Umgang mit der Unternehmensgeschichte als seine Vorgänger. Er stellte nicht nur klar, BAYER sei mit den IG FARBEN nicht gleichzusetzen und kein Rechtsnachfolger des Mörder-Konzerns, er leugnete mit dem Verweis auf die Freisprüche im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess auch noch die Schuld der in Menschenversuche verwickelten BAYER-Pharmakologen. Die RichterInnen setzten damals viele Angeklagten auf freien Fuß, weil im Zuge des Kalten Krieges mit der Sowjetunion ein neuer Feind am Horizont erschienen war und damit plötzlich Milde gegenüber den alten Bösen opportun wurde. Wenning zitierte aus dem Urteil: “Die Annahme, dass die Angeklagten mit den SS-Ärzten, die diese verbrecherischen Handlungen begingen, unter der Decke gesteckt haben, wird durch die Tatsache widerlegt, dass die I. G. die Versendung der Medikamente eingestellt hat, sobald der Verdacht eines gesetz- und standeswidrigen Verhaltens der Ärzte auftauchte„. “Eine Feststellung„, kommentierte der Publizist Ernst Klee in seinem Buch “Auschwitz, die NS-Medizin und ihre Opfer„, “die den in Nürnberg vorliegenden (...) Dokumenten widerspricht: Die Versendung der Präparate endete bei Kriegsende„.

Kinderarbeit
Zu den traurigsten aktuellen Kapiteln im “Schwarzbuch BAYER„ gehört das über die Kinderarbeit bei den Zulieferern der indischen Saatgut-Tochter PROAGRO. Über 1.500 Minderjährige leisten derzeit Frondienste auf den Feldern, berichtete Manfred Belle vom EINE-WELT-NETZWERK NRW und kritisierte: “Verantwortung kann nicht am Fabriktor enden„. Bereits seit zwei Jahren versichert der Leverkusener Multi, seine Geschäftspolitik ändern zu wollen. Geschehen ist bisher allerdings nichts. Deshalb wirft der neue Anlauf, den das Unternehmen nun mit seinem “Aktionsplan„ startet, für Belle auch einige Fragen auf. Der Konzern beabsichtigt, sich - wegen der angeblich unübersichtlichen Lage auf dem Kinderarbeitsmarkt - auf einige wenige Dörfer zu konzentrieren und den dortigen FarmerInnen Bonuszahlungen für den Verzicht auf die Beschäftigung von Nicht-Volljährigen in Aussicht zu stellen. Zudem plant der Agro-Riese ein Programm zur Förderung der Schulbesuche. Ob es sich dabei um Potemkinische Dörfer handelt, bloße Vorzeigeprojekte, die den Blick auf die ansonsten weiterhin flächendeckend betriebene Ausbeutung von Kindern verstellen soll oder ob von den Mustersiedlungen wirklich eine Signalwirkung ausgehen wird, bleibt fraglich. Manfred Belle machte die Erfolgsaussichten in seiner Rede von ganz konkreten Bedingungen abhängig: “Reichen die Bonus-Zahlungen aus?„, gab er etwa zu Bedenken. Darüber hinaus nannte er höhere Saatgut-Abnahmepreise sowie das Garantieren von Mindestlöhnen für Erwachsene als conditio sine qua non für das Gelingen des Aktionsplans. Zudem forderte er BAYER auf, eine wirksame Überprüfung des Erreichten zu ermöglichen. In seiner Antwort sagte Werner Wenning zu, unabhängigen BeobachterInnen künftig die Namen der Orte zu nennen und die bisher praktizierte Verweigerungshaltung aufzugeben. In Sachen “Preise„ blieb er allerding unnachgiebig und behauptete, BAYER zahle bereits “faire Abnahmepreise, die zur Entlohnung erwachsener Arbeit gedacht waren„. Desweiteren besaß er die Dreistigkeit, den Konzern als einen Entwicklungshilfe betreibenden “Vorkämpfer„ gegen die Ausbeutung von Kindern darzustellen. Die Ursachen für diese sah der Vorstandsvorsitzende nämlich nicht in der kapitalistischen Weltwirtschaft und der Abhängigkeit der “Dritten Welt„ von der “Ersten Welt„, sondern in der kulturellen Eigenart des Landes. Die Kinderarbeit sei ein “tief in der indischen Gesellschaft verwurzeltes System„, dozierte der Hobby-Kulturwissenschaftler. Aus solchem Denken dürfte nur schwerlich das “Verantwortliche Handeln„ erwachsen, das der Konzern in seinen Hochglanz-Broschüren so gerne für sich in Anspruch nimmt.

Verbrechen ...
Kriminelles Handeln fällt dem Konzern da leichter. Ralf-Jochen Ehresmann von der PDS schlug vor den AktionärInnen die “Akte BAYER„ auf. Mit vier Verfahren wegen illegaler Preisabsprachen bei Kunststoffen und Diagnose-Geräten war diese auch im Geschäftsjahr 2004 wieder gut gefüllt. Über 100 Millionen Dollar Strafe musste das Unternehmen dafür zahlen. Wenning zeigte sich Ehresmann gegenüber geläutert: Der Vorstand bedauere die Rechtsverstöße ausdrücklich und habe die verantwortlichen Mitarbeiter entlassen. Trotz der Reumütigkeit und des Bauernopfers stehen die Resozialisierungschancen aber nicht allzu gut - das Strafregister in Sachen “Kartell-Bildungen„ ist mittlerweile einfach zu lang.
Mit anderen Gesetzen steht der Multi ebenfalls auf Kriegsfuß. So opponiert er bereits seit Jahren gegen die REACH genannte Chemikalien-Verordnung der EU, welche die Unternehmen zur Überprüfung vorher nie auf ihre gesundheitsschädliche Wirkung hin untersuchter Substanzen verpflichten will. Was “Die Chemie - das unbekannte Wesen„ im Alltag so alles anrichtet, schilderte Daniela Rosche von WOMEN IN EUROPE FÜR A COMMON FUTURE (WECF): Lösemittel beeinträchtigen die kognitive Entwicklung von Kleinkindern, Weichmacher wirbeln das Hormonsystem von Menschen und Tieren durcheinander, Zusatzstoffe in Lebensmitteln lösen Allergien aus, Plaste & Elaste in Autoinnenräumen verursachen Kopfschmerzen und Augenbeschwerden. In REACH sieht Rosche die einmalige Chance, solche “Nebenwirkungen„ zukünftig auszuschließen. Der “enorme Druck„, den BAYER & Co. entfalteten, um die Vorlage mehr und mehr aufzuweichen, empörte sie deshalb maßlos. “Warum setzen Sie sich gegen Fortschritte ein?„, wollte sie vom Vorstandsvorsitzenden wissen und “Ist ihnen die Gesundheit ihrer Familie und ihrer Mitarbeiter egal?„
Auf die erste Frage - aber auch nur auf diese - gab Wenning eine klare Antwort: Weil REACH die gesamte Industrie belastet und nicht dazu geeignet ist, das Bruttosozialprodukt zu steigern. Er entwarf ein Horrorszenario, prophezeite das Aus für Teile des Sortiments und sprach von einer “Innovationsbehinderung„ durch die Chemikalien-Verordnung. “Das System muss extrem vereinfacht werden, wenn nicht weitere Standort-Nachteile entstehen sollen„, forderte er. Der Konzern-Boss versteht das ganze Aufheben sowieso nicht, denn für ihn stimmt die Chemie. “Die BAYER-Produkte haben ein größtmögliches Maß an Sicherheit„, bekräftigte er.

... und andere Kleinigkeiten
Wie ungenügend dieses “größtmögliche Maß an Sicherheit„ sein kann, führte der Imker Fridolin Brandt den HV-BesucherInnen anhand seiner Berufspraxis vor Augen. Er verlor zahlreiche Bienenvölker, weil sie auf Sonnenblumen-Feldern Pollen und Blütenstaub sammelten, welche die LandwirtInnen mit dem BAYER-Gift GAUCHO eingedeckt hatten. “Die Geschäftserfolge gehen zu Lasten der Umwelt„, resümierte der Vize-Präsident des EUROPÄISCHEN IMKERBUNDES deshalb. Das sah der Konzern anders: Er gab der angeblich unprofessionellen Arbeit der BienenzüchterInnen die Schuld am Desaster.
Obwohl das französische Landwirtschaftsministerium die Ausbringung des Saatgutbehandlungsmittels nicht nur auf Sonnenblumen-Pflanzungen wegen seiner Bienengefährlichkeit längst verboten hat, leugnete der BAYER-Boss diesen Zusammenhang in seiner Antwort auf die “Brandrede„ immer noch und zauberte stattdessen zusätzliche Alternativ-Erklärungen aus dem Hut. Er zitierte eine ominöse Entlastungsstudie in Sachen “GAUCHO„ herbei, präsentierte mit einer Milbe einen weiteren Tatverdächtigen für den Tod der Bienen und sprach desweiteren von “vielschichtigen Ursachen„. Werner Wenning betätigte sich de facto als Nebelwerfer, warf sich aber in die Pose des Aufklärers, der gemeinsam mit den Imkerverbänden - zufälligerweise nicht mit dem EUROPÄISCHEN IMKERBUND - der Wahrheit auf die Spur kommen will. “Sie sehen Herr Brandt, es wird viel unternommen, um die wahren Gründe zu erforschen„, versicherte er in jovialem Ton.
Eine weitere Rednerin nahm sich des Schicksals derjenigen Tiere an, die zu Tausenden in den BAYER-Laboren sterben. “Ich sage ihnen, wenn Sie Leben töten müssen, um Leben zu erhalten, wird nichts dabei herauskommen„, beschwor sie den Vorstandsvorsitzenden. Darüber hinaus brachte die Aktivistin vom EINE-WELT-NETZWERK NRW Einwände aus wissenschaftlicher Sicht gegen die am “Tiermodell„ gewonnenen Erkenntnisse vor; viele ForscherInnen äußern nämlich Zweifel an deren Übertragbarkeit auf den Menschen. Der BAYER-Chef machte es sich in seiner Reaktion auf die Kritik leicht. Der Gesetzgeber schreibe Tierversuche vor, ansonsten führe der Konzern seine Experimente mit “Verantwortung auch für das Tier als Mitgeschöpf„ durch, so seine knappe Replik.

Sorglose Entsorgung
Tod am Anfang der Produkt-Entwicklung, Tod durch das Erzeugnis selber - und noch das Ende der Produktionskette hat es in sich. Es bleibt dabei nämlich eine Vielzahl giftiger Substanzen übrig. Jahrzehntelang hat der Multi sie einfach sorglos auf dem Dhünnaue-Areal entsorgt, bis es zur größten Giftmüll-Deponie Europas heranwuchs. Hunderttausende Tonnen gefährlicher Stoffe von Schwermetallen bis zu Chromverbindungen lagerten dort schließlich. Über die Folgen berichtete Hubert Ostendorf vom Vorstand der CBG: Im Umkreis des Geländes stiegen die Krebsraten exorbitant an. Erst nach massiven Druck der CBG und anderer Organisationen erkannte BAYER Handlungsbedarf - jedenfalls ein bisschen. Der Konzern nahm nämlich keine Sanierung vor, er entschloss sich zu der billigeren und ökologisch fragwürdigeren Variante einer bloßen Sicherung. So umgeben nun nach oben und zu den Seiten hin Betonwände die Altlast. Aber nach unten hin ist alles offen, was die Deponie buchstäblich zu einem Fass ohne Boden macht. Wie Ostendorf ausführte, muss der Agro-Riese deshalb stündlich 750 Kubikmeter verseuchtes Wasser abpumpen und im werkseigenen Klärwerk reinigen. Da tat eine kosmetische Operation not: BAYER und die Stadt Leverkusen kamen überein, auf dem Gelände die Landesgartenschau auszurichten. “Gras über den Skandal wachsen„ lassen, nannte der CBGler das treffend. Er forderte eine vollständige Sanierung der Dhünnaue auf Kosten des Konzerns und trat für die Errichtung eines Gedenksteins für die Gift-Opfer ein. “Die LAGA hat nur dann eine Berechtigung, wenn sie an den Giftmüll erinnert„, sagte Hubert Ostendorf am Ende seiner Rede.
Da stimmte Werner Wenning nicht mit ihm überein. “Das Sicherheitskonzept ist abgestimmt„, verkündete er und pries die Gartenkunst am Giftmüll. “Wir sind stolz darauf, dass die Stadt Leverkusen auf dem Gelände der ehemaligen Deponie eine Landesgartenschau veranstaltet„, sprach der Ober-BAYER.

Von Südafrika bis Ohio - Fatal global
CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes unternahm es in seinem Beitrag schließlich, die Anliegen derjenigen gegen die Unternehmenspolitik aktiv gewordenen Gruppen zu vertreten, die nicht nach Köln reisen konnten. Im Namen der US-Sektion des PESTIZID-AKTIONS-NETZWERKES (PAN), die das von der Weltgesundheitsorganisation WHO in die höchste Gefahrenklasse eingeordnete Pestizid LINDAN in den Mittelpunkt einer Kampagne stellte, fragte Mimkes: “Will BAYER die LINDAN-Zulassung zurückziehen?„. Als “traurige Ironie„ bezeichnete er es, dass das durch den Holzgifte-Skandal mit seinen unzähligen Opfern berühmt-berüchtige Mittel sich seit dem Erwerb der US-Firma GUSTAFSON wieder im Sortiment von BAYER befindet. Wenning antwortete, der Konzern habe über die Zukunft der Agrochemikalie noch nicht entschieden, ließ aber nichts auf LINDAN kommen, es bestehe “keine Gefahr für Mensch und Umwelt bei sicherer Anwendung„.
“Keine Gefahr für Anwohner und Öffentlichkeit„ geht ihm zufolge auch von dem im südafrikanischen Durban gelegenen Werk aus, obwohl die Mess-Daten eine Besorgnis erregende Belastung mit Chrom im Umkreis der Niederlassung ausweisen. Die Behörden mussten die Menschen sogar eindringlich davor warnen, das Wasser aus den Brunnen in BAYER-Nähe zum Trinken oder Kochen zu nutzen. Laut Werner Wennings Ferndiagnose waren sie aber “zu keinem Zeitpunkt einer gesundheitsgefährdenden Konzentration ausgesetzt„.
Die von Philipp Mimkes zur Sprache gebrachten Störfalle bei der Firmen-Niederlassung in Addyston - die CBG-Kooperationspartner vor Ort zählten 107 Störfälle im Jahr - rangen dem Vorstandsvorsitzenden immerhin das Zugeständnis ab, die “hohen Sicherheitsstandards weiter optimieren„ zu wollen.
Würde sich ein solcher Unfall in der BAYER-Anlage bei Institute/USA ereignen, so wäre eine Katastrophe zu befürchten. Dort lagert mit Methyl Isocyanat (MIC) nämlich die Chemikalie, die das Unglück von Bhopal ausgelöst hat. Im Falle einer Freisetzung sieht die US-Umweltbehörde EPA das Leben von 300.000 Menschen gefährdet. Dieses “worst case scenario„ hat die Bürgerinitiative PEOPLE CONCERNED ABOUT MIC auf den Plan gerufen. Stellvertretend für die Gruppe wandte sich der CBG-Geschäftsführer an den Vorstand und erkundigte sich danach, warum der Konzern solch hoch gefährliche Stoffe überhaupt lagert, statt auf eine Produktionsweise umzustellen, die ohne eine solche Vorratshaltung auskommt. Werner Wenning ging darauf nicht ein. Zwischen MIC und MIC “eine Verbindung herzustellen, ist abwegig„, meinte er, weil es sich um verschiedene Anlagen-Typen handele.
Beschränkte sich der Vorstandsvorsitzende in Köln darauf, knappe, ausweichende oder beschwichtigende Antworten zu geben, so reagierte er auf einen im Januar von der COORDINATION verfassten Offenen Brief überhaupt nicht. Die CBG bat darin um Angaben darüber, wieviele BAYER-Bedienstete Mandate in politischen Gremien von Stadträten über Kreis- und Landtage bis hin zum Bundestag wahrnehmen und sich nach dem Motto “Wes' Brot ich ess, des Lied ich sing„ politisch engagieren. Mimkes fragte noch einmal nach, warum der Konzern trotz seiner immer wieder signalisierten Dialog-Bereitschaft eine Erwiderung schuldig blieb und forderte Wenning auf, nun auf der Hauptversammlung die konkrete Zahl zu nennen. Der Große Vorsitzende tat es nicht und begründete die Blockadehaltung damit, die CBG sei nicht an einem “konstruktiven Dialog„ interessiert, würde nur nach Anhaltspunkten für eine Kampagne suchen und dann “Agitation pur„ betreiben.

26 Millionen gegen BAYER
Als “Agitation pur" empfanden viele AktionärInnen die Gegenreden von Philipp Mimkes und den neun anderen Konzern-KritikerInnen jedoch offenbar nicht. Bei der abschließenden Abstimmung über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat machten sie nämlich mit einem Misstrauensvotum auf sich aufmerksam. BesitzerInnen von über 26 Millionen BAYER-Papieren stimmten gegen die Erhöhung der Aufsichtsratsbezüge - ca. 10 Prozent! - und HalterInnen von 3,8 Millionen Aktien enthielten sich bei diesem Tagesordnungspunkt. Ein solches Ergebnis überrascht umso mehr, als die Großbanken einen Großteil der Stimmrechte wahrnehmen und so bisher immer für Zustimmungsquoten von 99 Prozent plus X gesorgt hatten. Nun hatten Wenning und Co. die angeblich so unverständliche Diskussion um die Umtriebe des Kapitals einmal in der Sprache präsentiert bekommen, die sie blendend verstehen: die der Zahlen. Und das stimmt optimistisch für die weitere konzern-kritische Arbeit.

[Reisebericht] Widerstand gegen ein neues Werk des BAYER-Konzerns in Taiwan

CBG Redaktion

Reisebericht von Uwe Friedrich, Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG)

Einige erinnern sich möglicherweise noch an die Meldung, daß in der Nacht zum 1. Juli diesen Jahres im Dormagener Werk des BAYER- Konzerns im Bereich der „Schaumstoffproduktion“ über zwölf Tonnen der krebserregenden Chemiekalie Toluylendiamin (TDA) ausgetreten sind. Kritiker verwiesen noch während der Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei auf viele offene Fragen und bemängelten insbesondere die unzureichende Informationspolitik des Konzerns. Dabei handelt es sich zweifelsfrei um eine Anlage zur Herstellung von Zwischenprodukten zur Herstellung von Polyurethan- Schäumen. Das produzierte Zwischenprodukt auf Basis von TDA und dem extrem risikoreichen Phosgen - als chemischer Kampfstoff im Ersten Weltkrieg eingesetzt - nennt sich TDI (Toluylendiisocyanat). Der Dormagener Unfall erhält dadurch unmittelbare Bedeutung für eine aktuelle Großinvestition des BAYER-Konzerns in Taiwan, v.a. deshalb, weil die Dormagener Anlage erst Ende 1996 eingeweiht wurde, also den neuesten Stand der Technik darstellt. In Taiwan argumentiert BAYER jedoch mit dem angeblich unfallfreien Betrieb dieser Technologie in deutschen Werken.

Als Gast der in Taiwan vor Ort aktiven Bürgerinitiative Anti-Bayer Action Union (ABAU) hatte ich Gelegenheit, Gespräche vor Ort zu führen, Politikern und Medien die Erfahrungen mit der Betriebssicherheit, Störanfälligkeit und Genehmigungspraxis deutscher TDI-Anlagen vor Augen zu führen und BAYER vor Ort mit neuen technologischen Erkenntnissen zu konfrontieren. So war den Vertretern des Weltkonzerns offensichtlich nicht bekannt, daß bereits mehrere chlorfreie und damit deutlich risikoärmere Verfahren zur TDI-Produktion entwickelt, erprobt sind und sich seit mehr als einem Jahr auch im großtechnischen Einsatz befinden. Die Entwickler dieser Verfahren sind die deutsche Firma Arco sowie die japanischen Konzerne Mitsui Toatsu und Mitsubishi Chemicals.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren begleitet seit 1978 aktiv und kritisch die Geschäftspolitik von BAYER und tritt alljährlich im Bündnis mit weiteren Kritischen Aktionären auf der Hauptversammlung des Konzerns in Köln auf, um „die bitteren Pillen der süßen Bilanzen“ zu präsentieren und Betroffenen die Möglichkeit der Wortmeldung gegenüber dem Konzernvorstand einzuräumen. So trug auf der diesjährigen BAYER-Hauptversammlung am 30. April Frau Uie-Liang Liou als Vertreterin der ABAU die Fragen und Forderungen des taiwanesischen Aktionsbündnisses vor. Die Antwort des sichtlich frustrierten BAYER-Vorstandsvorsitzenden Schneider:
„Alles unwahr!“...Im übrigen seien die Demonstrationen und parlamentarischen Initiativen in Taiwan „von der Coordination gesteuert“.

Herr Schneider hat Grund für seine Unbeherrschtheit: Am 19. Juni berichtete das Magazin Wirtschaftswoche unter dem Titel „Taiwan-Projekt auf Eis“ darüber, daß sich das Milliardenprojekt des Baus einer TDI-Anlage so langsam aber sicher zum Alptraum des BAYER-Chefs entwickelt: Spätestens im vierten Quartal 1996 wollte der Konzern mit dem Bau dieser weltweit größten Anlage (Kapazität ca. 100.000 Jahrestonnen) in der taiwanesischen Hafenstadt Taichung beginnen, um die gesamte ostasiatische Region mit Kunststoff- Vorprodukten zu beliefern. Doch das Vorhaben, das schon in der ersten Ausbaustufe Investitionen in Höhe von 450 Millionen Mark erforderte, liegt auf Eis. Erst ein Drittel des Werksgeländes im Hafen von Taichung/Wu-Shi ist aufgeschüttet und planiert. Der Planungs- und Genehmigungsprozeß verzögert sich durch den lokalen Widerstand von Anwohnern, Gewerbetreibenden und Politikern. Das zuständige Industrial Development and Investment Center (IDIC), eine Agentur des nationalen Wirtschaftsministeriums in Taiwan, rechnet selbst für dieses Jahr nicht mehr mit einem Baubeginn für das BAYER-Projekt. Die Lokalpolitiker in Taichung County, dem unmittelbar an das Hafengebiet angerenzenden Distrikt, wollen vor den Kommunalwahlen im Dezember keine Genehmigung erteilen. Und dies obwohl Taiwans Zentralregierung schon im Herbst 1996 grünes Licht für das Projekt gegeben hatte. BAYER hatte offensichtlich zu sehr auf die nicht-öffentlichen Verhandlungen mit Zentralregierung und der alten Staatspartei Guomindang (KMT) gesetzt und den lokalen Widerstand, unterstützt durch die einflußreiche größte Oppositionspartei DPP (Democratic Progressive Party), völlig unterschätzt. Durch Projektmanagement und Verhandlungsführung nach deutscher Gutsherrenart gerät so eine für den Konzern dringliche strategische Investition im asiatischen Raum ins Wanken.

Die Geschichte dieses Projekt ist aber auch die Geschichte des Widerstands der Betroffenen; derjenigen vor Ort und ihrer solidarischen Unterstützer am Konzernsitz in Deutschland. Sie zeigt, daß auch in der heutigen Epoche des brutalen Neoliberalismus, Erfolge gegen global angelegte Konzernentscheidungen möglich sind.

Die TDI-Produktion ist ein Hauptstrang der berüchtigten und fachlich umstrittenen Chlorchemie. Als Zwischenprodukt in der Kunststoff- und Pharmaproduktion verwendet, werden bei seiner Herstellung gefährliche Vorprodukte wie Phosgen und gesundheitsschädigende wie TDA eingesetzt. Das Risikopotential dieser Produktlinie wird spätestens nach der Chemie-Katastrophe von Bhopal - die durch TDI verwandte Isocyanate hervorgerufen wurde - als besonders hoch eingeschätzt. BAYER stellt TDI neben den deutschen Standorten in den USA und in Brasilien her. Dort ereignete sich im Werk Belford Roxo bei Rio de Janeiro 1992 ein schwerer Unfall mit Todesfolge, nachdem bereits 1986 ein Werksfeuerwehrmann als Gast der Coordination gegen BAYER- Gefahren (CBG) auf der BAYER-Aktionärsversammlung auf fehlende Katastrophenpläne in der brasilianischen Niederlassung hingewiesen hatte. Doch hatte dies offensichtlich keinerlei Auswirkung auf Bau und Genehmigung der neuen BAYER-Anlage in Taiwan. Die Zusammen- arbeit zwischen der dortigen BAYER-Tochter Bayer Far East Polyurethane Co. Ltd. und den Genehmigungsbehörden auf Seiten der Zentralregierung verlief offenbar wie geschmiert, denn schon nach wenigen Tagen wurde das brisante Projekt durchgewunken. Alles schien ganz einfach, zumal die Investitionssumme von über einer Milliarde Mark alle Bedenken verblassen ließ. BAYER kümmerte sich anfänglich kaum um Information oder Kommunikation und begann mit solchen Bemühungen erst, als es nach Projektbeginn Proteste hagelte.

Nach einer Störfallserie in der taiwanesischen Chemie-Industrie im Laufe des Jahres 1996 sank das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Vermögen der Zentrakregierung und in das neue BAYER-Projekt auf den Nullpunkt, zumal die Chemieindustrie im dichtbesiedelten Taiwan besonders auf dem Prüfstand steht. Gleichzeitig wurde bekannt, daß BAYER ein ungewöhnlich langer Pachtvertrag von 125 Jahren, extrem niedrige Bodenpreise und sieben Jahre Gewerbesteuerfreiheit zuerkannt worden war, was manche allzusehr an die erniedrigenden ausländischen Konzessionen im neunzehnten Jahrhundert erinnerte. Im Oktober 1996 stimmte dann fast die Hälfte aller Abgeordneten der zuständigen Provinzversammlung dafür, das BAYER-Projekt von drei Voraussetzungen abhängig zu machen:

1. vollständige Durchführung der gesetzlich vorgeschriebenen Prozedur
zur Einschätzung der Umweltverträglichkeit
2. ein fairer und angemessener Pachtvertrag und
3. die Wiederherstellung des Vertrauens der Bevölkerung.

Im Januar 1997 wurde eine dreistufige - auf sechs Monate angelegte -Umweltverträglichkeitsprüfung für das Projekt beschlossen. BAYER hatte zwei Monate Zeit, dezidierte Planungsunterlagen einzureichen.
Diese Entwicklung war nur dadurch möglich geworden, daß sich im Sommer letzten Jahres die Bürgerinitiative Anti-Bayer Action Union (ABAU) gegründet hatte, die regen Zulauf von AnwohnerInnen, StudentInnen und Anhängern der Oppositionspartei DPP erhält. Die ABAU setzt auf intensive Kontakte mit den örtlichen Entscheidern: Bürgermeister, Kommunalparlamente, lokale politische Parteien, Gewerbevereine und weitere Interessengruppen. Hintergrund der Entscheidung der Provinzversammlung war eine während der Sitzung in Taichung stattfindende Demonstration von 6.000 Betroffenen, die ihren Protest lautstark deutlich machten und kurz davor waren, die Sitzung zu stürmen.

Derweil intensivierte auch die örtliche BAYER-Tochter ihre Bemühungen um Durchsetzung des Projekts: wie ich in Gesprächen vor Ort erfuhr, wurde unmißverständlich Druck auf Politiker ausgeübet, auch von finanziellen Zuwendungen ist die Rede. Journalisten wurden nach Deutschland eingeladen, sogenannte Opinion leader des örtlichen Widerstands zu Hause unaufgefordert besucht. In der Öffentlichkeit wurde die Protestbewegung als „kommunistisch unterwandert“ diffamiert, ein Vorwurf, der auch heute noch vor dem Hintergrund der chinesischen Geschichte und des aktuellen Konflikts mit der Volksrepublik Wirkung zeigt.

Zum Zeitpunkt meines Besuchs hatte die örtliche BAYER-Tochter die ersten Hürden der Umweltverträglichkeitsprüfung genommen: Die zweibändige Fleißarbeit wurde als Planwerk ohne Nachbesserungen angenommen und ein sogenanntes Scope Meeting legte den weiteren Verfahrensablauf bis zum Spätsommer diesen Jahres fest. BAYER war zuversichtlich, daß der zuständige Umweltausschuß der Provinzver-
sammlung bis dahin positiv entscheiden würde. Noch am 1. Mai diesen Jahres wurde dies in den China News verlautbart. Doch die Ereignisse des 16. Mai und der Folgetage machten den BAYER-Verantwortlichen einen Strich durch die Rechnung: Für diesen Tag hatte die Anti-Bayer Action Union in Zusammenarbeit mit der Democratic Progressive Party und der Coordination gegen BAYER-Gefahren zu einer Internationalen Pressekonferenz geladen, an der vier nationale Fernsehstationen und Vertreter von zehn regionalen und überregionalen Printmedien teilnahmen. BAYER reagierte umgehend und rief ein eigenes Presse-Meeting am gleichen Tag ein - exakt eine Stunde später als die Konkurrenzveranstaltung. Doch die geplante Gegenreaktion auf Äußerungen der Projektkritiker, auf die neuen Erkenntnisse und Argumente mißlang. Chlorfreie Verfahrenstechnologien zur TDI- Herstellung waren BAYER nicht bekannt; oder wenn doch, dann „nur im Labormaßstab“. Die von den Kritikern nachgewiesenen Versäumnisse und Schwachstellen im Abwassertechnischen Konzept der Anlage wurden nicht zur Kenntnis genommen; einzelne Meinungsäußerungen in alter Manier als kommunistische Propaganda abgetan. Kein Wunder, daß der Leiter der Öffentlichkeitsarbeit von Bayer Far East Polyurethane, ein gewisser Herr Chen, während eines live gesendeten Streitgesprächs in der Late Night Show des größten Kabel-TV-Kanals in Taiwan am selben Abend ins Stottern geriet, als er wiederum zu diesen unangenehmen Fragen Stellung nehmen mußte.

Die Gespräche mit den Bürgermeistern der vier größten Gemeinden (mit jeweils ca. 50.000 Einwohnern) in Taichung County,mit Politikern, Interessenverbänden sowie die Teilnahme auf Anwohner- und Studenten-Meetings an den folgenden Tagen waren vom positiven Verlauf der Pressearbeit am 16. Mai vorgezeichnet. BAYER war gegenüber den neuen Argumenten erneut in die Defensive geraten. Die in den Monaten davor möglicherweise „erarbeitete“ Akzeptanz wohl endgültig dahin. Da die Anti-BAYER Action Union befugt ist, eigene Stellungnahmen in den Prozeß der Umweltverträglichkeitsprüfung einzubringen - also wie hierzulande als „Träger öffentlicher Belange“ behandelt wird - wurden die neuen Erkentnisse und Argumente umgehend in die Genehmigungsmaschinerie eingebracht. Der Versuch von BAYER, auf öffentlichen Versammlungen einen Stimmungsum-
schwung zu erwirken, ging gründlich daneben. Diese Versammlungen - geschützt durch ein riesiges Polizeiaufgebot - waren eher Forum des Protestes der Betroffenen.

Nicht unwichtig für den derzeitigen Stand der Dinge sind die im Dezember stattfindenden Kommunalwahlen. Neben den lokalen Parlamenten wird ein Landrat direkt gewählt. Der dem BAYER-Projekt kritisch gegenüberstehende Kandidat der Democratis Progressive Party, Herr Liao, hat gute Chancen gewählt zu werden. Dies könnte eine Vorentscheidung gegen das Projekt sein. Obwohl der Landrat nicht direkt in den Entscheidungsprozeß eingreift, wäre die Wahl eines Kritikers jedoch Ausdruck der Ablehnung breiter Kreise in der Region. Selbst die Provinzversammlung wird sich einer solchen Willensent-
scheidung nicht entgegenstellen. Die Aufschiebung eines bindenden Votum auf das Jahr 1998 bringt dies zum Ausdruck.

Aus all dem ergibt sich offenbar die Erkenntnis: Wenn ein global agierender Konzern am Ort der Investition lediglich eine lokale Größe darstellt, sind die Chancen, örtliche Interessen auch durchzusetzen sehr aussichtsreich. Andererseits: wie schwer ist dann die aufreibende und langjährige konzernkritische Arbeit im Stammland und am Hauptsitz eines Multi. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren hat sich jedenfalls bislang nicht kleinkriegen lassen.

[Ticker] STICHWORT BAYER 01/2005 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Proteste gegen Arbeitsplatzvernichtung
Mehrere hundert BAYER-Beschäftigte demonstrierten am 10.12.04 mit einer Lichterkette gegen die Vernichtung von 440 Arbeitsplätzen im Wuppertaler Pharma-Zentrum des Konzerns.

CBG bei Anti-Bush-Demo
BAYER hat George W. Bush durch großzügige Wahlkampf-Spenden massiv unterstützt und profitiert im Gegenzug unter anderem von seiner industrie-freundlichen Umwelt-, Pharma- und Steuerpolitik. Darum gehörte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) am 23. Februar 2005 zu den TeilnehmerInnen der Anti-Bush-Demonstration in Mainz.

Betriebsratsvorsitzender kritisiert BAYER
Reinhard Werner, ein Manager des Brunsbütteler BAYER-Werks, hat versucht, die Politik im Allgemeinen und den SPD-Landtagsabgeordneten Wilhelm Malerius im Besonderen für die Arbeitsplatz-Vernichtung beim Chemie-Riesen verantwortlich zu machen. Das „Erneuerbare-Energien-Gesetz“ und die - inzwischen gestoppte - Ausweisung von mehr Naturschutz-Gebieten führte er als Beispiele für schlechte wirtschaftliche Rahmenbedingungen an. Dieser Vorstoß erboste den Betriebsratsvorsitzenden Hans-Jürgen Möller. „Da werden eigene Unzulänglichkeiten und hausgemachte Probleme anderen in die Schuhe geschoben“, so Möller. Er nahm stattdessen den Chemie-Multi in die Pflicht, kritisierte das Ausbleiben der von BAYER bereits zugesagten 150-Millionen-Euro-Investition in die Fertigung des Kunststoffes TDI und mahnte die Verbesserung der gesamten Produktionskette im Werk an. Die Landespolitik hingegen verteidigte Möller. Dabei wurde allerdings auch unfreiwillig deutlich, wie beflissen diese versucht, dem Leverkusener Chemie-Multi alle Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen. „Bei der drohenden Ausweisung von Naturschutz-Flächen hat Herr Malerius innerhalb von einer Woche reagiert. Dann war das Problem vom Tisch“, sagte der Gewerkschaftler der Dithmarschener Rundschau.

Errichtung des Mahnpunktes „Zyklon B Dessau“
Der von BAYER mitgegründete Mörder-Konzern IG FARBEN ließ unter anderem in Dessau Zyklon B herstellen. Um das nicht vergessen zu lassen, hat sich in der Stadt die FORSCHUNGSGRUPPE ZYKLON B zusammengefunden. Bereits seit 1996 setzt sie sich für die Errichtung eines Mahnmals ein, sah sich jedoch großen Widerständen in der Stadt gegenüber. Jetzt hat sich die Beharrlichkeit der AntifaschistInnen endlich ausgezahlt. Am 27. Januar 2005, dem 60. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz, konnten sie den „Informations- und Mahnpunkt Zyklon B Dessau“ einweihen. Eine Skulptur aus Zyklon-B-Behältern erinnert nun an das Menschheitsverbrechen. Genauere Informationen stellt die Website „www.zyklon-b.info“ bereit. Zum nächsten Jahr bereitet die FORSCHUNGSGRUPPE ZYKLON B darüber hinaus die Erstellung einer Broschüre zu dem Thema vor.

BAYER lagert Bhopal-Gift
1984 kamen bei der Explosion eines Chemie-Werkes im indischen Bhopal ca. 20.000 Menschen um. In den darauffolgenden Jahren starben noch hunderte an den Spätfolgen. Bei der damals freigesetzten Chemikalie handelte es sich um Methyl Isocyanat (MIC). Heute verfügt ein US-amerikanisches BAYER-Werk über 90 Prozent des Methyl Isocyanat-Bestandes in dem Land. Im Falle einer Freisetzung sieht die US-Umweltbehörde EPA das Leben von 300.000 Menschen gefährdet. Die AnwohnerInnen haben wegen dieser Gefahren bereits die Bürgerinitiative PEOPLE CONCERNED ABOUT MIC gegründet. Zum 20. Jahrestag der Bhopal-Katastrophe informierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) die Öffentlichkeit über diese tickende Zeitbombe und forderte BAYER zu Maßnahmen auf.

NATURE ET PROGRES gegen GAUCHO
Durch BAYERs Saatgut-Behandlungsmittel GAUCHO und das zeitweilig ebenfalls zur Produkt-Palette des Konzerns gehörige REGENT kam es in Frankreich vor geraumer Zeit bei 182 Menschen zu Vergiftungserscheinungen. Fast hundert Milliarden Bienen starben. Deshalb ist die Anwendung der chemischen Keule im Nachbarland schon seit geraumer Zeit untersagt. Im Januar 2005 hat der belgische Naturschutzverband NATURE ET PROGRES in einer Petition die Regierung aufgefordert, GAUCHO auch in Belgien zu verbieten.

Aktion zu „60 Jahre Auschwitz-Befreiung“
Am 27. Januar 2005 jährte sich die Befreiung von Auschwitz zum 60. Mal. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) nahm dieses Ereignis zum Anlass, auf die Verbindungen des von BAYER mitgegründeten Mörder-Konzerns IG FARBEN zu Auschwitz hinzuweisen. Die IG FARBEN wirkten bei der Planung des KZs mit, unterhielten mit Monowitz ein eigenes Lager, aus dem sie ZwangsarbeiterInnen für das nahe gelegene Werk rekrutierten und führten mit Gefangenen Medikamenten-Versuche durch. Die Resonanz auf die Öffentlichkeitsarbeit der COORDINATION war groß. Sogar aus Indien erreichte die CBG eine positive Rückmeldung. „Vielen Dank für die Zusendung des Newsletters. Er hat mir die Augen über die Nazi-Vergangenheit von BAYER geöffnet“, bedankte sich der Empfänger.

EINE-WELT-NETZWERK gegen Kinderarbeit
Das Engagement von GERMAN WATCH und COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) gegen Kinderarbeit bei den Zulieferern von BAYERs indischer Tochter-Firma PROAGRO hat weitere Aktionen angestoßen. So startete das EINE-WELT-NETZWERK im Februar eine Kampagne zu dem Thema. Sie führt eine Plakat-Aktion durch und ruft zu Protest-Mails an die Adresse der Leverkusener Konzern-Zentrale auf.

Menschenrechtsverletzungen von BAYER
Die Initiative ACTION AID hat in einem Report Menschenrechtsverletzungen von Konzernen dokumentiert. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) lieferte hierfür Material über Vergiftungen durch BAYER-Pestizide. Der vollständige Bericht kann bei der CBG angefordert werden.

CBG-Protest beim LANXESS-Börsengang
BAYER entschied sich Ende 2003, die Chemie- und Teile der Kunststoff-Sparte abzuspalten und unter dem Firmen-Namen LANXESS am 31. Januar 2005 an die Börse zu bringen. Den Weg in die Selbstständigkeit pflastert das Unternehmen mit Rationalisierungsmaßnahmen, Lohn-Kürzungen und Arbeitsplatzvernichtung. Deshalb war die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zum Börsengang in Frankfurt vor Ort und führte gemeinsam mit den ORDENSLEUTEN FÜR DEN FRIEDEN eine Protest-Aktion durch. Eine Kundgebung direkt vor dem Eingang duldete die Polizei nicht. Sie wies den Konzern-KritikerInnen eine abgelegene Stelle am Rande des Vorplatzes zu. Allerdings hatten die OrdnungshüterInnen nicht bedacht, dass sich dort auch die Bulle-und-Bär-Plastik befand, das Börsen-Symbol. Davor wollte sich LANXESS-Chef Axel Heitmann eigentlich telegen ablichten lassen, aber die CBG machte dem Vorstandsvorsitzenden nicht Platz und vermasselte ihm so seinen Medien-Auftritt.

BAYER für „Public Eye Award“ nominiert
Da mag BAYER noch so viel in image-fördernde Greenwashing-Aktivitäten wie dem Beitritt zu „Corporate Accountability“, einer PR-Initiative zu „verantwortungsvollem Unternehmenshandeln“, investieren (siehe PROPAGANDA & MEDIEN), der Konzern belegt doch immer wieder Spitzenplätze in den Hitparaden der Konzerne mit schlechtem Leumund. So war der Leverkusener Chemie-Multi für den am Rande des Davoser Weltwirtschaftsforums verliehenen „Public Eye Award“ nominiert, den besonders rücksichtslose Global Player erhalten. Daran hatte eine von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) erstellte 7-seitige „Schwarzbuch BAYER“-Aufstellung gehörigen Anteil. Sie führte belastendes Material von Kartell-Absprachen und Vermarktung gefährlicher Arzneien über Kinderarbeit bis zu Kriegsgewinnlertum durch Rohstoff-Beschaffung aus dem Kongo auf.

Wieder Nazi-Demo in Leverkusen
Am 9. November 2004 führten rechte Kräfte in Leverkusen einen Umzug durch. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) beteiligte sich an der Antinazi-Kundgebung und stellte eine Strafanzeige, weil die RechtsextremistInnen Sätze wie „Die schönsten Nächte sind aus Kristall“ skandiert hatten (SWB 4/04). Am 29. Januar marschierten die Ewiggestrigen erneut am Stammsitz BAYERs auf. Die CBG organisierte im Rahmen der Vorbereitungen zu den Protesten gegen die NeofaschistInnen die Pressearbeit und nahm an der Gegen-Demonstration teil.

WHO kritisiert BAYER & Co.
Der Europäische Leiter des Umwelt- und Gesundheitsprogrammes der Weltgesundheitsorganisation WHO, Dr. Roberto Bertollini, wirft BAYER und anderen europäischen Chemie-Konzernen vor, in einem beim „Center for Ecotoxicology and Toxicology“ bestellten Report wider besseren Wissens die Kausalbeziehungen zwischen dem Kontakt mit Quecksilber, Blei und Benzol und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu leugnen. „Die Industrie leugnet die Zusammenhänge sogar, wenn sie wissenschaftlich belegt sind“, ereifert sich der Mediziner. Bertollini glaubt auch zu wissen, warum BAYER & Co. so handeln. „Ich habe keinen Beweis dafür, aber ich glaube, sie wollen Druck auf die neue EU-Kommission ausüben, um die gesetzlichen Auflagen aufzuweichen“, so der WHO-Wissenschaftler.

KAPITAL & ARBEIT

Brunsbüttel: 225 Jobs weniger
In den kommenden Jahren will BAYER am Standort Brunsbüttel 225 der 827 Arbeitsplätze vernichten, also mehr als ein Viertel. Zudem kündigte der Brunsbütteler Chemie„park“-Leiter Roland Stegmüller an, in Zukunft mehr Aufträge nach außerhalb zu vergeben. „Der Markt hat sich verändert. Heute werden Aufgaben außerhalb der Kern-Kompetenz an spezialisierte Firmen abgegeben, die gleiche Qualität zu niedrigeren Kosten anbieten“, behauptet Stegmüller.

Bestandssicherung bis 2011
Im Brunsbütteler BAYER-Werk kursierten immer wieder Gerüchte über eine Schließung. Jetzt gelang es der Gewerkschaft in einer Betriebsvereinbarung zumindest, den Bestand der vorhandenen Produktionskapazität bis zum Jahr 2011 zu sichern.

LANXESS kürzt Entgelt-Erhöhung
Die nunmehr börsen-notierte BAYER-Abspaltung LANXESS reduziert an allen Ecken und Enden Kosten. An den ausländischen Standorten geht sie dabei noch schonungsloser zu Werke als an den bundesdeutschen. So kürzt sie dort die schon vereinbarten Lohn-Erhöhungen für 2005 nachträglich um 30 Prozent.

Bei BAYER geht die Angst um
„Wir sparen zu Hause jetzt schon, wo es geht“, sagte ein Teilnehmer der Lichterkette gegen die Arbeitsplatzvernichtung im Wuppertaler Pharma-Zentrum (siehe AKTION & KRITIK), um Vorsorge zu treffen in der „für uns alle unsicheren Zeit“. Nach seiner Aussage hat fast jeder BAYER-Beschäftigte Angst um seinen Job. „Die Angst sei da, bei so vielen, sie sei Tag für Tag deutlich zu spüren - bei der Arbeit, in der Mittagspause und auch noch in der Familie daheim“, gibt die Westdeutsche Zeitung seine Worte wieder.

Pseudo-Initiative zur Ausbildung
BAYERs Lehrstellen-Quote liegt unter den 7,1 Prozent, welche die Betriebe im Gebiet Rhein-Wupper durchschnittlich erreichen. Weil der Konzern wegen der dürftigen Zahlen im letzten Jahr fürchtete, eine Ausbildungsplatz-Abgabe von bis zu zwei Millionen Euro zahlen zu müssen, unternahm er einen Vorstoß zur Besänftigung der Politik. Der Leverkusener Chemie-Multi hob das System der Verbund-Lehre aus der Taufe. Er unterstützt Betriebe, die Jugendliche einstellen, finanziell und übernimmt Teile der Ausbildung. Zusätzlicher Vorteil der Entlastungsstrategie: Die Länder beteiligen sich an den Kosten.

Besänftigungsstrategie bei LANXESS
Wie es BAYER gelang, bei der LANXESS-Abspaltung Unruhe in der Belegschaft zu verhindern, schilderte die Berliner Morgenpost. „Um die Arbeitnehmer-Seite beim geplanten Börsen-Gang der Chemie-Sparte LANXESS nicht zum Störfaktor werden zu lassen, wurde ein Erfolg für den Betriebsrat arrangiert. Nur noch 3.000 statt der geplanten 4.000 Stellen sollen an den deutschen Standorten des Konzerns bis Ende 2005 abgebaut werden. Nur beiläufig teilte der Konzern mit, wozu dies führen wird: Ein Großteil der Mitarbeiter wird dem Bereich ‚bedarfsgerechte Einsätze‚ zugeordnet - einer Abteilung, in der es zwar noch Gehalt, aber keine Beschäftigung mehr gibt“, schreibt die Zeitung.

Der Osten als Billiglohnland
Der im Osten vereinbarte Chemie-Tarif beträgt 28 Euro brutto die Stunde. Die ArbeiterInnen im Westen bekommen dagegen 40 Euro. Damit verdienen die Chemie-WerkerInnen in den fünf neuen Bundesländern weniger als ihre US-amerikanischen und japanischen KollegInnen. Und BAYER & Co. sind zuversichtlich, dass sie trotz der bis 2009 avisierten 100-prozentigen Lohn-Angleichung weiter von dem Gefälle profitieren, weil die Belegschaften in Bitterfeld und anderswo 40 Stunden die Woche arbeiten müssen. Trotz dieser paradiesischen Bedingungen vernichteten BAYER & Co. nach der Wende Arbeitsplätze en masse. „Von sechs Arbeitsplätzen blieb im Durchschnitt nur einer übrig“, räumt Rolf Siegert vom „Verband der Chemischen Industrie“ freimütig ein.

„Job-Hemmnis“ Lohn-Angleichung
Georg Frank, Geschäftsführer des Bitterfelder BAYER-Werks, nahm gemeinsam mit Verkehrsminister Manfred Stolpe, dem sachsen-anhaltinischen Ministerpräsidenten Wolfgang Böhmer und Klaus von Dohnanyi an einer Diskussion über den „Aufbau Ost“ teil, die in der Berliner Landesvertretung Sachsen-Anhalts stattfand. Dort wandte er sich vehement gegen die Angleichung der Gehälter in Ost und West. „Der Aufbau von Arbeitsplätzen muss Vorrang vor dem Angleichen der Löhne haben“ forderte der Manager und bezeichnete es als Einstellungshemmnis, „dass wir pro Jahr acht Prozent Lohnkosten-Steigerung haben“. Auch das alte BAYER-Lamento über scheinbar zu hohe Energie-Kosten und die angebliche Blockade-Haltung der Bundesregierung gegenüber der Gentechnik stimmte Frank wieder an.

Entlassung wg. Mülltüten-Klau
Die Mitnahme einer Rolle Mülltüten im Wert von sechs Euro genügte dem Krefelder BAYER-Werk, eine seit 34 Jahren beim Chemie-Multi tätige Frau zu entlassen. Der Betriebsrat kritisierte das Vorgehen, weil es nicht der Verhältnismäßigkeit der Mittel entspräche. Für den Betriebsratsvorsitzenden Peter Kronen ist die Kündigung ein weiteres Zeichen für das rauher gewordene Betriebsklima bei BAYER. Die Betroffene hat vor dem Arbeitsgericht Widerspruch gegen die Entscheidung eingelegt.

Rationalisierungsgewinn bei der Buchhaltung
Im Jahr 2001 fasste BAYER das gesamte Rechnungswesen für die nicht-deutschen Niederlassungen in Barcelona zusammen, was zu Streiks und Protesten bei MitarbeiterInnen führte (Ticker 3/01), weil sie um ihre Stellen fürchteten. Zu Recht, denn die vom Leverkusener Chemie-Multi erzielte 30-prozentige Kosten-Ersparnis durch die Verlagerung der Buchhaltung nach Barcelona dürfte zum größten Teil auf die Vernichtung von Arbeitsplätzen zurückgehen.

Immer mehr Call-Center-Jobs
Bei BAYER nimmt die Zahl der Telefon-Arbeitsplätze zu. Allein am Standort Leverkusen verfügt der Call-Center über 320 MitarbeiterInnen. Zusätzlich hat das Unternehmen ein Teil dieser Aktivitäten ausgelagert und leitet Servicenummer-Anrufe direkt an freie „Call-Center-AgentInnen“ weiter, die der Konzern nicht nach Chemie-Tarifen bezahlen muss.

Neues Aktien-Programm
Im Jahr 2004 bot BAYER den MitarbeiterInnen wieder Aktien-Programme an. Die Beschäftigten konnten die Unternehmenspapiere vergünstigt mit einem Abschlag von 6,75 Euro auf den Kurswert kaufen. Nach Angaben des Konzerns besitzen 55.000 Belegschaftsangehörige und Ehemalige BAYER-Wertpapiere. Mit 15,3 Millionen Aktien halten sie rund zwei Prozent des Kapitals. Teilhabe bedeutet dies jedoch nicht, denn nur Großaktionäre wie Banken, Pensionsfonds und Versicherungen bestimmen die Geschicke des Chemie-Multis.

1 Million weniger für Vereine
BAYER unterstützt nicht nur Sport-Clubs, sondern auch Kultur- und Hobby-Vereine. Aber wie jene leiden auch diese unter dem Einspar-Programm des Konzerns. So stellt der Leverkusener Chemie-Multi anno 2005 eine Million Euro weniger als 2004 zur Förderung von Freizeit-Aktivitäten zur Verfügung.

BAYER schließt Werksbibliothek
Der soziale Kahlschlag beim Leverkusener Chemie-Multi geht weiter. Nach der Schließung des Carl-Duisberg-Bades, der „Galerie am Werk“ und dem Aus für das Kleinkunst-Programm muss demnächst wohl die Werksbibliothek dran glauben. 102 Jahre hat der Konzern sie unterhalten, jetzt aber mag er die nötigen 500.000 Euro nicht mehr aufbringen. Für die Bücherei mit 240.000 Ausleihen pro Jahr ist es ein Tod auf Raten. Bereits 1998 machte der Pharma-Riese die Filialen an anderen Standorten dicht und verringerte die Bestände. Dreisterweise schiebt BAYER die Schuld auch noch auf LANXESS und andere im Chemie-„Park“ angesiedelte Unternehmen, weil sie sich an den Kosten nicht mehr beteiligen wollten. Die KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN FÜR EINE DURCHSCHAUBARE BETRIEBSRATSARBEIT, eine von zwei oppositionellen Betriebsratsgruppen im Leverkusener BAYER-Werk, protestierten gegen die Pläne. „Wir erwarten und fordern, dass der BAYER-Vorstand diese Überlegungen beerdigt und der Belegschaft den Erhalt der Bücherei zusichert“, sagte Klaus Jagusch.

ERSTE & DRITTE WELT

BAYER will Patente in Indien
Der von der Welthandelsorganisation WTO geschlossene TRIPS-Vertrag zum Schutz des geistigen Eigentums verhindert die Versorgung der armen Länder mit erschwinglichen Medikamenten, weil der 20 Jahre geltende Patentschutz die Preise hochtreibt und die Produktion von Nachahmer-Produkten unterbindet. Indien muss die Vereinbarung ab diesem Jahr umsetzen und dürfte deshalb schnell aus der Gruppe der Länder mit den weltweit niedrigsten Medikamenten-Preisen herausfallen. Aber Big Pharma reicht diese neuere Arzneien betreffende Regelung nicht. Sie möchten auch den Schutz ihrer Zulassungsanträge erreichen und damit die nach Ablauf des Schutzes mögliche Produktion von Nachahmer-Präparaten hinauszögern. Darüber hinaus beabsichtigten die Konzerne, Patente auch für ältere Pillen durchzusetzen. BAYER, ELI LILLY und NOVARTIS haben bereits entsprechende Anträge gestellt.

Kongo: Entwicklungshilfe für BAYER
Der Kongo stellt für BAYERs Tochter-Firma HC STARCK wegen des großen Coltan-Vorkommens ein wichtiges Rohstoff-Reservoir dar. Deshalb machte sie auch während des Bürgerkrieges Geschäfte mit den dortigen Warlords und finanzierte damit deren blutiges Treiben. Der Bundesregierung zufolge kann das Land nach Beendigung des Konflikts aufgrund seiner „Größe, des Rohstoff-Reichtums und der zentralen Lage an politischem und wirtschaftlichem Gewicht erheblich gewinnen“. Deshalb verstärkt sie nach Informationen von „www.german-foreign-policy.com“ ihre Aktivitäten in der Region. Vermittlungsgespräche mit den Kriegsparteien und Hilfslieferungen sollen den bundesdeutschen Einfluss in Friedenszeiten stärken und HC STARCK langfristig den Zugang zu Coltan sichern.

IG FARBEN & HEUTE

Beschönigende IG-Ausstellung
Das ehemalige Frankfurter Hauptverwaltungsgebäude des von BAYER mitgegründeten Mörder-Multis IG FARBEN ging 2001 in den Besitz der Universität über. Mit der Dauerausstellung „Von der Grüneburg zum Campus Westend“ wollte die Hochschul-Leitung ihrer „selbstverständlichen Verpflichtung“ nachkommen, an die Verbrechen des Konzerns im Nationalsozialismus zu erinnern. Die von der Agentur „Kontor für Geschichte“ konzipierte und vom „Verband der Chemischen Industrie“ großzügig unterstützte Schau verharmlost die IG-FARBEN-Geschichte allerdings in skandalöser Weise, wie Peter Heinelt in Konkret 1/05 schreibt. Nach Darstellung der Geschichtsagentur hat es erst nach dem Wahlsieg der NSDAP erste Kontakte zwischen der Firmen-Leitung und der Partei gegeben - und dazu ganz unverbindliche: „Stagnierende Produktion, finanzielle Einbußen und die wachsende Arbeitslosigkeit steigern das Interesse der IG an Hitlers wirtschaftspolitischen Plänen“. Die Existenz einer mindestens seit Anfang der 30er Jahre existierenden strategischen Allianz verschweigen die Ausstellungsmacherinnen. In Übereinstimmung mit den Expansionsplänen der Nazis träumte IG-Chef Carl Duisberg schon 1931 von der Schaffung eines „geschlossenen Wirtschaftsblocks von Bordeaux bis Odessa“. In diesem Jahr begannen die IG FARBEN auch, den Wahlkampf der NS-Partei mit Spenden zu finanzieren. Auf die zentrale Bedeutung des Unternehmens bei der Versorgung des Staates mit kriegswichtigen Gütern geht die Ausstellung ebenfalls nicht ein. Selbst bei dem dunkelsten Kapitel der dunklen Firmen-Historie - der Einrichtung des konzern-eigenen KZ Monowitz - betreibt das „Kontor für Geschichte“ noch Geschichtsklitterung. Nach der wahrheitswidrigen Auffassung der GeschichtswissenschaftlerInnen haben nämlich nicht IG-Mitarbeiter die ausgezehrten ZwangsarbeiterInnen ausgesondert und damit ihr schließlich in den Gaskammern von Auschwitz vollstrecktes Todes-Urteil gesprochen, sondern SS-Männer. Darüber hinaus behelligen die KontoristInnen die BesucherInnen auch noch mit dem privaten Carl Duisberg und zeigen den Parteigänger Hitlers als passionierten Käfersammler, was so einiges über die Perspektive der GeschichtsdienstleisterInnen verrät.

POLITIK & EINFLUSS

Clement für Steuerreform
Wirtschaftsminister Wolfgang Clement will das Geld, das die Bundesregierung durch Hartz IV bei den Ärmsten der Armen gespart hat, gleich an BAYER & Co. weiterreichen. Er trat für eine Reform der Unternehmenssteuer ein. „Wir sind nominell in der Unternehmensbesteuerung zu hoch geraten“, erklärte er. Dabei zahlen im EU-Vergleich aufgrund der zahlreichen Schlupflöcher nur noch griechische Multis weniger Abgaben als die bundesdeutschen (SWB 4/04), weshalb sich der „Bundesverband der Deutschen Industrie“ auch vehement gegen eine Mindestbesteuerung ausspricht. Die paradiesischen Zustände schuf der ehemalige Steuer-Chef BAYERs, Heribert Zitzelsberger, im Jahr 2001 als Staatssekretär im Finanzministerium mit seiner Unternehmenssteuer-„Reform“. Sie führte bis 2003 zu Einnahme-Ausfällen des Bundes von mehr als 50 Milliarden Euro - und schuf keinen einzigen Arbeitsplatz. Trotzdem zeigte sich Gerhard Schröder den Plänen Clements gegenüber nicht abgeneigt, er wollte aber nichts überstürzen. So einigte sich die SPD Ende Februar darauf, den Sachverständigen-Rat ein Sondergutachten zur Veränderung des Steuer-Rechts ausarbeiten zu lassen.

Simonis‘ „frohe Botschaft“
Die EU-Kommission will in Norddeutschland Elbe und Umgebung gemäß der „Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie“ zum Naturschutzgebiet erklären. BAYER intervenierte sofort bei der Landesregierung, welche die Unterelbe-Region dem zuständigen Gremium der Europäischen Union dann auch prompt nicht als in Frage kommendes Gebiet meldete. Bei ihrem Besuch des Brunsbütteler BAYER-Werkes sicherte Ministerpräsidentin Heide Simonis dem Chemie-Multi weitere Unterstützung bei der Verhinderung von Naturschutz zu. „Wir dürfen Brüssel keinen Vorwand liefern, hier eingreifen zu müssen“, meinte die Landesmutter. Zudem versprach sie der Konzern-Leitung, Genehmigungsverfahren zum Bau neuer Anlagen industrie-freundlicher zu gestalten.

BAYER-Druck wg. B5-Ausbau
Das Brunsbütteler BAYER-Werk übt massiven Druck auf die Politik aus, um den Ausbau der Bundesstraße B5 voranzutreiben. Die Kreistagssprecherin Ilona Adamski (SPD) beklagte sich gegenüber der Presse über die Erpressung: „BAYER sagt: Macht bis 2007 etwas mit der B5, oder wir ziehen ab!“. Der Chemie-Multi weist jedoch scheinheilig alle Schuld von sich. „Die B5 hat für uns gar keine Priorität. Für uns zählt vor allem der Bau der A 20“, so Konzern-Sprecher Reinhard Werner.

Leverkusens OB traf Wenning
Kaum war der SPD-Politiker Ernst Küchler in Leverkusen zum neuen Oberbürgermeister gewählt, da machte er auch schon einen Antrittsbesuch bei BAYER-Chef Werner Wenning. Die beiden sprachen über das Verhältnis von Kommune und Konzern und präsentierten der Presse als Ergebnis ihres Dialogs die nichtssagende diplomatische Formel, die Beziehungen zwischen der Stadt und der BAYER AG weiterentwickeln zu wollen.

Chinesischer Botschafter bei BAYER
Im März 2004 besuchte der chinesische Botschafter Ma Canrong das Wiesdorfer BAYER-Werk und trug sich dort in das Goldene Buch des Chemie-Multis ein.

Zeng Peiyan bei BAYER
Ende November 2004 besuchte der stellvertretende Ministerpräsident Chinas, Zeng Peiyan, in Begleitung von Ma Canrong, dem Botschafter des Landes in der Bundesrepublik, und einer hochrangigen Wirtschaftsdelegation das Brunsbütteler BAYER-Werk. Dort machte ihm dann der schleswig-holsteinische Wirtschaftsminister Dr. Bernd Rohwer seine Aufwartung. Der Presse gegenüber betonte BAYER-Chef Werner Wenning noch einmal, welche Bedeutung China als wichtigster Zukunftsmarkt für den Leverkusener Chemie-Multi besitzt. Im letzten Jahr machte der Konzern dort einen Umsatz von 1,1 Milliarden Euro.

Schmoldt für Freiland-Versuche
Der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE)-Vorsitzende Hubertus Schmoldt sitzt im BAYER-Aufsichtsrat und hat sich damit den Unternehmenszielen des Chemie-Multis verpflichtet. Darum rührt er in der Öffentlichkeit auch kräftig die Werbetrommel für die „grüne Gentechnik“, ohne einen blassen Schimmer von der Materie zu haben. Auf einer Regional-Konferenz der IG BCE phantasierte er über neue Arbeitsplätze durch die Risiko-Technologie und warnte die GRÜNEN vor einer Nicht-Genehmigung der Freisetzungsversuche, die „ein großes NRW-Unternehmen mit B“ plane. Auch die freischaffenden Gentechnik-GegnerInnen knöpfte sich der Lieblingsgewerkschaftler der Unternehmer vor: „Wer Versuchsfelder zertrampelt, zertrampelt am Ende auch Chancen für Deutschland“.

Schartau besucht Chemie-Forum
Beim fünften Chemie-Forum, das BAYER und andere der im Verband „ChemCologne“ zusammengeschlossenen Unternehmen der Region organisiert haben, konnten die Chemie-Firmen NRW-Wirtschaftsminister Harald Schartau begrüßen. Auf der Veranstaltung im Leverkusener BayKomm sicherte der SPD-Politiker BAYER & Co. unter anderem die finanzielle Unterstützung des Landes beim Bau einer Pipeline von Antwerpen nach Nordrhein-Westfalen zu.

BAYER-Mann UN-Berater
Dr. Wolfgang Kern, Leiter der Vorstands- und Technologie-Kommunikation bei BAYER CROPSCIENCE, ist ein leidenschaftlicher Propagandist der „grünen Gentechnik“. Er tritt bei Bauernvereinen auf und spricht dort über die Zukunftsperspektiven der deutschen Landwirtschaft vor dem Hintergrund globaler und regionaler Entwicklungen„, die natürlich nur Gen-Pflanzen made by BAYER eröffnen und hat es sogar bis zum Berater der UN in Ernährungsfragen gebracht.

Wenning in Top 12 der Wirtschaftsbosse
Die Zeitung euro zählt den BAYER-Chef Werner Wenning zu den 12 einflussreichsten Konzern-Lenkern der Bundesrepublik und verlieh ihm das Attribut “Der radikale Chemiker„. Passend dazu stellt für die Publikation Nordrhein-Westfalen das Wirtschaftsmacht-Zentrum der Bundesrepublik dar. Dem BAYER-Intimus Wolfgang Clement schreibt sie das zweifelhafte Verdienst zu, die “Macht am Rhein„ gehalten und ausgebaut zu haben.

IHK-Sitz für BAYER-Manager
Der Geschäftsführer von BAYER INDUSTRY SERVICES, Dr. Jürgen Hinz, hat bei der Vollversammlungswahl der nordrhein-westfälischen “Industrie- und Handelskammer„ einen Sitz errungen und vertritt nun mit vier weiteren Delegierten das Produzierende Gewerbe aus dem Raum “Leverkusen/Rheinisch-Bergischer Kreis„.

BAYER & Co. drücken Kurth durch
Der bisherige Präsident des “Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizin-Produkte„ (BfArM), Prof. Harald Schweim, fand nicht das Gefallen der Pharma-Industrie (Ticker 2/04). Deshalb bewegten BAYER & Co. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, ihn abzusetzen und einen ihnen genehmen Nachfolger zu nominieren. Der neue kommissarische Chef der Behörde, Reinhard Kurth, hat vorteilhafterweise nicht so viel Zeit für seinen Job, weil er Leiter des “Robert-Koch-Institutes„ bleibt. Die von ihm angekündigten Reformen lassen die Herzen der Pharma-Industrie jedoch schon einmal höher schlagen. So sprach Kurth sich für die Schaffung eines Vorstandes aus und hatte auch schon Ideen für die Besetzung. Es könne durchaus auch “jemand Hochrangiges aus (...) der Industrie„ sein, meinte er laut Pharma-Brief 9-10/2004. Vor allem an der Beschleunigung der Zulassungsverfahren dürfte der neue Leiter Pharma-GAUs wie dem LIPOBAY-Skandal zum Trotz arbeiten.

NRW gliedert Schuldienst aus
Nordrhein-Westfalens BildungspolitikerInnen haben kein Problem damit, BAYER einen Teil des Lehr-Angebots bestreiten zu lassen. Aus Anlass der Einweihung eines neuen Gen-Labors für SchülerInnen in Leverkusen bekundete die Schulministeriumssprecherin Heike Götte, diese enge Kooperation der privaten Wirtschaft mit dem öffentlichen Bildungssystem leiste einen wertvollen Betrag zum naturwissenschaftlichen Unterricht. Die ebenfalls anwesenden VertreterInnen der Kölner und Düsseldorfer Bezirksregierungen teilten ihre Auffassung, und auch die Presse jublilierte. “Gen-Manipulation ist schon im Schüler-Labor machbar„, frohlockte der Leverkusener Anzeiger und fand nichts Anstößiges an der Ausbildung von bereits über 460.000 BAYER-MutantInnen in den Konzern-Labors.

Regierungspräsident bei BAYER
Der Regierungspräsident Jürgen Roters weihte BAYERs neuen Container-Terminal auf dem Gelände des Leverkusener Chemie-“Parks„ ein und zeigte sich begeistert: “Investitionen wie diese zeigen deutlich, wie das Ergebnis einer unternehmerischen Initiative aussehen kann, die sich an Markt-Entwicklungen, Kunden-Bedarf und Anlagen-Sicherheit orientiert„. Mit der Sicherheit des Terminals scheint es aber nicht so weit her zu sein: Noch wenige Stunden vor der offiziellen Inbetriebnahme kam es zu einem Unfall mit einem Container, bei dem das Brand-Früherkennungssystem seinen ersten Einsatz hatte.

Gute KritikerInnen, schlechte KritikerInnen
Die IFPMA als internationaler Verband von BAYER und den anderen Pharma-Riesen plant, ihre Strategie gegenüber KritikerInnen zu ändern. Sie erhöhte ihren “Dialüg„-Etat und will eine Spaltung der kritischen Gruppen in gute und schlechte betreiben. Gute Initiativen sind nach Ansicht des Lobby-Clubs solche, “die bereit sind, ihre Ansichten auszutauschen und zu einem besseren Verständnis der Industrie zu kommen„. Gegen die übrigen unabhängigen Nichtregierungsorganisationen empfahl ein Berater vom konservativen “American Enterprise Institute„ der IFPMA ein harsches Vorgehen: “Erkenne deine Feinde und neutralisiere sie, und handele, bevor sie es tun!„.

Handelsverträge made by BAYER
BAYER & Co. haben einen großen Einfluss auf die Gestaltung der Handelsverträge, welche die USA mit anderen Nationen schließt. In den entsprechenden Berater-Gremien sitzen bis zu 16 RepräsentantInnen von Big Pharma. Sie sorgen unter anderem für rigide Patent-Regeln, die in den Ländern der Dritten Welt den Zugang zu erschwinglichen Arzneien erschweren. Zudem blockieren die Industrie-Emissäre den Aufbau eines effizienten staatlichen Gesundheitssystems in den betreffenden Ländern und verhindern strenge Regelungen zur Lebensmittelsicherheit, da BAYER & Co. so etwas als “Handelshemmnisse„ betrachten.

Bush schränkt Sammelklagen ein
Die von LIPOBAY-Geschädigten eingereichten Sammelklagen haben den Leverkusener Chemie-Multi bisher über eine Milliarde Dollar gekostet. In Zukunft dürfte der Konzern bei Pharma-GAUs deutlich billiger wegkommen. Der von BAYER großzügig mit Wahlkampf-Spenden bedachte George W. Bush schränkt nämlich die Möglichkeit, Schadensersatz-Ansprüche gegen große Unternehmen durchzusetzen, drastisch ein. Übersteigt der Streitwert fünf Millionen Dollar, sind nach einem neuen Gesetz automatisch die Bundesgerichte zuständig - und die wiesen bereits in der Vergangenheit viele Klagen aus spitzfindigen formaljuristischen Gründen ab.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER wäscht sich grün
Je weniger BAYER real die Anfordungen an eine umweltbewusste Konzern-Politik erfüllt, wie nicht nur die zunehmende Zahl der Störfälle zeigt, desto mehr Arbeit steckt er ins image-fördernde “Greenwashing„. So gehört der Leverkusener Chemie-Multi zu den Mitbegründern von “Econsense - Forum für nachhaltige Entwicklung„ und nutzt die Veröffentlichungen der Organisation als Werbe-Plattform zur Präsentation seiner “Umwelt-BotschaftlerInnen„. Zudem beteiligte sich der Agro-Riese an “Corporate Accountability„ einer PR-Initiative zu “verantwortlichem Unternehmenshandeln„.

BAYER spendet Computer
Mit der Spende von 70 PCs und Laptops an den Förderverein “Schulnetz Leverkusen„ betreibt BAYER mal wieder Schulpolitik. “Computer-Kenntnisse sind heute unverzichtbar und werden von uns als Arbeitgeber auch erwartet„, sagte der Leverkusener Chemie“park„-Leiter Heinz Bahnmüller bei der Übergabe des Geschenks und enthüllte damit die niederen Beweggründe der noblen Geste.

TIERE & ARZNEIEN

BAYER bei Tier-Arzneien Nr. 4
Die Veterinär-Sparte BAYER ANIMAL HEALTH machte 2003 einen Umsatz von 800 Millionen Euro. Damit ist sie die Nr. 4 auf dem Weltmarkt.

DRUGS & PILLS

Aus für REPINOTAN
BAYER hat die Medikamenten-Versuche mit dem Schlaganfall-Mittel REPINOTAN abgebrochen. “Eine kürzlich durchgeführte Phase IIb-Studie mit REPINOTAN hat nicht die erhofften Ergebnisse gebracht„, verlautbarte das Unternehmen. Nun befindet sich nur noch die Krebs-Arznei BAY 43-9006 in einem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium. Für die Financial Times Deutschland demonstriert die Schlappe das besondere Risiko von BAYERs neuer Pharma-Strategie, die Forschung zurückzufahren und sich nur noch auf vier Therapie-Gebiete zu beschränken.

ASPIRIN schädigt Darmwand
Die Liste der Nebenwirkungen von ASPIRIN ist lang. Das Schmerzmittel kann unter anderem das Schlaganfall-Risiko erhöhen, Nieren-Erkrankungen verschlimmern, Kopfschmerzen und Magenbluten auslösen und bei Kindern zum Reye-Syndrom führen, einer Leber- und Gehirn befallenden Krankheit. Eine Untersuchung des Magen-Spezialisten David Graham vom “Veterans Affairs Medical Center„ im texanischen Houston fügte dem “Schwarzbuch ASPIRIN„ jetzt ein weiteres Kapitel zu. Nach seiner Studie führte die Einnahme von ASPIRIN bei 70 Prozent der ProbantInnen mit Gelenk-Beschwerden zu einer Schädigung der Darm-Schleimhaut.

ASPIRIN bekommt Sonderstatus
Pharma-Konzerne betrachten es nicht als ihre ureigene Aufgabe, Arzneien zur Behandlung von möglichst vielen Krankheiten zu erfinden. Sie wollen lediglich Medikamente zur Therapie der verbreitesten Gesundheitsstörungen entwickeln, weil nur das genügend Profit verspricht. Deshalb müssen die GesundheitspolitikerInnen solche Arzneien subventionieren. Diese Aufgabe erfüllt die Verleihung des Orphan-Drug-Status (orphan = engl. Waise). Ein solches Prädikat bekam BAYER jetzt von der Europäischen Union für ihren Tausendsassa ASPIRIN verliehen. Nach Meinung der EU-ExpertInnen kann es bei der Therapie der Blutzellen-Erkrankung Polycythemia vera ergänzend eingesetzt werden, um das Herzinfarkt- und Schlaganfall-Risiko der PatientInnen zu senken. Der Leverkusener Chemie-Multi kommt so in den Genuss einer verlängerten Patent-Laufzeit und geringerer Zulassungsgebühren für das Polycythemia-vera-ASPIRIN. Mit dieser Entscheidung setzen sich die EU-PolitikerInnen über die Meinung vieler WissenschaftlerInnen hinweg, die massive Zweifel an solch einer vorbeugenden Wirkung des Präparats haben.

Mehr Herzschlag-Risiken, mehr ASPIRIN
Ob ASPIRIN ein sinnvolles Medikament zur Verhütung von Herz/Kreislauf-Erkrankungen ist, diskutiert die medizinische Fachwelt äußerst kontrovers. Trotzdem versucht der Leverkusener Chemie-Multi, die Arznei in diesem Anwendungsbereich als ASPIRIN PROTECT möglichst großflächig an den Mann und an die Frau zu bringen. Dem Pharma-Riesen zufolge weisen nämlich 42 Prozent der über 40-jährigen Personen ein erhöhtes Gefährdungspotential auf. Und nach einer von BAYER in Auftrag gegebenen Untersuchung nehmen nur 43 Prozent dieser Gruppe ASPIRIN zu Präventionszwecken ein. Also ruft der Konzern in Tateinheit mit der von ihr großzügig unterstützten AMERICAN HEART ASSOCIATION zu einem vermehrten Konsum des Tausendsassas auf. Diese mehr als zweifelhafte Empfehlung beruht auf einem “erweiterten Risiko-Begriff„. BAYER zählt nämlich alle Menschen, die einer um 10 Prozent höheren Herzinfarkt-Gefahr als der Durchschnitt ausgesetzt sind, zur ASPIRIN-Zielgruppe. Dazu reicht es oft schon zu rauchen, an Diabetes zu leiden, einen erhöhten Blutdruck zu haben, schlechte Cholesterin-Werte aufzuweisen oder zu viel Gewicht auf die Waage zu bringen.

ASPIRIN: Gefährliche Kombinationswirkungen
Magenblutungen zählen zu den bekannten Nebenwirkungen von ASPIRIN. Schluckt eine Person parallel zu diesem Präparat noch andere Medikamente, so steigt diese Gefahr zusätzlich. “Wer zum Beispiel ASPIRIN und ein Rheuma-Mittel gleichzeitig einnimmt, hat ein erhöhtes Risiko von Magenblutungen„, warnt der Pharma-Experte Gunter Hopf von der “Ärztekammer Nordrhein„.

Neuer Diabetes-Wirkstoff
Das Biotech-Unternehmen CURAGEN hatte im Auftrag BAYERs ein Protein identifiziert, das angeblich Einfluss auf den Krankheitsverlauf von Diabetes hat (Ticker 4/01). Der Leverkusener Chemie-Multi hat nun einen Wirkstoff entwickelt, der den Stoffwechsel dieses Proteins beeinflusst und ihn in die präklinische Test-Phase eingebracht. Es gibt zwar schon genügend Präparate zur Behandlung der Zuckerkrankheit, aber der Pharma-Riese sieht noch Marktlücken. Dem Konzern zufolge haben viele gängige Medikamenten nämlich angeblich den Nachteil, das Senken des Blutzuckerspiegels nicht ausreichend steuern zu können, weshalb das Risiko gefährlicher Unterzuckerungen besteht.

Krebsmittel aus Taxol
BAYER forscht an einem Krebs-Medikament auf Taxol-Basis. Taxol ist ein Wirkstoff, der sich aus Rinde und Nadeln der kanadischen Eibe gewinnen lässt. Sollte der Baum-Stoff wirklich einmal Markt-Reife erlangen, dürfte ihn der Pharma-Riese sicherlich als Naturstoff anpreisen, obwohl der BAYER-Pharmakologe Thomas Henkel sich differenzierter äußert. “Die Natur dient als Ideengeber. Wir versuchen, den Naturstoff chemisch nachzubauen„, so Henkel. Nichts anderes hat die Chemie-Industrie ihr ganzes Leben lang getan, angefangen von der Produktion synthetischer Farbstoffe.

KOGENATE bei vielen wirkungslos
BAYERs Blutgerinnungsmittel KOGENATE hilft bei 25 Prozent aller Bluter nicht. Bei diesen Patienten bildet das Immun-System Antikörper gegen KOGENATEs Gerinnungsfaktor VIII und neutralisiert ihn damit. Das Risiko gefährlicher Blutungen bleibt so weiter bestehen. Der Pharma-Riese unterstützt nun ein Forschungsvorhaben mit dem “Special Project Award„, das nach Mitteln und Wegen sucht, diese häufig auftretende Komplikation zu verhindern.

KOGENATE: Neue Darreichungsform

  • 1


BAYER hat von der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMEA die EU-weite Zulassung für eine neue KOGENATE-Darreichungsform erhalten. Der Leverkusener Chemie-Multi bietet das Präparat, das Bluter mit dem ihnen fehlenden Gerinnungsfaktor VIII versorgt, nunmehr auch in einem Fertigset mit eingebauter Spritze an.

KOGENATE: Neue Darreichungsform

  • 2


BAYER hat die niederländische Firma ZILIP PHARMA beauftragt, die Darreichungsform für das Bluter-Mittel auf der Grundlage einer von dem Unternehmen neu entwickelten Technologie so zu ändern, dass Patienten nicht mehr einmal täglich, sondern nur noch einmal in der Woche eine Spritze benötigen.

Studie fördert ADALAT-Image
Das blutdruck-senkende Mittel ADALAT (Wirkstoff: Nifedipin) fährt für BAYER die zweitgrößten Umsätze im Arznei-Bereich ein. Der Ruf hat aber stark gelitten. Bereits 1999 schätzte der Mediziner Peter Sawicki, heute Leiter des “Institutes für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen„, die Zahl der auf das Konto von ADALAT und anderen Kalzium-Antagonisten gehenden Todesfälle ab 1979 auf 20.000. Darum entschloss sich der Pharma-Riese zu einer Image-Korrektur, fabrizierte eine länger wirkende ADALAT-Art und gab eine medizinische Studie in Auftrag. Sie lieferte prompt auch das gewünschte Ergebnis. Die Untersuchung bescheinigte dem Präparat, Herz- und Schlaganfälle zu verhindern und die Risiken und Nebenwirkungen der alten Version abgestellt zu haben. An der Glaubwürdigkeit dieses Urteils bestehen allerdings wie bei allen industrie-finanzierten Tests große Zweifel.

LEVITRA-Rechte zurückgekauft
BAYERs Potenz-Mittel LEVITRA hat die hoch gesteckten Erwartungen bisher nicht erfüllt. Eine Milliarde Euro Umsatz pro Jahr wollte das Management mit der Pille gegen “erektile Dysfunktion„ machen, schlappe 133 Millionen waren es dagegen im Geschäftsjahr 2003. Der Markt-Anteil beträgt lediglich 12 Prozent. “Nicht so wie ursprünglich gesehen„ entwickelte sich das Geschäft mit dem Lifestyle-Präparat, räumte BAYER-Chef Werner Wenning dann auch ein. Darum ändert der Konzern die Vermarktungsstrategie und kaufte von GLAXOSMITHKLINE (GSK) für 208 Millionen Euro die Vertriebsrechte für Kanada, Europa, Asien, Afrika und Lateinamerika zurück. Nur in den USA bleibt die LEVITRA-Distribution in der Hand von GSK.

Weniger Forschung, mehr Lizenzen
BAYER hat die Forschungsanstrengungen im Pharma-Bereich auf vier Therapie-Gebiete reduziert, was viele Arbeitsplätze kostete (Ticker 4/04). Der Konzern will stattdessen die Früchte fremder Arbeit ernten und verstärkt Lizenzen für kurz vor der Marktreife stehende Arzneien zukaufen, wie der Vorstandsvorsitzende Werner Wenning gegenüber der Presse bekannt gab.

Weniger Forschung, mehr Zweitverwertung
BAYER hat im Arznei-Sektor die wissenschaftlichen Anstrengungen zur Entwicklung neuer Medikamente auf vier Therapie-Felder beschränkt. Dafür will der Konzern die Zweitverwertung seiner Arzneien professionalisieren. Dazu hat der Pharma-Riese in Wuppertal eine Abteilung für “produkt-begleitende Forschung„ eingerichtet. Sie soll unter anderem neue Anwendungsmöglichkeiten für alte Pillen finden und so ihre Patent-Laufzeit, die Lizenz für überteuerte Monopol-Preise, verlängern. Die Krankenkassen kostet dieses Arznei-Recycling, das der Leverkusener Chemie-Multi “Life-Cycle-Management„ nennt, Millionen-Summen.

BAYER macht Infarkt-Diagnose
BAYER unterzeichnete mit der PES DIAGNOSESYSTEME GmbH und der an dem Unternehmen beteiligten SIEMENS AG einen Kooperationsvertrag. Nach dieser Vereinbarung vertreibt BAYER HEALTHCARE zukünfig eine von PES entwickelte Apparatur, die bei der Diagnose akuter Herzinfarkte zum Einsatz kommen soll.

Zulassung für Hepatitis-B-Test
Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hat BAYER die Zulassung für einen Hepatitis-B-Test erteilt, mit dem MedizinerInnen den Gesundheitszustand von PatientInnen bestimmen können, die an dieser Form von Gelbsucht leiden.

Pharma-Allianz kostet Umsatz
Nach dem LIPOBAY-Skandal entschloss BAYER sich, den Pharma-Bereich zu verkleinern. Im Zuge dieser Maßnahmen gab der Chemie-Multi in den USA seinen eigenen Pillen-Vertrieb auf und ging eine Allianz mit SCHERING-PLOUGH ein (Ticker 4/04). Dadurch muss der Konzern finanzielle Einbußen hinnehmen. Er beziffert den Umsatz-Verlust in der Sparte Pharma/Biologische Produkte exklusive Blutplasma insgesamt auf fünf bis sieben Prozent.

Leere Pharma-Pipeline
Mit dem Krebsmittel BAY 43-9006 befindet sich derzeit nur eine Arznei des Leverkusener Chemie-Multis in der fortgeschrittenen klinischen Entwicklungsphase III. Drei Kandidaten durchlaufen gerade die Phase II und elf die Phase I. Vorklinische Experimente machen die BAYER-PharmazeutInnen mit 18 Substanzen.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

BAYER profitiert von “Asiatischem Rost„
Auf Soja-Feldern in Lateinamerika grassiert die Pilz-Krankheit “Asiatischer Rost„ und vernichtet einen beträchtlichen Teil der Ernte. Der BAYER-Konzern als Agrochemikalien-Marktführer auf dem Kontinent profitiert von der Lage. In Brasilien steigerte sich der FOLICUR-Umsatz vom zweiten zum dritten Quartal 2004 um 44 Prozent auf 88 Millionen Euro. Mittlerweile haben sich Sporen des Rostes auch bis in die USA hinein verbreitet. Deshalb erteilen die Behörden Sonderzulassungen für den Einsatz von FOLICUR und STRATEGO auf Soja-Kulturen, was große Geschäfte verspricht.

Mehr Biozide aus Nordamerika
Im Jahr 2002 hat BAYER die Biozid-Sparte von ONDEO NALCO übernommen. Die gefährlichen Substanzen auf Basis von Thiabendazol oder Dibromdicyanobutan verhindern die Entstehung von Bakterien, Schimmelpilze oder Hefen, können beim Menschen aber Vergiftungserscheinungen auslösen. Der Leverkusener Multi liefert die Chemikalien Industrie-Kunden, welche die Stoffe dann Farben, Lacken, Kunststoffen, Klebstoffen, Papieren oder anderen Produkten beimengen. Da die Geschäfte gut laufen, will der Konzern die Produktionsstätte in Wellford, South Carolina für 0,5 Millionen Dollar ausbauen und die Produkte mit den Namen TEKTAMER, METASOL und BIOCHEK verstärkt auch in Europa und Asien anbieten.

Genehmigung für PROLINE
Das “Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel-Sicherheit„ hat BAYERs Anti-Pilzmittel PROLINE die Zulassung erteilt. Der Leverkusener Chemie-Multi will das Fungizid hauptsächlich als Präparat gegen den Echten Mehltau und andere Pflanzen-Krankheiten im Raps- und Getreide-Anbau vermarkten, zum Teil auch in Kombination mit IMPULSE.

GENE & KLONE

Keine Zulassung für Gen-Mais
Trotz grünen Lichts aus Brüssel für zwei Sorten von gen-manipuliertem BAYER-Mais hat Verbraucherschutz-Ministerin Renate Künast den Labor-Produkten ebenso wenig eine Zulassung erteilt wie vier ihrer KollegInnen aus anderen Ländern. Daraufhin erhöhte die EU-Kommission den Druck auf die MinisterInnen. Ob Künast und die anderen PolitikerInnen bei ihrer Entscheidung bleiben, dürfte sich in naher Zukunft herausstellen.

LIBERTY-Baumwolle in Australien
Die australischen Behörden haben einen Antrag von BAYER auf Zulassung von Gentech-Baumwolle genehmigt. Der Gen-Gigant darf nun Baumwolle anbauen, die resistent gegen das konzern-eigene Unkrautvernichtungsmittel LIBERTY mit den Wirkstoffen Glufosinat und Ammonium ist.

BAYER will Gen-Senf anpflanzen
Nachdem der Agro-Multi Experimente mit Gentech-Senf in Indien stoppen musste, versucht er nun sein Glück in Australien. Der Konzern beantragte die Genehmigung zu Feldversuchen mit gentechnisch manipuliertem indischen Senf aus Leverkusen und löste damit eine Kontroverse zwischen konservativer Regierung und Demokratischer Partei aus.

Neue Projekte bei Biotech-Pflanzen
Die Mehrheit der VerbraucherInnen lehnt die grüne Gentechnik ab, weil sie darin keinen zusätzlichen Nutzen, sondern nur unabsehbare Gefahren erblickt. BAYER verfolgt deshalb die Strategie, durch die Erhöhung des “Gebrauchswertes„ der Pflanzen die Akzeptanz der Risiko-Technologie zu steigern. So entwickelt das Unternehmen gen-manipulierten Raps mit einem angeblich gesundheitsfördernden höheren Gehalt an ungesättigten Fettsäuren. Zudem basteln Konzern-ForscherInnen an Gen-Baumwolle, die sich leichter färben lässt, Wasser abweist und nicht so schnell verknittert. Darüber hinaus will der Gen-Gigant aus Pflanzen kleine Fabriken machen, indem er sie als Bio-Reaktoren nutzt. Sie sollen später einmal Kohlehydrate für Nahrungsmittel, Klebstoffe und andere Anwendungen herstellen. Den Risiken und Nebenwirkungen solcher “Innovationen„ geht der Chemie-Multi selbstredend nicht nach.

PLASTE & ELASTE

Gefährliches GENITRON
In einem Betrieb des Chemie-Unternehmens LANXESS, an dem BAYER eine Aktien-Beteiligung hält, hat der Kunststoff-Zusatz GENITRON bei Beschäftigten Haarausfall und Allergien ausgelöst. Die Substanz mit dem Inhaltsstoff Azodicarbonamid gilt als leicht Krebs erregend. Da sie auch in Lebensmittel-Behältnissen wie den gummierten Innen-Seiten von Deckeln enthalten ist, hat die EU ein Verbot der Verwendung von GENITRON im Lebensmittel-Bereich beschlossen.

BAYER profitiert von DVD-Boom
Im Jahr 2003 produzierte die Elektronik-Industrie sechs Milliarden DVDs. Dieser Boom verhilft dem Leverkusener Chemie-Multi zu einem erhöhten MAKROLON-Absatz, denn ein Drittel aller Disks besteht aus diesem BAYER-Kunststoff.

Preis-Erhöhung für Kunststoffe
In den letzten Jahren hat die Überproduktion im Kunststoff-Sektor zu Preis-Senkungen geführt. BAYER & Co. versuchten dem unter anderem durch Kartell-Absprachen zu begegnen (siehe RECHT & UNBILLIG). 2004 ist die Nachfrage gestiegen. Deshalb erhöht der Leverkusener Chemie-Multi die Produktionskapazitäten und verlangt für seine Erzeugnisse wieder mehr Geld.

WASSER, BODEN & LUFT

Emissionshandel: BAYER lamentiert
Die Chemie-Industrie zählt zu den größten Produzenten des klima-schädigenden Kohlendioxides. Aus den Schornsteinen der BAYER-Werke steigen jährlich 6,1 Millionen Tonnen CO2 in die Luft auf. Mit dem Emissionshandel, wonach die Unternehmen nur bis zu einem bestimmten Oberwert kostenfrei CO2 ausstoßen dürfen, wollte die EU die Konzerne zur Entwicklung umweltfreundlicherer Technologien bewegen. Aber den Chemie-Multis gelang es durch intensive Lobby-Arbeit, die Gesetzes-Vorlage aufzuweichen. So unterliegt bei BAYER jetzt nur das Kohlendioxid, das bei der Strom-Erzeugung der betriebseigenen Kraftwerke entsteht, dem Emissionshandel, nicht aber das von den Produktionsanlagen ausgestoßene. Trotzdem beklagte sich der Leverkusener Chemie-Multi bei der Vorstellung des neuen Nachhaltigkeitsberichtes über die durch den C02-Handel angeblich anfallenden Mehrkosten in zweistelliger Millionen-Höhe. Diese würden Investitionen verhindern und Arbeitsplätze kosten, beklagte sich BAYER-Vorstand Udo Oels wider besseren Wissens.

Noch mehr Sondermüll in Krefeld
BAYER betreibt die Abfall-Entsorgung mittlerweile als Geschäft und nimmt auch Fremd-Aufträge an. So bekam der Chemie-Multi den Zuschlag, für 3,6 Millionen Euro das Betriebsgelände der ELEKTROCHEMISCHEN FABRIK KEMPEN zu sanieren und 95.000 Tonnen Chlor sowie Klebstoff- und Waschmittel-Rückstände nach Krefeld abzutransportieren. Die LokalpolitikerInnen erfuhren von dem Gift-Deal nur aus der Presse und fühlten sich überfahren. Das Ratsmitglied Burkhard Frohnert sah noch reichlich Klärungsbedarf. “Wie wird Flugstaub beim Abkippen verhindert„, fragte er etwa im Rat.

Verbrennungsanlage verunreinigt Luft
Nach dem Bundesimmissionsschutz-Gesetz hat der Leverkusener Chemie-Multi die Pflicht, die Öffentlichkeit über den Schadstoff-Ausstoß bei Giftmüll-Verbrennungen zu informieren. Bei der Krefelder Anlage kam da so einiges zusammen. Die Emissionswerte betrugen für Staub im Jahresmittel 0,26 mg/m3, für Kohlenstoff 1,4, für Chlorwasserstoff 0,9, für Schwefeldioxid 1,7, für Stickstoffdioxid 82, für Kohlenmonoxid 6,3 und für Ammoniak 1,6. Der Halbstundenwert für Chlorwasserstoff überstieg dabei sogar einmal die zulässige Obergrenze.

Hoher Sondermüll-Anteil von Chemie
28,6 Millionen to Sonderabfall produzierte die europäische Industrie im Jahr 1999. Die giftigen Substanzen von BAYER und anderen Chemie-Unternehmen hatten daran einen Anteil von zehn Prozent.

Mehr Rückstandsverbrennung in Dormagen.
Der Leverkusener Chemie-Multi will die Kapazität der Dormagener Rückstandsverbrennungsanlage um 19.000 Tonnen auf 75.000 Tonnen jährlich erweitern. Dazu brachte er einen Eilantrag in den Rat ein. Werksleiter Walter Schulz begründete die Ausbau-Pläne mit der gestiegenen Abfall-Produktion im Chemie-“Park„ und einer höheren Nachfrage auf dem Markt für Verbrennung von Sondermüll.

Rückstellungen wg. Chrom
Das Grundwasser in der Umgebung des im südafrikanischen Durban gelegenen BAYER-Werks ist stark durch Krebs erregende Chrom-Verbindungen belastet (siehe auch SWB 4/04). Der Leverkusener Chemie-Multi bestreitet, dass es sich um aktuelle Einträge handelt, die Chrom-Belastung gehe angeblich auf “historische Verunreinigungen„ zurück. Trotzdem hat BAYERs Chemie-Abspaltung LANXESS wegen etwaiger Schadensersatz-Ansprüche eine Rückstellung in Höhe von 40 Millionen Euro gebildet.

Leichterer Zugang zu Umwelt-Informationen
Die EU erleichtert natürlichen und juristischen Personen den Zugang zu Umwelt-Informationen der Behörden. Nach der neuen Richtlinie müssen die Ämter diese binnen vier Wochen zur Verfügung stellen. Verweigern die staatlichen Stellen die Auskunft, so sind sie zu einer detaillierten Begründung angehalten. AntragstellerInnen haben überdies die Möglichkeit, die Ablehnung anzufechten. Vor zwei Jahre hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Anfrage an das NRW-Umweltministerium wegen der Risiken bei Erweiterung von BAYERs Phosgen-Produktion gestellt und monatelang keine Antwort erhalten. Bleibt abzuwarten, ob sich das in Zukunft ändern wird.

PRODUKTION & SICHERHEIT

BAYER überwacht sich selbst
BAYER hat 1949 den Verband der Technischen Überwachungsvereine (TÜV) mitgegründet. Entsprechend wohlwollend und nichtssagend fallen dann auch die Gutachten zu Störfallen aus. Jetzt erreicht die Zusammenarbeit eine neue Stufe. Die 80 für die Sicherheit der Leverkusener BAYER-Anlagen zuständigen MitarbeiterInnen wechseln komplett zur TÜV CHEMIE SERVICE GmbH. “TÜV SÜD und BAYER INDUSTRY SERVICES GmbH & Co. OHG legen damit ihre Branchen-Kompetenz für technische Anlagen-Sicherheit und überwachungsbedürftige Anlagen in der Chemie- und Prozess-Industrie zusammen„, heißt es dazu in einer Presse-Information. Sie stellt eine endgültige Kapitulationserklärung des TÜV vor den Interessen der Industrie zu Lasten des Katastrophenschutzes dar. Hintergrund des “Joint Ventures„ dürfte der Wunsch BAYERs gewesen sein, die Sicherheitsnebenkosten der Immobilie “Chemie-„Park“ zu senken (s. u.).

STANDORTE & PRODUKTION

Krise der Chemie-„Parks“
Mit einem Jahres-Umsatz von 1,5 Millarden Euro ist die BAYER INDUSTRY SERVICES der größte Betreiber von Chemie-„Parks“ in der Bundesrepublik. Aber die Geschäfte laufen nicht so gut. Konkurrenten wie die DEGUSSA versuchen zurzeit, sich von ihren Grundstücken zu trennen. Wegen der hohen Fixkosten, unter anderem durch Sicherheitsauflagen, sagen BeobachterInnen eine „Markt-Bereinigung“ voraus. BAYER sieht jedoch noch keinen Handlungsbedarf. „Es gibt keine Verkaufsgespräche und auch keine Pläne dazu“, sagte ein Konzern-Sprecher. Allerdings versucht der Chemie-Multi, die Parks effizienter zu managen. So plant er in Wiesdorf, das Gelände zu verkleinern und die Verwaltungsgebäude außen vor zu lassen, weil die nötigen Sicherheitsmaßnahmen dann nicht mehr dem Chemie-Standard entsprechen müssen (siehe auch Ticker 4/04).

HC STARCK in Leverkusen
Die BAYER-Tochter HC STARCK, berühmt-berüchigt wg. des Bezuges von Rohstoffen aus dem Bürgerkriegsland Kongo, hat seit 2002 auch eine Niederlassung im Leverkusener Chemie-„Park“. Jetzt richtet sie dort ein neues Verwaltungs- und Forschungsgebäude ein. Sie will in den neuen Labors Leuchtdioden für den TV- und Computermarkt, leitfähige Kunststoffe und Spezial-Chemikalien für die Elektro- und Elektronik-Industrie entwickeln.

BAYER kritisiert die Stadt Leverkusen
Der Pharma-Riese zahlt in Leverkusen im Jahr 2005 keine Gewerbesteuern, was ihn aber nicht davon abhält, immer wieder Forderungen an die Kommune zu stellen. So kritisierten drei BAYER-Teilnehmer an dem Fachkongress „Bio meets Nano and IT“, der in Leverkusens finnischer Partnerstadt Oulu stattfand, die fehlende Präsenz der Stadt bei der Tagung. Während andere Orte wie Halle ihre BürgermeisterInnen mit zum Kongress schickten, glänzte Leverkusens politische Spitze durch Abwesenheit, monierten die BAYER-Vertreter. Die angegriffenen KommunalpolitikerInnen machten die nicht zuletzt durch den Konzern verschuldete schlechte Haushaltslage für ihr Fehlen in Oulu verantwortlich und erläuterten dem Chemie-Multi im Übrigen, welch großen Anteil die „Wirtschaftsförderung Leverkusen“ an der Vorbereitung des Technologie-Meetings gehabt hat.

Streit um Park-Pflege
Während BAYER in Leverkusen 2005 keinen Cent Gewerbesteuer zahlt, erbringt die Kommune nach wie vor viele freiwillige Leistungen für das Unternehmen. So trägt die Stadt mit 40.000 Euro die Hälfte der Kosten für die Pflege des Wiesdorfer BAYER-Parks. Die Ratsfraktion der SPD hat sich jetzt gegen diese Subvention ausgesprochen. „Warum sollen wir BAYER-Gelände pflegen?“, meinte etwa der Ratsherr Johannes Singer. Entsprechende Vorstöße von seiten der Politik hat es bereits in der Vergangenheit gegeben, bisher blieb aber immer alles beim Alten.

Krefeld: Ein Hallenbad weniger
Der Schwimmsport-Verein SSF Aegir errichtete über einem Krefelder Freibad im Winter eine Traglufthalle. BAYER sorgte mit kostenlosen Dampf-Lieferungen für die Beheizung. Im September 2004 stoppte der Leverkusener Chemie-Multi seine Unterstützung. Stadt und Verein können das Geld für den Unterhalt des Bades nicht allein aufbringen, weshalb sie den Winter-Betrieb einstellten. In der Vergangenheit hat das Unternehmen bereits das konzern-eigene Carl-Duisberg-Bad geschlossen und die Zuschüsse für die Dormagener „Römer-Therme“ gekürzt.

Stegmüller Boss in Brunsbüttel
Roland Stegmüller hat im August 2004 die Leitung des Brunsbütteler Chemie-„Parks“ übernommen und tritt damit die Nachfolge von Willy Schiwy an. Werksleiter gibt es bei BAYER nicht mehr, an seine Stelle ist der Chemie „park“-Leiter getreten. Nach den vielen Umstrukturierungen und Ausgliederungen existieren auf den Unternehmensarealen nämlich keine einheitlichen Werke im früheren Sinne mehr. Weil der Chemie-Multi in Brunsbüttel nur Kunststoff herstellt, betreibt nicht wie sonst üblich BAYER INDUSTRY SERVICE den Chemie-„Park“, sondern BAYER MATERIAL SCIENCE.

Genter Forschungszentrum eröffnet
BAYER hat Ende Oktober 2004 das Gentechnik-Forschungszentrum im belgischen Gent in Betrieb genommen. In den nunmehr größten und modernsten Gentech-Laboren des Konzerns sollen die WissenschaftlerInnen gen-manipuliertes Saatgut und neue Produkte der Pflanzen-Biotechnologie entwickeln.

Antwerpen: Neue Anilin-Anlage
BAYER baut im belgischen Antwerpen für 20 Millionen Euro eine neue Anilin-Anlage und erweitert an dem Standort die Kapazität der bereits vorhandenen Fertigungsstätte. Der Konzern setzt den Stoff unter anderem bei der Produktion des Schaumstoffes Polyurethan ein.

BAYER erhöht Kunststoff-Produktion
Der Leverkusener Chemie-Multi kündigte an, seine Kunststoff-Produktion zu steigern und neben der Investition in Antwerpen (s. o.) die Kapazitäten der Fertigungsstätten im spanischen Tarragona, im US-amerikanischen Baytown und in Brunsbüttel zu steigern.

Neue Fabrik auf den Philippinen
BAYER plant, auf den Philippinen eine neue Anlage zur Produktion von Saatgut-Behandlungsmitteln à la GAUCHO aufzubauen, das in Frankreich für ein Bienensterben enormen Ausmaßes verantwortlich war.

IMPERIUM & WELTMARKT

BAYER kauft EHRFELD MIKROTECHNIK
Der Leverkusener Chemie-Multi hat das hessische Unternehmen EHRFELD MICROTECHNIK erworben. Die Firma machte die Mikrotechnik für Produktionsanlagen nutzbar, weshalb diese nicht mehr so einen großen Umfang haben müssen. Zudem erhöht die Einführung der Mikrotechnik die Effizienz der Fertigungsstätten und macht angeblich die chemischen Prozesse kontrollierbarer.

Kooperation mit PHYSIOMICS
BAYER hat einen Kooperationsvertrag mit der britischen Bioinformatik-Firma PHYSIOMICS abgeschlossen. Die beiden Unternehmen wollen ihre Technologien zur pharmakologischen Untersuchung von Stoffen zusammenführen.

Verkauf des Plasma-Geschäfts
Der Leverkusener Chemie-Multi hat seine Blutplasma-Sparte für 450 Millionen Euro an den US-amerikanischen Finanz-Investor CERBERUS verkauft. Damit wechselten Blut-Präparate wie GAMUNEX, GAMIMUNE N, POLYGLOBIN und PROLASTIN den Besitzer. Nur KOGENATE vermarktet der Konzern noch selbst. Um Steuern zu sparen, hält BAYER aber pro forma eine Beteiligung von 10 Prozent „als mittelfristiges Investment“ an dem Blutprodukte-Segment.

Vertrag mit HIKAL
Der Leverkusener Chemie-Multi betreibt drei Ackergift-Produktionen in Indien. Im Herbst hat das Unternehmen mit dem indischen Hersteller HIKAL LTD einen Vertrag über die Lieferung von Feinchemikalien für die Pestizid-Herstellung geschlossen. BAYER hatte sich vor zwei Jahren von der eigenen Feinchemie-Sparte getrennt. BAYER CROPSCIENCE-Vorstand Wolfgang Welter bezeichnete das Eingehen von Kooperationen deshalb jetzt als Teil der neuen globalen Strategie des Konzerns.

ÖKONOMIE & PROFIT

Steuersparen in den USA
BAYER & Co. stöhnen bei jedem passenden und unpassenden Anlass über die angeblich zu hohe Steuer-Belastung in der Bundesrepublik und verweisen im gleichen Atemzug auf die weit unternehmensfreundlicheren Regelungen in den USA. Das ist allerdings reine Propaganda: In den Vereinigten Staaten sind die Steuersätze für Konzerne mit 35 Prozent genauso hoch wie hierzulande - und die Möglichkeiten, sie zu umgehen, genauso zahlreich (siehe auch SWB 4/04). Von den 275 größten Firmen zahlen BOEING, PFIZER, TIME WARNER und 43 andere trotz riesiger Gewinne überhaupt keine Abgaben. Im Durchschnitt bewegte sich das Steuer-Aufkommen der Firmen im Zeitraum zwischen 2002 und 2003 bei weniger als 18 Prozent und damit auf dem niedrigsten Niveau seit dem Zweiten Weltkrieg. Diese paradiesischen Zustände haben die Multis der Politik von George W. Bush zu verdanken. Für BAYER hat sich also die ihm gewährte Wahlkampf-Hilfe mehr als ausgezahlt.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Fünf Verletzte bei Explosion
Am 23.11.04 kam es im Brunsbütteler BAYER-Werk zu einer Explosion. Die Druckwelle war so stark, dass Beschäftigte durch den Raum stoben und Teile durch die Luft flogen. Fünf Belegschaftsangehörige verletzten sich dabei und mussten sich einer Krankenhaus-Behandlung unterziehen.

Austritt von Adipin-Säure
Auf dem Gelände des BAYER-Chemie-„Parkes“ in Uerdingen kam es am 11.12.04 beim Umladen einer Chemikalie vom LKW in den Werkstank zu einem Unfall. In der Förderleitung entstand ein Leck, aus dem 400 Kilo der giftigen und Reizungen auslösenden Adipin-Säure austraten. Die als Vorprodukt bei der Herstellung von Lacken und Kunststoffen verwendete Säure verbreitete sich bis zu einer angrenzenden Straße. Der Lastkraftwagen-Fahrer musste sich zur Untersuchung in die BAYER-Polyklinik begeben.

Austritt von Acrylonitril

  • 1


In der im US-amerikanischen Addyston (Bundesstaat Ohio) gelegenen Niederlassung des Chemie-Unternehmens LANXESS, an dem BAYER eine Aktien-Beteiligung hält, passierte im Oktober 2004 ein Unfall. In der Kunststoff-Fertigung kam es zu einer Produktionsstörung, in deren Folge 448 Kilogramm des Krebs erregenden Gases Acrylonitril austraten. Obwohl in der Nähe des Werkes ein Volksfest stattfand, unterließ es die Firmen-Leitung, die Behörden zu informieren.

Austritt von Acrylonitril

  • 2


Im Addystoner LANXESS-Werk (s. o.) ereignete sich zwei Monate nach dem Acrylonitril-Austritt im Oktober erneut ein Störfall mit dem Krebs erregenden Gas. Am 15. Dezember 2004 traten während der Kunststoff-Produktion 260 Kilogramm der Substanz aus. Die zuständigen Behörden wollen dem Unternehmen nun strengere Sicherheitsauflagen machen.

Austritt von Aktivkohle
Am 29.9.04 ereignete sich im Uerdinger BAYER-Werk ein Unfall, bei dem giftige Substanzen austraten. Acht MitarbeiterInnen kamen in Kontakt mit den Chemikalien und mussten zur Untersuchung ins Krankenhaus. Sechs Beschäftigten entließen die MedizinerInnen nach kurzer Beobachtungszeit, zwei behielten sie länger dort. Nach BAYER-Angaben hat das Gemisch „im Wesentlichen aus Aktivkohle und Wasserdampf“ bestanden. Was „im Unwesentlichen“ noch so alles dabei war, verschwieg der Konzern. Da Aktivkohle dazu dient, giftige Stoffe aus den bei der Produktion anfallenden Reststoffen herauszufiltern, dürfte sie mit so allerhandlei angereichert gewesen sein. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat in einer Anfrage an das Umweltministerium NRW genauere Informationen über die Vorgänge verlangt und die Medien über den Störfall informiert.

Container-Unfall in Leverkusen
Am 14.9.04 kam es wenige Stunden vor der offiziellen Inbetriebnahme des neuen Container-Terminals auf dem Gelände des Leverkusener Chemie-„Parks“ zu einem Unfall mit einem Container, bei dem BAYERs Brand-Früherkennungssystem Schlimmeres verhinderte.

Brand bei LANXESS
Am 19.1.05 entzündete sich bei einem Produktionsbetrieb der BAYER-Abspaltung LANXESS auf dem Gelände des Leverkusener Chemie-„parks“ die Chemikalie Natriumborhydrid, ein Vorprodukt zur Arznei-Herstellung. Es entstand ein Brand, den die Feuerwehr erst nach einer Stunde unter Kontrolle hatte.

RECHT & UNBILLIG

Wieder Kartell-Strafe für BAYER
BAYERs kriminelle Energie in Sachen „Preis-Absprachen“ ist trotz des jüngsten Verfahrens in den USA wg. Bildung eines Kunststoff-Kartelles ungebrochen. In Portugal hat der Pharma-Riese zusammen mit anderen Unternehmen eine konzertierte Aktion bei Diabetes-Tests beschlossen - und binnen eines Jahres kosteten diese dann nicht mehr 15, sondern 20 Euro. Aber die Sache flog auf. Ein Gericht verurteilte BAYER zu einer Strafe von 658.000 Euro. Schon vor vier Jahren hatten die Konzerne in Italien die Gewinn-Spannen

USA

CBG Redaktion

Pressemitteilung vom 28. Januar 2004

Wegen friedlicher Proteste gegen Dow Chemicals:

USA: PROZESS GEGEN UMWELTAKTIVISTIN

Die texanische Fischerin Diane Wilson steht ab heute wegen friedlicher Proteste gegen das Unternehmen Dow Chemicals vor Gericht. Am 26. August 2002 hatte die international bekannte Umweltaktivistin einen 30m hohen Kühlturm des Dow Chemical-Werks in Seadrift/Texas bestiegen und ein Transparent mit der Aufschrift „Dow - Verantwortlich für Bhopal“ entrollt. Zuvor war Wilson aus Protest gegen die Geschäftspolitik der Firma in einen 30tägigen Hungerstreik getreten. Ihr droht eine Gefängnisstrafe von bis zu sechs Monaten.

„Ich protestierte dagegen, dass sich die Verantwortlichen der Katastrophe von Bhopal seit zwanzig Jahren weigern, vor indischen Gerichten zu erscheinen, wo sie sich für den Tod von mehr als 20.000 Menschen verantworten müssen“, so Diane Wilson. „Die Firma Union Carbide, die heute zu Dow gehört, entzieht sich bis heute ihrer Verantwortung. Ich hingegen haben nie jemandem etwas zu Leide getan und stehe heute vor Gericht. Firmen wie Dow verhöhnen Recht und Gesetz: Wenn es ihnen passt, rufen sie nach dem Gesetz; wenn nicht, dann ignorieren sie es.“ Im Dezember 1984 waren 27 Tonnen giftige Gase aus Union Carbides Fabrik in Bhopal ausgetreten. Tausende starben in der selben Nacht, rund eine halbe Million Menschen erlitt Gesundheitsschäden. Noch heute führen die damals ausgetretenen Gifte zu Missbildungen bei Neugeborenen und anderen Gesundheitsschäden. Im Februar 2001 war Union Carbide von Dow Chemicals übernommen worden.

„In solchen Fällen habe ich als Bürgerin nicht nur das Recht, sondern die Pflicht zu protestieren“, so Diane Wilson weiter. Für den Fall ihrer Inhaftierung kündigt sie einen unbefristeten Hungerstreik an. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren, die seit 25 Jahren auf die Risiken chemischer Anlagen hinweist, kooperiert seit Jahren mit Diane Wilson. Der Verein setzt sich für eine Entschädigung der Opfer von Bhopal und für juristische Schritte gegen die Verantwortlichen ein. In Schreiben an die texanischen Justizbehörden forderte der Verein die sofortige Einstellung des Verfahrens gegen Diane Wilson sowie Aufnahme von Ermittlungen gegen Dow Chemicals.

In Indien ist seit 1991 ein Strafverfahren gegen Union Carbide und seinen ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Warren Anderson anhängig. Trotz eines internationalen Haftbefehls und eines Auslieferungsantrags der indischen Regierung weigert sich die Firma, vor Gericht zu erscheinen. Der US-Kongressabgeordnete Frank Pallone kritisiert: „Es ist empörend, dass die beteiligten Firmen kurz vor dem 20. Jahrestag dieser Tragödie noch immer nicht die volle Verantwortung übernehmen wollen. Es ist nicht hinnehmbar, dass sich amerikanische Unternehmen im Ausland der Strafbarkeit entziehen.“

Day of No Pesticides

CBG Redaktion

update 16. Sept. 2011: BAYER nimmt tödliche Pestizide vom Markt

Offener Brief an BAYER zum Day of No Pesticides

Die Bayer AG kündigte 1995 an, hochgiftige Pestizide innerhalb von 5 Jahren weltweit vom Markt zu nehmen. Dieses Versprechen wurde bis heute nicht umgesetzt. Die Umweltverbände Coordination gegen BAYER- Gefahren, WWF Deutschland und Pestizid Aktions- Netzwerk schrieben daher einen Offenen Brief (s. unten) an die Bayer AG, in dem sie einen Verkaufs-Stopp der gefährlichsten Agrogifte fordern.
Über 200 Organisationen aus 40 Ländern, darunter der große amerikanische Umweltverband Friends of the Earth, und 400 Einzelpersonen unterzeichneten bereits den Brief (s.u.).

[Gegenantrag] Gegenanträge BAYER HV

CBG Redaktion

Hauptversammlung am 30. April 2010: Gegenantrag zu Störfällen und Wasserverbrauch

Hiermit zeige ich an, dass ich zu Punkt 2 und 3 der Tagesordnung den Vorschlägen des Vorstands und des Aufsichtsrats widerspreche und die anderen Aktionäre veranlassen werde, für die folgenden Gegenanträge zu stimmen. Um Mitteilung der Gegenanträge sowie der Begründung darf ich gemäß §§ 125, 126 AktG bitten.

Gegenantrag zu TOP 2: Der Vorstand wird nicht entlastet

Im August 2008 kam es im BAYER-Werk Institute/USA zu einer schweren Explosion. Der Kongress in Washington setzte daraufhin einen Untersuchungs-Ausschuss ein, der zu alarmierenden Ergebnissen kommt: Es war demnach reiner Zufall, dass der explodierte Behälter nicht einen benachbarten Giftgas-Tank zerstörte. Wäre das Giftgas ausgetreten, „hätten die Konsequenzen das Desaster in Bhopal in den Schatten stellen können“. Auch beschreibt der Untersuchungsbericht, wie BAYER mit juristischen Manövern und der Diffamierung von Kritikern die öffentliche Meinung manipuliert hat.

Im Werk Institute kommen große Mengen der in Bhopal ausgetretenen Chemikalie Methyl Isocyanat (MIC) zum Einsatz. Noch vier Monate vor der Explosion hatten Vertreter der Coordination gegen BAYER-Gefahren in der BAYER-Hauptversammlung vor den Risiken der MIC-Tanks gewarnt und eine giftgasfreie Produktion gefordert. Die Warnungen wurden von BAYER-Chef Wenning jedoch als „unbegründet“ abqualifiziert.
Erst Wochen nach der Explosion stellte sich heraus, dass sich weniger als 20 Meter vom Explosionsort entfernt ein Behälter mit mehreren Tonnen MIC befand. Im US-Kongress wurde daraufhin ein Untersuchungsausschuss eingerichtet. Im Zuge der Ermittlungen wurden Hunderte firmeninterner Dokumente beschlagnahmt.
Der Untersuchungsbericht kommt zu alarmierenden Ergebnissen: Wegen eines Konstruktionsfehlers waren Sicherheits-Systeme in der Fabrik vorsätzlich deaktiviert worden. Dies war der Werksleitung bekannt, die Katastrophe hätte daher „leicht verhindert werden können“. Die Aussage von BAYER, wonach keine gefährlichen Stoffe in die Umgebung gelangten, sei „eindeutig falsch“. Wörtlich heißt es weiter: „Die Explosion in dem BAYER-Werk war besonders beunruhigend, weil ein mehrere Tonnen wiegender Rückstandsbehälter 15 Meter durch das Werk flog und praktisch alles auf seinem Weg zerstörte. Hätte dieses Geschoss den MIC-Tank getroffen, hätten die Konsequenzen das Desaster in Bhopal 1984 in den Schatten stellen können.“ Die Explosion in Bhopal kostete mindestens 15.000 Menschenleben.
Vertreter von BAYER hatten in der Anhörung unter Eid zugegeben, dass die Firma Anti-Terrorgesetze dazu missbrauchte, der Öffentlichkeit Informationen zu den Risiken der Anlage vorzuenthalten. Im Zuge der Ermittlungen wurde zudem ein Strategiepapier von BAYER veröffentlicht, in dem detailliert beschrieben wird, wie mit Hilfe von Spenden, Medienarbeit und Diffamierung von Kritikern die öffentliche Meinung gewonnen werden soll. Insbesondere die örtliche Tageszeitung Charleston Gazette, die seit langem über die Risiken des Werks berichtet, sowie die Bürgerinitiative People Concerned about MIC, die seit 25 Jahren für mehr Sicherheit in Institute kämpft, wollte BAYER „marginalisieren“ und „als irrelevant erscheinen lassen“.
Der US-Kongress urteilt denn auch unmissverständlich: „BAYER beteiligte sich an einer Geheimhaltungskampagne. Die Firma hat den Sicherheitskräften entscheidende Informationen vorenthalten, hat den Ermittlern der Bundesbehörden nur eingeschränkten Zugang zu Informationen gewährt, hat die Arbeit von Medien und Bürgerinitiativen unterminiert und hat die Öffentlichkeit unrichtig und irreführend informiert.“
Seit der Gründung des Konzerns ist zu beobachten, dass BAYER mit Druck und Drohungen versucht, freie Information und - noch mehr - Kritik zu unterbinden. BAYER setzt seine wirtschaftliche Macht rücksichtslos ein, um seine Profite zu schützen. Die Wahrheit und die Interessen von Mensch und Umwelt bleiben dabei auf der Strecke. Der Vorstand hat keine Schritte unternommen, solche unlauteren Praktiken zu unterbinden, und darf daher nicht entlastet werden.
Erst nach Veröffentlichung des Untersuchungsberichts erklärte sich BAYER bereit, die Lagerung von MIC in Institute um 80% zu reduzieren. Die explodierte Anlage soll nicht wieder aufgebaut werden. Die Produktion des in den USA ohnehin verbotenen Pestizids Carbofuran wird eingestellt.
Das Eingeständnis des Unternehmens, dass die Sicherheitslage in Institute verbessert werden muss, ist ein Erfolg der Umweltverbände und eine gute Nachricht für die Anwohner. Allerdings bleibt Institute auch nach dem geplanten Umbau das einzige Werk in den USA mit großen MIC-Tanks, in denen bis zu 20 Tonnen Giftgas lagern sollen. Außerdem macht BAYER bislang keine Angaben zur weiteren Verwendung der ebenso gefährlichen Chemikalie Phosgen, die in Institute ebenfalls in großen Mengen produziert wird.
Eine sichere Produktion ist erst möglich, wenn BAYER in der Kunststoff- und Pestizidproduktion neue Verfahren entwickelt, die ohne Giftgase wie MIC und Phosgen auskommen.
Der Vorstand trägt die Verantwortung für die beschriebenen Missstände und soll daher nicht entlastet werden (weitere Informationen).

Gegenantrag zu TOP 3: Der Aufsichtsrat wird nicht entlastet

Begründung: Die Fabriken von BAYER entziehen dem Boden enorme Mengen Grundwasser. Dies führt zu großen ökologischen Schäden.
Allein der Verbrauch der fünf größten BAYER-Werke in Nordrhein-Westfalen liegt jährlich bei 220 Millionen Kubikmetern Grund- und Flusswasser. Mit rund 130 Mio cbm liegt die Leverkusener Fabrik dabei an der Spitze. Das Monheimer BAYER-Werk verbraucht rund 50 Mio Kubikmeter Wasser. Zum Vergleich: die rund eine Million Einwohner von Köln benötigen zusammen etwa 57 Mio Kubikmeter Trinkwasser pro Jahr, also nicht einmal die Hälfte des Leverkusener Werks.
BAYER besitzt für seine Werke „alte Wasserrechte", die zum Teil bis in das 19. Jahrhundert zurückreichen. Besonders kritisch zu sehen ist der hohe Verbrauch von Grundwasser, welches in der Regel sauberer ist als Flusswasser. Während allein das Leverkusener BAYER-Werk dem Boden 85 Millionen Kubikmeter Grundwasser entnimmt, beziehen große Teile von NRW ihr Trinkwasser aus aufwändig gereinigtem Rheinuferfiltrat.
BAYER versäumt es, verantwortlicher mit den Grundwasservorräten umgehen. Es wäre dringend geboten, stärker in Produktions- und Reinigungsprozesse zu investieren, bei denen keine Abwässer entstehen. Gebrauchswasser sollte in einem Kreislauf zurückgeführt und aufbereitet werden.
Um einen Anreiz zu schaffen, den Wasserverbrauch zu senken, hatte die damalige NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn im Jahr 2003 ein Wasserentnahmeentgelt eingeführt – bis dahin hatte BAYER gar keine Gebühren für die gewaltige Wasserentnahme entrichtet. Die Einnahmen sind zweckgebunden. Das Land finanziert damit Maßnahmen zum Gewässerschutz. BAYER und die BAYER-Tochterfirma CURRENTA zahlten hierfür 2008 rund 4,6 Millionen Euro.
BAYER-Chef Werner Wenning hatte das ökologisch sinnvolle Wasserentnahmeentgelt schon vor seiner Einführung heftig attackiert. Auch der von der NRW-Landesregierung eingeführte „Dialog Wirtschaft und Umwelt“, in dem BAYER (nicht aber die Umweltverbände) vertreten ist, hatte stets die Abschaffung gefordert. Die schwarz-gelbe Landesregierung gab dem Druck nun nach und gab die Streichung des WasserCent bekannt.
Ein ökologisch wichtiger Anreiz, Wasserentnahmen auf das unbedingt nötige Maß zu beschränken, geht hierdurch verloren. Insbesondere für die Entnahme von Kühlwasser wäre im Gegenteil eine deutliche Anhebung der Abgaben sinnvoll, um den erheblichen Auswirkungen der Erwärmung der Gewässer Rechnung zu tragen. Die Abschaffung des Wasserentnahmeentgelts wird auch die künftige Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie erschweren – entweder werden Projekte zum Gewässerschutz gestrichen, oder die Bürger werden über den Umweg anderer Steuermittel mit den erforderlichen Kosten belastet. Deutlich gerechter gewesen wäre es, die Verursacher der Gewässerbelastungen wie BAYER weitgehender in die Pflicht zu nehmen.
Der Aufsichtsrat hat keine ausreichenden Schritte unternommen, den enormen Wasserverbrauch zu senken, weshalb ihm die Entlastung zu verweigern ist.

[Laudatio] Henry Mathews Preis

CBG Redaktion

Henry Mathews Preis 2011

Laudatio für Axel Köhler-Schnura am 24.09. 2011 in Köln

Von Dorothea Kerschgens, Dachverband der Kritischen Aktionäre

Heute bist Du dran, Axel und erhältst den Henry Mathews Preis.

Axel, Du bist Urgestein bei den Kritischen Aktionären und bei der Coordination gegen Bayer Gefahren. Ich wäre ja gerne Mäuschen gewesen bei den damaligen Gesprächen in der Vorbereitung zu den Kritischen Aktionären vor mehr als 25 Jahren.

Du bist Gründungsmitglied der CBG und bis heute Vorstandsmitglied. Die CBG entwickelte sich seit 1978 aus einer deutschen Bürgerinitiative und vernetzte sich zunächst deutschlandweit, seit Anfang der 1980er Jahre auch international.

Bereits seit 1982 war und ist die CBG auf den jährlichen Aktionärsversammlungen der Bayer AG vertreten. Einmal hast Du für den Aufsichtsrat kandidiert, als sich ein Mitglied dieses Gremiums entschuldigte.

Eine beeindruckende Anzahl von Aktionen hat Eure konzernkritische Arbeit begleitet. Zum Beispiel im Jahr 2000, als Ihr auf dem jährlich stattfindenden Gedenktag „Day of no Pesticides“ an die Bhopalopfer des Giftgasunfalls in Indien 1984 erinnertet und mit Giftspritzen, Kreuzen und Transparenten vor Bayer aufgetreten seid.

Wenn Bayer jetzt Pestizide der von der WHO gelisteten höchsten Gefahrenklasse vom Markt nehmen will, ist das Euer Verdienst. Auch wenn dies aus Eurer Sicht zu spät kommt.

Die Aufdeckung der Zusammenarbeit der Uni Köln mit Bayer geht sicher zum Teil auch auf Euer Konto.

Neben den Hauptversammlungs-Auftritten und Aktionen begleitet Ihr Bayer mit kritischen Analysen. Daneben unterstützt Ihr weltweit Bürgerinitiativen, wenn sie in Euer Aufgabenfeld gehören.

Damit genug von dieser Seite. Du bist auch Wegbegleiter von Henry gewesen, hast ihn gut gekannt und für ihn und uns eine wunderbare Rede bei seiner Trauerfeier vor fünf Jahren gehalten.

Im privaten Umgang erlebe ich dich immer wieder als sehr freundlichen, zugewandten Menschen. Aber in der Kritik mit Konzernen bist du scharf wie eine rote Peperoni. Aus Deinen Reden bei den Bayer Hauptversammlungen lese ich immer wieder Deine tiefe Sorge um Gegenwart und Zukunft, was ökologische und soziale Fragen angeht. Dir sind Gerechtigkeit und Frieden wichtige Ziele. Du lieferst detaillierte Kenntnisse zu dem Konzern, den du schon lange begleitest und schmiedest sie zu einem scharfen Schwert, das du wortreich schwingst.

Dazu stellst du immer wieder auch die Systemfrage, was Kapitalismus, Profitgier anrichten für Mitarbeiter des Konzerns, Verbraucher und sonstige Stakeholder. Du gehst aber auch nicht schonend um mit Deinen Weggefährten, uns den anderen Kritischen Aktionären. Dies zeigt auch Dein Beitrag in der Festschrift. Da könnten wir schon in eine heftige Auseinandersetzung geraten, die ich heute aber nicht führen will.

Menschen wie Dich braucht die Welt, brauchen wir, die wir an gemeinsamen Zielen arbeiten. Ich sage oft, wir brauchen uns gegenseitig. Um uns Mut zu machen, uns zu bestätigen, wenn wir über die Situation verzweifeln und nach neuen Wegen suchen, um wenigstens Teilziele jetzt und hier zu erreichen.

Axel danke für Deine Ausdauer, Deinen Mut und Deine Beharrlichkeit.

[Rede Philipp Mimkes] Rede von Philipp Mimkes, Coordination gegen BAYER-Gefahren (Stichpunkte)

CBG Redaktion

Thema 1: MIC-Produktion Institute
Vor zwei Jahren habe ich zu Störfall-Risiken im US-Werk Institute gesprochen.
Einziges Werk in USA: große Mengen Phosgen und MIC gelagert (Bhopal-Gas)
sogenanntes „Schwester-Werk“ Bhopal (damals Union Carbide)
ð 1985 und in den 90ern: schwere Störfälle
ð worst case Szenario: im Falle eines GAUs in einem Umkreis von mehreren Kilometern tödliche Vergiftungen
unsere Forderung: auf MIC-freie Verfahren umstellen; 1. Schritt: just in time-Produktion ohne MIC-Lagerung

Antwort Wenning damals: Forderung ist unbegründet, keine Konsequenzen notwendig; neueste Sicherheits-Standards vor Ort, ausgez. Störfall-Bilanz

Vier Monate später: riesige Explosion, Erschütterungen Radius 15km zu spüren, Dutzende Meter hoher Feuerball, zwei Todesopfer, Tausende Anwohner durften Häuser nicht verlassen,

im Auftrag US_Kongress: Untersuchungsbericht Chemical Safety Board:
· In MIC-Tank war 20 m von Explosionsort entfernt, darin waren 7 Tonnen Giftgas
· Aussage Bayer „keine gefährlichen Stoffe ausgetreten“: eindeutig falsch
· Fazit (Zitat): „Die Explosion in dem Bayer Werk war besonders beunruhigend, weil ein mehrere Tonnen wiegender Rückstandsbehälter 15 Meter durch das Werk flog und praktisch alles auf seinem Weg zerstörte. Hätte dieses Geschoss den MIC-Tank getroffen, hätten die Konsequenzen das Desaster in Bhopal 1984 in den Schatten stellen können.“

Ende August hat Bayer nun angekündigt: Anlage wird umgebaut. Oberirdische MIC-Tanks werden abgebaut. MIC-Lagerung um 80% reduziert

Dies ist ein Schritt in die richtige Richtung!
Ganz so unbegründet waren unsere damaligen Forderungen offenbar doch nicht
Aber: Institute bleibt das einzige Werk in den USA, in dem große Mengen MIC (rund 20 Tonnen) gelagert werden.

Frage: wann stellen Sie Produktion auf MIC- und phosgenfreie Verfahren um?
Frage: in welchen Bayer-Werken in anderen Teilen der Welt kommt MIC in welchen Mengen zum Einsatz?
Forderung wiederholen: MIC-Tanks nicht um 80% reduzieren, sondern komplett abbauen. Dormagener Pestizid-Produktion kommt auch ohne solche Tanks aus
Weitere Infos: http://www.cbgnetwork.org/3052.html

GenReis (Liberty Link)
Schon 2004 haben wir gefordert: Verkauf von gentechnisch verändertem Reis-Saatgut beenden.
Anbau führt zwangsläufig zu Auskreuzungen => Kontaminierung von traditionellen, lokal angepassten Reis-Sorten, besonders in Asien, und deren Verdrängung
Besonders in Ursprungsländern (Indien, Thailand) ist dies eine Bedrohung für die Ernährungssicherheit

Weltagrarbericht zur Zukunft der globalen Landwirtschaft bestätigt: Gentechnik in Nahrungsmitteln wird auch künftig bei der Versorgung der Weltbevölkerung keine tragende Rolle spielen

Einsatz von GenReis ist verknüpft mit der Verwendung des hochgefährlichen Herbizids Glufosinat => Glufosinat ist als „reproduktionstoxisch“ klassifiziert.
Großflächiger Anbau Liberty Link Reis => Einsatz großer Mengen gefährlicher Pestizide; führt zwangsläufig zu Vergiftungen

BAYER ist Unserer Forderung nicht nachgekommen
Die EU hat immerhin bis heute keine Import-Genehmigung erteilt. Aber: Bayer hält Antrag aufrecht

2006 ist genau das passiert, wovor wir gewarnt haben: weltweit gelang Reis in den Handel, mit LL Reis kontaminiert. Obwohl zu diesem Zeitpunkt noch gar kein großflächiger Anbau stattfand (nur Versuchsfelder)
Der Schaden für Reisbauern: über eine Milliarde Dollar

In den USA: mehr als 6.000 Landwirte verlangen Schadenersatz
Wir kooperieren mit den Anwälten der Reis-Bauern

In den letzten Monaten erste Urteile:
ð Dezember: 2 Millionen Dollar Entschädigung
ð Februar: 1,5 Millionen
ð Heute vor zwei Wochen, Gericht in Arkansas: knapp 50 Millionen Dollar Strafe verhängt; Jury attestiert BAYER: „recklessness and negligence“ (grobe Fahrlässigkeit)
neben Schadensersatz von 6 Mio auch Strafgeld von 42 Mio
Wir können uns der Bewertung des Gerichts nur anschließen.

Unsere Forderung: umgehend alle betroffenen Landwirte entschädigen (viele mussten in der Zwischenzeit aufgeben).
Antrag auf eine EU-Importzulassung für herbizidresistenten Reis zurückziehen.

Frage: bitte nennen Sie alle Länder, in denen Sie eine Anbau- oder Import-Genehmigung für LL Reis beantragt haben

In diesem Zusammenhang:
Das Herbizid Glufosinat ist gekoppelt mit LL Reis. Der Wirkstoff gehört zu den 22 gefährlichsten Pestiziden, die keine erneute EU-Zulassung erhalten werden

ð Es ist schlicht unmoralisch: Bayer hat Glufosinat-Produktion im vergangenen Jahr erweitert! Offenbar: Glufosinat soll exportiert werden, selbst wenn es in der EU nicht mehr angewendet werden darf.
ð Klassischer Fall doppelter Standards

Frage: wollen Sie Glufosinat auch nach einem EU-Verbot weiter exportieren?
Wir fordern weltweiten Verkaufs-Stopp
Weitere Infos: http://www.cbgnetwork.org/1217.html

Thailand
Der Küstenort Map Ta Phut ist einer der weltweit größten und schmutzigsten Standorte der Petro- und Chemie-Industrie
Bayer stellt in Map Ta Phut Polycarbonat her
wegen hoher Emissionen: vergangener September => Umweltgruppen haben erreicht, dass 64 Fabriken schließen mussten bzw. Bauarbeiten stoppen mussten.
In der Presse wurde mehrfach auch Bayer genannt; der Vorgang wird im Geschäftsbericht jedoch nicht erwähnt

Frage: in welcher Weise war Bayer von Urteilen betroffen?
bitte veröffentlichen Sie die Liste der wichtigsten jährlichen Schadstoff-Emissionen in Map ta Phut in Luft und Wasser (Schwermetalle; Stickoxide, Schweldioxid, Feinstaub, Lösemittel etc)

Marketing-Kosten
Der BAYER-Geschäftsbericht ist an manchen Stellen sehr ausführlich, woanders erstaunlich knapp
Bsp. Seite 187: Die Vertriebskosten enthalten Aufwendungen für Distribution und Lagerhaltung in Höhe von 952 Mio €, Marketingaufwendungen in Höhe von 2.392 Mio sowie sonstige Vertriebskosten in Höhe von 4.579 Mio €.

Marketing und „sonstige Vertriebskosten“ betragen fast acht Milliarden Euro!
Immerhin 25% Ihrer Kosten, die nirgendwo im Geschäftsbericht weiter aufgeschlüsselt werden!
Ich wundere mich, dass Ihre Großaktionäre eine solch mangelnde Information hinnehmen

Ich nehme an, dass sich in diesen Posten der ganze Graubereich des Marketings versteckt: Kosten für Pharmareferenten; Finanzierung von Ärzte-Kongressen, Anwendungs-Studien (deren Ergebnisse meist in der Schublade verschwinden); Medikamentenproben, Fortbildungen von Ärzten, Zuwendungen an medizinische Fachgesellschaften, und und und.

Ich möchte Sie daher um eine detaillierte Aufstellung des Postens Marketing + „sonstige Vertriebskosten“ bitten.
Alle Posten oberhalb von 10 Millionen Euro offen legen; insbesondere Kosten von TV-Werbung, Werbung in Printmedien, Spenden an Fachgesellschaften, und die oben genannte Posten: Medikamentenproben, Fortbildungen, Anwendungs-Studien, etc.

Klima-Emissionen
anlässlich des Weltklimagipfels in Kopenhagen im Dezember wollten wir in Leverkusen einen Offenen Brief an Herrn Wenning übergeben: http://www.cbgnetwork.org/3164.html

Darin haben wir gefordert: Reduktion des CO2-Ausstoßes der BAYER AG sowie ein Verzicht auf neue Kohle- und Müllkraftwerke, die in mehreren BAYER-Werken geplant sind,

Zur Erinnerung: CO2-Ausstoß von Bayer liegt bei rund 9 Mio Tonnen jährlich.

Wir wurden vom BAYER-Werkschutz gehindert, den Brief zu übergeben.
Auf Anfragen der Medien sagten BAYER-Vertreter: „wir sind der falsche Ansprechpartner, da wir keine Kraftwerke bauen“
Zum Beispiel hieß es im Hörfunk: „Ein Bayer-Sprecher sagte dem WDR, der Konzern sei der falsche Adressat für solche Aufrufe.“

Herr Wenning, wollen Sie uns für dumm verkaufen? Natürlich baut Bayer die Kraftwerke nicht selbst

· ABER: die Kohlekraftwerke in Krefeld, Brunsbüttel und Antwerpen sowie Müllkraftwerke in Brunsbüttel und Dormagen sollen auf Gelände von Bayer errichtet werden
· In allen genannten Fällen hat BAYER langfristige Verträge über Strom- und Dampf-Lieferungen geschlossen
· Im Werk Krefeld-Uerdingen soll das Kohlekraftwerk (Emissionen: 4,3 Mio Tonnen CO2) sogar von der Bayer-Tochter Currenta betrieben.

Frage: Herr Wenning, sind Sie wirklich der falsche Adressat für diese Diskussion?

Wir wiederholen unsere Forderungen nach einem breitgefächerten Programm zur Reduktion der CO2-Emissionen um 80% bis zum Jahr 2050 (entsprechend der Forderung des Weltklimarats, in den Industrieländern bis zum Jahr 2050 den Kohlendioxid-Ausstoßes um 80% bis 95% zu verringern, um den Temperaturanstieg auf 2°C zu begrenzen).
Wir fordern zudem einen Bau-Stopp für Kohle- und Müllkraftwerke auf dem Gelände aller BAYER-Werke!

Letzte Frage geht an Herrn Dekkers als künftiger Vorstandsvorsitzender: Herr Dekkers: wir sind gespannt: sich der öffentlichen Diskussion stellen?
Oder wollen Sie ebenfalls Kritik mit Hilfe des Werkschutzes verhindern ?

[Tribunal] Redebeiträge HV 2017

CBG Redaktion

René Lehnherr (MONSANTO-Tribunal) Die Folgen des Tribunal-Votums für BAYER

Sehr geehrter Herr Baumann, sehr geehrter Vorstand, sehr geehrte Damen und Herren Aktionäre,

Ich werde mich kurz vorstellen: Mein Name ist René Lehnherr und ich bin Mitglied des Organisationskomitees des Monsanto-Tribunals. Ich bin Schweizer und seit 20 Jahren wohnhaft in Amsterdam. Sohn eines Bergbauern. Vater von 3 Kindern, und das ist auch meine Motivation für dieses Engagement, meinen Kindern und den folgenden Generationen einen gesunden und intakten Planeten zu hinterlassen. Beruf: IT-Spezialist.

Ich habe vier Fragen an Herrn Werner Baumann:

Erste Frage:
Am 15. und 16. Oktober 2017 fand in Den Haag das internationale Monsanto-Tribunal statt. Fünf renommierte, aktive Richter aus Kanada, Mexico, Belgien, Senegal und Argentinien befragten 30 Zeugen und Experten aus fünf Kontinenten zu den Vergehen von Monsanto. Präsidiert wurde das fünfköpfige Gremium von Richterin Françoise Tulkens, ehemalige Vizepräsidentin des europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.
Dabei ging es darum zu klären, ob Monsanto auf den folgenden 6 Gebieten gegen Recht verstossen hat: Recht auf eine gesunde Umwelt, Recht auf Gesundheit, Recht auf Nahrung, freie Meinungsäusserung und wissenschaftliche Forschungsfreiheit, Tatbestand des Ökozids, also Verbrechen gegen die Natur und Beihilfe zu Kriegsverbrechen
Dabei haben sich die Richter streng an die Regeln für internationale Gerichtsverfahren gehalten. Dazu stützten sie sich unter anderem auf die UNO-Leitprinzipen für Wirtschaft und Menschenrechte von 2011 und auf das Römische Statut zur Errichtung des Internationalen Strafgerichtshofs (ISG).
Die Fülle des auszuwertenden Materials war so umfangreich das die Richter ihr Gutachten erst 6 Monate danach am 18. April 2017 in Den Haag der Öffentlichkeit vorstellen konnten. Dabei kamen sie zum Schluss, dass Monsanto auf 5 Gebieten bestehendes Recht verletzt hat. Wäre der Strafbestand des Ökozids schon in den Gesetzgebungen verankert, könnte Monsanto ausserdem auch wegen Kriegsverbrechen strafrechtlich verfolgt werden. Das 50-seitige Gutachten der Richter, dass für tausende von Anwälten weltweit in Zukunft ein wichtiges und effizientes juristisches Instrument sein wird, um diese Art Verbrechen zu ahnden, kann in verschieden Sprachen auf der Webseite: www.monsanto-tribunal.org eingesehen werden.

Frage:
Wir hatten Sie Herr Baumann schriftlich eingeladen, dem Tribunal beizuwohnen, um ein Bild davon zu bekommen, was Sie sich mit Monsanto höchstproblematisch einkaufen. Haben sie die Einladung deswegen ignoriert, weil Sie sich der Vergehen von Mansonto schon bewusst waren und deshalb auch Glyphosat in den Medien als vollkommen harmlos darstellen?

Zweite Frage:
Im Juni 2016 erklärten Sie in den Medien, dass Sie nicht nur den Dialog mit den Aktionären suchen, sondern auch mit kritischen NGOs. Daraufhin haben wir Ihnen einen Brief geschrieben mit einigen Fragen zur geplanten Fusion Bayer-Monsanto und haben Sie um ein Gespräch gebeten, in der Annahme, dass Sie wirklich den Dialog suchen. Allerdings bekamen wir in Form eines nichtssagenden Standardbriefes eine Absage von Ihnen. Gesprächspartner wären zum Beispiel der Schweizer Biologe Dr. Hans Rudolf Herren, Träger der alternativen Nobelpreises und Koautor des Weltagrarberichtes von 2008, der von der Weltbank in Auftrag gegeben wurde gewesen und Renate Künast, ehemalige Landwirtschaftsministerin ihres Landes.

Frage:
Gehen wir recht in der Annahme, dass ihre in den Medien geäusserte Dialogbereitschaft nur eine PR – Aktion von Ihnen war, um die Öffentlichkeit „ruhigzustellen“?

Dritte Frage:
Sie mögen ja den Dialog mit den Aktionären gesucht haben, aber von der Kaufentscheidung wurden Aktionäre und Grossaktionäre zu ihrem Unmut ausgeschlossen.

Frage:
Hatten Sie Bedenken, das weitsichtige Grossaktionäre zu einer anderen Lageeinschätzung gekommen wären, Ihnen die Gefolgschaft verweigert hätten, weil sie sich kein trojanisches Pferd ins Haus holen wollten und Sie diese Entscheidung deshalb putschartig konzern-intern fällen mussten.

Vierte Frage:
Die umfassende Dokumentation der durch Monsanto hervorgerufenen Umweltschäden, die im Rahmen des Monsanto-Tribunals entstanden ist, wird in den kommenden Monaten Teil einer noch breiteren weltweiten Studie zur Erfassung und Evaluation der durch Monsanto entstandenen Schäden in den letzten 60 Jahren sein. Dabei sollen vor allem auch die Langzeitschäden an Gesundheit und Natur berücksichtigt werden. Diese Sammelstudie wird anschliessend von einem Komitee renommierter Ökonomen bilanziert und als globale Schadensumme bekanntgegeben. Schon heute haben einige konsultierte Experten geschätzt, dass die Summe der Schäden den Fusionspreis bei weitem übersteigen könnte. Diese Studie könnte dann im Anschluss als Basis dienen, um weitere Sammelklagen gegen Monsanto einzuleiten.

Frage: Denken Sie Herr Baumann, sie können ihren Aktionären zumuten, neben dem hohen Kaufpreis für Monsanto zusätzliche Rückstellungen für Schadensersatzforderungen in zwei bis dreistelliger Milliardenhöhe bereitzustellen?

Oder hoffen Sie darauf, dass dasselbe passiert wie bei der Katastrophe von Bhopal? Damals, 1984, sind im indischen Bhopal tausende von Menschen bei einer Giftgaskatastrophe gestorben, hunderttausende wurden schwer verletzt. Wegen wechselnder Besitzverhältnisse durch eine Fusion waren die Haftungsverhältnisse unklar und keines der beteiligten Unternehmen konnte zur Rechenschaft gezogen werden.

Sehr geehrter Herr Baumann, sehr geehrter Vorstand, sehr geehrte Damen und Herren Aktionäre, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit

[L.-U. Krajewski] Hauptversammlung 2018

CBG Redaktion
Lars-Ulla Krajewski: Gefahren der Dhünnaue-Öffnung Sehr geehrte (Damen und ? ) Herren von Vorstand und Aufsichtsrat, sehr geehrte Damen und Herren Aktionärinnen und Aktionäre, Mein Name ist Ulla Krajewski, und ich spreche für die Coordination gegen Bayer-Gefahren. Das Thema meiner Rede ist die Dhünnaue. Ich fasse mich sehr kurz, weil ich am Ende 6 Fragen zu stellen habe. Die Dhünnaue ist Europas größte Giftmülldeponie, und sie soll geöffnet werden für den Neubau der erweiterten Leverkusener Autobahnbrücke. In der Dhünnaue lagern fast 1 Mio. t. gefährlicher Rückstände aus der Chemie-Produktion wie z. B. Quecksilber, Arsen, Chrom, Blei sowie Chlor-Verbindungen, die munter mit organischen Verbindungen reagieren, so dass niemand genau weiß, was dort im Boden konkret vor sich geht. Die Deponie wurde nach oben und an den Seiten abgedichtet, dennoch entweichen permanent Gase. Nach unten ist die Deponie offen, so dass ständig verseuchtes Wasser abgepumpt und gereinigt wird, und zwar 750 Kubikmeter stündlich. Für die fraglos notwendige Sanierung der Rheinbrücke und die Lenkung der künftig eher noch zunehmenden Verkehrsströme existieren im. Wesentlichen 2 Konzepte: Einerseits die Kombilösung mit einem langen Tunnel unter dem Rhein incl. Abgasfilterung sowie einer kurzen alten oder neuen Brücke – oder andererseits der Neubau einer breiteren, wohl 10-spurigen Rheinbrücke verbunden mit der Öffnung der Giftmülldeponie. Für die Kombilösung mit langem Tunnel würde sprechen, dass die giftigen Altlasten in Ruhe gelassen würden, dass die AnwohnerInnen vor dem Auto- und LKW-Verkehr geschützt würden, dass die Abgaswerte der EU wieder eingehalten werden könnten sowie dass mehr Verkehrsraum für FußgängerInnen und RadfahrerInnen geschaffen werden könnte. Für den Neubau einer breiten Rheinbrücke ohne langen Tunnel würden die zunächst geringeren Kosten sprechen. Jedoch ist zu erwarten, dass dieser Neubau nicht sehr lange halten wird, weil sich erstens der Baugrund Dhünnaue permanent setzt und die Brückenpfeiler auf keinem wirklich festen Grund stehen würden. Zudem ist dieser Boden chemisch äußerst reaktionsfreudig, was zu Beschädigungen an den Brückenpfeilern selber führen kann. Im Jahr 2013 hat die Bayer-Tochter Currenta einen Brandbrief an den Bundesverkehrsminister, den Landesverkehrsminister sowie Straßen.NRW gesandt, um vor dem Tunnel zu warnen. Man drohte mit einer „negativen Wirkung“ auf den Industriestandort Leverkusen. Angeblich wären Gefahrguttransporte durch den langen Tunnel nicht möglich. Inzwischen liegt hingegen ein von der Stadt Leverkusen beauftragtes Gutachten vor, welches besagt, dass dies unter der Beachtung von Sicherheitsvorkehrungen sehr wohl möglich wäre. Die Reaktion von Currenta bestand lediglich im Beharren auf dem Autobahnneubau. Außerdem wurde bekannt, dass Bayer die Haftung für einen Teil der Giftmülldeponie auf den öffentlichen Bauherren, nämlich Straßen.NRW, übertragen konnte. Eine Klage gegen diesen Haftungsübergang war nicht erfolgreich. Ich beginne mit der: Frage 1: Welche Überlegungen haben den Ausschlag gegeben, dass Sie sich im Jahr 2013 für den Neubau der Rheinbrücke und die Öffnung der Dhünnaue entschieden haben? Waren es tatsächlich Bedenken, ob der Gefahrguttransport auch durch einen Rheintunnel geführt werden kann, oder war es nicht vielmehr die Aussicht, sich von der Haftung für einen Gutteil der Dhünnaue-Deponie elegant zu verabschieden? Frage 2: Nachdem im März 2017 das Argument mit dem angeblich unmöglichen Gefahrguttransport durch den Tunnel hinfällig geworden war, haben Sie da nochmals nachgedacht und alle Argumente für die verschiedenen Lösungen gegeneinander abgewogen? Oder haben Sie der Übertragung der Haftung für Teile der Deponie auf die öffentliche Hand nicht widerstehen können, so dass ein Abrücken von der Antastung der Dhünnaue-Deponie unmöglich erschien? Hier komme ich zur Frage 3: Was passiert mit dem verseuchten Wasser, welches unter dem Teil der Deponie entweicht, für den Sie sich der Haftung entledigt haben? Wird das Wasser weiter gereinigt, wenn ja von wem, und erhalten Sie ggf. Geld dafür? Zusammenhängend damit meine Frage 4: Wieviel verseuchtes Wasser, in qm3 pro Stunde, ist aus Ihrem Haftungsbereich gefallen? In der Leverkusener Bevölkerung besteht nämlich die Befürchtung, dass Sie einen viel größeren Teil der Dhünnaue-Deponie abgegeben haben, als es für die Bauarbeiten angemessen bzw. nachvollziehbar gewesen wäre. Dies alles kann natürlich zu erheblichen Imageschäden führen, wenn es publik wird. Darum komme ich zur nächsten Frage 5: Was gedenken Sie im Falle des Falle zu tun, wenn es zu einer Umweltkatastrophe in Leverkusen und Umgebung kommen sollte, oder gar zum GAU: Sie besitzen ohne Zweifel die größten Kenntnisse über Ihre Hinterlassenschaften und über toxikologische Wirkungen, die sich nach derzeitigem Kenntnisstand entfalten könnten: Wollen Sie so handeln wie in der Vergangenheit, ich nenne einmal 2 Beispiele, vor gut 30 Jahren im indischen Bhopal sowie vor 10 Jahren im US-amerikanischen Institute, wo Sie nach schweren Unfällen händeringend von öffentlichen Behörden um Informationen angefragt wurden, aber keine verwertbaren Informationen herausgerückt haben? In Bhopal nach der größten Chemiekatastrophe der Menschheitsgeschichte wurden Ihre Experten stattdessen lediglich gesichtet, wie sie Opfer zählten und Statistiken anfertigten. Würden sie sich das hier im Rheinland auch erlauben? Oder machen Sie sich über diese Fragen noch keine Gedanken nach dem Motto: „Et hätt noch immer jot jejange?“ ! Ich komme zur letzten Frage Nr. 6: Sind Sie nicht auch selber ein wenig in Sorge über die öffentliche Wahrnehmung der Marke Bayer und die Schäden an Ihrem Image, insbesondere in Ihrem Stammland und in der Umgebung Ihres Stammsitzes? Die Entscheidung, den weltweit unbeliebtesten Chemiekonzern Monsanto zu übernehmen, hat nicht nur UmweltschützerInnen und VerbraucherschützerInnen auf die Barrikaden gebracht, sondern auf der letzten Hauptversammlung zu einhelliger Kritik der Aktionäre geführt. Nach meiner Erinnerung hat nicht ein Redner/eine Rednerin die Fusion begrüßt, sondern alle haben Bedenken oder sogar harsche Kritik geäußert. Diese Sache ist noch lange nicht verdaut, und schon bringen Sie die BürgerInnen mit Ihrem nächsten Projekt in Wallung. Da werden auch schmerzhafte Erinnerungen an die geplante CO-Pipeline von Dormagen nach Krefeld angetriggert, die nicht dadurch verblasst sind, dass Sie diesen Klotz am Bein in Richtung Covestro outgesourct haben. Für die AnwohnerInnen ist es exakt das Gleiche, und zwar für alle Betroffenen quer durch den Industriestandort Rheinland! (Der Engländer würde sagen: „piling the agony“ Aber in dieser Versammlung ist ja leider die englische Sprache verboten. Ich fahre auf deutsch fort und bin auch schon am Ende angekommen:) Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Falls Sie als Aktionäre ebenfalls nicht einverstanden sind mit der Geschäftspolitik und diese Versammlung noch vor der Abstimmung verlassen wollen, lassen Sie Ihr Stimmrecht nicht verfallen, sondern übergeben Sie Ihren Stimmkartenblock an uns kritische Aktionäre, wir befinden uns vorne links. Sie haben das Recht, uns für Sie abstimmen zu lassen. Vielen Dank!

[Axel] Rede Axel Köhler-Schnura

CBG Redaktion

Meine Damen und Herren, guten Tag,

mein Name ist Axel Köhler-Schnura. Ich bin selbstständig und ehrenamtlich im Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren. Auch bin ich Gründungsmitglied des Dachverbandes der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre.

Meine Damen und Herren,
Sie erinnern sich, heute Vormittag hat Herr Wenning behauptet, die Vorwürfe von der Coordination gegen BAYER-Gefahren und auch von mir seien nicht stichhaltig. Ich stehe jetzt seit 1983 hier an diesem Pult und Sie werden ahnen, was ich Jahr für Jahr hier höre: Unsere Argumente seien nicht stichhaltig.
Meine Damen und Herren,
jedoch, wenn das alles so wenig stichhaltig wäre, was wir hier vortragen, wie Herr Wenning und seine Vorstandskollegen der Öffentlichkeit weiszumachen versuchen, dann frage ich mich, wie es sein kann, dass beispielsweise im Hinblick auf die CO-Pipeline jede Menge Sachverstand der unterschiedlichsten Sparten, der Wissenschaft, der Ärzteschaft, des Katastrophenschutzes, ja selbst der Polizei und der Verwaltungen sich vehement gegen die Pipeline ausprechen?
Weshalb es ein Oberwaltungsgerichtsurteil gibt, dass die Inbetriebnahme der Pipeline untersagt?
Weshalb es quer durch ALLE Parteien einstimmig gefasste Beschlüsse von fast einem Dutzend Kommunen entlang dieser Pipeline gibt, darunter übrigens auch von der Stadt, in der wir heute tagen, der Landeshauptstadt Düsseldorf, die allesamt die Pipeline wegen ihrer Gefahren für die Bevölkerung und die Umwelt ablehnen?
Und schließlich frage ich mich, wie es kommen kann, dass mehr als 100.000 BürgerInnen alleine aus Nordrhein-Westfalen den Protest gegen die Pipeline persönlich unterschrieben haben, wenn das alles „nicht stichhaltig“ sein soll?

Meine Damen und Herren,
es mangelt nicht an Stichhaltigkeit unserer Argumente, sondern es ist so, dass Herr Wenning hier eine sehr einseitige Wahrnehmung wiedergibt. Es sind nicht wir, die wir hier ohne Substanz argumentieren, es ist die Konzernleitung, die die Wahrheiten verdreht, Fakten unterschlägt und wahrheitswidrig berichtet.
Ein kleines Beispiel, Herr Wenning, dafür, wie Sie einfach die Hälfte der Wahrheit weglassen: Sie haben sich heute morgen dafür beklatschen lassen, dass Sie 800 Auszubildende einstellen. Unterschlagen haben Sie aber, wie viele – oder besser – wie wenige Sie von diesen nach Abschluss der Ausbildung in eine Festanstellung übernehmen?

Meine Damen und Herren,
wir müssen uns hier über Eines im Klaren sein. Es geht hier nicht um irgendwelche Bagatellen. So groß dieser Konzern ist, so groß sind auch die Probleme. Es geht hier immer wieder um Probleme, die uns alle betreffen. Die Sie und mich, Ihre Familien, Ihre Kinder und Enkel betreffen.
Wenn wir beispielsweise über die Vernichtung von Arbeitsplätzen sprechen, dann geht nicht um einige hundert vernichtete Arbeitsplätze, es geht um zehntausende. Im aktuellen Berichtsjahr gibt es bei BAYER 70.000 Arbeitsplätze weniger als 1983, das sind immer 40 Prozent der damaligen Arbeitsplätze, die weg sind.
Und das nicht, weil die Umsätze sich entsprechend reduziert hätten. Nein, die Umsätze haben sich im Berichtsjahr gegenüber damals von 14 Mrd. Euro auf 33 Mrd. Euro mehr als verdoppelt.
Damit verbunden hat sich die Arbeitshetze und die Belastung der Beschäftigten enorm erhöht. Jeder Beschäftigte muss heute 276 Prozent mehr Umsatz bringen als damals. Das ist fast eine Verdreifachung!
Selbst wenn wir die Inflationsrate abziehen und wenn wir berücksichtigen, dass durch den Einsatz von Maschinen die Produktivität gestiegen ist, wird mehr als deutlich, dass die Ausbeutung, dass Arbeitshetze und Arbeitsdruck im Konzern unerträglich gestiegen sind.
Oder nehmen wir die Umwelt. Nach wie vor beispielsweise hält BAYER an dem neuen Kohlekraftwerk in Krefeld fest. Dieses Kraftwerk wird die Klima-Bilanz mit 4,4 Millionen Tonnen jährlich zusätzlich belasten. Meine Damen und Herren, das entspricht der Ladung von mehr als 40.000 Eisenbahnwaggons, das ist mehr als die gesamte Bevölkerung Krefeld in die Luft bläst. Und das vor dem Hintergrund, dass es keinen einzigen verantwortungsbewussten Wissenschaftler mehr auf diesem Planeten gibt, der nicht in der höchsten ihm möglichen Eindringlichkeit vor der Klimakatastrophe warnt und die sofortige drastische Reduzierung der klimaschädlichen Stoffe anmahnt.
Oder nehmen wir die Sicherheit! Herr Wenning, Sie sprachen heute morgen über das BAYER-Werk in Institute in USA. Natürlich in der Ihnen eigenen verharmlosenden und uns diffamierenden Manier. Doch die Wahrheit ist, dass das, was Sie einen „Unfall“ nennen, eine „Katastrophe“ war. Und vollständig verschwiegen haben Sie, dass wir es waren, die im vergangenen Jahr von dieser Stelle aus wegen der verheerenden Sicherheitsmängel die Schließung des BAYER-Werkes in Institute/USA gefordert haben. Sie haben damals uns und auch alle anderen Aktionärinnen und Aktionäre damit abgespeist, dass unsere Befürchtungen „nicht stichhaltig wäre.
Aber heute ist die Anlage in die Luft geflogen. Und verschwiegen haben Sie, dass um Haaresbreite die Katastrophe die Belegschaft und die gesamte Region ausgelöscht hätte.
Und da ist der Vergleich zur Produktionskatastrophe im Chemiewerk in Bhopal/Indien mit gleicher Produktionsstruktur wie in Institute eben doch nicht nur legitim, sondern durchaus auch stichhaltig. Immerhin wurden in Bhopal weit mehr als 20.000 Menschen getötet und Hunderttausende gesundheitlich geschädigt. Ausschließlich wegen einiger glücklicher Umstände blieb das der Bevölkerung in Institute erspart. Ein Millimeter weiter und Institute wäre als schreckliches BAYER-Chemie-Fanal in die Menschheitsgeschichte eingegangen.
Und was Sie auch verschwiegen haben, Herr Wenning, dass ist die Tatsache, dass sich Ihr Unternehmen derzeit vor dem US-Senat und den Sicherheitsbehörden der USA verantworten muss für Ihre Verantwortungs- und Rücksichtslosigkeit gegenüber den Beschäftigten und der Gesellschaft. Und Sie verschweigen auch, dass die Coordination gegen BAYER-Gefahren offizieller Berichterstatter in der Beweisaufnahme des Chemical Safety Board in den USA ist.
Meine Damen und Herren,
soviel zur Stichhaltigkeit unserer Argumente. Interessant ist allerdings die Frage, weshalb die Vorstandsvorsitzenden hier ständig irreführen, verschleiern und vernebeln. Es gibt nur einen Grund: Weil der Profit die Großaktionäre und die Manager leitet, weil sie deshalb ohne Moral und ohne Ethik handeln.
Und das lässt sich auch belegen. Beispielsweise mit einer Aussage von dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Prof. Grünewald. Er distanzierte sich auf einer Hauptversammlung in den 80er Jahren regelrecht von Moral und Ethik und bekannte sich einzig zum Profit. Er sagte mit unverständlicher Klarheit (ich zitiere): „Für die Moral ist die Kirche zuständig, für die Ethik gibt es Kommissionen - wir sind für den Profit zuständig.“
Einer seiner Nachfolger, nämlich Sie Herr Schneider, der Sie heute als Aufsichtsratsvorsitzender dort oben sitzen, brachte das Credo dann auf die kurze Formel (ich zitiere): „Unser Job ist der Profit!“
Die Krone aber hat dem Ganzen Herr Wenning im Geschäftsjahr, um das es hier geht, aufgesetzt. Er ging im November im Spiegel einen Schritt weiter, indem er feststellte (ich zitiere): „.. ein wenig ‚gesunde’ Gier ist sogar ganz nützlich und natürlich.“
Nun, meine Damen und Herren, Sie sehen, es geht hier nicht nur um Profit als Leitlinie des Handelns, es geht auch um Gier. Wenn Herr Wenning sich dann heute morgen dagegen verwahrt, dass die „Unmoral der Manager“ angeprangert wird, so erweist sich das angesichts dieser Faktenanlage als purer Zynismus.
Meine Damen und Herren,
es muss uns klar sein, denn genau das hat die verheerende Krise, die wir erleben bereits jetzt offen gelegt, dass es gemeingefährlich ist, wenn die Perversion menschlichen Strebens, die Gier, zur Leitlinie ihres Handelns gemacht wird! Und genau dafür plädiert Herr Wenning. Offen und unverblümt.
Auch wenn wir hier keinen Grundkurs in Philosophie haben, möchte ich Sie doch darauf aufmerksam machen, dass Herr Wenning in seinem kurzen Satz von der „gesunden Gier, die nützlich und natürlich“ sei, gleich drei faustdicke Lügen verpackt hat:
Erstens gibt es keine gesunde Gier! Gier ist immer ungesund. Gier ist hochgradig krankhaft.
Zweitens kann Gier niemals nützlich sein. Gier ist nicht einmal nur unnütz. Gier ist einzig gefährlich.
Und drittens ist Gier auch niemals natürlich. Natürlich sind Gierbremsen, wie sie jeder Mensch besitzt und die er bewusst ausschalten muss, um sich der Gier hinzugeben. Und diese Bremsen auszuschalten, ist hochgradig unnatürlich.
Herr Wenning, ich wiederhole es, Gier zu kultivieren, ist gemeingefährlich. Und ich weiß mich mit dieser Meinung in bester Gesellschaft. Beispielsweise mit unserem Bundespräsidenten, der Ihre Gier und die Gier Ihrer Kollegen in ebenso klaren Worten, wie ich es tue, benannt und kritisiert hat. Gier ist und bleibt ein menschlicher Charakterfehler, darüber sind sich Ethik und Philosophie der Menschheitsgeschichte einig.
Mahatma Ghandi machte einmal in leicht verständlichen Worten klar, worum es geht und weshalb alles getan werden muss, die Perversion der Gier zu bekämpfen. Er sagte (ich zitiere): „Zur Befriedigung der Gier des Menschen wird der gesamte Reichtum der Erde nicht ausreichen.“
Und genau das ist der Punkt. Wenn bei BAYER der Profit Handlungsmaxime ist und „gesunde Gier“ sich breit macht, dann muss uns allen hier im Saal bei der Größe und der Bedeutung dieser Firma klar sein, dass es um unser Leben, um unsere Gesundheit, um unsere soziale Sicherheit, um unsere Demokratie – kurzum um unseren Planeten geht. Das alles wird durch Profit und Gier rücksichtslos auf das Spiel gesetzt.
Deshalb bleibe ich dabei, was ich schon öfter an dieser Stelle feststellte: Konzerne wie BAYER gehören auf den Müllhaufen der Geschichte. Im Interesse von uns allen, im Interesse unserer Kinder, im Interesse unserer Enkel, im Interesse der Umwelt und des Klimas.
Meine Damen und Herren,
damit komme ich zu meinen Anträgen. Diese Anträge stellen mit mir die Coordination gegen BAYER-Gefahren und mehrere hundert AktionärInnen, die uns beauftragt haben.
Zunächst zum Gewinnantrag:
Wir beantragen die Kürzung der Dividende von 1,40 Euro auf 10 Cent je Aktie. Die frei werdenden Gewinn-Milliarden sollen verwendet werden
- für Erhalt und Schaffung sicherer Arbeitsplätze und für die Zahlung sozial gerechter Löhne;
- für einen Fonds zum angemessenen Ausgleich von Schäden, die infolge der Geschäftstätigkeit an Mensch und Umwelt eingetreten sind;
- für den umfassenden ökologischen und sozialen Umbau des Konzerns ohne doppelte Standards.
- und schließlich für die Zahlung von Wiedergutmachungen für die Verbrechen von BAYER und des von BAYER mitbetriebenen IG FARBEN-Zusammenschlusses an die Opfer bzw. deren Angehörige und Nachkommen.
Es sei wie jedes Jahr angemerkt, daß wir durchaus auch den völligen Verzicht auf jede Dividendenausschüttung im Sinne der erläuterten Sozial-, Menschenrechts- und Ökologie-Leistungen beantragen würden, doch nach der Lage der Gesetze ist das nicht möglich.
Meine Damen und Herren,
wir stellen weiterhin die Anträge, den Vorstand nicht zu entlasten und auch dem Aufsichtsrat die Entlastung zu verweigern. Wir begründen diese Nicht-Entlastungen damit, dass beide Gremien ihrer Verantwortung im dargelegten Sinne in keiner Weise gerecht wurden und uns zudem hier im Saal in die Irre führen.
Meine Damen und Herren Kleinaktionäre und Kleinaktionärinnen,
seit Jahren zeigen Sie sehr zum Ärger der Großaktionäre, Vorstände und Aufsichtsräte, Zivilcourage. Wer bereits öfter hier war, weiß, dass bis zu mehreren Millionen Aktien regelmäßig mit uns gegen die Anträge des Vorstands stimmen.
Allerdings fällt immer wieder auf, dass viele AktionärInnen zwar mit uns gegen die Entlastungen stimmen, dies aber bei dem Gewinnantrag in weitaus geringerem Umfang tun. Ich möchte Sie ausdrücklich ermuntern, auch bei den Gewinnen ein deutliches Signal für die dringend gebotene Umverteilung der Gewinne im Sinne unseres Gegenantrages zu setzen. Natürlich ist uns klar, dass die Großaktionäre und Banken mit ihren Multi-Millionen-Paketen nicht mit uns stimmen werden; aber Sie, die KleinaktionärInnen sind nur ihrem Gewissen verpflichtet, stimmen Sie mit „Nein“.
Sollten Sie die HV vorzeitig verlassen, aber dennoch mit uns stimmen wollen, so lassen Sie Ihre Aktien nicht von BAYER unten am Ausgang vertreten, sondern von uns. Sie finden uns hier vorne, von Ihnen aus gesehen links.
Stärken Sie mit ihren Aktien das wichtige Signal für soziale Sicherung, Umweltschutz und Menschenrechte. Stimmen Sie bei ALLEN Tagesordnungspunkten als Ausdruck Ihres Einsatzes für Umwelt, soziale Sicherheit und Frieden mit NEIN!
Vielen Dank.

[Neon] Pharmatests in Indien

CBG Redaktion

Neon, März 2012

Arme Schlucker

Die großen Pharmafirmen haben das perfekte Land für ihre Medikamentenstudien gefunden: Indien. Das spart Geld - aber es kostet Leben.

Unter dem Vorwand einer Schutzimpfung landet ein zwei Tage altes Baby in einer Medikamentenstudie. Die beinahe tödlichen Nebenwirkungen schiebt der behandelnde Arzt auf die falsche Seife. Unser Autor Felix Hutt hat herausgefunden, warum Indien das Paradies für die Pharmaindustrie ist.

Die Zeitschrift Neon greift in seiner aktuellen Ausgabe eine Kampagne der CBG auf. Der Autor dokumentiert mehrere Todesfälle, die in der indischen Stadt Bhopal durch Medikamenten-Versuche westlicher Konzerne verursacht wurden - ausgerechnet am Bhopal Memorial Hospital & Research Centre, das zur Behandlung der Opfer der Giftgas-Katastrophe von 1984 errichtet wurde.

Die Teilnehmer an diesen Menschenversuchen werden nicht über die Risiken aufgeklärt. Sie erfahren noch nicht einmal, dass sie an klinischen Studien teilnehmen.

Der elfseitige Artikel dokumentiert Versuche der Firmen AstraZeneca, Pfizer und GlaxoSmithKline. Zur Rolle des BAYER-Konzerns heißt es: Bayer zahlte in fünf Fällen jeweils 250.000 Rupien, das sind etwas mehr als 3.500 Euro pro Verstorbenem. Ärzte werden nicht bestraft, weil es dafür kein Gesetz und keinen Strafenkatalog gibt, und ihre Opfer ziehen nicht vor Gericht.

Zur Zahl der Todesfälle heißt es: Dr. Chandra Gulhati hält dieZahl der 1722 Toten für viel zu niedrig. „Es sind viel mehr, weil die meisten Toten gar nicht gemeldet werden“, sagt er. „Die Ärzte schreiben sie als normale Tote ab. Die Angehörigen wissen gar nicht, dass ihre Verstorbenen Teil einer Studie waren. Es wird nicht ermittelt, es finden keine Obduktionen statt, um die Todesursache festzustellen. Und selbst wenn: Einen Anwalt können sich die Opfer natürlich auch nichtleisten“.

Der Markt ist riesig. Nach Recherchen von Neon finden in Indien derzeit 1.900 Studien mit 150.000 Probanden statt. Westliche Unternehmen zahlten hierfür im vergangenen Jahr rund eine halbe Milliarde Euro. Bis zu 60% der Kosten für ein neues Medikament lassen sich sparen, wenn die Studien in Schwellenländer ohne staatliche Kontrollen verlagert werden.

Der vollständige Artikel

alle Infos zur Kampagne

[Offener Brief] Bhopal mahnt!

CBG Redaktion

OFFENER BRIEF

Offener Brief
an den Vorstandsvorsitzenden Werner Baumann
und die zuständigen Stellen des BAYER-Konzerns

Am 3. Dezember erinnern wir uns an den bisher größten Chemie-Unfall aller Zeiten, der sich vor 35 Jahren im indischen Bhopal ereignete. Dort starben bei der Explosion einer Pestizid-Fabrik von UNION CARBIDE allein in den ersten drei Tagen 8.000 Inder*innen. Und an den Spätfolgen der Detonation, die Methylisocynat (MIC) und andere Chemikalien freisetzte, leiden bis heute Millionen Menschen.

Damals hatten die Behörden der Stadt BAYER um Unterstützung gebeten, da der Konzern umfassende Kenntnisse über die Wirkung von MIC auf den menschlichen Organismus besaß. Aber Ihr Unternehmen weigerte sich ebenso wie UNION CARBIDE, dieser Bitte nachzukommen. Der renommierte Toxikologe Dr. Max Daunderer, der als einer der wenigen Expert*innen in Bhopal half, berichtete gar nach seiner Rückkehr, dass Beschäftigte von BAYER vor Ort Feldstudien betrieben, ohne sich an den Rettungsarbeiten zu beteiligen.

Siebzehn Jahre später übernahm BAYER das Bhopal-Schwesterwerk in den USA vom „UNION CARBIDE“-Neubesitzer DOW CHEMICAL. Gleich nach der Chemie-Katastrophe von 1984 versicherte UNION CARBIDE zwar, die MIC-Produktion in Institute laufe ganz anders ab als in Indien, und teilweise stimmte das sogar, aber die Fertigungsstätte wies noch genug gefährliche Familien-Ähnlichkeiten auf. Allein zwischen 1979 und 1984 traten 190 Leckagen auf; 28 Mal gelangte dabei MIC ins Freie.

Zum größten Knall aber kam es am 28. August 2008, als ein Vorratsbehälter in die Luft ging. Zwei Beschäftigte bezahlten das mit ihrem Leben. Von „Schockwellen wie bei einem Erdbeben“ sprachen Augenzeug*innen. „Die Explosion in dem BAYER-Werk war besonders beunruhigend, weil ein mehrere Tonnen wiegender Rückstandsbehälter 15 Meter durch das Werk flog und praktisch alles auf seinem Weg zerstörte. Hätte dieses Geschoss den MIC-Tank getroffen, hätten die Konsequenzen das Desaster in Bhopal 1984 in den Schatten stellen können“, hieß es später in einem Untersuchungsbericht des US-Kongresses. Der Report stellte schwerwiegende Sicherheitsmängel fest, weshalb BAYER eine Strafe von einer Million Dollar zahlen und zusätzlich 4,6 Millionen Dollar in die Anlagensicherheit stecken musste. Die Verantwortung des BAYER-Konzerns ist an dem Entwurf einer Internationalen Charta „Menschenrechte und Industriegefahren“ (verabschiedet 1994 in London) zu messen.

Aber nicht nur in Institute vernachlässigte BAYER Schutz-Maßnahmen, weil solche Investitionen von den Gewinnen abgehen. Exemplarisch zeigt sich diese Abwehrhaltung bei der Konzipierung von neuen Projekten. Vehement weigerte BAYER sich, die 2014 in Dormagen eingeweihte Anlage zur Produktion von TDI-Kunststoff mit einer Beton-Ummantelung zu schützen und den Abstand zu Wohnsiedlungen und Verkehrseinrichtungen zu vergrößern, obwohl im Fertigungsprozess das gefährliche Giftgas Phosgen zur Anwendung kommt. Nur dank des Engagements der Coordination und anderer Initiativen machten die Behörden Ihrem Unternehmen dann wenigstens zur Auflage, Detektoren aufzustellen, die bei einem Gas-Austritt anschlagen, und an der S-Bahn-Station „Dormagen BAYER-Werk“ einen Schutzraum einzurichten.
Am Skandalösesten zeigt sich die Ignoranz BAYERs Sicherheitsbedenken gegenüber jedoch bei den Kohlenmonoxid-Pipelines. So nahm er 2001 eine solche Leitung zum Transport des tödlichen Giftgases von Dormagen nach Leverkusen in Betrieb und baute ein solches Röhren-Werk auch zwischen Dormagen und Krefeld, die sicherere Möglichkeit einer Vorort-Produktion ignorierend.

Die Folgen einer solchen Geschäftspolitik lassen sich an BAYERs Störfall-Liste ablesen. Obwohl der Konzern sich inzwischen von der Chemie- und Kunststoff-Sparte und damit auch von den risiko-reichsten Fertigungsstätten getrennt hat, nehmen die Einträge kaum ab. So finden sich dort für das laufende Jahr schon drei „Umwelt-Ereignisse“, wie Ihr Unternehmen Störfälle beschönigend nennt: Ein Feuer in Bitterfeld, ein Brand in Dormagen und ein Austritt von Chinoloncarbon-Säure in Wuppertal.

Die UN hat den 35. Jahrestag der Katastrophe von Bhopal zum Anlass genommen, von der chemischen Industrie die Einhaltung der Menschenrechte zu fordern. „Bhopal: Die chemische Industrie muss die Menschenrechte respektieren“, ist die Pressemitteilung aus dem Büro des Hohen Kommissars für Menschenrechte“ (OHCHR) überschrieben. „Weiterhin ereignen sich vermeidbare Katastrophen, weil die chemische Industrie sich weigert, ihre Verantwortung für die Menschenrechte ernstzunehmen“, so Baskut Tuncak von der OHCHR zur Begründung. Konkret verweist er dabei auf Fabrik-Explosionen, die zahlreichen Menschen den Tod bringen und die Verletzung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit durch die Verseuchung von Wasser, Boden und Luft mit Giftstoffen. Angesichts der Unverbindlichkeit freiwilliger Selbstverpflichtungen tritt Tuncak für juristisch belastbare Regelungen für Chemie-Multis ein, die bei der Missachtung von Menschenrechten auch Sanktionen vorsehen.

Darum möchten wir von Ihnen, Herr Baumann, am heutigen 35. Jahrestag der Katastrophe von Bhopal wissen, ob Sie bereit wären, ein solches Reglement zu akzeptieren. Darüber hinaus haben wir noch weitere Fragen an Sie:

• Sehen Sie es als eine Verpflichtung der gesamten chemischen Industrie an, bei derart großen Unfällen wie in Bhopal zunächst gegenseitige Ersthilfe bei Unfallsbegrenzung, Opfer-Versorgung, Opfer-Entschädigung, Unfallfolgenminderung und Dekontamination zu leisten (als eine Art „Feuerwehr-Fonds“) und erst später nach Erledigung dieser vorrangigen Maßnahmen innerhalb der chemischen Industrie einen Abrechnungsmodus zu suchen?

• Welche Konsequenzen hat BAYER aus der Großexplosion von Institute im Jahr 2008 gezogen? Hat der Konzern die Sicherheit seiner Anlagen seither genauer überprüft und Maßnahmen getroffen?

• Gibt sich das Unternehmen mit seiner Störfall-Bilanz zufrieden oder sieht es weiteren Handlungsbedarf?

• BAYER hat im letzten Geschäftsbericht Angaben zu Leckagen und Stoff-Austritten nur mit der Quote „LoPC-IR“ gemacht und 0,09 Vorfälle pro 200.000 Arbeitsstunden aufgeführt. Das ist nur wenig erhellend. Deshalb möchten wir Sie bitten, Klartext zu sprechen und uns alle Störfälle des letzten Jahres zu nennen inklusive Informationen zu Art und Umfang der ins Freie gelangten Substanzen.

• Weltweit schätzt die chemische Industrie Kohlenmonoxid als so gefährlich ein, dass dieses Gas nur dort synthesiert wird, wo es sofort für die Weiterverarbeitung (z. B. Polycarbonat-Kunststoffe) verbraucht wird. Sehen Sie sich als Unternehmen, das 7,5 Prozent der Geschäftsanteile des nunmehrigen CO-Betreibers COVESTRO hält, in der Pflicht, Ihren Einfluss auf die Firma dahingehend geltend zu machen, dass die COVESTRO sich zukünftig an dieses bewährte Sicherheitsprinzip hält und eine Vorort-Produktion aufbaut?

Düsseldorf, 03. Dezember 2019
Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG)
Vorstand
Uwe Friedrich/Brigitte Hincha/Axel Köhler-Schnura/Jan Pehrke

[Vorwort] Vorwort

CBG Redaktion

„Wir haben umfassende Beispiele industrieller Gefahren für Mensch und Umwelt gesammelt. Aus diesen Erfahrungen müssen wir lernen, damit das Leid und der Tod der Opfer nicht vollständig umsonst gewesen ist.“
Aus dem Richterspruch des Permanent Peoples´ Tribunal zu
Industriellen Risiken, Bhopal, Indien, Oktober 1992

Das Permanent People`s Tribunal (PPT) ist ein internationaler, unabhängiger Gerichtshof, der mit 7-11 Richtern aus aller Welt und 50 weiteren Experten aus verschiedenen Gebieten besetzt ist. Das PPT ,der unmittelbare Nachfolger des Russel Tribunals, ist ein unabhängiges Forum, das Verstöße gegen Menschenrechte untersucht und Abhilfe herbeiführen will. Die Beschlüsse werden dem Generalsekretär der Vereinten Nationen sowie nationalen und internationalen Institutionen vorgelegt. In den letzten Jahren hat sich das Tribunal mit Menschenrechtsverstößen in Guatemala und anderen Ländern, strukturellen Problemen von Internationalem Währungsfonds und Weltbank sowie der Legalität der Eroberung Amerikas befaßt.

Das PPT ist besorgt wegen der Häufigkeit und Gefährlichkeit kleiner und großer Industrieunfälle. Die Städte Seveso, Tschernobyl, Bhopal und Basel wurden Symbole für die Gefahren, die von industrieller Produktion ausgehen. Daher befaßt sich das PPT mit mangelnden nationalen und internationalen Vorsichtsmaßnahmen gegenüber industriellen Risiken, dem uneffektiven Katastrophenschutz, fehlendem medizinischem und juristischem Schutz sowie mit solchen nationalen Gesetzgebungen, die die Verantwortlichen für Industriegefahren schonen und die Umwelt nicht wirksam schützen.

Das Permanent People´s Tribunal on Industrial Hazards and Human Rights hat sich seit 1991 zu vier Sitzungen in New Haven, Bangkok, Bhopal und London getroffen mit dem Ziel, Rechte auf Leben, Gesundheit, Sicherheit, Umweltschutz und Schadensbegrenzung gegenüber gefährlichen Produktionsbedingungen zu definieren. Nach vierjährigen Beratungen wurde am 2. Dezember 1994, dem zehnten Jahrestag der Katastrophe von Bhopal, ein vorläufiger Entwurf einer Charta verabschiedet, die die Rechte gegenüber Gefahren von industrieller Produktion festlegt. Nachdem ein weiteres Jahr Kommentare und Ergänzungen gesammelt wurden, wurde 1996 die vorliegende Endversion veröffentlicht.

Die vorliegende Charta orientiert sich an der Erklärung der Menschenrechte, der Erklärung der Völkerrechte, dem Internationalen Abkommen über Bürgerrechte, dem Internationalen Abkommen über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, der Konvention über die Rechte des Kindes und der Wiener Erklärun/g zu Menschenrechtsfragen. Außerdem wurde die Charta angelehnt an die Rio Erklärung zu Umwelt und Entwicklung, die Agenda 21, den Entwurf der Erklärung der Rechte von indigenen Völkern und verschiedenene Konventionen und Empfehlungen der International Labour Organisation.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren, die seit1979 den multinationalen BAYER-Konzern beobachtet, beteiligte sich bei der Entstehung der Charta. Die vorliegende zweisprachige Broschüre soll helfen, die Ergebnisse der Konferenz national und international zu verbreiten. Darin enthalten sind auch zwei Beispiele, die die Kritik an BAYER als Beispiel eines multinationalen Konzerns dokumentieren.

Wir unterstützen die Forderung des PPT nach neuen internationalen Regelungen zur Prävention und Minderung von industriellen Risiken. Ein schnelles Handeln ist erforderlich, um Mensch und Umwelt wirkungsvoll zu schützen!

Coordination gegen BAYER-Gefahren e.V.

[Links] Bhopal mahnt!

CBG Redaktion

Die Arbeit der CBG zum Thema Bhopal im Überblick

Die Kampagne Bhopal mahnt

Das Stichwort BAYER zu 30 jahre Bhopal

Aktionen bei BAYER in Leverkusen anlässlich des 25 jährigen Jahrestages der Katastrophe

Pressemitteilung der CBG anlässlich 15 Jahren Bhopal

In unserem offenen Brief nehmen wir auch auf diese Anlage Bezug.

Die Charta für Menschenrechte und Industrielle Gefahren

Aus Anlass des 10. Jahrestags der Bhopal-Katastrophe wurde vom 30. November bis 2. Dezember 1994 in London ein Tribunal aus fünf internationalen Richtern abgehalten. Das Permanent Peoples’ Tribunal (PPT) für Menschenrechte und Industrielle Gefahren hörte Aussagen und Empfehlungen von Spezialist*innen, Opferverbänden, Interessensgruppen und Einzelpersonen bezüglich der Auswirkun-gen von riskanten Produktionen auf Arbeiter*innen, Allgemeinheit und Umwelt sowie fehlender Wie-dergutmachung für die Opfer. Dies war das vierte und letzte Tribunal des PPT bezüglich industrieller Gefahren und Menschenrechte, das zur Entwicklung der Charta für Menschenrechte und Industrielle Gefahren beisteuerte.

Lest den gesamten Text der Charta hier.

[Charta] Bhopal mahnt!

CBG Redaktion

Die Charta für Menschenrechte und Industrielle Gefahren

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG / www.CBGnetwork.org) hat in den Jahren nach der Chemie-Katastrophe 1984 in Bhopal/Indien an der Entwicklung der Charta “Menschenrechte und industrielle Gefahren“ mitgearbeitet. Insbesondere hat CBG-Gründungsmitglied Axel Köhler-Schnura an den abschließenden Beratungen der Charta 1994 in London teilgenommen und dort das Fall-Beispiel „BAYER-Konzern“ vorgetragen.

Entwurf des internationalen Permanent Peoples´ Tribunal (PPT) für eine Charta „Menschenrechte und industrielle Gefahren“

Zum Entwurf

Aus Anlass des 10. Jahrestags der Bhopal-Katastrophe wurde vom 30. November bis 2. Dezember 1994 in London ein Tribunal aus fünf internationalen Richtern abgehalten. Das Permanent Peoples’ Tribunal (PPT) für Menschenrechte und Industrielle Gefahren hörte Aussagen und Empfehlungen von Spezialist*innen, Opferverbänden, Interessensgruppen und Einzelpersonen bezüglich der Auswirkungen von riskanten Produktionen auf Arbeiter*innen, Allgemeinheit und Umwelt sowie fehlender Wiedergutmachung für die Opfer. Dies war das vierte und letzte Tribunal des PPT bezüglich industrieller Gefahren und Menschenrechte, das zur Entwicklung der Charta für Menschenrechte und Industrielle Gefahren beisteuerte.
Die Welt hat hinreichende Erfahrung mit industriellen und Umweltgefahren erlangt. Die Lektionen müssen aus diesen Erfahrungen gelernt werden, so dass die Menschen, die gestorben sind oder leiden mussten, dies nicht umsonst getan haben. Das ist das Urteil des Permanenten Völkertribunals, welches im Oktober 1992 in Bhopal abgehalten wurde.
Gegründet wegen verheerender industrieller Katastrophen, wie Seveso, Italien (1976), Bhopal, Indien (1984) und Tschernobyl, Ukraine (1986), nahm das PPT seine Arbeit auf (1991-1994), um sich dem Mangel an rechtlichem und medizinischem Schutz der betroffenen Arbeiter*innen und Bewohner*innen zu widmen sowie den örtlichen industriellen Risiken für die Umwelt.
Themen wie Katastrophenschutz, Verantwortung der Werksbetreiber*innen, internationales Recht und viele andere Problembereiche der industriellen Produktion wurden angesprochen. Das PPT wurde am zehnten Jahrestag des Unglücks von Bhopal zusammengestellt als Anregung für eine Charta für Menschenrechte und Industrielle Gefahren.
Fast fünf Jahre dauerte das Entwerfen der Charta, die auf einer Reihe von öffentlichen Anhörungen des Tribunals in New Haven, USA (1991), Bangkok, Thailand (1991), Bhopal, Indien (1992) und London, UK (1994) basiert.
Menschen vieler unterschiedlicher Länder legten Beweise vor. Das Tribunal hörte Aussagen von Überlebenden, die industriellen Gefährdungen ausgesetzt waren, von betroffenen Ortsgruppen und Arbeiter*innen. Zur gleichen Zeit stellten Ärzt*innen, Anwält*innen, Wissenschaftler*innen, Ingenieur*innen und andere Expert*innen Informationen zu Ursprung und Auswirkungen industrieller Gefahren zur Verfügung.
Trotz ihrer unterschiedlichen Hintergründe und Erfahrungen erzählten alle Menschen, die aussagten, eine gemeinsame Geschichte. Industrielle Gefahren breiten sich auf globaler Ebene aus und sie stellen eine ernste Bedrohung für Leib und Leben dar. Außerdem reagieren die vorhandenen wirtschaftlichen, rechtlichen und medizinischen Organisationen nicht adäquat auf diese Besonderheit der Globalisierung. Vereine zur Unterstützung der Opfer äußerten eine gemeinsame Forderung nach einer Instanz, die sie vor Tod, Schaden und anhaltender Unsicherheit schützt. Expert*innenaussagen hoben Beispiele für bewährte Methoden hervor, beschrieben aber auch die Hauptmerkmale einer internationalen Ordnung, in der Gefahren ohne effektive Kontrollen gefördert, gehandelt und geschützt werden.
Das Tribunal hielt seine vierte und letzte Sitzung in London vom 28. November bis zum 2. Dezember. Die Richter*innen hörten drei Tage lang Experte*innenaussagen. Die Anklage wurde von Rechtsanwalt Graham Reid vertreten, die Verteidigung von Rechtsanwalt Andreas O’Shea. Die Beweisführung wurde von sechs Richter*innen gehört:
Francois Rigaux, Jura-Professor, Katholische Universität von Louvain, Belgien, Vorsitzender des PPT
Dr. Rosalie Bertell, Vorsitzende des Instituts für Angelegenheiten öffentlicher Gesundheit, Kanada
Salak Siveraska, Santi Pracha Dhamma Institut, Thailand
Richter Subhan, ehemaliger Richter, Bangladesch, Oberster Gerichtshof
Tina Wallace, Development Administration Group, Universität von Birmingham
Dr. Timothy Weiskel, Direktor, Harvard Seminar in ökologische Werte
Den Richter*innen wurde assistiert von:
Dr. Gianni Tognoni, Epidemiologe am Mario Negri Forschungsinstitut Milan, Generalsekretär des PPT
Joe Verhoeven, Professor für internationales Recht, Katholische Universität von Louvain, Belgien
Am 2. Dezember verkündeten die Richter*innen ihre Ergebnisse und das Urteil bei einer Pressekonferenz im Unterhaus, die von Harry Cohen (Mitglied des Parlaments) und John Hendy (Kronanwalt) veranstaltet wurde.
Die Charta
Das Permanent Peoples’ Tribunal für Menschenrechte und industrielle Gefahren,
das in New Haven, Bangkok, Bhopal und London für vier Sitzungen seit 1991 zusammengekommen ist, um Aussagen zu erhalten und uns zu Themen des Rechts auf Leben, berufliche Gesundheit und Sicherheit, Umweltschutz, Risikomanagement und Schadensreduzierung im weiteren globalen Sinne der gefährlichen Produktion zu beratschlagen;
das entworfen hat über die Zeit von vier Jahren eine Rechtscharta zur Wiedergabe der Ansichten und Belange der Personen, die wegen industrieller Gefahren verletzt und verzweifelt sind, und haben am zweiten Tag des Dezembers 1994 einen Charta-Entwurf herausgegeben für Kommentare und Diskussionen unter den einzelnen Personen und Nicht-Regierungs-Organisationen, einschließlich Gewerkschaften;
das berücksichtigt hat die Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, den Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, den Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, die Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, das Übereinkommen über die Rechte des Kindes, die Wiener Erklärung und ihr Aktionsprogramm, die Pekinger Weltfrauenkonferenz, den Aktionsplan des Weltgipfels zu sozialer Entwicklung und andere relevante internationale Menschenrechtsinstrumente;
das geleitet wurde von der Rio-Erklärung für Umwelt und Entwicklung, Agenda 21, der Entwurfserklärung für die Grundlagen des Menschenrechts und der Umwelt, der Entwurfserklärung für die Rechte von indigenen Völkern und anderen relevanten Mitteln zur Verhütung von industriellen und ökologischen Gefahren;
das geleitet wurde von Abkommen und Empfehlungen internationaler Gewerkschaften, einschließlich des Abkommens zur Freiheit des Zusammenschlusses und Schutz des Rechts, sich zu organisieren, vom Abkommen zum Organisationsrecht und auf Tarifverhandlungen und vom Abkommen bezüglich der Verhütung größerer industrieller Unfälle;
das erheblich besorgt ist über die umfassende Verbreitung von gefährlichen Produkten und Prozessen, die zu industriellen Anwendungen führen, die menschliche, soziale und ökologische Zerstörung verursachen, die insbesondere Lebensraum, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur indigener Völker bedrohen;
das zutiefst besorgt ist über die Häufigkeit von kleinen, aber schädlichen gefährlichen Vorfällen, sowie über das Ausmaß und die Art von größeren industriellen Unglücken, einschließlich der Geschehnisse in Seveso, Tschernobyl, Bhopal, Basel und anderswo;
das besorgt ist über die erfolglosen nationalen und internationalen Systeme zu Gefahrenschutz, Katastrophenhilfe, medizinischer und staatlicher Unterstützung und staatlicher Übernahme von Verant-wortung, die in ihrer jetzigen Form sowohl darin versagt haben, berufliche und ökologische Gefahren adäquat zu verhindern als auch darin, diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die verantwortlich sind für Tote und Verletzte weltweit;
das zur Kenntnis nimmt, dass dringender Handlungsbedarf besteht, künftige Verschlechterungen bezüglich des menschlichen und tierischen Lebensraums und der Umwelt zu verhindern, und das Leid, verursacht durch industrielle Gefahren, angemessen zu beseitigen;
das zur Kenntnis nimmt, dass die persönliche Erfahrung und wiederholten Forderungen von Arbeiter*innen und Bewohner*innen, die von industriellen Gefahren betroffen sind, die bestmögliche Basis für die Formulierung von Rechten bietet;
das sich bewusst ist der inhärenten Begrenzungen von nationalem und internationalem Recht sowie der wichtige Rolle der gemeinschaftlichen Organisationen und Bewegungen in der Prävention und Linderung industrieller Gefahren;
das überzeugt ist, dass neue nationale und internationale Systeme zur Prävention, Linderung und rechtlichen Haftung formuliert und festgelegt werden müssen;
erklärt das Folgende:
Teil I
Allgemeingültige Rechte
Artikel 1
Keine Diskriminierung
1. Jeder Mensch hat Anspruch auf alle Rechte und Freiheiten, die in dieser Erklärung dargelegt werden, ohne jede Unterscheidung bezüglich Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, Nationalität, politischer Meinung oder Zugehörigkeit zu einer politischen oder ethnischen Gruppe oder sozialen Klasse bzw. Kaste, Behinderung, sexueller Orientierung, Alter, Besitz und Einkommen, Geburt oder jeglichem anderen Status.
2. Angesichts der besonderen Abwertung, mit der Frauen als bezahlte oder unbezahlte Arbeitskräfte konfrontiert sind, sollte darauf geachtet werden, ob die unten genannten Rechte Frauen besonders betreffen.
3. Angesichts ihrer besonderen Verwundbarkeit und Ausbeutung auf dem Arbeitsmarkt soll Kindern, die industriellen Gefahren ausgesetzt sind, besonderer Schutz gewährt werden.
4. In Hinblick auf den Zusammenhang zwischen niedriger Entlohnung und risikoreichem Arbeitsumfeld und auf die überproportionalen Auswirkungen industrieller Risiken auf rassische und ethnische Minderheiten sollte diesen Gruppen besonderer Schutz gewährt werden.
Artikel 2
Bezug zu anderen Rechten
Die Rechte in dieser Charta und andere Menschenrechte, einschließlich zivilrechtlicher, politischer, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte, sind universell, interdependent und unteilbar. Insbe-sondere die Freiheit von gesundheitlichen Risiken einschließlich dem Recht, gesundheitsgefährdende Beschäftigungen zu verweigern, gründet auf der vollständigen Umsetzung sozialer und wirtschaftlicher Rechte, einschließlich des Rechts auf Bildung, Gesundheit und einen angemessenen Lebensstandard.
Artikel 3
Recht auf Zurechenbarkeit
Jeder Mensch hat das Recht, Einzelpersonen, Unternehmen oder Regierungsbehörden haftbar zu machen für Handlungen, die zu Gesundheitsgefahren führen. Insbesondere sollen Dachgesellschaften, einschließlich transnationaler Gesellschaften, für die Handlungen ihrer Tochterunternehmen haftbar gemacht werden.
Artikel 4
Organisationsfreiheit
1. Alle Mitglieder und Arbeiter eines Gemeinwesens haben das Recht, sich mit anderen Gemeinwesen und Arbeitern zusammenzuschließen, um ein Arbeitsumfeld anzustreben, das frei von gesundheitlichen Risiken ist.
2. Das Recht auf Organisation schließt insbesondere ein:
(a) die Freiheit der Meinungsäußerung, des Zusammenschlusses und der friedlichen Versammlung;
(b) das Recht, lokale, nationale und internationale Organisationen ins Leben zu rufen;
(c ) das Recht auf Agitation, politische Einflussnahme, Schulungen und Informationsaustausch;
(d) das Recht, Gewerkschaften zu gründen;
(e) das Recht auf Streik oder andere Formen des Arbeitskampfes.
Artikel 5
Recht auf angemessene Gesundheitsfürsorge
1. Jeder Mensch hat das Recht auf angemessene Gesundheitsfürsorge.

2. Dieses Recht schließt insbesondere ein:
a) das Recht von Einzelpersonen und Gruppen, bei der Planung und Implementierung von
Maßnahmen zur Gesundheitsfürsorge mitzuwirken;
b) das Recht von Einzelpersonen und Familien auf gleichen Zugang zu der Art Gesundheitsfürsorge, die dem Gemeinwesen möglich ist;
c) das Recht auf Inanspruchnahme von Gesundheitsdiensten, einschließlich dem angemessenen Zugang zu Krankenhäusern, Wohnbereichskliniken und Spezialkliniken; außerdem dem Zugang zu praktischen Ärzten und Ausübenden anderer medizinischer Berufe, die im dem entsprechenden Gemeinwesen tätig sind;
d) das Recht auf unabhängige Information bzgl. der Relevanz und Zuverlässigkeit der Dienstleistungen und Behandlungen der medizinischen Einrichtungen, unter Berücksichtigung der Methoden der Allopathie, Homöopathie, der Ernährungslehre, der Physiotherapie, der Psychotherapie und indigener Behandlungsverfahren;
e) das Recht auf Gesundheitssysteme, die die unterschiedlichen Auswirkungen von Gesundheits-gefahren auf Frauen, Männer und Kinder anerkennen und berücksichtigen;
f) das Recht auf Gesundheitserziehung.
Artikel 6
Recht auf Verweigerung
1. Alle Gemeinwesen haben das Recht, die Einführung, Ausweitung oder Fortführung risikobehafteter Tätigkeiten in ihrer Lebensumwelt zu verweigern.
2. Alle Arbeitskräfte haben das Recht auf Arbeitsverweigerung in einem risikobehafteten Arbeitsumfeld, ohne Gegenmaßnahmen von Seiten des Arbeitgebers befürchten zu müssen.
3. Das Recht auf Zurückweisung unangemessener rechtlicher, medizinischer oder wissenschaftlicher Beratung bleibt unbenommen.
Artikel 7
Dauerhafte staatliche Souveränität über die Lebensumwelt
1. Jeder Staat behält das Recht auf dauerhafte Souveränität über die Lebensumwelten innerhalb seiner nationalen Rechtsprechung. Kein Staat soll dieses Recht in einer Weise ausüben, die geeignet ist, die Gesundheit oder Lebenswelt seiner Bewohner zu gefährden oder die Umwelt anderer Staaten oder Gebiete außerhalb der Grenzen nationaler Rechtsprechung zu schädigen.
2 Jeder Staat hat das Recht und die Verpflichtung, seine Amtsgewalt regelhaft auszuüben in Bezug auf gefährliche und potentiell risikobehaftete Unternehmen, in Übereinstimmung mit den Interessen und dem Wohlergehen der Bevölkerung und der Umwelt.

3. Für alle Staaten gilt
a) Keinem Staat darf externe finanzielle Hilfe verweigert werden auf Grund seiner Weigerung, risikobehaftete Produkte zu importieren oder derartige Produktionsprozesse einzurichten;
b) Kein Staat darf gezwungen werden, ausländische Investitionen bevorzugt zu behandeln;
c) Kein Staat darf externen militärischen, diplomatischen, sozialen oder ökonomischen Drohungen oder Zwangsmitteln ausgesetzt werden, die geeignet sind, Regelwerke oder Richtlinien bezüglich gesundheitsgefährdender Produktionsweisen in ihrer Wirkung zu beeinträchtigen.
4. Transnationale Konzerne und multinationale Unternehmen dürfen sich nicht in die inneren Angelegenheiten eines Gastgeberlandes einmischen.
Teil II
Gemeinwesen
Artikel 8
Recht auf Lebensumwelt frei von Gesundheitsrisiken
1. Jeder Mensch hat das Recht auf eine Lebensumwelt, die frei von Gesundheitsrisiken ist. Dieses Recht ist insbesondere anwendbar, wenn Risiken entstehen durch:
a) Herstellung, Verkauf, Transport, Verteilung, Gebrauch und Entsorgung gesundheitsgefährdender Materialien;
b) jegliche militärische oder waffentechnische Anwendung, ungeachtet nationaler Sicherheitserwä-gungen.
2. Jeder Mensch hat das Recht, in gutem Glauben Klage zu erheben gegen den Besitzer oder Betreiber eines Wirtschaftsunternehmens hinsichtlich von Aktivitäten, von denen der Kläger annimmt, dass sie die Lebensumwelt schädigen.
3. Jeder Mensch, der in einer Umgebung lebt, die unausweichlich mit Risiken behaftet ist, soll das Recht auf Sicherheitssysteme haben, die geeignet sind, ihn vor solchen Risiken so weit wie möglich zu schützen. Die Besitzer oder Betreiber des betreffenden risikobehafteten Unternehmens dürfen die Einrichtung des wirkungsvollsten verfügbaren Schutzsystems nicht auf Grund von Kosten oder sonstigem Aufwand verweigern.
Artikel 9
Recht auf Umweltinformation
1. Jeder Mensch hat das Recht, auf angemessene Weise unterrichtet zu werden hinsichtlich geplanter Maßnahmen zur Einrichtung, Ausweitung oder Modifizierung einer potentiell gefährlichen Industrieanlage, die die öffentliche Gesundheit oder die Lebensumwelt gefährden könnten. Zur vollen Verwirklichung dieses Rechtes sollen folgende Schritte eingeleitet werden:
a) Alle Staaten sollen gewährleisten, dass Gemeinwesen, Einzelpersonen und Nicht-Regierungsorganisationen das Zugriffsrecht auf vollständige Informationen bzgl. der Planungen haben. Dieses Recht soll deutlich vor der offiziellen Genehmigung wirksam werden und soll nicht mit dem Hinweis auf wirtschaftliche Geheimhaltung beschnitten werden;
b) Alle Staaten sollen gewährleisten, dass vor der offiziellen Genehmigung eines riskanten Vorhabens eine unabhängige und gründliche Bewertung der Auswirkungen auf die Umwelt und die öffentliche Gesundheit unter Beteiligung des betroffenen Gemeinwesens durchgeführt wird.
2. Jeder Mensch hat das Recht, in seiner eigenen Sprache und in einer für ihn verständlichen Weise über potentielle Gefahren oder Risiken informiert zu werden, die mit einem Produkt oder Produktionsprozess verknüpft sind, mit denen sie in Kontakt kommen könnten.
3. Jeder Mensch hat das Recht auf Informationen über die Sicherheitsprotokolle jeglicher wirtschaftlicher Unternehmungen, deren Herstellungsweise oder industrielle Fertigung seine Lebensumwelt beeinträchtigen könnten, einschließlich der Zahl und Art der Unglücksfälle, die sich ereignet haben, des Ausmaßes der durch solche Unfälle verursachten Verletzungen und jeglicher potentieller gesundheitlicher Langzeitschäden.
4. Jeder Mensch hat das Recht auf Informationen über Arten und Mengen gefährlicher Substanzen, die auf einem Firmengelände gelagert und verwendet werden, die vom Gelände aus in Umlauf gebracht werden oder in Endprodukten enthalten sind. Dieses Informationsrecht schließt insbesondere ein das Recht auf angemessenen Zugang zu Verzeichnissen toxischer Emissionen. Alle Personen, die in der Nähe potentiell gefährlicher Einrichtungen wohnen, haben das Recht, das Firmengelände zu inspizieren und potentiell gefährliche Substanzen und Produktionsprozesse physisch zu verifizieren.
5. Jeder Bewohner eines Umfeldes, in dem er mit Materialien und Produktionsprozessen in Kontakt kommen kann, die bekanntermaßen hochriskant sind und die von den betrieblichen Tätigkeiten eines Wirtschaftsunternehmens ausgehen, hat das Recht auf regelmäßige Untersuchungen durch einen vom Besitzer oder Betreiber dieses Unternehmens bezahlten medizinischen Fachmann.
Artikel 10
Recht auf Mitwirkung des Gemeinwesens
1. Jeder Mensch hat das Recht auf Mitwirkung bei Planungs- und Entscheidungsprozessen, die seine Lebensumwelt beeinflussen.
2. Jeder Mensch hat das Recht auf Mitwirkung bei Planungs- und Entscheidungsprozessen, die folgende Eigenschaften haben sollen:
a) öffentlich und frei zugänglich;
b) zugänglich für jedermann in Hinblick auf Zeit und Ort;
c ) im Voraus weitreichend bekanntgemacht;
d) ohne Einschränkungen durch Anforderungen an Lese-/Schreibfähigkeit, spezielle Sprachkenntnisse oder Art der Beiträge.
3. Jeder Mensch hat das Recht, seine Besorgnisse und Einwände in Bezug zu Risiken zu äußern, die mit der Einrichtung, Modifizierung oder Ausweitung eines Wirtschaftsunternehmens in Verbindung gebracht werden.
4. Jeder Mensch hat das Recht auf Mitwirkung bei der Gestaltung und Ausführung laufender Studien, die die Beschaffenheit von Risiken für die Lebensumwelt ermitteln sollen, die durch ein Wirtschafts-unternehmen entstehen.
Artikel 11
Recht auf Umwelt-Monitoring
1. Jeder Mensch hat das Recht auf regelmäßige und wirksame Beobachtung seiner Gesundheit und seines Umfeldes zur Erfassung möglicher Kurzzeit- und Langzeitschäden durch gefährdende oder potentiell gefährdende Produktionsprozesse.
2. Jeder Mensch hat das Recht, bzgl. der Häufigkeit, der Art und der Ziele von Umwelt-Monitoring zu Rate gezogen zu werden. Das Recht, nicht-professionelle Monitoring-Strategien wie zum Beispiel Laien-Epidemiologie zu organisieren, soll geschützt werden. Die Rechte von Frauen, deren Erfahrung in der Gesundheitsfürsorge möglicherweise sonst unentdeckte Risiken aufdecken kann, werden besonders bekräftigt.
3. Jeder Mensch, der in gutem Glauben überzeugt ist, dass das Umfeld seines Gemeinwesens durch die Aktivitäten irgendeines Wirtschaftsunternehmens gefährdet ist, hat das Recht auf eine unver-zügliche und gründliche Untersuchung, durchzuführen von einem unabhängigen Träger und ohne Kosten für die Auftrag gebende Person.
Artikel 12
Recht auf öffentliche Fortbildung
1. Jeder Mensch hat das Recht auf wirksame Verbreitung von Informationen in Hinblick auf Gesundheitsgefahren in seinem Gemeinwesen. Dieses Recht umfasst auch Unterweisungen auf der Basis bestmöglicher Informationen und Standards unter Nutzung nationaler und internationaler Quellen.
2. Staaten sollen wirksame Maßnahmen ergreifen für:
a) klare und systematische Kennzeichnung gefährlicher Substanzen;
b) angemessene Fortbildung auf lokaler Ebene, einschließlich der Unterweisung von Kindern, über gesundheitsgefährdende Substanzen und Produktionsweisen;
c) die Schulung von Polizei, Medizinern und anderen Dienstleistern bzgl. gesundheitsgefährdender Produkte und Produktionsweisen.

Artikel 13
Recht auf lokale Maßnahmen der Notfallvorsorge
1. Jeder Mensch hat das Recht auf angemessene Maßnahmen der Notfallvorsorge, einschließlich der Bereitstellung von Warnsystemen bei drohenden Gefahren und Systemen für unverzügliche Hilfsmaßnahmen.
2. Alle Staaten sollen Maßnahmen ergreifen zur Ausstattung von Gemeinwesen mit angemessenen Notfalldiensten, einschließlich der Bereitstellung von geeigneten Strukturen bei der Polizei, der Feuerwehr, in medizinischen und paramedizinischen Diensten sowie im Katastrophen-Management.
Artikel 14
Recht auf Durchsetzung von Umweltgesetzen
1. Jeder Mensch hat das Recht, sein Lebensumfeld angemessen und in regelmäßigen Abständen von einem ausgebildeten Umweltinspektor prüfen zu lassen, der die Einhaltung der Gesetze streng überwacht und bei Verstößen Strafverfolgungsmaßnahmen einleitet.
2. Jeder Mensch hat das Recht auf Gesetzgebung zum Umweltmanagement auf der Basis des Vorsorgeprinzips, so dass bei drohenden ernsten und/oder irreversiblen Schäden fehlende wissenschaftliche Nachweisbarkeit nicht als Begründung anerkannt wird, um kostenwirksame Maßnahmen zur Verhütung von Gesundheitsgefahren und Umweltschäden zu verzögern.
Artikel 15
Rechte indigener Völker
1. Indigene Völker haben das Recht, ihr Habitat, ihre Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur vor industriellen Risiken und umweltzerstörenden Praktiken durch Wirtschaftsunternehmen zu schützen.
2. Indigene Völker haben das Recht auf Kontrolle über ihr Land und das Ressourcen-Management ihres Landes, einschließlich des Rechts auf Abschätzung potentieller Auswirkungen auf die Umwelt und des Rechts, die Ansiedlung umweltgefährdender oder umweltzerstörender Industrien auf ihrem Land zu verweigern.
Teil III
Rechte der Arbeiter und Arbeiterinnen
Artikel 16
Spezielle Arbeitnehmerrechte
Über ihre Rechte als Mitglieder eines Gemeinwesens hinaus haben Arbeiterinnen und Arbeiter spezifische Rechte, die auf ihr Arbeitsumfeld anwendbar sind.

Artikel 17
Recht auf gefahrenfreies Arbeitsumfeld
1. Arbeiter haben das Recht auf eine Arbeitsumgebung, die frei von vorhersehbaren Gefahren ist, welche mittel- oder unmittelbar von einem Wirtschaftsunternehmen ausgehen, besonders von der Fertigung oder anderen industriellen Abläufen.
2. Jeder Arbeiter ist berechtigt, in gutem Glauben beim Unternehmer oder bei außenstehenden Parteien Klage zu führen über Bedingungen oder Praktiken am Arbeitsplatz, die er für schädlich oder gefährlich hält, ohne deswegen fürchten zu müssen, dass der Arbeitgeber ihn mit Strafmaßnahmen oder anderen diskriminierenden Maßnahmen belegt.
3. Eine Arbeitsumgebung, aus der unmöglich alle Gefahren verbannt werden können, berechtigt zum Anspruch auf Hilfestellung; alle Schutz- und Sicherheitsvorrichtungen samt entsprechender Ausstattung müssen kostenlos und voll wirksam zur Verfügung stehen, auch persönliche Schutzausrüstung, die nötig ist, um Gefahren so weit wie möglich auszuschalten. Arbeitgeber dürfen sich nicht weigern, aus Kostengründen oder wegen des Aufwandes die wirksamste Ausrüstung zur Verfügung zu stellen.
4. Arbeiter haben das Recht auf sichere Arbeitssysteme, und alle Arbeitgeber sind verpflichtet, solche Systeme zu planen, zur Verfügung zu stellen, in Stand zu halten und regelmäßig auf den neuesten Stand zu bringen.
5. Arbeiter sollen keiner gefährlichen Chemikalie ausgesetzt sein, die durch eine weniger gefährliche Substanz ersetzt werden kann.
6. Regierungen und Arbeitgeber sind verantwortlich für die Einrichtung von Arbeitsumfeldern, die frei von Gesundheitsgefahren sind. Die Untätigkeit einer der beiden Seiten soll keine angemessene Rechtfertigung für die Pflichtverletzung der anderen Seite sein.
Artikel 18
Recht auf Gesundheits- und Sicherheitsinformationen
1. Alle Arbeiter haben das Recht auf angemessene Unterrichtung, wenn Veränderungen in ihrem Arbeitsumfeld geplant sind, die möglicherweise eine Bedrohung von Sicherheit und Gesundheit darstellen.
2. Arbeiter haben das Recht, in ihrer eigenen Sprache und auf eine Weise, die sie verstehen können, über jegliche bekannte Gesundheitsgefährdung unterrichtet zu werden, die mit irgendwelchen Stoffen oder Arbeitsabläufen verbunden ist, mit denen sie während der Zeit ihrer Beschäftigung zu tun haben.
3. Alle Arbeiter haben das Recht auf Kenntnis des Sicherheitsberichts, der über ihr Arbeitsumfeld angefertigt wurde, einschließlich der Art und Zahl der eingetretenen Unfälle, dem Ausmaß der Folgeschäden und jeglicher bekannter Langzeitgefahren für ihre Gesundheit, die von Ausgangs- und Werkstoffen sowie Arbeitsabläufen ausgehen, die der Arbeitgeber eingeführt hat. Arbeiter haben das Recht, regelmäßig über Sicherheitsberichte jedes Unternehmens informiert zu werden, das mit dem Unternehmen, in dem sie arbeiten, durch gemeinsame Eigentümerschaft verbunden ist.
4. Arbeiter, die in einem Umfeld beschäftigt sind, wo sie mit bekanntermaßen sehr gefährlichen Stoffen sowie unfallträchtigen Arbeitsabläufen in Berührung kommen, haben ein Recht auf ärztliche Untersuchungen durch einen unabhängigen Fachmann, den der Arbeitgeber zu Beginn des Beschäftigungsverhältnisses stellt. Der Erstuntersuchung sollen in regelmäßigen Abständen weitere folgen, die von der konservativsten Abschätzung der Risiken ausgehen, aber nicht mehr als ein Jahr auseinanderliegen sollen; das ärztliche Ergebnis soll dem Arbeiter mitgeteilt werden.
Artikel 19
Recht auf Mitbestimmung
1. Alle Arbeiter haben das Recht auf wirksame Mitbestimmung bei Entscheidungen des Managements, die die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten betreffen.
2. Alle Arbeiter haben das Recht, Sicherheitsvertreter zu wählen. Diese Vertreter haben das Recht auf Mitwirkung in gemeinsamen Ausschüssen, paritätisch zusammengesetzt aus Vertretern der Arbeiterschaft und des Managements, die regelmäßig tagen und sich mit Gesundheits- und Sicherheitsfragen befassen.
3. Alle Arbeiter haben das Recht, bei der Gestaltung und Ausführung laufender Gesundheits- und Sicherheitsstudien mitzuwirken, um die Beschaffenheit jeglicher Risiken für Gesundheit und Sicherheit zu ermitteln.
4. Alle Arbeiter haben das Recht, lokale Zentren für Risikoabschätzung und einschlägige Informationsnetzwerke einzurichten und/oder sich ihnen anzuschließen. Regierungen und Arbeitgeber sind verpflichtet, solche Organisationen und Programme zu unterstützen.
Artikel 20
Recht auf Gesundheits- und Sicherheits-Monitoring
1. Alle Arbeiter haben das Recht, in einem Arbeitsumfeld tätig zu sein, das regelmäßig und wirksam auf Risiken für Gesundheit und Sicherheit der Arbeiter geprüft wird, die in dem Bereich beschäftigt sind.
2. Ungeachtet der Pflicht des Arbeitgebers, Arbeitsumfelder zu untersuchen, soll den Arbeitern das Recht bleiben, unabhängige oder von Arbeitern durchgeführte Prüfungen zu erwirken. Dieses Recht schließt das Recht auf regelmäßiges Monitoring ein, um möglichen Langzeitgefahren vorzubeugen, die aus dem Kontakt mit Substanzen, Materialien oder Produktionsprozessen im Arbeitsumfeld resultieren können.
3. Jeder Arbeiter, der in gutem Glauben annimmt, dass seine Gesundheit oder Sicherheit gefährdet ist oder sein wird durch den Kontakt mit Substanzen, Materialien oder Produktionsprozessen im Arbeitsumfeld, hat das Recht auf eine unverzügliche und gründliche Untersuchung durch den Arbeitgeber, eine unabhängige Agentur oder auf anderem Wege, ohne dass dem Arbeiter Kosten entstehen.
Artikel 21
Recht auf Unterweisung und praktische Schulung
1. Arbeiter, die mit gefährlichen oder risikobehafteten Ausgangs- und Werkstoffen und in unfallträchtigen Abläufen arbeiten, haben ein Recht auf begleitende Unterweisung über den angemessenen Gebrauch der gefährlichen Ausgangs- und Werkstoffe. Das Recht auf Unterweisung und praktische Schulung auf der Basis bestmöglicher Information aus nationalen und internationalen Quellen wird bekräftigt.
2. Arbeiter und Aufsichtsführende haben das Recht, über den richtigen Gebrauch gefährlicher Stoffe Bescheid zu wissen, die fachgerechte Ausführung aller Arbeitsprozesse zu beherrschen, mit den nötigen Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz von Gesundheit, Sicherheit und Lebensumfeld vertraut zu sein, und die Maßnahmen zu kennen, die bei einem Unfall zu ergreifen sind.
Artikel 22
Recht auf Maßnahmen der Notfallvorsorge am Arbeitsplatz
1. Alle Arbeiter haben das Recht auf Maßnahmen der Notfallvorsorge, die den Bedingungen und Verfahren in ihrem Arbeitsumfeld angemessen sind. Die Maßnahmen sollen Warnsysteme für bevorstehende Gefahren und Systeme unverzüglicher Hilfsmaßnahmen einschließen, außerdem realistische Übungen der Abläufe und häufige Simulationen am Schreibtisch vorsehen.
2. Verfahren der Notfallvorsorge sollen die besonderen Bedürfnisse einzelner Arbeiter berücksichtigen, einschließlich der Bedürfnisse von Personen mit Seh-, Hör- oder Mobilitätsbehinderungen.
3. Alle Arbeiter haben das Recht auf angemessene Notfalldienste, einschließlich der Polizei, der Feuerwehr, der medizinischen und paramedizinischen Dienste sowie dem Katastrophen-Management.
Artikel 23
Recht auf Geltendmachung von Gesundheits- und Sicherheitsgesetzen
1. Alle Arbeiter haben das Recht, ihr Arbeitsumfeld angemessen und in regelmäßigen Abständen von einem ausgebildeten Gesundheits- und Sicherheitsinspektor prüfen zu lassen, der die Einhaltung der Gesetze streng überwacht und bei ernsthaften Verstößen Strafverfolgungsmaßnahmen einleitet.
2. Alle Arbeiter haben das Recht auf angemessene Gesetzgebung zur Planungskontrolle auf der Basis des Vorsorgeprinzips, so dass bei drohenden ernsten und/oder irreversiblen Schäden fehlende wissenschaftliche Nachweisbarkeit nicht als Begründung anerkannt wird, um kostenwirksame Maßnahmen zur Verhütung von Gesundheitsgefahren und Umweltschäden zu verzögern.
Teil IV
Allgemeine Ansprüche auf Unterstützung
Artikel 24
Recht auf Unterstützung und Entschädigung
1. Alle verletzten oder sonst irgendwie von gefährdenden Produktionsprozessen nachteilig betroffenen Personen haben das Recht auf schnelle, umfassende und wirksame Hilfe. Dieses Recht ist anwendbar auf alle von Gefahren oder potentiellen Gefahren betroffenen Personen, einschließlich der Personen, die zur Zeit der Schädigung oder dem Kontakt noch nicht geboren waren, und Personen, die direkt oder indirekt körperlich oder materiell geschädigt oder ökonomisch oder sozial benachteiligt wurden.
2. Dieses Recht umfasst das Recht auf faire und angemessene Entschädigung zur Deckung aller Kosten, die in Verbindung stehen mit gefährlichen oder potentiell gefährlichen Produktionsprozessen, einschließlich der Kosten für:
a) Medikamente, Tests, Therapien, Krankenhausaufenthalte und andere medizinische Behandlungen;
b) Reisen und andere Nebenkosten;
c ) Einkommensverluste, Überbrückungsdarlehen und andere finanzielle Einbußen;
d) Arbeitslosigkeit durch die Schließung eines Werks;
e) zusätzliche unbezahlte Arbeit einschließlich der Pflege durch die Familie und das Gemeinwesen;
f) Bezahlung von Hilfsgütern und/oder Hilfsmaßnahmen und Ausgleich für entgangene Lebenschancen, direkt oder indirekt verursacht durch gefährdende Prozesse oder Produkte;
g) Wiederherstellung der Umwelt.
3. Alle von Gesundheitsgefahren betroffenen Personen haben das Recht auf wirksame und innovative politische Maßnahmen zur Reduzierung der Gefahren und zur Entschädigung. Um dieses Recht zu verwirklichen, sollen folgende Maßnahmen von Staaten und Wirtschaftsunternehmen ergriffen werden:
a) Schließung von Produktionsstätten;
b) Verminderung oder Vermeidung der Umweltbelastung;
c) Garantie durch die Beschuldigten, Vermögenswerte für Entschädigungsmaßnahmen unangetastet zu lassen;
d) Zwangsliquidierung der Vermögenswerte eines Unternehmens, wenn die Verpflichtungen den messbaren Vermögenswerten entsprechen oder diese übertreffen;
e) Platzierung der Vermögenswerte des Unternehmens in Annuitätenfonds, die von geschädigten Personen oder deren Repräsentanten kontrolliert werden;
f) faire und angemessene Entschädigung für die Kosten der medizinischen Beurteilung von Symptomen;
g) andere Abhilfemaßnahmen, die zum Nutzen der betroffenen Personen nötig erscheinen.
4. Um die Ansprüche gegenwärtig oder in Zukunft betroffener Personen zu befriedigen, sollen angemessene Fonds eingerichtet werden.
Artikel 25
Recht auf unverzügliche einstweilige Unterstützung
1. Alle von gesundheitsgefährdenden Wirtschaftstätigkeiten nachteilig Betroffenen haben das Recht auf unverzügliche und angemessene einstweilige Unterstützung zur Linderung ihrer Verletzungen und Leiden für den Zeitraum, in dem die endgültige Haftung und Entschädigung noch nicht festgelegt sind. Staaten sollen sicherstellen, dass alle gefährdenden oder potentiell gefährdenden Unternehmen durch eine Versicherung oder auf andere Art finanzielle Vorsorge treffen in einer Höhe, die den potentiellen Kosten für einstweilige Unterstützungszahlungen entspricht.
2. Für den Fall, dass ein Wirtschaftsunternehmen diese Vorsorge vernachlässigt, soll die Unterstützung durch den Staat geleistet werden. In dieser Weise gewährte einstweilige Unterstützung wird nicht aufgerechnet gegen gerichtlich festgelegte abschließende Entschädigungszahlungen.
Artikel 26
Recht auf medizinische Information
Alle Menschen, auch noch ungeborene Menschen, die unmittelbar oder nachträglich durch gesund-heitsgefährdende Handlungen geschädigt werden, haben das Recht, relevante Dokumente derartige Schädigungen betreffend zu erhalten, einschließlich medizinischer Aufzeichnungen, Testergebnissen und anderer Informationen.
Dieses Recht darf geltend gemacht werden zum frühestmöglichen Zeitpunkt und darf nicht durch Verzögerungen oder Zuwiderhandlungen durch die Regierung oder die Industrie behindert werden. Solche Offenlegungen dürfen nicht in einer Weise erfolgen, die das Recht der betreffenden Person auf Zugang zu einer Dienstleistung, einer Versicherung, einem Arbeitsverhältnis oder jeglicher sozialer Chancen präjudiziert.
Artikel 27
Recht auf professionelle Dienstleistungen
1. Alle Personen, die durch gesundheitsgefährdende Tätigkeiten geschädigt werden, haben das Recht auf Zugang zu wirksamen professionellen Dienstleistungen, einschließlich den Dienstleistungen von Anwälten, Journalisten, wissenschaftlichen Experten und medizinischen Fachkräften.
2. Bei strittigen Fragen wissenschaftlicher oder medizinischer Natur haben alle betroffenen Personen oder ihre Repräsentanten das Recht auf unabhängige Beratung, frei von Befürchtungen und Begünstigung. Das Recht, unabhängige, auch mehrfache Beratung anzustreben, wird bekräftigt.
3. Fachkräfte und Experten sollen folgende Verhaltensweisen unterlassen:
a) Beratung auf der Basis inadäquater Information oder Expertise;
b) Behinderung der Bemühungen von Arbeitern oder Gemeinwesen um Information, auch durch eigene Recherche oder das Sammeln von Daten mit Hilfe von Laien-Epidemiologie oder andere Methoden;
c) gemeinsames Handeln gegen die Interessen von Arbeitern und Gemeinwesen.
4. Alle Fachkräfte, die im Besitz von Informationen sind bzgl. der Gesundheit einer geschädigten oder von Gesundheitsgefährdungen betroffenen Person, sollen vorrangig der Sorge um das Wohlergehen dieser Person verpflichtet sein. Diese Pflicht soll jederzeit Vorrang haben vor jeglicher Loyalität zu Dritten, einschließlich einer Regierung, einer Berufsorganisation oder einem Wirtschaftsunternehmen.
Artikel 28
Recht auf wirksame juristische Vertretung
1. Alle durch gesundheitsgefährdende Handlungen nachteilig betroffenen Personen haben das Recht, unabhängige Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen.
2. Alle Staaten sollen kostenlose Rechtsvertreter und juristischen Beistand durch einen unabhängigen juristischen Experten zur Verfügung stellen, wenn die Interessen der Justiz das erfordern.
3. Bei der Entscheidungsfindung über jegliche Klage dürfen die betroffenen Personen ihre Ansprüche untermauern:
a) unter der Federführung einer Arbeiterorganisation oder einer Organisation des Gemeinwesens, oder
b) durch Sammelklagen, in denen die Rechte aller betroffenen Personen in einem Verfahren entschieden werden.
4. Alle Personen, die Klage vor Gericht erheben oder zu erheben versuchen, haben das Recht auf Einsicht in alle relevanten Akten ihres juristischen Vertreters.
Artikel 29
Wahl des Gerichtsstandes
1. Jede durch gesundheitsgefährdende Handlungen geschädigte Person hat das Recht, ihre Klage gegen mutmaßliche Schädiger, einschließlich Einzelpersonen, Regierungen, Unternehmen oder anderer Organisationen, bei einem Gericht seiner Wahl vorzubringen. Kein Staat soll solche Personen auf der Basis von Staatsangehörigkeit oder Wohnort benachteiligen.
2. Alle Staaten sollen sicherstellen, dass im spezifischen Fall juristischer Ansprüche, die aus den Auswirkungen gesundheitsgefährdender Handlungen entstehen, Rechtsvorschriften, einschließlich gesetzgeberischer Maßnahmen und Rechtsgrundsätze, die ansonsten die Verfolgung dieser Ansprüche erschweren würden, die Klage betroffener Personen auf volle und wirksame Entschädigung nicht verhindern sollen.
Artikel 30
Recht auf Dokumentation der Voruntersuchung
Alle durch gesundheitsgefährdende Handlungen geschädigten Personen und ihre Vertreter haben das Recht, relevante Dokumente, Akten oder andere Informationen zu suchen und ausgehändigt zu bekommen, um sie dem Gericht oder anderen, unabhängigen Tribunalen oder Foren vorzulegen mit dem Ziel, während des Verfahrens die Haftung von Einzelpersonen, Unternehmen, Organisationen oder Regierungen zu begründen.
Artikel 31
Recht auf faires Verfahren
Alle durch gesundheitsgefährdende Handlungen geschädigten Personen sollen das Recht haben, innerhalb einer angemessenen Zeitspanne von einem unabhängigen, gesetzmäßigen Tribunal angehört zu werden. In diesem Recht enthalten ist das Recht auf ein ordentliches Gerichtsverfahren, einschließlich:
a) des Rechts, aus Sammelklagen auszutreten;
b) des Rechts auf frühzeitige Unterrichtung, bevor ein außergerichtlicher Vergleich in einer Zivilklage abgeschlossen ist;
c) des Rechts, eine Klage einzubringen, auch nach Überschreiten einer Fristsetzung durch administrative, gesetzgeberische, juristische oder andere Maßnahmen;
Artikel 32
Recht auf Freiheit von Täuschung und Verzögerung
Alle durch gesundheitsgefährdende Handlungen geschädigten Personen sollen das Recht haben, vor Täuschung durch Unternehmen, Regierungen oder andere Körperschaften beschützt zu werden. Weiterhin hat jede Form beabsichtigter Verzögerung oder Behinderung des juristischen Verfahren zu unterbleiben, einschließlich:
a) der Bankrotterklärung;
b) des Missbrauchs der Prozessordnung zur Verzögerung der Entscheidungsfindung;
c) der Fälschung von Beweismitteln.
Artikel 33
Recht auf Durchsetzung von Urteilen oder Vergleichen
Alle durch gesundheitsgefährdende Handlungen geschädigten Personen und ihre Vertreter sollen das Recht haben, Urteile oder Vergleichsergebnisse gegen die Vermögenswerte der haftbaren Partei oder der Partei im Vergleichsverfahren in jedem anderen Land durchzusetzen; es soll die Pflicht jedes Staates sein, innerhalb seines Gesetzesrahmens umfassende Rechtsinstrumente zur Verfügung zu stellen, um jeden betroffenen Bürger zu unterstützen.
Artikel 34
Recht auf Umkehr der Beweislast
1. Im Falle eines Prima-facie-Beweises, dass Tod oder Verletzung von einer Gefährdung durch einen industriellen Produktionsprozess verursacht wurde, muss das gefährdende Unternehmen beweisen, dass es nicht fahrlässig gehandelt hat.
2. Keine von gefährdender Tätigkeit widrig betroffene Person soll übermäßigen Anforderungen an die Dokumentation oder strengen Beweisstandards unterworfen werden, um zu begründen, dass die gefährdende Tätigkeit ihre Erkrankung oder ihre Symptome verursacht hat. Die Verknüpfung zwischen Gefährdung und Erkrankung soll angenommen werden, wenn die betroffenen Personen nachweisen:
a) dass sie unter Symptomen leiden, die für gewöhnlich assoziiert werden mit schädlichen Substanzen oder einem ihrer Bestandteile, die in die Umwelt gelangt sind;
(b) und
(i) dass sie sich entweder während des Zeitraums der Kontamination im Bereich dieser Kontami-nation aufgehalten haben;
(ii) oder dass sie zu einer Personengruppe gehören, die für gewöhnlich als sekundär Betroffene angesehen wird, einschließlich Säuglingen, Kindern, Lebensgefährten oder anderen engen Partnern.
Artikel 35
Recht auf strafrechtliche Haftung von Gesellschaften oder Staaten
1. Alle Personen, die durch industrielle Gefahren Verletzungen oder den Tod erlitten haben, haben das Recht auf vollständige strafrechtliche Untersuchung der Handlungsweise des Wirtschaftsunternehmens, damit befasster Regierungsbeamter und aller betroffenen Einzelpersonen oder Organisationen. Die Untersuchung soll unverzüglich und rigoros durchgeführt werden und soll eine Einschätzung enthalten, ob Straftaten, einschließlich Mord oder Totschlag, begangen wurden. Falls hinreichende Beweismittel gefunden werden, soll eine prompte und energische Strafverfolgung eingeleitet werden.
2. Falls die strafrechtliche Haftung eines Unternehmens oder einer Einzelperson erwiesen ist, sollen Geldbußen oder Gefängnisstrafen in einem Ausmaß verhängt werden, das geeignet ist, exemplarisch und abschreckend zu wirken.
Artikel 36
Recht auf sichere Auslieferung
Wenn eine Person, die einer Straftat im Zusammenhang mit gesundheitsgefährdenden Handlungen beschuldigt wird, in einem Land außerhalb der Gerichtsbarkeit des Verfahrens wohnt oder sich aufhält, wird hiermit das Recht bekräftigt, die Auslieferung des Beschuldigten an das Land des Gerichtsstandortes zu verlangen und zu gewährleisten.
Teil V
Inkraftsetzung
Artikel 37
Korrespondierende Pflichten
Alle Personen, haben die Pflicht, individuell oder im Zusammenschluss mit anderen die in dieser Charta niedergelegten Rechte zu schützen. Arbeitgeber und Regierungsangehörige stehen unter strenger Verpflichtung, für die umsichtige Anwendung der Rechte Sorge zu tragen. Gewerkschaften, gemeinnützige Gesellschaften und Nicht-Regierungs-Organisationen stehen in besonderer Verantwortung für die Verwirklichung der Regelungen dieser Charta.
Artikel 38
Staatliche Verantwortlichkeiten
Alle Staaten sollen das Recht von Arbeitern und Gemeinwesen respektieren, frei von industriellen Gesundheitsgefährdungen zu leben. Im Einklang damit sollen sie gesetzgeberische, administrative und andere Maßnahmen durchführen, die zur Implementation der in dieser Charta enthaltenen Rechte nötig sind.
Artikel 39
Nicht-staatliches Handeln
Das Fehlen staatlicher Maßnahmen zur Durchsetzung und zum Schutz der in dieser Charta nieder-gelegten Rechte tilgt nicht die Verpflichtung von Arbeitgebern, Gewerkschaften, Nicht-Regierungs-Organisationen und Einzelpersonen, diese Rechte geltend zu machen und zu schützen.

[Bhopal] Presse-Information CBG 03.12.19

CBG Redaktion

CBG verlangt Auskünfte zur Anlagen-Sicherheit

Offener Brief an BAYER zum Bhopal-Gedenktag

Heute vor 35 Jahren ereignete sich im indischen Bhopal die bisher größte Chemie-Katastrophe der Menschheitsgeschichte. In einem Pestizid-Werk von UNION CARBIDE explodierte ein Tank mit Methylisocyanat (MIC) und setzte eine riesige Giftwolke frei. Allein in den ersten drei Tagen starben 8.000 Anwohner*innen. Und noch immer leiden Millionen von Menschen an den Spätfolgen der Detonation. Damit nicht genug, kommen sogar Jahr für Jahr noch weitere hinzu: Die Anzahl der Neugeborenen mit Fehlbildungen liegt in Bhopal deutlich über dem Landes-Durchschnitt.

Die INTERNATIONAL CAMPAIGN FOR JUSTICE IN BHOPAL (ICJB) hat aus diesen Gründen zu Solidaritätsaktionen aufgerufen. In Berlin und Düsseldorf fanden gestern bereits Mahnwachen statt. Die Geschichte von Bhopal ist für die ICJB-Aktivistin Rachna Dhingra dabei nicht bloß eine von Bhopal, „sondern eine von Unternehmen, die von Gier und Profiten getrieben sind und diese über das Leben von Menschen und die Umwelt stellen“.

Also auch eine von BAYER. Überdies ist der Leverkusener Multi Bhopal in besonderer Weise verbunden. Im Jahr 2001 übernahm er aus den Händen von DOW CHEMICAL nämlich UNION CARBIDEs ehemaliges Bhopal-Schwesterwerk am Standort Institute. 2008 ereignete sich dort ein Störfall, der zwei Beschäftige das Leben kostete. Von „Schockwellen wie bei einem Erdbeben“ sprachen Augenzeug*innen, wobei der Stadt der Super-GAU noch erspart blieb, wie später der Untersuchungsbericht des US-Kongresses konstatierte. „Die Explosion in dem BAYER-Werk war besonders beunruhigend, weil ein mehrere Tonnen wiegender Rückstandsbehälter 15 Meter durch das Werk flog und praktisch alles auf seinem Weg zerstörte. Hätte dieses Geschoss den MIC-Tank getroffen, hätten die Konsequenzen das Desaster in Bhopal 1984 in den Schatten stellen können“, heißt es in dem Report.

Darum nimmt die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) das traurige Bhopal-Jubiläum zum Anlass, dem Global Player in einem Offenen Brief unter anderem Fragen zu Störfällen, zum Unfall-Management sowie zur Sicherheit seiner Anlagen und Zugangsleitungen zu stellen. Auch möchte die Coordination vom Vorstandsvorsitzenden Werner Baumann wissen, ob er das akzeptieren würde, was das „UN-Büro des Hohen Kommissars für Menschenrechte“ (OHCHR) aus Anlass von 35 Jahre Bhopal für die Chemie-Industrie fordert: Strenge, strafbewehrte Regeln zur Einhaltung der Menschenrechte.

„Bhopal: Die Chemie-Industrie muss die Menschenrechte respektieren“ hatte das OHCHR die betreffende Pressemitteilung überschrieben. „Weiterhin ereignen sich vermeidbare Katastrophen, weil die chemische Industrie sich weigert, die Verantwortung für die Menschenrechte ernstzunehmen (...) Von tödlichen Explosionen von Fabriken und Lagerstätten bis zu der skandalösen Verletzung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit durch die Verseuchung von Wasser, Boden und Luft mit Giftstoffen – die Chemie-Industrie muss mehr zur Einhaltung der Menschenrechte tun“, führte der UN-Sonderberichterstatter Baskut Tuncak darin aus.

„Schon ein Blick in BAYERs lange Störfall-Liste zeigt, dass der Konzern aus Bhopal keine Lehren gezogen hat. Immer noch vernachlässigt er aus Profit-Gründen Investitionen in die Sicherheit seiner Anlagen und setzt Beschäftigte und Anwohner*innen so hohen Risiken aus“, hält Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der CBG abschließend fest.

Pressekontakt:
Marius Stelzmann: 0211/33 39 11

[Gegenantrag] Gegenanträge Bayer HV

CBG Redaktion

16. März 2011

Axel Köhler-Schnura, Vorstandsmitglied der Coordination gegen BAYER-Gefahren, hat heute einen Gegenantrag zur BAYER-Hauptversammlung am 29. April in Köln eingereicht. Die Gegenanträge wurden auch auf der website des Konzerns veröffentlicht.

Hauptversammlung am 29. April 2011

Hiermit zeige ich an, dass ich zu Punkt 2 und 3 der Tagesordnung den Vorschlägen des Vorstands und des Aufsichtsrats widerspreche und die anderen Aktionäre veranlassen werde, für die folgenden Gegenanträge zu stimmen. Um Mitteilung der Gegenanträge sowie der Begründung darf ich gemäß §§ 125, 126 AktG bitten.

Gegenantrag zu TOP 2: Der Vorstand wird nicht entlastet

Begründung: Die BAYER AG rechnet sich vor dem Fiskus gezielt arm. Hierdurch wird die Höhe der gezahlten Ertragssteuern trotz hoher Gewinne erneut reduziert. Die Zeche wird der arbeitenden Bevölkerung aufgebürdet, deren Abgaben- und Steuerlast ständig steigt. Es ist nicht hinzunehmen, dass BAYER sich kaum noch an der Finanzierung des Gemeinwesens beteiligt. Zumal die Armrechnerei gängige Praxis aller Konzerne ist.

Der von BAYER tatsächlich erzielte Gewinn lag im vergangenen Jahr bei über sieben Milliarden Euro. Ein Plus von fast zehn Prozent. Der Umsatz stieg sogar um zwölf Prozent. Im Geschäftsbericht verkündet BAYER eine Gewinnquote von sage und schreibe 20,2 Prozent! Die Aktionäre erhalten entsprechend erneut eine höhere Dividende: 1,16 Milliarden Euro (973 Mio Euro im Vorjahr).
Die von BAYER gezahlten Steuern hingegen befinden sich auf Talfahrt: Lagen die Ertragssteuern zwischen 1997 und 2000 noch bei umgerechnet rund einer Milliarde Euro jährlich, so fielen sie 2009 auf 511 Millionen Euro und für 2011 nun auf 411 Millionen Euro. Der Konzern entzieht sich damit immer weiter seiner Verantwortung für die Allgemeinheit. Zu Lasten der arbeitenden Bevölkerung, die über steigende Steuern und Abgaben die Zeche zahlen muss.
Es ist ein nicht hinzunehmender Skandal, dass ein Konzern wie BAYER immer weniger zur Finanzierung des Gemeinwesens beiträgt. Steuern von 411 Mio. Euro decken – das wird auf den ersten Blick deutlich - noch nicht einmal die durch den Konzern hervorgerufenen gesellschaftlichen Infrastruktur-, Verwaltungs- und Kontrollkosten.
Die von BAYER vorgelegten Bilanzen sind Verschiebe-Bahnhöfe ohne wirkliche Aussagekraft. Der Konzern heuert hochqualifizierte Fachleute an, die oft dank entsprechender Köderzahlungen direkt aus den Finanzdirektionen in die Steuerabteilung des Konzerns wechseln, und hat zusammen mit der übrigen Konzernlobby für eine im wahrsten Sinn des Wortes gemeingefährliche Steuergesetzgebung gesorgt. So wird es für BAYER möglich, sich arm zu rechnen und die Steuerlast zu senken, selbst wenn die Gewinne explodieren.
BAYER machte u.a. Sonderabschreibungen von 1,7 Mrd. Euro geltend, um seinen Gewinn runter zu rechnen. Neben der Abschreibung auf Grund der Tilgung des Markennamens Schering müssen übrigens auch Prozesskosten für die Abwehr von Entschädigungen von Medikamenten-Opfern für Steuersenkungen herhalten.
Die Entwicklung liegt auf bekanntere Linie: Bereits die Unternehmenssteuer-Reform von 2001 hatte wesentlich zum Einbruch der Konzern-Abgaben geführt. BAYER zahlte damals jahrelang überhaupt keine Gewerbe- und Körperschaftssteuern mehr. Das entsprechende „goldene“ Gesetz war seinerzeit von Heribert Zitzelsberger ausgearbeitet worden, einem BAYER-Mann aus der Abteilung für Steuerfragen, den der Konzern in das Finanzministerium entsandte.

Der Vorstand trägt die Verantwortung für die „1000 Steuer-Tricks“ der BAYER AG. Deshalb beantrage ich Nicht-Entlastung.

Gegenantrag zu TOP 3: Der Aufsichtsrat wird nicht entlastet

BAYER will in den Werken Dormagen und Brunsbüttel die Herstellung von Polyurethan stark ausweiten. In beiden Fällen soll Phosgen als Vorprodukt eingesetzt werden. Ein Stoff, den BAYER im 1. Weltkrieg als chemischen Kampfstoff entwickelte und der heute zu den giftigsten Industrie-Chemikalien überhaupt zählt. Seit Jahren ignoriert BAYER die Forderung, existierende phosgenfreie Verfahren in die Großtechnologie zu überführen und zementiert stattdessen mit immer neuen Anlagen auf Phosgen-Basis die veraltete, hochriskante Produktionsweise.

Im Werk Brunsbüttel will BAYER die Kunststoff-Produktion mehr als verdoppeln: statt 200.000 Tonnen des Weichschaums TDI sollen künftig 420.000 Tonnen des Hartschaums MDI hergestellt werden. In Dormagen soll die Kapazität von TDI auf 300.000 Tonnen versechsfacht werden.
Mit den geplanten Erweiterungen würde sich auch die Herstellung des tödlichen Gases Phosgen, das in der Polyurethan-Herstellung als Vorprodukt verwendet wird, jährlich um Zehntausende Tonnen erhöhen. Phosgen ist für den Menschen schon in geringsten Dosen tödlich. Seine Inhalation führt zu Luftnot, Lungenödem und dann zum Herzstillstand. Die Phosgen-Chemie gilt als die gefährlichste Technologie in Deutschland nach der Atomkraft.
Der TÜV Rheinland kam in einem Gutachten zu dem Ergebnis, dass bei einem Phosgen-GAU die Bevölkerung in einem Areal von 1,7 Quadratkilometern einer Dosis ausgesetzt wäre, die bei jedem Zweiten zum Tode führt. Das wären bei einer mittleren Bevölkerungsdichte wie zum Beispiel im Raum Köln über 2000 Personen. In der sogenannten B-Zone, einem Gebiet von 6,75 Quadratkilometern, wären die Bewohner (ca. 17.000 Personen) einer Belastung ausgesetzt, die zumindest im Einzelfall zum Tode führen kann. Die Folgen für die Betroffenen: anfänglich Hustenreiz, Brennen der Augen, Kopfschmerzen, Erbrechen, nach einigen Stunden dann Lungenödem.
Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) fordert seit Jahren den Einsatz phosgenfreier Verfahren bei der Produktion von Polyurethanen und Polycarbonaten. BAYER hat bislang nicht dargelegt, inwiefern solche alternativen Verfahren untersucht wurden oder ob diese lediglich aus Profitgründen oder wegen fehlender Patente nicht entwickelt werden.
Anfang März hat BAYER angekündigt, in Dormagen ein Polyurethan-Forschungslabor zu bauen. Alle Anstrengungen des Konzerns sollten darauf konzentriert werden, eine phosgenfreie Produktion von Polyurethan und Polycarbonat zur Serienreife zu bringen. Vorher sollten keine neuen Anlagen gebaut werden, denn bei einer Lebensdauer von 30-35 Jahren würde diese gefährliche Produktionsweise sonst für Jahrzehnte festgeschrieben.
Dass die Risiken für Anwohner und Belegschaft nicht theoretischer Natur sind, zeigt der schwere Störfall im BAYER-Werk Institute/USA, in dem ebenfalls Phosgen in großen Mengen als Vorprodukt eingesetzt wird, vor zwei Jahren. Die Explosion war in einem Umkreis von 10 Meilen zu spüren. Ein Untersuchungs-Ausschuss des US-Kongresses kam zu dem Ergebnis, dass nur glückliche Umstände eine Katastrophe wie in Bhopal verhindert hätten.
Im Jahr 2000 trat in Dormagen nach einer Leckage in einem Wärmetauscher Phosgen aus. Dies führte zu Alarmstufe 1. Mehr als 30 Mitarbeiter mussten ärztlich behandelt werden.
Auch in der Polyurethan-Produktion selbst kam es wiederholt zu schweren Störfällen, so in Dormagen 1997 und im US-Werk Baytown 2004 und 2006. Amerikanische Gutachter stellten nach den Explosionen eine Vielzahl schwerwiegender Verstöße gegen Sicherheitsbestimmungen fest und bezeichneten das Vorgehen von BAYER MaterialScience als „grob fahrlässig“. Angesichts des hohen Risikos und der häufigen Zwischenfälle ist ein Ausstieg aus der Phosgenproduktion aus Vorsorgegründen dringend erforderlich.

Der Aufsichtsrat hat keine Schritte in Richtung eines Ausstiegs aus der Phosgen-Chemie unternommen, duldet den Ausbau der hochgefährlichen Phosgen-Produktion und wird damit seiner Verantwortung nicht gerecht. Deshalb beantrage ich Nicht-Entlastung.

Mit freundlichen Grüßen,

Axel Köhler-Schnura
Vorstandsmitglied Coordination gegen BAYER-Gefahren

[Institute] Störfallgefahren

CBG Redaktion

Störfall-Gefahren in Institute/USA: Gegenantrag zur Hauptversammlung am 25. April 2008

Hiermit zeige ich an, dass ich zu Punkt 2 der Tagesordnung den Vorschlägen des Vorstands und des Aufsichtsrats widerspreche und die anderen Aktionäre veranlassen werde, für den folgenden Gegenantrag zu stimmen.

Gegenantrag zu TOP 2: Der Vorstand wird nicht entlastet

Regelmäßig treten im amerikanischen BAYER-Werk Institute/West Virginia gefährliche Chemikalien aus. Zudem werden nirgendwo in den USA größere Mengen der hochgiftigen Chemikalie MIC produziert und gelagert.

Von dem Werk gehen große Risiken aus. Hierfür trägt der Vorstand von BAYER die Verantwortung.

Der jüngste Vorfall in Institute ereignete sich am 28. Dezember 2007, als mehrere Fässer platzten, die das Pestizid Thiodicarb enthielten. Dutzende Anwohner mussten wegen Kopfschmerzen und Atemwegsproblemen behandelt werden, mindestens ein Betroffener wurde stationär behandelt. Der Präsident des zuständigen Verwaltungsbezirks Kanawha County übte scharfe Kritik: „Das Verhalten von BAYER nach dem Unfall war bodenlos, die veröffentlichten Informationen waren vollkommen unzureichend. Niemand wusste, was zu tun war“.

Noch Tage später verharmloste das Unternehmen den Vorfall und sprach von einer „ungefährlichen Geruchsbelästigung“. Tatsächlich gehört Thiodicarb aber zu den gefährlichsten Agrogiften überhaupt. Die Weltgesundheitsorganisation WHO bezeichnet den Wirkstoff als „extrem giftig“ und als potentiell krebserregend. In der EU wurde Thiodicarb verboten. Im vergangenen Jahr forderten 154 Organisationen aus 35 Ländern den BAYER-Konzern auf, den Verkauf aller Pestizide der obersten Gefahrenklasse, darunter Thiodicarb, einzustellen.

Die Fabrik in Institute gehörte in den 80er Jahren zur Firma UNION CARBIDE und gilt als „Schwester-Werk“ der berüchtigten Fabrik im indischen Bhopal. In Bhopal waren im Dezember 1984 rund 30 Tonnen Methyl-Isocyanat (MIC) ausgetreten. Mindestens 15.000 Menschen fielen dem schwersten Chemie-Unfall der Geschichte zum Opfer. Nach der Katastrophe in Indien richteten sich die Augen der Öffentlichkeit auf die Pestizid-Fabrik in Institute, da dort ebenfalls große Mengen MIC lagerten und die selben „Sicherheits“-Bestimmungen wie in Bhopal galten. Allen Beteuerungen der Werksleitung zum Trotz, wonach von der Fabrik keine Gefahren ausgingen, ereignete sich im August 1985 auch in Institute ein Groß-Unfall: rund zwei Tonnen giftiger Chemikalien, darunter das hochgefährliche Pestizid Aldicarb, zogen in einer brennenden Wolke über die Wohnviertel in der Nähe der Fabrik. Über 300 Anwohner mussten stationär behandelt werden.

Der nächste große Störfall ereignete sich im August 1994, als eine Explosion einen Teil der Pestizid-Produktion zerstörte. Ein Arbeiter starb unmittelbar, mindestens ein weiterer Arbeiter erlag den Spätfolgen. Die Behörde für Arbeitssicherheit OSHA verhängte wegen „vorsätzlicher Verletzung von Sicherheits-Bestimmungen“ eine Strafe von 1,7 Millionen Dollar.

Im Rahmen der Übernahme von Aventis CropScience gelangte die Fabrik im Jahr 2001 in den Besitz von BAYER. Während in den deutschen BAYER-Werken nach der Bhopal-Katastrophe die Menge der gelagerten Ultragifte wie Phosgen oder MIC reduziert wurde, blieben die Tanks in Institute bestehen. Heute ist Institute das einzige Werk in den USA, in dem MIC in großen Mengen produziert und gelagert wird. Mindestens die doppelte Menge des in Bhopal ausgetretenen MIC befindet sich ständig in der Fabrik, genauere Angaben verweigert die Werksleitung. Auch zwischen fünf und fünfzig Tonnen des Giftgases Phosgen, das im 1. Weltkrieg als Kampfgas verwendet wurde, werden in dem Werk gelagert. Ein worst-case-Szenario kam 1994 zu dem Ergebnis, dass im Falle eines GAUs in einem Umkreis von mehreren Kilometern tödliche Vergiftungen auftreten können.

Auch im Normalbetrieb treten aus der Fabrik große Mengen gefährlicher Stoffe aus. Nach Angaben der US-Umweltbehörde EPA blies das Werk 2006 mehr als 300 Tonnen Chemikalien und Schadstoffe in die Luft, darunter 200 kg MIC, 50 kg Thiodicarb, 4 Tonnen Chlor und mehrere Kilogramm Phosgen. Die Anlage ist für 90% der gelagerten MIC-Menge und 95% der MIC-Emissionen der gesamten USA verantwortlich.

Der BAYER-Vorstand trägt die Verantwortung für die hohen Schadstoff-Emissionen, das häufige Auftreten von Störfällen sowie die anhaltenden Risiken durch die Lagerung von MIC und Phosgen. Der Vorstand soll daher nicht entlastet werden.

Ausführliche Informationen zu Störfällen bei BAYER finden sich auf der homepage der Coordination gegen BAYER-Gefahren unter www.CBGnetwork.de/476.html

Um Mitteilung dieses Gegenantrags sowie der Begründung darf ich gemäß §§ 125, 126 AktG bitten.

Christiane Schnura
Mitglied der Coordination gegen BAYER-Gefahren