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Beiträge verschlagwortet als “IG Farben”

[Ticker] STICHWORT BAYER 02/2013 TICKER

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Prozess wg. Uni-Vertrag
Im Jahr 2008 ging BAYER mit der Kölner Hochschule eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Pharma-Forschung ein. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und andere Initiativen befürchteten eine Ausrichtung der Arznei-Forschung auf Profit, eine Entwicklung von Präparaten ohne therapeutischen Mehrwert, eine Verheimlichung negativer Studienergebnisse und einen Zugriff des Konzerns auf geistiges Eigentum der Hochschul-WissenschaftlerInnen. Deshalb forderten die Organisationen eine Offenlegung des Vertrages und fanden dafür auch die Unterstützung des NRW-Datenschutzbeauftragten. Die Universität verweigerte das jedoch, weshalb die CBG die Hochschule im Mai 2011 verklagte. Anfang Dezember 2012 fand nun der erste Prozess-Termin statt. Ohne die Kooperationsvereinbarung selber gelesen zu haben und sich über das Votum des Datenschutzbeauftragten hinwegsetzend, lehnte der Richter das Begehr der Coordination ab. Das nordrhein-westfälische Informationsfreiheitsgesetz sehe im Gegensatz zu denen der meisten anderen Bundesländer Auskunftsbeschränkungen für den Bereich „Forschung und Wissenschaft“ vor, hieß es zur Begründung. Doch die CBG akzeptierte das Urteil nicht und ging in Berufung.

Kleine Anfrage mit der Piratenpartei
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) führt einen Prozess, um Informationen über das zwischen BAYER und der Universität Köln geschlossene Forschungsabkommen zu erhalten (s. o.). Der Landesdatenschutzbeauftragte hatte das Begehr unterstützt, das Kölner Verwaltungsgericht lehnte es allerdings ab, auf Ausnahmetatbestände für Forschung und Wissenschaft im nordrhein-westfälischen Informationsfreiheitsgesetz verweisend (s. o.) Um jetzt die Position von SPD und Grünen zu dem Kasus in Erfahrung zu bringen, kooperierte die Coordination mit der Piratenpartei NRW und half bei der Abfassung einer Kleinen Anfrage zum Thema. „Warum hat die Landesregierung keine Anstrengungen unternommen, das Votum ihres Landesbeauftragten umzusetzen?“ und „Hält die Landesregierung eine Überarbeitung des Ausnahmetatbestands zu Forschungseinrichtungen und Hochschulen für sinnvoll, damit dieser nicht weiter dazu dient, der interessierten Öffentlichkeit Informationen zu Kooperationsverträgen zwischen Universitäten und Industrie-Unternehmen zu verwehren?“ wollen die PiratInnen darin unter anderem von Kraft & Co. wissen.

50 Einwendungen in Brunsbüttel
BAYER will am Standort Brunsbüttel die Produktion des Kunststoff-Zwischenprodukts MDI erweitern. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) lehnt das Vorhaben ab. Nach Ansicht der Coordination berücksichtigt das Projekt die Möglichkeit eines Austrittes großer Mengen des Giftgases Phosgen nicht in ausreichendem Maße. So will das Unternehmen die Anlage zwar mit einer Einhausung schützen, womit es einer langjährigen Forderung der Umweltverbände nachkommt, diese aber nicht aus Beton, sondern nur aus Blechplatten errichten. Zudem verzichtet der Konzern auf eine sogenannte Ammoniak-Wand als zweites Sicherheitssystem und hält bei den Planungen den Mindestabstand zu bewohnten Gebieten nicht ein. Die CBG hat beim schleswig-holsteinischen „Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume“ deshalb Einspruch gegen den Bau eingelegt und befindet sich damit in guter Gesellschaft. Insgesamt 50 Einwendungen gingen bei der Behörde ein. Mit den AktivistInnen vor Ort arbeitet die Coordination zusammen und gibt unter anderem ihre Erfahrungen aus den Auseinandersetzungen um die neue TDI-Anlage in Dormagen (siehe SWB 2/13) weiter.

Demonstration gegen PONCHO
Das BAYER-Pestizid PONCHO mit dem Wirkstoff Clothianidin ist für das weltweite Bienensterben mitverantwortlich (siehe auch PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE). Darum haben im November 2012 US-amerikanische BienenzüchterInnen und UmweltaktivistInnen vor der Umweltbehörde EPA demonstriert und ein Verbot des Ackergiftes gefordert.

Dortmund: Duisbergstraße weg?
Immer noch sind in der Bundesrepublik zahlreiche Straßen nach BAYERs langjährigem Generaldirektor Carl Duisberg benannt, der im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas und die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen war und später einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörder-Konzerns IG FARBEN hatte. Aber seit einiger Zeit findet die Forderung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) nach Tilgung des Namens immer mehr AnhängerInnen. So liegt nun auch in Dortmund ein BürgerInnen-Antrag auf Umbenennung einer Straße vor. Die CDU wollte die Diskussion darüber in der Bezirksvertretung unter Ausschluss der Öffentlichkeit führen, um die Persönlichkeitsrechte des längst Verstorbenen zu schützen, kam damit aber nicht durch. Die Partei stimmte dann allerdings dem Vorhaben zu, das Thema grundsätzlicher anzugehen. Sie einigte sich mit den Grünen und der SPD darauf, alle Straßennamen im Bezirk auf den Prüfstand zu stellen und historisch belastete auszutauschen.

Neue Kunststoffe braucht die Welt
Der Chemie-Professor Dr. Uwe Lahl von der TU Darmstadt hat bei einer Bundestagsanhörung eine Wende in der Chemie-Produktion gefordert. Ohne einen Verzicht auf fossile Kohlenstoffe als Basis der Herstellungsprozesse von BAYER & Co. ist Lahl zufolge eine Reduzierung der klima-schädigenden Kohlendioxid-Emissionen nicht zu erreichen. Unter der Devise „Neue Kunststoffe braucht die Welt“ plädierte der Abfalltechnik-Experte stattdessen für den Einsatz von Biomasse als Rohstoff und befürwortete auch entsprechende staatliche Vorgaben. Solche Eingriffe lehnt Gerd Romanowski vom „Verband der Chemischen Industrie“ allerdings kategorisch ab. Der „Ordnungsrahmen der sozialen Marktwirtschaft“ genügt seiner Ansicht nach als Leitlinie für ein nachhaltiges Wirtschaften.

Umweltverbände kritisieren Pestizid-Plan
Die Bundesregierung hat den „Nationalen Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln“ (NAP) überarbeitet. Nach Ansicht der Umweltverbände entspricht der neue Plan jedoch nicht den Erfordernissen. Das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK, BUND, NABU und GREENPEACE kritisieren in einer gemeinsamen Stellungnahme den Abschied von dem Ziel, den Gebrauch der Pestizide von BAYER & Co. zu reduzieren und seine Ersetzung durch die Empfehlung an die LandwirtInnen, nicht „vom notwendigen Maß“ abzuweichen. „Das ‚notwendige Maß’ wird der Umwelt wenig helfen“, halten die Organisationen fest. Im Einzelnen monieren die Verbände fehlende Anstrengungen zum Erhalt der Artenvielfalt im Allgemeinen und zum Schutz der Bienen vor den Agro-Chemikalien (siehe PESTIZIDE und HAUSHALTSGIFTE) im Besonderen. Zudem vernachlässigt der NAP nach Ansicht der Initiativen die Lebensmittelsicherheit, indem er Maßnahmen zur Eindämmung der Pestizid-Kombinationswirkungen unterlässt. Darüber hinaus fordern PAN & Co. eine konsequentere Förderung des Ökolandbaus und ein Kontrollprogramm zum Schutz von acker-nahen Kleinstgewässern vor den Gift-Einträgen.

Pestizid-Protest auf der Documenta
Die massive Ausweitung des Soja-Anbaus in Südamerika führt zu einer entsprechenden Ausweitung der Pestizid-Ausbringung – und zu einer Ausweitung der Gesundheitsschädigungen (siehe auch Ticker 2/07). Seit dem Soja-Boom der späten 90er Jahre steigen in den Dörfern nahe der Felder die Fälle von Krebs und anderen Krankheiten massiv an. Im argentinischen Ituzaingó etwa kommt ein Drittel der Neugeborenen mit Missbildungen zu Welt; bei 80 Prozent der BewohnerInnen wiesen WissenschaftlerInnen Rückstände von Agrochemikalien im Blut nach. Viele Wirkstoffe, die auch in BAYER-Mitteln enthalten sind, haben daran einen Anteil, so etwa Glyphosate (GLYPHOS, USTINEX G), Chlorpyrifos (BLATTANEX, PROFICID und RIDDER), Endosulfan (MALIX, PHASER, THIODAN), Methamidophos (TAMARON) und Monocrotophos (BILPHOS). Aber die Betroffenen setzen sich zur Wehr. So haben sich etwa in Ituzaingó, wo Endosulfan sogar das Trinkwasser verseucht, Frauen zu den „Mothers of Ituzaingó“ zusammengeschlossen. Die Initiative schrieb zahlreiche Petitionen an die Regierung und forderte Untersuchungen ein. Und im letzten Jahr besuchte sie die Documenta-Kunstausstellung in Kassel, um ihren Forderungen im Heimatland BAYERs Ausdruck zu verleihen.

Mehr Bisphenol-Maßnahmen gefordert
Im März 2011 hatte die EU die Verwendung der Chemikalie Bisphenol, zu deren Hauptproduzenten BAYER mit einer Jahresproduktion von rund einer Million Tonnen zählt, in Babyflaschen untersagt. Brüssel begründete dies mit den Risiken und Nebenwirkungen der Substanz wie Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Leber-Erkrankungen. Ende letzten Jahres weitete Frankreich die Reglementierungen aus. Der Staat beschloss einen Bisphenol-Bann für den gesamten Nahrungsmittel-Sektor, der 2015 in Kraft treten soll (Ticker 1/13). Der BUND forderte nun, es dem Nachbarland gleichzutun. „Das Verbot für Baby-Fläschchen war ein guter erster Schritt, aber er reicht nicht“, so die BUND-Aktivistin Sarah Häuser.

BAYTRIL: Aigner antwortet der CBG
1.734 Tonnen Antibiotika landeten nach Angaben der Bundesregierung 2011 in den Tier-Ställen. Mittel aus der Gruppe der Fluorchinolone, zu denen BAYERs BAYTRIL zählt, waren mit acht Tonnen dabei. Der massenhafte Einsatz dieser Mittel in der Massenzucht fördert die massenhafte Entwicklung resistenter Erreger. In den menschlichen Organismus gelangt, können diese Krankheiten auslösen, gegen die Antibiotika dann nicht mehr wirken. Bis zu 15.000 Menschen sterben in der Bundesrepublik an solche Infektionen. Bei BAYERs BAYTRIL ist diese Gefahr besonders groß, denn CIPROBAY, sein Pendant für die Humanmedizin, entstammt ebenfalls aus der Gruppe der Fluorchinolone und hat sogar den Status eines Reserve-Präparats für besonders schwierig zu behandelnde Fälle inne. Wegen dieser bedrohlichen Lage sandte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) einen Offenen Brief an die Adresse von Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner. Die Coordination forderte die CSU-Politikerin darin auf, den Gebrauch von BAYTRIL in der Massentierhaltung zu verbieten und daran zu arbeiten, mittelfristig alle Antibiotika aus den Zuchtbetrieben zu verbannen. Darauf wollte Aigner sich jedoch nicht einlassen. Sie stritt in ihrem Antwort-Schreiben den Zusammenhang zwischen den 15.000 Toten und der Verwendung von BAYTRIL & Co. in den Mast-Anlagen ebenso ab wie den drastischen Anstieg der Gaben und den generellen Status von Fluorchinolonen als Reserve-Antibiotikum. Die Ministerin versicherte ansonsten aber, das Problem erkannt zu haben und verwies in diesem Zusammenhang auf die entsprechenden Passagen im Entwurf zum „16. Gesetz zur Änderung des Arzneimittel-Gesetzes“ (16. AMG-Novelle). Darin sieht der Gesetzgeber unter anderem die Etablierung eines Registrier- und Kontrollsystems vor. Zudem sollen sich die Massentier-HalterInnen künftig an bestimmten Richtmengen orientieren. „Ich bin mir sicher, dass die 16. AMG-Novelle einen deutlichen Beitrag zur Senkung der Antibiotika-Mengen in der Tierhaltung führen wird“, heißt es in dem Brief deshalb. Andere, die von der Bundesregierung drastischere Schritte verlangt hatten wie etwa der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel, sind sich da jedoch nicht so sicher.

CBG: Hepatitis nicht unvermeidbar
In den 1970er und 1980er Jahren hatten sich weltweit Tausende Hämophile durch Blutplasma-Produkte von BAYER und anderen Herstellern mit HIV oder Hepatitis C infiziert. Während der Leverkusener Multi den Geschädigten in anderen Ländern hohe Summen an Schmerzensgeld zahlen musste, kam er in der Bundesrepublik glimpflich davon. AIDS-kranke Bluter erhielten Unterstützung von einer Stiftung, zu deren Kapital der Pharma-Riese lediglich neun Millionen Euro beisteuerte. Hepatits-C-Patienten gingen sogar ganz leer aus, denn der damaligen Bundesregierung gelang es nicht, BAYER & Co. zu einem Entgegenkommen zu bewegen. Offiziell hieß es jedoch, die Situation der an Hepatits leidenden Bluter sei nicht mit der an AIDS leidenden zu vergleichen, daher sei die Ungleichbehandlung legitim. Daran halten CDU und FDP noch heute fest, obwohl sich die Therapie-Möglichkeiten für AIDS-PatientInnen inzwischen stark verbessert haben. Das geht aus ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ hervor. Darin bezeichnen CDU und FDP die erfolgten Hepatitis-Infektionen zudem als „ein unvermeidbares Ereignis“, ungeachtet der Tatsache, dass es bereits ab 1981 ein Präparat zur Deaktivierung der Viren gab – zu dessen flächendeckendem Einsatz die Aufsichtsbehörden sich jedoch nicht entschließen konnten. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und die Geschädigten-Initiative ROBIN BLOOD kritisierten deshalb die Position der Bundesregierung. „Der Bundestags-Untersuchungsausschuss ‚HIV-Infektionen durch Blut und Blutprodukte’ (Bundestagsdrucksache 12/8591) kam zu dem Ergebnis, dass ab Ende 1982 nahezu alle Infektionen hätten verhindert werden können. Es ist nicht hinnehmbar, wenn Behörden und Industrie nun versuchen, die Geschichte umzuschreiben“, so CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes in der Presseerklärung. Und Andreas Bemeleit von ROBIN BLOOD pflichtete ihm bei: „Die pharmazeutischen Unternehmen haben aus reiner Profitgier unzählige Infektionen billigend in Kauf genommen. Die Bundesregierung hat seinerzeit ihre Aufsichtspflicht verletzt und sich zum Handlanger der Industrie gemacht. Der hilflos anmutende Verweis auf eine angebliche Schicksalhaftigkeit der Ereignisse zeigt, dass die Bundesregierung nicht gewillt ist, Verantwortung zu übernehmen und nicht fähig ist, ihre Positionen gegenüber der pharmazeutischen Industrie durchzusetzen.”

KAPITAL & ARBEIT

Machtzuwachs für Dekkers
In diesem Jahr geht der BAYER-Arbeitsdirektor Richard Pott in den Ruhestand und scheidet deshalb auch aus dem Vorstand aus. Die Nachfolge-Regelung – den Posten des 59-Jährigen erhält Michael Koenig – nutzte der Leverkusener Multi gleich zu einer Neuverteilung der Aufgaben in dem Gremium. So übernimmt der Ober-BAYER Marijn Dekkers zusätzlich den bisher von Pott betreuten Arbeitsbereich „Konzern-Strategie“ und erhält dadurch noch mehr Einfluss auf das Unternehmen.

Kein Weltbetriebsrat
Zwischen den Beschäftigten der inner- und außereuropäischen Niederlassungen macht der Leverkusener Multi große Unterschiede. So beklagte der kolumbianische Gewerkschaftler Guillermo Correa Montoya unlängst: „Ein anderes Beispiel ist die BAYER AG. Die hat eine Firmengeschichte von mehr als hundert Jahren in Kolumbien, aber weder im Werk Barranquilla noch in jenem in Cali gibt es eine Gewerkschaft. Das ist kein Zufall.“ Ein Weg hin zu mehr Gleichbehandlung bestände in der Einrichtung eines Weltbetriebsrats, wie ihn DAIMLER und VOLKSWAGEN bereits ins Leben gerufen haben. Aber beim Konzern gibt es derzeit keine solchen Bestrebungen.

Frauen bei Gehalt benachteiligt
Wenn sich bei BAYER Frauen für Führungspositionen bewerben, fordern sie nach Angaben der stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden im Leverkusener Werk, Roswitha Süßelbeck, in der Regel weniger Geld als ihre männlichen Pendants. Und den Konzern freut diese Bescheidenheit. Oftmals musste deshalb der Betriebsrat intervenieren, um den Anspruch auf gleiches Geld für gleiche Arbeit durchzusetzen.

Weniger soziales Engagement
In unruhigeren Zeiten hat der Leverkusener Multi eine rege Sozialpolitik betrieben, damit die Beschäftigten nicht auf dumme Gedanken kommen. Seit einiger Zeit hält der Konzern das nicht mehr für nötig. So schloss er Bibliotheken, Schwimmbäder sowie das werkseigene Kaufhaus und fuhr die finanzielle Unterstützung von Sportvereinen drastisch zurück. Der lokale Kaninchenzüchter-Verein könne heute strategisch nicht mehr begründet werden, erklärte Dirk Frenzel, BAYERs Mann für Gesellschaftspolitik und Umwelt, bei einem Vortrag den Gesinnungswandel und gab offen zu: „Es ist weniger geworden.“ Da mussten die ZuhörerInnen ihm zustimmen. „Unsere Mutter BAYER existiert nicht mehr“, stellte etwa ein ehemaliger Beschäftiger des Global Players fest.

Manager, wechsel-dich
ManagerInnen ist es egal, was sie wo machen, nur ein Schritt auf der Karriere-Leiter muss es sein. Deshalb herrscht zur Zeit ein Kommen und Gehen in BAYERs Führungsetage. Pharma-Boss Jörg Reinhardt, der 2010 von NOVARTIS zum Leverkusener Multi gewechselt war, weil er bei seinem alten Arbeitgeber den begehrten Chef-Posten nicht ergattern konnte, hatte beim zweiten Anlauf mehr Glück und kehrt deshalb in die Schweiz zurück. Und die ebenfalls erst 2010 als Leiterin von BAYER CROPSCIENCE in die Dienste des Multis getretene Sandra Peterson war noch schneller wieder weg, um ihre Karriere beim US-Unternehmen JOHNSON & JOHNSON fortzusetzen.

ERSTE & DRITTE WELT

NEXAVAR-Urteil zeigt Wirkung
Im September 2012 erlaubte ein indisches Patent-Gericht der Firma NATCO PHARMA, eine preisgünstige Nachahmer-Version des patent-geschützten BAYER-Krebsmittels NEXAVAR herzustellen. Es begründete seine Entscheidung damit, dass der Pharma-Riese es versäumt habe, den Preis für das Medikament (monatlich 4.200 Euro) auf eine für indische PatientInnen bezahlbare Höhe herabzusetzen. Nun zeigt die Entscheidung Wirkung. Immer mehr Pillen-Produzenten wenden sich von ihrer bisherigen Verkaufspolitik in den Schwellenländern ab. Sie gestatten Dritt-Firmen die Herstellung billigerer Versionen oder bringen sogar selber welche heraus. Der Leverkusener Multi hatte sich derweil schon im Vorfeld der Auseinandersetzung um NEXAVAR dazu durchgerungen, das Mittel bedürftigen InderInnen kostengünstiger zur Verfügung zu stellen. Solche „Good Will“-Aktionen ersetzen allerdings keine umfassenden Regelungen zu einer besseren Versorgung der Menschen in der „Dritten Welt“ mit dringend benötigten Medikamenten.

IG FARBEN & HEUTE

Preis nach Nazi benannt
BAYER vergibt eine Reihe von Auszeichnungen im Medizin-Bereich, um Kontakte zu WissenschaftlerInnen, Universitäten und anderen Forschungsstätten zu vertiefen, darunter auch den mit 75.000 Euro dotierten „Familie-Hansen-Preis“. Zur Ehre gereicht dieser den ForscherInnen jedoch kaum, denn der Stifter Kurt Hansen hat eine braune Vergangenheit. Er trat bereits im Jahr 1931 in die NSDAP ein und nahm bei dem von BAYER mitgegründeten Mörder-Konzern IG FARBEN den Posten des Leiters der kriegswichtigen „Zentralstelle für Rohstoffbeschaffung“ ein. Wegen seiner Mitverantwortung für Kriegsverbrechen internierten die Alliierten Kurt Hansen deshalb gleich nach dem Krieg. Beim Leverkusener Multi konnte er seine Karriere dann aber bald schon wieder fortsetzen. Von 1961 bis 1974 war Hansen Vorstandsvorsitzender des Chemie-Multis, später saß der Manager dem Aufsichtsrat vor. Das Unternehmen machte ihn sogar zum Ehrenvorsitzenden. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) verurteilt diesen unkritischen Umgang mit der Konzern-Historie forderte den Global Player auf, den Preis umzubenennen.

POLITIK & EINFLUSS

BAYER-Manager sitzt Euro Chlor vor
Der Leverkusener Multi steht weiterhin in Treue fest zur Chlor-Chemie, obwohl Chlor-Verbindungen wegen ihrer Langlebigkeit zu den gefährlichsten Substanzen überhaupt gehören. In einer Menge von 1,3 Millionen Tonnen pro Jahr produziert der Konzern das Gas aus der Gruppe der Halogene. Damit zählt er zu den größten Herstellern in Europa – und hat entsprechenden Einfluss. So wählte Euro Chlor, der europäische Verband der Chlor-Fabrikanten, den BAYER-Manager Andreas Amling zu ihrem neuen Vorsitzenden.

Regierung gegen Steuer-Transparenz
Multinational agierenden Konzernen wie BAYER bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, die unterschiedlichen Steuer-Gesetze der Länder auszunutzen, um Gewinne da anfallen zu lassen, wo die niedrigste Abgaben-Last lockt. So betreiben sie mit ihren Tochter-Unternehmen etwa einen internen Lizenz-Handel oder leihen sich von ihnen Geld und ziehen die anfallenden Zins-Zahlungen dann in der Bundesrepublik von ihren Gewinnen ab. Unterschiedlichen Schätzungen zufolgen entgehen dem Fiskus durch solche „Verschiebe-Bahnhöfe“ Beträge zwischen 60 und 190 Milliarden Euro. Die EU will den Unternehmen solche Kostensenkungsstrategien jetzt erschweren. Deshalb plant sie, BAYER & Co. zu einer Offenlegung ihrer Steuerzahlungen zwingen. Die Bundesregierung aber vertritt die Interessen der Multis und blockiert den Vorstoß.

Weniger Strom-Subventionen?
Mit der Ökosteuer wollte Rot-Grün 1999 Industrie und Privathaushalte durch eine Erhöhung der Energiekosten zu umweltschonenderem Verhalten anregen. Bei BAYER & Co. bleibt diese Lenkungswirkung allerdings aus, denn die Regierung Schröder gewährte den energie-intensiven Branchen wie der Chemie-, Bergbau-, Stahl- und Eisen-Industrie großzügige Ausnahmen, welche die gemeinen Strom-KundInnen per Umlage finanzieren. 2011 waren diese „milden Gaben“ 4,3 Milliarden Euro wert. Allein der „Spitzenausgleich“ erspart den Konzernen jährlich 2,3 Milliarden Euro – die dritthöchste in der Bundesrepublik gewährte Subvention. Die Chemie-Industrie ist da mit einer Milliarde Euro dabei. Jetzt will die Bundesregierung diese Zuwendungen allerdings um ca. 700 Millionen Euro kürzen. So plant sie, den Kreis der für den Strom-Ablass in Frage kommenden Unternehmen zu beschränken, die Firmen an den Netzkosten zu beteiligen und auch die Energie-Erzeugung durch eigene Kraftwerke abgabepflichtig zu machen. Aber Betriebe, die sich der Weltmarkt-Konkurrenz stellen müssen wie der Leverkusener Pharma-Riese, beabsichtigt die CDU/FDP-Koalition zu schonen. Trotzdem protestieren die Multis vehement gegen das Vorhaben, wobei die Gewerkschaft IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE sie unterstützt. Und am Stammsitz BAYERs in Nordrhein-Westfalen setzen sich die Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (s. u.) für die Stromfresser ein. „Wer jetzt fordert, die energie-intensive Industrie stärker zu belasten, ist auf dem Holzweg“, so Duin.

Duin hält Rede beim VCI
Im Oktober 2012 stellte der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI) in Essen seine emphatisch „Studie“ benannte 20-Seiten-Schrift „Die deutsche Chemische Industrie 2030“ vor. Sie skizziert dabei unter den Überschriften „innovationsfreundliches Umfeld“ und „zerrissene Wertschöpfungsketten“ zwei unterschiedliche Entwicklungsmöglichkeiten. Die Letztere entwirft dabei eine düstere Version von einer dank der bösen Energiewende darniederliegenden Chemie-Branche und verfolgt ganz gegenwärtige Zwecke: Es soll PolitikerInnen zu einer noch industrie-freundlicheren Haltung verleiten. Bei dem nordrhein-westfälischen Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) bleiben da freilich kaum noch Wünsche offen: Er steuerte zu dem durchsichtigen Manöver des VCI die Festrede bei.

Duin bei „Zukunft durch Industrie“
Die Lobby-Vereinigung „Zukunft durch Industrie“, die BAYER zu ihren Mitgliedern zählt, will nach eigenem Bekunden „das Industrie-Verständnis in der Bevölkerung erhöhen“. Dem nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) scheint das ebenfalls ein wichtiges Anliegen zu sein. Er übernahm nämlich nicht nur die Schirmherrschaft des Zukunftsworkshops „Die Energiewende, ihre Folge-Wirkungen und Gestaltungsnotwendigkeiten“, sondern hielt – im freundlicherweise von der Düsseldorfer Bezirksregierung zur Verfügung gestellten – Plenarsaal auch die Eröffnungsrede.

Enquete-Kommission „Chemie“
Die nordrhein-westfälischen Grünen haben die Einrichtung einer Enquete-Kommission beantragt, die sich der „Zukunft der chemischen Industrie in Nordrhein-Westfalen im Hinblick auf nachhaltige Rohstoff-Basen, Produkte und Produktionsverfahren“ widmen soll. Konkret stehen etwa Alternativen zum Öl, neue Speicher-Technologien und Werkstoffe sowie Verfahren zur Nachahmung umweltschonender natürlicher Prozesse auf der Agenda. Zugleich bekennt sich die Partei aber eindeutig zum Chemie-Standort NRW: „25 Prozent aller Arbeitsplätze in der chemischen Industrie in Deutschland befinden sich in NRW. Der Erhalt und die Zukunftsfestigkeit unserer industriellen Kerne, die uns besser als viele andere durch diese Krise gebracht haben, erhält damit eine herausragende Bedeutung für Nordrhein-Westfalen“. Sylvia Löhrmann & Co. wollen offensichtlich Ökonomie und Ökologie miteinander versöhnen. Ob das aber gelingen kann, daran bestehen ernste Zweifel.

Lütkes bei BAYER
Anfang Dezember 2012 weihte BAYER in Wuppertal das Technikum „Zellbiologie“ ein, in dem der Pharma-Multi biologische Wirkstoffe für klinische Tests herstellen will. Als Ehrengast konnte der Leverkusener Multi neben dem Wuppertaler Bürgermeister Peter Jung (CDU) auch die Präsidentin der Bezirksregierung Düsseldorf, Anne Lütkes (Grüne), begrüßen. Und vielleicht blieb ja für BAYER-Chef Marijn Dekkers ein wenig Zeit, um die Politikerin in Sachen „Kohlenmonoxid-Pipeline“ ins Gebet zu nehmen, denn es ist an der Behörde, das Röhren-Werk zu genehmigen.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER kauft Störfall-Bilder
Bilder von Chemie-GAUs machen sich gar nicht gut in der Presse. Darum hat der Leverkusener Multi die Rechte an den Fotos von der Explosion am US-amerikanischen Standort Institute, in deren Folge im August 2008 zwei Beschäftigte starben, aufgekauft, um sie aus dem Verkehr zu ziehen.

Neues Nachbarschaftsbüro
Um BAYERs Image steht es nicht zum Besten. Der zwischen Dormagen und Krefeld geplanten Kohlenmonoxid-Pipeline schlägt viel Gegenwind entgegen und auch gegen neue Anlagen gibt es regelmäßig Einsprüche. Dagegen will der Konzern jetzt etwas tun und investiert in Öffentlichkeitsarbeit. So richtet er in Krefeld ein Nachbarschaftsbüro ein und bestallt Mario Bernards zum Leiter für „Politik- und Bürger-Dialog“.

BAYERs Pharma-Strategie in China
Eine neue Studie der BOSTON CONSULTING GROUP sieht das meiste Entwicklungspotential auf dem chinesischen Pharma-Markt in den ländlichen Regionen mit seinen Krankenhäusern und Gesundheitszentren. BAYER hat sich schon seit längerer Zeit darauf eingestellt. So unterhält der Pharma-Riese in den Hospitälern und Beratungseinrichtungen eigene „Health Houses“, die kostenlose MedizinerInnen-Besuche und Informationen zu Krankheiten wie Diabetes anbieten, um die Medikamente des Leverkusener Multis unters Volk bringen zu können. Über 400 solcher Häuser betreibt der Konzern mittlerweile. Zudem bietet er im Rahmen seines „Go West“-Programms abseits der Mega-Cities Fortbildungskurse für ÄrztInnen an (Ticker 1/13).

UmweltbotschafterInnen bei BAYER
Im Rahmen der Kooperation mit dem Umweltprogramm der UN, die ein zentrales Element innerhalb der Greenwashing-Aktivitäten BAYERs darstellt, lud der Multi 50 junge UmweltbotschafterInnen aus 19 Schwellen- und Entwicklungsländern zu Workshops, Diskussionen und Exkursionen nach Leverkusen ein. Anschließend sollen die EmissärInnen dann daheim von den vorbildlichen Umweltschutz-Praktiken des Pharma-Multis künden. Das dürfte ihnen jedoch schwer fallen – nicht nur im Hinblick auf den Ausstoß von klima-schädigendem Kohlendioxid, der sich dem neuesten Nachhaltigkeitsbericht zufolge auf 8,15 Millionen Tonnen im Jahr beläuft.

BAYERs Rotationskampagne
Immer mehr Unkräuter bilden Resistenzen gegen das Pestizid ROUND UP mit dem Wirkstoff Glyphosat aus, das der Hersteller MONSANTO bevorzugt in Kombination mit seinen gegen diese Substanz immunen Genpflanzen verkauft (siehe auch PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE). Schon seit geraumer Zeit versucht BAYER davon zu profitieren. So rief der Leverkusener Multi die Kampagne „Respect the Rotation“ ins Leben, die Lokaltermine auf von Wildpflanzen heimgesuchten ROUND-UP-Feldern ansetzt und eingekaufte AgrarwissenschaftlerInnen auftreten lässt. Diese raten den FarmerInnen dort dann zu mehr Flexiblität bei der Verwendung der Laborfrüchte und der dazugehörigen Agrochemikalien im Allgemeinen und zur LIBERTY-LINK-Serie des Leverkusener Multis im Besonderen.

Kooperation mit Web-Apotheke
Das dürfte den stationären Pharma-Handel aber gar nicht erfreuen: Der Leverkusener Multi arbeitet mit dem Internet-Unternehmen EASYAPOTHEKE zusammen, das in größeren Städten auch Filialen betreibt. Die beiden Kooperationspartner werben auf Großplakaten gemeinsam für BAYERs Sodbrennen-Arznei RENNIE. Zu den Risiken und Nebenwirkungen dieses Präparates gehören die Schädigung des Knochenbaus und die Förderung von Lungenentzündungen, weshalb WissenschaftlerInnen die viel zu häufige Verwendung von RENNIE und anderen Mitteln dieser Medikamenten-Gruppe kritisieren.

Medien-Preis für BAYER
„Ausgerechnet der BAYER-Konzern hat nach eigenen Angaben eine Auszeichnung für ein positives Medien-Image bekommen“, wunderte sich die Neue Ruhr Zeitung angesichts der vielen Negativ-Schlagzeilen zu der zwischen Dormagen und Krefeld geplanten Kohlenmonoxid-Pipeline. Aber diese Berichte gehörten offenbar nicht zu den 19.230 Beiträgen über DAX-Unternehmen, welche die MEDIA TENOR INTERNATIONAL AG auswertete und zur Verleihung des Preises an den Leverkusener Multi bewogen. Der Geschäftsbericht und Artikel über die angebliche Innovationskraft des Konzerns gaben stattdessen den Ausschlag für die Entscheidung.

BAYER investiert in Schulen
Der Leverkusener Multi fördert Schulen über die „BAYER Science & Education Foundation“, denn dieses Stiftungsmodell erlaubt nebenher auch noch Steuer-Ersparnisse. Bei der Sponsoring-Maßnahme bilden nicht von ungefähr die naturwissenschaftlichen Bereiche einen Schwerpunkt. „Ich muss gestehen, wir fördern die Schulen nicht ganz uneigennützig. Wir sehen das als langfristige Investition“, so Stiftungsvorstand Thimo V. Schmitt-Lord. Ca. 500.000 Euro verteilt der Konzern Jahr für Jahr an Schulen in der Nähe seiner Standorte. So erhielt die Dormagener Realschule Hackenbroich unter anderem 5.000 Euro für das Projekt „Genetik schüler-orientiert“, das Gymnasium Brunsbüttel bekam gar 19.500 Euro zur Ausstattung eines Gen-Labors, die Monheimer Lise-Meitner-Realschule konnte 4.000 Euro für die Unterrichtseinheit „Nanotechnologie in Theorie und Praxis“ entgegennehmen und derselbe Betrag für dasselbe Thema floss dem Michael-Ende-Gymnasium in St. Tönis zu. Darüber hinaus vergibt der Pharma-Riese gemeinsam mit der Westdeutschen Zeitung auch noch den „Wuppertaler Schulpreis“ und mit dem Solinger Tageblatt den „Solinger Schulpreis“.

Erstes Baylab in Mexiko
An seinen bundesdeutschen Standorten unterhält der Leverkusener Multi bereits vier SchülerInnen-Labore. Im letzten Jahr hat der Konzern nun sein erstes Baylab außerhalb Deutschlands eingerichtet. Es steht im Kindermuseum von Mexiko-Stadt. Was der Global Player dort mit den Kleinen vorhat, spricht er ganz offen aus: „Das Baylab ermöglicht ihnen, die Faszination für Wissenschaft spielerisch zu erfahren und hautnah zu erleben, was unsere Mission ‚BAYER: Science For A Better Life’ bedeutet“. Wegen solcher Lehrpläne urteilte die Wirtschaftswoche einmal über die pädagogischen Bemühungen des Unternehmens: „Hier grenzt sinnvolle Lernhilfe an Lobbyismus.“

Der Konzern als Kümmerer
Während der Konzern de facto immer unsozialer wird, indem er Arbeitsplätze vernichtet und Arbeitsbedingungen verschärft, macht seine PR-Abteilung seit einiger Zeit verstärkt auf „sozial“. Zu diesem Behufe initiierte sie 2007 die „BAYER Cares Foundation“, die Projekte in der Nähe der Konzern-Standorte fördert. 2012 unterstützte die Stiftung unter anderem die Dormagener „Elterninitiative diabetischer Kinder“, ein Musical der „Initiative Down-Syndrom“, einen Fahrrad-Reparaturkurs in Leverkusen, eine Freilichtbühne in Werne, die Gründung der Pfadfinder-Gruppe „Novaesium“ und den Ausbau einer Schule in Guatemala.

BAYERs Gemüse-Forum
Der Leverkusener Multi baut sein Geschäft mit Gemüse-Saaten immer weiter aus und versucht, in der Nahrungsmittel-Wertschöpfungskette eine Schlüsselposition einzunehmen. Zu diesem Zweck organisiert er „Food Chain Partnerships“ zwischen LandwirtInnen, Verarbeitern, Im- und Export-Unternehmen sowie dem Handel. Im Dezember 2012 lud der Konzern all diese Akteure nach Monheim zum „Vegetable Future Forum“ ein und konnte als Gäste unter anderem VertreterInnen von NESTLE, METRO, SAP und RABOBANK begrüßen.

TIERE & ARZNEIEN

Noch mehr BAYTRIL
1.734 Tonnen Antibiotika landeten nach Angaben der Bundesregierung 2011 in den Tier-Ställen. Der massenhafte Einsatz dieser Mittel in der Massenzucht fördert die Entwicklung resistenter Erreger. In den menschlichen Organismus gelangt, können diese Krankheiten auslösen, gegen die Antibiotika dann nicht mehr wirken. Bei BAYERs BAYTRIL ist diese Gefahr besonders groß, denn CIPROBAY, sein Pendant für die Humanmedizin, entstammt ebenfalls aus der Gruppe der Fluorchinolone und hat sogar den Status eines Reserve-Präparats für besonders schwierig mit Antibiotika zu behandelnde Infektionen inne. Einen Umsatz von 166 Millionen Euro machte der Leverkusener Multi mit dem Präparat im vorvergangenen Jahr, 118 Millionen Euro davon mit MassentierhalterInnen. Heuer dürften es noch mehr werden, denn der Leverkusener Multi wirft immer mehr BAYTRIL-Variationen auf den Markt. Nachdem er 2012 in Europa die Zulassung für BAYTRIL MAX FOR PIGS erhalten hat, genehmigten die US-Behörden jetzt BAYTRIL 100 zur Behandlung von Atemwegserkrankungen bei Rindern und Kühen.

BAYTRIL-Resistenzen nehmen zu
In der Tiermast nehmen Resistenz-Bildungen gegen Antibiotika auf Fluorchinolone-Basis wie BAYERs BAYTRIL zu. „Diese sind bei Masthähnchen und Puten weit verbreitet, bei Rindern und Schweinen sind die Resistenz-Raten deutlich geringer“, antwortete die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen. Damit steigt auch die Gefahr der Übertragung von unbehandelbaren Krankheitskeimen auf den Menschen. Und im Fall von BAYTRIL ist dieses Risiko besonders hoch. Der Leverkusener Multi bietet nämlich für den Humanmedizin-Bereich mit CIPROBAY ebenfalls ein Medikament aus der Gruppe der Fluorchinole an, das sogar den Status eines Reserve-Antibiotikas für besonders schwierig zu behandelnde Infektionen besitzt. Konkrete Maßnahmen zur Einschränkung des Gebrauchs von Mitteln wie BAYTRIL in den Ställen wollen CDU und FDP trotzdem nicht vornehmen.

DRUGS & PILLS

58 XARELTO-Tote
Anfang des Jahres richtete die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Anfrage an das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM), um etwas über die Risiken und Nebenwirkungen von BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO zu erfahren (siehe auch SWB 2/13). Die Antwort war schockierend: 58 Meldungen über Todesfälle und 750 über schwere Nebenwirkungen wie Blutungen hatte das BfArM allein 2012 erhalten. Das Institut betont jedoch, dass „ein Kausalzusammenhang im Einzelfall nicht sicher belegt ist“ und bewertet das Risiko/Nutzen-Potenzial des Mittels weiterhin als „positiv“. Das Fachmagazin arznei-telegramm und die „Arzneimittel-Kommission der deutschen Ärzteschaft“ raten indes von dem Präparat ab.

FDA will weitere XARELTO-Daten
In den USA verzögert sich die Zulassung von BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO zur Nachbehandlung von Blutgerinnseln in der Herzkranz-Arterie weiter (siehe auch SWB 2/13). Bereits im Februar 2012 hatte die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA in einem „Complete Response Letter“ Aufklärung über Todesfälle verlangt, die in den eingereichten Studien nicht dokumentiert sind, statt die Arznei zuzulassen. Anfang März 2013 stellte sie dem Konzern nun einen weiteren Brief mit der Aufforderung zu, fehlende Daten zum Sicherheitsprofil nachzureichen.

Neuer XARELTO-Test
BAYER lässt nicht locker. Obwohl der Gerinnungshemmer XARELTO viele Risiken und Nebenwirkungen hat (s. o.), testet das Unternehmen das Präparat für immer mehr Anwendungsgebiete. So begannen im März 2013 Phase-III-Studien mit XARELTO als Mittel zur Behandlung von Herzinsuffizienz bei gleichzeitig bestehender koronaler Herzkrankheit.

ONE-A-DAY-Pille schützt Herz nicht
Der Leverkusener Multi schreibt seinen Vitamin-Präparaten aus der ONE-A-DAY-Serie neben anderen medizinischen Wohltaten auch eine herz-stärkende Wirkung zu. Eine Studie der „Harvard Medical School“ mit den Vitaminen C und B sowie Beta-Carotin und einer Multivitamin-Kombination, an der 15.000 Männer teilnahmen, hat diese Aussage nun aber widerlegt. In der Vitamin-Gruppe traten der „Physicians Health Study II“ zufolge über einen Zeitraum von elf Jahren nicht weniger Herzinfarkte auf als in der Placebo-Gruppe. Zuvor hatten bereits andere Untersuchungen die Heil-Wirkungen der Produkte widerlegt. So wiesen finnische WissenschaftlerInnen sogar lungenkrebs-fördernde Effekte von Beta-Carotin nach, während ihre US-Kollegen bei ProbandInnen, die Beta-Carotin in Kombination mit Vitamin A eingenommen hatten, neben erhöhten Raten von Lungenkrebs auch solche von Herz/Kreislauf-Erkrankungen feststellten. Und nach einer 2011 im Journal of the American Medical Association veröffentlichten Expertise steigert Vitamin E das Risiko, Prostata-Krebs zu bekommen.

Netzhaut-Ablösungen durch CIPROBAY
Die Einnahme des BAYER-Präparats CIPROBAY und anderer Antibiotika auf Fluorchinolone-Basis kann zu Netzhaut-Ablösungen führen. Zu diesem Ergebnis kam eine ForscherInnen-Gruppe unter Leitung des Pharmazeuten Dr. Mahyar Etminan. Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA sieht trotzdem keinen Anlass, die Fach-Informationen für MedizinerInnen zu aktualisieren. Sie will die Mittel zunächst nur unter verstärkte Beobachtung stellen und erst handeln, wenn weitere Untersuchungen den Befund bestätigen sollten.

Zuviel ANTRA im Einsatz
Krankenhaus-PatientInnen, die an Nieren-Erkrankungen, Gerinnungsstörungen oder an einer Blutvergiftung leiden, erhalten zum Schutz vor Blutungen der Magenschleimhaut oft Protonenpumpen-Inhibitoren wie BAYERs ANTRA mit dem Wirkstoff Omeprazol. Nach einer Untersuchung der Harvard University erfolgen die präventiven Gaben allerdings zu häufig. Nur bei 13 Prozent der Kranken mit einem erhöhten Blutungsrisiko mache die Einnahme Sinn, so die Wissenschaftler. Die Mittel haben nämlich beträchtliche Nebenwirkungen. Sie unterbinden die Magensäure-Produktion fast komplett, was nicht nur Bakterien ein gedeihlicheres Klima beschert und so den Ausbruch von Infektionen fördert, sondern auch die Kalzium-Gewinnung aus der Nahrung stört und auf diese Weise die Gefahr von Knochenbrüchen erhöht. Wegen solcher Gegenanzeigen warnen bundesrepublikanische MedizinerInnen bereits seit langem vor einem zu sorglosen Umgang mit den Präparaten, die hauptsächlich bei der Behandlung von Sodbrennen zum Einsatz kommen. Allerdings fruchteten ihre Warnungen nicht – seit einiger Zeit sind diese Medikamente nicht einmal mehr verschreibungspflichtig. Und nicht zuletzt deshalb verfünffachte sich der Verbrauch in den letzten zehn Jahren.

Neue Hormon-Spirale
BAYER bringt eine neue Hormon-Spirale mit dem Produkt-Namen JAYDESS bzw. SKYLA auf den Markt, die mit Levonorgestrel denselben Wirkstoff wie MIRENA hat, aber nicht mehr so einen großen Umfang hat. Als häufige oder sehr häufige Nebenwirkungen des Mittels zählt der Leverkusener Multi unter anderem Übelkeit, Unterleibs- und Kopfschmerzen, Schwindel, Durchfall und Menstruationsstörungen auf. Damit befindet JAYDESS sich ebenfalls in guter Gesellschaft mit MIRENA, unter deren Risiken und Nebenwirkungen mehr als jede zehnte Anwenderin leidet. 45.000 Meldungen über unerwünschte Arznei-Effekte hat allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA schon erhalten. Erste Schadensersatz-Klagen beschäftigen bereits die Gerichte (siehe RECHT & UNBILLIG).

Frankreich verbietet DIANE
In Frankreich durften Frauen BAYERs Hormon-Präparat DIANE anders als hierzulande auch zur Schwangerschaftsverhütung einsetzen. Nach dem Bekanntwerden von vier Sterbefällen verbot die Aufsichtsbehörde ANSM das Mittel jedoch (siehe auch SWB 2/13). Auch die Niederlande sahen Handlungsbedarf. Mit Verweis auf zehn Tote hat das „Dutch Medicines Evaluation Board“ ÄrztInnen geraten, die Pille neuen PatientInnen nicht mehr zu verschreiben. Darüber hinaus wird die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA sich mit dem Fall „DIANE“ beschäftigen.

Schlechte Noten für ASPIRIN COFFEIN
Die Stiftung Warentest hat Mittel gegen Regelschmerzen getestet und BAYERs ASPIRIN COFFEIN dabei mit „ungenügend“ bewertet. Grund für die schlechte Note war der Koffein-Zusatz. Dieser könne dazu führen, dass die Patientinnen die Arznei länger als nötig einnehmen, befanden die TesterInnen und gaben eine „6“.

Neues Lungenhochdruck-Mittel
BAYER hat einen Zulassungsantrag für eine Arznei zur Behandlung von Lungenhochdruck gestellt. Der Wirkstoff Riociguat soll in der Lunge ein Enzym stimulieren, das für eine Erweiterung der Blutgefäße sorgt und so die Sauerstoff-Aufnahme verbessert. Der Leverkusener Multi erwartet von dem Mittel einen Umsatz von 500 Millionen Euro im Jahr.

ALPHARADIN-Zulassung beantragt
Krebsmedikamente sind teuer, helfen zumeist wenig und haben allzuoft nur ein eingeschränktes Anwendungsgebiet. So auch das vom Leverkusener Multi gemeinsam mit dem norwegischen Unternehmen ALGETA entwickelte ALPHARADIN. Es ist zum Einsatz bei der Prostatakrebs-Art CRPC bestimmt, wenn eine Hormon-Behandlung erfolglos geblieben ist und sich zudem noch Metastasen im Knochen gebildet haben. Dann soll eine radioaktive Bestrahlung mit dem Wirkstoff Radium-223-Dichlorid das Wachstum der Tumor-Zellen hemmen. Bei den Klinischen Tests verhalf es Männern jedoch nur zu einem noch nicht einmal drei Monate längeren Leben. Trotzdem hat BAYER für das Medikament nun die Zulassung beantragt.

DHG hilft bei ProbandInnen-Suche
Bluter-Verbände beschenkt BAYER reichlich, gilt es doch, vergessen zu machen, dass in den 90er Jahren Tausende Bluter an HIV-verseuchten Blutprodukten des Konzerns starben, weil das Unternehmen sein Präparat KOGENATE aus Kostengründen keiner Hitze-Behandlung unterzogen hatte. So spendete der Leverkusener Multi im vorletzten Jahr der „Deutschen Hämophilie-Gesellschaft zur Bekämpfung von Blutungskrankheiten“ (DHG) 20.000 Euro. Zudem nutzt der Konzern die DHG, um ProbandInnen für Arznei-Tests zu rekrutieren. „Liebes DHL-Mitglied, viele Hämophile leiden immer wieder unter Schmerzen (...) Daher ist die Verbesserung der Schmerz-Therapie für Hämophile ein wichtiges Anliegen“ – mit diesem Schreiben forderte die Gesellschaft ihre Mitglieder auf, an einem Medikamenten-Versuch teilzunehmen. Sie hielt es dabei noch nicht einmal für nötig, BAYERs Namen zu nennen.

Mehr Transparenz in den USA
In den USA müssen BAYER & Co. bald alle Zuwendungen an MedizinerInnen oder Kliniken der Behörde „Centers for Medicare and Medicaid“ melden, welche die Angaben dann im Internet veröffentlicht. Unter den „Physician Payment Sunshine Act“ fallen unter anderem Beratungshonorare, Bewirtungen, Geschenke, Spenden, Forschungsaufträge, Reise-Finanzierungen und das Sponsoring von Forschungsaktivitäten. Bei Verstößen gegen die Auflagen sieht das Gesetz Strafen von bis zu einer Million Dollar vor. Um sich hierzulande das Schicksal einer solchen Verordnung zu ersparen, gehen die Pharma-Riesen in die Offensive und kündigen eine freiwillige Selbstverpflichtung zu mehr Transparenz im Gesundheitswesen an.

326 Pharma-Kooperationen
„Heutzutage kann kein Unternehmen den Anspruch mehr haben, alles alleine erreichen zu können“, sagte BAYER-Vorstand Wolfgang Plischke im November 2012 auf dem Presseforum „BAYER Innovations-Perspektive 2012“ zur Begründung dafür, immer mehr Forschungsaktivitäten ganz oder teilweise auszugliedern. Nach Plischkes Angaben hat allein die Pharma-Abteilung des Leverkusener Multis momentan schon 326 Kooperationsvereinbarungen mit Universitäten, Instituten oder anderen Firmen abgeschlossen.

BAYER & Co. sabotierten AMNOG
Nach dem Arzneimittel-Neuverordnungsgesetz müssen die Pharma-Firmen mit ihren neuen Arzneien ein Verfahren durchlaufen, das Kosten und Nutzen der Präparate bewertet, und sich anschließend – wenn das Präparat nicht durchfällt – mit den Krankenkassen auf einen Erstattungsbetrag einigen. Diesen wollen BAYER & Co. jetzt aber im Falle eines Falles nicht angeben. Sie haben stattdessen vor, der „Informationsstelle für Arznei-Spezialitäten“ (IFA) ihre Wunsch-Kalkulation zu melden und die Differenz zur verhandelten Summe als Rabatt zu deklarieren. Damit bliebe dann die erstgenannte Zahl auf der IFA-Liste die Referenz-Größe, an der sich andere Länder bei der Festlegung ihrer Pillen-Preise orientieren. Die GesundheitspolitikerInnen reagierten erbost auf das Vorhaben. So kritisierte Jens Spahn, der gesundheitspolitische Sprecher der CDU: „Ich kann der Pharma-Industrie nur empfehlen, nicht – wie anscheinend geplant – aktiv gegen die Rechtsauffassung des Gesundheitsministers zu agieren. Das wäre ein Affront, der nicht ohne Folgen bleiben kann.“

Mehr Pillen in Russland
Der Leverkusener Multi will sein Pharma-Geschäft in Russland ausbauen und hat zu diesem Zweck einen Kooperationsvertrag mit dem einheimischen MEDSINTEZ-Konzern geschlossen. Die beiden Unternehmen beabsichtigen, auf dem Gebiet der diagnostischen Bildgebung sowie der Infektionen und der neurologischen Krankheiten zusammenzuarbeiten. Auch eine gemeinsame Vermarktung von Produkten streben die Multis an. „Die lokale Produktion unserer Präparate wird unsere Geschäftsentwicklung in diesem Wachstumsmarkt vorantreiben“, erklärte Pharma-Manager Andreas Fibig zu dem Deal.

Neue Krebs-Therapie?
Der Leverkusener Multi will wieder mal auf dem besten Wege sein, eine Krebs-Therapie auf Knopfdruck zu entwickeln. BAYERs Kooperationspartner vom „Deutschen Krebsforschungszentrum“ und vom Universitätsklinikum haben nämlich ein Enzym entdeckt, das eine große Rolle bei der Entstehung von Tumoren spielt. Und jetzt gilt es nur noch, einen Wirkstoff zu finden, der das Eiweiß HDAC11 blockiert, und schon ist der Krebs besiegt, frohlockt der Pharma-Multi. In der Praxis jedoch helfen die Mittel, die der Konzern bisher auf dieser Basis produziert hat, recht wenig. So verlängert BAYERs NEXAVAR das Leben der PatientInnen gerade einmal um zwei bis drei Monate und mutet ihnen dabei zudem noch starke Nebenwirkungen zu.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

EFSA: GAUCHO bienengefährlich
Zahlreiche Studien belegen die Bienengefährlichkeit von Pestizid-Wirkstoffen auf Neonicotinoide-Basis wie Imidacloprid (enthalten in BAYERs GAUCHO) und Clothianidin (PONCHO). Nun hat sich auch die Europäische Behörde für Lebensmittel-Sicherheit (EFSA) der Sache angenommen. Sie untersuchte Imidacloprid und Clothianidin gemeinsam mit der SYNGENTA-Substanz Thiamethoxam und bestätigte die bisherigen Resultate. „Die EFSA-Wissenschaftler haben etliche Risiken für Bienen durch drei Neonicotinoid-Insektizide ermittelt“, hieß es in einer Presse-Mitteilung. Die Europäische Kommission kündigte daraufhin an, über ein zunächst zweijähriges Verbot zu beraten. Der Leverkusener Multi aber zeigt sich immer noch beratungsresistent. Eine „allzu konservative Auslegung des Vorsorge-Prinzips“ warf er Brüssel vor. Dem Spiegel erklärte der Konzern derweil, das Bienensterben sei durch eine Vielzahl von Faktoren bedingt und hielt fest, ein Bann der Mittel müsse „auf eindeutigen wissenschaftlichen Nachweisen“ basieren. Und nach Meinung von BAYERs europäischem Interessensverband ECPA hat die EFSA eben diese Nachweise nicht erbringen können, da sie nicht alle vorliegenden Studien mit in ihr Urteil einbezogen habe. Ob es aber tatsächlich zu einem Moratorium kommt, bleibt zweifelhaft, denn „Die Vertreter der EU-Staaten reagierten nach Angaben eines EU-Diplomaten verhalten auf die Vorschläge der Kommission“ wie dpa berichtete.

Hormonell wirksame Pestizide
Viele Pestizide wirken wie Hormone. Deshalb können sie den menschlichen Organismus aus dem Gleichgewicht bringen und zu Krebs, Stoffwechsel-Störungen, Unfruchtbarkeit und neurologischen Erkrankungen führen. Das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) hat jetzt eine Broschüre zu dem Thema veröffentlicht und in ihr auch die am häufigsten in Salat, Gurken und Tomaten nachgewiesenen Ackergifte mit solchen Nebenwirkungen aufgeführt. Unter ihnen befanden sich auch zahlreiche Substanzen aus dem Sortiment des Leverkusener Multis wie Propamocarb (enthalten in der Agro-Chemikalie VOLARE), Deltamethrin (K-OBIOL und PROTEUS), Bifenthrin (ALLECTUS), Cyproconazol (ALLO) und Pyrimethanil (CLARINET, FLINT STAR, MYSTIC, MYTHOS, SCALA, SIGANEX, VISION und WALABI).

Pestizide in Trauben
Das Chemische und Veterinär-Untersuchungsamt Stuttgart hat Tafeltrauben nach Pestizid-Rückständen untersucht. In 92 Prozent der einheimischen Früchte hat es Rückstände gleich von mehreren Agro-Chemikalien gefunden. Darunter waren auch viele Wirkstoffe, die in BAYER-Produkten ihr Unwesen treiben. Mit Spiroxamin (enthalten in INPUT) spürten die WissenschaftlerInnen überdies eine Substanz auf, die hierzulande gar keine Zulassungen für Tafeltrauben-Kulturen hat. Und bei Proben aus der Türkei überschritten Carbendazim (enthalten in DEROSAL) und Chlorthalonil (enthalten in BAYERs PRONTO PLUS BRAVO-PACK) sogar die zulässigen Grenzwerte.

EU überprüft Chlorpyrifos
Der Pestizid-Wirkstoff Chlorpyrifos, enthalten unter anderem in den BAYER-Produkten BLATTANEX, PROFICID und RIDDER, gehört zur Gruppe der Organophosphate und ist deshalb besonders gefährlich. So kann er neueren Untersuchungen zufolge die Entwicklung von Embryos im Mutterleib stören und bei den Kindern später Gehirnschäden verursachen. Die EU-Kommission hat sich jetzt entschlossen, die Substanz einem Prüfverfahren zu unterziehen, obwohl diese noch eine Zulassung besitzt, was ein absolutes Novum darstellt.

Immer mehr Herbizid-Resistenzen
Immer mehr Unkräuter widerstehen den Herbiziden der Agro-Riesen, weshalb die FarmerInnen immer höhere Dosen Agro-Chemie ausbringen müssen. Warum das so ist, darüber sprach BAYERs oberster Herbizid-Forscher Dr. Hermann Stübler Ende November 2012 auf einem Symposion des Leverkusener Multis ganz offen. Die Industrie habe seit über 25 Jahren kein neues Anti-Unkrautmittel mehr entwickelt, unter anderem weil sich auf dem Markt oligopolistische Strukturen verfestigt hätten und es deshalb immer weniger Forschung auf diesem Gebiet gebe. In die Bresche springen sollen nach Ansicht der Symposionsteilnehmer jetzt staatliche Wissenschaftseinrichtungen. So schlug der Leiter des Max-Planck-Institutes für molekulare Physiologie, Dr. Lothar Willmitzer, vor, seine Einrichtung könnte in Zukunft gemeinsam mit BAYER & Co. nach neuen Wirksubstanzen fahnden.

Neue Herbizid-Kooperation
Da die handelsüblichen Herbizide immer mehr Resistenzen ausbilden (s. o.), vereinbarte BAYER eine Forschungskooperation mit MENDEL BIOTECHNOLOGY, um neue Wirkstoffe auf der Basis von pflanzen-eigenen Genregulations-Mechanismen zu entwickeln.

LIBERTY-Verkauf boomt
2012 hat das warme Wetter in den USA zu früheren Spritzrunden mit dem MONSANTO-Herbizid ROUND-UP
geführt und noch mehr Wildpflanzen gegen die Substanz immun gemacht (s. o.). Darum landete eine erhöhte Dosis Agro-Chemie auf den Feldern. Die FarmerInnen griffen nämlich vermehrt zu BAYERs Anti-Unkrautmittel LIBERTY, dessen Wirkstoff Glufosinat die EU wegen seiner Gefährlichkeit bereits verboten hat, und bescherten dem Leverkusener Multi so blendende Absatz-Zahlen.

Mehr Glufosinat aus Knapsack
Immer mehr Unkräuter bilden Resistenzen gegen das MONSANTO-Herbizid ROUND-UP aus (s. o.). Das steigert die Markt-Chancen von BAYERs LIBERTY, das der Konzern bevorzugt in Kombination mit gentechnisch gegen das Mittel immun gemachten Pflanzen verkauft. Darum will der Leverkusener Multi in Knapsack bei Köln nun die Produktion des Wirkstoffes Glufosinat steigern, obwohl dieser wegen seiner Gefährlichkeit EU-weit seine Zulassung verloren hat. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) protestierte gegen die Entscheidung. „Es ist unverantwortlich, im Ausland eine Anbautechnik zu forcieren, die mit der Verwendung eines hochgiftigen und bei uns verbotenen Pestizids verknüpft ist. Das Schicksal der Landarbeiterinnen und Landarbeiter in Lateinamerika oder Asien ist dem Konzern augenscheinlich gleichgültig!“, heißt es in der Presseerklärung der Coordination.

Brasilien verbietet Aldicarb
Das BAYER-Pestizid Aldicarb, vermarktet unter dem Namen TEMIK, gehört als Organophosphat zur Gefahrenklasse 1a - und damit zur höchsten. Die EU hat das Ackergift deshalb schon im Jahr 2007 aus dem Verkehr gezogen, wogegen der Leverkusener Multi sich mit Händen und Füßen gewehrt hatte. Im Herbst 2012 verhängte nun auch Brasilien ein Verbot. In den USA sind die Tage der Agro-Chemikalie ebenfalls gezählt. Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA gewährt dem Mittel jedoch noch eine Gnadenfrist bis Ende 2014.

PFLANZEN & SAATEN

Nr. 6 im Saatgut-Geschäft
Seit einiger Zeit baut BAYER das Geschäft mit Saatgut aus. 820 Millionen Euro setzte der Leverkusener Multi 2011 in diesem Segment um. Damit nahm er unter den globalen Top-Produzenten die Position sechs ein.

GENE & KLONE

Neue EYLEA-Indikationen gesucht
Gerade erst hat der Leverkusener Multi die Zulassung für sein gemeinsam mit der Firma REGENERON entwickeltes Gentech-Augenpräparat EYLEA zur Behandlung der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – erhalten, da schaut er sich schon nach neuen Anwendungsgebieten um. Der Pharma-Riese stellte einen Antrag auf Genehmigung des Präparates zur Therapie von solchen Flüssigkeitsansammlungen in der Makula-Region des Auges, die nach einem Zentralvenen-Verschluss an der Netzhaut auftreten.

BAYER & Co. behindern Forschung
Die Patente, welche die Agro-Multis auf ihre Genpflanzen halten, gewähren ihnen weitgehende Rechte. So hat BAYER etwa durch das geistige Eigentum an der Sojabohne A5547-127 das Monopol auf die Untersuchungen von unvorhergesehenen Auskreuzungen dieser Labor-Frucht. Unabhängige WissenschaftlerInnen bleibt dagegen der Zugang zu dem Soja, Mais und Raps der Gen-Giganten versperrt. „Legal kann zu vielen kritischen Fragen keine wirklich unabhängige Forschung durchgeführt werden“, klagten deshalb ExpertInnen 2009 bei einer Anhörung der US-Regierung. Auf EU-Ebene stellt sich das nicht anders dar. Im vorletzten Jahr sah sich der damalige Verbraucherschutz-Kommissar John Dalli aus diesem Grund gezwungen, die Konzerne zu bitten, ForscherInnen ihre gen-manipulierten Arten zur Verfügung zu stellen, damit jene die Möglichkeit haben, selber Tests mit ihnen durchzuführen. Auf ein solches Goodwill ist die Europäische Union angewiesen, denn ein juristischer Anspruch auf eine Bereitstellung von A5547-127 und anderen Gen-Konstrukten besteht nicht.

WASSER, BODEN & LUFT

Gadolinium verunreinigt Gewässer
Nach einer Studie der Bremer „Jacobs University“ verunreinigt Gadolinium den Rhein. Der Wissenschaftler Prof. Dr. Michael Bau ermittelte von dem in BAYERs Röntgen-Kontrastmitteln GADOVIST und MAGNEVIST enthaltenen Stoff Konzentrationen, die mehr als das Zehnfache über den natürlichen lagen. „Erhöhte Gehalte an Gadolinium sind mittlerweile überall in der entwickelten Welt in Flüssen und vereinzelt auch im Trinkwasser zu finden“, hält Bau fest und forderte die Einführung eines Monitoring-Systems für diese zu den Seltenen Erden gehörende Substanz. Und dieses wäre umso nötiger, als der Stoff mit erheblichen Risiken und Nebenwirkungen behaftet ist (Ticker 3/11). So kann Gadolinium bei Nierenkranken ein unkontrolliertes Wachstum des Bindegewebes mit Todesfolge auslösen. Mit 230 Klagen von Opfern oder deren Angehörigen sah sich der Pharma-Riese deshalb bereits konfrontiert; aktuell laufen noch 40 Prozesse (Stand: 12.2.13). Auch die Aufsichtsbehörden haben das Gefährdungspotenzial bereits erkannt. So hat die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA jüngst strengere Auflagen für den Gebrauch von GADOVIST & Co. erlassen.

Diuron verunreinigt Gewässer
Der Pestizid-Wirkstoff Diuron, den BAYER seit einiger Zeit in Deutschland nicht mehr vertreibt, verunreinigt in Tateinheit mit anderen Substanzen immer noch die Ruhr. „Die Belastung der Ruhr mit Mikro-Schadstoffen ist ein ernstes Thema“, sagt deshalb der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel von den Grünen und kündigt politische Schritte an. An knapp zwei Prozent der Meßstellen überschritt Diuron die Grenzwerte.

Neue EU-Emissionsrichtlinie
Die neue Richtlinie der EU zu Industrie-Emissionen bleibt in ihren Vorschriften teilweise weit hinter den Standards auf anderen Kontinenten zurück. Während BAYER & Co. etwa in den USA nur drei Mikrogramm Quecksilber pro Kubikmeter Abluft ausstoßen dürfen, legt die Europäische Union einen Grenzwert von zehn Mikrogramm fest. Und bei Stickoxiden, von denen die Schlote der Industrie nun bereits schon seit 12 Jahren kontinuierlich höhere Mengen produzieren – BAYERs Wert für 2011: 3.700 Tonnen – wäre technisch längst weit weniger Belastung möglich, als Brüssel erlaubt. Darum forderten die Grünen und die Linkspartei, bei der Umsetzung der Direktive in nationales Recht schärfere Limits für Quecksilber und Stickoxide festzusetzen. Die SPD trat derweil dafür ein, die Umwelt-Auflagen für Müllmitverbrennungsanlagen, wie sie auch der Leverkusener Multi betreibt (SWB 3/11), denen für herkömmliche Müllverbrennungsanlagen anzugleichen, während sich Fachleute für härtere Auflagen Feinstaub und Ammoniak betreffend starkmachen. Die Regierungskoalition lehnte die Vorstöße jedoch ab.

BAYER-Chemie in Kosmetika
BAYER & Co. drängen mit ihrer Plaste & Elaste auf den Kosmetika-Markt. So finden sich in Zahnpasten, Dusch-Peelings und Kontaktlinsen-Reinigern viele Kunststoff-Produkte. Der Leverkusener Multi produziert beispielsweise Polyurethane zur Verstärkung der Haftkraft von Wimperntusche und Make-Ups. Diese Substanzen können nicht nur Gesundheitsstörungen verursachen, sondern auch die Umwelt schädigen, denn sie passieren die Kläranlagen unbehelligt. CDU und FDP wollen dem vorerst nicht Einhalt gebieten. „Die Bundesregierung sieht derzeit keinen Bedarf, weitergehende gesetzliche Regelungen zu treffen“, heißt es in der Antwort auf eine kleine Anfrage der Grünen. Merkel & Co. stellen lediglich vage Maßnahmen im Rahmen der EU-Meeresstrategie-Richtlinie in Aussicht.

Schon wieder eine Altlast
Unter dem Pflaster des ehemaligen BAYER-Autohofs in Leverkusen schlummern vermutlich giftige Abfälle aus der Frühzeit des Konzerns, denn das Kataster-Amt der Stadt weist das Areal als Altlasten-Verdachtsfläche aus. Der Vergessenheit entrissen wurde die chemische Zeitbombe, als die Kommune einen neuen Standort für ihre Feuerwehr suchte. Dafür hatte sie nämlich das Areal des Unternehmens in die engere Wahl genommen und genauere Erkundigungen über das Grundstück eingezogen. Die Feuerwehrleute reagierten alarmiert auf die Informationen und lehnen den Autohof als neue Heimstatt ab. „Wer garantiert, dass wir keine Spätfolgen erleiden, wenn wir auf verseuchtem Boden unseren Dienst verrichten“, fragte einer von ihnen in einem Brief, der dem Leverkusener Anzeiger zuging.

DEROSAL verunreinigt Gewässer
Der BUND, der NABU und andere Initiativen haben Kleingewässer in Brandenburg auf Pestizid-Rückstände untersucht und erhebliche Verunreinigungen festgestellt. Unter den nachgewiesenen Ackergiften befand sich auch Carbendazim, das in dem BAYER-Produkt DEROSAL enthalten ist und wegen seiner hohen Halbwertzeit eine große Umweltgefahr darstellt. „Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass eine unzulässig hohe Schadstoff-Belastung der Gewässer die Regel ist. Die Vorschriften zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln sind folglich in hohem Maße unzureichend“, resümierte die Toxikologin Dr. Anita Schwaier vom Verein ZUKUNFT BIOSPHÄRE UND LEBENSRAUM.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

PCB-Grenzwerte waren zu hoch
Der Sonderkommission des Berliner Senats zur Prüfung gefährlicher Arbeitsstoffe zufolge galten in der Bundesrepublik lange Zeit zu lasche Werte für die „Maximale Arbeitsplatz-Konzentration“ (MAK) von Polychlorierten Biphenylen (PCB). Die ExpertInnen schlugen deshalb eine „drastische Absenkung des MAK-Wertes für höherchlorierte (...) Biphenyle von 0,1 auf 0,003 mg/m3“ vor. BAYER zählte lange zu den Hauptherstellern von PCB, die unter anderem als Weichmacher in Kunststoffen, Kühlmittel und Isoliermaterial Verwendung fanden. 1983 verbot der Gesetzgeber die Substanz. Aber die gesundheitsschädlichen Wirkungen der Substanz wie etwa Krebs machen sich nicht nur deshalb immer noch bemerkbar, weil sie zu den chemisch äußerst stabilen und sich in der Umwelt entsprechend langsam abbauenden Chlor-Verbindungen gehört und noch in zahlreichen alten Gebäuden steckt. Es kommen auch noch neue Belastungen hinzu, beispielsweise durch die PCB-Verbrennung in den Müll-Öfen des Leverkusener Multis.

Schlechte Noten für Körperlotion
Die „Stiftung Warentest“ hat BAYERs BEPANTHOL-Körperlotion mit „ungenügend“ bewertet, da sie bedenkliche Inhaltsstoffe wie potenziell krebserregende PEG-Derivate, giftige halogen-organische Verbindungen und andere gesundheitsschädliche Stoffe wie Paraffine und Silikone enthält.

NANO & CO.

Nano-Anlage genehmigt
Die Auftragsfertigung der Kohlenstoff-Nanoröhrchen mit dem Produktnamen BAYTUBES führt für den Leverkusener Multi seine ehemalige Tochterfirma H. C. STARCK in Laufenburg aus. Bislang betreibt das Unternehmen die Anlage nur im Test-Modus, es stellte beim Regierungspräsidium Freiburg jedoch einen Antrag auf einen Normalbetrieb nebst einer Kapazitätserweiterung von 30 auf 75 Tonnen im Jahr. Da die Nano-Technologie Werkstoffe auf winzig kleine Größen schrumpfen lässt, wodurch diese unbekannte und nicht selten gefährliche Eigenschaften entwickeln, erhob nicht nur die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN Einspruch gegen das Projekt. 61 Einwendungen gingen bei den Behörden ein. Das Regierungspräsidium schenkte den KritikerInnen jedoch keinen Glauben. Es folgte lieber den Ansichten des von H. C. STARCK angeheuerten Gutachters Helmut Greim, der BAYER bereits im Holzgifte-Prozess gute Dienste erwiesen hatte, und erteilte die Zulassung für den ersten Großversuch mit der Nano-Fertigung im „Multimillionen-Maßstab“ (O-Ton BAYER). Der BUND verurteilte die Entscheidung, während die in Baden-Württemberg jüngst zu Regierungsehren gekommenen Grünen sie guthießen. An der Genehmigung gebe es nichts zu bemängeln, schließlich hätten mehrere Gutachten erwiesen, dass die Produktion keine Gefahr darstelle, verlautete den Stuttgarter Nachrichten zufolge aus dem Landesumweltministerium.

CO & CO.

Lkw-Unfall an Pipeline-Strecke
Mitte Januar 2013 prallte auf der Erkrather Neandertal-Brücke ein Lkw gegen die Leitplanke. Ein Stahl-Seil verhinderte gerade noch, dass der Laster in die Tiefe stürzte. So fiel nur ein Teil der Ladung hinab – dorthin, wo knapp zwei Meter unter dem Boden BAYERs umstrittene Kohlenmonoxid-Pipeline verläuft. Wäre sie schon in Betrieb und auch der Lastkraftwagen von der Brücke gekippt, hätte es einen Super-GAU geben können. Darum reagierte die Bezirksregierung Düsseldorf prompt: „Auch dieser Lkw-Unfall wird von der Bezirksregierung nochmals in die Sicherheitsprüfung einbezogen.“ Der Leverkusener Multi hingegen bestritt ein solches Risiko und verwies auf ein Gutachten des Unternehmens TÜV, für welches auf Brücken „nach den bisherigen Prüfungen eine Gefährdung nicht gegeben“ sei. Erich Hennen von der Initiative CONTRA PIPELINE macht derweil sogar noch weiter Gefahrenpunkte an Verkehrsnetzen aus wie etwa bei Mündelheim, wo die Giftgas-Leitung die B 288 kreuzt.

Hohe Pipeline-Folgekosten?
Für Erkrath hat der Bau von BAYERs zwischen Krefeld und Dormagen verlaufender Kohlenmonoxid-Pipeline hohe Folgekosten. Bürgermeister Arno Werner nannte in dem Zusammenhang vor allem nötig gewordene Veränderungen bei der Feuerwehr wie die Einstellung von mehr Personal, die Verbesserung der technischen Ausstattung und den Bau einer neuen Wache. Allein letzteres wird nach seinen Angaben ca. 13 Millionen Euro verschlingen. Der Anti-Pipeline-Aktivist Uwe Koopmann wollte es genauer wissen und hakte bei der Feuerwehr nach. Diese dementierte allerdings die Angaben Werners. „Die Planungen der Feuerwehr stehen in keinem Zusammenhang mit der CO-Pipeline“, heißt es in dem Antwort-Schreiben.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

ULTRAVIST-Rückruf
BAYER musste eine Rückruf-Aktion für sein Röntgen-Kontrastmittel ULTRAVIST starten, weil einige Chargen Verunreinigungen aufwiesen.

STANDORTE & PRODUKTION

Dormagener TDI-Anlage genehmigt
Ende Dezember 2012 erteilte die Bezirksregierung Köln BAYER di

[Ticker] STICHWORT BAYER 01/2013 TICKER

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Keine Gewerkschaften in Kolumbien
Der kolumbianische Gewerkschaftler Guillermo Correa Montoya hat bundesdeutsche Unternehmen dafür kritisiert, an ihren Standorten in dem Land keine Beschäftigten-Vertretungen zu dulden. Neben dem Verhalten von SIEMENS und DHL rügte der stellvertretende Leiter der Gewerkschaftsschule ENS auch die Geschäftspolitik des Leverkusener Multis. „Ein anderes Beispiel ist die BAYER AG. Die hat eine Firmengeschichte von mehr als hundert Jahren in Kolumbien, aber weder im Werk Barranquilla noch in jenem in Cali gibt es eine Gewerkschaft. Das ist kein Zufall“, so Correa Montoya in einem Interview des Neuen Deutschland. In Nordamerika versucht der Konzern ebenfalls zu verhindern, dass die Beschäftigten sich organisieren. So hat er in Emeryville die Gründung einer Gewerkschaft hintertrieben, indem er mit Stellen-Streichungen drohte und die BelegschaftsvertreterInnen als „Schmarotzer“ diffamierte, die es nur auf die Beiträge der ArbeiterInnen abgesehen hätten (Ticker 3/11). Und auf den Philippinen kündigte der Pharma-Riese Anfang der 2000er-Jahre GewerkschaftlerInnen mit fadenscheinigen Begründungen, was ihm sogar eine Klage wegen Verletzung der OECD-Richtlinien für Global Player einbrachte.

CBG gegen Produktionserweiterung
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat Einspruch gegen das Vorhaben BAYERs eingelegt, am Standort Brunsbüttel die Produktion des Kunststoff-Zwischenprodukts MDI zu erweitern (siehe auch STANDORTE & PRODUKTION). Nach Ansicht der Coordination berücksichtigen die Pläne die Möglichkeit eines Austrittes großer Mengen des Giftgases Phosgen nicht in ausreichendem Maße. So will das Unternehmen die Anlage zwar mit einer Einhausung schützen, womit er einer langjährigen Forderung der Umweltverbände nachkommt, diese aber nicht aus Beton, sondern nur aus Blechplatten errichten. Zudem verzichtet der Konzern auf eine so genannte Ammoniak-Wand als zweites Sicherheitssystem. Darüber hinaus hält die Fertigungsstätte den Mindestabstand zu bewohnten Gebieten nicht ein.

Antibiotika: CBG schreibt Aigner
1.734 Tonnen Antibiotika landeten nach Angaben der Bundesregierung 2011 in den Tier-Ställen. Mittel aus der Gruppe der Fluorchinolone, zu denen BAYERs BAYTRIL zählt, waren mit acht Tonnen dabei. Einen Umsatz von 118 Millionen Euro machte der Leverkusener Multi in diesem Marktsegment weltweit mit dem Produkt – und produzierte dabei Risiken und Nebenwirkungen en masse. Darum sandte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) einen Offenen Brief an die Adresse von Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner. „Der übermäßige Einsatz antimikrobieller Substanzen führt zur Entwicklung resistenter Erreger. Immer mehr Menschen sprechen daher auf eine Behandlung mit Antibiotika nicht mehr an – eine mitunter tödliche Gefahr“, heißt es in dem Schreiben. Im Fall von BAYTRIL ist diese Gefahr besonders groß. Der Leverkusener Multi bietet nämlich für den Humanmedizin-Bereich mit CIPROBAY ebenfalls ein Medikament aus der Gruppe der Fluorchinole an, das sogar den Status eines Reserve-Antibiotikas für besonders schwierig zu behandelnde Infektionen besitzt. Darum forderte die CBG die Ministerin auf, den Gebrauch von BAYTRIL in der Massentierhaltung zu verbieten und daran zu arbeiten, mittelfristig alle Antibiotika aus den Zuchtbetrieben zu verbannen.

BAYERs Steuergeheimnis
Auf der von TRANSPARENCY INTERNATIONAL (TI) veröffentlichten Transparenz-Rangliste der 105 größten Global Player landete BAYER auf Platz 25. Während der Pharma-Riese für seine Angaben zur Konzern-Organisation die volle Punktzahl erhielt und für diejenigen zu seinen Antikorruptionsprogrammen 8,1 von 10 möglichen, bekam er nur zwei Punkte für seine Auskunftsfreudigkeit in bezug auf die im Ausland gezahlten Steuern. Die TI-Vorsitzende Edda Müller kritisierte diese Verschwiegenheit des Leverkusener Multis und anderer bundesdeutscher Firmen: „Unternehmen sollten länder-spezifische Zahlen wie Umsatz, Vorsteuer-Ergebnis und Steuern veröffentlichen. Nur so können Bürger dieser Länder feststellen, inwieweit Unternehmen Zahlungen an die Regierungen tätigen, Gelder verschwunden sind oder durch entsprechende Konstruktionen Steuern vermieden werden.“

Protest gegen Freihandelsabkommen
Da es der Welthandelsorganisation WTO kaum noch gelingt, auf globaler Ebene Handelsliberalisierungen durchzusetzen (Ticker 4/12), geht die EU dazu über, mit einzelnen Ländern oder Staaten-Verbünden entsprechende Verträge abzuschließen. Diese Vereinbarungen gehen dabei in der Regel noch über die im internationalen Patentabkommen TRIPS getroffenen Regelungen hinaus. So gelang es der Europäischen Union in den Verhandlungen mit Peru und Kolumbien, beste Markt-Bedingungen für BAYER & Co. zu schaffen. Sie erreichte unter anderem eine Verlängerung des Pillen-Patentschutzes über die bisher geltenden 20 Jahre hinaus, eine die Entwicklung von Nachahmer-Präparaten verzögernde 5-jährige Sperrfrist für die Daten aus den Klinischen Prüfungen und eine strengere Ahndung von Verletzungen des geistigen Eigentums. Solche Zugeständnisse will Brüssel nun auch in den Abkommen mit Thailand, Indien und der ASEAN-Gruppe durchsetzen. Doch dagegen erhebt sich Protest. Thailändische Initiativen wie die AIDS ACCESS FOUNDATION, das CANCER PATIENT NETWORK und die FOUNDATION FOR CONSUMERS sehen durch das geplante Freihandelsabkommen die Versorgung der Bevölkerung mit erschwinglichen Medikamenten gefährdet, weshalb sie das Europäische Parlament in einem Offenen Brief aufforderten, eine Verschärfung der TRIPS-Bestimmungen in dem Vertragswerk nicht zuzulassen.

Protest gegen Aschen-Aufbereitung
Die 60-prozentige BAYER-Tochter CURRENTA will auf ihrem Gelände in Leverkusen-Bürrig für die Betreiber-Gesellschaft AVEA eine Ofenschlacken-Aufbereitungsanlage errichten und diese auch für bis zu 25.000 Tonnen Rostasche aus eigener „Produktion“ nutzen (Ticker 4/12). Doch gegen die Pläne regt sich Widerstand. AnwohnerInnen befürchten Giftstaub-Emissionen, weil die Beschäftigten die Asche auf offenen Förderbändern nach wertvollen Metall-Resten durchsuchen sollen und es keine Lagerhäuser gibt. Zudem rechnen sie mit Belästigungen durch den Liefer-Verkehr. „Das alles ist eine Zumutung für uns Bürger“, sagt etwa Manfred Zans. Er fordert einen geschlossenen Betrieb und hat bei der Stadt deshalb Einspruch gegen das Projekt erhoben.

KAPITAL & ARBEIT

Arbeitsplatzvernichtung in Berlin
Das 800 Millionen Euro schwere Rationalisierungsprogramm, das 4.500 Arbeitsplätze vernichtet, reicht BAYER noch nicht. Zusätzlich kündigte der Leverkusener Multi nun an, am Pharma-Standort Berlin im Bereich der chemisch-pharmazeutischen Entwicklung 130 Stellen zu streichen. Darüber hinaus will der Konzern 170 Jobs nach Wuppertal verlegen. Er begründete den Schritt mit dem notwendigen Abbau von Doppel-Strukturen nach der 2006 erfolgten Übernahme von SCHERING und versuchte abzuwiegeln: „Berlin ist und bleibt unser wichtigster Pharma-Standort.“ Der Bezirksleiter der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE, Oliver Heinrich, zeigte sich trotzdem „aufs Höchste alarmiert“. Der Betriebsratsvorsitzende Yüksel Karaaslan reagierte ähnlich: „Wir fürchten hier in Berlin eine Demontage auf Raten“. Und wirklich hat der Pharma-Riese der Hauptstadt-Belegschaft schon übel mitgespielt. Unmittelbar nach dem SCHERING-Deal stellte der Global Player den Beschäftigten noch Vorteile aus dem Zusammenschluss in Aussicht. Die Realität sah jedoch anders aus. 1.000 Belegschaftsangehörige mussten sofort gehen. Mit dem neuen BAYER-Chef Marijn Dekkers brachen dann noch härtere Zeiten an. Er tilgte den Namen SCHERING, unterstellte die Pillen-Schmiede direkt dem Kommando des Pillen-Chefs Jörg Reinhardt und begrub auch die hochtrabenden Pläne für einen „Pharma-Campus“ auf dem Firmen-Gelände. „BAYER scheint schon fast Lust daran zu haben, hier in Berlin Unruhe zu schüren“, beklagte sich ein anonym bleiben wollender Beschäftigter in einem Beitrag für die Berliner Morgenpost. „Besonders bitter stößt uns diese Debatte auf, weil der BAYER-Konzern gerade seine Gewinn-Erwartung erhöht hat“, heißt es in dem Artikel, der mit dem Satz schließt: „Kampflos werden wir unser Arbeitsplätze hier nicht aufgeben, so viel ist klar.“

Betriebsräte polieren Pharma-Image
Betriebsräte großer Pharma-Firmen machen nicht etwa die Profit-Jagd der Unternehmen für Arbeitsplatz-Vernichtungen und immer neue Rationalisierungsmaßnahmen verantwortlich, sondern die staatliche Gesundheitspolitik. Diese Lage-Beurteilung führt sie auch dazu, über die neu gegründete „Arbeitsgemeinschaft Pharma-Betriebsräte“ Lobby-Arbeit für BAYER & Co. zu treiben. So kritisierte der Verband bei Treffen mit PolitikerInnen wie dem Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Ulrike Flach (FDP), Staatssekretärin im Gesundheitsministerium, das Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz scharf, weil es den Pharma-Riesen mehr Rabatte abverlangt und eine Kosten/Nutzen-Bewertung für Medikamente eingeführt hat. Auch über die angeblich ebenfalls Job kostenden hohen Forschungskosten beklagte er sich und forderte eine steuerliche Absetzbarkeit dieser Ausgaben. Darüber hinaus beabsichtigen die Beschäftigten-VertreterInnen, etwas gegen das schlechte Image der Branche zu tun. „Wir wollen zeigen, dass wir gute Dinge produzieren und eine hohe Wertschöpfung erzielen“, kündigte der BAYER-Betriebsrat Willy Beumann an.

Service-GesellschaftlerInnen unzufrieden
BAYERs Beschäftigten-Befragung bescherte dem Konzern Zustimmungswerte, die von 58 Prozent für das obere Management über 67 Prozent für Vergütung und 73 Prozent für Zufriedenheit bis zu 85 Prozent für das Engagement des Pharma-Riesen gingen. Allerdings traten deutliche Unterschiede zwischen der Belegschaft der drei Sparten „Pharma“, „Kunststoffe“ und „Landwirtschaft“ und den bei den Service-Gesellschaften unter Vertrag Stehenden auf. Während letztere das Unternehmen negativer beurteilten als noch vor zwei Jahren, verteilten erstere bessere Noten als 2010. Ein deutliches Indiz für die 2-Klassen-Gesellschaft beim Leverkusener Multi, die sich unter anderem in der Bezahlung widerspiegelt.

253 LeiharbeiterInnen
Die Zahl der LeiharbeiterInnen ging beim Leverkusener Multi von 650 vor der Wirtschaftskrise auf nunmehr 253 zurück. Das hält der Nachhaltigkeitsbericht für das Jahr 2011 fest. Allein der Aderlass bei BAYER BUSINESS SERVICES (Ticker 4/12) kostete 290 prekär Beschäftigte ihren Job. Ob sich die Konditionen für die ZeitarbeiterInnen seit den Zeiten um 2008, da der Konzern sie mit 6,24 Euro abspeiste und dafür sogar eine Klage von der IG METALL hinnehmen musste (SWB 4/08), inzwischen gebessert haben, darüber steht in dem Report nichts. Auch die Menge der bloß per Werksvertrag beim Global Player malochenden ArbeiterInnen nennt er nicht.

Mangelware Tarifverträge
Weltweit hat der Leverkusener Multi nur mit knapp der Hälfte seiner Beschäftigten Tarifverträge abgeschlossen. Während BAYER in Europa solche Vereinbarungen mit 88 Prozent der Belegschaftsangehörigen getroffen hat, beträgt die Quote in Lateinamerika 46, in der Asien/Pazifik-Region 16 und in den Vereinigten Staaten gar nur drei Prozent. Dort ging sie binnen eines Jahres um fünf Prozent zurück. Die „rückläufige Entwicklung gewerkschaftlich organisierter Beschäftigter in den USA“ nennt der Konzern dann auch als eine der Hauptursachen für die Absenkung des Anteils der tariflich Angestellten von 55 auf 53,6 Prozent im Geschäftsjahr 2011. An dieser Tendenz hat der Global Player freilich kräftig mitgewirkt, denn er macht GewerkschaftlerInnen das Leben schwer, wo er nur kann. (siehe auch AKTION & KRITIK).

Viele befristete Verträge
Von den 72.800 männlichen Beschäftigten bei BAYER (Stand: 2011) hatten 69.400 unbefristete Arbeitsverträge und 3.400 befristete. Von den 39.000 weiblichen Belegschaftsangehörigen waren 36.900 unbefristet und 2.100 befristet angestellt.

Viele chinesische AkademikerInnen
Der Leverkusener Multi verortet seine Wachstumspotenziale hauptsächlich in den aufstrebenden Schwellenländern. Das zeigt sich unter anderem daran, dass er diese Nationen nicht länger als verlängerte Werksbank betrachtet, sondern dort auch neue Produkte entwickeln will und dafür gut ausgebildetes Personal rekrutiert. So stellte der Konzern 2011 in China 1.900 Uni-AbsolventInnen ein und in Indien 750, in der Bundesrepublik dagegen nur 400 und in den USA bloß 250.

Kündigung nach Kritik
Der Leverkusener Multi bietet seinen Beschäftigten Aktien des Konzerns zum Vorzugspreis an. So vorzüglich ist dieser jedoch gar nicht, wie ein Jurist des Unternehmens erfahren musste. Er kaufte die Anteilsscheine, um ein wenig später zu erfahren, dass er diese bei seiner Hausbank für 500 Euro weniger hätte erhalten können. Der Mann sprach den Fall auf einer Management-Versammlung an und erntete für diesen Mut das Lob von Belegschaftsangehörigen. „Die Kollegen haben mir deshalb hinterher auf die Schulter geklopft, aber auch sofort prophezeit, dass es das für mich bei BAYER war“, berichtet er. „So etwas vergisst der Kardinal nicht“, hatten sie ihn gewarnt. Und der Kardinal vergaß tatsächlich nicht und sandte dem Rechtsexperten ein Kündigungsschreiben. Dieser aber lässt sich das nicht gefallen und ficht vor einem Arbeitsgericht nicht nur seine Entlassung, sondern auch den Aktien-Verkauf an.

Renten-Beiträge: Merkel liefert
Bereits seit Längerem fordern BAYER & Co. eine Senkung der Rentenversicherungsbeiträge (Ticker 1/12). So traten die Unternehmen für eine stufenweise Reduzierung auf 19,1 Prozent ein, eine Kosten-Ersparnis von rund vier Milliarden Euro anvisierend. Nun liefert die Bundesregierung und geht mit der Absenkung der Beiträge auf 18,9 Prozent sogar noch über die von den Konzernen gewünschte Entlastung hinaus.

ERSTE & DRITTE WELT

Kontrazeptiva als Entwicklungshilfe

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Der Leverkusener Multi lässt sich den Absatz seiner Antibaby-Pillen in ärmeren Ländern kräftig sponsern: Verhütung gilt als Entwicklungshilfe. So übernimmt etwa die US-amerikanische Entwicklungsbehörde USAID die Kosten für Erstellung und Verbreitung von Informationsmaterial zu YASMIN & Co in Äthiopien (Ticker 1/12). Und Gelder aus dem mit 400 Millionen Euro gefüllten Topf der Bundesregierung „für Vorhaben zur Förderung der Familienplanung und Frauengesundheit“ griff der Multi ebenfalls ab. Sogar bei der Rekrutierung von Personal greift das Unternehmen auf öffentliche Mittel zurück. So qualifizierte er im Rahmen des Programms „Afrika kommt“ mit freundlicher Unterstützung des Auswärtigen Amtes Spitzenkräfte aus Trikont-Staaten weiter, die ihm nun gute Dienste in ihren Herkunftsländern leisten. Willis Omondi Ogutu etwa kümmert sich nach einer neun Monate langen Schulung am BAYER-Standort Berlin in Kenia um den Vertrieb der Kontrazeptiva und kann dabei auf seine guten Kontakte bauen. Er arbeitete dort nämlich bereits für eine Nichtregierungsorganisation, die sich im Bereich der AIDS- und Malaria-Prävention engagierte.

Kontrazeptiva als Entwicklungshilfe

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„Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar“, sagte einst der ehemalige US-Präsident Lyndon B. Johnson. Zur Freude des Leverkusener Multis teilen auch andere Ex-Präsidenten des Landes diese Ansicht, denn die „gigantischen Fruchtbarkeitsmärkte“ in den armen Ländern versprechen gute Absatzchancen für die Verhütungsmittel des Konzerns. So einigte BAYER sich mit der „Clinton Health Access Initiative“ von Bill Clinton und der „Children’s Investment Fund Foundation“ darauf, den Organisationen das Hormon-Implantat JADELLE zur „Entwicklunghilfe“ um 50 Prozent verbilligt zur Verfügung zu stellen; im Gegenzug gingen diese eine Kauf-Verpflichtung für sechs Jahre ein.

Kontrazeptiva als Entwicklungshilfe

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Der Leverkusener Multi klärt gemeinsam mit der von ihm gesponserten „Deutsche Stiftung Weltbevölkerung“ Uganda auf. Im Rahmen des Projekts „Improving the Sexual and Reproductive Health of Young Adolescents in Uganda“ informiert der Konzern über die AIDS-Prävention und Verhütungsmethoden. Und er vermeldet Erfolge: Während vor dem Start des Programms weniger als 20 Prozent der SchülerInnen mehr als zwei Methoden der Familienplanung kannten, verfügen jetzt mehr als 70 Prozent über umfangreiches Wissen zur Familienplanung – das umfangreichste macht dabei sicherlich dasjenige über die Kontrazeptiva aus dem Hause BAYER aus. Zudem wenden die Jugendlichen ihre Kenntnisse auch an und sorgen so dafür, dass die Armen sich nicht mehr so schnell vermehren. „Mehr als 90 Prozent der Schüler gaben an, dass sie ihr erstes Kind mit 21 oder später haben wollen“, vermeldet das Unternehmen stolz. Sein Nachhaltigkeitsbericht liefert derweil die Angaben über die Anzahl der in das Land gelieferten Pillen nach: 7.420 Zyklus-Packungen. Insgesamt beglückte der Pharma-Riese die so genannten Entwicklungsländer – nicht zuletzt dank der Entwicklungshilfe diverser staatlicher und privater Einrichtungen (s. o.) – 2011 mit 119 Millionen Zyklus-Packungen.

Neoliberale Entwicklungshilfe

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Die Neoliberalisierung der Entwicklungshilfe unter Minister Dirk Niebel schreitet voran. So will er ausgerechnet mit BAYER, BASF und SYNGENTA einen nachhaltigen Beitrag zur Ernährungssicherheit in Schwellen- und Entwicklungsländern leisten und den Aufbau einer lokalen Agrar- und Ernährungswirtschaft fördern. Zu diesem Behufe gründete sich unter seiner Schirmherrschaft nämlich die „Deutsche Initiative für die Agrarwirtschaft und Ernährung in Schwellen- und Entwicklungsländern“ (DIAE), der außer den Multis noch die „Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit“ (GIZ) und die „Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) angehören.

Neoliberale Entwicklungshilfe

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Mitte Mai 2012 haben die G8-Staaten auf ihrem Treffen in Camp David eine „Neue Allianz für Ernährungssicherung“ gegründet, der mit BAYER, MONSANTO & Co. die üblichen Verdächtigen angehören. Und diese erklären sich auch gleich zu allen Schandtaten bereit. So nimmt sich die Organisation in einem Strategie-Papier vor, die „Verteilung von frei verfügbarem und nicht verbessertem Saatgut systematisch zu beenden“ und „Regeln zu den Eigentumsrechten an Saatgut umzusetzen“. Damit müssten Kleinbauern und -bäuerinnen fortan Lizenzgebühren zahlen, wenn sie ihre Saaten wiederverwenden wollen, was ihre ohnehin schon oft prekäre Lage nochmals verschärfen würde. Auch den Aufkauf von Ackerflächen, das so genannte Landgrabbing, möchte die Allianz erleichtern. Es sieht also alles ganz nach Entwicklungshilfe zur Selbsthilfe aus, was die Global Player da treiben. Dem Bundesentwicklungsministerium (s. o.) macht das nichts aus. Es unterstützt das Unternehmen der Konzerne mit über 50 Millionen Euro.

Gentech-Moratorium in Indien?
Ein Beratergremium hat eine erste Bilanz der „grünen Gentechnik“ in Indien gezogen. Das Ergebnis fällt negativ aus. „Die Erfahrungen der vergangenen Dekade mit transgener Agro-Technik haben gezeigt, dass zwar die Industrie stark profitiert hat, bei der überwiegenden Mehrheit der armen Bauern aber kein positiver Effekt angekommen ist“, heißt es in ihrem 484 Seiten starken Zwischenbericht. Die ExpertInnen empfehlen deshalb dem Obersten Gerichtshof des Landes, ein zehnjähriges Moratorium für Feldversuche zu verhängen. Ob es dazu kommen wird, bleibt jedoch zweifelhaft. Die RichterInnen vertagten Anfang November 2012 einstweilen ihre Entscheidung, während es der Regierung bei dem Termin gelang, einen neuen Sachverständigen in die Beratungskommission berufen zu lassen, was Einfluss auf die Endfassung des Reports haben könnte.

KONZERN & VERGANGENHEIT

Die Flamme weitertragen
Die Geschichtswissenschaftlerin Kordula Kühlem hat den Briefwechsel von BAYERs langjährigem Generaldirektor Carl Duisberg herausgegeben. Bei der Buchvorstellung Anfang Oktober 2012 würdigte der „Leib und Magen“-Historiker des Leverkusener Multis, Werner Plumpe, Duisberg als einen Mann, der den Konzern zu einem Global Player machte, in seiner Amtszeit die modernsten Labore der Welt errichtete, Leverkusen „erfand“ und eine große soziale Ader hatte. Von seiner Verantwortung für den Giftgas-Einsatz und für die Verpflichtung von ZwangsarbeiterInnen im Ersten Weltkrieg sowie von seinem maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörderkonzerns IG FARBEN war dagegen nicht die Rede. Der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers litt ebenfalls an selektiver Wahrnehmung. „Tradition heißt nicht, die Asche zu bewahren, sondern die Flamme weiterzutragen“, zitierte er bei der Präsentation der Korrespondenz Thomas Morus und gab damit schon einmal einen Ausblick darauf, wie der Pharma-Riese bei den 2013 anstehenden Feiern zu seinem 150-jährigen Bestehen mit seiner dunklen Vergangenheit umgehen dürfte.

Kontroverse um Ausstellung
Die Universität Köln zeigt in ihren Fakultäten eine Ausstellung zu dem von BAYER mitgegründeten Mörder-Konzern IG FARBEN. Nachdem diese im Hauptgebäude und im Chemie-Bereich zu sehen war, sollte sie zur Medizin wandern. Dies stieß jedoch auf Ablehnung, ist der Leverkusener Multi doch Kooperationspartner dieses Hochschulteils und an Forschungsvorhaben beteiligt (Ticker berichtete mehrfach). Aber die KRITISCHEN MEDIZINSTUDIERENDEN setzten sich erfolgreich für die Schau ein, und nun können sich in ihrer Fachbibliothek auch die angehenden ÄrztInnen ein Bild von der unheilvollen Geschichte des Pharma-Riesen machen.

POLITIK & EINFLUSS

Keine Kennzeichnung in Kalifornien
In Kalifornien scheiterte ein BürgerInnen-Begehren zur Kennzeichnungspflicht von Lebensmitteln, die Gentech-Ausgangsstoffe enthalten, knapp mit 46,9 zu 53,1 Prozent der Stimmen. Die 25 Millionen Dollar, die BAYER und andere Gen-Multis in eine Gegen-Kampagne investierten, haben sich damit ausgezahlt. Aber die InitiatorInnen der Abstimmung lassen sich nicht entmutigen und versuchen nun in anderen US-amerikanischen Bundesstaaten ihr Glück.

EU fördert Antibiotika-Entwicklung
Immer mehr Krankheitserreger entwickeln Resistenzen gegen Antibiotika. Auch die Präparate des Leverkusener Multis erweisen sich zunehmend als wirkungslos – und das nicht von ungefähr. Der Konzern bietet nämlich Mittel aus derselben Wirkstoff-Gruppe zugleich für die Veterinär- und die Humanmedizin an. Und wenn sich ein Keim im Massentierstall erst einmal an BAYTRIL gewöhnt hat, dann kann ihm, wenn er in den menschlichen Organismus gelangt ist, CIPROBAY ebenfalls nichts mehr anhaben. Unter anderem deshalb stieg die Zahl der CIPROBAY-resistenten „Staphylococcus aureus“-Erreger nach Angaben des „German Network for Antimicrobial Resistance Surveillance“ von 1990 sechs Prozent auf über 26 Prozent im Jahr 2006. Die Zahl der CIPROBAY-resistenten „Staphylococcus epidermides“-Keime nahm der PEG-Resistenzstudie zufolge von 1995 55,3 Prozent auf 2004 70,1 Prozent zu, die der „Escherichia coli“-Erreger von 5,2 auf 21,9 Prozent. Trotz dieses alarmierenden Befundes sucht BAYER ebenso wenig wie viele andere Konzerne nach neuen Substanzen, denn der aus medizinischen Gründen erwünschte sparsame Einsatz erschwert profitable Geschäfte. Deshalb will die EU den Unternehmen das Forschen nun schmackhafter machen. Der Brüsseler „action plan against antimicrobial resistence“ verspricht Big Pharma vereinfachte Zulassungsverfahren und „angemessene Markt- und Preisbedingungen“.

BAYER EU-Lobbyist No. 1
Kein Pillen-Riese lässt sich die Lobby-Anstrengungen auf EU-Ebene so viel kosten wie BAYER. Das ergab eine Untersuchung, die HEALTH ACTION INTERNATIONAL und CORPORATE EUROPE OBSERVATORY durchgeführt haben. Divide & Conquer zufolge gab der Leverkusener Multi im Jahr 2011 über 2,5 Millionen Euro für die Beeinflussung von EU-Kommission und -ParlamentarierInnen aus. Unter anderem investierte er das Geld in ein „Life Science Dinner“ mit ausgewählten Mitgliedern des Europäischen Parlaments, ihren MitarbeiterInnen und Offiziellen der Europäischen Kommission. In den USA wandte der Konzern für seine Einfluss-Arbeit 3,3 Millionen Euro auf und kam damit auf Platz fünf in der „Big Pharma“-Rangliste. Bei dem, was das Unternehmen als seine Pflicht, sich „in die gesetzgeberischen Entscheidungsprozesse einzubringen“, betrachtet, nutzte es auch die Dienste des berüchtigten PR-Giganten BURSON-MARSTELLER, der einst die argentinische Militär-Junta und den rumänischen Diktator Nicolae Ceau&

  • 537;escu zu seinem KundInnen-Stamm zählte.

Gesundheitswirtschaft beim BDI
Der „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI) betrachtet die industrielle Gesundheitswirtschaft als einen „der großen Wachstumstreiber der deutschen Wirtschaft“ und hat deshalb einen „Ausschuss für Gesundheitswirtschaft“ ins Leben gerufen. Den Vorsitz übernahm der BAYER-Vorstand Wolfgang Plischke. Zum obersten Ziel des neuen Gremiums erklärte er „die Entwicklung einer branchen-übergreifenden Perspektive für alle im Gesundheitssektor tätigen Unternehmen“.

Teures Verbindungsbüro
„Wir bei BAYER verstehen uns als Bestandteil der Gesellschaft und sehen es daher als unsere Pflicht, uns in die gesetzgeberischen Entscheidungsprozesse einzubringen“, sagte der damalige Vorstandsvorsitzende Werner Wenning bei der Einweihung des Berliner „Verbindungsbüros“. 2011 ließ der Leverkusener Multi sich die Arbeit seiner Hauptstadt-LobbyistInnen 1,2 Millionen Euro kosten und besetzte auch den Chef-Sessel neu. Seit Juli führt der auf Gesetzesvorhaben der EU spezialisierte Stephan Schraff die Einflüsterungsgeschäfte.

BAYER muss draußen bleiben
BAYER, MONSANTO und andere Gen-Multis haben ihren privilegierten Zugang zum französischen Parlament verloren. Sie mussten ihren Akkreditierungsausweis zurückgeben. Damit wollen die regierenden SozialistInnen dem Extrem-Lobbyismus vorbeugen, der bei den kommenden Entscheidungen des Abgeordnetenhauses zur Risiko-Technologie zu erwarten steht. Eine BAYER-Sprecherin zeigte sich „erstaunt“ über die Maßnahme: „Eine solche Entscheidung (...) ähnelt einer Stigmatisierung“. Den Konzernen bleiben aber auch so noch genügend Mittel und Wege offen, ihren Einfluss geltend zu machen.

BAYER will politischer werden
Aktuelle Projekte des Leverkusener Multis wie die Kohlenmonoxid-Pipeline sehen sich einem erbitterten Widerstand gegenüber. Bei neuen Vorhaben soll sich das nicht wiederholen. „BAYER wird seine politische Arbeit verstärken“, droht die Propaganda-Postille direkt an und zitiert den Vorstandsvorsitzenden Marijn Dekkers: „Wir müssen unsere Geschäfte auf eine breite Basis der Akzeptanz stellen.“

Wenning gegen Banken-Zerschlagung
Die Rolle der Banken in der Finanzkrise hat auch viele ManagerInnen dazu bewogen, am Universalbanken-Prinzip zu zweifeln und eine Trennung von Kredit- und Investment-Aktivitäten zu fordern. BAYERs Aufsichtsratschef Werner Wenning tritt in einem Interview mit dem Manager-Magazin jedoch für die Beibehaltung des alten Systems ein: „Weil es gerade der globalen Industrie nutzt. Ich kann aus meiner eigenen Erfahrung als Vorstandsvorsitzender von BAYER sagen, dass es enorm wichtig ist, Finanzpartner zu haben, die nicht nur das eigentliche Kredit-Geschäft betreiben.“

BAYER im Sparkassen-Beirat
Seit 2003 existiert der 24 Mitglieder umfassende Wirtschaftsbeirat der LEVERKUSENER SPARKASSE. Dort „tauschen sich Unternehmer und Verantwortliche in großen Firmen regelmäßig aus“, wie der Leverkusener Anzeiger weiß. Und seit diesem Jahr tauscht in der Runde auch BAYERs Finanzvorstand Werner Baumann mit.

BAYER-Auszubildende bei Ulrike Flach
Die FDP-Politikerin Ulrike Flach (FDP) unterhält beste Kontakte zum Pillen-Riesen. Im letzten Jahr besuchte die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium den Leverkusener Chemie-„Park“ und heuer hat sie in Berlin neben der „Arbeitsgemeinschaft Pharma-Betriebsräte“ (siehe KAPITAL & ARBEIT) auch schon 20 BAYER-Lehrlinge empfangen, mit denen sie über Nachhaltigkeit plauderte.

Kraft bei BAYER
Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) besuchte im August 2012 den BAYER-Stand im Essener „Ideen-Park“, der Kinder und Jugendliche für Naturwissenschaft, so wie sie die Konzerne verstehen, gewinnen will. Besonders angetan zeigte sich die Politikerin von dem Projekt „Dream Production“, das den Einsatz von Kohlendioxid als Rohstoff zur Kunststoff-Herstellung erprobt, obwohl WissenschaftlerInnen den Recycling-Effekt als gering einschätzen. „Die stoffliche Nutzung kann keine riesigen Mengen binden, weil wir einfach viel, viel mehr Kohlendioxid freisetzen“, sagt etwa der Chemie-Ingenieur Arno Behr von der „Technischen Universität Dortmund“ (Ticker 1/10).

Landesminister bei BAYER
Anfang Oktober 2012 besuchten der schleswig-holsteinische Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) und der Energiewende-Minister Robert Habeck (Grüne) Brunsbüttel. Sie schauten sich in Begleitung des parteilosen Bürgermeisters Stefan Mohrdieck den Elbe-Hafen sowie die Schleusen-Anlagen an und machten auch bei BAYER Halt. Dort nahm Habeck kein Blatt vor den Mund. Während Mohrdieck im Namen der heimischen Wirtschaft vor allem Infrastruktur-Verbesserungen einforderte (siehe auch STANDORTE & PRODUKTION), verlangte Habeck von der Industrie eine Reduktion des Kohlendioxid-Ausstoßes: „Auch für Sie kann nicht gelten ‚Immer weiter wie bisher’.“

EU lockert Werbe-Verbot nicht
Unter massivem Lobby-Einsatz hatte BAYER in Tateinheit mit der gesamten Branche versucht, das EU-weite Werbe-Verbot für Medikamente zu kippen, um unter dem Siegel der „PatientInnen-Information“ mit seinem Milliarden-Etat noch ein wenig mehr Marketing betreiben zu können. Initiativen wie die BUKO-PHARMA- KAMPAGNE liefen Sturm gegen den Plan – und konnten sie durchsetzen. Die Europäische Union verfolgt das Gesetzes-Vorhaben vorerst nicht weiter.

PROPAGANDA & MEDIEN

„Verantwortungsvolles Marketing“
Über zwei Milliarden Euro gab BAYER im Geschäftsjahr 2011 für Werbung und „Kundenberatung“ aus. Neuerdings sieht sich der Leverkusener Multi dabei zu einem „verantwortungsvollen Marketing“ verpflichtet. Der Konzern bekennt sich in seinem Nachhaltigkeitsbericht dazu, bei der Reklame für Arzneien und sonstige Produkte klar und deutlich auf Risiken hinzuweisen, keine missverständlichen Aussagen zu machen und nur behördlich genehmigte Anwendungsgebiete zu propagieren. Gehalten hat der Global Player sich an seine eigenen Grundsätze jedoch nicht. Auch im Berichtszeitraum mussten die Aufsichtsbehörden wieder einschreiten (Ticker 4/11). So rügte das Selbstkontroll-Organ der britischen Pharma-Industrie, die „Prescription Medicines Code of Practice Authority“ (PMCPA), eine Annonce für das Verhütungsmittel YASMIN als „hochgradig unethisch“, weil der Pharma-Riese darin das Kunststück fertiggebracht hatte, das Kontrazeptivum mit dem Zusatznutzen „gegen Akne“ und „gegen Wassereinlagerungen“ zu bewerben, um dann im Kleingedruckten just „Akne“ und „Wassereinlagerungen“ als mögliche Nebenwirkungen aufzuführen. Zudem kritisierte die Einrichtung den Global Player dafür, die Kommunikationsplattform Twitter dafür genutzt zu haben, verbotenerweise verschreibungspflichtige Arzneien anzupreisen.

ÄrztInnen-Fortbildung in China
In den ländlichen Regionen Chinas organisiert der Leverkusener Multi gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium unter dem Label „Go West“ Fortbildungskurse für MedizinerInnen, „um verbesserte Diagnose, Therapie und Patienten-Beratungen zu erreichen“, sprich: mehr BAYER-Pillen in Umlauf zu bringen. 3.500 ÄrztInnen und 3.100 Krankenhaus-Angestellte haben seit 2007 die entsprechenden Programme durchlaufen.

Kooperationsvertrag mit Schule
2004 hat BAYER mit dem Monheimer Otto-Hahn-Gymnasium einen Kooperationsvertrag geschlossen. Seither suchen jährlich sechs ReferentInnen des Leverkusener Multis die Schule heim. Im Mai 2012 hielt Dr. Norbert Mencke, in der Tiermedizin-Abteilung des Konzerns für das „Global Marketing“ zuständig, einen Vortrag über Infektionskrankheiten bei Mensch und Tier. Welche Lernziele das Unternehmen bei solchen Übungen verfolgt, darüber gab eine Pädagogin einmal der Wirtschaftswoche Auskunft. „Natürlich bekommen die Schüler dort den Eindruck vermittelt, Gentechnik sei das Nonplusultra, und ohne BAYER und seine Pflanzenschutzmittel würde keine Nutzpflanze auf dieser Welt überleben“, sagte sie der Zeitschrift. Die Chemie-Lehrerin der Otto-Hahn-Schule ist da allerdings anderer Ansicht. „Eine Win-win-Situation“ nannte Katja Lücke das Arrangement mit dem Global Player.

Diabetes-Dialog in Dubai
BAYER hat im April 2012 in Dubai eine Diabetes-Konferenz veranstaltet, zu der unter anderem MedizinerInnen und PolitikerInnen aus Ägypten, Kuwait, Saudi Arabien, Bahrein und den Vereinigten Arabischen Emiraten anreisten. „In den Teilnehmer-Regionen des ersten Symposiums herrscht dringender Bedarf an neuen lokalen Perspektiven zum Diabetes-Management“, meint der Leverkusener Multi mit Blick auf die Krankheitsraten in den Ländern – und hofft diese Aussichten mit seinen Medikamenten und Blutzucker-Messgeräten zu gewähren. Ob das gelingt, steht allerdings in Frage, denn die Diabetika des Konzerns haben nicht den besten Ruf. So bescheinigte der Pharmazeut Gerd Glaeske dem Präparat GLUCOBAY, „gerade mal so wirksam wie Müsli“ zu sein.

160.000 Euro für PatientInnen-Gruppen
Im Jahr 2011 spendete BAYER bundesdeutschen PatientInnen-Organisationen 162.000 Euro; nur NOVARTIS, PFIZER und ROCHE zeigten sich spendabler. Die Auswahl des Pharma-Riesen richtete sich dabei strikt nach seinem Produkt-Portfolio. Mit 62.000 Euro erhielt die „Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft“ als Zielgruppe des Medikamentes BETAFERON am meisten Geld, mit 20.000 Euro folgten dann die potenziellen KOGENATE-AbnehmerInnen von der „Deutschen Hämophilie-Gesellschaft zur Bekämpfung von Blutungskrankheiten“. In Zukunft dürften die Verbände noch mehr bekommen. Die Bundesregierung will nämlich die Mitsprache-Rechte der PatientInnen unter anderem bei der Zulassung von Arzneimitteln und der Frage der Kostenerstattung durch die Krankenkassen stärken, und da ist eine verstärkte Pflege der medizinischen Landschaft geboten.

Preis vom Bluterverband
Von all den PatientInnen-Vereinigungen, die der Leverkusener Multi sponsert, bedenkt er Bluter-Verbände am reichlichsten, gilt es doch, vergessen zu machen, dass in den 1990er Jahren Tausende Bluter an HIV-verseuchten Blutprodukten des Konzerns starben, weil er sein Präparat KOGENATE aus Kostengründen keiner Hitze-Behandlung unterzogen hatte. 5,5 Millionen Euro erhielten die verschiedenen Organisationen im Geschäftsjahr 2010. Und die Investition lohnt sich. Im Juli 2012 bekam BAYER von der „World Federation of Hemophilia“ den „Robert Koch Award“ – ausgerechnet für die Entwicklung von KOGENATE. „Der renommierte Preis unterstreicht, wofür BAYER steht: Science for a better Life“, konnte der BAYER-Manager Liam Condon in seiner Dankesrede sagen.

PatientInnen-Akademie gegründet
BAYER & Co. intensivieren ihre Bemühungen, PatientInnen-Organisationen für sich zu gewinnen (s. o.). Zu diesem Zweck haben sie jetzt die „Europäische Patienten-Akademie zu therapeutischen Innovationen“ (Eupati) gegründet. „Mit einem geeigneten Training können Patienten-Vertreter akzeptierte Partner in Wissenschaft, Ethik- und Kontrollausschüssen werden und dabei klinische Studien, Arzneimittel-Entwicklung und Zugangsstrategien verbessern und beschleunigen“, meinen die Unternehmen. Zu allem Überfluss lassen die Pillen-Riesen sich die Nachhilfe in Sachen Lobbying auch noch teilweise von der EU finanzieren. Die Kosten für die Eupati in Höhe von zehn Millionen Euro übernimmt nämlich die von Brüssel mit insgesamt zwei Milliarden Euro geförderte „Innovative Medicines Initiative“, eine „Public Private Partnership“ zwischen der EU-Kommission und den europäischen Pillen-Riesen. Der Leverkusener Multi lässt sich bei Eupati durch die beiden Manager Jutta Ulbrich und Mark Fairbourn sowie durch den Medizin-Professor und BAYER-Berater Dr. Wolf See (s. u.) vertreten. Das Trio sorgt dort unter anderem für das generelle Management, die Einbindung der Industrie-Netzwerke, die Implementierung der Computer-Technik und die Entwicklung der PR-Strategie. „Unabhängige Gesundheitsinformation ist für Laien wie Fachleute wichtig. Die öffentliche Hand muss hier ihre Verantwortung besser wahrnehmen und darf das Feld nicht der Industrie überlassen“, mit diesen Worten kritisiert die BUKO PHARMA KAMPAGNE die Initiative der Konzerne.

Ein Mann mit vielen Eigenschaften
Der Mediziner Prof. Dr. Wolf See ist im Nebenberuf BAYER-Berater. Da ergeben sich schon bei den Lehrveranstaltungen, die See an der Ruhr-Universität Bochum als außerplanmäßiger Professor abhält, Synergie-Effekte, bietet er dort doch Lehrveranstaltungen zu den klinischen Prüfungen von Wirkstoffen an. Darüber hinaus vertritt der fleißige Gelehrte den Leverkusener Multi nicht nur in der „Europäischen Patienten-Akademie zu therapeutischen Innovationen“ (s. o.) und der „Innovative Medicines Initiative“, einer „Public Private Partnership“ zwischen der EU-Kommission und den europäischen Pillen-Riesen, er schreibt für den Global Player auch Aufsätze in Fach-Magazinen wie dem European Journal of Pharmaceutical Sciences. Zudem nahm See 2011 am Frühjahrssymposion des von BAYER gegründeten „Verbandes der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ zum Thema „Von der Gesundheitsforschung in die Gesundheitsversorgung – gemeinsam die Herausforderungen der Zukunft meistern“ teil.

Ausstellung in Leverkusen
BAYER sponsert das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP), um sich ein Öko-Image zu verschaffen. Im Rahmen dieser Kooperation veranstaltet der Konzern alljährlich auch einen Kinder-Malwettbewerb zum Thema „Naturschutz“. Eine Auswahl der Bilder stellte der Pharma-Riese Ende August 2012 im Leverkusener Baykomm aus.

Lokalblatt macht BAYER-Werbung
Ende September 2012 machte der Leverkusener Anzeiger unbezahlt BAYER-Werbung. Die Zeitung feierte den Global Player, seine Chemie-Abspaltung LANXESS und den im Besitz der beiden Unternehmen befindlichen Chemie„park“-Betreiber CURRENTA als „die drei Säulen der lokalen Wirtschaft“. Dass diese Säulen die Stadt schon längst nicht mehr tragen können – sie ist hochverschuldet (siehe STANDORTE & PRODUKTION) – ficht das Blatt nicht an. Wacker rühmt es BAYERs gute Geschäfts- und Ökobilanz, letztere trotz eines Kohlendioxid-Ausstoßes von über acht Millionen Tonnen, feiert das kulturelle Engagement des Konzerns und promoviert das BAYER-Kreuz und die roten Werksfahrräder zu Trägern der kulturellen Identität Leverkusens.

RP macht BAYER-Werbung
Mit der „Langen Nacht der Industrie“ versuchen BAYER & Co. ihr nicht zuletzt durch gefährliche Projekte wie die Kohlenmonoxid-Pipeline (siehe CO & CO.) ramponiertes Image zu liften. Die Rheinische Post ließ sich dabei bereitwillig einspannen. Sie stellte auf ihren Seiten die Chemie-„Parks“ von BAYER vor und legte sich kräftig ins Zeug, um Bedenken zu zerstreuen. So hob die Zeitung die hohen Sicherheitsstandards hervor und lobte die umweltgerechte Schadstoff-Entsorgung. Sie entblödete sich nicht einmal, dem „architektonisch preisgekrönten“ Monheimer Standort „Wohlfühl-Ambiente“ zu bescheinigen.

Gentech-Werbung auf Sunshine Live
Der Leverkusener Multi will verstärkt Jugendliche für seine Gentechnik-Produkte gewinnen und umwarb die Zielgruppe deshalb mit einem Spot für die Risiko-Technologie auf dem Sender Sunshine Live, der speziell auf elektronische Musik ausgerichtet ist. AktivistInnen wandten sich deshalb an die Redaktion und protestierten gegen die Gentech-Propaganda auf der Welle.

BAYER im Museum
Der Leverkusener Multi nahm im Sommer 2012 das Kölner „Museum für angewandte Kunst“ in Beschlag. Der Konzern präsentierte in der Ausstellung „Architekturteilchen“ nicht nur seine „Sample-Box“ mit unterschiedlichen Baumaterialien und einen Teil der Dach-Konstruktion eines chinesischen Bahnhofs, auch alle Präsentationsmedien wie Tische und Schautafeln wurden aus Kunststoff made by BAYER gefertigt.

BAYER in Boston auf der BIO 2012
Im Juni 2012 nahm BAYER an der weltgrößten Biotechnologie-Messe der Welt teil, der „BIO International Convention“ in Boston. Der Leverkusener Multi präsentierte sich dort auf einem Gemeinschaftsstand der Länder Berlin und Brandenburg zusammen mit Biotech-Firmen aus der Region, dem Fraunhofer-Institut für Nachrichtentechnik und weiteren Einrichtungen und Unternehmen.

BAYER vergibt Klima-Preis
Um sich trotz eines jährlichen Kohlendioxid-Ausstoßes von über acht Millionen Tonnen als Klima-Kümmerer darstellen zu können, verleiht der Leverkusener Multi einen „Climate Award“. 2012 erhielt der finnische Wissenschaftler Markku Kulmala von der Universität Helsinki diese Auszeichnung für seine Forschungen über bestimmte Partikel in der Atmosphäre, die zu einer Abmilderung der Erderwärmung beitragen könnten.

Greenwashing mit dem EBEN
Auch in den USA versucht BAYER sich mittels PR-Aktionen als Umweltengel zu präsentieren. Um sein Sündenregister vergessen zu lassen, rief der Multi am Standort Berkeley das „East Bay Environmental Network“ (EBEN) ins Leben, einen Verbund aus Stadtverwaltungen, Unternehmen und Universitäten, der sich nominell der Förderung des Umweltschutzes im Allgemeinen und des Klimaschutzes im Besonderen verschrieben hat.

TIERE & ARZNEIEN

Kein BAYTRIL-Verbot
1.734 Tonnen Antibiotika landeten nach Angaben der Bundesregierung 2011 in den Tier-Ställen. Der massenhafte Einsatz dieser Mittel in der Massenzucht fördert die Entwicklung resistenter Erreger. In den menschlichen Organismus gelangt, können diese Krankheiten auslösen, gegen die Antibiotika dann nicht mehr wirken. Bei BAYERs BAYTRIL ist diese Gefahr besonders groß, denn CIPROBAY, sein Pendant für die Humanmedizin, entstammt ebenfalls aus der Gruppe der Fluorchinolone und hat sogar den Status eines Reserve-Präparats für besonders schwierig mit Antibiotika zu behandelnde Infektionen inne. Trotzdem will die Bundesregierung den TierhalterInnen die Gabe von BAYTRIL & Co. nicht verbieten. „Für Cephalosporine und Fluorchinolone zur Anwendung bei Tieren bestehen nationale und EU-weite Zulassungen, die Bestandsschutz genießen“, antwortete die Regierungskoalition auf eine Kleine Anfrage der Grünen. CDU und FDP behalten sich lediglich Einschränkungen des Gebrauchs vor, obwohl immer mehr Bakterien und Keime gegen diese Wirkstoffe immun werden.

Noch mehr BAYRIL
Der Leverkusener Multi ignoriert die Risiken und Nebenwirkungen der massenhaften Verwendung von Antibiotika in der Massentierhaltung (s. o.) und wirft in Europa mit BAYTRIL MAX FOR PIGS ein neues Produkt speziell für Schweine-ZüchterInnen auf den Markt. Um es den TierhalterInnen schmackhaft zu machen, scheut der Konzern nicht einmal davor zurück, mit dem inflationären Gebrauch des Präparats in anderen Welt-Regionen Werbung zu treiben. So verweist er auf Erfahrungen mit dem Mittel in Nord- und Südamerika, „wo es erfolgreich zur Behandlung von mehr als sechs Millionen Schweinen eingesetzt wurde“.

Tier-Markt wächst tierisch
Längst hält der Leverkusener Multi für die vierbeinigen Freunde nicht mehr nur Arzneien und Mittel gegen Flöhe und andere Parasiten bereit. Er hat auch eine Art Deodorant gegen den tierischen Geruch, Vitamin-Cocktails und diverse Pflege-Artikel von Kurz- und Langhaar-Shampoo über Ohren-Spülungen bis hin zu Zahnpflege-Sets im Angebot. Und der Konzern will dieses Segment sogar noch ausbauen. „An der Erweiterung der Pflege-Produkte und Futter-Ergänzungsprodukte um interessante Produkte arbeiten wir, da dies ein durchaus wachsender Markt ist“, lässt das Unternehmen verlauten.

DRUGS & PILLS

USA: Aus für Baby-ASPIRIN
BAYERs Schmerzmittel ASPIRIN kann das Reye-Syndrom auslösen. Diese seltene Krankheit schädigt Leber und Gehirn und verläuft zu 40 Prozent tödlich. Am häufigsten tritt sie im Alter zwischen vier und neun Jahren auf. Darum musste der Leverkusener Multi in den USA nun das speziell auf diese Zielgruppe ausgerichtete „Baby-ASPIRIN“ vom Markt nehmen (SWB 1/13). In Lateinamerika hingegen vermarktet der Konzern bis heute solche speziell für Kinder gedachten Acetylsalicylsäure-Präparate.

BfArM zu DUOGYNON
Der hormonelle Schwangerschaftstest DUOGYNON der heute zu BAYER gehörenden Firma SCHERING hat ab den 1950er Jahren zu tausenden Totgeburten geführt (siehe auch RECHT & UNBILLIG). Darüber hinaus kamen unzählige Kinder mit schweren Missbildungen zur Welt. Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) erfasst bis heute Meldungen über Risiken und Nebenwirkungen des 1980 aus dem Verkehr gezogenen Mittels und veröffentlichte 2012 einen Bericht dazu. Obwohl selbst firmen-interne Dokumente DUOGYNON eine hohe Gefährlichkeit bescheinigten, sah sich die Behörde zu einem eindeutigen Urteil nicht in der Lage. „Ein Kausalzusammenhang zwischen den berichteten Fehlbildungen und der Exposition mit DUOGYNON in der Schwangerschaft kann nicht bestätigt, aber auch nicht sicher ausgeschlossen werden“, heißt es in dem Report.

EU-Zulassung für Augenmittel
Nach einem Zulassungsbescheid der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA für BAYERs Augen-Arznei EYLEA (Ticker 2/12) genehmigte ihr europäisches Pendant EMA das Medikament. Das Mittel zur Therapie der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – erschließt jedoch nicht gerade medizinisches Neuland. Laut Konzern zeigte das Pharmazeutikum in Tests lediglich „eine vergleichbare Wirkung (‚Nicht-Unterlegenheit’) gegenüber der Behandlung mit LUCENTIS“.

Noch mehr YASMIN & Co.
Trotz zahlreicher Todesfälle und starker Nebenwirkungen setzt BAYER weiter auf drospirenon-haltige Kontrazeptiva aus der YASMIN-Familie. Weil für die Präparate bald der Patentschutz ausläuft, entwickelt der Leverkusener Multi fieberhaft Varianten mit geringfügigen Abweichungen. So hat er jetzt die europa-weite Zulassung für die Pille FLEXYESS erhalten, die es den Frauen durch ein flexibles Einnahme-Schema erlaubt, die Zyklus-Länge vorauszuplanen.

BAYER entwickelt Verhütungspflaster
Der Leverkusener Multi will ein Verhütungspflaster auf den Markt bringen und hat bei den EU-Behörden einen entsprechenden Zulassungsantrag gestellt. Das Produkt enthält mit 0,55 mg des Hormons Ethinylestradiol und 2,1 mg des Hormons Gestoden höher dosierte Wirkstoffe als Kontrazeptiva in Pillen-Form, soll diese aber angeblich peu à peu über die Woche verteilt abgeben. Der Konzern erwartet von der Neuentwicklung einen Jahres-Umsatz von 250 bis 500 Millionen Euro.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Pestizid-Folgekosten: 90 Milliarden
Schätzungen zufolge kommt es Jahr für Jahr zu 41 Millionen Pestizid-Vergiftungen. Und eine Studie des UN-Umweltprogrammes UNEP rechnet für die Zukunft mit noch höheren Zahlen – vor allem in Armutsregionen. Dort steigt nämlich der Pestizid-Verbrauch rasant. Der Report „Global Chemicals Outlook“ rechnet deshalb für 2015 bis 2020 allein in Afrika mit Behandlungskosten in Höhe von 90 Milliarden Dollar. Um es nicht so weit kommen zu lassen, appelliert die UNEP an Regierungen und Agrochemie-Hersteller, mehr gegen die Risiken und Nebenwirkungen der Mittel zu unternehmen. Den Kontakt zu BAYER hätte die Einrichtung auch auf dem kleinen Dienstweg aufnehmen können: Der Leverkusener Multi gehört nämlich zu ihren Sponsoren.

Pestizid-Markt wächst
Nicht nur in den Armutsregionen steigt der Absatz von Pestiziden (s. o.), auch generell erhöht sich der Verbrauch. So wuchs der globale Agrochemie-Markt 2011 gegenüber dem Vorjahr um 18 Prozent; 45,3 Milliarden Dollar betrug der Umsatz von BAYER & Co.. In der Bundesrepublik nahm er um 2,9 Prozent auf 1,255 Milliarden Euro zu. Das stärkste Plus verzeichneten die bundesdeutschen Hersteller bei dem Segment der „Pflanzenschutzmittel“ für Haus und Garten mit einem Anstieg von 19,1 Prozent auf 119 Millionen Euro. Überproportional legten dabei die Produkte zu, die auf Chemie verzichteten.

BAYER-Pestizide in Lebensmitteln
2010 fanden sich nach einer Studie des „Bundesamtes für Verbraucherschutz“ in 62,8 Prozent der untersuchten Obst- und Gemüseproben Pestizid-Rückstände; in 2,9 Prozent der Fälle überschritten die Spuren die gesetzlich festgelegten Grenzwerte. Besonders alarmierend: Baby-Nahrung war zu 17,2 Prozent belastet. Und unter den acht am häufigsten nachgewiesenen Substanzen tummelten sich mit Carbendiazim (enthalten in der Agrochemikalie DEROSAL) und Chlorpyrifos (enthalten in BLATTANEX, PROFICID und RIDDER) zwei auch von BAYER produzierte Wirkstoffe.

GAUCHO & Co. giftiger als DDT
BAYERs Saatgut-Behandlungsmittel PONCHO und GAUCHO mit den Wirkstoffen Clothianidin bzw. Imidacloprid haben verheerende Auswirkungen auf die Umwelt. So tragen die zur Gruppe der Neonicotinoide gehörenden Pestizide eine Mitschuld am weltweiten Bienensterben, denn sie haben es in sich: Ihre Giftigkeit übersteigt diejenige von DDT um das 5.000 bis 7.000fache.

Zulassungen trotz Bienengefährlichkeit
Die EU-Zulassungsverordnung für Pestizide untersagt eigentlich die Genehmigung von Ackergiften, die negative Auswirkungen auf Bienenvölker haben. Trotzdem gelangen vieler dieser Mittel auf den Markt (s. o.). Grund dafür ist die bisherige Praxis der Risiko-Prüfung, wie ein von der „Europäischen Behörde für Lebensmittel-Sicherheit“ berufenes WissenschaftlerInnen-Gremium herausfand. Die bisherigen Bestimmungen schreiben nämlich nur Kurzzeit-Tests auf der Basis von akut toxischen Dosen vor. Über einen längeren Zeitraum gehende Untersuchungen mit geringeren Konzentrationen ergäben nach Ansicht der ForscherInnen mutmaßlich weit größere Gefährdungen durch die BAYER-Wirkstoffe Imidacloprid und Thiacloprid. Zudem bemängelten sie die Nichtberücksichtigung von Kombinationswirkungen. Deshalb forderten die ExpertInnen eine Überarbeitung der Zulassungsvorschriften.

GAUCHO-Bann in England?
In Großbritannien rückt ein Verbot von BAYERs Pestizid GAUCHO und anderer Ackergifte aus der Gruppe der Neonicotinoide wegen ihrer Bienengefährlichkeit näher. „Die Gesundheit unserer Bienen liegt uns sehr am Herzen, und neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen gegenüber, die einen Zusammenhang zwischen der Dezimierung der Bienenvölker und der Verwendung bestimmter Pestizide nachweisen, waren wir immer aufgeschlossen“, erklärte der britische Umweltminister Owen Paterson von den Konservativen. Deshalb wies er seine MitarbeiterInnen an, die Konsequenzen eines Banns der Mittel zu prüfen. Zumindest drastische Anwendungsbeschränkungen für GAUCHO & Co. bestehen schon in der Bundesrepublik, Slowenien, Italien und Frankreich.

PFLANZEN & SAATEN

Zuckerrübe mit Pestizid-Resistenz
BAYER und die KWS SAAT AG wollen eine Zuckerrübe mit Pestizid-Resistenz entwickeln, ohne dabei auf gentechnische Verfahren zurückzugreifen. Dazu züchten die beiden Unternehmen eine Pflanze weiter, bei der es zu einer „spontanen Veränderung des Erbgutes“ kam, wie es heißt.

Neues Zuchtzentrum in Australien
BAYER will im australischen Bundesstaat Victoria eine Forschungsstätte zur Kultivierung neuer Raps- und Weizensorten errichten. Besonders im Bereich „Weizen“ engagiert sich der Leverkusener Multi seit einiger Zeit stark. So hat er vor kurzem in Gatersleben das „Europäische Weizenzucht-Zentrum“ eröffnet. Zudem unterhält der Konzern viele Kooperationen mit Unternehmen und wissenschaftlichen Einrichtungen, um neue Arten dieser Kulturpflanze zu entwickeln.

GENE & KLONE

Mehr Gentech in Lebensmitteln?
Im Februar 2011 hob die EU die Regelung auf, wonach Futtermittel-Importe keinerlei Spuren von Gentech-Pflanzen aufweisen dürfen, und legte einen Höchstwert von 0,1 Prozent fest. Gleiches plant die Brüsseler Kommission jetzt auch für Lebensmittel-Importe. „Sie geht damit zum wiederholten Mal vor der Gentech-Lobby in die Knie“, kritisierte der grüne EU-Parlamentarier Martin Häusling. Und damit auch vor dem Leverkusener Multi. Der Konzern hat nämlich ein intensives Interesse an der Neuregelung, verhinderte sie doch eine Wiederholung des Gen-GAUs von 2006, als sich BAYERs nicht zugelassener Gentech-Reis LL601 unvermittelt in diversen Handelssorten wiederfand. Was damals noch einen Skandal auslöste, wäre dann in Zukunft nämlich ganz legal.

STIVARGA-Zulassung erhalten
BAYER hat in den USA die Zulassung für sein Gentech-Medikament STIVARGA (Wirkstoff: Regorafenib) erhalten. Es darf ab sofort bei PatientInnen mit fortgeschrittenem Darmkrebs, bei denen alle sonstigen Therapien versagt haben, zum Einsatz kommen. Die Genehmigung erfolgte trotz bescheidener Test-Ergebnisse. Die Substanz steigerte die Gesamtüberlebenszeit der ProbandInnen im Vergleich denjenigen aus der Placebo-Gruppe gerade einmal um 1,4 Monate und schenkte ihnen bloß eine um 0,2 Monate längere Zeit ohne weiteres Tumor-Wachstum.

Kooperation mit EVOTEC
Vor ein paar Jahren noch verkündete BAYER positive Ergebnisse von Tests mit dem Hormon Dienogest zur Behandlung der Endometriose, einer Schleimhaut-Wucherung im Blasen-, Darm- oder Eierstockbereich. Die Resultate ließen sich aber offenbar nicht bestätigen, denn Anfang Oktober 2012 beauftragte der Leverkusener Multi das Hamburger Biotech-Unternehmen EVOTEC damit, Wirkstoffe gegen die Endometriose zu finden und setzte dafür eine Belohnung von bis zu 580 Millionen Euro aus.

Kooperation mit QIAGEN
Bisher hat die personalisierte Medizin, also die Entwicklung einer passgenauen, auf die jeweiligen Bedürfnisse der PatientInnen ausgerichteten Therapie-Form, die in sie gesteckten Erwartungen nicht erfüllt. BAYER versucht sich trotzdem weiter auf diesem Feld. So vereinbarte der Leverkusener Multi mit QIAGEN eine Kooperation. Der Pharma-Riese will künftig bei Krebs-Therapien die von dem Hildener Biotech-Unternehmen entwickelten Tests und Analyse-Geräte zum Einsatz bringen. Diese Begleit-Diagnostika sollen die Genome der jeweiligen Tumore bestimmen und auf diese Weise eine gezieltere Behandlung ermöglichen. Auch neue Verfahren in diesem Bereich wollen die Partner bis zur Produktreife bringen.

Bundesregierung kapituliert
Das von BAYER und GENZYME gemeinsam entwickelte Gentech-Medikament MABCAMPATH (Wirkstoff: Alemtuzumab) hat eine Zulassung zur Behandlung einer seltenen Leukämie-Art. Diese PatientInnen stehen jetzt allerdings auf dem Schlauch. Die beiden Konzerne wollen das Mittel nämlich zur Therapie von Multipler Sklerose einsetzen, wo es achtmal so viele Betroffene gibt – und entsprechend mehr zu verdienen. Deshalb haben die Unternehmen die Arznei für die bisherige Indikation kurzerhand aus dem Verkehr gezogen. Und die Bundesregierung meint, das hinnehmen zu müssen. „Rechtliche Möglichkeiten, einen pharmazeutischen Unternehmer dazu zu zwingen, ein Arzneimittel in Deutschland zu vermarkten, bestehen nicht“, antwortete sie auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

Frankreich verbietet Bisphenol
BAYER ist mit einer Jahresproduktion von ca. einer Million Tonnen einer der größten Produzenten der Industrie-Chemikalie Bisphenol A. Drei Prozent davon finden in Lebensmittel-Verpackungen wie etwa Konservendosen Verwendung. Da die Substanz Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen hervorrufen kann, hatte die EU im März 2011 ihre Verwendung in Babyflaschen untersagt (Ticker 1/12). Frankreich geht jetzt noch einen Schritt weiter. Das Land hat ein Bisphenol-Verbot für den gesamten Nahrungsmittel-Sektor beschlossen, das 2015 in Kraft treten soll.

PLASTE & ELASTE

Lade-Stationen für Elektro-Autos
BAYER hat gemeinsam mit den Unternehmen POLICAM und INGETEAM Lade-Stationen für Elektro-Autos entwickelt. Der Leverkusener Multi steuerte dazu das Kunststoff-Gehäuse bei. Solche Verkleidungen hatte das Unternehmen bereits für die Batterien der Wagen konstruiert. Da der Konzern sich von diesem Markt viel erhofft, gehört er auch der „Nationalen Plattform Elektromobilität“ an, welche die Bundesregierung in Fragen der neuen KFZ-Technologie berät.

CO & CO.

22.000 Einwendungen
Beim Bau der zwischen Krefeld und Dormagen verlaufenden Kohlenmonoxid-Pipeline nahm der Leverkusener Multi zahllose „Planungsanpassungen“ vor. So verzichtete er etwa auf ein oberflächen-nahes Warnband, reduzierte die Breite der Abschirmungsmatten von 80 auf 60 cm und verlegte an manchen Stellen nur 5,6 mm statt 6,3 mm dicke Rohre. Darum musste der Konzern sich nun auf ein Planergänzungsverfahren mit BürgerInnen-Beteiligung einlassen. Und diese beteiligten sich rege. 22.000 Einwendungen gegen die Genehmigung 2.0 gingen bei der Bezirksregierung Düsseldorf ein. Darunter befand sich auch ein Einspruch der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN. Darüber hinaus formulierten auch CBG-Vorstände und -Mitglieder Vetos.

Neue Auflagen für Pipeline
Im Mai 2011 hatte das Düsseldorfer Verwaltungsgericht die Genehmigung für BAYERs zwischen Krefeld und Dormagen verlaufende Kohlenmonoxid-Pipeline aufgehoben. Die RichterInnen verlangten Nachbesserungen beim Nachweis der Erdbeben-Sicherheit. Die Bezirksregierung hat die zusätzlichen Anforderungen Ende August 2012 in einem Planergänzungsbeschluss formuliert. So muss der Leverkusener Multi nun noch Gutachten nachreichen, die Gefährdungen der oberirdischen Anlagen und des Leitungsabschnitts im Risiko-Gebiet Monheim durch Bodenerschüttungen ausschließen. Darüber hinaus darf die Inbetriebnahme nur erfolgen, wenn eine von der Behörde gestartete Untersuchung keine Anhaltspunkte für Gefahren durch Hohlräume entlang der Strecke findet. Aber selbst bei Erfüllung all dieser Kriterien gebe es noch kein grünes Licht. Die zahllosen während der Bauphase vorgenommenen „Planungsanpassungen“ machten nämlich ein Planergänzungsverfahren unumgänglich (s. o.), dessen Abschluss frühestens im nächsten Jahr zu erwarten ist. Zudem steht noch ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster zum Röhren-Werk aus.

Bau in Pipeline-Nähe
In unmittelbarer Nähe der Kohlenmonoxid-Leitung hat ein Unternehmen fünf große Stahlträger in den Boden gerammt, um daran Werbetafeln anzubringen. Bei den Arbeiten hätte es gut auf das Röhren-Werk treffen können, wenn nicht eine der zahlreichen „Planungsanpassungen“ (s. o.) den Abstand erhöht hätte. Ein Pipeline-Hinweisschild gab es an der Stelle nämlich nicht. „Da hat man Glück gehabt. Beim Bau der Stutzen im Mai hat noch niemand die neue Pläne gekannt“, so der Langenfelder Bürgermeister Frank Schneider (CDU).

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Staub-Explosion in Dormagen
Im Dormagener BAYER-Werk kam es am 8.10.12 zu einer Staub-Explosion in Folge einer elektrostatischen Aufladung. Dadurch geriet ein Zwischenprodukt zur Pestizid-Herstellung in Brand. Laut Zeitungsberichten schoss eine weithin sichtbare Stichflamme in den Himmel. Ein Beschäftigter erlitt eine Verbrennung und musste kurzzeitig ins Krankenhaus, die anderen Belegschaftsangehörigen konnten sich rechtzeitig in Sicherheit bringen.

STANDORTE & PRODUKTION

Leverkusen braucht Finanzhilfe
BAYER machte im Geschäftsjahr 2011 mit 36,5 Milliarden Euro einen Rekord-Umsatz. An seinem Stammsitz Leverkusen kommt von dem Geld allerdings kaum etwas an. Die Gewerbesteuer-Zahlungen steigen seit einiger Zeit zwar wieder etwas, aber nicht in dem erwarteten Ausmaß. So musste Kämmerer Rainer Häußler die Einnahme-Prognose von 108 Millionen Euro schon im Frühjahr um zehn Millionen nach unten korrigieren. „Die neuen Zahlen haben sich nach konkreten Gesprächen mit den Spitzensteuerzahlern in Leverkusen ergeben“, sagte Häußler zur Begründung. 1990 hatte allein der Chemie-Multi mehr aufgebracht, 123 Millionen Euro überwies der Konzern damals. Die Zäsur brachte dann allerdings im Jahr 2000 die Unternehmenssteuer„reform“, die BAYERs ehemaliger Steuer-Chef Heribert Zitzelsberger als Staatssekretär im Finanzministerium maßgeblich mitgeprägt hat. Seither herrscht Ebbe in der Stadtkasse. Darum musste Leverkusen jetzt Finanzhilfen vom Land annehmen: Die Kommune trat dem Stärkungspakt Stadtfinanzen bei.

Keine Kita im Duisberg-Park
Die nach der Chemie-Katastrophe von 1976 erlassene Seveso-Richtlinie schreibt einen ausreichenden Abstand zwischen Industrie-Anlagen und anderen Gebäuden vor. Ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs dazu, das die Errichtung eines Gartencenters in der Nähe des Areals von MERCK verbot, rief diese Bestimmung noch einmal in Erinnerung, was Folgen auch für den BAYER-Stammsitz Leverkusen hatte. Der Chemie-Multi musste seinen Plan aufgeben, im Carl-Duisberg-Park eine Kindertagesstätte zu bauen, denn das Grundstück liegt nur 800 Meter von den Produktionsstätten entfernt. Nun entsteht die Einrichtung am Kurtekotten-Weg.

BAYER braucht kein Brauchtum
BAYER stellt den KarnevalistInnen ab 2014 das Erholungshaus in Leverkusen-Wiesdorf nicht mehr zur Verfügung. Weder die Sessionssitzungen noch die Party nach dem Zug können dann dort noch stattfinden. „Die Miet-Einnahmen stehen in keinem Verhältnis zu den Gesamtkosten“, gibt der Konzern zur Begründung an. Der Aufwand – die Herrichtung des Saales und seine Wiederherrichtung nach den Feiern inklusive der anfallenden Reparatur- und Reinigungsmaßnahmen – hätte in keinem Verhältnis mehr zum Ertrag gestanden, so ein Unternehmenssprecher. Bei Prinzengarden-Präsident Peter Schmitz stieß der Beschluss auf Unverständnis: „Das Erholungshaus wurde doch für die Wiesdorfer Bevölkerung gebaut. Und jetzt sowas!“

Neue Anilin-Anlage in Brunsbüttel
BAYER will in Brunsbüttel die Produktion des Kunststoff-Zwischenprodukts MDI erweitern. Im Zuge dessen soll auch eine neue Fertigungsstätte für den Grundstoff Anilin mit angeschlossenem Tanklager entstehen. Der Multi hat dabei vor, das krebserregende Nervengift über ein Rohrleitungssystem zu den Plaste-Fabrikationsorten zu leiten. Überschüsse plant der Konzern am Landeshafen Ostermoor zwischenzulagern und weiterzuverkaufen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hat gegen das Vorhaben wegen mangelnder Sicherheitsvorkehrungen Einspruch eingelegt.

BAYER für Straßenbau
Der Leverkusener Multi fordert an seinem Standort Brunsbüttel umfangreiche Infrastruktur-Maßnahmen ein. Er mahnt einen Ausbau der A20 über die Elbe hinweg statt nur bis zur A7, eine Erweiterung der B5 um eine Spur sowie eine bessere Eisenbahn-Anbindung an. „Wir brauchen Zuverlässigkeit. Wenn wir nichts machen, bekommen wir einen Investitionsstau“, erklärte der BAYER-Manager Klaus Gebauer auf einer Veranstaltung mit Vertretern der Industrie- und Handelskammer (IHK), die auf dem Werksgelände stattfand. Die IHK hatte in dieser Sache sogar schon bei der Landesregierung vorgesprochen, weil der Koalitionsvertrag bloß Projekte in weit geringerem Ausmaß vorsieht, und konnte einen ersten Erfolg vermelden. SPD, Grüne und der schleswig-holsteinische Wählerbund hätten ihre Position zur A20 „etwas relativiert nach unseren vehementen Hinweisen“, berichtete IHK-Präsident Uwe Möser.

50 Jahre Pestizide aus Dormagen
Aus dem Geist der Giftgas-Produktion entsprang bei BAYER die Pestizid-Herstellung. So entstanden aus Sarin und anderen Organophosphaten nach dem Zweiten Weltkrieg Agrochemikalien wie E 605. Aber diesen Teil der Geschichte sparte der Global Player aus, als er in Dormagen feierlich mit vielen Gästen – darunter VertreterInnen der Städte Köln und Monheim – den 50. Jahrestag der Ackergift-Fertigung am Standort beging. Auch über die 41 Millionen Vergiftungsfälle per annum hüllte der Leverkusener Multi lieber den Mantel des Schweigens.

Bürgerentscheid für Römer Therme
Einst unterhielt der Leverkusener Multi Werkskindergärten, Kaufhäuser, Bibliotheken, Breitensportvereine und Schwimmbäder. Aber das ist schon eine Weile her. Von den Dormagener Römer Thermen trennte der Konzern sich bereits 2003. Er überschrieb die Badeanstalt dem ebenfalls schon länger in die Selbstständigkeit entlassenen und nur noch sporadisch unterstützten TSV BAYER Dormagen, fing aber gemeinsam mit der Stadt weiterhin das Defizit auf. Vor einiger Zeit jedoch erklärte die Kommune, ihren Beitrag nicht mehr aufbringen zu können. Da der Pharma-Riese den Anteil nicht übernehmen wollte, stand damit die Existenz des Bades a

[Patente] STICHWORT BAYER 04/2012

CBG Redaktion

BAYER und die Patente

Späte Liebe

Mit Argusaugen wacht der Leverkusener Multi über seine Patente. Unzählige Prozesse führt er zur Verteidigung seiner Ansprüche. Allerdings nahm es der Konzern mit dem Wert des geistigen Eigentums nicht immer so genau. In den Gründerjahren bediente sich der Chemie-Riese rücksichtslos bei den Ideen anderer und legte so den Grundstock für den Aufstieg zu einem Global Player. Erst als aus den BAYER-Labors vermehrt eigenständige Entdeckungen kamen, entwickelte sich das Unternehmen zu einem Anhänger von verbrieften Schutzrechten.

Von Jan Pehrke

„Ein Erfinder-Unternehmen wie BAYER lebt von einem zuverlässigen weltweiten Schutz seines geistigen Eigentums“, heißt es im jüngsten Nachhaltigkeitsberichts des Leverkusener Multis. Anderen machen hingegen die Monopol-Profite, die patentgeschützte Medikamente abwerfen, das Leben schwer. So schaffen es viele InderInnen nicht, die monatlich 4.200 Dollar, die eine Behandlung mit dem Krebsmittel NEXAVAR kostet, aufzubringen. Die Behörden des Landes haben sich deshalb auf einen Ausnahme-Paragrafen des internationalen Patent-Abkommens TRIPS berufen und dem Unternehmen NATCO eine Zwangslizenz zur Herstellung einer billigeren Version erteilt.

Der Pillen-Produzent geht gegen diese Entscheidung juristisch vor, wie er auch schon mit von der Partie war, als Big Pharma 2001 gegen Südafrika vor Gericht zog, weil der Staat die Produktion erschwinglicher Varianten eigentlich patent-geschützter AIDS-Arzneien erlaubt hatte, um möglichst vielen PatientInnen eine Therapie zu gestatten. Die meisten Klagen des Agro-Riesen richten sich jedoch gegen Konzerne, die nach Ablauf der Schutzfrist Nachahmer-Versionen von BAYER-Pharmazeutika herausbringen wollen und bereits vorab Genehmigungsanträge stellen. Durch diese Strategie hofft der Global Player, sich die lästige Konkurrenz so lange, wie es nur geht, vom Hals halten zu können. Und wenn ein solches Mittel nicht probat erscheint, zahlt er Generika-Herstellern wie BARR auch schon mal hohe Summen dafür, dass sie auf die Fabrikation von Patent-Auslaufmodellen made by BAYER verzichten.

Eigentum ist Diebstahl
Aber eine solche Wertschätzung brachte das Unternehmen dem geistigen Eigentum nicht immer entgegen. In seinen Anfangsjahren als Farbstoffe herstellende Firma pflegte es einen recht lockeren Umgang mit ihm. „Die Alizarin-Farben hingegen stammten aus der Zeit, als die einfache Übernahme fremder Verfahren in Deutschland noch erlaubt und üblich war“, heißt es in den „Meilensteinen“ dazu offenherzig1. Und nur diese „einfache Übernahme“ ermöglichte es, das Segment zum wichtigsten Produktionszweig auszubauen. 6.000 Kilo verließen 1877 täglich die Fabrikhallen, womit die Firma die Spitzen-Position unter den deutschen Herstellern einnahm.

Mit den deutschen „Erfinder-Unternehmen“ war es zu dieser Zeit nämlich noch nicht allzu weit her. Die entscheidenden Innovationen auf dem Gebiet der Chemie-Farben gelangen nämlich in England, das diese auch rasch gesetzlich schützte. Die deutschen Länder hingegen wollten die „nachholende Entwicklung“ nicht durch Eigentumstitel für Labor-Kreationen beeinträchtigen. „Dort gab es noch kein Patentgesetz. Und da die ersten Teerfarben leicht herzustellen waren, schossen überall Fabriken aus der Erde“, halten die „Meilensteine“ fest2. BAYER war sogar besonders früh dran. Noch bevor der „Vater der Farben-Industrie“, August Wilhelm Hoffmann, aus dem Mutterland dieses Industriezweiges in seine Heimat zurückkehrte, hatte sich 1863 in Wuppertal die FRIEDR. BAYER ET COMP. gegründet und sich nach dem Motto „Eigentum ist Diebstahl“ sogleich ans Kopierwerk gemacht.

Die anderen Betriebe kannten ebenfalls nur wenig Skrupel. Es blieb ihnen auch kaum eine andere Möglichkeit. Den Produkten aus dem Reichsgebiet eilte nämlich der Ruf voraus, „billig und schlecht“ zu sein. Deshalb mussten BAYER & Co. imitieren, was das Zeug hielt. Als „die berüchtigsten Piraten von ganz Europa“3 galten deutsche und schweizer Industrielle zu der Zeit. Deren Raubrittertum hielt englische und US-amerikanische Unternehmen sogar von Exporten ab, da ihre Waren „doch nur zum Nachbauen bestimmt“4 seien. Manche Firmen betrieben überdies systematisch Markenfälschung. So prangte etwa die Herkunftsbezeichnung „Sheffield made“ auf deutschen Messern, die kostengünstig aus Gusseisen statt aus Gussstahl hergestellt waren. Um sich gegen diese Billigimporte zu verwahren, führte England schließlich die Kennzeichnungspflicht „Made in Germany“ ein.

Das Reichspatent-Gesetz
Zu einem Gütesiegel wandelte sich das Label erst später, und das hatte viel mit den Umständen zu tun, unter denen es entstanden war. Die Unternehmen steckten das mit den „Übernahmen“ oder Plagiaten leicht verdiente Geld nämlich in ihre Entwicklungsabteilungen, was sich recht bald auszahlte. Sie brachten bessere, orginäre Produkte auf den Markt – und entdeckten prompt ihre Schutzwürdigkeit. Dabei gab es jedoch große Unterschiede zwischen den einzelnen Wirtschaftszweigen. Die fortgeschrittenste Branche, die Elektroindustrie mit SIEMENS als Vorreiter, setzte sich am vehementesten für ein Patentgesetz ein. Werner Siemens verfasste Denkschriften zum Thema und gründete 1874 gemeinsam mit dem Ingenieur Carl Pieper den „Deutschen Patentschutzverein“. Daneben zählten vor allem Fabrikanten aus dem von den deutschen Ländern eroberten Elsass-Lothringen zu den Befürwortern, weil sie ihren in Frankreich erworbenen Entwicklungsvorsprung nicht einbüßen wollten, was auch auf Verständnis stieß. Einen „Cultur-Rückgang“ sollten diese Firmen nicht hinnehmen müssen, meinte etwa der Berliner Maschinenbauer Carl Schlickeysen. Die Chemie-Industrie hingegen war noch nicht so weit; sie verhielt sich den Plänen gegenüber „recht ablehnend“5. Die meisten Handelskammern lehnten ein solches Paragrafen-Werk ebenfalls ab.

Zudem traf es auf politische Widerstände. Die Anhänger der Freihandelslehre sahen im Patentrecht eine Beschränkung der Produktionsfreiheit, ein noch zur Privilegien-Ordnung des Ancien Régimes gehörendes, durch „Despotismus und Finanzkniffe“ charakterisiertes Instrument. Der technische Fortschritt lasse sich nicht individualisieren, argumentierten sie und warnten vor der „Abhängigkeit der Konsumenten von den Patentinhabern“. Auch die Gefahr von Monopolbildungen beschworen sie nicht zu Unrecht, denn selbst Werner Siemens konnte sie nicht ganz leugnen. Sogar Juristen meldeten Vorbehalte an. So mochte etwa Friedrich Carl von Savigny dem Menschen kein „Eigenthumsrecht an seinen Geisteskräften“ zusprechen. Die eigene Person vermag nicht Objekt der Willensherrschaft sein, schrieb er in „System des heutigen römischen Rechts“. Der Einzelne hätte zwar eine rechtmäßige Macht über seine Kräfte, der Staat habe aber keine Möglichkeit, sie vor anderen zu schützen und in „ebenso überflüssiger wie verwirrender Weise“ rechtlich abzusichern.

Aber schließlich kam das Patentgesetz 1877 doch, nicht nur weil die Entwicklung von der „Imitationsindustrie“ zur „Innovationsindustrie“ unaufhaltsam voranschritt und immer mehr Sektoren einnahm. Auch die Reichsgründung erwies sich als Motor, denn mit ihr wuchs das Verlangen nach Rahmenbedingungen für den nunmehr einheitlichen Wirtschaftsraum. Und schließlich brachte die Wirtschaftskrise der 1870er Jahre die Freihändler in die Defensive. „Die neue Politik Bismarcks, die eines protektionistischen Wirtschaftsnationalismus, der seinen Höhepunkt im Zollgesetz von 1879 fand, bildete den ideologischen Hintergrund für eine Einführung des Erfindungsschutzes mit seinen dirigistischen Elementen“, schreibt Arndt Fleischer in „Patentgesetzgebung und chemisch-pharmazeutische Industrie im deutschen Kaiserreich (1871-1918)“6.

BAYER & Co. hatten sich in den Gesetzgebungsprozess lange nicht eingeschaltet, erst bei der ersten Lesung des Entwurfes meldeten sie sich zu Wort und forderten „Nachbesserungen“. Die „Deutsche Chemische Gesellschaft“ (DCG) trat für die Einbindung von Sachverständigen in die Patent-Verfahren sowie für eine Veröffentlichungspflicht ein. Außerdem kritisierte sie die im Paragraphen-Werk vorgesehene Möglichkeit zur Erteilung einer Zwangslizenz, falls ein Anmelder die Erfindung nicht zum Wohle der Allgemeinheit einsetzt. Sie wollten es sich nämlich unter anderem vorbehalten, eine Idee weder zu realisieren, noch die Rechte daran zu verkaufen, sondern die Patentierung lediglich dazu zu nutzen, ihrer Konkurrenz einen Entwicklungsweg zu versperren.

Darüber hinaus mahnten die Firmen an, die Laufzeit auf höchstens 15 Jahre festzulegen. Überhaupt war es ihnen ein Anliegen, den Geltungsbereich der Schutztitel zu begrenzen. „Die Patentierung des Productes selbst (...) würde verhindern, dass später aufgefundene, verbesserte Verfahrensweisen im Interesse des Publicums und der Erfinder zur Ausführung gelangen“, hieß es in der Petition der DCG7. Genau eine solche Blockade-Wirkung hatte ihrer Meinung nach die Patentierung des Fuchsins in Frankreich entfaltet. Als Konsequenz daraus verlangte die Organisation, Patente nur auf technische Prozesse, nicht aber auf die Stoffe selbst zu gewähren. Der Reichstag gab dem ebenso statt wie den meisten anderen ihrer Ersuche.

Die Patent-Mausefalle
Trotzdem fremdelten BAYER & Co. noch einige Zeit mit dem Reichspatentgesetz. Nur verhalten meldeten sie ihre Erfindungen an, und wenn, dann verschleierten sie oftmals den eigentlichen Zweck, um die Konkurrenz in die Irre zu führen. Einzig BASF-Codirektor Heinrich Caro stand konsequent hinter der Regelung. Er machte sich sogar für ein Stoff-Patent und damit für die Streichung des Chemie-Sonderparagrafen stark, konnte sich damit allerdings nicht durchsetzen. „Leider habe ich mich im Kreise meiner Fachkollegen – in dem noch immer die Romantik der Wilddieberei einen Anklang findet – wiederholt überzeugen müssen, dass alle zum Nehmen, aber nicht zum Geben bereit sind“, klagte er resigniert8.

Auch Carl Duisberg packte gelegentlich ein solches Jagdfieber, so etwa bei der Entwicklung von Benzopurpurin. Die FRIEDR. BAYER ET COMP. hatte es Mitte der 1880er Jahre abgelehnt, von einem ehemaligen Beschäftigten ein Patent für einen roten Farbstoff zu erwerben. Stattdessen kaufte es die AGFA und ging in die Produktion, die sich als äußerst profitabel erwies. Das ließ Duisberg keine Ruhe. Er begab sich auf der Suche nach einem Rot-Ton nun selber ins Labor und entdeckte das Benzopurpurin B. Nur brauchte er zu dessen Herstellung mit der Brönnerschen Säure ein Zwischenprodukt, dessen Rechte ebenfalls bei der AGFA lagen. Deshalb verfiel der spätere BAYER-Direktor auf die Idee, in der Deponaten-Sammlung zu schauen, ob das Unternehmen darauf nicht auch Ansprüche erheben dürfte, weil es die Beschreibung eines entsprechenden Herstellungsverfahren bei einem Notar hinterlegt hatte. Und siehe da: „Zu meiner größten Freude fand ich dann zufällig, dass irgendein nicht genannter Chemiker der Fabrik das (...) Schäffersche Salz mit wässrigem Ammoniak in Glasröhren erhitzt und so die Brönnersche Säure schon vor der Einreichung des diesbezüglichen Patents dargestellt und das Verfahren als technisch wertvoll deponiert hatte. Wir hatten also das Recht der Vornutzung. Damit waren wir aus der Patent-Mausefalle (...) heraus.“9

Und auf eine ganz ähnliche Art, wie es Duisberg in seinen Lebenserinnerungen beschreibt, ging der Konzern noch 80 Jahre später vor. Um dem Erfinder Heinz Süllhöfer seine Kunststoffplatten-Maschine abspenstig zu machen, schickte er sich vor Gericht an, mit aus dem Hut gezauberten Konstruktionsplänen eine Vornutzung zu belegen. Damit sollte die längste – und immer mal wieder aufflammende – Auseinandersetzung um geistiges Eigentum in der bundesdeutschen Justiz-Geschichte beginnen (SWB berichtete mehrfach), die BAYER schließlich auch wieder aus der Patent-Mausefalle befreite und Süllhöfer einen Großteil seines Vermögens kostete (SWB berichtete mehrfach).

Industrialisierte Forschung
Duisberg erkannte dann aber doch recht bald die Vorteile dessen, was marxistische Historiker als „Lösung der Patentfrage durch die Bourgeoisie“ bezeichneten, denn das Paragrafen-Werk trug wesentlich zu der von Ferdinand Tönnies beschriebenen Reaktion bei, „die Basis Handel (...) mit der Säure Wissenschaft zum Salze Großindustrie“10 zu verbinden. Oder wie es die „Meilensteine“ schlichter formulieren: „Damit verbesserten sich die Möglichkeiten für die wirtschaftliche Nutzung der Forschungsergebnisse in der Industrie ganz wesentlich.“11 Das Reichspatentgesetz promovierte nämlich nicht nur Firmen zu Rechtssubjekten, die selber Patente beantragen konnten, es stellte sie sogar besser als die Erfinder. Diese waren oft schlicht nicht in der Lage, die hohen Anmelde-Gebühren aufzubringen. Das trieb sie in die Fänge von BAYER & Co., wo sich dann das Wissen sammelte. Und mit dem Kapital, das diese Akkumulation abwarf, verstärkte sich diese Tendenz noch, denn die Unternehmen nutzten es systematisch zu einer Rationalisierung von Forschung & Entwicklung im Sinne ökonomischer Effizienz.

Nach Ansicht des Philosophen André Gorz kam BAYER bei diesem Prozess eine besondere Rolle zu. „Ein erster entscheidender Schritt in Richtung Verselbstständigung der Wissensproduktion und dessen ‚Kapitalisierung’ fand um 1880 statt, als Carl Duisberg bei BAYER die Forschung in der chemischen Industrie industrialisierte“, hält er in „Wissen, Wert und Kapital“ fest12. Und das Beispiel machte bald Schule. „Elberfeld ist in Deutschland System“, erkannte der englische Journalist Ernest Edwin Williams neidvoll.

Die Labore von FRIEDR. BAYER ET COMP. sahen nicht nur so aus wie Werkshallen, es herrschten dort auch dieselben Prinzipien. So zergliederte Duisberg die Tätigkeiten nach den Prinzipien des Taylorismus. „In dem neuen wissenschaftlichen Laboratorium führte ich eine scharfe Arbeitsteilung durch, indem jeder der darin tätigen Chemiker ein besonderes Spezialgebiet der großen Anilinfarben-Industrie zugewiesen erhielt“, schreibt er in seinen Memoiren. Zudem trennte das Unternehmen Grundlagen- und praxis-orientierte Forschung. Das, was bei ihm „systematische Patent-Auswertung“ hieß und in ähnlicher Form auch bei der Konkurrenz stattfand, lief ab wie am Fließband. „In unendlichen, im Einzelnen vorgeschriebenen Versuchsreihen wurde gleichsam mechanisch nach Verbesserungen für Patente gesucht“, schreibt Margrit Seckelmann in „Industrialisierung, Internationalisierung und Patentrecht im Deutschen Reich“13.

Für Genies blieb unter solchen Bedingungen nur wenig Raum. Ihr Kopf gehörte dem Betrieb, in den Arbeitsverträgen mussten sie schon im Vorhinein die Rechte an ihren Geistesblitzen abtreten. Verstöße dagegen ahndeten die neuen Regelungen zum Schutz des geistigen Eigentums als „widerrechtliche Entnahme“. Erfinder-Verbände rangen nicht nur deshalb beharrlich um eine Verbesserung ihrer Stellung gegenüber den Unternehmen und kritisierten das Rechtsinstitut als „Antipatent-Gesetz“.

Die Chemie-Industrie hingegen vermochte sich voll zu entfalten. Sie erhöhte ihren Anteil am Farbstoff-Weltmarkt kontinuierlich; von 1880 bis 1900 stieg er von 70 auf 90 Prozent. Das verdankte die Industrie nicht zuletzt dem internationalen Patentabkommen von Paris, denn dieses gewährte ein Prioritätsrecht und gab den Konzernen nach der Anmeldung einer Entwicklung in ihrem Heimatland ein Jahr Zeit zu prüfen, ob sich entsprechende Anträge auch in anderen Staaten lohnen würden. Diese Regelung sorgte durch ihren Sperrfrist-Charakter für eine immense Verbreitung der deutschen Schutztitel und brachte die internationale Konkurrenz in eine starke Abhängigkeit von BAYER & Co. Die Firmen-Chronik der BASF erblickte darin sogar einen der Gründe für den Ersten Weltkrieg.

Patent-Kartelle
Allerdings beruhte der Aufstieg deutscher Firmen nicht bloß auf der von den Patentbestimmungen beförderten Forschung im industriellen Maßstab. Auch eine von BefürworterInnen wie GegnerInnen früh benannte Nebenwirkung der Schutzrechte trug dazu bei: die Tendenz, als Katalysator für Monopol-Bildungen zu wirken. BAYER beschleunigte diese nach Kräften. Das Unternehmen verfolgte nämlich die Strategie, bei Auseinandersetzungen um geistiges Eigentum mit Konkurrenten einvernehmliche Lösungen anzustreben. „Dass „Friede ernährt, Unfriede aber verzehrt“, gab Duisberg als Devise aus14. Und so endete etwa der „Kongorot-Prozess“, den sein Ausweg aus der „Patent-Mausefalle“ – die behauptete Vornutzung der von AGFA patentierten Brönnerschen Säure bei der Herstellung des Farbstoffes Benzopurpurin B – heraufbeschworen hatte, mit einer gütlichen Einigung, in der beide Parteien sich gegenseitig Zugriff auf roten Farbstoffe gewährten. Nach Ansicht von Margrit Seckelmann kam das der Monopolisierung eines Teilgebietes gleich. „Zumindest wurde hier erstmals das Modell einer Interessensgemeinschaft durch den Zusammenschluss zweier konkurrierender Firmen praktiziert. Deren Verbreitung sollte zu den Kartellierungseffekten führen, die später in der Bildung der IG FARBEN ihren bedeutendsten Ausdruck fanden“, stellt die Juristin fest15.

Die Entwicklung dorthin erfolgte peu à peu. Duisbergs weitere juristische „Friedensbemühungen“ führten etwa zu Vereinbarungen mit der Firma LEONHARDT über eine Markt-Aufteilung, die sich für das Unternehmen als äußerst lukrativ erwies. „Sie bot die Möglichkeit, die hohen Verkaufspreise für die roten Substantiv-Farbstoffe fast bis zum Schluss beizubehalten“, jubiliert Duisberg in „Meine Lebenserinnerungen“16. Beim Kongorot und Benzopurin gelang es BAYER und AGFA sogar, über den Schluss hinaus die hohen Preise beizubehalten, denn nach Ablauf der Patentlaufzeiten stieß 1904 die BASF zu dem Pakt und machte aus dem Duo einen Dreibund. Der BAYER-Manager hätte ihn gerne noch um Pharma-Betriebe wie BOEHRINGER, MERCK, KNOLLE und andere erweitert, diese aber fürchteten die Dominanz der Chemie-Industrie und gründeten 1905 lieber die „pharmazeutische Interessensgemeinschaft“. Im selben Jahr reagierten HOECHST und CASSELLA auf das Triumvirat der Konkurrenz und gingen eine Kooperation ein, der sich 1907 noch KALLE anschloss.

Bereits bis 1897 hatten sich allein im Chemie-Bereich 82 dieser Verbünde gebildet, in anderen Branchen vollzog sich – etwa mit dem Glühlampen-Kartell von SIEMENS, AEG und AUER – Ähnliches. Immer kam es dabei zu Preisabsprachen und zu einem Austausch von Lizenzen und Patenten, die sich nach Ansicht des Juristen Fritz Rathenau auf diese Weise zu einem „‚Monopol der Monopole’ und damit zu einem Patent auf die Industrie als solche“ entwickelten17. Das rief kurzzeitig auch die Politik auf den Plan. Eine Enquête-Kommission startete auf Geheiß der Reichsregierung eine Untersuchung, bemühte sich dabei jedoch, den Interessen von BAYER & Co. nicht zuwiderzuhandeln. „Es war nicht ganz falsch, wenn man von ihr sagte, es sei jedenfalls eher eine Enquête für als gegen die Kartelle gewesen“, urteilte der zeitgenössische Ökonom Gustav Schmoller18. Als „Kinder der Not“ bezeichnete der Reichstag die Fusionen barmherzig und ließ die „armen Kleinen“ gewähren. Nicht zuletzt das ermutigte Carl Duisberg 1925 dazu, noch einen Schritt weiter zu gehen und mit AFGA, BASF und HOECHST die IG FARBEN zu gründen. So führte er das Kartell in ein Syndikat über, das auch den Einkauf von Rohstoffen und den Vertrieb der Produkte zentral regelte. Damit entstand der größte Konzern Europas und das größte Chemie-Unternehmen der Welt, das seine Macht später unverfroren in den Dienst des Nationalsozialismus stellen sollte.

Nach 1945
Ein solches Monopol machte Patent-Fragen obsolet. Diese kamen erst wieder mit der Entflechtung der IG FARBEN nach dem Zweiten Weltkrieg auf die Tagesordnung. Im Mittelpunkt stand dann einmal mehr der Stoffschutz für chemische Produkte. Da sich inzwischen die Herstellungsmethoden von Arzneimitteln geändert hatten und die neuen Synthese-Verfahren die Produktionsarten vervielfältigten, boten Patente auf technische Prozesse nicht mehr ausreichend Schutz vor Nachahmungen. Deshalb plädierten nun auch BAYER & Co. für Schutztitel auf die Substanzen selber; 1967 erfüllte der Gesetzgeber ihnen diesen Wunsch. Ein zweiter ging dann 1978 in Erfüllung: Der Bundestag verlängerte die Patentlaufzeiten für Pharmazeutika wegen der angeblich so langen Test- und Zulassungsprozeduren auf 20 Jahre. Und 20 Jahre später erlaubte die EU den Multis mit ihrer Richtlinie über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen schließlich sogar, Patente auf Leben anzumelden.

Vom rücksichtslosen Ideen-Klau bis zu einer Inanspruchnahme von Verwertungsrechten an Pflanzen und Tieren, vom Suchen nach Auswegen aus der „Patent-Mausefalle“ bis zu Klagen im Dutzend-Pack gegen vermeintliche Verletzer eigener Schutzrechte, vom Dringen auf Patent-Ausnahmen für die chemische Industrie bis zum Eintreten für einen „zuverlässigen weltweiten Schutz seines geistigen Eigentums“ reicht die wechselvolle Beziehung von BAYER zu Patent-Regelungen also. Und das Gesetz stand dem Leverkusener Multi dabei stets hilfreich zur Seite.

Literatur
1Eric Verg; Meilensteine; Hg.: BAYER, Leverkusen 1988; S. 55
2ebenda; S. 20
3 zit. Nach Margrit Seckelmann; Industrialisierung, Internationalisierung und Patentrecht im Deutschen Reich; Frankfurt 2006; S. 32
4ebenda; S. 32
5ebenda; S. 187
6Fleischer, Arndt; Patentgesetzgebung und chemisch-pharmazeutische Industrie im deutschen Kaiserreich (1871-1918); Stuttgart 1984, S. 83
7ebenda: S. 76
8ebenda; S. 134
9Carl Duisberg; Meine Lebenserinnerungen; Leibzig 1933; S. 37
10Seckelmann; S. 10
11Meilensteine; S. 60
12André Gorz; Wissen, Wert und Kapital; Zürich 2004; S. 46
13Seckelmann; S. 330
14Duisberg; S. 46
15Seckelmann; S. 238
16Duisberg; S. 47
17zit. nach Seckelmann; S. 241
18zit. nach Walter Wilhelm; Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert; Band 4; S. 278

[Ticker] STICHWORT BAYER TICKER

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

CO-Pipeline: CBG erhebt Einspruch
Die von BAYER zwischen Krefeld und Dormagen errichtete Pipeline zur Beförderung von hochgiftigem Kohlenmonoxid entspricht nicht dem Bau, den die Bezirksregierung abgesegnet hatte. Der Leverkusener Multi nahm nämlich „Planungsanpassungen“ vor. So verzichtete er etwa auf ein Warnband, reduzierte die Breite der Abschirmungsmatten von 80 auf 60 cm und verlegte an manchen Stellen nur 5,6 mm statt 6,3 mm dicke Rohre. Für die deshalb notwendig gewordene neue Genehmigung reichte der Konzern sage und schreibe 2.000 Seiten mit Änderungen ein. Neben anderen Initiativen und Einzelpersonen greift auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN in das Verfahren ein und legte der Bezirksregierung eine Einwendung gegen den BAYER-Antrag vor.

CBG fragt, Supermärkte antworten
Die Pestizide von BAYER finden sich immer wieder in dem Obst und Gemüse, das bundesdeutsche Supermarkt-Ketten verkaufen. Mitglieder der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) nahmen das zum Anlass, die fünfzehn wichtigsten Anbieter nach den Schutzmaßnahmen für die VerbraucherInnen zu fragen. Acht davon schrieben zurück. Die Antworten fielen teilweise sehr allgemein aus; die meisten Konzerne können die Diskussion jedoch nicht mehr ganz ignorieren. Vorbildlich ist einzig die Position der Firma TEGUT, die in ihren Waren keinerlei Rückstände duldet. Alle anderen Unternehmen bekennen sich nicht zu einem Sortiment ganz ohne Agro-Chemikalien. Immerhin setzen sich einige Ketten zum Ziel, mit ihren Produkten die gesetzlichen Grenzwerte deutlich zu unterschreiten. So wollen LIDL und KAUFLAND um 66 Prozent unter dem staatlich vorgegebenen Limit bleiben, KAISER’S und ALDI streben eine Marke von 30 Prozent an.

Linke für Forschungsschutz
Die Unternehmen üben immer mehr Einfluss auf die Universitäten aus. Mittlerweile übersteigt der Anteil der Drittmittel an der Forschungsfinanzierung denjenigen der „Erstmittel“. Allein der Leverkusener Multi unterhält über 900 Kooperationen mit Hochschulen. Diese Gemengelage hat die Partei „Die Linke“ dazu bewogen, einen Antrag in den Bundestag einzubringen, der die Bundesregierung auffordert, Maßnahmen zu mehr Transparenz und zum Schutz der Unabhängigkeit der Wissenschaft zu treffen. Anlass dazu gab ihr konkret auch die Zusammenarbeit BAYERs mit der „Universität zu Köln“ (Ticker berichtete mehrfach), weil die beiden Partner Stillschweigen über den Vertrag wahren, was die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN bereits zu einer Klage bewogen hat. „Wie viel Geld an die Hochschule fließt und wie die Zusammenarbeit im Einzelnen geregelt wird, wird geheim gehalten“, kritisieren die Linke-Abgeordneten. Wenig später hat die SPD einen ähnlichen Vorstoß unternommen.

DGB gegen NRW-Hochschulräte
In den Hochschulräten als neuen Aufsichtsgremien der Universitäten sitzen zu einem Drittel VertreterInnen von Unternehmen. Der Leverkusener Multi darf da natürlich nicht fehlen. So ist der Konzern durch sein Vorstandsmitglied Richard Pott beispielsweise im Komitee der Universität Köln vertreten, mit welcher der Konzern auch eine umfassende Forschungskooperation unterhält (SWB 2/09). Der DEUTSCHE GEWERKSCHAFTSBUND (DGB) hat jetzt die Abschaffung der Hochschulräte gefordert. „Die Freiheit der Wissenschaft darf nicht den Zwängen des marktwirtschaftlichen Wettbewerbes unterworfen werden. Sonst bestimmen zunehmend die Wirtschaft und ihre Verbände die Wissenschaft“, heißt es in dem Bundesvorstandsbeschluss „Mehr Demokratie statt ‚unternehmerischer’ Hochschulräte“.

ACT UP kritisiert BAYER
Im März 2012 hat Indien BAYERs Patent an dem Krebs-Medikament NEXAVAR aufgehoben und dem einheimischen Generika-Hersteller NATCO PHARMA eine Zwangslizenz zur Herstellung einer preisgünstigen Version erteilt (Ticker 2/12), um die Versorgung der Bevölkerung mit der Arznei sicherzustellen. Der Leverkusener Multi zog umgehend vor Gericht (siehe auch RECHT & UNBILLIG). Dies stieß – wie ein ähnliches Vorgehen von NOVARTIS – auf Kritik der französischen Initiative ACT UP PARIS, die sich dem Kampf gegen AIDS widmet. Die Organisation sieht in der Entscheidung des indischen Patentamts nämlich eine richtige Maßnahme, die auch im Falle der für viele InderInnen unerschwinglichen, weil patent-geschützten neuen AIDS-Präparate angezeigt wäre. „ACT UP PARIS verurteilt die mörderische Politik von NOVARTIS und BAYER, deren Profit-Streben das Leben von hunderttausenden Kranken aufs Spiel setzt“, heißt es deshalb in einer Erklärung der Gruppe.

YASMIN-Geschädigte fordern Geld
BAYERs drospirenon-haltige Verhütungsmittel aus der YASMIN-Familie können Thromboembolien auslösen, die nicht selten tödlich verlaufen. Allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA registrierte in den letzten zehn Jahren 190 Sterbefälle. 13.530 Geschädigte oder deren Hinterbliebene haben deshalb bisher 12.325 Einzel- oder Sammelklagen gegen den Multi angestrengt. Mit 1.800 von ihnen hat der Konzern bis Mitte Juli 2012 Vergleiche geschlossen und dafür 400 Millionen US-Dollar aufgewendet. Jetzt fordern auch bundesdeutsche YASMIN-Geschädigte ein Entgegenkommen. „Die jüngsten Vergleiche in den USA zeigen, dass BAYER mit dem Rücken zur Wand steht. Von einem angeblichen ‚positiven Nutzen/Risiko-Profil’ der Präparate kann längst nicht mehr gesprochen werden. Es ist jedoch nicht hinnehmbar, dass BAYER eine halbe Milliarde Euro an amerikanische Opfer zahlt, sich aber in Europa weiterhin weigert, Verantwortung für exakt dieselben Pillen zu übernehmen“, so Felicitas Rohrer von der SELBSTHILFEGRUPPE DROSPIRENON-GESCHÄDIGTER in einer Presse-Erklärung. Auf der Hauptversammlung im Frühjahr 2012 hatte sich BAYER-Chef Marijn Dekkers gegen ein solches Begehr verwahrt. Die Zahlungen seien der Besonderheit des Rechtssystems in den USA geschuldet, erklärte er damals.

Duisberg-Straße bleibt
Am 29. September 2011 jährte sich der Geburtstag des langjährigen BAYER-Generaldirektors Carl Duisberg zum 150. Mal. Er war im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas und die Ausbeutung von ZwangsarbeiterInnen. Zudem hatte er einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörderkonzerns IG FARBEN. Da dem Ex-Chef des Leverkusener Multis trotz alledem immer noch in Ehren gedacht wird, startete die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Kampagne. Sie forderte anlässlich des Jahrestags die Umbenennung von Straßen und Schulen, die Duisbergs Namen tragen, sowie den Entzug der Leverkusener Ehrenbürgerschaft (siehe auch SWB 1/12). Der Stadtrat des BAYER-Stammsitzes lehnte es jedoch ab, eine neue Bezeichnung für die Carl-Duisberg-Straße zu suchen – wegen der angeblichen Verdienste des Firmen-Patriarchen. Im nordrhein-westfälischen Espelkamp, das Duisbergs in Nürnberg als Kriegsverbrecher verurteilten IG-Kollegen Max Ilgner ein ehrendes Andenken bewahrt, übernahmen AntifaschistInnen 2008 selbst die Initiative. Sie überklebten den Straßennamen und gedachten auf dem Schild stattdessen dem ehemaligen IG-FARBEN-Zwangsarbeiter Eugen Muszynski.

ÄrztInnen wollen mehr Transparenz
Der VEREIN DEMOKRATISCHER ÄRZTINNEN UND ÄRZTE, TRANSPARENCY INTERNATIONAL und andere Initiativen haben in einer gemeinsamen Stellungnahme mehr Transparenz im Gesundheitswesen und eine Beschränkung des Einflusses der Pharma-Riesen gefordert. So treten die Organisationen für eine Offenlegung aller Zuwendungen von BAYER & Co. an MedizinerInnen, Verbände und Hochschulen ein. Zudem verlangen sie ein Verbot der Anwendungsbeobachtungen, bei denen die Pillen-Multis ÄrztInnen Geld für das Ausfüllen eines kleinen Fragebogens bezahlen, das in Wirklichkeit als Prämie für Neuverordnungen des Medikaments dient. Darüber hinaus mahnen die Gruppen eine strengere Handhabung des Heilmittel-Werbegesetzes an, um BAYERs Werbe-Broschüren für das Potenzmittel LEVITRA und andere Reklame-Schriften aus den Praxen zu verbannen.

KAPITAL & ARBEIT

BBS: Rationalisierung geht weiter
Im letzten Jahr hatte der Leverkusener Multi Teile der IT-Abteilung von BAYER BUSINESS SERVICES (BBS) ausgegliedert und damit die Arbeitsplätze von 260 Belegschaftsangehörigen und 290 LeiharbeiterInnen vernichtet. Doch das Rationalisierungsprogramm bei BBS geht weiter. So will die Sparte „Insourcing“ betreiben und nach außen vergebenen Arbeiten wieder selber erledigen. Mehr Personal plant das Unternehmen dafür allerdings nicht einzustellen – im Gegenteil: durch natürliche Fluktuation rechnet es laut Gesamtbetriebsvereinbarung bis Ende 2015 mit ca. 230 Beschäftigten weniger. „Letztendlich steht hier eine Gesamtbetriebsvereinbarung für die Profit-Interessen des Arbeitgebers auf dem Rücken der Mitarbeiter Modell. Die einen (intern) dürfen mehr arbeiten, die anderen (extern) können nicht mehr arbeiten“, so kritisieren die KOLLEGINNEN UND KOLLEGEN FÜR EINE DURCHSCHAUBARE BETRIEBSRATSARBEIT, eine alternative Gewerkschaftsgruppe im Leverkusener BAYER-Werk, diese Geschäftspolitik.

200 Entlassungen in Institute
Nach der EU hatte 2010 auch die US-amerikanische Umweltbehörde EPA BAYER aufgefordert, die Fabrikation des zur höchsten Gefahrenklasse gehörenden Pestizid-Wirkstoffs Aldicarb einzustellen. Eine Gnadenfrist bis Ende 2014 räumte die Einrichtung dem Agro-Riesen ein. Der Leverkusener Multi trat allerdings in Vorleistung und schloss die EPA-Anordnung mit seinem 4.500 Jobs zur Disposition stellenden Rationalisierungsprogramm kurz. Bereits 2012 legte der Konzern die Aldicarb-Produktionsanlage am US-amerikanischen Standort Institute still und vernichtete damit 200 Arbeitsplätze.

BMS schließt Systemhäuser
Die Kunststoff-Sparte des Leverkusener Multis betreibt weltweit rund 30 Systemhäuser, die dafür sorgen, „dass aus den Polyurethan-Grundprodukten von BAYER maßgeschneiderte Anwendungen werden“ wie etwa Armaturenbretter, Polster für die Möbel-Industrie oder Dämmstoffe. Im Rahmen eines Rationalisierungsprogramms schließt BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) nun allerdings drei dieser Niederlassungen in Italien, Griechenland und in der Tschechischen Republik. In Italien nahmen das die Beschäftigten nicht einfach so hin. Sie streikten einen Tag lang, um gegen die Vernichtung von 50 Arbeitsplätzen zu protestieren.

CURRENTA: IG BCE will 37,5 Stunden
2007 spaltete der Leverkusener Multi BAYER INDUSTRY SERVICES auf. Die technischen Dienste landeten bei TECTRION und die Verantwortung für die Chemie-„Parks“ bei der CURRENTA, an der er 60 Prozent und seine Chemie-Abspaltung LANXESS 40 Prozent der Anteile hält. Zugleich nahm der Konzern gravierende Veränderungen vor. So erhöhte das Unternehmen bei den beiden Gesellschaften die Wochenarbeitszeit – ohne Lohnausgleich – von 37,5 auf 40 Stunden, was eine Gehaltseinbuße von 6,7 Prozent bedeutete. Zudem zwang es Teilen der Belegschaft das Zugeständnis ab, für einen bestimmten Zeitraum auf Lohnsteigerungen zu verzichten. Mit Blick auf die gute Ertragslage verlangt die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE jetzt, die Einschnitte bei CURRENTA und TECTRION zurückzunehmen. „Wir wollen wieder den normalen Flächentarif-Vertrag mit 37,5 Stunden“, erklärte der Betriebsratschef Jörg Feldmann, Beschäftigte erster und zweiter Klasse dürfe es nicht mehr geben. Das BELEGSCHAFTSTEAM, eine alternative Gewerkschaftsgruppe in der IG BCE, schloss sich den Forderungen an. Sollte es nicht zu einer Rückkehr zur Normalität kommen, kündigte deren Betriebsrat Klaus Hebert-Okon an, für den Beitritt der CURRENTA- und TECTRION-Beschäftigten zum Standortsicherungsvertrag einzutreten.

Gleicherer Lohn für gleiche Arbeit
Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) einigte sich mit dem Unternehmensverband der Zeitarbeitsfirmen auf eine Erhöhung der Bezüge für LeiharbeiterInnen. Deren bisheriges Gehalt von 8,13 Euro in der Entgeltgruppe 1 für Un- oder Angelernte soll über einen Zeitraum von neun Monaten in fünf Stufen bis zu einer Summe von 12,20 Euro steigen. Es liegt damit allerdings noch beträchtlich unter dem betreffenden Festangestellten-Tarif der Chemischen Industrie Nordrhein von 14 Euro. Auch gilt die Staffel-Regelung nur für die Entgelt-Gruppen 1 bis 5, nicht aber für die höheren Entgelt-Gruppen 6 bis 9.

Nur noch 909 Lehrlinge
Die Anzahl der Auszubildenden bei BAYER sinkt 2012 gegenüber dem Vorjahr von 924 auf 909. Das ist jedoch gar nichts im Vergleich zur Vergangenheit: Im Jahr 1990 fingen beim Leverkusener Multi noch 1.600 Stifte an. Zudem sind heutzutage rund ein Drittel der Neuen bloß Lehrlinge zweiter Klasse. Entweder nehmen sie am Starthilfe-Programm teil, das lernschwache SchulabgängerInnen lediglich auf eine künftige Lehre vorbereitet, oder sie gehören zu denjenigen, die der Konzern im Rahmen der „Ausbildungsinitiative Rheinland“ über Bedarf überbetrieblich und damit ohne Berufsaussichten beim Unternehmen mitausbildet.

Prozess-Design geht in die USA
BAYERs Kunststoff-Sparte verlegt die Zentrale für das globale Prozess-Design, welches weltweit die Betriebsabläufe mit Hilfe von SAP-Computerprogrammen vereinheitlichen will, in die USA. „Zum ersten Mal in der Historie des Traditionskonzerns beginnt ein unternehmensweites Projekt nicht in Deutschland“, hält die Fachzeitschrift CIO dazu fest. Die US-amerikanischen Beschäftigten signalisierten dem „BAYER MATERIAL SCIENCE“-Chef Patrick Thomas zufolge nämlich die größere Aufgeschlossenheit gegenüber Veränderungen. Und der Leverkusener Multi beabsichtigte, mit der Standort-Wahl „Vereinigte Staaten“ seinerseits ein Zeichen zu setzen. „Wir brauchten ein starkes Symbol für den Change“, erklärte Thomas. Und bei solchen „Changes“ geht es nicht immer sanft zu, wie sein IT-Beauftragter Kurt de Ruwe unter Beweis stellt: „Wenn ich die Denkweise von Menschen ändern möchte, dann muss ich sie auch aus ihrer Komfortzone herausholen.“

BAYWOGE: letzter Akt?
Anfang 2002 hat BAYER die firmen-eigene Wohnungsgesellschaft BAYWOGE mit ihren über 9.600 Wohneinheiten für 500 Millionen Euro an die ESSENER TREUHANDSTELLE (THS) verkauft, an der die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE beteiligt ist. Für die MieterInnen werde sich nichts ändern, betonte der Konzern damals. Dies erweist sich nun als falsch. Inzwischen haben sich die Besitzverhältnisse an dem Immobilien-Paket nämlich geändert, weil sich der Bund aus der THS zurückgezogen und die EVONIK mehr Anteile übernommen hat. Und seit 2012 gibt es mit VIVAWEST nicht nur einen neuen Namen, sondern auch eine neue Geschäftspolitik. Das Unternehmen will sich nämlich von der „Känguruh-Siedlung“ in Leverkusen-Wiesdorf trennen und forderte die MieterInnen in einem Brief auf, ihre Einfamlienhäuser doch zu kaufen und sich bis Ende Oktober zu entscheiden. „Sollte uns bis zu diesem Termin keine verbindliche Kaufzusage vorliegen, behalten wir uns vor, das Objekt anderweitig zu veräußern“, heißt es in dem Schreiben. Das hat die MieterInnen in helle Aufregung versetzt. Deshalb beschwichtigte VIVAWEST: „Niemand müsse befürchten, von einem fremden Erwerber wegen Eigenbedarfs kurzfristig aus dem Haus geklagt zu werden.“ Aber die Ängste bleiben. „Zehn Jahre. So lange hat es also gedauert, bis das letzte BAYER-Biotop austrocknet“, kommentierte der Leverkusener Anzeiger und machte „einen weiteren Traditionsbruch unter dem BAYER-Kreuz“ fest.

ERSTE & DRITTE WELT

Handelsabkommen abgesegnet
Um die ganz großen Globalisierungsvorhaben steht es nicht gut. Das Multilaterale Investitionsabkommen (MAI) landete Ende der 1990er Jahre auf dem Müllhaufen der Geschichte, und die Liberalisierungsbestrebungen der Welthandelsorganisation WTO im Rahmen der Doha-Runde kommen wegen der Vetos der Entwicklungsländer ebenfalls nicht voran. Darum schließt die EU fleißig Freihandelsabkommen mit einzelnen Ländern ab (siehe auch SWB 2/11). So hat der Europäische Rat im Juni 2012 die Verträge mit Peru und Kolumbien offiziell abgesegnet, die sogar noch über die 1994 im Rahmen der Welthandelsrunde in Uruguay beschlossenen Vereinbarungen hinausgehen. Galt in diesen Regelungen ein 20-jähriger Schutz des geistigen Eigentums, so können BAYER & Co. nun in Peru und Kolumbien bedeutend länger Monopol-Profite für ihre Medikamente einstreichen. Die Bearbeitungsdauer der Zulassungsanträge für die Arzneien müssen die beiden Länder nämlich jetzt noch draufrechnen. Auch Zugang zu den Test-Daten der Pillen dürfen sie erst nach fünf Jahren gewähren, weshalb sich die Produktion von Nachahmer-Präparaten verzögert, denn die meisten Generika-Firmen haben nicht das Geld für eigene Klinische Prüfungen. Zudem haben die südamerikanischen Staaten sich verpflichtet, Patent-Verstöße strenger zu verfolgen und zu bestrafen. Hätte Brüssel alle Forderungen gegenüber Peru durchgesetzt, so hätte das die Arzneimittel-Kosten in dem Land jährlich um 459 Millionen Dollar erhöht, wie die Initiative HEALTH ACTION INTERNATIONAL ausgerechnet hat. Aber selbst der erreichte Kompromiss dürfte den Andenstaat etliche Millionen Dollar kosten. Zu den weiteren Leidtragenden des Freihandelsabkommens zählen die Kleinbauern und -bäuerinnen und indigenen Gruppen, denn bereits infolge des Vertrags mit den USA mussten Regenwälder Agrosprit-Plantagen weichen und gefährdeten umweltschädliche Bergbau-Projekte die Ernten.

Indien: mangelhafte Arznei-Aufsicht
Eine vom indischen Parlament beauftragte Untersuchungskommission hat gravierende Mängel bei der Arzneimittel-Aufsichtsbehörde CDSCO festgestellt. „Über Jahrzehnte hinweg hat sie vor allem den Interessen der Pharma-Industrie gedient und darüber die Interessen der VerbraucherInnen vernachlässigt“, resümiert der Bericht. So hat die CDSCO sich beispielsweise in Zulassungsverfahren für Medikamente auf Gutachten von ExpertInnen verlassen, denen die Pillen-Riesen die Hand geführt haben. Als ein Beispiel nennt der Report BAYERs XARELTO mit dem Wirkstoff Rivaroxaban: „Die drei Expertisen (...) für Rivaroxaban (BAYER), eine Arznei zur Blutverflüssigung, sind fast identische Kopien.“

Kostenlose Generika in Indien
Lange hat BAYER Indien als Wachstumsmarkt betrachtet. Jetzt aber macht das Land dem Leverkusener Multi zunehmend Sorgen. Im März 2012 hat es das Konzern-Patent an dem Krebs-Medikament NEXAVAR aufgehoben und dem einheimischen Generika-Hersteller NATCO PHARMA eine Zwangslizenz zur Herstellung einer preisgünstigen Version erteilt (siehe auch AKTION & KRITIK). Und drei Monate später kündigte der Staat eine weitere Maßnahme an, um eine erschwingliche medizinische Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. Die Regierung legte ein 5,4 Milliarden Dollar schweres Gesundheitsprogramm auf, in dessen Rahmen sie den InderInnen kostenlos Nachahmer-Arzneien zur Verfügung stellen und den ÄrztInnen das Verschreiben der teuren patent-geschützten Original-Präparate verbieten will.

Indien: 20 Arzneitest-Tote
Die Pillen-Riesen lagern immer mehr Arznei-Tests in ärmere Länder aus. Dort locken günstigere Preise, ein großes Reservoir an ProbandInnen und eine mangelhafte Aufsicht. Die Folge: Immer wieder kommt es zu Todesfällen. Allein in Indien starben im letzten Jahr 20 Menschen bei Erprobungen von BAYER-Medikamenten. Von 2007 bis 2011 kamen 158 TeilnehmerInnen an klinischen Prüfungen mit Präparaten des Leverkusener Multis ums Leben. Insgesamt gab es in dem Zeitraum 2.038 Test-Tote.

POLITIK & EINFLUSS

250.000 Dollar für die Republikaner
Der Leverkusener Multi gehört traditionell zu den wichtigsten ausländischen Spendern im US-Wahlkampf. Aktuell schlägt sich BAYER - wie in den vergangenen Wahlkämpfen - auf die Seite der Republikaner. Ihre KandidatInnen erhalten 250.000 Dollar – so viel zahlt kein anderes bundesdeutsches Unternehmen. Um es sich mit der Gegenseite nicht ganz zu verscherzen, überweist der Leverkusener Multi den Demokraten 129.000 Dollar. Insgesamt investierte der Konzern bis Ende August 2012 über 473.000 Dollar in den Urnengang. Und es dürfte noch eine erkleckliche Summe dazukommen. Grenzen sind dem Pharma-Riesen dabei keine mehr gesetzt: Im Januar 2010 erklärte das Oberste Gericht der USA die Festsetzung von Parteispenden-Höchstgrenzen für verfassungswidrig.

VCI spendet reichlich
Der Leverkusener Multi spendet aus Image-Gründen nicht selber an politische Parteien. Das übernimmt für ihn der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI). Den 2012 veröffentlichten Zahlen zufolge ließ dieser im Jahr 2010 der CDU 26.000 Euro zukommen, der FDP 20.000 und der SPD 14.000. Die Grünen und „Die Linke“ gingen leer aus.

BAYER sponsert NRW-Fest
Traditionell richtet die nordrhein-westfälische Landesregierung in ihrer Berliner Vertretung einmal pro Jahr ein Fest aus. Und traditionell zählt BAYER mit zu den Finanziers. 5.000 Euro lässt der Leverkusener Multi heuer dafür springen. „Unternehmen machen das, weil sie auf der Feier neue Kontakte knüpfen und wichtige Gespräche führen können“, so erklärt Regierungssprecherin Anja Heil die Freigiebigkeit der Konzerne. Dem Pharma-Riesen bietet sich diesmal unter anderem die Möglichkeit, mit dem NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin wichtige Gespräche zu führen.

Dekkers im GE-Verwaltungsrat
BAYER-Chef Marijn Dekkers zog in den Verwaltungsrat des US-amerikanischen Multis GENERAL ELECTRIC ein, für den der Holländer während der 1980er Jahre bereits einmal in der Forschungsabteilung gearbeitet hatte.

Yzer-Comeback
Im letzten Jahr musste die ehemalige BAYER-Juristin und CDU-Staatssekretärin Cornelia Yzer ihren GeschäftsführerInnen-Posten beim vom Leverkusener Multi gegründeten „Verband der Forschenden Arzneimittel-Hersteller (VFA) räumen, da ihre Rambo-Politik das den Pillen-Riesen Zugeständnisse abfordernde neue Arzneimittel-Gesetz nicht hatte verhindern können. Yzer blieb jedoch nicht lange arbeitslos. Im September 2012 erhielt sie die Nominierung zur Berliner Wirtschaftssenatorin. Das hatte selbst für konservative Zeitungen wie die Rheinische Post ein Geschmäckle. „Yzer war nicht irgendeine Lobbyistin. Sie stand jahrelang dem VFA und damit einem der aggressivsten Lobby-Verbände vor. Nun soll sie in einer Stadt, in der das Pharma-Unternehmen BAYER SCHERING einer der größten Arbeitgeber ist, Politik für die ganze Wirtschaft machen. Kann das glaubwürdig gelingen?“, fragte sich das Blatt.

Ökosteuer-Ausnahmen verlängert
Mit der Ökosteuer wollte Rot-Grün 1999 Industrie und Privathaushalte durch eine Erhöhung der Energiekosten zu umweltschonenderem Verhalten anregen. Bei BAYER & Co. bleibt diese Lenkungswirkung allerdings aus, denn die Regierung Schröder gewährte den energie-intensiven Branchen wie der Chemie-, Bergbau-, Stahl- und Eisen-Industrie großzügige Ausnahmen. 2011 waren diese 4,3 Milliarden Euro wert. Allein der „Spitzenausgleich“ erspart den Konzernen jährlich 2,3 Milliarden Euro – die dritthöchste in der Bundesrepublik gewährte Subvention. Die Chemie-Industrie ist da mit einer Milliarde Euro dabei. Wieviel die Regelung BAYER selbst einbringt, möchte der Leverkusener Multi nicht verraten – Steuergeheimnis. 2012 läuft der Sonderpassus aus, ursprünglich wollte die EU ihn wegen seiner wettbewerbsverzerrenden Wirkung schon viel früher kippen, aber der damalige Finanzminister Hans Eichel intervenierte erfolgreich in Brüssel. Wolfgang Schäuble sprach in der Sache ebenfalls schon bei der Europäischen Union vor, und so dürfte diese auch diesmal wieder ihr Ja-Wort geben. Bei der zur Verlängerung nötigen „Änderung des Energiesteuer- und des Stromsteuergesetzes“ haben die Konzerne tatkräftig mitgewirkt. „Viele Ihrer Änderungswünsche wurden übernommen“, teilte Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) dem „Bundesverband der deutschen Industrie“ in einer E-Mail mit. Nicht zuletzt deshalb begrüßte der „Verband der chemischen Industrie“ den Kabinettsbeschluss: „Der Spitzenausgleich ist ein notwendiger Bestandteil der Energiewende. Er begrenzt die hohe Mehrbelastung für energie-intensive Unternehmen und ist unentbehrlich, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.“

Mit Obama für das NEXAVAR-Patent
Im März 2012 hat das „Indian Patent Office“ BAYERs Patent an dem Krebs-Medikament NEXAVAR aufgehoben und dem einheimischen Generika-Hersteller NATCO PHARMA eine Zwangslizenz zur Herstellung einer preisgünstigen Version erteilt (Ticker 2/12). Die Behörde berief sich dabei auf einen Ausnahme-Paragraphen des internationalen Patentabkommens TRIPS und begründete ihre Entscheidung damit, dass der Pharma-Riese es versäumt habe, den Preis für das Medikament (monatlich 4.200 Euro) auf eine für indische PatientInnen bezahlbare Höhe herabzusetzen. Das hat Big Pharma in helle Aufregung versetzt. Die Konzerne witterten einen Präzedenz-Fall und starteten Aktivitäten. US-amerikanischen Pillen-Riesen gelang es sogar, den Präsidenten für ihre Ziele einzuspannen. Ein hochrangiges Mitglied der Obama-Administration sicherte den Unternehmen zu, in dieser Sache Druck auf die indische Regierung auszuüben. Der Kongress unterstützte diesen Kurs, nachdem die Leiterin des US-amerikanischen Patentamtes, Teresa Rea, die PolitikerInnen von der Dringlichkeit der Angelegenheit überzeugt hatte. Der republikanische Abgeordnete Bob Goodlatte drohte in der Debatte sogar damit, den Fall vor das Schiedsgericht der Welthandelsorganisation WTO zu bringen. Unterdessen macht das indische Beispiel Schule: China, Thailand, Argentinien und die Philippinen haben ihre Patent-Gesetze um Regelungen erweitert, die eine vereinfachte Vergabe von Lizenzen zum Nachbau patent-geschützter Pharmazeutika ermöglichen.

Personalisierte Medizin ist Hightech
Laien verstehen unter „personalisierter Medizin“ eine passgenaue, auf die jeweiligen Bedürfnisse der PatientInnen ausgerichtete Therapie-Form. Dabei versteckt sich hinter dem Begriff oft nur die schlechte alte Gentechnik mit ihrer Suche nach krankheitsrelevanten Molekülen. Häufig umschreibt der Ausdruck auch bloß die Strategie, aus der Not eine Tugend zu machen. So begann der Leverkusener Multi, als sein Blutverdünner XARELTO bei der Indikation „Thrombose“ in Tests nicht besser als die bisherige Standardmedikation abschnitt, diejenigen ProbandInnen herausfiltern, bei denen es doch anschlug, um es einmal mit einem personalisierten XARELTO zu versuchen (Ticker 1/12). Zu großen Hoffnungen für die Menschen gibt das Forschungsgebiet also kaum Anlass. Trotzdem gelang es Big Pharma, dieses der Bundesregierung schmackhaft zu machen: Sie nahm die individualisierte Medizin in ihre „Hightech-Strategie 2020 für Deutschland“ auf.

PatientInnen als BAYER-LobbyistInnen
BAYER & Co. haben keinen Sitz im „Gemeinsamen Bundesausschuss“ (G-BA), der unter anderem darüber entscheidet, für welche Arzneien die Krankenkassen die Kosten übernehmen müssen. Deshalb wollen die Konzerne wenigstens einen verbesserten Zugriff auf die PatientInnen-VertreterInnen in dem Gremium haben, deren Namen bisher anonym bleiben. Dank ihrer durch viel Geld hergestellten guten Beziehungen zu Selbsthilfe-Gruppen und Verbänden wie dem Diabetiker-Bund hoffen sie nämlich, über die Kranken ihren Einfluss bei den Beratungen zu stärken und in den Besitz von wertvollen Informationen zu gelangen. Aus diesem Grund setzte BAYER HEALTHCARE dieses Thema bei einem Hintergrund-Gespräch mit Bundestagsabgeordneten in Berlin auf die Agenda. Die „Patienten-Beteiligung im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA)“ servierte der Multi zu seinem „Politik-Lunch“. Und die von dem Pharma-Anwalt Christian Dierks gehaltene Tischrede brachte die BAYER-Wünsche deutlich zum Ausdruck: „Um eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung zu legitimieren, muss eine transparente und angemessen legitimierte Patienten-Beteiligung im G-BA geschaffen werden.“

Erleichterte Arznei-Tests
TeilnehmerInnen von Arznei-Tests setzen sich hohen Risiken aus. Allein in der Bundesrepublik kamen von 2007 bis 2011 45 Menschen bei klinischen Prüfungen mit BAYER-Präparaten ums Leben. Trotzdem will die Bundesregierung die Aufsicht „entbürokratisieren“. So sollen die Ethik-Kommissionen, die bisher schon bloß 20 Minuten Zeit zur Begutachtung einer Medikamenten-Prüfung haben, künftig nicht mehr die Qualifikation aller an dem Verfahren beteiligten MedizinerInnen kontrollieren. Auch planen CDU und FDP, die bislang vorgeschriebene ProbandInnen-Versicherung bei „risiko-armen“ Pillen-Versuchen abzuschaffen. Der „Arbeitskreis Medizinischer Ethik-Kommissionen“ hat das Vorhaben scharf kritisiert. Er sieht „die große Gefahr, dass der Schutz der Studien-Teilnehmer nicht mehr im Vordergrund steht“.

BAYER bleibt bei ALEC
Das „American Legislative Exchange Council“ (ALEC) ist eine von den Global Playern gesponserte JuristInnen-Vereinigung, die als Bindeglied zwischen der Wirtschaft und den Republikanern fungiert. Der Leverkusener Multi gehört der Organisation seit 1992 an, „um unsere Unternehmenspositionen in den politischen Meinungsbildungsprozess einzubringen“, wie Konzern-Sprecher Guenter Forneck sagt, und ist in wichtigen Gremien vertreten (Ticker 2/12). Als die republikanischen Politiker James Inhofe, George Nethercutt und Orrin G. Hatch – auch mit Hilfe großzügiger Wahlkampf-Spenden von BAYER – Mandate erlangten, da machten sich die willigen Rechts-ExpertInnen von ALEC gleich daran, ihnen die Entwürfe für Gesetzesinitiativen zum Öko-, Agrar- und Tierrechts„terrorismus“ zu liefern. Und im letzten Jahr gelang es dank ALEC, im Bundesstaat Wisconsin ein Paragrafen-Werk zu verabschieden, das für BAYER & Co. die Standards der Produkthaftung aufweicht und beispielsweise für Pillen-Hersteller die zu zahlenden Entschädigungssummen auf 750.000 Dollar begrenzt. Durch ein von ihnen konzipiertes Notwehrrecht gerieten die Konzern-JuristInnen in den USA nun aber an den Pranger, denn auf eben dieses berief sich George Zimmermann vor Gericht, nachdem er Ende Februar 2012 den unbewaffneten Teenager Trayvon Martin erschossen hatte. COCA COLA, KRAFT und andere Firmen verließen daraufhin den Club. Der Spiegel fragte deshalb an, ob BAYER auch solch einen Schritt plane. „Nein“, antwortete der Gen-Gigant kurz und knapp.

BfR unter Einfluss
Die „Expertenkommission für genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel“ berät das „Bundesinstitut für Risikobewertung“ in Sachen „Lebens- und Futtermittelsicherheit gentechnisch veränderter Organismen und daraus hergestellter Produkte“. Unabhängig agiert sie dabei jedoch nicht, denn nach einer Recherche von TESTBIOTECH haben neun der 13 Mitglieder Verbindungen zur Industrie. So stand etwa die Kommissionsvorsitzende Inge Broer, Biotech-Unternehmerin und Agrobiotechnologie-Professorin, BAYER bei der Anmeldung von Patenten auf Gentech-Pflanzen zur Seite.

Bánáti ganz beim ILSI
Die „Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit“ (EFSA), die unter anderem für die Zulassung von Gen-Pflanzen zuständig ist, steht seit langem in dem Ruf, allzu industrie-freundlich zu sein. So haben viele MitarbeiterInnen Verbindungen zum „International Life Science Institute“ (ILSI), das – finanziert unter anderem von BAYER, MONSANTO und COCA COLA – regelmäßig Entlastungsstudien zu Gen- und Nanotechnik sowie zu anderen umstrittenen Feldern anfertigt. Die Verwaltungsratschefin Diána Bánáti musste deshalb zurücktreten – und trat umgehend einen Vollzeitjob beim ILSI an.

Schneider besucht BAYER
Der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD) besuchte Ende August 2012 BAYERs Dormagener Chemie-„Park“, um die neuen Lehrlinge zu begrüßen und BAYERs Starthilfe-Programm für lernschwache SchulabgängerInnen ohne Ausbildungsplatz zu loben. Mit Kritik an der im Vergleich zum Vorjahr gesunkenden Zahl der Ausbildungsplätze (siehe KAPITAL & ARBEIT) hielt sich Schneider hingegen vornehm zurück.

Lieberknecht besucht BAYER
Ende Juli 2012 besuchte Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht die BAYER WEIMAR GmbH, welche unter anderem die wegen ihrer schweren Nebenwirkungen umstrittenen Verhütungsmittel der YASMIN-Familie produziert (siehe auch RECHT & UNBILLIG). Die CDU-Politikerin nahm daran allerdings keinen Anstoß. Für sie stellte die Fertigungsstätte einen Beweis „Thüringer Leistungsfähigkeit“ dar.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER überprüft Werbe-Etat
Laut Geschäftsbericht lässt der Leverkusener Multi sich Marketing und Vertrieb seiner Produkte rund neun Milliarden Euro kosten. Direkt in die Werbung fließt davon ca. eine Milliarde Euro, einen großen Teil davon frisst die Pillen-Reklame. Große Agenturen wie BBDO oder JWT widmen sich für BAYER der Marken-Pflege. Derzeit überprüft der Pharma-Riese jedoch sämtliche Geschäftsbeziehungen in diesem Bereich, um Einspar-Potenziale auszuloten.

Pillen-Werbung erleichtert
Bislang durften BAYER & Co. auch für nicht verschreibungspflichtige Arzneien nicht uneingeschränkt Reklame machen. So verbot der Gesetzgeber Werbung mit Hilfe von Gutachten, Krankengeschichten und Vorher-/Nachher-Bildern. All das gilt nun nicht mehr. Eine EU-Richtlinie lockerte die Bestimmungen, und die Bundesregierung setzte sie im Juni 2012 in deutsches Recht um. Nur der Bundesrat muss noch zustimmen. Die BUKO PHARMA-KAMPAGNE protestierte gegen die Änderung des Arzneimittel-Gesetzes. Es könne „einem problematischen Schmerzmittel-Konsum Vorschub leisten“, warnt die Initiative mit Blick auf die Nebenwirkungen von ASPIRIN und anderen Analgetika. Auch eine Selbsthilfegruppe von Menschen mit Behinderung und die Bundesärztekammer sprachen sich gegen die „Reform“ aus.

„ONE-A-DAY“-PR mit Sheryl Crow
Promi-unterstütztes Sozialmarketing – so will BAYER in den USA den KundInnen-Stamm für seinen Vitamin-Cocktail ONE-A-DAY erweitern. Der Leverkusener Multi kaufte die Musikerin Sheryl Crow als Schirmherrin einer mildtätigen Aktion ein, in deren Rahmen er von jeder verkauften Packung des Präparats einen bestimmten Betrag an eine Organisation überweist, die Bedürftige mit Lebensmitteln versorgt.

Kampagne für Augen-Arznei
Der neueste Schrei ist BAYERs neue Arznei EYLEA nicht. Das Mittel zur Therapie der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – zeigte nach Angaben des Leverkusener Multis lediglich „eine vergleichbare Wirkung (‚Nicht-Unterlegenheit’) gegenüber der Behandlung mit LUCENTIS“. Um so wichtiger ist daher die Erschließung der Zielgruppe. Da dem Konzern zufolge „diese Krankheit und ihre Symptome noch weitgehend unbekannt“ sind, plant er eine Versorgungsanalyse, aus der später einmal ein „Unterstützungsprogramm“ für die PatientInnen erwachsen soll.

YASMIN hilft nicht mehr gegen Akne
Der Leverkusener Multi bewirbt seine Verhütungsmittel aus der YASMIN-Familie auch als Lifestyle-Präparate zur Behandlung von Akne, obwohl die Mittel viele Nebenwirkungen wie beispielsweise Trombo-Embolien haben, an denen binnen der letzten zehn Jahre allein in den USA 190 Frauen starben. „Die Einnahme mancher Pillen kann Problemen wie fettiger Haut und fettigem Haar entgegenwirken“, verkündete BAYER etwa auf der Website pille.com. Von Spiegel online auf diesen Tatbestand angesprochen, stritt der Konzern alles ab. Die Präparate „werden von uns in Deutschland weder in der Indikation ‚Akne’ noch in anderen dermatologischen Indikationen vermarktet“, behauptete ein Unternehmenssprecher. Zumindest ein wenig wahrer wurde dies nach Erscheinen des Artikels: Dann nahm der Pillen-Riese die betreffende Seite nämlich vom Netz.

Nano-Truck im Baykomm
Die Nanotechnologie lässt Werkstoffe auf winzig kleine Größen schrumpfen. Dabei entwickeln die Erzeugnisse wie BAYERs BAYTUBES-Kohlenstoffröhrchen jedoch oftmals unbekannte und nicht selten gefährliche Eigenschaften. Im Nano-Truck, der im Auftrag des Bundesbildungsministeriums zu Werbe-Zwecken durch die Lande fährt und Ende Mai 2012 beim Multi in Leverkusen Station machte, erfahren die interessierten Laien davon allerdings nichts. Stattdessen zeigen ihnen WissenschaftlerInnen, wie Ketchup dank der Nano-Technik seine klebrigen Eigenschaften verliert.

BAYLABs in der Kritik
Die bundesdeutschen Schulen haben immer weniger Zeit und Geld, um für eine angemessene naturwissenschaftliche Ausbildung zu sorgen. Das nutzen die Konzerne aus. Sie halten immer mehr bestens ausgestattete SchülerInnen-Labore bereit, die ganze chemische Herstellungsprozesse simulieren können oder Gentechnik-Experimente erlauben. Kritik steht jedoch nicht auf dem Lehrplan. „Natürlich bekommen die Schüler dort den Eindruck vermittelt, Gentechnik sei das Nonplusultra, und ohne BAYER und seine Pflanzenschutzmittel würde keine Nutzpflanze auf dieser Welt überleben“, sagte eine Lehrerin der Wirtschaftswoche. Da muss selbst die Journalistin konstatieren: „Hier grenzt sinnvolle Lernhilfe an Lobbyismus.“ Die interviewte Pädagogin versucht der Konzern-Propaganda durch eine gezielte Vorbereitung vorzubeugen. Nach Ansicht der Didaktik-Forscherin Susanne Weßnigk stoßen solche Bemühungen jedoch an ihre Grenzen. Die Wissenschaftlerin befragte SchülerInnen vor und nach dem Besuch des „Baylab Plastics“ zu ihrer Haltung zu den Fächern „Chemie“ und „Physik“ und kam zu dem Ergebnis: „Das Image der beiden Fächer verbesserte sich deutlich.“

UNEP lobt BAYER
Bereits seit langem sponsert BAYER die UNEP, das Umweltprogramm der Vereinten Nationen. Und das lohnt sich für den Leverkusener Multi, denn die Organisation tut viel für die Außenwirkung des die Natur nicht eben wenig belastenden Konzerns. „Die UNEP ist stolz darauf, mit BAYER zusammenzuarbeiten, um zu gewährleisten, dass sich die nächste Generation von Entscheidern in der globalen Umwelt-Diskussion engagiert“, konstatierte die US-amerikanische UNEP-Direktorin Amy Fraenkel anlässlich eines vom Global Player ausgerichteten Malwettbewerbs zum Weltumwelttag.

TIERE & ARZNEIEN

1.734 Tonnen Antibiotika
1.734 Tonnen Antibiotika landeten nach Angaben der Bundesregierung 2011 in den Tier-Ställen. Mittel aus der Gruppe der Fluorchinolone, zu denen BAYERs BAYTRIL zählt, waren mit acht Tonnen dabei. Einen Umsatz von 166 Millionen Euro machte der Leverkusener Multi mit dem Präparat im vergangenen Jahr, 118 Millionen Euro davon mit MassentierhalterInnen. Im Jahr 2005 hatten die Zuchtbetriebe insgesamt „nur“ 784,5 Tonnen Antibiotika gekauft. Die Steigerung um fast 1.000 Tonnen erhöht noch einmal die Gefahr der Entstehung von resistenten Krankheitserregern, die auch die menschliche Gesundheit bedrohen können – wegen der Infektion mit solchen Keimen sterben in der Bundesrepublik jährlich rund 15.000 Menschen. Die Bundesregierung will diese Gefährdung durch ein Gesetz zur Beschränkung des Antibiotika-Einsatzes reduzieren, das allerdings keine drastischen Maßnahmen vorsieht.

BAYER kauft dazu
Da die Massentierhaltung Medikamente en masse braucht (s. o.), stellt sie für BAYER einen lukrativen Markt dar. Darum verstärkte sich der Leverkusener Multi im September 2012 auf diesem Gebiet. Der Konzern kaufte die Veterinär-Sparte des israelischen Pharma-Riesen TEVA. Er entrichtete dafür keine Festsumme, sondern vereinbarte zusätzlich zum Kaufpreis von 60 Millionen Dollar erfolgsabhängige Zahlungen von bis zu 80 Millionen Dollar. Durch den Erwerb erweitert das Unternehmen sein Angebot in den Bereichen „Antiinfektiva“, „Haut-Präparate“, „‚Wellness’-Produkte“ und „Futter-Ergänzungsstoffe“. Ganz neu ins Portfolio rutschen Fortpflanzungshormone.

Deal mit NORBROOK
Der Leverkusener Multi vertreibt künftig Veterinär-Produkte von NORBROOK exklusiv in der Bundesrepublik und in Frankreich. Als Grund für die Kooperation gab der Pharma-Riese an, mit den Parasitiziden, Anti-Infektiva und Pharmalogika des norwegischen Herstellers sein eigenes Angebot ergänzen zu wollen, um „den Kunden umfassende Lösungsansätze anbieten zu können“.

DRUGS & PILLS

Kein XARELTO bei ACS?
Der Leverkusener Multi strebt in den USA eine Zulassung seines Mittels XARELTO zur Nachbehandlung des akuten Koronar-Syndroms (ACS) an. Das Präparat, das von den Behörden bereits grünes Licht für die Indikationen „Schlaganfall- und Thrombose-Prophylaxe“ erhalten hat, soll in Kombination mit einer anderen Therapie der nochmaligen Entstehung von Blutgerinnseln in der Herzkranz-Arterie vorbeugen. Das BeraterInnen-Gremium der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA riet allerdings von einer Genehmigung der Arznei ab. Das hatte es mit Verweis auf die erhöhten Herzinfarkt- und Blutungsrisiken schon beim Anwendungsgebiet „Schlaganfall-Prophylaxe“ getan. Die FDA ließ das Mittel dann allerdings trotzdem zu.
Eine Vorentscheidung ist also noch nicht gefallen.

ASPIRIN COFFEIN ungenügend
Öko-Test prüfte Schmerzmittel auf ihre Wirksamkeit, Verträglichkeit und Gegenanzeigen hin. ASPIRIN COFFEIN erhielt ein „Ungenügend“, da die vom Koffein ausgelöste belebende Wirkung dazu verleitet, das Mittel länger als nötig zu nehmen. Die anderen ASPIRIN- und ALKA-SELTZER-Analgetika bekamen dagegen trotz solcher Risiken und Nebenwirkungen wie Magenbluten unverständlicherweise gute Noten.

ASPIRIN COMPLEX mangelhaft
Öko-Test prüfte Grippe-Präparate auf ihre Wirksamkeit, Verträglichkeit und Gesundheitsrisiken hin. ASPIRIN COMPLEX erhielt die Note „mangelhaft“, weil das Mittel Pseudoephedrin zur Abschwellung der Nasenschleimhaut enthält. Dieser den Amphetaminen verwandte Stoff erhöht nach Meinung der TesterInnen die Gefahr von Nebenwirkungen. Zudem hat er ihnen zufolge einen aufputschenden Effekt, was zu Unruhe, Angst-Gefühlen und Schlafstörungen führen kann.

„Fett weg“-Spritze kommt
Mangels erfolgreicher neuer Arzneien zur Behandlung schwerwiegender Krankheiten will der Leverkusener Multi verstärkt von der steigenden Nachfrage nach Lifestyle-Präparaten profitieren. So entwickelt er gemeinsam mit dem Unternehmen KYTHERA eine Substanz, die – unter die Haut gespritzt – kleinere Fettpolster am Kinn auflösen soll. Im Frühjahr hat BAYER die dritte und letzte Testphase mit der „Fett weg“-Spritze angeblich erfolgreich abgeschlossen. Der Pharmazeut Gerd Glaeske warnt vor der Neuentwicklung. Er befürchtet, die zerstörten Fettzellen könnten im Körper umherwandern, zusammenklumpen und Gefäß-Verschlüsse oder Schlaganfälle verursachen. Zudem prophezeit er Hautschäden an den behandelten Stellen.

TRASYLOL-Teilverkauf
BAYER hat die Vertriebsrechte für die Arznei TRASYLOL, die zur Blutstillung nach Bypass-Operationen zum Einsatz kommt, an das niederländische Unternehmen NORDIC verkauft. Nur in den USA vermarktet der Leverkusener Multi das Mittel weiterhin selber. Der Pharma-Riese musste das Medikament 2007 aus dem Verkehr ziehen, weil Untersuchungen es für tausende Sterbefälle und Nebenwirkungen wie Nierenversagen, Schlaganfälle und Herzerkrankungen verantwortlich gemacht hatten. Erst im Februar 2012 hob die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA das Verbot wieder auf. Nach Ansicht der Behörde wies die so genannte BART-Studie des „Ottawa Hospital Research Institutes“, die im Jahr 2007 den Ausschlag für den Verkaufsstopp gegeben hatte, gravierende Mängel auf, was die ForscherInnen jedoch zurückweisen (Ticker 2/12).

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Mehr Bio-Pestizide
BAYER hat für 425 Millionen Dollar das US-Unternehmen AGRAQUEST gekauft. Es stellt Pestizide auf biologischer Basis her, die etwa mittels Bakterien Pilzbefall vorbeugen. Nach Ansicht der Nachrichtenagentur Reuters reagiert der Leverkusener Multi, der bisher mit VOTIVO nur ein einziges solches Mittel in seinem Sortiment führt, damit auf die hohe Nachfrage von Obst- und GemüseanbauerInnen nach Substanzen, die keine Chemikalien enthalten.

Berufskrankheit „Parkinson“
Pestizide haben Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem. Besonders Menschen, die täglich mit Agrochemikalien umgehen, setzen sich einem Gesundheitsrisiko aus. So erkranken LandwirtInnen häufiger an Parkinson als der Durchschnitt der Bevölkerung. Frankreich hat daraus die Konsequenz gezogen und die Gesundheitsstörung offiziell als Berufskrankheit bei Bauern und Bäuerinnen anerkannt. In der Bundesrepublik ist das vorerst nicht zu erwarten, obwohl die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft schon Anträge bewilligt hat. „Die hier und in Frankreich zugelassenen Pestizide sind unterschiedlich, das Versicherungssystem ist anders“, wiegelt Franz-Josef Heufert von der „Landwirtschaftlichen Sozialversicherung Nordrhein-Westfalen“ ab. Zudem gibt es nach Ansicht Heuferts wie auch des „Bundesinstituts für Risiko-Bewertung“ angeblich keine eindeutigen wissenschaftlichen Beweise für einen Zusammenhang zwischen Ackergiften und Parkinson-Erkrankungen.

Glyphosat im Urin
Das Anti-Unkrautmittel Glyphosat kommt hauptsächlich in Kombination mit MONSANTO-Genpflanzen der „ROUND UP“-Baureihe, aber auch zusammen mit BAYER-Produkten wie der Baumwolle „GHB 614“ zum Einsatz. WissenschaftlerInnen der Universität Leipzig wiesen das Mittel jetzt im menschlichen Urin nach. Da die ProbandInnen beruflich oder privat nicht mit dem Stoff umgingen, vermuten die ForscherInnen Nahrungsmittel als Überträger. Und tatsächlich spürte das schleswig-holsteinische Landwirtschaftsministerium die Substanz, die auch Geburtsschäden auslösen kann, bereits in Import-Linsen und Haferflocken auf (Ticker 3/12).

PFLANZEN & SAATEN

BAYER kauft Melonen-Saatgut
Der Leverkusener Multi baut sein Sortiment mit Gemüse-Saatgut weiter aus und erwirbt vom US-Unternehmen ABBOTT & COBB das Wassermelonen-Geschäft. Mittlerweile verfügt BAYER über 28 Arten und 2.500 Gemüsesaatgut-Sorten und strebt damit für 2012 einen Umsatz von drei Milliarden Euro an.

GENE & KLONE

Schlappen für NEXAVAR
Bereits im Jahr 2008 musste der Leverkusener Multi Tests mit NEXAVAR (Wirkstoff: Sorafenib) bei der Indikation „Lungenkrebs“ abbrechen. Trotzdem unternahm er mit dem Medikament bei der Diagnose „fortgeschrittener Lungenkrebs“ noch ein weiteren Anlauf. Doch dieser Versuch scheiterte im Mai 2012 wenig überraschend. Eine Kombinationstherapie von NEXAVAR und dem „ASTELLAS PHARMA“-Präparat TARCEVA zur Behandlung von fortgeschrittenem Leberkrebs brachte auch nicht das erhoffte Ergebnis. Bei Haut-, Brust- und Bauchspeicheldrüsenkrebs hatte sich die Arznei ebenfalls schon als wirkungslos erwiesen.

BETAFERON hält MS nicht auf
BETAFERON ist BAYERS profitabelste Arznei; allein im ersten Halbjahr 2012 setzte der Pharma-Riese damit über 900 Millionen Euro um. Mit der Wirkung steht es allerdings nicht zum Besten. Das Mittel kann zwar Rückfälle verhindern und Hirn-Schädigungen aufhalten, das Fortschreiten der Krankheit allerdings nicht unterbinden. Zu diesem Ergebnis kam eine Studie der Universitätsklinik Basel unter Leitung von Ludwig Kappos. „Wir fanden keinen Beleg dafür, dass die Gabe von Beta-Interferon zu einer Verzögerung des Fortschreitens der Behinderung bei Patienten mit schubförmiger MS führt“, schreiben Kappos und seine MitarbeiterInnen im Journal of the American Medical Association.

Markt-Rücknahme von MABCAMPATH
Das von BAYER und GENZYME gemeinsam entwickelte Gentech-Medikament MABCAMPATH (Wirkstoff: Alemtuzumab) hat eine Zulassung zur Behandlung einer seltenen Leukämie-Art. Diese PatientInnen stehen jetzt allerdings auf dem Schlauch. Die beiden Konzerne wollen das Mittel nämlich zur Therapie von Multipler Sklerose einsetzen, wo es achtmal so viele Betroffene gibt und entsprechend mehr zu verdienen. Deshalb haben die Unternehmen die Arznei für die bisherige Indikation kurzerhand aus dem Verkehr gezogen. Die Genehmigungsvorschriften würden es nicht erlauben, ein erst in der Klinischen Prüfung befindliches Medikament schon verfügbar zu halten, sagte GENZYME zur Begründung. „Dies ist ein Musterbeispiel für eine unethische Markt-Politik. Der Shareholder-Value wird hier in bisher nicht dagewesener Weise vor das Patienten-Wohl gesetzt“, empörte sich Torsten Hoppe-Tichy vom „Bundesverband Deutscher Krankenhaus-Apotheker. Auch die „Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie“ kritisierte das Vorgehen der Pharma-Riesen scharf.

Verunreinigungen durch LL601-Reis
Im Jahr 2006 war der gentechnisch veränderte Langkorn-Reis „LL601“ von BAYER weltweit in Supermärkten aufgetaucht, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch nirgendwo eine Zulassung für die gegen das hochgefährliche Herbizid Glufosinat (Produktname: LIBERTY) resistente Sorte vorlag. Und Kontaminationen gibt es weiterhin, wie die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ mitteilte. 2008 fand sich LL601 drei Mal in Handelsreis und Heimtier-Produkten und 2010 einmal in Handelsreis. Europa-weit gingen 2008 sieben LL601-Meldungen und eine LL62-Meldung ein, 2010 und 2011 jeweils eine. Insgesamt kam es ab 2008 in der Bundesrepublik zu 105 Fällen von Lebensmittel-, Futtermittel- oder Saatgut-Verunreinigungen durch Gen-Pflanzen, im restlichen Europa zu 242, was eindeutig die Unbeherrschbarkeit der Risiko-Technologie demonstriert.

Patentierte Kontaminationssuche
Nach Recherchen von NO PATENTS ON SEEDS hat das „Europäische Patentamt“ im Jahr 2011 rund 140 Patente auf Pflanzen erteilt. BAYER erhielt davon 22 – nur BASF bekam mehr. Auch das Eigentumsrecht an der gegen das Herbizid Glufosinat resistenten Sojabohne A5574-127 erwarb der Leverkusener Multi. Er darf damit sogar Saatgut exklusiv auf eine Verunreinigung mit dieser Sorte untersuchen. „Das neue Patent könnte nun dazu genutzt werden, unabhängige Kontrollen zu verhindern“, warnt NO PATENTS ON SEEDS.

BAYER entwickelt Gentech-Weizen
Die australische „Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation“ (CSIRO) hat im Labor einen gentechnisch veränderten Weizen entwickelt, der bis zu 30 Prozent mehr Erträge abwerfen soll. Den Zugriff auf diese Technologie will sich nun BAYER sichern. Deshalb ging der Leverkusener Multi mit CSIRO sowie der „Grains Research and Development Cooperation“ (GRDC), welche die Versuche finanziell unterstützt hatte, eine Forschungskooperation ein. So fügte er seinen zahlreichen Weizen-Verbünden (Ticker 3/12) einen weiteren hinzu.

Immer mehr Bt-Resistenzen
BAYER & Co. bauen in ihre Laborfrüchte gern das Gift-Gen des Bacillus thuringiensis (Bt) ein, um Schadinsekten zu töten. Diese können sich jedoch immer besser auf die Substanz einstellen, wie die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Partei „Die Linke“ mitteilte. So trotzt beispielsweise in China und Indien die Baumwoll-Kapseleule dem Stoff, in Japan, Malaysia, auf den Philippinen und in den USA die Kohlschabe, in Kanada die Aschgraue Höckereule, in Puerto Rico der Eulenfalter und in Südafrika die „Busseola fusca“-Raupe.

Glufosinat-Verkauf boomt
Im letzten Jahr hat das „Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit“ BAYERs Pestizid Glufosinat wegen seiner großen Gefahren für AnwenderInnen und VerbraucherInnen verboten und damit eine Anordnung der Europäischen Union umgesetzt. Außerhalb der EU-Grenzen erfreut sich die gesundheitsgefährdende Substanz aber einer steigenden Beliebtheit. In den USA kommt der Leverkusener Multi mit der Lieferung des Herbizids gar nicht mehr nach, hauptsächlich weil sich das Konkurrenz-Produkt Glyphosat von MONSANTO als zunehmend wirkungslos gegen den Wildwuchs auf den Feldern erweist. Das gleiche Schicksal könnte dem Ackergift, das der Konzern unter dem Namen LIBERTY vermarktet und bevorzugt zusammen mit seinen gegen dieses Mittel resistenten Gen-Pflanzen anbietet, jedoch auch bald blühen. Diese Situation hat DOW AGROSCIENCES schon dazu veranlasst, die Zulassung für ein genmanipulierte Soja-Sorte zu beantragen, die nicht nur gegen Glyphosat und Glufosinat, sondern auch gegen das berühmt-berüchtigte „Agent Orange“-Pestizid 2,4-D immun ist, an dessen Produktion dereinst die BAYER-Tochter MOBAY beteiligt war.

WASSER, BODEN & LUFT

BAYERs PFC-Einleitungen
Perfluorierte Kohlenwasserstoff-Verbindungen (PFC) sind hochgiftige, schwer abbaubare chemische Substanzen. Nach Recherchen des BUND leitet kaum ein Unternehmen eine solche Menge dieser Stoffe in den Rhein wie der Leverkusener Multi. Lange Zeit gelangten per annum sechs Tonnen PFCs made by BAYER in den Rhein. Mittlerweile „beschränkt“ sich der Konzern auf eine Tonne pro Jahr.

Mehr Pestizide in Gewässern
Bei den Zulassungsverfahren für die Pestizide von BAYER & Co. prüfen die Behörden auch, in welchem Maße die Agro-Chemikalien die Gewässer verunreinigen. Mit Hilfe von mathematischen Modellen bestimmen die zuständigen Stellen die voraussichtliche Belastung. Das „Institut für Umweltwissenschaften“ der Universität Koblenz/Landau hat diese Berechungen nun einmal einer genaueren Prüfung unterzogen. Das Ergebnis: Die tatsächliche Verschmutzung mit Chlorpyrifos – enthalten unter anderem in den BAYER-Produkten BLATTANEX, PROFICID und RIDDER – liegt weit höher als die prognostizierte. Professor Dr. Ralf Schulz tritt deshalb für eine grundlegende Revision der Risiko-Bewertung ein und fordert darüber hinaus: „Die Industrie als Zulassungsinhaber muss ihrer Verantwortung für einen vorsorgenden Umweltschutz gerecht werden und sich an einer Ursachen-Aufklärung beteiligen“. Auch an unabhängig gewonnenen Daten zu den Ackergift-Rückständen in den Flüssen fehlt es laut Schulz.

Strengere Auflagen für Anlagen
Die Bundesregierung hat einen Gesetzes-Entwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie für Industrie-Emissionen vorgelegt. Das Paragraphen-Werk schränkt die Möglichkeit zur Überschreitung von Grenzwerten für den Stickoxid- und Schwefeldioxid-Ausstoß ein und schreibt BAYER & Co. vor, bei der Stilllegung von Anlagen für eine Sanierung von Böden und Grundwasser zu sorgen. Zudem erweitert der Gesetzgeber die Informationspflichten der Konzerne.

Mehr Müll in Leverkusen-Bürrig
Neben der von der CURRENTA in Leverkusen-Bürrig betriebenen Sondermüll-Verbrennungsanlage entsteht eine Aufbereitungsanlage für die bei der Abfall-Behandlung übrig bleibenden Ofen-Schlacken. Mit den Planungen dafür betraute die Betreiber-Gesellschaft AVEA dann auch gleich die 60-prozentige BAYER-Tochter, die zudem nach der Fertigstellung des Baus jährlich bis zu 25.000 Tonnen Rostasche aus eigener „Produktion“ anliefern will. Größere Umweltbelastungen schlossen die beiden Unternehmen aus. Der Entstehung giftiger Staubwolken beabsichtigen sie etwa mit Berieselungsvorrichtungen entgegenzuwirken.

Noch mehr Gestank in Bergkamen
Bereits seit Jahren klagen die AnwohnerInnen des Bergkamener BAYER-Werkes über Geruchsbelästigungen, die von der Kläranlage ausgehen. Die 2008 eingeleiteten Umbau-Maßnahmen haben bislang keine Abhilfe schaffen können. Aus immer neuen Quellen dringt Gestank nach außen. Ende Juli 2011 sorgte eine defekte Pumpe für schlechte Luft. Wenige Tage später flossen unvorhergesehen saure und basische Abwässer zusammen, was übel aufstieß (Ticker 4/11). Einem erneuten Angriff auf die Riech-Organe begegnete der Konzern dann mit einer Entfernung des Klärschlamms und der Ablagerungen in den Auffangbecken. Ende Juli 2012 schließlich traten an einigen Leitungen Risse auf, durch die Abwässer sickerten und Duftmarken setzten. BAYER-Sprecher Martin Pape versuchte umgehend abzuwiegeln: „Der Schaden ist im mikrobiologischen Teil der Anlage entstanden. Dieser Teil ist nicht sehr geruchsintensiv.“

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

Giftlager Chemie-„Park“
Im Frühjahr 2011 gelang es der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) erstmals, Angaben über die auf den Werksarealen von BAYER gelagerten gefährlichen Chemikalien zu erhalten – trotz des Umweltinformationsgesetzes hatte der Leverkusener Multi vorher stets erfolgreich blocken können. 2012 stellte die CBG eine zweite Anfrage, diesmal nicht die Lage in Dormagen, sondern in Leverkusen betreffend. Demnach lagert BAYER MATERIAL SCIENCE im Chemie-„Park“ 1.600 Tonnen sehr giftiger, 9.200 Tonnen giftiger Stoffe und 3.400 Tonnen leicht entzündlicher Flüssigkeiten. Allein 42 Tonnen des Giftgases Phosgen befinden sich auf dem Gelände Und dazu kommen noch die Chemikalien-Bestände der 60-prozentigen BAYER-Tochter CURRENTA und des Unternehmens LANXESS. Professor Jürgen Rochlitz, Mitglied des CBG-Beirates und der vom Bundesumweltministerium eingesetzten „Kommission für Anlagensicherheit“, hält die Zahlen für besorgniserregend: „Bei BAYER werden weiterhin in großem Umfang hochgefährliche Chemikalien eingesetzt. Auffällig ist zum Beispiel die beachtliche Menge von Ethylenoxid und Propylenoxid – immerhin Stoffe, die sowohl krebserregend als auch hochentzündlich sind. Auch die großen Mengen krebserzeugender Stoffe stellen ein besonderes Gefährdungspotential dar. Zu fordern ist eine Substitution dieser besonders risikoreichen Chemikalien.“

Triclosan schädigt Muskeln
Triclosan kann die Muskeln schädigen. Der antibakteriell wirkende Stoff, der unter anderem in BAYERs FUNSOL-Spray gegen Fußpilz und -geruch enthalten ist, schränkt nach Forschungen von Isaac Pessah die Funktion zweier zwei Proteine ein, welche für die Kalzium-Versorgung der Muskelzellen sorgen. „Die Behörden sollten daher sehr genau prüfen, ob diese Substanz wirklich weiterhin in Konsum-Produkten verwendet werden darf“, rät der in Davis an der University of California lehrende Wissenschaftler.

Eine Million Chemie-Tote
Einer neue Studie des UN-Umweltprogrammes UNEP zufolge sterben in der „Dritten Welt“ jährlich über eine Million Menschen durch Pestizide oder andere Chemikalien. Damit gehören diese Vergiftungen weltweit zu den fünf häufigsten Todesursachen. Als Gründe für die besorgniserregenden Zahlen nennt der Report die gestiegene Chemie-Produktion in den armen Ländern, laxe Umweltgesetze, mangelnde Aufklärung über die Handhabung der gefährlichen Produkte und das Fehlen von Schutzkleidung. „Eine konzertierte Aktion von Regierungen und Industrie ist nötig, um die wachsenden Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu reduzieren, die durch einen nicht nachhaltigen Umgang mit Chemikalien entstehen“, erklärte die UNEP. Die Institution könnte auf dem kleinen Dienstweg zur Handlung schreiten: BAYER gehört nämlich zu ihren Sponsoren (siehe auch PROPAGANDA & MEDIEN). Der Leverkusener Multi und die anderen bundesdeutschen Chemie-Unternehmen lehnen allerdings eine Mitverantwortung für die eine Million Toten ab. Deutsche Hersteller seien kaum in ärmeren Ländern aktiv, nur 13 Prozent der Exporte gingen nach Asien und bloß 1,7 Prozent nach Afrika, erklärte eine Sprecherin des „Verbandes der Chemischen Industrie“ gegenüber der taz.

BEPANTHOL-Lipstick ungenügend
Öko-Test hat Lippenstifte mit UV-Filtern zum Schutz vor Sonnen-Strahlen untersucht. BAYERs BEPANTHOL LIPSTICK LSF 30 bewertete die Zeitschrift mit „ungenügend“. Für die schlechte Note sorgten hormonell wirksame Inhaltsstoffe wie Ethylhexyl Methoxycinnamate sowie andere gesundheitlich nicht unbedenkliche Substanzen wie Paraffine und Silikon.

NANO & CO.

Explosive Nano-Stäube
Die Nanotechnologie lässt Werkstoffe auf Mikro-Formate schrumpfen. Darum können Nano-Stäube schneller explodieren als andere Stäube, denn mit abnehmender Größe nimmt die Oberfläche im Verhältnis zum Volumen zu, weshalb die Winzlinge rascher oxidieren und entflammen. Ab einer Konzentration von 500 Gramm pro Kubikmeter Luft besteht nach den Angaben von BAYER auf dem Sicherheitsdatenblatt für die Nano-Röhrchen vom Typ BAYTUBES C 70 P oder C 150 P eine Staubexplosionsgefahr.

Greim als Nano-Gutachter
Die Nanotechnologie lässt Werkstoffe auf winzig kleine Größen schrumpfen. Dabei entwickeln BAYERs BAYTUBES und andere Nano-Produkte jedoch unbekannte und nicht selten gefährliche Eigenschaften. Genau dies stand dann auch bei dem Erörterungstermin zum Genehmigungsantrag der Firma H. C. STARCK, die ihre BAYTUBES-Herstellung von einem Versuchsbetrieb auf Normalproduktion umstellen und darüber hinaus ausweiten will, auf der Tagesordnung. Deshalb gab das Regierungspräsidium Freiburg im Laufe des Verfahrens auch ein Arbeitsschutz-Gutachten in Auftrag (Ticker 3/12). Für die Anfertigung hat die Behörde allerdings den Richtigen gefunden: Professor Helmut Greim. Der Toxikologe hat BAYER bereits im Holzgifte-Prozess sowie im Fall des Pestizides Lindan verteidigt und auch sonst allen möglichen Giften von Dioxin bis Pentachlorphenol (PCP) Unbedenklichkeitsbescheinigungen ausgestellt.

CO & CO.

Suche nach Hohlräumen
Die Bezirksregierung sucht noch bis November 2012 Teile des Streckenverlaufs von BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline nach Hohlräumen ab, die sich durch Ausspülungen und Kohlensäure-Verwitterungen in unterirdischem Kalkgestein bilden können. Sollten die PrüferInnen auf solche Bodenverhältnisse stoßen, so bedürfte das laut Pressesprecherin Marielle Erb „gesonderter Vorkehrungen für einen sicheren Leitungsbetrieb“ der Giftgas-Röhre.

PLASTE & ELASTE

Windkraft-Zentrum in Dänemark
BAYERs Kunststoff-Sparte will vom Boom regenerativer Energien profitieren und hat zu diesem Zweck an ihrem dänischen Standort Otterup ein Kompetenz-Zentrum für Windkraft eröffnet. Polycarbonate, Polyurethane, Lacke und Klebstoffe beabsichtigt BAYER MATERIAL SCIENCE den Herstellern der Anlagen zu liefern.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Gas-Austritt in Chemie-„Park“
Bei der auf dem Gelände des Dormagener Chemie-„Parks“ ansässigen Gefahrgut-Spedition HOYER kam es am 10.9.2012 zu einem Unfall. Aus der undichten Leitung einer Behälter-Reinigungsanlage trat Chlorwasserstoff aus. 25 Beschäftigte erlitten Augen- und Atemwegsreizungen, drei von ihnen mussten kurzzeitig ins Krankenhaus. 32 Feuerwehr-Kräfte waren im Einsatz; die Polizei sperrte bis zum Nachmittag alle Straßen rund um das Gelände ab. Seit 1999 operiert HOYER vom Chemie-„Park“ aus, macht für BAYER und weitere Unternehmen Chemikalien und andere Güter „reisefertig“ und transportiert sie. Der Leverkusener Multi nutzte das sogleich dazu, Abfüll-Arbeiten auszugliedern und der Logistik-Firma zu übertragen. Schon damals befürchteten einige BeobachterInnen Schlimmes. „Das Gefährdungspotenzial im Chemie-„Park“ BAYER wächst damit weiter“, so kommentierte etwa die Dormagener Grüne Irene Schnoor die Ansiedlung vor dreizehn Jahren.

STANDORTE & PRODUKTION

Subventionierte Standort-Verlegung
Im Zuge seines 800 Millionen Euro schweren Rationalisierungsprogramms, das 4.500 Arbeitsplätze vernichtet, verlegt BAYER Teile der Rechnungslegung wie etwa die Kunden- und Lieferantenbuchhaltung von Leverkusen nach Asien und Osteuropa (Ticker 2/12). Und dabei kassiert der Leverkusener Multi auch noch Subventionen. So verlockte das Städte-Dreieck Danzig/Sopot/Gdynia den Konzern mit einer Prämie von fast 200.000 Euro, der Region den Vorzug vor anderen möglichen Standorten zu geben.

BAYER nutzt Standort-Wettbewerb
Die Stadt Monheim hat den Standort-Wettbewerb mit einer Senkung des Gewerbesteuer-Hebesatzes auf 300 Prozentpunkte verschärft. Weniger verlangt keine Kommune in Nordrhein-Westfalen. Dies ließ sich BAYER nicht zweimal sagen. Der Multi verlegte seine Patent-Abteilung von Leverkusen nach Monheim, wo er gegenüber seinem Stammsitz 180 Prozentpunkte Gewerbesteuer spart, und vernichtete dabei auch gleich noch 25 der 200 Arbeitsplätze (Ticker 2/12).

Monheim will mehr Sicherheit
Im Februar 2012 erteilte die Bezirksregierung Köln der von BAYER in Dormagen geplanten Kunststoff-Anlage eine Vorgenehmigung, obwohl die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und andere Verbände letztes Jahr in einer Anhörung viele Vorbehalte geäußert hatten. So beanstandeten sie etwa die fehlenden Angaben zur Umweltbelastung, eine mangelhafte Störfall-Vorsorge und eine ungenügende, da nur mit Blech statt mit Beton vorgenommene Ummantelung der Produktionsstätte. Zudem traten die Initiativen für den Einbau einer Schutzwand ein, die bei einer Explosion mit nachfolgendem Phosgen-Austritt neutralisierendes Ammoniak freisetzen könnte, und stellten in Frage, ob der Sicherheitsabstand der Fertigungsstätte zu Wohnsiedlungen ausreicht. Die Bezirksregierung hatte das zum Anlass genommen, ein Chemie-Werk mit einer Betonhülle zu besichtigen, BAYER einen Prüfauftrag zur Abstandsregelung zu erteilen und die Erstellung eines Katastrophen-Planes anzumahnen. Nach Bekanntgabe der Vorgenehmigung forderte auch die Stadt Monheim Nachbesserungen. Sie verlangte die Installierung von Hochleistungssirenen sowie von Mess- und Warn-Einrichtungen am Rheinbogen. „Die Einwände werden bei der abschließenden Genehmigung alle noch einmal rechtlich gewürdigt“, versprach die Kölner Behörde.

IMPERIUM & WELTMARKT

BAYER kauft ARKEMA-Sparte
BAYER hat von dem französischen Konzern ARKEMA die Kunststoffplatten-Sparte mit den entspre

[HV Bericht] STICHWORT BAYER 03/2012

CBG Redaktion

HV-Jubiläum der CBG

BAYER schafft Bannmeile

Zu ihrem 30-jährigen Hauptversammlungsjubiläum bot die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) so viele Konzern-KritikerInnen auf wie nie zuvor. Der Leverkusener Multi wappnete sich dagegen, indem er den Eingangsbereich der Kölner Messehallen weiträumig abschirmte. So ersparte er seinen AnteilseignerInnen die Konfrontation mit Medikamenten-Geschädigten, Bienenzüchtern, TierschützerInnen und anderen AktivistInnen. Im Saal selber gab es dann allerdings kein Entrinnen mehr: Die GegenrednerInnen dominierten das Aktionärs-Treffen.

Vor Beginn der BAYER-Hauptversammlungen in den Kölner Messehallen bot sich Jahr für Jahr das gleiche Bild: Die den Bussen entstiegenen AktionärInnen mussten sich den Weg in die heiligen Hallen des Profits durch einen Kordon von Konzern-Kritikern bahnen, die sie mit Transparenten, Flugblättern und politischen Aktionen empfingen. Das wollte der Leverkusener Multi ihnen dieses Mal ersparen. Er zog einen weiträumigen Bannkreis um den Eingangsbereich und chauffierte seine AnteilseignerInnen auf diese Weise unbehelligt von den ProtestlerInnen bis vor die Tür.

Allzu lange konnte der Leverkusener Multi sie allerdings nicht abschirmen, denn im Saal selber machten ihnen mit 20 GegenrednerInnen mehr Kritische Aktionärinnen und Aktionäre denn je ihre Aufwartung. Besonders die leibhaftige Konfrontation mit den Opfern, welche die gnadenlose Jagd nach Profit zwangsläufig produziert, dürfte den Aktien-Haltern einiges Unwohlsein bereitet haben. So berichtete etwa Monika Thinschmidt über ihre Qualen nach dem Einsetzen von BAYERs Hormonspirale MIRENA. „Die kommenden fünfeinhalb Monate sollten mich bis dato prägen. Meine Beschwerden waren: nächtliche Schweißausbrüche, Herzrasen, Unruhe, Schlaflosigkeit, permanente Bauchkrämpfe und Oberbauchschmerzen.“ Zudem klagte sie über Brustknoten, eine Eierstock-Zyste als Tumorvorstufe, Libido-Verlust und eine verfrühte Menopause. Und damit ist sie beileibe nicht die Einzige. Die Frau zitierte eine Untersuchung des Frauengesundheitszentrums Graz, wonach 96 Prozent der Teilnehmerinnen Gegenanzeigen schilderten, über die sich die bunten Werbe-Broschüren ausschwiegen. „Sie bringen also ein unsicheres Produkt auf den Markt, informieren falsch, unzureichend und zu spät (...) Sie gefährden damit die Gesundheit von vielen Millionen Frauen weltweit. Sie streichen die Profite ein und sind nach meiner Einschätzung deshalb auch haftbar“, resümierte Thinschmidt.

Auch Geschädigte des hormonellen Schwangerschaftstests DUOGYNON, den die heute zu BAYER gehörende Firma SCHERING bis Mitte der 1970er Jahre hinein vermarktete, gingen ans Mikrofon. „Ich wurde im Juni 1976 mit einer Schädigung an beiden Armen geboren“, legte Silke Ehrenberg dar und erzählte von ihrem Martyrium mit Krankengymnastik ab dem Alter von sechs Wochen, häufigen Operationen und Folge-Erkrankungen. Hinzu traten noch die seelischen Schmerzen: „Ich bin anders, und das bekam ich ständig und überall zu spüren.“ Es war ein langer Prozess, bis die 36-Jährige sich so annehmen konnte, wie sie ist. Und er ist noch immer nicht abgeschlossen. „Dies heute und hier ist für mich ein weiterer Schritt, zu mir zu stehen. Zu sagen: Ich lebe mit einer Behinderung“, betonte sie deshalb. Immer wieder trieb die 36-Jährige die Frage um, woher ihre Behinderung rühre. Auf die Antwort stieß sie erst vor zweieinhalb Jahren. Da wurde sie auf Andre Sommer aufmerksam, den Gründer einer Initiative DUOGYNON-Geschädigter, der im letzten Jahr auf der Hauptversammlung gesprochen hatte und schon lange mit der CBG kooperiert. Seither kennt sie die Ursache ihrer Leiden. Die Erzieherin will aber ebenso wie Sommer mehr wissen und fordert BAYER zur Offenlegung interner Dokumente über den Zusammenhang von DUOGYNON und den Fehlbildungen auf. Ein Gericht in Berlin wies diesen Anspruch jedoch zurück. „Die Aussage, die Angelegenheit DUOGYNON sei verjährt, ist ein Schlag ins Gesicht aller Betroffenen. Ich stehe hier heute vor ihnen und lebe damit. Von Verjährung keine Spur“, so Ehrenberg.

Auch die extra aus England angereiste Valerie Williams, deren Sohn durch den in ihrer Heimat unter dem Namen PRIMODOS angebotenen Schwangerschaftstest stark gehandicapt zur Welt kam, verlangte den Zugang zum Firmen-Archiv. Die bislang bekannt gewordenen Unterlagen belegen nämlich eindeutig: Der SCHERING-Konzern wusste, was er tat. „1969 schrieb SCHERING, heute BAYER SCHERING, dem Britischen Ausschuss für Sicherheit und Medizin, dass PRIMODOS wegen der hohen Rate von Fehlgeburten bei einer Studie mit Ratten zurückgezogen würde“, referierte Williams und fragte dann: „Welche Gründe hatten Sie, PRIMODOS weiter herzustellen?“ Die Antwort darauf gab Gisela Clerc, ebenfalls Mutter eines DUOGYNON-Opfers. Finanzielle Erwägungen ließen ihrer Ansicht nach das Unternehmen an dem Produkt festhalten. DUOGYNON habe BAYER „viel Geld, den Kindern viel Schmerz und den Eltern viel Leid“ gebracht, fasste sie den Fall zusammen.

BAYER-Chef Marijn Dekkers zeigte sich ungerührt von den Leidensgeschichten und holte die Textbausteine von der letzten Hauptversammlung wieder hervor. „Wir haben schon mehrfach betont, dass wir ihr Schicksal bedauern und dass wir die Suche nach den Ursachen verstehen“, antwortete er den DUOGYNON-Geschädigten, um dann unmissverständlich die Konzern-Sicht darzulegen, wonach es keinen Zusammenhang zwischen dem Schwangerschaftstest und den Fehlbildungen gebe. Zur Hormonspirale MIRENA stand er gleichfalls in Treue fest. Sie werde seit 22 Jahren von 20 Millionen zufriedener Frauen angewendet und weise kein erhöhtes Brustkrebsrisiko auf, so Dekkers. Auch die Gefahr, eine Eileiter-Schwangerschaft zu erleiden, sei verschwindend gering, führte er weiter aus. „Es kann (...) jede Arznei unerwünschte Nebenwirkungen haben“, räumte der Vorstandsvorsitzende dann zwar ein, aber die seien ja auf dem Beipackzettel aufgeführt, womit er den Konzern – geschützt vor juristischen Ansprüchen – auf der sicheren Seite wähnte.

Die Verhütungsmittel des Pharma-Riesen mit dem Wirkstoff Drospirenon, die zahlreiche, zum teil tödlich verlaufende Thrombo-Embolien verursacht hatten, verteidigte der Ober-BAYER ebenfalls. „Wir sind vom Risiko-Profil Drospirenons überzeugt“, hielt er dem Rechtsanwalt Martin Jensch entgegen, der im Namen der betroffenen Frauen der SELBSTHILFEGRUPPE DROSPIRENON-GESCHÄDIGTER gesprochen hatte. Nicht einmal die nunmehr ausdrücklich auf das Risiko „Embolie“ aufmerksam machenden Warnhinweise auf den Packungen und die Zahlungen von 142 Millionen Dollar an US-amerikanischen Klägerinnen galten ihm als Schuld-Eingeständnis. Und einen Imperativ, ähnlich mit bundesdeutschen Geschädigten umzugehen, wollte er daraus schon einmal gar nicht ableiten. Die Zahlungen seien der Besonderheit des Rechtssystems in den USA geschuldet, erklärte Dekkers.

Diese Besonderheit lenkte sogar die Aufmerksamkeit der sonst nur auf ihre Dividende fixierten AktionärInnen-Vertreter einmal auf die Nebenwirkungen der Konzern-Präparate. „Das ist kein Gerinnsel, das ist ein Risiko“, konstatierte Hans-Martin Buhlmann von der „Vereinigung institutioneller Privatanleger“. Und sein Kollege Marc Tüngler von der „Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz“ fragte in Anspielung auf den unseligen BAYER-Cholesterinsenker, der das Leben von mehr als hundert Menschen gekostet hatte und den Konzern zu Schadensersatz-Zahlungen in Höhe von über einer Milliarde Dollar zwang: „Ist das LIPOBAY II?“

Das Geschäft mit den Pillen rief jedoch noch mehr GegenrednerInnen auf den Plan. Philipp Frisch von ÄRZTE OHNE GRENZEN befasste sich mit BAYERs Pharma-Patenten, die dem Konzern Monopol-Einnahmen sichern und Menschen in den ärmeren Ländern den Zugang zu einer erschwinglichen Versorgung mit Pharmazeutika versperren. So kostet das Krebspräparat NEXAVAR in Indien 5.500 Dollar pro Monat, weshalb Frisch die Entscheidung der indischen Regierung begrüßte, den Schutz des geistigen Eigentums für das Mittel unter Berufung auf den Ausnahme-Paragraphen im TRIPS-Handelsabkommen aufzuheben und eine Zwangslizenz zu erteilen. Der Verfasser dieser Zeilen wandte sich ebenfalls dem südasiatischen Land zu und machte auf den Skandal aufmerksam, dass dort von 2007 bis 2010 138 Menschen während der Klinischen Tests von Medikamenten des Global Players starben. Die Tierärztin Dr. Christine Esch von PETA DEUTSCHLAND schließlich widmete sich dem Leid der Tiere, die in den Arznei-Laboren des Unternehmens oder seiner Vertragspartner ihr Leben lassen, noch dazu, ohne valide Erkenntnisse zu produzieren, wie die vielen unerwünschten Pillen-Folgen zeigen.

Aber nicht nur der Pharmazeutika-Entwickung fallen Kreaturen zum Opfer, auch die Agrochemikalien des Leverkusener Multis fordern ihren Tribut. Sie sorgten in den vergangenen Jahren für das Verenden von Millionen Bienenvölkern. Deshalb sind ImkerInnen bereits seit langem Stammgäste auf der Hauptversammlung. „Der Mais kommt, die Bienen gehen“, so beschrieb Christoph Koch vom DEUTSCHEN BERUFS- UND ERWERBSIMKERBUNDES die fatale Wirkung der auf den Feldern nicht nur dieser Ackerfrüchte eingesetzten BAYER-Produkte. Sein Kollege Holger Nettler bezeichnete das Mantra des Konzerns, bei sachgemäßer Anwendung seiner Pestizide und Saatgut-Beizen träten keine Beeinträchtigungen der Bienen auf, als „Augenwischerei“. Dem schloss sich Roland Netter an, sich dabei auf eigene Erfahrungen berufend. Er nahm nämlich an dem Projekt „Melissa“ teil, das die Effekte der Pestizide auf Bienen unter Berücksichtigung aller Schutzmaßnahmen untersuchte. Ergebnis: Die gemessenen Ackergift-Werte lagen sogar noch über denen des fatalen, von BAYER als „Unfall“ bezeichneten Bienensterbens in Baden-Württemberg 2008. Darum schloss sich Roland Netter dem Vorstoß der CBG an, Vorstand und Aufsichtsrat auch wegen des Bienensterbens nicht zu entlasten: „Wir Imker aus Österreich unterstützen den Gegenantrag der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN.“ Der BAYER-Chef ließ sich jedoch von alldem nicht beeindrucken und sprach GAUCHO & Co. von jedem Verdacht frei. „Die Gründe für den in einigen Ländern beobachteten Rückgang der Bienenvölker sind vielschichtig. Die Hypothese, dass Saatgut-Beizungen dazu gehören, wird durch eine Reihe von wissenschaftlichen Untersuchungen widerlegt“, antwortete er den Imkern.

Ähnlich ignorant zeigte sich Marijn Dekkers den Konzern-KritikerInnen gegenüber, die weitere Risiken und Nebenwirkungen der Profit-Jagd auf die Tagesordnung setzten. Dieter Donner von STOPP-BAYER-CO-PIPELINE und Dr. Gottfried Arnold von ÄRZTE GEGEN DIE CO-PIPELINE warnten einmal mehr vor der Inbetriebnahme der Kohlenmonoxid-Leitung von Dormagen nach Krefeld, Friedhelm Meyer von SOLIDARISCHE KIRCHE zeigte die Problematik der in vielen Alltagsgegenständen auftauchenden Industrie-Chemikalie Bisphenol A auf und Claudia Baitinger vom BUND beschäftigte sich mit der neuesten Gefahren-Quelle aus dem Hause BAYER, der Nano-Technik. CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes schließlich vervollständigte die Liste, indem er das Gefährdungspotenzial von Tier-Antibiotika, des Gerinnungshemmers XARELTO und des LIBERTYLINK-Genreises darstellte. Zudem verlangte er abermals Auskunft über die Marketing-Ausgaben und den vom Unternehmen mit der Universität Köln geschlossenen Kooperationsvertrag.

Der CBGler Axel Köhler-Schnura schließlich ergänzte dieses neue „Schwarzbuch BAYER“ aus gegebenem Anlass um die historische Dimension. Er beging im Kölner Messe-Saal nämlich nicht nur das 30-jährige Betriebsjubiläum der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN auf den Hauptversammlungen des Konzerns, sondern verabschiedete auch den Aufsichtsrats- und ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Manfred Schneider. Während jedoch dessen Aufsichtsratskollege Paul Achleitner Schneider als „BAYER-Urgestein“ titulierte, das immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort und ein „höchst aktiver Lotse für das Unternehmen“ gewesen sei, sah der Rückblick Köhler-Schnuras etwas anders aus. „Herr Schneider und ich, wir stehen auf verschiedenen Seiten, wir spielen in verschiedenen Mannschaften. Sie, Herr Schneider, sagen: ‚Wir sind auf Profit aus. Das ist unser Job.’ Ich sage, um in Ihrer Wortwahl zu bleiben: ‚Ich bin auf demokratische Konzern-Kontrolle aus. Das ist mein Job.’ Und dann stellte er die Negativ-Bilanz von dessen Amtszeit vor. Der Aktivist erinnerte noch einmal an den LIPOBAY-Skandal, die Farce um die Entschädigungen der ZwangsarbeiterInnen der von BAYER mitgegründeten IG FARBEN, das gebrochene Versprechen, bis zum Jahr 2000 sämtliche hochgefährlichen Pestizide der Klasse I vom Markt zu nehmen und den Coup, mit Heribert Zitzelsberger den Steuer-Chef des Konzerns ins Finanzministerium einzuschleusen. Das alles kam dann in dem „Geschenk“ zum Ausdruck, das der Diplom-Kaufmann dem Manager abschließend darbot: ein schwarzes Holzkreuz. „Es ist eines der Kreuze, das wir in den letzten 35 Jahren bei vielen unserer Protest-Aktionen zum Gedenken an die vielen Opfer der BAYER-Produkte und der Vernichtung der tausenden von Arbeitsplätzen bei BAYER eingesetzt haben“, erläuterte Axel Köhler-Schnura, „Möge es Ihnen Erinnerung und Mahnung zugleich sein.“ Doch der Konzern verweigerte die Annahme. Er sah darin einen Missbrauch christlicher Symbole. Auch mit dem Redebeitrag des CBG-Vorstandsmitglieds mochte das Unternehmen sich nicht so recht anfreunden. „Wir spielen nicht nur in unterschiedlichen Mannschaften, wir sind auch in unterschiedlichen Ligen. Wir stehen unverbrüchlich zur parlamentarischen Demokratie und zur sozialen Marktwirtschaft. Wir wissen, dass Sie da ganz andere Ansichten haben“, beschied ihm Dekkers.

Wie unverbrüchlich der Multi zu demokratischen Werten steht, das hatte am Morgen die Einrichtung der Bannmeile gezeigt und im Laufe des Tages die Ignoranz, die er den – die überwältigende Mehrheit der RednerInnen stellenden – KritikerInnen entgegenbrachte. Entsprechend schlecht für den Chemie-Riesen fiel deshalb das Urteil der Presse aus. „Zwischen Jubel und Tribunal“ überschrieb etwa die Westdeutsche Zeitung ihren Bericht, „Noch mehr Ärger mit der Pille“ titelte der Tagesspiegel, „Kleinkrieg mit den Kritikern“ der Kölner Stadtanzeiger und „Die Störenfriede“ die Frankfurter Rundschau. Von Jan Pehrke

[Ticker] STICHWORT BAYER 03/2012 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

BAYER occupied
Aus Protest gegen die Vermarktung bienengefährlicher Agrochemikalien (siehe auch PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE) haben OCCUPY OAKLAND, das PESTICIDE-ACTION-NETWORK und andere Gruppen den Eingang des BAYER-Werkes im US-amerikanischen Berkeley besetzt und ein „bee-in at BAYER“ abgehalten.

Neonicotinoide-Verbot gefordert
Ein großer spanischer Landwirtschaftsverband hat sich mit einem Appell an die Regierung gewandt, Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide wie die BAYER-Wirkstoffe Clothianidin und Imidacloprid zu verbieten, da diese schon Millionen von Bienenvölkern den Tod gebracht haben.

CBG reicht EU-Beschwerde ein
Die Anlage zur Produktion des Kunststoffes TDI, die BAYER in Dormagen plant, entspricht nicht dem neuesten Stand der Technik. So will der Multi die Fertigungsstätte nur mit Blech statt mit Beton ummanteln. Zudem verzichtet der Konzern auf den Einbau einer Schutzwand, die bei einer Explosion mit nachfolgendem Phosgen-Austritt neutralisierendes Ammoniak freisetzen könnte. Auch der hohe Ressourcen-Einsatz, das Fehlen von „Worst Case“-Szenarien sowie die Verwendung hochgefährlicher Zwischenprodukte wie Phosgen stoßen auf Kritik. Für das Bundesumweltministerium hat die Fertigungsstätte dennoch „Vorbild-Charakter“, weshalb es die „Kreditanstalt für Wiederaufbau“ (KfW) anwies, dem Pharma-Riesen einen zinsgünstigen Kredit in Höhe von 150 Millionen Euro zu gewähren. Eine eigenständige Prüfung hat die bundeseigene Institution nicht durchgeführt, ihr reichte die Genehmigung der Anlage als Grundlage für die Entscheidung, gegen welche die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gemeinsam mit dem BUND bei der EU eine Beschwerde wegen unrechtmäßiger Subventionierung eingereicht hat.

BUND kritisiert Bisphenol-Grenzwert
BAYER ist mit einer Jahresproduktion von ca. einer Million Tonnen einer der größten Produzenten der Industrie-Chemikalie Bisphenol A. Drei Prozent davon finden in Lebensmittel-Verpackungen wie etwa Konservendosen Verwendung. Da die Substanz Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen hervorzurufen vermag, hatte die EU im März 2011 ihre Verwendung in Babyflaschen untersagt (Ticker 1/12), sonst aber keine weiteren Schritte unternommen. Die Behörden verweisen bei ihren Unterlassungshandlungen stets auf die eingehaltenen Grenzwerte. Genau das hat der BUND nun kritisiert. „Dem Konzept, mit den klassischen Methoden der Toxikologie einen sicheren Schwellenwert festlegen zu können, liegt eine These zugrunde, die widerlegt ist“, heißt es in einer Broschüre zum Thema. Das von der Leber nicht unschädlich gemachte und in den Blutkreislauf geratene Bisphenol verhält sich nämlich wie ein Hormon – und da helfen dann keine Limits mehr. „Hormone wirken viel komplexer. Vielleicht gibt es beim menschlichen Fötus eine ganz bestimmte Phase, in der Bisphenol A eine Weiche im Entwicklungsprozess verstellt. Wenn man dieses Zeitfenster in Tierversuchen nicht richtig erfasst, kann man natürlich keine Auswirkungen sehen“, führt der BUND-Experte Heribert Wefers aus.

Onkologe kritisiert Innovationsstau
Der Leverkusener Multi preist stets seine segensreichen Arznei-Neuentwicklungen. MedizinerInnen dagegen beurteilen die Erfindungskraft der Branche deutlich skeptischer. „Wir sehen Innovationen sehr viel seltener als die Pharma-Konzerne“, sagt etwa der Krebs-Spezialist Wolf-Dieter Ludwig. Besonders auf seinem eigenen Fachgebiet erblickt er kaum Neues am Horizont: „Was in den letzten Jahren erreicht worden ist, steht in keinem Verhältnis zu den Jahrestherapie-Kosten von bis zu 70.000 Euro.“ Unter dieses Verdikt fällt auch BAYERs NEXAVAR, denn Ludwig lässt nur ein Medikament wirklich gelten: ein Hautkrebs-Therapeutikum von BRISTOL MYERS-SQUIBB.

ProfessorInnen warnen vor Einflussnahme
Einen Kooperationsvertrag, wie ihn BAYER mit der Kölner Universität vereinbart hat, schließen immer mehr Bildungseinrichtungen mit Unternehmen ab. Darum hat der „Deutsche Hochschulverband“ jetzt vor der Gefahr sachfremder Einflüsse auf die Wissenschaft durch Industriegelder gewarnt. Die Tendenz, Drittmittel zum „Fetisch und zur Währung des Wissenschaftsbetriebs“ zu machen, gefährde die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Forschung, erklärte die Organisation. Zudem forderte sie, die Öffentlichkeit gezielt über die Bedingungen der Zusammenarbeit zu informieren. Das sollten sich der Leverkusener Multi und die Kölner Hochschule zu Herzen nehmen, denn sie weigern sich strikt, die entsprechenden Dokumente offenzulegen. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hat deshalb bereits die Gerichte eingeschaltet.

KAPITAL & ARBEIT

Drei Prozent mehr Geld
Im Mai 2012 einigten sich die Tarif-Parteien in der Chemie-Industrie auf eine Entgelt-Erhöhung von 4,5 Prozent für die nächsten 19 Monate. Auf das Jahr gerechnet ergibt das eine Steigerung von ca. drei Prozent. Im letzten Jahr hatte es mit 4,1 Prozent für 15 Monate noch ein besseres Ergebnis gegeben. Zudem gelang es BAYER & Co., ihre Forderung nach mehr Flexibilisierung durchzusetzen. Die Betriebe dürfen jetzt um bis zu 2,5 Stunden von der 37,5 Stunden betragenden Wochenarbeitszeit abweichen.

IG BCE segnet Rationalisierungen ab
BAYER hat den Bereich „Rechnungswesen“ einem umfangreichen Rationalisierungsprogramm unterzogen (Ticker 2/12). So verlegte der Multi Teile der Rechnungslegung wie etwa die Kunden- und Lieferantenbuchhaltung von Leverkusen nach Asien und Osteuropa. Und die Kunststoff-Sparte BAYER MATERIAL SCIENCE etablierte eine gemeinsame Controlling-Plattform für alle Standorte und legte Planungszyklen und Kostenstellen zusammen. Die Gewerkschaft betrieb dabei Co-Management und lobte dementsprechend das Endresultat. „Die Konzernbetriebsvereinbarung zum Projekt ‚GAC 2015’ ist ein positives Signal“, urteilte Reiner Hoffmann von der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE). Der Landesbezirksleiter der Chemie-Gewerkschaft und BAYER-Aufsichtsrat gab sich damit zufrieden, dass der Konzern die Maßnahme „sozialverträglich“ gestaltete.

BAYER zahlt mehr Bonus
Der Leverkusener Multi hat den Druck auf seine Belegschaft in den letzten Jahren kontinuierlich verschärft. So kostet das aktuelle Rationalisierungsprogramm 4.500 Arbeitsplätze. Als eine Art Schmerzensgeld zahlt der Konzern den Beschäftigten nun einen erhöhten Bonus. Der Konzern schüttet 600 Millionen Euro aus. Zwischen 80 und 140 Prozent ihres Durchschnittsentgelts erhalten die BAYER-WerkerInnen als Prämie. Sie orientiert sich allerdings am Erfolg der einzelnen Geschäftsbereiche. Am meisten Geld bekommen die Angestellten der Landwirtschaftssparte BAYER CROPSCIENCE, am wenigsten diejenigen des Kunststoffbereiches BAYER MATERIAL SCIENCE.

4,4 Millionen Euro für Dekkers
BAYER-Chef Marijn Dekkers hat im Geschäftsjahr 2011 4.418.000 Millionen Euro verdient. Zum Vergleich: Sein Vorgänger Werner Wenning strich 2009 in seinem letzten vollen Dienstjahr „bloß“ 3.570.000 Millionen Euro ein.

Aufsichtsrat muss Aktien kaufen
Der Leverkusener Multi bindet die Bezahlung seines Aufsichtsrats stärker an den Konzern-Erfolg. Er macht es den Mitgliedern des Gremiums nämlich zur Auflage, 25 Prozent ihrer festen Bezüge in BAYER-Aktien zu investieren. „So lassen sich wirksam und nachhaltig die Unternehmensinteressen in der Vergütung von Aufsichtsratsmitgliedern verankern“, jubiliert die Unternehmensberatung HOSTETTLER, KRAMARSCH & PARTNER. Von einer Kontrolle der Geschäftspolitik durch den Aufsichtsrat dürfte dann noch weniger die Rede sein.

Beschäftigte denken, BAYER kassiert
Die Verbesserungsvorschläge von Belegschaftsangehörigen rechnen sich für BAYER weit mehr als für die Kreativen selber. 2011 brachte die Realisierung der MitarbeiterInnen-Ideen dem Leverkusener Multi nämlich einen Rationalisierungsgewinn von 5,4 Millionen Euro ein. Den ErfinderInnen zahlte er für den Zugriff auf ihr geistiges Eigentum, von dem der Konzern über ein langen Zeitraum hinweg profitieren dürfte, aber nur einmalig 1,7 Millionen Euro an Prämien aus.

Käufer für Diabetes-Messgeräte gesucht
Der Leverkusener Multi will sein Geschäft mit Diagnostika-Produkten aufgeben und sucht deshalb auch einen Interessenten für seine Sparte mit Blutzucker-Messgeräten. Obwohl der Konzern damit viele Arbeitsplätze zur Disposition stellt, dürften die Proteste im Falle einer Transaktion gering ausfallen. „Diabetes Care sitzt in den USA, wo BAYER bei einem Verkauf keinen großen Widerstand der Gewerkschaft befürchten muss“, schreibt die Financial Times Deutschland.

BAYER verkauft Alzheimer-Diagnostikum
Im Rahmen der Abwicklung der Diagnostika-Sparte (s. o.) veräußert der Leverkusener Multi auch ein in der Entwicklung befindliches Alzheimer-Diagnostikum, an dem er 2008 die Rechte von der Universität Nagasaki erworben hatte. Käufer ist das indische Unternehmen PIRAMAL IMAGING.

Outsourcing von Arzneitests

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In der Öffentlichkeit pflegt der Leverkusener Multi mit großem Engagement das Bild eines forschenden Unternehmens. In Wirklichkeit aber findet in den Laboren des Unternehmens immer weniger wissenschaftliche Arbeit statt. So plant der Pharma-Riese jetzt, die Arzneitests der Phase I, bei denen die PharmazeutInnen die Medikamente an Gesunden ausprobieren, outzusourcen und damit 25 Arbeitsplätze innerhalb des Konzerns zu vernichten. BAYER begründet diesen Schritt mit der schwankenden Auslastung der ProbandInnen-Station in Wuppertal.

Outsourcing von Arzneitests

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Bei Arzneitests der Phasen II bis IV, bei denen die PharmazeutInnen die Medikamente an größeren Gruppen von Kranken ausprobieren, hat der Leverkusener Multi schon öfters mit externen Dienstleistern kooperiert. Jetzt systematisiert er diese Zusammenarbeit. Der Pharma-Riese hat mit dem US-Unternehmen COVANCE einen langfristigen Vertrag geschlossen. Er strebt damit „eine weitere Optimierung von Betriebsabläufen sowie der Effizienz und Qualität klinischer Studien an“. Zu erwarten ist jedoch vielmehr, dass die weitere Rationalisierung von Arznei-Erprobungen zu noch mehr Opfern als in der Vergangenheit führt. Zwischen 2007 und 2010 starben allein in Indien 138 Menschen bei Tests von BAYER-Präparaten, und in der Bundesrepublik mussten 2010 20 Menschen ihr Leben lassen.

BAYER verkauft Fabrik in Norwich
Im Rahmen seines Rationalisierungsprogramms verkauft der Leverkusener Multi seine Pestizid-Fabrik im englischen Norwich an die Beteiligungsgesellschaft AURELIUS und stellt damit 310 Arbeitsplätze im Konzern zur Disposition. Die Fertigungsstätte bleibt dem Agro-Riesen jedoch verbunden. Sie steigt in die Vertragsfertigung für den Konzern ein, will aber auch noch andere Unternehmen beliefern.

Der Weg des Titandioxids
Der Leverkusener Multi trennte sich im Zuge der „Konzentration auf das Kerngeschäft“ peu à peu von seiner Titandioxid-Produktion. 1998 überführte er die Uerdinger Fabrik in ein gemeinsam mit KERR-MCGEE betriebenes Joint Venture. 2001 übernahm das US-amerikanische Unternehmen das Geschäft ganz. 2006 dann gliederte es selber den Bereich in eine eigenständige Gesellschaft aus, die 2009 Insolvenz anmelden musste. Und 2012 verkaufte der Insolvenzverwalter die inzwischen CRENOX heißende Firma an BAYERs einstmaligen Konkurrenten SACHTLEBEN. Mit den Nachwirkungen der Titandioxid-Herstellung in Uerdingen haben die Behörden jedoch immer noch zu kämpfen. Sie arbeiten nämlich schon seit vielen Jahren an der Sanierung der Deponie in Rheinberg, in der lange Zeit die Produktionsrückstände von BAYER und SACHTLEBEN landeten (TICKER 2/11).

Pensionskasse wird teuer
Die BAYER-Pensionskasse nimmt schon seit längerem keine neuen Mitglieder mehr auf. Alle Belegschaftsangehörigen, die nach 2005 zum Konzern kamen, mussten zur Rheinischen Pensionskasse gehen. Darum verschlechtert sich das Verhältnis von EinzahlerInnen und Anspruchsberechtigten. Eine Erhöhung der Lebenserwartung und nicht ausreichend lukrative Geldanlagen trugen ein Übriges zur Unterfinanzierung bei. So hat jüngst etwa eine Untersuchung der BANK OF AMERICA MERRILL LYNCH die Pensionsrückstellungen des Konzerns in Höhe von 7,8 Milliarden Euro als unzureichend bezeichnet. Deshalb hat der Leverkusener Multi den Firmen-Beitrag von 300 auf 400 Prozent des Beschäftigten-Beitrages erhöht. Das hat allerdings auch Konsequenzen für die BAYER-WerkerInnen. Ab einem Jahres-Entgelt von 34.000 Euro müssen sie nämlich Steuern auf den Unternehmensanteil zahlen. Und diese können sich je nach Gehalt auf bis zu 710 Euro im Jahr belaufen.

ERSTE & DRITTE WELT

BAYER gründet Rohstoffallianz
Bereits seit einiger Zeit treibt BAYER & Co. die angespannte Situation auf den Rohstoff-Märkten um. Die Konzerne starteten deshalb bereits diverse Initiativen und verstärkten den Druck auf die Politik (SWB 1/10). Nun jedoch erreicht ihr Engagement eine neue Qualität. BAYER, BOSCH, THYSSENKRUPP und sieben weitere Unternehmen gründeten im April 2012 die RA ROHSTOFFALLIANZ. Geschäftszweck der GmbH: „Die Sicherung der Versorgung der Gesellschafter mit kritischen Rohstoffen“. Fürs Erste haben es die Firmen dabei auf Seltene Erden, Kokskohle, Graphit und Wolfram abgesehen. Dazu wollen sie sich an Minen beteiligen und selber Vorkommen erschließen (siehe auch SWB 3/12).

Arzneitests in Kolumbien
Die Pharma-Multis verlegen immer mehr Medikamentenversuche in arme Länder. Dort locken ein großes Reservoir an ProbandInnen, unschlagbare Preise, schnelle Verfahren und eine mangelhafte Aufsicht (SWB 2-3/10). Entsprechend hoch ist das Risiko für die ProbandInnen: Allein in Indien starben zwischen 2007 und 2010 138 Menschen während der Tests mit BAYER-Arzneien. In Südamerika hat der Pharma-Riese Kolumbien zu einem Zentrum für die Pillen-Erprobungen erkoren. „In den vergangenen zwei Jahren hat BAYER/Kolumbien acht Millionen Euro in die wissenschaftliche Forschung investiert und zahlreiche Studien an 280 Forschungszentren in Kolumbien durchgeführt – insbesondere in den Bereichen Herz/Kreislauf-Erkrankungen, Krebs-Erkrankungen und Hämophilie“, heißt es in der Propaganda-Postille BAYER direkt.

Mega-Gewerkschaftsfusion
Die drei großen Gewerkschaftsweltverbände der Sparten Metall, Chemie & Bergbau und Textil schließen sich zusammen. „Gewerkschaftsmacht aufbauen durch eine Organisierung entlang der Lieferkette; ein mächtiges Gegengewicht zu den transnationen Konzernen schaffen“, heißt die Devise. Die Fusion stößt allerdings auch auf Kritik, weil sie „top down“ erfolgte und die Mitglieder nicht einbezog. Zudem trauen viele der neuer Organisation nicht zu, mehr zu sein als die Summe ihrer Teile, die sich bisher kaum als globale Gegenmacht in Szene setzen konnten – oder wollten.

IG FARBEN & HEUTE

Gedenkort für Euthanasie-Opfer
Die vom Leverkusener Multi mitgegründeten IG FARBEN haben nicht nur das Zyklon B für die Vergasung der Juden im „Dritten Reich“ geliefert. Der Mörder-Konzern hatte auch für die Euthanasie, der mehr als 100.000 behinderte oder psychisch kranke Menschen zum Opfer fielen, den passenden Rohstoff im Angebot. Sie stellte für die „Aktion T4“ – benannt nach der Berliner Adresse des Planungszentrums für den Massenmord, das sich in der Tiergartenstr. 4 befand – das heute wieder durch BAYERs umstrittenes Pipeline-Projekt ins Gerede gekommene Kohlenmonoxid zur Verfügung. Im November 2011 entschied der Bundestag, in würdigerer Form als bisher an die Toten zu erinnern. Er beschloss, an der Tiergartenstraße eine Gedenktafel anzubringen und ein Denkmal aufzustellen. Darüber hinaus ist ein Dokumentationszentrum geplant.

POLITIK & EINFLUSS

Kabinett-Sitzung bei BAYER
Ein Ereignis mit Symbol-Wert: Am 21. Februar 2012 verlegte die am 6. Mai nicht wiedergewählte Landesregierung von Schleswig-Holstein ihre Kabinett-Sitzung ins Brunsbütteler BAYER-Werk. An dem Schwerpunktthema „Netzausbau“ hatte der Chemie-Multi auch ein besonders Interesse, klagt er doch trotz großzügiger Rabatte (siehe ÖKONOMIE & PROFIT) nicht erst seit der beschlossenen Energiewende über zu hohe Strom-Kosten. Dieses Lamento hat sich wohl auch der EU-Energiekommissar Günther Oettinger anhören müssen, der zu dem Termin extra aus Brüssel angereist war. Nach dem Zusammentreffen mit dem inzwischen abgewählten Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen und seinen MinisterInnen und StaatssekretärInnen aß er nämlich mit dem damaligen BAYER-Werksleiter Volker Weintritt zu Mittag.

Birgitta Wolff in Gatersleben
BAYER errichtet im Biotech„park“ Gatersleben ein Europäisches Weizenzucht-Zentrum (siehe auch FORSCHUNG & LEHRE). Es soll besonders ertragreiche und widerstandsfähige Sorten hervorbringen und die globalen Zucht-Aktivitäten des Agro-Riesen auf diesem Gebiet koordinieren. Prominentester Gast bei der feierlichen Eröffnung der Einrichtung war die sachsen-anhaltinische Ministerin für Wissenschaft und Wirtschaft, Birgitta Wolff (CDU). „Die Eröffnung des Europäischen Weizenzucht-Zentrums in Gatersleben ist ein deutliches Bekenntnis der BAYER AG zum Biotechnologie-Standort Sachsen-Anhalt (...) Dabei haben wir eine klassische „Win-Win“-Situation. So bietet der Biotech„park“Gatersleben die optimale Infrastruktur für BAYER. Gleichzeitig wird das „Leibniz-Institut für Pflanzen-Genetik und Kulturpflanzen-Forschung durch einen intensiven personellen Austausch vom neuen Weizenzucht-Zentrum profitieren“, freute sich die Ministerin.

Energiewende-Streit im BDI
Die Energiewende entzweit den „Bundesverband der deutschen Industrie“; „regelrechte Glaubenskriege“ machte die WirtschaftsWoche aus. Während einige ManagerInnen, sogar solche aus der viel Strom benötigenden Chemiebranche wie Axel Heitmann von der BAYER-Abspaltung LANXESS, dem neuen energie-politischen Kurs positiv gegenüberstehen, zählt der Leverkusener Multi zur Beton-Fraktion. Im August 2010 gehörte der damalige Vorstands- und baldige Aufsichtsratsvorsitzende Werner Wenning zu den UnterzeichnerInnen des „Energiepolitischen Appells“, der die Bundesregierung – zunächst erfolgreich – zur Laufzeit-Verlängerung der AKWs aufforderte. Und sein Nachfolger Marijn Dekkers drohte angesichts der angeblich mit dem Ausstieg aus der Atomkraft verbundenen Mehrkosten schon mit Abwanderung. „Die Energie-Preise werden weiter steigen, dabei haben wir bereits heute die höchsten in der EU. Es ist wichtig, dass wir im Vergleich mit anderen Ländern wettbewerbsfähig bleiben. Ansonsten kann sich ein globales Unternehmen wie BAYER überlegen, seine Produktionen in Länder mit niedrigeren Energie-Kosten zu verlagern“, sagte er letztes Jahr in einem Interview.

EU-Effizienzrichtlinie aufgeweicht
Die EU-Länder haben sich zum Ziel gesetzt, bis zum 2020 Energie-Einsparungen in Höhe von 20 Prozent vorzunehmen. Um das zu erreichen, wollte Brüssel den Mitgliedsstaaten in einer Effizienz-Richtlinie verbindliche Reduzierungsauflagen machen. So wollte das Paragraphen-Werk die Mitgliedsländer zwingen, den Stromverbrauch jedes Jahr um 1,5 Prozent zu senken. Bei BAYER & Co. rief das einen Sturm der Entrüstung hervor. „Starre Vorgaben widersprechen jeglicher unternehmerischer Realität“, erklärte Markus Kerber vom „Bundesverband der deutschen Industrie“. Der ehemalige Umweltminister Norbert Röttgen unterstützte dagegen den Brüsseler Vorstoß, Wirtschaftsminister Philipp Rösler lehnte ihn jedoch vehement ab. Nach dem Rücktritt Röttgens konnte die Bundesregierung dann unumwunden die Position von BAYER & Co. vertreten und Obstruktionspolitik in Brüssel betreiben. Auf diesen Wege gelang es ihr dann auch, die Vorlage zu verwässern. Nun braucht kein Staat mehr verbindliche Strombremsen einzuführen. Auch eine kreative Buchführung ist nun erlaubt. Unternehmen, die wie BAYER am Emissionshandel mit CO2-Verschmutzungszertifikaten teilnehmen, müssen nicht ihren ganzen Energie-Verbrauch in die Endabrechnung einfließen lassen. Der Lobbyverband VIK, bei dem Günter Hilken von der BAYER-Tochtergesellschaft CURRENTA in der Geschäftsführung sitzt, protestierte trotz der ganzen „Nachbesserungen“ gegen die geplante Richtlinie.

Der BDI will es bilateral

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Um die ganz großen Globalisierungsvorhaben steht es nicht gut. Das Multilaterale Investitionsabkommen (MAI) landete Ende der 1990er Jahre auf dem Müllhaufen der Geschichte, und die Liberalisierungsbestrebungen der Welthandelsorganisation WTO im Rahmen der Doha-Runde kommen wegen der Vetos der Entwicklungsländer ebenfalls nicht voran. Darum forderte der „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI) als Lobby-Organisation von BAYER & Co. den Abschluss von EU-Abkommen mit einzelnen Staaten. Die Politik stand dem Ansinnen zunächst skeptisch gegenüber, lenkte jedoch ein. „Wir wurden da hineingedrängt von der Wirtschaft und dem BDI“, sagt Bernd Pfaffenbach. Dem früheren Staatssekretär im Wirtschaftsministerium zufolge fürchtete der Verband, gegenüber der internationalen Konkurrenz ins Hintertreffen zu geraten und machte Druck: „Wenn alle Wettbewerber sich da Vorteile verschaffen, können wir darauf nicht verzichten.“ Und das mussten sie dann auch nicht. Zudem gelang es den Unternehmen, die Agenda der Verhandlungen entscheidend mitzubestimmen. Dementsprechend profitierten sie von den Ergebnissen. Strengere Patent-Regime, freiere Marktzugänge, mehr Investitionsschutz, Gleichbehandlung mit inländischen Unternehmen und verbesserter Zugriff auf Rohstoffe - fast kein Wunsch blieb unerfüllt (siehe auch SWB 2/11).

Der BDI will es bilateral

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Seit geraumer Zeit setzen die bundesdeutschen und europäischen Lobby-Organisationen der Konzerne wegen der stockenden internationalen Freihandelsabkommen auf bilaterale Lösungen (s. o.), wobei sie sich mit ihren US-amerikanischen Pendants einig wissen. So forderten europäische und US-amerikanische Wirtschaftsverbände im Vorfeld des G8-Treffens, das im Mai 2012 in Camp Davis stattfand, unisono den Abbau transatlantischer Handelshemmnisse wie Zölle, Import-Quoten oder Klauseln zur Begünstigung einheimischer Unternehmen.

VFA gegen Zwangsrabatt
Nach dem seit 2011 gültigen „Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittel-Marktes“ müssen BAYER & Co. den Krankenkassen für neue Medikamente einen Hersteller-Rabatt von 16 Prozent einräumen. Darüber hatte sich BAYER-Chef Marijn Dekkers auf der Bilanz-Pressekonferenz im Februar 2012 bitterlich beklagt und angesichts der Überschüsse von DAK & Co. eine Abschaffung der Regelung gefordert. Der vom Leverkusener Multi gegründete „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VFA) schloss sich unmittelbar darauf an (Ticker 1/12). Ende März 2012 erneuerte die Lobby-Organisation nun ihre Kritik. „Wenn wir keine stichhaltige Begründung erhalten, müssen wir uns Gehör verschaffen“, tönte der Vorstandsvorsitzende Hagen Pfundner und drohte mit einer Klage der Pharma-Multis gegen die Regelung. Und selbstverständlich fehlte die Warnung vor einem Verlust von Arbeitsplätzen nicht.

Treffen mit Westerwelle
Das aufstrebende Schwellenland Brasilien gehört mit zu den wichtigsten Auslandsmärkten BAYERs und anderer bundesdeutscher Konzerne. Deshalb nimmt es in der Außenwirtschaftspolitik der Bundesregierung ebenfalls eine besondere Rolle ein. Und zu dieser gehörte die Einrichtung eines „Deutschen Wissenschafts- und Innovationshauses“ in São Paulo. Prominentester Gast bei der von BAYER gesponserten Einweihungsfeier war Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP), der im Verlauf seiner Brasilien-Reise auch mit BAYER-Landessprecher Theo van der Loo zusammentraf.

Treffen mit kolumbianischem Präsident
100 Jahre betreibt BAYER bereits Geschäfte in Kolumbien (siehe auch ERSTE & DRITTE WELT und PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE). Zum „feierlichen“ Jubiläum reiste der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers in das Land und traf dort unter anderem mit dem Staatspräsidenten Juan Manuel Santos und den MinisterInnen Juan Camilo Restrepo und Beatriz Londoño zu einem Gespräch zusammen.

Finanzämter fördern Forschung nicht
Bereits seit langem fordert BAYER die steuerliche Absetzbarkeit von Forschungsaufwändungen. Die Bundesregierung kündigte im Koalitionsvertrag auch ein entsprechendes Gesetzes-Vorhaben an, jetzt allerdings verschob sie das Projekt erst einmal. „Wir haben vereinbart, dass wir die steuerliche Forschungsförderung im Rahmen eines haushalts- und steuerpolitischen Gesamtkonzeptes entscheiden wollen“, erklärte Klaus-Peter Flosbach, der finanzpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Neuer Mann für die Unternehmenssteuer
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat den Sozialdemokraten Albert Peters als Abteilungsleiter für Steuerpolitik entlassen. Er ersetzte ihn durch den Christdemokraten Michael Sell. Dessen erste Aufgabe: die Reform der Unternehmensbesteuerung. Ein solches Gesetzesvorhaben wollte Schäuble offensichtlich doch lieber in Parteihand wissen.

EU reguliert Derivate-Markt
Der Leverkusener Multi nutzt die seit der Finanzkrise in Misskredit geratenen Derivate – eine Art Wette auf Preissteigerungen oder -senkungen von Rohstoffen, Aktien, Währungen, Zinsen oder aber von Derivaten selber – hauptsächlich zur Absicherung seiner globalen Transaktionen. Darum hat er seine LobbyistInnen in Brüssel vehement gegen Regulierungen auf diesem Sektor in Stellung gebracht. So ganz konnten diese politische Maßnahmen allerdings nicht verhindern. So will die EU für die OTC-Derivate (außerbörslich gehandelte Papiere) ein Melderegister einführen und für den Handel künftig eine Unterlegung mit Eigenkapital fordern.

PROPAGANDA & MEDIEN

Schwerpunkt TV-Werbung
Der Leverkusener Multi gibt 80 Prozent seines Reklame-Budgets für TV-Werbung aus. An Printmedien lässt sein Interesse dagegen nach – der Konzern investiert lieber ins Internet. „Analog zur ständig wachsenden Nutzerschaft des Mediums und der sich weiterentwickelnden Hardware wird auch die Bedeutung als Werbeträger weiter zunehmen“, prognostiziert BAYERs Marketing-Manager Nils Rohrsen.

BAYER digitalisiert Report
Der Leverkusener Multi ersetzt sein Print-Magazin Report durch das Digital-Format BAYER Magazin. Mit interaktiven Texten, Foto-Galerien, Filmen und Info-Grafiken will der Konzern „neue Ebenen des Storytellings“ erklimmen. So hofft er, seine Zielgruppe – KundInnen, LieferantInnen, AktionärInnen, AnalystInnen und interessierte Öffentlichkeit – besser an das Unternehmen zu binden und mehr jüngere Leute zu erreichen. Ob er das schafft, bleibt die Frage. Die eigentliche Story ändert sich nämlich allen neuen Storytelling-Ebenen zum Trotz nicht und ist relativ schnell erzählt: Alles ist gut.

VFA plant Charme-Offensive
Der Wechsel an der Spitze des von BAYER gegründeten „Verbandes der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VFA) von Cornelia Yzer zu Birgit Fischer ist auch mit programmatischen Veränderungen verbunden. Die Lobby-Organisation setzt jetzt mehr auf Kooperation. „Die Herausforderungen im Gesundheitsbereich sind so groß, dass sie sich nur gemeinsam lösen lassen“, heißt es in der neuen Programmschrift. Zudem bekennt sich der VFA zu Transparenz & Nachhaltigkeit und gibt sich diskussionsfreudig: „Dennoch werden wir in der Gesellschaft auch kritisch gesehen. Wir stellen uns dieser Kritik, denn wir haben gute Argumente.“ Die immer ohne Rücksicht auf Verluste Industrie-Interessen verfechtende Cornelia Yzer hatte 2010 das neue Arzneimittelgesetz nicht nach den Wünschen der Konzerne ausrichten können und musste deshalb ihren Posten räumen. Von der Charme-Offensive erhoffen sich BAYER & Co. nun mehr politische Erfolge.

Neuer Hämophilie-Preis
Blutern gilt die besondere Aufmerksamkeit BAYERs, gilt es doch, vergessen zu machen, dass in den 90er Jahren Tausende Hämophile an HIV-verseuchten Blutprodukten des Konzerns starben, weil das Unternehmen sein Präparat KOGENATE aus Kostengründen keiner Hitze-Behandlung unterzogen hatte. Von den 57 Millionen Euro, die der Leverkusener Multi 2010 für „wohltätige Zwecke“ ausgab, erhielten Hämophilie-Organisationen mit 5,5 Millionen Euro fast zehn Prozent. Und jetzt stiftet der Pharma-Riese zur Besänftigung der Zielgruppe auch noch den „Philos“-Preis für Projekte, „die dabei helfen, die alltäglichen Herausforderungen im Leben mit der Bluterkrankheit zu meistern“.

Auszeichnung für die „Dream Production“
BAYER gehörte 2006 zu den Sponsoren der Kampagne „Land der Ideen“, welche die Fußball-Weltmeisterschaft dazu nutzte, um für den Industrie-Standort zu werben. Der PR-Betrieb hat die Ball-Treterei sogar überlebt und veranstaltet noch den Wettbewerb „365 Orte im Land der Ideen“. Jetzt haben die InitiatorInnen schon zum zweiten Mal einen „BAYER-Ort der Ideen“ ausgezeichnet – sie wissen offenbar, was sie ihren Geldgebern schuldig sind. Nach dem Kommunikationszentrum „Baykomm“ traf es nun die Pilotanlage, die den Einsatz von Kohlendioxid als Rohstoff zur Kunststoff-Herstellung erprobt. Der Pharma-Riese feiert dieses gemeinsam mit RWE und der „Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen“ betriebene Projekt „Dream Production“ als eine Großaktion zur Rettung des Klimas. ExpertInnen beurteilen solche Versuche skeptischer. „Die stoffliche Nutzung kann keine riesigen Mengen binden, weil wir einfach viel, viel mehr Kohlendioxid freisetzen“, sagt etwa der Chemie-Ingenieur Arno Behr von der „Technischen Universität Dortmund“ (Ticker 1/10). Und als der BAYER-Manager Peter Vanacker in einem Interview gefragt wurde, wieviel CO2 die „Dream Production“ dem Recycling denn nun zuführe, gab er sich dann auch recht kleinlaut: „Genaue Zahlen möchten wir nicht veröffentlichen“.

Schul-Kooperation in Holland
Nicht nur in der Bundesrepublik, auch in Holland macht BAYER Schule. Der Leverkusener Multi kündigte eine Bildungsinitiative in den Niederlanden an, um SchülerInnen die Pflanzenzucht näher zu bringen. Passenderweise gab der Konzern diesen Entschluss gemeinsam mit dem Präsidenten der Universität Wageningen anlässlich der Einweihung des erweiterten Gemüsezucht-Zentrums in Leudal bekannt (siehe auch PFLANZEN & SAATEN). Und Hochschulleiter Dr. Aalt Dijkhuizen ließ dann auch an Sinn und Zweck der Übung keinen Zweifel: „Die florierende Gemüse-Industrie ist auf den Ideenreichtum der jungen Menschen angewiesen. Wir hoffen, dass dieses Projekt bei den Schülern die Begeisterung für die Pflanzenzüchtung weckt.“

LandwirtInnen bei BAYER
Um die Beziehungen zu seinen Pestizid-KundInnen zu pflegen, lädt der Leverkusener Multi immer wieder LandwirtInnen zu Betriebsbesichtigungen ein. So besuchte im Frühjahr 2012 der „Landwirtschaftliche Ortsverein Hoxfeld/Rhedebrügge“ den BAYER-Standort Monheim.

BAYER umwirbt ImkerInnen
Für den Leverkusener Multi haben nicht die haus-eigenen Pestizide das millionenfache Bienensterben verursacht, die Verantwortung dafür trägt nach Ansicht des Konzerns vielmehr die böse Varroa-Milbe. Und gegen diese hält das Unternehmen mit dem Pyrethroid BAYVAROL (Wirkstoff: Flumethrin) zufälligerweise auch gleich das passende Gegenmittel bereit. Um die „frohe Kunde“ zu verbreiten, hat der Agro-Riese in Mexiko die staatlichen Beauftragten für Imkerei als Werbeträger entdeckt. Er stattet sie mit Schutzkleidung aus, auf welcher der BAYVAROL-Schriftzug prangt. Der Unterrichtsqualität scheint das nicht unbedingt zu bekommen. Einem Beobachter zufolge lässt das Lehrpersonal die giftigen Pyrethroid-Streifen nämlich zu lange in den Bienenstöcken, weshalb sich die Chemikalie später im Honig wiederfinden könnte. Zudem steht die Gefahr von Resistenz-Bildungen – die Milben stellen sich zunehmend auf das BAYVAROL ein – nicht auf dem Stundenplan.

BAYER-Mann an Hochschule
Immer wieder gerne nutzen BAYER-WissenschaftlerInnen das Forum, das ihnen Universitäten von Zeit zu Zeit bieten. So hielt der Pharma-Forscher Walter Hübsch an der Hochschule Aalen einen Vortrag über Struktur-Elemente in der medizinischen Chemie.

PatientInnen-Betreuung im Internet
Wer unter Lungenhochdruck leidet und den Begriff googlet, landet bei www.lungenhochdruck.de – und damit bei BAYER. Der Leverkusener Multi betreibt die Webseite zur KundInnen-Bindung und hält dort Informationen für PatientInnen bereit, welche die MedizinerInnen auf sein Präparat ILOPROST eingestellt haben. Es gibt eine persönliche Beratung durch Krankenschwestern oder ArzthelferInnen und Links zu Selbsthilfegruppen. Sogar Medikamenten-Proben verschickt der Pharma-Riese über das Werbe-Portal.

TIERE & VERSUCHE

Mehr Tierversuche
Die Zahl der Tierversuche bei BAYER stieg von 192.412 im Jahr 2010 auf 199.636 im Jahr 2011. Während in den eigenen Laboren des Leverkusener Multis mit 168.825 weniger Kreaturen verendeten als 2010, wo noch 171.627 bei klinischen Erprobungen starben, erhöhte sich Menge der Versuchskaninchen, die bei vom Konzern beauftragten externen Dienstleistern ihr Leben ließen, von 19.785 auf 30.811.

TIERE & ARZNEIEN

Massentierhaltungsarznei BAYTRIL
Die Massentierhaltung kommt ohne massenhaft verordnete Medikamente nicht aus und verursacht so Probleme en masse. Krankheitserreger bilden beispielsweise Resistenzen gegen Antibiotika aus und können – über Hautkontakt oder den Nahrungsmittel-Kreislauf in den menschlichen Organismus gelangt – Gesundheitsstörungen auslösen, gegen die kein Kraut mehr gewachsen ist. BAYERs BAYTRIL hat daran einen gehörigen Anteil. Zum Gesamtumsatz mit dem Mittel von 166 Millionen Euro im Jahr 2010 trug die industrielle Fleischproduktion in den Ställen fast ein Drittel bei: 118 Millionen Euro.

DRUGS & PILLS

Pillen-Preise steigen wieder
Das 2010 erlassene „Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittel-Marktes“ hat die Pillen-Preise bis zum Jahr 2013 auf dem Stand von August 2009 eingefroren und den Hersteller-Rabatt für neue Medikamente von sechs auf 16 Prozent erhöht. Darum mussten die Krankenkassen im letzten Jahr zum ersten Mal nach langer Zeit nicht über Mehrausgaben für Pharmazeutika klagen. Inzwischen scheinen sich die Pharma-Riesen aber auf die veränderten Bedingungen eingestellt zu haben. Im ersten Quartal 2012 stiegen die Pillen-Kosten für DAK & Co. um 4,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Einen Hauptanteil daran dürften extrem teure, aber nicht unbedingt empfehlenswerte Arznei-Novitäten wie BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO (s. u.) haben.

Pillen-Preise unter Verschluss
Mit dem „Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittel-Marktes“ (s.o.) hat der Gesetzgeber auch eine Kosten/Nutzen-Bewertung für neue Medikamente eingeführt. Bei positivem Votum schließen sich Preis-Verhandlungen der Pharma-Produzenten mit den Krankenkassen an. BAYER & Co. drängen dabei darauf, die Zahlen unter Verschluss halten zu können. Und die Bundesregierung will ihnen den Wunsch nach Geheimhaltung auch erfüllen, wogegen die Opposition protestiert. „Auf eines ist bei Schwarz-Gelb immerhin Verlass: Forderungen der Industrie-Lobby werden stets konsequent umgesetzt“, kritisierte Claudia Roth von den Grünen.

NICE empfiehlt XARELTO
Das britische „National Institute for Health and Clinical Excellence“ (NICE), das Kosten und Nutzen neuer Arzneimittel bewertet, hat BAYERs Blutgerinnungshemmer XARELTO nach einigem Zögern nun doch die Absolution erteilt. Zunächst hatte sich die Einrichtung mit den von BAYER zur Verfügung gestellten Daten über die Therapie-Erfolge für die Anwendungsgebiete „Thrombosen“ und „Schlaganfall-Vorbeugung bei PatientInnen mit Vorhofflimmern“ nicht zufriedengegeben und aussagekräftigere Informationen verlangt (Ticker 2/12). Diese scheinen das NICE überzeugt zu haben, weshalb die Krankenkassen nun den Preis für die XARELTO-Gaben zahlen müssen.

Immer mehr XARELTO-Indikationen
Die Gesundheitsbehörden taten sich stets schwer, Genehmigungen für BAYERs Blutgerinnungshemmer XARELTO zu erteilen. So zögerte die US-amerikanische FDA lange, ehe sie ihr Einverständnis für die Verwendung zur Vorbeugung von Schlaganfällen und von Thrombosen bei schweren orthopädischen Operationen gab, weil bei den Klinischen Tests Nebenwirkungen wie Gefäß-Verschlüsse, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden auftraten. Trotzdem versucht der Leverkusener Multi beständig, das XARELTO-Anwendungsspektrum zu erweitern. Nach Zulassungsanträgen für den prophylaktischen Einsatz zur Verhinderung von Blutgerinnseln in der Herzkranz-Arterie (Ticker 2/12) ersucht BAYER nun auch um grünes Licht in Europa und den USA für die Vermarktung der Substanz zur Nachbehandlung von Thrombose-PatientInnen und zur Lungenembolie-Therapie. Darüber hinaus laufen im Moment Studien zur Vermeidung von Thrombosen bei Hüft- oder Kniegelenksersatzoperationen.

Blutungen durch XARELTO
Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) hat 306 Meldungen über Blutungen nach dem Einsatz von BAYERs Gerinnungshemmer XARELTO erhalten. Das ergab eine Anfrage der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN. Dabei legt die Behörde Wert auf die Feststellung, dass es sich um Verdachtsfälle handelt.

XARELTO-Rabattvertrag mit der AOK
BAYERs umstrittener Blutgerinnungshemmer XARELTO (s. o.) hat einen stolzen Preis. 30 Tabletten kosten über 100 Euro – weit mehr als vergleichbare Präparate. Um das Medikament trotzdem in den Markt zu drücken, hat der Leverkusener Multi mit der AOK Rheinland/Hamburg einen Rabattvertrag abgeschlossen. Auch für die „Multiple Sklerose“-Arznei BETAFERON existiert eine entsprechende Vereinbarung mit der Krankenkasse.

Mehr YASMIN-Warnhinweise
Im Dezember 2011 entschied sich die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA in einem knappen Votum dafür, BAYERs Verhütungsmittel aus der YASMIN-Familie trotz der Nebenwirkung „Thromboembolie“ auf dem Markt zu lassen (Ticker 1/12). Im Frühjahr 2012 verpflichtete die Institution den Leverkusener Multi aber wenigstens, auf den Packungen auf das erhöhte Thromboembolie-Risiko hinzuweisen.

ASPIRIN gegen Krebs?
Der britische Forscher Peter M. Rothwell hatte bereits im letzten Jahr eine Untersuchung veröffentlicht, wonach ASPIRIN das Krebs-Risiko senke. Wer das Präparat fünf Jahre lang täglich schluckte, reduzierte das Sterberisiko um 21 Prozent, so der Wissenschaftler. Rothwell hatte allerdings ein ganz anderes Studien-Ziel. Der Forscher wollte den Einfluss des „Tausendsassas“ auf Herz/Kreislauferkrankungen ermitteln, weshalb der Mediziner nicht auf Daten zum individuellen Krebsrisiko der PatientInnen zurückgreifen konnte. Zudem reicht eine Nachbeobachtungsphase von vier Jahren nicht aus, um eine Tumor-Gefährdung auszuschließen, wie andere ÄrztInnen kritisierten (Ticker 2/11). Aber Rothwell ließ nicht locker. Jetzt wertete er 51 Studien aus und fand seine Ergebnisse bestätigt. Zwei Untersuchungen, die zu ganz anderen Befunden kamen, „übersah“ er jedoch. Vielleicht haben seine Verbindungen zu BAYER sein Seh-Vermögen getrübt. Er erforscht im Auftrag des Pharma-Riesen nämlich noch andere angebliche ASPIRIN-Segnungen.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Neues Pestizidgesetz
Die Bundesregierung hat die neue Pestizid-Richtlinie der EU in nationales Recht überführt. Das Gesetz bringt einige Verbesserungen wie das Verbot des Spritzens aus der Luft und Anwendungsbeschränkungen beispielsweise für Schulhöfe, weist jedoch auch gravierende Mängel auf. So gibt es keine erhöhten Auflagen für den Hausgebrauch von Agrochemikalien. „Beispiel hierfür ist das „BAYER GARTEN“- Rosenschädlingsspray, das neben dem bienengefährlichen Wirkstoff Imidacloprid den hochgefährlichen Wirkstoff Methiocarb enthält“, kritisiert das PESTIZID-AKTIONS-NETZWERK (PAN). Die Initiative wirft der Regierungskoalition zudem vor, keine strengeren Export-Vorschriften erlassen zu haben, weshalb hierzulande verbotene Ackergifte immer noch ihren Weg in andere Länder finden können. Darüber hinaus fällt das Paragraphen-Werk den Pestizid-ExpertInnen zufolge in mehreren Punkten hinter die EU-Richtlinie zurück. Es schreibt nämlich weder die Einrichtung von Pufferzonen zum Schutz der Gewässer vor noch die Verwendung von Substanzen geringerer Giftigkeit in Gebieten mit gefährdeter Flora und Fauna. Und eine besondere Regelung zu den Saatgut-Beizmitteln wie BAYERs CONFIDOR, die für ein millionenfaches Bienensterben verantwortlich sind, fehlt laut PAN ebenfalls.

64 hochgefährliche Pestizide
Das PESTIZID-AKTIONS-NETZWERK (PAN) hat die Produktpalette der drei Agro-Riesen BASF, BAYER und SYNGENTA daraufhin untersucht, wie viele nach wissenschaftlichen Standards hochgefährliche Pestizide sich im Angebot befinden. Beim Leverkusener Multi stieß die Initiative auf 64 Agrochemikalien, die wegen ihrer Langzeit-Wirkung, ihrer Umweltgiftigkeit oder ihrer akuten Toxizität in diese Kategorie gehören. Besonders die ärmeren Länder kommen „in den Genuss“ dieser Mittel. 15 der inkriminierten Wirkstoffe verkauft der Leverkusener Multi ausschließlich in Afrika, Asien und Lateinamerika, und 11 dieser 15 Ackergifte darf er in Europa auch gar nicht mehr anbieten. Wegen dieses Besorgnis erregenden Ergebnisses unterstützt die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN die PAN-Kampagne „Rote Karte für SYNGENTA, BAYER und BASF“.

Giftige Blumenpracht
Nach den Niederlanden ist Kolumbien der weltweit größte Exporteur von Schnittblumen. „Für BAYER CROPSCIENCE ist Kolumbien damit etwas besonderes. Allein sieben Mitarbeiter sind ausschließlich für die Kunden in der Blumen-Industrie unterwegs“, heißt es in der konzern-eigenen Propaganda-Postille BAYER direkt. Der Leverkusener Multi, der mit seinen Agro-Chemikalien die Position des Marktführers in dem südamerikanischen Land innehat, entwickelt sogar Pestizide speziell für die Pflanzungen wie etwa LUNA „gegen die bei Blumenzüchtern gefürchtete Grauschimmel-Fäule“. Die ArbeiterInnen, die auf den Plantagen für einen kargen Lohn malochen müssen, fürchten sich dagegen weniger vor der Grauschimmel-Fäule und anderen Pflanzen-Krankheiten als vielmehr vor LUNA und anderen Gegenmitteln. Immer wieder kommt es zu Vergiftungen; eine Schutzkleidung tragen nur die wenigsten. Auch sonst dürfen die Beschäftigten ihre Rechte nicht wahrnehmen: Eine Gewerkschaftsmitgliedschaft gilt als Kündigungsgrund.

Chlorpyrifos schädigt Gehirne
Der Pestizid-Wirkstoff Chlorpyrifos kann die Entwicklung von Embryos im Mutterleib stören und bei den Kindern später Gehirnschäden verursachen. Das haben ForscherInnen der New Yorker Columbia-Universität herausgefunden. „Unsere Ergebnisse sind Besorgnis erregend“, schreiben Virginia Rauh und ihr Team in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences. Das Ackergift, das in den BAYER-Produkten BLATTANEX, PROFICID und RIDDER enthalten ist, lässt schon in geringsten Dosen die Großhirnrinde schrumpfen und wirkt auf Regionen ein, welche die Emotionen, die Impuls-Kontrolle, die Aufmerksamkeit und die sozialen Beziehungen steuern. Auch die geschlechtstypischen Prägungen des Gehirns verändert die Agrochemikalie. Als Konsequenz aus ihren Befunden fordern die WissenschaftlerInnen eine Erhöhung der Grenzwerte für Chlorpyrifos.

Immer mehr Bixafen-Resistenzen
Kaum hatte BAYER den Fungizid-Wirkstoff Bixafen auf den Markt gebracht, da hatten sich schon die ersten Pilz-Arten an die Mittel mit den Produkt-Namen AVIATOR, XPRO und ZANTARA gewöhnt. Als „mittel bis hoch“ stuft das wissenschaftliche Komitee der Agro-Riesen das Resistenz-Risiko mittlerweile ein und rät dazu, das Pestizid höchstens zweimal pro Saison auszubringen. Der Leverkusener Multi gibt diese Empfehlung zwar weiter, hält aber fest: „Für eine nachhaltige Resistenz-Strategie zum Erhalt der Wirksamkeit der Carboxamide – zu dieser Gruppe gehört Bixafen – sind die Fungizide mit XPRO-Technologie sehr gut konzipiert.“ Der Konzern will sich nämlich das Geschäft nicht vermiesen lassen. Schließlich plant er, noch in diesem Jahr ein weiteres Carboxamid auf den Markt zu bringen.

Bienensterben in Kanada
Auch in Kanada kam es zu einem Bienensterben. WissenschaftlerInnen untersuchten daraufhin 37 tote Tiere und wiesen bei 28 von ihnen Spuren des BAYER-Pestizidwirkstoffs Clothianidin nach.

Bienengefährliche Topseller
Die Insektizide GAUCHO und CONFIDOR mit dem Wirkstoff Imidacloprid, die schon Millionen von Bienenvölkern den Tod brachten, zählen mit einem Jahresumsatz von jeweils 400 Millionen Euro zu den Topsellern mit Pestizid-Sortiment von BAYER. Nur das Fungizid NATIVO brachte mit 500 Millionen noch mehr ein.

SANTANA: wieder Ausnahmegenehmigung
BAYERs Pestizide mit dem Wirkstoff Clothianidin gehörten mit zu den Agro-Chemikalien, die im Jahr 2008 ein
massives Bienensterben verursacht hatten. Deshalb verboten viele Länder das Insektizid. Hierzulande entschieden die Behörden, die Zulassung für Mais-Kulturen einstweilen ruhen zu lassen. Allzulange ruhte diese allerdings nicht. Immer wieder entdeckte das dem Landwirtschaftsministerium unterstehende „Julius-Koch-Institut“ Notfall-Situationen, die einen Griff nach dem Wirkstoff angeblich unumgänglich machten. Auch in diesem Jahr tat es das – in Form des Drahtwurms war Gefahr im Verzug. So erteilte das Institut bereits zum dritten Mal eine Ausnahmegenehmigung für das Clothianidin-Granulat SANTANA. Das PESTIZID-AKTIONS-NETZWERK (PAN) kritisierte die Entscheidung: „Unter dem Deckmantel der Notfall-Situation werden Jahr für Jahr Ausnahmen für verbotene Pestizide genehmigt. Hier wird den ökonomischen Interessen Einzelner Vorrang vor Umwelt- und Naturschutz eingeräumt.“ PAN zufolge werden solche Ausnahmen immer mehr zur Regel. Von 59 auf 310 stieg ihre Zahl europa-weit binnen der letzten vier Jahre.

Neue Clothianidin-Studie
In Österreich dürfen die LandwirtInnen BAYERs Pestizid-Wirkstoff Clothianidin (enthalten in den Produkten PONCHO, PROSPER und SANTANA) noch auf ihren Maisfeldern einsetzen. Andere Länder wie z. B. die Bundesrepublik haben den Stoff wegen seiner Bienengefährlichkeit hingegen verboten, gewähren jedoch Ausnahmegenehmigungen (s. o.). Die österreichischen Behörden haben jedoch eine Studie zu Risiken und Nebenwirkungen der Chemikalie in Auftrag gegeben, die der Leverkusener Multi mitfinanziert hat. Das Ergebnis fiel für den Agro-Riesen wenig schmeichelhaft aus. Clothianidin sei „regional“ für das Verenden von Bienenvölkern verantwortlich, befanden die ForscherInnen. Wirkliche Konsequenzen wie ein Bann des Mittels will die Alpenrepublik jedoch nicht ziehen, sie plant lediglich etwas strengere Auflagen.

Neue Imidacloprid-Studie
Eine neue Studie der Universität von Stirling bestätigt einmal mehr die bienenschädigende Wirkung von BAYERs Pestizid-Wirkstoff Imidacloprid, das der Agro-Riese z. B. unter Produktnamen wie ADMIRE, CONFIDOR, EVIDENCE und PROVADO vermarktet. Hatte der Leverkusener Multi die Ergebnisse bisheriger Untersuchungen immer mit Verweis darauf angezweifelt, dass diese in Laboren und nicht unter freiem Himmel stattgefunden haben, so kann er dieses Argument nun nicht mehr anbringen. Professor David Goulson und sein Team haben nämlich einen Feldversuch unternommen und auch dabei eine Reduzierung der Zahl der Bienenköniginnen um 85 Prozent durch die Effekte von CONFIDOR & Co. festgestellt.

Geschäfte mit dem Bienensterben
Einer Unzahl von Studien zum Trotz (s. o.) haben für den Leverkusener Multi keineswegs die haus-eigenen Pestizide das millionenfache Bienensterben verursacht, die Verantwortung dafür trägt dem Konzern zufolge vielmehr die böse Varroa-Milbe. Dabei wird höchstens umgekehrt ein Schuh daraus: Weil die Agrochemikalien die Tiere so schwächen, können sie eine Angriffsfläche für die Parasiten bilden. Aber der Global Player wehrt sich nicht nur gegen diese Einsicht, um die Vermarktungschancen für CONFIDOR & Co. nicht zu gefährden. Er hat noch einen zweiten Grund dafür. Mit dem Pyrethroid (Wirkstoff: Flumethrin), das er unter dem Slogan „Gesunde Bienen“ feilbietet, hält er nämlich angeblich das passende Gegenmittel zum Milben-Befall bereit. So sind die armen Bienen den BAYER-Giften sinnloserweise gleich doppelt ausgeliefert, und der Leverkusener Multi schlägt sogar noch aus den Folgen seiner rücksichtslosen Geschäftspolitik Profit. Die Milben indessen stellen sich bereits auf BAYVAROL ein und bilden Resistenzen aus.

PFLANZEN & SAATEN

Neue pestizid-tolerante Zuckerrübe
Die KWS SAAT hat für den Leverkusener Multi eine Zuckerrübe entwickelt, die gegen das BAYER-Herbizid BETANAL resistent ist. Deshalb können die LandwirtInnen das Mittel in Kombination mit der Pflanze, mit deren baldiger Zulassung der Agro-Riese rechnet, in rauen Mengen gegen Unkrautwuchs verwenden. Die Züchtung erfolgte auf konventionellem Weg über die Auswahl einer Pflanze als Ausgangsmaterial, deren Erbgut angeblich über eine Enzym-Veränderung verfügt, die für den schnellen Abbau der Agrochemikalie sorgt.

Mehr Gemüsezucht in Leudal
Der Leverkusener Multi hat sein Gemüsezucht-Zentrum im niederländischen Leudal ausgebaut. Die zur Verfügung stehende Fläche wuchs fast um das Dreifache. Mit dieser Investition verstärkt der Konzern sein Engagement auf diesem Sektor weiter. Neben einer zweiten Forschungs- und Entwicklungseinrichtung, die in den USA angesiedelt ist, unterhält er noch 26 Gemüsezucht-Stationen sowie zwei Dienstleistungszentren.

GENE & KLONE

Neue Krebsmittel-Anforderungen?
Krebsmedikamente sind teuer, helfen zumeist wenig und haben allzu oft nur ein eingeschränktes Anwendungsgebiet. So verlängert BAYERs NEXAVAR, das auf einen Monatspreis von 4.200 Euro kommt, das Leben der PatientInnen gerade einmal um zwei bis drei Monate. Da sich neue Pharmazeutika seit der Arzneimittelgesetz-Novelle von 2011 einer Kosten/Nutzen-Bewertung stellen müssen, könnte die Luft für die Mittel bald dünner werden. Es existieren nämlich Pläne, von ihnen eine deutlich höhere Wirksamkeit zu verlangen, wenn die Krankenkassen weiter im vollen Umfang für sie aufkommen sollen. Das stößt beim von BAYER gegründeten „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VFA) erwartungsgemäß auf Kritik. „Wenn man diese Hürde schon vor zehn Jahren gesetzt hätte, dann hätte es keinen Fortschritt in der Krebs-Behandlung gegeben“, erklärte der Vorstandsvorsitzende Hagen Pfundner.

Neues KOGENATE
Das einzig neue bei neuen BAYER-Medikamenten ist oft die Darreichungsform. So entwickelt der Leverkusener Multi zur Zeit eine Variante seines gentechnisch hergestellten Bluterpräparats KOGENATE, die sich länger im Blut hält, weshalb die Patienten es nicht mehr so oft injizieren müssen. Einen entsprechenden Versuch hatte der Konzern 2010 schon einmal wegen Erfolglosigkeit eingestellt. Für den zweiten Anlauf, der auch zum Ziel hat, mit einem KOGENATE 2.0 dem drohenden Auslaufen des Patentschutzes zuvorzukommen, hat das Unternehmen gerade erste Tests durchgeführt.

AMGEN entwickelt Antikörper
Das bundesdeutsche Biotech-Unternehmen AMGEN entwickelt für den Leverkusener Multi einen weiteren Antikörper zur Zerstörung von Krebszellen. Bislang haben Medikamente auf Basis von Antikörpern die in sie gesetzten Erwartungen allerdings nicht erfüllen können. So schafft es BAYERs NEXAVAR kaum, die Lebenserwartung der PatientInnen länger als ein paar Wochen zu erhöhen, kostet aber Unsummen (SWB 4/10).

Geburtsschäden durch Glyphosat
Das Anti-Unkrautmittel Glyphosat, das hauptsächlich in Kombination mit MONSANTO-Genpflanzen der „ROUND UP“-Baureihe, aber auch zusammen mit BAYER-Produkten wie der Baumwolle „GHB 614“ zum Einsatz kommt, kann zu Geburtsschäden führen. Dem „Bundesamt für Verbraucherschutz“ liegen die entsprechenden Untersuchungen vor. Es bewertet die in den Dokumenten aufgeführten Missbildungen jedoch nicht als statistisch relevant und verlängerte die Zulassung bis 2015 (Ticker 2/12). Die WissenschaftlerInnen der Studie „Round Up and birth defects: Is the public kept in dark?“ kritisierten diese Haltung scharf.

Glyphosat in Lebensmitteln
Das schleswig-holsteinische Landwirtschaftsministerium wies Spuren des Pestizid-Wirkstoffs Glyphosat, der hauptsächlich in Kombination mit MONSANTO-Genpflanzen der „ROUND UP“-Baureihe, aber auch mit BAYER-Produkten wie der Baumwolle „GHB 614“ zum Einsatz kommt, in Import-Linsen und Haferflocken nach. Dies setzt die VerbraucherInnen Gesundheitsgefährdungen aus, denn die Agro-Chemikalie kann Embryos schädigen (s. o.) und ist darüber hinaus mit zahlreichen weiteren Risiken und Nebenwirkungen behaftet.

BAYER-Raps kreuzt aus
Gentechnisch manipulierter BAYER-Raps wandelt mal wieder auf Freiersfüßen. US-ForscherInnen untersuchten wild wachsenden Raps und stießen in 288 von 634 Proben neben Spuren von Gentech-Pflanzen made by MONSANTO auch auf solche, die von den LIBERTYLINK-Produkten des Leverkusener Multis herrühren. Mit solchen Raps-Auskreuzungen machte der Konzern schon mehrfach Schlagzeilen. 2002 griff Gen-Raps von einem bundesdeutschen Versuchsfeld auf andere Ackergründe über. 2005 fanden sich Spuren der Labor-Früchte in konventionell erzeugter australischer und biologisch angebauter kanadischer Ware. Und 2007 kontaminierte das BAYER-Kreuzblütengewächs Saatgut eines Produzenten aus Deutschland.

BAYER kauft Soja-Züchtungen
Der Leverkusener Multi hat PROSOY GENETICS, die Sojazucht-Sparte des Unternehmens THOMSON AGRONOMICS, gekauft. „Mit der Übernahme erweitert BAYER seine Möglichkeiten bei der Züchtung von Sojabohnen“, erklärte der Konzern. Vor allem von dem PROSOY-Forschungsprogramm mit herbizid- und insektizid-resistenten Gen-Pflanzen verspricht der Agro-Riese sich viel. Zudem sieht er durch den Erwerb der Firma aus dem Mittleren Westen der USA die in der Region die Vermarktungschancen für seine Soja-Kreationen der LIBERTYLINK-Baureihe steigen.

Bt tötet nicht nur Schadinsekten
Das Gift-Bakterium Bacillus thuringiensis (Bt), mit dem BAYER und andere Agro-Riesen ihre Gen-Pflanzen bestückt haben, tötet nicht nur Schadinsekten, sondern auch andere Tiere wie z. B. Marienkäfer. Dies ergab ein Fütterungsversuch mit Bt-haltigen Mehlmotten-Eiern, den Angelika Hilbeck mit weiteren ForscherInnen der ETH Zürich durchgeführt hat.

WASSER, BODEN & LUFT

Großzügiger Strom-Rabatt
BAYER gehört zu den energie-intensiven Unternehmen. Und der Konzern hat auch keinen Anreiz, seinen Strom-Bedarf zu senken. Der Staat gewährt den Großverbrauchern nämlich großzügige Rabatte, die auf die Rechnung der übrigen KundInnen aufgeschlagen werden. Eine von GREENPEACE in Auftrag gegebene Studie bezifferte die Vergünstigungen auf neun Milliarden Euro pro Jahr.

Bergkamen stinkt zum Himmel
Bereits seit Jahren klagen die AnwohnerInnen des Bergkamener BAYER-Werkes über Geruchsbelästigungen. Die 2008 eingeleiteten Umbau-Maßnahmen haben bislang keine Abhilfe schaffen können. Aus immer neuen Quellen dringt Gestank nach außen. Ende Juli 2011 sorgte eine defekte Pumpe für schlechte Luft. Wenige Tage später flossen unvorhergesehen saure und basische Abwässer zusammen, was übel aufstieß (Ticker 4/11). Und dann kam es zu einem Angriff auf die Riech-Organe, für den der Konzern lange keine Erklärung hatte. Seit Neuestem vermutet er den Klärschlamm und die Ablagerungen in den Auffangbecken für die Betriebsabwässer als Ursache. Mitte März 2012 begannen deshalb die Sanierungsarbeiten. Unterdessen versucht das Unternehmen die BergkamenerInnen zu beruhigen: „Nach derzeitigem Erkenntnisstand geht von den Emissionen keine Gefahr für Mensch und Natur aus“.

Altlast in Hauxton
Im englischen Hauxton nahe Cambridge hinterließ der Global Player nach der Schließung eines Pestizid-Werkes verbrannte Erde: jede Menge Altlasten im Boden und im Grundwasser (Ticker berichtete mehrfach). Der Investor HARROW ESTATES will auf dem Areal trotzdem Häuser errichten. Zu einer Sanierung erklärte er sich erst nach massivem Druck bereit und wählte dementsprechend die billigste Variante. Die AnwohnerInnen klagten schon während der Aushub-Arbeiten über Kopfschmerzen, Rachen-Entzündungen und Atemnot. Und auch nach Abschluss der Maßnahmen änderte sich die Gefahrenlage nicht grundlegend. „Erhöhte Konzentrationen“ gleich mehrerer Pestizide maß die zuständige Umweltbehörde in einem nahe gelegenen Fluss. „Deshalb sollte das Gelände unter keinen Umständen bebaut werden“, meint der Umweltaktivist Robin Page.

CO & CO.

PPP-Planänderungsverfahren
BAYER ist beim Bau der umstrittenen Kohlenmonoxid-Pipeline, welche die Standorte Dormagen und Krefeld miteinander verbinden soll, in 66 Fällen von den Planvorgaben abgewichen (Ticker 1/09). So verwendete der Leverkusener Multi zur Abschirmung der Rohre nur eine 60 cm breite Geogrid-Matte statt einer 80 cm langen, verlegte mancherorts nur 5,6 mm starke Rohre statt solche mit einer Wandstärke von 6,3 mm und änderte auch den Trassenverlauf. Darum musste BAYER nach dem Willen der Bezirksregierung Düsseldorf einen Planänderungsantrag stellen. Prüfen will die Behörde diesen allerdings nicht selber, sie sucht dafür per Ausschreibung einen externen Dienstleister – die im Zuge des Neoliberalismus populär gewordenen Public-Private-Partnerships (PPP) greifen nun also auch bei Genehmigungsverfahren um sich. Erich Hennen von der Initiative CONTRA PIPELINE wendet sich nicht nur aus diesem Grund gegen das Prozedere. Da das Düsseldorfer Verwaltungsgericht im letzten Jahr den gesamten Planfeststellungsbeschluss wegen der mangelnden Vorkehrungen für die Erdbebensicherheit für rechtswidrig erklärt hatte, tritt er dafür ein, wieder ganz von vorn zu beginnen. „Wenn der ursprüngliche Beschluss nicht rechtens ist, nützen keine Nachbesserungen. Es muss ein neuer Planfeststellungsbeschluss her“, so Hennen.

Wutkapitalist Dekkers
BAYER-Chef Marijn Dekkers hadert mit den Zeitläuften. Die Industrie müsse die Erfahrung machen, dass „aufgeklärte Wohlstandsbürger beschlossene Projekte in Frage stellen – und stoppen“, jammerte er angesichts der Diskussionen um das Kohlekraftwerk von EON und BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline. Und ihm schwindet langsam der Glaube an die Inbetriebnahme des Röhren-Werks. „Ich weiß nicht, ob die Pipeline jemals ans Netz gehen wird, wir werden sehen“, sagte er vor der „Wirtschaftspublizistischen Vereinigung“ in Düsseldorf. Der nordrhein-westfälische Umweltminister Johannes Remmel von den Grünen gab die Kritik postwendend zurück. NRW sei Industrieland Nr. 1 und werde es auch bleiben, „aber nur, wenn auch die Wirtschaft akzeptiert, dass die Zeit der Blankoschecks bei der Realisierung von Industrie-Projekten vorbei ist“, stellte er fest und warf EON und BAYER „gravierende handwerkliche Fehler“ bei der Vorbereitung der Projekte vor. „BAYER sollte sich hier selber an die Nase packen, solide Arbeit machen und nicht immer neue Stellenabbau-Runden und Verlagerungen ins Ausland ankündigen“, so Remmel.

NANO & CO.

Erörterungstermin in Sachen „Nano“
Die Nanotechnologie lässt Werkstoffe auf winzig kleine Größen schrumpfen. Dabei entwickeln BAYERs BAYTUBES und andere Nano-Produkte jedoch unbekannte und nicht selten gefährliche Eigenschaften. Genau dies stand dann auch bei dem Erörterungstermin zum Genehmigungsantrag der Firma H. C. STARCK, die ihre BAYTUBES-Herstellung von einem Versuchsbetrieb auf Normalproduktion umstellen und darüber hinaus ausweiten will (siehe auch RECHT & UNBILLIG), auf der Tagesordnung. Bei der Anhörung stritten die BAYER-Vertreter die Gefährlichkeit der Winzlinge rundweg ab. Sie seien weder giftig noch umweltschädlich und reicherten sich auch nicht im menschlichen Organismus an, versuchte etwa Jacques Ragot zu beruhigen. „Nano bezeichnet eine Größenangabe und ist keine gefährliche Eigenschaft“, so der Chemiker, es gebe zwar Hinweise auf eine Lungenkrebs-Gefahr durch Nano-Teilchen, aber die seien mit den BAYTUBES nicht zu vergleichen. Leider kommen die von BAYER selber herausgegebenen Sicherheitsdatenblätter da zu ganz anderen Schlüssen. Als Claudia Baitinger vom BUND und Barbara Dohmen von der Initiative LEBENSWERTER HOCHRHEIN dies thematisierten, legten die Konzern-Emissäre plötzlich ganz neue, noch nicht einmal der Genehmigungsbehörde bekannte Dokumente vor. Diese konnten allerdings ebenfalls nicht überzeugen. Das Regierungspräsidium blieb misstrauisch und gab erst einmal ein Arbeitsschutz-Gutachten in Auftrag, um sich „bei Fragen der Toxikologie nicht allein auf die Angaben der Firma BAYER verlassen zu müssen“.

Gutes Nano, schlechtes Nano
Der „Sachverständigenrat für Umweltfragen“ kommt in seinem Sondergutachten „Vorsorgestrategien für Nano-Materialien“ zu einer durchaus kritischen Bewertung der neuen Technologie. Von BAYERs BAYTUBES gehen nach Meinung der ExpertInnen jedoch keine gravierenderen Gesundheitsgefahren aus: „Kleine Fasern und nichtstarre Fasern, zum Beispiel BAYTUBES, haben mutmaßlich keine asbestartige Wirkung, sondern ähneln in ihrer Wirkung eher granulären biopersistenten Stäuben.“ Nur die langen und starren Partikel hätten ein größeres Gefährdungspotenzial, so die WissenschaftlerInnen. Ihr Urteil stützt sich allerdings ausschließlich auf Forschungsarbeiten vom Leverkusener Multi selber, und nicht einmal diese stellen dem Produkt einen Persilschein aus. Es greift auch nach Meinung der Konzern-WissenschaftlerInnen die Lungen an, aber als Arbeitsschutzmaßnahme reicht ihnen zufolge ein Grenzwert von 0,05 mg pro Kubikmeter Raumluft aus. Unterdessen macht das Votum des Sachverständigenrates Karriere. Überall, wo die BAYTUBES-Risiken zur Debatte stehen wie jetzt im Zuge des Genehmigungsverfahrens für eine Fertigungsstätte dieser Kohlenstoff-Röhrchen (s. o.), da zitieren JournalistInnen die Einschätzung des Gremiums – natürlich ohne die BAYER-Quelle der Erkenntnis zu nennen.

VCI gegen strengere Auflagen
Die Nanotechnologie lässt Werkstoffe auf winzig kleine Größen schrumpfen. Dabei entwickeln die Erzeugnisse wie BAYERs BAYTUBES-Kohlenstoffröhrchen jedoch oftmals unbekannte und nicht selten gefährliche Eigenschaften. Aus Gründen des vorsorglichen Gesundheitsschutzes hat der „Sachverständigenrat für Umweltfragen“ (s. o.) deshalb Verschärfungen im Chemikalien- und Umweltrecht gefordert. Der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI) lehnt das jedoch ab. „Diese Vorschläge halten wir angesichts der vorhandenen Datenlage für überzogen. Sie würden die Innovationspotenziale, die die Nanotechnologie bietet, unnötig beeinträchtigen“, erklärte die Lobby-Organisation von BAYER & Co. Auch gegen eine Begriffsdefinition, die alle Partikel zwischen einem Milliardstel Meter und hundert Milliardstel Metern unter „Nano“ subsummiert, wandte sich der VCI. Damit mache man de facto alle Alltagsprodukte zu Nanoprodukten, kritisierte der Verband.

Noch mehr Nano-Risiken
Die Liste der möglichen Risiken und Nebenwirkungen durch die Nano-Technologie wird immer länger. Auf einem internationalen Kongress in Würzburg, der im Mai 2011 stattfand, betonten die WissenschaftlerInnen vor allem die Gesundheitsgefährdungen, die durch die Eigenschaft der Partikel ausgelöst werden, sich an Moleküle heften oder in die DNA eindringen zu können. Dies erhöht nämlich die Gefahr der Entstehung von Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson, Creutzfeldt-Jakob, Diabetes, Arteriosklerose, Herz/Kreislauf-Schädigungen oder Krebs.

Dekkers gibt Nano-Entwarnung
Konzern-Chef Marijn Dekkers fürchtet sich vor gar nichts. Im Selbstversuch schaufelt der Holländer Gen-Gemüse in sich hinein, die bundesdeutsche Reaktion auf die Atom-Katastrophe von Fukushima bezeichnete er in einem Interview als überzogen und für BAYERs Kohlenmonoxid-Leitung von Dormagen nach Krefeld verbürgt er sich auch. Da ist ihm natürlich vor den winzig kleinen Nano-Teilchen ebenfalls nicht bange. Wider besseren Wissens versichert er sich dabei sogar des Beistandes der ForscherInnen-Gemeinschaft. „Aber obwohl es keine wissenschaftliche Nachweise dafür gibt, dass Nano-Materialien zu Schädigungen von Umwelt und Gesundheit führen, sehen einige Interessensgruppen auch hier vor allem potenzielle Risiken“, kritisiert der Manager in der Börsen-Zeitung.

UNFÄLLE & KASTASTROPHEN

Schwelbrand in Monheim
Am 13. März 2012 kam es in einem Monheimer Gebäude von BAYER CROPSCIENCE zu einem Schwelbrand mit starker Rauchentwicklung, weil sich Isoliermaterial entzündet hatte. Die Feuerwehr vermutet einen technischen Defekt als Ursache.

Abwasser trat aus
Am 13. Mai 2012 kam es auf dem Gelände von BAYERs Krefelder Chemie„park“ zu einem Unfall. Durch einen Defekt in einer Hebe-Anlage trat ungereinigtes Abwasser aus. Dies überforderte offenbar die Werksfeuerwehr. Beim ihrem Einsatz musste die Berufsfeuerwehr der Stadt helfen.

BAYER ruft Hormon zurück
Der Leverkusener Mul

[Ticker] STICHWORT BAYER 02/2012 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Die CBG in Indien beim PPT
Das seit 1979 bestehende PERMANENT PEOPLES’ TRIBUNAL (PPT) befasste sich im Dezember 2011 mit den katastrophalen Folgen des großflächigen Einsatzes von Agro-Chemikalien. Das Tribunal, das diesmal im indischen Bangalore stattfand, hatte auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eingeladen, um den Fall des von BAYER-Pestiziden wesentlich mitverursachten globalen Bienensterbens darzulegen. CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes schilderte das Ausmaß der Katastrophe in aller Ausführlichkeit – und konnte die Jury überzeugen. Das sechsköpfige Gremium verurteilte in seiner Abschlusserklärung BAYER und die andern fünf Unternehmen, die den Weltmarkt für Pestizide und Saatgut dominieren, wegen schwerster Umwelt- und Gesundheitsschäden. Der ungezügelte Einsatz von Agrogiften verletze das Menschenrecht auf Gesundheit und Leben; Millionen Menschen, vor allem in den Ländern des Südens, würden wissentlich hohen Risiken ausgesetzt, so die RichterInnen (siehe auch SWB 2/12).

BAYER und die Kinderarbeit
Im Jahr 2003 veröffentlichte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Studie zur Kinderarbeit in Indien, die Erschreckendes zu Tage förderte. Allein auf den Feldern von Zulieferern der BAYER-Tochter PROAGRO malochten ca. 2.000 Minderjährige. Die CBG startete daraufhin eine Kampagne. Sie informierte die Medien, schrieb einen Offenen Brief an BAYER, brachte das Thema auf die Hauptversammlung und wandte sich an die OECD. Trotzdem tat sich fünf Jahre lang kaum etwas. Nur ganz allmählich beugte sich der Leverkusener Multi dem öffentlichen Druck und zeigte Initiative, um einen Image-Schaden zu vermeiden. Der Konzern belohnte FarmerInnen, die auf Kinderarbeit verzichteten, gab ihnen Tipps zur besseren Bewirtschaftung der Felder und richtete Schulen ein. So konnte er das Problem weitgehend lösen. Der Agro-Riese stellt das jedoch anders dar. Er sieht sich als Entwicklungshelfer, der jahrelang heldenhaft gegen Windmühlen kämpfte. Und die Financial Times Deutschland kaufte BAYER diese Geschichte ab. Auf zwei Seiten schilderte die Zeitung im Dezember 2011 das Engagement des Unternehmens und ging dabei nur im Kleingedruckten auf seine profanen Beweggründe ein.

Kölner Uni richtet Kommission ein
Vor vier Jahren vereinbarte BAYER mit der Kölner Hochschule eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Pharma-Forschung. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und andere Initiativen befürchteten eine Ausrichtung der Arznei-Forschung auf Profit, eine Entwicklung von Präparaten ohne therapeutischen Mehrwert, eine Verheimlichung negativer Studienergebnisse und einen Zugriff des Konzerns auf geistiges Eigentum der Hochschul-WissenschaftlerInnen. Deshalb forderten die Organisationen eine Offenlegung des Vertrages. Die Universität verweigerte das jedoch, weshalb die CBG die Hochschule im Mai 2011 verklagte. Intern jedoch scheint sich etwas zu regen. So hat die Bildungseinrichtung eine Kommission ins Leben gerufen, die Richtlinien für künftige Kooperationen dieser Art mit Unternehmen erarbeiten soll.

Vorgenehmigung für TDI-Anlage
Auf den Erörterungsterminen für die von BAYER in Dormagen geplante Kunststoff-Anlage hatten die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und andere Verbände Anfang Oktober 2011 viele Vorbehalte geäußert. Sie beanstandeten etwa die fehlenden Angaben zur Umweltbelastung, eine mangelhafte Störfall-Vorsorge und eine ungenügende, da nur mit Blech statt mit Beton vorgenommene Ummantelung der Produktionsstätte. Zudem verlangten die Initiativen den Einbau eines Schutz-Schleiers, der bei einer Explosion mit nachfolgendem Phosgen-Austritt neutralisierendes Ammoniak freisetzen könnte, und stellten in Frage, ob der Sicherheitsabstand der Fertigungsstätte zu Wohnsiedlungen ausreicht. Die Bezirksregierung hat dem Projekt trotzdem eine Vorgenehmigung erteilt. Aber so ganz unbeeindruckt hat sie die Kritik nicht gelassen. So hat die Behörde ein Gutachten zur Abstandsregelung in Auftrag gegeben und eine Exkursion nach Stade unternommen, um ein Chemie-Werk mit einer Betonhülle zu besichtigen. Allerdings führte das alles nicht zu geänderten Bau-Auflagen.

Kreuzweg der Arbeit führt zu BAYER
Die KATHOLISCHE ARBEITNEHMER-BEWEGUNG (KAB) hat Anfang März 2012 in Leverkusen einen „Kreuzweg der Arbeit“ initiiert, um auf das Leiden an den modernen Beschäftigungsverhältnissen aufmerksam zu machen. Sinnigerweise beginnt der Zug an einem Werkstor des Global Players. „Immer mehr Arbeitsplätze wurden in den letzten Jahren abgebaut, natürlich nicht nur bei BAYER. Aber eben das wollten wir darstellen“, so der KAB-Sekretär Wienfried Gather zur Erklärung.

Protest gegen Nano-Produktion
Bislang betreibt der Leverkusener Multi an seinem Stammsitz offiziell nur eine Versuchsanlage zur Nano-Produktion. Auch bei seiner ehemaligen Tochterfirma H. C. STARCK in Laufenburg läuft die Auftragsfertigung der Kohlenstoff-Röhrchen mit dem Produktnamen BAYTUBES nur im Testlauf. Dies soll sich nun ändern. H. C. STARCK hat beim Regierungspräsidium Freiburg einen Antrag auf einen Normalbetrieb nebst einer Kapazitätserweiterung von 30 auf 75 Tonnen im Jahr gestellt (siehe auch SWB 2/12). Die zuständige „Abteilung Umwelt“ hält das für eine reine Formsache. Da „keine schweren, komplexen, irreversiblen oder grenzüberschreitende, erheblich nachteilige Unweltauswirkungen auf den Standort (...) zu erwarten“ seien, will sie auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung verzichten und im Genehmigungsverfahren lediglich immissionsschutzrechtliche Aspekte berücksichtigen sowie eine Erheblichkeitsuntersuchung durchführen. Doch dagegen erhebt sich Protest, denn der Verein LEBENSWERTER HOCHRHEIN und die ÖKOLOGISCHE ÄRZTE-INITIATIVE HOCHRHEIN IM BUND befürchten sehr wohl negative Auswirkungen. Die Nano-Technologie lässt nämlich Werkstoffe auf winzig kleine Größen schrumpfen, wodurch diese unbekannte und nicht selten gefährliche Eigenschaften entwickeln. Deswegen haben die Verbände beim Regierungspräsidium eine Einwendung gegen das Vorhaben eingereicht, die sich die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN zum Vorbild für eine eigene genommen hat, und ihre Kritik am 21. März auch auf einem Erörterungstermin vorgetragen.

Leserbrief zur Sportförder-Kürzung
BAYER zieht sich immer mehr aus der Breitensport-Förderung zurück. So kündigte der Konzern Ende 2011 an, die Unterstützung um einen weiteren „niedrigen einstelligen Millionenbetrag“ zu kürzen und sich mit dem Etat von 13 Millionen Euro „zukünftig auf sechs Großvereine konzentrieren“. Dies führte zu einem erbosten Leserbrief an den Leverkusener Anzeiger. „Für mich zeigt sich in dieser Art der Unternehmensführung die scheußliche Fratze des ungezügelten Kapitalismus“, empört sich der Schreiber.

310 MedizinerInnen warnen vor Pipeline
Im vergangenen Jahr hatte der Hildener Kinderarzt Dr. Gottfried Arnold die Landesregierung in einem Offenen Brief vor den Gefahren der zwischen Dormagen und Krefeld geplanten Kohlenmonoxid-Pipeline gewarnt. Inzwischen haben sich 310 MedizinerInnen seiner Meinung angeschlossen. Auf einer Pressekonferenz hat Arnold, der auch Mitglied der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN ist, vor dem Hintergrund jüngster Unfälle mit Kohlenmonoxid-Vergiftungen nochmals auf die Unmöglichkeit hingewiesen, im Falle eines Falles angemessen zu reagieren. „Die Rettungsmöglichkeiten bei einem Massen-Unfall sind völlig unzureichend“, kritisierte der Arzt angesichts ungenügender Behandlungskapazitäten in der Universitätsklinik Düsseldorf und nur einem Notarzt- und zwei Krankenwagen im Kreis Mettmann.

DIE LINKE gegen NRW-Hochschulräte
In den Hochschulräten als neuen Aufsichtsgremien der Universitäten sitzen zu einem Drittel VertreterInnen von Unternehmen. Der Leverkusener Multi darf da natürlich nicht fehlen. So ist der Konzern durch sein Vorstandsmitglied Richard Pott beispielsweise im Komitee der Universität Köln vertreten, mit welcher der Konzern auch eine umfassende Forschungskooperation unterhält (SWB 2/09). Die Partei DIE LINKE will solche Gepflogenheiten in Nordrhein-Westfalen jetzt unterbinden. Sie hat einen Gesetzes-Entwurf zur Abschaffung der Räte vorbereitet. Eine Mehrheit dürfte dieser jedoch kaum finden, obwohl die jetzige Ministerpräsidentin Hannelore Kraft die durch das „Hochschulfreiheitsgesetz“ geschaffene Einrichtung im Wahlkampf noch als Beispiel für eine „Privatisierung der Hochschulen“ kritisiert hatte.

KAPITAL & ARBEIT

BAYER verlegt Rechnungslegung
Im Zuge seines 800 Millionen Euro schweren Rationalisierungsprogramms, das 4.500 Arbeitsplätze vernichtet, verlegt der Multi Teile der Rechnungslegung wie etwa die Kunden- und Lieferantenbuchhaltung von Leverkusen nach Asien und Osteuropa. Der Abteilung am Stammsitz bleiben dann nur noch Koordinierungsaufgaben, weshalb es dort zu Arbeitsplatz-Vernichtungen kommt.

BMS rationalisiert Rechnungswesen
BAYERs Kunststoff-Sparte BAYER MATERIAL SCIENCE hat seinen Bereich „Rechnungswesen“ einem Rationalisierungsprozess unterzogen. So schuf die Abteilung eine gemeinsame Controlling-Plattform für alle Standorte und legte Planungszyklen und Kostenstellen zusammen. Dadurch reduzierte das Unternehmen in den letzten drei Jahren seine Ausgaben um drei Millionen Euro – zum Leidwesen der Beschäftigten. „Der wesentliche Kostentreiber im Controlling ist das Personal. Der Großteil der Einsparungen beruht auf weggefallenen Personalkosten“, so der für die Umstrukturierungen verantwortliche Manager Axel Steiger-Bagel.

Weniger Jobs in Patent-Abteilung
Bisher beschäftigt der Leverkusener Multi in seiner Patent-Abteilung 200 Personen. Jetzt kündigte er im Zuge seines Rationalisierungsprogramms Umstrukturierungsmaßnahmen an, die 25 Arbeitsplätze vernichten. Der Konzern gründet die Tochter-Gesellschaft BAYER INTELLECTUAL PROPERTY (BIP) und löst die Patent-Sparte in Leverkusen komplett auf. Die Arbeit konzentriert sich so auf Monheim und die beiden neuen Standorte Eschborn und Schönefeld, die das Unternehmen nach eigenen Angaben aus Gründen der Steuer-Ersparnis wählte.

Sparen für die Traumrendite
Im Geschäftsjahr 2011 steigerte BAYERs Pillen-Sparte ihren Gewinn vor Sondereinflüssen um 6,7 Prozent auf 4,7 Milliarden Euro. Der Konzern führt diese Entwicklung neben den besseren Verkaufszahlen für nicht verschreibungspflichtige Arzneien auf „Kostensenkungen bei Pharma“ zurück. In der Tat trifft das Rationalisierungsprogramm des Unternehmens, das die Vernichtung von 4.500 Arbeitsplätzen vorsieht, vor allem den Medizin-Bereich. „Sparen für die Traumrendite“ kommentierte deshalb die Financial Times Deutschland.

Sparen für die AktionärInnen
BAYER will mit seinem Rationalisierungsprogramm, das 4.500 Arbeitsplätze kostet, 800 Millionen Euro sparen.
Die Frankfurter Rundschau fragte deshalb den Vorstandsvorsitzenden Marijn Dekkers: „Warum heben Sie dann die Dividende an, was dieses Jahr allein 120 Millionen Euro kostet?“. Aber der Konzern-Leiter war um eine Antwort nicht verlegen: „Weil die Aktionäre Eigentümer des Unternehmens sind und sie einen Anspruch darauf haben, am Geschäftserfolg des vergangenen Jahres beteiligt zu werden“.

Schlechte Noten für Aufsichtsrat
Der Hochschulprofessor Peter Ruhwedel hat das Wirken der Aufsichtsräte der 30 DAX-Konzerne genauer untersucht und bewertet. BAYER kam dabei mit 59 von 100 möglichen Punkten nur auf den 25. Rang. Das Gremium des Konzerns ließ es sowohl an Sitzungsfleiß als auch an Transparenz fehlen und wies eine zu geringe Frauen- und AusländerInnenquote auf. RWE und LINDE, die anderen beiden Unternehmen, bei denen BAYER-Aufsichtsratschef Manfred Schneider die Rolle des Oberkontrolleurs innehat, erreichten sogar nur die Plätze 29 und 30.

Wennings Comeback
Seit 2010 verbietet das Aktiengesetz den unmittelbaren Wechsel vom Posten des Vorstandsvorsitzenden zu demjenigen des Aufsichtsratsvorsitzenden und schreibt eine 2-jährige Karenzzeit vor. Das Paragraphen-Werk sieht dadurch die Unabhängigkeit des Kontroll-Gremiums besser gewährleistet. Der Leverkusener Multi bekämpfte die Regelung von Beginn an vehement und beabsichtigt jetzt, ihre Folgen für das Unternehmen durch winkeladvokatische Tricks möglichst gering zu halten. Obwohl der ehemalige BAYER-Chef Werner Wenning zum Zeitpunkt der nächsten Hauptversammlung im April 2012 noch nicht zwei Jahre aus dem Amt ist, will ihn der Konzern dort mittels Vorratsbeschluss schon einmal inthronisieren, damit er schon im Herbst auf Manfred Schneider folgen kann und nicht bis 2013 warten muss.

Veränderungen im Aufsichtsrat
Im BAYER-Aufsichtsrat steht ein Wandel an. Es geht nicht nur der bisherige Vorsitzende Manfred Schneider (s. o.), mit Hubertus Schmoldt verlässt auch der ehemalige Vorsitzende der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) das Gremium. Seinen Sitz übernimmt Petra Reinbold-Knape, die Bezirksleiterin der IG BCE für die Region Nordost/Berlin. Der Vertreter der BELEGSCHAFTSLISTE, eine oppositionelle Gruppe innerhalb der Gewerkschaft, wechselt ebenfalls: André Aich ersetzt Michael Schmidt-Kiesling. Desgleichen verändert sich die personelle Zusammensetzung der Kapital-Seite. Sie nominierte als neue KandidatInnen den PROSIEBEN/SAT.1-Vorstand Thomas Ebeling und Sue H. Rataj, obwohl diese zur Zeit der „Deep Water Horizon“-Katastrophe Hauptverantwortliche für das Ölgeschäft von BP war.

IG BCE: kein Ja zum Plaste-Verkauf
Im März 2011 hatte BAYER-Chef Marijn Dekkers die Bereitschaft erkennen lassen, die Kunststoff-Sparte zu veräußern, falls der Konzern Geld für eine Akquisition benötige. Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) kündigte an, einem solchen Beschluss im Aufsichtsrat „mit Sicherheit“ nicht zuzustimmen. „Es wird darum gehen, eine gewisse Grunderdung bei BAYER als weltweit agierender Konzern zu erhalten“, so das IG-BCE-Vorstandsmitglied Peter Hausmann.

Keine Behinderten-Integration
Der Gesetzgeber verpflichtet die Unternehmen seit langem, mindestens fünf Prozent Behinderte zu beschäftigen. Der Leverkusener Multi schafft jedoch nur eine Quote von 4,4 Prozent und muss dafür eine Ausgleichsabgabe in Höhe von 347.000 Euro zahlen.

ERSTE & DRITTE WELT

Zwangslizenz für NEXAVAR-Version
Der indische Generika-Hersteller NATCO PHARMA kann eine preisgünstige Version von BAYERs Krebs-Medikament NEXAVAR herausbringen. Das Indian Patent Office (IPO) hat dem Unternehmen unter Berufung auf einen Paragraphen des internationalen Patentabkommens TRIPS Anfang März 2012 eine Zwangslizenz zur Herstellung des Mittels erteilt. Dafür muss NATCO eine Gebühr von sechs Prozent des Verkaufspreises an den bundesdeutschen Pharma-Riesen zahlen. Die Behörde begründete die Entscheidung damit, dass BAYER es versäumt habe, den Preis für das Medikament (monatlich 4.200 Euro) auf eine für indische PatientInnen bezahlbare Höhe herabzusetzen. Zudem habe der Konzern ihnen die Arznei nicht in ausreichender Menge zur Verfügung gestellt. Von den 8.842 Krebskranken, die das Mittel benötigt hätten, hätten es nur 200 erhalten, so das IPO. Die CBG begrüßt dieses Urteil aus prinzipiellen Gründen, obwohl sie NEXAVAR wegen seiner geringen Heilwirkung – das Präparat verlängert das Leben der PatientInnen nur um wenige Wochen – für kein sinnvolles Therapeutikum hält. Die Wirtschaftspresse hat die Nachricht hingegen in helle Aufregung versetzt. „In Bombay enteignet“, kommentierte etwa die Faz und stellte den ganzen Status Indiens als gelobtes Land der Pharma-Industrie in Frage. BAYER kündigte an, gerichtliche Schritte zu prüfen.

Soja-Anbau kostet ein Leben
In den südamerikanischen Ländern boomt der Soja-Anbau, wovon BAYER als einer der weltgrößten Pestizid-und Saatgut-Anbieter profitiert. Die GroßgrundbesitzerInnen können für die Pflanzungen gar nicht genug Flächen akquirieren und schrecken deshalb nicht einmal vor brutalsten Landnahmen zurück. So engagierten sie Mitte November 2011 in Brasilien sogar Killer, die ein Indigenen-Camp in Mato Grosso do Sul überfielen, einen Menschen töteten und drei Kinder verschleppten, um die UreinwohnerInnen einzuschüchtern und aus dem Gebiet zu vertreiben.

ACTA behindert Generika-Hersteller
Das umstrittene Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) schützt nicht nur das geistige Eigentum der Konzerne im Internet, sondern auch in der realen Welt – mit teilweise verheerenden Auswirkungen. So macht es das Abkommen Herstellern von Nachahmer-Arzneien schwerer, ihr Geschäft zu betreiben, was die Versorgung von Menschen in armen Ländern mit erschwinglichen Medikamenten behindert. Schon in der Vergangenheit hat Big Pharma diesen Firmen durch Patent-Prozesse und andere Mittel immer wieder Schwierigkeiten bereitet. So boten die Konzerne schon mal den Zoll auf, um Lieferungen indischer Generika an den Grenzen zu stoppen, obwohl die Arzneien gar nicht für den europäischen, sondern für den südamerikanischen Markt bestimmt waren. Jetzt haben die Unternehmen ein noch leichteres Spiel, denn ACTA sieht bei angeblichen Verstößen gegen Urheberrechte hohe Strafen für die Produzenten solcher Präparate, Zulieferer und Händler vor. Auch unterscheidet das Paragrafen-Werk nicht trennscharf zwischen Generika und Fälschungen, weshalb laut Sandy Harnisch vom AKTIONSBÜNDNIS GEGEN AIDS die Gefahr besteht, „dass legal hergestellte Generika mit Fälschungen verwechselt und deshalb beschlagnahmt oder sogar vernichtet werden können“.

IG FARBEN & HEUTE

„Berüchtigt“ ohne IG FARBEN
In dem Hitchcock-Film „Berüchtigt“ schmieden deutsche Wissenschaftler nach dem Zweiten Weltkrieg einen Plan, um dem Nationalsozialismus wieder zur Macht zu verhelfen. Den Auftrag dazu erteilte ihnen die IG FARBEN. „Als Teil eines Verbundes, der die deutsche Kriegsmaschine aufgebaut hat“, charakterisiert das Werk den von BAYER mitgegründeten Mörder-Konzern. Jedenfalls im Original. In der bundesdeutschen Version, die 1951 in die Kinos kam, fehlt jeder Hinweis auf den Faschismus im Allgemeinen und die IG FARBEN im Besonderen. In der 1969 ausgestrahlten TV-Fassung durfte es dann immerhin schon Nazis geben, aber die IG FARBEN auch weiterhin nicht.

POLITIK & EINFLUSS

Sechs Millionen Dollar für Lobbying
BAYER hat nach Angaben des US-amerikanischen CENTERS FOR RESPONSIBLE POLITICS im Jahr 2011 6,465 Millionen Dollar für Lobbying-Aktivitäten ausgegeben. Der Konzern lässt beispielsweise gegen den „Ban Poisonous Additives Act“ opponieren, der eine Anwendungsbeschränkung für die Industrie-Chemikalie Bisphenol A vorsieht. Zudem versucht der Leverkusener Multi ein Gesetz zu verhindern, das den Gebrauch von Antibiotika wegen der zunehmenden Resistenzen von Krankheitserregern einschränken will. Auch fühlte er sich berufen, die Kongress-Mitglieder für viel Geld davon zu unterrichten, welche Mühen es angeblich kostet, ein „innovatives“ Medikament auf den Markt zu bringen.

BAYERs US-Spenden
BAYER investiert viel Geld, um die politische Landschaft in den USA zu pflegen. Im Jahr 2010 gab der Konzern dafür 506.000 Dollar aus. Mit 406.000 Dollar unterstützte er US-amerikanische PolitikerInnen, besonders die republikanischen. Sie erhielten 57 Prozent vom Kuchen, die demokratischen dagegen lediglich 41 Prozent. Und im Wahljahr 2012 legt der Pharma-Riese noch einmal mächtig zu. 276.000 Dollar gab er bis zum 31. Januar schon aus. 234.000 davon erhielten Abgeordnete, wobei das Unternehmen Konservative noch deutlicher als 2010 bevorzugte. Sie bekamen 70 Prozent der Summe, Obamas Partei-GenossInnen dagegen nur 30 Prozent.

BAYER als Gesetzgeber

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Das „American Legislative Exchange Council“ (ALEC) ist eine von den Konzernen gesponserte JuristInnen-Vereinigung. Die BAYER-Managerin Sandra Oliver sitzt für den Agro-Riesen in dem ALEC-Beirat, ihr Kollege Mike Birdsong gehört der „Health and Human Services Task Force“ an, und Bill Corley, das ALEC-Mitglied des Jahres 2005 in der Sektion „Privatwirtschaft“, steht im Bundesstaat Arkansas demjenigen Gremium vor, das sich um das legislative Wohlergehen von BAYER & Co. kümmert. Dank ALEC kontrollieren die Multis das ganze legislative Verfahren. Als etwa die republikanischen Politiker James Inhofe, George Nethercutt und Orrin G. Hatch mit Hilfe großzügiger Wahlkampf-Spenden von BAYER Mandate erlangten, da machten sich die willigen JuristInnen von ALEC gleich daran, ihnen die Entwürfe für Gesetzesinitiativen zum Öko-, Agrar- und Tierrechts„terrorismus“ zu liefern. Und im letzten Jahr gelang es dank ALEC, im Bundesstaat Wisconsin ein Paragrafen-Werk zu verabschieden, das für BAYER & Co. die Standards der Produkthaftung aufweicht und beispielsweise für Pillen-Hersteller die im Haftungsfall zu zahlenden Entschädigungssummen auf 750.000 Dollar begrenzt. Verkauft wurde das Ganze dann als Teil eines Programms zur Arbeitsplatz-Beschaffung.

ALEC leugnet Klimawandel
Einen Klimawandel gibt es für das „American Legislative Exchange Council“ (ALEC) nicht. Die von BAYER & Co. gesponserte JuristInnen-Vereinigung opponiert nicht nur gegen jegliche Art von Klimapolitik, sie sieht sogar etwas Gutes in der Aufheizung des Planeten. „Selbst eine substanzielle Erderwärmung ist gut für die Vereinigen Staaten“, meint ALEC. Und auf seinem Jahrestreffen, das BAYER finanziell unterstützt hat, pries der Klassenjustiz-Verband sogar „die Vorzüge von Kohlendioxid“.

Tricks mit Ökosteuer-Ausnahmen
Für BAYER und andere Energie-Großverbraucher hält die Ökosteuer großzügige Ausnahmeregelungen parat (Ticker 3/06), die den Konzernen jährlich ca. fünf Milliarden Euro ersparen. Die EU betrachtet das als eine versteckte Subvention und drängt auf Veränderungen. So will Brüssel die Vergünstigungen an Klimaschutz-Maßnahmen geknüpft wissen. Das allerdings plant ein neuer Gesetzesentwurf aus dem Finanzministerium zu umgehen. Er erhebt nur Energieverbrauchssenkungen zur Vorschrift, welche die Unternehmen ohnehin erbringen müssen.

Zwei Milliarden Euro Steuer-Entlastung
1999 brachte BAYERs ehemaliger Finanzchef Heribert Zitzelsberger die Unternehmenssteuer„reform“ auf den Weg, die dem Bund allein bis zum Jahr 2003 Einnahme-Ausfälle von mehr als 50 Milliarden Euro bescherte. Und seither haben Regierungen aller Couleur sogar immer noch „nachgebessert“. Momentan schnürt die schwarz-gelbe Koalition ein zwei Milliarden teures Geschenk. Ganz wie es sich der „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI) gewünscht hatte, will Wolfgang Schäuble den Konzernen die Verrechnung von Gewinnen und Verlusten zwischen Tochter- und Muttergesellschaften erleichtern. Zudem plant er, die Verlustnutzung wieder zu erlauben, die es den Unternehmen gestattet, die Verluste gekaufter Firmen steuersparend vom eigenen Ertrag abzuziehen.

BAYER gegen Banken-Regulierung
1,85 Millionen lässt sich der Leverkusener Multi seine Lobby-Aktivitäten bei der EU nach eigenen Angaben jährlich kosten. Momentan investiert er viel von dem Geld in den Versuch, eine umfassende Reform des Finanzsektors zu verhindern. Der Konzern befürchtet nämlich steigende Kosten durch eine strengere Regulierung der Derivate – eine Art Wette auf Preissteigerungen oder -senkungen von Rohstoffen, Aktien, Währungen, Zinsen oder aber von Derivaten selber – , die der Chemie-Multi hauptsächlich zur Absicherung seiner globalen Transaktionen nutzt. Zudem graust es ihn vor schärferen Eigenkapital-Vorschriften für Banken, weil das seine Kredit-Konditionen verschlechtern könnte. Darum lässt der Global Player einen Brüsseler Emissär klagen: „Seitens der Realwirtschaft sind wir sehr besorgt über die Verteuerung nicht nur der OTC-Derivate (außerbörslich gehandelte Derivate, Anm. SWB) (...), sondern auch für die Refinanzierung, die aus den geänderten Eigenkapital-Vorschriften resultieren“.

BAYER & Co. gründen Rohstoff-Allianz
Den großen Konzernen drohen schon bald die Rohstoffe auszugehen. Darum haben BAYER, BASF, THYSSENKRUPP und andere Unternehmen Ende Januar 2012 eine „Allianz zur Rohstoff-Sicherung“ gegründet. Um auch in Zukunft die Versorgung der Multis mit Seltenen Erden, Wolfram, Kokskohle und anderen Substanzen zu garantieren, will die Initiative selber Vorkommen erkunden und Abbau-Rechte erwerben.

Arznei-Gremien ohne BAYER?
Die Bundesregierung plant, VertreterInnen der Pharma-Industrie aus wichtigen Arzneimittel-Kommissionen wie dem „Sachverständigen-Ausschuss zur Verschreibungspflicht“ zu verbannen, weil dies „im Hinblick auf die notwendige Unabhängigkeit der Gremien in rein fachspezifischen Fragen erforderlich“ sei. BAYER & Co. haben Einspruch eingelegt und versuchen, diese Veränderung des Arzneimittelgesetzes zu verhindern.

Gröhe bei BAYER
Der CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe besuchte BAYER zu einem „Fachgespräch“. Der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers nutzte den Termin, um ein Klagelied über die Energiewende, die zu höheren Strompreisen führe, anzustimmen und einmal mehr die steuerliche Absetzbarkeit von Forschungsausgaben zu fordern. Einsparungen in Höhe von 20 bis 30 Millionen Euro erhofft sich der Holländer von einer solchen Gesetzes-Änderung.

Voigtsberger bei BAYER
BAYERs Chemie„parks“ liegen dem nordrhein-westfälischen Wirtschaftsminister Harry Voigtsberger (SPD) besonders am Herzen. Nachdem er bereits im November 2011 eine Konferenz zu deren Zukunft veranstaltet hatte (Ticker 1/12), die passenderweise auch gleich beim Leverkusener Multi stattfand, initiierte er Ende Februar 2012 ein Pressegespräch zum Thema – und natürlich wieder am Stammsitz des Konzerns.

Trittin bei BAYER
Schon zu seiner Zeit als Bundesumweltminister besuchte der Grünen-Politiker Jürgen Trittin den Leverkusener Multi. Anfang Dezember 2011 schaute er mal wieder vorbei. Bei den Gesprächen ging es nicht nur um die alten BAYER-Gassenhauer „Energie-Preise“ und „steuerliche Absetzbarkeit von Forschungsausgaben“ (s. o.), sondern zusätzlich auch noch um den Klimaschutz und finanzpolitische Fragen.

Jianmin Xu bei BAYER
Hierzulande lässt es der Leverkusener Multi auf seinen Hauptversammlungen – vorzugsweise bei den Gegenreden des CBG-Vorstandsmitglieds Axel Köhler-Schnura – selten an antikommunistischen Parolen fehlen, andernorts gehören KommunistInnen jedoch zu den geladenen Gästen BAYERs. So wohnte mit Jianmin Xu der Sekretär der Kommunistischen Partei Chinas der Einweihung einer Konzern-Anlage in Shanghai bei.

China: Mitwirkung an Patent-Gesetz
Eines der größten Hindernisse für die wirtschaftliche Aktivität der Global Players in Schwellenländern ist der angeblich mangelhafte Schutz des geistigen Eigentums. Deshalb hat BAYER in China schon „Entwicklungshilfe“ geleistet und an der Shanghaier Tongji-Universität einen Lehrstuhl für Patentrecht gestiftet (Ticker 1/08). Und das Engagement scheint sich auszuzahlen. Das Gesetzemachen gestaltet sich im Reich der Mitte fast schon so „demokratisch“ wie im Westen. So zeigte sich BAYERs oberster Patentschützer in China, Oliver Lutze, froh, im Prozedere zur Vorbereitung eines neuen Paragraphen-Werks zu den intellectual property rights (IPR) gehört zu werden: „Sie schicken den Industrie-Verbänden Entwürfe zu, und wir schicken es mit unseren Statements zurück. Und in manchen Punkten wurden unsere Vorschläge akzeptiert und die Passagen geändert.“

BAYER stellt Hunger-Experten
Im letzten Jahr initiierte der Bundestagsausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz eine öffentliche Anhörung zum Hungerproblem. Unter den geladenen ExpertInnen war auch der BAYER-Manager Dr. Manfred Kern. Und er wusste natürlich auch die Lösung: Eine nachhaltige Intensivierung der Landwirtschaft mit mehr Pestiziden, mehr Saatgut und mehr Gentechnik. Also noch mehr von alledem, was schon seit Jahrzehnten keinen Erfolg bei der Verbesserung der Welternährungslage zeigt und nur die Kassen der Agro-Multis füllt.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER-Kreuz am Jungfrau-Berg
Jetzt müssen sogar schon Berge als Litfaßsäulen für die großen Unternehmen herhalten. So prankte auf dem schweizer Jungfrau-Massiv ein riesiges BAYER-Kreuz. Mit dieser „Bandenwerbung“ finanzierten die Jungfrau-Bahnen zu ihrem 100-jährigen Jubiläum eine Lichtkunst-Aktion von Gerry Hofstetter, der das Schweizerkreuz auf eine Gebirgswand projizierte. Die „Stiftung Landschaftsschutz“ übte Kritik an dem Budenzauber: „Es tut weh zu sehen, wie multinationale Konzerne die grandiose Berglandschaft zur Werbeleinwand degradieren.“ Und auch Katharina Conradin von der Naturschutz-Organisation MOUNTAIN WILDERNESS protestierte: „Ein Berg ist doch kein Werbeobjekt.“

BAYER spendet an Heartland-Institut
Auch BAYER zählt zu den Unterstützern des US-amerikanischen Heartland-Institutes, einer konservativen Lobby-Organisation, die durch die Finanzierung von Klimawandel-LeugnerInnen einige Berühmtheit erlangt hat. Der Leverkusener Multi allerdings benannte einen anderen Verwendungszweck für seine Spende. Er wollte das Geld in Kampagnen gegen die Einführung einer allgemeinen Krankenversicherungspflicht investiert wissen. Das legen interne Unterlagen der Einrichtung nahe, die ein Whistleblower dem Internet-Portal DeSmogBlog zugespielt hat.

KundInnen-Bindung 2.0
Das bundesdeutsche Gesetz erlaubt keine Werbung für verschreibungspflichtige Arzneien. BAYER & Co. streben eine Lockerung an und tun alles dafür, eine entsprechende Lösung auf EU-Ebene zu erreichen (Ticker 1/12). Bis es soweit ist, versuchen die Konzerne, bis an die Grenze des Erlaubten zu „informieren“. Dazu nutzen sie vor allem das Internet. So betreibt BAYER etwa das Portal MS-Gateway, das sich an Multiple-Sklerose-PatientInnen richtet. Es verfügt über einen offenen und einen geschlossenen Bereich, der nur für NutzerInnen des Konzern-Präparats BETASERON bestimmt ist. Einziges Ziel: neue KundInnen zu gewinnen und alte zu halten. Von Veranstaltungshinweisen über die Vermittlung von BeraterInnen und Apps zum Therapie-Management bis zu Foren und „Wellness-Diagrammen“ reicht das Angebot. Es stößt offenbar auf Resonanz: Auf 12.000 Mitglieder kann MS-Gateway zählen.

Eltern berichtet über MIRENA
Mehr als jede zehnte Anwenderin von BAYERs Hormon-Spirale MIRENA leidet unter schweren Nebenwirkungen wie Depressionen, Zyklusstörungen, Gewichtszunahme, Eierstock-Zysten, Unterleibsentzündungen, Schwindel, Übelkeit, starker Haarwuchs, Akne, Hautkrankheiten und Kopfschmerzen Zudem besteht der Verdacht auf Erhöhung des Brustkrebs-Risikos. Diesen unerwünschten Arzneimittel-Folgen widmete sich im Februar 2012 auch die Zeitschrift Eltern. Der Frauenarzt Michael Ludwig zerstreute dann allerdings die Bedenken. Und er hatte guten Grund dazu, der Mediziner steht nämlich seit Jahren immer wieder in Diensten BAYERs. Diese Information enthielt die Zeitschrift ihren LeserInnen jedoch vor. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hat der Redaktion deshalb einen Brief geschrieben, in dem es hieß: „Diese Abhängigkeiten hätten in dem Artikel unbedingt genannt werden müssen. Besser noch wäre es gewesen, ausschließlich unabhängige Frauenärzte zu befragen.“

Winnackers Gentech-Lob in der Zeit
Zeit Online bot dem BAYER-Aufsichtsrat Ernst-Ludwig Winnacker, einem „der einflussreichsten Wissenschaftsmanager und Politik-Berater Europas“, die Gelegenheit, sich ellenlang über die Behinderungen zu verbreiten, mit denen sich die „grüne“ Gentechnik konfrontiert sieht. Sie werde fälschlicherweise für das Artensterben verantwortlich gemacht, klagte er, wo sie doch so dringend für die Ernährung der Menschen rund um den Globus benötigt werde, denn: „Wer den Welthunger nur für ein Verteilungsproblem hält, argumentiert zynisch.“ Aber trotzdem machten die Abstandsregelungen hierzulande Freisetzungsversuche fast unmöglich, so Winnacker. Nur in Sachen „Patente auf Leben“ räumte der Biochemiker Fehler der Konzerne ein. Er selber bekennt sich zu einer kritischen Haltung gegenüber solchen Eigentumstiteln, „weil ihre gelegentlich kompromisslose Durchsetzung nicht in die Kultur der Landwirtschaft passt“ und stellt fest: „Die Patent-Strategien einiger Unternehmen haben zu einem beträchtlichen Vertrauensverlust und Imageschaden geführt.“

BAYER-Land der Ideen
BAYER gehörte 2006 zu den Sponsoren der Kampagne „Land der Ideen“, welche die Fußball-Weltmeisterschaft dazu nutzte, um für den hiesigen Industrie-Standort zu werben. Der PR-Betrieb hat die Ball-Treterei sogar überlebt und veranstaltet alljährlich den Wettbewerb „365 Orte im Land der Ideen“. Selbstredend finden sich darunter immer wieder BAYER-Orte. Im letzten Jahr war es mit dem Baykomm das Kommunikationszentrum des Leverkusener Multis. Und dieses Mal schafften es sogar drei Konzern-Projekte in die Auswahl: das Integrationsprogramm „Einfach Fußball“, der Ideen-Trimmpfad des TSV BAYER 04 Leverkusen und die „Dream Production“ – ein alles anderer als traumhafter Versuch, bei der Kunststoff-Produktion Kohlendioxid zu recyclen (Ticker 4/11).

BAYER investiert in Schulen
Der Leverkusener Multi fördert Schulen über die „BAYER Science & Education Foundation“, denn dieses Stiftungsmodell erlaubt nebenher auch noch Steuer-Ersparnisse. Bei der Sponsoring-Maßnahme bilden nicht von ungefähr die naturwissenschaftlichen Bereiche einen Schwerpunkt. „Ich muss gestehen, wir fördern die Schulen nicht ganz uneigennützig. Wir sehen das als langfristige Investition“, so Stiftungsvorstand Thimo V. Schmitt-Lord.
Im Jahr 2011 verteilte der Konzern 462.000 Euro unter 52 Schulen in der Nähe seiner Standorte. Mit Geld bedachte er unter anderem die Monheimer „Lise-Meitner-Realschule“ für ihr Projekt „Nanotechnologie in Theorie und Praxis“, das „NaturGut Ophoven“ für ihre Lernwerkstatt zum Klimaschutz, das Schulzentrum Steinen für ihre Unterrichtseinheit zu naturwissenschaftlichen Grundgesetzen und die Gemeinschaftshauptschule Neucronenberg für ihren Lern-Parcours.

Das Humboldt-BAYER-Mobil rollt
In Kooperation mit der Berliner Humboldt-Universität betreibt der Leverkusener Multi ein rollendes Labor. Das „Humboldt-BAYER-Mobil“ fährt Schulen in Berlin und im Osten Deutschlands an und arbeitet mehr oder weniger spielerisch den naturwissenschaftlichen Lernplan des Konzerns ab.

BAYER lanciert Nano-Wettbewerb
Der Leverkusener Multi arbeitet eifrig an der Akzeptanz der umstrittenen Nano-Technologie und hat zu diesem Behufe gemeinsam mit dem „Landescluster NanoMikro+Werkstoffe.NRW“ den Wettbewerb „Nano erleben“ gestartet. Dieser fordert SchülerInnen, LehrerInnen und WissenschaftlerInnen auf, „ihre kreativen Ideen in Nanotechnologie-Demonstrationsversuche fließen zu lassen“. Davon erhofft sich dann BAYERs Nano-Beauftragter Peter Krüger „das Potenzial, der Öffentlichkeit zu zeigen, dass Nanotechnologie fundierte und spannende Wissenschaft ist, die wesentlich zu unserer Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit beiträgt“.

Der Konzern als Kümmerer
Während der Konzern intern immer unsozialer wird, indem er Arbeitsplätze vernichtet und Arbeitsbedingungen verschärft, macht seine PR-Abteilung seit einiger Zeit verstärkt auf „sozial“. Zu diesem Behufe initiierte sie 2007 die „BAYER Cares Foundation“, die Projekte in der Nähe der Konzern-Standorte fördert. 2011 verteilte die Stiftung 126.000 Euro. Geld gab es unter anderem für die Ausbildung von jugendlichen StreitschlichterInnen in Dithmarschen, für die Bitterfelder Jugendkunstschule, einen Gnadenhof für Ponys in Leichlingen, eine Leverkusener Schuldenpräventionsinitiative, eine ForscherInnen-Werkstatt in Schochwitz und ein neues Beachvolleyball-Feld in Wollbach. Darüber hinaus soll der ASPIRIN-Sozialpreis das Bild vom barmherzigen Samariter BAYER in die Welt tragen. 2011 hat der Leverkusener Multi die Auszeichnung an eine Organisation verliehen, die brandverletzte Kinder unterstützt.

XARELTO-Muster per Post
Seit Mitte der 1980er Jahre untersagt das Arzneimittelgesetz BAYER & Co. die großflächige Versendung von Arzneimittel-Mustern an MedizinerInnen. Nach dem Paragrafen-Werk dürfen die Konzerne nur zur Tat schreiten, wenn eine Anforderung vorliegt. Der Leverkusener Multi verschickte jedoch trotzdem große Massen seines umstrittenen Blutverdünnungsmittels XARELTO (siehe DRUGS & PILLS), eine Empfangsbestätigung als „Just-in-Time“-Antrag für die Proben wertend. Die unabhängige Fachzeitschrift arznei-telegramm hat BAYER deshalb angezeigt, und auch die „Freiwillige Selbstkontrolle der Pharma-Industrie“ prüft den Fall.

BAYER VITAL wirbt für 54 Millionen
BAYER VITAL, die für rezeptfreie Arzneien zuständige Abteilung des Leverkusener Multis, hat 2011 nach Angaben des „Deutschen Apotheker-Verbandes“ allein in der Bundesrepublik 54,5 Millionen Euro für Reklame ausgegeben. Nur KLOSTERFRAU und BOEHRINGER INGENHEIM investierten mehr.

Podiumsdiskussion mit BAYER und DSW
„Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar“, sagte einst der ehemalige US-Präsident Lyndon B. Johnson über seine Vorstellung von „Entwicklungshilfe“. Zur großen Befriedigung BAYERs erfreut sich diese Ansicht auch heute noch großer Beliebtheit, die „gigantischen Fruchtbarkeitsmärkte“ in den armen Ländern versprechen nämlich gute Absatzchancen für die Verhütungsmittel des Konzerns. Um die Geschäftsaussichten für YASMIN & Co. noch ein wenig zu verbessern, sponsert das Unternehmen seit geraumer Zeit die „Deutsche Stiftung Weltbevölkerung“ (DSW), „denn mit ihren Projekten in Entwicklungsländern hilft die DSW vor allem jungen Menschen, ungewollte Schwangerschaften zu vermeiden und sich vor HIV/Aids zu schützen. Damit nutzt sie die Chancen zur menschenwürdigen Verlangsamung des Weltbevölkerungswachstums und trägt zugleich unmittelbar zur Verbesserung der Lebensverhältnisse vor Ort bei“. Der Leverkusener Multi führt gemeinsam mit der DSW auch regelmäßig einen „Parlamentarischen Abend“ in Berlin durch. Am 24. April 2012 stehen unter anderem die Anwältin und Publizistin Seyran Ates, der kongolesische Botschafter S. E. Kennedy Nyauncho Osinde und die SPD-Bundestagsabgeordnete Karin Roth auf der Gästeliste.

TIERE & ARZNEIEN

ASPIRIN im Stall
BAYERs „Tausendsassa“ ASPIRIN hat sich einen neuen Markt erobert: die Tiere. Da die Massenzucht Hühnern, Puten und anderen Kreaturen unendliche Qualen bereitet, verabreichen ihnen TierärztInnen oft das Schmerzmittel, obwohl seine Anwendung nicht erlaubt ist.

Noch mehr Tierarzneien
Der Leverkusener Multi hat die Veterinärmedizin-Sparte des US-amerikanischen Chemie-Konzerns KMG übernommen. Diese besteht vor allem aus Insektiziden, die Rindern, Schweinen und Geflügel mittels Chemie Fliegen und andere Plagegeister vom Leib halten.

DRUGS & PILLS

TRASYLOL-Comeback
Im Februar 2012 gab die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA bekannt, BAYERs Arznei TRASYLOL wieder zuzulassen. Nach Ansicht der Behörde wies die sogenannte BART-Studie des „Ottawa Hospital Research Institutes“, die im Jahr 2007 den Ausschlag für den Verkaufsstopp gegeben hatte, gravierende Mängel auf. Das Institut wehrt sich gegen diese Vorwürfe. „Die BART-Wissenschaftler stellen fest, dass die Durchführung und Analyse der BART-Untersuchung den höchsten Standards entsprach“, heißt es in der Antwort auf eine Ticker-Nachfrage. Zudem beschwerte sich die Einrichtung darüber, von der EMA nie in der Angelegenheit kontaktiert worden zu sein. Aber selbst wenn die ForscherInnen Fehler gemacht haben sollten – bereits vorher hatten unzählige Expertisen dem Mittel, das zur Blutstillung nach Bypass-Operationen zum Einsatz kam, Gesundheitsgefährdungen bescheinigt. Nicht einmal eine von BAYER selbst in Auftrag gegebene Studie konnte bessere Resultate liefern. Der Harvard-Professor Alexander Walker analysierte für den Konzern die Unterlagen von 78.000 Krankenhaus-PatientInnen und stellte im Falle einer Behandlung mit TRASYLOL eine erhöhte Sterblichkeitsrate, sowie ein größeres Risiko für Nierenversagen, Schlaganfälle und Herzerkrankungen fest. „2.653 Patienten mussten zur Dialyse und 2.613 Patienten starben“, so lautete damals sein eindeutiger Befund, den das Unternehmen den zuständigen Behörden lieber verschwieg.

ASPIRIN-Entlastungsstudie
BAYERs „Tausendsassa“ ASPIRIN gerät mehr und mehr in die Kritik. So schätzt Dr. Friedrich Hagenmüller von der Hamburger Asklepios-Klinik die Zahl der Todesopfer durch die Nebenwirkung „Magenbluten“ allein in der Bundesrepublik pro Jahr auf 1.000 bis 5.000. Der Leverkusener Multi musste also etwas für das ramponierte Image der Arznei tun und gab eine Entlastungsstudie in Auftrag. Und siehe da: Es „wurde deutlich, dass das Jahrhundert-Medikament bei Kurzzeit-Behandlungen von Schmerzen und Fieber ebenso verträglich ist wie andere Schmerzmittel, zum Beispiel IBUPROFEN oder PARACETAMOL“.

Neue YASMIN-Packungsbeilage
Mit Drospirenon-haltigen Verhütungsmitteln wie BAYERs Produkten aus der YASMIN-Familie steigt im Vergleich zu Levonorgestrel-haltigen Kontrazeptiva das Risiko, eine Thromboembolie zu erleiden. Das haben Untersuchungen aus den USA und England nun erneut bestätigt. Das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin-Produkte“ (BfArM) reagierte und forderte BAYER zu einer nochmaligen Aktualisierung des Beipackzettels auf, um deutlicher vor der Gefahr zu warnen.

LEFAX nur „ausreichend“
Die „Stiftung Warentest“ testete fünf Präparate gegen Blähungen und kam zu wenig überzeugenden Ergebnissen. Vier Präparate, darunter auch BAYERs LEFAX, bekamen die Note „ausreichend“, und ein Mittel erhielt das Prädikat „mangelhaft“.

XARELTO jetzt auch in Europa
Der Leverkusener Multi darf sein Präparat XARELTO jetzt auch in Europa und Japan als Mittel zur Schlaganfall-Vorbeugung bei PatientInnen mit Vorhofflimmern vermarkten. Eine entsprechende Genehmigung hatte vorher schon die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA erteilt. Allerdings tat sie sich mit der Entscheidung schwer. MitarbeiterInnen hatten sich noch Anfang September 2011 gegen die Genehmigung ausgesprochen, weil die von BAYER eingereichten Studien ihrer Meinung nach Fragen zu Herzinfarkt- und Blutungsrisiken aufwarfen. Zudem konnten sie im Vergleich zum bislang gebräuchlichen Wirkstoff Warfarin keinen therapeutischen Zusatznutzen entdecken. Aber die Behörde setzte sich über diese internen Einwände hinweg. Nicht einmal Meldungen über Sterbefälle bei der Klinischen Erprobung des Mittels in Indien (Ticker 1/12) vermochten sie umzustimmen.

Neue XARELTO-Indikation
Der Leverkusener Multi strebt eine Zulassung seines umstrittenen Mittels XARELTO (s. o.) zur Nachbehandlung des akuten Koronar-Syndroms (ACS) an. Das Präparat soll in Kombination mit einer anderen Therapie der nochmaligen Entstehung von Blutgerinnseln in der Herzkranz-Arterie vorbeugen. In den Tests zeigten sich allerdings auch deutlich die Risiken und Nebenwirkungen der Arznei. So erlitten XARELTO-ProbandInnen häufiger schwere Blutungen als die Test-Personen, welche die bisherige Standard-Medikation bekamen.

NICE nicht nice zu XARELTO
Die britische „National Institute for Health and Clinical Excellence“ (NICE), das Kosten und Nutzen neuer Arzneimittel bewertet, hat Zweifel an der Qualität von BAYERs Blutverdünner XARELTO. Da ihm die vom Leverkusener Multi zur Verfügung gestellten Daten für die Anwendungsgebiete „Thrombosen“ und „Schlaganfall-Vorbeugung bei PatientInnen mit Vorhofflimmern“ nicht ausreichten, forderte es vom Pillen-Riesen mehr Informationen an. Auch in Spanien erwartet der Konzern harte Verhandlungen mit den Behörden. Nur in der Bundesrepublik blüht dies dem Unternehmen nicht. Das hiesige Arzneimittel-Gesetz erspart nämlich Präparaten, die für andere Indikationen schon zugelassen sind, wie XARELTO zur Thrombose-Prophylaxe bei schweren orthopädischen OPs, eine solche Prozedur.

Zulassung für Augenmittel
Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hat BAYERs Augen-Arznei VEGF-Trap-Eye genehmigt. Das Mittel zur Therapie der feuchten Makula-Degeneration – einer Augenerkrankung, die zur Blindheit führen kann – erschließt jedoch nicht gerade medizinisches Neuland. Laut Konzern zeigte das Medikament mit dem Produktnamen EYLEA lediglich „eine vergleichbare Wirkung (‚Nicht-Unterlegenheit’) gegenüber der Behandlung mit LUCENTIS“. Nach dem positiven Bescheid strebt das Unternehmen nun auch Zulassungen für andere Krankheitsgebiete an.

Regorafenib-Zulassung beantragt
Krebsmedikamente sind teuer, helfen zumeist wenig und haben allzuoft nur ein eingeschränktes Anwendungsgebiet. So auch der Wirkstoff Regorafenib, für den BAYER 2012 in Europa und den USA die Zulassung beantragen will. Er darf nur bei PatientInnen mit fortgeschrittenem Darmkrebs, bei denen alle sonstigen Therapien versagten, zum Einsatz kommen und zeigte nur äußerst bescheidene Test-Ergebnisse. Die Substanz steigerte die Gesamtüberlebenszeit der ProbandInnen im Vergleich zur Placebo-Gruppe gerade einmal um 1,4 Monate und schenkte ihnen bloß eine um 0,2 Monate längere Zeit ohne weiteres Tumor-Wachstum.

Überdosis CIPROBAY
Immer mehr Krankheitserreger bilden gegen Antibiotika wie BAYERs CIPROBAY Resistenzen aus und lösen so todbringende Gesundheitsstörungen aus (siehe auch SWB 2/12). Trotzdem verordnen MedizinerInnen die Mittel immer noch viel zu häufig. Das ergab eine Studie der Universität Bremen zur Verschreibungspraxis von KinderärztInnen. Obwohl die Präparate nur gegen Bakterien wirken, setzen PädiaterInnen sie der Untersuchung zufolge häufig auch bei Virus-Infektionen wie Erkältungen oder Mittelohr-Entzündungen ein. Und in Schwellenländern wie Indien geben Apotheken CIPROBAY sogar ohne Rezept und Beipackzettel ab.

Muskelschwäche durch CIPROBAY
Antibiotika sorgen nicht nur für resistente Krankheitskeime (s. o.), sie haben auch noch ganz andere Risiken und Nebenwirkungen wie beispielsweise Sehnen-Entzündungen und Sehnenrisse. Health Canada warnt jetzt vor einer neuen Gegenanzeige: BAYERs CIPROBAY und andere Mittel aus der Substanzklasse der Fluorchinolone können die Autoimmun-Krankheit Myasthenia gravis auslösen. Die Medikamente stören das Zusammenspiel zwischen Nerven und Muskeln, indem sie die Aufnahme des Impulse weiterleitenden Neurotransmitters Acetylcholine behindern und führen so zu Lähmungserscheinungen im Bereich der innere Organe, im Bewegungsapparat oder im Gesicht. Deshalb zwang die Behörde den Leverkusener Multi und andere Hersteller, die PatientInnen über diese mögliche Folge der Antibiotika-Einnahme zu informieren.

Neue Preisgestaltung ärgert BAYER
Nach dem 2011 in Kraft getretenen Arzneimittel-Gesetz dürfen die Pharma-Riesen die Preise für ihre neuen Medikamente nicht mehr selber festlegen. Sie sind jetzt Gegenstand von Verhandlungen auf Basis des Zusatznutzens im Vergleich zu älteren Pillen und der in anderen Staaten verlangten Beträge. Die Veröffentlichung der Länder-Referenzliste, auf der sich unter anderem Belgien, Dänemark, Großbritannien, Frankreich und Griechenland befinden, sorgte jetzt für einigen Unmut beim von BAYER gegründeten „Verband forschender Arzneimittel-Hersteller“ (VFA). „Deutschland ist nicht Griechenland. Ein Unterbietungswettbewerb durch Vergleich mit wirtschaftlich schwachen Ländern gefährdet die Einführung von Arzneimittel-Innovationen in Deutschland“, ereiferte sich die VFA-Geschäftsführerin Birgit Fischer.

Zwangsrabatte ärgern BAYER
Nach dem seit 2011 gültigen „Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittel-Marktes“ müssen BAYER & Co. den Krankenkassen für neue Medikamente einen Hersteller-Rabatt von 16 Prozent einräumen. Darüber hat sich BAYER-Chef Marijn Dekkers auf der Bilanz-Pressekonferenz im Februar 2012 bitterlich beklagt und angesichts der diesjährigen Überschüsse von DAK & Co. eine Abschaffung der Regelung gefordert: „Sachliche Gründe für eine Beibehaltung gibt es also nicht.“ Trotzdem ließ sich die Bundesregierung nicht erweichen. Das rief wiederum den von BAYER gegründeten „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ auf den Plan. Er sah „Politisches Kalkül statt faktenbasierter Prüfung“ am Werk und wiederholte Dekkers’ Kritik wortwörtlich: „Sachliche Gründe für eine Beibehaltung gibt es also nicht.“ Die Dienstwege sind eben kurz.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

HEDONAL geht an die Nieren
In El Salvador sorgen Pestizide für massive Gesundheitsprobleme. So leiden in der Küstenregion Bajo Lempa über 20 Prozent der Menschen an Nieren-Erkrankungen. Mauricio Sermeño von der Umweltorganisation UNIDAD ECOLÓGICA SALVADOREÑA macht dafür hauptsächlich zwei Ackergifte verantwortlich: SYNGENTAs GRAMOXON und BAYERs HEDONAL mit dem Wirkstoff 2-4-Dichlorphenoxyessigsäure, der als ein Bestandteil von Agent Orange traurige Berühmtheit erlangte. Nach den Angaben der Organisation gibt es in bestimmten Gebieten des Landes kaum EinwohnerInnen, die nicht einen Verwandten oder Freund durch Nieren­Versagen verloren hätten (siehe auch SWB 2/12).

OXFAM kritisiert FLINT-Sprühungen
Auf den Bananen-Plantagen Ecuadors herrschen einer OXFAM-Studie zufolge unhaltbare Zustände. So müssen die Angestellten dort für einen Hungerlohn arbeiten und auch noch ihre Gesundheit aufs Spiel setzen. Während Flugzeuge Pestizide wie Mancozeb (enthalten unter anderem in BAYERs FLINT) versprühen, dürfen die LandarbeiterInnen die Felder nicht verlassen, obwohl sie bloß in Ausnahmefällen Spezialkleidung tragen. „Wir bekommen die Pestizide ab und können uns nur mit unseren Händen und Bananen-Blättern schützen“, klagt einer von ihnen. Zudem verseuchen die auf dem Luftweg ausgebrachten Ackergifte auch die Umgebung und sorgen so für hohe Krankheitsraten, vor allem unter Kindern. „Sie leiden unter Gehirn-Erkrankungen, Problemen in den Armen und Beinen, Hautausschlag etc.“, so eine Feldarbeiterin.

COCA COLA mit Carbendazim
In Orangensäften des Unternehmens COCA COLA fanden sich Spuren des BAYER-Pestizids Carbendazim. Und der Wirkstoff, den der Leverkusener Multi unter dem Produktnamen DEROSAL vermarktet, hat es in sich. „Giftig für Wasser-Organismen“, „kann das Kind im Mutterleib schädigen“, „kann vererbbare Schäden verursachen“ – so lauten einige Warnhinweise für das Fungizid. Darum sollte die Substanz ursprünglich ebenso wenig wie weitere fünf Agro-Chemikalien des Konzerns eine neue Zulassung von der Europäischen Union erhalten. Aber für Carbendazim machte Brüssel dann kurz vor Ablauf der Frist eine Ausnahme und gewährte eine Verlängerung. Es gäbe „annehmbare Anwendungen“, erklärte die EU-Kommission und berief sich dabei ausgerechnet auf Studien der Agro-Riesen sowie auf eine Expertise der von Industrie-VertreterInnen durchsetzten „Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit“ (siehe auch TICKER 2/11).

Kein Glyphosat-Verbot
Die Liste der Risiken und Nebenwirkungen des von MONSANTO entwickelten Pestizid-Wirkstoffs Glyphosat, den BAYER etwa im Kombi-Pack mit der gegen diese Substanz immun gemachten Baumwollpflanze „GHB 614“ verkauft, ist lang. So stört die Agrochemikalie das Embryo-Wachstum, lässt Soja-Gewächse absterben und Mais verwelken, macht wertvollen Boden-Organismen den Garaus und dezimiert die biologische Vielfalt. Das alles aber reichte der Bundesregierung nicht aus, um den Stoff aus dem Verkehr zu ziehen. Sie lehnte Anfang Februar 2012 einen entsprechenden Antrag der Grünen ab und verlängerte die Zulassung bis 2015.

Verkauf von Ultra-Giften
Der Leverkusener Multi trennt sich im Rahmen der Verkleinerung seines Pestizid-Sortiments weiter von besonders schädlichen Agrochemikalien der Gefahrenklasse I. Nachdem er im letzten Jahr schon NEMACUR und MOCAP verkauft hatte, stößt er nun SEVIN (Wirkstoff: Carbaryl) ab. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) kritisiert diesen Schritt, den der Konzern der Öffentlichkeit gegenüber als Teil seiner Nachhaltigkeitsstrategie verkauft: „BAYER hätte die Produktion längst einstellen müssen, statt diese Ultra-Gifte jetzt noch profitabel zu verramschen“.

GAUCHO befördert Milben-Befall
BAYERs Imidacloprid-haltiges Pestizid GAUCHO sorgte für den Tod von Millionen Bienen. Der Leverkusener Multi streitet diese „Nebenwirkung“ jedoch ab und macht stattdessen die Varroa-Milbe für die Sterbefälle verantwortlich. Eine von einem Bienenforschungsinstitut, das dem US-amerikanischen Landwirtschaftsministerium untersteht, durchgeführte Studie wies jetzt einen Zusammenhang zwischen beiden Phänomen nach. Der Untersuchung zufolge zeigten sich durch GAUCHO & Co. geschwächte Bienen anfälliger für den Befall mit der Milben-Art als gesunde Tiere.

GENE & KLONE

BAYER-Gensoja zugelassen
Nachdem sich weder ein ExpertInnen-Gremium der EU noch ein Berufungsausschuss über die Import-Genehmigung für BAYERs Gensoja der BASTA-Produktreihe und drei weiteren Laborfrüchten einigen konnte, hat die Europäische Kommission ein Machtwort gesprochen und alle Sorten zugelassen. Die COORDINATON GEGEN BAYER-GEFAHREN und andere Initiativen haben immer vor einem solchen Schritt gewarnt. „A5547-127“ ist nämlich durch eine auf gentechnischem Wege eingebaute Resistenz auf den Gebrauch des hochgefährlichen Herbizides LIBERTY mit dem Wirkstoff Glufosinat abgestimmt, dessen Gebrauch die Europäische Union ab 2017 verboten hat. Zudem unterscheidet sich die LIBERTYLINK-Pflanze auf Stoffwechsel-Ebene von seinen konventionellen Ebenbildern, was auf eine genetische Instabilität hindeutet, die eigentlich der Gegenstand eines Stress-Tests hätte sein müssen. Dieser unterblieb jedoch. Auch Daten-Material von Fütterungstests liegt nur sporadisch vor. Das alles macht den Soja des Konzerns zu einem unkalkulierbaren Risiko.

Genbaumwoll-Anbau beantragt
Der Leverkusener Multi hat in Spanien einen Antrag auf eine Anbau-Genehmigung für seine Gentech-Baumwolle „GHB 614“ gestellt, die gegen das gefährliche Anti-Unkrautmittel Glyphosat (siehe auch PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE) resistent ist.

Genraps-Anbau beantragt
BAYER hat in Australien einen Antrag auf eine Anbau-Genehmigung für seine Genraps-Sorte INVIGOR gestellt. Die Pflanze ist nicht nur gegen Glufosinat immun, sondern auch gegen MONSANTOs berühmt-berüchtigten ROUND-UP-READY-Wirkstoff Glyphosat (siehe auch PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE). Schadinsekten gewöhnen sich nämlich zunehmend an die Pestizide, welche die Hersteller im Kombipack mit ihren gegen diese Wirkstoffe resistenten Genpflanzen verkaufen. Ein Lizenzabkommen mit dem US-Unternehmen ermöglichte dem Leverkusener Multi die Entwicklung des Doppelpacks. Die australische Initiative GENEETHICS hat Einspruch gegen das Zulassungsbegehr erhoben und dabei mit der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN zusammengearbeitet.

Pestizide per Gentechnik
BAYER nutzt die Biotechnologie zur Produktion von Pestiziden. So kommen bei der Herstellung des Anti-Unkrautmittels INDAZIFLAM gen-manipulierte Coli-Bakterien zum Einsatz.

PFLANZEN & SAATEN

BAYER kauft Raps-Sparte
BAYER hat die Rapssaatgut-Abteilung des Unternehmens RAPS GbR erworben. Nach Ansicht der BAYER-CROPSSCIENCE-Vorsitzenden Sandra Peterson wird der Kauf „den Eintritt von BAYER CROPSSCIENCE in den europäischen Raps-Markt weiter beschleunigen“. Der Agro-Multi, der in den USA bereits eine führende Stellung im Raps-Geschäft innehat, will noch in diesem Jahr erste Sorten auf den EU-Markt bringen.

WASSER, BODEN & LUFT

Luftverschmutzungskosten: bis zu 169 Mrd.
Die Europäische Umweltagentur EUA hat ausgerechnet, wie hoch die Kosten für die menschliche Gesundheit und die Umwelt sind, welche die Luftverschmutzung verursacht. Sie kam auf staatliche Zahlen: Zwischen 102 und 169 Milliarden Euro bewegt sich der Wert. Dabei richten die 191 größten Betriebe die Hälfte des Gesamtschadens an. Und auf dieser Liste durfte BAYER natürlich nicht fehlen. Sowohl die Werke in Leverkusen als auch die in Krefeld fanden sich auf ihr wieder.

Endgültiges Aus für Kohlekraftwerk
Im letzten Jahr hatte der Leverkusener Multi nach massiven Protesten den Verzicht auf die Errichtung eines klimaschädlichen Kohlekraftwerks in Krefeld bekannt gegeben. Stattdessen plante er gemeinsam mit TRIANEL ein umweltfreundlicheres Gas- und Dampfkraftwerk. Aber so ganz in trockenen Tüchern war das Vorhaben lange nicht. „Ob dieses Projekt wirtschaftlich umsetzbar ist, wird sich im Laufe der Projekt-Entwicklung zeigen“, erklärte der Konzern nämlich. Aber Anfang Februar 2012 machte er die Entscheidung dann endgültig, indem er den Bauantrag für die Dreckschleuder offiziell zurückzog.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

BAYER: „Bisphenol keine Gefahr“
Im März 2011 hatte die EU die Verwendung der Industrie-Chemikalie Bisphenol A in Babyflaschen untersagt, da die Substanz Schädigungen des Nervensystems, Übergewicht, Unfruchtbarkeit, Diabetes sowie Herz- und Lebererkrankungen verursachen kann. Der Leverkusener Multi, der zu den größten Produzenten des Stoffes zählt, spielt die Gefahr jedoch immer noch herunter. Eine Studie des BUNDs, der Kindertagesstätten überprüfte und in 92 von 107 Staubproben Bisphenol nachwies, fand er nicht weiter beunruhigend. Bisphenol A sei nicht krebserzeugend und habe keinen Einfluss auf die Fruchtbarkeit, wiegelte Konzernsprecherin Gisela Stropp gegenüber dem Pfälzischen Merkur ab.

CO & CO.

Erdeinbrüche durch Zechen-Schächte?
Immer wieder kommt es entlang der Trasse von BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline zu Erdeinbrüchen. In Erkrath und rund um Ratingen bildeten sich teilweise schon 80 cm tiefe Krater. Stillgelegte Zechen entlang der Trasse könnten diese Gefahr durch die Hohlräume, die von den Schächten herrühren, noch verstärken. 12 solcher Bergbau-Areale hat Erich Hennen von der Initiative STOPP BAYER-CO-PIPELINE ausgemacht, obwohl die Bezirksregierung und das Bergbau-Amt keine Unterlagen herausgaben. „Es wird gemauert, verdeckt, verschwiegen“, kritisierte Hennen.

NANO & CO.

Nano-Kongress in Bayreuth
Anfang Februar 2012 hielt die vom Bundesforschungsministerium geförderte „Innovationsallianz Carbon Nanotubes“, der auch der Leverkusener Multi angehört, ihren vierten Jahreskongress in Bayreuth ab. Von dem Gefährdungspotenzial, das von den Kohlenstoff-Nanoröhrchen (CNT) ausgeht, sprachen die TeilnehmerInnen natürlich nicht, obwohl einige WissenschaftlerInnen es mit demjenigen von Asbest vergleichen. Die Nano-Technologie lässt nämlich Werkstoffe auf winzig kleine Größen schrumpfen, wodurch diese unbekannte und nicht selten gefährliche Eigenschaften entwickeln. BAYER-Manager Peter Krüger focht das nicht an. Er malte die Nano-Zukunft in goldenen Farben: „Unsere Forschungsarbeiten zeigen, dass CNT wichtige Impulse geben können (...) Das sorgt für innovative Produkte, stärkt die Wirtschaft und schafft Arbeitsplätze. Außerdem geben Kohlenstoff-Nanomaterialien wichtige Impulse für mehr Klimaschutz und Ressourcen-Effizienz.“

BAYER eröffnet Nano-Konferenz
Am 21. und 22. März fand in Brüssel die Konferenz „Nano Enhancers for Plastics 2012“ statt. Sie befasste sich mit dem Segen, den die Nanotechnologie angeblich für die Kunststoff-Industrie bereithält. Das Grundsatz-Referent durfte BAYERs Nano-Beauftragter Peter Krüger halten. Und natürlich ließ er es sich nicht nehmen, in seinem Beitrag die Werbetrommel für die BAYTUBES-Kohlenstoffröhrchen des Konzerns zu rühren.

NIOSH für höhere Nano-Grenzwerte
Selbst ist der Multi: BAYER hatte den Grenzwert für die Belastung der Beschäftigten mit Nano-Stäuben eigenmächtig auf 50 Mikrogramm festgesetzt – und die damalige schwarz-gelbe Landesregierung Nordrhein-Westfalens nickte diesen auch ohne Murren ab. Mittlerweile fordern WissenschaftlerInnen viel schärfere Limits. So empfiehlt das US-amerikanische „National Institute for Occupational Safety and Health“ (NIOSH) eine Marke von sieben Mikrogramm pro Kubikmeter Raumluft.

Nanotubes können Erbgut schädigen
Nano-Röhrchen aus Kohlenstoff, wie der Leverkusener Multi sie mit seinen BAYTUBES herstellt, sind imstande, das Erbgut zu schädigen. Das kann dem österreichischen „Institut für Technikfolgen-Abschätzung“ zufolge sowohl durch einen direkten Kontakt mit der DNA als auch durch entzündliche Reaktionen des Körpers geschehen.

Energie-intensive Nano-Herstellung
Die Herstellung von Kohlenstoff-Nanoröhrchen (CNT) wie BAYERs BAYTUBES ist sehr energie-intensiv. Die Produktion von einem Kilogramm Nanotubes verschlingt bis zu 1 Terrajoule, zu deren Erzeugung es ca. 26.550 Liter Erdöl braucht. „Demnach wären CNTs eines der energie-intensivsten Materialien, die uns bekannt sind“, resümiert das österreichische „Institut für Technikfolgen-Abschätzung“.

UNFÄLLE & KATASTROPHEN

Gas-Austritt in Tarragona
Am 11. Januar 2012 kam es auf dem Gelände des spanischen BAYER-Standortes Tarragona zu einem Gasaustritt, was einen mehrstündigen Alarm auslöste.

PLASTE & ELASTE

Neues Forschungszentrum
BAYER MATERIAL SCIENCE, die Kunststoff-Sparte des Leverkusener Multis, hat in Dormagen ein neues Forschungszentrum in Betrieb genommen. Es hat die Aufgabe, „die technischen Abläufe bei der Produktion der Isocyanate MDI und TDI sowie der dabei benötigten Vorprodukte weiter zu erforschen und zu optimieren“. Es geht also vornehmlich um Effizienz-Steigerung. Dabei wäre ein ganz anderer Forschungsschwerpunkt wichtig: Der Versuch, bei der Herstellung der Plaste-Produkte ohne das gefährliche Giftgas Phosgen auszukommen.

STANDORTE & PRODUKTION

Chemie-„Park“ als Giftlager
Seit Jahren bemüht sich die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) darum, Angaben über die auf den Werksarealen von BAYER gelagerten gefährlichen Chemikalien zu erhalten. Trotz Umweltinformationsgesetz gelang ihr dies bisher nie – der Leverkusener Multi machte stets Terror-Gefahren geltend. Im Frühjahr 2011 jedoch entsprach die Bezirksregierung erstmals einem Antrag der CBG und teilte Zahlen für den gesamten Dormagener Chemie„park“ mit. Sie geben einigen Anlass zur Sorge. So befinden sich auf dem Gelände 70.000 Tonnen „giftige“ bzw. „sehr giftige“, über 13.000 Tonnen leicht entzündliche und über 65 Tonnen brandfördernde Stoffe. Von den sehr giftigen BAYER-Substanzen erreicht Toluol-diisocyanat (TDI) mit 7.765 Tonnen das größte Volumen. Es folgen Dimethylsulfat mit 51, Phosgen mit 36 und Brom mit zwei Tonnen. Bei den „nur“ giftigen Chemikalien nimmt die Propylenoxid-Menge mit 6.400 Tonnen das beträchtlichste Ausmaß an. Dann kommen Methanol mit 951, Chlor mit 761 und Hydrazin mit 360 Tonnen.

Mehr Pillen aus Weimar
BAYERs Verhütungsmittel aus der YASMIN-Familie haben mehr Nebenwirkungen als andere Kontrazeptiva. So registrierte allein die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA in den letzten zehn Jahre 190 Sterbefälle nach Thromboembolien. Trotzdem will der Konzern die Produktion von YASMIN und anderen Pillen ausweiten. Darum rief er seine Niederlassungen zu einem internen Standort-Wettbewerb auf, aus dem Weimar als Sieger hervorging. Hier baut der Multi demnächst für 25 Millionen Euro; neue Arbeitsplätze entstehen durch die Investition nicht.

BMS investiert 700 Mio. in Deutschland
BAYER MATERIAL SCIENCE (BMS) kündigte an, bis 2014 ca. 700 Millionen Euro in der Bundesrepublik zu investieren. Zu den Projekten der Kunststoff-Sparte gehört die TDI-Anlage in Dormagen, eine neue Fabrik für Lackrohstoffe in Leverkusen und eine Kapazitätserweiterung in Krefeld. Der Multi feiert das als Bekenntnis zum Standort, obwohl sein finanzielles Engagement in Asien die für Deutschland vorgesehene Summe bei Weitem übersteigt – allein in Shanghai hat sich BMS neue Fertigungsstätten binnen der letzten zehn Jahre 2,1 Milliarden Euro kosten lassen. Viele neue Arbeitsplätze schafft das Unternehmen durch die Bau-Vorhaben auch nicht. So entstehen durch die in Leverkusen geplante Lack-Produktion nach Angaben des Konzerns gerade einmal „bis zu zehn“ neue Jobs.

Keine „Kultur GmbH“ in Leverkusen
Seit der Unternehmenssteuerreform von 2000/2001, die BAYERs ehemaliger Finanzchef Heribert Zitzelsberger in seiner Funktion als Staatssekretär wesentlich mitgeprägt hat, verringerte sich die Abgabenlast des Global Players merklich. Das bescherte den Städten mit BAYER-Standorten große finanzielle Nöte. Darum existierten im chronisch klammen Leverkusen Pläne, das Kulturprogramm des Pharma-Riesen stärker mit demjenigen der Kommune zusammenzuführen. Dazu wird es allerdings nicht kommen. „Wir haben schließlich bemerkt, dass die erhofften Synergie-Effekte bei einer engeren Kooperation doch nicht so groß wären“, so die Kulturpolitikerin Marion Grundmann zu den Motiven für den Entschluss, doch lieber weiter getrennte Wege zu gehen. Der Pharma-Riese, der gern

IG Farben

CBG Redaktion

27. Januar 2012

BAYER Vorstandsvorsitzender:

10. Todestag von ex-Nazi Kurt Hansen

Gestern jährte sich der 10. Todestag des ehemaligen BAYER-Vorstandsvorsitzenden Kurt Hansen. Als Ehren-Vorsitzender des Aufsichtsrates hatte Hansen noch bis ins hohe Alter (er wurde 91) ein Büro im Leverkusener BAYER-Hochhaus. Hansen repräsentierte in seiner Person den bruchlosen Übergang IG FARBEN => BAYER. Er trat schon frühzeitig, nämlich 1931, in die NSDAP ein und war bei der IG FARBEN für die kriegswichtige Aufgabe der Rohstoff-Beschaffung und Verteilung zuständig. Wegen seiner Verantwortung für Kriegsverbrechen verhafteten und internierten ihn die Alliierten im Jahr 1945. Von alldem war in den Nachrufen natürlich nichts zu lesen.
Selbstverständlich stellte die unrühmliche Vergangenheit Hansens in der Bundesrepublik auch keinen Hinderungsgrund dar, ihn mit Auszeichnungen zu überhäufen. So war er Ehrenbürger der Stadt Leverkusen und erhielt gleich von mehreren Universitäten Ehrendoktor-Würden verliehen.

Janis Schmelzer

CBG Redaktion

10. Januar 2013

Konzernkritiker und Antifaschist

Coordination gegen BAYER-Gefahren trauert um Dr. Janis Schmelzer

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) trauert um Dr. Janis Schmelzer. Der Historiker, seit 1999 Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Coordination, starb am 28. Dezember im Alter von 85 Jahren.

Janis Schmelzer war ein exzellenter Kenner der politischen Geschichte deutscher Konzerne, insbesondere der IG Farben. Seine Spezialgebiete waren Faschismus, Zwangsarbeit, Konzentrationslager sowie der Aufstieg der IG Farben zum größten europäischen Konzern. In seinen Veröffentlichungen beleuchtete Schmelzer die Machtfülle der IG Farben in verschiedenen Staatsformen (Kaiserreich, Weimarer Republik, Drittes Reich) und deren Entwicklung zum NS-Musterbetrieb. Auch für die Entschädigung überlebender Zwangsarbeiter sowie für die Auflösung der bis zum vergangenen Jahr (!) existierenden IG Farben (in Abwicklung) setzte sich Schmelzer bis zuletzt ein.

Dr. Janis Schmelzer lehrte u. a. an der Universität Halle-Wittenberg. Zu den von ihm veröffentlichten Büchern gehören „IG Farben. Vom Rat der Götter“, „Devisen für den Endsieg“, „IG Farben, Auschwitz, Massenmord“ sowie die Untersuchung „Die Herren Generale“, in der die Unterstützung der deutschen Chemie-Industrie für das Franco-Regime beleuchtet wird. Nach der Angliederung der DDR erhielt er aufgrund der von der Bundesregierung betriebenen „Säuberung“ von Universitäten, Schulen und Behörden, wie tausende mit ihm, de facto Berufsverbot und musste den Rest seines Lebens - immerhin 22 Jahre - zusammen mit seiner Frau Ilse in Berlin unter kargen Umständen leben.

Einer seiner besonderen Verdienste um den Antifaschismus liegt schon länger zurück: Er war maßgeblich an dem Gutachten beteiligt, das in den 50er Jahren das drohende Verbot der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes (VVN) verhinderte. Janis Schmelzer sorgte auch dafür, dass die Firmenarchive der IG Farben und anderer für die faschistischen Verbrechen mitverantwortlicher Konzerne nach 1989/90 nicht heimlich, still und leise „entsorgt“ werden konnten. Die Konzerne wollten nur allzu gerne die Akten ihrer ehemaligen Betriebe auf dem Gebiet der DDR abtransportieren und verschwinden lassen. Auch Dank des Engagements von Janis Schmelzer landete das Material im Bundesarchiv (wie es dort gehandhabt wird, ist allerdings ebenfalls nicht befriedigend).

Regelmäßig schrieb Janis Schmelzer für „Stichwort BAYER“, die Zeitschrift der Coordination gegen BAYER-Gefahren. Für die Stiftung ethecon - Ethik & Ökonomie betreute er seit deren Gründung im Jahr 2004 ehrenamtlich die Geschäftsstelle in Berlin.

Die CBG verliert mit Janis Schmelzer einen wichtigen Ratgeber zur Geschichte der deutschen Chemie-Industrie. Wir werden sein Andenken in Ehren halten und sein konzernkritisches und antifaschistisches Werk fortführen.

(Urnenbeisetzung am Freitag, 25. Januar 2013 um 11.30 Uhr auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde/Gudrunstraße in Berlin).

[IG Farben] STICHWORT BAYER 01/2012

CBG Redaktion

NS-Verbrecher in BAYER-Diensten

Das Kap der letzten Hoffnung

Nach dem Krieg setzte sich der hohe Nazi Walther Rauff nach Südamerika ab. Aber er blieb Deutschland verbunden: Rauff war zeitweilig für BAYER tätig und arbeitete für den Bundesnachrichtendienst.

Walther Rauff hatte gute Gründe, sich nach dem Krieg dem Zugriff der Alliierten zu entziehen. Im „Dritten Reich“ unterstand ihm nämlich die Entwicklung der Gaswagen. Diese mobilen Tötungskammern markierten ein Zwischenstadium hin auf dem Weg zum industrialisierten Massenmord in den KZ. Die Nazis ersannen sie, weil „Erschießen doch nicht die humanste Art sei“, sich seiner Feinde zu entledigen, wie Himmler befand. Seine Sorge galt dabei allerdings nicht den Opfern, sondern den Tätern. Der SS- und Polizeichef hatte 1941 in Minsk Massentötungen beigewohnt und sie als zu belastend für die Ausführenden erlebt. Deshalb erließ er den Befehl, nach einer „humaneren Tötungsart“ zu suchen.

Und so entstanden unter der Ägide von Walter Rauff als Gruppenleiter im Reichssicherheitshauptamt die Gaswagen. Sie leiteten tödliches Kohlenmonoxid von den Auspuffen in den Laderaum und brachten so den dort hineingepferchten Menschen den Tod. Rund 97.000 Menschen kamen auf diese Weise um. Von Minsk bis zum Kaukasus reichte die Blutspur. Rauff lehnte später jede Verantwortung dafür ab. „Ich war niemals persönlich anwesend, wenn die Todeswagen in Tätigkeit gesetzt wurden und in ihnen Personen getötet wurden“, erklärte er bei einer Vernehmung kurz nach dem Krieg. Und 1962 gab der Kriegsverbrecher zu Protokoll, dass seine Arbeit nur „die technische Seite betraf und mit der Tötung von Menschen nichts zu tun hatte“. Das anonymisierte und arbeitsteilige Töten erlaubte es den Nazi-Schergen, sich jeglichen Gefühls persönlicher Schuld zu entledigen - und genau das hatte Himmler mit seinem Vorstoß auch bezweckt.

Die KZ perfektionierten den maschinellen Mord dann weiter und machten die mobilen Gaskammern überflüssig. Rauff ging als Leiter einer Einsatzgruppe der Sicherheitspolizei nach Tunis. Dort verpflichtete er alle männlichen Juden zur Zwangsarbeit und stellte ihrer Gemeinde die Kosten für die durch die alliierten Luftangriffe entstandenen Schäden in Rechnung: 20 Millionen Francs. Nach der Kapitulation der deutschen Wehrmacht in Nordafrika wechselte der NS-Funktionär nach Italien. Als Leiter der Gruppe „Oberitalien West“ führte Rauff dort ein hartes Regiment. So gab er den Befehl, für jeden getöteten Deutschen zehn Italiener zu erschießen, und ging gegen Streikende und WiderstandskämpferInnen vor. Seine Vorgesetzten dankten ihm dafür, „dass die Unruhen im Keim erstickt wurden oder niedergeschlagen wurden“ und verliehen im noch Februar 1945 das Kriegsverdienstkreuz.

Dementsprechend heißt es in der Akte „Rauff“, die der US-Geheimdienst nach dem Krieg anlegte: „Die ‚Quelle‘ ist, wenn sie je freikäme, als Bedrohung zu betrachten. Sofern sie nicht ausgeschaltet wird, sollte man sie für lebenslange Einsperrung empfehlen“. Auf freiem Fuß blieb Walther Rauff dann auch nicht lange. Er landete im Lager Rimini, brach aber bald aus. Dank bester Verbindungen zum Vatikan fand er zunächst in Klöstern Unterschlupf. Später kam der SS-Standartenführer in Kontakt zu einem syrischen Militär, der ihm anbot, seine NS-Erfahrungen zu nutzen und in dem vorderasiatischen Staat den Geheimdienst mit aufzubauen. Rauff nahm die Offerte an. Nach einem Machtwechsel musste er das Land jedoch wieder verlassen und kehrte über Beirut nach Italien zurück, um von dort aus Ende 1949 nach Südamerika aufzubrechen.

In BAYER-Diensten
Seine erste Station auf dem Kontinent war Ecuador. Nach verschiedenen Tätigkeiten in Handelsvertretungen für MERCEDES BENZ, OPEL und US-amerikanische Pharma-Multis trat Rauff in die Dienste der deutsch-ecuadorianischen Firma Moeller-Martinez ein. Hier durfte er sich wahrhaft zu Hause fühlen, denn die Familie Moeller-Martinez zählte zu den glühensten Parteigängern Hitlers in dem Staat. Firmenchef Gustavo Moeller-Martinez gehörte den ecuadorianischen Ablegern der Wehrmacht und Waffen-SS an, kämpfte wie sein Sohn im Zweiten Weltkrieg und wurde nach 1945 von den Alliierten festgesetzt.

Sein Unternehmen fühlte sich ebenfalls der Heimat verbunden. Es nahm die Interessen des Leverkusener Multis und anderer bundesdeutscher Gesellschaften in Ecuador wahr. Als Prokurist und Verkaufsleiter kümmerte sich Walter Rauff dort unter anderem um die Angelegenheiten des Chemie-Multis. Die „Aufgeschlossenheit“ von BAYER, MERCEDES & Co. für NS-Täter kam nicht von ungefähr. „Die Vertretungen von Firmen wie BAYER, HOECHST und BASF hatten oft alte Kameraden in Europa und Übersee inne“, schreibt der Historiker Gerald Steinacher in seinem Buch „Nazis auf der Flucht“. Simon Wiesenthal bezeichnete derweil die Niederlassungen von SIEMENS, KRUPP und VW in Argentinien als „reine Nazi-Nester“. Bei MERCEDES bestand fast die gesamte Führungsebene aus Einwanderern, darunter Wehrmachtsangehörige, SS-Offiziere und andere Funktionsträger. Sogar die schlimmsten Nazis wie Adolf Eichmann, der Organisator der Massendeportationen von Juden und Jüdinnen, oder der Schlachtflieger Hans-Ulrich Rudel fanden ein Auskommen bei MERCEDES oder anderen bundesdeutschen Betrieben. Steinacher zufolge war dies aber nicht nur ideologischen Seilschaften zu verdanken, auch ganz praktische Erwägungen leiteten diese Personalpolitik: Die Migranten sprachen Deutsch, hatten in der Regel eine gute Ausbildung und gaben sich hoch motiviert.

Über die Zahlen der aus Deutschland, Österreich und anderen Ländern nach Südamerika geflüchteten Nationalsozialisten existieren unterschiedliche Angaben. Die Alliierten gingen von rund 50.000 Kriegsverbrechern aus. Der Historiker Holger M. Meding kommt in seinem Werk „Flucht vor Nürnberg?“ allein für Argentinien auf 19.000 EinwanderInnen. Dabei handelte es sich allerdings nicht nur um „Demokratie-Verfolgte“, wie sich die Faschisten selber nannten. Meding beziffert das Quantum der höheren NS-Funktionsträger unter den Neu-Argentiniern auf 300 bis 800 und das der gesuchten Kriegsverbrecher und Massenmörder auf 50. Gaby Weber spricht in „DAIMLER-BENZ und die Argentinien-Connection“ hingegen von „mindestens 300“ auf den Fahndungslisten stehenden Nazi-Größen.

Wie vielen davon BAYER Unterschlupf gewährte, darüber gibt es in der ohnehin spärlichen Literatur keine Informationen. Bekannt wurde nur noch ein weiterer Fall, der des Juan Felipe Darnand. Er gehörte zu der von den Nazis im besetzten Frankreich gegründeten französischen Miliz. Von Darnands Vater Joseph befehligt, machte die Truppe Jagd auf Resistance-KämpferInnen. Als sich die Vichy-Regierung nach der Landung der Alliierten auf das Schloss Sigmaringen zurückziehen musste, bildeten die Milizionäre zusammen mit ein paar hundert Soldaten ihre Leibgarde. Diese Nibelungentreue machte sie nach dem Krieg zu gesuchten Kollaborateuren. Joseph Darnand erhielt das Todesurteil und wurde erschossen. Seinem Sohn gelang unter dem Decknamen Felipe Foucachon die Flucht nach Argentinien, wo er dann unter anderem bei BAYER Arbeit fand.

Treu zu NS-Diensten
Die Seilschaften, die so etwas ermöglichten, hatten sich in den 1930er Jahren herausgebildet. Im September 1937 hielten die Manager der von BAYER mitgegründeten IG FARBEN fest: „Es versteht sich dabei von selbst, dass keine Männer in unsere ausländischen Niederlassungen geschickt werden, die nicht der Deutschen Arbeitsfront angehören und die keine positive Haltung der neuen Ordnung gegenüber haben. Die dorthin beorderten Männer sollten es als ihre besondere Pflicht ansehen, das nationalsozialistische Deutschland zu repräsentieren“ (rückübersetzt aus dem Englischen, Anm. SWB).

Gemäß dieser Direktive leisteten die Angestellten BAYERs und anderer IG-Firmen wichtige Dienste für das faschistische Vaterland. Oft waren sie überdies direkt für Nazi-Organisationen tätig. So baute der BAYER-Manager und NSDAP-Funktionär Werner Siering den NS-Geheimdienst in Chile auf, während zwei seiner Kollegen in Venezuela für die Partei und den damaligen militärischen Abschirmdienst arbeiteten. In Mexiko war Baron von Humboldt in Personalunion Chef der dortigen IG-Niederlassung und der Gestapo. In Ecuador hatte L. E. Brueckmann, Leiter der zur IG FARBEN gehörenden Firma BRUECKMANN & Co., gleichzeitig das Amt eines Konsuls inne und wählte auch seine Konsulatsmitarbeiter teilweise aus Belegschaftskreisen aus. Darüber hinaus hatten zwei seiner Beschäftigten hohe Positionen in der ecuadorianischen Nazi-Partei inne. In Peru gehörten derweil zwei NS-Geheimdienstler zu den Führungskräften, und die BASF- und BAYER-Zentralen in Rio de Janeiro bezeichnete der für die Nürnberger Prozesse erstellte Untersuchungsbericht sogar als „Hauptzentren der Nazi-Aktivitäten in Brasilien“.

Darüber hinaus stellten die so genannten Verbindungsmänner der IG FARBEN in ihren monatlichen Bulletins wichtige politische, wirtschaftliche und militärische Informationen über die südamerikanischen Länder zusammen und verzeichneten beispielsweise Aufrüstungsbestrebungen oder Waffenlieferungen. „Natürlich verfügt ein Konzern wie die IG FARBEN (...) über Erfahrungen und Wissen, das von den Regierungsstellen nicht gesammelt werden kann (...) Darum ist es die Pflicht unseres Führungspersonals außerhalb Deutschlands, seine Kenntnisse allen staatlichen Einrichtungen zur Verfügung zu stellen“, konstatierte IG-Direktor Max Ilgner 1936 nach einer Lateinamerika-Dienstreise.

Zudem gewährten die südamerikanischen IG-Gesellschaften vielen Nazi-Spionen Unterschlupf und arbeiteten eng mit dem „Aufklärungsausschuss“ zusammen, dem Auslandsableger von Goebbels‘ Propaganda-Ministerium. Auch spendeten sie eifrig für die NSDAP. Allein die brasilianischen BAYER-Niederlassungen brachten mehr als 3,6 Millionen Reichsmark für die Organisation auf.

BAYER & das Militär
Nach dem Krieg lebten diese Traditionen fort. Eine „Entnazifizierung“ hatten die Hitler-Getreuen in Lateinamerika noch weniger zu fürchten als ihre Kollegen daheim. Das politische Umfeld auf dem Kontinent mit seinen oftmals autokratischen oder diktatorischen Regimen kam ihnen dabei sehr entgegen. Die ideologische Wahlverwandtschaft ermöglichte ein enges Verhältnis zu den Machthabern. So klagte noch 1978 der brasilianische Gewerkschaftler Jose Ibrahim über die guten Beziehungen bundesdeutscher Unternehmen zu den Generälen: „Aus der Bundesrepublik Deutschland sind da insbesondere VW, DAIMLER-BENZ, MANNESMANN, KRUPP, BAYER, HOECHST, SIEMENS, BASF, VOIGT u. a. zu nennen. Man könnte die Liste beliebig fortsetzen, zu der etwa 50 große westdeutsche Konzerne gehören, die in Brasilien die Privilegien genießen, die ihnen die Militärdiktatur einräumt“. Und zu diesen Privilegien gehörte vor allem, mit den Beschäftigten nach Belieben umspringen zu können. „Bei allen ausländischen Multis herrscht Repression in den Fabrikhallen: Der Arbeiter, der seine berechtigten Forderung stellt, der reklamiert, der protestiert, wird gefeuert und sofort bei der Polizei denunziert“, so Ibrahim.

Argentinien hat der als „Nazi-Jäger“ berühmt gewordene Simon Wiesenthal wegen seines Wohlwollens gesuchten Nazi-Größen gegenüber einmal als „Kap der letzten Hoffnung“ für Kriegsverbrecher bezeichnet. Andere Länder standen dem Andenstaat jedoch kaum nach. Walther Rauff wählte schließlich Chile als Wahlheimat. Er verließ Ecuador 1958 und beendete damit auch seine Dienste für BAYER. Unter anderem im Bundesnachrichtendienst fand er - wiederum durch alte Seilschaften - einen neuen Arbeitgeber. Seine Überzeugungen änderte Rauff nie. Auslieferungs- und Ausweisungsgesuche, von Wiesenthal, Beate Klarsfeld und anderen betrieben, scheiterten immer wieder. So konnte seine Beerdigung 1984 zu einem Klassentreffen Rechtsextremer werden, mit „Sieg Heil“- und „Heil Hitler“-Rufen und Flugblättern, die den Holocaust leugneten.
Von Jan Pehrke

[Carl Duisberg] STICHWORT BAYER 01/2012

CBG Redaktion

150. Geburtstag von Carl Duisberg

„Ein verbrecherisches Genie“

Am 29. September jährte sich zum 150. Mal der Geburtstag von Carl Duisberg, dem geistigen Vater der IG FARBEN. Der langjährige, streng nationalistische BAYER-Generaldirektor war im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas und die Ausbeutung von Zwangsarbeitern. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN forderte anlässlich des Jahrestags die Umbenennung von Straßen und Schulen, die nach Duisberg benannt sind, sowie den Entzug der Leverkusener Ehrenbürgerschaft.

Von Philipp Mimkes

Aufwendig ließ die BAYER AG Ende September die Grabstätte von Carl Duisberg in Leverkusen dekorieren. „Besonders sein Innovationsgeist unterschied ihn von anderen Managern seiner Zeit“, so eine Pressemitteilung der Firma zum Jubiläum, und weiter: „Duisberg erkannte schon früh die Notwendigkeit zur Erschließung neuer Geschäftsfelder„.
Zimperlichkeit kann man Duisberg bei dieser „Erschließung“ nicht vorwerfen. Ob es der Verkauf von Heroin als Hustenmittel, die Produktion von Giftgas und Sprengstoff im 1. Weltkrieg oder die Entwicklung giftiger Pestizide war - für Profite ging der eingefleischte Feind der Gewerkschaften buchstäblich über Leichen. „Revolutionär oder Ausbeuter?“ betitelte der Leverkusener Anzeiger denn auch seinen Artikel zum Geburtstag des Patriarchen.
1883 hatte Duisburg seine Arbeit bei den „Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co.“ mit Sitz in Wuppertal aufgenommen. Der Chemiker arbeitete zunächst an der Entwicklung neuer Farbstoffe. Bereits 1888 wurde Duisberg Prokurist und Leiter der Forschungsabteilung. Wenige Jahre später plante er den Umzug nach Leverkusen, wo eine der damals größten Chemie-Fabriken der Welt entstand. 1900 wurde Duisberg zum Vorstandsmitglied und 1912 zum Generaldirektor ernannt. Angeregt durch Reisen in die USA, wo er die riesigen Trusts wie Standard Oil kennen lernte, verfasste er 1904 die “Denkschrift über die Vereinigung der deutschen Farbenfabriken„. 20 Jahre lang blieb er die treibende Kraft des Zusammenschlusses, der schließlich 1925 erfolgte.

Aspirin und Heroin
Einer der Grundsteine für den Aufstieg der einstigen Farbenfabrik zu einem Weltkonzern war der Verkaufserfolg von Heroin und Aspirin. BAYER hatte das „gut verträgliche Hustenmittel“ Heroin im Jahr 1898 zusammen mit dem Schmerzmittel Aspirin auf den Markt gebracht. Im Jahr 1900 startete ein bis dahin nie da gewesener Werbefeldzug: auf dem ganzen Globus wurden Anzeigen geschaltet, Ärzte wurden erstmals flächendeckend mit Gratisproben versorgt, und Niederlassungen von Brasilien bis China brachten die Präparate bis in die entlegensten Gebiete. Heroin wurde für eine breite Palette von Krankheiten beworben, darunter Multiple Sklerose, Asthma, Magenkrebs, Epilepsie und Schizophrenie. Sogar bei Darmkoliken von Säuglingen sei Heroin wirksam.
Als Kritiker die Sicherheit des Tausendsassas in Frage stellten, forderte Carl Duisberg, die Querulanten “mundtot zu schlagen„. Und weiter: “Wir dürfen nicht dulden, dass in der Welt behauptet wird, wir hätten unvorsichtigerweise Präparate poussiert, die nicht sorgfältig probiert sind“. Obwohl sich rasch die Gefahr der Abhängigkeit herausstellte, führte der Konzern den gewinnbringenden Verkauf über Jahrzehnte hinweg fort.

Annexionen gefordert
Historisch wichtig ist Carl Duisbergs Rolle im ersten Weltkrieg, wo er sich in alle kriegswichtigen Belange einmischte. So trat Duisberg für den unbeschränkten U-Boot-Krieg, die (völkerrechtswidrige) Bombardierung Englands und die Annexion von Belgien und Nordfrankreich ein. Auch forderte er im besetzten Polen und Russland neuen „deutschen Lebensraum“. Mit der Obersten Heeresleitung unter Hindenburg und Ludendorff stand der BAYER-Chef in engem Kontakt und setzte sich erfolgreich für die Absetzung des angeblich zu nachgiebigen Kanzlers Bethmann-Hollweg ein.
Im Herbst 1916 beklagte Duisberg den Mangel an Arbeitskräften und forderte mit dem Ausspruch „Öffnen Sie das große Menschenbassin Belgien„ den Einsatz von Zwangsarbeitern. Das Reichsamt des Inneren griff den Vorschlag auf und ließ rund 60.000 Belgier deportieren, was international zu Protesten führte.
Das Vorhaben scheiterte zwar größtenteils, unter anderem wegen eines Streiks der Belgier. Die Deportation gilt aber als Vorläufer des ungleich größeren Zwangsarbeiter-Programms im 2. Weltkrieg. Duisberg hatte bis zuletzt dafür plädiert, die Arbeitsmöglichkeiten und die Lebensmittel in Belgien zu rationieren, um die “Arbeitslust„ der Belgier in Deutschland zu steigern.
1917 trat Duisberg in die Deutsche Vaterlandspartei ein. Der Historiker Prof. Hans Ulrich Wehler nennt die Vaterlandspartei eine „rechtsextreme Massenorganisation mit deutlich präfaschistischen Zügen“, die die „fanatisierten Anhänger eines Siegfriedens und exorbitanter Kriegsziele“ zusammenführte. Ihre Parolen waren, so Wehler, „eine „giftige Fusion aus Antisemitismus, Radikalnationalismus und Expansionismus“.

Giftgasforschung
Im Herbst 1914 wurde auf Vorschlag des Kriegsministeriums eine Kommission ins Leben gerufen, die sich mit der Nutzung der giftigen Abfallstoffe in der Farbenindustrie beschäftigen sollte. Diese unterstand der Leitung von Carl Duisberg und Walter Nernst (Chemieprofessor an der Universität Berlin). Fritz Haber, Direktor des Kaiser Wilhelm-Instituts für physikalische Chemie und Elektrochemie, schlug der Heeresleitung die Nutzung von Chlorgas für militärische Zwecke vor, wobei wissentlich gegen die Haager Landkriegsordnung verstoßen wurde.
Carl Duisberg war bei den ersten Chlorgasversuchen auf dem Kölner Truppenübungsplatz Wahn persönlich anwesend. Begeistert pries Duisberg den Chemie-Tod: „Die Gegner merken und wissen gar nicht, wenn Gelände damit bespritzt ist, in welcher Gefahr sie sich befinden und bleiben ruhig liegen, bis die Folgen eintreten.“ In Leverkusen wurde eigens eine Schule für den Gaskrieg eingerichtet.
Der erste Einsatz von Chlorgas durch das deutsche Heer erfolgte im belgischen Ypern. Unter Duisbergs Leitung wurden bei Bayer weitere Kampfstoffe entwickelt: Phosgen, das giftiger war als Chlorgas und mit farbig markierten Geschossen, sog. „Grünkreuz“-Granaten, verschossen wurde, und später Senfgas. Insgesamt geht die Forschung von insgesamt 60.000 Toten des von Deutschland begonnen Gaskrieges aus.
Zu Kriegsende befanden sich Duisberg und Haber auf den Auslieferungslisten der Alliierten und mussten eine Anklage als Kriegsverbrecher fürchten.

Lebenswerk IG Farben
Der größte persönliche Erfolg für Carl Duisberg war die 1925 erfolgte Gründung der IG FARBEN zum damals größten europäischen Konzern. Der Zusammenschluss umfasste BAYER, BASF, HOECHST und einige kleinere Firmen. Duisburg wurde erster Aufsichtsratsvorsitzender.
Der Weimarer Republik hatte Duisburg von Beginn an feindlich gegenüber gestanden. Er organisierte Spenden der Industrie an konservative und nationalistische Parteien und baute den Einfluss auf die Presse aus (so erwarben die IG Farben in einer geheimen Transaktion 49% der Frankfurter Zeitung, dem Vorläufer der FAZ).
1931 forderte Duisberg: „Fortwährend ruft das deutsche Volk nach einem Führer, der es aus seiner unerträglichen Lage befreit. Kommt nun ein Mann, der bewiesen hat, dass er keine Hemmungen hat, so muss diesem Mann unbedingt Folge geleistet werden.“ Im selben Jahr verlangte Duisberg in einer Rede vor der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf die Schaffung eines europäischen Wirtschaftsblocks unter deutscher Dominanz.
Spätestens ab 1930 leisteten die IG FARBEN direkte Spenden an die NSDAP und erhielten nach 1933 Absatzgarantien für synthetischen Treibstoff und Kautschuk. In der Folge kollaborierte kein anderes Unternehmen so eng mit dem Dritten Reich. Anlässlich seiner Pensionierung frohlockte Carl Duisberg denn auch: „Ich freue mich auf einen Lebensabend unter unserem Führer Adolf Hitler.“ Hitler wiederum kondolierte zum Tod Duisbergs 1935: „Die deutsche Chemie verliert in ihm einen ihrer ersten Pioniere und einen erfolgreichen Führer, die deutsche Wirtschaft einen ihrer großen Organisatoren. Sein Name wird in Deutschland in Ehren weiterleben.“

Umbenennungen gefordert
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN beschäftigt sich seit den 80er Jahren mit der Geschichte des BAYER-Konzerns und war u.a. Herausgeber des Buchs „Von Anilin bis Zwangsarbeit – Die Geschichte der IG Farben“. Zum 150. Geburtstag von Carl Duisberg startete die CBG nun eine Kampagne zur Umbenennung der nach Duisberg benannten Straßen, Schulen und Wohnheime.
In einem Aufruf der CBG heißt es: „Carl Duisberg war ein extremer Nationalist, eine Persönlichkeit von patriarchaler Herrschsucht und ein erbitterter Feind der Gewerkschaften. Man kann Duisberg nur als „verbrecherisches Genie“ bezeichnen, das Zeit seines Lebens die Moral dem Geschäftssinn unterordnete. Wegen seiner Verantwortung für den Einsatz von Giftgas, die Ausbeutung von Zwangsarbeitern und die enge Zusammenarbeit mit dem Nazi-Regime taugt der ehemalige BAYER-Generaldirektor nicht als Vorbild für künftige Generationen!“.
Die CBG fordert eine Umbenennung der nach Duisberg benannten Schulen (z.B. das Carl Duisberg Gymnasium in Wuppertal), Straßen (so in Bonn, Krefeld, Marl, Dormagen, Dortmund und Leverkusen) sowie der gemeinnützigen Carl Duisberg-Centren. In einem Brief an den Leverkusener Oberbürgermeister Reinhard Buchhorn forderte das Netzwerk zudem die Aberkennung der Ehrenbürgerwürde von Leverkusen; ein entsprechender Antrag wurde über die Fraktion der Linken auch in den Stadtrat eingebracht.

Diskussion geht weiter
Bereits in den 80er Jahren hatten die Wuppertaler Grünen erfolglos die Forderung nach einer Umbenennung von Duisberg-Schulen und -Straßen erhoben. Schüler des Gymnasiums hatten damals Zugang zum BAYER-Archiv erhalten und die Broschüre „Untersuchungen zu Carl Duisberg“ sowie eine kritische Dauerausstellung erstellt.
Damals wie heute berichten die Medien ausführlich. Die Verantwortlichen halten sich jedoch auch diesmal bedeckt. So antwortete die Leverkusener Stadtverwaltung, dass die Ehrenbürgerschaft Duisbergs ohnehin mit seinem Tod erloschen sei - ein nicht stichhaltiges Argument, da anderen belasteten Ehrenbürgern der Titel auch posthum aberkannt wurde. Eine Straßenumbenennung wird von der Verwaltung aus Kostengründen abgelehnt, auch bestehe hieran „kein öffentliches Interesse“.
Ähnlich ist die Entwicklung in Wuppertal. Zwar will die Stadt das Thema in der für Umbenennungen zuständigen „Kommission für eine Kultur des Erinnerns“ diskutieren. Auch wandten sich der Historiker-Verband „Verein zur Erforschung der sozialen Bewegungen im Wuppertal“ sowie die Wuppertaler Grünen erneut an den Oberbürgermeister, was vor Ort zu zahlreichen Diskussionen sorgte. Doch bereits vor dem nächsten Treffen der Kommission äußerten Vertreter der Stadt, dem Gymnasium, das im September zufälliger Weise ebenfalls seinen 150. Geburtstag feierte, die Entscheidung über die Namensgebung selbst zu überlassen.
Die Schulleitung positioniert sich derweil eindeutig. Anfragen der CBG zum Namensgeber wurden nicht beantwortet. In der Festschrift zum Schuljubiläum findet sich zwar ein Kapitel zu Duisburg, dieses wurde jedoch von Rudolf Kespe verfasst - dem selben, mittlerweile pensionierten Geschichtslehrer, der eine Umbenennung vor 25 Jahren ablehnte.
„Wir haben den Eindruck, dass auf dilettantische Art und Weise an die Vergangenheit von Carl Duisberg herangegangen wird“, kommentiert Dr. Stephan Stracke vom Historiker-Verband. Marc Schulz, ehemaliger Schüler des Carl Duisberg-Gymnasiums und schulpolitischer Sprecher der Wuppertaler Grünen, ergänzt gegenüber der Berliner “tageszeitung„: “Vergleicht man die Festschrift von diesem Jahr mit der Festschrift zum 125-jährigen Bestehen, so hat sich der Blick und die kritische Haltung bedenklich verflacht und scheint um Jahre zurückgeworfen“. Vor diesem Hintergrund sei eine neue Diskussion über den Namen nötig. Auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN wird die Kampagne zu Duisberg fortführen.

Teile des Textes sind dem Offenen Brief „Für die Umbenennung des Carl Duisberg Gymnasiums in Wuppertal“ des Vereins zur Erforschung der sozialen Bewegungen im Wuppertal vom 23.9. 2011 entnommen

alle Infos zur Kampagne

[Ticker] STICHWORT BAYER 01/2012 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Preis für die CBG
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN und ihr Gründungsmitglied Axel Köhler-Schnura erhielten am 24. September 2011 den „Henry-Mathews-Preis“ der KRITISCHEN AKTIONÄRINNEN UND AKTIONÄRE. In der Laudatio hieß es: „Eine beeindruckende Anzahl von Aktionen hat eure konzernkritische Arbeit begleitet. Zum Beispiel im Jahr 2000, als ihr auf dem jährlich stattfindenden Gedenktag ‚Day of no Pesticides‘ an die Bhopal-Opfer des Giftgasunfalls in Indien 1984 erinnert habt und mit Giftspritzen, Kreuzen und Transparenten vor BAYER aufgetreten seid (...) Neben den Hauptversammlungs-Auftritten und Aktionen begleitet Ihr BAYER mit kritischen Analysen. Daneben unterstützt ihr weltweit Bürgerinitiativen, wenn sie in euer Aufgabenfeld gehören.“ Axel Köhler-Schnura dankte mit den Worten: „Ich wurde geehrt mit dem Henry-Mathews-Preis. Wofür? Für etwas, das doch selbstverständlich ist: Aufzustehen gegen Unrecht und Verbrechen. Und zwar so, wie es einem möglich ist. Dieser Preis steht Unzähligen zu. Und so sehe ich mich stellvertretend für all diese namenlosen Unbekannten, die tagtäglich das Gleiche tun wie ich“.

TDI-Anlage in der Kritik
Auf den von der Bezirksregierung Köln in der ersten Oktober-Woche 2011 einberufenen Erörterungsterminen zur Toluylendiisocyanat-Anlage, die BAYER in Dormagen plant, mussten sich die Konzern-Emissäre viel Kritik anhören (siehe auch SWB 1/12). Die VertreterInnen von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, dem BUND und der DORMAGENER AGENDA 21 beanstandeten die fehlenden Angaben zur Umweltbelastung, eine mangelhafte Störfall-Vorsorge und eine ungenügende, da nur mit Blech statt mit Beton vorgenommene Ummantelung der Produktionsstätte. Zudem verlangten sie den Einbau einer Schutzwand, die bei einer Explosion mit nachfolgendem Phosgen-Austritt neutralisierendes Ammoniak freisetzen könnte. Die Bezirksregierung ließ das nicht unbeeindruckt. Sie dürfte das Projekt aber trotzdem genehmigen und im günstigsten Fall einige Nachbesserungen einfordern.

Duisbergs 150. Geburtstag
Am 29. September 2011 jährte sich der Geburtstag des langjährigen BAYER-Generaldirektors Carl Duisberg zum 150. Mal. Er war im 1. Weltkrieg verantwortlich für den Einsatz von Giftgas und die Ausbeutung von Zwangsarbeitern. Zudem hatte er einen maßgeblichen Anteil an der Gründung des Mörderkonzerns IG FARBEN. Da dem Ex-Chef des Leverkusener Multis trotz alledem immer noch in Ehren gedacht wird, startete die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) eine Kampagne. Sie forderte anlässlich des Jahrestags die Umbenennung von Straßen und Schulen, die Duisbergs Namen tragen, sowie den Entzug der Leverkusener Ehrenbürgerschaft (siehe auch SWB 1/12).

Kritik an Kölner Universität
Der Politologe Thomas Kliche hat den Kooperationsvertrag der Universität Köln mit BAYER scharf kritisiert und als „korporative Korruption“ bezeichnet. „Forscher mit Geld von Unternehmen finden häufiger die gewünschten Wirkungen und interpretieren ihre Ergebnisse netter zugunsten der Pillen“, sagte Kliche in einem Interview mit der taz. Er monierte auch die immer stärkere Abhängigkeit der Hochschulen von Drittmitteln, weil das die Einrichtungen den Wünschen der Konzerne gegenüber gefügiger mache. Um Transparenz zu gewährleisten, forderte der Wissenschaftler deshalb die Offenlegung der Vereinbarung und ergänzte: „Aber damit kann es nicht getan sein, weil solche Abkommen ja oft bewusst unverfänglich formuliert werden. Auch die Rahmenbedingungen müssen sich ändern. Da könnten interessanterweise Arbeitnehmervertretungen in der Forschung helfen, denn sie stärken die unteren Ebenen gegen den sanften Erwartungsdruck von oben.“

Anfrage zu Kooperationsverträgen
Einen Kooperationsvertrag, wie ihn die Kölner Hochschule mit BAYER vereinbart hat (siehe oben), schließen immer mehr Universitäten mit Wirtschaftsunternehmen ab. Die Partei „Die Linke“ nahm die Zusammenarbeit der Berliner Humboldt-Universität mit der DEUTSCHEN BANK zum Anlass, eine Anfrage an die Bundesregierung zu stellen. Diese sieht die Freiheit von Wissenschaft und Lehre durch solche Partnerschaften allerdings nicht gefährdet. Darum will sie auch keinen Handlungsbedarf erkennen, und zwar gerade im Namen dieser Freiheit. „Die grundgesetzliche garantierte Freiheit von Forschung und Lehre begrenzt die staatliche Einflussmöglichkeit“, so die CDU/FDP-Koalition. Auch an der Geheimhaltungspolitik, wie sie beispielsweise BAYER und die Kölner Uni mit Vehemenz verfechten, stört sie sich nicht. „Angesichts der vielfältigen Formen der Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft sowie der zahlreichen rechtlichen Implikationen, z. B. mit Blick auf den Schutz personenbezogener Daten, den Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen oder den Schutz geistigen Eigentums erachtet die Bundesregierung (...) eine generelle Pflicht zur Veröffentlichung von Kooperationsverträgen als rechtlich bedenklich“, heißt es in der Antwort.

Forscher warnt vor Glyphosat
Gentech-Pflanzen weisen Resistenzen gegenüber bestimmten Pestiziden auf und können auf den Feldern deshalb bis zum Abwinken mit ihnen besprüht werden. Das bekannteste Mittel ist Glyphosat, das hauptsächlich in Kombination mit MONSANTO-Genpflanzen der „ROUND UP“-Baureihe, aber auch mit BAYER-Produkten wie der Baumwolle „GHB 614“ zum Einsatz kommt. Der emeritierte US-Agrarwissenschaftler Don Huber hat den Präsidenten der Europäischen Kommission, Manuel Barroso, jetzt in einem Brief eindringlich vor Glyphosat gewarnt, da es seiner Meinung nach zahlreiche Risiken und Nebenwirkungen hat. So kann es zum Absterben von Soja-Gewächsen und zum Verwelken von Mais führen. Zudem senkt es Huber zufolge die pflanzen-eigenen Widerstandskräfte. Deshalb riet der Forscher der EU, keine Laborfrüchte zuzulassen, die den Gebrauch von Glyphosat nach sich ziehen.

Demo gegen Patente auf Pflanzen
BAYER & Co. betreiben die Privatisierung der Natur nicht nur vermittels der Gentechnik. Sie streben auch immer mehr Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen wie z. B. Brokkoli an. So hat das Europäische Patentamt BAYER unlängst geistiges Eigentum auf eine besser vor Mehltau geschützte Gurke sowie auf eine Ackerfrucht mit erhöhter Stress-Resistenz zugesprochen. Doch gegen das Vorgehen der Konzerne erhebt sich Widerstand. Am 26. Oktober 2011 kam es vor dem Europäischen Patentamt in München zu einer Demonstration gegen den botanischen Imperialismus der Agro-Multis.

Naturland ohne Nano
Die Nanotechnologie lässt Werkstoffe auf winzig kleine Größen schrumpfen. Dabei entwickeln BAYERs BAYTUBES und andere Nano-Produkte jedoch unbekannte und nicht selten gefährliche Eigenschaften. Wegen dieses Risiko-Profils hat sich der Ökoverband „Naturland“ entschieden, keine Lebensmittel, Kosmetika oder Verpackungsmaterialien auf Nano-Basis mit seinem Label zu versehen.

KAPITAL & ARBEIT

Erfolgreicher Arbeitskampf in Berkeley
Das BAYER-Werk in Berkeley gehört zu den wenigen US-Niederlassungen des Konzerns mit einer organisierten Arbeiterschaft. Darum gelang es in harten Tarifverhandlungen, die von Solidaritätsaktionen im ganzen Land begleitet waren, auch, deutliche Verbesserungen für die Beschäftigten zu erreichen. Die Gewerkschaft INTERNATIONAL LONGSHORE AND WAREHOUSE UNION (ILWU) vereinbarte mit der Betriebsleitung eine Entgelt-Steigerung von 3,1 Prozent über einen Zeitraum von vier Jahren, eine Begrenzung der Krankenversicherungskosten auf 18 Prozent des Gehalts sowie eine Sicherung der Arbeitsplätze. Donald Mahon von der ILWU sah den Erfolg als Bestätigung seiner Arbeit. „BAYER macht - so wie viele andere Unternehmen - Milliardenumsätze, aber damit sie den Arbeitern davon einen Teil abgeben, benötigt man gewerkschaftliche Organisation, Proteste sowie Druck von außerhalb und innerhalb der Werke“, so der Aktivist.

„Chemie Ost“ mit Entgelt-Angleichung
Im neuen Tarifvertrag für die ostdeutsche Chemie-Industrie ist es der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE gelungen, eine weitere Angleichung der Entgelte auf das West-Niveau zu erreichen. Gibt es bei den Eingangstarifen für verschiedene FacharbeiterInnen-Gruppen schon länger keine Unterschiede mehr, so soll nun auch die Differenz bei den vorgesehenen Erhöhungsstufen, die aktuell noch acht Prozent beträgt, schrumpfen. Zudem erweitert sich im Osten die Bemessungsgrundlage für die jährlichen Bonus-Zahlungen sukzessive, bis sie 2015 zum West-Wert von 95 Prozent des letzten Bruttogehaltes aufschließt.

IB BCE will Job-Garantie
Der Betriebsrat verhandelt mit der BAYER-Spitze über den Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen bis 2015. „Wegen massiver Umstrukturierungen, Ausgliederungen von Unternehmensteilen und angedrohtem Arbeitsplatz-Abbau benötigen die Beschäftigten klare Perspektiven und dauerhaft gesicherte Arbeit“, erklärte Gesamtbetriebsratschef Thomas de Win von der IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE. Allerdings gestalten sich die Gespräche schwierig. Sie werden nicht wie eigentlich vorgesehen zum Jahresende 2011 enden, BAYER-Chef Marijn Dekkers kündigte eine Einigung erst für Mitte 2012 an. De Win indessen reicht die Job-Garantie nicht. Er forderte auch mehr Engagement für die Niederlassungen in der Bundesrepublik: „BAYER muss an allen deutschen Standorten investieren.“.

Lohnangleichung für LeiharbeiterInnen
Der Leverkusener Multi beschäftigt Hunderte von LeiharbeiterInnen. Ihre Lage dürfte sich bald bessern. Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) erzielte mit dem „Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister“ nämlich eine Einigung über eine Lohnangleichung. Nach einem Zeitraum von drei Monaten sollen die ZeitarbeiterInnen sukzessive Zuschläge erhalten, bis ihr Entgelt dem der Stammbelegschaft entspricht, so die Regelung. Auch anderen Leiharbeitgebern will die IG BCE dieses Modell vorschlagen. Es tritt allerdings erst in Kraft, wenn es den anderen DBG-Gewerkschaften ebenfalls gelingt, das „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“-Prinzip durchzusetzen. Einigen von denen geht die Vereinbarung jedoch nicht weit genug. So lehnt etwa VER.DI die Stufenanpassung ab. „Da sich die Höhe des Lohns nach der Entleih-Dauer richtet, würden lediglich die Einkommensunterschiede zwischen Stammbelegschaft und Leiharbeitern zementiert“, konstatiert Jörg Wiedemuth von VERDIs tarifpolitischer Grundsatzabteilung. Zudem nimmt er es der IG BCE übel, den Leiharbeitsvorstoß nicht mit den anderen Gewerkschaften abgesprochen zu haben.

Auflösung der Diagnostika-Sparte
Seit dem 2006 erfolgten Aufkauf von SCHERING hat BAYER viele Arzneien des ehemaligen Berliner Pharma-Riesen ausgemustert. Der Konzern gab sich nämlich nicht dessen mit Umsatz-Erwartungen zufrieden. Während SCHERING neuen Produkten die Vorgabe von 100 Millionen Euro machte, erwartet der Leverkusener Multi 200 bis 300 Millionen. Neuester Coup: Der Konzern will die Sparte mit den ererbten Diagnostika-Produkten auflösen, die er schon länger vernachlässigt, weshalb bereits viele SCHERING-Ehemalige das Unternehmen verlassen haben. Das Geschäft mit den Röntgenkontrastmitteln MAGNEVIST und ULTRAVIST schlägt der Global Player seiner Tochterfirma MEDRAD zu; für sein noch nicht marktreifes Präparat zur Alzheimer-Früherkennung sucht er einen Käufer. Nach Angaben des Pillen-Herstellers stehen mit den avisierten Veränderungen 100 Arbeitsplätze zur Disposition.

Die letzten SCHERING-Mohikaner
Als der Leverkusener Multi 2006 SCHERING übernahm, stellte er den Beschäftigten Vorteile aus dem Zusammenschluss in Aussicht. Die Realität sah jedoch anders aus. 1.000 Belegschaftsangehörige mussten sofort gehen, und viele SCHERING-Präparate stampfte BAYER ein (s. o.). Mit dem neuen BAYER-Chef Marijn Dekkers brachen dann noch härtere Zeiten an. Er tilgte den Namen SCHERING und unterstellte die Pillen-Schmiede direkt dem Kommando des Pharma-Chefs Jörg Reinhardt. Zudem verabschiedete er sich vom Ausbau des Berliner Standortes und ließ die dortigen Beschäftigten besonders hart unter seinem Arbeitsplatzvernichtungsprogramm leiden. Dies alles hatte Konsequenzen. Von den 96 Personen, die bei SCHERING einst in höheren Positionen tätig waren, arbeiten heute nach einer Berechnung des Betriebsrats gerade noch einmal vier für den Global Player, wie die Financial Times Deutschland berichtete.

Das Ende des Standortes Mishawaka
Im Zuge seines Rationalisierungsprogramms, das 4.500 Jobs kostet, strukturiert BAYER auch das Pharma-Geschäft in den USA um. So stehen bei MEDRAD, der Tochter-Firma für Medizin-Produkte, 60 bis 70 Jobs zur Disposition. Zudem plant der Gen-Gigant an der Ostküste ein neues Pharma-Zentrum, was die Existenz der anderen sechs Standorte in der Region bedroht. Eines wickelt der Pharma-Riese bereits ab. Er kündigte an, seine Niederlassung in Mishawaka schließen zu wollen. Die 130 Belegschaftsangehörigen, die dort für SIEMENS Diagnostika-Geräte herstellten, können zum Münchner Unternehmen wechseln. Die restlichen 270 stehen vor einer ungewissen Zukunft. Der Leverkusener Multi machte ihnen zwar ein Weiterbeschäftigungsangebot, das allerdings fiel ziemlich vage aus.

BAYER verkauft VIVERSO
Der Leverkusener Multi hat seine Tochter-Gesellschaft VIVERSO für 75 Millionen Euro an die Firma NUPLEX verkauft. „Damit trennt sich BAYER MATERIAL SCIENCE von dem Geschäft mit bestimmten konventionellen Lackharzen, das nicht mehr zur aktuellen Strategie des Unternehmens passt“, verkündete der Global Player. Er vernichtet damit 165 Arbeitsplätze innerhalb des Konzerns. Die Beschäftigten müssen vorerst jedoch nicht um ihre Jobs fürchten. NUPLEX kündigte an, die komplette Belegschaft übernehmen zu wollen.

JENAPHARM: Nur noch Vertrieb
Bereits 2006 hatte der Leverkusener Multi die Forschungsabteilung seiner Tochter-Gesellschaft JENAPHARM dicht gemacht. Nun wickelt er auch noch die Entwicklungssparte ab und vernichtet so 40 Arbeitsplätze. Künftig kümmern sich die verbleibenenen 200 Beschäftigten nur noch um den Vertrieb von Kontrazeptiva, Testosteron-Präparaten und Mitteln gegen Hautkrankheiten.

DYNEVO am Ende
Im Jahr 2001 hatte BAYER die Werksdruckerei DYNEVO ausgegliedert. In der Folge reduzierte der Multi die Arbeitsplätze von 230 auf 150. Zuletzt wollte er die Gesellschaft an BERTELSMANN verkaufen. Aber die Verhandlungen scheiterten. Deshalb kündigte der Konzern jetzt an, den Betrieb dicht zu machen.

Frauenanteil: 17 Prozent
Aktuell beträgt der Anteil von Frauen in Führungspositionen bei BAYER 17 Prozent. Der Leverkusener Multi hat sich zum Ziel gesetzt, diesen bis zum Jahr 2015 auf 30 Prozent zu steigern. Er will sich dabei allerdings nicht von der Politik auf die Sprünge helfen lassen. Der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers empfindet eine „gesetzliche Quote als nicht zielführend“.

Großverdiener Manfred Schneider
BAYERs Aufsichtsratschef Manfred Schneider bleibt König der Deutschland AG. Er sitzt nämlich nicht nur dem Kontrollgremium des Leverkusener Multis vor, sondern bekleidet diese Position auch bei LINDE und RWE. Einen einfachen Aufsichtsratssitz hat er zudem noch bei der ALLIANZ inne. Dafür streicht er insgesamt 1,1 Millionen Euro ein - so viel wie keiner seiner KollegInnen.

14,7 Millionen für Wenning
Der Leverkusener Multi sorgt für einen angenehmen Ruhestand seines Ex-Chefs Werner Wenning. 14,7 Millionen Euro hält er für dessen Lebensabend bereit - mehr haben nur MERCEDES und VW für ihre Ehemaligen übrig. Und Wennings Nachfolger Marijn Dekkers braucht sich ebenfalls keine Sorgen zu machen. Im letzten Jahr hat der Konzern schon über zwei Millionen Euro für seine Pension zurückgelegt, so viel wie kein anderes Dax-Unternehmen für seinen Vorstandsvorsitzenden.

ERSTE & DRITTE WELT

Indien: 138 Arzneitest-Tote
Von 2007 bis 2010 starben in Indien 138 Menschen bei der Klinischen Erprobung von BAYER-Medikamenten (siehe auch SWB 1/12). Insgesamt kamen bei den Pillen-Prüfungen von Big Pharma in dem Zeitraum 1.600 ProbandInnen ums Leben. Nach Ansicht der Multis haben jedoch zumeist nicht die Medikamente, sondern Vorerkrankungen wie Krebs zum Ableben der ProbandInnen geführt. Die amtlichen Stellen machen ebenfalls nicht die Pharmazeutika im Allgemeinen verantwortlich. Von den 668 Sterbefällen im Jahr 2010 schreiben sie 22 der direkten Einwirkung der getesteten Substanzen zu. Darunter befinden sich fünf BAYER-Opfer, allein vier Tote forderte das Präparat XARELTO. Die Tests mit diesem Blutverdünnungsmittel hatte bereits die US-Gesundheitsorganisation PUBLIC CITIZEN beanstandet, da ProbandInnen, welche die Konkurrenz-Substanz Warfarin bekamen, nicht die optimale Dosis erhielten und sich so einem erhöhten Schlaganfall-Risiko aussetzten. Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN hat in einem Offenen Brief an BAYER die Praxis des Konzerns scharf kritisiert, immer mehr Tests in ärmere Länder zu verlegen, weil dort unschlagbare Preise, schnellere Verfahren und eine mangelhafte Aufsicht locken, und eine umfassende Aufklärung über die Todesserie gefordert.

Kontrazeptiva-Kampagne in Afrika
Der Leverkusener Multi hat in Afrika eine Vermarktungsinitiative für seine Verhütungsmittel gestartet. Dazu ist er eine Partnerschaft mit der US-amerikanischen Entwicklungsbehörde USAID eingegangen, welche die Kosten für Erstellung und Verbreitung von Informationsmaterial zu den Pillen übernimmt. Die gemeinsame „Contraceptive Security Initiative“ will allen Frauen „mit mittlerem Einkommen in vorerst elf subsaharischen Entwicklungsländern Zugang zu bezahlbaren oralen Kontrazeptiva“ verschaffen. Um die Armen geht es also nicht; und um besonders arme Länder auch nicht. Äthiopien hat BAYER als Ausgangspunkt der Kampagne gewählt, weil die Märkte des Landes relativ gut entwickelt sind und eine hohe Nachfrage nach YASMIN & Co. besteht. „Einen neuen strategischen Ansatz und einen innovativen Weg zur Erschließung der Märkte in Entwicklungsländern“ nennt der Pharma-Riese das Ganze.

Freude über hohe Agrar-Preise
Die durch Finanzmarkt-Spekulationen zusätzlich hochgetriebenen Agrar-Preise bedrohen die Ernährungslage der Menschen in der „Dritten Welt“. Der Leverkusener Multi hingegen freut sich über die Entwicklung, denn die Mehreinnahmen der großen landwirtschaftlichen Betriebe führen zu einem gesteigerten Saatgut- und Pestizidabsatz. „All das deutet auf einen recht positiven Branchenausblick für den Rest des Jahres hin“, sagte BAYER-CROPSCIENCE-Chefin Sandra Peterson deshalb im September 2011.

Unnütze BAYER-Pillen in Indien
Die BUKO-PHARMA-KAMPAGNE hat die Geschäftspolitik BAYERs und anderer Pillen-Multis in Indien untersucht und kam zu einem wenig schmeichelhaften Ergebnis. So bewertete die Initiative von den 39 Präparaten, die der Leverkusener Multi dort in 77 Dosierungs- und Formulierungsarten vertreibt, nur neun als unentbehrlich. 40 sah sie als rational und 28 als irrational an. Aber selbst bei den unentbehrlichen Medikamenten wie RESOCHIN mit dem Wirkstoff Chloroquin hapert es, denn als Malaria-Theapeutikum taugt es wegen vermehrt auftretender Resistenzen nur noch bedingt. Und bei den als rational eingestuften Arzneien bemängelt der BUKO den oft viel zu hohen Preis. Die Liste der irrationalen Pharmazeutika führt mit dem Kontrazeptivum DIANE 35 ein Produkt an, das in der Bundesrepublik seit 1994 keine Zulassung mehr hat, weil es in Verdacht steht, Krebs auszulösen. Wegen der Nebenwirkung „Thrombose“ folgt das Verhütungsmittel YASMIN. Das Diabetikum GLUCOBAY und der Blutdrucksenker XIRTAM finden sich wegen Zweifeln an ihrer Wirksamkeit in dieser Kategorie wieder. Die Vitamin-Trunks wie BAYER‘S TONIC, EDINOL oder SUPRADYN hält der BUKO hingegen nicht nur für völlig nutzlos, sondern auch für gefährlich, denn sie enthalten teilweise Alkohol und belasten darüber hinaus das ohnehin zumeist schmale Budget der Familien unnötig. Zu allem Überfluss greift BAYER bei der Reklame für diese heikle Produkt-Palette dann auch noch zu dubiosen Praktiken. Besonders kritisiert die Pharma-Kampagne die aggressive YASMIN-Vermarktung in indischen Privatkrankenhäusern und die Kontrazeptiva-Schleichwerbung im Internet.

KONZERN & VERGANGENHEIT

Im Verbund mit Autokraten
In welchem Maße die von BAYER mitgegründeten IG FARBEN den Faschismus unterstützt haben, ist allgemein bekannt. Aber auch noch nach 1945 hielt es der Leverkusener Multi mit autoritären Regimes. So vollzog er in Südafrika bereitwillig die Apartheid mit und richtete in seinen Niederlassungen getrennte Kantinen und Toiletten für Weiße und Schwarze ein. Und 1978 klagte ein brasilianischer Gewerkschaftler über die Kollaboration von BAYER & Co. mit dem Militär-Regime: „Aus der Bundesrepublik Deutschland sind da insbesondere VW, DAIMLER-BENZ, MANNESMANN, KRUPP, BAYER, HOECHST, SIEMENS, BASF, VOIGT u. a. zu nennen. Man könnte die Liste beliebig fortsetzen, zu der etwa 50 große westdeutsche Konzerne gehören, die in Brasilien die Privilegien genießen, die ihnen die Militärdiktatur einräumt.“ In Peru verstand sich der Konzern ebenfalls prächtig mit den Generälen, weil diese den Beschäftigten keinerlei Rechte zubilligten. 1977 schrieb deshalb die Gewerkschaft von BAYER INDUSTRIAL S.A. an ihre KollegInnen in der Bundesrepublik einen langen Brief. „Die geheiligten Rechte der Arbeiter werden von den Unternehmern verletzt, d. h. der 8-Stunden-Tag, das Streikrecht, die Vorlage von Lohnforderungen, das Recht auf freie Meinungsäußerung, das Recht, Vollversammlungen durchzuführen und uns politisch zu organisieren. Wir bitten Sie, diese unsere Situation in Ihren Veröffentlichungen zu berücksichtigen und Ihren Protest zu erheben gegen diese Angriffe auf die Arbeiterschaft, gegen die Verfolgung von Sozialkämpfern und Gewerkschaftsführern, die verhaftet wurden und noch im Gefängnis sitzen, die deportiert wurden oder einfach verschwunden sind“, hieß es in dem Schreiben.

Die CUTTER-Impfkatastophe
1955 kam es in den USA zu einem folgenschweren Ereignis. Ein Impfstoff der BAYER-Tochter CUTTER gegen Kinderlähmung löste ebendiese aus, da er einen nicht sachgemäß deaktivierten Erreger enthielt. Neun Menschen starben, über 40.000 entwickelten Polio-Symptome. Als „CUTTER-incident“ ging der Fall in die Geschichtsbücher ein. Ein andere Version des Vakzins forderte in der Bundesrepublik zwei Todesopfer; 48 Menschen infizierten sich.

IG FARBEN & HEUTE

Börse ohne IG FARBEN
Auch nach 1945 bestand die IG FARBEN weiter. Der Zustand „in Auflösung“ hielt jahrzehntelang an. Immer wieder fand sich eine Gelegenheit, um alte Ansprüche wahren oder - etwa nach der Wiedervereinigung - neue formulieren zu können. In den 1990er Jahren hielten sich windige Investoren wie der CDU-Großspender Karl Ehlerding zudem gütlich am noch verbliebenen Grundkapital. Immer wieder vergeblich hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gefordert, die IG FARBEN zu liquidieren und ihr Vermögen an die ZwangsarbeiterInnen auszuzahlen. Das langsame Sterben des Unternehmens läutete jedoch erst die finanzielle Schieflage der Beteiligungsgesellschaft WCM ein, die den von BAYER mitgegründeten Mörderkonzern zwang, Insolvenz zu beantragen. Und nun steht das entsprechende Verfahren vor dem Abschluss, weshalb die Insolvenz-Verwalterin Angelika Wimmer-Amend ein Ende der Börsen-Zulassung der IG FARBEN beantragte.

POLITIK & EINFLUSS

BAYER bespitzelt die CBG
Der Leverkusener Multi lässt die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) bespitzeln. Er beauftragte das Kölner Unternehmen UNICEPTA - nach eigener Aussage die „Nr. 1 in Medienbeobachtung, Issue-Management und Pressearbeit“ - damit, Materialien über die CBG zu sammeln. Beschäftigte mussten sich in den Email-Verteiler der Coordination eintragen und Informationen anfordern. Darüber hinaus wertete die Online-Analyse-Abteilung die Web-Aktivitäten der CBG aus.

Staatssekretär bei „invite“-Einweihung
Helmut Dockter, Staatssekretär im nordrhein-westfälischen Forschungsministerium, wohnte der Eröffnung des Forschungszentrums „invite“ bei, das BAYER gemeinsam mit der Universität Dortmund betreibt. Die zu 70 Prozent aus Mitteln des Konjunkturpakets II finanzierte, 6,5 Millionen Euro teure Einrichtung soll Dockter zufolge helfen, den Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen zu profitablen Produkten zu beschleunigen und so den trotz Konjunktur-Einbruch stabilen bundesdeutschen Industrie-Sektor weiter stärken. „Die Landesregierung will, dass diese Krisenfestigkeit erhalten bleibt“, so der Staatssekretär. Zu den Projekten von „invite“ zählt etwa die Entwicklung einer Produktionsstätte in modularer Form, deren einzelne Komponenten unabhängig voneinander ausgetauscht werden können. Sieben Chemie-Firmen gehören dabei zu den Kooperationspartnern, zahlen tut allerdings die EU. 30 Millionen Euro Fördergelder steuert sie bei.

Voigtsberger bei BAYER
Wo einst nur das BAYER-Werk seinen Sitz hatte, da befinden sich heute Niederlassungen von 38 Unternehmen. Und immer noch ist Platz im Leverkusener Chemie-„Park“ - zuviel Platz. Die Anwerbe-Politik des Konzerns verläuft nämlich nicht allzu erfolgreich, da sich die gesamte Chemie-Branche ähnlich wie der Multi „gesundschrumpft“. Er musste sogar schon mit Floristik-Studios als Mietern vorlieb nehmen. Da diese Klientel andere Bedürfnisse hat, veranstaltete der Global Player vor ein paar Jahren sogar einen Architektur-Wettbewerb zur Umgestaltung des Geländes (SWB 4/07). Jetzt hat sich das nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerium der Problematik angenommen, die sich an den anderen Standorten des Konzerns ähnlich darstellt. Es veranstaltete eine Konferenz zur Zukunft der Chemie-„Parks“. Diese fand Mitte November 2011 passender weise auch gleich am BAYER-Stammsitz statt. Der zuständige Minister Harry Voigtsberger (SPD) sprach dem Global Player in seiner Eröffnungsrede gleich Mut zu. „Chemie-‚Parks‘ haben sich bewährt. Sie werden auch weiterhin ein Zukunftsmodell sein, wenn sie sich den aktuellen Herausforderungen wie Energie-Effizienz sowie nachhaltige Entwicklung stellen“, befand er.

BAYER sponsert Regierung
Auch im jüngsten Sponsoringbericht der CDU/FDP-Koalition ist BAYER wieder prominent vertreten. Mit insgesamt rund 65.000 Euro griff der Konzern den jeweiligen Bundesregierungen von Januar 2009 bis Dezember 2010 unter die Arme. Er sponserte unter anderem Weihnachtskonzerte, Empfänge zum Tag der deutschen Einheit und einen Saatgut-Kongress. Auch die Landesregierungen „unterstützt“ der Leverkusener Multi. So erhielt die „Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen beim Bund“ 8.000 Euro Zuschuss zum „Fest des Westens 2010“.

Dekkers VCI-Vize
Traditionell nehmen BAYER-Chefs Spitzenpositionen beim „Verband der Chemischen Industrie“ ein. Da macht auch der jetzige Vorstandsvorsitzende keine Ausnahme: Marijn Dekkers gehört neuerdings gemeinsam mit seinen Kollegen von MERCK und BASF zum Triumvirat der Vize-Präsidenten.

Dekkers im BDI-Präsidium
Der „Bundesverband der Deutschen Industrie“ (BDI) hat BAYER-Chef Marijn Dekkers in seinen erweiterten Präsidiumskreis gewählt.

Gutes China, schlechtes Deutschland
BAYER-Chef Marijn Dekkers nutzte die Einweihung eines neuen Kunststoffwerkes in Shanghai, um die chinesische Führung zu loben und Kritik am Investitionsklima in der Bundesrepublik zu üben. „Insgesamt hat es die chinesische Regierung bisher immer verstanden, das Wachstum zu managen“, sagte der Vorstandsvorsitzende. Die Bundesrepublik hingegen nutze ihr wirtschaftliches Potenzial nicht, da es Usus sei, „nur noch auf die Vermeidung kleinster Risiken zu pochen“, wie Dekkers im Hinblick auf die umstrittene Kohlenmonoxid-Pipeline formulierte (siehe auch IMPERIUM & WELTMARKT).

Obama stoppt CO2-Vorstoß der EPA
Die US-amerikanische Umweltbehörde EPA wollte ab 2013 schärfere Kohlendioxid-Grenzwerte erlassen. Das aber verhinderte Barack Obama nach politischem Druck von Seiten der Konzerne. Vorher war es BAYER & Co. mit Verweis auf die schlechte Wirtschaftslage bereits gelungen, den Präsidenten von der Einführung eines Handels mit CO2-Verschmutzungsrechten und sowie von dem Ziel einer ehrgeizigen Emissionsreduktion abzubringen (siehe Ticker 1/10).

BAYER & Co. für Beitragssenkungen
BAYER & Co. fordern eine Senkung der Rentenversicherungsbeiträge. Die „Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände“ tritt für eine stufenweise Reduzierung von 19,9 auf 19,1 Prozent ein. Das brächte der Wirtschaft eine Ersparnis von rund vier Milliarden Euro.

Keine Netzgebühren für BAYER & Co.
Das neue Energiewende-Gesetz befreit BAYER und andere energie-intensive Unternehmen rückwirkend ab Januar 2011 von den Netzgebühren. Es gehe darum, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu fördern und gleichzeitig Industrieland zu bleiben, so begründet Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) laut stern die Subventionsmaßnahme. Zu zahlen haben das die Privathaushalte. Auf sie kommt nach einer Schätzung des „Bundes der Energieverbraucher“ eine Mehrbelastung von jährlich ca. einer Milliarde Euro zu. „Die Industrie massiv zu entlasten und allein die Kleinverbraucher die Zeche zahlen zu lassen, ist eine Dreistigkeit, die bisher ohne Beispiel ist“, protestiert deshalb Holger Krawinkel von der Verbraucherzentrale. Bleibt nur, auf ein Eingreifen der EU zu hoffen. Aber selbst dafür haben die Multis schon vorgesorgt. Sie fordern eine Ausgleichszahlung, falls Brüssel gegen die Ausnahmeregelung vorgehen sollte.

PROPAGANDA & MEDIEN

Die Dekkers-Inthronisierung
In der Fachzeitschrift prmagazin hat BAYERs Kommunikationschef Michael Schade aus dem Nähkästchen geplaudert. Er legte dar, wie umfassend die PR-Abteilung die Presse-Berichte über den neuen Konzern-Leiter Marijn Dekkers gelenkt hat. Als das Unternehmen die Nominierung bekannt gab und erste Artikel auftauchten, die das wenig schmeichelhafte Bild eines rücksichtslosen Sanierers zeichneten, ergriffen Schade & Co. sogleich Maßnahmen und diktierten 40 JournalistInnen eine nettere Story in den Schreibblock. Wenig später stellten sie den Schreiberlingen ihren Schützling bei einem Abendessen exklusiv vor. Das zweite Diner folgte dann kurz vor dem wirklichen Amtswechsel. Dekkers bekam dort die Gelegenheit, die ihm in den Mund gelegten Phrasen „Mehr Innovation, weniger Administration“ und „Evolution statt Revolution“ zu platzieren, die anschließend auch eine weite Verbreitung gefunden haben. Und momentan arbeitet Schade daran, seinem Chef trotz der verkündeten Vernichtung von 4.500 Arbeitsplätzen das Image eines Jobkillers zu nehmen und vermeldet schon erste Erfolge. „Die mediale Platzierung von Herrn Dekkers gelingt immer besser“, sagt er mit Verweis auf ein Interview in der Wirtschaftswoche und einen Beitrag im Handelsblatt. Die Financial Times Deutschland hingegen ließ sich nicht so leicht einspannen. Ihr Journalist Klaus Max Smolka wollte einmal Details über Stellenstreichungen veröffentlichen, die ihm ein BAYER-Beschäftigter zugespielt hatte, und verärgerte damit den Multi nachhaltig. Auch generell „nimmt er wahr, dass der Konzern die Zügel anziehe, um die Berichterstattung zu steuern“, gibt das prmagazin dessen Worte wieder.

Medialer Gen-Gau
Unermüdlich arbeitet EuropaBio daran, die Akzeptanz für die umstrittene Gentechnik zu erhöhen. Und für den Herbst 2011 hatte sich der Lobbyverband von BAYER & Co. einen besonderen Coup ausgedacht: Prominente „Pro-Gentechnik-Botschafter“ sollten für die Risiko-Technologie Reklame machen. Einem internen Papier zufolge hatten sich Bob Geldorf und Kofi Annan bereits „interessiert“ gezeigt. Die Genannten wussten von ihrem Gentech-Glück jedoch noch gar nichts. „Herr Annan ist kein Botschafter für EuropaBio und hat keine Absicht, den Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen zu fördern“, antwortete etwa ein Sprecher des ehemaligen UN-Generalsekretärs der englischen Zeitung The Guardian. Damit ging die PR-Offensive nach hinten los und entwickelte sich für EuropaBio zu einem medialen Gen-GAU.

Medialer Pipeline-GAU
Der Leverkusener Multi blickt neidvoll auf seinen Kölner Nachbarn SHELL. Der Öl-Konzern hatte es geschafft, ein mit der Gefährlichkeit von BAYERs zwischen Dormagen und Krefeld geplanter Kohlenmonoxid-Pipeline vergleichbares Projekt zu realisieren, ohne auf größeren Widerstand aus der Bevölkerung zu stoßen. Darum hat der Pharma-Riese die Leiterin der Abteilung „Corporate Policy and Advocacy“, Denise Rennmann, nebst anderen hochrangigen ManagerInnen zur Fortbildung in die Domstadt geschickt. „Wir haben mitgenommen, dass SHELL da sehr professionell kommuniziert hat“, resümierte BAYER-Sprecher Jochen Klüner. Der Global Player hatte nämlich frühzeitig das Gespräch mit AnwohnerInnen und Naturschutz-Initiativen gesucht, statt wie der Agro-Gigant allein auf Legislative und Judikative zu setzen. Bei ähnlich umstrittenen Vorhaben dürfte BAYER also zukünftig geschickter vorgehen. Darauf müssen sich alle Organisationen einstellen.

BAYERs EU-Lobbying
1,85 Millionen lässt sich der Leverkusener Multi seine Lobby-Aktivitäten bei der EU nach eigenen Angaben jährlich kosten. Was BAYER mit dem Geld so alles veranstaltet, darüber gibt der grüne EU-Abgeordnete Sven Giegold auf seiner Homepage einen kleinen Einblick. Der Parlamentarier dokumentiert dort nämlich sämtliche Annäherungsversuche. Und auf der langen Liste darf der Pharma-Riese natürlich nicht fehlen. So wollte er Giegold eine aus Unternehmenssicht verfasste „Studie“ zu den anstehenden Finanzmarkt-Reformen vorstellen. Der Global Player nutzt nämlich so umstrittene Instrumente wie Derivate - eine Art Wette auf Preissteigerungen oder -senkungen von Rohstoffen, Aktien, Währungen, Zinsen oder aber von Derivaten selber - und hat Angst vor Regulierungen. Zudem befürchtet der Pille-Riese, verschärfte Eigenkapital-Vorschriften für Banken könnten die Kreditvergabe erschweren. Auch die Meinung des Konzerns zum Grünbuch „Angemessene, nachhaltige und sichere europäische Pensions- und Rentensysteme“ sollte sich der Parlamentarier auf BAYERs Wunsch anhören. Und solche Avancen dürfte der Pharma-Riese auch den KollegInnen des Grünen-Politikers immer wieder machen.

EU will Werbeverbot lockern
Unter massivem Lobby-Einsatz versucht BAYER in Tateinheit mit der gesamten Branche seit geraumer Zeit, das EU-weite Werbe-Verbot für Medikamente zu kippen, um unter dem Siegel der „PatientInnen-Information“ mit seinem Milliarden-Etat noch ein wenig mehr Marketing betreiben zu können. Ganz ist ihm das nicht geglückt, denn explizite Reklame erlaubt der Gesetzesvorschlag weiterhin nicht. Dafür legt er den Begriff „Information“ recht weit aus. Darunter fallen beispielsweise auch Patientenschicksale und Krankengeschichten. „Dies wäre eine nachträgliche Legalisierung dessen, was Arzneimittel-Hersteller seit einigen Jahren praktizieren. So existieren z. B. zur Männergesundheit zahlreiche Seiten zum Thema Testosteronmangel oder der so genannten erektilen Dysfunktion, die dann in einem Atemzug auch auf entsprechende Arzneimittel zur Behebung des Mangels verweisen“, kritisiert die BUKO-PHARMAKAMPAGNE mit Verweis auf BAYERs Methoden zur Vermarktung von NEBIDO, TESTOGEL und LEVITRA. Studien, Gutachten und wissenschaftliche Veröffentlichungen gelten ebenfalls nicht als Werbung, weshalb der Pharmakologe Gerd Glaeske schon Böses ahnt. „Es gibt sehr viele Gefälligkeitsgutachten von Wissenschaftlern, die Wünsche der Pharma-Industrie erfüllen“, so der Forscher von der Universität Bremen. Und zu allem Überfluss dürfen MedizinerInnen und ApothekerInnen zudem bald Broschüren der Pillen-Riesen an die PatientInnen verteilen.

BAYER sponsort Weltverhütungstag
„Fünf gegen das Wachstum der Bevölkerung investierte Dollar sind wirksamer als hundert für das Wirtschaftswachstum investierte Dollar“, sagte einst der ehemalige US-Präsident Lyndon B. Johnson über seine Vorstellung von „Entwicklungshilfe“. Zum Behagen des Leverkusener Multis erfreut sich diese Ansicht sogar heute noch großer Beliebtheit, die „gigantischen Fruchtbarkeitsmärkte“ in den armen Ländern versprechen nämlich gute Absatzchancen für die Verhütungsmittel des Konzerns. Um die Geschäftsaussichten für YASMIN & Co. noch ein wenig zu verbessern, sponsert er darum auch 2011 wieder den Weltverhütungstag, der vor allem Jugendliche ansprechen soll.

BAYER sponsert Studierende
Der Leverkusener Multi umwirbt schon Studierende als zukünftige BAYER-KundInnen. So spendiert er beispielsweise StudentInnen der Tiermedizin Sezierbesteck, damit sie später auch schön seine Veterinär-Arzneien verschreiben.

BAYER will Forschungssubventionen
Unermüdlich fordert der Leverkusener Multi Steuererleichterungen für seine Forschungsanstrengungen. „In Europa fehlt dieses Instrument außer in Deutschland nur noch in Schweden, Solwenien, Rumänien und den baltischen Staaten“, klagte BAYERs Forschungsvorstand Wolfgang Plischke. In dem Interview mit dem Magazin GoingPublic drohte er in seiner damaligen Funktion als Vorstandsvorsitzender des vom Pharma-Riesen gegründeten „Verbandes der Forschenden Arzneimittelhersteller“ bei Nichtgewährung dieser Subvention sogleich mit Abwanderung. „Die Unternehmen können dieses Ungleichgewicht bei ihren Standort-Entscheidungen nicht ignorieren“, so Plischke.

200.000 Euro für Selbsthilfegruppen
BAYER sponsert Selbsthilfegruppen und PatientInnen-Organisationen in hohem Maße. Über 200.000 Euro verteilte der Leverkusener Multi 2010 allein an die bundesrepublikanischen Verbände. Aber natürlich nicht an alle. Zuwendungen erhalten hauptsächlich diejenigen, die der Konzern mit entsprechenden Medikamenten beglücken kann: Diabetes-, Krebs-, Bluter- und Multiple-Sklerose-Vereinigungen. Und das ist gut angelegtes Geld: „Wenn Firmen zehn Prozent mehr in Selbsthilfegruppen investieren, wächst ihr Umsatz um ein Prozent im Jahr“, hat der als Gesundheitsökonom an der Universität Bremen lehrende Dr. Gerd Glaeske einmal errechnet. International greift der Pharma-Riese noch tiefer in die Tasche. So bedachte er die Blutergesellschaften rund um den Globus 2010 mit über fünf Millionen Euro. Aber diese PR-Maßnahme ist auch bitter nötig. In den 1990er Jahren starben nämlich Tausende Bluter an HIV-verseuchten Blutprodukten des Pillen-Herstellers, weil er sein Präparat KOGENATE aus Kostengründen keiner sterilisierenden Hitze-Behandlung unterzogen hatte.

45.000 Euro an Krankenhaus
Im letzten Jahr hat der Leverkusener Multi 45.000 Euro an das Klinikum Bremen-Mitte gespendet, ein weiteres Krankenhaus der Stadt erhielt immerhin noch 5.000 Euro. Auch andere Multis zeigten sich großzügig. Die Gesundheitssenatorin Renate Jürgens-Pieper hätte diese Zahlen am liebsten unter Verschluss gehalten, die Veröffentlichung verdankt sich allein der Beharrlichkeit der HUMANISTISCHEN UNION. Für den Pillen-Multi dürfte sich die Investition lohnen. „Ein Pharma-Unternehmen wie BAYER zahlt das nicht aus gutem Willen zur Förderung eines guten Zwecks, die erwarten eine Gegenleistung“, kommentiert der Pharmakologe Peter Schönhöfer das Sponsoring.

45.000 Euro an „Arche“
BAYERs BEPANTHEN-Kinderförderung unterstützt seit längerem das Kinder- und Jugendwerk „Die Arche“, das dem evangelikalen Verband „Deutsche Evangelische Allianz“ angehört, und investiert damit in das SozialarbeiterInnen-Image des Konzerns. Wie im letzten Jahr honorierte er die Rückgabe einer leeren und den Erwerb einer neuen Packung der BEPANTHEN-Wundsalbe mit einem Euro für „Die Arche“. 45.000 Euro kamen so zusammen. Für die Verbreitung des PR-Coups sorgte als Medienpartner dann das Blatt Frau im Spiegel.

Umweltschutz-Studien bei BAYER
Als „Bluewashing“ kritisieren die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und andere Initiativen die Strategie der Konzerne, sich durch Kooperationen mit den Vereinten Nationen ein gutes Image zu verschaffen. Der Leverkusener Multi tut dies hauptsächlich durch ein Sponsoring der UNEP, des Umweltprogramms der UN. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit besuchten im Herbst 2011 50 Studierende aus Afrika, Asien und Lateinamerika Leverkusen, um ausgerechnet bei BAYER Studien zum Thema „Nachhaltigkeit und Umweltschutz“ zu betreiben.

Pestizid-Entlastungsstudie
BAYER & Co. behagt das schlechte Image ihrer Ackergifte nicht. Deshalb hat ihr „Industrieverband Agrar“ (IVA) bei Professor Harald von Witzke von der Berliner Humboldt-Universität eine Entlastungsstudie bestellt. Und Witzke, der schon häufiger vom Leverkusener Multi und anderen Unternehmen gesponserte Expertisen durchgeführt hatte und auch bereits als Autor des BAYER-Magazins re:source hervortat, lieferte das gewünschte Ergebnis. „Studie belegt Wohlstandsgewinn durch moderne Landwirtschaft“, konnte der IVA vermelden. Die Agrochemikalien schalten Unkraut, Pilze und Schadinsekten aus und bescheren den konventionell arbeitenden LandwirtInnen so eine viel reichere Ernte als den Biobauern und -bäuerinnen, so das Resultat der Forschungsarbeit. Witzke hatte sogar eine Zahl parat: Auf vier Milliarden Euro bezifferte er den Pestizid-Mehrwert. „Diese Studie darf nicht folgenlos bleiben“, forderte IVA-Geschäftsführer Volker Koch-Achelpöhler daraufhin, „... Es wird Zeit, auch jene Risiken klar zu benennen, die durch den Verzicht auf den modernen Pflanzenschutz erwachsen“.

Tag der offenen Tür
Mit dem Image des Leverkusener Multis ist es wegen umstrittener Vorhaben wie der Kohlenmonoxid-Pipeline und anderer Großprojekte nicht zum Besten bestellt. Darum unternimmt er viele Anstrengungen zur Rettung seines Rufes. Eine Gelegenheit dazu bot der „Tag der offenen Tür“, den BAYER und andere Chemie-Konzerne im „Jahr der Chemie“ mit besonders großem Aufwand gestalteten. In Leverkusen schaute sogar der Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers persönlich vorbei, um „Chemie zum Anfassen“ zu präsentieren und Lust auf das „BAYER-Wissenschaftsabenteuerland“ zu wecken. Das größte Abenteuer boten dort Sängerinnen, welche die Forschungsphilosophie des Pharma-Riesen in Lied-Form vortrugen. Ansonsten gab es noch Chemie„park“-Führungen, Austellungen, Labor-Experimente, Hüpfburgen, Kakerlaken-Wettrennen, Flohzirkusse und TiermedizinerInnen-Sprechstunden.

TIERE & VERSUCHE

Mehr Tierversuche
Bei BAYER ist die Zahl der Tierversuche im Geschäftsjahr 2010 gegenüber 2009 von 171.251 auf 171.627 gestiegen. 92 Prozent davon unternahm der Leverkusener Multi mit Ratten und Mäusen, fünf Prozent mit Fischen und Vögeln und 0,6 Prozent mit Hunden, Katzen und Affen. Dazu kommen noch die Experimente, die der Konzern von externen Forschungszentren machen lässt. Sie wuchsen besonders stark an und erhöhten sich von 5.793 auf 19.785. „Der Anstieg ist durch die Tatsache zu erklären, dass wir mit einem Nutztier-Projekt in die finale Entwicklungsphase gekommen sind und gesetzlich geforderte Studien durchgeführt haben“, so das Unternehmen zur Begründung.

DRUGS & PILLS

YASMIN bleibt auf dem Markt
Auch in den USA sehen sich BAYERs Verhütungsmittel aus der YASMIN-Familie wegen ihrer Nebenwirkungen zunehmender Kritik ausgesetzt. Neuere Studien weisen ein bis um den Faktor 3,3 erhöhtes Risiko für Thromboembolien aus. 190 Todesfälle binnen der letzten zehn Jahren listet die US-Gesundheitsbehörde FDA auf. Darum hat sie sich Anfang Dezember mit dem Fall „YASMIN“ befasst. Mit 15 zu 11 Stimmen votierten die von der FDA berufenen ExpertInnen knapp dafür, das Mittel auf dem Markt zu lassen. Die Behörde dürfte den Leverkusener Multi nun lediglich auffordern, auf den Verpackungen dringlicher vor den Gesundheitsgefahren zu warnen. Ähnlich defensiv verfuhr bereits das hiesige „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“.

Erweiterte XARELTO-Indikation
Die US-Gesundheitsbehörde FDA hat das BAYER-Präparat XARELTO, bisher zur Thrombose-Vorbeugung nach schweren orthopädischen OPs im Einsatz, jetzt auch als Mittel zur Schlaganfall-Vorbeugung zugelassen. Sie setzte sich damit über viele, auch interne Bedenken hinweg. Eigene MitarbeiterInnen hatten sich noch Anfang September 2011 gegen die Genehmigung ausgesprochen, weil die von BAYER eingereichten Studien ihrer Meinung nach Fragen zu Herzinfarkt- und Blutungsrisiken aufwarfen. Zudem konnten sie im Vergleich zum bislang gebräuchlichen Wirkstoff Warfarin keinen therapeutischen Zusatznutzen entdecken. Aber die FDA setzte sich über diese Einwände hinweg. Nicht einmal Meldungen über Sterbefälle bei der Klinischen Erprobung des Mittels in Indien (siehe ERSTE & DRITTE WELT) konnten sie umstimmen. Der Institution waren derartige Zwischenfälle bekannt, wie sie der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN mitteilte: „Die Ärzte-Information führt Tod als mögliche Nebenwirkung auf, die während der Klinischen Tests mit XARELTO auftrat“. Bei Zulassungen gelte es immer, zwischen Wirksamkeit und Sicherheit eines Medikamentes abzuwägen, so die Behörde weiter. Dank dieser Abwägung zu Gunsten der Wirksamkeit und zu Lasten der Sicherheit kann der Leverkusener Multi mit einem XARELTO-Umsatz von zwei Milliarden Euro rechnen.

ALPHARADIN-Zulassung beantragt
Krebsmedikamente sind teuer, helfen zumeist wenig und haben allzuoft nur ein eingeschränktes Anwendungsgebiet. So auch das vom Leverkusener Multi gemeinsam mit dem norwegischen Unternehmen ALGETA entwickelte ALPHARADIN, das vermittels radioaktiver Strahlung das Wachstum von Prostatatumor-Zellen hemmen soll. Männern, bei denen eine Hormon-Behandlung erfolglos geblieben ist und sich zudem noch Metastasen im Knochen gebildet haben, verhalf es in einem Klinischen Test zu einem noch nicht einmal drei Monate längeren Leben. Trotzdem will BAYER für das Medikament im nächsten Jahr die Zulassung beantragen.

TRASYLOL-Wiederzulassung in Kanada
Im November 2007 musste BAYER das Medikament TRASYLOL, das MedizinerInnen bei OPs zur Blutstillung einsetzten, wegen der Nebenwirkung „Tod“ vom Markt nehmen. Mehrere Studien hatten die Gefährlichkeit des Medikamentes belegt. So analysierte der Harvard-Professor Alexander Walker die Unterlagen von 78.000 Krankenhaus-PatientInnen und konstatierte im Falle einer Behandlung mit TRASYLOL eine erhöhte Sterblichkeitsrate sowie ein größeres Risiko für Nierenversagen, Schlaganfälle und Herzerkrankungen. „2.653 Patienten mussten zur Dialyse und 2.613 Patienten starben“, hieß es in der Expertise. Trotz dieses Befundes hat Kanada der Arznei zur Versorgung von PatientInnen nach Bypass-Operationen eine Wiederzulassung erteilt. „Nach einer sorgsamen Überprüfung kam Health Canada (die staatliche Gesundheitsbehörde, Anm. Ticker) zu dem Schluss, dass der Nutzen von TRASYLOL die Risiken übersteigt“, hieß es zur Begründung. Zahlreiche MedizinerInnen mochten sich diese Meinung nicht anschließen und protestierten gegen die Entscheidung.

Lieber kein ASPIRIN COMPLEX
In unendlichen Variationen bietet der Leverkusener Multi seinen „Tausendsassa“ ASPIRIN mittlerweile an. So gibt es ASPIRIN COMPLEX zur Behandlung von Erkältungssymptomen seit Kurzem auch zum Anrühren mit heißem Wasser. Die unabhängige Fachzeitschrift arznei-telegramm rät von dem Mittel mit der Wirkstoff-Kombination Acetylsalicylsäure und Pseudoephedrin allerdings ab. Vor allem am Nutzen des Amphetamin-Abkömmlings Pseudoephedrin zweifelt das Magazin, weil es gegen eine verstopfte Nase nicht so gut wirkt wie andere Wirkstoffe und zudem noch mehr Nebenwirkungen hat. Als solche zählt die Zeitschrift Angstzustände, Schlaflosigkeit, Halluzinationen, Herzrasen und steigender Blutdruck auf. Sogar ein Herzinfarkt ist der Publikation zufolge belegt.

Keine Packungsbeschränkung für ASPIRIN
Immer mehr Menschen nehmen ASPIRIN ein, was vor allem der BAYER-Werbung geschuldet ist. Dem Konzern gelingt es mit seinen Kampagnen, das Präparat nicht mehr nur als Schmerztablette, sondern auch als Mittel zur Herzinfarkt-Prophylaxe zu vermarkten. Aber mit den Umsätzen (aktuell 776 Millionen Euro), steigen auch die Zwischenfälle. Dr. Friedrich Hagenmüller von der Hamburger Asklepios-Klinik schätzt die Zahl der Todesopfer durch die ASPIRIN-Nebenwirkung „Magenbluten“ allein in der Bundesrepublik auf 1.000 bis 5.000. Da er zudem den Nutzen des „Tausendsassas“ bei der Schmerzbehandlung anzweifelt, setzt er sich für eine Handelsbeschränkung ein. Die forderte das „Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte“ (BfArM) ebenfalls. Es trat dafür ein, die rezeptfrei abgegebenen Packungen von ASPIRIN und ähnlichen Produkten so zu verkleinern, dass sie nur noch für vier Tage reichen. Danach sollten die PatientInnen die Medikamente bloß noch auf Rezept bekommen. Dieser Vorschlag konnte vor dem auch mit Pharma-VertreterInnen besetzten „Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht“ allerdings nicht bestehen.

Doping mit ASPIRIN
ASPIRIN erfreut sich auch im Sport-Bereich zunehmender Beliebtheit. Besonders vor strapaziösen Marathonläufe greifen die TeilnehmerInnen gerne zu dem Tausendsassa oder zu anderen Schmerzmitteln. Nach einer Untersuchung des Pharmakologen Dr. Kay Brune nahmen beim Bonn-Marathon 2009 fast zwei Drittel der LäuferInnen ASPIRIN oder ähnliche Präparate ein. Unter der sportlichen Belastung steigt die Gefahr noch einmal stark an, dass die Nebenwirkungen durchschlagen, denn der Körper versorgt während dieser Zeit die für die Entgiftung zuständigen Nieren und den Magen/Darm-Trakt weniger mit Blut als üblicherweise. Die Folge: Nierenschäden und Magengeschwüre. „Manche Sportler müssen sogar unmittelbar nach der sportlichen Höchstleistung operiert werden und verlieren Teile ihrer inneren Organe“, so Brune.

LEGANTO neu auf dem Markt
BAYER bringt das bisher unter dem Namen NEUPRO bekannte Pflaster unter der Bezeichnung LEGANTO neu heraus. Eine entsprechende Kooperation mit dem NEUPRO-Hersteller UCB gab der Leverkusener Multi im Sommer 2011 bekannt. Das mit dem dopamin-ähnlich wirkenden Rotigotin versehene Pflaster ist zur Behandlung des Restless-Legs-Syndroms und zur Therapie von Parkinson im Frühstadium zugelassen. In einem späterem Stadium der Krankheit dürfen es die MedizinerInnen nur gemeinsam mit einem anderen Medikament verwenden. In Tests zeigte sich das Mittel bei dieser Indikation der Substanz Ropinirol unterlegen. Die „European Medicines Agency“ ließ das Medikament, zu dessen Nebenwirkungen Müdigkeit, Schwindel, Kopfschmerz und Übelkeit zählen, aber trotzdem zu.

VFA beklagt sinkende Pillen-Preise
Das 2010 erlassene „Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittel-Marktes“ hat die Pillen-Preise bis zum Jahr 2013 auf dem Stand von August 2009 eingefroren und den Hersteller-Rabatt für neue Medikamente von sechs auf 16 Prozent erhöht. Das hat nach Berechnungen des „Verbandes der Forschenden Arzneimittelhersteller“ (VFA), den BAYER gegründet hat, die Arzneien im Durchschnitt um drei Prozent billiger gemacht, was zu entsprechenden Mindereinnahmen bei den Pharma-Multis geführt hat. Allein das neue Rabatt-Reglement kostet die Konzerne 1,5 Milliarden Euro.

Personalisierte Medizin floppt
Die personalisierte Medizin, also die Entwicklung einer passgenauen, auf die jeweiligen Bedürfnisse der PatientInnen ausgerichteten Therapie-Form, erfüllt die in sie gesteckten Erwartungen nicht. „Die Sache ist komplizierter als gedacht“, räumt BAYERs Pharma-Forscher Jörg Müller ein. Besonders bei Herz/Kreislauf-Erkrankungen hapert es noch. „Kardiologische Erkrankungen sind auf molekularer Ebene viel weniger erforscht, als das bei Krebs-Indikationen der Fall ist“, stellt sein Kollege Helmut Haning fest. Zudem ist „Personalisierte Medizin“ oftmals nur ein Euphemismus für ein dem Großteil der PatientInnen nicht zumutbares Medikament. Wenn eine Arznei in einem Klinischen Test bei der Mehrheit der ProbandInnen keine positiven Effekte zeitigt, picken sich die Pharma-Multis die Minderheit heraus und deklarieren die Pille als maßgeschneidert für ebendiese Gruppe. Das hat auch der Leverkusener Multi vor. Da sein Pharmazeutikum XARELTO bei der Indikation „Thrombose“ in Tests nicht besser als die bisherige Standardmedikation abschnitt, will er sich nun diejenigen TeilnehmerInnen herausfiltern, bei denen es doch anschlug, um wenigstens ein personalisiertes XARELTO für dieses Anwendungsgebiet herausbringen zu können.

Neuer Anlauf für Positivliste?
Viele GesundheitsministerInnen haben sich schon bemüht, die unübersehbare Menge der auf dem Markt befindlichen Arzneimittel durch eine Positivliste zu beschränken. Allesamt scheiterten sie jedoch am Widerstand von BAYER & Co. Jetzt unternehmen CDU und FDP einen neuen Anlauf. Die Parteien wollen parallel zum LandärztInnen-Gesetz einen Modellversuch starten, der die MedizinerInnen auf die Verordnung bestimmter, in einem Katalog festgehaltener Arzneien verpflichtet. Warnungen vor einer „standardisierten Kochbuch-Medizin“ ließen da nicht lange auf sich warten, und allen bisherigen Erfahrungen nach zu urteilen, dürfte das Projekt keine großen Chancen haben.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

Endosulfan-Verbot beschlossen
Jahrelang hatte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) den Leverkusener Multi aufgefordert, den in der Bundesrepublik schon längst verbotenen, besonders gefährlichen Pestizid-Wirkstoff Endosulfan in anderen Ländern ebenfalls nicht mehr zu vertreiben. Im vorletzten Jahr erklärte sich der Konzern endlich dazu bereit (SWB 3/09), nicht ohne jedoch noch einmal einen aggressiven Schlussverkauf zu veranstalten (siehe auch SWB 1/11). Und jetzt darf der Multi auch gar nicht mehr anders: Die 133 der „Stockholmer Konvention“ angeschlossenen Staaten haben sich zu einem weltweiten Bann entschlossen. Allerdings gestalteten sich die Verhandlungen schwierig, und Indien, China und Uganda stimmten der Einigung nur gegen die Gewährung von Ausnahmegenehmigungen zu. Ganz verschwindet das Ultragift damit also nicht.

PFLANZEN & SAATEN

Zugriff auf Hybridreis-Zucht
Ende September 2011 erwarb BAYER Zugriffsrechte auf das Hybridreis-Zuchtprogramm der brasilianischen Firma FAZENDA ANA PAULA. Bei Hybrid-Reis handelt es sich um solche Pflanzen, welche die LandwirtInnen nicht wiederaussäen können, was die Abhängigkeit von den Konzernen steigert (siehe auch SWB 1/10). Darum engagiert sich der Leverkusener Multi auch stark auf diesem Gebiet. Er hat in Ländern wie Indonesien, Brasilien, Burma, China, Thailand, den Philippinen und Vietnam Kooperationen mit den Regierungen vereinbart hat, um ARIZE und andere Sorten durchzusetzen. Bauern und Bäuerinnen haben mit ihnen denkbar schlechte Erfahrungen gemacht. So klagen etwa indonesische FarmerInnen über ARIZE, weil er hohe Produktionskosten verursacht, schlecht schmeckt und anfälliger gegenüber Schadinsekten ist. Da der Agro-Riese das Produkt zudem auf die industrielle Landwirtschaft zugeschnitten hat, warnt die Initiative ALLIANCE OF AGRARIAN REFORM MOVEMENT im Land bereits vor einem Bauernsterben durch ARIZE & Co.

Mehr Bioscience
BAYER entwickelt pro Jahr mehr als 100 neue Pflanzen- und Gemüsesorten. Und es sollen noch mehr werden. Der Konzern kündigte nämlich an, seine Forschungsausgaben in der Sparte „Bioscience“ bis 2015 auf 400 Millionen Euro zu verdoppeln. Und neben neuen Gentech-Arten (siehe GENE & KLONE) will der Agro-Multi mit diesem Geld auch mehr Saatgut und auf konventionellem Wege veränderte Ackerfrüchte entwickeln.

Weizen-Kooperation mit Uni
Der Leverkusener Multi hat mit der US-amerikanischen „South Dakota State University“ eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet „Weizen-Saatgut“ vereinbart. Nach dem Vertrag gewähren sich die Partner gegenseitig den Zugriff auf ihr Zuchtmaterial, was dem Konzern die Möglichkeit eröffnet, neue Sorten zu entwickeln. Das gewachsene Interesse des Global Players an der weltweit am häufigsten angebauten Kulturpflanze belegen auch neuere Kooperationen mit dem französischen Unternehmen RAGT, der australischen Forschungseinrichtung „Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation“ (CSIRO), mit dem israelischen Biotech-Betrieb EVOGENE und der Universität von Nebraska sowie der Erwerb zweier Zuchtprogramme von ukrainischen Gesellschaften. Der erste Weizen made by BAYER ist für das Jahr 2015 angekündigt.

Weizenzucht-Zentrum in Gatersleben
BAYER errichtet im Biotech„park“ Gatersleben ein Europäisches Weizenzucht-Zentrum und verstärkt damit sein Engagement auf diesem Gebiet (s.o.) weiter. Auf dem Gelände, auf dem sich auch das „Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzen-Forschung“ befindet, hat der Multi Großes im Sinn. „Unser Team im Europäischen Weizenzucht-Zentrum wird erstklassige, an europäische Bedingungen angepasste Sorten entwickeln. Mit diesen Sorten und unserem führenden Portfolio an Pflanzenschutz-Produkten werden wir in Zukunft Lösungen für eine nachhaltige Getreide-Produktion von der Aussaat bis zur Ernte anbieten können“, erklärte der Agro-Riese. Ähnliche Zentren wie das in Gatersleben plant er in den USA, in Australien, Asien und Lateinamerika. Und um auch den ganzen Nutzen aus der Wertschöpfungskette „Weizen“ ziehen und die LandwirtInnen in eine größere Abhängigkeit treiben zu können, fordert der Global Player auch für nicht per Gentechnik entwickelte Ackerfrüchte eine Patent-Regelung ein (siehe Ticker 4/11).

GENE & KLONE

BAYER testet Krebsmittel
Das Biotech-Unternehmen MORPHOSYS hat einen Antikörper zur Tumor-Behandlung entdeckt und will ihn gemeinsam mit BAYER bis zur Produktreife entwickeln. Die Klinischen Tests der Phase I haben im Herbst 2011 begonnen. Die bisherigen Erfahrungen machen allerdings skeptisch. Bislang ist es dem Leverkusener Multi noch nie gelungen, ein Krebspräparat auf den Markt zu bringen, welches das Leben der PatientInnen mehr als drei Monate verlängert.

BAYER-Gensoja nicht zugelassen
Ein ExpertInnen-Gremium der EU konnte sich nicht über die Zulassung von BAYERs Gensoja der BASTA-Produktreihe einigen. Deshalb muss sich jetzt eine höhere Instanz mit dem Fall beschäftigen. Die COORDINATON GEGEN BAYER-GEFAHREN tritt schon seit längerem für ein Importverbot ein. Die Pflanze ist nämlich durch eine auf gentechnischem Wege eingebaute Resistenz auf den Gebrauch des hochgefährlichen Herbizides Glufosinat abgestimmt, dessen Gebrauch die Europäische Union ab 2017 verboten hat.

Mehr Gentech-Forschung
BAYER will die Forschungsausgaben im Bereich „Bioscience“ bis zum Jahr 2015 auf 400 Millionen Euro verdoppeln. Da sich die Hälfte der Projekte in dieser Sparte mit der „grünen Gentechnik“ befasst, dürfte deshalb in Zukunft mit mehr Laborfrüchten made by BAYER zu rechnen sein.

Neues Gentech-Verfahren
Durch die Nutzung einer Technologie, die das US-Unternehmen PRECISION BIOSCIENCE entwickelt hat, ist es BAYER-ForscherInnen gelungen, eine neue Erbanlage in eine bereits gen-veränderte Pflanze einzubauen. „Durch die zielgenaue Integration vorteilhafter Pflanzen-Eigenschaften lässt sich die Produktentwicklung vereinfachen und die Zeit bis zur Marktreife verkürzen“, jubiliert der Konzern.

WASSER, BODEN & LUFT

„Map Ta Phut“-Gesetz scheitert vorerst
Im thailändischen Map Ta Phut liegt eine der größten Industriezonen der Welt. Sie sollte noch größer werden, aber den AnwohnerInnen reichten schon die bisherigen Umweltbelastungen. Sie klagten, und 2009 gab ein Gericht ihnen Recht. Es stoppte 76 Bauvorhaben, darunter zwei des Leverkusener Multis, der seine Bisphenol- und seine Polycarbonat-Produktion erweitern wollte (SWB 1/11). Inzwischen ist das Moratorium wieder aufgehoben. Die Regionalregierung versprach jedoch einen besseren Gesundheitsschutz. Eine unabhängige Kommission erarbeitete dann auch einen Gesetzesvorschlag. Der allerdings fand im September 2011 nicht die Gnade der Politik. Sie gab eine Überarbeitung in Auftrag, was die Initiative EASTERN PEOPLE‘S NETWORK zu herber Kritik veranlasste.

Kooperation mit der Müll-Mafia
BAYER und andere bundesdeutsche Unternehmen haben in den 1960er bis 1980er Jahren die Dienste der Mafia in Anspruch genommen, um ihren Giftmüll zu entsorgen. Die Abfälle landeten zunächst in Afrika. Als es dort zu Protesten kam, versenkte die kriminelle Vereinigung die Produktionsreste mitsamt Schiffen einfach auf hoher See. Ca. 30 von ihnen schlummern heute noch auf dem Meeresgrund. „Es war ein weitverzweigtes Netzwerk. Ein internationales Netzwerk, bestehend aus Drecksarbeitern und Saubermännern, bis in höchste politische Ebenen vernetzt, mit Ausläufern auf dem ganzen Erdball“, sagt der Journalist Sandro Mattioli, der gemeinsam mit seinem Kollegen Andrea Palladino über diesen Fall das Buch „Die Müllmafia“ geschrieben hat. Ernsthafte Bemühungen, diesen Skandal aufzudecken, gab es nur in den 1990er Jahren - und der damalige Hauptermittler Natale de Grazia bezahlte das mit seinem Leben.

Dormagen: Aus für Müllkraftwerk
Der Leverkusener Multi hat Planungen für ein Müllkraftwerk in Dormagen aufgegeben, da das zu erwartende Abfall-Volumen nicht ausreicht, um es rentabel betreiben zu können. Auch in Brunsbüttel stocken die Vorbereitungen für einen solchen Ofen, der mehr Schadstoffe produziert als herkömmliche Rückstandsverbrennungsanlagen, weshalb die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN die Bau-Bestrebungen bereits seit längerem kritisiert (siehe SWB 1/08).

BAYER initiiert „CleantechNRW“
Unter Nachhaltigkeit versteht der Leverkusener Multi vor allem Ressourcen-Effizienz. Aber die Umwelt profitiert im Gegensatz zum Unternehmensetat nicht unbedingt von einem sparsamen Umgang mit den Rohstoffen. So lobt sich der Konzern zwar immer wieder selbst dafür, den Energie-Einsatz pro Produktionseinheit heruntergefahren zu haben, schweigt aber lieber über den trotzdem in absoluten Zahlen gestiegenen Kohlendioxid-Ausstoß. Da wundert es nicht, dass sich der auf BAYERs Initiative hin entstandene Verbund „CleantechNRW“ auch diesem Paradigma verschrieben hat. „Ich bin überzeugt, dass CleanTechNRW einen hervorragenden Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit des Standorts NRW leisten kann. Auch, weil es sich mutig und klar zu bestimmten Zukunftsthemen bekennt - wie dem Klimawandel und der Ressourcen-Effizienz“, sagt etwa BAYER-Chef Marijn Dekkers. Neben solchen Projekten will sich das Cluster vor allem der Entwicklung von Batterien für Elektroautos und der Gewinnung von Wasserstoff und Methan aus gasförmigen Abfallstoffen widmen.

BAYER sieht Energiewende skeptisch
Der Leverkusener Multi vermag dem Ausstieg aus der Atomkraft nichts Positives abgewinnen, weil er höhere Energiekosten befürchtet. Auf die Frage des Magazins Process: „Könnte die Energiewende im Hinblick auf eine energie-effiziente Produktion zum Antrieb werden?“ antwortete BAYER-Chef Marijn Dekkers: „Daran glaube ich nicht. Wäre es so, müssten sich alle Mitbewerber um deutsche Standorte reißen, um in den Genuss dieser ‚Antriebskräfte‘ zu kommen.“

Plan B zum Gaskraftwerk
Nach massiven Protesten musste TRIANEL darauf verzichten, auf dem Gelände von BAYERs Chemie„park“ in Krefeld ein klima-schädigendes Kohlekraftwerk zu errichten. Nun plant BAYER gemeinsam mit TRIANEL ein Gas- und Dampfkraftwerk. Aber so ganz in trockenen Tüchern ist das Vorhaben noch nicht. „Ob dieses Projekt wirtschaftlich umsetzbar ist, wird sich im Laufe der Projekt-Entwicklung zeigen“, heißt es von Seiten des Leverkusener Multis. Darum hält er sich auch die Alternative einer „Eigenlösung“ offen und hat bei der Bezirksregierung einen Genehmigungsantrag zum Bau einer gas-betriebenen Kessel-Anlage gestellt.

Emissionshandel ohne Effekt
Vor einigen Jahren hat die EU den Emissionshandel mit Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten eingeführt. Er sieht vor, BAYER & Co. CO2-Emissionen nur in einem bestimmten Volumen zu gestatten. Alles, was über ein bestimmtes Limit hinausgeht, sollte den Konzernen teuer zu stehen kommen. Aber die disziplinarische Wirkung dieser Maßnahme hält sich in Grenzen. Die Unternehmen erhalten nämlich immer noch viel zu viel Gratis-Lizenzen zur Klimaschädigung. 1,97 Milliarden Tonnen Kohlendioxid dürfen sie 2013 ungestraft ausstoßen, nur geringfügig weniger als momentan (2,08 Milliarden Tonnen). So kann der Leverkusener Multi munter seinen CO2-Ausstoß steigern (aktuell 8,5 Millionen Tonnen), „ohne in größerem Umfang Zertifikate zukaufen zu müssen“, wie es im Nachhaltigkeitsbericht heißt.

GIFTIG, ÄTZEND & EXPLOSIV

BAYER drittgrößter Chlorproduzent
Chlor-Verbindungen gehören zu den gesundheitsschädlichsten und umweltbelastendsten Substanzen überhaupt. Trotzdem unternimmt BAYER kaum Anstrengungen, das Gas als Grundstoff für Chemie-Produkte wie etwa Polyurethan zu ersetzen. So stellen in Europa nur noch DOW CHEMICAL und SOLVAY mehr Chlor her als der Leverkusener Multi. Auf eine Jahres-Kapazitä

[Spanien / IGF] STICHWORT BAYER 2011

CBG Redaktion

Die IG FARBEN im Spanischen Bürgerkrieg

„Selbstverständliche Pflicht, Franco zu helfen“

Vor 75 Jahren begann der Spanische Bürgerkrieg. Die von BAYER mitgegründete IG FARBEN ergriff dabei auf allen erdenklichen Wegen Partei für die Putschisten um General Franco, wie die 1966 erschienene Untersuchung „Die Herren Generale“ von Dr. Janis Schmelzer erhellt.

Am 17. Juli 1936 erhoben sich die Truppen Francisco Francos gegen die demokratisch legitimierte Volksfront-Regierung. Aber die Bevölkerung setzte sich zur Wehr und verteidigte die Republik. Unterstützung erhielt sie von Freiwilligen aus ganz Europa, während die faschistischen Regime in Deutschland und Italien sich auf die Seite der Putschisten stellten. Hitler sollte sich später brüsten, dass es „ohne die Hilfe der beiden Länder (...) heute keinen Franco“ (1) gäbe.

Einen bedeutenden Anteil daran hatte die von BAYER mitgegründete IG FARBEN. Der mit Abstand größte ausländische Investor in Spanien, der im Land 14 Niederlassungen unterhielt, stand den Putschisten treu zur Seite. Die Volksfront, die als Sieger aus den Wahlen im Februar 1936 hervorgegangen war, bereitete dem Konzern nämlich so einige Sorgen. „Von einer ungezügelten Flut sozialer extremer Bestrebungen“ (2) sprach der Bericht „Über soziale Kämpfe der Gegenwart in Spanien“, knapp sechs Wochen nach dem Erfolg der Koalition aus SozialistInnen, KommunistInnen und RepublikanerInnen verfasst von den IG-Statthaltern in Flix nahe Barcelona. „Die Einführung der Krankenkassen und andere schöne Dinge mehr“ wie die Verkürzung der Arbeitszeit, eine Sozialgesetzgebung und Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit versetzten die Managern nicht weniger in Unruhe als die Aussicht auf eine Stärkung der Selbstständigkeit Kataloniens.

Die IG flieht
Bereits unmittelbar nach dem Putsch verließen sämtliche deutschen Angestellten die Niederlassungen in Flix und Bearcelona - im Stammland der Volksfront mochten sie sich nicht länger aufhalten. Das Auswärtige Amt hatte, von der „Wirtschaftspolitischen Abteilung“ der IG FARBEN um eine Einschätzung der Situation gebeten, zwar versichert, die Regierungskoalition „sei bemüht, Zwischenfälle zu vermeiden“, aber das beruhigte das Personal offenbar nicht. So begab es sich in die von Franco kontrollierten Gebiete oder „Heim ins Reich“, wobei einige der Beschäftigten als Transportmittel das Panzerschiff „Deutschland“ benutzt haben dürften. Auf solche Vorkehrungen hatte die „Wirtschaftspolitische Abteilung“ gegenüber den deutschen Stellen nämlich gedrungen, weshalb sie nach Spanien vermelden konnte: „Das Oberkommando der Kriegsmarine ist auf die Lage der in Flix befindlichen IG-Herren vom Auswärtigen Amt besonders hingewiesen worden und hat entsprechende Anweisungen an die in Spanien befindlichen Kriegsschiffe gegeben“ (3).

Die 3-köpfige Geschäftsleitung von AGFA-FOTO blieb vorerst. Aber Ende September 1936 beorderte die Zentrale zwei von ihnen in die Heimat zurück. Zwei Wochen später ging auch der Geschäftsführer Enrique Herold, nicht ohne 815.000 Peseten, den Tresor-Schlüssel und wichtige chemische Formeln mitzunehmen. Vorausgegangen waren Auseinandersetzungen mit dem neuen Aufsichtsgremium, welches das katalonische Wirtschaftsministerium geschaffen hatte. Die IG-Manager sahen in dem gewählten Kontroll-Komitee das Schreckgespenst der Kollektivierung aufsteigen, obwohl sich die Schockeffekte sehr in Grenzen hielten und die angeblich so bösen Geister partout nicht von den guten Geistern verlassen werden wollten. Der nunmehr mit der Leitung des Unternehmens betraute Betriebsrat arbeitete zwar „mit allen Mitteln für die antifaschistische Sache“, warf den Managern in einem Brief aber gleichzeitig vor, „zu einer Zeit, wo es gerade besonders nötig und angebracht gewesen wäre, das neue geschäftliche Leben zu organisieren und aufzubauen“, geflohen zu sein (4). Die Gewinne führte die AGFA-Niederlassung ebenfalls ganz ordnungsgemäß ab.

So war es denn auch weniger der Sozialismus, den das damals größte europäische Unternehmen fürchtete, als vielmehr die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtsstaates. Der hatte nämlich ausländischen Firmen schon vor der Volksfront-Zeit verboten, über eine bestimmte Grenze hinaus spanische Firmen aufzukaufen, um die heimische Wirtschaft zu schützen. Darum hatte die IG - wie andere deutsche Konzerne auch - ihren Besitz in dem Land Strohmännern übertragen. Und genau darauf war das Kontroll-Komitee gestoßen. „Das Comité verlangt für heute Auskunft über verschiedene die finanzielle Struktur der AGFA-FOTO betreffende Fragen“, verlautete aufgeregt aus Barcelona (5). „Da es mit Rücksicht auf mögliche spätere außerordentlich hohe Forderungen des Steuerfiskus vorerst unter keinen Umständen konveniert, zuzugeben, dass sich das gesamte Aktien-Kapital der AGFA-FOTO in den Händen der I.G., also einer ausländischen Firma, befindet“, erhielt Enrique Herold zunächst den Rat, auf Zeit zu spielen. Irgendwann aber wurde der Boden für ihn zu heiß.

Auch aus solchen Gründen schlug sich die IG auf die Seite Francos. Sie leistete ihm auf jede erdenkliche Art Beistand. Die Gesellschaft spendete dem General und seinem Anhang mehrmals Beträge in Höhe von 100.000 Peseten und bedachte dabei militärische Erfolge mit Sonderprämien. Gemeinsam mit SIEMENS und anderen deutschen Unternehmen unterstützte der Mörder-Konzern die „Legion Vidal“, die Sanitätstruppe der Putschisten, und rüstete die Kämpfer aus. „Während der ganzen Dauer des spanischen Bürgerkriegs hat Deutschland und innerhalb Deutschlands 100-prozentig die AGFA es fertiggebracht, Spanien, d. h. die spanische Wehrmacht mit den unbedingt erforderlichen Mengen (...) zu versorgen“, verkündete der Multi stolz (6). Von Zellwolle für die Uniformen bis hin zu Quecksilber und Experten für den „chemischen Kriegsdienst“ des Francisco Franco lieferte die IG FARBEN alles. Zufrieden meldete der den Schwermetall-Deal betreuende Generalstabsoffizier - und in Diensten der IG stehende - Luis Muntatas seinem Chef: „Dieser Bitte wurde in Deutschland ohne weiteres nachgegeben, weil man es für eine selbstverständliche Pflicht hielt, der Regierung Franco in jeder Weise behilflich zu sein“ (7).

In internen Schreiben rühmten IG-Manager den „vorbildliche(n) Kampfesmut“ der Franco-Schergen und erklärten die Eroberung von Toledo zum „Ruhmesblatt in der Geschichte Spaniens“ (8). Entsprechend unterteilten sie ihre Belegschaft in „gute Elemente“ und „Rote“. Zu diesem Zweck führte die Direktion Fragebogen-Aktionen durch und legte Schwarze Listen an. Auf einer solchen erschien etwa Tomas de V. Gali, der 2. Kommandant des republikanischen Schlachtschiffes „Gravina“, als besonders verdächtige Person. AgentInnen der Geschäftsleitung spürten solche unsicheren Kantonisten auf, von denen es eine ganze Menge gab. Zwei Drittel der Belegschaftsangehörigen standen den Spitzel-Berichten zufolge auf der Seite der Republik. Diejenigen, „die zur anderen Seite neigen bzw. zu uns halten“, erhielten unter einer Deckadresse Anweisungen zur Sabotage. Sogar in Führungspositionen gelangten die Undercover-Leute: Juan Trilla Buxeda leitete den Betriebsrat. Zudem hatte die IG Nazi-Spione wie Friedrich Lippenheide, Richard Modenhaus, Heinrich C. Langenbein, Rolf Rüggeberg und Albrecht von Koss in ihren Reihen. Insgesamt 104 solcher Personen identifizierte die US-Regierung bei den IG FARBEN, anderen Firmen wie MAN, LUFTHANSA, TELEFUNKEN oder bei den deutschen Konsulaten (9).

Handfeste Interessen
Dabei trieb nicht einfach faschistisches Kameradschaftsgefühl das Nazi-Regime und seinen größten Konzern an. Hitler und die IG verfolgten vielmehr handfeste Interessen. Sie konnten sich in dem Staat an der Zurückdrängung der „roten Gefahr“ versuchen und sich durch den „Weltkrieg im Kleinen“, wie es ein IG-Manager ausdrückte, auf den großen Waffengang vorbereiten. Spanien bot nicht nur Gelegenheit, die Allianz mit Benito Mussolini zu festigen, es diente auch als Truppenübungsplatz und als Rohstoff-Reservoir für die deutsche Wehrwirtschaft.

Diese zu stärken, hatte sich der Vierjahresplan von 1936 zur Aufgabe gemacht. Er leitete die Umstellung zu einer Ökonomie ein, die ihren Schwerpunkt auf die Erzeugung von Rüstungsgütern legt und sich unabhängig insbesondere von Rohstoff-Lieferungen aus dem Ausland macht. Die Blaupause für den Plan hatte die IG FARBEN geliefert. Hatte der Konzern in der Anfangszeit des Faschismus noch auf Freihandel gesetzt, so drängte ihn seine Devisen-Knappheit ab 1935, Niederlassungen in Übersee zu schließen und auf einen Autarkie-Kurs zu setzen. Passgenau für ihre Bedürfnisse schneiderten die IG-Experten das Konzept zurecht, das als Grundlage für den Vierjahresplan diente, weshalb er bald „IG-FARBEN-Plan“ hieß. Auch über die Umsetzung wachten zahlreiche, in die neue Vierjahresplan-Behörde abgestellte Konzern-Beschäftigte. So flossen 90 Prozent des Gesamtetats in den Chemie-Bereich und davon wiederum 72,7 Prozent in die eigenen Kassen weiter. Und bei der „Erweiterung des Lebensraums bzw. der Rohstoff- und Ernährungsbasis unseres Volkes“, wie Hitler in seiner Denkschrift zum Vierjahresplan formulierte, kam auch Spanien eine Rolle zu, verfügte das Land doch über wichtige Bodenschätze.

Rohstoff-Reservoir
Ob „wir unsere Hilfeleistungen nach Spanien als erfolgreich oder misslungen bezeichnen können“, machte Johannes Bernhardt als Görings Wirtschaftsstatthalter in dem Land nicht etwa von einem Sieg der Truppen Francos abhängig, sondern ganz profan von der „Lösung oder dem Scheitern unserer Bemühungen im spanischen Bergbau“ (10). Der IG-Direktor Heinrich Gattineau, im Konzern auch Verbindungsmann zur Nazi-Regierung, machte sich gleich im Herbst 1936 auf nach Spanien, um die Lage zu sondieren. Ihn trieb die Sorge um, durch den Bürgerkrieg von der Versorgung mit wichtigen Rohstoffen abgeschnitten zu sein. So warnte er in seinem Reisebericht „vor der sehr gefährlichen Situation, nicht mehr genügend Schwefelkies für die Schwefelsäure-Produktion einführen zu können“. Über die Hälfte des Bedarfs an diesem auch Pyrit genannten Minerals deckte das „Deutsche Reich“ aus spanischen Quellen. Aber die sprudelten entgegen Gattineaus Befürchtungen schon bald wieder. Über 200.000 Tonnen Schwefelkies akquirierten die deutschen Stellen bereits im Oktober 1936. Ein Großteil davon ging an die IG FARBEN; über die Jahre lag ihr Anteil am Gesamt-Import bei 80 Prozent. Auch Wolfram und Eisenerz, das Hitler 1937 in einer Rede als Hauptgrund für das Engagement im Bürgerkrieg genannt hatte, gelangte in ausreichenden Mengen nach Deutschland.

Durch den Rohstoff-Hunger des „3. Reiches“ wandelten sich die bilateralen Beziehungen zwischen den beiden Ländern fundamental. Der Anteil von Schwefelkies, Eisenerz & Co. an den Importen stieg binnen weniger Jahre von 35 auf 80 Prozent und verdrängte landwirtschaftliche Produkte wie Wein und Obst von den Spitzenplätzen - nicht unbedingt zum Gefallen Francos. Auch formell veränderte sich einiges. Das gesamte Ein- und Ausfuhrgeschäft lief über die beiden sich ergänzenden Institutionen HISMA und ROWAK ab, „weil mit Rücksicht auf die Bedürfnisse des Vierjahresplans eine restlose Erfassung der in Spanien zur Verfügung stehenden und für die deutsche Wirtschaft lebensnotwendigen Rohstoffe und Nahrungsmittel anders nicht gesichert erschien“ (11). Die Putschisten verfügten nämlich nicht über genug Gold- oder Devisenreserven, um beispielsweise Waffen zu kaufen und so etablierte Göring über HISMA/ROWAK ein Tauschsystem, in dem Kriegsgerät etwa gegen Bergbau-Konzessionen verrechnet wurde. Später überschrieb Franco zur Zahlung seiner Kriegsschulden in Höhe von 480 Millionen Reichsmark sogar sechs Minen ganz an seinen Bündnispartner.

Die Monopolstellung der neuen Organisation fand nicht die ungeteilte Zustimmung der IG FARBEN, nicht nur wegen der Vermittlungsgebühr, die für jeden über die Einrichtung abgewickelten Deal zu zahlen war. Der Konzern arbeitete lieber selbstständig. „Die Abteilung Exportförderung versucht zur Zeit, private Verrechnungsgeschäfte ohne Einschaltung der ROWAK/HISMA zustande zu bringen“, heißt es in einem Firmen-Dokument vom Dezember 1936 (12). So hatte Heinrich Gattineau auf seiner Spanien-Reise gleich das Hauptquartier der Franco-Schergen in Burgos aufgesucht, um eigenmächtig über die Lieferung von Stickstoff für den militärischen Bedarf zu verhandeln. Aber es gelang schließlich nicht, die ROWAK dabei zu umgehen, wie auch später kaum. Nur beim Export von Farben und Pharmazeutika in geringeren Mengen konnte das Unternehmen die mächtige Institution außen vor halten.

Guernica
Die bürokratischen Umwege, welche die IG FARBEN gehen musste, beeinträchtigten die Geschäfte indes kaum. Besonders die Nord-Offensive Francos vom Frühjahr 1937, die für immer mit dem Namen „Guernica“ verbunden bleibt, feuerte die Rohstoff-Exporte an, gelang es den Putschisten doch, Kontrolle über bodenschatz-reiche baskische Industrie-Regionen zu bekommen. Die Eisenerz-Ausfuhr verdreifachte sich von 1937 auf 1938, während die entsprechenden Lieferungen nach England einbrachen. Auch die Schwefelsäure-Exporte zogen an.

Dafür leistete der Chemie-Verbund Franco beträchtliche Schützenhilfe, denn bei den Luftangriffen der „Legion Condor“ auf Guernica und andere baskischen Städte kam die IG-Brandbombe B1E zum Einsatz. Sie entwickelte beim Einschlag eine Hitze von bis zu 2.400 Grad und entfachte eine Feuersbrunst, der mit Löschwasser nicht beizukommen war. Es zersetzte sich unter solch hohen Temperaturen sofort in Wasserstoff und Sauerstoff und bildete explosives Knallgas.

Die genaue Zerstörungsleistung - allein in Guernica starben an einem einzigen Tag fast 1.700 Menschen - untersuchten Experten minutiös; Spanien galt den Nazis nämlich auch als gigantischer Truppenübungsplatz. Und „Folgerungen im Hinblick auf einen europäischen Krieg“ ergaben sich gleich mehrere. Die Zivilbevölkerung sei „durch fortdauernde Angriffe kleinerer Einheiten (...) tief beeindruckt und verängstigt“ worden, protokollierten die Berichterstatter und prognostizierten: „In einem europäischen Krieg können Städte mit Holzfachwerk-Bau durch die Brandbombe angesteckt werden“ (13). Das tat der Legionsstabschef Wolfram Freiherr von Richthofen mit seinen Spanien-erprobten Geschwadern dann auch später bei seinen Weltkriegseinsätzen über Wielu, Minsk, Witebsk, Orscha und anderen polnischen oder sowjetischen Städten.

Nach dem Bürgerkrieg
Zum Ende des Bürgerkriegs zog die IG eine positive Bilanz. „Die zukünftige Entwicklung der Handelsbeziehungen zwischen Spanien und Deutschland wird positiv gesehen“, heißt es im Report „Spaniens Wirtschaftskräfte“ (14). „Deutschland ist in der Position, spanische Rohstoffe in ansehnlichen Mengen zu importieren“, konstatiert er und macht sich Hoffungen darauf, nicht nur vom Krieg, sondern auch vom Wiederaufbau profitieren zu können. Die große Bedeutung des Landes für Nazi-Deutschland strich im selben Jahr noch einmal der IG-Obere Carl Krauch heraus, der in der Vierjahrsplan-Administration inzwischen zum mächtigsten Mann aufgestiegen war. In einem unverhohlen kolonialistischen Memorandum empfahl er, dass „das Wirtschaftsgebiet zunächst friedlich auf den Balkan und auf Spanien ausgedehnt wird, entsprechend den verbesserten Rohstoff-Verhältnissen unserer Bundesgenossen“ (15).

In der Zeit nach dem Ende des Bürgerkriegs entfaltete die IG FARBEN eine rege Wirtschaftstätigkeit. Da der Heimatmarkt kaum noch lukrative Anlage-Möglichkeiten bot, suchte sie - wie andere deutsche Konzerne auch - anderweitig nach lohnenden Investitionsobjekten. So nahmen die FLIX-Werke 1941 eine Kapitalerhöhung vor. 1943 wollte die Niederlassung nochmals zunächst von neun auf zwölf Millionen Peseten und dann sogar auf 40 Millionen aufstocken. Die Nazi-Behörden erlaubten das jedoch nicht, zu sehr litt das „Deutsche Reich“ mittlerweile an der Kapitalflucht.

Nach dem Weltkrieg
Im Zweiten Weltkrieg focht das faschistische Spanien nicht mit den Achsenmächten. Vom Bürgerkrieg ausgepowert, wahrte es Neutralität, wobei diese sich jedoch - je nach Frontverlauf - mal mehr zu der einen und mal mehr zu der anderen Seite neigte. Ab 1944 wandte das Land sich verstärkt den Alliierten zu und machte auch entsprechende Zugeständnisse wie etwa die Einstellung der Wolfram-Exporte nach Deutschland.

Der Franco-Staat blieb aber immer ein unzuverlässiger Partner. Er konfizierte zwar die Geschäftsvermögen der IG FARBEN und anderer deutscher Firmen auf Geheiß der USA, tat das aber auf eine Weise, die den Schaden in Grenzen hielt (16). Weil das Außenministerium das wahre Ausmaß des deutschen Firmenbesitzes in Spanien vor den Siegermächten verbarg, vermochte diese nur 27 Prozent der eigentlich angesetzten Summe zu beschlagnahmen . Vor allem sorgte die zuständige Kommission dafür, dass die IG und andere Unternehmen nie ganz den Zugriff auf ihre spanischen Latifundien verloren. Die mit der Versteigerung der Betriebe betraute Bank URQUIJO erteilte nämlich mit Vorliebe spanischen Statthaltern oder früheren Angestellten den Zuschlag. Damit diese Übergabe reibungslos vonstatten gehen konnte, hatte das Außenministerium die Ausweisung nicht weniger deutscher Manager, Politiker oder Spione verhindert. Auch der Spanien-Chef der IG, Ferdinand Birk, verschwand so von der Schwarzen Liste der Alliierten, angelegt, um das Land nicht zu einem Rückzugsort für deutsche Nazis werden zu lassen. Er stieg stattdessen zum Leiter von UNICOLOR auf. Die AGFA-Foto ging an ihren ehemaligen Geschäftsführer Enrique Herold. Der spanische IGler José Luis Gallego durfte gleich zwei Niederlassungen vorsitzen, während sein Bruder mit finanzieller Hilfe von BAYER und SCHERING das „Instituto Farmacológico Español“ aufbaute.

Die Herren taten alles dafür, die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Staaten wieder zu normalisieren. Besonders Birk legte sich mächtig ins Zeug. Er nahm die spanische Staatsbürgerschaft an, stand an der Spitze der deutschen Handelskammer und hielt nicht nur in dieser Funktion die Gemeinde der „MigrantInnen“ zusammen. Die beiden HistorikerInnen Núria Puig und Rafael Castro bezeichnen ihn als „Master of Ceremony“ des Comebacks der deutschen Wirtschaft in dem europäischen Land. Das größte Hindernis dafür wurde 1958 aus dem Weg geräumt. In diesem Jahr schlossen Bonn und Madrid ein Abkommen, das die Rückgabe-Frage klärte und den deutschen Firmen zehn Prozent der nach 1945 konfizierten Vermögenswerte zurückerstattete. Franco war daran gelegen, Investoren ins Land zu locken, weshalb er ein Jahr später auch seinen Botschafter austauschte. Neuer Chef-Diplomat wurde mit Luis de Urquijo y Landecho der Vizepräsident der URQUIJO-Bank. Die Konzerne ergriffen sofort die Chance und brachten sich nach und nach auch offiziell wieder in den Besitz ihrer Firmengüter. Und so nahmen die IG-FARBEN-Nachfolger unter den größten deutschen Firmen in Spanien bald wieder Spitzenplätze ein. 1972 führte BAYER vor HOECHST die Rangliste an, und nach der AEG und SIEMENS folgte die BASF auf Position fünf. Von Jan Pehrke

Quellen:
=> “Die Herren Generale” (1966), Dr. Janis Schmelzer (eine Kopie senden wir gerne zu)
=> French and German Capital in Nineteenth- and Twentieth-Century Spain, Núria Puig and Rafael Castro http://www.h-net.org/ business/bhcweb/publications/BEHonline/2006/puigandcastro.pdf
=> DIE ZEIT zur Zerstörung von Guernica

ANMERKUNGEN
(1) Der Spanische Bürgerkrieg in der internationalen Politik, Hg: Wolfgang Schieder u. Christof Dipper, München 1976, S.15
(2) Dr. Janis Schmelzer, Die Herren Generale, Halle-Wittenberg, 1966, S. 13
(3) a.a.O, S. 23
(4) a.a.O, S. 83
(5) a.a.O, S. 68
(6) a.a.O, S. 25
(7) a.a.O, S. 27
(8) a.a.O, S. 68
(9) Robert H. Whealey, Hitler and Spain: The Nazi Role in the Spanish Civil War, Kentucky 2005, S. 144
(10) Schieder, S. 176
(11) a.a.O, S. 176
(12) Schmelzer, S. 76f
(13) Hannes Heer, Straße um Straße in DIE ZEIT Nr.17 vom 19.04.2007
(14) Christian Leitz, Economic relations between Nazi Germany and Franco's Spain: 1936-1945, S. 98
(15)Nuremberg Trials. War Crimes and International Law, Ergänzte Sonderausgabe, Übersetzung aus dem Englischen von Ruth Kempner, Zürich 1951, S. 92
(16) Zum Folgenden: Núria Puig und Rafael Castro, Changing and Persisting Patterns of International Investment: French and German Capital in Nineteenth- and Twentieth-Century Spain, Business and Economic History online, Volume 4, 2006, S. 18ff

[Ticker] STICHWORT BAYER 04/2011 – Ticker

CBG Redaktion

AKTION & KRITIK

Einwendung gegen TDI-Anlage
Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) hat bei der Bezirksregierung Köln eine Einwendung gegen das Vorhaben von BAYER, in Dormagen eine neue Anlage zur Herstellung des Kunststoffes TDI zu bauen, eingereicht. Die CBG hält die Produktion, bei der 60 Tonnen des Giftgases Phosgen, 25 Tonnen Ammoniak, 2.900 Tonnen TDI und mehr als 1.000 Tonnen Dichlorbenzol zum Einsatz kommen, für zu risikoreich. Sie schätzt zudem die mit dem Betrieb verbundenen Umweltbelastungen als zu hoch ein und kritisiert den zu geringen Abstand der Fertigungsstätte zu Wohnsiedlungen. Darüber hinaus moniert die Coordination das Fehlen eines „Worst-Case-Szenarios“ und den Verzicht auf Schutzmaßnahmen wie dem Vorhalten einer Ammoniak-Dampfwand zur Neutralisierung austretenden Phosgens.

CBG verklagt Uni Köln
Vor drei Jahren vereinbarte BAYER mit der Kölner Hochschule eine Kooperation auf dem Gebiet der Pharma-Forschung. „Sie ist die weitreichendste, die eine nordrhein-westfälische Universitätsklinik bislang eingegangen ist“, jubilierte der damalige Innovationsminister Andreas Pinkwart (FDP). Der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) und anderen Initiativen machte das eher Angst. Die Gruppen befürchteten eine Ausrichtung der Arznei-Forschung auf Profit, eine Entwicklung von Präparaten ohne therapeutischen Mehrwert, eine Verheimlichung negativer Studienergebnisse und einen Zugriff des Konzerns auf geistiges Eigentum der Hochschul-WissenschaftlerInnen. Deshalb forderten sie eine Offenlegung des Vertrages und bekamen dafür auch die Unterstützung des nordrhein-westfälischen Datenschutzbeauftragten. Die Universität blieb jedoch bei ihrer Verweigerungshaltung. Aus diesem Grund hat die CBG die Hochschule im Mai 2011 verklagt. Die RichterInnen erweiterten das Verfahren noch auf den Leverkusener Multi, der mit FRESHFIELDS und REDEKER gleich zwei der teuersten Kanzleien mit seiner Verteidigung beauftragte. REDEKER verfügt dabei schon über Erfahrungen auf dem Gebiet: Das Büro verteidigte Angela Merkel bei ihrem Ansinnen, keine näheren Informationen zu dem von ihr ausgerichteten Geburtstagsdinner für den Banker Josef Ackermann geben zu wollen. Die beiden Forschungspartner betreiben derweil selbst in den Mühlen der Justiz ihr Versteckspiel weiter. So weigerten sie sich sogar, dem Verwaltungsgericht das Corpus delicti, den Vertrag, zukommen zu lassen. Sie erwägen überdies, ein „in camera Verfahren“ zu beantragen, das eigentlich nur eröffnet wird, wenn eine Veröffentlichung „dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde“ - also den Rang eines Staatsgeheimnisses besitzt.

UNEP antwortet der CBG
Seit Jahren kritisiert die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) dafür, mit dem Umweltsünder BAYER zu kooperieren. Jetzt reagierte die Organisation auf die Vorwürfe. Chemikalien tragen zur Anhebung des Lebensstandards bei, können aber auch negative Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesundheit von Menschen haben, heißt es in dem Brief an die CBG. Deshalb bemühe sich die UNEP sehr, die chemische Industrie auf diese Gefahren aufmerksam zu machen und eine Balance zwischen Kosten und Nutzen zu finden. „Unsere Partnerschaft stellt BAYERs Umweltverhalten in den Mittelpunkt und gemahnt BAYER an seine Verantwortung für die Umwelt. Es gehört zu unserer Philosophie, mit Privatunternehmen zusammenzuarbeiten und sie zu einer Veränderung ihrer Umweltpolitik zu bewegen“, schreibt UNEP-Direktor Achim Steiner. Ein Einwirken des Leverkusener Multis auf den Kurs der UNEP findet Steiner zufolge nicht statt: „Ich möchte die Gelegenheit ergreifen, Ihnen zu versichern, dass BAYER weder in die Projekte der UNEP oder ihre Aktivitäten im Kinder- und Jugendbereich eingebunden ist noch die Ergebnisse der UNEP-Arbeit beeinflusst“.

Botschaft antwortet der CBG
Im thailändischen Map Ta Phut liegt eine der größten Industriezonen der Welt. Sie sollte noch größer werden, aber den AnwohnerInnen reichten schon die bisherigen Umweltbelastungen. Sie klagten, und 2009 gab ein Gericht ihnen Recht. Es stoppte 76 Bauvorhaben, darunter zwei des Leverkusener Multis, der seine Bisphenol- und seine Polycarbonat-Produktion erweitern wollte (SWB 1/11). Inzwischen ist das Moratorium wieder aufgehoben und alles läuft seinen gewohnten kapitalistischen Gang. Erst im Frühjahr trat aus einem BAYER-Werk giftiges Phenol aus (SWB 3/11). Wegen der bedenklichen Situation vor Ort hat sich die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN an die deutsche Botschaft in Thailand gewandt. Aber diese sieht keinen Handlungsbedarf. Sie räumte sogar ein, sich in Abstimmung mit BAYER & Co. und den EU-Staaten für ein Ende des Bau-Verbots eingesetzt zu haben und sieht in Map Ta Phut ansonsten alles im grünen Bereich. Die Regierung des Landes bemüht sich nach der Einschätzung von Botschafter Hanns H. Schumacher, die Umweltstandards zu verbessern, wobei ihr die Entwicklungshilfe-Organisation „Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit“ mit Rat und Tat beiseite stehe. Schuhmacher fühlt sich deshalb auch nicht bemüßigt, bundesdeutsche Unternehmen zu einer Verringerung ihrer Schadstoff-Emissionen zu veranlassen. „Der deutschen Botschaft liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Bestimmungen der thailändischen Umweltgesetzgebung von den deutschen Firmen nicht eingehalten würden. Persönlich füge ich hinzu: Die Fa. BAYER THAI hat sich in Map Ta Phut äußerst korrekt verhalten“. So bekommen die doppelten Standards dann auch noch den amtlichen Segen.

Protest beim BBS-Sommerfest
Im Rahmen seines Kostensenkungsprogramms gliedert der Leverkusener Multi Teile seiner IT-Sparte BAYER BUSINESS SERVICES (BBS) aus und vernichtet so die Arbeitsplätze von 260 Belegschaftsangehörigen und 290 LeiharbeiterInnen (siehe auch Ticker 3/11). Darum konnte das BBS-Sommerfest auch nicht festlich verlaufen. 350 Beschäftigte nutzten den Anlass, um gegen die Rationalisierungsmaßnahmen zu protestieren.

Kindergarten-Bau scheinheilig
Der Leverkusener Multi feiert den Bau neuer Betriebskindergärten in Monheim und Leverkusen als nachhaltige Maßnahme. Dagegen erhebt sich allerdings Kritik. „BAYER hatte sich vor einigen Jahren seiner Kindergärten/Kindertagesstätten entledigt. Sie gingen weitgehend im Roten Kreuz auf. Vor diesem Hintergrund halte ich es für scheinheilig, sich so öffentlichkeitswirksam als sozialer Konzern darzustellen“, heißt es in einem Leserbrief an die Rheinische Post.

Wasserversorger gegen Biosprit
Seit Jahr und Tag klagen die Wasserversorger über die hohe Verunreinigung des Trinkwassers mit Pestiziden und Nitraten, die aufwendige Reinigungsprozeduren erforderlich macht. Umso skeptischer sehen sie den Trend zum Anbau von Energie-Pflanzen zur Produktion von Biosprit. Durch die Ausweitung von Ackerflächen und die von den Biosprit-Bauern und -Bäuerinnen intensiv eingesetzten Agro-Chemikalien befürchten die Wasserwerke nämlich einen nochmaligen Anstieg der Belastung.

BAYER gehackt
Die politische HackerInnen-Gruppe „Anonymus“ hat das Computer-System BAYERs gestört. Der Konzern musste deshalb zeitweilig Websites vom Netz nehmen. Als Grund für die Tat führte die Organisation unter anderem „die Beschäftigung von Nazi-Verbrechern“ und die Herstellung gesundheitsschädlicher Pharma-Produkte an.

CBG beim Kirchentag
Auch 2011 war die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) wieder auf dem evangelischen Kirchentag vertreten, der dieses Mal vom 1. bis zum 5. Juni in Dresden stattfand. Die Coordination teilte sich einen Stand mit der SOLIDARISCHEN KIRCHE und stellte ihre Kampagne gegen die Industrie-Chemikalie Bisphenol A vor, die schon zu einem Teilerfolg führte. Die EU untersagte nämlich Anfang des Jahres die Verwendung der hormon-aktiven Substanz in Babyflaschen, um möglichen Gesundheitsschäden vorzubeugen.

Erinnerung an Zitzelsberger
In einem Zeitungsbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung erinnerte der ehemalige Kulturstaatsminister Michael Naumann noch einmal an die 1999 vorgenommene Plünderung öffentlicher Kassen durch eine Unternehmenssteuerreform der besonderen Art. „Der ehemalige Steuerabteilungsleiter der BAYER AG Zitzelsberger war der eigentliche Urheber dieser angeblich strategischen Großmutsregelung“, schreibt Naumann und fährt fort: „Nicht nur die Minister, auch die meisten Berliner Wirtschaftskorrespondenten hatten die Pressemitteilung des Finanzministers zur Steuerreform auf Seite zwölf überlesen: ‚Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen, die eine Kapitalgesellschaft an einer anderen Kapitalgesellschaft hält, sind nicht steuerpflichtig‘. Die Regelung hatte obendrein rückwirkenden Charakter. Die Unternehmen durften bereits mit vierzig Prozent versteuerte, aber einbehaltene Gewinne der Jahre 1999 und 2000 im Nachhinein mit lediglich 25 Prozent versteuern - und Rückforderungen an den Fiskus stellen: rund 400 Millionen Euro zu ihren Gunsten. Eine ‚linke‘ Regierung subventionierte also das deutsche Großkapital.“

BARMER kritisiert YASMIN & Co.
Nach den Zahlen des neuesten Arzneimittelreports der BARMER GEK finden sich unter den 20 am häufigsten verordneten Verhütungsmittel 50 Prozent mit hormonellen Wirkstoffen, die gegenüber älteren Mitteln ein höheres Risiko-Profil aufweisen. Darunter fallen auch BAYERs Drospirenon-haltige Kontrazeptiva aus der YASMIN-Familie, die binnen der letzten zehn Jahre allein in den USA für 190 Todesfälle verantwortlich waren. Die Krankenkasse macht die hohe Werbeetats von BAYER & Co. für die gefährliche Schieflage verantwortlich und empfiehlt: „Ärztinnen und Ärzte sollten nicht den Werbeaktionen und dem ‚Marketinggeklingel‘ pharmazeutischer Unternehmer folgen – allen voran die BAYER AG, sondern der Frau gut verträgliche und bewährte Mittel ohne neue Risiken anbieten“.

Kritik an „personalisierter Medizin“
BAYER & Co. haben eine neue Marktlücke entdeckt: die personalisierte Medizin. Worunter Laien eine passgenaue, auf die jeweiligen Bedürfnisse der PatientInnen ausgerichtete Therapie-Form verstehen, versteckt sich oft nur die schlechte alte Gentechnik mit ihrer Suche nach krankheitsrelevanten Molekülen. Die Version 2.0 ist bloß den aktuellen Herausforderungen angepasst. Die Bundesrepublik und viele andere Länder haben seit einiger Zeit nämlich Kosten/Nutzen-Beurteilungen für neue Arzneien vorgeschrieben und nur für solche, die bei Menschen mit seltenen Erkrankungen zur Anwendung kommen, Ausnahmen gemacht. Darüber hinaus gelten für diese Medikamente vereinfachte Zulassungsbedingungen. Und wie das Pillenbranchen-Leben so spielt: Plötzlich entdecken Kongresse rund um den Globus rare Gebrechen und noch rarere Arzneien, die so genannten orphan drugs. Die Zahl der Zulassungsanträge für die Spezialpillen stieg in Europa von 72 im Jahr 2000 auf 174 im Jahr 2010. ForscherInnen warnen bereits vor dem Boom. „Wir sollten keine Zeit damit verschwenden, die personalisierte Medizin als wissenschaftliches Etikett zu etablieren“, schreibt eine kanadische MedizinerInnen-Gruppe um George Browman im Canadian Medical Association Journal. Die BUKO PHARMA-KAMPAGNE kritisiert überdies die weit gefasste Definition von orphan drugs, die sogar Krebsmedikamente umfasse, „deren therapeutischer Nutzen gegen Null geht“.

ImkerInnen demonstrieren in Wien
Am 6. Juli 2011 demonstrierten ImkerInnen in Wien vor der Staatsoper gegen das weltweite Bienensterben, für das Pestizide mitverantwortlich sind. Ein UN-Bericht zum Thema erwähnt die betreffenden Wirkstoffe sogar namentlich. „Verschiedene Studien haben die Giftigkeit von Chemikalien wie Imidacloprid (Wirkstoff von BAYERs GAUCHO, Anm. SWB), Clothianidin (Wirkstoff von BAYERs PONCHO, Anm. SWB), Thiamethoxam und verwandten Inhaltsstoffen für Tiere nachgewiesen“, heißt es in dem Report. Auch der Bienensterben-Report des Europäischen Parlamentes gibt Substanzen aus der Gruppe der Neonicotinoide wie Imidacloprid und Clothianidin eine Mitschuld an dem Desaster.

Zwei Imker im Hungerstreik
Zwei italienische Imker haben mit einem Hungerstreik gegen das von BAYER-Pestiziden wie GAUCHO und PONCHO mitverursachte Bienensterben protestiert.

Schwarzbuch „Facebook“
Eine Engländerin hat die Facebook-Seite des Leverkusener Multis dazu genutzt, sich mit der unheilvollen Geschichte des Konzerns zu befassen. Sie erinnerte an die grausamen Menschenversuche, welche die von BAYER mitgegründeten IG FARBEN während des Faschismus‘ mit KZ-Häftlingen durchführten. „Das ist inzwischen breit aufgearbeitet und dokumentiert“, lautete der einzige Kommentar des Unternehmens dazu.

KAPITAL & ARBEIT

Standort-Sicherungsvertrag verlängert
Die BAYER-Geschäftsleitung und der Gesamtbetriebsrat haben sich darauf geeinigt, den Ende 2012 auslaufenden „Standort-Sicherungsvertrag“ vorzeitig zu verlängern. Betriebsbedingte Kündigungen sind jetzt bis Ende 2015 ausgeschlossen. Dafür verlangte der Konzern allerdings auch Gegenleistungen. Die Gewerkschaften mussten sich zu „Kostenstrukturen auf Markt-Niveau“ und zu einer „verstärkte(n) Ausrichtung der Arbeitsbedingungen auf Flexibilität und Mobilität“ bekennen.

BAYERs Verwaltungsreform
Im letzten Jahr kündigte der Leverkusener Chemie-Multi ein 800 Millionen Euro schweres Rationalisierungsprogramm an, das 4.500 Arbeitsplätze vernichtet. Im Rahmen dieser Maßnahme führt der Leverkusener Multi bei seinen ausländischen Gesellschaften jetzt eine Verwaltungsreform durch und legt zentrale Bereiche wie „Personal“, „Finanzen“ und „Einkauf“ zusammen. Zunächst will der Konzern die neue Struktur in Brasilien, Südeuropa und Italien testen.

BAYER VITAL schließt Vertrieb
BAYER VITAL gibt den Vertrieb seiner Medikamente an einen externen Dienstleister ab und stellt damit 100 Arbeitsplätze zur Disposition. Nicht einmal betriebsbedingte Kündigungen wollte die Sparte des Leverkusener Multis für rezeptfreie Medikamente ausschließen. Die Distributionsgeschäfte übernimmt ab Januar 2013 die Firma PHARMLOG, an der BAYER VITAL Anteile hält.

Viele ManagerInnen unzufrieden
In seinem letzten Geschäftsbericht wertete der Leverkusener Multi eine Befragung unter seinen Angestellten aus und konstatierte, „dass sich die überwiegende Mehrheit der Beschäftigten - deutlich mehr als 80 Prozent - in einem hohen Maße mit BAYER verbunden fühlt und das Unternehmen insgesamt als attraktiven Arbeitgeber schätzt“. Der „Verband angestellter Akademiker und leitender Angestellter der Chemischen Industrie“ kam da zu anderen Ergebnissen. Nach seiner Untersuchung sind viele Spitzenkräfte des Konzerns unzufrieden. Diese gaben dem Unternehmen nur die Gesamtnote „Drei minus“. Damit belegte der Global Player unter 25 Chemie-Firmen den wenig schmeichelhaften Rang 16. Das Jobstreichungsprogramm von Marijn Dekkers, seine bloß halbherzigen Bekenntnisse zur Kunststoff-Sparte und seine Einlassungen zu einer möglichen Pharma-Fusion haben offensichtlich auch Top-ManagerInnen verunsichert.

Leiharbeitsurteil ohne Folgen
Im letzten Jahr hat das Bundesarbeitsgericht der „Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen“ (CGZP) ihre Tariffähigkeit abgesprochen. Als Konsequenz aus dem Urteil müssen Verleihfirmen, deren Angestellte für den Gotteslohn malochen, Sozialbeiträge in Millionen-Höhe nachzahlen. Die knapp 200 LeiharbeiterInnen bei CURRENTA, dem mehrheitlich zu BAYER gehörenden Betreiber des Leverkusener Chemie-„Parks“, sind von dem Richterspruch allerdings nicht betroffen. „Wir arbeiten nicht mit Zeitarbeitsfirmen zusammen, die mit der CGZP Tarifverträge abgeschlossen haben“, erklärte Sprecher Jürgen Gemke. Ob das auch für die Muttergesellschaft gilt, sagte er nicht.

Chemie-Sozialpartner für Tarifeinheit
Die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE (IG BCE) fordert gemeinsam mit dem „Bundesarbeitgeber-Verband Chemie“ eine gesetzliche Verankerung der Tarifeinheit. „Eine Spaltung der Belegschaften durch das Aufkommen neuer Sparten-Gewerkschaften in der Chemie würde eine Fortsetzung der innovativen Tarifpolitik für die ganze Branche unmöglich machen. Dabei hat die gemeinsame Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise erst kürzlich eindeutig unter Beweis gestellt, wie wichtig ein effektives und verlässliches Tarifsystem für die Sicherung von Standort und Beschäftigung ist“, heißt es in der Erklärung. Die Tarifeinheit ist derzeit von zwei Seiten her gefährdet. Einerseits von konzern-freundlichen Gewerkschaften und aus den Unternehmensverbänden austretenden Firmen und andererseits von „Besserverdiener“-Gewerkschaften“ wie dem „Marburger Bund“. Die einen unterbieten die den DGB-Gewerkschaften ausgehandelten Tarife und die anderen überbieten sie. Eine Aufgabe der Tarifeinheit dürfte Entsolidarisierungstendenzen verstärken, deshalb bleibt sie - trotz aller Kritik am DGB im Allgemeinen und an der IG BCE im Besonderen - eine wichtige Errungenschaft. Die gemeinsame Initiative von Gewerkschaftsbund und „Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände“ für ein entsprechendes Paragrafen-Werk brach allerdings im Juni 2011 auseinander. VER.DI wollte berechtigterweise den Passus nicht mittragen, der Konkurrenz-Gewerkschaften das Streikrecht nimmt.

„Verantwortliches Handeln“ ohne BAYER
Großkonzerne wie BMW, BASF, DEUTSCHE BANK und VOLKSWAGEN haben ein „Leitbild für ein verantwortliches Handeln in der Wirtschaft“ veröffentlicht. BAYER gehörte nicht zu den Unterzeichnern. Zu Prinzipien wie „Wirtschaft muss dem Wohl der Menschen dienen“, „Unzureichende Leistung darf nicht belohnt werden“ und „Verantwortlicher, wirtschaftlicher Wettbewerb muss immer auch die Lebensbedingungen nachfolgender Generationen achten“ mochte sich der Leverkusener Multi offenbar nicht bekennen. Auch das Angebot, sich dem Dialog mit gesellschaftlichen Gruppen „noch aktiver“ zu stellen, scheint nicht im Sinne des Konzerns gewesen zu sein.

Etwas mehr Lehrlinge
Die Anzahl der Auszubildenden bei BAYER steigt 2011 gegenüber dem Vorjahr leicht von 904 auf 924. Das ist jedoch gar nichts im Vergleich zur Vergangenheit: Im Jahr 1990 fingen beim Leverkusener Multi noch 1.600 Stifte an. Zudem sind heutzutage rund ein Drittel der Neuen bloß Lehrlinge zweiter Klasse. Entweder nehmen sie am Starthilfe-Programm teil, das lediglich auf eine künftige Lehre vorbereitet, oder sie gehören zu denjenigen, die der Konzern im Rahmen der „Ausbildungsinitiative Rheinland“ über Bedarf überbetrieblich und damit ohne Berufsaussichten beim Unternehmen mit ausbildet.

Keine ChemikantInnen übernommen
BAYER hat keine/n der ChemikantIn übernommen, die in Leverkusen eine Lehre begonnen hatten. Vier Wochen vor der Abschluss-Prüfung teilte der Multi den Auszubildenen diesen Beschluss in einem formlosen Schreiben mit und forderte sie auf, sich bei der „Agentur für Arbeit“ zu melden.

ERSTE & DRITTE WELT

Freihandel: Indien wehrt sich
Die Europäische Union schließt fleißig Handelsabkommen ab (SWB 2/11). Deren Agenda - strengere Patent-Regime, freiere Marktzugänge, mehr Investitionsschutz, Gleichbehandlung mit inländischen Unternehmen und verbesserter Zugriff auf Rohstoffe - haben BAYER & Co. entscheidend mitbestimmt. Derzeit finden Verhandlungen mit Indien statt. Aber die Gespräche verlaufen stockend. Die EU verlangt nämlich über die international geltenden TRIPS-Vereinbarungen hinausgehende Patentrichtlinien, was im Fall von Peru und Kolumbien schon erfolgreich war. Das hätte besonders für die Herstellung billiger Medikamente in dem südasiatischen Land verheerende Folgen, denn deren Produktion würde sich durch einen längeren Schutz des geistigen Eigentums und einen verzögerten Zugriff auf Test-Daten erheblich verzögern. Indien droht so seinen Ruf als „Apotheke der Dritten Welt“ zu verlieren - allein ÄRZTE OHNE GRENZEN bezieht 80 Prozent seiner Aids-Medikamente preiswert aus dem südasiatischen Staat und versorgt damit rund 160.000 PatientInnen. Darum erklärte die indische Regierung auch im April 2011: „Der Premierminister bestätigte in aller Klarheit, dass Indien keine Verpflichtung eingehen wird, die TRIPS oder das indische Recht überschreiten“.

POLITIK & EINFLUSS

BDI für Steuer-Erleichterungen
Im Jahr 2008 hatte die Bundesregierung mal wieder die Unternehmenssteuern gesenkt und aus kosmetischen Gründen im Gegenzug ein paar Schlupflöcher gestopft. So nahm sie BAYER & Co. die Möglichkeit zu Verlustverrechnungen bei Firmenaufkäufen. Manche Unternehmen hatten darin nämlich ein veritables Steuerspar-Modell ausgemacht. Sie erwarben gezielt verschuldete Firmen und verrechneten deren Defizit dann mit den eigenen Gewinnen. Nach diesen alten Zeiten sehnt sich der „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI) wieder zurück. Er appellierte an die Bundesregierung, die „Versagung der Verlustnutzung“ bei Akquisitionen wieder aufzugeben, „um die Konkurrenz-Fähigkeit des deutschen Steuersystems wiederherzustellen“ und „wirtschaftlich sinnvolle Investitionen, Transaktionen und wirtschaftliche Neustrukturierungen ohne besonderen Rechtfertigungsbedarf zuzulassen“. Im Rahmen der Konjunkturpakete II und III hatte die Große Koalition das Steuersparmodell via „Sanierungsklausel“ schon wieder revitalisiert, aber die EU-Wettbewerbsbehörde sah darin eine unerlaubte Subvention und intervenierte. Jetzt will die Bundesregierung im Rahmen einer „Neuordnung der Verlustverrechnung“ eine Lösung suchen, die auch eine Erweiterung der Möglichkeiten zur Verrechnung von Gewinnen und Verlusten zwischen Mutter-Gesellschaften und ihren ausländischen Töchtern umfasst. „Das Unternehmenssteuerrecht soll weiter modernisiert und international wettbewerbsfähig gestaltet werden“, erklärten Schäuble & Co.

Griechenland-Konferenz des BDI
BAYER hat so einige Außenstände bei griechischen Hospitälern. Andere bundesdeutsche Konzerne warten ebenso noch auf ihr Geld. Darum haben die Unternehmen ein Interesse an der ökonomischen Gesundung des Landes - allerdings mit einer Therapie made in Germany. Um über diese zu beraten, hat der „Bundesverband der bundesdeutschen Industrie“ (BDI) Ende Juli 2011 eine Investoren-Konferenz einberufen. Konkrete Zusagen machte der Verband zwar nicht, er stellte aber 50 Milliarden unter der Bedingung in Aussicht, dass der Staat für mehr Rechtssicherheit sorge. Bei diesem Unterfangen bekommt Athen Amtshilfe aus Berlin. Das Bundeswirtschaftsministerium will der Regierung von Premierminister Papandreou bei der „Reform“ von Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden helfen. Auch zu Privatisierungen darf Griechenland Rat erwarten. Durch die Privatisierungen in der ehemaligen DDR habe Deutschland hier besondere Erfahrung, meint Wirtschaftsminister Philipp Rösler laut Financial Times Deutschland. Darüber hinaus hat sein Ministerium eine Export-Initiative gestartet, welche auch das Gesundheitswesen umfasst. Da das südosteuropäische Land zudem über viele gut ausgebildete junge Menschen verfügt, sieht Volker Treier vom „Deutschen Industrie- und Handelskammertag“ hier eine Chance für Unternehmen wie BAYER.

BAYER & Co. gegen Nano-Gesetze
Die Nanotechnologie lässt Werkstoffe auf winzig kleine Größen schrumpfen. Dabei entwickeln diese oft unbekannte Eigenschaften. So auch das Nano-Produkt BAYERTITAN T, dem es im Gegensatz zu größeren Titandioxid-Partikeln gelingt, die Luft/Blut-Schranke zu überwinden und sich in den Organen anzureichern (siehe auch NANO & CO.) Darum wollen die Regierungen spezielle Sicherheitsvorschriften für die Winzlinge erlassen. BAYER & Co. geben sich gesprächsbereit, betreiben aber de facto Obstruktionspolitik. Sie treten für eine Definition von Nano-Materialien ein, unter die möglichst wenig Substanzen fallen. Zudem wehren sich die Konzerne dagegen, die EU-Chemikalienordnung, die Prüfungen für gefährliche Stoffe vorschreibt, um Vorschriften für Nano-Teilchen zu erweitern. „Die Industrie-Teilnehmer blockieren eine fachliche Diskussion mit dem Verweis auf die bestehende Ordnung“, erbost sich deshalb eine Wissenschaftlerin, die mit UnternehmensvertreterInnen in einem ExpertInnen-Gremium der Europäischen Union zusammensaß.

EU-Unternehmenssteuer
BAYER & Co. fordern seit längerem eine einheitliche Unternehmenssteuer innerhalb der EU. Im März 2011 hat der EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta der Öffentlichkeit einen ersten Entwurf vorgestellt. Durch den Wegfall von Verwaltungskosten und eine bessere Möglichkeit, Gewinne und Verluste von Mutter- und Tochtergesellschaften miteinander zu verrechnen, rechnet er mit Steuer-Ersparnissen von rund zwei Milliarden Euro für die Unternehmen.

EU-Lobbying kostet ca. 2 Millionen
1,85 Millionen Euro lässt der Leverkusener Multi sich seine Lobbying-Aktivitäten in Brüssel kosten. Das geht aus Angaben im Lobby-Register der Europäischen Union hervor. Schwerpunkte der Arbeit bilden dabei laut BAYER Einflussnahmen auf Gesetzes-Initiativen, die Pharma-Produkte, Pestizide, Saatgut und Chemikalien betreffen.

Energiewende à la BAYER
Anders als viele mittelständische Betriebe hat der Leverkusener Multi seine Chlor-Herstellung immer noch nicht komplett auf ein Verfahren umgestellt, bei dem kein giftiges Quecksilber als Produktionsrückstand mehr anfällt. Er betreibt in Krefeld seit 2010 lediglich eine Pilotanlage, die mit der Sauerstoffverzehrkathoden-Technik arbeitet. Trotzdem feiert der Multi sich als Innovator und meldet sogleich Ansprüche an. Statt regenerative Energien zu fördern, sollte die Bundesregierung lieber Projekte wie die neue Chlor-Fertigung unterstützen, meint BAYER-Manager Tony Van Osselaer: „Wenn die Politik einen Förder-Schwerpunkt auf Produktionsverfahren mit deutlich verbesserter Energie-Effizienz setzen würde, sähe ich riesige Einspar-Potenziale“. Die Umrüstung alter Fertigungsstätten kostet nämlich viel Geld und steht der Vermarktung der BAYER-Entwicklung im Wege. Bei Chlorfabrik-Neubauten laufen die Geschäfte dem Konzern zufolge dagegen besser.

BAYER droht mit Abwanderung
Die Energiewende im Allgemeinen und der Atom-Ausstieg im Besonderen behagt dem Leverkusener Multi nicht. BAYER-Chef Marijn Dekkers befürchtet höhere Stromkosten und drohte in einem WirtschaftsWoche-Interview schon mit Abwanderung. „Deutschland wird als Produktionsstandort für die energie-intensive Industrie immer unattraktiver. Die Energie-Preise werden weiter steigen, dabei haben wir bereits heute die höchsten in der EU. Es ist wichtig, dass wir im Vergleich mit anderen Ländern wettbewerbsfähig bleiben. Ansonsten kann sich ein globales Unternehmen wie BAYER überlegen, seine Produktionen in Länder mit niedrigeren Energie-Kosten zu verlagern“, so der Konzern-Boss.

Christian Wulff bei BAYER
Ende Mai 2011 besuchte Bundespräsident Christian Wulff BAYERs Pharma-Werk in Wuppertal. Dabei ließ er sich in die Produkteinführungskampagne für das nicht gerade überragende Test-Ergebnisse aufweisende Medikament XARELTO (siehe auch DRUGS & PILLS) einspannen, das der Pillen-Riese als Schlaganfall-Mittel vermarkten will. Der Konzern bestätige damit seinen Ruf als Apotheke der Welt, so Wulff, der dem Global Player trotz eines umfassenden Arbeitsplatzvernichtungsprogramms auch gleich noch ein Nachhaltigkeitsprädikat ausstellte. „BAYER ist kein Konzern, der auf das schnelle Geld aus ist, BAYER denkt in langen Zeiträumen“, lobte er. Zum Dank dafür musste er sich mal wieder die alte BAYER-Leier anhören, die Forschung brauche mehr Subventionen aus Steuer-Mitteln.

Telefonat mit Röttgen
Vom Leverkusener Anzeiger zu seinen interessantesten beruflichen Erfahrungen als Leiter des Leverkusener Chemie-„Parks“ von BAYER befragt, antwortete der nach China wechselnde Klaus Schäfer: „Neu war die Erfahrung mit Politikern. Wir mussten denen klar machen, dass Chemie-„Parks“ zu unserem Industrie-Standort dazugehören und auch wir eigene Interessen haben“. Die letzte Nachhilfestunde von ihm erhielt Umweltminister Norbert Röttgen zum Thema „Erneuerbare-Energien-Gesetz“.

Klimaschutz-Gesetz aufgeweicht
Die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hatte bei ihrem Amtsantritt 2010 ein Klimaschutz-Gesetz angekündigt - angesichts eines NRW-Anteils an den bundesweiten Kohlendioxid-Emissionen von 33 Prozent eine überfällige Maßnahme. Im ersten Entwurf nahm sich Rot-Grün vor, den CO2-Ausstoß im Land bis 2020 um 25 Prozent und bis 2050 um 80 bis 90 Prozent zu senken. Ein Klimaschutzplan sollte regeln, wieviel jede Branche noch emittieren darf und auch als Maßstab für die Bewilligung neuer Anlagen dienen. Sofort nach Bekanntwerden des Vorhabens brach allerdings ein Sturm der Entrüstung los (Ticker 2/11). Er legte sich nicht mehr und führte schließlich zu „Nachbesserungen“. Die überarbeitete Fassung formuliert nur noch ein Reduktionsziel von „mindestens 80 Prozent“. Zudem verspricht sie, die Veränderungen „wettbewerbsneutral zu gestalten“ und die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt zu berücksichtigen. Darüber hinaus musste Umweltminister Johannes Remmel auf die Möglichkeit verzichten, über das Planungsrecht für den Bau besonders klima-schonender Industrie-Anlagen und Kraftwerke sorgen zu können. Trotzdem geben BAYER & Co. sich damit nicht zufrieden und fordern weitere Korrekturen.

IG BCE gegen Emissionshandel
Vor einigen Jahren hat die EU den Emissionshandel mit Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten eingeführt. Er sieht vor, BAYER & Co. CO2-Emissionen nur in bestimmten Mengen zu gestatten. Alles, was über ein festgelegtes Limit hinausgeht, sollte den Konzernen teuer zu stehen kommen, weil sie dafür Verschmutzungsrechte kaufen müssten. Bevor die Unternehmen allerdings wirklich zur Kasse gebeten werden, will die IG BERGBAU, CHEMIE, ENERGIE die Regelung schon wieder abschaffen. Nach Ansicht des IG-BCE-Chefs Michael Vassiliadis gelang es nicht, den Emissionshandel auf große Länder wie die USA, Japan und Australien auszudehnen, wodurch die europäischen Multis einen Wettbewerbsnachteil erleiden würden. Deshalb plädiert er dafür, die Versteigerung von Verschmutzungszertifikaten im Jahr 2020 auslaufen zu lassen und die energie-intensive Industrie für ihre Mehrausgaben durch die 2005 eingeführte Maßnahme zu entschädigen.

BAYER-Mann VSW-Vorsitzender
Der „Verband für Sicherheit in der Wirtschaft“ (VSW) hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Unternehmenssicherheit unter anderem im Computerbereich zu fördern. Den Vorsitz des nordrhein-westfälischen VSW-Ablegers hat im Mai 2011 Michael Sorge übernommen, der beim Leverkusener Multi für die „Corporate Security“ zuständig ist.

Voigtsberger als BAYER-Lobbyist
Über die „Bedeutung und Zukunft der Chemie-Industrie in NRW“ sprach NRW-Wirtschaftsminister Harry Voigtsberger (SPD) vor einiger Zeit bei der Zusammenkunft des nordrhein-westfälischen Chemie-Verbundes „ChemCologne“ im Leverkusener Baykomm (Ticker 3/11). Und diese liegt ihm wirklich sehr am Herzen. So kritisierte er den von CDU und FDP beschlossenen Atom-Ausstieg: „Bei der Energiewende lässt Berlin die energie-intensiven Unternehmen in Deutschland im Stich“. Zudem warf der SPD-Politiker Schwarz-Gelb vor, Verhandlungen mit der EU über eine Erlaubnis, den Konzernen Strompreis-Beihilfen gewähren zu können, nicht voranzutreiben.

Kerber neuer BDI-Geschäftsführer
Der bisherige Hauptgeschäftsführer des „Bundesverbandes der deutschen Industrie“ (BDI), Werner Schnappauf, musste Ende März 2011 seinen Posten räumen. Er übernahm die politische Verantwortung dafür, dass die Äußerung des damaligen Wirtschaftsministers Rainer Brüderles bei einer BDI-Präsidiumssitzung, das verkündete Atom-Moratorium sei nur aus taktischen Gründen wegen der bevorstehenden Landtagswahlen erfolgt, in die Öffentlichkeit drang. Ihm folgte Markus Kerber nach, der über beste Verbindungen in die Politik verfügt. Bis zu seinem Wechsel zum Lobby-Club leitete er im Bundesfinanzministerium die Abteilung für Grundsatzfragen.

BAYER & Co. gegen Atomausstieg
BAYER & Co. kritisieren den Atomausstieg. „Die deutlich erkennbare politische Absicht, in einem beispiellos beschleunigten Verfahren einen finalen und irreversiblen Schlusspunkt für die Nutzung von Kernenergie in diesem Land zu fixieren, erfüllt mich zunehmend mit Sorge“, bekundete Hans-Peter Keitel vom „Bundesverband der deutschen Industrie“ (BDI) in einer Presseeerklärung. Der BDI befürchtet nämlich einen Anstieg der Energie-Preise und sieht die Versorgungssicherheit gefährdet. „Wir verlangen Alternativen, die Wirtschaft, Verbraucher und Klima nicht über Gebühr belasten“, heißt es deshalb in dem Papier.

Wirtschaftsrat für AKW-Plebiszit
Der CDU-Wirtschaftsrat, dessen Umweltkommission der BAYER-Manager Wolfgang Große Entrup vorsteht, wollte den Atomausstieg durch eine Volksabstimmung verhindern. Dafür konnte sich allerdings noch nicht einmal die Spitze der eigenen Partei erwärmen. „Auf einem Irrweg“ befand sich der Wirtschaftsrat nach Ansicht des Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder. Der Vorschlag bringe die Diskussion über eine künftige Energie-Politik überhaupt nicht weiter, befand der Christdemokrat und fragte sich: „Ich bin gespannt, ob der Wirtschaftsrat Volksentscheide beispielsweise in der Debatte um Mindestlöhne akzeptieren würde“.

Bleiben die NRW-Hochschulräte?
In den Hochschulräten als neuen Aufsichtsgremien der Universitäten sitzen zu einem Drittel VertreterInnen von Unternehmen. Der Leverkusener Multi darf da natürlich nicht fehlen. So ist BAYER-Vorstand Richard Pott im Hochschulrat der Universität Köln vertreten, mit welcher der Konzern auch eine umfassende Forschungskooperation unterhält (SWB 2/09). Im Wahlkampf hatte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft die Hochschulräte noch als Beispiele für eine „Privatisierung der Hochschulen“ kritisiert und eine Reform angekündigt. Geschehen ist bisher jedoch noch nichts. „Wir möchten über die Hochschulräte nicht herausgelöst entscheiden, sie sind Teil des Hochschulgesetzes. Und darüber wollen wir erst einmal einen breiten Dialog anstoßen, um dann eine Entscheidung zu fällen“, verlautet nun aus der Staatskanzlei.

PROPAGANDA & MEDIEN

BAYER pflegt Kontakte

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Mit dem Image des Leverkusener Multis in der Region ist es seit einiger Zeit nicht mehr zum Besten bestellt. Umstrittene Projekte wie die Kohlendioxid-Pipeline und Kohlekraftwerke sorgen neben der kontinuierlichen Arbeitsplatzvernichtung für eine schlechte Presse. Darum geht der Konzern vermehrt in die Offensive. So veranstaltete er im August 2011 eine Sommertour für JournalistInnen, PolitikerInnen, WirtschaftsvertreterInnen und StadtverwaltungsbeamtInnen auf dem Monheimer Gelände von BAYER CROPSCIENCE. Dabei sprach das Unternehmen ganz offen aus, was Sinn der Übung war: Kontaktpflege.

BAYER pflegt Kontakte

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Da BAYERs Chemie-„Parks“ in Leverkusen, Dormagen und Krefeld bei den AnwohnerInnen nicht gerade in hohem Ansehen stehen, setzten sie sich zur Nachbarschaftspflege als Wohltäter in Szene. So lobte die 60-prozentige Konzern-Tochter CURRENTA als Betreiber der Industrie-Areale den Preis „Nachbarschafft Hilfe“ aus. Um der Gute-Onkel-Aktion möglichst viel Resonanz zu verschaffen, ließ die CURRENTA die Menschen an den Standorten online über die Vergabe von 10.000 Euro an Vereine oder soziale Einrichtung entscheiden. 120.000 Personen nutzten diese Gelegenheit, allerdings handelten viele von ihnen unsozial und betrieben Vereinsmeierei in eigener Sache. „Leider gab es ein paar Unterstützer, die sich mit unfairen Mitteln beteiligt haben“, musste BAYER einräumen.

Malwettbewerb mit der UNEP
BAYER sponsert das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP), um sich ein Öko-Image zu verschaffen. Im Rahmen dieser Kooperation veranstaltet der Konzern auch einen Malwettbewerb. Im Jahr 2011 nahmen 8.000 Kinder an ihm teil.

1. Klimaschutz-Tag
Am 29. Mai 2011 veranstaltete BAYER in Leverkusen den „1. Klimaschutz-Tag“. „Mit unseren zahlreichen Aktionen für Groß und Klein wollen wir das Umweltbewusstsein der Besucher schärfen und zeigen, wie BAYER sich für den Schutz des Klimas einsetzt“, erklärt der Konzern. Aber weder „Kasper, der Energiesparer“ noch Verweise auf Wärmedämmung made by BAYER vermochten zu verdecken, was die nüchternen Zahlen des jüngsten Nachhaltigkeitsberichtes ausweisen: Der Global Player steigerte im letzten Jahr den Ausstoß des klima-schädigenden Kohlendioxids um 400.000 Tonnen auf 8,5 Millionen Tonnen.

Gentechnik für AnfängerInnen
Spielerisch lernen bei BAYER bereits die Kleinsten den Umgang mit der Gentechnik. Bei einer Wissenschaftsnacht „durften“ 140 sechs- bis 13-jährige Schülerinnen im Leverkusener Kommunikationszentrum des Konzerns auf die Frage: „Warum ist die Tomate rot und rund, die Kiwi grün und borstig?“ die Antwort „Das liegt am Erbgut“ finden, indem sie die Früchte unter fachlicher Anleitung auseinander nahmen.

Ausstellung im NRW-Landtag
Der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI), der Lobbyclub von BAYER & Co., durfte den nordrhein-westfälischen Landtag als Propaganda-Forum nutzen. Der NRW-Ableger des VCI zeigte dort im Juli 2011 die Ausstellung „Innovationen der chemischen Industrie“. Bei der Eröffnung konnte er Gäste wie die Landeswissenschaftsministerin Svenja Schulze begrüßen, deren Wege sich öfters mit denen der BAYER-ManagerInnen kreuzen.

DRUGS & PILLS

USA: XARELTO zugelassen
Während das BAYER-Medikament XARELTO (Wirkstoff: Rivaroxaban) in der EU schon länger zur Thrombose-Vorbeugung bei schweren orthopädischen Operationen zugelassen ist, zögerte die US-amerikanische Gesundheitsbehörde FDA lange mit der Genehmigung. Zu schwer wogen die Bedenken gegen das Mittel, welches das Blutgerinnungsenzym Thrombin hemmt, wegen des erhöhten Risikos für Gefäß-Verschlüsse, Blutungen, Herz/Kreislaufstörungen und Leberschäden sowie der ungeklärten Langzeitwirkung. Jetzt scheinen die Vorbehalte überwunden: Die FDA gab grünes Licht für XARELTO. Für den Leverkusener Multi stellt das allerdings nur einen ersten Schritt dar. Er setzt alles daran, das Mittel auch zur Schlaganfall-Prophylaxe einsetzen zu können, obwohl es selbst nach eigener Aussage „kein konsistent positives Nutzen-Risiko-Profil“ aufweist (Ticker 3/11).

XARELTO-Hängepartie
Die US-Zulassung von XARELTO als Mittel zur Schlaganfall-Prophylaxe gestaltet sich schwierig. MitarbeiterInnen der Gesundheitsbehörde FDA hatten sich Anfang September 2011 gegen die Genehmigung ausgesprochen. Die von BAYER eingereichten Studien warfen ihrer Meinung nach Fragen zu Herzinfarkt- und Blutungsrisiken auf. Zudem konnten sie im Vergleich zum bislang gebräuchlichen Wirkstoff Warfarin keinen therapeutischen Zusatznutzen entdecken. Trotzdem entschloss sich das BeraterInnen-Gremium der Behörde, eine Zulassungsempfehlung auszusprechen. Neun Mitglieder votierten dafür, zwei dagegen, und eine Person enthielt sich. Die endgültige Entscheidung über XARELTO fällt im November 2011.

BETAFERON-Rückruf
In den USA bestückt BAYER die Packungen seines Multiple-Sklerose-Medikamentes BETAFERON mit alkohol-haltigen Pads zur Haut-Desinfektion. Weil viele dieser Pads mit einem Bazillus verunreinigt waren, der lebensgefährliche Krankheiten übertragen kann, musste der Leverkusener Multi eine Rückruf-Aktion starten.

ADALAT + Antibiokum = gefährlich
BAYERs Bluthochdruck-Mittel ADALAT und BAYMYCARD können in Kombination mit bestimmten Antibiotika gesundheitsgefährdende Wirkungen entfalten. Nehmen PatientInnen die Kalzium-Antagonisten gemeinsam mit den Wirkstoffen Erythromycin oder Clarithromycin ein, so besteht die Gefahr einer zu starken Absenkung des Blutdrucks. Die beiden Antibiotika-Wirkstoffe hemmen nämlich ein Leberenzym, das Arzneien abbaut, was zu einer Überdosis ADALAT im Organismus führt. Das ergab eine Studie von WissenschaftlerInnen der Universität Toronto unter Leitung von David Juurlink.

QLAIRA gegen HMB
Warum eigentlich mühsam Heilmittel für existierende Krankheiten erfinden, wenn man auch Krankheiten für schon existierende Heilmittel erfinden kann, fragt sich der Leverkusener Multi immer öfters. Jetzt hat sein ForscherInnen-Geist wieder etwas Neues entdeckt: schwere Menstruationsblutungen. Eine standesgemäße Abkürzung hat der Konzern für dieses „Leiden“ mit HMB bereits ebenso wie mit dem BAYER-Verhütungsmittel QLAIRA ein adäquates Gegenmittel. Über die Nebenwirkung „Thrombose“, welche bei den Schwesterprodukten aus der YASMIN-Familie schon zu Todesfällen geführt hat, weiß der Pharma-Riese dagegen nichts. Das könnte „nur in großen epidemiologischen Studien geklärt werden“, lässt er verlauten.

Endgültiges Aus für Männer-Pille
Im Jahr 2002 stellte BAYER die Forschung an der Pille für den Mann ein, welche die Weltgesundheitsorganisation WHO mit über einer Million Dollar gesponsert hatte. Weil der Konzern der Einrichtung etwas schuldig war, überließ er ihr aber das haus-eigene Testosteron-Präparat NEBIDO für Versuchsreihen, nicht ohne sich dafür die Zusicherung auszubedingen, Einblick in die Studien-Unterlagen nehmen zu können. Im Erfolgsfall wäre der Pharma-Riese damit wieder am Drücker. Dieser ist jedoch nicht eingetreten. Die WHO brach die Studie im Sommer 2011 ab, weil bei zehn Prozent der Probanden Nebenwirkungen wie Depressionen, Gewichtszunahme und Akne aufgetraten waren.

BAYER kauft Antibiotikum
Der Leverkusener Multi entwickelt immer weniger Arzneien selbst und kauft stattdessen Forschungserträge von außerhalb zu. So hat er die Rechte für den Antibiotika-Wirkstoff Torezolid erworben, der gerade die zweite Phase der klinischen Tests durchläuft. Die mittels eines biotechnologischen Verfahrens gewonnene Substanz gehört zu der neuen Antibiotika-Klasse der Oxazolidinone, die Bakterien angeblich in einem sehr frühen Stadium zu Leibe rücken kann.

PESTIZIDE & HAUSHALTSGIFTE

19 Tote durch Endosulfan
2010 starben in Benin 19 Menschen durch ein Pestizid; 161 Personen vergiftete es insgesamt. Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation OBEPAB handelte es sich dabei höchstwahrscheinlich um das in dem Staat verbotene Endosulfan. Obwohl die Substanz, die BAYER nach eigenen Angaben seit zwei Jahren nicht mehr vertreibt, inzwischen vor einem weltweiten Bann steht, ist sie immer noch in Umlauf. Über schwarze Kanäle gelangte das Ackergift nach Benin, wo es in Lagerhallen Maniok, Bohnen, Mais und Getreide vor Schadinsekten schützen sollte. Der Verzehr der belasteten Lebensmittel führte dann zu der Katastrophe.

Verzicht auf Klasse-1-Pestizide
Der Leverkusener Multi nimmt bis Ende 2012 seine Pestizide der höchsten Gefahrenklasse vom Markt. Damit kommt der Konzern einer langjährigen Forderung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) nach - allerdings mit über zehn Jahren Verspätung. Versprochen hatte das Unternehmen diesen Schritt in seinem Geschäftsbericht von 1995 nämlich schon für das Jahr 2000. Darum begrüßte die CBG die Ankündigung in einer Presseerklärung zwar, kritisierte jedoch, „dass sich der Konzern erst entschloss, diese chemischen Zeitbomben auszumustern, als sie nicht mehr genügend Profit abwarfen“.

BVL geht gegen RODINO vor
Das „Bundesamt für Verbraucherschutz“ (BVL) hat BAYERs Antiunkraut-Mittel RODINO sowie weiteren Pestiziden mit dem Wirkstoff Clomazone vorläufig die Zulassung entzogen. Vorausgegangen waren Beschwerden von AnwohnerInnen landwirtschaftlicher Nutzflächen, die über gesundheitliche Probleme geklagt hatten. Bereits vor drei Jahren hatten die Behörden die Anwendungsbedingungen für Clomazone-haltige Mittel verschärft, denn diese haben „die kritische Eigenschaft, nach der Spritzung auf den Boden noch ungezielt weiter verdriften zu können“, wie die „Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft“ festhält. Allerdings haben BAYER & Co. Widerspruch gegen die Entscheidung des BVL eingelegt, weshalb die Agrochemikalien vorerst weiter im Umlauf bleiben. Darum fordert das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN): „Die deutsche Bundesregierung muss endlich gesetzgeberisch den Zulassungsbehörden den Rücken stärken, damit die Behörden sich gegen die ökonomischen Interessen multinationaler Konzerne durchsetzen können!“

Parkinson durch Pestizide
Es wird immer amtlicher: Pestizide können Parkinson verursachen. Was viele Studien belegen, dringt mittlerweile auch bis zu den Berufsgenossenschaften durch. Sie haben nun bereits zum vierten Mal Parkinson bei LandwirtInnen, die viel mit Ackergiften umgehen, als Berufskrankheit anerkannt.

Alzheimer durch Pestizide
Pestizide können die Alzheimer-Erkrankung befördern. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung der französischen Wissenschaftlerin Isabelle Baldi. Die Forscherin machte mit LandarbeiterInnen, die in unterschiedlich starker Weise Ackergiften ausgesetzt sind, über einen Zeitraum von über vier Jahren hinweg Alzheimer-Früherkennungstests. Dabei stellte Baldi fest, dass bei Personen, die viel in Kontakt mit den Agro-Chemikalien kamen, die kognitiven Leistungen doppelt so stark nachließen wie in den Vergleichsgruppen.

PFLANZEN & SAATEN

Weizen-Kooperation mit RAGT
Der Leverkusener Multi hat mit dem französischen Unternehmen RAGT eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet „Weizen-Saatgut“ vereinbart. Die beiden Konzerne wollen gemeinsam neue Arten entwickeln und ihr Wissen teilen. Der Agro-Riese erhält Zugriff auf das Winterweizen-Zuchtmaterial der Firma und gewährt ihr im Gegenzug das Recht auf Nutzung von bestimmten Pflanzen-Eigenschaften made by BAYER. Das gewachsene Interesse des Global Players an der weltweit am häufigsten angebauten Kulturpflanze belegen auch Kooperationen mit der australischen Forschungseinrichtung „Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation“ (CSIRO), mit dem israelischen Biotech-Betrieb EVOGENE und der Universität von Nebraska sowie der Erwerb zweier Zuchtprogramme von ukrainischen Gesellschaften.

BAYER für Patente auf Pflanzen
Nicht nur auf gen-manipulierte Ackerfrüchte, sondern auch auf mittels konventioneller Verfahren gezüchtete erheben die Konzerne Patentansprüche. So bekam der Leverkusener Multi unter anderem ein Schutzrecht auf eine herbizid-resistente Mais-Art zugesprochen und will gerade Methoden zur Züchtung von Pflanzen, die zur Agrodiesel-Produktion dienen, als geistiges Eigentum schützen lassen. Der traditionelle Sortenschutz, der ebenfalls die Verfolgung kommerzieller Interessen gewährleistet, reicht dem Agro-Multi nicht aus. Er reklamiert umfassendere Rechte für sich. „Der Sortenschutz hat Grenzen, da Erfindungen meist nicht sorten-spezifisch sind, sondern vielmehr in viele Sorten eingebracht werden können“, erklärte BAYER-CROPSCIENCE-Sprecher Richard Breum.

NUNHEMS wächst und wächst
BAYERs Saatgut-Tochter NUNHEMS expandiert beständig. Nachdem sie im US-amerikanischen Parma und in Monheim die Betriebsstätten ausbaute und im spanischen Cartagena ein Forschungszentrum eröffnete, erweitert das Unternehmen nun auch seine Kapazitäten im niederländischen Leudal. Dort plant NUNHEMS neue Labore für DNA-Analysen, molekulare Züchtungen und Saatgut-Experimente.

GENE & KLONE

Genreis-Rückstände in China
Im Jahr 2006 tauchte gentechnisch veränderter Langkorn-Reis von BAYER weltweit in den Supermärkten auf. In keinem Land der Erde lag zu diesem Zeitpunkt eine Zulassung der Sorte mit der Bezeichnung LL 601 vor. Rund ein Drittel der US-amerikanischen Ernte war verunreinigt. Die EU und Japan stoppten daraufhin alle Importe aus dem Land, die betroffenen LandwirtInnen blieben auf ihrer Ernte sitzen (siehe auch RECHT & UNBILLIG). Und die Laborfrucht treibt immer noch ihr Unwesen. Im Februar diesen Jahres fand sich die Laborfrucht, die gegen das Herbizid LIBERTY resistent ist, weshalb die LandwirtInnen die Pflanze mit großen Mengen des Pestizids behandeln können, in chinesischem Supermarkt-Reis wieder.

T25-Rückstände im Saatgut
Das niedersächsische Umweltministerium hat bei einer Untersuchung Spuren von BAYERs in Europa nicht zugelassenem Genmais der Sorte „T25“ in konventionellem Mais-Saatgut aus Ungarn entdeckt.

Keine Grenzwert-Erhöhung
Immer wieder stoßen die Labore auf Rückstände der Gen-Pflanzen von BAYER & Co. in konventionellem Saatgut (s. o.) Darum setzten die Agro-Multis alles daran, den Grenzwert zu erhöhen. In der Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner fanden sie auch eine Mitstreiterin. Aber ihre Initiative, das strikte Verbot von Verunreinigungen aufzuheben und Gen-Spuren in geringen Mengen zuzulassen, scheiterte im Bundesrat.

Gentech-Paradies Spanien
Spanien ist das Gentech-Paradies der EU. 85 Prozent aller Laborfrüchte Europas erblühen dort. Da darf der Leverkusener Multi mit seinen Produkten natürlich nicht fehlen. Er führte oder führt dort noch 48 Freisetzungsversuche durch, die meisten davon mit Baumwoll-Arten, aber auch solche mit Raps, Mais oder Soja.

EU lässt Gen-Baumwolle nicht zu
Die AgrarministerInnen der Europäischen Union konnten sich nicht darauf verständigen, BAYERs gegen das Anti-Unkrautmittel Glyphosate resistenter Gentech-Baumwolle „GHB 614“ eine Import-Genehmigung zu erteilen. Eine endgültige Entscheidung fällt nun die EU-Kommission.

Argentinien lässt Gen-Soja zu
Argentinien hat BAYERs Gen-Soja der LIBERTYLINK-Baureihe zugelassen. Die Laborfrucht ist gegen das in Europa bald nicht mehr zugelassene Glufosinat resistent, weshalb die LandwirtInnen das Pestizid in großen Mengen verwenden können, ohne die Nutzpflanze zu schädigen - dafür aber Flora und Fauna in ihrer Umgebung umso mehr.

Protest gegen BAYER-Patent
Das Europäische Patentamt hat BAYERs weitreichenden Patent-Antrag auf stress-resistente Pflanzen genehmigt. Das „EP1616013“ umfasst das Verfahren, das entsprechende DNA-Molekül, die Pflanzen-Zelle, die Samen, die Anwendungen bei gentechnischen oder konventionellen Züchtungen sowie die Pflanze selber. Der Leverkusener Multi hat den Schutz auf geistiges Eigentum erhalten, obwohl viele der vom Konzern dargelegten Verfahren seit langem Anwendung in der Praxis finden. Darüber hinaus untersagt das Europäische Patentübereinkommen eigentlich Ansprüche auf Züchtungen, die auf dem Weg der Kreuzung und Selektion zustande kommen. „Die Europäischen Patentgesetze müssen endlich verändert werden, damit solche Patente nicht mehr möglich sind (...) Ansonsten ist der Ausverkauf der natürlichen Lebensgrundlagen an Konzerne wie BAYER und MONSANTO die Folge“, so kritisieren die Initiativen KEIN RECHT AUF LEBEN und KEINE PATENTE AUF SAATGUT die Entscheidung der Behörde in einer Presseerklärung.

Gentech-Steroide von BRAIN
Der Leverkusener Multi benötigt Steroide für seine Hormon-Präparate und als Pharma-Zwischenprodukte. Ihre Herstellung erfolgt mit Hilfe von Mikroorganismen. Diese lässt BAYER jetzt gentechnisch von der BRAIN AG optimieren. „Unter Anwendung moderner, molekularbiologischer Techniken innerhalb der System-Biologie ist es uns möglich, gezielt in das Genom von Produktionsstämmen einzugreifen, um einzelne, die Produktausbeute limitierende Gene auszutauschen oder zu modellieren“, erklärte das Zwingenberger Unternehmen.

Neues Krebsmittel im Test
Der Leverkusener Multi hat mit Tests für eine neue Krebs-Arznei begonnen. Ein Antikörper soll im Gegensatz zu Chemo-Therapien, die nicht nur Tumorzellen, sondern auch gesundes Gewebe zerstören, gezielt vom Krebs befallene Zellen aufspüren und dann das mitgeführte Zellgift Monomethylauristatin E (MMAE) zum Einsatz bringen. Der Leverkusener Multi kooperiert bei den Versuchen mit dem Unternehmen SEATTLE GENETICS, welches das MMAE entwickelt hat. Das Versprechen, Krebs-Präparate mit passgenauen Antikörpern zu entwickeln, hat der Pharma-Riese bisher nicht einlösen können. Sein Medikament NEXAVAR schafft es kaum, die Lebenserwartung der PatientInnen merklich zu erhöhen, kostet aber Unsummen (SWB 4/10)

ALPHARADIN bei Prostata-Krebs?
Krebsmedikamente sind teuer, helfen zumeist wenig und haben allzuoft nur ein eingeschränktes Anwendungsgebiet. So auch das vom Leverkusener Multi gemeinsam mit dem norwegischen Unternehmen ALGETA entwickelte ALPHARADIN, das vermittels Alpha-Strahlen das Wachstum von Prostatatumor-Zellen hemmen soll. Männern, bei denen eine Hormon-Behandlung erfolglos geblieben ist und sich zudem noch Metastasen im Knochen gebildet haben, verhalf es in einem Klinischen Test zu einem noch nicht einmal drei Monate längeren Leben. Ihre durchschnittliche Überlebenszeit betrug 14 Monate, diejenige der Placebo-Gruppe 11,2 Monate. Und sogar noch an dieser Zahl bestehen Zweifel, denn die Pharma-Hersteller gehen bei der Auswahl von ProbandInnen für ihre Arznei-Tests ziemlich selektiv vor. Wie jetzt eine Auswertung von 164 Studien ergab, bevorzugen sie jüngere Personen. Während 74 Prozent der Darmkrebs-Erkrankten über 65 sind, kommen nur 40 Prozent der Studien-TeilnehmerInnen auf dieses Alter - und haben entsprechend bessere Überlebenschancen. Trotzdem kommentierten die Zeitungen das Ergebnis der BAYER-Untersuchungen mit Überschriften wie „Hoffnung für Prostatakrebs-Patienten“.

BAYER erwirbt Lizenz für Hemmstoff
Hemmstoffe oder Antikörper, die gezielt auf Tumor-Zellen einwirken, gelten dem Leverkusener Multi als Wundermittel gegen Krebs, auch wenn die auf dieser Basis entwickelten Medikamente das Leben der Betroffenen bisher kaum länger als zwei Monate verlängern konnten. BAYER setzt jedoch unverdrossen weiter auf diese Therapie-Form und erwarb von der Universität Münster die Lizenz für einen entsprechenden Eiweißstoff.

Keine Suche mehr nach Zielmolekülen
Einkaufstouren wie solche bei der Universität Münster (s. o.) dürfte der Leverkusener Multi künftig öfters unternehmen. Der Konzern löste nämlich seine Forschungsabteilung auf, die nach krankheitsrelevanten Zielmolekülen suchte, um sie dann - so jedenfalls die graue Gentechnik-Theorie - mit passgenau entwickelten Antikörpern oder Hemmstoffen ausschalten zu können.

WASSER, BODEN & LUFT

Aus für Kohlekraftwerk
Die jahrelangen Proteste gegen das auf dem Krefelder Chemie-„Park“ des Leverkusener Multis geplante Kohlekraftwerk, das seine Tochterfirma CURRENTA betreiben sollte, haben sich ausgezahlt. Der Energie-Versorger TRIANEL beugte sich dem Druck der Öffentlichkeit und entschied sich für eine umweltschonendere Variante: ein Gas- und Dampfkraftwerk (siehe auch SWB 4/11). Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) begrüßt diesen Schritt; sie sieht Gas als Brückentechnologie hin zu einer wirklich umweltschonenden Stromerzeugung an. Allerdings kritisiert die CBG die Dimensionen der Anlage. Sie ist für 1.200 Megawatt ausgelegt und übersteigt damit die Kapazität des ursprünglich avisierten Kohlekraftwerks bei weitem. Deshalb produziert sie mehr klima-schädigendes Kohlendioxid als nötig und erreicht einen geringeren Wirkungsgrad als kleinere Kraftwerke.

Umweltgefährdende Müllmitverbrennung
Aus Kostengründen verfeuern BAYER & Co. in ihren Brennöfen zur Energie-Gewinnung nicht nur Steinkohle, sondern auch Müll. Auf 5,1 Millionen Tonnen kommen die Betriebe allein in Nordrhein-Westfalen pro Jahr. Am Standort Krefeld plant der Leverkusener Multi sogar, den Anteil auf 25 Prozent zu erhöhen (Ticker 3/11). Da diese Art des „Recyclings“ nicht den modernen Standards beispielsweise der Rauchgas-Behandlung entspricht, gelangen große Konzentrationen von Dioxinen, Furanen und Schwermetallen in die Umwelt, was nur eine Ausnahme-Regelung in der Bundesimmissionsschutz-Verordnung gestattet. Dagegen wollen die Grünen in NRW nun vorgehen. Sie planen eine Verschärfung der Grenzwerte und streben über eine Bundesratsinitiative auch eine bundesweite Lösung an.

Mehr Sondermüll-Verbrennung
Der Leverkusener Multi will die Kapazität seiner Sondermüll-Verbrennungsanlage in Leverkusen um 40.000 Tonnen auf 120.000 Tonnen steigern. Damit nimmt auch die ohnehin schon hohe Belastung der Umwelt mit Stoffen wie Kohlendioxid, Stickoxiden, Quecksilber, Arsen und Cadmium zu. Der BUND kritisiert vor allem das Fehlen von Vorrichtungen zur Reduktion der Stickoxid-Emissionen sowie die zu niedrig angesetzte und deshalb zu mehr Schadstoff-Ausstoß als nötig führende Temperatur zur Klärschlamm-Verbrennung. Auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) lehnt die Pläne ab. „In NRW gibt es keinen Bedarf für weitere Verbrennungskapazitäten - schon jetzt werden zur Auslastung der bestehenden Anlagen große Mengen Müll aus dem Ausland akquiriert. Immer neue Verbrennungsanlagen verhindern zudem den Einstieg in eine ökologisch sinnvolle Kreislaufwirtschaft“, so CBG-Geschäftsführer Philipp Mimkes in einer gemeinsam mit dem BUND, dem NABU und der LANDESGEMEINSCHAFT NATURSCHUTZ und UMWELT veröffentlichten Presseerklärung.

BAYERs CO2--Recycling
Im Februar 2011 nahm BAYER eine Pilotanlage in Betrieb, die den Einsatz von Kohlendioxid als Rohstoff zur Kunststoff-Herstellung erprobt. Der Pharma-Riese feiert dieses gemeinsam mit RWE und der „Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen“ betriebene Projekt „Dream Production“ als eine Großtat zur Rettung des Klimas. ExpertInnen beurteilen solche Versuche skeptischer. „Die stoffliche Nutzung kann keine riesigen Mengen binden, weil wir einfach viel, viel mehr Kohlendioxid freisetzen“, sagt etwa der Chemie-Ingenieur Arno Behr von der „Technischen Universität Dortmund“ (Ticker 1/10). Und selbst bei der günstigsten Hochrechnung fallen die Ergebnisse bescheiden aus. Sollten wirklich einmal weltweit alle Kunststoffe nach dem neuen Verfahren hergestellt werden, so wären gerade einmal 178 Millionen Tonnen Kohlendioxid gebunden - 0,6 Prozent der jährlichen Emissionen. Darüber hinaus fällt bei der „Dream Production“ selber nicht wenig CO2 ab, da energie-aufwendige Abtrennungs-, Reinigungs- und Verflüssigungsprozesse nötig sind, ehe aus den Rauchgasen der Kohlenkraftwerke ein Rohstoff für die Chemie-Industrie entsteht.

Neue Grundwasser-Verordnung
Im Herbst 2010 trat eine neue Grundwasser-Verordnung in Kraft. Sie vermag es allerdings nicht, die Belastungen der aquatischen Ökosysteme durch die Ackergifte von BAYER & Co. zu senken. „Es gibt keine bundesweit einheitlichen Mindeststandards zur Dokumentation, Reduzierung oder Behebung bedeutender Verunreinigungsquellen, dadurch können die nun für Grundwasser geltenden Pestizid- und Biozid-Grenzwerte nicht wirken“, kritisiert das PESTIZIDS-AKTIONS-NETZWERK (PAN).

Baugenehmigung in Cambridge
Bis zum Jahr 2003 betrieb BAYER im englischen Hauxton nahe Cambridge ein Werk. Bei der Schließung hinterließ der Konzern in Boden und Grundwasser jede Menge Altlasten. Trotzdem sollen auf dem Gelände Wohnhäuser entstehen. Eigentlich hätte der Leverkusener Multi die Sanierung übernehmen müssen, ihm gelang es jedoch, diese Aufgabe auf den Investor HARROW ESTATES abzuwälzen. Entsprechend demotiviert und erst auf politischen Druck hin machte dieser sich ans Werk. Er entschloss sich, das Erdreich abzutragen, zu säubern und wieder in die Grube zurückzuverfrachten. Dabei erwachten zwischenzeitlich auch die Schadstoffe zu neuem Leben und verursachten bei mehr als der Hälfte der 402 AnwohnerInnen Atemprobleme, Kopf- und Halsschmerzen sowie andere Gesundheitsstörungen. Darüber hinaus kam erst im Zuge der Arbeiten das ganze Ausmaß der Verschmutzung ans Tageslicht. Deshalb bat HARROW den Gemeinderat, einer Sanierung light zuzustimmen, was dieser auch tat. Nun befinden sich Boden um bis 500 Mal höhere Rückstände von Dicambe, Ethofumesate und anderen Chemikalien als ursprünglich vorgesehen - eine große Bedrohung nicht nur für das Grundwasser. Entsprechend empört reagierten die AnwohnerInnen. Das hielt die Kommune jedoch nicht davon ab, HARROW ESTATES eine Baugenehmigung für das Areal zu erteilen.

NANO & CO.

Gefährliches BAYERTITAN T
Die Nanotechnologie lässt Werkstoffe auf winzig kleine Größen schrumpfen. Dabei entwickeln diese oft unbekannte Eigenschaften. So auch das Nano-Produkt BAYERTITAN T, das als Aufheller in Wandfarben, Zahnpasta und Tabletten oder als UV-Filter in Sonnencremes Verwendung finden kann. Im Gegensatz zu größeren Titandioxid-Partikeln gelingt es dem Stoff nämlich, die Luft/Blut-Schranke zu überwinden und sich in den Organen anzureichern. Es „muss von einer möglichen, wenn auch minimalen, systemischen Verteilung der Partikel über den Blutkreislauf ausgegangen werden“, resümiert Maja Eydner ihren Tierversuch, ohne darin einen besonders beunruhigenden Befund zu sehen. Wolfgang Kreyling vom Helmholtz-Zentrum München, der im Auftrag des Bundesumweltamtes eine Nano-Studie mit Titan-Partikeln von DEGUSSA/EVONIK durchführte und eine weite Streuung der Teilchen in Lunge, Leber, Niere, Herz und Gehirn beobachtete, kommt da zu anderen Schlussfolgerungen. Angesichts von 4,5 Milligramm Titandioxid, das der Mensch täglich aufnimmt, warnt er: „Wenn auch davon nur ein Prozent im Körper verbleibt, so kommt damit im Laufe der Zeit und damit im Laufe des Lebens eine beträchtliche Summe zusammen, die durchaus bedenkenswert ist“. Eine frühere Untersuchung (Ticker 3/11) hatte bereits die tödliche Wirkung von Nano-Teilchen aus Titandioxid auf Mikro-Organismen wie Wasserflöhe nachgewiesen.

Risiko-Analysen „zwingend nötig“
Bundesumweltminister Norbert Röttgen erachtet Risiko-Analysen für Nano-Produkte als „zwingend nötig“, wie er bei der Vorstellung des Abschlussberichtes der 2006 vom damaligen Umweltminister Sigmar Gabriel einberufenen „NanoKommission“ deutlich machte. BAYER und die anderen Hersteller sind da anderer Meinung.
Sie wehren sich gegen ein zentrales Register, wie es für Chemikalien bereits existiert (siehe auch POLITIK & EINFLUSS). „Vertreter der Industrie halten die vorhandenen Produktlisten und -register (...) für ausreichend“, heißt es in der Publikation mit dem Titel „Verantwortlicher Umgang mit Nano-Technologien“. Auch einer Kennzeichnungspflicht mochten die Unternehmen nicht zustimmen. Überraschenderweise sprachen sie sich aber nicht gegen politische Rahmensetzungen aus: „Die NanoKommission ist sich bewusst, dass in nächster Zeit Regulierungsfragen Vorrang vor Konzepten haben werden, die auf freiwilligen Maßnahmen der Industrie aufbauen“.

400 Millionen für Nano-Forschung
Die Bundesregierung will die Nano-Forschung von BAYER & Co. jährlich mit 400 Millionen Euro fördern. Das beschlossen CDU und FDP im Rahmen ihres „Aktionsplans Nanotechnologie 2015“. Der „Verband der Chemischen Industrie zeigte sich hellauf begeistert: „Mit ihrem ‚Aktionsplan Nanotechnologie 2015‘ kann die Bundesregierung die europäische Spitzenposition Deutschlands in dieser zukunftsweisenden Technik ausbauen“.

Nano-Pestizid RAXIL
Der Leverkusener Multi verwendet die Nano-Technologie auch in der Pestizid-Produktion. So enthält das Saatgutbehandlungsmittel RAXIL MD Substanzen in Nano-Größe. Das macht das Mittel BAYER zufolge feiner, dünner, stabiler in der Wirkung - und giftiger, denn der Stoff kann direkt in die Zellen der Pflanzen eindringen wie auch in diejenigen von Insekten oder - über die Nahrungskette - von Menschen. Trotz dieser Risiken gibt es kein spezielles Zulassungsverfahren für Ackergifte auf Nano-Basis. Einen entsprechenden Antrag der Grünen hatte das Europäische Parlament in der letzten Legislatur-Periode abgelehnt.

CO & CO.

Berufungen im Pipeline-Verfahren
Am 25. Mai 2011 hatte das Düsseldorfer Verwaltungsgericht die Inbetriebnahme von BAYERs Kohlenmonoxid-Pipeline untersagt, weil die Rohrleitung nicht ausreichend vor Erdbeben gesichert ist. Allerdings bestätigten die JuristInnen die Rechtmäßigkeit der Enteignungen entlang des Streckenverlaufes. Deshalb kündigten die Anwohner, die dagegen geklagt hatten, gleich nach der Urteilsverkündigung an, in Berufung zu gehen. Gleiches tat Ende August 2011 auch die Düsseldorfer Bezirksregierung. Ihre Begründung lag bis Redaktionsschluss noch nicht vor.

Mangelnder Rostschutz
An fünf Stellen der zwischen Krefeld und Dormagen verlaufenden Kohlenmonoxid-Pipeline muss BAYER schon Reparatur-Arbeiten vornehmen, obwohl die Bauarbeiten kaum abgeschlossen sind. Eine Überprüfung hatte nämlich Mängel an den Isolierungen festgestellt, die den Rostschutz gefährden.

STANDORTE & PRODUKTION

„Pharma-Campus“ verschoben
BAYER hatte in Berlin viel vor. Im letzten Jahr kündigte der Leverkusener Multi an, das Gelände der 2006 erworbenen SCHERING AG für 500 Millionen Euro zu einem „Pharma-Campus“ umbauen zu wollen. Doch unter dem neuen Chef Marijn Dekkers ging der Konzern immer mehr auf Distanz zu dem Projekt. Mitte Juli 2011 gab er schließlich bekannt, die Pläne zunächst für zwei Jahre ruhen zu lassen. Ob sie überhaupt noch realisiert werden, st

Carl Duisberg

CBG Redaktion

Presse Information vom 26. September 2011
Coordination gegen BAYER-Gefahren

Carl Duisberg: „Ein verbrecherisches Genie“

150. Geburtstag des BAYER-Generaldirektors am 29. Sept. / Coordination fordert Umbenennung von Straßen und Entzug der Ehrenbürgerschaft / verantwortlich für Giftgas-Einsatz und Zwangsarbeit

Am Donnerstag jährt sich zum 150. Mal der Geburtstag von Carl Duisberg, dem langjährigen Generaldirektor der BAYER AG und geistigen Vater der IG FARBEN. Der Chemiker war maßgeblich für den Aufstieg der einstigen Farbenfabrik BAYER verantwortlich. Im 1. Weltkrieg setzte er den Einsatz von Giftgas durch, betrieb die Deportation belgischer Zwangsarbeiter und forderte die Annexion großer Gebiete in Osteuropa. Höhepunkt von Duisbergs Lebenswerk war der Zusammenschluss der deutschen Chemie-Industrie zur IG FARBEN.

Jan Pehrke, Vorstandsmitglied der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG): „Carl Duisberg ging für Profite buchstäblich über Leichen. Wegen seiner Verantwortung für den Einsatz von Giftgas, die Ausbeutung von Zwangsarbeitern und die enge Zusammenarbeit mit dem Nazi-Regime taugt der ehemalige BAYER-Generaldirektor nicht als Vorbild für künftige Generationen!“. Die CBG fordert eine Umbenennung der nach Duisberg benannten Schulen (z.B. das Carl Duisberg Gymnasium in Wuppertal), Straßen (so in Bonn, Krefeld, Frankfurt, Dormagen, Marl, Dortmund, Wuppertal und Leverkusen) sowie der gemeinnützigen Carl Duisberg-Centren. In einem Brief an den Leverkusener Oberbürgermeister Reinhard Buchhorn fordert das Netzwerk zudem die Aberkennung der Ehrenbürgerwürde von Leverkusen.

Schon Ende des 19. Jahrhunderts hatte Carl Duisberg rücksichtslos die Vermarktung von Heroin als angeblich harmlosem Hustenmittel betrieben. BAYER warb damals weltweit für seine „Wundermittel“ Aspirin und Heroin. Als ein Wissenschaftler das Suchtpotential von Heroin anprangerte, äußerte Duisberg - zu diesem Zeitpunkt Prokurist bei BAYER - man müsse die „Gegner mundtot schlagen“. Obwohl sich rasch die Gefahr der Abhängigkeit herausstellte, führte der Konzern den gewinnbringenden Verkauf über Jahrzehnte hinweg fort.

Historisch wichtig ist Carl Duisbergs Rolle bei der Ausbeutung von Zwangsarbeitern im 1. Weltkrieg. Im Herbst 1916 beklagte Duisberg den Mangel an Arbeitskräften und forderte mit dem Ausspruch „Öffnen Sie das große Menschenbassin Belgien„ den Einsatz von Zwangsarbeitern. Das Reichsamt des Inneren griff den Vorschlag der Industrie auf und ließ rund 60.000 Belgier deportieren, was international zu Protesten führte. Die Deportation gilt als Vorläufer des ungleich größeren Zwangsarbeiter-Programms im 2. Weltkrieg.

Zur selben Zeit entwickelte Carl Duisberg gemeinsam mit Fritz Haber Giftgase wie „Grünkreuz“ und „Senfgas“, testete diese erstmals an der Front und betrieb vehement ihren Einsatz - wissentlich gegen die Haager Landkriegsordnung verstoßend. Begeistert pries Duisberg den Chemie-Tod: „Die Gegner merken und wissen gar nicht, wenn Gelände damit bespritzt ist, in welcher Gefahr sie sich befinden und bleiben ruhig liegen, bis die Folgen eintreten.“ In Leverkusen wurde eigens eine Schule für den Gaskrieg eingerichtet.

1917 wurde Duisberg Mitglied der rechtsextremen Deutschen Vaterlandpartei. Zudem war er Vorstandsmitglied des „Unabhängigen Ausschuß für einen deutschen Frieden“, einer Gründung des antisemitischen Alldeutschen Verbands. Duisberg forderte die Annexion der besetzten Gebiete in Belgien und Nordfrankreich und etwas später auch “deutschen Lebensraum” in Polen und Russland. Duisberg hatte beste Kontakte zur Obersten Heeresleitung unter Hindenburg und Ludendorff und mischte sich offensiv in die Kriegszielplanung ein. Auch forderte er den uneingeschränkten U-Boot-Krieg und setzte sich erfolgreich für die Absetzung des (angeblich zu nachgiebigen) Kanzlers Bethmann- Hollweg ein.
Zu Kriegsende flohen Duisberg und Fritz Haber in die Schweiz, da sie sich auf den Auslieferungslisten der Alliierten befanden und eine Anklage als Kriegsverbrecher fürchteten.

Der größte Erfolg für Carl Duisberg war die 1925 erfolgte Gründung der IG FARBEN, deren Aufsichtsratsvorsitzender er wurde. Den Zusammenschluss der deutschen Chemie-Industrie zum damals größten europäischen Konzern hatte Duisberg über Jahrzehnte hinweg betrieben.

Der Weimarer Republik stand Duisburg ablehnend gegenüber. Er organisierte Spenden der Industrie an konservative und nationale Parteien, spätestens seit 1930 auch an die NSDAP. 1931 forderte Duisberg: „Fortwährend ruft das deutsche Volk nach einem Führer, der es aus seiner unerträglichen Lage befreit. Kommt nun ein Mann, der bewiesen hat, dass er keine Hemmungen hat, so muss diesem Mann unbedingt Folge geleistet werden.“ Im selben Jahr verlangte Duisberg in einer Rede vor der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf die Schaffung eines europäischen Wirtschaftsblocks unter deutscher Dominanz.

Im Gegenzug für ihre Millionen-Spenden erhielt die IG FARBEN von den Nationalsozialisten Absatzgarantien für synthetischen Treibstoff und Kautschuk. Kein anderes Unternehmen kollaborierte in der Folge so eng mit dem Dritten Reich. Anlässlich seiner Pensionierung frohlockte Carl Duisberg denn auch: „Ich freue mich auf einen Lebensabend unter unserem Führer Adolf Hitler.“ Hitler wiederum kondolierte zum Tod Duisbergs 1935: „Die deutsche Chemie verliert in ihm einen ihrer ersten Pioniere und einen erfolgreichen Führer, die deutsche Wirtschaft einen ihrer großen Organisatoren. Sein Name wird in Deutschland in Ehren weiterleben.“

Jan Pehrke von der Coordination gegen BAYER-Gefahren abschließend: „Carl Duisberg war ein überzeugter Nationalist, eine Persönlichkeit von patriarchaler Herrschsucht und ein erbitterter Feind der Gewerkschaften. Man kann Duisberg nur als „verbrecherisches Genie“ bezeichnen, das die Moral Zeit seines Lebens dem Geschäftssinn unterordnete.“ Die CBG beschäftigt sich seit den 80er Jahren mit der Geschichte des BAYER-Konzerns und war u.a. Herausgeber des Buchs „Von Anilin bis Zwangsarbeit – Die Geschichte der IG Farben“.

alle Infos zur Kampagne

weitere Informationen:
. Neues Deutschland: Carl Duisberg: Ehrenbürger ging über Leichen
· Carl Duisberg und die Geschichte der IG Farben
· Offener Brief: Für die Umbenennung des Carl Duisberg Gymnasiums in Wuppertal!
· FAZ: Zwangsarbeit von Belgiern in Deutschland während des Ersten Weltkrieges
· Spenden der IG Farben an die Nationalsozialisten
· Carl Duisberg im 1. Weltkrieg
· „Wo sie Führer finden“ - Carl Duisberg, die Uni Bonn und die deutschen Traditionen

IG Farben

CBG Redaktion

Handelsblatt, 18. August 2011

Von der Börse genommen:

Der letzte Vorhang fällt für die IG Farben

Nun scheint sich auch das letzte Kapitel des ehemaligen Chemieriesen IG Farben zu schließen. Die Insolvenzverwalterin möchte das Unternehmen mit dunkler Vergangenheit von der Börse nehmen.

Das einst weltgrößte Chemie-Konglomerat IG Farben schließt das letzte Kapitel seiner mehr als 80-jährigen Geschichte. Der 2003 pleitegegangene Restkonzern - ein Überbleibsel des Unternehmens, das eng mit dem Nazi-Regime verwoben war - soll von der Börse genommen werden.
Insolvenzverwalterin Angelika Wimmer-Amend beantragte am Mittwoch, die Börsenzulassung zu widerrufen. Das Ende des Insolvenzverfahrens stehe kurz bevor, hieß es in einer Pflichtmitteilung.
Der Chemiekonzern IG Farben beschäftigte während des Zweiten Weltkrieges Tausende von Zwangsarbeitern - auch im Massenvernichtungslager Auschwitz. Dort wurden die Opfer der Nazis durch das Giftgas Zyklon B ermordet, hergestellt von einer gemeinsamen Tochter der Degussa und der I.G. Farben. Nach dem Krieg wurde der Konzern von den Alliierten zerschlagen.
Übrig blieb die „I.G. Farbenindustrie Aktiengesellschaft in Abwicklung“. Ihr gegenüber sollen ehemalige Zwangsarbeiter ihre Forderungen geltend machen können. Im Laufe der Jahrzehnte bereicherten sich diverse Finanzjongleure an der I.G. Farben. 2003 meldete das Unternehmen Insolvenz an. Mit den Aktien der I.G. Farben wurde weiter aber spekuliert.

weitere Infos: Kampagne Nie Wieder

28.07.2011, Handelsblatt

Geschichte der IG Farben:

Der Konzern, der Hitler den Weltkrieg ermöglichte

Die IG Farben hat in den Weltkriegen grausame Dinge getan. Jetzt gibt es neue Erkenntnisse über das zerstörerische Werk von Bayer, BASF und Co und wie die Verantwortlichen sich noch Jahre nach dem Krieg feierten.

Der abgemagerte jüdische Häftling bricht unter der Last der Holzplanke zusammen. Bevor er sich aufrappeln kann, ist der SS-Wachposten bei ihm und drischt ihm den Gewehrkolben an den Kopf. Immer wieder. Ein anderer Häftling, der britische Soldat Avey, will ihm helfen. Doch er bemerkt den SS-Mann nicht, der sich von hinten nähert und ihm mit der Pistole hart ins Gesicht schlägt. Avey wird später ein Auge verlieren und nie erfahren, wer der Jude war, dem er helfen wollte.
So sah das Leben und Sterben aus in der Fabrik der IG Farben in Auschwitz – und es gab noch weitaus schlimmere Vorfälle. Es ist der Konzern, der den Zweiten Weltkrieg möglich machte und von dem heute noch Bayer, BASF und Wacker als eigenständige Firmen übrig sind. „Deutschland hätte den Krieg ohne die synthetischen Materialien der IG Farben nicht lange durchgestanden“, schreibt Diarmuid Jeffreys in seinem gerade auf Deutsch erschienenen Buch „Weltkonzern und Kriegskartell“. Der britische Journalist hat in einer enormen Fleißarbeit Tausende Dokumente durchgesehen und so die Geschichte der IG Farben nachvollzogen, wie es bisher noch nie getan wurde.
Es ist die Geschichte eines Megakonzerns, der in Friedenszeiten den Liberalismus liebte, sich aber im Krieg rasant in den Dienst des Staates und der Armee stellte – und in beiden Fällen prächtig verdiente. Das Beispiel IG Farben ist auch heute noch von höchster Relevanz, weil es zeigt, welch dramatische Folgen es haben kann, wenn sich Unternehmen und Politik zu nahe kommen.
Und es ist auch die Geschichte von Firmenlenkern, die für den Profit die Ermordung von Zehntausenden Menschen duldeten – ja sogar anordneten. Sie wurden als Kriegsverbrecher verurteilt. Als sie aber wegen „guter Führung“ schon nach zwei Jahren das Gefängnis verließen, stand die Limousine schon bereit. Sie alle bekamen wieder gute Jobs und trafen sich im Februar 1959 zu einem glanzvollen Wiedersehensbankett mit viel Wein unter guter Laune.
Jeffreys beginnt die Geschichte der IG Farben rund 70 Jahre vor ihrer Gründung, was ein großer Gewinn für den Leser ist. Der erfährt nicht nur im Detail, was es mit den chemischen Entwicklungen auf sich hat, sondern auch alles über die Geschichte der Produkte und den Aufstieg der deutschen Firmen.

Die Gründung der IG Farben
Dabei geht es auch um die Rolle der Konzerne für das Selbstverständnis des deutschen Volkes. 1873 war „das neue, wirtschaftlich ungemein anpassungsfähige Deutschland eine Macht, mit der gerechnet werden musste“.
Bis zum Ersten Weltkrieg hatte sich die Chemiebranche aus der Tagespolitik weitgehend herausgehalten. Natürlich würde Lobbyarbeit gemacht – gerade im Ausland. Aber insgesamt hielten es die Unternehmen mit Liberalismus und freiem Handel.
Doch der Krieg veränderte alles. Die Rohstofflage war dermaßen schwierig, dass sich die Reichsführung an die Chemiekonzerne wandte. Es ging vor allem um Sprengstoffe - und nicht zuletzt um Giftgas. Die klügsten Köpfe wie Fritz Haber (übrigens ein Jude) und Carl Bosch wurden rekrutiert. Geld bekamen die Konzerne genug und auch „billige“ Arbeitskräfte: Rund 60.000 belgische Zwangsarbeiter forderte Bayer-Chef Carl Duisberg 1916 an, wir Buchautor Jeffreys herausfand.
Umso schwieriger war die Situation für die Unternehmen nach dem Krieg. Die Produktion musste auf zivile Produkte umgestellt werden, zudem war der Patentschutz für viele Produkte von den Firmen der Alliierten faktisch ausgehöhlt worden. Es begannen zähe Verhandlungen und ein mühsamer Wiederaufbau. Zudem bemühten sich vor allem die USA, die besten Köpfe der Branche abzuwerben.
Doch es gelang den großen Firmen, sich zu erholen und wieder zum Machtfaktor zu werden. So musste Gustav Stresemann, Reichskanzler der Weimarer Republik, erklären: „Ohne die IG und die Kohle könnte ich keine Außenpolitik machen.“
Dass es soweit kam, war vor allem BASF-Chef Carl Bosch und Bayer-Chef Duisberg zu verdanken. Vor allem Bosch, 13 Jahre jünger als sein Kollege, hatte in dieser Phase ein glänzendes Näschen für die sich bietenden Chancen. Und dazu gehörte auch der Zusammenschluss der Konzerne.
Dank Duisbergs Hartnäckigkeit kam es am 2. Dezember 1925 zum Bündnis, wenig später folgte die offizielle Fusion von BASF, Bayer, Höchst, Agfa und anderen. Nun lag es an Bosch, einem stillen, bescheidenen Mann, die Teile des Konglomerates zusammenzuführen. Der 52-Jährige hatte eine schwere Aufgabe:
Carl Bosch war kein großartiger Unternehmer, aber ein Stratege mit Weitsicht. Er löste die wesentlichen Probleme und die IG Farben wuchs und wuchs. Er erkannte früher als viele, dass sich die Weltwirtschaft zu sehr vom Öl abhängig gemacht hatte und setzte auf das deutsche Fachwissen im Bereich der Hydrierung – was später im Zweiten Weltkrieg noch eine besonders wichtige Rolle spielen sollte.
Derweil waren die Verbindungen zur Politik in der mittleren Phase der Weimarer Republik wieder deutlich lockerer geworden. Die IG Farben unterstützte die Partei, die einen am ehesten in Ruhe arbeiten ließ. Natürlich war dabei wichtig, dass die deutsche Politik gute Beziehungen mit den früheren Kriegsgegnern unterhielt – das Exportgeschäft war schließlich sehr wichtig.

Hitler helfen oder nicht?
Umso heftiger trafen der Börsencrash 1929 und die folgende Weltwirtschaftskrise die IG Farben - fast die Hälfte der Belegschaft musste gehen. Politisch war die Zeit für die Nationalsozialisten gekommen. Während andere Industrielle wie Fritz Thyssen, Friedrich Flick, Robert Bosch oder Hugo Stinnes die Nazis schon frühzeitig unterstützten, hielt sich die IG Farben lange zurück. Carl Bosch ging stets politische Verpflichtungen erst dann ein, wenn es unbedingt nötig war.
Die IG Farben hat den Aufstieg der NSDAP bis hin zur Ernennung von Adolf Hitler zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 wachsam und mit einer gewissen Missbilligung verfolgt. Die extremistische Rhetorik der Nationalsozialisten beunruhigte die Führungsebene sehr. Zudem waren viele Wissenschaftler und auch Aufsichtsratsmitglieder der IG Farben Juden. Die Nationalsozialisten behaupteten, ihre Anwesenheit sei ein klarer Beweis dafür, dass der Konzern der „Verschwörung des internationalen Finanzjudentums“ angehöre.
Duisberg versuchte, die Wogen frühzeitig zu glätten, gewann das Wohlwollen der Nazis aber weniger mit guten Worten als mit den Möglichkeiten, die das Unternehmen bot. Auch Bosch wollte Hitler vor allem mit dem Benzinprojekt überzeugen. Das gelang, schließlich schob Hitler die Niederlage im Ersten Weltkrieg in erster Linie auf die Rohstoffknappheit. Danach kritisierten die Nazis zwar weiterhin den Einfluss von Juden auf die deutsche Industrie, nannte die IG Farben aber nicht mehr.
Ende Januar 1933, als Hitler die Macht so gut wie inne hatte, traf dann auch Carl Bosch seine Entscheidung: Am 27. Februar zahlte die IG Farben 1,9 Milliarden Reichsmark auf das Konto der NSDAP ein (Anmerkung CBG: es muss wohl 1,9 Millionen heißen!) – mehr als die anderen Unternehmen. Hitler hatte die Konzerne erpresst. Nur so schien ein Bürgerkrieg abzuwenden zu sein. Nun konnte Hitler seinen Propagandafeldzug mühelos finanzieren.

Der Alltag mit den Nazis
Es folgten weitere Zahlungen: Insgesamt ließ die IG Farben der NSDAP 1933 4,3 Millionen Reichsmark zukommen. Aber Bosch wusste, was er dafür bekommen würde: Hitler rettete sein Projekt zur synthetischen Herstellung von Treibstoff. Jeffreys schreibt: „In weniger als einem Jahr würde man einen Vertrag von wahrhaft faustischen Dimensionen unterschreiben.“ Damit meinte er den Vertrag über einer Absatzgarantie von 350.000 Tonnen synthetischem Benzin zum einem Mindestpreis, der der IG Farben vor einem Verlust von rund 300 Millionen Reichsmark bewahrte.
Kein Wunder, dass sich der Konzern anpasste und kollaborierte. Carl Bosch war kein Antisemit, konnte aber nicht verhindern, dass immer mehr Juden sein Unternehmen verlassen mussten. Ihm tat es weh, all die guten Wissenschaftler gehen zu sehen. Unter ihnen war auch Fritz Haber. Im Ersten Weltkrieg hat der Patriot noch Giftgas für die Armee entwickelt, nun wurde er – obwohl inzwischen zum Christentum konvertiert – vertrieben.
Bei einem Treffen sprach Bosch Hitler auf die Judenfrage an: „Wenn immer mehr jüdische Wissenschaftler zur Emigration gezwungen werden, könnte die deutsche Physik und Chemie um 100 Jahre zurückgeworfen werden.“ Hitler bekam einen Wutausbruch und schrie, dass Bosch keine Ahnung von Politik habe und Deutschland wenn nötig 100 Jahre lang ohne Physik und Chemie arbeiten könne. Von da an war Bosch persona non grata in Hitlers Kreisen.
Die beiden trafen auch deshalb nie wieder zusammen, weil Bosch nicht das tat, was viele andere Industrielle nach solchen Wutausbrüchen Hitlers taten: eine Versöhnung anzustreben. Er war sich sicher, dass Hitler den synthetischen Treibstoff weiterhin haben wolle und setzt im Stillen die Unterstützung für jüdische Wissenschaftler fort. Das ging so weit, dass er den Exilanten heimlich Entschädigungen zahlte und beschaffte einigen gute Posten bei Unternehmen der IG in Übersee.
Carl Bosch wurde nie NSDAP-Mitglied, erfüllte als Chef der IG Farben aber zahlreiche Wünsche des Regimes. Das sei eben ein „unglückliches Nebenprodukt unternehmerischer Zweckmäßigkeit“.
Mit der Zeit gewöhnten sich die Manager der IG Farben aber an die Nazis. Nicht zuletzt stimmte auch die Bilanz: Ende 1933 war die Belegschaft um 15 Prozent angewachsen, viele Kredite waren abbezahlt und der Gewinn um 32 Prozent gestiegen. Es war wieder Ruhe in Deutschland eingekehrt. Auch wenn es eher eine Friedhofsruhe war, kam die Stabilität den Geschäftsleuten wertvoll vor.
Wie
Wie die IG Farben vom Krieg profitierte
In den folgenden Jahren bekam die Chemiebranche – und die bestand zum Großteil aus der IG Farben – den Löwenanteil der ausgeschriebenen Subventionen. Zwischen 1936 und 1939 stammten rund 40 Prozent des Umsatzes aus fünf Produktionsbereichen, die direkt durch den sogenannten Vierjahresplan der Reichsregierung finanziert wurden: Nitrate für Sprengstoffe, Treibstoff, Metalle, Buna (Gummisparte) und Plastik. Die IG Farben versorgte Deutschland im Gegenzug mit allem, was es für einen Krieg brauchte.
Dazu gehörten auch Giftgase, was durchaus erstaunlich war. Schließlich war der Schaden durch die Giftgas-Produktion im Ersten Weltkrieg enorm gewesen. Dennoch entwickelte der Konzern für die Nazis ab 1936 Senfgas und wenig später zwei noch gefährlichere Stoffe: Tabun und Sarin.
Das mit Abstand dunkelste Kapitel der Geschichte der IG Farben war die Buna-Fabrik in Auschwitz. Hier sollte synthetischer Kautschuk hergestellt werden. Natürlich war die Nähe zum Konzentrationslager kein Zufall: Die IG Farben brauchte Sklaven, also ersetzbare Zwangsarbeiter, für den Bau der Werkes.
Als Gegenleistung lieferte der Konzern einen entscheidenden Beitrag zum Ausbau des KZs in eine industrialisierte Mordmaschine, in der eineinhalb Millionen Menschen starben. Jeffreys zitiert einen Überlebenden: „Kapos mit wilden Augen zogen ihren blutbesudelten Weg durch Scharen von Häftlingen, während SS-Männer, wie Cowboys im Fernsehen, aus der Hüfte heraus schossen. Kleine Gruppen stiller Männer suchten sich ihren Weg zwischen Leichen hindurch, die sie nicht sehen wollten, führten Messungen durch und machten sich Notizen.“
Aus Sicht des Autoren ist es absolut klar, dass die Führung der IG Farben von all dem wusste. Vor allem weil die IG Farben ab 1942 auf dem Komplex ein eigenes KZ errichtete.
Als sich die Niederlage Deutschlands abzeichnete, war die IG Farben längst eines der wichtigsten Ziele der Alliierten. Frankreich, Großbritannien und die USA hatten schon 1944 Kommissionen gebildet, die sich mit dem Konzern vertraut machten. Den Kampftruppen folgten auf dem Fuß Wissenschaftler, die die Technologie des Konzerns für die jeweilige Besatzungsmacht sichern sollten.
Sie fanden die Führungskräfte und Wissenschaftler des Konzerns und „überredeten“ sie, versteckte Dokumente auszuhändigen. Es kam sogar zu Ausgrabungen in Wäldern, wo man Ordner verscharrt hatte. Es ging den Alliierten aber auch darum, Deutschland zu entmonopolisieren: Nie wieder sollte eine so große Produktivkraft unter einem Dach angehäuft werden, wie es bei der IG Farben der Fall war.

Was die Geschichte der IG Farben lehrt
Bei der Aufteilung der IG Farben spielten regionale Kriterien die wesentliche Rolle. Leverkusen und die Satellitenfirmen, die in der britischen Zone lagen, wurden eine Einheit. Ludwigshafen und Oppau lagen in der französischen Zone und die alten Werke von Hoechst rund um Frankreich in der US-Zone. Die Werke im Osten wurden entsprechend von der sowjetischen Planwirtschaft absorbiert.
Der Kalte Krieg warf seine Schatten voraus und die westlichen Alliierten hatten kein Interesse, einen Industriezweig zu zerschlagen, der Deutschland helfen sollte, um zum Bollwerk gegen die kommunistische Expansion zu werden. Dies verwendet Jeffreys auch als Begründung für die recht milden Strafen, die die 23 vor Gericht gestellten Führungskräfte der IG Farben bekamen. Dabei war der Prozess mehr als jeder andere geeignet, der Menschheit zu vermitteln, welche entscheidende Rolle die Wirtschaft am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges hatte.
Unterm Strich ist Jeffreys eine höchst lesenswerte historische Studie gelungen – es muss eine außerordentliche Fleißarbeit gewesen sein, die Informationen aus all den verschiedenen Quellen zusammen zu suchen. Allerdings gibt es einige Schönheitsfehler: Zum einen stimmt die Behauptung nicht, dass es 1918 eine Kapitulation Deutschlands gab. Und Hindenburg starb nicht 1935, sondern 1934.
Noch viel schwerer wiegt aber die Subjektivität, mit der Jeffreys den Prozess gegen die 23 IG-Farben-Vertreter begleitet. In der Tat fielen die Urteile auch nach objektivem Ermessen milde aus. Aber Jeffreys verlässt in diesen Passagen die Ebene des Historikers und stellt sich so deutlich auf Seiten der Anklage, wie es sich in einer solchen Studie nicht gehört. Da mag man ihm moralisch zustimmen wie man will.
Die Geschichte der IG Farben ist eine Pflichtlektüre und hochaktuell. Denn sie zeigt, wie dramatisch die Folgen sein können, wenn Staat und Wirtschaft zu sehr verschmelzen und voneinander abhängig sind. Politische Motive und Gewinnstreben dürfen nicht miteinander verknüpft werden – so die klare Botschaft. Oder wie es Jeffreys ausdrückt: „Die Geschichte der IG Farben lehrt uns viel über die Schwächen der Menschheit und darüber, wie ein Volk seine Seele aufgab.“

Bibliografie:
Diarmuid Jeffreys
Weltkonzern und Kriegskartell. Der zerstörerische Werk der IG Farben
Karl Blessing Verlag, München 2011
687 Seiten

IG Farben

CBG Redaktion

Presse Info vom 15. Juli 2011

75 Jahre spanischer Bürgerkrieg: Die Rolle der IG FARBEN

Am 17. Juli 1936 erhoben sich die Truppen Francisco Francos gegen die demokratisch legitimierte Regierung von Spanien. Die faschistischen Staaten Italien und Deutschland sowie zahlreiche Konzerne unterstützten die Putschisten. Zum 75. Jahrestag des Kriegsbeginns am Sonntag veröffentlicht die Coordination gegen BAYER-Gefahren heute einen Artikel zur Zusammenarbeit der IG Farben mit dem Franco-Regime.

Die IG Farben, die 1925 aus einem Zusammenschluss von BASF, BAYER, HOECHST und AGFA hervorging, war seinerzeit der größte Konzern Europas. Die IG besaß in Spanien 14 Niederlassungen und war dort das größte ausländische Unternehmen.

Anlässlich des 75. Jahrestags des Kriegsbeginns am 17. Juli erinnert die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) an die Rolle der IG Farben im Bürgerkrieg. Jan Pehrke vom Vorstand der CBG: „Die IG Farben stand von Beginn an auf Seiten der Putschisten und leistete ihnen auf jede erdenkliche Art und Weise Beistand. Mehrmals wurden hohe Geldsummen an Franco gespendet. Die IG Farben unterstützte die Legion Vidal, die Sanitätstruppe der Putschisten. Und an die Kampftruppen lieferte die IG alles, was für die Kriegsführung benötigt wurde - Zellwolle für die Uniformen, Quecksilber, Chemikalien für den Bau von Bomben und Experten für chemische Kampfstoffe.“

Stolz hieß es in einem Memorandum der IG Farben: „Während der ganzen Dauer des spanischen Bürgerkriegs hat Deutschland und innerhalb Deutschlands 100-prozentig die AGFA es fertiggebracht, Spanien, d. h. die spanische Wehrmacht mit den unbedingt erforderlichen Mengen (...) zu versorgen“. In internen Schreiben rühmten IG-Manager den „vorbildlichen Kampfesmut“ der Franco-Truppen und erklärten die Eroberung von Toledo zum „Ruhmesblatt in der Geschichte Spaniens“.

Bei den Luftangriffen der „Legion Condor“ auf Guernica und andere baskischen Städte kam die von der IG Farben produzierte Brandbombe B1E zum Einsatz. Diese entwickelte eine Hitze von bis zu 2.400 Grad und entfachte eine Feuersbrunst, der mit Löschwasser nicht beizukommen war. Die genaue Zerstörungsleistung - in Guernica starben fast 1.700 Menschen - untersuchten Experten minutiös. Hitler persönlich brüstete sich später, dass es ohne die Hilfe aus Deutschland und Italien „heute keinen Franco“ gäbe.

Eine wichtige Rolle spielte die IG Farben auch beim 1936 veröffentlichten Vierjahresplan, mit dem die Umstellung zu einer Kriegs-Ökonomie organisiert wurde. Der Konzern konzipierte wichtige Teile des Programms, weshalb das Unterfangen auch bald „IG-Farben-Plan“ hieß. Auch über die Umsetzung wachten zahlreiche Beschäftige des Konzerns, die in die neue Vierjahresplan-Behörde abgestellt wurden. Spanien kam in der Kriegsplanung wegen seiner Bodenschätze eine wichtige Rolle zu.

Der IG-Direktor Heinrich Gattineau war direkt zu Kriegsbeginn nach Spanien gereist, um die Versorgung mit Rohstoffen sicherzustellen. Gattineau warnte vor der sehr gefährlichen Situation, nicht mehr genügend Schwefelkies für die Schwefelsäure-Produktion einführen zu können; über die Hälfte des Bedarfs deckte das Deutsche Reich damals aus spanischen Quellen. Doch bereits im Oktober 1936 leisteten die deutschen Stellen Vorauszahlungen „von ca. RM 200.000, à Conto der bereits unterwegs befindlichen und weiter noch zu verschiffenden Mengen Schwefelkies“. Ein Großteil davon ging an die IG FARBEN; über die Jahre lag ihr Anteil am Gesamt-Import bei 80 Prozent.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren beschäftigt sich seit 30 Jahren mit der Geschichte der chemischen Industrie im Dritten Reich. Die CBG veröffentlichte das Buch „Von Anilin bis Zwangsarbeit – die Geschichte der IG Farben“. In den 90er Jahren kämpfte die Coordination gemeinsam mit überlebenden Sklavenarbeitern für Entschädigungszahlungen der IG-Nachfolger BASF, BAYER und HOECHST.

weitere Informationen:
=> Artikel zur Zusammenarbeit der IG Farben mit dem Franco-Regime
=> Studie “Die Herren Generale” (1966), Dr. Janis Schmelzer (eine Kopie senden wir gerne zu)
=> French and German Capital in Nineteenth- and Twentieth-Century Spain, Núria Puig and Rafael Castro http://www.h-net.org/ business/bhcweb/publications/BEHonline/2006/puigandcastro.pdf
=> DIE ZEIT zur Zerstörung von Guernica

[Rettungskampagne] CBG unterstützen!

CBG Redaktion

KonzernKritik in Gefahr

Coordination gegen BAYER-Gefahren startet Rettungskampagne / Flyer ab heute bundesweit gestreut / Gemeinnützigkeit verweigert / 350 neue Mitglieder notwendig

Die „legendäre Coordination gegen BAYER-Gefahren„ (taz) ist weltweit das einzige Netzwerk, das einen der großen multinationalen Konzerne rund um die Uhr kritisch unter Beobachtung stellt. Seit 1978 hat die Coordination weit über hundert Kampagnen zu Störfällen, Pestiziden, Schadstoff-Emissionen, Gentechnik, risikoreichen Pharmaprodukten, der IG Farben-Geschichte und vielem mehr initiiert. 1991 siegte das Netzwerk gar in einem spektakulären Verfahren vor dem Bundes-Verfassungsgericht gegen BAYER. Die CBG versteht ihre Arbeit als beispielhaft für alle Konzerne.

Die Coordination gegen BAYER-Gefahren ist jedoch akut in Gefahr. Sozialabbau und sinkende Realeinkommen haben die Spenden-Einnahmen stark sinken lassen. Die CBG muss daher eine Rettungskampagne starten. Bis Ende 2011 muss das Netzwerk 350 neue Mitglieder gewinnen, andernfalls geht das Licht aus.

Bundesweit streuen Mitglieder des Vereins ab Mitte Juli einen Alarm-Flyer. Am 9. Juli wird das Faltblatt der taz beiliegen. Danach wird es in zahlreichen Zeitungen und Zeitschriften sozialer Bewegungen verbreitet.

Während andere Organisationen staatliche oder kirchliche Unterstützung erhalten, muss sich die Coordination gegen BAYER-Gefahren komplett selbst finanzieren. Axel Köhler-Schnura, Gründungsmitglied der CBG: „Konzernkritik ist kein Spaziergang. Großunternehmen wehren sich mit harten Bandagen. Repression, Verleumdung, Behinderung. Auch wird uns konsequent die Gemeinnützigkeit verweigert - der lange Arm eines Konzerns wie BAYER reicht weit.“

Es gibt wohl keine NGO mit einem vergleichbaren Aktionsradius, die lediglich eine einzige bezahlte Stelle betreibt, darüber hinaus komplett ehrenamtlich arbeitet und damit fast ohne Personalkosten auskommt. Doch um trotz Finanzkrise und sinkender Realeinkommen weiter arbeiten zu können, brauchen wir mehr Fördermitglieder. Ohne Geld geht es nicht.

Bitte helfen Sie uns. Werden Sie Förderer, beteiligen Sie sich an den Kampagnen oder spenden Sie. Es kann nicht sein, dass Konzern-Kritik an Geldmangel stirbt.

So können Sie helfen:
=> werden Sie Fördermitglied (mtl. ab fünf Euro)
=> leisten Sie eine einmalige Spende
=> gewähren Sie uns ein zinsloses Darlehen oder zeichnen Sie eine 100-prozentig gesicherte Spareinlage bei ProSolidar (Infos unter info@cbgnetwork.org)

Wir wissen, dass es vielen Menschen in Zeiten sinkender Realeinkommen nicht möglich ist, finanzielle Unterstützung zu leisten. Gehören Sie dazu, dann ignorieren Sie unsere Bitte um Geld und prüfen Sie, ob Sie uns anders unterstützen können. Wir können jede Hilfe brauchen: Übersetzungsarbeiten, Betreuung von Infoständen, Teilnahme an Aktionen, fachliche Expertise, uvm.

Flyer runterladen: http://www.cbgnetwork.org/downloads/Flyer_Rettungskampagne.pdf

Update 19. August: “Dank für große Solidarität"

PRESSESTIMMEN
Erhebt sich irgendwo auf der Welt Widerstand gegen eine neue Bayer-Fabrik, greifen die Mitarbeiter der Coordination in ihr Archiv und leisten den Widersachern des Konzerns Amtshilfe.
DER SPIEGEL

Die Initiative beobachtet den weltweit größten Pestizidhersteller seit mehr als 30 Jahren, prangert Missstände an und mobilisiert die Öffentlichkeit. Ein Fulltime-Job.
Greenpeace Magazin

Bayer hat die Gruppe wegen eines Flugblattes verklagt - und erst beim Bundesverfassungsgericht verloren.
Frankfurter Rundschau

Preiswerte Arzneimittel aus Indien sind unersetzlich für die Patientenversorgung in armen Ländern, meint auch die Coordination gegen Bayer-Gefahren.
Süddeutsche Zeitung

BAYER-Chef Schneider hat ein Problem. Die Coordination gegen Bayer-Gefahren, die den Konzern seit Jahren unter Druck setzt. Auch auf der diesjährigen Aktionärsversammlung zeigte sie beharrlich die Schmuddelflecken auf der Firmenweste.
die tageszeitung

IG Farben

CBG Redaktion

Vorwärts, 6. Juni 2011

Diarmuid Jeffreys: „Weltkonzern und Kriegskartell"

Eine rentable Verbindung: Die IG Farben und das NS-Regime

Kein anderer deutscher Konzern ist so eng mit dem NS-Regime verknüpft wie die IG Farben: Sie finanzierte den Aufstieg Hitlers, machte das Hochrüsten möglich und war für die Gräuel von Auschwitz mitverantwortlich. Ein neues Buch von Diarmuid Jeffreys beleuchtet die Geschichte des Konzerns und die Zusammenarbeit mit dem NS-Regime.

„Sie waren die Fäden in dem dunklen Todesmantel, der sich über Europa senkte.“ So bezeichnete 1948 General Telford Taylor, Chefankläger im zweiten Kriegsverbrecherprozess in Nürnberg, die Direktoren der IG Farben. Wissentlich und willentlich stellten sie, so die Anklage, die Ressourcen des Konzerns dem NS-Regime und seiner Kriegsmaschinerie zur Verfügung. Ob sie dieses Bündnis aus skrupellosem Ehrgeiz eingingen oder als patriotische Geschäftsleute nur am Wohle ihres Landes interessiert waren, legt Diarmuid Jeffreys in seinem Buch „Weltkonzern und Kriegskartell. Das zerstörerische Werk der IG Farben“ faktenreich dar.

Die deutsche Chemieindustrie – eine Erfolgsgeschichte
Er überlässt jedoch dem Leser eine endgültige Beurteilung. Seine gut lesbare, mit Elementen der Reportage versehene Studie erzählt die Geschichte des Konzerns als stringente Entwicklung, von seinen Anfängen Mitte des 19. Jahrhunderts an bis zur Bildung des „Höllenkartells“ – so der englische Originaltitel – zwischen der IG und dem NS-Regime.

Mit der zufälligen Entdeckung von synthetischen Farbstoffen begann die Erfolgsgeschichte der deutschen Chemieindustrie. Medikamente, Fotomaterial, Druckfarben und Kunstdünger gehörten bald zu der sich stetig vergrößernden Produktpalette von Agfa, Bayer, BASF und Hoechst. Die tödliche Allianz von Staat, Militär und Chemieindustrie fand erstmals im Ersten Weltkrieg zusammen. Gewinn- und Wachstumschancen die der Krieg bot wurden wahrgenommen, Sprengstoffe und Giftgase geliefert.

Nach dem Versailler Vertrag, der die Macht der deutschen Chemiekonzerne durch Beschlagnahme von Produkten und Patenten durch die Alliierten brechen sollte, galt es, Weltgeltung zurückzuerlangen. Am 2. Dezember 1925 schlossen sich BASF, Bayer, Hoechst, Agfa, Weiler-ter-Meer, Griesheim, Kalle und Cassella zur Interessengemeinschaft Farben, kurz IG Farben, zusammen. Es entstand ein weltweit agierendes Konglomerat aus Tochterfirmen, Holdings und Partnerschaften für Chemie, Stahl, Kohle und Treibstoffe.

Die Allianz mit dem Hitlerregime
Paradebeispiel für deutschen Forschergeist und zugleich Sorgenkind der Produktion war die Herstellung von synthetischem Treibstoff in Leuna. Sie war im Vergleich zum Naturprodukt zu teuer. Für das synthetische Gummi Buna gab es keinen Markt – bis das Naziregime mit seinem Streben nach der Autarkie Deutschlands Rentabilität versprach.

Bis Jahresende 1933 zahlte die IG 4,5 Millionen Reichsmark (RM) in die Parteikasse der NSDAP. Im Gegenzug kaufte das Reich die gesamte Produktion des Leuna-Treibstoffes auf: „Ab diesem Zeitpunkt war das Schicksal der IG Farben unmittelbar mit dem des Dritten Reiches verknüpft“, schreibt Jeffreys. Weder Krupp noch Thyssen oder Flick spielten eine derart wichtige Rolle: Der Krieg, den die Deutschen mit dem Angriff auf Polen am 1. September 1939 entfesselten, „lebte von den Chemikalien der IG“.

Das Bunawerk in Auschwitz
Ab 1941 ließ die IG in Auschwitz eine Produktionsstätte für Buna von jüdischen KZ-Häftlingen errichten. Sie zahlte 3 RM pro Tag und Häftling an die SS – für beide Seiten ein profitables Geschäft. Die Lebensdauer der Arbeiter betrug drei Monate. Schließlich als arbeitsuntauglich selektiert, wurden auch sie in den Gaskammern von Auschwitz ermordet – hierfür lieferte eine IG Tochter, die Degesch, das Giftgas Zyklon B.

Etwa 200 000 Menschen starben für das Bunawerk in Auschwitz, das niemals in Betrieb gegangen ist. So lautete die Nürnberger Anklage gegen die Führungsriege der IG auch auf Teilnahme an Versklavung und Massenmord. Dennoch kam sie glimpflich davon. Spätestens 1951 aus der Haft entlassen, fanden viele im Wirtschaftswunder in ihre alten Karrieren zurück.

Die IG wurde zerschlagen. Ihre Einzelteile BASF, Hoechst, Bayer und Agfa schrieben die Erfolgsgeschichte der deutschen Chemie weiter. Zwar leisteten sie Entschädigungszahlungen an ehemalige Zwangsarbeiter, doch eine offizielle Entschuldigung für ihre Beteiligung an der IG und damit am Holocaust hat kein Konzern je ausgesprochen. von Laura Meier-Ewert

Diarmuid Jeffreys: „Weltkonzern und Kriegskartell. Das zerstörerische Werk der IG Farben“ Aus dem Englischen von Helmut Dierlamm und Werner Roller, Karl Blessing Verlag, München 2011, 688 Seiten, 34,95 Euro, ISBN 978-3-89667-276-6

[Väter und Söhne] STICHWORT BAYER 01/2010

CBG Redaktion

Die IG-FARBEN-Saga auf DVD

„Es kann keinen Schlussstrich geben“

Mitte der 80er Jahre hat der Filmemacher Bernhard Sinkel ein düsteres Kapitel deutscher Industrie-Geschichte aufgeschlagen und sich in einem TV-Mehrteiler dem von BAYER mitgegründeten Mörder-Konzern IG FARBEN gewidmet. Nun ist das Werk auf DVD erschienen.

Von Burkhard Ilschner

Der 65. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz Ende Januar war vielen Medien ein Anlass für Rückschauen auf die brutale Vernichtungsmaschinerie des Hitlerfaschismus. Aber nur selten fand dabei Erwähnung, dass dieses KZ nicht nur ein „Produkt“ des Naziregimes, sondern ganz wesentlich auch der IG FARBEN gewesen ist. Eigens für diesen gigantischen Chemie-Konzern war ab 1940 das Lager Auschwitz III (Monowitz) errichtet worden, hier wurden synthetischer Kautschuk (Buna) und synthetisches Benzin produziert, was Hitler den Krieg verlängern half.

Wenige Tage vor dem Gedenktag zur Auschwitz-Befreiung ist eine DVD-Kollektion erschienen, die in packender und bewegender Form an dieses dunkle Kapitel deutscher Industriegeschichte erinnert: Fast 25 Jahre ist es her, dass sich der soeben 70 Jahre alt gewordene Autor und Regisseur Bernhard Sinkel filmisch mit der Geschichte der IG FARBEN auseinandergesetzt hat. „Väter und Söhne“ hieß der 1986 erstmals ausgestrahlte vierteilige Fernsehfilm, der anlässlich Sinkels Geburtstag jetzt – endlich – auf DVD erschienen ist. „Es kann keinen Schlussstrich geben“, so gibt Sinkel in einem aktuellen Interview seinen Antrieb wieder, Mitte der achtziger Jahre dieses Projekt anzugehen.

Thema der ungewöhnlichen „Familien-Saga“ ist ein Stück deutscher Industrie- und Zeitgeschichte, dargestellt anhand eines fiktiven Chemiefabrikanten-Clans zwischen Beginn und Mitte des 20. Jahrhunderts. Unternehmer Carl Julius Deutz (Burt Lancaster) dirigiert seine Firma und seine Familie patriarchalisch durch Kaiserreich und Ersten Weltkrieg und verdient gut dabei. Zum einen mindert die so genannte Ammoniak-Synthese die Abhängigkeit des Reichs von Salpeter-Importen, die für Sprengstoff- und Munitionsproduktion unerlässlich sind; das offiziell nach seinen Erfindern Fritz Haber und Carl Bosch benannte Verfahren wird im Film von Deutz-Schwiegersohn Heinrich Beck (Bruno Ganz) entwickelt. Zum anderen zeigt Sinkel eindringlich, aber auch mit einer Portion gesunden Zynismus', wie im Deutz-Konzern die Giftgas-Entwicklung vorangetrieben und getestet wird. Sohn Friedrich Deutz (Dieter Laser) überlebt zwar einen heldenhaften Selbstversuch nur knapp, das hindert ihn aber später nicht an den entsprechenden Geschäften. Lange wehrt sich der eigensinnige Patriarch gegen die von Sohn Friedrich und Schwiegersohn Heinrich betriebene vaterländische Kooperation mit der Konkurrenz und die angestrebte Fusion zur IG FARBEN (in der Wirklichkeit ganz wesentlich initiiert durch den damaligen BAYER-Chef Carl Duisberg). Vergeblich: Nach dem Tode des alten Deutz steuern die beiden Erben als IG-Führer den Mammut-Konzern mal gierig-begeistert, mal zaudernd direkt in die Zusammenarbeit mit den Nazis, in weitere Kriegsgeschäfte und vor allem in die Vernichtungsmaschine „IG Auschwitz“.

Der Film endet mit dem Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozess gegen die IG-Führung 1947 - und lässt keinen Zweifel daran, dass die verbrecherischen Manager dabei mit (zu) glimpflichen Strafen davon kamen. Sinkel präsentiert diesen brisanten Stoff als eine typische Fernseh-Miniserie – mit Herzschmerz und Eifersucht, Seitensprung und Intrigen, Trauer und überbordender Freude. Es ist diese Dramaturgie, die den Film so beeindruckend macht: Der Zuschauer sieht Männer, die für Profit und Macht buchstäblich über Leichen gehen, als Menschen mit Stärken und Schwächen; er sieht, wie andere in ihrem Umfeld sie kritisieren oder sich abkehren – ohne dass dies an ihrer Gier und ihrer Skrupellosigkeit letztlich etwas änderte. „Väter und Söhne“ war und ist ein in Besetzung wie Kulisse opulentes Werk. Es ist ein aufrüttelndes, aber auch widersprüchliches Manifest. Es ist ein fulminantes Kultur- und Sittengemälde, aber auch eine knapp neun Stunden währende Schmonzette, die sich wechselseitig immer wieder selbst erfindet und ad absurdum führt. Und es ist eine Anklage, die so entschlossen und so Zweifel weckend zugleich daherkommt, dass sie den interessierten ZuschauerInnen eine weitergehende Auseinandersetzung mit der Geschichte der IG FARBEN geradezu aufzwingt: Unterhaltungsfernsehen als Initiator politischen Interesses und Engagements. All dies macht „Väter und Söhne“ zu einem wichtigen und eigentlich heute viel zu wenig beachteten Werk. Zwar liefen die vier Folgen 1986 im ersten ARD-Programm, zwar haben ARD, 3sat und WDR die Serie zwischen 1990 und 2000 je einmal wiederholt – aber das war auch schon alles. Knapp zehn Jahre lang hat es im sonst so wiederholungsträchtigen öffentlich-rechtlichen Fernsehen keine weitere Ausstrahlung gegeben. Das hat prompt zu Spekulationen geführt. Schon 2006 erschien in einem Internet-Forum die Vermutung, die „immer noch existierende Firma IG FARBEN ... (könne) ihren Einfluss geltend gemacht und ... eine Wiederholung verhindert“ haben. Nährboden fanden solche Gerüchte in Veröffentlichungen wie der des ehemaligen Grimme-Direktors Lutz Hachmeister. Der hatte 1993 in einer Bilanz angedeutet, die Aufführung des Sinkel-Vierteilers im Grimme-Institut 1987 habe Sponsoren wie die damaligen CHEMISCHEN WERKE HÜLS AG in Marl, eines der Unternehmen aus der von den Alliierten vorgenommenen Zerschlagung des IG-FARBEN-Konzerns, verärgert. Während Hachmeister auf diesbezügliche Nachfragen des Autors nicht reagierte, hat Sinkel selbst, auf derartige Vermutungen angesprochen, dergleichen als „schwer zu beweisen“ abgewehrt und setzt dem eine profanere These entgegen. Im aktuellen Interview, das als DVD-Bonus mitgeliefert wird, bedankt er sich nachdrücklich beim WDR der achtziger Jahre, der ihm damals alle Freiheiten gelassen habe – und kritisiert, dass heutige Programmgestaltung so sendezeit-aufwändige Filme wie „Väter und Söhne“ jenseits aller Qualitätserwägungen zu blockieren scheine.

Apropos Qualität: „Väter und Söhne“ glänzt dank hervorragender Besetzung durch viele szenische Highlights, die wiederholtes Anschauen unverzichtbar machen. Da gibt es leidenschaftliche Höhen und Tiefen im Familienleben des Deutz-Clans wie etwa die Auseinandersetzung des Patriarchen mit seinem abtrünnigen Enkel Georg (Herbert Grönemeyer) oder die Liebesaffäre von Georgs Mutter Charlotte (Julie Christie) mit dem Freund des Sohnes, Max Bernheim (Hannes Jaenicke). Nicht weniger beeindruckend sind etliche Szenen des politischen Geschehens, beispielsweise die patriotischen Bekenntnisse des jüdischen Konzern-Bankiers Bernheim (Martin Benrath als Vater von Max), der die Verfolgung durch die Nazis erst zu verdrängen sucht („der Pöbel regt sich auf, der Pöbel beruhigt sich wieder“), ihr dann mit Stolz entgegentritt („ich wünsche, über die Vordertreppe hinausgeworfen zu werden“) – und schließlich doch ihr Opfer wird.

Aufrüttelnd wirkt auch die akribische Darstellung der Verflechtung zwischen deutscher IG FARBEN und US-amerikanischer STANDARD OIL, die nach 1945 maßgeblich Nürnberger Prozess und Struktur der Chemieindustrie beeinflusste. Packend zeichnet Sinkel den genialen, aber auch zerrissenen Chemiker Heinrich Beck: Der ergeht sich in kindlicher Freude über wissenschaftliche Erfolge oder den Nobelpreis, ist bezüglich der Kooperation mit den Nazis hin- und hergerissen, demonstriert zynisch entschlossene Mittäterschaft ebenso glaubwürdig wie dumpfe, alkoholisierte Verzweiflung – die Rolle, der 1986 in etlichen Kritiken Charakter-Elemente von Carl Bosch und Fritz Haber nachgesagt wurden, wäre in ihrer Intensität ohne ihren nicht minder genialen Darsteller Bruno Ganz schwer denkbar.

Aus heutiger Sicht gehört es übrigens zu den herausragenden Skurrilitäten dieses Films, Beck in jener historisch verbrieften Auseinandersetzung mit Adolf Hitler zu erleben, in der der IG-FARBEN-Manager um die Sicherheit der jüdischen Wissenschaftler bettelte, worauf der Führer ihn aus der Reichskanzlei werfen ließ. In der Wirklichkeit hat dieser Streit zwischen Hitler und Carl Bosch stattgefunden – im Film trifft Hans Brenner als Hitler auf jenen Bruno Ganz (als Beck), der 18 Jahre später in Bernd Eichingers Film „Der Untergang“ selbst den Führer spielen sollte. Zusammengefasst kann man Sinkels jetzt endlich wieder verfügbares Werk als eine Abrechnung der ungewöhnlichen Art bezeichnen: Die Familien-Saga als Verpackung ist eine geschickte Täuschung, lässt sie doch gelegentlich den Eindruck einer Verharmlosung entstehen – nur um diesen sogleich durch die brutale Offenheit in der Darstellung der Verbrechen der IG FARBEN zu zerstören. Am Ende bleibt die Abrechnung – historisch und politisch bedingt – unsaldiert. Sinkel weist nicht nur auf die Nürnberger Urteile hin, sondern auch auf die Tatsache, dass viele IG-FARBEN-Führer wichtigen Anteil haben durften am wirtschaftlichen Aufbau der BRD. Er betont die aktuelle Macht von Konzernen wie BAYER, BASF oder HOECHST (heute SANOFI-AVENTIS) als ehemalige IG-FARBEN-Teile. Und die Bonus-Dokumentation über die IG FARBEN stellt heraus, dass dieser Konzern als „AG in Abwicklung“ (AG i. A.) bis heute nicht endgültig liquidiert, sondern nach wie börsennotiert ist. Unerwähnt bleibt, dass diese andauernde Existenz der IG FARBEN jahrzehntelang zur Blockade durchgreifender Entschädigungen für die ZwangsarbeiterInnen beigetragen hat. Unerwähnt bleiben auch die aktuellen (auf den alten IG-FARBEN-Profiten aufgebauten) Geschäfte von BAYER und anderen Nachfolgern – beispielsweise in Agrochemie, Gentechnik oder im Pharmasektor – und deren soziale wie ökologische Folgen. Es darf noch keinen Schlussstrich geben.

Sinkel, Bernhard: „Väter und Söhne – eine deutsche Tragödie“; mit Bruno Ganz, Dieter Laser, Martin Benrath, Burt Lancaster, Julie Christie u. v. a.; Copyright 1986 Bavaria Atelier GmbH für den WDR; herausgegeben von der Studio Hamburg GmbH, 2010, in der ARD-Video-Serie „Große Geschichten„ (Teil 27); vier DVDs mit 20-seitigem Booklet und Bonus-Material (Dokumentarfilm über das IG-FARBEN-Haus, Interview mit Bernhard Sinkel).

Der vorstehende Artikel stammt aus der Zeitschrift Waterkant - Umwelt + Mensch + Arbeit in der Nordseeregion (ISSN 1611-1583, www.waterkant.info), Jahrgang 25, Heft 1 (März 2010)