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Beiträge verschlagwortet als “Duogynon”

[Duogynon Mord] STICHWORT BAYER 04/2016

CBG Redaktion

Recht & Unbillig

Hormon-Präparat mit tödlichen Nebenwirkungen

Anklage: Mord

Contagan, Teil 2 – so bezeichnen Betroffene den DUOGYNON-Skandal. Aber während der Pharma-GAU „Contagan“ zu trauriger Berühmtheit gelangte, erhielt der Fall „DUOGYNON“ nie eine vergleichbare Aufmerksamkeit. Dabei hat der hormonelle Schwangerschaftstest der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING ab den 1950er Jahren zu tausenden Totgeburten geführt und unzählige Gesundheitsstörungen hervorgerufen. Die Verantwortlichen wurden dafür nie zur Rechenschaft gezogen, aber jetzt versucht es Gisela Clerc noch einmal: Sie hat eine Strafanzeige wegen Mordes erstattet.

Von Jan Pehrke

„Meine Tochter, die ich hier vertrete, ist zu schwach, um über ihr Schicksal zu reden. Sie bat mich, es an ihrer Stelle zu tun“, mit diesen Worten wandte sich Gisela Clerc 2012 in der BAYER-Hauptversammlung an die AktionärInnen. Anschließend berichtete sie, was ihr nach der Einnahme des Schwangerschaftstests DUOGYNON widerfuhr. „Kurze Zeit später bekam ich einen Blutsturz, der zwei Tage anhielt und starke Unterleibsschmerzen. Trotzdem war ich schwanger und bekam 1969 eine schwer missgebildete Tochter. Sie hatte am und im Herzen: ductus botalli, Aorten-Stenose an der Herzscheidewand und zwei defekte Herzklappen.“ Am Schluss ihrer Rede forderte die Rentnerin den Leverkusener Multi auf, die Konzern-Unterlagen zu dem Mittel freizugeben. Gisela Clerc wollte in Erfahrung bringen, wie viel die ManagerInnen damals selber über die Risiken und Nebenwirkungen des Präparates wussten. Aber der Pharma-Riese weigerte sich, Einsicht in die Dokumente des Unternehmens SCHERING zu gewähren, das er 2006 erworben hatte. Der DUOGYNON-Geschädigte Andre Sommer reichte deshalb eine Auskunftsklage ein. Diese scheiterte jedoch ebenso wie ein Prozess um Entschädigungen. Die Ansprüche seien verjährt, entschieden die RichterInnen jeweils.

Gisela Clerc ist gerichtlich auf diesem Wege allerdings nicht zu stoppen. Sie hat nach dem Tod ihrer Tochter, die Anfang des Jahres im Alter von nur 47 Jahren an den DUOGYNON-Spätfolgen starb, nämlich eine Strafanzeige wegen eines Deliktes erstattet, für das der Gesetzgeber keine Verjährung vorgesehen hat. Mit nichts geringerem als Mord „durch Unterlassen in Verdeckungsabsicht in einer unbekannten Zahl von Fällen“ hat sich die Berliner Staatsanwaltschaft im Fall von DUOGYNON nun zu beschäftigen.

Die 74-Jährige kann sich dabei auf neues Beweis-Material stützen, denn Andre Sommer fand beim Stöbern im Berliner Landesarchiv alte SCHERING-Akten aus einem früheren Verfahren. Und diese zeigen eindeutig, wie gut der Konzern über die Risiken und Nebenwirkungen seines Medizin-Produktes informiert war. „Ein Zusammenhang zwischen den gefundenen Anomalien und der Substanz-Applikation kann nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden“, hielt ein Wissenschaftler beispielsweise nach desaströsen Tierversuchen fest. Ein anderer Forscher stufte DUOGYNON als „hochgradig embryo-toxisch“ ein, und ein Kollege vermochte sogar genaue Angaben über den Grad zu machen. Er meldete der Berliner Zentrale, „dass bei denen, die einen hormonellen Test gehabt hätten, ein relatives Risiko von 5:1 bestehe, ein missgebildetes Kind zu bekommen.“

Nach Meinung der Anwälte von Gisela Clerc hätten diese Befunde SCHERING veranlassen müssen, das Pharmazeutikum sofort vom Markt zu nehmen und nicht erst Anfang der 1980er Jahre. „Dies unterließen sie jedoch und nahmen den Tod der Kinder zumindest billigend in Kauf“, urteilen Detlev Stoffels und Jörg Heynemann.

Statt umgehend zu reagieren, suchte der Konzern nach Mitteln und Wegen, an dem Präparat festhalten zu können. Dafür traf er sich mit ExpertInnen und arbeitete Strategien für Schadensersatz-Prozesse aus. So plante SCHERING unter anderem, vor Gericht bei der Kausalitätsfrage anzusetzen und systematisch Zweifel an dem ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Medikament und den unerwünschten Arznei-Effekten zu säen. Das Unternehmen erwog sogar, mit dem Rechtsanwalt einen BeraterInnen-Vertrag zu schließen, der die Firma Grünenthal in Sachen „Contergan“ vor Entschädigungszahlungen bewahrt hatte. Und es gelang dem Pillen-Produzenten Ende der 1970er Jahre dann auch wirklich, die juristische Auseinandersetzung mit der INTERESSENSGEMEINSCHAFT DUOGYNON-GESCHÄDIGTER zu gewinnen.

Vom damaligen Bundesgesundheitsamt (BGA) hatte die Aktien-Gesellschaft ebenfalls nichts zu befürchten. Sie hatte dort nämlich jemanden sitzen, der sich selbst als „Advokat der Firma SCHERING“ bezeichnete. Der Herr Professor schmuggelte entlastende Unterlagen in die Behörde und hielt den Konzern immer über die Vorgänge im BGA auf dem Laufenden. Und das gewährte dem Mittel dann auch Bestandsschutz. In England, wo er den Schwangerschaftstest unter dem Namen PRIMODOS in Umlauf brachte, hatte der Konzern auch beste Beziehungen zu den EntscheidungsträgerInnen. So traf der Pharma-Riese sich mit einem Mitarbeiter der englischen Gesundheitsbehörde zu einem netten Plausch auf den Bermudas, wo der Mann dem Berliner Unternehmen zusicherte, eine DUOGYNON-kritische Untersuchung zu vernichten. Zur Sicherheit aber eruierte SCHERING zusätzlich noch die politische Stimmung im Unterhaus und ließ PolitikerInnen-Dossiers anfertigen. Über einen Mandatsträger hieß es darin beispielsweise: „Ein führender linker Flügelspieler, unnachgiebig, sehr klug, ein gewaltiger Gegner, vollkommen unbestechlich“.

Auf diese Weise hielt der Multi das Medizin-Produkt in England bis 1978 und in Deutschland sogar bis 1981 auf dem Markt. Und nach Ansicht von BAYER könnte es sogar heute noch in den Apotheken stehen. Wie der Global Player zur Strafanzeige von Gisela Clerc erkärte, schließt er „DUOGYNON nach wie vor als Ursache für embryonale Missbildungen aus“.

Der mutige Schritt der Rentnerin ist der vorerst letzte Akt einer Auseinandersetzung, welche die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) mit angestoßen hat. Vor acht Jahren wurde sie auf die Aktivitäten von britischen Betroffenen aufmerksam und lud zwei von ihnen zur BAYER-Hauptversammlung ein. In ihren Reden konfrontierten Karl Murphy und Valerie Williams den Vorstand zum ersten Mal direkt mit dem Schicksal der DUOGYNON-Geschädigten. Das verschaffte dem Thema in Deutschland eine breitere Öffentlichkeit und ließ auch die bundesdeutschen LeidensgenossInnen von Murphy und Williams aufhorchen. Motiviert von den beiden EngländerInnen, begannen jene sich alsbald zu vernetzen, suchten die AktionärInnen-Treffen auf und planten gemeinsam weitere Schritte. Dabei gelang es sogar, die Musikerin Nina Hagen als Fürsprecherin zu gewinnen. „Ich bin entsetzt über die Ignoranz und Dreistigkeit der verantwortlichen Konzerne gegenüber den leidgeprüften DUOGYNON-Opfern und ihren Eltern. Ich hoffe sehr, dass die deutsche Gerichtsbarkeit gerecht urteilen wird und dass die Opfer endlich eine Entschuldigung und gerechte Entschädigung bekommen“, sagte sie 2010.

Nina Hagens Hoffnungen haben sich bisher nicht erfüllt, und ob sich das im Fall der Strafanzeige von Gisela Clerc ändern wird, steht auch dahin. Aber BAYER droht noch von anderer Seite Ungemach. In England beschäftigt sich zurzeit nämlich ein parlamentarischer Gesundheitsausschuss mit dem Schwangerschaftstest. Und auf den Faktor „Zeit“ kann der Leverkusener Multi dabei nicht setzen. Auf der Insel gelten nämlich andere Verjährungsfristen.

[Editorial] STICHWORT BAYER 04/2016

CBG Redaktion

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

nun hat BAYER also wirklich MONSANTO übernommen und damit die Drohung wahr gemacht, zum größten Agro-Konzern der Welt zu werden. Das Stichwort BAYER (SWB) hat die Nachricht auf dem falschen Fuß erwischt. Das Heft war schon beim Layouter und sollte bald in Druck gehen. Auf den letzten Drücker mussten wir noch mal umdisponieren und Platz für die schlechte Nachricht schaffen. Eine ausführliche Analyse des Coups konnte die Redaktion in der Kürze der Zeit aber nicht mehr leisten. Diese folgt in der nächsten Ausgabe.
Dafür hat sich das SWB schon einmal einer neuen Gen-Pflanze des frisch geschaffenen Giganten gewidmet: dem Soja FG 72. Die EU-Kommission hat der Labor-Frucht im Sommer die Import-Genehmigung erteilt, wobei ihr die Verhandlungen zum Handelsabkommen CETA Beine gemacht haben.
Am ausführlichsten jedoch widmen wir uns diesmal solchen von Pestiziden und anderen Stoffen des Leverkusener Multis ausgelösten Gesundheitsgefährdungen, welche die Wissenschaft lange Zeit übersehen hat: Manche Chemikalien gleichen in ihrem Aufbau Hormonen und können den menschlichen Organismus deshalb gehörig durcheinander bringen. Die EU hatte da nach einigem Zögern auch Handlungsbedarf erkannt, aber BAYER & Co. gelingt es, durch Extrem-Lobbying ordentlich Sand ins Getriebe zu streuen und den Prozess in ihrem Sinne zu beeinflussen.
Und dann gibt es auch immer wieder Gelegenheit zu einer Beschäftigung mit der Vergangenheit des Leverkusener Multis und seiner Weigerung, diese angemessen zu „bewältigen“. Trauriger Anlass ist der Tod des Schriftstellers Elie Wiesel, der am 2. Juli starb. Wiesel kam 1944 als 14-Jähriger nach Auschwitz, wo die von BAYER mitgegründeten IG FARBEN ein eigenes KZ unterhielten und mit ZwangsarbeiterInnen wie dem Jungen aus dem rumänischen Sighet ein neues Werk errichteten. Im Jahr 1995 hat sich BAYERs damaliger USA-Chef Helge Wehmeier dafür bei Wiesel entschuldigt. Das Unternehmen würdigte dieses jedoch zu einer Privatangelegenheit des Managers herab. Der Konzern als solcher zeigte sich bis heute nicht zu einer derartigen Geste bereit.
Überdies verfolgt das Stichwort BAYER die Auseinandersetzung um die Erweiterung der Bundesautobahn A1 weiter, für welche die PlanerInnen BAYERs Dhünnaue-Giftgrab wieder öffnen wollen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hat dagegen wie viele andere Initiativen und Einzelpersonen Beschwerde eingelegt, Anfang Juli kamen sie bei dem Erörterungstermin in der Stadthalle von Köln-Mülheim auf den Tisch.
Schließlich wirft die Abteilung „Risiko und Nebenwirkungen“ von Arzneien wieder einige Fragen auf, die weder der Beipackzettel noch die ÄrztInnen oder ApothekerInnen beantworten können. So kämpfen die Geschädigten des Schwangerschaftstests DUOGYNON, den das heute zu BAYER gehörende Unternehmen SCHERING von den 1950er bis zu den frühen 1980er Jahren vermarktete, immer noch um ihre Rechte. Die Mutter einer an den Spätfolgen von DUOGYNON Verstorbenen hat deshalb jetzt zu einem drastischen Mittel gegriffen und Strafanzeige wegen Mordes gestellt. Die Testosteron-Präparate des Pharma-Riesen haben es ebenfalls in sich. Trotzdem preist er sie zur Behandlung einer Krankheit an, die es gar nicht gibt: die männlichen Wechseljahre. Zu einem immer größeren Problem entwickelt sich auch die massenhafte Gabe von Antibiotika in der Massentierhaltung. Durch die Dauer-Dröhnung gewöhnen sich die Krankheitskeime nämlich an die Mittel. Und gelangen die Erreger dann über den Nahrungskreislauf oder andere Wege in den menschlichen Organismus, vermögen sie Gesundheitsstörungen auszulösen, gegen die kein Kraut mehr gewachsen ist.
Das Stichwort BAYER bietet also mal wieder ein volles Programm. Dass es seinen LeserInnen gefällt, hofft

Jan Pehrke

[Ticker] STICHWORT BAYER 04/2016

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CBG bei den TTIP-Protesten
Über 300.000 Menschen haben am 17. September 2016 an den Demonstrationen gegen die Handelsabkommen TTIP und CETA teilgenommen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) ging in Köln auf die Straße, um gegen die von der EU geplanten Vereinbarungen mit Kanada und den USA zu protestieren, denn diese halten diverse Schmankerl für BAYER & Co. bereit. Allein den TTIP-Effekt, der vor allem durch niedrigere Zölle und vereinheitlichte Regulierungsverfahren entsteht, beziffert der Leverkusener Multi auf einen dreistelligen Millionen-Betrag im Jahr. Auch von laxeren Standards für Pestizide, Gen-Pflanzen und hormonell wirksame Stoffe wie Bisphenol A sowie von privaten Schiedsgerichten zum Investitionsschutz hofft der Konzern zu profitieren. „Für Deutschland ist es ein Muss, hier dabei zu sein“, sagt BAYERs Aufsichtsratschef Werner Wenning deshalb. Für die CBG war es da natürlich ein Muss, bei den Protesten dabei zu sein.

Proteste gegen BAYERs MONSANTO-Coup
Mit vielen Aktionen hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) versucht, BAYERs MONSANTO-Übernahme zu verhindern. Noch am 8. September 2016, knapp eine Woche, bevor der bundesdeutsche Agro-Multi Vollzug meldete, zog die CBG gemeinsam mit der UMWELTGEWERKSCHAFT und anderen Gruppen vor das Tor 1 des Leverkusener Werks, um vor den Auswirkungen des Deals auf die Beschäftigten, die VerbraucherInnen, die LandwirtInnen und die Menschen in den Armutsregionen zu warnen.

Offener Brief wg. BAYTRIL & Co.
Anfang August 2016 vermeldete das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel-Sicherheit“ (BVL) einen Anstieg des Gebrauchs von Antibiotika aus den Klassen der Cephalosporine und der Fluorchinolone, zu denen BAYERs BAYTRIL zählt. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) nahm das zum Anlass, einen Offenen Brief an den Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) zu initiieren. Sie sah Gefahr im Verzuge, weil Fluorchinolone und Cephalosporine in der Humanmedizin zu den Reserve-Antibiotika zählen, die nur zum Einsatz kommen, wenn andere Mittel bereits versagt haben. Und durch den massenhaften Einsatz von BAYTRIL & Co. in den Ställen drohen auch diese Substanz-Gruppen mehr und mehr zu versagen. Durch die Dauerdröhnung gewöhnen sich die Krankheitserreger nämlich zunehmend an die Präparate. Gelangen die Keime dann in den menschlichen Organismus, ist kein Kraut mehr gegen sie gewachsen. Darum forderte die CBG gemeinsam mit den ÄRZTEN GEGEN MASSENTIERHALTUNG, GERMAN WATCH, HEJSUPPORT, dem PESTIZID AKTIONS-NETZWERK und den TIERÄRZTEN FÜR VERANTWORTBARE LANDWIRTSCHAFT, die Verwendung von Reserve-Antibiotika in der Massentierhaltung zu verbieten. Zudem zweifelten die Initiativen die Aussage des „Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittel-Sicherheit“ (BVL) an, dass die Antibiotika-Gaben abgesehen von den Cephalosporinen und den Fluorchinolonen zurückgingen. Dabei stützt sich die Behörde nämlich nur auf einen Rückgang der verwendeten Mengen. Und diese Zahlen sagen für sich genommen herzlich wenig aus, denn bei den neueren Präparaten ist weniger mehr. Während eine Tonne des Alt-Antibiotikums Tetracyclin gerade einmal für 39.000 Mastschweine langt, können die LandwirtInnen mit einer Tonne von BAYERs BAYTRIL 2,2 Millionen Tiere versorgen. (Kurz vor dem Ticker-Redaktionsschluss korrigierte das BVL seine Angaben. Demnach nahm der Gebrauch von Fluorchinolonen nicht zu, sondern leicht von 12,3 auf 10,6 Tonnen ab. Bei den Cephalosporinen der 3. Und 4. Generation gingen die Verordnungen um 100 Kilogramm auf 3,6 Tonnen zurück. Ein Grund zur Entwarnung ist das jedoch nicht, Anm. Ticker.)

Offener Brief zu Pseudo-Hormonen
Chemische Stoffe haben viele gesundheitsgefährdende Eigenschaften. Eine der unheimlichsten: Manche Substanzen wirken ähnlich wie Hormone und können damit den menschlichen Organismus gehörig durcheinanderwirbeln (siehe auch SWB 4/16). Pestizide des Leverkusener Multis wie RUNNER, PROVOST OPTI, FOLICUR und NATIVO oder Industrie-Chemikalien made by BAYER wie Bisphenol A sind deshalb imstande, Krebs, Diabetes, Fettleibigkeit, Unfruchtbarkeit und andere Gesundheitsstörungen auszulösen. Hormonell wirksame Ackergifte wollte die EU eigentlich schon 2009 im Rahmen einer Neuordnung der Zulassungsgesetze verbieten. Dazu kam es allerdings nicht. Nach Ansicht Brüssels galt es zunächst, genaue Kriterien zur Definition der Pseudo-Hormone – sogenannter „endokriner Disruptoren“ (EDCs) – zu entwickeln. Mit drei Jahren Verspätung legte die Europäische Kommission den entsprechenden Entwurf im Sommer 2016 vor. Die Bestimmungen kehren jedoch die Beweislast um und fordern eindeutige Belege für die gesundheitsschädliche Wirkung der EDCs; ein plausibler Verdacht reicht Juncker & Co. nicht aus. Da dies nicht dem Vorsorge-Prinzip entspricht, hat das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK einen Offenen Brief an die bundesdeutschen RepräsentantInnen der EU-Fachausschüsse initiiert, der auf Veränderungen dringt. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hat das Schreiben mitunterzeichnet.

Tote Bienen vor BAYER-Gebäude
Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin) gelten als besonders bienengefährlich. Die EU hat diese Stoffe deshalb ebenso wie andere Ackergifte dieser Substanz-Klasse bereits mit einem vorläufigen Verkaufsbann belegt. Aber auch anderswo werden entsprechende Forderungen laut. So zog im Juni 2016 ein Protestzug von BienenzüchterInnen, LandwirtInnen und UmweltaktivistInnen unter der Losung „Haltet die Bienenstöcke am Leben“ quer durch die USA. Vier Millionen Unterschriften zum Stopp von GAUCHO & Co. hatte er im Gepäck. Am 20. Juni machte der Treck Halt vor der Niederlassung des Leverkusener Multis in Durham und lud dort 2,6 Millionen tote Bienen ab. Die TeilnehmerInnen der Karawane verglichen die Folgen der Neonicotinoide mit denen von DDT. Weil Bienen wichtige Dienste als Bestäuber von Getreide-Pflanzen und anderen Ackerfrüchten leisten, warnten die ProtestlerInnen zudem vor den Auswirkungen des Bienensterbens auf die Lebensmittel-Versorgung. Diese Risiken und Nebenwirkungen ignorieren BAYER & Co. Und zwar komplett: Sie gehen nur ihren Profit-Interessen nach. „Wenn wir der Agrochemie-Industrie eine Fortsetzung dieser kurzsichtigen Praxis erlauben, werden die Kosten für Lebensmittel wegen der Verknappung des Angebots steigen“, prophezeite deshalb Scott Nash von der Bioladen-Kette MOM’S ORGANIC MARKET.

Das CIPROBAY-Desaster
BAYERs Antibiotikum CIPROBAY mit dem Wirkstoff Moxifloxacin, der zur Gruppe der Fluorchinolone gehört, hat zahlreiche Nebenwirkungen. So registrierte die US-Gesundheitsbehörde FDA zwischen 1998 und 2013 etwa 3.000 Todesfälle, die im Zusammenhang mit fluorchinolon-haltigen Medikamenten stehen. Insgesamt erhielt die FDA rund 50.000 Meldungen über unerwünschte Arznei-Effekte. Am häufigsten treten Gesundheitsschäden im Bereich der Sehnen, Knorpel, Muskeln und Knochen auf. Die Pharmazeutika stören nämlich das Zusammenspiel zwischen Nerven und Muskeln, indem sie die Weiterleitung des Neurotransmitters Acetylcholine behindern. Auch Störungen des Zentralen Nervensystems, die sich in Psychosen, Angst-Attacken, Verwirrtheitszuständen, Schlaflosigkeit oder anderen Krankheitsbildern manifestieren, beobachten die MedizinerInnen. Darüber hinaus sind CIPROBAY & Co. für Herzinfarkte, Unterzuckerungen, Hepatitis, Autoimmun-Krankheiten, Leber- oder Nierenversagen und Erbgut-Schädigungen verantwortlich. Der US-amerikanische Mediziner Dr. Jay Cohen hat dazu jetzt ein Buch geschrieben. „Wie wir die CIPRO- und LEVAQUIN-Katastrophe stoppen können – das größte medizinische Desaster der US-Geschichte“ lautet der Titel vielsagend.

BAYERs Lernpläne durchkreuzen!
Der Leverkusener Multi tut viel, um zukünftige Generationen für sich zu gewinnen. Er erstellt unter anderem Unterrichtsmaterialien, schickt rollende Chemie-Labore durch die Lande und sponsert Schulen. Mit Wimmelbüchern „beglückt“ er sogar schon Kindergärten (SWB 2/16). Und mit diesem Engagement steht der Konzern nicht allein da: 16 der 20 größten deutschen Unternehmen betätigen sich – unbehelligt von den Schulbehörden – auf dem Feld der Bildung. Dabei profitieren sie von der Finanzschwäche der Kommunen, die es nicht mehr schaffen, die Einrichtungen angemessen auszustatten. Der Frankfurter Wissenschaftler Tim Engartner hat jetzt Maßnahmen gegen den pädagogischen Eros von BAYER & Co. gefordert. Seiner Meinung nach „bedarf es angesichts der inhaltlichen Einflussnahme durch Privatakteure eines eindeutigen staatlichen Regelwerks, das die Trennung zwischen Schule und Privatwirtschaft garantiert“.

PCB: VBE schlägt Alarm
Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören zu den giftigsten Hervorbringungen der Chlorchemie (SWB 1/14). Die vor allem von BAYER und MONSANTO in Umlauf gebrachten, gefährlichen „Alleskönner“ kamen bis zu ihrem vollständigen Verbot 1989 in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben, Ölen, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz – und stellen immer noch ein beträchtliches Risiko dar. In Deutschland weisen besonders öffentliche Gebäude hohe Belastungen auf; rund 24.000 Tonnen PCB „beherbergen“ sie. Nach Schätzungen des Bundesumweltamts (UBA) ist jede dritte Schule kontaminiert. Eine Beteiligung an den Dekontaminationsarbeiten lehnt der Leverkusener Multi jedoch ab. „Die Sanierung PCB-belasteter Gebäude liegt (...) nicht in unserem Verantwortungsbereich“, verlautet aus der Firmen-Zentrale. Allzu häufig kommt es jedoch gar nicht erst zu solchen Sanierungen. Die Entscheidungsgrundlage für diese stellt nämlich die PCB-Richtlinie dar; und diese erklärt selbst eine Konzentration des Stoffes in der Atemluft für unbedenklich, wenn diese um den Faktor 50 über dem Richtwert der Weltgesundheitsorganisation (WHO) liegt. Udo Beckmann von der LehrerInnen-Vereinigung „Verband Bildung und Erziehung“ kritisiert das vehement: „Die Politik spielt mit der Gesundheit von Lehrkräften und Schülern. Obwohl PCB von der ‚Internationalen Agentur für Krebsforschung’ in die höchste Gefahren-Gruppe eingeordnet wurde, gelten in Deutschland völlig veraltete Richtlinien.“ Es passe nicht zusammen, dass LehrerInnen SchülerInnen zu umweltbewussten BürgerInnen erziehen sollen, während die Ausbildungsstätten PCB-verseucht sind, so Beckmann. „Die Beschäftigten an den Schulen und Hochschulen sowie die Schüler und Studenten haben einen Anspruch auf belastungsfreie Unterrichtsräume“, hält der Pädagoge fest.

Gen-Raps unter Beobachtung stellen!
2015 hatte ein in der EU nicht zugelassener Gen-Raps von BAYER das Saatgut einer konventionellen Züchtung verunreinigt. In der Pflanze, welche die französische Firma RAGT entwickelt hat, fanden sich Spuren des gegen die Herbizid-Wirkstoffe Bromoxynil und Ioxynil immunen Raps’ NAVIGATOR. RAGT strebte für sein Produkt eine Zulassung in EU-Ländern an. Deshalb fand ein Probe-Anbau in England, Frankreich, Dänemark und Deutschland statt. Nach Bekanntwerden des Skandals haben die hiesigen Behörden sofort die Anweisung erteilt, die auf 48 Versuchsfeldern in verschiedenen Bundesländern kultivierten Pflanzen zu zerstören. Das reicht als Maßnahme jedoch nicht aus, denn die Laborfrucht hat eine lange Halbwertzeit und bleibt lange keimfähig. „Daher müssen die Bundesländer die betroffenen Flächen über 20 Jahre hinweg überwachen und auflaufenden Durchwuchs-Raps vernichten“, forderte Annemarie Volling von der ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT (AbL). Unterstützung erfuhr der Verband dabei von der IG SAATGUT und dem GENETHISCHEN NETZWERK.

KAPITAL & ARBEIT

Tarifrunde 2016: 3 Prozent mehr
BAYER fährt von Jahr zu Jahr höhere Gewinne ein. Im Geschäftsjahr 2015 wuchs das Konzern-Ergebnis um 18,6 Prozent auf rund 1,380 Milliarden Euro. Die Beschäftigten profitieren davon jedoch kaum. Bei den diesjährigen Tarif-Verhandlungen vereinbarte die Chemie-Branche mit den Gewerkschaften Ende Juni 2016 lediglich eine Entgelt-Anhebung von 3 Prozent für die nächsten 13 Monate. Dann folgt für die 11-monatliche Restlaufzeit des Tarifvertrages noch einmal ein Aufschlag von 2,3 Prozent.

H.C. STARCK in Schwierigkeiten
Im Zuge der „Konzentration auf das Kerngeschäft“ hat BAYER viele Unternehmensteile abgestoßen. Eine aussichtsreiche Zukunft erwartete die Abteilungen in der Regel nicht. Besonders kleinere Sparten wie DYSTAR, DYNEVO, TANATEX, KRONOS TITAN und AGFA gerieten in Schwierigkeiten. Entweder gingen sie Pleite, schrumpften empfindlich oder wurden von anderen Konzernen geschluckt. Aktuell sieht sich H.C. STARCK mit ernsten Problemen konfrontiert. Das Unternehmen hat massive Finanz-Probleme. Der Leverkusener Multi hatte den Spezialchemie-Hersteller nämlich an zwei Finanzinvestoren veräußert, die H.C. STARCK die Kaufsumme als Schulden in die Bücher geschrieben haben. Nun muss die Firma Arbeitsplätze vernichten und andere Restrukturierungsmaßnahmen durchführen, um neue Kredite zu erhalten.

Verändertes Schichtsystem
Der BAYER-Konzern hat an seinem Pestizid-Standort Hürth-Knapsack in Kooperation mit dem Betriebsrat das Schichtsystem geändert. Das bisherige 4-Schichtsystem wurde „aus arbeitsmedizinischen und organisationstechnischen Erwägungen“ durch das beim Leverkusener Multi auch sonst übliche 5-Schichtmodell ersetzt. Dieses erlaubt jetzt längere Ruhe-Phasen vor den Schicht-Wechseln. Auch führt es zu kürzeren Wochenarbeitszeiten. Der Konzern wollte deshalb sogleich die Entgelte entsprechend senken, konnte sich damit aber nicht ganz durchsetzen. „Letztlich haben die Betriebsräte in Knapsack für die Kollegen am Standort einen guten Kompromiss mit einer attraktiven finanziellen Abfederung erreichen können“, so der Betriebsratsvorsitzende Franz-Josef Christ.

ERSTE & DRITTE WELT

Entwicklungshilfe zur Selbsthilfe
Seit einiger Zeit haben die Global Player auf der Suche nach neuen Absatz-Gebieten die „Low-income Markets“ entdeckt (siehe auch SWB 4/13). So entwickelte der Leverkusener Multi bereits 2013 eine „Afrika-Strategie“. Bei der Umsetzung geriert sich der Agro-Riese gerne als Entwicklungshelfer. „BAYER kooperiert mit der gemeinnützigen Organisation ‚Fair Planet’ und wird Teil des Projekts ‚Bridging the Seed Gap’ in Äthiopien. Ziel des Projekts ist es, neue Anbau-Möglichkeiten für Kleinbauern zu schaffen“, vermeldete der Konzern etwa Anfang 2016. Auch LandwirtInnen-Verbände und Hochschulen sitzen mit im Boot. Und bei der Unterzeichnung des Vertrags waren sogar RegierungsvertreterInnen zugegen. Nur handelt es sich leider bei „Fair Planet“ um einen Verband, den BAYER, SYNGENTA, LIMAGRAIN & Co. seit Längerem großzügig unterstützen. Zudem bestehen die neuen „Anbau-Möglichkeiten für Kleinbauern“ lediglich aus Tomaten-, Peperoni- und Zwiebel-Saatgut made by BAYER. Diese können die FarmerInnen zunächst kostenlos testen. Anschließend müssen sie für diese Sorten allerdings die Werbetrommel rühren. „Sie sollen dann weiteren Landwirten in den Dörfern und Regionen die Vorteile dieses Saatguts demonstrieren“, so lautet der Business-Plan des Konzerns. Bei näherem Hinsehen wird also aus der angeblichen Entwicklungshilfe pure Markterschließung.

Die „Neue Allianz“ in der Kritik

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Im Jahr 2012 gründeten die Teilnehmer-Staaten des G8-Treffens gemeinsam mit BAYER, MONSANTO und anderen Firmen die „Neue Allianz für Lebensmittelsicherheit und Ernährung“. Mit Entwicklungshilfe hat diese Public-Private-Partnership allerdings nicht viel im Sinn. Sie dient den Konzernen vielmehr als Vehikel, um in Afrika die Rahmenbedingungen für eine industrielle Landwirtschaft mittels Gentechnik und allem Drum und Dran durchzusetzen. So dringen die Global Player etwa darauf, die „Verteilung von frei verfügbarem und nicht verbessertem Saatgut systematisch zu beenden“. Zudem fordern sie einen stärkeren Patentschutz, Landrechtsreformen, „effizientere“ Pestizid-Zulassungsverfahren und Maßnahmen gegen die Produkt-Piraterie. Dafür fließen öffentliche Mittel en masse: Die G8-Staaten gaben bereits über drei Milliarden Euro frei, während BAYER & Co. noch nicht einmal eine Milliarde zubutterten. Dies zog jetzt die Kritik des Europa-Parlaments auf sich. Die Abgeordneten forderten, die Strategie der Allianz komplett zu ändern. Sie müsste sich mehr auf die Kleinbauern und -bäuerinnen konzentrieren, den lokalen Saatguthandel schützen und dürfe nicht mehr länger dem Landraub Vorschub leisten, so die ParlamentarierInnen. Dem entwicklungspolitischen Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Uwe Kekeritz, ging das jedoch nicht weit genug. Er verlangte von der Bundesregierung, auf eine Auflösung der „Neuen Allianz“ zu dringen: „Die Reform der 2012 von der G8 gegründeten Allianz ist angesichts ihrer grundlegend falschen Ausrichtung aussichtslos.“

Die „Neue Allianz“ in der Kritik

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Die „Neue Allianz für Lebensmittelsicherheit und Ernährung“, die von den G8-Staaten gemeinsam mit BAYER, MONSANTO und anderen Firmen 2012 initiierte Public-Private-Partnership (s. o.), heizt das Landgrabbing an. Zu diesem Resultat kommt die Studie „Land grabbing and human rights“, die das Europäische Parlament in Auftrag gegeben hat. So verloren in Tansania mehr als 1.300 Bauern und Bäuerinnen ihr Land, weil das „Neue Allianz“-Mitglied ECOENERGY vom Staat 20.374 Hektar Ackerfläche erworben hat, um dort eine Zucker-Plantage anzulegen. Auch ganz allgemein fördern die Aktivitäten der Allianz der Untersuchung zufolge die Bodenspekulation und die Landkonzentration, denn die Devise von BAYER & Co. lautet: „Think Big“. Afrikanische FarmerInnen-Verbände kritisieren das Vorgehen der Multis deshalb massiv. Auch die AutorInnen der Untersuchung sehen nur negative Effekte. Aus diesem Grund fordern sie die EU-Mitgliedsländer unter den G8-Nationen auf, der „Neuen Allianz für Lebensmittelsicherheit und Ernährung“ die Unterstützung zu entziehen.

Patente: Ausnahmen nur bis 2033
Mit Patenten auf Pharmazeutika sichern sich BAYER & Co. Monopol-Profite. Dieses Vorgehen macht die Arzneien besonders für Menschen in armen Ländern unerschwinglich. Wenn diese Staaten trotzdem versuchen, sich den Zugang zu den benötigten Medikamenten zu sichern, indem sie sich – wie Südafrika im Jahr 2001– auf einen Ausnahme-Paragrafen des internationalen TRIPS-Patentschutzabkommens berufen, bemühen BAYER und die anderen Pillen-Riesen gern einmal die Gerichte (siehe SWB 2/01). Nur für die ärmsten der armen Nationen, die „least-developed countries“ (LDCs), galten bis zum Januar 2016 eigene Regelungen. Bei den neuen Verhandlungen um diesen Sonderstatus haben die VertreterInnen der LDCs eine unbefristete Verlängerung gefordert. Die Welthandelsorganisation WTO beugte sich allerdings dem Druck von Big Pharma und gewährte nur einen Aufschub bis 2033.

BAYER senkt JADELLE-Preis
„Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar“, sagte einst der ehemalige US-Präsident Lyndon B. Johnson. Zu diesen „wirksamen Investitionen“, die Entwicklungshilfe sparen helfen, gehört auch BAYERs Verhütungsmittel-Implantat JADELLE. Das Medizin-Produkt mit dem Wirkstoff Levonorgestrel ist für die BevölkerungskontrolleurInnen nämlich ziemlich praktisch, verrichtet es seine Dienste doch fünf Jahre lang. Für die Frauen allerdings weniger: Unter anderem klagen sie über Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Depressionen, Gewichtszunahme und Haarausfall. Großeinkäufern wie etwa der „Bill & Melinda Gates Foundation“ hat der Leverkusener Multi bisher schon große Rabatte eingeräumt. Anfang des Jahres hat er eine generelle Preis-Senkung für Entwicklungsländer verkündet. Statt rund 18 Dollar pro Implantat berechnet er jetzt nur noch die Hälfte.

POLITIK & EINFLUSS

BAYERs EU-Frühstücke
„Um Unternehmensvertreter über aktuelle Entwicklungen zu informieren“, organisiert die Lobby-Firma AMISA2 „monatlich Frühstücksdebatten mit Schlüssel-Persönlichkeiten der EU-Institutionen“. BAYER, GOOGLE, AIRBUS und 15 weitere Konzerne durften auf diese Weise schon einen „Blick in die Zukunft der Klimapolitik“ werfen – eröffnet von der damals als EU-Kommissarin für den Klimaschutz fungierenden Connie Hedegaard – oder mit der stellvertretenden Generalsekretärin der EU-Kommission, Marianne Klingbeil, zusammentreffen.

VCI spendet 128.000 Euro
Im Jahr 2015 hat der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI) 128.000 Euro in Parteispenden investiert. Mit je 40.000 Euro erhielten CDU und FDP am meisten. Die SPD bedachte der Lobby-Club von BAYER & Co. mit 35.000 Euro, die Grünen konnten 13.000 Euro verbuchen. Nur die Partei „Die Linke“ ging leer aus. Dabei wird der VCI nicht nur proaktiv tätig. Es gibt auch direkte „Spenden-Anfragen der Schatzmeister oder Spitzenkandidaten der Parteien im Zusammenhang mit Bundestags-, Landtags- und Europawahlen“, wie der Verband mitteilt.

Kerins im USCC-Vorstand
Bei dem „U.S. Chamber of Commerce“ (USCC) handelt es sich um den größten Unternehmensverband der Welt. Und seit Dezember 2015 sitzt BAYERs oberster Öffentlichkeitsarbeiter in den USA, Raymond Kerins Jr., dort im Vorstand. Welche Auffassung er vom Verhältnis der Ökonomie zur Politik hat, machte der PR-Profi gleich bei seinem Amtsantritt deutlich. Da bezeichnete Kerins Jr. es als eine der Aufgaben des USCC, die MandatsträgerInnen darin zu unterweisen, wie sie das Wachstum der US-amerikanischen Wirtschaft am besten aufrechterhalten könnten.

BAYER sponsert Rohstoff-Behörde
Die „Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe“ (BGR) berät nach eigener Auskunft „die Bundesregierung und die deutsche Wirtschaft in allen geowissenschaftlichen und rohstoff-wirtschaftlichen Fragen“. Da der Zugriff auf Bodenschätze für den Leverkusener Multi eine enorme Bedeutung hat, gehört er mit zu den Unternehmen, welche die BGR seit 1982 indirekt sponsern. Seit 1987 tun BAYER & Co. dies über die „Hans-Joachim-Martini-Stiftung“, welche die milden Gaben als Preisgelder oder als Forschungsförderung tarnt. Die Investition lohnt sich, denn die Ergebnisse der BGR-Expertisen fallen fast immer im Sinne der Industrie aus. So erteilte die Bundesanstalt dem Fracking eine Unbedenklichkeitserscheinung und leugnete in Studien weitgehend den Zusammenhang zwischen dem Kohlendioxid-Ausstoß der Konzerne und dem Klimawandel. Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) hatte in einer internen Revision zwar Anstoß an der Praxis der Stiftung genommen, zog aber bislang keine Konsequenzen. Die Partei Bündnis 90/Die Grünen nahm die Vorgänge zum Anlass, eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung zu stellen. Diese sieht jedoch keinen Handlungsbedarf. „Die BGR ist eine eigenständige wissenschaftlich-technische Behörde, an deren Unabhängigkeit die Bundesregierung keinen Zweifel hat“, hielten Merkel & Co. fest.

Ökosteuer-Ausnahmen bleiben
Im Zuge der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes wollte die Große Koalition ursprünglich den Strom, den die Konzerne mit ihren eigenen Kraftwerken produzieren, ökosteuerpflichtig machen. Sofort brach ein Sturm der Entrüstung los. „Auch wenn die überfällige EEG-Reform nun endlich auf dem Weg ist, die Mehrbelastung der Eigenstrom-Erzeugung ist ein unüberwindlicher Stolperstein und für unsere Branchen nicht hinnehmbar. Jene Unternehmen, die ihren Strom in eigenen Kraftwerken vor allem in Kraft-Wärme-Kopplung und sehr effizient herstellen, hätten dadurch Mehrkosten von insgesamt über 300 Millionen Euro im Jahr“, erklärte der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI). Und der Leverkusener Multi, der fast 60 Prozent seines Energie-Bedarfs selber deckt, warnte: „Unsere KWK-Anlagen würden sich, sollten diese Pläne umgesetzt werden, nicht mehr wirtschaftlich betreiben lassen, sowohl die bestehenden als auch die neuen.“ Und die Politik erhörte die Signale. Alte Anlagen blieben von der Umlage befreit, modernisierte müssen nur 20 Prozent und neue 40 Prozent des Satzes zahlen. Die EU legte allerdings ein Veto ein, denn sie sah in den gewährten Rabatten eine unerlaubte Beihilfe. Aber Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel konnte die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestagen im August 2016 „nach intensiven Gesprächen“ umstimmen und Bestandsschutz für die Ausnahme-Regelungen erwirken.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER zahlt ÄrztInnen 7,5 Millionen
Die Pillen-Produzenten investierten im letzten Jahr 575 Millionen Euro dafür, die medizinische Landschaft zu pflegen und die ÄrztInnen zum Verschreiben ihrer Medikamente zu bewegen. Rund 71.000 MedizinerInnen standen auf ihren Gehaltslisten. BAYER gab 2015 dafür 7,5 Millionen Euro aus. Damit spendierte der Konzern den Doktores unter anderem Fortbildungsveranstaltungen in netter Umgebung samt Kost & Logis sowie Begleitung. Rund 2.400 Personen kamen in den Genuss dieses Angebotes. Ca. 3.000 ÄrztInnen strichen zudem für ihre Tätigkeit als RednerInnen auf Kongressen, BeraterInnen oder DienstleisterInnen Geld ein. Für den offenen Umgang mit diesen Zahlen lobt sich der Konzern ausgiebig selbst. Zu einem erfolgreichen Geschäftsmodell gehöre eben Transparenz, so BAYER-Manager Eberhard Schmuck. Allzu weit ist es mit dieser allerdings nicht her: Was der Global Player den MedizinerInnen nämlich für die sogenannten Anwendungsbeobachtungen zahlt, die nur den Zweck haben, die PatientInnen auf das getestete Präparat umzustellen, verschweigt er lieber. Die nordrhein-westfälische Gesundheitsministerin Barbara Steffens sieht durch solche Zahlungen die Unabhängigkeit des Standes gefährdet. „Patienten müssen darauf vertrauen können, dass Ärzte ihnen ein Medikament verschreiben, weil sie von der Wirksamkeit überzeugt sind – und nicht, weil sie auf der Honorar-Liste der Hersteller stehen“, hielt die Grünen-Politikerin fest.

7,4 Millionen für Krankenhäuser
BAYER hält nicht nur die ÄrztInnen mit Zuwendungen bei Laune (s. o.), der Konzern bedenkt auch viele Institutionen des Gesundheitswesens, um die Absatz-Chancen für seine Pillen zu verbessern. Krankenhäusern, medizinischen Standesorganisationen, Instituten und medizinischen Gesellschaften wie z. B. der „Deutschen Parkinson Vereingung“ hat der Leverkusener Multi im Jahr 2015 rund 7,4 Millionen Euro zukommen lassen.

BAYER bildet ApothekerInnen weiter
Im Mittleren Osten unterhält BAYER bereits seit 2012 ein Programm zur Fortbildung von ApothekerInnen. Am diesjährigen Workshop nahmen rund 200 PharmazeutInnen aus Kuwait, Quatar, Oman, Barain und anderen Ländern teil. Obwohl der Leverkusener Multi diese Aktivitäten als Teil einer Initiative der Weltgesundheitsorganisation WHO darstellt, dient das Ganze der Absatz-Förderung eigener Präparate. So besteht ein Lernziel für die ApothekerInnen laut Konzern darin, die PatientInnen zur Selbstmedikation und zur Einnahme von Vitaminen und Medikamenten zur Vorbeugung von Krankheiten anzuhalten, um dadurch „dem Staat Lasten abzunehmen“.

BAYER sponsert Agrar-JournalistInnen
BAYER lässt sich die Pflege der Presselandschaft einiges kosten. So sponserte der Leverkusener Multi beispielsweise den Weltkongress der Agrar-JournalistInnen, der dieses Mal in Deutschland stattfand. Die Grüne Woche hatte ihn nach Berlin gelockt. Die Veranstaltung versuchte dann auch, seinem Geldgeber alle Ehre zu machen. Sie begab sich daran, ein idyllisches Bild der hiesigen Agrarwirtschaft zu malen. Die Konferenz wollte nichts weniger als zeigen, „wie Landwirte in Deutschland sich den Herausforderungen von heute stellen. Dazu zählen eine effiziente Wirtschaftsweise, der Schutz von Natur und Biodiversität sowie die Bereitstellung hochwertiger und bezahlbarer Lebensmittel“.

TIERE & ARZNEIEN

BAYTRIL-Gebrauch sinkt leicht
Ende Juli 2016 vermeldete das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel-Sicherheit“ (BVL) zunächst einen erhöhten Verbrauch von Antibiotika aus der Gruppe der Fluorchinolone wie BAYERs BAYTRIL in der Massentierhaltung. Dann korrigierte es seine Angaben. Demnach sanken die Gaben leicht von 12,3 auf 10,6 Tonnen. Aber auch die neuen Zahlen stimmen noch bedenklich, führt doch die häufige Verwendung dieser Mittel in den Ställen dazu, dass die Krankheitserreger sich zunehmend an die Substanzen gewöhnen. Gelangen diese dann über den Nahrungskreislauf oder andere Wege von den Ställen in den menschlichen Organismus, können sie Gesundheitsstörungen auslösen, gegen die kein Kraut mehr gewachsen ist. Und bei den Fluorchinolonen ist das besonders bedenklich, da diese Substanzen in der Humanmedizin zu den Reserve-Antibiotika zählen, die nur zum Einsatz kommen, wenn andere Mittel bereits versagt haben (siehe auch AKTION & KRITIK).

BAYTRIL in Bio-Ställen
Auch die LieferantInnen von Bio-Fleisch setzen in ihren Ställen Antibiotika ein. So tragen auch diese ZüchterInnen mit dazu bei, dass immer mehr Krankheitserreger Resistenzen gegen diese Mittel entwickeln. Gelangen die Keime dann über den Nahrungskreislauf oder andere Wege in den menschlichen Organismus, können sie Gesundheitsstörungen auslösen, gegen die dann nichts mehr hilft. Der Verband „Bioland“ hat seinen Mitgliedern deshalb zumindest verboten, Medikamente aus der Gruppe der Fluorchinolone wie BAYERs BAYTRIL zu verwenden. Diese Substanzen zählen in der Humanmedizin nämlich zu den Notfall-Antibiotika, die bevorzugt zum Einsatz kommen, wenn andere Stoffe bereits versagt haben. Aber selbst zu diesen Fluorchinolonen greifen die Biobauern und –bäuerinnen. Allein im Jahr 2014 hat Bioland 35 Ausnahmegenehmigungen für BAYTRIL & Co. erteilt. Zudem geben nicht wenige LandwirtInnen ihren Tieren diese Mittel, ohne das formell zu beantragen.

Kooperation mit BIONTECH
BAYER hat eine Kooperation mit dem Unternehmen BIONTECH auf dem Gebiet der Tiermedizin vereinbart, in dessen Rahmen die Mainzer Firma für den Leverkusener Multi Immun-Therapeutika, Impfstoffe und andere Veterinär-Arzneien entwickeln soll.

DRUGS & PILLS

ESSURE führt zu mehr Komplikationen
Bei ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Medizinprodukt für eine dauerhafte Empfängnis-Verhütung, handelt es sich um eine kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich nach etwa drei Monaten die Eileiter verschließen. Eine Studie verglich ESSURE jetzt mit anderen Sterilisationsmethoden, die Zugriff auf die Eileiter nehmen. Das Ergebnis der im British Medical Journal veröffentlichten Untersuchung fiel verheerend für die Spirale des Leverkusener Multis aus. Sie erhöht für die Frauen das Risiko, sich nachträglichen Operationen unterziehen zu müssen, im Vergleich zu anderen Praktiken um mehr als das Zehnfache. Wegen seiner vielen Nebenwirkungen steht das Pharma-Produkt schon länger in der Kritik. Zu diesen zählen unter anderem Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien. Die Spirale bleibt zudem oft nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann.

Gesundheitsbehörden warnen vor ESSURE
Die vielen unerwünschten Arznei-Effekte von BAYERs Medizin-Produkt ESSURE (s. o.) haben die Gesundheitsbehörden in Kanada und den Vereinigten Staaten zum Handeln bewogen. „Health Canada“ informierte die ÄrztInnen in einem Brief über die zahlreichen Risiken und Nebenwirkungen des Präparats und setzte auch die Öffentlichkeit darüber in Kenntnis. Die US-amerikanische FDA verpflichtete BAYER derweil, die Spirale nur noch mit einem Warnhinweis der dringlichsten Stufe zu vertreiben und die Sicherheit von ESSURE in einer neuen Studie zu überprüfen. Den vielen Geschädigten in den USA ging das allerdings nicht weit genug. Sie hatten auf ein Verbot gehofft und kritisierten die FDA-Maßnahmen deshalb als unzureichend.

IBEROGAST schädigt die Leber
Auch Medikamente auf pflanzlicher Basis wie BAYERs Magenmittel IBEROGAST, das 2013 mit dem Kauf von STEIGERWALD in die Produktpalette des Pharma-Riesen gelangte, können es in sich haben. So schädigt der IBEROGAST-Inhaltsstoff Schöllkraut die Leber. Arzneien mit einer hohen Schöllkraut-Konzentration hat das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) deshalb schon aus dem Verkehr gezogen. Vom Leverkusener Multi verlangte es, diese Nebenwirkung auf dem Beipackzettel von IBEROGAST zu vermerken. Der Konzern weigert sich aber, dieser Aufforderung nachzukommen. Für ihn ist die „hohe Sicherheit“ des Präparates „durch eigene Daten vollständig belegt“. Darum zeigt er sich auch nicht bereit, den Widerspruch zurückzunehmen, den STEIGERWALD vor acht Jahren gegen die BfArM-Anordnung eingelegt hatte. Und so gibt es dann immer noch keine Warnhinweise auf den Faltblättern der Packungen. „Das ist genau die Situation, die wir immer wieder beklagen. Im Grunde genommen hat der Hersteller viele Möglichkeiten, das immer wieder herauszuzögern (...) Derzeit hat man den Eindruck an vielen Stellen, dass der Hersteller-Schutz vor dem Patienten-Schutz rangiert“, kritisiert der Pharmakologe Prof. Gerd Glaeske.

Verantwortlicher Umgang mit ASPIRIN?
BAYER bewirbt ASPIRIN erfolgreich als „Tausendsassa“. Darum findet es weite Verbreitung, obwohl das Präparat viele Nebenwirkungen wie etwa Magenbluten hat. So bezifferte der Mediziner Dr. Friedrich Hagenmüller 2012 die Zahl der Todesopfer allein in der Bundesrepublik auf jährlich 1.000 bis 5.000. Den Leverkusener Multi ficht das jedoch nicht an. Wenn JournalistInnen ihn auf das Gefährdungspotenzial von ASPIRIN durch einen zu sorglosen Umgang mit dem Mittel ansprechen, verweist der Konzern einfach auf eine von ihm selbst durchgeführte Studie, die angeblich eine verantwortungsvolle Handhabung belegt.

ASPIRIN: Größere Präventionswirkung?
Der verantwortungslose Umgang mit ASPIRIN birgt hohe Risiken (s. o.) Haben Menschen jedoch schon einmal einen Herzinfarkt erlitten, raten MedizinerInnen zur Verhinderung eines zweiten zu dem Mittel. Studien zufolge senkt das Medikament mit dem Wirkstoff Acetylsalicylsäure das Risiko für eine nochmalige Attacke um 13 Prozent. Nur die ersten sechs Wochen nach dem ersten Infarkt betrachtet, liegt die Präventionswirkung einer neueren Untersuchung zufolge sogar noch höher. Wie Peter M. Rothwell und sein Team herausfanden, reduziert die Arznei die Wahrscheinlichkeit eines Wiederholungsfalles um 60 Prozent. Allerdings haben drei an der Studie beteiligte WissenschaftlerInnen schon einmal in Diensten BAYERs gestanden, was die Aussagekraft der Arbeit erheblich trübt.

CIPROBAY-Anwendungsbeschränkungen
BAYERs Antibiotikum CIPROBAY mit dem Wirkstoff Moxifloxacin, der zur Gruppe der Fluorchinolone gehört, hat zahlreiche Nebenwirkungen (siehe auch AKTION & KRITIK). Darum erließ die US-Gesundheitsbehörde FDA im Mai 2016 Anwendungsbeschränkungen für CIPROBAY und andere fluorchinolon-haltige Präparate. Bei Bronchitis, Sinusitis und einfachen Formen von Blasen-Entzündungen dürfen die MedizinerInnen diese Arzneien jetzt nur noch verordnen, wenn alle andere Mittel versagt haben.

Zahlreiche MIRENA-Nebenwirkungen
BAYERs Hormon-Spirale MIRENA ruft zahlreiche unerwünschte Arznei-Effekte hervor. „Insgesamt 3.607 Verdachtsfälle von Nebenwirkungen“ hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfArM) registriert, wie eine Anfrage des TV-Magazins Frontal21 ergab. Allein 44 Meldungen zu Brustkrebs, 153 zu Eileiter-Schwangerschaften und 328 zu Gebärmutter-Verletzungen erhielt das BfArM unter anderem.

Verhandlungen mit GOOGLE
Die GOOGLE-Tochter VERILY widmet sich medizinischen Forschungsprojekten auf Gebieten wie „Krebs“, „Diabetes“ und Herz/Kreislauf-Erkrankungen. Zudem entwickelt sie Operationsroboter und bioelektronische Systeme. Im Februar 2016 hat das Unternehmen Verhandlungen mit BAYER über mögliche Kooperationen aufgenommen.

16 Krebs-Wirkstoffe im Test
Krebs-Arzneien versprechen den Pharma-Riesen den größten Profit. Mittlerweile fressen sie – ohne die Lebenszeit der PatientInnen entscheidend verlängern zu können – schon rund ein Viertel des Medikamenten-Budgets der Krankenkassen. Folgerichtig setzt der Leverkusener Multi ganz auf dieses Segment. Mit NEXAVAR, STIVARGA und XOFIGO bietet er bereits drei Onkologie-Präparate an; zudem befinden sich 16 Wirkstoffe in der klinischen Erprobung.

Mehr Profit durch Direktvertrieb
Vom Hersteller über den Großhandel zu den Apotheken – so sieht eigentlich der Vertriebsweg für Medikamente aus. BAYER & Co. umgehen aber immer öfter den Großhandel und bestücken die Pharmazien selbst mit ihren Produkten. Auf diese Weise schalten sie einen Mitverdiener aus und erhöhen ihre Gewinnmarge. Zudem sieht die Branche dies als eine wirksame Methode an, die Zwischenhändler am Export der Arzneien in solche Länder zu hindern, in denen sie mit den Produkten zum Schaden der Pillen-Produzenten mehr Geld machen können. Also halten die Pharma-Firmen den Großhandel knapp und springen in die Bresche, wenn dieser nicht mehr liefern kann. Zu diesem Behufe hat BAYER gemeinsam mit BOEHRINGER, NOVARTIS und anderen Konzernen die PHARMA MALL GESELLSCHAFT FÜR ELECTRONIC COMMERCE gegründet. Den Unternehmen zufolge soll diese Gesellschaft der „Optimierung der Transaktionsprozesse zwischen Herstellern und Kunden“ dienen. In der Realität aber verkompliziert sich für die Apotheken durch die beiden nebeneinander herlaufenden Systeme die Beschaffung der Pharmazeutika, weshalb die PatientInnen oftmals länger auf ihre Mittel warten müssen. Überdies schrumpfen die Einnahmen der Pharmazien durch diesen Direktvertrieb, weil sie dadurch nicht mehr in den Genuss von Großhandelsrabatten kommen. Die Bundesregierung sieht bei alldem jedoch keinen Grund zum Eingreifen. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ verweist die Große Koalition auf die Zuständigkeit der Bundesländer.

Anfrage zu Beobachtungsstudien
Erkenntnisse werfen Anwendungsbeobachtungen (AWB) zu Medikamenten, die MedizinerInnen mit ihren PatientInnen durchführen, kaum ab. Dies ist aber auch gar nicht Sinn der Übung. Die Anwendungsuntersuchungen verfolgen einzig den Zweck, die Kranken auf das getestete Präparat umzustellen (siehe auch PROPAGANDA & MEDIEN). Im Jahr 2014 standen BAYER & Co. dafür 17.000 ÄrztInnen zu Diensten. Die Pharma-Riesen honorierten ihnen dies mit ca. 100 Millionen Euro. Nach Angaben des Recherche-Netzwerkes Correct!v fanden von 2009 bis 2014 in den Praxen 41 solcher „Studien“ mit BAYER-Medikamenten statt (Ticker 3/16). Die Bundesregierung nimmt an diesem Marketing-Instrument, das sich einen wissenschaftlichen Anstrich gibt, im Grundsatz keinen Anstoß. „Mit AWB können Erkenntnisse über die Anwendung zugelassener Arzneimittel in der Praxis gewonnen werden“, hält sie in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ fest. Im geplanten „Gesetz zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen“ will die Große Koalition lediglich die Vorschriften für die Schnelltests etwas verschärfen.

AGRO & CHEMIE

Glyphosat-Zulassung verlängert
Der Pestizid-Wirkstoff Glyphosat, der in BAYER-Mitteln wie GLYFOS, PERMACLEAN, USTINEX G, KEEPER und SUPER STRENGTH GLYPHOSATE enthalten ist und in Kombination mit Gen-Pflanzen wie der Soja-Art BALANCE zum Einsatz kommt, gilt als gesundheitsgefährdend. So hat eine Krebsforschungseinrichtung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Substanz als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Trotzdem hat sich die EU im Juni 2016 schlussendlich dem Druck der Industrie gebeugt und die Zulassung des Herbizids um 18 Monate verlängert.

Comeback für Glufosinat?
BAYERs Antiunkraut-Mittel Glufosinat, das unter anderem im Kombipack mit den Gen-Pflanzen der „LIBERTY LINK“-Baureihe zum Einsatz kommt, schädigt das Erbgut und kann Krebs auslösen. Deshalb hatte die EU die Zulassung des Pestizids nicht über den September 2017 hinaus verlängert. Jetzt droht Brüssel jedoch einen Rückzieher zu machen. Die „Europäische Behörde für Lebensmittel-Sicherheit“ (EFSA), deren MitarbeiterInnen mehr als einmal durch ihre Beziehungen zur Wirtschaft in die Schlagzeilen geraten waren, schlug nämlich Ausnahmeregeln für Glufosinat und andere Ackergifte vor, falls die LandwirtInnen keine Alternative hätten und eine „ernsthafte Gefahr für die Gesundheit der Pflanze“ bestehe. Das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) kritisierte diesen Vorstoß vehement.

Pestizid-Plage in Costa Rica
Costa Rica ist der weltgrößte Ananas-Produzent. Auf einer Fläche von 38.000 Hektar wächst dort die Frucht. Dabei kommen einer Studie von OXFAM zufolge immense Mengen an Agro-Chemikalien zum Einsatz. 30 bis 38 Kilogramm pro Hektar bringen die Plantagen-BesitzerInnen jährlich aus. Darunter befinden sich mit Glyphosat, Diuron, Mancozeb und Chlorpyrifos viele, die auch BAYER anbietet. Die Beschäftigten müssen schon bald nach den Sprühaktionen wieder auf die Felder und verfügen nicht immer über einen Arbeitsdress, der ihnen die Mittel in ausreichender Form vom Leibe hält. Dementsprechend erleiden viele der Belegschaftsangehörigen Gesundheitsschädigungen. „Ich war einen Monat lang im Krankenhaus wegen einer Vergiftung. Als ich wiederkam, musste ich wieder mit Pestiziden und ohne Schutzkleidung arbeiten“, erzählt einer von ihnen. Auch Krebs-Krankheiten, Magenleiden, Augen-Schädigungen und Hautausschläge zählen zu den Nebenwirkungen. Überdies verseuchen die Mittel das Trinkwasser in der Nähe der Ananas-Äcker.

Pestizid-Plage in Ecuador
Auf den Bananen-Plantagen in Ecuador herrschen OXFAM zufolge ähnlich verheerende Bedingungen wie auf den Ananas-Äckern in Costa Rica (s. o.) Hier sehen sich die LandarbeiterInnen ebenfalls ohne ausreichenden Schutz gefährlichen Pestiziden ausgesetzt. Oftmals dürfen sie die Felder nicht verlassen, wenn die Sprüh-Flugzeuge zum Einsatz kommen und Substanzen wie die auch von BAYER vermarkteten Stoffe Glyphosat und Mancozeb ausbringen. „Wir machen uns große Sorgen, weil wir unter dem Pestizid-Regen arbeiten müssen. Wir bekommen Hautausschläge. Aber wenn man sich beschwert, riskiert man, entlassen zu werden“, klagt etwa einer der Beschäftigten. Und es bleibt nicht bei Hautausschlägen. Zu den weiteren Leiden der Plantagen-ArbeiterInnen zählen Herz-Leiden, Magen-Erkrankungen, Augenbrennen, Schlafstörungen und Durchfall. Überdies erweisen sich die chemischen Keulen als erbgut-schädigend. „Angesichts besonders hoher Behinderungsraten der Kinder in den Bananen-Provinzen ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es hier einen Zusammenhang gibt“, sagt etwa Beatriz Garcia Pluas, die Direktorin einer Schule für Gehandicapte.

PilotInnen als Pestizid-Opfer
Nicht nur die LandarbeiterInnen oder die AnwohnerInnen der Plantagen leiden unter den Pestiziden, sondern auch die PilotInnen, welche die Agro-Chemikalien mit ihren Flugzeugen ausbringen. So berichtet der Ecuadorianer Jorge Acosta Orellana in dem Interview mit der taz über Leiden wie Herzrhythmus-Störungen, Schwindel und Augen-Trübungen. „Ich bin zum Arzt gegangen, aber der meinte, dass mein Herz in Ordnung sei und dass ich eine Vergiftung haben könnte. Ich habe dann mit anderen Piloten geredet und festgestellt: Die haben ähnliche Probleme. Bald waren wir überzeugt, dass das alles in Zusammenhang mit dem Fungizid Mancozeb (enthalten unter anderem in den BAYER-Produkten ZETANIL und ACROBAT, Anm. Ticker) stehen könnte. Das haben wir auf den Plantagen nämlich zum Sprühen verwendet.“ Orellana zufolge kam es sogar schon zu Flugzeug-Abstürzen, weil die PilotInnen – benebelt von den chemischen Keulen – die Kontrolle über ihre Maschinen verloren.

ALDI bannt Bienenkiller
Der Lebensmittel-Discounter ALDI bannt acht bienengefährliche Agro-Chemikalien. Dazu zählen mit Chlorpyrifos, Clothianidin, Deltamethrin, Fipronil und Imidacloprid auch fünf Wirkstoffe, die BAYER anbietet. „Mit dem Ziel, den Bienenschutz in Deutschland aktiv zu fördern und weiterhin im Sinne der Verbraucher an einer Reduzierung des Einsatzes von Pestiziden zu arbeiten, haben die beiden Unternehmensgruppen ALDI-NORD und ALDI-SÜD im vergangenen Jahr neue Anforderungen an ihre Lieferanten gestellt“, erklärte der Konzern. Diese müssen nun garantieren, dass die landwirtschaftlichen Produkte, die sie ALDI verkaufen, keine Behandlung mit Chlorpyrifos & Co. erfahren haben.

Neues Erdnuss-Pestizid
Der Leverkusener Multi hat mit PROVOST OPTI ein neues Antipilz-Mittel für Erdnuss-Kulturen auf den Markt gebracht. Allerdings handelt es sich dabei um neuen Wein in alten Schläuchen. Die Inhaltsstoffe stimmen mit denen von PROVOST überein. Der Konzern änderte lediglich das Mischungsverhältnis von Prothioconazol und Tebuconazol.

PFLANZEN & SAATEN

Neues Weizenzucht-Zentrum in Kanada
Im Saatgut-Geschäft des Agro-Riesen bildet Weizen einen Schwerpunkt, weil die Ackerfrucht die weitverbreitetste Kulturpflanze der Welt ist. Bis 2020 will der Konzern 1,5 Milliarden Euro in Züchtungsprogramme investieren, um eine führende Rolle in diesem Markt-Segment einzunehmen. Nachdem der Agro-Riese gerade eben erst seine Weizenzucht-Station in Gatersleben erweitert hat, eröffnet er jetzt ein neues Zentrum im kanadischen Saskatchewan. Vor allem hybride, also nicht zur Wiederaussaat geeignete Gewächse will der Konzern dort entwickeln. Auf Qualität kommt es ihm dabei weniger an als auf den Output. „Wer erfolgreich eine wesentlich ertragreichere Weizen-Sorte entwickelt, wird ein lukratives Geschäft auftun“, prophezeit Liam Condon, der Chef von BAYER CROPSCIENCE.

GENE & KLONE

Blockbuster EYLEA
EYLEA, das BAYER-Präparat zur Behandlung der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – erschließt nicht gerade medizinisches Neuland. Laut Konzern zeigte das Pharmazeutikum in Tests lediglich „eine vergleichbare Wirkung (‚Nicht-Unterlegenheit’) gegenüber der Behandlung mit LUCENTIS“. Einen Zusatznutzen mochten dem Gentech-Medikament deshalb weder das „Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWIG) noch die Techniker Krankenkasse bescheinigen. Trotzdem entwickelt sich die Arznei dank BAYERs massivem Werbeaufwand zu einem Blockbuster, der LUCENTIS gehörig Konkurrenz macht: Im zurückliegenden Geschäftsjahr betrug der EYLEA-Umsatz 1,2 Milliarden Euro.

EU lässt BAYERs Gen-Soja zu
Ende Juli 2016 hat die EU BAYERs Gen-Soja mit dem Produktnamen BALANCE eine Einfuhrgenehmigung erteilt (siehe auch SWB 4/16). Die Laborfrucht ist gentechnisch darauf geeicht, auf den Feldern Sprühattacken mit den Herbizid-Wirkstoffen Glyphosat und Isoxaflutol standzuhalten. Da die Menschen darauf nicht „geeicht“ sind, stellen die Rückstände der beiden als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuften Pestizide in den Pflanzen für sie eine ernstzunehmende Gesundheitsgefahr dar. Damit nicht genug, potenzieren sich die unerwünschten Effekte im Zusammenspiel noch einmal: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN kritisierte die Zulassung deshalb.

Lizenz-Abkommen mit ERS
BAYER setzt weiter auf die „Synthetische Biologie“, zum Beispiel auf Gen-Scheren, die das Erbgut angeblich präzise an einer vorgegebenen Stelle auftrennen und dort neue, im Labor hergestellte DNA-Stränge einfügen können. Nachdem der Konzern Ende 2015 ein Joint Venture mit dem US-Unternehmen CRISPR THERAPEUTICS eingegangen ist (siehe STANDORTE & PRODUKTION), schloss er im Mai 2016 eine Lizenzvereinbarung mit der irischen Firma ERS GENOMICS ab. Diese sichert dem Pharma-Riesen den Zugriff auf mehrere Patente, die ERS auf die Anwendung der Schnippel-Technik CRISPR-Cas9 hält.

Gentech lost in Europe
BAYERs Innovationsvorstand Kemal Malik sieht die Zukunft der „grünen Gentechnik“ in Europa düster. „Wir haben die Auseinandersetzung über Gen-Pflanzen in Europa verloren. Ich glaube nicht, dass es noch genug politischen Willen gibt, um den Bann aufzuheben oder wieder in die Debatte einzusteigen“, sagte er der Zeitung The Australian im Marz 2016. Zum Teil gibt er dafür auch der Industrie selber die Schuld: „Wir haben nicht genug Anstrengungen unternommen, um die Technologie zu erklären und die Öffentlichkeit und die Entscheidungsträger mitzunehmen.“

WASSER, BODEN & LUFT

Anhörung zum A1-Ausbau
Das Land Nordrhein-Westfalen plant, die Bundesautobahn A1 auszubauen und im Zuge dessen auch eine neue Brücke über den Rhein zu errichten. Das stößt jedoch auf viel Widerstand, vor allem weil Straßen.NRW dafür Teile der Dhünnaue-Deponie BAYERs wieder öffnen will. Der Landesbetrieb beabsichtigt, den Müll bis zu einer Tiefe von zwei Metern abzutragen und die Grube mit einer Polsterschicht für das Fundament der Straße aufzufüllen. 268 Einwendungen gegen das Projekt erhielt die Bezirksregierung, darunter auch eine der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG). Anfang Juli 2016 fand dazu in der Stadthalle Köln-Mülheim der Erörterungstermin statt (siehe auch SWB 4/16). Zweifel an dem Vorhaben konnten die Straßenbau-BeamtInnen dort allerdings nicht ausräumen, zumal sie selber das Risiko nur vorsichtig „vertretbar“ nannten. Einer ihrer Ingenieure bezeichnete die Auskofferung des ganzen Giftgrabes sogar ganz offen als die eigentlich „optimale Gründung“ für die A1. Auf Altlasten baut es sich nämlich schlecht. Der organische Anteil des Mülls zersetzt sich, weshalb das Volumen abnimmt und mit Bodenabsenkungen zu rechnen ist. Das tut auch Straßen.NRW. „Eine ggf. erforderliche vorzeitige Instandsetzung des Oberbaus ist berücksichtigt“, heißt es in der schriftlichen Stellungnahme des Landesbetriebs zur Einwendung der CBG. Und so gewann dann die von der Coordination und vielen anderen Initiativen vorgeschlagene Alternative, die Hände ganz von der Dhünnaue zu lassen und den Verkehr stattdessen unterirdisch durch einen langen Tunnel zu führen, durch den Erörterungstermin noch mehr an Überzeugungskraft.

Neues Fracking-Gesetz
US-Unternehmen profitieren von den neuen Öl- und Erdgas-Fördertechniken. Das ebenso brachiale wie umweltschädliche Fracking, das mit Hilfe von Chemikalien Risse in unterirdischen Gesteinsschichten erzeugt, um so Vorkommen zu erschließen, hat für einen Boom gesorgt und den Konzernen so zu billiger Energie verholfen. „Die damit günstigeren Produktionskosten in den USA verschärfen natürlich in einigen Bereichen den Konkurrenzdruck“, konstatierte etwa der ehemalige BAYER-Chef Marijn Dekkers. Darum setzte er sich vehement dafür ein, diese Methode auch in der Bundesrepublik zuzulassen: „Fracking wäre für Deutschland eine Alternative.“ Manchmal müsste man auch etwas wagen, um zu gewinnen, so der Niederländer. Darauf wollte sich die Bundesregierung so aber nicht einlassen. Sie verhängte zwar kein generelles Verbot des Frackings, schränkte dieses aber weitgehend ein. Bohrungen in Schiefer-, Ton-, Mergel- und Kohleflöz-Gestein verbietet das neue Fracking-Gesetz. Lediglich Probe-Bohrungen zur wissenschaftlichen Auswertung erlaubte die Große Koalition und erfüllte damit die Mindestanforderung Dekkers’. Mit Hilfe der auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse soll der Bundestag die Regelungen im Jahr 2021 dann noch einmal überprüfen. Sogenanntes konventionelles Fracking im poröseren und deshalb leichter aufzuspaltenden Sandstein können die Energie-Multis jedoch nach wie vor betreiben. Nur müssen nun Umweltverträglichkeitsprüfungen die Unbedenklichkeit erweisen.

Ausgelaugte Böden
Die industrielle Landwirtschaft setzt den Ackerflächen enorm zu. So sorgen schwere Landmaschinen für eine Verdichtung des Grundes, die dessen Fruchtbarkeit mindert. Nach Angaben der Bundesregierung beobachten WissenschaftlerInnen dieses Phänomen bereits auf 10 bis 20 Prozent der deutschen Äcker. Die inzwischen schon 1,4 Millionen Hektar in Anspruch nehmende Kultivierung von Mais als Energiepflanze fördert zudem die Bodenerosion, weil dieses Süßgras sehr langsam wächst und die Erde somit länger Wind und Wetter preisgibt. Die schwache Rückhalte-Wirkung der Feldfrucht sorgte im Frühjahr 2016 auch mit für die immensen Überschwemmungsschäden vor allem in Bayern. Rückstände der Pillen von BAYER und anderen Herstellern im Dünger oder die Düngemittel selber tragen ein Übriges zur Schadensbilanz bei. Wegen dieser beunruhigenden Entwicklung wollte die Europäische Union schon 2010 eine Bodenschutz-Richtlinie auf den Weg bringen. Aber die Landwirtschaftsverbände und BAYER & Co. wehrten sich vehement gegen eine solche Regelung, weil sie strengere Auflagen befürchteten. Sie hatten damit Erfolg: Die Bundesrepublik legte zusammen mit vier anderen Ländern ein Veto ein und blockierte damit das Paragrafen-Werk; 2014 legte es Brüssel endgültig zu den Akten.

Proteste gegen Pipeline-Ausbesserung
Die Gas-Fernleitung zwischen Duisburg und Köln, die unter anderem BAYER, HENKEL und diverse Stadtwerke mit Gas versorgt, stammt aus dem Jahr 1930. Darum ersetzen die Betreiber THYSSENGAS und OPEN GRID EUROPE derzeit die Rohre und führen Ausbesserungsmaßnahmen durch. Unter anderem verbreitern sie den Schutzstreifen auf das seit einiger Zeit gesetzlich vorgeschriebene Maß von 5,70 m. Da die beiden Unternehmen dafür rund 500 Bäume fällen müssen, kam es zu Protesten von NaturschützerInnen und LokalpolitikerInnen. Diese forderten einen anderen Trassen-Verlauf und kritisierten, dass es vor Beginn der Arbeiten kein Planfeststellungsverfahren gab, bei dem Alternativen hätten geprüft werden können.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

Merkel & Co. gegen Bisphenol-Verbot
BAYER ist mit einer Jahresproduktion von ca. einer Million Tonnen einer der größten Produzenten der Industrie-Chemikalie Bisphenol A (BPA). Drei Prozent davon kommen in Verpackungen von Nahrungsmitteln wie etwa Konservendosen zum Einsatz. Die Substanz ähnelt in ihrem chemischen Aufbau Hormonen, was zu Stoffwechsel-Irritationen und so zu Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen führen kann (siehe auch SWB 4/16). Die EU hat deshalb bereits deren Verwendung in Babyflaschen untersagt und für 2019 das BPA-Aus in Thermopapieren wie etwa Kassenzetteln verkündet. Auch hat sie schärfere Grenzwerte erlassen. Frankreich verbot den Stoff in Lebensmittel-Verpackungen sogar grundsätzlich. Die Bundesregierung will diesem Beispiel jedoch nicht folgen. Es gäbe wegen EU-Initiativen zu Bisphenol A „derzeit keinen Spielraum für nationale Regelungen“, erklärte sie in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“. Aber selbst wenn die Große Koalition könnte, würde sie nichts machen: „Für ein generelles Verbot von Bisphenol A in Lebensmittel-Kontaktmaterialien liegt nach Einschätzung der Bundesregierung zudem keine wissenschaftliche Grundlage vor.“

STANDORTE & PRODUKTION

Erste CRISPR-Standorte
Ende 2015 ist der BAYER-Konzern mit dem US-Unternehmen CRISPR THERAPEUTICS ein Joint Venture eingegangen und hat sich damit den verstärkten Zugriff auf eine neue Gentechnologie gesichert. CRISPR arbeitet auf dem Gebiet der „Synthetischen Biologie“ und hat so genannte Gen-Scheren entwickelt, die das Erbgut angeblich präzise an einer vorgegebenen Stelle auftrennen und dort neue, im Labor hergestellte DNA-Stränge einfügen können. Der Leverkusener Multi beabsichtigt, mit Hilfe dieses „gene editings“ Therapien für Blut-, Herz- und Augenkrankheiten zu entwickeln. Auch im Genpflanzen-Bereich beabsichtigt der Agro-Riese, Gen-Scherereien zu machen. Ende August 2016 konkretisierte er diese Pläne. Der Global Player gab mit CASEBIA den Namen der neuen Gesellschaft bekannt und kündigte für das Jahr 2017 die Aufnahme von Forschungstätigkeiten an drei Standorten an. Den größten Betrieb errichtet BAYER im US-amerikanischen Cambridge, kleinere Niederlassungen in San Francisco und in Köln. KritikerInnen trauen den Versprechungen der Gentechnik 2.0 indes nicht, denn so geschliffen wie prophezeit schnippeln die Gen-Scheren dann doch nicht am Erbgut herum. So kam es etwa bei einem Experiment chinesischer ForscherInnen mit Embryonen einerseits an unbeabsichtigten Orten zu den beabsichtigten Mutationen und andererseits an den beabsichtigten Orten zu unbeabsichtigten Mutationen. Sogar Gentech-Befürworter wie Christof von Kalle, der Präsident der „Deutschen Gesellschaft für Gentherapie“, warnen vor übertriebenen Erwartungen. „Für die Anwendung in der Gentherapie bei Menschen wäre es jedoch Voraussetzung, die Effizienz und Verlässlichkeit des Systems noch einmal deutlich nach oben zu treiben. Nur wenn reproduzierbar gezielt Reparatur-Sequenzen von außen an die entsprechende Stelle geschrieben werden können, kann von einem echten Editieren die Rede sein, und dies ist nach heutigem Stand eben noch nicht effizient erreicht“, schreibt der Mediziner in der Faz.

Fabrik-Eröffnung in China
Im Jahr 2014 hatte BAYER das chinesische Unternehmen DIHON erworben. Kurz darauf gab der Konzern den Bau einer neuen Anlage in Majinpu bekannt, um die Produktion der freiverkäuflichen DIHON-Pharmazeutika, wozu sowohl Mittel auf chemischer als auch solche auf Basis der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) gehören, zu steigern. Mit der Fertigungsstätte will der Konzern die Herstellung von TCM-Produkten verdreifachen. Auch freiverkäufliche BAYER-Arzneien beabsichtigt der Pillen-Riese an diesem Standort zu fabrizieren. Anfang 2016 nahm er einen ersten Teilabschnitt in Betrieb; der Abschluss der gesamten Arbeiten ist für 2020 vorgesehen.

RECHT & UNBILLIG

DUOGYNON: Anklage „Mord“
Der hormonelle Schwangerschaftstest DUOGYNON der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING hat ab den 1950er Jahren zu tausenden Totgeburten geführt. Darüber hinaus kamen bis zum Vermarktungsstopp Anfang der 1980er Jahre unzählige Kinder mit schweren Missbildungen zur Welt. Bisherige Gerichtsverfahren um Entschädigung oder die Herausgabe von Firmen-Unterlagen zu diesem Medikament scheiterten. Die Ansprüche seien verjährt, entschieden die RichterInnen. Das können die JuristInnen im Prozess, den Gisela Clerc jetzt in Berlin angestrengen will, jedoch nicht zur Entlastung der Beschuldigten anführen. Die Rentnerin hat nämlich eine Klage gegen Unbekannt wegen Mordes eingereicht. Und für diese Straftat gibt es keine Verjährungsfrist. Clerc bezichtigt die damaligen Beschäftigten von SCHERING, für den Tod ihrer Tochter verantwortlich zu sein, die im Januar 2016 mit nur 47 Jahren an den DUOGYNON-Spätfolgen verstarb. Bei der juristischen Auseinandersetzung stützt sich die 74-Jährige auf neue Dokumente aus dem Berliner Landesarchiv, die belegen, dass die ManagerInnen schon sehr früh Informationen über die fatalen Risiken und Nebenwirkungen des Präparates hatten (Ticker 2/16). Der Leverkusener Multi streitet „einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Einnahme von DUOGYNON und den seinerzeit gemeldeten Fällen“ trotzdem immer noch ab.

ESSURE-Sammelklage in Kanada
ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Medizin-Produkt für eine dauerhafte Empfängnis-Verhütung, hat zahlreiche Nebenwirkungen (siehe auch DRUGS & PILLS). „Starke, stechende Becken-Schmerzen, Unterleibsschmerzen“, nennt etwa Susan Hill. Zudem litt die 38-jährige Kanadierin an blutenden Ausschlägen, bis sie sich dazu entschloss, die Spirale entfernen zu lassen. Dafür beansprucht Hill jetzt Schmerzensgeld: Sie zählt zu den 184 Frauen in ihrem Heimatland, die eine Sammelklage gegen BAYER eingereicht haben. Auch in den USA zogen bereits dutzende ESSURE-Geschädigte vor Gericht.

Neue YASMIN-Klage
In den USA sieht sich der Leverkusener Multi wegen der Nebenwirkungen seiner Verhütungsmittel aus der YASMIN-Familie Tausenden von Prozessen gegenüber, was ihn bereits 1,9 Milliarden Dollar Schadensersatz kostete. In Europa hat BAYER von den Gerichten in Sachen „VerbraucherInnenschutz“ weniger zu befürchten. Aber auch hier häufen sich die juristischen Auseinandersetzungen. Allein 80 Klagen gibt es in Frankreich. In der Bundesrepublik tut sich ebenfalls etwas. Neben Felicitas Rohrer hat nun auch Christian Schock, der seine Frau durch YASMIN verlor, rechtliche Schritte gegen den Pharma-Riesen eingeleitet.

BELT bleibt verboten
Im Jahr 2009 hatte die US-amerikanische Umweltbehörde EPA BAYERs Pestizid-Wirkstoff Flubendiamid eine vorläufige Genehmigung erteilt. Sie machte es dem Leverkusener Multi dabei zur Auflage, noch Studien zu den Effekten der Substanz auf Wasser-Organismen nachzureichen. Das tat der Konzern jedoch bis heute nicht, während die EPA Belege für die Gefährdung aquatischen Lebens durch Flubendiamid fand. Deshalb entzog die Behörde dem Agro-Riesen die Zulassung für den Stoff, den er z. B. unter den Produktnamen BELT und FAME vertreibt. BAYER legte umgehend Widerspruch gegen die Entscheidung ein. Die Beschwerdekammer der EPA erkannte diesen allerdings nicht an, was für BELT & Co. das Aus auf dem US-Markt bedeutet.

FORSCHUNG & LEHRE

Subventionen für Pflanzen-Forschung
„Gemeinsam zu den Pflanzen der Zukunft“ lautet die Losung von Plant 2030. Das vom Bund großzügig geförderte Projekt setzt auf eine „enge Verknüpfung von Wissenschaft und Wirtschaft“ und verkündet: „Neue Forschungsergebnisse fließen auf kürzestem Weg in die Entwicklung neuer Sorten ein“. Bei einer solchen konzertierten Aktion macht BAYER natürlich gerne mit. Für ein Vorhaben zur „Verbesserung der Stress-Resistenz, Ressourcen-Nutzung und Produktivität von Nutzpflanzen“ holte sich der Agro-Riese einen Zuschuss von 1,34 Millionen Euro ab. Und für Forschungen zu Pflanzen-Hormonen, die Einfluss auf das Wachstum haben („Bioregulatoren“), strich er sogar knapp 1,9 Millionen Euro ein.

Neue Pflanzenforschungskooperation
BAYER hat mit dem Forschungszentrum Jülich eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Pflanzenforschung vereinbart. Nach Angaben des Leverkusener Multis wollen sich die Kooperationspartner dabei auf die Wurzeln von Ackerfrüchten konzentrieren. „Die Kultur-Pflanzen der Zukunft müssen Höchstleistungen erbringen. Und die Ertragsleistung hängt mit der Funktionsweise der Wurzeln zusammen. Wir können stärkere Wurzel-Systeme züchten, wenn wir die Wurzel-Phänotypen und die sie steuernden Gene verstehen“, so der BAYER-Manager Raphael Dumain.

[HV-Bericht] STICHWORT BAYER 3/2016

CBG Redaktion

Aktion & Kritik

Turbulente BAYER-Hauptversammlung

Profite & Proteste

Die diesjährige BAYER-Hauptversammlung sollte eine rauschende Abschiedsparty für den scheidenden Vorstandsvorsitzenden Marijn Dekkers werden, denn der Niederländer hatte die Erträge des Leverkusener Multis noch einmal beträchtlich steigern können. Doch dazu ließen es ImkerInnen, Medikamenten-Geschädigte, Pipeline-GegnerInnen und andere Konzern-KritikerInnen nicht kommen. Sie zogen nämlich eine ganz andere Bilanz der Ära Dekkers.

Von Jan Pehrke

Schon früh am Morgen der BAYER-Hauptversammlung war die Polizei mit drei Mannschaftswagen vor dem Kölner Messegelände aufgefahren. Ihr schwante offenbar Böses. Und gut wurde es im Folgenden wirklich nicht für den Leverkusener Multi. Bald nämlich schon füllte sich der Vorplatz mit einem bunten Völkchen, das mit Dividenden so gar nichts im Sinn hatte. ImkerInnen streiften ihre weißen Schutzanzüge über, warfen ihre Rauchbläser an und errichteten einen Bienenfriedhof, um gegen die tödlichen Pestizide made by BAYER zu protestieren, die ihre Tiere elendig verenden lassen. Unterstützung erhielten sie dabei von den fleißigen Bienen des BUND und der Initiative SUM OF US, die überall herumschwirrten und Flugblätter verteilten. Auch GegnerInnen des Ausbaus der Autobahn A1 hatten sich eingefunden, soll doch die neue Strecke teilweise über die Dhünnaue-Deponie des Multis führen, was eine Öffnung des Gift-Grabes notwendig macht. Mit ihrem Chemie-kotzenden Haus aus den alten Zeiten des Protestes gegen die Müll-Lagerstatt führten die Leverkusener den AktionärInnen die Gefahren des Vorhabens plastisch vor Augen. Neben ihnen hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) einen kleinen Kindergarten aufgebaut. Mittendrin injizierte ein Arzt den Kindern mit einer riesigen Spritze BAYER-Stoff – eine drastische Illustration des Angriffs auf die Köpfe der Kleinsten, den der Global Player mit der Verteilung seiner Wimmelbücher in den Horten gestartet hat.

Zu noch extremeren Mitteln griffen aus gegebenem Anlass die vielen Medikamenten-Geschädigten bzw. deren Angehörige. Mitglieder von RISIKO PILLE hatten zum Gedenken an die Frauen, die durch Verhütungspräparate des Pharma-Riesen umkamen, eine Reihe von Kreuzen aufgestellt. „Tina 22 – Pille: YASMIN – Lungenembolie mit Todesfolge“ war darauf beispielsweise zu lesen. Diesen Anblick wollten die Polizei und BAYER dem HV-Publikum möglichst ersparen. Die Ordnungshüter gaben immer wieder rote Linien vor, die der Protest nicht überschreiten dürfe, weil er sonst den AktionärInnen zu nahe gerückt wäre. Sogar Anordnungsstrafen drohten sie an. Das Unternehmen indessen ließ die Busse, welche die Aktien-HalterInnen vom Bahnhof zur Messe kutschierten, nicht etwa direkt vor dem Eingang, sondern weit ab vom Schuss halten. Aber den Konzern-KritikerInnen gelang es trotzdem, die Kontaktsperre zu unterlaufen und die BesucherInnen mit Informationen zu versorgen.

In der Halle selber tat sich denen dann ein völlig andere Welt auf. Hatte der Global Player draußen noch „low profile“ gezeigt und alle optischen Hinweise auf sich selber und seine Hauptversammlung getilgt, um nicht zusammen mit den AktivistInnen auf einem Presse-Foto zu erscheinen, so zeigte er im „geschützten Raum“ vollen Einsatz. Kaum ein Quadratzentimeter Wand blieb als BAYER-Werbefläche ungenutzt. Und hatte es vor den Toren auf einem CBG-Transparent noch geheißen: „Opgepast Marijn Dekkers, Profit is niet lekkers!!“, so fanden Aufsichtsrat und Aktionärs-Vertreter in der Messehalle gerade daran Geschmack. „Sie haben die vom Aufsichtsrat in Sie gesteckten Erwartungen mehr als erfüllt, BAYER hervorragend weiterentwickelt und entscheidende Weichen gestellt“, bedankte sich Aufsichtsratschef Werner Wenning bei dem Niederländer, hatte der die Aktien-Gesellschaft doch zwischenzeitlich sogar zum wertvollsten Konzern Deutschlands gemacht. Marc Tüngler von der „Schutzvereinigung für Wertpapier-Besitz“ mochte da nicht hintanstehen und schwärmte von einer „extrem beeindruckenden Performance“.

Aber nach diesen Ausführungen und der Rede von Marijn Dekkers himself war es mit der Profit-Herrlichkeit auch schon wieder vorbei. Die KritikerInnen übernahmen das Wort und sollten es bis zum Ende der Veranstaltung nicht mehr abgeben. 24 Einsprüche gegen die Logik des Kapitals formulierten sie und setzten dabei Themen wie Nebenwirkungen von Medikamenten, Bienensterben und andere Pestizid-Folgen, Gentechnik, die Kohlenmonoxid-Pipeline, Steuertricks, Konzern-Propaganda und die Lage der Beschäftigten auf die Tagesordnung. So mancher von ihnen nahm dafür eine weite Anreise in Kauf. Mani Prakash etwa war extra aus Indien nach Deutschland geflogen, um darzulegen, was BAYER-Pestizide in ihrem Land anrichten. Allerdings durfte sie es nicht selber tun: Obwohl der Konzern sich immer viel auf seine Internationalität zugute hält, besteht er bei seinen Hauptversammlungen auf „Deutsch“ als Amtssprache. So sprang Carolijn Terwindt vom EUROPEAN CENTER FOR CONSTITUTIONAL AND HUMAN RIGHTS der Inderin bei und verlas die Übersetzung des Beitrags. „Ich bin eine Anwältin aus Bombay. Vor Kurzem habe ich mehrere Dörfer in Indien besucht, um mir selbst ein Bild zu machen von den Vorteilen der Pestizid-Nutzung durch die örtlichen Bauern. Zu meiner Überraschung musste ich feststellen, dass BAYER in diesen Dörfern erhebliche Verletzungen nationaler und internationaler Gesetze und Standards vorgeworfen werden kann“, bekamen die AktionärInnen so zu hören. Der Agro-Riese informiert nämlich Prakash zufolge weder HändlerInnen noch LandwirtInnen in ausreichendem Maße über die Gefahren der Ackergifte und verstößt damit gegen die Richtlinien der UN-Welternährungsorganisation FAO. Überdies hält er kaum Schulungen ab und verteilt auch keine Schutzkleidung. Zudem fehlen auf den Packungen in verständlicher Form angebrachte Sicherheitshinweise. Als Folge davon klagen viele FarmerInnen über Hautreizungen, Kopfschmerzen, Übelkeit und Fieber. „Besonders problematisch ist, dass viele Kinder auf den Äckern und auch beim Sprühen von Pestiziden helfen. Auch sie leiden dann unter brennenden Augen und Haut-Problemen“, klagte die Juristin aus Bombay an.

Gemma López kam aus Spanien nach Köln. ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, hatte sie dazu veranlasst. Eine schier unendliche Krankengeschichte hatte sie im Gepäck. Und da diese möglichst wenig AktionärInnen zu Gehör kommen sollte, hat die Hauptversammlungsregie López – ebenso wie die anderen Medikamenten-Geschädigten – erst spät am Nachmittag vor das Mikrofon treten lassen. Von Unterleibsbeschwerden, Uterus-Kontraktionen, chronische Erschöpfung, schmerzvollem Geschlechtsverkehr und Organ-Schädigungen berichtete die Spanierin. „Die Schmerzen waren manchmal unerträglich, und unser Leben verwandelte sich in einen Alptraum“, so López. Fünf Jahre dauert das Martyrium nun schon an, und ein Ende ist immer noch nicht abzusehen. Nachdem die ÄrztInnen der Frau schon die Eileiter entfernen mussten, steht demnächst die Extraktion der Gebärmutter an. In fast perfektem Deutsch warnte sie den Vorstand: „Seien Sie sich eines bewusst: Die betroffenen Frauen in Europa sowie in den Vereinigten Staaten mobilisieren sich, damit die Gesundheitsämter in dieser Sachlage eingreifen!“

López engagiert sich dafür in der Assoziation der spanischen ESSURE-Geschädigten. Angélica del Valle steht dieser Organisation vor. Die 33-Jährige stellte deshalb in der Messe-Halle von Anfang an klar, dass sie nicht nur für sich selbst spricht. Gleich nachdem sie dem Saal ihren Namen genannt hatte, ergänzte sie: „Auch heiße ich Gemma und Elena“ und fuhr dann nach einer Weile fort: „Ich bin auch Angie – 5.300 betroffene Frauen in den Vereinigten Staaten, bin Marielle – 1.550 Frauen in Frankreich.“ In Österreich endete schließlich ihre Vorstellungstour.

Die Mitglieder von RISIKO PILLE – INITIATIVE THROMBOSE-GESCHÄDIGTER griffen zu einer anderen Methode, um sich nicht als bedauerliche Einzelfälle abspeisen zu lassen: Sie schritten gleich in Mannschaftsstärke vor das Mikrofon. Christin Berndt sprach für die Gruppe und konfrontierte den Saal zu Beginn mit acht Schicksalen von Frauen, denen die BAYER-Verhütungsmittel wegen ihres besonders hohen Thrombose-Risikos zum Verhängnis wurden. „Luisa wurde nur 17 Jahre alt. Sie starb nach dreistündigen Wiederbelebungsmaßnahmen an einer Lungenembolie. Tina brach auf dem Bürgersteig zusammen, wurde vergeblich eine Dreiviertelstunde reanimiert und starb mit nur 22 Jahren an einer Lungenembolie“, hob sie an und schloss ihre Aufzählung mit der 23-jährigen Nina, während Susan Tabbach die Portraits der Verstorbenen hochhielt. „Diese acht Frauen, Herr Dr. Dekkers, sind Teil ihrer Bilanz“, resümierte Berndt und hielt fest: „Sie stehen stellvertretend für die hunderten von toten und zehntausenden von geschädigten Frauen weltweit, die nach Einnahme ihrer Produkte schwere gesundheitliche Schäden erlitten haben oder verstorben sind.“
Auch Stephan Schickentanz erhob Einspruch gegen die verharmlosende Rede von den Einzelfällen und widerlegte sie mathematisch. Es stützte sein Rechen-Exempel auf die rund zwei Milliarden Dollar, welche der Pharma-Riese in den USA bisher schon als Entschädigungen gezahlt hat und fragte den Vorstand: „Entschuldigung, Milliarden-Beiträge für Einzelfälle? Wie viel Geld hat eine geschädigte Frau denn bekommen? 20 Millionen oder 50 Millionen Euro??? Nein, liebe Aktionäre, keine Frau hat 20 Millionen bekommen, sondern nur einen minimalen Bruchteil davon.“

Und damit endeten die Beiträge zu den bitteren Pillen aus dem Hause BAYER noch lange nicht. Andre Sommer ergriff zu dem Schwangerschaftstest DUOGYNON das Wort, den der 2006 vom Leverkusener Multi geschluckte SCHERING-Konzern bis in die 1970er Jahre hinein vermarktet hatte – mit verheerenden Folgen. Tausende Mütter brachten Kinder mit Geburtsfehlern wie Herzstörungen, offenen Rücken, deformierten Gliedmaßen und/oder Organ-Schädigungen zur Welt. Auch Sommer hat bereits zahllose Operationen hinter sich. In Köln berichtete der Lehrer von seinen neuen Archiv-Funden. Diese belegten einmal mehr, dass SCHERING schon sehr früh von den verheerenden Wirkungen des Mittels wusste – und alles tat, um nichts tun zu müssen.
Angesichts der erdrückenden Belege riet ein Experte SCHERING den Dokumenten zufolge, in den Schadensersatz-Prozessen bei der Kausalitätsfrage anzusetzen und systematisch Zweifel an dem ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Medikament und den unerwünschten Arznei-Effekten zu säen. Zudem eruierte der Konzern die politische Stimmung im Unterhaus und ließ PolitikerInnen-Dossiers anfertigen. Über einen Mandatsträger hieß es darin beispielsweise: „Ein führender linker Flügelspieler, unnachgiebig, sehr klug, ein gewaltiger Gegner, vollkommen unbestechlich“. Auch mit Wissenschaftlern schloss der Konzern sich kurz. Ein Mitarbeiter der englischen Gesundheitsbehörde traf sich auf den Bermudas mit UnternehmensvertreterInnen und sicherte ihnen zu, eine DUOGYNON-kritische Untersuchung zu vernichten. Ein Mediziner sandte SCHERING sogar seine Studie vor der Veröffentlichung zu und fragte servil an: „Haben Sie wichtige Vorschläge für Text-Änderungen?“ Damit nicht genug, machte er überdies das Angebot: „Falls größere, gravierendere Passagen geändert werden müssten, könnte ich evtl. auch das Manuskript vom Verlag zurückerbitten, bevor es in Druck geht.“ „Sieht so für den BAYER-Konzern unabhängige Wissenschaft aus? Ist das die gängige Art?“, fragte Andre Sommer bohrend.

Marijn Dekkers gab die Antwort darauf en passant. Ungerührt verwies er Sommer und anderen Medikamenten-Geschädigten gegenüber auf genau solche Expertisen, um die Arzneien des Pharma-Riesen zu exkulpieren. „Das Nutzen/Risiko-Profil von ESSURE ist in über 100 Studien dokumentiert“, beschied er etwa Gemma López. Und „kein ursächlicher Zusammenhang“ bestehe zwischen DUOGYNON und den beschriebenen Gesundheitsschädigungen, konstatierte der Ober-BAYER. Die Betroffenen treffen solche Worte bis ins Mark. Sie können nicht verstehen, wie jemand so nonchalant über konkretes Leid hinweggehen kann und brauchen entsprechend lange, um die Hauptversammlung „ wegzustecken“. Umso mehr Respekt verlangt einem ihre Bereitschaft ab, sich dieser Belastung auszusetzen.
Margret-Rose Pyka, die DUOGYNON nutzte und deshalb ein behindertes Kind zur Welt brachte, kannte die formelhaften Ausführungen Dekkers’ schon aus früheren Hauptversammlungen. „Ich stelle keine Fragen, weil ich die Antworten nicht ertragen kann“, entschied sie deshalb. Andere versuchten stattdessen, die Worthülsen-Produktion zum Erliegen zu bringen, indem sie auf den „menschlichen Faktor“ bauten. Sie sprachen die BAYER-Vorstände als „Familien-Väter“ an, die als solche doch Anteil nehmen müssten etwa an dem Schicksal der Kontrazeptiva-Geschädigten, die ihre Töchter hätten sein können.

Aber es war nichts zu machen. Den Managern blieb alles Menschliche fremd. Und das musste es auch, denn „es handelt sich hier um Personen nur, soweit sie die Personifikation ökonomischer Kategorien sind“, wie Karl Marx im „Kapital“ schrieb. Und als solche Personifikationen gehen sie auch über Leichen, wenn’s der Geldvermehrung dient. Axel Köhler Schnura vom Vorstand der CBG sagte das dem BAYER-Chef auf den Kopf zu: „Sie haben für die Profite rücksichtslos Menschenleben, soziale Rechte und die Umwelt geopfert.“ Entsprechend zog der Diplom-Kaufmann eine ganz andere Bilanz der Ära Dekkers als der Aufsichtsratsvorsitzende Werner Wenning. Er machte das an drei Beispielen fest und nannte die durch BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO und die Verhütungsmittel der YASMIN-Reihe verursachten Todesfälle sowie die Arbeitsplatzvernichtung innerhalb des Konzerns durch die Trennung vom Kunststoff-Geschäft. Davon zeugte dann auch das Abschiedsgeschenk, das Köhler-Schnura für den Vorstandsvorsitzenden vorbereitet hatte: drei T-Shirts, die unter dem BAYER-Logo von den YASMIN- und XARELTO-Opfern sowie von den Stellen-Streichungen kündeten.

Während der Konzern für Profite über Leichen geht, hat er auch noch die Chuzpe, seinerseits die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN anzuklagen. „Die Haltung der Coordination steht nicht immer mit den Grundwerten der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Einklang. So hat die CBG beispielsweise zum Ziel, BAYER ‚unter gesellschaftliche Kontrolle’ zu stellen“ – mit dieser Begründung lehnt das Unternehmen einen Dialog mit der Coordination ab. CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes griff dieses Statement in seiner Rede auf und erteilte dem Vorstand politischen Nachhilfe-Unterricht. Er zitierte aus der nordrhein-westfälischen Landesverfassung Paragrafen, die vorsehen, Großbetriebe in Gemeineigentum zu überführen, wenn sie eine monopolartige Stellung erlangen, und Zusammenschlüsse, die ihre wirtschaftliche Macht missbrauchen, mit einem Verbot zu belegen. „Unsere Forderung, BAYER unter gesellschaftliche Kontrolle zu stellen, geht also viel weniger weit als der Verfassungstext“, schlussfolgerte Mimkes.

Bis in die frühen Abendstunden zogen sich die Beiträge der Konzern-KritikerInnen. Von dem kleinen Intermezzo zu Beginn der Hauptversammlung abgesehen, hatten sie die Veranstaltung dominiert. Aber obwohl vielen von ihnen in ihren Reden sogar noch explizit dazu aufgefordert hatten, bei der abschließenden Abstimmung Vorstand und Aufsichtsrat nicht zu entlasten, spiegelte sich das in den Ergebnissen nicht wieder. Diese prägen nämlich Banken, Investment-Fonds und andere Großaktionäre. Immerhin jedoch erzielte die CBG Achtungserfolge mit 1,6 Prozent Nein-Stimmen bei der Entlastung des Vorstands und 4,3 Prozent Nein-Stimmen bei der Entlastung des Aufsichtsrats.
Nicht in solchen Zahlen bemisst sich für die Coordination jedoch der Lohn ihrer Arbeit. Der CBG kommt es vielmehr darauf an, mit ihren HV-Aktionen ein Bewusstsein für die Risiken und Nebenwirkungen der Profit-Jagd zu schaffen. Und dies gelang. Im Saal selber spendeten viele Aktien-HalterInnen den Gegen-RednerInnen Beifall, und nach außen drang ihr Engagement auch. Bis in indische Zeitungen hinein gelangte beispielsweise die Kunde von den 1,4 Millionen Unterschriften zum Stop von Bienenkiller-Pestiziden, die AktivistInnen von SUM OF US dem Vorstand an diesem 29. April überreicht hatten.

Inhalt zum erfolgreichen Protest:
1.: Applaus bei vielen der rEden
2. Vorstand ganz bewusst Reden von Betroffenen durch Pharma-Schäden ans Ende der Veranstaltung als Saal leer: Viele der Anwesenden sind normale Leute.
3.: Abstimmung am Ende: Der Saal war leer (noch max. hundert Leute da) dennoch waren über 50% aller BAYER Aktien vertreten, nur ca. 0.2% weniger als zu dem Zeitpunkt als der Saal noch voll war. D.h. Stimmergebnis um so beeindruckender für uns.

KASTEN

  • 1

Schamlose Profite
Eine BAYER-Aktie hat einen Anteil am Kapital des Konzerns von 2,56 Euro. Auf jede Aktie wurde eine Dividende von 2,50 Euro ausgeschüttet. Das entspricht einer Kapital-Rendite von sage und schreibe 98,0 Prozent. Um diese Schamlosigkeit in der Öffentlichkeit zu verschleiern, wählt der Global Player als Berechnungsgrundlage jedoch den aktuellen Kurs-Wert seiner Aktie, der sich gegenwärtig auf etwa 108 Euro beläuft. Damit fällt die Dividende – Hokuspokus – auf lediglich 2,3 Prozent.

Kasten

  • 2

Abstimmungsergebnisse
Die Abstimmungen auf den AktionärInnen-Hauptversammlungen der Konzerne dominieren wenige GroßaktionärInnen (Ultrareiche, Investmentfonds, Banken etc.) Sie sorgen für sichere Mehrheiten von 90 Prozent + x. Die vielen hunderttausend KleinaktionärInnen besitzen zusammen lediglich fünf bis zehn Prozent der Aktien. Entsprechend beachtlich sind die Abstimmungsergebnisse für Kritischen AktionärInnen bei BAYER. (Da das Unternehmen die Anzahl der Enthaltungen nicht nennt, ergeben sich im Verhältnis der absoluten Zahlen zu den Prozent-Angaben Schwankungen.)

Gewinn-Verwendung
Nein-Stimmen: 892.410 (0,2 Prozent); Vorjahr: 0,3 Prozent

Entlastung Vorstand
Nein-Stimmen: 7.646.422 (1,6 Prozent); Vorjahr: 1,5 Prozent

Entlastung Aufsichtsrat
Nein-Stimmen: 20.356.571 (4,3 Prozent); Vorjahr: 3,1 Prozent

Vergütungssystem Vorstand
Nein-Stimmen: 91.596.999 (18,9 Prozent)

[HV Bericht] STICHWORT BAYER 03/2015

CBG Redaktion

KritikerInnen dominieren BAYER-HV

Das Tribunal

Die „verkehrte Welt“, die sich auf der letzten BAYER-Hauptversammlung mit der großen Dominanz von Konzern-KritikerInnen auftat, kam auch am 27. Mai nicht wieder ins Lot. Erneut lasen 26 RednerInnen dem Konzern von morgens früh bis abends spät die Leviten. Sie setzten sich mit gefährlichen Medikamenten, Plastik-Abfällen, der Vergangenheitspolitik des Konzerns, der Abspaltung der Kunststoff-Sparte sowie all den vielen anderen ohne Rücksicht auf Verluste betriebenen geschäftlichen Aktivitäten zur Rendite-Steigerung auseinander.

Alle Redebeiträge finden Sie hier

Eigentlich schien das unwiederholbar: 2014 auf der BAYER-Hauptversammlung hatten 26 Konzern-KritikerInnen Einspruch gegen die gnadenlose Profit-Jagd erhoben und damit die RednerInnen-Liste ganz klar dominiert. Und jetzt das: Erneut traten 26 RednerInnen ans Pult, und konfrontierten Konzern und AktionärInnen ebenso umfangreich wie qualifiziert mit Kritik an den profitablen Geschäften. Auch vor der Kölner Messehalle braute sich wieder viel zusammen. Das Unternehmen versuchte jedoch mit allen Mitteln zu verhindern, dass Bilder davon künden und ein Firmenlogo neben den Protestaktionen auftaucht: Keine BAYER-Fahne, kein Plakat und kein sonstiger Hinweis zeigte an, dass hier einer der großen Dax-Konzerne sein jährliches AktionärInnen-Treffen abhielt.

Trotzdem war klar, dass hier gegen die Geschäftspolitik von BAYER demonstriert wurde. Dafür sorgten schon die eindeutigen Transparente und Flugblätter. Und wie in den vergangenen Jahre herrschte vor dem Eingang zur Hauptversammlung ein buntes Treiben. ImkerInnen zeigten sich in voller Montur mit ihren Arbeitsgeräten und protestierten gegen BAYERs bienenschädigende Pestizide. Unterstützung erhielten sie dabei von BUND- und SumOfUs-VertreterInnen, die in Bienen-Kostüme gehüllt Flugblätter verteilten. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN war derweil in See gestochen und hatte auf dem Messe-Gelände ein Meer angelegt, in dem Spülmittel-Flaschen und andere Behältnisse schwammen, um den AktionärInnen das Plastikmüll-Problem plastisch vor Augen zu führen. Darüber hinaus machten junge Frauen mit T-Shirts, die mit Aufdrucken wie „Erfolgsbilanz ‚die Pille’: Valerie, 23, Schlaganfall“ Einblick in ihre Krankenakten gaben, auf ihr Schicksal als Verhütungsmittel-Geschädigte aufmerksam. Andere riefen mit Plakaten die Risiken und Nebenwirkungen der Medikamente des Pharma-Riesen ins Gedächtnis. Zu einem drastischeren Mittel griff das Ehepaar Zwartje: Es konfrontierte die AktionärInnen mit einem großen Foto, das ihre durch eine BAYER-Pille gestorbene Tochter Lena zeigt.

Drinnen offenbarte sich den HV-BesucherInnen dann ein Kontrastprogramm. „BAYER-Aktionäre treffen auf heile und kranke Welten“, so drückte es die Rheinische Post aus. Heil war die Welt des Profits, und zwar gerade weil sie ihre Ziele ohne Rücksicht auf Verluste für Mensch, Tier und Umwelt verfolgt: Um zwei Seiten einer Medaille handelt es sich bei den beiden auf den ersten Blick so disparaten Sphären. Und um den Aktien-HalterInnen den Übergang ein wenig zu erleichtern, zeigte BAYER-Chef Marijn Dekkers zu Anfang seiner Hauptversammlungsrede sogar Gefühle. Er erzählte davon, wie sehr ihn als gelernter Chemiker bei seinem Vorstellungsgespräch die Konzern-Maxime „Science For A Better Life“ beeindruckt habe. „Wissenschaft. Für ein besseres Leben. Das hat mich umgehauen“, schwärmte er und entschuldigte sich sogleich für seinen lockeren Umgangston, der vermutlich eher der von BAYERs Kommunikationschef Herbert Heitmann war.

Nach dieser Overtüre ging Dekkers allerdings rasch wieder zum „Business as usual“ über und widmete sich dem schnöden Zahlenwerk. Er sprach über den Rekord-Umsatz, die Kurs-Entwicklung, die Wachstumstreiber, die Profit-Aussichten im laufenden Geschäftsjahr und verkündete eine Dividenden-Erhöhung. Dafür bedankten sich die anschließend zu Wort kommenden zwei AktionärInnen-Vertreter dann auch artig und beendeten damit gleichzeitig das Kontrastprogramm. Von nun an folgten bis zum Abend nur noch Beiträge über „kranke Welten“. Dem Global Player blieb dabei nur übrig, „die schlechtesten aller Welten“, die emotional erschütternden Zeugnisse der Medikamenten-Geschädigten oder ihrer Angehörigen, ganz an den Schluss der Veranstaltung zu setzen, in der Hoffnung, die meisten AktionärInnen hätten sich da schon längst auf die Heimreise gemacht.

Als aber beispielsweise Karl Murphy zum RednerInnen-Pult schritt, war der Saal bei Weitem nicht leer. So konnten noch viele mitverfolgen, welche verheerenden Folgen der von seiner Mutter genutzte Schwangerschaftstest DUOGYNON bei ihm hatte. Der Engländer zeigte den HV-BesucherInnen die Auswirkungen des Pharmazeutikums, das der 2006 von BAYER geschluckte Konzern SCHERING bis in die 1970er Jahre hinein vermarktete, indem er seine beiden Hände mit den teilweise verstümmelten Fingern hochhielt. In seiner Rede, deren Übersetzung Anabel Schnura vortrug, trug er überzeugende Belege für das Gefährdungspotenzials des Präparates vor. „Ich bin im Besitz von 102 Studien, darunter auch Studien aus Deutschland, die über 3.500 Fälle von Missbildungen bei Babys aufzeigen, deren schwangere Mütter entweder hormonelle Schwangerschaftstests oder die Antibaby-Pille verordnet bekamen“, so Murphy. Und er warf dem Unternehmen vor, schon frühzeitig von den Risiken gewusst zu haben, ohne die ÄrztInnen darüber zu informieren.

Margret-Rose Pyka hatte wie Karl Murphys Mutter DUOGYNON nichtsahnend angewendet und wie sie ein Kind mit einer Behinderung zur Welt gebracht. „Sie müssen sich vorstellen, das sind zwei kleine Tabletten, die haben die Wirkung von zwei bis drei Packungen Antibaby-Pillen, und diese geballte Hormon-Bombe kommt auf ein paar Millimeter werdendes Leben. Und damit rechnet man als Frau nicht“, mit diesen Worten beschrieb sie die fatalen Effekte des Produktes. Pyka hatte sich später auch in einer Initiative engagiert, um andere Menschen das Schicksal ihrer Familie zu ersparen, stieß dabei allerdings rasch auf Grenzen: „Ich habe damals mit den Behörden gesprochen, und die Behörden haben mir gesagt: ‚Wir können das Produkt nicht vom Markt nehmen, weil die Markt-Macht von SCHERING zu groß ist“. Zum Schluss brachte sie das Thema „Entschädigungen“ zur Sprache. „Wir sind alle eine BAYER-Familie. Da gibt es auf der einen Seite die Mitarbeiter, die den Gewinn erwirtschaften, und dann gibt es in der Familie diejenigen, die von BAYER-Produkten negativ betroffen sind, und jetzt ist die Frage, wie geht so eine BAYER-Familie mit ihren Mitgliedern um, und zwar mit den Schwachen“, führte sie aus und schlug dem Vorstand vor, einen Runden Tisch zur Schadensregulierung einzuberufen.

Margret-Rose Pyka war offenbar der Meinung, unter vernünftigen Menschen müsste sich für solch ein Problem doch eine Lösung finden lassen. Aber die BAYER-ManagerInnen betrachten sich nicht als Personen, die frei über solche Angebote entscheiden können. Sie sehen sich an den Auftrag der Eigentümer des Konzerns, vor allem der GroßaktionärInnen und der InvestorInnen, gebunden, so viel Profit wie möglich zu erwirtschaften. Und ein Entgegenkommen in der Schadensersatz-Frage birgt in den Augen des Vorstandes das Risiko, weitere Ansprüche von Geschädigten nach sich zu ziehen und so den Gewinn zu schmälern. „Selbstverständlich stehen wir zu unseren Produkten, wir müssen aber bei der Regulierung von Ansprüchen auch juristische Aspekte mit berücksichtigen“, so drückte Marijn Dekkers diesen Sachverhalt aus und beschied Pyka: „Im von Ihnen angesprochenen Kontext sehen wir daher keine Grundlage für Entschädigungszahlungen.“

Was die verheerenden Wirkungen der Antibaby-Pillen aus der YASMIN-Produktfamilie betrifft, sahen allerdings US-amerikanische Gerichte „eine Grundlage für Entschädigungszahlungen“. 1,9 Milliarden Dollar musste der Konzern bisher dafür aufwenden. Das sei „den Besonderheiten des Rechtssystems in den USA“ geschuldet und beruhe auf den spezifischen Fakten des jeweiligen Einzelfalles, so Dekkers auf eine entsprechende Frage der YASMIN-geschädigten Kathrin Weigele. Er hob jedoch auch hier wieder den „juristischen Aspekt“ hervor, dies sei im Rahmen eines Vergleiches und ohne Anerkenntnis einer Haftung geschehen.

Für Weigele, ihre Leidensgenossin Felicitas Rohrer sowie für das Ehepaar Zwartje, das die beiden Frauen zum Rednerpult begleitet hatte, denen keine so verbraucherschutz-freundliche Gerichte wie in den Vereinigten Staaten zur Seite stehen, hatte BAYER nur formelhafte Beileidsbekundigungen übrig. Felicitas Rohrer hatte sich vorher solche Floskeln ausdrücklich verbeten, Marijn Dekkers ließ sich davon allerdings nicht abhalten. „Deshalb wiederhole ich mich zwar, wenn ich Ihnen sage, dass mich ihre persönliche Geschichte bewegte und weiter bewegt“, eröffnete der Vorstandsvorsitzende der jungen Frau, bevor er wieder zur Tagesordnung überging: „Das Sicherheitsprofil unserer oralen Kontrazeptiva entspricht dem vergleichbarer hormoneller Verhütungsmittel auf dem Markt.“

Unerbittlich zeigte sich der Leverkusener Multi auch wieder in der Sprach-Frage. Der Aufsichtsratsvorsitzende Werner Wenning als Versammlungsleiter untersagte es Valerie Williams, die wie Karl Murphy extra aus Großbritannien angereist war, um über ihre Erfahrungen mit dem Schwangerschaftstest DUOGYNON zu berichten, ihre Rede in der Muttersprache zu halten. Während Wenning als Aufsichtsratsmitglied der DEUTSCHEN BANK kein Problem damit hatte, dass sich der damalige Co-Vorsitzende Anshu Jain auf deren Hauptversammlung größtenteils des Englischen bediente, blieb der ehemalige BAYER-Chef Williams gegenüber hart: „Redebeiträge und Fragen sind auch in diesem Jahr nur in deutscher Sprache möglich“. CBG-Vorstandsmitglied Axel Köhler-Schnura kritisierte das scharf. „Wann wird dieser entwürdigende, skandalöse und arrogante großdeutsche Sprach-Zopf bei BAYER endlich abgeschnitten“, fragte er. Aber Wenning zeigte sich uneinsichtig. „Wieso Sie den Gebrauch der deutschen Sprache für arrogant halten und als skandalös empfinden, erschließt sich mir übrigens, Herr Köhler-Schnura, nicht“, so der Ober-Aufseher des Konzerns.

Das CBG-Urgestein setzte aber auch noch andere Themen auf die Agenda der Hauptversammlung. Er sprach über das, was Marijn Dekkers in seiner Eröffnungsrede als den „Wandel zu einem reinen Life-Science-Unternehmen“ und eine Konzentration „auf unsere innovationsstärksten Bereiche“ beschrieben hatte: die Trennung von der Kunststoff-Sektion BAYER MATERIAL SCIENCE. „Dieser schwerwiegende Eingriff in den Betriebsfrieden dient einzig und allein dazu, die bereits unverschämte Profit-Rate weiter zu steigern“, konstatierte Köhler-Schnura und prophezeite den dort Beschäftigten ein ähnliches Schicksal wie den KollegInnen der 2004 ausgegliederten, heute unter dem Namen LANXESS firmierenden Plaste- und Chemie-Sparte: „Lohndumping und Vernichtung von Arbeitsplätzen im großen Stil“. Darüber hinaus griff der Diplom-Kaufmann noch BAYERs windige Umtriebe im Netz auf. Der Konzern hatte eine Agentur beauftragt, um „Online-Reputationsmanagement“ zu betreiben und mittels gefaketer Postings auf Facebook und in Foren Produkte des Unternehmens anzupreisen, komplett mit kruden Rechtschreibfehlern als besonderem Authentizitätsausweis. „Ich wüsste schon gerne von Ihnen, Herr Dekkers, wie sich solche (...) Methoden ihres Konzerns mit den von Ihnen immer wieder beschworenen Verhaltensregeln vertragen, in denen so Sätze zu lesen sind wie: ‚BAYER bekennt sich ohne Einschränkung zum Wettbewerb mit fairen Mitteln?’“ Da blieb dem Niederländer kaum etwas anderes übrig, als den Vorgang zu bedauern. Als eine Unternehmensstraftat wertete er die Manipulationen allerdings nicht, für ihn handelte es dabei lediglich sich um Einzelfälle bzw. „Aktivitäten einzelner Mitarbeiter“, die dann auch als Bauernopfer herhalten und den Pharma-Riesen verlassen mussten.

CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes sprach ebenfalls ein ganzes Bündel von problematischen BAYER-Aktivitäten an. So kritisierte er die massenhafte Herstellung von biologisch nicht abbaubaren Kunststoffen, deren drastische Folgen für die Ozeane die Coordination vor den Messehallen mit dem vor Plastikmüll berstenden Miniatur-Meer illustriert hatte. Als den „Gipfel nicht-nachhaltiger Kunststoff-Produktion“ bezeichnete Mimkes dabei die Fertigung von Mikroplastik für die Kosmetik-Industrie, das Kläranlagen mühelos überwindet und ungefiltert in die Gewässer gelangt. Aber nicht nur die Chemie-Wende, auch die Energie-Wende hat der Leverkusener Multi dem CBGler zufolge verschlafen, und zwar so sehr, dass der Konzern sich im Gegensatz zu den vergangenen Jahren gar nicht mehr traut, den verschwindend geringen Prozentsatz, den der Anteil erneuerbarer Energien in seinem Strom-Mix einnimmt, im Geschäftsbericht aufzuführen. Weit entfernt davon, hier eine Umkehr einzuleiten, setzt der Global Player auch noch auf die mit vielen Umweltrisiken behaftete Fracking-Technologie. „Offenbar werden hier bei BAYER entscheidende Weichen falsch gestellt“, resümierte Mimkes. Nicht nur mit der Zukunft tut sich das Unternehmen jedoch schwer, sondern auch mit der Vergangenheit. Noch vor zwei Jahren hatte Dekkers auf der Hauptversammlung die „historischen Verdienste“ des ehemaligen BAYER-Generaldirektors Carl Duisberg gerühmt, der im Ersten Weltkrieg mitverantwortlich für die Entwicklung von Chemie-Waffen und die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen war und später einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörderkonzerns IG FARBEN hatte. Anlässlich des 100. Jahrestages des ersten Giftgas-Einsatzes im belgischen Ypern wies Mimkes noch einmal auf die fatale Rolle Duisbergs bei der Entwicklung dieser Massenvernichtungswaffe hin und nannte dies als einen der Gründe dafür, warum sich immer mehr Städte und Gemeinden entscheiden, ihre Carl-Duisberg-Straßen umzubenennen.

Der große Vorsitzende wollte es allerdings nicht zulassen, am Denkmal zu rütteln. „Die historische Forschung würdigt die Leistung Carl Duisbergs als herausragende Unternehmer-Persönlichkeit“, konstatierte er und hielt fest: „Die angesprochenen historischen Themen bedürfen einer differenzierten Beurteilung durch Fach-Historiker, sie sollten daher meines Erachtens nicht Gegenstand gesellschaftspolitischer Agitation sein.“ In diesem Sinne sprach er dann auch von der Umbenennungsinitiative als „einer gesteuerten Kampagne“. Und sein Blick in die Zukunft entsprach ebenfalls nicht dem von Philipp Mimkes. Für Marijn Dekkers war bei BAYER alles im grünen Bereich. Von einer Mikroplastik-Produktion in den heimischen Werken wusste er nichts, und die Erneuerbaren Energien seien leider „im größeren Stil nicht wirtschaftlich“, aber ungeachtet dessen sah er den Multi dank angeblich hocheffizienter Kraftwerke und hochinnovativer Verfahrenstechnologien in der Kunststoff-Fertigung voll auf Nachhaltigkeitskurs.

Auf unzählige weitere Fragen musste der Vorstandsvorsitzende an diesem Tag Antworten bzw. Schein-Antworten finden. Die Konzern-KritikerInnen setzten noch das Bienensterben sowie andere Risiken und Nebenwirkungen von Ackergiften, die Gentechnik, Tierversuche, die Kohlenmonoxid-Pipeline, BAYERs Steuervermeidungsstrategien, die Rolle des Großinvestors BLACKROCK, die Datensicherheit und die JADELLE-Kontrazeptiva auf die Tagesordnung. Damit bestimmten sie den ganzen Ablauf der Hauptversammlung. In den Abstimmungsergebnissen spiegelte sich das allerdings nicht wider, aber so geht es eben zu in der markt-konformen Demokratie. Am Ende votierten 98,5 Prozent für die Entlastung des Vorstands und 96,9 Prozent, was angesichts der Kapital-Verhältnisse schon ein Erfolg ist, für die Entlastung des Aufsichtsrates. Und bei der Abstimmung über die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erreichte der Widerspruch sogar mehr als 10 Prozent. Ob das eine Folge der in der Hauptversammlung vorgetragenen massiven Kritik an dem Steuervermeidungskonzern PWC war, bleibt allerdings offen. Von Jan Pehrke

BAYER trotzt Kritik

„Wir stehen zu unseren Produkten“

Was sonst noch geschah: KritikerInnen brachten auf der Hauptversammlung zahlreiche weitere Themen zur Sprache. So setzten sie zusätzlich das Bienensterben, das Pestizid Glyphosat, die Gentechnik, die Medikamente XARELTO und JADELLE, die Tierversuche, die Datensicherheit, die Kohlenmonoxid-Pipeline, die Rolle des Großinvestors BLACKROCK und BAYERs Steuervermeidungsstrategien auf die Tagesordnung.

Auch auf der diesjährigen Hauptversammlung des Leverkusener Multis nahm das Thema „Bienensterben“ wieder breiten Raum ein. Gleich sechs KritikerInnen beschäftigten sich mit dieser Nebenwirkung der BAYER-Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie GAUCHO und PONCHO. Die Imkerin Annette Seehaus-Arnold, Kreisvorsitzende der ImkerInnen der Region Rhön-Grabfeld, legte dem Global Player eine Schadensbilanz vor. „Meine Imker-Kollegen mussten in diesem Winter wieder sehr hohe Verluste an Bienenvölkern hinnehmen. Viele haben sogar alle Völker verloren“, klagte sie. Dabei hätten die BienenzüchterInnen alle Anweisungen zum Schutz der Bienen vor der Varroa-Milbe befolgt, in der BAYER die eigentliche Ursache für den Tod der Bienen sieht. Seehaus-Arnold hatte den Agro-Riesen hingegen in Verdacht, die Bedrohung durch die Varroa-Milbe künstlich aufzubauschen, um von den gefährlichen Effekten seiner Pestizide abzulenken. Und selbst wenn diese einen negativen Einfluss auf die Bienengesundheit haben sollten: „Es kommt nicht auf den Erreger an, sondern auf den Boden, auf den er fällt“, zitierte Seehaus-Arnold Louis Pasteur. Und diesen Boden haben der Imkerin zufolge GAUCHO & Co. besonders fruchtbar für den Erreger gemacht.

Flurschäden
Die Europäische Union schätzt die Mittel ebenfalls als sehr gefährlich ein. Nach Ansicht der EU-Kommission bergen sie „etliche Risiken für die Bienen“. Darum hat Brüssel einen zunächst zweijährigen Verkaufsstopp angeordnet. Der Leverkusener Multi aber geht in Tateinheit mit SYNGENTA gerichtlich gegen das Votum vor. „Warum akzeptieren Sie die Entscheidung nicht? Warum gefährden Sie wissentlich das Überleben der Honigbienen“, fragte Lea Horak von RETTET DEN REGENWALD den Vorstand deshalb. Wiebke Schröder von SumOfUs bezeichnete das als „aggressives Verhalten“ und überreichte den Konzern-ManagerInnen über eine Million Unterschriften, die ihre Organisation gegen die Klage gesammelt hatte. „Nehmen Sie die Neonicotinoid-Bedrohung ernst“, mahnte sie eindringlich angesichts der großen Bedeutung, die Bienen durch die Bestäubung von Nutz-Pflanzen für die Nahrungsmittelversorgung der Menschen haben.
Wie richtig die Entscheidung der EU war, drei Neonicotinoide von BAYER und SYNGENTA mit einem Moratorium zu belegen, bestätigte derweil der Imker Markus Bärmann mit seinen Erfahrungen aus der Praxis. „Dieses Frühjahr war bei den Bienen vieles anders. So viel anders, wie ich es seit zwanzig Jahren nicht mehr erlebt habe! Endlich wieder Insekten in der Luft und am Boden!“, schwärmte er. Auch über orientierungslos umherfliegende Bienen musste Bärmann nicht mehr klagen.
Corinna Hölzel vom BUND widmete sich derweil einem immer noch erhältlichen Neonicotinoid-Wirkstoff, der unter anderem in BAYERs CALYPSO und LIZETAN sein Unwesen treibt: Thiacloprid. „Thiacloprid ist ähnlich besorgniserregend wie die drei verbotenen Wirkstoffe, denn es gehört zur gleichen Gruppe“, stellte sie fest und führte zum Beleg eine Studie des Berliner Bienenforschers Randolf Menzel an, wonach Bienen nach dem Kontakt mit dieser Agrochemikalie nicht mehr in ihren Stock zurückfanden. Auch der Imker Christoph Koch vom DEUTSCHEN BERUFS- UND ERWERBSIMKERBUND berichtete vom Gefährdungspotenzial dieses Produkts. Er verwies dabei auf Zahlen, die das „Deutsche Bienen-Monitoring“ ermittelt hat. Rückstände von sage und schreibe 23 verschiedenen Pestiziden wiesen die WissenschaftlerInnen in den von den Bienen gesammelten Pollen nach. Darunter befanden sich „beängstigend viele Proben mit extrem hohen Thiacloprid-Werten“, so Koch. Der Agro-Riese bestreitet den Sachverhalt jedoch und bewirbt CALYPSO und LIZETAN als „nicht bienengefährlich“. Weil der BUND das als eine Irreführung der VerbraucherInnen bezeichnete, verklagte BAYER den Umweltverband, was Christoph Koch ebenso wie Corinna Hölzel scharf kritisierte – und das Düsseldorfer Landgericht ebenfalls als nicht berechtigt ansah: Es entschied im März 2015 zu Gunsten der Initiative.
„BAYER respektiert das Urteil, da in diesem Verfahren die juristische Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Schutz des Eigentums im Mittelpunkt stand“, erklärte Marijn Dekkers. Und weder von dieser Niederlage noch von den vielen Unterschriften, die SumOfUs sammelte, lässt der Konzern sich davon abbringen, die Auseinandersetzung über die Gefährlichkeit seiner Pestizide vornehmlich auf juristischem Wege zu führen. Er verfolgt die Klage gegen die EU weiter. Dekkers zufolge ging die Kommission gegen die Ackergifte vor, ohne neue Erkenntnisse über unerwünschte Effekte der Mittel zu haben, was seiner Ansicht nach die Rechtssicherheit gefährdet. „Deshalb legen wir weiterhin Wert auf eine gerichtliche Klärung“, so der Ober-BAYER. Immer noch hat er nicht die Spur eines Zweifels an GAUCHO und PONCHO. „Wir stehen zu unseren Produkten. Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass Neonicotinoide sicher sind, wenn sie verantwortungsvoll und vorschriftsmäßig eingesetzt werden“, hielt er fest und machte für das Bienensterben neben der Varrao-Milbe nur noch extreme Umwelt- und Klima-Einflüsse sowie eine Veränderung der landwirtschaftlichen Strukturen verantwortlich.
Julia Sievers-Langer von der AGRAR KOORDINATION widmete sich zwei anderen Pestizid-Wirkstoffen, die zwar nicht zur Gruppe der Neonicotinoide gehören, es aber trotzdem in sich haben: Glyphosat und Glufosinat. Glyphosat, das BAYER etwa unter den Namen GLYPHOS, USTINEX G oder KEEPER vermarktet, hat das Krebsforschungsinstitut der Weltgesundheitsorganisation jüngst als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft, berichtete Sievers-Langer. Und von Glufosinat, das der Leverkusener Multi vor allem in Kombination mit seinen Gen-Saaten vertreibt, gehe sogar nach Meinung der Europäischen Union ein hohes Gesundheitsrisiko aus. Die globale Glufosinat-Produktion verdoppeln zu wollen, obwohl die EU-Zulassung 2017 ausläuft, bezeichnete die Aktivistin deshalb als „Skandal“. Sie forderte eine Erklärung dafür ein. „Welche Argumente können schwerer wiegen als die Verpflichtung, die Entstehung von Missbildungen bei Embryos als Folge des Glufosinat-Einsatzes zu verhindern?“, fragte sie den Vorstand. Darauf antwortete Dekkers allerdings nicht. Stattdessen stellte er Glufosinat angesichts der immer mehr Pestiziden trotzenden Wildpflanzen als wichtige Alternative für die LandwirtInnen dar und betonte die herausragenden Produkt-Eigenschaften. Und was die Risiken und Nebenwirkungen angeht, da ist es für den Konzern damit getan, sich „für den sicheren, vorschriftsmäßigen Einsatz“ einzusetzen.
Dr. Christopher Faßbender von der Tierschutz-Organisation PETA thematisiert das Leid, das Versuchstiere ertragen müssen, die mit Pestizid-Wirkstoffen imprägnierte Halsbänder gegen Zecken-Befall testen. Bis zu 400 Tage dauern die Erprobungen, bei denen Hunde und Katzen wiederholt über mehrere Stunden Parasiten in engen Transportboxen ausgesetzt sind. Dekkers äußerte sich aber nicht zu dem konkreten Fall. Er erging sich stattdessen in Ausführungen über die Verantwortung für das Tier als Mitgeschöpf, die BAYER angeblich übernehme.
Christoph Then vom Verein TESTBIOTECH und Sibylle Arians konfrontierten die Hauptversammlung mit einem Schadensbericht zur „grünen“ Gentechnik. „Offensichtlich hat die Firma BAYER die Kontrolle über ihre gentechnisch veränderten Pflanzen längst verloren“, konstatieren die beiden und präsentierten eine lange Liste mit „Unfällen“. Sie begann mit dem Genreis-Skandal, bei dem sich Spuren von BAYERs LL601-Laborfrucht in normalem Haushaltsreis fanden, und reichte über kontamierten Mais bis zu Auskreuzungen von Gen-Raps und Gen-Baumwolle. Zu diesen Kontrollverlusten wollte sich der BAYER-Chef allerdings nicht äußern. Er beließ es bei Allgemeinplätzen über einen verantwortungsvollen Umgang mit der Risikotechnologie und stellte deren Beitrag zur Sicherung der Nahrungsmittel-Versorgung heraus, ungeachtete der Tatsache, dass die meisten Genpflanzen als Futter in den Ställen der MassentierhalterInnen landen.

Pillenschäden
Roland Holtz wandte sich der Pillen-Sparte zu und nahm sich mit dem Blutgerinnungshemmer XARELTO BAYERs Bestseller vor. Holtz, der lange Jahre in der pharmazeutischen Industrie gearbeitet hat und die Branche aus ethischen Gründen verließ, unterzog die Zulassungstests einer genaueren Betrachtung. Er enthüllte, mit welchen Tricks der Leverkusener Multi eine Nicht-Unterlegenheit des Mittels gegenüber den herkömmlichen Präparaten demonstrieren konnte. So hat der Konzern beispielsweise den ProbantInnen der Vergleichsgruppe ihr Medikament nicht in der richtigen Dosierung verabreicht. Darauf ging Marijn Dekkers jedoch nicht näher ein. Lieber verlas er Textbausteine aus den Werbe-Broschüren zu dem Pharmazeutikum, das es allein 2014 auf fast 2.000 Meldungen über unerwünschte Arznei-Effekte brachte und in Verdacht steht, für 161 Todesfälle verantwortlich zu sein.
Susanne Schultz vom GEN-ETHISCHEN NETZWERK problematisierte in ihrem Beitrag, wie BAYER mit seinem Langzeitverhütungsmittel JADELLE eine Entwicklungshilfe-Strategie stützt, die weniger gegen die Armut als vielmehr gegen die Armen gerichtet ist und deren Vermehrung eindämmen will. „JADELLE wurde vom bevölkerungspolitischen Think Tank ‚Population Council’ dafür entwickelt, Frauen in den Ländern des Globalen Südens möglichst langfristig unfruchtbar zu machen“, so Schultz – und zwar ohne Rücksicht auf Verluste. Nebenwirkungen wie starke oder ausbleibende Monatsblutungen, Depressionen, Migräne und abrupte Gewichtszunahmen oder –abnahmen zählte die Wissenschaftlerin von der Frankfurter Goethe-Universität auf.
Während BAYER die Ärmsten der Armen mit einem fünf Jahre wirkenden Silikonstäbchen bestückt, das in den Oberarm eingenäht wird, versucht der Pharma-Riese die reicheren Afrikanerinnen für seine teuren Kontrazeptiva zu gewinnen, kritisierte Daniel Bendix von GLOKAL e. V. Und wenn BAYER offiziell verkündet, „Kundinnen, die für ihre reproduktiven Gesundheitsdienstleistungen mehr zahlen können, dazu zu bringen, auf diese Produkte umzusteigen“, dann firmiert das Ganze auch noch unter Entwicklungshilfe und speist sich zum Teil aus staatlichen Geldern, so Bendix. Konkret nannte der Sozialwissenschaftler von der Universität Kassel Zahlungen von der US-amerikanischen Entwicklungshilfe-Einrichtung USAID. Dekkers focht das nicht an: Er gab unverdrossen den Albert Schweitzer. Der Pharma-Riese kalkuliere nur mit einer geringen Marge, und die staatliche Unterstützung würde gerade einmal ermöglichen, kostendeckend zu arbeiten, behauptete er. Und auch mit JADELLE betätigt sich der Konzern nach Ansicht des Vorstandsvorsitzenden nur als Samariter, reduziere das selbstverständlich sichere und gut verträgliche Mittel doch die Säuglings- und Müttersterblichkeit bei Geburten in beträchtlichem Maße. „Ohne Schwangerschaften keine Schwangerschaftskomplikationen“ – so lautete seine bestechende Logik.
Dieter Donner befasste sich hingegen mit den Risiken und Nebenwirkungen, die von BAYERs Kunststoff-Abteilung ausgehen und beschäftigte sich mit einer Sache, die für den Multi schon zu einer Altlast mutierte, ehe sie überhaupt in Betrieb ist: mit der von Dormagen nach Krefeld verlaufenden Kohlenmonoxid-Pipeline. Auch 2014 war wieder ein schwarzes Jahr für das Projekt, wie der Presse-Koordinator der STOPP-BAYER-CO-PIPELINE-INITIATIVE resümierte. Erst legte die nordrhein-westfälische Landesregierung ein Gutachten vor, wonach es sicherere und sogar preisgünstigere Alternativen zu der Rohrleitung gibt, und dann beurteilte das Oberverwaltungsgericht Münster das Pipeline-Gesetz auch noch als verfassungswidrig. Zudem muss das Unternehmen sich weiter mit der Klage von Heinz-Josef Muhr auseinandersetzen, obwohl dieser jüngst verstarb. Donner, der zum Gedenken an Muhr einen Trauerflor trug, kündigte nämlich an, dass der Prozess trotzdem weitergeführt wird. Angesichts all dieser Unbill fragte Rainer Kalbe den Vorstand, ob er denn einen Plan B hätte. „Diese Frage stellt sich für uns nicht“, antwortete ihm Marijn Dekkers, denn die Giftgas-Leitung gewähre „ein Höchstmaß an Sicherheit“.
Sicherheitsproblemen virtueller Art nahm sich der IT-Berater Fabian Keil an. Er erbat vom Vorstand Informationen zum Datenschutz bei BAYER und erkundigte sich danach, welche Vorkehrungen der Konzern, der auch mit externen IT-Dienstleistern in den USA zusammenarbeitet, gegen Ausspäh-Versuche von NSA & Co. trifft. Eine konkrete Antwort darauf blieb der Vorstandsvorsitzende Keil schuldig, einmal mehr flüchtete Dekkers sich ins Allgemeine und versicherte dem kritischen Aktionär, beim Pharma-Riesen würden hohe Sicherheitsstandards im Computer-Bereich gelten.

Steuerschäden
Der Verfasser dieser Zeilen setzte die Steuermoral des Gen-Giganten auf die Agenda. „Aktuell ist das Unternehmen der wertvollste Konzern im Dax. Die Stadt Leverkusen aber, in der BAYER seinen Stammsitz hat, darbt“, hob er an und führte die ganz legalen Steuertricks auf, die so etwas ermöglichen. Zu den Mitteln der Wahl gehören für den Multi vor allem Niederlassungen in Holland und Belgien, die Anteile an BAYER-Gesellschaften halten und steuermindernde Zins- und Kredit-Transaktionen abwickeln. Zu den ständig sinkenden Gewerbesteuer-Zahlungen räumte der Vorstandsvorsitzende in bemerkenswerter Offenheit ein: „Die Strukturen des heutigen globalen Konzerns sind mit denen von BAYER aus den 80er und 90er Jahren nicht mehr vergleichbar.“ Er gab auch detaillierte Auskünfte zu den Struktur„reformen“. So haben holländische oder belgische Briefkasten-Firmen wie BAYER WOLRD INVESTMENTS Besitztitel an rund einem Fünftel aller 350 Gesellschaften des Konzerns. Und das Volumen ihrer Steuerspar-Geschäfte ist immens. So hat allein BAYER-Antwerpen anderen Töchtern des Global Players 2014 Kredite in einem Volumen von 13,4 Milliarden Euro gewährt.
Der Publizist Dr. Werner Rügemer stellte schließlich die für eine AktionärInnen-Versammlung zentrale Frage: Wem gehört BAYER eigentlich? Er legte die intransparenten Besitz-Verhältnisse dar, schilderte, wie die großen Finanzinvestoren beinahe täglich ihren Aktien-Anteil an dem Unternehmen verändern und forderte Aufklärung. Stellvertretend befasste Rügemer sich näher mit den Praktiken der Gesellschaft BLACKROCK, die 6,2 Prozent der BAYER-Papiere hält und wegen Verstößen gegen das Wertpapierhandelsgesetz im März 2015 eine Strafe in Höhe von 3,25 Millionen Euro zahlen musste. Unter anderem wollte Werner Rügemer von der Management-Riege wissen, wie sich die Beziehungen des Finanzinvestors zum Agro-Mogul konkret gestalten und ob BLACKROCK Einfluss auf die Einscheidung hatte, sich von der Kunststoff-Sparte zu trennen. Es gebe „einen regelmäßigen Gedankenaustausch“, antwortete Dekkers, im Geschäftsjahr 2014 hätten zwei Einzelgespräche auf Vorstandsebene in New York und Boston stattgefunden. Druck hat der Global Player dort laut Marijn Dekkers nicht bekommen: „Wir haben die Portfolio-Manager von BLACKROCK als konstruktive, interessierte und die Unternehmensstrategie unterstützende Aktionäre kennengelernt.“
Solche hat die Aktien-Gesellschaft am 27. Mai auf der Hauptversammlung hingegen kaum kennengelernt. Mit 26 kritischen AktionärInnen musste sie sich in den Kölner Messehallen auseinandersetzen. Und als reiche all dies noch nicht, wirkte das auch noch ansteckend, so dass sich auch andere zu Interventionen ermuntert fühlten. Uta Behrens vom „Deutschen Juristinnen-Bund“ mahnte mehr Frauen-Förderung an, die französische Journalistin Elise Lucet thematisierte weitere Pestizid-Probleme und Margret Seitz brachte aus gegebenem Anlass Fehler bei vergangenen Unternehmensabspaltungen auf Tapet. So musste der Leverkusener Multi seine Rekorde-Ergebnisse alleine feiern, die Hauptversammlung ist dafür seit Langem schon kein Ort mehr.

Schamlose Profite

Eine Aktie des Leverkusener Multis hat einen Wert von 2,56 Euro. Auf diesen Wert zahlte der Konzern eine Dividende von 2,25 Euro. Das entspricht einer Rendite von sage und schreibe 88 Prozent. Um der Öffentlichkeit diese Schamlosigkeit zu verschleiern, wählt der Global Player als Berechnungsgrundlage jedoch den aktuellen Kurswert des BAYER-Papiers, der gegenwärtig etwa 134 Euro beträgt. Und damit – Hokuspokus – macht der Dividenden-Ertrag nur noch 1,7 Prozent aus.

Abstimmungsergebnisse

Die Abstimmungen auf den AktionärInnen-Hauptversammlungen der Konzerne dominieren wenige GroßaktionärInnen (Ultrareiche, Investmentfonds, Banken etc.) Sie sorgen für sichere Mehrheiten von 90 Prozent + x. Die vielen hunderttausend KleinaktionärInnen besitzen zusammen lediglich fünf bis zehn Prozent der Aktien. Entsprechend sind die Zahlen der Nein-Stimmen auf den Hauptversammlungen des Leverkusener Multis durchaus als Erfolg der Kritischen AktionärInnen bei BAYER zu werten. (Da das Unternehmen die Anzahl der Enthaltungen nicht nennt, ergeben sich im Verhältnis der absoluten Zahlen zu den Prozent-Angaben Schwankungen.)

Gewinn-Verwendung

Nein-Stimmen: 899.013 (0,3 Prozent)

Entlastung Vorstand

Nein-Stimmen: 505.329 (1,5 Prozent)

Entlastung Aufsichtsrat

Nein-Stimmen: 9.984.692 (3,1 Prozent)

Abschlussprüfung durch PWC (PricewaterhouseCoopers)

Nein-Stimmen: 44.346.258 (13,2 Prozent)

[Ticker] STICHWORT BAYER 04/2014 – TICKER

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Erfolgreiche Jahrestagung
2014 fand die Jahrestagung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zum Thema „No Taxes – Die Steuerflucht großer Konzerne“ in einem etwas anderen Rahmen als gewohnt statt. Der Coordination war es nämlich gelungen, Sahra Wagenknecht von der Partei „Die Linke“ als Gastrednerin zu gewinnen, weshalb die CBG die Veranstaltung in den Bürgersaal der Düsseldorfer Arcaden verlegte. Und die Bundestagsabgeordnete enttäuschte die Erwartungen der 160 BesucherInnen nicht. Imposant schilderte sie die ganz legalen Steuertricks der Global Player, denen es gelingt, sich vornehmlich durch interne Geschäfte mit Waren, Krediten und Lizenzen so arm zu rechnen, dass – wie im Fall von IKEA – für den Fiskus gerade mal fünf Prozent vom Gewinn übrig bleiben. Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der CBG skizzierte im Anschluss den größeren politischen Rahmen, der dieses Treiben überhaupt erst ermöglicht, und illustrierte schließlich am konkreten Beispiel „BAYER“ die gängigen Steuervermeidungsstrategien wie etwa diejenige, die BAYERs Finanz-Vorstand Werner Baumann „eine veränderte regionale Ergebnis-Verteilung“ nennt. Nach den Vorträgen entwickelte sich dann noch eine lebhafte Diskussion, so dass die BesucherInnen am Ende angeregt, ein bisschen klüger und hoffentlich motiviert zu einem Engagement gegen die Machenschaften von BAYER & Co. ihre Heimreise antraten.

CBG-Vortrag in Tutzing
Im August 2014 hatte die „Politische Akademie Tutzing“ die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zu einem Vortrag eingeladen. CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes referierte im Rahmen des Seminars „Werte-Bildung im Chemie-Unterricht“ vor größtenteils promovierten ChemikerInnen zum Thema „Bewertung der Risiken der chemischen Industrie“. Über drei Stunden berichtete Mimkes über die Gefährdungspotenziale bei BAYER & Co. Aber auch danach erlahmte das Interesse nicht, so dass sich im Anschluss an den Beitrag noch eine intensive Diskussion entspann. Die Seminar-Leitung freute sich über den ganzen Input und bot der Coordination an, sie bei passender Gelegenheit wieder nach Tutzing zu holen.

Nobelpreis für Kailash Satyarthi
In diesem Jahr erhielt Kailash Satyarthi, der langjährige Vorsitzende des GLOBAL MARCH AGAINST CHILD LABOUR, für sein Engagement gegen die Kinderarbeit den Friedensnobelpreis. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) lernte den Inder 2003 durch eine Kooperation kennen. Sie gab in diesem Jahr gemeinsam mit dem GLOBAL MARCH und dem INDIA COMMITTEE OF THE NETHERLANDS eine Studie heraus, welche unter anderem das große Ausmaß von Kinderarbeit auf den Feldern eines Zulieferers von BAYER CROPSCIENCE dokumentierte. Auch den Offenen Brief an den damaligen BAYER-Chef Werner Wenning mit der Forderung, diese Praxis nicht länger zu dulden, unterschrieb die indische Initiative mit. So trug sie mit dazu bei, durch politischen Druck eine deutliche Verbesserung der Situation zu erreichen. Deshalb freute sich die CBG sehr über die Stockholmer Entscheidung und sandte Kailash Satyarthi herzliche Glückwünsche.

BUKO-Veranstaltung zu Uganda
Die BUKO Pharma Kampagne hat eine neue Studie zur Geschäftspraxis der drei Pharma-Riesen BAYER, BOEHRINGER und BAXTER in Uganda herausgegeben. Im Spätsommer 2014 kam mit Denis Kibira ein Mitwirkender an der Untersuchung aus Afrika nach Deutschland, um persönlich ein Bild von der Situation vor Ort zu geben. Am 6. September machte der Apotheker und Geschäftsführer der Initiative COALITION FOR HEALTH PROMOTION AND SOCIAL DEVELOPMENT in der Kölner Alten Feuerwache Station, und die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) trat aus gegebenem Anlass als Mitveranstalter auf. Von BAYER wusste Kibira nur wenig Gutes zu berichten. Der Leverkusener Multi bietet für die in Uganda am weitesten verbreiteten Gesundheitsstörungen kaum Arzneien an, weil er sich in Forschung & Entwicklung lieber auf die mehr Rendite versprechenden Mittel gegen westliche Zivilisationskrankheiten konzentriert. Zudem vermarktet der Konzern in dem Land viele umstrittene und deshalb als irrational eingestufte Pharmazeutika: 21 von 49 Medikamenten fallen unter diese Kategorie. Zu den als unentbehrlich erachteten Mitteln des Global Players hingegen hat die Bevölkerung wegen der hohen Preise kaum Zugang; sie finden sich zumeist nur in Privatkliniken und Privat-Apotheken.

ESSURE-Kampagne zeigt Wirkung
Bei ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommendes Mittel zur Sterilisation, handelt es sich um eine kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen sollen, dass sich die Eileiter verschließen. Allzu oft jedoch bleibt die Spirale nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Nebenwirkungen Darum zieht ESSURE viel Kritik auf sich. So hat in den USA die Aktivistin Erin Brockovich, die durch einen Hollywood-Film über ihr Umwelt-Engagement zu großer Popularität gelangte, eine Kampagne gegen das Medizin-Produkt initiiert. Ihre Landsmännin Michelle Garcia setzte das Thema sogar auf die Tagesordnung der letzten Hauptversammlung des Leverkusener Multis. Auch im Internet verbreitet sich der Protest. Die FACEBOOK-Gruppe „Essure Problems“ hat aktuell über 11.000 Mitglieder. Das alles zeigt Wirkung – die Umsätze entwickeln sich nicht so wie erhofft. Die genauen Zahlen wollte der Konzern dem Internet-Portal Fierce Medical Devices wohlweislich nicht nennen. Selbst bei der Investoren-Konferenz im Juli 2014 musste das Unternehmen eingestehen: „Es gibt ein paar Klagen in den sozialen Medien, aber die Dinge bessern sich.“

Protest gegen „Food Partnership“
Die bundesdeutsche Entwicklungshilfe-Politik setzt auf Kooperationen mit der Privatwirtschaft. So hat das „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) mit dem Leverkusener Multi, BASF, SYNGENTA und ca. 30 weiteren Konzernen die „German Food Partnership“ (GFP) gegründet (SWB 4/13). Staatliche Mittel fließen unter anderem in zwei Projekte mit BAYER-Beteiligung, die „Better Rice Initiative in Asia“ (BRIA) und die „Competitive African Rice Initiative“ (CARE). Diese dienen dem Agro-Riesen als Vehikel, um seinen nach einer agro-industriellen Produktionsweise verlangenden, nicht zur Wiederaussaat geeigneten Hybrid-Reis zu vermarkten. Am 15. Oktober 2014, dem Welternährungstag, protestierten die Initiativen OXFAM und FIAN gegen die GFP. Um die fatalen Auswirkungen des Joint Ventures zu illustrieren, ließen die Organisationen Doubles von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Entwicklungshilfe-Minister Gerd Müller mit einer Riesen-Kugel, auf der die Namen von BAYER, BASF und MONSANTO prangten, Kleinbauern und Kleinbäuerinnen wegkegeln. „Mehr als die Hälfte aller weltweit Hungernden sind Kleinbäuerinnen und -bauern. Mit ihnen sollte die Bundesregierung gezielt zusammenarbeiten. Konzerne mit Steuergeldern zu fördern, ob direkt oder indirekt, macht niemanden satt außer die Konzerne selbst“, so David Hachfeld von OXFAM.

Mehr unabhängige Arznei-Forschung!
Der an der Universität Mainz tätige Mediziner Peter Galle hat in der Faz die zu große Abhängigkeit seiner Zunft von BAYER & Co. beklagt. So sei das Mitwirken von ÄrztInnen bei Arznei-Tests „von Abhängigkeiten und Vorbedingungen belastet, die einer objektiven Wissensvermehrung im Wege stehen können“, schreibt Galle und nennt als Beispiel die „Anpassung des Studien-Designs auf eine Effekt-Maximierung“. Zudem verhindert die Ausrichtung der Konzerne auf profitable Medikamente seiner Meinung nach die Entwicklung von Präparaten für kleinere PatientInnen-Gruppen. Angesichts der zu geringen Ausstattung der Universitätskliniken und zu kleiner Fördersummen der „Deutschen Forschungsgemeinschaft“ fordert er die Politik zu mehr Investitionen in unabhängige Pharma-Forschung auf. Und auch den Pillen-Riesen verlangt er einen Obolus zu dieser ab.

DUOGYNON: Kritik an BAYER
Der hormonelle Schwangerschaftstest DUOGYNON der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING hat ab den 1950er Jahren zu tausenden Todgeburten geführt. Darüber hinaus kamen unzählige Kinder mit schweren Missbildungen zur Welt. Der Lehrer Andre Sommer forderte den Leverkusener Multi deshalb stellvertretend für andere Betroffene auf, ihm Einblick in die DUOGYNON-Akten zu gewähren. So wollte er feststellen, welche Kenntnis der Konzern von der verheerenden Wirkung des Mittels hatte, um dann Schadensersatz-Ansprüche prüfen zu können. Der Pharma-Riese weigerte sich allerdings, und auch per Klage erreichte Sommer keine Öffnung der Archive. Der Leiter des „Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte“, Walter Schwerdtfeger, kritisiert die Haltung des Unternehmens. Auf die Frage der WirtschaftsWoche: „Ist es nachvollziehbar, dass BAYER die Akten zu einem Hormon-Präparat nicht herausrückt, das etliche Patienten geschädigt haben soll?“, gibt der Biologe eine klare Antwort. „Es dürfte für BAYER schwer werden, die Akten dauerhaft zurückzuhalten. Grundsätzlich müssen die Unternehmen anerkennen, dass die Öffentlichkeit einen Anspruch auf solche Daten hat“, so Schwerdtfeger.

KAPITAL & ARBEIT

BAYER stößt Kunststoff-Sparte ab
Jahrelang hatten die Finanzmärkte den Leverkusener Multi mit der Forderung konfrontiert, sich von seiner Kunststoff-Sparte BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) zu trennen und auch konkrete Maßnahmen ergriffen, um den Konzern zum Verkauf zu bewegen. So belegten sie Aktien von Mischkonzernen wie BAYER mit einem Konglomeratsabschlag. Aber erst jetzt, da der Einfluss von Finanzinvestoren wie BLACKROCK auf den Global Player so groß ist wie nie, gab er dem Druck nach und kündigte an, BMS an die Börse bringen zu wollen (siehe SWB 4/14). Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE versuchte, dagegen vorzugehen, musste sich aber geschlagen geben. „Die durch uns kritisierte Abkehr von der Drei-Säulen-Strategie ist durch die Arbeitnehmer-Vertreter im Aufsichtsrat, trotz intensivster Beratungen, nicht zu verhindern gewesen“, erklärten die GewerkschaftsvertreterInnen. Das Management hatte angekündigt, den Bereich sonst finanziell auszuhungern. Ein klarer Fall von Erpressung also. Dabei hatte die Belegschaft in der Vergangenheit viele Opfer gebracht, um das Geschäftsfeld im Unternehmensverbund halten zu können. Über 2.000 Beschäftigte verloren ihren Arbeitsplatz, der Rest musste eine untertarifliche Bezahlung, das Streichen von Bonus-Zahlungen und immer neue Rationalisierungsprogramme über sich ergehen lassen. Alles umsonst, wie sich jetzt herausstellt.

BLACKROCK schreibt BAYER & Co.
BLACKROCK ist der weltweit größte Finanzinvestor und besitzt von fast allen Global Playern Aktien (siehe SWB 4/14). An BAYER hält er rund 30 Prozent der Geschäftsanteile. Seine Einfluss macht BLACKROCK-Chef Laurence Fink unter anderem durch an die Vorstandschefs „seiner“ Unternehmen adressierte Briefe geltend. Im März 2014 erhielten der Leverkusener Multi und die anderen Konzerne ein Schreiben, in dem Fink gnädigerweise konzedierte, auf schnelles Geld durch kurzfristrige Anlage-Strategien verzichten zu wollen. Aktien-Rückkäufe und Verschuldungen zwecks Dividenden-Erhöhungen anstelle von Investitionen in die Zukunft seien deshalb nicht in seinem Sinne, bedeutete der US-Amerikaner den ManagerInnen. Im Gegenzug verlangte er von den Bossen aber, ihm für eine mehr auf längerfristiges Wachstum angelegte Firmen-Politik gut ausgearbeitete Business-Pläne mit überprüfbaren Zielvorgaben vorzulegen, „um das geduldige Kapital anzuziehen, das sie haben wollen“.

4,83 Millionen für Dekkers
Im Geschäftsjahr 2013 strich BAYER-Chef Marijn Dekkers ein Salär von 4,83 Millionen Euro ein. Dazu kommen noch Pensionszusagen in Höhe von 677.000 Euro. Seine drei Vorstandskollegen verdienten zusammen 8,7 Millionen Euro und ein „Ruhegeld“ von 594.000 Euro.

BAYER kann nicht forschen
„BAYER ist ein Innovationsunternehmen von Weltrang“ tönte der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers 2013 auf der Hauptversammlung des Konzerns. Tatsächlich aber hat das Unternehmen mit der Forschung so seine liebe Mühe. „Wir sind gut in der Entwicklung, aber nicht so gut in der Forschung“, gesteht Forschungsvorstand Kemal Malik ein. Darum arbeitet der Global Player seit einigen Jahren verstärkt mit Hochschulen und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen zusammen. 2012 existierten allein im Pharma-Bereich 326 solcher Kooperationen.

Ein Kind der Großchemie
Seit Januar 2014 hat Frank Löllgen den Vorsitz des Nordrhein-Bezirkes der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) inne und ist damit auch für BAYER zuständig. Löllgen kennt den Leverkusener Multi sehr gut. Er hat dort eine Ausbildung zum Chemie-Laboranten gemacht und seinen Förderer, den heutigen IG-BCE-Vorsitzenden Michael Vassiliadis, kennengelernt. Eine besonders kritische Haltung hat der 52-Jährige zum Global Player nicht. Zu seiner 2011 erfolgten Berufung zum Leverkusener Bezirksleiter der Chemie-Gewerkschaft sagt er rückblickend: „Ich bin ein Kind der Großchemie. Dieses Gebiet mit BAYER zu übernehmen, war eine Auszeichnung.“

Betriebsrat muss putzen
Zwischen der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) und alternativen Gewerkschaftsgruppen wie dem BELEGSCHAFTSTEAM gab es in der Vergangenheit öfters Konflikte. „Wir brauchen in der Opposition keine Opposition“, meinte etwa der heutige Betriebsratsvorsitzende des Leverkusener BAYER-Werkes, Oliver Zühlke, als das BELEGSCHAFTSTEAM und die KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN FÜR EINE DURCHSCHAUBARE BETRIEBSRATSARBEIT bei den Betriebsratswahlen 2010 einer Personen- statt Gruppenliste nicht zustimmen mochten, weil die Organisationen befürchteten, dabei ihre Kenntlichkeit zu verlieren. Diese Animositäten könnten jetzt zu einer Auseinandersetzung beigetragen haben, die bis vor das Arbeitsgericht ging. Ein BELEGSCHAFTSTEAM-Betriebsratsmitglied hatte dort gegen BAYER und den Betriebsrat geklagt, weil er nach der Wahl seinen Status als freigestellter Beschäftigten-Vertreter verloren hatte und trotz 40-jähriger Betriebszugehörigkeit plötzlich „als bestbezahlte Putzfrau bei BAYER“ arbeiten musste. Zühlke gab zwar formale Fehler bei der Personalausschuss-Entscheidung auf Aberkennung der Freistellung zu, erklärte sie aber trotzdem für rechtmäßig. Die Richterin forderte die drei Parteien auf, eine außergerichtliche Einigung bei einem Streitschlichtungsgremium zu suchen.

IG BCE vs. VAA
In der Chemie-Industrie wächst der Anteil der Beschäftigten mit hohen Bildungsabschlüssen, während der Anteil der weniger gut qualifizierten Betriebsangehörigen sinkt. Deshalb machen sich die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) und der „Verband angestellter Akademiker und leitender Angestellter in der chemischen Industrie“ (VAA) zunehmend Konkurrenz. Die IG BCE versucht, in die Domäne des eher rechts von ihr stehenden VAA einzudringen. So machte sich ihr Vorsitzender Michael Vassiliadis jüngst die sonst vornehmlich in bürgerlichen Kreisen kursierende Forderung nach Abschaffung der kalten Progression, also des möglichen Auffressens einer Lohn-Erhöhung durch eine steuerliche Mehrbelastung, zu Eigen, was ihm allerdings Kritik von vielen GewerkschaftskollegInnen eintrug. DGB-Chef und BAYER-Aufsichtsrat Reiner Hoffmann trägt diese Strategie jedoch mit und betont: „Wir wollen nicht mehr nur mit Mindestlohn und Prekariat identifiziert werden.“ Der VAA indes hat es auch nicht mehr nur auf Belegschaftsmitglieder aus den Top-Etagen abgesehen und sammelt eifrig Betriebsratssitze. So haben VAAlerInnen an den BAYER-Standorten Berlin, Frankfurt und Bergkamen Mandate errungen. Vasiliadis kritisierte das Vorgehen des Verbandes in einem Brief an VAA-Hauptgeschäftsführer Gerhard Kronisch scharf. „Für uns ist irritierend, in welchem Umfang der VAA mit eigenen Listen bei den zurückliegenden Betriebsratswahlen außerhalb seiner Stamm-Klientel angetreten ist“, ereiferte er sich.

ERSTE & DRITTE WELT

Bienenkiller in kleinen Dosen
BAYERs Insektizid THUNDER enthält den für das weltweite Bienensterben mitverantwortlichen Wirkstoff Imidacloprid. In Afrika will der Konzern dieses Mittel jetzt für weniger als einen Dollar auch in Mini-Packungen anbieten, um sich den Markt für Kleinbauern und -bäuerinnen besser zu erschließen. Für die bedrohte Insekten-Art bedeutet das nichts Gutes.

IG FARBEN & HEUTE

Gedenkort für Euthanasie-Opfer
Die vom Leverkusener Multi mitgegründeten IG FARBEN haben nicht nur das Zyklon B für die Vergasung der Juden im „Dritten Reich“ geliefert. Der Mörder-Konzern hatte auch für die Euthanasie, der mehr als 100.000 behinderte oder psychisch kranke Menschen zum Opfer fielen, den passenden Rohstoff im Angebot. Er stellte für die „Aktion T4“ – benannt nach der Berliner Adresse des Planungszentrums für den Massenmord, das sich in der Tiergartenstr. 4 befand – das Kohlenmonoxid zur Verfügung. Im November 2011 entschied der Bundestag, in würdigerer Form als bisher an die „Aktion T4“-Toten zu erinnern und einen Gedenk- und Informationsort an der Tiergartenstraße zu errichten. Am 2. September 2014 fand die feierliche Eröffnung im Beisein des Berliner Bürgermeisters Klaus Wowereit und der Kulturstaatsministerin Monika Grütters statt.

Platz nach Norbert Wollheim benannt
Im Jahr 2001 ging das Frankfurter IG-FARBEN-Haus in den Besitz der „Johann Wolfgang von Goethe-Universität“ über. Seit dieser Zeit traten Studierende und Lehrende dafür ein, die mahnende Erinnerung an den von BAYER mitgegründeten Mörderkonzern wachzuhalten, indem die Hochschule den ehemaligen IG-Zwangsarbeiter Norbert Wollheim ehrt. Die Leitung wehrte sich aber erfolgreich dagegen, den zentralen Platz auf dem Gelände nach dem Mann zu benennen, der durch seinen 1951 begonnenen Musterprozess Entschädigungszahlungen für die SklavenarbeiterInnen den Weg ebnete. Stattdessen errichtete sie mit dem „Norbert Wollheim Memorial“ eine Gedenkstätte für ihn (siehe SWB 1/09). Die Studenten und Studentilannen erhielten ihre Forderung jedoch aufrecht und gaben der Alma Mater etwa 2009 im Zuge des damaligen Bildungsstreits symbolisch den Namen „Norbert Wollheim Universität“. Und ihre Beharrlichkeit zahlte sich aus. Überlebenden-Gruppen, das „Fritz-Bauer-Institut“ und die „Jewish Claim Conference schlossen sich den Studierenden an, und 2014 gab die Universitätsleitung schließlich nach: Sie entschied sich, als Adresse fortan nicht mehr „Grüneburg-Platz 1“, sondern „Norbert-Wollheim-Platz 1“ zu führen.

POLITIK & EINFLUSS

TTIP: BAYER antichambriert
Bei den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen der EU mit den USA diktieren die Multis den PolitikerInnen die Agenda. Allein von Anfang 2012 bis April 2013 fanden 130 Treffen der VerhandlerInnen mit Konzern-VertreterInnen oder Unternehmensverbänden in Sachen „TTIP“ statt. Diejenigen Lobby-Organisationen, denen BAYER angehört, sprachen nach Recherchen des CORPORATE EUROPE OBSERVATORY besonders oft vor. „Business Europe“, der europäische Chemie-Verband CEFIC, der „US Chamber of Commerce“ und der „Bundesverband der deutschen Industrie“ – diese Lobby-Vereinigungen hatten die meisten Gesprächstermine mit der „Generaldirektion Handel“ der EU. Dabei dürften auch solche „Handelshemmnisse“ auf der Tagesordnung gestanden haben, die dem Leverkusener Multi besonders im Wege stehen wie etwa strenge Sicherheitsauflagen für Genpflanzen, Pestizide und andere Chemikalien.

BAYER sponsert RepublikanerInnen
Im Jahr der Wahlen zum US-Kongress spendete BAYER bis zum Oktober 2014 über 325.000 Dollar an PolitikerInnen. RepublikanerInnen, die für das Repräsentantenhaus kandidierten, erhielten 158.000 Dollar vom Konzern, ihre demokratischen KonkurrentInnen 55.000 Dollar. Republikanische SenatsaspirantInnen bedachte der Pharma-Riese mit 53.000 Dollar, ihre demokratischen Pendants mit 33.000 Dollar.

Auf der Bilderberg-Gästeliste
Bei der jährlich stattfindenden Bilderberg-Konferenz handelt es sich um eine Zusammenkunft hochrangiger PolitikerInnen und WirtschaftsmanagerInnen aus den Industrie-Nationen. 1980 stand der damalige BAYER-Chef Herbert Grunewald auf der Gästeliste und 2004 das ehemalige BAYER-Aufsichtsratsmitglied Jürgen Weber.

Gentech-Kampagne in Argentinien
Argentinien ist das Land mit der weltweit drittgrößten Anbaufläche für Genpflanzen. Um das Reservoir noch ein wenig besser ausschöpfen zu können, ist ein neues Gesetz in Planung, „das von der Industrie entwickelt und vom Landwirtschaftsminister akzeptiert wurde“, wie das „U.S. Department of Agriculture“ mit bemerkenswerter Offenheit festhält. BAYER und den anderen in der „Argentine Seed Association“ organisierten Unternehmen geht es dabei vordringlich darum, die Zulassungsverfahren zu beschleunigen. Umweltgruppen haben jedoch eine Kampagne gegen das Vorhaben organisiert. Darum sah sich der US-amerikanische „Foreign Agriculture Service“ (FAS), der vor Ort in Buenos Aires ein Büro unterhält, gezwungen, ebenfalls Aktivitäten zu entfalten. Unter anderem plant der FAS PR-Maßnahmen für die Risiko-Technologie wie Workshops, Konferenzen mit argentinischen MinisterInnen, WissenschaftlerInnen und Medien-VertreterInnen sowie Kooperationen mit Universitäten und VerbraucherInnen-Organisationen.

BAYER-freundliche EEG-„Reform“
Immer wieder hatten BAYER & Co. in der Vergangenheit über die hohen Strom-Kosten geklagt, die ihnen das „Erneuerbare-Energien-Gesetzes“ (EEG) durch die Förderung von Windkraft & Co. angeblich beschert. Dabei gewährte das Paragraphen-Werk energie-intensiven Betrieben großzügige Rabatte, für welche die Privathaushalte aufzukommen hatten. Für diese stieg die Strom-Rechnung seit 2008 um 38 Prozent, während diejenige der Konzerne in dem Zeitraum sogar um ein Prozent niedriger ausfiel. Die ungleiche Lasten-Verteilung brachte das ganze EEG in Verruf, weshalb schon Schwarz-Gelb eine „Reform“ begann, welche die Große Koalition unter der Ägide von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) dann abschloss. Der Vize-Kanzler drosselte den Ausbau der Erneuerbaren Energien und schaffte es gleichzeitig, die von Brüssel als unerlaubte Subventionen angesehenen Industrie-Privilegien größtenteils beizubehalten. Nur ein kleines Entgegenkommen forderte er dafür von den Unternehmen. Der Sozialdemokrat plante, ihnen auch für die Energie, die sie in ihren eigenen Kraftwerken produzieren, einen Beitrag zur Ökostrom-Förderung abzuverlangen. Aber sofort brach ein Sturm der Entrüstung los. Der Leverkusener Multi, der fast 60 Prozent seines Energie-Bedarfs selber deckt, warnte: „Unsere KWK (Kraft/Wärme-Koppelung, Anm. SWB)-Anlagen würden sich, sollten diese Pläne umgesetzt werden, nicht mehr wirtschaftlich betreiben lassen, sowohl die bestehenden als auch die neuen.“ Pflichtschuldig machte sich Gabriel sogleich ans „Nachbessern“. Das Gesetz, das am 1. August 2014 in Kraft trat, lässt – vorerst bis 2017 – Altanlagen verschont und macht nur neu errichtete abgabepflichtig, wobei es BAYER & Co. dafür aber noch Ausgleichszahlungen gewährt. Sogar die Faz musste sich über diese Zugeständnisse wundern: „Noch vor Wochen hätte niemand damit gerechnet, dass Betriebe bei der Ökosteuer-Reform fast ungeschoren davonkommen.“

Ordnungsruf von Dekkers
BAYER-Chef Marijn Dekkers hat mal wieder das angeblich innovationsfeindliche Klima in der Bundesrepublik kritisiert. „Unsere industrielle Basis beginnt zu bröckeln“, warnte er in der Faz. Zu geringe Forschungsausgaben, zu hohe Energie-Kosten, zu wenig naturwissenschaftlicher Unterricht in den Schulen und eine angeblich nicht immer sachgerechte Bewertung neuer Produkte durch die Politik – all das gefährdet seiner Meinung nach die Zukunft des Standortes Deutschland.

Ordnungsruf von Wenning
Kaum ein Monat vergeht ohne ein Lamento des Leverkusener Multis über die hohen Energie-Kosten (s. o.), obwohl die Politik dem Unternehmen viel niedrigere Tarife als den Privathaushalten beschert hat. Der BAYER-Aufsichtsratschef Werner Wenning ging jetzt sogar so weit, eine neue Hartz-Runde zu fordern, um die angeblich so horrenden Strom-Rechnungen der Konzerne volkswirtschaftlich zu kompensieren. „Ich mache mir große Sorgen, dass wir bald an einem Punkt angelangt sind, wo wir eine Agenda 2025 brauchen, also harte Einschnitte, damit wir im internationalen Wettbewerb nicht zurückfallen“, so Wenning.

Blesner weiht BAYER-Center ein
Im September 2014 reiste Peter Bleser, Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, nach China, um „neue Export-Möglichkeiten für deutsche Agrar-Produkte auszuloten“. Während seines Aufenthalts weihte er gemeinsam mit dem stellvertretenden chinesischen Landwirtschaftsminister Niu Dun auch ein BAYER-Schulungscenter in der Nähe von Nanking ein, in dem der Leverkusener Multi bei den FarmerInnen künftig für sein Saatgut und seine Pestizide werben will. „Ich sehe in dem neuen Informationszentrum eine große Chance, das vorhandene Fachwissen über eine erfolgreiche und nachhaltige Erzeugung an die chinesische Landwirte weiterzugeben“, sagte Bleser zur Eröffnung.

Duin spricht Grußwort
Zu der Veranstaltung „Standpunkt am Standort: Motor und Partner für Innovation – Pharma-Industrie in NRW“, welche die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE am 31.10.2014 in Monheim mit dem von BAYER gegründeten „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller“ und der Biotech-Firma UCB co-managte, sprach der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) ein Grußwort.

Gabriel für BAYER & Co. in China
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) betätigte sich im April 2014 auf seiner China-Reise als Chef-Lobbyist von BAYER & Co. So forderte er seine Gesprächspartner in Peking auf, den Unternehmen einen besseren Rechtsrahmen im Allgemeinen und einen besseren Patentschutz im Besonderen zu gewähren. Auch bei den Ausschreibungen mahnte er Veränderungen im Sinne bundesdeutscher Firmen an. Zudem stufte er den Technologie-Transfer als Zugangsvoraussetzung für den chinesischen Markt ebenso sehr als Handelshemmnis ein wie die in manchen Branchen bestehende Auflage für ausländische Konzerne, mit einheimischen Partnern Joint Ventures eingehen zu müssen.

Neues Gesetz für IT-Sicherheit
Der Leverkusener Multi registriert des öfteren Attacken auf sein Computer-Netz. 2012 etwa gab es einen Hacker-Angriff aus China mit dem Ziel, Industrie-Spionage zu betreiben. Zuvor schon musste er sich des Computer-Virus’ Stuxnet erwehren. Auch die politische HackerInnen-Gruppe „Anonymus“ störte schon die digitalen Betriebsabläufe. Anderen Konzernen ergeht es ähnlich. Deshalb plant die Bundesregierung ein IT-Sicherheitsgesetz. Sie will eine Meldepflicht für die Opfer von Cybercrimes einführen und dem Bundeskriminalamt mehr Kompetenzen verleihen. Zudem plant die Große Koalition, die entsprechenden Abteilungen von BKA, Verfassungsschutz und „Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik“ mit mehr Personal auszustatten.

Dekkers neuer VCI-Präsident
BAYER-Chef Marijn Dekkers ist neuer Vorsitzender des „Verbandes der Chemischen Industrie“ (VCI). Im September 2014 hat er das Amt für die nächsten zwei Jahre übernommen.

Dekkers reist nach Russland
BAYER & Co. machten vor der Ukraine-Krise gute Geschäfte in Russland. Auf 750 Millionen Euro belief sich 2013 der Umsatz des Leverkusener Multis, wozu vor allem die Pharma-Sparte beitrug. Weil der Konzern auf dem Pillen-Markt mit jährlichen Steigerungsraten von acht bis neun Prozent und bis 2017 mit Gesamterträgen auf dem russischen Markt in Höhe von 1,3 Milliarden Euro rechnete, baute er seine Präsenz in dem Land stark aus. Die Diskussion um Wirtschaftssanktionen im Frühjahr 2014 alarmierte das Unternehmen deshalb. „Ich hoffe, dass die Situation diplomatisch gelöst werden kann“, ließ sich der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers damals vernehmen. Seine Hoffnung erfüllte sich nicht, die Strafmaßnahmen kamen. Ob er jetzt auch zu den Firmen-Bossen gehört, die Angela Merkel laut Spiegel mittels ständiger Anrufe drängen, für eine Lockerung der Handelsbeschränkungen einzutreten, ist nicht bekannt. Auf jeden Fall gehörte Dekkers aber der Wirtschaftsdelegation an, die im Oktober 2014 auf Einladung des russischen Premierministers Dmitri Medwedew zu einer Zusammenkunft ausländischer Investoren geflogen war. Das Kanzleramt war über diese Reise-Diplomatie not amused. „Was wir am wenigsten brauchen, ist eine Nebenaußenpolitik der Konzerne“, so ein Berliner Spitzen-Beamter.

Eine neue „Lex BAYER“
Über die marode Leverkusener Autobahn-Brücke dürfen keine schweren LKWs mehr fahren. Zum BAYER-Gelände müssen sie deshalb einen Umweg von ca. 20 Kilometern in Kauf nehmen. Ernst Grigat, bei der 60-prozentigen BAYER-Tochter CURRENTA für die Chem-„Parks“ in Leverkusen und Dormagen verantwortlich, verfällt aus diesem Grund schon in Weltuntergangsstimmung. „Wenn nicht schnellstmöglich Abhilfe geschaffen wird, fürchten wir, dass die Industrie verlagert wird. Damit ist das langsame Sterben der chemischen Industrie in Deutschland vorprogrammiert.“ Und die apokalyptischen Töne zeigen Wirkung. Der nordrhein-westfälische Bauminister Michael Groschek (SPD) kündigte einen Neubau an. Und damit alles ganz schnell geht, will der Sozialdemokrat sogar das Fernstraßen-Gesetz ändern und durch eine sogenannte „Lex Leverkusen“ den BürgerInnen-Willen außen vor halten. Nach den Plänen des Politikers sollen etwaige Einsprüche in die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts fallen und damit nur noch über eine Instanz gehen. Einen Zeitgewinn von bis zu anderthalb Jahren verspricht sich der Minister davon. „Wir können es uns nicht leisten, durch Klagewellen das Risiko einer Vollsperrung einzugehen“, so Groschek.

Kritik an EU-Aktienrechtreform
Die EU plant in einer neuen Richtlinie umfangreiche Aktienrechtsveränderungen. Sie will künftig die AktionärInnen alle drei Jahre über die ManagerInnen-Gehälter abstimmen lassen und dabei die Verhältnismäßigkeit in Bezug auf die sonst in den Unternehmen gezahlten Entgelte gewahrt wissen. Zudem beabsichtigt Brüssel, den AnteilseignerInnen ein Mitsprache-Recht zu verschaffen, wenn ein Konzern mit seinen eigenen Teil-Gesellschaften oder seinen GroßaktionärInnen Geschäfte abzuschließen gedenkt. Darüber hinaus sieht der Entwurf vor, Pensionsfonds und anderen institutionellen Anleger ebenso zu mehr Transparenz zu verpflichten wie die manchmal von ihnen angeheuerten StimmrechtsberaterInnen. Erwartungsgemäß laufen BAYER & Co. Sturm gegen das Vorhaben.

Juncker rudert zurück
Der Leverkusener Multi betrachtet Medikamente als ganz normale Wirtschaftsgüter. Dem wollte der neue EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker folgen. Beim Zuschnitt der neuen Kommissionen plante er, dem Gesundheitskommissar die Zuständigkeit für die Zulassung von Arzneien und Medizinprodukten zu entziehen und den Bereich unter die Verantwortung der neuen Industrie-Kommissarin Elzbieta Bienkowska zu stellen. Erst nach massiven Protesten ließ der Luxemburger von seinem Vorhaben ab. Dagegen gelang es ihm, das bisher eigenständige Klima-Ressort aufzulösen und es mit dem Energie-Ressort zu verbinden – schlechte Aussichten also für eine engagierte Politik zur Reduzierung des Kohlendioxid-Ausstoßes.

PROPAGANDA & MEDIEN

COLOSS betet Bienen gesund
Der Leverkusener Multi weigert sich weiterhin beharrlich, die Mitverantwortung seiner Pestizide GAUCHO und PONCHO am weltweiten Bienensterben einzuräumen. Ja, der Konzern weigert sich sogar, den Fakt als solchen anzuerkennen. „Europäische Honigbienen sind gesünder, als in vielen Medienberichten behauptet“, vermeldete das Unternehmen jüngst und berief sich dabei auf „das unabhängige Honigbienen-Forschungsnetzwerk COLOSS“. Mit der Unabhängigkeit des Forschungskolosses ist es allerdings nicht so weit her. Er zählt BAYER nämlich zu seinen „Event Partnern“ und scheint unter Wissenschaft auch primär Krisen-Kommunikation zu verstehen. So befasste sich eine „training school“, an welcher auch Manuel Trischler vom „Bee Care Center“ des Pharma-Riesen teilnahm, hauptsächlich mit der Frage, wie angeblich unangemessenen Beiträgen von ForscherInnen zum Bienensterben zu begegnen sei. Das der Universität Bern angegliederte Institut machte bei den Unternehmen Defizite im PR-Bereich aus und empfahl ihnen Nachhilfe-Stunden in Öffentlichkeitsarbeit.

Bienen-Kümmerer BAYER
Der Leverkusener Multi steht wegen seiner bienenschädigenden Pestizide GAUCHO und PONCHO, welche die EU bis vorerst 2015 aus dem Verkehr gezogen hat, in der Kritik. Darum verstärkt der Konzern seine PR-Aktivitäten (s. o.) Wo das Unternehmen nicht schlicht versucht, die Fakten abzustreiten, da inszeniert es sich als Bienenkümmerer. Der Global Player fördert nicht nur das Anlegen von Ackerrand-Streifen mit pollen-reichen Blütenpflanzen sowie von Bienenweiden und gründet „Bee Care Center“, sondern unterstützt auch Forschungsvorhaben zum Erhalt der Bienengesundheit. So spendet er der kanadischen „University of Guelph“ 750.000 Dollar für den Aufbau eines Insekten-Gesundheitszentrums.

Neue Gentech-Kampagne
Im Februar 2014 haben BAYER & Co. eine neue PR-Kampagne für die grüne Gentechnik gestartet. „Growing Voices“ lautet der Markenname der Unternehmung, denn sie will den „lauter werdenden Stimmen, die ein Umdenken der EU in puncto ‚Gen-Pflanzen’ anmahnen“, Ausdruck verleihen. Die Auftakt-Veranstaltung fand im Brüsseler Hotel „Renaissance“ statt und brachte „Gesundes Essen – die unerzählte Geschichte der Gen-Pflanzen“ zu Gehör. Den „Science Fiction“-Stoff führten sich unter anderem damalige Angehörige der Europäischen Kommission und des EU-Parlaments, EU-BeamtInnen, UmweltpolitikerInnen, EmissärInnen von Forschungseinrichtungen – und natürlich Abgesandte der Agro-Multis zu Gemüte. Allein von BAYER waren neun VertreterInnen anwesend.

Wissenschaftliche Gentech-PR
Mit vereinten Kräften wollen die „Bill & Melinda Gates Foundation“ und BAYER, MONSANTO & Co. die Gentechnik-Debatte „entpolarisieren“. Zu diesem Behufe hat die Stiftung der Cornell Universität nicht weniger als 5,6 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt. Als Partner der PR-Kampagne mit wissenschaftlichem Antlitz namens „Alliance for Science“ fungiert der vom Leverkusener Multi und anderen Agro-Riesen unterstützte Lobby-Verein „International Service for the Acquisition of Agri-biotech Applications“ (ISAAA).

Gentech-Studie: CRIIGEN steigt aus
Im Juli 2013 hat das französische Gesundheitsministerium eine Studie über Gentech-Risiken in Auftrag gegeben. Ihr ist allerdings ein „Dialog-Forum“ angeschlossen, in dem VertreterInnen von BAYER, MONSANTO und LIMAGRAIN sitzen. Darum hat die unabhängige Wissenschaftsorganisation CRIIGEN ihren Ausstieg aus dem Projekt verkündet. „Wir können nicht mit Leuten zusammenarbeiten, die Lobbying-Taktiken benutzen, um ihre Produkte zu vermarkten und deren Akzeptanz zu erhöhen, ohne jene genauer zu untersuchen und ohne Transparenz walten zu lassen“, heißt es in der Begründung.

BAYER sponsert den „Weltthrombose-Tag“
Die „International Society on Thrombosis and Haemostasis“ hat den 13. Oktober zum „Weltthrombose-Tag“ erklärt, um stärker auf die mit den Blutgefäß-Verschlüssen einhergehenden Lebensgefahren aufmerksam zu machen. Der Leverkusener Multi gehört zu den Sponsoren der Veranstaltung, womit der Bock zum Gärtner wird. Thrombo-Embolien gehören nämlich zu den häufigsten Nebenwirkungen seiner Verhütungspillen aus der YASMIN-Familie. Allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA registrierte bisher 190 Sterbefälle.

BAYER erklärt Nebenwirkungen
XARELTO, YASMIN, BETAFERON, MIRENA, ESSURE – die Liste der BAYER-Medikamente, die wegen ihrer Risiken und Nebenwirkungen in der Kritik stehen, wird immer länger. Das bleibt auch in der Belegschaft nicht unbemerkt, weshalb sich der Leverkusener Multi in seiner Beschäftigten-Zeitung direkt gezwungen sah, auf die Problematik einzugehen. Da der Konzern es auch als Aufgabe seiner Angestellten erachtet, „zu Themen Stellung zu nehmen, die in der Gesellschaft kontrovers diskutiert werden“, will direkt ihnen künftig in einer Serie Argumente für solche Gelegenheiten an die Hand geben. Nach dem Motto „Jedes Ding hat zwei Seiten“ erklärt der Leverkusener Multi Nebenwirkungen erst einmal zu einer Naturgegebenheit. Aber natürlich hat er nach eigenen Aussage im Sinne seiner Mission „Science For A Better Life“ ein Interesse daran, diese in – natürlich ganz unabhängigen – Studien aufzuspüren und setzt angeblich auch seinen halben Forschungsetat dafür ein. Fortbildungsveranstaltungen für MedizinerInnen und Hotlines dienen ebenfalls bloß diesem Zweck – die Märchenstunde will gar kein Ende nehmen.

BAYER kauft Museum
Am Standort Lubbock hat der Leverkusener Multi das „American Museum of Agriculture“ in Beschlag genommen. Es benannte sich zu Ehren des neuen Sponsors nicht nur in „BAYER Museum of Agriculture“ um, sondern veränderte auch den Charakter seiner Dauerausstellung. Die Schau widmet sich jetzt nicht mehr so stark der Geschichte der Landwirtschaft und verlagert den Schwerpunkt stattdessen auf die Zukunft. Zur Freude des Konzern-Sprechers Lee Rivenbark illustrieren viele Exponate den BAYER-Slogan „Science for A Better Life“. Und das ganze Haus gilt ihm nun als „Leuchtturm für Wissenschaft und Innovation auf dem Gebiet ‚Landwirtschaft’“, denn: „Innovation ist das, worum es BAYER geht“.

TIERE & ARZNEIEN

Mehr BAYTRIL in den Tierställen
Der massenhafte Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung führt zur Entwicklung resistenter Krankheitserreger. Gelangen diese in den menschlichen Organismus, so können MedizinerInnen oftmals nichts mehr gegen die Keime ausrichten. Im Fall von BAYERs BAYTRIL ist diese Gefahr besonders groß. Der Leverkusener Multi bietet nämlich für den Humanmedizin-Bereich mit CIPROBAY ebenfalls ein Medikament aus der Gruppe der Fluorchinolone an, das sogar den Status eines Reserve-Antibiotikas für besonders schwierig zu behandelnde Infektionen besitzt. Und die Gefährdung nimmt zu: 2013 stieg – bei insgesamt fallenden Zahlen (1.452 gegenüber 1.619 Tonnen) – die Menge der verschriebenen Fluorchinolone von zehn auf 13 Tonnen (siehe auch SWB 4/14). Und was wie eine kleine Umschichtung bei insgesamt rückläufiger Tendenz anmutet, bedeutet wegen unterschiedlicher Dosierungsvorschriften in Wirklichkeit jedoch eine Ausweitung der Antibiotika-Zone. Während eine Tonne des Alt-Antibiotikums Tetracyclin gerade einmal für 39.000 Mastschweine langt, vermögen die LandwirtInnen mit einer Tonne BAYTRIL nämlich 2,2 Millionen Tiere zu versorgen! Das Verbraucherschutzministerium verschleiert diesen Tatbestand allerdings bewusst und verkauft „Gesamtmenge im Jahr 2013 weiter gesunken“ als Erfolgsmeldung.

TIERE & VERSUCHE

Zweifel an Tierversuchen
172.287 Tierversuche hat der Leverkusener Multi 2013 durchgeführt bzw. durchführen lassen – 1.690 mehr als 2012. Eine neue Studie der WissenschaftlerInnen Pandora Pound und Michael B. Bracken bewertet die Sinnhaftigkeit solcher Tests kritisch. Angesichts hunderter am „Tier-Modell“ erprobter Medikamente, die am „Mensch-Modell“ versagten, zweifelt ihre im British Medical Journal veröffentlichte Untersuchung die Übertragbarkeit der Ergebnisse an. Zudem bescheinigt die Expertise den mit Ratten, Mäusen und anderen Lebewesen unternommenen Experimenten eine mangelhafte Qualität, was die ProbandInnen der nachfolgenden klinischen Prüfungen unnötigen Risiken aussetze. „Die aktuelle Studie zeigt erneut, dass der von manchen Kreisen gebetsmühlenartig behauptete Nutzen von Tierversuchen keinerlei Fundament hat“, konstatiert Silke Bitz von ÄRZTE GEGEN TIERVERSUCHE.

DRUGS & PILLS

USA: Alarmierende XARELTO-Zahlen
Auch in den Vereinigten Staaten wächst die Besorgnis über die Risiken und Nebenwirkungen, die von BAYERs neuem Gerinnungshemmer XARELTO ausgehen. 680 Meldungen über unerwünschte Effekte des Präparats mit dem Wirkstoff Rivaroxaban erhielt die Gesundheitsbehörde FDA allein im ersten Quartal 2013 – 152 mehr als zu dem Konkurrenz-Medikament PRADAXA.

Nierenerkrankungen durch BETAFERON
BAYERs „Multiple Sklerose“-Präparat BETAFERON kann Nierenschädigungen hervorrufen. Eine entsprechende Warnung veröffentlichte das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) im August 2014 (siehe auch SWB 4/14). Damit erschöpfen sich die Gegen-Anzeigen des Gentech-Präparats allerdings bei Weitem nicht. 186 Meldungen über „unerwünschte Arznei-Effekte“ hat das BfArM allein im Jahr 2013 erhalten. Dazu zählen unter anderem temporäre Spastiken, Schmerz-Attacken, Verstopfung und Müdigkeit. Und im Gegensatz zu den Nebenwirkungen bleiben die Wirkungen des Mittels spärlich. Dem MS-Ratgeber der „Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf“ zufolge sind BETAFERON und andere Substanzen auf Interferon-Basis nur bei 16 Prozent der frisch Erkrankten imstande, einen zweiten Schub zu verhindern, bei fünf von sechs PatientInnen hingegen zeigen sie keinen Nutzen.

ASPIRIN gegen Krebs?

Immer wieder erscheinen Studien, die BAYERs ASPIRIN eine vorbeugende Wirkung gegen Krebs bescheinigen. Diese weisen jedoch meist Mängel auf. Entweder können die WissenschaftlerInnen sich nur auf äußerst beschränktes Daten-Material stützen oder sie haben Kontakte zum BAYER-Konzern. Dies ist auch bei der Arbeit von Jack Cuzick und seinem Team der Fall, die zahlreiche Untersuchungen zum Thema ausgewertet haben und dem „Tausendsassa“ einen prophylaktischen Effekt bescheinigen. Cuzick gehört nämlich zum Beraterstab des Pharma-Riesen, und auch viele seiner MitarbeiterInnen standen oder stehen noch auf der Gehaltsliste des Unternehmens.

BAYERs Endometriose-Coup
Bei der Endometriose handelt es sich um eine gutartige Wucherung der Gebärmutter-Schleimhaut. Besonders während des Monatszyklusses verursacht das sich außerhalb der Gebärmutter-Höhle befindliche Gewebe Schmerzen. Zu deren Behandlung haben Frauen-ÄrztInnen früher die Verhütungspillen VALETTE oder CHLORMADINON der BAYER-Tochter JENAPHARM verschrieben. 2010 aber brachte der Leverkusener Multi mit VISANNE ein speziell für diese Krankheit zugelassenes Präparat auf den Markt. Die Produktion der beiden anderen Mittel stellte er ein, damit sie der Neuheit keine Konkurrenz machen – das Unternehmen verlangt für VISANNE nämlich rund das Fünffache des Preises von CHLORMADINON. Den höheren Kosten entspricht noch nicht einmal keine höhere Wirksamkeit. Die Arznei konzentriert sich lediglich auf die Symptom-Linderung. Zudem basiert die Zulassung auf einer dünnen Daten-Lage, die Kohorte bei der Sicherheitsanalyse umfasste nur 300 Frauen. Darum betrachten das industrie-unabhängige arznei-telegramm und das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ VISANNE auch bloß als Mittel der 2. Wahl. Ähnlich wie bei VISANNE war der Pharma-Riese in Tateinheit mit SANOFI jüngst auch im Fall von Alemtuzumab vorgegangen. Als die Konzerne die Zulassung für die Indikation „Multiple Sklerose“ erhielten, zogen sie die Arznei umgehend als Mittel zur Behandlung der chronisch-lymphatischen Leukämie“ vom Markt zurück, weil das neue Anwendungsgebiet mehr Profite verspricht (SWB 1/14).

Frankreich: MELIANE-Umsatz sinkt
2006 hatte die Französin Marion Larat nach der Einnahme des BAYER-Verhütungsmittels MELIANE einen Schlaganfall erlitten. Sechs Jahre später entschloss sie sich, den Pharma-Riesen auf Schadensersatz zu verklagen. Das damit verbundene Medien-Echo machte die Öffentlichkeit erstmals auf die mit den Kontrazeptiva der dritten und vierten Generation verbundenen Risiken aufmerksam. Die damalige Gesundheitsministerin Marisol Touraine reagierte umgehend. Sie wies die Krankenkassen an, die Kosten für MELIANE & Co. nicht mehr zu übernehmen. Und das zunehmend kritische Klima hatte Folgen: Bis Ende 2013 büßten die Mittel 60 Prozent ihres Umsatzes ein.

Kein NEXAVAR bei Brustkrebs
BAYERs NEXAVAR mit dem Wirkstoff Sorafenib hat bislang eine Zulassung bei den Indikationen „fortgeschrittener Nierenkrebs“ und „fortgeschrittener Leberkrebs“. Der Leverkusener Multi setzt jedoch alles daran, das Anwendungsspektrum zu erweitern. Ein Versuch, das Mittel zusammen mit Capecitabin bei solchen Patientinnen mit fortgeschrittenen Brustkrebs-Arten zur Anwendung zu bringen, bei denen andere Medikamente versagt hatten, scheiterte jetzt allerdings. „Wir sind enttäuscht, dass die Studie keine Verbesserung des progressionsfreien Überlebens bei Patienten mit fortgeschrittenem Brustkrebs zeigen konnte“, sagte der BAYER-Manager Jörg Möller. Zuvor war schon ein anderer Ansatz zur Therapie von Brustkrebs ohne Erfolg geblieben. Auch bei einer bestimmten Art von Leber-, bei Haut- und Bauchspeicheldrüsenkrebs hatte NEXAVAR bereits versagt.

NICE nicht nice zu XOFIGO
Das britische „National Institute for Health and Care Excellence“ (NICE) hat eine Kosten/Nutzen-Analyse von BAYERs Strahlentherapie-Medikament XOFIGO (siehe auch PRODUKTION & SICHERHEIT) durchgeführt und der Arznei kein gutes Zeugnis ausgestellt. Deshalb finanziert der „National Health Service“ die Behandlung mit dem Pharmazeutikum nicht, das bei der Prostatakrebs-Art CRPC zum Einsatz kommt, wenn eine Hormon-Behandlung erfolglos geblieben ist und sich zudem noch Metastasen im Knochen gebildet haben. Der Leverkusener Multi habe zu dem Mittel keine Dokumente vorgelegt, die seine Überlegenheit gegenüber vergleichbaren Arznei-Therapien demonstrieren könnten, so die Behörde. „Wir müssen zuversichtlich sein, dass die Vorteile die beträchtlichen Kosten rechtfertigen“, sagte NICE-Chef Andrew Dillon angesichts des Preises von 30.000 Euro für eine einzige Anwendung des Präparats, das den PatientInnen bei den Klinischen Tests nur zu einem ca. drei Monate längeren Leben verhalf.

Weitere Zulassungen für ADEMPAS
Bei der Arznei ADEMPAS handelt es sich um ein Mittel zur Behandlung der beiden Lungenhochdruck-Krankheiten CTEPH und PAH. Der Wirkstoff Riociguat soll in der Lunge die Bildung eines Enzyms stimulieren, das für eine Erweiterung der Blutgefäße sorgt und so die Sauerstoff-Aufnahme verbessert. Nachdem BAYER in den USA bereits die Zulassung für das Medikament erhalten hat, erteilte dem Präparat nun auch die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA grünes Licht. Japan hat bisher nur eine Genehmigung für das Anwendungsgebiet „CTEPH“ erteilt, ein Antrag für die Indikation „PAH“ ist noch in Bearbeitung. Wie üblich, hat der Leverkusener Multi jedoch noch viele weitere Therapie-Felder wie z. B. „die Nieren-Protektion und die Herz-Insuffizienz“ im Auge und will Millionen mit ADEMPAS machen. Das industrie-unabhängige Fach-Magazin Arzneimittelbrief hingegen kann die Euphorie des Pharma-Riesen nicht ganz teilen. Obwohl es sich bei Riociguat um eine „innovative Substanz“ handle, deren therapeutischer Mechanismus „neu und interessant“ erscheine, seien die in der Literatur beschriebenen Effekte nur „marginal“, dämpft die Publikation die Erwartungen, die BAYER nicht zuletzt durch das Öffnen der „Marketing-Schleuse“ geschürt habe.

Test the East
Die Pillen-Riesen lagern immer mehr Arznei-Tests in ärmere Länder aus. Dort winken günstigere Preise, ein großes Reservoir an ProbandInnen und eine mangelhafte Aufsicht. Die Folge: Immer wieder kommt es zu Todesfällen. So starben 2011 in Indien 20 Menschen bei Erprobungen von BAYER-Medikamenten. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN machte diesen Skandal öffentlich, und der Leverkusener Multi reagierte – er schaute sich nach anderen Nationen um. Neben China hat es ihm momentan besonders Russland angetan. 90 – teils noch laufende, teils schon abgeschlossene – Medikamenten-Erprobungen des Global Players in dem Staat weist die Datenbank „ClinicalTrials“ aus. Das CLINICIAL TRIALS CENTER oder andere Auftragsfirmen prüften für den Konzern dort unter anderem die Spirale MIRENA, das Krebsmittel NEXAVAR, den Gerinnungshemmer XARELTO und das „Multiple Sklerose“-Präparat BETAFERON. Nach einem Bericht der Zeit bietet das Land unschlagbare Standort-Vorteile. ProbandInnen bemühen sich selbstständig um eine Teilnahme an den Tests, weil ihnen die Medikamente sonst nicht zur Verfügung stehen, und bleiben auch bei der Stange. Dass ihnen das Recht zusteht, einen Medikamenten-Versuch abzubrechen, erfahren sie oft nicht, und eine Ethik-Kommission, welche über alles wacht, existiert ebenfalls nur selten. „Die besteht in Russland häufig nur auf dem Papier“, sagt Alexander Globenko vom CLINICIAL TRIALS CENTER und berichtet zudem von MedizinerInnen, die Nebenwirkungen nicht protokollieren. Sogar die Existenz von Phantom-Studien mit erfundenen TeilnehmerInnen räumt er ein. Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) weiß um diese Zustände. „Auffällig glatt“ erscheinen einer BfArM-Mitarbeiterin laut Zeit die Ergebnisse bisweilen. Selbst der von BAYER gegründete „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ hält die russischen Verhältnisse der Zeitung zufolge für besorgniserregend. Das dürfte den Leverkusener Multi jedoch vorerst nicht von seinem Tun abhalten.

Zweifelhafte Testosteron-Studie
Mit großer Anstrengung arbeitet der Leverkusener Multi daran, die „Männergesundheit“ als neues Geschäftsfeld zu etablieren und seinen Potenzpillen und Hormon-Präparaten neue und nur selten zweckdienliche Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. Zu diesem Behufe hat der Pharma-Riese die Krankheit „Testosteron-Mangel“ erfunden und sie zu „männlichen Wechseljahresstörungen“ erhoben, um NEBIDO und andere Hormone an den Mann bringen zu können. Die passenden Studien liefert BAYER dazu auch. So präsentierte der Pharma-Riese in Sofia auf einem medizinischen Kongress zum Thema „Fettleibigkeit“ eine Untersuchung, wonach eine Testosteronersatz-Therapie zu Gewichtsverlusten inklusive besserer Blutzucker- und Blutdruck-Werte führt. Allerdings hält die Expertise wissenschaftlichen Kriterien kaum stand: Sie stützt sich auf gerade einmal 46 Probanden. Richtige Studien kommen zu ganz anderen Ergebnissen. So fand eine ForscherInnen-Gruppe um Jared L. Moss von der Universität Knoxville heraus, dass die Testosteron-Spritzen die Zeugungsfähigkeit beeinträchtigen. Zudem beobachteten die WissenschaftlerInnen Schrumpfungen des Hodengewebes und Samenzellen-Missbildungen. Damit fügten sie der langen Liste von Risiken und Nebenwirkungen der Mittel wie Herzinfarkt, Prostata-Krebs, Harntrakt-Schädigungen, Brust-Wachstum, Bluthochdruck, Ödeme, Blutverdickung und Leberschäden noch einige weitere Einträge hinzu.

Arznei-Ausgaben steigen um 3,2 Prozent
Im Jahr 2013 erhöhten sich die Ausgaben der Krankenkassen für Medikamente im Vergleich zu 2012 um 3,2 Prozent auf 32,1 Milliarden Euro. Das geht aus den Zahlen des „Arzneiverordnungsreports 2014“ hervor. Der Herausgeber, der Pharmakologe Ulrich Schwabe, macht dafür die hohen Preise für Pharmazeutika im Allgemeinen und für patentgeschützte Medikamente im Besonderen verantwortlich. Der Leverkusener Multi hat daran einen gehörigen Anteil. So verlangt er für sein nicht eben wirkungsvolles Krebsmittel NEXAVAR über 58.000 Euro im Jahr. Eigentlich sollte das Arzneimittel-Neuverordnungsgesetz (AMNOG) von 2011 hier Abhilfe schaffen, denn nach diesem Paragrafen-Werk müssen die Pharma-Firmen mit ihren Arzneien ein Verfahren durchlaufen, das Kosten und Nutzen der Präparate bewertet, und sich anschließend mit den Krankenkassen auf einen Erstattungsbetrag einigen. Jährliche Einsparungen in Höhe von zwei Milliarden Euro erwarteten die PolitikerInnen von der Regelung. Die Hoffnung trog jedoch; 2013 wurden es lediglich 150 Millionen Euro. Die schwarz-gelbe Koalition war nämlich von ihren Plänen abgerückt, alle Medikamente einer Revision zu unterziehen und beschränkte sich auf neue Präparate. Zudem fallen die Abschläge äußerst mager aus. Für BAYERs Gentech-Präparat EYLEA zur Behandlung der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – betrugen sie trotz des Prüfurteils „Kein Zusatznutzen“ gerade mal 7,6 Prozent. Von 1.136 auf 1.050 Euro hatte der Pharma-Riese den Apotheken-Verkaufspreis zu senken.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

CDU und SPD verharmlosen GAUCHO
BAYERs Pestizide GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Wirkstoff: Clothianidin) sind mitverantwortlich für das weltweite Bienensterben. Deshalb hat die EU ihnen 2013 für vorerst zwei Jahre die Zulassung entzogen. Die Bundesregierung jedoch verharmlost die Gefahr dieser zur Gruppe der Neonicotinoide zählenden Ackergifte. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen bezweifelt sie die Aussagekraft der meisten Untersuchungen zur Gefährlichkeit dieser Mittel und beruft sich dabei auf das bundeseigene Julius-Kühn-Institut. So bezeichnen Merkel & Co. etwa das Studien-Design als mangelhaft. Zudem zweifeln sie die Übertragbarkeit der Labor-Ergebnisse auf Freiland-Bedingungen an. Darum hält die Große Koalition es im Einklang mit BAYER & Co. auch für richtig, sich bei der Suche nach den Ursachen für die Dezimierung der Bienenvölker weiter hauptsächlich auf die Varroa-Milbe zu konzentrieren.

GAUCHO-Alternative SIVANTO?
Ab 2015 will BAYER das Pestizid Flupyradifuron (Produktname: SIVANTO) als Alternative zu Imidacloprid (GAUCHO) vermarkten, dem die EU wegen seiner bienenschädigenden Wirkung 2013 für vorerst zwei Jahre die Zulassung entzogen hat. Flupyradifuron gehört zwar nicht wie Imidacloprid zur Gruppe der Neonicotinoide, sondern zu den Butenoliden, es ähnelt den Neonicotinoiden aber in seiner Funktionsweise. Wie diese wirkt das Flupyradifuron systemisch, also gegen eine Vielzahl von Schadinsekten, und wie diese blockiert es bei den Tieren die Reiz-Weiterleitung an den Nervenbahnen. Deshalb bestehen Zweifel daran, ob der Stoff wirklich so „bienenfreundlich“ ist, wie der Leverkusener Multi behauptet.

Brasilien: Verbot von GLYPHOS?
Wie El Salvador (siehe Ticker 3/14) plant nun auch Brasilien das Verbot von besonders gesundheitsschädlichen Pestiziden. Auf der Schwarzen Liste befinden sich mit Parathion-Methyl und Glyphosat auch zwei Wirkstoffe, die BAYER im Angebot hat. Parathion-Methyl kommt in ME 605 Spritzpulver zum Einsatz, und Glyphosat in GLYPHOS und USTINEX G. Zudem verkauft der Leverkusener Multi Glyphosat noch in Kombination mit CREDENZ und anderen gegen das Ackergift immun gemachten Genpflanzen.

Protest gegen Öko-Verordnung der EU
Die EU plant, strengere Pestizid-Grenzwerte für den ökologischen Landbau zu erlassen. Die betreffenden LandwirtInnen wenden sich allerdings gegen die Regelung. Da durch angrenzende Felder von Bauern und Bäuerinnen, die mit konventionellen Methoden arbeiten, auch Chemikalien auf ihre Äcker gelangen, fürchten sie, die neuen Limits nicht einhalten zu können.

BAYER erwirbt Herbizide
Der Leverkusener Multi hat von DUPONT Herbizide erworben, die im „Land-Management“, also nicht auf Äckern, sondern in Wäldern, auf Weide-Flächen, Industrie-Arealen oder Bahn-Gleisen zum Einsatz kommen (siehe auch PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE). Rund 30 Anti-Unkrautmittel umfasst das DUPONT-Sortiment. Dazu gehören Produkte wie PERSPECTIVE (Wirkstoffe: Aminocyclopyrachlor und Chlorsulfuron), ESPLANADE (Wirkstoff: Indaziflam), STREAMLINE (Wirkstoffe: Aminocyclopyrachlor und Metsulfuronmethyl), ESCORT (Wirkstoff: Metsulfuronmethyl) und Oust (Wirkstoff: Sulfometuronmethyl).

PFLANZEN & SAATEN

BAYER kauft GRANAR
BAYER hat das Sojasaatgut-Geschäft des paraguayischen Unternehmens GRANAR erworben (siehe auch IMPERIUM & WELTMACHT).

Feldversuche mit Zuckerrübe
Der Leverkusener Multi und KWS kündigen Feldversuche mit einer gemeinsam entwickelten Zuckerrüben-Art an, deren Erbgut eine natürliche und durch Züchtung verstärkte Enzym-Veränderung aufweist. Auf diese Weise übersteht die Labor-Frucht eine Behandlung mit solchen Anti-Unkrautmitteln, welche die Acetolactat-Synthese stören, unbeschadet. Allerdings überstehen auch immer mehr Wildpflanzen die Behandlung mit diesen so genannten ALS-Hemmern wie BAYERs ATTRIBUT (Wirkstoff: Propoxycarbazone) unbeschadet, weshalb die neue Rübe schon bald ziemlich alt aussehen könnte.

GENE & KLONE

Immer mehr Bt-Resistenzen
BAYER & Co. bauen in ihre Laborfrüchte gern das Gift-Gen des Bacillus thuringiensis (Bt) ein, um Schadinsekten zu töten. Der Leverkusener Multi setzt besonders bei SURPASS und anderen Baumwoll-Pflanzen auf den Bazillus. Die Schadinsekten können sich jedoch immer besser auf ihn einstellen. In einer von Juliano Ricardo Farias und seinem Team durchgeführten Untersuchung gelang es dem Heerwurm schon binnen dreier Jahre, eine Resistenz gegen den Bt herauszubilden. Zudem trotzen vielerorts bereits der Baumwollkapselbohrer, die Baumwollkapseleule, die Kohlschabe, die Aschgraue Höckereule, der Eulenfalter und die „Busseola fusca“-Raupe der Substanz.

Import-Zulassung für Gentech-Mais?
Die EU-Gremien befinden zur Zeit über eine Import-Zulassung für BAYERs Gentech-Mais T25. Die Lebensmittelbehörde EFSA hat der Laborfrucht bereits eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt, obwohl sie gentechnisch auf eine Behandlung mit dem gesundheitsgefährdenden Pestizid Glufosinat geeicht ist. Darum konnte sich das „Standing Committee on the Food Chain and Animal Health“ auch nicht auf ein positives Votums einigen. Zweimal kam es zum Patt, wobei die Bundesrepublik sich jeweils der Stimme enthielt. Jetzt obliegt der Europäischen Kommission die Entscheidung. Die Pflanze reiste derweil schon mal illegal ein. 2011 entdeckte das niedersächsische Umweltministerium bei einer Untersuchung Spuren von T25 in konventionellem Mais-Saatgut aus Ungarn.

Kennzeichnungspflicht in Vermont
Seit einiger Zeit gibt es in US-amerikanischen Bundesstaaten Initiativen zur Einführung einer Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Lebensmittel. BAYER & Co. investieren viel Geld, um diese Vorhaben zu Fall zu bringen und können leider schon Erfolge verbuchen. In Washington und Kalifornien scheiterte ein BürgerInnen-Begehren bereits. In Vermont allerdings muss die Gentech-Industrie Farbe bekennen. Der Bundesstaat erließ ein Kennzeichnungsgesetz, das jedoch einige Lücken aufweist, wie KritikerInnen monieren. Maine und Connecticut taten es Vermont gleich, wollen das Paragrafen-Werk jedoch erst in Kraft setzen, wenn mindestens vier weitere Staaten folgen.

Stammzellen: Der Hype ist vorbei
„Die Möglichkeiten sind grenzenlos“, schwärmte im Jahr 2001 BAYERs damaliger Chef-Pharmazeut Wolfgang Hartwig über die Stammzellen. Aus ihnen wollten die GenforscherInnen des Konzerns zahlreiche Zelltypen oder Gewebe-Arten entwickeln. 2008 haben sie in Japan ein Patent (siehe Ticker 3/08) für eine Technik zur Produktion von „Induzierten Pluripotenten Stammzellen“ (IPS) angemeldet, eine Stammzellen-Art, welche die ForscherInnen durch eine „Rückprogrammierung“ normaler Körperzellen erzeugen, was die Abtötung von Embryos erspart. Aber die Möglichkeiten dieser Gentechnik sind rasch an Grenzen gestoßen. Deshalb hat sich Ernüchterung eingestellt. „BAYER ist auf dem Gebiet der Stammzell-Forschung derzeit nicht aktiv“, heißt es jetzt lapidar. Thomas Eschenhagen, der Direktor des Instituts für Experimentelle Pharmakologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, bezeichnet den Wirbel um die Stammzellen im Nachhinein als Beispiel für „kurzfristige Sensationsforschung“. „Die waren vor 15 Jahren der große Hype. Alle sind auf diese Welle aufgesprungen, aber viele dieser Versprechen haben sich als falsch oder übertrieben herausgestellt. Also ist die Forscher-Karawane weitergezogen“, sagte er in einem taz-Interview. Eschenhagen hingegen forscht weiter an der Herstellung von künstlichem Herz-Gewebe aus Stammzellen.

Neue EYLEA-Zulassung
Wann immer die Aufsichtsbehörden einer Arznei des Leverkusener Multis für ein bestimmtes Anwendungsgebiet die Genehmigung erteilen, versucht dieser, grünes Licht für weitere Indikationen zu erhalten. So verfährt er auch im Falle des Gentech-Augenpräparats EYLEA. Zunächst nur zur Behandlung der altersbedingten feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – zugelassen, können es MedizinerInnen seit einiger Zeit auch zur Behandlung der Folgen eines Zentralvenen-Verschlusses der Netzhaut verschreiben. Und jetzt dürfen sie es zusätzlich zur Therapie der von der Zuckerkrankheit hervorgerufenen Makula-Degeneration einsetzen. Zudem stimmten die japanischen Aufsichtsbehörden bereits einer Verwendung bei der „choroidalen Neovaskularisation“, einer Gewebe-Wucherung am Seh-Organ, zu. Als Augen-Allheilmittel kommt der gemeinsam mit der Firma REGENERON entwickelte EYLEA-Wirkstoff Aflibercept aber nicht in Betracht. In den Tests, die zur ersten Zulassung führten, demonstrierte er nämlich lediglich seine Nicht-Unterlegenheit gegenüber Ranibizumab. Überdies traten während der Erprobungen zahlreiche Nebenwirkungen wie Bindehaut-Blutungen, grauer Star, Augenschmerzen, Glaskörper-Trübungen und Erhöhung des Augeninnendrucks auf.

EYLEA: Es geht auch billiger
Nach einer Untersuchung der Cochrane Collaboration, einem Netzwerk von ÄrztInnen, WissenschaftlerInnen und PatientInnen-VertreterInnen, wirkt das ROCHE-Krebsmedikament AVASTIN genauso gut zur Behandlung der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – wie ROCHEs LUCENTIS und BAYERs Gentech-Präparat EYLEA. Es hat nur einen Nachteil: Es ist zu billig, weshalb der Schweizer Konzern sich nicht selbst Konkurrenz machen will. Während eine Injektion mit LUCENTIS 900 Euro kostet und eine mit BAYERs Gentech-Präparat 1.050 Euro, schlägt AVASTIN nur mit 30 Euro zu Buche.

Hämophilie-Gentherapie
Das Unternehmen DIMENSION THERAPEUTICS entwickelt für BAYER eine neue Methode zur Behandlung der Bluter-Krankheit Hämophilie A. Dabei wollen die WissenschaftlerInnen ein Gen, das den Gerinnungsfaktor VIII produziert, direkt in die Leber einführen. Bis zu 240 Millionen Dollar an Zahlungen hat die US-amerikanische Biotech-Firma zu erwarten, sollte es ihr gelingen, das Verfahren bis zur Marktreife zu entwickeln.

WASSER, BODEN & LUFT

GAUCHO & Co. belasten Gewässer
Die Bundesländer überprüfen die Belastung der Gewässer mit BAYERs bienenschädlichen (siehe PESTIZIDE und HAUSHALTSGIFTE) Pestizid-Wirkstoffen Imidacloprid (GAUCHO) und Clothianidin (PONCHO) nicht systematisch. Es liegen nur Stichproben vor. Diese geben jedoch Anlass zur Sorge, denn sowohl Clothianidin als auch Imidacloprid überschritten teilweise die Grenzwerte. Besonders Imidacloprid tat sich dabei hervor. „Das deutet darauf hin, dass Imidacloprid ein für die Erfüllung der Anforderungen der EU-Wasserrahmen-Richtlinie relevanter Schadstoff in Oberflächen-Gewässern ist“, hält die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen zu GAUCHO & Co. fest.

Lubbock: BAYER & Co. in der Kritik
Im texanischen Bezirk Lubbock befinden sich neben dem Leverkusener Multi noch viele andere Chemie-Unternehmen. 390 Tonnen teils hochgefährlicher Stoffe lagern auf den Firmen-Arealen, oft in bedenklicher Nähe zu Siedlungen. Als es im Mai vergangenen Jahres auf dem BAYER-Gelände zu einem Austritt von Chlorwasserstoff kam, mussten deshalb die EinwohnerInnen eines ganzen Stadtteils von Guadalupe ihre Häuser verlassen. Besonders der geringe Abstand der Fabriken zu Schulen beunruhigt die LubbockerInnen. So liegen nach einer Studie des „Center for Effective Government“ 27 Bildungseinrichtungen mit insgesamt 9.500 SchülerInnen im „Einzugsgebiet“ von BAYER & Co. Die BürgerInnen verlangten aus diesem Grund genauere Information über die Substanzen, aber die Verantwortlichen des Regierungsbezirkes verweigerten die Auskunft.

Das Aus für Mikroplastik?
BAYER & Co. drängen mit ihrer Plaste & Elaste auf den Kosmetika-Markt. So finden sich in Zahnpasten, Dusch-Peelings und Kontaktlinsen-Reinigern viele Kunststoff-Produkte. Der Leverkusener Multi produziert beispielsweise Polyurethane zur Verstärkung der Haftkraft von Wimperntusche und Make-Ups. Diese Mikroplastik-Teilchen können nicht nur Gesundheitsstörungen verursachen, sondern auch die Umwelt schädigen, denn sie passieren die Kläranlagen unbehelligt. In den Gewässern bilden die Substanzen dann den besten Nährboden für andere Giftstoffe und potenzieren so ihre Gefährlichkeit noch einm

[HV Bericht] STICHWORT BAYER 03/2014

CBG Redaktion

HV: BAYER auf Rückzug

Verkehrte Welt

Schlechter hätte die diesjährige Hauptversammlung für BAYER nicht laufen können. Der Leverkusener Multi musste auf Geheiß des Kölner Verwaltungsgerichts die „Bannmeile“ um die Messehalle herum aufheben, so dass die Demonstrantinnen den AktionärInnen wieder näherkommen konnten. Damit nicht genug, sprachen dann im Saal selber mit 26 Konzern-KritikerInnen auch noch so viele Gegen-RednerInnen wie niemals zuvor und degradierten die Kapital-VertreterInnen damit zu einer kleinen radikalen Minderheit. Entsprechend missgelaunt präsentierte sich das Unternehmen. Von den ausländischen SprecherInnen erbat sich der nur Wirtschaftsenglisch verstehende Global Player Rede-Beiträge in deutscher Sprache und schaltete ihnen bei Zuwiderhandlungen einfach das Mikrofon ab.

Von Jan Pehrke

Die fleißigen Hände von BAYER hatten schon am Tag vor der Hauptversammlung damit begonnen, die Kölner Messehalle weiträumig mit einem Kordon von Schutzgittern abzuschirmen. Um sich die Konzern-KritikerInnen vom Leib zu halten, hatte der Leverkusener Multi nämlich wie im Vorjahr von der Messe-Gesellschaft den Vorplatz gleich mitgemietet, weshalb er meinte, das Hausrecht beanspruchen zu können und dabei in der Kölner Polizei einen freundlichen Helfer fand. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN ging dagegen per einstweiliger Verfügung gerichtlich vor und bekam Recht zugesprochen. „Die Antragsteller können die Gewährleistung der angemeldeten Kundgebung seitens des Antraggegners beanspruchen, denn diese fällt – entgegen der vom Antragsgegner vertretenen Auffassung – unter die Versammlungsfreiheit nach Art. 8 Absatz 1 GG“, urteilte das Kölner Verwaltungsgericht. „Orte der allgemeinen Kommunikation“ haben politischen Aktionen zugänglich zu bleiben, urteilten die RichterInnen mit Bezug auf das so genannte FRAPORT-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das 2011 die Abschottung des Frankfurter Flughafens für unrechtmäßig erklärt hatte.
So mussten dann die fleißigen Hände ihr Tagwerk wieder abtragen und den Platz der „allgemeinen Kommunikation“ öffnen. Und die fand am 29. April reichlich statt. Eine bunte Schar von ca. 150 Personen hatte sich schon am frühen Morgen vor den Messehallen eingefunden. Geschädigte der BAYER-Spirale MIRENA zogen mit einem furchterregend großen Exemplar des Pessars vor den Eingang. Eine Gruppe von Frauen, denen die Kontrazeptiva des Konzerns zugesetzt hatten, trugen rote T-Shirts mit ihren Krankengeschichten. „Erfolgsbilanz ‚Die Pille’: Ricarda (23) Lungenembolie“, konnten die AktionärInnen darauf etwa lesen. Auch Leidtragende des Schwangerschaftstests DUOGYNON kamen wieder nach Köln. Zu ihnen gesellten sich darüber hinaus noch GREENPEACE-AnhängerInnen, GegnerInnen der Kohlenmonoxid-Pipeline, ImkerInnen, die Kölner Lichtbrigade und natürlich Mitglieder der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN mit all ihren Transparenten und Flugblättern.
Und im Saal selber setzte sich die konzern-kritische Kommunikation beinahe übergangslos fort. „Mit Marc Tüngler und Joachim Kregel hatten nur zwei Aktionärsvertreter Gelegenheit, die Leistung des Vorstands aus Sicht der Anteilseigner zu kommentieren. Die Noten fielen hervorragend aus, aber schon nach 20 Minuten ging es nur noch um weniger angenehme Dinge als die Steigerung des Aktienkurses, eine höhere Dividende und gute Aussichten für den BAYER-Konzern“, hieß es in dem „BAYER-Kritiker geben Ton an“ überschriebenen Hauptversammlungsartikel des Leverkusener Anzeigers. Sage und schreibe 26 Gegen-RednerInnen meldeten sich nach Tüngler und Kregel zu Wort – so viel wie noch nie. Kein Weg war ihnen dafür zu beschwerlich, bis aus Australien und Indien kamen sie in die Kölner Messehalle.
Die Kontrazeptiva-Geschädigte Marion Larat reiste aus dem französischen Bordeaux an. In ihrem Heimatland just zur „Frau des Jahres“ gekürt, weil sie mit ihrer Klage gegen BAYER und der Gründung der Selbsthilfegruppe AVEP die von MELIANE (Wirkstoffe: Gestoden und Ethinylestradiol) und anderen Verhütungsmitteln ausgehende Gefahr einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht hat, konfrontierte sie den Leverkusener Multi zum ersten Mal direkt mit ihrem Schicksal. „Ich bin hier, stehe Ihnen gegenüber, halbseitig gelähmt, mit einer Sprachstörung und als Epileptikerin als Folge eines Schlaganfalls, der mich vor 8 Jahren niedergestreckt hat. Zum Glück habe ich überlebt und ich bin hierher gekommen, um Ihnen von meinem Leiden und meiner Wut zu erzählen“, so begann ihre von Ricarda Popert in Deutsch vorgetragene Rede. Dann berichtete sie von dem Vorfall, der sie – 18-jährig und frisch verliebt – aus ihrem bisherigen Leben riss und sie zu einer Schwerbehinderten machte, die keinen Beruf mehr auszuüben vermag und auf eine klägliche staatliche Unterstützung von 700 Euro im Monat angewiesen ist. „Also sagen Sie mir, Herr Dr. Dekkers, wie viel verdienen Sie im Monat? Ihre Verurteilung würde Ihren Nachfolger ermutigen, nicht mehr mit kriminellen Strategien zu arbeiten“, wandte sie sich direkt an den BAYER-Chef. Aber Marion Larat sprach auch über ihre erfolgreichen Bemühungen, dem Pharma-Riesen bei der Vermarktung der Pillen der 3. Und 4. Generation, die ein viel höheres Risiko-Profil aufweisen als ältere Verhütungsmittel, das Handwerk zu legen. Der Gang vor Gericht und die Kampagne von AVEP hat nämlich nicht nur zu vielen Publikationen über MELIANE & Co. geführt, sondern auch die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA auf den Plan gerufen und die französischen Krankenkassen zu einer Streichung der Kostenübernahme veranlasst – mit schmerzlichen Folgen für das Unternehmen. „Sehr geehrte Aktionäre, ich bin stolz, Ihnen sagen zu können, dass wir Leben gerettet haben und zwar auf Kosten Ihrer Profite!“ konstatierte Larat, die noch zwei Tage vor der Hauptversammlung wieder einen epileptischen Anfall bekommen hatte. Am Schluss ihres Vortrags forderte sie die Aktien-HalterInnen auf, dem Konzern für seine Politik das Vertrauen zu entziehen und stattdessen für die Gegenanträge der Coordination zu stimmen. „Während einer Sekunde, stellen Sie sich vor, dass ich Ihre Tochter bin“, mit diesem Appell versuchte die Französin sie zu „Nein“-Stimmen zu bewegen. In seiner Antwort schaffte es Marijn Dekkers dann nicht einmal, sich zu der sonst üblichen routinierten Betroffenheitsgeste durchzuringen. Er schaltete stattdessen übergangslos in den Ignoranz-Modus. „Gesundheitsbehörden, externe und unabhängige Experten und BAYER-Wissenschaftler haben die verfügbaren wissenschaftlichen Daten der Gesundheitsbehörden sorgfältig bewertet. Demnach sind Drospirinon-haltige Produkte sicher und zuverlässig. Sie haben ein positives Nutzen/Risiko-Profil bei indikationsgemäßer Verwendung“, hielt er fest.
Das neueste Produkt aus der Sparte „Frauengesundheit“, das 2013 vom US-amerikanischen Pharma-Unternehmen CONCEPTUS erworbene Sterilisationspräparat ESSURE, stand an diesem Tag dank Michelle Garcia, die mit einer weiteren Geschädigten extra aus den USA angereist war, ebenfalls auf der Tagesordnung. Die kleine Spirale, deren Kunststoff-Fasern für ein so großes Wachstum des Bindegewebes sorgen, dass es die Eileiter verschließt, kann nämlich erhebliche Gesundheitsprobleme verursachen. Und diese brachten BAYER schon im Vorfeld der Hauptversammlung in die Schlagzeilen, weil sich in den USA die Verbraucherschützerin Erin Brockovich, bekannt geworden durch den ihr gewidmeten Hollywood-Film mit Julia Roberts in der Hauptrolle, der Sache angenommen hat. Sie unterstützt die Kampagne der Geschädigten und redete der BAYER-Chefetage vorab ins Gewissen: „Meine Botschaft an den Vorstand und die Aktionäre lautet: Hören Sie den Frauen aufmerksam zu, weil Sie von ihnen erfahren können, was mit diesem Produkt schief läuft. Dies ist eine Gelegenheit für das Unternehmen, eine richtige Entscheidung zur treffen und das Vertrauen der Öffentlichkeit zu gewinnen.“
Michelle Garcia hatte dann wirklich einiges zu erzählen. „Ich bin ein ESSURE-Opfer, eine ESSURE-Überlebende und spreche hier für Tausende“, erklärte sie und konfrontierte die AktionärInnen mit ihrer eigenen Krankengeschichte. Bei ihr war die Spirale abgebrochen, und ein spitzes Ende hatte eine Eileiter-Wand durchstoßen, was zu einer inneren Blutung führte. „Ich könnte tot sein, ich sollte tot sein“, konstatierte Garcia trocken. Anschließend führte sie ähnliche Fälle an und zählte eine ganze Liste von Nebenwirkungen auf, die von Beckenboden-Schmerz bis zu chronischen Entzündungen reichte. Deshalb fand Garcia klare Worte: „Ich stehe hier vor ihnen mit einer einfachen, aber starken Botschaft: ESSURE ist gefährlich, und ESSURE gehört nicht auf den Markt.“ Aber Marijn Dekkers wollte darauf nicht hören und reagierte nach Plan. Nach der Betroffenheitsgeste – „Lassen Sie mich zunächst feststellen, dass wir großes Mitgefühl für Patienten haben, die unsere Produkte anwenden und von ernstlichen gesundheitlichen Beschwerden berichten, unabhängig von der Ursache dieser Beschwerden“ – folgte die Heraushebung des positiven Nutzen/Risiko-Profils des Mittels und die schnöde Feststellung, es sei eben nicht jedes Verhütungsmittel für jede Frau geeignet.
Aber es ging noch ignoranter. Obwohl sich die BAYER-Aktien zu 72 Prozent in ausländischem Besitz befinden, und der Konzern sich nicht nur mit Leit-Maximen wie „Responsible Care“ gerne international gibt, um sich als „Global Player“ auszuweisen, wollte er auf seinem AktionärInnen-Meeting keine in englischer Sprache gehaltene Wort-Meldung dulden, weil „auf einer deutschen Hauptversammlung deutsch gesprochen wird“. So durfte die Australierin Jennifer Lloyd nicht über das BAYER-Präparat TRASYLOL sprechen. Als sie ansetzte zu schildern, wie ihr Vater 1978 durch das in einem Melbourner Krankenhaus verabreichte und damals offiziell noch gar nicht zugelassene Medikament drei Herzinfarkte erlitt und schließlich starb, schaltete der Aufsichtsratsvorsitzende ihr einfach das Mikrofon ab. Jennifer Lloyd geriet außer sich. Sie schrie in Richtung Vorstand, aber es erfolgte keine Reaktion. Deshalb stieg sie vom Rednerpult herab und rannte vor die Bühne, auf der Wenning und Dekkers umringt von ihren Vorstands- und AufsichtsratskollegInnen thronten. Jetzt konnte die junge Frau ihnen das, was sie angetrieben hatte, den strapaziösen Flug auf sich zu nehmen, direkt ins Gesicht sagen: dass TRASYLOL ihren Vater getötet hat. Lange schaute die Security sich das nicht an. Sie rückte der Frau immer näher, aber das Eingreifen der Coordination verhindert Schlimmeres. Und schließlich gelang es sogar, Lloyd doch noch zu ermöglichen, ihr Anliegen vorzutragen. Die ursprünglich als nächste Rednerin vorgesehene Anne Isakowitsch von der Initiative SOME OF US, die sich eigentlich dem Bienensterben widmen wollte, lud Lloyd zu sich auf das Redner-Pult und stellte sich als Übersetzerin in den Dienst der Australierin. „Konzern-Arroganz“ pur nannte der CBGler Axel Köhler-Schnura das Gebaren BAYERs in seinem Beitrag später, und der Spiegel befand: „Eigentlich könnte die BAYER AG, die sonst gern mit dem Motto ‚Science for a better life’ wirbt, derartiger Kritik gegenüber toleranter sein.“
Aber die RednerInnen-Liste mit denjenigen, welche die verheerenden Folgen der „Science for a better life“ am eigenen Leib erfahren haben und damit so etwas wie eine verkörperte Konzern-Kritik darstellen, war noch länger. Auch zum hormonellen Schwangerschaftstest DUOGYNON/PRIMODOS und der Spirale MIRENA musste sich der Vorstand erschütternde Krankenberichte anhören. An CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes war es dann, die ganze (Profit-)Logik darzulegen, die solche Risiken und Nebenwirkungen systematisch produziert. Er begann seine „Bittere Pillen“-Suada mit den Blutprodukten, die mit HIV-Erregern infiziert waren, weil der Konzern sich aus Kostengründen Tests und Sterilisationsverfahren ersparte. Dann rief Mimkes den Skandal um den Cholesterin-Senker LIPOBAY in Erinnerung, dessen Überlegenheit gegenüber Konkurrenz-Produkten der Multi mit einer so hohen Cerivastatin-Dosis demonstrieren wollte, dass die Nebenwirkungen die Wirkungen in den Schatten stellten – Resultat: über 100 Tote bis zum Verbot. Und schließlich kam der Diplom-Physiker auf XARELTO, den neuen Gerinnungshemmer aus dem Hause BAYER, zu sprechen. Obwohl er sich in Tests den herkömmlichen Mitteln gegenüber nicht überlegen zeigte und ÄrztInnen-Organisationen wegen seines Gefährdungspotenzials von dem Produkt abraten, presst das Unternehmen die Arznei mit einem gigantischen Marketing-Aufwand in den Markt. Zu 133 Meldungen über Todesfälle und 1.400 über schwere Nebenwirkungen beim „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ hat das allein im letzten Jahr geführt. „Wir befürchten, dass XARELTO (...) der nächste Pharma-GAU von BAYER wird“, schloss der CBGler deshalb seine Ausführungen.
Damit war das Kapitel „Pharma“ des „Schwarzbuchs BAYER“ aber noch nicht geschlossen. Auch zu den Arznei-Patenten, Tierversuchen und den Medikamenten-Tests in Armutsregionen gab es Reden. Und die weiteren Einträge wie „Bienensterben“, „Kohlenmonoxid-Leitung“, „Gentechnik“, „Kriegsverbrechen im Ersten Weltkrieg“ und „klimaschädliche Energie-Versorgung“ kamen den AktionärInnen ebenfalls zu Gehör. Bis zum Abend dauerte die „Vorlesung“, nicht einmal kleine Verschnaufspausen mit zahlen-bewehrten Erfolgsgeschichten aus dem „Geschäftsbericht 2013“ waren ihnen vergönnt. Während sich die „Kritischen“ in früheren Jahren wie Fremdkörper inmitten von Kapital-LaudatorInnen fühlten, hatten sie nun ein Heimspiel. Der Gen-Gigant überließ ihnen kampflos das Feld. Vor der Halle hatte er die BAYER-Fahnen eingeholt, damit sie nicht den passenden Hintergrund für Fotos von den Protestaktionen bilden können, und drinnen hatte er den Konzern-KritikerInnen einen beträchtlichen Teil des Saals freigeräumt.
Am Ende des Tages gelang es nicht einmal der Abstimmung so ganz, die verkehrte Welt wieder gerade zu rücken. Die Ergebnisse lagen zwar für die ersten drei Tagesordnungspunkte „Gewinn-Verwendung“, „Entlastung des Vorstands“ und „Entlastung des Aufsichtsrats“ immer noch bei über 96 Prozent, aber auch hier fanden Erosionsprozesse statt. So wurden bei TOP 1 rund 1,2 Millionen Stimmen für den CBG-Gegenantrag, beim TOP 2 ca. 8,9 Millionen und beim TOP 3 sogar über 10 Millionen gezählt, mehr als doppelt so viele wie bei der letzten HV. Die meiste Zustimmung erlangte dabei ein Antrag, der sich gegen die Wahl des Gentechnik-Strippenziehers Ernst-Ludwig Winnacker in den Aufsichtsrat wendete. Fast 12 Millionen oder 3,09 Prozent votierten dagegen.
Und sogar bei seiner eigenen Berichterstattung über die Hauptversammlung musste der Leverkusener Multi die Realität anerkennen und sich mit den Gegen-Reden beschäftigen – andere gab es ja schlicht kaum noch. Nur dass in dieser Version der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers dann alle Fragen der KritikerInnen zur vollsten Zufriedenheit beantworten konnte. Spannend bleibt jetzt, wie der Konzern das alles verdaut und welche Schlussfolgerungen er daraus für die nächste HV zieht.

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[HV Reden] STICHWORT BAYER 02/2014

CBG Redaktion

Viele Fragen und keine Antworten

Konzernkritik x 26

Die HV-Gesamtschau: 26 Gegen-RednerInnen traten am 29. April 2014 vor die AktionärInnen. Sie brachten Themen wie Pharma-Patente, Arznei-Nebenwirkungen, Medikamenten-Tests, Tierversuche, Bienensterben, gefährliche Chemikalien, Gentechnik, die Kohlenmonoxid-Pipeline, Klimasünden und die Konzern-Vergangenheit auf die Tagesordnung und setzten BAYER mit ihren Fragen gehörig unter Druck. Entsprechend schwer tat sich der Konzern mit den Antworten.

Von Jan Pehrke

Der Unternehmensteil, welcher bei BAYER am meisten zur goldenen Geschäftsbilanz beiträgt, ist gleichzeitig auch derjenige, welcher die größte Schadensbilanz aufweist: Der Pharma-Bereich. Und dass dazwischen ein Zusammenhang besteht, machten auch bei der diesjährigen Hauptversammlung wieder zahlreiche GegenrednerInnen deutlich. Zusätzlich zu den Pillen-Geschädigten, die von weither nach Köln angereist waren, kamen auch viele ihrer deutschen Leidensgenossinnen nach Köln. So traten Felicitas Rohrer und Kathrin Weigele gleich in Begleitung von sechs Mitstreiterinnen von der Initiative RISIKO-PILLE ans Rednerpult, um vor den AktionärInnen eine wahre „Chronique scandaleuse“ der Verhütungsmittel der dritten und vierten Generation auszubreiten.

Bittere Pillen
Diese begann den beiden Frauen zufolge schon mit kritischen Stimmen zur Markteinführung im Jahr 2000, setzte sich dann mit unzähligen warnenden Studien und den ersten Klagen fort und ist heute mit 28 Toten allein in der Bundesrepublik, unzähligen Prozessen und hohen Schadensersatz-Zahlungen noch längst nicht beendet. Aber all das prallte an BAYER-Chef Marijn Dekkers ab. „Ich möchte auch in diesem Jahr betonen: Wir stehen hinter unseren oralen Kontrazeptiva“, entgegnete der Vorstandsvorsitzende Rohrer und Weigele.
Aber nicht nur orale Kontrazeptiva, auch andere Verhütungsmittel des Leverkusener Multis haben es in sich. Von den Risiken und Nebenwirkungen der Hormon-Spirale MIRENA legte eine Geschädigte aus Berlin Zeugnis ab: „Die meisten klagen über Haarausfall, Akne, Zysten, Gewichtszunahme, Libido-Verlust, Depression und Panikattacken.
Gemeinsam ist vielen dieser MIRENA-Betroffenen, dass sie jahrelang unter vielen Nebenwirkungen gelitten und einen regelrechten Ärzte-Marathon hinter sich gebracht haben. Dabei hieß die Ursache ihrer Beschwerden ganz einfach: MIRENA. Herr Dr. Dekkers, was sagen Sie diesen Frauen? Dass sie einfach Pech hatten?“ Er sagte ihnen etwas anderes, aber ebenso wenig Sachdienliches. „In Zusammenarbeit mit den Behörden werden die wissenschaftlichen Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit von MIRENA fortlaufend kontrolliert und bewertet. Danach gibt es keinen Zweifel am positiven Nutzen/Risiko-Profil dieses Produktes“, so der Niederländer. Und dann bemerkte er noch achselzuckend, es sei eben nicht jedes Mittel für jede Frau geeignet.
Definitiv für gar keine Frau geeignet war der hormonelle Schwangerschaftstest DUOGYNON bzw. PRIMODOS. Das Produkt der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING hat ab den 1950er Jahren zu tausenden Todgeburten geführt. Darüber hinaus kamen bis zum Vermarktungsstopp in den 1970er Jahren unzählige Kinder mit schweren Missbildungen zur Welt. „Können Sie sich vorstellen, was es bedeutet, ihr Kind mit von PRIMODOS verursachten Schmerzen und Jahre andauernden Krankheiten aufwachsen zu sehen“, fragte deshalb die Engländerin Valerie Williams die AktionärInnen in ihrer Rede, deren Übersetzung Peter Noquet vortrug. Für das Leid, welches das Unternehmen ihrem Sohn und ihr zugefügt hat, verlangte die Rentnerin eine Entschuldigung. Zudem erhob sie Anspruch auf Schmerzensgeld.
Andre Sommer formulierte ebenfalls Forderungen. „Stellen Sie sich endlich Gesprächen. Lassen Sie uns das Thema endlich beenden!“, appellierte er an den Vorstand. Der Lehrer, der sich als PRIMODOS-Spätfolge noch im letzten Jahr einer Magen-Operation unterziehen musste, prozessierte sogar schon gegen BAYER. Aber das Landgericht Berlin hatte seine Klage auf Herausgabe von PRIMODOS-Dokumenten abgewiesen. „Verjährt“ lautete das Urteil von 2012, das Sommer nicht akzeptieren kann. „Glauben Sie, dass meine Grunderkrankung für mich jemals verjährt?“, wollte er von den Managern wissen und erinnerte diese noch einmal an die Richter-Worte: Es gibt einen Unterschied zwischen Recht und Moral. Ein Weltkonzern wie BAYER sollte den Dialog suchen, da kann ich Sie nur ermahnen!“
Für diesen Dialog setzte sich auch Peter Noquet ein, den das Schicksal von Valerie Williams dazu bewogen hatte, noch eine eigene Rede zum Thema „Schwangerschaftstests“ zu halten. Er erinnerte Marijn Dekkers an den Firmen-Slogan „Responsible Care“ und fragte Vorstand und Aufsichtsrat, ob darin nicht auch eine Verpflichtung läge, den Geschädigten zu helfen, wenn sich ein Medikament als gefährlich erwiesen hätte. Margret-Rose Pyka vermochte ebenfalls nicht mehr länger tatenlos mit ansehen, wie BAYER Valerie Williams und andere Betroffene Jahr für Jahr erneut abkanzelt und schritt deshalb zum Mikrofon. Sie bezeichnete es als verantwortungslos, trotz früher Warnhinweise lange an den gesundheitsgefährdenden Arzneien festgehalten zu haben und alle Informationen zu den Hormon-Präparaten unter Verschluss zu halten. „Wann bitten Sie um Verzeihung, dass Sie das Vertrauen, das Ihre Firma so groß gemacht hat, missbrauchen“, fragte Sie Marijn Dekkers zum Abschluss. Doch zu einer solchen Geste war der Holländer nicht bereit. Er drückte nur kurz sein Bedauern über das persönliche Schicksal der Betroffenen aus, um dann ungerührt die Textbausteine zur Entlastung des Schwangerschaftstests aneinanderzureihen.
All die auf der Hauptversammlung inkriminierten Medikamente von DUOGYNON bis YASMIN haben vor ihrer Zulassung Tierversuche durchlaufen. Für Silke Bitz von ÄRZTE GEGEN TIERVERSUCHE ließ das nur eine Schlussfolgerung zu: „Wie ein neues Medikament beim Menschen wirkt, lässt sich also auf der Grundlage von Tierversuchen nicht mit der nötigen Sicherheit feststellen.“ Als konkretes Beispiel erwähnte sie BAYERs Cholesterin-Senker LIPOBAY, auf dessen fatale Nebenwirkung „Muskelzerfall“ es am „Tiermodell“ keinerlei Hinweise gegeben hatte. Nicht nur aus moralischen, sondern auch aus wissenschaftlichen Gründen plädierte die Diplom-Biologin deshalb für Alternativen wie Forschungen mit menschlichen Zellsystemen, Biochips oder Computer-Simulationen. Davon wollte der BAYER-Chef allerdings nichts wissen. „Zum Nachweis der Unbedenklichkeit und Wirksamkeit von Arzneimitteln und anderen chemischen Verbindungen sind Tierversuche nach wie vor wissenschaftlich notwendig“, meinte er, um dann zu konzedieren: „Das schließt die intensive Suche nach anderen Methoden natürlich nicht aus.“ Ergebnisse hat dieses Bemühen, das der Konzern sich seit Jahre zugutehält, allerdings noch nicht gezeitigt. Im Geschäftsjahr 2013 lag die Zahl der Tierversuche des Multis unverändert hoch bei rund 170.000.
Bei der Entwicklung von Medikamenten kommt nach den Tierversuchen die Erprobung am Menschen. Und auch hier geht das Unternehmen wenig zimperlich vor. Mit Vorliebe verlegt er die Arznei-Tests nämlich in ärmere Länder wie Indien. Dort locken ein großes Reservoir an armen und deshalb auf Geld angewiesenen ProbandInnen, unschlagbare Preise und ein löchriges Kontrollsystem. Die Folgen führte die indische Journalistin Ruhi Kandhari der Hauptversammlung vor Augen: Zwischen 2007 und 2012 starben 2.374 Menschen für die Pharma-Industrie, davon allein 146 für BAYERs neuen Gerinnungshemmer XARELTO. Das wären alles alte und kranke Hochrisiko-Patienten gewesen, gab Dekkers Kandhari wider besseren Wissens zur Antwort, ein Zusammenhang mit dem Präparat bestehe nicht, denn: „Untersuchungen am Menschen werden bei BAYER nach strengen wissenschaftlichen und ethischen Grundsätzen durchgeführt. Das gilt weltweit für alle Länder.“ Zu diesen Grundsätzen gehörte es für den Pharma-Riesen offenbar auch, ExpertInnen bei der Abfassung von XARELTO-Gutachten die Hand zu führen. Nach dem von Kandhari zitierten Bericht einer Untersuchungskommission waren es nämlich „fast identische Kopien“. Aber Dekkers stritt die „Schreibhilfe“ einfach ab: „Unser Unternehmen hat keinen Einfluss auf die Auswahl dieser Experten oder deren Einschätzungen.“
Mit BAYERs Pharmageschäftspraxis in Indien beschäftigte sich auch Philipp Frisch von ÄRZTE OHNE GRENZEN. Weil der Global Player dort für eine Therapie mit seinem Krebs-Präparat NEXAVAR monatlich 4.200 Euro berechnen wollte, hob ein indisches Gericht das Patent auf und erlaubte einer anderen Firma, eine preisgünstige Nachahmer-Version des Mittels herzustellen. Der Konzern ging juristisch gegen die Entscheidung vor, und im Rahmen dieses Rechtsstreits rechtfertigte der Ober-BAYER die Preis-Politik des Unternehmens. „Wir haben dieses Produkt nicht für den indischen Markt entwickelt (...) Wir haben es für westliche Patienten entwickelt, die es sich auch leisten können“, sagte er. Frisch kritisierte diese Äußerung scharf: „Dekkers‘ Zitat fasst alles zusammen, was heute im globalen Gesundheitsbereich falsch läuft: Medikamente nur für Reiche, Forschung soll durch Monopolversprechen und Patente angereizt werden.“ Der BAYER-Chef jedoch rechtfertigte seine Aussage. Die Entwicklung von Krebs-Medikamenten sei nun mal leider sehr teuer, führte er aus und erläuterte: „Dabei ist es offensichtlich, dass wir dieses Geld in den reicheren westlichen Ländern verdienen müssen, die gut entwickelte Krankenversicherungssysteme haben.“ Und gut entwickelte Gesetze zum „Schutz des geistigen Eigentums“, welche die Monopol-Gewinne garantieren. „Wenn aber der Patentschutz in Frage gestellt wird, kann das Geschäftsmodell nicht mehr funktionieren“, meinte Dekkers deshalb. Wenn jedoch dieses Geschäftsmodell funktioniert, dafür aber die Versorgung ärmerer Länder mit Medikamenten in Frage steht, wie es zur Zeit der Fall ist, dann helfen dem Holländer zufolge nur milde Gaben in Form von speziellen Arznei-Zugangsprogrammen.

Sterben wie die Bienen
Großen Raum auf der Hauptversammlung nahm auch das Thema „Bienensterben“ ein. Gleich vier RednerInnen widmeten sich dieser Nebenwirkung der BAYER-Pestizide PONCHO und GAUCHO aus der Gruppe der Neonicotinoide. „Es gibt keine Zukunft ohne Bienen“, hielt Anne Isakowitsch von der Initiative SumOfUs fest und erläuterte den Grund: „Jeder dritte Bissen Essen, den wir zu uns nehmen, hängt von der Arbeit von Bienen ab. Das weltweite Bienensterben gefährdet unser Überleben und das unserer Kinder.“ Eigentlich müsste ein Konzern, der sich zur Nachhaltigkeit bekennt und wirtschaftliches Wachstum mit ökologischer und gesellschaftlicher Verantwortung in Einklang bringen will, diese Entwicklung stoppen“, meinte die Aktivistin, was BAYER aber nicht tue. „Im Fall der bienentötenden Pestizide scheint Profit ganz klar wichtiger zu sein als diese Prinzipien“, konstatierte Isakowitsch, die nicht nur redete, sondern auch handelte. Sie übergab dem Vorstand eine Petition mit 600.000 Unterschriften zum Vermarktungsstopp von PONCHO & Co. GREENPEACE verband ebenfalls Wort und Tat. Hatte die Umwelt-Organisation Mitte April noch vor der Konzern-Zentrale gegen die Ackergifte des Multis protestiert und ein riesiges Transparent vom Vordach heruntergelassen, auf dem die Bienen selber fordern: „Stop killing us“, so erläuterte Dirk Zimmermann den AktionärInnen noch einmal genau die Motive für die Aktion. Die Initiative hatte nämlich jüngst eine Untersuchung über die Agro-Chemikalien durchgeführt und damit dem Belastungsmaterial noch weiteren Stoff hinzufügt. „Wir haben festgestellt, dass Pollen, der Bienen und ihrer Brut direkt als Nahrung dient, zum Teil mit bedenklichen Pestizid-Cocktails belastet war“, so Zimmermann.
BAYER hingegen gibt als Erklärung für das Massensterben stets die Varroa-Milbe und unprofessionelles Verhalten der BienenzüchterInnen an. Deshalb fragte Roger Dammé von der Europäischen ImkerInnen-Vereinigung BEE LIFE den Vorstand: „Wenn Imker und Bienenkrankheiten die Hauptschuldigen am Bienensterben sein sollen: Wie bitte erklären Sie sich dann den gleichzeitigen Rückgang von Schmetterlingen und anderen bestäubenden Insekten?“ Darüber hinaus wies Dammé auf Forschungen des „EU-Referenzlabors zur Bienengesundheit“ hin, die ebenfalls Parasiten-Befall als alleinige Ursache ausschlossen. Mit den mahnenden Worten: „Die Gesundheit der Honigbienen und anderer Insekten ist das Thermometer einer nachhaltigen Landwirtschaft. Im Moment steht das Thermometer auf Fieber.
Die aktuelle Ausrichtung des BAYER-Konzerns ist ein Teil des Problems“ beendete er seine Ausführungen.
Sogar die EU hat den Agro-Riesen als einen Teil des Problems ausgemacht und im Dezember 2013 die Ausbringung der Neonicotinoide auf bestimmten Kulturen für zunächst zwei Jahre untersagt. Aber BAYER zeigte sich weiter uneinsichtig. In Tateinheit mit SYNGENTA ging der Global Player gerichtlich gegen die Entscheidung vor. Wie Zimmermann, Isakowitsch und Dammé erboste diese Reaktion auch Christoph Koch vom deutschen „Berufs- und Erwerbsimkerbundes“ maßlos. „Was wollen Sie damit bezwecken?“ fragte er Dekkers & Co. und warnte: „Das wird ein Nachspiel geben von einer Dimension, wie es der Konzern in Fragen des Bienenschutzes noch nicht erlebt hat!“ Doch der Vorstandsvorsitzende legitimierte das Vorgehen gegenüber den kritischen AktionärInnen. Weil der Leverkusener Multi durch das vorübergehende Verbot die Rechtssicherheit von Pestizid-Zulassungen zur Disposition gestellt sah, habe er den Rechtsweg bestritten, so Dekkers. Und auch in der Sache zeigte er sich uneinsichtig. Alle möglichen Ursachen nannte der BAYER-Chef für das Bienensterben, die durch die Varroa-Milbe ausgelösten Gesundheitsstörungen, Umwelt- und Klima-Einflüsse und die Struktur-Veränderungen in der Landwirtschaft, nur eine nicht: die Neonicotinoide. „Die praktische Erfahrung sowie die wissenschaftliche Daten-Lage zeigen, dass sie keine negativen Auswirkungen auf die Entwicklung von Bienenvölkern haben, wenn die Produkte verantwortungsvoll und vorschriftsmäßig eingesetzt werden“, antwortete er den Gegen-RednerInnen.

Diese Produkte und die Genpflanzen im Angebot haben BAYER CROPSCIENCE zu einem der weltgrößten Agro-Unternehmen aufsteigen lassen. Konkurrenz herrscht in dem Segment kaum. BAYER, MONSANTO, SYNGENTA, DUPONT und DOW kommen sich nicht groß ins Gehege und verfolgen eine gemeinsame Politik, wie Olivia Tawiah darlegte. „Das Ziel dieses Oligopols ist ganz eindeutig, den Markt unter sich aufzuteilen, Preise und politische Rahmenbedingungen zu diktieren und letztlich die Ernährungsgrundlagen der Menschheit zu kontrollieren“, stellte die in der „Transition Town“-Bewegung aktive Frau fest und machte die Patente als zentrales Mittel zu diesem Zweck aus. Nicht weniger als 206 hält der Leverkusener Multi auf Mais, Weizen, Reis, Gerste, Baumwolle, Soja und sogar auf genmanipulierte Bäume, informierte die Düsseldorferin und wunderte sich: „Patente haben für mich immer etwas zu tun gehabt mit Erfindungen, die Menschen mit ihrer Phantasie und ihrem Wissen entwickelt haben und sind eng verknüpft mit dem Begriff der Originalität.
Patente auf Lebewesen jeglicher Art, die die Natur hervorbringt, gehören nach meinem Empfinden nicht dazu.
Die Natur ist lange vor BAYER und allen anderen Chemie-Konzernen entstanden.“ Noch mehr wunderte sie, dass es trotz all dieser Patente beim Global Player mit gegen Glufosinat und Glyphosat resistenten sowie mit dem Bacillus thuringiensis bestückten Pflanzen nur zwei Gentech-Varianten gibt, die noch dazu massive Risiken und Nebenwirkungen aufweisen. „Wegen der Gefahren für Mensch und Umwelt müssten Glufosinat und Glyphosat nach Ansicht von Umweltschützern sofort vom Markt genommen werden.
Darüber hinaus sind beide Techniken wegen der zunehmenden Resistenzbildung allenfalls noch ein paar Jahre wirksam und daher kaum zukunftstauglich“, ließ Tawiah wissen. Da gab sich auch Marijn Dekkers ratlos: „Schaderreger haben stets das Potenzial zu Resistenz-Bildung gegen Pflanzenschutzmittel (...) Es ist eine evolutionäre Eigenschaft der Lebewesen und dient ihrer Arterhaltung.“

CO & Co.
Unabdingbar für BAYERs Arterhaltung ist für ihn die Kohlenmonoxid-Pipeline, deren Gefahren-Potenzial gleich mehrere Redner aufbrachte. Als würden die bisher auf den Hauptversammlungen geäußerten Vorbehalte gegen die von Krefeld nach Dormagen verlaufende Giftgas-Leitung noch nicht ausreichen, trug Dieter Donner von der Initiative STOPP-CO-PIPELINE neue Argumente vor. Er setzte die Aktien-HalterInnen von dem Gutachten des „Bielefelder Instituts für Umweltanalyse“ in Kenntnis, wonach es eine - sogar um 60 Prozent kostengünstigere – technische Alternative zum Röhrenverbund gibt. Desweiteren informierte er über eklatante Mängel bei der vom Global Player schon lange betriebenen CO-Pipeline zwischen Leverkusen und Dormagen, die der Bezirksregierung 2007 bei ihrer Baugenehmigung für die neue Verbindung als „Referenz-Leitung“ diente. „Rostige Schwindsucht“ hat diese laut Donner befallen. An einigen Stellen hat die Korrosion die Rohrwände schon fast bis zur Hälfte durchdrungen, bekundete er.
Der Kinderarzt im Ruhestand Gottfried Arnold, der unter seinen KollegInnen 460 Unterschriften gegen das BAYER-Projekt gesammelt hat, problematisierte vor allem die mangelhaften Sicherheitsvorkehrungen. So beanstandete er die unzureichenden Vorrichtungen zur Erkennung von Lecks und wies auf die Nicht-Existenz eines mit allen AkteurInnen abgestimmten Alarm- und Gefahrenabwehrplanes hin. Zudem führte der Mediziner plastisch vor Augen, wie wenig die Feuerwehr im Falle eines GAUs ausrichten könnte, da das Kohlenmonoxid seine giftige Wirkung in Sekundenschnelle entfaltet und es überdies gar keine ausreichenden Behandlungsmöglichkeiten gibt. Gerade einmal zwei Plätze in einer Sauerstoff-Überdruckkammer mit 24-Stunden-Dienst hält die Universität Düsseldorf laut Arnold für ganz Nordrhein-Westfalen bereit.
Rainer Kalbe von STOPP-CO-PIPELINE schließlich sah der Rohrleitung durch die neue Kunststoff-Anlage in Dormagen die Geschäftsgrundlage entzogen. Da die Produktionsstätte CO für die Fertigung benötigt, gibt es am Standort nämlich gar keinen Überschuss mehr, der nach Krefeld geleitet werden müsste, womit BAYER das Projekt einst begründet hatte. Ein Grund mehr für Kalbe, die Pipeline auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen: „Denn da gehört sie auch hin und nicht in die Vorgärten.“ Eine starre Fixierung auf Profit-Maximierung warf der Aktivist dem Unternehmen vor und prophezeite: „So wird der Konzern keine Zukunft haben.“ Er müsse vielmehr endlich einsehen, dass er mit den Menschen leben müsse und nicht gegen sie, mahnte Kalbe.
Dazu machte der Pharma-Riese allerdings keine Anstalten. Marijn Dekkers ignorierte alle Einwände gegen die Giftgas-Leitung. Auch wenn in Dormagen kein zusätzliches Kohlenmonoxid mehr anfalle und der Standort Krefeld/Uerdingen überdies selber CO erzeuge, bleibe das Röhren-Werk unverzichtbar, so der Ober-BAYER. Nur auf diese Weise könne nämlich die Niederlassung am Niederrhein in die CO-Verbundstruktur einbezogen werden, was allein die Versorgungssicherheit garantiere, erklärte der Vorstandsvorsitzende. Dieses nicht berücksichtigt zu haben, warf er auch dem von Dieter Donner zitierten Gutachten vor. Es hatte für Dekkers jedoch noch weitere Mängel; den größten Kritikpunkt stellten dabei die Umstände seines Entstehens dar. „Schon bei der Ankündigung, dass es durch das Umweltministerium in Auftrag gegeben wird, hatte BAYER deutlich gemacht, dass das Unternehmen es nicht für erforderlich hält“, ließ der Niederländer den Saal wissen. Und Risiken gingen von der Pipeline schon mal gar keine aus: „Wir haben ein Sicherheitskonzept entwickelt, das Maßstäbe setzt“. Das Rost ansetzende Sicherheitskonzept der zwischen Leverkusen und Dormagen schon betriebenen Kohlenmonoxid-Leitung verteidigte er ebenfalls. Der Korrosionsschutz sei gewährleistet, alles werde ständig kontrolliert und Leckagen oder andere Störungen wären seit der Inbetriebnahme im Jahr 2002 nicht aufgetreten, vermeldete Marijn Dekkers. Zur Beglaubigung berief er sich auf den TÜV. Dass dieser bei Untersuchungen jedoch schon auf „gravierende externe Materialverluste“ gestoßen war, verschwieg der BAYER-Boss dezent.
Einen weiteren gefährlichen Stoff setzte Helmut Röscheisen, der Generalsekretär des DEUTSCHEN NATURSCHUTZRINGS, auf die Tagesordnung: PCB. Die polychlorierten Biphenyle können das Nerven-, Immun- und Hormonsystem schädigen und Krebs erzeugen – und sie können das eine ganze Weile tun. Da PCB ein Abkömmling der Chlorchemie und entsprechend stabil sind, halten sie sich sehr lange in der Umwelt. Aus diesem Grund sorgt die Substanz trotz des bereits 1989 erfolgten Verbotes immer noch für Gesundheitsgefährdungen. BAYER hat daran nach Meinung von Helmut Röscheisen einen großen Anteil. Der Leverkusener Multi gehörte neben MONSANTO nämlich zu den Hauptproduzenten dieser Chemikalie. Allein 20.000 Tonnen PCB für Fugenverdichtungsmassen hat er nach Angabe des Naturschützers produziert, und diese gasen – verbaut in Schulen, Universitäten und Kindergärten – fleißig aus. Darum stellte er dem Vorstand nur eine einfache Frage: „Ist die BAYER AG bereit, für eine Inventarisierung und Beseitigung der PCB-Belastungen im Baubereich finanzielle Mittel bereitzustellen?“
Dazu war der Konzern nicht bereit. „Die Sanierung belasteter Gebäude liegt nicht in unserer Verantwortung“, antwortete Marijn Dekkers Helmut Röscheisen. Mit der Einstellung der Produktion schon vor dem gesetzlichen PCB-Verbot in Deutschland im Jahr 1989 sei der Multi „seiner Verantwortung für die Sicherheit von Mensch und Umwelt gerecht geworden“, vermeinte der große Vorsitzende.
Auch Verantwortung für das Klima zeigt das Unternehmen nach Ansicht des BAYER-Chefs, obwohl die nackten Zahlen dem widersprechen, wie der Verfasser dieses Textes in seiner Rede skizzierte. So hat der Agro-Riese 2013 mehr klima-schädigendes Kohlendioxid ausgestoßen als 2012. Auf sage und schreibe 8,36 Millionen Tonnen beläuft sich der Wert, was vor allem dem hohen Kohle-Anteil am Energie-Mix geschuldet ist. Während dieser sich auf fast ein Drittel beläuft, kommen die Erneuerbaren Energien nicht über 0,7 Prozent hinaus. Auf die konkrete Frage Jan Pehrkes, ob der Konzern daran denke, die Kohle-Verstromung zu reduzieren, antwortete der Vorstandsvorsitzende ausweichend: „Generell sind wir daran interessiert, den Energie-Verbrauch so gering wie möglich zu halten und idealerweise zu senken, sowohl aus ökologischen als auch aus ökonomischen Gründen.“
Und in puncto „Erneuerbaren Energien“ generalisierte er ebenfalls. „Generell ist es unser Ziel, den Anteil regenerierbarer Energie an unserer Strom-Versorgung langfristig zu erhöhen. Ob und in welchem Ausmaß uns das gelingt, ist allerdings abhängig von der Verfügbarkeit dieser Energien und der Entwicklung unseres Energiebedarfs“, so Dekkers.
Während Pehrke und die anderen Gegen-RednerInnen dem Leverkusener Multi die Schadensbilanz für 2013 vorlegten, ging CBG-Vorstand Axel Köhler-Schnura im Gedenkjahr 2014 weit zurück in die Vergangenheit, um am Beispiel von BAYERs Wirken im Ersten Weltkrieg die Kontinuität der Kapital-Verbrechen deutlich zu machen. So bejubelte der damalige Generaldirektor Carl Duisberg Köhler-Schnura zufolge den Waffengang, weil dieser die Geschäfte antrieb. Mit den Worten: „Sähen Sie jetzt einmal, (...) wie wir fast nichts mehr als Kriegslieferungen ausführen (...), so würden Sie Ihre helle Freude haben“, zitierte er Duisberg. Das über Deutschland verhängte Embargo verhinderte Einfuhren aus dem Ausland und verhalf dem Chemie-Multi so zu einer privilegierten Stellung. Auch zu billigen Arbeitskräfte kam der Konzern ab 1916. Er legte schon im Ersten Weltkrieg das Fundament für das erst im Zweiten Weltkrieg in aller Brutalität exekutierte ZwangsarbeiterInnen-System und ließ 60.000 BelgierInnen nach Deutschland verbringen. Wegen solcher „Standort-Vorteile“ setzte BAYER alles daran, den Krieg zu forcieren. Und er trug wesentlich mit dazu bei, ihm die bis dahin schrecklichste Waffe zu liefern: das Kampfgas. „Weshalb entzieht sich BAYER der Auseinandersetzung mit seiner Verantwortung in diesem Zusammenhang?“, fragte Kohler-Schnura deshalb. Aber er stieß beim Vorstand nur auf taube Ohren. Dekkers bekundete zunächst, BAYER habe Duisbergs Rolle im Ersten Weltkrieg umfassend aufgearbeitet, um dann übelsten Geschichtsrevisionismus zu treiben und eine Ehrenrettung des ehemaligen Generaldirektors vorzunehmen. „Die historischen Verdienste Carl Duisbergs sind weithin anerkannt. Er ließ Wohnungen für die Arbeiter bauen, verringerte deren wöchentliche Arbeitszeit, er führte soziale Versicherungssysteme ein und setzte sich für den Umweltschutz ein, lange bevor es gesetzliche Regelungen dazu gab“, dozierte er.

Damit erreichte die BAYER-Ignoranz an diesem Tag ihren traurigen Höhepunkt. Er werden wohl noch mehr AktivistInnen und Gegen-RednerInnen nötig sein, damit der Global Player eines Besseren belehrt wird. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN arbeitet bereits daran.

[Ticker] STICHWORT BAYER 01/2013 TICKER

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Keine Gewerkschaften in Kolumbien
Der kolumbianische Gewerkschaftler Guillermo Correa Montoya hat bundesdeutsche Unternehmen dafür kritisiert, an ihren Standorten in dem Land keine Beschäftigten-Vertretungen zu dulden. Neben dem Verhalten von SIEMENS und DHL rügte der stellvertretende Leiter der Gewerkschaftsschule ENS auch die Geschäftspolitik des Leverkusener Multis. „Ein anderes Beispiel ist die BAYER AG. Die hat eine Firmengeschichte von mehr als hundert Jahren in Kolumbien, aber weder im Werk Barranquilla noch in jenem in Cali gibt es eine Gewerkschaft. Das ist kein Zufall“, so Correa Montoya in einem Interview des Neuen Deutschland. In Nordamerika versucht der Konzern ebenfalls zu verhindern, dass die Beschäftigten sich organisieren. So hat er in Emeryville die Gründung einer Gewerkschaft hintertrieben, indem er mit Stellen-Streichungen drohte und die BelegschaftsvertreterInnen als „Schmarotzer“ diffamierte, die es nur auf die Beiträge der ArbeiterInnen abgesehen hätten (Ticker 3/11). Und auf den Philippinen kündigte der Pharma-Riese Anfang der 2000er-Jahre GewerkschaftlerInnen mit fadenscheinigen Begründungen, was ihm sogar eine Klage wegen Verletzung der OECD-Richtlinien für Global Player einbrachte.

CBG gegen Produktionserweiterung
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat Einspruch gegen das Vorhaben BAYERs eingelegt, am Standort Brunsbüttel die Produktion des Kunststoff-Zwischenprodukts MDI zu erweitern (siehe auch STANDORTE & PRODUKTION). Nach Ansicht der Coordination berücksichtigen die Pläne die Möglichkeit eines Austrittes großer Mengen des Giftgases Phosgen nicht in ausreichendem Maße. So will das Unternehmen die Anlage zwar mit einer Einhausung schützen, womit er einer langjährigen Forderung der Umweltverbände nachkommt, diese aber nicht aus Beton, sondern nur aus Blechplatten errichten. Zudem verzichtet der Konzern auf eine so genannte Ammoniak-Wand als zweites Sicherheitssystem. Darüber hinaus hält die Fertigungsstätte den Mindestabstand zu bewohnten Gebieten nicht ein.

Antibiotika: CBG schreibt Aigner
1.734 Tonnen Antibiotika landeten nach Angaben der Bundesregierung 2011 in den Tier-Ställen. Mittel aus der Gruppe der Fluorchinolone, zu denen BAYERs BAYTRIL zählt, waren mit acht Tonnen dabei. Einen Umsatz von 118 Millionen Euro machte der Leverkusener Multi in diesem Marktsegment weltweit mit dem Produkt – und produzierte dabei Risiken und Nebenwirkungen en masse. Darum sandte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) einen Offenen Brief an die Adresse von Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner. „Der übermäßige Einsatz antimikrobieller Substanzen führt zur Entwicklung resistenter Erreger. Immer mehr Menschen sprechen daher auf eine Behandlung mit Antibiotika nicht mehr an – eine mitunter tödliche Gefahr“, heißt es in dem Schreiben. Im Fall von BAYTRIL ist diese Gefahr besonders groß. Der Leverkusener Multi bietet nämlich für den Humanmedizin-Bereich mit CIPROBAY ebenfalls ein Medikament aus der Gruppe der Fluorchinole an, das sogar den Status eines Reserve-Antibiotikas für besonders schwierig zu behandelnde Infektionen besitzt. Darum forderte die CBG die Ministerin auf, den Gebrauch von BAYTRIL in der Massentierhaltung zu verbieten und daran zu arbeiten, mittelfristig alle Antibiotika aus den Zuchtbetrieben zu verbannen.

BAYERs Steuergeheimnis
Auf der von TRANSPARENCY INTERNATIONAL (TI) veröffentlichten Transparenz-Rangliste der 105 größten Global Player landete BAYER auf Platz 25. Während der Pharma-Riese für seine Angaben zur Konzern-Organisation die volle Punktzahl erhielt und für diejenigen zu seinen Antikorruptionsprogrammen 8,1 von 10 möglichen, bekam er nur zwei Punkte für seine Auskunftsfreudigkeit in bezug auf die im Ausland gezahlten Steuern. Die TI-Vorsitzende Edda Müller kritisierte diese Verschwiegenheit des Leverkusener Multis und anderer bundesdeutscher Firmen: „Unternehmen sollten länder-spezifische Zahlen wie Umsatz, Vorsteuer-Ergebnis und Steuern veröffentlichen. Nur so können Bürger dieser Länder feststellen, inwieweit Unternehmen Zahlungen an die Regierungen tätigen, Gelder verschwunden sind oder durch entsprechende Konstruktionen Steuern vermieden werden.“

Protest gegen Freihandelsabkommen
Da es der Welthandelsorganisation WTO kaum noch gelingt, auf globaler Ebene Handelsliberalisierungen durchzusetzen (Ticker 4/12), geht die EU dazu über, mit einzelnen Ländern oder Staaten-Verbünden entsprechende Verträge abzuschließen. Diese Vereinbarungen gehen dabei in der Regel noch über die im internationalen Patentabkommen TRIPS getroffenen Regelungen hinaus. So gelang es der Europäischen Union in den Verhandlungen mit Peru und Kolumbien, beste Markt-Bedingungen für BAYER & Co. zu schaffen. Sie erreichte unter anderem eine Verlängerung des Pillen-Patentschutzes über die bisher geltenden 20 Jahre hinaus, eine die Entwicklung von Nachahmer-Präparaten verzögernde 5-jährige Sperrfrist für die Daten aus den Klinischen Prüfungen und eine strengere Ahndung von Verletzungen des geistigen Eigentums. Solche Zugeständnisse will Brüssel nun auch in den Abkommen mit Thailand, Indien und der ASEAN-Gruppe durchsetzen. Doch dagegen erhebt sich Protest. Thailändische Initiativen wie die AIDS ACCESS FOUNDATION, das CANCER PATIENT NETWORK und die FOUNDATION FOR CONSUMERS sehen durch das geplante Freihandelsabkommen die Versorgung der Bevölkerung mit erschwinglichen Medikamenten gefährdet, weshalb sie das Europäische Parlament in einem Offenen Brief aufforderten, eine Verschärfung der TRIPS-Bestimmungen in dem Vertragswerk nicht zuzulassen.

Protest gegen Aschen-Aufbereitung
Die 60-prozentige BAYER-Tochter CURRENTA will auf ihrem Gelände in Leverkusen-Bürrig für die Betreiber-Gesellschaft AVEA eine Ofenschlacken-Aufbereitungsanlage errichten und diese auch für bis zu 25.000 Tonnen Rostasche aus eigener „Produktion“ nutzen (Ticker 4/12). Doch gegen die Pläne regt sich Widerstand. AnwohnerInnen befürchten Giftstaub-Emissionen, weil die Beschäftigten die Asche auf offenen Förderbändern nach wertvollen Metall-Resten durchsuchen sollen und es keine Lagerhäuser gibt. Zudem rechnen sie mit Belästigungen durch den Liefer-Verkehr. „Das alles ist eine Zumutung für uns Bürger“, sagt etwa Manfred Zans. Er fordert einen geschlossenen Betrieb und hat bei der Stadt deshalb Einspruch gegen das Projekt erhoben.

KAPITAL & ARBEIT

Arbeitsplatzvernichtung in Berlin
Das 800 Millionen Euro schwere Rationalisierungsprogramm, das 4.500 Arbeitsplätze vernichtet, reicht BAYER noch nicht. Zusätzlich kündigte der Leverkusener Multi nun an, am Pharma-Standort Berlin im Bereich der chemisch-pharmazeutischen Entwicklung 130 Stellen zu streichen. Darüber hinaus will der Konzern 170 Jobs nach Wuppertal verlegen. Er begründete den Schritt mit dem notwendigen Abbau von Doppel-Strukturen nach der 2006 erfolgten Übernahme von SCHERING und versuchte abzuwiegeln: „Berlin ist und bleibt unser wichtigster Pharma-Standort.“ Der Bezirksleiter der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE, Oliver Heinrich, zeigte sich trotzdem „aufs Höchste alarmiert“. Der Betriebsratsvorsitzende Yüksel Karaaslan reagierte ähnlich: „Wir fürchten hier in Berlin eine Demontage auf Raten“. Und wirklich hat der Pharma-Riese der Hauptstadt-Belegschaft schon übel mitgespielt. Unmittelbar nach dem SCHERING-Deal stellte der Global Player den Beschäftigten noch Vorteile aus dem Zusammenschluss in Aussicht. Die Realität sah jedoch anders aus. 1.000 Belegschaftsangehörige mussten sofort gehen. Mit dem neuen BAYER-Chef Marijn Dekkers brachen dann noch härtere Zeiten an. Er tilgte den Namen SCHERING, unterstellte die Pillen-Schmiede direkt dem Kommando des Pillen-Chefs Jörg Reinhardt und begrub auch die hochtrabenden Pläne für einen „Pharma-Campus“ auf dem Firmen-Gelände. „BAYER scheint schon fast Lust daran zu haben, hier in Berlin Unruhe zu schüren“, beklagte sich ein anonym bleiben wollender Beschäftigter in einem Beitrag für die Berliner Morgenpost. „Besonders bitter stößt uns diese Debatte auf, weil der BAYER-Konzern gerade seine Gewinn-Erwartung erhöht hat“, heißt es in dem Artikel, der mit dem Satz schließt: „Kampflos werden wir unser Arbeitsplätze hier nicht aufgeben, so viel ist klar.“

Betriebsräte polieren Pharma-Image
Betriebsräte großer Pharma-Firmen machen nicht etwa die Profit-Jagd der Unternehmen für Arbeitsplatz-Vernichtungen und immer neue Rationalisierungsmaßnahmen verantwortlich, sondern die staatliche Gesundheitspolitik. Diese Lage-Beurteilung führt sie auch dazu, über die neu gegründete „Arbeitsgemeinschaft Pharma-Betriebsräte“ Lobby-Arbeit für BAYER & Co. zu treiben. So kritisierte der Verband bei Treffen mit PolitikerInnen wie dem Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Ulrike Flach (FDP), Staatssekretärin im Gesundheitsministerium, das Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz scharf, weil es den Pharma-Riesen mehr Rabatte abverlangt und eine Kosten/Nutzen-Bewertung für Medikamente eingeführt hat. Auch über die angeblich ebenfalls Job kostenden hohen Forschungskosten beklagte er sich und forderte eine steuerliche Absetzbarkeit dieser Ausgaben. Darüber hinaus beabsichtigen die Beschäftigten-VertreterInnen, etwas gegen das schlechte Image der Branche zu tun. „Wir wollen zeigen, dass wir gute Dinge produzieren und eine hohe Wertschöpfung erzielen“, kündigte der BAYER-Betriebsrat Willy Beumann an.

Service-GesellschaftlerInnen unzufrieden
BAYERs Beschäftigten-Befragung bescherte dem Konzern Zustimmungswerte, die von 58 Prozent für das obere Management über 67 Prozent für Vergütung und 73 Prozent für Zufriedenheit bis zu 85 Prozent für das Engagement des Pharma-Riesen gingen. Allerdings traten deutliche Unterschiede zwischen der Belegschaft der drei Sparten „Pharma“, „Kunststoffe“ und „Landwirtschaft“ und den bei den Service-Gesellschaften unter Vertrag Stehenden auf. Während letztere das Unternehmen negativer beurteilten als noch vor zwei Jahren, verteilten erstere bessere Noten als 2010. Ein deutliches Indiz für die 2-Klassen-Gesellschaft beim Leverkusener Multi, die sich unter anderem in der Bezahlung widerspiegelt.

253 LeiharbeiterInnen
Die Zahl der LeiharbeiterInnen ging beim Leverkusener Multi von 650 vor der Wirtschaftskrise auf nunmehr 253 zurück. Das hält der Nachhaltigkeitsbericht für das Jahr 2011 fest. Allein der Aderlass bei BAYER BUSINESS SERVICES (Ticker 4/12) kostete 290 prekär Beschäftigte ihren Job. Ob sich die Konditionen für die ZeitarbeiterInnen seit den Zeiten um 2008, da der Konzern sie mit 6,24 Euro abspeiste und dafür sogar eine Klage von der IG METALL hinnehmen musste (SWB 4/08), inzwischen gebessert haben, darüber steht in dem Report nichts. Auch die Menge der bloß per Werksvertrag beim Global Player malochenden ArbeiterInnen nennt er nicht.

Mangelware Tarifverträge
Weltweit hat der Leverkusener Multi nur mit knapp der Hälfte seiner Beschäftigten Tarifverträge abgeschlossen. Während BAYER in Europa solche Vereinbarungen mit 88 Prozent der Belegschaftsangehörigen getroffen hat, beträgt die Quote in Lateinamerika 46, in der Asien/Pazifik-Region 16 und in den Vereinigten Staaten gar nur drei Prozent. Dort ging sie binnen eines Jahres um fünf Prozent zurück. Die „rückläufige Entwicklung gewerkschaftlich organisierter Beschäftigter in den USA“ nennt der Konzern dann auch als eine der Hauptursachen für die Absenkung des Anteils der tariflich Angestellten von 55 auf 53,6 Prozent im Geschäftsjahr 2011. An dieser Tendenz hat der Global Player freilich kräftig mitgewirkt, denn er macht GewerkschaftlerInnen das Leben schwer, wo er nur kann. (siehe auch AKTION & KRITIK).

Viele befristete Verträge
Von den 72.800 männlichen Beschäftigten bei BAYER (Stand: 2011) hatten 69.400 unbefristete Arbeitsverträge und 3.400 befristete. Von den 39.000 weiblichen Belegschaftsangehörigen waren 36.900 unbefristet und 2.100 befristet angestellt.

Viele chinesische AkademikerInnen
Der Leverkusener Multi verortet seine Wachstumspotenziale hauptsächlich in den aufstrebenden Schwellenländern. Das zeigt sich unter anderem daran, dass er diese Nationen nicht länger als verlängerte Werksbank betrachtet, sondern dort auch neue Produkte entwickeln will und dafür gut ausgebildetes Personal rekrutiert. So stellte der Konzern 2011 in China 1.900 Uni-AbsolventInnen ein und in Indien 750, in der Bundesrepublik dagegen nur 400 und in den USA bloß 250.

Kündigung nach Kritik
Der Leverkusener Multi bietet seinen Beschäftigten Aktien des Konzerns zum Vorzugspreis an. So vorzüglich ist dieser jedoch gar nicht, wie ein Jurist des Unternehmens erfahren musste. Er kaufte die Anteilsscheine, um ein wenig später zu erfahren, dass er diese bei seiner Hausbank für 500 Euro weniger hätte erhalten können. Der Mann sprach den Fall auf einer Management-Versammlung an und erntete für diesen Mut das Lob von Belegschaftsangehörigen. „Die Kollegen haben mir deshalb hinterher auf die Schulter geklopft, aber auch sofort prophezeit, dass es das für mich bei BAYER war“, berichtet er. „So etwas vergisst der Kardinal nicht“, hatten sie ihn gewarnt. Und der Kardinal vergaß tatsächlich nicht und sandte dem Rechtsexperten ein Kündigungsschreiben. Dieser aber lässt sich das nicht gefallen und ficht vor einem Arbeitsgericht nicht nur seine Entlassung, sondern auch den Aktien-Verkauf an.

Renten-Beiträge: Merkel liefert
Bereits seit Längerem fordern BAYER & Co. eine Senkung der Rentenversicherungsbeiträge (Ticker 1/12). So traten die Unternehmen für eine stufenweise Reduzierung auf 19,1 Prozent ein, eine Kosten-Ersparnis von rund vier Milliarden Euro anvisierend. Nun liefert die Bundesregierung und geht mit der Absenkung der Beiträge auf 18,9 Prozent sogar noch über die von den Konzernen gewünschte Entlastung hinaus.

ERSTE & DRITTE WELT

Kontrazeptiva als Entwicklungshilfe

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Der Leverkusener Multi lässt sich den Absatz seiner Antibaby-Pillen in ärmeren Ländern kräftig sponsern: Verhütung gilt als Entwicklungshilfe. So übernimmt etwa die US-amerikanische Entwicklungsbehörde USAID die Kosten für Erstellung und Verbreitung von Informationsmaterial zu YASMIN & Co in Äthiopien (Ticker 1/12). Und Gelder aus dem mit 400 Millionen Euro gefüllten Topf der Bundesregierung „für Vorhaben zur Förderung der Familienplanung und Frauengesundheit“ griff der Multi ebenfalls ab. Sogar bei der Rekrutierung von Personal greift das Unternehmen auf öffentliche Mittel zurück. So qualifizierte er im Rahmen des Programms „Afrika kommt“ mit freundlicher Unterstützung des Auswärtigen Amtes Spitzenkräfte aus Trikont-Staaten weiter, die ihm nun gute Dienste in ihren Herkunftsländern leisten. Willis Omondi Ogutu etwa kümmert sich nach einer neun Monate langen Schulung am BAYER-Standort Berlin in Kenia um den Vertrieb der Kontrazeptiva und kann dabei auf seine guten Kontakte bauen. Er arbeitete dort nämlich bereits für eine Nichtregierungsorganisation, die sich im Bereich der AIDS- und Malaria-Prävention engagierte.

Kontrazeptiva als Entwicklungshilfe

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„Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar“, sagte einst der ehemalige US-Präsident Lyndon B. Johnson. Zur Freude des Leverkusener Multis teilen auch andere Ex-Präsidenten des Landes diese Ansicht, denn die „gigantischen Fruchtbarkeitsmärkte“ in den armen Ländern versprechen gute Absatzchancen für die Verhütungsmittel des Konzerns. So einigte BAYER sich mit der „Clinton Health Access Initiative“ von Bill Clinton und der „Children’s Investment Fund Foundation“ darauf, den Organisationen das Hormon-Implantat JADELLE zur „Entwicklunghilfe“ um 50 Prozent verbilligt zur Verfügung zu stellen; im Gegenzug gingen diese eine Kauf-Verpflichtung für sechs Jahre ein.

Kontrazeptiva als Entwicklungshilfe

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Der Leverkusener Multi klärt gemeinsam mit der von ihm gesponserten „Deutsche Stiftung Weltbevölkerung“ Uganda auf. Im Rahmen des Projekts „Improving the Sexual and Reproductive Health of Young Adolescents in Uganda“ informiert der Konzern über die AIDS-Prävention und Verhütungsmethoden. Und er vermeldet Erfolge: Während vor dem Start des Programms weniger als 20 Prozent der SchülerInnen mehr als zwei Methoden der Familienplanung kannten, verfügen jetzt mehr als 70 Prozent über umfangreiches Wissen zur Familienplanung – das umfangreichste macht dabei sicherlich dasjenige über die Kontrazeptiva aus dem Hause BAYER aus. Zudem wenden die Jugendlichen ihre Kenntnisse auch an und sorgen so dafür, dass die Armen sich nicht mehr so schnell vermehren. „Mehr als 90 Prozent der Schüler gaben an, dass sie ihr erstes Kind mit 21 oder später haben wollen“, vermeldet das Unternehmen stolz. Sein Nachhaltigkeitsbericht liefert derweil die Angaben über die Anzahl der in das Land gelieferten Pillen nach: 7.420 Zyklus-Packungen. Insgesamt beglückte der Pharma-Riese die so genannten Entwicklungsländer – nicht zuletzt dank der Entwicklungshilfe diverser staatlicher und privater Einrichtungen (s. o.) – 2011 mit 119 Millionen Zyklus-Packungen.

Neoliberale Entwicklungshilfe

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Die Neoliberalisierung der Entwicklungshilfe unter Minister Dirk Niebel schreitet voran. So will er ausgerechnet mit BAYER, BASF und SYNGENTA einen nachhaltigen Beitrag zur Ernährungssicherheit in Schwellen- und Entwicklungsländern leisten und den Aufbau einer lokalen Agrar- und Ernährungswirtschaft fördern. Zu diesem Behufe gründete sich unter seiner Schirmherrschaft nämlich die „Deutsche Initiative für die Agrarwirtschaft und Ernährung in Schwellen- und Entwicklungsländern“ (DIAE), der außer den Multis noch die „Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit“ (GIZ) und die „Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) angehören.

Neoliberale Entwicklungshilfe

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Mitte Mai 2012 haben die G8-Staaten auf ihrem Treffen in Camp David eine „Neue Allianz für Ernährungssicherung“ gegründet, der mit BAYER, MONSANTO & Co. die üblichen Verdächtigen angehören. Und diese erklären sich auch gleich zu allen Schandtaten bereit. So nimmt sich die Organisation in einem Strategie-Papier vor, die „Verteilung von frei verfügbarem und nicht verbessertem Saatgut systematisch zu beenden“ und „Regeln zu den Eigentumsrechten an Saatgut umzusetzen“. Damit müssten Kleinbauern und -bäuerinnen fortan Lizenzgebühren zahlen, wenn sie ihre Saaten wiederverwenden wollen, was ihre ohnehin schon oft prekäre Lage nochmals verschärfen würde. Auch den Aufkauf von Ackerflächen, das so genannte Landgrabbing, möchte die Allianz erleichtern. Es sieht also alles ganz nach Entwicklungshilfe zur Selbsthilfe aus, was die Global Player da treiben. Dem Bundesentwicklungsministerium (s. o.) macht das nichts aus. Es unterstützt das Unternehmen der Konzerne mit über 50 Millionen Euro.

Gentech-Moratorium in Indien?
Ein Beratergremium hat eine erste Bilanz der „grünen Gentechnik“ in Indien gezogen. Das Ergebnis fällt negativ aus. „Die Erfahrungen der vergangenen Dekade mit transgener Agro-Technik haben gezeigt, dass zwar die Industrie stark profitiert hat, bei der überwiegenden Mehrheit der armen Bauern aber kein positiver Effekt angekommen ist“, heißt es in ihrem 484 Seiten starken Zwischenbericht. Die ExpertInnen empfehlen deshalb dem Obersten Gerichtshof des Landes, ein zehnjähriges Moratorium für Feldversuche zu verhängen. Ob es dazu kommen wird, bleibt jedoch zweifelhaft. Die RichterInnen vertagten Anfang November 2012 einstweilen ihre Entscheidung, während es der Regierung bei dem Termin gelang, einen neuen Sachverständigen in die Beratungskommission berufen zu lassen, was Einfluss auf die Endfassung des Reports haben könnte.

KONZERN & VERGANGENHEIT

Die Flamme weitertragen
Die Geschichtswissenschaftlerin Kordula Kühlem hat den Briefwechsel von BAYERs langjährigem Generaldirektor Carl Duisberg herausgegeben. Bei der Buchvorstellung Anfang Oktober 2012 würdigte der „Leib und Magen“-Historiker des Leverkusener Multis, Werner Plumpe, Duisberg als einen Mann, der den Konzern zu einem Global Player machte, in seiner Amtszeit die modernsten Labore der Welt errichtete, Leverkusen „erfand“ und eine große soziale Ader hatte. Von seiner Verantwortung für den Giftgas-Einsatz und für die Verpflichtung von ZwangsarbeiterInnen im Ersten Weltkrieg sowie von seinem maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörderkonzerns IG FARBEN war dagegen nicht die Rede. Der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers litt ebenfalls an selektiver Wahrnehmung. „Tradition heißt nicht, die Asche zu bewahren, sondern die Flamme weiterzutragen“, zitierte er bei der Präsentation der Korrespondenz Thomas Morus und gab damit schon einmal einen Ausblick darauf, wie der Pharma-Riese bei den 2013 anstehenden Feiern zu seinem 150-jährigen Bestehen mit seiner dunklen Vergangenheit umgehen dürfte.

Kontroverse um Ausstellung
Die Universität Köln zeigt in ihren Fakultäten eine Ausstellung zu dem von BAYER mitgegründeten Mörder-Konzern IG FARBEN. Nachdem diese im Hauptgebäude und im Chemie-Bereich zu sehen war, sollte sie zur Medizin wandern. Dies stieß jedoch auf Ablehnung, ist der Leverkusener Multi doch Kooperationspartner dieses Hochschulteils und an Forschungsvorhaben beteiligt (Ticker berichtete mehrfach). Aber die KRITISCHEN MEDIZINSTUDIERENDEN setzten sich erfolgreich für die Schau ein, und nun können sich in ihrer Fachbibliothek auch die angehenden ÄrztInnen ein Bild von der unheilvollen Geschichte des Pharma-Riesen machen.

POLITIK & EINFLUSS

Keine Kennzeichnung in Kalifornien
In Kalifornien scheiterte ein BürgerInnen-Begehren zur Kennzeichnungspflicht von Lebensmitteln, die Gentech-Ausgangsstoffe enthalten, knapp mit 46,9 zu 53,1 Prozent der Stimmen. Die 25 Millionen Dollar, die BAYER und andere Gen-Multis in eine Gegen-Kampagne investierten, haben sich damit ausgezahlt. Aber die InitiatorInnen der Abstimmung lassen sich nicht entmutigen und versuchen nun in anderen US-amerikanischen Bundesstaaten ihr Glück.

EU fördert Antibiotika-Entwicklung
Immer mehr Krankheitserreger entwickeln Resistenzen gegen Antibiotika. Auch die Präparate des Leverkusener Multis erweisen sich zunehmend als wirkungslos – und das nicht von ungefähr. Der Konzern bietet nämlich Mittel aus derselben Wirkstoff-Gruppe zugleich für die Veterinär- und die Humanmedizin an. Und wenn sich ein Keim im Massentierstall erst einmal an BAYTRIL gewöhnt hat, dann kann ihm, wenn er in den menschlichen Organismus gelangt ist, CIPROBAY ebenfalls nichts mehr anhaben. Unter anderem deshalb stieg die Zahl der CIPROBAY-resistenten „Staphylococcus aureus“-Erreger nach Angaben des „German Network for Antimicrobial Resistance Surveillance“ von 1990 sechs Prozent auf über 26 Prozent im Jahr 2006. Die Zahl der CIPROBAY-resistenten „Staphylococcus epidermides“-Keime nahm der PEG-Resistenzstudie zufolge von 1995 55,3 Prozent auf 2004 70,1 Prozent zu, die der „Escherichia coli“-Erreger von 5,2 auf 21,9 Prozent. Trotz dieses alarmierenden Befundes sucht BAYER ebenso wenig wie viele andere Konzerne nach neuen Substanzen, denn der aus medizinischen Gründen erwünschte sparsame Einsatz erschwert profitable Geschäfte. Deshalb will die EU den Unternehmen das Forschen nun schmackhafter machen. Der Brüsseler „action plan against antimicrobial resistence“ verspricht Big Pharma vereinfachte Zulassungsverfahren und „angemessene Markt- und Preisbedingungen“.

BAYER EU-Lobbyist No. 1
Kein Pillen-Riese lässt sich die Lobby-Anstrengungen auf EU-Ebene so viel kosten wie BAYER. Das ergab eine Untersuchung, die HEALTH ACTION INTERNATIONAL und CORPORATE EUROPE OBSERVATORY durchgeführt haben. Divide & Conquer zufolge gab der Leverkusener Multi im Jahr 2011 über 2,5 Millionen Euro für die Beeinflussung von EU-Kommission und -ParlamentarierInnen aus. Unter anderem investierte er das Geld in ein „Life Science Dinner“ mit ausgewählten Mitgliedern des Europäischen Parlaments, ihren MitarbeiterInnen und Offiziellen der Europäischen Kommission. In den USA wandte der Konzern für seine Einfluss-Arbeit 3,3 Millionen Euro auf und kam damit auf Platz fünf in der „Big Pharma“-Rangliste. Bei dem, was das Unternehmen als seine Pflicht, sich „in die gesetzgeberischen Entscheidungsprozesse einzubringen“, betrachtet, nutzte es auch die Dienste des berüchtigten PR-Giganten BURSON-MARSTELLER, der einst die argentinische Militär-Junta und den rumänischen Diktator Nicolae Ceau&

  • 537;escu zu seinem KundInnen-Stamm zählte.

Gesundheitswirtschaft beim BDI
Der „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI) betrachtet die industrielle Gesundheitswirtschaft als einen „der großen Wachstumstreiber der deutschen Wirtschaft“ und hat deshalb einen „Ausschuss für Gesundheitswirtschaft“ ins Leben gerufen. Den Vorsitz übernahm der BAYER-Vorstand Wolfgang Plischke. Zum obersten Ziel des neuen Gremiums erklärte er „die Entwicklung einer branchen-übergreifenden Perspektive für alle im Gesundheitssektor tätigen Unternehmen“.

Teures Verbindungsbüro
„Wir bei BAYER verstehen uns als Bestandteil der Gesellschaft und sehen es daher als unsere Pflicht, uns in die gesetzgeberischen Entscheidungsprozesse einzubringen“, sagte der damalige Vorstandsvorsitzende Werner Wenning bei der Einweihung des Berliner „Verbindungsbüros“. 2011 ließ der Leverkusener Multi sich die Arbeit seiner Hauptstadt-LobbyistInnen 1,2 Millionen Euro kosten und besetzte auch den Chef-Sessel neu. Seit Juli führt der auf Gesetzesvorhaben der EU spezialisierte Stephan Schraff die Einflüsterungsgeschäfte.

BAYER muss draußen bleiben
BAYER, MONSANTO und andere Gen-Multis haben ihren privilegierten Zugang zum französischen Parlament verloren. Sie mussten ihren Akkreditierungsausweis zurückgeben. Damit wollen die regierenden SozialistInnen dem Extrem-Lobbyismus vorbeugen, der bei den kommenden Entscheidungen des Abgeordnetenhauses zur Risiko-Technologie zu erwarten steht. Eine BAYER-Sprecherin zeigte sich „erstaunt“ über die Maßnahme: „Eine solche Entscheidung (...) ähnelt einer Stigmatisierung“. Den Konzernen bleiben aber auch so noch genügend Mittel und Wege offen, ihren Einfluss geltend zu machen.

BAYER will politischer werden
Aktuelle Projekte des Leverkusener Multis wie die Kohlenmonoxid-Pipeline sehen sich einem erbitterten Widerstand gegenüber. Bei neuen Vorhaben soll sich das nicht wiederholen. „BAYER wird seine politische Arbeit verstärken“, droht die Propaganda-Postille direkt an und zitiert den Vorstandsvorsitzenden Marijn Dekkers: „Wir müssen unsere Geschäfte auf eine breite Basis der Akzeptanz stellen.“

Wenning gegen Banken-Zerschlagung
Die Rolle der Banken in der Finanzkrise hat auch viele ManagerInnen dazu bewogen, am Universalbanken-Prinzip zu zweifeln und eine Trennung von Kredit- und Investment-Aktivitäten zu fordern. BAYERs Aufsichtsratschef Werner Wenning tritt in einem Interview mit dem Manager-Magazin jedoch für die Beibehaltung des alten Systems ein: „Weil es gerade der globalen Industrie nutzt. Ich kann aus meiner eigenen Erfahrung als Vorstandsvorsitzender von BAYER sagen, dass es enorm wichtig ist, Finanzpartner zu haben, die nicht nur das eigentliche Kredit-Geschäft betreiben.“

BAYER im Sparkassen-Beirat
Seit 2003 existiert der 24 Mitglieder umfassende Wirtschaftsbeirat der LEVERKUSENER SPARKASSE. Dort „tauschen sich Unternehmer und Verantwortliche in großen Firmen regelmäßig aus“, wie der Leverkusener Anzeiger weiß. Und seit diesem Jahr tauscht in der Runde auch BAYERs Finanzvorstand Werner Baumann mit.

BAYER-Auszubildende bei Ulrike Flach
Die FDP-Politikerin Ulrike Flach (FDP) unterhält beste Kontakte zum Pillen-Riesen. Im letzten Jahr besuchte die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium den Leverkusener Chemie-„Park“ und heuer hat sie in Berlin neben der „Arbeitsgemeinschaft Pharma-Betriebsräte“ (siehe KAPITAL & ARBEIT) auch schon 20 BAYER-Lehrlinge empfangen, mit denen sie über Nachhaltigkeit plauderte.

Kraft bei BAYER
Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) besuchte im August 2012 den BAYER-Stand im Essener „Ideen-Park“, der Kinder und Jugendliche für Naturwissenschaft, so wie sie die Konzerne verstehen, gewinnen will. Besonders angetan zeigte sich die Politikerin von dem Projekt „Dream Production“, das den Einsatz von Kohlendioxid als Rohstoff zur Kunststoff-Herstellung erprobt, obwohl WissenschaftlerInnen den Recycling-Effekt als gering einschätzen. „Die stoffliche Nutzung kann keine riesigen Mengen binden, weil wir einfach viel, viel mehr Kohlendioxid freisetzen“, sagt etwa der Chemie-Ingenieur Arno Behr von der „Technischen Universität Dortmund“ (Ticker 1/10).

Landesminister bei BAYER
Anfang Oktober 2012 besuchten der schleswig-holsteinische Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) und der Energiewende-Minister Robert Habeck (Grüne) Brunsbüttel. Sie schauten sich in Begleitung des parteilosen Bürgermeisters Stefan Mohrdieck den Elbe-Hafen sowie die Schleusen-Anlagen an und machten auch bei BAYER Halt. Dort nahm Habeck kein Blatt vor den Mund. Während Mohrdieck im Namen der heimischen Wirtschaft vor allem Infrastruktur-Verbesserungen einforderte (siehe auch STANDORTE & PRODUKTION), verlangte Habeck von der Industrie eine Reduktion des Kohlendioxid-Ausstoßes: „Auch für Sie kann nicht gelten ‚Immer weiter wie bisher’.“

EU lockert Werbe-Verbot nicht
Unter massivem Lobby-Einsatz hatte BAYER in Tateinheit mit der gesamten Branche versucht, das EU-weite Werbe-Verbot für Medikamente zu kippen, um unter dem Siegel der „PatientInnen-Information“ mit seinem Milliarden-Etat noch ein wenig mehr Marketing betreiben zu können. Initiativen wie die BUKO-PHARMA- KAMPAGNE liefen Sturm gegen den Plan – und konnten sie durchsetzen. Die Europäische Union verfolgt das Gesetzes-Vorhaben vorerst nicht weiter.

PROPAGANDA & MEDIEN

„Verantwortungsvolles Marketing“
Über zwei Milliarden Euro gab BAYER im Geschäftsjahr 2011 für Werbung und „Kundenberatung“ aus. Neuerdings sieht sich der Leverkusener Multi dabei zu einem „verantwortungsvollen Marketing“ verpflichtet. Der Konzern bekennt sich in seinem Nachhaltigkeitsbericht dazu, bei der Reklame für Arzneien und sonstige Produkte klar und deutlich auf Risiken hinzuweisen, keine missverständlichen Aussagen zu machen und nur behördlich genehmigte Anwendungsgebiete zu propagieren. Gehalten hat der Global Player sich an seine eigenen Grundsätze jedoch nicht. Auch im Berichtszeitraum mussten die Aufsichtsbehörden wieder einschreiten (Ticker 4/11). So rügte das Selbstkontroll-Organ der britischen Pharma-Industrie, die „Prescription Medicines Code of Practice Authority“ (PMCPA), eine Annonce für das Verhütungsmittel YASMIN als „hochgradig unethisch“, weil der Pharma-Riese darin das Kunststück fertiggebracht hatte, das Kontrazeptivum mit dem Zusatznutzen „gegen Akne“ und „gegen Wassereinlagerungen“ zu bewerben, um dann im Kleingedruckten just „Akne“ und „Wassereinlagerungen“ als mögliche Nebenwirkungen aufzuführen. Zudem kritisierte die Einrichtung den Global Player dafür, die Kommunikationsplattform Twitter dafür genutzt zu haben, verbotenerweise verschreibungspflichtige Arzneien anzupreisen.

ÄrztInnen-Fortbildung in China
In den ländlichen Regionen Chinas organisiert der Leverkusener Multi gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium unter dem Label „Go West“ Fortbildungskurse für MedizinerInnen, „um verbesserte Diagnose, Therapie und Patienten-Beratungen zu erreichen“, sprich: mehr BAYER-Pillen in Umlauf zu bringen. 3.500 ÄrztInnen und 3.100 Krankenhaus-Angestellte haben seit 2007 die entsprechenden Programme durchlaufen.

Kooperationsvertrag mit Schule
2004 hat BAYER mit dem Monheimer Otto-Hahn-Gymnasium einen Kooperationsvertrag geschlossen. Seither suchen jährlich sechs ReferentInnen des Leverkusener Multis die Schule heim. Im Mai 2012 hielt Dr. Norbert Mencke, in der Tiermedizin-Abteilung des Konzerns für das „Global Marketing“ zuständig, einen Vortrag über Infektionskrankheiten bei Mensch und Tier. Welche Lernziele das Unternehmen bei solchen Übungen verfolgt, darüber gab eine Pädagogin einmal der Wirtschaftswoche Auskunft. „Natürlich bekommen die Schüler dort den Eindruck vermittelt, Gentechnik sei das Nonplusultra, und ohne BAYER und seine Pflanzenschutzmittel würde keine Nutzpflanze auf dieser Welt überleben“, sagte sie der Zeitschrift. Die Chemie-Lehrerin der Otto-Hahn-Schule ist da allerdings anderer Ansicht. „Eine Win-win-Situation“ nannte Katja Lücke das Arrangement mit dem Global Player.

Diabetes-Dialog in Dubai
BAYER hat im April 2012 in Dubai eine Diabetes-Konferenz veranstaltet, zu der unter anderem MedizinerInnen und PolitikerInnen aus Ägypten, Kuwait, Saudi Arabien, Bahrein und den Vereinigten Arabischen Emiraten anreisten. „In den Teilnehmer-Regionen des ersten Symposiums herrscht dringender Bedarf an neuen lokalen Perspektiven zum Diabetes-Management“, meint der Leverkusener Multi mit Blick auf die Krankheitsraten in den Ländern – und hofft diese Aussichten mit seinen Medikamenten und Blutzucker-Messgeräten zu gewähren. Ob das gelingt, steht allerdings in Frage, denn die Diabetika des Konzerns haben nicht den besten Ruf. So bescheinigte der Pharmazeut Gerd Glaeske dem Präparat GLUCOBAY, „gerade mal so wirksam wie Müsli“ zu sein.

160.000 Euro für PatientInnen-Gruppen
Im Jahr 2011 spendete BAYER bundesdeutschen PatientInnen-Organisationen 162.000 Euro; nur NOVARTIS, PFIZER und ROCHE zeigten sich spendabler. Die Auswahl des Pharma-Riesen richtete sich dabei strikt nach seinem Produkt-Portfolio. Mit 62.000 Euro erhielt die „Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft“ als Zielgruppe des Medikamentes BETAFERON am meisten Geld, mit 20.000 Euro folgten dann die potenziellen KOGENATE-AbnehmerInnen von der „Deutschen Hämophilie-Gesellschaft zur Bekämpfung von Blutungskrankheiten“. In Zukunft dürften die Verbände noch mehr bekommen. Die Bundesregierung will nämlich die Mitsprache-Rechte der PatientInnen unter anderem bei der Zulassung von Arzneimitteln und der Frage der Kostenerstattung durch die Krankenkassen stärken, und da ist eine verstärkte Pflege der medizinischen Landschaft geboten.

Preis vom Bluterverband
Von all den PatientInnen-Vereinigungen, die der Leverkusener Multi sponsert, bedenkt er Bluter-Verbände am reichlichsten, gilt es doch, vergessen zu machen, dass in den 1990er Jahren Tausende Bluter an HIV-verseuchten Blutprodukten des Konzerns starben, weil er sein Präparat KOGENATE aus Kostengründen keiner Hitze-Behandlung unterzogen hatte. 5,5 Millionen Euro erhielten die verschiedenen Organisationen im Geschäftsjahr 2010. Und die Investition lohnt sich. Im Juli 2012 bekam BAYER von der „World Federation of Hemophilia“ den „Robert Koch Award“ – ausgerechnet für die Entwicklung von KOGENATE. „Der renommierte Preis unterstreicht, wofür BAYER steht: Science for a better Life“, konnte der BAYER-Manager Liam Condon in seiner Dankesrede sagen.

PatientInnen-Akademie gegründet
BAYER & Co. intensivieren ihre Bemühungen, PatientInnen-Organisationen für sich zu gewinnen (s. o.). Zu diesem Zweck haben sie jetzt die „Europäische Patienten-Akademie zu therapeutischen Innovationen“ (Eupati) gegründet. „Mit einem geeigneten Training können Patienten-Vertreter akzeptierte Partner in Wissenschaft, Ethik- und Kontrollausschüssen werden und dabei klinische Studien, Arzneimittel-Entwicklung und Zugangsstrategien verbessern und beschleunigen“, meinen die Unternehmen. Zu allem Überfluss lassen die Pillen-Riesen sich die Nachhilfe in Sachen Lobbying auch noch teilweise von der EU finanzieren. Die Kosten für die Eupati in Höhe von zehn Millionen Euro übernimmt nämlich die von Brüssel mit insgesamt zwei Milliarden Euro geförderte „Innovative Medicines Initiative“, eine „Public Private Partnership“ zwischen der EU-Kommission und den europäischen Pillen-Riesen. Der Leverkusener Multi lässt sich bei Eupati durch die beiden Manager Jutta Ulbrich und Mark Fairbourn sowie durch den Medizin-Professor und BAYER-Berater Dr. Wolf See (s. u.) vertreten. Das Trio sorgt dort unter anderem für das generelle Management, die Einbindung der Industrie-Netzwerke, die Implementierung der Computer-Technik und die Entwicklung der PR-Strategie. „Unabhängige Gesundheitsinformation ist für Laien wie Fachleute wichtig. Die öffentliche Hand muss hier ihre Verantwortung besser wahrnehmen und darf das Feld nicht der Industrie überlassen“, mit diesen Worten kritisiert die BUKO PHARMA KAMPAGNE die Initiative der Konzerne.

Ein Mann mit vielen Eigenschaften
Der Mediziner Prof. Dr. Wolf See ist im Nebenberuf BAYER-Berater. Da ergeben sich schon bei den Lehrveranstaltungen, die See an der Ruhr-Universität Bochum als außerplanmäßiger Professor abhält, Synergie-Effekte, bietet er dort doch Lehrveranstaltungen zu den klinischen Prüfungen von Wirkstoffen an. Darüber hinaus vertritt der fleißige Gelehrte den Leverkusener Multi nicht nur in der „Europäischen Patienten-Akademie zu therapeutischen Innovationen“ (s. o.) und der „Innovative Medicines Initiative“, einer „Public Private Partnership“ zwischen der EU-Kommission und den europäischen Pillen-Riesen, er schreibt für den Global Player auch Aufsätze in Fach-Magazinen wie dem European Journal of Pharmaceutical Sciences. Zudem nahm See 2011 am Frühjahrssymposion des von BAYER gegründeten „Verbandes der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ zum Thema „Von der Gesundheitsforschung in die Gesundheitsversorgung – gemeinsam die Herausforderungen der Zukunft meistern“ teil.

Ausstellung in Leverkusen
BAYER sponsert das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP), um sich ein Öko-Image zu verschaffen. Im Rahmen dieser Kooperation veranstaltet der Konzern alljährlich auch einen Kinder-Malwettbewerb zum Thema „Naturschutz“. Eine Auswahl der Bilder stellte der Pharma-Riese Ende August 2012 im Leverkusener Baykomm aus.

Lokalblatt macht BAYER-Werbung
Ende September 2012 machte der Leverkusener Anzeiger unbezahlt BAYER-Werbung. Die Zeitung feierte den Global Player, seine Chemie-Abspaltung LANXESS und den im Besitz der beiden Unternehmen befindlichen Chemie„park“-Betreiber CURRENTA als „die drei Säulen der lokalen Wirtschaft“. Dass diese Säulen die Stadt schon längst nicht mehr tragen können – sie ist hochverschuldet (siehe STANDORTE & PRODUKTION) – ficht das Blatt nicht an. Wacker rühmt es BAYERs gute Geschäfts- und Ökobilanz, letztere trotz eines Kohlendioxid-Ausstoßes von über acht Millionen Tonnen, feiert das kulturelle Engagement des Konzerns und promoviert das BAYER-Kreuz und die roten Werksfahrräder zu Trägern der kulturellen Identität Leverkusens.

RP macht BAYER-Werbung
Mit der „Langen Nacht der Industrie“ versuchen BAYER & Co. ihr nicht zuletzt durch gefährliche Projekte wie die Kohlenmonoxid-Pipeline (siehe CO & CO.) ramponiertes Image zu liften. Die Rheinische Post ließ sich dabei bereitwillig einspannen. Sie stellte auf ihren Seiten die Chemie-„Parks“ von BAYER vor und legte sich kräftig ins Zeug, um Bedenken zu zerstreuen. So hob die Zeitung die hohen Sicherheitsstandards hervor und lobte die umweltgerechte Schadstoff-Entsorgung. Sie entblödete sich nicht einmal, dem „architektonisch preisgekrönten“ Monheimer Standort „Wohlfühl-Ambiente“ zu bescheinigen.

Gentech-Werbung auf Sunshine Live
Der Leverkusener Multi will verstärkt Jugendliche für seine Gentechnik-Produkte gewinnen und umwarb die Zielgruppe deshalb mit einem Spot für die Risiko-Technologie auf dem Sender Sunshine Live, der speziell auf elektronische Musik ausgerichtet ist. AktivistInnen wandten sich deshalb an die Redaktion und protestierten gegen die Gentech-Propaganda auf der Welle.

BAYER im Museum
Der Leverkusener Multi nahm im Sommer 2012 das Kölner „Museum für angewandte Kunst“ in Beschlag. Der Konzern präsentierte in der Ausstellung „Architekturteilchen“ nicht nur seine „Sample-Box“ mit unterschiedlichen Baumaterialien und einen Teil der Dach-Konstruktion eines chinesischen Bahnhofs, auch alle Präsentationsmedien wie Tische und Schautafeln wurden aus Kunststoff made by BAYER gefertigt.

BAYER in Boston auf der BIO 2012
Im Juni 2012 nahm BAYER an der weltgrößten Biotechnologie-Messe der Welt teil, der „BIO International Convention“ in Boston. Der Leverkusener Multi präsentierte sich dort auf einem Gemeinschaftsstand der Länder Berlin und Brandenburg zusammen mit Biotech-Firmen aus der Region, dem Fraunhofer-Institut für Nachrichtentechnik und weiteren Einrichtungen und Unternehmen.

BAYER vergibt Klima-Preis
Um sich trotz eines jährlichen Kohlendioxid-Ausstoßes von über acht Millionen Tonnen als Klima-Kümmerer darstellen zu können, verleiht der Leverkusener Multi einen „Climate Award“. 2012 erhielt der finnische Wissenschaftler Markku Kulmala von der Universität Helsinki diese Auszeichnung für seine Forschungen über bestimmte Partikel in der Atmosphäre, die zu einer Abmilderung der Erderwärmung beitragen könnten.

Greenwashing mit dem EBEN
Auch in den USA versucht BAYER sich mittels PR-Aktionen als Umweltengel zu präsentieren. Um sein Sündenregister vergessen zu lassen, rief der Multi am Standort Berkeley das „East Bay Environmental Network“ (EBEN) ins Leben, einen Verbund aus Stadtverwaltungen, Unternehmen und Universitäten, der sich nominell der Förderung des Umweltschutzes im Allgemeinen und des Klimaschutzes im Besonderen verschrieben hat.

TIERE & ARZNEIEN

Kein BAYTRIL-Verbot
1.734 Tonnen Antibiotika landeten nach Angaben der Bundesregierung 2011 in den Tier-Ställen. Der massenhafte Einsatz dieser Mittel in der Massenzucht fördert die Entwicklung resistenter Erreger. In den menschlichen Organismus gelangt, können diese Krankheiten auslösen, gegen die Antibiotika dann nicht mehr wirken. Bei BAYERs BAYTRIL ist diese Gefahr besonders groß, denn CIPROBAY, sein Pendant für die Humanmedizin, entstammt ebenfalls aus der Gruppe der Fluorchinolone und hat sogar den Status eines Reserve-Präparats für besonders schwierig mit Antibiotika zu behandelnde Infektionen inne. Trotzdem will die Bundesregierung den TierhalterInnen die Gabe von BAYTRIL & Co. nicht verbieten. „Für Cephalosporine und Fluorchinolone zur Anwendung bei Tieren bestehen nationale und EU-weite Zulassungen, die Bestandsschutz genießen“, antwortete die Regierungskoalition auf eine Kleine Anfrage der Grünen. CDU und FDP behalten sich lediglich Einschränkungen des Gebrauchs vor, obwohl immer mehr Bakterien und Keime gegen diese Wirkstoffe immun werden.

Noch mehr BAYRIL
Der Leverkusener Multi ignoriert die Risiken und Nebenwirkungen der massenhaften Verwendung von Antibiotika in der Massentierhaltung (s. o.) und wirft in Europa mit BAYTRIL MAX FOR PIGS ein neues Produkt speziell für Schweine-ZüchterInnen auf den Markt. Um es den TierhalterInnen schmackhaft zu machen, scheut der Konzern nicht einmal davor zurück, mit dem inflationären Gebrauch des Präparats in anderen Welt-Regionen Werbung zu treiben. So verweist er auf Erfahrungen mit dem Mittel in Nord- und Südamerika, „wo es erfolgreich zur Behandlung von mehr als sechs Millionen Schweinen eingesetzt wurde“.

Tier-Markt wächst tierisch
Längst hält der Leverkusener Multi für die vierbeinigen Freunde nicht mehr nur Arzneien und Mittel gegen Flöhe und andere Parasiten bereit. Er hat auch eine Art Deodorant gegen den tierischen Geruch, Vitamin-Cocktails und diverse Pflege-Artikel von Kurz- und Langhaar-Shampoo über Ohren-Spülungen bis hin zu Zahnpflege-Sets im Angebot. Und der Konzern will dieses Segment sogar noch ausbauen. „An der Erweiterung der Pflege-Produkte und Futter-Ergänzungsprodukte um interessante Produkte arbeiten wir, da dies ein durchaus wachsender Markt ist“, lässt das Unternehmen verlauten.

DRUGS & PILLS

USA: Aus für Baby-ASPIRIN
BAYERs Schmerzmittel ASPIRIN kann das Reye-Syndrom auslösen. Diese seltene Krankheit schädigt Leber und Gehirn und verläuft zu 40 Prozent tödlich. Am häufigsten tritt sie im Alter zwischen vier und neun Jahren auf. Darum musste der Leverkusener Multi in den USA nun das speziell auf diese Zielgruppe ausgerichtete „Baby-ASPIRIN“ vom Markt nehmen (SWB 1/13). In Lateinamerika hingegen vermarktet der Konzern bis heute solche speziell für Kinder gedachten Acetylsalicylsäure-Präparate.

BfArM zu DUOGYNON
Der hormonelle Schwangerschaftstest DUOGYNON der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING hat ab den 1950er Jahren zu tausenden Totgeburten geführt (siehe auch RECHT & UNBILLIG). Darüber hinaus kamen unzählige Kinder mit schweren Missbildungen zur Welt. Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) erfasst bis heute Meldungen über Risiken und Nebenwirkungen des 1980 aus dem Verkehr gezogenen Mittels und veröffentlichte 2012 einen Bericht dazu. Obwohl selbst firmen-interne Dokumente DUOGYNON eine hohe Gefährlichkeit bescheinigten, sah sich die Behörde zu einem eindeutigen Urteil nicht in der Lage. „Ein Kausalzusammenhang zwischen den berichteten Fehlbildungen und der Exposition mit DUOGYNON in der Schwangerschaft kann nicht bestätigt, aber auch nicht sicher ausgeschlossen werden“, heißt es in dem Report.

EU-Zulassung für Augenmittel
Nach einem Zulassungsbescheid der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA für BAYERs Augen-Arznei EYLEA (Ticker 2/12) genehmigte ihr europäisches Pendant EMA das Medikament. Das Mittel zur Therapie der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – erschließt jedoch nicht gerade medizinisches Neuland. Laut Konzern zeigte das Pharmazeutikum in Tests lediglich „eine vergleichbare Wirkung (‚Nicht-Unterlegenheit’) gegenüber der Behandlung mit LUCENTIS“.

Noch mehr YASMIN & Co.
Trotz zahlreicher Todesfälle und starker Nebenwirkungen setzt BAYER weiter auf drospirenon-haltige Kontrazeptiva aus der YASMIN-Familie. Weil für die Präparate bald der Patentschutz ausläuft, entwickelt der Leverkusener Multi fieberhaft Varianten mit geringfügigen Abweichungen. So hat er jetzt die europa-weite Zulassung für die Pille FLEXYESS erhalten, die es den Frauen durch ein flexibles Einnahme-Schema erlaubt, die Zyklus-Länge vorauszuplanen.

BAYER entwickelt Verhütungspflaster
Der Leverkusener Multi will ein Verhütungspflaster auf den Markt bringen und hat bei den EU-Behörden einen entsprechenden Zulassungsantrag gestellt. Das Produkt enthält mit 0,55 mg des Hormons Ethinylestradiol und 2,1 mg des Hormons Gestoden höher dosierte Wirkstoffe als Kontrazeptiva in Pillen-Form, soll diese aber angeblich peu à peu über die Woche verteilt abgeben. Der Konzern erwartet von der Neuentwicklung einen Jahres-Umsatz von 250 bis 500 Millionen Euro.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Pestizid-Folgekosten: 90 Milliarden
Schätzungen zufolge kommt es Jahr für Jahr zu 41 Millionen Pestizid-Vergiftungen. Und eine Studie des UN-Umweltprogrammes UNEP rechnet für die Zukunft mit noch höheren Zahlen – vor allem in Armutsregionen. Dort steigt nämlich der Pestizid-Verbrauch rasant. Der Report „Global Chemicals Outlook“ rechnet deshalb für 2015 bis 2020 allein in Afrika mit Behandlungskosten in Höhe von 90 Milliarden Dollar. Um es nicht so weit kommen zu lassen, appelliert die UNEP an Regierungen und Agrochemie-Hersteller, mehr gegen die Risiken und Nebenwirkungen der Mittel zu unternehmen. Den Kontakt zu BAYER hätte die Einrichtung auch auf dem kleinen Dienstweg aufnehmen können: Der Leverkusener Multi gehört nämlich zu ihren Sponsoren.

Pestizid-Markt wächst
Nicht nur in den Armutsregionen steigt der Absatz von Pestiziden (s. o.), auch generell erhöht sich der Verbrauch. So wuchs der globale Agrochemie-Markt 2011 gegenüber dem Vorjahr um 18 Prozent; 45,3 Milliarden Dollar betrug der Umsatz von BAYER & Co.. In der Bundesrepublik nahm er um 2,9 Prozent auf 1,255 Milliarden Euro zu. Das stärkste Plus verzeichneten die bundesdeutschen Hersteller bei dem Segment der „Pflanzenschutzmittel“ für Haus und Garten mit einem Anstieg von 19,1 Prozent auf 119 Millionen Euro. Überproportional legten dabei die Produkte zu, die auf Chemie verzichteten.

BAYER-Pestizide in Lebensmitteln
2010 fanden sich nach einer Studie des „Bundesamtes für Verbraucherschutz“ in 62,8 Prozent der untersuchten Obst- und Gemüseproben Pestizid-Rückstände; in 2,9 Prozent der Fälle überschritten die Spuren die gesetzlich festgelegten Grenzwerte. Besonders alarmierend: Baby-Nahrung war zu 17,2 Prozent belastet. Und unter den acht am häufigsten nachgewiesenen Substanzen tummelten sich mit Carbendiazim (enthalten in der Agrochemikalie DEROSAL) und Chlorpyrifos (enthalten in BLATTANEX, PROFICID und RIDDER) zwei auch von BAYER produzierte Wirkstoffe.

GAUCHO & Co. giftiger als DDT
BAYERs Saatgut-Behandlungsmittel PONCHO und GAUCHO mit den Wirkstoffen Clothianidin bzw. Imidacloprid haben verheerende Auswirkungen auf die Umwelt. So tragen die zur Gruppe der Neonicotinoide gehörenden Pestizide eine Mitschuld am weltweiten Bienensterben, denn sie haben es in sich: Ihre Giftigkeit übersteigt diejenige von DDT um das 5.000 bis 7.000fache.

Zulassungen trotz Bienengefährlichkeit
Die EU-Zulassungsverordnung für Pestizide untersagt eigentlich die Genehmigung von Ackergiften, die negative Auswirkungen auf Bienenvölker haben. Trotzdem gelangen vieler dieser Mittel auf den Markt (s. o.). Grund dafür ist die bisherige Praxis der Risiko-Prüfung, wie ein von der „Europäischen Behörde für Lebensmittel-Sicherheit“ berufenes WissenschaftlerInnen-Gremium herausfand. Die bisherigen Bestimmungen schreiben nämlich nur Kurzzeit-Tests auf der Basis von akut toxischen Dosen vor. Über einen längeren Zeitraum gehende Untersuchungen mit geringeren Konzentrationen ergäben nach Ansicht der ForscherInnen mutmaßlich weit größere Gefährdungen durch die BAYER-Wirkstoffe Imidacloprid und Thiacloprid. Zudem bemängelten sie die Nichtberücksichtigung von Kombinationswirkungen. Deshalb forderten die ExpertInnen eine Überarbeitung der Zulassungsvorschriften.

GAUCHO-Bann in England?
In Großbritannien rückt ein Verbot von BAYERs Pestizid GAUCHO und anderer Ackergifte aus der Gruppe der Neonicotinoide wegen ihrer Bienengefährlichkeit näher. „Die Gesundheit unserer Bienen liegt uns sehr am Herzen, und neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen gegenüber, die einen Zusammenhang zwischen der Dezimierung der Bienenvölker und der Verwendung bestimmter Pestizide nachweisen, waren wir immer aufgeschlossen“, erklärte der britische Umweltminister Owen Paterson von den Konservativen. Deshalb wies er seine MitarbeiterInnen an, die Konsequenzen eines Banns der Mittel zu prüfen. Zumindest drastische Anwendungsbeschränkungen für GAUCHO & Co. bestehen schon in der Bundesrepublik, Slowenien, Italien und Frankreich.

PFLANZEN & SAATEN

Zuckerrübe mit Pestizid-Resistenz
BAYER und die KWS SAAT AG wollen eine Zuckerrübe mit Pestizid-Resistenz entwickeln, ohne dabei auf gentechnische Verfahren zurückzugreifen. Dazu züchten die beiden Unternehmen eine Pflanze weiter, bei der es zu einer „spontanen Veränderung des Erbgutes“ kam, wie es heißt.

Neues Zuchtzentrum in Australien
BAYER will im australischen Bundesstaat Victoria eine Forschungsstätte zur Kultivierung neuer Raps- und Weizensorten errichten. Besonders im Bereich „Weizen“ engagiert sich der Leverkusener Multi seit einiger Zeit stark. So hat er vor kurzem in Gatersleben das „Europäische Weizenzucht-Zentrum“ eröffnet. Zudem unterhält der Konzern viele Kooperationen mit Unternehmen und wissenschaftlichen Einrichtungen, um neue Arten dieser Kulturpflanze zu entwickeln.

GENE & KLONE

Mehr Gentech in Lebensmitteln?
Im Februar 2011 hob die EU die Regelung auf, wonach Futtermittel-Importe keinerlei Spuren von Gentech-Pflanzen aufweisen dürfen, und legte einen Höchstwert von 0,1 Prozent fest. Gleiches plant die Brüsseler Kommission jetzt auch für Lebensmittel-Importe. „Sie geht damit zum wiederholten Mal vor der Gentech-Lobby in die Knie“, kritisierte der grüne EU-Parlamentarier Martin Häusling. Und damit auch vor dem Leverkusener Multi. Der Konzern hat nämlich ein intensives Interesse an der Neuregelung, verhinderte sie doch eine Wiederholung des Gen-GAUs von 2006, als sich BAYERs nicht zugelassener Gentech-Reis LL601 unvermittelt in diversen Handelssorten wiederfand. Was damals noch einen Skandal auslöste, wäre dann in Zukunft nämlich ganz legal.

STIVARGA-Zulassung erhalten
BAYER hat in den USA die Zulassung für sein Gentech-Medikament STIVARGA (Wirkstoff: Regorafenib) erhalten. Es darf ab sofort bei PatientInnen mit fortgeschrittenem Darmkrebs, bei denen alle sonstigen Therapien versagt haben, zum Einsatz kommen. Die Genehmigung erfolgte trotz bescheidener Test-Ergebnisse. Die Substanz steigerte die Gesamtüberlebenszeit der ProbandInnen im Vergleich denjenigen aus der Placebo-Gruppe gerade einmal um 1,4 Monate und schenkte ihnen bloß eine um 0,2 Monate längere Zeit ohne weiteres Tumor-Wachstum.

Kooperation mit EVOTEC
Vor ein paar Jahren noch verkündete BAYER positive Ergebnisse von Tests mit dem Hormon Dienogest zur Behandlung der Endometriose, einer Schleimhaut-Wucherung im Blasen-, Darm- oder Eierstockbereich. Die Resultate ließen sich aber offenbar nicht bestätigen, denn Anfang Oktober 2012 beauftragte der Leverkusener Multi das Hamburger Biotech-Unternehmen EVOTEC damit, Wirkstoffe gegen die Endometriose zu finden und setzte dafür eine Belohnung von bis zu 580 Millionen Euro aus.

Kooperation mit QIAGEN
Bisher hat die personalisierte Medizin, also die Entwicklung einer passgenauen, auf die jeweiligen Bedürfnisse der PatientInnen ausgerichteten Therapie-Form, die in sie gesteckten Erwartungen nicht erfüllt. BAYER versucht sich trotzdem weiter auf diesem Feld. So vereinbarte der Leverkusener Multi mit QIAGEN eine Kooperation. Der Pharma-Riese will künftig bei Krebs-Therapien die von dem Hildener Biotech-Unternehmen entwickelten Tests und Analyse-Geräte zum Einsatz bringen. Diese Begleit-Diagnostika sollen die Genome der jeweiligen Tumore bestimmen und auf diese Weise eine gezieltere Behandlung ermöglichen. Auch neue Verfahren in diesem Bereich wollen die Partner bis zur Produktreife bringen.

Bundesregierung kapituliert
Das von BAYER und GENZYME gemeinsam entwickelte Gentech-Medikament MABCAMPATH (Wirkstoff: Alemtuzumab) hat eine Zulassung zur Behandlung einer seltenen Leukämie-Art. Diese PatientInnen stehen jetzt allerdings auf dem Schlauch. Die beiden Konzerne wollen das Mittel nämlich zur Therapie von Multipler Sklerose einsetzen, wo es achtmal so viele Betroffene gibt – und entsprechend mehr zu verdienen. Deshalb haben die Unternehmen die Arznei für die bisherige Indikation kurzerhand aus dem Verkehr gezogen. Und die Bundesregierung meint, das hinnehmen zu müssen. „Rechtliche Möglichkeiten, einen pharmazeutischen Unternehmer dazu zu zwingen, ein Arzneimittel in Deutschland zu vermarkten, bestehen nicht“, antwortete sie auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

Frankreich verbietet Bisphenol
BAYER ist mit einer Jahresproduktion von ca. einer Million Tonnen einer der größten Produzenten der Industrie-Chemikalie Bisphenol A. Drei Prozent davon finden in Lebensmittel-Verpackungen wie etwa Konservendosen Verwendung. Da die Substanz Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen hervorrufen kann, hatte die EU im März 2011 ihre Verwendung in Babyflaschen untersagt (Ticker 1/12). Frankreich geht jetzt noch einen Schritt weiter. Das Land hat ein Bisphenol-Verbot für den gesamten Nahrungsmittel-Sektor beschlossen, das 2015 in Kraft treten soll.

PLASTE & ELASTE

Lade-Stationen für Elektro-Autos
BAYER hat gemeinsam mit den Unternehmen POLICAM und INGETEAM Lade-Stationen für Elektro-Autos entwickelt. Der Leverkusener Multi steuerte dazu das Kunststoff-Gehäuse bei. Solche Verkleidungen hatte das Unternehmen bereits für die Batterien der Wagen konstruiert. Da der Konzern sich von diesem Markt viel erhofft, gehört er auch der „Nationalen Plattform Elektromobilität“ an, welche die Bundesregierung in Fragen der neuen KFZ-Technologie berät.

CO & CO.

22.000 Einwendungen
Beim Bau der zwischen Krefeld und Dormagen verlaufenden Kohlenmonoxid-Pipeline nahm der Leverkusener Multi zahllose „Planungsanpassungen“ vor. So verzichtete er etwa auf ein oberflächen-nahes Warnband, reduzierte die Breite der Abschirmungsmatten von 80 auf 60 cm und verlegte an manchen Stellen nur 5,6 mm statt 6,3 mm dicke Rohre. Darum musste der Konzern sich nun auf ein Planergänzungsverfahren mit BürgerInnen-Beteiligung einlassen. Und diese beteiligten sich rege. 22.000 Einwendungen gegen die Genehmigung 2.0 gingen bei der Bezirksregierung Düsseldorf ein. Darunter befand sich auch ein Einspruch der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN. Darüber hinaus formulierten auch CBG-Vorstände und -Mitglieder Vetos.

Neue Auflagen für Pipeline
Im Mai 2011 hatte das Düsseldorfer Verwaltungsgericht die Genehmigung für BAYERs zwischen Krefeld und Dormagen verlaufende Kohlenmonoxid-Pipeline aufgehoben. Die RichterInnen verlangten Nachbesserungen beim Nachweis der Erdbeben-Sicherheit. Die Bezirksregierung hat die zusätzlichen Anforderungen Ende August 2012 in einem Planergänzungsbeschluss formuliert. So muss der Leverkusener Multi nun noch Gutachten nachreichen, die Gefährdungen der oberirdischen Anlagen und des Leitungsabschnitts im Risiko-Gebiet Monheim durch Bodenerschüttungen ausschließen. Darüber hinaus darf die Inbetriebnahme nur erfolgen, wenn eine von der Behörde gestartete Untersuchung keine Anhaltspunkte für Gefahren durch Hohlräume entlang der Strecke findet. Aber selbst bei Erfüllung all dieser Kriterien gebe es noch kein grünes Licht. Die zahllosen während der Bauphase vorgenommenen „Planungsanpassungen“ machten nämlich ein Planergänzungsverfahren unumgänglich (s. o.), dessen Abschluss frühestens im nächsten Jahr zu erwarten ist. Zudem steht noch ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster zum Röhren-Werk aus.

Bau in Pipeline-Nähe
In unmittelbarer Nähe der Kohlenmonoxid-Leitung hat ein Unternehmen fünf große Stahlträger in den Boden gerammt, um daran Werbetafeln anzubringen. Bei den Arbeiten hätte es gut auf das Röhren-Werk treffen können, wenn nicht eine der zahlreichen „Planungsanpassungen“ (s. o.) den Abstand erhöht hätte. Ein Pipeline-Hinweisschild gab es an der Stelle nämlich nicht. „Da hat man Glück gehabt. Beim Bau der Stutzen im Mai hat noch niemand die neue Pläne gekannt“, so der Langenfelder Bürgermeister Frank Schneider (CDU).

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Staub-Explosion in Dormagen
Im Dormagener BAYER-Werk kam es am 8.10.12 zu einer Staub-Explosion in Folge einer elektrostatischen Aufladung. Dadurch geriet ein Zwischenprodukt zur Pestizid-Herstellung in Brand. Laut Zeitungsberichten schoss eine weithin sichtbare Stichflamme in den Himmel. Ein Beschäftigter erlitt eine Verbrennung und musste kurzzeitig ins Krankenhaus, die anderen Belegschaftsangehörigen konnten sich rechtzeitig in Sicherheit bringen.

STANDORTE & PRODUKTION

Leverkusen braucht Finanzhilfe
BAYER machte im Geschäftsjahr 2011 mit 36,5 Milliarden Euro einen Rekord-Umsatz. An seinem Stammsitz Leverkusen kommt von dem Geld allerdings kaum etwas an. Die Gewerbesteuer-Zahlungen steigen seit einiger Zeit zwar wieder etwas, aber nicht in dem erwarteten Ausmaß. So musste Kämmerer Rainer Häußler die Einnahme-Prognose von 108 Millionen Euro schon im Frühjahr um zehn Millionen nach unten korrigieren. „Die neuen Zahlen haben sich nach konkreten Gesprächen mit den Spitzensteuerzahlern in Leverkusen ergeben“, sagte Häußler zur Begründung. 1990 hatte allein der Chemie-Multi mehr aufgebracht, 123 Millionen Euro überwies der Konzern damals. Die Zäsur brachte dann allerdings im Jahr 2000 die Unternehmenssteuer„reform“, die BAYERs ehemaliger Steuer-Chef Heribert Zitzelsberger als Staatssekretär im Finanzministerium maßgeblich mitgeprägt hat. Seither herrscht Ebbe in der Stadtkasse. Darum musste Leverkusen jetzt Finanzhilfen vom Land annehmen: Die Kommune trat dem Stärkungspakt Stadtfinanzen bei.

Keine Kita im Duisberg-Park
Die nach der Chemie-Katastrophe von 1976 erlassene Seveso-Richtlinie schreibt einen ausreichenden Abstand zwischen Industrie-Anlagen und anderen Gebäuden vor. Ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs dazu, das die Errichtung eines Gartencenters in der Nähe des Areals von MERCK verbot, rief diese Bestimmung noch einmal in Erinnerung, was Folgen auch für den BAYER-Stammsitz Leverkusen hatte. Der Chemie-Multi musste seinen Plan aufgeben, im Carl-Duisberg-Park eine Kindertagesstätte zu bauen, denn das Grundstück liegt nur 800 Meter von den Produktionsstätten entfernt. Nun entsteht die Einrichtung am Kurtekotten-Weg.

BAYER braucht kein Brauchtum
BAYER stellt den KarnevalistInnen ab 2014 das Erholungshaus in Leverkusen-Wiesdorf nicht mehr zur Verfügung. Weder die Sessionssitzungen noch die Party nach dem Zug können dann dort noch stattfinden. „Die Miet-Einnahmen stehen in keinem Verhältnis zu den Gesamtkosten“, gibt der Konzern zur Begründung an. Der Aufwand – die Herrichtung des Saales und seine Wiederherrichtung nach den Feiern inklusive der anfallenden Reparatur- und Reinigungsmaßnahmen – hätte in keinem Verhältnis mehr zum Ertrag gestanden, so ein Unternehmenssprecher. Bei Prinzengarden-Präsident Peter Schmitz stieß der Beschluss auf Unverständnis: „Das Erholungshaus wurde doch für die Wiesdorfer Bevölkerung gebaut. Und jetzt sowas!“

Neue Anilin-Anlage in Brunsbüttel
BAYER will in Brunsbüttel die Produktion des Kunststoff-Zwischenprodukts MDI erweitern. Im Zuge dessen soll auch eine neue Fertigungsstätte für den Grundstoff Anilin mit angeschlossenem Tanklager entstehen. Der Multi hat dabei vor, das krebserregende Nervengift über ein Rohrleitungssystem zu den Plaste-Fabrikationsorten zu leiten. Überschüsse plant der Konzern am Landeshafen Ostermoor zwischenzulagern und weiterzuverkaufen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hat gegen das Vorhaben wegen mangelnder Sicherheitsvorkehrungen Einspruch eingelegt.

BAYER für Straßenbau
Der Leverkusener Multi fordert an seinem Standort Brunsbüttel umfangreiche Infrastruktur-Maßnahmen ein. Er mahnt einen Ausbau der A20 über die Elbe hinweg statt nur bis zur A7, eine Erweiterung der B5 um eine Spur sowie eine bessere Eisenbahn-Anbindung an. „Wir brauchen Zuverlässigkeit. Wenn wir nichts machen, bekommen wir einen Investitionsstau“, erklärte der BAYER-Manager Klaus Gebauer auf einer Veranstaltung mit Vertretern der Industrie- und Handelskammer (IHK), die auf dem Werksgelände stattfand. Die IHK hatte in dieser Sache sogar schon bei der Landesregierung vorgesprochen, weil der Koalitionsvertrag bloß Projekte in weit geringerem Ausmaß vorsieht, und konnte einen ersten Erfolg vermelden. SPD, Grüne und der schleswig-holsteinische Wählerbund hätten ihre Position zur A20 „etwas relativiert nach unseren vehementen Hinweisen“, berichtete IHK-Präsident Uwe Möser.

50 Jahre Pestizide aus Dormagen
Aus dem Geist der Giftgas-Produktion entsprang bei BAYER die Pestizid-Herstellung. So entstanden aus Sarin und anderen Organophosphaten nach dem Zweiten Weltkrieg Agrochemikalien wie E 605. Aber diesen Teil der Geschichte sparte der Global Player aus, als er in Dormagen feierlich mit vielen Gästen – darunter VertreterInnen der Städte Köln und Monheim – den 50. Jahrestag der Ackergift-Fertigung am Standort beging. Auch über die 41 Millionen Vergiftungsfälle per annum hüllte der Leverkusener Multi lieber den Mantel des Schweigens.

Bürgerentscheid für Römer Therme
Einst unterhielt der Leverkusener Multi Werkskindergärten, Kaufhäuser, Bibliotheken, Breitensportvereine und Schwimmbäder. Aber das ist schon eine Weile her. Von den Dormagener Römer Thermen trennte der Konzern sich bereits 2003. Er überschrieb die Badeanstalt dem ebenfalls schon länger in die Selbstständigkeit entlassenen und nur noch sporadisch unterstützten TSV BAYER Dormagen, fing aber gemeinsam mit der Stadt weiterhin das Defizit auf. Vor einiger Zeit jedoch erklärte die Kommune, ihren Beitrag nicht mehr aufbringen zu können. Da der Pharma-Riese den Anteil nicht übernehmen wollte, stand damit die Existenz des Bades a

[Tierversuche] Brutal & nutzlos

CBG Redaktion

BAYERs Tierversuche

Die Pharma-Industrie rechtfertigt Tierversuche mit der Entwicklung neuer Medikamente für kranke Menschen. Zahlreiche Fakten zeigen aber, dass der Tierversuch „im Dienste der Medizin“ nicht nur Tieren, sondern auch Menschen gegenüber verantwortungslos ist. Pillen-Riesen wie BAYER geht es dabei einzig und allein um ihren Profit – auf dem Rücken von PatientInnen und Tieren.

Von Silke Bitz (ÄRZTE GEGEN TIERVERSUCHE e. V.)

Nach aktueller Statistik wurden im Jahr 2010 allein in Deutschland rund 2,9 Millionen Wirbeltiere für Versuchszwecke verwendet (1). Davon entfallen ca. 6,6 Prozent auf die Forschung im Hause BAYER. Der Leverkusener Multi „verbrauchte“ 192.412 Tiere; im Jahr 2011 stieg die Zahl sogar auf 199.636. (2) Während in den eigenen Laboren des Konzerns mit 168.825 weniger Tiere als 2010 starben, wo es noch 171.627 waren, erhöhte sich Anzahl der Tiere, die bei vom Agro-Riesen beauftragten externen Dienstleistern ihr Leben ließen, von 19.785 auf 30.811. Mit 91,7 Prozent machen Mäuse, Ratten, Kaninchen, Meerschweinchen und Hamster den Großteil der im Labor getöteten Tiere aus.

Versuche ohne Nutzen
Viele Menschen glauben, dass die Erforschung menschlicher Krankheiten ohne diese Tieropfer zum Erliegen käme und es keine neuen Medikamente mehr gebe. Dies ist aber ein Trugschluss. Das Ende der Tierversuche bedeutet keineswegs das Ende des medizinischen Fortschritts. Denn bei allen Heilversprechen der Verfechter dieser Praxis darf man eines nicht vergessen: Da die meisten menschlichen Krankheiten bei Tieren nicht vorkommen, werden die Symptome auf künstliche Weise in so genannten „Tiermodellen“ nachgeahmt. Um zum Beispiel Parkinson auszulösen, wird bei Affen und anderen Geschöpfen ein Nervengift in das Gehirn injiziert, das Hirnzellen zerstört. Bei Mäusen wird Krebs durch Genmanipulation oder Injektion von Tumor-Zellen hervorgerufen. Einen Schlaganfall versucht man durch das Einführen eines Fadens in eine Hirn-Arterie von Mäusen zu simulieren. Die Zuckerkrankheit entfachen die MedizinerInnen in Ratten durch die Injektion eines Giftes, das die Insulin produzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse zerstört. Einen „menschlichen“ Herzinfarkt ahmen die ForscherInnen an Hunden durch das Zuziehen einer von außen bedienbaren Schlinge um ein Herzkranzgefäß nach.

Die am Tier künstlich herbeigeführten Symptome haben jedoch nichts mit den menschlichen Krankheiten gemein. Die Gattungen untereinander sowie Mensch und Tier unterscheiden sich grundlegend in Körperbau und Stoffwechsel. Auch wichtige Aspekte der Krankheitsentstehung wie Ernährung, Lebensgewohnheiten, der Einfluss von Suchtmitteln, schädlichen Umwelteinflüssen, Stress sowie psychische und soziale Faktoren werden gänzlich außer Acht gelassen. Ergebnisse aus Studien mit Tieren sind daher irreführend und tragen nichts zum Verständnis über menschliche Krankheiten oder gar deren Heilung bei.

Selbst die Ergebnisse aus klinischen Studien, die meist an jüngeren Menschen stattfinden, sind nicht einfach auf Kinder oder alte Menschen übertragbar, auch Unterschiede zwischen Männern und Frauen werden unzulänglich berücksichtigt. Wenn schon die Übertragung von Ergebnissen von einem Menschen auf einen anderen aufgrund von alters- und geschlechtsspezifischen Unterschieden problematisch ist, liegt es nahe, dass der Tierversuch noch viel weniger Aufschluss über Ursachen und Heilungsmöglichkeiten menschlicher Leiden liefern kann.

Wie ein neues Medikament beim Menschen wirkt, lässt sich also auf der Grundlage von Tierversuchen nicht mit der nötigen Sicherheit feststellen. Dass man sich trotz dieser Unsicherheit auf Tierversuche verlässt, hat fatale Folgen. Allein in Deutschland sterben einer Studie der Medizinischen Hochschule Hannover zufolge jährlich 58.000 Menschen an den Folgen von Arzneimittelnebenwirkungen.(3) Und immer wieder werden Medikamente, die aufgrund von Tierversuchen als sicher befunden wurden, wegen schwerer, oft sogar tödlicher Nebenwirkungen vom Markt genommen oder erreichen die Apotheken gar nicht erst.

So wurde die Substanz TGN1412, ein Wirkstoff der Würzburger Firma TEGENERO zur Behandlung schwerer Krankheiten wie Leukämie, Arthritis und Multipler Sklerose, ausgiebig unter anderem an Affen getestet. Im Tierversuch waren keine Nebenwirkungen ersichtlich. Bei den Testpersonen jedoch traten lebensbedrohliche bleibende Schäden auf.

Schätzungsweise 7.000 PatientInnen erkrankten oder verstarben in Deutschland durch die Einnahme des Schmerzmittels VIOXX. Zu diesem Ergebnis kommt eine Berechnung des Kölner „Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWIG). Das Rheuma-Medikament kam im Jahr 2000 auf den Markt, verlor aber vier Jahre später seine Zulassung, weil eine Studie gezeigt hatte, dass das Präparat Herzinfarkte, Thrombosen und Schlaganfälle verursachte. Der damalige IQWIG-Leiter Peter Sawicki schätzte die Zahl der VIOXX-Opfer sogar noch um rund 20 Prozent höher ein, da er davon ausging, dass Privatversicherte das relativ teure neue Medikament häufiger verschrieben bekamen als Kassen-PatientInnen.(4)

In den 1990er Jahren hat die Wissenschaft mit der so genannten Krebsmaus den Durchbruch in der Bekämpfung der Krankheit medienwirksam gefeiert und Hoffnungen geweckt, die bis heute nicht erfüllt werden konnten. Denn Krebs ist zwar im Labor bei verschiedenen Tierarten heilbar, bislang aber nicht beim Menschen. AIDS-ForscherInnen experimentierten beispielsweise jahrelang mit Affen, bis deutlich wurde, dass diese Tierart überhaupt keine Krankheit bekommt, die mit dem bei Menschen auftretenden AIDS vergleichbar wäre. Deshalb stammen die wesentlichen Erkenntnisse über AIDS aus Forschung ohne Tierversuche.

Untersuchungen der amerikanischen Arzneimittelbehörde (FDA) ergaben derweil, dass 92 Prozent der potenziellen Medikamente, die sich im Tierversuch als wirksam und sicher erwiesen haben, nicht durch die klinische Prüfung kommen – beim Menschen zeigt sich entweder gar keine oder aber eine unerwünschte Wirkung.(5) Und eine Studie des Cambridge Hospitals und der Harvard Medical School zur Arzneimittelsicherheit erbrachte den Nachweis, dass rund 20 Prozent der Medikamente, die es auf den Markt schaffen, entweder wieder zurückgenommen werden oder entsprechende Warnungen erhalten.(6) Das „Tiermodell“ bietet damit also keine objektive Sicherheit, sondern kann lediglich als Glücksspiel betrachtet werden, das im schlimmsten Fall nicht nur für die Tiere tödlich endet, sondern auch für Menschen.

Wer also glaubt, die Pharmariesen würden ihre Produkte auf den Markt bringen, um uns Menschen von Krankheiten zu heilen, irrt gewaltig. Vorrangiges Interesse ist das Einfahren großer Gewinne in möglichst kurzer Zeit. Dabei schrecken die Konzerne auch vor skrupellosen PR-Maßnahmen nicht zurück. So wird den VerbraucherInnen in Zeitschriften wie beispielsweise der Apotheken Umschau ein scheinbar gut recherchierter, mit Aussagen von WissenschaftlerInnen untermauerter Bericht über die angeblich positive Wirkung eines Medikaments präsentiert. Von ZDF Frontal 21 versteckt gefilmte Aufnahmen von Verhandlungsgesprächen zwischen Presse- und PharmavertreterInnen brachten diese schockierenden Machenschaften ins Licht der Öffentlichkeit. Sie zeigten auf, wie PharmavertreterInnen systematisch ÄrztInnen, PolitikerInnen und die Medien kaufen und die Verzweiflung von Hilfe suchenden PatientInnen gnadenlos ausnutzen. Trotz Kenntnis über schwere Nebenwirkungen werden mit allen Mitteln Medikamente auf den Markt gebracht. Frontal 21 ist es sogar ohne Probleme gelungen, Angebote für die Bewerbung eines puren Phantasieprodukts in namhaften Zeitschriften zu erhalten.7

Schädliche Nebenwirkungen von Wirkstoffen kehren die Unternehmen hingegen gern unter den Tisch, z. B. indem sie nur „positive“ Studien veröffentlichen, die „negativen“ aber nicht.8 Gelangen Informationen über schwerwiegende oder gar tödliche Nebenwirkungen eines Präparates an die Öffentlichkeit, so versuchen die Pillen-Riesen zumeist, das Desaster so lange wie möglich zu vertuschen oder schönzureden. BAYER tat das beispielsweise im Fall des Blutstillungspräparats TRASYLOL und PFIZER beim Antidepressivum ZOLOFT, das zu einer Steigerung der Selbsttötungsabsicht führt.8 In den USA gab es entsprechende Warnungen, aber obwohl die tödliche Nebenwirkung auch in Deutschland längst bekannt war, stand auf der Packungsbeilage nichts davon.

Die Pharma-GAUs
Leidtragende dieser bei BAYER und anderen Pharma-Multis vorherrschenden Firmenphilosophie sind die Menschen, die - in gutem Glauben an Heilung - Opfer von Arzneimittel-Nebenwirkungen werden. Die Liste der wegen schwerer, oft sogar tödlicher Nebenwirkungen vom Markt genommenen und allesamt ausführlich an Tieren getesteten Medikamente ist lang: TRASYLOL und LIPOBAY von BAYER sowie VIOXX, ACOMPLIA und TGN1412 befinden sich unter anderem darauf.

TRASYLOL, ein Medikament gegen Blutverlust bei Bypass-Operationen, stand schon seit Anfang 2006 in der Kritik. Eine kanadische Studie mit über 4.300 Bypass-PatientInnen hatte eine erhöhte Sterberate und ein doppelt so hohes Risiko für Nierenversagen im Vergleich zur Nichtbehandlung ergeben.9 Eine Hochrechnung der Ergebnisse ergab, dass das zu mehr als 11.000 Dialysen pro Jahr geführt hat. Die Aufsichtsbehörden schränkten daraufhin das Anwendungsgebiet von TRASYLOL ein und ordneten das Anbringen von Warnhinweisen auf den Verpackungen an. Auch einer von BAYER selbst in Auftrag gegebenen Untersuchung mit 67.000 PatientInnen zufolge treten verstärkt schwere Nierenschäden, Herzversagen und Schlaganfälle mit Todesfolge auf, weshalb der Global Player die Ergebnisse gegenüber der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA zunächst verschweigt.10 Andere Analysen bestätigten die Resultate. Darum zogen das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und die FDA die Notbremse und sprachen ein Verkaufsverbot aus.11 Im Frühjahr 2012 hob die europäische Arzneimittel-Behörde EMA den Bann wegen angeblicher Fehler in der Studie, die zum TRASYLOL-Stopp geführt hatte, wieder auf.

Beim als Schwangerschaftstest eingesetzten Hormonpräparat DUOGYNON des Berliner Unternehmens SCHERING, das heute zu BAYER gehört, kam es verstärkt zu Fehlgeburten und schweren Missbildungen von Kindern. Aus internen Dokumenten geht hervor, dass der Pharmafirma die fatalen Nebenwirkungen bereits seit 1967 bekannt waren. Das Bundesgesundheitsministerium sprach erst 1978 eine offizielle Warnung aus, das Medikament war bis 1980 zugelassen.12

Bis zum Sommer 2001 starben weltweit mehr als 100 Menschen an den Nebenwirkungen des Cholesterin-Senkers LIPOBAY, mindestens sieben davon in Deutschland. Schwerer Muskelzerfall mit nachfolgendem tödlichem Nierenversagen lautete die Diagnose. Bei weiteren 1.100 Patienten traten gravierende Nebenwirkungen auf. BAYER musste seinen Verkaufsschlager vom Markt nehmen.

In medias animal
Wie alle Medikamente, wurde auch der LIPOBAY-Wirkstoff Cerivastatin vor seiner Marktzulassung ausführlich getestet. In einer Reihe von Tierversuchen testeten die WissenschaftlerInnen zunächst die Cholesterin-Spiegel senkende Wirkung von Cerivastatin. An Ratten, Mäusen und Hunden untersuchten sie die Verstoffwechslung und Ausscheidung der Substanz im Körper. Die Mäuse erhielten dazu radioaktiv markiertes Cerivastatin, dann entnahmen die ExperimentatorInnen in bestimmten Zeitabständen Urin-, Blut-, Galle- und Leberproben. Das Blut gewannen sie aus dem Venengeflecht hinter dem Auge oder durch Ausbluten durch einen Schnitt in die Halsschlagader. Für die Entnahme von Leberproben betäubten oder töteten die BAYER-Beschäftigten die Mäuse. Um die Galle zu gewinnen, operierten sie Katheter in die Gallengänge ein. Weitere Studien führten sie mit frisch gewonnener Galle von Hunden und Ratten durch.13

Dann folgten umfangreiche Tierversuche zum Nachweis der Unbedenklichkeit14: Hierfür bekamen die Affen, Hunde, Minischweine, Ratten und Mäuse die Substanz in verschiedenen Dosierungen über eine direkt in den Magen führende Schlundsonde verabreicht. An Ratten und Kaninchen testeten die ExperimentatorInnen den Einfluss auf die Fruchtbarkeit und auf die Embryo-Entwicklung während der Schwangerschaft und prüften mögliche Folgeschäden nach der Geburt. Ratten und Mäuse erhielten das Medikament vor oder während der Schwangerschaft. Einige Zeit später töteten sie die Tiere, um eventuelle Schäden am Erbgut zu untersuchen. Zur Untersuchung krebserregender Eigenschaften gaben sie die Substanz weiteren Ratten und Mäusen, um sie später zu Untersuchungszwecken zu töten.

In den Tierversuchen hatten sich zwar einige Nebenwirkungen gezeigt, doch waren diese anders als die, die sich später beim Menschen einstellten. Die PatientInnen litten an Rhabdomyolyse, einem tödlich verlaufenden Muskelzerfall. Bei einigen Tierarten waren nur leichte Muskelschäden und auch nur bei hohen Dosierungen aufgetreten, stattdessen waren bei ihnen Magenblutungen und Augenschäden zu verzeichnen. Die Auswirkungen des Medikaments auf den Menschen konnten im Tierversuch also nicht erkannt werden.

Wie dieser Fall demonstriert, lassen Tierversuche allenfalls eine vage Hypothese über die Wirkung von Substanzen beim Menschen zu. Ob und wie ein neues Medikament beim Menschen dann tatsächlich wirkt, zeigt sich immer erst am Menschen selbst. Erst dann kann man beurteilen, ob die Tierversuchsergebnisse mit den Befunden am menschlichen Patienten übereinstimmen oder nicht.

Trotz der nicht gegebenen Übertragbarkeit von Ergebnissen aus tier-experimentellen Untersuchungen auf den Menschen müssen Tiere als Tester für immer neue Rezepturen herhalten. Dabei handelt es sich in den allermeisten Fällen nicht einmal um Produkte, die die Medizin voranbringen. So erklärte beispielsweise die Firma BAYER völlig normale Alterserscheinungen des Mannes zu einem Testosteron-Mangel-Syndrom, um einen neuen Absatzmarkt für ein Hormonpräparat zu schaffen. In Deutschland tummeln sich nach Angaben des BfArM auf dem Markt derzeit 89.374 Arzneien, davon 43.422 verschreibungspflichtige.15 Im Jahr 2011 wurden rund 2.400 Zulassungs- und Registrierungsanträge gestellt.16 Laut „Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft“ helfen nur 10 bis 30 Prozent der neuen Medikamente besser als ihre Vorläufer. Auf die restlichen Pharmazeutika könne man in Zukunft verzichten, ohne dass sich die Qualität der PatientInnen-Versorgung verschlechtern würde.17 Die WHO hält nur 325 Medikamente zur Behandlung menschlicher Erkrankungen für erforderlich.18

Forschung ohne Tierversuche
Tierversuche sind weder ethisch zu rechtfertigen, noch sind sie sinnvoll für den medizinischen Fortschritt. Sie halten diesen sogar auf. In den letzten Jahrzehnten entwickelten WissenschaftlerInnen unzählige tierversuchsfreie Forschungsmethoden. Bei den In-vitro-Verfahren testen sie potentielle Wirkstoffe an schmerzfreier Materie wie Zellen, Gewebe oder Mikroorganismen. Ausgeklügelte Computersimulationen stellen die Verstoffwechslung einer Substanz im menschlichen Körper detailliert dar. Auf Biochips analysieren ForscherInnen wie in einem künstlichen Minimenschen Auswirkungen von Pharma-Stoffen auf bestimmte Organe. In einem System aus winzigen Gängen und Kanälen siedeln sie menschliche Zellen an und lassen den zu testenden Wirkstoff durch den so geschaffenen Organismus zirkulieren. Solche Forschungsmethoden sind nicht nur schneller, billiger, reproduzierbarer und zuverlässiger, sie liefern zudem – im Gegensatz zum Tierversuch – für den Menschen relevante Ergebnisse. Viele tierversuchsfreie Methoden kommen bereits zum Einsatz, doch ihr Potential ist bei weitem nicht ausgeschöpft. Hier besteht weiterer Forschungsbedarf, für den es nötig ist, die finanziellen Mittel aufzubringen. Tausende dieser innovativen Verfahren liegen auf Halde, da sie noch nicht behördlich anerkannt sind. Es wäre möglich, das Arzneimittel-Risiko drastisch zu senken, indem neue Wirkstoffe zunächst mit einer Kombination verschiedener solcher Testverfahren geprüft und anschließend beispielsweise wie beim Micro-Dosing gefahrlos an freiwilligen ProbandInnen und PatientInnen erprobt werden. Hierbei verabreichen die WissenschaftlerInnen den Wirkstoff in einer so kleinen Dosis, dass diese keinerlei pharmakologische Wirkung hat, aber dank hochempfindlicher Methoden doch Aufschluss über ihre Verstoffwechslung gibt. Solange sich jedoch die Entwicklung und Marktzulassung von Arzneien auf die angebliche Sicherheit durch Tierversuche stützt, wird es bei BAYER und anderen Pharmakonzernen auch weiterhin Medikamenten-Skandale geben.

ANMERKUNGEN:
1 Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Tierversuchsstatistik 2010
2 http:www.tierversuche.bayer.de/de/zahlen.aspx, 20.7.2012
3Schnurrer J.U, Frölich J.C. (2003): Zur Häufigkeit und Vermeidbarkeit von tödlichen unerwünschten Arzneimittelwirkungen. Der Internist, 44: 889-895
4 Bender R., Gutschmidt S., Klauber J., Selke G., Sawicki P.T. (2006): Schätzung der unter Rofecoxib (VIOXX®) in Deutschland in den Jahren 2001-2004 aufgetretenen kardio- und zerebrovaskulären Ereignisse. Med Klein, 101: 191-197
5 U.S. Food and Drug Administration Report (2004): Innovation or Stagnation - Challenge and Opportunity on the Critical Path to New Medical Products, S.8
6 Lasser K.E., Allen, P.D, Woolhandler S.J., Himmelstein D.U., Wolfe S.M, Bor D.H. (2002): Timing of new black box warnings and withdrawals for prescription of medications. The Journal of the American Medical Association, 287(17): 2215-2220
7Das Pharma-Kartell – Wie wir als Patienten betrogen werden, ZDF Frontal 21, Sendung vom 09.12.2008
8 Paulus J. (2005): Kranke Machenschaften. Bild der Wissenschaft, 10/2005, S. 27-31
9 Mandango, D.T. et al (2006): New England Journal of Medicine 2006, 345: 353-365
10 arzneitelegramm 11/06
11 BfArM: Pressemitteilung 29/07 vom 5. November 2007
12 Vertuschte Nebenwirkungen? Opfer klagen, ZDF Frontal 21, Sendung vom 3.7.2012
13 Drug Metabolism and Disposition 1998, 26, 640-652
14 American Journal of Cardiology 1998, 82 (4B), 11J-17J
15 http:
www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/4_statistik/statistik-verkf-am-zustBfArM.html?nn=1009778, 10.7.2012
16 http:www.bfarm.de/SharedDocs/1_Downloads/DE/Arzneimittel/4_statistik/stat-2011-internet.pdf?__blob=publicationFile, 10.7.2012
17 http:
www.augsburger-allgemeine.de/wissenschaft/20-000-verschreibungspflichtige-Medikamente-zu-viele-meinen-Aerzte-id17530676.html, 10.7.2012
18 Weltgesundheitsorganisation, Pressemitteilung 4.9.2002 (WHO releases first global reference guide on safe and effective use of essential medicines)

[HV Bericht] STICHWORT BAYER 03/2012

CBG Redaktion

HV-Jubiläum der CBG

BAYER schafft Bannmeile

Zu ihrem 30-jährigen Hauptversammlungsjubiläum bot die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) so viele Konzern-KritikerInnen auf wie nie zuvor. Der Leverkusener Multi wappnete sich dagegen, indem er den Eingangsbereich der Kölner Messehallen weiträumig abschirmte. So ersparte er seinen AnteilseignerInnen die Konfrontation mit Medikamenten-Geschädigten, Bienenzüchtern, TierschützerInnen und anderen AktivistInnen. Im Saal selber gab es dann allerdings kein Entrinnen mehr: Die GegenrednerInnen dominierten das Aktionärs-Treffen.

Vor Beginn der BAYER-Hauptversammlungen in den Kölner Messehallen bot sich Jahr für Jahr das gleiche Bild: Die den Bussen entstiegenen AktionärInnen mussten sich den Weg in die heiligen Hallen des Profits durch einen Kordon von Konzern-Kritikern bahnen, die sie mit Transparenten, Flugblättern und politischen Aktionen empfingen. Das wollte der Leverkusener Multi ihnen dieses Mal ersparen. Er zog einen weiträumigen Bannkreis um den Eingangsbereich und chauffierte seine AnteilseignerInnen auf diese Weise unbehelligt von den ProtestlerInnen bis vor die Tür.

Allzu lange konnte der Leverkusener Multi sie allerdings nicht abschirmen, denn im Saal selber machten ihnen mit 20 GegenrednerInnen mehr Kritische Aktionärinnen und Aktionäre denn je ihre Aufwartung. Besonders die leibhaftige Konfrontation mit den Opfern, welche die gnadenlose Jagd nach Profit zwangsläufig produziert, dürfte den Aktien-Haltern einiges Unwohlsein bereitet haben. So berichtete etwa Monika Thinschmidt über ihre Qualen nach dem Einsetzen von BAYERs Hormonspirale MIRENA. „Die kommenden fünfeinhalb Monate sollten mich bis dato prägen. Meine Beschwerden waren: nächtliche Schweißausbrüche, Herzrasen, Unruhe, Schlaflosigkeit, permanente Bauchkrämpfe und Oberbauchschmerzen.“ Zudem klagte sie über Brustknoten, eine Eierstock-Zyste als Tumorvorstufe, Libido-Verlust und eine verfrühte Menopause. Und damit ist sie beileibe nicht die Einzige. Die Frau zitierte eine Untersuchung des Frauengesundheitszentrums Graz, wonach 96 Prozent der Teilnehmerinnen Gegenanzeigen schilderten, über die sich die bunten Werbe-Broschüren ausschwiegen. „Sie bringen also ein unsicheres Produkt auf den Markt, informieren falsch, unzureichend und zu spät (...) Sie gefährden damit die Gesundheit von vielen Millionen Frauen weltweit. Sie streichen die Profite ein und sind nach meiner Einschätzung deshalb auch haftbar“, resümierte Thinschmidt.

Auch Geschädigte des hormonellen Schwangerschaftstests DUOGYNON, den die heute zu BAYER gehörende Firma SCHERING bis Mitte der 1970er Jahre hinein vermarktete, gingen ans Mikrofon. „Ich wurde im Juni 1976 mit einer Schädigung an beiden Armen geboren“, legte Silke Ehrenberg dar und erzählte von ihrem Martyrium mit Krankengymnastik ab dem Alter von sechs Wochen, häufigen Operationen und Folge-Erkrankungen. Hinzu traten noch die seelischen Schmerzen: „Ich bin anders, und das bekam ich ständig und überall zu spüren.“ Es war ein langer Prozess, bis die 36-Jährige sich so annehmen konnte, wie sie ist. Und er ist noch immer nicht abgeschlossen. „Dies heute und hier ist für mich ein weiterer Schritt, zu mir zu stehen. Zu sagen: Ich lebe mit einer Behinderung“, betonte sie deshalb. Immer wieder trieb die 36-Jährige die Frage um, woher ihre Behinderung rühre. Auf die Antwort stieß sie erst vor zweieinhalb Jahren. Da wurde sie auf Andre Sommer aufmerksam, den Gründer einer Initiative DUOGYNON-Geschädigter, der im letzten Jahr auf der Hauptversammlung gesprochen hatte und schon lange mit der CBG kooperiert. Seither kennt sie die Ursache ihrer Leiden. Die Erzieherin will aber ebenso wie Sommer mehr wissen und fordert BAYER zur Offenlegung interner Dokumente über den Zusammenhang von DUOGYNON und den Fehlbildungen auf. Ein Gericht in Berlin wies diesen Anspruch jedoch zurück. „Die Aussage, die Angelegenheit DUOGYNON sei verjährt, ist ein Schlag ins Gesicht aller Betroffenen. Ich stehe hier heute vor ihnen und lebe damit. Von Verjährung keine Spur“, so Ehrenberg.

Auch die extra aus England angereiste Valerie Williams, deren Sohn durch den in ihrer Heimat unter dem Namen PRIMODOS angebotenen Schwangerschaftstest stark gehandicapt zur Welt kam, verlangte den Zugang zum Firmen-Archiv. Die bislang bekannt gewordenen Unterlagen belegen nämlich eindeutig: Der SCHERING-Konzern wusste, was er tat. „1969 schrieb SCHERING, heute BAYER SCHERING, dem Britischen Ausschuss für Sicherheit und Medizin, dass PRIMODOS wegen der hohen Rate von Fehlgeburten bei einer Studie mit Ratten zurückgezogen würde“, referierte Williams und fragte dann: „Welche Gründe hatten Sie, PRIMODOS weiter herzustellen?“ Die Antwort darauf gab Gisela Clerc, ebenfalls Mutter eines DUOGYNON-Opfers. Finanzielle Erwägungen ließen ihrer Ansicht nach das Unternehmen an dem Produkt festhalten. DUOGYNON habe BAYER „viel Geld, den Kindern viel Schmerz und den Eltern viel Leid“ gebracht, fasste sie den Fall zusammen.

BAYER-Chef Marijn Dekkers zeigte sich ungerührt von den Leidensgeschichten und holte die Textbausteine von der letzten Hauptversammlung wieder hervor. „Wir haben schon mehrfach betont, dass wir ihr Schicksal bedauern und dass wir die Suche nach den Ursachen verstehen“, antwortete er den DUOGYNON-Geschädigten, um dann unmissverständlich die Konzern-Sicht darzulegen, wonach es keinen Zusammenhang zwischen dem Schwangerschaftstest und den Fehlbildungen gebe. Zur Hormonspirale MIRENA stand er gleichfalls in Treue fest. Sie werde seit 22 Jahren von 20 Millionen zufriedener Frauen angewendet und weise kein erhöhtes Brustkrebsrisiko auf, so Dekkers. Auch die Gefahr, eine Eileiter-Schwangerschaft zu erleiden, sei verschwindend gering, führte er weiter aus. „Es kann (...) jede Arznei unerwünschte Nebenwirkungen haben“, räumte der Vorstandsvorsitzende dann zwar ein, aber die seien ja auf dem Beipackzettel aufgeführt, womit er den Konzern – geschützt vor juristischen Ansprüchen – auf der sicheren Seite wähnte.

Die Verhütungsmittel des Pharma-Riesen mit dem Wirkstoff Drospirenon, die zahlreiche, zum teil tödlich verlaufende Thrombo-Embolien verursacht hatten, verteidigte der Ober-BAYER ebenfalls. „Wir sind vom Risiko-Profil Drospirenons überzeugt“, hielt er dem Rechtsanwalt Martin Jensch entgegen, der im Namen der betroffenen Frauen der SELBSTHILFEGRUPPE DROSPIRENON-GESCHÄDIGTER gesprochen hatte. Nicht einmal die nunmehr ausdrücklich auf das Risiko „Embolie“ aufmerksam machenden Warnhinweise auf den Packungen und die Zahlungen von 142 Millionen Dollar an US-amerikanischen Klägerinnen galten ihm als Schuld-Eingeständnis. Und einen Imperativ, ähnlich mit bundesdeutschen Geschädigten umzugehen, wollte er daraus schon einmal gar nicht ableiten. Die Zahlungen seien der Besonderheit des Rechtssystems in den USA geschuldet, erklärte Dekkers.

Diese Besonderheit lenkte sogar die Aufmerksamkeit der sonst nur auf ihre Dividende fixierten AktionärInnen-Vertreter einmal auf die Nebenwirkungen der Konzern-Präparate. „Das ist kein Gerinnsel, das ist ein Risiko“, konstatierte Hans-Martin Buhlmann von der „Vereinigung institutioneller Privatanleger“. Und sein Kollege Marc Tüngler von der „Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz“ fragte in Anspielung auf den unseligen BAYER-Cholesterinsenker, der das Leben von mehr als hundert Menschen gekostet hatte und den Konzern zu Schadensersatz-Zahlungen in Höhe von über einer Milliarde Dollar zwang: „Ist das LIPOBAY II?“

Das Geschäft mit den Pillen rief jedoch noch mehr GegenrednerInnen auf den Plan. Philipp Frisch von ÄRZTE OHNE GRENZEN befasste sich mit BAYERs Pharma-Patenten, die dem Konzern Monopol-Einnahmen sichern und Menschen in den ärmeren Ländern den Zugang zu einer erschwinglichen Versorgung mit Pharmazeutika versperren. So kostet das Krebspräparat NEXAVAR in Indien 5.500 Dollar pro Monat, weshalb Frisch die Entscheidung der indischen Regierung begrüßte, den Schutz des geistigen Eigentums für das Mittel unter Berufung auf den Ausnahme-Paragraphen im TRIPS-Handelsabkommen aufzuheben und eine Zwangslizenz zu erteilen. Der Verfasser dieser Zeilen wandte sich ebenfalls dem südasiatischen Land zu und machte auf den Skandal aufmerksam, dass dort von 2007 bis 2010 138 Menschen während der Klinischen Tests von Medikamenten des Global Players starben. Die Tierärztin Dr. Christine Esch von PETA DEUTSCHLAND schließlich widmete sich dem Leid der Tiere, die in den Arznei-Laboren des Unternehmens oder seiner Vertragspartner ihr Leben lassen, noch dazu, ohne valide Erkenntnisse zu produzieren, wie die vielen unerwünschten Pillen-Folgen zeigen.

Aber nicht nur der Pharmazeutika-Entwickung fallen Kreaturen zum Opfer, auch die Agrochemikalien des Leverkusener Multis fordern ihren Tribut. Sie sorgten in den vergangenen Jahren für das Verenden von Millionen Bienenvölkern. Deshalb sind ImkerInnen bereits seit langem Stammgäste auf der Hauptversammlung. „Der Mais kommt, die Bienen gehen“, so beschrieb Christoph Koch vom DEUTSCHEN BERUFS- UND ERWERBSIMKERBUNDES die fatale Wirkung der auf den Feldern nicht nur dieser Ackerfrüchte eingesetzten BAYER-Produkte. Sein Kollege Holger Nettler bezeichnete das Mantra des Konzerns, bei sachgemäßer Anwendung seiner Pestizide und Saatgut-Beizen träten keine Beeinträchtigungen der Bienen auf, als „Augenwischerei“. Dem schloss sich Roland Netter an, sich dabei auf eigene Erfahrungen berufend. Er nahm nämlich an dem Projekt „Melissa“ teil, das die Effekte der Pestizide auf Bienen unter Berücksichtigung aller Schutzmaßnahmen untersuchte. Ergebnis: Die gemessenen Ackergift-Werte lagen sogar noch über denen des fatalen, von BAYER als „Unfall“ bezeichneten Bienensterbens in Baden-Württemberg 2008. Darum schloss sich Roland Netter dem Vorstoß der CBG an, Vorstand und Aufsichtsrat auch wegen des Bienensterbens nicht zu entlasten: „Wir Imker aus Österreich unterstützen den Gegenantrag der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN.“ Der BAYER-Chef ließ sich jedoch von alldem nicht beeindrucken und sprach GAUCHO & Co. von jedem Verdacht frei. „Die Gründe für den in einigen Ländern beobachteten Rückgang der Bienenvölker sind vielschichtig. Die Hypothese, dass Saatgut-Beizungen dazu gehören, wird durch eine Reihe von wissenschaftlichen Untersuchungen widerlegt“, antwortete er den Imkern.

Ähnlich ignorant zeigte sich Marijn Dekkers den Konzern-KritikerInnen gegenüber, die weitere Risiken und Nebenwirkungen der Profit-Jagd auf die Tagesordnung setzten. Dieter Donner von STOPP-BAYER-CO-PIPELINE und Dr. Gottfried Arnold von ÄRZTE GEGEN DIE CO-PIPELINE warnten einmal mehr vor der Inbetriebnahme der Kohlenmonoxid-Leitung von Dormagen nach Krefeld, Friedhelm Meyer von SOLIDARISCHE KIRCHE zeigte die Problematik der in vielen Alltagsgegenständen auftauchenden Industrie-Chemikalie Bisphenol A auf und Claudia Baitinger vom BUND beschäftigte sich mit der neuesten Gefahren-Quelle aus dem Hause BAYER, der Nano-Technik. CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes schließlich vervollständigte die Liste, indem er das Gefährdungspotenzial von Tier-Antibiotika, des Gerinnungshemmers XARELTO und des LIBERTYLINK-Genreises darstellte. Zudem verlangte er abermals Auskunft über die Marketing-Ausgaben und den vom Unternehmen mit der Universität Köln geschlossenen Kooperationsvertrag.

Der CBGler Axel Köhler-Schnura schließlich ergänzte dieses neue „Schwarzbuch BAYER“ aus gegebenem Anlass um die historische Dimension. Er beging im Kölner Messe-Saal nämlich nicht nur das 30-jährige Betriebsjubiläum der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auf den Hauptversammlungen des Konzerns, sondern verabschiedete auch den Aufsichtsrats- und ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Manfred Schneider. Während jedoch dessen Aufsichtsratskollege Paul Achleitner Schneider als „BAYER-Urgestein“ titulierte, das immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort und ein „höchst aktiver Lotse für das Unternehmen“ gewesen sei, sah der Rückblick Köhler-Schnuras etwas anders aus. „Herr Schneider und ich, wir stehen auf verschiedenen Seiten, wir spielen in verschiedenen Mannschaften. Sie, Herr Schneider, sagen: ‚Wir sind auf Profit aus. Das ist unser Job.’ Ich sage, um in Ihrer Wortwahl zu bleiben: ‚Ich bin auf demokratische Konzern-Kontrolle aus. Das ist mein Job.’ Und dann stellte er die Negativ-Bilanz von dessen Amtszeit vor. Der Aktivist erinnerte noch einmal an den LIPOBAY-Skandal, die Farce um die Entschädigungen der ZwangsarbeiterInnen der von BAYER mitgegründeten IG FARBEN, das gebrochene Versprechen, bis zum Jahr 2000 sämtliche hochgefährlichen Pestizide der Klasse I vom Markt zu nehmen und den Coup, mit Heribert Zitzelsberger den Steuer-Chef des Konzerns ins Finanzministerium einzuschleusen. Das alles kam dann in dem „Geschenk“ zum Ausdruck, das der Diplom-Kaufmann dem Manager abschließend darbot: ein schwarzes Holzkreuz. „Es ist eines der Kreuze, das wir in den letzten 35 Jahren bei vielen unserer Protest-Aktionen zum Gedenken an die vielen Opfer der BAYER-Produkte und der Vernichtung der tausenden von Arbeitsplätzen bei BAYER eingesetzt haben“, erläuterte Axel Köhler-Schnura, „Möge es Ihnen Erinnerung und Mahnung zugleich sein.“ Doch der Konzern verweigerte die Annahme. Er sah darin einen Missbrauch christlicher Symbole. Auch mit dem Redebeitrag des CBG-Vorstandsmitglieds mochte das Unternehmen sich nicht so recht anfreunden. „Wir spielen nicht nur in unterschiedlichen Mannschaften, wir sind auch in unterschiedlichen Ligen. Wir stehen unverbrüchlich zur parlamentarischen Demokratie und zur sozialen Marktwirtschaft. Wir wissen, dass Sie da ganz andere Ansichten haben“, beschied ihm Dekkers.

Wie unverbrüchlich der Multi zu demokratischen Werten steht, das hatte am Morgen die Einrichtung der Bannmeile gezeigt und im Laufe des Tages die Ignoranz, die er den – die überwältigende Mehrheit der RednerInnen stellenden – KritikerInnen entgegenbrachte. Entsprechend schlecht für den Chemie-Riesen fiel deshalb das Urteil der Presse aus. „Zwischen Jubel und Tribunal“ überschrieb etwa die Westdeutsche Zeitung ihren Bericht, „Noch mehr Ärger mit der Pille“ titelte der Tagesspiegel, „Kleinkrieg mit den Kritikern“ der Kölner Stadtanzeiger und „Die Störenfriede“ die Frankfurter Rundschau. Von Jan Pehrke

[BAYER HV 2012] Hauptversammlung 2012

CBG Redaktion

20 Betroffene und Initiativen haben in der BAYER-Hauptversammlung am 27. April zu den Kehrseiten der BAYER-Geschäftspolitik gesprochen (Fotos und ein Film-Clip)

Medienecho
=> Frankfurter Rundschau: 30 Jahre Kritische BAYER-Aktionäre
=> Tagesspiegel: Duogynon - Wahrheit verjährt nicht
=> ND: Bienentod und Pillenklage
=> RP: Tote durch Bayer-Tests
=> Tagesspiegel: Kritik an Antibaby-Pillen von BAYER
=> Süddeutsche: Nina Hagen unterstützt Aktionen zur BAYER HV
=> Kritische Redebeiträge (Zusammenfassung und ein Aktionsbericht
=> weiterer Bericht von der BAYER Hauptversammlung

Presse Informationen
=> 30 Jahre Kritische Aktionäre / Glückwunsch von Nina Hagen
=> BAYER: Tödliche Pharma-Studien in Indien
=> BUND kritisiert Risiken von Nanotubes
=> Statement von Ärzte ohne Grenzen zu Patentstreit in Indien
=> noch Mitstreiter gesucht!
=> Xarelto: unklares Risiko-Profil
=> „Werbe-Ausgaben von BAYER werden verschleiert“
=> Protest gegen CO-Pipeline auf Aktionärsversammlung

Gegenanträge
=> GenReis, Tier-Antibiotika, gefährliche Antibaby-Pillen: CBG reicht Gegenanträge ein
=> Gegenantrag zu verschleierten Marketing-Ausgaben sowie zu Risiken von Xarelto
=> Gegenantrag zu tödlichen Medikamenten-Studien in Indien
=> Gegenantrag Bienensterben durch Pestizide
=> Tierschutz-Organisation PETA reicht Gegenantrag ein

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[HV Artikel] STICHWORT BAYER 03/2011

CBG Redaktion

Turbulente BAYER-Hauptversammlung

Massenauflauf der Einzelfälle

Die BAYER-Hauptversammlung entwickelt sich mehr und mehr zu einem Hort von Konzern-KritikerInnen. Rund 150 Menschen kamen am 29. April 2011 nach Köln, um den AktionärInnen zu demonstrieren, mit welch desaströsen Folgen das erkauft ist, was Konzern-Chef Marijn Dekkers in seiner Eröffnungsrede als „höchsten Umsatz der BAYER-Geschichte“ pries.

Von Jan Pehrke

ImkerInnen in Berufskleidung mit Rauchgeräten, eine Person in einem Käfig, Menschen mit Schildern wie „Warum wurden wir als Versuchskaninchen missbraucht?“ und junge Frauen in roten T-Shirts nahmen die BesucherInnen der Hauptversammlung am Eingang der Kölner Messehalle 7 in Empfang. „Was hat das alles mit BAYER zu tun?“, mochten sich die AktionärInnen gefragt haben, als sie sich einen Weg durch den Pulk bahnten. Aber längst nicht alle wollten das wirklich wissen. Viele würdigten die Konzern-KritikerInnen keines Blickes, und manche beschimpften sie sogar: „Ihr solltet euch schämen!“.
Wer jedoch aufgeschlossener war, der bekam auf der „Protestmeile“ die Antwort plastisch vor Augen geführt. So hatten die Bienenzüchter reichlich Anschauungsmaterial mit nach Köln gebracht, das die verheerenden Wirkungen der BAYER-Pestizide illustrierte: Auf einem weißen Laken zeigten sie den Aktien-Haltern ihre von den Ackergiften en masse getöteten Bienen. Die Person im Käfig entpuppte sich bei näherer Betrachtung als die Verkörperung eines von Pillen made in Leverkusen malträtierten Versuchskaninchens. Den Frauen in der roten Kluft stand schon auf den Leib geschrieben, was Produkte des Leverkusener Multis ihnen angetan hatten. „Erfolgsbilanz ‚Die Pille‘: Susan, 29 Lungenembolie“ war da etwa zu lesen. Und nicht wenigen der Versammelten schließlich vermochten die Hauptversammlungsgäste sogar gleich die Schädigungen anzusehen, die der Schwangerschaftstest DUOGYNON - bis Mitte der 1970er Jahre vom inzwischen zu BAYER gehörenden SCHERING-Konzern vertrieben - verursacht hat: entstellte Hände, Kleinwüchsigkeit oder lädierte Augen.
Einige suchten dann auch den Kontakt zu den Gehandicapten, die nie eine Entschädigung erhalten haben, und unterstützten ihr Ansinnen, den Pharma-Riesen per Gericht zur Herausgabe von internen Dokumenten über das Präparat zu zwingen. „Ich bin schon der Meinung, dass BAYER Akten-Einsicht gewähren muss“, sagte etwa eine ehemalige Beschäftigte des Konzerns laut Westfälischer Rundschau. Der Uerdinger SPD-Vorsitzende Peter Schröder reagierte weniger verständnisvoll auf die DUOGYNON-AnklägerInnen, die teilweise sogar aus England angereist waren. „Der Wohlstand, den wir haben, der hat auch etwas mit dieser Firma zu tun“, sagte er einer von ihnen aufs Gesicht zu. „Ich habe keinen Wohlstand durch BAYER“, entgegnete ihm die Angesprochene daraufhin erbost, „Ich habe ein behindertes Kind“.
Seinen Wohlstandsspruch hätte Schröder auch den GegnerInnen der Kohlenmonoxid-Pipeline, den AktivistInnen von der ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT oder Mitgliedern der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) an den Kopf werfen können, denn diese komplettierten die Protest-Aktion. Rund 150 Menschen nahmen daran teil, so viel wie noch nie. Das entging auch der Presse nicht. Von BAYER-KritikerInnen, „die gefühlt immer stärker werden“, kündete die Rheinische Post, und als „außerordentlich lebhaft“ beschrieb der Kölner Stadtanzeiger das Treiben vor der Messehalle.

Verlesung der Anklagen
Drinnen im Saal ging es nicht weniger turbulent weiter. Hatten die Konzern-KritikerInnen Vorstand und Aufsichtsrat in früheren Jahren zumeist „nur“ mit ihren Reden traktiert, so setzten sie diesmal zusätzlich auf non-verbale Kommunikation. Die DUOGYNON-Geschädigten traten zu mehreren ans RednerInnen-Pult, stellten sich kurz vor und übergaben dann das Wort an den CBG-Mitstreiter Friedhelm Meyer. Als dieser sich daranmachte, die Übersetzung des Beitrages von Karl Murphy zu verlesen, setzte ein Teil der Gruppe sich in Bewegung, schritt die Gasse zwischen Bühne und Publikum ab und zeigte den ManagerInnen auf dem Podium ihre deformierten Hände. Fast zehn Minuten lang mussten Dekkers & Co. diese stumme Prozession über sich ergehen lassen, während Meyer ihnen darlegte, wie genau die SCHERING-Verantwortlichen damals über die Risiken und Nebenwirkungen des Schwangerschaftstests informiert waren. „Dieses Hormon sollte nicht eingesetzt werden, wenn eine Schwangerschaft besteht und die Verwendung in einer kritischen Phase der Organ-Entwicklung erfolgen könnte“, zitierte der Pfarrer im Ruhestand aus internen Firmen-Dokumenten.
Einen umfassenden Einblick in diese Unterlagen verlangt Andre Sommer. Bisher hat BAYER diesen verweigert, und auch eine Auskunftsklage konnte in der ersten Instanz noch keine „Akten-Einsicht“ erzwingen. „Aus welchem Grund verweigert BAYER-SCHERING die Auskunft über DUOGYNON?“, fragte er deshalb auf der Hauptversammlung. Der Grundschullehrer hat die Website www.duogynonopfer.de initiiert und seither mehr als 3.500 Emails und Briefe von Menschen erhalten, die mit schweren Schädigungen wie offenem Rücken, Wasserköpfen, Harnleiter-Fehlbildungen, Verstümmelungen an den Gliedmaßen oder Nieren-Krankheiten auf die Welt kamen. Eindrucksvoll begründete Sommer, weshalb den Betroffenen eine Einsichtnahme in das Firmen-Material so wichtig ist. „Sie leben tagtäglich mit dem Trauma und denken, wenn nicht täglich, dann immer wieder daran und stellen die Frage nach dem Warum (...) Diese Menschen wollen nun endlich Gewissheit haben, ob DUOGYNON schuld an Missbildungen hatte oder nicht“, führte er aus. Der Engländer John Santiago unterstützte die Forderung Sommers. „Bei dem Gerichtsverfahren in Berlin vor ein paar Monaten hatten Sie Gelegenheit, die Verantwortung zu übernehmen. Stattdessen fanden Ihre clevere Anwälte einen formalen Ausweg: Ansprüche müssen innerhalb von dreißig Jahren angemeldet werden, seien jetzt also verjährt“, hielt er dem Vorstand vor und schloss mit den Worten: „Wachen Sie auf, BAYER. Helfen Sie den Geschädigten!“.
Auch die Geschädigten eines anderen Präparates des Pharmariesen, des Verhütungsmittels YASMIN und seiner Ableger, traten diesmal gemeinsam vor das Mikrofon. So wollten die Frauen von vornherein verhindern, als Einzel-Schicksale bagatellisiert zu werden, was Dekkers-Vorgänger Werner Wenning im letzten Jahr versucht hatte. „Ich bin heute hier nicht allein - ich bin kein anonymer Einzelfall“, stellte Felicitas Rohrer deshalb von Anfang an klar und wies auf die Leidensgenossinnen neben ihr. „Mit mir sind hier: Nana, Lungenembolie mit 30 nach Einnahme der YAZ; Susan, Lungenembolie mit 29 nach Einnahme der YASMINELLE; Britta, beidseitige Lungenembolie mit Rechtsherz-Insuffizienz mit 32 nach Einnahme der YASMINELLE; Antonia, sieben Lungenembolien ab dem Alter von 16 Jahren nach der Einnahme der YASMIN“, zählte die junge Frau auf und vergaß auch diejenigen nicht, die kein Glück im Unglück hatten. „Sind zwölf tote Frauen in Deutschland und rund 200 tote Frauen in den USA wirklich als Einzelfälle zu bewerten?“, fragte sie den Vorstand.
Ein anderer durch Pharmazeutika von BAYER um seine Gesundheit Gebrachter konnte nicht mehr nach Köln reisen: Andreas Bemeleit vom Bluter-Netzwerk ROBIN BLOOD. Nur durch seine Worte war er in der Halle präsent, denen dann auch die Erklärung dafür zu entnehmen war: „Wäre da nicht diese alte Geschichte, dann würde nicht Frau Schneider hier stehen und meine Rede für mich verlesen“. Und diese alte Geschichte, das ist die seiner ab den 1970er Jahren erfolgten Infektion mit Hepatitis C durch verseuchte Blut-Präparate des Global Players. „Wir Bluter hatten darauf vertraut, dass wir mit sicheren Medikamenten versorgt werden. Doch die Konzerne benutzten für die Herstellung der Gerinnungspräparate vor allem preiswertes Blut von Hochrisikogruppen wie Gefängnis-Insassen“, so schilderte Bemeleit seine Krankheitsgeschichte. Eine Einladung zu einem Gespräch, ein Bekenntnis zur Verantwortung oder gar ein Entschädigungsangebot - auf all das wartete der Bluter bisher ebenso vergeblich wie die VorrednerInnen. Trotzdem machte er noch mal einen Vorschlag zur Güte: „Wäre es für die Außenwirkung der BAYER AG nicht von Vorteil, sich als verantwortungsvolles Unternehmen darzustellen, indem sie eine für alle Beteiligten annehmbare Regelung vereinbart?“.
Aber der Konzern blieb hart. Marijn Dekkers stritt ein Fehlverhalten ab und kündigte an, das Unternehmen werde „entschieden gegen die Ansprüche vorgehen“. Auch den DUOGYNON-Geschädigten kam er nicht entgegen. Der BAYER-Chef verwies auf die bereits von seinem Vorgänger bekundete Anteilnahme, um sich dann aber gleich wieder unerbittlich zu zeigen. „Ich kann das nur wiederholen. Wiederholen kann ich allerdings auch, dass sich nichts an den Fakten geändert hat. Sie sprechen eindeutig gegen ihr Anliegen. Es gibt keinen Nachweis für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen DUOGYNON bzw. PRIMODOS und den diskutierten embryonalen Missbildungen“, so der Ober-BAYER. Und selbstverständlich auch keinen zwischen den firmen-eigenen Verhütungsmitteln und Embolien. Auf YASMIN & Co. zurückzugreifen, sei die „sicherste, komfortabelste Methode, eine Schwangerschaft zu verhüten“, behauptete der Vorstandsvorsitzende. Überdies versprach er der auf den Hauptversammlungen stets als BAYER-Claqueurin auftretenden Betriebsrätin Gudrun Kiesler, ihre Anregung aufzugreifen und in Zukunft die vermeintlichen Vorteile der konzern-eigenen Kontrazeptiva stärker herauszustreichen. Die betroffenen Frauen hielt es kaum auf den Sitzen ob einer solchen Ignoranz.

Risikogesellschaft BAYER
Aber lebensgefährlich ist nicht nur die Pharma-Produktion des Global Players. Das Thema „Risiken“ zog sich als Leitmotiv durch fast alle Gegenreden der Konzern-KritikerInnen. Und die Bezugnahme auf Fukushima fehlte auch fast nie. Marijn Dekkers hingegen haben die Ereignisse in Japan nicht zu einem Umdenken bewogen. Hatte er in einem Interview bereits die bundesdeutschen Reaktionen auf die Atom-Katastrophe als überzogen bezeichnet, so legte er in seiner Eröffnungsrede noch einmal nach: „Ich halte es für bedenklich, dass unsere Gesellschaft Risiken am liebsten komplett ausschließen will“.
CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes hielt gerade diese Waghalsigkeit für bedenklich, da sie beim Leverkusener Multi in der Vergangenheit bereits für einige mittlere Katastrophen gesorgt hat. Aus aktuellem Anlass begann sein Überblick über die BAYER-Risikogesellschaft ohne Haftung bei der Atomkraft. Der gelernte Physiker erinnerte daran, dass der Konzern bei der Einführung der Kernkraft in der Bundesrepublik zu den treibenden Kräften gehört hatte und dieser Energieform bis zuletzt - etwa durch die Teilnahme an der Kampagne zur Laufzeit-Verlängerung - in Treue fest verbunden blieb. Und wer solche Gefahren nicht scheut, der nimmt auch gerne die Gefährdungen in Kauf, die von dem als Kunststoff-Zwischenprodukt verwendeten Giftgas Phosgen ausgehen, obwohl die Konkurrenz teilweise bereits Alternativ-Verfahren in Betrieb hat. Aber BAYER zeigt zu einer Umstellung ebenso wenig Bereitschaft wie dazu, zu Gunsten einer unbedenklicheren Vorort-Fertigung des lebensbedrohlichen Kohlenmonoxids (CO) auf eine fast 70 Kilometer lange, Wohngebiete streifende Pipeline zu verzichten, monierte der CBGler. Wohin diese Haltung führen kann, das hatte vor drei Jahren die Explosion in Institute deutlich gemacht, bei der zwei Menschen starben. Was der Gen-Gigant als Risikobereitschaft darstellt, bezeichnete das US-amerikanische „Chemical Safety Board“ in einer Untersuchung des Vorfalls laut Mimkes als mangelnde Anlagen-Sicherheit. „Der Tod der Arbeiter ist umso tragischer, als er hätte vermieden werden können“, zitierte er aus dem Untersuchungsbericht.
Auf das vom CBG-Vorständler nur gestreifte Thema „CO-Leitung“ ging Dieter Donner in voller Breite ein. Und auch ihm kam dabei Fukushima in den Sinn. „Das Gas Kohlenmonoxid, das Sie durch diese Pipeline leiten wollen, ist extrem heimtückisch und im Falle einer Leckage in seiner Wirkung durchaus Auswirkungen eines Atomunglücks vergleichbar“, redete der Aktivist von der STOPP-BAYER-CO-PIPELINE-Initiative dem Vorstand ins Gewissen. Angesichts katastrophaler Katastrophen-Pläne, bestehender Alternativen und einer wegbrechenden Geschäftsgrundlage für die Pipeline - der CO-Überschuss in Dormagen existiert nicht mehr - forderte er Dekkers zu einem Baustopp auf. Dabei konnte Donner sich auch auf eine Entscheidung des Stuttgarter Verwaltungsgerichts berufen, das ein ähnliches Vorhaben zu Fall gebracht hat, weil es wie das BAYER-Projekt den von der „Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung“ vorgegebenen Sicherheitsabstand zur Wohnbebauung nicht einhält.
Philipp Strom von der österreichischen GREENPEACE-Sektion zog derweil Parallelen zwischen der Gentechnik und der Kernkraft. „Die größte Gemeinsamkeit ist wohl, dass beide nicht wirklich kontrollierbar sind und dass - wenn etwas schief geht - die Auswirkungen katastrophal und unumkehrbar sind“, so Strom. Und bei BAYER ist da schon etwas schief gegangen. Der Greenpeaceler erinnerte die AktionärInnen in seiner Rede an BAYERs LL601-Reis, der 2006 plötzlich in allen möglichen Supermarkt-Sorten auftauchte. Axel Köhler-Schnura schließlich nannte in seinem Beitrag noch andere GAU-Kandidaten aus dem BAYER-Angebot: die Nanotechnik und die für das weltweite Bienensterben mitverantwortlichen Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide. „Meine Damen und Herren, auch wenn die Bienen nur kleine Mitbewohner unseres Planeten sind - ohne sie können wir einpacken. Sie sind nämlich maßgeblich verantwortlich für die Bestäubung der Pflanzenwelt und damit für die weltweite Lebensmittel-Produktion. Ohne Bienen keine Lebensmittel - so einfach ist das. Und wenn der kritische Punkt überschritten ist, dann haben wir eine BAYER-verursachte Menschheitskatastrophe!“ mahnte er.
Ein Menetekel für diese Apokalypse stellten 2008 die Ereignisse in der Rheinebene südlich von Karlsruhe dar. „Über 12.500 Bienenvölker sind damals nachweislich durch das BAYER-Saatgut PONCHO bzw. PONCHO PLUS vergiftet worden“, klagte der Imker Christoph Koch an. Der Leverkusener Multi machte jedoch nicht die Produkte an sich, sondern nur eine fehlerhafte Verarbeitung dafür verantwortlich. Obwohl er diese Mängel inzwischen behoben hat, kommt es in Ländern wie Österreich, in denen der Konzern die Mittel nach wie vor verkaufen darf, weiterhin zu Vergiftungen. Dafür hatte Koch sogar Beweismaterial mit nach Köln gebracht. Er zeigte ein großes Foto mit einem Maissaatkorn hoch, dessen Beiz-Hülle aufgeplatzt war und erläuterte: „Dieser Abrieb, dieses Absplittern aber ist der Grund für die immer noch stattfindenden Bienenvergiftungen“. Aufgrund dieser neuen Befunde stellte auch sein Kollege Walter Haefeker, der Präsident des Europäischen Berufsimkerverbandes EPBA, fest: „Eine bienen-ungefährliche Anwendung dieser Produkte ist offensichtlich in der Praxis nicht möglich“. Und dass die BienenzüchterInnen mit dieser Meinung nicht alleine dastehen, demonstrierte an diesem Freitag Stephanie Brancaforte vom Kampagnen-Netzwerk AVAAZ. Sie übergab der Vorstandsriege eine Petition zum Verkaufsstopp von PONCHO & Co., die über 1,2 Millionen Menschen unterzeichnet haben. „Diese gewaltige Anzahl Unterschriften bringt das Ausmaß der öffentlichen Besorgnis - und gewiss auch der Empörung - zum Ausdruck“, erläuterte Brancaforte.
Da brauchte der Imker Bernhard Heuvel gar nicht mehr in eigener Sache zu sprechen, weshalb er die Gelegenheit nutzte, um grundsätzlicher zu werden. „Wie die vielen in den Vorreden vorgestellten Fälle von menschlichem Leid zeigen, scheint hier auch ein allgemeines Problem mit der Risikobewertung vorzuliegen“, konstatierte er. Aus diesem Grund machte der Bienenzüchter dem Agro-Riesen den Vorschlag, nicht erst ein Produkt zu entwickeln und anschließend eine Risiko-Bewertung vorzunehmen, sondern es von Anfang auf mögliche Nebenwirkungen hin zu untersuchen.

Sicher, sicherer, BAYER
Der Leverkusener Multi sah dazu keinerlei Veranlassung. Seine Pestizide hält er bei sachgerechter Anwendung für bienensicher. Gleiches gilt auch für seine Gen-Pflanzen. „Bei der Gentechnik gibt es wissenschaftlichen Studien zufolge keine Risiken“, beschied Dekkers Philipp Strom. In puncto „Phosgen“ kannte der Holländer ebenfalls keine Bedenken. „Ich kann Ihnen versichern, dass der Umgang mit Phosgen sicher ist“, antwortete er dem CBGler Philipp Mimkes. Und bei der geplanten Kohlenmonoxid-Pipeline gewähre der Konzern sogar Sicherheit über das geforderte Maß hinaus. So war Fukushima dann nicht mehr überall bei BAYER, sondern nirgends. Dass Axel Köhler-Schnura BAYER in die Nähe von Atom-Katastrophen rücke, zeige, wie genau er es mit der Realität nehme, hielt der BAYER-Chef dem CBGler deshalb vor.
Wie nicht anders zu erwarten, empfand der Vorstandsvorsitzende auch den übrigen Teil der Rede Köhler-Schnuras als wirklichkeitsfern. Dabei zeigte der Diplom-Kaufmann nicht nur die Ursache für die real existierende Gemeingefährlichkeit vieler Produkte, Produktionen und Projekte des Multis auf - die gnadenlose Profit-Jagd - , er schilderte darüber hinaus die Auswirkungen der Rendite-Vorgaben auf die Belegschaft und konnte dafür sogar mit konkreten Zahlen aufwarten. „4.500 Arbeitsplätze sollen an den alten BAYER-Standorten vernichtet werden“, monierte das CBG-Vorstandsmitglied und prangerte überdies die ständig zunehmende Arbeitsverdichtung und die ständig abnehmenden Steuerzahlungen an. Das alles mochte Dekkers nicht auf sich sitzen lassen. „Sie liegen mit ihrer pauschalen Kritik an unserem Unternehmen total daneben“, teilte er dem Konzern-Kritiker mit und resümierte: „Mir ist bewusst, dass Sie ein völlig anderes Wertesystem haben“.
Das scheint aber mittlerweile auch ein Teil der eigenen Belegschaft zu haben. Zum ersten Mal nach vielen Jahren nutzten Beschäftigte die Hauptversammlung wieder als Forum für Kritik an dem Pharma-Riesen. Eine Lohnabhängige gab ihrer Sorge um den Pharma-Standort Berlin Ausdruck und zog eine bittere Bilanz der 2006 erfolgten SCHERING-Übernahme. Versprach BAYER den SCHERINGlerInnen damals „weitere Vorteile“ aus dem Zusammenschluss, so ist davon heute nichts zu sehen. Arbeitsplatzvernichtung im großen Stil, Reduzierung des dortigen Vorstands, Streichung des Namens „SCHERING“ und Verlegung der Leitung nach Leverkusen - Maßnahmen wie diese „kann man nicht als Erfüllung der Zusage werten“, meinte die Belegschaftsangehörige. Dekkers jedoch ging mit keinem Wort auf die Zukunftsängste der BerlinerInnen ein; für ihn blieb der Erwerb von SCHERING „eine Erfolgsgeschichte“.
Eine solche dokumentiert für den Manager auch der Nachhaltigkeitsbericht des Global Players, obwohl dieser einen erhöhten Kohlendioxid-Ausstoß, Schadstoff-Emissionen en masse und Störfälle dokumentiert, wie der Autor dieses Artikels darlegte. „Zur Kritik besteht kein Anlass“, entgegnete Dekkers ihm.
In den angesprochenen Nachhaltigkeitsberichten finden sich ebenfalls regelmäßig Bekenntnisse zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Tierversuchen. „Die Prinzipien gelten auch für externe Studien und werden von unserem Tierschutz-Beauftragten kontrolliert“, heißt es da etwa. Wie wenig das der Realität entspricht, schilderte die Tierärztin Christine Esch von der Tierrechtsorganisation PETA. Sie berichtete von unhaltbaren Zuständen bei einem Unternehmen, das für BAYER das Flohmittel ADVANTAGE testen ließ. Die Beschäftigten schleuderten die Tiere in ihre Käfige, spritzten sie mit Hochdruck-Reinigern ab und rissen ihnen die Krallen heraus. Und natürlich kein BAYER-Tierschutzbeauftragter weit und breit.
Warum der Multi nicht dafür gesorgt habe, den Kreaturen dieses Leid zu ersparen, wollte Esch wissen. Der BAYER-Chef bekundete, sofort nach Veröffentlichung des PETA-Recherchematerials die Geschäftsbeziehungen zu dem Kooperationspartner abgebrochen zu haben - eine dreiste Lüge, denn zu dem Zeitpunkt waren die ADVANTAGE-Versuche schon längst beendet. Die anderen Fragen von Christine Esch beantwortete er dann - wenn überhaupt - ähnlich inadäquat, wie diejenigen der anderen RednerInnen. Philipp Mimkes, dem der Versammlungsleiter Manfred Schneider überdies noch das Wort entzog, veranlasste das, Widerspruch zu Protokoll zu geben.
BeobachterInnen, die BAYERs Antwort-Praxis aus den früheren Jahren noch nicht kannten, hat dieses Verhalten, besonders den Medikamenten-Geschädigten gegenüber, tief verstört. „Wenn Menschen von Angesicht zu Angesicht von ihrem Leiden erzählen und das einfach weggewischt wird - ich habe das als unmenschlich empfunden. Ich konnte es menschlich nicht nachvollziehen, und das schockt mich“, hielt der Imker Bernhard Heuvel in seiner Nachbetrachtung fest. Einer Aktionärin erging es genauso. „Ich bin eigentlich kein sonderlich emotionaler Mensch, aber die Rede zum Thema „Schädigungen durch die Antibabypille“ hat mich trotzdem sehr berührt. Umso unverständlicher fand ich dann die Reaktion darauf, und es hat mir für die Betroffenen sehr leid getan, so abgekanzelt worden zu sein“, schrieb sie der Coordination nach der Hauptversammlung. Die Frau hatte daraus die Konsequenz gezogen, zum ersten Mal in ihrem Leben gegen die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat zu stimmen. Und genau wegen solcher Reaktionen lohnt der ganze Einsatz, der besonders den Pharma-Geschädigten viel Stärke und Mut abverlangt.

Proteste in der Bayer HV am 29. April: Videos, Reden, Fotos und Medienberichte

[Editorial] STICHWORT BAYER 02/2011

CBG Redaktion

Liebe Leserinnen und Leser,

zum ersten Mal muss die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) an dieser Stelle in eigener Sache sprechen. Die Umstände verlangen es, denn die Lage ist ernst: Die Existenz der Coordination steht auf dem Spiel. Sozialabbau und Wirtschaftskrise haben die Spenden-Einnahmen stark sinken lassen. Da die CBG keine Gelder aus staatlichen oder kirchlichen Quellen erhält - das ist der Preis für ihre konsequent konzern-kritische Ausrichtung - schrumpfte der Etat deshalb auf die Höhe der Budgets von Mitte der 1990er Jahre. Wegen des allgemeinen Kostenanstiegs bedeutet das einen starken Einschnitt. Darum waren wir bereits gezwungen, schmerzliche Maßnahmen einzuleiten. So haben wir beschlossen, das Büro aufzulösen und das Archiv zu schließen, das gerade auch für die journalistische Arbeit von Stichwort BAYER immer einen unermesslichen Schatz darstellte.

Aber das reicht nicht, um den Fortbestand unseres Netzwerkes dauerhaft zu sichern. Zur Weiterführung unserer Arbeit sind wir in den kommenden Monaten auf massive Unterstützung angewiesen. Darum möchte ich an Sie appellieren, der CBG zu helfen. Dafür gibt es viele Wege. Sie können uns einmalig einen Betrag spenden oder uns kontinuierlich fördern, indem Sie GarantIn werden. Auch eine CBG-Mitgliedschaft oder ein Stichwort-BAYER-Abonnement stärkt uns den Rücken.

Eine bekannte Künstlerin hat unsere Signale schon erhört: Nina Hagen. Die Sängerin wurde durch eine Kampagne, mit der wir Geschädigten des Schwangerschaftstests DUOGYNON zu ihrem Recht verhelfen wollen, auf die CBG aufmerksam. Als sie von unseren Schwierigkeiten erfuhr, erklärte sie sich spontan bereit, eine GarantInnenschaft zu übernehmen. „Es ist mir ein Herzensanliegen, die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN zu unterstützen“, verkündete sie und stellte sich sogar als CBG-Werbeikone zur Verfügung (siehe Seite 36).

Auch andere Reaktionen ermutigen uns. „Ihr macht eine solch immens wichtige, gute und mutige Arbeit!! Das darf nicht an Geldmangel scheitern“, meinte eine Anhängerin und überwies eine Spende. Andere erhöhen freiwillig ihren Mitgliedsbeitrag. Das gibt uns Hoffnung, die Situation zu meistern. In der 33-jährigen Geschichte der Coordination traten immer wieder finanzielle Probleme auf, und bisher gelang es uns immer, sie zu bewältigen. Diesmal aber steht es besonders schlimm. Darum möchte ich Sie eindringlich bitten, uns Beistand zu leisten, denn eine Initiative mit solch einer Erfahrung, Verbindungen weit über Europa hinaus und so vielen Erfolgen darf nicht einfach sterben.

Jan Pehrke ist Redakteur von Stichwort BAYER

[Duogynon] STICHWORT BAYER 02/2011

CBG Redaktion

DUOGYNON-Prozess

„Die Menschenwürde verjährt nicht!“

Tausende Kinder erlitten in den 1960er und 70er Jahren schwere Fehlbildungen durch hormonelle Schwangerschaftstests. Die von der seit 2006 zu BAYER gehörenden Firma SCHERING vertriebenen Präparate führten zu Totgeburten, Herzkrankheiten, fehlenden Gliedmaßen, Gaumenspalten und Nierenschäden. Die Betroffenen forderten vor Gericht Akteneinsicht. An der Verhandlung Mitte Januar 2011 in Berlin nahmen zahlreiche Geschädigte teil. Aber der Richter kannte kein Erbarmen und wies die Klage ab. Die Opfer gehen nun in Berufung.

Von Philipp Mimkes

„Wissen Sie, die Menschenwürde verjährt aber nicht!“, ruft die Sängerin Nina Hagen nach der Urteilsverkündung am Berliner Landgericht. Richter Udo Spuhl hatte soeben die Klage mehrerer DUOGYNON-Opfer auf Akteneinsicht wegen angeblicher Verjährung abgewiesen.
Zahlreiche Geschädigte, die zum Teil aus dem Ausland angereist waren, trugen während der Verhandlung T-Shirts mit der Aufschrift: „Wir sind nicht verjährt“. Die Betroffenen, die unter schweren Geburtsfehlern leiden, fordern von BAYER die Herausgabe aller firmeninternen Unterlagen zu dem hormonellen Schwangerschafts-Test DUOGYNON. In einem zweiten Schritt soll eine Schadenersatzklage geführt werden.
Eingereicht hat die Klage der 34-jährige Grundschullehrer Andre Sommer aus dem Allgäu. „Es kann nicht sein, dass uns der BAYER-Konzern die Wahrheit vorenthält und keine Antwort darauf gibt, ob DUOGYNON an den schrecklichen Missbildungen, an Fehlgeburten und dem Tod von Kindern Schuld hatte. Die Auswirkungen auf die Familien waren unbeschreiblich, die Menschen leiden noch heute“, sagt er zur Begründung des Schrittes. Sommer, bei dem sich inzwischen rund 300 Geschädigte gemeldet haben, fordert BAYER auf, endlich die Archive zu öffnen und die Opfer zu entschädigen: „Ab wann wusste SCHERING von den fruchtschädigenden Wirkungen von DUOGYNON? Und warum ließ SCHERING das Medikament trotzdem bis 1980 auf dem Markt?“.
Auch Anwalt Jörg Heynemann ist empört: „BAYER SCHERING arbeitet nachweisbar mit Lügen und Halbwahrheiten. Der Konzern geht auf Tauchstation und versucht die Angelegenheit auszusitzen. Dies darf nicht gelingen!“. Heynemann kündigte nach der Urteilsverkündung an, dass die Betroffenen in Berufung gehen. Man werde das Berliner Kammergericht anrufen und zur Not den Bundesgerichtshof einschalten. „BAYER SCHERING kann bis heute nicht erklären, aus welchem Grund derselbe Konzern in England auf den Packungsbeilagen im Jahr 1970 einen deutlichen Warnhinweis anbrachte und in Deutschland die Indikation erst Jahre später änderte“, so Heynemann weiter. Das Unternehmen habe daher treuwidrig gehandelt. Angesichts zahlreicher Todesopfer könne man sogar von versuchtem Totschlag sprechen - wofür es keine Verjährung gibt. Der Anwalt hatte BAYER einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, wonach der Kläger auf Schadensersatzansprüche verzichte, falls BAYER alle gewünschten Auskünfte erteile. BAYER hatte hierauf nicht reagiert.

Gefahr intern bekannt
In den 1960er und 70er Jahren hatten viele Mütter, deren Kinder mit schweren Fehlbildungen wie Wasserkopf, offenem Bauch, offenem Rücken oder Missbildungen der inneren Organe und Extremitäten geboren wurden, von ihren FrauenärztInnen in der Frühschwangerschaft DUOGYNON verordnet bekommen (Stichwort BAYER berichtete). Es dauerte aber bis zum Jahr 1980, bis SCHERING das Hormonpräparat, das auch bei Menstruationsbeschwerden Anwendung fand, vom Markt nahm.
Eltern, die gesundheitliche Schäden bei ihren neugeborenen Kindern auf die Einnahme von DUOGYNON zurückführten, hatten sich bereits 1978 zusammengeschlossen und Strafanzeige gestellt. Das Verfahren wurde allerdings 1981 eingestellt - mit der Begründung, dass es für Föten keinen Lebensschutz gebe. Die Eltern gaben danach ihren Kampf auf. Detaillierte Statistiken über die verheerenden Folgen des Präparates existieren nicht. Auch deshalb klagen die Betroffenen nun auf Einsicht in die Akten des BAYER-Konzerns, der SCHERING im Jahr 2006 übernommen hat. Wie aufschlussreich das sein kann, demonstrierte jüngst der Spiegel. Das Nachrichtenmagazin veröffentlichte einen Briefwechsel von SCHERING-WissenschaftlerInnen aus den Jahren 1967 bis 1969, in denen sich die britischen und deutsche ForscherInnen über schwere Missbildungen bei Neugeborenen und möglichen Risiken von DUOGYNON austauschten. Während das Medikament daraufhin in Großbritannien nicht mehr als Schwangerschaftstest zum Einsatz kam, blieb in Deutschland alles beim Alten.

Spenden für Prozess
Als Konsequenz aus dem Fall fordert die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) gesetzliche Regelungen, die eine Verjährung bei dauerhaften Schädigungen durch Medikamente generell ausschließen.
Die CBG hatte die DUOGYNON-Kampagne vor zwei Jahren ins Rollen gebracht, unter anderem durch die Einladung von zwei Geschädigten zur BAYER-Hauptversammlung. Zuvor war es um das Präparat fast 30 Jahre lang still: Nachdem die Ansprüche gerichtlich abgewiesen worden waren – ebenfalls in Berlin – fehlte den betroffenen Eltern die Kraft, weiter zu kämpfen. Eine Generation später fordern die Geschädigten nun selbst Aufklärung.
Um ihr Anliegen zu unterstützen, informierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN die Öffentlichkeit, was zu zahlreichen Reportagen führte: Spiegel, stern, Süddeutsche Zeitung, heute journal, Tagesthemen und viele andere Medien berichteten. Auch übernahm die CBG einen Teil der Anwaltskosten. Andre Sommer bedankt sich für die Solidarität: „Die Coordination hat uns DUOGYNON-Opfer von Anfang an maßgeblich unterstützt. Bitte helfen Sie mit einer Spende an das Netzwerk, damit diese wertvolle Arbeit fortgeführt werden kann!“.
Unterstützung erhalten die Geschädigten auch von Nina Hagen: Im Gespräch mit Stichwort BAYER kritisiert die Sängerin: „Ich bin entsetzt über die Ignoranz und Dreistigkeit der verantwortlichen Konzerne gegenüber den leidgeprüften DUOGYNON-Opfern und ihren Eltern! Ich hoffe sehr, dass die deutsche Gerichtsbarkeit letztlich gerecht urteilen wird und dass die Opfer endlich eine Entschuldigung und gerechte Entschädigung bekommen!“. Hagen kündigte an, auch an künftigen Prozessen teilzunehmen.

Das TV-Magazin Klartext führte zum DUOGYNON-Prozess ein Interview mit einem BAYER-Sprecher, der alles andere als Klartext sprach. SWB dokumentiert.

Oliver Renner, BAYER SCHERING PHARMA: „Für die Akteneinsichtnahme hat der Gesetzgeber ja ein Verfahren vorgesehen und genau daran halten wir uns selbstverständlich“.
Klartext: „Das ist Ihr juristischer Anspruch zu sagen: ‚Das ist verjährt, deswegen machen wir es nicht‘. Aber man kann doch auch sagen, dass es so eine Art moralischen Anspruch gibt“.
Renner: „Der Gesetzgeber - wie gesagt - hat das geregelt und genau an dieses Verfahren halten wir uns und wir warten jetzt auf die Entscheidung des Richters“.
Klartext: „Leisten Sie damit nicht auch noch Verschwörungstheorien Vorschub, wenn Sie sagen: ‚Nö, ist verjährt‘ und sich so sehr auf den juristischen Anspruch versteifen?“
Renner: „Der Gesetzgeber, wie gesagt, hat diesen Rechtsweg vorgegeben, an den halten wir uns und wir warten auf die Entscheidung des Richters“.
Klartext: „Also, gibt es da keinen Spielraum eventuell schon allein aus Imagegründen zu sagen: ‚Ok, guckt in die Akten rein, da ist nichts dran‘“.
Renner: „Der Gesetzgeber hat dieses Verfahren vorgesehen, an das wir uns selbstverständlich halten, und der Richter wird das entscheiden und wir warten auf seine Entscheidung“.

[Ticker] STICHWORT BAYER 02/2011 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Kritik an Nano-Grenzwerten
Nano-Partikel, wie sie bei der Produktion von BAYERs Nanotubes anfallen, können über die Atemwege in den menschlichen Organismus gelangen und dort einen ähnlichen Schaden anrichten wie früher Asbest-Fasern. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und der BUND haben deshalb den beim Konzern geltenden Grenzwert von 0,05 mg pro Kubikmeter Raumluft als zu hoch kritisiert. Dabei erfuhren die Verbände Unterstützung vom renommierten Arbeitsmediziner Prof. Dr. Rainer Frentzel-Beyme. „Der von der Firma BAYER empfohlene Grenzwert ist angesichts des Fehlens epidemiologischer Daten als völlig willkürlich anzusehen. Die vom NRW-Umweltministerium vorgelegte Empfehlung ist daher als realitätsfern und industriefreundlich abzulehnen“, erklärte Frentzel-Beyme.

Windeler will andere Arznei-Studien
Der neue Leiter des „Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen“ (IQWIG), Jürgen Windeler, hat sich gegen die gängige Methode, bei Arznei-Tests die neuen Mittel mit Placebos zu vergleichen, gewandt. Nach Ansicht Windelers müssten sich die Innovationen von BAYER & Co. vielmehr der Konkurrenz der bisher etablierten Pillen stellen. „Wenn es Standard-Methoden gibt, ist es sinnvoll, ein neues Verfahren gegen die Standard-Methode zu untersuchen, sich für den Zusatznutzen zu interessieren. Da tun sich natürlich Anbieter schwer, wenn es bei diesen Standard-Therapien um unmittelbare Konkurrenz-Produkte einer anderen Firma geht“, sagte er dem Deutschen Ärzteblatt. Von den unlängst eingeführten Nutzenbewertungen für Medikamente verlangte er, wirklich belastbare Fakten über die Verbesserung der Lebensqualität und das Sinken der Sterblichkeitsrate zu liefern, statt den Wirksamkeitsnachweis einfach nur über Laborwerte zu führen. Auch die bei BAYER sehr beliebten Anwendungsuntersuchungen dürften nicht in die Beurteilung einfließen. Diese Beobachtungsstudien, bei denen die Pharma-Multis ÄrztInnen Geld für das Ausfüllen eines kleinen Fragebogens bezahlen, das in Wirklichkeit als Prämie für Neuverordnungen des Medikaments dient, hält Windeler für reine Werbeveranstaltungen. „Anwendungsbeobachtungen sind Marketing und für die Nutzenbewertung nicht brauchbar“, so der IQWIG-Chef.

BUKO kritisiert BAYER-Werbung
Der Pharma-Brief Spezial „Schöne neue Pharmawelt“ der BUKO PHARMA-KAMPAGNE widmet sich den kruden Marketing-Methoden der Pillen-Multis und kritisiert in diesem Zusammenhang auch BAYERs Testosteronpillen-Reklame. Die Website www.testosteron.de wirbt dem BUKO zufolge bei Männern ab 40 für Hormon-Präparate als Allheilmittel gegen nachlassende Libido, Müdigkeit und Unkonzentriertheit, obwohl die Wirksamkeit nicht belegt und die Langzeitrisiken nicht systematisch erforscht sind. Die Seite www.get-back-on-track.com betreibt der Leverkusener Multi dagegen nicht mehr. Ob das an der Kritik der Zeitschrift Gute Pillen - schlechte Pillen lag oder am Einschreiten der Aufsichtsbehörden, vermochten die Pharma-KritikerInnen nicht zu sagen, nur dass der Konzern unter der Adresse www.devultaenlajugada.com (Zurück ins Spiel) Lateinamerikanern in den besten Jahren immer noch mit ähnlichen Methoden einzureden versucht, an Testosteron-Mangel zu leiden. Wie unverantwortlich ein solches Vorgehen ist, zeigte sich vor kurzem in den USA. Dort mussten WissenschaftlerInnen eine Testosteron-Studie abbrechen, weil Probanden Herz/Kreislauf-Probleme bekommen hatten und eine Testperson sogar an einem Herzinfarkt gestorben war (SWB 1/11).

Verlängerte Werkbank Bitterfeld
Der Leverkusener Multi hält seine Bitterfelder, Jenaer und Weimarer Werke für einen Teil der blühenden Pharma-Landschaft in den neuen Bundesländern. Für Karl-Heinz Paqué, Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Magdeburg, stellt die Niederlassung aber nur eine verlängerte Werkbank BAYERs dar, von der keine Innovationskraft ausgeht. „Natürlich sind viele Industrie-Ansiedlungen zunächst einmal nicht mehr als moderne Produktionsstätten für Standardisiertes. Der BAYER-Konzern lässt im Osten ASPIRIN herstellen. An neuen Pharma-Produkten geforscht wird aber in Leverkusen“, mit diesen Worten kritisierte der Forscher die nicht nur vom Pharma-Riesen praktizierte ost-westliche Arbeitsteilung.

Tierversuch statt Tiermodell
Eine Leserbrief-Schreiberin kritisierte den verharmlosenden Ausdruck „Tiermodell“, mit dem der Leverkusener Multi Tierversuche umschreibt. „Die weitaus unpassendere Wortwahl liegt in dem Begriff ‚Tiermodelle‘, der in der Aussage des Pharma-Konzerns BAYER zitiert wird - BAYER vermeidet es eindeutig, die Forschungen als das zu bezeichnen, was sie sind, nämlich Tierversuche“, heißt es in der Zuschrift an die Braunschweiger Zeitung.

NABU-Kritik an Bienenmonitoring
Im Jahr 2004 startete ein Projekt zur Untersuchung des Bienensterbens, getragen zur einen Hälfte von BAYER und anderen Pestizid-Herstellern und zur anderen von Bundeswirtschaftsministerium, Bieneninstituten und ImkerInnen-Verbänden. Bei der Zusammensetzung der Beteiligten wenig überraschend, stellte der 2011 erschienene Abschlussbericht des „Deutschen Bienenmonitorings“ die Varroa-Milbe als Hauptursache der Dezimierung der Völker dar und nicht etwa Agrochemikalien. Dazu waren allerdings einige wissenschaftliche Verrenkungen nötig, wie die Umweltinitiativen NABU und BUND kritisieren. „Das gegenwärtig in der Bundesrepublik durchgeführte Bienenmonitoring ist nicht in der Lage, die wahren Ursachen des Bienensterbens aufzudecken. Zu wenige Bienenvölker wurden für die Untersuchungen ausgewählt, die Anwendung von Pestiziden auf den anliegenden Feldern wird erst gar nicht untersucht und die statistischen Methoden sind wissenschaftlich zweifelhaft. Das ist schlechte Wissenschaft“, so NABU-Vizepräsident Christian Unselt.

KAPITAL & ARBEIT

Sparprogramm: neue Details
BAYER hat neue Details der im November 2010 annoncierten Rationalisierungsmaßnahme bekannt gegeben, die 4.500 Beschäftigte ihre Jobs kostet (siehe auch SWB 2/11). Unter den 700 Stellen-Streichungen in der bundesrepublikanischen Pharma-Sparte hat die SCHERING-Belegschaft am meisten zu leiden. Sie muss die Vernichtung von 500 Arbeitsplätzen verkraften. BAYERs US-amerikanische Pillen-Sparte steht ebenfalls vor gravierenden Einschnitten. So stehen bei MEDRAD, der Tochterfirma für Medizinprodukte, 60 bis 70 Jobs zur Disposition. Zudem plant der Multi an der Ostküste ein neues Pharma-Zentrum, was die Existenz der anderen sechs Standorte in der Region bedroht. Der US-Ableger von BAYER CROPSCIENCE entsorgt derweil 300 Arbeitsplätze und schreckt dabei nicht einmal vor Werksschließungen zurück. Unter anderem macht er die Pestizid-Anlage in Woodbine (Georgia) dicht.

CGZP keine Gewerkschaft
Der Leverkusener Multi beschäftigt hunderte von LeiharbeiterInnen. Teilweise arbeiteten diese nach dem von der „Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen“ (CGZP) abgeschlossenen Tarifvertrag zu einem Gotteslohn von 5,20 Euro brutto (SWB 4/08). Der DEUTSCHE GEWERKSCHAFTSBUND hält diese Gewerkschaft mangels Masse organisierter LeiharbeiterInnen allerdings für nicht tariffähig und zog vor Gericht. Anfang Januar 2011 gaben die RichterInnen dem DGB Recht und erkannten der CGZP den Gewerkschaftsstatus ab. Die CGZP-LeiharbeiterInnen bei BAYER haben deshalb ab sofort Anspruch auf Bezahlung nach dem normalen Chemie-Tarif. Die Verleihfirmen müssen derweil Sozialbeiträge nachzahlen, und sollte es einige Unternehmen inzwischen nicht mehr geben, steht der Pharma-Riese als Entleiher in der Pflicht.

Nur noch 904 Lehrlinge
Die Zahl der beim Global Player eine Lehre beginnenden Jugendlichen ist in den letzten 20 Jahren kontinuierlich zurückgegangen. Gab es 1990 in den Werken der BAYER AG noch 1.600 Neue, so reduzierte der Konzern ihre Anzahl bis 2010 auf 930. Zudem sind ein Drittel nur Lehrlinge zweiter Klasse: 152 Personen nehmen an dem Starthilfe-Programm teil, das nur auf eine künftige Lehre vorbereitet, und 156 bildet der Leverkusener Multi über Bedarf und damit ohne Berufsaussichten beim Unternehmen im Rahmen der „Ausbildungsinitiative Rheinland“ aus. Der Pharma-Riese hingegen vermag in den Zahlen keinen Abwärtstrend zu erkennen: „Bei BAYER bleibt die Zahl der Ausbildungsplätze auf einem konstant hohen Niveau“.

Ja zu Beistandskassen-Kürzungen
Die Mitglieder-Versammlung der BAYER-Beistandskasse hat den 2007 irregulär gefassten Kürzungsbeschlüssen (Ticker 2/10) - an der Sitzung hatten nur 26 der 90.000 Versicherten teilgenommen - nachträglich zugestimmt. Der Vorstand darf jetzt ganz legal die Gewinnzuschläge streichen und stattdessen ein Bonus-Sterbegeld ausschütten, was die bisher durchschnittlich ausgezahlte Summe von 6.000 Euro um bis zu 2.000 Euro reduzieren kann. 504 Anwesende akzeptierten die Begründung des Vorstandes, die schwindenden Einnahmen wegen der Überalterung der Mitglieder würden eine andere Lösung nicht zulassen; 57 stimmten gegen den Vorschlag.

Neuer Betriebskindergarten
Nicht nur in Monheim (Ticker 1/10), sondern auch in Leverkusen errichtet der Chemie-Multi eine neue Betreuungseinrichtung für Kinder. Sinn der Übung ist „Mitarbeiter an das Unternehmens zu binden. Und wir wollen bei potenziellen Bewerbern punkten“, wie Personalchef Richard Pott erläutert, der dann auch höchstselbst dem Kindergarten vorstehen wird. Als Betreiber fungiert, wie seit 1999 bei allen BAYER-Kindergärten, das „Deutsche Rote Kreuz“, womit der Konzern sich das Zahlen des Chemie-Tarifs erspart. Trotzdem droht das Haus eine BAYER-Brutstätte zu werden. Im „Haus der kleinen Forscher“ sollen die Kleinen schon einmal fleißig experimentieren, und für die Globalisierung werden sie ebenfalls schon frühzeitig fit gemacht: Zweimal pro Woche bekommen sie Englisch-Unterricht. Das Angebot an Plätzen steigt durch den Bau im Carl-Duisberg-Park kaum, denn gleichzeitig schließen die Horte am Kurtekottenweg und an der Carl-Rumpff-Straße. Zudem fällt damit auch ein Betreuungsangebot für GrundschülerInnen weg.

Keine Jobs für Bachelors
Die Studienreform mit ihren Bachelor- und Master-Abschlüssen geht nicht zuletzt auf Forderungen der Industrie zurück. Mit einer „Bachelor-Welcome-Erklärung“ verpflichteten BAYER und andere Konzerne sich deshalb, auch für die entsprechenden Arbeitsplätze zu sorgen. Nach einer Untersuchung der Universität des Saarlandes haben sie das jedoch nicht getan. Gerade einmal sechs Prozent der Stellenangebote für Bachelors entsprechen den Erwartungen, welche die Firmen geweckt haben. „Der unmittelbare Karrierestart als Bachelor bleibt ebenso ein Traum, wie das Versprechen der Unternehmen unerfüllt bleibt, einen gezielten Direkteinstieg als Willkommensgeschenk für Bachelors anzubieten“, kritisiert Studien-Leiter Christian Scholz.

ERSTE & DRITTE WELT

Indien: 462 Arzneitest-Tote
Die Pharma-Multis verlegen immer mehr Medikamentenversuche in arme Länder. Dort locken ein großes Reservoir an ProbandInnen, unschlagbare Preise, schnelle Verfahren und eine mangelhafte Aufsicht (SWB 2-3/10). Zu einem der beliebtesten Staaten für dieses Geschäft hat sich mittlerweile Indien entwickelt. BAYER lässt dort unter anderem das Multiple-Sklerose-Medikament BETAFERON, die Hautgeschwür-Arznei IMPAVIDO sowie vier Krebs-Präparate großflächig erproben. Wie lebensgefährlich die Arbeit der Versuchskaninchen ist, machen Zahlen des indischen Gesundheitsministeriums deutlich: Allein im ersten Halbjahr 2010 starben 462 Personen bei den Arznei-Tests. Die Regierung, welche die Entwicklung des Landes zu einem Versuchslabor für Big Pharma bislang nach Kräften gefördert hat, kündigte zwar strengere Auflagen an, Gesetzeskraft haben die entsprechenden Regelungen aber bisher nicht erlangt. Die Aufsichtsbehörde DCGI hat jedoch die Modalitäten der Arznei-Erprobungen geändert. So müssen die Unternehmen, welche im Auftrag von BAYER & Co. Pillen testen, für eventuelle Zwischenfälle nun auch selber die Verantwortung übernehmen.

Biopirat BAYER
„Unser Plan: Weltweit als Spezialist für natürliche Inhaltsstoffe aus tropischen Pflanzen zu gelten, die in Arzneien, Kosmetika und Beauty-Produkten Anwendung finden“ - diese Unternehmensphilosophie verkündet die französische BAYER-Tochter SERDEX auf ihrer Homepage (siehe auch SWB 2/11). Um den Plan zu erfüllen, hat die Firma bereits 2.000 Tropen-Pflanzen gesammelt, analysiert und ihrer Substanz-Bibliothek zugeführt. Als „das Resultat vieler Jahre Forschungsarbeit in Ostafrika und besonders Madagaskar“ bezeichnet der Betrieb seine „Ethno-Botanik“-Kollektion stolz. Bei seinen Expeditionen hat SERDEX unter anderem aus dem asiatischen Wassernabel, der Vernonia-Pflanze und chinesischem Ginseng lukrative Vorprodukte gemacht, mit denen sie unter anderem die Kosmetik- und Gesundheitsindustrie beliefert.

POLITIK & EINFLUSS

Lascheres Pestizid-Gesetz?
Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner beabsichtigt, die Zulassungsbedingungen für Pestizide in der Bundesrepublik aufzuweichen. Sie plant in einem Gesetz-Entwurf, Agro-Chemikalien den Zugang zu einem vereinfachten Verfahren zu gewähren, wenn diese in einem anderen EU-Land bereits genehmigt sind. Zudem will die CSU-Politikerin dem Bundesumweltamt das Vetorecht nehmen, von dem die Behörde bislang nicht wenig Gebrauch gemacht hat. Im Jahr 2010 hatte diese bei 32 von 150 Anträgen, die das Aigner-Mininsterium bereits durchgewinkt hatte, massive Einwände geltend gemacht und bestimmte Anwendungen abgelehnt. Florian Schöne vom NATURSCHUTZBUND DEUTSCHLAND kritisiert das Vorhaben deshalb scharf: „Die Gefahr ist, dass in Zukunft das hohe deutsche Verbraucherschutz-Niveau ganz erheblich verwässert wird, indem Altwirkstoffe aus anderen Mitgliedsstaaten, die also in hohem Maße toxisch oder krebserregend oder anderweitig gefährlich sind, plötzlich auch auf dem deutschen Markt zugelassen werden“.

Gegenwind für Remmel
Die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hatte bei ihrem Amtsantritt 2010 unter anderem ein Klimaschutz-Gesetz angekündigt - angesichts eines NRW-Anteiles an den bundesweiten Kohlendioxid-Emissionen von 33 Prozent eine überfällige Maßnahme. Nach einem ersten Entwurf nimmt sich Rot-Grün vor, den CO2-Ausstoß im Land bis 2020 um 25 Prozent und bis 2050 um 80 bis 90 Prozent zu senken. Ein Klimaschutzplan soll regeln, wieviel jede Branche noch emittieren darf und auch als Maßstab für die Bewilligung neuer Anlagen dienen. Sofort nach Bekanntwerden der Pläne brach ein Sturm der Entrüstung los. Der grüne Umweltminister Johannes Remmel wurde als „Klima-Taliban“ tituliert, und BAYER & Co. sahen einmal mehr den Industrie-Standort NRW in Gefahr. Das blieb nicht ohne Wirkung. Die SPD erklärte umgehend, dem Umweltministerium keinen Einfluss auf Genehmigungsverfahren gestatten zu wollen. „Es wird ein abgestimmtes Vorgehen gegen diesen Vorstoß geben“, verlautete aus dem Wirtschaftsministerium.

Wirtschaftsrat gegen Windkraft & Co.
Der Wirtschaftsrat der CDU, bei dem Wolfgang Große Entrup genauso wie bei BAYER für die Umweltpolitik zuständig ist, hat Studien kritisiert, welche die Komplett-Umstellung der bundesdeutschen Stromversorgung auf regenerative Energien bis zum Jahr 2050 für möglich halten. Die damit angeblich verbundenen hohen Kosten seien ein „massiver Wettbewerbsnachteil“ für die Wirtschaft, warnte der Rat und sprach sich einmal mehr für Kohle und Kernkraft als Alternativen aus.

Yzer abgesägt
BAYER & Co. haben ihre Chef-Lobbyistin vor die Tür gesetzt. Die frühere BAYER-Angestellte Cornelia Yzer verlässt den vom Leverkusener Multi mitgegründeten „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller (VFA) zum 1. Juni 2011. Die Pharma-Riesen werfen ihrer Interessensvertreterin vor, ihre Interessen nicht genügend in das „Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittel-Marktes“ (AMNOG) eingebracht zu haben. Ein Einfrieren der Arznei-Preise auf dem Stand von August 2009 bis zum Jahr 2013, eine Erhöhung des Krankenkassen-Rabattes für neue Medikamente von sechs auf 16 Prozent, ein Ende des Preisfindung nach Gutsherren-Art und eine Kosten/Nutzen-Bewertung für Medikamente - das alles hätte nach Ansicht der Unternehmen nicht sein müssen. „Yzer hat einen Fehler nach dem anderen gemacht. Es war unvorstellbar, dass sie das AMNOG überlebt“, zitiert Spiegel Online einen Insider.

EFSA in ILSI-Hand
Von der Unterwanderung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA durch VertreterInnen des „International Life Science Institute“ (ILSI), das unter anderem BAYER, MONSANTO und COCA COLA finanzieren, sickern immer mehr Details durch. Neben der inzwischen zurückgetretenen Verwaltungsratschefin Diána Bánáti standen oder stehen immer noch das Verwaltungsratsmitglied Milan Kovac, Raymon Boobis von der Pestizid-Abteilung, Harry Kuiper von der Gentechnik-Abteilung, Gijs Kleter aus dem Prüfungsausschuss und Laurence Castle aus dem Bisphenol-A-Gremium mit dem ILSI in Verbindung. Und zu allem Übel leisten andere Industrie-Verbände den ILSIlerInnen noch Gesellschaft. So saß auch Susan Barlow vom Europäischen Chemie-Verband CEFIC mit Castle in der Bisphenol-Runde, die verharmlosende Risiko-Analysen veröffentlichte.

Aquino bei BAYER
Im Rahmen seiner Greenwashing-Aktivitäten kooperiert der Leverkusener Multi auch mit der UNEP, dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen. So führt er beispielsweise gemeinsam mit der UNEP Wettbewerbe durch und prämiert Umweltideen. Auf den Philippinen zeichnete der Konzern ein Umweltradio und ein mobiles Puppentheater, das ökologische Themen auf die Bühnenbretter bringt, aus. Und zur Feier des Tages erschien sogar der philippinische Präsident Benigno S. Aquino III.

Svenja Schulze bei BAYER
In ihrer kurzen Amtszeit hat es die nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerin Svenja Schulze schon auf drei Begegnungen mit BAYER-Managern gebracht. Bei der Dortmunder Nano-Konferenz traf sie auf Raul Pires (siehe NANO & CO.). Anfang Oktober 2010 besichtigte die SPD-Politikerin die Bauarbeiten zum Forschungszentrum INVITE, das der Leverkusener Multi mit der Technischen Universität Dortmund und mit freundlicher Unterstützung des Konjunkturpaketes II errichtet. Und im Februar 2011 nahm sie an der feierlichen Inbetriebnahme einer Pilotanlage teil, die ein Kohlendioxid-Recycling im Rahmen der Kunststoff-Fertigung erprobt. Der Pharma-Riese feiert dieses gemeinsam mit RWE und der „Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen“ betriebene Projekt „Dream Production“ als eine Großaktion zur Rettung des Klimas. Allerdings kann die Plaste-Produktion nicht einmal einen Bruchteil der acht Millionen Tonnen CO2 aufnehmen, die der Konzern jährlich ausstößt. Deshalb beurteilt die Fachwelt solche Vorstöße auch skeptisch. „Die stoffliche Nutzung kann keine riesigen Mengen binden, weil wir einfach viel, viel mehr Kohlendioxid freisetzen“, sagt etwa der Chemie-Ingenieur Arno Behr von der „Technischen Universität Dortmund“ (Ticker 1/10).

Löhrmann bei BAYER
Mitte Februar 2011 besuchte die nordrhein-westfälische Schulministerin Sylvia Löhrmann den Leverkusener Multi. Die Grünen-Politikerin wohnte einer Qualifizierungsrunde für die Chemie-Olympiade bei und zeigte sich angetan. „In einer Welt, in der Wissen immer mehr eine zentrale Ressource darstellt, verdienen Leistungen, wie die heute von den Schülerinnen und Schülern gezeigten, ein ganz großes Lob. Ich freue mich sehr darüber, dass die BAYER-Stiftung hier so vorbildlich aktiv ist und die Jugendlichen fördert“, erklärte Löhrmann.

„Unternehmenspreis 2010“ für BAYER
Das Land Nordrhein-Westfalen findet nichts dabei, wenn SchülerInnen Chemie in den Laboren der BAYER AG lernen. Im Gegenteil: 2007 rief es sogar die Aktion „Wir wollen: Wirtschaft für Schule in NRW“ ins Leben. In deren Rahmen verleiht die jeweilige Landesregierung alljährlich einen Unternehmenspreis. 2010 erhielt ihn der Leverkusener Multi für sein „besonders innovatives und überregionales Engagement“. „Der intensive Kontakt zu Unternehmen in der Region“ ist für die grüne Schulministerin Sylvia Löhrmann sogar ein wichtiger Bestandteil der Bildungsgerechtigkeit.

Kein Lobbyregister
Die Initiative LOBBYCONTROL hatte in den Petitionsausschuss des Bundestages den Vorschlag zur Einführung eines LobbyistInnen-Registers eingebracht. Die Gruppe wollte so ein kleine Bresche in den Lobby-Dschungel schlagen. Aber obwohl mehr als 8.700 Menschen die Forderung unterstützen und die EU eine solche Liste bereits eingeführt hat, lehnte die Bundesregierung das Begehr ab. Die EmissärInnen von BAYER & Co. dürfen ihrer Einflussarbeit also weiterhin ganz ungestört nachgehen.

PROPAGANDA & MEDIEN

Kampagne gegen MIC-GegnerInnen
Nach dem Störfall im Werk Institute, bei dem im August 2008 zwei Beschäftigte starben, hatte BAYER die PR-Firma ANN GREEN COMMUNICATIONS mit dem medialen Krisen-Management beauftragt. Ein Teil der Strategie des Unternehmens bestand dann darin, langjährige KritikerInnen der Produktion von Methylisocyanat (MIC) wie die Bürgerinitiative PEOPLE CONCERNED ABOUT MIC oder den Journalisten Ken Ward von der Lokalzeitung The Charleston Gazette zu diskreditieren. „Wir sollten versuchen, die PEOPLE CONCERNED ABOUT MIC zu marginalisieren und als irrelevant erscheinen zu lassen. Dies sollte gerade in der aktuell schwierigen ökonomischen Situation möglich sein, in der Arbeitsplätze so viel zählen“, heißt es in einem Strategie-Papier, das auch Maßnahmen gegen The Charleston Gazette vorsah. Als der Leverkusener Multi sich zu einem baldigen MIC-Produktionsstopp bereit erklären musste und sich mit - letztlich erfolgreichen (siehe PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE) - Forderungen zu einem sofortigen Ende der Fertigung konfrontiert sah, lief die Schmutzkampagne nach dem Drehbuch der PR-Fachleute auf Hochtouren an. Ken Ward etwa wurde persönlich dafür angegriffen, „verantwortlich für Entlassungen“ zu sein. Zudem ließ der Konzern in großen Zeitungsanzeigen die Belegschaft sprechen und Klage führen, dass in „ökonomisch schweren Zeiten eine kleine Gruppe lautstarker Anwohner“ Stimmungsmache gegen MIC betreibe. An einem Autokorso zum Erhalt der Produktion nahmen jedoch nur ein paar Dutzend Menschen teil.

SCHERING heißt jetzt BAYER
Als der Leverkusener Multi im Jahr 2006 das Berliner Pharma-Unternehmen SCHERING schluckte, ließ er den Namen unangetastet, um die Beschäftigten nicht mit „Herr im Haus“-Gesten zu düpieren. Die Sparte firmierte fortan unter „BAYER SCHERING PHARMA“. Unter dem neuen BAYER-Chef Marijn Dekkers ist für solche Sentimentalitäten kein Platz mehr. Er läutete das endgültige Ende der Ära SCHERING an, um das Auftreten des Konzerns zu vereinheitlichen: „Wir haben unser Portfolio gründlich analysiert und dabei festgestellt, dass die Vielfalt der Marken im BAYER-Konzern zu einer Verwässerung der Dachmarke geführt hat“.

BAYER ehrt Medizin-Journalisten
Die Prozesse der Opfer von SCHERINGs Schwangerschaftstest DUOGYNON und die Leiden der Geschädigten von BAYERs Verhütungsmittel YASMIN fanden eine breite Medien-Resonanz. Aber es gibt auch noch Medizin-BerichterstatterInnen, die nicht über die Pharma-GAUs der Pillen-Multis informieren. Für sie hat der Leverkusener Multi den Europäischen Journalistenpreis ins Leben gerufen. Die letzten Auszeichnungen erhielten Martin Thür für einen TV-Beitrag über Doping und Hellmuth Nordwig für eine Hörfunk-Sendung zum Thema „Medikamenten-Fälschungen“.

BAYER schreibt an Rundfunkrat
Dem Leverkusener Multi berichtete der WDR-Hörfunk zu kritisch über „50 Jahre Pille“ im Allgemeinen und das BAYER-Verhütungsmittel YASMIN im Besonderen. Folglich setzte er gleich einen an den Rundfunkrat und den Hörfunk-Direktor adressierten Beschwerde-Brief auf.

Testosteron-Beratungsmobil
Mit großer Anstrengung arbeitet der Leverkusener Multi daran, die „Männergesundheit“ als neues Geschäftsfeld zu etablieren und seinen Potenzpillen und Hormon-Präparaten neue und nur selten zweckdienliche Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. So hat er die Krankheit „Testosteron-Mangel“ erfunden, um seine Hormon-Pillen an den Mann zu bringen. Zu diesem Behufe schickt BAYER jetzt ein Testosteron-Beratungsmobil auf Reisen. Mit an Bord: Der eingekaufte „Experte“ Dr. Falk Ochsendorf, ein Dermatologe mit Zusatzausbildung in Männerheilkunde. Und Ochsendorf sagt, wofür der Konzern ihn bezahlt. Der Mediziner will sogar von einer lebensverlängernden Wirkung von NEBIDO und TESTOGEL wissen. Von Nebenwirkungen wie Herzinfarkt, Prostata-Krebs, Harntrakt-Schädigungen oder Brust-Wachstum schweigt er hingegen.

Web 2.0 als Werbe-Plattform
Der Leverkusener Multi war 2010 Gastgeber der Konferenz „Digital Pharma Europe“ und demonstrierte damit sein verstärktes Interesse am Web 2.0 als Werbe-Plattform. „Social Media bietet die Chance eines direkten Dialogs und echter Interaktion. Web 2.0 eröffnet einen Zugangskanal zu Ärzten, medizinischen Fachkräften und Patienten, sofern wir mit ihnen in ein direktes Gespräch eintreten können, um uns als vertrauenswürdiger und offener Partner zu etablieren“, schwärmte der BAYER-Manager Andreas Fibig im Blatt Healthcare Marketing über die neuen Möglichkeiten im Netz.

LandwirtInnen bei BAYER
Um die Beziehungen zu seinen Pestizid-KundInnen zu pflegen, lädt der Leverkusener Multi auch immer wieder LandwirtInnen zu Betriebsbesichtungen ein. So besuchte im letzten Sommer eine BäuerInnen-Vereinigung aus Westfalen den BAYER-Standort Monheim.

Fahrradtour für JournalistInnen
Der breite Widerstand gegen die Kohlenmonoxid-Pipeline und das auf dem Krefelder BAYER-Gelände geplante Kohlekraftwerk haben den Chemie-Multi alarmiert. Nun versucht er die Skepsis gegenüber seinen neuen Projekten abzubauen und startet eine Medien-Offensive. So lud er im Sommer 2010 mehr als 30 JournalistInnen zu einer Besichtigungstour ein. Chemie„park“-Leiter Ernst Grigat führte durch das Leverkusener Werksgelände und demonstrierte den ReporterInnen, wieviel Augenmerk der Konzern doch auf die Sicherheit legt. Luftmesswagen, ein üppig ausgestatteter „Gerätewagen Gefahrgut“, den Ernstfall testende Explosionssimulierer, Sprengräume zur exakten Analyse gefährlicher chemischer Stoffe und Gütertransport-Kontrollen - all das durften die ReporterInnen in Augenschein nehmen. Und die Überzeugungsarbeit fruchtete. „Die Sicherheit steht über allem“, überschrieb der Leverkusener Anzeiger seinen Artikel zum Thema. Die lange Unfallliste 2010 mit ihren Verletzten und Schadstoff-Austritten spricht da eine andere Sprache.

Hormon-Kampagne lanciert
Anfang März 2011 kündigte eine australische Supermarkt-Kette an, künftig kein Fleisch von Rindern mehr zu verkaufen, welche ihre HalterInnen mit Wachstumshormonen behandelt haben. Bald darauf erschien in der Tageszeitung eine ganzseitige Anzeige, auf der 35 WissenschaftlerInnen dieses Vorgehen als „schlecht für die Umwelt, schlecht für die Menschen und schlecht für die Tiere“ kritisierten. Aus eigenen Stücken taten sie das jedoch nicht. „Animal Health Alliance“, der Industrie-Verband von BAYER & Co., bezahlte die Kampagne.

Der Konzern als Kümmerer
Während der Konzern intern immer unsozialer wird, Arbeitsplätze vernichtet und Arbeitsbedingungen verschärft, macht seine PR-Abteilung seit einiger Zeit verstärkt auf „sozial“. Zu diesem Behufe initiierte sie 2007 die „BAYER Cares Foundation“. 2010 gab es unter anderem Geld für Heimkinder in Uruguay, die Renovierung eines Schulgebäudes in Guatemala, Führungen durch das Römerlager in Oberaden, Armenspeisungen in Frankreich, Hausaufgabenhilfe in Wiesdorf, Lebensmittel-Herstellung in Togo, die „Leverkusener Tafel“, eine Physik AG in Leverkusen, ein Aufklärungsprojekt der Türkischen Jugend in Dormagen und die „Stiftung gegen Gewalt an Schulen“. Darüber hinaus soll der ASPIRIN-Sozialpreis das Bild vom barmherzigen Samariter BAYER in die Welt tragen. 2010 hat der Leverkusener Multi die Auszeichnung an das „Trauerhaus“ verliehen, das Kinder betreut, die Mutter oder Vater verloren haben.

BAYER fördert Schulen
Der Leverkusener Multi fördert Schulen über die „BAYER Science & Education Foundation“, denn dieses Stiftungsmodell erlaubt nebenher auch noch Steuer-Ersparnisse. Bei der Sponsoring-Maßnahme bilden die naturwissenschaftlichen Bereiche einen Schwerpunkt, „denn ein Land, das wie Deutschland über keine reichen Bodenschätze verfügt, ist in seiner wirtschaftlichen Entwicklung vordringlich auf die geistige Kreativität angewiesen“, so BAYERs Oberkommunikator Michael Schade zur nicht gerade uneigennützigen Motivation der Bildungsoffensive des Unternehmens. Im Jahr 2010 verteilte der Konzern den Etat von 500.000 Euro unter anderem auf das Albert-Einstein-Gymnasium in Rumeln, das Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld, die Kölner Gemeinschaftsgrundschule An den Kaulen, ein Biotechnologie-Projekt am Gymnasium Brunsbüttel, eine Gesamtschule in Wuppertal und eine Grundschule in Babelsberg. Darüber hinaus vergab die Foundation Stipendien.

Betriebsame SchülerInnen-Labore
Vier SchülerInnen-Labore unterhält der Leverkusener Multi mittlerweile. „Wir wollen jungen Menschen die Faszination Naturwissenschaften frühzeitig näher bringen“, erklärt BAYER-Vorstand Wolfgang Plischke den Sinn der Übung. Weniger Faszinierendes wie etwa die Risiken und Nebenwirkungen der Gentechnologie steht daher nicht auf dem Lehrplan. Stattdessen untersuchen die ElevInnen das Erbgut von Raps, entwickeln ein Computermaus-Gehäuse, wohnen der Produktion von Agro-Sprit bei oder experimentieren mit Bakterien.

„Duales Lernen“
Die Konzerne erobern mehr und mehr die Klassenräume. So haben BAYER & Co. in Berlin mit dem Senat einen Ausbildungsvertrag geschlossen. Er sieht vor, die städtische Wirtschaft eng an die vor der Berufswahl stehenden SchülerInnen heranzuführen. Praktika und Betriebserkundungen sollen ein „Duales Lernen“ ermöglichen und den Unternehmen passgenaue Lehrlinge liefern. „Es ist richtig, die Wirtschaft mit den Schulen im Bereich der Berufsorientierung eng zu vernetzen. Davon erhoffen wir uns, dass mehr Schüler als heute die Schule ausbildungsreif verlassen“, sagte Christoph von Knobelsdorff von der Industrie- und Handelskammer zum Sinn der Übung.

TIERE & ARZNEIEN

Trennung von Veterinär-Sparte?
Der neue BAYER-Chef Marijn Dekkers kennt kein Pardon. Erst kündigte er die Vernichtung von 4.500 Arbeitsplätzen an, dann stellte er die Zukunft der Kunststoff-Sparte in Frage und jetzt ist auch die Veterinär-Abteilung dran. Hier stelle sich die Frage, ob das BAYER-Geschäft mit einem Umsatz von rund einer Milliarde Euro nach der Fusionswelle unter den Konkurrenten nicht zu klein sei, so Dekkers‘ Worte laut Associated Press. Eine Entscheidung in der Sache kündigte der Holländer bis spätestens März 2012 an.

Schlechte Noten für Flohmittel
Ökotest hat BAYERs Antiflohmittel für Hunde und Katzen schlecht bewertet, weil sie Nervengifte enthalten. ADVANTAGE, ADVOCATE und das BOLFO-Zeckenhalsband erhielten ein „ausreichend“; BOLFO-Puder, -Spray und -Shampoo bekamen die Note „mangelhaft“.

Kau-Tabletten für Tiere
BAYER hat von der US-amerikanischen Firma PIEDMONT PHARMACEUTICALS die Lizenz für ein Verfahren erworben, das es ermöglicht, Arzneimittel für Tiere in Form von Kau-Tabletten zu entwickeln.

Milben-Mittel gekauft
Die BAYER-Insektizide PONCHO und GAUCHO mit dem Wirkstoff Imidacloprid haben Millionen Bienen den Tod gebracht. Der Leverkusener Multi streitet das jedoch ab und macht stattdessen die Varoa-Milbe verantwortlich. Jetzt will der Konzern mit dieser Diagnose auch noch Geld verdienen: Er kaufte von dem britischen Unternehmen EXOSECT ein Produkt, das gegen die Insekten-Art vorgeht.

DRUGS & PILLS

Tod durch YASMINELLE
BAYERs Verhütungsmittel aus der YASMIN-Produktfamilie bringen immer mehr Menschen den Tod. Anfang Februar 2011 starb eine Österreicherin an den Folgen einer Embolie. Obwohl sie den Blutgefäß-Verschluss in einem Krankenhaus erlitt, konnten die ÄrztInnen sie nicht retten. Wie viele andere junge Frauen hatte die 21-Jährige sich YASMINELLE verschreiben lassen, um ihr Gewicht zu reduzieren. Allein in den USA verloren in den letzten Jahren mindestens 140 Frauen durch YASMIN und 50 durch YAZ ihr Leben.

Neue YAZ-Version
BAYERs Verhütungsmittel der YASMIN-Produktfamilie sehen sich wachsender Konkurrenz durch Nachahmer-Produkte gegenüber. Also entwickelt der Leverkusener Multi leicht abgeänderte Versionen, um länger von den patent-geschützten Höchstpreisen profitieren zu können. YAZ mit Vitamin B ist bereits zugelassen; für eine Version, die es erlaubt, die Regelblutungen zu steuern und die Zahl der Menstruationstage zu reduzieren, hat der Konzern gerade einen Genehmigungsantrag gestellt. Eines bleibt jedoch immer gleich: Das im Vergleich zu Pillen früherer Generationen erhöhte Thromboembolie-Risiko, das allein in den USA bislang zu 190 Toten geführt hat.

Hoffnungen auf XARELTO
BAYERs ganze Hoffnungen in der Pharma-Sparte ruhen auf dem Medikament XARELTO (Wirkstoff: Rivaroxaban), das bisher EU-weit zur Thrombose-Vorbeugung bei schweren orthopädischen Operationen zugelassen ist. Wenn das Mittel zusätzlich noch Genehmigungen als allgemeines Therapeutikum gegen Venen-Thrombosen und als Mittel zur Schlaganfall-Prophylaxe bekommt, dann rechnet der Leverkusener Multi mit einem jährlichen Umsatz von mehr als zwei Milliarden Euro. Nach Ansicht von Finanz-AnalystInnen spiegelt sich diese Erwartung schon im Aktien-Kurs wider und macht 10 bis 20 Prozent des Börsenwertes aus. Die Testergebnisse eröffnen allerdings keine allzu rosigen Zukunftsaussichten. Im Vergleich zur Thrombose-Standardmedikation schnitt das Mittel in puncto „Wirksamkeit“ nicht besser ab. Weniger Nebenwirkungen hatte es auch nicht. Einziger Vorteil: XARELTO „hat das Potenzial, für den Patienten angenehmer zu sein“ (O-Ton BAYER), weil es als Tablette verfügbar ist und nicht gespritzt werden muss. Schlaganfälle vermied das Präparat ebenfalls nicht häufiger als das Mittel der Wahl Warfarin, was dem BOEHRINGER-Konkurrenzprodukt PRADAXA sehr wohl gelang. Die deutlichsten Unterschiede zeigten sich im Preis. Warfarin kostet in den USA 25 Cent, XARELTO will BAYER hingegen für sechs Dollar pro Tablette auf den Markt bringen. Die Zulassungsanträge hat der Global Player im Januar 2011 bei der europäischen Arzneimittelbehörde gestellt. Die USA hingegen tun sich einstweilen noch mit dem XARELTO-Einsatz bei OPs schwer. Die zuständigen Stellen zögern mit der Zusage, weil von der Arznei ein erhöhtes Risiko für Gefäß-Verschlüsse, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden ausgeht und seine Langzeitwirkung nicht geklärt ist.

Neue MAGNEVIST-Auflagen
Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMEA hat neue Auflagen für den Gebrauch von Gadolinium-haltigen Röntgen-Kontrastmitteln wie BAYERs MAGNEVIST erlassen. Da die Medizinprodukte bei Nierenkranken eine Fibrose auslösen können, ein mitunter lebensbedrohliches unkontrolliertes Wachstum des Bindegewebes, müssen die MedizinerInnen vor der Anwendung von MAGNEVIST & Co. nun bei ihren PatientInnen die Nierenfunktionen überprüfen. Darüber hinaus riet die EMEA zu einer möglichst niedrigen Dosierung und untersagte, die Untersuchung binnen einer Woche zu wiederholen. Zuvor hatte bereits die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA ähnliche Anweisungen gegeben, denn auch in den Vereinigten Staaten häuften sich die Meldungen über Zwischenfälle. Allein der Leverkusener Multi sieht sich bereits mit über 300 Klagen von Opfern oder deren Angehörigen konfrontiert.

USA: GADOVIST-Zulassung beantragt
BAYER hat für sein Röntgen-Kontrastmittel GADOVIST eine Zulassung in den USA beantragt. Das für die Magnetresonanz-Tomographie des zentralen Nervensystems bestimmte Produkt enthält wie MAGNEVIST Gadolinium und dürfte deshalb auch dasselbe Risiko-Profil haben: Es kann bei Nierenkranken zu einem unkontrollierten Wachstum des Bindegewebes mit Todesfolge führen (s. o.).

ASPIRIN gegen Krebs?
Nach der Untersuchung eines Forscherteams um Peter M. Rothwell von der Universität Oxford vermindert die Einnahme des ASPIRIN-Wirkstoffes Acetylsalicylsäure das Krebsrisiko. Wer das Präparat fünf Jahre lang täglich schluckte, reduzierte das Sterberisiko um 21 Prozent, so der Wissenschaftler. Er hatte allerdings ein ganz anderes Studien-Ziel. Rothwell wollte den Einfluss des „Tausendsassas“ auf Herz/Kreislauferkrankungen ermitteln, weshalb der Mediziner nicht auf Daten zum individuellen Krebsrisiko der PatientInnen zurückgreifen konnte. Zudem reicht eine Nachbeobachtungsphase von vier Jahren nicht aus, um eine Tumor-Gefährdung auszuschließen, wie andere ÄrztInnen kritisierten. Darüber hinaus sprechen die Resultate aus dem Untersuchungsschwerpunkt gegen seine Empfehlung, ASPIRIN zu Präventionszwecken einzusetzen. So sehr nämlich die Krebs-Gefahr sank, so sehr stieg die Wahrscheinlichkeit, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden. Der Nebenwirkung „Blutungen“ sind die ÄrztInnen sicherheitshalber erst gar nicht nachgegangen. Auch bestätigen andere Studien den Befund von Rothwell nicht. Weder die „Nurses‘ Health Study“ noch die „Iowa Women’s Health Study“ oder die Untersuchung der „American Cancer Society“ bestätigen die Oxforder Ergebnisse. Das nährt den Verdacht, dass Rothwells Beziehungen zu BAYER seine Objektivität beeinflusst haben, führt der Professor für den Leverkusener Multi doch gerade eine andere ASPIRIN-Forschungsarbeit durch. Und sein Teamkollege Tom W. Meade erhielt ebenfalls schon Schecks vom Pharma-Riesen.

Zulassung für Marijuana-Spray
In Großbritannien hat BAYER die Zulassung für das Marijuana-Spray SATIVEX erhalten, dessen Vertriebsrechte der Konzern vom Hersteller GW PHARMAZEUTICALS erworben hatte. Das für Multiple-Sklerose-PatientInnen bestimmte Mittel soll Begleiterscheinungen der Krankheit wie Spastiken, Inkontinenz und Schmerzen lindern.

Fünf Pillen in zehn Jahren
In den letzten zehn Jahren schafften es gerade mal fünf neue Medikamenten-Entwicklungen von BAYER in die US-amerikanischen Apotheken, obwohl der Konzern für Forschung & Entwicklung in dieser Dekade 16,8 Milliarden Dollar ausgab.

Wehrmedizin an Kölner Uni
Die Kölner Universität, mit deren medizinischer Fakultät BAYER im Jahr 2008 eine Zusammenarbeit vereinbart hat, betreibt auch Wehrmedizin. Zu diesem Zweck arbeitet die Hochschule mit zwei Einrichtungen der Bundeswehr zusammen, dem „Institut für Pharmakologie und Toxikologie“ und dem „Institut für Mikrobiologie“. Diese Institutionen testen unter anderem die Auswirkungen von biologischen und chemischen Waffen wie Milzbrand-Erregern und Senfgas und entwickeln Behandlungsmethoden. Die Studierenden der Universität kritisieren diese Kooperation und sprechen sich für die Aufnahme einer Zivilklausel in die Grundordnung der Bildungseinrichtung aus, die Forschung zu militärischen Zwecken untersagt.

Comeback für die Männer-Pille?
Im Jahr 2002 stellte BAYER die Forschung an der Pille für den Mann ein, welche die Weltgesundheitsorganisation WHO mit über einer Million Dollar gesponsert hatte. Weil der Konzern der Einrichtung etwas schuldig war, überließ er ihr aber das haus-eigene Testosteron-Präparat NEBIDO für Versuchsreihen, nicht ohne sich dafür die Zusicherung auszubedingen, Einblick in die Studien-Unterlagen nehmen zu können. Im Erfolgsfall wäre der Pharma-Riese damit wieder am Drücker. Auch an der Universität Münster laufen entsprechende Tests mit dem BAYER-Mittel, das der Konzern bisher als Therapeutikum gegen die selbst erfundene Krankheit „Testosteron-Mangel“ vermarktet und das zahlreiche Nebenwirkungen hat. Herzinfarkt, Prostata-Krebs, Harntrakt-Schädigungen und Brust-Wachstum gehören dazu.

Griechenland zahlt mit Anleihen
Das überschuldete Griechenland kann seit geraumer Zeit die Arznei-Rechnungen seiner Krankenhäuser nicht mehr begleichen. Der Leverkusener Multi beklagt Außenstände im zweistelligen Millionen-Bereich, weshalb BAYERs einstiger Pillen-Chef Arthur Higgens in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des europäischen Pharma-Verbandes EFPIA in der Vergangenheit bereits Gespräche mit der griechischen Regierung führte. Jetzt zeichnet sich eine Lösung ab. Der Staat wies seine Spitäler an, die Rechnungen mit zinslosen Anleihen zu begleichen. Für die Pillen-Riesen bedeutet das ein Verlust-Geschäft: Sie müssen durchschnittlich ein Fünftel ihrer Forderungen abschreiben.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Bienensterben: UN alarmiert
Die UN hat im März 2011 einen alarmierenden Bericht über die Globalisierung des Bienensterbens vorgelegt, das bis nach Asien und Afrika reicht. Weil „von den 100 Nutzpflanzen, die 90 Prozent der Nahrungsmittel weltweit beisteuern, mehr als 70 durch Bienen bestäubt werden“, wie der Leiter des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, Achim Steiner, ausführt, bedroht das Verschwinden der Populationen mittlerweile auch die Ernährungssicherheit. Neben zerstörten Lebensräumen und Viren macht die UN für das beängstigende Phänomen vor allem Pestizide verantwortlich - und namentlich die von BAYER. „Verschiedene Studien haben die Giftigkeit von Chemikalien wie Imidacloprid (Wirkstoff von BAYERs GAUCHO), Clothianidin (Wirkstoff von BAYERs PONCHO), Thiamethoxam und verwandten Inhaltsstoffen für Tiere nachgewiesen“, heißt es in dem Report.

Aus für Methylisocyanat (MIC)
Anfang des Jahres konnte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) einmal die Früchte ihrer Arbeit ernten: Am 11. Januar 2011 gab der Leverkusener Multi bekannt, am US-Standort Institute die Produktion und Lagerung des Bhopal-Stoffes Methylisocyanat (MIC) und des Giftgases Phosgen einstellen zu wollen (siehe auch SWB 2/11). Eine entsprechende Forderung hatte die CBG nicht nur auf den BAYER-Hauptversammlungen immer wieder erhoben. Noch kurz vor der schrecklichen Explosion im August 2008, bei der zwei Arbeiter ihr Leben verloren und beinahe ein MIC-Behälter in die Luft geflogen wäre, hatte die Coordination vor den Sicherheitsrisiken der Anlage gewarnt. Als „unbegründet“ wies das Unternehmen das zurück. Es musste erst der Ernstfall eintreten, um den Global Player mit anderthalb Jahren Verzögerung zur Vernunft zu bringen. Aber es bleibt noch etwas zu tun, denn BAYER will die Fertigung nicht gleich beenden. Die CBG, die während der Kampagne immer eng mit der vor Ort tätigen Initiative PEOPLE CONCERNED ABOUT MIC (PCMIC) kooperierte, unterstützt deshalb den Versuch der US-amerikanischen AktivistInnen, vor Gericht einen sofortigen MIC-Herstellungsstopp zu erreichen. Am 25. Februar 2011 erzielten sie einen ersten juristischen Erfolg. Ein Richter untersagte dem Leverkusener Multi vorläufig, die gefährliche Chemikalie noch 18 Monate weiterzuproduzieren. Und drei Wochen später verkündete BAYER das endgültige Ende von MIC.

Weltweites Aus für Endosulfan?
Jahrelang hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) den Leverkusener Multi aufgefordert, den in der Bundesrepublik schon längst verbotenen, besonders gefährlichen Pestizid-Wirkstoff Endosulfan auch in anderen Ländern nicht mehr zu vertreiben. Im vorletzten Jahr erklärte sich der Konzern endlich dazu bereit (SWB 3/09), nicht ohne jedoch noch einmal einen aggressiven Schlussverkauf zu veranstalten (siehe auch SWB 1/11). Jetzt aber scheinen die Stunden des Ultragifts endgültig gezählt. Die „Stockholmer Konvention“ hat sich nach harten Verhandlungen dazu durchgerungen, seinen 133 Mitgliedsstaaten eine Beschlussvorlage für ein weltweites Verbot vorzulegen.

Pestizide gefährden Artenvielfalt
Das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) kritisiert die Gefährdung der Artenvielfalt durch Pestizide. Die Agro-Chemikalien wirken nämlich nicht nur gegen die so genannten Zielorganismen, sondern gegen so gut wie alles, was kreucht, fleucht oder wächst. In der konventionellen Landwirtschaft haben die Gifte nur noch Erbarmen mit zwei bis neun „Ackerbegleit-Pflanzen“, und das Verschwinden der übrigen hat wiederum Auswirkungen auf die Fauna. Carbofuran, dessen Produktionsstopp der Leverkusener Multi vor anderthalb Jahren angekündigt hat, tötete sogar schon Adler. Und gelangen Wirkstoffe wie das auch in BAYER-Mitteln enthaltene Glyphosat in Gewässer, so ändert das ihre mikrobiologische Zusammensetzung und nimmt damit Lebewesen ihre Futterquellen. Als Konsequenz aus diesem Anschlag auf die Biodiversität fordert PAN unter anderem mehr Ökoanbau, Pufferzonen zu Gewässern und strengere Zulassungsbedingungen.

GAUCHO auf Ross-Kastanien
Das BAYER-Insektizid GAUCHO mit dem Wirkstoff Imidacloprid hat Millionen Bienen den Tod gebracht. Trotzdem kam Imidacloprid nach einer langen Kontroverse in der Stadt Bonn zum Einsatz, um gegen die Rosskastanien anfallende Miniermotte vorzugehen. Und dann wirkte das Pestizid noch nicht einmal.

BBKA beendet Kooperation
Obwohl die BAYER-Pestizide GAUCHO und PONCHO sowie andere Agro-Chemikalien den Tod von Millionen Bienen verursachten, hat der britische ImkerInnenverband „British Beekeepers Association“ (BBKA) ihnen das Prädikat „bienenfreundlich“ verliehen. Für diesen Persilschein zahlten ihm die Konzerne 17.500 Pfund. Auf Druck seiner Mitglieder, die den Verlust unzähliger Völker durch GAUCHO & Co. zu beklagen haben, musste der Verband die lukrative Kooperation im Herbst 2010 allerdings beenden.

PONCHO-Verbot gefordert
Als BAYER in den USA eine Erweiterung der Zulassung für sein Pestizid PONCHO beantragte, führte die US-Umweltbehörde EPA eigene Tests durch. Die Ergebnisse unterschieden sich markant von denen der Studien, die der Leverkusener Multi zur Erlangung der Genehmigung vorgelegt hatte. Daraufhin guckten sich die ForscherInnen die BAYER-Untersuchung noch einmal genauer an und entdeckten frappierende Mängel. Vor allem der Teil, mit dem der Konzern dem Mittel das Etikett „bienenverträglich“ verschaffen wollte, verstieß gegen wissenschaftliche Standards. Die EPA-ExpertInnen hielten dagegen fest: „Toxizitätsstudien mit Honigbienen zeigen, dass Clothianidin hoch toxisch ist“. Im letzten Herbst gelangte das Dokument mit dem harschen Urteil in die Öffentlichkeit, und sofort forderten das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN), BEYOND PESTICIDES und mehrere ImkerInnen-Verbände ein PONCHO-Verbot, wie es in der Bundesrepublik und einigen anderen europäischen Ländern für die Ausbringung auf bestimmten Kulturpflanzen bereits gilt.

Mit TEMIC gegen Löwen
In Afrika vergiften Wilderer Raubtiere und Raubvögel unter anderem mit dem BAYER-Pestizid TEMIC und tragen so zum Aussterben der Arten bei.

TEMIC vergiftet 14 Menschen
Im US-amerikanischen Lee County kamen 13 Jäger und ein 11-jähriger Junge ins Krankenhaus, weil sie nach einem Kontakt mit dem BAYER-Pestizid TEMIC (Wirkstoff: Aldicarb) an Vergiftungserscheinungen litten. Ihr Gesundheitszustand stabilisierte sich bald, aber vier ihrer Hunde starben durch die Agrochemikalie, die der Leverkusener Multi wegen seiner Gefährlichkeit nur noch bis 2014 vermarkten will.

Vogelsterben durch GAUCHO & Co.
Insektizide wie BAYERs GAUCHO, das zur Gruppe der Neonicotinoide gehört, töten nicht nur Schadinsekten und Bienen. Sie sorgen auch für eine Dezimierung der Vogelbestände: Unmittelbar, indem die Pestizide Amsel, Fink und Star vergiften, und mittelbar, indem sie ihnen die Insekten als Nahrungsgrundlage rauben. So nahm in Großbritannien die Population der Haussperlinge seit 1977 um 68 Prozent ab. Die Anzahl der Schwalben sank seit 1994 um 41 Prozent und die der Stare um 26 Prozent. Der holländische Toxikologe Henk Tennekes tritt deshalb für ein Verbot von GAUCHO & Co. ein. „Neonicotinoide wirken wie Krebs verursachende Chemikalien, für die es keine die Sicherheit garantierenden Grenzwerte geben kann“, so der Wissenschaftler.

Missbildungen durch Glyphosat
Der Pestizid-Wirkstoff Glyphosat, der hauptsächlich in MONSANTOs ROUND UP, aber auch in BAYER-Mitteln enthalten ist, hat bei Neugeborenen in Argentinien, die in der Nähe von Soja-Feldern zur Welt kamen, zu Missbildungen geführt. Daraufhin untersuchten WissenschaftlerInnen die Wirkungsweise und fanden heraus, dass die Agro-Chemikalie schon bei Konzentrationen von zwei Milligramm pro Kilogramm Nahrungsmittel Schäden verursachen kann. In der EU liegt der Soja-Grenzwert bei 20 Milligramm pro Kilogramm.

Neues Reis-Fungizid
In Japan hat BAYER die Zulassung für das Fungizid ROUTINE (Wirkstoff: Isotianil) erhalten, das für einen Einsatz im Reis-Anbau bestimmt ist.

Verringerung des Sortiments
Der Leverkusener Multi führt 98 Pestizide in seinem Sortiment und kündigte an, diese Zahl zu verringern. 21 Agrochemikalien will BAYER in den nächsten vier Jahren ausmustern - sei es durch die Einstellung der Produktion oder durch Verkauf - und sieben neue Mittel auf den Markt bringen.

Verkauf von Ultra-Giften
Im Rahmen der Verkleinerung seines Pestizid-Sortiments (s. o.) entledigt sich der Leverkusener Multi seiner beiden Ultra-Gifte NEMACUR und MOCAP. Besonders NEMACUR war in der Vergangenheit für zahlreiche Vergiftungen verantwortlich. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) kritisierte diesen Schritt. „BAYER hätte die Produktion längst einstellen müssen, statt diese Ultra-Gifte jetzt noch profitabel zu verramschen“, heißt es in der Presse-Erklärung der CBG zum Thema.

GENE & KLONE

Mehr Gentech im Futter
Bislang durften Futtermittel-Importe in die EU-Länder keinerlei Spuren von Gentech-Pflanzen aufweisen. Ende Februar 2011 hat die Europäische Union die Regelung allerdings gekippt und einen Höchstwert von 0,1 Prozent festgelegt. Sogar innerhalb des Staatenbundes noch nicht einmal zugelassene Sorten dürfen nun die Grenzen passieren. Brüssel beugte sich damit dem Druck der Landwirtschaftsverbände und Agro-Multis. Diese malten ein Horror-Szenario mit Versorgungsengpässen und Preissteigerungen aus, falls die EU nicht „Ja“ zu „ein bisschen Gentech“ im Tierfutter sagt. Obwohl die LobbyistInnen Beweise dafür schuldig blieben, konnten sie sich durchsetzen. „Die heutige Entscheidung verstößt einmal mehr gegen das Vorsorge-Prinzip. Gen-Pflanzen, die nicht für den menschlichen Verzehr getestet wurden, haben nichts in unserer Nahrungsmittelkette zu suchen“, kritisierte Stephanie Töwe von GREENPEACE die Entscheidung.

EVOGENE sucht nach Weizen-Genen
Der Leverkusener Multi hat für 12 Millionen Dollar 5,5 Prozent des israelischen Biotech-Unternehmens EVOGENE erworben. Zudem beauftragte der Konzern EVOGENE mit der Suche nach Genen, die für Weizen bessere Erträge, ein besseres Wachstum oder eine erhöhte Widerstandsfähigkeit versprechen. Nach entsprechendem Reis-Erbgut fahnden die Israelis für BAYER schon seit längerem.

Keine Gentechnik in NRW
Das Land Nordrhein-Westfalen, Stammsitz des Leverkusener Multis, gehört seit diesem Jahr zu dem Netzwerk europäischer Regionen, die auf Gentechnik verzichten. Der Düsseldorfer Landtag stimmte im Januar 2011 einem entsprechenden Antrag der SPD zu.

Nutzlose Genom-Entschlüsselung
Vor zehn Jahren gelang die Entschlüsselung des menschlichen Genoms, und die ForscherInnen weckten große Erwartungen hinsichtlich des damit verbundenen medizinischen Fortschritts. Diese haben sich allerdings nicht erfüllt. „Daten, überall Daten, aber kein einziges Produkt“, beklagt sich etwa ein Unternehmenssprecher. Auch für den damaligen Projektleiter und heutigen Chef des US-amerikanischen „National Institute of Health“, Francis S. Collins, hatte die Kartographierung des Erbguts bislang keinen direkten Einfluss auf die Gesundheit der meisten Menschen, weshalb Harold Varmus, der Direktor des Nationalen Krebsforschungsinstituts der USA, schlicht resümiert: „Das Genom fördert die Wissenschaft, nicht die Medizin“.

PFLANZEN, SAATEN & DÜNGER

BAYER experimentiert mit Düngern
BAYER CROPSCIENCE testet neuen Dünger. Der Konzern experimentiert derzeit in Voiswinkel nahe Bergisch-Gladbach mit unterschiedlichen Kali/Phosphat-Kombinationen.

NUNHEMS wächst und wächst
BAYERs Saatgut-Tochter NUNHEMS expandiert beständig. Nachdem sie im US-amerikanischen Parma für 15 Millionen Dollar ihr Werk ausbaute und im spanischen Cartagena ein Forschungszentrum eröffnete, erweitert das Unternehmen nun auch seine Kapazitäten in Monheim. Die Labore wachsen um das Dreifache, um DNA-Analysen, zellbiologischen Experimenten und der molekularen Züchtung, die auf Erbgut-Untersuchungen, nicht aber auf Gen-Transfers basiert, mehr Platz zu bieten.

WASSER, BODEN & LUFT

Wassercent wieder da
Der Durst von BAYER ist enorm. Allein am Standort Leverkusen verbraucht der Multi jährlich 130 Millionen Kubikmeter. Um diese Gelüste ein wenig zu zügeln, hatte die rot-grüne Landesregierung 2004 den Wassercent eingeführt. Die Konzerne liefen Sturm gegen diese Regelung, weshalb Schwarz-Gelb sie nach dem Machtwechsel 2005 zum Auslaufmodell machte. Die Neuauflage von Rot-Grün revidierte das jedoch wieder und erhöhte die Abgabe sogar noch leicht. Erwartungsgemäß empörte sich BAYER zugleich über diese „vollkommen unnötige Sonderlast“ und nannte sie eine Gefahr für den Industriestandort NRW und die internationale Wettbewerbsfähigkeit.

MAGNEVIST im Berliner Grundwasser
Gadolinium-haltige Röntgen-Kontrastmittel wie BAYERs MAGNEVIST (siehe auch DRUGS & PILLS) fanden sich im Berliner Grundwasser wieder. Das Medizinprodukt kann bei Nierenkranken eine Fibrose auslösen, ein mitunter lebensbedrohliches unkontrolliertes Wachstum des Bindegewebes, weshalb europäische und US-amerikanische Aufsichtsbehörden unlängst strengere Auflagen für die Anwendung erlassen haben.

Deponie-Sicherung in Rheinberg
Noch voraussichtlich bis Ende 2012 wird die Sicherung der Deponie Rheinberg dauern, in der 40.000 Tonnen Rückstände aus der von BAYER bis 2002 betriebenen Titandioxid-Produktion schlummern. ArbeiterInnen ziehen in die Giftmüll-Halde eine Tonschicht ein und verlegen ein Drainage-System, um eine Verunreinigung des Grundwassers zu verhindern. Zum Abschluss decken sie das Chemie-Grab mit riesigen Gewebe-Planen ab. Anschließend soll dann Gras über die ganze Sache wachsen. Eine wirkliche Sanierung der Deponie mit einer Entfernung des verseuchten Erdreiches kam aus Kostengründen nicht in Betracht, und auf die Idee, vom Leverkusener Multi eine Kostenbeteiligung zu verlangen, verfielen die verantwortlichen PolitikerInnen nicht. Ähnliche Maßnahmen zur Mumifizierung von Konzern-Altlasten waren jüngst auch in Wuppertal und in Wolfenbüttel erfolgt.

Gas statt Kohle?
Der Stadtwerkeverbund TRIANEL überprüft seine umstrittenen Pläne, auf dem Gelände von BAYERs Chemie„park“ in Krefeld ein Kohlekraftwerk mit einem Kohlendioxid-Ausstoß von jährlich ca. 4,4 Millionen Tonnen zu errichten. Stattdessen diskutiert er den Bau eines Gas/Dampf-Kraftwerks. Dabei spielen allerdings nicht nur ökologische Erwägungen wie die bessere Energie-Effizienz dieser Alternative und ihre Möglichkeit, flexibler auf die stark schwankenden Einspeisungen regenerativ erzeugten Stroms zu reagieren, eine Rolle, sondern auch die Verlängerung der AKW-Laufzeiten. Die dadurch zusätzlich auf den Markt kommenden Strommengen machen die Dreckschleudern nämlich unnötig und den Betrieb unwirtschaftlich. Sollte die Bundesregierung ihre Atompolitik infolge der Ereignisse in Japan allerdings grundlegend ändern, ständen die Aktien für ein Kohlekraftwerk wieder besser.

Mehr Müllverbrennung
Im Jahr 2009 hat der Leverkusener Multi 914.000 Tonnen Abfall produziert. Aber in seinen Müllverbrennungsanlagen entsorgt der Konzern nicht nur eigene Hinterlassenschaften. Der Pharma-Riese ist vor einiger Zeit auch in das lukrative Geschäft mit dem Müll eingestiegen und übernimmt Fremdaufträge. Für das alles reichen die vorhandenen Öfen nicht mehr aus. Deshalb will der Global Player die Kapazität seiner Leverkusener Anlage erweitern und hat einen entsprechenden Antrag gestellt. Infolgedessen darf sich die Stadt bald wohl über noch mehr Feinstaub, Schwefeldioxid, Hydrogenchlorid, Chlorwasserstoff, Stickoxide, Fluorkohlenwasserstoffe, Cadmium, Thallium und Quecksilber in Wasser, Boden und Luft freuen.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

BPA in Babyflaschen verboten
BAYER ist einer der größten Produzenten der Industrie-Chemikalie Bisphenol A, die unter anderem in Baby-Flaschen und Konservendosen Verwendung findet und zu Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen führen kann (siehe SWB 4/10). Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, die seit Jahren für ein Verbot der Substanz eintritt, konnte nun einen Erfolg erringen: Zum 1. März 2011 untersagte die EU Bisphenol A in Babyflaschen. Die CBG fordert nun weitere Schritte: „Bisphenol A muss endlich aus allen Produkten des täglichen Bedarfs verschwinden. Hormonaktive Substanzen haben in Produkten wie Trinkflaschen, Spielzeug und Konservendosen nichts verloren! Die Leugnung der Risiken durch die Hersteller darf nicht zur weiteren Gefährdung der Verbraucherinnen und Verbraucher führen“, so Philipp Mimkes vom Vorstand der Coordination.

PCB-Nachwirkungen
BAYER gehörte lange zu den Hauptherstellern von Polychlorierten Biphenylen (PCB), einer Krebs erregenden Chlorverbindung. Erst 1983 hat der Konzern die Produktion des Ultragiftes eingestellt, das unter anderem als Weichmacher in Kunststoffen, Kühlmittel und Isoliermaterial Verwendung fand. Aber die gesundheitsschädlichen Folgen der Chemikalie machen sich immer noch bemerkbar. So ergab eine Untersuchung von Beschäftigten der Dortmunder Entsorgungsfirma ENVIO eine hochgradige PCB-Kontamination. 95 Prozent der Belegschaft wiesen Konzentrationen im Blut auf, die bis zum 25.000fachen über dem zulässigen Grenzwert lagen. Und der ENVIO-Konzern, der das PCB-belastete Material zurück zum Absender brachte und in BAYER-Verbrennungsöfen entsorgte, ist kein Einzelfall. Auch bei REMONDIS, der Firma RICHTER sowie bei der Entsorgungsgesellschaft des Regionalverbandes Ruhrgebiet ergaben Überprüfungen unzulässig hohe PCB-Werte.

Erste REACH-Etappe absolviert
Verhindern konnten BAYER & Co. die Ende 2006 verabschiedete, REACH genannte Chemikalien-Richtlinie der EU nicht, die Unternehmen erreichten jedoch wichtige Aufweichungen. So müssen die Konzerne nicht alle ihre Chemikalien auf gesundheitsgefährdende Wirkungen hin untersuchen, sondern nur noch 30.000. Der Leverkusener Multi hat jetzt die erste Auflage von REACH erfüllt und für seine 125 Stoffe, deren Jahresproduktion über 1.000 Tonnen liegt, Unterlagen erstellt.

Phosgen-Produktion steigt
BAYER will am Standort Brunsbüttel mehr Polyurethan-Kunststoff herstellen und plant deshalb eine Kapazitätserweiterung des Werkes. Mit der Erhöhung des Produktionsvolumens steigt auch die Menge des für den Fertigungsprozess benötigten Phosgens, eines der gefährlichsten Giftgase überhaupt. Es gibt zwar bereits Möglichkeiten, Polyurethane ohne Phosgen zu fabrizieren, aber der Leverkusener Multi ignoriert diese Alternativen. Darum kritisiert die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN das Vorhaben des Unternehmens. „Wir fordern den Konzern auf, die technisch machbare Produktion von Polyurethan ohne Phosgen zur Serienreife zu bringen. Vorher sollten keine neuen Anlagen genehmigt werden, denn bei einer Lebensdauer der Anlagen von 30-35 Jahren würde diese gefährliche Produktionsweise sonst für Jahrzehnte festgeschrieben!“

NANO & CO.

50 Millionen für die Nano-Technik
Nordrhein-Westfalen fördert die Nano-Technologie trotz ihrer Risiken massiv. Darum gehört das Bundesland neben der Wirtschaftsförderung Dortmund und „NanoMikro + Werkstoffe.NRW“ auch zu den Mitveranstaltern der „Nano-Konferenz“, die nun bereits zum dritten Mal in Dortmund stattfand. Über die dort von NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze in Aussicht gestellten Fördermittel von 50 Millionen Euro bis 2050 dürfte sich BAYERs Tagungsteilnehmer Raul Pires sehr gefreut haben.

Nano-Absatz stockt
Der Leverkusener Multi klagt über den mangelnden Absatz seiner CNT-Röhrchen aus Nano-Material namens BAYTUBES. Um die Zukunft der Zukunftstechnologie scheint es also nicht allzu gut bestellt zu sein. Hatte bereits die Bezirksregierung auf eine Anfrage der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN zur kommerziellen Nutzung erklärt, BAYER hätte noch keinen entsprechenden Antrag gestellt, weil „der Markt CNT-Material mit anderen Eigenschaften benötigt“, so bestätigt nun auch der Konzern selber die Schwierigkeiten. „Die klassischen Anwender wie Fahrzeug- oder Flugzeug-Industrie sind sehr konservativ, was neue Materialien betrifft“, klagte der Manager Raul Pires. Deshalb hat das Unternehmen einen Strategie-Wechsel vorgenommen: Es will künftig nicht bloß das Nano-Pulver, sondern gleich ganze Komponenten zur Weiterverarbeitung anbieten.

BAYER forscht an Nano-Pille
BAYER forscht gemeinsam mit der Aachener „Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule“ an einer Nano-Verhütungspille. Die WissenschaftlerInnen wollen ein Hormon-Depot im Körper anlegen, das sich in einer Nano-Gelschicht befindet und den Wirkstoff regelmäßig abgibt.

Nano-Poren zum Kühlen
Der Leverkusener Multi will von den skandalträchtigen Produktions- und Vertriebsmethoden der Nahrungsmittel-Industrie profitieren. „Da der Weg von Lebensmitteln zum Verbraucher immer länger wird“, entwickelt BAYER einen Hartschaum aus Kunststoff, dessen Dämmleistung Nano-Poren verbessern sollen.

Nano-Kooperation mit TOYOTA
Nano-Teilchen können eine asbest-ähnliche Wirkung entfalten, zu den Zellkernen vordringen oder die Blut/Hirn-Schranke überwinden. Trotz dieser Risiken und Nebenwirkungen setzt der Leverkusener Multi auf die Technologie und organisiert den weltweiten Vertrieb seiner Produkte. So vermarktet das japanische Unternehmen TOYOTA BAYERs Nano-Röhrchen mit dem Produktnamen „BAYTUBES“ im asiatischen Raum.

AGRO & SPRIT

Agro-Sprit aus Holz und Stroh?
Der Leverkusener Multi forscht gemeinsam mit der Universität Gießen, dem Unternehmen EVONIC und der Fraunhofer-Gesellschaft daran, aus Stroh und Holz Agro-Sprit zu gewinnen. Zu diesem Zweck soll Ende 2012 in Sachsen-Anhalt eine Cellulose-Raffinerie entstehen.

Mehr Öl im Raps
Der Agrosprit-Boom nimmt immer mehr Ackerflächen in Anspruch und verdrängt so die Kulturpflanzen von den Feldern, weshalb die Preise für Nahrungsmittel steigen. Daran stört sich der Leverkusener Multi jedoch nicht. Er stellt sich stattdessen auf den Markt ein und kreiert Pflanzen, die sich besonders gut im Tank machen. So entwickelt er gemeinsam mit dem chinesischen „Oil Crops Research Institute“ eine Raps-Sorte, die viel Öl enthält. Im Zuckerrohr-Bereich läuft ein entsprechendes Projekt mit dem brasilianischen „Zentrum für Zuckerrohr-Technologie“. Und bereits im Angebot hat der Multi den öl-reichen Gentech-Raps INVIGOR.

CO & CO.

Wieder Erdabsenkungen
Immer wieder kommt es entlang der Trasse von BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline zu Erdabsenkungen. In Erkrath und rund um Ratingen bildeten sich teilweise 80cm tiefe Krater. Der Bauherr WINGAS nennt die während der Bauarbeiten ausgehobene und wieder verfüllte Erde als Ursache für die Löcher, weil der Boden durch diesen Prozess an Festigkeit verliere. Der Leverkusener Multi hält das erneute Desaster für „einen normalen Vorgang beim Pipeline-Bau“ und „unbedenklich“. Die Bezirksregierung hingegen hat eine Untersuchung der Vorgänge angekündigt, um mögliche Sicherheitsrisiken für den Betrieb der Giftgas-Leitung aufzuspüren.

Mangelhafte Abdichtungen
Entlang der Strecke von BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline ragt an der Bundesstraße 8 nahe des Landhauses Milser eine Messstation völlig ungeschützt aus dem Erdreich. Nach Ansicht von Erich Hennen, Sprecher der Duisburger BÜRGERINITIATIVE CONTRA PIPELINE, kann es dadurch zu Rost- oder anderen Korrosionsschäden kommen. Die mangelhafte Abdichtung der Enden des die Pipeline umgebenden Mantelrohres an gleicher Stelle kritisiert Hennen ebenfalls und fordert aus Sicherheitsgründen einen Aushub der Rohrleitung vom Landhaus bis zur Haltestelle Kesselberg.

Signalstörungen
Ein „klares Signal für den Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen“ wollten CDU und FDP Mitte November 2010 im Düsseldorfer Landtag hören. In ihrem Antrag forderten sie ein Bekenntnis zum Dattelner Kohlekraftwerk und zu BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline ein. Aber das bekamen sie nicht nur von SPD, Grünen und Linkspartei nicht, auch vier Mettmanner Abgeordnete aus den eigenen Reihen blieben stumm.

CO-Verhandlung im Mai
Vom 23. bis zum 27. Mai 2011 verhandelt das Düsseldorfer Verwaltungsgericht

[Ticker] STICHWORT BAYER 01/2011 Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Jahrestagung 2010
Am 13. November 2010 fand die gut besuchte Jahrestagung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) statt. Sie widmete sich dieses Mal dem Thema „Störfall-Risiken der chemischen Industrie - Pipelines, Kohlekraftwerke und Phosgen-Produktion“. Das Eröffnungsreferat hielt der pensionierte Chemie-Lehrer Dr. Walther Enßlin. Unter dem Titel „Geballte Risiken: Die Chemie-Industrie in NRW“ sprach er über die umwelt- und gesundheitsschädigende Herstellung von Chlor und Kunststoffen, gefährliche Endprodukte wie Bisphenol A und längst entwickelte schonendere Verfahren, die BAYER & Co. jedoch aus Profitgründen nicht anwenden. Anschließend gab CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes einen Überblick über die Geschichte der Störfälle beim Leverkusener Multi, vom GAU während der Sprengstoff-Produktion 1917 mit zehn Toten bis zu den Desastern der Gegenwart. Die Gefahren der nahen Zukunft, die der Konzern durch die Kohlenmonoxid-Pipeline heraufbeschwören will, standen nach der Mittagspause im Mittelpunkt. Rainer Kalbe von der Bürgerinitiative STOPP CO-PIPELINE präsentierte eine umfassende Liste aller „Risiken und Nebenwirkungen“ der Giftgas-Röhre und stellte dar, wie der Pharma-Riese schon durch Pfusch am Bau den Grundstein dafür legt. Im Anschluss daran beschrieb der Kinderarzt Dr. Gottfried Arnold, der eine MedizinerInnen-Initiative gegen die Rohrleitung ins Leben gerufen hatte, die tückische Wirkung des Gases. Farb- und geruchslos, schaltet es den Organismus im Katastrophen-Fall binnen Sekunden aus, wogegen weder BAYER noch die Feuerwehren oder die Notfall-Kliniken gewappnet sind. Was ein Besucher während der Diskussion bemerkte, kann als Resümée der Veranstaltung gelten. Er habe heute noch „viel Niederschmetternderes“ über BAYER erfahren als das, was er bereits im Zusammenhang mit der CO-Pipeline lernen musste, sagte er. Und eben dies, die aktuelle Auseinandersetzung um die Giftgas-Röhre in den Kontext der allgemeinen „BAYER-Gefahren“ zu stellen und so den Blick auf einen Systemfehler profit-orientierter Produktion zu eröffnen, war es, was der CBG bei der Konzeption der Jahrestagung vorgeschwebt hatte.

Erfolgreiche Endosulfan-Kampagne
Jahrelang hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) den Leverkusener Multi aufgefordert, den in der Bundesrepublik schon längst verbotenen, besonders gefährlichen Pestizid-Wirkstoff Endosulfan auch in anderen Ländern nicht mehr zu vertreiben. Im letzten Jahr erklärte sich der Konzern endlich dazu bereit (SWB 3/09). Aber vorher gab es noch einmal einen Schlussverkauf. Das Unternehmen warf alle Restbestände auf den Markt, was zu hohen Belastungen führte (siehe auch SWB 1/11). Besonders hart traf es brasilianische Bio-LandwirtInnen. Ihre Soja-Ernte wies so große Endosulfan-Rückstände auf, dass sie unverkäuflich ist. Daraufhin initiierte die schweizer Fairtrade-Organisation GEBANA eine Kampagne, welche die CBG nach Kräften unterstützte. Und der öffentliche Druck führte schließlich auch zu einem Teil-Erfolg. Während andere Hersteller das Mittel immer noch verkaufen, hat BAYER das Endosulfan-Pestizid THIODAN in dem Land mit sofortiger Wirkung vom Markt genommen und die Restbestände sogar selbst bei der lokalen Kooperative abgeholt.

Kraftwerkserörterungstermin

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Nicht nur gegen das Kohlekraftwerk, das in BAYERs Krefelder Chemie-„Park“ geplant ist, haben Initiativen mit Einwändungen protestiert, sondern auch gegen die auf dem Brunsbütteler Werksgelände projektierte Dreckschleuder. Bei einem Erörterungstermin, der prüfte, ob das Vorhaben den Bestimmungen zum Immissionsschutz und zum Wasserrecht genügt, präsentierten die KraftwerksgegnerInnen eine lange Mängelliste. So befürchten sie neben dem großen Lärm vor allem eine Belastung der Elbe durch das Kühlwasser. 30.000 Liter Wasser saugt das Kraftwerk pro Sekunde ein, inklusive der darin schwimmenden Fische, die dadurch ihren Tod finden. Es gibt zwar Fischscheuch-Anlagen, aber für die speziellen Verhältnisse in Brunsbüttel hat die beauftragte Firma noch nie eine gebaut. Wie wenig solche Vorrichtungen manchmal nützen, zeigt das nahe gelegene Atomkraftwerk. Trotz elektronischer Impulsgeber zum Verscheuchen der Fische sammeln sich jährlich bis zu 160 Tonnen verendeter Tiere in dem AKW an. Auch die Wiedereinleitung des aufgeheizten Kühlwassers bereitet Probleme, weil die Erwärmung vielen Flußbewohnern das Leben schwer macht. Die vorgelegten Unterlagen zur Ausbreitung der warmen Brühe gaben darüber allerdings wenig Aufschluss. Sie stammten nämlich aus einem früheren Genehmigungsverfahren des Betreibers GETEC, wie die UmweltschützerInnen aufdeckten, die auch eine Klage gegen den Bau vorbereiten.

Kraftwerkserörterungstermin

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Gegen das von TRIANEL auf dem Gelände von BAYERs Chemie„park“ in Krefeld geplante Kohlekraftwerk gibt es erheblichen Widerstand. So haben wegen des Kohlendioxid-Ausstoßes von jährlich ca. 4,4 Millionen Tonnen und der zu erwartenden Belastungen von Mensch und Umwelt mit Feinstaub, Schwermetallen und Radioaktivität über 22.000 Privatpersonen, Nachbarstädte und Initiativen Einspruch gegen das Projekt erhoben. Auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN zählt dazu. Bei dem einwöchigen Erörterungsverfahren gelang es dem Betreiber nicht, die Einwände zu zerstreuen. „Keiner der in unserer 355-seitigen schriftlichen Stellungnahme vorgebrachten Kritikpunkte konnte seitens TRIANEL entkräftet oder gar ausgeräumt werden“, stellte etwa Dirk Jansen vom BUND fest und forderte das Unternehmen deshalb auf, den Genehmigungsantrag zurückzuziehen.

DUOGYNON-Anfrage in England
Der hormonelle Schwangerschaftstest PRIMODOS der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING hat ab den 1950er Jahren zu tausenden Todgeburten geführt. Darüber hinaus kamen unzählige Kinder mit schweren Missbildungen zur Welt. Die Opfer des ebenfalls unter dem Namen DUOGYNON vermarkteten Produkts fordern den Konzern seit längerem auf, Entschädigungen zu zahlen und bereiten sogar Klagen vor (siehe auch SWB 4/10). Und wie vor kurzem in der Bundesrepublik (Ticker 4/10) kam es jetzt auch in England zu einer parlamentarischen Anfrage in Sachen „DUOGYNON“.

Andere OECD-Leitsätze gefordert
Die OECD hat sich Leitsätze gegeben, in denen sich der Verbund aus 31 großen Industrieländern zu sozialen und ökologischen Standards bekennt. Wenn ein Unternehmen gegen diese Regeln verstößt, muss es mit einer Klage bei den nationalen Kontaktstellen rechnen. Ernste Konsequenzen hat so ein Verfahren jedoch fast nie. So lehnte die bundesdeutsche Kontaktstelle die beiden Beschwerden gegen BAYER, welche die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN allein oder in Zusammenarbeit mit anderen Initiativen eingereicht hatte, ab. Weder den Handel der ehemaligen BAYER-Tochter HC STARCK mit Bodenschätzen aus Bürgerkriegsgebieten noch BAYER CROPSCIENCEs Duldung von Kinderarbeit in der Lieferkette fand sie sanktionswürdig. Nicht nur aus diesem Grund fordern GERMAN WATCH und MISEREOR jetzt eine Überarbeitung der Leitsätze. Die beiden Nichtregierungsorganisation verlangen wirkliche Bestrafungen. Insbesondere kritisieren sie die bundesdeutsche Kontaktstelle für ihren nicht nur im Fall „BAYER CROPSCIENCE“ gezeigten Unwillen, das Agieren der festen Zulieferer der Multis ebenfalls als „gerichtsrelevant“ zu betrachten, womit sie ein einfaches Outsourcing der Ausbeutung erleichtert. Auch sonst fällt die Einrichtung immer wieder durch unternehmensfreundliche Entscheidungen auf. Keine andere Kontaktstelle lehnt Eingaben so häufig ab wie die bundesrepublikanische - nicht umsonst ist sie bei der Auslandsinvestitionen-Abteilung des Wirtschaftsministeriums angesiedelt. Darum treten die beiden Gruppen für eine umfassende Strukturreform ein.

Frauen-Protest gegen MIRENA
Mehr als jede zehnte Anwenderin von BAYERs Hormon-Spirale MIRENA leidet unter schweren Nebenwirkungen wie Depressionen, Zyklusstörungen, Gewichtszunahme, Eierstock-Zysten, Unterleibsentzündungen, Schwindel, Übelkeit, starker Haarwuchs, Akne, Hautkrankheiten und Kopfschmerzen (siehe auch RECHT & UNBILLIG). Zudem besteht der Verdacht auf Erhöhung des Brustkrebs-Risikos. Eine nicht eben kleine Schadensbilanz, über welche der Leverkusener Multi allerdings den Mantel des Schweigens hüllt. In den USA haben sich deshalb mehr als 1.700 Frauen an die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA gewandt und eine bessere Aufklärung über das Gefahren-Potenzial des Mittels gefordert, das allein in der Bundesrepublik rund eine Million Frauen nutzen.

Belegschaft demonstriert in Brüssel
An der Demonstration europäischer Belegschaften gegen Sozialabbau und Sparmaßnahmen, die Ende September 2010 in Brüssel stattfand, beteiligten sich auch Beschäftigte des Antwerpener BAYER-Werkes. Mit dem Transparent „Für unsere Rechte kämpfen“ zogen sie durch die Straßen der belgischen Hauptstadt.

Kritik an Einmalzahlungen
Bei den Tarif-Verhandlungen gehen die Konzerne immer mehr dazu über, Einmalzahlungen zu vereinbaren. So gab es beim letzten Chemie-Abschluss überhaupt keine prozentuale Entgelt-Erhöhung mehr, sondern lediglich Pauschalbeträge - 550 Euro für Normalbeschäftigte und 611 bis 715 Euro für SchichtarbeiterInnen. Die Hans-Böckler-Stiftung des DEUTSCHEN GEWERKSCHAFTSBUNDES kritisierte diese Praxis jetzt. Nach einer Modellrechnung des Wissenschaftlers Dr. Reinhard Bispinck führt das Instrument zu realen Einkommensverlusten. Wenn ein Beschäftigter mit einem Gehalt von 2.000 Euro brutto statt einer 2-prozentigen Lohnerhöhung 480 Euro erhält, so steht er damit im ersten Jahr noch gut da, im zweiten allerdings verschlechtert sich seine Situation schon und anschließend geht es dann ganz steil bergab. Zudem kämen die Chef-Etagen mit den Pauschalen „ihrem Ziel von stärker variablen und rückholbaren Einkommenssteigerungen“ näher, monierte Bispinck.

Uni Köln: Ministerin handelt nicht
Vor zwei Jahren vereinbarte BAYER mit der Kölner Hochschule eine Kooperation auf dem Gebiet der Pharma-Forschung. „Sie ist die weitreichendste, die eine nordrhein-westfälische Universitätsklinik bislang eingegangen ist“, jubilierte Innovationsminister Andreas Pinkwart damals. Der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und anderen Initiativen machte das eher Angst. Die Gruppen befürchteten eine Ausrichtung der Pharma-Forschung nach Profit-Vorgaben, eine Entwicklung von Präparaten ohne therapeutischen Mehrwert, eine Verheimlichung negativer Studienergebnisse und einen Zugriff des Konzerns auf geistiges Eigentum der Hochschul-WissenschaftlerInnen. Deshalb forderten sie eine Offenlegung des Vertrages und bekamen dafür auch die Unterstützung des nordrhein-westfälischen Datenschutzbeauftragten, welcher der Hochschule kein Recht auf Geheimhaltung zuerkennen wollte. Die Universität blieb jedoch bei ihrer Verweigerungshaltung, die auch die neue Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD) nicht aufzuheben gedachte. Eine Durchsetzung des vom Datenschützer bescheinigten „Informationszugangsanspruchs“ könne nicht erzwungen werden, antwortete die Politikerin der CBG und empfahl, „noch einmal auf die Universität zuzugehen, um ein Verfahren zu vermeiden“. Aber genau das lässt sich jetzt nicht mehr vermeiden.

Hochschulräte in der Kritik
In den Hochschulräten als neuen Aufsichtsgremien der Universitäten sitzen zu einem Drittel VertreterInnen von Unternehmen. Der Leverkusener Multi darf da natürlich nicht fehlen. So ist BAYER-Vorstand Richard Pott im Hochschulrat der Universität Köln vertreten, mit der BAYER auch eine umfassende Forschungskooperation unterhält (SWB 2/09). Diese Konstellation entspricht nicht gerade dem, was Rolf Breuer, ehemaliger Chef der DEUTSCHEN BANK und heutiger Hochschulrat an der Frankfurter Goethe-Universität, von dem Gremium fordert: „Der Hochschulrat muss neutral sein“. Auch sonst stößt der wachsende Einfluss von Konzernen auf die Bildungseinrichtungen zunehmend auf Kritik. Die Heinz-Nixdorf-Stiftung etwa mahnt eine „Kontrolle der Kontrolleure“ an. Die Studierenden-Vertretungen beklagen die Besetzungen der Posten nach Gutsherrenart ohne demokratische Legitimation, und die SPD-Politikerin Annette Fugmann-Heesing stört sich an den Berufungen auf Lebenszeit und tritt für die Möglichkeit von Abwahlen ein.

Kritik an Wenning-Artikel
In der Financial Times Deutschland hatte BAYER-Chef Werner Wenning kurz vor seiner Verabschiedung mal wieder das Klagelied über die bundesdeutsche Energie-Politik angestimmt, die angeblich wegen ihrer ökologischen Ausrichtung zu unerträglich hohen Strompreisen und anderen Belastungen für die Industrie führe. Dafür handelte er sich im Internet einige bissige Kommentare ein. „Aus hohen Strompreisen für Privathaushalte kann noch lange keine ungebührliche Belastung der deutschen Industrie abgelesen werden. Die von Wenning genannten Steuern entsprächen in ihrer Höhe noch längst nicht den gesamten externen Kosten der konventionellen Stromerzeugung. Diese externen Kosten tauchen zwar nicht im Strompreis auf, das heißt jedoch nicht. dass sie nicht bezahlt werden müssen. Die Renovierungskosten von Asse trägt der Steuerzahler, die Bergschäden im Ruhrgebiet die Eigenheimbesitzer, die Gesundheitsschäden die Bevölkerung in den Uran- und Ölförderländern etc.“, schrieb ein Leser. Und ein weiterer riet Wenning: „Die Deutsche Industrie hatte lange genug Zeit, sich auf neue Zeiten einzustellen. Sie hat es nur nicht ernsthaft versucht, dafür sollten Sie sich schämen und schnell umdenken, statt durch diese peinliche Kampagne für Atomkraft zu kämpfen“.

Resolution gegen Genreis verabschiedet
Im Jahr 2006 war gentechnisch veränderter Langkorn-Reis von BAYER weltweit in Supermärkten aufgetaucht, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch nirgendwo eine Zulassung vorlag. Damit verursachte der Leverkusener Multi den größten Gen-Gau der Nuller-Jahre. Trotzdem hat der Multi seinen Antrag auf eine Importzulassung von Genreis der Sorte „LL62“ bei der EU noch nicht zurückgezogen. Genau dazu hat ihn jetzt eine von GREENPEACE in Italien organisierte Konferenz aufgefordert.

KAPITAL & ARBEIT

BAYER streicht 4.500 Stellen
„Ich will für BAYER noch mehr Investition und weniger Administration. Wir können noch schneller und schlanker werden“, sagte der neue BAYER-Chef Marijn Dekkers bei der Vorstellung der Geschäftszahlen für das dritte Quartal trotz einer Umsatzsteigerung von 16,1 Prozent auf 8,6 Milliarden. Über die Konsequenzen war er sich noch nicht im Klaren: „Ob dadurch wirklich Arbeitsplätze betroffen sind, kann ich jetzt noch nicht sagen“. Zwei Wochen später wusste er es. Da kündigte der Leverkusener Multi den Abbau von 4.500 Stellen an den alten Standorten und den Aufbau von 2.500 in den Schwellenländern an. Allein 1.700 Jobs fallen in der Bundesrepublik weg. Bei der IT-Abteilung BAYER BUSINESS SERVICES (BBS) stehen 900 Arbeitsplätze zur Disposition. Von der Maßnahme betroffen sind 490 Festangestellte und 406 Arbeitskräfte mit Werks- oder Zeitarbeitsverträgen. Einen Teil der Jobs dürfte der Multi nach Indien verlagern, wo die BBS bereits einen Ableger mit 300 bis 400 Beschäftigten unterhält - laut BBS-Sprecher Oliver Günther die „verlängerte Werkbank“. Mit diesem Sparprogramm für die Service-Gesellschaften bricht der Konzern die 2007 im Tarifvertrag gemachten Zusagen zur Arbeitsplatz-Sicherung, welche die Belegschaftsangehörigen damals mit einem Lohnverzicht in Höhe von 3,3 Prozent teuer erkauft hatten. Bei BAYER HEALTH CARE streicht der Konzern 700 Stellen, bei BAYER CROPSCIENCE 300. Die Kunststoff-Sparte, um die es immer wieder Verkaufsgerüchte gibt, bleibt dagegen weitgehend verschont. Der Betriebsrat kritisierte das Sparprogramm zwar, ändert aber seinen sozialpartnerschaftlichen Kurs nicht und bietet Hilfe bei der Abwicklung an. „Das ist ein erheblicher Personalabbau mit einschneidenden Veränderungen. Wir Arbeitnehmer-Vertreter werden nun intensive Gespräche mit der Unternehmensleitung führen, um die Notwendigkeit, den Umfang, mögliche Alternativen und die Umsetzung der geplanten Veränderungen zu beraten, damit sozialverträgliche Lösungen gefunden werden können“, sagte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Thomas de Win. Die nordrhein-westfälische Landesregierung will den Kahlschlag hingegen nicht so einfach hinnehmen. Angesichts von 5,5 Millionen Euro, die BAYER im Zuge der Wirtschaftskrise aus dem Konjunktur-Paket erhalten hat, verlangte NRW-Wirtschaftsminister Harry Voigtsberger (SPD) von BAYER, Verantwortung für die Beschäftigten zu übernehmen. Diese Mittel hätten nichts mit der Krisen-Bewältigung zu tun gehabt, kommentierte Konzern-Sprecher Günter Forneck laut Süddeutscher Zeitung die Vorwürfe. Zu dem von Voigtsberger vorgeschlagenen Spitzentreffen erklärte der Global Player sich jedoch bereit: „Es wäre ein Novum, wenn wir ein Gesprächsangebot der Politik nicht annähmen“.

Arbeitsplatzvernichtung in Berkeley
BAYER vernichtet am US-amerikanischen Standort Berkeley 39 Arbeitsplätze; dabei verlieren zum überwiegenden Teil GewerkschaftlerInnen ihren Job (siehe auch SWB 1/11). Donal Mahon von der INTERNATIONAL LONGSHORE AND WAREHOUSE UNION (ILWU) kritisierte die Maßnahme scharf: „BAYER hatte im vergangenen Jahr zugesichert, etwaige Entlassungen 45 Tage vorher anzukündigen. Tatsächlich waren es jetzt nur zwei Tage, und es waren doppelt so viele Entlassungen, wie zuvor besprochen. Für den Fall, dass wir ein Schiedsgericht einschalten, hat uns das Unternehmen den Abbau weiterer Arbeitsplätze angedroht“. Aber die ILWU ließ sich nicht einschüchtern und organisierte eine Protest-Aktion, an der 150 Belegschaftsangehörige teilnahmen.

Sprachlehrer prekär beschäftigt
In SWB 4/09 klagten zwei Sprachlehrer über die schlechte Bezahlung und die miesen Arbeitsbedingungen bei BAYER. Daran hat sich offensichtlich nichts geändert. Erneut erreichten die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN Informationen über unter dem Branchen-Durchschnitt liegende, seit Jahre nicht angehobene Honorare und erst nach sechs Wochen bezahlte Rechnungen.

MCKINSEY bei BAYER CROPSCIENCE
BAYERs Landwirtschaftssparte machte 2009 einen Umsatz von 6,5 Milliarden Euro. In diesem Jahr allerdings ist laut Konzern „ein erheblicher Rückgang zu erwarten“. Deshalb schickte er den Beschäftigten die UnternehmensberaterInnen von MCKINSEY ins Haus. Ob diese sich mit der von BAYER-Chef Marijn Dekkers angekündigten Vernichtung von 300 Arbeitsplätzen in der Sparte zufriedengeben, wird die nahe Zukunft zeigen.

Zühlke neuer Betriebsratsvorsitzender
Thomas de Win hat angekündigt, sein Amt als Betriebsratsvorsitzender des Leverkusener BAYER-Werkes niederzugelegen, um sich mehr auf seine Aufgaben als Gesamtbetriebsratschef konzentrieren zu können, wie er gegenüber der Presse erklärte. Seine Position übernimmt Oliver Zühlke.

318 Männer in Elternzeit
Der Leverkusener Multi macht es anscheinend Männern, die Elternzeit nehmen wollen, nicht mehr so schwer wie früher. Noch vor vier Jahren beschied das Unternehmen einem Beschäftigten, der einen entsprechenden Antrag stellte, er bräuchte anschließend gar nicht mehr wiederzukommen (Ticker 2/06). Der Mann blieb trotzdem bei seinem Entschluss und versuchte nach Ablauf der Zeit beim Konzern als Teilzeitler sein Glück. Das verwehrte ihm allerdings die Personalabteilung. Vollzeit oder gar nicht - vor diese Alternative stellte ihn der Pharma-Riese. Inzwischen machen nach Unternehmensangaben 318 Belegschaftsangehörige von dem Angebot Gebrauch. Allerdings beträgt die Auszeit von Vätern in den Betrieben nach einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung oft nur zwei Monate.

Betriebsausflug nach Taipei
BAYERs Pharma-Abteilung veranstaltet alljährlich für Beschäftigte einer Region eine Konferenz, um die interne Konkurrenz durch Auszeichnungen anzuheizen und die Belegschaft auf neue Aufgaben einzuschwören. Dieses Mal waren die 2.700 chinesischen Betriebsangehörigen dran. Ende Januar 2010 zog der Leverkusener Multi sie für eine Woche im taiwanesischen Taipei zusammen.

ERSTE & DRITTE WELT

BAYER‘S TONIC mit Warnhinweis
In den Ländern des Südens sind die Menschen oftmals nicht in der Lage, sich ÄrztInnen zu leisten. Die Pharma-Riesen haben sich darauf eingestellt und bieten Arzneien mit einem so umfassenden wie diffusen Wirkprofil an. So bewirbt der Leverkusener Multi BAYER‘S TONIC als Stärkungsmittel. Wie allerdings eine Mischung aus Leber-Extrakt, Hefe, Natriumphosphat und Alkohol stärken soll, bleibt BAYERs Geheimnis. Offenbar sind hingegen die Gefahren. So kann die Einnahme des Tonikums wegen seines Alkohol-Gehaltes bei kleinen Kindern zu Leberzirrhosen führen. Die BUKO-PHARMA-KAMPAGNE forderte deshalb vom Konzern, einen entsprechenden Warnhinweis auf der Flasche anzubringen. Aber erst nach einem zähen Ringen erklärte sich das Unternehmen dazu bereit.

Kinderarbeit-Kampagne erfolgreich
Seit mehr als sieben Jahren kämpft die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gegen Kinderarbeit bei den Zulieferern von BAYERs indischer Saatgut-Tochter PROAGRO. Bis zu 2.000 Minderjährige arbeiteten dem Unternehmen schon zu. Dank der Kampagne sank die Zahl bis 2007 auf 300. Ein neuer Bericht für die abgelaufene Pflanz-Saison konstatiert nun wiederum einen erheblichen Rückgang der Zahlen. Nach Einschätzung der CBG-Kooperationspartner vor Ort war dieser Erfolg nur durch Druck von außen zu erreichen. In Indien war das Problem seit langem bekannt, aber erst die Schlagzeilen in der Bundesrepublik und den USA brachten BAYER zum Einlenken, so die AktivistInnen. Die erfolgreiche Zusammenarbeit von Gruppen aus vier Ländern bezeichneten sie als ein gelungenes Beispiel einer „Globalisierung von unten“. Davon will der Agro-Multi natürlich nichts wissen. Er behauptet, die Reduzierung der Kinderarbeit „ohne jeglichen öffentlichen Druck“ vorgenommen zu haben.

POLITIK & EINFLUSS

Gesundheits„reform“ noch kränker
Erwartungsgemäß gelang es BAYER & Co., bei der Gesundheits„reform“ von CDU und FDP bis zu ihrer endgültigen Verabschiedung noch einige „Nachbesserungen“ zu erreichen. So kommt jetzt zu dem beschleunigten Ausstieg aus der paritätischen Finanzierung von Gesundheitsleistungen noch eine weitere Aufweichung der Kriterien für die neu eingeführte Kosten/Nutzen-Bewertung von Arzneien dazu. „Der Beschluss über die Nutzen-Bewertung darf nicht der Feststellung der Zulassungsbehörde widersprechen“, formulierte die Kanzlei CLIFFORD CHANCE, die der von BAYER gegründete „Verband der Forschenden Pharma-Hersteller“ (VFA) angeheuert hatte. Der Gesetzgeber übernahm den Text fast wortwörtlich. Die zuständigen Stellen dürften den „medizinischen Nutzen eines Arzneimittels nicht abweichend von der Beurteilung der Zulassungsbehörde bewerten“, variierte die Regierungskoalition die Vorlage. Zudem setzten die Pharma-Riesen eine Umkehr der Beweislast durch. Hatten sie ursprünglich den Nachweis eines Nutzens zu dokumentieren, so müssen die Behörden jetzt Belege für die „Unzweckmäßigkeit“ einer Arznei erbringen, was in der Praxis auf einige Schwierigkeiten stößt. Darüber hinaus sind Medikamente für seltene Krankheiten von dieser Prozedur befreit, wobei praktischerweise auch Mittel gegen so seltene Krankheiten wie Krebs unter einen solchen Exoten-Status fallen, wenn sie ein bestimmtes Umsatzvolumen nicht überschreiten. Und schließlich beschnitten die Pillen-Konzerne noch die Macht der Krankenkassen bei den Verhandlungen zu den Rabattverträgen. „Man hat den Eindruck, dass Lobbyverbände viel erreicht haben“, lautet deshalb das Fazit von Wolf-Dieter Ludwig, dem Vorsitzenden der „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“.

BAYER finanziert Obama-GegnerInnen
Bei den jüngsten Wahlen zum US-Kongress investierte BAYER 108.100 Dollar an Wahlkampf-Spenden in republikanische und demokratische KandidatInnen, die den Klimawandel in Abrede stellen oder sich gegen Barack Obamas Klimaschutz-Politik aussprechen (siehe auch SWB 1/11). Und der Konzern erreichte sein Ziel. Die Mehrheitsverhältnisse änderten sich, womit der „American Clean Energy and Security Act“ des US-Präsidenten vorerst auf dem Müllhaufen der Geschichte landete.

Lobbyismus als Dienstleistung
In wichtigen Hauptstädten wie Berlin, Brüssel, Washington und Peking unterhält der Leverkusener Multi mittlerweile so genannte Verbindungsbüros. „Wir bei BAYER verstehen uns als Bestandteil der Gesellschaft und sehen es daher als unsere Pflicht, uns in die gesetzgeberischen Entscheidungsprozesse einzubringen“, sagte der einstige Vorstandsvorsitzende Werner Wenning zur Begründung. Und die oberste Einbringerin in Berlin, Patricia Solaro, betrachtet sich nicht als schnöde Lobbyistin; ihrem Verständnis nach hat sie eine Service-Funktion. „Wir sind Dienstleister für die Politiker, das bedeutet, wir müssen komplexe Sachverhalte aus den Bereichen ‚Pharma‘, ‚Gesundheit‘ und ‚Chemie‘ verständlich darstellen“. Im Moment gibt die Dame den Abgeordneten Nachhilfe in „steuerlicher Forschungsförderung“ (s. u.), „Bildungsförderung“ und „Ordnungspolitik“.

LobbyistInnen bei der EFSA
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA, die unter anderem für die Zulassung von Gen-Pflanzen zuständig ist, steht seit langem in dem Ruf, allzu industrie-freundlich zu sein. Das bestätigte sich im Herbst 2010 noch einmal. Da kam nämlich heraus, dass die EFSA-Verwaltungsratschefin Diána Bánáti auch für das „International Life Science Institute“ (ILSI) tätig ist, das - finanziert unter anderem von BAYER, MONSANTO und COCA COLA - regelmäßig Entlastungsstudien zu Gen- und Nanotechnik sowie zu anderen umstrittenen Praktiken anfertigt. Der bekannte Gentechnik-Gegner und EU-Parlamentarier José Bové forderte die Behörde nach Bekanntwerden des Skandals auf, alle in der Amtszeit von Bánáti gefällten Genehmigungsentscheidungen zu widerrufen. Bánáti blieb nichts anderes übrig, als ihre ILSI-Ämter niederzulegen. Aber der Einfluss des Instituts auf die EFSA besteht trotzdem fort. Es ist im Verwaltungsrat noch durch Milan Kovac vertreten, in der Pestizid-Abteilung durch Raymon Boobis und im Bisphenol-A-Gremium durch Laurence Castle.

Merkel bei BAYER
Während ihrer USA-Reise im April 2010 besuchte Angela Merkel auch die BAYER-Niederlassung im kalifornischen Berkeley. Mit dem Pharma-Vorstand Wolfgang Plischke besichtigte sie die Anlagen zur Produktion des Blutpräparates KOGENATE und zeigte sich laut Konzern-Postille direkt „ebenso wie ihre Delegation sehr beeindruckt von den Hightech-Herstellungsverfahren“. Aber solche „Innovationen“ kommen nach Ansicht des Unternehmens nicht von ungefähr. „Hierbei spielen gute Rahmenbedingungen eine entscheidende Rolle“, erläuterte Plischke der Bundeskanzlerin und führte als Beispiel die von der US-Regierung eingeräumten Steuer-Vorteile für Forschungsaufwändungen an, für die sich der Multi auch hierzulande mit aller Kraft einsetzt. In Berkeley selber spricht der Multi freilich nicht von guten Rahmenbedingungen. Da macht er anderswo bessere aus und setzt die Stadt damit unter Druck (siehe auch SWB 1/11)

Thailändischer Minister bei BAYER
Ende Juli 2010 besuchte der thailändische Industrieminister Chaiwuti Bannawat die BAYER-Zentrale in Leverkusen. Er besichtigte die Sicherheitszentrale und das Entsorgungszentrum Bürrig. Zudem traf er mit Günter Hilgen zusammen, dem Hauptverantwortlichen für das weltweite Polycarbonat-Geschäft des Multis. Bei dem Gespräch dürfte es auch um die Lage im Industriegebiet Map Ta Phut gegangen sein, wo der Konzern eine Anlage betreibt. Wegen der starken Umweltbelastung hatte ein Gericht dort Ende 2009 einen Baustopp für 70 Produktionsstätten, darunter zwei von BAYER, verhängt. Die Regierung lockerte ihn jedoch sukzessive, bis im Oktober 2010 auf der Roten Liste nur noch zwei Projekte übrig blieben.

FDP-Politikerin besucht CURRENTA
Die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Ulrike Flach hat CURRENTA, das Gemeinschaftsunternehmen von BAYER und seiner Chemie-Abspaltung LANXESS, einen Besuch abgestattet und dabei dem Chemie„park“-Betreiber liberalen Beistand versichert. „Um die Zukunft unserer Chempark-Standorte zu sichern, sind stabile politische Rahmenbedingungen ebenso unabdingbar wie faire Wettbewerbsbedingungen“, so Flach.

Voigtsberger bei BAYER
Der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Harry Voigtsberger (SPD) gratulierte BAYER zum 50. Geburtstag des Bergkamener Werkes und sprach auf dem Jubiläumsempfang ein Grußwort.

Wirtschaftsrat vs. Klimaschutz
Der Wirtschaftsrat der Christdemokraten, bei dem der BAYER-Manager Wolfgang Große Entrup das Umweltressort betreut, hat im Vorfeld des CDU-Parteitages im November 2010 neben massiven Kürzungen im Sozialbereich auch eine Revision der Klima-Politik angemahnt. „Die industrielle Basis darf durch steigende Stromkosten sowie Mehrfachbelastungen bei der Ökosteuer und im Emissionshandel nicht zerstört werden“, hält der Rat fest. Angesichts eines angeblich marginalen Anteils der Bundesrepublik am klima-zerstörenden Kohlendioxid-Ausstoß möchte er den Ausbau der Erneuerbaren Energien stoppen. Zudem bekennen sich Große Entrup & Co. zu der Verlängerung der AKW-Laufzeiten und fordern ganz allgemein einen Paradigmenwechsel: „Die Wirtschaftlichkeit des Energiesystems muss wieder oberste Priorität haben“.

VCI-Wahlkampfspenden: 170.000 Euro
Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) hat von 2002 bis 2010 Wahlkampf-Spenden in Höhe von 170.000 Euro geleistet. Dabei ging der Lobby-Club von BAYER & Co. selektiv vor und bedachte nur CDU und FDP; die Christdemokraten erhielten 100.000 Euro und die Liberalen 70.000 Euro.

PROPAGANDA & MEDIEN

Beschwerde beim Kölner Stadtanzeiger
Im letzten Jahr hatte ein Journalist die Aktivitäten der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN während der BAYER-Hauptsammlung für das Video-Portal des Kölner Stadtanzeigers gefilmt. Das passte dem Leverkusener Multi nicht. Er schrieb einen Beschwerde-Brief an die Chefredaktion. Die Zeitung ließ sich aber ebenso wenig einschüchtern wie der Filmemacher, der dem Konzern antwortete, er suche sich seine Themen immer noch selber aus.

BAYER sponsert Weltverhütungstag
„Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar“, sagte einst der ehemalige US-Präsident Lyndon B. Johnson über seine Vorstellung von „Entwicklungshilfe“. Zur Freude des Leverkusener Multis erfreut sich diese Ansicht auch heute noch großer Beliebtheit, die „gigantischen Fruchtbarkeitsmärkte“ in den armen Ländern versprechen nämlich gute Absatzchancen für die Verhütungsmittel des Konzerns. Um die Geschäftsaussichten für YASMIN & Co. noch ein wenig zu verbessern, beteiligt er sich auch 2010 wieder am Weltverhütungstag. Dieses Mal legt die Reklame-Veranstaltung den Schwerpunkt auf ungewollte Schwangerschaften von Jugendlichen infolge ihrer Sexualpraktiken. „Der am häufigsten genannte Grund für ungeschützten Geschlechtsverkehr ist die fehlende Verfügbarkeit von Verhütungsmitteln“, hält die „Deutsche Stiftung Weltbevölkerung“ zum von ihr mitausgerichteten Weltverhütungstag fest und rührt damit die Werbetrommel für einen ihrer Hauptsponsoren. BAYER hat die Stiftung im Jahr 2009 nämlich mit einer Spende von über 10.000 Euro bedacht.

BAYER spendet an „Die Arche“
BAYERs BEPANTHEN-Kinderförderung unterstützt seit längerem das Kinder- und Jugendwerk „Die Arche“, das dem evangelikalen Verband „Deutsche Evangelische Allianz“ angehört, und investiert damit in das SozialarbeiterInnen-Image des Konzerns. Dieses Jahr dachte sich der Leverkusener Multi allerdings eine besonders lukrative Win/Win-Situation aus. Er vermittelte seinen KundInnen die Illusion, beim Kauf von BEPANTHEN Gutes zu tun und honorierte die Rückgabe einer leeren und den Erwerb einer neuen Packung der Wundsalbe mit einem Euro für „Die Arche“. 45.000 Euro kamen so zusammen.

BAYERs Standort-Kampagne
Der Pharma-Riese spielt seinem Stammsitz Leverkusen seit längerer Zeit übel mit. Das Werk schrumpft und schrumpft und damit auch die Zahl der Arbeitsplätze, die Gewerbesteuer fließt nur noch spärlich und die vielbeschworene BAYER-Familie wird dysfunktionaler und dysfunktionaler. Deshalb hatte der Multi im letzten Jahr unter dem Motto „Leverkusen und BAYER. Ein starkes Team“ eine Image-Kampagne mit Anzeigen, lokaler Internet-Seite und mehreren Wettbewerben begonnen. Einer von ihnen forderte SchülerInnen auf, sich zu „Leverkusen begeistert“ etwas einfallen zu lassen. 60 Kinder und Jugendliche fühlten sich angesprochen und fertigten Arbeiten an, die das Unternehmen dann der Öffentlichkeit präsentierte. Auch die Kooperation mit der Rheinischen Post läuft weiter. Nach einem Leverkusen-Quiz veranstaltete der Global Player mit seinem „Medienpartner“ im Juni eine Stadtrallye für Schulklassen; als Hauptgewinn winkte eine Unterrichtsstunde mit Armin Maiwald von Der Sendung mit der Maus.

BAYER zeigt Ausstellung
Der Leverkusener Multi kooperiert mit dem UN-Umweltprogramm UNEP, um seine jährlich acht Millionen Tonnen CO2-Ausstoß und andere Missetaten vergessen zu lassen. Eine Frucht dieses Greenwashings stellt ein Kinder-Malwettwerb zum Thema „Klimawandel“ dar. Die prämierten Arbeiten präsentierte der Multi während des Junis 2010 in der Hagener Stadtsparkasse.

Klima-Preis an Peter Lemke
BAYER hat im Geschäftsjahr 2009 die Wenigkeit von acht Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Luft geblasen und fühlt sich trotzdem berufen, Klima-Preise zu verleihen. Den diesjährigen „BAYER Climate Award“ erhielt Peter Lemke vom Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut für seine Forschungen zu den Auswirkungen der Erderwärmung auf die Polkappen.

TIERE & VERSUCHE

Kontrollierter Versuchstier-Anbau
171.251 Versuchstiere fanden 2009 den Weg in die BAYER-Labore, davon über 1.000 Hunde, Katzen und Affen. Dabei betont der Konzern aber, wie sorgsam er seine Kandidaten aussucht. So kommen die Hunde nur von speziellen, streng kontrollierten ZüchterInnen. Und wenn sie die Tests überleben, verschenkt der Leverkusener Multi sie sogar. Da kann man ja fast schon von Tierliebe sprechen!

Tierquälereien bei PLRS
Nach Recherchen der Tierrechtsorganisation PETA kommt es beim US-amerikanischen Tierversuchsunternehmen PROFESSIONAL LABORATORY AND RESEARCH SERVICES (PLRS), bei dem BAYER Floh- und Zeckenmittel wie ADVANTAGE testen lässt, zu Tierquälereien in großem Ausmaß. Die Beschäftigten zerren Kaninchen an Ohren, reißen Hundewelpen an der Kehle hoch und schleudern Katzen in ihre Käfige. Eine tierärztliche Versorgung findet ebenfalls nicht statt. „Das Leben der Tiere bei PLRS ist ein Alptraum. Kein Hunde- oder Katzenhalter kann akzeptieren, dass Hunde und Katzen so schrecklich gequält werden. Die Verantwortlichen in den Pharma-Konzernen müssen unverzüglich reagieren“, fordert Christine Esch von PETA deshalb.

DRUGS & PILLS

Noch mehr YAZ & Co.
Trotz zahlreicher Todesfälle und starker Nebenwirkungen setzt BAYER weiter auf Kontrazeptiva aus der YASMIN-Familie. Weil für die Präparate der Patentschutz ausläuft, entwickelt der Leverkusener Multi fieberhaft Varianten mit geringfügigen Abweichungen. So hat er in den USA für BEYAZ die Zulassung erhalten, das zusätzlich zu den YAZ-Wirkstoffen noch Vitamin B enthält, um einer angeblichen Unterversorgung bei späteren Schwangerschaften und daraus resultierenden Geburtsfehlern vorzubeugen.

VALETTEs Thrombose-Risiko
BAYER hat eine Untersuchung in Auftrag gegeben, die das Thromboembolie-Risiko des Verhütungsmittels VALETTE im Vergleich zu demjenigen von Levonorgestrel-haltigen Pillen bestimmen sollte. Wenn es weniger als doppelt so viel Thromboembolie-Fälle unter dem Dienogest-haltigen VALETTE wie unter den anderen Mitteln gibt, dann wollte das Studien-Design von einer „Nichtunterlegenheit“ sprechen. Dieses Kriterium erreichte das Kontrazeptivum mit einem Wert von 1,8 knapp. Das industrie-unabhängige arznei-telegramm beurteilt das Ergebnis deshalb skeptisch. „Die Unbedenklichkeit der Dienogest-haltigen Kombination ist unseres Erachtens dennoch nicht belegt: Der obere Wert des Vertrauensbereichs von 1,8 bedeutet, dass das Risiko venöser thromboembolischer Ereignisse unter Dienogest bis zu 80 % höher sein kann als unter Levonorgestrel – für die Annahme von Nichtunterlegenheit inakzeptabel hoch“, schreibt das Fachorgan. Zudem zieht es die Seriösität des mit der Studie beauftragten ZEG Berlin in Zweifel, da ein ehemaliger SCHERING-Beschäftigter dieses leitet und es regelmäßig durch für die Pharma-Riesen günstige Bewertungen auffällt. „Solange unabhängige Studien fehlen, raten wir von Dienogest-haltigen Kontrazeptiva ab“, lautet aus diesem Grund das Resümee des arznei-telegramms.

LEVITRA als Schmelztablette
BAYERs Potenzpille gibt es jetzt auch als Schmelztablette. Im Juni 2010 haben die US-amerikanischen Behörden die neue Version namens STAXYN zugelassen. Aber auch ein zarter Schmelz kann nicht verhindern, dass das Mittel zahlreiche Nebenwirkungen hat. Temporärer Gedächtnisverlust, zeitweilige oder dauerhafte Hörschäden, Sehstörungen bis zum Sehverlust, Schwindel, Höhenangst, Kopfschmerzen, Nasenschleimhaut-Entzündungen, Grippe-Symptome sowie Gesichtsrötungen zählen dazu.

LEVITRA mit Pfefferminz-Geschmack
Damit die Potenz-Pille LEVITRA auch nach Lifestyle-Präparat schmeckt und nicht mehr nach Arznei, hat der Leverkusener Multi sie mit einem Pfefferminz-Aroma aus seinem reichhaltigen Chemiebaukasten versehen. Die Risiken und Nebenwirkungen bleiben allerdings bestehen. Temporärer Gedächtnisverlust, zeitweilige oder dauerhafte Hörschäden, Sehstörungen bis zum Sehverlust, Schwindel, Höhenangst, Kopfschmerzen, Nasenschleimhaut-Entzündungen, Grippe-Symptome und Gesichtsrötungen zählen dazu.

ALPHARADIN bei Prostata-Krebs?
BAYER erprobt gerade in der dritten und letzten Test-Phase ein neues Präparat zur Behandlung von Prostata-Krebs. Wie andere zur Zeit noch getestete Präparate (siehe GENE & KLONE) und das bereits auf dem Markt befindliche NEXAVAR ist der Einsatz von ALPHARADIN jedoch nur bei PatientInnen vorgesehen, bei denen andere Therapien versagt haben. Erst wenn bei dem Prostata-Kranken eine Hormon-Behandlung erfolglos geblieben ist und sich zudem noch Metastasen im Knochen gebildet haben, sollen die MedizinerInnen später einmal das von RadiologInnen entwickelte ALPHARADIN verschreiben dürfen, um mittels Alpha-Strahlen das Tumor-Wachstum zu hemmen.

Herzinfarkt durch NEBIDO & Co.
Vor einiger Zeit hat BAYER die Krankheit „Testosteron-Mangel“ erfunden, um für Testosteron-Präparate wie NEBIDO und TESTOGEL das neue Geschäftsfeld „Männergesundheit“ zu etablieren. Eine neue Untersuchung, aus den USA warnt jedoch vor den Mitteln. Die WissenschaftlerInnen mussten die Studie sogar abbrechen, weil es unter den ProbandInnen der Testosterongruppe vermehrt zu kardiovaskulären Ereignissen, darunter ein tödlicher Herzinfarkt, gekommen war (siehe SWB 1/11).

Kein MAGNEVIST für Nierenkranke
BAYERs Röntgen-Kontrastmittel MAGNEVIST enthält das chemische Element Gadolinium, das bei vielen Nierenkranken eine Fibrose auslöst. In Einzelfällen führte dieses unkontrollierte Wachstum des Bindegewebes sogar zum Tod der PatientInnen. Deshalb sieht sich der Leverkusener Multi bereits mit über 300 Klagen von Opfern oder deren Angehörigen konfrontiert. Die US-Gesundheitsbehörde FDA sah sich zu einer Reaktion gezwungen. Sie untersagte die Verwendung von MAGNEVIST bei Personen mit Nierenstörungen.

Arznei gegen Makula-Degeneration?
BAYER entwickelt eine Arznei gegen die Makula-Degeneration. Bei dieser Krankheit bilden sich am Auge Gefäß-Wucherungen, die auf die Netzhaut drücken und zur Erblindung führen können. Mit dem neuen Wirkstoff „VEGF Trap Eye“ will der Leverkusener Multi das Wachstum des Gewebes hemmen. Auch bei der speziellen Art der Makula-Degeneration, wie sie manche DiabetikerInnen erleiden, soll das Mittel zum Einsatz kommen.

BAYER unterstützt Parkinson-Verband
BAYER gehört zu den 16 Pharma-Unternehmen, welche die „Deutsche Parkinson-Vereinigung“ sponsern. Damit erschließt sich der Leverkusener Multi schon mal den KundInnenkreis für die Parkinson-Arzneien, an denen er gerade forscht.

Pillen-Preise: plus 4,8 Prozent
Und immer wieder steigen die Pillen-Preise. 2009 haben die Krankenkassen 32,4 Milliarden Euro für Arzneien aufwenden müssen - 4,8 Prozent mehr als 2008. In anderen europäischen Ländern liegen die Kosten längst nicht so hoch. So zahlen Frauen in der Bundesrepublik für BAYERs umstrittenes Verhütungsmittel YASMIN (siehe auch RECHT & UNBILLIG) pro Dreimonatspackung 39,40 Euro, in England aber nur 16,80 Euro. ASPIRIN schlägt hierzulande mit 20 Cent pro Tablette zu Buche, in Russland mit 15, in der Tschechoslowakei mit 14, in Griechenland mit 3 und in England mit 2 Cent. „Preissubventionen von 9,4 Milliarden Euro für die Pharma-Industrie sind weder ökonomisch noch gesundheitspolitisch vertretbar“, kommentierte der Heidelberger Pharmakologe Ulrich Schwabe die Preis-Unterschiede.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Pestizide in Strauchbeeren
GREENPEACE hat die Pestizid-Belastung von Strauchbeeren untersucht. Während die Ackergift-Rückstände in Himbeeren zurückgingen, nahmen sie in Johannisbeeren zu. Agrochemikalien made by BAYER fanden sich in beiden Beeren-Arten. In Himbeeren wiesen die ForscherInnen Tebuconazole (Produktname: FOLICUR) und Thiacloprid (CALIPSO, PROTEUS) nach, die beide wegen ihrer Gefährlichkeit EU-weit keine neue Zulassung mehr erhalten, und in Johannisbeeren mit Tolylfluanid (EUPAREN) zusätzlich noch ein weiteres Auslaufmodell sowie Trifloxystrobin (NATIVO, CORONET). Dabei überschritt zwar kein einziger der 20 aufgespürten Wirkstoffe die zulässigen Höchstwerte, aber die Masse macht‘s. „Es ist ein gängiger Trick: Um die gesetzlichen Grenzwerte für die einzelnen Pestizide einzuhalten, spritzen die Produzenten ihr Obst mit einem Cocktail aus vielen verschiedenen Pestiziden“, kritisierte der GREENPEACE-Experte Manfred Santen.

K-OBIOL für Getreidelager
Nicht nur auf den Feldern kommt Weizen, Gerste & Co. mit Pestiziden in Berührung, sondern auch bei der Lagerung. So bietet BAYER für die Getreide-Kammern das Insektizid K-OBIOL mit den Wirkstoffen Deltamethrin und Piperonylbutoxid an. „Dies ist das einzige in Deutschland zugelassene Produkt für die Spritz-Applikation in Leerräumen“, wirbt der Konzern und preist den Effekt der Agro-Chemikalie auf Getreidemotten, Getreidekapuziner, Kornkäfer und Reismehlkäfer.

Pestizid-Gefahr: Keine Besserung
BAYER & Co. betonen bei jeder Gelegenheit die Unbedenklichkeit ihrer Pestizide und legen dar, mit wieviel Mühe sie gerade in Ländern des Südens über die richtige Handhabung ihrer Produkte informieren, um etwaige Gesundheitsschädigungen zu vermeiden. Der neue Bericht „Communities in peril“, den das PESTIZID-AKTIONS-NETZWERK (PAN) herausgegeben hat, kann jedoch keine Erfolge verzeichnen: Nach wie vor kommt es zu zahllosen Vergiftungen. „Die Ergebnisse des Monitoring wiederlegen die von den Pestizid-Herstellern gemachten Aussagen zur „sicheren Anwendung‘ von Pestiziden. Die Daten zeigen, dass die Pestizid-Anwendungsbedingungen in den Ländern des globalen Südens dazu führen, dass Menschen regelmäßig Schaden erleiden“, konstatierte Dr. Abou Thiam von der afrikanischen PAN-Sektion.

GENE & KLONE

Bald mehr Zulassungen?
Die EU will es künftig ihren Mitgliedsstaaten überlassen, Genpflanzen zu genehmigen. Und Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) plant, den Stab gleich weiterzugeben und die einzelnen Bundesländer entscheiden zu lassen. Sie weiß nämlich um die zahlreichen Gentech-GegnerInnen in ihrer bayerischen Heimat und möchte ihre StammwählerInnen nicht vergraulen. BeobachterInnen rechnen durch die neuen Regelungen mit mehr Zulassungen für die Laborfrüchte.

Neue Stammzell-Fabrik
In Nordrhein-Westfalen entsteht mit staatlichen Subventionen eine Fabrik zur Produktion von „Induzierten Pluripotenten Stammzellen“ (IPS). Diese Stammzellen, die hauptsächlich zur Erprobung von Medikamenten dienen sollen, erzeugen ForscherInnen durch eine „Rückprogrammierung“ normaler Körperzellen, sie gewinnen sie also nicht durch das Abtöten von Embryos. Für den Bau der Anlage ist BAYER TECHNOLOGY SERVICES zuständig. Betreiben wird sie die LIFE AND BRAIN GmbH des an der Universität Bonn lehrenden, berühmt-berüchtigten Genforschers Dr. Oliver Brüstle. Da der Leverkusener Multi selber Patente auf die Herstellung von IPS hält, dürfte eine spätere Zusammenarbeit auch auf medizinischem Gebiet nicht ausgeschlossen sein.

Kooperation mit ONCOMED
BAYER will die Forschungen von ONCOMED zu Krebs-Stammzellen nutzen und hat eine Kooperation mit dem kanadischen Unternehmen vereinbart. Die Partner planen, gemeinsam einen Stoff zu entwickeln, der die Arbeit von Krebs-Stammzellen hemmt und so Tumorzellen am Wachstum hindert. Theorie und Praxis liegen allerdings oft ziemlich weit auseinander. So gelingt es BAYERs ebenfalls in den Organismus von Krebszellen eingreifendes Krebsmittel NEXAVAR gerade einmal, das Leben der PatientInnen um zwei, drei Monate zu verlängern (SWB 4/10).

Regorafenib bei Darmkrebs?
BAYER testet ein neues Darmkrebs-Mittel. Die Substanz Regorafenib, welche die Blutzufuhr von Tumorzellen unterbinden und so ihr Wachstum hemmen soll, befindet sich in der dritten und letzten Phase der Klinischen Versuche. Er ist allerdings nur für einen Einsatz bei PatientInnen vorgesehen, bei denen die Standard-Therapien versagt haben und dürfte auch nicht lebensverlängernder wirken als das Konzern-Produkt NEXAVAR (s. o.).

Kein T25-Mais in Europa
Kurz nachdem ein brasilianisches Gericht die Anbau-Genehmigung für BAYERs Genmais „T25“ aus Sicherheitsgründen zurückgezogen hatte (siehe RECHT & UNBILLIG), erklärte das Unternehmen den Verzicht darauf, die Sorte in Europa zu vertreiben. Unter anderem begründete der Leverkusener Multi diesen Schritt damit, keine Genehmigung für die Ausbringung des in Kombination mit „T25“ vermarkteten Ultragifts Glufosinat auf Mais-Feldern zu haben.

Mehr Gentech, mehr Schadinsekten
Da hat die Gentechnik mal wieder ein Eigentor geschossen: Die mit dem giftigen Bacillus thuringiensis (Bt) bestückten Mais-Arten von MONSANTO, BAYER und anderen Anbietern haben in den USA die Bestände des Baumwollkapselbohrers empfindlich dezimiert und dadurch seinem Fraßkonkurrenten, dem Westlichen Bohnenschneider, zu neuer Blüte verholfen, was wiederum die Maispflanzen-Blüte empfindlich stört. Aber die Agro-Riesen wissen Abhilfe: Sie raten zu vermehrtem Insektizid-Einsatz oder zum Kauf von neuen, gleich mit mehreren Bt-Sorten bestückten Laborfrüchten.

Indien: Bt-Baumwolle lohnt nicht
Während in den USA die mit dem giftigen Bacillus thuringiensis (Bt) ausgestatteten Genpflanzen von MONSANTO, BAYER & Co. die Populationen des Baumwollkapselbohrers empfindlich treffen (s. o.), breiten sich in Indien erste Resistenz-Reaktionen unter den Insekten aus. Darum müssen die LandwirtInnen zusätzlich Pestizide einsetzen. Nach einer Studie von GREENPEACE greifen die InderInnen dabei mit am häufigsten zu Monocrotophos, einem Wirkstoff, den BAYER nach eigenen Angaben eigentlich wegen seiner Gefährlichkeit schon länger aus dem Angebot gestrichen haben will. Aber nicht nur wegen der Zusatz-Ausgaben für Agro-Chemikalien lohnt sich für die FarmerInnen der Anbau von Bt-Baumwolle nicht. Der Untersuchung zufolge müssen sie auch empfindlich mehr für das Saatgut bezahlen, ohne einen im Vergleich zu Bio-Bauern und -bäuerinnen höheren Ernte-Ertrag zu haben. Überdies können ihre Gen-Pflanzen nicht so gut Trockenheitsperioden trotzen wie die Bio-Produkte ihrer KollegInnen. Deshalb lautet das Fazit von GREENPEACE: „Zusammenfassend machen die Ergebnisse der Untersuchung deutlich, dass Bt-Baumwolle ein erhebliches finanzielles Risiko bedeutet für von Armut betroffene Kleinbauern, die Regenfeld-Anbau betreiben. Auf der anderen Seite stellt Bio-Baumwolle offensichtlich eine Option zur Reduzierung von Armut und der Verbesserung von Lebensbedingungen in ländlichen Gebieten dar.“

Kooperation mit DOW CHEMICAL
Schadinsekten gewöhnen sich zunehmend an die Pestizide, welche die Hersteller im Kombipack mit ihren gegen diese Wirkstoffe resistenten Genpflanzen verkaufen (s. o.). Deshalb gehen BAYER & Co. nach der Devise „Doppelt hält besser“ immer mehr dazu über, ihre Sorten gleich gegen mehrere Agrochemikalien immun zu machen und gewähren sich gegenseitig Zugriff auf ihre Technologien. Nach Lizenzabkommen mit MONSANTO, DUPONT und SYNGENTA hat der Leverkusener Multi jetzt einen Vertrag mit DOW AGRO SCIENCES geschlossen. Nach dieser Vereinbarung kann der Agro-Riese die DOW-Erfindung WIDESTRIKE nutzen, während das US-Unternehmen die Verfügungsrechte über die BAYER-Entwicklung GLYTOL erhält, die Genpflanzen resistent gegen das Herbizid Glyphosat macht.

Glyphosat schädigt Bodenorganismen
Der Pestizid-Wirkstoff Glyphosat, den BAYER & Co. im Kombi-Pack mit ihren gegen diese Substanz immun gemachten Genpflanzen verkaufen, kann Bodenorganismen schädigen. Das ergab eine wissenschaftliche Untersuchung, die das European Journal of Agronomy im Oktober 2009 veröffentlichte. So tötet die Substanz Bakterien ab, die den Boden mit Stickstoff versorgen und auf diese Weise zum guten Gedeihen der Ackerfrüchte beitragen.

PFLANZEN & SAATEN

Patente auf konventionelle Pflanzen
Nicht nur auf gen-manipulierte Ackerfrüchte, sondern auch auf mittels konventioneller Verfahren gezüchtete erheben die Konzerne Patentansprüche. 1.260 Mal hat das Europäische Patentamt diese bis Dezember 2009 schon anerkannt. BAYER bekam unter anderem ein Schutzrecht auf eine herbizid-resistente Mais-Art zugesprochen und will gerade Methoden zur Züchtung von Pflanzen zur Agrodiesel-Produktion als geistiges Eigentum schützen lassen.

WASSER, BODEN & LUFT

Bisphenol A belastet den Rhein
BAYER ist einer der größter Hersteller der Industrie-Chemikalie Bisphenol A, die unter anderem in Baby-Flaschen und Konservendosen Verwendung findet und zu Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen führen kann (siehe SWB 4/10). Zu allem Unglück verunreinigt die Substanz laut Bewirtschaftungsbericht des NRW-Umweltministeriums auch den Rhein, wobei die Konzentration an mehreren Messstellen sogar die Orientierungswerte - Grenzwerte gibt es für den Stoff nicht - überschritten hat.

Nordsee ist Mordsee
Etwa 6.000 Giftgas-Granaten aus dem Zweiten Weltkrieg liegen zweieinhalb Seemeilen vor Helgoland in der Nordsee (Ticker 4/09). Bestückt sind sie mit dem Kampfstoff Tabun, den Gerhard Schrader 1936 im Wuppertaler BAYER-Werk entwickelt hatte. Anfang des Jahres entschied die schleswig-holsteinische Landesregierung, die 90 Tonnen schweren Geschosse auf dem Meeresgrund zu lassen, weil sie bei einer Bergung zu explodieren drohen. Die PolitikerInnen wollen jetzt lediglich das Verlegen von Leitungen durch das Areal verhindern und „die Marine bitten, ihre Übungen in diesem Gebiet einzuschränken“. Den UmweltschützerInnen des Waterkant-Magazins reicht das nicht. „Nur ein generelles Verbot aller Aktivitäten mit Bezug zum Meeresgrund, rechtskräftig verankert und von Überwachung begleitet, kann Risiken ausschließen“, heißt es in dem Blatt.

Sanierung mit Nebenwirkungen
Bis zum Jahr 2003 betrieb BAYER im englischen Hauxton nahe Cambridge ein Werk. Bei der Schließung hinterließ der Konzern in Boden und Grundwasser jede Menge Altlasten. Trotzdem sollen auf dem Gelände Wohnhäuser entstehen. Auf politischen Druck hin hat sich der Investor auch zu Sanierungsmaßnahmen durchringen können. Im Frühjahr haben die Arbeiten begonnen, bei denen die im Erdreich schlummernden Schadstoffe allerdings zu neuem Leben erwachten. Sie verströmten einen üblen Geruch, der krank machte. Einer Untersuchung der Initiative HAUXAIR zufolge klagten mehr als die Hälfte der 402 AnwohnerInnen über Atemprobleme, Kopf- und Halsschmerzen sowie andere Gesundheitsstörungen.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

Bisphenol in Kassenbons
Bislang fand sich die Industrie-Chemikalie Bisphenol A hauptsächlich in Lebensmittel-Verpackungen wie Konservendosen und Babyflaschen wieder. Jetzt spürten ForscherInnen diese Substanz, zu deren größten Herstellern BAYER zählt, auch in Kassenbons auf. Da der Stoff zu Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen führen kann, hat der REWE-Konzern bereits angekündigt, in Zukunft anderes Thermopapier für die Ausdrucke zu verwenden.

Bisphenol: EFSA tut nichts
Immer mehr Länder untersagen die Verwendung der gefährlichen Chemikalie Bisphenol A (s. o.), zu deren größten Herstellern BAYER zählt, in Babyflaschen und anderen Lebensmittel-Behältnissen. Die Bundesregierung wollte eine Stellungnahme der europäischen Lebensmittelbehörde EFSA abwarten, ehe sie eine Entscheidung trifft. Im Herbst veröffentlichte die Behörde nun ihre Einschätzung und gab Entwarnung. Damit blieb sie ihrem industrie-freundlichen Ruf wieder einmal treu, für den im Bisphenol-A-Gremium besonders der für das von BAYER & Co. finanzierte „International Life Science Institute“ tätige Laurence Castle gesorgt haben dürfte (siehe auch POLITIK & EINFLUSS). Zum Glück scheint auch die EU ihrer eigenen Institution nicht recht über den Weg zu trauen. So kündigte der VerbraucherInnenschutz-Kommissar John Dalli trotz des EFSA-Gutachtens einen Vorstoß zum Verbot von Bisphenol in Babyflaschen an.

CO & CO.

Kein CO mehr übrig
Der Leverkusener Multi hat den Bau der Kohlenmonoxid-Pipeline stets damit begründet, das am Standort Dormagen im Überfluss vorhandene Gas ins mit CO unterversorgte Krefeld leiten zu wollen. Diese Argumentation ist jetzt hinfällig geworden, denn das in Dormagen vorhandene Kohlenmonoxid wird nicht ausreichen, um dort den Bedarf des 2014 in Betrieb gehenden neuen Kunststoff-Werkes decken zu können. Deshalb will BAYER sogar eine neue CO-Anlage bauen. An der Verbundleitung hält der Konzern aber trotzdem fest: „Nur eine Vernetzung gewährleistet die Versorgungssicherheit“.

Röttgens Jein zur Pipeline
Im September 2010 ging Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) auf Distanz zur BAYER-Pipeline. „Jenseits des rechtlichen Aspektes ist meine Meinung, dass so, wie das Projekt begonnen wurde - mit einer Vernachlässigung der Sicherheit - es keine Zukunft hat“, sagte er auf einer Regionalkonferenz im Zuge seines Landesparteivorsitzenden-Wahlkampfs. Als „geprägt von Nachbesserungen und Fehlern“ kritisierte er die Bauarbeiten und ließ auch ökonomische Gründe für die Giftgas-Leitung nicht gelten. „Besorgnissen und Fragen vor Ort kann man nicht mit dem pauschalen Argument ‚Wirtschaftsstandort‘ begegnen“, so der Politiker. Nach seiner erfolgreichen Wahl zum Landeschef der NRW-CDU hörte sich das alles aber schon wieder etwas anders an. „Ich bin nicht gegen die Pipeline, aber ich bin davon überzeugt, dass man die Bürger ernst nehmen muss und sich nicht einfach auf getroffene Entscheidungen berufen kann“, stellte er in der Rheinischen Post klar.

Erneuter Bomben-Fund
Nur 16 Meter von der Pipeline-Trasse entfernt stießen Straßenbau-Arbeiter unmittelbar unter der Erdoberfläche auf eine noch scharfe Fünf-Zentner-Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg. Es war nicht der erste Fund dieser Art: Zwei Granaten, zwei 10-Zentner-Blindgänger, Bombenreste und ein Maschinengewehr wurden entlang der Strecke bereits zu Tage gefördert. Da die Kampfmittel normalerweise vier bis fünf Meter tief im Boden liegen, hegen Mitglieder der Anti-Pipeline-Bürgerinitiativen den Verdacht, dass die Bombe während der Arbeiten an der Kohlenmonoxid-Leitung auf die Schippe eines Baggers geriet und unbemerkt „umgebettet“ wurde. Eigentlich hätte die Firma WINGAS die Bombe bereits bei ihrer Suche nach explosivem Material finden müssen, die sie erst auf Druck der Bezirksregierung durchgeführt hatte. Aber die verwendeten Luftbild-Aufnahmen reichten dafür offensichtlich nicht aus. Deshalb forderten die Pipeline-GegnerInnen unverzüglich: „Unter der gesamten Trasse muss sondiert werden. Sonst haben wir keine Garantie dafür, dass dort nicht noch Kampfmittel liegen“.

Erneute Mängel
Wieder einmal Pfusch am Pipeline-Bau: An drei Stellen ist die Isolierung der Rohrleitung beschädigt, so dass kein Rostschutz mehr besteht. An zwei weiteren Abschnitten überprüft der Leverkusener Multi noch entsprechende Verdachtsmomente. „Bei den entdeckten Fehlstellen handelt es sich um kleine Schäden an der Isolierung. Die können bei aller Einbau-Sorgfalt vorkommen“, versucht BAYERs Pipeline-Beauftragter Werner Breuer die Sache zu verharmlosen. Aber die unter neuer Leitung stehende Bezirksregierung spielte da nicht mit, verhängte einen Baustopp und sandte dem Pharma-Riesen einen Katalog mit 25 Fragen zu den erneuten Pannen zu.

Neues Pipeline-Verfahren
BAYER ist beim Bau der umstrittenen Kohlenmonoxid-Pipeline, welche die Standorte Dormagen und Krefeld miteinander verbinden soll, in 66 Fällen von den Planvorgaben abgewichen (Ticker 1/09). Der Leverkusener Multi verwendete zur Abschirmung der Rohre nur eine 60cm breite Geogrid-Matte statt einer 80cm langen, verlegte mancherorts nur 5,6mm starke Rohre statt solche mit einer Wandstärke von 6,3mm und änderte auch den Trassenverlauf. Damit hat der Leverkusener Multi nach Meinung des grünen Umweltministers Johannes Remmel und der - ebenfalls grünen - neuen Regierungspräsidentin Anne Lütkes neue Tatsachen geschaffen, die einer neuen Genehmigung bedürfen. Deshalb bereiten sie ein Planänderungsverfahren mit Bürgerbeteiligung vor. Dieses kann zwar nicht das dem Bau zugrunde liegende Planfeststellungsverfahren für null und nichtig erklären, aber doch für nochmalige Verzögerungen sorgen. Trotzdem gibt der Konzern sich demonstrativ gelassen: „Wir sind von der Ankündigung des Ministers nicht überrascht und begrüßen das Verfahren. Das gibt uns die Möglichkeit, Planungsanpassungen wie etwa die punktuelle Verlegung von Trassen zu erklären“.

Voigtsberger für Pipeline
Der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Harry Voigtsberger bekannte sich auf einer Veranstaltung der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE zu BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline. „Die CO-Pipeline ist notwendig“, konstatierte der Politiker. Und um das allen klar zu machen, schlug er ein Schlichtungsverfahren nach Stuttgarter Vorbild vor. Aber an einem Demokratie-Spiel mit vorher festgelegtem Ende wollen sich die Bürgerinitiativen nicht beteiligen. Auch die Grünen reagierten ablehnend auf den Vorstoß, der schließlich auch zu einem Streit innerhalb der rot-grünen Koalition führte. Nach Informationen der Rheinischen Post sprach Ministerpräsidentin Hannelore Kraft ein Machtwort und kritisierte Voigtsberger intern für seine nicht dem Koalitionsvertrag entsprechenden Äußerungen.

NANO & CO.

Beschichtungen aus Nano-Silber
Nano leitet sich vom griechischen Wort für Zwerg ab. Die Nanotechnik beschäftigt sich folglich mit der Entwicklung von mikroskopisch kleinen Werkstoffen. Für die Risiken und Nebenwirkungen dieser „Zukunftstechnologie“ fühlt sich allerdings niemand verantwortlich. Dabei gibt es immer mehr alarmierende Hinweise. So können Nano-Stoffe nach einer Untersuchung der Universität Edinburgh das Gewebe angreifen und ähnlich wie in der Vergangenheit Asbest Entzündungen auslösen. Trotzdem produziert BAYER seine Nano-Röhrchen namens BAYTUBES munter weiter. Sie finden mittlerweile in Duftkapseln, Folien, Flüsterschotter, Eishockeyschlägern, Windrad-Flügeln, Akkus und Farbstoffen zur medizinischen Diagnostik Verwendung. Zudem entwickelt der Multi zur Zeit auch eine antibakterielle Beschichtung aus Nano-Silber für Medizin-Produkte wie Katheder und Schläuche.

Keine kommerzielle Nano-Produktion?
Im Monatsabstand vermeldet BAYER neue Anwendungsmöglichkeiten für seine Nano-Produkte. So finden die CNT-Röhrchen, denen Studie asbest-ähnliche Wirkungen bescheinigen, dem Konzern zufolge mittlerweile in Duftkapseln, Folien, Flüsterschotter, Eishockeyschlägern, Kathedern, Schläuchen, Windrad-Flügeln, Akkus und Farbstoffen zur medizinischen Diagnostik Verwendung. Die entsprechende Anlage in Leverkusen müsste nach der Schließung der Produktion in Laufenberg also auf Hochbetrieb laufen. Allerdings handelt es sich dabei nur um ein Technikum, das kein Genehmigungsverfahren durchlaufen hat und deshalb eigentlich auch keine zum Verkauf bestimmten Waren herstellen dürfte. Um den Sachverhalt aufzuklären, richtete die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN eine Anfrage an die Bezirksregierung. Demnach scheinen die Geschäfte mit den CNT-Röhrchen entgegen den vollmundigen Aussagen des Unternehmens nur im Nano-Maßstab zu laufen - falls der Multi keine „Irreführung der Behörden“ betreibt. „Anfragen bei potenziellen Kunden haben inzwischen gezeigt, dass der Markt CNT-Material mit anderen Eigenschaften benötigt“, antwortete die Bezirksregierung. „Wegen der unzureichenden Nachfrage auf dem Markt“ habe BAYER nicht beantragt, Teile der Produktion zu verkaufen.

PLASTE & ELASTE

SABIC will Kunststoff-Sparte
Ende September 2010 hatte BAYER-Sprecher Hans-Bernd Schmitz dementiert, dass der Leverkusener Multi sich von seiner Kunststoff-Sparte BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) trennen wolle. „Wer soll BMS kaufen“, fragte er rhetorisch und schloss namentlich den saudisch-arabischen Mitwerber SABIC als Abnehmer aus. Just der bekundete aber einen Monat später ernsthaftes Interesse. „Wenn BAYER auf uns zukäme, würden wir uns das durchaus anschauen“, bekannte SABIC-Chef Mohamed Al-Mady in der Zeit. Trotz des derzeitigen Bekenntnisses des neuen BAYER-Chefs Marijn Dekkers zu Plaste und Elaste dürften die Trennungsgerüchte um BMS also vorerst nicht verstummen.

Kunststoffpreise heben an
BAYER profitiert von steigenden Kunststoff-Preisen. So mussten die AbnehmerInnen für Polycarbonate in jüngster Zeit Aufschläge von 25 Prozent in Kauf nehmen und erwarten einen noch kräftigeren Anstieg. Wilfried Haese von BAYER MATERIAL SCIENCE erklärt das mit der höheren Nachfrage, der empfindlichen Baisse von 2007-2009 und einem geringeren Produktionsvolumen für bestimmte Anwendungen wegen der Krise der Musikindustrie. Seine Kunden wie etwa CD-Produzenten sprechen dagegen von einer „nicht nachvollziehbaren Verknappung am Markt“ und befürchten ein forciertes Presswerke-Sterben.

China größter Absatzmarkt
Das Reich der Mitte ist zum größten Abnehmer für die Kunststoff-Produkte des Leverkusener Multis aufgestiegen und hat damit die USA abgelöst. Im ersten Quartal des Jahres machte BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) ein Drittel seines 2,2-Milliarden-Umsatzes mit chinesischen Unternehmen. Aus diesem Grund will der Konzern seine Kapazitäten für Polyurethan & Co. in Asien um 200.000 auf 650.000 Tonnen im Jahr ausweiten. Auch seine Forschung verlegt er mehr und mehr in die Region. So hat das Unternehmen kürzlich ein Entwicklungszentrum in Singapur eröffnet, das BMS-Chef Patrick Thomas als „das Herz unserer Innovationsanstrengungen“ bezeichnete.

Autoscheiben-Kooperation
Zur Herstellung von Autoscheiben aus dem Kunststoff Polycarbonat hat BAYER mit den japanischen Firmen MITSUBISHI HEAVY INDUSTRIES und KYOWA eine Kooperation vereinbart.

STANDORTE & PRODUKTION

Neues Zentrum in Berlin
BAYER plant in Berlin ein neues Zentrum für Diagnose-Verfahren auf Basis der molekularen Bildgebung. Dafür rechnet der Leverkusener Multi mit einer großzügigen Förderung durch die SteuerzahlerInnen. Einen entsprechenden Antrag beim Bund hat der Konzern bereits gestellt, und auch die Stadt Berlin signalisierte schon Unterstützungsbereitschaft. „Wir haben gemeinsam viel vor. Wir wollen endlich einmal in der Gesundheitsforschung einen Spitzencluster-Wettbewerb gewinnen“, sagte die Berliner Wissenschaftsstaatssekretärin Almuth Nehring-Venus auf einer vom Pharma-Multi gemeinsam mit der städtischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft „Berlin Partners“ ausgerichteten Veranstaltung.

Umzug nach San Francisco
Der Leverkusener Multi schließt seine Forschungseinrichtung in Richmond und zieht nach San Francisco um. „Der Standort Mission Bay in San Francisco ist bekannt als Nährboden für Innovationen in den USA. Daher wollen wir unsere Wissenschaftler inmitten dieses Forschungsmilieus ansiedeln“, sagte BAYER-SCHERING-Manager Andreas Busch zur Begründung. Gedeihen sollen dort vor allem neue biologische Wirkstoffe

[BAYER HV 2011] Hauptversammlung 2011

CBG Redaktion

Protestaktion zur BAYER-Hauptversammlung am 29. April: Ein Video von der Kundgebung, Bilder von den Protesten der Imker, zwei Aktionsberichte, eine ausführliche Bilddokumentation sowie weitere Fotos

Medienecho

=> Kölner Stadt-Anzeiger: Heftige Proteste und hitzige Reden
=> ausführlicher Artikel zum Verlauf der Hauptversammlung
=> Wirtschaftswoche: Aktionäre streiten um Bayer
=> Rheinische Post: Peta und Imker demonstrieren gegen Bayer
=> erster Aktionsbericht
=> Artikel im Handelsblatt
=> Gegenwind für Marijn Dekkers
=> Kampf um die Wahrheit
=> BAYER: Gene, Gifte & Geschäfte

Presse Infos
=> Bienensterben: avaaz Übergibt 1,2 Mio Unterschriften
=> Protest von PETA gegen Tierversuche für BAYER-Produkte
=> Gefährliche Antibaby-Pillen: Betroffene protestieren in HV
=> BAYER zahlt erneut weniger Steuern
=> Imker kündigen Proteste zur BAYER-Hauptversammlung an
=> Kundgebung gegen Kohlenmonoxid-Pipeline

Gegenanträge
=> CBG reicht Gegenanträge zur Bayer Hauptversammlung ein
=> Gegenantrag zu Phosgen-Chemie und sinkenden Steuerzahlungen
=> Gefährliche Kontrazeptiva: Gegenantrag zur BAYER-HV
=> Gegenantrag zu Bienensterben durch BAYER-Pestizide
=> Grausame Tierversuche: Gegenanträge der People for the Ethical Treatment of Animals (Peta)
=> Duogynon-Opfer reichen Gegenantrag ein

[Yasmin] STICHWORT BAYER 01/2011

CBG Redaktion

BAYER vs. Kontrazeptiva-Opfer

YASMIN vor Gericht

Die Klagen gegen BAYERs Verhütungspillen aus der YASMIN-Produktfamilie häufen sich. In den USA liegen bereits 4.800 vor, und hierzulande beginnen im Herbst Schadensersatz-Prozesse von zwei Frauen, die durch die Mittel Lungenembolien erlitten haben. Der Leverkusener Multi lässt sich davon aber nicht abhalten, neue Versionen von YASMIN & Co. herauszubringen. Zudem drängen Nachahmer-Präparate von anderen Herstellern auf den Markt. Die Zahl der Toten und Geschädigten dürfte sich also noch erhöhen.

Von Jan Pehrke

„Die Pharma-Industrie muss sich auf schwerere Zeiten einstellen. Mutmaßliche Medikamenten-Opfer gehen vor allem in Deutschland dazu über, Konzerne wie BAYER, PFIZER oder MERCK & CO. zu verklagen. Die Folgen für die Unternehmen sind schwer kalkulierbar“, schrieb die WirtschaftsWoche im September 2010. Besondere Rechenprobleme hat der Leverkusener Multi, denn auf ihn kommen gleich drei Verfahren zu. Opfer des Schwangerschaftstests DUOGYNON, den das jetzt zum Konzern gehörende Pharma-Unternehmen SCHERING ab den 1950er Jahren vermarktete, haben eine Auskunftsklage eingereicht, um alte Firmen-Dokumente einsehen zu können. Zudem haben Felicitas Rohrer und Kathrin Weigele, die beide durch BAYER-Verhütungsmittel Lungen-Embolien erlitten hatten (SWB berichtete mehrfach), Schadensersatz-Prozesse angestrengt.

Dabei geht es den jungen Frauen nicht um Geld. „Ich will, dass BAYER ehrlich über die erhöhte Thrombose-Gefahr aufklärt“, sagt die Jura-Studentin Kathrin Weigele. Und ihr Rechtsanwalt Martin Jensch nennt mit Blick auf wissenschaftliche Untersuchungen, die YASMIN, YASMINELLE und YAZ ein im Vergleich mit älteren Pillen größeres Thromboembolie-Risiko bescheinigten, einen weiteren Beweggrund: „Es kann nicht sein, dass ein Unternehmen eine gefährlichere Pille mit Lifestyle-Faktoren auf den Markt wirft, nur um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen“. Der Pharma-Riese hält dagegen weiterhin eisern zu YASMIN & Co., „weil deren positives Nutzen/Risiko-Profil fortbesteht“ und angeblich „Todesfälle bei Anwenderinnen kombinierter oraler Kontrazeptiva sehr selten“ sind. Deshalb zeigte er sich auch zuversichtlich hinsichtlich des Ausgangs der juristischen Auseinandersetzung. „BAYER ist überzeugt, gute Argumente gegen die erhobenen Ansprüche zu haben und beabsichtigt, sich zur Wehr zu setzen“, so Konzern-Sprecher Michael Diehl.

Aber offenbar nicht so überzeugt, als dass der Global Player nicht für den Falles des Falles vorgesorgt hätte. Rücklagen in Höhe von 130 Millionen Euro hat er in Sachen „Verhütungsmittel“ gebildet. Besonders vor der US-amerikanischen Justiz hat BAYER Angst. Das dortige Rechtssystem kennt nämlich das verbraucher-freundliche Instrument der Sammelklage, das schon oft zu Millionen-Strafen für die Multis geführt hat. Und bei bis dato 4.800 Klagen kann das für den Konzern ganz schön teuer werden.

Die EU berät seit 2007 über die Einführung einer solchen Möglichkeit, bisher jedoch haben Lobby-Druck von BAYER & Co. sowie Interventionen der französischen und der bundesdeutschen Regierung ein entsprechendes Paragraphen-Werk unter Verweis auf die ach so böse „US-amerikanische Klage-Industrie“ immer verhindert. Und sollte Brüssel die Regelung wirklich einmal verabschieden, so dürfte sie gegenüber ihrem US-Pendant deutlich harmloser ausfallen.

Die schwarz-gelbe Koalition zeigt sich auch sonst nicht gewillt, im Sinne der PatientInnen tätig zu werden, wie eine Anfrage der Grünen zum Fall „DUOGYNON“ ergab. Die Partei wollte wissen, ob CDU und FDP gedächten, die Stellung von Pharma-Opfern gegenüber den Pillen-Riesen in rechtlichen Auseinandersetzungen zu verbessern. Aber die Parteien sehen keinen Handlungsbedarf. „Die Bundesregierung hat die Rechte geschädigter Patientinnen und Patienten bereits in erheblichem Maße gestärkt“, antworteten Merkel & Co. und wiesen auf die Verschärfung der Auskunftspflichten von Unternehmen, die Ausdehnung des Schmerzensgeld-Anspruchs und die Anhebung der Haftungshöchstgrenzen hin. „Anlass für weitere Ausweitungen der Haftungsregelungen besteht daher nicht“, erklärte Schwarz-Gelb abschließend.

Vom bundesdeutschen Rechtssystem hat BAYER deshalb nicht allzu viel zu befürchten. Einen „erzieherischen Wert“ könnten dagegen die schlechten Geschäftszahlen für YASMIN & Co. haben. Der Umsatz mit den Pillen ist im dritten Quartal 2010 gegenüber dem Vorjahr um 24 Prozent auf 243 Millionen Euro gesunken. Das liegt jedoch nicht nur an der „schlechten Presse“, sondern auch an einer wachsenden Konkurrenz durch Nachahmer-Präparate, deren Einführung der Leverkusener Multi erfolglos durch Prozesse zu verhindern suchte. Aber der Konzern baute vor und entwickelte pünktlich zum Ablauf des Patents neue Versionen mit kleinen Abweichungen wie ein Vitamin-B-haltiges YAZ, um Marktanteile zurückzuerobern. De facto gibt es heutzutage also mehr YASMIN-Produkte denn je in den Apotheken.

Und dementsprechend mehr Opfer. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) erreichen gehäuft Zuschriften von Geschädigten. „Obwohl vielleicht meine Lungenembolie und Lungenentzündung mit Herzrhythmus-Störungen im Gegensatz zu Frau Rohrers und Frau Weigeles letztendlich noch glimpflich ablief, plagen auch mich immer noch Schmerzen und der Gedanke, dass es wieder passieren könnte. Mein geschwächtes Immunsystem und die Kraftlosigkeit verursachten, dass ich vier Monate nicht arbeiten konnte, heute nicht mehr den Arbeitsalltag und die damit verbundene Belastbarkeit als Architektin im Architekturbüro meistern kann und meinen Arbeitgeber wechseln musste“, heißt es in einer Leidensgeschichte.

Ein schlimmeres Schicksal blieb der Betroffenen nur mit viel Glück erspart, denn die ÄrztInnen haben die Symptome anfangs nicht richtig zu deuten vermocht. Als sie sich das erste Mal mit akuter Atemnot bei der Notaufnahme eines Krankenhauses meldete, schickten die Doktoren sie mit einem Bündel Schmerzmittel wieder nach Hause. Auch beim zweiten Mal reagierten sie zunächst nicht anders, obwohl die Architektin Schwierigkeiten hatte, sich überhaupt noch auf den Beinen zu halten. Die MedizinerInnen wollten bei einer so jungen Frau an keine ernsthafte Erkrankung glauben. Nur ein Mediziner: ihr Vater. Der HNO-Arzt rief im Hospital an und veranlasste eine Computer-Tomographie. „Glück für mich, und der Grund, warum ich heute noch hier sitze. Leider hat aber nicht jede Frau einen Vater, der Arzt ist und mitdenkt“, hält das YASMINELLE-Opfer fest.

Auch bei einer Studentin dauerte es lange, bis die Diagnose „Thromboembolie“ und die Ursache „YAZ“ feststand - zu lange. Sie ging mit Rücken- und Brustschmerzen zum Arzt und erhielt Schmerzmittel verschrieben. Doch die Beschwerden dauerten an. Der Mediziner empfahl, einen Orthopäden zu konsultieren und stellte ein weiteres Schmerzmittel-Rezept aus. Nach ca. zehn Tagen, als auch noch Husten und Atemnot dazu kamen, fuhr die Frau ins Krankenhaus. „Nach dem CT stand fest, dass ich eine beidseitige Lungenembolie habe und eine Thrombose in der gesamten linken Beckenvene. Die Ärzte waren total geschockt und konnten sich nicht erklären, wie das bei einer Frau in meinem Alter (30 Jahre) in diesem Ausmaß passieren kann“, berichtet die Studentin. Fieberhaft fahndeten die Mediziner nach einem möglichen Auslöser, und nach zahllosen ergebnislosen Untersuchungen blieb schließlich nur noch die Pille als Möglichkeit übrig.

Eine mangelhafte Aufklärung durch die ÄrztInnen beklagt die junge Frau ebenso wie viele andere Lungenembolie-Patientinnen. Die MedizinerInnen haben bei YASMIN & Co. nur die niedrige Wirkstoff-Konzentration im Blick und wähnen sich auf der sicheren Seite. Die Studentin war es, die nach negativen Erfahrung mit Kontrazeptiva zunächst kein Verhütungsmittel zur Behandlungen ihres Hautausschlags und der Folgen des prämenstruellen Syndroms einnehmen wollte, aber der Arzt beruhigte sie: „Der Gynäkologe erzählte mir dann, dass es bei den heutigen Pillen kaum noch Unverträglichkeiten gebe und empfahl mir ein niedrig dosiertes Produkt für junge Frauen: die Pille YAZ“. Von den Risiken und Nebenwirkungen dieser Kontrazeptiva wissen Doktoren oft nichts. Auch nichts von der Faktor-V-Leiden-Mutation, einem Gen-Defekt, der zu Blutgerinnungsstörungen führt und so die Thrombose-Gefahr erhöht. Bei zwei der Frauen, welche die CBG kontaktiert hatten, diagnostizierten die Doktoren während ihres Klinik-Aufenthaltes diesen Defekt - insgesamt tritt er bei fünf Prozent der Bevölkerung auf. „Deshalb verstehe ich nicht, warum die Faktor-V-Leiden-Mutation durch eine Untersuchung nicht zuerst ausgeschlossen wird, bevor eine Verhütungspille vom Arzt verordnet wird“, fragt sich eine von ihnen. Manche MedizinerInnen können nicht einmal ihre eigenen Kinder schützen. So hat sich sogar eine Ärztin bei der CBG gemeldet, deren beide Töchter nach der Einnahme der BAYER-Pillen Thrombosen bekamen.

Zu allem Übel wächst die Verdunklungsgefahr auch noch durch das perfide zielgruppen-gerechte Marketing. Ehe sich die 30-jährige Studentin versah, hatte der Gynäkologe ihr in der Praxis schon ein Gratispaket YAZ überreicht, „nett verpackt mit Beauty Etui, Schminkspiegel, Werbebroschüre“. Der Leverkusener Multi hält zudem kleine Herzen zum Herunterladen aufs Handy bereit und schmückt den Beipackzettel mit Blümchen. „Dass diese kleinen süßen Pillen nicht Zuckerdrops, sondern Medizin mit starken Nebenwirkungen sind, die auch zum Tod führen können“, geht darüber verloren, kritisiert eine Leidensgenossin diese Praxis gegenüber der Coordination.

Darüber hinaus preist BAYER YASMIN, YAZ, YASMINELLE und PETIBELLE als Lifestyle-Präparate mit „Beauty-Effekt“, „Feel-good-Faktor“ und „Figur-Bonus“ an. Eine Praxis, die Ulrich Hagemann, als Pharmazeut beim „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) für die Arzneimittelsicherheit zuständig, verurteilt. „Wir sehen das kritisch. Die Firmen werben mit den Nebeneffekten, und teilweise ist das grenzwertig falsch“, sagte er in einem Tagesspiegel-Interview. Einschreiten will er jedoch nicht: „Um irreführende Arzneimittel-Werbung müssten sich die Landesgesundheitsbehörden kümmern“.

Veranlasst hat das BfArM dagegen eine Änderung des Beipackzettels. Darauf muss BAYER nun auf die Nebenwirkung „venöse Thromboembolie“ (VTE) hinweisen. Der Leverkusener Multi tut dies aber sehr verklausuliert und ohne das besondere Risiko hervorzuheben, das nach zahlreichen Untersuchungen von dem YASMIN-Wirkstoff Drospirenon ausgeht. Stattdessen verweist der Multi auf eine von ihm selbst in Auftrag gegebene und von dem Institut eines ehemaligen Beschäftigten durchgeführte Studie. Das ZEG Berlin machte für YASMIN kein höheres Gefährdungspotenzial aus und stellte kurz danach auch dem Dienogest-haltigen VALETTE einen Persilschein aus. Das industrie-unabhängige arznei-telegramm traut diesen Befunden jedoch nicht. „Untersuchungen dieses Zentrums ergeben regelmäßig für die Hersteller oraler Kontrazeptiva günstige Ergebnisse“, urteilte die Fach-Publikation. Und für andere Produkte aus der Arznei-Familie liegen laut Konzern noch keine Daten vor: „Das VTE-Risiko für YAZ ist derzeit unbekannt“.

Mit einem Beipackzettel, der immer noch nicht Klartext spricht, als einzigster Konsequenz aus einem Pharma-Skandal mit bislang 190 Toten allein in den USA und zahllosen Versehrten wollen sich die Betroffenen jedoch nicht zufrieden geben. Sie planen, eine Selbsthilfegruppe Drospirenon-Geschädigter zu gründen und eine kritische Website aufzubauen. Zusätzliche Aufmerksamkeit dürfte ihre Aufklärungskampagne durch den Beginn der zwei Schadensersatz-Prozesse erhalten. Die Wirtschaftswoche sieht, zumal darüber hinaus noch die DUOGYNON-Auskunftsklage bevorsteht, schon schwere Zeiten auf BAYER zukommen. „Für die Leverkusener (...) wird es in den kommenden Monaten schwer werden, aus den Schlagzeilen zu kommen“, prophezeit das Blatt.

[Ticker] STICHWORT BAYER 04/2010 Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Protest-Lauf von PRIMODOS-Opfern
Der hormonelle Schwangerschaftstest PRIMODOS der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING hat zu tausenden Todgeburten geführt. Darüber hinaus kamen unzählige Kinder mit schweren Missbildungen zur Welt. Die Opfer des auch unter dem Namen DUOGYNON vermarkteten Produkts fordern den Konzern auf seinen Hauptversammlungen regelmäßig auf, Entschädigungen zu zahlen, aber der Leverkusener Multi weigert sich konsequent. In England nutzen die Geschädigten deshalb einen vom Pharma-Riesen gesponsorten 10-km-Langstreckenlauf, um auf ihr Schicksal aufmerksam zu machen. Sie liefen mit, verteilten Flugblätter und hielten entlang der Strecke Pappen mit Aufschriften wie „Warum wurden wir als Versuchskaninchen benutzt?“ hoch. Zudem setzten sie den Schlusspunkt des Sport-Events. Der Aktivist Karl Murphy kam nämlich nach knapp zwei Stunden als Letzter ins Ziel. Zu dieser Zeit wollten die VeranstalterInnen eigentlich längst die Siegerehrung durchgeführt haben, aber nach Protesten der ZuschauerInnen mussten sie noch ein geschlagenes Stündchen auf Murphy warten.

Anfrage wg. DUOGYNON/PRIMODOS
Grüne Bundestagsabgeordnete haben in Kooperation mit der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und Geschädigten des Schwangerschaftstest PRIMODOS (s. o.) eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt. Diese hielt sich jedoch bedeckt. Die Regierungskoalition wusste nichts über die Verschreibungshäufigkeit und die Zahl der Geschädigten. Das aus dem Jahr 1980 stammende Urteil, die PRIMODOS-Opfer nicht zu entschädigen, mochte sie nicht kommentieren. Auch sahen sich CDU und FDP nicht in der Lage, Auskünfte über die Fakten-Grundlage der im Jahr 1975 getroffenen Entscheidung zu geben, PRIMODOS trotz bedenklichen Sicherheitsprofils nicht die Zulassung als Schwangerschaftstest zu entziehen.

Datenschützer für Offenlegung
Vor zwei Jahren vereinbarte BAYER mit der Kölner Hochschule eine Kooperation auf dem Gebiet der Pharma-Forschung. „Sie ist die weitreichendste, die eine nordrhein-westfälische Universitätsklinik bislang eingegangen ist“, jubilierte Innovationsminister Andreas Pinkwart damals. Der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und anderen Initiativen machte das eher Angst. Die Gruppen befürchteten eine Ausrichtung der Pharma-Forschung nach Profit-Vorgaben, eine Entwicklung von Präparaten ohne therapeutischen Mehrwert, eine Verheimlichung negativer Studienergebnisse und einen Zugriff des Konzerns auf geistiges Eigentum der Hochschul-WissenschaftlerInnen. Deshalb forderten sie eine Offenlegung des Vertrages. Das verweigerte die Universität aber mit Verweis auf das Forschungs- und Geschäftsgeheimnis. Die CBG schaltete daraufhin den nordrhein-westfälische Landesbeauftragten für Datenschutz ein, der das Begehr der Gruppen prüfte und für rechtmäßig erklärte. „Auf der Grundlage der mir vorliegenden Erkenntnisse gehe ich (...) von einem Informationszugangsanspruch aus“, heißt es in dem Schreiben. Die Kölner Hochschule nahm das jedoch nicht zum Anlass, ihre Position zu revidieren und blieb bei ihrer Verweigerungshaltung: „Der Rechtsansicht des Landesbeauftragten wird nicht gefolgt“. Unterdessen hat die CBG sich an die nordrhein-westfälische Forschungsministerin Svenja Schulze (SPD) gewandt und sie aufgefordert, „der Rechtsansicht der Landesbeauftragten“ Geltung zu verschaffen.

22.233 KraftwerksgegnerInnen
Im Frühjahr hatte TRIANEL offiziell den Genehmigungsantrag für das auf dem Gelände von BAYERs Chemie„park“ in Krefeld geplante Kohlekraftwerk gestellt. Weil die Anlage auf einen Kohlendioxid-Ausstoß von jährlich ca. 4,4 Millionen Tonnen kommt und die Umwelt darüber hinaus mit Feinstaub, Schwermetallen und Radioaktivität belastet, erhoben über 22.000 Privatpersonen, Nachbarstädte und Initiativen, darunter auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, bei der Bezirksregierung Einspruch gegen das Projekt.

Einspruch gegen Antwerpener Kraftwerk
Gegen das vom Energie-Riesen E.ON auf dem Antwerpener Werksgelände von BAYER geplante Kohlekraftwerk haben GREENPEACE, der WWF und der niederländische Umweltverband BBLV wegen des zu erwartenden Ausstoßes von Kohlendioxid und anderen Stoffen offiziell Einspruch eingelegt.

Offener Brief wg. CO-Pipeline
Aus Protest gegen die von BAYER zwischen Dormagen und Krefeld geplante Kohlenmonoxid-Pipeline haben Kinder- und JugendmedizinerInnen aus der Region jetzt schon ihren zweiten Offenen Brief geschrieben, adressiert an BAYER, den Ministerpräsidenten, den Landtag und die Bezirksregierung. Bis auf eine Ausnahme unterzeichnete die komplette Innung, denn die ÄrztInnen sehen im Fall einer Leckage keine Rettungsmöglichkeiten. Gerade einmal zwei Sauerstoff-Überdruckkammern für die Behandlung von Vergifteten gebe es in ganz Nordrhein-Westfalen, kritisierten sie. Auch an dem Gefahrenabwehrplan ließen die Unterzeichner kein gutes Haar. „Es gibt nur eine einzige Prävention, und die ist, dass die Pipeline nicht in Betrieb gehen darf, so Dr. Martin Terhardt. BAYER hingegen blieb unbeeindruckt. Das Schreiben enthalte „mehrere längst widerlegte Behauptungen“, meinte der Konzern und schwelgte weiter in Pipeline-Poesie: „Für die CO-Pipeline zwischen Dormagen und Krefeld-Uerdingen wurde ein Sicherheitskonzept entwickelt, das die bisherigen Standards und gesetzlichen Regelungen übertrifft. Im normalen Leitungsbetrieb ist ein Austreten von CO auszuschließen“.

Feuerwehr kritisiert CO-Pipeline
Die Feuerwehren in der Region sind nach Ansicht des Kreisbrandmeisters Friedrich-Ernst Martin nicht auf einen Pipeline-Unfall vorbereitet. So schaffen es ihre Spezialgeräte nur, die Feuerwehrleute 45 Minuten mit Sauerstoff versorgen. „Das ist viel zu wenig Zeit, um Menschenleben in einem großen Wohnhaus retten zu können“, so Martin. Auch an Spezialfahrzeugen, die es erlauben, direkt zum Ort des Gasaustritts vorzudringen, fehlt es seiner Meinung nach - und an Personal sowieso.

Steinbrück kritisiert CO-Pipeline
Der den Wahlkreis Mettmann im Bundestag vertretende Peer Steinbrück (SPD) hat BAYER scharf für die Unregelmäßigkeiten beim Bau der Kohlenmonoxid-Pipeline kritisiert. „Wer eine gültige Planfeststellung so oft ändert oder jedenfalls nicht so erfüllt, wie er müsste, ist entweder verrückt oder allzu couragiert“, konstatierte der Ex-Finanzminister.

Quecksilber-Anfrage
BAYER gehört zu den letzten Konzernen, die ihre Chlor-Produktion so umstellen, dass dabei kein giftiges Quecksilber mehr anfällt (SWB 3/09). Was aber geschieht mit den Rückständen, immerhin mehrere 100 Tonnen? Das wollte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN von der Bezirksregierung wissen. Diese „dankt für Ihre kritischen und nachvollziehbaren Fragen“ und „versichert, dass diese im Rahmen der behördlichen Anlagen-Überwachung angemessene Berücksichtigung finden werden“. Antworten konnte die Bezirksregierung jedoch nicht geben. Wo das Quecksilber einmal landet, vermochte sie nicht zu sagen, da der Umbau noch bevorstehe. Immerhin ist Versorge für die Gesundheit der Beschäftigten getroffen: Sie müssen sich regelmäßigen Quecksilber-Tests unterziehen.

UN übt Konzern-Kritik
Die Vereinten Nationen werfen den großen Konzernen der Welt schwere Versäumnisse beim Umweltschutz vor. Allein die 3.000 wichtigsten Unternehmen sollen Umweltschäden von jährlich knapp zwei Billionen Euro verursachen; das Artensterben sei 100-mal schneller als es die Evolution vorgibt, so die UN. „Der Raubbau an der Natur durch die Wirtschaft setzt sich seit Jahren ungebremst fort. Das natürliche Kapital der Welt wird im großen Stil vernichtet“, konstatierte Achim Steiner, Leiter des UN-Umweltprogramms UNEP, in der Süddeutschen Zeitung und kritisierte: „In vielen Konzernen gilt noch immer die Devise: Natürliche Ressourcen sind unerschöpflich. Dabei müssen wir längst schmerzhaft spüren, dass das nicht mehr stimmt“. Steiner verlangte ein Einpreisen dieser negativen Ökobilanz in die Geschäftsbilanzen und forderte die Politik zum Umdenken auf. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN forderte allerdings auch ihn zum Umdenken auf, da seine Organisation mit einem der größten Übeltäter zusammenarbeitet. „Wir begrüßen die unmissverständlichen Aussagen von Achim Steiner zur mangelnden Verantwortung multinationaler Unternehmen. Die UNEP muss hieraus Konsequenzen ziehen und endlich die unselige Kooperation mit dem BAYER-Konzern beenden. BAYER als einer der größten Hersteller von Pestiziden und gentechnisch verändertem Saatgut gehört zu den Verursachern des Artensterbens“, heißt es in der Presseerklärung der CBG.

Persilschein für PONCHO & Co.
Pestizide gefährden das Leben von Bienen massiv. So hat BAYERs Saatgut-Beize PONCHO mit dem Wirkstoff Clothianidin vor zwei Jahren ein Massensterben verursacht, weshalb in vielen Ländern Verbote erfolgten und hierzulande die Zulassung für Mais-Kulturen einstweilen ruht. Die Bundestagsfraktion der GRÜNEN hat diese „Risiken und Nebenwirkungen“ zum Anlass für eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung genommen. Die Partei wollte wissen, welche Maßnahmen CDU und FDP zum Schutz der Tiere vor BAYERs PONCHO und ELADO sowie anderen Ackergiften schon ergriffen haben und welche sie in Zukunft noch planen. Für eine spezielle Überwachung dieser Produkte sah die schwarz-gelbe Koalition jedoch keinen Anlass. Nach der Risiko-Bewertung der Mittel durch die Aufsichtsbehörde würden keine „Anhaltspunkte für eine Schädigung von Bienenvölkern vorliegen“, antworteten Merkel & Co.

Protest gegen Pestizid-Ausbringungen
Nicht nur die massive Ausweitung des Soja-Anbaus in Südamerika führt zu einer entsprechenden Ausweitung des Pestizid-Gebrauchs. Auch die Umstellung auf das Direktsaat-Verfahren, für das die LandwirtInnen den Boden nicht mehr umpflügen müssen, sorgt für mehr Agrochemie auf den Feldern - und damit auch für mehr Gesundheitsschädigungen. Viele Wirkstoffe, die auch Bestandteile von BAYER-Mitteln sind, haben daran einen Anteil, so etwa das in GLYPHOS und USTINEX G enthaltene Glyphosat. Im argentinischen San Jorge etwa häufen sich die Asthma- und Krebsfälle. Zudem leiden immer mehr Männer unter Unfruchtbarkeit. Viviana Peralta wollte das nicht länger hinnehmen. Sie startete eine Unterschriften-Kampagne, zog vor Gericht und erreichte einen Teilerfolg. Die RichterInnen untersagten eine großräumige Ausbringung der Ackergifte und ordneten die Einrichtung einer Schutzzone an.

Boykott des Runden Tisches
Beim „Runden Tisch zur Pflanzen-Genetik“, den Forschungsministerin Annette Schavan deckt, haben KritikerInnen nicht viel zu sagen. Da die Initiativen nicht länger als Feigenblatt dienen wollten, haben sie nach dem letzten Treffen im September 2009 einen neun Punkte umfassenden Anforderungskatalog zur Sicherheit der Risikotechnologie formuliert, an dem die Bundesregierung sich orientieren sollte. Diese war jedoch nicht dazu bereit, ernsthaft über eine systematische Erfassung der gesundheitlichen Risiken von Genpflanzen, die Untersuchung von Wechselwirkungen der Laborfrüchte mit Pestiziden und eine Standardisierung der Zulassungstests zu diskutieren. Deshalb sagten die im DEUTSCHEN NATURSCHUTZRING organisierten Verbände ihre Teilnahme am „Runden Tisch“ vom Juli 2010 ab.

Mediziner kritisiert Industrie-Einfluss
Der Hannoveraner Medizin-Professor Dr. med. Arnold Ganser hat bitter das Fehlen einer von Big Pharma unabhängigen Arzneimittel-Forschung beklagt. „Durch die Hürden der Gesetzgebung, die durch Druck von seiten der Industrie durchgedrückt worden ist, sind heutzutage Arzneimittel-Studien ohne Unterstützung der Pharma-Industrie kaum mehr möglich. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass die zur Zulassung führenden und von der Pharma-Industrie üppig mit Geld unterstützten klinischen Studien nicht unbedingt das Optimum der therapeutischen Wirkung, sondern eher das Optimum des finanziellen Gewinns zum Ziel haben“, schreibt er in einem Leserbrief an die Faz. Im Interesse der „Gesundheit der Bürger“ fordert er deshalb die Politik auf, aktiv zu werden und den Einfluss von BAYER & Co. zu begrenzen.

KAPITAL & ARBEIT

Tarifverträge für 56 %
Nur bei 56 Prozent aller BAYER-Belegschaftsangehörigen ist ihr Entgelt durch Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen gesichert. Für Beschäftigte in Europa beträgt die Quote 88 Prozent, in Lateinamerika/Afrika/Nahost 42 Prozent, in der Asien/Pazifik-Region 18 Prozent und in Nordamerika 14 Prozent.

PRONOVA schluckt DER PARTNER
Mitte 2007 schloss sich BAYERs Betriebskrankenkasse mit der FORTISNOVA BKK zur PRONOVA BKK zusammen. Seither schluckt sie kleinere Kassen. So verleibte die PRONOVA sich bereits FORD & RHEINLAND und GOETZE & PARTNER ein. Und im April 2010 folgte schließlich DER PARTNER. Mit nunmehr 660.000 Versicherten gehört BAYERs ehemalige Versorgungseinrichtung mittlerweile zu den 25 größten Krankenkassen der Bundesrepublik.

Wenning verdient 3,57 Millionen
Im Krisenjahr 2009 hat BAYER-Chef Werner Wenning mit 3,57 Millionen Euro 90.000 Euro weniger verdient als 2008.

Vorstandsvergütung nicht populär
Den BAYER-AktionärInnen sind die hohen Bezüge des Vorstands nicht ganz geheuer. Während die Hauptversammlungen der anderen 29 Dax-Unternehmen die Gehälter der Chef-Etagen mit Zustimmungsraten von bis zu 99,93 Prozent absegneten, votierten beim Leverkusener Multi lediglich 95,25 Prozent für die Millionen-Gagen. Nur sieben Konzerne erzielten noch schlechtere Ergebnisse.

Pharma-Umstrukturierungen
Wirtschaftskreise üben seit längerem Kritik an der angeblich immer noch nicht abgeschlossenen Integration des 2006 gekauften Pharma-Riesen SCHERING in den BAYER-Konzern und machen „Doppelstrukturen und überflüssige Hierarchie-Ebenen“ aus. Das veranlasste den Leverkusener Multi jetzt zu Umstrukturierungen. So hat er bei BAYER SCHERING PHARMA die Geschäftsfelder Spezialmedizin und Diagnostik sowie Frauengesundheit und Allgemeinmedizin zusammengelegt. Die neue Abteilung „BAYER Medical Care“ soll vor allem den Absatz von Blutzucker-Messgeräten befördern, bei denen BAYERs Marktanteile massiv eingebrochen waren. Mit „Innovationen“ wie dem DIDGET (siehe PROPAGANDA & MEDIEN), computer-kompatiblen Apparaturen und Technologie-Partnerschaften bei Diagnostika-Neuentwicklungen will das Unternehmen verlorenes Terrain zurückerobern. Zudem hat der Global Player als neue Pharma-Führungsebene ein „Executive Committee“ eingeführt, das vor allem im angelsächsischen Raum verbreitet ist. „Es trifft die wichtigsten Entscheidungen, braucht aber anders als der Vorstand nicht dem Aufsichtsrat Rede und Antwort stehen“, benennt die Financial Times Deutschland die „Vorteile“. Die Zeitung gibt sich damit allerdings nicht zufrieden und erwartet vom neuen BAYER-Chef Marijn Dekkers eine umfassende Neu-Organisation der Sparte.

ERSTE & DRITTE WELT

BAYER & Co. bei Niebel
Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel betrachtet das Ministerium nicht länger als „Weltsozialamt“, sondern als Wirtschaftsförderungsamt. Deshalb hat er im März den „Bundesverband der Deutschen Industrie“ zu einem Roundtable-Gespräch eingeladen. „Dies ist der Beginn eines fortlaufenden Dialogs mit der Wirtschaft“, erklärte die Parlamentarische Staatssekretärin Gudrun Kopp und ließ keinen Zweifel daran, dass sie BAYER & Co. für die wahren EntwicklungshelferInnen hält. „Das Know-How deutscher Unternehmen wird in vielen Entwicklungsländern dringend gebraucht“, so Kopp. Auch der „Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft“ durfte bei Niebel schon vorsprechen. Der „Verband entwicklungspolitischer deutscher Nichtregierungsorganisationen“ kritisierte diesen Politikwechsel. Er verlangte, sich auf die Grundbedürfnisse der Menschen in den armen Ländern nach einer ausreichenden Gesundheits- und Nahrungsmittelversorgung zu konzentrieren statt auf die Grundbedürfnisse der bundesdeutschen Wirtschaft.

Neues Lateinamerika-Konzept
Die schwarz-gelbe Koalition hat ein neues Lateinamerika-Konzept erstellt, das ganz auf die Bedürfnisse von BAYER & Co. zugeschnitten ist. „Die Bundesregierung unterstützt die deutsche Wirtschaft bei der Erschließung des Potenzials Lateinamerikas. Sie misst der Beteiligung der Wirtschaft bei der Auswahl und Definition der Maßnahmen eine zentrale Rolle zu“, heißt es in dem Text.

Proteste gegen „Maiz Solidario“
Das Entwicklungshilfe-Programm „Maiz Solidario“ will Millionen Kleinbauern und -bäuerinnen der Chiapas-Region in den Genuss der industriellen Landwirtschaft bringen. Aber diese können auf Ackergifte und auf hybrides, also nicht für die Wiederaussaat geeignetes Saatgut sowie auf Genpflanzen gut verzichten. Deshalb protestieren sie gegen den Anschluss an den Agro-Weltmarkt mit all seinen negativen Folgen für die Nahrungssouveränität, die Gesundheit und die Umwelt.

Millionengeschäft mit der UNFPA
In seinem Nachhaltigkeitsbericht verbucht der Leverkusener Multi seine Kooperation mit dem „UN Population Fund“ (UNFPA) als zivilgesellschaftliches Engagement. Die Zusammenarbeit dient aber ausschließlich dem Zweck, neue Absatzmöglichkeiten für seine Kontrazeptiva zu finden. Die UN handelt nämlich immer noch nach der vom ehemaligen US-Präsidenten Lyndon B. Johnson formulierten Devise „Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar“ und verteilt unter den Armen der Welt Verhütungsmittel en masse. Deshalb hatte der seit 2006 zu BAYER gehörende SCHERING-Konzern schon früh entsprechende Kontakte geknüpft (SWB 4/06). Diese zahlen sich auch heute noch aus. Bei empfängnisverhütenden Mitteln steht der Pharma-Riese an der Spitze der UNFPA-Lieferliste; für 25 Millionen Dollar kauften die Vereinten Nationen 2009 in Leverkusen ein.

8.000 asiatische Versuchskaninchen
Der Leverkusener Multi verlegt immer mehr Medikamentenversuche in arme Länder. Dort locken ein großes Reservoir an ProbandInnen, unschlagbare Preise, schnelle Verfahren und eine mangelhafte Aufsicht (SWB 2-3/10). Allein in Asien setzen sich zur Zeit 8.000 Personen den Risiken und Nebenwirkungen von neuen BAYER-Arzneien aus.

POLITIK & EINFLUSS

Pott Kölner Hochschulrats-Vorsitzender
Der Leverkusener Multi hat mit der Kölner Universität im Jahr 2008 eine umfangreiche Forschungskooperation im Medizin-Sektor vereinbart, über deren genaue Modalitäten sowohl Hochschule als auch BAYER jede Auskunft verweigern (siehe AKTION & KRITIK). Die fürsorgliche Belagerung der Bildungseinrichtung durch den Multi spiegelt sich auch auf der Verwaltungsebene wider. So hat der Konzern-Manager Richard Pott den Vorsitz des Hochschulrats übernommen.

Konzerne starten Energie-Kampagne
Auf großflächigen Anzeigen haben BAYER-Chef Werner Wenning, EON-Vorstand Johannes Teyssen, Josef Ackermann von der DEUTSCHEN BANK und über 30 andere Manager die Energiepolitik der Bundesregierung angegriffen. Sie kritisierten geplante Maßnahmen wie die Brennelemente-Steuer und die Streichung der Ökosteuer-Ausnahmeregelungen für energie-intensive Branchen wie die Chemie und verlangten ein Bekenntnis zu Atom- und Kohlekraftwerken. „Damit die Preise für alle bezahlbar bleiben, können wir bis auf Weiteres nicht auf kostengünstige Kohle und Kernenergie verzichten“, schreiben die Bosse. Hauptsache billig, meinen sie also und nennen das „Mut zum Realismus“. Bei Zuwiderhandlungen drohen die Millionäre wieder einmal mit Unbill für den Standort Deutschland. Ursprünglich drohte auch Michael Vassiliadis von der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE mit. Aber dann fehlte sein Konterfei doch, wofür es unterschiedliche Erklärungen gibt. Laut Süddeutscher Zeitung hat der RWE-Vorstandsvorsitzende Jürgen Großmann den Gewerkschaftler ohne dessen Wissen zum Bundesgenossen gemacht und vom verdutzten ArbeiterInnen-Vertreter kurz vor Toresschluss eine Absage erhalten. Nach Informationen der Rheinischen Post hingegen zog Vassiliadis seine Unterschrift erst zurück, nachdem VERDI-Chef Frank Bsirske seine Teilnahme verweigert hatte, da der IG BCEler inner-gewerkschaftlichen Twist vermeiden wollte. Auch unter den Konzernen selber herrscht nicht immer solch eine traute Eintracht. So haben große Stromkunden wie BAYER wegen der hohen Abgabe-Preise immer wieder mit den Strom-Anbietern gehadert und sogar Anspruch auf Teile des Extra-Profites von 66 bis 84 Milliarden Euro erhoben, den die AKW-Laufzeitverlängerung RWE & Co. in die Kassen spült (Ticker 2-3/10).

BAYER & Co. gegen Finanzmarkt-Reformen
Auch BAYER nutzt die umstrittenen Instrumente, die der Finanzmarkt bietet. So hat der Konzern Geld in Derivaten angelegt, die eine Art Wette auf Preissteigerungen oder -senkungen von Rohstoffen, Aktien, Währungen, Zinsen oder aber von Derivaten selber sind. Der Leverkusener Multi weist dabei das Motiv „Spekulation“ weit von sich. „Derivate Finanzinstrumente werden dabei fast ausschließlich zur Absicherung von gebuchten und geplanten Transaktion abgeschlossen“, heißt es im Geschäftsbericht. Aber die Interessen der SpekulantInnen sind auch die Interessen BAYERs. Darum hat der Leverkusener Multi in Tateinheit mit BMW, DAIMLER, ROLLS ROYCE und anderen Unternehmen an die EU appelliert, den Derivate-Markt nicht zu regulieren. Die Konzerne rechnen damit, im Falle einer solchen Reform nicht mehr so schnell an Finanzierungsmöglichkeiten zu kommen wie ihre US-amerikanische Konkurrenz und befürchten Wettbewerbsnachteile. In ihrer Eingabe sprechen sie allerdings nicht nur pro domo, sondern haben das große Ganze im Blick und entwerfen ein Horrorszenario. „Statt die nächste Krise zu verhindern, könnten sie die nächste Krise auslösen“, mit diesen Worten warnen BAYER & Co. die EU-Kommission vor strengeren Finanzcasino-Spielregeln.

Aus für Ökosteuer-Ausnahmen?
Die strom-intensivsten Branchen wie z. B. die Chemie-Industrie müssen relativ gesehen am wenigsten Ökosteuer zahlen. Nach erfolgreichen Interventionen von BAYER & Co. hatte die rot-grüne Koalition ihnen 1999 bei der Verabschiedung des Gesetzes großzügige Ausnahmeregelungen eingeräumt, die den Konzerne bis zu neun Milliarden Euro ersparen. Diese Subventionen will Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble jetzt um 2,5 Milliarden abbauen, was einen Sturm der Entrüstung auslöste. „Was da im Bundesfinanzministerium geplant wird, ist ein Anschlag auf Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze dieser Branchen“, sagte nicht etwa BAYER-Chef Werner Wenning, sondern Michael Vassiliades von der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE. Aber selbstverständlich kritisierten auch Chemie-Bosse das „Gesetz zur Reduzierung der Subventionen der ökologischen Steuerreform“. Von „Gift für den Aufschwung“ sprachen sie - und werden sicherlich auch erhört werden.

CDU-Wirtschaftsrat für Sozialkürzungen
Der Wirtschaftsrat der CDU, bei dem Wolfgang Große Entrup genauso wie bei BAYER für die Umweltpolitik zuständig ist, hat massive Kürzungen im Sozial- und Gesundheitsbereich gefordert. Im Etat von Ursula von der Leyen sieht er ein Einsparpotenzial von 40 Milliarden Euro. Das Budget ihres Kollegen Philipp Rösler will das Gremium durch eine forciertere Abwicklung des paritätisch von Beschäftigten und Unternehmern finanzierten Krankenversicherungssystems und die Ausklammerung der Zahnbehandlungskosten aus dem Erstattungskatalog der Krankenkassen entlasten.

Obamas Klimaschutz-Politik scheitert
Barack Obama trat mit einer ehrgeizigen Klima-Politik an. So wollte er die US-amerikanischen Kohlendioxid-Emissionen gegenüber 2005 um 17 Prozent reduzieren und einen den Ausstoß senkenden Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten einführen. Aber BAYER & Co. liefen Sturm gegen die angeblich gerade in Krisenzeiten kontraproduktive „Klima-Steuer“ und setzten sich durch. Erst änderten die DemokratInnen ihren Gesetzes-Entwurf, strichen die Passagen über Kohlendioxid-Obergrenzen und den Emissionshandel, dann gaben sie das Projekt im Juli 2010 schließlich ganz auf. „Wir wissen, dass wir nicht genug Stimmen haben“, so Harry Reid, der Fraktionsvorsitzende der DemokratInnen im Senat, zur Begründung.

BDI gegen EU-Klimaschutzpläne
8,1 Millionen Tonnen Kohlendioxid hat BAYER im Geschäftsjahr 2009 produziert. Um den Klimawandel nicht werter zu befördern, müsste der Konzern seinen Ausstoß drastisch reduzieren. Das jedoch lehnt er ab. In Tateinheit mit den anderen im „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI) organisierten Unternehmen sprach sich der Leverkusener Multi gegen Pläne europäischer UmweltministerInnen aus, die Treibhausgas-Emissionen innerhalb der EU bis zum Jahr 2020 nicht mehr nur um 20 Prozent, sondern um 30 Prozent zu senken. „In Zeiten, in denen ganze Branchen schwerer zu kämpfen haben denn je zuvor, gefährdet jede zusätzliche Belastung den Aufschwung“, ließ der BDI verlauten.

BDI für Steuerentlastungspläne
Der „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI) hat sich mit dem Steuerrecht befasst und nicht weniger als 170 Vereinfachungsvorschläge eruiert. Selbstverständlich geht es dabei überhaupt nicht um eine Senkung der Abgabe-Lasten, sondern nur um eine „Reduzierung unnötiger Bürokratie“. Als zu bürokratisch empfinden BAYER & Co. etwa die Steuern auf Verlagerungen von Betriebsteilen ins Ausland und das mit Steuer-Paradiesen wie Singapur vereinbarte Anrechnungsverfahren, das die dortigen Sätze auf das bundesdeutsche Niveau hebt (siehe auch RECHT & UNBILLIG).

BAYER spendet an UN
Mit BAYER, DAIMLER/CHRYSLER, SHELL und 47 anderen Global Playern unterzeichnete UN-Generalsekretär Kofi Annan Ende Juli 2000 in New York den „Global Compact“, eine unverbindliche Vereinbarung zur Umsetzung internationaler Menschenrechts-, Sozial- und Umweltstandards (Ticker 4/00). Im Gegenzug berechtigt die Unterschrift BAYER & Co., mit dem UN-Emblem für Konzern-Produkte zu werben. Das lassen die Unternehmen sich auch etwas kosten. 1,7 Millionen Dollar spendeten sie im Jahr 2009 dem „Global Compact“ für seine diversen Projekt. BAYER fand sich in der Gruppe der Konzerne, die 1.000 bis 5.000 Dollar gaben. Solch einen Wohltäter möchte die UN nicht verlieren. Während sie bereits 1.300 Firmen wegen Verstoßes gegen den Werte-Kanon ausschloss, weigert sie sich bisher standhaft, einer Forderung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN nachzugeben und dem Leverkusener Multi wegen des Störfalls in Institute und dem nachfolgenden desaströsen Katastrophen-Management die Rote Karte zu zeigen (Ticker 1/10).

Lobbyismus als Dienstleistung
In wichtigen Hauptstädten wie Berlin, Brüssel, Washington und Peking unterhält der Leverkusener Multi mittlerweile so genannte Verbindungsbüros. „Wir bei BAYER verstehen uns als Bestandteil der Gesellschaft und sehen es daher als unsere Pflicht, uns in die gesetzgeberischen Entscheidungsprozesse einzubringen“, sagt der Vorstandsvorsitzende Werner Wenning zur Begründung. Und seine oberste Einbringerin in Berlin, Patricia Solaro, betrachtet sich nicht als schnöde Lobbyistin; ihrem Verständnis nach hat sie eine Service-Funktion. „Wir sind Dienstleister für die Politiker, das bedeutet, wir müssen komplexe Sachverhalte aus den Bereichen ‚Pharma‘, ‚Gesundheit‘ und ‚Chemie‘ verständlich darstellen“. Im Moment gibt die Dame den Abgeordneten Nachhilfe in „steuerlicher Forschungsförderung“ (s. u.), „Bildungsförderung“ und „Ordnungspolitik“.

BAYERs Beitrag
„Mit dem BAYER-Politikbrief ‚Beitrag‘ bringen wir unsere Expertise in die politische Debatte in Deutschland ein“, so charakterisiert der Leverkusener Multi Sinn und Zweck seiner neuen Publikation, die sich an „politische Entscheider auf Bundes- und Landesebene sowie Wissenschaft, Wirtschaft und Medien“ wendet. Die neueste Ausgabe ist dem derzeitigen politischen Lieblingsthema des Konzerns, der steuerlichen Absetzbarkeit von Forschungsaufwendungen, gewidmet. BAYER-Vorstand Wolfgang Plischke zeigt den PolitikerInnen dort auch gleich, wie es gehen kann, und „entwirft eine steuerliche Förderung für Deutschland“. Um seinen Worten Gehör zu verschaffen, hat der Konzern sich prominenten Beistandes versichert. Jürgen Mlynek von der Helmholtz-Gesellschaft, der österreichische Finanzminister Josef Pröll und Christof Ernst und Friedrich Heinemann vom „Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung“ unterstützten BAYERs dreistes Subventionsbegehr.

BAYERs Lobby-Akademie
2009 hat BAYER in Kooperation mit dem „European Training Institute“ die „Brussels Academy“ gegründet. Die Einrichtung hat es sich zur Aufgabe gemacht, in Schulungskursen Lobby-Techniken zu vermitteln. Zudem will sie „die Lücke zwischen Unternehmen und der Zivilgesellschaft“ schließen und baut zu diesem Zweck Beziehungen mit Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und VerbraucherInnen-Organisationen auf. Der WORLD WILDLIFE FUND (WWF) ist dem Leverkusener Multi schon ins Netz gegangen und bereitet für den „Civil Society Council“ eine Diskussionsrunde zum Thema „Wissenschaft und Regulierungen“ vor.

Bund gründet Rohstoffagentur
Die Versorgung mit Öl und anderen zur Neige gehenden Rohstoffen bereitet BAYER & Co. zunehmend Sorge, weshalb ihr Druck auf die Politik zunimmt, die Ressourcen-Versorgung sicherzustellen (SWB 1/10). Um dies besser gewährleisten zu können, hat die Bundesregierung im Juni 2010 die „Deutsche Rohstoffagentur“ gegründet.

Tajani besucht BAYER
Der EU-Kommissar für Unternehmen und Industrie, Antonio Tajani von Berlusconis rechtspopulistischem „Haus der Freiheiten“, besuchte im März 2010 den BAYER-Stammsitz Leverkusen. „BAYER macht in der Unternehmensphilosophie und in den Produkten ein starkes Engagement für Innovation und Nachhaltigkeit deutlich“, zeigte sich der Politiker beeindruckt. In Begleitung des alten BAYER-Bekannten Herbert Reul (CDU), der dem EU-Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie vorsitzt, erörterte Tajani mit Vorständler Wolfgang Plischke und anderen Managern Brüssels neue Industriepolitik-Strategie „Europa 2020“ sowie BAYERs Lieblingsthemen „Patentschutz“ und „Steuererleichterungen für Forschungsleistungen“.

Shouwen Wang besucht Chemie„park“
Im letzten Jahr haben die BAYER-Chemie„parks“ in Leverkusen, Dormagen und Krefeld ein Kooperationsabkommen mit einem chinesischen Pendant, dem „Nanjing Chemical Industry Park“ geschlossen und einen Informationsaustausch, gemeinsame Weiterbildungsaktivitäten sowie eine Überlassung von Beschäftigten vereinbart. Im Rahmen dieses „Joint Ventures“ besuchte der Nanjinger Bürgermeister Shouwen Wang im April 2010 mit zehn chinesischen Managern den Leverkusener Chemie„park“. Gastgeschenke wie Ansiedlungsversprechen chinesischer Betriebe hatte er allerdings nicht im Gepäck.

Schmitt im Dormagener Stadtrat
Bernhard Schmitt ist nicht nur der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende von CURRENTA, dem Gemeinschaftsunternehmen von BAYER und seiner Chemie-Abspaltung LANXESS, er gehört auch dem Dormagener Stadtrat an und sitzt dort der SPD-Fraktion vor.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER sponsert Kindertheater-Projekt
Im Rahmen des „social sponsoring“ arbeitet der Leverkusener Multi seit längerem mit dem Kinderhilfswerk „Die Arche“ zusammen, das der evangelikalen „Deutschen Evangelischen Allianz“ angehört. Als neuestes Projekt fördert BAYER ein Theater-Angebot für 100 Kinder.

Biodiesel-PR in rumänischer Zeitung
Nicht nur die Sindelfinger Zeitung hat einen PR-Text von DAIMLER, der ein gemeinsam mit BAYER durchgeführtes Biodiesel-Projekt in den höchsten Tönen lobt, ohne Verweis auf die Quelle abgedruckt und ihm dadurch journalistische Weihen verliehen, was der Publikation dank der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN eine Rüge des Presserates einbrachte (SWB 2-3/10). Auch das rumänische Blatt Curierul National hat sich für diese Schleichwerbung hergegeben.

500 Millionen Pfund für Pillenwerbung
Für Pillenwerbung in Europa, Asien und Lateinamerika gibt BAYER jährlich 500 Millionen Pfund aus. Die USA einbezogen, dürfte noch einmal ein erkleckliches Sümmchen dazukommen. Dort ist nämlich Reklame für verschreibungspflichtige Medikamente erlaubt.

BAYER VITAL stockt Werbeetat auf
BAYER VITAL, die für rezeptfreie Arzneien zuständige Abteilung des Leverkusener Multis, hat im letzten Jahr nach Angaben des Fachmagazins Horizont 51,9 Millionen Euro für Reklame ausgegeben, fast 8,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Nur KLOSTERFRAU und BOEHRINGER INGELHEIM investierten mehr. TV-Werbung und Anzeigen in Publikumszeitschriften schlucken dabei den Löwen-Anteil des Etats. Immer größere Summen fließen jedoch ins Internet. Der Leverkusener Multi platziert fleißig Banner im Umfeld von Gesundheitswebseiten und sorgt dafür, dass GOOGLE vornehmlich BAYER findet. „Suchmaschinen-Marketing“ heißt das im Fachjargon.

Spielend den Blutzucker messen
BAYER will junge DiabetikerInnen mit dem Blutzucker-Messgerät DIDGET zur regelmäßigen Blutkontrolle anregen. Zu diesem Zweck enthält es ein extra für diese Altersgruppe unter den Blutzucker-Kranken entwickeltes Spiel, das NINTENDO-kompatibel ist und für gute Werte und regelmäßige Blutzucker-Checks Bonus-Punkte vergibt.

Ferien bei BAYER
Wenn das keine Alternative zu Sommer, Sonne & Strand ist: „Pünktlich zum Ferien-Start öffnet BAYER CROPSCIENCE für jugendliche Naturwissenschaftsfans sein Schülerlabor „Baylab Plants“, vermeldet die Rheinische Post. Und es haben sich wirklich ein paar Sonnen-AllergikerInnen gefunden, die es auch sonst nicht so mit der Natur haben und meinen, ihr auf die Sprünge helfen zu müssen, indem sie am Erbgut von Pflanzen herumdoktorn und etwa versuchen, Raps zu „verbessern“, damit er als Biokraftstoff besser in die Tanks passt. Über die Risiken und Nebenwirkungen des Agro-Sprits wie die Gefährdung der Ernährungssicherheit durch das Verdrängen von Anbaufläche für Nahrungsmittel-Grundstoffe erfuhren die SchülerInnen während ihrer „Betriebsferien“ natürlich nichts.

TIERE & ARZNEIEN

USA schränken Antibiotika-Gaben ein
BAYERs Geschäft mit dem Tier-Antibiotikum BAYTRIL (Wirkstoff: Fluorchinolon) läuft prächtig. Die ZüchterInnen verabreichen es ihrem Vieh nämlich nicht nur im Krankheitsfall, sondern routinemäßig zur Mast. Die massenhafte Gabe von Antibiotika in der Massentierhaltung birgt allerdings große Gefahren, denn Krankheitskeime können Resistenzen gegen die Mittel ausbilden und - wenn sie in den Nahrungskreislauf gelangen - z. B. schwere Magen/Darm-Infektionen auslösen, gegen die Human-Antibiotika auf Fluorchinolon-Basis wie BAYERs CIPROBAY dann machtlos sind. Aus diesem Grund hat die US-amerikanische Gesundheitsbehörde jetzt die Empfehlung ausgesprochen, BAYTRIL & Co. nur noch bei Gesundheitsschädigungen zu verabreichen.

DRUGS & PILLS

140 YASMIN-Tote
Nach Recherchen des schweizer TV-Magazins 10vor10 hat BAYERs Antibaby-Pille YASMIN in den USA den Tod von 140 Frauen verursacht; YAZ ist für weitere 50 Sterbefälle verantwortlich. 10.000 Spontanmeldungen über unerwünschte Nebenwirkungen von Kontrazeptiva gingen bei der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA binnen der letzten zehn Jahre ein. In der Bundesrepublik starben alleine im letzten Jahr fünf Personen an den Nebenwirkungen von BAYERs Verhütungsmitteln. Für die Pharma-Riesen ist das kein Grund zur Beunruhigung. Spontanmeldungen hätten keine Aussagekraft, wenn es um das Risiko eines Medikamentes ginge, wiegelten die Pillen-Produzenten gegenüber 10vor10 ab und hielten weiter am positiven Nutzen/Risiko-Profil ihrer Produkte fest.

YAZ gegen Regelschmerzen
Ungeachtet der schweren Nebenwirkungen von YASMIN und YAZ (s. o.) sucht BAYER neue Anwendungsmöglichkeiten für die Pillen, da ihr Patent ausgelaufen ist und Nachahmer-Präparate auf den Markt drängen. So hat der Leverkusener Multi in Japan eine Zulassung für YAZ als Mittel zur Behandlung von Regelschmerzen erhalten.

Krebs durch KINZAL?
BAYERs KINZAL (Wirkstoff: Telmisartan) und andere Bluthochdruck-Medikamente aus der Gruppe der Angiotensin-Antagonisten können das Krebsrisiko erhöhen. Das ergab eine Studien-Auswertung der „Case Western Reserve University“ unter Leitung von Ilke Sipahi. Bei ProbandInnen, die Angiotensin-Antagonisten einnahmen, bildeten sich deutlich mehr Tumore heraus als bei Testpersonen, die Betablocker, ACE-Hemmer oder Placebos schluckten. „Als beunruhigend und provokativ“, bezeichnete der Kardiologe Steven Nissen von der „Cleveland Clinic“ die Ergebnisse. Er vermutet, dass diese „Nebenwirkung“ schon in den Klinischen Prüfungen auftrat und fordert BAYER & Co. auf, die entsprechenden Unterlagen öffentlich zu machen.

Gelenk-Probleme durch ADALAT
Blutdruck-Senker aus der Gruppe der Kalzium-Antagonisten wie die BAYER-Mittel ADALAT und BAYMYCARD führen zu Wasserablagerungen und können so - trotz parallel eingenommener Entwässerungsmittel - Arthrosen in den Gelenken verschlimmern und die Herausbildung von offenen Stellen im Knöchelbereich befördern.

XARELTO bei Thrombosen?
Während die US-Behörden immer noch zögern, dem BAYER-Medikament XARELTO die Genehmigung zu erteilen, weil von ihm ein erhöhtes Risiko für Gefäß-Verschlüsse, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden ausgeht und seine Langzeitwirkung nicht geklärt ist, gab die EU bereits 2009 grünes Licht. Sie ließ die Arznei mit dem Wirkstoff Rivaroxaban zur Thrombose-Vorbeugung bei schweren orthopädischen Operationen zu. Das reicht dem Leverkusener Multi jedoch nicht. Er möchte das Mittel nur allzu gerne als allgemeines Thrombose-Therapeutikum einsetzen und führt auch entsprechende Versuche durch. Im August vermeldete der Konzern einen durchschlagenden Erfolg, woraufhin der Unternehmenswert an den Börse gleich um zwei Milliarden Euro auf 40 Milliarden Euro stieg. Bei Licht besehen bleibt von dem blendenden Resultat allerdings nicht viel übrig, denn die Latte hing nicht sehr hoch. Die Studie war laut BAYER nämlich nur darauf ausgelegt, „bei mehr als 3.400 teilnehmenden Patienten nachzuweisen, dass Rivaroxaban der Vergleichsmedikation nicht unterlegen ist“. Dieses Klassenziel hat XARELTO erreicht, weshalb auf die Krankenkassen in Kürze wieder ein klassisches „Me too“-Produkt zukommen dürfte.

Kein ASPIRIN bei Hautkrebs
Nach einer Studie des australischen „Queensland Institute of Medical Research“ von 2006 senkt BAYERs ASPIRIN die Gefahr, an Hautkrebs zu erkranken. Eine neue Untersuchung, welche die Fachzeitschrift Archives of Dermatology veröffentlichte, bestätigte diesen Befund allerdings nicht. Sie konnte keinen Zusammenhang zwischen der Einnahme von ASPIRIN und einem verminderten Hautkrebs-Risiko erkennen.

Starke VIADUR-Nebenwirkungen
Mehrere Studien haben gefährliche Nebenwirkungen von BAYERs VIADUR und anderen Medikamenten zur Prostatakrebs-Behandlung festgestellt, die mittels Hormonen für eine Schrumpfung der Prostata-Drüse sorgen. Den WissenschaftlerInnen zufolge führten diese Arzneien zu Todesfällen, Herzinfarkten, Schlaganfällen oder Diabetes. Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA kündigte daraufhin genauere Untersuchungen an.

Warnung vor Testosteron-Pillen
Mit großer Anstrengung arbeitet der Leverkusener Multi daran, die „Männergesundheit“ als neues Geschäftsfeld zu etablieren und seinen Potenzpillen und Hormon-Präparaten neue und nur selten zweckdienliche Anwendungsmöglichkeiten zu erschließen. So hat er die Krankheit „Testosteron-Mangel“ erfunden, um seine Hormon-Pillen an den Mann zu bringen, obwohl die Testosteron-Werte von Männern ab 40 nur um ein bis zwei Prozent pro Jahr sinken. Das englische Fachmagazin Drug and Therapeutics Bulletin hat MedizinerInnen jetzt eindringlich davor gewarnt, sich in die Werbe-Maßnahmen einbinden zu lassen. Wegen Nebenwirkungen wie Prostata-Krebs, Harntrakt-Schädigungen oder Brust-Wachstum riet die Publikation zu äußerster Vorsicht beim Verschreiben der Mittel.

BAYER & Co. bezahlen ÄrztInnen
Nach einer Umfrage der Universität Mainz unter ÄrztInnen erhielt im Jahr 2007 jeder zweite der Befragten Zahlungen von der Pharma-Industrie. BAYER & Co. honorierten vor allem die als Wissenschaft getarnten Anwendungsbeobachtungen von Medikamenten, die nur dem Zweck dienen, die PatientInnen auf das getestete Präparat umzustellen. Aber auch für BeraterInnen-Tätigkeiten, Vorträge oder Aufsätze in Fachzeitschriften investierten die Konzerne Geld.

Russland reguliert Pharma-Markt
BAYER ist die Nummer fünf auf dem russischen Pharma-Markt. In Zukunft dürfte der Rubel aber nicht mehr so rollen. Die Regierung will nämlich die Preise regulieren und dabei den einheimischen Pillen-Unternehmen Wettbewerbsvorteile verschaffen. Den Global Playern bleibt also nur, künftig vor Ort zu produzieren oder aber Allianzen mit russischen Firmen einzugehen.

Chinas Pharma-Markt wächst
China eifert den USA nach und integriert mehr Menschen in das Krankenversicherungssystem. Dem Leverkusener Multi wachsen so 200 Millionen neue KundInnen zu, die der Konzern binnen der nächsten fünf Jahre mit 20 neuen Arzneien begrüßen will. Der Chef von BAYERs chinesischer Pharma-Sparte, Chris Lee, rechnet mit einem Pillen-Markt, dessen Volumen sich von heute bis zum Jahr 2020 fast um das Zehnfache auf 220 Milliarden Dollar vergrößern wird.

Indiens Pharma-Markt wächst
Der Leverkusener Multi rechnet mit stark wachsenden Pillen-Umsätzen in Indien. Bei Steigerungsraten von jährlich 14 Prozent prognostiziert der Konzern für 2012 ein Markt-Volumen von 82 Milliarden Dollar (2007: 42 Milliarden). Darum hält er nach günstigen Zukäufen Ausschau und verdreifacht die Zahl seiner Pharma-ReferentInnen.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Endgültiges Aus für Tolylfluanid
Vor drei Jahren hatte das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ (BVL) die Zulassung für BAYERs Pestizid-Wirkstoff Tolylfluanid ausgesetzt, den der Agro-Riese unter den Produkt-Namen EUPAREN M WG, FOLICUR EM und MELODY MULTI vermarktet (Ticker 2/07), da die Substanz bei der Trinkwasser-Aufbereitung ultragiftige Stoffe bilden kann. Benutzen die Wasserwerke bei der Reinigung nämlich Ozon, so kann es mit einem Abbauprodukt von Tolylfluanid reagieren und auf diesem Weg das gesundheitsgefährdende Nitrosamin produzieren. Diese Sachlage bewog die EU jetzt, die Agro-Chemikalie ganz zu verbieten.

Aldicarb raus aus USA
Das BAYER-Pestizid Aldicarb, vermarktet unter dem Namen TEMIK, gehört als Organophosphat zur Gefahrenklasse 1a - und damit zur höchsten. Die EU hat das Ackergift deshalb schon im Jahr 2007 aus dem Verkehr gezogen, wogegen der Leverkusener Multi sich mit Händen und Füßen gewehrt hatte. Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA sieht jetzt ebenfalls Handlungsbedarf, weil die Agro-Chemikalie die Lebensmittel-Sicherheit gefährdet. Sie gewährte dem Agro-Riesen jedoch noch eine Gnadenfrist bis Ende 2014.

Alt-Pestizide in Nepal
In den vergangenen Jahrzehnten haben die Agro-Multis - gefördert von „Entwicklungshilfe“-Programmen - „Drittweltländer“ großzügig mit Ackergiften versorgt. Die Folge: Nach Schätzungen der Welternährungsorganisation der UN lagern dort über eine halbe Million Tonnen Alt-Pestizide, schlecht gesichert in lecken Behältern, zerrissenen Tüten und geplatzten Säcken. Altlasten made by BAYER sind nach GREENPEACE-Angaben in rund 20 Ländern vertreten. Unter anderem auch in Nepal. Vor neun Jahren begann die Umweltorganisation dort, Bestände zu sichern (SWB 4/01). Methyl Parathion, Solbar und Quecksilberchlorid aus den Werken des Leverkusener Multis verpackten die Umweltschützer zusammen mit Ackergiften anderer Firmen transportfertig in Spezialfässer. Aber immer noch ticken in dem Land chemische Zeitbomben. Im Moment setzt gerade die Asien-Sektion des PESTIZID-AKTIONS-NETZWERKs (PAN) die Arbeit von GREENPEACE fort und füllt Agro-Chemikalien von BAYER & Co. in dickwandige Behältnisse um.

Weniger Pestizide verkauft
Im Jahr 2009 schlug die Wirtschaftskrise auch auf den Pestizid-Markt durch, der um ca. zehn Prozent auf 37,7 Milliarden Dollar schrumpfte. Die Erlöse von BAYER CROPSCIENCE vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen gingen deshalb um 5,9 Prozent auf 1,5 Milliarden Euro zurück.

GAUCHO & Co. noch gefährlicher
Eine Untersuchung des niederländischen Toxikologen Dr. Henk Tennekes stellt den beiden Pestizid-Wirkstoffen Imidacloprid (enthalten in BAYERs GAUCHO) und Thiacloprid (Produktname: PROTEUS) ein noch schlechteres Gesundheitszeugnis aus als frühere Studien. „Das Risiko von Pestiziden wie Imidacloprid und Thiacloprid wird wahrscheinlich enorm unterschätzt, besonders für Wasserlebewesen und Bodenorganismen. Die bislang gültigen Grenzwerte wurden weitgehend aus Kurzzeit-Tests abgeleitet. Würde man Langzeit-Versuche durchführen, könnten schon bei wesentlich geringeren Konzentrationen verheerende Schäden auftreten. Damit kann erklärt werden, wieso schon geringe Mengen Imidacloprid längerfristig Bienensterben verursachen können“, so der Wissenschaftler. Der Wissenschaftler zeigte sich äußerst besorgt über die hohen Ackergift-Konzentrationen in Oberflächen-Gewässern. So ergaben Messungen der niederländischen Umweltbehörde Imidacloprid-Belastungen weit oberhalb des EU-Grenzwertes für Trinkwasser von 0,1 µg/l pro Liter (µg/l): Bis zu 320 Mikrogramm pro Liter wiesen die BeamtInnen nach.

BAYER kritisiert Pestizid-Gesetz
Im Jahr 2009 hat die EU eine strengere Pestizid-Verordnung verabschiedet. Nach der neuen Regelung erhalten mit Glufosinat, Carbendazim, Mancozeb, Tebuconazole, Bifenthrin und Thiacloprid sechs Wirkstoffe, die auch in BAYER-Mitteln enthalten sind, keine Zulassung mehr. Der Leverkusener Multi ist darüber not amused. Er wirft der Europäischen Union eine „Überinterpretation des Vorsorge-Prinzips“ vor und sieht die Produktivität der Landwirtschaft wegen angeblichen Giftmangels schwinden.

Krebs durch BAYGON
In der Chiapas-Region hat die indigene Bevölkerung 2004 BAYERs Agrochemikalie BAYGON (Wirkstoff: Lindan) dazu benutzt, um die Kopfläuse ihrer Kinder zu behandeln, was zu einer deutlich gestiegenen Krebsrate geführt hat.

Bauernsterben durch Endosulfan
Jahrelang hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN den Leverkusener Multi aufgefordert, den in der Bundesrepublik schon längst verbotenen besonders gefährlichen Pestizid-Wirkstoff Endosulfan auch in anderen Ländern nicht mehr zu vertreiben. Im letzten Jahr erklärte sich der Konzern endlich dazu bereit (SWB 3/09). Aber vorher gab es noch einmal eine Überdosis Chemie. Das Unternehmen warf alle Restbestände auf den Markt, was zu hohen Belastungen führte. Besonders hart traf es brasilianische Bio-LandwirtInnen. Ihre Soja-Ernte weist so große Endosulfan-Rückstände auf, dass sie unverkäuflich ist. 300 Bauern und Bäuerinnen droht deshalb die Pleite.

Moskito-Netze mit Deltamethrin
BAYER hat Moskito-Netze entwickelt, in deren Fasern der Pestizid-Wirkstoff Deltamethrin eingearbeitet ist. Das soll die Mücken, die Malaria übertragen, unschädlich machen. Allerdings bergen die „Life-Nets“ mit ihrem nicht abgeschirmten textilen Gift-Reservoir auch selber Gesundheitsgefahren, besonders für Kinder.

Pyrethroide im Blut
Eine neue US-amerikanische Untersuchung stellte eine hohe Belastung der Bevölkerung durch Insektizide auf Pyrethroid-Basis fest. So fanden sich in 70 Prozent der Urin-Proben Spuren von Mitteln wie BAYERs BAYTHROID oder BULLDOCK; bei Kindern waren die Konzentrationen besonders hoch. Welche Gesundheitsgefahr von den Stoffen ausgeht, legte 2008 eine Studie der US-amerikanischen Umweltbehörde EPA dar (Ticker 3/08). Die Expertise machte die Pyrethroide für 20 Todesfälle und 22.500 zum Teil schwerwiegende Vergiftungen zwischen 1997 und 2007 verantwortlich.

ADHS durch Pestizide?
Eine neue Untersuchung von Maryse F. Bouchard und anderen ForscherInnen hat einen Zusammenhang zwischen erhöhter Pestizid-Belastung und der Anfälligkeit für die Aufmerksamkeitsdefizit-Störung ADHS festgestellt. So erhöht sich für Kinder mit auffälligen Agrochemie-Konzentrationen im Urin die Gefahr, an ADHS zu erkranken, um mehr als 50 Prozent.

Chlorpyrifos-Belastungen in Ägypten
Pestizide sind Nervengifte und können deshalb neurologische Gesundheitsschäden verursachen. Solche weisen nach einer neuen Untersuchung Beschäftigte im ägyptischen Baumwollanbau auf. Die ForscherInnen führten das auf den Pestizid-Wirkstoff Chlorpyrifos zurück, der auch in den BAYER-Produkten BLATTANEX, PROFICID und RIDDER enthalten ist. Die Chlorpyrifos-Werte der LandarbeiterInnen überschritten die Hintergrund-Belastung der US-Bevölkerung um das 1.300fache.

GENE & KLONE

LIBERTY ist überall
BAYERs genmanipulierter Raps LIBERTY LINK, der gegen das Unkrautmittel Glufusinat immun ist, hat sich in den USA weitflächig ausgekreuzt. An Straßenrändern weitab von den Gentech-Feldern untersuchten ForscherInnen 406 wild wachsende Rapspflanzen, und in nicht weniger als 347 von ihnen stießen sie auf Resistenzen gegen Glufosinat und/oder MONSANTOs Glyphosat. Vor solch einer unkontrollierten Ausbreitung hatten Gentechnik-GegnerInnen immer wieder gewarnt, aber Wirtschaft und Politik blieben tatenlos.

Kein Genreis in Brasilien
Im Jahr 2006 war gentechnisch veränderter Langkorn-Reis von BAYER weltweit in Supermärkten aufgetaucht, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch nirgendwo eine Zulassung vorlag. Damit verursachte der Leverkusener Multi den größten Gen-Gau der Nuller-Jahre. Trotzdem hält er unverdrossen an seinem Labor-Reis fest. In Brasilien musste der Konzern sich jetzt aber dem Widerstand von LandwirtInnen, VerbraucherInnen und UmweltschützerInnen beugen: Er zog wegen der „Notwendigkeit, den Dialog mit den Hauptbeteiligten der Reis-Produktionslinie in Brasilien zu erweitern“ den Genehmigungsantrag für die gegen das hochgefährliche Herbizid Glufosinat (Produktname: LIBERTY) resistente Sorte „LL62“ vorerst zurück.

Abkommen mit SYNGENTA
Der Leverkusener Multi kann seine Baumwoll-Pflanzen bald mit neuen Genen bestücken. Er hat von SYNGENTA eine Lizenz zur Nutzung zweier Proteine erworben, die gegen den Baumwollkapselbohrer und die Tabakknospen-Eule wirken sollen.

Mehr Schadinsekten durch Bt-Pflanzen
BAYER & Co. bauen in ihre Laborfrüchte gern das Gift-Gen des Bacillus thuringiensis ein, um Schadinsekten zur Strecke zu bringen. Nach einer Langzeit-Studie chinesischer WissenschaftlerInnen sieht die Bilanz allerdings nicht so gut aus. Die ForscherInnen untersuchten Felder mit Bt-Baumwolle und stellten zwar eine abnehmende Zahl von Maiszünslern fest, dafür aber eine Zunahme von Weichwanzen und anderen Organismen.

Gen-Versuche im Müritzkreis
Im Müritzkreis, wo jetzt Freisetzungsversuche mit der BASF-Kartoffel AMFLORA stattfinden, haben nach Informationen der BI MÜRITZREGION - GENTECHNIKFREI WissenschaftlerInnen in der Vergangenheit auch gentechnisch manipulierte Raps- und Kartoffelsorten von BAYER getestet.

Kein NEXAVAR bei Lungenkrebs
BAYERs extrem teure und das Leben von Nieren- und Leberkrebs-PatientInnen nur minimal verlängernde Gentech-Arznei NEXAVAR (siehe auch SWB 4/10) scheitert bei immer mehr Versuchen, das Anwendungsspektrum zu erweitern. Nach negativ verlaufenden Tests bei Haut- und Bauchspeicheldrüsenkrebs kam jetzt auch das Aus bei Lungenkrebs.

WASSER, BODEN & LUFT

Pestizide belasten Gewässer
Dem Bewirtschaftungsplan des Landes Nordrhein-Westfalen für seine Gewässer zufolge belasten Pestizide die Flüsse immer noch massiv. Zahlreiche Pestizid-Wirkstoffe, die auch in BAYER-Ackergiften enthalten und teilweise gar nicht mehr zugelassen sind, verletzten die Umweltqualitätsnorm. So überschritten die Werte für Endosulfan, Diuron, Dichlorprop, Fenthion, MCPA, Mecoprop, Diazinon und Glyphosat mehrmals im Jahr das Limit. Diese Belastungssituation entspricht nicht den Vorgaben der EU-Wasserrahmenrichtlinie. Deshalb will die Politik auch auf Zeit spielen und die Umsetzung verzögern. „Viele Maßnahmenträger haben bei genereller Zustimmung zu den Bewirtschaftungszielen Finanzierungs - und Planungsvorbehalte vorgetragen“, heißt es in dem noch von Umweltminister Eckhard Uhlenberg verantworteten Bericht, weshalb „Fristverlängerungen vorgesehen sind“.

Bisphenol A belastet den Rhein
BAYER ist einer der größter Hersteller der Industrie-Chemikalie Bisphenol A, die unter anderem in Baby-Flaschen und Konservendosen Verwendung findet und zu Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen führen kann (siehe SWB 4/10). Zu allem Unglück verunreinigt die Substanz laut Bewirtschaftungsbericht des NRW-Umweltministeriums auch den Rhein, wobei die Konzentration an mehreren Messstellen sogar die Orientierungswerte - Grenzwerte gibt es für den Stoff nicht - überschritten hat.

Jede Menge Kohle
Bei der Strom-Gewinnung setzt BAYER immer noch sehr stark auf die klima-schädliche Kohlekraft. An der Gesamtsumme der erzeugten Energie von 48.124 Terajoule hatte die Steinzeit-Technologie 2009 mit 17.000 Terajoule hinter Erdgas mit 29.400 Terajoule den größten Anteil.

8,1 Millionen Tonnen Kohlendioxid
Trotz markanter Produktionsdrosselungen infolge der Wirtschaftskrise hat BAYER 2009 den Kohlendioxid-Ausstoß kaum minimieren können. Er betrug 8,1 Millionen Tonnen und sank damit gegenüber dem Vorjahr nur um 0,56 Millionen Tonnen. Mit 4,83 Millionen Tonnen hatte BAYER MATERIAL SCIENCE den größten Anteil daran.

Antwerpen: Anhörung wg. Kraftwerk
Der Energie-Riese E.ON will auf dem Antwerpener Werksgelände von BAYER das größte Kohlekraftwerk der Benelux-Staaten errichten. Der Rat der Stadt hatte sich wegen der Emission klimaschädlicher Gase und gesundheitsgefährdender Stoffe allerdings gegen das Mammutprojekt ausgesprochen. Darum kam es jetzt zu einer Anhörung. Dabei hat E.ON zwar angeboten, den avisierten CO2-Ausstoß in Höhe von sechs Millionen Tonnen etwas zu drosseln, das Projekt aber für unabdingbar erklärt, weil sonst das BAYER-Werk in seinem Bestand gefährdet wäre. Eine solche Horrorvision entwarf Konzern-Chef Werner Wenning auf der letzten Hauptversammlung im April 2010 nicht. Seiner Ansicht nach fällt das Bau-Vorhaben von E.ON nicht in seinen Zuständigkeitsbereich. Zudem deutete das Unternehmen an, zur Not auch mit einem umweltfreundlichen Gas/Dampf-Kraftwerk leben zu können.

Kraftwerk: Dachau beteiligt sich nicht
Hinter TRIANEL, dem Bauherrn des auf dem Gelände von BAYERs Chemie„park“ in Krefeld geplanten Kohlekraftwerkes, stehen 47 Stadtwerke aus der Bundesrepublik, der Schweiz und Österreich. Im Falle des am Standort des Global Players anvisierten Projektes allerdings nicht so ganz. In Dachau hat ein Bürgerentscheid sich nämlich gegen die Beteiligung der örtlichen Stadtwerke an dem Bau ausgesprochen, woraufhin diese den Vertrag mit TRIANEL kündigten.

Modernes Kraftwerk in Leverkusen
Auch am BAYER-Standort Leverkusen stand kurz die Errichtung eines Kohlekraftwerks zur Diskussion. Der Multi hat sich jedoch eines Besseren belehren lassen und baut jetzt ein umweltschonendes Gas/Dampf-Kraftwerk. Warum nicht gleich so, und warum nicht auch woanders?

BAYER produziert mehr FCKW
2009 stieg bei BAYER die Produktion von FCKW und anderen ozon-abbauenden Stoffen um zwei Prozent auf 17,5 Tonnen. Abermals trägt die Hauptverantwortung dafür das Werk im indischen Vapi. Dessen bereits 2008 angekündigte Modernisierung will der Leverkusener Multi nun stufenweise durchführen und bis 2015 beendet haben.

Weniger Stickstoffoxid-Emissionen
Im Jahr 2009 hat BAYER mit 3,5 Tonnen 400 Kilogramm weniger Stickstoffoxid in die Luft geblasen als im Vorjahr. Die Werte für Kohlenmonoxid gingen um 300 Kilogramm auf 1,4 Tonnen zurück und die für Schwefeloxide um 400 Kilogramm auf 2,8 Tonnen. Die Feinstaub-Emissionen verharrten dagegen unverändert bei 200 Kilogramm.

Wasser-Belastung konstant hoch
Nur „konjunkturell bedingt“ sank dem Leverkusener Multi zufolge die Wasser-Belastung durch seine Werke im Jahr 2009 etwas. Diese leiteten 726 Tonnen anorganischer Salze in die Flüsse ein (2008: 812 Tonnen), 1,35 Tonnen Kohlenstoff (2008: 1,59 Tonnen), 740 Kilogramm Phosphor (2008: 780 Kilogramm), 640 Kilogramm Stickstoff (2008: 670 Kilogramm) und neun Kilogramm Schwermetall (2008: 10,4 Kilogramm).

Weniger, aber gefährlicherer Abfall
Im Jahr 2009 hat der Leverkusener Multi 914.000 Tonnen Abfall produziert, 163.000 Tonnen weniger als 2008. Dafür stieg aber der Anteil gefährlicher Hinterlassenschaften von 365.000 auf 375.000 Tonnen. Das Ziel, die Menge der gesundheitsschädlichen Rückstände auf 2,5 Prozent pro Tonne Verkaufsprodukt zu senken, hat der Leverkusener Multi damit verfehlt. Er macht dafür den 2006 erfolgten Erwerb von SCHERING, die ausgeweitete Pestizid-Produktion sowie - paradoxerweise - den Mengenrückgang bei der Kunststoff-Herstellung verantwortlich, der laut BAYER „das Verhältnis von gefährlichem Abfall zur Produktionsmenge weiter verschlechtert hat“.

CO & CO.

Kontroverse um Alarmplan
Das „Worst Case Scenario“ des Leverkusener Multis für einen Pipeline-Unfall stößt auf große Kritik (Ticker 2/3-10). René Schubert von der Ratinger Feuerwehr etwa prangerte die mangelhafte Ausstattung der Schieberstationen an, so habe das Unternehmen aus Kostengründen auf die Installation von Windmessern verzichtet, weshalb die Feuerwehr bei einem GAU auf den Wetterdienst angewiesen sei. Zudem kalkulierten die Hochrechnungen zum möglichen Umfang eines Gas-Austrittes extreme Wetterlagen nicht ein, so Schubert. Dieses monierte auch der Kreis Mettmann. Zudem sahen die Verantwortlichen nicht ein, warum von einem Zwischenfall zunächst BAYER und dann erst die betroffenen Regionen erfahren sollen. Den Regierungspräsident Jürgen Büssow störten die Bedenken nicht weiter. Er erklärte die Arbeit an dem Gefahrenabwehrplan kurzerhand für beendet. Nur eine Abstimmung der Landkreise mit der Bezirksregierung sei zu seiner Absegnung erforderlich, nicht aber ihre Zustimmung, stellte Büssow klar. Erst nach massiven Protesten an seiner gutsherrlichen Art bequemte er sich dazu, den Mettmanner Landrat Thomas Hendele noch einmal zu einem Meinungsaustausch zu treffen.

Vassiliadis für CO-Pipeline
Michael Vassiliadis, Chef der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE, hat sich die Argumente BAYERs in Sachen „Kohlenmonoxid-Pipeline“ zu Eigen gemacht und warnt vor einem Scheitern des Projektes. „Das würde die Attraktivität des Standortes deutlich verringern. Zug um Zug würden Produktionsanlagen unter Druck geraten und irgendwann verlagert“, drohte er in einem Interview mit der Rheinischen Post.

Treffen mit BAYER ohne Ergebnis
Anfang Juni 2010 haben sich VertreterInnen von Anti-Pipeline-Initiativen mit Emissären von BAYER getroffen. Zu einem konkreten Ergebnis führten die Gespräche allerdings nicht. „In den grundsätzlichen Fragen und in der Bewertung von Alternativen konnte keine Annäherung erreicht werden“, erklärte der Leverkusener Multi nach dem Meeting.

NANO & CO.

Bezirksregierung antwortet
BAYER betreibt in Leverkusen und in Laufenburg Versuchsanlagen zur Fertigung von Nano-Kohlenstoffröhrchen. Die Winzlinge können ungeahnte Folgen für Mensch, Tier und Umwelt haben. So gibt es beispielsweise Hinweise auf eine asbest-ähnliche Wirkung. Trotzdem haben die Verantwortlichen die Fertigungsstätten mit der Begründung, es handele sich nur um Test-Betriebe, in vereinfachten Verfahren ohne Umweltverträglichkeitsprüfungen genehmigt. Ein bereits abgeschlossener Liefervertrag mit der HIRTENBERGER PROSAFE SAFETY TECHNOLOGY GmbH und Aussagen von BAYER wie „Durch die Inbetriebnahme der weltgrößten Pilotanlage für BAYTUBES mit einer Kapazität von 200 Jahrestonnen kommt BAYER MATERIAL SCIENCE der großen Nachfrage einen erheblichen Schritt entgegen“, wecken allerdings Zweifel am Status der Fabriken. Und die Antwort der Kölner Bezirksregierung auf eine entsprechende Anfrage der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) vermochte diese auch nicht auszuräumen. Die Behörde schrieb zum Laufenburger Werk nämlich: „Nach Mitteilungen des Regierungspräsidiums Freiburg und der Fa. HC STARCK werden die in der CNT-Versuchsanlage seit 2007 bis heute hergestellten Carbon-Nanotubes (...) für Anwendungstests an Dritte veräußert“.

USA genehmigen BAYTUBES
Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA hat BAYER eine Genehmigung zur Vermarktung seiner Nano-Röhrchen mit dem Produktnamen BAYTUBES (s.o.) erteilt, obwohl von den Winzlingen erhebliche Gefahren für Mensch, Tier und Umwelt ausgehen können.

BAYTUBES in Flugzeugen
Obwohl BAYER seine BAYTUBES noch gar nicht vermarkten darf (s.o.), häufen sich die Meldungen über Geschäftsabschlüsse. So wurde der Leverkusener Multi mit SOLAR IMPULSE handelseinig und rüstet den Akku eines per Sonnenenergie betriebenen Flugzeugs mit Nano-Röhrchen aus.

PLASTE & ELASTE

Kunststoff in Sonnencremes
Auf der Suche nach neuen Vermarktungsmöglichkeiten für seine Kunststoffe hat der Leverkusener Multi Sonnencremes entdeckt. Ein bisschen Plaste in die Tube, und schon erhöht sich der Sonnenschutzfaktor - das wollen BAYER-ForscherInnen im Labor herausgefunden haben. Darüber hinaus plant der Konzern mit seinen Polyurethanen auch die Haftkraft von Wimperntusche und Make-Ups zu verstärken und Haaren mehr Halt zu verleihen (Ticker 1/09). Die Kunststoff-Nebenwirkungen wie Krebs, Allergien oder Schädigungen der Atmungsorgane stören bei diesem Business-Plan nicht.

IMPERIUM & WELTMARKT

Peterson folgt auf Berschauer
Die seit 2005 beim Leverkusener Multi beschäftigte US-Amerikanerin Sandra E. Peterson übernimmt den BAYER-CROPSCIENCE-Vorsitz von Friedrich Berschauer, der in Ruhestand geht. Mit den bundesdeutschen Verhältnissen ist Peterson trotz ihrer Herkunft bestens vertraut. Die ehemalige Unternehmensberaterin von MCKINSEY machte ihren College-Abschluss mit einer Untersuchung über die bundesdeutsche Chemie-Industrie und arbeitete im Rahmen eines Stipendiums der Robert-Bosch-Stiftung 1984/85 beim „Bundesverband der Deutschen Industrie“ und im Bundesfinanzministerium.

Reinhardt folgt auf Higgins
Der NOVARTIS-Manager Jörg Reinhardt übernimmt den BAYER-HEALTHCARE-Vorsitz von Arthur Higgins, der sich Hoffnungen auf den Posten des Vorstandsvorsitzenden gemacht hatte und nach der Nominierung von Marijn Dekkers kündigte.

Weintritt folgt auf Stegmüller
Volker Weintritt wird neuer Leiter des Brunsbütteler BAYER-Werkes. Sein Vorgänger Roland Stegmüller wechselt nach China und übernimmt den Chefposten der Shanghaier Niederlassung.

BTS-Regionalbüro in Singapur
BAYER TECHNOLOGY SERVICES (BTS), die hauptsächlich für den Anlagenbau zuständige BAYER-Sparte, richtet seit einiger Zeit rund um den Globus Regionalbüros ein. So entstanden neue Repräsentanzen in Mumbai und Singapur, weitere will BTS schon bald in Brasilien und Russland eröffnen.

Kooperation mit EQUITY
Beim Leverkusener Multi haben die Störfälle im letzten Jahr markant zugenommen (s. u.). Mit der haus-eigenen BAYKBIS-Software zur Inspektion von Industrie-Anlagen kann es also nicht allzu weit her sein. Sie ist offensichtlich nicht in ausreichendem Maße fähig, Schwachpunkte zu identifizieren. Trotzdem vermarktet der Konzern die Technologie großflächig und versucht Kunden aus der Öl-, Pharma-, Chemie oder Gasbranche zu gewinnen. Im März hat er nun ein Kooperationsabkommen mit einem anderen Hersteller von solchen Programmen unterzeichnet, der EQUITY ENGINEERING GROUP. Deren „API RBI-Software ist der industrielle Standard im Bereich Anlagen-Risikomanagement“, heißt es in der entsprechenden Pressemeldung. Jetzt wollen BAYER und EQUITY die beiden Systeme kombinieren und damit auch die Anforderungen an risiko-basierte Inspektionen (RBI) erfüllen, die das „American Petroleum Institute“ 1993 für Sicherheitschecks von Anlagen der Öl- und Chemie-Industrie formuliert hat. Das Institut dürfte seine Ansprüche allerdings noch einmal überprüfen, denn offensichtlich haben sie nicht ausgereicht, um die Öl-Katastrophe im Golf von Mexiko zu verhindern.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Mehr Störfälle
Die Zahl der Störfälle bei BAYER hat 2009 markant zugenommen. Der Nachhaltigkeitsbericht listet für das Jahr mehr Unfälle auf, als bisher bekannt wurden und verzeichnet 13 „Umweltereignisse“, bei denen es zu einem Austritt gefährlicher Substanzen kam. Im Vorjahr waren es „nur“ neun.

Phosgen-Austritt in Dormagen
Im Dormagener Werk trat nicht bloß am 27.11.09, sondern bereits am 14.1.09 Phosgen aus. Um zu verhindern, dass die hochgiftige Chemikalie an die Luft gerät, musste der Leverkusener Multi eine Dampfwand aus - ebenfalls gesundheitsschädlichem - Ammoniak aufziehen.

LKW-Unfall in Kanada
Am 12.3.09 verunglückt in Kanada ein mit BAYER-Pestiziden b