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Beiträge verschlagwortet als “IG Farben”

BAYER muss sich an den Bergungskosten beteiligen!

Marius Stelzmann
Weltkriegsmunition im Meer
Presse-Information vom 19.08.2024

Seit Juli laufen die Vorarbeiten zum Aufspüren und zur Bergung von Weltkriegsmunition aus dem Meer. In der Ostsee startete ein Pilot-Projekt zur Erprobung bestimmter Techniken. Später im Jahr beginnt dann der Aufbau einer schwimmenden Industrie-Anlage zur Entsorgung der tickenden Zeitbomben. Die Bundesregierung spricht von einem wichtigen Schritt, der jedoch noch „keine größere mengenmäßige Entlastung" bringt. In der Test-Phase ist lediglich die Räumung von 50 Tonnen vorgesehen. Insgesamt lagern aber allein in den deutschen Hoheitsbereichen von Nord- und Ostsee 1,6 Millionen Tonnen Munition, davon 300.000 Tonnen chemische Kampfstoffe. Das alles hervorzuholen und unschädlich zu machen, erfordert weit mehr Mittel als die im Rahmen des „Sofortprogramms Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee" bereitgestellten 100 Millionen Euro. „Die Anschluss-Finanzierung dieser Aufgabe, mit der sich noch unsere Enkel beschäftigen werden, ist nun die nächste Aufgabe für die Politik", sagt deshalb der schleswig-holsteinische Umweltminister Tobias Goldschmidt (Bündnis 90/Die Grünen). 

„Der BAYER-Konzern muss sich an dieser Aufgabe beteiligen, denn er hat die Waffenarsenale der Militärs in beiden Weltkriegen mit Minen, Kampfstoffen und Bomben gefüllt", fordert Marius Stelzmann von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG).

Der Leverkusener Multi hatte 1914 mit Dianisidin eine der weltweit ersten Chemie-Waffen entwickelt. Es folgten Chlorkohlenoxyd, Blausäure und andere Stoffe. Ein Senfgas trug sogar die Signatur der beiden BAYER-Forscher Wilhelm Lommel und Wilhelm Steinkopf: Es hieß Lost. Im Zweiten Weltkrieg sorgte das Unternehmen dann weiter dafür, dass „die Chemie die ihr in der modernen Kriegsführung zukommende Rolle spielen" kann. Die von ihm mitgegründete IG FARBEN avancierte zum Hauptlieferanten der Wehrmacht. 95 Prozent der Giftgase wie etwa Sarin und Tabun sowie 84 Prozent der Sprengstoffe stammten aus IG-Fabriken. Zudem gehörten Brandbomben, Handgranaten und Maschinengewehre zur Produkt-Palette.

Neben bestimmten Arsen-Verbindungen sieht das Umweltbundesamt Lost in Form von Zäh-Lost – eine Mixtur aus Schwefel-Lost und Verdickungsmitteln – als besonders bedrohlich an. Während sich andere Kampfstoffe im Wasser nämlich allmählich zersetzen, behält diese Substanz eine feste Konsistenz und verliert kaum etwas von ihrer Wirksamkeit. „Die meisten der bisher bekannten Unfälle mit Kampfstoffen wurden durch Zäh-Lost rund um das Versenkungsgebiet östlich der dänischen Ostsee-Insel Bornholm verursacht, wobei Klumpen von Zäh-Lost in Fischernetze gerieten", konstatiert die Behörde.

Die Zahl der Unfälle allein im Zeitraum von Januar 2010 bis Februar 2022 beziffert die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Anfrage der Partei „Die Linke" auf 107. Vier Menschen starben und 256 verletzten sich. Der Meeresbiologe Dr. Stefan Nehring hat die Vorfälle von Kriegsende 1945 bis einschließlich 2015 systematisch untersucht und kommt auf insgesamt 418 Tote und 720 Verletzte.

„Der BAYER-Konzern hat vor einem Jahr einen verantwortlicheren Umgang mit seiner unrühmlichen Vergangenheit angekündigt. Mit einer Beteiligung an den Kosten für die Bergung seiner Rüstungsgüter aus Nord- und Ostsee könnte er zeigen, wie ernst es ihm damit ist", so CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann abschließend. 

Pressekontakt:
Marius Stelzmann 0211/33 39 11
presse@cbgnetwork.org

[Chemiewaffen made by BAYER] Seit dem Ersten Weltkrieg stets zu Diensten

CBG Redaktion

Auch der BAYER-Konzern beteiligte sich mit seinen Pestiziden am „Herbicidal warfare“ in Vietnam. Er konnte dabei aus einem Erfahrungsreservoir im Umgang mit chemischen Waffen schöpfen, das bis zum Ersten Weltkrieg zurückreichte.

Von Jan Pehrke

Die britischen Streitkräfte entwickelten 1940 die Strategie, Antiunkraut-Mittel und andere Pestizide als Chemiewaffen einzusetzen. Anfang der 1950er Jahre erprobten sie den „Herbicidal warfare“ dann im Kampf gegen die malaysische Befreiungsbewegung. Aber erst der Viet-nam-Krieg brachte das ganze zerstörerische Potenzial dieser militärischen Praxis zur Entfaltung. 80 Millionen Liter Ackergifte ließen die USA über das Land niedergehen. Die Armee entlaubte damit die Dschungel, um die sich dort verborgen haltenden Vietcong besser aufspüren zu können, und setzte die Mittel überdies zur Vernichtung der Ernten des Gegners ein.

Nicht nur die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO hatte dazu die passenden Produkte parat, sondern auch die Mutter-Gesellschaft selbst. Sie bestreitet zwar, das Pentagon direkt mit Agent Orange beliefert zu haben, indirekt fanden ihre Erzeugnisse aber doch den Weg in die Tanks der Fairchild-Transportflugzeuge. So produzierte der Leverkusener Multi in der fraglichen Zeit jährlich 700 bis 800 Tonnen des „Agent Orange“-Grundstoffes 2,4,5-T und verkaufte einen Teil davon an die französische Firma PROGIL. Diese wiederum verarbeitete es weiter und exportierte es nach Vietnam. Eine Aktennotiz der ebenfalls mit PROGIL Geschäftsbeziehungen unterhaltenden BOEHRINGER AG belegt dies: „BAYER und PROGIL haben auf dem 2,4,5-T-Sektor seit Jahren (Vietnam) zusammengearbeitet“. Der Global Player bestreitet diese Kooperation nicht, hält allerdings fest: „Über die weitere Verwendung des Wirkstoffes bei der PROGIL liegen keine Erkenntnisse vor.“ In einer früheren Äußerung zu diesem Thema räumt er hingegen durchaus die Möglichkeit ein, „dass Tochter-Unternehmen beziehungsweise Drittfirmen 2,4,5-T-haltige Pflanzenbehandlungsmittel auf den amerikanischen Markt brachten“.
Andere Agro-Chemikalien wie Agent Green, Zineb und Dalapon verkaufte das Unternehmen dem Militär ebenfalls. Teilweise legten die Substanzen dabei einen weiten Weg zurück. Einige von ihnen gelangten über Konzern-Niederlassungen in den damals autoritär regierten Staaten Spanien und Südafrika zur US-Tochter CHEMAGRO und von dort dann zu den Militärbasen. Die Zeitschrift International Defense Business konnte für das Jahr 1972 sogar genau den Wert von BAYERs Kriegsbeitrag beziffern: Rund eine Million Euro stellte die Aktiengesellschaft für die verschiedenen Chemikalien in Rechnung.

ExpertInnen des Unternehmens standen der US-Army gemeinsam mit ihren KollegInnen von HOECHST aber auch direkt vor Ort mit Rat und Tat zur Seite. Als medizinische HelferInnen getarnt, arbeiteten sie dem US-amerikanischen Planungsbüro für B- und C-Waffeneinsätze in Saigon zu. Die transatlantische Kooperation vermochte sich dabei sogar auf alte Verbindungen zu stützen: Die Abstimmung zwischen US-amerikanischen und bundesdeutschen Chemie-Firmen übernahm die GENERAL ANILINE AND FILM CORPORATION, eine ehemalige US-Tochter des von BAYER mitgegründeten Mörder-Konzerns IG FARBEN.

Erster Weltkrieg
Zu diesem Zeitpunkt verfügte der Global Player bereits über einen Erfahrungsschatz auf dem Gebiet, der bis zum Ersten Weltkrieg zurückreichte. Schon in den ersten Wochen der Kämpfe erschienen der Armee-Führung die verwendeten Waffen nämlich nicht durchschlagskräftig genug. Die Oberste Heeresleitung suchte deshalb gemeinsam mit dem Chemiker Walther Nernst nach Möglichkeiten zur Erhöhung der Geschoss-Wirksamkeit. Als es an die praktische Umsetzung ging, kam der Leverkusener Multi ins Spiel. Und sein damaliger Generaldirektor Carl Duisberg verlor keine Zeit und drückte aufs Tempo, damit „die Chemie die ihr in der modernen Kriegsführung zukommende Rolle spielen“ kann. „Ich bin seit Ende Oktober 1914 zusammen mit Nernst, der (...) der Obersten Heeresleitung zugeteilt ist, auf dem Wahner Schießplatz tätig gewesen, chemische Reizgeschosse zu machen“, schrieb er in einem Brief. Bald danach konnte der Konzern liefern: Mit dem Reizstoff Dianisidin hatte BAYER die erste chemische Waffe für die deutschen Truppen entwickelt. Dabei handelte es sich noch nicht um ein Gift. Die Substanz wirkte „nur“ kurzzeitig auf die Schleimhäute ein. Die Armee wollte den Feind mit ihrer Hilfe überraschen und dann sofort unter Beschuss nehmen, um ihn aus gehaltenen Häusern, von Gehöften oder engeren Ortschaften zu vertreiben. Aber bei solchen begrenzten Wirkungen blieb es nicht. „Es ist uns jedoch auch die Frage vorgelegt worden, wie man es aufgrund unserer jetzt gemachten Erfahrungen anstellen müsste, wenn man eine vollkommene Vergiftung des Gegners auf chemischen Wege durchführen wollte“, berichtete Duisberg als führender Industrieller der „Beobachtungs- und Prüfungskommission für Sprengungs- und Schießversuche“ – und hatte auch bald eine Antwort parat: Blausäure.

Die Büchse der Pandora war also geöffnet, zumal sich Dianisidin an der Front nicht bewährte. Zum ersten Mal bei Neuve-Chapelle in der Nähe von Ypern der Sprengmunition beigemischt, bemerkten die französischen Soldaten die chemische Wirkung der 3.000 verfeuerten Granaten gar nicht.

„Versuche mit neuen Geschossen“ beschäftigten Duisberg im Herbst 1914 nach eigenem Bekunden täglich, und das „schon seit Wochen“. Besonders der sich abzeichnende Stellungskrieg, in dem die Kontrahenten sich aneinander festbissen, ohne dass eine Seite größere Geländegewinne erzielen konnte, trieb die Forschung an. Um die Patt-Situation zu beenden, galt es nämlich, „die große, schwierige Frage der Verpestung der Schützengräben mit chemischen Substanzen der Lösung näherzubringen“, wie der BAYER-Generaldirektor Gustav Krupp von Bohlen und Halbach mitteilte. Die Entwicklung solcher Kampfgase gelang dem Leverkusener Multi auch, und nicht nur das. „So habe ich unsere Fabrik zu Kriegslieferungen umorganisiert, mache Sprengstoffe aller Art, fülle Granaten und bin außerdem persönlich mit Nernst zusammen mit Versuchen beschäftigt, Spezialgeschosse anzufertigen“, vermeldete Carl Duisberg stolz. Eine dieser Entwicklungen pries er der Obersten Heeresleitung gegenüber so an: „Dieses Chlorkohlenoxyd ist das gemeinste Zeug, das ich kenne (...) Ich kann deshalb nur noch einmal dringend empfehlen, die Gelegenheit dieses Krieges nicht vorübergehen zu lassen, ohne auch die Hexa-Granate zu prüfen.“ Und sogar zur Namensgebung durfte der Konzern manchmal beitragen. „Lost“ hieß ein Senfgas zu Ehren des BAYER-Forschers Wilhelm Lommel und seines Kooperationspartners Wilhelm Steinkopf vom „Kaiser-Wilhelm-Institut für physikalische Chemie und Elektrochemie“.

Nur die Chlorgas-Wolke, die am 22. April 1915 in Ypern erstmals zum Einsatz kam und 800 bis 1.400 Menschenleben forderte, stammte nicht aus Leverkusen. Fritz Haber vom Kaiser-Wilhelm-Institut hat diese Waffe entwickelt, die zum Synonym für die Grausamkeit des Chemie-Krieges wurde (1). Sie durchlief ihre Testphase zwar in Köln-Wahn, und Duisberg versuchte auch, auf ihre Fertigung Einfluss zu nehmen, aber letztendlich betrachtete er das Chlor-Gebräu als Konkurrenz zu den eigenen Kreationen. Zynisch und hintersinnig schrieb er von den „‚chlorreichen Siegen’ von Ypern, denen aber leider weitere (...) nicht gefolgt sind“, um so Reklame für die Erzeugnisse aus seinem eigenen Chemiebaukasten zu machen. Und tatsächlich konnte die Wolke die BAYER-Hervorbringungen nicht vom Markt drängen. Die erprobte Leverkusener „Science for Death“ erwies sich letztendlich als überlegen.

Die Zeit des Faschismus
Auch die NationalsozialistInnen versorgte BAYER mit Waffen aus diesem Arsenal. „Angesichts des schweren Schadens, den der Konzern durch den internationalen Aufschrei über Entwicklung und Einsatz chemischer Waffen im Ersten Weltkrieg erlitten hatte, hätte man erwarten können, dass er sich von solchen Projekten ferngehalten hätte“, schreibt der Historiker Diarmuid Jeffreys in seinem Buch „Weltkonzern und Kriegskartell“. Aber der Leverkusener Multi kannte so wenig Skrupel wie die anderen Unternehmen, die damals unter dem Dach der IG FARBEN firmierten.

Einige der Kriegswerkzeuge fielen bei der Pestizid-Forschung als Abfall-Produkte an. So wollte der BAYER-Chemiker Gerhard Schrader neue Insektizide entwickeln und experimentierte dazu mit einer Kombination aus Phosphor-Verbindungen und Zyanid. Er vergiftete sich dabei jedoch selbst und war wochenlang ans Bett gefesselt. Spätere Versuche brachten noch stärkere Mittel hervor. Zur Ausbringung gegen Schadinsekten waren sie nicht geeignet. BAYER lotete deshalb andere Einsatz-Möglichkeiten aus und diente sie dem Heereswaffenamt für den „Chemical warfare“ an. Dieses zeigte sich interessiert, woraufhin Schrader das Nervengas Tabun zusammenbraute. 50.000 Reichsmark erhielten er und ein Kollege dafür von der Wehrmacht. Auf eine ähnliche Weise entstand Sarin. Und wieder floss der EntdeckerInnen-Stolz in die Namensgebung ein. In der Bezeichnung „Sarin“ für die farblose Flüssigkeit verewigten sich Gerhard Schrader, Otto Ambros und Gerhard Richter sowie ihr Kooperationspartner Hans-Jürgen von der Linde vom Heeresgasschutz-Laboratorium.

Die Chemiewaffen-Fertigung lief Ende 1936 an. Eine Tabun-Produktion im industriellen Maßstab baute die IG FARBEN Anfang 1940 in Dyhernfurth auf; das Geld dazu kam vom Oberkommando des Heeres. 12.000 Tonnen Tabun stellte das Werk dort über die Jahre her, zudem bis zu 400 Tonnen Sarin und zusätzlich noch Soman. Bei der Standort-Wahl spielte die Nähe zum KZ Groß-Rosen eine entscheidende Rolle, denn aus diesem wollten die IG-Bosse ZwangsarbeiterInnen rekrutieren. Den Gefangenen überließ Betriebsführer Otto Ambros, der im NS-Staat die Position des Wehrwirtschaftsführers für chemische Kampfstoffe innehatte, dann auch die gefährlichsten Arbeiten. Sie waren es, die das Gift in die Bomben und Granaten zu füllen hatten und dabei ihr Leben riskierten. Weit über 300 Unfälle ereigneten sich in Dyhernfurth, zehn mit Todesfolge. Aber nicht nur an diesem Ort nahe Breslau kreierte die IG FARBEN chemische Waffen. In Gendorf unterhielt sie eine weitere Anlage. Dort setzten die ChemikerInnen aus Thiodiglycol und Chlorwasserstoff Lost zusammen. Auch Sarin wollte das Unternehmen synthetisieren, konnte die Betriebsstätte in Falkenhagen aber nicht mehr rechtzeitig vor Ende des Krieges fertigstellen. Weitere Kampfstoffe lieferten dagegen unter anderem die Niederlassungen in Hüls, Ludwigshafen, Trostberg und Schkopau. Insgesamt standen den Waffenlagern der NS-Militärs 61.000 Tonnen Kampfstoffe zur Verfügung. Über 40 Prozent davon steuerte die IG bei: 25.000 Tonnen.

Und es blieb nicht dabei, den KZ-InsassInnen die riskantesten Tätigkeiten bei der Fabrikation der Nervengifte zuzuteilen, sie mussten überdies als Versuchskaninchen bei den Chemiewaffen-Tests herhalten. Die Prozeduren, mit denen die ForscherInnen genaueren Aufschluss über die Wirksamkeit und Anhaltspunkte zur Entwicklung von Gegenmitteln erhalten wollten, fanden beispielsweise in den Konzentrationslagern Natzweiler, Dachau, Neuengamme und Sachsenhausen statt. In Natzweiler leitete Prof. Dr. August Hirt die Experimente mit Lost. Beim Nürnberger ÄrztInnen-Prozess hat der ehemalige Häftling Ferdinand Holl die Tortur genau beschrieben. „Nach ungefähr zehn Stunden oder es kann auch etwas länger gewesen sein, da stellten sich Brandwunden ein, am ganzen Körper. Da, wo die Ausdünstungen von diesem Gas hinzukamen, war der Körper verbrannt. Blind wurden die Leute zum Teil. Das waren kolossale Schmerzen, so dass es kaum noch auszuhalten war, sich in der Nähe dieser Kranken aufzuhalten“, so zitiert Jo Angerer in seinem Buch „Chemische Waffen in Deutschland“ die ZeugInnen-Aussage. Die Bilanz am Ende allein bei diesem Test: acht Menschen starben. Aber für Hirt lohnte sich das Morden. Die NS-Schergen verliehen ihm für die „Kampfstoff-Versuche am lebenden Objekt“ das Kriegsverdienstkreuz II. Klasse mit Schwertern.
Zum Einsatz kamen die Chemie-Waffen letztlich nicht. Es war allerdings nicht Hitlers eigene Lost-Vergiftung im Ersten Weltkrieg auf einem Schlachtfeld bei Ypern, die zu dem Verzicht führten. Der Diktator hielt den „Chemical warfare“ durchaus für ein Mittel der Wahl. Am 30. Juni 1942 gab er den Befehl, bis zum Frühjahr 1943 alle Vorbereitungen für einen Kriegseinsatz von Lost & Co. abzuschließen. Aber eine Besprechung am 15. Mai 1943, an der auch Otto Ambros teilnahm, stimmte ihn um. Ambros glaubte fälschlicherweise, es sei den Alliierten ein Leichtes, selber Tabun herzustellen und sah – ebenfalls ein Irrtum, wie sich nachher herausstellen sollte – in dem Ausbleiben von US-amerikanischen Forschungspublikationen zu Nervengasen seit Beginn des Kriegs ein Indiz für geheime Entwicklungsarbeiten. Diese Fehleinschätzungen des IG-Managers trugen wesentlich dazu bei, Hitler und seine Gefolgsleute davon abzubringen, die Flugzeuge der Luftwaffe mit den Chemie-Bomben und -Granaten zu bestücken. Zudem fürchteten die Nazis, die Waffenlager wegen des Rohstoffmangels nicht in ausreichendem Maß mit den Kampfstoffen füllen zu können.

Nur eine chemische Massenvernichtungswaffe setzten die FaschistInnen großflächig ein: ZYKLON B. Zu den Hauptherstellern des ursprünglich zum Einsatz gegen Schadinsekten bestimmten Produkts gehörte die DEUTSCHE GESELLSCHAFT ZUR SCHÄDLINGSBEKÄMPFUNG (DEGESCH), eine 42,5-prozentige Tochter der IG FARBEN. Das in den Todesfabriken dringend benötigte Mordinstrument bescherte der DEGESCH satte Gewinne. So heißt es im Geschäftsbericht für 1943: „Den wesentlichen Anteil an der Umsatz-Steigerung hatte die Entwicklung des ZYKLON-Geschäfts. Die ZYKLON-Umsätze erreichten im Berichtsjahr die Rekordhöhe von RM 1.664.000 (...); der Umsatz hat sich somit gegenüber dem Vorjahre um 64 % erhöht.“

Nach 1945
Für diese Mittäterschaft am Holocaust, am Weltkrieg und anderen Verbrechen der Nazis verurteilten die RichterInnen bei den Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozessen nur dreizehn IG-Beschäftigte, und keiner von ihnen musste seine Haftstrafe ganz absitzen. Gerhard Schrader blieb eine Vorladung ganz erspart. Die Alliierten unternahmen nichts, um die ForscherInnen mit den tödlichen Begabungen für ihre Taten zur Rechenschaft zu ziehen. Sie versuchten vielmehr, von dem gefährlichen Wissen zu profitieren und Hitlers willige Helfer abzuschöpfen. Die Militärs zogen nach dem Krieg die ganze Wissenschafts-elite der Nazis auf Schloss Kransberg im Taunus zusammen. Die IG FARBEN stellte dabei das größte Kontingent. „Die chemischen Nervenkampfstoffe stießen bei den Engländern und Amerikanern auf größtes Interesse, Vergleichbares besaßen sie in ihren Arsenalen nicht. Schrader und Konsorten mussten deshalb in Kransberg bis in die kleinsten Details Aufzeichnungen über die Synthese ihrer Ultragifte anfertigen“, schreiben Egmont R. Koch und Michael Wech in ihrem Buch „Deckname Artischocke“ (siehe auch SWB 1/03). Gerhard Schrader war den US-ExpertInnen dabei sogar so wertvoll, dass sie ihn mit in die Vereinigten Staaten nahmen. In Diensten des „Chemical Corps“ der US-Streitkräfte konnte er seine Arbeit fortsetzen. In den 1950er Jahren kehrte Schrader dann in die Bundesrepublik – und zu BAYER – zurück. Er übernahm beim Leverkusener Multi die Pestizid-Abteilung, beschäftigte sich aber auch weiterhin mit kriegsverwendungsfähigen Erträgen aus der Ackergift-Forschung.

Recherchen von Günter Wallraff und Dr. Jörg Heimbrecht brachten dies im Jahr 1969 ans Licht. Heimbrecht nahm sich Schraders Buch „Die Entwicklung neuer insektizider Phosphorsäure-Ester“ vor und schaute sich einige der dort beschriebenen Stoffe genauer an. So vertiefte er sich etwa in die Struktur-Formel eines Phosphonsäure-Esters, den Schrader gemeinsam mit seinen beiden Kollegen Ernst Schegk und Hanshelmut Schlör 1957 in der Bundesrepublik und 1959 in den Vereinigten Staaten zum Patent angemeldet hatte. „Mir fiel auf, dass diese Verbindung als chemischer Kampfstoff in der ‚Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen’ von 18.7.1969 enthalten war“, lautete sein Befund. Das führte dann zu weiteren Entdeckungen. „Literatur-Recherchen in der Bibliothek des Chemischen Instituts der Uni Bonn ergaben, dass BAYER eine ganze Reihe von Substanzen in deutschen und amerikanischen Patenten hat patentieren lassen, die nach Definition der ‚Kriegswaffen-Liste’ zu den chemischen Kampfstoffen zählen. Bei weiteren Recherchen fiel mir auf, dass auch die US-Nervenkampfstoffe VE, VM, VS, VX und SM nach den o. g. Patenten von BAYER erfunden wurden“, hielt Heimbrecht fest.
Der Leverkusener Chemie-Multi kam deshalb nicht umhin, 1984 in seiner Hauszeitschrift BAYER intern einzuräumen, dass es „innerhalb dieses BAYER-Patentes (...) eine Übereinstimmung von Formeln mit einigen US-amerikanischen Kampfstoffen gibt“. Der Konzern bestritt jedoch, nach diesen Formeln selber Chemie-Waffen hergestellt oder das Recht dazu dem US-Militär gegen die Zahlung einer Lizenz-Gebühr abgetreten zu haben. Wie es dennoch zur Produktion von VX-Waffen kommen konnte, erklärte der damalige Unternehmenssprecher Jürgen von Einem mit einem Ausnahme-Passus im US-amerikanischen Patentrecht. Wenn ein übergeordnetes patriotisches Interesse bestehe, erlaube der Paragraf den zwangsweisen Zugriff auf das geistige Eigentum Dritter, ohne diese zu informieren und zu entschädigen, so von Einem. ExpertInnen ziehen das in Zweifel. Dem Münchner Patentanwalt Dr. Rolf Wilhelms zufolge existiert die entsprechende Regelung zwar, werde aber nur äußerst selten in Anspruch genommen und sehe außerdem sehr wohl eine finanzielle Kompensation etwa in Höhe der sonst üblichen Lizenz-Gebühren vor.

Günter Wallraff und Jörg Heimbrecht stützten sich bei ihrer Arbeit auf Informationen von Dr. Ehrenfried Petras. Der Mikrobiologe leitete in den 1960er Jahren ein Labor des „Instituts für Aero-Biologie“ im sauerländischen Grafschaft, welches er immer mehr für Kampfstoff-Forschungen missbraucht sah. Die Rüstungsanstrengungen der Bundeswehr im Kalten Krieg beunruhigten ihn so sehr, dass er sich entschloss, in die DDR überzusiedeln und die Pläne öffentlich zu machen. Sein Wissen über die illegalen Aktivitäten – die Bundesrepublik hatte sich 1954 beim Beitritt zur Westeuropäischen Union zu einem Verzicht auf die Herstellung biologischer und chemischer Waffen verpflichtet – legte Petras in der Broschüre „Bonn bereitet den Giftkrieg vor“ dar. Zudem gab er eine Erklärung zu dem Sachverhalt ab. Als „ein straff organisiertes System von Forschung, Testung und Produktionsvorbereitung“ bezeichnet Ehrenfried Petras das militärische Projekt darin. Dazu gehörte auch, alle Maßnahmen zu treffen, um im Verborgenen operieren zu können: „Zu Zwecken der Geheimhaltung und Tarnung hat das westdeutsche Bundesverteidigungsministerium von Anfang an bei der Wiederaufrüstung Wert darauf gelegt, seine militärische Forschung weitgehend in den bestehenden zivilen Forschungseinrichtungen der westdeutschen Chemie-Konzerne, Universitätsinstitute und anderen Forschungseinrichtungen durchführen zu lassen.“

Eine wichtige Rolle dabei kam BAYER zu. Der Konzern fungierte als Schaltzentrale, koordinierte die ganzen Abläufe und produzierte nicht zuletzt viele der Chemikalien. So lieferte das Unternehmen dem „Institut für Aero-Biologie“ etwa Zephirol für Tests zur Desinfektion von Kriegsschauplätzen. Das geschah jedoch auf Umwegen. Um keinen Verdacht aufkommen zu lassen, gelangte der Stoff über Dr. Max von Clarmann, Leiter der bundesdeutschen Entgiftungszentrale vom Münchner Krankenhaus rechts der Isar, nach Grafschaft. Auch organische Phosphor-Verbindungen des Chemie-Riesen prüfte das Institut. Und das VX, mit dem es arbeitete, dürfte Gerhard Schrader in seinem Labor entwickelt haben.
Die – im wahrsten Sinne des Wortes – Feldversuche mit den verschiedenen Substanzen unternahm dann die Bundeswehr in ihrer Erprobungsstelle E 53 bei Munster. „Aufgrund dieser wissenschaftlichen Ergebnisse (...) ist die moderne chemische Industrie der westdeutschen Bundesrepublik (zum Beispiel die IG-FARBEN-Nachfolgeunternehmen BAYER AG, BASF und HOECHST) in der Lage, kurzfristig größere Mengen des von der Bundeswehr benötigten Kampfstoffes herzustellen und auszuliefern“, erläuterte Petras.

Zum „Institut für Aero-Biologie“, später unter den Bezeichnungen „Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Aerosol-Forschung“ und „Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin“ firmierend, unterhielt der Leverkusener Multi noch lange Zeit Verbindungen. „Ich glaube, wir haben gar keinen Grund, uns in irgendeiner Weise von den durch die Fraunhofer-Gesellschaft geförderten Projekten, die ja im Interesse unseres Staates sind, zu distanzieren“, zitiert Jo Angerer in seinem 1985 erschienenen Werk dazu BAYERs Hellmut Hoffmann.
Hoffmann ist ein Mann vom Fach. Der damalige Forschungsleiter der Pestizid-Abteilung hatte nach eigenem Bekunden an der Entwicklung von Lost und Sarin mitgearbeitet. In den Augen der Politik qualifizierte ihn das dafür, den verschiedenen Bundesregierungen in den 1980er Jahren bei den Verhandlungen zum Chemiewaffen-Übereinkommen der Vereinten Nationen als Berater zu dienen. Unter anderem arbeitete Hoffmann daran mit, Kriterien zur Bestimmung von Kampfstoff-Fertigungsstätten zu entwickeln. Das scheiterte allerdings, denn eindeutige Merkmale waren ihm zufolge nicht zu finden. „Die gibt es nicht. Wir hatten gewusst, wenn man das macht, dass man alle Anlagen genehmigungspflichtig machen muss für den Export.“ Und das konnte natürlich nicht im Interesse des Leverkusener Multis sein, der damals gutes Geld mit der Entwicklung solcher Fabriken für den ausländischen Markt verdiente.
So unterhielt er beispielsweise gute Geschäftsbeziehungen zum Iran. Der Staat begann in den 1980er Jahren mit Planungen zu einem großen Chemie-Komplex mit angeschlossener Pestizid-Produktion nahe der Stadt Ghaswin. An das Anwendungsgebiet „Landwirtschaft“ dürfte das Land in Zeiten des Ersten Golfkrieges, in denen der irakische Gegner auch Tabun, Sarin und Lost einsetzte, kaum gedacht haben. Trotzdem verkaufte das Unternehmen dem Land 1984 Lizenzen zur Fertigung von Azinphos-Methyl und Fenitrothion, einer chemiewaffen-fähigen Substanz aus der berühmt-berüchtigten Gruppe der Phosphorsäure-Ester. Die Aufsichtsbehörden genehmigten den Deal, rieten dem Konzern aber von weiteren Transaktionen im Zusammenhang mit Ghaswin ab. Der Chemie-Riese hielt sich allerdings nicht daran. Ab 1987 lieferte er eine Anlage zur Herstellung von Ackergiften in den Iran. Für alle Bauten vermochte der für die technische Koordination in Ghaswin zuständige LURCHI-Konzern Genehmigungen vorlegen, nur für die von BAYER nicht – aus gutem Grund. „‚Das Endprodukt‘ könnte ‚auch zur Bekämpfung von Warmblütern‘ eingesetzt werden und ‚damit als Kampfgas dienen‘“, zitierte der Spiegel aus einem Schreiben der Kölner Oberfinanzdirektion. Die Behörden leiteten in der Sache dann auch Ermittlungen ein. Im Zuge dessen führten FahnderInnen Ende 1989 Razzien in den Dormagener, Leverkusener und Monheimer Niederlassungen des Agro-Riesen durch und stellten drei Dutzend Ordner mit Konstruktionsplänen sicher. Der Staatsanwalt stellte das Verfahren später jedoch ein.

Gefahren bis heute
Und mehr als 100 Jahre nach der Entwicklung der ersten chemischen Kampfstoffe gehen von ihnen immer noch Gefahren aus. Sie ruhen nämlich unfriedlich auf den Meeresgründen von Ostsee und Nordsee. Mehr als 1,5 Millionen Tonnen von Munition, Bomben und Granaten aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg lagern dort, was Mensch, Tier und Umwelt bedroht. Da die Metall-Umhüllung der Chemie-Waffen mittlerweile durchrostet, treten die Gifte nämlich aus. Aus dem Senfgas beispielsweise bilden sich Klumpen, die nicht selten FischerInnen ins Netz gehen – häufig mit fatalen Auswirkungen. Der Phosphor hingegen wird immer wieder an die Strände gespült. Dort verwechseln ihn Bade-UrlauberInnen wegen seiner Farbe und Form dann allzu oft mit Bernstein. Sie stecken die Stücke ein und ziehen sich zum Teil schwere Verbrennungen zu, weil sich der Phosphor, sobald er trocken ist, leicht entzünden kann.
Der Biologe Dr. Stefan Nehring bezifferte die Zahl der Sterbefälle Ende 2015 auf 418. Bei den meisten Toten handelt es sich dabei um Seeleute oder FischerInnen, die durch Detonationen von See-Minen oder den Direkt-Kontakt mit den Chemie-Giften umkamen. Darüber hinaus führt Nehring 720 Personen auf, die durch die Altlasten Gesundheitsschäden erlitten. Inzwischen haben viele Urlaubsorte Warnschilder aufgestellt. Zudem suchen MitarbeiterInnen von Kampfstoff-Bergungsfirmen die Strände an einigen Küsten-Streifen regelmäßig nach Phosphor ab. Aber das ist noch nicht alles. „Daneben gehen erhebliche Gefahren durch kontaminierte Fische aus“, hielt das Bundeslandwirtschaftsministerium bereits im Jahr 1992 fest. Die Chemie-Stoffe können nämlich über die Nahrungskette in den menschlichen Organismus gelangen und dort Krankheiten auslösen. „Wenn man alle Altlasten in einen Güterzug packte, würde er dreimal von Hamburg bis München reichen. Entsorgt kriegen die Räumdienste aber bislang vielleicht einen halben Waggon pro Jahr“, sagt der Meeres-Forscher Warner Brückmann.
In diesem Frühjahr steht das Thema auf der Tagesordnung des Bundestages. Den Anstoß dazu gaben die Grünen und die FDP, die in einem Antrag die Bergung der Altlasten gefordert hatten. Eine Kostenbeteiligung von BAYER bei der kostspieligen Operation sehen die Parteien nicht vor. Dafür tritt bisher nur die Coordination gegen BAYER-Gefahren ein. Es ist nämlich an der Zeit, dass der Konzern endlich einmal wenigstens etwas dafür zahlt, aus seinen Chemie-Laboren Waffen-Fabriken gemacht zu haben.

Anmerkung
(1) Als „Perversion der Wissenschaft“ bezeichnete Habers Frau Clara Immerwahr, die ebenfalls Chemikerin war, diese neue Waffe. Vergeblich hatte sie versucht, ihren Mann von seinem Tun abzubringen. Wenige Tage nach dem ersten Giftgas-Einsatz nahm sie sich das Leben. Haber aber, der 1911 schon gemeinsam mit Carl Bosch das kriegswichtige, sogenannte Haber/Bosch-Verfahren entwickelt hatte – es ermöglichte die synthetische Herstellung von Salpeter und machte das Deutsche Reich so von Importen unabhängig – ging seinen Weg unbeirrt weiter. 1917 gründete er den „Technischen Ausschuss für Schädlingsbekämpfung“, aus dem später die „Deutsche Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung“ (DEGESCH) hervorging. Hier sollten Habers Mitarbeiter Ferdinand Flury und Albrecht Hase später das Zyklon B entwickeln, das die Nazis zur Ermordung der Juden einsetzten. Zu Zeiten der Weimarer Republik versuchte Haber überdies, aus Meerwasser Gold zu gewinnen, um dem Staat die Reparationszahlungen zu erleichtern. Ab 1925 saß der Wissenschaftler auch im Aufsichtsrat der IG FARBEN. 1933 aber musste er als Jude diesen Posten genauso aufgeben wie alle seine anderen. Er verließ das Land und starb 1934 in einem Baseler Hotel. An seiner Beerdigung nahmen zahlreiche IG-Direktoren teil.

[Ticker 01/21] AKTION & KRITIK

CBG Redaktion

Jahrestagung 2020

Ende Juli 2020 startete die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) ihre Kampagne „Glyphosat-Stopp jetzt!“. Da lag es nahe, dass sie auch ihre Jahrestagung dem Total-Herbizid und den anderen Ackergiften BAYERs widmete. „Pestizide, Umwelt, Menschenleben“ lautete deshalb am 10. Oktober in Düsseldorf das Thema. Zum Auftakt sprach die Fernsehköchin und derzeit als Parteilose für die österreichischen Grünen im EU-Parlament sitzende Sarah Wiener – live per Internet zugeschaltet – ein Grußwort. „Pestizide allgemein haben in unserer Umwelt nichts verloren“, stellte sie gleich zu Beginn klar. Dann berichtete Wiener vom Stand der Dinge bei dem Versuch Österreichs, Glyphosat zu verbieten, und gab Einblick in ihre Parlamentsarbeit. Sie klagte über die Landwirtschaftspolitik, die Millionen an Subventionen in die alten agro-industriellen Strukturen pumpt, sah jedoch auch Hoffnungsschimmer wie die avisierte neue Chemikalien-Politik. Der allerdings droht Ungemach durch das Extrem-Lobbying von BAYER & Co. Umso mehr baut Sarah Wiener deshalb auf Druck von außen: „Ich finde es toll, dass ihr so engagiert seid und uns den Rücken stärkt.“ Ihr folgte der Imker Bernhard Heuvel, der über das von Pestiziden mitverursachte Insektensterben im Allgemeinen und das Bienensterben im Besonderen sprach. Dabei legte er den perfiden Wirk-Mechanismus der neueren Insektizide bloß. So bringt etwa BAYERs PREMISE mit dem zur Gruppe der Neonicotinoide zählenden Inhaltsstoff Imidacloprid Termiten nicht etwa via chemischer Keule sofort zur Strecke. Das Mittel setzt vielmehr auf Hilfskräfte. „PREMISE erlaubt es der Natur, zu übernehmen und die Termiten zu zerstören“, hält das Unternehmen fest. Das Produkt selbst führt bei den Tieren „nur“ zu Verhaltensstörungen. Auf einmal pflegen sich die Insekten nicht mehr und unterstützen sich auch nicht mehr gegenseitig, so dass sie für Mikroorganismen wie etwa Boden-Pilze ein leichtes Opfer werden. Praktischer Nebeneffekt: Der Tatbeweis ist nur schwer zu erbringen. Nach der Mittagspause nahm sich Susan Haffmans vom PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN), per Skype aus Hamburg ins Stadtteilzentrum Bilk flimmernd, Deutschlands Exporte von besonders gefährlichen Ackergiften in Länder des globalen Südens vor. Dabei konzentrierte sie sich aus gegebenem Anlass besonders auf Kreationen des Leverkusener Multis. An Jan Pehrke von der Coordination war es dann, einen allgemeineren Blick auf die Agro-Chemikalien des Konzerns zu werfen. Nach einem Schnelldurchlauf durch die Geschichte der Sparte setzte er die drei Schwerpunkte „Doppelte Standards bei der Pestizid-Vermarktung“, „Bienensterben durch GAUCHO & Co.“ und „Glyphosat“, weil es viele Aktivitäten der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN dazu gab und gibt. Einzelheiten zur aktuellen „Glyphosat-Stopp jetzt!“-Kampagne lieferte dann gleich im Anschluss CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann. Er ging dazu noch mal an deren Ausgangspunkt zurück – BAYERs Versuch, einen juristischen Schlussstrich in Sachen „Glyphosat-Klagen“ zu ziehen – und erläuterte den Ansatz der Coordination. Dieser besteht, wie auch bei den vorausgegangenen Kampagnen, immer darin, ins Herz der Bestie vorzustoßen: dem Profit-System. Mit diesem Beitrag endete dann eine Jahrestagung, die anders verlief als alle bisherigen. Die Corona-Pandemie zwang zu Vorsichtsmaßnahmen wie dem Masken-Tragen und dem Sitzen in weiten Abständen zueinander und sorgte für zwei nur virtuell anwesende RednerInnen. Aber die rund 30 TeilnehmerInnen nahmen all das wacker auf sich, weil es mit der Konzern-Kritik ein übergeordnetes politisches Interesse gab. Und sie sollten es am Ende des Tages auch nicht bereuen.

Schild statt Straßenumbenennung

Am 29. September 2011 jährte sich der Geburtstag des langjährigen BAYER-Generaldirektors Carl Duisberg zum 150. Mal. Um die medialen Ständchen für den Mann zu konterkarieren, der im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas und die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen war und später einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörderkonzerns IG FARBEN hatte, rief die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Kampagne ins Leben. Sie mahnte anlässlich des Jahrestags die Umbenennung von Straßen, Schulen und anderen Einrichtungen an, die Duisbergs Namen tragen. Viele AktivistInnen ließen sich davon anregen und trugen die Forderung in die zuständigen Kommunal-Vertretungen. In Dortmund und Lüdenscheid hatte das Erfolg (siehe auch SWB 1/15). In Dormagen lagen sogar zwei Anträge zur Causa „Duisberg“ vor. Einen hatten „Die Linke“ und die Piraten-Partei gemeinsam eingereicht, ein anderer kam von Bündnis 90/Die Grünen. Die Stadt ließ daraufhin vom ehemaligen Stadt-Archivar Heinz Pankalla und anderen ExpertInnen ein Gutachten erstellen. Darin hieß es unter anderem: „Duisberg engagierte sich (...) massiv für die Erfindung und Produktion von Giftgas im Ersten Weltkrieg (...) Die Quellen belegen zudem, dass Duisberg mit dem Gift-Einsatz kaum moralische Bedenken verband.“ Bei der anschließenden AnwohnerInnen-Befragung sollten diese geschichtlichen Fakten als Entscheidungshilfe dienen. Das taten sie jedoch nicht: Von 62 Haushalten lehnten 56 die Umbenennung ab. Auch gegen das Anbringen einer Tafel mit historischen Erläuterungen sprach sich eine deutliche Mehrheit aus. Für Pankalla war das absehbar, nicht aus politischen Gründen, sondern weil die Menschen den bürokratischen Aufwand fürchten würden: „Eine Befragung der betroffenen Anwohner zu einer Straßenumbenennung ist ein Witz“, mit diesen Worten zitierte ihn die Neuß-Grevenbroicher Zeitung. Zu Duisberg brachte der Ex-Archivar der Stadt eine ambivalente Haltung zum Ausdruck. „Er hat anerkanntermaßen eine große Leistung für das BAYER-Werk und Dormagen vollbracht, zudem ist unklar, ob die Giftgas-Empfehlung in damaliger Zeit als Völkerrechtsverletzung zu sehen ist. Andererseits war seine Empfehlung, Zwangsarbeiter aus Belgien zu rekrutieren, damals schon völkerrechtswidrig“, so Heinz Pankalla. Auch ließ er keinen Zweifel daran, „dass Duisbergs Handeln nach heutigem Recht ein Verbrechen“ sei. Die Entscheidung über die Umbenennung der Straße wollte er der Kommune überlassen. Diese entschloss sich dagegen und votierte – wie auch im Fall der Hindenburgstraße – dafür, es beim Anbringen eines Hinweis-Schildes zu belassen. Klartext wird darauf allerdings nicht gesprochen: Die schwarz-rote Ratsmehrheit lehnte die Titulierung Duisbergs als „Kriegsverbrecher“ ab, „umstritten“ ist stattdessen das Attribut der Wahl. So steht unter dem Straßenschild nun zu lesen: „1861 – 1935, deutscher Chemiker und Generaldirektor der Farbenfabriken vorm. Friedr. BAYER & Co., umstritten v. a. wegen seines Engagements für die Produktion von Giftgas und den Einsatz von belgischen Zwangsinternierten im Ersten Weltkrieg.“

Offener Brief zu doppelten Standards

Seit Jahrzehnten schon kämpft die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) gegen doppelte Standards bei der Vermarktung von Pestiziden. Immer wieder kritisierte sie auf den BAYER-Hauptversammlungen, dass der Leverkusener Multi in den Ländern des globalen Südens Ackergifte verkauft, die in Deutschland wegen ihrer Gefährlichkeit längst verboten sind. Im Jahr 1995 rang die Coordination dem Vorstand sogar das Versprechen ab, bis zum Jahr 2000 keine Pestizide mehr in Umlauf zu bringen, welche die Weltgesundheitsorganisation WHO der Gefahren-Klasse 1 zurechnet. Wort gehalten hat die ManagerInnen-Riege allerdings nicht. Erst 2012 erfolgte ein gößerer Schritt, aber auch heute noch vertreibt der Global Player Pestizide der Gefahren-Klassen 1a oder 1b wie z. B. Carbofuran, Probinep und Thiodicarb. Darum gehörte die CBG mit zu den Unterzeichnern eines von INKOTA und dem PESTIZID AKTIONS-NETZWERK initiierten Offenen Briefs, der Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner und Wirtschaftsminister Peter Altmaier zur Verhängung eines Export-Verbots für hierzulande nicht zugelassene Agro-Chemikalien auffordert.

Offener Brief an Eduardo Leite

Zwölf Ackergifte, die in der EU nicht zugelassen sind, vermarktet BAYER in Brasilien. Nur der Bundesstaat Rio Grande verwehrt sich gegen diese Praxis der doppelten Standards. Er gestattet den Verkauf von importierten Produkten nur, wenn diese auch über eine Genehmigung im Herkunftsland verfügen. Doch unter dem extrem rechten Präsidenten Jair Bolsonaro gerät die Bestimmung unter Druck. Der jetzige Gouverneur Eduardo Leite will sie kippen. Dagegen macht die PERMANENTE KAMPAGNE GEGEN AGRARGIFTE UND FÜR DAS LEBEN mobil und bat dafür deutsche Partner-Organisationen um Unterstützung. Darum gehörte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) mit zu den Unterzeichnern eines Offenen Briefes, der Leite aufforderte, an der bisherigen Regelung festzuhalten.

„Mercosur-Abkommen stoppen!“

Ende Juni 2019 hat die EU die Verhandlungen mit den MERCOSUR-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay über ein Handelsabkommen abgeschlossen. Es sieht vor, dass die südamerikanischen Länder Zoll-Senkungen für europäische Industrie-Produkte gewähren und im Gegenzug einen erleichterten Zugang zum EU-Markt für ihre Agrar-Güter erhalten. Brüssel erwartet bei den Sätzen, die bisher für Autos 35 Prozent des Warenwerts, für Chemikalien bis zu 18 Prozent und für Pharmazeutika bis zu 14 Prozent betrugen, eine Reduktion im Umfang von rund vier Milliarden Euro. Parallel dazu rechnet der EU-Forschungsdienst durch die dem MERCOSUR gewährten Einfuhr-Erleichterungen mit einer Steigerung von dessen Anteilen an den Lebensmittel-Importen der Europäischen Union von derzeit 17 auf 25 Prozent bis zum Jahr 2025. Träte die Vereinbarung in Kraft, säße BAYER sowohl diesseits als auch jenseits des Atlantiks auf der GewinnerInnen-Seite. Einerseits haben chemische Erzeugnisse einen großen Anteil an den Exporten in die MERCOSUR-Mitgliedsländer – sie kommen auf 26 Prozent, mit 42 Prozent erreichen nur Maschinen und Transportmittel mehr – und andererseits ist ein höherer Absatz von Glyphosat & Co. zu erwarten, wenn die brasilianische und argentinische Agrar-Industrie besseren Geschäften auf dem alten Kontinent entgegensehen kann. Und das wiederum bedeutet: mehr Gifte und Gentechnik auf den Feldern, mehr Monokulturen, mehr Vertreibungen von Indigenen – und weniger Regenwald. Diese Aussichten riefen das NETZWERK GERECHTER WELTHANDEL auf den Plan. Es initiierte den Aufruf „Zeit zum Umdenken – EU-Mercosur-Abkommen stoppen!“, zu deren Mitunterzeichnern die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) gehört.

KAPITAL & ARBEIT

Trennung von der Tiermedizin

Nachdem das erste Schadensersatz-Verfahren in Sachen „Glyphosat“ am 10. August 2018 erst-instanzlich mit einem millionen-schweren Schuldspruch endete, setzte die BAYER-Aktie zu einer Talfahrt an, die bis heute anhält. Die Großinvestoren meldeten sogleich Handlungsbedarf an – und der Leverkusener Multi lieferte. Im Dezember 2018 kündigte er ein Einspar-Programm an, das unter anderem den Abbau von 12.000 Stellen vorsah. Ein Mittel dazu war die Veräußerung von Geschäftsteilen. So stieß der Global Player seine Beteiligung am Chem„park“-Dienstleister CURRENTA ab und trennte sich von den Sonnenschutz-Mitteln der COPPERTONE-Reihe sowie von den Fußpflege-Präparaten der Marke DR. SCHOLL’S. Und im August 2020 schloss das Unternehmen den Verkauf seiner Tierarznei-Sparte für 5,17 Milliarden Dollar an ELANCO ab und vernichtete auf diesem Weg 4.400 Arbeitsplätze innerhalb des Konzerns. Sie „werden zu vergleichbaren Konditionen weiterbeschäftigt“, versicherte die Aktien-Gesellschaft eilfertig.

Die Frauen-Quote kommt

Jahrelang hat die Politik den großen Konzernen Zeit gelassen, den Frauen-Anteil in den Vorständen und den Leitungsetagen darunter freiwillig zu erhöhen. Geschehen ist jedoch kaum etwas. Darum will die Große Koalition nun ein Gesetz zur Einführung einer Frauen-Quote auf den Weg bringen. Das Paragrafen-Werk sieht vor, die Unternehmen zu verpflichten, ab einer Vorstandsgröße von vier Personen mindestens einen Sitz einer Frau einzuräumen, wenn eine Neubesetzung ansteht. BAYER & Co. zeigten sich darüber not amused. Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) spricht von einem „starken Eingriff in die unternehmerische Freiheit“ und die „Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeber“ bezeichnet das Vorhaben sogar als „verfassungsrechtlich fragwürdig“. Auch der Leverkusener Multi wird sich in Sachen „Gleichberechtigung“ nun sputen müssen. Er bekundet zwar auf seiner Website: „Das Ziel, das dem Vorstand zum Ende der für das Ziel gesetzten Frist am 30. Juni 2022 und möglichst auch früher eine Frau angehört, wird weiter intensiv verfolgt“, schaffte es jedoch bis jetzt nicht, Vollzug zu melden. Nicht besser schaut es in den beiden ersten Führungsebenen darunter aus. Hier verfehlte der Global Player die Vorgaben von 17 bzw. 21 Prozent, die aus dem Jahr 2017 stammen. Zur Entschuldigung führt er den MONSANTO-Deal und die nachfolgenden Umstrukturierungen an. „Aufgrund dieser Veränderungen konnten die ursprünglich gesetzen Ziele nicht erreicht werden.“

BAYER „militär-freundlich“

Die US-amerikanische Organisation „Military Friendly“ zeichnete den Leverkusener Multi im September 2020 als „militär-freundlichen Arbeitgeber“ aus. Damit ehrte die Vereinigung BAYERs „proaktive Anstrengungen, Veteranen und Militär-Angehörige durch betriebliche Maßnahmen zu ehren, zu integrieren und zu fördern“. Der Konzern, der mit BRAVE beispielsweise eine eigene Struktur zur Unterstützung von Veteranen unterhält, sah sich seinerseits zu Dank verpflichtet. „Diese mutigen Männer und Frauen unserer bewaffneten Truppen haben durch ihren Geist der Opferbereitschaft und den Dienst, den sie ihrem Land erweisen, den Respekt und die Bewunderung aller Amerikaner verdient“, sagte BAYER-Manager Raymond F. Kerins zur Feier des Tages und sprach von „Helden“. Philip Blake, der ehemalige US-Chef des Agro-Riesen, stand dem nicht nach: „Wir bewundern die hohen Werte und den Geist, den unsere Soldaten und Soldatinnen jeden Tag mit zur Arbeit bringen – Führungsqualitäten, Disziplin und Tatkraft.“ Kampferprobte Werte gelten in der Geschäftswelt ganz offensichtlich mehr als demokratische.

KONZERN & VERGANGENHEIT

40 Jahre Dünnsäure-Proteste

Im Jahr 1980 initiierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) gemeinsam mit GREENPEACE eine Blockade des Leverkusener Rhein-Anlegers. So wollten die AktivistInnen das Auslaufen eines Tankers verhindern, der eine giftige BAYER-Fracht an Bord hatte: Dünnsäure, also verdünnte Schwefelsäure. Mit dieser Ladung nahmen die Schiffe tagein, tagaus Kurs Richtung Nordsee, wo sie das chemische Abfall-Produkt dann einfach ins Meer kippten. 280.000 Tonnen pro Jahr allein aus der Produktion des Konzerns entsorgten die Boote vor der Küste. Eine Umweltgefährdung sah der Leverkusener Multi darin nicht. Die Dünnsäure sei „für die Nordsee keine Mehrbelastung“, wiegelte der damalige BAYER-Chef Herbert Grünewald ab. Als die Proteste größer wurden, drohte das Unternehmen sogar, die Chemikalie einfach in den Rhein zu leiten und brachte in alter Manier das Arbeitsplatz-Argument ins Spiel. Wenn die Gewässer als Müllkippe ausfielen, ständen 4.000 Jobs zur Disposition, warnte die Aktien-Gesellschaft. Und so machte sich die Dünnsäure von Leverkusen aus noch lange Jahre auf die Reise gen Nordsee. Erst 1990 führte der beharrliche Kampf der UmweltschützerInnen zu einem Verbot der Dünnsäure-Verklappung. Viele Menschen politisierten sich im Zuge der Proteste wie etwa die jetzige Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Als Studentin nahm sie an den Blockaden in Leverkusen teil, wie die Politikerin in einem Interview berichtete. „GREENPEACE segelte (...) mit einem alten Dreimaster von Köln nach Leverkusen und versuchte, das zu stoppen. Und das hat mich so mitgenommen, dass ich gesagt habe: ‚Wenn man durch Diskussionen gesellschaftliche Prozesse nicht ändern kann, dann muss man eine Aktion machen, die so viel Aufmerksamkeit erregt, dass auch so ein Unternehmen in Argumentationszwang kommt.’ Und das war im Grunde für mich so eine Initialzündung.“ Die war es dann auch für GREENPEACE selbst. Fünf Wochen nach den Blockaden, am 17. November 1980, gründete sich die deutsche Sektion offiziell.

POLITIK & EINFLUSS

Treffen mit EU-Kommission

Im Mai 2020 hatte die Europäische Union zwei wesentliche Elemente ihres „Green Deals“ vorgestellt: die Biodiversitätsstrategie und die Landwirtschaftsstrategie „Vom Hof auf den Tisch“. Letztere gibt nach Ansicht der EU „eine umfassende Antwort auf die Herausforderungen nachhaltiger Lebensmittel-Systeme und erkennt an, dass gesunde Menschen, gesunde Gesellschaften und ein gesunder Planet untrennbar miteinander verbunden sind“. Auf der Agenda steht deshalb unter anderem eine Dezimierung des Pestizid-Einsatzes bis 2030 um 50 Prozent. Da sah der BAYER-Konzern Gesprächsbedarf: Er bat um einen Termin bei der EU-Kommission – „at the highest level“. Mit Mitgliedern des Europäischen Parlaments und PolitikerInnen der Mitgliedsstaaten hatte der Global Player sich über das Thema zuvor schon ausgetauscht, wie er in seinem Gesuch mitteilte. Anfang August 2020 kam es dann zu einem Treffen mit VertreterInnen der Generaldirektion Agrar, wie Recherchen des CORPORATE EUROPE OBSERVER (CEO) zu den Lobby-Aktivitäten von BAYER & Co. im Umfeld der EU-Landwirtschaftsstrategie ergaben. Bei dem Meeting versuchte das Unternehmen für seine Vorstellungen zur Verminderung der Risiken und Nebenwirkungen zu werben, die von seinen Ackergiften ausgehen. Der Leverkusener Multi will nicht die Gesamtmenge der ausgebrachten Agro-Chemikalien verringern, sondern nur die negativen Effekte, und diese genau um 30 Prozent. „Wenn man die Umwelt-Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln reduzieren will, reicht es nicht aus, nur auf die Volumina zu schauen, meint der BAYER-CROPSCIENCE-Chef Liam Condon nämlich. Strengere Regelungen in dem Bereich hält die Aktien-Gesellschaft nicht für nötig, ließ sie die Generaldirektion Agrar wissen. Zudem plädierte der Agro-Riese noch für schnellere Zulassungen und warnte vor den ökonomischen Folgen einer nur ökologische Ziele verfolgenden Landwirtschaftspolitik.

Extrem-Lobbying der ECPA in Brüssel

Nicht nur der BAYER-Konzern selbst, sondern auch sein Brüsseler Interessenverband, die „European Crop Protection Association“ (ECPA), tat alles, um die Biodiversitäts- und Landwirtschaftsstrategie der EU zum Vorteil der Branche zu verwässern (s. o.). Das ergaben Recherchen des CORPORATE EUROPE OBSERVER (CEO). Vor allem trachtete die ECPA danach, die Kommission von dem Ziel abzubringen, den Pestizid-Einsatz bis 2030 um 50 Prozent zu senken. Als nicht realistisch bezeichnete sie diese Vorgabe in einem Gespräch mit VertreterInnen der Generaldirektion Agrar und schlug stattdessen 25 Prozent vor. Und auch nach der Verabschiedung der „Farm to Fork“-Strategie ließ die Lobby-Organisation nicht locker. So sponserte sie im Oktober 2020 eine Veranstaltung, welche sich mit den möglichen Folgen der neuen Agrar-Politik auf die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen LandwirtInnen beschäftigte. Schützenhilfe erhielt die ECPA überdies von seinem internationalen Pendant „Croplife International “, das in Tateinheit mit der BASF im Juni 2020 ein Roundtable-Gespräch mit dem Agrar-Kommissar Janusz Wojciechowski anberaumte. Über die TeilnehmerInnen und Themen wollte die Europäische Union CEO keine Auskünfte geben. Solche Informationen würden „den kommerziellen Interessen des Organisatoren schaden“, bekundete die EU.

BAYER sponsert ALDE

Im Europa-Parlament ist BAYERs Partei der Wahl die „Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa“ (ALDE). 2017 ließ der Konzern ihr 12.000 Euro zukommen und 2018 sogar 18.000 Euro. Auch MICROSOFT und HYUNDAI überwiesen der ALDE hohe Beträge. Nach Bekanntwerden dieser massiven Unterstützung aus Kreisen der Wirtschaft erklärte die Fraktionsspitze, auf Zuwendungen von Privat-Unternehmen künftig verzichten zu wollen.

Werbe-Plattform Botschaft

Die Deutschen Botschaften in Südamerika verstehen sich offensichtlich als Lobby-Agenturen zur Förderung des Außenhandels von BAYER & Co. So protestierte der Agrar-Attaché der Deutschen Botschaft in Mexico, Martin Nissen, nicht nur vehement gegen das von der Regierung Obrador verhängte Import-Verbot für Glyphosat und 16 weitere gefährliche Pestizide (s. o.), er verschaffte den Unternehmen auch Gelegenheiten, sich in seinem Hause zu präsentieren. So richtete die Botschaft im November 2019 eine Tagung zur nachhaltigen Nahrungsmittelsicherheit aus. Bei dieser Veranstaltung durfte sich der BASF-Manager José Eduardo Vieira Moraes über die Auswirkungen von Pestiziden auf Umwelt und Gesundheit auslassen und sein BAYER-Kollege Dr. Klaus Kunz über Versuche des Leverkusener Multis, eine Mais-Sorte zu entwickeln, die angeblich dem Klimawandel besser trotzen kann.

Amtshilfe in Sachen „Glyphosat“

Im Jahr 2017 hatten 43 Personen bei der mexikanischen Menschenrechtskommission CNDH wegen des unkontrollierten Einsatzes hochgefährlicher Pestizide in dem Land eine Beschwerde eingereicht (Ticker 3/20). Unter den inkriminierten Ackergift-Wirkstoffen finden sich zahlreiche, die auch in BAYER-Produkten enthalten sind wie z. B. Mancozeb, Glyphosat, Atrazin, Deltamethrin, Methamidophos, Imidacloprid, Carbofuran, Endosulfan, Bifenthrin und Carbendazim. Die CNDH gab den Beschwerde-TrägerInnen im Februar 2019 Recht und empfahl der Politik eine Reihe von Maßnahmen. Und diese reagierte, wie das Portal amerika21 berichtet: Die mexikanische Zentralregierung erließ für Glyphosat und 16 weitere Ackergifte einen Import-Bann. Anschließend lud sie MitarbeiterInnen ausländischer BotschafterInnen zu einem Treffen ein, um ihnen die geplanten Einschränkungen näher zu erläutern. Bei dieser Zusammenkunft zeigte sich der Agrar-Attaché der Deutschen Botschaft, Martin Nissen, „sehr verärgert“ über die drohenden Verbote. „Leider wurde der Vorschlag zum Glyphosat-Ausstieg durch einen Vertreter der Deutschen Botschaft aus der Abteilung ‚Ernährung, Landwirtschaft, Gesundheit und Verbraucherschutz’ heftig gerügt“, berichteten die mexikanischen Sektionen des PESTIZID AKTIONS-NETZWERKS (PAN) und von GREENPEACE ihren deutschen Partner-Organisationen. Nissen prophezeite der mexikanischen Landwirtschaft düstere Zeiten, weil den FarmerInnen Alternativen zu den Mitteln fehlen würden, und warnte vor dem Entstehen eines Schwarzmarktes für Glyphosat & Co. PAN und GREENPEACE erboste dieser Auftritt des Sozialdemokraten. Während die Europäische Union im Rahmen ihrer „Farm to Fork“-Strategie den Agrochemie-Verbrauch bis zum Jahr 2030 um die Hälfte reduzieren will, opponierten die EmissärInnen der EU-Länder in Südamerika gegen Beschränkungen, hielten die Initiativen fest und bezeichneten das als „völlig inkohärent“. Zudem klagten sie über den immensen Lobby-Druck, den Konzerne wie BAYER entfalteten, um den Pestizid-Plan der Regierung Obrador zu stoppen.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER rettet die Welt

Mit der MONSANTO-Übernahme hat der Leverkusener Multi auch das Thema „Welthunger“ entdeckt. „Gemeinsam können wir noch mehr dazu beitragen, dass im Jahr 2025 zehn Milliarden Menschen satt werden“, verkündete Konzern-Chef Werner Baumann damals. Eine solche Mission kauften ihm aber noch nicht einmal die konservativen Zeitungen ab. Als eine „stets etwas salbungsvoll klingende Kapitalmarkt-Story für den Mega-Deal“ bezeichnete etwa die FAZ solche Bekenntnisse. Das hindert den Konzern jedoch nicht daran, die Mär wieder und wieder zu erzählen. Unlängst tat dies BAYERs Agro-Chef Liam Condon, dem der Focus dafür Platz einräumte. Unter der Überschrift „Eine Welt ohne Hunger? Das schaffen wir!“ durfte er seine Ansichten verbreiten. Aller wissenschaftlichen Expertise zum Trotz führt Condon die Mangelversorgung nicht auf ein Verteilungsproblem zurück. Ihm zufolge gibt es einfach zu wenig Nahrungsmittel, um die Menschen satt zu machen. Und da Anbau-Fläche nicht unbegrenzt zur Verfügung steht, braucht es eine intensive Landwirtschaft mit innovativen Produkten, wie sie nur ein Welt-Konzern mit großen Forschungskapazitäten zu entwickeln vermag. Die Entwicklungsorganisation OXFAM nennt das den Welternährungsmythos. „Er suggeriert, dass eine höhere Produktion weniger Hunger bedeutet. Menschen hungern jedoch, weil sie extrem arm sind und sich keine Lebensmittel leisten können“, konstatiert sie. Ihr schlichtes Fazit lautet: „Jenen, die den Welternährungsmythos bemühen, geht es in erster Linie um die Profite von Agrar-Konzernen und weniger um bessere Bedingungen für Hungerleidende.“

BAYER & Co. kapern FAO

Die Vereinten Nationen und ihre Unter-Organisationen geraten immer mehr unter den Einfluss der Superreichen und der Konzerne. So ging die UN im Jahr 2000 eine Kooperation mit BAYER und 43 weiteren Multis ein. Inzwischen schlossen sich über 7.000 weitere Unternehmen diesem „Global Compact“ an. Unterdessen bestimmt Bill Gates mit seinem Spenden-Geld immer mehr die Agenda der Weltgesundheitsorganisation. Und nun öffnet sich auch noch die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO den Agro-Riesen. Sie vereinbarte eine Partnerschaft mit „Crop-life International“, dem weltweit agierenden Lobby-Verband von BAYER & Co. Mehr als 350 Organisationen, darunter auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, protestierten in einem Offenen Brief scharf gegen diese Allianz. „Wir brauchen eine starke und von der Pestizid-Industrie unabhängige FAO, die sich – frei von Markt-Interessen globaler Konzerne – für sichere gesunde Ernährung und nachhaltige Anbau-Systeme zum Wohl aller Menschen einsetzt“, hielt etwa Susan Haffmans vom PESTIZID AKTIONS-NETZWERK in dem Schreiben fest. In ihrer Antwort verteidigte die FAO ihre Entscheidung. Sie versicherte zwar, ihre Unabhängigkeit als wichtiges Gut zu betrachten, betonte aber gleichwohl die Bedeutsamkeit einer Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteuren. Von einem „Geist der Inklusivität“ sprach Generaldirektor Qu Dongyu in diesem Zusammenhang. „Wir sehen strategische Partnerschaften mit dem Privatsektor als wichtig an, um innovative Ansätze zur Unterstützung einer nachhaltigen Landwirtschaft zu identifizieren und umzusetzen und letztlich ein besseres und verantwortungsvolleres Engagement und Verhalten zu fördern“, erklärte der Chinese. BAYER kennt er noch aus seiner Zeit als stellvertretender Landwirtschaftsminister. So nahm er im Jahr 2019 an der feierlichen Zeremonie zur Unterzeichnung eines vage bleibenden Umwelt-Pakts zwischen der Regierung und dem Leverkusener Multi teil. Und bei diesem Anlass ließ er sich es nicht nehmen zu betonen, dass China den MONSANTO-Deal noch vor den USA und Europa abgesegnet und damit signalisiert habe, wie positiv es dem Deal gegenüber eingestellt sei. Darüber hinaus versprach Qu Dongyu eine weitere Öffnung des Landes inklusive noch besserer Bedingungen für multinationale Unternehmen.

Hardy Krüger jr. in BAYER-Mission

Der Leverkusener Multi hat einen Film drehen lassen, der ihn als großen Kümmerer in Sachen „Welternährung“ zeigt. Als Überbringer der Botschaft engagierte er den Schauspieler Hardy Krüger jr. In „Wie ernähre ich mich richtig?“ reist der gelernte Koch auf der Suche nach einer Antwort kreuz und quer durch die Lande. Er spricht unter anderem mit TierzüchterInnen, WissenschaftlerInnen und LandwirtInnen, wobei er durchaus auch mal Biobauern und -bäuerinnen sein Ohr leiht. BAYER-Labore besucht er natürlich ebenfalls. Und selbstverständlich darf BAYERs Agro-Chef Liam Condon mit seinem Mantra: „Wir werden mehr Nahrungsmittel erzeugen müssen, aber wir haben nur begrenzte natürliche Ressourcen“ (s. o.) nicht fehlen, das ihm immer zur Begründung der Unabdingbarkeit einer auf Hochtechnologie basierenden, industriell betriebenen Landwirtschaft dient. Die Lage ist ernst, lautet am Ende das Fazit von Hardy Krüger jr., es gebe jedoch noch eine Chance, eine Lösung zu finden – aber natürlich nur „zusammen mit der Wirtschaft und der Politik“.

Acht Millionen für ÄrztInnen

Von den rund 57 Millionen Euro, die der BAYER-Konzern 2019 zur Absatz-Steigerung seiner Produkte ins Gesundheitswesen pumpte, erhielten ÄrztInnen ca. acht Millionen. Eine detaillierte Aufschlüsselung des Verwendungszwecks der Gelder gibt das Unternehmen nur für diejenigen MedizinerInnen an, die lieber inkognito bleiben wollen. Mit 6,5 Millionen Euro floss ein Großteil der Summe in diesen Bereich. 3,15 Millionen davon gingen für Vortrags- oder Beratungshonorare drauf; 1.549 Doctores standen dem Leverkusener Multi hier zu Diensten. Reise- und Übernachtungskosten in Höhe von 2,1 Millionen Euro, die bei Kongressen und ähnlichen Veranstaltungen anzufallen pflegen, übernahm der Pharma-Riese derweil für 4.756 Weißkittel.

BAYER bedenkt Fachgesellschaften

Zu den Akteuren des Gesundheitswesens, die BAYER mit hohen Summen beglückt (s. o.), gehören auch die medizinischen Fachgesellschaften nebst den von ihnen veranstalteten Kongressen und Weiterbildungen. Und wenn sich die Tätigkeiten der Organisationen auf ein Gebiet erstrecken, für das der Konzern die passende Arznei im Angebot hat, überweist er ihnen besonders viel Geld. So konnte sich die „Deutsche Gesellschaft für Mann und Gesundheit“ im Jahr 2019 über 50.000 Euro freuen – und der Pharma-Riese sicherlich bald über mehr Rezepte für seine umstrittenen Testosteron-Präparate. Die „Deutsche Gesellschaft für Urologie“ bedachte er ebenfalls. 86.000 Euro landeten bei ihr auf dem Konto. Das Marktumfeld für seine nebenwirkungsreichen Röntgen-Kontrastmittel GADOVIST, PRIMOVIST und MAGNEVIST gestaltete der Pillen-Riese durch Zuwendungen an die „Deutsche Röntgen-Gesellschaft“ (16.000 Euro) und ihren Kongress (120.000 Euro) freundlicher. Der „Kongressverein für radiologische Diagnostik“ verbuchte sogar 127.000 Euro. Der Absatz-Förderung des gentechnisch hergestellten Augen-Präparats EYLEA dienten Überweisungen an den „Bundesverband der Augenärzte“ (23.000 Euro), der „Augenärztlichen Akademie“ (16.000 Euro) und der „Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft“ (95.000 Euro) nebst Kongress (86.000 Euro). Das meiste Geld aber gab der Global Player für die Promotion seines umstrittenen Gerinnungshemmers XARELTO aus. Schecks erhielten hier unter anderem das „Online Portal Kardiologie“ (250.000 Euro) und der „Bundesverband niedergelassener Kardiologen“ (54.000 Euro). Dessen Fortbildungsforum strich dann nicht weniger als 333.000 Euro ein. Die „Deutsche Gesellschaft für Angiologie“ bekam 65.000 Euro und die „Deutsche Gesellschaft für Kardiologie“ 226.000 Euro. Deren Kongress nebst BAYER-Symposien bezuschusste der Konzern mit 53.000 Euro. Die Jahrestagung der „Gesellschaft für Thrombose und Hämostase-Forschung“ war ihm 106.000 Euro wert. Die GEBE GmbH, die im Bereich „Verhütung“ eine „Gesundheitsförderung durch aufsuchende Beratung“ betreibt, erhielt 70.000 Euro und erbrachte dafür die Gegenleistung „Logo/Nennung im Programm/Standgebühr“.

BAYER bedenkt Krankenhäuser

Auch in die Pflege der Krankenhaus-Landschaft investierte der Leverkusener Multi im Jahr 2019 viel Geld. So erhielten beispielsweise das Universitätsklinikum Aachen 36.000 Euro, das Dresdener Universitätsklinikum Carl Gustav Carus 25.000 Euro, die Münsteraner Klinik und Poliklinik für allgemeine Orthopädie 18.000 Euro, das Berliner Gertrauden-Krankenhaus ebenfalls 18.000 Euro, die Berliner Charité 62.000 Euro, das Krankenhaus Martha-Maria in Halle 64.000 Euro, das Institut für Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene des Universitätsklinikums Köln 30.000 Euro, die Hautklinik der Hochschule Hannover 28.000 Euro und die Hamburger Martini-Klinik 50.000 Euro an Zuwendungen.

DRUGS & PILLS

XARELTO: Mehr Todesfälle

BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO zählt gemeinsam mit LIXIANA, PRADAXA und ELIQUIS zu den „Neuen Antikoagulanzien“ (NOAK), denen es – nicht zuletzt dank immenser Werbe-Etats – gelang, der bisherigen Standard-Therapie mit MARCUMAR (Wirkstoff: Phenprocoumon) Markt-Anteile wegzunehmen. Dabei spricht die Sicherheit eindeutig für MARCUMAR, wie auch eine Studie des „Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland“ wieder belegt. So kommt es unter Phenprocoumon seltener zu Schlaganfällen als unter NOAK. Um dreizehn Prozent sinkt die Wahrscheinlichkeit im Vergleich zu XARELTO, um 52 Prozent im Vergleich zu ELIQUIS und um 93 Prozent im Vergleich zu PRADAXA. Bei den Blutungen hingegen zeigen sich die NOAK überlegen. Das Risiko reduziert sich gegenüber MARCUMAR um elf Prozent; nur XARELTO tanzt hier mit einem Gefährdungspotenzial von plus drei Prozent aus der Reihe. Als Ursache für die höhere Schlaganfall-Rate vermutet das Fachblatt arznei-telegramm eine in der Regel zu niedrige Dosierung der NOAK, sieht da aber noch Klärungsbedarf.

Kein ASPIRIN in der Schwangerschaft

Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hat ihre Empfehlungen bezüglich der Nutzung von ASPIRIN und anderen Schmerzmitteln in der Schwangerschaft verschärft. Bisher riet die Einrichtung dazu, die Mittel ab der 30. Woche nicht mehr zu nutzen, weil diese das Herz des Kindes schädigen können. Jetzt hält sie es für ratsam, schon ab der 20. Woche auf die Präparate zu verzichten. Sie drohen nämlich die Nierenfunktionen des Fötus zu stören und damit auch die Fruchtwasser-Produktion, was wiederum das Risiko erhöht, dass sich die Atemorgane, die Muskeln und/oder das Verdauungssystem nicht richtig entwickeln.

Kooperation mit EXSCIENTIA

Das britische Unternehmen EXSCIENTIA hat ein Verfahren entwickelt, mittels Künstlicher Intelligenz eine Vorauswahl von solchen Molekülen zu treffen, die vielleicht als Arznei-Wirkstoffe infrage kommen. BAYER will sich diese Technologie zunutze machen und hat deshalb einen Vertrag mit der Firma geschlossen. Konkret bezieht sich der Suchauftrag auf Substanzen zur Therapie von Krebs und Herz/Kreislauf-Erkrankungen. Zahlungen von bis zu 240 Millionen Euro plus Umsatz-Beteiligungen stellt der Leverkusen Multi dem Unternehmen in Aussicht, sollte es liefern können.

Neue Zulassung für LAMPIT

Die BAYER-Arznei LAMPIT (Wirkstoff: Nifurtimox) kommt schon lange zur Behandlung der Chagas-Krankheit zum Einsatz, die der Parasit „Trypanosoma cruzi“ überträgt und vor allem in Lateinamerika stark verbreitet ist. Anfang des Jahres erhielt der Leverkusener Multi in den USA nun die Zulassung für eine kinder-verträgliche Nifurtimox-Formulierung. „Kampf gegen vernachlässigte Tropen-Krankheiten Bestandteil der Nachhaltigkeitsstrategie von BAYER“, verlautete flugs aus der Konzern-Zentrale. Dabei hat der Global Player das Forschungsfeld „Tropenkrankheiten“ schon vor langer Zeit abgewickelt und setzt nur noch auf die Alt-Medikamente, die aus dieser Abteilung einst hervorgingen.

VERICIGUAT überzeugt nicht

BAYER hat in der EU und in Japan Anträge auf Genehmigung der Arznei Vericiguat gestellt, die zur Behandlung chronischer Herz-Insuffizenz bestimmt ist. Der Leverkusener Multi hat das Mittel, das in Kombination mit den gängigen Therapien zum Einsatz kommen soll, gemeinsam mit dem Unternehmen MSD entwickelt. Bei den Klinischen Prüfungen konnte es dem Pharma-Riesen zufolge überzeugen. „In der VICTORIA-Studie sank das absolute Risiko für kardio-vaskulären Tod oder Hospital-Aufenthalte aufgrund von Herz-Insuffizienz um 4,2 Ereignisse pro 100 Patienten-Jahre“, vermeldete der Konzern. Wenn also 24 bis 28 herzkranke Personen über ein Jahr lang Vericiguat bekommen, kann das Medikament eine/n von ihnen vor einem Herzinfarkt oder dem Krankenhaus verschonen. Tieferen Einblick in die Untersuchung gab der Global Player auf einem Kongress des „American College of Cardiology“. Und dieser wirkte einigermaßen ernüchternd. Als Studien-Ziel für das Präparat die Verhinderung von Todesfällen oder Klinik-Einweisungen definiert zu haben, erwies sich nämlich im Nachhinein als geschickter Schachzug, mit dem die Aktien-Gesellschaft verbarg, dass VERICIGUAT auf den weit wichtigeren der beiden Parameter – die Sterbe-Rate – keinen statistisch signifikanten Einfluss hatte. FARXIGA von ASTRA ZENECA oder ENTRESTO von NOVARTIS zeigten da bessere Resultate. Das Pharma-Portal Evaluate räumt dem BAYER-Pharmazeutikum daher Marktchancen nur im Segment der Herz-PatientInnen mit hohem Gefährdungspotenzial ein.

Kein SATIVEX-Vertrieb mehr

Im Jahr 2010 hatte BAYER in Großbritannien die Vertriebsrechte für das Cannabis-Spray SATIVEX vom Hersteller GW PHARMAZEUTICALS erworben. Nun ließ der Leverkusener Multi den Vertrag auslaufen. Das Mittel, das zur Linderung bestimmter Begleiterscheinungen der Multiplen Sklerose wie etwa Spastiken zum Einsatz kommt, hat offenbar die Profit-Erwartungen des Konzerns nicht erfüllen können.

AGRO & CHEMIE

Glyphosat schädigt Hormon-Haushalt

Glyphosat ruft zahlreiche Krankheiten hervor. So stuft die Weltgesundheitsorganisation WHO das Pestizid als „wahrscheinlich krebserregend“ ein. Aber auch die Nieren vermag das Mittel anzugreifen. Zunächst als Substanz zur Wasser-Enthärtung zugelassen, bindet es nämlich Kalzium, Magnesium und andere Metalle, welche die Funktion dieses Organs stören. Zudem machen zahlreiche MedizinerInnen das Total-Herbizid für Schwangerschaftskomplikationen verantwortlich, die zu Fehlgeburten führen oder Kinder mit massiven gesundheitlichen Problemen wie etwa Speiseröhren-Anomalien auf die Welt kommen lassen. Der Grund: Glyphosat wirkt auf die Retinsäure ein, die bei der Embryonal-Entwicklung eine bedeutende Rolle spielt. Und jetzt fanden die WissenschaftlerInnen Juan Monoz, Tammy Bleak und Gloria Calaf von der chilenischen Tarapacá-Universität neue Belege für hormon-ähnliche und deshalb gefährliche Effekte des Produktes. Den ForscherInnen zufolge erfüllt es acht der zehn Kriterien, die für endokrine Disruptoren (EDC) gelten. Substanzen dieser Kategorie gleichen in ihrem chemischen Aufbau Hormonen und können deshalb den menschlichen Organismus gehörig durcheinanderwirbeln mit Folgen wie Krebs, Diabetes, Fettleibigkeit oder Unfruchtbarkeit.

Glyphosat-Restriktionen in Frankreich

Andere Staaten gehen viel rigoroser gegen Glyphosat vor als Deutschland. Luxemburg hat das Herbizid ganz verboten, und Frankreich schränkt den Gebrauch drastisch ein. So zog das Nachbarland bereits mehr als zwei Drittel der 190 glyphosat-haltigen Mittel aus dem Verkehr. Und LandwirtInnen, die partout nicht auf das Pestizid oder andere ähnlich schädliche Produkte verzichten wollen, müssen eine Umweltzulage zahlen. Zudem darf das von der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestufte Ackergift nur in bestimmten Mengen ausgebracht werden. Und im Oktober 2020 reduzierte die Zulassungsbehörde ANSES die erlaubten Höchstgrenzen noch einmal um 60 Prozent für Obstgärten und Ackerflächen sowie um 80 Prozent für Wein-Kulturen.

Glyphosat in höherer Konzentration

BAYER hat ein Glyphosat-Produkt mit einer neuen Formulierung auf den Markt gebracht. Das ROUNDUP POWERMAX 3 enthält eine höhere Konzentration des Wirkstoffes und kann dementsprechend noch mehr Schaden anrichten.

Glyphosat: Klöckner spielt auf Zeit

Bereits Mitte April 2018 hatte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner ihre Strategie zur Minimierung der Verwendung glyphosat-haltiger Pestizide vorgestellt. Dazu gehörten ein Verbot der Verwendung in Privatgärten, in der Nähe von Gewässern und auf allgemein zugänglichen Flächen rund um Kindergärten, Schulen, Sportanlagen und Altenheime. Auch beabsichtigte die CDU-Politikerin, letzte Ausnahmen hinsichtlich der Glyphosat-Nutzung in Naturschutzgebieten und dort, wo ein ausreichender Artenschutz nicht gewährleistet werden kann, zu streichen. Liefern wollte sie bis 2020, doch geschehen ist bisher noch nichts. Der Reduktionsplan werde noch „erarbeitet“ und dann sei noch eine Folgenabschätzung nötig, verlautete aus dem Ministerium. Auch bei Maßnahmen zur Eindämmung des Insektensterbens kann Klöckner noch nicht Vollzug melden. Das Umweltministerium wirft der Christdemokratin deshalb Blockade-Politik vor und beschwerte sich beim Bundeskanzleramt. Die Ministerin verhindere „jedweden Fortschritt beim Insektenschutz und bei der Beschränkung von schädlichen Pflanzenschutzmitteln“, hieß es in dem Schreiben. Zur rechtlichen Umsetzung der diesbezüglichen Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag habe das Bundeslandwirtschaftsministerium „bislang Folgendes geliefert: nichts“. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) kritisierte diese Obstruktionsstrategie ebenfalls scharf. „Im Koalitionsvertrag heißt es eindeutig: ‚Wir werden mit einer systematischen Minderungsstrategie den Einsatz von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln deutlich einschränken mit dem Ziel, die Anwendung so schnell wie möglich grundsätzlich zu beenden.’ Julia Klöckner muss das jetzt endlich umsetzen“, forderte die CBG in ihrer Presseerklärung.

Glyphosat schädigt die Darmflora

Nach einer Untersuchung von ForscherInnen der finnischen Universität Turku hat Glyphosat einen negativen Einfluss auf die Darmflora. Den WissenschaftlerInnen zufolge reduziert das Herbizid die Vielfalt der Mikroorganismen und ändert deren Zusammensetzung. Das Mittel blockiert nämlich das Enzym EPSPS, das für die den Darm besiedelnden Mikroorganismen eine wichtige Funktion erfüllt. „Wir können davon ausgehen, dass eine langfristige Exposition gegenüber Glyphosat-Rückständen zur Dominanz resistenter Stämme in der Bakteriengemeinschaft führt“, konstatieren die WissenschaftlerInnen. Auch vor einer Schwächung der Immun-Abwehr und dem Auftreten anderer Gesundheitsstörungen, die mit einer geschädigten Darmflora in Verbindung stehen, warnen sie.

Aus für Chlorothalonil

BAYER darf das Fungizid AMISTAR innerhalb der EU nicht mehr vermarkten. Nach einem Gutachten der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA können die Abbau-Produkte von dessen Wirkstoff Chlorothalonil Fische und Amphibien schädigen und die Trinkwasser-Gewinnung gefährden. Darum zog Brüssel das Ackergift aus dem Verkehr.

Viele Pestizide in Obst und Gemüse

Das „Chemisches und Veterinär-Untersuchungsamt Stuttgart (CVUA) entdeckte auch 2019 wieder viele Pestizid-Rückstände in Obst und Gemüse. 95 Prozent der insgesamt 753 Obst-Proben enthielten Ackergift-Spuren. Bei den 916 Gemüse-Proben waren es 93 Prozent. 166 davon lagen sogar über dem Grenzwert. Eigentlich hätten diese Produkte in den Supermärkten überhaupt nichts mehr zu suchen. „Ein Lebensmittel mit Rückständen über dem Rückstandshöchstgehalt ist nicht verkehrsfähig, darf also nicht verkauft werden“, hält das CVUA fest. Auch Wirkstoffe, die in BAYER-Erzeugnissen enthalten sind wie Bifenthrin, Carbendazim, Chlorthalonil, Flupyram und Tebuconazol lagen über dem Limit. In der Rangliste der Ackergifte, deren Rückstände sich am häufigsten in Tomaten, Bohnen & Co. fanden, waren Agro-Chemikalien des Leverkusener Multis ebenfalls gut vertreten. Den „besten“ Platz belegte dabei Fluopyram mit 216 positiven Befunden. Propamocarb kam auf 72, Imidacloprid auf 68, Thiacloprid auf 61, Tebuconazol auf 60, Deltametrin auf 43, Spiromesifen auf 42 und Trifloxystrobin auf 33.

Neues Herbizid auf dem Markt

BAYER hat in den USA ein neues Herbizid für Weizen-Kulturen auf den Markt gebracht. Das Mittel mit dem Produkt-Namen LUXXUR (Inhaltsstoffe: Thiencarbazone-methyl und Tribenuron-methyl) wirkt hauptsächlich gegen Wildhafer, kann dem Leverkusener Multi zufolge jedoch auch anderen Wildpflanzen das Leben schwer machen.

Herbizid in der Entwicklung

BAYER-WissenschaftlerInnen entdeckten ein Molekül, das im Labor gegenüber einigen Gräser-Arten Wirkung zeigte. Aber bis zum fertigen Produkt ist es noch ein weiter Weg; zehn Jahre kalkulieren die ForscherInnen dafür ein. In einer Parallelaktion machen sie sich jedoch schon einmal daran, Pflanzen mittels gentechnischer Verfahren eine Resistenz gegen das Antiunkraut-Mittel einzubauen. Das eröffnet nämlich die lukrative Möglichkeit, den LandwirtInnen später einmal ganze Kombi-Packs zu verkaufen. Hoffnung auf einen Ersatz für das umstrittene Glyphosat macht das Molekül dem Leverkusener Multi zufolge jedoch nicht. Es zählt nämlich im Gegensatz zu der von der Weltgesundheitsorganisation als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuften Substanz nicht zu den Breitband-Herbiziden, die gleich dutzende von unerwünschten Gewächsen von den Feldern fegen.

Vereinbarung mit CLAAS

BAYER hat mit dem Landmaschinen-Hersteller CLAAS eine Kooperation im Bereich der digitalen Landwirtschaft vereinbart. LandwirtInnen, die CLAAS TELEMATICS zur Erhebung von Daten nutzen, erhalten nun auch Zugriff auf die BAYER-Plattform FIELDVIEW. Das Tool des Leverkusener Multis stellt unter anderem Informationen über das Wetter, bereits bearbeitete Felder, die durchschnittliche Getreide-Feuchte sowie Ertragsberichte und Karten zur Verfügung.

PFLANZEN & SAATEN

Nährstoff-Verluste bei Tomaten

Den Markt für Gemüse-Saatgut beherrschen wenige große Konzerne. Neben BAYER gehören unter anderem LIMAGRAIN, SYNGENTA und BASF zu dem Oligopol. Bei ihren Züchtungen kommt es den Multis hauptsächlich auf hohe Erträge, längere Haltbarkeit und ein ansprechendes Äußeres an. Und genau das ist es, was ihren Erzeugnissen den Geschmack und den Nährgehalt nimmt, wie der Film „Das Saatgut-Kartell“ von Linda Bendali dokumentiert. So vermindern etwa die eingezüchteten Eigenschaften, die den Reife-Prozess von Tomaten verlangsamen, um sie auch mit langsameren und deshalb billigeren Transportmitteln zu ihrem jeweiligen Bestimmungsort bringen zu können, die Gaumenfreuden und die positiven Effekte auf die Gesundheit. Aromen sind nämlich auch Nährstoffe. So enthält etwa eine moderne Hochleistungstomate einer hybriden, also nicht für die Wiederaussaat geeigneten Art 29 Prozent weniger Magnesium als eine alte Sorte, sowie 56 Prozent weniger Polyphenole, 58 Prozent weniger Lycopin und 72 Prozent weniger Vitamin C.

GENE & KLONE

Bt-Pflanzen giftiger als erwartet

BAYER & Co. haben zahlreiche Pflanzen per Gentechnik mit Proteinen des Bacillus thuringiensis (Bt) bestückt, um diese gegen Schadinsekten zu wappnen. Auf diesem Wege ändert das Boden-Bakterium jedoch seine natürlichen Eigenschaften. So nimmt die Giftigkeit stark zu, bis zu 20 Mal höher kann sie sein. Das belegen alte Dokumente des jetzt zu BAYER gehörenden Unternehmens MONSANTO, welche die Initiative TESTBIOTECH aufgespürt hat. Die Bt-Proteine interagieren nämlich mit den Enzymen der Gewächse, in welche die GenwerkerInnen sie eingebaut haben. Bei den Genehmigungsverfahren spielte die stärkere Toxizität nie eine Rolle. Darum fordert die Organisation die EU auf, die derzeit anstehenden Anträge von BAYER und SYNGENTA für Importzulassungen von gentechnisch veränderten Soja- und Maispflanzen nicht weiter zu bearbeiten und die bisherige Prüf-Praxis einer kritischen Revision zu unterziehen.

Neue EYLEA-Tests

Die Augen-Arznei EYLEA ist nach dem Gerinnungshemmer XARELTO BAYERs erfolgreichstes Medikament. Auf einen Umsatz von rund 2,5 Milliarden Euro kam das Gentech-Präparat im Geschäftsjahr 2019. Ursprünglich nur zur Therapie der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – zugelassen, kamen bisher vier weitere Genehmigungen dazu. Trotzdem versucht der Konzern immer noch, das Anwendungsspektrum des Mittels mit dem Wirkstoff Aflibercept zu erweitern. So startete er im Juni 2019 eine Klinische Prüfung zum Einsatz bei Netzhaut-Schädigungen von Frühgeborenen. Und im Juni 2020 begann das Unternehmen gemeinsam mit REGENERON PHARMACEUTICS einen Test mit einer 8mg-Dosierung von Aflibercept zur Behandlung von Sehstörungen aufgrund eines diabetischen Makular-Ödems sowie einer altersbedingten feuchten Makula-Degeneration.

EYLEA-Fertigspritzen

Im April 2020 hatten die Bemühungen des BAYER-Konzerns um eine Ausweitung der Anwendungszone für seine Augen-Arznei EYLEA (s. o.) Erfolg. Die Europäische Arzneimittelagentur EMA erteilte einer neuen Darreichungsform die Genehmigung. Der Leverkusener Multi darf das Mittel nun auch als Injektionslösung in einer Fertigspritze anbieten.

Bt-Baumwolle: fatale Bilanz

Im Jahr 2002 begann die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO in Indien mit der Vermarktung der Bt-Baumwolle. Einen höheren Ertrag bei einem sinkenden Insektizid-Verbrauch versprach das Unternehmen den LandwirtInnen damals. Damit wurde es allerdings nichts. Der mittels Gentechnik in die Pflanzen eingebaute Bacillus thuringiensis hielt nämlich längst nicht alle Schadinsekten von dem Gewächs ab. So stellte sich beispielsweise der Kapselbohrer recht bald auf das Toxin ein und entwickelte eine Resistenz. Auch fielen die Ernten nicht besser aus. Darum zog der Wissenschaftler Glenn Davis Stone nach 18 Jahren Bt-Baumwolle eine negative Bilanz: „Unsere Schlussfolgerung ist, dass die Hauptauswirkung der Bt-Baumwolle auf den Bauern darin besteht, dass sie die Landwirtschaft kapital-intensiver macht – und nicht in einem dauerhaften agronomischen Nutzen.“

WASSER, BODEN & LUFT

Neues Landeswasser-Gesetz in NRW

BAYER hat einen enormen Wasser-Bedarf. 2019 stieg der Verbrauch gegenüber dem Vorjahr um 17 Milliarden auf 59 Milliarden Liter. Allein am Standort Leverkusen kommt der Global Player auf einen Wasser-Einsatz von 700 Millionen Litern. Obwohl die im Zuge des Klimawandels immer häufiger auftretenden Trockenheitsperioden die Ressource zu einem kostbaren Gut machen, unter anderem weil die Grundwasser-Neubildung zurückgeht, gedenkt die nordrhein-westfälische Landesregierung, Industrie und Landwirtschaft den Zugang zu erleichtern. Sie plant eine Reform des Landeswasser-Gesetzes, die vorsieht, Wasserentnahme-Rechte nicht mehr wie bisher nur befristet zu erteilen. Auch die Genehmigungspflicht für das Einleiten flüssiger Stoffe beabsichtigen Laschet & Co. aufzuheben. Eine bloße „Anzeige-Pflicht“ soll künftig reichen. Und bei der Indirekt-Einleitung von wasser-schädigenden Substanzen will Schwarz-Gelb sogar die Möglichkeit, in Einzelfällen doch noch eine Genehmigungspflicht anzuordnen, streichen.

Glyphosat in der Ostsee

WissenschaftlerInnen des Warnemünder „Leibniz-Instituts für Ostsee-Forschung“ haben Glyphosat und sein Abbau-Produkt AMPA in der Ostsee nachgewiesen. Die Glyphosat-Konzentration betrug 0,42 bis 0,49 Nanogramm pro Liter – unabhängig von der Entfernung zur Küste. Darin sehen die ForscherInnen ein Zeichen für die Stabilität des Herbizids. AMPA dagegen zersetzte sich vergleichsweise schnell. Während das Team um Marisa Wirth an Fluss-Mündungen noch Stärken von bis zu 1,47 Nanogramm maß, fand es auf dem offenen Meer oftmals keine Spuren mehr. „Diese Ergebnisse können nur als erster Fingerzeig darauf betrachtet werden, wie sich Glyphosat und AMPA im Oberflächen-Wasser des Meeres verhalten und verteilen“, so das Leibniz-Institut.

ÖKONOMIE & PROFIT

BAYER handelt mit sich selbst

Bei entsprechend optimierter Unternehmensstruktur können die Global Player sogar profitabel Handel mit sich selbst treiben. So verdiente BAYER dem neuesten Jahresabschluss zufolge 2018 durch den „konzerninternen Weiterverkauf von vier MONSANTO-Gesellschaften“ 13 Millionen Euro und 2019 durch den „innerkonzernlichen Verkauf von Anteilen an der BAYER (PROPRIETARY) LIMITED, Südafrika“ sogar 27 Millionen Euro.

Steuer-Paradies mit Außenwirkung

Auch in Deutschland gibt es Steuer-Paradiese wie z. B. Monheim. Einst warb die Stadt mit den NRW-weit niedrigsten Gewerbesteuer-Hebesätzen um Unternehmen. Sie hat damit allerdings einen Unterbietungswettbewerb losgetreten, der überall die Kassen schröpft. In diesen ist auch Leverkusen eingetreten, das einst die BAYER-Tochter BAYER INTELLECTUAL PROPERTY (BIP) an Monheim verlor. Inzwischen erhebt die Kommune ebenso wie ihr Nachbar ebenfalls nur noch einen Gewerbesteuer-Satz von 250 Punkten und hat im Gegenzug Absprachen mit BAYER über Rücktransfers aus Steuer-Oasen getroffen. Monheims Bürgermeister Daniel Zimmermann verteidigt die Politik, BAYER & Co. zu Ansiedelungen verlockt zu haben, aber mit Verweis auf die internationale Standort-Konkurrenz weiterhin standhaft. Auf die Frage von VER.DI PUBLIK: „Profitiert Monheim davon, dass große Konzerne Einnahmen aus Lizenzen dort versteuern, wo die Gewerbesteuern besonders niedrig sind?“ antwortete Zimmermann, es sei ihm lieber, „wenn deutsche Firmen ihre Steuern in NRW zahlen als in den Niederlanden“.

STANDORTE & PRODUKTION

Neues Pestizid-Werk in Lipezk

BAYER errichtet in Russland ein neues Pestizid-Werk. Es ist Teil des Agrar-Kompetenzzentrums, welches das Saatgut-Unternehmen KWS in Lipezk aufgebaut hat. Von dieser Stadt aus, die in der für ihre ertragreichen Böden bekannten zentralen Schwarze-Erde-Region liegt, will der Leverkusener Multi vor allem den russischen Markt beliefern.

RECHT & UNBILLIG

EuGH weist Glyphosat-Klage ab

Die Hauptstadtregion Brüssel hatte im Jahr 2016 ein Glyphosat-Verbot erlassen. Durch die Ende 2017 erfolgte Zulassungsverlängerung der EU sah sie die Verordnung ausgehebelt. Deshalb focht die Gebietskörperschaft die Entscheidung gerichtlich an. Der Europäische Gerichtshof wies die Klage Anfang Dezember 2020 jedoch als unzulässig ab. Die Voraussetzung der unmittelbaren Betroffenheit sei nicht gegeben, argumentierten die RichterInnen. Die von der Hauptstadtregion geltend gemachten Zweifel am rechtlichen Bestand ihrer Glyphosat-Verordnung seien „nicht für den Nachweis geeignet, dass sie unmittelbar betroffen wäre“, so das EuGH.

Milliarden für „Essure“-Vergleich

ESSURE, BAYERs ohne Hormone auskommende Sterilisationsmittel, hat zahlreiche Nebenwirkungen. Allzu oft bleibt die Spirale nicht an dem vorgesehenen Ort, sondern wandert im Körper umher und verursacht Risse an den Wänden innerer Organe, was zu lebensgefährlichen inneren Blutungen führen kann. Auch Hautausschläge, Kopfschmerzen, Übelkeit und Allergien zählen zu den Gesundheitsschädigungen, über die Frauen berichten. Darum sieht sich der Leverkusener Multi mit rund 39.000 Klagen konfrontiert. Mit einem Großteil der Geschädigten schloss der Konzern im August 2020 einen Vergleich, der ihn zu einer Zahlung von 1,6 Milliarden Dollar verpflichtet. „Gleichwohl stehen wir weiterhin hinter der Sicherheit und Wirksamkeit von ESSURE“, bekundete der Pharma-Riese.

ESSURE-Nebenwirkungen verschwiegen

BAYER hat die Aufsichtsbehörden jahrelang über das gesundheitsgefährdende Potenzial der Sterilisationsspirale ESSURE getäuscht. Das geht aus firmen-internen Unterlagen hervor, die den Gerichten bei den Entschädigungsprozessen vorlagen (s. o.). Bereits unmittelbar nachdem der Leverkusener Multi im Jahr 2013 die Rechte an der Vermarktung des gesundheitsschädlichen Medizinprodukts (s. o.) von CONCEPTUS erworben hatte, warnte der damals beim Konzern für die Arznei-Sicherheit zuständige Michael Reddick vor einer Unmenge von zu erwartenden Meldungen über Risiken und Nebenwirkungen. Dies „werde sicherlich die Aufmerksamkeit der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde erwecken“, schrieb er in einer E-Mail. Darum entschied der Leverkusener Multi, die Berichte nicht an die FDA weiterzuleiten. So blieb es 2016 bei einer Verschärfung der Anwendungsbestimmungen. „Weil BAYER den Berichtspflichten nicht nachkam, war es der FDA unmöglich zu wissen, dass es strengerer Warn-Hinweise bedurfte“, konstatierte die Geschädigten-Anwältin Fidelma Fitzpatrick. Der ehemalige FDA-Mediziner David Kessler bestätigte diese Einschätzung. Wären der Behörde alle Informationen zugänglich gewesen, hätte sie härtere Maßnahmen angeordnet, so Kessler.

BAYER verliert LASSO-Prozess

Der französische Landwirt Paul François hatte im Jahr 2004 durch das MONSANTO-Ackergift LASSO (Wirkstoff: Monochlorbenzol) massive gesundheitliche Beeinträchtigungen erlitten. „Mein Abwehrsystem ist so geschwächt, dass jede Infektion tödlich sein kann“, sagte er einmal in einem Interview. 2007 verklagte der Bauer den Konzern deshalb und geriet damit in einen langwierigen Rechtsstreit, den der Leverkusener Multi nach dem MONSANTO-Erwerb weiterführte. Darum reiste der Pestizid-Geschädigte 2019 auch zur BAYER-Hauptversammlung nach Bonn an und konfrontierte den Vorstand dort direkt mit seiner Situation. Die Management-Riege weigerte sich aber, die Verantwortung für die Risiken und Nebenwirkungen der Agro-Chemikalie zu übernehmen. Bei französischen BAYER-Beschäftigten unterhalb der Führungsebene fand Paul François mehr Verständnis, zumindest unter der Hand. Einem Journalisten der Stuttgarter Nachrichten wusste er von einem Angestellten zu berichten, den sein Fall empörte. Man könne nur den Kopf darüber schütteln, wie sich MONSANTO mit seinen Kunden auf der halben Welt anlege. Das habe BAYER bei der Übernahme zweifellos unterschätzt, so laut Paul François dessen unter dem Siegel der Verschwiegenheit geäußerten Worte. Im Oktober 2020 bekam der Agro-Riese dafür die Rechnung präsentiert. Das höchste französische Berufungsgericht gab dem Unternehmen als Rechtsnachfolger MONSANTOs die Schuld an den Krankheiten des Landwirtes, weil es auf den LASSO-Behältnissen bzw. Beipackzetteln keine genaueren Angaben zu den Gefahren gab.

FRAG DEN STAAT vs. BfR

Anfang 2019 hatte das „Bundesinstitut für Risiko-Bewertung“ (BfR) die Initiative „FRAG DEN STAAT“ verklagt (Ticker 3/19). Die Behörde warf der Organisation vor, mit der Veröffentlichung eines BfR-Gutachtens zu Glyphosat, das diese unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz angefordert und auf ihrer Website veröffentlicht hatte, gegen das Urheberrecht verstoßen zu haben. Das 6-seitige Dokument spielt eine Schlüsselrolle im wissenschaftlichen Streit um das Pestizid. Im Jahr 2015 bewertete die „Internationale Agentur für Krebsforschung“ (IARC) der Weltgesundheitsorganisation das Breitband-Herbizid als „wahrscheinlich krebserregend“ und setzte sich damit von dem Glyphosat-Prüfbericht des „Bundesinstituts für Risiko-Bewertung“ ab. Die Politik sah Klärungsbedarf und erbat vom BfR eine Stellungnahme. Daraufhin erstellte die Behörde eine ergänzende Expertise. Die Kurzfassung dieses „Addendum I“ ging dann als Handreichung an das Bundeslandwirtschaftsministerium und enthält offenbar so brisantes Material, dass das „Bundesinstitut für Risiko-Bewertung“ dieses lieber unter Verschluss halten möchte. Aber das gestaltet sich schwierig. Nach Ansicht des Landgerichts Köln kann das Dokument keine Schutzrechte mehr beanspruchen. FRAG DEN STAAT hatte nämlich einfach an UnterstützerInnen appelliert, ebenfalls Anträge zur Einsicht in das Schriftstück nach dem Informationsfreiheitsgesetz zu stellen. Das geschah 45.000 Mal, auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN beteiligte sich damals. Und damit war das Gutachten dann in der Welt. Darüber hinaus deckt die im Urheberrechtsgesetz garantierte Zitat-Freiheit das Vorgehen der AktivistInnen, befanden die RichterInnen im November 2020. „Wir haben gemeinsam ein kleines Stück Rechtsgeschichte geschrieben“, freuten sich die StaatsfragerInnen. Ein Ende der Auseinandersetzung bedeutet das jedoch noch nicht, denn das BfR will in Berufung gehen.

Neue Dicamba-Genehmigungen

Das Pestizid Dicamba, das BAYER & Co. hauptsächlich in Kombination mit ihren gen-manipulierten Pflanzen vermarkten, hat in den USA eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Zahlreiche LandwirtInnen machen das Herbizid für Ernte-Schäden verantwortlich. Es bleibt nämlich nach dem Ausbringen nicht einfach an Ort und Stelle, sondern verflüchtigt sich und treibt zu Ackerfrüchten hin, die gegen den Stoff gentechnisch nicht gewappnet sind und deshalb eingehen. Allein bei Soja war das auf einer Fläche von mehr als zwei Millionen Hektar der Fall. Darum zog ein US-amerikanischer FarmerInnen-Verband gemeinsam mit anderen Organisationen vor Gericht und bekam Anfang Juni 2020 auch Recht zugesprochen (SWB 3/20). Die RichterInnen ordneten ein sofortiges Verbot des Mittels an. Dieses unterlief jetzt jedoch die US-amerikanische Umweltbehörde EPA. Ende Oktober 2020 ließ sie BAYERs XTENDI-MAX, BASFs ENGENIA und SYNGENTAs TAVIUM PLUS unter Auflagen wieder zu. So dürfen die FarmerInnen die Produkte nun nur noch bis zu einem bestimmten Stichtag verwenden. Zudem müssen sie Dicamba vor dem Ausbringen Substanzen beimengen, welche die Pestizide auf dem Boden halten sollen, und auf größere Abstände zu anderen Feldern achten. Das CENTER FOR FOOD SAFETY hält diese Maßnahmen für ungenügend, weil es auch in den vergangenen Jahren immer wieder strengere Vorgaben zum Umgang mit Dicamba gab, die jedoch die Abdrift nicht haben verhindern können. BAYER hingegen zeigte sich nach der EPA-Entscheidung zufrieden. „Wir begrüßen die wissenschaftsbasierte Überprüfung und Zulassung von XTENDIMAX“, verlautete aus der Konzern-Zentrale.

Freispruch für ONE-A-DAY

BAYERs Vitamin-Präparate aus der „One-A-Day“-Produktreihe, denen viele Fachleute jeglichen Nutzen absprechen, beschäftigen in den USA immer wieder die Gerichte. Wegen unwahrer Behauptungen über die heilsamen Wirkungen der bunten Pillen musste der Leverkusener Multi schon Strafen in 2-stelliger Millionen-Höhe zahlen. Im letzten Jahr erfolgte erneut ein Prozess wegen Etikettenschwindels. Eine Sammelklage machte dem Pharma-Riesen das Recht streitig, auf den ONE-A-DAY-Packungen eine Stärkung des Herzens, des Immunsystems und der physischen Energie zu versprechen. Aber die RichterInnen nahmen keinen Anstoß an den Formulierungen und sprachen den Konzern frei.

Strafe für vietnamesischen Manager

China streitet mit seinen Nachbarn Taiwan, den Philippinen, Malaysia, Brunei und Vietnam um Hoheitsrechte im Südchinesischen Meer. Peking beansprucht rund 80 Prozent des fisch- und rohstoff-reichen Gebiets, durch das überdies eine wichtige internationale Handelsroute führt, für sich und grenzt es mit der sogenannten Neun-Strich-Linie ein. Ein vietnamesischer BAYER-Manager hat nun in einer firmen-internen Mail zur chinesischen Corona-Politik eine Karte des Landes mitgeschickt, welche das umstrittene Areal dem Reich der Mitte zuschlägt. Das hatte sofort juristische Konsequenzen. Ein Gericht verurteilte den Beschäftigten zur Zahlung einer Strafe von rund 1.300 Dollar. Und der Leverkusener Multi entschuldigte sich auf seiner Website für den Vorfall.

BAYER-Widerspruch gegen Befristungen

Gegen den Widerstand von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU), der auch das „Bundesamt für VerbraucherInnenschutz und Lebensmittelsicherheit“ (BVL) untersteht, setzte Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) bei den Genehmigungen von Pestiziden strengere Regeln durch. Seit Januar 2020 hat der Gesetzgeber die Zulassung bestimmter Agro-Chemikalien mit Auflagen zum Schutz der Biodiversität verknüpft. Wer weiterhin die Artenvielfalt gefährdende Substanzen wie etwa Glyphosat verwendet, der muss mindestens zehn Prozent seiner Felder als giftlose Ausgleichsflächen für Insekten und Vögel bereithalten. Darum hatten 2019 zahlreiche Mittel nur noch befristete Zulassungen bis zum Ende des Jahres erhalten. Dagegen legten BAYER und andere Hersteller jedoch Widerspruch beim BVL ein. Ein Unternehmen klagte sogar und erzielte einen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg sprach den Widersprüchen der Unternehmen eine aufschiebende Wirkung zu. Darum bleibt der Gebrauch von 44 Produkten, welche das Leben von Bienen, Schmetterlingen und anderen Tieren gefährden können, vorerst erlaubt. Neben Glyphosat finden sich auf dieser Liste auch noch weitere Wirkstoffe, die in Erzeugnissen des Leverkusener Multis enthalten sind wie etwa Spirotetramat (MOVENTO OD 150) sowie Iodosulfuron, Mesosulfuron und Thiencarbazone (ATLANTIS STAR).

FORSCHUNG & LEHRE

KI-Kooperation mit ATOMWISE
Nicht nur bei der Vorauswahl von Substanzen, die vielleicht als Arznei-Wirkstoff in Frage kommen, setzt BAYER auf Künstliche Intelligenz (siehe auch DRUGS & PILLS), sondern auch bei der ersten Sichtung von Stoffen, die ein Potenzial für einen Einsatz als Agro-Chemikalien haben könnten. Bei der Suche nach Nachfolgern von Gl

150 Jahre BAYER

CBG Redaktion
2013 feiert die Firma BAYER mit zahlreichen Festveranstaltungen ihr 150-jähriges Bestehen. Da in der offiziellen Firmen-Chronik Themen wie chemische Kampfstoffe, Umweltschäden, tödliche Pharmaprodukte oder die Symbiose mit dem Dritten Reich nicht vorkommen, beleuchtet die Coordination gegen BAYER-Gefahren schlaglichtartig die wenig ruhmreiche Geschichte des Konzerns. => 150 Jahre: CBG veröffentlicht Pressespiegel, Berliner Zeitung und FR greifen Kritik der Coordination auf => 100 Jahre 1. Weltkrieg: BAYER an vorderster Front; „Konzern trägt Mitverantwortung für Kriegsgräuel“ => ARD-Dokumentation: „Die Bayer Story“ unter Mitwirkung der Coordination gegen BAYER-Gefahren => Merkel-Besuch: „Konzerngeschichte nicht weißwaschen!“ => Zeichungen der Karikaturisten Berndt Skott, Carlos Latuff, Kostas Koufogiorgos und aus Italien zur Kampagne. Und eine Kunst-Installation aus Polen => Der Tagesspiegel, die Süddeutsche Zeitung, der Jewish Chronicle (US), die Hannoversche Allgemeine und das Neue Deutschland berichten über die Kampagne => Film-Clip des WDR zum BAYER-Jubiläum: 115 Jahre Heroin => Jubiläumsfeier in Leverkusen: „Druck auf Belegschaft nimmt ständig zu“ => Rede in der Bayer HV zum Jubiläum => Die junge Welt druckt eine Chronologie von uns zum BAYER-Jubiläum => Die Wiedergeburt: Keine Zäsur für BAYER nach dem 3. Reich => Seminar: „150 Jahre BAYER - Ausbeutung, Umweltzerstörung, Kriegstreiberei“ am 2. November in Düsseldorf => Coordination startet Kampagne, Gegenantrag zur Hauptversammlung => Schon im 19. Jahrhundert gab es massive Proteste gegen die von BAYER verursachte Luft- und Wasserverschmutzung. Hierzu ein Artikel des Historikers Stefan Blaschke => Artikel zur Geschichtsschreibung von BAYER => Kurt Hansen: Wissenschafts-Preis von BAYER nach Ex-Nazi benannt => Der Umgang von BAYER mit der IG Farben-Geschichte => Ärzteverein kritisiert Profitgier auf Kosten von Mensch und Tier => Informationen zum Leben von Carl Duisberg => Schöne Künste statt Profit: BAYER zeigt Kunstsammlung => Heroin: ein Hustensaft von BAYER Die Kampagne wurde von der Stiftung Menschenwürde & Arbeitswelt (Berlin) unterstützt [gallery]

Carl Duisberg: „als Vorbild ungeeignet“

CBG Redaktion

Erfolg: Straßen in Dortmund und Lüdenscheid umbenannt

2011 jährte sich zum 150. Mal der Geburtstag des langjährigen BAYER-Generaldirektors Carl Duisberg. Er setzte im 1. Weltkrieg den Einsatz von Giftgas durch, betrieb die Deportation von Zwangsarbeitern und forderte die Annexion großer Teile Osteuropas. Höhepunkt von Duisbergs Lebenswerk war der Zusammenschluss der deutschen Chemie-Industrie zur IG FARBEN.
Carl Duisberg taugt nicht als Vorbild für künftige Generationen. Die CBG fordert Umbenennungen der nach Duisberg benannten Straßen in Bonn, Krefeld, Frankfurt, Wuppertal und Leverkusen, der Carl Duisberg-Centren und des CD-Gymnasiums in Wuppertal. In Dortmund und Lüdenscheid war die Kampagne bereits erfolgreich.

Kampagne gegen Menschenversuche mit Pestiziden

CBG Redaktion

 

bitte unterstützen Sie die Kampagne mit Ihrer Unterschrift (am Ende der Seite)

Die US-Abgeordneten Harry Waxman und Barbara Boxer veröffentlichten im Juni 2005 einen Report, in dem Chemie-Unternehmen wie BAYER, SHELL und DOW scharf kritisiert werden. Die Pestizid-Hersteller führten in den vergangenen Jahren 24 Studien durch, in deren Verlauf Testpersonen hochgefährliche Agrogifte schluckten. Hierdurch werden ethische Standards systematisch verletzt. Waxman und Boxer weisen nach, dass die Firmen unerwünschte Ergebnisse verschwiegen und die Probanden mangelhaft auf Risiken hingewiesen wurden. Zahlreiche Testpersonen wurden gesundheitlich geschädigt.

Kampagne „Nie wieder!“

CBG Redaktion

Die Kampagne „Nie wieder!“ wurde 1995 von der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) ins Leben gerufen.

Anläßlich des 50. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz im Februar 1995 hielt der damalige Bundespräsident Roman Herzog eine weltweit vielbeachtete Rede ín der Gedenkstätte in Polen. Doch obwohl er in unmittelbarer Nähe des konzerneigenen Konzentrationslagers Monowitz des IG FARBEN- Konzerns sprach, erwähnte er nicht mit einer Silbe die Verantwortung der Konzerne und Banken für Naziverbrechen, Konzentrationslager und Krieg.

Kampagne Chemiewaffen

CBG Redaktion

März 1991 — Zeitungsanzeige zum Golfkrieg

Verantwortung für Chemiewaffen: Ohne Wenn und Aber.

Die Deutschen Chemiekritiker

Erwiesenermaßen waren zahlreiche bundesdeutsche Firmen am Aufbau von Chemiewaffen-Produktionsanlagen im Nahen Osten beteiligt.
Im Zusammenhang mit dem Golfkrieg wird aber auch eine deutsche Beteiligung an der Lieferung von Chemikalien für die Produktion von Chemiewaffen und der Entwicklung der Kampfstoffe selbst diskutiert. Hierzu stellen wir fest:

Chemiewaffen bauen auf der Produktion und dem Know How der deutschen chemischen Industrie, insbesondere des BAYER-Konzerns auf. Von dem Kampfgasen des Ersten Weltkriegs bis zum aktuellen VX-Kampfstoff der US-Armee: BAYER-Patente waren Schrittmacher dieser Kriegstechnologie!

Jahrestagung 2020

CBG Redaktion

Konzernwiderstand bei BAYER

Seit mehr als 40 Jahren ist die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) das zivilgesellschaftliche Auge, das den Chemie-Giganten aus Leverkusen im Blick hat. Rund um den Globus. Rund um alle Themen.
Die CBG ist unabhängig von Kirchen, Parteien und großen Stiftungen. Die Basis der CBG sind ihre ehrenamtlichen Akti­vistInnen. Die CBG vernetzt Widerstand, Demonstrationen, Aktionen, Vorträge, Workshops. Weltweit.

[Missglückte Flucht] Die BAYER-Hauptversammlung 2020

CBG Redaktion

Weltweit steht kein Unternehmen so unter Beobachtung wie der BAYER-Konzern. Seit 1978 schon schaut ihm die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auf die Finger, rund um die Uhr, rund um den Globus. Auf den Hauptversammlungen der AktionärInnen ist sie seit 1982 präsent. Von Anfang an versuchte der Leverkusener Multi, diese Kritik loszuwerden. Dazu war ihm jedes Mittel recht. Er diffamierte und verleumdete, unterwanderte und schleuste Spitzel ein, doch nichts fruchtete. Ein Vorstandsvorsitzender nach dem anderen trat ab, doch die Coordination blieb. Damit sollte 2020 endgültig Schluss sein: Im Windschatten der Corona-Pandemie hebelte der Global Player die AktionärInnen- und Grundrechte aus und floh mit seiner Hauptversammlung ins Internet. So wollte er sich der Proteste entledigen. Doch die Rechnung ging nicht auf.

Von Marius Stelzmann und Axel Köhler-Schnura

Die AktionärInnen-Hauptversammlungen des BAYER-Konzerns sind weltweit einzigartig. Seit 1982 werden sie durchgehend von Protesten begleitet. Nicht nur auf der Straße, vor den Türen der Hauptversammlung, sondern auch im Saal an den Mikrofonen werden die Kehrseiten der Profite und die Verbrechen des Unternehmens thematisiert. Gegenmaßnahmen des Konzerns – und davon gab es viele – fruchteten nicht. Jahr für Jahr übertragen Hunderte von AktionärInnen der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) immer wieder aufs Neue zehntausende Aktien-Stimmrechte. Einmal waren es sogar Millionen, was die CBG in die Lage versetzte, die Tagesordnung verändern zu können.

HV-Kritik seit 1982

Dutzende der von BAYERs Geschäftspolitik betroffenen Menschen aus aller Welt – Medikamentengeschädigte, AnwohnerInnen der Werke, Pestizid-Vergiftete und andere – sie alle erhalten durch die Stimmrechte der Kritischen AktionärInnen der CBG auf jeder Hauptversammlung eine Stimme. Darüber hinaus reicht die Coordination zu allen Tagesordnungspunkten regelmäßig Gegenanträge ein.
Zunehmend ging es auf den Hauptversammlungen des BAYER-Konzerns nicht mehr nur um Profit, Gewinn und Dividende, sondern um die Kehrseiten der Bilanzen. Dutzende RednerInnen thematisierten die Risiken und Nebenwirkungen der gnadenlosen Profit-Jagd: die Umweltverseuchung, die Klima-Erwärmung, die Gesundheitsschädigung durch BAYER-Produkte, die Arbeitsplatz-Vernichtung und andere Konzern-Verbrechen.

Im Jahr 2019 dann die geschichtlich einmalige Sensation: Was sonst immer nur die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gefordert hatte, wurde Wirklichkeit: Die Hauptversammlung entlastete BAYERs Vorstandsvorsitzenden Werner Baumann nicht! Dieses historische Ereignis wurde möglich, weil die Glyphosat-Prozesse dem Konzern gleichzeitig moralischen und wirtschaftlichem Schaden einbrachten. Die von der Öffentlichkeit in aller Welt aufmerksam verfolgten juristischen Verfahren mit ihren Schadensersatz-Urteilen hatten dramatische Folgen für BAYER. Glyphosat wurde der Inbegriff für alles, was im agro-industriellen Modell der Landwirtschaft schiefläuft. Zu guter Letzt veränderte dies auch die Haltung der AktionärInnen. Sie verkauften ihre Papiere in Panik, der Kurs der BAYER-Aktie stürzte daraufhin massiv ab. Das Unternehmen verlor zwischenzeitlich mehr als die Hälfte seines Börsenwertes. Als Folge davon traten „Großinvestoren“ wie BLACKROCK und andere auf den Plan und entzogen dem Vorstand am 26. April 2019 ebenfalls das Vertrauen. Zwar gab der Aufsichtsrat noch in der Nacht nach der HV ein Treuebekenntnis ab und hielt den Vorstand unverändert im Amt, doch änderte das nichts an der Tatsache, dass eine Mehrheit aller Aktien gegen den BAYER-Chef Werner Baumann gestimmt hatte. Und das waren immerhin fast 300 Millionen Aktien!

Wenning muss gehen

Noch vor der Hauptversammlung 2020 wirkte das HV-Desaster aus dem Jahr 2019 nach. Zur Bilanz-Pressekonferenz im Februar 2020 wurde ohne Nennung weiterer Gründe bekannt gegeben, dass der Aufsichtsratsvorsitzende Werner Wenning vorzeitig gehen muss. Klar war hier, dass Wenning abgestraft werden sollte, denn er war es, der die Übernahme von MONSANTO eingefädelt hatte und mit seinem Schützling Werner Baumann realisierte. Soweit die Vorgeschichte. Was dann kam, stellte allerdings alle Vorstellungen für die diesjährige Hauptversammlung auf den Kopf.

Für die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN starteten die Vorbereitungen bereits im Dezember 2019. Bis sich die Welle des Protestes aufschaukeln kann, muss nämlich lange vorgearbeitet werden. Es gilt, BündnispartnerInnen einzubinden und Kontakte in alle Welt aufzubauen. Planen, planen, planen, heißt die Devise. Die CBG wollte sich frühzeitig rüsten, denn sie weiß um die Bereitschaft des Konzerns, dem Protest und Widerstand immer wieder Steine in den Weg zu legen.
Als das neue Jahr begann, fühlte sich die CBG gut aufgestellt. Schließlich hatte sie Auftrieb durch die letzte Hauptversammlung bekommen, als die Coordination nicht nur den größten Protest in der Geschichte des Konzerns auf die Beine gestellt, sondern darüber hinaus daran mitgewirkt hatte, ein historisches Novum zu schaffen: Die Nicht-Entlastung eines BAYER-Vorstands.

Im Windschatten dieses Erfolges vermochte die CBG ihr Protest-Bündnis stark zu verbreitern. Die junge Protestbewegung der FRIDAYS FOR FUTURE (FFF), welche die letzte Hauptversammlung mit einer 500 Personen starken Demonstration heimgesucht hatte, setzte 2020 passenderweise einen Klimastreik kurz vor der Hauptversammlung an: Am 24. April. Auch hatte sich zu Beginn des Jahres das „BLOCK BAYER“-Bündnis konstituiert, welches zivilgesellschaftliche Blockaden der Pestizid-Produktionsstätten des Leverkusener Multis plante, um auf die verheerenden Folgen von Glyphosat & Co. für Mensch, Tier und Umwelt aufmerksam zu machen.

Weg vom Freitag

Die Konzernführung beobachtete den sich organisierenden und vernetzenden zivilgesellschaftlichen Widerstand sorgfältig und plante ihre Antwort. Der erste Schritt kam zu Jahresanfang. War die Hauptversammlung ursprünglich immer auf einen Freitag terminiert, so änderte BAYER das diesmal. Das Unternehmen legte das AktionärInnen-Treffen erstmals auf einen Dienstag. Offensichtlich hatte der Vorstand keine Lust, nochmals Besuch von FRIDAYS FOR FUTURE zu erhalten.
Ende Februar dann die Bilanz-Pressekonferenz des BAYER-Konzerns. Der Termin für die HV 2020 wurde da offiziell verkündet: Dienstag, 28. April. Ein nicht nur im Hinblick auf den Wochentag wohlweislich gewähltes Datum. An diesem Tag fand nämlich zufällig auch die RWE-Hauptversammlung statt, und der Konzern baute darauf, dass der Klima-Protest dorthin ziehen würde. Das nach dem Aktienrecht vorgesehene Prozedere zur HV sollte dann Anfang März mit der offiziellen Einladung des Konzerns starten.

Parallel zu diesen Entwicklungen hatte sich allerdings der Corona-Virus ausgebreitet, was weltweit für mehr und mehr Veränderungen im normalen gesellschaftlichen Geschehen sorgte. So auch in Deutschland. Kaum war die Einladung zur Hauptversammlung von BAYER veröffentlicht, erfolgten die ersten Verordnungen zu Verboten von Veranstaltungen. Die Hauptversammlungen der Konzerne waren ebenfalls davon betroffen. Es machte sich Unsicherheit breit, einige Konzerne gaben Verschiebungen ihrer AktionärInnen-Versammlungen bekannt. Bei BAYER allerdings herrschte Schweigen im Walde. Die Öffentlichkeit wunderte sich, Woche um Woche verstrich, der Termin der Hauptversammlung wurde nicht geändert. Nicht bekannt war allerdings, dass BAYER längst im Stillen mit seinen Lobby-Verbänden und einer Beraterfirma die Bundesregierung massiv bearbeitete, um rechtliche Voraussetzungen für eine Verlagerung von Hauptversammlungen ins Internet zu erreichen. Und der Multi hatte damit Erfolg: Im Schatten der weltweiten Corona-Pandemie erwirkte BAYER in Kooperation mit anderen Konzernen ein Aktionärs-Notstandsgesetz, das als Teil des „Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie“ ohne jede öffentliche und ohne jede demokratische Debatte am Bundestag vorbei durchgepeitscht wurde.

Der BAYER-Coup

Offenkundig war das von langer Hand geplant, denn die Konzerne träumten schon lange von virtuellen Hauptversammlungen im stillen Kämmerlein ohne lästige Proteste. Die Corona-Pandemie kam da nur zur rechten Zeit und lieferte einen Vorwand. Entsprechend verkündete der Konzern kurz nach der Verabschiedung die Corona-Notstandverordnung, die Hauptversammlung ins Internet verlegen zu wollen.
Womit das Unternehmen allerdings nicht gerechnet hatte, war die Gegenwehr, die die CBG in Kooperation mit dem DACHVERBAND DER KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE organisierte. So veröffentlichten die beiden Initiativen einen Offenen Brief, der „die beispiellose Aushebelung der Aktionärs- und Grundrechte“ massiv anprangerte. Diese Kritik fand sofort ihren Weg in die Öffentlichkeit. Selbst traditionelle Kleinaktionärsvereinigungen und die Wirtschaftspresse von Handelsblatt bis Wirtschaftswoche und Capital schlossen sich der im Offenen Brief zum Ausdruck kommenden Bewertung des undemokratischen BAYER-Vorgehens an. Das Schreiben, auf das der Konzern nie offiziell reagiert hat, ist auf der CBG-Internetseite zu finden: www.CBGnetwork.org.

Bereits vor der Corona-Krise war es der CBG überdies gelungen, Kontakt zu den US-amerikanischen KritikerInnen von BAYER/MONSANTO aufzunehmen. Zu diesen zählt die Journalistin Carey Gillam, die von MONSANTO wegen ihrer Recherchen mit einer massiven Schmutzkampagne überzogen wurde. Auch vernetzte die Coordination sich mit zahlreichen Menschen, die durch Glyphosat gesundheitlich geschädigt wurden.
Kontakte baute die CBG zudem in vielen anderen Länder auf: Kanada, Neuseeland, Australien, viele Staaten Lateinamerikas, aber auch in anderen europäischen Nationen wie der Schweiz, Österreich oder auch Frankreich fand sie KooperationspartnerInnen.

In Deutschland schuf die CBG ebenfalls ein breites Bündnis des Protestes. Dieses umfasste neben BLOCK BAYER und FRIDAYS FOR FUTURE u. a. die Partei DIE LINKE, INKOTA, MISEREOR, die ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT, OXFAM, den BUND, SUMOFUS, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und COLABORA TOGETHER. Viele der Gruppen stimmten schon im Vorfeld mit Presseerklärungen auf die HV ein, und fast alle lieferten auch am Tag selber Beiträge.

Proteste trotz Corona

Die Notstandsverordnung zum Aktienrecht erlaubte es BAYER nicht nur, das Rederecht der AktionärInnen zu suspendieren und nur noch – vorher einzureichende – Fragen zuzulassen, sondern auch noch eine ganze Reihe weiterer undemokratischer Einschränkungen vorzunehmen. Der Konzern erhoffte sich davon, die Proteste der CBG sowie der anderen KleinaktionärInnen auszuhebeln. Die Fristen für die Abwicklung der Formalitäten wurden von ursprünglich sechs Wochen auf wenige Tage verkürzt. Die Verfahren für AktionärInnen, um an der HV überhaupt teilnehmen, die Stimmrechte übertragen, Fragen stellen und abstimmen zu können, wurden zudem massiv verkompliziert, was die abschreckende Wirkung noch einmal erhöhen sollte.

Doch die CBG trug dieser veränderten Situation Rechnung. In Windeseile wurden die mehreren hundert mit der CBG kooperierenden AktionärInnen informiert. Gemeinsam mit ihnen setzte die Coordination dann alle technischen Anforderungen um. So wurde es möglich, mehrere zehntausend Stimmrechte zu realisieren, mehrere Dutzend Konzern-KritikerInnen in der virtuellen HV bei BAYER zu platzieren, weit über einhundert Fragen einzureichen und an der Abstimmung über alle Anträge teilzunehmen.

Protest real & virtuell

Parallel dazu gingen die anderen Vorbereitungen der Coordination gegen BAYER-Gefahren weiter. Dabei hielt die CBG an der Tradition fest, die Proteste zur BAYER-Hauptversammlung mit einer Auftakt-Veranstaltung einige Tage vor der eigentlichen HV einzuläuten. Seit jeher führt die Coordination nicht nur Aktionen durch, sondern liefert auch Argumente für die Konzern-Kritik. Dies wollte sie auch in diesem Jahr tun, allerdings notgedrungen komplett online, in Form eines international besetzten Podiums.

Und da die CBG damit rechnete, dass die Proteste in ihrer ursprünglichen Gestalt keinen Eingang in BAYERs Online-Stream finden würden, stellte sie eine ganztägige Parallelaktion im Netz auf die Beine. Hier sollten neun Stunden lang begleitend zur BAYER-Hauptversammlung KritikerInnen des Konzerns aus aller Welt zu Wort kommen. Zugleich war geplant, BAYERs Online-HV in Live-Blöcken zu bestimmten Uhrzeiten zu kommentieren. Überdies war die Möglichkeit gegeben, dass sich zu diesen Nachrichten-Blöcken auch JournalistInnen per Hotline direkt durchschalten lassen und Fragen stellen konnten. Unter dem Motto „BAYER geht online, der Protest auch“ wurden die Proteste auf allen für die CBG erreichbaren Internet-Kanälen im In- und Ausland bekannt gemacht: auf YouTube, verschiedenen Internetseiten, Facebook, Twitter etc.

Trotzdem fand die CBG es aber auch nach wie vor sehr wichtig, auf der Straße zu demonstrieren. Doch wo, wenn es keine reale HV gibt? Natürlich vor dem BAYER-Studio in der Leverkusener Konzern-Zentrale! Mit einer solchen Demonstration sollte nicht nur die Tradition des Straßenprotestes zur BAYER-HV fortgeführt werden, es sollte auch deutlich gemacht werden, dass sich Protest selbst in Zeiten von Corona nicht zum Schweigen bringen lässt und dass die Coordination Grundrechte auch in dieser Situation verteidigt wissen will. Ihr war aber klar, dass sie um eine solche Demonstration kämpfen musste. Zunächst erhielt die Coordination den Bescheid, dass alle Kundgebungen verboten seien – und einen Insider-Hinweis mit der Information, dass der „Krisenausschuss“ der Stadt Leverkusen auf Druck „einer bestimmten Firma“ hin ein komplettes Demonstrationsverbot für Leverkusen erlassen hätte.

Doch glücklicherweise kam das Bundesverfassungsgericht zu Hilfe. Es stellte kurz vor der Hauptversammlung in einem Grundsatz-Urteil fest, dass auch in Corona-Zeiten Demonstrationen unter besonderen Voraussetzungen zugelassen werden müssten. Entsprechend erneuerte die CBG ihren Antrag und machte corona-gerechte Vorschläge für die Aktion. Und tatsächlich bekam sie einen Tag vor der HV per Email eine Sondergenehmigung. Dabei war sie bereits darauf vorbereitet, Rechtsmittel gegen das Verbot einlegen zu müssen. Mit politischer Hartnäckigkeit und juristischer Argumentation hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN so das Recht auf die Demonstration am Tag der HV durchgesetzt.

Erste Aktionen
Aber schon davor war so einiges los. Am 23. April hielten INKOTA, MISEREOR und die Rosa-Luxemburg-Stiftung ein Webinar zu den doppelten Standards von BAYER und BASF bei ihren Pestizid-Geschäften in Brasilien und Südafrika ab und schalteten dabei auch AktivistInnen aus diesen Ländern zu. Am darauffolgenden Tag fand der Online-Klimastreik von FRIDAYS FOR FUTURE statt. Unter anderem präsentierten die AktivistInnen im Internet eine Deutschland-Karte, auf der mensch in seiner jeweiligen Stadt mit Protest-Fotos zumindest virtuell vor Ort sein konnte, was die CBG – zusammen mit 87.000 anderen digitalen MitstreiterInnen – auch nutzte. Und zu dem am 25. April im World Wide Web von MULTIWATCH aus Basel im World Wide Web organisierten „March against BAYER & SYNGENTA“ schickte die Coordination eine Video-Botschaft.

Am 26. April fand dannwie geplant die internationale Online-Auftaktveranstaltung der CBG zu den HV-Protesten 2020 statt. Moderiert wurde sie von Christiane Schnura und Marius Stelzmann von der CBG.

>Lena Luig von INKOTA stellte dabei die Studie „Gefährliche Pestizide“ über die Pestizid-Verkäufe von BAYER und BASF in Südafrika und Brasilien vor. BAYER vermarktet in den untersuchten Ländern 15 Ackergifte, die keine EU-Genehmigung haben. Bei fünf davon lehnte Brüssel eine Zulassung wegen der Gesundheitsschädlichkeit der Mittel explizit ab oder widerrief diese.

>Falko Schröder von FRIDAYS FOR FUTURE gab zwei Tage nach dem Online-Klimastreik aus gegebenem Anlass Informationen zum Klimakiller BAYER und zu dem Druck, den das Unternehmen auf die Regierungen ausübt, um weiter ungehindert Kohlendioxid ausstoßen zu können.

>Anna Schönberg von der AKTION UNTERHOLZ berichtete über den praktischen Widerstand gegen die von BAYER, RWE & Co. betriebene klima-zerstörende Geschäftspolitik.

>Der US-Amerikaner Jeffrey Smith vom „Institute for Responsible Technology“ schaute tief ins Herz der Finsternis des agro-industriellen Modells von BAYER/MONSANTO, für das Glyphosat ein Sinnbild geworden ist. Sein Fazit: „Ein System, das die Intelligenz der Natur nutzt, braucht so etwas alles nicht“.

>Die bekannte Fernsehköchin und grüne EU-Politikerin Sarah Wiener schloss sich diesem Statement an und zog eine verheerende Bilanz der grünen Pestizid-Revolution.

Der große Tag

Am Tag der Hauptversammlung, am 28. April, dann die beiden Großprojekte: Die Kundgebung vor der Konzern-Zentrale und die ganztägige Protest-Begleitung von BAYERs Online-HV im Internet. Zur realen Demonstration vor der Konzern-Zentrale in Leverkusen hatten sich morgens um 9 Uhr 16 TeilnehmerInnen eingefunden. Vertreten waren neben der CBG die Partei DIE LINKE, LandwirtInnen, BLOCK BAYER und EXTINCTION REBELLION.

Der bekannte Liedermacher Konstantin Wecker schickte ein Video-Grußwort, mit dem die Kundgebung per Lautsprecher eröffnete. Die Reden der AktivistInnen, die alle live in den Protest-Stream der CBG eingespeist wurden, hatten nicht zuletzt das Versagen von BAYER im Angesicht der Corona-Pandemie zum Thema, was auch zur Forderung führte, den Konzern unter demokratische Kontrolle zu stellen. Und die Transparente der Kundgebung thematisierten dieses Mal nicht nur die Risiken und Nebenwirkungen von BAYERs gnadenloser Profit-Jagd, sondern auch die Aushebelung von AktionärInnen- und Grundrechte durch das Unternehmen. Sogar für ein kleines Kulturprogramm war gesorgt. Das Kölner Demo-Urgestein Klaus, der Geiger bestritt es.

Der neunstündige Online-Protest-Stream zur BAYER-HV bildete am 28. April das Kernstück des Protestes. Da kamen dann alle Probleme und Verbrechen auf die Tagesordnung, die bei der BAYER-Veranstaltung durch Abwesenheit glänzten. In einem ebenso kurzweiligen wie umfangreichen und sachkundigen Programm informierte die CBG den ganzen Tag durchgängig. Natürlich wurde da auch immer wieder darüber gesprochen, wie Konzernmacht eingedämmt und gebrochen werden kann. Nicht umsonst stand morgens bei der Real-Kundgebung auf einem der Transparente bereits die Losung „Brecht die Macht der Konzerne!“.

Viele, teils prominente Gäste und hochkarätige VertreterInnen aus Politik, Gesellschaft und Kultur gingen für die CBG auf Sendung. Von der Partei DIE LINKE war die Bundestagsabgeordnete und ehemalige Fraktionschefin Sarah Wagenknecht zugeschaltet. Ebenso Gesine Lötzsch, auch Bundestagsabgeordnete sowie stellvertretende Fraktionschefin der Partei DIE LINKE und nicht zuletzt Eva Bulling-Schröter, ehemalige Bundestagsabgeordnete der Linken und CBG-Beiratsmitglied. Von den Grünen sprachen die ehemalige Ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Renate Künast, sowie der Bundestagsabgeordnete Harald Ebner.

Zudem gab es Statements von Betroffenen der Geschäftspolitik von BAYER. So kamen Glyphosat-, DUOGYNON- und Verhütungsmittel-Geschädigte zu Wort. Auch ehemalige Heimkinder, an denen der Pharma-Riese einst Medikamente getestet hatte, erhielten ein Forum. Die Videos dokumentierten in erschütternder Weise die Schicksale der von den BAYER-Produkten geschädigten Menschen. Viele hatten neben ihren gesundheitlichen auch finanzielle und soziale Schäden erlitten, die sie ihr ganzes Leben lang begleiten. Die Solidarität mit ihnen stellt eine der zentralen Säulen dar, auf denen die CBG ruht. Für BAYER wiederum ist der Kampf dieser Menschen um Schuldeingeständnisse des Vorstands und um angemessene Entschädigungen einer der Gründe dafür gewesen, in eine virtuelle Hauptversammlung zu flüchten, anstatt das AktionärInnen-Treffen zu verschieben.

Weltweite Beteiligung

Durch die Corona-Pandemie war es für unsere vielen ausländischen Gäste aus Lateinamerika, USA, Kanada und anderen Ländern nicht möglich, nach Deutschland zu reisen. Carey Gillam und andere internationale Gäste, darunter auch Glyphosat-Geschädigte, schafften es aber dennoch, am Tag der HV mit eigens aufgenommen Videoclips oder per Live-Zuschaltung ihre Stimmen hörbar und ihren Protest sichtbar zu machen.

Jeder Block des Online-HV-Protestes wurde von CBG-Vorstand Jan Pehrke eröffnet. Der für Stichwort BAYER verantwortliche Redakteur sprach am Morgen Einführungsworte, kommentierte und ordnete ein, was an dem Tag nebenan bei BAYER geschah und hielt nach, was BAYER-Chef Werner Baumann bei der Beantwortung der KritikerInnen-Fragen „vergaß“.

Aber das tat nicht nur Pehrke. Zahlreiche Netz-AktivistInnen waren dem Aufruf der CBG gefolgt und haben dem BAYER-Chef Werner Baumann bei seinen Ausführungen genau auf den Mund geschaut. Wenn er etwa auf den Klimawandel zu sprechen kam, posteten sie den genauen Kohlendioxid-Ausstoß des Konzerns: 3,71 Millionen Tonnen im Jahr 2019. Und wenn es um die Glyphosat-Klagen ging, lieferten sie die genaue Anzahl nach. Aber es gab natürlich nicht nur „Fakten, Fakten, Fakten“. Unter dem Hashtag „

  • meineStimmeGegenKonzernverbrechen“ fand sich natürlich auch beißende Kritik wie diese: „Das ist ein Zynismus sondergleichen: Ein Mittel wie Glyphosat verkaufen, bei dem ich davon ausgehe, der Gewinn ist immer noch höher als das, was ich den Opfern, die daran krebskrank werden, als Entschädigung zahlen muss: Das ist BAYERs menschenverachtende Kalkulation, die dahintersteht“. Und in Zeiten von Corona geriet vor allem die Pharma-Sparte in den Blick: „BAYERs Ausrichtung am Shareholder Value begünstigt Forschung in den Bereichen, in denen man Medikamente mit Mondpreisen verkaufen kann, und widerspricht der nötigen Forschung in Impfstoffe und andere elementaren Medikamente.“ Und da die Coordination im Vorfeld für solche Messages einen großen Resonanz-Raum organisiert hatte, braute sich in den sozialen Netzwerken ganz schon was über den Leverkusener Multi zusammen.

Beim Leverkusener Multi war dagegen schon um 16.00 Schluss. Bereits zu dieser Zeit beendete der Konzern – historisch einzigartig – die Frage-Runde und leitete die Abstimmungen ein.

BAYER-Vorstand Werner Baumann hatte vor der HV großmundig angekündigt, alle Fragen von AktionärInnen zu beantworten. Tatsächlich geschah dies nicht. Der CBGler Axel Köhler-Schnura nahm dazu im WDR Stellung: „BAYER verlangte, dass alle Fragen zwei Tage vor der HV schriftlich eingereicht werden. Damit hatte der Konzern genügend Zeit, sich vorzubereiten. Er fasste die Fragen unter allgemeinen Oberthemen zusammen, zog seine vorgefertigten Stellungnahmen aus der Schublade und verlas sie. Das war‘s!“ Und so musste auch BAYER gegenüber dem Sender zurückrudern: „Die Fragen konnten nicht alle in vollem Wortlaut vorgetragen werden, deshalb wurden die Fragen so zusammengefasst, dass das Thema für die Zuhörer verständlich war. Die Fragen wurden so beantwortet.“ Kein Dialog, keine Nachfragen. Überdies blieben die Namen der Fragenden unerwähnt –– wenn es sich nicht gerade um GroßaktionärInnen handelte.

Um ca. 17.45 Uhr meldete sich dann die Coordination zum letzten Mal zu Wort. CBG-Gründer Axel Köhler-Schnura und CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann präsentierten eine Tour de Force der Verbrechen des Konzerns: IG FARBEN-Gründung, Medizin-Verbrechen, Umweltsünden. Und bekräftigt wurde einmal mehr das Versprechen der CBG für 2021 und die nächsten Jahre: Sie wird dem Konzern auf den Fersen bleiben!

15 % gegen den Vorstand

Insgesamt konnte ein positives Fazit der Aktionen gezogen werden: Hunderte von AktionärInnen hatten der CBG ihre Stimmrechte übertragen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN war mit Tausenden von Aktien auf der Online-HV präsent. Mehr als 100 kritische Fragen wurden von dutzenden Konzern-KritikerInnen gestellt. Bei den Abstimmungen votierten viele Millionen Aktien mit der CBG für „Nein“ und stattdessen für die Nicht-Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat sowie gegen die maßlose Dividenden-Ausschüttung. Weitere zig Millionen Aktien enthielten sich der Stimme. Überhaupt musste BAYER erstmals seit langer Zeit wieder die Enthaltungen bekanntgeben, womit der Gesamtumfang der nicht mit dem Vorstand konform gehenden Aktien deutlich wurde. Bei der Entlastung des Vorstands stimmten mehr als 43 Mio. Aktien mit „Nein“, viel mehr als zu allen anderen Tagesordnungspunkten. Insgesamt ca. 15 Prozent aller Aktien optierten für „Nein“ oder eine Enthaltung.

Und: Viele Tausende Male wurden die Online-Proteste der CBG über den Tag im Internet aufgerufen, und die Medien berichteten über die Demonstration vor der Konzern-Zentrale in Leverkusen. Die Flucht des BAYER-Konzerns mit dem Ziel, die Proteste im Umfeld der HV und auf der HV selbst einzudämmen oder gar zu unterbinden, war damit gründlich missglückt! Die FreundInnen der CBG waren ebenfalls rundum zufrieden. „Toll, wie ihr das auf die Beine gestellt habt. Und post coronam gehen wir wieder auf die Straße“, schrieb etwa Konstantin Wecker.

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CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Appell zur EU-Ratspräsidentschaft

Am 1. Juli hat Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Das CORPORATE EUROPE OBSERVATORY (CEO), LOBBYCONTROL, die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und zahlreiche andere Organisationen haben die Befürchtung, dass dabei die großen Konzerne die Marsch-Richtung vorgeben werden. Die Gründe dafür legten die Initiativen in der Studie „Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft – Industrie in der Hauptrolle“ dar. Die Untersuchung zeigt, welch großen Einfluss die Unternehmen auf die Entscheidungen in Berlin haben. Im Einzelnen beschäftigen die AutorInnen sich etwa damit, wie die Auto-Industrie, die Banken, die Pharma-Riesen und die Erdgas-Multis die politische Landschaft pflegen. Die Umtriebe der Chemie-Industrie im Allgemeinen und BAYERs im Besonderen zeichnete die CBG nach. Angesichts dieser Gemenge-Lage appellieren die Gruppen an die Große Koalition: „Die Bundesregierung muss die Vergangenheit hinter sich lassen, sich von Konzern-Interessen frei machen (trotz der massiven Lobby-Aktivitäten, die derzeit unter dem Stichwort „Coronawashing“ laufen) und das Gemeinwohl an die oberste Stelle setzen.“ In diesen Zeiten Individual-Interessen, den Interessen Superreicher oder einseitig den Unternehmen entgegenzukommen, könnte für die Europäische Union weitreichende und zutiefst destruktive Folgen haben, warnen die Initiativen.

Lieferengpässe: AOK wehrt sich

Der Pharma-Markt hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. BAYER und andere große Unternehmen setzen mehr und mehr auf neue, patent-geschützte Pillen, da diese besonders hohe Renditen versprechen. Bei ihrem nicht so viel Geld abwerfenden Alt-Sortiment rationalisieren die Konzerne hingegen nach Kräften. So beziehen sie Vor- und Zwischenprodukte zur Wirkstoff-Herstellung und manchmal auch die komplette Substanz zunehmend aus Schwellen- oder Entwicklungsländern wie Indien und China. Dort konzentriert sich die Fabrikation auf immer weniger Anbieter. Und wenn da einmal Störungen im Betriebsablauf auftreten, leiden PatientInnen auf der ganzen Welt unter den Lieferengpässen. Seit einigen Jahren passiert das immer häufiger. Auch Präparate des Leverkusener Multis glänzen in den Apotheken zunehmend durch Abwesenheit. Die Schuld dafür geben die Firmen gerne den Krankenkassen. Diese zwängen die Hersteller durch den Preis-Druck ihrer Rabatt-Verträge, eigene Pharma-Produktionen aus Kosten-Gründen zu schließen und die benötigten Substanzen stattdessen auf dem Weltmarkt einzukaufen. Der AOK-Vorstandschef Johannes Bauernfeind weist die Kritik zurück: „Dieser Argumentationsgang ist ebenso eingängig wie unwahr. Bereits seit den späten siebziger Jahren wich die Wirkstoff-Produktion nach Fernost aus.“ Zudem träten Lieferengpässe auch in Ländern auf, in denen es gar keine Rabatt-Verträge gebe, so Bauernfeind.

Mexiko: Pestizid-Beschwerde

Im Jahr 2017 hatten 43 Personen bei der mexikanischen Menschenrechtskommission CNDH wegen des unkontrollierten Einsatzes hochgefährlicher Pestizide in dem Land eine Beschwerde eingereicht. Unter den inkriminierten Ackergift-Wirkstoffen finden sich zahlreiche, die auch in BAYER-Produkten enthalten sind, wie z. B. Mancozeb, Glyphosat, Atrazin, Deltamethrin, Methamidophos, Imidacloprid, Carbofuran, Endosulfan, Bifenthrin und Carbendazim. Die CNDH gab den Beschwerde-TrägerInnen im Februar 2019 Recht und empfahl der Politik eine Reihe von Maßnahmen. Diese umfassten beispielsweise Vorschläge zu einer strengeren Regulierung der Agro-Chemikalien, zu einem besserem Schutz der LandwirtInnen und LandarbeiterInnen sowie zu einer besseren Ermittlung des Risiko-Potenzials der Substanzen.

MONSANTO-Listen: Die CBG hakt nach

Die jetzige BAYER-Tochter MONSANTO hat über Jahre hinweg in eigener Regie oder über externe Dienstleister hunderte von JournalistInnen, PolitikerInnen, AktivistInnen und andere Personen ausspioniert. Mit diesem Wissen wollte sie dann unter anderem die Entscheidung der EU über die Zulassungsverlängerung für das Herbizid Glyphosat, die im Herbst 2017 anstand, im Sinne des Konzerns beeinflussen. Im Frühjahr 2019 flog der Skandal dann auf. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) startete sofort eine Reihe von Initiativen, um das ganze Ausmaß der Umtriebe aufzuklären. Unter anderem forderte die Coordination die Datenschutz-Beauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen auf, aktiv zu werden. Das lehnte diese jedoch zunächst ab. Es lägen keine Anhaltspunkte für ein zielgerichtetes Auskundschaften einzelner Personen vor, MONSANTO hätte vielmehr themen-bezogen agiert, lautete die Antwort. Damit gab sich die CBG allerdings nicht zufrieden. In einem weiteren Schreiben zitierte sie aus den Unterlagen des von MONSANTO mit der Observation beauftragten Unternehmens FLEISHMANHILLARD. Diesen Dokumenten zufolge hatte die Agentur bei ihren Ziel-Objekten auch „Freizeit oder andere Interessen (Golf, Tennis, Jagd etc.)“ im Blick. Und mit der Drecksarbeit, „Auskünfte und Informationen zu sammeln, die NICHT (Hervorhebung im Original) öffentlich zugänglich sind“, beauftragte sie die Firma PUBLICIS. Diese Fakten-Lage bewog die Landesdatenschutz-Beauftragte dann, sich in der Sache doch noch mal an BAYER zu wenden. Eine Antwort steht jedoch noch aus.

CBG beim Online-Klimastreik dabei

Wegen der Corona-Pandemie konnte der Klimastreik am 24. April nicht wie gewohnt auf der Straße stattfinden. Trotzdem gab es viele Aktionen. Die Menschen stellten Plakate ins Fenster, bestückten Bäume, Briefkästen und Tor-Eingänge mit Demo-Schildern und legten Transparente vor den Ratshäusern aus. Und um zumindest digital vor Ort präsent zu sein, suchten sie auf der von FRIDAYS FOR FUTURE ins Netz gestellte Deutschland-Karte ihre Stadt und luden da Protest-Fotos hoch. Daran beteiligte sich auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) – zusammen mit 87.000 anderen virtuellen MitstreiterInnen.

Patent-Kampagne erfolgreich

Der BAYER-Konzern hält nicht nur Patente auf gen-manipulierte Pflanzen, sondern auch auf solche aus konventioneller Zucht. Das Europäische Patentamt (EPA) erteilt diese recht freigiebig, rund 200 Anträge genehmigte es. Sogar nach einem im Juni 2017 erfolgten Beschluss des Verwaltungsrates, in dem VertreterInnen aus 38 Ländern sitzen, solche Genehmigungen nicht mehr zu erteilen, wich das Amt nicht von seiner Linie ab. Seine technische Beschwerdekammer bewertete das Verwaltungsratsvotum nämlich als Verstoß gegen EU-Bestimmungen. Daraufhin gewährte das EPA Produzenten, die auf traditionellem Wege eine Tomate mit reduziertem Wassergehalt sowie einen Brokkoli mit angeblich krebs-präventiven Nebenwirkungen entwickelt hatten, Schutzrechte. Das wiederum rief das Europäische Parlament auf den Plan. Die Abgeordneten prüften die Praxis der Behörde und kamen zu einem eindeutigen Ergebnis. In einer Entschließung sprachen sie sich gegen die Verleihung solcher Patente aus. Schließlich musste sich dann die Große Beschwerdekammer des EPA mit der Sache befassen und ein Grundsatz-Urteil fällen. Im Vorfeld reichte ein breites Bündnis aus verschiedenen Organisationen – darunter auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) – und Einzelpersonen Stellungnahmen ein, welche die Kammer bei ihrer Entscheidungsfindung berücksichtigen muss. Und das blieb offenbar nicht ohne Wirkung. Die Große Beschwerdekammer befand am 14. Mai 2020, dass Pflanzen und Tiere aus „im Wesentlichen biologischen“ Züchtungsverfahren nicht patentierbar sind. Der Beschluss gilt rückwirkend und betrifft alle Anträge, die ab Juni 2017 eingingen. Die Initiative KEINE PATENTE AUF SAATGUT und andere Gruppen begrüßten dieses Votum, allerdings machten sie noch rechtliche Grauzonen aus. „Das aktuelle Urteil kann dazu beitragen, ein Jahrzehnt voller rechtlicher Absurditäten und chaotischer Entscheidungen am EPA zu beenden. Es gibt aber immer noch ein großes Risiko, dass große Konzerne wie BAYER, ehemals MONSANTO, das Patent-Recht dazu missbrauchen, um die Kontrolle über Landwirtschaft und Lebensmittel-Produktion zu erhalten“, so Katherine Dolan von ARCHE NOAH. Beispielsweise besteht für die Unternehmen immer noch die Möglichkeit, zufällige Pflanzen-Mutationen als eigene Erfindungen auszugeben. So hat das EPA bereits kurz nach dem Spruch der Großen Beschwerdekammer einige mit einem Moratorium belegte Patent-Verfahren wieder anlaufen lassen. Darum dringen die Patent-KritikerInnen unter anderem darauf, die Unterschiede zwischen technischen Erfindungen und den Methoden konventioneller Züchtung genauer zu bestimmen. Um der Forderung nach mehr Klarheit in diesem Bereich mehr Nachdruck zu verleihen, setzte die Initiative TESTBIOTECH einen Offenen Brief an Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) auf, den neben vielen anderene Organisationen auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN unterschrieben hat.

Kunst gegen Konzerne

Die US-amerikanische Künstlerin Kirsten Stolle setzt sich intensiv mit dem Treiben der Agro-Industrie auseinander. Ihre persönlichen Erfahrungen motivierten sie dazu: „Meine von Pestiziden verursachten Gesundheitsstörungen haben mich dazu gebracht, mich mit der unheilvollen Geschichte von BAYER/MONSANTO und DOW CHEMICAL zu befassen und deren Desinformationspolitik bloßzustellen.“ Im Zuge dessen nahm sich Kirsten Stolle etwa die ganzseitige Glyphosat-Anzeige vor, die BAYER am 4. Juni 2019 in der New York Times geschaltet hatte, um gut Wetter für das Mittel zu machen. Die Künstlerin „überarbeitete“ die Annonce und schwärzte den größten Teil des Textes ein, so dass nur noch Wort-Fetzen wie „likely to be carcinogenic“ übrig blieben. Umgekehrt ging sie bei „Annotated“ vor, da ließ sie den Glyphosat-Text stehen, versah ihn aber mit einer Fülle von Anmerkungen. Auch bei TV-Spots von MONSANTO legte Kirsten Stolle Hand an. Zudem entwickelte sie eine makabre BAYER/MONSANTO-Version des Spiels „Scramble“: Zu den Wörtern, die aus einem Quadrat mit 400 Buchstaben herauszuklauben waren, gehören unter anderem „Auschwitz“, „Vietnam“ und „DDT“.

Anfrage in Sachen „Glyphosat“

Im Streit um das Ackergift Glyphosat, das die Weltgesundheitsorganisation (WHO) als „wahrscheinlich krebserregend“ einstuft, hat sich die Bundesregierung gegen einen sofortigen Stopp entschieden. CDU und SPD beschlossen im September 2019 lediglich eine Minderungsstrategie. Andere Länder gehen da rigoroser vor. So erließ Österreich ein Verbot. Das nahm ein Mitglied der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) zum Anlass, sich bei Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) nach den Gründen für diese zögerliche Haltung zu erkundigen. „Die Risiko-Bewertung von Glyphosat im Rahmen der Erneuerung der Genehmigung hat unter Zugrundelegung aller verfügbaren Studien ergeben, dass alle gesetzlich vorgeschriebenen Bedingungen für eine erneute Genehmigung gegeben sind“, anwortete das „Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft“ (BMEL). Weder eine krebserregende noch eine nervenschädigende Wirkung habe die „Europäische Chemikalien-Agentur ECHA bei ihrer Prüfung feststellen können, so das BMEL. Der Fragesteller hatte in seinem Brief auf Untersuchungen verwiesen, die zu einem ganz anderen Ergebnis gekommen waren. Darauf aber ging das Ministerium nicht ein.

KAPITAL & ARBEIT

AktionärInnen-Richtlinie light

Im Jahr 2017 hat die Europäische Union als späte Reaktion auf die Finanz-Krise von 2008 eine neue Richtlinie zum AktionärInnen-Recht erlassen (Ticker 2/20). Unter anderem ermächtigt die Verordnung die AnteilseignerInnen, über die Gehälter der ManagerInnen mitzuentscheiden. „Um sicherzustellen, dass die Aktionäre auch tatsächlich Einfluss auf die Vergütungspolitik nehmen können, sollten sie das Recht erhalten, eine Abstimmung mit verbindlichem oder empfehlenden Charakter über die Vergütungspolitik (...) durchzuführen“, hält die Direktive fest. Und zu den dabei auf den Hauptversammlungen anzulegenden Maßstäben heißt es: „Die Leistung von Mitgliedern der Unternehmensleitung sollte anhand sowohl finanzieller als auch nicht-finanzieller Kriterien, gegebenenfalls einschließlich ökologischer, sozialer und Governance-Faktoren, bewertet werden.“ Also ausdrücklich nicht nur nach Profit-Kriterien. Ende 2019 hat der Bundestag die Richtlinie 2017/828 in bundesdeutsches Recht überführt. Allerdings fehlen bedeutende Teile. Von sozialen und ökologischen Messgrößen zur Ermittlung des ManagerInnen-Salärs findet sich in dem „Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechte-Richtlinie“ kein Wort mehr, stattdessen heißt es nur noch: „Die Vergütungsstruktur ist bei börsen-notierten Gesellschaften auf eine nachhaltige und langfristige Entwicklung der Gesellschaft auszurichten.“

Wenning weg

BAYERs Aufsichtsratschef Werner Wenning gibt sein Amt vorzeitig auf. Die GroßaktionärInnen des Konzerns schassten ihn offenkundig wegen des desaströsen Krisen-Managements des Konzerns in Sachen „MONSANTO“, für das Wenning Mitverantwortung trägt. Vor seiner Zeit als Ober-Aufseher stand er dem Leverkusener Multi lange als Vorstandsvorsitzender vor. Sein Amtsantritt im Jahr 2002 markierte eine Zäsur. Mit ihm gelangte zum ersten Mal ein Finanz-Experte an die Spitze des Leverkusener Multis, und genau das strich der Global Player bei seiner Bestallung auch heraus: „Als ausgewiesener Finanzfachmann besitzt er hohe Akzeptanz auf den internationalen Kapitalmärkten.“ Die besaß Wennings Vorgänger Manfred Schneider nämlich eher nicht. Schneider war Betriebswirt und hat nicht selten sein Befremden über die Finanz-AnalystInnen geäußert. In seinen Augen waren das alles Laien, grüne Jungs, die noch nie ein Unternehmen geführt hatten. Er wusste auch gar nicht so recht, woher diese Leute sich plötzlich das Recht nahmen, ihm etwas sagen zu wollen. Wenning hingegen wusste das nur allzu gut. Schon in seiner Zeit als Finanzchef hatte er BAYER finanzmarkt-kompatibler gestaltet. So führte er beispielsweise das Wertmanagement ein, die konsequente Ausrichtung jeder Unternehmenshandlung, jedes Beschäftigen auf die Steigerung des Aktienkurses. Und Wenning richtete 1998/1999 auch eine eigene Abteilung für „Investor Relations“ ein. Als Vorstandsvorsitzender bestand dann eine seiner ersten Amtshandlungen darin, aus BAYER eine Holding zu machen, um „Werttreiber und Wertvernichter noch leichter identifizieren zu können“. Und mit der Chemie-Sparte hatte er bald auch schon einen „Minderleister“ identifiziert. Im Jahr 2003 trennte sich die Aktien-Gesellschaft von diesem Geschäft und gab damit dem Druck der Kapitalmärkte nach, dem Manfred Schneider noch widerstanden hatte. Von da an setzte sich der Umbau des Konzerns dann munter fort – bis hin zur verhängnisvollen MONSANTO-Akquisition.

Arbeitsplatz-Vernichtung in Berlin

Die Prozesse in Sachen „Glyphosat“ mit ihren millionen-schweren Schadensersatz-Urteilen haben zu einem Absturz der BAYER-Aktie geführt. Großaktionäre wie BLACKROCK mahnten Handlungsbedarf an, und der Leverkusener Multi lieferte. Im November 2018 verkündete er ein großes Rationalisierungsprogramm („Super Bowl“), das unter anderem die Streichung von 12.000 Stellen vorsieht. Dabei kommt es auch am Standort Berlin zu Einschnitten. Dort gibt der Global Player die Forschung auf dem Gebiet klein-molekularer Wirkstoffe auf. Die Firma NUVISAN übernimmt zwar den Bereich, aber längst nicht alle der rund 400 Beschäftigten.

Tarifvertragsquote: 55 Prozent

Weltweit hat BAYER im Geschäftsjahr 2019 nur mit 55 Prozent seiner Beschäftigten Tarifverträge abgeschlossen, 2014 waren es 52 Prozent. In der Region „Europa/Nahost/Afrika“ gibt es solche Vereinbarungen für 80 Prozent der Belegschaften (2014: 87 Prozent), in Lateinamerika beträgt die Quote 54 Prozent (2014: 45 Prozent) und in den USA lediglich zwei Prozent (2014: fünf Prozent).

599 Arbeitsunfälle

Für das Geschäftsjahr 2019 führt BAYER 599 „berichtspflichtige Arbeitsunfälle mit Ausfall-Tagen“ auf. In fünf Prozent der Fälle war dabei der Kontakt mit Chemikalien die Ursache.

34 Fälle von Berufskrankheiten

Im Geschäftsjahr 2019 kam es bei BAYER laut Nachhaltigkeitsbericht zu 34 „arbeitsplatz-bedingten Erkrankungen“. „Sie betrafen u. a. den Bewegungsapparat und Haut-Reaktionen, ohne dass sich klare Risiko-Bereiche abzeichnen lassen“, heißt es darin.

IG FARBEN & HEUTE

Keine Stunde Null

Am 8. Mai vor 75 Jahren befreiten die Alliierten Deutschland vom Faschismus. Das von BAYER mitgegründete Industrie-Konglomerat IG FARBEN war ein wesentlicher Bestandteil des NS-Systems. Der Mega-Konzern hatte sich schon 1932 mit Hitler verbündet und den „Benzinpakt“ geschlossen. Nach der Machtergreifung erstellte er die Blaupause für den Vierjahresplan, mit dem die Nazis die Wirtschaft wehrtüchtig machten. Als es dann 1939 so weit war, vermochte der Multi die Armee fast alleine auszustatten. An der Vernichtungspolitik wirkte die IG FARBEN ebenfalls mit. Sie errichtete in unmittelbarer Nähe von Auschwitz ein Chemie-Werk und unterhielt in der Nähe der Baustelle ein eigenes ZwangsarbeiterInnen-Lager als Arbeitskräfte-Reservoir, während ihre Tochter-Firma DEGESCH den FaschistInnen mit dem Zyklon B die Mordwaffe lieferte. Darum stand die Zerschlagung des Giganten zunächst ganz oben auf der Agenda der Kriegskoalition. „Wenn es die Politik der Alliierten ist, dass ‚Deutschland nie wieder seine Nachbarn oder den Frieden der Welt bedrohen wird’, dann müssen die IG FARBEN zusammen mit ihren kriegswichtigen Anlagen zerstört werden“, hieß es in einem Bericht des US-Finanzministeriums. Aber es sollte anders kommen. Zum einen änderten sich in den USA die politischen Kräfteverhältnisse, sodass die „Tabula Rasa“-Fraktion unter Finanzminister Henry Morgenthau in die Defensive geriet. Zum anderen unterhielt die US-Industrie umfangreiche Geschäftsbeziehungen zu deutschen Unternehmen und verlangte von der Regierung, ihre Absatzgebiete zu sichern. Und schließlich begann der Kalte Krieg, weshalb ein starkes Deutschland gefragt war, das als „Frontstaat“ agieren konnte. Die westlichen Besatzungsmächte beließen es deshalb bei einer mehr als halbherzigen Entflechtung, die BAYER, BASF und HOECHST unbeschadet überstanden. Und bereits 20 Jahre später waren die einstigen IG-Teile allein größer als das damalige Ganze.

IG FARBEN & HEUTE

Benjamin Ferencz wurde 100

Im März 2020 feierte Benjamin Ferencz seinen 100. Geburtstag. Bei den Nürnberger KriegsverbrecherInnen-Prozessen hatte er das Verfahren gegen die Einsatz-Truppen des NS-Regimesgeleitet. In den 1950er Jahren dann verhandelte der Ungar im Auftrag der „Jewish Claims Conference“ mit der Bundesregierung und denjenigen Unternehmen, die während der Nazi-Zeit ZwangsarbeiterInnen beschäftigt hatten, über Entschädigungszahlungen. Die von BAYER mitgegründete IG FARBEN musste nur 27 Millionen DM aufbringen. Da blieb für die ehemaligen SklavenarbeiterInnen nicht viel übrig. „Sogar die strengen Härtefälle unter denen, die die Arbeit für die IG FARBEN in Auschwitz überlebt haben, erhielten jeder nicht mehr als 1.700 Dollar“, klagte Ferencz.

KONZERN & VERGANGENHEIT

100 Jahre Betriebsräte-Gesetz

Die Weimarer Verfassung sah umfangreiche Gestaltungsmöglichkeiten für Betriebsräte vor. Sie billigte den Beschäftigten-VertreterInnen im Artikel 165 das Recht zu, „gleichberechtigt in Gemeinschaft mit den Unternehmern an der Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen sowie an der gesamten wirtschaftlichen Entwicklung der produktiven Kräfte mitzuwirken“. Näheres sollte das Betriebsräte-Gesetz regeln. BAYER-Generaldirektor Carl Duisberg ersann darum prophylaktisch schon einmal geeignete Gegenmaßnahmen. So plante er unter anderem, die Gesamtzahl an Betriebsratssitzen zu erhöhen, um die Beschäftigten überstimmen zu können. Am Ende erwiesen sich solche Tricks jedoch als unnötig, denn es gelang der Kapital-Seite, die Regelungen massiv zu verwässern. Dementsprechend kritisch standen die KPD sowie Teile von USPD und Freien Gewerkschaften dem Gesetzes-Vorhaben gegenüber. Für den Tag der 2. Lesung des Paragrafen-Werkes riefen sie deshalb zu Protesten auf, bei denen es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kam. Die Schätzungen reichen von 20 bis hin zu 42 Toten; zudem gab es über 100 Verletzte. Niemals zuvor und niemals wieder hat in der deutschen Geschichte eine Demonstration so viele Opfer gefordert. Von all dem findet sich in BAYERs Firmen-Chronik „Meilensteine“ nichts. In ihr feiert sich der Global Player unter der Überschrift „Schneller als die Gesetze: Mitbestimmung und Mitverantwortung“ hingegen als ein Unternehmen, das seinen Beschäftigten aus freien Stücken schon weit vor dem Betriebsräte-Gesetz und dem 1916 verabschiedeten „Vaterländischen Hilfsdienst-Gesetz“ eine Interessensvertretung zugestanden hatte.

Feine Füße von drüben

Der Fußball-Club BAYER Leverkusen hatte die DDR bereits in den 1980er Jahren als Spieler-Reservoir entdeckt. Wie aus Stasi-Unterlagen hervorgeht, beobachtete er mit Hilfe des in die Bundesrepublik geflohenen Trainers Jörg Berger DDR-Kicker bei Auswärtsspielen und verleitete geeignete Kandidaten wie Falko Götz oder Dirk Schlegel zur Republikflucht (Ticker 3/00). Und nach der Wende legte der Verein in Tateinheit mit anderen Bundesligisten erst so richtig los. „Am 5. Januar 1990 kam ich zum ersten Training nach der Winterpause und wusste nicht, wer überhaupt noch da war“, klagte etwa der Trainer des PSV Schwerin, Manfred Radtke, über das Ausmaß des „Schlussverkaufs“. Im Juni des Jahres bestritt er mit seiner Mannschaft das DDR-Pokalfinale gegen Dynamo Dresden. Der damalige BAYER-Manager Reiner Calmund saß damals auf der Tribüne und lockte Matthias Stammann für 350.000 DM vom PSV weg. Andreas Thom hatte Calmund da schon eingesackt. Am liebsten hätte er auch noch den zu der Zeit bei Dynamo Dresden spielenden Matthias Sammer verpflichtet, aber da war der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl vor. „Sie können die DDR nicht einfach leerkaufen“, redete dieser den Leverkusener ManagerInnen ins Gewissen. Aber BAYER ließ nicht locker und angelte sich dann noch Ulf Kirsten. Unter der Überschrift „‚Go West’– Zwischen Flucht und Mauerfall – Feine Füße von drüben“ handelt der Verein selber das Ost-Kapitel ab.

POLITIK & EINFLUSS

Online-HV nach BAYER-Gusto

Der Leverkusener Multi ergreift stets jede Gelegenheit, um sich die bei seinen Hauptversammlungen notorischen Proteste so gut es geht vom Leib zu halten. Im Jahr 2020 hieß die Gelegenheit „Corona-Pandemie“. Der Leverkusener Multi nutzte die Ungunst der Stunde und flüchtete vor den Konzern-KritikerInnen ins Virtuelle: Er berief eine Online-HV ein. Die rechtliche Handhabe dazu bot ihm das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie“. Dessen Passagen zu den AktionärInnen-Treffen erlaubten den Konzernen, statt Reden nur noch Fragen zu gestatten. Sie konnten dabei sogar noch aussieben und Groß-Investoren wie BLACKROCK den Vortritt lassen. Ein Aktivist der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) stellte dazu einige Bundestagsabgeordnete zur Rede und erhielt erhellende Antworten. So schrieb der CDUler Dr. Carsten Brodesser, in den letzten Jahren würden Hauptversammlungen „zunehmend als politisches Forum genutzt, was bei den Abläufen zu teilweise unübersichtlichen Situationen führte“. Das sei in der realen Welt noch zu managen, nicht aber in der virtuellen, und „dem will der Gesetzgeber mit seinem Vorstoß unter anderem Rechnung tragen“. Das Büro des CDU-Parlamentariers Sepp Müller hielt bei nur im Netz stattfindenden Hauptversammlungen hingegen „eine Flut von Fragen und auch – wie bei sozialen Medien nicht unüblich – inhaltlich inakzeptablen Einwürfen“ für denkbar, dem Vorschub geleistet werden müsse. Und dabei halfen BAYER & Co. kräftig mit. Stellungnahmen zum Gesetzes-Entwurf „werden vermutlich auch die Vorstände mancher AGs geschrieben haben“, hielt Brodesser-Mitarbeiter Carl Canzler fest. Sein Kollege aus dem Büro Müller verwies indessen etwas unkonkreter auf „externe Expertise aus allen Bereichen“, die es den Abgeordneten ermöglicht habe, „auch praktische Auswirkungen auf unterschiedliche Akteure abbilden zu können“. Auf der Hauptversammlung selber hat BAYER dann auch eine Einflussnahme über den „Bundesverband der deutschen Industrie“, den „Verband der Chemischen Industrie“ und das „Deutsche Aktieninstitut“ eingeräumt.

Forschungsförderung für BAYER & Co.

Seit Jahr und Tag fordert der BAYER-Konzern die staatliche Förderung von Forschungsaufwendungen. Nun hat die Bundesregierung die Signale erhört. Anfang 2020 trat das „Forschungszulagen-Gesetz“ in Kraft, das jährliche Subventionen in Höhe von 1,27 Milliarden Euro vorsieht. Bis zu 500.000 Euro kann ein einzelnes Unternehmen abgreifen – und im Zuge der Corona-Maßnahmen erhöhte die Große Koalition die Summe dann noch einmal auf vier Millionen. Ursprünglich sollten nur kleine und mittelgroße Firmen in den Genuss der Gelder kommen, aber Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) räumte den Weg für die Multis frei. Dem „Verband der chemischen Industrie“ (VCI) gelang es bei seiner Lobby-Arbeit für BAYER & Co. darüber hinaus sogar noch, finanzielle Unterstützung für Labor-Arbeiten herauszuschlagen, die gar nicht bei den Konzernen selber stattfinden: Auch für Auftragsforschung hält die Große Koalition Mittel bereit.

Verfassungsrichter nach BAYER-Gusto

Der neue Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth, ist ein Mann ganz nach dem Geschmack der Leverkusener. Als Anwalt und späterer Partner der Wirtschaftskanzlei SZA hat er nämlich schon zahlreiche Unternehmen wie etwa VW vor rechtlichem Unbill geschützt. Das hat bei SZA eine Tradition, die weit zurückreicht. So tüftelten die beiden Gründer Heinrich Kronstein und Wilhelm Zutt in der Weimarer Republik die rechtliche Konstruktion für die von BAYER mitgegründete IG FARBEN aus, den späteren Mörder-Konzern mit eigenem ZwangsarbeiterInnen-Lager in Auschwitz. Auch bei von BAYER gesponserten Events trat Harbarth schon auf. So hielt der Jurist im Jahr 2018 auf der „German American Conference“, zu deren Förderern außerdem noch SIEMENS und die BOSTON CONSULTION GROUP zählten, eine Rede über den Schutz der Meinungsfreiheit.

MONSANTO verstieß gegen Lobby-Regeln

Die nunmehrige BAYER-Tochter MONSANTO investierte Unsummen, um für ihr umstrittenes Pestizid Glyphosat 2017 eine erneute EU-Zulassung zu bekommen. Die von ihr zu diesem Behufe engagierte PR-Firma FLEISHMANHILLARD scheute dabei vor keinem Mittel zurück. Sie legte umfangreiche Listen von PolitikerInnen, JournalistInnen sowie Behörden-MitarbeiterInnen an und ordnete sie in Kategorien wie „Verbündeter“, „möglicher Verbündeter“, „zu erziehen“ oder „im Auge behalten“ ein (siehe SWB 3/19). Allein in Brüssel bei der EU betrieb FLEISHMANHILLARD mit rund 60 Beschäftigten Einfluss-Arbeit. Die Kosten für die von Oktober 2016 bis Dezember 2018 dauernde „Glyphosate Renewal Campaign“ hat BAYER auf 14,5 Millionen Euro beziffert. Diese Summe findet sich im Lobby-Register der EU allerdings nicht wieder (siehe Ticker 2/20). Dort gab FLEISHMANHILLARD für 2016 lediglich 0,8 Millionen Euro an und MONSANTO für den Zeitraum von September 2016 bis August 2017 bloß 1,45 Millionen Euro. „Diese Zahlen zeigen, dass die Lobby-Macht der Pestizid-Industrie viel größer ist, als offiziell verlautbart (...) Diese Diskrepanz zwischen den angegebenen Aufwendungen und den 14,5 Millionen Euro kann als ein klarer Fall von Desinformation angesehen werden“, konstatierte das CORPORATE EUROPE OBSERVATORY (CEO) und reichte eine Beschwerde ein. Daraufhin prüfte das Sekretariat des Lobby-Registers die MONSANTO-Zahlen. Dabei kam heraus, dass der Konzern nur seine Aufwendungen für das Antichambrieren in Brüssel selber aufgeführt und die Lobbying-Investitionen in den Mitgliedsländern ausgespart hatte. Damit verstieß das Unternehmen gegen die Vorschriften. Die Meldungen müssen nämlich alle Ausgaben „zum Zweck der unmittelbaren oder mittelbaren Einflussnahme auf EU-Organe, unabhängig vom Ort, an dem die Tätigkeiten ausgeführt werden“, enthalten. Eine Strafe will die Europäische Union trotzdem nicht verhängen, sie kündigte lediglich an, die Regeln klarer fassen zu wollen.

Konzerne schreiben neues EEG-Gesetz

Die in der Strom-Rechnung enthaltene EEG-Umlage ist für die Förderung alternativer Energien bestimmt. Allerdings tragen nicht alle gleichermaßen zu der Subventionierung von Wind & Co. bei. Der Gesetzgeber hat BAYER und andere Chemie-Firmen wegen ihres hohen Energie-Bedarfs und entsprechend hoher Kosten weitgehend von der Abgabe befreit. Zudem zahlen die Konzerne für die Elektrizität, die sie in ihren eigenen Kraftwerken selbst erzeugen, nichts in den EEG-Topf ein. Das sogenannte Eigenstrom-Privileg entbindet sie davon. Aber den Multis reichte das noch nicht. Sie wollten sich auch bei dem zugekauften Strom vor den EEG-Zahlungen drücken. Dafür bedienten sich die Gesellschaften des „Scheibenpacht-Modells“, das sich schlaue BeraterInnen ausgedacht hatten. Diese entwickelten Verträge, die BAYER, RWE, DAIMLER und andere Global Player von schnöden Strom-Kunden zu fiktiven Pächtern von Kraftwerk-Anteilen machten – und damit zu Nutznießern des Eigenstrom-Privilegs. „Einzelne Unternehmen sparten auf diese Weise Hunderte Millionen Euro“, so der Spiegel, der den Skandal aufdeckte. Darum haben Netzbetreiber wie AMPRION die Unternehmen nun verklagt. Der Leverkusener Multi hingegen ist sich keiner Schuld bewusst und beteuert, sich immer an geltendes Recht gehalten zu haben. Betrugsvorwürfe wies BAYER-Chef Werner Baumann auf der Hauptversammlung des Konzerns am 28. April 2020 „entschieden“ zurück. Damit nicht genug, gehen die Firmen in die Offensive. Wie wiederum der Spiegel berichtete, möchten sie eine Gesetzes-Änderung erreichen, die sie vor Strafzahlungen schützt. Dazu haben BAYER & Co. dem Wirtschaftsministerium schon einmal frei Haus die passende Vorlage geliefert und eine „Novellierung Paragraf 104 Absatz 4 Erneuerbare Energien Gesetz (EEG)“ verfasst. Zudem trafen sich AnwältInnen und andere VertreterInnen der Firmen sowie EmissärInnen des „Verbandes der chemischen Industrie“ und anderer Organisationen in der Causa bereits mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Und nach dem Gespräch zeigte sich ein Konzern-Jurist auch hoffnungsfroh, dass „Missverständnisse“ über das Eigenstrom-Privileg bald „zielführend ausgeräumt“ werden.

Baumann kritisiert „Green Deal“

Im Mai 2020 hat die Europäische Union zwei wesentliche Elemente ihres „Green Deals“ vorgestellt: die Biodiversitätsstrategie und die Landwirtschaftsstrategie „Vom Hof auf den Tisch“. Letztere gibt nach Ansicht der EU „eine umfassende Antwort auf die Herausforderungen nachhaltiger Lebensmittel-Systeme und erkennt an, dass gesunde Menschen, gesunde Gesellschaften und ein gesunder Planet untrennbar miteinander verbunden sind“. Auf der Agenda steht unter anderem eine Verringerung des Pestizid-Einsatzes bis 2030 um 50 Prozent. Das passt BAYER-Chef Werner Baumann gar nicht. „Es wäre illusorisch zu glauben, wir könnten ohne Pflanzenschutzmittel die bald acht Milliarden Menschen auf der Erde ernähren, die Biodiversität schützen und zugleich keine weiteren Flächen für die Landwirtschaft erschließen“, sagte er in einem Interview mit der FAZ. Ähnlich argumentiert der Konzern seit Jahren. Die Initiative OXFAM spricht in diesem Zusammenhang vom „Welternährungsmythos“. Sie hält die Zahlen, mit denen BAYER & Co. die Notwendigkeit einer Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion (und damit des Gebrauchs der Ackergifte) begründen, für nicht belastbar. In diese fließt nämlich nicht nur der mutmaßliche Bedarf an Lebensmitteln, sondern auch derjenige an Futtermitteln und Agrar-Rohstoffen zum industriellen Gebrauch ein. Auch zweifelt OXFAM den Zusammenhang zwischen der Menge an vorhandenen Nahrungsgütern und dem Hunger an. „Er suggeriert, dass eine höhere Produktion weniger Hunger bedeutet. Menschen hungern jedoch, weil sie extrem arm sind und sich keine Lebensmittel leisten können“, konstatiert die Organisation. Ihr schlichtes Fazit lautet: „Jenen, die den Welternährungsmythos bemühen, geht es in erster Linie um die Profite von Agrar-Konzernen und weniger um bessere Bedingungen für Hungerleidende.“

„Green Deal“: Klöckner reserviert

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) zeigt sich wenig begeistert von der Landwirtschaftsstrategie „Vom Hof auf den Tisch“, welche die Europäische Union am 20. Mai 2020 als „Kernstück“ ihres „Green Deals“ vorstellte. Diese sieht nämlich unter anderem eine Reduzierung des Pestizid-Einsatzes um 50 Prozent bis 2030 vor. „Die Vorschläge sind sehr ambitioniert“, konstatierte die CDU-Politikerin und führte weiter – ganz im Sinne von BAYER-Chef Werner Baumann (s. o.) – aus: „Die ausreichende Verfügbarkeit unserer Grundnahrungsmittel und die Ernährungssicherung der EU und global müssen stets im Vordergrund stehen. Und das wird immer Umwelt-Einflüsse haben.“ Klöckner bezeichnete die 24 Seiten lediglich als „Diskussionsgrundlage“ und stimmte schon einmal auf Kontroversen ein. Vielsagend wies sie in ihrer Presseerklärung darauf hin, dass der EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski bei der Präsentation der „Vom Hof auf den Tisch“-Strategie fehlte.

BfR unter Einfluss

Das „Bundesinstitut für Risiko-Bewertung“ (BfR) fällt immer wieder durch Entscheidungen im Sinne der Konzerne auf. So stellte es dem von der Weltgesundheitsorganisation WHO als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuften BAYER-Pestizid Glyphosat im Rahmen der EU-Entscheidung über die Zulassungsverlängerung eine aus Industrie-Unterlagen zusammengeklaubte Unbedenklichkeitsbescheinigung aus. Das wundert allerdings nicht weiter, denn das Bundesinstitut steht unter Einfluss. So sitzt in der „BfR-Kommission für Pflanzenschutzmittel und ihre Rückstände“ neben VertreterInnen von BASF auch der BAYER-Manager Dr. Frank Pierre Laporte.

PROPAGANDA & MEDIEN

VCI macht Schule

BAYER & Co. drängen mit aller Macht in die Schulen, um Einfluss auf die Lehrpläne zu nehmen und ForscherInnen-Nachwuchs zu rekrutieren. Nach einer Studie der „Otto Brenner Stiftung“ haben sie bereits rund 800.000 – natürlich kostenlose – Lehrmaterialien erstellt, die noch nicht einmal die bei normalen Schulbüchern üblichen pädagogischen Eignungstests durchlaufen müssen, ehe sie in den Klassenzimmern landen. Ganz vorne mit dabei: der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI). Mit einem Etat von ca. zwölf Millionen Euro gedenkt er im Jahr 2020 die Schullandschaft zu pflegen. Dabei reicht das Programm von „Finanzmitteln für Experimente über kostenfreie Unterrichtsmaterialien bis hin zu Angeboten für die Lehreraus- und -fortbildung“.

EU ermöglicht Gift-Importe

Die Europäische Union hatte sich vorgenommen, konsequent zu sein und Rückstände von Pestiziden, die sie wegen ihrer gesundheitsschädlichen Wirkungen verboten hat, auch nicht mehr in Lebensmittel-Importen zu dulden (siehe auch SWB 3/20). Das wussten BAYER & Co. allerdings zu verhindern. Immer wieder trafen EmissärInnen des Leverkusener Multis mit EU-KommissarInnen und/oder deren Kabinettsmitgliedern zusammen, um die Pläne zu vereiteln. So präsentierte der Konzern der Generaldirektion Handel etwa einen Report, der vor großen finanziellen Einschnitten durch die avisierten EU-Maßnahmen warnte. Und der beharrliche Lobby-Einsatz zahlte sich am Ende aus. Die Wünsche der Unternehmen fanden Eingang in die neue EU-Landwirtschaftsstrategie „Vom Hof auf den Tisch“. In dem entsprechenden Passus heißt es, Brüssel gewähre „Einfuhr-Toleranzen für Pestizid-Wirkstoffe, die in der EU nicht mehr genehmigt sind“. „Das ist ein Offenbarungseid. Die EU-Kommission räumt den Konzern-Interessen den Vorrang vor der menschlichen Gesundheit ein“, konstatierte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) in ihrer Presseerklärung.

DRUGS & PILLS

EMA überprüfte CIPROBAY

Antibiotika mit Wirkstoffen aus der Gruppe der Fluorchinolone wie BAYERs CIPROBAY können zahlreiche Gesundheitsschädigungen auslösen (siehe auch SWB 3/18). Besonders häufig kommen Lädierungen von Muskeln und Sehnen vor. Darüber hinaus zählen Herzinfarkte, Unterzuckerungen, Hepatitis, Autoimmun-Krankheiten, Leber- oder Nierenversagen und Erbgut-Schädigungen zu den Risiken und Nebenwirkungen. Auch Störungen des Zentralen Nervensystems, die sich in Psychosen, Angst-Attacken, Verwirrtheitszuständen, Schlaflosigkeit oder anderen psychiatrischen Krankheitsbildern manifestieren, beobachten die MedizinerInnen schon. Da sich in letzter Zeit zudem Meldungen über Schädigungen der Herzklappen durch die Mittel häuften, leitete die „Europäische Arzneimittel-Agentur“ (EMA) ein Prüfverfahren ein. Dieses bestätigte den Verdacht jedoch nicht. Darum müssen BAYER & Co. die Warnhinweise auf den Beipackzetteln nicht ändern.

Gefährliche Hormonersatz-Therapie

BAYER & Co. ist es gelungen, die Wechseljahre zu einer Krankheit zu erklären, bei der nur eins hilft: die Hormonersatz-Therapie. Was die Konzerne „Menopausen-Management“ nennen, bezeichnen KritikerInnen als „die Medikalisierung körperlicher Umbruchphasen im Leben von Frauen“. Und diese setzt die Patientinnen erheblichen Gesundheitsgefahren aus. Da neue Studien das Brustkrebs-Risiko von Hormonersatz-Therapien zu bestätigen schienen, hatte die „Europäische Arzneimittel-Agentur“ (EMA) ein Prüfverfahren eingeleitet. Erhöhten Handlungsbedarf sah die EMA nach Vorlage des Berichts jedoch nicht. „Zurzeit keine weiteren Maßnahmen“, verkündete sie.

Mehr Umsatz mit YASMIN & Co.

Verhütungsmittel der dritten und vierten Generation wie die Präparate aus BAYERs YASMIN-Produktreihe stehen seit Jahren wegen des erhöhten Thrombose-Risikos, das von ihnen ausgeht, in der Kritik. Während sich unter YASMIN, YAZ, YASMINELLE & Co. bei 9 bis 12 von 10.000 Frauen ein Blutgerinnsel bildet, kommt es bei älteren Arzneien mit den Wirkstoffen Levonorgestrel, Norethisteron oder Norgestimat nur bei 5 bis 7 von 10.000 Frauen dazu. Die Geschäfte des Pharma-Riesen beeinträchtigt das jedoch nicht. Im Geschäftsjahr 2019 stieg sein Umsatz mit diesen Medikamenten gegenüber 2018 um 42 Millionen auf 681 Millionen Euro.

Neue Arznei gegen Prostata-Krebs

BAYER hat gemeinsam mit dem finnischen Unternehmen ORION ein Medikament zur Behandlung von Prostata-Krebs entwickelt. Das Präparat NUBEQA mit dem Wirkstoff Darolutamid ist dabei auf solche Patienten zugeschnitten, die zwar noch keine Metastasen haben, aber erhöhte, nicht auf eine Therapie mit Testosteron-Blockern reagierende PSA-Werte. Bei dieser Gruppe von Kranken stört das Darolutamid angeblich die Arbeit des Androgen-Rezeptors und hemmt so die Bildung von Testosteron, welches das Tumor-Wachstum befördert.

PCOS-Kooperation mit EVOTEC

BAYER hat mit dem Hamburger Biotech-Unternehmen EVOTEC eine Kooperation auf dem Gebiet der Frauen-Heilkunde vereinbart. Die Firma will für den Leverkusener Multi eine Arznei zur Therapie des polyzystischen Ovarial-Syndroms (PCOS) entwickeln. Bei dieser Gesundheitsstörung handelt es sich um eine Erkrankung des Eierstocks, bei der Zysten-Bildungen den Ei-Sprung und so auch mögliche Schwangerschaften verhindern. Daneben forscht EVOTEC für den Global Player noch an Präparaten gegen Gebärmutterschleimhaut-Wucherungen, Husten und Nierenschäden. Die engen Verbindungen zum Pillen-Riesen kommen dabei nicht von ungefähr. Das ehemalige BAYER-Vorstands- und jetzige Aufsichtsratsmitglied Wolfgang Plischke steht nämlich dem EVOTEC-Aufsichtsrat vor.

Galileo-Studie: Keine Aufklärung

BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO hat viele Risiken und Nebenwirkungen. So kann er beispielsweise schwere Blutungen verursachen, die allzu oft tödlich enden. Trotzdem versucht der Leverkusener Multi unermüdlich, neue Anwendungsfelder für sein Präparat zu finden. Nicht einmal dramatische Zwischenfälle bei den entsprechenden klinischen Prüfungen halten ihn davon ab. So musste der Pharma-Riese im Oktober 2018 die Galileo-Studie abbrechen, weil die Erprobung des Mittels an PatientInnen, die gerade eine künstliche Herzklappe bekommen hatten, gehäuft zu Todesfällen führte (Ticker 1/19). Anfang 2020 publizierten der Konzern und sein US-amerikanischer Vertriebspartner JANSSEN einen Aufsatz über den Arznei-Test in einer Fachzeitschrift. Aber Aufschluss über die hohe Sterberate konnten die beiden Unternehmen nicht geben. „Wir verstehen die Ergebnisse nicht ganz“, gab James List von JANSSEN anlässlich der Veröffentlichung zu Protokoll, vergaß dabei aber nicht, XARELTO eine Unbedenklichkeitsbescheinigung auszustellen. „Da die TeilnehmerInnen am GALILEO-Test sich grundlegend von denen der anderen XARELTO-Tests unterscheiden, bleibt das Sicherheits- und Wirksamkeitsprofil von XARELTO bei den acht von der FDA (US-amerikanische Gesundheitsbehörde, Anm. Ticker) genehmigten Indikationen positiv“, so der Pharma-Manager.

Zahlreiche XARELTO-Nebenwirkungen

BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO löst immer wieder schwere Gesundheitsstörungen aus. 113.707 Meldungen über gravierende Nebenwirkungen gingen bis zum 30. Mai 2020 bei der Europäischen Datenbank für unerwünschte Arzneimittel-Effekte ein.

XARELTO für junge Erwachsene

Bald läuft das Patent für BAYERs umsatzstärkstes Pharmazeutikum, dem mit vielen Risiken und Nebenwirkungen behafteten Gerinnungshemmer XARELTO, aus. Darum versucht der Konzern fieberhaft, seinem Top-Seller mit dem Wirkstoff Rivaroxaban neue Anwendungsgebiete zu erschließen. So beantragte der Pharma-Riese jetzt in Aussicht auf eine sechsmonatige Patent-Verlängerung eine EU-weite XARELTO-Zulassung zur Behandlung von jungen Thromboembolie-PatientInnen bis 17 Jahre. Dabei ist die Fakten-Lage dünn. Am entsprechenden klinischen Test nahmen nur 500 Kinder und Jugendliche teil. Zudem handelte es sich nicht um eine Doppelblind-Studie. Auch das Ergebnis spricht nicht gerade für das Präparat. Unter dem BAYER-Mittel bekamen 1,2 Prozent der TeilnehmerInnen eine Thromboembolie, unter der Standard-Medikation Heparin mit drei Prozent nicht viel mehr. Zudem traten in der XARELTO-Gruppe mehr Blutungen auf (drei Prozent gegenüber 1,9). Diese seien aber weniger schwer verlaufen, versucht der Leverkusener Multi zu relativieren.

Neue XARELTO-Zulassung

Der BAYER-Konzern hat seinem umstrittenen Gerinnungshemmer XARELTO in den Vereinigten Staaten ein neues – das bisher achte – Anwendungsgebiet erschlossen. Die US-Gesundheitsbehörde FDA erteilte dem Präparat eine Zulassung zur präventiven Behandlung von solchen PatientInnen mit Thromboembolie-Risiko, die wegen akuter internistischer Gesundheitsstörungen wie etwa Schlaganfällen, Infektionskrankheiten oder Herzinsuffienz in ein Krankenhaus eingeliefert werden müssen.

GLYPHOSAT & CO.

Größeres Krebs-Risiko durch Dicamba

Der von BAYER und anderen Agro-Konzernen vermarktete Pestizid-Wirkstoff Dicamba lässt für LandwirtInnen die Wahrscheinlichkeit steigen, an Leber- und Gallenwegkrebs zu erkranken. Bei FarmerInnen, welche die Substanz intensiv nutzen, stieg das Risiko gegenüber solchen, welche den Stoff nicht einsetzen, um den Faktor 1.8. Die Leukämie-Gefahr nahm ebenfalls zu. Das ergab eine Untersuchung der US-amerikanischen „National Institutes of Health“ (NIH) auf der Basis eines rund 50.000 Bauern und Bäuerinnen umfassenden Daten-Satzes der „Agricultural Health Study“. Auch 20 Jahre nach der Erst-Exposition blieb die erhöhte Gefährdung noch bestehen. Nach dem Fall „Glyphosat“ droht BAYER nun also auch ein Fall „Dicamba“. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) forderte die Bundesregierung in einer Presseerklärung auf, die neuen Erkenntnisse bei den Entscheidungen über Zulassungsverlängerung für dicamba-haltige Produkte zu berücksichtigen. „Es besteht dringender Handlungsbedarf“, hielt die CBG fest.

Notfall-Zulassungen in Deutschland

„Wenn eine Gefahr anders nicht abzuwehren ist, kann das ‚Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel-Sicherheit’ kurzfristig das Inverkehrbringen eines Pflanzenschutzmittels für eine begrenzte und kontrollierte Verwendung und für maximal 120 Tage zulassen“, heißt es auf der Webpage der Behörde. Und das tut diese immer häufiger. Schon 60 Notfall-Zulassungen gewährte das BVL im laufenden Jahr. Zumeist handelt es sich dabei um die Erlaubnis, die Pestizide in weiteren Kulturen gegen Schadinsekten oder Wildpflanzen nutzen zu können. So verhielt es sich auch bei dem BAYER-Insektizid MOVENTO SC 100. Gleich vier Mal genehmigte das Bundesamt eine Ausweitung der Anwendungszone. So dürfen die bundesdeutschen LandwirtInnen das Mittel mit dem Wirkstoff Spirotetramat zusätzlich gegen die Maulbeer-Schildlaus, die Rote Austern-Schildlaus, den Gemeinen Birnenblatt-Sauger, die Hopfen-Blattlaus, die Apfel-Blutlaus, die Reben-Schildlaus und zahlreiche weitere Tiere einsetzen.

Notfall-Zulassungen in der EU

Nicht nur Deutschland erteilt Notfall-Genehmigungen für Pestizide (s. o.), auch andere europäische Länder tun das. Dabei schrecken einige Staaten nicht einmal davor zurück, bereits auf den Index gesetzte Agro-Chemikalien wie etwa BAYERs Saatgut-Beizmittel PONCHO aus der Gruppe der Neonicotinoide kurzzeitig wieder zuzulassen. Finnische, belgische und spanische LandwirtInnen können das Mittel, das die Europäische Union wegen seiner Bienengefährlichkeit im Jahr 2018 aus dem Verkehr gezogen hatte, in diesem Jahr wieder nutzen. Nur in Einzelfällen interveniert die EU. So untersagte sie im Februar 2020 Rumänien und Litauen, die Neonicotinoide wieder aus dem Giftschrank zu holen. Daneben durften sich noch einige Produkte des Leverkusener Multis über eine Ausweitung der Anwendungszone auf bisher verbotene Früchte freuen, so SIVANTO mit dem Wirkstoff Flupyradifuron und RONSTAR (Oxadiazon) in Griechenland, MOVENTO 48 C (Spirotetramat) in Italien und CONVISO ONE (Foramsulfuron und Thiencarbazone-methyl) in der Slowakei. Die einzelnen EU-Mitgliedsländer nutzen das Instrument der Notfall-Zulassungen in unterschiedlichem Maß. Um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, strebt die Europäische Union nun eine Harmonisierung der Praxis an. Geschehen ist allerdings bisher noch nichts.

Artensterben durch PONCHO

Die EU hat Pestizid-Wirkstoffe aus der Gruppe der Neonicotinoide im Jahr 2018 wegen ihrer bienenschädlichen Effekte verboten. In den meisten anderen Ländern der Welt dürfen sich Produkte wie BAYERs Saatgutbehandlungsmittel PONCHO (Wirkstoff: Clothianidin) jedoch weiterhin auf den Feldern tummeln und dort ihr Gefährdungspotenzial entfalten. Und dieses beschränkt sich bei Weitem nicht nur auf Bienen. So haben PONCHO & Co. einen fatalen Effekt auf das Ökosystem „Reisfeld“, wie eine Studie des japanischen Wissenschaftlers Masumi Yamamuro ergab. Die von den Reisbauern und -bäuerinnen eingesetzten Neonicotinoide lösen nämlich eine ganze Ketten-Reaktion aus. Die Mittel töten Libellen ab, die vielen Fischen als Nahrung dienen. Darum ging der Stint-Bestand drastisch zurück, und viele FischerInnen mussten ihren Beruf aufgeben. Der Leverkusener Multi aber bestreitet den Befund und zieht Methodik und Daten-Interpretation Yamamuros in Zweifel. „Es gibt keinen Beweis für einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Rückgang von Insekten-Populationen und dem Gebrauch von Neonicotinoiden in der Landwirtschaft“, erklärte der Konzern.

PFLANZEN & SAATEN

Pilot-Projekt „Kurzhalm-Mais“

BAYER führt in Mexiko ein Pilot-Projekt mit Kurzhalm-Mais durch. Dem Konzern zufolge erweist sich die gestutzte Pflanze Wetter-Einflüssen gegenüber als stabiler. Zudem braucht die hybride, also nicht zur Wiederaussaat geeignete Sorte mit dem Produkt-Namen VITALA weniger Wasser. Auch kommt sie angeblich mit weniger Pestiziden aus, die überdies nicht mehr von der Luft aus versprüht werden müssen. Auf der letzten Hauptversammlung Ende April 2020 gab sich BAYER-Chef Werner Baumann hoffnungsvoll, „dass diese Innovation den Mais-Anbau, und damit den Anbau einer der wichtigsten Kultur-Pflanzen überhaupt, revolutionieren kann.“

GENE & KLONE

Schweine als Ersatzteillager

BAYER setzt sowohl im Pharma- als auch im Agro-Bereich stark auf die „Gentechnik 2.0“, also zum Beispiel auf Gen-Scheren wie CRISPR-Cas9, die das Erbgut angeblich genau an einer vorgegebenen Stelle auftrennen können, um es dann „umzuschreiben“ oder neue, im Labor hergestellte DNA-Stränge einzufügen. Diverse Kooperationsabkommen in Sachen „Genome Editing“ hat der Leverkusener Multi bereits geschlossen. Und Anfang November 2019 investierte er 50 Millionen Dollar in das Start-up eGENESIS. Dieses nimmt sich vor, Schweine als Ersatzteillager für Menschen zu nutzen und in den Tieren Organe für Transplantationen zu züchten. Bisher galten derartige Unterfangen – von moralischen Bedenken ganz abgesehen – als extrem risiko-reich. Im Organismus von Schweinen tummeln sich nämlich viele Viren, sogenannte PERVs (porcine endogenous retrovirus), die das Potenzial haben, gefährliche Krankheiten auszulösen. Die 2009 ausgebrochene Schweinegrippe etwa kostete hunderttausende Menschen das Leben. Aber die eGENESIS-FoscherInnen wollen die PERVs im Erbgut der Tiere einfach mit einer Genschere herausschneiden und damit die Gefahr bannen. „Unser Team wird den PERV-freien Schweinestamm weiterentwickeln, für eine sichere und wirksame Xeno-Transplantation“, so eGENESIS-Mitgründerin Luthan Yang über das Projekt „pig3.0“. Von einer „Sprung-Innovation“ spricht BAYERs Pharma-Chef Stefan Oelrich deshalb. Und sein Kollege Dr. Jürgen Eckhardt sekundiert: „Wir glauben, dass eGENESIS den gesamten Markt für Organ-Transplantationen revolutionieren kann.“ Frühere Versuche des Leverkusener Multis, Tiere in Wert zu setzen, erwiesen sich nicht als erfolgreich. Das Klon-Schaf „Dolly“ der schottischen Biotech-Firma PPL THERAPEUTICS, an welcher BAYER einst 8,5 Prozent der Anteile hielt, verstarb vorzeitig. Zudem verweigerten die Tiere auch dem „Gene Pharming“ den Gehorsam. Das vollmundig als „Doing drugs the milky way” angekündigte PPL-Vorhaben, in Euter ein menschliches Gen einzuschleusen und aus ihnen so Reaktoren zur Herstellung eines Wirkstoffes zur Behandlung von Lungenkrankheiten zu machen, scheiterte.

Neue Zulassung, alte Standards

Seit Ende 2013 gelten in der Europäischen Union strengere Standards bei den Import-Genehmigungen für Gen-Pflanzen. Wenn es bloß um die Verlängerungen der Einfuhr-Erlaubnisse geht, will Brüssel diese Maßstäbe jedoch nicht in Anschlag bringen. So erhielt der BAYER-Konzern im Dezember 2019 eine erneute Zulassung für zwei Soja-Arten, obwohl keine bzw. nur mangelhafte Fütterungsstudien vorlagen und die Feldversuche sich nicht an den tatsächlichen Anbau-Bedingungen orientierten. Konkret handelte es sich dabei um das glyphosat-resistente Produkt MON89788 und um die Laborfrucht A2704-12, die immun gegen das jetzt von der BASF vermarktete und in der EU wegen seiner Gesundheitsschädlichkeit nicht mehr zugelassene Pestizid Glufosinat ist. Die Initiative TESTBIOTECH kritisiert die Entscheidung. Nach Ansicht der Organisation bestehen nämlich Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beschlusses. Sie verweist dabei auf eine EU-Verordnung, in der heißt: „Damit sichergestellt ist, dass Anträge auf Zulassungsverlängerungen in Bezug auf die Prüfverfahren denselben Standards entsprechen, sollten diese Anforderungen auch für Anträge auf Verlängerung der Zulassung von GV-Lebens- und Futtermitteln gelten (GV = gentechnisch verändert, Anm. Ticker)“. Hätte die bisherige Praxis aber trotzdem weiter Bestand, „gäbe es in der EU doppelte Sicherheitsstandards für transgene Pflanzen“, warnt TESTBIOTECH.

WASSER, BODEN & LUFT

CO2-Ausstoß steigt

Der BAYER-Konzern hat erstmals seit vielen Jahren wieder einen separaten Nachhaltigkeitsbericht vorgelegt. Er hat seine Umweltberichterstattung also nicht reduziert, wie irrtümlicherweise im Ticker 2/20 berichtet. Nur leider gibt es in der Sache selbst kaum Positiveres zu melden, was das Unternehmen hauptsächlich dem „akquirierten Agrar-Geschäft“, also dem MONSANTO-Deal, zuschreibt. So stiegen die Kohlendioxid-Emissionen im Geschäftsjahr 2019 um 830.000 Tonnen auf 3,71 Millionen Tonnen. Ein Großteil dieses Zuwachses ist auf die extrem energie-intensive Glyphosat-Produktion am Standort Soda Springs zurückzuführen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN fordert hier bereits seit Langem Maßnahmen ein, bisher blieb der Global Player allerdings untätig.

BAYER verbraucht mehr Strom

Der im Geschäftsjahr 2019 erstmals vollständig in BAYERs Energie-Bilanz einfließende Strom-Verbrauch des zugekauften MONSANTO-Geschäfts sorgt für eine massive Erhöhung der Zahlen. Der Energie-Einsatz des Konzerns erhöhte sich von 29.903 Terrajoule auf 38.744 Terrajoule.

Mehr Kohle im Strom-Mix

Der BAYER-Konzern verbrauchte im Geschäftsjahr 2019 nicht nur mehr Energie (s. o.), diese kam, was den selbst erzeugten Strom angeht (für den zugekauften Strom macht das Unternehmen keine detaillierteren Angaben), im Vorgleich zum Vorjahr teilweise auch aus schmutzigeren Quellen. So erhöhte sich der Kohle-Anteil am Energie-Mix von 2,38 Prozent auf 13,5 Prozent. Für Flüssigbrennstoffe sanken die Werte hingegen. Sie reduzierten sich von 23,11 Prozent auf 13,44 Prozent. Hauptenergie-Lieferant für den Leverkusener Multi ist mit 66,86 Prozent Erdgas.

Mehr ozon-abbauende Substanzen

Im Geschäftsjahr 2019 haben die BAYER-Werke mehr ozon-abbauende Substanzen ausgestoßen. Der Wert für die „Ozone Depleting Substances“ (ODS) stieg von 9,3 auf 17,8 Tonnen. Und diesmal ist daran nicht MONSANTO schuld. Die Uralt-Dreckschleudern des Konzerns im indischen Vapi sorgten für den Großteil des Zuwachses. An diesem Standort hatte das Unternehmen zwar jahrelang Modernisierungsarbeiten durchgeführt, aber ausgezahlt hat sich das Ganze offenbar nicht.

Mehr flüchtige Substanzen

2019 hat BAYER mehr flüchtige Substanzen in die Luft emittiert als 2018. Von 1.360 Tonnen auf 1.610 Tonnen erhöhte sich der Wert.

Weniger Kohlenmonoxid-Emissionen

Der Kohlenmonoxid-Ausstoß von BAYER ging 2019 gegenüber dem Vorjahr von 3.990 Tonnen auf 3.300 Tonnen zurück.

Mehr Stickstoff-Emissionen

2019 hat der BAYER-Konzern mehr Stickstoff in die Luft emittiert als 2018. Der Wert erhöhte sich von 3.260 auf 4.700 Tonnen.

Mehr Schwefeloxid-Emissionen

2019 hat der BAYER-Konzern mehr Schwefeloxid in die Luft emittiert als 2018. Der Wert erhöhte sich von 730 Tonnen auf 2.310 Tonnen.

Weniger Staub-Emissionen

BAYERs Staub-Emissionen sanken im Geschäftsjahr 2019 gegenüber 2018 von 2.350 Tonnen auf 1.580 Tonnen.

Höhere Abwasser-Frachten

Im Geschäftsjahr 2019 stieg BAYERs Wasserverbrauch gegenüber 2018 von 42 Millionen Kubikmeter auf 59 Millionen Kubikmeter und dementsprechend auch das Abwasser-Aufkommen. Die Gesamtmenge wuchs um 42,1 Prozent auf 26 Millionen Kubikmeter.

Mehr Einleitungen in Gewässer

Im Geschäftsjahr 2019 leitete der BAYER-Konzern mehr schädliche Stoffe in die Gewässer ein als 2018. „2019 stiegen alle Emissionen in das Wasser. Dies ist insbesondere auf die ganzjährige Einbeziehung der Standorte des akquirierten Agrar-Geschäftes zurückzuführen“, heißt es dazu im Nachhaltigkeitsbericht. Die Phosphor-Werte stiegen von 180 auf 510 Tonnen, die Stickstoff-Werte von 390 auf 420 Tonnen, die Schwermetall-Werte von 2,4 auf 2,6 Tonnen, die für organisch gebundenen Kohlenstoff von 600 auf 980 Tonnen und diejenigen für anorganische Salze von 97.000 auf 167.000 Tonnen.

Viele Pestizide in NRW-Gewässern

Die Gewässer in Nordrhein-Westfalen sind stark mit Agro-Chemikalien belastet, wie eine Große Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen an die CDU/FDP-Landesregierung ergab. Demnach weisen von 351 untersuchten Fluss-Abschnitten des Rheins 207 Pestizid-Rückstände über dem Beurteilungswert auf, der für die WissenschaftlerInnen den Übergang von einem guten in einen mäßigen Zustand markiert. Für die Ems traf dies auf 58 von 59 Bereichen zu, für die Maas auf 47 von 68 und für die Weser auf 65 von 82.

Dormagen: Ein bisschen Umweltschutz

Der BAYER-Konzern baut seine Dormagener Fertigungsanlage zur Herstellung der beiden Fungizide ASCRA XPRO (Wirkstoffe: Bixafen, Prothioconazol, Fluopyram) und ANTRACOL (Wirkstoff: Propineb) nicht nur aus (siehe STANDORTE & PRODUKTION), sondern aus Umweltschutz-Gründen zudem ein wenig um. Das erscheint angesichts der verheerenden Öko-Bilanz des Unternehmens (s. o.) auch dringend geboten. So kündigte die Firma Investitionen in eine leistungstärkere Aufbereitung von Abgasen und Abwässern an. Unter anderem will sie das bei der Prothioconazol-Produktion anfallende Eisen(II)-Clorid zu Eisen(III)-Clorid aufbereiten und wieder in den Herstellungsprozess leiten. Nach Angaben der „Deutschen Energie-Agentur“ sorgt das für eine Reduzierung der Abfall-Ströme um 95 Prozent. Überdies kann der Leverkusener Multi auf diese Art nicht nur den Rohstoff-, sondern auch den Energie-Verbrauch drosseln, was die Kohlendioxid-Emissionen der Fertigungsstätte um rund 9.000 Tonnen pro Jahr reduziert.

PolitikerInnen wollen Geld von BAYER

Die Gewässer Deutschlands sind nicht nur stark mit Pestiziden belastet (s. o.), sondern auch mit Arznei-Rückständen. Den Wasserwerken verursacht das enorme Zusatzkosten bei der Trinkwasser-Aufbereitung. Darum fordern die verantwortlichen PolitikerInnen eine Beteiligung von BAYER & Co. an den Mehraufwendungen. „Nach Auffassung der Umweltministerinnen und -minister sowie der -senatorinnen und -senatoren der Länder gibt es klare Adressaten für eine verursacher-gerechte Kostentragung, da es nur eine geringe Anzahl von Herstellern und Inverkehrbringern von Pflanzenschutzmitteln bzw. von unter Gewässerschutz-Aspekten problematischen Medikamenten gibt“, so die nordrhein-westfälische Landesregierung in ihrer Antwort auf eine Große Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen. Dementsprechend haben die Bundesländer die Bundesregierung gebeten, „Regelungsperspektiven aufzuzeigen und mögliche nationale und europäische Instrumente zu prüfen“.

Runder Tisch zu Röntgen-Kontrastmitteln

BAYERs Röntgen-Kontrastmittel haben es in sich. Bei deren Inhaltsstoffen handelt es sich nämlich um Abkömmlinge des Schwermetalls Gadolinium. GADOVIST enthält Gadobutrol, PRIMOVIST Gadoxet-Säure und MAGNEVIST Gadopentent-Säure. Diese Substanzen können zahllose Gesundheitsschäden verursachen wie z. B. Herzrhythmus-Störungen, Muskel-Zuckungen, Blutdruck-Schwankungen, Leber-Erkrankungen und Fibrose, ein unkontrolliertes Wachstum des Bindegewebes. Noch dazu zählen die Präparate zu den Arzneimitteln, welche die Gewässer am stärksten belasten. Und auch das liegt an den Schwermetallen, denn diese bauen sich biologisch nur sehr langsam ab. Darum gibt es bereits ein Forschungsprojekt, das bei Röntgen-PatientInnen den Einsatz von Urin-Beuteln testet, um GADOVIST & Co. in den Sondermüll statt in die Kanalisation gelangen zu lassen. Daneben hat die Bundesregierung ein ExpertInnen-Gremium ins Leben gerufen, das die Aufgabe hat, Vorschläge zur Verminderung der Stoff-Einträge von Röntgen-Kontrastmitteln, anderen Medikamenten und Pestiziden zu erarbeiten.

Pilotanlage eliminiert kaum PCB

Polychlorierte Biphenyle (PCB) gehören zu den giftigsten Hervorbringungen der Chlorchemie (SWB 1/14). Die vor allem von BAYER und MONSANTO in Umlauf gebrachten gefährlichen „Alleskönner“ kamen bis zu ihrem vollständigen Verbot 1989 in Elektrogeräten, Fugendichtungsmassen, Farben, Ölen, Lacken und Bodenbelägen zum Einsatz – und stellen immer noch ein beträchtliches Gesundheitsrisiko dar. Von den 1985 in der Bundesrepublik verkauften 72.000 Tonnen landete mehr als ein Sechstel im Bergbau, wo die schweren Gerätschaften viel Hydraulik-Öl zum Schmieren brauchten. „Wir sind mit dem Zeug umgegangen, als wäre es Milch“, zitiert der Spiegel einen Bergmann. Dementsprechend leiden viele seiner KollegInnen heute an den Spätfolgen und zeigen Vergiftungssymptome wie Haut-, Nieren- und Leberschäden. Die Altlasten lagern in Fässern und anderen Behältern, die nicht selten Leckagen aufweisen. Um das PCB nicht in das Grundwasser und die Flüsse gelangen zu lassen, muss der Bergbau-Konzern RAG das Grubenwasser über ein bestimmtes Niveau pumpen. Die kontaminierte Fracht leitet er dann in die Gewässer ein. Das nordrhein-westfälische Landesamt für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz entnahm unter anderem an den Bergwerken in Bottrup, Bergkamen und Essen Proben und wies PCB-Belastungen nach, die an manchen Stellen um das Dreifache über den Grenzwerten lagen. Darum hat die RAG jüngst an den Einleitungsstellen „Bergwerke Ost“ und „Ibbenbüren“ Pilotanlagen zum Herausfiltern des PCB aus dem Grubenwasser erprobt. Die Ergebnisse ließen allerdings zu wünschen übrig. Es gelang nur, 30 bis 40 Prozent der Polychlorierte Biphenyle zu eliminieren. Jetzt empfiehlt eine ExpertInnen-Gruppe unter anderem, „zu gegebener Zeit alternative Aufbereitungsverfahren an anderen Einleitungsstellen mit vorhandener Fracht zu testen“.

RAG will fluten

In Nordrhein-Westfalen muss der RAG-Konzern aus seinen stillgelegten Bergwerken das Grubenwasser vollständig abpumpen, um die darin enthaltenen Giftstoffe wie z. B. Polychlorierte Biphenyle – oftmals made by BAYER (s. o.) – nicht ins Grundwasser gelangen zu lassen. Zudem kann so Erd-Erschütterungen vorgebeugt werden. Im Saarland besteht keine Pflicht zu diesen Arbeiten, weil die geographische Lage eine andere ist. Das wollte das Unternehmen ausnutzen und viele Pumpen abstellen. Dagegen klagte jedoch die Gemeinde Nalbach, zu welcher der ehemalige Schacht Primsmulde gehört. Sie erhielt Ende 2019 auch Recht zugesprochen, aber die RAG legte Beschwerde gegen das Urteil ein. Jetzt liegt die Angelegenheit dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zur Entscheidung vor.

Das Rheinbrücken-Fiasko

Durch nichts ließen sich die nordrhein-westfälischen PolitikerIn-nen von CDU, SPD und FDP davon abhalten, Leverkusens marode Rheinbrücke durch einen Neubau zu ersetzen und im Zuge dessen auch die Autobahn A1 auf zwölf Spuren auszubauen, obwohl sie dazu Hand an BAYERs Dhünnaue-Altlast legen mussten. Vergeblich warnten UmweltschützerInnen vor Stoff-Austritten aus der stillgelegten Giftmüll-Deponie und vor Baugrund-Absenkungen durch die fortwährende Zersetzung der organischen Substanzen. Der rot-grünen NRW-Landesregierung unter Hannelore Kraft konnte es gar nicht schnell genug gehen. Der damalige Bau-Minister Michael Groschek (SPD) brachte sogar eine „Lex Leverkusen“ auf den Weg, um Klage-Möglichkeiten gegen das Vorhaben einzuschränken und so die Umsetzung zu beschleunigen. Aus dem gleichen Grund verzichtete er bei der Ausschreibung auf ein Verhandlungsverfahren. Damit vergab sich das Land die Möglichkeit, dem ausgewählten Unternehmen genauere Bedingungen, z. B. zu den Qualitätsstandards, zu stellen. Nur billig sollte alles sein. Und genau das fällt der Politik jetzt auf die Füße. Auf den Stahl, den der General-Unternehmer PORR für die Brücken-Konstruktion von einem chinesischen Subkontraktor bezog, konnte nämlich niemand bauen. 250 bis 600 Mängel pro Bauteil entdeckte der Landesbetrieb „Straßen.NRW“. Nach langem Hin und Her zog die schwarz-gelbe Landesregierung dann die Reißleine. Sie kündigte den Vertrag mit PORR und schrieb die Arbeiten neu aus. Dadurch kommt es nicht nur zu großen Verzögerungen, sondern auch zu erheblichen Kosten-Steigerungen zu Lasten der SteuerzahlerInnen. Für eine Realisierung von Alternativen beim Neustart wie etwa der Tunnel-Lösung, welche die Dhünnaue unangetastet ließe, ist es nach Meinung vieler UmweltschützerInnen allerdings zu spät.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Der Untergang der „Grande America“

Nicht weniger als 25 Transport-Unfälle mit zum Teil als Gefahrgut deklarierter Ladung verzeichnet BAYERs Nachhaltigkeitsbericht für 2019. Der fatalste ereignete sich am 12. März des Jahres. Da geriet das Container-Schiff „Grande America“ rund 330 Kilometer vor der französischen Westküste in Brand und sank. Es bildete sich ein zehn Quadratkilometer großer Ölteppich, der mehr als 250 Vögel das Leben kostete. Neben 2.100 Autos, 62 Tonnen Kunstharz, 16 Tonnen Terpentin-Ersatz und 720 Tonnen Salzsäure befanden sich auch 25 Tonnen BAYER-Fungizide an Bord. Ob die Behälter ausliefen oder mehr oder weniger friedlich auf dem Mee

[Brüning] Die Totengräber der Demokratie

CBG Redaktion

Die Politik der IG FARBEN in der Weimarer Republik

Vor 100 Jahren, am 30. März 1930, übernahm Heinrich Brüning die Regierungsgeschäfte der Weimarer Republik. Mit seiner autoritären Politik, die auf Notverordnungen setzte und dem Parlament so eine StatistInnen-Rolle zuwies, erfüllte er die Forderungen des vom IG-FARBEN-Aufsichtsratschef Carl Duisberg geleiteten „Reichsverbandes der deutschen Industrie“ – und ebnete dem Faschismus den Weg.

Von Reiner Zilkenat

Die Großoffensive des deutschen Monopolkapitals gegen die Arbeiterbewegung und die von ihr erkämpften Errungenschaften begann im Jahr 1929. Sie entwickelte sich parallel zur kapitalistischen Weltwirtschaftskrise, die im Herbst des Jahres begonnen hatte.(1) Welche Ziele sollten realisiert werden?
Erstens sollten die Arbeiter-Organisationen dauerhaft politisch ausgeschaltet werden. Dabei ging es sowohl um die auf revolutionäre Überwindung des Kapitalismus orientierte KPD als auch um die SPD, die auf Reformen innerhalb der bürgerlich-parlamentarischen Ordnung setzte, sowie den von ihr dominierten „Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund“. So wollte die Wirtschaft die vom sozialdemokratischen Kanzler Hermann Müller geführte Regierung durch ein autoritär regierendes Kabinett ersetzt wissen, das seine Amtsgeschäfte mit Hilfe von Notverordnungen führen sollte.

Zweitens ging es den Exponenten des Monopolkapitals um die rückhaltlose Wiederherstellung des „Herr-im-Hause“-Status’. Sie reklamierten unverblümt die Rolle des Hausherren in einem Staat für sich, der ihrer Auffassung nach zu viele Kompromisse zu Gunsten der Arbeitenden eingegangen war. In der Kritik standen u. a. der Acht-Stunden-Arbeitstag, das Tarifvertragswesen und der Rechtsanspruch für Erwerbslose auf Zahlung staatlicher Unterstützung.

Drittens existierte ein grundsätzlicher Konsens innerhalb der deutschen Monopolbourgeoisie darüber, dass langfristig ein zweiter „Griff nach der Weltmacht“ vorbereitet werden müsse. Zunächst galt es, die „Fesseln von Versailles“ abzustreifen, die der Weimarer Republik nur ein 100.000-Mann-Heer gestatteten. Unter größtmöglicher Geheimhaltung traf das Kapital in Konzern-Betrieben, z. B. bei den Borsig-Werken in Berlin, mit Wissen und Unterstützung der Reichsregierung Vorbereitungen für den „Tag X“, an dem die Bestimmungen des Versailler Friedensvertrages ihre Gültigkeit verlieren würden, und rüstete sich für die Produktion moderner Waffen.

Parole „Kapitalbildung“

Um ein solches Programm vorzubereiten, tagte am 20. und 21. September 1929 in Düsseldorf die Mitgliederversammlung des Reichsverbandes der Deutschen Industrie (RDI). Hierbei handelte es sich um die mit Abstand einflussreichste Interessenvertretung des deutschen Kapitals, in der die mächtigsten Monopol-Herren des Landes den Ton angaben. Es war „das Gremium der wirklichen Beherrscher Deutschlands“, wie es der kommunistische Reichstagsabgeordnete Theodor Neubauer ausdrückte.(2)

Als Präsident amtierte Carl Duisberg, der Aufsichtsratsvorsitzender der 1925 von BAYER mitgegründeten IG-FARBEN AG, des größten Chemiekonzerns weltweit. Im Präsidium des RDI saßen u. a. Carl-Friedrich von Siemens, Aufsichtsratsvorsitzender der Siemens-Halske- und der Siemens-Schuckert-Werke AG; Paul Silverberg, Generaldirektor des Rheinischen Braunkohlensyndikats, des größten Produzenten von Braunkohle in Europa; Ernst von Borsig, Großindustrieller aus Berlin und zugleich Vorsitzender der „Vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände“ und Paul Reusch, Vorstandsvorsitzender der Gutehoffnungshütte AG. Die wichtigste Aufgabe des RDI bestand darin, eine gemeinsame Strategie der deutschen Großindustrie zu formulieren und durchzusetzen.

Die Tagung des RDI fasste den Beschluss, eine programmatische Denkschrift zu erarbeiten, in der die wichtigsten Ziele des Verbandes gegenüber der Reichsregierung und der Öffentlichkeit dargestellt werden sollten. In welche Richtung die in dieser Denkschrift zu formulierenden Vorschläge weisen sollten, legte in Düsseldorf Prof. Dr. Paul Duden, Vorsitzender des Direktoriums der IG Farben, unmissverständlich dar. Er gab die Parole aus, die künftig im Mittelpunkt des RDI-Forderungskatalogs stand: Im Zentrum aller wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen des Staates, aber auch der Inhalte von Tarifverträgen, habe die Förderung der „Kapitalbildung“ für die Unternehmen zu stehen. Deshalb sei „eine mechanische Tariferhöhung (…) identisch mit einer Schmälerung der Kapitalbildung“; es könne „der bisherige Weg auf diesem Gebiete der Tarifbildung nicht weiter gegangen werden.“(3) Der Kapitalbildung müsste auch die Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik des Staates untergeordnet werden. Um jedes Missverständnis über seine Idealvorstellungen zur Festlegung von Löhnen und Gehältern auszuschließen, ließ Duden am Ende seiner Ausführungen die Katze aus dem Sack: Vorbildlich sei in diesem Zusammenhang die „magna charta del lavoro“ („Große Arbeitsverfassung“) des faschistischen Italien, die Streiks strikt untersagte und jede freie Betätigung von Gewerkschaften verbot!(4)

Aufstieg oder Niedergang?

Wenn auch Ende 1929 noch nicht erkannt werden konnte, welche beispiellosen Dimensionen die mittlerweile aus den USA nach Deutschland übergreifende Weltwirtschaftskrise in den kommenden Jahren noch erreichen sollte, so hatte der RDI allerdings begriffen, dass für die von ihm forcierte Kapitaloffensive jetzt günstigere Bedingungen herangereift waren. Angesichts rasch wachsender Arbeitslosigkeit und der damit einhergehenden Schwächung der Kampfkraft der Arbeiter-Organisationen waren die Chancen der Großindustriellen gestiegen, ihre politischen und ökonomischen Ziele durchzusetzen.

Am 2. Dezember 1979 wurde die Denkschrift des RDI der Öffentlichkeit zugeleitet. Welche wesentlichen Forderungen waren in ihr enthalten? Zunächst postulierte der Verband die „Freimachung“ der deutschen Wirtschaft: „Sie muss verschont bleiben von Experimenten und politischen Einflüssen, die von außen her in den Wirtschaftsprozess hineingetragen werden. Der Aufstieg der Industrie und die Beschaffung von auskömmlichen Arbeitsplätzen für die Bevölkerung und die Beseitigung der Arbeitslosigkeit kann nur auf der Grundlage der kapitalistischen Wirtschaftsordnung und eines frei schaffenden Gewerbes erzielt werden.“ Und weiter: „Staat und Volk haben (…) das größte Interesse an einer arbeitsfreudigen und erfolgsgläubigen Unternehmerschicht. Je tüchtiger und optimistischer sie ist, je mehr Bewegungsfreiheit sie für ihre Arbeit hat, umso größer wird auch die Produktivität der Wirtschaft, ihre soziale Kapazität, umso günstiger werden auch die Lebensbedingungen für die Bevölkerung.“(5)

Weiteren Lohnerhöhungen erteilte der RDI eine klare Absage. Vielmehr könne die Verbesserung der Lebenshaltung für die breite Masse nur „auf dem Wege einer vermehrten Kapitalbildung und einer Wiederherstellung der Rentabilität“(6), d. h. durch den absoluten Vorrang der Mehrung unternehmerischer Profite erreicht werden.

Zur Steigerung der Profite forderten Duisberg & Co. weitere Reduzierungen der für Unternehmen relevanten Steuern, diese seien „auf das unumgängliche notwendige Maß zurückzudämmen“. Konkret verlangte die Denkschrift die „sofortige Herabsetzung der Gewerbesteuer mindestens auf die Hälfte“(7), wobei perspektivisch „ihre vollständige Beseitigung“(8) gefordert wurde, sowie eine gleichartige Reduzierung der Grundvermögenssteuer und die Senkung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommenssteuer auf maximal 25 Prozent.(9) Neue Arten von Steuern müssten eingeführt werden, die besonders die Lohnabhängigen zahlen würden, hieß es zudem. Hierzu zählte vor allem das Projekt einer „Mietsteuer“(10), die alle zur Miete wohnenden Bürgerinnen und Bürger, in Höhe eines festzulegenden Anteils ihrer Mietzahlung, an die Finanzämter abzuführen hätten.(11)

Weiterhin propagierten die Unternehmenslenker die Privatisierung öffentlicher Betriebe. Zur Begründung führten sie fernab jeder realen Erfahrung an: Nur „das freie Unternehmertum“ habe sich „als fähig erwiesen, den schwierigen Markt- und Wirtschaftsverhältnissen der Zeit gerecht zu werden und sich stets dabei auch verantwortungsvoll gegenüber den sozialen Forderungen des Staates gezeigt.“(12) Ferner sollten vor allem die Leistungen der gesetzlichen Sozialversicherungen drastisch schrumpfen. „Die Sozialversicherung soll die wirklich Schutzbedürftigen und Notleidenden betreuen, eine unberechtigte, die Volksmoral schädigende Ausnutzung ihrer Einrichtungen aber verhindern.“(13) Dazu hatte der Aufsichtsratsvorsitzende des Deutschen Kali-Syndikates, August Rosterg, bereits am 5. Mai 1929 in einem Zeitungsartikel die Melodie vorgegeben, als er behauptete, „die Hälfte aller Kranken sind Simulanten“.(14) Für die Erwerbslosen galt, dass die Zahlungen der „Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung“ an sie weiter eingeschränkt werden sollten.(15)
Über die Sphäre der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik hinaus wiesen die Vorschläge zur „Reform“ des Staates und seiner Organe. Hierzu gehörte besonders die Eliminierung des wichtigsten und ältesten Rechtes eines jeden Parlamentes, nämlich das der Bewilligung und Kontrolle des Staatshaushaltes. In diesem Zusammenhang schrieb der RDI ganz unverblümt: „Der Reichstag muss in der Ausübung seines Rechtes, Ausgaben zu bewilligen, weitgehende Selbstbeschränkung üben. Ohne Zustimmung der Reichsregierung dürfen die Ausgaben nicht erhöht werden.“(16)

Im Schlusskapitel der Denkschrift stand dann der heuchlerische Satz: „Wir sind uns darüber klar, dass eine gründliche Durchführung der Reformen von allen Seiten Opfer verlangt, aber diese Opfer müssen unbedingt gebracht werden, um die Gesamtheit der Wirtschaft und des Volkes vor dem Zusammenbruch zu retten.“(17)

Faschisierungskurs

Eine realistische Einschätzung der Denkschrift „Aufstieg oder Niedergang“ konnte nur zu dem Ergebnis gelangen, dass der hier vorgeschlagene ökonomische und politische Kurs nicht im Rahmen einer bürgerlich-parlamentarischen Ordnung realisiert werden konnte. Vielmehr deutete die Gesamtheit der in dieser Denkschrift niedergelegten Forderungen ohne jeden Zweifel in Richtung eines autoritären Regimes. Aus alldem ergab sich: Mit seiner Denkschrift hatte der RDI einen sehr wesentlichen Beitrag zur Installierung einer Variante monopolkapitalistischer Herrschaft geleistet, wie sie das ab dem 30. März 1930 regierende Kabinett unter Heinrich Brüning praktizierte, das seine Amtsgeschäfte mit Hilfe von Notverordnungen des Reichspräsidenten führte anstatt mit vom Parlament verabschiedeten Gesetzen. Zugleich legte es ein Programm für die weitere Faschisierung Deutschlands und den forcierten Kampf gegen die Arbeiterbewegung vor. In den darauffolgenden Jahren zeigte sich dann, dass Kapitaloffensive und Faschisierung nichts anderes waren als zwei Seiten einer Medaille.

Doch der Wechsel der Kanzlerschaft von Hermann Müller zu Heinrich Brüning, und im Verlauf des Jahres 1932 zu Franz von Papen und Kurt von Schleicher, genügte den tonangebenden Herren der Industrie nicht. Nachdem die NSDAP einen immer größer werdenden Massenanhang gewinnen konnte und sie aus den Reichstagswahlen im Juli und November 1932 als stärkste Partei hervorgegangen war (37,3 bzw. 33,1 Prozent der abgegebenen Stimmen), setzten bedeutende Monopolherren und Bankiers endgültig auf Hitler und seine faschistische Bewegung. Einige von ihnen, darunter Fritz Thyssen und Albert Vögler, Aufsichtsratsvorsitzender bzw. Generaldirektor der Vereinigten Stahlwerke AG, der ehemalige Präsident der Reichsbank Hjalmar Schacht, das Vorstandmitglied der zum FLICK-Konzern gehörenden Mitteldeutschen Stahlwerke AG, Otto Steinbrinck, der Aufsichtsratsvorsitzende der Commerzbank AG, Franz Heinrich Witthoeft sowie Otto Wolff, einer der weltweit größten Stahlhändler und Großaktionär diverser Großkonzernen, ebneten der faschistischen Partei durch finanzielle Alimentierung und politische Unterstützung den Weg in die Reichskanzlei.(18)
Und die IG FARBEN AG? Sie pflegte unter anderem über Heinrich Gattineau, Leiter der Presse- und Volkswirtschaftlichen Abteilung des Konzerns, und Heinrich Bütefisch, Direktor der Leuna-Werke, spätestens seit 1931 Kontakte zu Adolf Hitler persönlich sowie zum Gauleiter der NSDAP in Thüringen, SS-Obergruppenführer Fritz Sauckel.(19) Bei diesen Kontakten ging es vor allem um die zur Führung eines Angriffskrieges notwendige Energie-Autarkie Deutschlands. Hier boten sich die IG Farben AG mit ihrem Projekt der Herstellung synthetischen Benzins als Problemlöser an. Das Unternehmen sicherte Hitler und Heß die unbegrenzte Lieferung von Treibstoffen zu. Im Gegenzug erhielt die Firma nach 1933 Absatz-Garantien für synthetischen Treibstoff und Kautschuk („Buna”). Das dafür notwendige Verfahren der aufwendigen Kohlehydrierung war auf dem Weltmarkt bis dahin nicht konkurrenzfähig und damit eine gigantische Fehlinvestition des Konzerns. Nur durch den „Benzin-Pakt“ konnte es sich schließlich amortisieren.Und umgekehrt taten die VertreterInnen der IG FARBEN AG alles, um den „Führer“ der NSDAP an die Macht gelangen zu lassen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Als am 5. März 1933 – kurz nach der Machtübergabe an die Nazis – eine vertrauliche Runde von RepräsentantInnen der Monopole mit Adolf Hitler und Hermann Göring im Palais des Reichstagspräsidenten in Berlin tagte, ging es darum, für die bevorstehenden Wahlen Geld für die Kassen der NSDAP einzusammeln. Der IG-Vertreter Georg von Schnitzler, Vorstandsmitglied des Konzerns, zeigte sich von allen anwesenden Industriellen und Bankiers am spendabelsten. Er sagte die Überweisung von 400.000 Reichsmark auf das Konto der faschistischen Partei zu; eine Investition, die sich aus der Sicht des Konzerns rentieren sollte.(20) Hitler konnte mit Hilfe des Terrors der SA und SS sowie des Einsatzes des staatlichen Repressionsapparates die Wahlen gewinnen (43,9 Prozent der abgegebenen Stimmen plus 8,3 Prozent für die verbündete Deutschnationale Volkspartei) und mit den ökonomischen, politischen, militärischen und ideologischen Kriegsvorbereitungen beginnen; die Unterstützung des weltweit größten Konzerns der chemischen Industrie war ihm dabei sicher.
Die Denkschrift des RDI vom Dezember 1929 stand am Beginn des Prozesses der Faschisierung in Deutschland. Die maßgeblichen Repräsentanten der IG FARBEN gehörten zu den treibenden Kräften und zu den Begünstigten dieses Prozesses. Am Ende lag Europa in Trümmern. Dass die von den Alliierten als Kriegsverbrecher in Nürnberg („Fall 6“) angeklagten Lenker des Konzerns mit vergleichsweise milden Strafen für ihre an KZ-Häftlingen, in Gefangenschaft geratenen Soldaten und SklavenarbeiterInnen verübten Verbrechen davonkamen, war ebenso dem von den USA provozierten Kalten Krieg geschuldet wie der am 31. Januar 1951 verkündete „Gnadenerlass“. Durch diesen Akt des Hohen Kommissars der US-Regierung und Militär-Gouverneurs in Deutschland, John McCloy, erlangten die braunen Manager schon bald ihre Freiheit wieder. Und so konnten Verurteilte wie etwa Fritz ter Meer, Hans Kühne, Heinrich Hörlein oder Wilhelm Rudolf Mann wieder zu BAYER stoßen und dort ihre Karrieren fortsetzen.

Dieser Text ist die erweiterte Fassung eines Artikels, der am 30.11.2019 in der jungen Welt erschien.

Fußnoten

(1) Siehe zum Folgenden Reiner Zilkenat: Sozialabbau in der Weltwirtschaftskrise 1929 bis 1932/33, in: Isaf Grün/Benedikt Hopmann/Reinhold Niemerg, Hrsg.: Gegenmacht statt Ohnmacht. 100 Jahre Betriebsverfassungsgesetz – Der Kampf um Mitbestimmung, Gemeineigentum und Demokratisierung, Hamburg 2020 (VSA-Verlag), S.65ff.
(2)Verhandlungen des Deutschen Reichstages, 4. Wahlperiode, 1928/1930, 115. Sitzung, 13. Dezember 1929, Seite 3544B, (Band 426 der Gesamtreihe).
(3) Mitgliederversammlung des „Reichsverbandes der Deutschen Industrie“ am 20. und 21. September 1929 in Düsseldorf, Berlin 1929 (Veröffentlichungen des RDI, Nr.48), S.49.
(4) Siehe ebenda.
(5) Aufstieg oder Niedergang? Deutsche Wirtschafts- und Finanzpolitik 1929. Eine Denkschrift des Präsidiums des „Reichsverbandes der Deutschen Industrie“, Berlin 1929 (Veröffentlichungen des RDI, Nr.49), S.7f.
(6) Ebenda, S.8.
(7) Ebenda, S.14.
(8) Ebenda, S.35.
(9) Ebenda, S.56.
(10) Ebenda, S.15
(11) Ebenda, S.39.
(12) Ebenda, S.21.
(13) Ebenda, S.12.
(14) August Rosterg: Drehpunkte der deutschen Wirtschaftspolitik, in: Deutsche Bergwerks-Zeitung, Nr.105, 5.5.1929.
(15) Siehe Aufstieg oder Niedergang, S.28f.
(16) Ebenda, S.14.
(17) Ebenda, S.45.
(18) Siehe Reiner Zilkenat: Das deutsche Großkapital, der Keppler-Kreis und die NSDAP: Eine unentbehrliche Vorgeschichte des 30. Januar 1933, in: Rundbrief, hrsg. von der AG Antifaschismus beim Parteivorstand der Partei DIE LINKE, Heft 3-4/2012, S.4ff.; erweiterte Fassung in: https://nrw-archiv.vvn-bda.de/bilder/keppler-kreis.pdf (letzter Abruf: 14.2.2020)
(19) Siehe derselbe: „Gefangene Hitlers“. Ende November 1945 wurden 23 Manager der IG Farben verhaftet, in: junge Welt, 2.12.2015, S.12/13.
(20) Siehe James Borkin: Die unheilige Allianz der I.G. Farben. Eine Interessengemeinschaft im Dritten Reich, Frankfurt a. M. u. New York 1979, S. 59 u. Helmuth Tammen: Die I.G. Farbenindustrie Aktiengesellschaft. (1925-1933). Ein Chemiekonzern in der Weimarer Republik, Berlin 1978, S.284 u. 431f.

[Ticker] Ticker 01/2020

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Jahrestagung 2019

Aus gegebenem Anlass widmete die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) ihre diesjährige Jahrestagung, die am 5. Oktober in Düsseldorf stattfand, dem Klimawandel. „Konzerne, Klima, Katastrophen – am Beispiel des BAYER-Konzerns“ war die Veranstaltung überschrieben. Der Journalist Wolfgang Pomrehn führte mit einem Grundsatz-Referat in die Thematik ein. Mit einer Vielzahl von Fakten machte er den Ernst der Lage deutlich. Pomrehn entwarf ein apokalyptisches Bild der Zukunft, dessen Konturen sich heute schon allzu deutlich abzeichnen: lange Dürre-Perioden, Wetter-Extreme, das Ansteigen des Meeresspiegels und in der Folge Nahrungsmittel-Knappheit und Klima-Flüchtlinge. Trotzdem aber fehlt nach Einschätzung des Geo-Physikers der wirkliche Wille, eine Kehrtwende einzuläuten: Seit 2017 steigen die Kohlendioxid-Emissionen weltweit wieder. Wie hoch daran der Anteil der Industrie im Allgemeinen und der BAYERs im Besonderen ist, machte CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann deutlich. Von 3,63 Millionen auf 5,45 Millionen Tonnen erhöhte sich der Kohlendioxid-Ausstoß des Leverkusener Multis im Geschäftsjahr 2018, rechnete Stelzmann vor. Und nicht eben wenig hat die MONSANTO-Übernahme zu dieser verheerenden Klima-Bilanz beigetragen, denn neben allem anderen ist Glyphosat auch ein veritabler Klima-Killer. Vehement wehrt sich der Global Player deshalb gegen strengere Regelungen. Am Beispiel des Emissionshandels legte der Sozialwissenschaftler anschaulich dar, wie BAYER mit Androhungen von Standort-Verlegungen und anderen Mitteln eine wirksame Klima-Politik bekämpft. Zum Glück jedoch existieren Gegenkräfte. Anna Schönberg von der AKTION UNTERHOLZ berichtete von den Protesten gegen die Rodung des Hambacher Waldes, die von einem breiten Bündnis getragen wurden. Sogar Familien mit Kindern beteiligten sich an Akten des Zivilen Ungehorsams, so Schönberg. Die Klima-Streiks von FRIDAYS FOR FUTURE lösten nach den Erfahrungen von Luzie Stift, die der Kölner Dependance der SchülerInnen-Bewegung angehört, ähnliche Prozesse aus. Sie beschleunigten Stift zufolge die politische Bewusstseinsbildung immens: „Anhand dieser Klima-Frage erkennen ganz viele, dass sie antikapitalistisch werden müssen.“ Mit wem die AktivistInnen es dann genau zu tun bekommen, stellte Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der CBG dar. Er wandte sich in seinem Vortrag nämlich der gegenwärtigen Kapital-Fraktion mitsamt den hinter ihr stehenden Superreichen zu. Vor diesem Hintergrund unternahm der Diplom-Kaufmann dann eine Standort-Bestimmung der Konzern-Kritik weit über den Fall „BAYER“ hinaus. Das sorgte für Rede-Bedarf. Auch sonst kam es zu lebhaften Diskussionen. Zum Thema „Klima und Kapitalismus“ verliefen diese auch kontrovers, denn die Spannbreite des Publikums reichte vom ehemaligen BAYER-Beschäftigten bis hin zum gestandenen Linksradikalen. Trotz dieses Konflikt-Potenzials raufte sich mensch aber stets wieder zusammen. Einen Schwerpunkt der Aussprache bildete das Problem „Klima und Klasse“ und die Möglichkeiten, den Spalt, der sich zwischen Klima-AktivistInnen und Teilen der Gewerkschaften aufgetan hat, zu überwinden. Ansätze dazu gab es auch, waren doch alle bereit, die Frage der Arbeitsplätze und der gerechte Lasten-Verteilung mit in die Klima-Debatte einfließen zu lassen. Die Gruppen von Anna Schönberg und Luzie Stift etwa hatten beide schon das Gespräch mit VertreterInnen der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE und anderen Gewerkschaften gesucht und sich über Trennendes und Verbindendes ausgetauscht. Allerdings ist da noch viel zu tun, lautete das Resümee. So nahmen die BesucherInnen der Jahrestagung dieses Mal einen Arbeitsauftrag mit auf den Heimweg.

Bhopal mahnt

  • 1

Vor 35 Jahren ereignete sich im indischen Bhopal die bisher größte Chemie-Katastrophe der Menschheitsgeschichte. Am 3. Dezember 1984 explodierte in einem Pestizid-Werk von UNION CARBIDE ein Tank mit Methylisocyanat (MIC) und setzte eine riesige Giftwolke frei. Allein in den ersten drei Tagen starben 8.000 AnwohnerInnen. Und noch immer leiden Millionen von Menschen an den Spätfolgen der Detonation. Die INTERNATIONAL CAMPAIGN FOR JUSTICE IN BHOPAL (ICJB) hatte aus diesen Gründen zu Solidaritätsaktionen aufgerufen. Unter anderem fanden in Berlin und Düsseldorf Mahnwachen statt. Für die ICJB-Aktivistin Rachna Dhingra ist das, was am 3.12.84 passiere, nicht nur eine Geschichte von Bhopal, „sondern eine von Unternehmen, die von Gier und Profiten getrieben sind und diese über das Leben von Menschen und die Umwelt stellen“. Also auch eine von BAYER – umso mehr als die Geschichte des Leverkusener Multis auch eine direkte Verbindung zu der von Bhopal aufweist. Damals hatten die Behörden der Stadt den Konzern nämlich um Unterstützung gebeten, da er umfassende Kenntnisse über die Wirkung von MIC auf den menschlichen Organismus besaß. Aber der Global Player weigerte sich, dieser Bitte nachzukommen. Der renommierte Toxikologe Dr. Max Daunderer, der als einer von wenigen ExpertInnen in Bhopal half, berichtete gar nach seiner Rückkehr, dass Beschäftigte von BAYER vor Ort Feldstudien betrieben, ohne sich an den Rettungsarbeiten zu beteiligen. Und im Jahr 2001 übernahm die Aktien-Gesellschaft zudem das US-amerikanische Bhopal-Schwesterwerk vom „UNION CARBIDE“-Neubesitzer DOW CHEMICAL. Wie weit die Familien-Ähnlichkeit reichte, zeigte sich dann am 28. August 2008, als ein Vorratsbehälter in die Luft ging. Zwei Beschäftigte bezahlten das mit ihrem Leben. Von „Schockwellen wie bei einem Erdbeben“ sprachen AugenzeugInnen. Darum hat die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) das traurige Jubiläum zum Anlass genommen, einen Offenen Brief an BAYER zu schreiben und darin Fragen zu Störfällen, der Anlagensicherheit und zu den von den Zuleitungen ausgehenden Risiken zu stellen.

Bhopal mahnt

  • 2

Die UN hat den 35. Jahrestag der Katastrophe von Bhopal zum Anlass genommen, für die chemische Industrie verbindliche, sanktionsbewehrte Regeln zur Einhaltung der Menschenrechte zu fordern. „Bhopal: Die chemische Industrie muss die Menschenrechte respektieren“, ist die entsprechende Pressemitteilung aus dem Büro des „Hohen Kommissars für Menschenrechte“ (OHCHR) überschrieben. „Weiterhin ereignen sich vermeidbare Katastrophen, weil die chemische Industrie sich weigert, die Verantwortung für die Menschenrechte ernstzunehmen (...) Von tödlichen Explosionen von Fabriken und Lagerstätten bis zu der skandalösen Verletzung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit durch die Verseuchung von Wasser, Boden und Luft mit Giftstoffen – die Chemie-Industrie muss mehr zur Einhaltung der Menschenrechte tun“, so der UN-Sonderberichterstatter Baskut Tuncak.

Preis für Felicitas Rohrer

Im Juli 2009 erlitt die damals 25-jährige Felicitas Rohrer durch BAYERs Verhütungsmittel YASMINELLE eine beidseitige Lungen-Embolie mit akutem Atem- und Herzstillstand. Nur durch eine Notoperation gelang es den ÄrztInnen, ihr Leben zu retten. Bereits kurz danach nahm Rohrer den Kampf gegen den Leverkusener Multi auf. Auf der Hauptversammlung des Konzerns konfrontierte sie den Vorstand direkt mit den Auswirkungen ihrer einzig auf Profit-Maximierung ausgerichteten Geschäftspolitik. Scharf griff die Pharma-Geschädigte das Management an. Sie warf ihm vor, eine Pille, von der ein höheres Risiko für Embolien ausgeht als von den älteren Kontrazeptiva der 2. Generation, aggressiv als Lifestyle-Präparate vermarktet und damit den Tod junger Frauen in Kauf genommen zu haben. Zudem strengte Felicitas Rohrer eine Klage gegen den Pharma-Riesen an und rief die Organisaton „Risiko Pille – Initiative Thrombose-Geschädigter“ ins Leben. Am 23. November 2019 erhielt sie für ihr Engagement den Siegfried-Pater-Preis, der nach dem 2015 gestorbenen Publizisten und „Dritte Welt“-Aktivisten Siegfried Pater benannt ist. Die Laudatio hielt aus gegebenem Anlass Jan Pehrke von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG).

Keine Straßenumbennung in Dormagen

Am 29. 9. 2011 jährte sich der Geburtstag des langjährigen BAYER-Generaldirektors Carl Duisberg zum 150. Mal. Um die medialen Ständchen für den Mann zu konterkarieren, der im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas sowie die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen war und später einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörderkonzerns IG FARBEN hatte, rief die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Kampagne ins Leben. Sie mahnte anlässlich des Jahrestags die Umbenennung von Straßen, Schulen und anderen Einrichtungen an, die Duisbergs Namen tragen. Viele AktivistInnen ließen sich davon anregen und trugen die Forderung in die zuständigen Kommunal-Vertretungen. In Dortmund und Lüdenscheid hatte das Erfolg (siehe auch SWB 1/15). In Dormagen lagen sogar zwei Anträge zu der Causa „Duisberg“ vor. Einen hatten „Die Linke“ und Piraten-Partei gemeinsam eingereicht, ein anderer kam von Bündnis 90/Die Grünen. Die Stadt ließ daraufhin vom ehemaligen Stadt-Archivar Heinz Pankalla und anderen ExpertInnen ein Gutachten erstellen. Dessen Befund war ziemlich eindeutig: „Duisberg engagierte sich (...) massiv für die Erfindung und Produktion von Giftgas im Ersten Weltkrieg (...) Die Quellen belegen zudem, dass Duisberg mit dem Gift-Einsatz kaum moralische Bedenken verband.“ Bei der anschließenden AnwohnerInnen-Befragung sollten diese geschichtliche Fakten als Entscheidungshilfe dienen. Das taten sie jedoch nicht: Von 62 Haushalten lehnten 56 die Umbenennung ab. Auch gegen das Anbringen einer Tafel mit historischen Erläuterungen sprach sich eine deutliche Mehrheit aus. Trotzdem aber wollen die LokalpolitikerInnen zumindest mit einem kleinen Schild auf die Missetaten des ehemaligen Konzern-Lenkers hinweisen. Klartext wird darauf allerdings wohl nicht gesprochen: Die schwarz-rote Ratsmehrheit lehnte die Titulierung Duisbergs als „Kriegsverbrecher“ ab.

CBG auf der Ruhrtriennale

Seit dem Jahr 2002 findet im Ruhrgebiet jeden Sommer das Kunst-Festival „Ruhrtriennale“ statt. Dieses Mal war die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) mit von der Partie. Die Künstlerin Barbara Ehnes lud die Coordination ein, Teil ihres Kunst-Projektes werden. In ihrer mehrteiligen Video-Installation Αλληλεγγύη zum Thema „Solidarität“, bestehend aus zahlreichen Interviews, repräsentierte die CBG den Aspekt des Widerstands gegen die großen Unternehmen. Und so gab CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann Einblick in die Geschichte der Coordination. Zudem analysierte er BAYERs MONSANTO-Übernahme und skizzierte Perspektiven der Konzern-Kritik. Über fünf Wochen lang waren diese Statements dann zusammen mit anderen Beiträgen in der ganzen Bochumer Innenstadt auf Video-Monitoren zu sehen.

Aktion gegen Pflanzen-Patente

Der BAYER-Konzern hält nicht nur Patente auf gen-manipulierte Pflanzen, sondern auch auf solche aus konventioneller Zucht. So beansprucht er etwa geistiges Eigentum auf Tomaten, Gurken, Melonen, Salate sowie auf Gewächse mit bestimmten Eigenschaften wie etwa Stress-Resistenz. Nachdem das Europäische Patentamt (EPA) den Produzenten einer Tomate mit einem reduzierten Wasser-Gehalt sowie eines angeblich gegen Krebs wirkenden Brokkolis Schutzrechte zuerkannt hatte, befasste sich das Europäische Parlament mit der Sache. In einer Entschließung sprachen sich die Abgeordneten gegen Patente auf nicht gen-veränderte Pflanzen und Tiere aus. Darum muss sich jetzt die Große Beschwerdekammer der EPA mit der Sache befassen und ein Grundsatz-Urteil fällen. Zu diesem Verfahren hat ein breites Bündnis aus verschiedenen Organisationen – darunter auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) – und Einzelpersonen Stellungnahmen eingereicht, welche die Kammer bei ihrer Entscheidungsfindung berücksichtigen muss. 25.000 Statements konnte KEINE PATENTE AUF SAATGUT! übergeben. „Es darf keine Patent-Monopole auf die herkömmliche Züchtung von Pflanzen und Tieren geben. Sonst droht der Ausverkauf unserer Lebensgrundlagen an BAYER & MONSANTO, DOWDUPONT und SYNGENTA“, erklärten die Initiativen.

CBG schreibt Brief

Im Oktober 2019 hat die Zeitschrift Forum Nachhaltig Wirtschaften unkommentiert eine Pressemeldung BAYERs abgedruckt, in welcher der Konzern sich als Vorkämpfer eines nachhaltigen Ernährungssystems darstellt. Das ÖKO & FAIR UMWELTZENTRUM kritisierte das in einer Zuschrift an den Verlag vehement und informierte auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG). Diese reagierte ebenfalls mit einem Brief. „Wir von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN finden es empörend, dem Unternehmen BAYER als dem größten Agro-Konzern der Welt einfach so eine Plattform zu bieten, um sich als Vorreiter in Sachen „Nachhaltigkeit“ präsentieren zu können. Dabei hätte ein Blick in den letzten Geschäftsbericht des Multis genügt, um zu sehen, wie weit es bei BAYER mit der Nachhaltigkeit her ist“, hieß es in dem Schreiben mit Verweis auf den immensen CO2-Ausstoß des Global Players und andere Umweltsünden des Unternehmens.

ERSTE & DRITTE WELT

Absatzmarkt Indien

Ende Oktober 2019 fanden in New Delhi die deutsch-indischen Regierungskonsultationen statt. Die Bundesregierung verfolgte dabei vorrangig das Ziel, die wirtschaftliche Zusammenarbeit auszubauen. „Nicht nur die jüngsten Herausforderungen auf den amerikanischen und chinesischen Märkten sollten Anreiz dazu geben, sich noch eindeutiger als bisher strategisch im indischen Markt zu positionieren“, heißt es in einer Erklärung des Deutschen Bundestages. Vage mahnt die Petition, dabei auch die „Herausforderungen der globalen Nachhaltigkeits- und Klimapolitik“ stärker zu beachten. So fordert das Parlament die Bundesregierung dazu auf, „deutsche, in Indien tätige Unternehmen zu unterstützen, die Arbeits- und Menschenrechte gemäß des Nationalen Aktionsplans ‚Wirtschaft und Menschenrechte’ der Bundesregierung, der OECD-Richtlinien und vergleichbarer Regelwerke einzuhalten und zu Vorbildern verantwortlicher Unternehmensführung auszubauen.“ Nach Ansicht der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) braucht es für dieses Bestreben weniger „Unterstützung“ als vielmehr politischen Druck. Die bundesdeutschen Konzerne nehmen bei ihren Indien-Geschäften nämlich die Verletzung sozialer und ökologischer Standards bewusst in Kauf. So duldet der BAYER-Konzern etwa die verheerenden Zustände bei den ersten Gliedern seiner Lieferketten im Pharma-Bereich. Dank „Standort-Vorteilen“ wie niedrigen Löhne und laxen Umwelt-Auflagen können die betreffenden Firmen ohne Rücksicht auf Verluste produzieren, was verheerende Folgen für Mensch, Tier und Umwelt hat. In ihrer Presseerklärung zu den Regierungskonsultationen forderte die Coordination deshalb, dieses Thema auf die Tagesordnung zu setzen. Und der CBG-Kooperationspartner Anil Dayakar von der Initiative GAMANA, die vor Ort bereits einige Verbesserungen erreicht hat, appellierte an die großen Industrie-Länder, ihren Teil zur Lösung der Probleme beizutragen. „Wir haben die ersten Schritte gemacht. Jetzt wenden wir uns an den Westen. Wir erwarten, dass er sein System ändert. Er hat eine Verantwortung für das, was hier geschieht“, so Dayakar.

Stummer Gast in Genf

Auf internationaler Ebene gibt es einige Bemühungen, die großen Konzerne zur Einhaltung der Menschenrechte entlang ihrer gesamten globalen Liefer- und Wertschöpfungsketten zu drängen. Deutschland zieht da allerdings nicht so recht mit. So weigern sich Merkel & Co. seit Jahren, das Zusatz-Protokoll des UN-Sozialpakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte zu unterzeichnen. Dieses sieht bei Verstößen gegen das Abkommen nämlich konkrete Beschwerde- und Untersuchungsverfahren vor. Und so etwas möchte die Bundesregierung dem BAYER-Konzern, dessen indische Pharma-Zulieferer ohne Rücksicht auf Verluste für Mensch, Tier und Umwelt produzieren (s. o.), und den anderen bundesdeutschen Unternehmen lieber ersparen. Darum blieben die VertreterInnen der Großen Koalition auch bei der 5. Verhandlungsrunde zum sogenannten UN-Treaty, die vom 14. bis zum 18. Oktober 2019 in Genf stattfand, stumm. Die Europäische Union tat sich ebenfalls nicht weiter hervor. Da sie kein Verhandlungsmandat habe, müsse sie sich mit einer Positionierung zu den rechtsverbindlichen Instrumenten des Vertrages „zurückhalten“, gibt der Freitag eine Passage aus dem entsprechenden Kommuniqué wieder. Immerhin aber stimmte die EU anders als noch 2018 den Vorschlägen der Treaty-Leitung zum weiteren Procedere zu.

KAPITAL & ARBEIT

1,5 Prozent mehr Entgelt

Bei der diesjährigen Tarif-Runde leitete wiederum der BAYER-Manager Georg Müller für den „Bundesarbeitgeber-Verband Chemie“ (BAVC) die Verhandlungen mit der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE). Er einigte sich mit der Gewerkschaft auf eine Entgelt-Erhöhung von 1,5 Prozent. Diese tritt jedoch erst ab Sommer 2020 in Kraft; ein Jahr darauf gibt es dann noch einmal 1,3 Prozent mehr. Im ersten Halbjahr 2020 bleibt es dagegen bei Einmal-Zahlungen in Höhe von vier bis sechs Prozent eines Monatsentgelts. Das hat „aus Arbeitgeber-Sicht den Charme, dass sie die Löhne nicht dauerhaft verteuern“, schreibt die Rheinische Post. Die IG BCE hatte ursprünglich eine „spürbare“, deutlich über der Inflation liegende Steigerung der Bezüge gefordert. Sie hält sich jedoch zugute, dafür einige andere Verbesserungen erreicht zu haben. So richten BAYER & Co. nun Zukunftskonten für die Beschäftigten ein und überweisen 9,2 Prozent des Monatslohns darauf. Ob die Chemie-WerkerInnen sich diesen Betrag auszahlen lassen oder in Freizeit umwandeln, entscheiden diese selbst. Allerdings haben sich die Unternehmen ein Vetorecht vorbehalten. Darüber hinaus schließt die Chemie-Industrie für jeden Belegschaftsangehörigen eine Pflege-Zusatzversicherung ab und übernimmt den monatlichen Beitrag von 34 Euro.

IT-Abteilung streicht Jobs

Im Jahr 2011 hatte der BAYER-Konzern Teile seiner IT-Abteilung ausgegliedert und damit die Arbeitsplätze von 260 Belegschaftsangehörigen und 290 LeiharbeiterInnen vernichtet. 2012 holte er einige Bereiche wieder zurück. Aber auf Neu-Einstellungen verzichtete der Leverkusener Multi bei diesem „Insourcing“. Durch natürliche Fluktuation wollte er bis Ende 2015 sogar noch einmal mit rund 230 Stellen weniger auskommen. Und Ende 2019 gab es wieder einen Kurswechsel. IT-Chef Daniel Hartert kündigte ein Outsourcing an, dem 950 Jobs im Unternehmen zum Opfer fallen. Pflichtschuldig vergoß er dabei ein paar Krokodilstränen: „Es ist kein einfacher Schritt, sich von so vielen Mitarbeitern zu trennen.“

POLITIK & EINFLUSS

Lieferengpässe: Merkel & Co. tun was

Die vielen Lieferengpässe bei Arzneien (siehe DRUGS & PILLS) schrecken die Öffentlichkeit zunehmend auf. Der 1994 von BAYER gegründete „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VFA) will das Problem jedoch nicht wahrhaben. Die Versorgung klappe so gut, „dass es hohe Aufmerksamkeit erfährt, wenn doch einmal ein bestimmtes Präparat nicht verfügbar ist“, meint der Lobby-Club. Die Große Koalition konnte jedoch nicht länger ganz untätig bleiben. Allerdings schraubte sie die Erwartungen gleich herunter. „Lieferengpässe von Arzneimitteln haben sehr unterschiedliche Ursachen und sind daher nicht allein durch gesetzliche Maßnahmen auszuschließen“, erklärte die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP. So änderten CDU und SPD mit dem „Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittel-Versorgung“ nur einen Passus zu den Rabatt-Verträgen der Krankenkassen. Dieser macht DAK & Co. nun die Vorgabe, bei ihren Pharmazeutika-Ausschreibungen nicht länger nur nach dem billigsten Anbieter zu schauen. Sie müssen bei der Auswahl nun auch auf die „Gewährleistung einer unterbrechungsfreien und bedarfsgerechten Liefer-Fähigkeit“ achten. Und kurz vor Weihnachten 2019 brachte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zudem noch ein Paragraphen-Werk auf den Weg, welches das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ und das „Paul-Ehrlich-Institut“ in die Lage versetzt, strengere Meldepflichten und mehrwöchige Lager-Haltungen von Medikamenten anzuordnen. Überdies will Spahn sich auf EU-Ebene dafür einsetzen, Pillen-Produktionen nach Europa zurückzuholen. Das dürfte jedoch nicht allzu viel nutzen, da auch hierzulande – wie etwa bei BAYER in Leverkusen (siehe DRUGS & PILLS) – oder in Italien Probleme in den Fabriken auftreten, die Lieferengpässe nach sich ziehen. Die SPD drang auf weitergehende Maßnahmen und wollte beispielsweise die Konzerne für Lieferengpässe haftbar machen, aber die Partei vermochte es nicht, sich gegen ihren Koalitionspartner durchzusetzen.

Kommt das Lieferketten-Gesetz?

Die Lieferketten BAYERS im Pharma-Bereich erstrecken sich über den gesamten Globus. So bezieht der Leverkusener Multi Arznei-Grundstoffe aus Indien und China, wo hunderte Firmen zu Schnäppchen-Preisen für den Weltmarkt fertigen, was verheerende Folgen für Mensch, Tier und Umwelt hat. In anderen Branchen kommt es im Zuge der Globalisierung zu ähnlichen Phänomenen. Darum erkannten die Vereinten Nationen bereits im Jahr 2011 Handlungsbedarf und hielten ihre Mitgliedsländer dazu an, Maßnahmen zu ergreifen. Die Bundesregierung sah dabei erst einmal davon ab, übermäßigen Druck auf die Konzerne auszuüben. „Sozial- und Umweltstandards in nachhaltigen Wertschöpfungsketten können am besten durch eine intelligente Verknüpfung freiwilliger und verbindlicher Ansätze gestärkt werden (‚smart mix’)“, meint die Große Koalition. Zu diesem Behufe hob sie den Nationalen Aktionsplan (NAP) aus der Taufe. In dessen Rahmen erfragten CDU und SPD bei den Firmen, ob - und wenn ja – in welcher Form sie entlang ihrer weltumspannenden Lieferketten die Einhaltung der Menschenrechte gewährleisten. Von den Antworten wollten Merkel & Co. dann ihr weiteres Vorgehen abhängig machen. Der Befund fiel ernüchternd aus. Erst einmal schickten überhaupt nur 464 von 3.000 angeschriebenen Unternehmen den Fragebogen zurück, und von diesen erfüllte zudem nur jedes fünfte die sozialen und ökologischen Standards. „Das Ergebnis zeigt eindeutig: Freiwilligkeit führt nicht zum Ziel“, resümierte Entwicklungshilfe-Minister Gerd Müller (CSU) und konstatierte: „Wir brauchen einen gesetzlichen Rahmen“. Falls die nächste Umfrage kein besseres Ergebnis erbringe, beabsichtige er gemeinsam mit Arbeitsminister Hubertus Heil einen solchen zu schaffen, drohte der Politiker an. Entsprechend empört reagierten die WirtschaftsvertreterInnen. „Mit so einem Gesetz stehe ich ja schon mit beiden Beinen im Gefängnis. Dieser Unfug ist so groß, dass er nicht kommen wird“, erklärte etwa Arbeitgeber-Präsident Ingo Kramer.

Treffen mit Putin

Anfang Dezember 2019 traf sich der „Ost-Ausschuss – Osteuropaverein der Deutschen Wirtschaft“ (OAOEV) in Sotchi mit Wladimir Putin. Auch BAYER-Chef Werner Baumann nahm an der Zusammenkunft, welche die Boulevard-Zeitung Bild ein „Treffen der Schande“ nannte, teil. Baumann & Co. sprachen sich vor Ort für die Gas-Leitung „Nord Stream 2“ sowie für eine Aufhebung der Sanktionen gegen Russland aus, „denn die Milliarden, die dadurch verloren gehen, könnten in die Wiederherstellung der Wirtschaft und die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit unseres Kontinents investiert werden“.

PROPAGANDA & MEDIEN

Lobbying gegen Lieferketten-Gesetz

Der Nationale Aktionsplan (NAP) zur Einhaltung der Menschenrechte entlang der Lieferketten nebst im Raume stehender gesetzlicher Maßnahmen (siehe POLITIK & EINFLUSS) macht BAYER & Co. zunehmend nervös. Dementsprechend hoch ist ihr Lobby-Einsatz, wie Recherchen der Initiative INKOTA ergaben. Von Anfang März bis Ende Juli 2019 trafen sich EmissärInnen von Unternehmen oder Unternehmensverbänden insgesamt elf Mal mit VertreterInnen des Bundeswirtschaftsministeriums. Weitere Zusammenkünfte gab es im Auswärtigen Amt und im Kanzleramt. Der Hauptgeschäftsführer der „Bundesvereingung der deutschen Arbeitgeber-Verbände“ (BDA), der ehemalige Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter, schrieb in der Sache zudem einen Brief an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Kanzleramtschef Helge Braun (CDU). „Die Frage, ob die Bundesregierung ein für die Wirtschaft derart schädliches Gesetz (...) einführt, darf nicht von einem untauglichen und das wirkliche Engagement der Unternehmen verzerrenden Monitoring abhängen (...) Vielmehr sollte die Bundesregierung weiterhin dem Freiwilligkeitsgrundsatz folgen, hieß es in dem Schreiben. Und BDA-Präsident Ingo Kramer redete Entwicklungshilfe-Minister Gerd Müller (CSU) nach einer persönlichen Begegnung, bei der die beiden über einen Entwurf zum Lieferketten-Gesetz redeten, ins Gewissen. „Ich hatte in diesem Gespräch den festen Eindruck gewonnen, dass sie sich dieses Papier nicht zu Eigen machen wollten. Ich hatte Sie auch so verstanden, dass Sie bereit wären, sich öffentlich von diesem Text zu distanzieren (...) Ich halte es für erforderlich, dass Sie ihre Position klarstellen“, so Kramer.

BAYER wollte Presse-Verband kaufen

Nach Recherchen der britischen Tageszeitung The Guardian wollte der BAYER-Konzern sich durch massive finanzielle Zuwendungen Einfluss auf die US-amerikanische „Foreign Press Association (FPA)“ erkaufen. Der Leverkusener Multi beabsichtigte dem Guardian zufolge, die Non-Profit-Organisation, die hauptsächlich AuslandskorrespondentInnen, andere JournalistInnen und PR-Fachleute zu ihren Mitgliedern zählt, zu nutzen, um das nicht zuletzt durch den MONSANTO-Deal angeschlagene Image des Konzerns aufzupolieren. Zwei ManagerInnen der US-amerikanischen BAYER-Dependance hatten mit dem FPA-Geschäftsführer Thanos Dimadis eine Absprache getroffen, wonach der Agro-Riese nach Zahlung eines bestimmten Betrags einen Sitz im Beirat der FPA erhalten sollte. Im Preis enthalten war auch die Möglichkeit des Agenda-Settings für die Foren, welche die FPA für ihre Mitglieder anbietet. Das gemeinsame Ausrichten einer Konferenz zum Thema „Fake News“ stand ebenfalls zur Debatte. Darüber hinaus plante Dimadis „Hintergrund-Briefings“ mit nationalen und internationalen JournalistInnen zu „Themen, die in BAYERs Kommunikationsprioritäten und strategische Ziele passen“, wie er in einer Mail an den Leverkusener Multi schrieb. Damit nicht genug, ließ Dimadis der Aktien-Gesellschaft im September 2018 noch eine Liste mit über 300 AuslandskorrespondentInnen zur freien Auswahl zukommen: Der Konzern konnte sich aus der Aufstellung diejenigen Personen aussuchen, die er „an sich binden“ wollte. Allerdings hatte Thanos Dimadis wichtige EntscheidungsträgerInnen seiner eigenen Organisation nicht in den BAYER-Deal eingeweiht. Deshalb kam das Projekt mit Dimadis’ Wechsel von der „Foreign Press Association“ zur „Association of Foreign Correspondents in the United States“ zum Erliegen. Als andere FPA-Verantwortliche dann auf den nicht vollständig gelöschten Mail-Verkehr mit der bundesdeutschen Firma stießen, reagierten sie empört. BAYER habe versucht, die FPA zu kaufen, konstatierte Vize-Präsident Ian Williams. Präsident David Michaels sprach im Hinblick auf die zwischen Dimadis und dem Global Player getroffenen Vereinbarungen sogar von einer „Verschwörung“, welche die Integrität der Organisation und des Journalismus an sich bedrohe.

BAYER macht Schule

„Wie DAX-Unternehmen Schule machen“ lautet der Titel einer Studie der Otto Brenner Stiftung (OBS). Der Autor Tim Engartner zeigt in seiner Arbeit auf, wie massiv die Konzerne mittlerweile die Lehrpläne bestimmen. Nicht weniger als 800.000 – natürlich kostenlose – Lehrmaterialien haben sie bereits erstellt. Und diese müssen noch nicht einmal die bei normalen Schulbüchern üblichen pädagogischen Eignungstests durchlaufen, ehe sie in den Klassenzimmern landen. Natürlich ganz vorne mit dabei: BAYER. Der Untersuchung zufolge „nutzt das Unternehmen alle Formen von Schulmarketing-Aktivitäten“. Unterrichtsmaterialien, Wettbewerbe, Betriebsführungen sowie mobile und stationäre Schullabore zählt Engartner unter anderem auf. Auch die Wimmelbücher, mit denen der Leverkusener Multi schon die Kleinsten in Kindergärten heimsuchte, nennt der Wissenschaftler. „Die Vermutung, dass nicht nur die regional bedeutsame Chemie-Industrie illustriert werden soll, sondern die im bunten Treiben des Wimmelbuches platzierten Logos zugleich ein positives Unternehmensbild evozieren sollen, liegt nahe“, hält er fest und erwähnt in diesem Zusammenhang auch die Kampagne der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) gegen die frühpädagogischen Anwandlungen des Konzerns. Angesichts des alarmierenden Befundes von „Wie DAX-Unternehmen Schule machen“ schreibt OBS-Geschäftsführer Jupp Legrand im Vorwort: „Stiftung und Autor sind überzeugt, dass dringend gehandelt werden muss, um z. B. den Verlust demokratischer Legitimation schulischer Bildungsinhalte durch Privatisierungstendenzen zu stoppen.“

TIERE & VERSUCHE

Labor fälschte Studien

Der Tierversuchskonzern LABORATORY OF PHARMACOLOGY AND TOXICOLOGY (LPT), der auch BAYER zu seinen Kunden zählt, steht in der Kritik. So hat LPT nach Undercover-Recherchen von TierschützerInnen massiv gegen die ohnehin nicht eben strikten Grenzen des Erlaubten verstoßen. Katzen erhielten bis zu 13 Mal am Tag Stiche in die Beine, Hunde mussten in blutverschmierten Gehegen dahinvegetieren und Affen in viel zu kleinen Käfigen ihren Tod abwarten. Damit nicht genug, führte die Firma auch nicht genehmigte Versuche an Kaninchen durch und manipulierte Studien. Eine Ex-Beschäftigte räumte das in einem Fernseh-Interview freimütig ein. „Ich habe Dokumente gefälscht. Wenn da Ergebnisse nicht den Erwartungen entsprachen, bin ich angehalten worden, das zu verbessern“, bekannte sie. Eine andere Frau berichtet noch von anderen Methoden. Bei einer Kurzzeit-Studie mit einem Medikament starben Ratten bei der höchsten Dosierung elendig, was der Auftraggeber jedoch nicht erfahren sollte. „Um jetzt dem Kunden eine entsprechende Nachricht nicht mitteilen zu müssen, wurde die höchste Dosierung durch eine deutlich niedrigere ersetzt. Die Tiere wurden ausgetauscht und so ein positiveres Ergebnis erzielt“, so die ehemalige LPT-Angestellte. Das demonstriert einmal mehr, wie wenig aussagekräftig die Tests „am Tier-Modell“ sind. Nach dem Bekanntwerden der unhaltbaren Zustände bei LPT kam es immer wieder zu Demonstra-tionen und Protest-Veranstaltungen, was Konsequenzen hatte. Der Standort Mienenbüttel schloss nach den letzten von den Behörden genehmigten Versuchen an Hunden. Ob das Unternehmen noch weitere Niederlassungen dichtmachen muss, steht bis dato nicht fest.

DRUGS & PILLS

In Treue fest zu IBEROGAST

Auch Medikamente auf pflanzlicher Basis wie BAYERs Magenmittel IBEROGAST, das 2013 mit dem Kauf von STEIGERWALD in die Produkt-Palette des Pharma-Riesen gelangte, können es in sich haben. So schädigt der IBEROGAST-Inhaltsstoff Schöllkraut die Leber. Arzneien mit einer hohen Schöllkraut-Konzentration hat das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) deshalb schon aus dem Verkehr gezogen. Vom Leverkusener Multi verlangte es, diese Nebenwirkung auf dem Beipackzettel zu vermerken und insbesondere Schwangere vor der Einnahme des Präparats zu warnen. Der Konzern lehnte es aber ab, der Anordnung nachzukommen, und zog vor Gericht. Diese Hinhalte-Taktik kostete einen Menschen das Leben. Eine Frau starb an Leberversagen. Da duldete das BfArM dann keinen Aufschub mehr. Es drohte dem Pillen-Riesen mit einem „Sofort-Vollzug“ der Beipackzettel-Änderung. Und da erst fügte sich der Global Player zähneknirschend. Mittlerweile ermittelt die Kölner Staatsanwaltschaft in der Sache sogar wegen fahrlässiger Tötung (siehe SWB 4/19). BAYER aber steht weiter in Treue fest zu dem Mittel. So wartete der Konzern Anfang Dezember 2019 mit einer Pressemeldung auf, wonach „eine internationale Experten-Runde in einer aktuellen Publikation“ IBEROGAST „ein optimales Nutzen/Risiko-Profil bei Reizmagen und Reizdarm“ bescheinigt habe. Bei der „Publikation“ handelte es sich jedoch nicht um eine Studie, wie Unbedarfte annehmen müssen, sondern um die Zusammenfassung der Ergebnisse eines von BAYER gesponserten Workshops mit von BAYER gesponserten MedizinerInnen. Deren Befund, es gäbe „keine Anhaltspunkte für eine relevante Toxizität der Inhaltsstoffe“, wundert deshalb nicht weiter.

NIMOTOP-Lieferengpass

In der Bundesrepublik kommt es seit geraumer Zeit verstärkt zu Liefer-Engpässen bei Arzneimitteln. Auf der aktuellen Fehl-Liste des „Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfArM) findet sich nun schon zum wiederholten Mal das BAYER-Mittel NIMOTOP. Als Grund dafür, dass das die Gehirn-Durchblutung fördernde Produkt wieder einmal nicht erhältlich ist, nennt der Leverkusener Multi „Produktionsprobleme“. Auch auf das Krebs-Präparat XOFIGO, das Herz/Kreislauf-Pharmazeutikum ADALAT, das Malaria-Medikament RESOCHIN, den Blutdruck-Senker BAYOTENSIN, das Kontrastmittel ULTRAVIST, das unter anderem bei der Akut-Behandlung von Herzinfarkten zum Einsatz kommende ASPIRIN i. v. 500 mg sowie auf die Johanniskraut-Arznei LAIF zur Behandlung milder Depressionen warteten die Apotheken in der Vergangenheit schon vergeblich. Aktuell verzeichnet das BfArM rund 270 Lieferengpässe. Diese entstehen hauptsächlich, weil die Pharma-Riesen die Fabrikation gnadenlos rationalisiert haben. So versuchen sie etwa verstärkt, „just in time“ zu produzieren und auf diese Weise Lager-Kapazitäten abzubauen. Überdies gliedern die Unternehmen die Wirkstoff-Herstellung zunehmend in Länder der „Dritten Welt“ aus. Darum gibt es immer weniger Fertigungsstätten, und wenn es in einer einmal hakt, können andere Standorte nicht mehr einspringen. Aber auch bei BAYER selber treten „Produktionsprobleme“ auf. So musste der Konzern nach einer Intervention der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA seine Leverkusener Arznei-Anlagen wegen vieler Missstände im Jahr 2018 generalüberholen, was „Versorgungsunterbrechungen“ nach sich zog (siehe auch SWB 2/18).

Vom Lieferengpass zum Lieferstopp

Lieferengpässe für BAYERs Malaria-Arznei RESOCHIN mit dem Wirkstoff Chloroquin-Phosphat hatte es in der Vergangenheit schon gegeben (s. o.). Jetzt aber sind die Kanäle ganz dicht, wie Apotheke adhoc berichtet. „Grund dafür ist, dass die Herstellung des Arznei-Stoffs Chloroquin-Phosphat nicht mehr in der erforderlichen Qualität erfolgen kann. Die weltweite Suche nach einem alternativen Hersteller verlief laut Konzern erfolglos, sodass die Produktion zum Stoppen kam“, so das Web-Portal. Die Mängel dürften in Indien aufgetreten sein. Das Land hat sich nämlich gemeinsam mit China und Italien zum Hauptproduzenten von pharmazeutischen Substanzen entwickelt und das Joint Venture, das der Leverkusener Multi dort mit dem heimischen Produzenten ZYDUS gegründet hat, führt Chloroquin-Phosphat auf seiner Produkt-Liste. Entweder also traten in den Werken von BAYER ZYDUS PHARMA Probleme auf oder aber bei den Lieferanten der Basis-Stoffe für das Mittel.

AGRO & CHEMIE

Glyphosat-Verkäufe gehen zurück

In Deutschland geht der Glyphosat-Absatz zurück. Er sank 2018 im Vergleich zum Vorjahr um 26,5 Prozent auf 3.450 Tonnen. Die Höchstmarke hatte der Verkauf im Jahr 2008 mit 7.610 Tonnen erreicht.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Feuer in Bitterfeld

Am 15.11.2019 kam es am BAYER-Standort Bitterfeld zu einem Brand. Bei Dacharbeiten auf einem Hochregal-Lager hatten sich Dachplatten entzündet. Auf mehrere Kilometer Entfernung waren die Rauchschwaden zu sehen. Trotzdem wiegelte der Leverkusener Multi sofort ab und erklärte, es bestehe keine Gefahr für Anwohnerinnen und Anwohner.

Brand in Dormagen

Am 19.11.2019 brach in der Tankreinigungsstation des Dormagener Chemie-„Parks“ ein Brand aus. Bei der Säuberung eines Behältnisses fing ein Lösemittel Feuer. Fünf Beschäftigte mussten zur Untersuchung ins Krankenhaus, aber der Verdacht auf Rauchgas-Vergiftung bestätigte sich nicht. Nach Angaben der Betreiber-Gesellschaft CURRENTA kam es auch zu keiner erhöhten Schadstoff-Konzentration in der Luft. An der CURRENTA hält BAYER 60 Prozent der Geschäftsanteile. Im Sommer verkaufte der Konzern diese jedoch an einen Finanzinvestor. Allerdings müssen die Kartell-Behörden dem Deal noch zustimmen.

IMPERIUM & WELTMARKT

BAYER auf der CIIE in Shanghai

Der BAYER-Konzern nahm im November 2019 an der chinesischen Import-Messe CIIE teil. Er präsentierte in Shanghai unter anderem Pharmazeutika, nicht rezeptpflichtige Arzneien und Pestizide. In einem zu dem Event veröffentlichten Statement bezeichnete der Leverkusener Multi die CIIE als eine wegweisende Maßnahme der chinesischen Regierung, um ihre Politik der Öffnung zu stärken.

RECHT & UNBILLIG

Verbotener Pestizid-Einsatz

Die Inseln des US-Bundesstaates Hawaii haben sich zu einem riesigen Freiluft-Labor für die Agro-Riesen entwickelt. Auch die nunmehrige BAYER-Tochter MONSANTO unterhält dort eine Forschungsanlage. Im Jahr 2014 testete sie dort das wegen seiner extremen Giftigkeit verbotene Pestizid Penncap-M. Dabei setzte das Unternehmen auch die Gesundheit der Beschäftigten aufs Spiel. Sie mussten nämlich schon eine Woche nach dem Sprüh-Einsatz auf den Feldern nachsehen, wie die Agro-Chemikalie gewirkt hat, obwohl die Vorschriften dafür die Frist von einem Monat setzen. Darum verurteilte ein Gericht in Honolulu den Leverkusener Multi nun zu einer Strafe in Höhe von zehn Millionen Dollar. „Das rechtswidrige Verhalten in diesem Fall stellt eine Bedrohung für die Umwelt, die umliegenden Gemeinden und die MONSANTO-Arbeiter dar“, so der Richter Nick Hanna. Wie bei den anderen erst nach der Übernahme bekannt gewordenen MONSANTO-Sünden blieb dem Leverkusener Multi auch dieses Mal nichts anderes übrig, als sich reumütig zu zeigen. „Der Vorfall tut uns sehr leid“, bekannte der Konzern und stellte klar, sein Neuerwerb habe damals „weder entsprechend den eigenen Standards noch gemäß der geltenden Gesetze gehandelt“. Ein kleines Aber musste jedoch wie immer dabei sein. Es lägen keine gemeldeten Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt als Folge der illegalen Praxis vor, so der Global Player.

Klage wg. EEG-Tricks

Die in der Strom-Rechnung enthaltene EEG-Umlage gilt der Förderung alternativer Energien. Allerdings tragen nicht alle gleichermaßen zu der Subventionierung von Wind & Co. bei. Der Gesetzgeber hat BAYER und andere Chemie-Firmen wegen ihres hohen Energie-Bedarfs und entsprechend hoher Kosten weitgehend von der Abgabe befreit. Zudem zahlen die Konzerne für die Elektrizität, die sie in ihren eigenen Kraftwerken selbst erzeugen, nichts in den EEG-Topf ein. Das sogenannte Eigenstrom-Privileg entbindet sie davon. Aber den Multis reichte das noch nicht. Sie wollten sich auch bei dem zugekauften Strom vor den EEG-Zahlungen drücken, die sich pro Gigawatt-Stunde auf rund 64.000 Euro belaufen. Dafür bedienten sich die Gesellschaften des „Scheibenpacht-Modells“, das sich schlaue BeraterInnen ausgedacht hatten. Diese entwickelten Verträge, die BAYER, RWE, DAIMLER und andere Global Player von schnöden Strom-Kunden zu Pächtern von Kraftwerk-Anteilen machten – und damit zu Nutznießern des Eigenstrom-Privilegs. „Einzelne Unternehmen sparten auf diese Weise Hunderte Millionen Euro“, so der Spiegel, der den Skandal aufdeckte. Darum haben Netzbetreiber wie AMPRION die Unternehmen nun verklagt. Der Leverkusener Multi aber ist sich keiner Schuld bewusst und beteuert, sich immer an geltendes Recht gehalten zu haben

[Die Eigentumsfrage] Muss der BAYER-Konzern Enteignungen fürchten?

CBG Redaktion

So schnell kann’s gehen: In Deutschland ist eine Debatte über Enteignungen entbrannt. Die Panik-Reaktionen aus den Vorstandsetagen ließen nicht lange auf sich warten. Aber müssen BAYER, BMW, SIEMENS & Co. jetzt wirklich Angst haben? Eher nicht. Die Konzerne profitieren sogar selber von den entsprechenden Regelungen im Grundgesetz.

Von Uwe Koopmann und Jan Pehrke

Ein kleines Gespenst geht um in Deutschland: Das Enteignungsgespenst. Freigelassen hat es eine Berliner Initiative, welche die Vergesellschaftung großer Immobilien-Konzerne als einziges Mittel sieht, der grassierenden Wohnungsnot Herr zu werden. Robert Habeck von Bündnis 90/Die Grünen äußerte Verständnis für den Vorstoß. Und in einem Interview mit der Wochen-Zeitschrift Die Zeit erweiterte der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert dann die Perspektive noch einmal und nahm auch Unternehmen wie BMW in den Blick. „Die Verteilung der Profite muss demokratisch kontrolliert werden. Das schließt aus, dass es einen kapitalistischen Eigentümer dieses Betriebs gibt. Ohne Kollektivierung ist eine Überwindung des Kapitalismus nicht denkbar“, sagte der Jungsozialist.
Es folgten harsche Reaktionen. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) warf Habeck „Linkspopulismus“ vor, und das Handelsblatt sah den Grünen-Vorsitzenden eine „Rolle rückwärts in den Sozialismus“ vollziehen. Kevin Kühnert musste sich Ähnliches anhören. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) machte bei dem Juso „das rückwärtsgewandte und verschrobene Retro-Weltbild eines verirrten Fantasten“ fest, während der CSU-Generalsekretär Markus Blume von „Hirngespinsten“ sprach. Die eigene Partei sparte ebenfalls nicht mit Kritik. „Grober Unfug“ erboste sich etwa Johannes Kahrs vom konservativen „Seeheimer Kreis“ der Sozialdemokraten. BAYERs Lobby-Club, der „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI) durfte in dem Chor natürlich nicht fehlen. „Unausgegorene Ideen für eine sozialistische Wirtschafts- und Gesellschaftsform verlieren sich im Nebel aus unbestimmten Wünschen und Rezepten von gestern“, resümierte der BDI.
Nur vereinzelt gab es anderslautende Statements. „Was Kevin Kühnert gesagt hat, geht vielleicht über das Ziel hinaus. Aber die Richtung ist die richtige“, meint etwa die Vorsitzende der Kölner SPD, Christiane Jäger: „Es läuft momentan etwas auseinander in dieser Republik. Es muss doch so sein, dass jemand, der sein Leben lang Vollzeit gearbeitet hat, von dem Gehalt leben kann und ihm das auch mit der Rente noch möglich ist. Solche Entwicklungen haben konkrete Auswirkungen für Köln. Wo sollen beispielsweise die guten Einkommen herkommen, wenn bei FORD abgebaut wird, bei BAYER, in den Zentralen der Handelskonzerne, in der Braunkohle bei RWE. Wenn diese Arbeitsplätze nach und nach wegfallen, kann die Situation irgendwann kippen.“

Der Artikel 15
Dreh- und Angelpunkt der Debatte: der Artikel 15 des Grundgesetzes. „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen des Gemeineigentums überführt werden“, hält dieser fest. Und der Leverkusener Multi hatte – unfreiwilligerweise – keinen geringen Anteil daran, dass der Paragraf Eingang in die Verfassung fand. Er gehörte nämlich zu den Mitgründern der IG FARBEN, und die Verbrechens dieses Konzerns und anderer Unternehmen während des Faschismus veranlassten die Mütter und Väter des Grundgesetzes, Vorsorge-Maßnahmen gegen eine unbeschränkte Kapital-Herrschaft zu treffen. So schreibt die Rheinische Post: „Lange führte dieser Artikel ein Schattendasein, bisher ist er nie angewendet worden. Dass er überhaupt ins Grundgesetz kam, ist aus der historischen Situation zu erklären. Großkonzerne hatten Nazi-Deutschland U-Boote, Panzer und Treibstoff für den Weltkrieg geliefert sowie Giftgas für die Vernichtungslager. Zugleich hatten es die Konzerne in der Weimarer Republik nicht vermocht, Wohlstand für alle zu erzeugen.“ Bis in die CDU hinein verbreitete sich diese Auffassung. „Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden. Nach dem furchtbaren Zusammenbruch als Folge einer verbrecherischen Macht-Politik kann nur eine Neuordnung von Grund auf erfolgen“, heißt es im Ahlener Programm der Partei von 1947.
Wirtschaftsfreundliche Kreise traf der Enteignungsvorstoß einigermaßen unvor-bereitet. Zu spät hatten sie die offene Flanke in der Verfassung bemerkt, die auch noch vom Bundesverfassungsgericht gedeckt wird, spricht dieses doch von der „wirtschaftspolitischen Neutralität des Grundgesetzes“. Darum sannen die Fans des freien Unternehmertums sogleich auf Abhilfe, als sich die Schockstarre gelöst hatte. Wirtschaftsprofessor*innen starteten eine Initiative, um die soziale Marktwirtschaft in der Verfassung zu verankern, und die FDP setzt von der anderen Seite her an. Sie will den Bundestag zu dem Beschluss veranlassen, den Artikel 15 zu streichen. Einem entsprechenden Antrag, „Bauen statt Klauen“ betitelt, stimmten die Delegierten auf dem Bundesparteitag Ende April 2019 zu. „Artikel 15 passt nicht zur sozialen Marktwirtschaft. Er ist ein Verfassungsrelikt und wurde aus gutem Grund nie angewandt. Ihn abzuschaffen, wäre ein Beitrag zum sozialen Frieden und würde die Debatte wieder auf das Wesentliche lenken“, sagte Liberalen-Chef Christian Lindner dem Tagesspiegel zur Begründung.
Andere Fraktionen hingegen halten den Kapitalismus für wehrhaft genug, den aktuell diskutierten Bestrebungen zu trotzen. So findet der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht, Dieter Grimm, in der Faz beruhigende Worte: „Die Wege in die radikalen Alternativen sind verfassungsrechtlich versperrt. Vor der sozialistischen Planwirtschaft stehen die Grundrechte der Eigentumsfreiheit (Artikel 14), der Berufsfreiheit (Artikel 12) und, als Teil der freien Entfaltung der Persönlichkeit (Artikel 2, Absatz 1), die Vertragsfreiheit.“ Der Jurist Helge Sodan hält sogar den notorischen Artikel 15 für wetterfest, weil hohe juristische Hürden dem Ansinnen entgegenstehen, ihn als Instrument für den Aufbruch in die klassenlose Gesellschaft zu nutzen. Darum ist der Paragraf Sodan zufolge „bei genauer Betrachtung alles andere als ein ‚Einfallstor’ für die Etablierung des Sozialismus als Wirtschaftsform“, sondern eher eine „Sozialisierungsvermeidungsnorm“. Und dann ist da ja auch noch Europa. Beim Vertrag von Lissabon, von 2009, haben die Regierungschef*innen nämlich Nägel mit Köpfen gemacht und die soziale Marktwirtschaft fest im Artikel 3 verankert.

BAYER enteignet selbst
Ein bisschen was geht aber doch, nur leider profitiert davon nicht die Allgemeinheit – ganz im Gegenteil. Manchmal steht das Eigentum fremder Leute nämlich auch den Profit-Interessen der großen Konzerne im Weg. Und in solchen Fällen gilt es, flugs alle Hindernisse zu beseitigen. Wenn BAYER etwa quer durch Nordrhein-Westfalen eine 67 Kilometer lange Pipeline zur Durchleitung hochgiftigen Kohlenmonoxids verlegen will, muss ohne Rücksicht auf Verluste alles weichen, was auf der Strecke liegt. Das taten etwa Teile des Grundstücks des Landwirts Heinz-Josef Muhr. Deshalb kam das „Gesetz über die Errichtung und den Betrieb einer Rohrleitungsanlage zwischen Dormagen und Krefeld-Uerdingen“ in Anschlag, das die Lizenz zu Enteignungen ausstellt. Der „Lex BAYER“ folgte dann die „vorläufige Besitz-Einweisung“ auf dem Fuße. Durch diese erhielt der Leverkusener Multi die Verfügungsgewalt über den Grund und Boden und bestellte postwendend den Bau-Trupp. Muhr aber zog vor Gericht, denn er bestreitet die Rechtmäßigkeit des Verfahrens, dürfen Enteignungen doch nur vorgenommen werden, wenn sie dem Allgemeinwohl dienen. Und bei einer Leitung, die gemeingefährliches Giftgas transportiert, das der Konzern obendrein direkt vor Ort im Krefelder Chem-„Park“ produzieren könnte, ist ein solcher übergeordneter Nutzen nur schwerlich zu erkennen. Die juristische Auseinandersetzung, die bis vor das Bundesverfassungsgericht gelangte, zieht sich schon jahrelang hin. Während dieser Zeit ist viel passiert. BAYER stieß die Kunststoff-Sparte ab, die nun mitsamt dem Pipeline-Projekt unter dem Namen COVESTRO firmiert. Und 2015 verstarb Heinz-Josef Muhr. Aber der Prozess läuft weiter, Muhrs Frau Helga führt ihn fort. Die Entscheidung liegt jetzt beim Oberverwaltungsgericht Münster. Und ehe nicht die dortigen Richter*innen ihr Urteil gesprochen haben, darf die COVESTRO die schon lange fertiggestellte Pipeline nicht in Betrieb nehmen.
Mit Enteignungen hatte Heinz-Josef Muhr in seinem Leben schon so einige Erfahrungen gemacht. Strom-Masten und Autobahnen musste er schon Land opfern. Andere verloren wegen der Braunkohle Haus und Hof. In den Tagebau-Revieren macht der RWE-Konzern ganze Dörfer platt, damit er die Umwelt weiter mit dem schmutzigsten aller Energie-Träger belasten kann. Solche erzwungenen Besitzer*innen-Wechsel unter dem Signum des Allgemeinwohls gehören in der Bundesrepublik zum Alltag. Wie eine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Sven Kindler von Bündnis 90/Die Grünen ergab, laufen derzeit allein in Sachen „Autobahn-Bau“ 65 Enteignungsverfahren. „Wenn es darum geht, neue überflüssige Autobahnen durchzudrücken, haben CDU, CSU und FDP keine Probleme mit der Enteignung von Privatleuten und Bauern. Geht es aber um die Vergesellschaftung großer Immobilien-Konzerne, die ihre Markt-Macht für Preistreiberei ausnutzen, heulen sie laut auf“, brachte der Politiker die Doppelzüngigkeit auf den Punkt. Und Abhilfe ist vorerst nicht in Sicht. Eine „Lex BAYER“, die nicht dem Leverkusener Multi den Weg freiräumt, sondern der Gesellschaft, welche die Kapital-Macht demokratischer Kontrolle unterwerfen will, steht bis auf Weiteres wohl nur in den Sternen statt in den Gesetzbüchern. ⎜

[Nazi-Drohbrief] CBG erhält Nazi-Drohbrief

CBG Redaktion

„Ein Schlag, Ein Stich, Ein Schuss. Kurz und bündig“

Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hat im Februar 2019 einen Nazi-Hetzbrief mit Morddrohung bekommen. Und das ist nicht der erste Vorfall dieser Art. Schon in der Vergangenheit sah die Coordination sich mit Bedrohungen aus dieser Ecke des politischen Spektrums konfrontiert. Einschüchtern lässt sie sich dadurch jedoch nicht.

Von Jan Pehrke

Eine ganze Suada mit Angriffen gegen AntifaschistInnen nimmt den größten Platz in dem Drohbrief ein, welcher der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) im Februar 2019 zuging. „Antifaschisten rechtfertigen die deutschen Kriegstoten“ und „Antifaschisten lassen Zuwanderung und Volkszerstörung zu“ steht da unter anderem zu lesen, und dann folgt der Schluss: „Tod diesem Dreckspack und diesen Schmoks. Ein Schlag, Ein Stich, Ein Schuss. Kurz und bündig.“
Des Weiteren bezeichnet die Hetzschrift das „Aufhalten der links-demokratisch optimierten Überbevölkerung“ und die Abschaffung der „demokratischen Scheinfreiheit“ als „Notwendigkeit“. Adressiert war das Ganze nicht direkt an die Coordination, sondern an ihre Zeitschrift Stichwort BAYER. Das Schreiben rechnete unser konzern-kritisches Magazin den „Besatzermedien“ zu, die „voller Glück über den Untergang der Wahrheit schwadronieren“. Mit „Sieg Heil“ endet der Erguss schließlich, der sich auch ansonsten offen zum Nationalsozialismus, zu der NSDAP und zur SS bekennt.

„Dieser Brief ist ein erneutes Zeichen für das Erstarken faschistischer Kräfte in Deutschland. Immer öfter wagen sie es, ihre Gegner offen zu bedrohen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN wird sich davon jedoch nicht einschüchtern lassen“, mit diesen Worten reagierte die CBG auf das Schreiben. Und in der Tat muss sich nicht nur die Coordination mit Zuschriften dieser Art auseinandersetzen. Post ähnlichen Inhalts erhielten in den letzten Monaten über 100 linke PolitikerInnen, RechtsanwältInnen und AktivistInnen sowie der Zentralrat der Juden, Verlage und andere Einrichtungen.
Seit Pegida und dem Erstarken der AfD hat sich das politische Klima in Deutschland merklich verändert. Sogar die einstige Mitte hat sich nach rechts verschoben. Eine ähnliche Entwicklung findet auf der ganzen Welt statt. Trump, Bolsonaro, Orbán, Babiš, Morawiecki, Salvini, Duterte, Modi, Erdoǧan – in zahlreichen Ländern gelangten binnen der letzten Jahre Rechtspopulisten oder noch schlimmere Kaliber an die Macht. Der von BAYER & Co. nach dem Fall der Mauer forcierte Globalisierungsschub mit seinen Schocktherapien für die Staaten Osteuropas und anderem Unbill hat ganz offensichtlich nicht etwa linke, sondern rechte Gegenbewegungen gestärkt.

Und die CBG traf es dabei nicht von ungefähr. Aus ihrer Beschäftigung mit BAYER heraus hat sie den Antifaschismus immer als wichtigen Teil ihrer politischen Praxis betrachtet. Von diesem Konzern ging nämlich die Gründung des Mörder-Konzerns IG FARBEN aus, der zurzeit des Hitler-Faschismus in Auschwitz sogar ein firmen-eigenes KZ für seine ZwangsarbeiterInnen unterhielt. Der dort betriebenen „Vernichtung durch Arbeit“ fielen über 30.000 Menschen zum Opfer.
Diese Vergangenheit hinterlässt bis heute ihre Spuren in Leverkusen, denn eine Stunde Null gab es für den Global Player nicht. Er scheute nach 1945 nicht einmal davor zurück, im Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozess abgeurteilte IG-Manager wie Fritz ter Meer mit Kusshand wieder in die BAYER-Familie aufzunehmen und bewahrte ihnen auch nach ihrem Ableben noch lange ein ehrendes Gedenken. Nur folgerichtig sperrte sich der Pharmar-Riese denn auch beharrlich gegen eine angemessene Entschädigung der ZwangsarbeiterInnen, was die Coordination immer wieder zu Interventionen herausforderte.

Auch rechte Umtriebe von BAYER-Angestellten thematisierte die CBG immer wieder. Erst vor Kurzem beschäftigte sie sich mit dem einstigen Chef-Juristen des Unternehmens, Roland Hartwig, der jetzt stellvertretender Vorsitzender der AfD-Bundestagsfraktion ist. Hartwig bezeichnet es als seine größte Leistung, „einen internationalen Groß-Konzern juristisch durch alle Untiefen geführt zu haben“ und profitiert von seiner Berufserfahrung offenbar noch heute, wenn er Vorträge über „Deutsche Unternehmen im Fadenkreuz der US-Justiz“ hält.
Lange musste die Coordination sich zudem Dr. Hans-Ulrich Höfs widmen. Wenigstens bis zum Jahr 2012 bei BAYER in der Forschung tätig, verließ dieser 1989 die CDU und gründete in Krefeld „Die Republikaner“. Später baute der Chemiker die Gruppen „Krefelder Gesprächskreis – Deutsche Politik“ und das „Krefelder Forum Freies Deutschland“ auf, die beide enge Kontakte zu Rechtsextremisten wie Horst Mahler und Herbert Schweiger unterhielten. Seine rechte Gesinnung brachte Höfs sogar schon vor Gericht. Ein Flugblatt des Forums trug ihm im Jahr 1996 eine Verurteilung wegen Volksverhetzung ein. Um den Machenschaften von Höfs & Co. zu trotzen, schloss sich die CBG 2001 mit anderen Gruppen zum „Forum Nazifreies Krefeld/Krefelder Gesprächskreis – ‚Nazis raus’“ zusammen. Das antifaschistische Bündnis forderte BAYER auch auf, den Nazi zu entlassen – zu mehr als zu einer Abmahnung konnte sich der Agro-Riese allerdings nicht durchringen.
Aktivitäten wie diese bewogen Rechte auch früher schon, gegen die Coordination selber und gegen die Familie unseres Gründungsmitglieds Axel Köhler-Schnura persönlich vorzugehen. Aber ebenso wenig wie bei den damaligen Vorfällen steht die CBG heute allein. Nachdem sie den Nazi-Brief publik machte, gingen in Düsseldorf viele Solidaritätsbekundungen ein. „Es ist völlig erschütternd, dass 2019 schon wieder solche Umtriebe vorkommen“, hieß es in den Schreiben oder: „Über diese Nachricht bin ich mehr als entsetzt. Man fragt sich mehr und mehr, was in unserem Land los ist“. Sogar bekannte Persönlichkeiten wie der ehemalige TV-Journalist Jean Pütz leisteten Beistand: „Es ist kaum zu glauben, dass diese alten Nazi-Methoden sich wieder dokumentieren. Wehret den Anfängen.“ An Zuspruch fehlte es ebenfalls nicht: „Lasst euch nicht unterkriegen!
Und unterkriegen lassen wird sich die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auch nicht. Sie hat umgehend Strafanzeige gestellt und macht ansonsten weiter wie bisher.

Unsere Verteidigung gegen die Nazi-Angriffe, unser Engagement gegen rechts im Allgemeinen und die sonstige konzernkritische Arbeit kostet Geld. Darum möchten wir an dieser Stelle um Unterstützung bitten.Werden Sie Fördermitglied der CBG und/oder spenden Sie unter dem Stichwort „Protest gegen Nazis“ auf unser Konto:

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[CBG-Aktion] BAYER-Chef bei der Rheinischen Post. Wir sind dabei!

CBG Redaktion

Durch die Übernahme des US-amerikanischen Konzerns MONSANTO ist BAYER zum Monopolisten für Pestizide und genetisch verändertes Saatgut geworden. Eine Gefahr für die Umwelt und den Menschen! MONSANTO ist für seine skrupellosen Gift-Praktiken berüchtigt, BAYER für seine verbrecherische IG FARBEN-Vergangenheit.

Selbst weite Teile der AktionärInnen fürchten ganz offenkundig um ihr Geld durch die Übernahme der „worldwide worst company“ MONSANTO. Seit der Bekanntmachung der Übernahme hat BAYER fast zwei Drittel seines Marktwertes eingebüßt, der Kurs der Aktie hat sich in 12 Monaten halbiert. MONSANTO ist für seine skrupellosen Praktiken bereits berüchtigt. Nun ist in den USA ein beachtlicher Erfolg gegen das Unternehmen gelungen: Der durch das von Monsanto hergestellte Umweltgift Glyphosat an Krebs erkrankte Landwirt DeWayne Johnson hat in erster gerichtlicher Instanz von einer Jury recht bekommen.

Obwohl das Unternehmen bereits angekündigt hat, sich durch die Instanzen kämpfen zu wollen, ist das Signal da: Der Gigant ist angreifbar! BAYER spürt den gesellschaftlichen Gegenwind – und fürchtet ihn. In der Aussicht, nun viele vergleichbare Prozesse führen zu müssen, und möglicherweise zu verlieren, hat der der Chemie- und Pharma-Riese aus Leverkusen nun eine beispiellose Propaganda-Kampagne losgetreten, um die Börsen-Katastrophe abzuwenden und sein Image in der Öffentlichkeit wieder aufzupolieren.
Die Giftigkeit von GLYPHOSAT, die beim Prozess in den USA gerichtlich festgestellt wurde, wird weiter geleugnet. Die mehr als 9.000 anhängigen Gerichtsverfahren sollen durch Winkel-Juristerei unwirksam gemacht werden.

Um sowohl besorgte AnteilseignerInnen als auch die kritische Öffentlichkeit ruhig zu stellen, greift man auf so faule Tricks zurück, wie den Namen „Monsanto“ einfach fallen zu lassen. Dieser Strategie dient auch die als „Podiumsdiskussion“ getarnte Veranstaltung der RHEINISCHEN POST. BAYER-Chef Baumann höchstpersönlich wird angekündigt.

Die Veranstaltung findet in Düsseldorf am 10.12.2018 um 19.00 Uhr im Konferenzzentrum der Rheinischen Post in der Zülpicher Straße 10 statt. Wir werden nicht hinnehmen, dass BAYER sich mit einer PR – Kampagne aus der Verantwortung für tausend fache Tode durch ihre Umweltgifte heraus kaufen möchte.

Wir rufen deshalb euch alle auf: Kommt zur Protestkundgebung um 18.30 Uhr vor dem Konferenzzentrum! Nehmen wir nicht hin, dass BAYER sich mit Lügen-Propaganda aus der Verantwortung für zig-tausendfachen Pestizidtod, endloses menschliches Leid und Umweltzerstörung im Weltmaßstab herausstiehlt! Sagt BAYER – Chef Werner Baumann direkt, was ihr vor seiner Konzernpolitik haltet. Die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen, die Monopolisierung des Lebensmittelmarktes und die Ausbreitung von Gen – Pflanzen gehen uns alle an!

BAYER muss für alle Schäden an Mensch und Umwelt haften!
Gemeinsam für den Stop von BAYER/MONSANTO!
Gemeinsam für Umweltschutz und Menschenrechte!
Gemeinsam gegen BAYER-Lügenpropaganda!

Wir sehen uns auf der Straße!

[BAYSANTO] BAYER wird BAYSANTO

CBG Redaktion

Der Deal ist durch

Seit Anfang Juni 2018 ist es amtlich: BAYER darf MONSANTO schlucken und steigt damit zum größten Agro-Konzern der Welt auf, der die Konkurrenz weit hinter sich lässt und fortan bestimmt, wie die Menschheit sich ernährt.

Von Jan Pehrke

Es war eine Kapitulation vor dem Kapital: Mit den USA, Kanada und Mexiko genehmigten Anfang Juni 2018 auch die letzten Länder die Übernahme von MONSANTO durch BAYER. Damit setzten die drei Staaten der vorerst letzten Runde im Agro-Monopoly ein Ende. And the winner is: BAYER. Der Leverkusener Multi rangiert nun mit weitem Abstand an der Spitze des neu formierten Quartetts, welches das weltweite Geschäft mit der Nahrung unter sich aufgeteilt hat. Beim Saatgut erlangt er einen Marktanteil von über 20 Prozent und bei den Pestiziden einen von ca. 25 Prozent. Auf einen Umsatz von 19,7 Millarden Euro kommt BAYSANTO, dahinter folgen weit abgeschlagen CHEMCHINA mit 14,1 Milliarden, CORTEVA mit 12,7 Milliarden und die BASF mit 7,9 Milliarden.
„Die Übernahme von MONSANTO ist ein strategischer Meilenstein, um unser Portfolio führender Geschäfte in den Bereichen ‚Gesundheit’ und ‚Ernährung’ zu stärken“, erklärte BAYER-Chef Werner Baumann zum unfeierlichen Anlass. Hatte er bei der Ankündigung der Transaktion in Erwartung massiver Kritik noch aus PR-Gründen salbungsvoll die Mutter Teresa gegeben und bekundet: „Wir können mit MONSANTO noch besser dazu beitragen, die Ernährung der Weltbevölkerung zu sichern“, so kehrte er mit Vollzug des Deals flugs zum Business-Sprech as usual zurück. „Die Akquisition soll erheblichen Wert schaffen“, kündigte der Große Vorsitzende an. Die AktionärInnen konnten sich sogar schon über konkretere Angaben freuen: „BAYER erwartet ab 2019 einen positiven Beitrag zum bereinigten Ergebnis je Aktie, der von 2021 an im zweistelligen Prozent-Bereich liegen soll.“
Die großen Finanzinvestoren wie BLACKROCK oder Warren Buffetts BERKSHIRE HATHAWAY kassieren jetzt schon kräftig ab. Sie hatten sich in den letzten Monaten massenhaft zu einem Preis mit MONSANTO-Aktien eingedeckt, der erheblich unter dem BAYER-Angebot von 128 Dollar lag. Als der Konzern den Aktien-HalterInnen des US-Unternehmens dann am 7. Juni die Kaufsumme überwies, trug ihnen das satte Gewinne ein. Allein BERKSHIRE verbuchte ein Plus von rund 200 Millionen Dollar.
Die Fonds-Gesellschaften ernteten das, was sie selber gesät hatten. Sie hatten BAYER, DUPONT, DOW und die anderen Agro-Multis zu Übernahmen und Fusionen, gedrängt, weil ihnen die im Landwirtschaftssektor erzielten Renditen nicht mehr reichten. Aktien-Pakete von allen Branchen-Größen haltend, hatten BLACKROCK & Co. kein gesteigertes Interesse an der Konkurrenz „ihrer“ Unternehmen mehr und setzten stattdessen auf Zusammenschlüsse. Von denen versprachen sie sich nämlich höhere Profite, da „Synergie-Effekte“ winken und sich auf einem bereinigten Markt höhere Preise und ergo höhere Renditen erzielen lassen.

Die Folgen des Deals

Die LandwirtInnen reagierten entsprechend alarmiert. „Für Bäuerinnen und Bauern drohen Preis-Diktate“, warnt die ARBEITSGEMEINSCHAFT BÄUERLICHE LANDWIRTSCHAFT (AbL) und zählt noch mehr Risiken und Nebenwirkungen des Deals auf: „eine weitere Einengung der Sorten-Auswahl, mehr Abhängigkeiten und eine Verschärfung der Patent-Situation“. Die höheren Kosten für Betriebsmittel wie Pestizide und Saatgut sowie die Reduzierung der Vielfalt auf den Äckern werden dann auch die VerbraucherInnen zu spüren bekommen.
Zu den Hauptleidtragenden der mit der letzten Konzentrationswelle noch einmal forcierten Agro-Industrialisierung zählt überdies die Umwelt. Den Standort-Städten BAYERs drohen derweil verminderte Einnahmen, denn der Global Player verschuldet sich durch den Erwerb von MONSANTO immens, was seine Steuerlast drückt. Auf die Beschäftigten haben diese roten Zahlen ebenfalls Auswirkungen. Sie müssen nicht nur wegen der „Synergie-Effekte“ um ihre Arbeitsplätze fürchten, sondern auch, weil BAYER den Investoren Kosten-Einsparungen zugesagt hat, um die Verbindlichkeiten zu reduzieren. „Herr Nickl muss dafür einstehen, dass BAYER Cash aus jeder möglichen Quelle generiert“, formuliert etwa der Finanzanalyst Jeremy Redenius die Anforderungen an den neuen Finanzchef des Konzerns, Wolfgang Nickl. Und das Unternehmen leistet diesem Imperativ bereits Folge. Es hat im Pharma-Bereich das Rationalisierungsprogramm „Super Bowl“ gestartet, dem Belegschaftsangehörigen zufolge allein in der Bundesrepublik 1.000 Arbeitsplätze zur Disposition stehen.
Auf die Arznei-Sparte als Ganzes könnte ebenfalls Unbill zukommen. Die MONSANTO-Akquisition verschiebt nämlich die Gewichte innerhalb des Konzerns. Umsatzmäßig hat die Landwirtschaftssektion jetzt mit der Pillen-Abteilung gleichgezogen. Da es sich aber um völlig unterschiedliche Geschäfte handelt, der Verkauf von Medikamenten höhere Renditen abwirft als der von Glyphosat & Co. und zudem weniger konjunktur-abhängig ist, dürfte es nicht lange dauern, bis die Finanzinvestoren die Aufspaltung des Unternehmens verlangen. Eine Bestandsgarantie für den Global Player in seiner jetzigen Form über die nächsten 20 Jahre hinweg mochte BAYER-Chef Werner Baumann auf der letzten Hauptversammlung dann auch wohlweislich nicht geben. „Aufgrund der recht dynamischen Entwicklungen des Marktumfeldes wären verbindliche Festlegungen über 20 Jahre unseriös“, meinte er.
Als erste Amtshandlung hat der Vorstandsvorsitzende erst einmal den Namen „MONSANTO“ verschwinden lassen, weil dieser übel beleumundet ist. Mit solchen Operationen kennt das Unternehmen sich aus, worauf die taz in ihrem Kommentar zum Abschluss der Übernahme hinwies: „Die Vergangenheit tilgen, das hat unselige Tradition bei BAYER. Der Konzern ist Keimzelle und Überbleibsel der IG FARBEN, eines 1925 gegründeten riesigen Chemie-Konzerns, der sich später eng mit dem Nazi-Regime verbündete.“
Angesichts einer solchen Geschichte braucht der Leverkusener Multi nach Ansicht der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) auch keinen Vergleich zu seinem Objekt der Begierde zu scheuen. „Was ihre Amoralität angeht, so sind BAYER und MONSANTO aus dem gleichem Holz geschnitzt“, hielt die Coordination in ihrer Presseerklärung fest und nannte als Beispiele für skandalträchtige Geschäftspraktiken des Leverkusener Multis aus jüngerer Zeit die Vermarktung von HIV-infizierten Blut-Präparaten und von Antibaby-Pillen mit tödlichen Nebenwirkungen.
Damit das alte MONSANTO-Spiel nicht unter neuem Namen ungestört weiterlaufen kann, gilt es für die CBG jetzt, den Protest, der sich weltweit gegen das US-Unternehmen artikulierte, mit ihrer Arbeit kurzzuschließen. Und ermutigt sieht sie sich bei diesem Unterfangen nicht zuletzt dadurch, dass die weltweit stattfindenden „Marches Against MONSANTO“ vielerorts schon Marches „Against MONSANTO and BAYER“ hießen. Deshalb hofft die Coordination für 2019 auf viele „Marches Against BAYER“ und zahlreiche andere Aktionen gegen den nunmehr weltgrößten Agro-Konzern. ⎜

[Monsanto-Deal] MONSANTO-Deal

CBG Redaktion

07. Juni 2018

BAYERs MONSANTO-Deal hat fatale Folgen

Das Agro-Monopoly kennt nur Verlierer

Mit der nun amtlichen Übernahme von MONSANTO durch BAYER gelangt die vorerst letzte Runde im Agro-Monopoly zu ihrem Abschluss. Übrig bleiben vier Konzerne mit dem Leverkusener Multi an der Spitze, die das weltweite Geschäft mit der Nahrung unter sich aufteilen. In Gang gesetzt haben dieses Spiel mächtige Finanzmarkt-Akteure. Aktien-Pakete von allen Branchen-Größen haltend, hatten BLACKROCK und andere kein gesteigertes Interesse an der Konkurrenz „ihrer“ Unternehmen mehr und setzten stattdessen auf Zusammenschlüsse. So hat etwa Warren Buffetts Unternehmen BERKSHIRE HATHAWAY während der langwierigen Kartell-Prüfungen seine Beteiligung an MONSANTO aufgestockt und schon unmittelbar nach den Genehmigungen des Deals einen geschätzten Gewinn von 200 Millionen Dollar eingefahren.

Die Finanzinvestoren erwarten von den Fusionen und Aufkäufen ertragssteigernde „Synergie-Effekte“. Überdies setzen sie auf einen „bereinigten Markt“, auf dem sich höhere Preise und damit höhere Profite erzielen lassen. Auch denken sie, dass sie über Monopol-Macht chemische Landwirtschaft und Digitalisierung der Agrartechnik besser befördern können.
Den Preis für diese verheerende Entwicklung zahlen die LandwirtInnen und in der Folge die VerbraucherInnen. Auch drohen dem Staat verminderte Einkünfte, denn BAYER wird mit der gigantischen Finanzlast, welche auf den Konzern durch die Übernahme zukommt, seine Steuerverpflichtungen drastisch reduzieren. Insbesondere auf kommunaler Ebene wird das wieder die Bevölkerung direkt treffen, weil die Finanzhaushalte der Gemeinden, an denen BAYER Werke betreibt, kollabieren werden.

Die Beschäftigten werden zwar mit Durchhalteparolen und „Arbeitsplatz-Garantien“ ruhig gehalten. Dennoch droht im neuen Konzern Arbeitsplatzvernichtung im großen Stil, weil BAYER den Investoren Kosten-Einsparungen zugesagt hat, um die Verbindlichkeiten zu reduzieren. „Herr Nickl muss dafür einstehen, dass BAYER Cash aus jeder möglichen Quelle generiert“, formuliert etwa der Finanzanalyst Jeremy Redenius die Anforderungen an den neuen Finanzchef des Konzerns, Wolfgang Nickl. Und das Unternehmen leistet diesem Imperativ bereits Folge. Es hat im Pharma-Bereich das Rationalisierungsprogramm „Super Bowl“ gestartet, dem Belegschaftsangehörigen zufolge allein in der Bundesrepublik 1.000 Arbeitsplätze zum Opfer fallen könnten.

Die Gefahr von „Reputationsrisiken“ für BAYER durch die MONSANTO-Übernahme, wie sie neuerdings viele FinanzanalystInnen beschwören, sieht die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) nicht. Für sie ist der Ruf des Unternehmens eh schon ruiniert. Die Geschichte des Konzerns ist seit dem Beginn im Jahr 1863 begleitet von Verbrechen und Skandalen. Etwa die Abstrafungen durch Verlust der BAYER-Marken in Teilen der Welt für seine verbrecherische Verantwortung im Zusammenhang mit den beiden Weltkriegen. Oder die Verurteilung von Managern wegen „Versklavung“ im Zusammenhang mit Zwangsarbeit zbd werkseigenen Konzentrationslagern der IG FARBEN. Oder die menschenverachtende Praxis im Zusammenhang mit der Vermarktung von HIV-infizierten Blut-Präparaten. Oder die Vermarktung von Antibabypillen mit tödlichen Nebenwirkungen. BAYER braucht den Vergleich mit dem US-Unternehmen deshalb nicht zu scheuen, sondern ist – da lange vor MONSANTO gegründet – eher eine Blaupause für MONSANTO. Bereits in den 1950er Jahren haben die Unternehmen denn auch zusammengearbeitet und gemeinsam die Firma MOBAY betrieben.

Nicht umsonst bekennt sich BAYER-Chef Werner Baumann vollmundig zu MONSANTO im Allgemeinen und seinem größten Problemkind Glyphosat im Besonderen. „Ich kann Ihnen nur sagen, dass wir von der Qualität des Managements, der Qualität der Produkte, der Stärke der Innovationskraft und auch von der Kultur MONSANTOs sehr überzeugt sind“, hielt der Vorstandsvorsitzende fest und bezeichnete das umstrittene Herbizid als „ein sehr gutes und auch gut erforschtes Herbizid von MONSANTO, das auch weiterhin seine Daseinsberechtigung haben wird.“
„Was ihre Amoralität angeht, so sind BAYER und MONSANTO aus dem gleichem Holz geschnitzt. Die beiden Konzerne sind ein Beispiel für die Feststellung von Thomas Dunning, dass‚ „kein Verbrechen (existiert), das ... (das Kapital) nicht riskiert, selbst auf Gefahr des Galgens“, konstatiert Axel Köhler-Schnura vom Vorstand der CBG und prophezeit, dass dem neuen BAYER-Konzern weiterer erbitterter Widerstand der Weltbevölkerung erwachsen wird. In 428 Städten fanden im Vorfeld der BAYER-Hauptversammlung im Mai Protestmärsche gegen den Zusammenschluss statt. „Vielerorts wie z. B. in Ghana und in Hamburg hießen die Märsche bereits ‚March Against MONSANTO and BAYER’“, so der CBGler.

[40 Jahre CBG] Das Interview zum runden Geburtstag

CBG Redaktion

In diesem Jahr kann die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) ihr 40-jähriges Bestehen feiern. Mit einem ganz frischen Blick auf die Geschichte der Coordination befragt der neue CBG-Geschäftsführer Jens Wegener im Stichwort BAYER das Gründungsmitglied Axel Köhler-Schnura und den 1997 dazugestoßenen Jan Pehrke zu den Anfängen, den ersten Erfolgen, den Gegen-Reaktionen BAYERs, dem Standhalten und den neuen Herausforderungen, vor denen das Netzwerk steht. Aus gegebenem Anlass musste das Interview nur leider am Krankenlager von CBG-Urgestein Köhler-Schnura stattfinden, der schon seit Juni 2017 an einem ebenso komplizierten wie schmerzhaften Oberschenkel-Bruch laboriert (siehe auch Kasten).

Jens: Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN feiert dieses Jahr ihr 40-jähriges Bestehen. Ihre Gründung geht auf zwei große Unfälle bei BAYER im Jahr 1978 zurück. Wie genau ist es denn passiert, dass daraus ein so großes Netzwerk entstanden ist?

Axel: Die zwei Beinahe-Katastrophen ereigneten sich in Wuppertal. Dort gründete sich BAYER im vorletzten Jahrhundert, und das Werk steht mitten in der Stadt. Deswegen sind Unfälle in einem solchen Werk auch besonders gefährlich. Und dass die zwei Unfälle auch noch kurz hintereinander passiert sind, hat dazu geführt, dass sich eine Bürgerinitiative gegründet hat. Unfälle gibt es jeden Tag irgendwo in Deutschland in irgendeinem Industrie-Werk, und sie sorgen auch einige Tage für Aufregung, aber wenn dann erst mal wieder Ruhe einkehrt und das dann anschließend wieder zehn Jahre gut geht, dann passiert halt nichts. Aber in Wuppertal ist im Abstand von wenigen Wochen ein zweiter Unfall eingetreten, und dadurch sind die Leute wach geworden. Ich selbst gehörte zu den Menschen, die damals zu einer Bürgerversammlung aufgerufen hatten. Wir haben eine Gaststätte gesucht, da haben vielleicht 100 Leute reingepasst, aber es kamen fast 1.000. Sie standen dann vor der Gaststätte, und die Polizei musste sogar die Straße absperren und den Verkehr aufhalten für dieses Treffen. Die AnwohnerInnen waren wirklich auf den Barrikaden durch diese kurz aufeinanderfolgenden zwei Unfälle. Hätte es nur den ersten gegeben, kann man heute rückblickend sagen, gäbe es vielleicht gar keine COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN. Dann hätte das alles in der lokalen Presse Wellen geschlagen, und es hätte viele Leserbriefe gegeben und vielleicht einiges mehr, aber dann wäre es wieder verplätschert.

Jan: Es waren aber glaube ich auch nicht nur die Unfälle selber, sondern auch die Reaktionen von BAYER auf die Unfälle, die zu der Empörung führten.

Axel: Nein, es waren erst mal nur die Unfälle. Wobei dann, als die Bürgerinitiative zu arbeiten begonnen hat, sich der Ärger über den Konzern schon gesteigert hat, weil BAYER mit verharmlosenden Falschmeldungen reagiert hat. Beim ersten Unfall hatte es auch bereits solche Falschmeldungen gegeben, und das hat auch da zu Unmut geführt, aber so richtig den Protest beflügelt hat natürlich dann, was nach dem zweiten Unfall passiert ist. Da hat nämlich die Bürgerinitiative schon gearbeitet. Sie konnte so immer direkt reagieren und dem Protest in der Öffentlichkeit auch Stimme und Kraft verleihen. Und verharmlost hat der Konzern nicht zu knapp, z. B. anfangs bei den Angaben über das ausgetretene Gift. Die Menge hat sich binnen drei Wochen von einigen Gramm auf hunderte von Kilogramm erhöht.

Jens: Es ist ja immer wieder so: Es passiert etwas, aber gleich darauf kommt die Meldung: Es besteht keinerlei Gefahr, obwohl es eigentlich gar nicht möglich ist, diese Aussagen zu einem solchen Zeitpunkt zu treffen. Gelang es euch, das in Wuppertal durchkreuzen, indem ihr recherchiert habt und dann mit konkreten Fakten an die Leute herangegangen seid? War das ein wichtiger Impuls dafür, dass die Leute gesagt haben: Wir müssen längerfristig etwas gegen BAYER unternehmen?

Axel: Nein, das war alles viel simpler. Da war erst einmal so die allgemeine Empörung, die Angst. Man hat gesehen, wie die Vögel tot vom Himmel fallen; man hat gesehen, wie die Balkon-Pflanzen und die Straßenbäume ihre Blätter abgeworfen haben; man hat beim ersten Unfall gesehen, wie die ganzen Fensterscheiben und Tür-Stöcke barsten in einem Umkreis von 500 bis 1.000 Metern rund ums Werk. Da hat es ausgesehen wie nach einem Bomben-Angriff. Das haben die Leute gesehen. Aber sie wussten nicht, was das bedeutet, woher das kommt, warum das so ist und ob sich das morgen wiederholen kann. Also so ein ganz diffuses Angst-Gefühl. Man hat plötzlich gemerkt: Hoppla, da ist eine Gefahr, und ich bin betroffen. Deswegen ging es der Bürgerinitiative zuerst einmal darum, rauszukriegen, was überhaupt los war. Also, wir haben keine Fakten gehabt, gar nichts. Wir haben gerade mal gewusst, dass das Wort „BAYER“ aus fünf Buchstaben besteht und nicht mehr und nicht weniger. Und jetzt haben wir angefangen: Was heißt das überhaupt, diese fünf Buchstaben? Da ist eine Werksmauer, und was passiert dahinter? So hat das angefangen.

Jan: Was sind das überhaupt für Gifte? Was ist eine Pestizid-Produktion, wie ist die aufgebaut? Was lauern da für Gefahren? All das wusste damals keiner, es waren alles Laien mehr oder weniger.

Axel: Voll die Laien, keine Ahnung von nichts. So hat das angefangen, und das hat auch zu den Antworten geführt: Das und das ist ausgetreten, aber in einer ganz kleinen Menge. Als wir dann diese Information hatten, haben wir uns erst mal mit dem Stoff auseinandergesetzt, mit der Menge. Dann ergaben sich plötzlich Widersprüche, und BAYER musste ständig nachbessern, weil das alles nicht gepasst hat. Schließlich wurde man immer sachkundiger und ist praktisch erschrocken, dass man eine Straßenbreite getrennt von einer Produktion lebt, die Atomkraftwerkscharakter hat. Das hat dann dazu geführt, dass die Initiative sich stabilisiert und weitergearbeitet hat und letztendlich so etwas wie die Coordination dabei herausgekommen ist.

Jens: Ihr habt da rausgefunden: Wir müssen den Konzern genauer beobachten, wir müssen überall dort mehr recherchieren, wo BAYER zum Schaden von Mensch, Tier und Umwelt agiert. Eine Baustelle war da die Nordsee.

Axel: Du meinst die Proteste gegen die Dünnsäure-Verklappung in der Nordsee – das war fünf Jahre später. So schnell ging das alles nicht. Man hat erst einmal herausgefunden, dass das ein gefährliches Werk war und hat auch die gesamte Komplexität nach ein, zwei Jahren noch nicht so richtig überblickt. Was aber passierte: Ein Jahr später hat sich ein noch viel gefährlicherer und größerer Unfall ereignet, in Dormagen, das ist 30, 40 Kilometer von Wuppertal entfernt. Verschiedene Sachen erfolgten dann. Wir haben erst einmal festgestellt, dass BAYER dort genauso verharmlost und genau dieselben dummen Sprüche bringt, um die Bürger einzulullen und Nebelkerzen zu werfen. Und wir haben festgestellt, dass die Bürger dort genauso beunruhigt waren oder sogar noch sehr viel mehr als bei uns in Wuppertal, weil das tatsächlich tödliche Gifte waren, die da ausgetreten sind. In einem Gebiet von 300 Quadratkilometern wurde Katastrophen-Alarm ausgelöst. Da wir jetzt schon praktisch seit anderthalb Jahren dabei waren, haben wir sofort Kontakt aufgenommen mit den Bürgern und den Journalisten. Und das war ein Quantensprung, in jeder Hinsicht. Bei uns ist die Erkenntnis gewachsen: Oh, BAYER-Werke gibt es also nicht nur in Wuppertal. Das war uns vorher gar nicht so klar, weil wir so beschäftigt waren mit den beiden Unfällen, dass wir Konzern-Strukturen und all das gar nicht gesehen haben. Und über diesen Gedanken sind wir dann auch zum Gesamt-Konzern gekommen – und noch mal ein paar Jahre später zur Nordsee.
Das Zweite war, dass wir den Leuten in Dormagen unsere Erfahrungen, die wir in Wuppertal gemacht haben, vermitteln konnten. Darum hatte der Protest dort von Anfang an eine ganz andere Qualität und entsprechend viel Resonanz. Und da haben wir auch unsere erste Auseinandersetzung mit BAYER direkt gehabt. Der WDR kam für eine Sendung über den Unfall nach Dormagen, die live im Radio übertragen wurde: Vor Ort. Es war jemand von BAYER da, der Bürgermeister, Vertreter der Feuerwehr plus etwa 1.000 Bürger. Aber BAYER ist baden gegangen, in einer verheerenden Art und Weise, weil wir dort aus unseren Wuppertaler Erfahrungen schöpfen konnten und gewappnet waren. Die BAYER-Vertreter wurden ausgebuht und ausgelacht. Das war die Situation, und das alles live über den Sender. Das war die erste große Niederlage, und die hat auch direkt dazu geführt, dass die „Vor Ort“-Sendungen von diesem Zeitpunkt an nicht mehr live gemacht wurden. Und von dieser Sendung gibt es beim WDR nicht einmal mehr Kopien.

Jens: Wenn ein Konzern merkt, dass sich da etwas organisiert, dann versucht er natürlich auch, das zu bekämpfen. Was ist euch da denn so entgegengeschlagen in den ersten Jahren?

Axel: BAYER war in keinster Weise darauf vorbereitet, dass es da jetzt eine Bürgerinitiative gab, die länger besteht als nur zwei Wochen, also eine Kontinuität über die Zeit hinweg zeigt und überdies auch räumlich hinausgreift. Der Konzern hat da relativ hilflos herumoperiert. Mit Falschmeldungen, mit Verleumdungen und mit dem allgemeinen Programm: den Werkschutz in Stellung bringen, mal gucken, was sind das überhaupt für Leute ... das war es dann erst mal. In der Folgezeit, als wir schon systematisch Kontakt zu allen BAYER-Standorten in der Bundesrepublik aufgebaut hatten und regelmäßig die Probleme vor Ort thematisierten, kam die erste große Gegenmaßnahme, die speziell mit unserer Arbeit zu tun hatte. BAYER gab die Nachbarschaftszeitung BAYER direkt heraus. Damit hat der Konzern versucht, der wachsenden BAYER-kritischen Stimmung an den Standorten entgegenzuwirken.
Dann haben sie direkt draufgesattelt und Veranstaltungen gemacht, haben sogar BAYER-Gebäude zugänglich gemacht und als Bürgerzentren ausgewiesen. Dort haben sie den Kontakt zur Bevölkerung gesucht und versucht, sich mit uns auseinanderzusetzen, aber nicht direkt. Nach dieser „Vor Ort“-Sendung hat sich BAYER uns bis auf den heutigen Tag nie mehr direkt gestellt. Wenn dem Konzern etwa bekannt wurde, dass einer von uns bei einer Diskussion mit auf dem Podium sitzt, sagte er alles ab. Bis zum heutigen Tag war das damals in Dormagen das letzte öffentliche Zusammentreffen von BAYER-Vertretern mit Coordinationsvertretern. Aber indirekt hat der Konzern durch diese Nachbarschaftszeitungen, über diese Bürgerzentren versucht, auf uns zu reagieren.
Aber auch da haben sie direkt eine Niederlage erlitten, da wir durch Kontakte in das Werk hinein genau wussten, wann diese Zeitung erscheinen sollte. Und einen Tag vorher verteilten wir dann flächendeckend an allen Standorten den vier-seitigen Flyer „Direkt von BAYER – direkt in den Müll“. Das war die zweite große Niederlage, die BAYER erlitten hat, denn damit hatte der Konzern auch nicht gerechnet, dass wir den Charakter dieses Propaganda-Blattes enthüllen.

Jan: Später hat BAYER dann schon härtere Geschütze aufgefahren. Der Konzern hat den Werkschutz gegen uns in Stellung gebracht. Er hat ihn mit DKP-Fahnen ausstaffiert und zu unseren Hauptversammlungsaktionen beordert, um den Protest als DKP-gesteuert darzustellen. Und in den 1980er Jahren hat BAYER uns einen großen Prozess angehängt, der wirklich an unsere finanzielle Substanz ging. Sie haben sich ein Flugblatt von uns vorgenommen, eine Passage rausgepickt, wo wir dem Konzern vorwerfen, in seiner grenzenlosen Jagd nach Profiten demokratische Prinzipien zu verletzen, Kritiker unter Druck zu setzen und sich politischen Einfluss zu erkaufen und uns wegen Verleumdung angeklagt. Und der Streitwert war, ich weiß nicht, wie hoch war der Streitwert, Axel?

Axel: Der Streitwert war nicht das Entscheidende. Sie haben wegen Verleumdung geklagt, und wir sind verurteilt worden. Der Richter hat sich dann sogar noch angemaßt anzuordnen, dass wir die inkriminierte Passage nicht mehr wiederholen dürfen und dass wir jedes Mal, wenn sie irgendwo erscheint, eine Strafe zahlen müssen von 5.000 DM. Da die ganze Prozess-Berichterstattung logischerweise das inkriminierte Zitat gebracht hat, mussten wir für jeden Artikel 5.000 DM Strafe zahlen. Das hat natürlich zu hohen Strafen geführt, und der Prozess selbst hat auch noch mal eine Menge Geld gekostet. Das hat sich insgesamt auf einen Betrag von 400.000 Euro summiert. Wir sind dann vor das Bundesverfassungsgericht gezogen. Es hat alle Urteile revidiert, und wir haben auch alle Strafgelder zurückbekommen, aber die Prozess-Kosten nicht. Allein das Rechtsgutachten – vor dem Bundesverfassungsgericht kann man nicht bloß mit einer Klage-Schrift argumentieren, man braucht ein Rechtsgutachten – hat uns 100.000 DM gekostet.

Jan: Roman Herzog, der später Bundespräsident geworden ist, hatte damals den Vorsitz und in seiner Urteilsbegründung von dem hohen Gut der Meinungsfreiheit gesprochen, das es zu schützen gelte.

Axel: Wäre das Urteil nicht durch das Bundesverfassungsgericht revidiert worden, dann würden die Zeitungen heute alle ganz anders aussehen. Der Richter, der in der 2. Instanz das Urteil gesprochen hat, riet dem BAYER-Konzern sogar, uns nicht nur zivilrechtlich, sondern auch noch strafrechtlich zu belangen. Wenn er dann der Vorsitzende Richter wäre, hat er wörtlich gesagt, würde er mich für drei Jahre ins Gefängnis stecken. Das zeigt, wie drakonisch dieses Urteil war, und welche Auswirkungen es auf die bundesdeutsche Presselandschaft gehabt hätte. Darum war der Zuschauer-Raum auch voll mit Medien-Vertretern. Da saßen die ganzen Justiziare von Gruner & Jahr, vom Westdeutschen Rundfunk und haben sehr genau zur Kenntnis genommen, wie da die Urteile gefällt worden sind. Das Urteil ist schließlich zu der juristischen Grundlage für jede demokratische Berichterstattung in der Bundesrepublik geworden und gehört inzwischen zum Curriculum der Journalisten-Ausbildung. BAYER hat also von Beginn an immer wieder Niederlagen erlitten, die schon schmerzhaft waren. Das waren so Erfolge, die wir nebenbei erzielt haben, das waren jetzt noch nicht mal so direkte Erfolge wie der,
die Dünnsaure-Verklappung in der Nordsee zu stoppen.

Jens: Zu den größten direkten Erfolgen der CBG gehört die Verhinderung des Baus eines Pestizid-Werkes in Australien. Wie hat sich das genau abgespielt?

Axel: Es war Mitte der 80er Jahre, da gab es noch keinen Email-Verkehr. Da haben wir ein Fax bekommen von Leuten aus einem kleinen Dorf in Australien: Der BAYER-Konzern hätte in der Nähe des Dorfes, das in einem Wattenmeer-Naturschutzgebiet liegt, angefangen, ein Pestizid-Werk zu bauen. Sie wären zutiefst beunruhigt, wüssten aber nicht so genau, was es mit einem solchen Werk auf sich hat und was sie machen sollten. Wir haben die Menschen dann erst einmal über Pestizid-Werke informiert, haben im Austausch herausgefunden, was BAYER genau dort produzieren will und dann Material zu den Stoffen geliefert. Das hat die Leute qualifiziert, ihrerseits Pressevertreter und Vertreter von Umwelt-Organisationen sachgerecht zu informieren. Und wir haben gleichzeitig hier Alarm geschlagen, denn es ist ja immer eine unserer Hauptaufgaben, dass wir Proteste, die woanders entstehen, nicht nur dort austragen, sondern auch immer direkt bei BAYER in Leverkusen.
Nach einiger Zeit kam dann noch heraus, dass BAYER von dem australischen Bundesstaat tatsächlich die Genehmigung hatte, dieses Pestizid-Werk mitten ins Naturschutzgebiet im Wattenmeer zu bauen. Das hat noch weiter zur Skandalisierung des Ganzen beigetragen und dazu geführt, dass eine Konfrontation mit BAYER und dem Bundesstaat entstanden ist und es wenig später übergesprungen ist auf das ganze Land. So ist die Regierung unter Druck geraten und hat in ihrer Not eine Volksabstimmung über das BAYER-Werk angesetzt. Jetzt haben noch ganz andere Gruppen in die gesellschaftliche Diskussion eingegriffen, die Parteien, die Gewerkschaften und die Kirchen. Praktisch ist es zu einer wirklichen nationalen Diskussion darüber gekommen, ob der BAYER-Konzern in dem Wattenmeer ein Pestizid-Werk bauen darf oder nicht. Und die Bevölkerung war der Meinung: BAYER darf da kein Werk bauen. Das war ein gigantischer Sieg. Und wir haben dann hinterher auch dutzende von Dankesbriefen bekommen von Parteien, Gewerkschaften, Umweltverbänden, Kirchen, die sich bei uns persönlich bedankt haben für die großartige Unterstützung in dieser Auseinandersetzung.

Jens: Der BAYER-Konzern hat enorme Möglichkeiten, um seinen Standpunkten in der Öffentlichkeit Geltung zu verschaffen, aber die CBG bringt auch ein eigenes Magazin heraus, in dem sie eine Gegenposition dazu bezieht, das Stichwort BAYER. Wie schafft es die Coordination in einer Zeit, da viele Printmedien über Schwierigkeiten klagen, regelmäßig ein solches Magazin herauszubringen?

Jan: Es sind unsere Mitglieder, die uns dabei unterstützen. Und es war uns von Anfang an klar, dass wir ein publizistisches Organ brauchen, in dem wir darstellen, was wir gemacht haben, die Aktionen durcharbeiten, aber auch durch die Recherchen der Redaktion neue Anregungen für unsere Arbeit erhalten. Nur in unseren großen Krisen stand es mal in Frage, das Stichwort BAYER aufzugeben, aber im Allgemeinen haben wir es immer als sehr wichtig empfunden.

Axel: Jan hat ja schon gesagt: die Mitglieder. Ich würde noch hinzufügen: und die SpenderInnen. Das muss man nämlich wirklich einmal laut und deutlich sagen: Die Mitglieder und Spenderinnen sind unser A und O, denn die Coordination erhält keinerlei institutionelle Förderung. Es gibt keinen Geldgeber, der die Coordination regelmäßig finanziert. Das heißt, wir müssen alles durch Spenden und Förderbeiträge aufbringen – auch das Geld für das Stichwort BAYER. So eine Zeitschrift kostet nämlich: das Layout, der Druck, die Postzustellung ... Über den Preis von 30 Euro für das Jahres-Abonnement ist das nicht zu finanzieren. Es ist ein hoher fünfstelliger Betrag, den wir aufbringen müssen. Und da ist es ein großer Erfolg, dass die Zeitschrift erscheint, und dass sie auch wirklich schon seit Anfang der 80er Jahre erscheint. Das zeigt, dass es möglich ist, eine Zeitschrift herauszubringen, die dauerhaft und mit einer steigenden Auflage einen Konzern unter Kritik stellt mit all den Informationen, die über andere Konzerne nirgends zu lesen sind. Spätere Generationen werden sich darüber freuen. Der BAYER-Konzern ist meines Wissens der einzige Konzern in der ganzen Welt, der in dieser Weise umfangreich dokumentiert ist. Wie es ja auch im Ganzen keinen Konzern gibt, der sich schon so lange mit so etwas wie der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN herumschlagen muss.

Jens: Und der Konzern muss sich seit 1983 auch auf seinen Aktionärsversammlungen mit der Coordination herumschlagen ...

Jan: Ja, meine Vorgänger haben irgendwann entdeckt, dass man Zugang zu den Hauptversammlungen hat, wenn man eine Aktie kauft und das die Möglichkeit eröffnet, Konzern-Kritik direkt in der Höhle des Löwen zu betreiben. Man hat da den Vorstand direkt vor sich und kann ihn direkt damit konfrontieren, was alles so falsch läuft im Unternehmen. Das Pestizid-Werk in Australien z. B. – das haben wir auch da zur Sprache gebracht. Und der Vorstand muss uns aufgrund des Aktien-Rechts auf unsere Fragen auch Antworten geben. Er bemüht sich natürlich nach Kräften, möglichst ausweichende Antworten zu geben, aber manchmal ergeben sich da auch ganz interessante Momente.

Axel: Der BAYER-Konzern hat ja seit der WDR-Sendung in Dormagen zu dem Groß-Unfall nie wieder ein öffentliches Aufeinandertreffen zugelassen von BAYER-Vertretern und Coordinationsvertretern. Und genau deshalb sind wir dann zur Hauptversammlung gegangen. Wir haben gesagt: Wenn die nicht mit uns reden, kommen wir eben zu den Hauptversammlungen und reden mit ihnen.

Jens: Wenn man sich das alles so anhört, wie viel die CBG so macht, dann fragt man sich natürlich: Wie finanziert man das, vor allem unter dem Aspekt, dass der CBG der Anspruch auf Gemeinnützigkeit verweigert wurde?

Axel: Die Verweigerung der Gemeinnützigkeit, was bedeutet, dass Spenden an uns also nicht von der Steuer absetzbar sind, war 1983, in der Frühzeit der Gründung, eine der Maßnahmen, uns das Leben schwer zu machen. In den Akten schrieb der damalige Polizeipräsident von Wuppertal: Diese Organisation darf niemals die Gemeinnützigkeit kriegen. Dabei war klar, dass das ein von BAYER gesteuerter Akt war, weil der Konzern in Wuppertal die ganze Stadt dominiert – an allen Standorten dominiert er die Politik vor Ort. Und auf Landes- und Bundesebene tut er das genauso wie auf internationaler Ebene. Wir haben trotzdem 13 Jahre lang mit steuerrechtlichen und anderen juristischen Mitteln versucht, die Gemeinnützigkeit zu bekommen, aber es ist uns nicht gelungen. Unterstützung haben wir jedoch trotzdem erhalten. Die Leute entscheiden sich und sagen: Ich finde es richtig, Konzern-Kritik zu unterstützen oder eben nicht. Und da spielt es dann nicht die entscheidende Rolle, ob sie dafür eine steuerwirksame Spenden-Quittung bekommen oder nicht. Geld an eine Organisation wie die CBG zu geben, ist eine bewusste Entscheidung, das geschieht nicht einfach aus einem karitativen Impuls heraus.

Jan: Es gab auch gerade wegen der fehlenden Gemeinnützigkeit Solidarisierungseffekte bei den Leuten. Sie wissen eben, dass wir besonders auf Unterstützung angewiesen sind, weil wir keine großen anderen Möglichkeiten haben, unsere Arbeit zu finanzieren, etwa durch institutionelle Förderung oder durch großartige Anträge bei der EU.

Axel: Darum ist eigentlich der größte Erfolg in der Geschichte der Coordination, dass wir über 40 Jahre hinweg sicherstellen konnten, dass die Arbeit der Coordination immer finanziert wurde. Und das ist nicht nur ein finanzieller Erfolg, sondern auch ein politischer Erfolg, weil hinter der Unterstützung immer bewusste Entscheidungen stehen. Es wird tatsächlich wahrgenommen, dass diese Arbeit wichtig ist und dass sie erfolgreich ist.

Jens: Aktuell steht natürlich auch viel Arbeit an, und da ist vor allem die von BAYER geplante MONSANTO-Übernahme zu nennen.

Axel: So etwas wie die MONSANTO-Übernahme haben wir seit Bestehen der Coordination noch nicht erlebt. Seit der Zerschlagung der von BAYER mitgegründeten IG FARBEN nach 1945 hat der Konzern nicht mehr versucht, ein Monopol zu errichten. BAYER galt lange als Konzern, der eine wesentliche Mitschuld an den beiden Weltkriegen trägt und musste vorsichtig agieren, um sich überhaupt wieder im Wirtschaftsbereich zu etablieren.

Jan: In den USA durfte BAYER lange Zeit gar nicht unter dem eigenen Namen auftreten. Erst 1994 gelang es dem damaligen Vorstandsvorsitzenden Manfred Schneider, die bereits im Ersten Weltkrieg von den Amerikanern als „Feindvermögen“ konfizierten Namensrechte zurückzukaufen.

Axel: Aber jetzt setzt der Konzern mit der MONSANTO-Übernahme erstmals wieder – zwar nur in einem Teilbereich – dazu an, ein Monopol zu errichten. Und deswegen halte ich die MONSANTO-Übernahme für das einschneidenste Ereignis überhaupt in der bisherigen CBG-Geschichte. Sollte der Deal zustandekommen, wäre das für die Coordination eine riesige Herausforderung. Wir müssten uns einarbeiten in die MONSANTO-Produkte, die MONSANTO-Standorte und unser Netzwerk ausweiten, zwar keine Übernahme machen wie BAYER, aber unsere Aktivitäten mit dem weltweiten MONSANTO-Protest zusammenführen und tragfähige internationale Kooperationen herstellen. Wir sind jedoch gewappnet. Seit anderthalb Jahren schon haben wir einen internationalen Aufruf, und wir haben 2016 das MONSANTO-Tribunal in Den Haag als Startpunkt für den Aufbau dieses gemeinsamen antikapitalistischen Widerstandsnetzwerkes genommen.

Kasten
Ohne Ihre Hilfe geht es nicht.
Gegen einen internationalen Konzern anzutreten, kostet Geld. Viel Geld. Deswegen braucht die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN Ihre Hilfe. Darum: Schenken Sie uns zum Geburtstag Ihre Fördermitgliedschaft. Oder erhöhen Sie Ihren Beitrag, wenn Sie schon Fördermitglied sind. Natürlich wissen wir, dass das bei vielen nicht geht. Fühlen Sie sich deshalb also nicht bedrängt. Aber machen Sie sich bitte einmal fünf Minuten Gedanken darüber, was es finanziell bedeutet, einem Multi 40 Jahre lang die Stirn zu bieten? Woher soll das Geld für dieses harte Auseinandersetzung kommen? Zumal der CBG aufgrund ihrer konsequent konzern-kritischen Haltung die Gemeinnützigkeit vorenthalten bleibt und sie auch keine institutionelle Förderung erhält.
Zudem geht die Coordination geschwächt in ihr Jubiläumsjahr. Der bei der CBG für die Finanzen zuständige Axel Köhler-Schnura hat sich einen komplizierten Oberschenkel-Bruch zugezogen und kann deshalb schon seit Juni lange nicht mehr mit voller Kraft arbeiten, was sich auch auf die Ertragslage des Netzwerks auswirkt.
Deshalb: Falls Sie Mitglied werden oder Ihren Beitrag erhöhen können, tun Sie das bitte. Ohne Ihre Hilfe geht es nicht!

[BAYER/BASF] Nur ein weiterer Zug im Monopoly-Spiel

CBG Redaktion

BAYER verkauft wegen geplanter MONSANTO-Übernahme Geschäftsteile an BASF

Nur ein weiterer Zug im Monopoly-Spiel

Mit der avisierten Übernahme von MONSANTO droht BAYER der mit Abstand größte Agro-Konzern der Welt zu werden. Um die „potenziellen Bedenken der Regulierungsbehörden“ hinsichtlich der Markt-Macht des Unternehmens nach dem Vollzug der Transaktion zu zerstreuen, hat der Leverkusener Multi jetzt angekündigt, Teile seines Agro-Sortiments an BASF zu verkaufen. Konkret plant er, sich von seinen gen-manipulierten Raps-, Soja- und Baumwoll-Pflanzen der „LIBERTY LINK“-Baureihe zu trennen. Auch das auf diese Labor-Kreationen abgestimmte Herbizid Glufosinat, das die EU wegen seiner Gesundheitsschädlichkeit 2018 aus dem Verkehr ziehen will, beabsichtigt der Global Player zu veräußern. Darüber hinaus stehen unter anderem noch hybride, also nicht zur Wiederaussaat geeignete und konventionell gezüchtete Ackerfrüchte zur Disposition.

„Der Deal mit BASF ändert an der dominanten Stellung, die BAYER nach dem Schlucken von MONSANTO im Bereich „Landwirtschaft“ einnehmen würde, gar nichts“, kritisiert Jens Wegener von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG). Die Transaktion umfasst nur einen Umsatz von rund 1,5 Milliarden Dollar; mit einem Bauernopfer dieser Größenordnung hatten BAYER und MONSANTO von vornherein gerechnet. Die addierten Geschäftszahlen von 2016 zugrunde gelegt, lägen die beiden Unternehmen auch ohne diese 1,5 Milliarden Dollar noch mit weitem Abstand vor SYNGENTA/CHEMCHINA, DUPONT/DOW und BASF. Der Markt-Anteil bei den Gen-Pflanzen weiterhin über 90 Prozent. Bei konventionellem Saatgut unterschritte er kaum die 30-Prozent-Marke und im Pestizid-Bereich beliefe er sich auf mehr als 20 Prozent. Diese Macht-Position innerhalb einer Branche, deren Margen laut Faz jetzt schon „auffällig hoch“ sind, bekämen LandwirtInnen, Lieferanten und VerbraucherInnen gleichermaßen zu spüren, sollten die Kartellbehörden die Akquisition genehmigen. Auch sollte bei solchen Winkelzügen nie vergessen werden, dass BAYER und BASF 25 Jahre zum gleichen Konzern gehörten und auch nach ihrer 1949 gerichtlich erzwungenen ‚Zerschlagung‘ bis zum heutigen Tage gut und freundschaftlich zusammenarbeiten. Das Erbe der IG Farben lebt auch heute noch, da teilt man sich nicht nur internationalen Firmenbesitz und internationale Märkte, sondern hilft sich immer mal gerne bei komplizierten Behördenstress wie diesem. „Einem kapitalistischen Verbrecher-Monopol wird derart jedenfalls in keinem Fall vorgebeugt.“, so Axel Köhler-Schnura, Gründungsmitglied der CBG.

Auch die Beschäftigten zählten zu den Verlierern. So steht den 1.800 Belegschaftsangehörigen des Konzerns, die mit LIBERTY LINK & Co. befasst sind, unter dem BASF-Dach eine ungewisse Zukunft bevor. Der Ludwigshafener Chemie-Riese will die Arbeitsverhältnisse BAYER zufolge nämlich lediglich für solche Angestellte, die einen unbefristeten Vertrag haben, fortführen und das auch bloß für mindestens drei Jahre und nur „zu vergleichbaren Konditionen“.

„Wir haben von Anfang an vor Arbeitsvernichtungen und Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen durch die MONSANTO-Übernahme gewarnt und fühlen uns jetzt bestätigt“, so CBG-Geschäftsführer Wegener abschließend.