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Beiträge verschlagwortet als “SWB 01/2018”

[Die BAYER-Papers] Junk Science for better lies

CBG Redaktion

Die Multis können sogar die Wissenschaft ins Postfaktische überführen, wenn ihnen die von den ForscherInnen in Studien ermittelten Resultate nicht passen. Mit welchen Mitteln BAYER und SYNGENTA dies bei einer Untersuchung zur Bienengefährlichkeit von Pestiziden versucht haben, enthüllte jetzt die Initiative BUGLIFE, die sich über das britische Informationsfreiheitsgesetz Zugang zu konzern-internen Dokumenten verschafft hatte.

Von Jan Pehrke

Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide stehen seit Langem im Verdacht, einen wesentlichen Anteil am weltweiten Bienensterben zu haben. Im Jahr 2013 reagierte die Europäische Union dann endlich. Sie entzog BAYERs Saatgutbehandlungsmitteln GAUCHO (Wirkstoff: Imidacloprid) und PONCHO (Clothianidin) sowie der SYNGENTA-Substanz Thiamethoxam vorläufig die Zulassung. Die beiden Unternehmen liefen Sturm gegen die Entscheidung. Sie reichten Klage ein und gaben, um mehr Beweise für die Unschuld ihrer Produkte zur Hand zu haben, beim britischen „Center for Ecology and Hydrology“ (CEH) für drei Millionen Dollar eine Studie in Auftrag.
Die ForscherInnen wollten dabei allerdings nicht nur Honigbienen in den Blick nehmen, sondern auch Wildbienen. Das lehnten die Agro-Riesen allerdings aus Kosten-Gründen ab. Deshalb suchte sich das Institut dafür mit dem „National Environment Research Council“ (NERC) einen anderen Sponsor. Mit diesem erweiterten Rahmen machte sich das CEH dann ans Werk. Seine Untersuchungen erstreckten sich auf 33, insgesamt 2.000 Hektar große Ackerflächen in Deutschland, Großbritannien und Ungarn. Und obwohl sich BAYER und SYNGENTA die Forschungsreinrichtung im Vorfeld vermutlich ganz genau angeschaut haben, fielen die vom Center erhobenen Ergebnisse nicht so ganz im Sinne der Konzerne aus. In Ungarn verringerten sich die Bienen-Bestände nahe eines mit PONCHO behandelten Raps-Feldes um 24 Prozent, während Thiamethoxam keine Effekte auf die Insekten hatte. In Großbritannien stellten sich die Verhältnisse ähnlich dar. In Deutschland hingegen beobachteten die WissenschaftlerInnen kaum Auswirkungen. Sie führten dies darauf zurück, dass neben den mit den Agrochemikalien malträtierten Äckern noch viele Wildpflanzen blühten, die den Bienen als Ausweichquartier dienen konnten.
Der Grad der Schädigung der Populationen korrelierte dabei mit der Menge der Pestizid-Rückstände in den Bienenstöcken. Dort wies das CEH sogar noch das seit 2013 mit einem weitgehenden Ausbring-Verbot belegte Imidacloprid nach. Die Neonicotinoide können sich offenbar länger als gedacht in der Umwelt halten und so auch auf Wildblumen übergreifen, welche die Bienen zum Sammeln von Nektar und Pollen nutzen, schlossen die ForscherInnen.
Nach einem Freispruch erster Klasse schien das alles nicht auszusehen. Darum wollten BAYER und SYNGENTA die Studie ein wenig „aufhübschen“. Als Instrument hierzu hatten sie sich die erhobenen Daten auserkoren. In dutzenden Mails verlangten die Konzerne vom CEH die Herausgabe der Zahlen-Kolonnen zu den Wildbienen-Untersuchungen – die zu den Honigbienen-Experimenten hatten sie als alleinige Geldgeber schon. „Wir glauben, als Mitbesitzer (sic) haben wir Anspruch auf einen grenzenlosen, vollständigen und schnellen Zugang zu allen Daten und Informationen, einschließlich – aber nicht nur – zu den Daten, die Rohdaten genannt werden“, schrieb BAYER an das Institut. Und in einer weiteren Mail sprach ein Beschäftigter des Leverkusener Multis den WissenschaftlerInnen ins Gewissen: „Ich bin sicher, Sie verstehen, dass meine Kollegen immer noch perplex sind, dass ihnen als Mitbesitzer der Rohdaten immer noch der Zugang verwehrt wird, was unsere eigene Analyse vor der Publikation praktisch unmöglich macht.“

Als Laie erscheint einem dieses Ansinnen nicht ganz verständlich: Woher rührt dieses Interesse an den Daten, was gibt es an denen denn schon zu rütteln, stehen sie doch wie nichts anderes für die wissenschaftliche Objektivität? Aber für BAYER und SYNGENTA tun sie das mitnichten. Die beiden Global Player halten sich an die Vorsilbe „roh“ und betrachten Roh-Daten lediglich als Rohstoff, als Ausgangsmaterial, das noch viele Gestaltungsoptionen bereithält. Und einen Ansatzpunkt dafür hatte die CEH-Forscherin Rosemary Hails nach Ansicht des Leverkusener Multis selbst geliefert. „Während des Meetings, das Sie am 13. Oktober im CEH abhielten, diskutieren Sie mit meinen Kollegen Name im Dokument geschwärzt, Anm. SWB mögliche alternative statistische Ansätze und Methoden, um die in der Studie generierten Daten besser zu verstehen“, rief er der Wissenschaftlerin ins Gedächtnis. Auf solche „Verständnis-Hilfen“ wartete der Pillen-Produzent jetzt. Der Einfachheit halber schlug er dem CEH auch gleich selber eine Reihe „alternativer Methoden und Ansätze“ vor. Als Mittel der Wahl dazu dienten ihm die „Co-Variablen“. Diese erschienen BAYER hervorragend geeignet, um die Kausal-Beziehung zwischen den Pestiziden und dem Bienensterben zu lockern und das Augenmerk auf andere Faktoren zu lenken. „Wir vermissen einige wichtige Co-Variable“, hieß es deshalb in einer Mail. Als solche brachte der Konzern etwa „Wetter-Daten, die das Verhalten der Bienen beeinflusst haben könnten“ ins Spiel. Insbesondere von der Kraft der Sonne erwartete die Aktien-Gesellschaft einiges, weshalb sie für ein „sunshine only“-Modell plädierte. Auch agro-chemikalische Vorschädigungen der Bienen hätte sie gerne mit den neuen Zahlen verrechnet. Der Leverkusener Multi machte sich sogar selbst ans Forschungswerk. Er rekonstruierte mit einigem Zeitaufwand die Roh-Daten der Wildbienen-Testreihen und führte zusätzliche „statistische Analysen“ durch. Und diese Mühe lohnte sich seiner Ansicht nach. Von „interessanten Funden“ kündete er dem CEH. Dieses hatte in seinem Bericht zwar schon viele Veränderungen vorgenommen, wie BAYER lobte, aber leider kein Feedback zu den Fernstudien aus Leverkusen gegeben, „was überraschend ist“.
Das Center verweigerte sich auch den Vorschlägen, mehr Co-Variable einzubeziehen: „Unserer Meinung nach sind Sonnenschein und Vorschädigungen beliebige Faktoren.“ Es blieb bei seinem Ansatz und verbat sich jegliche Einmischungsversuche. „Ich würde gerne wissen, was wir ihrer Meinung nach hätten tun sollen. Wenn Du negative Resultate bei den Schlüssel-Parametern findest – die Anzahl der Bienen in den Bienenstöcken, die Anzahl der Bienen, die den Winter überlebt – wie sollten wir das ihrer Meinung nach präsentieren? Wie sollten wir das in einer unvoreingenommenen Weise interpretieren“, fragt der Forscher Ben Woodcock. Richtiggehend erbost zeigt er sich über das Verhalten von BAYER und SYNGENTA: „Mich schockt, wie sie ohne mit der Wimper zu zucken statistisch fehlerhafte (...) Studien veröffentlichen können, die keine Effekte ausweisen und dann jede Studie, die negative Effekte dokumentiert, als statistisch fehlerhaft und nicht repräsentativ in Stücke reißen.“ Seiner Meinung nach waren die beiden Konzerne nur darauf fixiert, das Ergebnis zu erhalten, das sie auch erhalten wollten. Wirklich gewundert hat den Wissenschaftler das nicht. „Ehrlich gesagt war ich nicht überrascht davon, dass sie nicht glücklich waren“, so Woodcock. Und er wusste auch, warum: „Hier sind massive wirtschaftliche Interessen im Spiel.“

Diesen getrotzt zu haben, verlangt Respekt. Und das umso mehr, als der Email-Verkehr offenbart, was für einen Druck die Agrar-Riesen ausgeübt haben. Zugleich dokumentiert der Schriftwechsel, wie wenig Rechte die WissenschaftlerInnen bei der Auftragsforschung eigentlich besitzen. So steht es dem jeweiligen Auftraggeber zu, auf die erhobenen Daten Besitzansprüche anzumelden und damit anzustellen, was er will – Möglichkeiten bzw. Co-Variable dazu gibt es offenbar mehr als genug. Auch haben die Konzerne das Recht, auf eine „abgestimmte Kommunikationsstrategie“ zu dringen, um die Resultate besser zu verkaufen. Nur der Standhaftigkeit der CEH-ForscherInnen sowie ihrem Glück, mit dem „National Environment Research Council“ noch einen Co-Sponsor gefunden zu haben, ist es zu verdanken, dass die Strategie von BAYER und SYNGENTA diesmal nicht aufging – und obendrein dank BUGLIFE auch noch an die Öffentlichkeit geriet. Wie viel Fake Science die Konzerne mit diesen Methoden aber bereits produzieren haben, mag mensch sich gar nicht vorstellen.
Und die Räder standen nicht lange still. Nach der Schlappe mit dem „Center for Ecology and Hydrology“ wandten sich die beiden Agro-Riesen an die kanadische „University of Guelph“. Von der bekommen sie dank großzügiger Pflege ihrer wissenschaftlichen Landschaft – BAYER etwa spendete üppig, stiftete einen Lehrstuhl und gab den Aufbau eines 750.000 Dollar schweren Insekten-Gesundheitszentrums in Auftrag – nämlich immer, was sie wollen. Auch dieses Mal enttäuschte die Universität, die dem Leverkusener Multi auf ihrem Forschungsgelände sogar ein eigenes Büro eingerichtet hat, ihre Auftraggeber nicht. Zwei ihrer Forscher analysierten 170 Neonicotinoid-Studien und gaben umgehend Entwarnung: „Die Anwendung von Neonicotinoiden gemäß den Prinzipien guter landwirtschaftlicher Praxis setzt Honigbienen keinem Risiko aus.“

HERVORHEBUNGEN:

Nach einem Freispruch erster Klasse schien das alles nicht auszusehen. Darum wollten BAYER und SYNGENTA die Studie ein wenig „aufhübschen“

„Mich schockt, wie sie ohne mit der Wimper zu zucken statistisch fehlerhafte (...) Studien veröffentlichen können, die keine Effekte ausweisen und dann jede Studie, die negative Effekte dokumentiert, als statistisch fehlerhaft und nicht repräsentativ in Stücke reißen.“

[BaySanto] Ein schwieriges Geschäft

CBG Redaktion

BAYERs MONSANTO-Deal verzögert sich weiter

Die EU-Kommission hat Mitte November 2017 ihre Entscheidung über die Genehmigung von BAYERs MONSANTO-Übernahme auf den 5. März 2018 verschoben. Dass der Leverkusener Multi sich im Zuge der Transaktion von Teilen seines Agro-Geschäfts trennen will und mit der BASF sogar schon einen Käufer gefunden hat, konnte das Verfahren offensichtlich nicht beschleunigen. Zu groß bleiben die Bedenken. Auch LandwirtInnen-Verbände, Umwelt-Gruppen und VerbraucherInnenschutz-Gruppen machen weiterhin gegen den Deal mobil.

Von Jan Pehrke

Ende August 2017 hatte die EU eine vertiefte Prüfung von BAYERs Antrag zur Genehmigung der MONSANTO-Übernahme angekündigt. Rund vier Monate, bis zum 7. Januar 2018, sollte sie dauern. Mit einem Kurz-Check mochte sich die zuständige Generaldirektion Wettbewerb unter Leitung von Margrethe Vestager nicht zufriedengeben. Es bestanden nämlich „vorläufige Bedenken“ gegen den Deal.
Konkret bezogen sich diese auf eine zu große Dominanz bei den Anti-Unkrautmitteln, falls das berühmt-berüchtigte Glyphosat und das nur wenig ungefährlichere Glufosinat unter einem Konzern-Dach angeboten werden sollten. Gleiches gilt der Kommission zufolge für die Gen-Pflanzen der Marken ROUND UP und LIBERTY, welche die beiden Unternehmen in Kombination mit diesen Ackergiften vermarkten. Bei den Substanzen, zu denen ImkerInnen greifen können, wenn Varroa-Milben ihre Bienenstöcke befallen haben, sahen Vestager & Co. ebenfalls Handlungsbedarf. Überdies befürchtete die Wettbewerbsdirektion nach der Zusammenlegung der Sparten im Geschäftsfeld „Konventionelles Saatgut“ eine zu umfassende Markt-Beherrschung bei Raps, Baumwolle, Weizen und einigen Gemüse-Sorten. Und auch im Segment der digitalen Landwirtschaft droht nach Ansicht der EU eine zu starke Vormachtstellung.
BAYER hatte also einige Hausaufgaben zu erledigen. Der Konzern, der den Deal ursprünglich bis Ende 2017 unter Dach und Fach zu haben plante, musste deshalb Mitte September sogar selbst eine Fristverlängerung bis zum 22. Januar 2018 beantragen. Einen Monat später präsentierte der Global Player dann die Früchte seiner Arbeit: Er gab bekannt, Teile seines Agro-Sortiments für 5,9 Milliarden Euro an die BASF abgeben zu wollen. In der entsprechenden Presse-Mitteilung kündigte das Unternehmen an, sich von seinen gen-manipulierten Raps-, Soja- und Baumwoll-Pflanzen der „LIBERTY LINK“-Baureihe zu trennen. Auch das auf diese Labor-Kreationen abgestimmte Herbizid Glufosinat, das die EU wegen seiner Gesundheitsschädlichkeit 2018 aus dem Verkehr ziehen will, beabsichtigt der Leverkusener Multi zu veräußern. Darüber hinaus stehen unter anderem noch hybride, also nicht zur Wiederaussaat geeignete und konventionell gezüchtete Ackerfrüchte zur Disposition.
„Wir schrumpfen uns gesund“ – dieses Signal beabsichtigte der Leverkusener Multi damit gen Brüssel zu senden. In Wahrheit handelte es sich jedoch bloß um ein Bauernopfer. Die Transaktion umfasst nämlich nur einen Umsatz von rund 1,5 Milliarden Dollar. Von vornherein hatte die Aktien-Gesellschaft damit gerechnet, im Zuge der Übernahme Geschäfte dieser Dimension abgeben zu müssen. Groß ins Gewicht fallen sie nicht. Die summierten Bilanz-Daten von 2016 zugrunde gelegt, lägen die Agro-Sektionen von BAYER und MONSANTO auch ohne diese 1,5 Milliarden Dollar noch mit weitem Abstand vor SYNGENTA/CHEMCHINA, DUPONT/DOW und BASF. „Der Deal mit BASF ändert an der dominanten Stellung, die BAYER nach dem Schlucken von MONSANTO im Bereich „Landwirtschaft“ einnehmen würde, gar nichts“, stellte die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) aus diesem Grund in ihrer Presseerklärung fest.
Grundlegend ändert der Verkauf allerdings die Lage für die Arbeiter und Angestellten. Den rund 1.800 Belegschaftsangehörigen des Konzerns, die wechseln müssen, steht nämlich eine ungewisse Zukunft bevor. BASF-Chef Kurt Bock betont zwar: „Bei dieser Akquisition geht es nicht darum, in erster Linie Kosten rauszunehmen und die Anzahl der Mitarbeiter zu reduzieren“, aber was die ManagerInnen in zweiter Linie so vorhaben, reicht auch. Der Ludwigshafener Chemie-Riese will lediglich denjenigen BAYER-Beschäftigten, die einen unbefristeten Vertrag haben, ihren Arbeitsplatz garantieren. Und im Kleingedruckten schränkt er das sogar noch ein. Nur für mindestens drei Jahre und „zu vergleichbaren Konditionen“, heißt es dort. „Wir haben von Anfang an vor Arbeitsplatz-Vernichtungen und Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen durch die MONSANTO-Übernahme gewarnt und fühlen uns jetzt bestätigt“, konstatierte die CBG deshalb in ihrer-Presseerklärung.
Überdies gelang es dem Global Player mit diesem Schritt nicht wie erhofft, die Kommission zu überzeugen. Diese blieb bei ihren „vorläufigen Bedenken“ und verschob ihre Entscheidung im November auf den 5. März 2018. „Unzureichende Antworten“ von BAYER auf Informationsersuche zu den möglichen Auswirkungen des Deals gab die Generaldirektion Wettbewerb der CBG gegenüber als Grund an. Darüber hinaus teilte Direktion BAYER kurz vor Weihnachten 2017 unmissverständlich mit, der Verkauf von Teilen des Agro-Sortiments an BASF reiche nicht, um die Sorgen vor einer markt-beherrschenden Stellung des Konzerns nach dem Schlucken von MONSANTO zu zerstreuen. Die Prüfung ginge in eine „unvorstellbare Tiefe“, zeigte sich der Vorstandsvorsitzende Werner Baumann sichtlich genervt. Von vier Millionen Dokumenten, die das Unternehmen den Behörden schon übersandt habe, sprach er. Dabei interessierten diese sich besonders für Unterlagen, die in die Zukunft weisen. Margrethe Vestager und ihr Team wollen nämlich auch der mehr als berechtigten Frage nachgehen, ob durch die Inkorporation MONSANTOs die Innovationskraft der gesamten Branche leidet. „Dieser Ansatz ist neu“, klagt Baumann. Der Manager rechnet deshalb nicht nur mit insgesamt hohen Auflagen, sondern überdies damit, sich von Forschungskapazitäten trennen zu müssen. Aber lohnen tut sich das alles für ihn trotzdem, denn es locken exorbitante Profit-Aussichten. „Wir haben am Ende eine Transaktion, die von der Wertschaffung deutlich attraktiver ist als alles, was ich in Pharma und OTC (rezeptfreie Arzneien, Anm. SWB) gesehen habe“, so der BAYER-Chef.
Aber nicht nur die EU, auch Brasilien ging in die Verlängerung. Als zweitgrößter Agrar-Exporteur der Welt hat das Land nämlich ein besonderes Interesse, die heimische Landwirtschaft vor den negativen Folgen der Konzentrationsprozesse in dem Marktsegment zu schützen. Von der US-amerikanischen Wettbewerbsbehörde gab es hingegen noch keine Signale. In den Vereinigten Staaten gelang es dem Leverkusener Multi bisher lediglich, vor dem dortigen Ausschuss zur Überprüfung ausländischer Investitionen zu bestehen: Der CFIUS sah die Interessen nationaler Sicherheit durch die Transaktion nicht gefährdet.
Die Europäische Union macht es dem Leverkusener Multi zweifellos schwerer als gedacht, aber lange nicht schwer genug. Die Direktion Wettbewerb nimmt nämlich längst nicht alle Risiken und Nebenwirkungen der Übernahme in den Blick. Eine Studie des „University College London“, die im Auftrag von FRIENDS OF THE EARTH EUROPE, dem CORPORATE EUROPE OBSERVATORY, SumOfUS und anderen Organisationen entstand, wirft ihr dann auch eine zu enge Perspektive vor. Die Autoren Ioannis Lianos und Dmitry Katalevsky verlangen, nicht bloß auf die potenziellen Folgen der Operation für die Preis-Entwicklung, den Produktionsausstoß und die Innovationskraft zu schauen, sondern auf „die ganzen sozialen Kosten solcher Transaktionen“. Zu diesen Kosten zählen sie beispielsweise den Umweltschutz, den zu achten Brüssel eigentlich der Artikel 11 des „Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union“ verpflichtet. Auch die Artenvielfalt, zu deren Erhalt sich die EU in mehreren internationalen Abkommen bekannte, gehört für Lianos und Katalevsky dazu.
Die CBG hatte Mitte Februar 2017 in ihrem gemeinsam mit BROT FÜR ALLE verfassten und von MULTIWATCH, dem SEEDS ACTION NETWORK, dem PESTIZID-AKTIONS-NETZWERK und anderen Bündnispartnern unterzeichneten Offenen Brief an Margrethe Vestager noch andere mögliche Effekte des Mega-Deals genannt, die eigentlich in dessen Prüfung einfließen müssten. So warnten die Organisationen in dem Schreiben vor den Auswirkungen auf die Arbeitsplätze und die Unternehmenssteuer-Einnahmen der Standort-Städte. Darüber hinaus bezeichneten sie die zunehmende Konzentration auf dem Agro-Sektor als eine Gefahr für die demokratische Gestaltung der zukünftigen weltweiten Landwirtschaft. Zudem forderten die Gruppen die Generaldirektion Wettbewerb auf, die Rolle großer Finanzinvestoren wie BLACKROCK bei solchen Transaktionen zu untersuchen. Aber Vestager lehnte dies alles ab: „Auch wenn diese Bedenken sehr wichtig sind, bilden sie nicht die Grundlage für das Fusionskontroll-Verfahren“, antwortete die Dänin den AbsenderInnen. Und der bei der Wettbewerbskommission direkt für die Übernahmen und Fusionen zuständige Thomas Deisenhofer präzisierte später gegenüber der CBG noch einmal: „Die Rolle der Kommission bei der Prüfung von Fusionen beschränkt sich auf die Untersuchung der Auswirkungen der Fusionen auf die betroffenen Märkte.“
Darum wäre es fatal, in Sachen „MONSANTO“ auf die EU zu zählen. Nur politischer Druck kann den Mega-Deal verhindern. Und solche Aktivitäten gibt es zum Glück reichlich. Bereits über eine Million Unterschriften haben ACTION AID, AVAAZ, das CENTER FOR FOOD SAFETY und zehn andere Initiativen gegen die von BAYER geplante Übernahme gesammelt. In den USA machen derweil die NATIONAL FAMILY FARM COALITION, die VerbraucherInnenschutz-Organisation CONSUMER FEDERATION OF AMERICA und Tierzucht-Verbände gegen das Milliarden-Geschäft mobil. Hierzulande tut sich selbstverständlich auch einiges, dafür sorgen die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN, ihre Bündnis-Partner und zahlreiche andere Gruppen. Als nächste größere Aktion findet am 20. Januar 2018 in Berlin die von MEINE LANDWIRTSCHAFT organisierte „Wir haben es satt“-Demonstration statt. Sie steht diesmal – aus gegebenem Anlass – unter dem Motto „Der Agrar-Industrie die Stirn bieten“.

HERVORHEBUNGEN:

„Wir schrumpfen uns gesund“ – dieses Signal beabsichtigte der Leverkusener Multi mit dem BASF-Deal gen Brüssel zu senden. In Wahrheit handelte es sich jedoch bloß um ein Bauernopfer.

Die EU blieb bei ihren „vorläufigen Bedenken“ und verschob ihre Entscheidung über die Genehmigung der MONSANTO-Übernahme auf den 5. März 2018.

Die Europäische Union macht es dem Leverkusener Multi zweifellos schwerer als gedacht, aber lange nicht schwer genug.

[Wasserschaden] Ein gefährlicher Cocktail

CBG Redaktion

Das aquatische Nachleben der Produkte von BAYER & Co.

In den Gewässern finden sich Rückstände von vielen Stoffen, die Mensch, Tier und Umwelt gefährden. Eine besonders hohe Belastung geht von dem zweiten Leben aus, das Pestizide, Human- und Veterinär-Arzneien unter Wasser führen. Als großer Produzent dieser Substanzen trägt BAYER maßgeblich dazu bei.

Von Susanne Smolka, Susan Haffmans (PESTIZID AKTIONS-NETZWERK) und SWB-Red.

Nahezu die Hälfte aller Süßgewässer in der Europäischen Union sind mit organischen Schadstoffen belastet. Das hat nicht nur schädliche Auswirkungen auf die Artenvielfalt, sondern auch auf die „Serviceleistungen“ der aquatischen Ökosysteme für uns Menschen, wie die Verfügbarkeit von sauberem, unbelasteten Trinkwasser, landwirtschaftlicher Bewässerung und Lebensmitteln. Die Befunde stammen von einer Untersuchung, bei der 4.000 Stellen in 91 Flusseinzugsgebieten beprobt und die mittleren und maximalen Konzentrationen von insgesamt 223 Chemikalien ausgewertet wurden. An rund 14 Prozent der Probe-Entnahmestellen wurde der Richtwert für das akute Risiko überschritten und an 42 Prozent der Wert für das chronisches Risiko. Für die potentiellen akuten Schädigungen waren fast ausschließlich Pestizide verantwortlich. Die WissenschaftlerInnen der Studie stellen fest, dass nicht nur die Belastungssituation mit Gewässer-Schadstoffen in der EU unterschätzt wird, sondern auch der „toxische Druck“, der durch Schadstoff-Gemische auf den Ökosystemen lastet.

Pestizide & Biozide
Das renommierte „Helmholtz Zentrum für Umweltforschung“ hatte mit Blick auf die Pestizid-Belastungen bereits vorher Alarm geschlagen. Die WissenschaftlerInnen kritisieren, dass im Rahmen der Wirkstoff- und Produktzulassungen die realen Risiken von Misch-Expositionen außer Acht gelassen und deshalb die schädlichen Auswirkungen von Pestizid-Gemischen auf Gewässer-Ökosysteme unterschätzt werden.
Mit Blick auf die amtliche Gewässer-Überwachung von Pestiziden gibt es aber noch mehr Baustellen. Beispielsweise geht aus dem Gewässer-Zustandsbericht des Umweltbundesamtes von 2017 hervor, dass von den 61 unter Beobachtung stehenden Pestiziden bei 15 eine Überwachung gar nicht möglich ist, weil die festgelegten Umweltqualitätsnomen (UQN) so niedrig sind, dass sie unterhalb der analytischen Bestimmungsgrenzen liegen. Es erhalten also umweltgefährliche Pestizide Zulassungen, obwohl klar ist, dass den zuständigen Überwachungsbehörden keine adäquaten und bezahlbaren analytischen Methoden zu ihrem Nachweis zur Verfügung stehen.
Ein weiteres großes Problem ist das Fehlen eines systematischen Gewässer-Monitorings von Bioziden in Deutschland. Biozide sind Pestizide, die außerhalb des Pflanzenschutzes eingesetzt werden. Dazu zählen z. B. Haushaltsinsektizide, Rattengifte, Holzschutzmittel, Fassadenschutzfarben oder sog. Antifoulings gegen den Bewuchs von Boots- und Schiffsrümpfen, aber auch Desinfektionsmittel und antibakterielle Reinigungsprodukte (s. VerbraucherInnen-Informationen des Umweltbundesamtes unter: www.biozid.info). Allein in Deutschland sind über 40.000 Biozid-Produkte mit insgesamt rund 260 unterschiedlichen Wirkstoffen gemeldet. Zum Vergleich: Im Pflanzenschutzbereich sind derzeit 1.465 Mittel (Handelsnamen) mit 270 Pestizid-Wirkstoffe zugelassen. Rund 60 Wirkstoffe werden gleichzeitig als Pestizid und als Biozid verwendet.
Bei diesen vielfältigen Verwendungen gibt es vielfältige Eintragspfade in Gewässer. Die Substanzen werden z. B. direkt aus den Antifoulingfarben von Sportbooten in die Gewässer freigesetzt, gelangen über die Regen-Kanalisation aus Fassaden-Anstrichen oder via Abwässer der Haushalte über die Kläranlagen in die Gewässer. Darüber kann sich dann über den Weg der Ufer-Filtration die Verbreitung in das oberflächen-nahe Grundwasser fortsetzen. Das Umweltbundesamt hat mittlerweile Empfehlungen für eine systematische Umwelt-Überwachung von Bioziden veröffentlicht. Verantwortlich für die Umsetzung sind aber die Bundesländer. Ob und im welchem Umfang die Landesbehörden diese Überwachungslücke schließen oder zumindest verkleinern werden, bleibt bislang ungewiss.
Insgesamt werden zurzeit viele potentiell gewässer-relevante Stoffe gar nicht oder nur unzureichend in der Gewässer-Überwachung berücksichtigt, und insofern bleibt der Kenntnisstand über Gewässer-Belastungen begrenzt. Außerdem orientieren sich die Regelungen der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) an großen Fluss-Einzugsgebieten mit Flächen von über 10 km². Kleingewässer sind aber ökologisch sehr bedeutsame Gebiete und in Agrarlandschaften wichtige Refugien für Vögel, Amphibien sowie für Nützlings- und Bestäuberinsekten. Wissenschaftliche Untersuchungen weisen für diese Räume erhebliche Belastungssituationen nach, besonders in Agrarlandschaften. Beispielsweise zeigten Kleingewässer in Schleswig-Holstein bei rund 55 Prozent der Proben Mehrfach-Belastungen mit bis zu 36 Pestiziden pro Gewässerprobe. Zumindest sind in Bezug auf diese Gefährdungssituation mittlerweile Initiativen gestartet worden, um zukünftig ein Kleingewässer-Monitoring zu etablieren.
Abgesehen von diesen vielen Lücken und Defiziten der Gewässer-Überwachung – was zeigen die verfügbaren Befunde? Die Umwelt-Ziele der Wasserrahmenrichtlinie für den chemischen Zustand der Oberflächengewässer werden in Deutschland nicht erreicht. Ein Grund sind offensichtlich unzureichend wirksame Maßnahmen, um den Eintrag von gefährlichen und besonders gefährlichen Stoffen zu reduzieren.
Bei der Überwachung der Umweltqualitätsnormen gemäß WRRL im Zeitraum von 2013 bis 2015 zeigten sich (abgesehen von den genannten 15 nicht meßbaren Wirkstoffen) Überschreitungen bei 16 Pestiziden/Bioziden. Darunter waren BAYER-Pestizide wie das Neonicotinoid Imidacloprid sowie die Herbizide 2,4-D, Diuron, Mecoprop und Flufenacet.
Die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser hat eine Auswahl an Pestiziden genauer unter die Lupe genommen, die nicht oder nur unzureichend im Rahmen des üblichen amtlichen Monitorings beprobt werden. In Bezug auf das Schutzgut Trinkwasser zeigt sich, dass das – unter anderem auch vom Leverkusener Multi vertriebene – umstrittene Totalherbizid Glyphosat und sein Abbauprodukt AMPA bundesweit an über 40 Prozent der untersuchten Mess-Stellen in Oberflächen-Gewässern in Konzentrationen oberhalb des Trinkwasser-Grenzwertes von 0,1 Mikrogramm pro Liter nachzuweisen sind. Glyphosat kontaminiert aber schon längst das Grundwasser, die wichtigste Trinkwasser-Ressource in Deutschland. Der Wirkstoff zählt zu den TOP 20 der Pestizide, die am häufigsten den Trinkwasser-Grenzwert überschreiten. Weitere BAYER-Pestizide auf der unrühmlichen TOP 20-Liste sind Mecoprop, Terbutylazin und Lenacil.

Human-Arzneien
Aber nicht nur die Pestizide und Biozide der Konzerne belasten das Wasser stark. Die von ihnen produzierten Medikamente strapazieren es ebenfalls. Chemisch äußerst stabil konstruiert, damit der Organismus sie nicht frühzeitig zersetzt und sie auch ihren Bestimmungsort im Körper erreichen, kann der Stoffwechsel die Arzneien nur zu 20 bis 30 Prozent verarbeiten. So gelangen Rückstände von ihnen über die menschlichen Ausscheidungen in die Gewässer, denn auch die Klärwerke können sie nicht knacken. Und ein Übriges tun per Toiletten-Spülung entsorgte Pharmazeutika, Krankenhaus-Abwässer sowie Einleitungen von Pillen-Produzenten.
Da kommt dann so einiges zusammen. WissenschaftlerInnen wiesen schon 192 Arzneien bzw. deren Abbau-Produkte – die sogenannten Metaboliten - in bundesdeutschen Gewässern nach. 131 dieser Stoffe gelten als umwelt-relevant, und für nicht wenige von ihnen haben die ForscherInnen bedenkliche Konzentrationen gemessen, so z. B. für das Hormon Ethinylestradiol, den Inhaltsstoff von BAYERs Kontrazeptivum MELIANE und weiteren Verhütungsmitteln.
Andere Pharmazeutika des Global Players finden sich ebenfalls häufig in den Flüssen wieder. Auf der Liste der 16 Stoffe, die sich der Studie „Pharmaceuticals in the environment“10 zufolge in den Gewässern aller Erdteile aufspüren lassen, stehen mit Naproxen (Wirkstoff des Schmerzmittels ALEVE), Ciprofloxacin (Wirkstoff des Antibiotikums CIPROBAY) und Acetylsalicylsäure (Wirkstoff von ASPIRIN) drei Substanzen, die auch der Leverkusener Multi vermarktet. Damit nicht genug, machten Untersuchungen zudem Telmisartan (Wirkstoff des Bluthochdruck-Präparats KINZAL) sowie Gadolinium, den Inhaltsstoff der Röntgen-Kontrastmittel GADOVIST, PRIMOVIST und MAGNEVIST, im Wasser aus.
Welche Risiken und Nebenwirkungen von dem zweiten Leben der Pillen bzw. deren Metaboliten ausgehen, haben WissenschaftlerInnen noch nicht systematisch erforscht. Nur für einige Medikamente liegen Befunde vor. Die hormonellen Wirkstoffe von Verhütungsmitteln wie MELIANE etwa können das Hormon-System von Fischen stören und Verweiblichungsprozesse einleiten, welche die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen und so für einen Rückgang der Populationen sorgen. Das zu den Schwermetallen zählende Gadolinium löst diese Prozesse ebenfalls aus und schädigt überdies das Nervensystem von Wasser-Lebewesen. Bestimmte Psychopharmaka wie Oxazepam, unter anderem von HEXAL vermarktet, haben wiederum negative Effekte auf Flussbarsche. Sie werden aktiver, und ihr Sozialverhalten ändert sich: Die Tiere zeigen sich ihrem Schwarm gegenüber rücksichtsloser. Zudem agieren sie weniger vorsichtig. Diese Wirkung ruft bei ihnen auch DIAZEPAM hervor – eine unter anderem von RATIOPHARM produzierte Arznei zur Behandlung von psychischen Krankheiten, Epilepsie und Schlafstörungen. Und das Schmerzmittel VOLTAREN mit seinem Inhaltsstoff Diclofenac, das beispielsweise NOVARTIS vertreibt, greift Nieren, Leber und Kiemen der Fische an.
Folgen ganz anderer Art haben BAYERs CIPROBAY und andere Antibiotika. Ihr hoher Gehalt im Wasser bringt bakterielle Krankheitserreger dazu, sich auf die Wirkstoffe einzustellen und Resistenzen herauszubilden. Gelangen diese Keime dann in den menschlichen Organismus, können sie Gesundheitsstörungen auslösen, gegen die kein Kraut mehr gewachsen ist. Besonders in der Nähe von Kläranlagen haben ForscherInnen solche multi-resistenten Bazillen schon entdeckt.
Hierzulande stellt sich die Situation aber noch vergleichsweise harmlos dar. Viel schlimmere Verhältnisse herrschen in China und Indien. Diese beiden Länder bilden die ersten Glieder der Lieferkette der globalisierten Arzneimittel-Herstellung (siehe auch SWB 3/17). Hier entstehen die Grundstoffe für die meisten gängigen Präparate von Big Pharma, denn als Standort-Vorteile winken niedrige Kosten und geringe Umweltauflagen. Dementsprechend unsäglich stellen sich die Produktionsbedingungen dar. Kaum oder gar nicht aufbereitet gelangen die Abwässer aus den Fabriken in die Umwelt. Im Falle von Ciprofloxacin und anderen Antibiotika-Wirkstoffen führt das zu Konzentrationen im Wasser von bis zu 31.000 Mikrogramm pro Liter.

Tier-Arzneien
Aber nicht nur Antibiotika aus der Humanmedizin, sondern auch solche aus dem Veterinär-Bereich belasten die Gewässer. Rund 600 Arzneimittel-Wirkstoffe sind als Tierarzneimittel zugelassen. In der Veterinärmedizin werden vor allem Antibiotika gegen bakterielle Infektionen und Antiparasitika, aber auch Entzündungshemmer und hormonell wirksame Substanzen beispielsweise zur Brunft-Steuerung eingesetzt. Die verabreichten Wirkstoffe gelangen hauptsächlich mit der Gülle, aber auch über Hofabflüsse oder mit der Stallabluft auf die Böden und von dort in die Gewässer. Aus Labor-Untersuchungen ist bekannt, dass beispielsweise das als Antiparasitikum eingesetzte Deltamethrin Zuckmücken-Larven im Sediment abtöten kann.
Aufgrund fehlender Monitoring-Daten auch für Veterinär-Arzneien ist eine deutschlandweite einheitliche Darstellung der Belastungssituation von Oberflächen-Gewässern und für das Grundwasser nicht möglich. Im Schnitt der letzten fünf Jahre wurden per anno rund 1.200 Tonnen antibiotischer Wirkstoffe jährlich in deutschen Tierställen eingesetzt. Seit Erfassung der Abgabemengen im Jahr 2011 sind die Mengen um mehr als 50 Prozent zurückgegangen11.
Auch wenn nicht alle Tierantibiotika in der Erhebung erfasst werden, ist dies eine gute Nachricht, denn was nicht eingesetzt wird, kann auch nicht in die Gewässer gelangen. Allerdings sagt die Zahl noch nichts über einen sparsameren Umgang mit den Pharmazeutika in den Ställen aus. Mit Mitteln wie dem Antibiotika BAYTRIL können wesentlich mehr Tiere behandelt werden als mit Mitteln aus den herkömmlichen Antibiotika-Klassen. Eine Tonne BAYTRIL reicht beispielsweise für die Behandlung von über zwei Millionen Mastschweinen aus, die gleiche Menge an Tetrazyklin würde gerade einmal für 39.000 Schweine reichen. Ob heute tatsächlich weniger Tiere mit Antibiotika behandelt werden als vor fünf Jahren, lässt sich also anhand der reinen Tonnagen nicht eindeutig sagen. Sicher ist: In Regionen mit hoher Viehdichte sind nicht nur die Menschen stärker mit resistenten Keimen aus der Tierhaltung belastet, sondern auch die Umwelt.
Bedenklich ist zudem aus Sicht eines vorsorgenden Umwelt- und Gesundheitsschutzes, dass im gleichen Zeitraum gut 13 Prozent mehr Fluorchinolone und knapp 10 Prozent mehr Cephalosporine der 3. Generation an TierhalterInnen abgegeben wurden, also Arzneimittel, die nach Einstufung der Weltgesundheitsorganisation zu den letzten noch wirksamen Mitteln gehören, wenn es um lebensbedrohliche Infektionen bei Menschen geht, und die zum Erhalt der Wirksamkeit für den Menschen nach Ansicht der WHO nicht bei Nutztieren eingesetzt werden sollten. Denn der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung fördert nachweislich die Ausbreitung von Resistenzen. Auch das BAYER-Produkt BAYTRIL mit dem Wirkstoff Enrofloxacin gehört zur Klasse der Fluorchinolone und damit zu den Reserveantibiotika und wird Geflügel, Rindern, Schafen und Schweinen verabreicht.
Antibiotika wie die Fluorchinolone oder die in großen Mengen eingesetzten Tetracycline binden sich überdies an Boden-Partikel. Tetracycline bewirken in Böden eine erhöhte Selektion antibiotika-resistenter Bodenbakterien und führen zu einer Verschiebung in der Zusammensetzung der Boden-Mikroflora. Der Fluorchinolon-Wirkstoff Enrofloxacin hemmt das Wachstum von Grünalgen, Wasserlinsen und Cyonobakterien. In der Veterinär-Medizin zum Einsatz kommende hormonell wirksame Arzneimittel stören wie ihre humanmedizinischen Counterparts selbst in sehr geringen Konzentrationen die Fortpflanzungsfähigkeit von Fischen und können Amphibien schädigen. Von den in deutschen Oberflächengewässern in Konzentrationen oberhalb von 0,1 μg/l nachgewiesenen Arzneimittel-Wirkstoffen befinden sich vier Tierarzneimittel-Wirkstoffe: Sulfadimidin, Sulfamethoxazol, Erythromycin und Trimethoprim. Auch im Grundwasser konnten bereits Arzneimittel aufgespürt werden12. Zu den nachgewiesenen Veterinär-Antibiotika zählen Sulfonamide (Sulfamethoxazol und Sulfamethazin (synonym: Sulfadimidin) sowie Tetracycline (Tetracyclin, Chlortetracyclin, Oxytetracyclin), Trimethroprim und Tylosin. Noch sind die gemessenen Konzentrationen gering und die Funde selten. Dennoch ist es alarmierend, dass Antibiotika überhaupt in unserem Grundwasser zu finden sind. Wir brauchen unser Grundwasser nicht nur als Reservoir für Trinkwasser. Grundwasserkörper sind besonders empfindliche Lebensräume.

Forderungen
Handlungsbedarf, um den Gewässerschutz zu verbessern, sowohl auf Ebene der Gewässerüberwachung als auch hinsichtlich der Risiko-Bewertung und des Risiko-Managements von Pestiziden, Bioziden oder von Tier- und Humanarzneimittel besteht in mehrfacher Hinsicht. Es ist beispielsweise nicht nachvollziehbar, dass Zulassungen erfolgen, obwohl Umweltbelastungen des Wirkstoffes gar nicht überwacht werden können, da eine entsprechend feine Analytik fehlt oder eine Überwachung gar nicht systematisch vorgesehen ist. Die großen Kenntnislücken zur Anwendung und zur Gewässer-Belastung von Bioziden müssen schnellstens geschlossen werden. Darüber hinaus sollten grundsätzlich Maßnahmen zur Reduzierung des Einsatzes von potenziell umweltgefährlichen Stoffen ausgebaut werden, denn die realen Risiken von Stoff-Gemischen werden nicht oder nur unzureichend in der Stoff-Regulierung berücksichtigt. So sollten beispielsweise Alternativen und Innovationen für einen nicht-chemischen Pflanzenschutz und ein nicht-chemisches Schadinsekten-Management viel stärker gefördert werden. Damit einhergehend sollte die Bevölkerung besser über Möglichkeiten zum Verzicht auf Pestizide in Haus- und Kleingärten oder zum Verzicht von biozid-haltigen Anstrichen oder Haushaltsprodukten informiert werden.
Zudem stehen die Firmen in der Pflicht, sich an den Kosten der Trinkwasser-Aufbereitung zu beteiligen. Dies gilt auch für die Produzenten von Pharma-Produkten. Eine entsprechende Forderung hat der Umweltausschuss des Bundesrates bereits im März 2016 gestellt. Auch der „Verband Kommunaler Unternehmen“ (VKU) erwartet das von den Konzernen. „Die Hersteller müssen die Auswirkungen auf Umwelt und Gewässer überwachen und gemeinsam Verantwortung übernehmen“, so die Hauptgeschäftsführerin Katherina Reiche. Bisher haben sich die Pillen-Riesen diesem Anliegen allerdings strikt verweigert. Der von BAYER mitgegründete „Verband der forschenden Arzneimittel-Hersteller“ (VfA) etwa spielt das Problem herunter und will von einer Bringschuld nichts wissen. Dem Geschäftsführer Siegfried Throm zufolge machen Arznei-Stoffe nur „einen geringen Prozentsatz der ingesamt im Abwasser gefundenden Mikro-Verunreinigungen aus. Schon deshalb wäre es unberechtigt, Geldforderungen speziell an die Pharma-Industrie zu stellen“, meint er.
Sodann haben sich die Unternehmen nach dem Kodex der „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ zu richten, der sie dazu anhält, entlang ihrer gesamten Zuliefer-Kette „um eine Verbesserung ihrer Umwelt-Ergebnisse“ bemüht zu sein.
Überdies kommen BAYER & Co. nicht umhin, eine nachhaltige Pharmazie zu entwickeln, die das Übel an der Wurzel packt und schädliche Rückstände erst gar nicht entstehen lässt. Dafür ist es nach Ansicht des Chemie-Professors Klaus Kümmerer nötig, dass die Pillen-Produzenten sich von einem ihrer ehernen Grundsätze verabschieden. „Wenn ein Wirkstoff am Markt erfolgreich sein soll, dann muss er stabil sein“ – dieses Axiom hinterfragt der Wissenschaftler. „Das ist (...) nur Marketing und aus chemischer Sicht nicht unbedingt sinnvoll“, urteilt er. Der Forscher, der an der Lüneburger Leuphana-Universität lehrt, schlägt stattdessen vor, Arzneien zu schaffen, die im Magen mit anderen Substanzen reagieren und sich in der Umwelt dann zu Kohlenstoff und Wasser umwandeln.
Der Gesetzgeber schließlich ist gehalten, die Umweltverträglichkeit von Medikamenten zu einem Zulassungskriterium zu machen und das Wasserrecht zu verschärfen. Auch sollte er das in den Apotheken 2009 abgeschaffte Rückgabe-System für nicht aufgebrauchte Medikamente wieder einführen. Und die EU hat endlich ihre schon seit September 2015 ausstehende Strategie zum Schutz des Wassers vor Pharmazeutika zu verabschieden.
Das PESTIZID AKTIONS-NETZWERK (PAN) plädiert darüber hinaus dafür, Grenzwerte/Schwellenwerte bzw. Umweltqualitätsnormen sowohl für Tier- als auch für Human-Arzneimittel-Rückstände in Gewässern einzuführen. Für Pestizide und Biozide gibt es diese seit Langem. Zudem müssten Arzneimittel-Verunreinigungen mithilfe der Mess-Programme der Wasserrahmen-Richtlinie (WRRL) systematisch erfasst werden. Neben den Antibiotika, die schon aufgrund ihrer großen Anwendungsmengen umwelt-relevant sind und den hormonellen Wirkstoffen, die bereits in sehr geringen Konzentrationen in ökologische Prozesse und Organismen eingreifen können, sind diejenigen Arzneistoffe besonders umwelt-problematisch, bei denen langfristige Auswirkungen erwartet werden, wie bei Substanzen, die als langlebig (persistent), bioakkumulierbar und toxisch eingestuft sind, sogenannte PBT-Substanzen wie z. B. BAYERs CYDECTIN-Antiparasitika mit dem Wirkstoff Moxidectin.
Parallel hierzu sind Vorkehrungen zur Minimierung von Tierarzneimittel-Einträgen in die Umwelt zu treffen. Sie sollten an der „Quelle“ ansetzen, also dort, wo Krankheiten vermieden werden können: Durch verbesserte Tierhaltung und Tierzucht.
Mit all diesen Maßnahmen wäre zumindest ein kleiner Schritt getan, um das für den Menschen lebenswichtige Element „Wasser“ vor den gröbsten Belastungen zu schützen.

Anmerkungen

Malaj, E. et al. (2014). Organic chemicals jeopardize the health of freshwater ecosystems on the continental scale. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 111(26): 9549–54. DOI:10.1073/pnas.1321082111
Helmholtz Zentrum für Umweltforschung, UFZ (2013): Pestizide reduzieren die Artenvielfalt in Gewässern deutlich. Momentane Risikobewertung schützt nicht ausreichend. Pressemitteilung vom 17. Juni 2013: http:www.ufz.de/index.php?de=35329
Umweltbundesamt, UBA (2017): Gewässer in Deutschland: Zustand und Bewertung. http:
www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1968/publikationen/170829_uba_fachbroschure_wasse_rwirtschaft_mit_anderung_bf.pdf
Sachverständigenrat für Umweltfragen, SRU (2016): Umweltgutachten 2016 - Impulse für eine integrative Umweltpolitik, Kapitel 6: Verbesserter Schutz der Biodiversität vor Pestiziden: https:www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/01_Umweltgutachten/2016_Umweltgutachten_HD.html
Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, BVL (2017): Meldungen gemäß § 64 Pflanzenschutzgesetz für das Jahr 2016: http:
www.bvl.bund.de
Umweltbundesamt, UBA (2017): Sind Biozideinträge in die Umwelt von besorgniserregendem Ausmaß? Empfehlungen des Umweltbundesamtes für eine Vorgehensweise zur Untersuchung der Umweltbelastung durch Biozide. UBA-Texte 15/2017: http:www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1410/publikationen/2017-02-27_texte_2017-15_biozideintraege.pdf
Ulrich, U. et al. (2015): Datenlage zur Belastung der Kleingewässer durch Pestizide in Deutschland: ein Statusbericht. In: Hydrologie und Wasserwirtschaft 59 (5). S. 227-238
Müller A. (2014): Themenschwerpunkt Gewässermonitoring/ -schutz. Vortrag im Forum NAP, 03.-04. Dezember 2014, Alexandra Müller, UBA IV 1.3 / Pflanzenschutzmittel: https:
www.nap-pflanzenschutz.defileadmin/user_upload/_imported/fileadmin/SITE_MASTER/content/Dokumente/Grundlagen/Forum/2014/13_2_Praesentation_TOP_9_UBA_Mueller_02.pdf
LAWA (2016): Mikroschadstoffe in Gewässern: http:
www.lawa.de/documents/Uml24-2016_20160126_LAWA_Bericht_Mikroschadstoffe_in_Gewaessern_final_761.pdf
10 Tim aus der Beek et. al. (2016): Pharmaceuticals in the environment – Global Occurences and perspectives. Environmental Toxicology and Chemistry; Volume 35, Issue 4
11 BVL (2017): Vergleich der Abgabemengen der Wirkstoffklassen 2011 bis 2016. https:www.bvl.bund.de/SharedDocs/Bilder/09_Presse/Download_Bilddateien_Presse_Hintergrundinformation/20170911_Tabelle_Antibiotika_Abgabemenge2016_Print.html?nn=1401276
12 PAN (2017): Antibiotikafunde im Grundwasser. Studie unterstützt Forderung nach Einführung eines Grenzwertes für Arzneimittel http:
www .pan-germany.org/download/pestizid-brief/PB2_2016_Antibiotika%20im%20GW_2016_FIN.pdf






[Klima-Killer] Klima-Killer BAYER

CBG Redaktion

CBG protestiert bei Bonner Klima-Konferenz

Aus gegebenem Anlass nahm die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN im November 2017 an den Protesten rund um die Bonner Weltklima-Konferenz teil.

Von Jan Pehrke

Die Chemie-Branche im Allgemeinen und der BAYER-Konzern im Besonderen zählen zu den größten industriellen Klima-Killern. Mit ihren massiven Kohlendioxid-Emissionen tragen die Konzerne maßgeblich dazu bei, dass die Bundesrepublik ihre selbstgesteckten Klimaschutz-Ziele zu verfehlen droht. Darum zog auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) im Herbst 2017 nach Bonn, um sich an den Protesten rund um die Weltklima-Konferenz der Vereinten Nationen zu beteiligen. In seiner Rede auf der Abschluss-Kundgebung der „Schluss mit dem faulen Zauber“-Demonstration am 11. November eröffnete CBG-Geschäftsführer Jens Wegener einen tiefen Blick in das Klimasünden-Register des Leverkusener Multis. 9,87 Millionen Tonnen Kohlendioxid hat er Wegener zufolge 2016 ausgestoßen –160.000 Tonnen mehr als 2015!!! Auch über einen längeren Zeitraum betrachtet zeichnet sich deutlich ein negativer Trend ab: 2006 betrug der Wert noch 9,38 Millionen Tonnen CO2.
Überdies setzt das Unternehmen immer noch stark auf die besonders klima-schädliche Kohle, wie der CBGler in Bonn kritisierte. 32,6 Prozent betrug 2016 ihr Anteil am Energie-Mix des Global Players beim selbsterzeugten Strom, beim zugekauften dürfte er noch höher liegen. Der Konzern hält an der Steinzeit-Technologie fest, weil der Preis stimmt – alles andere interessiert ihn nicht. Dementsprechend lehnt er alle Versuche einer ehrgeizigen Klimaschutz-Politik als zu kostspielig ab. „Die Energie-Wende ist der größte Einschnitt in die Wertschöpfung der deutschen Industrie, den es je gegeben hat“, klagt etwa BAYERs Aufsichtsratsvorsitzender Werner Wenning. Darum versuchte die Aktien-Gesellschaft in Tateinheit mit anderen Unternehmen auch, Maßnahmen wie den Emissionshandel, das Erneuerbare-Energie-Gesetz oder den Klimaschutz-Plan so gut es ging aufzuweichen – mit Erfolg. Als die PolitikerInnen sich beispielsweise daranmachen wollten, den Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten zu einer teureren Angelegenheit für die Industrie zu machen, um der Erd-Erwärmung wirksamer Einhalt zu gebieten, brach ein Sturm der Entrüstung los. Angela Merkel zeigte sich dem nicht gewachsen und musste resigniert feststellen, eine Neuregelung sei „gegen die geballte deutsche Wirtschaft“ nicht durchsetzbar. Unlängst hat die EU hier zwar eine Reform auf den Weg gebracht, aber ohne Ausnahme-Regelungen für energie-intensive Branchen ging auch das nicht über die politische Bühne. Immer wieder verfangen nämlich die Drohungen der Wirtschaft, bei Entscheidungen wider ihre Profit-Interessen das Weite zu suchen. So warnte z. B. der ehemalige BAYER-Vorstandsvorsitzende Marijn Dekkers: „Ansonsten kann sich ein globales Unternehmen wie BAYER überlegen, seine Produktion in Länder mit niedrigeren Energiekosten zu verlegen“. Und jüngst drängte der beim Konzern für „Environment & Sustainability“ zuständige Wolfgang Große Entrup: „Angesichts explodierender Kosten ist eine marktwirtschaftliche und europäische Neuausrichtung der Energie- und Klimapolitik zwingend notwendig.“ Mit einem entsprechenden Vorschlag wartete der „Verband der Chemischen Industrie“ (VCI) just zur Bonner Weltklima-Konferenz auf: „Die Chemie-Industrie regt an, dass künftige Kosten der Energie-Wende vom Bundeshaushalt übernommen werden.“

[40 Jahre CBG] Das Interview zum runden Geburtstag

CBG Redaktion

In diesem Jahr kann die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) ihr 40-jähriges Bestehen feiern. Mit einem ganz frischen Blick auf die Geschichte der Coordination befragt der neue CBG-Geschäftsführer Jens Wegener im Stichwort BAYER das Gründungsmitglied Axel Köhler-Schnura und den 1997 dazugestoßenen Jan Pehrke zu den Anfängen, den ersten Erfolgen, den Gegen-Reaktionen BAYERs, dem Standhalten und den neuen Herausforderungen, vor denen das Netzwerk steht. Aus gegebenem Anlass musste das Interview nur leider am Krankenlager von CBG-Urgestein Köhler-Schnura stattfinden, der schon seit Juni 2017 an einem ebenso komplizierten wie schmerzhaften Oberschenkel-Bruch laboriert (siehe auch Kasten).

Jens: Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN feiert dieses Jahr ihr 40-jähriges Bestehen. Ihre Gründung geht auf zwei große Unfälle bei BAYER im Jahr 1978 zurück. Wie genau ist es denn passiert, dass daraus ein so großes Netzwerk entstanden ist?

Axel: Die zwei Beinahe-Katastrophen ereigneten sich in Wuppertal. Dort gründete sich BAYER im vorletzten Jahrhundert, und das Werk steht mitten in der Stadt. Deswegen sind Unfälle in einem solchen Werk auch besonders gefährlich. Und dass die zwei Unfälle auch noch kurz hintereinander passiert sind, hat dazu geführt, dass sich eine Bürgerinitiative gegründet hat. Unfälle gibt es jeden Tag irgendwo in Deutschland in irgendeinem Industrie-Werk, und sie sorgen auch einige Tage für Aufregung, aber wenn dann erst mal wieder Ruhe einkehrt und das dann anschließend wieder zehn Jahre gut geht, dann passiert halt nichts. Aber in Wuppertal ist im Abstand von wenigen Wochen ein zweiter Unfall eingetreten, und dadurch sind die Leute wach geworden. Ich selbst gehörte zu den Menschen, die damals zu einer Bürgerversammlung aufgerufen hatten. Wir haben eine Gaststätte gesucht, da haben vielleicht 100 Leute reingepasst, aber es kamen fast 1.000. Sie standen dann vor der Gaststätte, und die Polizei musste sogar die Straße absperren und den Verkehr aufhalten für dieses Treffen. Die AnwohnerInnen waren wirklich auf den Barrikaden durch diese kurz aufeinanderfolgenden zwei Unfälle. Hätte es nur den ersten gegeben, kann man heute rückblickend sagen, gäbe es vielleicht gar keine COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN. Dann hätte das alles in der lokalen Presse Wellen geschlagen, und es hätte viele Leserbriefe gegeben und vielleicht einiges mehr, aber dann wäre es wieder verplätschert.

Jan: Es waren aber glaube ich auch nicht nur die Unfälle selber, sondern auch die Reaktionen von BAYER auf die Unfälle, die zu der Empörung führten.

Axel: Nein, es waren erst mal nur die Unfälle. Wobei dann, als die Bürgerinitiative zu arbeiten begonnen hat, sich der Ärger über den Konzern schon gesteigert hat, weil BAYER mit verharmlosenden Falschmeldungen reagiert hat. Beim ersten Unfall hatte es auch bereits solche Falschmeldungen gegeben, und das hat auch da zu Unmut geführt, aber so richtig den Protest beflügelt hat natürlich dann, was nach dem zweiten Unfall passiert ist. Da hat nämlich die Bürgerinitiative schon gearbeitet. Sie konnte so immer direkt reagieren und dem Protest in der Öffentlichkeit auch Stimme und Kraft verleihen. Und verharmlost hat der Konzern nicht zu knapp, z. B. anfangs bei den Angaben über das ausgetretene Gift. Die Menge hat sich binnen drei Wochen von einigen Gramm auf hunderte von Kilogramm erhöht.

Jens: Es ist ja immer wieder so: Es passiert etwas, aber gleich darauf kommt die Meldung: Es besteht keinerlei Gefahr, obwohl es eigentlich gar nicht möglich ist, diese Aussagen zu einem solchen Zeitpunkt zu treffen. Gelang es euch, das in Wuppertal durchkreuzen, indem ihr recherchiert habt und dann mit konkreten Fakten an die Leute herangegangen seid? War das ein wichtiger Impuls dafür, dass die Leute gesagt haben: Wir müssen längerfristig etwas gegen BAYER unternehmen?

Axel: Nein, das war alles viel simpler. Da war erst einmal so die allgemeine Empörung, die Angst. Man hat gesehen, wie die Vögel tot vom Himmel fallen; man hat gesehen, wie die Balkon-Pflanzen und die Straßenbäume ihre Blätter abgeworfen haben; man hat beim ersten Unfall gesehen, wie die ganzen Fensterscheiben und Tür-Stöcke barsten in einem Umkreis von 500 bis 1.000 Metern rund ums Werk. Da hat es ausgesehen wie nach einem Bomben-Angriff. Das haben die Leute gesehen. Aber sie wussten nicht, was das bedeutet, woher das kommt, warum das so ist und ob sich das morgen wiederholen kann. Also so ein ganz diffuses Angst-Gefühl. Man hat plötzlich gemerkt: Hoppla, da ist eine Gefahr, und ich bin betroffen. Deswegen ging es der Bürgerinitiative zuerst einmal darum, rauszukriegen, was überhaupt los war. Also, wir haben keine Fakten gehabt, gar nichts. Wir haben gerade mal gewusst, dass das Wort „BAYER“ aus fünf Buchstaben besteht und nicht mehr und nicht weniger. Und jetzt haben wir angefangen: Was heißt das überhaupt, diese fünf Buchstaben? Da ist eine Werksmauer, und was passiert dahinter? So hat das angefangen.

Jan: Was sind das überhaupt für Gifte? Was ist eine Pestizid-Produktion, wie ist die aufgebaut? Was lauern da für Gefahren? All das wusste damals keiner, es waren alles Laien mehr oder weniger.

Axel: Voll die Laien, keine Ahnung von nichts. So hat das angefangen, und das hat auch zu den Antworten geführt: Das und das ist ausgetreten, aber in einer ganz kleinen Menge. Als wir dann diese Information hatten, haben wir uns erst mal mit dem Stoff auseinandergesetzt, mit der Menge. Dann ergaben sich plötzlich Widersprüche, und BAYER musste ständig nachbessern, weil das alles nicht gepasst hat. Schließlich wurde man immer sachkundiger und ist praktisch erschrocken, dass man eine Straßenbreite getrennt von einer Produktion lebt, die Atomkraftwerkscharakter hat. Das hat dann dazu geführt, dass die Initiative sich stabilisiert und weitergearbeitet hat und letztendlich so etwas wie die Coordination dabei herausgekommen ist.

Jens: Ihr habt da rausgefunden: Wir müssen den Konzern genauer beobachten, wir müssen überall dort mehr recherchieren, wo BAYER zum Schaden von Mensch, Tier und Umwelt agiert. Eine Baustelle war da die Nordsee.

Axel: Du meinst die Proteste gegen die Dünnsäure-Verklappung in der Nordsee – das war fünf Jahre später. So schnell ging das alles nicht. Man hat erst einmal herausgefunden, dass das ein gefährliches Werk war und hat auch die gesamte Komplexität nach ein, zwei Jahren noch nicht so richtig überblickt. Was aber passierte: Ein Jahr später hat sich ein noch viel gefährlicherer und größerer Unfall ereignet, in Dormagen, das ist 30, 40 Kilometer von Wuppertal entfernt. Verschiedene Sachen erfolgten dann. Wir haben erst einmal festgestellt, dass BAYER dort genauso verharmlost und genau dieselben dummen Sprüche bringt, um die Bürger einzulullen und Nebelkerzen zu werfen. Und wir haben festgestellt, dass die Bürger dort genauso beunruhigt waren oder sogar noch sehr viel mehr als bei uns in Wuppertal, weil das tatsächlich tödliche Gifte waren, die da ausgetreten sind. In einem Gebiet von 300 Quadratkilometern wurde Katastrophen-Alarm ausgelöst. Da wir jetzt schon praktisch seit anderthalb Jahren dabei waren, haben wir sofort Kontakt aufgenommen mit den Bürgern und den Journalisten. Und das war ein Quantensprung, in jeder Hinsicht. Bei uns ist die Erkenntnis gewachsen: Oh, BAYER-Werke gibt es also nicht nur in Wuppertal. Das war uns vorher gar nicht so klar, weil wir so beschäftigt waren mit den beiden Unfällen, dass wir Konzern-Strukturen und all das gar nicht gesehen haben. Und über diesen Gedanken sind wir dann auch zum Gesamt-Konzern gekommen – und noch mal ein paar Jahre später zur Nordsee.
Das Zweite war, dass wir den Leuten in Dormagen unsere Erfahrungen, die wir in Wuppertal gemacht haben, vermitteln konnten. Darum hatte der Protest dort von Anfang an eine ganz andere Qualität und entsprechend viel Resonanz. Und da haben wir auch unsere erste Auseinandersetzung mit BAYER direkt gehabt. Der WDR kam für eine Sendung über den Unfall nach Dormagen, die live im Radio übertragen wurde: Vor Ort. Es war jemand von BAYER da, der Bürgermeister, Vertreter der Feuerwehr plus etwa 1.000 Bürger. Aber BAYER ist baden gegangen, in einer verheerenden Art und Weise, weil wir dort aus unseren Wuppertaler Erfahrungen schöpfen konnten und gewappnet waren. Die BAYER-Vertreter wurden ausgebuht und ausgelacht. Das war die Situation, und das alles live über den Sender. Das war die erste große Niederlage, und die hat auch direkt dazu geführt, dass die „Vor Ort“-Sendungen von diesem Zeitpunkt an nicht mehr live gemacht wurden. Und von dieser Sendung gibt es beim WDR nicht einmal mehr Kopien.

Jens: Wenn ein Konzern merkt, dass sich da etwas organisiert, dann versucht er natürlich auch, das zu bekämpfen. Was ist euch da denn so entgegengeschlagen in den ersten Jahren?

Axel: BAYER war in keinster Weise darauf vorbereitet, dass es da jetzt eine Bürgerinitiative gab, die länger besteht als nur zwei Wochen, also eine Kontinuität über die Zeit hinweg zeigt und überdies auch räumlich hinausgreift. Der Konzern hat da relativ hilflos herumoperiert. Mit Falschmeldungen, mit Verleumdungen und mit dem allgemeinen Programm: den Werkschutz in Stellung bringen, mal gucken, was sind das überhaupt für Leute ... das war es dann erst mal. In der Folgezeit, als wir schon systematisch Kontakt zu allen BAYER-Standorten in der Bundesrepublik aufgebaut hatten und regelmäßig die Probleme vor Ort thematisierten, kam die erste große Gegenmaßnahme, die speziell mit unserer Arbeit zu tun hatte. BAYER gab die Nachbarschaftszeitung BAYER direkt heraus. Damit hat der Konzern versucht, der wachsenden BAYER-kritischen Stimmung an den Standorten entgegenzuwirken.
Dann haben sie direkt draufgesattelt und Veranstaltungen gemacht, haben sogar BAYER-Gebäude zugänglich gemacht und als Bürgerzentren ausgewiesen. Dort haben sie den Kontakt zur Bevölkerung gesucht und versucht, sich mit uns auseinanderzusetzen, aber nicht direkt. Nach dieser „Vor Ort“-Sendung hat sich BAYER uns bis auf den heutigen Tag nie mehr direkt gestellt. Wenn dem Konzern etwa bekannt wurde, dass einer von uns bei einer Diskussion mit auf dem Podium sitzt, sagte er alles ab. Bis zum heutigen Tag war das damals in Dormagen das letzte öffentliche Zusammentreffen von BAYER-Vertretern mit Coordinationsvertretern. Aber indirekt hat der Konzern durch diese Nachbarschaftszeitungen, über diese Bürgerzentren versucht, auf uns zu reagieren.
Aber auch da haben sie direkt eine Niederlage erlitten, da wir durch Kontakte in das Werk hinein genau wussten, wann diese Zeitung erscheinen sollte. Und einen Tag vorher verteilten wir dann flächendeckend an allen Standorten den vier-seitigen Flyer „Direkt von BAYER – direkt in den Müll“. Das war die zweite große Niederlage, die BAYER erlitten hat, denn damit hatte der Konzern auch nicht gerechnet, dass wir den Charakter dieses Propaganda-Blattes enthüllen.

Jan: Später hat BAYER dann schon härtere Geschütze aufgefahren. Der Konzern hat den Werkschutz gegen uns in Stellung gebracht. Er hat ihn mit DKP-Fahnen ausstaffiert und zu unseren Hauptversammlungsaktionen beordert, um den Protest als DKP-gesteuert darzustellen. Und in den 1980er Jahren hat BAYER uns einen großen Prozess angehängt, der wirklich an unsere finanzielle Substanz ging. Sie haben sich ein Flugblatt von uns vorgenommen, eine Passage rausgepickt, wo wir dem Konzern vorwerfen, in seiner grenzenlosen Jagd nach Profiten demokratische Prinzipien zu verletzen, Kritiker unter Druck zu setzen und sich politischen Einfluss zu erkaufen und uns wegen Verleumdung angeklagt. Und der Streitwert war, ich weiß nicht, wie hoch war der Streitwert, Axel?

Axel: Der Streitwert war nicht das Entscheidende. Sie haben wegen Verleumdung geklagt, und wir sind verurteilt worden. Der Richter hat sich dann sogar noch angemaßt anzuordnen, dass wir die inkriminierte Passage nicht mehr wiederholen dürfen und dass wir jedes Mal, wenn sie irgendwo erscheint, eine Strafe zahlen müssen von 5.000 DM. Da die ganze Prozess-Berichterstattung logischerweise das inkriminierte Zitat gebracht hat, mussten wir für jeden Artikel 5.000 DM Strafe zahlen. Das hat natürlich zu hohen Strafen geführt, und der Prozess selbst hat auch noch mal eine Menge Geld gekostet. Das hat sich insgesamt auf einen Betrag von 400.000 Euro summiert. Wir sind dann vor das Bundesverfassungsgericht gezogen. Es hat alle Urteile revidiert, und wir haben auch alle Strafgelder zurückbekommen, aber die Prozess-Kosten nicht. Allein das Rechtsgutachten – vor dem Bundesverfassungsgericht kann man nicht bloß mit einer Klage-Schrift argumentieren, man braucht ein Rechtsgutachten – hat uns 100.000 DM gekostet.

Jan: Roman Herzog, der später Bundespräsident geworden ist, hatte damals den Vorsitz und in seiner Urteilsbegründung von dem hohen Gut der Meinungsfreiheit gesprochen, das es zu schützen gelte.

Axel: Wäre das Urteil nicht durch das Bundesverfassungsgericht revidiert worden, dann würden die Zeitungen heute alle ganz anders aussehen. Der Richter, der in der 2. Instanz das Urteil gesprochen hat, riet dem BAYER-Konzern sogar, uns nicht nur zivilrechtlich, sondern auch noch strafrechtlich zu belangen. Wenn er dann der Vorsitzende Richter wäre, hat er wörtlich gesagt, würde er mich für drei Jahre ins Gefängnis stecken. Das zeigt, wie drakonisch dieses Urteil war, und welche Auswirkungen es auf die bundesdeutsche Presselandschaft gehabt hätte. Darum war der Zuschauer-Raum auch voll mit Medien-Vertretern. Da saßen die ganzen Justiziare von Gruner & Jahr, vom Westdeutschen Rundfunk und haben sehr genau zur Kenntnis genommen, wie da die Urteile gefällt worden sind. Das Urteil ist schließlich zu der juristischen Grundlage für jede demokratische Berichterstattung in der Bundesrepublik geworden und gehört inzwischen zum Curriculum der Journalisten-Ausbildung. BAYER hat also von Beginn an immer wieder Niederlagen erlitten, die schon schmerzhaft waren. Das waren so Erfolge, die wir nebenbei erzielt haben, das waren jetzt noch nicht mal so direkte Erfolge wie der,
die Dünnsaure-Verklappung in der Nordsee zu stoppen.

Jens: Zu den größten direkten Erfolgen der CBG gehört die Verhinderung des Baus eines Pestizid-Werkes in Australien. Wie hat sich das genau abgespielt?

Axel: Es war Mitte der 80er Jahre, da gab es noch keinen Email-Verkehr. Da haben wir ein Fax bekommen von Leuten aus einem kleinen Dorf in Australien: Der BAYER-Konzern hätte in der Nähe des Dorfes, das in einem Wattenmeer-Naturschutzgebiet liegt, angefangen, ein Pestizid-Werk zu bauen. Sie wären zutiefst beunruhigt, wüssten aber nicht so genau, was es mit einem solchen Werk auf sich hat und was sie machen sollten. Wir haben die Menschen dann erst einmal über Pestizid-Werke informiert, haben im Austausch herausgefunden, was BAYER genau dort produzieren will und dann Material zu den Stoffen geliefert. Das hat die Leute qualifiziert, ihrerseits Pressevertreter und Vertreter von Umwelt-Organisationen sachgerecht zu informieren. Und wir haben gleichzeitig hier Alarm geschlagen, denn es ist ja immer eine unserer Hauptaufgaben, dass wir Proteste, die woanders entstehen, nicht nur dort austragen, sondern auch immer direkt bei BAYER in Leverkusen.
Nach einiger Zeit kam dann noch heraus, dass BAYER von dem australischen Bundesstaat tatsächlich die Genehmigung hatte, dieses Pestizid-Werk mitten ins Naturschutzgebiet im Wattenmeer zu bauen. Das hat noch weiter zur Skandalisierung des Ganzen beigetragen und dazu geführt, dass eine Konfrontation mit BAYER und dem Bundesstaat entstanden ist und es wenig später übergesprungen ist auf das ganze Land. So ist die Regierung unter Druck geraten und hat in ihrer Not eine Volksabstimmung über das BAYER-Werk angesetzt. Jetzt haben noch ganz andere Gruppen in die gesellschaftliche Diskussion eingegriffen, die Parteien, die Gewerkschaften und die Kirchen. Praktisch ist es zu einer wirklichen nationalen Diskussion darüber gekommen, ob der BAYER-Konzern in dem Wattenmeer ein Pestizid-Werk bauen darf oder nicht. Und die Bevölkerung war der Meinung: BAYER darf da kein Werk bauen. Das war ein gigantischer Sieg. Und wir haben dann hinterher auch dutzende von Dankesbriefen bekommen von Parteien, Gewerkschaften, Umweltverbänden, Kirchen, die sich bei uns persönlich bedankt haben für die großartige Unterstützung in dieser Auseinandersetzung.

Jens: Der BAYER-Konzern hat enorme Möglichkeiten, um seinen Standpunkten in der Öffentlichkeit Geltung zu verschaffen, aber die CBG bringt auch ein eigenes Magazin heraus, in dem sie eine Gegenposition dazu bezieht, das Stichwort BAYER. Wie schafft es die Coordination in einer Zeit, da viele Printmedien über Schwierigkeiten klagen, regelmäßig ein solches Magazin herauszubringen?

Jan: Es sind unsere Mitglieder, die uns dabei unterstützen. Und es war uns von Anfang an klar, dass wir ein publizistisches Organ brauchen, in dem wir darstellen, was wir gemacht haben, die Aktionen durcharbeiten, aber auch durch die Recherchen der Redaktion neue Anregungen für unsere Arbeit erhalten. Nur in unseren großen Krisen stand es mal in Frage, das Stichwort BAYER aufzugeben, aber im Allgemeinen haben wir es immer als sehr wichtig empfunden.

Axel: Jan hat ja schon gesagt: die Mitglieder. Ich würde noch hinzufügen: und die SpenderInnen. Das muss man nämlich wirklich einmal laut und deutlich sagen: Die Mitglieder und Spenderinnen sind unser A und O, denn die Coordination erhält keinerlei institutionelle Förderung. Es gibt keinen Geldgeber, der die Coordination regelmäßig finanziert. Das heißt, wir müssen alles durch Spenden und Förderbeiträge aufbringen – auch das Geld für das Stichwort BAYER. So eine Zeitschrift kostet nämlich: das Layout, der Druck, die Postzustellung ... Über den Preis von 30 Euro für das Jahres-Abonnement ist das nicht zu finanzieren. Es ist ein hoher fünfstelliger Betrag, den wir aufbringen müssen. Und da ist es ein großer Erfolg, dass die Zeitschrift erscheint, und dass sie auch wirklich schon seit Anfang der 80er Jahre erscheint. Das zeigt, dass es möglich ist, eine Zeitschrift herauszubringen, die dauerhaft und mit einer steigenden Auflage einen Konzern unter Kritik stellt mit all den Informationen, die über andere Konzerne nirgends zu lesen sind. Spätere Generationen werden sich darüber freuen. Der BAYER-Konzern ist meines Wissens der einzige Konzern in der ganzen Welt, der in dieser Weise umfangreich dokumentiert ist. Wie es ja auch im Ganzen keinen Konzern gibt, der sich schon so lange mit so etwas wie der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN herumschlagen muss.

Jens: Und der Konzern muss sich seit 1983 auch auf seinen Aktionärsversammlungen mit der Coordination herumschlagen ...

Jan: Ja, meine Vorgänger haben irgendwann entdeckt, dass man Zugang zu den Hauptversammlungen hat, wenn man eine Aktie kauft und das die Möglichkeit eröffnet, Konzern-Kritik direkt in der Höhle des Löwen zu betreiben. Man hat da den Vorstand direkt vor sich und kann ihn direkt damit konfrontieren, was alles so falsch läuft im Unternehmen. Das Pestizid-Werk in Australien z. B. – das haben wir auch da zur Sprache gebracht. Und der Vorstand muss uns aufgrund des Aktien-Rechts auf unsere Fragen auch Antworten geben. Er bemüht sich natürlich nach Kräften, möglichst ausweichende Antworten zu geben, aber manchmal ergeben sich da auch ganz interessante Momente.

Axel: Der BAYER-Konzern hat ja seit der WDR-Sendung in Dormagen zu dem Groß-Unfall nie wieder ein öffentliches Aufeinandertreffen zugelassen von BAYER-Vertretern und Coordinationsvertretern. Und genau deshalb sind wir dann zur Hauptversammlung gegangen. Wir haben gesagt: Wenn die nicht mit uns reden, kommen wir eben zu den Hauptversammlungen und reden mit ihnen.

Jens: Wenn man sich das alles so anhört, wie viel die CBG so macht, dann fragt man sich natürlich: Wie finanziert man das, vor allem unter dem Aspekt, dass der CBG der Anspruch auf Gemeinnützigkeit verweigert wurde?

Axel: Die Verweigerung der Gemeinnützigkeit, was bedeutet, dass Spenden an uns also nicht von der Steuer absetzbar sind, war 1983, in der Frühzeit der Gründung, eine der Maßnahmen, uns das Leben schwer zu machen. In den Akten schrieb der damalige Polizeipräsident von Wuppertal: Diese Organisation darf niemals die Gemeinnützigkeit kriegen. Dabei war klar, dass das ein von BAYER gesteuerter Akt war, weil der Konzern in Wuppertal die ganze Stadt dominiert – an allen Standorten dominiert er die Politik vor Ort. Und auf Landes- und Bundesebene tut er das genauso wie auf internationaler Ebene. Wir haben trotzdem 13 Jahre lang mit steuerrechtlichen und anderen juristischen Mitteln versucht, die Gemeinnützigkeit zu bekommen, aber es ist uns nicht gelungen. Unterstützung haben wir jedoch trotzdem erhalten. Die Leute entscheiden sich und sagen: Ich finde es richtig, Konzern-Kritik zu unterstützen oder eben nicht. Und da spielt es dann nicht die entscheidende Rolle, ob sie dafür eine steuerwirksame Spenden-Quittung bekommen oder nicht. Geld an eine Organisation wie die CBG zu geben, ist eine bewusste Entscheidung, das geschieht nicht einfach aus einem karitativen Impuls heraus.

Jan: Es gab auch gerade wegen der fehlenden Gemeinnützigkeit Solidarisierungseffekte bei den Leuten. Sie wissen eben, dass wir besonders auf Unterstützung angewiesen sind, weil wir keine großen anderen Möglichkeiten haben, unsere Arbeit zu finanzieren, etwa durch institutionelle Förderung oder durch großartige Anträge bei der EU.

Axel: Darum ist eigentlich der größte Erfolg in der Geschichte der Coordination, dass wir über 40 Jahre hinweg sicherstellen konnten, dass die Arbeit der Coordination immer finanziert wurde. Und das ist nicht nur ein finanzieller Erfolg, sondern auch ein politischer Erfolg, weil hinter der Unterstützung immer bewusste Entscheidungen stehen. Es wird tatsächlich wahrgenommen, dass diese Arbeit wichtig ist und dass sie erfolgreich ist.

Jens: Aktuell steht natürlich auch viel Arbeit an, und da ist vor allem die von BAYER geplante MONSANTO-Übernahme zu nennen.

Axel: So etwas wie die MONSANTO-Übernahme haben wir seit Bestehen der Coordination noch nicht erlebt. Seit der Zerschlagung der von BAYER mitgegründeten IG FARBEN nach 1945 hat der Konzern nicht mehr versucht, ein Monopol zu errichten. BAYER galt lange als Konzern, der eine wesentliche Mitschuld an den beiden Weltkriegen trägt und musste vorsichtig agieren, um sich überhaupt wieder im Wirtschaftsbereich zu etablieren.

Jan: In den USA durfte BAYER lange Zeit gar nicht unter dem eigenen Namen auftreten. Erst 1994 gelang es dem damaligen Vorstandsvorsitzenden Manfred Schneider, die bereits im Ersten Weltkrieg von den Amerikanern als „Feindvermögen“ konfizierten Namensrechte zurückzukaufen.

Axel: Aber jetzt setzt der Konzern mit der MONSANTO-Übernahme erstmals wieder – zwar nur in einem Teilbereich – dazu an, ein Monopol zu errichten. Und deswegen halte ich die MONSANTO-Übernahme für das einschneidenste Ereignis überhaupt in der bisherigen CBG-Geschichte. Sollte der Deal zustandekommen, wäre das für die Coordination eine riesige Herausforderung. Wir müssten uns einarbeiten in die MONSANTO-Produkte, die MONSANTO-Standorte und unser Netzwerk ausweiten, zwar keine Übernahme machen wie BAYER, aber unsere Aktivitäten mit dem weltweiten MONSANTO-Protest zusammenführen und tragfähige internationale Kooperationen herstellen. Wir sind jedoch gewappnet. Seit anderthalb Jahren schon haben wir einen internationalen Aufruf, und wir haben 2016 das MONSANTO-Tribunal in Den Haag als Startpunkt für den Aufbau dieses gemeinsamen antikapitalistischen Widerstandsnetzwerkes genommen.

Kasten
Ohne Ihre Hilfe geht es nicht.
Gegen einen internationalen Konzern anzutreten, kostet Geld. Viel Geld. Deswegen braucht die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN Ihre Hilfe. Darum: Schenken Sie uns zum Geburtstag Ihre Fördermitgliedschaft. Oder erhöhen Sie Ihren Beitrag, wenn Sie schon Fördermitglied sind. Natürlich wissen wir, dass das bei vielen nicht geht. Fühlen Sie sich deshalb also nicht bedrängt. Aber machen Sie sich bitte einmal fünf Minuten Gedanken darüber, was es finanziell bedeutet, einem Multi 40 Jahre lang die Stirn zu bieten? Woher soll das Geld für dieses harte Auseinandersetzung kommen? Zumal der CBG aufgrund ihrer konsequent konzern-kritischen Haltung die Gemeinnützigkeit vorenthalten bleibt und sie auch keine institutionelle Förderung erhält.
Zudem geht die Coordination geschwächt in ihr Jubiläumsjahr. Der bei der CBG für die Finanzen zuständige Axel Köhler-Schnura hat sich einen komplizierten Oberschenkel-Bruch zugezogen und kann deshalb schon seit Juni lange nicht mehr mit voller Kraft arbeiten, was sich auch auf die Ertragslage des Netzwerks auswirkt.
Deshalb: Falls Sie Mitglied werden oder Ihren Beitrag erhöhen können, tun Sie das bitte. Ohne Ihre Hilfe geht es nicht!

[Land & Wirtschaft] CBG-Jahrestagung 2017

CBG Redaktion

Die diesjährige Jahrestagung der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN widmete sich dem agro-industriellen Komplex und den Alternativen, die es zum Geschäftsmodell von BAYER & Co gibt.

Von Jan Pehrke

2016 hatte sich die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) auf ihrer Jahrestagung aus gegebenem Anlass mit BAYERs Vorhaben, MONSANTO schlucken zu wollen, befasst. In diesem Jahr nahm sie sich nun vor, den gesamten agro-industriellen Komplex, der durch die momentan geplanten Übernahmen und Fusionen in diesem Sektor noch komplexer zu werden droht, einmal genauer zu durchleuchten. Aber auch die Beschäftigung mit den Alternativen zu den Praktiken der Global Player sollte nicht zu kurz kommen.
Zu Beginn sprach Benjamin Luig vom Südafrika-Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung über „Konzern-Macht im globalen Agrar- und Ernährungssystem“. Dabei blieb er nicht bei den Geschäften von BAYER & Co. stehen, sondern nahm zusätzlich noch andere Markt-Segmente in den Blick: die Düngemittel, den Landmaschinen-Sektor, die Lebensmittel-Ketten und den Nahrungsmittel-Zwischenhandel. In diesen Bereichen hat es Luig zufolge während der letzten Jahre ebenfalls eine massive Konzentrationswelle gegeben, wie im Falle des Agrarchemie-Monopolys maßgeblich getrieben von Großanlegern wie Warren Buffett. Und hinter den Konzernen, die dort die Top-Positionen einnehmen, steht teilweise noch mehr Kapital-Kraft als hinter BAYER & Co., hielt der Wirtschaftshistoriker fest. So machte etwa das Familien-Unternehmen CARGILL, das unter anderem im Zwischenhandel mit Ackerfrüchten und Vieh tätig ist, im Jahr 2016 mehr als doppelt so viel Umsatz wie der Leverkusener Multi.
Am Beispiel Südafrika verdeutlichte der Referent die fatalen Auswirkungen dieser Entwicklung. Das von MONSANTO, BAYER, SYNGENTA, DOWDUPONT und BASF gebildete Oligopol für Pestizide und Saatgut lässt die Preise für diese Inputs stetig steigen. Weitergeben können die Bauern und Bäuerinnen diese Kosten nur begrenzt, denn auf dem Gebiet des Zwischenhandels gibt es ebenfalls nicht viele Akteure. CARGILL besitzt hier ein Quasi-Monopol und hat entsprechend viel Nachfrage-Macht. In dieser Zwickmühle gefangen, treibt es Benjamin Luig zufolge viele landwirtschaftliche Betriebe immer tiefer in die Verschuldung.
Auch Roman Herre von der Menschenrechtsorganisation FIAN zog eine negative Bilanz der Agro-Industrialisierung mit ihrem „Think Big“-Imperativ. Hatte BAYER-Chef Werner Baumann den jüngsten Größenwahn der Branche mit der Dringlichkeit begründet, eine stetig wachsende Weltbevölkerung mit Nahrungsmitteln versorgen zu müssen, so führte der FIAN-Aktivist dieses Argument überzeugend ad absurdum. Nach Herres Ansicht besteht nämlich kein Grund für eine Demographie-Panik: Zwar lebten im Jahr 2013 2,3 Mal mehr Menschen auf der Erde als 1960, aber die Lebensmittel-Produktion habe damit mehr als Schritt gehalten. Sie stieg im selben Zeitraum um den Faktor 3,2. Sogar ein Land wie Indien produziert Überschüsse, weist jedoch trotzdem eine immense Zahl an Hungernden auf – für Herre ein klarer Fall von Markt-Versagen. Aber nicht nur bei den indischen Bedürftigen kommt ein Großteil der landwirtschaftlichen Güter gar nicht an. Weniger als die Hälfte der globalen Ernten lande auf den Tellern, der Rest finde sich in den Trögen der Tiermast-Anlagen oder in den Tanks der Kraftfahrzeuge wieder, rechnete der studierte Geograf vor.
Bereits die in den 1960er Jahren ins Werk gesetzte „grüne Revolution“ hatte eine Lösung des Hunger-Problems mit Hilfe neuer Agro-Technologien versprochen. Aber ihre Verheißungen erfüllten sich nicht. Auf den Philippinen beispielsweise brachte sie vielmehr viele Bauern und Bäuerinnen in Not, so Herre. Geködert von anfangs hoch subventionierten Pestiziden und anderen Gütern, stiegen sie um. Als aber die im Rahmen der Produkteinführungskampagne gewährten Vergünstigungen ausliefen, reichte der Ertrag ihrer Felder nicht, um die Markt-Preise für die Inputs zu zahlen. Die FarmerInnen gerieten so in die Schulden-Falle. Darum drehten dort ForscherInnen zusammen mit den LandwirtInnen in einem Projekt die Uhren zurück: Sie entwickelten ein kleinteiligeres Reisanbau-Modell ohne Hochertragssorten und Pestizid-Einsatz – das zero-chem-farming – und erzielten damit einen beeindruckenden Erfolg. Die Input-Kosten sanken, und trotzdem hatten die Bauern und Bäuerinnen noch eine reichere Ernte als ihre KollegInnen, welche die teureren hybriden, also nicht zur Wiederaussaat geeigneten Arten verwendeten.
Mit Bernd Schmitz trat anschließend jemand ans Mikrofon, der als Praktiker an den von Roman Herre vorgestellten „Alternativen zum industriellen Ernährungssystem“ arbeitet. Aus einer alten Bauernfamilie stammend, die seit mehreren Generationen einen Hof im Hanftal bei Königswinter bewirtschaftet, entschloss er sich im Jahr 2006 zu der Umstellung auf eine ökologische Produktion. Veranlasst dazu haben ihn zwei Dinge: Das Förderprogramm unter der damaligen Landwirtschaftsministerin Renate Künast von Bündnis 90/Die Grünen und die Invasion der gentechnisch veränderten Futterpflanzen, der er entkommen wollte. Jetzt sehen seine Kühe wieder Land und fressen wie von alters her Gras statt der Eiweiß-Bomben aus Soja. Und sogar Hörner dürfen sie wieder haben, auch wenn Schmitz dafür die Stall-Fläche vergrößern musste, um der Verletzungsgefahr bei Rangkämpfen vorzubeugen. „Helden der Arbeit“ sind seine Tiere jetzt zwar nicht mehr, denn sie geben nur noch 6.500 Liter Milch im Jahr statt wie früher 9.000, aber betriebswirtschaftlich geht die Rechnung trotzdem auf. Schmitz kann sich jetzt nämlich das teure Turbo-Futter und die TierärztInnen-Flatrate – sonst obligatorisch in der Milchproduktion – sparen.
Überdies baut der derzeitige NRW-Vorsitzende der „Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft“ noch Kleegras, Winterweizen und andere Ackerfrüchte unter Beachtung der Fruchtfolge an, d. h. er sät jedes Jahr etwas anderes aus, um die Böden zu schonen. Auch pflanzt der Bauer nicht dicht an dicht wie in der konventionellen Landwirtschaft üblich. So kann auch mal der Wind über das Feld wehen und Pilz-Sporen vertreiben, was dem Einsatz von Pestiziden vorbeugt.
Mit solchen chemischen Keulen sucht BAYER die Welt schon mehr als hundert Jahre heim. Damit nicht genug, finden sich noch viele andere, nicht weniger gefährliche Produkte für LandwirtInnen im Angebot des Unternehmens. Jens Wegener von der COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN gab in seinem Referat einen historischen Überblick über die weit verzweigten Aktivitäten des Leverkusener Multis im Agrar-Bereich. Bereits 1892 bringt dieser mit Antinonnin das erste Insektizid auf chemischer Basis heraus. Ein folgenschwerer Schritt, denn solche Gifte entwickelten sich nicht nur zur Landplage, sie erwiesen sich auch als kriegsverwendungsfähig, wie der CBGler erläuterte. Nur eine kleine Abweichung in der Formel, und schon entstanden während des Zweiten Weltkriegs in den BAYER-Laboren aus einer Agro-Chemikalie Nervengase wie Tabun oder Sarin. Das allein führt schon das ganze Ausmaß der Zerstörungskraft dieser Substanzen vor Augen. Von hunderttausenden Todesfällen jährlich durch Vergiftungen berichtete der Geschäftsführer der Coordination. Dem Global Player aber reichte diese eine Risiko-Technologie noch nicht. Auch mit gen-manipuliertem Saatgut experimentierte er früh. Und nun setzt das Unternehmen an, der mit Abstand größte Agro-Konzern der Welt zu werden.
Ob aber die Übernahme MONSANTOs gelingt, steht dahin. Die Aktien-Gesellschaft gebietet nämlich seit fast vierzig Jahren nicht mehr allein über ihr Schicksal, konstatierte der CBGler – und das nicht nur wegen neuer Anteilseigner wie BLACKROCK. Seit 1978 redet auch die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN ein Wörtchen mit. So wie die Coordination zurzeit massiv gegen den MONSANTO-Deal mobil macht, hat sie in der Vergangenheit bereits zahlreiche – und oft genug auch erfolgreiche – Kampagnen gegen die Risiken und Nebenwirkungen einer profit-orientierten Geschäftspolitik durchgeführt. Der CBG gelang es nach Wegeners Worten beispielsweise, in Indien die Kinderarbeit bei den Zulieferern der BAYER-Tochter PROAGRO zu stoppen. Zuvor hatten sich bis zu 2.000 Kinder im Alter von sechs bis vierzehn Jahren zwölf Stunden am Tag für 50 Cent im Baumwoll-Anbau verdingen müssen. Auch schaffte es die Coordination in Kooperation mit Partnern vor Ort, 1987 den Bau eines gefährlichen Pestizid-Werkes in Australien zu verhindern.
Selbst der Leverkusener Multi kann die Folgen der CBG-Arbeit für ihn nicht ganz in Abrede stellen, auch wenn er es mit aller Kraft versucht. Jens Wegener zitierte dazu den heutigen Aufsichtsratsvorsitzenden Werner Wenning, der 2013 in einer Fernseh-Dokumentation zu „150 Jahre BAYER“ sagte: „Die Fragen des Umweltschutzes, die Fragen des Klimaschutzes haben in den letzten Jahren eine erhebliche Bedeutung bekommen, und es war unsere Pflicht, dass wir uns mit diesen Dingen noch intensiver auseinandersetzen. Sicherlich hat einiges, was von unseren externen Kritikern gekommen ist, bestimmte Abläufe auch noch mal beschleunigt.“
Und so zeigte die Jahrestagung denn, dass eine andere Landwirtschaft und noch so einiges mehr möglich ist. Damit gab sie der „Stop BAYER/MONSANTO“-Kampagne zusätzlichen Auftrieb, die 2018 – dem 40. Jahr des Bestehens der CBG – in eine neue Runde gehen wird.

HERVORHEBUNGEN:

Zu Beginn sprach Benjamin Luig vom Südafrika-Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung über „Konzern-Macht im globalen Agrar- und Ernährungssystem“. Dabei blieb er nicht bei den Geschäften von BAYER & Co. stehen, sondern nahm zusätzlich noch andere Markt-Segmente in den Blick: die Düngemittel, den Landmaschinen-Sektor, die Lebensmittel-Ketten und den Nahrungsmittel-Zwischenhandel.

Hatte BAYER-Chef Werner Baumann den jüngsten Größenwahn der Branche mit der Dringlichkeit begründet, eine stetig wachsende Weltbevölkerung mit Nahrungsmitteln versorgen zu müssen, so führte der FIAN-Aktivist Roman Herre dieses Argument überzeugend ad absurdum.

Selbst der Leverkusener Multi kann die Folgen der CBG-Arbeit für ihn nicht ganz in Abrede stellen, auch wenn er es mit aller Kraft versucht.

Die Akte „Glyphosat“

CBG Redaktion

Am 27. November 2017 verlängerte die EU die Zulassung des gesundheitsgefährdenden Pestizid-Wirkstoffs Glyphosat um weitere fünf Jahre. Den Ausschlag dafür gab das positive Votum Deutschlands. Die Absprachen der Großen Koalition brechend, räumte Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) MONSANTO und BAYER den Weg für weitere Geschäfte mit dem umstrittenen Produkt frei. Im Vorfeld hatten unzählige Initiativen die PolitikerInnen davon zu überzeugen versucht, das Mittel aus dem Verkehr zu ziehen. Dazu zählte auch der Offene Brief, den Dr. Gottfried Arnold, Kinderarzt im Ruhestand, geschrieben hatte. Stichwort BAYER dokumentiert das Schriftstück, das wichtige Argumente gegen das Herbizid zusammenträgt, denn geschlossen ist die Akte „Glyphosat“ noch nicht. Vorerst gilt es jetzt, für Verbote auf nationaler Ebene zu streiten.

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
sehr geehrte Frau Umweltministerin Hendricks,
sehr geehrter Herr Agrarminister Schmidt,
sehr geehrter Herr Schulz, sehr geehrter Herr Lindner,
sehr geehrte Frau Göring-Eckart, sehr geehrter Herr Özdemir,
sehr geehrte Frau Kipping, sehr geehrter Herr Riexinger,

als mitdenkende und um Demokratie bemühte Bürger und Fachleute wenden wir uns an Sie mit der entschieden vorgetragenen Bitte, die anstehende Entscheidung über die Fortsetzung der Zulassung des Unkrautvernichters Glyphosat unter besonderer Berücksichtigung des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung zu treffen. Glyphosat ist nach unserer wissenschaftlich begründeten Meinung gesundheitsschädlich und umweltgiftig.
Die chemische Industrie der Pestizid-Hersteller hat – sicher nicht ohne Grund - das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), das dem deutschen Landwirtschaftsminister untersteht, als Berichterstatter für die Glyphosat-Bewertung ausgewählt. Die dahinter zu vermutende Nähe der Agrarchemie-Produzenten zum BfR (1) hat offenbar die Glyphosat-Bewertung (2) beeinflusst. Anders können wir uns nicht erklären, wie ein so großer Unterschied zwischen der Beurteilung der Wissenschaft mit ihren Gift-, Hormon-, Umweltforschern und den Behörden zustande kommen kann.
Insbesondere ist für uns nicht nachvollziehbar, wieso die folgenden Fakten von der Behörde, die für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung vor industriell produzierten Chemikalien federführend zuständig ist, nicht anerkannt werden:
1. die wissenschaftliche Betrachtung aller Komponenten des jeweiligen Glyphosat-Produktes
2. die Anreicherung von Glyphosat oder Resten von Glyphosat-Produkten im Menschen und in der Umwelt (Akkumulation)
3. die Hormon-Schädigung durch den Unkraut-Vernichter
4. die erbgut-schädigende Wirkung von Glyphosat (Mutagenität)
5. die mögliche Krebserzeugung (Kanzerogenität).

1. Die Inhaltsstoffe
Im wissenschaftlichen Bereich gibt es nicht den geringsten Zweifel daran, dass man bei der Beurteilung der Giftigkeit, der gesundheitlichen oder Umwelt-Risiken alle Komponenten eines Gemisches oder Produktes betrachten muss. Dass bei glyphosat-basierten Herbiziden (GBH) anders verfahren werden soll, ist eine absolute Ausnahme und mit wissenschaftlichen Kriterien nicht vereinbar. Insofern muss man die Beschränkung der Überprüfung bei der Zulassung von glyphosat-haltigen Pestiziden auf die „aktive“ Substanz (Glyphosat) und die Nichtberücksichtigung der z. T. giftigeren Zusatzstoffe (3) Netzmittel als Entgegenkommen von Politikern und Behörden an die Pestizid-Hersteller werten. Eine Fülle von Arbeiten hat nachgewiesen, dass viele GBH giftiger sind als Glyphosat allein, das als Bewertungsgrundlage ausgewählt wurde. Schließlich können Hersteller so zu sehr viel geringeren Kosten verschiedene Produkte auf den Markt bringen. Mit Gesundheitsschutz für die Bevölkerung hat das allerdings nichts zu tun. In diesem Sinne werden alle glyphosat-basierten Herbizide von den beurteilenden Behörden BfR, EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) und ECHA (Europäische Chemikalien-Agentur) ... wissenschaftlich nicht korrekt beurteilt, wenn sie sich auf Glyphosat allein beziehen.

2. Die GBH-Anreicherung
In den letzten 20 – 30 Jahren hat sich Glyphosat zu dem am häufigsten angewendeten Pestizid weltweit entwickelt. Es ist global verteilt worden in der Umwelt, angekommen in Luft und Regen, in den Böden, auf dem Getreide, im Oberflächenwasser (in der Ostsee oberhalb des Grenzwertes) und im Grundwasser. Dadurch ist der Unkrautvernichter über unsere Nahrung in kleinen, aber gesundheitlich bedeutungsvollen Mengen in den menschlichen Körper gelangt und hat sich dort in fast allen Organen verteilt. Daten über die Verteilung und Anreicherung im menschlichen Organismus und seinen Organen haben weder die Glyphosat-Hersteller vorgelegt, (...) noch der Berichterstatter BfR – das ist eine nicht hinnehmbare Wissenslücke für die Bewertung des Pestizids!
Dies ist jedoch auch ein schwerwiegendes Versäumnis, da auf diese Weise keine Beobachtung stattfinden konnte, ob und wie sich der Anstieg in verschiedenen Körper-Bestandteilen entwickelt hat. Die Behörden, insbesondere das Agrarministerium und das BfR, hätten mit einer frühzeitigen Erhebung eine mögliche Anreicherung in der Anfangsphase kontrollieren müssen, um zu überprüfen, ob die Aussage der Hersteller, es gäbe bei Glyphosat und AMPA (das Abbauprodukt Aminomethylphosphonsäure) keine Akkumulation, korrekt ist. Nach 15 Jahren Zulassung in Deutschland ist Glyphosat in Lebensmitteln, Futtermitteln, Tieren und Menschen so weit verteilt, dass man bei keiner Kontrollgruppe für statistische Vergleiche eine Nullbelastung (kein Glyphosat) voraussetzen darf. Dieses Problem wurde bei Tier-Fütterversuchen erstmals von der französischen Arbeitsgruppe von Prof. Seralini dargelegt, die nachwies, dass bei Untersuchungen von Umweltchemikalien wie z. B. Glyphosat systematische Fehler dann auftreten können, wenn Futter und Trinkwasser der Tiere nicht auch auf solche „versteckten“ Produkte untersucht werden.
Bei neugeborenen Schweinen, die im Alter von einem Tag wegen Fehlbildungen verstarben oder getötet werden mussten, wurde Glyphosat in praktisch allen Organen gefunden. Diese und andere Untersuchungen an verschiedenen Tierarten zeigen, dass Glyphosat die bedeutungsvolle Blut-Hirn-Schranke passiert. Beim Menschen gibt es hierzu keine Untersuchungen, obwohl bei Ratten Hirnschädigungen durch Pestizid-Gemische mit u. a. Glyphosat nachgewiesen wurden – ebenfalls eine bedenkliche Wissenslücke.
Als Hinweis auf eine unkritische Einstellung des Agrarministeriums und des BfR gegenüber den Pestizid-Herstellern kann man bei wohlwollender Interpretation die Tatsache werten, dass alle der nachfolgend zusammengefassten Untersuchungen zu Glyphosat-Vorkommen im menschlichen Körper nicht von der zuständigen Behörde (Ausnahme: Umweltbundesamt) veranlasst wurden, sondern von Bürgern, Umweltorganisationen oder Bundestagsabgeordneten der Grünen. Eher handelt es sich aber doch um eine juristisch zu bewertende Vernachlässigung des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung (...)
2015 entdeckte Frau Prof. Krüger (Auftrag: Grüne) erstmals in Deutschland in allen 16 Muttermilch-Proben Glyphosat, während das BfR 2016 in keiner von 114 Frauenmilch-Proben Glyphosat fand. Allerdings belegen die glyphosat-freien Ergebnisse der Muttermilch-Untersuchungen des BfR und der USA (MONSANTO) keineswegs, dass in diesen Proben kein Glyphosat enthalten war, sondern lediglich, dass die Untersuchungsmethode ungenauer war als die mit positiven Ergebnissen. Statt also aus Vorsorge-Gründen im genaueren Bereich der Mess-Ergebnisse von Frau Prof. Krüger zu suchen, gab das BfR Gelder für eine Untersuchung mit einer ungenaueren Methode aus, nur um vorzugeben, es sei „kein Glyphosat in der Muttermilch“ zu finden. Unten wird ausgeführt, warum dieser niedrige, vom BfR nicht erfasste Mess-Bereich aus medizinischen Gründen wichtig ist (→ 3. Hormonschädigung).
Dass Glyphosat die Plazenta (Mutterkuchen) passieren kann, ist lange bekannt. Warum bisher das Nabelschnur-Blut von Neugeborenen nur in einer kleinen kanadischen Studie untersucht wurde, scheint wie ein Akt des bewussten Wegguckens. Wenn man als Behörde eine Beurteilung über ein global verteiltes, erbgut-schädigendes und wahrscheinlich krebs-erzeugendes Produkt/Gemisch abgeben soll, ist die Prüfung der Frage nach der Wirkung auf ungeborene Kinder zwingend erforderlich. Diese schwerwiegende Wissenslücke ist erstmals seit April 2017 durch eine thailändische Studie teilweise reduziert worden. Erstaunlicherweise sind die Glyphosat-Werte in der deutschen Muttermilch ähnlich hoch wie die Blutwerte der thailändischen Neugeborenen. Völlig unbekannt ist aber, welche Auswirkungen diese auf die Gehirn- (fehlende Blut-Hirn-Schranke!) und Gesamt-Entwicklung des Kindes in der Schwangerschaft und damit auf das spätere Erwachsenenalter haben.
Ein Vergleich von Glyphosat-Werten bei Neugeborenen mit angeborenen Fehlbildungen ist nirgendwo zu finden, obwohl in Südamerika in den GBH-Anwendungsgebieten eine Zunahme von Wirbelsäulen-Fehlbildungen mit „offenem Rücken“ (meist mit angeborener Querschnittslähmung) und vermehrtes Auftreten von Krebs bei Kindern berichtet wurde.
Die wichtigen Auswertungen von Frau Prof. Krüger einer von Bürgern initiierten und bezahlten Urin-Untersuchung („Urinale 2015“) ergaben nicht nur, dass 99,6 % der Urin-Proben Glyphosat enthielten, sondern auch, dass die höchsten Glyphosat-Belastungen in der jüngsten Altersgruppe (0 - 9 Jahre) 4 vorkamen! Das BfR bleibt – bei aller berechtigten Kritik an der Studie – die Antwort auf dieses wichtige Problem schuldig. Stattdessen versucht das BfR, mit einer scheinbar wissenschaftlichen Berechnung anhand der selbst erstellten ADI-Werte (Acceptable Daily Intake = erlaubte tägliche Aufnahme) die Tatsachen zu verniedlichen (s. u.). Ungleich bedeutungsvoller ist doch die damit abgeblockte Frage, ob die aufgenommene Glyphosat-Menge im Urin einen negativen Effekt auf die Gesundheit hat und welche Ursache und welche Auswirkungen diese Höchstwerte bei den Kindern (5) für ihre Nierenfunktion (6) langfristig haben. Hier treten Wissenslücken bei den Abbau-Wegen von Glyphosat zutage: Eine einzige Untersuchung legt die Vermutung nahe, die Halbwertszeit könnte im Gegensatz zur Ratte mit 33 Std. beim Menschen 3 - 4 Std. dauern; über Verteilung oder Anreicherung in bestimmten Organen gibt es keine Informationen. Außerdem wurde das von Prof. Krüger angesprochene Problem auch in einer kürzlich erschienenen dänischen Studie mit verblüffend ähnlichen Messwerten beobachtet, die ebenfalls belegen, dass der Urin von Schulkindern im Alter von 6 -11 Jahren signifikant stärker mit Glyphosat belastet ist als der ihrer Mütter.
Die fehlende Erklärung für dieses mehrfach beobachtete und für die Entwicklung der Kinder möglicherweise bedeutungsvolle Phänomen wiegt schwer. Denn bisher ist in mindestens 8 Staaten (7) bevorzugt bei jungen Agrar-Arbeitern ein unerklärtes Nierenversagen (CKDu = chronische Nierenerkrankung unbekannter Ursache) aufgetreten, wahrscheinlich durch das Zusammenwirken von Glyphosat und Schwermetallen (8). In Sri Lanka sind ca. 20.000 Menschen daran verstorben, so dass Sri Lanka und El Salvador glyphosat-basierte Herbizide verboten haben.

3. Die Hormonschädigung
Studien an Zellkulturen zeigen, wie wenig Roundup (GBH von MONSANTO) in wie kurzer Zeit ausreicht, um eine hormonelle Wirkung zu erzielen. Beachtenswert ist auch, dass die geringen Glyphosat-Mengen in deutscher Muttermilch (Krüger, 2015) und im Blut thailändischer Neugeborener in einem Größenordnungsbereich liegen, der Studien zufolge genügt, um ein Wachstum hormon-abhängiger Brustkrebszellen auszulösen.
Bei Tier-Studien überrascht, dass so viele Arbeiten im Bereich oder sogar unterhalb des „No Observed Adverse Effect Levels“ (NOAEL) – unter dem angeblich keine schädlichen Nebenwirkungen gefunden werden – gesundheitsschädigende Auswirkungen auf das Zwischenhirn, die Hirnanhang-Drüse und sehr viele Hormon-Drüsen der getesteten Ratten hatten! Der Widerspruch löst sich für die Verbraucher auch nicht auf durch den Hinweis, dass sich der NOAEL-Wert auf reines Glyphosat bezieht, denn Verbraucher sind den Produkten ausgesetzt. Reines Glyphosat gibt es nur im Labor.
Diese Beispiele sind aber auch ein Beleg für die wissenschaftliche Unvollkommenheit der Grenzwert-Erstellung von ADI- und NOAEL-Werten, die aus wenigen Mess-Werten auf einen „Null-Wirkungs-Bereich“ zurückschließt, dabei aber wesentliche Wirkungen im Niedrigdosis-Bereich und die oft U- oder V-förmigen, nicht-monotonen Dosis-Antwort-Kurven hormonell wirksamer Substanzen nicht berücksichtigt (d. h. hier stimmt der Grundsatz „Die Dosis macht das Gift“ nicht, Anm. SWB).
Außerdem wird in diesen Beispielen nur die Wirkung einer einzelnen Substanz (Glyphosat) oder eines Gemisches (GBH) in diesen unvollkommenen wissenschaftlichen Blick genommen. Es gibt fast keine exakten wissenschaftlichen Untersuchungen zur Kombinationswirkung etwa aller hormon-artig, z. B. östrogen-artig wirkenden Chemikalien in unserer Lebenswelt: Persistente, also schwer abbaubare Fremd-Östrogene aus PCB-, Dioxin-, DDT- und Flammschutzmittel-Rückständen sowie weniger persistente hormonschädigende Substanzen aus Plastik-Weichmachern, Kosmetika und Pestiziden wie Glyphosat.
Besonders zu beachten ist bei den Tierversuchen, zu welchem Zeitpunkt die GBH-Einwirkung erfolgte (Schwangerschaft, um die Geburt herum, im Erwachsenenalter) und in welchem Alter die Ergebnisse festgestellt wurden: So zeigen Dallegrave (9), Romano (10) und de Souza (11) dauerhafte Auswirkungen von GBH, das in der Schwangerschaft und um die Geburt herum verabreicht wurde, auf das gesamte Erwachsenenalter!
Auch beim Menschen gibt es deutliche Hinweise darauf, dass östrogen-artige Fremdhormone in der Schwangerschaft bei Jungen Hodenhochstand, Fehlmündung der Harnröhrenöffnung (Hypospadie), bei erwachsenen Männern zu beeinträchtigter Fruchtbarkeit und evtl. Hodenkrebs führen können. Ob das ebenfalls östrogen-artig wirkende Glyphosat bzw. GBH eine solche Wirkung hat oder unterstützt, ist bisher nicht untersucht worden, obwohl es naheliegend ist. Entsprechend muss bei Mädchen/Frauen darüber nachgedacht werden, ob eine erhöhte Menge von Östrogenen in der Frühschwangerschaft eine Ursache für die bisher ungeklärte erhebliche Zunahme (12) von Brustkrebs in Deutschland/weltweit ist. Zwar gibt es nach mehr als 30 Jahren wissenschaftlicher Beobachtung jetzt den Nachweis, dass DDT in der Schwangerschaft Brustkrebs bei erwachsenen Frauen fördert, für Glyphosat oder GBH gibt es keine Untersuchungen, sondern nur drängende offene Fragen.

4. Die Erbgut-Schädigung
Ein möglicher Mechanismus der Krebs-Entstehung durch Glyphosat ist die (...) Erbgutschädigung, die an Zellkulturen im „Reagenzglas“ (in vitro) oder an lebenden menschlichen Zellen (in vivo: weiße Blutkörperchen, Wangenschleimhaut) untersucht wurde. Obwohl fast alle unabhängigen Wissenschaftler, incl. der Krebsforscher der WHO (IARC), die gentoxische Wirkung von Glyphosat/GBH für eindeutig nachgewiesen halten an Pflanzen, Tieren und Menschen, bewerten das BfR und die ECHA in ihrer abschließenden Beurteilung Glyphosat als „nicht mutagen“. Dabei wurde u. a. von Clausing (13) darauf hingewiesen, dass die mit dem Ames-Test gelieferten Gegenbeweise deshalb nicht zählen, weil Glyphosat ein Breitband-Antibiotikum (S.18ff von 70) ist und dadurch Bakterien abgetötet werden können, an denen die Erbgut-Schädigung geprüft werden sollte. Auch diese Fakten streitet das BfR immer noch ab, um gegen die Mutagenität von Glyphosat argumentieren zu können.

5. Die Kanzerogenität

Die Krebsforscher der WHO (IARC) haben in ihrer zusammenfassenden Beurteilung von Glyphosat hervorgehoben ((http:monographs.iarc.fr/ENG/Monographs/vol112/mono112-10.pdf), dass:
1. Glyphosat erbgutschädigend (mutagen, gentoxisch: S.78) ist
2. Glyphosat bei Tieren eindeutig krebserzeugend (kanzerogen: S.78) ist
3. Glyphosat nach den WHO-Kriterien wahrscheinlich krebserzeugend beim Menschen (S.78) ist.

Der IARC zählt als mögliche Mechanismen, wie Glyphosat krebsauslösend wirkt, die Erbgutschädigung und den oxidativen Stress auf ((Stoffwechsel-Schädigungen z. B. durch freie Radikale, Anm. SWB).
Der unabhängige Toxikologe Dr. Peter Clausing hat seit Jahren die Diskussion über Glyphosat kritisch verfolgt, war u. a. als Experte beim MONSANTO-Tribunal (2016) und als Beobachter anwesend bei der Verhandlung der Europäischen Chemikalien-Agentur (ECHA), die die letzte Beurteilung zu Glyphosat (14) abgeben musste vor der jetzt anstehenden Entscheidung über eine weitere Zulassung. In seinem detaillierten und präzise begründeten Artikel führt Clausing aus, warum er – wie auch der ehemalige Direktor des „US National Center for Environmental Health“ und der „US Agency for Toxic Substances and Disease Registry“, Prof. Christopher Portier (15) – Glyphosat als krebserzeugend ansehen im Sinne der 1 B-Klassifikation der EU (...): Nach der EU-Verordnung EG 1272/2008 genügen 2 voneinander unabhängige Tier-Studien mit Krebs-Befunden, um eine Substanz als krebserzeugend einzuordnen, für Glyphosat liegen aber bereits (...) 7 Studien mit positiven Krebsbefunden vor.
Ferner ist nach der Pestizid-Verordnung der EU von 2009 die Zulassung nicht gesetzes-konform wegen seiner „schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen“, auf die hier in ausreichendem Maße hingewiesen wurde.
Eine Zunahme von Krebs-Erkrankungen hat sich in den letzten 20 – 30 Jahren deutlich gezeigt u. a. bei:

a) Brustkrebs bei Frauen um 13 % in Deutschland zwischen 2003 u. 2013 (16). Ursachen für den Anstieg von ca. 1 % pro Jahr werden mehr in Umweltfaktoren gesehen, zumal Migrantinnen aus Japan mit seltenerem Brustkrebs-Vorkommen nach Umsiedlung in die USA sich innerhalb von wenigen Generationen angleichen.
b) Prostatakrebs: rückläufig in Deutschland um 14 % zwischen 2003 u. 2013 (siehe Anm. 16, Bericht zum Krebsgeschehen, S. 40); in Großbritannien seit den frühen 1990ern: + 44%, zwischen 2003 und 2014: + 6 %
c) Hodenkrebs: siehe dort Diagramm Fig. 2.2, S. 59 (=87/289) Nord-EU und weltweit: siehe dort Fig. 4
d) „Lymphdrüsenkrebs“ (18)
bei Frauen: + 7 % in Deutschland zwischen 2003 u. 2013 (dort S. 44);
bei Männern: +10 %
Werte zum Non-Hodgkin-Lymphom in Großbritannien liefern genaue Zahlen zu dem in epidemiologischen Studien bei Menschen (19) im Zusammenhang mit Glyphosat aufgetretenem „Lymphdrüsenkrebs“: + 39% seit den frühen 1990er Jahren.

6. Abschließende Überlegung und Forderungen

Entgegen den Ankündigungen der Hersteller bzw. Anbieter wie BASF, MONSANTO und BAYER haben sich Glyphosat bzw. GBH in der unbelebten Natur, in Tieren und Menschen in erheblichen Mengen angesammelt infolge eines ungebremsten weltweiten Einsatzes zur scheinbar kostengünstigen (20) Arbeitserleichterung in der Agrarwirtschaft. Die in Abhängigkeit geratene Landwirtschaft nimmt weiter die Pflanzen-Fruchtbarkeit negativ beeinflussende Unkrautvernichter hin und muss für steigende Pestizid-Mengen zahlen, denn eine Resistenz-Entwicklung ist längst eingetreten.
Der Gesellschaft sind dadurch aber nicht nur scheinbar kostengünstige Nahrungsmittel angeboten worden, sondern es sind bisher nicht komplett erfasste Kosten entstanden durch den erheblichen Rückgang der Artenvielfalt (Nahrungskette Insekten-Vögel), die Pestizid-Beseitigung aus unserer Umwelt (Bsp. Wasser) und eine nicht hinreichend zugeordnete Zunahme von Krankheitskosten (...)
Die Zunahme von Erkrankungen in den letzten 20 – 30 Jahren ist lautlos erfolgt. Politiker und Behörden haben versäumt, Forschungsgelder bereitzustellen, um den Zusammenhang zwischen der erbgutschädigenden, hormon-artigen Wirkung der am häufigsten angewendeten Pestizide (GBH) und der Zunahme von Erkrankungen hersteller-unabhängig wissenschaftlich zu überprüfen.

Dabei liegen für diesen Zeitraum z. T. Zahlen vor für einen Anstieg von

1. Krebserkrankungen: s. o.

2. chronischem Nierenversagen mit Dialyse-Pflichtigkeit um ca. 50 % zwischen 1996 und 2006
(s. o. Glyphosat-Verbot Sri Lanka u. El Salvador)

3. Angeborenen Fehlbildungen (mindestens über die hormon-artige Wirkung):
a) Hodenhochstand: S. 61 (=89/289) in der EU und weltweit (21)
b) Hypospadie (Fehlmündung der männl. Harnröhrenöffnung): S. 29 (=37/93) ff (22)
c) Beeinträchtigungen von Fruchtbarkeit/Samenqualität: Fig. 1 u. 2. (23)

Auch wenn eine genaue mengenmäßige Zuordnung nicht bis ins Detail geklärt ist, kann ein genereller ursächlicher Zusammenhang zwischen diesen Erkrankungen und Glyphosat nicht abgestritten werden aufgrund folgender Hinweise:

1. der Nachweis aus Zellkulturen und Tierversuchen von vielfältigen Auswirkungen von Glyphosat/GBH auf unterschiedliche Hormonsysteme:

a) Nebennieren-Hypophysen-Achse mit Cortisol und ACTH
b) Geschlechtshormone Östrogen, Progesteron, Testosteron und deren übergeordnete Regulatoren (Gonadotropine)
c) Schilddrüsenhormone und TSH (übergeordnetes Schilddrüsen-Hormon)

2. diese glyphosat-bedingten Hormon-Störungen haben bei Tieren, obwohl nur zeitweise in der Schwangerschaft, um die Geburt herum oder in der Stillzeit angewendet, zu lebenslangen, irreversiblen gesundheitlichen Problemen oder Erkrankungen im späteren bzw. Erwachsenenalter geführt:

a) vorzeitiger Pubertätsbeginn im Jugendalter der Tiere
b) verändertes Sexualverhalten bei erwachsenen Tieren
c) verminderte Spermien-Zahl und vermehrt fehlgebildete Spermien
d) Störung der Schilddrüsen-Regulation

3. zusätzlich zu gutartigen Tumoren wurde durch Glyphosat/GBH eine Förderung folgender Krebsarten bei Mäusen und/oder Ratten nachgewiesen:

a) „Lymphdrüsen-Krebs“ (maligne Lymphome) – mehrere Studien (24), (25), (26), (27)
b) Blutgefäß-Krebs (Hämangiosarkom) – mehrere Studien( 28), ( 29)
c) Bauchspeicheldrüsen-Krebs (30)
d) Nieren-Krebs (31)

4.Wissenschaftler aus dem medizinischen und naturwissenschaftlichen Bereich haben wiederholt auf den Zusammenhang hingewiesen zwischen Krankheiten

a) und Glyphosat/GBH: Portier (32), Benbrook (s. a. Projekt) (33), Myers (34)
b) und hormonschädigende Substanzen:

Endocrine Society (35): weltweite Vereinigung der Hormonwissenschaftler
Figo: Weltverband der Gynäkologen u. Geburtshelfer (36)
TENDR 2016 (37), 2017 (38): Projekt von Kinderärzten u. Toxikologen zum Schutz der körperlichen und geistigen Entwicklung von Kindern (USA) vor Umweltchemikalien.

FORDERUNGEN:
1. Anwendung des geltenden EU-Rechtes, das den Gefährdungsgedanken (globales Glyphosat-Vorkommen, Gefährlichkeit der Substanz) und das Vorsorgeprinzip ausdrücklich hervorhebt:

a) nach der Chemikalien-Verordnung von 2008 und der Pestizid-Verordnung von 2009 muss Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend beim Menschen, basierend auf Tierversuchen (Kategorie 1B der Krebsgefährdung) eingeordnet werden und wegen genügender Evidenz (bösartige Tumore „in mindestens 2 voneinander unabhängigen validen Tier-Studien“ Article 3.6.2.2.3.b eingeordnet und dementsprechend verboten werden. Entsprechendes gilt wegen der Giftigkeit (Toxizität) auch nach Anhang II der Pestizid-Verordnung, 3.7.2.3. (S.43/50)
b) für die Erbgutschädigung (Mutagenität) und die
c) Fortpflanzungsschädlichkeit (Reproduktionstoxizität)

2. Umstrukturierung oder Abschaffung einer Behörde (BfR), die wie im Falle von Glyphosat jahrelang im Einvernehmen mit den Pestizidherstellern (u. a. BAYER, MONSANTO), aber im Widerspruch zu unabhängigen Wissenschaftlern und entgegen ihrem Auftrag die Menschen in der EU den Gesundheitsgefahren durch eine erbgut-schädigende, hormon-schädigende, krebs-erregende Substanz aussetzt. Dabei ist sie nicht in der Lage, einen Interessenkonflikt zu erkennen und zu kontrollieren.

3. Die Einführung einer standardmäßigen Nach-Beobachtung
a) zur Frage der Verteilung in der Umwelt
b) zur Giftigkeit, incl. Krebs-Erzeugung zu bestimmten Zeiten nach der ersten Zulassung durch unabhängige Wissenschaftler zu Lasten der Hersteller, die bis dahin eine Menge Gewinne erzielt haben.

4. Wie in unserer Gesellschaft bei jeder wissenschaftlichen Arbeit üblich, muss es auch in Zukunft für Firmen- oder Behördenmitarbeiter verbindlich sein, Pressemitteilungen, Anordnungen oder sonstige Schriftsätze als Einzelperson oder als Team mit den Unterschriften aller Verantwortlichen zu versehen.

5. Geheime oder unveröffentlichte Zulassungsstudien (siehe Fußnoten 24-31) darf es in Zukunft nicht mehr geben.

Aus den genannten Gründen muss die Zulassung für glyphosat-basierte Herbizide mit sofortiger Wirkung beendet werden.

Mit freundlichem Gruß
Dr. Gottfried Arnold, Kinderarzt Es besteht kein Interessenkonflikt.

ANMERKUNGEN

(1) Ein kleiner Ausschnitt mit wortwörtlichem Vergleich ist veröffentlicht beim Umwelt-Institut München.
(2) Burtscher-Schaden, H., Die Akte Glyphosat - Wie Konzerne die Schwächen des Systems nutzen und damit unsere Gesundheit gefährden. Kremayr & Scheriau, Wien, 2017. http:
www.kremayr-scheriau.at/bucher-e-books/die-akte-glyphosat-918
(3) Mit dem Hinweis auf das „Betriebsgeheimnis“ dürfen Pestizid-Produzenten nach deutschem und EU-Recht bestimmte Zusatzstoffe aus der Deklarationspflicht herausnehmen.
(4) 1.58 ng/mL = Mittelwert von Glyphosat im Urin der Kinder unter 9 Jahre = ca. 16 x höher als oberer Grenzwert für Glyphosat im Trinkwasser
(5) Besonders drängend erscheint diese Frage innerhalb der EU für portugiesische Kinder zu sein, wenn man die Spitzenwerte im Urin in Portugal betrachtet
(6) In Deutschland ist chronisches Nierenversagen (Nieren-Insuffizienz) zwischen 1996 und 2006 um ca. 50 % gestiegen.
(7) Sri Lanka, Indien, El Salvador, Costa Rica, Nicaragua, Ägypten, Tunesien, Bulgarien
(8) Über die Chelat-Bildung, wodurch auch die Halbwertszeit stark verlängert werden kann, haben sowohl Krüger:
Einfluss von Glyphosat und AMPA auf Boden, Pflanzen, Tiere
(https:www.naturland.de/images/Erzeuger/Fachthemen/Fachveranstaltungen/Pflanzenbau/2015/Sigoelveranstaltung/EinflussvonGlyphosatundAMPAaufBodenPflanzenTiereProfemDrMonikaKrueger.pdf) 14ff und Samsel und Seneff: Gyphosate, pathways to modern diseases IV: cancer and related pathologies (www.researchgate.net) als auch Burtscher-Schaden (Die Akte Glyphosat, S.26) sich geäußert
(9) Pre- and postnatal toxicity of the commerical glyphosate formulation in Wistar rats, Dallegrave, Eliane et. al.; Archives of Toxicology. Archiv für Toxikologie; Heidelberg Vol. 81, Iss. 9, (Sep. 2007: 665-73)
(10) Glyphosate impairs male offspring reproductive development by disrupting gonadotropin expression, Romano MA et. al.; Archives of Toxicology, 2012 April; 86 (4): 663-73
(11) Perinatal exposure to glyphosate-based herbicide alters the thyrotrophic axis and causes thyroid hormone homeostasis imbalance in male rats, de Souza JS et. al.; Toxicology; 2017 Feb 15; 377: 25-37
(12) Anstieg von Brustkrebs bei Frauen zwischen 2003 und 2013 um 13 %: Bericht zum Krebsgeschehen in Deutschland 2016 (S. 36 =38 von 274: „aktueller Trend“ 1,3 %/Jahr)
http:
edoc.rki.de/documents/rki_fv/renGkGzAqwKc2/PDF/28oaKVmif0wDk.pdf
(13) Glyphosat und Krebs: Systematischer Regelbruch durch die Behörden, Peter Clausing; www.pan-germany.org
(14) ECHA, Rapporteur appointed by RAC: Christine Bjørge, Opinion of the Committee for Risk Assessment on a Dossier proposing harmonised Classification and Labelling at EU Level/glyphosate (ISO), 15 March 2017. https:echa.europa.eu/documents/10162/2d3a87cc-5ca1-31d6-8967-9f124f1ab7ae
(15) Portier, C. J., Letter to Jean Claude Juncker, President of the European Commission
28 May 2017. http:
www.gmwatch.org/files/Letter_Juncker_28_May_2017.pdf
(16) Bericht zum Krebsgeschehen in Deutschland 2016; S.36, Tabelle links oben, aktueller Trend
http:edoc.rki.de/documents/rki_fv/renGkGzAqwKc2/PDF/28oaKVmif0wDk.pdf
(17) State of the science of endocrine disrupting chemicals – 2012, www.who.int
(18) Ein genauer Vergleich zu dem von der WHO in Zusammenhang mit Glyphosat als Ursache gebrachten Non-Hodgkin-Lymphom ist leider für Deutschland nicht möglich
(19) Non-Hodgkin lymphoma and occupational exposure to agricultural pestizide chemical groups and active ingredients, Shinasi L.; Leon ME; International Journal of Environmental Research and Public Health; 2014 Apr. 23; 11 (4): 4449-527. Siehe dort u. a. Table 5: der Wert von 0 % belegt eine hohe Konsistenz für einen Zusammenhang zwischen NHL-Subtyp B-Zell-Lymphom und Glyphosat.
(20) Die tatsächlichen Kosten müssten mindestens die Beseitigung von Glyphosat/GBH aus der Umwelt, die beeinträchtigte Bodenfruchtbarkeit, die ökologischen Schäden und Krankheitskosten durch die Gesundheitsschädigung berücksichtigen. Für hormonschädigende Substanzen in der EU hat Trasande eine Berechnung vorgelegt: Estimating Burden and Disease Costs of Exposure to Endocrine-Disrupting Chemicals in the European Union; The Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism; 2015 April; 100 (4): 1245-1255
(21) State of the science of endocrine disrupting chemicals – 2012, S. 61(=89/289); www.who.int
(22)Endocrine disrupters and child health;
http:
apps.who.int/iris/bitstream/10665/75342/1/9789241503761_eng.pdf
(23)Male Reproductive Disorders and Fertility Trends: Influence of Environment and Genetic Susceptibility, Niels E. Skakkebaek et. al.; Physiological Reviews; Jan 2016; S. 55-97
(24) Atkinson, D., Unpublished Study, 1983
(25) Sugimoto, Unpublished Study, 1997
(26) Carcinogenicity Study with Glyphosate Technical in Swiss Albino Mice, Kumar, D.; Toxicology Department Rallis Research Centre, Rallis India Limited, Unpublished, 2001
(27) Wood, B., Unpublished, 2009
(28) Atkinson, D., 1983
(29) Sugimoto, Y., 1997
(30) A lifetime feeding study of glyphosate (Roundup technical) in rats, Lankas, G., Unpublished report, Bio/Dynamics, Inc., East Millstone, 1981
(31) A chronic feeding study of glyphosate (Roundup technical) in mice, Knezevich AL et al.; Unpublished Report, Bio/Dynamics, Inc., East Millstone, 1983
(32) Differences in the carcinogenic evaluation of glyphosate between the International Agency for Research on Cancer (IARC) and the European Food Safety Authority (EFSA), Christopher J Portier et. al.; Journal of Epidemiology and Community Health; 2016 Aug; 70 (8): 741-745
(33) Trends in glyphosate herbicide use in the United States and globally, Charles M. Benbrook; Environment Science Europe; (2016) 28:3
(34) Concerns over use of glyphosate-based herbicides and risks associated with exposures: a consensus statement, John Peterson Myers et. al.; Environmental Health (2016) 15: 19
(35) EDC-2: The Endocrine Society’s Second Scientific Statement on Endocrine-Disrupting Chemicals, A. C. Gore et. al.; Endocrine Reviews; (2015) Dec 36 (6)
(36) International Federation of Gynecology and Obstetrics opinon on reproductive health impacts of exposure to toxic environmental chemicals, Gian Carlo Di Renzo et. al.; International Journal of Gynecology & Obstetrics; Volume 131, Issue 3 (2015) Dec 219-225
(37) Project TENDR: Targeting Environmental Neuro-Developmental Risk. The TENDR Consensus Statement; Environ Health Perspect; DOI: 10.1289/EHP358
(38) Targeting Environmental Neurodevelopmental Risks to Protect Children, Deborah Hirtz et. al.; Pediatrics; Feb 2017, Volume 139/Issue 2

KASTEN

Die COORDINATION GEGEN BAYER-GEFAHREN (CBG) lehnt Tierversuche ab. Auch im Fall von Glyphosat haben diese sich als unzuverlässig erwiesen. Hätten die verantwortlichen Fachgremien sich bei der Beurteilung des Antiunkraut-Mittels auf epidemologische Studien gestützt, so wäre der Beweis für die Gefährlichkeit des Stoffes eindeutig ausgefallen. Nicht zuletzt wegen ihrer zweifelhaften Aussagekraft stellt sich die CBG gegen Experimente am „Tier-Modell“und setzt sich stattdessen für Alternativen wie etwa Tests mit menschlichen Zell-Kulturen ein.